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Ernst Karner
Gutgläubiger Mobiliarerwerb Zum Spannungsverhältnis von Bestandschutz und Verkehrs...
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Ernst Karner
Gutgläubiger Mobiliarerwerb Zum Spannungsverhältnis von Bestandschutz und Verkehrsinteressen
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ao. Univ.-Prof. Dr. Ernst Karner Institut für Zivilrecht, Universität Wien Schottenbastei 10-16, 1010 Wien Österreich Gedruckt mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Wien
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Satz: Datenkonvertierung durch CDS, Minsk, Belarus Druck und Bindearbeiten: Börsedruck, 1230 Wien, Österreich
Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier - TCF SPIN: 11383314
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
ISBN-10 3-211-24487-5 SpringerWienNewYork ISBN-13 978-3-211-24487-6 SpringerWienNewYork
Für Kathrin, Vera, Vinzent und Valerie
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2004 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Habilitationsschrift angenommen und für die Publikation auf den Stand Sommer 2005 gebracht. Noch während der Drucklegung ist der Entwurf eines HandelsrechtsÄnderungsgesetzes 2003 Gesetz geworden und wird am 1. 1. 2007 in Kraft treten (BGBl I 2005/120). Darauf konnte bei der Darstellung des Reformentwurfs noch hingewiesen werden. Berücksichtigt sind somit sowohl die derzeit geltende Rechtslage als auch die novellierten §§ 367, 368 und 456 ABGB, die auf jene Rechtsgeschäfte anzuwenden sind, die nach dem 31. 1. 2006 abgeschlossen werden. Mein aufrichtiger Dank gilt an erster Stelle meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn o. Univ.-Prof. iR. Dr. Helmut Koziol, der meine wissenschaftliche Entwicklung von Beginn an ganz entscheidend gefördert und auch die vorliegende Arbeit überaus fürsorglich betreut hat. Professor Koziol war jederzeit bereit, meine Entwürfe umgehend kritisch zu lesen und eingehend zu diskutieren. Sein Rat und seine Unterstützung waren für mich stets eine große Bereicherung, für die ich ebenso dankbar bin wie für die schönen und wertvollen Jahre an seiner Lehrkanzel. Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Attila Fenyves und Herrn Univ.-Prof. Dr. Gert M. Iro danke ich für das förderliche Arbeitsklima und den während meiner Dienstzuteilung gewährten Freiraum, der ein kontinuierliches wissenschaftliches Arbeiten ermöglicht hat. Herr Professor Iro war überdies stets bereit, komplexe sachenrechtliche Fragestellungen mit mir zu diskutieren, was für mich eine große Hilfestellung war. Dafür möchte ich mich ebenso herzlich bedanken wie für die Verfassung des Erstgutachtens. Für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn o. Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer. Meinen Dank aussprechen möchte ich an dieser Stelle auch Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Peter Apathy und Herrn o. Univ.-Prof. Dr. Peter Bydlinski, die die vorliegende Arbeit bereits im Rahmen der Definitivstellung begutachtet haben. Ebenso danke ich den Herrn Professoren Dr. Dr. hc. mult. Reinhard Zimmermann, Dr. Dr. Dr. hc. mult. Klaus J. Hopt und Dr. Dr. hc. Jürgen Basedow, die es mir ermöglicht haben, meine Thesen im Rahmen des Max-Planck-Habilitanden-Kolloquiums 2003 zu diskutieren.
Vorwort
VII
Für das angenehme Arbeitsklima und weiterführende Diskussionen danke ich auch meinen Kollegen am Institut für Zivilrecht, insbesondere den Herrn Ass. Dr. Olaf Riss, Ass. Dr. Stefan Perner und Univ.-Ass. Dr. Daniel Rubin, für förderliche Gespräche den Herrn RA Dr. Raimund Madl und RA Dr. Klaus Voithofer, für seine Hilfestellungen sehr herzlich Herrn Dr. Klaus Vogel. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Frau Mag. Kathrin Karner-Strobach, deren stete und tatkräftige Unterstützung diese Arbeit erst ermöglicht hat. Ihr und unseren Kindern widme ich daher dieses Buch. Die vorliegende Schrift wurde mit dem Walther Kastner-Preis 2005 sowie dem Kardinal-Innitzer-Förderungspreis 2005 ausgezeichnet, die Publikation vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung mit einem namhaften Druckkostenbeitrag unterstützt. Dafür schulde ich ebenso Dank wie für die Aufnahme der Arbeit in das Verlagsprogramm des Springer Verlages, Wien und die entgegenkommende Betreuung der Drucklegung durch die Herrn Mag. Jan Sramek und Günter Hoy. Wien, im Herbst 2005
Ernst Karner
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................XV § 1 Grundlagen .....................................................................................1 I.
Problemstellung .............................................................................1
II.
Gesetzeslage ....................................................................................6
III. Lösungsmöglichkeiten .................................................................11 A. Rechtsvergleichender Überblick .....................................................11 1. Einseitiger Schutz des Eigentümers ..........................................12 2. Einseitiger Schutz des Erwerbers..............................................16 3. Vermittelnde Lösungen .............................................................18 a) Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen ..........................................................18 b) Lösungsrecht und Rückkaufsrecht .....................................20 c) Differenzierungskriterien ....................................................23 aa) Handel .........................................................................23 bb) Öffentliche Versteigerung ...........................................24 cc) Geld und Inhaberpapiere ...........................................24 dd) Art des Grundgeschäftes .............................................25 B. Einbezogene Rechtsordnungen ......................................................27 1. Beschränkung auf den deutschen Rechtskreis ........................27 2. Überblick über die Regelung im deutschen Rechtskreis ........29 a) Österreich ............................................................................29 b) Deutschland.........................................................................32 c) Schweiz ................................................................................36 C. Gemeineuropäisches Privatrecht und gutgläubiger Erwerb .........38 1. Relevanz des gewählten Ansatzes ............................................38 2. Zur Vereinheitlichung des Sachenrechtes ................................39 D. Die UNIDROIT-Entwürfe zum redlichen Mobiliarerwerb .............47 1. LUAB 1968 .................................................................................48 2. LUAB 1974 .................................................................................52 IV. Abgrenzung der beteiligten Interessen ......................................53 A. Für die Interessenabwägung maßgeblicher Personenkreis ..........53
X
Inhaltsverzeichnis B. Eigentümer- und Erwerberinteressen .............................................55 1. Bestandsinteresse des Eigentümers ..........................................55 2. Vertrauensschutzinteresse des Erwerbers ................................56 3. Zuweisung des Insolvenzrisikos...............................................57 C. Interessenabwägung .......................................................................57 1. Ausgangspunkt ..........................................................................57 2. Interessenlage und Ausgestaltung des redlichen Mobiliarerwerbs.........................................................................59 3. Zwischenergebnis......................................................................62 D. Zur Bedeutung des Verkehrsschutzes ............................................63 1. Überindividuelle Rechtfertigung ...............................................63 2. Verkehrsschutz, Eigentumsschutz und Prinzipienabwägung .................................................................65 3. Konsequenzen ...........................................................................68 E. Gang der weiteren Untersuchung ..................................................70
§ 2 Geschichtlicher Abriß ..................................................................71 I.
Vorbemerkungen..........................................................................71
II.
Historische Ausgangspunkte .......................................................74 A. Römisches Recht..............................................................................74 B. Deutsches Recht ..............................................................................81 C. Entwicklung im Zeitalter der Rezeption ........................................92 1. Wissenschaftliche Durchdringung des heimischen Rechts .....92 2. Der Kommentar des Mevius als Kristallisationspunkt der Entwicklung ...............................................................................96 D. Zwischenbilanz..............................................................................100
III. Entstehungsgeschichte des § 367 ABGB ....................................101 A. Entwicklungsstufen .......................................................................101 B. Codex Theresianus und Entwurf Horten .....................................102 C. Exkurs: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 ...........................................................................110 D. Entwurf Martini, Urentwurf und Endfassung des ABGB.............114 § 3 Verkehrsschutz ...........................................................................121 I.
Ausgangspunkt ...........................................................................121
II.
Dogmatische Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips ............124 A. Verkehrsschutzprinzip und Sachenrechtssystem .........................124 1. Grundlegung ...........................................................................124 2. Ersitzung ..................................................................................126 3. Ausgestaltung der Übereignung .............................................130 a) Konsens- und Traditionsprinzip .......................................130 b) Abstrakte und kausale Tradition ......................................134
Inhaltsverzeichnis
XI
B. Verkehrsschutzprinzip und Systematik des redlichen Mobiliarerwerbs ..........................................................................................144 1. Überblick .................................................................................144 2. Österreichisches Recht ............................................................147 § 4 Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis ...............................151 I.
Ausgangspunkt und Gang der weiteren Untersuchung ..........151
II.
Abgrenzung zur Vertrauenshaftung ..........................................153 A. Formale Abgrenzung und gutgläubiger Forderungserwerb........153 B. Materielle Kriterien ........................................................................158
III. Maßgebliche Rechtsscheingrundlage .......................................160 A. Einleitung .......................................................................................160 B. Übersicht über den Meinungsstand..............................................161 1. Vorbemerkungen zum Besitzbegriff .......................................161 2. Besitz als Rechtsscheingrundlage ...........................................167 3. Erfordernis eines durch „stärkere Anscheinsmerkmale“ erweiterten Rechtsscheintatbestandes? ...................................174 4. Zur Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht ......................179 5. Ablehnung des Rechtsscheinprinzips durch W. Ernst ...........189 C. Stellungnahme ...............................................................................193 IV. Umfang der Rechtsscheinwirkung ...........................................198 A. Ausgangspunkt ..............................................................................198 B. Besitz und Eigentum .....................................................................202 V.
Erweiterung des Gutglaubensschutzes .....................................205 A. Problemstellung .............................................................................205 B. § 1088 Satz 2 ABGB .......................................................................206 1. Anwendungsbereich und ratio legis ......................................206 2. „Brückenfunktion“ des § 1088 Satz 2 ABGB ..........................212 C. Anscheinsverfügungsermächtigung ..............................................216
§ 5 Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip .......223 I.
Gesetzeslage ................................................................................223
II.
Sachliche Rechtfertigung ...........................................................226 A. Zurechnung des Rechtsscheins als Ausgangspunkt ....................226 B. Begriff der Zurechnung ................................................................228 1. Selbstverantwortung und Folgenzurechnung ........................228 2. Zurechnungsprinzip und Haftungsgrund...............................230 C. Das maßgebliche Zurechnungsprinzip ........................................233 1. Veranlassungsprinzip ..............................................................233 2. Verschuldensprinzip ................................................................237 3. Risikoprinzip............................................................................240 D. Aspekte der Gefahrenbeherrschung ............................................246
XII
Inhaltsverzeichnis
III. Anvertraute und abhanden gekommene Sachen ....................250 A. Ausgangspunkt ..............................................................................250 B. Einzelfragen der Zurechnung .......................................................253 1. Willensmängel .........................................................................253 a) Analogie zu rechtsgeschäftlichen Willensmängeln? ........253 b) Irrtum über die Person und Vertrauensmännerkette.......254 c) Irrtum über die Sache .......................................................258 d) List, Drohung und Zwang.................................................259 2. Einzelrechtsnachfolge .............................................................261 3. Universalsukzession ................................................................263 4. Alleingewahrsame ...................................................................263 5. Sonderstellung des Besitzdieners? ..........................................265 a) Geschichtliche Herkunft und Rechtsvergleich .................265 b) Österreich ..........................................................................269 6. Zurechnungsfähigkeit .............................................................271 7. Exkurs: Unterschiedliche Beweislast?.....................................274 § 6 Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage .....277 I.
Anwendungsfälle und Interessenlage ......................................277
II.
Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips.....................................279 A. Grundlagen ....................................................................................279 1. Sachliche Rechtfertigung .........................................................279 2. Konsequenzen .........................................................................281 B. Erwerb in öffentlicher Versteigerung ...........................................282 C. Erwerb vom befugten Gewerbsmann ..........................................291
III. Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB ..................................298 A. Geschichtliche Entwicklung und systematische Einordnung......298 B. Objektive Voraussetzungen des Erwerbs .....................................301 1. Maßgeblichkeit der Kaufmannseigenschaft im rechtsvergleichenden Überblick .............................................301 2. Gesetzlicher Anwendungsbereich ..........................................304 a) Bestandsaufnahme ............................................................304 b) Kritik und Gang der weiteren Untersuchung ..................305 C. Erweiterung des Anwendungsbereiches durch Analogie? ..........308 1. Ausgangspunkt ........................................................................308 2. Genuiner Anwendungsbereich des § 366 HGB .....................310 3. Folgerungen für die Zulässigkeit einer Analogie ..................316 D. Redlicher Erwerb vom Scheinkaufmann?.....................................318 1. Problemstellung.......................................................................318 2. Meinungsstand.........................................................................321 a) Österreich ..........................................................................321 b) Deutschland.......................................................................322 aa) Übersicht....................................................................322 bb) Canaris .......................................................................323 cc) Karsten Schmidt ........................................................324
Inhaltsverzeichnis
XIII
3. Stellungnahme .........................................................................325 a) Rechtspolitische Erwägungen ...........................................325 b) Geltende Rechtslage..........................................................326 aa) Scheinkaufmann kraft Auftretens .............................326 bb) Zu den Fällen des § 15 HGB ....................................328 E. Ergänzung durch die Regeln über die Anscheinsverfügungsermächtigung ..............................................329 IV. Reformvorschläge des HaRÄG-Entwurfes 2003 .......................331 § 7 Übereignungsformen .................................................................339 I.
Problemstellung und rechtsvergleichender Überblick ...........339
II.
Meinungsstand ...........................................................................343
III. Problemfelder.............................................................................348 IV. Übereignung und taugliche Rechtsscheingrundlage ...............351 A. Grundlagen ....................................................................................351 B. Streckengeschäft ............................................................................352 1. Ausgangslage ...........................................................................352 2. Unmittelbare Rechtsgrundlage zwischen A und C ................352 3. Anweisungslage.......................................................................356 V.
Übereignung und Gefahrenbeherrschung ...............................361 A. Maßgebliche Wertungsgesichtspunkte .........................................361 1. Gleiche Vertrauenserweise? ....................................................361 2. Zur „Heimlichkeit“ des Besitzkonstitutes ...............................364 B. Restriktion der Übergabssurrogate in den Fällen des Hand-wahre-Hand-Prinzips ..........................................................366 1. Maßgebliche Fallgruppen .......................................................366 2. Diskussionsstand zur vergleichbaren Problematik des § 934 BGB ................................................................................370 a) Ausgangsfälle und herrschende Ansicht ..........................370 b) Kritik in der Lehre .............................................................372 aa) Die Lehre vom Nebenbesitz .....................................372 bb) Anknüpfung an den Herausgabeanspruch ..............373 cc) Maßgeblichkeit des offenkundigen Besitzbruches ............................................................376 dd) „Erneuerte furtum-Lösung“ .......................................378 3. Lösung im österreichischen Recht ..........................................379
VI. Übereignung und Redlichkeitsprüfung ....................................383 § 8 Redlichkeit ..................................................................................387 I.
Vorbemerkungen........................................................................387
XIV II.
Inhaltsverzeichnis Systematische Einordnung und Beweislast..............................389
III. Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes? .................................394 IV. Vertrauen und Disposition ........................................................396 V.
Anforderungen an die Gutgläubigkeit ......................................396 A. Redlichkeitsmaßstab ......................................................................396 B. Subjektiver oder objektiver Redlichkeitsbegriff? ..........................402 C. Nachforschungspflichten...............................................................410
VI. Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen ..................416 A. Grundlagen ....................................................................................416 B. Besitz und Grundbuch ..................................................................417 C. Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände....................................418 D. Relevanz auf Tatbestandsebene ...................................................419 E. Änderungen der ökonomischen Verhältnisse ..............................420 § 9 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse .......................423 Literaturverzeichnis .....................................................................................437 Sachverzeichnis ...........................................................................................465
Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABGB
anderer Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946 (Österreich) ABl Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Abs Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis (Deutschland) ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 1861 aE am Ende AG Aktiengesellschaft AHGB Allgemeines Handelsgesetzbuch RGBl 1863/1 (Österreich) All. E. R The All England Law Reports ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 1794 AlternativKomm, BGB Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Deutschland) Anh Anhang Anm Anmerkung ArchBürgR Archiv für Bürgerliches Recht (Deutschland) ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Deutschland) Art Artikel AT Allgemeiner Teil AußStrG Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen RGBl 1854/208. Neufassung durch BGBl I 2003/111 (Österreich) Bas Basiliken (Basilicorum libri) Bd Band BG a) Bundesgesetz b) (Schweizer) Bundesgericht BGB Bürgerliches Gesetzbuch dRGBl 1896, 195 (Deutschland) BGBl Bundesgesetzblatt (Österreich) BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
XVI BGH BGHZ BlgNR BRH B-VG BW Cc d dBGBl D DB dh dHGB Diss DJT DR dRGBl DRW dZPO EAG
EBzRV ecolex EG EKG
et al etc EuZW EvBl EVHGB
EWG f, ff FN FS
Abkürzungsverzeichnis Bundesgerichtshof (Deutschland) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Deutschland) Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates (Österreich) Bibliotheca Rerum Historicarum Bundes-Verfassungsgesetz 1920 idF 1929 (Österreich) Nieuw Bugerlijk Wetboek (Niederlande) a) Code civil (Frankreich) b) Código civil (Spanien) c) Codice civile (Italien) deutsch(es) (deutsches) Bundesgesetzblatt Digesten Der Betrieb (Deutschland) das heißt (deutsches) Handelsgesetzbuch dRGBl 1897, 219 Dissertation Deutscher Juristentag Deutsches Recht (deutsches) Reichsgesetzblatt Deutsche Rechtswissenschaft. Vierteljahresschrift der Akademie für Deutsches Recht (deutsche) Zivilprozeßordnung dRGBl 1877, 87 idF dBGBl 1950 I 533 Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen, Haager Abkommen vom 1. Juli 1964 Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage ecolex – Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht (Österreich) Europäische Gemeinschaft Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Haager Abkommen vom 1. Juli 1964 et alii, und andere et cetera Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Deutschland) Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in der ÖJZ (Österreich) Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich RGBl 1938 I 1999 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgend, folgende Fußnote Festschrift
Abkürzungsverzeichnis GBG GBO GedS GerZ GesRZ GewO GK-HGB GlU
GlUNF
GmbH GP GrünhutsZ
hA HaRÄG HaRÄG-Entwurf HGB Hk-BGB HK-HGB hL hM HRG Hrsg, hrsg HS idF insb Inst IPRax iSd iVm J. Leg. Stud.
XVII
Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 BGBl 1955/39 (Österreich) Grundbuchsordnung dRGBl 1897, 139 (Deutschland) Gedenkschrift Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung Der Gesellschafter (Österreich) Gewerbeordnung BGBl 1994/194 (Österreich) Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch (Deutschland) Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k. k. Obersten Gerichtshofes (1853–1897), begründet von Glaser/Unger (Österreich) Neue Folge der Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k. k. Obersten Gerichtshofes (1898–1915), fortgeführt von Pfaff/Schey ua (Österreich) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut (Österreich) herrschende Ansicht Handelsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2005/120 (Österreich) Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes 2003 (Österreich) Handelsgesetzbuch (Deutschland dRGBl 1897, 219; Österreich RGBl 1938 I 1999) Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar (Deutschland) Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch (Deutschland) herrschende Lehre herrschende Meinung Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, hrsg von Erler und Kaufmann Herausgeber, herausgegeben Handelsrechtliche Entscheidungen, derzeit hrsg von Jabornegg/Karollus/Kaindl (Österreich) in der Fassung insbesondere Institutionen Justinians Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Deutschland) im Sinn des (der) in Verbindung mit The Journal of Legal Studies (USA)
XVIII JA JAP JBl JGS Jhdt JherJB JR Jura JuS JW JZ Kap KBB, ABGB Kfz KritVJSchr lit LUAB
LZ mE MGH Mod. L. Rev. MünchKomm, BGB MünchKomm, HGB mwN nF NJW NJW-RR Nr NZ ÖBA
OGH ÖJZ OLG OR pr
Abkürzungsverzeichnis Juristische Arbeitsblätter (Deutschland) Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung (Österreich) Juristische Blätter (Österreich) Justizgesetzsammlung, Gesetze und Verordnungen im Justizfach (1780–1848) Jahrhundert Jherings Jahrbücher für Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Deutschland) Juristische Rundschau (Deutschland) Juristische Ausbildung (Deutschland) Juristische Schulung (Deutschland) Juristische Wochenschrift (Deutschland) Juristenzeitung (Deutschland) Kapitel Kurzkommentar zum ABGB, hrsg von Koziol/ P. Bydlinski/Bollenberger (Österreich) Kraftfahrzeug Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Deutschland) litera (Buchstabe) Loi uniforme sur l’acquisition de bonne foi d’objets mobiliers corporels – Uniform Law on the Protection of the Bona Fide Purchaser of Corpo real Movables Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Monumenta Germaniae Historica The Modern Law Review (England) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Deutschland) Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch (Deutschland) mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Deutschland) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Deutschland) Nummer Österreichische Notariats-Zeitung Österreichisches Bankarchiv (Bank-Archiv – Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen) Oberster Gerichtshof (Österreich) Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht (Deutschland; Österreich) Schweizerisches Obligationenrecht 1911 principium
Abkürzungsverzeichnis QuHGZ RabelsZ RdW RG RGBl RGRK, BGB
RGRK, HGB RGZ RheinZ RL Rsp RV RZ Rz S SchG Sect Sp StGB STGG stRsp SZ
ua UCC UGB UNIDROIT
Unif. L. Rev UNK
usw
XIX
Quartalshefte der Girozentrale (Österreich) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Deutschland) Österreichisches Recht der Wirtschaft (deutsches) Reichsgericht Reichsgesetzblatt (Reichsgerichtsräte)Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes (Deutschland) (Reichsgerichtsräte)Kommentar zum Handelsgesetzbuch (Deutschland) Entscheidungen des (deutschen) Reichsgerichts in Zivilsachen (Deutschland) Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht des In- und Auslandes Richtlinie Die Rechtsprechung (Österreich) Regierungsvorlage Österreichische Richterzeitung Randzahl Seite Scheckgesetz (Deutschland dRGBl 1933 I 597; Österreich BGBl 1955/50) Section Spalte Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 (Österreich) Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger RGBl 1867/142 (Österreich) ständige Rechtsprechung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen und andere Uniform Commercial Code (USA) Unternehmensgesetzbuch BGBl I 2005/120 (Österreich) Institut international pour l’unification du droit privé/International Institute for the Unification of Private Law (Internationales Institut für die Privatrechtsvereinheitlichung) Uniform Law Review/Revue de droit uniforme (UNIDROIT) Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den Internationalen Warenkauf, für Österreich kundgemacht in BGBl 1988/96 und so weiter
XX uva VersR
VfGH VfSlg
vgl Vor WBl WG WM WoBl Yale L. J. Z ZAS zB ZBl ZEuP ZfRV ZGB ZGR ZHR ZIP ZNR ZP-MRK ZPO ZRG (GA)
ZRG (RA)
ZVglRWiss ZVR
Abkürzungsverzeichnis und viele andere Versicherungsrecht – Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (Deutschland) Verfassungsgerichtshof (Österreich) Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes (Österreich) vergleiche Vorbemerkungen Wirtschaftsrechtliche Blätter (Österreich) Wechselgesetz (Deutschland dRGBl 1933 I 399; Österreich BGBl 1955/49) Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Deutschland) Wohnrechtliche Blätter (Österreich) The Yale Law Journal (USA) Ziffer Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht (Österreich) zum Beispiel Zentralblatt für die juristische Praxis (Österreich) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Deutschland) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Österreich) a) Schweizerisches Zivilgesetzbuch 1907 b) Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Deutschland) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Deutschland) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Deutschland) Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (Österreich) Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Zivilprozeßordnung RGBl 1895/113 (Österreich) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (Deutschland) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung (Deutschland) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (Deutschland) Zeitschrift für Verkehrsrecht (Österreich)
§ 1 Grundlagen I. Problemstellung Das Sachenrecht hat die Aufgabe die körperlichen Gegenstände den Rechtssubjekten zuzuordnen1 und damit einen relativ statischen Charakter. Dabei darf freilich seine dynamische Seite nicht übersehen werden, muß es doch auch jene Normen bereitstellen, die den Umsatz der Güter regeln2. Die Problematik des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten stellt dabei eine zentrale Ordnungsfrage dar, bei der die statische Funktion des Sachenrechtes und der damit verbundene Bestandschutz in Konflikt mit der dynamischen Seite des Verkehrs- und Vertrauensschutzes gerät3. Die Frage eines redlichen Mobiliarerwerbs stellt sich immer dann, wenn eine bewegliche Sache von einem Veräußerer erworben wird, der weder Eigentümer noch verfügungsbefugt ist. Schützt man den gutgläubigen Erwerber in solchen Fällen, so wird damit einerseits dem Umstand Rechnung getragen, daß es oftmals unvermeidlich ist, Leistungen von Personen entgegenzunehmen, deren Berechtigung man nicht oder nur sehr schwer überprüfen kann4. Anderseits führt ein solcher Erwerberschutz zu einem fundamentalen Eingriff in die Rechtsposition des bisherigen Eigentümers, der sein Recht verliert, ohne mit dem Erwerber je in rechtsgeschäftlichen Kontakt getreten zu sein. Die Lösung dieses Interessenkonfliktes stellt nicht nur eine der grundlegenden Wertentschei1
2
3
4
Siehe Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 2 II (S 9 ff), § 3 (S 17 ff); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 2, 30, 37 ff; F. Bydlinski, System und Prinzipien 315 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 212. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 8 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295. Anschaulich Gilmore, Yale L. J. 63 (1954) 1057, der maßgeblich an der Regelung des redlichen Erwerbs im amerikanischen Uniform Commercial Code beteiligt war: “Goods, however, lead a double life: as inventory, they are the subject matter of commercial transactions; as possessions, the things we live by, they have passed out of the stream of commerce and come to rest.“ Siehe Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6.
2
Grundlagen
dungen des Privatrechts dar, sondern hat unmittelbaren, erheblichen Einfluß auf Warenverkehr und Handel. Während der Erwerberschutz die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs und somit den möglichst reibungslosen, wirtschaftlichen Umsatz von Waren fördert, dient der Schutz des Eigentümers der Erhaltung bestehender Rechte und damit der Bewahrung des Gefüges der Eigentumsordnung. Beim redlichen Mobiliarerwerb treffen somit zwei gegenläufige Rechtsprinzipien aufeinander: Eigentumsschutz und Verkehrsschutz. Es stellt sich daher die Aufgabe, beide Grundsätze in möglichst optimaler Weise zu verwirklichen und miteinander in Einklang zu bringen5. Dieses Erfordernis kollidierende Prinzipien aufeinander abzustimmen wird freilich häufig zu wenig beachtet und die Fragestellung dadurch unzulässig verkürzt. Auch ist seit jeher rechtspolitisch heftig umstritten, in welcher Weise eine solche Abwägung zu erfolgen hat und ob dabei nicht doch den Interessen des Eigentümers oder jenen des redlichen Erwerbers der Vorrang gebührt. So steht etwa der bedeutende Naturrechtslehrer Christian Wolff auf dem Standpunkt, daß der Eigentümer ohne seinen 5
Grundlegend zur Unterscheidung von Rechtsregeln und Rechtsprinzipien Dworkin, Taking Rights Seriously 22 ff = Bürgerrechte 54 ff: Rechtsregeln sind entweder anzuwenden oder nicht anzuwenden. Bei einem Regelkonflikt kann daher nur eine der Regeln gültig sein („Alles-oder-nichts-Charakter von Regeln“). Rechtsprinzipien sind hingegen darauf angelegt, je nach den Umständen mehr oder weniger verwirklicht zu werden. Bei einer Prinzipienkollision hat deshalb eine Abwägung zwischen den einzelnen Prinzipien entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht stattzufinden („Abwägungsfähigkeit von Prinzipien nach deren Gewicht“). Weiterführend – unter zutreffender Betonung des Optimierungsgebotes – Alexy, Grundrechte3 71 ff, 75 ff; derselbe in Alexy/Koch/Kuhlen/Rüßmann, Begründungslehre 217 ff = ARSP Beiheft 25 (1985) 13 ff; derselbe in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts 31 ff: Prinzipien sind Optimierungsgebote. Als solche fordern sie eine möglichst weitgehende Realisierung entsprechend der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, wozu insbesondere die Berücksichtigung gegenläufiger Prinzipien zählt. Bei kollidierenden Prinzipien gilt dabei das Abwägungsgesetz: Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muß die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein (Alexy, Grundrechte3 146; derselbe in Schilcher/Koller/ Funk, System des Rechts 36). Dazu – insb im Hinblick auf die Prinzipien des Privatrechts – F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 121 ff, 125 ff; derselbe, System und Prinzipien 25 ff; derselbe, JBl 1996, 684 ff; derselbe in Schilcher/ Koller/Funk, System des Rechts 9 ff sowie AcP 204 (2004) 329 ff (zum Verhältnis von Prinzipientheorie und Wilburgs „beweglichem System“); zur Charakterisierung von Rechtsprinzipien bereits derselbe, Methodenlehre2 132 ff, 256 ff mit FN 257, 485; siehe weiters P. Koller, Theorie des Rechts2 91 ff; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre 97 ff; Kramer, Methodenlehre2 226 ff, sowie die Beiträge in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts. Ausführlich dazu unten S 65 ff.
Problemstellung
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Willen niemals sein Recht verlieren könne. Alles andere sei absurd6. Hingegen sieht Kant7 den Erwerb vom Nichtberechtigten als notwendige Folge der iustitia distributiva an, da sonst kein sicherer Erwerb gewährleistet wäre. Im naturrechtlichen Lehrgebäude nimmt Kant damit freilich eine Sonderstellung ein, da dessen Vertreter fest auf dem Boden des römisch-rechtlichen Vindikationsgrundsatzes stehen8, wonach der Eigentümer seine unbefugt veräußerte Sache von jedermann, auch dem redlichen Erwerber, herausverlangen kann. Diesen Standpunkt teilen auch die Schöpfer des ABGB, Martini und Zeiller, die in ihrer praktisch-gesetzgeberischen Tätigkeit einen redlichen Fahrniserwerb aber befürworten9. Bei dieser Ausgangslage ist es nicht verwunderlich, daß auch gegen die österreichische Regelung alsbald Einwände erhoben wurden: So stieß § 367 ABGB nicht nur deshalb auf Kritik, weil seinen drei Tatbeständen (Erwerb in öffentlicher Versteigerung, vom befugten Gewerbsmann und vom Vertrauensmann des Eigentümers) kein einheitliches Prinzip zugrunde liege10 und die technische Umsetzung des gutgläubigen Erwerbs gewisse Schwächen aufweise11, sondern dieses Institut wurde als Ganzes in Frage gestellt, da es die Eigentümerinteressen zu einseitig dem „favor commercialis“ opfere12. Ein ähnliches Schicksal war der deutschen Regelung der §§ 932 ff BGB beschieden, die gerade in der ersten Zeit nach ihrer Entstehung heftig kritisiert wurde. So meinte Binding in seiner bekannten Streitschrift „Die Ungerechtigkeit des Eigentums-Erwerbs vom Nicht-Eigentümer nach BGB § 932 und § 935 und ihre Reduktion auf das kleinstmögliche Maß“, daß der „Verkehr“ vor der Gerechtigkeit in Demut den Hut ziehen müsse13. Ebenso sieht Menger diese Regelung als „Sieg des Handelsgeistes über die Eigentumsordnung, des Verkehrsrechtes über das Sachenrecht“14. Aber auch in jüngster Zeit 6
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Christian Wolff, Jus naturae methodo scientifica pertractatum II (1742) 2 § 258; zitiert bei Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 190. Metaphysik der Sitten, Rechtslehre 418 ff. Dazu Huwiler, Bader-FS (1986) 85 ff, und unten S 64. Ausführlich Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, insb 100 ff (zu Grotius), 159 ff (zu Thomasius), 189 ff (zu Ch. Wolff), 199 ff (zu Martini und Zeiller). Dazu unten S 116 f. Randa, Eigentumsrecht2 I 340; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 19 ff, 23; vgl auch Wellspacher, Vertrauen 169 mit FN 10. Siehe Frotz, Kastner-FS (1972) 132 f, sowie unten S 6 ff. Vgl Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 251 und II 374. Siehe die sarkastisch-umgekehrte Formulierung von Binding, aaO 55. Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen4 127. Drastisch ablehnend auch Sokolowski, Philosophie im Privatrecht I 196 f: „Im Namen der Freiheit und Ungebundenheit des Güteraustausches scheut man nicht zurück vor direkter Schädigung der vitalsten Eigentumsinteressen. Alles bedeckt der Strudel
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ist die Diskussion neuerlich entflammt und es wird sogar die Verfassungsmäßigkeit der §§ 932 ff BGB in Frage gestellt: So überprüft Peters15 diese Regeln unter dem Gesichtspunkt einer verfassungswidrigen Enteignung16, da dem Eigentümer sein Recht ohne Entschädigung entzogen werde17. Andere halten hingegen schon eine solche Fragestellung für „verwegen“18 oder warnen gar vor einer „Grundgesetz-Hysterie“19 und sehen in den §§ 932 ff BGB eine vom Gesetzgeber fein austarierte Anwendung des alten Satzes „Wo Du Deinen Glauben gelassen hast, da sollst Du ihn suchen“20. Und auch die Regelung des ABGB hat schon Levin Goldschmidt, der Begründer der Handelsrechtswissenschaft, als „vollendetsten Ausdruck der unter dem Einfluß des römischen Rechts fortgebildeten und modificirten germanischen Theorie“ gerühmt21. Handelt es sich bei der Frage des redlichen Erwerbs somit um einen Interessenkonflikt, „der das juristische Temperament entzünden muß, soweit das Rechtsempfinden nicht durch eingefahrene Denkbahnen verschüttet“ ist22, so überrascht es nicht, daß eine ganze Reihe von rechtspolitischen Entwürfen vorliegt, die diese Problematik einer möglichst sachgerechten Lösung zuführen wollen23. Als besonders originell ist hierbei der Vorschlag Wilburgs anzuführen, der den Schaden nach den vorliegenden Belastungsmomenten zwischen Eigentümer und Erwerber verteilen will24.
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des Verkehrs mit Nacht und Grauen und den Geschädigten trifft nur der Spott dafür...“ (zu Art 306 ADHGB). Freilich werden gerade Extremstandpunkte häufig besonders rasch gewechselt und so überrascht es nicht, wenn Sokolowski, Philosophie im Privatrecht II 327, nur wenige Jahre später im Hinblick auf den redlichen Erwerb ausführt: „Die Publizität des Besitzes und seine soziale Achtung steht so sehr im Einklang mit unserem juristischen und philosophischen Denken, daß wir in ihr eine Gefahr für die weitere Rechtsentwicklung nicht zu erkennen vermögen.“ Entzug des Eigentums, insb 32 ff; vgl auch H. Hübner, Rechtsverlust 13 FN 7. Die Verfassungsmäßigkeit der §§ 932 ff BGB bestätigt hingegen die umfassende Untersuchung von Hager, Verkehrsschutz 9 ff, 79 ff. Wenn Peters, Entzug des Eigentums 68, 84, dabei den im deutschen Recht möglichen unentgeltlichen redlichen Erwerb mit bloß bereicherungsrechtlichem Ausgleich für problematisch hält, ist dem im Ergebnis freilich zuzustimmen. Vgl auch Hager, Verkehrsschutz 81 ff, 88 ff, der herausarbeitet, daß der redliche Erwerber nur bei Erbringung einer eigenen Leistung Schutz beanspruchen kann. Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 15. Siehe J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 825 FN 612. J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 825 FN 612. Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 287. Wilburg, Baltl-FS (1978) 557. Siehe etwa Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 16 f; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 230 ff; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 271 ff. Vgl auch Frotz, Kastner-FS (1972) 153 f. Wilburg, Baltl-FS (1978) 568 ff, mit Hinweis auf Vorschläge von Stricker und vor allem Binding, der wohl als erster vehement für eine „Schadensteilung“ eingetre-
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Primäres Anliegen der vorliegenden Arbeit ist freilich weder eine rechtspolitische Bewertung des redlichen Erwerbs noch die Unterbreitung von Vorschlägen de lege ferenda, sondern die rechtsdogmatische Untersuchung des gutgläubigen Erwerbs an beweglichen Sachen nach österreichischem Recht. Eine solche Arbeit erscheint schon deshalb angezeigt, weil zwar bedeutende Einzeluntersuchungen vorliegen, eine umfassende monographische Aufarbeitung dieses nicht nur wissenschaftlich besonders reizvollen, sondern auch praktisch relevanten Themenbereichs in Österreich aber bislang noch fehlt. Dies ist um so erstaunlicher, als schon hinsichtlich der Grundlagen und damit der eigentlichen dogmatischen Rechtfertigung des gutgläubigen Mobiliarerwerbs bisher keine völlig befriedigende Lösung gefunden wurde. Dies äußert sich darin, daß im Zusammenhang mit praktisch relevanten Einzelproblemen selbst dann Zweifel bestehen, wenn es um so grundlegende Fragen wie den Maßstab der Redlichkeit oder die tauglichen Übertragungsformen geht. Auch sind gerade in jüngster Zeit Fragestellungen aufgetreten – so jene des Rückerwerbs vom Nichtberechtigten25 oder die Bedeutung der Entgeltszahlung als Voraussetzung redlichen Erwerbs26, – die zeigen,
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ten ist (siehe Binding, Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs 50 ff, 55 f). Eine vergleichbare Lösung schlägt auch Lord Devlin in der englischen Entscheidung Ingram v. Little (1960) 3 All. E. R. 332, 351 f (C.A) vor: „The true spirit of the common law is to override theoretical distinctions when they stand in the way of doing practical justice. For the doing of justice the relevant question in this sort of case is (…) which of two innocent parties shall suffer for the fraud of a third. The plain answer is that the loss should be divided between them in such proportion as is just in all the circumstances. If it be pure misfortune, the loss should be borne equally; if the fault or imprudence of either party has caused or contributed to the loss, it should be borne by that party in the whole or in the greater part.” Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit wurde dieser Vorschlag vom Law Reform Committee aber zurückgewiesen; siehe Thorn, Mobiliarerwerb 64 f, der weiters darauf hinweist, daß auch anläßlich der Schaffung des niederländischen Nieuw Burgerlijik Wetboek vermittelnde Lösungen angeregt wurden – Herausgabe der Sache an den Eigentümer nur gegen Zahlung eines finanziellen Ausgleiches, dessen Höhe nach billigem Ermessen im konkreten Einzelfall festzusetzen ist – die sich gleichfalls nicht durchzusetzen vermochten. Zur vielfach real verwirklichten „Kompromißlösung“ eines Lösungs- oder Rückkaufsrechtes, das freilich den wirtschaftlichen Schaden beim wahren Eigentümer beläßt und nur dessen Sachinteresse berücksichtigt, siehe unten S 20 ff. Für prinzipielle Zulässigkeit OGH in ÖBA 2000, 429 = EvBl 1999/168 = RdW 1998, 582 = ecolex 1999, 535. Dagegen überzeugend Spielbüchler, ÖBA 2000, 361 ff. Strittig ist, ob Entgeltlichkeit des Titelgeschäfts ausreicht oder tatsächliche Erbringung der Gegenleistung erforderlich ist, so jüngst Bollenberger, ÖJZ 1995, 651 f und ÖJZ 1996, 851 ff; zustimmend F. Bydlinski, Canaris-Symposium (1998) 72 FN 96; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297. Dagegen Holzner, ÖJZ 1996, 372 ff
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daß gerade an den neuralgischen Punkten die Diskussion noch keineswegs abgeschlossen ist. Da bereits die Grundwertungen des Gutglaubenserwerbs unsicher sind, ist deren Klärung das wichtigste Anliegen der vorliegenden Arbeit. Erst auf dieser Basis ist eine detaillierte Untersuchung ausgewählter Einzelfragen sinnvoll. Geht es um eine rechtssystematisch-prinzipielle Einordnung des Institutes des redlichen Erwerbs, erscheint es zunächst nötig, sich einen Überblick über die möglichen Lösungsvarianten zu verschaffen. Auch kann die Untersuchung ihr Ziel nur dann erreichen, wenn der Blick nicht eng auf das heimische Recht beschränkt wird, sondern rechtsvergleichende Aspekte in die Betrachtung miteinbezogen werden (unten § 1 III). Weiters ist es erforderlich, schon zu Beginn näher auf die zu bewältigende Interessenlage einzugehen, um so einen sicheren Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung zu schaffen (unten § 1 IV).
II. Gesetzeslage Die österreichische Regelung des gutgläubigen Mobiliarerwerbs ist lückenhaft und wenig übersichtlich27. So wird der redliche Fahrniserwerb des bürgerlichen Rechts im ABGB an vier verschiedenen Stellen geregelt: Neben den zentralen Bestimmungen der §§ 367, 368 und 371 ABGB ist der in seiner Bedeutung umstrittene § 1088 Satz 2 ABGB zu nennen, weiters § 824 letzter Satz ABGB, der den Erwerb vom Scheinerben regelt. Dazu kommen die Sonderregeln für den gutgläubigen Fahrniserwerb im Handelsrecht (§§ 366, 367 HGB) sowie die Vorschriften für den redlichen Pfandrechtserwerb im bürgerlichen Recht (§ 456 ABGB) und im Handelsrecht (§ 366 HGB). Die gesetzliche Regelung ist freilich nicht nur unübersichtlich, sondern teilweise auch unvollständig. So findet sich im ABGB – im Gegensatz zu § 366 Abs 2 HGB – weder eine Vorschrift über den lastenfreien Eigentumserwerb an Fahrnis, noch eine Bestimmung über den redlichen Erwerb eines vorrangigen Rechts. Eine nähere Betrachtung fördert zudem eine ganze Reihe weiterer technischer Schwächen zu Tage: Anders als die detaillierte Regelung des deutschen Rechtes (§§ 932 ff BGB) verliert das ABGB kein Wort darüber, welche der in den §§ 426 ff ABGB
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und ÖJZ 1997, 499 ff; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 29; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 4; eingehend bereits derselbe, Schuldverhältnis 155 ff. Ablehnend nun auch OGH in RdW 2002, 724 = ecolex 2003, 92 = JAP 2002/2003, 178 (Zeinhofer). Siehe dazu noch unten S 57 f mit FN 301. Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 132 f.
Gesetzeslage
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genannten Übergabsformen für den gutgläubigen Fahrniserwerb ausreichend sind. Dies hat zu der Streitfrage geführt, ob alle Erwerbsformen zulässig sind oder aber Besitzkonstitut und Besitzanweisung als taugliche Übergabsformen ausscheiden28. Erstaunlicherweise enthält auch § 366 HGB, der dem deutschen Recht entstammt, darüber nichts. Ferner: Während § 366 Abs 1 Satz 2 HGB entsprechend § 932 Abs 2 BGB ausdrücklich festschreibt, daß nur grobe Fahrlässigkeit einen gutgläubigen Erwerb scheitern läßt, enthält das ABGB lediglich die allgemeine Regel des § 326, die zudem in ihrem Verhältnis zu § 368 ABGB unklar ist. Daß auch die Frage der Gutgläubigkeit zur Diskussion Anlaß gegeben hat, verwundert angesichts dieser Ausgangslage nicht29. Mißglückt und unklar ist schließlich der Verweis des § 456 auf § 367 ABGB30. Technische Schwächen weisen freilich nicht nur die Bestimmungen des ABGB auf, die immerhin seit der Stammfassung aus 1811 unverändert in Kraft stehen, sondern auch der weit jüngere § 366 HGB, der erst durch die „Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften 28
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Für die Zulässigkeit aller Übergabsformen Iro, Besitzerwerb 237 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/49; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 171 ff, 178 ff (allerdings mit bedeutsamen Modifikationen, dazu unten S 362 f); Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 9; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 2. OGH in SZ 11/12. Dagegen Ehrenzweig, System2 I/2, 189; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 f; Gschnitzer, Sachenrecht2 113 f; Klang in Klang, ABGB2 II 226; siehe auch Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 8; differenzierend Frotz, Kastner-FS (1972) 153; vgl auch derselbe, Kreditsicherungsrecht 153 f. Dazu unten S 339 f. Schon leichte Fahrlässigkeit schadet: Apathy, NZ 1989, 137 ff, 140; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff, 147 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/50; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 234, 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 3; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3. Auf grobe Fahrlässigkeit stellen ab Ehrenzweig, System2 I/2, 190; Randa, Eigentumsrecht2 I 367; vgl auch Frotz, Kreditsicherungsrecht 46; Gschnitzer, Sachenrecht2 11; auf Unkenntnis und die objektive Wahrscheinlichkeit rechtmäßiger Zugehörigkeit Schey/Klang in Klang, ABGB2 II 92 f; Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff, 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f; vgl auch Oberhofer, JBl 1996, 153, 156. Dazu unten S 396 ff und S 402 ff. Von den drei Varianten des § 367 ABGB kommt hinsichtlich eines redlichen Pfandrechtserwerbs der öffentlichen Versteigerung offensichtlich keine Bedeutung zu. Umstritten ist hingegen, ob ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb vom befugten Gewerbsmann in Betracht kommt, so Ehrenzweig, System2 I/2, 411; Iro, Sachenrecht2 Rz 10/18; Harrer, Sicherungsrecht 65; Klang in Klang, ABGB2 II 454. Ablehnend Böhler, Verpfändung 56 f; E. Demelius, Pfandrecht 355 ff; Eicher, Mobiliarpfandrecht 201; Frotz, Kreditsicherungsrecht 40; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 456 Rz 3; Koch in KBB, ABGB § 456 Rz 1; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 345.
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im Lande Österreich“ vom 24. 12. 193831 in das österreichische Recht eingefügt wurde. § 366 HGB brachte nämlich keinerlei Klärung, sondern bloß neue Schwierigkeiten, da diese Bestimmung recht überstürzt aus den deutschen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs im bürgerlichen Recht (§§ 932 ff BGB) und im Handelsrecht (§ 366 dHGB) zusammengeflickt wurde32. Zudem erscheint die handelsrechtliche Vorschrift über den redlichen Fahrniserwerb dem österreichischen Recht „aufgepfropft“ und führt zu Abstimmungsschwierigkeiten33: So ist bei wertungsmäßiger Betrachtung nicht recht erklärlich, warum gemäß § 366 Abs 4 Satz 1 HGB ein redlicher Erwerb an abhanden gekommenen Sachen auch dann ausgeschlossen ist, wenn er von einem Kaufmann erfolgt, ein solcher Erwerb vom befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB aber zulässig ist. Tieferliegende Gründe hat diese unterschiedliche Behandlung ein und desselben Problembereiches offenkundig nicht, sondern sie ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß das österreichische und das deutsche Recht von unterschiedlichen Konzeptionen des gutgläubigen Erwerbs im Geschäftsverkehr ausgehen: Während das deutsche Recht dem traditionellen Prinzip „Hand wahre Hand“ verhaftet bleibt34, ordnet das ABGB eine weit radikalere Lösung an, die den Verkehrsschutz eindeutig den Eigentümerinteressen vorzieht. Dies ist im übrigen ein Konzept, das rechtsvergleichend betrachtet gerade von den jüngeren europäischen Kodifikationen und Reformvorschlägen gewählt wird, so beispielsweise vom italienischen, schwedischen und niederländischen Recht sowie dem UNIDROIT-Entwurf LUAB 196835. Ohne einer Bewer31 32 33
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DRGBl 1938 I 1999 = GBlÖ 1939/86. Frotz, Kastner-FS (1972) 133. Das prinzipielle Verhältnis von Handels- und Zivilrecht ist insgesamt ein noch zu wenig untersuchtes Gebiet, in dem über die Betonung des Spezialitätsgrundsatzes und die Erläuterung des Art 4 der 4. EVHGB oftmals nicht hinausgegangen wird. Vgl aber zur Subsidiarität des allgemeinen Zivilrechts sowie zur äußeren Abgrenzung und normativen Spezifität des Handelsrechtes F. Bydlinski, System und Prinzipien 431 ff, 444 ff mwN. Besonders deutlich wird die Abstimmungsproblematik etwa auch beim Verhältnis der Haftung des falsus procurator nach Art 8 Nr 11 der 4. EVHGB zur bürgerlich-rechtlichen Haftung des falsus aus CIC, dazu eingehend Welser, Vertretung ohne Vollmacht, insb 156 ff, 167 ff. Der Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG) 2003 sieht deshalb den Entfall einer spezifisch handelsrechtlichen falsus procurator-Haftung vor; siehe jetzt BGBl I 2005/120. Kritisch dazu aber Kerschner, JBl 2003, 901 ff. Dazu unten S 81 ff und S 223 ff. Anders als im österreichischen Recht wird dabei aber etwa im italienischen Recht nicht zwischen einem Erwerb im Handel und einer Veräußerung durch Privatpersonen unterschieden, was zu einer sehr einseitig den Erwerber privilegierenden Lösung führt. Zu den genannten Regelungen siehe unten S 16 f, 17 f und 23 f sowie S 48 ff. Vgl auch Thorn, Mobiliarerwerb 258 ff.
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tung vorzugreifen, ist doch verblüffend, daß das weit ältere, natur- und vernunftrechtlich geprägte ABGB in dieser Frage die „modernere“ Gestaltung entwickelt hat als das pandektistisch-liberale BGB. Sieht man die Grundlage des redlichen Erwerbs im Besitz des Veräußerers, stellt sich schließlich die Frage, ob die unterschiedlichen Besitzdefinitionen des § 309 ABGB und Art 5 der 4. EVHGB zu sachlichen Unterschieden führen. Schon diese Beispiele zeigen, daß das Verhältnis von ABGB und HGB grundlegende Fragen aufwirft, die durch die Regelung des § 366 Abs 5 HGB, wonach die für den gutgläubigen Erwerber günstigeren Vorschriften des österreichischen Rechtes unberührt bleiben, nur ganz notdürftig kaschiert werden36. Angesichts dieser technischen Mängel, die eine ganze Reihe inhaltlicher Zweifelsfragen aufwerfen, verwundert es nicht, daß sich die Kritik nicht auf die technisch-formale Umsetzung des Gutglaubenserwerbes beschränkt, sondern sich auch auf die inhaltliche Ausgestaltung erstreckt: So wird – wie bereits erwähnt – an der Regelung des § 367 ABGB vor allem bemängelt, daß sie sich nicht auf ein einheitliches Grundprinzip zurückführen lasse37. Sieht man den Grundgedanken des bürgerlichrechtlichen Gutglaubenserwerbs im Prinzip des Verkehrsschutzes, der als „Leitgedanke die Ausnahmen zur Einheit verbindet“38, so wird dem sogleich entgegengehalten, der Gedanke des Verkehrsschutzes sei bloß ein rechtspolitisches Motiv, aber kein rechtssystematisch-dogmatisches Wirkungsprinzip39. Aber auch der Versuch, das umfassende Wirkungsprinzip des redlichen Erwerbs im Rechtsscheinprinzip festzumachen40, stößt rasch an seine Grenzen. Dieses setzt seiner Grundkonzeption nach nämlich stets voraus, daß der die Vertrauensgrundlage bildende Rechtsschein von dem durch ihn Belasteten in zurechenbarer Weise geschaffen wurde. Nur dann sei es gerechtfertigt, Rechtswirkungen gegen ihn eintreten zu lassen. Eine solche Konzeption kann allerdings nur in jenen Fällen fruchtbar gemacht werden, in denen der redliche Erwerb auf dem Handwahre-Hand-Prinzip aufbaut, also voraussetzt, daß der Eigentümer dem untreuen Zwischenmann die Sache anvertraut hat oder – von der anderen Seite her gesehen – sie ihm nicht ohne seinen Willen abhanden gekommen ist: In diesen Fällen hat der Eigentümer den maßgeblichen Rechtsschein, der traditionellerweise im Besitz gesehen wird41, minde36 37
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Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 133. Randa, Eigentumsrecht2 I 340; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 19 ff, 23; vgl auch Wellspacher, Vertrauen 169 mit FN 10. Klang in Klang, ABGB2 II 220; vgl schon Zeiller, Kommentar II/1, 133. Frotz, Kastner-FS (1972) 133 f. So Frotz, Kastner-FS (1972) 131 ff, 146 ff. Dazu unten S 59 ff und S 151 ff. Zur maßgeblichen Rechtsscheingrundlage eingehend unten S 160 ff.
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stens veranlaßt. Sobald man hingegen auch an gestohlenen Sachen einen Gutglaubenserwerb zuläßt – wie dies § 367 Satz 1 Fall 1 und 2 ABGB generell sowie § 371 und § 366 Abs 4 Satz 2 HGB hinsichtlich besonders umlauffähiger Sachen (Geld, Inhaberpapiere) tun –, kommt es auf eine solche Zurechnung des Rechtsscheines an den durch ihn belasteten Eigentümer nicht mehr an. Eine Parallele könnte hier nur mehr zu den Fällen des sogenannten „reinen Rechtsscheinprinzips“ gezogen werden, bei dem auf das Erfordernis der Zurechnung verzichtet wird42. Die Suche nach einem einheitlichen Wirkungsprinzip wäre damit freilich wiederum gescheitert43, wenngleich über den heuristischen Wert des Rechtsscheinprinzips für den redlichen Erwerb damit selbstverständlich noch nichts gesagt ist. Auch muß man sich darüber im Klaren sein, daß die Einordnung des Gutglaubenserwerbs unter das Rechtsscheinprinzip zu einer ganzen Reihe von Folgefragen führt, insbesondere hinsichtlich seines Verhältnisses zur Vertrauenshaftung44: Es bedarf dann nämlich der Klärung, ob und wieweit die allgemeinen Prinzipien der Vertrauenshaftung45 auch für den redlichen Erwerb Platz greifen und nicht von genuin sachenrechtlichen Wertungsgesichtspunkten überlagert oder verdrängt werden46. Betrachtet man die Kritik zusammenfassend, so ist ihr hinsichtlich der technisch-formalen Ausgestaltung des Gesetzes sicherlich zuzustimmen. Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage nach dem inhaltlichen Wert und Gerechtigkeitsgehalt des vom ABGB gewählten Vertrauensschutzkonzeptes. Schon früh wurde das ABGB ob seiner Gutglaubensregeln gerühmt47 und diesen Bestimmungen kommt dogmengeschichtlich unzweifelhaft ein bedeutender Rang zu48. Angesichts des 42
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Siehe dazu Canaris, Vertrauenshaftung 471 f, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf § 935 Abs 2 BGB (redlicher Erwerb auch abhanden gekommener Sachen in öffentlicher Versteigerung sowie von Geld oder Inhaberpapieren); vgl weiters H. Westermann, JuS 1963, 6 f. Darauf weist auch Frotz, Kastner-FS (1972) 147, hin, der nur § 367 Satz 1 Fall 3 (Erwerb vom Vertrauensmann) als Ausdruck des „eigentlichen Rechtsprinzips“ bewertet. Auch historisch gesehen hat dies freilich viel für sich, zeigen doch schon die Ausführungen Zeillers, Kommentar II/1, 133 ff, daß der Erwerb vom Vertrauensmann den Grundtatbestand gutgläubigen Erwerbs darstellt, während § 367 Satz 1 Fall 1 (öffentliche Versteigerung) und § 367 Satz 1 Fall 2 (befugter Gewerbsmann) „Ausnahmen von der Ausnahme“ darstellen. In diesem Sinne schon Wellspacher, Vertrauen 168 f. Zur Abgrenzung von Gutglaubenserwerb und Vertrauenshaftung siehe Canaris, Vertrauenshaftung 3. Zu diesen grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung 411 ff, 490 ff. Vgl Hager, Verkehrsschutz 3 ff, und unten S 153 ff. Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 287; Kreller, ÖJZ 1951, 105. Dazu unten S 101 ff.
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unleugbaren Alterns von Kodifikationen49 stellt sich freilich die Frage, ob die gewählte Konzeption immer noch zeitgemäß ist und die „Indizwirkung der Innehabung“ nicht vielmehr als „Erinnerung an frühere dörfliche Idyllen“ erscheinen muß50. Der Gedanke, die Rechtsscheingrundlage des redlichen Erwerbes im Besitz zu verankern, stößt heute ja ganz überwiegend auf Kritik51. Diese Fragestellungen zeigen, daß eine sehr grundsätzliche Erörterung der Thematik erforderlich ist, die sich nicht vorschnell in Einzelfragen verliert, sondern zuerst die Grundlagen bereitzustellen sucht. In diesem Sinn betont schon Frotz52, daß bloß punktuelle Untersuchungen kein Licht in jenes Dunkel zu bringen vermögen, das im Bereich des redlichen Fahrniserwerbs rechtssystematisch-dogmatisch herrsche. Vielmehr ist es notwendig, die österreichische Regelung sowohl in ihrer historischen Bedingtheit als auch in ihrem heutigen rechtsvergleichenden Kontext zu untersuchen. Um vor dem Hintergrund der denkbaren Lösungsalternativen die letztlich entscheidenden Wertungsgesichtspunkte nicht aus den Augen zu verlieren, bedarf es dabei freilich vor allem einer vertieften Herausarbeitung der zugrundeliegenden Interessen. Erst vor diesem Hintergrund erscheint eine Bewertung der österreichischen Gutglaubensregeln möglich und eine Befassung mit Einzelfragen zielführend.
III. Lösungsmöglichkeiten A. Rechtsvergleichender Überblick Untersucht man die denkbaren Möglichkeiten, wie der Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer und dem redlichen Erwerber auflösbar wäre, so zeigt sich, daß schon rechtsgeschichtlich zwei konträre Lösungsmodelle einander gegenüberstehen53: Das römische Recht schützte das Bestandsinteresse des Eigentümers umfassend, da dieser seine Sache von jedem, auch einem redlichen Erwerber vindizieren konnte. Im alten deutschen Recht war die Fahrnisverfolgung bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen hingegen ausgeschlossen. Der Eigentümer konnte nur schuldrechtlich gegen den ungetreuen Zwischenmann, der die Sache unberechtigt veräußert hatte, vorgehen, während sich der Erwerber in einer weitgehend unangreifbaren Position befand. 49 50 51
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Siehe Kübler, JZ 1969, 645 ff. So Frotz, Kastner-FS (1972) 154. Siehe Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 1; Hager, Verkehrsschutz 239 ff, mwN. Dazu unten S 167 ff. Kastner-FS (1972) 133. Eingehend dazu unten S 74 ff und S 81 ff.
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Unternimmt man einen Rechtsvergleich54, so zeigt sich, daß diese gegensätzlichen Lösungsmodelle – römisch-rechtlicher Vindikationsgrundsatz und deutsch-rechtliches Hand-wahre-Hand-Prinzip – keineswegs überwunden sind, sondern bis heute fortwirken55. 1. Einseitiger Schutz des Eigentümers Dem Standpunkt des römischen Rechts, das einseitig den Interessen des Eigentümers den Vorrang gibt, folgen in reiner Form nur wenige Rechtsordnungen. So steht vor allem das portugiesische Recht56 auf dem Boden des römischen Rechtes: Es kennt grundsätzlich keinen sofortigen Gutglaubenserwerb an beweglichen Sachen, sondern läßt nur einen zeitlich gestreckten Erwerb in Form der Ersitzung zu, welcher damit besondere praktische Bedeutung zukommt57. Eine Konzession an den Verkehrsschutz macht Art 1301 Código civil aber immerhin beim Erwerb im Handelsverkehr58: „Derjenige, der von einem Dritten Sachen fordert, die von diesem gutgläubig von einem Händler erworben wurden, der mit Sachen derselben oder ähnlicher Art handelt, ist verpflichtet, den Preis zu ersetzen, den der Erwerber für diese bezahlt hat, aber er genießt das Rückgriffsrecht gegenüber demjenigen, der schuldhaft den Schaden verursacht hat.“ 59. Der redliche Erwerber 54
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Umfassend Thorn, Mobiliarerwerb; derselbe, ZEuP 1997, 442 ff; Sauveplanne, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1961 (1962) 43 ff; Wilburg, Baltl-FS (1978) 557 ff; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 1 ff; siehe weiters H. Müller, ZfRV 1963, 2 ff; Siehr, ZVglRWiss 80 (1981) 273 ff; von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz (zum Einfluß des deutschen und französischen auf das spanische Recht); Minuth, Besitzfunktionen (zur deutschen und französischen Rechtslage); Pfetsch, Gutglaubensschutz (zum Uniform Commercial Code); Römer, Gutgläubiger Mobiliarerwerb (zum deutschen und französischen Recht); jeweils zum deutschen, französischen, österreichischen und schweizerischen Recht Günther, Gutgläubiger Fahrniserwerb; Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers. Siehe jetzt auch Prisching, Gutgläubiger Fahrniserwerb im Rechtsvergleich (Diss. Graz 2005). Für einen gerafften Überblick aus rechtsvergleichender und rechtsgeschichtlicher Perspektive siehe bereits Karner, ZfRV 2004, 83 ff. De Seabra/de Alencar Xavier, Portugal, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 366 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 50 f. Siehe Thorn, Mobiliarerwerb 233, 239. De Seabra/de Alencar Xavier, Portugal, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 367, weisen zudem darauf hin, daß die Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers (Art 1268 Abs 1 Código civil) schwer widerlegbar sei, wodurch das System in seiner praktischen Handhabung milder, dh erwerberfreundlicher sei, als es zunächst scheine. Siehe de Seabra/de Alencar Xavier, Portugal, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 367 f, 429 (Übersetzung). Art 1301 Código civil (Coisa comprada a comerciante): „O que exigir de terceiro coisa por este comprada, de boa fé, a comerciante que negoceie em coisa do mes-
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hat dem Eigentümer die Sache nur gegen Erstattung des Kaufpreises herauszugeben. Es wird also ein Lösungsrecht angeordnet60. Auch das allgemeine Zivilrecht Tschechiens kennt bislang – mit Ausnahme des Erwerbs vom Scheinerben – keinen redlichen Mobiliarerwerb, doch wird eine Reform gefordert. Schon heute ist ein Erwerb vom Nichtberechtigten aber im Handels- und Wertpapierrecht vorgesehen61. Außerhalb Europas findet sich eine sehr restriktive Lösung im – relativ jungen – Code civil du Québec aus 199462, der sich in der Frage des redlichen Mobiliarerwerbs von der französischen Mutterrechtsordnung emanzipiert hat: Selbst im Handelsverkehr sieht er keine Möglichkeit eines sofortigen Gutglaubenserwerbes vor, sondern beschränkt den Er-
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mo ou semelhante género é obrigado a restituir o preço que o adquirente tiver dado por ela, mas goza do direito de regresso contra aquele que culposamente deu causa ao prejuízo.“ Zwar unterscheidet Art 1301 Código civil nicht zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen, doch schließt die Rechtsprechung einen Erstattungsanspruch des redlichen Erwerbers aus, wenn die Sache dem Eigentümer durch Betrug oder Gewalt entzogen wurde (siehe Thorn, Mobiliarerwerb 154 mwN). Zu beachten ist weiters die Bedeutung des Mobiliarregisters im portugiesischen Recht: Bei registerpflichtigen Sachen (zB Kraftfahrzeugen) kommt ein Lösungsrecht nach Art 1301 Código civil nicht in Betracht, sondern nur eine Ersitzung nach Art 1298 Código civil. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 95, 239. Zuklínová, Tschechien, in: von Bar, Sachenrecht in Europa II 111. Ein besonderes Kennzeichen früherer sozialistischer Länder ist eine solch restriktive Haltung freilich nicht. So sehen etwa sowohl das polnische als auch das ungarische Recht einen durchaus an traditionellen Mustern orientierten redlichen Mobiliarerwerb vor. Polen: Art 169 ZGB ermöglicht einen redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten. Bei abhanden gekommenen Sachen ist der Erwerber aber erst nach einer dreijährigen Verwirkungsfrist ab Verlust der Sache geschützt. Eine Gegenausnahme besteht für Geld, Inhaberpapiere sowie die Fälle amtlicher öffentlicher Versteigerung und im Vollstreckungsverfahren erworbener Sachen. Dazu Poczobut, Polen, in: von Bar, Sachenrecht in Europa II 30 f, 69. Ungarn: Der redliche Erwerber ist beim Kauf vom Händler geschützt (§ 118 Abs 1 ZGB). Außerhalb des Handelsverkehrs kommt ein redlicher Erwerb nur vom Vertrauensmann des Eigentümers in Betracht (§ 118 Abs 2 ZGB). Auch hier hat der Eigentümer aber das Recht, die Sache innerhalb des ersten Jahres ab Erwerb gegen Erstattung des Entgelts vom Erwerber zurückzuerwerben (Rückkaufsrecht). Geschützt ist schließlich der Erwerb von Geld und Inhaberpapieren (Art 119 ZGB). Siehe Vékás, Ungarn, in: von Bar, Sachenrecht in Europa II 178 f, 212 f. Auch das Recht der DDR schützte den redlichen Erwerb an im Einzelhandel gekauften Sachen, ohne zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen zu differenzieren; gleiches galt für Geld und Inhaberpapiere. Ein gutgläubiger Erwerb aus Privathand war hingegen ausgeschlossen (Art 27 f ZGB). Siehe Thorn, Mobiliarerwerb 54; zur Rechtsentwicklung in der DDR ausführlich Engstfeld, Erwerb vom Nichtberechtigten 70 ff. Ausführlich Thorn, ZEuP 1997, 457 ff.
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werber generell auf ein Lösungsrecht (Art 1714 Abs 2 Code civil du Québec)63. Geschützt wird dagegen – wie im common law64 – derjenige, der die betreffende Sache gegen Entgelt von jemandem erworben hat, dessen eigener Erwerb lediglich auf einem anfechtbaren Rechtstitel beruht (Art 1707 Abs 1 Code civil du Québec)65. Ein Gutglaubensschutz besteht weiters in den Fällen der Mehrfachveräußerung ein und derselben Sache (Art 1454 Code civil du Québec)66 sowie beim Verkauf einer Sache unter gerichtlicher Aufsicht (Art 1714 Abs 1 Code civil du Québec). Wegen des weitgehenden Fehlens eines sofortigen redlichen Erwerbes gewinnt die Ersitzung wie im portugiesischen Recht besondere Bedeutung67. Ein gewisse Sonderstellung nimmt schließlich das spanische Recht ein: In fast wörtlicher Übersetzung des französischen Art 2279 Code civil68 bestimmt Art 464 Abs 1 Satz 1 Código civil, daß bei Fahrnis der gutgläubig erworbene Besitz einem Titel gleichsteht69. Nach Art 464 Abs 1 Satz 2 Código civil kommt ein solcher Gutglaubenserwerb aber dann nicht in Betracht, wenn der Eigentümer die Sache verloren hat oder sie ihm sonst in gesetzwidriger Weise weggenommen wurde70. Art 464 Código civil, der 63 64
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Thorn, ZEuP 1997, 461 f. Voidable-title-Doktrin: Hat der Veräußerer die Sache vom Eigentümer auf Grund eines anfechtbaren Kausalgeschäftes erworben (voidable title) und hat der Eigentümer von seinem Anfechtungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht, so kann der Veräußerer einem gutgläubigen Dritterwerber, der die Anfechtbarkeit weder kannte noch kennen mußte, uneingeschränkt Eigentum verschaffen. In England ordnet dies Sect 23 Sale of Goods act, in Amerika § 2–403 (1) Uniform Commercial Code an. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 208 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 366 ff; Pfetsch, Gutglaubensschutz. Thorn, ZEuP 1997, 460. Eine solche Regelung ist deshalb besonders relevant, weil in Quebec das Konsensprinzip gilt. Da das Eigentum an einer (Spezies)Sache schon mit Abschluß des Kaufvertrages übergeht, bieten Fälle der Mehrfachveräußerung ein besonderes Konfliktpotential: Der Zweiterwerber, dem die Erstveräußerung mangels Traditionsaktes nicht erkennbar ist, bedarf in erhöhtem Maß des Gutglaubensschutzes. Dementsprechend findet sich auch im französischen und im italienischen Recht, wo gleichfalls das Konsensprinzip gilt, eine ausdrückliche Regelung der Mehrfachveräußerung, die dem Schutz des Zweiterwerbers dient (Art 1141 Code civil; Art 1155 Codice civile). Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 211 ff. Thorn, Mobiliarerwerb 57; zu den Voraussetzungen derselbe, ZEuP 1997, 462 f. Art 2279 Abs 1 Code civil: „En fait de meubles, la possession vaut titre.“ [„Bei beweglichen Sachen gilt der Besitz als Titel“]. Art 464 Abs 1 Satz 1 Código civil: „La posesión de los bienes muebles, adquirida de buena fe, equivale al título.“ [„Der gutgläubig erworbene Besitz an beweglichen Gütern steht einem Titel gleich.“]. Art 464 Abs 1 Satz 2 Código civil: „Sin embargo, el que hubiese perdido una cosa mueble o hubiese sido privado de ella ilegalmente, podrá reivindicarla de quien la posea.“ [“Jedoch kann derjenige, der eine bewegliche Sache verloren hat oder
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sich durchaus in das geläufige Bild redlichen Mobiliarerwerbs einfügen läßt, wurde allerdings lange Zeit lediglich als (beschränkt) widerlegliche Eigentumsvermutung angesehen71. Zudem wurde der Tatbestand der verbotenen Besitzentziehung (privación ilegal) so weit verstanden, daß er auch durch Betrug entzogene und veruntreute Sachen umfaßte72. Ein redlicher Erwerb vom Nichtberechtigten war damit praktisch ausgeschlossen. Auf Grund einer verfehlten Interpretationspraxis näherte sich das spanische Recht dem klassischen römischen Recht mit seinem weiten Furtivitätsbegriff an73. Erst in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat nun auch die Rechtsprechung74 unter dem Eindruck der vom deutschen Recht beeinflußten herrschenden Lehre (sogenannte „interpretación germanista“)75 Art 464 Código civil als Regelung redlichen Mobiliarerwerbs anerkannt. Die Bedeutung der Regelung wird dabei von der zukünftigen Auslegung des Tatbestands der „privación ilegal“ entscheidend abhängen. Auch in Spanien wird freilich dem gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnis im Handel und bei besonders umlauffähigen Sachen jedenfalls Rechnung getragen. So läßt Art 85 Código de comercio einen gutgläubigen Erwerb im Handel umfassend – auch an gestohlenen oder verlorenen Sachen – zu76; weiters bestehen hinsichtlich von Geld und Inhaberpapieren (komplexe) Sonderregeln77. Schließlich müssen in öffentlicher Versteigerung erworbene Sachen dem Eigentümer vom redlichen Erwerber nur gegen Erstattung des Kaufpreises herausgegeben werden (Art 464 Abs 2 Código civil)78.
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dem sie in gesetzwidriger Weise weggenommen wurde, sie von dem herausverlangen, der sie besitzt.“]. Art 2279 Abs 2 Code Civil sieht in solchen Fällen hingegen keinen völligen Ausschluß des Gutglaubensschutzes vor, sondern eine 3-jährige Verwirkungsfrist: „Néanmoins celui qui a perdu ou auquel il a été volé une chose peut la revendiquer pendant trois ans, à compter du jour de la perte ou du vol, contre celui dans les mains duquel il la trouve; sauf à celui-ci son recours contre celui duquel il la tient.“ [„Wer eine Sache verloren hat oder wem sie gestohlen worden ist, kann dieselbe jedoch während dreier Jahre, von dem Tag des Verlustes oder des Diebstahls an gerechnet, von demjenigen zurückfordern, in dessen Händen er sie findet; letzterem bleibt der Rückgriff gegen denjenigen, von dem er sie erhalten hat, vorbehalten.“]. Von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 70 ff, 127 ff. Von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 72, 83 ff, 129 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 169 f. Thorn, Mobiliarerwerb 49. Siehe dazu von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 135 ff. Von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 90 ff, 135, 137. Von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 141 ff. Siehe Thorn, Mobiliarerwerb 198, 202; von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 148 f. Von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 140 f.
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Überblickt man die dargestellten Regeln, so zeigt sich, daß selbst jene Rechtsordnungen, die entsprechend dem römisch-rechtlichen Vindikationsgrundsatz ihr Hauptgewicht auf den Schutz des Eigentümers legen, dem Bedürfnis nach Vertrauens- und Verkehrsschutz immerhin durch einen zeitlich gestreckten Erwerb in Form der Ersitzung Rechnung tragen. Diese Form des Verkehrsschutzes dürfte freilich den gesteigerten Erfordernissen des Handels und den bei besonders umlauffähigen Sachen bestehenden Bedürfnissen nicht ausreichend Rechnung tragen, weshalb selbst so zurückhaltende Rechtsordnungen wie das portugiesische Recht für diesen Bereich Sonderregeln vorsehen. 2. Einseitiger Schutz des Erwerbers Einen sehr weitreichenden Schutz des gutgläubigen Erwerbers sieht das italienische Recht vor79: Art 1153 Abs 1 Codice civile80 unterscheidet nicht zwischen abhanden gekommenen und freiwillig aus der Hand gegebenen (anvertrauten) Sachen81 und ermöglicht somit auch an gestohlenen oder verlorenen Sachen einen gutgläubigen Erwerb82. Mit dieser einseitig auf die Interessen des Erwerbers und den Verkehrsschutz ausgerichteten Lösung steht das italienische Recht international isoliert da83. Immerhin ist aber die große Bedeutung zu beachten, die in Italien bei bestimmten Mobilien – Flugzeugen, Schiffen, aber auch Kraftfahrzeugen – der Eintragung in öffentlichen Registern zukommt84 und die zu 79
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Plancker/Pfeifer, Italien, in: von Bar, Sachenrecht in Europa IV 343 f; Thorn, Mobiliarerwerb 49 f. Art 1153 Abs 1 Codice civile (Effetti dell´acquisto del possesso): „Colui al quale sono alienati beni mobili da parte di chi non ne è proprietario, ne acquista la proprietà mediante il possesso, purché sia in buona fede (1147) al momento della consegna e sussista un titolo idoneo al trasferimento della proprietà (769, 1470, 1552)“. [Art 1153 Abs 1 Codice civile (Wirkungen des Besitzerwerbes): „Derjenige, dem bewegliche Sachen durch jemanden veräußert werden, der nicht Eigentümer ist, erwirbt das Eigentum mittels des Besitzes, sofern er zum Zeitpunkt der Übergabe gutgläubig ist (1147) und ein für die Übertragung des Eigentums geeigneter Rechtstitel vorliegt (769, 1470, 1552)“]; Übersetzung nach Bauer/Eccher/König/Kreuzer/Zanon, Italienisches Zivilgesetzbuch3. Nämliches gilt bei Wertpapieren gemäß Art 1994 Codice civile. Dieser Artikel bestimmt, daß derjenige, der den Besitz eines Wertpapiers im guten Glauben und in Übereinstimmung mit den Vorschriften erworben hat, die dessen Umlauf regeln, einem Anspruch auf Herausgabe nicht unterworfen ist. Bemerkenswert ist, daß auch der Codex Theresianus nicht zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen unterschied, dem Erwerberschutz also überragende Bedeutung beimaß, siehe unten S 102 ff. Thorn, Mobiliarerwerb 49 f. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 94 f.
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einer deutlichen Stärkung der Eigentümerinteressen führt: Bei solchen in das jeweilige Register eingetragenen Mobilien finden die Regeln über den gutgläubigen Erwerb gemäß Art 1156 Codice civile nämlich keine Anwendung, weshalb der Erwerber auf die Ersitzung (Art 1162 Codice civile) angewiesen ist85. Ähnlich wie das italienische Recht sah auch das schwedische Recht in seinem im Jahr 2003 novellierten Lag om godtrosförvärv av lösöre (Gesetz über den gutgläubigen Erwerb von Fahrnis) aus 1986 einen umfassenden Schutz des redlichen Erwerbers vor, bei dem nicht zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen unterschieden wurde86. Seit 1. Juli 2003 ist der Erwerb an geraubten und gestohlenen Sachen hingegen eingeschränkt: Erlangt der Eigentümer davon Kenntnis, wo sich seine Sache befindet, so kann er diese binnen sechs Monaten ersatzlos herausverlangen; nach einer absoluten Frist von 10 Jahren hat ein redlicher Erwerber die Sache hingegen ersessen. Schon nach der bisherigen Rechtslage war der Alteigentümer im schwedischen Recht aber immerhin durch ein Rückkaufsrecht geschützt, dem außerhalb der eben dargestellten Einschränkungen weiterhin Bedeutung zukommt: Innerhalb von drei, seit der Novellierung sechs Monaten ab Kenntnis vom derzeitigen Eigentümer der Sache kann der Alteigentümer vom neuen Eigentümer gegen Zahlung einer Lösesumme die Rückübertragung der Sache verlangen. Nach der novellierten Rechtslage ist diese Ersatzleistung nach Wahl des Alteigentümers entweder mit dem Marktwert der Sache oder mit ihrem Kaufpreis unter Berücksichtigung der getätigten Aufwendungen und Verbesserungen zu bestimmen87. Dabei ist freilich hervorzuheben, daß ein solches Rückkaufsrecht – ähnlich wie ein Lösungsrecht88 – zwar 85 86
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Thorn, Mobiliarerwerb 50. Zur Rechtslage vor der Novellierung 2003 siehe Herrmann/D. Westermann, Schweden, in: von Bar, Sachenrecht in Europa I 506 ff, 548 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 58, 251 f; zur novellierten Rechtslage jetzt Prisching, Gutgläubiger Fahrniserwerb im Rechtsvergleich (Diss. Graz 2005) Kap. 4.2.4.2. Zu Rechtslage bis zum 1. Juli 2003 siehe § 4 Lag om godtrosförvärv av lösöre 1986, der die Höhe der Lösesumme ebenfalls detailliert regelte: „(Abs 1) Die Lösesumme soll den Kosten des Eigentümers für den Erwerb der Sache und dessen wertsteigernden Verwendungen entsprechen. Hat der Eigentümer die Sache durch Schenkung, Erbschaft, Testament oder Auseinandersetzung einer Gemeinschaft erhalten, sollen auch die Kosten, die der Vorgänger des Eigentümers hatte, um die Sache zu erwerben, sowie dessen wertsteigernde Verwendungen in die Lösesumme eingerechnet werden. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der Vorgänger Anspruch auf die Lösesumme gehabt hätte, wenn die Rückforderung gegen ihn gerichtet gewesen wäre. (Abs 2) Bei der Bestimmung der Lösesumme sind Veränderungen des Geldwertes zu berücksichtigen. Die Lösesumme soll höchstens dem Marktwert der Sache entsprechen.“ Dazu unten S 20 ff.
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das Interesse des Alteigentümers an der Sachindividualität sichert, ihm das Risiko des wirtschaftlichen Verlustes aber zur Gänze aufbürdet: Die Beeinträchtigung seiner Eigentümerposition bleibt für ihn nämlich nur dann ohne vermögenswerten Nachteil, wenn er den Veräußerer oder einen sonstigen Zwischenmann ausfindig und haftbar machen kann und hängt zudem von deren Solvenz ab. Auch Rechtsordnungen, die ihr Hauptaugenmerk auf den Schutz des Erwerbers und den Verkehr richten, verlieren somit die Interessen des Eigentümers nicht völlig aus den Augen, sondern tragen ihnen wenigstens im Ergebnis wie in Italien bei wirtschaftlich besonders bedeutsamen Gütern durch die Einrichtung von Registern oder in Schweden durch die Statuierung eines Rückkaufsrechtes Rechnung. 3. Vermittelnde Lösungen Schon die Besprechung der Extrempositionen „Eigentümerschutz“ oder „Erwerberschutz“ hat gezeigt, daß manche Rechtsordnungen zwar zunächst einen sehr einseitigen Standpunkt einnehmen, diesen aber durch gewisse Kautelen mindestens im Ergebnis abmildern. Weit häufiger streben die Rechtsordnungen freilich von vornherein einen Kompromiß zwischen den Eigentümer- und den Erwerberinteressen an. a) Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen Eine solche Mittellösung ist schon durch das Hand-wahre-Hand-Prinzip des deutschen Rechts vorgezeichnet89, wonach der Erwerber nur hinsichtlich jener Sachen, die der Eigentümer freiwillig aus der Hand gegeben hat, eine gesicherte Rechtsposition erlangt, bei gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen dem Eigentümer hingegen das Recht der unbeschränkten Fahrnisverfolgung offensteht. In moderne Vorstellungen gekleidet, stellt eine solche vermittelnde Lösung somit auf das Verhalten des Eigentümers ab und berücksichtigt, ob dieser die für den Erwerber maßgebliche Vertrauensgrundlage – welche traditionellerweise im Besitz gesehen wird90 – „verschuldet“ oder doch veranlaßt hat. Den Ausschlag zwischen den Erwerbsinteressen des Erwerbers und den Beharrungsinteressen des Eigentümers gibt danach, ob und in welcher Art der Eigentümer für den falschen Schein des Eigentums des Verfügenden verantwortlich ist91, womit die Frage der Zurechnung des Rechtsscheins und der Risikobeherrschung in den Vordergrund tritt92. 89 90 91 92
Dazu unten S 81 ff. Dazu unten S 167 ff. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 II 2 (365). Dazu unten S 226 ff.
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So findet sich die Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen sowohl im deutschen als auch im romanischen Rechtskreis93, insbesondere im österreichischen (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 1 HGB)94, deutschen (§ 935 Abs 1 BGB; § 366 Abs 1 dHGB95), schweizerischen (Art 933, 934 Abs 1 ZGB), französischen (Art 2279 Abs 2 Code civil), spanischen (Art 464 Abs 1 Código civil)96 und griechischen Recht (Art 1038 ZGB). An abhanden gekommenen Sachen wird dabei ein redlicher Erwerb teils gänzlich ausgeschlossen (Österreich, Deutschland, Spanien, Griechenland), teils zeitlich durch eine Verwirkungsfrist aufgeschoben, die ab Abhandenkommen der Sache zu laufen beginnt97 und in Frankreich drei, in der Schweiz fünf Jahre beträgt. Einen Sonderweg schlägt das niederländische Recht ein, dessen Nieuw Burgerlijk Wetboek nicht mehr generell zwischen abhanden gekommenen und anvertrauten Sachen unterscheidet. Auch an abhanden gekommenen Sachen ist ein redlicher Erwerb möglich (Art 3:86 Abs 1 BW). Nur gestohlene Sachen sind vom sofortigen Gutglaubenserwerb ausgenommen. Bei diesen wird eine Verwirkungsfrist für den Herausgabeanspruch von 3 Jahren angeordnet, die mit dem Zeitpunkt des Diebstahls zu laufen beginnt (Art 3:86 Abs 3 BW)98. Eine weitere Besonderheit des niederländischen Rechtes ist die Auskunftspflicht (wegwijspflicht) des Art 3:87 BW, durch die den Eigentümerinteressen noch weiter Rechnung getragen wird: Für einen Zeitraum von drei Jahren ab Erwerb der Sache muß der redliche Erwerber in der Lage sein, dem Alteigentümer auf dessen Anfrage alle Angaben zu machen, die erforderlich sind, um den Veräußerer ausfindig zu machen99. Kann der Erwerber dies nicht, so kann er sich auf einen redlichen Erwerb nach Art 3:86 BW nicht berufen und muß die Sache herausgeben100.
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Vgl Thorn, Mobiliarerwerb 153 ff, 177 ff, 245 ff. Anders noch der Codex Theresianus, siehe unten S 102 ff. Kraft Verweises auf das Bürgerliche Gesetzbuch, der auch § 935 BGB umfaßt. Siehe GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 15. Dazu bereits oben S 14 f. Daß dieser Zeitpunkt und nicht der Besitzbeginn des Erwerbers ausschlaggebend ist, zeigt deutlich, daß es sich nicht um eine Ersitzungs-, sondern um eine Ausschlußfrist handelt. Siehe Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 565 (3 B 33); Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 934 Rz 28 ff. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 159 f, 225. Beim redlichen Erwerb von Geld besteht wegen der erhöhten Verkehrsschutzbedürfnisse eine solche Auskunftspflicht nach Art 3:87 Abs 2 BW freilich nicht. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 224 f; Nieper/Ploeger, Niederlande, in: von Bar, Sachenrecht in Europa 185, 246.
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b) Lösungsrecht und Rückkaufsrecht Eine weitere Kompromißlösung ist das schon mehrfach erwähnte Lösungsrecht101: Bei diesem versucht man einen gewissen Interessenausgleich dadurch zu erzielen, daß der redliche Erwerber dem Eigentümer die Sache nur gegen Erstattung der von ihm erbrachten Gegenleistung herauszugeben hat. Der redliche Erwerber ist somit davor geschützt, bei Vermögenslosigkeit des unberechtigt verfügenden Zwischenmannes seine Gegenleistung zu verlieren, der Eigentümer hat hingegen das Risiko des wirtschaftlichen Schadens – bei Insolvenz oder mangelnder Greifbarkeit des Verfügenden – zu tragen, doch wird wenigstens sein Interesse an der Sachindividualität berücksichtigt. Ein solches Lösungsrecht – wie es etwa das ALR (I, 15 § 26)102 vorsah – ist heute beispielsweise in der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB) und in Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil) beim Erwerb abhanden gekommener Sachen auf dem Markt103, von einem Kaufmann, der mit derartigen Waren gewöhnlich handelt, oder in öffentlicher Versteigerung gesetzlich verankert, in Spanien (Art 464 Abs 2 Código civil) bei ihrem Erwerb in öffentlicher Versteigerung. Im deutschen Rechtskreis existiert ein Lösungsrecht somit nur in der Schweiz, während es in Österreich und Deutschland nicht vorgesehen ist104. Eine praktisch wenig bedeutsame Regelung findet sich lediglich im deutschen Art 94 Abs 2 EGBGB105, wonach jene landesgesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, nach welchen öffentlichen Pfandleihanstalten das Recht zusteht, die ihnen verpfändeten Sachen dem Berechtigten nur gegen Bezahlung des auf die Sache gewährten Darlehens herauszugeben106. Durch dieses Lösungsrecht wird der Gutglaubensschutz gegenüber den allgemeinen Regeln erweitert: Zwar 101
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Dazu Siehr, ZVglRWiss 83 (1984) 100 ff; Geyrhalter, Lösungsrecht; Thorn, Mobiliarerwerb 245 ff; zu den historischen Wurzeln siehe unten S 88 ff und S 98. Dazu unten S 110 ff. Art 2280 Abs 1 Code civil nennt überdies den Erwerb auf Messen. Der erste Entwurf zum BGB sah in seinem § 939 ein Lösungsrecht hingegen noch vor. Abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, XXXVI. Dazu Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 417 ff = Mugdan, Materialien III 233 f. Vgl auch die (noch weitergehende) Vorlage Nr 8 des Redaktors von Johow aus 1875, siehe Jakobs/ Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I (§§ 854–1017) IX, 53 ff. Von der zweiten Kommission wurde das Lösungsrecht wegen seiner „gewissen Halbheit“ und „praktischer Bedenken“ ersatzlos gestrichen. Siehe Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 367 ff = Mugdan, Materialien III 692 f. Dazu MünchKomm/Damrau, BGB4 § 1207 Rz 10. Derzeit besteht eine solche Regelung nur noch in Bayern, siehe MünchKomm/ Damrau, BGB4 § 1207 Rz 10 FN 19; abgedruckt bei MünchKomm/Damrau, BGB3, Vor § 1204 Rz 21 f.
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können auch die öffentlichen Pfandleihanstalten an abhanden gekommenen Sachen kein Pfandrecht gutgläubig erwerben (§ 1207 iVm § 935 Abs 1 BGB), doch kann die Sache bis zur Bezahlung der Darlehenssumme zurückbehalten werden107. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang weiters auf § 456 ABGB, wonach der Eigentümer die Wahl hat, den gutgläubigen Pfandrechtserwerber „schadlos zu halten oder das Pfand fahren zu lassen.“ Der Eigentümer kann also die Freigabe des Pfandes durch Zahlung der Pfandschuld erreichen 108, was einem Einlösungsrecht entspricht109. Anders als ein Lösungsrecht beim Kauf einer fremden Sache, stellt ein solches Lösungsrecht bei Verpfändung einer fremden Sache freilich keine Kompromißlösung dar. Beim Kauf wird nämlich auch der Käufer zum Entgegenkommen gezwungen: Er muß auf die Sache verzichten, der Zweck des Kaufes wird vereitelt. Die Position des Pfandgläubigers wird durch ein Lösungsrecht hingegen nicht beeinträchtigt, weil das Pfandrecht von vornherein nur die Sicherung – mit anderen Worten die Lösung um den Betrag der gesicherten Forderung – bezweckt110. Wegen der völlig gleich gelagerten Interessenlage wird man das Lösungsrecht des § 456 ABGB analog auch auf die Fälle der Sicherungsübereignung anzuwenden haben111. In einem sachlichen Naheverhältnis zur Statuierung eines Lösungsrechtes steht schließlich § 333 Satz 2 ABGB112. Zwar kann der redliche Besitzer (der nicht gutgläubig erworben hat) den zum Erwerb der Sache gezahlten Preis vom vindizierenden Eigentümer gemäß § 333 Satz 1 ABGB nicht ersetzt verlangen. § 333 Satz 2 ABGB gibt aber immerhin demjenigen, der eine fremde Sache, die der Eigentümer sonst schwerlich wieder erlangt haben würde, redlich an sich löst, und dadurch dem Eigentümer einen erweislichen Nutzen verschafft, das Recht eine ange107 108
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Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 135 (S 940). Siehe Ehrenzweig, System2 I/2, 411 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 456 Rz 5; Schwimann/Hinteregger, ABGB3 § 456 Rz 8. Vgl Zeiller, Kommentar II/1, 266. So treffend Völkl, Lösungsrecht 17. Generell für eine analoge Anwendung des § 456 ABGB auf den gutgläubigen Erwerb von Sicherungseigentum schon Frotz, Kreditsicherungsrecht 112. Eine Gleichbehandlung von Pfandrecht und Sicherungseigentum – wenngleich mit methodisch anderen Mitteln – befürwortet auch E. Bydlinski, ÖBA 1998, 958, 971 ff. Im übrigen zeigt sich die parallele Interessenlage in der allgemeinen Tendenz, den Anwendungsbereich der pfandrechtlichen Vorschriften – in Österreich anders als in Deutschland insbesondere auch das Faustpfandprinzip (§ 451 f ABGB) – auf die Sicherungsübereignung zu erstrecken. Dazu Iro, Sachenrecht2 Rz 14/11; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 367 f, mwN. Vgl Geyrhalter, Lösungsrecht 48 ff.
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messene Vergütung zu fordern113. § 333 Satz 2 ABGB ist ein Unterfall des sogenannten „Bergelohns“ (§ 403 ABGB), der seinerseits als Sonderfall der Geschäftsführung im Notfall angesehen wird114. Während die Fälle der Geschäftsführung ohne Auftrag aber nur bei Vorliegen eines Fremdgeschäftsführungswillens in Betracht kommen115, wird man einen solchen bei § 333 Satz 2 ABGB nicht vorauszusetzen haben. Wegen der besonderen Interessenlage ist vielmehr auch jenem redlichen Besitzer ein Anspruch zuzugestehen, der die Sache für sich selbst erwerben wollte116. Die Praxis ist bei der Handhabung des § 333 Satz 2 ABGB freilich überaus zurückhaltend: Anerkannt wird ein Vergütungsanspruch nur dann, wenn Umstände vorliegen, unter denen die Sache ohne den Erwerb unwiederbringlich verloren gewesen wäre117. Auch die Redlichkeitsvermutung des § 328 ABGB soll keine Anwendung finden118, da ungeachtet der Besitzlage auf die Umstände des Erwerbes abzustellen sei119. Da diese nur vom Erwerber aufgeklärt werden können und überdies eine privilegierte Erwerbssituation iSd § 367 ABGB gerade nicht vorliegt, erscheint dies durchaus sachgerecht. Wesentlich seltener als ein Lösungsrecht wird schließlich ein Rückkaufsrecht angeordnet120: Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß der gutgläubige Erwerber zunächst Eigentümer wird, der Alteigentümer aber innerhalb einer bestimmten Frist die Rückübertragung verlangen kann, wenn er dem Erwerber die getätigten Aufwendungen ersetzt. Entsprechendes ordnen das schwedische121 und das ungarische Recht122 an.
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Dazu Ehrenzweig, System2 I/2, 294; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 333 Rz 1; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 333 Rz 2. Dazu Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 333 Rz 1, § 403 Rz 1 f. Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag 32 ff, 79 ff. Ebenso Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag 41; Geyrhalter, Lösungsrecht 48 f. Für dieses Ergebnis spricht auch die historische Interpretation: So betont Zeiller, Kommentar II/1, 78, daß ein Beweis der Absicht, den Veräußerer ausfindig zu machen und ihm die Sache zurückzugeben, vom Gesetz nicht gefordert werde; siehe schon Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle II 520 f. OGH in SZ 6/116; Ehrenzweig, System2 I/2, 294. Auch die von Zeiller, Kommentar II/1, 78, angeführten Beispiele weisen in diese Richtung: Genannt wird der Erwerb „von feindlichen Truppen, Seeräubern oder flüchtigen Verbrechern“. OGH in SZ 6/116. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 333 Rz 1. Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 251 f. Siehe oben S 17 f. Siehe oben FN 61.
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c) Differenzierungskriterien Rechtsvergleichend läßt sich feststellen, daß jene Rechtsordnungen, die einen sofortigen Gutglaubenserwerb zulassen, regelmäßig nach der Art des Erwerbes und der in Rede stehenden Sache differenzieren. Dies erscheint einleuchtend, da die Verkehrsschutzbedürfnisse durchaus unterschiedlich stark ausgestaltet sein können. Häufig wird weiters die Art des Grundgeschäftes als wesentlicher Faktor angesehen: Wegen des fehlenden Verkehrsschutzbedürfnisses wäre demnach bei einem unentgeltlichen Geschäft ein Gutglaubenserwerb zu verneinen, beim Kauf im Handelsverkehr oder im Laden hingegen zu bejahen, während der Kauf zwischen Nichtkaufleuten einen Grenzfall darstellen würde123. aa) Handel Eine besondere Privilegierung des Handelsverkehrs ist heute in zahlreichen Rechtsordnungen verankert, wobei insbesondere zu nennen sind: im österreichischen Recht der Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB), im griechischen Recht der Kauf auf Messe oder Markt (Art 1039 Satz 2 BGB), wobei nach beiden Bestimmungen ein redlicher Erwerb auch an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen stattfindet. Ebenso wird in Spanien der redliche Erwerb im Handelsverkehr generell geschützt (Art 85 Código de comercio). Auf das besondere Lösungsrecht des Schweizer (Art 934 Abs 2 ZGB) und französischen Rechts (Art 2280 Abs 1 Code civil) wurde bereits hingewiesen. Selbst das portugiesische Recht, das keinerlei sofortigen Schutz des redlichen Erwerbers kennt und insofern ganz den römisch-rechtlichen Grundsätzen folgt, berücksichtigt das erhöhte Bedürfnis nach Sicherheit und Leichtigkeit des Warenflusses durch die Statuierung eines Lösungsrechtes beim Erwerb im Handelsverkehr (Art 1301 Código civil). Einen Sonderweg beschreitet wiederum das niederländische Recht124: Zwar privilegiert Art 3:86 Abs 3 lit a BW den Handel, indem es einen redlichen Erwerb auch an gestohlenen Sachen zuläßt. Voraussetzung des Gutglaubensschutzes ist aber zum einen ein Konsumentenkauf (consumentenkoop). Geschützt wird also nur ein Verbraucher, nicht hingegen derjenige, der beim Erwerb in Ausübung seines Berufes oder Gewerbes handelt. Zum anderen muß der Verkauf nicht nur durch einen Veräußerer erfolgen, der öffentlich mit Sachen gleicher Gattung handelt, sondern es wird ausdrücklich angeordnet, daß der Veräußerer 123 124
Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 II 3 (366). Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 192 f.
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diese Tätigkeit gewerblich in einem dazu bestimmten Gewerberaum ausüben muß125. Das deutsche Recht privilegiert den Handel im Vergleich zum allgemeinen Zivilrecht hingegen nur minimal: Erwirbt der redliche Erwerber von einem Kaufmann, so wird – im Gegensatz zur Regelung des § 932 Abs 2 BGB – nicht nur der gute Glaube an die Eigentümerstellung des Veräußerers, sondern auch jener an dessen Verfügungsbefugnis geschützt (§ 366 Abs 1 dHGB). Gleiches gilt für § 366 des österreichischen HGB. bb) Öffentliche Versteigerung Privilegiert wird vielfach auch der Erwerb in öffentlicher Versteigerung, wo ein gutgläubiger Erwerb auch an abhanden gekommenen Sachen zugelassen wird, so in Österreich (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB), Deutschland (§ 935 Abs 2 BGB; kraft Verweises auch § 366 dHGB) und Griechenland (Art 1039 Satz 2 ZGB)126, oder wo zumindest ein Lösungsrecht angeordnet wird, also der Erwerber die ersteigerte Sache nur gegen Erstattung des von ihm bezahlten Preises herauszugeben hat wie in der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB), in Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil) oder in Spanien (Art 464 Abs 2 Código civil). cc) Geld und Inhaberpapiere Sonderregeln bestehen häufig auch für Geld und Inhaberpapiere, bei denen ein redlicher Erwerb auch dann zugelassen wird, wenn sie abhanden gekommen sind. Zu nennen sind hier insbesondere Österreich (§ 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB), Deutschland (§ 935 Abs 2 BGB; kraft Verweises auch § 366 dHGB), die Schweiz (Art 935 ZGB), Griechenland (Art 1039 Satz 1 ZGB)127, Spanien128 sowie die Niederlande (Art 3:86 Abs 3 lit b, Art 3:87 Abs 2 BW)129. 125
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Ein Erwerb auf offenem Markt ist damit ausgeschlossen, wobei das Betriebsraumerfordernis wohl in erster Linie mit der Auskunftspflicht des 3:87 BW zusammenhängt, siehe Thorn, Mobiliarerwerb 193. Eleftheriadou, Griechenland, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 67, 105. Dazu Eleftheriadou, Griechenland, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 67, 105. Zu den recht komplexen Regeln siehe Thorn, Mobiliarerwerb 198, 202; von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 148 f. An Geld, Inhaber- und Orderpapieren ist ein redlicher Erwerb auch dann möglich, wenn diese gestohlen wurden. Bei Geld entfällt überdies die Auskunftspflicht nach Art 3:87 Abs 1 BW. Siehe den Gesetzestext bei Nieper/Ploeger, Nie-
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dd) Art des Grundgeschäftes In der Regel ist für den redlichen Erwerb die Wirksamkeit des Grundgeschäftes, oftmals auch die Art des Erwerbsgeschäftes maßgeblich130. So ist in jenen Rechtsordnungen, die einen sofortigen redlichen Mobiliarerwerb kennen, ganz überwiegend die Gültigkeit des Grundgeschäftes – etwa eines Kaufvertrages – Voraussetzung des Gutglaubensschutzes. Dies erscheint selbstverständlich, da die Regeln des redlichen Eigentumserwerbes lediglich den Zweck haben, das mangelnde Eigentum des Veräußerers und häufig auch seine mangelnde sachenrechtliche Verfügungsbefugnis zu substituieren, nicht aber schuldrechtliche Mängel des Grundgeschäftes sanieren sollen131. Dies gilt nicht nur für solche Länder, die vom Prinzip der kausalen Tradition ausgehen wie Österreich132, die Schweiz133 und die Niederlande134, sondern auch für jene Staaten, die auf dem Boden des Konsensprinzips stehen, so Italien135, Schweden136 und Polen137. Anders ist die Rechtslage hingegen in Frankreich: Der redliche Mobiliarerwerb nach Art 2279 Abs 1 Code civil setzt keinen wirksamen Erwerbstitel voraus. Auch ohne gültiges Rechtsgeschäft zwischen dem nichtberechtigten Veräußerer und dem redlichen Erwerber treten die Wirkungen des Gutglaubensschutzes ein138. Dies führt zu einem erstaunlichen Abweichen vom Normalfall: Im regulären Fall des Erwerbs vom Eigentümer ist ein gültiger schuldrechtlicher Vertrag selbstverständlich erforderlich und das Eigentum geht auf Grund des Konsensprinzips regelmäßig schon mit Abschluß des Vertrages über, ohne daß es einer
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derlande, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 244 f, sowie Thorn, ZEuP 1997, 452 f, 457. Vgl zum Folgenden Thorn, Mobiliarerwerb 112 ff; siehe auch Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 II 3 (S 366). Siehe bloß Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297; Gschnitzer, Sachenrecht2 113; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/47; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 23; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 7; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764 f; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327. Thorn, ZEuP 1997, 447 ff; derselbe, Mobiliarerwerb 113 f, 116. Plancker/Pfeifer, Italien, in: von Bar, Sachenrecht in Europa IV 344; Thorn, Mobiliarerwerb 115 f. Thorn, Mobiliarerwerb 117. Thorn, Mobiliarerwerb 117. Minuth, Besitzfunktionen 38 ff, 171 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 358 ff, 361 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 114.
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gesonderten Übergabe bedürfte. Beim redlichen Erwerb entfällt das Erfordernis des gültigen Erwerbsgrundes hingegen und das Erwerbsgeschäft wird gemäß der Regel „la possession vaut titre“ durch den Besitz ersetzt. Dies führt zu einem Ergebnis von seltener Irregularität139: Der Erwerb vom Nichteigentümer wird stärker privilegiert als der Erwerb vom Eigentümer140, da der redliche Erwerber gegenüber dem Alteigentümer auch gegen Mängel des Erwerbsgeschäftes abgeschirmt wird141. Besonderes gilt auf Grund des Abstraktionsprinzips auch in Deutschland: Für eine wirksame Übertragung von Sachenrechten kommt es auf ein gültiges schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft nicht an. Erforderlich und ausreichend ist – sowohl für den Erwerb vom Eigentümer als auch für den redlichen Erwerb vom Nichteigentümer – allein die wirksame dingliche Einigung142. Im Ergebnis führt diese Loslösung des sachenrechtlichen Verfügungsgeschäftes vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zu einem verstärkten Verkehrsschutz, der über jenen des redlichen Erwerbs hinausgeht143. Ist ein wirksames Erwerbsgeschäft erforderlich, so wird häufig auch nach der Art des Grundgeschäftes unterschieden: So schützen zahlreiche Rechtsordnungen nur den entgeltlichen Erwerb, wie insbesondere Österreich144, die Niederlande145 sowie die Rechtsordnungen des Common Law146. Zu rechtfertigen ist dies mit dem einleuchtenden Gedanken, daß nur derjenige, der ein Vermögensopfer erbracht hat, schutzwürdig erscheint. Hingegen ist kein Grund ersichtlich, denjenigen, dem eine Sache unentgeltlich zugefallen ist, dem Eigentümer vor139 140 141
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Vgl Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers 29. Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 358; Minuth, Besitzfunktionen 174 f. Dem Veräußerer selbst steht es hingegen frei, die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes einzuwenden und die Sache wieder herauszuverlangen, siehe Minuth, Besitzfunktionen 192 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 362. Daß der Verzicht auf einen juste titre beim Erwerb vom Nichtberechtigten in seinen Auswirkungen Parallelen zum deutschen Abstraktionsprinzip aufweist, betont Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 361 ff, abschwächend aber Minuth, Besitzfunktionen 184 ff, 194 f. Dazu unten S 32 f und S 134 ff. Eingehend Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 249 ff, 372 ff, und unten S 134 ff. Ehrenzweig, System2 II/1, 184; Klang in Klang, ABGB2 II 224; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/47 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 4. Strittig ist, ob es auf die tatsächliche Erbringung der Gegenleistung ankommt; zum Meinungsstand siehe die Nachweise unten FN 160. Nieper/Ploeger, Niederlande, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 184; Thorn, ZEuP 1997, 450; derselbe, Mobiliarerwerb 120 f. Thorn, Mobiliarerwerb 121; zum US-amerikanischen Recht Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 254 f.
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zuziehen. Anders kann aber dann zu entscheiden sein, wenn wegen der besonderen Umlauffähigkeit einer Sache bedeutend erhöhte Verkehrsschutzbedürfnisse bestehen. So soll beispielsweise ein redlicher Erwerb von Geld und Inhaberpapieren gemäß § 371 ABGB nach überwiegender Auffassung auch bei Unentgeltlichkeit stattfinden147. Von einem generellen Schutz auch unentgeltlichen Erwerbs wird hingegen etwa in der Schweiz148, in Italien149 und auch im französischen Recht150 – das nicht einmal ein wirksames Erwerbsgeschäft voraussetzt – ausgegangen. Eine Sonderstellung nimmt schließlich wiederum Deutschland ein: Da das deutsche Recht entsprechend dem Abstraktionsprinzip prinzipiell nur das Verfügungsgeschäft ins Auge faßt, spielt die Entgeltlichkeit für den sachenrechtlichen Eigentumserwerb keine Rolle. Dieses sachenrechtliche Ergebnis wird bereicherungsrechtlich freilich sogleich korrigiert: Im Fall der Unentgeltlichkeit besteht eine Rückgewährspflicht des redlichen Erwerbers gegenüber dem Alteigentümer gemäß § 816 Abs 1 Satz 2 BGB151. B. Einbezogene Rechtsordnungen 1. Beschränkung auf den deutschen Rechtskreis Geht es darum, die Grundwertungen des redlichen Erwerbes zu klären, so ist es angesichts der zahlreichen denkbaren Lösungsvarianten nicht zweckmäßig, den Blick auf das österreichische Recht zu beschränken, sondern es erscheint unumgänglich, die Untersuchung des heimischen Rechtes mit einem rechtsvergleichenden Ansatz zu verbinden. Im Hinblick auf die überaus große Bandbreite der in den unterschiedlichen Rechtsordnungen verwirklichten Lösungsmöglichkeiten ist dabei – gerade bei einer Arbeit, die primär dem österreichischen Recht gilt – eine prinzipielle Beschränkung der Untersuchung auf den deutschen Rechtskreis geboten: Zeigt die rechtsvergleichende Forschung 147
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OGH in SZ 61/158 = ÖBA 1989, 428 (Kerschner) = JBl 1989, 102; Ehrenzweig, System2 I/2, 190; F. Bydlinski, QuHGZ III/1981, 53; Frotz, Kastner-FS (1972) 147 FN 34; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 371 Rz 4. Für Entgeltlichkeit aber Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 371 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 230 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/60. Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472 FN 3; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930–937 Rz 29, 33. Plancker/Pfeifer, Italien, in: von Bar, Sachenrecht in Europa IV 344; Thorn, Mobiliarerwerb 120. Minuth, Besitzfunktionen 39; Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers 57; Thorn, Mobiliarerwerb 120. Dazu unten S 33 f.
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auch oftmals, daß trotz ungleicher dogmatischer Lösungswege die Ergebnisse in erstaunlichem Maße konvergieren152, so ist dieses Phänomen beim gutgläubigen Mobiliarerwerb trotz mancher Übereinstimmungen in Teilbereichen nicht zu verzeichnen153, und es finden sich selbst im gleichen Rechtskreis völlig divergierende Lösungsmodelle, wie für die romanischen Rechtsordnungen das portugiesische und italienische Recht zeigen, welche jeweils Extrempunkte der möglichen Lösungsvarianten markieren154. Geht es nun nicht um eine umfassende Bestandsaufnahme auf möglichst breiter rechtsvergleichender Basis, sondern um eine prinzipiell-systematische Einordnung des Institutes, so ist mE eine Beschränkung auf den deutschen Rechtskreis, der im Vergleich zu den bestehenden Lösungsmöglichkeiten – wenigstens in den Grundlinien – eine bemerkenswerte Homogenität aufweist155, notwendig. Obgleich die Schweiz mit der Konzeption eines Lösungsrechtes in einem zentralen Punkt einen abweichenden Standpunkt einnimmt, erscheint es wegen des konstatierten Gleichklangs der grundsätzlichen Wertungen zielführend, neben dem österreichischen und deutschen auch das schweizerische Recht in die Betrachtung miteinzubeziehen. Da gerade ein Blick von außen das Verständnis des eigenen Rechtssystems oftmals zu schärfen vermag, ist diese Selbstbeschränkung freilich keine absolute: Wo es um die Verdeutlichung von Unterschieden oder das Aufzeigen alternativer Lösungsansätze geht, dürfen auch andere europäische Rechtsordnungen nicht unberücksichtigt bleiben.
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Grundlegend Zweigert in Rotondi, Inchieste II (1973) 735 ff, der treffend von einer „praesumptio similitudinis“ als Grundsatzvermutung rechtsvergleichender Methode spricht. Thorn, Mobiliarerwerb 31 f, 256. Ein gewisses Minimum an sachenrechtlichem Verkehrsschutz erweist sich dabei aber offenbar für jede entwickelte Rechtsordnung als unverzichtbar und wird auf durchaus unterschiedliche Weise erreicht: Neben dem sofortigen Gutglaubenserwerb kommen hierfür – wie bereits angeklungen – so unterschiedliche rechtstechnische Mittel wie Ersitzung, Abstraktionsprinzip, Eigentumsvermutung und Ausgestaltung der Eigentumsklage sowie Registersysteme für Mobilien in Betracht. Auf einer höheren Abstraktionsebene findet sich somit Zweigerts Ähnlichkeitsvermutung wiederum bestätigt und erweist zudem die Notwendigkeit einer funktionalen Rechtsvergleichung. Siehe dazu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung3 33 ff; Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht2 Rz 5/4 ff. Zur Einbettung des Gutglaubenserwerbes im sachenrechtlichen System, siehe unten S 124 ff. Thorn, Mobiliarerwerb 32.
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2. Überblick über die Regelung im deutschen Rechtskreis a) Österreich Die Zentralnorm des § 367 ABGB regelt drei Tatbestände redlichen Mobiliarerwerbs. Geschützt ist der gutgläubige Erwerb in öffentlicher Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB), vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) sowie vom Vertrauensmann des Eigentümers (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB). § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – Erwerb von demjenigen, dem der Eigentümer die Sache anvertraut hat – stellt dabei den Grundfall des gutgläubigen Erwerbs dar, in welchem das österreichische Recht der aus dem deutschen Recht stammenden Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen folgt. Entsprechend der Hand-wahre-Hand-Regel ist an letzteren ein redlicher Erwerb ausgeschlossen. In den Fällen des Erwerbs in öffentlicher Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann wird hingegen gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnissen Rechnung getragen und ein gutgläubiger Erwerb auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zugelassen. Gleiches gilt wegen des Bedürfnisses nach erhöhter Umlauffähigkeit gemäß § 371 ABGB bei Geld sowie bei „auf den Überbringer lautenden Schuldbriefen“, worunter Inhaberpapiere zu verstehen sind156. Wie der derivative Erwerb vom Berechtigten setzt auch der redliche Erwerb vom Nichtberechtigten auf Grund des Kausalitätsprinzips (§ 380 ABGB)157 einen gültigen Titel, also ein wirksames obligatorisches Grundgeschäft voraus158. Das österreichische Recht trägt dem Gedanken Rechnung, daß nur solche redlichen Erwerber schutzwürdig sind, die ein Vermögensopfer erbracht haben und schützt deshalb prinzipiell nur den entgeltlichen Erwerb159. Zwar wird das Erfordernis der Entgeltlichkeit nur beim Erwerb
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Dazu Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 371 Rz 4; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 371 Rz 2 f. Nicht hingegen (Überbringer)Sparbücher, siehe Böhler, Verpfändung 54 f; Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 9/68, jeweils mwN. Zur Rechtslage nach Ende der Sparbuchanonymität vgl Nitsche, ÖBA 2000, 1055 ff. Siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 109, 276 f, 292 f. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/47; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297. Siehe bereits Entwurf Martini (II 3 § 22), wonach es die Billigkeit erheische, daß derjenige der bloß zu gewinnen suche dem Eigentümer, der nur nicht verlieren wolle, nachgesetzt werde. Auch für den redlichen Immobiliarerwerb verlangt die Rsp nunmehr Entgeltlichkeit, siehe OGH in SZ 62/219 = JBl 1990, 314 = NZ 1990, 237; dazu Karollus, JAP 1990/91, 228 ff; ablehnend aber Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 431 Rz 10; kritisch auch Hofmeister, NZ 1990, 240.
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vom Vertrauensmann des Eigentümers ausdrücklich genannt, doch ist es beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann selbstverständlich vorausgesetzt160. Für einen gutgläubigen Erwerb von Geld und Inhaberpapieren gemäß § 371 ABGB soll es hingegen nach verbreiteter Auffassung auf Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit des Erwerbes nicht ankommen161. Entsprechend dem Traditionsprinzip bedarf der Gutglaubenserwerb wie jeder Fahrniserwerb als Modus der Übertragung des Besitzes, wobei überwiegend auch die Traditionssurrogate einschließlich des Besitzkonstituts als ausreichend angesehen werden162. Prinzipiell muß sich der gute Glaube des Erwerbers auf das Eigentum des Veräußerers beziehen163. Das Vertrauen auf die Verfügungsbefug160
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Ehrenzweig, System2 II/1, 184; Klang in Klang, ABGB2 224; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/47 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 4; siehe schon Nippel, Bürgerliches Gesetzbuch III 219; Winiwarter, Sachenrecht 116; aA nur Randa, Eigentumsrecht2 I 345. Strittig ist, ob Entgeltlichkeit des Titelgeschäftes ausreicht oder tatsächliche Erbringung der Gegenleistung erforderlich ist, so jüngst Bollenberger, ÖJZ 1995, 651 f und ÖJZ 1996, 851 ff; zustimmend F. Bydlinski, CanarisSymposium (1998) 72 FN 96; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297. Dagegen Holzner, ÖJZ 1996, 372 ff und ÖJZ 1997, 499 ff; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 29; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 4; eingehend bereits derselbe, Schuldverhältnis 155 ff. Ablehnend nun auch OGH in RdW 2002, 724 = ecolex 2003, 92 = JAP 2002/2003, 178 (Zeinhofer). Siehe dazu noch unten S 57 f mit FN 301. OGH in SZ 61/158 = ÖBA 1989, 428 (Kerschner) = JBl 1989, 102; Ehrenzweig, System2 I/2, 190; F. Bydlinski, QuHGZ III/1981, 53; Frotz, Kastner-FS (1972) 147 FN 34; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 371 Rz 4; Eccher in KBB, ABGB § 371 Rz 3. Für Entgeltlichkeit aber Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 371 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 230 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/60. Für die Zulässigkeit aller Übergabsformen Iro, Besitzerwerb 237 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/49; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 171 ff, 178 ff (allerdings mit bedeutsamen Modifikationen, dazu unten S 362 f); Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 9; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 2. OGH in SZ 11/12. Dagegen Ehrenzweig, System2 I/2, 189; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 f; Gschnitzer, Sachenrecht2 113 f; Klang in Klang, ABGB2 II 226; siehe auch Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 8; differenzierend Frotz, Kastner-FS (1972) 153; vgl auch denselben, Kreditsicherungsrecht 153 f. Ehrenzweig, System2 I/2, 190; F. Bydlinski, JBl 1967, 355; Kreller, ÖJZ 1951, 109 f; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/50; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 4 f. OGH in SZ 39/65 = JBl 1967, 202; SZ 39/189 = JBl 1967, 478; EvBl 1971/261; RdW 1998, 394. Für einen weiterreichenden Schutz des Vertrauens auf das Bestehen einer Verfügungsbefugnis Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6; Gschnitzer, Sachenrecht2 112; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3; siehe schon Zeiller, Kommentar II/1, 136. OGH in GlUNF 6266; SZ 16/211; JBl 1967, 367 = EvBl 1966/334.
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nis wird allerdings beim Erwerb vom Kaufmann (§ 366 HGB) sowie nach zutreffender Ansicht beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann geschützt164. Auch bei Veräußerungen durch einen Trödler, der seine Verfügungsbefugnis überschreitet, genügt es, wenn der Erwerber die Veräußerungsbefugnis kennt und bezüglich ihrer Beschränkung redlich ist (§ 1088 Satz 2 ABGB)165. Die an die Gutgläubigkeit des Erwerbers zu stellenden Voraussetzungen sind umstritten: Nach hM wird die Redlichkeit schon durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen166, nach anderen soll erst grobe Fahrlässigkeit schaden167, wieder andere stellen für die Gutgläubigkeit auf Unkenntnis und das Fehlen objektiver Verdachtsmomente ab168. Beim redlichen Erwerb von Geld und Inhaberpapieren gemäß § 371 ABGB soll nur grobe Fahrlässigkeit schaden169. Die im ABGB verankerte Regelung des Gutglaubenserwerbs wird durch handelsrechtliche Sonderregeln, die 1938 eingeführt wurden170, ergänzt: § 366 HGB regelt den redlichen Erwerb vom Kaufmann. Anders als beim befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) ist an abhanden gekommenen Sachen ein Gutglaubenserwerb ausgeschlossen, sofern es sich nicht um Geld oder Inhaberpapiere oder einen Erwerb in öffentlicher Versteigerung handelt (§ 366 Abs 4 HGB). Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung schützt das Handelsrecht auch den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Kaufmannes und nimmt Unredlichkeit erst bei grober Fahrlässigkeit an. Die Vorschriften des ABGB 164
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Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; derselbe, Kreditsicherungsrecht 45; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 FN 550; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. AA Binder, Sachenrecht Rz 6/31. F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Frotz, Kreditsicherungsrecht 43; Pollak; JBl 1985, 654; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51. OGH in RdW 1998, 394. Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff, 147 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 2/21 und 6/50; Apathy, NZ 1989, 137 ff, 140; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 888; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 234, 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 3; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3. OGH in SZ 50/142 = EvBl 1978/76; SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92. Ehrenzweig, System2 I/2, 190; Randa, Eigentumsrecht2 I 367; vgl auch Frotz, Kreditsicherungsrecht 46; Gschnitzer, Sachenrecht2 11. Schey/Klang in Klang, ABGB2 II 92 f; Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff, 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f; vgl auch Oberhofer, JBl 1996, 153, 156. Frotz, Kastner-FS (1972) 153 f; Iro, Besitzerwerb 152; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/60. DRGBl 1938 I 1999 = GBlÖ 1939/86.
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bleiben – soweit sie für den Erwerber günstiger sind – unberührt (§ 366 Abs 5 HGB). b) Deutschland Das deutsche Recht regelt den redlichen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen in den §§ 932–935 BGB, die Möglichkeit lastenfreien Erwerbs in § 936 BGB. Entsprechend der Hand-wahre-Hand-Regel unterscheidet auch das deutsche Recht zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen. Letztere können nicht gutgläubig erworben werden (§ 935 Abs 1 BGB). Dieser Ausschluß eines redlichen Erwerbes abhanden gekommener Sachen gilt nicht nur im allgemeinen Zivilrecht, sondern findet – kraft Verweises auf das BGB – auch im Handelsrecht Anwendung. Die Rechtslage entspricht damit dem – nach deutschem Vorbild geschaffenen – österreichischen § 366 HGB. Anders als nach den allgemein-zivilrechtlichen Regeln des österreichischen und schweizerischen Rechtes (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB; Art 933 ZGB) wird das Hand-wahre-Hand-Prinzip nicht positiv formuliert und auf einen Erwerb vom Vertrauensmann abgestellt, sondern in negativer Textierung ein Ausschluß des Erwerbes abhanden gekommener Sachen angeordnet. Ausnahmen davon bestehen – gleich wie in Österreich – bei Geld und Inhaberpapieren sowie bei Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden (§ 935 Abs 2 BGB). Auch das deutsche Recht geht vom Trennungsprinzip aus171, unterscheidet also zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft. Anders als im österreichischen und schweizerischen Recht gilt dabei freilich nicht das Prinzip der kausalen Übereignung, sondern das Abstraktionsprinzip172: Für eine wirksame Übertragung von Sachenrechten ist – selbstverständlich auch in den Fällen redlichen Erwerbs – ein gültiges schuldrechtliches Erwerbsgeschäft nicht vorausgesetzt, sondern lediglich ein wirksamer dinglicher Vertrag erforderlich. Fehlt der schuldrechtliche Titel, wird daher gleichwohl wirksam Eigentum übertragen und es kann bloß eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgen. Trotz mancher Durchbre171
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Jauernig, JuS 1994, 721 f; Medicus, Allgemeiner Teil8 Rz 220 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 40. Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 40 ff; Flume, Rechtsgeschäft4 § 12 I, III (S 152 ff, 173 ff); Heck, Sachenrecht 118 ff; Larenz, Schuldrecht II/113 § 39 II (S 10 ff); Medicus, Allgemeiner Teil8 Rz 224 ff; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 (S 25 ff); Wieling, Sachenrecht I § 1 III 4 c (S 37 ff). Umfassend und rechtsvergleichend zum Abstraktionsprinzip Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion.
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chungen173 ist das Abstraktionsprinzip ein maßgebliches Stilmerkmal174 des deutschen Rechts, das unbestreitbar Verkehrsschutzfunktion175 hat und einen Teilanwendungsbereich redlichen Erwerbs in Österreich und der Schweiz – Absicherung gegen Titelmängel in der Vormännerkette – unabhängig von der Redlichkeit des Erwerbers abdeckt176. Anders als in Österreich erlangt der Redliche auch im Fall unentgeltlichen Erwerbes Eigentum an beweglichen Sachen, doch ist der gutgläubige Erwerber sogleich einem Bereicherungsanspruch des Alteigentümers nach § 816 Abs 1 Satz 2 BGB ausgesetzt. Bis zur Durchsetzung des Rückübertragungsanspruchs kann der Erwerber über die Sache als Berechtigter verfügen, anderen Personen also unabhängig von deren Redlichkeit Eigentum an ihr verschaffen. Von manchen wird dieses Konzept als technisch-konstruktive Überspitzung angesehen177, das aus einer (allzu) konsequenten Durchführung des Abstraktionsprinzips resultiert: Ist das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft für den Sachenrechtserwerb generell nicht von Belang, so ist es zwar konsequent, auch für den gutgläubigen Erwerb nicht auf seine Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit abzustellen. Ferner wird durch die Statuierung eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruches auch in Deutschland anerkannt, daß der redliche Erwerber nur bei Erbringung eines Vermögensopfers als schutzbedürftig angesehen werden kann. In 173
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Zu nennen sind die Fälle eines Bedingungszusammenhanges, einer Geschäftseinheit oder der Fehleridentität von obligatorischem und dinglichem Rechtsgeschäft, dazu Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 50 ff; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 IV (S 31 ff); Jauernig, JuS 1994, 723 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 82 ff, 136 ff; 174 ff; Wiegand, BGH-FS I (2000) 770 ff. Eingehend zur Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäftes Grigoleit, AcP 199 (1999) 379 ff. Vgl Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung I § 15 (S 214 ff); Hoyer, Schnitzer-FS (1979) 247 ff. Dazu Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion, insb 249 ff, 372 ff. In Deutschland stellt sich die nämliche Problematik – freilich weit seltener –, wenn sich das Verfügungsgeschäft (Übereignung) als anfechtbar erweist. Wird angefochten, so ist die Übereignung von Anfang an nichtig, der Dritterwerber hat vom Nichtberechtigten erworben und bedarf des Gutglaubensschutzes: Nach § 142 Abs 2 BGB wird derjenige, der die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, so behandelt, als hätte er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes gekannt oder sie kennen müssen. Die Voraussetzungen der Bösgläubigkeit ergeben sich bei beweglichen Sachen aus § 932 BGB. Es schadet also grobe Fahrlässigkeit, wobei Bezugspunkt der Bösgläubigkeit jene Tatsachen sind, welche die Anfechtbarkeit begründen. Siehe Staudinger/Roth, BGB (2003) § 142 Rz 40 f; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche, BGB4 § 142 Rz 19 f; Flume, Rechtsgeschäft4 § 31, 1 (S 558); Grigoleit, AcP 199 (1999) 382 ff. So pointiert Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 17 FN 54, wonach die Lösung über § 816 Abs 1 Satz 2 BGB ein aus „Konstruktionslust erdachter Umweg“ sei.
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ihrer Konsequenz führt die gewählte Konstruktion aber zu einer sachlich bedenklichen Verschiebung des Insolvenzrisikos auf den Alteigentümer. Diesem wird sein konkursfester Eigentumsherausgabeanspruch genommen, was ihm verbleibt, ist lediglich ein – in der Insolvenz des Erwerbers praktisch wertloser – bereicherungsrechtlicher Anspruch. Dem Traditionsprinzip entsprechend bedarf auch in Deutschland der redliche Mobiliarerwerb der Besitzverschaffung. Die tauglichen Übergabsformen werden dabei sehr detailliert geregelt. Jedem der Übereignungstatbestände (§§ 929–931 BGB) wird in den §§ 932–934 BGB ein Tatbestand redlichen Erwerbs zur Seite gestellt178: Als selbstverständlich ausreichend angesehen wird eine Übergabe kurzer Hand (traditio brevi manu), sofern der Erwerber die Sache zuvor vom Veräußerer erhalten hat (§ 932 Abs 1 Satz 2 BGB). Hat er sie allerdings von einem Dritten erlangt, so spreche kein Rechtsschein für das Eigentum des Veräußerers179. Ein Besitzkonstitut reicht gemäß § 933 BGB für einen Gutglaubenserwerb hingegen nicht aus. Hier ist der redliche Erwerber erst dann geschützt, wenn er die Sache vom Veräußerer übergeben erhalten hat. Ein Gutglaubenserwerb setzt also voraus, daß der Veräußerer seinen Besitz vollständig aufgegeben hat180. In einem gewissen Spannungsverhältnis zum Ausschluß des Besitzkonstitutes nach § 933 BGB stehen die Regeln über den redlichen Erwerb bei Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 934 BGB181: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache, so wird der Erwerber mit Abtretung des Herausgabeanspruches gegen den Dritten Eigentümer (§ 934 Fall 1 BGB), ansonsten erst dann, wenn er den Besitz der Sache von dem Dritten erlangt hat (§ 934 Fall 2 BGB), wobei auch hier mittelbarer Besitz ausreicht182. Das Verhältnis von § 933 BGB 178
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Siehe Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 54 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 12 ff; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 47 (S 384 ff), § 48 (S 393 ff). Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 2 (S 371); Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 47 I 2 (S 388). Siehe dazu noch unten FN 1760. Baur/Stürner Sachenrecht17 § 52 Rz 17 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 I 2 (S 394); Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 3 b (S 372); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 933 Rz 3; MünchKomm/Quack, BGB4 § 933 Rz 6. Von seiner Funktion entspricht die Übertragung des Eigentums durch Abtretung des Herausgabeanspruches (§ 931 BGB) in etwa der in Österreich geläufigen Besitzanweisung, so Frotz, Kreditsicherungsrecht 34. Dogmatisch bestehen freilich bedeutsame Unterschiede, da die Abtretung keine Anzeige an den Herausgabepflichtigen erfordert. Die konstruktive Parallele zur österreichischen Besitzanweisung ist deshalb durch einen Vergleich mit der Übergabe durch eine „Geheißperson“ zu bilden, siehe Iro, Besitzerwerb 87 f, 242. Zum Verhältnis von Besitzanweisung und Abtretung des Herausgabeanspruches weiters Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 b (S 376); derselbe, AcP 184 (1984) 455 ff. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 22; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 3 (S 399); Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 c (S 378).
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zu § 934 BGB wird in der deutschen Literatur viel diskutiert und teils ein Normenwiderspruch angenommen183: In beiden Fällen erlangt der Erwerber nämlich nur mittelbaren Besitz, was zwar bei der Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 934 BGB für einen Gutglaubenserwerb ausreicht, beim Besitzkonstitut nach § 933 BGB aber nicht. Gerechtfertigt wird diese Differenzierung damit, daß der Veräußerer beim Besitzkonstitut den Besitz nicht vollständig aufgibt, bei Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 934 BGB hingegen schon184. Insgesamt zeigt sich trotz der Regelung des § 934 BGB, daß das Traditionsprinzip beim Erwerb vom Nichtberechtigten strenger durchgeführt ist, als bei den Grundtatbeständen der §§ 929–931 BGB185. Generell durchgehalten wird dabei das Prinzip, daß ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, solange der Veräußerer noch Besitz hat (Prinzip des vollständigen Besitzverlustes)186. Im Zivilrecht wird nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers, nicht aber jener an seine Verfügungsbefugnis geschützt (§ 932 Abs 2 BGB). Das Handelsrecht dehnt den Verkehrsschutz insofern aus und schützt auch den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis (§ 366 Abs 1 dHGB). Für das erforderliche Maß an Redlichkeit gilt ein einheitlicher Maßstab: Gemäß § 932 Abs 2 BGB schadet dem Erwerber erst grobe Fahrlässigkeit. Obgleich auch das deutsche Recht den redlichen Erwerb vom Kaufmann in § 366 HGB einer gesonderten Regelung unterwirft, nimmt sich die dabei erzielte Privilegierung des Handels vergleichsweise bescheiden aus: Lediglich der Gegenstand des guten Glaubens, der ansonsten auf das Eigentum des Veräußerers begrenzt ist, wird auf den Fall der Verfügungsbefugnis erstreckt (§ 366 Abs 1 dHGB). An gestohlenen oder abhanden gekommenen Sachen bleibt hingegen – von den bereits erwähnten Ausnahmen für Geld, Inhaberpapiere und die Fälle öffentlicher
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Dazu (mit unterschiedlichen Harmonisierungsversuchen) Boehmer, Grundlagen II/2, 28 ff, 32 ff; W. Müller, AcP 133 (1937) pointiert S 87: Die Weisheit mit der der Gesetzgeber § 933 BGB begründet habe, müsse er bei § 934 BGB schon wieder vergessen haben. Aus jüngerer Zeit Hager, Verkehrsschutz 330 ff; Picker, AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff; Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff; Wacke, Besitzkonstitut 50 ff; Musielak, JuS 1992, 720 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 317 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 391 ff, jeweils mwN. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 2 a (S 397 f); Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff, 418 ff; Bauer/Stürner, Sachenrecht17§ 52 Rz 20, 22; Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 a (S 375 f); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 934 Rz 2 f. Brehm/Berger, Sachenrecht § 26 Rz 15 ff. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 3, 17, 20; Michalski, AcP 181 (1981) 418 f; Wiegand, JuS 1974, 203, 204; Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 3 b (S 372); Frotz, Kastner-FS (1972) 153.
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Versteigerung abgesehen – auch im Handelsverkehr jeglicher Gutglaubensschutz ausgeschlossen. c) Schweiz Als Grundregel bestimmt Art 714 Abs 2 ZGB: “Wer in gutem Glauben eine bewegliche Sache zu Eigentum übertragen erhält, wird, auch wenn der Veräusserer zur Eigentumsübertragung nicht befugt ist, deren Eigentümer, sobald er nach den Besitzesregeln im Besitze der Sache geschützt ist“. Im Einzelnen sind die Voraussetzungen des redlichen Mobiliarerwerbs in den Art 933 bis 935 ZGB geregelt. Wie das österreichische Recht unterscheidet auch das Schweizer Recht zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen. So ist nach Art 933 ZGB der gutgläubige Erwerber einer beweglichen Sache „auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war“. Wie bei § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB wird somit auf den Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers abgestellt. Bei abhanden gekommenen Sachen wählt das Schweizer Recht hingegen einen vom österreichischen und deutschen Recht abweichenden Standpunkt. Anders als nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 1 HGB, § 935 Abs 1 BGB und § 366 Abs 1 dHGB wird ein redlicher Erwerb gestohlener (oder sonst abhanden gekommener) Sachen nämlich nicht völlig ausgeschlossen, sondern an das Verstreichen einer Verwirkungsfrist187 geknüpft, welche fünf Jahre beträgt (Art 934 Abs 1 ZGB). Beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung und im Handel (Übertragung „auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“) ordnet Art 934 Abs 2 ZGB bis zum Verstreichen der Verwirkungsfrist überdies ein Lösungsrecht an: Somit können abhanden gekommene Sachen auch zwischenzeitlich „dem ersten und jedem spätern gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden“. Besonders privilegiert ist weiters der Erwerb von Geld und Inhaberpapieren; hier hebt Art 935 ZGB die Unterscheidung zwischen Anvertrauen und Abhandenkommen auf: „Geld und Inhaberpapiere können, auch wenn sie dem Besitzer gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, dem gutgläubigen Empfänger nicht abgefordert werden“. Auch im Schweizer Recht erfordert der redliche Mobiliarerwerb ein gültiges Grundgeschäft. Wie im österreichischen Recht gilt dabei das 187
Die Frist läuft ab Abhandenkommen der Sache, wobei es für die Verwirkung lediglich auf die Redlichkeit des letzten Besitzers (Erwerbers) ankommt. Beides zeigt deutlich, daß es nicht um einen Fall der Ersitzung geht; siehe Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 934 Rz 28 ff.
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Prinzip der kausalen Tradition188, so daß ein wirksames schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft vorliegen muß189. Ob dieses entgeltlich oder unentgeltlich ist, soll allerdings nach hA unbeachtlich sein190. Dem Traditionsprinzip entsprechend setzt der redliche Mobiliarerwerb auch in der Schweiz die Übertragung des Besitzes an der Sache voraus. Der körperlichen Übergabe werden dabei allerdings alle Besitzübertragungssurrogate – einschließlich des Besitzkonstitutes – grundsätzlich gleichgestellt191. Insofern werden keine Unterschiede zum derivativen Eigentumserwerb gemacht. Geschützt ist schließlich nicht nur der Glaube an die Eigentümerstellung des Veräußerers, sondern generell auch an dessen Verfügungsbefugnis192.
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Anders als im Immobiliarsachenrecht (Art 974 Abs 2 ZGB) ist bei Mobilien das Kausalitätsprinzip zwar nicht ausdrücklich angeordnet, doch ist seine Geltung heute einhellig anerkannt. Siehe Haab/Simonius, Zürcher Kommentar2 IV/1 ZGB, Art 714 Rz 16 ff, 33; Rey, Sachenrecht I2 Rz 353 f, 1689 f; Schwander in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 714 Rz 3 f; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, ZGB12 906 f; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 320 f. Grundlegend BG in BGE 55 II 302. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 23; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 7; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764 f; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327. Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472 FN 3; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930–937 Rz 29, 33. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20 ff; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1766; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 82 ff; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26 f. Grundsätzlich auch Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 486 f, der aber die Anforderungen, die an die Wirksamkeit von Besitzkonstitut und Anweisung zu stellen sind, betont. F.-E. Klein, Gerwig-FS (1960) 121 ff, 132, will die Zulässigkeit des Besitzkonstitutes überhaupt auf jene Fälle beschränken, in denen kein Besitzmittlungsverhältnis zum Eigentümer besteht und der nichtberechtigt Verfügende als selbständiger Besitzer handelt. Ostertag, Berner Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 17, wollte den Eigentumserwerb beim Besitzkonstitut noch generell bis zur Erlangung direkten Besitzes hinausschieben. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 25; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 326; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1769 f; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 55; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 29 ff.
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C. Gemeineuropäisches Privatrecht und gutgläubiger Erwerb 1. Relevanz des gewählten Ansatzes Der dargelegte Ansatz erscheint gerade auch im Hinblick auf die angestrebte gemeineuropäische Rechtsvereinheitlichung von besonderer Relevanz: Mit der zunehmenden europäischen Integration ist nicht nur ein politischer und wirtschaftlicher, sondern auch ein in seinen Auswirkungen noch gar nicht abschätzbarer rechtlicher Umbruch verbunden. In diesem Sinne hat das Europäische Parlament schon im Jahre 1989 die Mitgliedsstaaten ersucht, mit den nötigen Vorbereitungen zur Ausarbeitung eines einheitlichen europäischen Gesetzbuches für das Privatrecht zu beginnen193. Ein solches Vereinheitlichungsziel liegt um so näher, als kein Gebiet der Rechtswissenschaft einen so ausgesprochen europäischen Charakter trägt wie die Privatrechtswissenschaft194. Im Hinblick auf die beträchtlichen Unterschiede zwischen den europäischen Privatrechtsordnungen ist ein solches Unterfangen nicht zuletzt wegen der damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Implikationen freilich ungemein schwierig195. Hierzu einen Beitrag durch rechtspolitische 193
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Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Bemühungen um eine Angleichung des Privatrechts der Mitgliedsstaaten vom 26. 5. 1989, ABl EG Nr C 158/400 vom 28. 6. 1989; abgedruckt in RabelsZ 56 (1992) 320 f, sowie ZEuP 1993, 613 ff. Bestätigt wurde diese Resolution durch die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Angleichung bestimmter Bereiche des Privatrechts der Mitgliedsstaaten vom 6. 5. 1994, ABl EG Nr C 205/518 vom 25. 7. 1994, abgedruckt in ZEuP 1995, 669. Siehe dazu Tilmann, ZEuP 1995, 534 ff. Koschaker, Europa und das römische Recht4 1. Neben dem wegweisenden Werk Koschakers zeigen dies insbesondere die grundlegenden Arbeiten von Coing, Europäisches Privatrecht, Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Zimmermann, The Law of Obligations. Zur Bedeutung der Rechtsgeschichte für ein gemeineuropäisches Privatrecht Schulze in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht2 127 ff mwN. Zum Wert der im ius commune verkörperten gesamteuropäischen Tradition für die Vereinheitlichung besonders Zimmermann, JZ 1992, 8 ff; derselbe, JBl 1998, 273 ff; siehe weiters Knütel, ZEuP 1994, 244 ff; kritisch aber Caroni, ZNR 16 (1994) 85 ff. Aus der reichen Literatur zur Frage der europäischen Rechtsvereinheitlichung und Angleichung Basedow, Mestmäcker-FS (1997) 347 ff; Blaurock, JZ 1994, 270 ff; Franzen, Privatrechtsangleichung; Gamerith, ÖJZ 1997, 165 ff; Gebauer, Europäisierung des Privatrechts; Großfeld/Bilda, ZfRV 1992, 421 ff; Hartkamp et al (Hrsg), European Civil Code3; Hauschka, JZ 1990, 521 ff; Hirte, Europäisches Zivilrecht; Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 ff; Kieninger/Leible, EuZW 1999, 37 ff; Kötz, Zweigert-FS (1981) 481 ff; Kramer, JBl 1988, 477 ff; Lurger, Vereinheitlichung; Martiny/ Witzleb (Hrsg), Europäisches Zivilgesetzbuch; Micklitz, ZEuP 1998, 253 ff; Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht2; Müller-Graff, NJW 1993, 13 ff; Posch, ZEuP 1995, 507 ff; Remien in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, 11 ff; derselbe, JZ 1992, 277 ff; Rittner, JZ 1995, 849 ff; derselbe, Mestmäcker-FS (1996)
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Vorschläge leisten zu wollen, erschiene vermessen. Die Ausarbeitung entsprechender Regelungen muß vielmehr einem von Vertretern der Mitgliedsstaaten gebildeten Expertengremium vorbehalten bleiben. Die vorliegende Untersuchung kann allerdings durch die Herausarbeitung jener Prinzipien, die für einen der europäischen Rechtskreise prägend sind, eine notwendige Vorarbeit leisten. Das Anliegen der Arbeit ist somit ein sehr anspruchsvolles und zugleich ein vergleichsweise bescheidenes: Der europäischen Rechtsvereinheitlichung eine Hilfestellung zu bieten, die dazu beitragen soll, daß jene Grundsätze unseres Rechtskreises, die erhaltungswürdig erscheinen, im Wettstreit der Rechtssysteme nicht unbeachtet verlorengehen. 2. Zur Vereinheitlichung des Sachenrechtes Wie immer man zu der Idee einer Europäischen Privatrechtskodifikation stehen mag196, so ist doch nicht daran zu zweifeln, daß eine „Europäisierung der Rechtswissenschaft“197 nicht nur wegen der wirtschaftlichen Erfordernisse des Binnenmarktes zweckmäßig erscheint198, sondern not-
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449 ff; Schulze, ZEuP 1993, 442 ff; Schwartz, ZEuP 1994, 559 ff; Schwintowski, JZ 2002, 205 ff; Sonnenberger, JZ 1998, 982 ff; Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung; derselbe, JZ 1993, 533 ff; Ulmer, JZ 1992, 1 ff. Grundlegend zu Fragen der Rechtsvereinheitlichung bereits Kropholler, Internationales Einheitsrecht. Zu „Nutzen und Kosten der Rechtsvereinheitlichung“ Kötz, RabelsZ 50 (1986) 1 ff; weiters Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 45 (1981) 73 ff; Behrens, RabelsZ 50 (1986) 19 ff. Kritisch abwägend bis skeptisch auch Blaurock, JZ 1994, 270 ff, 276; Kramer, JBl 1988, 485 ff; Markesinis, ERPL 1997, 519 ff; Remien, JZ 1992, 280 ff; Rittner, JZ 1995, 854 ff; Sandrock, JZ 1996, 6 ff; Schulze, ZEuP 1993, 460 f, 470 ff; Taupitz, JZ 1993, 533 ff; Ulmer, JZ 1992, 5 ff. Zur mangelnden Rechtsetzungsbefugnis der EG Pechstein in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 19 ff; eingehend zur legislativen Rechtsangleichung und den privatrechtlich relevanten Rechtsetzungsgrundlagen Franzen, Privatrechtsangleichung 15 ff, 70 ff. Entschieden ablehnend unter Betonung der Eigenständigkeit des Common Law Legrand, Mod. L. Rev. 60 (1997) 44 ff; aA aber Zimmermann, ZEuP 1993, 4 ff. Positiv auch Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 116 ff; Tilmann in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht2 479 ff, 485; Basedow, Mestmäcker-FS (1996) 347 ff, 363. Für eine Vereinheitlichung primär auf kollisionsrechtlicher Ebene Taupitz, JZ 1993, 538 f; Jayme, Internationales Privatrecht für Europa; vgl auch H. Koch, ERPL 1995, 329 ff; abwägend Sonnenberger, JZ 1998, 982 ff. Eine detaillierte Übersicht über die unterschiedlichen Kritikpunkte und Strömungen bietet Lurger, Vereinheitlichung 22 ff. Coing, NJW 1990, 937 ff; beipflichtend Kötz in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht2 155 ff; insb zur Bedeutung der Juristenausbildung Flessner, RabelsZ 56 (1992) 243 ff, mwN. Dazu Basedow, Mestmäcker-FS (1996) 347 ff; H. W. Hinz, ZEuP 1994, 553 ff, 558. Eine unsystematische Regelungsflut führt freilich gerade in der Wirtschaft
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wendig ist, um den Charakter einer reinen Landesjurisprudenz199, bei der mit dem Schritt über die Grenzen auch die Gerechtigkeitsvorstellungen wechseln200, zu überwinden201. Ohne ein solches europäisches Rechtsdenken erscheint jedes Projekt der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsangleichung von vornherein zum Scheitern verurteilt202. Bestätigt wird dies, wenn man sich einen Überblick über die von der Europäischen Union im Bereich des Privatrechts bislang getroffenen Regelungen zu verschaffen sucht: Es bietet sich vielfach ein wenig ermutigendes, punktuell-disparates und unübersichtliches Bild, das mehr von politischen Zufälligkeiten als von systematischem Ordnungsstreben und materiellem Rechtsdenken geprägt erscheint203: Eine Vielzahl von Inseln ohne inneren Zusammenhang!204
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zu Vorbehalten gegen eine Privatrechtsharmonisierung wie Rittner, JZ 1995, 857; derselbe, Mestmäcker-FS (1996) 449, 458 f, betont. Siehe Jhering, Geist des römischen Rechts I5 15: „Die Wissenschaft ist zur Landesjurisprudenz degradiert, die wissenschaftlichen Grenzen fallen in der Jurisprudenz mit den politischen zusammen. Eine demütigende, unwürdige Form für die Wissenschaft!“. So pointiert Pascal, Pensées [Gedanken]: „Plaisante justice, qu’une rivière borne! Vérité au-deçà des Pyrénées; erreur au-delà.“ [„Eine schöne Gerechtigkeit, deren Grenze ein Fluß ist! Was auf dieser Seite der Pyrenäen Wahrheit ist, ist auf der anderen Irrtum.“ (Übersetzung von Rüttenauer, Sammlung Dieterich VII 157)]. Zum „Schulenstreit“ zwischen einem wissenschaftlichen und einem legislatorischen Ansatz für das europäische Zivilrecht Schulze, ZEuP 1993, 470 ff; Martiny in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 6 ff. Mit „Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung“ befaßte sich ein gleichnamiges Hamburger Symposium 1991, siehe die Beiträge von Mertens, Flessner, Lando, Bonell, Storme, Remien mit einer Einführung von Kötz abgedruckt in RabelsZ 56 (1992) 215 ff. Als geschichtliches Beispiel kann insbesondere Eugen Hubers „Vorarbeit“ System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts (1893) dienen, welche die Vereinheitlichung der zahlreichen kantonalen Privatrechtsordnungen zu einem Schweizer Privatrecht erst möglich machte. Auch für die europäische Vereinheitlichung werden solche Vorarbeiten entscheidend sein. Siehe Kötz in MüllerGraff, Gemeinsames Privatrecht2 161 f; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung3 30 f. Zutreffend warnt F. Bydlinski, Methodenlehre2 385, generell vor einer Rechtsvereinheitlichung nach außen, die mit einer Rechtszersplitterung im Inneren erkauft wird. Gerade im Hinblick auf die europäischen Vereinheitlichungsbemühungen weist Posch, ZEuP 1995, 517 ff, im Anschluß an einen von Natalino Irti geprägten Begriff zu Recht auf die Gefahr einer Dekodifikation hin. Kritisch auch Hauschka, JZ 1990, 523; Ulmer, JZ 1992, 5 f; Hommelhoff, AcP 192 (1992) 102 f. So – ein plastisches Bild von Kötz, Zweigert-FS (1981) 485, aufgreifend – Rittner, JZ 1995, 851 ff. Zu Recht kritisch gegen eine bloß fragmentarische Rechtsvereinheitlichung Kötz, Zweigert-FS (1981) 481 ff; derselbe, RabelsZ 50 (1986) 12 f; derselbe in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht2 151 ff.
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Inhaltlich haben die Harmonisierungsbemühungen der EU205 – neben dem besonders wirtschaftsnahen Gesellschafts- und Unternehmensrecht sowie dem Immaterialgüterrecht – im Kernbereich des Privatrechtes vor allem den Verbraucherschutz206 und die Produkthaftung207 erfaßt. Das Sachenrecht blieb bislang hingegen erstaunlich unberührt208. Art 295 (ex.Art 222) EG-Vertrag, wonach der Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unberührt läßt, ist dafür freilich nicht verantwortlich. Mit dieser durch die Verhältnisse der Nachkriegs- und Gründungszeit der Gemeinschaft bedingten Bestimmung soll nämlich nur klargestellt werden, daß die nationalen Handlungsspielräume bei der Privatisierung oder Sozialisierung (insbesondere der Verstaatlichung von Produktionsmitteln) erhalten bleiben und diese Fragen nicht Sache der Gemeinschaft sind209. Das im Vergleich zum Schuldrecht offensichtlich weit geringere Vereinheitlichungsinteresse ist vielmehr ein schon länger zu konstatierendes Phänomen210: Während etwa die Bemühungen um die Vereinheitlichung des Rechts der internationalen Warenkäufe bereits Ende der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts begannen und in der Schöpfung der Haager Kaufgesetze 1964211 und dem UN-Kaufrecht 205
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Siehe die Übersicht bei Müller-Graff in Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht2 28 ff, 84 ff; Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht2 Rz 9/17 ff; zu den Verbraucherschutzrichtlinien Lurger, Vereinheitlichung 68 ff mwN. Zu nennen sind die Richtlinien über Haustürwiderrufsgeschäfte (85/577/EWG), Verbraucherkredit (87/102/EWG; 90/88/EWG), Pauschalreisen (90/314/EWG), mißbräuchliche Vertragsklauseln (93/13/EWG), Time-Sharing (94/47/EG), den Fernabsatz (97/7/EG) und – bislang am weitreichendsten – über den Verbrauchsgüterkauf (1999/44/EG). RL 85/374/EWG. Selbst die besonders „sachenrechtsnahe“ Time-Sharing RL (94/47/EG) beschränkt sich auf bestimmte schuldrechtliche Aspekte der Teilzeitnutzungsrechte (Informationspflichten, Rücktrittsrechte), spart die sachenrechtliche Seite der Problematik aber bewußt zur Gänze aus, wobei die Unterschiedlichkeit der Rechtsnatur solcher Rechte in den Mitgliedsstaaten hervorgehoben wird, siehe Erwägungsgrund 3 der RL, ABl EG Nr L 280/83 vom 29. 10. 1994. Das österreichische TNG mit dem die RL umgesetzt wurde, sieht hingegen in seinem § 10 besondere grundbücherliche Sicherstellungsmöglichkeiten (Reallast oder Treuhänderhypothek) vor. Siehe Brinker in Schwarze, EU-Kommentar Art 295 Rz 1 ff; Kingreen in Calliess/ Ruffert, EUV/EGV2, Art 295 Rz 1 ff; Schweitzer in Grabitz/Hilf, EU Kommentar, Art 295 Rz 1 ff; vgl aber Sonnenberger, JZ 1998, 982 f mwN. Zur Bedeutung der EG-Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit (Art 28 [ex-Art 30], Art 29 [ex-Art 34 EG-Vertrag]) für das einzelstaatliche Sachenrecht vgl die Nachweise unten FN 234. Dazu und zu den im Folgenden ausgeführten Gründen Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 169 ff. Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen (EAG) und Einheitliches Gesetz über den internationalen
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1980212 mündeten, blieben sachenrechtliche Reglementierungen weitgehend ausgespart213. Dieses mangelnde Interesse an einer Vereinheitlichung ist wohl nicht zuletzt auf den statischen Charakter des Sachenrechtes zurückzuführen. Dementsprechend scheint es geradezu aus der Natur der Sache zu resultieren, daß sich kollisionsrechtlich das anzuwendende sachenrechtliche Regime – nahezu ubiquitär anerkannt214 – grundsätzlich nach der lex rei sitae richtet215, also die Belegenheit der Sache maßgeblich ist216. Angesichts der absoluten Wirkung von Sachenrechten wird dafür vor allem auch der Gedanke des Verkehrsschutzes ins Spiel gebracht217: Diesem entspreche im materiellen Recht das Publizitätsprinzip, im IPR habe die Maßgeblichkeit des Rechtes des Lageortes den Vorteil, daß die anwendbare Rechtsordnung leicht feststellbar sei218. Insofern spricht
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Kauf beweglicher Sachen (EKG). Trotz seiner Teilnahme an der Haager Kaufrechtskonferenz 1964 hat Österreich diese Kaufgesetze nie ratifiziert. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den Internationalen Warenkauf, für Österreich kundgemacht in BGBl 1988/96. So klammert auch das UN-Kaufrecht die sachenrechtliche Beurteilung kaufrechtlicher Sachverhalte aus. Nach Art 4 lit b UNK sind die Auswirkungen des Kaufvertrages auf das Eigentum an der verkauften Ware allein nach dem nationalen Recht zu beurteilen. Gleiches galt für das Haager Kaufrecht, siehe Art 8 EKG. Siehe Kropholler, Internationales Privatrecht5 § 54 I 1; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 § 19 I; Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13 Rz 122 ff, 218 ff, 256 ff. Österreich: § 31 IPRG; Deutschland: Art 43 EGBGB; Schweiz: Art 99 und 100 IPRG. Siehe weiters die Länderübersicht bei Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13 Rz 21 ff. Für das Recht der Immobilien war dies schon in der mittelalterlichen Statutentheorie anerkannt, für bewegliche Sachen war hingegen nach der älteren – erst im 19. Jhdt – überwundenen Auffassung das Personalstatut maßgeblich („mobilia ossibus inhaerent“), so noch das ALR (Einleitung § 28), das auf den Wohnsitz verwies, und der Wortlaut des § 300 ABGB aF, wonach bewegliche Sachen „mit der Person ihres Eigentümers unter gleichen Gesetzen“ standen. Siehe Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9 § 2 II 2 und § 19 I. Kropholler, Internationales Privatrecht5 § 54 I 1, der aber darauf hinweist, daß bei beweglichen Sachen durch ihre Verbringung von einem Rechtsbereich in einen anderen die eigentlichen Probleme des internationalen Sachenrechtes erst entstehen. Modifikationen des Belegenheitsstatuts sind deshalb erforderlich, dazu Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13 Rz 126 ff, 129. Auch hier hat der Versuch einer Rechtsvereinheitlichung bislang aber bloß geringen Erfolg gehabt. Siehe Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13 Rz 104 ff, 111 ff. Immerhin ist darauf hinzuweisen, daß auch für die Feststellung der Voraussetzungen unter denen ein Gutglaubenserwerb möglich ist, auf die lex rei sitae abzustellen ist. Siehe Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 31 IPRG Rz 10; Kropholler, Internationales Privatrecht5 § 54 I 3 c; Siehr, Internationales Privatrecht 271. Aus dem Blick-
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Drobnig treffend von der „stationären Lage“ des Sachenrechtes, bei der eine Sachrechtsvereinheitlichung weniger dringlich erscheint219. Auch ist zu bedenken, daß maßgebliche Bereiche des Sachenrechtes – wie jene des Nachbar- oder Servitutsrechtes – stark in lokalen Traditionen verwurzelt sind220. Es findet sich somit bestätigt, daß das Bestreben nach Rechtsvereinheitlichung ebenso wie das vorgelagerte Interesse an Rechtsvergleichung nicht zuletzt von wirtschaftlichen Implikationen angetrieben wird und daher wirtschaftsnahe Rechtsbereiche zunächst erfaßt. So betrachtet treten freilich jene Teile des Sachenrechtes in den Blick, die seine dynamische Seite markieren, so insbesondere jene Regeln, die für die Warenzirkulation bedeutsam sind. In jenen Bereichen führen grenzüberschreitende Transaktionen zu „mobilen Konflikten“, die ihrerseits Angleichungsbestrebungen auslösen221. Betroffen ist somit in erster Linie das Mobiliarsachenrecht, vor allem das Recht der Kreditsicherheiten sowie die Regeln über den Eigentumserwerb und -verlust. In diesen für den Wirtschaftsverkehr besonders relevanten Bereichen sind erste Ansätze für den Versuch einer Sachenrechtsvereinheitlichung auch durchaus zu konstatieren: So sollte schon das Einheitliche Kaufgesetz – trotz seiner grundsätzlichen Beschränkung auf die schuldrechtlichen Fragen des Kaufrechtes – nach einem seiner Vorentwürfe Regeln über den Eigentumsvorbehalt an Maschinen enthalten222 und Ernst Rabel223 betonte, daß „Fragen des Eigentumsüberganges insoweit einbezogen werden sollten, als sie für den Handel von Wichtigkeit sind“. Die
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winkel des Erwerber- und Vertrauensschutzes erscheint das Abstellen auf den Belegenheitsort konsequent, doch kann dieser Standpunkt für den Eigentümer zu Härten führen, wenn die Sache gegen seinen Willen an den Belegenheitsort verbracht wurde und dieser den redlichen Erwerber weitergehend schützt (insbesondere hinsichtlich gestohlener Sachen!) als das Herkunftsland. Siehe dazu Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13 Rz 302 mwN. Zur Frage des Kulturgüterschutzes sogleich noch unten im Text. Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 172 f. Gambaro, ERPL 1997, 497. So treffend Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 173 ff, der auch die unterschiedlichen Vereinheitlichungsmöglichkeiten und ihren Anwendungsbereich aufzeigt: einheitliche kollisionsrechtliche Anknüpfung (zB Genfer Übereinkommen über die internationale Anerkennung von Rechten an Luftfahrzeugen 1948), materiell-einheitliches internationales dingliches Recht (zB Vorentwurf eines UNIDROIT-Übereinkommens über internationale Rechte an beweglichen Ausrüstungen), oder materiell-vereinheitlichte Landesrechte, über derartige Ansätze sogleich im Text. Anlage I zu dem Entwurf eines einheitlichen Kaufgesetzes, abgedruckt bei Rabel, RabelsZ 9 (1935) 41 f. RabelsZ 9 (1935) 1.
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beträchtlichen nationalen Unterschiede waren aber offenbar so stark, daß diese Bemühungen schon bald fallen gelassen wurden224. Die Differenzen zwischen jenen Staaten, die ein besonderes dingliches Rechtsgeschäft verlangen (Trennungsprinzip) und jenen, in denen das Eigentum schon mit Abschluß des Kaufvertrages übergeht (Konsensprinzip)225, erweisen sich offenkundig als so schwer zu überbrücken, daß auch Art 4 lit b UNK die Frage der sachenrechtlichen Konsequenzen des Kaufvertrages auf das Eigentum an der verkauften Ware ausklammert226. Gerade die Frage des Eigentumsvorbehaltes zur Sicherung von Lieferanten ist für eine Rechtsvereinheitlichung freilich geradezu prädestiniert, weshalb es in den letzten Jahrzehnten in diesem Bereich zu einer gewissen Konvergenz der nationalen Rechtsordnungen gekommen ist227: Trotz aller Unterschiede hat sich in den Mitgliedsstaaten der EU eine grundsätzliche Übereinstimmung in der Behandlung des einfachen Eigentumsvorbehaltes herausgebildet, insbesondere wird nahezu überall seine Wirksamkeit im Konkurs des Käufers anerkannt228. Spontangewachsene Rechtsvereinheitlichung ist hier somit zentral-gesteuerten und institutionalisierten Vereinheitlichungsbestrebungen229 zuvorgekommen230. Selbst so bescheidene Ansätze zur europaweiten Anerkennung 224
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Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 170. Vgl Karollus, UN-Kaufrecht 44; Honsell/Siehr, Kommentar zum UNK, Art 4 Rz 28; Herber in Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum UNK, Art 4 Rz 18. Gleiches galt für das Haager EKG, siehe Dölle/Herber, Einheitliches Kaufrecht, Art 8 EKG, Rz 4. Siehe dazu unten S 130 ff. Vgl Karollus, UN-Kaufrecht 44; Honsell/Siehr, Kommentar zum UNK, Art 4 Rz 28; Herber in Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum UNK, Art 4 Rz 18. Gleiches galt für das Haager EKG, siehe Dölle/Herber, Einheitliches Kaufrecht, Art 8 EKG, Rz 4. Siehe dazu Drobnig in Martiny/Witzleb, Europäisches Zivilgesetzbuch 175. Kieninger, Max Planck-Institut-FS (2001) 153 ff; rechtsvergleichend siehe weiters Bonomi, Eigentumsvorbehalt (insb Österreich und Italien); M. Schulz, Eigentumsvorbehalt in europäischen Rechtsordnungen (zu Deutschland, Frankreich, England); Westphal, Sandrock-FS (1995) 55 ff (mit Einbeziehung Osteuropas); Wiesbauer, ZIP 1991, 1063 ff (Übersicht Europa). Umfangreiche, aber letztlich folgenlose Vorarbeiten wurden in den 70er und 80er Jahren geleistet, siehe den Vorentwurf eines Internationalen Übereinkommens über die Anerkennung des Eigentumsvorbehalts (Europarat), abgedruckt in ZIP 1981, 1156 f; dazu Wiesbauer, ZIP 1981, 1063 ff. Zu entsprechenden Richtlinienentwürfen (Entwurf einer Richtlinie über die Anerkennung von besitzlosen Sicherheiten an beweglichen Sachen und der Eigentumsvorbehaltsklauseln bei den Verkäufen beweglicher Sachen; Vorentwurf des Vorschlags einer Richtlinie des Rates über die rechtlichen Folgen von Vereinbarungen eines einfachen Eigentumsvorbehalts an Waren) Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt 221ff. Zu „gezielter und gewachsener“ Rechtsvereinheitlichung Dölle, ZfRV 1963, 133 ff; weiters Kramer, JBl 1988, 485.
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des einfachen Eigentumsvorbehaltes wie sie Art 4 des Entwurfes der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr noch enthielt231, vermochten sich in der endgültigen Verzugsrichtlinie232 hingegen letztlich nicht durchzusetzen233. Neben dem besonders lohnend erscheinenden Bereich der Mobiliarsicherheiten234 stehen freilich auch die grundlegenden Fragen des Eigentumserwerbes auf dem Prüfstand. Diese befinden sich daher schon länger und in jüngster Zeit wiederum verstärkt im Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses235. Es geht dabei freilich nicht um rein konstruktiv-theoretische Fragen, sondern um so praxisnahe Problembereiche wie jenen des Gutglaubenserwerbes, der mit einer ungestörten Warenzirkulation in engstem Zusammenhang steht. Es überrascht deshalb nicht, daß gerade der redliche Mobiliarerwerb nicht nur für die vergleichende Rechtswissenschaft von besonderem Interesse ist236, sondern auch zu Vereinheitlichungsbemühungen bereits Anlaß gegeben hat: 231
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Vorschlag einer Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr, ABl EG Nr C 168/13 vom 3. 6. 1998; abgedruckt auch in ZIP 1998, 1614 ff; dazu Gsell, ZIP 1998, 1569 ff, 1576 f. Richtinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl EG Nr L 200/35 vom 8. 8. 2000. Dazu Kieninger, Max Planck-Institut-FS (2001) 151 ff mwN, die treffend von einer „verpaßten Chance“ spricht. Europarechtlich wird dabei insbesondere diskutiert, ob die Warenverkehrsfreiheit (Art 28 [ex-Art 30], Art 29 [ex-Art 34 EG-Vertrag]) der Rechtslage der Mitgliedsstaaten entgegensteht, wonach dingliche Sicherheiten beim Grenzübertritt auf Grund von internationalem oder nationalem Sachenrecht wegfallen. Siehe Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt; Rott, Vereinheitlichung der Mobiliarsicherheiten 40 ff; von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht 77 ff. So zur zentralen Frage der Eigentumsübertragung an Mobilien von Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39) 675 ff; Drobnig in Hartkamp et al, European Civil Code3 725 ff; Ferrari, ZEuP 1993, 52 ff; Gottheiner, RabelsZ 18 (1953) 356 ff; Larenz, Schuldrecht II/113 § 39 II (S 10 ff, 16 ff); Rabel, Warenkauf I 27 ff; Röthlisberger, Traditionsprinzip; Sacco, Rechtsvergleichung 108 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 24 ff, 46 ff; Wacke, ZEuP 2000, 254 ff; Waelbroeck, Transfert de la propriété; Wieling, ZEuP 2001, 301 ff. Aufschlußreich aus rechtsgeschichtlicher Perspektive zum französischen Konsensprinzip (und seinem Zusammenhang mit der periculum est emptoris-Regel) Bucher, ZEuP 1998, 615 ff; zur traditio Benke, Hofmeister-GedS (1996) 31 ff. Zum österreichischen System siehe F. Bydlinski, Larenz-FS (1973) 1027 ff; Spielbüchler, JBl 1971, 592 ff; derselbe, Schuldverhältnis 101 ff, sowie – mit Überblick über den Diskussionsstand – Bollenberger, Zahlungsunfähigkeit 61 ff. Eine wichtige Vorarbeit stellt auch die durch von Bar ins Leben gerufene Reihe „Sachenrecht in Europa“ dar. Siehe die Nachweise oben FN 54.
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Auf europäischer Ebene haben sich die Bemühungen bislang auf die Frage eines verstärkten Kulturgüterschutzes konzentriert237, eine Vereinheitlichung des redlichen Mobiliarerwerbes ist dabei aber nicht erfolgt. Vielmehr sieht die Kulturgüterrichtlinie238 bei unrechtmäßiger Verbringung nationalen Kulturgutes aus einem Mitgliedsstaat der EG in einen anderen Mitgliedsstaat einen Rückgabeanspruch des Herkunftsstaates vor239. Mittelbar führt diese Richtlinie – die in Österreich durch das Kulturgüterrückgabegesetz240 umgesetzt wurde – freilich zu einer Beschränkung redlichen Erwerbes von Kulturgütern241. Weiter gingen hingegen die Bemühungen von UNIDROIT, das eine materiell-rechtliche Vereinheitlichung des gutgläubigen Mobiliarerwerbes anstrebte. Auch wenn diese Bemühungen letztlich erfolglos blieben und 237
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Dazu A. Fuchs, IPrax 2000, 281 ff; Reichelt, ÖJZ 1994, 339 ff; Schwarze, JZ 1994, 111 ff; Siehr, NJW 1993, 2206 ff; derselbe, RabelsZ 59 (1995) 464 ff; derselbe, Mestmäcker-FS (1996) 483 ff; derselbe in Reichelt, Schutz von Kulturgut 29 ff; derselbe, Max-Planck-Institut-FS (2001) 811 ff; Uhl, Handel mit Kunstwerken im europäischen Binnenmarkt. Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbrachten Kulturgütern, ABl EG Nr L 74/74 vom 24. 3. 1993 sowie die Richtlinie 96/100/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Februar 1997 zur Änderung des Anhangs der Richtlinie 93/7/EWG, ABl EG Nr L 60/59 vom 1. 3. 1997 und die Richtlinie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/7/EWG vom 5. Juni 2001, ABl Nr L 187/43 vom 10. 7. 2001. Dem Eigentümer steht für diesen Fall eine angemessene Entschädigung zu, wenn er beim Erwerb des Kulturgutes mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist (Art 9 der RL 93/7/EWG). BGBl 1998 I/67; in Kraft getreten mit 16. 5. 1998. Auch in Deutschland erfolgte die Umsetzung durch ein eigenes Kulturgüterrückgabegesetz, dBGBl 1998 I 3162; in Kraft getreten mit 22. 10. 1998. Der Rückgabeanspruch des Herkunftsstaates ist zwar ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, dessen Ausübung aber in privatrechtliche Verhältnisse eingreift und sie entsprechend den Vorschriften des Herkunftsstaates ändert (Staudinger/Stoll, Internationales Privatrecht13 Rz 115). Dabei wird das materielle Recht von der Richtlinie nicht berührt, sondern vielmehr eine Kollisionsnorm vorgesehen: Nach erfolgter Rückgabe richtet sich die Frage des Eigentumserwerbs gemäß Art 12 der RL 93/7/EWG nach dem Recht des ersuchenden Herkunftsstaates (siehe § 20 Kulturgüterrückgabegesetz). Statt der lex-rei-sitae, die ansonsten für den Erwerb vom Nichtberechtigten gilt (siehe oben FN 218), wird somit die lex-originis maßgeblich (Jayme/Kohler, IPRax 1993, 360; Reichelt, ÖJZ 1994, 341 f). Dies führt dazu, daß im Ausland wohlerworbene Rechte nur nach Maßgabe des heimischen Rechts geschützt werden (Staudinger/Stoll, Internationales Privatrecht13 Rz 115), wobei es den Mitgliedsstaaten aber frei steht, ob sie eine Anerkennung solcher Rechte vorsehen oder nicht (Siehr, RabelsZ 59 [1995] 465 ff; derselbe in Reichelt, Schutz von Kulturgut 38).
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seit Mitte der 70er-Jahre brachliegen, so ist doch zu betonen, daß derartige Bestrebungen heute in Europa wiederum für durchaus relevant gehalten werden. So haben Rat und Kommission der Europäischen Union in ihrem in Wien beschlossenen Aktionsplan zur bestmöglichen Umsetzung des Amsterdamer Vertrages vom 3. 12. 1998 als eine der Maßnahmen die „Prüfung der Möglichkeit einer Rechtsangleichung in bestimmten Bereichen des Zivilrechtes“ hervorgehoben. Als Beispiel wurde dabei „die Einführung international einheitlicher privatrechtlicher Vorschriften für den gutgläubigen Erwerb von Sachgütern“ ausdrücklich genannt242. Daß solche Vereinheitlichungsbemühungen ohne Betrachtung der bereits geleisteten Vorarbeiten wenig sinnvoll erscheinen, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Ein Blick auf den UNIDROIT-Entwurf erscheint daher lohnend. D. Die UNIDROIT-Entwürfe zum redlichen Mobiliarerwerb Wegen der praktischen Bedeutsamkeit des Gutglaubenserwerbs für die Warenzirkulation strebte UNIDROIT in den 60er-Jahren für den internationalen Handelsverkehr eine einheitliche Regelung des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen an. Dieser UNIDROIT-Entwurf sollte das Haager Einheitliche Kaufrecht von 1964 ergänzen, das – ebenso wie das UN-Kaufrecht (Art 4 lit b) aus 1980 – die Frage des Eigentumsübergangs ausdrücklich offenläßt. Zu diesem Zweck wurde eine international besetzte Arbeitsgruppe ins Leben gerufen243 und Jean Georges Sauveplanne als Berichterstatter eingesetzt. Nachdem dieser einen umfassenden rechtsvergleichenden Bericht erstellt hatte244, wurde auf dessen Basis ein Entwurf erarbeitet und im Jahr 1968 veröffentlicht245. In der Folge wurde dieser Entwurf überarbeitet und 1974 durch den Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes über den Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an beweglichen Sachen ersetzt (LUAB 1974)246. Auch wenn man diese 242
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Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrages über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom 3. 12. 1998, ABl EG Nr C 19/1 vom 23. 1. 1999, Seite 11 Rz 41 lit f. Mit Mitgliedern aus Italien, Frankreich, England, Deutschland, der Schweiz ua; zur genauen Zusammensetzung siehe Rapport explicatif von Sauveplanne, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 151 FN 2. Siehe Sauveplanne, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1961 (1962) 43 ff. Projet de loi uniforme sur la protection de l’acheteur de bonne foi d’objets mobiliers corporels – Draft Uniform Law on the Protection of the Bona Fide Purchaser of Corporeal Movables 1968. Abgedruckt in UNIDROIT Annuaire/ Year-Book 1967–1968 (1969) I 222 ff; mit Rapport explicatif/Explanatory Report von Sauveplanne, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 140 ff. Loi uniforme sur l’acquisition de bonne foi d’objets mobiliers corporels – Uniform Law on the Acquisition in Good Faith of Corporeal Movables 1974. Abge-
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Vereinheitlichungsvorschläge letztlich nicht umgesetzt hat und die Bemühungen Mitte der 70er Jahre schließlich eingestellt wurden – nur für den Bereich des Kulturgüterschutzes kam es zu einer teilweisen Reaktivierung247 – sind die von UNIDROIT entwickelten Regelungen schon deshalb von Interesse, weil es ein erklärtes Ziel der Arbeitsgruppe war, nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner der einbezogenen Rechtsordnungen zu suchen, sondern die „beste Lösung“248. In der Folge ist zunächst auf den Entwurf LUAB 1968, sodann auf die maßgeblichen Modifikationen durch den Entwurf LUAB 1974 einzugehen. 1. LUAB 1968 Nach der Festlegung des Anwendungsbereiches (Art 1–4) bestimmt der UNIDROIT-Entwurf 1968 in seiner zentralen Bestimmung, dem Art 5 Abs 1249: „A transfer of property shall be valid although the seller had no power to dispose of the goods, provided the purchaser may claim to be in good faith and that the goods were handed over to him”. Art 5 Abs 2 regelt die Möglichkeit des lastenfreien Erwerbs250. Wie sich aus der Systematik des Entwurfes und den Materialien ergibt, setzt ein Gutglaubenserwerb dabei stets ein gültiges Grundgeschäft in Form eines Kaufvertrages voraus251. Relativ eingehend regelt der Entwurf die Frage des guten Glaubens: Nach Artikel 7 LUAB 1968 ist dabei auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers geschützt: „Good faith consists in the reasonable belief that the seller, at the time the goods are handed over, will then have the power to dispose of them in the conformity with the contract”. Bedient sich der Käufer einer Hilfsperson, so muß auch diese gutgläubig sein (Art 8 Abs 1)252. Der gute Glaube muß während
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druckt in Unif. L. Rev. 1975 I 78 ff; mit Rapport explicatif/Explanatory Report von Sauveplanne, Unif. L. Rev 1975 I 85 ff. Dazu Reichelt in Dolzer/Jayme/Mußgnug, Kulturgüterschutz 67 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 91 f. Siehe Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 151. Der Entwurf ist im UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 222 ff, im französischen Original und in englischer Übersetzung abgedruckt. Im Folgenden wird nur auf die englische Übersetzung Bezug genommen. Davon macht Art 6 gewisse Ausnahmen, so bei Rechten die in Mobilienregistern verzeichnet sind, wenn die Sache in jenem Land ausgehändigt wurde, in dem das Register geführt wird. Siehe Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 163. Art 8 Abs 1 LUAB 1968: „The purchaser must be in good faith and so must any person who is acting in his name or on his account.“
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des gesamten Erwerbsvorganges – vom Vertragsabschluß bis zur Aushändigung der Sache – vorliegen (Art 8 Abs 2)253. Interessant ist, daß dem Erwerber – anders als etwa im österreichischen Recht (§§ 328, 368 ABGB) – die Beweislast für seinen guten Glauben obliegt, wobei er nachzuweisen hat, daß er die gewöhnlich im Geschäftsverkehr anzuwendende Sorgfalt beachtet hat (Art 9)254. Gutgläubigkeit scheidet aus, wenn der Vertrag, die Umstände seines Abschlusses oder die Vertragsbedingungen verdächtig sind (Art 10 Abs 1)255. Der UNIDROIT-Entwurf 1968 knüpft an die traditionelle Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen an. Entsprechend der Hand-wahre-Hand-Regel wird an letzteren ein Gutglaubenserwerb prinzipiell ausgeschlossen. Methodisch eigenwillig wird dieser Ausschluß mit der Frage des guten Glaubens vermengt: Nach Art 10 Abs 2 LUAB 1968 entfällt nämlich der gute Glaube des Erwerbers kraft Gesetzes dann, wenn die Sache ihrem Eigentümer verlorengegangen ist oder sie diesem gestohlen wurde, es sei denn der Erwerb erfolgte von einem Händler, der Waren dieser Art verkauft256. Im Handelsverkehr ist somit ein gutgläubiger Erwerb auch an abhanden gekommenen Sachen möglich. Hinsichtlich des Erfordernisses der Übergabe der Sache setzt Art 5 LUAB 1968 für einen redlichen Erwerb voraus, daß die Sache dem Erwerber ausgehändigt wird. Es kommt also nach der Formulierung des französischen Originaltextes darauf an „que la chose lui a été remise“, nach der englischen Übersetzung „that the goods were handed over to him.“ Daß dieser „Aushändigung“ eine zentrale Bedeutung im Entwurf zukommt, überrascht nicht, wenn man bedenkt, daß die europäischen Rechtsordnungen von ganz unterschiedlichen Systemen des Eigentumserwerbes ausgehen257, was sich selbstverständlich nicht nur beim normgerechten derivativen Erwerb, sondern gerade auch im Sonderfall des 253
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Art 8 Abs 2 LUAB 1968: „Good faith must exist at the time the contract is concluded and at the time the goods are handed over to the purchaser.“ Art 9 LUAB 1968: „The purchaser must prove that he took the precautions normally taken in business.“ Art 10 Abs 1 LUAB 1968: „The purchaser shall not be considered to be in good faith if the contract is suspect because of the circumstances in which it was concluded or the clauses it contains.“ Art 10 Abs 2 LUAB 1968: „In case the goods to which the contract refers were lost or stolen, the purchaser can be considered to be in good faith only if he bought the goods under normal conditions from a dealer who usually sells goods of the same kind.” Siehe von Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39) 675 ff; Drobnig in Hartkamp et al, European Civil Code3 725 ff; Ferrari, ZEuP 1993, 52 ff; Larenz, Schuldrecht II/113 § 39 II (S 10 ff, 16 ff); Rabel, Warenkauf I 27 ff; weitere Nachweise oben S 25 ff. Siehe auch unten S 130 ff.
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Gutglaubenserwerbes auswirkt258. Dementsprechend schenkt auch der UNIDROIT-Entwurf 1968 dieser Frage besonderes Augenmerk: Art 11 Abs 1 stellt darauf ab, daß sich die Sache tatsächlich in den Händen des Erwerbers befindet oder dieser im Besitz eines Dokumentes ist, das die Sache repräsentiert259. Ein solcher ganz enger Begriff der Aushändigung – direkte faktische Übergabe an den Erwerber – wäre freilich im Hinblick auf den Handels- und Geschäftsverkehr viel zu restriktiv260, weshalb Art 11 Abs 2 es ausreichen läßt, wenn die Sache sich bei Dritten befindet, welche sie unwiderruflich für den Erwerber innehaben261. Durch dieses Abstellen auf die Innehabung und Besitzvermittlung durch „Dritte“ wird den Erfordernissen des Geschäftsverkehrs an erweiterten Übergabsformen – insbesondere durch Besitzanweisung – Rechnung getragen, zugleich aber ein Besitzkonstitut für den redlichen Erwerb als nicht ausreichend angesehen. Dafür spräche zum einen die Rechtsvergleichung, da die Mehrheit der Rechtsordnungen eine solche Lösung wählte. Der Grund dafür sind nach Ansicht der Verfasser des UNIDROIT-Entwurfes die nachteiligen Unsicherheiten, denen Dritte ausgesetzt wären, wenn der Erwerber bereits geschützt würde, bevor man sich auf Grund äußerer Umstände von seinem Eigentumserwerb überzeugen konnte262. Insgesamt bietet der UNIDROIT-Entwurf LUAB 1968 damit eine relativ klare und ausgewogene Lösung, die interessanterweise – in Gestaltung und materiellem Gehalt – eine deutliche Affinität zu der im deutschen Rechtskreis verwirklichten Konzeption des redlichen Mobiliarerwerbes aufweist. Dies zeigt sich etwa daran, daß – anders als in Frankreich – ein redlicher Erwerb stets ein gültiges Grundgeschäft voraussetzt263. Hinsichtlich der Aushändigung an den Erwerber sollen zwar weniger stren258
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Zu der in Österreich umstrittenen Frage der tauglichen Übergabsformen eingehend unten S 339 ff. Art 11 Abs 1 LUAB 1968: „The goods shall be considered having been handed over to the purchaser when they are in his hands or when the purchaser is in the possession of a document representing them.” Siehe Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 183. Art 11 Abs 2 LUAB 1968: „They shall also be considered having been handed over to the purchaser when they are in the hands of a third party who unequivocally holds them on behalf of the purchaser.” Siehe Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 185. Wegen des Prinzips der kausalen Tradition bedarf es in Österreich und der Schweiz eines gültigen Titels (Verpflichtungsgeschäftes) während es in Deutschland auf Grund des Abstraktionsprinzips allein auf die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes (dinglichen Vertrages) ankommt. Vgl auch Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967–1968 (1969) I 143 f.
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ge Erfordernisse an die „wirkliche Besitzerlangung“ gestellt werden als in Italien und Frankreich, aber doch das Besitzkonstitut als taugliche Übergabsform ausgeschlossen werden, wie dies im deutschen Recht § 933 BGB ausdrücklich anordnet und auch im österreichischen Recht von einem Teil der Lehre vertreten wird264. Daß der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis als ausreichend angesehen wird, ist angesichts des primären Anwendungsbereiches des UNIDROIT-Entwurfes kein Gegensatz zu dem österreichischen und deutschen Recht, das Entsprechendes für den Erwerb im Handelsverkehr (§ 366 HGB; § 366 dHGB) ausdrücklich anordnet. Ebenso ist beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) nach hM der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis geschützt265. In der Schweiz wird schließlich allgemein auch der Glaube an die Verfügungsmacht des Veräußerers geschützt und nicht nur jener an seine Eigentümerstellung266. Wenn der UNIDROIT-Entwurf schließlich an die Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen anknüpft, folgt er damit nicht nur dogmengeschichtlich vorgezeichneter Tradition267, sondern wählt eine Konzeption des redlichen Mobiliarerwerbs, die nicht nur im deutschen Rechtskreis bedeutsam ist, sondern in der Mehrzahl der Rechtsordnungen berücksichtigt wird. Besonders interessant ist freilich, daß nach Art 10 Abs 2 LUAB 1968 im Handel – anders als in Deutschland oder der Schweiz – auch an gestohlenen oder verlorenen Sachen ein sofortiger redlicher Erwerb zulässig ist. Diese be264
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So Ehrenzweig, System2 I/2, 189; Gschnitzer, Sachenrecht2 113 f; siehe auch Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 8. Differenzierend Frotz, Kastner-FS (1972) 153. Für die Zulässigkeit des Besitzkonstituts aber die hM Iro, Besitzerwerb 237 ff, 240; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/49; Klang in Klang, ABGB2 II 226; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 171 ff, 178 ff (allerdings mit bedeutsamen Modifikationen, dazu unten S 362 f); Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 9; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 2. OGH in SZ 11/12. Ebenso in der Schweiz, siehe Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1766; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 84; derselbe in Honsell/ Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26. Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 FN 550; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/ Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. Für einen noch weiterreichenden Schutz des Vertrauens auf das Bestehen einer Verfügungsbefugnis Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6; Gschnitzer, Sachenrecht2 112; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 25; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 326; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1769 f; Stark in Honsell/Vogt/ Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 29 ff; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 55. Siehe unten S 81 ff.
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sondere Privilegierung des Handels entspricht dem weitreichenden Verkehrsschutz, den § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann anordnet. 2. LUAB 1974 Vor allem die zuletzt angesprochene Regel des Art 10 Abs 2 LUAB 1968, die einen gutgläubigen Erwerb auch an gestohlenen Sachen zuläßt, sofern es um den Erwerb von einem Händler geht, der Waren dieser Art verkauft, ist auf massive Kritik gestoßen268. Die Bestimmungen über die Redlichkeit des Erwerbers und ihre Auswirkungen wurden daher neu gefaßt. Art 7 LUAB 1974 definiert zunächst den guten Glauben (Art 7 Abs 1)269 und stellt dann ausdrücklich klar, daß nur jener Erwerber als redlich anzusehen ist, der jene Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hat, die nach der Art des Geschäftes und seiner Begleitumstände üblich sind (Art 7 Abs 2)270. In Art 7 Abs 3 werden sodann jene Kriterien, die für die Feststellung des guten Glaubens maßgeblich sind, beispielhaft aufgezählt, wobei insbesondere die Art des Kaufgegenstandes, das Gewerbe des Veräußerers, die Höhe des Preises, die Vertragsbedingungen und die Umstände des Vertragsabschlusses genannt werden271. Von der ausführlicheren Art der Formulierung abgesehen, entspricht diese Konzeption jener des LUAB 1968. Auch Art 7 LUAB 1974 verbindet somit subjektive und objektive Elemente des guten Glaubens272, wobei die demonstrative Aufzählung der maßgeblichen Kriterien in Art 7 Abs 2 LUAB 1974 an § 368 ABGB erinnert, der auf die Natur der Sache, die Höhe des Preises, die persönlichen Eigenschaften des Vormannes und sein Gewerbe verweist. Eine einschneidende Änderung bringt hingegen der neu gefaßte Art 11 LUAB 1974, der – anders als noch Art 10 Abs 2 LUAB 1968 – bei
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Dazu Knott, Herausgabe gestohlenen Kulturguts 170 mwN. Art 7 Abs 1 LUAB 1974: „Good faith consists in the reasonable belief that the transferor has the right to dispose of the movables in conformity with the contract.” Art 7 Abs 2 LUAB 1974: „The transferee must have taken the precautions normally taken in transactions of that kind according to the circumstances of the case.” Art 7 Abs 3 LUAB 1974: „In determining whether the transferee acted in good faith, account shall, inter alia, be taken of the nature of the movables concerned, the qualities of the transferor or his trade, any special circumstances in respect of the transferor’s acquisition of the movables known to the transferee, the price, or provisions of the contract and other circumstances in which it was concluded.” Vgl Knott, Herausgabe gestohlenen Kulturguts 171.
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gestohlenen Sachen einen redlichen Erwerb generell ausschließt273. Die strikte Haltung des Art 11 LUAB 1974 ist freilich ihrerseits wiederum auf Ablehnung gestoßen, da der generelle Ausschluß gutgläubigen Erwerbs in Widerspruch zu zahlreichen Rechtsordnungen steht, die den Eigentumserwerb auch in solchen Fällen zulassen274. Bedenkt man, daß die weitgehende Privilegierung des Handels durch Art 10 Abs 2 LUAB 1968 gerade auch deshalb kritisiert wurde, weil man keine Rücksichten auf die Auswirkungen dieser Bestimmung auf den internationalen Kunsthandel genommen habe275, so dürfte sich dieser Streitpunkt freilich wesentlich entschärfen lassen. Der redliche Erwerb von Kunstgegenständen ist nämlich unzweifelhaft ein Bereich, der wegen der besonderen Interessenlage spezieller Vorschriften bedarf. Vergegenwärtigt man sich, daß solche Sonderregeln auf europäischer Ebene bereits heute – wenigstens ansatzweise – verwirklicht wurden, so könnte dies zukünftig durchaus einen gewissen Entlastungseffekt bringen und generelle Vereinheitlichungsbestrebungen erleichtern. Art 10 Abs 2 LUAB 1968, der wie § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB den Handel relativ weitgehend privilegiert, könnte dadurch wieder stärker favorisiert werden als ein genereller Ausschluß des redlichen Erwerbs an abhanden gekommenen Sachen nach Art des Art 11 LUAB 1974. Zusammenfassend betrachtet zeigen die bisherigen Vereinheitlichungsbemühungen und ihre Konzeption somit, daß auch im Hinblick auf eine zukünftige Europäische Rechtsvereinheitlichung eine vertiefte Befassung mit jenen Lösungsalternativen, die im deutschen Rechtskreis entwickelt wurden, durchaus lohnend erscheint.
IV. Abgrenzung der beteiligten Interessen A. Für die Interessenabwägung maßgeblicher Personenkreis Bei jenem Spannungsfeld, das die Regeln des redlichen Erwerbs auflösen sollen, handelt es sich um einen Interessenkonflikt in einem dreipersonalen Verhältnis276. Untersucht man die Interessen der unmittelbar beteiligten Personen in diesem Dreiecksverhältnis, so steht als Ausgangspunkt dennoch fest, daß in die Abwägung nur die Interessen des bisherigen Eigentümers und jene des redlichen Erwerbers einzu273
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Art 11 LUAB 1974: „The transferee of stolen movables cannot invoke his good faith.“ Reichelt, Unif. L. Rev. 1985 I 43, 59; Knott, Herausgabe gestohlenen Kulturguts 173 f. Siehe Knott, Herausgabe gestohlenen Kulturguts 170 mwN. Hager, Verkehrsschutz 2, 85 f.
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beziehen sind, während die Position des nicht berechtigt Verfügenden außer Betracht zu bleiben hat277. Zwar hat Binding in seiner berühmten Streitschrift über die „Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs vom Nichteigentümer“ den gutgläubigen Erwerb gerade in jenen Fällen bekämpft, in denen der Veräußerer eine Veruntreuung begangen hat278, da sonst die Rechtsordnung einer strafbaren Tat zum Erfolg verhelfe279. Dagegen ist freilich mit Recht einzuwenden, daß der subjektive Vorwurf, der sich gegen den Veruntreuenden richtet, für die Interessenabwägung zwischen dem Eigentümer und dem redlichen Erwerber nicht maßgeblich sein kann280. Die Position des unberechtigt Verfügenden wird durch die Zuordnung des Eigentums nämlich nur insoweit verändert, als der Veräußerer entweder Ansprüchen des bisherigen Eigentümers (§ 367 Satz 2 ABGB) oder des gescheiterten Erwerbers ausgesetzt ist (§ 923 ABGB)281. Weder der Schutz des Erwerbers noch die Förderung des Verkehrs könnten es rechtfertigen, den Verfügenden von solchen Ansprüchen freizustellen282. Sollte der nichtberechtigte Veräußerer durch die Bejahung eines gutgläubigen Eigentumserwerbes im Einzelfall faktisch besser gestellt werden283, so ist dies jedenfalls kein Ziel, sondern 277 278
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Peters, Entzug des Eigentums 43. Siehe weiters H. Hübner, Rechtsverlust 77 ff. Binding, Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs 22 f, 31 ff. Auch unterschlagene Sachen seien daher als „abhanden gekommen“ iSd § 935 BGB aufzufassen und einem redlichen Erwerb nicht zugänglich (aaO 37 ff). Ein gutgläubiger Erwerb sei nämlich nur dann zu rechtfertigen, wenn auch der Veräußerer bona fide gehandelt habe (aaO 55). In ähnlicher Weise wenden sich etwa auch Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 121, gegen einen Verkehrsschutz, der auch dem „Schieber zugute kommt“. Siehe dazu auch H. Hübner, Rechtsverlust 77 f mwN. Wilburg, Baltl-FS (1978) 561. Ebenso bereits Reichel, GrünhutsZ 42 (1916) 179 f; H. Hübner, Rechtsverlust 78 ff. Im übrigen sollte auch die Unterschiedlichkeit der strafrechtlichen Konsequenzen nicht überschätzt werden: Zwar ist zutreffend, daß ein redlicher Erwerb den vorsätzlich über eine fremde Sache Verfügenden vor einer Strafbarkeit wegen Betrugs des Erwerbers schützt, wie bereits Binding, Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs 22 ff, hervorhebt. In diesen Fällen kommt aber eine Strafbarkeit wegen Veruntreuung (§ 133 StGB) oder Unterschlagung (§ 134 StGB) in Betracht, hat der Veräußerer die Sache dem Eigentümer listig herausgelockt wegen Betrugs (§ 146 StGB). Sieht man von den unterschiedlichen Qualifikationsformen ab, so ist überdies der Strafrahmen völlig ident: Veruntreuung, Unterschlagung und Betrug sind jeweils mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen (§ 133 Abs 1, § 134 Abs 1 und 2, § 146 StGB). Gleiches gilt für jene Fälle, in denen ein Diebstahl vorliegt (§ 127 StGB). Hager, Verkehrsschutz 86. Dies nimmt Peters, Entzug des Eigentums 41 f, generell an, da die Ansprüche des Eigentümers bei schuldloser Verfügung insgesamt milder seien, aber auch im
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allenfalls eine zufällige Reflexwirkung der gesetzlichen Regelung284. Die Zuweisung von Vorteilen an einen unberechtigt Verfügenden, die aus einem unzulässigen Eingriff in eine fremde Rechtssphäre resultieren, wäre jeglichem Versuch sachlicher Rechtfertigung ja offenkundig nicht zugänglich. Der Lage des Verfügenden wird vielmehr durch eine abgestufte Haftung ausreichend Rechnung getragen, da die Fälle fehlenden Verschuldens anders sanktioniert werden als bewußte Verfügungen zu Lasten des Eigentümers285. Die maßgeblichen Interessen sind somit jene des Eigentümers und des Erwerbers: Erhaltungsinteresse und Erwerbsinteresse stehen einander gegenüber. Diese Interessen sind zunächst näher darzustellen und in einem zweiten Schritt gegeneinander abzuwägen. B. Eigentümer- und Erwerberinteressen 1. Bestandsinteresse des Eigentümers Beim Bestandsinteresse des Eigentümers können das reine Wertinteresse und das Affektionsinteresse, das aus der persönlichen Beziehung des Eigentümers zu seiner Sache resultiert, unterschieden werden. Ein solches besonderes ideelles Interesse kann etwa darauf beruhen, daß es sich bei der Sache um ein Erbstück handelt. In einem besonderen Ausmaß ist ein solches immaterielles Interesse häufig auch bei Kunstgegenständen gegeben, bei denen zudem öffentliche Interessen – so insbesondere das Interesse, Verschleppungen aus dem Herkunftsland zu verhindern – eine Rolle spielen. Dementsprechend besteht im Bereich des Kulturgüterschutzes eine besondere Interessenlage, der durch spezielle gesetzliche Vorschriften, welche die allgemeinen Regeln des gutgläubigen Erwerbs modifizieren, Rechnung getragen wird286. Für den Schutz des Bestandsinteresses spricht die Sicherheit und Stabilität der sachenrechtlichen Güterzuordnung und damit die Rechtssicherheit287. Zu den wichtigsten Charakteristika dinglicher Rechte gehört ihre absolute Wirkung, der zufolge das dingliche Recht gegenüber jedermann geltend gemacht werden kann. Der Grundsatz der unbeschränkten Vindikation steht hierbei in untrennbarer Verbindung mit
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Verschuldensfall auf Erwerberseite weithin höhere Schäden zu ersetzen wären, als auf Seiten des bisherigen Eigentümers. Verallgemeinern läßt sich dies aber wohl kaum. So auch Peters, Entzug des Eigentums 42. Hager, Verkehrsschutz 86. Siehe dazu bereits oben S 46. Zum Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Verkehrsschutz vgl bereits Ehrenberg, JherJB 47 (1904) 273 ff, 279 ff.
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dem Grundsatz „nemo plus juris transferre potest, quam ipse habet“, der den Vorteil geradezu axiomatischer Logik für sich hat288 und der Sicherung der Güterzuordnung – einer grundlegenden Funktion des Sachenrechts – dient289. Dieser Bestandsgarantie rechtmäßig erworbener Rechte wird überdies durch den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums besondere Festigkeit verliehen (Art 5 StGG; Art 1 1. ZP-MRK)290. 2. Vertrauensschutzinteresse des Erwerbers Wer eine Sache erwerben möchte, hat ein genuines Interesse daran, eine gesicherte Rechtsposition zu erwerben ohne sich zuvor durch übermäßige und aufwendige Nachforschungen von der Eigentümerstellung des Veräußerers überzeugen zu müssen. Jeder Verkehrsteilnehmer ist schließlich vor die Situation gestellt, Leistungen von Personen entgegennehmen zu müssen, deren Berechtigung er nicht oder doch nur sehr schwer überprüfen kann291. Hat der Erwerber eine Investition – typischerweise in Form des Kaufpreises oder einer sonstigen Gegenleistung – erbracht, um Eigentum an der Sache zu erlangen, so hat er wie der Eigentümer ein Wertinteresse. Steht dieses Wertinteresse beim Eigentümer mit dem Gedanken der Bestandsgarantie und Rechtssicherheit in Verbindung, ist beim Erwerber der Gedanke des Vertrauensschutzes maßgeblich: Wer auf Grund einer völlig unverdächtigen Erwerbssituation von seinem rechtmäßigen Erwerb überzeugt sein darf, soll in seinem Vertrauen nicht enttäuscht werden.
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Vgl Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 1; Huwiler, Bader-FS (1986) 78; Peters, Entzug des Eigentums 25; Weber, JuS 1999, 1; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 2. Picker, AcP 188 (1988) spricht von einem „geradezu überpositiven Prinzip“. Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 2. Zur Güterzuordnung grundlegend Westermann/ Westermann, Sachenrecht7 § 2 II (S 9 ff); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 2, 30, 37 ff; F. Bydlinski, System und Prinzipien 315 ff. Freilich darf darüber nicht übersehen werden, daß das Sachenrecht auch jene Regeln bereitzustellen hat, die den Güterumsatz regeln, siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 8 ff. Unter Eigentum iSd Art 5 StGG ist jedes vermögenswerte Privatrecht zu verstehen. Siehe Mayer, B-VG3, Art 5 StGG; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 1368 ff; VfSlg 71, 4010, 12.227 uva. Neben dem Eigentum an körperlichen Sachen (etwa VfSlg 10.409 zum Grundeigentum) also auch die sich aus einem Kaufvertrag ergebenden Rechte (VfSlg 2548, 5562). Für unsere Frage kann es freilich nur um den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentümers gehen; nur ihm droht durch den redlichen Erwerb eines Dritten ein Rechtsverlust. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6.
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3. Zuweisung des Insolvenzrisikos Noch deutlicher wird der Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber, wenn man die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Eigentumszuordnung in die Betrachtung mit einbezieht: Je nach der Zuordnung des Eigentumsrechtes wird die eine oder andere Partei auf bloß obligatorische Ausgleichsansprüche gegen den nicht berechtigt Verfügenden verwiesen. Dies ist um so bedeutsamer, als für solche Veräußerer eine schwache Finanzkraft geradezu typisch ist. Das Insolvenzrisiko tritt damit deutlich in den Vordergrund292. Ist die Zuteilung des Konkursrisikos auch für das gesamte Sachenrecht bedeutsam293, so wird es beim gutgläubigen Erwerb geradezu zum Kardinalproblem. Insofern erweist sich der Erwerb vom Nichtberechtigten als Problem der Risikoverteilung und Schadenstragung294. C. Interessenabwägung 1. Ausgangspunkt Betrachtet man die Interessen der unmittelbar Beteiligten, so sieht man sich vor die Frage gestellt, ob das Bestandsinteresse des Eigentümers oder das Vertrauensinteresse des Erwerbers den Vorzug verdient295. Bei dieser Wertentscheidung ist zu berücksichtigen, daß auch der Verteilung des Insolvenzrisikos entscheidende Bedeutung zukommt. Begreift man die Frage des redlichen Mobiliarerwerbs als Problem der Risiko- und Schadensverteilung, so läge es nahe, den Nachteil zwischen Eigentümer und Erwerber zu teilen und auf diesem Weg eine Kompromißlösung anzustreben296. Dabei darf freilich nicht übersehen werden, daß das Sachenrecht die Aufgabe der sicheren dinglichen Zuordnung hat297, weshalb – im Vergleich zu obligatorischen Beziehungen, die in viel größerem Ausmaß einer Kompromißlösung zugänglich sind298 – die Ordnungsfunktion des Rechtes stärker in den Vordergrund tritt: Die dingliche Zuordnung verlangt eine klare Entscheidung im Einzelfall299. 292
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Hager, Verkehrsschutz 2 f; Peters, Entzug des Eigentums 8 ff, 110, 119 f; Kindl, Rechtsscheintatbestände 308. Siehe auch Bollenberger, ÖJZ 1995, 651 f und ÖJZ, 1996, 851 ff, der deshalb einen Gutglaubenserwerb nur nach Maßgabe der tatsächlich erbrachten Gegenleistung eintreten lassen will. Vgl schon Wieacker, Eigentumsverfassung 30. Siehe schon Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 261 ff; vgl auch Behr, Wertverfolgung 474 ff. H. Hübner, Rechtsverlust 76 ff. So Wilburg, Baltl-FS (1978) 568 ff. Vgl Hager, Verkehrsschutz 2. Vgl Gschnitzer, Sachenrecht2 1; H. Hübner, Rechtsverlust 84. H. Hübner, Rechtsverlust 84.
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Rechtsvergleichend läßt sich dies dadurch bestätigen, daß die möglichen und verwirklichten Lösungsalternativen zwar eine sehr große Bandbreite aufweisen300, dabei aber stets die Eindeutigkeit der sachenrechtlichen Lage angestrebt wird, weshalb sich stärker an der Einzelfallsgerechtigkeit orientierte Ausgleichslösungen nirgends durchzusetzen vermochten301. Läßt man den Blick zwischen den Interessen des Eigentümers und des Erwerbers hin und her wandern, so tritt je nach Standort einmal der Vertrauensschutz des Erwerbers, ein anderes Mal der Rechtsverlust des Eigentümers302 stärker in den Blickpunkt. Man sieht sich vor eine geradezu aporetische Situation gestellt, die Hedemann zu der resignativen Feststellung veranlaßte, es werde auf ewige Zeiten ein Problem bleiben, wer von beiden den Vorrang haben solle, jener erste bisherige Eigentümer oder jener, der in gutem Glauben war303. Steht man vor der Aufgabe, das Eigentumsrecht an der Sache entweder dem Eigentümer zu belassen oder dem Erwerber zuzuweisen, so ist für eine dogmatische Untersuchung selbstverständlich das geltende Recht maßgeblich. In erster Linie ist daher zu prüfen, ob sich aus der konkreten Ausgestaltung der Gutglaubenstatbestände durch den Ge300 301
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Siehe oben S 11 ff. Dies dürften auch die Gründe sein, die letztlich gegen die von Bollenberger, ÖJZ 1995, 651 f und ÖJZ 1996, 851 ff, vorgeschlagene Lösung sprechen, einen Gutglaubenserwerb nur nach „Maßgabe der Zahlung“ eintreten zu lassen (zum Meinungsstand oben FN 26). Zwar ist Bollenberger zuzugestehen, daß seine Interessenabwägung inter partes sehr überzeugend wirkt, doch steht zu befürchten, daß sein Vorschlag, bei Teilzahlung entsprechend den gezahlten Teilbeträgen Miteigentum eintreten zu lassen – trotz der in Anlehnung an § 415 ABGB „erleichterten Auflösungsmöglichkeit“ – zu gravierenden Abwicklungsschwierigkeiten führen würde, die den eigentlichen Rechtfertigungsgrund des redlichen Erwerbs, nämlich die Verkehrserleichterung und den Verkehrsschutz, letztlich zu vereiteln drohen. Wohl deshalb finden sich für eine solche Lösung weder rechtsvergleichend noch rechtshistorisch Vorbilder – sowohl beim Lösungsrecht als auch beim Rückkaufsrecht ist die „Eindeutigkeit“ der ausschließlichen Eigentumszuordnung stets gewahrt – und vergleichbare rechtspolitische „Schadensverteilungskonzepte“ wurden bislang niemals umgesetzt (dazu oben FN 24). Die besonders bei Teilzahlung unbefriedigende Verteilung des Insolvenzrisikos, die Bollenberger sehr plastisch herausgearbeitet hat, könnte allerdings dann befriedigend gelöst werden, wenn man dem wahren Berechtigten bei Insolvenz des Veräußerers einen konkursfesten Bereicherungsanspruch gegen die Masse zugestehen würde. Ein solcher Anspruch würde allerdings eine prinzipielle Anerkennung des Wertverfolgungsgedankens voraussetzen und müßte in dessen Gesamtsystem integriert werden. Grundlegend zur Wertverfolgung Wilburg, JBl 1949, 29 ff; derselbe, JBl 1992, 556 f; darauf aufbauend Behr, Wertverfolgung. Diesen Aspekt betonen besonders H. Hübner, Rechtsverlust und Peters, Entzug des Eigentums. Hedemann, Sachenrecht3 130.
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setzgeber Wertungskriterien ableiten lassen, die eine solche Zuordnung schon auf Grund der Interessenlage der unmittelbar beteiligten Personen rechtfertigen. 2. Interessenlage und Ausgestaltung des redlichen Mobiliarerwerbs Betrachtet man den dargestellten Interessenkonflikt vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung, so ist zunächst der dogmengeschichtlich, aber auch de lege lata als Grundfall anzusehende Erwerb vom Vertrauensmann zu prüfen (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB). Wertungsgleich steht – trotz unterschiedlicher gesetzestechnischer Konstruktion – § 366 HGB, dessen Abs 4 einen Erwerb an abhanden gekommenen Sachen ausschließt. Ist dem Eigentümer seine Sache nicht abhanden gekommen, sondern hat er sie einer anderen Person anvertraut, so muß er sich an diese halten, wenn die Sache vom Vertrauensmann an einen redlichen Dritten veräußert wurde. Das Vertrauen an den untreuen Vertrauensmann gereicht dem Eigentümer somit zu seinem Nachteil und führt zu einem Verlust seines Eigentumsrechts, während das Vertrauen des redlichen Erwerbers geschützt wird. Der redliche Erwerb könnte seine Legitimation also im Vertrauensschutzgedanken finden: Der Schutz berechtigten Vertrauens ist sicherlich als ein Grundprinzip unserer Rechtsordnung anzuerkennen304. Hinterfragt man dieses Ergebnis für die hier interessierenden Situationen näher, so erscheint freilich keineswegs selbstverständlich, daß das Vertrauen des Erwerbers in den Veräußerer zu schützen ist, während das Vertrauen des Eigentümers in dieselbe Person gegen diesen wirken soll305. Je nach Wechsel des Standortes wird das Vertrauen in ein und dieselbe Person – den untreuen Veräußerer – einmal als Negativum, ein anderes Mal als Positivum veranschlagt: Beim Eigentümer führt es zum Rechtsverlust, beim Erwerber zum Rechtsgewinn306. Klarer wird das Bild, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Gesetz mit dieser Regelung eine Risikozuweisung vorgenommen hat, die auf dem 304
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Larenz, Allgemeiner Teil7 § 2 IV (S 43 ff); derselbe, Richtiges Recht 80 ff; Larenz/ Wolf, Allgemeiner Teil8 § 2 Rz 34 ff; Canaris, Vertrauenshaftung. Vgl H. Hübner, Rechtsverlust 54 f; Wiegand in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 191 f; Peters, Entzug des Eigentums 58 f; Medicus, H. Hübner-FS (1984) 618 FN 28. Drastisch ablehnend schon Binding, Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs 27: „Die gute bona fides! Sie steigt im Wert mit dem Wechsel ihres Inhabers! Bei dem bisherigen Eigentümer ist sie alt und schal und so lendenlahm geworden, daß sie ihm sein Eigentum nicht mehr erhalten kann. Beim neuen Erwerber aber wirkt sie Wunder!“.
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Prinzip der Gefahrenbeherrschung beruht307: Es wird üblicherweise damit argumentiert, daß der Eigentümer den Vertrauensmann leichter aussuchen könne308. Dieses Argument wird von Juristen seit alters her vorgebracht. So hat schon Mevius im 17. Jahrhundert betont, daß dem Erwerber außerordentlich schwierige Nachforschungen zu ersparen seien und der Eigentümer seine Nachlässigkeit bei der Auswahl des Vertrauensmannes zu vertreten habe309. Heute kehrt dieses Begründungsmuster auch im Gewand der Theorie von der ökonomischen Analyse des Rechts wieder. Hier wird in modernerer Terminologie darauf abgestellt, daß die Transaktionskosten niedriger sind, wenn das Risiko dem Eigentümer zugewiesen wird310: Der Rechtsinhaber habe in der Regel niedrigere Kontroll- und Informationskosten, insbesondere könne er sich am besten über die Vertrauenswürdigkeit dessen informieren, dem er den Besitz an der Sache übertrage311. Der Gedanke der Risikozuweisung ist freilich nicht unbestritten: So wird insbesondere darauf hingewiesen, daß es häufig nicht im Belieben des Eigentümers stehe, sich von seiner Sache wenigstens vorübergehend zu trennen, so wenn er sie in Reparatur geben müsse. Auch sei die bessere Gefahrenbeherrschung in einer arbeitsteiligen Gesellschaft vielfach eine bloße Fiktion312. Als weiteres Argument für einen Gutglaubenserwerb wird vielfach vorgebracht, der Eigentümer habe dadurch, daß er einem Dritten die Sache anvertraute, in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein für die Eigentümerstellung des Veräußerers geschaffen313. Ob der Besitz tatsächlich eine taugliche Rechtsscheingrundlage bietet, wird heute allerdings teils vehement 307
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Siehe Müller-Erzbach, AcP 106 (1910) 410 f, 442 ff; derselbe, AcP 109 (1912) 129 ff; derselbe, AcP 142 (1936) 20; derselbe, Handelsrecht2 403 f; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 261 ff. Dazu H. Hübner, Rechtsverlust 105 ff und ausführlich unten S 240 ff und S 246 ff. Siehe etwa Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 10; Gschnitzer, Sachenrecht2 109; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 2 (S 370 f). Commentarii in Jus Lubecense libri quinque III 2 Art 2 Rz 6 und 8. Ganz ähnlich die Argumentation bei Zeiller, Kommentar II/1, 133 f. Im gleichen Sinn auch Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Näher dazu unten S 98 f. Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte 188 f; Krimphove, ZfRV 1998, 192 ff; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse4 571 ff. Näher dazu Hager, Verkehrsschutz 231 ff mwN, der zu Recht die Eigenständigkeit der Rechtsordnung betont. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse4 573; ebenso Krimphove, ZfRV 1998, 196, 197 f. Peters, Entzug des Eigentums 50 f, 55 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 217; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13; siehe auch H. Hübner, Rechtsverlust 106 f, der deshalb für eine Modifikation der lex lata eintritt. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III (S 366 ff); Frotz, Kastner-FS (1972) 130 ff, 146 f; Wiegand, JuS 1974, 201 ff. Dazu näher unten S 151 ff.
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bestritten314. Um nach den strengen Grundsätzen der Rechtsscheinlehre einen Rechtsverlust des Eigentümers rechtfertigen zu können, erscheint die bloße Schaffung einer Besitzlage – wofür nach der Konzeption des Gesetzes die Überlassung der bloßen Innehabung genügt315 – jedenfalls kaum ausreichend. Fordert man hingegen die Schaffung eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes316 – beispielsweise von jener Stärke wie er bei einer Anscheinsvollmacht erforderlich wäre –, so ist dies ein durchaus diskutabler rechtspolitischer Vorschlag, für das geltende Recht läßt sich daraus aber nichts gewinnen: Dies zeigt sich etwa daran, daß zwar jener Eigentümer, der trotz größter Sorgfalt und Umsicht an einen untreuen Vertrauensmann geraten ist, durch einen redlichen Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 sein Recht verliert, auch der sorgloseste Eigentümer, der durch seine Nachlässigkeit einen Diebstahl geradezu provoziert hat, einen Gutglaubenserwerb nach dieser Bestimmung aber nicht zu fürchten hat317. Nimmt man den Gedanken der Risikozuweisung und den Gedanken der Rechtsscheinlehre zusammen, so ist aber immerhin zuzugeben, daß beim Erwerb vom Vertrauensmann für den Schutz des redlichen Erwerbers eine – wenn auch sehr schwache – Rechtfertigungsgrundlage besteht. Vergleicht man den redlichen Mobiliarerwerb mit anderen sachenrechtlichen Tatbeständen, die ebenfalls zu einem Rechtsverlust des Eigentümers führen, so werden verbliebene Zweifel sogar noch verstärkt318: Sowohl in den Fällen der Ersitzung als auch des Fundes ist stets ein längerer Zeitablauf erforderlich, innerhalb dessen der Eigentümer noch reagieren und sein Recht sichern kann. Zudem ist durch den länger dauernden Gewahrsamsverlust die Nahebeziehung des Eigentümers zur Sache schon deutlich gelockert, während sich die Beziehung des Rechtserwerbers zur Sache stetig verstärkt. In den Fällen der Verarbeitung kommt der Erwerber schließlich durch seine Arbeitsleistung besonders nahe an die Sache heran; zudem hat das ABGB in diesem Fall – anders als § 950 BGB, der dem Verarbeiter das Eigentum an der neuen Sache zuweist – jede Extremlösung vermieden und sich in § 415 ABGB für eine salomonische Miteigentumslösung mit erleichterten Auflösungsmöglichkeiten entschieden319. 314
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Kritisch etwa Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 1; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13 f; H. Hübner, Rechtsverlust 56 ff; Hager, Verkehrsschutz 240 mwN. Eingehend dazu unten S 167 ff und S 193 ff. Siehe unten S 166 bei FN 865, S 202 mit FN 1063 sowie S 250 ff und S 263 ff. So insbesondere H. Hübner, Rechtsverlust 89 ff. Ausführlich dazu unten S 174 ff. H. Hübner, Rechtsverlust, 108 f; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 221 f; Peters, Entzug des Eigentums 50; Wieling, Sachenrecht I § 10 I 7a (S 359). Darauf weist zutreffend Peters, Entzug des Eigentums 5 und 48 f, hin. Darüber darf freilich nicht übersehen werden, daß eine solche Kompromißlösung, die sich um eine feine Austarierung der Interessen bemüht, in ihrer Abwicklung zu zahlreichen schwierigen Folgefragen führt, die letztlich auch die
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Gegenstandslos werden die dargestellten Legitimationsgründe schließlich beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 1 und 2 ABGB): Da hier ein Erwerb auch an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zulässig ist, kommt weder dem Gedanken der Rechtsscheinzurechnung noch der Risikotragung Bedeutung zu. In diesen Fällen zeigt sich somit in aller Schärfe, daß sich ein redlicher Erwerb aus der Interessenlage der unmittelbar beteiligten Personen allein nicht legitimieren läßt. Eine Rechtfertigung des redlichen Mobiliarerwerbs kann sich somit – mindestens in den zuletzt genannten Fällen – nur aus einem allgemeinen und überindividuellen Wertungsgesichtspunkt ergeben. 3. Zwischenergebnis Werden die Interessen des Eigentümers den Interessen des Erwerbers gegenüber gestellt, so wird das Gewicht der beiderseitigen Interessen vielfach als gleichrangig empfunden320. Hinsichtlich der in einer rechnerischen Geldgröße ausdrückbaren Wertinteressen kann eine prinzipielle Gleichwertigkeit auch tatsächlich angenommen werden. Die „Investitionen“ des bisherigen Eigentümers und des redlichen Erwerbers können nämlich typischerweise als gleichwertig angesehen werden321. Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit dieses Wertinteresses gilt dies aber nicht mehr: Die Rechtsposition des Eigentümers wird gravierend verschlechtert, er verliert sein absolutes Recht und wird auf einen bloß obligatorischen Anspruch gegen den Veräußerer verwiesen, während die Rechtsposition des Erwerbers eine massive Verbesserung erfährt, da er statt eines bloßen Forderungsrechtes ein dingliches Recht erhält. Berücksichtigt man auch das eigentliche Sachinteresse, also das Interesse am Behalten der Sache, das neben rein monetären auch immaterielle Interessen (Affektionsinteresse) mitumfaßt, so erscheint der Eigentümer insgesamt schutzwürdiger, da er bereits eine Beziehung zur Sache aufgebaut hat und ihr typischerweise näher steht als der Erwerber, der durch die bloße Investition des Kaufpreises eine vergleichbar intensive Nahebeziehung noch nicht erlangt hat322.
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sachenrechtliche Ordnungsfunktion gefährden können. Eingehend zum Problemkreis Madl, Verarbeitung. Siehe H. Hübner, Rechtsverlust 85 f, Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 15, die im Ergebnis dem Eigentümer den Vorzug geben; vgl auch Wilburg, Baltl-FS (1978) 568 ff, der deshalb für einen „ausgewogenen Schadensausgleich“ eintritt. Peters, Entzug des Eigentums 45, 67. Peters, Entzug des Eigentums 46 f.
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Zu berücksichtigen ist schließlich, daß der Eigentümer in einer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt wird, da sein absolut geschütztes Recht in ein bloßes Forderungsrecht von zweifelhafter Durchsetzbarkeit verwandelt wird, während dem Erwerber eine massive Aufwertung seiner Rechtsposition zugebilligt wird. All dies spricht insgesamt für ein deutliches Überwiegen der Eigentümerinteressen323. Es hat daher viel für sich, wenn H. Hübner324 letztlich dem Eigentum den Vorzug vor dem Vertrauen geben will: Weniger weil das Eigentum das Recht der Priorität für sich in Anspruch nehmen könne, sondern weil in ihm der in erster Linie von der Verfassung geschützte Wert gesehen werden müsse und weil die substanzerhaltenden Kräfte letztlich höher zu veranschlagen seien als das Verlangen, ein der realen Grundlage entbehrendes, nur auf Reflexwirkungen basierendes Vertrauen über die Grenzen des dem Gegner Zurechenbaren hinaus zu schützen. D. Zur Bedeutung des Verkehrsschutzes 1. Überindividuelle Rechtfertigung Es kann somit festgehalten werden, daß die Regeln des redlichen Mobiliarerwerbs – wenigstens in ihrer durch das geltende Recht getroffenen Ausgestaltung – weder durch das Verhalten des Eigentümers allein noch durch den Vertrauensschutz des Erwerbers zureichend legitimiert werden können. Sieht man das Problem nur als Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer und dem redlichen Erwerber, so wäre der gutgläubige Erwerb nicht zu rechtfertigen325. Begründbar ist die gesetzlich getroffene Wertentscheidung nur dann, wenn man überindividuelle Rechtfertigungsmomente in die Betrachtung 323 324 325
Peters, Entzug des Eigentums 67 f. Rechtsverlust 86. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295 f; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 12; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 249. Siehe bereits Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14, der betont, daß anderes nur dann gelten würde, wenn man den gutgläubigen Erwerb generell auf jene Fälle beschränken würde, in denen der Rechtsschein der Berechtigung des Verfügenden vom Eigentümer zurechenbar veranlaßt worden sei. Betrachte man ausschließlich den Interessengegensatz von Eigentümer und Erwerber, wäre ein solches Prinzip zwar folgerichtig, nach Zweigerts Auffassung letztlich aber doch nicht zu befürworten, weil gerade im Sachenrecht die Sichtbarkeit der Maßstäbe erforderlich und die Erkennbarkeit der Rechtslage unentbehrlich sei. Für eine Lösung allein auf Grund der unmittelbaren Interessen der Beteiligten aber H. Hübner, Rechtsverlust 77 ff, 89 ff, der dafür aber eine eigene Rechtsschein- und Zurechnungslehre entwickeln muß, die in der lex lata keine zureichende Deckung findet. Vgl Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 4 (S 371 f); kritisch auch Hager, Verkehrsschutz 243 f.
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mit einbezieht326: Das geltende Recht mißt dem Allgemeininteresse am Verkehrsschutz entscheidende Bedeutung bei. Dies zeigt sich etwa daran, daß schon im Entwurf Martini die „Sicherheit des Handels und Wandels“ als Rechtfertigungsgrund des redlichen Erwerbs ausdrücklich angeführt wird327 und auch Zeiller328 in seiner Kommentierung des § 367 ABGB die „Sicherheit des Verkehrs“ als Legitimationsgrundlage nennt329. Daß ein sofortiger redlicher Erwerb nur überindividuell gerechtfertigt werden kann, hat im übrigen schon Kant330 überzeugend dargelegt und mit dem Gegensatzpaar der iustitia commutativa und iustitia distributiva erklärt: Nach den Prinzipien der Gerechtigkeit im Verkehr der Menschen untereinander (iustitia commutativa) sei ein Gutglaubenserwerb ausgeschlossen; die Erwerbung von einem, der nicht Eigentümer der Sache ist, sei null und nichtig. Der Erwerber müsse daher die Eigentümerstellung bis zum ersten Stammeigentümer überprüfen, was aber häufig unmöglich sei. Da auf diese Weise ein sicherer Erwerb aber nicht gewährleistet werden könne, sei der redliche Erwerb vom Nichtberechtigten eine notwendige Folgerung der iustitia distributiva: Aus diesem Grund werde das Recht in Ansehung einer Sache nicht so behandelt wie es an sich sei, sondern so wie es am leichtesten und sichersten abgeurteilt werden könne331. Stellt man auf den Verkehrsschutz und damit auf die Umlauffähigkeit der Sache ab, so ist schließlich zu beachten, daß diese Momente nicht nur den Interessen der Allgemeinheit und des Erwerbers dienen, sondern letztlich auch dem Eigentümer selbst zugute kommen. In diesem Sinn betont Hager332, daß die Sache des Eigentümers primär deshalb verkehrsfähig sei, weil die Rechtsordnung den Erwerber auch dann schütze, wenn der Veräußerer nicht berechtigt war. Als Reflexwirkung werde 326
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Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 12, § 52 Rz 8 ff; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 249 f; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295 f; vgl auch Peters, Entzug des Eigentums 69 ff, der die Zulässigkeit redlichen Erwerbes – unter dem Gesichtspunkt der Verfassungswidrigkeit – freilich stark einschränken möchte. Zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz aber Hager, Verkehrsschutz 9 ff, 46 ff, 75 ff, der die Verfassungsmäßigkeit im wesentlichen bejaht, aber zutreffend hervorhebt, daß der Erwerber ohne eigene Leistung (bei unentgeltlichem Erwerb) keinen Schutz beanspruchen kann. Entwurf Martini II 6 § 11; siehe Harrasowsky, Codex Theresianus V 100. Kommentar II/1, 133. Ausführlicher dazu unten S 116 f. Metaphysik der Sitten, Rechtslehre 417 ff; näher dazu Huwiler, Bader-FS (1986) 85 ff. Zur Bedeutung der iustitia distributiva für das Privatrecht F. Bydlinski, Methodenlehre2 339 ff, 360; Canaris, Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht. Kritisch aber Honsell, Mayer-Maly-FS (2002) 287 ff. Verkehrsschutz 3, 80.
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dadurch auch dem Verwertungsinteresse des Eigentümers gedient, da ihm ein oft aufwendiger Nachweis seiner Berechtigung erspart und die Verfügung über die Sache erleichtert werde. Werde der Eigentümer durch den Verlust der Sache auch vielfach hart getroffen, so sei er umgekehrt in vielen Fällen auch Nutznießer des Institutes des redlichen Erwerbes333, was insbesondere auch hinsichtlich seines eigenen Erwerbes gilt. 2. Verkehrsschutz, Eigentumsschutz und Prinzipienabwägung Anerkennt man die Bedeutung der Verkehrsinteressen für die Rechtfertigung des redlichen Mobiliarerwerbs, so ist freilich zu beachten, daß der Verkehrsschutz als Rechtsprinzip keine absolute Größe darstellt, die unbedingt und einseitig Geltung beanspruchen könnte334. Seinem Charakter als Rechtsprinzip entsprechend handelt es sich vielmehr um ein Optimierungsgebot, das eine möglichst weitgehende Realisierung nach Maßgabe der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten erfordert335. Dies bedeutet insbesondere, daß gegenläufige Prinzipien – im konkreten Fall das Prinzip des Eigentumsschutzes – zu berücksichtigen sind. Bei der Problematik redlichen Mobiliarerwerbs geht es somit um eine Kollision zweier gegenläufiger Rechtsprinzipien, nämlich des Eigentumsschutzes und des Verkehrsschutzes, die miteinander in Einklang zu bringen sind. 333
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Vgl bereits Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191, wo betont wird, daß der einen einzelnen Eigentümer treffende Verlust in keinem Verhältnis zu dem allen Eigentümern aus der Befähigung zu einem den Erwerber sicherstellenden Veräußerungsakt erwachsenden Vorteil stehe. Im Unterschied zu Rechtsregeln, die entweder anzuwenden oder nicht anzuwenden sind („Alles-oder-nichts-Charakter von Regeln“), sind Rechtsprinzipien nämlich daraufhin angelegt, je nach den Umständen mehr oder weniger verwirklicht zu werden („Abwägungsfähigkeit von Prinzipien nach deren Gewicht“). Grundlegend dazu Dworkin, Taking Rights Seriously 22 ff = Bürgerrechte 54 ff; weiterführend Alexy, Grundrechte3 71 ff, 75 ff; derselbe in Alexy/Koch/Kuhlen/ Rüßmann, Begründungslehre 217 ff = ARSP Beiheft 25 (1985) 13 ff; derselbe in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts 31 ff. Im Hinblick auf die Prinzipien des Privatrechts dazu insbesondere F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 121 ff, 125 ff; derselbe, System und Prinzipien 25 ff; derselbe, JBl 1996, 684 ff; derselbe in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts 9 ff sowie AcP 204 (2004) 329 ff (zum Verhältnis von Prinzipientheorie und Wilburgs „beweglichem System“); zur Charakterisierung von Rechtsprinzipien bereits derselbe, Methodenlehre2 132 ff, 256 ff mit FN 257, 485; siehe weiters P. Koller, Theorie des Rechts2 91 ff; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre 97 ff; Kramer, Methodenlehre2 226 ff, sowie die Beiträge in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts. Alexy, Grundrechte3 75 f; derselbe in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts 32; F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 125 ff.
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Anders als bei einem Regelkonflikt, bei dem auf Grund des „Allesoder-nichts-Charakters“ unmittelbar subsumtionsfähiger Vorschriften nur eine Regel Gültigkeit beanspruchen kann und daher eine Verdrängung insbesondere nach der lex specialis-Regel stattfindet, erfordert eine solche Prinzipienkollision eine Abwägung. Es stellt sich daher die Aufgabe, beide Grundsätze – Verkehrsschutz und Eigentumsschutz – in möglichst optimaler Weise zu verwirklichen. Wie Alexy aufgezeigt hat, ist dabei nach dem Abwägungsgesetz vorzugehen: Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muß die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein336. Bei einer solchen Abwägung sind selbstverständlich auch die – bereits dargestellten – Interessen der unmittelbar beteiligten Personen und die dabei relevanten und vom Gesetz als beachtlich anerkannten Wertungsgesichtspunkte zu berücksichtigen, also der Gedanke des (individuellen) Vertrauensschutzes und das damit verbundene Rechtsscheinprinzip sowie das Prinzip der Gefahrenbeherrschung und Risikoverteilung. Es handelt sich bei diesen Grundsätzen nämlich um „Subprinzipien“ geringerer Abstraktionshöhe, die den redlichen Erwerb zwar für sich nicht zu legitimieren vermögen, bei seiner konkreten Ausgestaltung aber zu berücksichtigen sind. Ihnen kommt insofern eine Ergänzungs- und Korrekturfunktion zu337. Die Herausarbeitung der unterschiedlichen Prinzipienschichten und ihres Zusammenspiels erhöht nun zwar die Chance einer rationalen Entscheidungsfindung, doch ist selbstverständlich noch nichts darüber ausgesagt, welches Gewicht den einzelnen Elementen bei der Abwägung zuzukommen hat. Auch wenn der Spielraum für rein dezisionistische Lösungen durch das dargestellte Konzept bereits wesentlich eingeschränkt erscheint, so ist doch zu bedenken, daß durchaus unter336
337
Alexy, Grundrechte3 146; derselbe in Schilcher/Koller/Funk, System des Rechts 36. Auch bei Rechtsprinzipien kann somit ein Verhältnis der Über- und Unterordnung bestehen und es lassen sich daher Prinzipienschichten unterschiedlicher Abstraktionshöhe unterscheiden. Eindrucksvoll hat dies F. Bydlinski in umfassender Ausarbeitung aufgezeigt: So stehen auf oberster Stufe die leitenden Prinzipien der Rechtsidee (Gerechtigkeitsgleichmaß, Zweckmäßigkeit, Rechtssicherheit; dazu F. Bydlinski, Methodenlehre2 317 ff, 325 ff) und die rechtsethischen Fundamentalprinzipien (Personenwürde, Freiheitsprinzip, Existenzminimum-Prinzip ua, siehe F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze 291 ff mit Prinzipienliste), gefolgt von den Prinzipien des gesamten Privatrechts (Prinzip der relativen [zweiseitigen] Rechtfertigung, Subsidiaritätsprinzip, Selbstverantwortungsprinzip der Folgenzurechnung) bis hin zu Rechtsprinzipien, die nur für Teilgebiete des Privatrechtes wirksam werden (so etwa Vertragsfreiheit, Verschuldensprinzip, Publizitätsprinzip, siehe F. Bydlinski, System und Prinzipien 773 ff mit Prinzipienliste).
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schiedliche Lösungsmodelle – unter Berücksichtigung des je gegebenen sachenrechtlichen Umfeldes338 – als sachlich richtig, weil dem Gerechtigkeitsgleichmaß entsprechend, angesehen werden können. Für eine Untersuchung de lege lata ist Grundlage der Abwägung daher selbstverständlich das vom Gesetz gewählte Lösungskonzept, das durch die Herausarbeitung der maßgeblichen Wertungskriterien zugleich auf seine Konsistenz überprüft werden kann. Auch wenn das Verkehrsschutzprinzip und die aufgezeigten Subprinzipien keineswegs zwingend festlegen, ob und in welchem Ausmaß eine Rechtsordnung einen redlichen Mobiliarerwerb zulassen soll und in welchem Umfang der Eigentumsschutz daher einzuschränken ist, so kann auf diese Weise doch überprüft werden, ob es dem Gesetz gelungen ist, die aufgezeigten Prinzipien in ein kohärentes und möglichst widerspruchsfreies, damit aber auch ein möglichst gerechtes System zu integrieren339. Den Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung bildet deshalb der vom Gesetz als „Normalfall“ geregelte Tatbestand, der als Basiswertung340 über das Gewicht der einzelnen Bewertungskriterien Auskunft gibt. Im Fall des redlichen Mobiliarerwerbs kommt diese Qualität einer Basiswertung dem Erwerb vom Vertrauensmann (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB) zu. Dieser ist nämlich nicht nur vom österreichischen Gesetz als Zentralfall des redlichen Erwerbs konzipiert341, sondern auch dogmengeschichtlich und rechtsvergleichend der Grundfall gutgläubigen Erwerbs342. Beim Erwerb vom Vertrauensmann wird ein möglichst optimaler Ausgleich von Eigentumsschutz und Verkehrsschutz durch die Verwirklichung des Rechtsscheinprinzips angestrebt, das den Gedanken des Vertrauensschutzes mit dem Grundsatz der Risikozuweisung und Gefahrenbeherrschung in Einklang zu bringen sucht343. Von diesem Normalfall (Basiswertung) sind Abweichungen in beide Richtungen möglich: Zum einen ist denkbar, daß bestimmte Sachen vom Anwendungsbereich redlichen Erwerbs gänzlich ausgenommen oder doch weitgehenden Re338 339 340
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Eingehend dazu unten S 124 f. Ausführlicher dazu unten S 144 ff. Grundlegend Schilcher, Soziale Schadensverteilung 204, 214 ff; derselbe in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Bewegliches System 287; derselbe in Schilcher/ Koller/Funk, System des Rechts 173 f. Zustimmend F. Bydlinski, Methodenlehre2 531; derselbe, Fundamentale Rechtsgrundsätze 127; derselbe, JBl 1996, 685. Dies betont schon Wellspacher, Vertrauen 168 f; ebenso Frotz, Kastner-FS (1972) 147. Vgl auch Zeiller, Kommentar II/1, 133 ff, der den Erwerb vom Vertrauensmann als den Grundtatbestand gutgläubigen Erwerbs darstellt, während § 367 Satz 1 Fall 1 (öffentliche Versteigerung) und § 367 Satz 1 Fall 2 (befugter Gewerbsmann) als „Ausnahmen von der Ausnahme“ aufgefaßt werden. Siehe oben S 18 f sowie unten S 81 ff. Dazu eingehend unten S 226 ff, 240 ff und S 246 ff.
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striktionen unterworfen werden344, was für das österreichische Recht insbesondere im Hinblick auf den europarechtlichen Kulturgüterschutz relevant ist345. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß im Fall der öffentlichen Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB) und des Erwerbs vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) sowie bei Geld und Inhaberpapieren (§ 371 ABGB) wegen der erhöhten Verkehrsschutzbedürfnisse auf das Erfordernis der Zurechnung verzichtet und damit auf den Grundsatz der Risiko- und Gefahrenbeherrschung durch den Eigentümer keine Rücksicht genommen wird. Es zeigt sich somit beim redlichen Mobiliarerwerb das auch für die Fälle der Vertrauenshaftung346 zu konstatierende Phänomen, daß eine verminderte „Stärke“ der Zurechnung durch eine erhöhte „Stärke“ des Verkehrsschutzbedürfnisses ausgeglichen werden kann347. 3. Konsequenzen Findet in der Diskussion um den redlichen Erwerb auch das Verkehrsschutzinteresse Beachtung348, so ist dem auf Grundlage der vorstehenden 344
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So war schon im römischen Recht an den res extra commercium (res publicae und res divini iuris) eine Ersitzung nicht möglich siehe dazu Kunkel/MayerMaly, Römisches Recht4 83 f, 176 f. Eine generelle Privilegierung des staatlichen („sozialistischen“) Eigentums war besonders in den ehemaligen sozialistischen Rechtsordnungen verbreitet. Heute kennt etwa noch das französische und italienische Recht Einschränkungen hinsichtlich des gutgläubigen Fahrniserwerbs von Staatseigentum (domaine public; demanio pubblico). Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 83 ff, 85 f, 89 f mwN. Dazu bereits oben S 46. Zur Abgrenzung zum redlichen Erwerb siehe unten S 153 ff. Siehe Canaris in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Bewegliches System 109. Zutreffend weist Canaris, aaO, darauf hin, daß dies dem Grundgedanken des von Wilburg entwickelten beweglichen Systems entspricht. Ein Anwendungsfall dieser Theorie im engeren Sinn liege aber dennoch nicht vor, weil die Rechtsfolge nicht aus einem beweglichen Zusammenspiel der einzelnen Kriterien gewonnen werden könne, sondern auf Grund fester Tatbestände generell feststehe. Im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Sachenrechtes, das ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit erfordert, könnte ein anderes Lösungskonzept mE auch kaum befürwortet werden. Vgl aber den Vorschlag Wilburgs, Baltl-FS (1978) 568 ff, die Problematik des gutgläubigen Fahrniserwerbs nach den Grundsätzen der „Schadensverteilung“ zu lösen, dazu bereits oben bei FN 24. Heck, Sachenrecht 246; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 249; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 12, § 52 Rz 8 ff; Eichler, Institutionen II/1, 158; Frotz, Kastner-FS (1972) 133 f; Gschnitzer, Sachenrecht2 109; Hager, Verkehrsschutz 227 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295 f; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 1; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 3 f; Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 1; Kindl in Bamberger/Roth,
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Erörterungen nachdrücklich beizupflichten. Besonders zu betonen ist dabei, daß es sich bei dem Gedanken des Verkehrsschutzes keineswegs um ein bloßes rechtspolitisches Motiv handelt349, sondern um einen tragenden Wertungsgesichtspunkt, der dem geltenden Recht zugrunde liegt und daher stärker als bisher bei der konkreten Interpretation der Gutglaubenstatbestände herangezogen werden sollte350: Zunächst ist zu beachten, daß das Prinzip des Verkehrsschutzes nicht nur durch einen sofortigen Gutglaubenserwerb befriedigt werden kann, sondern auch von der Ausgestaltung der Ersitzung und der Übereignungsregeln (Kausal- oder Abstraktionsprinzip) abhängt. Für das Verständnis des redlichen Mobiliarerwerbs ist es daher erforderlich, die systematische Stellung im jeweiligen Sachenrechtssystem mitzubedenken351. Vor allem vermag das Verkehrsschutzprinzip aber auch zum Verständnis der Systematik des gutgläubigen Fahrniserwerbs selbst entscheidend beizutragen. Offensichtlich ist das Bedürfnis nach Verkehrsschutz nämlich keine feststehende Größe, sondern – wie bereits hervorgehoben wurde – von der Erwerbssituation und der Art der betroffenen Sache abhängig. Dementsprechend wird der Erwerb im Handel regelmäßig stärker privilegiert, als jener von Privatpersonen, ebenso werden für besonders umlauffähige Sachen, wie Geld oder Inhaberpapiere, häufig Sonderregeln getroffen352. Das Prinzip des Verkehrsschutzes ist schließlich auch auf der Ebene der einzelnen Tatbestände zu berücksichtigen, was hier zunächst nur für zwei Fälle kurz angesprochen werden soll. Stellt man sich die Frage, worin eine zureichende tatsächliche Grundlage für den guten Glauben des Erwerbers liegt und ob der Besitz des Veräußerers ein Vertrauen in seine Eigentümerstellung oder auch in seine Verfügungsbefugnis rechtfertigt, so ist die Erwerbssituation in Verbindung mit der Stärke des Verkehrsschutzbedürfnisses von augenscheinlicher Bedeutung: An einen Erwerb von Privatpersonen kann durchaus ein strengerer Maßstab anzulegen sein, als an einen Erwerb im Handel, wo das Bedürfnis nach Schleunigkeit und Einfachheit des Ablaufes in weit höherem Ausmaß
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BGB § 932 Rz 1; Westermann/Gursky Sachenrecht7 § 45 I (S 364). Kritisch Wieling, Sachenrecht I § 10 I 7a (S 358). Ablehnend H. Hübner, Rechtsverlust 77, der die Bedeutung der Verkehrsinteressen für die Entwicklung des Institutes aber sehr wohl anerkennt (aaO 22 ff, 40); Medicus, H. Hübner-FS (1984) 618 f; vgl weiters von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 204 f. So aber Frotz, Kastner-FS (1972) 133 f; Wiegand, JuS 1974, 210. Vgl MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 1; Hager, Verkehrsschutz 227 ff, der zu Recht kritisiert, daß das Prinzip des Verkehrsschutzes häufig zu wenig vom Vertrauensschutzgedanken unterschieden werde. Dazu unten S 124 ff. Siehe dazu oben S 23 f und S 24 sowie unten S 155 ff und S 277 ff.
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Grundlagen
besteht. Als zweites Beispiel kann die umstrittene Frage nach dem an die Redlichkeit anzulegenden Maßstab angeführt werden: So könnte das unterschiedliche Verkehrsschutzbedürfnis durchaus erklären, warum für einen Erwerb im Handel erst grobe Fahrlässigkeit schadet, während bei einem Erwerb von einer Privatperson bereits leichte Fahrlässigkeit einen Gutglaubenserwerb ausschließt. Berücksichtigt man zudem, daß der Vertrauensschutz des konkreten Erwerbers allein einen redlichen Erwerb nicht zu rechtfertigen vermag, so wäre zudem stets auf eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation abzustellen, wie dies in der Tat § 368 ABGB nahelegt. E. Gang der weiteren Untersuchung Die vorgenommene Untersuchung hat gezeigt, daß dem Verkehrsschutzprinzip für den redlichen Mobiliarerwerb zentrale Bedeutung zukommt. Um für eine konkrete Analyse des geltenden Rechts brauchbar zu sein, bedarf der abstrakte Begriff des Verkehrsschutzes freilich noch einer näheren Konkretisierung. Da es sich bei dem Institut des redlichen Erwerbs um eine althergebrachte Regelung handelt, die bereits im alten deutschen Recht ihre Wurzeln hat, empfiehlt es sich, vor einer näheren Untersuchung des Verkehrsschutzprinzips auch die geschichtliche Entwicklung einzubeziehen. Der Schwerpunkt ist dabei auf die Frage zu legen, ob und in welchem Ausmaß den aufgezeigten – schon durch die Rechtsvergleichung indizierten – Wertungsgesichtspunkten für die historische Entwicklung des Mobiliarerwerbs und seine konkrete Ausgestaltung im österreichischen Recht Bedeutung zukommt. Zugleich wird dadurch das nötige Material für die bei der Auslegung der einzelnen Tatbestände zu berücksichtigende historische Interpretation353 bereitgestellt (unten § 2). In § 3 erfolgt sodann eine Erörterung des Verkehrsschutzprinzips.
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Zu ihrer Bedeutung gerade auch bei „alten Rechtsinstituten“ vgl unten S 74 mit FN 376.
§ 2 Geschichtlicher Abriß
I. Vorbemerkungen An Versuchen, das Institut des redlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten geschichtlich zu rechtfertigen, hat es nicht gefehlt354. Mit falsch verstandenem Nationalstolz wurde der gutgläubige Erwerb als deutsch-rechtliche Tradition verklärt355 und seine Legitimation in der geschichtlichen Entwicklung gesehen356. Besonders deutlich wurde der vielfach ideologisch überfrachtete Streit zwischen Germanisten und Romanisten357, dem ahistorische Elemente durchaus nicht fremd waren, während der Gesetzgebungsarbeiten am deutschen BGB358. Schon damals hat es freilich an warnenden Stimmen nicht gefehlt, die einmahnten, bei der Beurteilung eines Gesetzbuches solle man nicht danach fragen, ob ein Satz, den es aufstellt, römischen oder deutschen Ursprungs, sondern nur ob er gerecht und praktisch brauchbar sei359. Bei der Entscheidung, ob die deutsch-rechtliche Regel „Hand wahre Hand“ beizubehalten sei, müsse man sich vor jeder nationalen Voreingenommenheit hüten und dürfe an dieser Regel nicht bloß aus Nationalstolz festhalten360. Heute hat sich eine weit nüchternere Betrachtung der geschichtlichen Herkunft des redlichen Erwerbs durchgesetzt und der Wert der Geschichte für das geltende Recht wird differenzierter gesehen. Dabei ist allgemein anerkannt, daß das Institut des Gutglaubenserwerbs jeden354 355
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Dazu H. Hübner, Rechtsverlust 16 f. Besonders ausgeprägt noch die 1935 erschienene Schrift von Ercklentz „Der Erwerb vom Nichtberechtigten. Eine Schöpfung germanischen Rechtes“. Vgl auch Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 672: „Reaktion des Volksgeistes gegen einen fremden Rechtsgedanken“. Vgl etwa Meister, Wach-FS (1913) Bd. 3, 412: „Die geschichtliche Betrachtung muß die Rechtfertigung bringen“. Dazu Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 406 ff mit FN 94; Kiefner, HRG IV Sp 982. Siehe H. Hübner, Rechtsverlust 31 f. Bähr, KritVJSchr 32 (1890) 190 f. Vgl weiters Bekker in Bekker/Fischer, Beiträge zur Erläuterung des Entwurfes, Heft 2, 62 f, und Reichel, GrünhutsZ 42 (1916) 174 f. Kindel in Zusammenstellung gutachtlicher Äußerungen, BGB III 162.
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Geschichtlicher Abriß
falls nicht auf Grund seiner geschichtlichen Herkunft legitimiert werden kann361. In der Zitierung der Geschichte liege eben keine Rechtfertigung für die Gegenwart; zudem sei der historische Anknüpfungspunkt zweifelhaft362. Eine vor der Kodifikation gelegene, gerade nicht oder nur partiell rezipierte geschichtliche Entwicklung allein, könne eine positive Regelung nicht begründen363. Zu Recht wird daher gefordert, daß jede Norm des geltenden Rechts als richtige Norm aus unserer Zeit heraus verständlich sein muß364. Es gilt eben allgemein, daß die geschichtliche Tradition den Gerechtigkeitsgehalt einer Lösung nicht ersetzen kann365. Wenn ein solcher Umschwung des Pendels angesichts der einst überzogenen geschichtlichen Legitimationsversuche auch nur zu verständlich erscheint, darf doch nicht übersehen werden, daß die gesetzliche Regelung des Gutglaubenserwerbs nicht nur durch das Bemühen um einen möglichst gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Alteigentümers und des Erwerbers bestimmt wird, sondern zugleich durch die geschichtliche Entwicklung des redlichen Mobiliarerwerbs determiniert ist366. Es erweist sich eben auch hier, daß gerade das Feld des Sachenrechts „aus uralter Erde bereitet“ ist, wie Ludwig Raiser einmal anschaulich formuliert hat367. Schon am Ausgangspunkt der geschichtlichen Entwicklung standen sich geradezu idealtypisch zwei ganz gegensätzliche Lösungsmodelle gegenüber: Während dem römischen Recht ein sofortiger Erwerb vom Nichtberechtigten fremd war, galt im deutschen Recht der Grundsatz „Hand wahre Hand“, wonach der Eigentümer eine von seinem Gewährsmann veräußerte Sache vom Erwerber nicht herausverlangen konnte. Hier somit der hohe Bestandschutz des Eigentums, dort die weithin gesicherte Stellung des Erwerbers. Auch wenn die nähere Betrachtung ein etwas differenzierteres Bild ergeben wird, so ist doch festzustellen, daß diese grundsätzlichen Lösungsmodelle bis heute nachwirken368. Die weitere geschichtliche Entwicklung ist letztlich durch Variationen der aufgezeigten Grundentscheidung bestimmt. Beim redlichen Fahrniserwerb finden wir somit Mayer-Malys berühmt gewordenes Bild von der
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Peters, Entzug des Eigentums 69 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 8 (S 593 f); Hager, Verkehrsschutz 225 FN 2. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 8 (S 594). Hager, Verkehrsschutz 225 FN 2. Gernhuber, JZ 1956, 544. Vgl schon Heck, Sachenrecht 11, der die Maßgeblichkeit der „Gegenwartsinteressen“ für die Auslegung des BGB betont. Canaris, Vertrauenshaftung 474; Mayer-Maly, Larenz-FS (1973) 677; Kipp, Humanismus und Rechtswissenschaft 15. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 V (S 373). Raiser, M. Wolff-FS (1952) 123. Vgl Thorn, Mobiliarerwerb 31, 35, 39.
Vorbemerkungen
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„Wiederkehr der Rechtsfiguren“ bestätigt369. Es droht daher die Gefahr einer unreflektierten Argumentationswiederholung, wenn man die dogmengeschichtlichen Bezüge des Problems aus den Augen verliert370. Das juristische Instrumentarium ist eben erfahrungsgemäß beschränkt, so daß es für jedes Problem nur einen begrenzten Vorrat an vernünftigen Lösungen gibt371. Gerade für den Bereich des redlichen Erwerbs muß man sich freilich von der Vorstellung einer linearen Rechtsentwicklung372, die zu stets sachgerechteren Lösungen geführt hätte, trennen. Die historische Entwicklung des redlichen Erwerbs ist vielmehr von zahlreichen, schwer erklärbaren Brüchen gekennzeichnet373, durch einen Wechsel von einem Extrem ins andere374. So schroff und unversöhnlich sich die Interessen von Alteigentümer und Erwerber gegenüberstehen, so schroff entgegengesetzt erscheinen oftmals die rechtlichen Lösungen. So wie die Abwägung der Interessen durch die Einbeziehung überindividueller Gesichtspunkte ein differenzierteres Bild ergeben hat, so läßt auch die geschichtliche Betrachtung bei näherem Hinsehen aber durchaus gewisse Konvergenzen erkennen. Die geschichtlichen Grundlagen des redlichen Mobiliarerwerbs sind Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten375. Hier geht es freilich nicht 369 370 371
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Mayer-Maly, JZ 1971, 1 ff. Mayer-Maly, Larenz-FS I (1973) 674. Dilcher, AcP 184 (1984) 273; Wacke, Besitzkonstitut 58 f; Mayer-Maly, JZ 1971, 3. In diesem Bereitstellen eines „Vorrates an Lösungen“ (Zitelmann) decken sich die Aufgabe von Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte; diese läßt sich insoweit anschaulich als „vertikale Rechtsvergleichung“ (Mänhardt/Posch, Internationales Privatrecht2 Rz 5/13) charakterisieren. Zu Verhältnis und notwendigem Zusammenwirken beider Disziplinen Kötz, JZ 1992, 20 ff; Schulze in MüllerGraff, Gemeinsames Privatrecht2 127 ff; Junker, JZ 1994, 923; Zimmermann, JZ 1992, 8 ff; derselbe, JBl 1998, 273 ff; siehe bereits Coing, RabelsZ 32 (1968) 1 ff; Genzmer, ARSP 41 (1954/55) 326 ff. Dem Verhältnis von Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung widmete sich am 32. Deutschen Rechtshistorikertag eine eigene Sektion, siehe die Beiträge von Reimann, Flessner, Luig ua, mit einer Einführung von Zimmermann abgedruckt in ZEuP 1999, 494 ff. Dagegen treffend Mayer-Maly, JZ 1971, 1 ff. So etwa zwischen Codex Theresianus und ABGB, siehe dazu unten S 101 ff. Siehe dazu Thorn, Mobiliarerwerb 42 ff, der dies anschaulich am Beispiel der Entwicklung des französischen Rechtes verdeutlicht, das seine Haltung in der Frage des redlichen Fahrniserwerbs nicht weniger als dreimal grundsätzlich geändert hat. An übergreifenden Untersuchungen siehe insbesondere H. Hübner, Rechtsverlust 16 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 119 ff sowie die immer noch lesenswerten Ausführungen von Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 225 ff, ZHR 9 (1866) 1 ff. Aus jüngerer Zeit Huwiler, Bader-FS (1986) 75 ff; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs; derselbe, ZEuP 1995, 398 ff; Olzen, Jura 1990, 505 ff;
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Geschichtlicher Abriß
um das Aufzeigen unzähliger Details, sondern um die Darstellung der stilbildenden Entwicklungszüge. Die dadurch notwendige Konzentration auf das Wesentliche kann dabei insofern von Vorteil sein, als sie die Probleme schärfer herauszustellen vermag als eine allzu differenzierte und detailverliebte Einzelbetrachtung. Die Analyse des von der juristischen Dogmengeschichte dargebotenen Erfahrungsmaterials soll für die vorliegende Untersuchung in mehrfacher Weise fruchtbar gemacht werden: Zunächst für die Frage, ob die Hypothese von der Bedeutung des Verkehrsschutzes der geschichtlichen Betrachtung Stand hält und dieser Gedanke unserem Gesetz zugrunde gelegt ist. Weiters wird jenes Material bereitgestellt, das für die historische Interpretation unseres Rechtes erforderlich ist. Trotz des Alters der Kodifikation kommt ihr neben der teleologischen Interpretation ja weiterhin Bedeutung zu376. Schließlich kann gerade ein Vergleich der verschiedenen Regelungen und ihres Umfeldes dazu beitragen, das Institut des redlichen Erwerbs in seiner Bedeutung für die Systematik des Sachenrechtes besser zu verstehen.
II. Historische Ausgangspunkte A. Römisches Recht Für die Frühzeit des römischen Rechts, in der Eigentum und Besitz noch nicht klar geschieden waren377, wird von gewichtigen Stimmen eine deliktische Grundlage der Fahrnisverfolgung vermutet, die im Zusammenhang mit der Diebstahlsverfolgung gesehen wird378. Ein rituelles
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Engstfeld, Erwerb vom Nichtberechtigten; Hurst-Wechsler, Herkunft des Art 933 ZGB. Siehe dazu F. Bydlinski, Methodenlehre2 428 ff, 449 ff; Larenz, Methodenlehre6 316 ff, 328 ff, 344; Larenz/Canaris, Methodenlehre3 137 ff, 149 ff, 164 f. Wobei freilich zuzugestehen ist, daß die „Geltungsintensität“ des historischen Verständnisses mit dem Zeitablauf abnehmen kann: Siehe Zweigert, Bötticher-FS (1969) 447; zustimmend Kramer, Methodenlehre2 122 FN 327 mwN. Allerdings ist, wie F. Bydlinski, aaO 453, zu Recht hervorhebt, zu bedenken, daß bei älteren Gesetzen der argumentativ relevante Gehalt des historischen Materials in Literatur und Präjudizien bereits eingegangen ist, so daß sein Einfluß weiterbesteht und die historische Auslegung bloß verdeckt wird. Kaser, Eigentum und Besitz2 6 ff, 10 ff, 365; derselbe, ZRG (RA) 68 (1951) 131 ff; derselbe, Römisches Privatrecht2 I 121, 124; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 89 f mwN. Kaser, ZRG (RA) 68 (1951) 135 ff; derselbe, Römisches Zivilprozeßrecht 67 f; derselbe, Römisches Privatrecht2 I 127; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 122 ff.
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Vindikationsverfahren habe sich zunächst nur bei den wertvolleren und wichtigeren res mancipi379 herausgebildet, während es denkbar sei, daß res nec mancipi gegen andere als den überführten Dieb nicht verfolgbar gewesen seien380. Auch wenn beim Erwerb von res nec mancipi vom Nichteigentümer der Erwerber keine materielle Rechtsposition erworben hätte381, so würde er sich doch als Reflexwirkung des unvollkommenen Prozeßrechtes in einer faktisch nicht angreifbaren Lage befunden haben. Sollten die dargelegten Annahmen zutreffen382, so bestünde eine erstaunliche Ähnlichkeit des ältesten römischen zum frühen deutschen Recht383. Ist letzte Aufklärung hier auch nicht zu erwarten, so steht doch fest, daß die weitere Entwicklung des römischen und deutschen Rechts ganz konträr verlief. Sieht man von den unsicheren Anfängen ab, so war dem römischen Recht ein sofortiger gutgläubiger Erwerb vom Nichteigentümer nämlich auf jeder seiner Entwicklungsstufen fremd384. Vielmehr galt für das römische Recht der Satz: nemo plus iuris transferre potest, quam ipse habet, demzufolge niemand einem anderen mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat385. Der Eigentümer konnte seine Sache daher unabhängig davon, ob er sie freiwillig aus der Hand gege-
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Ablehnend nun aber Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 91. Daß der deliktische Ursprung der Sachverfolgung eine Gemeinsamkeit verschiedener Rechtskreise ist, nimmt Koschaker, Rechtsvergleichende Studien 46 ff, an. Zum altgriechischen Recht siehe Kaser, ZRG (RA) 64 (1944) 144 ff. Zu diesen zählen neben den hier nicht interessierenden italischen Grundstücken und bestimmten Felddienstbarkeiten, Sklaven und vierfüßige Tiere, die man an Joch und Zügel führt (Ochse, Pferd, Maulesel, Esel), also die wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionsmittel des frühen Rom. Siehe Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 120; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 83. Kaser, ZRG (RA) 68 (1951) 149 ff; derselbe, Römisches Privatrecht2 I 127. Siehe aber Kaser, ZRG (RA) 68 (1951) 150, 155, der von einer Beeinflussung der materiellen Rechtslage spricht. Kaser selbst spricht mehrfach vorsichtig von einer Hypothese (Eigentum und Besitz2 365; Römisches Zivilprozeßrecht 68 FN 14), wobei die Frage mangels deutlicher Quellen letztlich offen bleiben müsse. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 I 127 FN 5. Zum deutschen Recht unten S 81 ff. Auch hellenistische Ordnungen lassen aus dem Eigentum nur deliktische Ansprüche gegen den Verletzer zu, so daß die Sache nicht bis in die Hand des redlichen Dritterwerbers verfolgt werden kann, siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 276 mwN. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 155. Zum vorklassischen und klassischen Recht: Kaser, Römisches Privatrecht2 I 413; zur Nachklassik: Kaser, Römisches Privatrecht2 II 276. Ulpian D 50.17.54. Klar zum Ausdruck kommt diese Maxime auch in Ulpian D 41.1.20 pr: traditio nihil amplius transferre debet vel potest ad eum qui accipit, quam est apud eum qui tradit. si igitur quis dominium in fundo habuit, id tradendo transfert, si non habuit, ad eum qui accipit nihil transfert. Siehe dazu
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Geschichtlicher Abriß
ben hatte oder ob sie ihm abhanden gekommen war, auch von jenem herausverlangen, der sie redlich von einem Nichtberechtigten erworben hatte: ubi rem meam invenio, ibi vindico386. Eine bloß punktuelle Ausnahme von diesem unbeschränkten Vindikationsgrundsatz stellen wechselnde nachklassische Gesetze, insbesondere die Konstitution des Kaisers Zeno dar, wonach der Erwerb vom Fiskus auch dann unangreifbares Eigentum verschaffte, wenn der Fiskus nicht Träger des Rechtes war387. Handelt es sich dabei auch um eine singuläre Erscheinung388 von wohl nicht allzu großer praktischer Bedeutung389, so finden wir hier doch erstmals die Verbindung von Verkehrsschutz und staatlicher Autorität390, einem Gedanken, der uns beim redlichen Erwerb in öffentlicher Versteigerung und in abgeschwächter Form bei jenem vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 1 und 2 ABGB) wiederbegegnen wird391.
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von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 144 ff; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 155. Einer Eigenart des klassischen römischen Formularprozesses gemäß hat freilich jede Verurteilung in Geld zu erfolgen (omnis condemnatio pecuniaria est). Auch mit der rei vindicatio kann daher die Herausgabe der Sache nicht direkt erzwungen, sondern nur dadurch bewirkt werden, daß der Beklagte die Geldverurteilung durch Herausgabe der Sache abwendet (clausula arbitraria). Läßt sich der Beklagte hingegen auf den Schätzwert der Sache verurteilen, wird er gleich einem Käufer behandelt. Verweigert der Beklagte die Naturalrestitution dolos, so wird der indirekte Druck zur Naturalherausgabe freilich dadurch wesentlich verstärkt, daß sich die Höhe der Geldverurteilung nach dem Schätzeid des Klägers (iusiurandum in litem) bemißt, der regelmäßig höher ausfallen wird als eine richterliche Schätzung. Siehe Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 335 ff, 372 f; Kunkel/Selb, Römisches Recht4 538; Haumaninger/Selb, Römisches Privatrecht8 234 f; Benke/Meissel, Übungsbuch römisches Sachenrecht8 140. Erst mit der Herausbildung des Kognitionsverfahrens und der damit verbundenen erweiterten amtlichen Vollstreckungsmöglichkeit konnte die Herausgabe der Sache selbst erzwungen werden. Dazu Kaser/Hackl, aaO, 609 ff; Kunkel/Selb, aaO, 538, 558; Haumaninger/Selb, aaO, 506 f. Der bisher Berechtigte konnte binnen vier Jahren vom Staat Entschädigung verlangen. Gleiches bestimmte Justinian für Zuwendungen des Kaisers und der Kaiserin. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 284 FN 83. Vgl weiters Carlin, Nemo plus iuris 39 ff, 90 f; Ercklentz, Erwerb vom Nichtberechtigten 13 f. Windscheid/Kipp, Pandektenrecht9 I 852. Carlin, Nemo plus iuris 41, 90. Vgl Carlin, Nemo plus iuris 98 FN 334, und Ercklentz, Erwerb vom Nichtberechtigten 13 f, die die Bestimmung unter dem Gesichtspunkt von „Kaiserkult“ und „Staatsraison“ aber negativ bewerten. Obgleich die Konstitution Zeiller nachweislich bekannt war (Kommentar II/1, 134 FN *) darf ein direkter Ableitungszusammenhang nicht angenommen werden. Vgl auch Carlin, Nemo plus iuris 91 f. Interessant bleibt freilich, daß von
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Freilich bestand auch im römischen Recht das Bedürfnis nach weiterreichendem Verkehrsschutz, dem wegen des Nichtbestehens eines sofortigen redlichen Erwerbs auf andere Weise Rechnung getragen wurde392. Dem Erfordernis einer Stabilisierung der sachenrechtlichen Zuordnung und dem Schutz gutgläubigen Erwerbs diente dabei in erster Linie die Möglichkeit der Ersitzung einer Sache innerhalb verhältnismäßig kurzer Frist393: Im Anschluß an die usus-auctoritas-Regel der Zwölf-Tafeln394 betrug die Ersitzungsfrist bei beweglichen Sachen im klassischen römischen Recht lediglich ein Jahr. Voraussetzung der usucapio waren neben dem Zeitablauf possessio (fehlerfreier Eigenbesitz)395, iusta causa usucapionis (hinreichender Erwerbsgrund)396, bona fides (Redlichkeit des Ersitzenden)397 sowie das Vorliegen einer res habilis, also einer ersitzungsfähigen Sache. In unserem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, daß nach den Zwölf-Tafeln und der Lex Atinia gestohlene Sachen (res furtivae) einer Ersitzung nicht zugänglich waren398: Dies gilt nicht nur für den Dieb, sondern auch für jeden späteren redlichen Erwerber399. Der die Unersitzbarkeit begründende Makel der Furtivität
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Zenos Konstitution im Kauffall häufig Versteigerungen betroffen waren. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 284 FN 83. Siehe dazu insbesondere von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 120 ff, 172 ff. Als Rechtfertigung der Ersitzung wird dabei schon von Gaius D 41.3.1, zutreffender Weise das öffentliche Interesse angesehen: bono publico usucapio introducta est. Siehe hierzu von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 172 f. Satz VI 3: usus auctoritas fundi biennium, ceterarum rerum annuus esto. Dazu Kaser, Eigentum und Besitz2 86 ff, 369 f; derselbe, Römisches Privatrecht2 I 134 ff; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 173 ff. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 176; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 420. So etwa die Erwerbstitel pro emptore (Kauf), pro donato (Schenkung), pro soluto (Leistung aus Stipulation oder Damnationslegat) oder pro dote (Dosbestellung); siehe Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 155. Heftig umstritten war, ob auch ein Putativtitel, also der bloße Glauben des Erwerbers an das Vorliegen einer gültigen causa genügte; hierzu eingehend Mayer-Maly, Putativtitelproblem; siehe weiters Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 177 f; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 421 f. Eingehend Hausmaninger, Bona fides; siehe weiters Kaser, Römisches Privatrecht2 I 422 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 178. Gegen eine Gleichsetzung von bona fides und gutem Glauben Söllner, Coing-FS (1982) Bd I 374 ff. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 175; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 419; vgl auch von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 132 ff. Von der Ersitzung ausgeschlossen waren weiters res extra commercium (res publicae und res divini iuris); hiezu Kunkel/Mayer-Maly, aaO 83 f, 176 f. Benke/Meissel, Übungsbuch römisches Sachenrecht8 96 f. Siehe weiters Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 154, die wie von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 133 ff, die Erstreckung des Ersitzungsverbotes vom Dieb auf den Dritterwerber nicht den Zwölf-Tafeln, sondern erst der lex Atinia zuschreiben.
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wurde erst durch die reversio ad dominum, also die Rückkehr der Sache in die Hand des Eigentümers geheilt400. Durch die lex Plautia de vi sowie die spätere lex Julia de vi wurde dieses Ersitzungsverbot auf geraubte Sachen erstreckt401. Zu beachten ist, daß der römische Diebstahlsbegriff nicht nur den Diebstahl im heutigen Sinne umfaßte, sondern auch die Unterschlagung, insbesondere den bewußt unberechtigten Verkauf einer fremden beweglichen Sache402. Durch diesen sehr weiten Furtivitätsbegriff des römischen Rechts war die Ersitzung an beweglichen Sachen sehr weitgehend eingeschränkt403, was schon vom Klassiker Gaius nicht ohne Anzeichen von Resignation hervorgehoben wird404. Die usucapio gehörte dem ius civile an, Nichtbürger waren von ihr ausgeschlossen405. Freilich bestand aber auch in den Provinzen ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Verkehrsschutz. Um den lang dauernden rechtlichen Besitz an Provinzialgrundstücken, später aber auch an Mobilien zu schützen, entwickelte sich in den Provinzen die longi temporis praescriptio406: Ihrer Herkunft nach ist sie eine prozessuale Verschweigungseinrede, der bei Vorliegen eines „gerechten Anfangs“ (iustum initium) und eines unter Anwesenden zehnjährigen, unter Abwesenden zwanzigjährigen ungestörten Besitzes ersitzungsähnliche Funktion zukommt. Die römische Jurisprudenz hat sie nur unvollkommen durchgebildet, wobei insbesondere nicht klargestellt wurde, ob die longi temporis praescriptio bloß die Klage des Eigentümers ausschloß oder diesem auch ein materielles Recht verschaffen sollte407. 400
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Paulus D 41.3.4.6 ua. Benke/Meissel, Übungsbuch römisches Sachenrecht8 102 ff; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 419; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 177. Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 154; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 419 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 175. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 177; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 131, 138 ff; Klingenberg, Sutter-FS (1983) 261 ff. Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 154; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 142; Söllner, Coing-FS (1982) Bd I 377. Gaius Inst. 2,50: Unde in rebus mobilibus non facile procedit, ut bonae fidei possessori usucapio conpetat, quia qui alienam rem vendidit et tradidit, furtum committit; idemque accidit etiam si ex alia causa tradatur. Siehe dazu Klingenberg, Sutter-FS (1983) 262 ff. Anders bei Grundstücken, bei denen ein furtum nicht in Betracht kam, eine Ersitzung nach den leges Julia et Plautia aber bei gewaltsamer Inbesitznahme ausschied. Siehe Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 154. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 172; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 154; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 419. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 I 424 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 178 f. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 179. Einen Eigentumserwerb vorsichtig bejahend Kaser, Römisches Privatrecht2 I 425.
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In der Zeit der nachklassischen Vulgarisierung des Privatrechtes408, die als Stilmerkmal409 von der Preisgabe dogmatisch feiner Differenzierung zugunsten vereinfachender Anschaulichkeit geprägt ist410, gehen die überkommenen Ersitzungsbegriffe nach und nach verloren, an ihre Stelle tritt eine verjährungsrechtliche praescriptio nach 40, später 30 Jahren, die außer dem Besitz keine weiteren Voraussetzungen fordert411. Erst in der Zeit des oströmischen Klassizismus erfolgt unter Justinian eine Rückbesinnung auf das klassische römische Recht, wobei dem Institut der Ersitzung eine Neuordnung wiederfährt412: Die usucapio bezieht Justinian nunmehr allein auf bewegliche Sachen, ordnet eine Ersitzungsfrist von 3 Jahren an und fordert wiederum die klassischen Ersitzungsvoraussetzungen (res habilis, bona fides und iusta causa)413. Daneben wird die 30-, teils 40-jährige Verjährung der Vindikation zu einer außerordentlichen Ersitzung weiterentwickelt414, die zwar bona fides, aber keine iusta causa erfordert und auch an gestohlenen Sachen möglich ist. Dies ist der Stand, auf dem sich das römische Ersitzungsrecht zur Zeit der Rezeption befand415. Betrachtet man den Verkehrsschutz des römischen Sachenrechts, ist einem weiteren Umstand Beachtung zu schenken: Das klassische römische Recht kannte drei unterschiedliche Arten rechtsgeschäftlichen Erwerbs: Die schon dem alten römischen Recht entstammenden Formalakte mancipatio und in iure cessio, die als Verfügungsgeschäfte des ius civile nur römischen Bürgern offen standen, sowie die auch von Nichtbürgern verwendbare formfreie traditio. Allen drei Erwerbstatbeständen war gemeinsam, daß die Eigentumsverschaffung entsprechend der bereits dargelegten Regel vom Recht des Vormannes abhängig war. Während die traditio aber eine iusta causa verlangte und somit auf Grund des Titelerfordernisses kausal ausgestaltet war416, waren mancipatio und in iure ces408 409 410
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Dazu Kaser, Römisches Privatrecht2 II 5 f, 17 ff mwN. Vgl dazu insbesondere Wieacker, Vulgarismus und Klassizismus 12 ff, 20 ff. Besonders deutlich wird dies im Sachenrecht, wo sich die in der Klassik entwickelte strenge Scheidung von Besitz und Eigentum wiederum verwischt, siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 238 f, 246 ff. Kaser, Römisches Privatrecht2 II 285 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 179. Dazu Kaser, Römisches Privatrecht2 II 286 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 179 f; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 157. Die Liegenschaftsersitzung wird hingegen nun als longi temporis praescriptio bezeichnet, die Ersitzungsfrist beträgt hier 10 Jahre inter praesentes, 20 Jahre inter absentes. Später als longissimi temporis praescriptio bezeichnet. Söllner, Coing-FS (1982) Bd I 378. Als wichtigster Beleg gilt Paulus D 41.1.31 pr: „Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter
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sio abstrakte Verfügungsgeschäfte417. Daß diesen vergleichsweise aufwendigen Formalgeschäften noch in dem hochentwickelten Rechtssystem der klassischen Zeit einige Bedeutung zukam, beruht mindestens teilweise auf dieser ihrer Neigung zur abstrakten Geltung418. Wie insbesondere von Lübtow419 herausgearbeitet hat, erfüllte diese abstrakte Gestaltung eine wesentliche Verkehrsschutzfunktion420: Bei fehlendem Rechtsgrund stand dem Veräußerer nur eine persönliche Rückforderungsklage, nämlich eine condictio zu, die als actio in personam nur zwischen dem Erstverkäufer und Erstkäufer Platz griff, sich somit nicht gegen Dritterwerber richtete. Für den Dritterwerber erübrigte sich somit eine Nachprüfung der kausalen Erwerbsvorgänge seiner Vormänner. Die abstrakte Gestaltung der Verfügung schirmte somit den Dritterwerber vor Titelmängeln in der Vormännerkette zu Lasten des ursprünglichen Eigentümers ab, erleichterte diesem auf der anderen Seite aber zugleich die Weiterveräußerung seiner Sachen und damit die volle Ausnutzung seines Eigentums. In der nachklassischen Zeit gingen mancipatio und in iure cessio gleichwohl allmählich verloren und wurden schließlich von Justinian vollständig aus den Quellen beseitigt421. Doch zeigt das justinianische Recht die Tendenz, die eigentumsverschaffende Wirkung der traditio auf den Übertragungswillen als solchen statt auf das Kausalgeschäft zu stützen422. Ob der Eigentumserwerb vom Bestand eines gültigen Kausalverhältnisses abhängen sollte oder nicht, bleibt dabei aber letztlich unklar423.
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quam traditio sequeretur.“ Näheres bei Kaser, Römisches Privatrecht2 I 416 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 156 ff; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 152. Im Gegensatz zum kaufweisen Erwerb, der im vollen Wortsinn kausal war, nimmt der Titel pro soluto (causa solvendi) eine Sonderstellung ein: Die Übereignung zur Erfüllung einer Schuld ist auch dann wirksam, wenn diese nicht bestanden hat. Das Eigentum geht also auch in einem solchen Fall über, so daß dem Geber nur eine condictio, nicht aber die vindicatio offensteht. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 I 417; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 152; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 158. Zur viel umstrittenen Digestenantinomie D. 12.1.18 pr (Ulpian) und D. 41.1.36 (Julian) siehe unten FN 745. Kunkel/Honsell, Römisches Recht4 100 f, 102, 105; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 156; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 414 f; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 149, 151. Kunkel/Honsell, Römisches Recht4 98. FS 41. DJT (1955) 169 ff; siehe auch Wieling, ZEuP 2001, 301 f. Sehr instruktiv dazu bereits Jhering, Geist des römischen Rechts III/15, 210 ff. Kunkel/Honsell, Römisches Recht4 104, 106; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 151. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 159 f. Eindeutig findet sich die Vorstellung eines abstrakten dinglichen Vertrages erst im byzantinischen Recht des 11. Jhdts. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 282 f mit FN 72; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 160.
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Schließlich ist zu beachten, daß das römische Recht bei Zahlungsmitteln den auf Grund ihrer besonderen Umlauffähigkeit geforderten Verkehrsschutzbedürfnissen Rechnung trug: Wer fremdes Geld ununterscheidbar mit eigenem vermengt, wird unabhängig von seiner Redlichkeit Alleineigentümer der gesamten Geldmenge424. Da es sich um einen originären Eigentumserwerb handelt, galt dies selbst bei gestohlenem Geld425. Dieser im heutigen österreichischen Recht in § 371 ABGB normierte Rechtssatz, der eine Eigentumsklage auf Grund des originären Erwerbs des Vermengers ausschließt, resultiert nicht bloß aus der für eine Vindikation nicht ausreichenden Identifizierungsmöglichkeit des zu verfolgenden Gegenstandes, sondern diente auch dem Zweck, Gewerbetreibenden eine von allfälligen Eigentumsbehauptungen nicht blockierte, unbeeinträchtigte Kassenführung zu sichern426. Die These, daß derjenige, der gutgläubig fremdes Geld ausgibt, den Empfänger zum Eigentümer macht427, kann heute hingegen nicht mehr aufrecht erhalten werden428. Betrachtet man die dargestellten rechtlichen Regelungen zusammenfassend, so zeigt sich, daß dem römischen Recht ein sofortiger gutgläubiger Eigentumserwerb zwar fremd war, es Bedürfnissen des Verkehrs durch das Institut der usucapio, der Möglichkeit abstrakten Sachenrechtserwerbs und der Sonderregelung hinsichtlich von Geld gleichwohl Rechnung trug. Im Zusammenhang mit der Ersitzung wird dabei der Gedanke des Verkehrsschutzes und des öffentlichen Wohls bereits klar zum Ausdruck gebracht: Bono publico usucapio introducta est429. B. Deutsches Recht Zwar kannte auch das germanische Recht keinen sofortigen redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten430, gleichwohl hat dieses Institut seine
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Iavolen (Cassius) D 46.3.78; Kaser, Römisches Privatrecht2 I 430 f. Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 169. Benke/Meissel, Übungsbuch römisches Sachenrecht8 125; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht8 227 f. Für die gleichwohl relative Häufigkeit der vindicatio nummorum dürfte ursächlich gewesen sein, daß die Römer Geld häufig unvermengt aufbewahrt haben; siehe Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 170 FN 66. Kaser, Römisches Privatrecht2 I 431. Kritisch schon Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 169 f mwN. Gaius D 41.3.1. Damit verwandt ist der Gedanke des Rechtsfriedens, der bei Cicero pro Caecina 26, 74 (finis sollicitudinis ac periculi litium) sowie Gaius Inst 2, 44 (ne rerum dominia diutius in incerto essent) als ratio der usucapio genannt wird. Siehe auch Neratius D 41.10.5 pr. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 V (S 373); Olzen, Jura 1990, 506.
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Wurzeln unbestreitbar im deutschen Recht431, genauer in der eigentümlichen Ausgestaltung der Fahrnisverfolgung des älteren Rechts432. Für diese war die Unterscheidung zwischen unfreiwillig abhanden gekommenen und freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen charakteristisch: Ursprünglich konnten nur gestohlene und geraubte, später auch anderweitig abhanden gekommene Sachen von jedem Inhaber herausverlangt werden. Wer seine Sache einem anderen hingegen anvertraute, sie also freiwillig – etwa zu Leihe, Miete oder Verwahrung – aus der Hand gegeben hatte, konnte sie ausschließlich von seinem Vertrauensmann zurückverlangen. Das Rückstellungsbegehren konnte in diesen Fällen also nur auf die schuldrechtliche Abrede gestützt werden. Gegenüber einem Dritten, zu dem die Sache zwischenzeitlich gelangt war, stand dem früheren Inhaber (Eigentümer) eine Rückforderungsklage mangels vertraglicher Verpflichtung hingegen nicht zu. Nur der ungetreue Vertrauensmann haftete aus dem Vertrag. Plastisch zum Ausdruck kommt diese Rechtslage in dem Rechtssprichwort „Hand wahre Hand“433. Den Parömien „Trau, schau, wem“ und „Wo Du Deinen Glauben gelassen hast, dort sollst du ihn suchen“434 wird häufig ähnliche Bedeutung beigemessen.435 Es gilt „Meubel haben keine Gefolge und die Habe kein Geleit“.436 Lassen sich die genannten Rechtssprichwörter auch erst relativ spät nachweisen, so kommt die zugrundeliegende Regel schon in dem von 431 432
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H. Hübner, Rechtsverlust 17. Siehe dazu Heusler, Deutsches Privatrecht II 209 ff; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 552 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 433 ff; Stobbe/Lehmann, Deutsches Privatrecht3 II/1, 252 ff; Brunner/Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II2 645 ff, 668 ff; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 118 ff; Planitz, Deutsches Privatrecht3 123 ff; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 131 f, 168; Hagemann, HRG I Sp 889 f; Ogris, HRG I Sp 1661 f, differenzierend Sp 1931 ff. So im Revidierten Lübischen Recht (III 2, 1) aus 1586: „... so hat der Commodans oder Ausleiher keine Ansprache wider diejenigen, welchen es verkaufft, vergeben oder versetzet worden, sondern muss bey seinem Manne dem Commodatario, dem er es gelehnet, oder bey seinem Erben, auff den Todesfall bleiben, denn Hand muss Hand wahren.“ Zum Revidierten Lübischen Recht siehe unten S 96 ff. Siehe Revidiertes Lübisches Recht 1586 (III 2, 2), welches bestimmt, daß der Ausleiher das Gut vom Dritten „selbsten lösen“ muß, „sonsten bleibet derjenige der es gekaufft, oder an sich gebracht, naher dabey dann derjenige, welcher das Gut ausgelehnet. Dann da jemand seinen Glauben gelassen, da muss er ihn wiederum suchen.“ Diese Bestimmung stellt somit einen Ausgangspunkt für das Lösungsrecht dar. Dazu sogleich noch unten im Text. Siehe dazu Hillebrand, Rechtssprichwörter 68 ff, 74 f; Graf/Dietherr, Rechtssprichwörter2 110 f, 113 ff; Schmidt-Wiegand, Rechtsregeln 145, 156 f, 321; Ogris, HRG I Sp 1929 f. Graf/Dietherr, Rechtssprichwörter2 110, 113; Schmidt-Wiegand, Rechtsregeln 127.
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Eike von Repgow verfaßten Sachsenspiegel aus dem 13. Jahrhundert klar zum Ausdruck437: „Swelk man eyneme anderen lîet oder setzit phert oder cleyt oder ieneger hande varende habe, zu swelkir wîs her die ûz von sînen weren lêzt mit sîme willen, virkouft sie die, der se in sîner were hât, oder virsazt her se, oder virspelit her se, oder wirt se yme virstolen oder abe gerouibt, jene, der se virlegen oder virsatzt hât, der ne mach dâ nicheyne vorderunge ûph haben, âne upphe den, deme her se lêch oder satzte“.438 Die Gründe für diese eigentümliche Rechtslage und ihre innere Rechtfertigung sind überaus umstritten439. Nach einer jüngeren Auffassung440 hat das älteste deutsche Recht eine allgemeine Fahrnisklage gegen Dritte nicht ausgebildet, weil Veräußerungssachverhalte außerhalb der Sippe äußerst selten waren und deshalb kein praktisches Bedürfnis bestand441. Gebrauchsüberlassungen seien regelmäßig nur innerhalb der Sippe erfolgt, wobei Unterschlagungen durch eine strenge deliktische Sanktionierung hintangehalten wurden442. Die klassische und auch heute wohl noch herrschende Auffassung stellt hingegen den Fahrnisgewerebegriff in den Vordergrund ihrer Überlegungen443: Das deutsche Recht kann437
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Sachsenspiegel (Landrecht) II 60 § 1 (Quedlinburger Handschrift). Zitat nach Eckhardt, BRH, Rechtsbücher 3, Sachsenspiegel III 54; vgl auch Eckhardt, MGH, Sachsenspiegel Landrecht3 178. Die Übersetzung lautet: “Wer einem anderen leiht oder verpfändet ein Pferd oder ein Kleid oder irgend welche fahrende Habe, auf welche Weise er sie auch aus seiner Gewere läßt mit seinem Willen, verkauft sie der, der sie in seiner Gewere hat, oder verpfändet er sie oder verspielt er sie oder wird sie ihm gestohlen oder aber geraubt, jener, der sie verliehen oder verpfändet hat, der hat dann keinerlei Forderung darauf, außer gegen den, dem er sie lieh oder verpfändete.“ Eine Übersicht über den Meinungsstand gibt Kofferath, Geschichtliche Grundlagen 47 ff; vgl auch Ercklentz, Erwerb vom Nichtberechtigten 39 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 178 ff. Zwar älter, aber vorbildlich prägnant Planitz, ZRG (GA) 34 (1913) 424 ff. Aus jüngerer Zeit vgl Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 23 ff. Anners, Hand wahre Hand, insb 28 ff. Siehe auch Ogris, HRG I Sp 1932 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 21; Huwiler, Bader-FS (1986) 77 f. Vgl schon Heusler, Deutsches Privatrecht II 10 f, 213. Entgegen der herkömmlichen Auffassung hält Anners (Hand wahre Hand, 38, 118 f, 155 ff, 213 f ua) die Regel „Hand wahre Hand“ nicht für eine ursprüngliche Bildung. Sie sei vielmehr erst auf Grund der Zunahme von Verkehrsgeschäften im Hochmittelalter ausgebildet worden und Ausdruck der Machtinteressen der Bürger und Feudalherren. Vgl auch Ogris, HRG I Sp 1933 f. Dagegen Rehfeldt, ZRG (GA) 70 (1953) 393 ff; kritisch auch Völkl, Lösungsrecht 23 ff, 177. Siehe die oben in FN 432 Genannten mit freilich unterschiedlicher Akzentsetzung, dazu FN 456 und FN 457. Mit Vorbehalt Ogris, HRG I Sp 1931 ff.
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te auf seiner frühen Stufe keine dem römischen Recht vergleichbare scharfe Scheidung zwischen Besitz und Eigentum444. Zentralbegriff des deutschen Rechts war vielmehr die Gewere445, bei der tatsächliche Sachherrschaft und dingliche Berechtigung wesenhaft verknüpft waren446. Anders als bei Liegenschaften, bei denen die Bindung an das körperliche Element der Gewere bald in den Hintergrund trat, blieb die Gewere an beweglichen Sachen stets an die tatsächliche Sachinhabung gebunden447. Gewere an Fahrnis hatte somit nur derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübte, mit dem Verlust der leiblichen Herrschaft erlosch auch die Gewere448. Auf dieser Basis hat das ältere deutsche Recht eine allgemeine an das dingliche Recht anknüpfende Eigentumsklage nicht ausgebildet449. Der prozessuale Schutz der Fahrnis war vielmehr auffallend schwach ausgebildet450, da mit dem Verlust der Gewere auch die aus ihr resultierende Klagsmöglichkeit verloren ging. Bei unfreiwilligem Sachverlust kam eine Fahrnisverfolgung aber immerhin auf deliktischer Grundlage wegen Gewerebruchs in Betracht451: Bei handhafter Tat durch Spurfolge452, bei nicht handhafter Tat durch
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Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 90; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 178, 186 f; Amira/Eckhardt, Germanisches Recht4 II 100 f. Dazu Ogris, HRG I Sp 1658 ff; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 89 ff; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 187 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 198 ff, 430 ff. Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 122. Im Anschluß an die grundlegenden Arbeiten O. Gierkes und E. Hubers gibt Ogris, HRG I Sp 1660 folgende Definition: Die Gewere ist nicht bloß die äußere Erscheinungsform eines dinglichen Rechtes, sondern – wegen der mit der offenkundig ausgeübten Sachherrschaft verbundenen Rechtswirkungen – selbst ein Recht: Das Recht zur Ausübung eines dinglichen Rechts, das bis zum Beweis einer stärkeren Berechtigung vermutet wird. Siehe auch Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 90. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 193; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 430 f; Ogris, HRG I Sp 1660 f. Ogris, HRG I Sp 1661; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 131; Planitz, Deutsches Privatrecht3 124. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 553; Planitz, Deutsches Privatrecht3 124; Ogris, HRG I Sp 1661. Amira/Eckhardt, Germanisches Recht4 II 100. Der Bruch des Rechtsfriedens stand also im Vordergrund: Schultze, Dahn-FS I (1905) 58 ff; derselbe, JherJB 49 (1905) 170 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 443 f. Daß der deliktische Ursprung der Fahrnisverfolgung eine Gemeinsamkeit verschiedener Rechtskreise ist, zeigt Koschaker, Gesetzgebung Hammurapis 46 ff, auf. Siehe auch unten bei FN 456. Brunner/Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II2 645 ff; Werkmüller, HRG IV Sp 1791 f.
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die Anefangsklage453, die ursprünglich bei Diebstahl und Raub, seit dem Frühmittelalter auch bei verlorenen oder sonst dem Besitzer ohne seinen Willen abhanden gekommenen Sachen zugelassen wurde454. Bei freiwilliger Weitergabe der Sache schieden diese Deliktsklagen mangels Gewerebruch hingegen aus. Auf Grund des Fehlens einer dinglichen Klage konnte der bisherige Inhaber seine Sache daher nur dann zurückverlangen, wenn der Empfänger aus einem Vertragsverhältnis, etwa einer Leihe oder Verwahrung, zur Rückstellung der Sache verpflichtet war. Gegen einen Dritten, in dessen Hände die Sache mittlerweile gelangt war, konnte der bisherige Inhaber mangels Vertragsverhältnisses und Gewerebruchs hingegen nicht vorgehen. Da der Eigentümer die Sache somit nur auf Grund des Rückgabegedinges von seinem Vertrauensmann zurückverlangen konnte, war der Dritte, in dessen Hände die Sache vom Vertrauensmann gelangt war, einem Herausgabeanspruch des Eigentümers nicht ausgesetzt. Dies galt selbst dann, wenn der Vertrauensmann die Gewere unfreiwillig – etwa durch Diebstahl – verloren hatte455. Der Grund für die dargestellte Rechtslage wird nach dieser Auffassung somit in der deliktischen Grundlage der Sachverfolgung gese-
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Kennzeichnend für diese ist das Dritthandverfahren, das auch den Codex Theresianus noch beeinflußt hat (siehe unten S 108): Der Besitzer der abhanden gekommenen Sache konnte sich durch Nennung seines Vormannes vom Verdacht des Diebstahls reinigen und schied durch Übergabe der Sache an diesen aus dem Prozeß aus. Führte dieser Zug auf den Gewähren zum Dieb, so mußte dieser die Sache an den Anefangskläger herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Konnte ein weiterer Vormann nicht genannt werden, erlitt der Besitzer also Bruch an seinen Gewähren, so mußte er die Sache ebenfalls zurückgeben, doch konnte der redliche Erwerber die strafrechtliche Sanktionierung – durch Eidesleistung oder bei offenkundigem Erwerb, insbesondere am Markt – abwehren. Siehe Werkmüller, HRG I Sp 159 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 438 ff; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 132. Der herausgabepflichtige Besitzer konnte sich seinerseits – wegen Verletzung der Gewährschaftspflicht – an seinen Vormann, von dem er die Sache erworben hatte, halten und von diesem die Rückerstattung des Kaufpreises verlangen. Siehe dazu Rabel, Haftung des Verkäufers I 11, 166 ff, insb 169 f sowie 288 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 440, 577 f; Gudian, HRG I Sp 1642; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 254. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 437, 442; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 119. Nur der Vertrauensmann konnte hier gegen den Dritten vorgehen. Siehe O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 558; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 436, 442. Nach manchen Rechten, so etwa dem Schwabenspiegel, konnte der Eigentümer aber wenigstens dann klagen, wenn der Vertrauensmann gestorben war oder sich weigerte Klage zu erheben. Siehe R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445; Ogris, HRG I Sp 1932.
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hen456. Der Schutz des Erwerbers war eine Reflexwirkung der fehlenden prozeßrechtlichen Klage457. Ohne auf den Meinungsstreit näher eingehen zu können, wird man doch festhalten können, daß der gedankliche Ansatzpunkt der Regel „Hand wahre Hand“ nicht der Rechtserwerb des Dritten, sondern der Rechtsverlust des bisherigen Inhabers war458: Dementsprechend war – nach verbreiteter Ansicht – bei anvertrauten Sachen die Frage der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Dritterwerbers für den Ausschluß der Fahrnisklage nicht von Belang459. Von einem dezidierten Schutz auch Schlechtgläubiger460 wird man mit der neueren Forschung gleichwohl 456
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Zum deliktischen Ursprung der Fahrnisverfolgung schon Heusler, Deutsches Privatrecht II 6 f, 212 ff, 215 ff. Dieser prozeßgeschichtlichen Deutung schließen sich an Planitz, ZRG (GA) 34 (1913) 426 ff mwN; siehe auch Rauch, ZRG (GA) 68 (1951) insb 5, 38, 67; Stutz, ZRG (GA) 34 (1913) 731 f; Brunner/Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II2 669 FN 117; H. Hübner, Rechtsverlust 18 f; Hagemann, HRG I Sp 890. Vergleichsmöglichkeiten mit dem altbabylonischen Recht zeigt Koschaker, Gesetzgebung Hammurapis 46 ff, auf. Zum altrömischen Recht bereits oben S 74 f. So dezidiert die sogenannte „Prozeßtheorie“ (siehe die vorhergehende FN). Die „Publizitätstheorie“ setzt den Akzent hingegen auf die in der Gewere verkörperte Offenkundigkeit: Die Regel „Hand wahre Hand“ sei mit der Legitimationswirkung der Gewere zu erklären, die eine formelle Verfügungsmacht schaffe. Wer dem von der Gewere geschaffenen Schein traue, werde in seinem Rechtserwerb geschützt (E. Huber, Gewere 19 ff, 21; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 188 ff, 208, 575 f). Der Publizitätsgedanke wird teils auch zur Erklärung für die Verfolgbarkeit abhanden gekommener Sachen herangezogen: Hier sei die „Offenkundigkeit des Gewerebruchs“ maßgeblich (E. Huber, aaO, 12 ff; Meyer, Entwerung 8 ff, 42 ff, 48; derselbe, Publizitätsprinzip 42 ff; vgl dazu noch unten FN 1160). Insgesamt läuft diese Ansicht freilich Gefahr, den germanischen Formen ein kaum zeitgemäßes Ideengerüst überzuziehen (so treffend Meister, Wach-FS III (1913) 416 ff, 424 ff; Planitz, ZRG (GA) 34 (1913) 425; H. Hübner, Rechtsverlust 19 f). Soweit die Legitimationstheorie auf das Verständnis des geltenden Rechtes eingewirkt hat – ihr maßgeblicher Vertreter E. Huber war Schöpfer des Schweizer ZGB – wird auf sie noch zurückzukommen sein. Siehe unten S 167 ff. Planitz, ZRG (GA) 34 (1913) 425 f; Brunner/Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II2 669 FN 117; Stutz, ZRG (GA) 34 (1913) 732; Olzen, Jura 1990, 506. Heusler, Deutsches Privatrecht II 214; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 436; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 558; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 188; H. Hübner, Rechtsverlust 20; Troje, HRG I Sp 1868 f; ablehnend Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 256 ff. Anderseits bewahrte – bei abhanden gekommenen Sachen – Unkenntnis vom Diebstahl den Erwerber nicht vor der Herausgabepflicht, sondern nur vor einer deliktischen Sanktionierung. Siehe O. Gierke, aaO, 555 f; Meyer, Entwerung 95 ff, 102 ff, 293 ff. So Beseler, Studi Besta I (1939) 203 „unerfreulicher Gutwiebösglaubensschutz“, zitiert bei Völkl, Lösungsrecht 48; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 556.
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nicht ausgehen dürfen461. Wie Völkl462 nämlich überzeugend dargelegt hat, fehlte es zwar an der Formulierung der Redlichkeit als subjektivem Tatbestandsmerkmal463, doch wurde stets auf Situationen typischer Redlichkeit abgestellt. Zu beachten ist weiters, daß die relativ gesicherte Stellung des Dritterwerbers auf dem Fehlen einer Fahrnisverfolgung bei freiwilliger Hingabe der Gewere beruhte, der Erwerb eines dinglichen Rechts damit aber nicht verbunden war464. Dies zeigte sich insbesondere dann, wenn das Gut zufällig in die Hände des Eigentümers zurückfiel; der Dritte hatte dann keine Fahrnisklage. Ebenso deutlich ist das Fehlen einer materiellen Berechtigung, wenn die Gewere des Vertrauensmannes wiederhergestellt wurde; dann hatte der Eigentümer wiederum die Klage aus dem Rückfallsgedinge465. Schließlich wird man davon auszugehen haben, daß dem ältesten Recht der Gedanke des Verkehrsschutzes noch weitgehend fremd war466. Der Schutz des Dritterwerbers war noch kein zentrales Thema467. Von den Klassikern des deutschen Privatrechts wird die Regel „Hand wahre Hand“ als gemeingermanisches Rechtsprinzip angesehen468, doch hat diese Auffassung durch die jüngere Forschung viel an Überzeugungskraft verloren469. So fand zwar etwa die eingangs zitierte Bestimmung des Sachsenspiegels weite Verbreitung und wurde wörtlich in das hamburgische Recht und aus diesem wiederum in andere Stadtrechte wie Riga und Stade, später vielfach auch in die lübischen Rechtsbücher übernommen470. Anderseits standen der dargestellten Regel schon in ältester Zeit Rechte gegenüber, welche die unbeschränkte Verfolgbarkeit von Fahrnis kannten471. Wichtiger als diese Streitfrage ist in unserem 461
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Siehe insbesondere Völkl, Lösungsrecht 41 ff, 48 ff, 56 f mit FN 28, 180 f; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 551 mit FN 64, 554 ff. Kohlegger-FS (2001) 556 ff. Für diese war die Rezeption von maßgeblicher Bedeutung, siehe unten S 93 ff. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 119; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 561; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 467. Zu beiden Konstellationen O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 561; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 467. Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 259 f; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 9; Carlin, Nemo plus iuris 50 f; Meister, Wach-FS III (1913) 416 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 185. Vgl Heusler, Deutsches Privatrecht II 214; Planitz, ZRG (GA) 34 (1913) 425. So etwa R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 436. Ogris, HRG I Sp 1930 f, unter Hinweis auf Anners, Hand wahre Hand. Ogris, HRG I Sp 1930. Zur Verbreitung der Sachsenspiegelstelle auch Hinz, ZeuP 1995, 400. Eine Darstellung der geographischen Verbreitung („Kartographie“) des Satzes „Hand wahre Hand“ versucht Korte, Verbreitung des Rechtssatzes „Hand wahre Hand“, insb 118 ff. Zu ihrer Methodik aber kritisch Völkl, Lösungsrecht 23 FN 34; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 538 f. So verweist Anners (Hand wahre Hand 179 ff, 185 f) insbesondere auf das älteste norwegische Recht, das Gulatingsrecht, das eine Vindikation auch bei anver-
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Zusammenhang freilich, daß schon das mittelalterliche Recht vergleichsweise feine Differenzierungen entwickelte472, die wohl darauf zurückzuführen sind, daß die zunehmende Mobilisierung des Güterverkehrs Konfliktsituationen zwischen Eigentümer und Dritterwerber stärker in den Vordergrund treten ließ. Die Frage, ob den Bestandsinteressen des Eigentümers oder aber dem Verkehrsschutz der Vorrang zu gebühren habe, trat nun deutlich hervor473. Zum einen führte dies zu einer stärkeren Berücksichtigung der Eigentümerinteressen. Die Regel „Hand wahre Hand“ wurde in zahlreichen Rechten eingeschränkt und unter verschiedenen Voraussetzungen auch bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen ein Herausgabeanspruch anerkannt. Dabei differenzierte man teilweise nach der Art des zwischen Eigentümer und Vertrauensmann bestehenden Rechtsverhältnisses474: So wurde die Regel „Hand wahre Hand“ mancherorts475 nur auf verliehenes, nicht aber auf vermietetes Gut angewendet, vermietete Sachen konnten also unbeschränkt verfolgt werden476. Sehr häufig aufzufinden – etwa in Lübeck, München, Dortmund oder Braunschweig – ist die Regel, daß Sachen, die einem Handwerker in Reparatur gegeben und von diesem wegen des ausstehenden Lohns verpfändet oder verkauft wurden, vom Dritten durch Zahlung des Arbeitslohns eingelöst werden konnten477. Auch nach der Art und Weise, wie die Sache vom Vertrauensmann an den Dritten gelangt ist, wurde teilweise unterschieden, so wurde insbesondere die Verfolgung zwar bei veruntreutem, nicht aber bei gepfändetem Gut ausgeschlossen478. Einige Rechte gewährten dem Eigentümer die Sachverfolgung wenigstens in jenen Fällen, in denen der Vertrauensmann selbst bestohlen wurde, seinerseits die Verfolgung aber
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trauter Habe vorsah. Eine Übersicht bieten R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 444 ff; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120; Planitz, Deutsches Privatrecht3 125 f; Kofferath, Stand der Forschung 68 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 21 ff; Ogris, HRG I Sp 1931 f, 1933 f. Vgl schon Heusler, Deutsches Privatrecht II 214. Um eine intensive Erforschung der Interessenlage hat sich dabei insbesonders Anners, Hand wahre Hand, verdient gemacht. Ogris, HRG I Sp 1931. So im holländischen Deventer: Ogris, HRG I Sp 1931; Anners, Hand wahre Hand 159 f. Nach Anners, aaO 130 ff, auch im Lübischen Recht; dagegen Völkl, Lösungsrecht 28 ff. Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 168. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 560; Meyer, Entwerung 76 ff; Anners, Hand wahre Hand 147 ff; Völkl, Lösungsrecht 161 ff, 179. Stobbe/Lehmann, Deutsches Privatrecht II/13 261; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 559; Ogris, HRG I Sp 1931 f.
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nicht übernehmen konnte oder wollte479. In anderen Rechten (München, Lübeck) wiederum konnte der Kläger auch bei anvertrautem Gut jedem Dritten die Lösung der Sache erbieten480, diese also gegen Erstattung des Kaufpreises zurückverlangen (Lösungsrecht)481. Manche Rechte, wie jenes von Goslar, ließen schließlich eine unbeschränkte Vindikation zu482. Verwandt ist die Regelung des Augsburger Rechtes, das selbst bei einer Veruntreuung durch den Kommissionär dem Kommittenten einen Herausgabeanspruch gegen den Dritten gewährte483. Zum anderen begannen sich offenkundig Verkehrsinteressen Bahn zu brechen484, und die generelle Verfolgbarkeit gestohlener oder sonst abhanden gekommener Sachen erfuhr Einschränkungen: So wurde in den Hansestädten bei über See eingeführten Sachen eine Verfolgung selbst dann ausgeschlossen, wenn sie gestohlen waren, ein Anefang also für unzulässig erklärt. Kamen die Waren von auswärts über Land, war die Verfolgung mit Jahr und Tag beschränkt485. Zum Schutz des Käufers wurde teils auch der Kauf auf offenem Markt privilegiert486: Hier fiel der Diebstahlsvorwurf stets weg und in manchen Stadtrechten mußte der Kläger eine Lösungssumme in Höhe des Kaufpreises zahlen, was das Risiko des Handels verminderte487. Auch das Handelsprivileg der Juden, das erstmals von Heinrich IV. 1090 den Speyerer Juden verliehen wurde, 479
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Schwabenspiegel (W) c. 191. Siehe R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445; Ogris, HRG I Sp 1932. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445. Ursprünglich dürfte dabei dem früheren Sachinhaber gegen den Erwerber aber noch kein Anspruch auf Herausgabe gegen Preisersatz zugestanden haben, sondern die Stellen sind bloß als Vorschlag zur gütlichen Einigung zu lesen. Siehe Meyer, Entwerung 126; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 560 FN 38; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 34 ff; Völkl, Lösungsrecht 37 ff, 50 ff. Planitz, Deutsches Privatrecht3 126; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120; Ogris, HRG I Sp 1931. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 559 FN 35; Stobbe/Lehmann, Deutsches Privatrecht II/13 261; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445. H. Hübner, Rechtsverlust 22. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 446; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 557 f; Planitz, Deutsches Privatrecht3 125; Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 262; Meyer, Entwerung 141 ff. Vgl dazu Scherner, HRG III Sp 337 ff. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120; Planitz, Deutsches Privatrecht3 125; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 445 f; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 556 f; Meyer, Entwerung 102 ff, 123 ff, 129 ff; Scherner, HRG III Sp 337 ff. Häufig ist ein solches Lösungsrecht in französischen Quellen, siehe Stobbe/Lehmann, Deutsches Privatrecht3 II/1 257 FN 21; Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 263 FN 11; Meyer, Entwerung 132 ff; Feenstra, Kisch-FS (1955) 251 ff.
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zählt hierher488. Beim Kauf oder der Pfandnahme von unverdächtigen Personen489 hatten sie gleichfalls einen Lösungsanspruch490. Ein solches Privileg wurde verschiedentlich auch christlichen Geschäftsleuten (Lombarden und Kawerschen, Goldschmieden und Pfandleihern) gewährt491. Die dargestellten Regeln, die insbesondere in den damaligen Zentren des Handels und Güterverkehrs entwickelt wurden, zeigen, daß das Prinzip „Hand wahre Hand“ und seine Modifikationen nicht bloß das Relikt einer älteren Periode darstellt, sondern als Produkt eines verhältnismäßig hochentwickelten Verkehrsrechtes anzusehen ist492. Wohl mit diesem Umstand ist die gewaltige dogmengeschichtliche Bedeutung des germanisch-deutschen Rechtes für die Entwicklung des Erwerbs vom Nichtberechtigten zu erklären. Das Prinzip „Hand wahre Hand“ wurde in seinen unterschiedlichen Ausprägungen vielfach zum Ausgangspunkt für die heute bestehenden Regeln493: So findet sich die Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen sowohl im deutschen als auch im romanischen Rechtskreis, insbesondere im österreichischen (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 488
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„Si autem res furtiva apud eos inventa fuerit, si dixerit iudeus se emisse, iuramento probet secundum legem suam, quanti emerit, et tantundem recipiat et rem ei cuius erat restituat.“ (MGH, Diplomata VI/2, 547 ff). Die Übersetzung (nach Kisch, Ausgewählte Schriften I 122) lautet: “Wenn aber eine gestohlene Sache bei Ihnen gefunden wird, und der Jude behauptet, sie gekauft zu haben, soll er durch Eid gemäß seinem Gesetze beweisen, wie teuer er sie gekauft habe, und gegen Erstattung des gleichen Preises die Sache dem Eigentümer zurückgeben.“ Fast wörtlich ist das Privileg Heinrich IV. in die Satzung Kaiser Friedrichs II. über die Rechtsverhältnisse der Juden in Wien vom August 1238 übergegangen, was auf seine allgemeine Geltung hinweist. Siehe Goldschmidt, ZHR 8 (1965) 269 f, 271. Vgl Sachsenspiegel (Landrecht) III 7 § 4, wonach ein Lösungsanspruch nur besteht, wenn gekauft worden war „unvorholen unde unvorstolen bî tagis lechte, unde nicht in beslozzeneme hûs“. Zitat nach Eckhardt, BRH, Rechtsbücher 3, Sachsenspiegel III 60. Zur Frage der Redlichkeit siehe Kisch, Ausgewählte Schriften I 128 ff. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120. Nach früherer Auffassung stammte dieses Lösungsrecht aus dem jüdischen Recht, so Meyer, Entwerung 166 ff; Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 266 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 446 f; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 557. Dagegen die neuere Forschung insbesondere Kisch, Ausgewählte Schriften I 107 ff; Feenstra, Kisch-FS (1955) 237 ff; Wadle, HRG II Sp 39 ff; Völkl, Lösungsrecht 105 ff. Vgl dazu auch Kofferath, Stand der Forschung 76 ff. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 447; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 557. Ogris, HRG I Sp 1933 f. Vgl zum Folgenden Thorn, Mobiliarerwerb 153 ff, 177 ff, 245 ff.
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1 HGB), deutschen (§ 935 Abs 1 BGB; § 366 Abs 1 HGB494), schweizerischen (Art 933, 934 Abs 1 ZGB), französischen (Art 2279 Abs 2 Code civil), spanischen (Art 464 Abs 1 Código civil) und griechischen Recht (Art 1038 ZGB)495. An abhanden gekommenen Sachen wird dabei ein redlicher Erwerb teils gänzlich ausgeschlossen (Österreich, Deutschland, Spanien, Griechenland), teils zeitlich durch eine Verwirkungsfrist aufgeschoben, die ab Abhandenkommen der Sache zu laufen beginnt496 und in Frankreich drei497, in der Schweiz fünf Jahre beträgt. Ein Lösungsrecht, für das insbesondere das Revidierte Lübische Recht in der Kommentierung des Mevius stilbildend gewirkt haben dürfte498, sahen das ALR (I 15 § 26)499 und der erste Entwurf des deutschen BGB500 vor. Heute ist es beispielsweise in der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB) und Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil) beim Erwerb abhanden gekommener Sachen auf dem Markt501, von einem Kaufmann, der mit derartigen Waren gewöhnlich handelt, oder in öffentlicher Versteigerung gesetzlich verankert, in Spanien (Art 464 Abs 2 Código civil) bei ihrem Erwerb in öffentlicher Versteigerung. Der Erwerber hat die Sache also nur gegen Erstattung des von ihm ausgelegten Kaufpreises herauszugeben502. 494
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Kraft Verweises auf das Bürgerliche Gesetzbuch, der auch § 935 BGB umfaßt. Siehe GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 15. Nicht unterschieden wird hingegen im Codex Theresianus (dazu unten S 102 ff) und im heutigen italienischen Recht (Art 1153 Abs 1 Codice civile). Einen Sonderweg schlägt das niederländische Recht ein, dessen Nieuw Burgerlijk Wetboek nur mehr gestohlene Sachen vom sofortigen Gutglaubenserwerb ausnimmt (Art 3:86 Abs 3 BW). Daß dieser Zeitpunkt und nicht der Besitzbeginn des Erwerbers ausschlaggebend ist, zeigt deutlich, daß es sich nicht um eine Ersitzungs-, sondern um eine Ausschlußfrist handelt. Siehe Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 565 (3 B 33); Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 934 Rz 28 ff. Ebenso in den Niederlanden bei gestohlenen Sachen (Art 3:86 Abs 3 BW). Insbesondere durch seinen Einfluß auf das ALR, siehe Dernburg, Preußisches Privatrecht I4 460; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 239 f; Völkl, Lösungsrecht 59; zurückhaltender derselbe, Kohlegger-FS (2001) 552 f. Dazu unten S 110 ff. § 939 Erster Entwurf BGB, abgedruckt bei Mugdan, Materialien III, XXXVI. Dazu Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 417 ff = Mugdan, Materialien III 233 f. Vgl auch die (noch weitergehende) Vorlage Nr 8 des Redaktors von Johow aus 1875, siehe Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I (§§ 854-1017) IX 53 ff. Von der zweiten Kommission wurde das Lösungsrecht wegen seiner „gewissen Halbheit“ und „praktischer Bedenken“ ersatzlos gestrichen. Siehe Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 367 ff = Mugdan, Materialien III 692 f. Eine praktisch wenig bedeutsame Regelung findet sich nur mehr in Art 94 II EGBGB. Art 2280 Abs 1 Code civil nennt überdies den Erwerb auf Messen. Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 566 f (3 B 38, 40); Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 934 Rz 24.
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Schließlich wirkt auch die schon in den mittelalterlichen Sonderregeln über den Marktkauf zum Ausdruck kommende Privilegierung des Handelsverkehrs wegen ihrer Sachgerechtigkeit bis heute noch fort. Auf diesem Gedanken beruhen zahlreiche Vorschriften, so etwa im österreichischen Recht der Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB), im griechischen Recht der Kauf auf Messe oder Markt (Art 1039 Satz 2 BGB). Ebenso wird in Spanien der redliche Erwerb im Handelsverkehr generell geschützt (Art 85 Código de comercio). Das Schweizer (Art 934 Abs 2 ZGB) und das französische Recht (Art 2280 Abs 1 Code civil) sehen für diesen Fall ein besonderes Lösungsrecht vor. Selbst das portugiesische Recht, das keinerlei sofortigen Schutz des redlichen Erwerbers kennt und insofern ganz den römisch-rechtlichen Grundsätzen folgt, berücksichtigt das erhöhte Bedürfnis nach Sicherheit und Leichtigkeit des Warenflusses durch die Statuierung eines Lösungsrechtes beim Erwerb im Handelsverkehr (Art 1301 Código civil). Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, daß das deutsche Recht nicht bloß den historischen Ausgangspunkt für die Entwicklung des redlichen Fahrniserwerbes darstellt, sondern bis heute fortwirkt. Wie dargestellt, weist dabei schon das mittelalterliche Recht ein erstaunlich reiches Spektrum an Lösungen auf, bei denen die Frage des Verkehrsschutzes schon deutlich in den Vordergrund tritt und dem Interessengegensatz zwischen Eigentümer und Dritterwerber in recht differenzierter Weise Rechnung getragen wird. Von einem Rechtserwerb des Dritten wird auf dieser Entwicklungsstufe aber noch nicht ausgegangen: Die relative Wirkung des Satzes „Hand wahre Hand“ wurde erst seit der Zeit der Naturrechtskodifikationen – erstmals ausdrücklich im Codex Theresianus503 – zur absoluten Wirkung gesteigert, also der Verlust und Erwerb des Eigentums selbst angenommen504. Vor allem aber blieb die Frage der Redlichkeit, also die zentrale Problematik des Gutglaubensschutzes, ursprünglich noch weitgehend außerhalb der Betrachtung. Den eigentlichen Umschwung brachte hier die Zeit der Rezeption. C. Entwicklung im Zeitalter der Rezeption 1. Wissenschaftliche Durchdringung des heimischen Rechts Für die weitere Entwicklung des gutgläubigen Erwerbs war die Rezeption des römischen Rechtes von tiefgreifender Bedeutung505. Vereinfacht 503 504
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Siehe unten S 105. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 566; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 467 f. Instruktiv zum Folgenden Huwiler, Bader-FS (1986) 77 ff; Ogris, HRG I Sp 1934 f; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 187 ff; Hinz, ZEuP 1995, 405 ff; Kofferath, Stand
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gesprochen traf die deutsch-rechtliche Regel „Hand wahre Hand“ auf das römisch-rechtliche Vindikationsprinzip. Im Hinblick auf abhanden gekommene Sachen brachte das römische Recht freilich in der Sache praktisch keine Neuerung, sondern nur den theoretisch neuen Klagegrund des Eigentums506. Hinsichtlich freiwillig aus der Hand gegebener Sachen bestand hingegen ein schroffer Gegensatz zwischen der deutschen Regel „Hand wahre Hand“ und dem römisch-rechtlichen Prinzip der unbeschränkten Vindizierbarkeit. Der römische Rechtssatz „nemo dat, quod non habet“ blieb für das gemeine Recht bestimmend und bewirkte in der Folge häufig die pauschale Ablehnung des Grundsatzes „Hand wahre Hand“ (so etwa die kursächsischen Konstitutionen)507 mit der Folge, daß die Vindikation generell ermöglicht wurde508. Obgleich der römische Vindikationsgrundsatz den Vorteil geradezu zwingender axiomatischer Logik hat509, war er dennoch nicht imstande, die deutschrechtliche Regel der beschränkten Fahrnisverfolgung völlig zu verdrängen. In ihren unterschiedlichen Ausformungen wirkte diese in verschiedenen Partikularrechten fort, wofür die stetig stärker in den Vordergrund tretende und allmählich auch rational bewußt erfaßte Berücksichtigung der Verkehrsinteressen ausschlaggebend gewesen sein dürfte510. Der Wirkung nach erschienen die deutsch-rechtlichen Einschränkungen der Fahrnisverfolgung als Beschränkung oder Versagung der Vindikation511. Erwerb und Verlust des Eigentums wurden hingegen erst im Zeitalter der naturrechtlichen Kodifikationen zum Thema512. Das römische Recht vermochte die Unverfolgbarkeit anvertrauter Sachen zwar nicht völlig zu überwinden, doch stellte es sie auf eine neue Grundlage. Auch dort wo das heimische Recht bestehen blieb, führte sein überragender Einfluß nämlich dazu, daß man die Art, in welcher der Dritte den Besitz an der Sache vom Nichteigentümer erworben hatte,
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der Forschung 100 ff. Vgl weiters Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 264 ff; Meyer, Entwerung 279 ff, 293 ff; Carlin, Rechtsparömie 52 ff; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 561 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 447 ff. Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 120. Troje, HRG I Sp 1869. Nur eine Verkürzung der römisch-rechtlichen Ersitzungsfristen wurde vielfach zugestanden. So genügten etwa nach der Frankfurter Erneuerten Reformation (1578) unter Anwesenden, die Kenntnis vom Kauf erlangten, 6 Monate, in Nürnberg bei Kenntnis des Eigentümers sogar nur 3 Monate. Siehe Troje, HRG I Sp 1869 und Söllner, Coing-FS I (1982) 378 mit weiteren Beispielen. Huwiler, Bader-FS (1986) 78; vgl auch Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 2; Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 1 (S 591). Dazu sogleich unten S 98 ff. O. Gierke; Deutsches Privatrecht II 566. Dazu unten S 105 und S 115.
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stärker in die Betrachtung einbezog513: Während im deutschen Recht die Gutgläubigkeit des Dritterwerbers für den Ausschluß der Fahrnisklage bei anvertrauten Sachen nur insofern von begrenzter Bedeutung war, als auf Situationen typischer Redlichkeit abgestellt wurde514, wurden der Frage der subjektiven Redlichkeit und dem Bestand eines tauglichen Titels nunmehr größere Aufmerksamkeit geschenkt. So fordert etwa das Hamburger Stadtrecht von 1603 in seiner Regel des Fahrniserwerbs vom Nichtberechtigten nun ausdrücklich das Vorliegen eines „guten Titel(s)“515. Aber auch dort, wo die Partikularrechte nicht ausdrücklich an diese Voraussetzungen anknüpfen, beginnt die Praxis auf Grund des Einflusses der gelehrten, das heißt römisch-rechtlich gebildeten Juristen, Titel und Redlichkeit, die weitgehend miteinander verschmolzen wurden516, zur Voraussetzung einer beschränkten Fahrnisverfolgung zu erheben517. Der eigentliche Grund für diese Entwicklung wird im unmittelbaren Einfluß des römischen Ersitzungsrechtes gesehen518. Auch wenn die usucapio auf Grund des weiten Furtivitätsbegriffes für den Erwerb vom Nichtberechtigten nur von geringer Bedeutung war519, wurde der Tatbestand doch rezipiert und wirkte auf die Dogmatik des Erwerbs vom Nichtberechtigten nachhaltig ein520. Überspitzt formuliert von Lübtow521: „Der vielgepriesene Glaubensschutz des germanischen Rechts stammt also aus Rom“. Zur Durchsetzung des Redlichkeitserfordernisses mag dabei auch das kanonische Recht beigetragen haben, das mit seinem Grundsatz „quoniam omne, quod non est ex fide, peccatum est“ jegliches unredliche Handeln ausdrücklich verpönt522. 513
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Von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 188; Ogris, HRG I Sp 1934; vgl schon Randa, Eigentumsrecht2 I 334. Siehe Völkl, Kohlegger-FS (2001) 556 ff und oben S 86 f. Siehe von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 190 f. Ogris, HRG I Sp 1934. Besonders deutlich wird diese Entwicklung in der Kommentierung des Revidierten Stadtrechts von Lübeck durch Mevius. Dazu sogleich unten S 96 ff. Von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 188 ff mwN; Ogris, HRG I Sp 1934 f. Dazu oben S 77 f. Von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 188 ff; Huwiler, Bader-FS (1986) 79. FS 41. DJT (1955) 188 mwN. Siehe Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 265; Reichel, GrünhutsZ 42 (1916) 174; von Lübtow, 41. DJT (1955) 188 f. Die im Text wiedergegebene Regel, wonach „Alles, was nicht aus dem Glauben geschieht, sündhaft ist“, geht ursprünglich auf Papst Innozenz III. zurück, der im Jahr 1215 bestimmte, daß eine Ersitzung – anders als im römischen Recht („mala fides superveniens non nocet“) – nur dann eintreten dürfe, wenn der Besitzer bis zum Ende der Ersitzungsfrist gutgläubig sei: Denn allgemein sei jedes Gesetz oder Recht abzuschaffen, das ohne Todsünde nicht eingehalten werden könne. Siehe X (liber extra) 2, 26, 20; zitiert bei Wieling, Sachenrecht I § 11 I 1 (S 406 FN 9).
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Auch wenn man einer so pointierten Schilderung, wegen der damit notwendig verbundenen Vereinfachung, kritisch gegenübersteht523 und mit guten Gründen von einer deutsch-rechtlichen Parallelentwicklung ausgeht524, so bleibt doch festzuhalten, daß die Redlichkeit als subjektives Tatbestandsmerkmal erst in der Rezeption zu einer exakten Ausformung gelangte und gefestigt wurde525. Nicht nur die Übernahme der römischen, im Zusammenhang mit der usucapio entwickelten Begriffe ist unbestreitbar526, sondern auch die Tatsache, daß die Rezeption die Entwicklung des gutgläubigen Erwerbs als Institut entscheidend förderte527. Naturgemäß wirkte sich hier der höhere Standard der römischrechtlichen Dogmatik aus, in der die Juristen an den Universitäten nun gezielt ausgebildet wurden. Treffend spricht Völkl528 von einem „Umgie523
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Differenzierend H. Hübner, Rechtsverlust 20, der wie Randa, Eigentumsrecht2 I 339, Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 121 und Ogris, HRG I Sp 1934, einen Einfluß des Naturrechtes annimmt. Wie Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, gezeigt hat, gingen aber gerade die naturrechtlichen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts durchgängig vom römisch-rechtlichen Vindikationsprinzip aus, meist ohne in ihren naturrechtlichen Systemen einen redlichen Erwerb auch nur zu thematisieren. Siehe Hinz, aaO, insb 100 ff (zu Grotius), 159 ff (zu Thomasius), 189 ff (zu Ch. Wolff), 199 ff (zu Martini und Zeiller), 244, 308. Vgl weiters derselbe, ZEuP 1995, 412 f; Huwiler, Bader-FS (1986) 84 f. Anders aber Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre 418 ff, der den redlichen Erwerb als Folgerung der iustitia distributiva ansieht, da sonst kein sicherer Erwerb gewährleistet wäre; dazu Huwiler, Bader-FS (1986) 85 ff, und oben S 64. Siehe Völkl, Lösungsrecht insb 48 ff, 56 f mit FN 28, 180 f; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 551 mit FN 64, 554 ff. Schon dem frühen deutschen Recht war die Frage der Unredlichkeit jedenfalls nicht völlig fremd, doch lag ihre primäre Bedeutung im deliktischen Bereich: Gegen den wissentlichen Erwerber entwerter Fahrnis konnte mit der Diebstahlsklage vorgegangen werden. Bei redlichem Erwerb entfiel hingegen die deliktische Sanktionierung, was an der Herausgabepflicht aber nichts änderte. Objektiv unverdächtiger Erwerb am Markt ersetzte dabei vielfach den Reinigungseid, einzelne Rechte gewährten überdies ein Lösungsrecht. Siehe Meyer, Entwerung 95 ff, 102 ff, 123 ff, 293 ff; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 555 ff. Schultze, Dahn-FS I (1905) 41 ff, 52 f; derselbe, JherJB 49 (1905) 176 ff, sieht im Marktkauf daher geradezu den Ansatzpunkt für eine eigenständige Entwicklung des redlichen Erwerbs. Für die mittelalterlichen Stadtrechte ist an Hand von Urteilen jedenfalls bereits eindeutig nachweisbar, daß das Wissen um die Herkunft der Sache für die Handhabung des Hand-wahre-Hand-Satzes bedeutsam war. Siehe Völkl, Lösungsrecht 41 ff; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 558 ff. Vgl in diesem Sinn auch Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 264 ff. Siehe Söllner, FS Coing I (1982) 378. Zustimmend Völkl, Lösungsrecht 57 FN 28. Vgl Völkl, Kohlegger-FS (2001) 560. Kohlegger-FS (2001) 547, in Anlehnung an Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 694.
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ßen heimischen Rechtsstoffes in römische Rechtsformen“. Es geht bei diesem Rezeptionsvorgang also nicht so sehr um das Phänomen einer partiellen Übernahme „fremden Rechtes“, sondern um einen Entwicklungsprozeß, der von der modernen Forschung treffend als „Verwissenschaftlichung des Rechtes“ bezeichnet wird529. Entscheidend ist somit, daß in der Rezeption die gedankliche Durchdringung des gutgläubigen Fahrniserwerbs und mit ihr die exakte Ausgestaltung der einzelnen Tatbestandselemente begonnen hatte. Vor diesem Hintergrund erscheint es völlig zutreffend, das Institut des redlichen Erwerbes als eigentümliche Mischung aus deutsch und römisch-rechtlichen Elementen zu bezeichnen530. Erst die wechselseitige Durchdringung beider Rechtskreise war imstande, den redlichen Mobiliarerwerb als dogmatisches Institut zu begründen. Es geht also weniger um das Fortleben heimischen oder die Übernahme fremden Rechtes, als um den Prozeß einer schöpferischen Synthese. Wie bei so vielen Rechtsinstituten war es der Usus modernus531, der dem Institut jene dogmatischen Grundlagen gab532, die bis heute fortwirken. 2. Der Kommentar des Mevius als Kristallisationspunkt der Entwicklung Besonders greifbar wird die dargestellte Entwicklung, aber auch ihre innere Motivierung, in der berühmten Kommentierung des Revidierten Lübischen Stadtrechts aus 1586 durch David Mevius (1609-1670), einen der einflußreichsten Juristen des Usus modernus533. Darauf hier näher einzugehen erscheint schon deshalb lohnend, weil die Ausführungen von Mevius für die weitere Entwicklung des redlichen Erwerbs vom Nichtberechtigten von kaum zu überschätzender Bedeutung waren. In unserem Zusammenhang ist der Kommentar des Mevius von besonderem Interesse, weil bei den Beratungen des Codex Theresianus aus529
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Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 131 ff; Kiefner, HRG IV Sp 970 ff, 982; Wesenberg/Wesener, Privatrechtsgeschichte4 81. Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 242. Vgl auch Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 64 ff, 67; Westermann/Gursky, Sachrecht7 § 45 VI (S 374). Zu einseitig auf den Einfluß des römischen Rechts abstellend hingegen Wechsler in Polaschek/Ziegerhofer, Recht ohne Grenzen 155 ff; Hurst-Wechsler, Herkunft des Art 933 ZGB. Vgl Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 205 mit FN 3. Eine prägnante Übersicht über die institutionengeschichtlich bedeutsamen Leistungen des Usus modernus geben Wesenberg/Wesener, Privatrechtsgeschichte4 120 ff. Dazu Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, insb 30 ff; derselbe, ZEuP 1995, 409 ff. Zu Mevius siehe Stintzing/Landsberg, Geschichte II 112 ff; Koehler/Sellert, HRG III Sp 533 ff; Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 218 f.
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drücklich auf diesen verwiesen wird534 und auch die Kommentierungen Zeillers zu § 367 ABGB von der Wirkungskraft der von Mevius vorgetragenen Argumente eindrucksvoll Zeugnis ablegen535. Nicht zum Zweck einer Detailanalyse der Fahrnisverfolgung im Lübischen Recht536, sondern bloß größerer Anschaulichkeit wegen sollen dabei die entsprechenden Vorschriften des Revidierten Lübischen Stadtrechtes der Erörterung vorangestellt werden. Diese finden sich im 3. Buch unter Titel 2 („Von Auslehnen“) und bieten ein schönes Beispiel für die Regel „Hand wahre Hand“ und ihre Modifikationen537: Art 1: Was ein Mann dem anderen leihet, das soll er ihm unverdorben wieder geben, oder bezahlen nach seiner Würde, wann es verlohren wäre. Verkauffte, vergebe, versetzete oder alienirete er aber das geliehene Gut, es sey welcher Hand es wolle, so hat der Commodans oder Ausleiher keine Ansprache wider diejenigen, welchen es verkaufft, vergeben oder versetzt worden, sondern muß bey seinem Manne, dem Commodatario, dem es geliehen, oder bey seinen Erben, auf den Todes-Fall bleiben: Dann Hand muß Hand warten. Art 2: Ein jeglicher sehe wol zu, weme er das Seine ausleihe und vertraue; Dann, würde es sich zutragen, daß derjenige, deme es geliehen oder vertrauet, dasselbe verkauffte, versetzte, oder sonsten alienirte, will dann der Ausleiher das Gut wieder haben, von dem, welchem das ausgeliehene Gut per Contractum gebracht, so muß er es selbst lösen, sonsten bleibet der es gekaufft, oder an sich gebracht, näher dabey, dann derjenige, welcher das Gut ausgeliehen: Dann, da jemand seinen Glauben gelassen, da muß er ihn wiederum suchen. Die Kommentierung des Mevius folgt in sachlicher Hinsicht dem Postulat „statuta sunt stricte interpretanda“538, wonach das heimische Recht einschränkend und mit dem Instrumentarium des ius commune auszu534
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Vortrag der Kompilationskommission vom 30. 4. 1771, zitiert bei Harrasowsky, Codex Theresianus und Umarbeitungen II 132. Dazu Völkl, Kohlegger-FS (2001) 547 ff, sowie unten S 105 f. Vgl unten S 118. Dazu siehe Völkl, Lösungsrecht 27 ff, mwN; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 30 ff. Zitiert nach Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 30 f; vgl auch die bei Völkl, Lösungsrecht 54, wiedergegebene Fassung. Dazu Coing, Europäisches Privatrecht I 106 f, 297; Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 83, 138 ff.
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legen ist539. Zwar ist der Anwendungsbereich der Regelung nach Mevius nicht auf die Leihe beschränkt, doch soll sie nur gelten, wenn die Übergabe „aliquid juris & potestatis“, also im Interesse des Empfängers erfolgt540. Den bloßen Lösungsvorschlag des Lübischen Rechtes, der den Beteiligten lediglich eine gütliche Einigung nahelegt541, formt Mevius in ein echtes Lösungsrecht um542, in welcher Form es insbesondere für die Gestaltung des ALR maßgeblich wurde543. Schließlich betont Mevius, daß es „sachgerecht und billig“ sei544, die Regel nur dann anzuwenden, wenn der Dritte „bona fide & iusto titulo“ erworben hat. Nur der redliche und titulierte Besitzer ist also des Schutzes wert545. In unserem Zusammenhang von besonderer Wichtigkeit sind die Begründungen, die Mevius zur Erklärung des redlichen Erwerbes gegeben hat. Zunächst stellt Mevius546 fest, daß die im heimischen Recht (ius nostrum) verankerte Regel „Hand wahre Hand“547 dem gemeinen Recht widerspreche548: Dieses gewähre dem Eigentümer eine rei vindicatio gegenüber jedem Besitzer, der ohne Rücksicht auf seinen guten oder schlechten Glauben zu ersatzloser Herausgabe verpflichtet sei549. 539
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Zum Folgenden ausführlich Völkl, Lösungsrecht 55 ff; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 549 ff; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 31 ff. Siehe Völkl, Lösungsrecht 56; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 550; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 48 ff. So schon Meyer, Entwerung 126; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 560 FN 38. Eingehend nun Völkl, Lösungsrecht 37 ff, 50 ff. Siehe Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 33 ff; Völkl, Lösungsrecht 57 ff; differenzierend derselbe, Kohlegger-FS (2001) 552 f. Siehe Dernburg, Preußisches Privatrecht I4 460; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 239 f; Völkl, Lösungsrecht 59; zurückhaltender nun derselbe, Kohlegger-FS (2001) 552 f. „ratio et aequitas jubet“ (Comm III 2 Art 2 Rz 29). Dazu Völkl, Lösungsrecht 56 f; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 550 f, der davon ausgeht, daß damit nur heimisches Recht in römisch-rechtlichen termini beschrieben wird; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 42 ff, 64 ff. Commentarii in Jus Lubecense libri quinque. Die bezogenen Stellen finden sich bei Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 31 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 192; siehe weiters Huwiler, Bader-FS (1986) 80 f; Völkl, Lösungsrecht 55 ff; derselbe, Kohlegger-FS (2001) 549 ff. “Inter specialia juris nostri, et quidem e principiis illius est hoc axioma, quod cui semel quis fidem habuit res suas ei tradendo, eum in repetitione sequi necesse habet. Do jemand seinen Glauben gelassen, da muß er ihn wieder suchen,...id aliis verbis exprimitur: Hand muß Hand wahren“ (Comm III 2 Art 2 Rz 1). „Alienum hoc est a iure communi...“ (Comm III 2 Art 2 Rz 2). „...quo dominus rei vindicatione experitur contra quemvis possessorem ad restitutionem ...hicque restituere tenetur, sive bona, sive mala fide possideat, non recepto a vindicante precio, quod forte venditori solvit.“ (Comm III 2 Art 2 Rz 2 f).
Historische Ausgangspunkte
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Diese Abweichung vom gemeinen Recht sei aber sachlich gerechtfertigt, da die Beschränkung der Fahrnisverfolgung im Interesse eines sicheren Handelsverkehrs liege550. Das römische Vindikationsprinzip lasse hingegen jeden Gütererwerb im Ungewissen551. Der Erwerber sei zu außerordentlich schwierigen Nachforschungen über die Herkunft des Gutes gezwungen, was zahllose Streitigkeiten nach sich zöge und den Interessen des Handels widerspreche552. Um den Erwerber bestmöglich in seinem Besitz zu schützen, fordere es daher die Billigkeit, dem Eigentümer die Vindikation in bestimmten Fällen zu verweigern553. Diesem geschehe auch kein Unrecht, habe er sich doch selbst die Nachlässigkeit zuzuschreiben, seine Sache einer Person anvertraut zu haben, auf deren Vertragstreue er sich nicht verlassen konnte554. Der Verleiher könne sich daher nicht beklagen. Er hätte sich eben einen verläßlicheren Vertrauensmann aussuchen müssen555. Mit diesen Erläuterungen hat Mevius alle für den Schutz des redlichen Dritterwerbers zentralen Aspekte im Grunde bereits aufgeworfen556, so insbesondere die Problematik einer Nachforschungspflicht des Erwerbers oder der Risikozuweisung für die Auswahl des Vertrauensmannes557. Die von Mevius entwickelten juristischen topoi sind jene Argumentationsmuster, die die Diskussion um das Institut des redlichen Erwerbes bis heute bestimmen. Vor allem aber enthält die Kommentierung des Mevius erstmals eine umfassende und ausdrückliche Begründung des Hand-wahre-Hand-Prinzips mit dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes558. Die Regelung diene dem allgemeinen Vorteil eines sicheren Güterverkehrs: “pro communibus commodis commerciorum 550
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„Non caret hoc ratione, ut non nullis visum est. Prospectum enim hac in re est commerciorum utilitati et securitati...“ (Comm III 2 Art 2 Rz 5). „Si enim adversus quoscumque superesset rei vindicatio, timida et incerta semper foret mercium acceptio...“ (Comm III 2 Art 2 Rz 6). „...inquisitio originis multas pareret difficultates et examen dominii anterioris causa et occasio foret multarum litium, quibus nihil magis obstat vigori commerciorum“ (Comm III 2 Art 2 Rz 6). „Ut autem unusquisque accipiens bona fide eo magis certus esset possessionis, in certis casibus permittente aequitate negata est actio“ (Comm III 2 Art 2 Rz 6). „...nec laedere commodantis indemnitatem, quae vigilantia paranda est, cum damnum non sentiat, quod ea negligentia incidit, dum beneficium in eum confert, de cuius fide certus esse non potest.“ (Comm III 2 Art 1 Rz 23). „Si fides fallitur, suae facilitati imputare debet, quod meliorem non elegerit“ (Comm III 2 Art 2 Rz 8). Huwiler, Bader-FS (1986) 81. Mevius geht dabei offenkundig von der Vermutung einer culpa in eligendo zu Lasten des Eigentümers aus, siehe Huwiler, Bader-FS (1986) 81. Vgl auch Zeiller, Kommentar II/1, 133 f. Zur Problematik ausführlich unten S 237 ff. Hinz, ZEuP 1995, 410.
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Geschichtlicher Abriß
securitate“559. Haben schon die zahlreichen mittelalterlichen Modifikationen der Regel „Hand wahre Hand“ gezeigt, daß die Triebfeder der Entwicklung des redlichen Erwerbes im Bedürfnis nach Erleichterung des Güterumlaufes durch Verkehrsschutz liegt560, wird dies nun rational schärfer gefaßt und ausdrücklich klargestellt. In diesem Sinne wird auch im Hamburger Stadtrecht von 1603 die Beschränkung der Fahrnisverfolgung damit gerechtfertigt, daß ihr Zweck die „Beförderung gemeiner Hantierung und Vermeidung beschwerlicher Disputation“ sei561. D. Zwischenbilanz Versucht man eine erste Zwischenbilanz, so bietet jene plastische Beschreibung der Entwicklung des redlichen Erwerbs, die Vinding Kruse562 gegeben hat, einen guten Ausgangspunkt: „Im Laufe der Zeit findet das statt, was man in der Psychologie treffend als eine Verschiebung des Motivs bezeichnet [...]. Die Regel vom Schutz des Dritten gegen die Vindikation des Eigentümers [...] hat ihren ursprünglichen Grund wohl in den äußerst groben Rechtsbegriffen der ältesten Zeit, in den wenig entwickelten gesellschaftlichen Verhältnissen [...]. Aber tatsächlich war diese fehlende Vindikationsbefugnis später im Mittelalter, als die Städte aufwuchsen und der Handelsverkehr größere Formen annahm, von hohem Nutzen für den Handelsumsatz, in dem es den Käufer davor befreite, beschwerliche Nachforschungen nach den Rechtsvorgängern ihrer Verkäufer anzustellen. Jetzt war es diese extinktive Umsatzrücksicht, die hinzutrat und die Regel mit vollem Fug aufrecht erhielt, nachdem das älteste Motiv der Regel längst aufgehört hatte zu bestehen.“ Nach heutiger Terminologie würde man also von einem – wenn auch zeitlich sehr gestreckten – Funktionswandel563 sprechen. Mag man die von Kruse gegebene Beschreibung angesichts der sehr differenziert verlaufenen geschichtlichen Entwicklung auch als zu stark vereinfachend empfinden564, so trifft sie doch den richtigen Kern, wenn 559
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Comm III 2 Art 1 Rz 23. Daß die römischen Juristen die usucapio mit ganz ähnlichen Gründen rechtfertigen, wurde bereits oben S 81 dargestellt. Siehe H. Hübner, Rechtsverlust 22 ff, sowie oben S 87 ff. Siehe Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 260 FN 4. Eigentumsrecht II 1572 f. Dazu F. Bydlinski, Methodenlehre2 574 ff. Vgl die Kritik von Anners, Hand wahre Hand, insb 6 ff, 154 ff, der sich mit einiger Berechtigung vor allem gegen die Annahme „ursprünglich primitiver Rechtszustände“ wendet und schon die älteren Rechtsschichten als Ausdruck zugrundeliegender Interessenkonflikte deutet (zu seinem Ansatz schon oben S 83). Für die weitere Entwicklung mißt aber gerade auch Anners dem Verkehrsschutzbedürfnis zentrale Bedeutung bei (siehe insb aaO 50 f, 118 f, 155 ff, 167).
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sie den Gedanken des Verkehrsschutzes als die treibende Kraft in der Entwicklungsgeschichte des redlichen Erwerbs erkennt: Den Ausgangspunkt des redlichen Erwerbes bildet die eigentümliche Ausgestaltung der deutsch-rechtlichen Fahrnisverfolgung. Ist deren innerer Grund auch umstritten, so kann doch festgehalten werden, daß es schon relativ früh Verkehrsschutzbedürfnisse sind, die zu feiner differenzierten Regelungen führen, die den Eigentümer- und Erwerberinteressen Rechnung tragen. Die Rezeption des römischen Rechtes führt zwar zu einer Zurückdrängung dieser Regeln durch den Vindikationsgrundsatz, liefert aber zugleich jenes wissenschaftliche Rüstzeug, das die gedankliche Durchdringung der Problematik ermöglicht, wodurch das Erfordernis der subjektiven Redlichkeit des Erwerbers zentrale Bedeutung erlangt. Einen Kulminationspunkt der dogmengeschichtlichen Genese bildet dabei der Kommentar des Mevius zum Lübischen Recht, in dem der Gedanke des Verkehrsschutzes erstmals ausdrücklich in den Vordergrund gestellt wird. Zusammenfassend läßt sich somit sagen, daß die Entwicklung des redlichen Erwerbs in erster Linie durch die Rücksicht auf kommerzielle Interessen bedingt war, denen es hier weniger, dort mehr gelang, die beharrende Kraft des Eigentums zu durchbrechen565.
III. Entstehungsgeschichte des § 367 ABGB A. Entwicklungsstufen Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des heute in § 367 ABGB geregelten redlichen Mobiliarerwerbs, so zeigen sich zwei deutlich voneinander abgehobene Entwicklungsstufen: Während der Codex Theresianus von 1766 einen gutgläubigen Erwerb in sehr umfassender Weise anordnet, trifft der Entwurf Martini ebenso wie die Endfassung des ABGB von 1811 eine tatbestandlich wesentlich enger umgrenzte Regelung. Der Versuch, das „Wirkungsprinzip des Gesetzes“ aus der Entstehungsgeschichte abzuleiten, wird durch diesen „Bruch“ der Entwicklungslinie deutlich erschwert566. Weniger überraschend erscheint dieser Mangel an geschichtlicher Konsistenz, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Kontinuität zwischen Codex Theresianus und ABGB insgesamt nur schwach ausgeprägt ist, ja Zeiller den Codex Theresianus gar nur vom Hörensagen gekannt haben soll567. Hingegen war Martini, dessen Bearbeitung dem ABGB in 565 566 567
So treffend H. Hübner, Rechtsverlust 40. Frotz, Kastner-FS (1972) 143 f. Vgl Wesener, Kroeschell-FS (1997) 1386 mwN.
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Geschichtlicher Abriß
Form des „Urentwurfs“ zugrunde liegt, mit den Gesetzgebungsarbeiten am Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (1794) nachweislich bestens vertraut568. Dies legt es nahe, eine der Ursachen für den geschilderten Umschwung in der österreichischen Kodifikationsgeschichte im ALR zu vermuten, das die Arbeiten in der entscheidenden zweiten Phase der Schöpfung des ABGB beeinflußt hat569. Wegen dieser möglichen Vorbildwirkung der preußischen Gesetzgebung ist bei der folgenden Darstellung der österreichischen Gesetzesentwicklung nach einer Darstellung des Codex Theresianus in einem Exkurs auch auf das ALR einzugehen. Erst danach wird die zweite Phase der Kodifikationsgeschichte, der Entwurf Martini, der Urentwurf und die Endfassung des ABGB untersucht. Diese chronologische Vorgangsweise erleichtert es, die Genese der Regelung darzustellen und den Einfluß des ALR zu erfassen. B. Codex Theresianus und Entwurf Horten Der 1766 fertiggestellte, aber nie in Gesetzeskraft erwachsene Codex Theresianus gilt als typisches Kind seiner Zeit. Neben den anderen Kodifikationen des 18. Jahrhunderts – dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) und dem unvollendeten „Project des Corporis Juris Fridericiani“ (1749/1751) – nimmt er im allgemeinen keine Sonderstellung ein570. Wie diese ist der Codex Theresianus inhaltlich ganz überwiegend vom römisch-gemeinen Recht geprägt, dessen Kasuistik er ausführlich wiedergibt571. Um so erstaunlicher ist es, daß schon dieser erste Vorentwurf des ABGB – ganz im Gegensatz zum Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis und dem Project des Corporis Juris Fridericiani, die fest auf dem Boden des Vindikationsgrundsatzes stehen572 – eine umfassende von Azzoni konzipierte Regelung des redlichen Erwerbs enthält.
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Siehe Barta in Barta/Palme/Ingenhaeff, Naturrecht und Privatrechtskodifikation 358 ff; Friedrich in Barta/Palme/Ingenhaeff, Naturrecht und Privatrechtskodifikation 443 ff. Zu Zeillers Vertrautheit mit dem ALR siehe Brauneder in Dölemeyer/Mohnhaupt, 200 Jahre Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 422 ff. Dazu Brauneder in Dölemeyer/Mohnhaupt, 200 Jahre Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 415 ff. Siehe Wesener, Kroeschell-FS (1997) 1363 ff mwN; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 535 f. Gerade an dieser Bindung an das ius commune und an seinem lehrbuchartigen Charakter ist letztlich die Sanktionierung des Codex Theresianus gescheitert. Dazu Völkl in Barta/Palme/Ingenhaeff, Naturrecht und Privatrechtskodifikation 283 ff; vgl auch Voltelini, ABGB-FS I (1911) 41 f. Siehe Völkl, Kohlegger-FS (2001) 537 f.
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Der Codex Theresianus regelt in seinem II. Teil, Kapitel VIII „Von Uebertragung des Eigenthums aus Macht Rechtens“ § 4 „Von Uebertragung des Eigenthums durch rechtmäßige Erwerbung fahrender Dingen mit guten Glauben“ Nr 43 ff, den redlichen Mobiliarerwerb nicht nur überaus detailliert, sondern auch in der Sache sehr weitgehend: Gemäß Nr 43 bewirkt der gute Glaube des Erwerbers und die entgeltliche Ursache der Übertragung trotz des fehlenden Eigentums des Übergebenden einen sofortigen Eigentumserwerb „Macht Rechtens“573. Völlig unerheblich ist dabei, ob der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat oder ob sie ihm unfreiwillig abhanden gekommen ist. Dies gilt nicht nur, wenn der Veräußerer bewußt eine fremde Sache verkauft hat, sondern sogar dann, wenn dieser die Sache zuvor selbst gestohlen oder mit Gewalt an sich gebracht hat (Nr 44). Zu beachten ist weiters, daß nicht nur der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum, sondern auch an die Verfügungsmacht des Veräußerers geschützt ist: „Es muß demnach das Eigenthum einer solchen Sache, oder wenigstens die Macht solche zu veräußern an Seiten des Veräußerers aus den Umständen wahrscheinlicher Weise vermuthet werden können“ (Nr 47). Als Gegengewicht zu dieser sehr weitreichenden Zulassung des redlichen Erwerbes, regelt der Codex Theresianus in den Nr 46 ff sehr eingehend die für das Vorliegen des guten Glaubens maßgeblichen Voraussetzungen. In Nr 46 wird zunächst betont, daß „es an dem gemeinen guten Glauben, daß der Erwerber zur Zeit der Erhandlung die Sache fremd zu sein in Wahrheit nicht gewußt habe“ nicht genüge, sondern er die Sache „von jemanden solchen an sich gebracht haben (müsse), von deme er vernünftiger Weise hat glauben können, daß sie ihm gehörig seie“. In der Folge werden sehr detailliert objektive Umstände genannt, die für die Unverdächtigkeit des Erwerbes sprechen (Nr 47 bis 53). Der Erwerberschutz ist damit einer objektiven Ausgestaltung zugeführt, welche die unverschuldete Unkenntnis des Erwerbers allein nicht ausreichen läßt574. Es handelt sich bei den angeführten Kriterien freilich nicht um taxativ aufgezählte, für den Erwerberschutz konstitutive Tatbestandselemente575, sondern um einen demonstrativen Indizi-
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Codex Theresianus II Kap 8 Nr 43: „Der gute Glauben in Erwerbung einer fremden beweglichen Sache aus entgeltlicher Ursache übertraget deren Eigenthum an den Erwerber aus Macht Rechtens dergestalten, daß dieser Übertragung weder die Unzulänglichkeit der Uebergabe wegen ermangelnden Eigenthums an Seiten des Uebergebenden in Wege stehen, noch auch an Seiten des Erwerbenden die Verjährung der Sache darzu erforderlich sein solle.“ Diese und die folgend zitierten Bestimmungen des Codex Theresianus finden sich abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 131 ff. Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 144. So aber offensichtlich Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 638 f.
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enkatalog, aus dem die Redlichkeit des Erwerbers geschlossen werden kann576. Besonders hervorhebenswert ist dabei die vom Codex Theresianus getroffene Beweislastverteilung577: Nicht der Eigentümer muß die Unredlichkeit, sondern der Erwerber seine Redlichkeit beweisen (Nr 56 ff)578. Insgesamt wird an die Prüfung der Gutgläubigkeit also ein strenger Prüfungsmaßstab angelegt. Im Einzelnen unternimmt der Codex Theresianus eine Typenbildung, bei der zum einen auf die Veräußererqualität, zum anderen auf die Publizität des Sacherwerbs abgestellt wird579. Als solche Umstände in der Person der Veräußerers, aus denen sein Eigentum oder wenigstens seine Verfügungsmacht „wahrscheinlicher Weise vermuthet werden können“, werden insbesondere Hantierung, Vermögensstand, guter Leumund und öffentliches Ansehen genannt, wobei auch der Umstand, daß es „dessen ordentliches Gewerb wäre, mit solchen Sachen zu handeln“ zu berücksichtigen ist (Nr 47 – 49). In all diesen Fällen kann der Erwerber den von ihm zu erbringenden Beweis der Gutgläubigkeit nicht anders führen, als „durch die Namhaftmachung seines Gewährsmannes, von deme er die Sache an sich gebracht“ (Nr 58). Von dieser Stellung eines Gewährsmannes befreit nur der Erwerb zur Marktzeit entsprechend der Rechtsparömie „Der Markt ist mein Garant“580. In diesem Fall ist somit die Publizität des Sacherwerbs auf öffentlichem Markt ein hinreichendes objektives Unverdächtigkeitsmoment581. Auf diesem Umstand erhöhter Publizität in Verbindung mit besonderer staatlicher Autorität beruht schließlich die besondere Privilegierung der öffentlichen Versteigerung in Nr 52, wonach „Jener zu meisten gesicheret sein (solle), der eine öffentlich feilgebotene Sache bei gerichtlicher Versteigerung, oder sonst bei anderen öffentlichen von Seiten des gemeinen Wesens vorzunehmen üblichen, oder insonderheit vorkehrenden Feilbietungen und Handkaufen erhandlet“. Diesen Typen unverdächtigen Erwerbes sind in Nr 50 und 51 typisch verdächtige Erwerbssituationen gegenübergestellt, wie etwa der Erwerb „von einem fremden derorten Unbekannten außer der öffentlichen Marktzeit“ oder einem „kenntlichen Landlaufer“. Schließlich 576
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Siehe Krasnopolski, Schutz des redlichen Verkehrs 14; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 254 f; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 546 f, 562 ff. Dazu Völkl, Kohlegger-FS (2001) 561 ff. Hingegen wird bei der vom Codex Theresianus „Verjährung“ genannten Ersitzung der gute Glaube „bei Personen von guten Namen und Leumund allemal vermuthet, folglich das Widerspiel von dem Gegentheil erwiesen werden“ muß (II Kap 9 Nr 22), abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 139. Vgl dazu Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 639; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 561 f. Frotz, Kastner-FS (1972) 144. Siehe Krasnopolski, Schutz des redlichen Verkehrs 14; Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 644. Frotz, Kastner-FS (1972) 144.
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führt Nr 61 Umstände an, in denen „die Art der Handlung (...) Mißtrauen hätte erwecken sollen“, insbesondere wegen „außerordentlich bestrebter Heimlichkeit“, „sehr geringen Preises, unter dem wahren Werth der Sache“ sowie „beigefügter seltsamer Bedingnusse“. Die vom Codex Theresianus getroffene Regelung des redlichen Mobiliarerwerbs ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen ist diese Regelung für die geschichtliche Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs schon deshalb von eminenter Bedeutung, weil – anders als im 28 Jahre älteren ALR und dem 38 Jahre später erlassenen Code Civil – erstmalig der Eigentumserwerb des redlichen Erwerbers ausdrücklich ausgesprochen wird. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers resultiert nicht mehr aus einer Beschränkung der Fahrnisverfolgung, sondern aus der Zuerkennung einer gesicherten materiell-rechtlichen Stellung des Erwerbers, der „Eigenthum Macht Rechtens“ erwirbt. Damit ist der „prozessuale Schutz in eine materiell-rechtliche Institution des Eigentumserwerbs und Verlustes umgeprägt“582. Folgerichtig normiert der Codex Theresianus, daß der redliche Erwerber die Sache auch vom bisherigen Eigentümer mit der Eigentumsklage herausverlangen kann, wenn sie ohne Rechtsgrund wiederum in seine Hände gelangt ist (II Kap 8 Nr 64)583. Dieser für die Entwicklung des gutgläubigen Eigentumserwerbes geradezu bahnbrechende Schritt verdient um so mehr der Hervorhebung, als für die vom Codex Theresianus getroffene Regelung ein unmittelbares, noch in Geltung stehendes Vorbild aus dem Umkreis ihrer Entstehung fehlt584 und auch die gemeinrechtliche Lehre fest auf dem Boden des Vindikationsprinzips stand585. Dementsprechend berief sich die Kommission des Codex Theresianus mit keinem Wort auf heimatliches Recht, sondern auf den Sachsenspiegel und den Kommentar des 582 583
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Vgl von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 200 (zu § 367 ABGB). Nach der deutsch-rechtlichen Regel, wie sie im Sachsenspiegel ihren Ausdruck findet, bestand in diesem Fall hingegen kein Herausgabeanspruch. Siehe oben S 87. Im französischen Recht hat die fehlende Normierung der Rechtsstellung des redlichen Erwerbers die dogmatische Klärung zwar wesentlich erschwert, doch ist heute anerkannt, daß Art 2279 Abs 1 Code Civil einen originären Eigentumserwerb vorsieht. Diese fonction acquisitive wird in der Rechtsprechung allerdings wiederum dadurch wesentlich eingeschränkt, daß die freiwillige Rückgabe der Sache an den Eigentümer dem Erwerber eine Berufung auf Art 2279 Abs 1 Code Civil von vornherein abschneidet. Siehe Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 560 f (insb 3 B 13); eingehend zur aufgezeigten Problematik, Minuth, Besitzfunktionen 143 ff, 152 ff. Krasnopolski, Schutz des redlichen Verkehrs 15 ff; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 539 ff. Huwiler, Bader-FS (1986) 94; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 202 ff, 257; derselbe, ZEuP 1995, 417.
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Mevius zum lübischen Recht586. Bedenkt man, daß diese eine in der Sache ganz abweichende Regelung trafen587, so waren es offenkundig weniger die dort getroffenen Einzelregelungen, als vielmehr die von Mevius in seinem Kommentar angeführten Rechtfertigungsgründe für einen sofortigen redlichen Mobiliarerwerb, die hier nachhaltig weiterwirkten. Es liegt nach dem Gesagten nahe, die Regelung des Codex Theresianus als eigentümliche schöpferische Leistung der Redaktoren anzusehen, die auf „naturrechtliche Mediation, vermeintliche Billigkeit und volkswirtschaftliche Erwägungen“ 588 zurückzuführen ist. Dem kann allerdings entgegengehalten werden, daß das Naturrecht das römischrechtliche Prinzip der unbeschränkten Eigentumsverfolgung anerkannte589. Zu bedenken ist weiters die stark gemeinrechtliche Ausrichtung der Redaktoren des Codex Theresianus. Gegen eine ganz neuartige Rechtsschöpfung sprechen überdies die gesamte Konzeption des Codex Theresianus sowie die überaus detaillierte Fassung der hier untersuchten Bestimmungen590. In seiner sehr dichten und kenntnisreichen Untersuchung hat deshalb Wellspacher nachzuweisen versucht, daß die Wurzel der dargestellten Regelung in der Ausgestaltung der gemeinrechtlichen Fahrnisklage durch den Usus modernus liege, die sich auf unfreiwilligen Besitzverlust gründete und durch den Nachweis eines objektiv unverdächtigen Erwerbes seitens des Erwerbers beschränkt wurde591. Die wesentliche Eigenständigkeit der Redaktoren des Codex Theresianus habe nur darin bestanden, in der detailliert ausgestalteten Systematik der Fahrnisklage als tragendes Moment den Schutz des objektiv unverdächtigen Erwerbes zu erkennen, dieses mit der Eigentumsordnung zu verbinden und dadurch den redlichen Mobiliarerwerb als Institut zu statuieren592. Auch diese Deutung der Entwicklungsgeschichte, die die Originalität des Codex Theresianus stark in den Hintergrund treten läßt, ist freilich von Völkl593 jüngst nachhaltig erschüttert worden. In seiner detaillierten Studie mißt Völkl den Hinweisen auf das ius nostrum hingegen auch in inhaltlicher Hinsicht – insbesondere hinsichtlich
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Siehe den Motivenbericht bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 132. Siehe dazu auch Völkl, Kohlegger-FS (2001) 547 f. Siehe oben S 81 ff und S 96 ff. Siehe Randa, Eigentumsrecht2 I 339. Siehe dazu S 116. Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 641. Eingehend Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 643 ff; derselbe, Vertrauen 134 ff. Ihm folgend Frotz, Kastner-FS (1972) 144. Siehe auch Voltelini, ABGB-FS I (1911) 38 FN 14; Klang in Klang, ABGB2 II 220. Siehe Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 665 f; derselbe, Vertrauen 137 f; Frotz, Kastner-FS (1972) 144. Völkl, Kohlegger-FS (2001) 543 ff.
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der Entgeltlichkeit594 und der Redlichkeit595 – größere Bedeutung bei und betont die schöpferische Eigenleistung Azzonis, der die deutschrechtlichen Vorbilder mit den Mitteln des gemeinen Rechtes zu einer neuartigen Lösung umgeformt habe596. Bemerkenswert ist vor allem auch die Konsequenz, mit der die Redaktoren den Schutz des redlichen Erwerbers durchgeführt haben. Wie bereits hervorgehoben wurde, unterscheidet der Codex Theresianus nicht zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen und führt damit zu einem sehr weitgehenden Schutz des redlichen Erwerbers. Die Art des Entstehens des Rechtsscheins, der in der objektiv unverdächtigen Erwerbssituation begründet liegt, spielt keine Rolle, so daß der Erwerberschutz durch Zurechnungsgesichtspunkte von Seiten des Eigentümers in keiner Weise eingeschränkt wird597. Gerade dieser Umstand hat ausweislich der Materialien freilich zu der Einwendung Anlaß gegeben, daß „das Eigenthumsrecht im Interesse der Sicherheit des Verkehres ganz preisgegeben werde“, wobei ausdrücklich auf jene Fälle hingewiesen wurde, in denen sich der unmittelbare Vormann des Erwerbers im unrechtmäßigen Besitz der Sache befunden habe598. Die Erwiderungen der Redaktionskommission geben nun ein sehr anschauliches Bild für die nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers maßgebenden rechtlichen Wertungen599: Zunächst wird hervorgehoben, daß der rechtliche Schutz nur dem ordnungsgemäß vollzogenen entgeltlichen Erwerb zukomme. Unter dieser Voraussetzung müsse man aber denjenigen schützen, welcher tadellos und mit Beobachtung aller üblichen Voraussetzungen gehandelt habe. Nach dieser Betonung des Schutzes der objektiv unverdächtigen Erwerbssituation wird entscheidend auf den Rechtsschein abgestellt: Man könne den Übergang des Eigentumsrechtes nicht von der Beschaffenheit des Besitzes bei den Vormännern des letzten Erwerbers abhängig machen, denn es sei dies eine „nicht in die Sinne fallende Eigenschaft“. Dieser Gesichtspunkt wird auch im Text des Codex Theresianus ausdrücklich hervorgehoben: „(...) der Tadel einer unrechtmäßigen Innehabung der Sache, welcher nicht in die Sinnen fällt und einem Dritten nicht wissend ist, (soll) die Sache selbst auf keinerlei Weise behaften“ (II 594 595 596
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Völkl, Kohlegger-FS (2001) 548 ff. Völkl, Kohlegger-FS (2001) 554 ff. Wiederum geht es also – um mit Völkl, aaO 547, zu sprechen – um ein „Umgießen heimischen Rechtes in römisch-rechtliche Formen“; ein Vorgang, der bei der Darstellung der Rezeption (oben S 92 ff) bereits geschildert wurde. Frotz, Kastner-FS (1972) 145. Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 132. Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 132.
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Kap 8 Nr 45). Entsprechend seiner Konzeption stellt der Codex Theresianus somit entscheidend auf den Rechtsschein in einer objektiv unverdächtigen Erwerbssituation ab. Wie Frotz600 zu Recht hervorhebt sind dabei sämtliche Umstände der Veräußerung maßgeblich und es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Sachinnehabung des Veräußerers allein als ausreichende Rechtsscheingrundlage angesehen wurde. Weiters betont der Motivenbericht, daß dem Eigentümer immerhin seine Ersatzansprüche verbleiben. Hier liegt nun tatsächlich einer der Angelpunkte der Azzonischen Lösung601: Wie bereits dargelegt, kann der Erwerber seine Gutgläubigkeit – außer bei Erwerb am Markt oder in öffentlicher Versteigerung – nur dadurch beweisen, daß er seinen Vormann namhaft macht (II Kap 8 Nr 58). Der Gutglaubenserwerb setzt also stets die Nennung – und sogar die Überführung eines leugnenden – Vormannes voraus. An diesen kann sich der Eigentümer halten, sofern der Vormann nicht ebenfalls seine Redlichkeit dartut und seinerseits wiederum einen Gewährsmann nennt (II Kap 8 Nr 67 ff)602. Stößt man auf diese Weise auf einen unredlichen Vormann, so hat dieser dem früheren Eigentümer den „höchsten Werth“ der Sache als Schadenersatz zu leisten (II Kap 8 Nr 70). Aber auch der redliche Erwerber, bei dem der Gewährenzug endet, weil er keinen weiteren Vormann namhaft machen kann, ist dazu verpflichtet, dem Alteigentümer herauszugeben „was er von dem weiteren Besitzer dafür erhalten, oder was sonst für ein Vortheil und Nutzen aus Anlaß der Sache bei ihme vorhanden ist“ (II Kap 8 Nr 69). Er schuldet also einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich wegen Verwendung einer fremden Sache603. Auf diese Weise – an die Stelle des Eigentums soll stets ein Ausgleichsanspruch des Eigentümers treten – versucht der Codex Theresianus den Interessengegensatz zwischen Alteigentümer und Erwerber durch einen abgewogenen Schadensausgleich604 aufzulösen. Dies vermag freilich nichts daran zu ändern, daß der Alteigentümer wegen des Verlustes seines dinglichen Anspruchs die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Vormannes zu tragen hat605, ihm also stets das – für die Problematik des redlichen Erwerbs zentrale – Insolvenzrisiko606 überbürdet wird.
600 601 602
603 604 605 606
Kastner-FS (1972) 144 f. Siehe Völkl, Kohlegger-FS (2001) 565 ff. Dieses Weiterreichen des Ersatzanspruches ist offenkundig nach dem Vorbild der deutsch-rechtlichen Anefangsklage („Schub auf den Gewähren“) ausgestaltet. Siehe Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 643 ff; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 565 f, sowie oben FN 453. Vgl Völkl, Kohlegger-FS (2001) 567. Siehe Völkl, Kohlegger-FS (2001) 567 f. Darauf weist auch Völkl, Kohlegger-FS (2001) 566 mit FN 108 hin. Dazu oben S 57.
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Schließlich wird die aufgestellte Regel damit gerechtfertigt, es würde „ein den Handel und Wandel nur zerrüttendes Hindernis bilden, wenn man den Erwerber dafür verantwortlich machen wollte, daß ihm die Unrechtmäßigkeit des Besitzes seines Vormannes unerkannt blieb“607. Hier liegt einer der zentralen Gründe für die Verweisung der Kommission auf den Kommentar des Mevius zum lübischen Recht, wird doch in diesem der Schutz des Erwerbers mit der Notwendigkeit des Verkehrsschutzes gerechtfertigt608. Dieser Umstand wird auch im Codex Theresianus selbst als maßgeblich angesprochen: Der Schutz des redlichen Erwerbes werde angeordnet „zur Sicherheit des gemeinen Handels und Wandels“ (II Kap 8 Nr 45). Mit diesem Schutz des Handels und Wandels steht die Einschränkung des redlichen Erwerbes durch das Erfordernis der Entgeltlichkeit in engem Zusammenhang, wie schon Azzoni in der der Regelung zugrundeliegenden Ausarbeitung hervorhebt: Es entspreche der Billigkeit, daß jemand, der sich im guten Glauben entsprechend dem Lauf des gemeinen Handels und Wandels betragen habe, sogleich gesichert sei, da bei diesem „insgemein Jedermann außer Verantwortung und Schaden ist, nicht aber damit er fremdes Gut gewinne, und durch die That eines Dritten, der etwann ihme solches vermeintlich geschenket hat, bereicheret, hingegen der wahre Herr des Guts verkürzet werde“609. Liegen somit die historischen Vorbilder der Regelung in einem nur schwer aufklärbaren Dunkel, so sind die Motive für diese Regelung unzweifelhaft: Ausschlaggebend waren aktuelle Bedürfnisse nach Verkehrsschutz610. Es bedarf dazu gar nicht des Hinweises, daß es sich bei den Redaktoren teils um Geschäftsmänner gehandelt hat611, wird diese Motivierung doch im Text des Codex Theresianus ausdrücklich ausgesprochen: Die Regelung sei erforderlich für die „Sicherheit gemeinen Handels und Wandels“(II Kap 8 Nr 45). Von dieser Basis ausgehend wird im Codex Theresianus eine auf die objektive Unverdächtigkeit des Erwerbes aufbauende Rechtsscheinlösung entwickelt, wobei der Rechtsschein – wie Frotz herausgearbeitet hat – entweder in der Vertrauenswürdigkeit des Erwerbers im Hinblick auf das konkrete Geschäft (umfassende Einzelanalyse) oder in der Publizität des Erwerbes (standardisierte Vertrauensgrundlage) liegt612 und an die Redlichkeit des Erwerbers ein strenger Maßstab angelegt wird. Trotz der zunächst kasuistisch anmutenden Regelung bietet der Codex Theresianus damit eine beeindruckend einheitliche, durch die generelle 607 608 609 610 611 612
Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 132. Siehe dazu schon oben S 99 f. Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 131. H. Hübner, Rechtsverlust 25. Vgl Stintzing/Landsberg, Geschichte III/1, 519. Frotz, Kastner-FS (1972) 145.
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Abstandnahme von Zurechnungsgesichtspunkten sehr verkehrsfreundliche Konfliktlösung613. Komplettiert wird diese Lösung durch die Anordnung eines gutgläubigen Pfandrechtserwerbs (III Kap 7 Nr 40)614 und des gutgläubigen lastenfreien Erwerbes (II Kap 30 Nr 42)615. Im Entwurf Horten wird die Regelung des Codex Theresianus sprachlich gestrafft, ihrem Gehalt nach aber beibehalten616. C. Exkurs: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Während das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 auf die erste Kodifikationsphase des ABGB – den Codex Theresianus und den Entwurf Horten – schon wegen seines Entstehungszeitpunktes keinen Einfluß haben konnte, wurde die zweite Phase der Kodifikationsgeschichte, also der 1797 vollendete Entwurf Martini, der als Urentwurf dem ABGB zugrunde lag, vom ALR beeinflußt617. Im Hinblick auf den schwer zu erklärenden Bruch618 in der Entwicklungsgeschichte der österreichischen Regelung des redlichen Mobiliarerwerbs erscheint es daher angezeigt, auch die Regelung des ALR in die Betrachtung einzubeziehen. Dem Grundsatz nach steht das ALR in der Frage der Fahrnisverfolgung auf der Grundlage des römischen Rechts. Dementsprechend geht es vom Prinzip der unbeschränkten Vindikation aus: “Der wahre Eigenthümer hat das Recht, seine Sache, die seiner Gewahrsam ohne seinen Willen entnommen ist, oder vorenthalten wird, von jedem Inhaber und Besitzer zurück zu fordern“ (ALR I 15 § 1). In der Folge wird der römisch-rechtliche Vindikationsgrundsatz jedoch – in den Fällen entgeltlichen Erwerbs619 – weitgehenden Einschränkungen unterworfen: Zwar muß auch der gutgläubige Erwerber einer Sache, der diese durch einen „lästigen Vertrag“ von einer unverdächtigen Person an sich gebracht hat, diese dem Eigentümer herausgeben (ALR I 15 § 25), doch nur gegen Lösung: Der redliche Erwerber hat also das Recht „die Erstattung alles dessen, was er dafür gegeben, 613 614 615 616
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Frotz, Kastner-FS (1972) 145. Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus III 100. Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 524. Entwurf Horten II Kap 6 §§ 5 ff. Abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus IV 166 ff. Siehe Brauneder in Dölemeyer/Mohnhaupt, 200 Jahre Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 415 ff. Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 143 f. Der redlich, aber unentgeltlich Erwerbende genießt gemäß ALR I 15 § 24 keinen Schutz.
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oder geleistet hat, (zu) fordern“ (ALR I 15 § 26). Im Fall des redlichen, entgeltlichen Erwerbes vom Nichteigentümer hat das ALR somit den Lösungsanspruch des Erwerbers, den das deutsche Recht nur vereinzelt kannte620, zur allgemeinen Regel erhoben621. Das ALR kennt jedoch auch Fälle, in denen die Vindikation gänzlich ausgeschlossen ist: So beim Erwerb vom Fiskus oder in öffentlicher Versteigerung (ALR I 15 § 42), sowie hinsichtlich jener Sachen, „die in den Läden solcher Kaufleute, welche die Gilde gewonnen haben, erkauft worden“ sind (ALR I 15 § 43). Gleiches gilt für den Erwerb von Geld oder nicht außer Kurs gesetzten Inhaberpapieren (ALR I 15 §§ 45 ff). Beim Erwerb von Sachen „auf Messen und Märkten, oder sonst von Leuten, welche Sachen dieser Art unter obrigkeitlicher Erlaubniß öffentlich feil haben“ kehrt das ALR hingegen wiederum zu seiner grundsätzlichen Regelung, der Vindikation unter Voraussetzung der Lösung zurück (ALR I 15 § 44). Das ALR sucht dem Interessengegensatz zwischen Eigentümer und gutgläubigem Erwerber somit durch ein sehr differenziertes System gerecht zu werden. Gemeinsam ist allen Tatbeständen zwar, daß der Erwerber nur unter der Voraussetzung seiner Redlichkeit und der Entgeltlichkeit des Geschäftes geschützt wird, doch ist dieser Schutz getrennt nach Fallgruppen ganz unterschiedlich ausgestaltet: Während prinzipiell am Vindikationsgrundsatz festgehalten wird und der Schutz des Erwerbers lediglich durch einen Lösungsanspruch erfolgt, ist der Erwerber nur in Ausnahmefällen auch im Hinblick auf das Behalten-Dürfen der Sache geschützt. Betrachtet man diese zuletzt genannten Fälle, wird deutlich, daß dieser erweiterte Erwerberschutz dann zur Anwendung gelangt, wenn das Bedürfnis nach erhöhter Sicherheit des Verkehrs mit zusätzlichen Momenten wie staatlicher Autorität und Aufsicht (Erwerb vom Fiskus, in öffentlicher Versteigerung, von Gildekaufleuten) oder besonders gesteigerter Umlauffähigkeit (Geld, Inhaberpapiere) zusammentrifft. Die auf dem deutsch-rechtlichen Satz „Hand wahre Hand“ beruhende Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen ist dem ALR hingegen fremd. Ohne auf Zurechnungsmomente auf Seiten des Eigentümers abzustellen, ist somit der objektiv unverdächtige Erwerb für den – nach den genannten Kriterien abgestuften – Schutz des Erwerbers maßgeblich. Abgestellt wird allein auf die Art des Besitzerwerbes des redlichen Erwerbers, nicht auf jene des Besitzverlustes des Eigentümers. 620 621
Siehe oben S 88 ff. Wobei insbesondere der Einfluß des lübischen Rechtes in seiner Kommentierung durch Mevius maßgebend gewesen sein dürfte. Siehe Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 283; Dernburg, Preußisches Privatrecht I4 460; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 239 f; derselbe, ZEuP 1995, 416; Völkl, Lösungsrecht 59; zurückhaltender derselbe, Kohlegger-FS (2001) 552 f.
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Insgesamt ist die Regelung des ALR vom Bemühen gekennzeichnet, den Interessenkonflikt zwischen Eigentümer und redlichem Erwerber einer ausgewogenen Lösung zuzuführen. Deutlich bringt dies schon der Hauptredaktor des privatrechtlichen Teils des ALR Carl Gottlieb Svarez in den „Schlußvorträgen“ zum Ausdruck622: Die römische Theorie begünstige zwar die Sicherheit des Eigentums als Hauptzweck der bürgerlichen Vereinigung, doch beschränke sie zu sehr die Sicherheit und Zulässigkeit des Verkehrs. Die Freiheit und Lebhaftigkeit des Verkehrs werde dagegen durch die Theorie des deutschen Rechts begünstigt, die aber wiederum auf die Rechte des Eigentums zu wenig Rücksicht zu nehmen scheine. Dieser Befund veranlaßte Svarez „über die Vindikation eine neue Theorie zu bilden, welche zwischen der römischen und altdeutschen den Mittelweg hält“623. Diesen Mittelweg fand Svarez im Lösungsanspruch des Erwerbers, als dessen Vorbild das Lübische Recht gedient haben mag624. Diese Regelung lag für Svarez um so näher, als er trotz der „Abweichung von der bisher recipierten Theorie“ den römisch-rechtlichen Grundsatz der jederzeitigen Vindizierbarkeit der Sache beibehalten sah625. Die eigentliche Rechtfertigung des Erwerberschutzes sah Svarez – ebenso wie schon Mevius in seinem Kommentar zum Lübischen Recht – in der Notwendigkeit der „Aufrechterhaltung der Zuverlässigkeit und Leichtigkeit des bürgerlichen Verkehrs“ sowie der „natürlichen Billigkeit“626. Auf diesen Verkehrsschutzgedanken legt Svarez auch in den sogenannten Kronprinzenvorträgen größten Wert627: „Der Grund dieses Gesetzes, welches an sich die Rechte des Eigentümers zu schmälern scheint, liegt in der Notwendigkeit, den freien und lebhaften Gang im Handel und Wandel aufrechtzuerhalten, als woran besonders in einem kommerzierenden Staat so viel gelegen ist. Es würde eine große Stockung im Verkehr und in der Zirkulation verursachen, wenn jeder, der in einem Kaufmannsladen oder sonst von einer unverdächtigen Person kaufen will, sich erst sorgfältig erkundigen müßte, ob und wie sein Verkäufer auf eine rechtmäßige Weise zum Besitz der Ware gekommen sei“. Wie die konkrete Ausgestaltung der Regelung des ALR zeigt, hat schon Svarez erkannt, daß das Bedürfnis nach Verkehrsschutz keine ab-
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Carl-Gottlieb Svarez ad Part. I Tit. XV ALR: Von der Verfolgung des Eigenthums, vorgetragen im Staatsrath am 20. Januar 1794, abgedruckt in: Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833), 84 ff. Zitiert nach Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 218 f. Schlußvorträge, aaO (FN 622) 85. Zitiert nach Huwiler, Bader-FS (1986) 91. Nachweise in FN 621. Siehe Huwiler, Bader-FS (1986) 91 f. Siehe Huwiler, Bader-FS (1986) 92; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 223. Svarez, Vorträge über Recht und Staat 266.
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solute Größe darstellt, sondern abstufbar ist. Dementsprechend begründet er den völligen Ausschluß der Vindikation beim redlichen Erwerb von Gildekaufleuten mit der „Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung des kaufmännischen Verkehrs, welcher nicht würde bestehen können, wenn der Kaufmann jedem Käufer erst nachweisen müßte, wie er zu dem Eigenthume der Sachen, die er in seinem Laden feil hat, gelangt sei“628. Bei Inhaberpapieren damit, daß „bei solchen Papieren eine lebhafte und ungehinderte Zirkulation zu ihrer Bestimmung wesentlich gehören“, weshalb jeder der diese „im Handel und Wandel redlicherweise an sich bringt, bei dem Besitze derselben vollkommen sicher“ sei629. Hinsichtlich der Fälle des Erwerbs vom Fiskus und der öffentlichen Versteigerung beruft Svarez sich schließlich auf das Vorbild des römischen Rechtes. Zutreffend ist dies zwar nur für den Erwerb vom Fiskus nach nachklassischem römischen Recht, wobei diese Sonderregel ebenfalls auf den Gedanken besonderer staatlicher Autorität zurückgeführt werden kann630. Der Gedanke staatlicher Autorität und Aufsicht läßt sich freilich unschwer auf die öffentliche Versteigerung umlegen631 und rechtfertigt gemeinsam mit dem Moment der qualifizierten Öffentlichkeit632 den erweiterten Erwerberschutz. Angesichts dieser in sich schlüssigen Konzeption des ALR, die in sehr differenzierter Weise den für den Erwerberschutz maßgeblichen Momenten gerecht zu werden versucht, ist bemerkenswert, daß in den zuletzt genannten Fällen bloß der Ausschluß der Vindikation normiert wird, die ausdrückliche Anordnung eines Eigentumserwerbes des redlichen Dritten aber fehlt. Indirekt kann der materielle Rechtserwerb des Dritten gleichwohl aus ALR I 10 § 3 erschlossen werden, wo im Zusammenhang mit dem derivativen Eigentumserwerb normiert wird, daß Titel und Übergabe „der Regel nach“ nur dann Eigentum verschaffen, wenn der Veräußerer selbst Eigentümer war633: Ausnahmen kommen somit in Betracht und es wird dementsprechend in der genannten Bestimmung auch ausdrücklich auf die Fälle des I 15 §§ 42 ff hingewiesen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Anordnung ist mit Huwiler634 wohl darauf zurückzuführen, daß sich Svarez noch im Banne des romanistischen 628
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Schlußvorträge, aaO (FN 622) 85. Zitiert nach Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 242. Svarez, Vorträge über Recht und Staat 266. Siehe Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 240 ff, sowie oben S 76. Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 241 f; vgl schon Wellspacher, Vertrauen 139 f. Hierauf stellt Dernburg, Preußisches Privatrecht I4 460 f, ab. Kofferath, Geschichtliche Grundlagen 119; Hinz, ZEuP 1995, 416; Huwiler, Bader-FS (1986) 92. Bader-FS (1986) 92 f.
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Dogmas „Non dat, quod non habet“ nicht durchzuringen vermochte, dem gutgläubigen Erwerber, der einer Vindikation des Alteigentümers nicht mehr ausgesetzt war, kraft dieses guten Glaubens ex lege materiell das Eigentum zuzusprechen. D. Entwurf Martini, Urentwurf und Endfassung des ABGB Ein deutlich anderer Weg als der Codex Theresianus und der Entwurf Horten wurde mit dem 1797 vollendeten Entwurf Martini eingeschlagen. Ohne Übertreibung kann man von einem „Bruch“ in der Entwicklungslinie sprechen635. Steht doch der Entwurf Martini in der Frage der Fahrnisverfolgung wieder fest auf römisch-rechtlicher Grundlage und nimmt das Prinzip „Nemo dat, quod non habet“ zu seinem Ausgangspunkt636: „Ueberhaupt kann Niemand einem Anderen mehr Rechte abtreten, als er selbst hat“ (Entwurf Martini II 6 § 10). Folgerichtig kehrt der Entwurf zum Vindikationsgrundsatz zurück: „Mit dem Rechte des Eigenthümers jeden Anderen von dem Besitze seiner Sache auszuschließen, ist auch das Recht verbunden, die ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber gerichtlich abzufordern, und zu dem Ende die Eigenthumsklage zu erheben.“ (Entwurf Martini II 3 § 13). Der Urentwurf (II 3 § 85, II 6 § 167)637 und in der Folge das ABGB (§§ 366, 442) sind dem Entwurf Martini darin gefolgt. Schon der Entwurf Martini, der als Urentwurf der Hofkommission unter dem Referat Franz von Zeillers zugrunde lag, machte von diesem Grundsatz der unbeschränkten Fahrnisverfolgung freilich weitgehende Ausnahmen zum Schutz des redlichen Erwerbers: „Auch kann eine Eigenthumsklage gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht stattfinden, wenn dieser darthut, die Sache entweder a) bei einer öffentlichen Versteigerung, oder b) von einem zu diesem Verkehre befugten Handelsmanne, oder c) sonst von Jemanden an sich gebracht zu haben, dem der Kläger selbst die Sache zu Gebrauche, oder zur Verwahrung, oder auch in einer anderen Absicht anvertrauet hatte; der vorige Eigenthümer kann alsdann gegen diese Gewährmänner sein Recht weiters verfolgen“ (Entwurf Martini II 3 § 20). Anders als der Codex Theresianus, der demonstrativ für die Beurteilung der Redlichkeit maßgebliche Indizien aufzählt638, stellt der Entwurf Martini somit auf objektive, neben 635
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Frotz, Kastner-FS (1972) 143 f. Zu überspitzt Huwiler, Bader-FS (1986) 94: „Einbruch romanistischer Begrifflichkeit“. Die im Folgenden zitierten Bestimmungen sind abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus V 90 f, 100. Die bezogenen Stellen finden sich bei Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I, XXXVII f, XLIV. Siehe oben S 103 ff.
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den guten Glauben tretende, selbständige Tatbestände ab639, deren Vorliegen der Erwerber zu beweisen hat. Anders als im Codex Theresianus ist die Gutgläubigkeit aber nicht mehr vom Erwerber zu beweisen, sondern seine Schlechtgläubigkeit vom Eigentümer (Entwurf Martini II 3 § 21), wobei die Typen verdächtigen Erwerbs aus dem Codex Theresianus übernommen werden640. Ausdrücklich wird dabei – wie schon im Codex Theresianus – der Schutz auf den entgeltlichen Erwerb eingeschränkt, da es die Billigkeit erheische, daß derjenige der bloß zu gewinnen suche, dem Eigentümer, der nur nicht verlieren wolle, nachgesetzt werde (Entwurf Martini II 3 § 22). Sieht man von textlichen Umstellungen ab (Ersetzung des „zu beschränkten Ausdrucks“641 Handelsmann durch Gewerbsmann, Aufnahme der Voraussetzung der Entgeltlichkeit in den § 367 ABGB selbst, sowie ausdrückliche Klarstellung des Eigentumserwerbs des gutgläubigen Dritten am Ende dieser Bestimmung), so hatte somit der Schutz des redlichen Erwerbers schon im Entwurf Martini seine heutige Gestalt angenommen. Der schon auf den ersten Blick auffälligste Unterschied zum Codex Theresianus besteht in der Rückkehr zum Vindikationsgrundsatz und der Regelung des redlichen Erwerbs als Ausschluß der Vindikation. Der Grund für diesen Umschwung ist wohl auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Zum einen liegt – wie schon angedeutet – ein Einfluß des ALR nahe642. Dieses nimmt zwar in der konkreten Ausgestaltung des Erwerberschutzes einen anderen Standpunkt ein, in seiner Konzeption, nämlich Vindikationsgrundsatz und Ausschluß der Fahrnisverfolgung in einzelnen Fällen (ALR I 15 § 42 f: Erwerb in öffentlicher Versteigerung und von Gildekaufleuten)643, gleicht es dem Entwurf Martini und dem heutigen ABGB aber völlig. Anders als das ALR wird freilich schon im Entwurf Martini (II 6 § 11) mit hinreichender Klarheit festgehalten, daß der redliche Erwerber Eigentümer wird und zur Vermeidung von Zweifeln wird schließlich auf Zeillers Antrag diese Rechtsfolge in den § 367 ABGB selbst aufgenommen644. 639 640 641 642
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Völkl, Kohlegger-FS (2001) 573. Vgl dazu noch unten S 389 ff und S 404 ff. Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 251. Klang in Klang2 II 220; Wellspacher, Vertrauen 167 f; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 266 f. AA Krasnopolski, Redlicher Verkehr 20. In allen anderen Fällen berücksichtigt das ALR das Sachinteresse des Eigentümers hingegen durch die Statuierung eines Lösungsrechtes, während der Entwurf Martini (II 3 § 20 c) und § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB auf den Eigentümer insofern Rücksicht nehmen, als sie einen redlichen Erwerb nur bei anvertrauten Sachen stattfinden lassen. Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 251.
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Zu bedenken ist zum anderen, daß die naturrechtlichen Lehren in der Frage der Fahrnisverfolgung ganz auf dem Boden der römischen Doktrin standen645. So folgt Martini in seinem „Lehrbegriff des Naturrechts“ aus 1799 der Systematik Christian Wolffs646 und geht davon aus, daß sich in dem Naturgesetz kein zureichender Grund finde, warum ein Eigentümer seine Sache gegen seinen Willen verlieren und einem anderen überlassen solle647. Es gehöre zum Wesen des Eigentumsrechts, daß der Eigentümer zur Wiedererlangung seiner Sache alle notwendigen Mittel ergreifen könne. Sobald also der Eigentümer sein Recht beweisen könne, müsse der Besitzer die Sache herausgeben, denn die Vermutung müsse der Wahrheit weichen648. Im gleichen Sinne führt Zeiller in seinem „Natürlichen Privatrecht“ aus, daß Unwissenheit und guter Glaube des Besitzers das Recht des Eigentümers nicht aufheben könnten, weshalb die Vindikation auch gegen den redlichen Besitzer möglich sei649. Martini und Zeiller waren freilich viel zu sehr auch Praktiker, um an diesen naturrechtlichen Überlegungen streng festzuhalten. So lehnt Martini zwar eine naturrechtliche Rechtfertigung der Verjährung genannten Ersitzung ab, verweist dann aber darauf, daß ihre Regelung ganz dem positiven Rechte angehöre650. Noch einen Schritt weiter geht Zeiller, der auf die Bedeutung der Ersitzung für die Besitzsicherung und Beweiserleichterung abstellt und schließlich festhält, daß eine Beschränkung der Vindikation geeignet sei, die Industrie zu vermehren, was eine von den Rechtsgelehrten und Politikern längst anerkannte Wahrheit sei651. Zwar beziehen sich die Ausführungen Martinis und Zeillers nur auf die Ersitzung, während ein sofortiger gutgläubiger Erwerb unbehandelt bleibt, doch lassen sich die von ihnen dargelegten Argumente auch auf sonstige Beschränkungen der Fahrnisverfolgung umlegen652. Dementsprechend rechtfertigt Zeiller653 in seiner Kommentierung des § 367 ABGB den redlichen Mobiliarerwerb 645
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Hinz, ZEuP 1995, 412 f. Umfassend derselbe, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, insb 199 ff (zu Martini und Zeiller). Siehe Huwiler, Bader-FS (1986) 94; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 572. Zur Auffassung Ch. Wolffs siehe Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 189 ff. Martini, Lehrbegriff § 487 (S 189). Martini, Lehrbegriff § 480 (S 186). Zeiller, Natürliches Privatrecht3 § 92 (S 132). Vgl auch § 82 (S 122) Anm ***, wo Zeiller betont, daß es keine eigenmächtige Erwerbung fremden Eigentums gebe und ohne Eigentumsverfolgung fortdauerndes Eigentum nicht möglich wäre. Martini, Lehrbegriff des Naturrechts § 487 (S 189). Zeiller, Natürliches Privatrecht3 § 92 (S 134). Huwiler, Bader-FS (1986) 96; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 201. Kommentar II/1, 133.
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mit der „der bürgerlichen Gesellschaft höchst wichtigen Sicherheit des Verkehrs“. Es überrascht daher nicht, daß sowohl der Entwurf Martini als auch das unter dem Referenten Zeiller vollendete ABGB praktische Bedürfnisse über die reine Lehre des Naturrechts stellen. Die Rechtfertigung für dieses Vorgehen wird im Text des Entwurfes Martini sogar ausdrücklich angesprochen: „Die Sicherheit des Handels und Wandels erheischet nemlich diese Vorkehrung“ (Entwurf Martini II 6 § 11). Anläßlich der Beratungen der Hofkommission erhobene Gegenstimmen, die den Fall des Erwerbs vom Vertrauensmann zu „hart“ fanden654 oder den „favor commercialis“ auf Kosten des Eigentümers zu weit getrieben sahen, wenn dieser selbst gestohlene Sachen (beim Erwerb in der Versteigerung oder vom Gewerbsmann) nicht von jedermann vindizieren könne655, konnten sich demgegenüber kein Gehör mehr verschaffen. Geblieben freilich ist die Entstehung des Eigentums als Wirkung des Ausschlusses der Fahrnisklage, der einen nur geschichtlich zu erklärenden Verstoß gegen die Systematik des Gesetzes bildet656. Anders als der „Erwerb Macht Rechtens“ des Codex Theresianus mit seinem demonstrativen Indizienkatalog, erscheinen die Tatbestände redlichen Erwerbs nunmehr als taxative Ausnahmen vom Vindikationsgrundsatz657. In der Folge hat dies zu der Streitfrage Anlaß gegeben, ob der Entwurf Martini und das ABGB den grundsätzlichen Schutz des unverdächtigen redlichen Erwerbes aufgegeben658 oder nur eingeschränkt hatten659. Doch ist dies wohl bloß ein theoretischer Disput, der etwa zur Frage, ob die Regeln über den gutgläubigen Fahrniserwerb der analogen Heranziehung fähig sind, nach heutigem Methodenverständnis nichts beizutragen vermag660. Auf die Ausgestaltung des Schutzes des redlichen Erwerbes im Einzelnen ist an späterer Stelle ausführlich einzugehen. Im gegebenen Zusammenhang mögen eine knappe Charakterisierung und einige Hinweise auf den historischen Kontext genügen: Wie bereits dargestellt, beruht § 367 ABGB im wesentlichen auf II 3 § 20 des Entwurfes Martini: Dieser übernahm in Anlehnung an den Codex Theresianus und die Regelung 654 655 656 657 658 659 660
Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 251. Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle II 374. Klang in Klang, ABGB2 II 220. Siehe Völkl, Kohlegger-FS (2001) 546 f, 573. Vgl Randa, Eigentumsrecht2 I 340. Vgl Wellspacher, Vertrauen 167 ff. So aber Randa, Eigentumsrecht2 I 340, der gleichwohl eine „extensive Interpretation“ immerhin für zulässig hält. Heute ist hingegen anerkannt, daß auch Ausnahmebestimmungen durchaus der Analogie fähig sind, wenn dies bei wertungsmäßiger Betrachtung geboten erscheint. Siehe Canaris, Feststellung von Lücken2 181 f, und in der Sache unten S 309 f mwN in FN 1594.
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des ALR zwei Fälle des objektiv unverdächtigen Erwerbes, nämlich in der öffentlichen Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann. In beiden Fällen spielt die Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen keine Rolle. Es handelt sich somit um eine sehr verkehrsfreundliche Lösung, die Zurechnungsgesichtspunkten auf Seiten des Eigentümers keinerlei Bedeutung zumißt. Diesen beiden Fällen wurde der Erwerb vom Vertrauensmann zur Seite gestellt, mit dem – wie Zeiller661 ausdrücklich festhält – an den deutsch-rechtlichen Satz „Hand wahre Hand“ angeknüpft wurde. Gerechtfertigt wird der Schutz des redlichen Erwerbers von Zeiller hier mit dem seit Mevius immer wiederkehrenden Argument, daß in diesem Fall dem Eigentümer eine Sorglosigkeit zur Last falle662. Anders als der Codex Theresianus und das ALR, in deren Materialien auf dieses Rechtfertigungsmoment ebenfalls Bezug genommen wird, zieht schon der Entwurf Martini die entscheidende Konsequenz und verlangt das Anvertrauen auf Seiten des Eigentümers als Zurechnungsmoment, das den Schutz des redlichen Erwerbers in diesem Fall begründet. Zudem hat schon Zeiller erkannt, daß die generelle Unterstellung einer „schuldbaren Unvorsichtigkeit“ auf Seiten des Eigentümers nicht tragfähig ist und führt weiters aus, es habe der Grundsatz zu gelten, daß Schuldige den Schaden vor dem Schuldlosen, den zufälligen Schaden aber der Eigentümer zu tragen habe663. Entscheidend ist somit für Zeiller offenkundig das Vorliegen einer risikobehafteten Tätigkeit des Eigentümers und das Moment der Gefahrenbeherrschung664. Entstehungsgeschichtlich betrachtet besteht nach der Ansicht von Frotz665 kein Zweifel daran, daß nach der subjektiven Vorstellung der Redaktoren der Erwerb vom Vertrauensmann das eigentliche Prinzip des gutgläubigen Mobiliarerwerbs enthalten sollte. Demgegenüber seien die ersten beiden Fälle des § 367 bloß Anwendungsfälle eines die Zurechnungsproblematik vernachlässigenden Rechtsscheinprinzips gewesen, die angesichts des neuen Prinzips bloß als Ausnahmen erschienen666. Aus diesem Grund hält Randa es für unmöglich, die Fälle des § 367 ABGB auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen667. Ebenso betont Wellspacher,
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Kommentar II/1, 134 FN *. Siehe Zeiller, Kommentar II/1, 133 f. Ebenso schon in den Beratungen der Hofkommission, siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 251. Zeiller, Kommentar II/1, 134. Zu diesem Argument, das mit Zeillers Verständnis von § 1311 ABGB zusammenhängt, siehe noch unten S 240 f. Vgl Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 275; Huwiler, Bader-FS (1986) 97. Kastner-FS (1972) 145. In diesem Sinne schon Wellspacher, Vertrauen 168 f. Randa, Eigentumsrecht2 I 340.
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daß die drei Fälle des § 367 ABGB auf keinem einheitlichen Grundgedanken beruhen668. Hat diese Ansicht hinsichtlich der Ausgestaltung des redlichen Mobiliarerwerbs durchaus eine gewisse Berechtigung, so ist doch festzuhalten, daß die drei Erwerbstatbestände des § 367 ABGB durch einen Leitgedanken, nämlich jenen des Verkehrsschutzes, zu einer Einheit verbunden werden669. Auf die dogmatischen Grundlagen des § 367 ABGB im Einzelnen ist an späterer Stelle einzugehen. An dieser Stelle erscheint etwas anderes wesentlicher: Überblickt man die Fälle des § 367 ABGB, so zeigt sich, daß schon Martini und Zeiller ein feines Bewußtsein für die unterschiedliche Stärke des erforderlichen Verkehrsschutzes entwickelt haben. In den Fällen des Handels und der öffentlichen Versteigerung ist demzufolge der objektiv unverdächtige Erwerb ausschlaggebend, während beim Erwerb vom Vertrauensmann, der seinen Hauptanwendungsfall im Verkehr unter Privaten findet, der Erwerberschutz sich stärkere Einschränkungen zugunsten des Eigentümers gefallen lassen muß. Ein gewisser Anklang an die vom Codex Theresianus entwickelte Konzeption zeigt sich darin, daß für Martini der Erwerb vom Handelsmann und in der Versteigerung offenbar per se unverdächtig waren, während beim Erwerb vom Vertrauensmann eine umfassende Abwägung des Einzelfalls angeordnet werden sollte: Dementsprechend übernimmt der Entwurf Martini (II 3 § 21) aus dem Codex Theresianus die Typen verdächtigen Erwerbs (Natur der Sache, auffallend geringer Preis, persönliche Eigenschaften des Vormannes), bezieht diese aber allein auf den Erwerb vom Vertrauensmann. Es ist allerdings offensichtlich, daß eine derart typisierte Annahme einer objektiven Unverdächtigkeit des Erwerbes in öffentlicher Versteigerung oder vom Gewerbsmann nicht gerechtfertigt erscheint, weshalb schon der Urentwurf (II § 93) diese Umstände typischer Verdächtigkeit in allen Fällen des redlichen Erwerbs für beachtlich hält. In der Hofkommission670 beschloß man schließlich zur noch größeren Sicherung des Eigentums ausdrücklich auch auf das Gewerbe des Vormannes und die „anderen Verhältnisse“ abzustellen. Die konkreten Umstände des Erwerbs wurden somit noch stärker betont, womit ersichtlich ist, daß stets eine umfassende Einzelanalyse über den Schutz des redlichen Erwerbers zu entscheiden hat671. 668
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Wellspacher, Vertrauen 169 mit FN 10. Siehe auch Krasnopolski, Redlicher Verkehr 19 ff, 23. Klang in Klang, ABGB2 II 220. Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle I 252. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß den genannten Umständen bei den drei Erwerbstatbeständen durchaus unterschiedliche Bedeutung zukommt. So ist etwa evident, daß einem „auffallend geringen Preis“ bei einer öffentlichen Versteigerung keine, bei einem gewerblichen Abverkauf höchstens geringe Bedeutung zukommt.
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Geschichtlicher Abriß
Das unterschiedliche Verkehrsschutzbedürfnis wird hingegen durch das Erfordernis der Zurechnung berücksichtigt. Insgesamt betrachtet hat das ABGB somit traditionelle Tatbestände redlichen Erwerbs in einer den abgestuften Verkehrsschutzbedürfnissen Rechnung tragenden Weise kombiniert, die nicht nur für seine Zeit fortschrittlich war, sondern auch vom heutigen Standpunkt – gerade rechtsvergleichend – betrachtet durchaus noch zeitgemäß und ausgewogen erscheint672. Schon früh hat diese Regelung dem ABGB deshalb Ruhm eingebracht, so etwa wenn Goldschmidt673 sie als den „vollendetsten Ausdruck der unter dem Einfluß des Römisch-Canonischen Rechts fortgebildeten und modificirten germanischen Theorie“ bezeichnet.
672 673
Siehe aber Frotz, Kastner-FS (1972) 153 f. ZHR 8 (1865) 287.
§ 3 Verkehrsschutz
I. Ausgangspunkt Die dogmengeschichtliche Betrachtung hat das Ergebnis der in § 1 IV vorgenommenen Interessenabwägung bestätigt: Das Prinzip des Verkehrsschutzes als überindividuelle Legitimationsgrundlage des redlichen Mobiliarerwerbs ist historisch gesehen zugleich die entscheidende Triebkraft zur Entwicklung dieses Rechtsinstitutes. Wie die Gesetzesmaterialien und die Ausführungen Zeillers – dessen Auffassung als Redaktor des ABGB besondere Bedeutung zukommt – eindrucksvoll belegen, war man sich der Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips bei der Schaffung des ABGB durchaus bewußt und hat diese Konzeption unserem Gesetz zugrunde gelegt: Ausdrücklich wird die „Sicherheit des Verkehrs“ als Rechtfertigungsgrund des gutgläubigen Fahrniserwerbs genannt674. Gleiches läßt sich auch für das deutsche BGB belegen; in den Gesetzesmaterialien werden die Verkehrsschutzinteressen mehrfach betont675. Bei der Erörterung des redlichen Mobiliarerwerbs wird das Verkehrsschutzprinzip daher zu Recht einbezogen676. Allerdings wird der Verkehrs674
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Entwurf Martini II 6 § 11; siehe Harrasowsky, Codex Theresianus V 100; Zeiller, Kommentar II/1, 133. Siehe Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344, 349 = Mugdan, Materialien III 191, 194; Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 208 = Mugdan, Materialien III 631. Aufschlußreich auch die Entstehungsgeschichte des BGB und des ADHGB, siehe dazu H. Hübner, Rechtsverlust 27 ff. Heck, Sachenrecht 246; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 249; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 1 Rz 12, § 52 Rz 8 ff; Eichler, Institutionen II/1, 158; Frotz, Kastner-FS (1972) 133 f; Gschnitzer, Sachenrecht2 109; Hager, Verkehrsschutz 227 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 295 f; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 1; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 3 f; Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 1; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 932 Rz 1; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 I (S 364). Kritisch Wieling, Sachenrecht I § 10 I 7a (S 358). Ablehnend H. Hübner, Rechtsverlust 77, der die Bedeutung der Verkehrsinteressen für die Entwicklung des Institutes aber sehr wohl anerkennt (aaO 22 ff, 40); Medicus, H. Hübner-FS (1984) 618 f; vgl weiters von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 204 f.
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Verkehrsschutz
schutzgedanke manchmal als bloßes rechtspolitisches Motiv aufgefaßt: So betont Frotz677, daß der redliche Fahrniserwerb stets die Sicherheit des Verkehrs fördern solle, ein solcher allgemein legislativ-politischer Zweck aber nichts darüber aussage, wo die Grenzen zwischen Eigentumsschutz und Verkehrsschutz verliefen, wann das Erhaltungsinteresse des Eigentümers hinter dem Erwerbsinteresse eines Verkehrsteilnehmers zurücktreten müsse. An anderer Stelle formuliert Frotz678 noch schärfer: Wenn geäußert werde, das Prinzip des Verkehrsschutzes verbinde die drei Fälle des § 367 ABGB zu einer Einheit, so dürfe man sich mit einer solchen Leerformel nicht beruhigen. Im selben Sinn hebt auch Wiegand679 hervor, daß das Verkehrsinteresse zwar die Notwendigkeit des gutgläubigen Erwerbs schlechthin begründen möge, dessen Voraussetzungen und Ausmaß sich aus ihm aber nicht entnehmen ließen: Ob ein solches Verkehrsinteresse etwa nur bei dem im Handel abgewickelten Warenaustausch bestehe oder ob es generell anzunehmen sei, lasse sich nur auf Grund einer breit angelegten Rechtstatsachenforschung ermitteln. Auch zu der Frage, welche Umstände den Rechtsverlust des Eigentümers und den Rechtserwerb des Dritten rechtfertigen sollen, lasse sich aus dem Verkehrsschutzgedanken konkret nichts gewinnen: Mit dem Verkehrsinteresse könne auch der Erwerb abhanden gekommener Sachen ohne Rücksicht auf den guten Glauben des Erwerbers gerechtfertigt werden. Als Argument leiste das Verkehrsinteresse und der Verkehrsschutzgedanke nicht viel, da sie praktisch neutral und für jede Regelung verwendbar seien680. Die vorgebrachten Argumente sind von unterschiedlichem Gewicht: Soweit zur Feststellung des Verkehrsschutzbedürfnisses auf die Rechtstatsachenforschung und damit auf die ökonomische Analyse des Rechtes verwiesen wird, dürfte deren Leistungsfähigkeit für die konkrete Sachfrage überschätzt werden. Zwar können die von der ökonomischen Theorie aufgezeigten Gesichtspunkte sicherlich zur Klärung der Interessenlage beitragen, so etwa durch die Betonung der Risikozuweisung und der Höhe der Transaktionskosten681, doch handelt es sich dabei letztlich um Argumente, die auch in der Jurisprudenz seit geraumer Zeit durchaus geläufig sind682. In konkreten Fragen – etwa den Auswirkungen eines redlichen Erwerbs gestohlener Sachen – sind die Ergebnisse der ökonomischen Analyse hingegen nicht weniger unter677 678 679 680 681
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Kastner-FS (1972) 133 f. Kastner-FS (1972) 145 f. JuS 1974, 210. Wiegand, Jus 1974, 210 FN 113. Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte 188 f; Krimphove, ZfRV 1998, 192 ff; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse4 571 ff. Siehe bereits oben S 98 ff.
Ausgangspunkt
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schiedlich als die juristischen Lösungskonzepte683. Soweit ersichtlich liegt gesichertes Datenmaterial in ausreichendem Maße wenigstens bislang nicht vor; mE ist auch durchaus zweifelhaft, inwiefern eine empirische Untersuchung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des redlichen Mobiliarerwerbs – die selbstverständlich alle komplementären Institute wie Ersitzung oder Abstraktionsprinzip einbeziehen müßte – überhaupt möglich ist. Überdies wäre für die entscheidende Wertungsfrage nach einer möglichst gerechten Lösung auch mit einer solchen Untersuchung noch wenig gewonnen684. Der dargestellten Kritik ist aber sicherlich darin zuzustimmen, daß aus dem abstrakten Prinzip des Verkehrsschutzes nicht in allen Einzelheiten abgeleitet werden kann, wie weit der Verkehrsschutz reichen oder in welcher Weise er konkret ausgestaltet sein soll. Für eine dogmatische Arbeit steht aber ohnedies nicht die rechtspolitische Frage im Vordergrund, wie man den redlichen Erwerb auch regeln könnte oder sollte – angesichts der großen Bandbreite rechtsvergleichender Lösungen und rechtspolitischer Vorschläge ohnedies ein wenig Erfolg versprechendes Unterfangen –, sondern wie das geltende Recht den Gedanken des Verkehrsschutzes umgesetzt hat. Daß das Verkehrsschutzprinzip ein tragender Wertungsgesichtspunkt des geltenden Rechtes ist, kann nach dem bisherigen Stand der Untersuchung aber nicht mehr zweifelhaft sein. Der Gedanke des Verkehrsschutzes ist daher nicht nur im Rahmen der historischen, sondern vor allem auch bei der teleologischen Interpretation685, die gerade bei älteren Gesetzen sogar oft als vorrangig bezeichnet wird686, stärker als bisher zu beachten687. Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist zu betonen, 683
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So wird von der ökonomischen Analyse einerseits hervorgehoben, daß der Ausschluß eines redlichen Erwerbs gestohlener Güter der Diebstahlsprävention diene, anderseits wird auf volkswirtschaftlich ungünstige Auswirkungen einer solchen Regel hingewiesen: So führe der Ausschluß eines redlichen Erwerbs an registrierten Kraftfahrzeugen nach italienischem Recht dazu, daß die gestohlenen Fahrzeuge von den Dieben eben ausgeschlachtet und die Einzelteile verwertet würden – statt Diebstahlsprävention also Zerstörung der Sache. Siehe Siehr, ZvglRWiss 80 (1980) 289; Thorn, Mobiliarerwerb 263 f. Zu den Auswirkungen eines Gutglaubenserwerbs an gestohlenen Sachen vgl weiters etwa Weinberg, J. Leg. Stud. 9 (1980) 579 f: Der Preis des Diebsgutes hänge von der Menge der durch Diebstahl zu beschaffenden Güter, diese wiederum von der Aussicht Diebesnachwuchs heranzuziehen und von der verfügbaren Zeit ab, etc. Vgl dazu noch unten FN 1274. Die Eigenständigkeit der Rechtsordnung betont zutreffend auch Hager, Verkehrsschutz 237 f. Vgl MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 1. Vgl Kramer, Methodenlehre2 119 ff, 122 mit FN 327 mwN. Zur Bedeutung der historischen Interpretation bereits oben S 74 mit FN 376. Siehe Hager, Verkehrsschutz, insb 227 ff.
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Verkehrsschutz
daß das Prinzip des Verkehrsschutzes selbstverständlich nicht das einzig maßgebliche Wertungskriterium darstellt – dafür wäre es schon wegen seiner Abstraktionshöhe nicht geeignet – und vor allem eine Abwägung mit dem entgegenstehenden Prinzip des Eigentumsschutzes erforderlich ist688. Bei dieser Abwägung ist selbstverständlich auch dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dem damit verbundenen Rechtsscheinprinzip sowie dem Prinzip der Gefahrenbeherrschung und Risikoverteilung Rechnung zu tragen, soweit sie in die konkrete gesetzliche Ausgestaltung des redlichen Mobiliarerwerbs Eingang gefunden haben. Auch insofern ist Frotz689 und Wiegand690, die als rechtssystematisch-dogmatisches Prinzip des redlichen Fahrniserwerbs auf die Rechtsscheinlehre abstellen, nachdrücklich zuzustimmen. Im Einzelnen wird darauf in den folgenden Abschnitten einzugehen sein. Zunächst kommt es auf etwas anderes an: Macht man sich bewußt, daß das Verkehrsschutzprinzip für die Rechtfertigung des redlichen Erwerbes von zentraler Bedeutung ist, so vermag dies nicht nur zum Verständnis der Stellung und Funktion des redlichen Erwerbs im System des Sachenrechtes entscheidend beizutragen (unten II. A), sondern auch zum Verständnis der Systematik der einzelnen Tatbestände des redlichen Mobiliarerwerbs (unten II. B).
II. Dogmatische Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips A. Verkehrsschutzprinzip und Sachenrechtssystem 1. Grundlegung Die rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Untersuchung des redlichen Mobiliarerwerbs hat die überaus große Bandbreite an Lösungskonzepten gezeigt, die zur Entscheidung des Interessenkonfliktes zwischen dem Eigentümer und einem redlichen Erwerber entwickelt wurden. Deutlich wurde dabei zum einen, daß sich ein gewisses Minimum an sachenrechtlichem Verkehrsschutz offenbar für jede entwickelte Rechtsordnung als unverzichtbar erweist, zum anderen, daß dieses Bedürfnis nach Verkehrsschutz auf durchaus unterschiedliche Weise befriedigt werden kann: Neben einem sofortigen redlichen Fahrniserwerb kommen so unterschiedliche rechtstechnische Mittel wie die 688
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Dazu und zu den bei der Abwägung zu berücksichtigenden – im Text sogleich erwähnten – „Subprinzipien“ ausführlich bereits oben S 65 ff. Kastner-FS (1972) 130 ff. JuS 1974, 201 ff.
Dogmatische Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips
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Möglichkeit einer kurzfristigen Ersitzung, eine abstrakte Ausgestaltung der Übereignung, die Einführung spezieller Register oder eine schwer widerlegbare Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers in Betracht. Erst aus dem Zusammenspiel mit den sonstigen dem Verkehrsschutz dienenden Institutionen des Sachenrechts kann somit der Anwendungsbereich des redlichen Fahrniserwerbs erschlossen werden. Die Funktion und Bedeutung des redlichen Mobiliarerwerbs steht überdies in engem Zusammenhang mit den sonstigen sachenrechtlichen Prinzipien und ihrer konkreten Ausgestaltung: So stellen sich etwa andere Ordnungsprobleme, wenn eine Rechtsordnung bei sachenrechtlichen Verfügungen vom Konsensprinzip und nicht von der Traditionsmaxime ausgeht oder statt einer kausalen Tradition eine abstrakte Übereignung ermöglicht. Gerade ein Rechtsvergleich kann hier zum Verständnis der eigenen Rechtsordnung maßgeblich beitragen. Bei der Untersuchung des österreichischen Rechtes erscheint eine abstrakte Erörterung aller denkbaren Kombinationsmöglichkeiten freilich nicht zielführend, sondern es kommt darauf an, den Zusammenhang mit jenen Instituten und Prinzipien herzustellen, denen für das heimische Recht Bedeutung zukommt. Andere Stilmerkmale sind hingegen von vornherein aus der Betrachtung auszuscheiden: So ist etwa eine Registerpflicht – wie sie beispielsweise in Italien und Portugal nicht nur für Schiffe und Flugzeuge, sondern auch für Kraftfahrzeuge besteht – für die Frage des redlichen Mobiliarerwerbs von erheblicher Bedeutung691. Im gegebenen Zusammenhang ist sie gleichwohl nicht zu erörtern, da sie für das österreichische Recht de lege lata keine Rolle spielt692. Diese Überlegungen rechtfertigen eine Beschränkung der Untersuchung auf zwei wesentliche Punkte: Die Wechselwirkungen des redlichen Fahrniserwerbs mit dem Institut der Ersitzung einerseits, mit der Ausgestaltung der Übereignung anderseits.
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In Italien und Portugal ist bei erfolgtem Registereintrag ein sofortiger Gutglaubenserwerb ausgeschlossen und der Erwerber kann die Sache nur ersitzen. Näher zum Problemkreis Thorn, Mobiliarerwerb 93 ff mwN. Diskutiert und rechtspolitisch gefordert wird in Österreich aber – zuletzt anläßlich des Symposiums zum Mobiliarpfandrecht im Jahr 2000 – die Einführung eines Mobiliarpfandrechtsregisters, das ein besitzloses Pfandrecht an beweglichen Sachen ermöglichen würde, siehe dazu die in NZ 2002, 2 ff, abgedruckten Beiträge von Rechberger, Mohr, Knechtel, Kühnelt, Pekarek ua. Ein solches Register wird dabei auch deshalb gefordert, weil die Unterschiede zwischen Eigentumsvorbehalt und Pfandrecht – dieser ist im Gegensatz zu jenem publizitätslos möglich – eine bedenkliche Bevorzugung der Warenkreditgeber vor den Geldkreditgebern zur Folge hätten, siehe Harrer, Sicherungsrechte 94, 123 f, 126.
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Verkehrsschutz
2. Ersitzung Im Hinblick auf den Schutz des gutgläubigen Erwerbers kommt neben dem sofortigen redlichen Fahrniserwerb der Ersitzung besondere Bedeutung zu. Dies zeigt sich schon rechtsgeschichtlich: Das römische Recht kannte zwar keinen sofortigen redlichen Erwerb, trug dem Bedürfnis, einmal Ruhe in die Rechtslage zu bringen und den redlichen Verkehr zu schützen, aber immerhin durch die – wenn auch wegen des weiten Furtivitätsbegriffes eingeschränkte – Möglichkeit der Ersitzung innerhalb der relativ kurzen Frist von einem Jahr Rechnung693. Das deutsche Recht verhalf dem Erwerber einer fremden Sache hingegen auf Grund der eingeschränkten Fahrnisverfolgung, welche die geschichtliche Wurzel des redlichen Fahrniserwerbs darstellt, zu einer unangreifbaren Stellung694. Eine Ersitzung kannte das ältere deutsche Recht hingegen nicht695. Ebenso zeigt sich rechtsvergleichend, daß in jenen Rechtsordnungen, die – wie das portugiesische Recht oder das Recht von Québec – einen sofortigen redlichen Erwerb nicht oder nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß anerkennen, der Ersitzung besondere Bedeutung zukommt696. Umgekehrt ist sowohl für das österreichische697 als auch das deutsche698 und das Schweizer699 Recht zu konstatieren, daß der Anwendungsbereich der Ersitzung beweglicher Sachen auf Grund des redlichen Fahrniserwerbs der §§ 367, 371 ABGB, § 366 HGB sowie der §§ 932 ff BGB, § 366 dHGB und Art 933 bis 935 ZGB sehr eingeschränkt 693 694 695
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Ausführlich oben S 77 ff. Eingehend oben S 81 ff. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 576 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 468; Schmachtenberg, HRG I Sp 1006 f; Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte5 165; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht9 117. Bei Grundstücken diente aber die Verschweigung der Rechtssicherheit, da der Berechtigte bei der Auflassung oder binnen einer Frist von Jahr und Tag der Übertragung durch Klage widersprechen mußte. Siehe Ogris, HRG I Sp 1662, 1664 f, der auch darauf hinweist, daß gerade im älteren Recht Fahrnis sehr häufig als Zubehör der Liegenschaft galt und deshalb von der Liegenschaftsgewere mitumfaßt war. In einigen Fällen wurde die Verschweigung zudem auf Fahrnis übertragen (vererbte Fahrnis, Fundsachen, von auswärts eingeführte Sachen), schließlich die römisch-rechtliche usucapio rasch rezipiert. Siehe Schmachtenberg, HRG I Sp 2007; O. Gierke, Deutsches Privatrecht 196 ff, 458 ff, 576 ff; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 468 f. Zur Bedeutung der Rezeption der usucapio für die Entwicklung des redlichen Mobiliarerwerbs oben S 94 ff. Siehe oben S 12 ff und Thorn, Mobiliarerwerb, 232 ff. Apathy, JBl 1999, 206; Ehrenzweig, System2 I/2, 195 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 303. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 53 Rz 85 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 51 I 1 (S 413); Wieling, Sachenrecht I § 11 I 2 (S 407). Rey, Sachenrecht I2 Rz 1982 ff.
Dogmatische Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips
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wird. Der Ersitzung kommt lediglich eine Auffangfunktion zu700: So in Österreich etwa dann, wenn es sich um eine abhanden gekommene Sache handelt, die weder in öffentlicher Versteigerung noch von einem befugten Gewerbsmann erworben wurde (§ 367 Satz 1 Fall 1 und 2 ABGB)701; vor allem aber bei einem unentgeltlichen Erwerb vom Nichtberechtigten, da dieser von § 367 ABGB nicht erfaßt wird702. Der uneigentlichen, langen Ersitzung (§§ 1470, 1477 ABGB) kommt eine wesentliche Ergänzung des Verkehrsschutzes weiters insofern zu, als sie Besitz und Eigentumslage auch dann aneinander anpassen kann, wenn kein gültiges Erwerbsgeschäft (Titel) vorliegt703. Die angeführten Beispiele haben die Wechselwirkungen von gutgläubigem Erwerb und Ersitzung deutlich gemacht; gemeinsam ist beiden Instituten aber auch ihre prinzipielle Legitimationsgrundlage – der Verkehrsschutz. Schon für die römisch-rechtliche Ersitzung war dies ausdrücklich anerkannt: Bono publico usucapio introducta est704. Dieser Funktionszusammenhang hat freilich auch zu manchen Mißverständnissen Anlaß gegeben: So hat die ältere, heute längst überholte französische Lehre die Regel des Art 2279 Code civil „En fait de meubles, la possession vaut titre“705, die einen redlichen Fahrniserwerb anordnet706, als sofortige Ersitzung („prescription instantanée“) zu deuten 700
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Iro, Sachenrecht2 6/85. Zum deutschen Recht siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 51 I 1 (S 413); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 53 Rz 85 : Die Ersitzung (§§ 937 ff BGB; 10-jährige Ersitzungsfrist) ergänzt den Verkehrsschutz des § 932 BGB in jenen Fällen, in denen der Eigentumserwerb nach § 935 BGB scheitert, weil die Sache abhanden gekommen ist, der Erwerber nur auf die Verfügungsmacht des Nichtberechtigten vertraut hat und kein Fall des § 366 dHGB vorliegt, dem Verfügenden die Geschäftsfähigkeit fehlt oder das dingliche Erwerbsgeschäft aus sonstigen Gründen unwirksam ist. Zum Schweizer Recht siehe Rey, Sachenrecht I2 Rz 1986 ff; Schwander in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 728 Rz 2; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 390 f: Einen Anwendungsbereich behält die Ersitzung (Art 728 ZGB; 5-jährige Ersitzungsfrist) in jenen Fällen, in denen das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig ist, erfolgreich angefochten wurde oder sich der Ersitzende ohne jedes Veräußerungsgeschäft irrtümlich in den Besitz einer fremden Sache gesetzt hat. Zu beachten ist dabei, daß dem Einzelrechtsnachfolger eines unechten Besitzers zwar eine eigentliche Ersitzung möglich ist, sich in diesem Fall aber die Ersitzungszeit verdoppelt (§ 1476 ABGB). Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 303. In der Schweiz ist diese Fallkonstellation sogar der primäre Anwendungsbereich der Ersitzung, siehe oben FN 700. In Deutschland gilt Entsprechendes bei Unwirksamkeit der dinglichen Einigung oder gänzlichem Fehlen eines Erwerbsgeschäftes; siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 51 I 1 (S 413). Gaius D 41.3.1. Weiter Nachweise oben FN 429. „Bei beweglichen Sachen gilt der Besitz als Titel“. Dazu Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 562 ff (3 B 16 ff); Thorn, Mobiliarerwerb 47 f.
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Verkehrsschutz
versucht707. Und auch die Motive des BGB legen Wert auf die Feststellung, der redliche Fahrniserwerb der §§ 932 ff BGB sei in seinen praktischen Ergebnissen von der römisch-rechtlichen usucapio nicht so verschieden: „Wenn man in der letzteren das Erfordernis der Vollendung der Usukapion streicht und die Ausschließung der Usukapion bei der res furtiva berücksichtigt, so kommt man im Großen und Ganzen zu derjenigen Rechtsgestaltung, welche als die deutschrechtliche bezeichnet zu werden pflegt“708. Diese Sicht der Dinge ist naheliegender Weise auf Kritik gestoßen. So hat schon Otto Gierke709 sarkastisch angemerkt, eine solche Deduktion stehe ungefähr auf der gleichen Stufe wie die Erwägung, eine Eiche würde, falls sie nur statt der Eicheln Äpfel trüge, im praktischen Ergebnis einem Apfelbaum ähneln710. Auch wenn zwischen der Ersitzung und dem sofortigen redlichen Mobiliarerwerb Wechselwirkungen bestehen und für beide Institute dem Gedanken des Verkehrsschutzes zentrale Bedeutung zukommt, so darf selbstverständlich nicht außer Acht gelassen werden, daß für den Rechtsverlust des Eigentümers unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte maßgeblich sind. In diesem Sinne hebt Carlin711 zutreffend hervor, daß die Ersitzung ein Rechtserwerb durch qualifizierten Besitzzustand, der redliche Mobiliarerwerb hingegen ein originärer Rechtserwerb durch qualifizierte Besitzerlangung ist. Die Ersitzung hat also den Zweck, lange Zeit bestehende tatsächliche Zustände im Interesse des Vertrauens auf den äußeren Schein auch rechtlich verbindlich zu machen712. Insofern besteht in Funktion und Zielsetzung eine Ähnlichkeit der Ersitzung mit dem Institut der Verjährung713. Wie bei der 707
708 709 710 711 712 713
Dazu Carlin, Rechtsparömie 103 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 81; Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers 111 f. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 342 = Mugdan, Materialien III 190. Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs 337. Vgl dazu auch Krasnopolski, Schutz des redlichen Verkehrs 8. Rechtsparömie 115. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 301; Apathy, JBl 1999, 206 mwN. Ausführlich dazu Spiro, Begrenzung privater Rechte II §§ 483 ff (S 1349 ff). Vor diesem Hintergrund und unter dem Gesichtspunkt der „normativen Kraft der Zeit“ überrascht es nicht, daß gerade ältere Gesetze – dem gemeinen Recht folgend – die Verjährung (praescriptio extinctiva, erlöschende Verjährung) und die Ersitzung (praescriptio acquisitiva, erwerbende Verjährung) unter gemeinsame Vorschriften stellen, so insbesondere das ALR (I 9 § 500 ff), aber auch das ABGB (§§ 1451 ff). Wenn das ABGB die Ersitzung als Kehrseite der Verjährung regelt (§ 1452) und davon ausgeht, daß jede Ersitzung eine Verjährung einschließt (§ 1478), so entspricht dies freilich nicht der gesetzlichen Struktur, da die Verjährung in keinem Fall Voraussetzung der Ersitzung ist und überdies gerade auch unverjährbare Rechte wie das Eigentumsrecht ersessen werden können. So zutreffend Klang in Klang, ABGB2 VI 562 f, 569; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 301; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/85; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1452 Rz 1.
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Verjährung714 ist auch für die Ersitzung715 entscheidend, daß der Eigentümer es versäumt, sein Recht wahrzunehmen716. In diesem Sinn betont schon Zeiller, der minder achtsame Eigentümer solle sich den Verlust seines Rechtes selbst beimessen717. Im Fall der Ersitzung ist weiters zu berücksichtigen, daß durch das Verstreichen eines längeren Zeitraumes die Beziehung des Eigentümers stetig gelockert wird, während der redliche Besitzer seine Beziehung zur Sache laufend festigt718. Während die Ersitzung somit den Verkehrsinteressen insofern dient, als lang dauernde tatsächliche Zustände mit der wahren Rechtslage in Einklang gebracht werden, trägt der sofortige Mobiliarerwerb dem Verkehrsschutz in jenen Fällen Rechnung, in denen es auf eine rasche und sichere Abwicklung ankommt, also beim Warenumsatz719. Verkehrsschutz und Sicherheit durch die Eindeutigkeit sachenrechtlicher Zuordnung haben damit in beiden Instituten einen jeweils anderen Bezugspunkt. Ein funktionaler Vergleich zeigt somit mehr als die rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Tendenz, daß ein „Weniger“ an sofortigem Gutglaubenserwerb zu einem „Mehr“ an Ersitzung führt und umgekehrt ein ausgebauter sofortiger Erwerberschutz die Bedeutung der Ersitzungsregeln in den Hintergrund drängt; er ermöglicht auch ein bes714 715 716
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Spiro, Begrenzung privater Rechte I § 16 f (S 25 ff). Apathy, JBl 1999, 206. In diesem Sinne hebt Spiro, Begrenzung privater Rechte II § 485 (S 1359), zutreffend hervor, daß nur der Gegenstand des Konfliktes verschieden sei, nicht aber die für seine Lösung entscheidende Säumnis des Berechtigten. Zu beachten ist freilich, daß diese Wertung – Zumutbarkeit rechtzeitiger Rechtsverfolgung – nur typischerweise zum Tragen kommt, da im Einzelfall auch derjenige sein Recht verliert, der von seiner Berechtigung gar nichts wissen konnte. Eine Abwägung der Interessen der Beteiligten allein vermag deshalb weder die Verjährung noch die Ersitzung zu legitimieren. Wie F. Bydlinski, System und Prinzipien 167 ff mit FN 171, zu Recht betont, bedürfen beide Institute vielmehr einer überindividuellen Rechtfertigung, die in „der Effektivität des Rechtsverkehrs und des Rechtsschutzes insgesamt“ zu finden ist; zustimmend Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 202 (zur Verjährung). AA aber Spiro, Begrenzung privater Rechte I § 3 ff, § 15 (S 8 ff, 23 f), der den Gesichtspunkt des Allgemeininteresses an Rechtssicherheit, Praktikabilität und wirtschaftlicher Effektivität zu wenig würdigt und für den Fall der Verjährung zu einseitig auf den Schutz des Schuldners vor unberechtigten, überraschenden und unerwarteten Forderungen abstellt. Zwar ist sicherlich richtig, daß damit zentrale Wertungsgesichtspunkte angesprochen werden, doch reichen diese eben nicht aus, um ein Institut zu erklären, das auch jenen Schuldner schützt, der bewußt auf die Verjährung spekuliert, und dies sogar auf Kosten eines sorgfältigen Gläubigers, der seine Forderung gar nicht kennen kann; so zutreffend bereits F. Bydlinski, System und Prinzipien 168 FN 171. Zeiller, Kommentar IV 193. Den Zeitfaktor und seine Auswirkung auf das Kontinuitätsinteresse betont zu Recht auch H. Hübner, Rechtsverlust 80 f. Vgl auch Heck, Sachenrecht 256. Vgl auch H. Hübner, Rechtsverlust 81; Carlin, Rechtsparömie 113.
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seres Verständnis für das Verhältnis von sofortigem Gutglaubenserwerb und zeitlich gestrecktem Erwerb durch Ersitzung: Je stärker das Moment des Zeitablaufes an Bedeutung gewinnt, desto schwächere Anforderungen werden an die sonstigen Erwerbsvoraussetzungen gestellt. So ist im österreichischen Recht für einen sofortigen Gutglaubenserwerb an beweglichen Sachen gemäß § 367 ABGB das Vorliegen eines typisierten Rechtsscheintatbestandes erforderlich, für die eigentliche, 3-jährige Ersitzung (§ 1466 ABGB) immerhin noch rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz, für die uneigentliche, 30-jährige Ersitzung wird das Vorliegen eines gültigen Titels hingegen nicht mehr verlangt, so daß redlicher und echter Besitz ausreicht (§§ 1470, 1477 ABGB)720. 3. Ausgestaltung der Übereignung a) Konsens- und Traditionsprinzip Für den Anwendungsbereich des redlichen Fahrniserwerbs und seine Funktion ist es von maßgeblicher Bedeutung, ob eine Rechtsordnung vom Konsens- oder Traditionsprinzip ausgeht. So bereitet etwa die Mehrfachveräußerung ein und derselben Sache in jenen Rechtsordnungen, in denen wie in Frankreich oder Italien das Konsensprinzip gilt, besondere Schwierigkeiten. Da das Eigentum an einer (Spezies)Sache schon durch den Vertragsabschluß auf den Erwerber übergeht, ohne daß es einer Übergabe der Sache bedürfte, besteht nämlich ein erhöhtes Konfliktpotential: Der Zweiterwerber, dem die Erstveräußerung mangels Traditionsaktes nicht erkennbar ist, bedarf in erhöhtem Maß des Gutglaubensschutzes. Dementsprechend findet sich sowohl im französischen als auch im italienischen Recht eine ausdrückliche Regelung der Mehrfachveräußerung, die dem Schutz des Zweiterwerbers dient (Art 1141 Code civil; Art 1155 Codice civile)721: Wird eine Sache nacheinander an zwei Personen veräußert, so gebührt nach Art 1141 Code civil demjenigen Erwerber der Vorzug, der als erster den tatsächlichen Besitz an der Sache (possession réelle) erlangt hat. Für den Zweiterwerber gilt dies freilich nur dann, wenn er redlich ist722. Eine ganz entsprechende Vorschrift findet sich auch in Italien 720
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Obwohl § 1477 ABGB die Echtheit des Besitzes nicht erwähnt, hält die hA diese auch im Fall der uneigentlichen Ersitzung für erforderlich, siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 302; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1452 Rz 2, § 1464 Rz 1, § 1477 Rz 2; Schwimann/Mader, ABGB2 § 1464 Rz 1. AA Kodek, Besitzstörung 511 ff; zustimmend Iro, JBl 2003, 335. Siehe zum Folgenden auch Thorn, Mobiliarerwerb 211 ff. Art 1141 Code civil: „Si la chose qu‘ on s’est obligé de donner ou de livrer à deux personnes successivement, est purement mobilière, celle des deux qui en a été mise en possession réelle est préférée et en demeure propriétaire, encore que son
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(Art 1155 Codice civile)723, weiters in Québec (Art 1454 Code civil du Québec)724. Außerhalb des romanischen Rechtskreises ist eine vergleichbare Regel auch im englischen Recht normiert: Sect 24 Sale of Goods Act regelt den gutgläubigen Erwerb vom Verkäufer, der nach Abschluß des Kaufvertrages im Besitz des Kaufgegenstandes geblieben ist (seller in possession)725. Da im Anwendungsbereich des Sale of Goods Act das Konsensprinzip gilt (Sect 17, 18 Sale of Goods Act), besteht eine den romanischen Rechtsordnungen vergleichbare Ausgangslage726. Besonders hervorzuheben ist, daß der gutgläubige Zweiterwerber nach französischem Recht erst dann geschützt wird, wenn er den tatsächlichen Besitz an der Sache (possession réelle) erlangt hat727. Gleiches
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titre soit postérieur en date, pourvu toutefois que la possession soit de bonne foi.“ [Art 1141 Code civil : „Ist die Sache, welche zu geben oder zu überliefern man sich zwei Personen gegenüber nacheinander verpflichtet hat, eine rein bewegliche, so hat diejenige von beiden Personen, welche in den tatsächlichen Besitz derselben gesetzt worden ist, den Vorzug und bleibt Eigentümer, wenn auch deren Titel späteren Datums ist, vorausgesetzt, daß der Besitz in gutem Glauben erfolgt ist“]. Art 1155 Codice civile (Acquisto di buona fede e precedente alienazione ad altri): „Se taluno con successivi contratti aliena a più persone un bene mobile, quella tra esse che ne ha acquistato in buono fede il possesso è preferita alle altre, anche se il suo titolo è di data posteriore (1153).” [Art 1155 Codice civile (Erwerb in gutem Glauben und vorausgegangene Veräußerung an eine andere Person): „Wenn jemand mit nacheinander abgeschlossenen Verträgen eine bewegliche Sache an mehrere Personen veräußert, gebührt derjenigen von ihnen der Vorzug vor den übrigen, die in gutem Glauben den Besitz erworben hat, auch wenn ihr Rechtstitel späteren Datums ist (1153)“]; Übersetzung nach Bauer/Eccher/König/ Kreuzer/Zanon, Italienisches Zivilgesetzbuch3. Dazu bereits oben S 13 f. Sect 24 Sale of Goods Act: „Where a person having sold goods continues or is in possession of the goods, or of the documents of title to the goods, the delivery or transfer by that person, or by a mercantile agent acting for him, of the goods or documents of title under any sale, pledge, or other disposition thereof, to any person receiving the same in good faith and without notice of the previous sale, has the same effect as if the person making the delivery or transfer were expressly authorised by the owner of the goods to make the same.“ Siehe dazu Guest in Benjamin’s Sale of Goods3 Rz 508 ff; Middleton, England, in: von Bar, Sachenrecht in Europa I 182 f; Thorn, Mobiliarerwerb 171 f, 213. Vgl auch den nahezu wortgleichen Art 8 Factors Act 1889, dazu Thorn, Mobiliarerwerb 171 f mit Wiedergabe des Gesetzestextes. Thorn, Mobiliarerwerb 213; näher dazu von Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/1939) 680. Diese in Art 1141 Code civil ausdrücklich genannte Voraussetzung wird auch auf die Fälle redlichen Erwerbs nach der allgemeinen Regel des Art 2279 Code civil übertragen. Siehe Minuth, Besitzfunktionen 58 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 106 f,
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gilt für das italienische Recht, das die Übergabe der Sache (consegna) an den redlichen Erwerber verlangt und ein Besitzkonstitut nicht ausreichen läßt; der gutgläubige Erwerber muß vielmehr einen possesso materiale ed effettivo erlangen728. Schließlich ist auch nach der seller-inpossession-Regel des englischen Rechts die Übergabe der Sache an den redlichen Erwerber erforderlich, wofür eine mittelbare Besitzverschaffung in Form eines Besitzkonstituts nicht ausreichen soll729. Interessant ist, daß der gutgläubige Zweiterwerber also immer nur dann geschützt wird, wenn er „näher an die Sache herantritt“ als der erste Erwerber, der an der Sache bereits regulär Eigentum erworben hat. Eine ganz entsprechende Problematik kann sich freilich auch in jenen Rechtsordnungen stellen, die wie Österreich, Deutschland und die Schweiz vom Traditionsprinzip ausgehen, also den Übergang des Eigentums an die Übergabe der Sache knüpfen: Hat der Eigentümer und Besitzer (A) die Sache an den Ersterwerber (B) mittels Besitzkonstitut übertragen und ihm dadurch derivativ Eigentum verschafft, die bei ihm verbliebene Sache hierauf aber nochmals mittels Besitzkonstituts an einen redlichen Zweiterwerber (C) veräußert, so stellt sich die Frage, ob dem Zweiterwerber ein gutgläubiger Erwerb zuzubilligen ist. In Österreich wird ein redlicher Erwerb des C von der überwiegenden Auffassung bejaht, da alle Übertragungsformen für den redlichen Fahrniserwerb als tauglich angesehen werden730; gleiches gilt für die Schweiz731.
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212; Römer, Gutgläubiger Mobiliarerwerb 124 ff; Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 55 (2 G 207), 562 (3 B 16), 571 ff (3 B 110 ff). Argiroffi in Schlesinger, Codice civile Commentario, Art 1153-1157, 140 f; Delle Monache in Cian/Trabucchi, Codice civile7 Art 1153 V Rz 3; Thorn, Mobiliarerwerb 104 f mwN. Dazu mit Nachweisen zum divergierenden Meinungsstand Thorn, Mobiliarerwerb 109 mwN; vgl auch Guest in Benjamin’s Sale of Goods3 Rz 515. Iro, Besitzerwerb 237 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/49; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 9; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 2. OGH in SZ 11/12. Grundsätzlich auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 171 ff. Allerdings erwirbt der redliche Erwerber nach Spielbüchler, Schuldverhältnis 178 ff, 180, zunächst zwar Eigentum an der Sache, der Alteigentümer kann es aber zurückerwerben, wenn die tatsächliche Herausgabe der Sache doch noch an ihn erfolgt: Der Erwerber erlange unangreifbares Eigentum erst dann, wenn er die Sache in die Hand bekomme. Dagegen Iro, Besitzerwerb 239. Nicht ausreichend für einen redlichen Erwerb ist das Besitzkonstitut hingegen nach Auffassung von Ehrenzweig, System2 I/2, 189; Gschnitzer, Sachenrecht2 113 f; siehe auch Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 8. Differenzierend Frotz, Kastner-FS (1972) 153. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20 ff; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1766; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 82 ff; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26 f. Hingegen kommt nach Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487, in der geschilderten Fallkonstellation ein Gutglaubenserwerb des Zweitkäu-
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Berücksichtigt man, daß sich das Traditionsprinzip in den Fällen der Übergabe durch Besitzkonstitut weitgehend an das Konsensprinzip annähert732, ist dies rechtsvergleichend betrachtet ein überaus erstaunlicher Befund: Jene Rechtsordnungen, die vom Konsensprinzip ausgehen, schützen einen redlichen Erwerber nur dann, wenn ihm die Sache tatsächlich übergeben wurde, während in solchen Rechtsordnungen, die dem Traditionsprinzip folgen, nach überwiegender Auffassung für den redlichen Erwerb ein Besitzkonstitut und damit eine Übergabe durch bloße Erklärung ausreichen soll.
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fers C nicht in Betracht, da der fortbestehende Besitz des Ersterwerbers B dies verhindere. Siehe auch F.-E. Klein, Gerwig-FS (1960) 121 ff, 132, der die Zulässigkeit des Besitzkonstitutes auf jene Fälle beschränkt, in denen kein Besitzmittlungsverhältnis zum Eigentümer besteht und der nichtberechtigt Verfügende als selbständiger Besitzer handelt. Ostertag, Berner Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 17, wollte den Eigentumserwerb beim Besitzkonstitut noch generell bis zur Erlangung direkten Besitzes hinausschieben. Dazu Wacke, Besitzkonstitut 5 ff, 19 ff; derselbe, ZEuP 2000, 257 ff, 262; von Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/1939) 682 ff; vgl bereits Till, ABGB-FS II (1911) 392. Im Hinblick auf die verschiedenen Formen des „Übergabeersatzes“ faßt daher schon Heck, Sachenrecht 241, das Traditionsprinzip als bloße Traditionsmaxime auf; zu überspitzt erscheint es freilich, wenn Heck im Traditionsprinzip bloß das „historische Kostüm“ sieht, in dem das Vertragsprinzip Eingang in das geltende Recht gefunden habe. Immerhin bleibt das Erfordernis der wirklichen Übergabe als gesetzlicher Regelfall ein Seriositätskriterium, das den Eigentumsübergang nicht nur nach außen hin erkennbar machen soll, sondern auch die Ernsthaftigkeit des Übereignungswillens der Parteien dokumentiert und damit insgesamt der Sicherheit und Klarheit der sachenrechtlichen Güterzuordnung dient. Vgl dazu Wacke, Besitzkonstitut, 88, 92 f mwN; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 929 ff Rz 19 ff; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 37 1 (S 274 f); kritisch aber Spielbüchler, Schuldverhältnis 118 ff. Auch ist zu beachten, daß das Besitzkonstitut nicht stets ein vollwertiges Übergabssurrogat darstellt wie Wacke, Besitzkonstitut, insb 75 ff, 92, zu Recht betont. Im österreichischen Recht zeigt sich dies insbesondere an der Untauglichkeit des Besitzkonstituts für Pfandrechtsbestellung und Sicherungsübereignung (§ 451 f ABGB, siehe nur Koziol/ Welser, Bürgerliches Recht I12 340, 367) oder Handschenkung (§ 943 ABGB, dazu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 179; siehe aber OGH in JBl 2002, 451 [Wagner]: Besitzkonstitut reicht aus, wenn der Geschenkgeber durch spätere Erklärungen die Ernstlichkeit des Schenkungswillens dargetan hat). Schließlich sollte nicht übersehen werden, daß das Konsensprinzip von vornherein nur für die Eigentumsverschaffung an (bereits vorhandenen) Speziessachen taugt. Bei der Veräußerung künftiger Sachen oder – der häufigere Fall – von Gattungssachen bereitet die Konstruktion des Eigentumsüberganges und die sichere Feststellung seines Zeitpunktes hingegen einige Schwierigkeiten; so ist etwa bei Gattungssachen auf die Konkretisierung abzustellen. Siehe dazu Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht2 II 55 ff (2 G 208 ff); Oeckinghaus, Kaufvertrag und Übereignung 103 ff, 118 ff; von Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/1939) 689 ff.
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Anderes gilt im deutschen Rechtskreis nur für Deutschland: Ein Besitzkonstitut reicht gemäß § 933 BGB für einen Gutglaubenserwerb nämlich nicht aus. Hier ist der redliche Erwerber erst dann geschützt, wenn er die Sache vom Veräußerer übergeben erhalten hat. Ein Gutglaubenserwerb setzt also voraus, daß der Veräußerer seinen Besitz vollständig aufgegeben hat733. Beim Erwerb vom Nichtberechtigten wird das Traditionsprinzip in den §§ 932-934 BGB somit strenger durchgeführt, als bei den Grundtatbeständen der §§ 929-931 BGB734: Stets ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen solange der Veräußerer noch Besitz hat (Prinzip des vollständigen Besitzverlustes)735. Auch das deutsche Recht trägt damit dem Gedanken Rechnung, daß der redliche Erwerber nur dann zu schützen ist, wenn er näher an die Sache herantritt als der Eigentümer736. Inwieweit darin ein allgemeines Prinzip zu erblicken ist, dem man auch im österreichischen Recht Rechnung zu tragen hat, ist weiter unten in Zusammenschau mit sämtlichen Übertragungsformen zu erörtern. b) Abstrakte und kausale Tradition Sowohl das österreichische und schweizerische als auch das deutsche Recht gehen vom Trennungsprinzip aus, unterscheiden also zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft. Anders als in Österreich und der Schweiz gilt in Deutschland aber nicht das Prinzip der kausalen Übereignung, sondern das Abstraktionsprinzip737: Für eine wirksame Übertragung von Sachen733
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Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 17 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 I 2 (S 394); Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 3 b (S 372); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 933 Rz 3; MünchKomm/Quack, BGB4 § 933 Rz 6. Brehm/Berger, Sachenrecht § 26 Rz 15 ff. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 3, 17, 20; Michalski, AcP 181 (1981) 418 f; Wiegand, JuS 1974, 203, 204; Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 3 b (S 372); Frotz, Kastner-FS (1972) 153. Prinzipiell gilt dies auch in jenen Fällen, in denen ein redlicher Fahrniserwerb gemäß § 934 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruches stattfindet: Anders als in den Fällen des Besitzkonstitutes trennt sich der Veräußerer hier nämlich vollständig von seinem Besitz. Dazu bereits oben S 34 f. Zudem wird nach verbreiteter Auffassung der Schutz des Eigentümers durch die Lehre vom Nebenbesitz noch verstärkt; dazu Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 558 ff; Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 21, 24; Wieling, Sachenrecht I § 6 III 3 b (S 232 ff) jeweils mwN. Vgl § 929 BGB: „Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, daß das Eigentum übergehen soll.“ Zum Abstraktionsprinzip siehe Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 40 ff; Flume, Rechtsgeschäft4 § 12 I, III (S 152 ff, 173 ff); Heck, Sachenrecht 118 ff; Larenz, Schuldrecht II/113 § 39
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rechten wird ein gültiges schuldrechtliches Erwerbsgeschäft nicht vorausgesetzt, sondern es ist lediglich ein wirksamer dinglicher Vertrag erforderlich738. Fehlt der schuldrechtliche Titel, wird daher gleichwohl wirksam Eigentum übertragen und es kann bloß eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgen739. Während die gemeinrechtliche Lehre vom Grundsatz der iusta causa traditionis und des modus acquirendi (titulus und modus) ausging, der sich erstmals deutlich im 16. Jahrhundert bei Johann Apel740 findet und sowohl in das ALR 1794 (I 9 § 1 f; I 10 § 1)741 als auch das ABGB
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II (S 10 ff); Medicus, Allgemeiner Teil8 Rz 224 ff; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 (S 25 ff); Wieling, Sachenrecht I § 1 III 4 c (S 37 ff). Umfassend und rechtsvergleichend Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion. Gewisse Durchbrechungen erfährt das Abstraktionsprinzip in den Fällen eines Bedingungszusammenhanges, einer Geschäftseinheit oder der Fehleridentität von obligatorischem und dinglichem Rechtsgeschäft, dazu Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 50 ff; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 IV (S 31 ff); Jauernig, JuS 1994, 723 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 82 ff, 136 ff, 174 ff; Wiegand, BGH-FS I (2000) 770 ff. Eingehend zur Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäftes Grigoleit, AcP 199 (1999) 379 ff. Der Anwendungsbereich der schuldrechtlichen Bereicherungsansprüche wird dadurch wesentlich erweitert, während beim Grundsatz der kausalen Übereignung die rei vindicatio an Bedeutung gewinnt (Wieacker, DRW 6 [1941] 164). Die Versuche das Abstraktionsprinzip aus dem Kondiktionensystem abzuleiten (so etwa Randa, Eigentumsrecht2 I 290 ff) haben sich freilich als nicht überzeugend erwiesen. Auch beim Kausalprinzip behalten die Bereicherungsansprüche neben der Eigentumsklage eine eigenständige Bedeutung, so insbesondere wenn die Sache verbraucht, untergegangen oder nicht auffindbar ist. Siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 293; Klang in Klang, ABGB2 II 299; Strohal, Gültigkeit des Titels 31 ff. Die Reduktion auf beidseitige Kondiktionsansprüche wird dabei häufig geradezu als Vorteil des Abstraktionsprinzips angesehen, da es dem „Symmetriegedanken“ entspreche (dazu Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 44 f mwN). Bei Geltung des Kausalprinzips werde bei einer Rückabwicklung im Insolvenzfall hingegen der Veräußerer als Sachgläubiger vor dem Erwerber als Geldgläubiger bevorzugt. Während dem Veräußerer die Vindikation (Aussonderung) zustünde, sei der Erwerber mit der Kondiktion auf die Konkursquote beschränkt. Im österreichischen Recht ist diese „Ungleichbehandlung“ freilich deutlich abgemildert, da die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung prinzipiell nur Zug-um-Zug zu erfolgen hat und diesem Prinzip auch im Konkurs (Ausgleich) Rechnung zu tragen ist. Dazu Iro, RdW 1985, 101 ff. Zu diesem Stintzing/Landsberg, Geschichte I 287 ff, 294 ff; Balthasar in Hoeren, Entdecker 37 ff. I 9 § 1 ALR: „Die äußeren Handlungen, durch welche das Eigenthum erworben wird, bestimmen die verschiedenen Erwerbungsarten. (Modus acquirendi)“. I 9 § 2 ALR: „Der gesetzliche Grund, vermöge dessen diese äußeren Handlungen die Kraft haben, daß dadurch das Eigenthum erworben werden kann, wird der Titel des Eigenthums genannt“. I 10 § 1 ALR: „Die mittelbare Erwerbung des Eigen-
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1811 (§§ 380, 424, 425) Eingang fand742, geht das Abstraktionsprinzip auf Friedrich Carl von Savigny zurück743. In Fortentwicklung der Lehren von Hugo Donellus744 gab Savigny den römischen Quellen eine eigentümliche Deutung745 für die vor allem seine willenstheoretischen Vorstellungen maßgeblich wurden746. Savigny entwickelte den dinglichen Vertrag und reduzierte die Anforderungen an die Wirksamkeit der Übereignung auf den Willen, Eigentum zu übertragen und zu übernehmen (animus dominii transferendi et accipiendi)747. Die causa ist bloß noch Erkenntnismittel für den neben der Übergabe allein geforderten Übereignungswillen748. Die Übereignung ist damit innerlich und äußerlich abstrakt ausgestaltet749: Sie ist zweckneutral, also von ihrer wirtschaft-
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thums einer Sache erfordert, außer dem dazu nothigen Titel, auch die wirkliche Uebergabe derselben“. Zur Dogmengeschichte dieser Lehre Hofmann, Titulus und modus; Felgentraeger, Savignys Übereignungslehre 1 ff, 6 ff; J. G. Fuchs, Iusta causa 70 ff; weiters Haag Molkenteller, Dinglicher Vertrag 81 ff; Dischler, Tradition 10 ff; Meinhart, Übertragung 7 ff; Mayer-Maly, ZNR 12 (1990) 164 ff. Siehe Felgentraeger, Savignys Übereignungslehre 24 ff; Ranieri in Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation II 90 ff; J. G. Fuchs, Iusta causa 82 ff; Haag Molkenteller, Dinglicher Vertrag 86 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 49 ff. Zu Person und Werk Savignys siehe Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 381 ff mwN; informativ auch Schwarz, AcP 161 (1962) 481 ff und Prange in Hoeren, Entdecker 73 ff. Commentarius de jure civili (1596) Lib. IV Cap 16. Dazu Felgentraeger, Savignys Übereignungslehre 38; J. G. Fuchs, Iusta causa 59 ff, 89. Zu Donellus siehe Stintzing/Landsberg, Geschichte I 377 ff. Heute ist hingegen anerkannt, daß die traditio des klassischen römischen Rechtes kausal ausgestaltet war, dazu bereits oben S 79 f. Die überreiche Literatur zur viel umstrittenen causa-Problematik wurde dabei vor allem durch die berühmte Digestenantinomie D. 12.1.18 pr (Ulpian) und D. 41.1.36 (Julian) genährt (dazu insb J. G. Fuchs, Iusta causa 14 ff), der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Jemand übergibt einem anderen eine Geldsumme in der Absicht eine Schenkung vorzunehmen; der Empfänger glaubt jedoch, es handle sich um ein Darlehen. Während Ulpian in diesem Fall den Eigentumsübergang verneint, wird ein solcher von Julian bejaht. Die Vorstellung eines abstrakten dinglichen Vertrages findet sich dabei erstmals wohl in einem Scholion des Nicaeus (Nikaios) zu D 12.1.18 pr (Bas. 23.1.18) im Byzanz des 11. Jahrhunderts. Siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 II 203 FN 62; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 160; Heinrich Lange, Eigentumstradition 98 f; J. G. Fuchs, Iusta causa 22 ff. Siehe Ranieri in Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation 102 ff; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 49 f. Siehe Savigny, System des heutigen Römischen Rechts III 312 ff; derselbe, Obligationenrecht II 256 ff. Savigny, Obligationenrecht II 258 f; siehe Heinrich Lange, Eigentumstradition 3 mwN in FN 7. Zu dieser Terminologie Jahr, AcP 168 (1968) 16 f; zustimmend etwa Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 41 f; siehe dazu auch Stadler, Verkehrsschutz durch
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lichen Grundlage losgelöst750, und vom Bestand des obligatorischen Grundgeschäftes unabhängig751. Besonders deutlich wird der willensrechtliche Ausgangspunkt dieser Lehre in den Ausführungen von Leopold August Warnkönig752, welche für die Durchsetzung des Abstraktionsprinzips von großer Bedeutung waren: Wenn man nach dem Grunde frage, der einen anderen zum Herren des vorher uns zustehenden Rechtes gemacht habe, werde jedermann, Jurist oder Nichtjurist, sagen müssen, daß es der Wille dessen sei, dem das Recht zustand. Denn im Begriffe eines Rechts liege die Notwendigkeit der dem Berechtigten zustehenden freien Befugnis über dasselbe, die Freiheit es auszuüben und aufzugeben zugunsten eines Dritten. Teleologische Erwägungen und die Frage des Verkehrsschutzes spielten auf dieser Entwicklungsstufe hingegen noch keine tragende Rolle753. Als gesichert kann freilich gelten, daß sich die Ablösung des Umsatzaktes vom persönlichen Rechtsgrundverhältnis nicht so schnell durchgesetzt hätte, wenn sie nicht den damaligen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entsprochen hätte754. Während das Kausalprinzip die Interessen des Eigentümers schützt, dient das Abstraktionsprinzip nämlich jenen des Verkehrs755. So wird das Abstraktionsprinzip schon von Dernburg756, vor allem aber von
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Abstraktion 12 ff mwN. Zur umstrittenen Frage, ob die inhaltlich indifferente Einigung aus besonderen Gründen dem Verdikt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) unterliegen kann, also ausnahmsweise doch hinsichtlich ihres Wertgehalts überprüfbar ist, siehe Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 5 Rz 51; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 IV 1 (S 31 f); Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 137 ff mwN. Stilbildend die Formulierung von Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I8 787 FN 16a: „Die Tradition ist Formal- nicht Materialact. Der Wille als solcher erzeugt rechtliche Wirkung, nicht der Wille in Verbindung mit seinem Bestimmungsgrund.“ AcP 6 (1823) 111 ff, 121 f, 127 f. Bemerkenswert sind immerhin die Ausführungen Savignys, der rechtspolitischen Überlegungen grundsätzlich fern stand, in seinem System III 354 f: „Der Kauf aus Irrthum also ist dennoch ein unanfechtbarer Kauf, eine aus Irrthum entsprungene Tradition ist vollgültig. In dieser regelmäßigen Unwirksamkeit des Irrthums liegt sogar die einzige Rettung des Verkehrs gegen gränzenlose Unsicherheit und Willkühr.“ Die Aussagekraft dieser Ausführungen ist allerdings fraglich, da sie sich – worauf bereits Heck, Abstraktes Rechtsgeschäft 44 FN 5 hinweist – wohl nur generell auf die Beachtlichkeit des (Motiv)Irrtums beziehen. Kritisch auch J. G. Fuchs, Iusta causa 90 f. Anders aber Felgentraeger, Savignys Übereignungslehre 39 f. Wieacker, Industriegesellschaft 66; Wacke, Besitzkonstitut 40 FN 102; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 51 f; Ferrari, ZEuP 1994, 65 f. Rappaport, ABGB-FS II (1911) 430. Siehe AcP 40 (1857) 2, wo Dernburg bereits die praktische Bedeutung für den Schutz Dritter hervorhebt.
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Jhering757 mit den Verkehrsinteressen gerechtfertigt: Daß der Dritte auch dann Eigentümer werde, wenn sein Rechtsvorgänger auf Grund einer ungültigen causa erworben habe, sei „vielleicht einer der glücklichsten Gedanken des römischen Rechts, jedenfalls einer der festesten Anker für die Sicherheit des Eigentums“758. Explizit im Hinblick auf den Schutz von Dritterwerbern führt Jhering weiter aus: “All der Ansteckungsstoff, der ihm (dem Eigentum) auf seinem Wege und bei seiner Berührung mit der Obligation gefährlich werden könnte, entweicht in die Form der persönlichen Klagen, dh das Anfechtungsmaterial, das aus der Art, wie das Eigentum im einzelnen Fall entsteht, sich ergibt, bleibt bei den zwei sich unmittelbar gegenüberstehenden Personen zurück, das Eigentum selber aber wandelt unversehrt und intakt von einer Hand in die andere“759. Die im 19. Jahrhundert stetig zunehmende Mobilisierung der Vermögenswerte und die damit einhergehende Entwicklung eines modernen Vermögensverkehrsrechtes760 steht somit in engem Zusammenhang mit dem Siegeszug des Abstraktionsprinzips im deutschen Recht761: 1872 übernahm das preußische Gesetz über den Erwerb von Grundstücken das Abstraktionsprinzip762, ebenso das sächsische BGB (1865) und der Entwurf des bayrischen bürgerlichen Gesetzbuches (1864)763. Als man sich schließlich an die Ausarbeitung des BGB machte, war die Auffassung Savignys bereits herrschend und fand folglich in das neu geschaffene Gesetz Eingang764. Auch in den Motiven zum BGB wird dabei die Entscheidung für das Abstraktionsprinzip damit begründet, eine kausale Gestaltung der Eigentumsübertragung sei geeignet, die „Sicherheit des Rechtsverkehrs“ zu gefährden765. Die Prognose Zitelmanns766 – die Zweckmäßigkeit dieser Regelung sei so groß, daß jedes Recht früher oder später zu dieser Entscheidung kommen müsse – hat sich freilich nicht bewahrheitet. Das BGB ist mit
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Geist des Römischen Rechts III/15, 208 ff, 212 ff. Jhering, Geist des Römischen Rechts III/15, 213. Jhering, Geist des Römischen Rechts III/15, 214. Vgl dazu Coing, Europäisches Privatrecht II 89 ff. Selbst für den Bereich des ALR, welches das Kausalprinzip doch wie erwähnt ausdrücklich festschreibt, fand Savignys Lehre breite Gefolgschaft, siehe die Nachweise bei Ranieri in Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation II 92 f sowie Felgentraeger, Savignys Übereignungslehre 44 f. Zu vergleichbaren – freilich abgewehrten – Versuchen, das Abstraktionsprinzip für das österreichische ABGB zu adaptieren siehe unten FN 779. Dazu Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 89 ff. Siehe Ranieri in Coing/Wilhelm, Wissenschaft und Kodifikation II 95. Dazu Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 52 ff. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 7 = Mugdan, Materialien III 4. GerZ 1888, 210.
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seiner Gestaltungswahl allein geblieben767, das Abstraktionsprinzip ist von Beginn an auf teils heftige Kritik gestoßen768. Von besonderem Inter767
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Übernommen wurde das deutsche Abstraktionsprinzip lediglich in Griechenland und zwar bei der Übereignung beweglicher Sachen (Art 1034 ZGB; dazu Eleftheriadou, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 60 ff). Siehe bereits Strohal, JherJB 27 (1889) 335 ff; derselbe, Gültigkeit des Titels 6 ff („Das Charakteristische dieser Normierung besteht darin, daß sie sich überall dort als unbefriedigend erweist, wo sie überhaupt praktisch wird.“ [aaO 7]). Besonders intensiv war die Kritik in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, siehe Heck, Abstraktes Rechtsgeschäft; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft; Krause, AcP 145 (1939) 312 ff, 325; Heinrich Lange, DR 1935, 485 ff; derselbe, AcP 146 (1941) 28 ff; Nolte, Reform der Eigentumsübertragung. Sicherlich waren für diese Forderung nach „Rechtserneuerung“ zeitgeschichtliche Faktoren bestimmend (vgl Punkt 19 des NSDAP-Parteiprogramms „Wir fordern Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein deutsches Gemeinrecht“; hierzu Landau in Stolleis/Simon, Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus 10 ff), die sachenrechtliche Grundsatzdiskussion um das Abstraktionsprinzip wurde davon aber kaum berührt und kann als ideologiefrei bezeichnet werden (siehe Eisenhardt, Kroeschell-FS (1997) 218 ff, 230 ff; Rother, AcP 169 [1969] 2; Harrer, Sicherungsrechte 97 FN 355). Nach der kritischen Stellungnahme Beyerles, Boehmer-FS (1954) 164 ff, ist die Diskussion zwar einer „vorsichtigen Anerkennungsbereitschaft“ gewichen (so Rother, AcP 169 [1969] 2), in jüngerer Zeit ablehnend aber wiederum Wacke, Besitzkonstitut 39 f; derselbe, ZEuP 2000, 254 ff; Schindler, Kroeschell-FS (1997) 1039 ff. Positiv bewertet wird das Abstraktionsprinzip hingegen in der umfassenden Untersuchung von Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion, weiters von Peters, Jura 1986, 449 ff, und jüngst – als Replik auf Wacke – von Wieling, ZEuP 2001, 301 ff mwN in FN 20. Erwähnenswert ist im gegebenen Zusammenhang, daß die Kritik am Abstraktionsprinzip teils auch auf den dinglichen Vertrag als solchen erstreckt wurde; siehe etwa Krause, AcP 145 (1939) 312 ff; Wieacker, DRW 6 (1941) 57; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, insb 155 ff; aus jüngerer Zeit vgl Haag Molkenteller, Dinglicher Vertrag und für Österreich Harrer, Sicherungsrechte 96 f. Dieses ist mit jenem freilich nicht notwendig verbunden. Das zeigt deutlich das österreichische Recht, das für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen – trotz des Kausalprinzips – ebenfalls eine dingliche Einigung voraussetzt, siehe Klang in Klang, ABGB2 II 307 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 276 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/40; weitere Nachweise bei F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 371 FN 42; kritisch aber Harrer, Sicherungsrechte 96 f; zur Entwicklung der Lehre Meinhart, Übertragung 6 ff, 16 ff. Zuzugeben ist freilich, daß beim Kausalprinzip – anders als beim Abstraktionsprinzip, bei dem ein selbständiger dinglicher Vertrag unverzichtbar ist – die Bedeutung der dinglichen Einigung herabsinkt und zunehmend farblos wird (etwa für die Konstruktion des Eigentumsvorbehalts aber nötig bleibt). Vgl dazu Krause, AcP 145 (1939) 319 f, 324; Dulckeit, Verdinglichung 32; Larenz, Schuldrecht II/113 § 39 II c (S 20); F. Bydlinski, Larenz-FS (1973) 1030, 1033 f; derselbe in Klang, ABGB2 IV/2, 372, 374; Spielbüchler, Schuldverhältnis 105. Zu einem nicht unwesentlichen
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esse ist dabei, daß einer der wesentlichen Kritikpunkte den Funktionszusammenhang zwischen Abstraktionsprinzip und redlichem Erwerb betrifft769: Ohne Zweifel war dem Abstraktionsprinzip nämlich auch deshalb ein solch durchschlagender Erfolg beschieden, weil das gemeine Recht einen gutgläubigen Fahrniserwerb nicht kannte. Das Abstraktionsprinzip konnte daher – wie schon Heinrich Lange770 betont – jene Härten ausgleichen, die sich aus dem Prinzip „Nemo dat, quod non habet“ ergeben. Habe jeder Mangel des Grundgeschäftes die Unwirksamkeit des Eigentumserwerbs zur Folge, so werde auch kein Nachmann Eigentümer. Trete aber der Eigentumserwerb ohne Rücksicht auf solche Mängel ein, so würden es auch die späteren Erwerber unabhängig vom Streite ihrer Vormänner über das Grundgeschäft. Hier setzt nun die Kritik Langes an: Das BGB habe die verkehrsfeindliche Einseitigkeit dieses klassischen Grundsatzes bereits auf andere Weise ausgeglichen, nämlich durch die Anerkennung des gutgläubigen Erwerbs. Damit sei aber dem abstrakten Traditionsgeschäft selbst die Daseinsberechtigung abgeschnitten; denn daß auch der am Grundgeschäft beteiligte Empfänger trotz dessen Mangelhaftigkeit Eigentum erwerbe, lasse sich mit rechtspolitischen Erwägungen kaum noch rechtfertigen. Diese Einwände sind keineswegs veraltet; auch von der moderneren Dogmatik wird vielfach betont, daß die Verkehrsschutzinteressen im Sachenrecht durch die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs ausreichend
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Teil resultiert daraus der Meinungsstreit, ob die dingliche Einigung regelmäßig bereits als Bestandteil des schuldrechtlichen Grundgeschäftes aufzufassen ist, oder eine solche Einigung erst im Zeitpunkt der Übergabe gesondert (konkludent) zustandekommt (bedeutsam ist dies insbesondere bei der Problematik des einseitigen Eigentumsvorbehalts). Für eine bereits im Titelgeschäft enthaltene dingliche Einigung (mit unterschiedlichem Ansatzpunkt) Spielbüchler, JBl 1971, 592 ff; derselbe, Schuldverhältnis 101 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 425 Rz 2; F. Bydlinski, Larenz-FS (1973) 1027 ff, 1034 ff; derselbe in Klang, ABGB2 IV/2, 370 ff, 375 f; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1063 Rz 30; Baier, ÖJZ 1973, 203. OGH in ÖBA 1987, 51 (Iro); RdW 1987, 157 (Iro); SZ 67/213; NZ 1998, 136; anders noch die ältere Judikatur, siehe zuletzt OGH in JBl 1984, 671; offenlassend OGH in VersE 1733. Grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übergabe wird hingegen abgestellt von Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 290 f; Welser, JBl 1975, 219 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/40; Bollenberger, Zahlungsunfähigkeit 61 ff, 67 ff, 79 ff (ausführlich zum Meinungsstand und dem eben angesprochenen einseitigen Eigentumsvorbehalt). Siehe Strohal, JherJB 27 (1889) 389; derselbe, Gültigkeit des Titels 13 f; R. Neuner, RheinZ 14 (1926) 29; Heck, Abstraktes Rechtsgeschäft 20 ff; Heinrich Lange, DR 1935, 487; derselbe, AcP 146 (1941) 30, 37 ff; derselbe, AcP 148 (1943) 226; Wacke, Besitzkonstitut 39 f; derselbe, ZEuP 2000, 256 f; Schindler, Kroeschell-FS (1997) 1039 f sowie die Nachweise in den folgenden FN. Eigentumstradition 1 f.
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geschützt seien; diesbezüglich sei das Abstraktionsprinzip heute überflüssig771. Der Gesetzgeber des BGB habe insofern die teilweise Funktionsüberschneidung der einzelnen Rechtsinstitute nicht oder nicht in ihrer vollen Tragweite erkannt772. Es ist freilich nicht nur diese als unnötig empfundene „Verdoppelung des Verkehrsschutzes“, die bemängelt wird; vielmehr wird auch der durch das Abstraktionsprinzip gewährte Verkehrsschutz im Vergleich zum redlichen Erwerb als überzogen empfunden773: Geschützt sind Nachmänner nämlich unabhängig von ihrer Redlichkeit, also selbst dann, wenn sie um die Mangelhaftigkeit der Veräußerungskette bestens Bescheid wissen. Abstraktheit schützt eben jeden, auch den bösgläubigen Zweiterwerber774. Die Verkehrsinteressen werden dadurch – unabhängig von jeglicher Schutzwürdigkeit – allzu sehr in den Vordergrund gestellt. Im gegebenen Zusammenhang kommt es auf eine abschließende Beurteilung der Vorzüge und Nachteile des Abstraktionsprinzips freilich nicht an; dessen Bedeutung beschränkt sich selbstverständlich – wie etwa Flume775 betont – nicht auf die eben behandelten Fallkonstellationen776. Im Rahmen der hier behandelten Thematik genügt es festzuhalten, daß das Abstraktionsprinzip des BGB unbestreitbar Verkehrsschutzfunktion hat777 und einen Teilanwendungsbereich redlichen Erwerbs – nämlich die Absicherung gegen Titelmängel in der Vormännerkette – unabhängig von der Redlichkeit des Erwerbers abdeckt778. 771
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Larenz, Schuldrecht II/113 § 39 II c (S 20); Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 4 III (S 31); Ferrari, ZEuP 1993, 65 ff. Anders aber Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 354 ff, insb 377 f, 728 f; Wieling, ZEuP 2001, 304 f; Dischler, Tradition 298 ff, 303 f. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 929 ff Rz 16 ff; derselbe, AcP 190 (1990) 120, 136. Ferrari, ZEuP 1993, 66; Wiegand, AcP 190 (1990) 136. Kegel, Mann-FS (1977) 80 f, der darauf hinweist, daß dieses bedenkliche Ergebnis nur in jenen Fällen abgemildert wird, in denen der Erwerber dem Eigentümer deliktisch zu Schadenersatz verpflichtet ist. Rechtsgeschäft4 § 12 III 3 (S 176 f). Eingehend zu sämtlichen Funktionen dieses Prinzips Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion. Vgl dazu Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion, insb 252 f, 353 ff, 372 ff. Eine parallele Problematik zeigt sich auch im Zessionsrecht (vgl zum Folgenden Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 619 ff, 641 ff): Wird eine Forderung (mehrfach) weiter zediert, liegt also eine Kettenzession vor, so wird ein Drittzessionar durch das Abstraktionsprinzip vor Mängeln in der Vormännerkette geschützt. Gilt hingegen – wie in Österreich – das Kausalprinzip auch bei der Zession (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 116; Dullinger, Schuldrecht AT2 Rz 5/22), so schlagen Titelmängel bei Vorabtretungen auf alle nachfolgenden Erwerber voll durch. Auch ein Schutz redlicher Erwerber findet dabei nicht statt, da ein Gutglaubenserwerb mangels ausreichender Rechtsscheinbasis prinzipiell
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In Ländern, die – wie Österreich779 und die Schweiz780 – vom Prinzip der kausalen Tradition ausgehen, erfordert der redliche Mobiliarerwerb hingegen ein gültiges Grundgeschäft (wirksames schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft)781. Deshalb wächst hier das Bedürfnis nach einem Schutz redlicher Dritterwerber782: Hat der Erwerber (C) die Sache von einem Veräußerer (B) erworben, der sie seinerseits vom Eigentümer (A)
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ausscheidet (dazu und zu den Ausnahmen Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 119; Dullinger, Schuldrecht AT2 Rz 5/44, Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 2). Dies dürfte freilich kein allzu schwerwiegender Nachteil sein, da ein dem Sachenrecht vergleichbares Verkehrsschutzbedürfnis wohl nicht vorliegt. Auf Grund der wertpapierrechtlichen Sonderregeln besteht nämlich ohnedies die Möglichkeit, Forderungen zu „mobilisieren“ und einem redlichen Erwerb zugänglich zu machen. Immerhin ist die eben geschilderte Konstellation aber einer der Gründe, weshalb in der Schweiz bei der Zession – anders als bei der sachenrechtlichen Übereignung – überwiegend von der Geltung des Abstraktionsprinzips ausgegangen wird; siehe Schwenzer, Obligationenrecht AT Rz 90.07 ff; Girsberger in Honsell/Vogt/Wiegand, OR3, Art 164 Rz 23 ff; BG in BGE 67 II 123, 127; offen lassend BGE 84 II 355, 363 f; BGE 95 II 109, 112. Für die Geltung des Kausalprinzips auch bei der Zession aber Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Obligationenrecht AT II8 Rz 3710 ff mwN; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht2 § 2 Rz 13 ff, 18 ff (wobei jedoch trotz Mangelhaftigkeit des Verpflichtungsgeschäftes „Verfügungswirkungen kraft Vertrauensschutzes“ eintreten sollen). Ausdrücklich § 380 ABGB: „Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigentum erlangt werden.“ Dazu Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 109, 276 f, 292 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 380 Rz 1, § 424 Rz 1 ff. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde auf Grund der Ausstrahlungswirkung der deutschen Rechtsentwicklung auch in Österreich der Versuch unternommen, das Abstraktionsprinzip einzuführen: Statt eines objektiv gültigen Titels sollte ausreichen, daß die Parteien der Übereignung eine gewisse wirtschaftliche Zweckvorstellung beimessen (Lehre von der „subjektiven causa traditionis“). Dazu Rappaport, ABGB-FS II (1911) 399 ff; Till, ABGB-FS II (1911) 381 ff; Klang in Klang, ABGB2 II 299 f, jeweils mit Belegen. Angesichts der klaren Konzeption des ABGB und des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts (§§ 380, 424, 425 ABGB) war dieser Lehre freilich keine Aussicht auf Erfolg beschieden; heute wird sie daher allgemein als verfehlt angesehen, siehe F. Bydlinski, Methodenlehre2 445; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 293. Siehe Haab/Simonius, Zürcher Kommentar2 IV/1 ZGB, Art 714 Rz 16 ff, 33; Rey, Sachenrecht I2 Rz 353 f, 1689 f; Schwander in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 714 Rz 3 f; Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, ZGB12 906 f; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 320 f. Grundlegend BG in BGE 55 II 302. Österreich: Iro, Sachenrecht2 Rz 6/47; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 297. Schweiz: Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 23; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 7; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1764 f; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327. Wieacker, DRW 6 (1941) 165.
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auf Grund eines anfechtbaren Rechtstitels erstanden hat und ficht der Eigentümer A diesen Titel rückwirkend (mit sachenrechtlicher ex tunc Wirkung) an, so ist C auf einen redlichen Erwerb angewiesen. Zu beachten ist dabei, daß sich der gute Glaube des C in diesem Fall auf die fehlende Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts zwischen dem Alteigentümer A und dem Zwischenmann B beziehen muß783. Nur der gutgläubige Erwerb gewährleistet hier also die aus Verkehrsschutzgründen wichtige Absicherung der Titelkette und verhindert, daß mehrgliedrige Veräußerungsketten unnötig aufgestört werden784. Erwähnenswert ist schließlich, daß auch das anglo-amerikanische Recht in den angesprochenen Fällen den Verkehrsschutzinteressen durch die Voidable-title-Doktrin Rechnung trägt: Hat der Veräußerer die Sache vom Eigentümer auf Grund eines anfechtbaren Kausalgeschäfts erworben (voidable title) und hat der Eigentümer von seinem Anfechtungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht, so kann der Veräußerer einem gutgläubigen Dritterwerber, der die Anfechtbarkeit weder kannte noch kennen mußte, uneingeschränkt Eigentum verschaffen. In England ordnet dies Sect 23 Sale of Goods Act785, in Amerika § 2-403 (1) Uniform Commercial Code an786. Interessant ist dabei, daß auch im Bereich des Uniform Commercial Code die Regeln des redlichen Erwerbes ausdrücklich mit dem Gedanken des Verkehrsschutzes begründet werden: Ein 783
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Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6. Im deutschen Recht normiert dies ausdrücklich § 142 Abs 2 BGB, wobei sich die Problematik freilich nur dann stellt, wenn das Verfügungsgeschäft selbst angefochten werden kann: Wird angefochten, so ist die Übereignung von Anfang an nichtig, der Dritterwerber hat vom Nichtberechtigten erworben und bedarf des Gutglaubensschutzes. Nach § 142 Abs 2 BGB wird derjenige, der die Anfechtbarkeit kannte oder kennen mußte, dabei so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Die Voraussetzungen der Bösgläubigkeit ergeben sich bei beweglichen Sachen aus § 932 BGB. Es schadet also grobe Fahrlässigkeit, wobei Bezugspunkt der Bösgläubigkeit jene Tatsachen sind, welche die Anfechtbarkeit begründen. Siehe Staudinger/Roth, BGB (2003) § 142 Rz 40 f; MünchKomm/Mayer-Maly/Busche, BGB4 § 142 Rz 19 f; Flume, Rechtsgeschäft4 § 31, 1 (S 558); Grigoleit, AcP 199 (1999) 382 ff. Vgl dazu Peters, Entzug des Eigentums 79. Sect 23 Sale of Goods Act: „When the seller of goods has a voidable title to them, but his title has not been avoided at the time of the sale, the buyer acquires a good title to the goods, provided he buys them in good faith and without notice of the seller’s defect of title.” Dazu Guest in Benjamin’s Sale of Goods3 Rz 474 ff; Middleton, England, in: von Bar, Sachenrecht in Europa I 180; Thorn, Mobiliarerwerb, 208 f. § 2-403 Satz 2 UCC: „A person with voidable title has power to transfer a good title to a good faith purchaser for value.“ Dazu Pfetsch, Gutglaubensschutz 32 ff, 40 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 209 f; Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 369 ff.
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Gutglaubensschutz bestehe nicht deshalb, weil der konkrete Erwerber auf Grund der vorliegenden Umstände schutzwürdig erscheine, sondern weil die Interessen der Allgemeinheit an der reibungslosen und ungestörten Abwicklung des Rechtsverkehrs dies fordern. Der Rechtsverkehr solle nicht mit dem Risiko einer für ihn oft unaufklärbaren Rechtslage belastet werden787. Besonders betont wird dieser Punkt von Gilmore, der an der Abfassung des Uniform Commercial Codes maßgeblich beteiligt war: „he [the bona fide purchaser] serves a commercial function: he is protected not because of his praiseworthy character, but to the end that commercial transactions may be engaged in without elaborate investigation of property rights and in reliance on the possession of property by one who offers it for sale or to secure a loan“788. Auch hier bestätigt sich somit die bereits oben vorgenommene Abwägung, welche die zentrale Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips gezeigt hat789. B. Verkehrsschutzprinzip und Systematik des redlichen Mobiliarerwerbs 1. Überblick Das Bedürfnis nach Verkehrsschutz ist keine feststehende Größe, sondern von der Art des Warenverkehrs und Handels abhängig. Schon rechtshistorisch zeigt sich dies daran, daß die Entwicklung des redlichen Erwerbes gerade in den deutschen Handelsstädten entscheidend vorangetrieben wurde und bereits im Mittelalter den unterschiedlichen Verkehrsschutzbedürfnissen in recht differenzierter Weise Rechnung getragen wurde: Zu erwähnen sind etwa die besonderen Vorschriften für den Marktkauf oder für über die See eingeführte Waren790. Ebenso hat sich rechtsvergleichend gezeigt, daß das Ausmaß des gewährten Verkehrsschutzes einerseits von der Art der betroffenen Sache, andererseits von der Art des Erwerbsvorgangs abhängt791:
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Ausführlich zur rechtspolitischen Rechtfertigung des UCC Pfetsch, Gutglaubensschutz 132 ff mwN. Gilmore, Yale L. J. 63 (1954) 1057. Folgerichtig trägt der UCC auch der Abstufbarkeit des Verkehrsschutzbedürfnisses Rechnung (dazu bereits oben S 23 ff) und privilegiert den Erwerb von einem Händler in § 2-403 (2) UCC: “Any entrusting of possession of goods to a merchant who deals in goods of that kind gives him power to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business”. Dazu Pfetsch, Gutglaubensschutz 111 ff. Siehe oben S 63 ff. Ausführlich oben S 89 f. Vgl dazu ausführlicher bereits oben S 23 ff. Siehe zum Folgenden mit weiteren Nachweisen auch Thorn, Mobiliarerwerb 177 ff, 194 f, 196 ff.
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So finden sich in zahlreichen Rechtsordnungen – wie beispielsweise in Österreich (§ 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB), Deutschland (§ 935 Abs 2 BGB), der Schweiz (Art 935 ZGB), Griechenland (Art 1039 Satz 1 ZGB) oder den Niederlanden (Art 3:86 III lit b, Art 3:87 Abs 2 BW) – Sondervorschriften für Geld und Inhaberpapiere, die offensichtlich darauf beruhen, daß deren Umlauffähigkeit gesteigert werden soll, weshalb ein redlicher Erwerb selbst in Diebstahlsfällen zugelassen wird. Ebenso wird regelmäßig der Erwerb im Handel besonders privilegiert, so in Österreich (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB, § 366 HGB), Deutschland (§ 366 dHGB), der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB), Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil), Spanien (Art 85 Código de comercio) oder Griechenland (Art 1039 Satz 2 BGB). Dabei wird teils ein Erwerb auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zugelassen (Österreich, § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB; Spanien, Art 85 Código de comercio; Griechenland, Art 1039 Satz 2 BGB) oder in solchen Fällen zumindest ein Lösungsrecht vorgesehen (Frankreich, Art 2280 Abs 1 Code civil; Schweiz, Art 934 Abs 2 ZGB). In Deutschland erfolgt eine – eher bescheidene – Privilegierung des Handels wenigstens durch eine Erweiterung des Schutzes auf den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Kaufmannes (§ 366 dHGB); gleiches gilt in Österreich für einen Erwerb von einem Kaufmann (§ 366 HGB). Selbst das portugiesische Recht, das im übrigen ganz dem römisch-rechtlichen Vindikationsgrundsatz folgt, berücksichtigt die erhöhten Verkehrsinteressen durch ein Lösungsrecht beim Erwerb im Handelsverkehr (Art 1301 Código civil). Eine besondere Privilegierung des Konsumentenkaufes, wie sie das niederländische Recht in der Regel über den consumentenkoop (Art 3:86 Abs 3 lit a BW) vorsieht, bei dem auch ein redlicher Erwerb gestohlener Sachen geschützt wird, erscheint hingegen – auch wenn sie dem derzeit so favorisierten Gedanken des Verbraucherschutzes entsprechen mag792 – rechtspolitisch nicht glücklich. Vorzuziehen ist es vielmehr für alle Erwerber, unabhängig davon ob sie als Konsumenten oder Unternehmer handeln, grundsätzlich dieselben Regeln anzuwenden. Den unterschiedlichen Absatzstufen und Erwerbergruppen ist erst bei den an die Redlichkeit zu stellenden Anforderungen in typisierter Weise Rechnung zu tragen793. Sondervorschriften finden sich häufig schließlich auch für die öffentliche Versteigerung, wo ein gutgläubiger Erwerb auch an abhanden gekommenen Sachen zugelassen wird, so in Österreich (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB; 366 Abs 4 Satz 2 HGB), Deutschland (§ 935 Abs 2 BGB) und 792
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Kritisch dazu F. Bydlinski, System und Prinzipien 708 ff, 718 ff; derselbe, JBl 1996, 693 ff; Koziol, Mayrhofer-FS (2002) 101 ff. Dazu ausführlich unten S 408 f.
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Griechenland (Art 1039 Satz 2 ZGB), oder in diesen Fällen zumindest ein Lösungsrecht angeordnet wird wie in der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB) oder in Spanien (Art 464 Abs 2 Código civil). All diese Regeln zeigen, daß das Bedürfnis nach Verkehrsschutz abstufbar ist und dies auch durchaus in der Gesetzgebung berücksichtigt wird. Erklären sich die Sonderregeln für Geld und Inhaberpapiere mit dem gesteigerten Bedürfnis nach Umlauffähigkeit solcher Sachen, tritt beim Verkehrsschutz im Handel und in öffentlicher Versteigerung ein weiteres Moment hinzu: Stellt eine gesetzliche Regelung auf einen Erwerb „von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmann“ (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB), von einem „Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ (Art 934 Abs 2 Schweizer ZGB; Art 2280 Abs 1 des französischen Code civil; Art 1301 des portugiesischen Código civil) oder die Veräußerung durch einen „Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes“ (§ 366 Abs 1 HGB; § 366 Abs 1 dHGB) ab, so wird dadurch nicht nur dem gesteigerten Verkehrsschutzinteresse im Handel Rechnung getragen, sondern zugleich berücksichtigt, daß in diesen Fällen ein verstärkter Rechtsscheintatbestand vorliegt, der über den bloßen Besitz der Sache hinausgeht und auch einen erhöhten Vertrauensschutz rechtfertigt. Überindividueller Verkehrsschutz und konkreter Vertrauensschutz weisen also in dieselbe Richtung und rechtfertigen daher eine besondere Privilegierung des redlichen Erwerbs. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß selbst jene Stimmen, die einem redlichen Fahrniserwerb generell sehr skeptisch gegenüberstehen, die Fälle eines redlichen Erwerbs im Handel sowie an Geld und Inhaberpapieren wegen des erhöhten Verkehrsinteresses von ihrer Kritik weitgehend aussparen794. Auch wenn das Verkehrsschutzprinzip selbstverständlich keineswegs zwingend festlegt, ob und in welchem Ausmaß eine Rechtsordnung einen redlichen Mobiliarerwerb zulassen soll, so hilft es doch die für einen Gutglaubensschutz maßgeblichen Kriterien besser herauszuarbeiten und aufzuzeigen, daß diese in unterschiedlichem Ausmaß vorliegen können. Auf diese Weise läßt sich feststellen, ob es einer Rechtsordnung gelungen ist, ein kohärentes und möglichst widerspruchsfreies System auszubilden, das den maßgeblichen Kriterien in ausreichendem Maß Rechnung trägt. Gerade dann, wenn Ordnungsfunktionen des Rechts in den Vordergrund treten und damit stärker schematisierende Regelungen erforderlich sind, ist das Prinzip der Gleichbehandlung und Widerspruchsfreiheit nämlich das entscheidende Kriterium für eine möglichst gerechte Lösung.
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Siehe etwa Peters, Entzug des Eigentums 7, 77 f, 79 ff, 84 f.
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2. Österreichisches Recht Den unterschiedlichen Verkehrsschutzbedürfnissen trägt auch das österreichische Recht Rechnung und berücksichtigt dabei sowohl das erhöhte Verkehrsinteresse bei einem Erwerb im Handel als auch die Umlauffähigkeit der betreffenden Sache: Im Grundfall des gutgläubigen Fahrniserwerbs – dem Erwerb vom Vertrauensmann gemäß § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – schützt das Gesetz dem Hand-wahre-Hand-Prinzip folgend den Erwerber nur in jenen Fällen, in denen der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat. Für den Schutz des redlichen Erwerbers ist also erforderlich, daß der Eigentümer die erforderliche Vertrauensgrundlage in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat; zugleich wird dadurch dem Eigentümer die wenigstens abstrakte Möglichkeit der Risiko- und Gefahrenbeherrschung eröffnet795. Hält man sich vor Augen, daß das ABGB mit § 367 Satz 1 Fall 2 (Erwerb vom befugten Gewerbsmann) den Erwerb im Handel besonders privilegiert, so zeigt sich, daß es beim Erwerb vom Vertrauensmann um Veräußerungsgeschäfte durch Privatpersonen geht. Bei einem solchen Erwerb von Privaten besteht aber kein gesteigertes Verkehrsschutzbedürfnis – insbesondere bedarf es keiner dem Handel vergleichbaren raschen und möglichst unkomplizierten Abwicklung –, weshalb sich das Gesetz durch die Berücksichtigung der Risiko- und Gefahrenbeherrschung verstärkt um einen Ausgleich von Eigentümerund Erwerberinteressen bemüht. Beim Erwerb im Handel trägt das ABGB den im Vergleich zum Erwerb von Privatpersonen deutlich erhöhten Verkehrsinteressen hingegen sehr weitgehend Rechnung: Gemäß § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB ist ein gutgläubiger Erwerb von einem befugten Gewerbsmann auch dann geschützt, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen oder sonst abhanden gekommen ist. Die Interessen des Eigentümers treten also in den Hintergrund. Ausschlaggebend sind allein das gesteigerte Verkehrsschutzinteresse und der Vertrauensschutz des redlichen Erwerbers, dessen Schutz von Abwägungskriterien (Anvertrauen, Abhandenkommen), die er weder erkennen noch beeinflussen kann, völlig losgelöst ist. Gleiches gilt für den Erwerb in öffentlicher Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1). In den genannten Fällen berücksichtigt das Gesetz überdies die unterschiedliche Stärke des Rechtsscheintatbestandes, die anders als beim Vertrauensmann in den Fällen des Gewerbsmannes und der öffentlichen Versteigerung auf Grund der objektiven Umstände deutlich erhöht ist. Dies ist auch der Grund, warum das ABGB in § 824 den Erwerb vom Scheinerben besonders privilegiert796. 795 796
Dazu ausführlich unten S 240 ff und S 246 ff. Die zu Unrecht erfolgte Einantwortung stellt nämlich einen besonders starken Rechtsscheintatbestand dar; siehe dazu noch unten FN 817.
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Verkehrsschutz
Schließlich berücksichtigt das ABGB in § 371 auch die gesteigerte Umlauffähigkeit von Geld und Inhaberpapieren: Ohne daß es auf eine der drei Varianten des § 367 ABGB ankommt, wird ein redlicher Erwerb geschützt, sofern nur ein gültiger Titel und die Übergabe vorliegen. Während ein Schutz des redlichen Erwerbers zu Lasten des wirklichen Rechtsinhabers grundsätzlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Erwerber ein Vermögensopfer erbracht hat oder zumindest ein entgeltlicher Titel vorliegt, wird in den Fällen besonders gesteigerter Umlaufinteressen (§ 371 ABGB) oder eines besonders starken Rechtsscheintatbestandes (§ 824 letzter Satz ABGB) nach überwiegender Ansicht sogar ein unentgeltlicher Erwerb geschützt797. Mit den genannten Regeln hat das ABGB in überzeugender und widerspruchsfreier Weise berücksichtigt, daß das Verkehrsschutzinteresse – je nach der Größe des Umlaufinteresses und der konkreten Ausprägung der Vertrauensgrundlage – abstufbar ist. Die Sonderregel des § 366 HGB – Erwerb von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes – fügt sich in die aufgezeigte Systematik hingegen nicht nahtlos ein: Obwohl das Verkehrsschutzbedürfnis völlig ident ist, wird beim Erwerb von einem Kaufmann – im Gegensatz zum Erwerb von einem befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) – ein redlicher Erwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen ausgeschlossen. § 366 HGB beruht damit auf dem Hand-wahre-Hand-Prinzip, welches das ABGB nur beim Erwerb vom Vertrauensmann (§ 367 Satz 1 Fall 3), der die Fälle eines Erwerbs von Privatpersonen betrifft, gewählt hat. Diese Diskrepanz kann nur historisch erklärt werden: § 366 HGB wurde im Jahr 1938 aus dem deutschen Recht übernommen798, das den Handelsverkehr im Vergleich zu den Regeln des BGB nur relativ geringfügig – nämlich durch die Ausdehnung des Schutzes auf den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers – privilegiert. Darauf, ob diese Ausgestaltung des redlichen Fahrniserwerbs mit der vom ABGB gewählten Konzeption in Einklang zu bringen ist, wurde offenkundig in keiner Weise geachtet. Vielmehr hat man sich damit begnügt, auf die subsidiäre Geltung des bürgerlichen Rechtes hinzuweisen (§ 366 Abs 5 HGB). 797
798
So zu § 371 ABGB: OGH in SZ 61/158 = ÖBA 1989, 428 (Kerschner) = JBl 1989, 102; Ehrenzweig, System2 I/2, 190; F. Bydlinski, QuHGZ III/1981, 53; Frotz, Kastner-FS (1972) 147 FN 34; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 371 Rz 4. Für Entgeltlichkeit aber Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 371 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 230 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/60. Zu § 824 letzter Satz ABGB: Zeiller, Kommentar II/2, 874; Schwimann/Eccher, ABGB2 § 824 Rz 4; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 539; derselbe in Rummel, ABGB3 § 824 Rz 30. Siehe die „Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich“ vom 24. 12. 1938, dRGBl 1938 I 1999 = GBlÖ 1939/86.
Dogmatische Bedeutung des Verkehrsschutzprinzips
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Der Wertungswiderspruch zwischen § 367 ABGB und § 366 HGB scheint noch dadurch verschärft zu werden, daß der gute Glaube beim Erwerb von einem Kaufmann gemäß § 366 Abs 1 HGB erst bei grober Fahrlässigkeit des Erwerbers ausgeschlossen wird, während nach herrschender Ansicht in allen Fällen des § 367 ABGB bereits leichte Fahrlässigkeit schadet799. Bei näherer Betrachtung werden durch diese unterschiedlichen Redlichkeitsmaßstäbe die bestehenden Wertungswidersprüche aber eher abgemildert800: Einerseits wird den im Vergleich zum Erwerb vom Vertrauensmann gesteigerten Verkehrsinteressen im Handel immerhin durch einen gelockerten Redlichkeitsmaßstab Rechnung getragen. Eine solche Lockerung der an den Erwerber zu stellenden Anforderungen erscheint um so mehr gerechtfertigt, als § 366 Abs 4 Satz 1 HGB den Eigentümerinteressen durch den Ausschluß eines redlichen Erwerbs an abhanden gekommenen Sachen Rechnung trägt. Anderseits wird beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann, der keine solche Berücksichtigung der Eigentümerinteressen kennt, der Schutz des Eigentümers wenigstens dadurch verstärkt, daß an die Redlichkeit des Erwerbers besonders strenge Anforderungen gestellt werden. Sowohl § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB als auch § 366 HGB sehen somit eine besondere Privilegierung des Erwerbs im Handel vor, die aber unterschiedlich umgesetzt wird: Bei § 366 HGB durch Lockerung der an die Redlichkeit des Erwerbers zu stellenden Anforderungen, bei § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB durch einen Verzicht auf die Berücksichtigung der Risiko- und Gefahrenbeherrschung durch den Eigentümer. Beide Kriterien zu kombinieren – und auch beim Erwerb vom Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB noch die Anforderungen an die Redlichkeit des Erwerbers herabzusetzen – erschiene hingegen eine allzu weitgehende Privilegierung des Erwerbers, die den Eigentümerinteressen durch keinerlei Kautelen mehr Rechnung trüge.
799
800
Apathy, NZ 1989, 137 ff, 140; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff, 147 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/50; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 234, 296. AA Ehrenzweig, System2 I/2, 190; Gschnitzer, Sachenrecht2 11; Schey/Klang in Klang, ABGB2 II 92 f; Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff, 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f. Näher dazu unten S 396 ff. Vgl schon Iro, Besitzerwerb 150 f.
§ 4 Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
I. Ausgangspunkt und Gang der weiteren Untersuchung Betrachtet man den Grundfall redlichen Fahrniserwerbs – den Erwerb vom Vertrauensmann (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB)801 – so liegt es nahe, diesen aus der Sicht der modernen Dogmatik als Ausprägung des Rechtsscheinprinzips aufzufassen802. In diesem Sinne hat schon Frotz803 zu Recht hervorgehoben, daß ein Gutglaubenserwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB alle Voraussetzungen des Rechtsscheinprinzips in geradezu klassischer Weise erfordert: Besitz als Rechtsscheingrundlage, Anvertrauen als Zurechnungserfordernis, Redlichkeit des Erwerbers. Gleiches gilt für die Regelung des HGB, sowie das deutsche und schweizerische Recht: § 366 Abs 4 Satz 1 HGB und § 935 Abs 1 BGB schließen einen redlichen Erwerb an abhanden gekommenen Sachen aus; Art 933 ZGB stellt wie § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB darauf ab, daß die Sache dem Veräußerer „anvertraut worden war“. In allen genannten Vorschriften wird somit dem Gedanken Rechnung getragen, daß durch den Rechtsschein nur derjenige belastet wird, der diesen in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat804. 801
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Daß dies der Kerntatbestand der gesetzlichen Regel ist, betont schon Wellspacher, Vertrauen 168 f; ebenso Frotz, Kastner-FS (1972) 147. Ausführlicher dazu bereits oben S 67 f. So vor allem Frotz, Kastner-FS (1972) 131 ff, 146 ff. Zum deutschen Recht siehe insbesondere H. Westermann, JuS 1963, 1 ff; Wiegand, JuS 1974, 201 ff; derselbe, JuS 1978, 145 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 7 ff; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III (S 366 ff); Wolff/Raiser, Sachenrecht10 250. Für die Schweiz Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 34; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1763. Die Rechtsscheinkonzeption ablehnend Ernst, Gernhuber-FS (1993) 95 ff; vgl auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6, der aber der Besitzverschaffungsmacht („Fähigkeit das Erwerbsgeschäft zu erfüllen“) entscheidende Bedeutung beimißt. Kastner-FS (1972) 146 f. Anders als in Österreich (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, § 366 Abs 4 HGB) und Deutschland (§ 935 Abs 1 BGB, § 366 Abs 1 dHGB) ist in der Schweiz ein redlicher Erwerb bei abhanden gekommenen Sachen aber nicht völlig ausgeschlos-
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Von diesem Konzept weichen § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 2 HGB (Erwerb in öffentlicher Versteigerung) und § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB (Erwerb vom befugten Gewerbsmann) ab. In diesen Fällen ist ein redlicher Erwerb nämlich auch an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zulässig; gleiches gilt für Geld und Inhaberpapiere nach § 371 ABGB sowie § 366 Abs 4 Satz 2 HGB. Entsprechende Sonderregeln finden sich auch im deutschen Recht für die öffentliche Versteigerung sowie Geld und Inhaberpapiere (§ 935 Abs 2 BGB), in der Schweiz für Geld und Inhaberpapiere (Art 935 ZGB). Seine Begründung findet dieser Verzicht auf jegliche Zurechnungsgrundlage im Bedürfnis nach einem verstärkten Verkehrsschutz, da teils eine erhöhte Umlauffähigkeit (Geld, Inhaberpapiere) erreicht werden soll, teils eine besondere Privilegierung des Handels bezweckt wird. Überdies ist zu beachten, daß beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung ebenso wie beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann eine im Vergleich zum Erwerb vom Vertrauensmann deutlich verstärkte Rechtsscheingrundlage vorliegt. Versucht man auch diese Regeln in die Systematik des Rechtsscheinprinzips einzupassen, so handelt es sich um Fälle des sogenannten „reinen Rechtsscheinprinzips“, da bei diesem auf das Erfordernis der Zurechnung verzichtet wird805. Sieht man den redlichen Fahrniserwerb als Anwendungsfall des Rechtsscheinprinzips, so stellt sich die Frage, was mit einer solchen Systematisierung gewonnen ist und welche Konsequenzen daraus gezogen werden können. In erster Linie relevant ist dabei die Frage, ob die allgemeinen Grundsätze, die für die Rechtsscheinhaftung entwickelt wurden806, auch für den gutgläubigen Mobiliarerwerb fruchtbar gemacht werden können oder durch genuin sachenrechtliche Wertungsgesichtspunkte überlagert werden807. Darauf ist in den folgenden Kapiteln näher einzugehen, wobei sich für die Untersuchung folgender Ablauf empfiehlt: In einem ersten Schritt ist es erforderlich, die Fälle der Rechtsscheinhaftung von jenen des gutgläubigen Erwerbes abzugrenzen (II). Hierauf ist zu untersuchen, inwieweit der Besitz des Veräußerers tatsächlich eine für den gutgläubigen Erwerb geeignete Rechtsscheingrundlage darstellen kann (III), in welchem Umfang eine allfällige Rechtsscheinwirkung eintritt (IV) und in welchen Fällen der Gutglaubensschutz zu
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sen, sondern gemäß § 934 ZGB nur an das Verstreichen einer fünfjährigen Verwirkungsfrist geknüpft, dazu näher oben S 36. Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 471 f, der in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf § 935 Abs 2 BGB hinweist. Vgl auch H. Westermann, JuS 1963, 6. Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung, 411 ff, 490 ff. Vgl Hager, Verkehrsschutz 3 ff. Den eigenständigen Charakter des Gutglaubenserwerbs betont auch Canaris, Vertrauenshaftung 3.
Abgrenzung zur Vertrauenshaftung
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erweitern ist (V)808. Nach dieser Untersuchung der Rechtsscheinposition ist im folgenden § 5 der Erwerb vom Vertrauensmann und das dieser Konzeption zugrundeliegende Zurechnungsprinzip zu erörtern. In § 6 werden jene Erwerbsfälle untersucht, in denen wegen des Vorliegens eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes auf eine solche Zurechnung verzichtet wird. Nach der Untersuchung des Zusammenhanges zwischen den objektiven Voraussetzungen redlichen Fahrniserwerbs und dem Rechtsscheinprinzip, ist in § 7 zu erörtern, inwieweit die für den Eigentumserwerb notwendigen Übertragungsformen in dieses Konzept eingefügt werden können. § 8 widmet sich schließlich der Frage nach den Voraussetzungen und dem Maßstab der Redlichkeit, also der subjektiven Seite des Erwerbsvorganges.
II. Abgrenzung zur Vertrauenshaftung A. Formale Abgrenzung und gutgläubiger Forderungserwerb Unternimmt man den Versuch, Gutglaubenserwerb und Rechtsscheinhaftung voneinander abzugrenzen, so ist mit Canaris809 darauf abzustellen, daß die Rechtsfolge der Rechtsscheinhaftung in der Begründung einer Verpflichtung besteht, jene des Gutglaubenserwerbs hingegen im Verlust eines Rechtes. Eine solche bloß negative Abgrenzung erscheint auf den ersten Blick sehr formal; für das Verständnis des redlichen Erwerbes ist sie gleichwohl von großer Bedeutung. Dies zeigt sich, wenn man einen vergleichenden Blick auf die Problematik des gutgläubigen Forderungserwerbs wirft. Gegen die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs von Forderungen wird nämlich zuweilen eingewendet, ein solcher käme schon deshalb nicht in Betracht, weil eine Erstreckung des § 367 ABGB auf Forderungen zu einer Gläubigervermehrung auf Kosten des Schuldners führen würde810. Ein gutgläubiger Erwerb im eigentlichen Sinn setzt nun aber den Verlust und Erwerb eines bestehenden Rechtes voraus. Zu einer Verdoppelung der Gläubigerstellung kann es deshalb gar nicht kommen, da bloß die Rechtszuständigkeit wechselt: Der wirklich berechtigte Forderungsinhaber verliert sein
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Zu den Abschnitten IV und V bereits Karner, JBl 2004, 486 ff. Vertrauenshaftung 3. Siehe etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 119; Ertl in Rummel, ABGB3 § 1394 Abs 2, die dabei aber offenbar den Fall einer zum Schein begründeten Forderung, also einen Fall der Rechtsscheinhaftung, vor Augen haben; siehe dazu noch unten FN 813.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Recht zu Lasten des redlichen Erwerbers, dem die Forderung nun zusteht811. Deutlich zeigt sich dies in der folgenden Fallkonstellation, in der ein redlicher Forderungserwerb ausnahmsweise zulässig ist: Wird eine bestehende Forderung vom Zedenten A bloß zum Schein an den Zessionar B abgetreten, der diese an den gutgläubigen C weiterzediert, so kann dem C die Einrede des Scheingeschäfts nicht entgegengehalten werden (§ 916 Abs 2 ABGB)812. Die Verwirklichung eines Rechtsscheintatbestandes führt somit zu einem echten Fall gutgläubigen Forderungserwerbs im Zessionsrecht813. Entsprechendes gilt im übrigen auch für die Scheinübertragung von Sachen, so daß ein gutgläubiger Erwerb nach § 916 Abs 2 ABGB stattfindet, ohne daß es auf die Regeln über den redlichen Mobiliarerwerb (§§ 367, 371 ABGB, § 366 HGB) ankäme814; geschützt wird insbesondere auch der unentgeltliche Erwerb, da der wahre Berechtigte, der die Scheinhandlung gesetzt hat, nicht schutzwürdig ist815. Der Grund für die prinzipielle Ablehnung eines redlichen Erwerbes an Forderungen besteht somit nicht im Gedanken des Schuldnerschutzes, da eine sachlich nicht gerechtfertigte „Gläubigervermehrung“ nicht zu be811
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So zu Recht auch Kundi, Rechtsgeschäftliche Zession hypothekarisch gesicherter Forderungen 16, 87. Nicht ausreichend differenziert hingegen Micheler, Wertpapierrecht 66. Ebenso im deutschen Recht gemäß § 405 BGB analog, siehe RG in RGZ 90, 274, 278 f; Canaris, Vertrauenshaftung 93 f, 102 mwN. Gleiches gilt in der Schweiz gemäß Art 18 Abs 2 OR analog (bei formrichtigem Abtretungsvertrag), siehe BG in BGE 23, 842 f; Jäggi/Gauch, Zürcher Kommentar3 V/1b OR, Art 18 Rz 263; A. Koller, Guter und böser Glaube Rz 642; derselbe, Pedrazzini-FS (1990) 328 FN 20; Wiegand in Honsell/Vogt/Wiegand, OR3, Art 18 Rz 135. Canaris, Vertrauenshaftung 93 f, 102. Hingegen geht es im Fall der Zession einer bloß zum Schein begründeten Forderung an einen gutgläubigen Dritten (siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 119; Ertl in Rummel, ABGB3 § 1394 Rz 2; OGH in SZ 28/242) nicht um einen Gutglaubenserwerb, sondern um einen Fall der Rechtsscheinhaftung. Besonders gut veranschaulichen läßt sich der Unterschied auch am Beispiel des Wechselrechts, wo Art 16 Abs 2 WG einen gutgläubigen Erwerb ermöglicht, der Einwendungsausschluß nach Art 17 WG hingegen eine Rechtsscheinhaftung anordnet: Art 16 WG betrifft somit die Frage, wem das Eigentum und damit das (bestehende) Recht aus dem Wechsel zusteht, also das Verhältnis zwischen mehreren möglichen Wechselinhabern. Bei der Problematik des Einwendungsausschlusses nach Art 17 WG geht es hingegen um das Verhältnis von Gläubiger und Schuldner, nämlich um die Frage, ob die Verpflichtung vom Schuldner bestritten werden kann, weil die Forderung nicht besteht oder mit Einwendungen behaftet ist. Siehe Canaris, JuS 1971, 445, 447; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 8 IV 2 c (S 91). Gschnitzer in Klang, ABGB2 IV/1, 422; Rummel in Rummel, ABGB3 § 916 Rz 4; ebenso zum deutschen Recht Canaris, Vertrauenshaftung 94. Gschnitzer in Klang, ABGB2 IV/1, 422.
Abgrenzung zur Vertrauenshaftung
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fürchten steht, sondern darin, daß eine ausreichend typisierte Rechtsscheinbasis regelmäßig fehlt816. Hat der Gläubiger hingegen – wie in dem eben dargelegten Zessionsbeispiel – einen ausreichend starken Rechtsschein in zurechenbarer Weise selbst geschaffen, ist ein redlicher Forderungserwerb ebensowenig bedenklich wie bei jener Fallgruppe, in der eine typisierte Rechtsscheinbasis durchaus vorliegt817, nämlich bei Wertpapieren818: Die Verkörperung des Rechtes in einer Urkunde ermöglicht es hier, die Übertragung des Rechtes den Vorschriften des Sachenrechtes zu unterstellen und wegen des in der Urkunde liegenden Scheintatbestandes die Regeln über den gutgläubigen Erwerb zur Anwendung zu bringen819. Dementsprechend können Inhaberpapiere nach § 371 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 2 HGB, §§ 932 ff iVm § 935 Abs 2 BGB und Art 935 ZGB redlich erworben werden820. 816
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Wiegand, JuS 1974, 549; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht2 § 2 Rz 45, § 4 Rz 2; F. Bydlinski, System und Prinzipien 508. Die Versuche von Wellspacher, Vertrauen 190 ff, 196 ff; Löbl, ZBl 1929, 187 ff und Moecke, Gutgläubiger Forderungserwerb 63 ff, 74 ff, das Zessionsrecht einem redlichen Erwerb generell zugänglich zu machen, haben sich deshalb de lege lata als nicht haltbar erwiesen. So ist der von Wellspacher als Rechtsscheingrundlage herangezogene Schuldschein („Publizitätsfunktion der Schuldurkunde“) ein bloßes Beweismittel, das weder zur Verfügung über das Recht noch zu seiner Geltendmachung erforderlich ist und daher keine geeignete Grundlage für einen Gutglaubenserwerb darstellen kann. Gegen Moecke (analoge Anwendung der wertpapierrechtlichen Regeln auf die Abtretung) Canaris, Vertrauenshaftung 98 FN 64; A. Koller, Guter und böser Glaube Rz 642 FN 807. Neben den sogleich näher zu behandelnden Wertpapieren, ist aus diesem Grund auch vom Scheinerben (§ 824 letzter Satz ABGB) ein gutgläubiger Erwerb von (Erbschafts-) Forderungen möglich, da die durch Gerichtsbeschluß zu Unrecht erfolgte Einantwortung einen ausreichend starken Rechtsscheintatbestand darstellt; siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 539; Welser in Rummel, ABGB3 §§ 823, 824 Rz 31; Wellspacher, Vertrauen 187 f. Ebenso ermöglicht in Deutschland der öffentliche Glaube des Erbscheins (§§ 2366 f BGB) einen redlichen Erwerb von zur Erbschaft gehörigen Forderungen; siehe Wiegand, JuS 1975, 284; Lange/Kuchinke, Erbrecht5 § 39 VII 3 b (S 1034 f). Zur Möglichkeit eines gutgläubigen Forderungserwerbs im Vertrauen auf den Grundbuchsstand, auf den im gegebenen Zusammenhang nicht näher eingegangen werden kann, ausführlich Kundi, Rechtsgeschäftliche Zession hypothekarisch gesicherter Forderungen 81 ff, 137 ff. Zum gutgläubigen Erwerb im Effektengiro vgl nun Micheler, Wertpapierrecht 168 ff, 212 ff. Grundlegend und umfassend zur Rechtsscheinwirkung der Wertpapiere Jacobi in Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 135 ff, speziell zum redlichen Erwerb 148 ff (Inhaberpapiere), 163 ff (Orderpapiere); derselbe, Wechsel- und Scheckrecht 41 ff, zum Gutglaubenserwerb bei Wechsel und Scheck, aaO 56 ff. Vgl auch die prägnante Zusammenfassung bei F. Bydlinski, System und Prinzipien 508 ff. Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 1 I 4 (S 3), II 2 d (S 11). Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht2 § 2 Rz 45, § 4 Rz 11 ff; Brox, Handels- und Wertpapierrecht17 Rz 457; Zöllner, Wertpapierrecht14 § 4 IV 2 (S 24); Roth, Wertpapierrecht2 6 f, 9 f.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Bei Orderpapieren ist – entsprechend der ihnen eigentümlichen Übertragungsform durch Indossament821 – die Rechtsscheinbasis gegenüber dem Sachenrecht sogar noch erweitert: Die Rechtsscheinwirkung ist hier nicht an den Besitz allein, sondern an die Innehabung in Verbindung mit einer Indossamentkette geknüpft822. Für den Wechsel ist dies – in Österreich und Deutschland – in Art 16 Abs 2 WG ausdrücklich normiert, in der Schweiz findet sich dieselbe Regel in Art 1006 Abs 2 OR: „Ist der Wechsel einem früheren Inhaber irgendwie abhanden gekommen, so ist der neue Inhaber, der sein Recht nach den Vorschriften des vorstehenden Absatzes nachweist823, zur Herausgabe des Wechsels nur verpflichtet, wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt“824. Kraft Verweises gilt gleiches gemäß § 365 Abs 1 HGB auch für die kaufmännischen Orderpapiere825. Im Scheckrecht eröffnet schließlich der dem Art 16 Abs 2 WG entsprechende Art 21 SchG (Art 1112 OR)826 die Möglichkeit eines redlichen Er821
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Erfolgt die Übertragung des Wechsels hingegen in der untypischen Form der Abtretung, so scheidet ein Gutglaubenserwerb – wie auch sonst im Zessionsrecht – grundsätzlich aus. Der Gutglaubensschutz ist somit an die spezifischen wertpapierrechtlichen Übertragungsformen geknüpft; siehe Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht2 § 4 Rz 19 f; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 8 I 2 b (S 83). Deshalb kommt auch ein gutgläubiger Erwerb von Rektapapieren (Namenspapieren) regelmäßig nicht in Betracht , da auch diese durch Zession übertragen werden; siehe dazu Brox, Handels- und Wertpapierrecht17 Rz 466; Zöllner, Wertpapierrecht14 § 4 IV 5 (S 25); Roth, Wertpapierrecht2 11. Wiegand, JuS 1974, 550; derselbe, JuS 1978, 147; Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht2 § 4 Rz 14 ff. Die Indossamentkette muß allerdings nur formal in Ordnung sein, entscheidend ist also eine äußerliche Übereinstimmung der Indossamente, selbst eine (unerkennbare) Fälschung schadet hingegen nicht (näher dazu Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 8 V [S 93 ff]; GroßKomm/ Canaris, HGB3 III/2 § 365 Anm 11 f; Zöllner, Wertpapierrecht14 § 20 [S 126 ff]; Bülow, WechselG4 Art 16 WG Rz 7, 18). Dennoch bietet das Indossament – wie Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 2 III 2 a (S 23) betonen – einen gewissen Schutz vor den Gefahren des gutgläubigen Erwerbs: Da der Berechtigte namentlich im Papier benannt ist, bedarf es bei dessen Übertragung durch einen Nichtberechtigten nämlich einer Unterschriftsfälschung, und darin liege eine nicht zu unterschätzende praktische und psychologische Barriere. Zum Legitimationseffekt (Ausweiswirkung) nach Art 16 Abs 1 WG (Art 1006 Abs 2 OR) – förmliche Legitimation des durch eine Indossamentkette ausgewiesenen Wechselinhabers – siehe die vorhergehende FN und sogleich im Text. Dazu näher Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 8 IV 2 b (S 89 ff); Zöllner, Wertpapierrecht14 § 14 VI 1 (S 94 ff); Roth, Wertpapierrecht2 53. Dazu Kerschner in Jabornegg, HGB § 365 Rz 10 ff, 19 ff; GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 365 Anm 10 ff, 13 ff. Art 21 SchG: „Ist der Scheck einem früheren Inhaber irgendwie abhanden gekommen, so ist der Inhaber, in dessen Hände der Scheck gelangt ist – sei es, daß
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werbs827. Wie beim Besitz an Sachen, der mit einer Eigentumsvermutung verbunden ist (§ 323 ABGB; § 1006 BGB; Art 930 ZGB)828, geht auch bei den auf Besitz und Indossament aufbauenden Erwerbstatbeständen bei Orderpapieren der Regelung des gutgläubigen Erwerbs eine gesetzliche Vermutung zugunsten des Scheinberechtigten (§ 16 Abs 1 WG [Art 1006 Abs 1 OR]829; § 19 SchG [Art 1110 OR]830) voraus831. Auf Grund des gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnisses, das im Recht der Umlaufpapiere herrscht, ist der gutgläubige Erwerb gegenüber den allgemeinen Regeln überdies besonders privilegiert: Sowohl an Inhaberpapieren als auch an Orderpapieren ist ein redlicher Erwerb selbst dann zulässig, wenn diese abhanden gekommen sind; auf die Zurechnung des Rechtsscheins zum wirklich Berechtigten wird somit verzichtet. Für die Inhaberpapiere bestimmen dies in Österreich § 371 ABGB und § 366 Abs 4 Satz 2 HGB, in Deutschland § 935 Abs 2 BGB, in der Schweiz Art 935 ZGB. Für die Orderpapiere ergibt sich Entsprechendes aus Art 16 Abs 2 WG (Art 1006 Abs 2 OR), Art 21 SchG (Art 1112 OR) und § 365 Abs 1 HGB. Die besondere Umlaufqualität der genannten Papiere rechtfertigt die Durchführung des – überaus erwerberfreundlichen und Eigentümerinteressen nicht berücksichtigenden – „reinen Rechtsscheinprinzips“ ebenso wie bei Geld, das von aller Fahrnis als
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es sich um einen Inhaberscheck handelt, sei es, daß es sich um einen durch Indossament übertragbaren Scheck handelt und der Inhaber sein Recht gemäß Art 19 nachweist –, zur Herausgabe des Schecks nur verpflichtet, wenn er ihn in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt“; wortgleich Art 1112 OR. Dazu Tiedke, Gutgläubiger Erwerb 266 f; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz22 Art 21 SchG Rz 1 ff. Dazu unten S 171 f. Art 16 Abs 1 WG: „Wer den Wechsel in Händen hat, gilt als rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, und zwar auch dann, wenn das letzte ein Blankoindossament ist. Ausgestrichene Indossamente gelten hiebei als nicht geschrieben. Folgt auf ein Blankoindossament ein weiteres Indossament, so wird angenommen, daß der Aussteller dieses Indossaments den Wechsel durch das Blankoindossament erworben hat“; wortgleich Art 1006 Abs 1 OR. Art 19 SchG: „Wer einen durch Indossament übertragbaren Scheck in Händen hat, gilt als rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, und zwar auch dann, wenn das letzte ein Blankoindossament ist. Ausgestrichene Indossamente gelten hiebei als nicht geschrieben. Folgt auf ein Blankoindossament ein weiteres Indossament, so wird angenommen, daß der Aussteller dieses Indossaments den Scheck durch ein Blankoindossament erworben hat“; wortgleich Art 1110 OR. Siehe dazu Wiegand, JuS 1978, 147; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 8 IV 1 (S 87 f); GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 365 Anm 10.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
die „umlauffähigste und umlaufbedürftigste“ angesehen werden kann832 und dessen redlicher Erwerb deshalb ebenfalls § 371 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 2 HGB, § 935 Abs 2 BGB und Art 935 ZGB unterliegt. B. Materielle Kriterien Sicherlich könnte man trotz der eben getroffenen Abgrenzung den Versuch unternehmen, die Fälle der Rechtsscheinhaftung und jene des redlichen Erwerbs unter ein gemeinsames Vertrauensprinzip zu subsumieren. Ein gewisser Zusammenhang beider Rechtsinstitute läßt sich fürs erste zumindest vermuten833. Der Nutzen einer solchen Vorgangsweise ist freilich mit Vorsicht zu beurteilen834; die Gefahr, die Fragestellung unzulässig zu verkürzen und wesentliche Wertungsgesichtspunkte zu verdecken, ist nämlich evident835. Da die vorliegende Arbeit sich ihrer Themenstellung entsprechend darauf beschränkt, die Relevanz des 832
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So Heinrich Lange, Ware und Geld2 16 f, der für die besondere Privilegierung des redlichen Erwerbs an Geld auch noch die „Uninteressiertheit am Einzelstück“, also das mangelnde Sachinteresse des Alteigentümers anführt. Vgl dazu auch H. Hübner, Rechtsverlust 148 ff (der die „geschlossene Indossamentenkette“ beim gutgläubigen Erwerb eines Wechsels aber als „Zurechnungserfordernis“ ansieht, was unzutreffend ist, da diese ja nur formal vorliegen muß und daher auch gefälscht sein kann; siehe bereits oben FN 822). Diesbezüglich hochinteressant die Untersuchung des wechselrechtlichen Einwendungsausschlusses nach Art 17 WG – einem Fall der Rechtsscheinhaftung (Canaris, Vertrauenshaftung 232 ff) – mittels eines Strukturvergleiches zum Gutglaubenserwerb der §§ 932 ff BGB durch Canaris, JuS 1971, 443 ff; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 9 I 2 (S 104 ff). Ein gezielter Strukturvergleich kann hingegen durchaus gewinnbringend sein. So zieht Canaris bei der Untersuchung der Rechtsscheinhaftung mehrfach sehr aufschlußreiche Parallelen zum gutgläubigen Erwerb, siehe Vertrauenshaftung, insb 162 f, 454 FN 10, 471 f, 480, 483 f; vgl auch die vorhergehende FN. Für das ABGB hat im übrigen schon Zeiller solche „Strukturparallelen“ aufzuzeigen gesucht. So führt Zeiller, Kommentar III/1, 309, in seiner Kommentierung des § 1026 ABGB – wonach eine erloschene Außenvollmacht gegenüber einem gutgläubigen Dritten als fortbestehend angesehen wird, wenn diesem die Aufhebung ohne sein Verschulden unbekannt geblieben ist – aus, daß der Machtgeber sich vorsehen konnte und sollte, wem er seine Vollmacht und seine Rechte anvertraue und verweist dabei auf § 367 Fall 1 Satz 3 ABGB. Die Rechtsscheinhaftung nach § 1026 ABGB wird also ebenso wie der redliche Erwerb vom Vertrauensmann darauf zurückgeführt, daß der Belastete einen Rechtsschein selbst geschaffen hat, der ihm zurechenbar ist „weil er kaum in irgend einem Falle von allem Versehen frey gesprochen werden kann“ (siehe Zeiller, Kommentar II/1, 133 f und III/1, 309). Kritisch auch Hager, Verkehrsschutz 3 ff. Den eigenständigen Charakter des redlichen Erwerbs betont auch Canaris, Vertrauenshaftung 3.
Abgrenzung zur Vertrauenshaftung
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Rechtsscheinprinzips für den redlichen Mobiliarerwerb zu untersuchen, genügt es, zwei grundlegende Gesichtspunkte hervorzuheben: Der Gedanke der Verkehrssicherheit spielt sicherlich auch in den Fällen der Rechtsscheinhaftung eine gewichtige Rolle; so hat etwa das Institut der Anscheinsvollmacht unstreitig den Zweck, einen möglichst reibungslosen und friktionsfreien Geschäftsverkehr zu ermöglichen. Der Bezugspunkt eines solchen Schutzes des Geschäftsverkehrs ist freilich ein anderer als jener des Verkehrsschutzes beim gutgläubigen Erwerb: Bei diesem geht es nämlich um einen Schutz von Verfügungen, durch den die Umlauffähigkeit von Sachen und ausnahmsweise auch von (bestehenden) Forderungen gewährleistet werden soll. Damit steht auch der Gedanke in Zusammenhang, daß einmal eingetretene Störungen, die sich gerade nicht nur inter partes auswirken, sondern eine klare Rechtszuordnung dauerhaft gefährden können, im Interesse der Rechtssicherheit zu sanieren sind. Faßt man den – dem gutgläubigen Erwerb eigentümlichen – Gesichtspunkt der Umlauffähigkeit näher ins Auge, so wird zudem deutlich, daß ein redlicher Erwerb von Forderungen nicht nur wegen der mangelnden Rechtsscheinbasis regelmäßig scheitert, sondern für einen solchen Gutglaubenserwerb auch ein den körperlichen Sachen vergleichbares allgemeines Verkehrsschutzbedürfnis nicht besteht: Forderungen können nämlich ohnedies durch ihre Verbriefung einem redlichen Erwerb zugänglich gemacht und damit umlauffähig gestaltet werden. Als zweiter Unterschied ist hervorzuheben: Während der durch den Rechtsschein Belastete in den Fällen der Rechtsscheinhaftung mit seinem ganzen Vermögen einzustehen hat, ist der im Fall eines redlichen Erwerbs eintretende Rechtsverlust gegenständlich beschränkt. Neben dem unterschiedlichen Bezugspunkt des Verkehrsschutzgedankens ist dies ein weiterer Grund dafür, weshalb in den Fällen redlichen Erwerbs die gesetzliche Verwirklichung des reinen Rechtsscheinprinzips (Verzicht auf einen Zurechnungsgrund) eher wertungsgerecht erscheint, als in den Fällen der Rechtsscheinhaftung836. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch zu berücksichtigen, daß es für den Eigentümer auf Grund der Abgrenzbarkeit des drohenden Rechtsverlustes einfacher und eher zumutbar ist, sich vor diesem Risiko durch Abschluß einer Versicherung – insbesondere gegen Diebstahl – abzusichern837.
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Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 162 f, 472. Vgl schon Pineles, JBl 1920, 19. Daß die Versicherbarkeit des Risikos für dessen Zuweisung bedeutsam sein kann, ist im übrigen auch in anderen Rechtsbereichen – so insbesondere im Schadenersatzrecht – durchaus geläufig, siehe Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 1/9; Wilburg, Elemente des Schadensrechts 24 ff; M. Fuchs, AcP 191 (1991) 318 ff mwN.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
III. Maßgebliche Rechtsscheingrundlage A. Einleitung Das Institut des redlichen Fahrniserwerbs befriedigt Verkehrsinteressen nicht um jeden Preis, sondern nur in jenen Fällen, in denen auch im Hinblick auf das Vertrauensprinzip ein echtes Schutzbedürfnis besteht838, erscheint es doch geradezu als unverzichtbares Gerechtigkeitspostulat, daß ein Erwerb zu Lasten des wahren Eigentümers nur dann stattfindet, wenn der Erwerber fehlerfrei, also gutgläubig, gehandelt hat. Niemals honoriert eine Rechtsordnung freilich blindes Vertrauen – grundloses Meinen ist nicht schutzwürdig839. Voraussetzung eines Schutzes ist daher stets das Vorliegen einer geeigneten Vertrauensbasis, in welcher der gute Glaube seine Grundlage findet. Nicht zuletzt deshalb trägt einer der ersten Versuche einer monographischen Bearbeitung des Vertrauensschutzes, die 1906 erschienene Arbeit von Wellspacher den treffenden Titel „Das Vertrauen auf äußere Tatbestände“. Im Einzelnen unterscheidet Wellspacher840 künstliche und natürliche äußere Tatbestände, zu ersteren zählt er Grundbuch, Erbschein und verschiedene Register, zu letzteren zählt seiner Ansicht nach auch der Besitz. Darauf aufbauend formuliert Wellspacher ein allgemeines Prinzip, das für alle Fälle des Vertrauensschutzes maßgeblich sein soll: „Wer im Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand rechtsgeschäftlich handelt, der zufolge Gesetzes oder Verkehrsauffassung die Erscheinungsform eines bestimmten Rechtes, Rechtsverhältnisses oder eines anderen rechtlich relevanten Momentes bildet, ist in seinem Vertrauen geschützt, wenn jener Tatbestand mit Zutun desjenigen zustande gekommen ist, dem der Vertrauensschutz zum Nachteil gereicht“841. Auch wenn heute – insbesondere auf Grund der bahnbrechenden „Vertrauenshaftung“ von Canaris – ein solches Einheitsprinzip, das sämtliche Fälle der Vertrauens- und Rechtsscheinhaftung sowie des gutgläubigen Erwerbs umfassen soll, nicht mehr vertretbar erscheint842, so bleibt doch bedeutsam, daß Wellspacher als einer der ersten den grundlegenden Zusammenhang von Vertrauensschutz und Vertrauensbasis 838
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Anders das Abstraktionsprinzip, bei dem subjektive Erfordernisse irrelevant sind, siehe oben S 141. Heck, Sachenrecht 249. Vertrauen 21, 22 ff, 58 ff. Wellspacher, Vertrauen 115, 267 f. Siehe die treffende Kritik an der „Einheitsformel“ Wellspachers sowie vergleichbaren Versuchen bei Canaris, Vertrauenshaftung 10 ff, 28 f, der demgegenüber betont, daß die Rechtsscheinhaftung nur aus einem Zusammenspiel mehrerer Prinzipien erklärt werden könne, vgl die Zusammenfassungen, aaO, 150 und 542.
Maßgebliche Rechtsscheingrundlage
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deutlich hervorgehoben hat. Voraussetzung des Vertrauensschutzes ist das Vorliegen eines „äußeren Tatbestandes“, der den Anschein einer Berechtigung begründet, die in Wahrheit nicht oder nicht so besteht. In moderner Diktion kann dieser „äußere Tatbestand“ als von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsscheinposition bezeichnet werden843. Festzuhalten ist somit, daß ein redlicher Erwerber sicherlich nicht schon dann schutzwürdig ist, wenn er auf das „bloße Gerede“844 des nicht berechtigten Veräußerers vertraut hat. Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsscheingrundlage. Worin diese im Fall redlichen Fahrniserwerbs besteht, ist allerdings umstritten: Während die einen auf den Besitz oder aber auf die Besitzverschaffungsmacht abstellen, wird von anderen ein „verstärkter Vertrauenstatbestand“ gefordert. Darauf ist im Folgenden näher einzugehen. B. Übersicht über den Meinungsstand 1. Vorbemerkungen zum Besitzbegriff Untersucht man den Besitz hinsichtlich seiner Tauglichkeit für den redlichen Erwerb eine ausreichende Rechtsscheingrundlage abzugeben, so empfiehlt sich zunächst ein kurzer Blick auf den Besitzbegriff, zumal dieser im österreichischen, deutschen und schweizerischen Recht durchaus unterschiedlich ausgestaltet ist. Entsprechend der römisch-rechtlichen Tradition – wonach eine Sache corpore et animo besessen wird845 – ist im österreichischen Recht zwischen bloßer Innehabung (Gewahrsame) und Besitz zu unterscheiden. Demgemäß bestimmt § 309 ABGB: „Wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, heißt ihr Inhaber. Hat der Inhaber einer Sache den Willen, sie als die seinige zu behalten, so ist er ihr Besitzer.“ Der Besitz setzt somit die äußere Macht oder Gewahrsame (Innehabung, „corpus“) und den Willen des Inhabers, die Sache für sich zu haben („animus“) 843
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So schon H. Westermann, JuS 1963, 2; siehe weiters Wiegand in Hof/Kummer/ Weingart, Recht und Verhalten 185; derselbe, JuS 1974, 201, 206 mit FN 70. So eine plastische Formulierung von Flume, Rechtsgeschäft4 § 42, 4 c (S 738 f); derselbe, AcP 161 (1962) 395 ff. Siehe Paulus D 41.2.3.1: Et apiscimur possessionem corpore et animo, neque per se animo aut per se corpore. Der Besitz wird also erworben durch die Erlangung der Sachherrschaft (corpus) und den Willen zu besitzen (animus). Beides ist auch Voraussetzung für die Erhaltung des Besitzes, doch werden hier an die genannten Voraussetzungen – ähnlich wie im geltenden Recht (§§ 349, 352 ABGB), dazu Iro, Sachenrecht2 2/48 ff – geringere Anforderungen gestellt; siehe Kaser, Römisches Privatrecht2 I 390 ff, 394 f; Kunkel/Mayer-Maly, Römisches Recht4 137 f, 140 f; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht8 127 ff, 133 ff; Wieling, Sachenrecht I § 3 II 1 (S 118 f).
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
voraus846. Der Besitzer kann die Sache selbst innehaben (unmittelbarer Besitzer) oder sich die Gewahrsame an ihr durch eine sozial abhängige Person (Besitzdiener)847 oder durch unabhängige Personen, welche die Sache auf Grund eines Rechtsverhältnisses mit dem Besitzer innehaben (Besitzmittler, etwa Mieter oder Verwahrer), vermitteln lassen. In diesen Fällen hat der Sachbesitzer die Sache bloß mittelbar inne, während der Besitzdiener oder Besitzmittler unmittelbarer Inhaber ist. Demgegenüber wird im deutschen Recht unter Besitz die tatsächliche Sachherrschaft verstanden, ohne daß es auf einen „animus rem sibi habendi“ ankäme848. Dies ergibt sich aus § 854 BGB, wonach der Besitz „durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben“ wird849. Je nach Art der Willensrichtung unterscheidet das BGB dabei Eigenbesitz und Fremdbesitz. Eigenbesitzer ist, „wer eine Sache als ihm gehörend besitzt“ (§ 872 BGB), also den animus domini hat850. Der deutsche Eigenbesitzer ist damit das Pendant zum österreichischen (Sach-) Besitzer iSd § 309 Satz 2 ABGB. Fremdbesitzer ist hingegen, wer einen anderen als übergeordnet anerkennt851, die Sache 846
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Siehe nur Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 229 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 2/5 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 309 Rz 1 ff. Zur Bedeutung des „Besitzdieners“ im österreichischen Recht siehe noch unten S 269 ff. Freilich erfordert auch in Deutschland die Begründung des Besitzes als Tathandlung nach hL einen „natürlichen Willen“ („Besitzbegründungswillen“), wobei ein genereller Beherrschungswille genügen soll, dazu Wieling, Sachenrecht I § 4 I 1 b, aa und cc (S 134 f, 136 f); Wolff/Raiser, Sachenrecht10 38 f; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 54 f. Vgl auch Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 13 I 2 (S 91 ff), wonach eine „Einfügung in den Organisationsbereich“ jedenfalls ausreiche. Da eine tatsächliche Herrschaft ohne Herrschaftswillen nicht denkbar ist, soll dies prinzipiell auch für die Aufrechterhaltung des Besitzes gelten, wobei hier ein „aktueller Wille“ aber nicht erforderlich sei, so Wieling, Sachenrecht I § 4 I 1 b und b, bb (S 134, 135 f), siehe auch § 4 III 1 (S 152 f), wonach die Aufrechterhaltung des Besitzes eines dauernden Besitzwillens nicht bedürfe. Zum vergleichbaren Detentionswillen („Innehabungswillen“) des österreichischen Rechtes siehe unten FN 858. Zwar regelt § 854 BGB nur die Frage des Besitzerwerbes, doch ist auf diese Bestimmung zurückzugreifen, da das BGB – im Gegensatz zu anderen Kodifikationen – keine Definition des Besitzes enthält. Siehe dazu Wieling, Sachenrecht I § 4 I 1 (S 131 f); Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 80 = Mugdan, Materialien III 44. Dazu Wieling, Sachenrecht I § 4 I 4 (S 143 f); Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 12 (S 87 ff); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 7 Rz 88 ff. Instruktiv auch Ernst, Eigenbesitz; gegen Ernsts Konzeption aber J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 400 FN 1; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 12 II 4 (S 89 f), § 49 I 6 (S 406). Maßgeblich ist, daß bei der Ausübung der Sachherrschaft eine fremde Rechtsposition als maßgeblich anerkannt wird, man die Sache also nicht mit der Willens-
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daher als fremde behandelt, so etwa der Mieter, Pfandgläubiger oder Entleiher852. Sowohl Eigenbesitzer als auch Fremdbesitzer können als unmittelbare oder mittelbare Besitzer auftreten, je nachdem, ob sie die tatsächliche Gewalt selbst oder durch einen Besitzmittler ausüben (§ 868 BGB). Dabei kann der Besitz auch mehrfach abgestuft sein (§ 871 BGB), so etwa, wenn der Mieter die Sache untervermietet: Der Mieter ist dann mittelbarer, der Untervermieter unmittelbarer Fremdbesitzer. Hat jemand eine Sache hingegen nur auf Grund eines sozialen (dienstoder familienrechtlichen) Abhängigkeitsverhältnisses zu einer anderen Person in Händen, deren Weisungen er hinsichtlich der Sache Folge zu leisten hat, so ist nur diese Person, nicht aber der Besitzdiener selbst Besitzer (§ 855 BGB)853. Ein ähnlicher Besitzbegriff wie in Deutschland gilt auch in der Schweiz, wo Art 919 Abs 1 ZGB bestimmt: „Wer die tatsächliche Gewalt
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richtung eines Eigentümers, sondern mit der des Inhabers eines beschränkten dinglichen, obligatorischen oder sonstigen Rechtes besitzt. Vgl dazu die in der vorhergehenden FN Genannten. Nach österreichischem Recht sind die Genannten hingegen mangels Besitzwillens – sie wollen die Sache ja nicht für sich behalten, sondern üben die Gewahrsame für den Sachbesitzer aus – bloße Inhaber, zugleich aber Rechtsbesitzer, da sie in eigenem Namen ein mit der Sachinnehabung verbundenes Recht (Miete, Pacht etc) ausüben. Ihre Qualifikation als Rechtsbesitzer ist insbesondere für den Besitzschutz bedeutsam, da dieser im österreichischen Recht gemäß § 339 ABGB nicht jedem Inhaber, sondern nur einem Besitzer iSd § 309 Satz 2 ABGB zusteht, wobei Sach- und Rechtsbesitz in gleichem Umfang geschützt werden (umfassend dazu Kodek, Besitzstörung, insb 93 ff). Im deutschen Recht knüpft der possessorische Besitzschutz (§§ 861 ff BGB) hingegen an die tatsächliche Gewalt über die Sache – den Besitz iSd § 854 BGB – an; vor verbotener Eigenmacht wird dabei jeder unmittelbare Besitz geschützt, wobei die Ansprüche bei einem Eingriff in diesen als Reflexwirkung auch dem mittelbaren Besitzer zustehen (§ 869 BGB). Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 21 ff (S 131 ff), § 26 III (S 152 f). Ein Rechtsbesitz ist hingegen nur an (eingetragenen und im letzten Jahr mindestens einmal ausgeübten) Dienstbarkeiten anerkannt (§§ 1029, 1090 Abs 2 BGB), wobei auch hier dem Rechtsbesitzer Besitzschutzansprüche zuerkannt werden. Dazu Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 27 (S 153 ff); kritisch zu § 1029 BGB insb Heck, Sachenrecht 59 ff („weitgehend überflüssige Norm“). Ähnlich eng begrenzt wird der Rechtsbesitz auch in der Schweiz durch Art 919 Abs 2 ZGB (auf Grunddienstbarkeiten und Grundlasten); dazu Stark in Honsell/ Vogt/Geiser, ZGB2, Art 919 Rz 47 ff; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 919 Rz 62 ff. Auch hier stehen die Besitzschutzklagen (Art 926 ff ZGB) aber ohnedies jenem zu, der die tatsächliche Sachherrschaft und damit Besitz iSd Art 919 Abs 1 ZGB hat; zum Schweizer Besitzbegriff sogleich im Text. Zum Begriff des Besitzdieners Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 10 (S 77 ff); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 7 Rz 61 ff. Zu den Konsequenzen dieser Konstruktion für den gutgläubigen Erwerb siehe unten S 265 ff.
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über eine Sache hat, ist ihr Besitzer.“ Für den Besitz entscheidend ist also auch hier allein die tatsächliche Sachherrschaft, während es auf einen Besitzwillen (animus domini) nicht ankommt854. Gemäß Art 920 ZGB ist weiters zwischen selbständigen und unselbständigen Besitzern zu unterscheiden: „Wer eine Sache als Eigentümer besitzt“ hat selbständigen Besitz. Unselbständiger Besitzer ist hingegen, wer die Sache „zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht“ übertragen erhalten hat. Der selbständige Besitzer wird auch als Eigenbesitzer, der unselbständige als Fremdbesitzer bezeichnet; geläufig sind auch die Begriffe Ober- und Unterbesitz855. Wer die Sachherrschaft selbst ausübt, ist unmittelbarer Besitzer, wer die ihm zustehende Sachherrschaft einem anderen übertragen hat, mittelbarer Besitzer. Möglich sind selbstverständlich wiederum mehrstufige Verhältnisse, so ist der Eigentümer, der seine Sache vermietet hat, selbständiger, mittelbarer (Eigen- und Ober-) Besitzer, der Mieter hingegen unmittelbarer, unselbständiger (Fremdund Unter-) Besitzer. Hat der Mieter die Sache seinerseits untervermietet, so ist er mittelbarer, unselbständiger Besitzer, während der Untermieter unmittelbarer und unselbständiger Besitzer ist856. Obgleich das ZGB den Begriff „Besitzdiener“ nicht ausdrücklich normiert, ist schließlich auch in der Schweiz anerkannt, daß dem Besitzdiener als „verlängertem Arm des Besitzers“ keine eigene besitzrechtliche Stellung zukommt857. Zu beachten ist, daß der eben dargelegte (deutsche) Besitzbegriff in gewissem Umfang auch in Österreich beachtlich ist und zwar im Handelsrecht. Art 5 der 4. EVHGB normiert nämlich: „Für den Besitz im Sinne des Handelsgesetzbuchs ist es nicht erforderlich, daß der Inhaber den Willen hat, die Sache als die seinige zu behalten“. Wird im HGB selbst der Besitz als Tatbestandsvoraussetzung genannt, so genügt dafür also die Innehabung iSd § 309 Satz 1 ABGB, da dem Besitz iSd HGB die Innehabung des ABGB entspricht858. Ist im handelsrechtlichen Bereich 854
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Vgl dazu Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 919 Rz 26 ff; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 919 Rz 15 ff. Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 920 Rz 3; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 920 Rz 1 ff. Gegenüber dem Eigenbesitzer (Eigentümer) ist der Mieter Fremdbesitzer und Unterbesitzer, gegenüber dem Untermieter aber Oberbesitzer. Kompliziert wird die Terminologie noch dadurch, daß die hL davon ausgeht, daß der Mieter gegenüber dem Eigentümer zwar unselbständiger, gegenüber dem Untermieter aber selbständiger Besitzer ist. Siehe zum Ganzen Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 920 Rz 4; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 920 Rz 3 f. Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 919 Rz 21 ff; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 919 Rz 34 ff. Iro, Besitzerwerb 7 f; Schuhmacher in Straube, HGB2 Art 5 Rz 1; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 9/58; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 230. Zweifel gegen eine solche Gleichstellung von handelsrechtlichem Besitz und Innehabung hegt
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hingegen das ABGB anzuwenden (zB bei Besitzstörung), so bleibt dessen Besitzbegriff maßgeblich859. Stellt man sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der „Rechtsscheinqualität des Besitzes“ so ist – ungeachtet der unterschiedlichen Besitzdefinitionen – jedenfalls zu beachten, daß nicht schon das bloße tatsächliche Haben der Sache (Innehabung, Gewahrsame) als taugliche Rechtsscheingrundlage für die Eigentümerstellung des Veräußerers in Betracht kommt. Wie schon Spielbüchler860 betont, ist gerade das Gegenteil der Fall: Die bloße Innehabung ist dafür kein geeigneter Vertrauenstatbestand, weil die Redlichkeit des Erwerbers durch Kenntnis vom Besitz eines Dritten zerstört wird. Nur der Besitz (iSd § 309 Satz 2 ABGB) hat zudem die Vermutung der Rechtmäßigkeit nach § 323 ABGB für sich861. Diesen Gedanken haben auch Koziol/Welser862 aufgegriffen: Gegen die Maßgeblichkeit des Rechtsscheingedankens werde eingewendet, daß die Innehabung einer Sache nicht geeignet sei, das Eigentum zu indizieren, weil häufig Nichteigentümer – wie Mieter, Verwahrer, Entleiher oder Eigentumsvorbehaltskäufer – die Sache innehaben. Es sei jedoch zu beachten, daß nicht schon jede Innehabung, sondern nur der Besitz den Rechtsschein des Eigentums hervorrufen könne. Es werde daher nur der Erwerb von jenem Veräußerer geschützt, der die Sache in seiner Macht oder Gewahrsame habe und überdies erkennbar den Willen habe, sie als die seinige zu behandeln (§ 309 ABGB), was anzunehmen sei, wenn er sie veräußere.
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allerdings Kerschner in Jabornegg, HGB, Art 5 Rz 2, weil zum Besitz nach Art 5 der 4. EVHGB ebenso wie zum Besitz nach § 854 BGB eine Art Besitzwille gehöre, nämlich der Wille die Sache tatsächlich zu beherrschen. Die Differenzen dürften aber allenfalls marginal sein, da auch die Innehabung (insb ihre Erlangung) einen willentlichen Akt darstellt, also einen Detentionswillen erfordert, nämlich den (generellen) Willen die Sache innezuhaben. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 2/5 f; derselbe, Besitzerwerb 34 ff, 72 ff. Zum Willenselement bei § 854 BGB bereits oben FN 848. Dazu Iro, Besitzerwerb 7 ff; ihm folgend Schuhmacher in Straube, HGB2 Art 5 Rz 1; Kerschner in Jabornegg, HGB, Art 5 Rz 3; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 9/58; Krejci, Handelsrecht2 220 f; Holzhammer, Handelsrecht8 189; Koziol/ Welser, Bürgerliches Recht I12 230; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 309 Rz 6; Kodek, Besitzstörung 93 FN 2. AA Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 80. Schuldverhältnis 172; vgl auch Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 51 f. Ebenso ist allgemein anerkannt, daß die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nur dem Eigenbesitzer zugute kommt (Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 13 III [S 90]; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 10 Rz 5; Brehm/Berger, Sachenrecht Rz 3.27). Zur Bedeutung der §§ 323 ABGB, 1006 BGB für den redlichen Erwerb siehe noch unten S 171 f. Bürgerliches Recht I12 245.
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Nicht zutreffend und verkürzt ist es daher, wenn Frotz863 im Anschluß an Wellspacher864 von einer „Indizwirkung der Innehabung“ spricht. Zu beachten ist aber selbstverständlich, daß der Eigentümer, der die Sache einem ungetreuen Veräußerer anvertraut hat (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB), diesem nicht den Besitz, sondern nur die Innehabung (Gewahrsame) an der Sache verschafft haben muß865. Wird in der folgenden Untersuchung von einer Rechtsscheinqualität des „Besitzes“ gesprochen, so ist bei der Verwendung dieses Begriffes daher stets mitzubedenken, daß nur ein Besitz iSd § 309 ABGB, der vom Willen, die Sache als eigene zu besitzen („animus rem sibi habendi“), getragen wird, als Vertrauensgrundlage für das Eigentum des Veräußerers in Betracht kommt866. In deutscher Diktion geht es also stets um Eigenbesitz (§ 872 BGB)867, nach Schweizer Terminologie um selbständigen Besitz (Art 920 ZGB)868.
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Kastner-FS (1972) 146 f; ebenso E. Bydlinski, ÖBA 1988, 959. Vertrauen 180. Insofern zutreffend Wellspacher, Vertrauen 179 f, der die Frage der Rechtsscheingrundlage und jene der Zurechnung aber nicht ausreichend trennt; siehe dazu noch unten FN 1063. Zum Erwerb vom Vertrauensmann und zum Zurechnungsprinzip ausführlich unten S 223 ff. Davon zu trennen ist die Frage, ob die bloße Innehabung der Sache einen Schluß auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers zuläßt. Da der Sachbesitzer die Sache als die seinige behandelt (§ 309 Satz 2 ABGB) ist der Besitz dafür nämlich keinesfalls eine taugliche Rechtsscheingrundlage. Siehe dazu noch unten S 201 und S 202 ff. Da nach § 932 Abs 2 BGB nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers geschützt wird, ist für einen redlichen Erwerb nach §§ 932 ff BGB stets erforderlich, daß der Veräußerer als Eigenbesitzer auftritt, also die Sache als „ihm gehörend besitzt“ (§ 872 BGB). Dies ergibt sich schon aus § 1006 BGB, da die von dieser Bestimmung angeordnete Eigentumsvermutung nur Eigenbesitzern zugute kommt; siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 13 III (S 90), § 45 III 1 a (S 367); vgl auch Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 3, die betonen, daß der Besitz stets so beschaffen sein müsse, daß der Erwerber im Veräußerer zu Recht den Eigentümer sehen könne. Allerdings wird nach herrschender Auffassung in der Schweiz auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers geschützt (siehe die Nachweise unten FN 1057). Deshalb wird auf eine besondere Qualifikation des Besitzes regelmäßig kein Wert gelegt, sondern lediglich betont, daß der Besitz des Veräußerers nach Lage des Falles eine ausreichende Grundlage für den guten Glauben des Erwerbers bilden müsse; siehe Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 52, Art 933 Rz 46. Zum Umfang der Rechtsscheinwirkung ausführlich unten S 198 ff.
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2. Besitz als Rechtsscheingrundlage Traditionellerweise wird der Besitz des Veräußerers als objektive Basis des Rechtsscheins angesehen. Die Qualifizierung des Besitzes als typischer Ausdruck des Rechtes soll damit den Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes darstellen. So formuliert etwa der BGH plastisch: „Der Rechtsgrund für einen gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff BGB ist immer ein auf dem Besitz beruhender Rechtsschein, auf den der Erwerber sich verlassen durfte869.“ Besonders pointiert vorgetragen wurde diese Lehre von der Rechtsscheinwirkung des Besitzes von der „Legitimationstheorie“, die in ihrem Ausgangspunkt ganz offensichtlich vom deutsch-rechtlichen Gewerebegriff inspiriert war870. So formuliert einer ihrer prominentesten Vertreter, der bedeutende Germanist Otto Gierke871: Der wahre Rechtsgrund für den redlichen Fahrniserwerb liege in der „Legitimationskraft des offensichtlichen Fahrnisbesitzes.“ Auf Grund seiner äußerlichen Legitimation habe der nicht berechtigte Veräußerer die formale Legitimation zur Übertragung fremden Rechts872. Sein Besitzstand befähige den Veräußerer, im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit dem Besitz zugleich das in ihm erscheinende Recht zu verschaffen und so über fremdes Eigentum wirksam zu verfügen873. Der Legitimationstheorie sind etwa Crome874, Endemann875 und 869
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871 872 873 874
875
BGH in BGHZ 56, 123, 128 f. Ähnlich schon BGH in BGHZ 10, 81: „Voraussetzung für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache ist neben dem guten Glauben der auf dem Besitz beruhende Rechtsschein“. Vgl E. Huber, Gewere 21, 51, 74 f, wonach die Gewere dem Inhaber die Legitimation gäbe, das dingliche Recht in Gestalt der Gewere auf andere zu übertragen. Diese Translativwirkung der Gewere steigere sich bei besonders qualifiziertem Erwerb zu einer Konstituierung des dinglichen Rechts selbst. Ist der rechtshistorische Erklärungswert dieser Lehre aus heutiger Sicht auch fraglich (vgl oben S 86 mit FN 457), so ist ihr Einfluß auf die hier dargestellte Theoriebildung nicht zu bezweifeln, zumal der Auffassung Hubers als Schöpfer des Schweizer ZGB besonderes Gewicht zukam. Dementsprechend wird auch in den Materialien zum ZGB die „Legitimationswirkung“ des Besitzes „als äußerer Form des Rechtes“ betont, siehe Vorentwurf, ZGB, Erläuterungen III 18 ff, 367 ff; dazu noch unten im Text. Deutsches Privatrecht II 575; ähnlich derselbe, Fahrnisbesitz 17, 31. O. Gierke, Deutsches Privatrecht I 279 FN 2. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 575. Crome, System I § 71, 4b (S 313 f) und III § 377 (S 191 ff), § 381 (S 216): In den Fällen redlichen Erwerbs sei dem Übertragenden kraft Gesetzes eine Verfügungsmacht über die Rechte eines Dritten beigelegt, wie wenn der Verfügende selbst der Berechtigte wäre. Der Verfügende habe die Befugnis fremdes Recht zu übertragen, er sei dazu legitimiert. Endemann, Bürgerliches Recht II/18/9 § 81, 2 (S 527 f): Die Grundlage des Vertrauens bilde der Besitz des Veräußerers und seine hierdurch betätigte Legitimation zur Erklärung der Eigentumsübertragung. Durchaus kritisch merkt Ende-
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Wendt876 gefolgt. Auch wenn diese Lehre heute überwunden ist, darf ihre Ausstrahlungswirkung nicht unterschätzt werden: So hat sie maßgeblich zu der unzutreffenden Vorstellung beigetragen, die Besitzlage als solche stelle den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für den redlichen Mobiliarerwerb dar877; auch dürfte der letztlich unfruchtbare Streit um die Rechtsnatur des gutgläubigen Erwerbs hier eine seiner Wurzeln haben. Die Legitimationstheorie legt es ihrer Formulierung nach nämlich besonders nahe, dem Gutglaubenserwerb einen derivativen Charakter zuzusprechen878. Freilich geht der Streit von Beginn an „quer durch die Lager“879 und auch heute wird in Deutschland noch überwiegend ein abgeleiteter Erwerb angenommen880, wobei sich die herrschende Auffassung auch auf den Wortlaut des § 135 Abs 2 BGB stützen kann, der die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb mit der auf einen derivativen Erwerb hindeutenden Formulierung – „Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“ – kennzeichnet881. Im Gegensatz dazu wurde schon im Entwurf Martini (II 6 § 11) ausdrücklich betont, daß in den Fällen redlichen Mobiliarerwerbs das Recht „nicht von dem unbefugten Übergeber, sondern nur von dem Gesetze allein hergeleitet“ werde882. Dem ist zu folgen: Sieht man das Wesen des originären Erwerbes nämlich darin, daß das Recht des neuen Eigentümers nicht von einem Vormann abgeleitet werden kann, weil diesem jegliche materielle Berechtigung zur Sachübertragung fehlt, so ist mit der einhelligen österreichischen Lehre von einem ursprünglichen
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mann aber bereits an, daß beim Besitz an Fahrnis – im Gegensatz zum Grundbuch – jede Kontrolle fehle, und niemand der äußeren tatsächlichen Herrschaft anzusehen vermöge, ob sie Eigenbesitz, Fremdbesitz oder ein bloßes Halterverhältnis verlautbare. Wendt, AcP 89 (1899) 76 („Legitimationsmittel“). Näher dazu unten S 193 ff. So O. Gierke, Deutsches Privatrecht I 279 FN 2 und II 576; Crome, System I § 71, 4b (S 313 f); Endemann, Bürgerliches Recht II/18/9 § 81, 2 (S 528); Wendt, AcP 89 (1899) 17 ff, 77. AA hingegen Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht II7/8 § 37 III (S 157 f) und Regelsberger, JherJB 47 (1904) 368 ff, die auch die Legitimationstheorie als solche ablehnen. Dies betont schon Regelsberger, JherJB 47 (1904) 368 f mwN. MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 59; AlternativKomm/Reich, BGB, §§ 932933 Rz 4; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 IV 2 (S 372 f); Wolff/Raiser, Sachenrecht10 258; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 441; abwägend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 39 ff; ausführlich H. Hübner, Rechtsverlust 44 ff, 51 ff, der vermittelnd von einem „Mischtatbestand“ spricht; ähnlich J. von Gierke, Sachenrecht4 93. Für einen originären Erwerb Larenz, Allgemeiner Teil7 § 13 V a (S 238); aA nun aber Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil8 § 14 Rz 34. Siehe etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 IV 2 (S 372 f). Siehe Harrasowsky, Codex Theresianus V 100.
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Erwerb auszugehen883, der freilich durch einen Akt der Eigentumsübertragung – also in Form eines abgeleiteten Erwerbes – vollzogen wird884. Da es sich letztlich aber nur um ein Definitionsproblem handelt, dessen Lösung für die praktische Rechtsanwendung keinerlei Gewinn verspricht, erübrigt es sich, diese Frage weiter zu vertiefen885. Die Legitimationstheorie hat wegen ihrer starken Überzeichnung der „Legitimationskraft des Besitzes“ früh und zu Recht Kritik auf sich gezogen886. Ihr wurde vorgeworfen, sie sei dogmatisch überflüssig und wertungsmäßig verfehlt; mit einer solchen Fiktion der Berechtigung sei in der Sache nichts gewonnen887; es sei unglaubwürdig, daß das Gesetz unrechtmäßiges Tun durch Verleihung von Rechtsmacht sanktioniere888. Zwar wird auch heute noch vereinzelt von einer „Legitimationswirkung des Besitzes“ gesprochen889; die Legitimationstheorie als solche wird aber nicht mehr vertreten890. Auch Wellspacher hat die Legitimationstheorie kritisiert891, war zugleich aber um eine vermittelnde Lösung bemüht892: Die germanistische Wissenschaft habe einen Gedanken wieder entdeckt, der schon dem Kantschen Naturrecht und den Redaktoren des ABGB völlig geläufig gewesen sei, den Gedanken, daß der Besitz hinsichtlich des Verkehrsschutzes im Fahrnisrecht eine ähnliche Rolle spiele, wie das Grundbuch im Liegenschaftsrecht. Durch den Grundbuchseintrag sei ein äußerer 883 884 885
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Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 276, 296; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/1 und 45. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 1, § 423 Rz 1. In diesem Sinn auch Wieling, Sachenrecht I § 10 VI 1 (S 396); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 41, § 932 Rz 107 ff; Hager, Verkehrsschutz 5. Siehe besonders Regelsberger, JherJB 47 (1904) 356 ff, 360 ff. Regelsberger, JherJB 47 (1904) 368. Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht II7/8 § 37 III (S 157 f); ähnlich Regelsberger, JherJB 47 (1904) 364 f mwN; H. Hübner, Rechtsverlust 50. Daß der Scheintatbestand nicht nur im Sachenrecht, sondern auch in der Vertrauenshaftung eine rein tatsächliche Anspruchsvoraussetzung ist und nicht als „Ermächtigung“ zugunsten des Scheinberechtigten gedeutet werden kann, betont zu Recht auch Canaris, Vertrauenshaftung 502 f. Siehe etwa Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 34, Art 933 Rz 6; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; vgl weiters Wolff/Raiser, Sachenrecht10 23; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 423; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 37, 59 (siehe aber auch Rz 16, wonach nicht der Besitz des Veräußerers den Erwerb legitimiere, sondern die Besitzerlangung die Legitimationsbasis darstelle); Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 IV 2 (S 372), wobei für die „Legitimation durch den Rechtsschein“ ebenfalls die Disposition über den Besitz als entscheidend angesehen wird (§ 45 III 1 a [S 366 f)]; ähnlich auch Weber, JuS 1999, 2. Siehe die Kritik bei H. Hübner, Rechtsverlust 48 ff, 58 ff; Altmeppen, Disponibilität 2 ff, 238 ff, 295 f. Wellspacher, Vertrauen 16 ff („völlige Verdrehung der Sachlage“). Wellspacher, Vertrauen 1 f; siehe auch, aaO, 17.
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Tatbestand gegeben, an den die moderne Gesetzgebung den Schutz des guten Glaubens knüpfe. Der Dritte dürfe sich auf diesen Tatbestand verlassen, der Inhalt des Grundbuchs gelte zu seinen Gunsten als richtig. Diese Bedeutung einer objektiven Grundlage des guten Glaubens komme im Fahrnisrecht dem Besitze zu. Er sei der normale äußere Tatbestand dinglicher Rechte, in erster Linie des Eigentums. Der Dritte dürfe sich in gewissen Schranken darauf verlassen, daß der Besitzer der wahre Berechtigte sei. Zur Untermauerung seiner Konzeption konnte Wellspacher893 nicht zuletzt auf die Gesetzesmaterialien zum BGB und ZGB verweisen. So heißt es in den Motiven zum BGB: „Für den Verkehr mit beweglichen Sachen ist es von der größten Bedeutung, dem gutgläubigen Erwerber in der Regel Sicherheit seines Erwerbes zu gewährleisten. Dem gleichen Bedürfnisse wird in dem Immobilienrechte durch den gesetzlichen Schutz des Vertrauens auf die publica fides des Grundbuches entsprochen. Bei beweglichen Sachen bilden an Stelle des Grundbuches die Inhabung und der Besitz des Veräußerers, welche denselben befähigen, den Erfordernissen des dinglichen Vertrages in der Übergabe zu genügen, die Grundlage des zu schützenden guten Glaubens“894. Noch eindringlicher wird in den Erläuterungen zum schweizerischen ZGB formuliert: Die Zusammenstellung von Besitz und Grundbuch in derselben Abteilung des Sachenrechtes rechtfertige sich aus der übereinstimmenden Funktion, die dem Besitz und dem Grundbuch zukomme. Was das Grundbuch für Immobilien, das leiste der Besitz für die Mobilien895. Dem Fahrnisbesitze komme in demselben Sinne die Funktion als „Form des Rechtes“ zu, wie dem Grundbuchseintrage bei Liegenschaften896. Ganz im Sinne der Huberschen Legitimationstheorie897 wird 893 894
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Vertrauen 2 f. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Der Grenzen eines solchen Vergleichs waren sich die Gesetzesredaktoren aber durchaus bewußt und sie betonen deshalb in der Folge die „Verschiedenheit des Grundbuches und des Besitzstandes als Grundlage des guten Glaubens“ (Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 f, 346, 347 f = Mugdan, Materialien III 191 ff): Während eine Unrichtigkeit des Grundbuches, die einen Nichtberechtigten zur Vornahme eines Veräußerungsaktes befähige, sehr selten sei, werde es sehr häufig vorkommen, daß ein Inhaber, der nicht Eigentümer sei, sich in der Lage befinde, tradieren zu können (Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 348 = Mugdan, Materialien III 193). Vorentwurf, ZGB, Erläuterungen III 351; siehe auch Botschaft des Bundesrates, ZGB 61. Vorentwurf, ZGB, Erläuterungen III 368 f; siehe auch Botschaft des Bundesrates, ZGB 61. Dazu bereits oben FN 870; siehe weiters Hedinger, Publizitätsdenken 35 ff, 38 ff.
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dabei betont, daß der Besitz zur Legitimation über die Sache genüge, er sei die Form des dinglichen Rechtes an Fahrnis898. Diese ungemein plakative und geradezu lehrbuchmäßige Parallele zwischen Grundbuch und Besitz hat in die Standardliteratur Eingang gefunden899, gleichzeitig werden aber auch die Grenzen einer solchen Gleichstellung betont900: Anders als das Grundbuch, ist der Besitz als natürlicher Rechtsscheintatbestand nämlich eine sehr unsichere Vertrauensgrundlage901. Gleichwohl hält die überwiegende Lehre auch heute noch an der Rechtsscheinwirkung des Besitzes fest902, wobei zum Teil darauf verwie898 899 900
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Vorentwurf, ZGB, Erläuterungen III 19. Siehe etwa Heck, Sachenrecht 247, 249. H. Westermann, JuS 1963, 3 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 II 1 (S 365); Wacke, Besitzkonstitut 40 f; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 250; Eichler, Institutionen I 127 f; differenzierend schon Wellspacher, Vertrauen 18; Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht II7/8 § 37 III (S 157 f). Die aufgezeigte Parallele ablehnend Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 15 FN 49a; Hedinger, Publizitätsdenken 44 ff, 60 f; Peters, Entzug des Eigentums 62 f. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 3/4, der zutreffend betont, daß in der näheren Ausgestaltung der Regelungen über den redlichen Fahrnis- und Liegenschaftserwerb wenig Gemeinsamkeiten bestehen. Vgl schon Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 346 = Mugdan, Materialien III 192, wo ausdrücklich hervorgehoben wird, daß der Besitz nur einen viel unsichereren Schluß auf den Rechtsbestand zulasse als das Grundbuch. Folgerichtig wird der gute Glaube an den Grundbuchsstand erst durch positive Kenntnis seiner Unrichtigkeit zerstört (§ 892 BGB), während dem redlichen Erwerber einer beweglichen Sache bereits grobe Fahrlässigkeit schadet (§ 932 BGB). Zur Schwäche des Besitzes gegenüber anderen Rechtsscheintatbeständen ausführlich auch Peters, Entzug des Eigentums 62 ff. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 244 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 2/4; Heck, Sachenrecht 249; H. Westermann, JuS 1963, 3; Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 932 Rz 3 ff; Erman/Michalski, BGB11, Vor §§ 932-936 Rz 1; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 932 Rz 4; Palandt/Bassenge, BGB64, Vor § 929 Rz 5; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 423; Eichler, Institutionen I 128 und II/1, 156; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 1; Zeranski, JuS 2002, 341 f; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930937 Rz 23, 34, Art 933 Rz 6; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 324; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 472; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1763. In der deutschen Lehre hat sich der Schwerpunkt vom Besitz aber bereits auf die Besitzverschaffungsmacht verlagert, die zumindest synchron mit dem Besitz betont oder als eigentlich maßgebend bezeichnet wird, siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 a (S 366 f); Wiegand, JuS 1974, 204 f; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 12 ff; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 16, 37; Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 1 f, 12 f; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 932 Rz 1; Musielak, JuS 1992, 714 mit FN 12; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 561, 564; Weber, JuS 1999, 2; Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 543 mit FN 115. Die ausschließliche Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht betont insb Hager, Verkehrsschutz 245 ff; derselbe, ZIP 1993, 1450. In Österreich wird ein „Rechts-
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sen wird, daß das Gesetz selbst in diese Richtung weist903: § 323 ABGB ordnet nämlich an, daß der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines gültigen Titels für sich hat. Vermutet wird somit das Recht zum Besitz, wobei ein gültiger Titel nach § 380 ABGB Voraussetzung für das Eigentum des Besitzers ist. Ähnlich wird im Hinblick auf § 1006 BGB argumentiert904, der auf der vermuteten Identität von Eigentums- und Besitzerwerb aufbaut905, sowie zu Art 930 ZGB906. Wenn die genannten Bestimmungen auch in einem inneren Zusammenhang mit der Rechtsscheinwirkung des Besitzes stehen907 und ein Indiz für die vom Gesetz gewählte Konzeption bieten, so wird doch kritisch angemerkt, daß diese Vorschriften lediglich die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast regeln und damit als konstituierende Grundnorm eines materiell-rechtlich wirkenden Rechtsscheintatbestandes nur bedingt geeignet erscheinen908. Die Betonung eines „Gleichklangs von Besitz und Eigentum“909, ist heute jedenfalls skeptischer Zurückhaltung gewichen – mit Enthusias-
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schein des Besitzes“ vor allem von Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6, abgelehnt, der allein die „Fähigkeit des Verfügenden das Erwerbsgeschäft zu erfüllen“ für ausschlaggebend hält. Zur Lehre von der Besitzverschaffungsmacht ausführlich unten S 179 ff. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 244 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 2/4; vgl schon Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 51 f. Siehe Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 932 Rz 4 f; Weber, JuS 1999, 2; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 561; Zeranski, JuS 2002, 341 f; Erman/Michalski, BGB11, Vor §§ 932-936 Rz 1; Eichler, Institutionen I 128 mit FN 156; siehe auch Wolff/Raiser, Sachenrecht10 250 und die in FN 907 genannten Autoren. § 1006 BGB: „Eigentumsvermutung für Besitzer. 1 Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, daß er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, daß es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt. 2 Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, daß er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei. 3 Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermutung für den mittelbaren Besitzer“. Art 930 ZGB: „1 Vom Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er ihr Eigentümer sei. 2 Für jeden früheren Besitzer besteht die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen ist“. Siehe Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 23, 34; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 478. H. Westermann, JuS 1963, 3; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 a (S 367); siehe auch Wiegand, JuS 1974, 206 mit FN 64; derselbe, JuS 1978, 147; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 12. Siehe die Kritik von Hager, Verkehrsschutz 241 ff, 243 („Wo der Besitz seinen Stellenwert verloren hat, rettet ihn eine prozessuale Vorschrift nicht mehr“); Rebe, AcP 173 (1973) 193 f; Bauer, Bosch-FS (1976) 11 f; Ernst, Gernhuber-FS (1993) 97 f; Kindl, Rechtsscheintatbestände 316 f; Peters, Entzug des Eigentums 61 f. Vgl etwa Crome, System III § 377 (S 191): „Der Besitz ist regelmäßig der Zustand der Verwirklichung des dinglichen Rechts.“; Wellspacher, Vertrauen 2, 15:
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mus erfüllt die „Rechtsscheinwirkung des Besitzes“ niemanden mehr. Allenthalben wird betont, daß der Besitz in einer arbeitsteiligen Gesellschaft eine höchst unzuverlässige Rechtsscheinposition darstelle910: Da vielfach Nichteigentümer (Mieter, Entleiher, Leasingnehmer oder Käufer unter Eigentumsvorbehalt) Inhaber der Sache seien, könne aus dem Besitz nicht auf das Eigentum geschlossen werden911. Angesichts der in Deutschland – anders als in Österreich – akzeptierten publizitätslosen Sicherungsübereignung wird diese Situation noch verschärft, so daß Hager912 feststellt: „Institute wie der Eigentumsvorbehalt, die Sicherungsübereignung oder das Leasing drehen, wo sie einmal branchentypisch geworden sind, den auf dem Besitz basierenden Rechtsschein geradezu um“. Ein Ausweg aus diesem Dilemma – eine Rechtsscheinwirkung zu propagieren, an die man selber nicht mehr so recht glauben mag – wird vor allem in zwei Richtungen gesucht: Zum einen soll der geschilderten Kritik dadurch Rechnung getragen werden, daß nicht mehr auf den Besitz, sondern auf einen nach differenzierten Kriterien gewonnenen Vertrauenstatbestand abgestellt wird (unten 3). Zum anderen wird vertreten, daß nicht der Besitz des Verfügenden das maßgebliche Element des objektiven Rechtsscheintatbestandes sei, sondern die erfolgreich getroffene Disposition über den Besitz (unten 4). Auf die Leistungsfähigkeit beider Ansätze ist im Folgenden einzugehen.
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„Besitz als normaler äußerer Tatbestand des Eigentums“ (durchaus differenziert aber S 18 f); H. Westermann, JuS 1963, 3: „Die Grundlage der Rechtsschein erzeugenden Wirkung ist die Tatsache, daß nach der Lebenserfahrung Besitz und Eigentum regelmäßig zusammenfallen.“; ebenso Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 II 1 (S 365). Mit unterschiedlicher Akzentuierung kritisch Bauer, Bosch-FS (1976) 5 ff, 17 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 1; Canaris, Vertrauenshaftung 484; Ernst, Gernhuber-FS (1993) 101 ff; Frotz, Kastner-FS (1972) 154; Gernhuber, JZ 1956, 544; Giehl, AcP 161 (1962) 364 ff; Hager, Verkehrsschutz 240 ff; derselbe, ZIP 1993, 1449 f; Hedinger, Publizitätsdenken 46 ff, 49 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 56 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 315 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 392 f; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 208 ff; Peters, Entzug des Eigentums 65 f; Rebe, AcP 173 (1973) 193 ff; Wacke, Besitzkonstitut 33 f, 41; Wiegand, JuS 1974, 206; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 29; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 23, 250; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13 f. Pointiert Frotz, Kastner-FS (1972) 154: „Indizwirkung der Innehabung als Erinnerung an frühere dörfliche Idyllen“. Verkehrsschutz 240.
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3. Erfordernis eines durch „stärkere Anscheinsmerkmale“ erweiterten Rechtsscheintatbestandes? Ein Teil der Lehre hat versucht, die mangelnde Eignung des Besitzes, das Eigentum mit hinreichender Sicherheit zu publizieren913, durch erhöhte Anforderungen an den Rechtsscheinträger auszugleichen914: Vertrauenstatbestand sei nicht der Besitz als solcher, sondern nur jene Besitzlage, die durch stärkere, typischere Anscheinsmerkmale intensiviert sei915. Zugleich soll der Schutz des Eigentümers durch erhöhte Anforderungen an dessen Verantwortlichkeit für den bestehenden Rechtsschein verstärkt werden916. Ein solches Konzept wurde zuerst von H. Hübner vertreten: Vom Gedanken der Gefahrenbeherrschung ausgehend, sieht H. Hübner einen Rechtsverlust des Eigentümers nur in jenen Fällen für gerechtfertigt an, in denen der Eigentümer in zurechenbarer Weise eine erhöhten Anforderungen genügende Vertrauenslage geschaffen hat917. Seine zentrale Forderung ist dabei die konkrete Bestimmung des Vertrauenstatbestandes918: Innehabung und Besitz seien sehr oft nicht mit dem Eigentum verbunden und würden daher der Funktion als dessen äußerer Schein nur unvollkommen entsprechen. Die Innehabung der Sache könne daher nicht schlechthin, sondern nur dann eine Basis des gutgläubigen Erwerbs bilden, wenn sie nach der verkehrsüblichen Auffassung als Ausdruck der Stellung eines Eigentümers gewertet werden könne. Auch nach Giehl kommt als Vertrauenstatbestand nur eine Sachlage in Betracht, „die den Veräußerer objektiv, dh vom Standpunkt des „reasonable man“ aus, als Berechtigten erscheinen läßt“919. Wie bei H. Hüb-
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Vgl die Nachweise oben FN 910. H. Hübner, Rechtsverlust 89 ff, 124 ff; Giehl, AcP 161 (1962) 363 ff, 372 ff; Rebe, AcP 173 (1973) 194 ff; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14, 17. Siehe H. Hübner, Rechtsverlust 90, 124; Giehl, AcP 161 (1962) 374 f; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 17; Bauer, Bosch-FS (1976) 18 f. Vgl auch Rebe, AcP 173 (1973) 195 f, wonach der Besitz durch die den Anschein des Eigentums hervorrufende Tatsachenlage zu ersetzen sei, die ihrerseits durch die Verkehrsauffassung bestimmt werde. H. Hübner, Rechtsverlust 97 ff, 105 ff; Rebe, AcP 173 (1973) 200 f; Giehl, AcP 161 (1962) 375 f. Siehe auch Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 17, für den dieser Gesichtspunkt – ebenso wie die „Besitzverstärkung“ – aber nur für den Zivilverkehr beachtlich sein soll. Im Handelsverkehr sei wegen des erhöhten Verkehrsinteresses hingegen ein großzügiger Gutglaubensschutz zuzulassen. Von der Tendenz her ähnlich – weitergehender Schutz bei erhöhtem Verkehrsbedürfnis im Handel – Giehl, AcP 161 (1962) 369 ff. H. Hübner, Rechtsverlust 105 f, 126 f. H. Hübner, Rechtsverlust 89 ff, 124 f. Giehl, AcP 161 (1962) 363.
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ner soll deshalb der unmittelbare Besitz nur dann eine ausreichende Rechtsscheingrundlage darstellen, wenn Umstände hinzutreten, die auf das Eigentumsrecht des Besitzers hindeuten („Eigentumsindizien“) und dem Eigentümer zuzurechnen sind920. Besonders kritisch äußert sich Giehl hinsichtlich der Rechtsscheinwirkung des mittelbaren Besitzes921, weshalb sich bei ihm der Schwerpunkt bereits auf die Besitzverschaffungsmacht verschoben hat922: Freilich sei auch das Vertrauen auf die Besitzverschaffungsmacht nicht in jedem Fall schutzwürdig; vielmehr seien auch hier strenge Anforderungen an den objektiven Rechtsscheintatbestand zu stellen923. Als Vertrauensgrundlage käme eben stets nur ein „Tatbestand mit Außenwirkung“ in Betracht924. Der Auffassung Giehls hat sich Bauer925 angeschlossen: Der uneingeschränkte Vollzug der Übereignung („Übertragung der Haben-Beziehung“) sei das primäre objektive Merkmal des Anscheinstatbestandes. Da aber der Verfügungsakt nur in der rechtlichen Abstraktion des Rechtsgeschäftes isoliert erfaßt werde, in der Lebenswirklichkeit hingegen von zahlreichen Sachumständen begleitet, Teil einer Gesamtsituation sei, werde seine Anscheinswirkung auch von den Begleitumständen der Veräußerung mitbestimmt. Welche Gegebenheiten für oder gegen das Eigentum des Verfügenden sprechen, bestimme sich nach der objektiven Verkehrsanschauung danach, was in der Zeit, nach der wirtschaftlichen Lage, den Gepflogenheiten und Üblichkeiten des Warenverkehrs als typische oder atypische Kriterien der Übereignung beweglicher Sachen der jeweiligen Art angesehen werde. Wie Giehl und Bauer betont auch Rebe926 die Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht. Zur Forderung Giehls als Vertrauensgrundlage käme nur ein „Tatbestand mit Außenwirkung“ in Betracht, merkt Rebe allerdings kritisch an, es bleibe dabei offen, worin diese Außenwirkung liegen solle, wenn nicht im Besitz der Sache oder in der realen Verschaffungsmacht. Freilich gelingt auch Rebe keine deutlichere Abgrenzung. Nachdem er – durchaus ähnlich wie Giehl927 – am Beispiel der Kfz-Papiere die nötige Erweiterung der objektiven Rechtsscheingrundlage „für bestimmte Fallgruppen“ zu demonstrieren versucht, kommt Rebe nämlich lediglich zu folgendem Ergebnis: Die Anscheinsgrundlage für den gutgläubigen Erwerb sei nicht durchgängig die beglaubigende Besitzlage. Entsprechend 920 921 922 923 924 925 926 927
Giehl, AcP 161 (1962) 374 ff. Giehl, AcP 161 (1962) 358 f, 365 ff. Giehl, AcP 161 (1962) 376 ff. Giehl, AcP 161 (1962) 378. Giehl, AcP 161 (1962) 379. Bosch-FS (1976) 18 f. AcP 173 (1973) 194 f. AcP 161 (1962) 374 ff.
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der jeweiligen Erwerbssituation sei vielmehr nach der Verkehrsauffassung ein Mehr oder ein Weniger erforderlich oder ausreichend. Generell werde man in dem typischerweise auf den Güterumsatz gerichteten Handelsverkehr dabei andere, in der Regel geringere anscheinserzeugende Voraussetzungen genügen lassen als im privaten Bereich928. Schließlich hat eine ganz ähnliche Auffassung wie Giehl geraume Zeit früher schon Zweigert929 vertreten, der sein Lösungskonzept freilich – anders als Giehl – bloß als rechtspolitischen Vorschlag de lege ferenda verstand: Als Ausnahmefall der Eigentumsverfolgung sei ein redlicher Erwerb – außerhalb des Handelsverkehrs – prinzipiell nur dann zuzulassen, wenn der Eigentümer außer der Überlassung des Besitzes an den Veräußerer weitere Indizien für dessen Eigentümerstellung verursacht habe. Wie bei H. Hübner und Giehl soll also auch nach Zweigert der Eigentümer nur in jenen Fällen mit einem Rechtsverlust belastet werden, in denen er in zurechenbarer Weise einen deutlich qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der über die bloße Besitzposition des Verfügenden hinausgeht. Die herrschende Auffassung ist keinem dieser Vorschläge gefolgt, auch auf die Gerichtspraxis hatten sie keinen Einfluß. Dies liegt vor allem daran, daß die dargestellten Konzepte in den gesetzlichen Vorschriften keine zureichende Deckung finden und deshalb die lex-lata-Grenze überschreiten930. Der geforderte „verstärkte Vertrauenstatbestand“ bleibt zudem vielfach schemenhaft und allzu unbestimmt931. Zu wenig berücksichtigt wird von den vorgestellten Theorien das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das gerade im Sachenrecht auf Grund der Zuordnungsfunktion keineswegs vernachlässigt werden darf und einen typisierten und damit möglichst klar umrissenen Rechtsscheintatbestand erfordert932. Soweit berechtigte Gesichtspunkte angesprochen werden – so insbesondere die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls – wären die zu erzielenden Fortschritte überdies bescheiden, da auch die herrschende Auffassung hinsichtlich der aufgezählten Kriterien eine Korrektivfunktion der Redlichkeit anerkennt933. So ist etwa – um eine von Giehl934 und Rebe935 besonders hervorgestrichene Fallkonstellation als Beispiel anzuführen – sowohl in Österreich936 als auch 928 929 930
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Rebe, AcP 173 (1973) 196. RabelsZ 23 (1958) 17. Vgl Wolff/Raiser, Sachenrecht10 250 FN 14; Wacke, Besitzkonstitut 43 FN 105; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 4 (S 372). Vgl Gernhuber, JZ 1956, 544; J. Hager, Verkehrsschutz 243. Siehe auch Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 4 (S 372); Wiegand, JuS 1974, 206. Dies betonen zu Recht schon J. Hager, Verkehrsschutz 243; Wiegand, JuS 1974, 206. AcP 161 (1962) 374 f. AcP 173 (1973) 195 f. OGH in SZ 34/197 = EvBl 1962/181 = ZVR 1963/15; HS 5282 = EvBl 1967/82 = ZVR 1967/213; JBl 1988, 313 = ZVR 1988/81 = HS 18.532; SZ 68/196 = RdW 1996, 356
Maßgebliche Rechtsscheingrundlage
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in Deutschland937 allgemein anerkannt, daß der Erwerber eines Gebrauchtwagens mangels Redlichkeit nicht geschützt wird, wenn er sich die KfzPapiere (Typenschein, Kraftfahrzeugbrief) nicht vorlegen läßt938. Eine Berücksichtigung solcher Gegebenheiten des Einzelfalles erst auf Ebene der Gutgläubigkeit widerspricht auch keineswegs der Sachlogik, wie Bauer939 meint, sondern ermöglicht erst ein vertieftes Verständnis der gesetzlichen Konzeption: Wie § 368 ABGB ausdrücklich anordnet, kommt es beim redlichen Erwerb nämlich auf eine insgesamt objektiv unverdächtige Erwerbssituation an. Es sind also auch solche Umstände zu berücksichtigen, auf die der Eigentümer keinerlei Einfluß hat, so etwa der Verkaufspreis, der Ort der Veräußerung oder die Vertrauenswürdigkeit des unberechtigt Verfügenden940. Wollte man hingegen auf einen verstärkten Rechtsscheintatbestand abstellen, so könnten bei Beachtung des Rechtsscheinprinzips – wie bei H. Hübner941, Giehl942, Rebe943 und Zweigert944 deutlich gemacht, von Bauer aber außer Acht gelassen
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= HS 26.106 und 26.368 (Gutglaubenserwerb vom Leasingnehmer). Beim Barkauf eines fabriksneuen Kfz von einem Händler ist eine Einsicht in den Typenschein hingegen nicht nötig: OGH in ZVR 1962/24 = HS 627; SZ 60/13 = JBl 1988, 311 (Rodrigues, aaO 295 ff) = RdW 1987, 157 = HS 18.531; gleiches gilt für Vorführwagen: OGH in JBl 1988, 313 = ZVR 1988/81 = HS 18.532; RdW 1993, 331. Ebenso ist bei der Zwangsversteigerung eines Kfz das Vorliegen des Typenscheins nicht erforderlich, da der Verpflichtete sonst durch die Verweigerung seiner Herausgabe die Verwertung des Fahrzeugs verhindern könnte, so OGH in SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92. Siehe weiters Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 31; Schuhmacher in Straube, HGB2 § 366 Rz 11a; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 368 Rz 5; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 368 Rz 3 f; Bollenberger, ÖJZ 1995, 645, 647, 650. Zur Veräußerung von Vorbehaltsgut vgl noch unten S 313 mit FN 1606. BGH in WM 1956, 158; WM 1963, 1186; NJW 1967, 1022, 1024; NJW 1975, 735; NJW 1991, 1415; NJW 1996, 2226. Hingegen ist eine Vorlage des Kraftfahrzeugbriefes beim Kauf fabriksneuer Wagen von angesehenen Händlern nicht erforderlich: BGH in BGHZ 30, 374, 380. Siehe weiters Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 90, 139 ff, 166 ff; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46 2 c (S 378 f); ausführlich Barheine, Kraftfahrzeugerwerb. Zu den dogmatischen Konsequenzen – insbesondere hinsichtlich der Beweislast und des Zurechnungserfordernisses – die eine Zuordnung der objektiven Begleitumstände des Erwerbes zum Rechtsscheintatbestand oder zur Redlichkeitsprüfung hat, sogleich im Text und ausführlich unten S 389 ff und S 404 ff. Bosch-FS (1976) 18, 19. Kritisch auch Canaris, Vertrauenshaftung 505. Instruktiv etwa OLG München in NJW 2003, 673 (nicht rechtskräftig): Ablehnung eines Gutglaubensschutzes bei überaus günstigem Erwerb einer wertvollen Gargnani-Geige am Münchener Hauptbahnhof. Rechtsverlust 97 ff, 105 ff. AcP 161 (1962) 375. AcP 173 (1973) 198 ff. RabelsZ 23 (1958) 17 (für den „Zivilverkehr“); vgl auch FN 946.
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wird945 – grundsätzlich nur solche Umstände berücksichtigt werden, die der Eigentümer in zurechenbarer Weise veranlaßt hat946. Für die Frage der Zurechnung reicht nach der Konzeption des Gesetzes aber eindeutig aus, daß der Eigentümer die Sache dem Veräußerer anvertraut, ihm also die Innehabung an der Sache verschafft hat. Daß die vorgeschlagene Konzeption eines „erweiterten Rechtsscheintatbestandes“ auch rechtspolitisch gesehen kaum zu überzeugen vermag, macht schließlich ein vergleichender Blick auf das estoppel-Prinzip des anglo-amerikanischen Rechts deutlich, von dem die dargestellten Lösungsansätze offensichtlich inspiriert wurden. Nach diesem Prinzip wird ein redlicher Erwerber nur in jenen Fällen geschützt, in denen der Eigentümer die Sache dem Veräußerer überlassen und zusätzlich ein Indiz geschaffen hat, das für dessen Eigentum oder Verfügungsbefugnis spricht („indicia of ownership“ oder „indicia of authority“)947. Die bloße Besitzüberlassung allein reicht hingegen nicht aus948. Gerade diese strengen Anforderungen an die Begründung einer Scheinstellung („apparent ownership“; „apparent authority“) haben freilich dazu geführt, daß der estoppel-Grundsatz in der Praxis keine allzu große Bedeutung erlangt hat949 und im Hinblick auf den Verkehrsschutz vielfach als unzureichend empfunden wird, weshalb zahlreiche Sondervorschriften geschaffen wurden: Zu verweisen ist insbesondere auf die Privilegierung des redlichen Erwerbs von einem Händler durch § 2-403 (2) Uniform Commercial Code, die stets dann zulässig ist, wenn der Eigentümer diesem die veräußerte Sache anvertraut hat („entrusting of possession“)950 und die Voidable-title-Doktrin bei Mängeln der Veräußerungsgeschäfte in der Vormännerkette (Sect 23 Sale of Goods Act; § 2-403 (1) Uniform Commercial Code)951. 945 946
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Bauer, Bosch-FS (1976) 18 f. Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 14, steht dabei einer generellen Forderung nach Zurechenbarkeit des Rechtsscheins durchaus kritisch gegenüber, da ihre Verwirklichung die gerade im Sachenrecht zu fordernde Sichtbarkeit der Maßstäbe und die gerade hier unentbehrliche Erkennbarkeit der Rechtslage zu sehr verdunkeln würde. Im Handelsverkehr sei ein redlicher Erwerb daher allgemein, also auch an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zuzulassen (aaO 17). Dazu Pfetsch, Gutglaubenserwerb 74 ff, 77 ff; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 6 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 68 ff. Pfetsch, Gutglaubensschutz 79 f, 100 f mwN. So Thorn, Mobiliarerwerb 70. Siehe auch Pfetsch, Gutglaubensschutz 83 ff, mit ausführlicher Darstellung der Auflockerungstendenzen, die das estoppel-Prinzip deshalb beim Erwerb von einem nicht berechtigten Kaufmann erfahren hat. § 2-403 (2) UCC: “Any entrusting of possession of goods to a merchant who deals in goods of that kind gives him power to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business.“ Dazu Pfetsch, Gutglaubensschutz 111 ff, 116 ff. Dazu ausführlich bereits oben S 143 f.
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Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, daß die dargestellten Konzepte eines „verstärkten Rechtsscheintatbestandes“ nicht nur die lex lata-Grenze überschreiten, sondern auch als rechtspolitische Reformvorschläge gewichtigen Bedenken begegnen. Man muß sich nämlich darüber im Klaren sein, daß eine konsequente Umsetzung der genannten Vorschläge – wegen der von ihnen gestellten besonders qualifizierten Anforderungen an den vom Eigentümer in zurechenbarer Weise geschaffenen Rechtsscheintatbestand – im Vergleich zum geltenden Recht zu einer deutlichen Absenkung des Verkehrsschutzes führen würde. Wollte man das Schutzniveau dennoch beibehalten, so bestünden zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte zumindest für den Handelsverkehr ein Gutglaubenserwerb doch wiederum in großzügigem Ausmaß gewährt werden, wie dies in der Tat Zweigert952 vorgeschlagen und der Uniform Commercial Code verwirklicht hat. Anderseits könnten die entstandenen Verkehrsschutzlücken durch andere sachenrechtliche Institute geschlossen werden953; aus diesem Grund wird von Reformvorschlägen, die eine Einschränkung des redlichen Fahrniserwerbs befürworten, zugleich meist auch eine Erweiterung der Ersitzungsmöglichkeiten gefordert954. Eine isolierte Reform des vom Gesetz beim redlichen Fahrniserwerb verwirklichten Rechtsscheinkonzepts kann hingegen keinesfalls befürwortet werden. Grundlegende Änderungen der gesetzlichen Konzeption bedürften vielmehr einer Abstimmung mit dem gesamten sachenrechtlichen Verkehrsschutzsystem. 4. Zur Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht Nach der Lehre von der Besitzverschaffungsmacht soll nicht der Besitz des Verfügenden das maßgebliche Element des objektiven Rechtsscheintatbestandes sein, sondern die erfolgreich getroffene Disposition über den Besitz955. Erst durch die tatsächliche Verschaffung des Besitzes bewähre sich
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RabelsZ 23 (1958) 17: Im Handelsverkehr sei ein redlicher Erwerb schlechthin zuzulassen, gleichgültig, ob es sich um anvertraute oder gestohlene oder sonst abhanden gekommene Sachen handle; zu schützen sei dabei auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis. Der redliche Erwerb sei insoweit durch das öffentliche Interesse an Verkehrserleichterung legitimiert. Für den Bereich des Handels schlägt Zweigert somit für das deutsche Recht eine Lösung vor, die das ABGB beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) bereits im Jahre 1812 verwirklicht hat! Zum Zusammenspiel der unterschiedlichen Institute ausführlich bereits oben S 124 ff. Siehe insb von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 230 ff. Gernhuber, Bürgerliches Recht3 § 8 III 2 a; derselbe, JZ 1956, 544; Westermann/ Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1a (S 367); Weber, JuS 1999, 2.
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nämlich aus der Sicht des Erwerbers die angenommene Rechtsmacht des Nichtberechtigten956. Da der Rechtsschein somit nicht aus der ruhenden, statischen Besitzlage sondern aus der Besitzverschaffungsmacht resultiere, sei es besser von einem „Rechtsschein des Besitzwechsels“ zu sprechen957. In Österreich haben – soweit ersichtlich – zuerst Melzer und Brügel958 betont, daß das bloße „Raumverhältnis“, das äußerlich an Person und Sache dem Erwerber vor Augen trete, keine geeignete Grundlage für den guten Glauben darstelle. Aus diesem sei nämlich nicht ersichtlich, ob es Ausdruck eines Rechtsverhältnisses sei und welche Rechtsbeziehung ihm etwa zugrunde liege. Es sei daher ungenau, wenn man es so darstelle, als ob die rein körperliche Lage der Sache es wäre, die dem Dritten Anlaß gäbe, ein bestimmtes Rechtsverhältnis als vorhanden anzunehmen959. Eine Grundlage finde der gute Glaube des Erwerbers vielmehr erst darin, daß der Detentor in Ansehung der Sache, um die es sich handle, eine Verfügung vornehme, die nur der Eigentümer vornehmen könne, daß derselbe somit die Rechtsstellung, die ihm nach seiner äußeren körperlichen Beziehung zur Sache dem Anschein nach zukommen könnte, wirklich für sich in Anspruch nähme und betätige960. Da es Melzer und Brügel in der Sache allerdings darum geht, nachzuweisen, daß nur ein rechtsgeschäftlicher, nicht aber ein exekutiver redlicher Mobiliarerwerb zulässig ist, legen sie das Schwergewicht auf die Mitwirkung des Veräußerers in Gestalt einer rechtsgeschäftlichen Abrede: Erst die Mitwirkung des Sachinhabers, seine rechtsgeschäftliche Verfügung über die Sache, stelle eine taugliche Grundlage für den Glauben des Dritterwerbers an das Recht des Vormannes dar, die sein Vertrauen in den Erfolg seines Erwerbes hinlänglich motiviere961. Könnten die vorgebrachten Argumente mutatis mutandis somit zwar auch für die Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht ins Treffen geführt werden, so stellt dieser Aspekt für Melzer/ Brügel doch noch kein zentrales Thema dar. Dezidiert auf die Besitzverschaffungsmacht stellt hingegen Spielbüchler962 ab: Den Ausgangspunkt des Erwerbes bilde die Fähigkeit einer Person, das Erwerbsgeschäft zu erfüllen, nicht ein wie immer gearteter Rechtsschein des Besitzes963. 956 957 958 959
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Berg, JuS 1970, 13; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1a (S 366 f). Wadle, JZ 1974, 695 mwN in FN 88. Vertrauensschutz 30 ff. Vertrauensschutz 31 f. Daß deshalb nicht die bloße Innehabung der Sache, sondern nur der (Eigen)Besitz an ihr als Rechtsscheingrundlage für die Eigentümerstellung des Veräußerers in Betracht kommt, wurde schon oben S 165 f dargelegt. Ausführlicher noch unten S 201 und S 202 ff. Vertrauensschutz 33. Vertrauensschutz 33. In Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6. Diese Auffassung nähert sich bereits der Position von Hager, Verkehrsschutz 245 ff; derselbe, ZIP 1993, 1450, an, für den es ausschließlich auf die Besitz-
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Die Bedeutung dieser Ausführungen erschließt sich nur dann, wenn man sie in Beziehung zu den einzelnen Übergabsformen setzt: Trotz der aufgezeigten Schwächen kann mit der Lehre vom Rechtsschein des Besitzes nämlich in jenen Fällen das Auslangen gefunden werden, in denen der Veräußerer die Sache in unmittelbarem Besitz hat. Im Hinblick auf die Stärke der Rechtsscheingrundlage ist es dabei bedeutungslos, ob der redliche Erwerb durch körperliche Übergabe (§ 426 ABGB) oder durch Zeichen (§ 427 ABGB) erfolgt; gleiches gilt für eine Übergabe durch traditio brevi manu und Besitzkonstitut. Bei der Übergabe kurzer Hand ist freilich Voraussetzung, daß der Erwerber die Sache zuvor vom Veräußerer erhalten hat, da nur dann eine Rechtsscheingrundlage vorliegt964. Auch gegen die Zulässigkeit des Besitzkonstituts bestehen – wenigstens im Hinblick auf die Rechtsscheingrundlage – keinerlei Bedenken, ist der Veräußerer doch auch hier im unmittelbaren Besitz der Sache. Die Lage ist insofern nicht anders als bei der realen Tradition965; eine Unzulässigkeit könnte sich aber aus anderen Gründen ergeben966 und ist für das deutsche Recht ausdrücklich normiert (§ 933 BGB)967. Die Entäußerung des Besitzes – bei der nicht die Ausübung des Rechts durch den Rechtsscheinträger, sondern seine Aufgabe in den Vordergrund tritt – bringt in diesen Fällen hingegen keine neuen Aspekte968: Auf Grund des Traditionsprinzips bedarf selbstverständlich auch der redliche Erwerb – wie jeder Rechtserwerb – eines objektiv tauglichen Übergabsaktes. Besteht aber ohnedies eine taugliche Rechtsscheingrundlage – weil der Veräußerer unmittelbarer Besitzer der Sache ist – so bringt die besondere Akzentuierung des allgemeinen Übergabserfordernisses keine Vorteile, sondern nur die Gefahr mit sich, daß verschiedene Erwerbsvoraussetzungen unzulässig vermischt werden969.
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verschaffungsmacht ankommen soll: Ausschlaggebend sei nicht die Situation vor der Verfügung, nicht das Vertrauen des Erwerbers auf einen schon beim unmittelbaren, erst recht beim mittelbaren Besitz höchst schemenhaften Rechtsschein, sondern die Fähigkeit des Veräußerers, seinem Partner zum Besitz zu verhelfen (Verkehrsschutz 245). Diese Ansicht dürfte die dogmatische Bedeutung des Rechtsscheinprinzips und seinen heuristischen Wert allerdings doch zu stark vernachlässigen, siehe dazu FN 988 sowie unten S 189 ff. Ausdrücklich wird dies angeordnet von § 932 Abs 1 Satz 2 BGB; siehe dazu Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 2 (S 371); Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 47 I 2 (S 388) sowie unten FN 1760. So zutreffend Iro, Besitzerwerb 237 f; Heck, Sachenrecht 250. Dazu ausführlich unten S 339 ff und S 361 ff. Gemäß § 933 BGB wird der Erwerber erst dann Eigentümer, wenn ihm die Sache (körperlich) übergeben wird und er in diesem Zeitpunkt gutgläubig ist. Notwendig ist also eine völlige Besitzaufgabe des Veräußerers (BGH in NJW 1996, 2654). Vgl dazu Hager, Verkehrsschutz 244 f. Vgl Iro, Besitzerwerb 244.
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In jenen komplexeren Erwerbsfällen, in denen der Veräußerer nur mittelbarer Besitzer der Sache ist, stößt das Konzept von der Rechtsscheinwirkung der Besitzlage hingegen an seine Grenzen970. Als völlig vergeistigte Form der Sachherrschaft fehlt dem mittelbaren Besitz nämlich jegliche Außenwirkung971: Das Besitzmittlungsband selbst tritt als solches regelmäßig nicht in Erscheinung und entzieht sich überdies gemeinhin der Kontrolle des Erwerbers972. Mangels objektiver Erkennbarkeit entfaltet der mittelbare Besitz damit aber keinerlei Indizwirkung in Bezug auf das Eigentum des mittelbaren Besitzers973. Die von außen erkennbare Sachlage spricht vielmehr für das Eigentum des Besitzmittlers974. Flüchtet man sich nicht in bloße Fiktionen975, so muß man deshalb zugestehen, daß der mittelbare Besitz keine für den redlichen Erwerb geeignete Vertrauensbasis abgibt976; als juristisches Konstrukt ist der mittelbare Besitz eben „keine Tatsache der Erscheinungswelt“977, weshalb ihm die für einen Rechtsscheintatbestand erforderliche „sozialtypische Evidenz und Greifbarkeit“ fehlt978. Mangels einer ausreichenden in der Besitzlage zu Tage tretenden Rechtsscheingrundlage wird in diesen Fällen somit die Frage der Besitzverschaffungsmacht bedeutsam. Da diese Theorie in Deutschland entwickelt wurde und sich die Problematik in den Fällen des § 934 BGB – also bei einem redlichen Erwerb durch Abtretung des Herausgabeanspruches – besonders deutlich zeigt, ist darauf zunächst einzugehen: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache, so wird der Erwerber gemäß § 934 Fall 1 BGB mit Abtretung des Herausgabeanspruches Eigentümer979. Zwar will ein Teil der Lehre hier den mittelbaren Besitz als 970
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Dazu Boehmer, Grundlagen II/2, 37 f; Giehl, AcP 161 (1962) 365 f; Hager, Verkehrsschutz 241; Kindl, Rechtsscheintatbestände 315 ff; Iro, Besitzerwerb 241 ff; Picker, AcP 188 (1988) 527 ff, 561 f; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 256; Wellspacher, Vertrauen 11. Giehl, AcP 161 (1962) 365. Hager, Verkehrsschutz 241. Kindl, Rechtsscheintatbestände 315 f. Iro, Besitzerwerb 243. Vgl Boehmer, Grundlagen II/2, 38; Giehl, AcP 161 (1962) 377. Iro, Besitzerwerb 243. Wellspacher, Vertrauen 11. Picker, AcP 188 (1988) 562. Von seiner Funktion entspricht die Übertragung des Eigentums durch Abtretung des Herausgabeanspruches (§ 931 BGB) in etwa der in Österreich geläufigen Besitzanweisung, so Frotz, Kreditsicherungsrecht 34. Dogmatisch bestehen freilich bedeutsame Unterschiede, da die Abtretung keine Anzeige an den Herausgabepflichtigen erfordert. Die konstruktive Parallele zur österreichischen Besitzanweisung ist deshalb durch einen Vergleich mit der Übergabe durch eine „Geheißperson“ zu bilden, siehe Iro, Besitzerwerb 87 f, 242. Zum Verhältnis von
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Rechtsscheingrundlage ausreichen lassen980, doch sieht sich diese Auffassung dem schon angeklungenen Einwand ausgesetzt, daß eine bloß „vergeistigte Sachherrschaft“ keinen Ansatz für ein konkretes Vertrauen auf die besitzrechtliche Stellung des Verfügenden bieten kann, sondern sich auf dessen Gerede, er sei Eigentümer, reduziert981. Entscheidendes und ausreichendes Kriterium für den redlichen Erwerb wird im Fall des § 934 Fall 1 BGB somit die Verschaffung des (mittelbaren) Besitzes982. Einen solchen Standpunkt legen im übrigen schon die Materialien zum BGB nahe, aus denen deutlich wird, daß es dem historischen Gesetzgeber keineswegs auf den Besitz allein ankam, sondern er durchaus auch der Disposition über den Besitz – also der Ausübung der Rechtsscheinposition – Aufmerksamkeit schenkte983: So wird in den Motiven ausgeführt, Grundlage des zu schützenden guten Glaubens sei die Inhabung und der Besitz des Veräußerers, „welche denselben befähigen, den Erfordernissen des dinglichen Vertrages in der Übergabe zu genügen“984. Es sei der in der Übergabe notwendiger Weise hervortretende Besitzstand, der dem Erwerber die Annahme nahe lege, daß der tradierende bisherige Inhaber oder Besitzer auch Eigentümer der Sache sei985. Und schließlich wird in den Protokollen im Hinblick auf den heutigen § 934 Fall 1 BGB explizit betont, der Erwerber erlange durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs eine wirkliche rechtliche Herrschaft über die Sache und „die Fähigkeit des Veräußerers, ihm diese Herrschaft zu verschaffen, biete eine ebenso berechtigte Grundlage für das Vertrauen des Erwerbers auf das Eigentum des Veräußerers wie der eigene Besitz des letzteren“986. Nur mit der Lehre von der Besitzverschaffungsmacht kann schließlich ein Erwerb nach § 934 Fall 2 BGB erklärt werden: Fehlt dem Verfügenden nämlich auch der mittelbare Besitz, so wird der Gutgläubige nicht schon durch die Abtretung des (behaupteten) Herausgabeanspruches Eigentümer, sondern erst dann, wenn er auf Grund der Veräußerung den Besitz an der Sache vom Dritten erlangt hat, wobei auch hier mittelbarer Besitz ausreicht987. Da der Veräußerer in keiner Besitzbeziehung zur Sache steht
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Besitzanweisung und Abtretung des Herausgabeanspruches weiters Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 b (S 376); derselbe, AcP 184 (1984) 455 ff. So etwa Heck, Sachenrecht 251; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 20; Zeranski, JuS 2002, 347; ebenso –wenngleich kritisch – Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 b (S 376). So treffend Hager, Verkehrsschutz 241. Vgl dazu die Nachweise in FN 992. Darauf weist zutreffend schon Kindl, Rechtsscheintatbestände 311 f, hin. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 346 = Mugdan, Materialien III 192. Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 210 = Mugdan, Materialien III 632 f. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 22; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 3 (S 399); Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 c (S 378).
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und eine diesbezügliche Rechtsscheingrundlage somit völlig fehlt, kann es in diesem Fall allein auf die Verschaffung des Besitzes ankommen988. Auch dies hat der historische Gesetzgeber bereits erkannt und im Hinblick auf § 934 Fall 2 BGB ausgeführt: Wenn der dritte Besitzer nach der Abtretung eines vorgeblichen Herausgabeanspruchs auf Verlangen des redlichen Erwerbers diesem den Besitz an der Sache einräume, „so müsse dieser hierin eine Anerkennung des Eigentums des Veräußerers erblicken und in diesem Vertrauen dürfe er nicht getäuscht werden“989. Die beiden Fallkonstellationen des § 934 BGB und die hierzu angeführten Materialien zeigen, daß das BGB seiner gesetzlichen Konzeption nach dem Besitz als Rechtsscheingrundlage die Besitzverschaffungsmacht gleichstellt990. Gerade in der 2. Alternative des § 934 BGB, in welcher der Veräußerer in keinerlei Besitzbeziehung zur Sache steht und deshalb die Fiktion einer durch den mittelbaren Besitz gegebenen Rechtsscheingrundlage von vornherein ausscheidet, ließe sich ein redlicher Erwerb anders nicht erklären991. Auf Grund dieser gesetzlichen Vorgaben hat sich heute auch in der deutschen Lehre der Schwerpunkt vom Besitz generell auf die Besitzverschaffungsmacht verlagert, die zumindest synchron mit dem Besitz betont oder sogar als eigentlich maßgeblich bezeichnet wird992. 988
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Siehe Heck, Sachenrecht 251; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 a (S 367); Wiegand, JuS 1974, 206; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 18. Weiter geht Hager, Verkehrsschutz, 248 f; derselbe, ZIP 1993, 1450, für den § 934 Fall 2 BGB geradezu den „Modellfall“ darstellt, der zeige, daß stets allein die Besitzverschaffungsmacht maßgeblich sei: Beklage man, daß das Gesetz in diesem Fall das Rechtsscheinprinzip aufgegeben habe, so werde übersehen, daß ein „nicht durchgehaltenes Legitimationsmuster“ ohnehin wenig tauge. Es reiche eben in jedem Fall die Fähigkeit des Veräußerers, seinem Partner den Besitz zu verschaffen. Die hier vertretene Auffassung legt hingegen stärkeres Gewicht auf das Rechtsscheinprinzip und damit auf die Herausarbeitung der – auch in ihrer Stärke – unterschiedlichen Rechtsscheingrundlagen, was insbesondere bei der Redlichkeitsprüfung bedeutsam wird. Näher dazu im Text; ausführlich zur Bedeutung des Rechtsscheinprinzips noch unten S 189 ff (in Auseinandersetzung mit W. Ernst). Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 209 f = Mugdan, Materialien III 632. Vgl Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 20; Musielak, JuS 1992, 716 mwN in FN 52 (jeweils zum gutgläubigen Geheißerwerb im Rahmen des § 932 BGB). Die Lehre von der Besitzverschaffungsmacht dürfte insofern auf M. Wolff zurückgehen, siehe Wolff/Raiser, Sachenrecht10 254 f. Gleiches gilt für die Fälle des Geheißerwerbs, in denen der gutgläubige Erwerber den Sachbesitz nicht vom Veräußerer, sondern auf dessen Geheiß von einem Dritten erlangt; siehe die Nachweise in der vorhergehenden FN. Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 a (S 366 f); Wiegand, JuS 1974, 204 f; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 12 ff; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 16, 37; Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 1 f, 12 f;
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Eine dem § 934 Fall 1 BGB vergleichbare Problematik besteht auch im österreichischen Recht. Wie bei der Abtretung des Herausgabeanspruches stellt sich nämlich bei der Besitzanweisung die Frage, worin die taugliche Rechtsscheingrundlage liegen soll, wenn der Verfügende bloß mittelbarer Besitzer der Sache ist. Gegen die Eignung des mittelbaren Besitzes, eine taugliche Rechtsscheingrundlage abzugeben, bestehen hier dieselben Bedenken wie im deutschen Recht993. Versucht man die Frage nach der maßgeblichen Rechtsscheingrundlage bei einem gutgläubigen Erwerb durch Besitzanweisung zu lösen, so ist – trotz der funktionellen Verwandtschaft von Besitzanweisung und Abtretung des Herausgabeanspruches994 – zu beachten, daß zwischen beiden Übertragungsformen ein wesentlicher dogmatischer Unterschied besteht995: Im Gegensatz zur Abtretung des Herausgabeanspruches, die völlig ohne Beteiligung oder auch nur Kenntnis des Herausgabepflichtigen erfolgen kann996, erfordert die Besitzanweisung nach österreichischem Recht997 nämlich zumindest eine Anweisung an den Besitz-
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Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 932 Rz 1; Musielak, JuS 1992, 714 mit FN 12; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 561, 564; Weber, JuS 1999, 2; Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 543 mit FN 115. Die ausschließliche Bedeutung der Besitzverschaffungsmacht betont insb Hager, Verkehrsschutz 245 ff; derselbe, ZIP 1993, 1450, vgl dazu bereits oben FN 988. Siehe Iro, Besitzerwerb 241 ff; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 sowie oben bei FN 970. Anders aber Spielbüchler, Schuldverhältnis 172 f. Vgl Frotz, Kreditsicherungsrecht 34. Siehe dazu schon oben FN 979 mit Nachweisen. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 51 Rz 38; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 42 IV (S 330); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 931 Rz 1, 22. Anders in der Schweiz: Hier ist die Mitteilung an den Besitzmittler kein Konstitutiverfordernis für die Übertragung des Eigentums, siehe Rey, Sachenrecht I2 Rz 1730. Konstruktiv wird dabei davon ausgegangen, daß der Veräußerer kraft des Besitzvertrages seinen mittelbaren Besitz nunmehr unselbständig für den Erwerber ausübt, bis der Dritte, bei dem sich die Sache befindet, vom Besitzvertrag Kenntnis erlangt und nun seinerseits nicht mehr für den Veräußerer, sondern für den Erwerber besitzt. So Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 437; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 924 Rz 6; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 924 Rz 22 ff, 25. Vor der Anzeige ähnelt diese Konstruktion somit einem Besitzkonstitut: Der Veräußerer, dem der Besitz an der Sache durch den Dritten vermittelt wird, wird seinerseits Besitzmittler des Erwerbers, beschließt also, nunmehr für den Erwerber innezuhaben, wobei ihm die Innehabung weiterhin durch den Dritten vermittelt werden soll (Besitzmittlerkette). Im Ergebnis wurde diese Übertragungsform auch von einem Teil der älteren österreichischen Lehre für möglich gehalten (siehe Randa, Besitz4 555 ff; Klang in Klang, ABGB II2 325). Dagegen überzeugend Spielbüchler, Schuldverhältnis 137 ff, der einwendet, daß der Dritte vor der Verständigung von der Veräußerung weiterhin den Veräußerer und nicht den Erwerber als Eigentümer anerkennt. Deshalb fehle es
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
mittler, die Sache von nun an für den Erwerber innezuhaben998. Diese Notwendigkeit einer Anweisung würde es erlauben, bei der Besitzanweisung die Rechtsscheintheorie strikt durchzuhalten. Im Fall der Besitzanweisung bleibt man nämlich dann völlig im Rahmen eines streng verstandenen Rechtsscheinprinzips, wenn man mit Iro999 verlangt, daß der Angewiesene im Fall des gutgläubigen Erwerbs ausdrücklich oder durch entsprechende Ausübungshandlungen bestätigt, daß er dem Veräußerer (bislang) den Besitz vermittelt hat. Gleiches hat mE zu gelten, wenn der Besitzmittler die Anweisung annimmt oder ihr zumindest durch deutliche Besitzmittlungsakte zugunsten des Erwerbers tatsächlich entspricht1000. In einem solchen Verhalten würde nämlich jedenfalls eine taugliche objektive Rechtsscheingrundlage bestehen. Zu einer anderen Lösung gelangt man hingegen, wenn man auf die Verwirklichung einer insgesamt objektiv unverdächtigen Erwerbssituation abstellt und mit Spielbüchler1001 die tatsächliche Verschaffung (mittelbaren) Besitzes ausreichen läßt. Ein solcher Ansatz dürfte nicht nur dem Interesse des Verkehrs gerade auch an der Zulässigkeit von Übergabssurrogaten besser entsprechen, sondern auch im Hinblick auf die Interessenlage der konkreten Parteien keine allzu gewichtigen Bedenken erwecken: Der redliche Erwerber trägt nämlich ohnedies das Risiko, ob das behauptete Besitzmittlungsverhältnis tatsächlich besteht und eine Anweisung wirklich vorgenommen wurde; insofern bringt ihm der redliche Erwerb, der nur das fehlende Eigentumsrecht oder die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers substituiert, keine Vorteile
998
999 1000 1001
an der für eine taugliche Übergabe notwendigen Begründung der Sachherrschaft des Erwerbers. Ebenso ist nach Iro, Besitzerwerb 85 f, 242, eine Willensänderung des Besitzmittlers zur Gewahrsams- und Besitzerlangung durch den Erwerber erforderlich. Ausdrücklich anders wertet freilich das BGB, das bei Abtretung des Herausgabeanspruches die Abhängigkeit des mittelbaren Besitzes vom Besitzmittlungswillen des unmittelbaren Besitzers gelockert hat, da dieser ja nicht verständigt zu werden braucht und deshalb weiterhin den Besitz für den Zedenten (Veräußerer) ausüben will. Diese Lockerung wird damit gerechtfertigt, daß derjenige, der überhaupt einen anderen als Oberbesitzer anerkenne, in aller Regel auch dessen Befugnis zur Übertragung seiner übergeordneten Besitzposition akzeptiere. Siehe Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 19 III 2 (S 122). Iro, Sachenrecht2 Rz 2/40; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 239 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 428 Rz 4. Eine besondere Annahme der Anweisung durch den Inhaber ist dabei nach hM nicht erforderlich, ausführlich dazu F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/1, 656 ff. Besitzerwerb 243 ff. Siehe Frotz, Kreditsicherungsrecht 154; zweifelnd aber Iro, Besitzerwerb 243 f. In Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3 und 6; anders wohl noch derselbe, Schuldverhältnis 182 (wo auf die „Anerkennung“ des Angewiesenen abgestellt wird).
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gegenüber einem regulären (derivativen) Erwerb. Für die Sicherung des Eigentümers macht es hingegen keinen Unterschied, ob der Veräußerer die Sache einem ihm gefügigen Besitzmittler ausgehändigt hat, der bereit ist, eine entsprechende Publizitätshandlung gegenüber dem redlichen Erwerber zu setzen oder nicht; zudem wird der Besitzmittler – etwa ein Lagerhalter – die wahren Eigentumsverhältnisse ohnedies oft nicht kennen und daher selbstverständlich der Weisung des Einlagerers, der auf Grund seines unmittelbareren Besitzes als Eigentümer auftreten konnte, unproblematisch Folge leisten. Für die Zulässigkeit der Besitzanweisung maßgeblich und bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist hingegen die Stellung des Eigentümers zur Sache und damit seine Möglichkeit das Risiko eines Rechtsverlustes zu beherrschen. Findet ein gutgläubiger Erwerb nämlich ohne äußerlich erkennbaren Übergabsakt statt, so bestehen ähnliche Bedenken wie im Fall des Besitzkonstituts: Dem Eigentümer droht ein Rechtsverlust durch einen „heimlichen Gutglaubenserwerb“1002, obwohl für ihn nach außen alles beim Alten bleibt und er sich deshalb nicht einmal zu schuldrechtlichen Schritten gegen den Veräußerer veranlaßt sieht, um wenigstens auf diese Weise sein Vermögen zu sichern. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß gerade aus diesen Gründen auch in Deutschland häufig ein Normenwiderspruch zwischen § 933 BGB, der einen Gutglaubenserwerb durch Besitzkonstitut ausschließt, und § 934 BGB, der ihn bei Abtretung des Herausgabeanspruches zuläßt, angenommen wird1003. Mit der Frage nach der tauglichen Rechtsscheingrundlage darf diese Problematik – auf die noch näher einzugehen sein wird1004 – aber nicht vermengt werden. Läßt man die bloße Verschaffung mittelbaren Besitzes bei der Besitzanweisung ausreichen, so ist freilich zuzugestehen, daß die erforderliche Rechtsscheingrundlage auf ein Minimum reduziert wird1005. Dies erscheint weniger bedenklich, wenn man anerkennt, daß auch die Rechtsscheinposition des unmittelbaren Besitzes wegen ihrer au1002
1003
1004 1005
So treffend (zu § 934 BGB) W. Müller, AcP 136 (1933) 186 ff; Picker, AcP 188 (1988) 521; Kindl, AcP 201 (2001) 394 ff. Dazu (mit unterschiedlichen Harmonisierungsversuchen) Boehmer, Grundlagen II/2, 28 ff, 32 ff; W. Müller, AcP 133 (1937) pointiert S 87: Die Weisheit mit der der Gesetzgeber § 933 BGB begründet habe, müsse er bei § 934 BGB schon wieder vergessen haben. Aus jüngerer Zeit Hager, Verkehrsschutz 330 ff; Picker, AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff; Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff; Wacke, Besitzkonstitut 50 ff; Musielak, JuS 1992, 720 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 317 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 391 ff, jeweils mwN. Siehe unten S 361 ff. Ähnlich im Hinblick auf § 934 Fall 1 BGB – wo ebenfalls die Übertragung des mittelbaren Besitzes ausreicht – Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 17.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
genscheinlichen Schwäche nicht imstande ist, das Institut des redlichen Erwerbs zu rechtfertigen1006. Damit wird die Bedeutung des Rechtsscheinprinzips für das Institut des redlichen Erwerbs als solches aber nicht in Frage gestellt1007: Ohne Ermittlung der jeweils maßgeblichen Rechtsscheingrundlage ginge nämlich jeder Bezugspunkt der Redlichkeitsprüfung verloren, der etwa in jenen Fällen, in denen der Veräußerer unmittelbarer Besitzer ist, relativ unproblematisch in der Besitzlage des Veräußerers zu sehen ist. Schon das Beispiel der Besitzanweisung hat freilich gezeigt, daß keineswegs in jeder Übergabsvariante von ein und derselben Rechtsscheingrundlage auszugehen ist, sondern für jede Übergabsform im Einzelnen zu prüfen ist, worin eine taugliche Rechtsscheingrundlage erblickt werden kann1008. Im Hinblick auf den eigentlichen Zweck redlichen Erwerbs, nämlich den Verkehrsschutz, steht dabei mE das Vorliegen der objektiv unverdächtigen Erwerbssituation im Vordergrund, also einer Situation die äußerlich jener entspricht, die bei einem regulären Erwerb stattfindet. Darüber hinausgehende Rechtsscheinerfordernisse sind mE hingegen nicht zu verlangen. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Erwerbssituationen ist überdies zu berücksichtigen, daß die bestehende Rechtsscheingrundlage von durchaus unterschiedlicher Stärke sein kann und dies bei den an die Redlichkeit zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen ist – je schwächer die Rechtsscheingrundlage, desto stärker sind die an die Redlichkeit zu stellenden Anforderungen1009: So ist der unmittelbare Besitz des Veräußerers typischerweise von stärkerem Gewicht als die „unsichtbare Besitzverschaffung“ im Fall der Besitzanweisung. Hat der 1006 1007
1008
1009
Dazu näher unten S 193 ff. AA aber Ernst, Gernhuber-FS (1993) 95 ff; kritisch auch Hager, Verkehrsschutz 239 ff, 245 ff. Dazu bereits oben FN 963 und 988 sowie ausführlicher unten S 189 ff. Siehe dazu die Untersuchung der einzelnen Übergabsformen in § 7 (S 339 ff). Im deutschen Recht ist eine solche Vorgangsweise schon durch das Gesetz selbst angelegt, da das BGB in den §§ 932 – 934 für die einzelnen Übergabsformen der §§ 929 – 931 die Möglichkeit redlichen Erwerbs jeweils detailliert regelt, wobei – wie oben bereits ausgeführt wurde – dem „Rechtsschein des Besitzes“ die Besitzverschaffungsmacht gleichgestellt wird. Zutreffend betont Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 14, in diesem Zusammenhang, daß das gesetzliche Konzept nicht auf einem generell vom Besitz ausgehenden Rechtsschein basiere, sondern auf einer Reihe von Tatbeständen, in denen das Gesetz diesen Rechtsschein anerkenne. Grundlegend zu dieser „Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen“ Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 9 ff, 27, § 932 Rz 37; derselbe, JuS 1974, 207 f; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 193 ff. Ablehnend Bauer, Bosch-FS (1976) 18; Ernst, Gernhuber-FS (1993) 109 f. Eingehend dazu unten S 416 ff.
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Besitzmittler die Anweisung hingegen angenommen oder durch für den Erwerber äußerlich erkennbare Besitzmittlungsakte bestätigt, so dürfte die Stärke der Rechtsscheinposition in etwa die Mitte der eben dargestellten Extrempole „unmittelbarer Besitz“ und „vergeistigte Besitzverschaffungsmacht“ halten. 5. Ablehnung des Rechtsscheinprinzips durch W. Ernst Entschieden abgelehnt wird die Anwendung der Rechtsscheinlehre auf den redlichen Mobiliarerwerb von Wolfgang Ernst1010: Es sei methodisch verfehlt mit dem Rechtsscheinprinzip ein „erklärendes“ Grundprinzip für den gutgläubigen Erwerb konstruieren zu wollen, da der Rechtsschein nach den §§ 932 ff BGB überhaupt nicht zum juristischen Tatbestand gehöre. Seine Begründung finde der redliche Erwerb allein in den vollzogenen Erwerbstatbeständen, weshalb es keiner weiteren Legitimation – etwa durch einen beim Veräußerer begründeten Rechtsschein – bedürfe. Die Rechtsscheinlehre sei eine reine Begriffskonstruktion, die den Zweck verfolge, den Gutglaubenserwerb rechtstheoretisch zu begründen. Als eine bloß legitimierende tatbestandsfremde Konstruktion müsse sie aber abgelehnt werden, weil sie dem redlichen Erwerb eine innere Konsequenz zu verleihen suche, die ihm nicht zukomme. Ernst untermauert sein Konzept durch die Feststellung, daß der Schluß vom Besitz einer Person auf deren Eigentum anerkanntermaßen nicht tragfähig sei1011; vor allem aber seien die wahrnehmungstheoretischen Prämissen der Rechtsscheinlehre – der fremde Besitz sei im Gegensatz zum fremden Eigentum der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar zugänglich – unhaltbar. Solche Prämissen und nicht so sehr die Fragwürdigkeit einer statistischen Beziehung zwischen Eigentum und Besitz seien der eigentliche Mangel der Rechtsscheinlehre1012. Da der mittelbare Besitz keine Rechtsscheinwirkung erzeugen könne, liege ihre kardinale Schwäche darin, eine Erklärungs- und Legitimationsleistung a limine nur für jene Fälle liefern zu können, in denen der Veräußerer unmittelbarer Besitzer sei1013. Selbst die tatsächliche Sachherrschaft sei aber kein auf eine Einzeltatsache bezogener Begriff, sondern ein auf eine ganze Tatsachenlage bezogenes Möglichkeitsurteil1014. Es liege beim gutgläubigen Mobiliarerwerb also markant anders als bei jenen Rechtsinstituten, die tatbestandlich auf einen Rechtsscheintatbestand abstellen: Das Grundbuch und der Erbschein seien als institutionelle 1010 1011 1012 1013 1014
Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS
(1993) (1993) (1993) (1993) (1993)
95 ff, 99. 101 f. 104. 104. 106 f.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Rechtsscheinträger gerade auf ihre Wahrnehmung hin angelegt, ihnen könne der Besitz nicht gleichgestellt werden1015. Auch eine Weiterentwicklung der Rechtsscheinlehre lehnt Ernst ab1016: Wolle man den Rechtsschein statt im Veräußererbesitz in der gesamthaft unverdächtigen Erwerbslage ansiedeln, dann habe die RechtsscheinKonstruktion keine eigenständige Bedeutung mehr. Gleiches gelte aber auch dann, wenn man den Vollzug der Übergabe als rechtsscheinbegründend ansehe: Entscheidend sei in diesem Fall nämlich nur das gesetzliche Übergabserfordernis, zu dessen Erfassung der Rechtsscheingedanke aber nichts beitrage1017. Juristischer Entscheidungsgrund des Interessenkonfliktes von Eigentümer und Erwerber ist deshalb nach Auffassung von Ernst allein der Besitzwechsel1018. Dieser sei ein sachgerechter Anknüpfungspunkt sowohl für den Schutz des Erwerbers als auch für den Rechtsverlust des Eigentümers: Für den Erwerber stelle die vollzogene Übergabe wahrnehmungspsychologisch eine regelrechte Zäsur dar. Nach erfolgter Übergabe sei für ihn nämlich jede subjektive Unsicherheit über die Besitzlage ausgeschlossen, was sich aus der willentlich aufgenommenen Sachbestimmung ergebe. Die Ergreifung der Sache zu Eigenbesitz sei somit jener Moment, in dem für den gutgläubigen Erwerber die Zuordnung der Sache in einer psychologisch wirklich markanten Weise außer Frage gestellt sei1019. Zugleich stelle der Besitzwechsel auch für den Rechtsverlust des Eigentümers insofern einen Sachgrund dar, als die Besitzerlangung des Erwerbers stets die „restlose“ Verdrängung des Eigentümers aus seiner Besitzposition voraussetze1020. Der glänzend geschriebenen Abhandlung von Ernst ist in zahlreichen Punkten zuzustimmen: So ist es mE völlig zutreffend und liegt auch auf der Linie der vorliegenden Untersuchung, daß ein wie immer gearteter Rechtsschein nicht imstande ist, den redlichen Erwerb als solchen zu rechtfertigen, sondern es vielmehr um eine wertende Entscheidung des Gesetzes zugunsten des Verkehrsschutzes geht1021. Beachtenswert sind weiters die kritischen Bemerkungen zur Rechtsscheinqualität des Besitzes – insbesondere in jenen Fällen, in denen der Veräußerer nur mittelbarer Besitzer ist – und das Aufzeigen der Unterschiede zu den künstlichen Rechtsscheintatbeständen Grundbuch und Erbschein. Be1015 1016 1017 1018 1019 1020 1021
Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS Gernhuber-FS
(1993) (1993) (1993) (1993) (1993) (1993) (1993)
107. 107 ff. 113. 114 ff. 115. 119. 102.
Maßgebliche Rechtsscheingrundlage
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sondere Beachtung verdient schließlich die Betonung der Bedeutung des Besitzwechsels für den redlichen Mobiliarerwerb: In der Verdrängung des Eigentümers aus seiner Besitzposition zugunsten des redlichen Erwerbers kommt nämlich jenes Abwägungskriterium ins Blickfeld, das bereits oben als „Näherherantreten“ an die Sache bezeichnet wurde1022. Eine darüber hinausgehende eigenständige Bedeutung der vollzogenen Übergabe als wahrnehmungspsychologische Zäsur für den Erwerber ist mE hingegen zweifelhaft: Entscheidend für den Schutz des Erwerbers ist nämlich seine Redlichkeit, die auf die gesamte Erwerbssituation bezogen werden muß und sich keineswegs in der „Ergreifung des Eigenbesitzes“ erschöpft. Das mit dem Besitzwechsel verbundene subjektive Gefühl, eine „Unsicherheit der Besitzlage sei nun ausgeschlossen“, ist für die Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens hingegen weder stets erforderlich noch ausreichend. Damit sind bereits jene Gründe angeklungen, aus denen der Hauptthese Ernsts – dem Rechtsscheinprinzip komme für den redlichen Erwerb keinerlei Funktion zu – mE nicht gefolgt werden kann. Die Kritik ist hier allzu radikal, um überzeugen zu können: Völlig aus dem Blickpunkt gerät dabei nämlich der eigentliche Bezugspunkt der Redlichkeitsprüfung, nämlich die Rechtsscheingrundlage. Dies erscheint um so gravierender, als kaum ernstlich bestritten werden kann, daß dem Vertrauen des Erwerbs, das stets auf die jeweilige Vertrauensgrundlage bezogen werden muß, beim gutgläubigen Erwerb eine ganz entscheidende und bei der Interessenabwägung gebührend zu berücksichtigende Bedeutung beizumessen ist. Warum die komplexen Fälle des mittelbaren Besitzes – in denen die Rechtsscheingrundlage tatsächlich auf ein Minimum reduziert ist – aber zum Anlaß genommen werden sollten, das „Kind mit dem Bade auszuschütten“ und das Rechtsscheinprinzip als solches gleich gänzlich über Bord zu werfen, bleibt letztlich ungeklärt. Man beraubt sich dadurch nämlich selbst in solchen Fällen eines klaren Bezugspunktes für die Redlichkeitsprüfung, in denen ein solcher – wie beim unmittelbaren Veräußererbesitz – durchaus vorliegt und verwischt zudem die Unterschiede, die in den genannten Fallkonstellationen hinsichtlich der Stärke der Rechtsscheingrundlage jeweils bestehen1023. Schließlich wird durch die zu einseitige Betonung allein des Besitzwechsels nicht ausreichend berücksichtigt, daß ein redlicher Erwerb von einer insgesamt objektiv unverdächtigen Erwerbssituation abhängt, wie nicht nur § 368 ABGB durch seinen Verweis auf sämtliche Umstände des Erwerbs (Natur der an sich gebrachten Sache, deren Preis, die persönlichen Eigenschaften des Vormannes und die sonstigen
1022 1023
Siehe S 130 ff. Ausführlich dazu noch unten S 339 ff und S 361 ff. Dazu bereits oben S 188 f.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Verhältnisse) eindeutig anordnet1024, sondern auch die umfangreiche Judikatur der österreichischen, deutschen und schweizerischen Gerichte zur Frage des guten Glaubens eindrucksvoll belegen1025. Eine völlige Negierung des Rechtsscheinprinzips für den redlichen Erwerb würde also dazu führen, daß ein wesentlicher Gesichtspunkt außer Acht gelassen wird: Vertrauenstatbestand und Vertrauen stehen in einem inneren Zusammenhang, weshalb stets – um ein berühmtes Bild von Engisch1026 zu verwenden – ein „Hin-und Herwandern des Blickes“ zwischen beiden Komponenten erforderlich ist. Dies darf nicht vernachlässigt werden und wird von Wiegand1027 ganz zutreffend als „Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen“ charakterisiert: Je geringer die Rechtsscheinwirkung des Vertrauenstatbestandes sei, desto strenger seien die Voraussetzungen für die Redlichkeit zu bestimmen1028. Erst dieses Konzept ermöglicht mE eine ausreichende Differenzierung der unterschiedlichen Fallkonstellationen und eine wertungsgerechte Lösung der stets variierenden Einzelfälle. Eben deshalb ist dieser Lösungsansatz „genau jener Weg, den die Praxis geht“1029. Der Einwand Ernsts – „Die Bösgläubigkeit des Erwerbers ist Gegenstand einer Tatsachenerkenntnis, die, wenn es sich um Rechtserkenntnis handeln soll, 1024
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Wie bereits oben S 177 f ausgeführt wurde, zählen solche Umstände – bei denen es nach der Konzeption des Gesetzes auf eine Zurechnung nicht ankommt – nicht zum Rechtsscheintatbestand selbst, sondern sind erst auf der Ebene der Redlichkeit zu prüfen. Siehe die Zusammenstellungen bei Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 368 Rz 3 ff; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 28 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 138 ff; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 32 ff; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 50 ff. Logische Studien3 15 (zur Wechselbeziehung zwischen relevantem Sachverhalt und anzuwendender Rechtsnorm bei der Subsumtion). Zustimmend F. Bydlinski, Methodenlehre2 44, 421 f; Kramer, Methodenlehre2 30 FN 4, jeweils mwN. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 9 ff, 27, § 932 Rz 37; derselbe, JuS 1974, 207 f; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 189 f, 193 ff. Ausführlich dazu S 416 ff. So zutreffend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 37. Unberechtigt ist hingegen der Einwand Ernsts, Gernhuber-FS (1993) 109, der Ansatz Wiegands sei bloß die Umsetzung der Forderungen H. Hübners in das geltende Recht. Fordert man nämlich wie H. Hübner einen verstärkten Rechtsscheintatbestand, so können für diesen nach dem Rechtsscheinprinzip prinzipiell nur solche Umstände bedeutsam sein, die der Eigentümer selbst in zurechenbarer Weise geschaffen hat. Nach der Konzeption des Gesetzes kommt es aber auf das Vorliegen einer insgesamt unverdächtigen Erwerbssituation an. Zu berücksichtigen sind also – auf der Ebene der Redlichkeitsprüfung – gerade auch jene Modalitäten des Erwerbes, auf die der Eigentümer keinerlei Einfluß hat, so etwa der Preis und der Ort der Veräußerung. Ausführlicher dazu bereits oben S 177 f.
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durch nichts anderes bedingt sein sollte als durch die Wirklichkeit und unsere Möglichkeit ihrer Erkenntnis“ – verspricht demgegenüber keine weitere Aufhellung1030. Um eine „lebensnahe Anknüpfung“ des Erwerberschutzes geht es freilich auch Ernst1031. Folgt man seiner Auffassung – es sei alleine auf den Besitzwechsel abzustellen – droht mE aber eine Verkürzung der Fragestellung: Bei der Problematik des Rechtsscheins geht es nämlich um den Bezugspunkt für die Redlichkeitsprüfung, beim Besitzwechsel tritt hingegen die sachenrechtliche Stellung des Eigentümers und des Erwerbers zur Sache – also insbesondere das Näherherantreten des Erwerbers an die Sache – in den Blickpunkt. Bei beiden Komponenten geht es aber um ganz unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte: So ist im Falle des Besitzkonstituts der Rechtsschein auf Grund des unmittelbaren Veräußererbesitzes grundsätzlich unbedenklich, doch wird als problematisch empfunden, daß der redliche Erwerber keine intensivere Beziehung zur Sache erlangt, als der Eigentümer, der sie dem Veräußerer anvertraut hat. Bei der Besitzanweisung hat der Veräußerer hingegen den letzten Rest des Besitzes prinzipiell aufgegeben1032, die Rechtsscheingrundlage ist im Vergleich zu jenen Fällen, in denen der Veräußerer unmittelbarer Besitzer der Sache ist, hingegen deutlich herabgesetzt. Eine völlige Eliminierung der Rechtsscheinlehre brächte somit keine erkennbaren Vorteile, wohl aber die eminente Gefahr mit sich, daß die unterschiedliche Stärke der einzelnen Rechtsscheintatbestände nicht mehr ausreichend gewürdigt wird und die stets erforderliche Interessenabwägung mangels Anhaltspunkten in die Irre geht. C. Stellungnahme Wer heute die Eignung des Besitzes, eine besondere „Legitimationskraft“ oder umfassende und sichere „Rechtsscheinwirkung“ zu entfalten, 1030
1031 1032
Zu beachten ist freilich, daß es sich bei der Feststellung, ob der Erwerber nach den konkreten Umständen redlich war, um eine (nicht revisible) Tatsachenfrage handelt, während es sich bei den Kriterien, die an den Begriff der Gutgläubigkeit anzulegen sind, um eine Rechtsfrage handelt. Siehe dazu und zu den nicht unbeträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 72 f; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 44; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 45a; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 28. Nach der österreichischen Rechtsprechung handelt es sich bei der Gutgläubigkeit jedenfalls insoweit um eine Rechtsfrage, als Schlüsse aus den festgestellten Tatsachen zu ziehen sind. Siehe OGH in EvBl 1974/181; zustimmend Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 7; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 14. Gernhuber-FS (1993) 114. Ob dies für einen Schutz des redlichen Erwerbers stets ausreicht, bedarf freilich noch einer eingehenden Untersuchung, siehe unten S 366 ff.
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bestreitet, rennt offene Türen ein1033. Abhilfe bieten aber auch die dargestellten Alternativtheorien nicht. Jene vom verstärkten Vertrauenstatbestand entspricht offenkundig nicht der gesetzlichen Konzeption, während die Lehre von der Besitzverschaffungsmacht zwar einen wichtigen Beitrag für die genauere Erfassung der unterschiedlichen Übereignungsformen beim redlichen Erwerb leistet, an der kritisierten Schwäche des Besitzkonstrukts aber letztlich nichts zu ändern vermag. Wer deshalb den Schluß ziehen wollte, die gesetzliche Konzeption des redlichen Fahrniserwerbs werde durch diesen Befund als solche in Frage gestellt, unterläge freilich einer Fehlvorstellung, die zu der hier dargestellten Kontroverse über die „Rechtsscheinwirkung des Besitzes“ nicht unwesentlich beigetragen haben dürfte: Offensichtlich herrscht nämlich die Vorstellung, die Rechtfertigung des redlichen Erwerbes hinge von der bestehenden oder nicht bestehenden Legitimationskraft des Besitzes ab. Dies zu leisten wären Besitz oder Besitzverschaffungsmacht selbstverständlich nicht geeignet, doch kommt es darauf gar nicht an: Gerechtfertigt werden kann das Institut des redlichen Mobiliarerwerbs nämlich – wie bereits oben eingehend ausgeführt wurde – nur auf Grund des Verkehrsschutzprinzips. Insofern verdient es volle Zustimmung, wenn Spielbüchler1034 ausführt: „Grundlage des Erwerbs ist nicht ein wie immer gearteter Rechtsschein des Besitzes, sondern die Unvermeidlichkeit, im Verkehr Leistungen von Personen entgegennehmen zu müssen, deren Berechtigung nicht oder nur schwer nachgeprüft werden kann“1035. Will man dem Gedanken des Verkehrsschutzes in einer Weise 1033
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So treffend Kindl, Rechtsscheintatbestände 315; derselbe, AcP 201 (2001) 392 f. Siehe die Nachweise oben FN 910. In Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6. Ähnlich Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 1, der betont, daß nicht der Rechtsschein des Besitzes sondern der Vertrauensschutz des Erwerbers die Ratio des § 366 HGB darstelle, wobei Vertrauensschutz und Verkehrsschutz von Kerschner synonym verwendet werden. Nach der hier vertretenen Auffassung sind individueller Vertrauensschutz und objektive Verkehrsinteressen hingegen auseinanderzuhalten, da nur letztere einen Gutglaubenserwerb zu rechtfertigen vermögen. Der Gedanke des Vertrauensschutzes allein könnte einen Rechtsverlust des Eigentümers hingegen nicht begründen (ausführlich oben S 59 und S 63 ff). Obsolet ist daher der vielfach geführte Streit, ob der „Rechtsschein des Besitzes“ oder der „Vertrauensgedanke“ den inneren Legitimationsgrund des Gutglaubenserwerbs darstellen (siehe beispielsweise O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 575 einerseits und anderseits Dernburg, Bürgerliches Recht II2 § 98, 2 [S 277] sowie Cosack/Mitteis, Bürgerliches Recht II7/8 § 37 III [S 157], die zwar schon von einem „Vertrauen des Verkehrs“ sprechen, aber gleichzeitig kritisch anmerken, „das Vertrauen des Erwerbers wirke hier Wunder“). Entscheidend sind der Rechtsscheingedanke und der Vertrauensschutz erst auf der Ebene der konkreten Interessenabwägung, also bei der Abstimmung, welchem der kol-
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Rechnung tragen, die das Vertrauensprinzip berücksichtigt, also nur berechtigtes Vertrauen als schutzwürdig erachtet, ist die Frage freilich unvermeidbar, worauf das Gesetz bei einem redlichen Erwerb denn abstellen sollte. Anders als beim gutgläubigen Immobiliarerwerb, bei dem mit dem Grundbuch ein „künstlicher Rechtsscheintatbestand“ zur Verfügung steht, fehlt es bei Mobilien nicht nur an einem solchen, sondern seine Schaffung ist aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen auch kaum in Betracht zu ziehen1036. Dem Gesetzgeber bleibt somit – will er nicht schon das Vertrauen in bloßes „Gerede“ schützen – nichts anderes über, als an einen „natürlichen Rechtsscheintatbestand“ anzuknüpfen1037. Im Grundfall des Barkaufes mit körperlicher Übergabe ist die Minimalanforderung an eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation aber, daß der Verkäufer die Sache in Händen hat und mit ihr wie ein Eigentümer verfährt, also schlicht: (Eigen)Besitz. Die Lehre von der Besitzverschaffungsmacht hat nun unbestreitbar den Vorteil, daß sie dabei nicht stehen bleibt; in die Betrachtung wird vielmehr mit einbezogen, daß ein redlicher Erwerb entsprechend dem Traditionsprinzip selbstverständlich nur dann in Betracht kommt, wenn eine Übergabe der Sache erfolgt ist, diese aber in ganz unterschiedlichen Formen erfolgen kann, die vom „Grund- und Idealfall“ der körperlichen Übergabe1038 ganz erheblich abweichen. Erst durch diese Berücksichtigung des Besitzwechsels wird es möglich, komplexere Erwerbsvorgänge durch Übergabssurrogate (Besitzanweisung; Abtretung des Herausgabeanspruchs) oder im Streckengeschäft (Geheißerwerb) hinreichend zu erfassen1039. Am Beispiel der Besitzanweisung wurde
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lidierenden Rechtsprinzipien „Bestandschutz“ und „Verkehrsschutz“ nach dem vom Gesetz gewählten Lösungskonzept jeweils der Vorzug gebührt (siehe oben S 65 ff). Vgl Hedinger, Publizitätsdenken 45 f. Vgl auch Wiegand, JuS 1974, 206. Zur Unterscheidung zwischen „künstlichen“ und „natürlichen“ Rechtsscheintatbeständen grundlegend schon Wellspacher, Vertrauen 21, 22 ff, 58 ff; zustimmend Canaris, Vertrauenshaftung 492 ff; Wiegand, JuS 1978, 146 f. Praktische Bedeutung hat diese Unterscheidung – wie Canaris und Wiegand zu Recht betonen – vor allem insofern, als sich die Feststellung des Rechtsscheintatbestandes und die Ermittlung seiner Reichweite bei künstlichen Rechtsscheintatbeständen wesentlich unkomplizierter gestaltet, da der Gesetzgeber diese gezielt im Hinblick auf ihre Verlautbarungswirkung geschaffen und ausgestaltet hat. Bei natürlichen Tatbeständen ist eine Fixierung der Rechtsscheinwirkung hingegen nur im vorgefundenen Rahmen möglich. Zu den Parallelen und den Unterschieden von Grundbuch und Besitz schon oben S 169 ff. Vgl Martinek, AcP 188 (1988) 582. Zu weit geht es hingegen, wenn Ernst, Gernhuber-FS (1993) 114 ff, allein auf die Verwirklichung der Übertragung abstellen will und die Bedeutung des Rechts-
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dabei gezeigt, daß dem „Rechtsschein des Besitzes“ die Besitzverschaffungsmacht grundsätzlich gleichzustellen ist. Entscheidend ist also, daß es dem nicht berechtigten Veräußerer gelingt, die für die Eigentumsverschaffung erforderliche Besitzsituation herzustellen, also Besitzverhältnisse zu schaffen, die der neuen Zuordnung kongruent sind1040. Da die Tauglichkeit der einzelnen Übergabsformen für den redlichen Erwerb aber nicht unabhängig davon beurteilt werden kann, ob das Gesetz wie beim Erwerb vom Vertrauensmann vom Zurechnungsprinzip ausgeht oder wie beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann und in der öffentlichen Versteigerung auf dieses verzichtet, kann ihre Zulässigkeit abschließend erst in § 7 beurteilt werden. Besonders hervorzuheben ist überdies, daß die Redaktoren des ABGB die bloße Besitzlage auch keineswegs stets als alleine ausreichende Rechtsscheingrundlage angesehen haben. Wo dies auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten in typisierter Weise möglich war – nämlich bei einem Erwerb in öffentlicher Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann – wurde der redliche Erwerb sehr wohl vom Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes abhängig gemacht. Völlig wertungsgerecht haben die Gesetzesverfasser dabei auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen: Zum einen rechtfertigt das Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes nämlich einen erhöhten Vertrauensschutz des konkreten Erwerbers, zum anderen besteht in den genannten Fällen auch ein deutlich erhöhtes Verkehrsinteresse. Beide Faktoren lassen die besondere Privilegierung dieser Erwerbsfälle gegenüber dem Erwerb vom Vertrauensmann durchaus sachgerecht erscheinen. Die gesetzliche Konzeption des ABGB de lege lata oder de lege ferenda von Grund auf zu ändern, besteht nach dem Gesagten somit kein Anlaß1041. Zwar ist selbstverständlich zuzugestehen, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seit Inkrafttreten des ABGB, BGB und ZGB wesentlich geändert haben. Daraus aber einen „Funktionswandel“ der Bestimmungen über den redlichen Fahrniserwerb ableiten zu wollen, der zu massiven Eingriffen in das von diesen Kodifikationen gewählte Lösungsmodell berechtigen würde, wäre verfehlt1042. An der Problematik
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scheinprinzips gänzlich negiert, geht auf diese Weise doch der nötige Bezugspunkt der Redlichkeitsprüfung völlig verloren. Dazu bereits oben S 191 ff. So treffend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 20, 30. Zu den Reformvorschlägen des Entwurfes eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG) 2003, die mittlerweile gesetzlich umgesetzt wurden (BGBl I 2005/120), siehe unten S 331 ff. Ablehnend auch Ernst, Gernhuber-FS (1993) 101 f, der die Vorstellung – erst die zunehmende Arbeitsteilung habe ein Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum bewirkt – treffend als „Klischee“ bezeichnet. Zur tatsächlichen Entwicklung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, bei der die zunehmende Komplexität des Warenverkehrs (Distanzkauf; Einschaltung von Hilfspersonen und Zwi-
Maßgebliche Rechtsscheingrundlage
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des Gutglaubenserwerbs hat sich im Grundsätzlichen nämlich nichts verändert; auch den Gesetzesredaktoren war ja ganz offenkundig die Einsicht nicht fremd, daß Besitz und Eigentum auseinanderfallen können1043, hätte doch sonst für sie gar kein Anlaß bestanden, das Institut des redlichen Mobiliarerwerbs gesetzlich zu verankern. Dies bedeutet freilich nicht, daß die Änderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen – die gerade im Hinblick auf das bereits im Jahre 1812 in Kraft getretene ABGB beträchtlich sind – einfach ausgeblendet werden sollen. Ganz im Gegenteil! Neue Geschäftstypen wie der Eigentumsvorbehalt oder das Leasing sind hinzugetreten und haben die Fälle eines Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz unbestreitbar vermehrt. Schon auf Grund der vom Gesetzgeber gewählten Konzeption kann solchen Änderungen im Tatsachenbereich aber ohnedies ausreichend Rechnung getragen werden, nämlich bei den Anforderungen, die an die Redlichkeit des Erwerbers zu stellen sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß etwa die deutsche Rechtsprechung bereits in den Krisenjahren um 1930 auf die Zunahme von Eigentumsvorbehalten und Sicherungsübereignungen mit einer entschiedenen Verschärfung der Gutglaubenserfordernisse durch die Kreation von Nachforschungspflichten reagiert hat1044. Auf die damit angesprochene Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen1045, die schon de lege ferenda eine flexible Anpassung an geänderte Verhältnisse in sachgerechter Weise ermöglicht, wird im Einzelnen noch einzugehen sein (unten § 8).
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schenmännern; Sicherungsabreden wie das pactum reservati dominii, mit dem sich der Verkäufer das Eigentum vorbehielt) das Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum stetig förderte, siehe Picker, Drittwiderspruchsklage 298 ff, 443 ff, dessen Schilderung das idealisierende Bild einer Koinzidenz von Besitz und Eigentum in dörflichen Idyllen (vgl Frotz, Kastner-FS [1972] 154) jedenfalls für die hier relevanten Zeiträume widerlegt. Vgl Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 346, 348 = Mugdan, Materialien III 192, 193, wo betont wird, daß der Besitzstand nur einen weit unsichereren Schluß auf den Rechtsbestand zulasse als das Grundbuch. Es werde nämlich sehr häufig vorkommen, daß ein Inhaber, der nicht Eigentümer sei, sich in der Lage befinde, die Sache zu tradieren. Dazu H. Hübner, Rechtsverlust 72 f und unten S 420 ff. Grundlegend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 9 ff, 27, § 932 Rz 37; derselbe, JuS 1974, 207 f; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 189 f, 193 ff. Ablehnend Bauer, Bosch-FS (1976) 18; Ernst, Gernhuber-FS (1993) 109 f.
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IV. Umfang der Rechtsscheinwirkung1046 A. Ausgangspunkt Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, daß beim gutgläubigen Erwerb vom Vertrauensmann (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB) – also dem rechtsvergleichend und dogmengeschichtlich bedeutsamsten und auch vom ABGB als Grundtatbestand konzipierten Fall redlichen Erwerbs1047 – der Besitz und die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers die maßgebliche Rechtsscheingrundlage darstellen. Ob sich der gute Glaube des Erwerbers dabei auf die Eigentümerstellung des unberechtigten Veräußerers beziehen muß oder auch das Vertrauen auf eine Verfügungsbefugnis geschützt wird, ist allerdings umstritten. Bevor auf diese Streifrage näher einzugehen ist, erscheint eine systematische Einordnung der Problematik nützlich. Wie Wiegand1048 überzeugend dargelegt hat, können hinsichtlich der Rechtsscheinwirkung des Besitzes mehrere Stufen unterschieden werden: Der von der Rechtsscheinbasis ausgehende Rechtsschein bewirke zunächst und auf erster Stufe, daß der Anschein erweckt werde, als ob dem Inhaber der Rechtsscheinposition das fragliche Recht wirklich zustehe. Diese Wirkung sei durch eine gewisse Allseitigkeit und Neutralität gekennzeichnet; sie richte sich nicht an einen bestimmten Adressatenkreis, vielmehr könne jedermann vom Besitz auf das Eigentum schließen1049. Dem entsprechen die gesetzlichen Rechtsvermutungen 1046
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Die folgenden Abschnitte IV und V wurden leicht gekürzt bereits in JBl 2004, 486 ff veröffentlicht. Siehe dazu oben S 67 f mit FN 341. JuS 1978, 147; derselbe, JuS 1974, 206 f. In diesem Zusammenhang ist auf die unterschiedlichen Besitzbegriffe des österreichischen und deutschen Rechts hinzuweisen, die bereits oben S 161 ff ausführlich dargestellt wurden: Während in Österreich nur derjenige Besitzer ist, der die Sache mit dem Willen innehat, „sie als die seinige zu behalten“ (§ 309 Satz 2 ABGB), wird in Deutschland die tatsächliche Sachherrschaft als Besitz bezeichnet, ohne daß es auf einen „animus rem sibi habendi“ ankommt (§ 854 BGB). Der Besitz iSd § 854 BGB entspricht somit der Innehabung iSd § 309 Satz 1 ABGB. In der Sache resultieren aus diesen abweichenden Besitzdefinitionen für den gutgläubigen Erwerb aber keine Unterschiede. Da § 932 Abs 2 BGB nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers schützt, ist für einen redlichen Erwerb nach §§ 932 ff BGB nämlich erforderlich, daß der Veräußerer als Eigenbesitzer auftritt, also die Sache als „ihm gehörend besitzt“ (§ 872 BGB) und sich dementsprechend verhält. Dies ergibt sich auch aus § 1006 BGB, da die von dieser Bestimmung angeordnete Eigentumsvermutung nur Eigenbesitzern zugute kommt; siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 13 III (S 90), § 45 III 1 a (S 367); vgl auch Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 3, die betonen, daß der
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des § 323 ABGB, § 1006 BGB, und Art 930 ZGB; parallele Vorschriften finden sich für das Wechsel- und Scheckrecht in § 16 Abs 1 WG, § 19 Abs 1 SchG sowie in Art 1006 Abs 1 OR und Art 1110 OR1050. Trete ein Dritter mit dem Scheinberechtigten in geschäftlichen Kontakt, so werde – wie Wiegand weiter ausführt – diese allseitige Rechtsscheinwirkung in personeller und sachlicher Hinsicht kanalisiert: Aus der Kontaktaufnahme resultiere nämlich eine Einschränkung des Erwerbstatbestandes auf einen rechtsgeschäftlichen Erwerb und die Begrenzung der Rechtsscheinwirkung auf den Geschäftspartner. Diese Beschränkungen ergäben sich notwendig daraus, daß der Rechtsschein nur im Rahmen eines rechtsgeschäftlichen Kontaktes relevant werden könne, und daß sich nur in diesem Rahmen Raum finde für eine dem Rechtsschein entsprechende Vertrauensentfaltung1051. Da Rechtsscheinfunktion und Vertrauensschutz somit auf die Risken rechtsgeschäftlichen Verkehrs bezogen sind, kommt dem redlichen Erwerb nur in diesem Umfeld eine legitime Verkehrsschutzfunktion zu. Nach herrschender Auffassung findet ein Gutglaubenserwerb daher prinzipiell nur bei rechtsgeschäftlichem Erwerb statt1052.
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Besitz stets so beschaffen sein müsse, daß der Erwerber im Veräußerer zu Recht den Eigentümer sehen könne. Zur erforderlichen Differenzierung zwischen Innehabung (Besitz iSd § 854 BGB) und Sachbesitz (Eigenbesitz iSd § 872 BGB) sogleich noch unten im Text. Dazu bereits oben S 157 und S 171 f. Wiegand, JuS 1978, 147; derselbe, JuS 1974, 206 f. Siehe MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 6 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 35, § 932 Rz 4; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 5; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 b (S 367). Die sich daraus ergebende Einschränkung gegenüber einem gesetzlichen Erwerb ist freilich nicht absolut; siehe dazu Hager, Verkehrsschutz 96 ff. So ist insbesondere für den Bereich des redlichen Pfandrechtserwerbs zu beachten, daß § 366 Abs 3 HGB einen gutgläubigen Erwerb auch gesetzlicher Pfandrechte – nämlich jener des Kommissionärs, Spediteurs, Lagerhalters und Frachtführers – zuläßt, sie insoweit also vertraglichen Pfandrechten gleichstellt. Dies erscheint im Hinblick auf die Sicherungsbedürfnisse der genannten Berufsgruppen auch sachgerecht, da diese regelmäßig einem zahlreichen und häufig unbekannten Kundenkreis vorleisten (zur ratio legis GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 74). Überdies handelt es sich bei den genannten Sicherungsrechten letztlich um gesetzlich typisierte rechtsgeschäftliche Pfandrechte (siehe Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 33). Diese Beobachtung wirft allerdings Folgefragen auf, die im gegebenen Zusammenhang nur angedeutet werden können: So ist in Deutschland umstritten, ob auch ein Werkunternehmerpfandrecht iSd § 647 BGB gutgläubig erworben werden kann. Während die ständige Rechtsprechung dies ablehnt (siehe BGH in BGHZ 34, 153 ff; BGHZ 100, 95, 101; zustimmend Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 133 I [S 936]; Palandt/ Bassenge, BGB64 § 1257 Rz 2; J. Neuner, ZHR 157 [1993] 254), wird ein redlicher Erwerb von gewichtigen Stimmen bejaht, siehe Wolff/Raiser, Sachenrecht10 684;
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Faßt man die Rechtsscheinwirkung des Besitzes dergestalt ins Auge, so wird zugleich deutlich, daß sie in engem Zusammenhang mit der GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 78; derselbe, Medicus-FS (1999) 43 ff; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 36 ff; Hager, Verkehrsschutz 108 ff; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 1694 ff, 1705; Staudinger/Wiegand, BGB (2002) § 1257 Rz 7 ff, 14 (anders noch derselbe, JuS 1974, 546 f); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 55 Rz 40; Wieling, Sachenrecht I § 15 XI c, aa (S 735 f); MünchKomm/Damrau, BGB4 § 1257 Rz 3. Eine vergleichbare Problematik stellt sich auch in Österreich, nämlich im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht des § 471 ABGB. Im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung zum Unternehmerpfandrecht bejaht der OGH den gutgläubigen Erwerb eines solchen Zurückbehaltungsrechts in Analogie zu § 367 ABGB und zwar in jenen Fällen, in denen der Werkbesteller Vertrauensmann des Eigentümers ist; siehe OGH in JBl 1991, 241 (Rummel) = ecolex 1991, 156 (G. Wilhelm, aaO 145) = RdW 1991, 108 (Iro, aaO 102) = JAP 1990/91 (Reidinger). Ablehnend Rummel, JBl 1977, 521 ff; derselbe, JBl 1991, 243 f; Jabornegg, Zurückbehaltungsrecht 281 ff; Apathy, Verwendungsanspruch 91; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 312 f; G. Wilhelm, ecolex 1991, 145; befürwortend Spielbüchler, Schuldverhältnis 259 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 334 Rz 2; Klang in Klang, ABGB2 II 545; Gschnitzer, Sachenrecht2 233; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 471 Rz 2a. Bei dieser Problematik spielt selbstverständlich auch die Rechtsnatur des Zurückbehaltungsrechtes eine Rolle und damit die Frage, wieweit diesem Recht eine dingliche Wirkung zuerkannt werden kann. Doch sollte die „Natur des Retentionsrechtes“ mE nicht überbewertet werden, da sich die gesetzliche Konstruktion als weitgehend austauschbar erweist: So wirft das Unternehmerpfandrecht des § 647 BGB in Deutschland ganz ähnliche Probleme auf, während in der Schweiz Art 895 ZGB ausdrücklich ein „Retentionsrecht“ anordnet, dieses aber als gesetzliches Pfandrecht konstruiert, wobei Art 895 Abs 3 ZGB einen redlichen Erwerb dieses Retentionsrechtes ausdrücklich zuläßt; siehe dazu Rampini/Schulin/Vogt in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 895 Rz 48 ff; Zobl, Berner Kommentar2 IV/2/5/2 ZGB, Art 895 Rz 259 ff. Größere Bedeutung kommt deshalb der Interessenlage zu, wobei für den Schutz eines Werkunternehmers, der im Hinblick auf die Sache eine werthafte Leistung erbracht hat und sich für den Fall der Zahlungsunwilligkeit des Werkbestellers durch ein Zurückbehaltungsrecht oder Werkunternehmerpfandrecht hinlänglich gesichert fühlen darf, mE gewichtige Gründe sprechen. Auch wenn man einen redlichen Erwerb des Zurückbehaltungsrechtes aus diesen Gründen zuläßt, bleibt das Ergebnis aber insoweit unbefriedigend, als dem Werkunternehmer kein Verwertungsrecht zusteht und damit eine unerquickliche Pattstellung droht; dies betont schon Rummel, JBl 1977, 527. Auflösen läßt sich die Problematik für das österreichische Recht freilich dann, wenn man sich mit Apathy, Verwendungsanspruch 93 ff, dazu entschließt, dem Werkunternehmer gegenüber dem Eigentümer einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB zuzugestehen. Für diesen Anspruch steht dem Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB selbstverständlich zu, so daß es auf einen redlichen Erwerb nicht mehr ankommt; siehe dazu auch Wilburg, JBl 1992, 550 f; F. Bydlinski, System und Prinzipien 265 ff, 276 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 262; ablehnend aber Rummel in Rummel, ABGB3 § 1041 Rz 10.
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Funktion des redlichen Erwerbs steht1053: Substituiert wird nur die fehlende Berechtigung des Verfügenden1054. Während § 932 Abs 2 BGB aber ausdrücklich normiert, daß nur der gute Glaube an die Eigentümerstellung des Verfügenden geschützt wird, fehlt in Österreich eine derartige Bestimmung. Demgemäß ist umstritten, ob sich der gute Glaube auf das Eigentum des Veräußerers beziehen muß1055 oder auch das Vertrauen auf die Verfügungsbefugnis genügt1056; in der Schweiz ist letzteres sogar herrschende Auffassung1057. Die Suche nach einer Antwort auf diese Fragestellung erfordert aber vorweg eine Klarstellung, die bisher nicht deutlich erfolgte: Der Sachbesitz kann nur das Vertrauen an das Eigentum des Veräußerers erwecken, da der Sachbesitzer die Sache als die seinige behandelt (§ 309 Satz 2 ABGB)1058; er kann dann selbstverständlich aber nicht auch geeignet sein, den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis hervorzurufen, da dieses Vertrauen gerade voraussetzt, daß der Sachinhaber sich nicht als Eigentümer geriert, er vielmehr erkennbar eine fremde Sache innehat, also Fremdbesitzer in deutscher Terminologie ist. Für den Schutz des Vertrauens auf das Bestehen einer Verfügungsbefugnis ist somit entscheidend, ob aus der bloßen Gewahrsame an einer Sache auf eine vom Eigentümer erteilte Ermächtigung geschlossen werden darf oder nicht.
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Neben der für die Verfügung maßgeblichen Rechtsscheinwirkung hat der Besitz selbstverständlich noch weitere Funktionen, so insbesondere für die Zuweisung von Abwehrrechten gegenüber Dritten; auch hierfür sind die oben genannten Rechtsvermutungen bedeutsam. Anders als im französischen Recht (dazu oben S 25 f) setzt in Österreich daher auch der redliche Erwerb selbstverständlich einen gültigen Titel voraus und ist überdies auf Fälle fehlender Vertretungsbefugnis nicht anwendbar; dazu ausführlich unten S 214 f sowie FN 1603. So Ehrenzweig, System2 I/2, 190; F. Bydlinski, JBl 1967, 355; Kreller, ÖJZ 1951, 109 f; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/50; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 4 f. OGH in SZ 39/65 = JBl 1967, 202; SZ 39/189 = JBl 1967, 478; EvBl 1971/261; RdW 1998, 394. Dafür Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6; Gschnitzer, Sachenrecht2 112; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3; siehe schon Zeiller, Kommentar II/1, 136. OGH in GlUNF 6266; SZ 16/211; JBl 1967, 367 = EvBl 1966/334. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 25; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 326; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1769 f; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 55; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 29 ff. Deshalb ist auch nach deutschem Recht auf den Eigenbesitz abzustellen, siehe oben FN 1049. Zur mangelnden Rechtsscheinwirkung der bloßen Innehabung (Besitz iSd § 854 BGB) für die Eigentümerstellung des Veräußerers siehe bereits oben S 165 f sowie FN 1049.
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B. Besitz und Eigentum Untersucht man die Rechtsscheinbasis des redlichen Erwerbs, so ist es der Klarstellung förderlich, sich zunächst zu vergegenwärtigen, daß die Streitfrage, ob der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers erforderlich ist oder auch das Vertrauen auf dessen Verfügungsbefugnis ausreicht, nur bei einem Erwerb von einem Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB und im Rahmen des § 371 ABGB eine Rolle spielt. Beim redlichen Erwerb von einem Kaufmann normiert § 366 HGB hingegen ausdrücklich, daß der Erwerber nicht nur in seinem guten Glauben an das Eigentum des veräußernden Kaufmannes, sondern auch an dessen Verfügungsbefugnis geschützt wird. Beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB fehlt zwar eine derartige gesetzliche Klarstellung, auf Grund der völlig identen Interessenlage genügt nach einhelliger Auffassung aber auch in diesem Fall das Vertrauen auf die Verfügungsbefugnis1059. Dieser weitreichende Schutz auch im Hinblick auf eine tatsächlich nicht bestehende Verfügungsbefugnis des Veräußerers resultiert freilich nicht aus der Innehabung der Sache, sondern wird erst durch das Vorliegen eines auf zusätzliche Voraussetzungen abstellenden, verstärkten Rechtsscheintatbestandes gerechtfertigt1060: Auf Grund der Berufsstellung des Veräußerers und der Zugehörigkeit des Geschäftes zu seinem Gewerbe besteht nämlich die besonders erhöhte Wahrscheinlichkeit erteilter Verfügungsbefugnis. Dementsprechend war das gesetzliche Leitbild bei Schaffung des § 366 HGB der Verkaufskommissionär1061, dessen Gewerbe es ist, fremde Waren in eigenem Namen zu veräußern, weshalb er nach Berufsbild und Stellung typischerweise verfügungsbefugt ist1062. In den Fällen des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB und § 371 ABGB liegt eine solche Verstärkung der Rechtsscheingrundlage hingegen nicht vor. Rechtsscheinbasis ist hier allein der (Eigen-)Besitz des Veräußerers, der ausschließlich geeignet ist, das Vertrauen in das Eigentum zu erwecken1063. Es fehlen also gerade jene besonderen Umstände, die einen 1059
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Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; derselbe, Kreditsicherungsrecht 45; F. Bydlinski, in Klang, ABGB2 IV/2, 556 FN 550; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. Vgl dazu noch unten S 297. Siehe GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 2 f; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 2; Wiegand, JuS 1974, 548. Siehe Denkschrift, HGB 207; dazu Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 274 f. Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 2; Reinicke, AcP 189 (1989) 101; ausführlich dazu noch unten S 313 f. Im Hinblick auf die Rechtsscheingrundlage setzt ein Vertrauensmannerwerb also – wie bereits ausgeführt wurde – voraus, daß der unbefugte Veräußerer
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guten Glauben auch an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers legitimieren könnten, zumal das Vertrauen hier auf der bloßen Innehabung der Sache aufbauen müßte. Beachtet man, daß die Rechtsscheinwirkung niemals weiter reichen kann, als die Rechtsscheingrundlage1064, so ist der Schutz des guten Glaubens daher auf die Eigentümerstellung des Veräußerers zu beschränken, wenn für den Verfügenden nichts anderes spricht als sein Besitz. Daß dem Besitz keine andere und weiterreichende Legitimationswirkung zuerkannt werden kann, legt nämlich schon die Rechtsvermutung des § 323 ABGB nahe, wonach der Besitzer einer Sache die rechtliche Vermutung eines Titels für sich hat, was eben nur den Schluß auf sein Eigentum zuläßt. Eine nähere Betrachtung der Interessenlage vermag dieses Ergebnis noch entscheidend abzusichern: Angesichts der anerkannten Schwäche der Rechtsscheinposition „Besitz“ schon für die Eigentümerstellung des Veräußerers1065 wäre es nämlich geradezu verblüffend, die Rechtsscheinwirkungen auch noch massiv auszudehnen und den Schutz des guten Glaubens auf die Verfügungsbefugnis zu erstrecken. In diesem Sinne betont bereits Canaris1066, daß der Eigenbesitz schon für den Scheineigentümer nicht immer eine überzeugende Rechtsscheingrundlage darstelle, doch sei der Fremdbesitz für den Erwerb vom Scheinverfügungsberechtigten noch weniger aussagekräftig. Da der wahre Berechtigte seine Sache nämlich keineswegs hauptsächlich zu Verfügungszwecken, sondern mindestens genauso oft zu Reparatur-, Transport- und Verwahrungszwecken aus der Hand gäbe, könne aus dem Besitz iSd § 854 BGB, also der bloßen Innehabung, grundsätzlich nicht ohne weiteres der Rückschluß auf die Verfügungsmacht gezogen werden. Daß die Gewahrsame an einer Sache in diese Richtung keine Schlüsse zuläßt, unterstreicht auch F. Bydlinski1067: Aus der Innehabung könne keineswegs geschlossen werden, daß der Eigentümer dem Inhaber die Sache gerade auf Grund einer bestimmten Vereinbarung, die den letzteren zur Veräußerung berechtige, überge-
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als Besitzer der Sache auftritt. Für die Tatbestandsvoraussetzung des Anvertrauens – also die Frage der Zurechnung des Rechtsscheins – ist hingegen völlig ausreichend, daß der Eigentümer dem Vertrauensmann die Gewahrsame an der Sache verschafft hat; siehe dazu unten S 250 ff und S 263 f. § 319 ABGB, wonach der Inhaber einer Sache nicht berechtigt ist, den Grund seiner Gewahrsame eigenmächtig zu ändern, steht einer solchen Auffassung nicht entgegen. Dieser Bestimmung ist nämlich nur zu entnehmen, daß der Inhaber sich nicht eigenmächtig zum Besitzer aufschwingen darf, nicht aber, daß er dies nicht faktisch könnte. So zutreffend schon Iro, Besitzerwerb 47 FN 127. Ausführlicher dazu noch unten S 343 f mit FN 1729 sowie S 378 f. So zu Recht schon Kreller, ÖJZ 1951, 109. Vgl dazu die Nachweise in FN 910. GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 1. JBl 1967, 355.
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ben habe; kämen doch zahlreiche andere Gründe mit nicht geringerer Wahrscheinlichkeit in Betracht. Aus der Innehabung der Sache durch den Veräußerer lasse sich daher – wenn man einmal wisse oder wissen müsse, daß dieser nicht Eigentümer sei – überhaupt nichts für die Frage gewinnen, welcher Art und welchen Inhalts die Vereinbarung zwischen Eigentümer und Veräußerer gewesen sein möge. Selbst in jenen Fällen, in denen ein solcher Rückschluß auf eine Verfügungsbefugnis aber ausnahmsweise berechtigt sein sollte, besteht – wie Canaris1068 zutreffend ausführt – ein wesentlicher Unterschied gegenüber einem Erwerb vom Scheineigentümer: Während der Eigentümer über seine Sache nämlich aus beliebigem Grund und zu beliebigen Zwecken verfügen könne, habe der Ermächtigte bei seinen Verfügungen in der Regel und unter Umständen sogar primär die Interessen des wahren Berechtigten wahrzunehmen. Diese Interessenbindung sei aber für den Erwerber, der ja lediglich an die Verfügungsmacht glaube, evident und müsse daher die Grenzen seiner Erwerbsmöglichkeiten maßgeblich beeinflussen1069. Wegen der Schwäche des Rechtsscheintatbestandes und der Evidenz der Interessenbindung des Verfügenden ist die bloße Innehabung des Veräußernden daher keine ausreichende Rechtsscheinbasis für einen guten Glauben an seine Verfügungsbefugnis1070. Daß dieses Ergebnis gerade im Hinblick auf einen Erwerb von einem Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB durchaus sachgerecht ist, wird noch deutlicher, wenn man sich den gesetzlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung vor Augen führt. Infolge der den Handelsverkehr privilegierenden Sondernormen (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB; § 366 HGB) regelt der Erwerb vom Vertrauensmann seinem verbleibenden Anwendungsbereich nach nämlich den Erwerb von einer Privatperson1071. Unter Privatpersonen kann es aber als durchaus unüblich angesehen werden, daß der innehabende Veräußerer nicht einmal seine Eigentümerstellung behauptet, sondern lediglich auf seine angebliche Verfügungsbefugnis verweist und damit sogar offenlegt, daß ihm die zu veräußernde Sache gar nicht gehört. Sicherlich werden auch solche Fälle gelegentlich vorkommen, doch liegt hier für den präsumtiven Erwerber nichts näher, als den Eigentümer eben selbst zu kontaktieren. Alle Gründe, die eine besondere Privilegierung auch des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis im Handelsverkehr zu rechtfertigen vermögen – so die größtmögliche Schnelligkeit und Komplikationslo1068 1069
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GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 1. GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 1; vgl dazu auch Bollenberger, ÖJZ 1995, 647. GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 1. Dies wird allgemein zu wenig beachtet; siehe aber für das deutsche Recht Peters, Entzug des Eigentums 7, 81.
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sigkeit des Erwerbsvorganges – greifen hier nämlich nicht. Im Ergebnis ist damit festzuhalten: Der Besitz, also der Eigenbesitz, bietet nur für die Eigentümerstellung des Veräußerers eine taugliche Rechtsscheingrundlage; aus der bloßen Innehabung kann auf eine Verfügungsbefugnis nicht geschlossen werden. Ein Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis kommt daher grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn eine durch zusätzliche Tatbestandsmerkmale erweiterte Rechtsscheinposition vorliegt, also beim Erwerb von einem Kaufmann oder einem befugten Gewerbsmann. Bestätigung findet die hier vertretene Lösung schließlich auch im Hinblick auf die geplante Novellierung des § 367 ABGB1072: Der Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes 2003 sieht nämlich nicht nur vor, daß der „Erwerb von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ durch den Erwerb von „einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ ersetzt wird (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF), sondern stellt dabei in § 368 Abs 1 Satz 1 ABGB nF auch ausdrücklich klar, daß es nur in diesem Fall ausreicht, wenn der Erwerber den Veräußerer lediglich für verfügungsbefugt hält. Ansonsten ist es hingegen stets erforderlich, daß der gute Glaube sich auf die Eigentümerstellung des Veräußerers bezieht. Gemäß § 368 Abs 1 Satz 2 ABGB nF ist der Erwerber daher nur dann redlich, „wenn er weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört“.
V. Erweiterung des Gutglaubensschutzes A. Problemstellung Wie die vorstehende Untersuchung gezeigt hat, wird im Rahmen des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nur der gute Glaube an die Eigentümerstellung des Verfügenden geschützt. Auf Grund der Schwäche und Ausrichtung des Rechtsscheintatbestandes, der Evidenz der Interessenbindung und der herabgesetzten Verkehrsschutzbedürfnisse bei Veräußerungen unter Privatpersonen scheidet ein genereller Schutz des Vertrauens auf eine Veräußerungsermächtigung nämlich aus. Anders entscheidet das Gesetz hingegen bei einem Erwerb von einem befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) oder einem Kaufmann (§ 366 HGB)1073: Die persönliche Qualifikation des Veräußerers – seine Berufsstellung und die Zugehörigkeit des Geschäftes zu seinem Gewerbe – macht in diesen Fällen das Vorliegen einer Verfügungsbefugnis besonders wahrschein1072 1073
Ausführlich dazu unten S 331 ff. Ausführlich dazu noch unten S 297 und S 310 ff.
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lich, weshalb ein erweiterter Vertrauensschutz sachlich gerechtfertigt erscheint. Zugleich wird damit den erhöhten Verkehrsschutzbedürfnissen im Handel Rechnung getragen. Diese gesetzliche Konzeption erscheint durchaus sachgerecht. Sie trägt nämlich nicht nur den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten Rechnung, sondern ermöglicht durch ihr Abstellen auf klar begrenzte und typisierte Rechtsscheintatbestände zugleich auch eine eindeutige Subsumtion des jeweils entscheidungsrelevanten Sachverhaltes. Dies fördert aber nicht unwesentlich die Rechtssicherheit, der auf Grund der Zuordnungsfunktion im Sachenrecht besondere Bedeutung beizumessen ist. Anderseits darf aber auch nicht übersehen werden, daß das gesetzliche Konzept durch sein Abstellen auf typisierte Rechtsscheintatbestände recht starr und schematisch wird, was die Gefahr von Schutzlücken und Wertungswidersprüchen nicht unbeträchtlich erhöht. So gibt es durchaus Fallkonstellationen, in denen die konkreten Umstände des Einzelfalles einen erhöhten Vertrauensschutz nahelegen, obgleich an sich nur der gesetzliche Tatbestand eines Vertrauensmannerwerbes gegeben ist: So etwa, wenn der Eigentümer seine Sache Personen anvertraut, die zwar keine Kaufleute oder befugte Gewerbsmänner sind, denen aber eine kaufmanns- oder gewerbeähnliche Stellung zukommt. Ebenso kann es zuweilen vorkommen, daß der Eigentümer seinem Vertrauensmann Mittel – wie Preislisten oder Schätzgutachten – an die Hand gibt, die Dritte auf dessen Verfügungsbefugnis schließen lassen. In solchen Fällen spricht die Interessenlage durchaus für einen verstärkten Schutz auch des Vertrauens auf eine – tatsächlich nicht erteilte – Verfügungsbefugnis. Ein solches Schutzbedürfnis kann freilich nicht dadurch befriedigt werden, daß eine freihändige Manipulation der sachenrechtlichen Regeln über den Gutglaubenserwerb extra legem vorgenommen wird. Eine solche ist aber auch nicht notwendig: In jenen Fällen, in denen der Eigentümer seine Sache einem anderen zum Verkauf anvertraut hat, bietet das Gesetz in § 1088 Satz 2 ABGB nämlich selbst einen Anhaltspunkt für die Entwicklung einer stärker auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Rechtsscheinlösung. B. § 1088 Satz 2 ABGB 1. Anwendungsbereich und ratio legis Die §§ 1086 ff ABGB regeln den Verkaufsauftrag, der auch als Trödelvertrag bezeichnet wird. Gegenstand eines solchen Vertrages ist die Übergabe einer beweglichen Sache an einen Übernehmer (Trödler) zum Verkauf, wobei der Übernehmer dem Übergeber innerhalb einer bestimmten Frist entweder den im voraus bestimmten Kaufpreis zu zahlen
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oder ihm die Sache zurückzustellen hat1074. Der Verkaufsauftrag ist somit ein Absatzmittlergeschäft, wobei der Unterschied zur Verkaufskommission darin liegt, daß der Trödler nicht nur in eigenem Namen1075, sondern auch auf eigene Rechnung tätig wird, während der Kommissionär auf fremde Rechnung handelt1076. Kommissionsgeschäft und Verkaufsauftrag unterscheiden sich aber auch im Hinblick auf einen redlichen Erwerb: Der Kommissionär ist nämlich stets Kaufmann (§ 1 Abs 1 Z 6 iVm § 383 HGB), weshalb sich ein redlicher Erwerb nach § 366 HGB richtet und der gute Glaube an das Bestehen einer Verfügungsbefugnis Schutz genießt. Für einen Trödler gilt gleiches nur dann, wenn auch dieser nach Lage des Falles als Kaufmann zu qualifizieren ist (§ 1 Abs 2 Z 1 HGB) oder der redliche Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB zu beurteilen ist, weil der Trödler eine Gewerbebefugnis besitzt1077. Liegt eine solche besondere persönliche Qualifikation des Veräußerers hingegen nicht vor, so wird § 1088 Satz 2 ABGB bedeutsam, der den gutgläubigen Erwerb von einem Trödler besonders regelt: „In keinem Falle kann die zum Verkaufe anvertraute Sache dem Dritten, welcher sie von dem Übernehmer redlicherweise an sich gebracht hat, abgefordert werden (§ 367 ABGB).“ Ob § 1088 Satz 2 ABGB eine eigenständige Bedeutung zukommt, wird freilich bezweifelt1078. Zum einen ist nämlich zu beachten, daß demjenigen, dem eine Sache zum Verkauf übergeben wird, zumindest konkludent eine Verfügungsermächtigung eingeräumt wird und es deshalb auf einen redlichen Erwerb gar nicht ankommt, sofern der Übernehmer sich nur an die Grenzen seiner Ermächtigung hält1079. Zum anderen ist 1074 1075
1076
1077 1078 1079
Dazu ausführlich Pollak, JBl 1985, 646 ff. Die Unterscheidung zwischen einem Handeln in eigenem Namen und jenem in fremdem Namen wird freilich nicht stets hinreichend beachtet, dies gilt auch für die Judikatur, siehe OGH in EvBl 1966/334 = JBl 1967, 367; dazu kritisch F. Bydlinski, JBl 1967, 357 ff und Frotz, Kastner-FS (1972) 134 f, 137 ff, sowie jüngst OGH in RdW 1998, 394; kritisch Iro, RdW 1998, 388. Die Differenzierung ist freilich essentiell: Nur bei einem Handeln in eigenem Namen stellt sich nämlich die Frage eines redlichen Erwerbs, während es bei einem Handeln in fremdem Namen auf das Bestehen einer Vollmacht ankommt und bei ihrem Fehlen das Vertrauen des Erwerbers nur bei Vorliegen einer Anscheinsvollmacht geschützt wird. Ausführlicher dazu noch unten S 214 f sowie FN 1603. Schey, Obligationsverhältnisse I/3, 488; Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 916; Pollak, JBl 1985, 649, 650; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1086 Rz 3. Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 151. So Spielbüchler in Rummel, ABGB3 367 Rz 1. Schey, Obligationsverhältnisse I/3, 489 mit FN 13; F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 922; Pollak, JBl 1985, 653; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1088 Rz 4; Schwimann/Binder, ABGB2 § 1088 Rz 2; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 200 f.
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der Trödler ohnedies Vertrauensmann des Übergebers, weshalb § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB erforderlichenfalls zur Anwendung gebracht werden könnte. § 1088 Satz 2 ABGB wäre somit bloß ein überflüssiger Verweis, womit dieses Auslegungsergebnis in ein gewisses Spannungsverhältnis zu der methodischen Grundregel gerät, daß keine Norm so zu interpretieren ist, daß ihr keinerlei Anwendungsbereich verbleibt1080. Zwar ist zuzugestehen, daß gerade im ABGB, das sich stets um besondere Volkstümlichkeit und Verständlichkeit bemüht, bloße Wiederholungen und Verweise nicht selten sind, doch dürfen diese jedenfalls dann nicht leichtfertig angenommen werden, wenn besser begründete und sachlich gebotene Auslegungsalternativen bestehen1081. Dafür, daß dies bei § 1088 Satz 2 ABGB der Fall ist, sprechen aber vor allem zwei Aspekte: Zum einen darf nicht übersehen werden, daß beim redlichen Erwerb von einem Vertrauensmann nur der gute Glaube an die Eigentümerstellung des Veräußerers geschützt wird, nicht aber an dessen Verfügungsbefugnis1082. In den kritischen Fällen des Verkaufsauftrages – nämlich bei Überschreitung der Verkaufsermächtigung – bietet diese Bestimmung somit keinerlei Schutz1083. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß der Eigentümer seine Sache dem Übergeber nicht bloß „zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer andern Absicht anvertraut“ (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB), sondern sie dem Trödler gerade zum Verkauf übergibt. Diese zielgerichtete Übergabe zum Verkauf gibt dem Anvertrauen aber eine spezielle Färbung; sie zeigt nämlich, daß der Eigentümer kein Sachinteresse, sondern nur ein Wertinteresse hat, zu dessen Realisierung er seine Sache einer Absatzsphäre eingliedert und damit der erhöhten Gefahr eines Rechtsverlustes bewußt aussetzt. Sind somit die Eigentümerinteressen an Bestandschutz wesentlich geringer als im Normalfall des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, so ist dies ein deutliches Indiz dafür, einen redlichen Erwerb in einem weitergehenden Ausmaß zuzulassen, als dies die Basiswertung des Vertrauensmannerwerbes generell vorsieht. Angesichts dieser Interessenbewertung und der besonderen gesetzlichen Normierung überrascht es nicht, daß schon früh die eigenständige Bedeutung des § 1088 Satz 2 ABGB hervorgehoben wurde. So betonen bereits Ehrenzweig1084 und Klang1085, daß beim Trödelvertrag 1080 1081 1082 1083
1084 1085
Siehe dazu F. Bydlinski, Methodenlehre2 444 ff. Vgl F. Bydlinski, Methodenlehre2 445 f. Ausführlich oben S 198 ff. AA Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6, der schon im Rahmen des § 367 ABGB für einen weitgehenden Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis eintritt und wohl deshalb, aaO Rz 1, die eigenständige Bedeutung des § 1088 Satz 2 ABGB bezweifelt. System2 I/2, 190 FN 45. In Klang, ABGB2 II 223.
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der gute Glaube an die Verfügungsberechtigung des Veräußerers ausreiche. Näher zu begründen versucht diesen Standpunkt Kreller1086: Zwar lasse sich aus der Tatsache des Besitzes kein Schluß auf die Verfügungsmacht des Veräußerers ziehen; übergebe freilich der Eigentümer seine Sache einem anderen, damit dieser sie in eigenem Namen verkaufe, so erzeuge er damit einen Rechtsschein zugunsten der Verfügungsmacht dieses anderen, auch wenn der Erwerber nicht annehmen könne, der Veräußerer sei Eigentümer des verkauften Gutes. Dieser Auffassung kann allerdings nicht vorbehaltlos zugestimmt werden. Wie schon dargelegt wurde, setzen die §§ 1086 ff ABGB nämlich stets voraus, daß dem Veräußerer eine Verfügungsbefugnis erteilt wurde1087. Wie F. Bydlinski1088 zu Recht betont, verbleiben als Anwendungsbereich des § 1088 Satz 2 ABGB daher nur jene Fälle, in denen der Eigentümer zwar wirklich Verfügungsmacht eingeräumt hat, diese aber beschränkt ist und der Veräußerer die auferlegten Beschränkungen überschreitet; als Beispiel nennt F. Bydlinski den praktisch besonders bedeutsamen Fall, daß der Übergeber nur einer Veräußerung zu einem bestimmten Mindestpreis zugestimmt hat, der Übernehmer sich an die festgesetzte Preisgrenze aber nicht hält1089. § 1088 Satz 2 ABGB schützt den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis daher keineswegs generell, sondern nimmt dem redlichen Erwerber nur das Risiko der richtigen Beurteilung des Umfanges der Veräußerungsbefugnis des Trödlers ab1090. Voraussetzung ist also stets, daß der Eigentümer die Sache dem Übernehmer wirklich zum Verkauf übergeben hat; nur in solchen Fällen tragen die bereits dargelegten Wertungsgesichtspunkte (bloßes Wertinteresse des Eigentümers; Eingliederung in eine Absatzsphäre). 1086 1087 1088 1089
1090
ÖJZ 1951, 110. Siehe dazu oben mit FN 1079 sowie unten mit FN 1091. JBl 1967, 356. Allerdings ist zu beachten, daß bei einem echten Verkaufsauftrag iSd § 1086 ABGB die Festsetzung eines Mindestpreises grundsätzlich nicht in Betracht kommt, da beim Trödelvertrag ein von Anfang an fest bestimmter Kaufpreis festgelegt werden muß (dazu Aicher in Rummel, ABGB3 § 1086 Rz 6); ebenso scheidet – anders als beim Kommissionsgeschäft – ein Widerruf der Verfügungsermächtigung aus (Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 916, 919; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1086 Rz 11). Zulässig ist aber eine Einschränkung durch sonstige Bedingungen, so etwa den Vorbehalt begrenzter dinglicher Rechte, siehe Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 922 f. F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 923; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1088 Rz 4; Schwimann/Binder, ABGB2 § 1088 Rz 2; Pollak, JBl 1985, 654; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; vgl auch OGH in EvBl 1966/334 = JBl 1967, 367; RdW 1998, 394 (in beiden Entscheidungen wird allerdings nicht ausreichend zwischen Handeln in eigenem und Handeln in fremdem Namen unterschieden, vgl schon oben FN 1075).
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Fehlt eine Verfügungsbefugnis zur Gänze, kommt § 1088 Satz 2 ABGB hingegen nicht zur Anwendung1091. Beachtet man, daß nach der ratio legis des § 1088 Satz 2 ABGB somit die wirkliche Übergabe zum Verkauf entscheidend ist, so darf diese Bestimmung anderseits nicht restriktiv auf den Trödelvertrag des § 1086 ABGB beschränkt werden, sondern ist sinngemäß auch auf alle anderen Fälle zu erstrecken, in denen eine Sache tatsächlich zum Verkauf anvertraut wurde1092. Auch in diesen Fällen schadet einem redlichen Erwerber, der auf den üblichen Umfang der Verfügungsmacht vertraut, eine allfällige Beschränkung der eingeräumten Veräußerungsermächtigung daher nicht. Gegenüber der von Kreller vertretenen Auffassung bedarf es aber noch einer zweiten Präzisierung. Es ist nämlich bedenklich, daß Kreller der Innehabung des Übernehmers allein deshalb eine besondere, generell auf eine Verfügungsbefugnis hinweisende Rechtsscheinqualität zubilligen will, weil dem Übernehmer die Sache zum Verkauf anvertraut wurde1093. Demgegenüber hat Frotz zu Recht darauf hingewiesen, daß eine interne Verkaufsvereinbarung zwischen dem Berechtigten und dem unberechtigt Verfügenden nicht äußerlich in Erscheinung tritt und deshalb der Innehabung des Veräußerers auch keine besondere Rechtsscheinqualität verleihen kann1094. Dem Erwerber unbekannte und vielfach unerkennbare Abreden sind daher als Rechtsscheinbasis für einen erweiterten Schutz des guten Glaubens auch an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers völlig ungeeignet. Dies bestätigt im übrigen ein Vergleich mit den Vorschriften über einen redlichen Erwerb von einem befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) oder einem Kaufmann (§ 366 HGB). In diesen Fällen wird der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis deshalb geschützt, weil zur Innehabung zusätzliche Rechtsscheinelemente hinzutreten, auf die das Vertrauen aufbauen kann, nämlich die Berufsstellung des Veräußerers und die Zugehörigkeit des Geschäftes zu seinem Gewerbe1095. Nicht die Gewahrsame des Veräußerers, sondern seine besondere und äußerlich wahrnehmbare persönliche Qualifikation begründet somit jene erhöhte Wahrscheinlichkeit bestehender Verfügungsbefugnis, die eine Erweiterung des Gutglaubensschutzes legitimiert1096. Wird eine Sache 1091
1092
1093 1094
1095 1096
F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 923; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1088 Rz 4; Schwimann/Binder, ABGB2 § 1088 Rz 2. F. Bydlinski, JBl 1967, 356; Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 922 f; Schwimann/Binder, ABGB2 § 1088 Rz 2; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1088 Rz 4; insoweit zutreffend OGH in EvBl 1966/334 = JBl 1967, 367; RdW 1998, 394. Kreller, ÖJZ 1951, 110; zustimmend Mayer-Maly in Klang, ABGB2 IV/2, 923. Frotz, Kreditsicherungsrecht 43; derselbe, Kastner-FS (1972) 151; zustimmend Pollak, JBl 1985, 654. Ausführlich dazu unten S 297 und S 310 ff. So schon GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 2 f; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 2; Wiegand, JuS 1974, 548.
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einem anderen aber bloß zum Verkauf anvertraut, fehlt es an einer solchen über die Sachherrschaft hinausgehenden Legitimationsgrundlage. Folgerichtig betont Frotz1097, daß § 1088 Satz 2 ABGB nicht schon deshalb angewendet werden dürfe, weil wirklich eine beschränkte Verfügungsmacht bestehe, über die sich der Verfügende im konkreten Fall hinwegsetze. Vielmehr könne die Bestimmung nur dann greifen, wenn der Erwerber selbst hinreichenden Grund habe, an die Verfügungsbefugnis zu glauben, nämlich wenn er die Verfügungsermächtigung kenne und bezüglich ihrer Beschränkung redlich sei. Für § 1088 Satz 2 ABGB sei somit Voraussetzung, daß nach Lage des Einzelfalles ein äußerer Tatbestand bestehe, der aus der Position des Erwerbers heraus beurteilt vernünftigerweise den Schluß auf die Verfügungsmacht des Veräußerers unter den konkreten Bedingungen zulasse1098. Nach Pollak1099 müsse sich der Erwerber, der einen Kaufvertrag mit einem Sachinhaber abschließe, von dem er wisse, daß er nicht der Eigentümer sei, deshalb informieren, ob dem Vertragspartner eine Verfügungsbefugnis, welchen Umfangs auch immer, zukomme. Nur wenn eine solche Veräußerungsermächtigung tatsächlich vorliege und dies dem Dritten auch bekannt sei, käme bei einer Überschreitung der Verfügungsbefugnis ein Schutz nach den allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen in Betracht. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen, wobei allerdings hervorzuheben ist, daß es nicht darauf ankommen kann, ob sich der Erwerber informiert, also in jedem Fall den Übergeber hinsichtlich der Verfügungsermächtigung befragt. Entscheidend ist vielmehr, daß im konkreten Fall hinreichend objektive Indizien vorliegen, die für das Bestehen einer Verfügungsbefugnis sprechen. Es ist deshalb als ausreichend anzusehen, wenn der Erwerber entweder weiß, daß die Sache dem Trödler zum Verkauf anvertraut wurde oder er dies aus den objektiven Umständen zumindest redlicherweise erschließen darf; zu denken ist dabei etwa an die Überlassung von „Verkaufsaufstellungen“1100, Schätzgutachten oder von sonstigen typischerweise dem Verkauf dienenden Unterlagen. Ähnlich wie bei einer Anscheinsvollmacht sind also objektiv erkennbare, dem Eigentümer zurechenbare Anhaltspunkte vorauszusetzen1101. Der dabei anzulegende Maßstab darf allerdings nicht 1097 1098 1099 1100
1101
Kreditsicherungsrecht 43. Frotz, Kastner-FS (1972) 151. JBl 1985, 654. Vgl den vom OGH zu beurteilenden Sachverhalt in EvBl 1966/334 = JBl 1967, 367 (Bilderfall), wo der Eigentümer dem unberechtigt Verfügenden ein „Verzeichnis kommissionsweise übergebener Zeichnungen“ ausgestellt hatte; siehe dazu auch F. Bydlinski, JBl 1967, 359 f. So zu Recht Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51. Den Gesichtspunkt der Zurechnung vernachlässigt hingegen Frotz, Kastner-FS (1972) 152; dazu sogleich noch unten im Text.
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allzu streng gehandhabt werden, da der redliche Erwerber ohnedies nur dann geschützt wird, wenn dem Veräußerer die Sache tatsächlich zum Verkauf anvertraut wurde, also grundsätzlich eine, wenn auch beschränkte Verfügungsbefugnis besteht; überdies kommt ein Schutz des Erwerbers nur im Rahmen einer üblicherweise erteilten Verkaufsermächtigung in Betracht, also regelmäßig nicht bei Veräußerung zu einem Schleuderpreis1102. Anderes gilt nur dann, wenn gerade für die Ermächtigung zu außerordentlichen Konditionen ein ausreichend starker und zurechenbarer Rechtsschein vorliegt; da dies aber eine Ausnahmesituation darstellt, ist hier eine strikte Prüfung erforderlich. 2. „Brückenfunktion“ des § 1088 Satz 2 ABGB Nach § 1088 Satz 2 ABGB kommt es, wie eben dargelegt wurde, darauf an, daß die Sache tatsächlich zum Verkauf übergeben wurde und objektive, dem Eigentümer zurechenbare Umstände vorliegen, auf Grund derer der Erwerber auf die Verfügungsmacht des Veräußerers vertrauen darf. Abzustellen ist somit nicht – wie im Fall eines Kaufmannes oder eines befugten Gewerbsmannes – auf einen typisierten Rechtsscheintatbestand, sondern darauf, ob der Rechtsschein durch besondere Umstände des Einzelfalles verstärkt wird und deshalb auch einen guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers zu stützen vermag. In diesem Konzept sieht Frotz1103 nicht nur die auf die Einzelfallsumstände abstellende Rechtsscheinlösung des Codex Theresianus fortleben – auch diese schützte im übrigen den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers1104 –, sondern er weist überdies auf die besondere, das starre und standardisierte Rechtsscheinkonzept erweiternde Funktion des § 1088 Satz 2 ABGB hin1105: Durch seine Blickrichtung auf die positiv für eine Verfügungsmacht des Veräußerers sprechenden Umstände des Einzelfalles stelle § 1088 Satz 2 ABGB eine beachtenswerte Brücke zum allgemeinen Verkehrsschutzkonzept im Bereich des Vollmachtsrechtes dar. Darüber hinaus öffne diese Vorschrift den Zugang zur Frage, ob auch in den Fällen des begrenzten standardisierten Rechtsscheines, insbesondere bei einem Erwerb von einem Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, die Einzelfallsumstände die 1102
1103 1104
1105
Das hat der OGH in EvBl 1966/334 = JBl 1967, 367 zu wenig beachtet; siehe F. Bydlinski, JBl 1967, 360 f (der im genannten Fall überdies von einem Handeln in fremdem Namen ausgeht). Zu Schleuderpreis und Veräußerung unter Wert siehe im übrigen GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 48 ff. Kastner-FS (1972) 151. Codex Theresianus II 8 Nr 47; abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 132; siehe dazu schon oben S 102 ff. Frotz, Kastner-FS (1972) 151 f.
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Wirkung der typisierten Vertrauensgrundlage erweitern könnten. Da nur die begrenzte, lediglich das Eigentum indizierende Rechtsscheinwirkung der Innehabung1106 dagegen spreche, daß durch § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis geschützt werde, vertritt Frotz1107 die Auffassung, daß auch beim Vertrauensmannerwerb der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis dann zu schützen sei, wenn der Erwerber Umstände darlegen und nachweisen könne, die im konkreten Fall eine taugliche Vertrauensgrundlage für diesen Glauben abgäben. Dieser Lösungsvorschlag von Frotz erscheint auf den ersten Blick bestechend, bei näherem Hinsehen erwachen jedoch Zweifel. Dies schon deshalb, weil das vorgeschlagene Erweiterungskonzept sehr unbestimmt bleibt und die relevanten Kriterien nicht hinreichend deutlich werden, während die gesetzliche Lösung eine klare Fallgruppenbildung ermöglicht. Dies gilt nicht nur für die Fälle eines typisierten Rechtsscheintatbestandes – also beim Gewerbsmann und beim Kaufmann – sondern auch für § 1088 Satz 2 ABGB. Auch hier bleibt eine klare Abgrenzung nämlich gewährleistet, da der Eigentümer seine Sache stets tatsächlich zum Verkauf anvertraut haben muß. Eine solche Grenzziehung dient aber nicht nur der Rechtssicherheit, der wegen der Zuordnungsfunktion des Sachenrechtes besondere Bedeutung beizumessen ist, sondern entspricht auch der Interessenlage: Der Eigentümer soll nur dann mit der Gefahr eines weitergehenden Rechtsverlustes belastet werden, wenn er an der Sache ohnedies nur ein Wertinteresse hat und in den Sachverlust selbst durch die Erteilung einer Verkaufsermächtigung grundsätzlich eingewilligt hat. Die von Frotz vorgeschlagene Verallgemeinerung läßt aber nicht nur diese besondere Interessenlage außer Acht, sondern vernachlässigt überdies die allgemeinen Rechtsscheinprinzipien: Die Konstituierung eines auf dem Rechtsschein basierenden Verkehrsschutzes setzt nämlich prinzipiell voraus, daß der durch ihn Belastete den Rechtsschein in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat1108. Darauf nimmt Frotz aber nicht Bedacht. Dieses Versäumnis wiegt um so schwerer, als das eben aufgezeigte Rechtsscheinkonzept unzweifelhaft auch § 367 ABGB Satz 1 Fall 3 ABGB zugrunde liegt1109: Der maßgebliche Rechtsschein dieser Bestimmung ist nämlich der Besitz des unberechtigt Verfügenden, wobei diese Rechtsscheinposition dem Eigentümer nur dann zum Nachteil gereichen kann, wenn er seine Sache einem anderen anvertraut, sie also freiwillig aus der Hand gegeben hat. Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß der Eigentümer nur dann durch einen Rechtsverlust gefährdet sein soll, wenn 1106
1107 1108 1109
Richtigerweise ist allerdings auf die Rechtsscheinwirkung des Besitzes abzustellen, siehe schon oben S 165 f. Kastner-FS (1972) 152. Siehe nur Canaris, Vertrauenshaftung, insb 467 ff. Ausführlich dazu unten S 223 ff.
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ihm die Rechtsscheingrundlage zurechenbar ist; andernfalls scheidet ein Rechtsverlust aus, weshalb ein redlicher Erwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen im Rahmen des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nicht stattfindet. Mit der lex lata läßt sich ein Lösungsvorschlag, der den Rechtsscheintatbestand des Vertrauensmannerwerbs freihändig durch „objektive Indizien“ erweitern will, ohne dabei auf die Voraussetzungen der Zurechnung Bedacht zu nehmen, ja diese sogar ausdrücklich für unbeachtlich erklärt1110, daher nicht vereinbaren. Trotz dieser Kritik darf anderseits der wesentliche Erkenntnisfortschritt nicht übersehen werden, der darin liegt, daß Frotz die „Brückenfunktion“ des § 1088 Satz 2 ABGB überzeugend herausgearbeitet hat. Dies wird noch deutlicher, wenn man seine Reformüberlegungen in die Betrachtung mit einbezieht1111. Frotz kritisiert nämlich nicht nur, daß die gesetzliche Regelung unnötig kompliziert ist, sondern hält – entgegen der hier vertretenen Auffassung1112 – auch die Rechtsscheinkonzeption des Gesetzes für gänzlich veraltet: In einer Zeit, die den Kauf unter Eigentumsvorbehalt ebenso kenne wie das Leasing, müsse die Indizwirkung der Innehabung als eine Erinnerung an frühere dörfliche Idyllen erscheinen1113. Es sei daher eine völlige Neuorientierung nötig. Wie immer eine zukünftige Lösung auch aussehen möge, eines sei dabei sicher: Ihre Beurteilung werde nicht zuletzt dadurch bestimmt werden, ob sie imstande sei, die heute bestehende, die Realität mißachtende Diskrepanz zwischen dem Schutz des guten Glaubens an die Vertretungsmacht und dem Schutz des guten Glaubens an das Eigentum oder die Verfügungsbefugnis zu überwinden1114. Mit diesen Ausführungen zur Diskrepanz des Vertrauensschutzes beim Mobiliarerwerb und im Vollmachtsrecht schließt Frotz an Überlegungen von F. Bydlinski an. Dieser betont zu Recht, daß § 1088 Satz 2 ABGB nur die Veräußerungsermächtigung betreffe, aber keinesfalls auf die Verkaufsvollmacht bezogen werden dürfe1115. Die Regeln über den redlichen Erwerb seien nämlich nicht imstande ein gültiges schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft zu ersetzen. Das Erfordernis eines gültigen Titels sei für das österreichische Recht daher eine unübersteigbare Schranke des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes1116; eine Übertragung der Gutglaubensschutzvorschriften des Sachenrechts auf 1110 1111 1112 1113 1114 1115 1116
Siehe Frotz, Kastner-FS (1972) 152. Frotz, Kastner-FS (1972) 153 f. Siehe oben S 193 ff. Frotz, Kastner-FS (1972) 154. Frotz, Kastner-FS (1972) 154. F. Bydlinski, JBl 1967, 357 ff. F. Bydlinski, JBl 1967, 358; ebenso im Hinblick auf § 366 HGB Welser, Vertretung ohne Vollmacht 214 ff, 217 f; ausführlicher dazu noch unten FN 1603.
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das Vollmachtsrecht deshalb ausgeschlossen. Daraus ergebe sich ein unterschiedlicher Umfang des Vertrauensschutzes bei Veräußerungsermächtigung einerseits und Verkaufsvollmacht anderseits, wobei die Anscheinsvollmacht freilich ausgleichend wirke. Verbleibende Unterschiede könnten aber nicht dadurch überbrückt werden, daß der sachenrechtliche Gutglaubensschutz auf das Vollmachtsrecht ausgedehnt werde, sondern nur eine Angleichung in die andere Richtung, nämlich eine Angleichung der Ermächtigung zur Veräußerung im eigenen Namen an die Lage bei der Vollmacht käme in Betracht1117. Auch wenn F. Bydlinski und Frotz eine solche Angleichung nur de lege ferenda erwägen, ist dieser Vorschlag mE schon de lege lata der Schlüssel zur Lösung der Problematik. Es sind nur noch die Konsequenzen zu ziehen, die darin liegen, die Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht analog auf die Verfügungsbefugnis anzuwenden. Schutzlücken, die dadurch entstehen können, daß § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB auf Grund seines eingeschränkten und typisierten Rechtsscheintatbestandes stets nur den guten Glauben an die Eigentümerstellung des Veräußerers schützt, können auf diese Weise sach- und wertungsgerecht geschlossen werden. Die Anlehnung an das eingelebte Institut der Anscheinsvollmacht erhöht dabei nicht nur die Rechtssicherheit, sondern berücksichtigt auch die Zurechnungslage: Nach den allgemeinen Rechtsscheinprinzipien kommt es nämlich auch bei der Scheinvollmacht stets darauf an, daß dem Vertretenen der auf eine Vollmacht hindeutende Rechtsschein zurechenbar ist; dies kommt auch in einer gängigen und von der Rechtsprechung häufig verwendeten Formel deutlich zum Ausdruck: „Das Vertrauen muß seine Grundlage im Verhalten des Vollmachtsgebers haben, das diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begründet“1118. Auf die Einzelheiten einer solchen Anscheinsverfügungsermächtigung ist im Folgenden einzugehen.
1117 1118
F. Bydlinski, JBl 1967, 358. So etwa – mit gewissen Formulierungsunterschieden – OGH in JBl 1962, 381; SZ 36/35; SZ 39/215; SZ 44/5; JBl 1971, 422; JBl 1972, 97 und 146; SZ 54/111 = JBl 1982, 197 (G. Wilhelm); ZVR 1982/135; JBl 1986, 784 (G. Wilhelm); SZ 62/153; SZ 63/189 = JBl 1991, 733; JBl 1991, 517; RdW 1995, 384 = ecolex 1995, 645 = WBl 1996, 247; ZVR 2003/47; für weitere Nachweise siehe Strasser in Rummel, ABGB3 § 1002 Rz 49. Wie schon Welser, JBl 1976, 309 ff, kritisch angemerkt hat, erspart eine solche, durchaus suggestive Formel selbstverständlich nicht die dogmatische Feinarbeit, insbesondere die Differenzierung zwischen den Fällen bloßer Vollmachtskundgabe und jenen Fällen, die schon rechtsgeschäftlich als konkludente Vollmachtserteilung zu erfassen sind; grundlegend dazu Welser, JBl 1979, 1 ff; siehe weiters Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 185 ff.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
C. Anscheinsverfügungsermächtigung In seiner grundlegenden Untersuchung der Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht hat Canaris1119 überzeugend dargelegt, daß die Regeln über die Scheinvollmacht auch auf die Schaffung des Scheines einer Ermächtigung angewendet werden können. Die Ermächtigung stelle nämlich nur einen Unterfall der Einwilligung dar und sei mit der Vollmacht eng verwandt1120. Überdies sei die Scheinvollmacht nur der besondere Anwendungsfall eines allgemeinen Rechtsprinzips1121, das deshalb bei Scheineinwilligungen genauso zur Anwendung gelangen könne wie bei Scheinermächtigungen oder dem Schein der Rechtsinhaberschaft1122. Dementsprechend ist auch in Österreich anerkannt, daß bei einer Scheinübertragung von Sachen ein gutgläubiger Erwerb nach § 916 Abs 2 ABGB stattfindet, ohne daß es auf die Regeln über den redlichen Mobiliarerwerb ankäme1123. Dies zeigt, daß das allgemeine Rechtsscheinprinzip auch auf Sachenrechte anwendbar ist. Es erscheint daher völlig folgerichtig, auch die Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht auf die Verfügungsbefugnis analog anzuwenden1124. 1119
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Vertrauenshaftung 71 f; siehe weiters GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 16 f. Vgl dazu auch Flume, Rechtsgeschäft4 § 57, 1 b (S 903 f). GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 16. Canaris, Vertrauenshaftung 72, 94. Gschnitzer in Klang, ABGB2 IV/1, 422; Rummel in Rummel, ABGB3 § 916 Rz 4; dazu und zu den Fällen der Scheinzession ausführlicher schon oben S 154. GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 16; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 8. Allerdings beschränkt Canaris den Anwendungsbereich der Anscheinsvollmacht und damit auch jenen der Scheinermächtigung auf das Handelsrecht. Im allgemeinen Zivilrecht soll eine Rechtsscheinhaftung hingegen grundsätzlich nur bei wissentlicher Schaffung eines Scheintatbestandes greifen, ansonsten nur ein Anspruch aus culpa in contrahendo bestehen; siehe Canaris, Vertrauenshaftung 48 ff, 72, 191 ff; derselbe, Handelsrecht23 § 16 Rz 17 f; derselbe in GroßKomm, HGB3 III/2 § 366 Anm 17; im Ergebnis ähnlich, aber auch für das Handelsrecht restriktiv Flume, Rechtsgeschäft4 § 49, 4 (S 832 ff). Eine solche Einschränkung der Anscheinsvollmacht hat sich in Deutschland zwar noch nicht allgemein durchgesetzt, doch gewinnt sie zunehmend Anhänger, siehe Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 100 f; derselbe, Allgemeiner Teil8 Rz 970 ff; Staudinger/Schilken, BGB (2004) § 167 Rz 31; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 167 Rz 9. Anders hingegen die ständige Rechtsprechung des BGH, der etwa Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil8 § 48 Rz 25 ff 30; Palandt/Heinrichs, BGB64 § 173 Rz 14 und Erman/Palm, BGB11 § 167 Rz 7, folgen; näher zum Meinungsstand MünchKomm/Schramm, BGB4 § 167 Rz 54 ff. Im vorliegenden Zusammenhang kann diese Frage nicht vertieft werden; in Österreich wird eine derartige Restriktion jedenfalls bislang nicht vertreten (vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 185 ff; P. Bydlinski, Allgemeiner Teil2 Rz 9/25 ff; Strasser in Rummel, ABGB3 § 1002 Rz 48 f; Rebhahn in Jabornegg,
Erweiterung des Gutglaubensschutzes
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Die speziellen Regeln über den redlichen Mobiliarerwerb – insbesondere die Beschränkung des Gutglaubensschutzes auf die Eigentümerstellung des Verfügenden – stehen einer solchen Auffassung nicht entgegen, da die Tatbestandsvoraussetzungen so unterschiedlich sind, daß Wertungswidersprüche nicht zu befürchten sind1125. Für die Anerkennung einer solchen Anscheinsverfügungsermächtigung auch im österreichischen Recht sprechen aber nicht nur die allgemeinen Rechtsscheinprinzipien, sondern es findet sich für dieses Institut – wie bereits dargelegt wurde – in § 1088 Satz 2 ABGB auch ein ausdrücklicher und erweiterungsfähiger gesetzlicher Anhaltspunkt. Überdies spricht für die analoge Anwendung der Regelungen über die Anscheinsvollmacht auf die Verfügungsbefugnis sogar ein Größenschluß: Wie schon F. Bydlinski1126 aufgezeigt hat, können für die Unterschiede des Umfanges des sachenrechtlichen Gutglaubensschutzes und des Vertrauensschutzes im Vollmachtsrecht nämlich durchaus sachliche Gründe ins Treffen geführt werden: Glaube der Käufer daran, daß der Eigentümer dem Veräußerer die Veräußerung in dessen eigenem Namen gestattet habe, so daß Rechte und Pflichten nur zwischen Käufer und Verkäufer entstehen sollen, so nehme er zugleich an, daß der Eigentümer sich bewußt ganz aus diesem Rechtsverhältnis heraushalte; daß er freiwillig völlig in den Hintergrund trete. Der Erwerber werde sich also kaum aufgefordert fühlen, darüber nachzudenken, welche Grenzen der Eigentümer dem Veräußerer etwa auferlegt habe, sondern werde annehmen, daß dies eine zwischen diesen beiden alleine abzumachende Frage sein solle. Trete der Mittelsmann dem Käufer hingegen als offener Stellvertreter entgegen, so sehe der Käufer, daß Rechte und Pflichten zwischen ihm und dem Eigentümer begründet werden sollen. Die Person des Eigentümers stehe also unverkennbar im Rechtsverhältnis selbst und müsse vom Käufer beachtet werden. Dieser könne nicht das Gefühl haben, daß der Eigentümer freiwillig in den Hintergrund trete. Hier müsse sich der Käufer also unbedingt fragen, ob und wieweit der Mittelsmann überhaupt Rechte und Pflichten für den Eigentümer begründen könne, so daß man von ihm fordern könne, sich entweder der Vollmacht des Mittelsmannes und ihrer Grenzen unzweideutig zu vergewissern oder im Verhältnis zum Eigentümer das volle Risiko des Fehlens oder der Überschreitung der Vollmacht zu tragen. Daß die Interessenlage in beiden Fällen durchaus unterschiedlich ist, betont auch Canaris1127: Bei einem Handeln in fremdem Namen sei nicht
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HGB, Vor § 1 Rz 39), weshalb sie auch der folgenden Untersuchung nicht zugrunde zu legen ist. Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 72; speziell zum Verhältnis von Scheinermächtigung und § 366 HGB GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 17. JBl 1967, 358. In Großkomm, HGB3 III/2 § 366 Anm 27; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 16.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
dieselbe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der Vertretungsmacht gegeben, wie bei einem Handeln in eigenem Namen für das Bestehen der Verfügungsmacht; derjenige, der in fremdem Namen handle, sei nämlich typischerweise weit stärker von seinem Auftraggeber abhängig und der Vertrauenstatbestand daher deutlich schwächer. Es wirkt sich eben auch hier aus, daß die Vollmacht personenbezogen, die Ermächtigung aber gegenstandsbezogen ist1128. Wird nun aber – trotz der grundsätzlich schwächeren Vertrauensschutzlage – der gute Glaube an das Bestehen einer Vollmacht durch das Institut der Anscheinsvollmacht geschützt, so ist ein solcher Schutz bei einer Verfügungsbefugnis, bei der die Interessenlage viel stärker für einen Vertrauensschutz spricht, um so mehr geboten. Argumentum a minori ad maius ist eine analoge Anwendung der Regeln über die Anscheinsvollmacht auf die Fälle der Verfügungsbefugnis daher geradezu zwingend und zur Vermeidung schwerer Verstöße gegen das Gerechtigkeitsgleichmaß in der Sache jedenfalls dringend geboten. Die analoge Anwendung der Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht ist im Folgenden an Hand von Beispielen zu verdeutlichen, die zugleich die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen abdecken: Zu denken ist zunächst an jene Fälle, in denen der Eigentümer eine Verfügungsermächtigung nach außen wirksam erteilt oder kundgegeben hat, sie dann aber bloß intern widerruft. Die Interessenlage gleicht hier völlig jener im Vollmachtsrecht, wo § 1026 ABGB das Vertrauen eines Dritten auf das Fortbestehen der Vollmacht schützt, wenn diesem die Aufhebung ohne sein Verschulden unbekannt geblieben ist. Der Grund für diesen Vertrauensschutz liegt darin, daß der durch ihn Belastete mit der Kundgabe der Bevollmächtigung in zurechenbarer Weise einen Rechtsscheintatbestand geschaffen hat, den er bis zu seiner Beseitigung gegen sich gelten lassen muß1129. Da diese Wertungsgesichtspunkte aber offenkundig auch auf eine externe Verkaufsermächtigung zutreffen, ist § 1026 ABGB analog anzuwenden1130. 1128
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Siehe Wiegand, JuS 1974, 548; vgl schon Flume, Rechtsgeschäft4 § 57, 1 b (S 904). Mangels „äußeren Tatbestandes“ ist § 1026 ABGB deshalb auf eine „reine“ Innenvollmacht nicht anzuwenden; siehe Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 191; Rabl, NZ 1997, 303 mwN. Erforderlich ist vielmehr, daß die Vollmacht extern erteilt wurde (G. Wilhelm, JBl 1985, 457) oder eine intern erteilte Vollmacht dem Dritten bekannt gegeben wurde (Strasser in Rummel, ABGB3 §§ 1020-1026 Rz 44; Schwimann/Apathy, ABGB2 § 1026 Rz 2). Ebenso GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 16 im Hinblick auf § 172 BGB (Aushändigung einer Vollmachtsurkunde): Habe der Berechtigte dem unberechtigt Verfügenden eine Urkunde über die Ermächtigung ausgehändigt und diese zwar widerrufen, das Papier aber noch nicht zurückerlangt oder für kraft-
Erweiterung des Gutglaubensschutzes
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In Analogie zur Duldungsvollmacht, ist auch eine Duldungsverfügungsermächtigung denkbar1131: So kommt ein Schutz etwa dann in Betracht, wenn der Verkäufer von unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Ware es wiederholt duldet, daß ein nichtkaufmännischer Letztabnehmer diese unbefugt weiterveräußert. In solchen Fällen kann sich der Eigentumsvorbehaltsverkäufer gegenüber gutgläubigen Erwerbern grundsätzlich nicht auf das Fehlen der Verfügungsbefugnis des Eigentumsvorbehaltskäufers und Weiterveräußerers berufen und zwar auch dann nicht, wenn den Erwerbern das Bestehen des Eigentumsvorbehalts bekannt war1132. Wendet man die Regeln über die Anscheins- und Duldungsvollmacht analog an, so ist dabei – wie Canaris1133 zu Recht betont – allerdings zu beachten, daß man bei einer Ermächtigung wegen ihres objektbezogenen Charakters meist nur mit einer Spezialermächtigung für die jeweilige einzelne Verfügung rechnen kann und daher nicht so schnell wie bei einer personenbezogenen Vollmacht aus einer wiederholten Duldung von Verfügungen des Nichtberechtigten den Schluß ziehen darf, dieser habe auch für weitere Geschäfte Verfügungsmacht. Auch insofern bedarf es also einer sorgfältigen und strengen Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen.
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los erklärt, so müsse er die Verfügung analog § 172 BGB gegen sich gelten lassen. Entsprechendes hat auch für die Fälle des § 171 BGB (Vollmachtskundgabe durch Mitteilung an Dritten oder öffentliche Bekanntmachung) zu gelten. Die dogmatische Einordnung der Duldungsvollmacht ist freilich umstritten: Während die überwiegende deutsche Auffassung vom Vorliegen eines Rechtsscheintatbestandes ausgeht (vgl zum Meinungsstand MünchKomm/Schramm, BGB4 § 167 Rz 46 ff), stellt die Duldungsvollmacht für andere lediglich einen Unterfall rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsmacht dar, siehe insb Flume, Rechtsgeschäft4 § 49, 3 (S 828 ff). Richtigerweise wird – wie schon Welser, JBl 1976, 309 ff; derselbe, JBl 1979, 1 ff, insb 5 f bei FN 44, 6 bei FN 57, 8 ff, und Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 187 f, betonen – zu differenzieren sein: In einem Teil der Fälle kann die Duldung als konkludente Willenserklärung aufgefaßt werden, Vertretungsmacht wird also schon rechtsgeschäftlich erteilt. Läßt sich eine solche stillschweigende Willenserklärung hingegen nicht feststellen, so kann in der Duldung immerhin noch die Kundgabe erteilter Vollmacht liegen und deshalb ein Rechtsscheintatbestand anzunehmen sein. Im gegebenen Zusammenhang kann diese Fragestellung nicht vertieft werden und es ist dies auch nicht nötig: Entscheidend ist hier nämlich nur, daß die zur Duldungsvollmacht entwickelten Regeln analog auch auf eine Duldungsverfügungsermächtigung angewendet werden können. Im übrigen ist in dem gleich zu behandelnden Beispiel – entsprechend der dargelegten Differenzierung – von einer Verfügungsermächtigung kraft Kundgabe, also einem Rechtsscheintatbestand auszugehen. Zu diesem Beispiel siehe Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 8; GroßKomm/Canaris, HGB3 § 366 Anm 16; derselbe, Vertrauenshaftung 72. In GroßKomm, HGB3 III/2 § 366 Anm 16; derselbe, Vertrauenshaftung 72.
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Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis
Eine Anscheinsverfügungsermächtigung kommt weiters dann in Betracht, wenn der Eigentümer die Sache einem Zwischenmann anvertraut und diesen mit Mitteln wie Preislisten, Schätzgutachten oder ähnlichem ausstattet, die auf eine – tatsächlich nicht erteilte – Verfügungsbefugnis schließen lassen. Auch hier ist der redliche Erwerber in jenen Fällen zu schützen, in denen eine ausreichend starke Rechtsscheingrundlage für eine Anscheinsverfügungsermächtigung angenommen werden kann. Vom Wortlaut des § 1088 Satz 2 ABGB sind solche Fälle freilich nicht mehr gedeckt, da nicht nur der gute Glaube an den Umfang der Verfügungsbefugnis sondern auch jener an ihr Bestehen geschützt wird. Diesem Unterschied ist bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen Rechnung zu tragen: Im Fall des § 1088 Satz 2 ABGB hat der Eigentümer seine Sache dem Verfügenden nämlich tatsächlich zum Verkauf anvertraut und damit eine, wenn auch beschränkte, Verfügungsbefugnis erteilt. Da der Eigentümer an der Sache somit nur ein Wertinteresse hat und der gute Glaube regelmäßig auch nur im Rahmen einer üblichen Verfügungsbefugnis geschützt wird, ist – wie bereits dargelegt wurde – an die Prüfung des zurechenbaren Rechtsscheintatbestandes kein allzu strenger Maßstab anzulegen1134. In den hier behandelten Fällen liegt diese besondere Interessenkonstellation hingegen typischerweise nicht vor: Eine mangelnde Rückgabeerwartung des Eigentümers steht nämlich gerade nicht fest, hat sich der Eigentümer – mangels Erteilung einer Verfügungsbefugnis – mit einer Veräußerung der Sache doch auch grundsätzlich nicht einverstanden erklärt. Deshalb ist mit aller Strenge zu prüfen, ob der dem Eigentümer zurechenbare Rechtsschein im konkreten Fall tatsächlich ausreicht, um ihn zugunsten des redlichen Erwerbers mit einem Rechtsverlust zu belasten. Besonders liegen schließlich jene Fälle, in denen sich der Veräußerer als befugter Gewerbsmann oder als Kaufmann geriert, obgleich ihm eine entsprechende persönliche Qualifikation fehlt. Daß weder § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB noch § 366 HGB in solchen Fällen anwendbar ist, scheint auf der Hand zu liegen: Mangels Vorliegens der vom Gesetz geforderten objektiven Rechtsscheinbasis ist der normative Tatbestand nicht erfüllt. Der gute Glaube an das Vorliegen der Rechtsscheinbasis ist aber nicht geschützt und kann eine fehlende Rechtsscheinposition nicht substituieren. Dies erscheint auch durchaus sachgerecht, da nur in jenen Fällen, in denen eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation tatsächlich vorliegt, schutzwürdige Verkehrsinteressen bestehen. Dementsprechend ist völlig anerkannt, daß ein gutgläubiger Erwerb von einem befugten Gewerbsmann nur dann in Betracht kommt, wenn eine Gewerbeberechtigung tatsächlich vorliegt1135. Erstaunlicherweise soll 1134 1135
Ausführlicher oben S 211 f. OGH in SZ 2/14; Swoboda, Bürgerliches Gesetzbuch II 243; Klang in Klang, ABGB2 II 225. Ausführlich dazu unten S 296 f mit FN 1529.
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anderes aber beim Erwerb von einem Scheinkaufmann gelten; hier wird von der überwiegenden österreichischen Lehre ein redlicher Erwerb nach § 366 HGB bejaht1136. Diese Diskrepanz ist schwer erklärlich. Sie könnte allerdings – was bislang nicht beachtet wurde – aus der unterschiedlichen dogmatischen Konstruktion der genannten Tatbestände resultieren. Während § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nämlich auf dem reinen Rechtsscheinprinzip beruht, liegt § 366 HGB der Grundsatz „Hand wahre Hand“ zugrunde. Im Unterschied zu einem redlichen Erwerb von einem befugten Gewerbsmann kommt es beim handelsrechtlichen Gutglaubenserwerb nach § 366 HGB also auf das freiwillige Aus-der-Hand-Geben der Sache und damit auf die Zurechenbarkeit des Rechtsscheines an. Diesbezüglich könnten sich nun aber tatsächlich besonders zu beurteilende Fallkonstellationen ergeben. So verschiebt sich die Interessenlage nicht unbedeutend, wenn der Eigentümer seine Sache einer Person anvertraut, von der er weiß, daß diese als Kaufmann auftritt und entsprechende Veräußerungsgeschäfte tätigt. In solchen Fällen hat der wirklich Berechtigte seine Sache nämlich bewußt einer Umsatzsphäre eingegliedert und damit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Gegenüber den Fällen einer Anscheinsverfügungsbefugnis stellt eine solche Konstellation eine eigenständige Fallgruppe dar, da der Eigentümer die Scheinkaufmannseigenschaft des Veräußerers nicht zurechenbar geschaffen, sondern nur erkennbar in Kauf genommen hat. Anderseits könnte ein gegenüber § 1088 Satz 2 ABGB hinausgehender Schutz durchaus auch in jenen Fällen gerechtfertigt sein, in denen der Eigentümer die Sache dem Scheinkaufmann gerade nicht zum Verkauf anvertraut hat. Die Scheinkaufmannseigenschaft ist nämlich geeignet, das Vertrauen des Erwerbers auf eine in Wahrheit nicht bestehende Verfügungsbefugnis nicht unerheblich zu fördern; dieses erhöhte Vertrauen spricht aber für einen erweiterten Schutz. Im Einzelnen kann auf diese komplexe Problematik freilich erst eingegangen werden, nachdem die Grundfälle des redlichen Erwerbs bei verstärkter Rechtsscheingrundlage selbst untersucht worden sind1137.
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Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 6; Krejci, Handelsrecht2 222; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85. AA Holzhammer, Handelsrecht8 190 und die herrschende deutsche Lehre, siehe die Nachweise unten FN 1653. Zum befugten Gewerbsmann siehe unten S 291 ff; zum Kaufmann unten S 298 ff; zum Scheinkaufmann unten S 318 ff.
§ 5 Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
I. Gesetzeslage Gemäß § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB erwirbt der redliche, entgeltliche Erwerber einer beweglichen Sache Eigentum, wenn er die Sache „von jemandem an sich gebracht hat, dem sie der Kläger selbst zum Gebrauche, zur Verwahrung, oder in was immer für einer anderen Absicht anvertraut hatte“. Voraussetzung des Erwerberschutzes ist somit der Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers. Wie schon Zeiller1138 hervorgehoben hat, knüpft § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB an den deutsch-rechtlichen Satz „Hand wahre Hand“ an. Aus dieser geschichtlichen Herkunft, die bereits dargestellt wurde1139, folgt die grundsätzliche und rechtsvergleichend weit verbreitete1140 Unterscheidung zwischen abhanden gekommenen und freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen. Nur bei letzteren ist der redliche Erwerber geschützt. Dieses Konzept, auf dessen Rechtfertigung weiter unten näher einzugehen ist, kann freilich durchaus verschieden umgesetzt oder wenigstens formuliert werden: Während § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB positiv auf das „Anvertrauen“ abstellt und das dem Vertrauensmann vom Eigentümer erwiesene Vertrauen zum Ausgangspunkt nimmt, hat schon Art 306 ADHGB negativ formuliert und den gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen, „wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren“. Dieser Konzeption des ADHGB, das von 1862 bis 1938 als AHGB auch in Österreich in Kraft stand1141, folgt der umfassender und klarer gefaßte § 935 Abs 1 BGB, der gestohlene und verlorene Sachen den „sonst abhanden gekommenen Sachen“ ausdrücklich gleichstellt1142, was im üb1138 1139 1140 1141
1142
Kommentar II/1, 134 FN *. Oben S 81 ff. Siehe oben S 18 f. In Deutschland wurde das ADHGB hingegen schon 1897 durch das dHGB vom 10.5.1897, das gemeinsam mit dem BGB am 1.1.1900 in Kraft trat, abgelöst. Zur Entstehungsgeschichte des Art 306 ADHGB und dessen Einfluß auf die in den §§ 932 ff BGB getroffene Regelung des gutgläubigen Erwerbes an beweglichen Sachen siehe H. Hübner, Rechtsverlust 27 ff, 30 ff sowie unten S 299 ff.
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
rigen schon der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Art 306 ADHGB entsprach1143. Diese Formulierung des Hand-wahre-Hand-Prinzips liegt kraft Verweises auch § 366 dHGB zugrunde1144 und fand 1938 in Form des § 366 Abs 4 Satz 1 HGB wiederum Eingang in das heimische Recht1145. Dementsprechend schließt § 366 Abs 4 Satz 1 HGB an Sachen, die dem Eigentümer „gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhanden gekommen sind“, einen redlichen Erwerb aus. Wie das deutsche Recht (§ 935 Abs 2 BGB) sieht § 366 Abs 4 Satz 2 HGB davon wiederum eine Gegenausnahme im Hinblick auf Geld, Inhaberpapiere und im Weg der öffentlichen Versteigerung erworbene Sachen vor. Darauf und auf die entsprechenden im allgemeinen Zivilrecht geltenden Bestimmungen der §§ 367 Satz 1 Fall 1 und 371 ABGB ist gesondert einzugehen1146. Das österreichische Recht verwirklicht den Grundsatz „Hand wahre Hand“ somit im allgemeinen Zivilrecht in seiner positiven, im Handelsrecht in seiner negativen Ausprägung. Dabei legt schon die gemeinsame entwicklungsgeschichtliche Wurzel nahe, daß es sich dabei bloß um eine unterschiedliche Formulierung derselben Problematik handelt, aus der keine inhaltlichen Unterschiede resultieren. In diese Richtung weist im übrigen auch ein Vergleich mit dem Schweizer Recht, das sich beider Formulierungen sogar in zwei direkt aufeinanderfolgenden Bestimmungen bedient: So sieht Art 933 ZGB einen redlichen Erwerb in jenen Fällen vor, in denen die Sache dem Veräußerer „anvertraut worden war.“ Bei einer Sache, die dem Besitzer „gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider Willen abhanden kommt“, knüpft Art 934 ZGB den Gutglaubenserwerb hingegen an den Ablauf einer fünfjährigen Verwirkungsfrist1147. Offensichtlich geht das Gesetz dabei davon aus, daß jene Fälle, die mangels Anvertrauens nicht von Art 933 ZGB erfaßt werden, unter Art 934 ZGB fallen1148. Dementsprechend nimmt auch die herrschende Schweizer Lehre einen kongruenten – nur aus der jeweils entgegengesetzten Perspektive definierten – Anwendungsbereich an: Der Besitzer einer beweglichen Sache könne die Sachherrschaft entweder mit oder 1143
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Nach RG in RGZ 1, 255, 257 umfaßt die Bezeichnung „gestohlen oder verloren“ alle Fälle, in denen jemand wider seinen Willen und ohne sein Zutun den Gewahrsam an einer Sache verloren hat. Ebenso zu § 306 AHGB Staub/Pisko, AHGB2 Art 306 § 20 (S 127); Löbl in Staub/Pisko, AHGB3 Art 306 § 20 (S 218). Siehe GroßKomm/Canaris, HGB3 III § 366 Anm 15. Siehe die „Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich“ vom 24. 12. 1938, DRGBl 1938 I 1999 = GBlÖ 1939/86. Zu Geld und Inhaberpapieren siehe bereits oben S 155 ff, zu den Fällen öffentlicher Versteigerung unten S 282 ff. Zur Regelung des Schweizer Rechts schon oben S 36 f. Eine Sonderregel besteht wiederum für Geld und Inhaberpapiere, wo gemäß Art 935 ZGB trotz Abhandenkommens ein sofortiger redlicher Erwerb stattfindet.
Gesetzeslage
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gegen seinen Willen verlieren; eine dritte Möglichkeit bestehe nicht1149. Ein solches Ergebnis, nach dem die unterschiedliche Formulierung nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, wäre selbstverständlich auch für das österreichische Recht wünschenswert. Im Sinne einer möglichst anzustrebenden Einheit der Rechtsordnung sollte ein und dasselbe Sachproblem nämlich stets in gleicher Weise gelöst werden1150. Sicher erscheint ein solcher Gleichklang aber nicht. Nähert man sich dem Wortlaut des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nämlich ungeachtet dieser Vorbemerkungen unbefangen mit den Mitteln der Wortinterpretation, so läge es nahe, dem Wort „Anvertrauen“ eine besondere subjektive Komponente auf Seiten des Eigentümers beizulegen, also einen echten Vertrauenserweis zu verlangen1151. Für eine solche Sichtweise finden sich aus historischer Perspektive auch durchaus Anhaltspunkte: So führte Zeiller anläßlich der Beratungen zu der dem § 367 ABGB entsprechenden Regel des Urentwurfs (II § 92)1152 aus, Voraussetzung dieser Bestimmung sei, daß der Eigentümer seine Sache „eigens anvertraut“ habe1153. Angesichts dieser Ausgangslage überrascht es nicht, wenn Ehrenzweig1154 zwar zutreffend feststellt, daß § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB ebenso wie § 935 Abs 1 BGB auf dem Grundsatz „Hand wahre Hand“ beruhe, in der Folge jedoch betont, § 935 Abs 1 BGB normiere keineswegs dasselbe wie § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB bloß in negativer Fassung: Das deutsche Recht und – wie zu ergänzen ist – § 366 Abs 4 Satz 1 HGB unterscheide nämlich nach der Art des Besitzverlustes des Eigentümers, das österreichische aber nach der Art des Besitzerwerbes des Vormannes1155. Im deutschen Recht genüge es also, daß der Eigentümer 1149
1150
1151 1152 1153 1154 1155
Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 14, Art 934 Rz 4; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 23 f, Art 934 Rz 2; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 474, 476; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 12, Art 934 Rz 2; Ostertag, Berner Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 4, Art 934 Rz 4. Grundlegend dazu Engisch, Einheit der Rechtsordnung; zustimmend Kramer, Methodenlehre2 77 mwN, der zutreffend betont, daß das Recht als System möglichst konsistenter Wertentscheidungen aufzufassen ist, weshalb dessen Einzelbestandteile nicht isoliert und ohne Beachtung ihres normativen Kontextes interpretiert werden dürfen. In der Sache geht es also um eine systematische Interpretation unter Berücksichtigung des objektiv-teleologischen Auslegungskriteriums der Gleichbehandlung, nach welchem Wertungswidersprüche – als Verstöße gegen das Gerechtigkeitsgleichmaß – tunlichst zu vermeiden sind. Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre3 155; F. Bydlinski, Methodenlehre2 454 f. Vgl dazu auch Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers 62 ff. Abgedruckt bei Ofner, Ur-Entwurf und Beratungsprotokolle I, XXXVIII. Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungsprotokolle I 251. System2 I/2, 187 f; ähnlich schon Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 23 f. Ebenso Mayr, Lehrbuch I 425 FN 28.
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die Sache selbst aus der Hand gegeben habe, sie ihm also nicht abhanden gekommen sei – wie sie in die Hand des gegenwärtigen Besitzers gelangt sei, wäre aber gleichgültig. Im österreichischen Recht käme es hingegen darauf an, von wem der Besitzer die Sache erworben habe. Maßgeblich sei also die Beziehung zwischen dem Übergeber und dem Eigentümer1156; das Anvertrauen sei somit eine positive Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs1157. Praktische Auswirkungen gewinnt eine solche Sichtweise etwa bei der Frage, ob auch bei einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge die Sache als anvertraut anzusehen ist1158. Gerade bei der Untersuchung derartiger Einzelfragen zeigt sich freilich, wie wenig eine strikte Wortinterpretation der Begriffe „Anvertrauen“ und „Abhandenkommen“ zur Lösung der Problematik beizutragen vermag. Eine solche Auslegung bleibt nämlich allzusehr an der Oberfläche verhaftet und vermag die maßgebliche Interessenlage nicht aufzudecken. Bevor daher auf die einzelnen Problemfälle eingegangen werden kann, ist es nötig, die allfällig maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte herauszuarbeiten, welche eine Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen zu rechtfertigen vermögen. Die gemeinsame Sachproblematik legt es dabei nahe, beide Modelle des Hand-wahre-Hand-Prinzips gemeinsam zu untersuchen. Erst auf der Basis der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte kann der Frage nachgegangen werden, ob die unterschiedliche – negative oder positive – Fassung in Teilbereichen unterschiedliche Lösungen mit sich bringt. Da die von § 366 Abs 4 Satz 1 HGB getroffene Unterscheidung jener des § 935 Abs 1 BGB völlig entspricht, erscheint es dabei sinnvoll, auch die deutsche Rechtsprechung und Lehre in die Betrachtung miteinzubeziehen; auf Grund der sachlichen Verwandtschaft der Art 933 und 934 ZGB gilt Entsprechendes für das Schweizer Recht.
II. Sachliche Rechtfertigung A. Zurechnung des Rechtsscheins als Ausgangspunkt Fragt man nach der Rechtfertigung der historisch überkommenen Differenzierung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen, so hilft eine Berufung auf das „Hand-wahre-Hand-Prinzip“ des germanisch-deutschen Rechtes wenig weiter. So schwer die dort maßgebenden Gründe auch aufklärbar sind, so kann 1156 1157 1158
So auch Mayr, Lehrbuch I 425. Ehrenzweig, System2 I/2, 188; Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 23 f. Dazu unten S 261 ff.
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doch als gesichert gelten, daß in den Anfängen der Vertrauensschutz des Erwerbers ebensowenig im Zentrum stand, wie der Gedanke der Verkehrssicherheit1159. Gerade jene Elemente, die heute als entscheidend für den Schutz des gutgläubigen Erwerbes angesehen werden, spielten somit für die Entstehung des Prinzips nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch wenn man auf jene maßgeblichen Rechtfertigungsgründe abstellt, die sich im Laufe der Entwicklung herauskristallisiert haben und für die erfolgreiche Etablierung des Institutes entscheidend wurden, nämlich auf den Gedanken des Vertrauensschutzes und des Verkehrsschutzes, so vermögen diese Prinzipien eine Differenzierung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen nicht zu erklären. Beide Gesichtspunkte sprechen nämlich deutlich gegen eine solche Unterscheidung, ist für den redlichen Erwerber doch in keiner Weise ersichtlich, ob eine Sache abhanden gekommen ist oder nicht1160. Vom Standpunkt der Verkehrssicherheit aus, ist die gesetzlich angeordnete Differenzierung nicht zu begründen. Die Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen, durch die der Schutz des redlichen Erwerbers deutlich eingeschränkt wird, zeigt vielmehr, daß das Gesetz den Schutz des redlichen Verkehrs nicht absolut setzt, sondern gegen die Bestandsinteressen des Eigentümers abzuwägen sucht. Nur derjenige Eigentümer, der einem anderen die Innehabung an der Sache überlassen hat und auf diese Weise eine für den redlichen Erwerb taugliche Vertrauensgrundlage selbst geschaffen hat, soll der Gefahr eines Rechtsverlustes ausgesetzt sein. Vergegenwärtigt man sich, daß es beim redlichen Erwerb einer beweglichen Sache um einen Anwendungsfall des Rechtsscheinprinzips geht1161, so wird deutlich, daß der Tatbestand des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB in heute ganz geläufiger Weise die klassische Trias des Rechts1159 1160
1161
Dazu oben S 86 f. Völlig fiktiv ist es hingegen, wenn Meyer, Publizitätsprinzip 84, dem Besitz an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen einen anderen „Besitztypus“ zuweisen will und ausführt: „Der Typus des Besitzes an gestohlenen und verlorenen Sachen sieht ganz anders aus als der an sonstiger Fahrnis. Er ist Diebes- und Hehlerbesitz, der nicht offen zutage tritt, sondern sich ins Dunkle flüchtet. Und auch der Typus des Erwerbs trägt einen anderen Charakter, den der Unredlichkeit, der Hehlerei: So ist es denn auch gerechtfertigt, die typische Ausgestaltung der Wirkungen des Fahrnisbesitzes gerade für solche Sachen zu durchbrechen. Denn hier würde in neunundneunzig von hundert Fällen der Rechtsschein nicht dem Recht, sondern dem Unrecht zugute kommen“. Zur Theorie von der „Publizität des offenkundigen Gewerebruches“ vgl schon oben FN 457 mwN. H. Westermann, JuS 1963, 1 ff; Wiegand, JuS 1974, 201 ff; derselbe, JuS 1978, 145 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 7 ff; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III (S 366 ff); Wolff/Raiser, Sachenrecht10 250; Stark, Berner
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scheinprinzips verwirklicht1162: Rechtsschein (Besitz), Zurechnung (Anvertrauen), Gutgläubigkeit des Dritten. Maßgeblich ist also, daß der Eigentümer, der die Sache einem Dritten überlassen hat, den Rechtsschein erzeugt, sie gehöre dem Inhaber1163. Das Erfordernis des „Anvertrauens“ entspricht damit der allgemeinen Regel, daß die Konstituierung eines auf dem Rechtsschein basierenden Verkehrsschutzes prinzipiell voraussetzt, daß der durch ihn Belastete den Rechtsschein in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat. Es geht bei der Frage des Anvertrauens also nicht um eine schwer faßbare Vertrauenserweisung, sondern um die Zurechnung des Rechtsscheins durch die der Verkehrsschutz beschränkt wird. Nichts anderes gilt aber auch für § 366 Abs 4 Satz 1 HGB ebenso wie für § 935 Abs 1 BGB1164 und Art 933, 934 ZGB1165. Entscheidend ist somit nicht die unterschiedliche Formulierung der genannten Tatbestände, sondern ihre idente Funktion: Begrenzung des Verkehrsschutzes durch das Erfordernis der Zurechnung. In welchen Fällen eine solche – den Eigentümer belastende – Zurechnung angenommen werden darf, ist damit freilich noch nicht geklärt, sondern macht es erforderlich, sich mit dem Begriff der Zurechnung und dem in den Fällen des redlichen Erwerbs maßgeblichen Zurechnungsprinzip näher auseinanderzusetzen. B. Begriff der Zurechnung 1. Selbstverantwortung und Folgenzurechnung Fragen der Zurechnung sind für das Privatrecht geradezu charakteristisch, und stehen – wie F. Bydlinski zur Recht hervorhebt – mit der Frage der Selbstverantwortung in engem Zusammenhang1166. Eine zentrale Rolle spielt die Zurechnungsproblematik dabei insbesondere im Schadenersatzrecht und in der Rechtsgeschäftslehre. Wegen des Erfordernisses, konkrete Zurechnungsfragen zu lösen und wegen der Unter-
1162 1163 1164
1165
1166
Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 34; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1763. Siehe dazu bereits oben S 151. Frotz, Kastner-FS (1972) 146 f. Reischauer, JBl 1973, 593. Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 2 (S 370 f); Hager, Verkehrsschutz 384 ff („Korrektur der Besitzverschaffungsmacht durch Zurechnungsmomente“); Kindl, Rechtsscheintatbestände 345 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 19 ff, 24. Vgl Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 933-937 Rz 34, Art 933 Rz 22. Grundlegend zur „Selbstverantwortung als Folgenzurechnung“ F. Bydlinski, System und Prinzipien 99 ff, 106 ff (zum Schadenersatzrecht), 154 ff, 164 ff (zur Rechtsgeschäftslehre).
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schiedlichkeit der einzelnen Bereiche bleibt der Blickwinkel dabei aber meist eng auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand beschränkt. Aus diesen Gründen ist die Entwicklung einer allgemeinen Zurechnungslehre lange Zeit nicht verfolgt worden. Demgegenüber hat es Canaris anläßlich seiner Untersuchung der Vertrauenshaftung unternommen, generelle Grundsätze der Zurechnung herauszuarbeiten1167. Bevor auf die spezifische Problematik der Zurechnung beim redlichen Erwerb näher einzugehen ist, erscheint es empfehlenswert, sich diese allgemeinen Zurechnungsprinzipien ins Bewußtsein zu rufen. Wie für F. Bydlinski ist auch für Canaris das rechtsethische Prinzip, das sich im Gedanken der Zurechnung verwirklicht, der Grundsatz der Selbstverantwortung der Person1168, wobei die Verantwortlichkeit sich aus dem Verhalten oder dem Geschäftskreis ergeben könne1169. Aus diesem Prinzip der Verantwortlichkeit läßt sich – wie Canaris1170 gezeigt hat – eine Anzahl von Mindestvoraussetzungen der Zurechnung ableiten: So der Ausschluß der Zurechnung bei vis absoluta, das Ausscheiden der Zurechnung des Verhaltens eines Dritten, wenn dieses nicht selbst wieder zurechenbar ist, sowie das Erfordernis der Zurechnungsfähigkeit, also der für die Verantwortlichkeit maßgebenden Einsichts- und Willensfähigkeit. Schon aus dem rechtsethischen Grundprinzip lassen sich somit – notwendig noch sehr abstrakte – „allgemeine Zurechnungsvoraussetzungen“, bei ihrem Fehlen „allgemeine Zurechnungsausschlußgründe“ ableiten. Mißt man § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB an diesen allgemeinen Zurechnungsvoraussetzungen, so ergeben sich erste Anhaltspunkte, den Begriff des „Anvertrauens“ näher zu bestimmen. Daß bei vis absoluta ein Rechtsverlust nicht in Betracht kommt, legt schon der Wortlaut des § 367 1167 1168 1169
1170
Canaris, Vertrauenshaftung 467 ff. Canaris, Vertrauenshaftung 468. Ganz in diesem Sinne formuliert auch F. Bydlinski, System und Prinzipien 166, das Verantwortlichkeitskriterium – für den Bereich der Rechtsgeschäftslehre – wie folgt: „Die Verantwortung für das Versprechen (Vertragstreue) und für zurechenbar herbeigeführte (durch gehörige Sorgfalt vermeidbare oder mindestens selbst oder durch Fehler der eigenen Sphäre adäquat verursachte) Willenserklärungstatbestände (erweitert: und ähnliche Vertrauenstatbestände).“ Im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtsgeschäftslehre und Vertrauenshaftung bestehen zwischen der Position von F. Bydlinski, Privatautonomie, und jener von Canaris, Vertrauenshaftung, freilich bedeutsame Unterschiede; siehe einerseits F. Bydlinski, System und Prinzipien 152 ff; derselbe, JZ 1975, 1 ff, 6; derselbe, ZAS 1976, 136 ff (gegen eine Zweispurigkeit von Rechtsgeschäftslehre und Vertrauenshaftung), anderseits Canaris in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger, Bewegliches System 115 f; derselbe, Vertrauenshaftung 412 ff, 424 ff (für eine dogmatische Selbständigkeit der Vertrauenshaftung). Vertrauenshaftung 468 f.
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Satz 1 Fall 3 nahe; der sachliche Grund für dieses auch im Hinblick auf § 366 Abs 4 Satz 1 HGB, § 935 Abs 1 BGB und Art 933, 934 ZGB zutreffende Ergebnis besteht in der – mangels Selbstverantwortung – ausgeschlossenen Zurechenbarkeit. Soweit es um die Zurechnung des Verhaltens eines Dritten geht, bietet eine Wortinterpretation des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB einen ähnlich sicheren Boden nicht mehr. Kommt es darauf an, daß der Erwerber dem getraut hat, dem der Eigentümer selbst sein Vertrauen geschenkt hat1171, wird der Schutz des Erwerbes vom Vertrauensmann des Vertrauensmannes mindestens unsicher. Lokalisiert man das Problem hingegen in der Frage der Zurechnung, so kann nicht zweifelhaft sein, daß diese auch bei einer Vertrauensmännerkette zu bejahen ist, da sich gerade das vom Eigentümer durch die Übergabe geschaffene spezifische Risiko seiner Sphäre verwirklicht hat1172. Ebenso wird deutlich, daß ein „Anvertrauen der Sache“ nur dann vorliegen kann, wenn der Eigentümer über die zur Schaffung des Scheintatbestandes nötige Zurechnungsfähigkeit verfügt. Das zuletzt gewählte Beispiel zeigt freilich, daß sich mit den dargestellten „allgemeinen Zurechnungsvoraussetzungen“ erst eine sehr grobe Grenze der Zurechnung ziehen läßt. Um weiteren Aufschluß zu gewinnen, ist es daher erforderlich, das maßgebliche Zurechnungsprinzip herauszuarbeiten, das den Gedanken der Selbstverantwortung näher konkretisiert1173. 2. Zurechnungsprinzip und Haftungsgrund Versucht man das für den redlichen Mobiliarerwerb maßgebliche Zurechnungsprinzip aufzudecken, so ist freilich zunächst noch zu beachten, daß Zurechnungsprinzip und Haftungsgrund unterschieden werden müssen, worauf wiederum Canaris1174 besonders hingewiesen hat: Während der Haftungsgrund angebe, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung eine Partei schütze, entscheide das Zurechnungsprinzip, unter welchen Voraussetzungen die andere Partei mit einer entsprechenden Pflicht belastet werde. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen betreffe der Haftungsgrund somit die Seite des Berechtigten, das Zurechnungsprinzip hingegen die Seite des Verpflichteten. Für den Bereich der Vertrauenshaftung folge daraus, daß der Vertrauensgedanke den Haftungsgründen zuzuzählen sei. Aus ihm lasse sich also nur entnehmen, warum der Vertrauende schutzwürdig erscheine, nicht aber warum es gerecht sei, für die Folgen dieses Vertrauens einen anderen aufkommen zu lassen. Für die Zurechnungsproblematik selbst 1171 1172 1173 1174
Ehrenzweig, System2 I/2, 188. Dazu näher unten S 254 f. Canaris, Vertrauenshaftung 469. Vertrauenshaftung 469 ff.
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könne dem Vertrauensgedanken hingegen nichts entnommen werden. Ob die Vertrauenshaftung durch ein bestimmtes Zurechnungsprinzip zu ergänzen sei und welches Prinzip allenfalls zum Tragen komme, stelle eine eigenständige Problematik dar, die nicht aus dem Vertrauensprinzip selbst beantwortet werden könne. Überträgt man die von Canaris getroffene Unterscheidung zwischen Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip auf die Problematik des redlichen Erwerbs – bei dem statt der Begründung einer Haftung der Verlust eines Rechtes in Rede steht1175 –, so bestätigt dies die bisherigen Überlegungen: Auch hier geht es bei der Frage der Zurechnung selbstverständlich um die Wahrung der Interessen des Eigentümers, bei der Frage des Vertrauensschutzes hingegen um jene des Erwerbers. Den gemeinsamen Bezugspunkt beider Gesichtspunkte bildet dabei der Besitz, in manchen Fällen die Besitzverschaffungsmacht: Für den Erwerber als maßgebliche Rechtsscheingrundlage, für den Eigentümer als zuzurechnender Vertrauenstatbestand. Schon dieser gemeinsame Bezugspunkt bedingt, daß Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip selbstverständlich nicht völlig isoliert voneinander gesehen werden dürfen, da stets die Interessen beider Parteien zu beachten sind1176. Der eben dargelegte Zusammenhang und das prinzipielle Erfordernis „zweiseitiger Rechtfertigung“1177 machen überdies deutlich, daß das Zurechnungsprinzip als solches selbstverständlich nicht geeignet ist, das Institut des redlichen Erwerbs zu legitimieren1178; insofern gilt nichts anderes als bereits für den Besitz als Rechtsscheingrundlage und den damit verbundenen Vertrauensschutzgedanken ausgeführt wurde1179. Eine Kritik des redlichen Erwerbes, die darauf aufbaut, daß ein Ausder-Hand-Geben der Sache den Eigentümer nicht belasten dürfe, weil in einer arbeitsteiligen Gesellschaft jedermann von Zeit zu Zeit – etwa 1175 1176 1177
1178
1179
Dazu bereits oben S 153 f. Dies betont auch Canaris, Vertrauenshaftung 470 FN 12. Da sich privatrechtliche Normen stets unmittelbar zwischen tatbestandlich näher angegebenen Personen auswirken, bedarf es nicht nur der Begründung, warum einem Normadressat eine günstige, einem anderen aber eine nachteilige Rechtsfolge zugeordnet wird, sondern auch warum dies gerade im Verhältnis dieser beiden zueinander erfolgt. Siehe dazu F. Bydlinski, System und Prinzipien 92 ff; derselbe, Fundamentale Rechtsgrundsätze 307 ff, 309 f mit explizitem Hinweis auf das sachenrechtliche Rechtsscheinprinzip, das um Gründe dafür ergänzt werden müsse, daß der Rechtsschein dem durch seine Beachtung Benachteiligten zugerechnet werden könne, sowie jüngst derselbe, AcP 204 (2004) 341 ff, 357 ff mit Betonung des Zurechnungserfordernisses für die beidseitige Begründbarkeit redlichen Erwerbs. Siehe dazu noch FN 1185 sowie unten S 280 f. Gegen einen solchen „monokausalen“ Erklärungsversuch auch Hager, Verkehrsschutz 384 f. Siehe oben S 194 f mit FN 1035.
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bei einer unaufschiebbaren Reparatur – gezwungen sei, sich von seiner Sache vorübergehend zu trennen1180, geht insofern ins Leere. Wie bereits dargelegt wurde, ist nämlich zu beachten, daß es sich sowohl beim Zurechnungsprinzip als auch beim Vertrauensprinzip lediglich um Subprinzipien handelt, die eine möglichst optimale Austarierung der Prinzipienkollision zwischen Bestandschutz und Verkehrsschutz gewährleisten sollen und denen insofern eine Ergänzungs- und Korrekturfunktion zukommt1181. Die Unterscheidung zwischen Zurechnungsprinzip und Haftungsgrund verdeutlicht schließlich auch für den Fall des redlichen Erwerbs, daß sich aus dem Verkehrs- und Vertrauensschutz konkrete Anforderungen hinsichtlich des (gegenläufigen) Zurechnungsprinzips nicht ableiten lassen. Die Lage ist hier freilich einfacher als im Fall der Vertrauenshaftung, da das Gesetz beim gutgläubigen Erwerb die Zurechnungsvoraussetzungen stets – mehr oder weniger deutlich – umschreibt, so daß nicht die Entwicklung einer allgemeinen Zurechnungslehre, sondern lediglich eine Präzisierung mit Hilfe der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte, die als Zurechnungsprinzip zusammengefaßt werden können, erforderlich ist. Einfacher ist die Lage aber auch im Hinblick auf das Erfordernis der Zurechnung selbst, das ja keineswegs notwendig mit dem Haftungsgrund verbunden ist, wie die Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips zeigen1182. Die Gesetzeslage ist insofern nämlich eindeutig: Nur in einem Teil der Fälle redlichen Erwerbs beschränkt die Rechtsordnung den Verkehrs- und Vertrauensschutz durch das Erfordernis der Zurechnung (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 1 HGB, § 935 Abs 1 BGB), während sie in anderen Fallkonstellationen auf diese – den Interessen des Eigentümers dienende – Kautele verzichtet, also das reine Rechtsscheinprinzip verwirklicht, was für den Eigentümer unzweifelhaft mit besonderen Härten verbunden ist (§ 367 Satz 1 Fall 1 und 2 ABGB; § 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB). Analysiert man die genannten Fälle, so wird deutlich, daß zwischen dem Erfordernis der Zurechnung und dem Verkehrs- und Vertrauensschutz eine deutliche Interdependenz besteht, die aus der Abstufbarkeit der Verkehrsinteressen und des Vertrauensbedürfnisses resultiert: Zu einer „einseitigen“ Lösung, die das Erfordernis der Zurechnung und damit die Eigentümerinteressen nicht berücksichtigt, greift der Gesetzgeber nämlich nur in jenen Fällen, in denen ein verstärkter Rechtsscheintatbestand oder ein 1180
1181 1182
Vgl etwa Peters, Entzug des Eigentums 50 f, 55 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 217; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13; siehe auch H. Hübner, Rechtsverlust 106 f. Siehe oben S 65 ff. Siehe dazu Canaris, Vertrauenshaftung 471 f (unter Hinweis auf § 935 Abs 2 BGB); weiters H. Westermann, JuS 1963, 6.
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besonders gesteigertes Verkehrsschutzbedürfnis besteht (so bei Geld und Umlaufpapieren) oder eine Kombination von beiden Momenten vorliegt (so beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung oder vom befugten Gewerbsmann). Besonders gesteigerte Verkehrsschutz- und Vertrauensinteressen vermögen somit – zumindest nach der Wertung des Gesetzgebers – einen Verzicht auf das Erfordernis der Zurechnung zu rechtfertigen1183. C. Das maßgebliche Zurechnungsprinzip Durch das Erfordernis der Zurechnung begrenzen § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB und § 366 Abs 4 Satz 1 HGB den Schutz des redlichen Erwerbers und folgen damit dem elementaren Gerechtigkeitsprinzip1184, daß der Rechtsinhaber prinzipiell nur dann mit einem Rechtsverlust belastet werden darf, wenn er den Vertrauenstatbestand in Selbstverantwortung geschaffen hat1185. Steht das Erfordernis der Zurechnung fest, so ist damit freilich noch nichts darüber gesagt, welche Kriterien für die Zurechnung maßgeblich sein sollen. Da der Gedanke der Selbstverantwortung, wie gezeigt, nur eine sehr grobe Grenzziehung zuläßt, bedarf es seiner Konkretisierung durch das maßgebliche Zurechnungsprinzip. Als solches kommen das Veranlassungs-, das Verschuldens- und das Risikoprinzip in Betracht1186. 1. Veranlassungsprinzip Die Maßgeblichkeit des Veranlassungsprinzips wurde zunächst vor allem von Herbert Meyer1187 propagiert, der es geradezu „als ein beherrschendes 1183 1184 1185
1186
1187
Vgl dazu noch unten FN 1185. Siehe im Hinblick auf die Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung 472 f. Die Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips, in denen der Schutz des Erwerbers ohne Rücksicht auf Zurechnungsgesichtspunkte eintritt, bedürfen daher – wie oben bereits angesprochen wurde – besonderer Rechtfertigungsgründe, die sich aus gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnissen oder dem Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes ergeben können. Im Hinblick auf das Erfordernis der zweiseitigen Rechtfertigung (dazu oben bei FN 1177) bleiben freilich gewisse Bedenken (kritisch insb F. Bydlinski, AcP 204 [2004] 357 ff), die aber immerhin durch die gegenstandsbezogene Begrenzung des Rechtsverlustes sowie die wenigstens abstrakte Gefahrenbeherrschung durch Diebstahlssicherung unter Einschluß der Versicherungsmöglichkeit abgemildert werden können (dazu oben S 159). Dazu, insbesondere im Hinblick auf die Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung 473 ff; hinsichtlich § 935 Abs 1 BGB Hager, Verkehrsschutz 385 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 97 ff. Publizitätsprinzip 88 ff, 94 ff.
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
Prinzip unseres ganzen bürgerlichen Rechts“ ansah1188 und im Hinblick auf den redlichen Erwerb dezidiert feststellte: „Wer einem anderen seine Sache anvertraut, bekleidet diesen mit dem Scheine des Rechts. Er gibt die Veranlassung dazu, daß sich dieser gegen ihn kehrt, und muß deshalb die Folgen tragen“1189. Während der Veranlassungsgrundsatz für den Bereich der Wertpapiere durch Jacobi1190 und dessen Lehre vom „veranlaßten Rechtsschein“ populär gemacht wurde und die Lehre von der Rechtsscheinhaftung lange bestimmte1191, hat im Hinblick auf den Ausschluß eines redlichen Erwerbes an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen vor allem Harry Westermann1192 diesen Ansatz aufgegriffen: § 935 BGB führe das Veranlassungsprinzip dadurch ein, daß das vom Eigentümer nicht veranlaßte Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum dem Eigentümer ungefährlich bleibe1193. Diese Auffassung hat nicht nur in Deutschland Zustimmung erfahren1194, sondern auch in der Schweiz, wo zahlreiche Autoren die in den Art 934, 935 ZGB getroffene Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen ebenfalls mit dem Veranlassungsprinzip rechtfertigen1195. Setzt man den Begriff der Veranlassung mit jenem der Verursachung gleich1196, so liegt darin allerdings kein taugliches Kriterium, das als Zurechnungsprinzip in Betracht käme. Die bloße Kausalität, die sich in der Prüfung eines allfälligen Ursachenzusammenhanges erschöpft1197, reicht für eine wertende Begründung der Zurechnung für sich allein nämlich keinesfalls aus1198. Versteht man unter Veranlassung die bloße Beschrei1188 1189 1190 1191 1192 1193 1194
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Publizitätsprinzip 96. Publizitätsprinzip 85 f. Jacobi in Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 255 f, 286 f. Siehe dazu die Nachweise bei Canaris, Vertrauenshaftung 473 FN 1. JuS 1963, 6, 7; derselbe, Sachenrecht5 § 45 III 2. H. Westermann, JuS 1963, 7. Siehe etwa Eichler, Institutionen I 131 f; Erman/Michalski, BGB11, Vor §§ 932-936 Rz 1 und § 935 Rz 1; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 1; Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 51. Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 325; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 473 f; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1763; vgl auch Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Vor Art 930-937 Rz 30a, 34 mwN. Vgl H. Westermann, JuS 1963, 6; zur Position Westermanns sogleich noch im Text. Dabei ist freilich zu beachten, daß der normative Kausalbegriff mit dem naturwissenschaftlichen nicht notwendig übereinstimmt, da es bei der Kausalität im Rechtssinn um ein objektives Zurechnungskriterium geht, das nicht unabhängig von seiner normativen Aufgabe bestimmt werden kann. Siehe dazu Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/3 f mwN. Siehe Wilburg, Elemente 1 ff; Koziol; Haftpflichtrecht I3 Rz 1/3 und 3/4; Canaris, Vertrauenshaftung 469, 474.
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bung einer Kausalbeziehung, so bedeutet dies somit nichts anderes als einen Verzicht auf das Zurechnungserfordernis1199. Aber auch dann, wenn man mit dem Veranlassungsgrundsatz nur die Fälle adäquater Verursachung erfassen will – wie es der hA zur Veranlassung eines Irrtums nach § 871 ABGB entspricht1200 – wäre damit für den Fall redlichen Erwerbs wenig gewonnen. Die maßgeblichen Differenzierungskriterien blieben nämlich weiterhin offen: Unabhängig davon, ob man unter Veranlassung eine bloße oder eine adäquate Verursachung versteht, kann mit diesem Gesichtspunkt nicht erklärt werden, warum bei einer bewußten Weggabe der Sache ein redlicher Erwerb zulässig, bei ihrer Entwendung aber stets ausgeschlossen sein soll und zwar auch dann, wenn der Diebstahl durch eine Sorglosigkeit des Eigentümers begünstigt wurde und er damit den Besitz des Diebes – also die maßgebliche Rechtsscheingrundlage – mitverursacht hat1201. Wird behauptet, daß bei einem Diebstahl das Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum eben nicht veranlaßt worden sei1202, so trägt dies zur Aufhellung der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte nichts bei; vielmehr wird deutlich, daß der Kontrast zwischen beiden Fallgruppen durch eine auf die Kausalität fixierte Sicht nicht erklärt werden kann1203. Eine solche Einengung auf die bloße Kausalbeziehung vermögen deshalb auch die Vertreter des Veranlassungsprinzips letztlich nicht durchzuhalten und erkennen in der Sache durchaus das Erfordernis einer „verfeinerten Zurechnung“1204: So ist nach der Definition von Jacobi1205 jemand für seine Taten nach dem Veranlassungsgrundsatz nur dann verantwortlich, wenn diese als wirksam gewollte Handlungen anzusehen seien1206. Ebenso führt H. Westermann zwar zunächst aus, daß für die Veranlassung prinzipiell die Kausalität ausreiche, stellt dann aber klar, daß in der Regel ein willentliches Tun oder Unterlassen des Betroffenen erforderlich sei1207. In seinem Lehrbuch wird Westermann noch 1199 1200
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So zu Recht Canaris, Vertrauenshaftung 474. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 140; P. Bydlinski, Allgemeiner Teil2 Rz 8/17. Canaris, Vertrauenshaftung 475 f; Hager, Verkehrsschutz 385; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 221; vgl auch Rebe, AcP 173 (1973) 198 f. Vgl H. Westermann, JuS 1963, 7. Hager, Verkehrsschutz 385; Canaris, Vertrauenshaftung 476. Vgl dazu schon H. Hübner, Rechtsverlust 102 f sowie Canaris, Vertrauenshaftung 475 f. In Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 255. Vgl auch Wellspacher, Vertrauen 115, der auf ein „Zutun“ des durch den Rechtsschein Belasteten abstellt. In diesem Sinne auch Meyer, Publizitätsprinzip 86: Wem der Besitz gegen seinen Willen entzogen worden sei, der habe nichts dazu getan, um einen anderen mit dem Scheine des Rechtes auszustatten. H. Westermann, JuS 1963, 6.
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deutlicher: Ein gutgläubiger Erwerb sei nur da möglich, wo der Eigentümer die zum redlichen Erwerb des Gutgläubigen führende Besitzlage mit ihrem Auseinanderfallen von Eigentum und unmittelbarem Besitz bewußt geschaffen habe1208. Definiert die hA schließlich den Begriff des Abhandenkommens – in Anlehnung an den Begriff des Gewahrsamsbruchs beim Diebstahl und das zufällige Verlieren – als Verlust des unmittelbaren Besitzes ohne den Willen des Besitzers1209, so hat auch dies mit einer reinen Ursachenbetrachtung nichts mehr zu tun1210. Die Ausrichtung am Entschluß des unmittelbaren Besitzers zeigt vielmehr die Nähe eines so verstandenen Veranlassungsprinzips zum Risikoprinzip1211. Dementsprechend wird das Veranlassungsprinzip häufig auch explizit mit dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung in Verbindung gebracht. So hat schon Jacobi1212 einen Zusammenhang des Veranlassungsprinzips mit dem Gedanken des „Handelns auf eigene Gefahr“ hergestellt, um dann dezidiert festzustellen, Grund der Haftung sei das Handeln auf eigene Gefahr1213. All dies zeigt deutlich, daß das Veranlassungsprinzip für die Problematik einer wertenden Zurechnung, die der Differenzierung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen zugrunde liegt, nichts beizutragen vermag, da es die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte nicht aufhellt. Die Unterscheidung zwischen einer bewußten Weggabe und einem unbewußten Verlust kann nämlich nicht unter Kausalitätsgesichtspunkten, sondern nur auf Grund einer echten Zurechnungstheorie, die die entscheidenden Wertungen offenlegt, erklärt werden1214. Wegen der „Gefahr von Mißverständnissen“ wurde daher auch in dem von H. Westermann begründeten Sachenrechtslehrbuch das Veranlassungsprinzip nunmehr zugunsten des Risikoprinzips aufgegeben1215.
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H. Westermann, Sachenrecht5 § 45 III 2. Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 5; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 4; Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 2; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 3; AlternativKomm/Reich, BGB § 935 Rz 2; Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 935 Rz 1; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 2; Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 37; Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 80; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I (S 401 f); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 387 f). Hager, Verkehrsschutz 385 f. So zu Recht Hager, Verkehrsschutz 387. In Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 286. In Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 287 (zur Rechtsscheinhaftung bei Ausstellung von Wertpapieren). Canaris, Vertrauenshaftung 475 f. Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht6 I § 45 III 2 (S 336); ebenso nun die 7. Auflage (S 370).
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2. Verschuldensprinzip Schon Mevius rechtfertigte in seinem berühmten, erstmals 1642/43 erschienenen Kommentar zum lübischen Recht1216 den aus dem Satz „Hand wahre Hand“ resultierenden Schutz des redlichen Erwerbers mit dem Verschuldensprinzip: Dem Eigentümer, der seine Sache verliehen habe, geschehe kein Unrecht, da er sich selbst die Nachlässigkeit zuschreiben müsse, seine Sache einer Person anvertraut zu haben, auf deren Vertragstreue er sich nicht verlassen konnte1217. Nun könne er sich nicht beklagen; er hätte sich eben einen zuverlässigeren Vertrauensmann aussuchen müssen1218. Für Mevius findet der Schutz des redlichen Erwerbers seine Rechtfertigung somit in der unwiderlegbaren Vermutung einer culpa in eligendo des Eigentümers1219. Auf die besondere Bedeutung, die Mevius für die Entwicklung des redlichen Mobiliarerwerbs zukommt, wurde bereits hingewiesen1220, sie bestätigt sich auch hier. In der Folge ist die von Mevius aufgezeigte Argumentationslinie aus der Diskussion nämlich nicht mehr wegzudenken: So wurde anläßlich der Beratungen der Hofkommission im Jahre 1803 gegen II § 92 Satz 1 Fall 3 des Urentwurfes1221, der § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB entspricht, eingewendet1222, daß man diese Bestimmung zu hart fände, da jedermann sein Eigentum dem Gesinde, Arbeitern oder Handwerkern anvertrauen müsse. Demgegenüber rechtfertigte Zeiller den redlichen Erwerb vom Vertrauensmann damit, daß der Eigentümer seine Sache gewissen Personen ja eigens anvertraut habe, ihm also der möglichen Auswahl wegen mehr Schuld beigemessen werden könne, als dem Dritten, der sich redlicher Weise mit einer solchen Person in einem Verkehr einließ1223. Ganz ähnlich begründete Zeiller1224 den Rechtsverlust des Eigentümers auch in seinem Kommentar, in dem er 1216 1217
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Commentarii in Jus Lubecense libri quinque. „...nec laedere commodantis indemnitatem, quae vigilantia paranda est, cum damnum non sentiat, quod ea negligentia incidit, dum beneficium in eum confert, de cuius fide certus esse non potest.“ (Comm III 2 Art 1 Rz 23). Die bezogenen Stellen finden sich bei Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 33. „Si fides fallitur, suae facilitati imputare debet, quod meliorem non elegerit“ (Comm III 2 Art 2 Rz 8). Huwiler, Bader-FS (1986) 81; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 33. Kritisch schon von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 193 („unbillige und ungerechtfertigte Fahrlässigkeitspräsumption“). Ausführlich oben S 96 ff. Abgedruckt bei Ofner, Ur-Entwurf und Beratungsprotokolle I, XXXVIII. Genau genommen handelte es sich um eine „Erinnerung“ des innerösterreichischen Appelationsgerichtes. Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungsprotokolle I 251. Kommentar II/1, 134.
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der „schuldbaren Unvorsichtigkeit oder Sorglosigkeit des Eigentümers“, das „schuldlose, offene oder auf öffentliche Anstalten vertrauende Benehmen des Übernehmers“ gegenüberstellte: Der redliche Erwerb folge damit dem Grundsatz, daß der Schuldige den Schaden vor dem Schuldlosen, und den zufälligen Schaden der Eigentümer tragen solle1225. Aber auch anläßlich der Beratungen zum BGB – also Generationen rechtswissenschaftlicher Forschung später – bietet sich ein ganz ähnliches Bild; an der angestammten Argumentationslinie hat sich kaum etwas verändert: Auch in den Motiven zum Entwurf des BGB wird das Verschuldensprinzip weiter favorisiert und der redliche Erwerb damit gerechtfertigt, daß am Irrtum des Erwerbers über das Eigentum des Veräußerers in der Regel der Eigentümer in höherem Grade Schuld trage, als der Erwerber1226. Die erstaunliche Langlebigkeit des Verschuldensprinzips1227 als Rechtfertigungsmodell ist nicht nur darauf zurückzuführen, daß die vorgebrachten Argumente zumindest auf den ersten Blick sehr plakativ wirken, sondern läßt sich wohl auch damit erklären, daß dem Verschulden als Belastungsmoment eine sehr starke rechtsethische Überzeugungskraft innewohnt1228. Gleichwohl ist das Verschulden als maßgebliches Zurechnungskriterium für den redlichen Erwerb ganz unbrauchbar: Ebensowenig wie das Veranlassungsprinzip vermag das Verschuldensprinzip nämlich zu erklären, warum das Gesetz den Eigentümer, der den Vertrauensmann in höchst sorgfältiger Weise ausgesucht hat, im Fall der treulosen Weiterveräußerung sein Eigentum an den redlichen Erwerber verlieren läßt, während selbst derjenige, der durch seine völlige Unbekümmertheit und Sorglosigkeit einen Diebstahl seiner Sache ermöglicht, in seinem Eigentumsrecht geschützt wird1229. Ein solches typisiertes Verschulden, das den Eigentümer für sein Anvertrauen stets verantwortlich macht, ihn aber bei einem Abhandenkommen der Sache ausnahmslos entlastet, stellt unzweifelhaft eine nicht zu rechtfertigende Fiktion dar1230. 1225 1226 1227
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Zeiller, Kommentar II/1, 134. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Siehe etwa auch Reichel, GrünhutsZ 42 (1916) 180 ff, der den Begriff des Verschuldens im weitesten Sinn unter Einbeziehung von Gleichgültigkeit, Indifferenz, Interesselosigkeit und Unbekümmertheit auffassen will („culpa in custodiendo“), dann aber sogleich betont, die lex lata trage diesem Prinzip nur unzureichend Rechnung, da es auch Fälle gäbe, wo ein Raub oder Diebstahl dem Eigentümer als Verschulden anzulasten sei. In diesem Sinne betont Wilburg, Elemente 49 ff, 57, daß das Verschulden als Willensmangel einen besonders starken und hochrangigen Zurechnungsgrund darstellt; vgl auch Canaris, JBl 1995, 15 ff. Hager, Verkehrsschutz 386; Canaris, Vertrauenshaftung 479; vgl auch Koban, Zwei Fragen 89 ff. Hager, Verkehrsschutz 386; Rebe, AcP 173 (1973) 200 FN 68; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 193.
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Mit einer gewissen Berechtigung weist Hager1231 zudem darauf hin, daß es nicht primär um die Zurechnung eines verursachten Schadens geht, was eine Affinität zum Verschulden als Zurechnungsprinzip nahelegen würde, sondern in erster Linie um die Abgrenzung des Erwerbsund Erhaltungsinteresses1232. Schließlich kann gegen die Maßgeblichkeit des Verschuldensgrundsatzes eingewendet werden, daß nicht ersichtlich ist, warum ein Eigentümer, der seine Sache einem anderen anvertraut hat, dadurch rechtswidrig gehandelt haben sollte. Da ein rechtsgeschäftlicher Kontakt zwischen dem Eigentümer und dem Dritten in aller Regel völlig fehlt, läßt sich eine besondere Verhaltenspflicht gegenüber dem Erwerber, auf deren Grundlage ein Verschuldensvorwurf konstruiert werden könnte, nämlich nicht begründen1233. Mangels objektiver Pflichtwidrigkeit könnte es sich daher allenfalls um eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten, also um eine Obliegenheitsverletzung handeln1234. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es ja auch gar nicht um eine Haftung des Eigentümers geht, sondern um die Frage, in welchen Fällen man diesem den Verlust seines Rechts zumuten darf1235. Auch mit der Annahme einer Obliegenheitsverletzung ist freilich im Ergebnis wenig gewonnen, da auch diese ihren Grund nur in der Beziehung zum Dritten, um dessentwillen die Obliegenheit bestünde, liegen könnte1236. Gerade an einer solchen Beziehung des Eigentümers zum Erwerber fehlt es aber in den Fällen redlichen Erwerbs. Überdies würde auch die Annahme einer Obliegenheitsverletzung nicht erklären können, warum den Eigentümer ein sorgfältiges Anvertrauen belastet, während ihm die sorglose Ermöglichung einer Entwendung nicht schadet1237. Aber auch de lege ferenda stünden einem Ausbau des Verschuldensprinzips, wie er zuweilen propagiert wird1238, gewichtige Bedenken ent1231 1232
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1238
Verkehrsschutz 386. Soweit es um die Verteilung des Insolvenzrisikos geht, ist freilich auch die Frage der Schadenstragung berührt, dazu bereits oben S 57. Den Aspekt der Schadensverteilung betont überdies auch Wilburg, Baltl-FS (1978) 568 ff; vgl weiters Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 261 ff. Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 477 f, zu Fällen der Rechtsscheinhaftung, doch trifft dieser Gesichtspunkt mE gerade auch beim redlichen Erwerb zu; vgl aber noch unten FN 1237. Rebe, AcP 173 (1973) 199; Hager, Verkehrsschutz 387. Hager, Verkehrsschutz 387. Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 478. Immerhin würde sich nach Canaris, Vertrauenshaftung 479, in diesem Fall ein Rückgriff auf das Verschuldensprinzip geradezu „aufdrängen“, doch habe sich der Gesetzgeber bindend dagegen entschieden. Nach den eben dargestellten Argumenten erscheint dies auch konsequent. Reichel, GrünhutsZ 42 (1916) 180 ff; dazu schon oben FN 1227.
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gegen. Wie Canaris1239 betont, steht das Verschuldensprinzip nämlich von vornherein in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Schutz von Verkehrsinteressen, da der Begriff der Fahrlässigkeit mit seiner auf den Einzelfall bezogenen Prüfung aller Umstände erhebliche Unsicherheiten mit sich brächte und das Verschuldensprinzip daher wegen seines individualisierenden Charakters nicht als verkehrsfreundlich gelten könne. Aus ganz ähnlichen Überlegungen hat sich im übrigen schon Koban1240 im Fall des redlichen Erwerbs explizit gegen das Schuldprinzip gewandt. So unbrauchbar das Kriterium des Verschuldens als Zurechnungsprinzip für den redlichen Erwerb auch ist, so sollte auf der anderen Seite der zutreffende Kern der Argumentation doch nicht übersehen werden. Betrachtet man den Begriff des Verschuldens nämlich bloß als untechnische und vielleicht wenig glückliche Umschreibung1241, so kann den einzelnen Begründungen – insbesondere auch den bereits angeführten Gesetzesmaterialien – in der Sache doch entnommen werden, daß es stets um die Zuweisung des Risikos geht1242 und auch um den Aspekt der Gefahrenbeherrschung. In diesem Sinne wird etwa in den Motiven zum BGB das „größere Verschulden“ des Eigentümers damit gerechtfertigt, daß der Eigentümer den Rechtsschein immerhin dadurch ausschließen könne, daß er die Sache nicht aus der Hand gebe, während der Erwerber nicht in der Lage sei, sich über das Recht seines Veräußerers die erforderliche Gewißheit zu verschaffen1243. So betrachtet, vermag das Verschuldensprinzip zum Risikoprinzip überzuleiten1244; auf dieses ist daher nun einzugehen. 3. Risikoprinzip Schon Zeiller1245 empfand offenkundig die Brüchigkeit des Verschuldensprinzips, wenn er in seinem Kommentar ausführt, der redliche Erwerb folge dem Grundsatz, daß der Schuldige den Schaden vor dem Schuldlosen, und den zufälligen Schaden der Eigentümer tragen solle. Auf den ersten Blick erscheint dieses Argument wenig passend, da es – wie bereits hervorgehoben wurde – bei der Problematik des gutgläubigen Mobiliarerwerbs nicht um ein Haftungsproblem geht, weshalb eine Anleihe beim Schadenersatzrecht und dessen § 1311 ABGB zumindest ei1239 1240 1241
1242 1243 1244 1245
Vertrauenshaftung 476 f. Zwei Fragen 92 ff. Vgl Reischauer, JBl 1973, 594 („Verschulden in einem übertragenen, volkstümlichen Sinn“). So auch Reischauer, JBl 1973, 594. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Vgl auch Hager, Verkehrsschutz 387. Kommentar II/1, 134.
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ner vertieften Begründung bedürfte. Überdies wird § 1311 Satz 1 ABGB, wonach der bloße Zufall denjenigen trifft, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet, heute keineswegs mehr im Sinne von Zeiller als Haftung für „aktiven Zufall“ verstanden1246, sondern als bloße Paraphrase des Grundsatzes „casum sentit dominus“, also als negative Haftungsregel mit der die Grenzen der Schadenszurechnung umschrieben werden sollen1247. Bedeutung kommt dem von Zeiller vorgebrachten Argument dennoch zu, macht es doch deutlich, daß es schon Zeiller offenbar weniger um ein Verschulden im technischen Sinn ging, als um eine Abgrenzung von Risikosphären1248: Hat der Eigentümer seine Sache jemandem anvertraut, soll er das daraus resultierende Risiko tragen. Umfassend ausgearbeitet und als allgemeines Rechtsprinzip verstanden wurde der Gedanke der Risikozuweisung zunächst vor allem von Müller-Erzbach1249, der den Gedanken der Gefahrenbeherrschung („Gefahrtragungsgedanke“) in den Vordergrund rückte und seine Lehre auch auf den redlichen Erwerber bezog1250. In seiner Anwendung auf den gutgläubigen Eigentumserwerb lasse der Gefahrenbeherrschungsgedanke den bisherigen Eigentümer nur dann die Gefahr eines Verlustes seines Eigentums tragen, wenn er sie überwiegend beherrsche, dh in einem ungleich höheren Maße als der Erwerber der Sache, der – namentlich zur Ausnutzung der Konjunktur – oft rasch zugreifen müsse1251. Schon Müller-Erzbach betont dabei, daß die gesetzliche Risikoverteilung nicht allein mit der Beherrschung des „Schadensrisikos“ begründet werden kann – jeder der beiden am Konflikt Beteiligten habe einen Teil des Schadensrisikos in seiner Gewalt – , sondern nur dann sachlich gerechtfertigt erscheint, wenn man die Verkehrsinteressen in die Betrachtung miteinbezieht1252: Die Regsamkeit sowie Beweglichkeit der Geschäftswelt und die Möglichkeit rascher Konjunkturausnutzung solle nicht durch umständliche Erkundigungspflichten über die Person des Veräußerers behindert werden. In der Folge hat das Risikoprinzip zu einer teils schillernden Begriffsbildung geführt, die nicht nur den Gedanken der Gefahrenbeherrschung1253, sondern teils auch jenen der Verantwortlichkeit1254 1246
1247 1248 1249 1250
1251 1252 1253 1254
Siehe Zeiller, Kommentar III/2, 736 f, der als Beispiel die Beschädigung fremder Güter durch einen Ohnmachtsanfall nennt. Dazu ausführlich Karollus, Schutzgesetzverletzung 7 ff mwN. So zu Recht schon Reischauer, JBl 1973, 594. AcP 106 (1910) 309 ff sowie AcP 109 (1912) 1 ff. Müller-Erzbach, AcP 106 (1910) 410 f, 442 ff; derselbe, AcP 109 (1912) 129 ff; derselbe, AcP 142 (1936) 20; derselbe, Handelsrecht2 403 f. Müller-Erzbach, AcP 142 (1936) 20. Siehe Müller-Erzbach, AcP 106 (1910) 443 f; derselbe, Handelsrecht2 403 f. Siehe insbesondere H. Hübner, Rechtsverlust 105 ff, 125. So Rebe, AcP 173 (1973) 200.
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miteinbezog1255. Als Beispiel kann hier etwa auf die Auffassung Kobans verwiesen werden, der den maßgeblichen Grund für den Rechtsverlust des Eigentümers im „Haben auf eigene Gefahr“ sah: Der Eigentümer habe sein Recht im eigenen Interesse, er werde von der Rechtsordnung geschützt, ihm fließe aller Nutzen aus der Sache zu, deshalb solle er billigerweise auch jeden Schaden tragen, der durch seine Sache herbeigeführt werde1256. Abgesehen davon, daß diese Ausführungen auch auf dem Boden einer allein auf die Kausalität abstellenden „Veranlassungstheorie“ unhaltbar sind1257, zeigen sie deutlich, wie sehr es in die Irre führen kann, die Abgrenzung des Erhaltungs- und Erwerbsinteresses durch eine undifferenzierte Anlehnung an schadenersatzrechtliche Kategorien auflösen zu wollen, zumal auch das Schadenersatzrecht eine „reine Sachhaftung“ nicht kennt1258. Als ein Problem der „Schadenstragung und Risikoverteilung“ wird der redliche Erwerb auch von Brandt1259 aufgefaßt, der wiederum hervorhebt, daß derjenige, der seine Sache aus der Hand gebe, „mit Gefahr“ handle1260, auf dieser Grundlage dann aber vorrangig einen Lösungsvorschlag de lege ferenda entwirft1261. Sehr eingehend hat schließlich H. Hübner1262 den Gedanken der Gefahrenbeherrschung ausgearbeitet. Sein Konzept erfordert aber zugleich auch eine grundlegende Modifizierung der maßgeblichen Rechtsscheingrundlage, die sich augenscheinlich am estoppel-Prinzip des anglo-amerikanischen Rechts orientiert: Maßgeblich sei, ob der Eigentümer den Veräußerer mit „Eigentumsindizien“ ausgestattet habe, also in zurechenbarer Weise eine „durch Anscheinsmerkmale verstärkte Rechtsscheingrundlage“ geschaffen habe1263. Ein solcher Lösungsvorschlag läßt sich mit dem geltenden Recht allerdings nicht in Einklang bringen und begegnet überdies auch de lege ferenda gewichtigen Bedenken1264.
1255 1256
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1258 1259 1260 1261 1262 1263 1264
Dies konstatiert schon Hager, Verkehrsschutz 387. Koban, Zwei Fragen 97 ff, 99. Da der falsche Schein vom Eigentümer zwar nicht stets verschuldet, aber immer verursacht werde, schlägt Koban, aaO 100 ff, de lege ferenda vor, daß die Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen aufzugeben und der redliche Erwerber stets zu schützen, dem Eigentümer aber ein Lösungsrecht einzuräumen sei. Vgl auch die deutliche Ablehnung des von Koban eingenommenen Standpunktes bei Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 25 ff. Vgl Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 1/5 FN 13 und Rz 6/10 mit FN 23. Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 261 ff. Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 263. Siehe dazu noch unten FN 1537. Rechtsverlust 105 ff, 125. H. Hübner, Rechtsverlust 89 ff, 124. Dazu ausführlich schon oben S 176 ff.
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Wie die dargestellten Auffassungen gezeigt haben, hilft eine Bezugnahme auf das Risikoprinzip wenig weiter, wenn man nicht herausarbeitet, um welche Gefahren es sich im Einzelnen handelt und welche Gesichtspunkte für ihre Verteilung de lege lata maßgeblich sind1265. Überdies ist den genannten Positionen entgegenzuhalten, daß sie den Gedanken der Risikozuweisung und Gefahrenbeherrschung verabsolutieren, indem sie ihn offenbar als den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für den redlichen Erwerb ansehen wollen. In ähnlicher Weise wurde im übrigen schon in den Materialien zum BGB das Institut des redlichen Erwerbs durch den schon erwähnten Hinweis abzustützen gesucht, daß sich der Eigentümer genügend dadurch schützen könne, daß er die Sache nicht aus der Hand gebe und dadurch Dritten gegenüber den Schein ausschließe, daß die Sache einem anderen gehöre1266. Die Kritik an einem solchen Standpunkt fällt leicht, denn es ist ja ganz unbestreitbar, daß es angesichts einer arbeitsteiligen Gesellschaft heute – ebenso wie schon zur Zeit der Erlassung des BGB oder auch des ABGB – schlechthin ausgeschlossen erscheint und im Hinblick auf eine möglichst wirtschaftliche Allokation der Ressourcen auch gar nicht wünschenswert ist, die Gewahrsame an der Sache nicht wenigstens mitunter aufzugeben und anderen seine Sachen zur Verfügung zu stellen1267. Doch kommt es darauf letztlich gar nicht an: Wie bereits eingehend ausgeführt wurde, kann das Institut des redlichen Erwerbs aus der Interessenlage der konkreten Parteien allein nämlich ohnedies nicht hinreichend legitimiert werden, sondern es ist zu berücksichtigen, daß es um eine Prinzipienkollision zwischen Eigentumsschutz und Verkehrsinteressen geht1268. Wer somit besonders herausstreicht, daß auch das Risikoprinzip den redlichen Erwerb – zumindest in der Konzeption des geltenden Rechts – für sich allein nicht zu legitimieren vermag, betont im Grunde nur Selbstverständliches. Um – offenbar langlebige – Mißverständnisse zu vermeiden, erscheint es dennoch angezeigt, nochmals besonders hervorzuheben, daß es bei der Frage der Zurechnung darum geht, den Verkehrsschutz im Interesse des Eigentümers auf ein sachlich vertretbares Maß zu begrenzen. Maßgeblich ist also, mit welchen Risiken der Eigentümer zumutbarerweise belastet werden darf. Dabei kommt dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung selbstverständlich eine zentrale Rolle zu: Die Belastung mit einem Risiko erscheint nämlich um so eher 1265
1266 1267
1268
Dies betont zu Recht schon Canaris, Vertrauenshaftung 481; siehe auch Hager, Verkehrsschutz 387. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191. Vgl dazu H. Hübner, Rechtsverlust 106 f; Peters, Entzug des Eigentums 50 f, 55 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 217; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 266. Siehe oben S 65 ff.
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zumutbar, je mehr der Betroffene dieses Risiko zumindest abstrakt beherrschen kann1269. Insofern erweist sich das Risikoprinzip in der Tat als Dreh- und Angelpunkt der Zurechnungsfrage beim redlichen Erwerb. Als abstraktes Rechtsprinzip bedarf der Risikogedanke selbstverständlich der Präzisierung im Hinblick auf das vom Eigentümer konkret zu tragende Risiko. Sieht man von den unzutreffenden Verschuldensfiktionen ab, so erweisen sich Gesetzesmaterialien einschließlich der ihnen zugrundeliegenden dogmatischen Vorarbeiten für eine solche Konkretisierung als durchaus hilfreich: Schon Mevius und Zeiller1270 stellen nämlich entscheidend darauf ab, daß der Eigentümer sich den Vertrauensmann ausgesucht habe und deshalb das Risiko seiner Unzuverlässigkeit zu tragen habe. In modernerer Diktion geht es somit um die Zuweisung des Mißbrauchsrisikos1271, das dem Eigentümer aufgebürdet wird. Begründet wird diese Risikozuweisung vor allem damit, daß der Eigentümer in der Regel besser in der Lage sei, die Vertrauenswürdigkeit seines Gewährsmannes zu überprüfen, als der Erwerber. Auch hier zeigt sich also der Zusammenhang zwischen dem Risikoprinzip und dem Grundsatz der Gefahrenbeherrschung. In diesem Sinne betont schon Müller-Erzbach1272, daß der Eigentümer sich den Partner in aller Ruhe aussuchen und sich nötigenfalls durch das Fordern einer Sicherheitsleistung absichern könne, während der Erwerber zur Ausnutzung ei1269
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Zweifelnd aber Reischauer, JBl 1973, 595, der den Begriff der Gefahrenbeherrschung für irreführend hält. Überdies sei nicht die Gefahrenbeherrschung bezüglich der richtigen Personenauswahl maßgeblich, sondern die vom Gesetz verlangte Risikoeinschätzung bezüglich der Gefahren eines mit der Gewahrsamseinräumung verbundenen Rechtsscheins, die mit der zuerst genannten Gefahrenbeherrschung aber nichts zu tun habe. Diese Kritik ist im Hinblick auf die teils überzogenen und oben bereits dargestellten Theorien zur Maßgeblichkeit der Gefahrenbeherrschung zwar verständlich, doch geht sie in der Sache wohl zu weit. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ermöglicht der Gedanke der Gefahrenbeherrschung nämlich durchaus ein besseres Verständnis der gesetzlichen Konzeption, sofern man sich nur genügend um eine Herausarbeitung der de lege lata relevanten Aspekte bemüht. Hinsichtlich der einzelnen Zurechnungsvoraussetzungen besteht überdies wohl keine gravierende sachliche Differenz zum hier vertretenen Standpunkt, sondern es ist Reischauer vielmehr nachdrücklich zuzustimmen, wenn er, aaO 595, die Möglichkeit freier Risikoeinschätzung als tragenden Wertungsgesichtspunkt der Zurechnung ansieht. Siehe die oben S 237 f bei der Erörterung des Verschuldensprinzips angeführten Belegstellen. Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 2 (S 370 f); Wiegand, JuS 1974, 205; vgl auch Hager, Verkehrsschutz 387 ff, 392 f mwN. Grundlegend zum Risikoprinzip als zentralem Zurechnungsprinzip der Rechtsscheinhaftung und zur Zuweisung des Mißbrauchsrisikos Canaris, Vertrauenshaftung 479 ff, 482 ff, allerdings zurückhaltend im Hinblick auf die §§ 932 ff BGB. AcP 106 (1910) 444; derselbe, Handelsrecht2 403 f.
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ner günstigen Einkaufskonjunktur häufig auf eine schnelle Abwicklung angewiesen sei. Unterstützung erhält dieser Standpunkt auch aus Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts: Auch diese geht nämlich davon aus, daß das Risiko dem Rechtsinhaber zuzuweisen ist, da er es besser beherrschen oder mit geringerem Aufwand hätte vermeiden können1273. Dementsprechend wird von der ökonomischen Analyse auch nicht so sehr der redliche Erwerb an anvertrauten Sachen diskutiert, sondern vielmehr der Frage nachgegangen, ob nicht auch an gestohlenen Sachen ein redlicher Erwerb zugelassen werden sollte1274, wie dies in Österreich insbesondere beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) der Fall ist1275. Versucht man das Risikoprinzip auf dieser Grundlage zusammenfassend zu definieren, so kann auf die prägnante Formulierung von Gursky1276 zurückgegriffen werden: Der Eigentümer, der seine Sache freiwillig aus der Hand gegeben habe, werde mit dem Mißbrauchsrisiko belastet, weil dieses mit der Besitzeinräumung an den Dritten notwendigerweise verbunden sei, die Schaffung der den Dritten legitimierenden Besitzposition naturgemäß eine gewisse Gefahrenquelle für den allgemeinen 1273
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Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte 188 f; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse4 571 ff, 573; Krimphove, ZfRV 1998, 192 ff; Walz, KritVJSchr 1986, 145. Überdies führt Adams, Ökonomische Analyse der Sicherungsrechte 189, ins Treffen, daß der Eigentümer auch deshalb mit dem Verlustrisiko zu belasten sei, weil er regelmäßig den Nutzen aus der Besitzübertragung zöge. Ähnlich argumentiert auch Behr, Wertverfolgung 270 f, 476 f, der nicht nur auf die wirtschaftlichen Vorteile – insbesondere ein allfälliges Entgelt für die Gebrauchsüberlassung – hinweist, sondern auch geltend macht, daß sich der Eigentümer durch die Besitzüberlassung häufig die Vorteile der Arbeitsteilung verschaffe und seinen Geschäftskreis erweitere, weshalb er auch das daraus entspringende Risiko mißbräuchlicher Nutzung tragen müsse. Zur Position von Behr siehe auch noch unten FN 1282. Vgl auch Hager, Verkehrsschutz 392 f, der von der Zuweisung eines „für die Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr typischen Risikos“ spricht. Befürwortend Adams, Sicherungsrechte 189 FN 1, da der Eigentümer derjenige sei, der mit den sozial geringsten Kosten den Besitzentzug und damit die Belastung Dritter mit negativen externen Effekten hätte vermeiden können. AA Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse4 573 f, die einem redlichen Erwerb gestohlener Sachen kritisch gegenüberstehen, da die Kontrollkosten für den Eigentümer stiegen, gleichzeitig aber dem Erwerber jeder Anreiz genommen würde, sich vor dem Erwerb gestohlener Sachen in Acht zu nehmen und so der Transfer von Diebsgut erleichtert würde. Um ein „Wiederauftauchen“ wertvoller, durch Diebstahl abhanden gekommener Sachen zu fördern, befürworten sie aber ein Lösungsrecht. Zur ökonomischen Diskussion der Diebstahlsfälle vgl auch oben FN 683. Dazu unten S 291 ff. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 2 (S 370 f).
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Rechtsverkehr bedeute und der Eigentümer diese Gefahrenquelle noch am ehesten durch eine vorherige sorgfältige Überprüfung des ins Auge gefaßten Besitznehmers beherrschen könne, also im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechtes der „cheapest cost avoider“ sei. Trotz der dargelegten Argumente ist freilich zu konstatieren, daß die vom Gesetz vorgenommene Risikozuweisung bis heute keine ungeteilte Zustimmung erfahren hat und vor allem eingewendet wird, daß es praktisch vielfach nicht möglich sei, die Vertrauenswürdigkeit dessen, dem man eine Sache überlassen müsse, zu prüfen1277, so etwa im Fall einer keinen Aufschub duldenden Reparatur. Zwar können solche Einwände nicht einfach von der Hand gewiesen werden1278, doch verlieren sie – wie bereits ausgeführt wurde – stark an Gewicht, wenn man bedenkt, daß das Gesetz die Risikozuweisung nicht nur auf Grund der inter partes vorliegenden Interessenlage, sondern unter Berücksichtigung der teleologischen Grundlage des redlichen Erwerbs, nämlich des Verkehrsschutzprinzips vorzunehmen hat. Geht es aber darum, welches Maß an Verkehrsschutz auch dem Eigentümer noch zumutbar ist, erscheint eine Grenzziehung, die den Eigentümer mit dem Mißbrauchsrisiko belastet, ihn aber vor dem Entwendungsrisiko schützt durchaus sachgerecht1279, sofern man sich nur vergegenwärtigt, daß eine solche Trennlinie die Möglichkeit des Eigentümers berücksichtigt, wenigstens seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche zu realisieren und seinen Sachverlust zumindest in Form des Wertinteresses abzudecken. Dies zeigt, daß der Gedanke der Gefahrenbeherrschung verschiedene Aspekte aufweist; darauf ist im folgenden Abschnitt näher einzugehen. D. Aspekte der Gefahrenbeherrschung Als Ergebnis der bisherigen Untersuchung kann festgehalten werden, daß der Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen das Risikoprinzip und der Grundsatz der Gefahrenbeherrschung zugrunde liegen. Der Gedanke der Gefahrenbeherrschung weist dabei – was häufig zu wenig beachtet wird – mehrere Aspekte auf: Im Zentrum steht selbstverständlich das Risiko für die Auswahl eines reellen Vertrauensmannes, also die schon erörterte Zuweisung des Mißbrauchsrisikos. Im folgenden Abschnitt wird diese Risikozuweisung im 1277
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Vgl H. Hübner, Rechtsverlust 106 f; Peters, Entzug des Eigentums 50 f, 55 ff; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 217; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 13; Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 266; Eichler, Vertrauen 94. Vgl Canaris, Vertrauenshaftung 483 („gewisse Berechtigung“). So im Ergebnis auch Behr, Wertverfolgung 270 f, 474 ff; Hager, Verkehrsschutz 392 f.
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Hinblick auf die notwendige Zurechnungsfähigkeit, die Beachtlichkeit von Willensmängeln, das Erfordernis der Einräumung von Alleingewahrsame sowie die Fälle der Einzelrechtsnachfolge näher zu konkretisieren sein. Mit der Zuweisung des Mißbrauchsrisikos stehen aber noch weitere Aspekte in Zusammenhang, deren Beachtung für das Verständnis der vom Gesetz angeordneten Differenzierung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen unerläßlich erscheint: Zunächst ist zu beachten, daß das Zurechnungserfordernis sicherstellt, daß der Alteigentümer im Falle seines Rechtsverlustes den Veräußerer ausfindig machen und somit wenigstens seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche – bereicherungsrechtlich auf Herausgabe des Erlöses oder auf Wertersatz, schadenersatzrechtlich auf Ersatz des erlittenen Nachteils – geltend machen kann1280. Im Hinblick auf das germanisch-deutsche Recht hat auf diesen Aspekt – Sicherung und interessengerechte Zuweisung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche – im übrigen schon Schultze hingewiesen und dies als Gewährschaftsgedanken bezeichnet1281: Die Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen entspräche auch den Anforderungen der materiellen Gerechtigkeit, wenn der Eigentümer sich bei anvertrauten Sachen an den Mann seines Vertrauens halten müsse. Bei abhanden gekommenen Sachen wäre es hingegen unbillig, den Eigentümer an den schwer oder gar nicht faßbaren, fast immer zahlungsunfähigen und ihm jedenfalls 1280
1281
In diesem Zusammenhang ist interessant, daß der Codex Theresianus zwar nicht zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen unterschied, gerade der Sicherung der schuldrechtlichen Ansprüche des Eigentümers aber großes Gewicht beigemessen hat, da der Erwerber grundsätzlich seine Redlichkeit nur durch die Nennung und Überführung (!) seines Vormannes erweisen konnte, was dem Eigentümer zumindest die Geltendmachung seiner Ausgleichsansprüche ermöglichte; siehe dazu bereits oben S 108. Ebenso muß der redliche Erwerber nach heute geltendem niederländischen Recht für einen Zeitraum von drei Jahren in der Lage sein, den Veräußerer zu nennen oder die Daten anzugeben, die er im Zeitpunkt des Erwerbes für ausreichend halten durfte, um diesen herausfinden zu können, widrigenfalls ein gutgläubiger Erwerb nicht stattfindet (wegwijspflicht nach Art 3:87 BW), siehe dazu noch unten S 302 f mit FN 1562. JherJB 49 (1905) 167, 175 ff, 186. Vgl auch Hegetschweiler, Schutz des guten Glaubens 38, sowie Heck, Sachenrecht 246. Unter dem nicht ganz passenden Schlagwort „Kreditierung“ weist auch Günther, Gutgläubiger Fahrniserwerb 13 ff, auf die Bedeutung der obligatorischen Ansprüche für die Risikoverteilung hin, doch gelingt es ihr in der Folge nicht, die maßgeblichen Interessen deutlich herauszuarbeiten, weshalb sich ihre Ausführungen darin erschöpfen, daß der Gedanke der Risikoübernahme mit jenem der Vertrauenserweisung zu verbinden sei. Deutlicher hingegen schon Meyer, Publizitätsprinzip 86, der auf die „Wahrscheinlichkeit der Schadloshaltung“ abstellt.
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nur wider seinen Willen als Gewährsmann aufgedrängten Dieb zu verweisen; demgegenüber erscheine es in einem solchen Fall eher sachgerecht, daß der herausgabepflichtige Erwerber sich an seinem Verkäufer schadlos halten müsse. Die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche sind für den Eigentümer praktisch freilich nur dann relevant, wenn sie auch einbringlich sind und nicht mangels Zahlungsfähigkeit des unberechtigt Verfügenden ins Leere gehen. Auf Grund des Risikoprinzips wird der Eigentümer somit nicht nur mit dem Risiko der Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensmannes, sondern auch mit dem Risiko seiner Insolvenz belastet. Auch dies erscheint sachgerecht: Während der Erwerber einer Sache nämlich regelmäßig durch das Zug-um-Zug-Prinzip hinlänglich gesichert erscheint – Fälle der Vorleistung des Kaufpreises sind selten und beruhen zudem auf einer privatautonomen und damit selbstverantworteten Risikoübernahme –, geht der Eigentümer, der seine Sache einem anderen anvertraut, stets das Risiko ein, daß bei einem Verlust oder einer Beschädigung der Sache allfällige Schadenersatzansprüche von der Solvenz des Vertrauensmannes abhängen1282. Auch wenn sich der Eigentümer in der Praxis darüber häufig wenig Gedanken machen wird, so kann doch nicht bestritten werden, daß er einem solchen Risiko näher steht und es typischerweise besser abschätzen kann, als ein Erwerber der Sache, der mangels Vorleistung keinen Grund hat, hinsichtlich der Solvenz des Ver-
1282
Ähnlich argumentiert schon Behr, Wertverfolgung 475 f: Durch die Überlassung des Sachbesitzes treffe den Eigentümer automatisch die gesteigerte Gefahr der Vernachlässigung, unsachgemäßen Behandlung, Beschädigung oder Zerstörung der Sache durch den Empfänger. In gleicher Weise auf selbst veranlaßter Sachnähe des Besitzers beruhe aber auch die unberechtigte Weiterveräußerung. Das darin liegende Risiko sei dem der Sachbeschädigung weitgehend vergleichbar. Den Vertrauensgeber in diesem Fall für die Rückabwicklung allein an seinen Vertrauensmann zu verweisen, stelle ihn nicht schlechter als in den vergleichbaren Fällen schädigender Aktivitäten des Vertrauensmannes. Im Hinblick auf die angemessene Verteilung des Rückabwicklungsrisikos liege es überdies näher, dem Eigentümer das Risiko des enttäuschten Vertrauens anzulasten und ihn auf sein Verhältnis zum Vertragspartner zu verweisen als den Erwerber: Während der dritte Erwerber nämlich ein Austauschgeschäft tätige, das grundsätzlich mit dem Leistungsaustausch erschöpft sein solle und für das die Person des Vertragspartners in der Regel gleichgültig sei, wisse der Eigentümer, der seine Sache einem Vertragspartner anvertraue, daß die Beziehung damit nicht erschöpft sei, er nicht durch einen erhaltenen Gegenwert befriedigt werde, sondern seine Interessen bezüglich des Schicksals der ihm zurückzugewährenden Sache von ihm selbst an die Person des Vertragspartners geknüpft worden seien, weshalb es auch angemessener erscheine, ihn mit dem Fehlverhalten seines Vertrauensmannes zu belasten und nicht den Erwerber. Zur Argumentationslinie von Behr siehe auch noch oben FN 1273.
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äußerers besondere Nachforschungen anzustellen, zumal eine solche Überprüfung auch der anzustrebenden Schleunigkeit und Reibungslosigkeit wirtschaftlicher Umsatzgeschäfte entgegenstehen würde. Mit der Sicherung des Eigentümers durch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche steht schließlich noch ein letzter Aspekt in engem Zusammenhang, der freilich allgemein zu wenig gewürdigt wird: Die Chance einer Realisierung seiner schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche hängt für den Eigentümer entscheidend davon ab, ob er von seinem Rechtsverlust durch den redlichen Erwerb eines Dritten rechtzeitig erfährt. Erst unter diesem Blickwinkel erklären sich die Bedenken, die häufig gegen einen Gutglaubenserwerb durch Übergabssurrogate – wie insbesondere das Besitzkonstitut, aber auch andere Fälle „heimlichen“ Gutglaubenserwerbs1283 – geltend gemacht werden; die Forderung nach einem „Näher-Herantreten“ des Erwerbers an die Sache und eine völlige Besitzaufgabe durch den Veräußerer findet hier ihren sachlichen Grund. Verlangt man einen nach außen wahrnehmbaren Übergabsakt, so hat der Eigentümer, der auf Grund seiner Besitzbeziehung zur Sache weiß, wo und in wessen Hand sich die Sache befindet, nämlich die Gelegenheit, möglichst rasch auf seinen Rechtsverlust zu reagieren und zumindest seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche zeitig und damit erfolgversprechend geltend zu machen. Nimmt man auf diese – zumindest abstrakte, im konkreten Fall von der Umsicht des Eigentümers abhängige – Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung hingegen keine Rücksicht, so wird der Eigentümer häufig erst im Konkursfall, also bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Zwischenmannes, von seinem Rechtsverlust erfahren und muß sich mangels konkursrechtlicher Wertverfolgung mit der bloßen Konkursquote zufrieden geben. Daß dies unbefriedigend und nicht interessengerecht ist, liegt auf der Hand. Dies zeigt nicht zuletzt die heftige Diskussion um jene Fälle, in denen ein redlicher Erwerb durch bloße Abtretung eines Herausgabeanspruches (§ 934 BGB) gerichtlich zu entscheiden war1284; nicht zufällig ging es dabei gerade auch um solche Fallkonstellationen, in denen es dem veräußernden Zwischenmann gelungen war, den Eigentümer durch ein geschicktes Doppelspiel bis zum Zeitpunkt der eigenen Zahlungsunfähigkeit in Sicherheit zu wiegen1285. Hat der deutsche 1283
1284
1285
So treffend (zu § 934 BGB) W. Müller, AcP 136 (1933) 186 ff; Picker, AcP 188 (1988) 521; Kindl, AcP 201 (2001) 394 ff. Siehe dazu Hager, Verkehrsschutz 330 ff; Picker, AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff; Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff; Musielak, JuS 1992, 720 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 317 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 391 ff; Wacke, Besitzkonstitut 50 ff, jeweils mwN. Besonders anschaulich RG in RGZ 135, 75 und RGZ 138, 265 („Zuckerfall“), der zur Entwicklung der Lehre vom Nebenbesitz geführt hat, siehe dazu Medicus,
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Gesetzgeber im Fall des § 934 BGB eine interessengerechte Lösung der eben geschilderten Fälle – nach ganz überwiegender Ansicht – auch verfehlt, so hat er die Problematik bei § 933 BGB doch erkannt und einen redlichen Erwerb durch Besitzkonstitut für nicht zulässig erklärt. Schon in den Motiven zum BGB wird dieser Ausschluß damit begründet, daß der Eigentümer davor geschützt werden müsse, daß der ihn treffende Rechtsverlust sich hinter einem so wenig ersichtlichen Akt wie dem constitutum possessorium verstecke1286. Verständlich und völlig einleuchtend wird dieses Argument, wenn man – wie hier – auch die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche und die Chance ihrer Realisierung in die Betrachtung miteinbezieht, was freilich unverzichtbar erscheint, wenn man einen möglichst interessengerechten Ausgleich zwischen den Eigentümer- und den Erwerberinteressen anstrebt. Darauf wird bei der Untersuchung der einzelnen Übergabsformen noch näher einzugehen sein (unten § 7 V).
III. Anvertraute und abhanden gekommene Sachen A. Ausgangspunkt Wie die vorstehende Untersuchung gezeigt hat, beruht die Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen auf dem Zurechnungsprinzip und damit auf einer grundlegenden Wertentscheidung: Durch einen Rechtsscheintatbestand soll nur derjenige belastet werden, der diesen in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat. Unabhängig von der jeweils unterschiedlichen – positiven oder negativen – Formulierung bauen § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 1 HGB, § 935 Abs 1 BGB sowie Art 933 und 934 ZGB somit auf einem gemeinsamen Grundprinzip auf. Unabhängig von bestehenden Formulierungsunterschieden setzt ein redlicher Erwerb dabei stets voraus, daß der Eigentümer seine Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat. Dementsprechend ist Vertrauensmann iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, in wessen Hände die Sache mit Willen des Eigentümers gelangt ist1287. Maßgeblich ist also, daß der wahre Berechtigte dem Vertrauensmann die Gewahrsame an der Sache übertragen hat1288. Obgleich § 367 Satz
1286 1287 1288
Bürgerliches Recht19 Rz 558 ff; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 21, 24; Wieling, Sachenrecht I § 6 III 3 b (S 232 ff) jeweils mwN. Eine vergleichbare Problematik stellte sich auch im „Fräsmaschinenfall“ (BGH in BGHZ 50, 45) und im „Saulachsefall“ (BGH in NJW 1979, 2037). Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192. Randa, Eigentumsrecht2 I 348; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 15; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9;
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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1 Fall 3 ABGB von einem „Anvertrauen“ der Sache spricht, kommt es deshalb auf einen besonderen Vertrauenserweis des Eigentümers nicht an1289. Der Rechtsgrund der Übergabe ist vielmehr irrelevant1290. Eine besonders qualifizierte schuldrechtliche Bindung zwischen dem Eigentümer und dem Übernehmer der Sache ist daher nicht Voraussetzung des Anvertrauens1291, ja es ist – wie für den Fall der Einzelrechtsnachfolge noch zu zeigen sein wird – nicht einmal eine rechtliche Fundierung der Übergabe in Form einer wirksamen oder wenigstens beabsichtigten vertraglichen Vereinbarung nötig. Dieses weite Verständnis des Begriffes „Anvertrauen“ bestätigt im übrigen schon der Wortlaut des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, der neben der bloß beispielhaften Nennung einer Übergabe zum Gebrauch oder zur Verwahrung ausdrücklich klarstellt, daß es auch ausreicht, wenn der Eigentümer seine Sache „in was immer für einer andern Absicht anvertraut hatte“. Als Vertrauensmann iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB ist deshalb nicht nur ein Verwahrer, Entlehner, Mieter, Pächter oder Faustpfandgläubiger anzusehen, sondern ebenso ein Prekarist oder ein Bote1292; gleiches gilt für einen Vorbehaltskäufer oder Leasingnehmer1293. Spiegelbildlich zur Definition des „Anvertrauens“ als Übertragung der Gewahrsame mit Willen des Eigentümers wird in Deutschland der Begriff des „Abhandenkommens“ der Sache interpretiert. In Anlehnung an den Begriff des Gewahrsamsbruchs beim Diebstahl und das zufällige Verlieren wird unter Abhandenkommen iSd § 935 Abs 1 BGB der Verlust des unmittelbaren Besitzes ohne den Willen des Besitzers verstanden1294.
1289 1290
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Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4; OGH in SZ 39/189 = JBl 1967, 478. Zum Erfordernis der Alleingewahrsame unten S 263 f. Randa, Eigentumsrecht2 I 348. Ehrenzweig, System2 I/2, 188; Mayr, Lehrbuch I 425; Klang in Klang, ABGB2 II 226; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9. OGH in SZ 58/75 = EvBl 1986/90 = JBl 1986, 239 = RdW 1985, 337; Schwimann/ Klicka, ABGB3 § 367 Rz 15. OGH in SZ 58/75 = EvBl 1986/90 = JBl 1986, 239 = RdW 1985, 337; Koziol/ Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 15. Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 15; Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Reischauer, JBl 1973, 598 f; vgl etwa OGH in SZ 39/65; SZ 68/196 = RdW 1996, 356 = HS 26.106 und 26.368 (Leasing, zu § 366 HGB). So schon die klassische Formulierung von Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251: “Abhanden gekommen sind die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommenen Sachen” und RG in RGZ 101, 224, 225; Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 2; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 37; Westermann/ Gursky, Sachenrecht7 § 49 I (S 401 f); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 387 f); Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 80; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 5; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 4; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 3; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 3; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
Wie schon Reischauer1295 aufgezeigt hat, ist also auch nach deutschem Recht die Einräumung der Gewahrsame durch den wahren Berechtigten maßgeblich. Deshalb umschreibt auch die deutsche Lehre die Problematik des „Abhandenkommens“ häufig mit Hilfe positiver Komplementärbegriffe und spricht von einem „Anvertrauen“ oder einer „freiwilligen Weitergabe“ der Sache1296. In der Schweiz verwendet schließlich schon das Gesetz selbst teils den positiven Begriff des Anvertrauens (Art 933 ZGB), teils den negativen des Abhandenkommens (Art 934 ZGB), wobei nach völlig herrschender Auffassung daraus in der Sache keine Unterschiede resultieren1297. Versucht man das „Freiwillige-aus-der-Hand-Geben“ oder „Anvertrauen“ der Sache rechtsdogmatisch einzuordnen, so handelt es sich dabei unzweifelhaft um einen Realakt1298. Besondere rechtliche Schlüsse lassen sich aus einer solchen Qualifikation aber nicht ableiten. Entscheidend ist nämlich nicht die Rechtsnatur und begriffliche Einordnung der freiwilligen Gewahrsamsübertragung, sondern die Erkenntnis, daß es sich um eine Frage der Zurechnung handelt, also eine Wertentscheidung erforderlich ist1299. Zusammenfassend kann man die dabei maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte als Zurechnungsprinzip bezeichnen, wobei dieses Prinzip in der vorstehenden Untersuchung im Gedanken der Risiko- und Gefahrenbeherrschung lokalisiert werden konnte. Nicht der für einen Realakt maßgebliche und auch ausreichende natürliche Wille des Eigentümers, auf den vielfach abgestellt wird1300, sondern die genannten normativen Kriterien sind somit für die einzelnen Zurech-
1295 1296
1297 1298
1299
1300
2; RGRK/Pikart, BGB12 § 935 Rz 4; AlternativKomm/Reich, BGB § 935 Rz 2; Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 935 Rz 1; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 935 Rz 3; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 39; Musielak, JuS 1992, 722; Weber, JuS 1999, 8; Zeranski, JuS 2002, 344. JBl 1973, 592. Siehe Eichler, Institutionen I 130 und II/1, 169 f; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 387); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 5; Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 79; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 3 (S 402): „Willentliche Besitzaufgabe als Komplementärbegriff des Abhandenkommens“. Siehe dazu schon oben S 224 f mit Nachweisen in FN 1149. Reischauer, JBl 1973, 593; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 48; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 3 (S 402); Wieling, Sachenrecht I § 4 II 1 a (S 146 f), § 10 V 3 a (S 388); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 9; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art § 933 Rz 30. So zu Recht Reischauer, JBl 1973, 593 f; für Deutschland vgl insb Hager, Verkehrsschutz 390 ff. Zur analogen Anwendung rechtsgeschäftlicher Regeln siehe einerseits unten S 253 f (Willensmängel), anderseits unten S 274 (Geschäftsfähigkeit). Siehe etwa Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 3 (S 402 f); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 388); Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 82; Jauernig/Jauer-
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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nungsfragen entscheidend und ermöglichen eine sachgerechte Lösung der einzelnen Problemfelder. Dies ist im Folgenden an Hand der wichtigsten Fallgruppen näher auszuführen. B. Einzelfragen der Zurechnung 1. Willensmängel a) Analogie zu rechtsgeschäftlichen Willensmängeln? Im Hinblick auf die Beachtlichkeit von Willensmängeln, die dem wahren Berechtigten bei der Gewahrsamsübertragung unterlaufen, wird von manchen eine analoge Anwendung der rechtsgeschäftlichen Regeln erwogen1301. Ein solcher Ansatz, den Canaris für die Fälle der Rechtsscheinhaftung vertreten hat1302, ist für den gutgläubigen Erwerb allerdings problematisch. Schon Canaris betont nämlich, daß eine analoge Anwendung der §§ 116 ff BGB dann nicht in Betracht komme, wenn durch die Schaffung eines Scheintatbestandes eine unbestimmte Vielzahl von Personen als Adressaten betroffen seien1303; explizit verweist Canaris in diesem Zusammenhang auch auf die Regelung des § 935 Abs 1 BGB1304. Zu berücksichtigen ist überdies, daß es beim redlichen Erwerb zwar um die Zurechnung eines Rechtsscheintatbestandes, anders als bei der Vertrauenshaftung aber nicht primär um einen Erklärungstatbestand geht. Dieser Unterschied wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß zwar eine Integration der Vertrauenshaftung in die Rechtsgeschäftslehre mit guten Gründen erwogen werden kann1305, eine Hypostasierung des Besitzes als rechtfertigende Legitimationsgrundlage redlichen Erwerbs die eigentlich maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte aber verdunkelt1306. Bei dieser Ausgangslage überrascht es nicht, daß die analoge Anwendung der Vorschriften über die Willensmängel schon beim Irrtum zu Schwierigkeiten führt, die nur durch eine komplizierte Begründung wieder ausgeräumt werden können: Bei beachtlichen Irrtümern nach §§ 119 f BGB räumt § 122 Abs 1 BGB nämlich einen verschuldensunab-
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nig, BGB11 § 935 Rz 4; Musielak, JuS 1992, 722 f; Weber, JuS 1999, 8 mit FN 130; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art § 933 Rz 28, 30. Siehe – mit durchaus unterschiedlicher Nuancierung – H. Hübner, Rechtsverlust 110 ff; Hager, Verkehrsschutz 394 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 350 ff; ansatzweise schon Heck, Sachenrecht 255. Canaris, Vertrauenshaftung 453 ff. Canaris, Vertrauenshaftung 36 f, 82, 125, 455. Canaris, Vertrauenshaftung 454 FN 10. So – im Gegensatz zu Canaris – F. Bydlinski. Siehe dazu schon oben FN 1169. Siehe dazu schon oben S 193 ff.
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
hängigen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens ein. Übertragen auf die Fälle redlichen Erwerbs, müßte dies zur Statuierung eines Lösungsrechtes führen. Da dieses aber vom historischen Gesetzgeber abgelehnt worden sei, könne der in § 122 Abs 1 BGB enthaltenen Wertung nur dadurch Rechnung getragen werden, daß Irrtümer des Eigentümers im Rahmen des § 935 Abs 1 BGB unbeachtlich seien1307. Einer derart komplexen Argumentation, die Regelungen analog heranzieht, um sie dann – weil offenkundig unpassend – sogleich wieder zu eliminieren, gebricht es mE aber an Überzeugungskraft. Zu Recht betont deshalb schon H. Hübner1308, daß die Zurechenbarkeit des Vertrauenstatbestandes nicht den rechtsgeschäftlichen Irrtumsregeln unterliegen könne. Das sei zwar mit der begrifflichen Einordnung der Gewahrsamsübertragung als Realakt zu begründen, folge aber aus der besonderen Interessensituation. Erfolgversprechender erscheint es deshalb, das für die Zurechnung maßgebliche Prinzip der Risiko- und Gefahrenbeherrschung selbst in den Vordergrund zu stellen. b) Irrtum über die Person und Vertrauensmännerkette Das zentrale Risiko, das dem Eigentümer auf Grund des Gefahrenbeherrschungsprinzips aufgebürdet wird, ist jenes der Auswahl des Vertrauensmannes. Das Gesetz weist dem wahren Berechtigten somit das Mißbrauchsrisiko zu. Es ist daher geradezu selbstverständlich, daß ein Irrtum über die Vertrauenswürdigkeit des Zwischenmannes – also ein Irrtum über die Person – den Zurechnungszusammenhang nicht unterbricht und dem redlichen Erwerb eines Dritten nicht entgegensteht1309. Dies gilt nicht nur in jenen Fällen, in denen der Vertrauensmann die Sache selbst unbefugt veräußert, sondern auch dann, wenn der Zwischenmann die Sache seinerseits weitergibt und die Sache erst vom Übernehmer veräußert wird. Die Zurechnung erfolgt also auch in der
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1308 1309
Siehe H. Hübner, Rechtsverlust 112 sowie Hager, Verkehrsschutz 396 und Kindl, Rechtsscheintatbestände 351 f. Rechtsverlust 112. Randa, Eigentumsrecht2 I 348 FN 31; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 45 ff; Wellspacher, Vertrauen 20 f, 181; Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 24; E. Demelius, Pfandrecht 358 ff; Wilburg in Klang, ABGB2 VI 489; Reischauer, JBl 1973, 595 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9. Gleiches gilt für § 935 Abs 1 BGB, siehe Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 388); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 11; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 434; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 4; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 5; Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 935 Rz 2. Ebenso zu Art 933, 934 ZGB Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 31; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 475 f; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1786.
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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Vertrauensmännerkette1310. Auch in solchen Fällen ist dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung nämlich stets Rechnung getragen: War der erste Vertrauensmann zur Weitergabe befugt, so hat der Eigentümer das Risiko weiterer, ihm häufig sogar persönlich nicht bekannter Zwischenmänner ohnedies bewußt in Kauf genommen. Ist die Weitergabe hingegen ohne seine Zustimmung erfolgt, so hat sich schon auf dieser Stufe das Risiko der Treulosigkeit verwirklicht, es ist also gerade jene Gefahr eingetreten, mit der das Gesetz den wahren Berechtigten stets belastet. Der Eigentümer hat hier freilich noch die Möglichkeit auf den Verstoß zu reagieren und einen Rechtsverlust zu verhindern, wenn es ihm gelingt die Sache rechtzeitig vor der Veräußerung zurückzuerlangen. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, daß auch vom Vertrauensmann befugt oder unbefugt weitergegebene Sachen nicht abhanden gekommen sind, ein redlicher Erwerb an ihnen also zulässig ist. Unterbrochen wird der Zurechnungszusammenhang erst dann, wenn der Vertrauensmann seinerseits die Gewahrsame an der Sache unfreiwillig eingebüßt hat, sie ihm etwa gestohlen wurde oder er sie verloren hat, also ein Sachverhalt vorliegt, der auch dem Eigentümer selbst nicht zugerechnet werden könnte. Ebenso ist in Deutschland anerkannt, daß eine Sache nicht abhanden gekommen ist, wenn der Besitzmittler sie freiwillig weitergegeben hat1311. Im Hinblick auf die nachfolgenden Gewahrsamsträger könnten sich aus der unterschiedlichen Formulierung des Zurechnungsprinzips dennoch Differenzen ergeben1312. So ist in Deutschland heftig umstritten, ob § 935 Abs 1 Satz 2 BGB einen redlichen Erwerb auch dann ausschließt, wenn die Sache einem unmittelbaren Besitzer abhanden kommt, der dem wahren Berechtigten den Besitz nicht vermittelt hat. Der Wortlaut des § 935 Abs 1 Satz 2 BGB erfaßt solche Fallkonstellationen nicht, da diese Vorschrift davon ausgeht, daß der Eigentümer mittelbarer Besitzer der Sache ist1313. Die Problematik erschließt sich am einfachsten an Hand eines Beispiels: A hat B seine Sache zur Reparatur anvertraut. B veräußert sie unbefugt an den bösgläubigen C, dem sie sei1310
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Randa, Eigentumsrecht2 I 349; Ehrenzweig, System2 I/2, 188; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9; Schwimann/ Klicka, ABGB3 § 367 Rz 18; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Gschnitzer, Sachenrecht2 112. OGH in Rsp 1936/53; EvBl 1971/294 = HS 7266; RdW 1998, 394. Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 2 (S 401); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 38; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 5; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 433; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 3, 6. Darauf weist schon Reischauer, JBl 1973, 592 mit FN 42, hin. § 935 Abs 1 Satz 2 BGB. „Das gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war.“
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
nerseits gestohlen wird. Der Dieb veräußert die Sache an den redlichen D. Für einen redlichen Erwerb des D wird vor allem vorgebracht, daß der Wortlaut des § 935 Abs 1 Satz 2 BGB einen Ausschluß des redlichen Erwerbes nicht decke und für diese Bestimmung auch in der Sache kein Raum bleibe. § 935 Abs 1 BGB solle den Eigentümer nämlich vor einem unfreiwilligen Besitzverlust bewahren. Bestehe die Besitzposition des wahren Berechtigten aber nicht mehr, so laufe auch die Schutzfunktion dieser Bestimmung ins Leere. Die Gefahrenlage sei durch den Vertrauensbruch bereits eingetreten, ein späteres Abhandenkommen ändere daran nichts mehr1314. Für eine analoge Anwendung des § 935 Abs 1 BGB wird hingegen vorgebracht, daß dem Gesetz die Tendenz innewohne, einen redlichen Erwerb bei unfreiwilligem Besitzverlust generell hintanzuhalten1315. Für § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB ist der eben geschilderte Fall hingegen eindeutig zu klären: Wer vom Dieb erwirbt, erwirbt nicht vom Vertrauensmann des Eigentümers, weshalb ein redlicher Erwerb ausscheidet. Eine teleologische Reduktion der daraus resultierenden Sperre redlichen 1314
1315
Siehe Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 6; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 5 (S 404); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 b (S 390); Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; Heck, Sachenrecht 255; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 883; Schwab/ Prütting, Sachenrecht30 Rz 434; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 7; Jauernig/ Jauernig, BGB11 § 935 Rz 7; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 3; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 5. Differenzierend Hager, Verkehrsschutz 406, der einen redlichen Erwerb dann ausschließen will, wenn der Besitzmittler den Oberbesitz des Eigentümers zwar aufgekündigt, die Sache zum Zeitpunkt des Diebstahls aber noch nicht fortgegeben habe. Nur in diesem Fall könne die Besitzverschaffungsmacht des Diebes dem Eigentümer nicht angelastet werden. Bei freiwilliger Weitergabe und anschließendem Diebstahl bejaht hingegen auch Hager einen redlichen Erwerb, da die Besitzverschaffungsmacht des ersten Veräußerers dem Eigentümer auf Grund der Weggabe durch seinen Besitzmittler in gleicher Weise anzulasten sei wie die Besitzverschaffungsmacht nachfolgender Veräußerer. Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 38; Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 4; Eichler, Institutionen II/1, 171; H. Hübner, Rechtsverlust 120 FN 145; Musielak, JuS 1992, 723; ebenso noch M. Wolff, Sachenrecht9 § 69 I 2; H. Westermann, Sachenrecht5 § 49 I 5 (S 238); ausführlich Braun, JZ 1993, 391 ff, 395 f, der darauf hinweist, daß die gegenteilige Auffassung in bestimmten Konstellationen (Minderjährigkeit des Eigentümers; arglistige Täuschung) zu nicht gerechtfertigten Nachteilen bei der Rückabwicklung führen kann. Übergibt der Eigentümer seine Sache auf Grund einer nichtigen oder anfechtbaren Veräußerung an den Erwerber, dem sie in der Folge gestohlen wird oder verloren geht, so bejahen auch Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 6 und Kindl, Rechtsscheintatbestände 360; derselbe in Bamberger/Roth, BGB § 935 Rz 5, eine (analoge) Anwendung des § 935 Abs 1 Satz 2 BGB. Vgl auch J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 884 (falls der Erwerber sich der Unwirksamkeit der Veräußerung bewußt und zur Rückgabe bereit ist).
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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Erwerbs kommt angesichts der widerstreitenden Sachargumente nicht in Betracht. Da die Argumente pro und contra zumindest als gleich gewichtig anzusehen sind, ist der Orientierung an dem gesetzlich vorgegebenen Wortlaut nämlich jedenfalls der Vorzug zu geben. Schon wegen der Einheit der Rechtsordnung ist dieses Ergebnis auch im Hinblick auf § 366 Abs 4 Satz 1 HGB bedeutsam. Diese Bestimmung ist deshalb im Licht der von § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB vorgegebenen Lösung auszulegen. Auch der Wortlaut des § 366 Abs 4 Satz 1 HGB steht einer solchen Interpretation nicht entgegen, da eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung iSd § 935 Abs 1 Satz 2 BGB fehlt. Für die hier vertretene Lösung, also einen Ausschluß redlichen Erwerbs, sprechen aber nicht nur methodische Gründe, sondern – zumindest in Fällen einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge1316 – mE auch die gewichtigeren Sachargumente. Gerade in dieser Konstellation zeigt sich nämlich, daß die Ablehnung eines Gutglaubenserwerbs an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen für den Schutz des Eigentümers auch dann relevant ist, wenn diesem der Besitz nicht oder nicht mehr vermittelt wird1317. Dies wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Prinzip der Gefahrenbeherrschung auch die mögliche Realisierung schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche mit einschließt1318. Ungetreue Zwischenmänner können vom früheren Eigentümer aber wenigstens schuldrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, während Diebe regelmäßig unauffindbar sind. Scheitert die Veräußerung der Sache am Fehlen eines gültigen Titels und wird die Sache dem Erwerber gestohlen und vom Dieb an einen redlichen Dritten weiterveräußert, so hätte der wahre Berechtigte aber nicht nur das Insolvenzrisiko zu tragen, sondern könnte – mangels Greifbarkeit des Diebes – in der Regel gar nicht klagen1319. Berücksichtigt man weiters, daß § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB bei besonders gesteigerten Verkehrsinteressen ohnedies einen Gutglaubenserwerb auch an abhanden gekommenen Sachen zuläßt, so besteht auch kein Bedürfnis aus Gründen des Erwerberschutzes die Gefahr eines Rechtsverlustes des Eigentümers noch weiter auszudehnen als dies das Gesetz ohnedies vorsieht. Soweit das Gesetz dem redlichen 1316 1317
1318 1319
Zur Fallgestaltung bereits FN 1315 und sogleich unten im Text. Für das Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses bei fehlgeschlagener Veräußerung auf Grund hypothetischen Parteiwillens aber Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 6, der auf diesem konstruktiven Weg ebenfalls zu einem Ausschluß redlichen Erwerbs gelangt; vgl dazu schon FN 1315. Siehe dazu schon oben S 247 ff. Wie bereits in FN 1315 ausgeführt, vertritt deshalb – mit unterschiedlicher Begründung – auch ein Teil der deutschen Lehre bei nichtiger oder anfechtbarer Veräußerung eine (analoge) Anwendung des § 935 Abs 1 Satz 2 BGB und damit einen Ausschluß redlichen Erwerbs bei Diebstahl oder sonstigem Abhandenkommen.
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
Erwerb das Zurechnungsprinzip zugrunde legt, ist ein Diebstahl oder ein sonstiges Abhandenkommen der Sache daher stets eine unüberwindliche Schranke für den Gutglaubensschutz1320. c) Irrtum über die Sache Von den bereits behandelten Fällen eines Irrtums über die Person des Vertrauensmannes sind jene Fallkonstellationen zu unterscheiden, in denen ein Irrtum über die Sache vorliegt. Bei solchen gegenstandsbezogenen Irrtümern wird eine Zurechnung von Zweigert1321 abgelehnt. Andere halten zwar nicht jeglichen Irrtum über die Sache für relevant, bejahen ein Abhandenkommen der Sache aber zumindest dann, wenn der Eigentümer sie verwechselt oder sich vergriffen hat1322. Für den Ausschluß eines redlichen Erwerbs spricht die Tatsache, daß sich in solchen Fällen nicht nur jenes Kernrisiko verwirklicht hat, mit dem das Gesetz den Eigentümer stets belastet, nämlich das Mißbrauchsrisiko, sondern dem Eigentümer mit der „Sachverwechslung“ auch noch zusätzliche Gefahrenmomente angelastet würden. Dennoch sollte die Zurechnung mE bejaht werden, da dem wahren Berechtigten die für die Gefahrenbeherrschung maßgebliche Selbstsicherung hinsichtlich der Sachbeschaffenheit weit eher zumutbar ist, als bei Irrtümern über die Person des Vertrauensmannes, was sowohl für Sachirrtümer als auch Verwechslungen gilt1323: Der Eigentümer kann eine Fehleinschätzung hinsichtlich einer ihm gehörenden Sache nämlich um vieles leichter vermeiden als die Fehleinschätzung von Personen, kann man doch, wie es in einem deutschen Rechtssprichwort heißt, „bösen Willen nicht sehen“ und auch die zukünftige Persönlichkeitsentwicklung von Vertrauenspersonen häufig nicht hinreichend abschätzen. Für eine Bejahung der Zurechnung bei gegenstandsbezogenen Irrtümern spricht insofern sogar ein Größenschluß; eine unzumutbare Belastung des Eigentümers resultiert daraus nicht1324. Einen Grenzfall hatte hingegen das Schweizer Bundesgericht zu entscheiden1325: In der Holzkonstruktion eines auf Abbruch anvertrauten 1320 1321 1322
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So im Ergebnis auch Reischauer, JBl 1973, 592 FN 42. RabelsZ 23 (1958) 19. So Düringer/Hachenburg/Breit, HGB3, Vor §§ 366, 367 Rz 39; Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 2; Stark, BernerKommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 29e, 31, Art 934 Rz 2a; aA Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 476 f. So zu Recht schon Reischauer, JBl 1973, 595. Ebenso im Ergebnis Randa, Eigentumsrecht2 I 348 FN 31; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 44 ff; Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 24; E. Demelius, Pfandrecht 358 ff; Reischauer, JBl 1973, 595 f; vgl auch Kindl, Rechtsscheintatbestände 352. BG in BGE 100 II 8 ff (Sachverhalt vereinfacht).
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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Speichers waren Goldmünzen versteckt, von denen der Eigentümer nichts wußte. Der Handwerker entdeckte die Münzen und veräußerte sie. Das Höchstgericht bejahte einen redlichen Erwerb nach Art 933 ZGB, da auch die Münzen dem Handwerker anvertraut worden seien. Diese Entscheidung ist in der schweizerischen Lehre überwiegend auf Kritik gestoßen, wobei vor allem eingewendet wurde, daß eine Sache, von deren Existenz der Eigentümer gar nichts wisse, nicht als anvertraut angesehen werden könne1326. Anderes habe nur dann zu gelten, wenn die anvertraute Sache Dinge enthalte, mit deren Vorhandensein man (wenigstens abstrakt) rechnen müsse1327. Auch wenn diese Grenzlinie wohl nicht stets völlig eindeutig gezogen werden kann, dürfte ein solcher Mittelweg wohl die abgewogenste Lösung ermöglichen. d) List, Drohung und Zwang In Österreich war lange Zeit umstritten, ob auch betrügerisch herausgelockte Sachen als anvertraut zu gelten haben oder aber List die Zurechnung unterbricht1328. Heute ist hingegen allgemein anerkannt, daß ein betrügerisches Vorgehen des Zwischenmannes – der die Sache dem Eigentümer etwa unter dem Vorwand herauslockt, sie kaufen und bezahlen zu wollen – einem redlichen Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nicht entgegensteht1329; gleiches gilt für § 366 Abs 4 Satz 1 HGB1330. Dieses zutreffende Ergebnis – das auch der in Deutschland1331 1326
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Siehe Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 23b; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 476 FN 26. So Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 23b. So die ältere Rechtsprechung OGH in SZ 8/249; SZ 24/307; SZ 25/70; EvBl 1971/294 = HS 7266. Für einen redlichen Erwerb nun aber OGH in SZ 58/75 = EvBl 1986/90 = JBl 1986, 239 = RdW 1985, 337; SZ 58/166 = JBl 1986, 240 = RdW 1986, 141; SZ 71/128 = JBl 1999, 110 (dazu Holzner, aaO, 547) = RdW 1999, 14 (Schobel) = ecolex 1999, 90. Randa, Eigentumsrecht2 I 348 FN 31; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 45; Melzer/ Brügel, Vertrauensschutz 24; E. Demelius, Pfandrecht 358 ff; Reischauer, JBl 1973, 594 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 16; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4; Gschnitzer, Sachenrecht2 111 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298 f; ebenso nun die Rechtsprechung, siehe die Nachweise in FN 1328. Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 39; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 19. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 11; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 9; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 5; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 4; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 935 Rz 9; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; Baur/ Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 43; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 434; Brehm/ Berger, Sachenrecht § 27 Rz 82; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 580. AA nur Zweigert,
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
herrschenden Auffassung und jener in der Schweiz1332 entspricht – hat vor allem Reischauer 1333 ausführlich und überzeugend begründet: Für die Frage des Anvertrauens sei die Möglichkeit freier Risikoeinschätzung maßgeblich. Überlasse der Eigentümer einem anderen die für § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB rechtlich erhebliche faktische Verfügungsmacht über eine Sache, könne seine Rechtsstellung bei richtiger Einschätzung des damit in abstrakto stets verbundenen Risikos aber nicht verschieden beurteilt werden, je nachdem ob der Gewährsmann schon bei der Überlassung der Sache vom betrügerischen Vorsatz bestimmt gewesen sei oder die Sache erst späterhin veruntreue1334. Hingegen scheitert eine Zurechnung iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nach herrschender Auffassung bei Drohung und Zwang1335 und führt nach § 366 Abs 4 Satz 1 HGB zu einem Abhandenkommen der Sache1336. Dies ist auch die überwiegende Meinung in der Schweiz1337, während in Deutschland vielfach vertreten wird, daß eine Drohung den Tatbestand des § 935 Abs 1 BGB grundsätzlich nicht verwirkliche und einem redlichen Erwerb deshalb nicht entgegenstehe1338. Anderes soll nur bei vis
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RabelsZ 23 (1958) 19, bei Täuschung über die Sache, nicht aber über die Person des Nehmers; gegen eine solche Differenzierung schon oben S 258 f. Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 476; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 29c, 29e, 30; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 934 Rz 3; siehe auch BG in BGE 121 III 345 ff, 347 f (Herauslocken der Sache unter Vortäuschen der Zahlungswilligkeit). AA Zobl, Berner Kommentar2 IV/2/5/1 ZGB, Art 884 Rz 645. JBl 1973, 594 f. Reischauer, JBl 1973, 595. Dieser Argumentation schließt sich der OGH in SZ 58/75 = JBl 1986, 239 = EvBl 1986/90 = RdW 1985, 337 ausdrücklich an; ebenso Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 16. Krasnopolski, Redlicher Verkehr 45 f; Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 24; Reischauer, JBl 1973, 596 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Binder, Sachenrecht Rz 6/30. AA hingegen noch Randa, Eigentumsrecht2 I 348 FN 31; E. Demelius, Pfandrecht 358 ff und Ehrenzweig, System2 I/2, 188 f, der dieses Ergebnis durch eine unzutreffende Analogie zu § 875 ABGB abzustützen versucht. Siehe Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 39. AA aber Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 19. Rey, Sachenrecht I2 Rz 1786; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 476. AA Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 29c, 29e, 30. Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 2; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 48 mit FN 7, 251; AlternativKomm/Reich, BGB § 935 Rz 2; RGRK/Pikart, BGB12 § 935 Rz 15; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 4; Hk-BGB/Eckert, BGB4 § 935 Rz 2; H. Hübner, Rechtsverlust 113 f; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 434; Musielak, JuS 1992, 723; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 580. Ebenso schon Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 348 f = Mugdan, Materialien III 194 und RG in RGZ 101, 224, 225. Für Nachweise zur Gegenmeinung siehe unten FN 1341.
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absoluta, also unwiderstehlicher physischer Gewalt oder einem gleichgewichtigen seelischen Zwang gelten1339. Diese – den wahren Berechtigten extrem belastende – Sichtweise wird freilich zunehmend kritisiert und dies zu Recht. Richtigerweise ist die Zurechnungsgrenze nämlich weit unterhalb zu ziehen und zwar bei jedem rechtswidrigen Zwang. Man kann in solchen Fällen nämlich nicht mehr von einer fehlerhaften, immerhin aber doch noch selbstbestimmten Risikoabschätzung des Eigentümers sprechen1340: Der wahre Berechtigte entscheidet eben nicht mehr selbst, sondern beugt sich bloß dem Zwang. Deshalb beginnt sich auch in Deutschland die Meinung durchzusetzen, daß eine Drohung zu einem Abhandenkommen der Sache iSd § 935 Abs 1 BGB führt1341. Für § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB folgt diese Lösung im übrigen schon aus dem Wortlaut der Bestimmung, kann man eine Sache doch schwerlich als anvertraut bezeichnen, wenn man gezwungen wird, sie herauszugeben1342. Für eine den Wortlaut übersteigende, analoge Anwendung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB auch auf Fälle der Drohung fehlen aber ganz offenkundig zureichende sachliche Gründe. 2. Einzelrechtsnachfolge Die Frage eines redlichen Erwerbs stellt sich auch dann, wenn der Eigentümer A seine Sache an B veräußert, der Erwerber B aber mangels gültigen Titels kein Eigentum erwirbt, die Sache seinerseits aber dennoch an C weiterverkauft. Es geht also insbesondere um Fälle, in denen das schuldrechtliche Geschäft zwischen A und B von Anfang an nichtig ist oder von A wegen Irrtums mit sachenrechtlicher ex-tunc Wirkung angefochten wurde. Fraglich ist, ob C von B gutgläubig Eigentum erwerben kann, wenn er von der Ungültigkeit des Geschäftes zwischen A und B nichts weiß. Unzweifelhaft ist die Sache dem A nicht abhanden gekommen, da er sie ja freiwillig aus der Hand gegeben hat. Zweifelhaft ist hingegen, ob auch in diesem Fall ein Anvertrauen iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB anzu1339 1340
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Siehe BGH in BGHZ 4, 10 ff, 34 ff, 38 f sowie die in FN 1338 Genannten. Ebenso schon Reischauer, JBl 1973, 596 f, der unter diesem Gesichtspunkt auch die Fälle hoheitlicher Beschlagnahmung überzeugend abhandelt: Kein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, sondern nur nach Maßgabe allfälliger Sondervorschriften. Heck, Sachenrecht 255; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 43; Westermann/ Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 3 (S 402); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 11; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 9; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 5; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 935 Rz 9; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 42; Weber, JuS 1999, 9. Ebenso zu Art 933 f ZGB Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 476.
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nehmen ist, der präsumtive Rechtsnachfolger B also als Vertrauensmann des A zu behandeln ist. Dagegen läßt sich vor allem einwenden, daß A dem B seine Sache nicht anvertraut hat, weil er dem B keine Gewahrsame auf Zeit übertragen hat, sondern sein Recht an der Sache überhaupt aufgeben wollte1343. Anderseits gehört der bei der Übereignung zwischen A und B auftretende Mangel eher zur Sphäre des A als zu jener des C, weshalb eine analoge Anwendung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB zugunsten des Dritten gerechtfertigt erscheint1344. Nach herrschender Auffassung ist daher auch bei einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge ein Anvertrauen der Sache anzunehmen und ein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB zulässig1345. Eine nähere Betrachtung der Interessenlage und der Funktion redlichen Erwerbs vermag dieses Ergebnis noch entscheidend abzusichern: Beabsichtigt der Eigentümer die Veräußerung seiner Sache, so hat er an ihr offenkundig kein Sachinteresse, sondern nur ein Wertinteresse. Mangels Rückgabeerwartung des wahren Berechtigten im Veräußerungszeitpunkt fehlt somit jenes Bedürfnis des Eigentümers nach Bestandschutz, das die Basiswertung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB der Entscheidung über den redlichen Erwerb von einem Vertrauensmann des Eigentümers zugrunde legt. Sind somit die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers weit geringer als im gesetzlich geregelten Normalfall, so spricht schon ein Größenschluß für die Zulässigkeit eines Gutglaubenserwerbs auch bei gescheiterter Einzelrechtsnachfolge. Gerade für diese Fallkonstellation erfüllt der redliche Erwerb in Österreich aber auch eine besonders wichtige Funktion1346: In Deutschland wird den Verkehrsinteressen bei Weiterveräußerung einer Sache nämlich schon durch das Abstraktionsprinzip hinreichend Rechnung getragen, haben Mängel des schuldrechtlichen Geschäftes doch keine Bedeutung für den wirksamen Eigentumsübergang. In Österreich schlagen Titelmängel auf Grund des Prinzips der kausalen Tradition hingegen voll durch und verhindern die wirksame Übertragung des Eigentums, so daß nur ein redlicher Erwerb die unnötige Aufstörung von Veräußerungsketten verhindern kann. Daß daran aber ein wesentliches Verkehrsschutzinteresse besteht, zeigt ein Vergleich mit dem anglo-amerikanischen Recht, das trotz seiner prinzipiellen Reserviertheit 1343 1344
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Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 18. Wilburg in Klang, ABGB2 VI 489; Reischauer, JBl 1973, 598 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 18; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/57; Binder, Sachenrecht Rz 6/30; Gschnitzer, Sachenrecht2 112; ebenso im Ergebnis Ehrenzweig, System2 I/2, 188 f; aA Melzer/Brügel, Vertrauensschutz 23 f. Ausführlich zum Folgenden bereits oben S 141 ff.
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gegenüber dem Gutglaubenserwerb gerade für solche Fälle eine eigene Regelung bereitstellt, nämlich die sogenannte Voidable-title-Doktrin: Hat der Veräußerer die Sache vom Eigentümer auf Grund eines anfechtbaren Kausalgeschäfts erworben (voidable title) und hat der Eigentümer von seinem Anfechtungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht, so kann der Veräußerer einem gutgläubigen Dritterwerber, der die Anfechtbarkeit weder kannte noch kennen mußte, uneingeschränkt Eigentum verschaffen (Sect 23 Sale of Goods Act; § 2-403 (1) Uniform Commercial Code). 3. Universalsukzession Geschützt wird nicht nur der Erwerb vom Vertrauensmann des Vertrauensmannes (Vertrauensmännerkette) und bei gescheiterter Einzelrechtsnachfolge, sondern auch der gutgläubige Erwerb vom Erben des Vertrauensmannes1347: Der Erbe des Vertrauensmannes übernimmt mit dessen Rechtsstellung nämlich auch diese Eigenschaft, hat der Eigentümer doch selbst bewirkt, daß die Sache beim Tod des Erblassers in seine Hände gelangt ist1348. 4. Alleingewahrsame Nach herrschender Auffassung liegt ein Anvertrauen der Sache iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nur dann vor, wenn der Eigentümer einem anderen freiwillig die Alleingewahrsame an seiner Sache übertragen hat1349. Die Aushändigung bloßer Legitimationspapiere reicht deshalb ebensowenig aus1350, wie die gemeinsame Verwahrung in einem beiden Teilen zugänglichen Raum1351; gleiches gilt, wenn einem Miteigentümer lediglich ein (Mit)Gebrauchsrecht eingeräumt wurde1352. Dementsprechend wird auch in Deutschland ein Abhandenkommen der Sache iSd § 935 Abs 1 BGB schon dann angenommen, wenn ein Bruch des Mitbesitzes vorliegt, also etwa ein Ehegatte eine dem Partner gehörige Sache aus der gemeinsamen Wohnung fortschafft1353. 1347
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1350 1351 1352 1353
Ehrenzweig, System2 I/2, 188; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Gschnitzer, Sachenrecht2 112; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4. OGH in Rsp 1936/53. So zutreffend Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 15; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Gschnitzer, Sachenrecht2 111. OGH in SZ 8/285 = JBl 1927, 40; SZ 24/13. OGH in SZ 17/37 = Rsp 1935/101 (gemeinsamer Haushalt). OGH in SZ 39/189 = JBl 1967, 478. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 7 f; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 6; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 389); Westermann/Gursky, Sachen-
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Demgegenüber bezweifelt E. Bydlinski1354, daß es bei § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB generell darauf ankomme, daß die Sache in der Verfügungsgewalt lediglich einer Person stehe. Entscheidend könne nämlich nur sein, daß der Dritte mit Willen des Berechtigten die Möglichkeit habe, über die Sache zu verfügen, mögen daneben auch noch andere Personen faktische Verfügungsgewalt besitzen. Die Gefahr sei für den gutgläubigen Dritten nämlich die gleiche wie bei einer ausschließlichen Gewahrsame des Untreuen. Gegen diese Auffassung hat Spielbüchler1355 zu Recht eingewendet, daß für § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nicht entscheidend sei, ob der Eigentümer eine Situation herbeigeführt habe, die einem anderen die Veräußerung ermögliche (worunter auch die Erleichterung eines Diebstahls fiele), sondern ob der wahre Berechtigte seine Sache ganz aus der Hand gegeben habe. Bei der Frage des Anvertrauens geht es nämlich nicht um den Rechtsschein – dieser kann bei abhanden gekommenen Sachen ebenso vorliegen wie bei anvertrauten Gütern –, sondern um die Zurechnung1356. Für diese ist aber entscheidend, wieweit es zumutbar erscheint, den Berechtigten mit der Gefahr eines Rechtsverlustes zu konfrontieren. Daß das Gesetz dabei aber auf die Übertragung der Alleingewahrsame abstellt, erscheint völlig wertungsgerecht: Der wahre Berechtigte soll nämlich die Möglichkeit haben, sich vor einem Rechtsverlust zu schützen1357, solange sich die Sache nur in seiner Gewahrsame befindet und er sie gewissermaßen „nicht völlig aus den Augen läßt“. Vom Eigentümer dabei aber zu verlangen, daß er stets und ausschließlich die Alleingewahrsame an der Sache behalten müsse, wäre schon im Hinblick auf die ganz alltäglichen Bedürfnisse zweckentsprechender und wirtschaftlich sinnvoller Sachnutzung ein allzu strenger und letztlich nicht zumutbarer Maßstab. Bedenkt man weiters, daß das Gesetz in den Fällen erheblich gesteigerter Verkehrsinteressen – nämlich beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann iSd § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB – ohnedies keinerlei Rücksicht auf das Zurechnungsprinzip nimmt, erscheint es auch bei einer sehr erwerberfreundlichen Sicht keineswegs geboten, das Risiko des Eigentümers, einen Rechtsverlust zu erleiden, auch in jenen Fällen noch weiter auszudehnen, in denen das Gesetz dem Aspekt der Risiko- und Gefahrenbeherrschung Bedeutung beimißt.
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recht7 § 49 I 2 (S 402); Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 80; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 39. ÖBA 1988, 961. In Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9. Ausführlicher dazu noch unten bei FN 1366. Dies wird schon in den Materialien zum BGB betont, siehe Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191.
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5. Sonderstellung des Besitzdieners? a) Geschichtliche Herkunft und Rechtsvergleich Besondere Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob ein redlicher Erwerb auch dann stattfindet, wenn die Sache von einem Besitzdiener des Eigentümers, also einer vom ihm sozial abhängigen Person, unbefugt veräußert wird. So waren schon im alten deutschen Recht Sachen, die von Hausgenossen weggegeben wurden, hinsichtlich der Anefangsklage gestohlenen Sachen gleichgestellt1358. Bei Veräußerung solcher „abgetragener Sachen“ war der Erwerber somit entgegen dem Hand-wahreHand-Prinzip nicht geschützt1359. Ähnlich eindeutig erscheint die Rechtslage in Deutschland. Der Besitzdiener ist nämlich nicht selbst Besitzer, wie § 855 BGB explizit anordnet: „Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer“. Diese Bestimmung ist nach herrschender Auffassung auch bei einem redlichen Erwerb gemäß §§ 932 ff BGB zu beachten: Da nur der wahre Berechtigte als Besitzherr unmittelbarer Besitzer der Sache ist, ist diese bei Weggabe durch den Besitzdiener abhanden gekommen, ein redlicher Erwerb nach § 935 Abs 1 BGB also ausgeschlossen1360. Gleiches wird für die Schweiz vertreten1361. 1358
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Meyer, Entwerung 57 ff; O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 554 f mit FN 12; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 442. Siehe Sachsenspiegel (Landrecht) III 6 § 1 (Quedlinburger Handschrift) zur Veräußerung durch einen Knecht: „Verdopelit eyn knecht sînis herren gût oder virsazit her iz oder virkouft her iz, die herre mach iz wol weder vurderen mit rechte, deste her sech dar zû thê, alse recht ist“ [„Verspielt ein Knecht seines Herren Gut oder versetzt er es, oder verkauft er es, so kann es der Herr mit Recht zurückfordern, sofern er darlegt, daß es seine Sache ist.“]; abgedruckt bei Eckhardt, BRH, Rechtsbücher 3, Sachsenspiegel III 59. So die hM Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 39; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 404 ff); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 873 ff; MünchKomm/ Quack, BGB4 § 935 Rz 11; Soergel/Stadler, BGB13 § 855 Rz 11; Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 8; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 8; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 8; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 935 Rz 6; RGRK/Pikart, BGB12 § 935 Rz 18; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 251; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 76 und 433; Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 81; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 580; Hoche, JuS 1961, 78 f; Musielak, JuS 1992, 723; Witt, AcP 201 (2001) 172 ff, 200 f. Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 29d, 36 f; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 934 Rz 5; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1785; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 326.
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Dieser generelle Ausschluß eines redlichen Erwerbs bei Veräußerung durch einen Besitzdiener wird vielfach jedoch als unbillig empfunden1362. Die drohenden Wertungswidersprüche zeigt dabei ein von H. Westermann gebildetes Beispiel besonders deutlich1363: Dem Handlungsreisenden B werden von seinem Vorgesetzten, dem Versandbuchhändler A, Bücher zur Vorlage bei Kunden übergeben sowie drei weitere Bücher für die eigene Lektüre geliehen. B veräußert sämtliche Bücher an den gutgläubigen Antiquar C. Da B bezüglich der vorzulegenden Bücher Besitzdiener, bezüglich der geliehenen Bücher aber Besitzmittler des A ist, erwirbt C nur an den drei geliehenen Büchern Eigentum, während an den restlichen Büchern ein Gutglaubenserwerb wegen § 855 iVm § 935 Abs 1 BGB ausscheidet1364. Um solche unbefriedigenden Zufallsergebnisse zu vermeiden, ist H. Westermann deshalb dafür eingetreten, einen Gutglaubenserwerb in jenen Fällen zuzulassen, in denen der Besitzdiener nach außen durch nichts von einem Besitzer zu unterscheiden sei, man die Unterordnung des Besitzdieners also nicht erkennen könne1365. Dieser Ansatz erscheint auf den ersten Blick überzeugend und sachgerecht. Näheres Hinsehen erweckt jedoch Zweifel: H. Westermann verlagert den Schwerpunkt nämlich allzu sehr auf die Frage des Rechtsscheins. Welchen Eindruck der Erwerber von der Stellung des Veräußerers haben darf, ist jedoch nur für die Frage der Redlichkeit bedeutsam, für die Zurechnungsfrage aber irrelevant1366.
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Einen instruktiven Überblick über den Stand der Kritik gibt K. Schmidt in Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 585 ff; siehe weiters Witt, AcP 201 (2001) 172 ff. H. Westermann, Sachenrecht5 § 49 I 6 (S 238); wiedergegeben auch bei Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (404 f). So die hM (Nachweise oben FN 1360), der jetzt auch Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (404 ff), folgt. H. Westermann, Sachenrecht5 § 49 I 6 (S 238 f); derselbe, JuS 1961, 82; ähnlich schon Schmelzeisen, AcP 136 (1932) 149 ff. Zustimmend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 14; derselbe, JuS 1974, 205 f; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 6; MünchKomm/Damrau, BGB4 § 1207 Rz 9; Rebe, AcP 173 (1937) 201 f; H. Hübner, Rechtsverlust 107 f; Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 18; Soergel/Mühl, BGB12 § 855 Rz 8, § 935 Rz 2; ablehnend jetzt aber Soergel/Stadler, BGB13 § 855 Rz 11 und Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 8. Siehe weiters MünchKomm/Joost, BGB4 § 855 Rz 23 und Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 c (S 391), die überdies für erforderlich halten, daß dem Besitzdiener Gewahrsam außerhalb der (räumlichen) Machtsphäre des Besitzherren eingeräumt worden sei; dazu sogleich noch unten im Text. Ablehnend nun aber Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 404 ff). Dies betonen zu Recht auch Ernst, Eigenbesitz 36 f; Hager, Verkehrsschutz 404; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 405); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 875; K. Schmidt in Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 596.
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Auch gestohlenen oder verlorenen Sachen sieht man ihre Herkunft nämlich häufig nicht an, dennoch besteht an einem Abhandenkommen der Sache keinerlei Zweifel. Die Problematik der Zurechnung betrifft eben stets nur die Seite des Eigentümers und damit die Frage, inwieweit dem wahren Berechtigten ein Rechtsverlust zumutbar ist1367. Entscheidend kann somit nur sein, ob der Eigentümer seine Sachherrschaft in einer Weise übertragen hat, die unter dem Gesichtspunkt der Risiko- und Gefahrenbeherrschung eine Zurechnung rechtfertigt. Daß das eigentlich entscheidende Kriterium das völlige Aus-derHand-Geben der Sache durch den wahren Berechtigten ist, klingt bereits an, wenn zuweilen betont wird, daß ein Abhandenkommen der Sache dann nicht anzunehmen sei, wenn der Besitzherr den Besitzdiener mit der Ausübung der Gewalt außerhalb seiner eigenen räumlichen Herrschaftssphäre beauftragt habe1368, der Besitzdiener also außerhalb der Machtsphäre des Eigentümers Gewahrsame an der Sache habe1369. Diese Auffassung berührt bereits den Kern der Problematik, W. Ernst hat die entscheidenden Kriterien zu Recht verallgemeinert1370: Der redliche Erwerb von einem Besitzdiener sei nur dann ausgeschlossen, wenn der Statusabhängige Sachumgang nur im Rahmen des Gewahrsamsbereichs des Prinzipals habe. In diesem Fall bestehe die eigene tatsächliche Gewalt des Eigentümers nämlich fort. Gebe der Besitzdiener die Sache aus jenem Gewahrsamsbereich an einen Dritten, dann sei dies deshalb nicht anders einzuordnen als der durch einen Außenstehenden bewirkte Besitzverlust1371. Dezidiert betont dabei auch Ernst1372, daß es entgegen der von H. Westermann begründeten Lehrmeinung nicht darauf ankomme, wie sich die Stellung des Statusabhängigen aus der Sicht des Erwerbers darstelle, sondern nur darauf, ob die Sache in die tatsächliche Gewalt des Statusabhängigen gegeben worden sei oder nicht. Nur in jenen Fällen, in denen die tatsächliche Gewalt des Prinzipals nicht beendet sei, weil der Sachumgang des Statusabhängigen innerhalb des vom Prinzipal beherrschten Gewahrsamsbereichs stattfinde, sei die Weggabe der Sa-
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Siehe dazu schon oben S 227 f. So MünchKomm/Joost, BGB4 § 855 Rz 23. Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 c (S 391); im Gefolge von H. Westermann betonen sowohl Joost (FN 1368) als auch Wieling, aaO, überdies, daß das Besitzdienerverhältnis nach außen nicht erkennbar sein dürfe. Ist dies der Fall, so scheitert ein redlicher Erwerb aber ohnedies schon an der Redlichkeit des Erwerbers; dies sieht schon Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 c (S 390 f); zutreffend auch Ernst, Eigenbesitz 37. Ernst, Eigenbesitz 32 ff; ablehnend aber Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 406); J. Wilhelm, Sachenrecht2 400 FN 1. Ernst, Eigenbesitz 35. Eigenbesitz 36 f.
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che durch den Besitzdiener nämlich als Abhandenkommen der Sache zu werten. Wie Ernst ist auch K. Schmidt1373 der Auffassung, daß die Besitzdienerregelung des § 855 BGB für die Frage des Abhandenkommens iSd § 935 Abs 1 BGB nichts aussage. Während Ernst dies aber damit begründet, daß der Rechtsfigur des Besitzdieners nur im Besitzschutzverfahren Bedeutung zukomme1374, stützt K. Schmidt sich auf die geschichtliche Herkunft des § 935 Abs 1 BGB; dieser beruhe nämlich auf Art 306 Abs 4 ADHGB1375. In der Folge nimmt K. Schmidt vor allem zum Abhandenkommen der Sache im Unternehmensbereich Stellung. Er kommt dabei zum Ergebnis, daß man nicht darauf abzustellen habe, ob der Angestellte als Besitzmittler oder als Besitzdiener zu qualifizieren sei, sondern ob ihm die Stellung eines „Obhutsgehilfen“ zukomme1376: Ein Abhandenkommen der Sache sei dann anzunehmen, wenn die Sache von einer Person veräußert werde, der sie in Obhut gegeben, also zurechenbar anvertraut worden sei. Als Beispiele nennt K. Schmidt untreue Angestellte im Lade-, Liefer- und Lagerbereich oder das Sekretariat hinsichtlich der Bürobestände. Fälle des Abhandenkommens seien hingegen Gelegenheitsdiebstähle solcher Personen, die man mit der Sachobhut nicht betraut habe, so etwa das Reinigungspersonal bezüglich der Büroeinrichtung. Näher definiert wird der Begriff des Obhutsgehilfen allerdings nicht. Versucht man diese Figur dennoch in gängige zivilrechtliche Kategorien zu übersetzen, so wird auch für die „Obhut“ primär maßgeblich sein, ob dem Angestellten Allein- oder nur Mitgewahrsame eingeräumt wurde. Wie die von K. Schmidt gewählten Beispiele indizieren, soll sein Lösungsvorschlag aber offenbar noch weiter reichen und es ermöglichen „mit der Zurechnung weit in das Unternehmen hineinzustoßen“1377. Für eine solche Sonderstellung des „Obhutsgehilfen“ fehlen aber nicht nur gesetzliche Anhaltspunkte, sondern auch überzeugende sachliche Gründe. Von der herrschenden Auffassung am stärksten entfernt sich schließlich Johannes Hager1378. Für ihn ist stets auf die Besitzverschaffungsmacht abzustellen; diese müsse dem wahren Berechtigten zurechenbar sein. Bei einem Besitzdiener sei dies zu bejahen, da der Besitzherr und 1373 1374 1375
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In Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 579 ff. Ernst, Eigenbesitz 33 f; siehe dazu noch unten im Text S 269 f. In Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 590 ff. Dagegen aber J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 875 FN 697. Zu Art 306 ADHGB schon oben S 223 f sowie unten S 299 ff. In Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 598. So K. Schmidt in Zimmermann/Knütel/Meincke, Privatrechtsdogmatik 598. Verkehrsschutz 250 f, 404 f. Ablehnend Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 406).
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Eigentümer auch dessen Besitzverschaffungsmacht in zurechenbarer Weise herbeigeführt habe. Wie stets käme es eben nur darauf an, daß der Veräußerer in der Lage sei, dem Erwerber die Sache zu übergeben oder durch einen Dritten aushändigen zu lassen. Weder die Eingliederung des Besitzdieners in eine Organisation noch ein weisungswidriges Verhalten im Einzelfall sei daher geeignet die Zurechnung zu unterbrechen1379. Ähnlich argumentiert auch Norbert Reich, der den Gedanken der Sphärentheorie für maßgeblich hält1380: Bediene sich der Eigentümer eines Besitzdieners, so müsse er sich dessen Verhalten, da in seiner Sphäre liegend und von ihm beherrschbar, voll zurechnen lassen1381. Ein solcher Rückzug auf die Formel von der „Besitzverschaffungsmacht“ oder die „Sphärentheorie“ vermag mE aber nicht zu befriedigen und geht auch in der Sache zu weit. Der eigentlich maßgebliche und schon von Ernst zu Recht betonte Wertungsgesichtspunkt wird dabei nämlich allzu sehr in den Hintergrund gedrängt: Ein redlicher Erwerb findet nur dann statt, wenn der Eigentümer die Sache ganz in den Gewahrsam eines anderen gegeben hat. b) Österreich Auch in Österreich wird zuweilen betont, daß die Überlassung einer Sache an einen in der Organisation des Geschäftsherren tätigen Besitzdiener nicht als Anvertrauen iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB anzusehen sei, weshalb ein redlicher Erwerb ausscheide1382. Für das österreichische Recht ist allerdings schon der Ausgangspunkt der Problemstellung zweifelhaft. Zwar wird auch in Österreich dem Besitzmittler als selbständiger Hilfsperson häufig der sozial abhängige Besitzdiener gegenübergestellt1383, es ist aber fraglich, ob der Kategorie des Besitzdieners im heimischen Recht überhaupt rechtliche Bedeutung zukommt. In Deutschland wird unter Besitz iSd § 854 BGB nämlich die bloße Innehabung verstanden, ohne daß es auf einen Besitzwillen („animus rem sibi habendi“) ankäme1384.
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Hager, Verkehrsschutz 405. Zur „Sphärentheorie“ siehe AlternativKomm/Reich, BGB § 929 Rz 7, 15: Nach der Sphärentheorie sei maßgeblich, daß der Besitz vollständig aus der Veräußerersphäre ausscheide und in die Erwerbersphäre einmünde. Damit wird die Parallele zur Hagers These von der Besitzverschaffungsmacht deutlich. In AlternativKomm, BGB § 935 Rz 3. So Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Binder, Sachenrecht Rz 6/30; vgl auch Randa, Eigentumsrecht2 I 348 f; Ehrenzweig, System2 I/2, 188; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56. Siehe etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 229 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 309 Rz 2; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 309 Rz 3. Ausführlicher zum deutschen Besitzbegriff oben S 162 f.
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Da nun aber jedem Besitzer iSd § 854 BGB nach Maßgabe der §§ 861 ff BGB Besitzschutz gewährt wird, kommt der Rechtsfigur des Besitzdieners eine wesentliche Funktion zu: Verhindert werden nämlich Besitzschutzansprüche des Besitzdieners gegenüber seinem Besitzherren1385. In Österreich ist eine solche Einschränkung des Besitzschutzes hingegen nicht erforderlich, da nach § 339 ABGB ohnedies nur ein Besitzer iSd § 309 Satz 2 ABGB – also jener Inhaber, der den Willen hat, die Sache „als die seinige zu behalten“ – in seinem Besitz geschützt wird1386. Die Rechtsfigur des Besitzdieners ist in Österreich deshalb überflüssig1387. Die historisch überkommenen und rechtsvergleichend bestätigten Bedenken gegen einen redlichen Erwerb von einem Besitzdiener haben freilich einen richtigen Kern: Hausgenossen, Ladenangestellten oder anderen sozial abhängigen Personen wird vom wahren Berechtigten nämlich häufig oder sogar typischerweise keine Alleingewahrsame an der Sache eingeräumt, weshalb ein redlicher Erwerb schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Zu Recht wird der Ausschluß eines Gutglaubenserwerbs an „abgetragenen Sachen“ daher bereits für das alte deutsche Recht damit begründet, daß der wahre Berechtigte die Sache durch die Hingabe an einen Dienstboten oder ein Familienmitglied noch nicht aus seiner Gewere gelassen habe, da sich die Gewere des Hausherren über Haus und Hof und alles was zum Haus gehöre, erstrecke1388. Dementsprechend betont auch Randa1389, daß bei einer unbefugten Veräußerung durch das Gesinde oder Hausgenossen, ein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB deshalb ausscheide, weil der Hausherr nicht aufgehört habe, Besitzer derjenigen Gegenstände zu sein, zu denen das Gesinde oder die Hausgenossen freien Zutritt hätten. Soweit der Ausschluß eines redlichen Erwerbs von einem Besitzdiener berechtigt ist, läßt er sich somit darauf zurückführen, daß ein Gutglaubenserwerb nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB stets scheitert, wenn es an einer Übertragung der ausschließlichen Gewahrsame an den unberechtigt Verfügenden fehlt. Zumindest nach österreichischem Recht läßt sich die vermeintliche Sonderstellung des Besitzdieners beim gutgläubigen Er1385
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Siehe dazu besonders Ernst, Eigenbesitz, 20 f, 25 ff, 33 f, der die Bedeutung des § 855 BGB deshalb auf den Besitzschutz beschränken will. Gegen die Konzeption von Ernst aber J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 400 FN 1; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 12 II 4 (S 89 f), § 49 I 6 (S 406). Neben Sachbesitzern genießen dabei selbstverständlich auch Rechtsbesitzer – wie etwa Mieter oder Pächter – Besitzschutz, da sie in eigenem Namen ein mit der Sachinnehabung verbundenes Recht ausüben; bloße Inhaber sind im Unterschied zum deutschen Recht hingegen nicht geschützt. Siehe dazu nur Kodek, Besitzstörung 93 ff mwN. Dies betont schon Iro, Besitzerwerb 76 ff. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 442; Meyer, Entwerung 62 mwN. Eigentumsrecht2 I 348 f.
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werb somit im allgemeinen Gefahrenbeherrschungsgedanken auflösen: Soweit der wahre Berechtigte einem anderen keine Alleingewahrsame an der Sache eingeräumt hat, hat er das Risiko eines Rechtsverlustes nicht freiwillig übernommen und darf durch einen redlichen Erwerb auch nicht belastet werden. Ganz in diesem Sinne und völlig präzise formuliert schon Iro1390: „Die Überlassung der Sache an einen Besitzdiener, der mit ihr in der Machtsphäre und unter Aufsicht des Eigentümers in einer bestimmten Weise verfahren soll, stellt kein Anvertrauen dar“. Wie auch sonst, reicht die Überlassung von Mitgewahrsame als Zurechnungsvoraussetzung redlichen Erwerbs eben nicht aus. Wurde dem Statusabhängigen hingegen Alleingewahrsame eingeräumt, so ist an einer Zurechnung nicht zu zweifeln. Die Frage der „sozialen Abhängigkeit“ kann dann allerdings noch für die Frage der Redlichkeit bedeutsam werden, nämlich in jenen Fällen, in denen das Abhängigkeitsverhältnis nach außen erkennbar ist und deshalb gerade im Hinblick auf die zu veräußernde Sache Verdacht erregen muß1391; so etwa bei einem Handlungsreisenden, der seinen Musterkoffer abzustoßen sucht. 6. Zurechnungsfähigkeit Die Qualifikation des Anvertrauens als Realakt würde es nahelegen, hinsichtlich der freiwilligen Weitergabe der Sache auf den natürlichen Willen des Berechtigten abzustellen. Dementsprechend wird auch in Deutschland betont, daß der erforderliche Wille zur Aufgabe des Besitzes iSd § 854 BGB, also zur Übertragung der Gewahrsame, rein tatsächlicher, nicht aber rechtsgeschäftlicher Natur sei1392. Auf dieser Basis gedeiht ein buntes Meinungsbild: Vom dargelegten Standpunkt aus völlig konsequent, wird vielfach vertreten, daß sowohl beim beschränkt Geschäftsfähigen als auch beim Geschäftsunfähigen entscheidend auf die natürliche Willensfähigkeit abzustellen sei, weshalb man je nach Konstellation ein Abhandenkommen der Sache zu bejahen oder zu verneinen habe1393. Nach überwiegender Auffassung wird ein Abhandenkommen der Sache iSd § 935 Abs 1 BGB hingegen zumindest dann 1390 1391 1392
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Sachenrecht2 Rz 6/56. Vgl dazu schon oben, insb FN 1369. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 3 (S 402); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 388); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 9; Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 6; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 3; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 4; Weber, JuS 1999, 8; Musielak, JuS 1992, 722; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 580. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 42; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 3 a (S 388); Jauernig/Jauernig, BGB11 § 935 Rz 4; Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 433; Weber, JuS 1999, 8 mit FN 130; siehe auch Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I
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angenommen, wenn die Sache von einem Geschäftsunfähigen weggegeben wurde1394. Diesem fehle nämlich die natürliche Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der Bedeutung der Besitzaufgabe. Dies ist im übrigen jene Grenzlinie, die schon in den Motiven zum BGB gezogen wird1395: Das Aufgeben der Innehabung durch einen Geschäftsunfähigen sei Verlust ohne Willen, die Weggabe durch einen beschränkt Geschäftsfähigen könne dem aber nicht gleichgesetzt werden, weil der willentliche Verlust der Innehabung trotz der obwaltenden rechtsgeschäftlichen Mängel in diesem Fall nicht als Verlust ohne Willen erscheine. In der Lehre ist die Weggabe der Sache durch einen beschränkt Geschäftsfähigen hingegen heftig umstritten. Während die einen ein Abhandenkommen der Sache stets bejahen1396, wird es von anderen grundsätzlich verneint1397. Eine dritte Auffassung will wiederum auf die Urteilsfähigkeit im Einzelfall abstellen1398. Obgleich Wiegand1399 hervorhebt, daß die Betonung des natürlichen Willens die eigentliche Wertungsfrage nur verdecke – nämlich die Problematik, ob die Regeln über den redlichen Erwerb sich zu Lasten des Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen auswirken dürfen – tritt auch er für den Fall der beschränkten Geschäftsfähigkeit für eine Differenzierung im Einzelfall ein. Nach Wiegand ist dies damit zu
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3 (S 402 f); Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 42; Brehm/Berger, Sachenrecht § 27 Rz 82; Musielak, JuS 1992, 722. Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 2; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 10; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 9; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 5; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 4; RGRK/Pikart, BGB12 § 935 Rz 14; AlternativKomm/Reich, BGB § 935 Rz 2; Fuld, AcP 89 (1899) 406; Schmitz, JuS 1975, 719 mit FN 22; ebenso noch H. Westermann, Sachenrecht5 § 49 I 3 (S 237) sowie im Ergebnis Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 6. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 348 f = Mugdan, Materialien III 194. Siehe Flume, Rechtsgeschäft4 § 13, 11 d (S 215 f); Canaris, NJW 1964, 1988 FN 12; derselbe, Vertrauenshaftung 452 f mit FN 4; Nitschke, JuS 1968, 543; Hager, Verkehrsschutz 394; MünchKomm/Gitter, BGB3 Vor § 104 Rz 61 ff, 64; Kindl, Rechtsscheintatbestände 349 f; Peters, Entzug des Eigentums 138, wobei dieses Ergebnis mit einer analogen Anwendung der §§ 104 ff BGB begründet wird; siehe dazu noch unten im Text. Ebenso im Ergebnis schon Wellspacher, Vertrauen 20. RGRK-BGB/Pikart, BGB12 § 935 Rz 14; AlternativKomm/Reich, BGB § 935 Rz 2; Soergel/Mühl, BGB12 § 935 Rz 2; H. Westermann, Sachenrecht5 § 49 I 3 (S 237). Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 2; MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 9; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 10; Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 6; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 5; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 4; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 42; siehe auch die oben in FN 1393 Genannten, die schon im Fall der Geschäftsunfähigkeit stets auf die Urteilsfähigkeit im Einzelfall abstellen wollen. In Staudinger, BGB (2004) § 935 Rz 10.
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begründen, daß bei der Besitzaufgabe durch ein 7-jähriges Kind größere Zweifel an dessen Einsichtsfähigkeit angebracht seien, als bei einem 16jährigen Jugendlichen. Der Erwerber könne daher in einem solchen Fall auf den vom Besitz ausstrahlenden Rechtsschein nur begrenzt vertrauen. Damit erscheine der Erwerber auch in einem geringeren Maße schutzwürdig als der beschränkt Geschäftsfähige. Eine solche Differenzierung „je nach dem erzeugten Rechtsschein und der Offensichtlichkeit der mangelnden Urteilsfähigkeit“ vermag allerdings nicht zu überzeugen: Zum einen ist dem Erwerber, der auf das Eigentum des Veräußerers vertraut, regelmäßig nicht erkennbar, von wem und unter welchen Umständen der Verfügende die Sache seinerseits erhalten hat und er braucht sich darum grundsätzlich auch nicht zu kümmern. Vor allem aber geht es bei der Frage der ausreichenden Zurechnungsfähigkeit allein um ein Problem der Zurechnung, zu dessen Lösung Rechtsscheinerwägungen aber nichts beizutragen vermögen1400. Ebenso wie in Deutschland wird schließlich auch in der Schweiz betont, daß das Anvertrauen der Sache iSd § 933 ZGB keine rechtsgeschäftliche Erklärung sei, weshalb bloß „rudimentäre, auf das Geben und Nehmen bezogene Urteilsfähigkeit“ vorauszusetzen sei1401. Dementsprechend könne ein Urteilsunfähiger die Sache dem Gewährsmann nicht anvertrauen und die Sache sei nach § 934 ZGB abhanden gekommen1402. Folgt man der Auffassung vom Primat des „natürlichen Willens“, so wäre für das österreichische Recht lediglich eine Beachtung des § 310 ABGB zu erwägen. Nach dieser Vorschrift können Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahren, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, den Besitz an einer Sache nicht selbständig, sondern nur durch ihren gesetzlichen Vertreter erwerben. Auf Grund des Willenselementes ist deshalb auch für eine Dereliktion (§ 349 ABGB) als contrarius actus der Besitzergreifung die Geschäftsfähigkeit iSd § 310 ABGB erforderlich1403. Da für ein Anvertrauen der Sache iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB aber nicht einmal die Übertragung des Besitzes, sondern lediglich die Verschaffung der Gewahrsame an der Sache erforderlich ist und der Übergabe auch keine wirksame rechtsgeschäftliche Vereinbarung zugrunde liegen muß, wäre selbst die Notwendigkeit dieser Minimalanforderungen aber zweifelhaft. 1400 1401
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Vgl dazu schon oben S 266 f mit FN 1366. So Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 429 f, 478; zustimmend Rey, Sachenrecht I2 Rz 1782. Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 478; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 15; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 28. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 2/49; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 243; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 349 Rz 3; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 349 Rz 3.
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
Wie schon eingangs betont wurde, wird bei einer solchen, allein auf den natürlichen Willen abstellenden Sichtweise allerdings zu wenig berücksichtigt, daß es bei der Differenzierung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen um ein Problem der Zurechnung geht, also eine Wertentscheidung erforderlich ist, die nur nach normativen Kriterien getroffen werden kann. Faßt man die Frage des redlichen Erwerbs als Problem der Schadensverteilung auf, so läge es deshalb nahe, hinsichtlich der erforderlichen Zurechnungsfähigkeit die Regeln über die Deliktsfähigkeit analog anzuwenden, wie dies in Deutschland vor allem H. Hübner1404 erwogen hat. Nach österreichischem Recht wäre daher gemäß § 153 ABGB prinzipiell die Vollendung des 14. Lebensjahres erforderlich. Eine solche Lösung erscheint allerdings nicht nur recht schematisch, sondern ist auch in der Sache nicht passend1405. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß es beim redlichen Erwerb um die Zuweisung spezifischer Risiken rechtsgeschäftlichen Verkehrs geht1406. Für den rechtsgeschäftlichen Bereich bestehen nun aber eigene und gerade auch im Hinblick auf die Gefahr privatautonom übernommener Rechtsnachteile fein differenzierte Vorschriften, nämlich jene über die Geschäftsfähigkeit. Auch ist der Schutz nicht voll Geschäftsfähiger eine derart fundamentale Grundwertung unserer Rechtsordnung (vgl § 21 Abs 1 ABGB), daß sie allgemeine Geltung beanspruchen darf. Wie Reischauer1407 ausführlich und überzeugend begründet hat, sind die Normen über die Geschäftsfähigkeit deshalb auch im Bereich des redlichen Fahrniserwerbs analog anzuwenden. Sowohl für die Frage des Anvertrauens nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB als auch für die spiegelbildliche Problematik des Abhandenkommens nach § 366 Abs 4 Satz 1 HGB ist daher auf die Geschäftsfähigkeit des wahren Berechtigten abzustellen1408. Eine Zurechnung findet daher nur nach Maßgabe des § 865 ABGB statt, wobei insbesondere auch § 151 Abs 2 ABGB zu berücksichtigen ist. 7. Exkurs: Unterschiedliche Beweislast? Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß die Differenzierung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen nicht nur auf 1404 1405 1406
1407 1408
Rechtsverlust 115. Ebenso Reischauer, JBl 1973, 597. Dies betonen zu Recht auch Flume, Rechtsgeschäft4 § 13, 11 d (S 215 f), Canaris, Vertrauenshaftung 452 f mit FN 4, und Hager, Verkehrsschutz 394, die deshalb für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff BGB) plädieren. Für weitere Nachweise siehe oben FN 1396. JBl 1973, 597 f. Reischauer, JBl 1973, 597; zustimmend Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 9; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298.
Anvertraute und abhanden gekommene Sachen
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einem gemeinsamen Grundprinzip beruht, sondern auch die Lösung der einzelnen Zurechnungsfragen trotz der unterschiedlichen gesetzestechnischen Formulierung einheitlich zu erfolgen hat. Ein verbleibender Unterschied wird von manchen allerdings im Hinblick auf die Beweislast behauptet: Während der Eigentümer zu beweisen habe, daß ihm die Sache iSd § 935 Abs 1 BGB abhanden gekommen sei, müsse im Fall des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB der redliche Erwerber nachweisen, daß er die Sache vom Vertrauensmann des Eigentümers erworben habe1409. Die Beweislast wäre demnach genau umgekehrt. Im Hinblick auf § 935 Abs 1 BGB ist diesen Ausführungen zur Beweislastverteilung sicherlich beizupflichten. Diese Vorschrift normiert die Zurechnung der Rechtsscheinposition nämlich in Form eines Ausnahmetatbestandes; gleiches gilt für § 366 Abs 4 Satz 1 HGB. Für den Umstand, daß eine Sache abhanden gekommen ist, ist demnach der Eigentümer beweispflichtig1410. Dieses Ergebnis entspricht schon der historischen Herkunft der Unterscheidung zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und abhanden gekommenen Sachen. Im alten deutschen Recht war der Verlust der Gewere nämlich eine klagsbegründende Tatsache1411. Vor allem aber folgt diese Beweislastverteilung der allgemeinen Regel, wonach jede Prozeßpartei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat1412: Das Vertrauen des Erwerbers findet seine Grundlage aber im Besitz des Verfügenden. Nur dieser stellt unter Bedachtnahme auf die sonstigen objektiven Umstände des Erwerbes daher die maßgebliche Rechtsscheingrundlage dar. Von Nachforschungen über das frühere rechtliche und tatsächliche Schicksal der Sache soll der Erwerber durch das Institut des redlichen Mobiliarerwerbs hingegen prinzipiell entlastet werden. Allein den Eigentümer mit dem Beweis des Abhandenkommens zu belasten, erscheint auch dann sachgerecht, wenn man bei der Verteilung der Beweislast dem Sphärengedanken Bedeutung beimißt1413. Während es sich der Einsicht des 1409
1410
1411 1412
1413
Siehe Stillschweig, Schutz des redlichen Erwerbers 71; ebenso schon O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 563. MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 25; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 28; Erman/Michalski, BGB11 § 935 Rz 11; Palandt/Bassenge, BGB64 § 935 Rz 12; Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 935 Rz 1. O. Gierke, Deutsches Privatrecht II 563. Siehe dazu Rosenberg, Beweislast5 98 ff; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht6 Rz 585; Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 882; Klicka, Beweislastverteilung 8 ff. Vgl Prölss, VersR 1964, 901 ff, insb 903; wobei die von Prölss für das Schadenersatzrecht hervorgehobenen Kriterien (Verhinderung eines Beweisnotstandes, Förderung der Aufklärungsbemühungen, Zurechnung der Uneinsichtigkeit der eigenen Gefahrensphäre) durchaus auch im gegebenen Zusammenhang bedeutsam erscheinen; zum Meinungsstand Baumgärtel, Beweislastpraxis Rz 163; kritisch Klicka, Beweislastverteilung 65 ff. Gegen Prölss auch Reischauer, Ent-
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Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip
Erwerbers regelmäßig entzieht, auf welche Weise die Sache an den Verfügenden gelangt ist und jede Kenntnis dieser Umstände zum Zeitpunkt des Erwerbes einen Gutglaubensschutz von vornherein ausschließen würde, hat der Eigentümer alle Mittel an der Hand aufzuklären, ob er die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat oder nicht. Gerade bei Verlust oder Diebstahl der Sache ist es für ihn zudem ein leichtes durch eine polizeiliche Anzeige für Klarheit zu sorgen. Nach dem Wortlaut des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB erscheint die Beweislast hingegen verschoben. Diese Bestimmung regelt den gutgläubigen Erwerb nämlich als Ausnahme zum Vindikationstatbestand des § 366 ABGB und ordnet deshalb ausdrücklich an, daß der Besitzer beweisen müsse, daß er die Sache von jemandem an sich gebracht habe, dem sie der Kläger selbst anvertraut habe. Auch in diesem Fall sollte freilich der Wortlaut der Bestimmung nicht überbewertet werden, zumal dies zu ganz sachwidrigen Ergebnissen führen würde, die in der Praxis des gerichtlichen Verfahrens doch wieder korrigiert werden müßten. Entscheidend ist vielmehr auch hier das vom Gesetz zugrunde gelegte Rechtsscheinkonzept. Nach diesem gehört das „Anvertrauen der Sache“ aber offenkundig nicht zum Rechtsscheintatbestand. Die Kenntnis des Erwerbers, es lediglich mit einem Vertrauensmann des wahren Berechtigten zu tun zu haben, würde seine Redlichkeit und damit einen gutgläubigen Erwerb ja von vornherein ausschließen. Wie beim „Abhandenkommen“ der Sache geht es also auch bei ihrem „Anvertrauen“ um eine Begrenzung des redlichen Erwerbs durch das Zurechnungsprinzip. Schon nach den allgemeinen Beweislastregeln obliegt deshalb auch die Beweislast für das mangelnde Anvertrauen dem wahren Berechtigten; vom redlichen Erwerber wird man daher auch hier nicht mehr verlangen dürfen, als eine Auskunft darüber, vom wem er die Sache erworben hat. Dieses Ergebnis entspricht überdies dem „Sphärengedanken“, wonach dem Erwerber nicht unerbringbare Beweise auferlegt werden dürfen1414. Nur die vorgeschlagene Interpretation verhindert schließlich ganz unerklärliche und gravierende Wertungswidersprüche zwischen § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB und § 366 Abs 4 Satz 1 HGB.
1414
lastungsbeweis 87 ff und Welser, Schadenersatz 68 f, 96 (beide im Hinblick auf § 1298 ABGB). Vgl Stürner, NJW 1979, 2337: „Das faire rechtsstaatliche Verfahren verbietet übertriebene und unerfüllbare Anforderungen an Beweisführung und Beweismaß“; ausführlich derselbe, Aufklärungspflichten; vgl dazu auch Medicus, F. Baur-FS (1981) 75 sowie Klicka, Beweislastverteilung 67 ff.
§ 6 Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
I. Anwendungsfälle und Interessenlage Im „gesetzlichen Normalfall“, dem als Basiswertung1415 anzusehenden redlichen Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB (§§ 932 ff iVm § 935 Abs 1 BGB; Art 933 ZGB), läßt das Gesetz den Besitz des Veräußerers als Rechtsscheingrundlage ausreichen. Dem Besitz als Rechtsscheinposition grundsätzlich gleichzustellen, ist die Möglichkeit des Verfügenden, dem redlichen Erwerber den Besitz an der Sache zu verschaffen1416. Die Schwäche des Rechtsscheintatbestandes und die Evidenz der Interessenbindung des Verfügenden1417 rechtfertigen dabei nur einen Schutz des guten Glaubens an das Eigentum des Veräußerers1418. Entsprechend dem Hand-wahre-Hand-Prinzip wird dem Interesse des Eigentümers überdies dadurch Rechnung getragen, daß ihm ein Rechtsverlust nur in jenen Fällen droht, in denen er den Rechtsscheintatbestand in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat, weil er die Sache willentlich aus der Hand gegeben hat1419. An abhanden gekommenen Sachen ist ein gutgläubiger Erwerb somit ausgeschlossen (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB; § 935 Abs 1 BGB) oder zumindest an das Verstreichen einer fünfjährigen Verwirkungsfrist ab Abhandenkommen der Sache geknüpft (Art 934 Abs 1 ZGB)1420. Das Gesetz begnügt sich freilich nicht stets mit dem Vorliegen des Besitzes oder der Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheingrundlage, sondern fordert – wo dies in typisierter Weise möglich ist – einen verstärkten Rechtsscheintatbestand, so beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB; Art 934 Abs 2 ZGB), vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1415 1416 1417 1418 1419 1420
Siehe oben S 67 f. Dazu ausführlich oben S 179 ff und S 195 f. So zutreffend GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 1. Siehe oben S 202 ff. Dazu oben S 226 ff. Weitere rechtsvergleichende Hinweise zur weit verbreiteten Differenzierung zwischen anvertrauten und abhanden gekommenen Sachen oben S 18 f.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
1 Fall 2 ABGB) oder vom Kaufmann (§ 366 HGB; § 366 dHGB; Art 934 Abs 2 ZGB). Schließlich ist auch beim Wechsel und Scheck sowie bei den kaufmännischen Orderpapieren nicht nur der Besitz an diesen Papieren erforderliche Rechtsscheingrundlage, sondern es ist überdies das Vorliegen einer geschlossenen Indossamentenkette erforderlich (Art 16 Abs 2 WG, Art 1006 Abs 2 OR; Art 21 SchG, Art 1112 OR; § 365 Abs 1 HGB sowie § 365 Abs 1 dHGB). Augenscheinlich bestehen in all diesen Fällen besondere – gegenüber dem Normalfall redlichen Erwerbs (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB) – gesteigerte Verkehrsinteressen, die auf den Bedürfnissen des Handels beruhen, nach einer problemlosen, zügigen und damit wirtschaftlich möglichst erfolgreichen Durchführung von öffentlichen Versteigerungen verlangen oder aus der besonderen Umlauf- und Verkehrsfreudigkeit von Wertpapieren resultieren. Diese erhöhten Verkehrsinteressen und das durch das Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes in gesteigertem Maß erweckte Vertrauen rechtfertigt eine besondere Privilegierung des redlichen Erwerbs, wobei erhöhte Anforderungen an den Rechtsscheintatbestand mit geringeren Ansprüchen an die sonstigen Erwerbsvoraussetzungen korrespondieren. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes geht das Gesetz freilich durchaus unterschiedliche Wege: Während das österreichische und deutsche Recht den redlichen Erwerb in öffentlicher Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB), das österreichische Recht jenen vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) sowie Österreich, Deutschland und die Schweiz den gutgläubigen Erwerb von Orderpapieren (Art 16 Abs 2 WG, Art 1006 Abs 2 OR; Art 21 SchG, Art 1112 OR; § 365 Abs 1 HGB und dHGB)1421 sowie Inhaberpapieren und Geld (§ 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB; Art 935 ZGB) als Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips konzipieren, also auf die Zurechnung des Rechtsscheins verzichten, wird der Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB und § 366 dHGB nur relativ milde privilegiert: Geschützt wird auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, zudem schadet dem redlichen Erwerber nur grobe Fahrlässigkeit, was 1421
Die Vorschriften über den redlichen Erwerb von Wechsel und Scheck gelten dabei selbstverständlich nicht nur in den hier genannten Ländern, sondern in den meisten europäischen Rechtsordnungen. Infolge der auf der Genfer Wechselrechtskonferenz 1930 und der Genfer Scheckrechtskonferenz 1931 erarbeiteten Abkommen (Abkommen über das einheitliche Wechselgesetz, Abkommen über das einheitliche Scheckgesetz) konnte im Bereich des Wechsel- und Scheckrechtes nämlich eine weitgehende gemeineuropäische Rechtsvereinheitlichung (mit Ausnahme insb von Großbritannien) erzielt werden. Dazu und zum Anwendungsbereich der genannten Abkommen Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz22, WG, Einleitung, Rz 4, Anh 7 sowie SchG, Einleitung, Rz 3, Anh 2.
Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips
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freilich nur in Österreich bedeutsam ist, in Deutschland hingegen der allgemeinen Regel des § 932 Abs 2 BGB entspricht. Einen hier nicht weiter zu verfolgenden Sonderweg schlägt wiederum das Schweizer Recht ein, das in den Fällen der öffentlichen Versteigerung und beim Erwerb vom Kaufmann oder auf dem Markt zwar grundsätzlich an der fünfjährigen Verwirkungsfrist festhält, in Art 934 Abs 2 ZGB aber ein besonderes Lösungsrecht vorsieht, so daß der Eigentümer dem redlichen Erwerber die Sache nur gegen Erstattung des Kaufpreises abverlangen kann1422. Wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Konzeption empfiehlt es sich im Folgenden, die Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips – mit Ausnahme des redlichen Erwerbs an Wertpapieren, der bereits behandelt wurde1423 – und den handelsrechtlichen Erwerb vom Kaufmann getrennt zu untersuchen.
II. Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips A. Grundlagen 1. Sachliche Rechtfertigung Durch den völligen Verzicht auf jegliches Zurechnungserfordernis seitens des Eigentümers ermöglicht die Ausgestaltung des redlichen Erwerbs in Form des reinen Rechtsscheinprinzips einen Gutglaubenserwerb auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen. Dies stellt für den Eigentümer eine besondere Härte dar, da auf den Aspekt der Gefahrenbeherrschung keinerlei Rücksicht genommen wird: Weder kann er dem Risiko des Rechtsverlustes durch die sorgfältige Auswahl seines Gewährsmannes gegensteuern, noch ist sichergestellt, daß er – hat er sein Eigentumsrecht verloren – wenigstens den ihm unbekannten, nicht verfügungsberechtigten Veräußerer als Anspruchsgegner seiner schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche ausfindig machen kann1424. Dies gilt insbesondere bei gestohlenen Sachen, sind Diebe doch meist nicht auffindbar. Im Vergleich zur Basiswertung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, dem Erwerb vom Vertrauensmann, der seinem verbliebenen Anwendungsbereich nach den redlichen Erwerb von Privatpersonen erfaßt1425, lassen 1422
1423 1424 1425
Zum Schweizer Recht schon oben S 36; allgemein zum Lösungsrecht oben S 20 ff. Siehe oben S 155 ff. Ausführlich dazu oben S 246 ff. Vgl bereits oben S 147.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
sich die Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips (§ 367 Satz 1 Fall 1 und 2 sowie § 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; Art 16 Abs 2 WG; Art 21 SchG; § 365 Abs 1 HGB)1426 – wie bereits hervorgehoben wurde – in erster Linie mit den gesteigerten Verkehrsinteressen und dem erhöhten Vertrauensschutz rechtfertigen: So kann insbesondere im Recht der Umlaufpapiere (Wechsel, Scheck, Inhaberpapiere) und bei Geld eine entsprechende Verkehrsfähigkeit unbestrittenermaßen nur dadurch erreicht werden, daß ein Abhandenkommen der Sache einen Gutglaubenserwerb nicht hindert, weshalb auch scharfe Kritiker redlichen Erwerbs an diesen Fällen wenig auszusetzen haben1427. Darüber hinaus sind noch weitere Wertungsgesichtspunkte in die Betrachtung miteinzubeziehen: So kann beim Erwerb von Geld und Wertpapieren für die gesetzliche Abwägung ins Treffen geführt werden, daß auch der Eigentümer in diesen Fällen nur ein abstraktes Wertinteresse, nicht aber ein spezifisches Sachinteresse hat, da die Identität des konkreten Geldstücks oder Papiers für ihn regelmäßig völlig bedeutungslos ist1428. Auch ist zu berücksichtigen, daß gestohlene oder sonst abhanden gekommene Wertpapiere außer Kraft gesetzt werden können, dem Eigentümer somit erweiterte Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen1429. In den Fällen des Erwerbs in öffentlicher Versteigerung und vom befugten Gewerbsmann spielt zudem der Gedanke der staatlichen Autorität eine Rolle, der uns erstmals in der römisch-rechtlichen Konstitution des Kaisers Zeno, der einen redlichen Erwerb vom Fiskus ermöglichte, begegnet ist1430 und hier in Gestalt der erforderlichen Gewerbebefugnis sowie der ordnungsgemäßen Einhaltung des Versteigerungsverfahrens wiederkehrt. All diese Gründe vermögen bestehende Zweifel hinsichtlich der den Eigentümer in einem sehr hohen Ausmaß belastenden Konzeption des reinen Rechtsscheinprinzips dennoch nicht völlig auszuräumen. Im Hinblick auf das Erfordernis der zweiseitigen Rechtfertigung bleiben die Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips in gewisser Weise bedenklich1431: Nach diesem Grundsatz bedürfen privatrechtliche Normen nämlich nicht nur der Begründung, warum einem Normadressat eine günstige, einem anderen aber eine nachteilige Rechtsfolge zugeordnet wird, son1426
1427
1428
1429
1430 1431
In Deutschland siehe § 935 Abs 2 BGB; Art 16 Abs 2 WG; Art 21 SchG; § 365 Abs 1 dHGB, in der Schweiz Art 1006 Abs 2 OR; Art 1112 OR sowie Art 935 ZGB. Siehe etwa – im Hinblick auf Geld, aber auch Inhaberpapiere – Peters, Entzug des Eigentums 30, 77 f, 82, 84 f, 124; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 232. Diese „Uninteressiertheit am Einzelstück“ hebt schon Heinrich Lange, Ware und Geld2 16 f, hervor; siehe weiters Peters, Entzug des Eigentums 30, 77, 82, 124; vgl auch H. Hübner, Rechtsverlust 147 ff. Siehe dazu Roth, Wertpapierrecht2 13 f; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere12 § 1 I 5 a (S 5 f), § 16 (S 160 ff). Dazu oben S 76. Dies betont besonders F. Bydlinski, AcP 204 (2004) 357 ff.
Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips
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dern auch warum dies gerade im Verhältnis dieser beiden zueinander erfolgt1432. Anders als in den Fällen der reinen Rechtsscheinhaftung werden diese Bedenken beim redlichen Erwerb aber immerhin durch die gegenstandsbezogene Begrenzung des Rechtsverlustes sowie die Möglichkeit wenigstens abstrakter Gefahrenbeherrschung durch Diebstahlssicherung unter Einschluß der Versicherungsmöglichkeit gemildert1433. 2. Konsequenzen Verzichtet das Gesetz auf eine Begrenzung des Verkehrsschutzes durch das Zurechnungsprinzip, so hat dies für die Auslegung der betreffenden Erwerbstatbestände vor allem zwei Konsequenzen: Zum einen ist zu beachten, daß eine solche Förderung der Verkehrsinteressen vom Gesetz daran geknüpft wird, daß ein über den bloßen Besitz hinausgehender Rechtsscheintatbestand vorliegt; erst dadurch erscheint ein erhöhter Vertrauensschutz gerechtfertigt. Nur ein Zusammentreffen von gesteigerten Verkehrsbedürfnissen und erhöhtem Vertrauensschutz vermag somit die Eigentümerinteressen derart weitgehend in den Hintergrund zu drängen. Daraus folgt aber auch, daß an die Prüfung des Rechtsscheintatbestandes besonders strenge Anforderungen zu stellen sind: Nur dann, wenn der verstärkte Rechtsscheintatbestand tatsächlich vorliegt, kommt eine solche Privilegierung des redlichen Erwerbs in Betracht. Mängel der Rechtsscheingrundlage können durch den guten Glauben des Erwerbers deshalb nicht überspielt werden. Dies gilt sowohl für den Fall der öffentlichen Versteigerung als auch für den Erwerb vom befugten Gewerbsmann1434. Zum anderen zeigt der Verzicht auf eine Begrenzung des Verkehrsschutzes durch das Zurechnungserfordernis, daß das Gesetz auf den Aspekt der Gefahrenbeherrschung keinen Bedacht nimmt: Die Stellung des Eigentümers zur Sache spielt deshalb ebensowenig eine Rolle wie die Art seines Sachverlustes. Alle Bedenken, die gegen die Zulässigkeit eines „heimlichen Gutglaubenserwerbs“ ins Treffen geführt werden können, kommen daher nicht zum Tragen. Dies spricht dafür, in den Fällen des reinen Rechtsscheinprinzips alle Übereignungsformen ein1432
1433 1434
Siehe F. Bydlinski, System und Prinzipien 92 ff; derselbe, Fundamentale Rechtsgrundsätze 307 ff, 309 f; derselbe, AcP 204 (2004) 341 ff, 357 ff; vgl bereits oben S 231 f. Dazu bereits oben S 159. Siehe die Nachweise unten S 287 f mit FN 1470 und S 296 f mit FN 1529. Beim Erwerb von einem Kaufmann gemäß § 366 HGB ist möglicherweise anders zu entscheiden und auch das Vertrauen in einen Scheinkaufmann zu schützen, da dort eine ausreichende Wahrung der Eigentümerinteressen schon durch das Erfordernis der Zurechnung gewährleistet sein könnte. Dazu näher unten S 318 ff.
282
Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
schließlich der Übergabssurrogate für einen redlichen Erwerb ausreichen zu lassen1435. Eine solche Sichtweise würde überdies den erhöhten Verkehrsschutzbedürfnissen Rechnung tragen, da diesen eine möglichst weitgehende Gleichstellung von derivativem und originär-redlichem Erwerb selbstverständlich entgegenkommt. B. Erwerb in öffentlicher Versteigerung Ebenso wie schon der Codex Theresianus (II Kap 8 Nr 42)1436 und das ALR (I 15 § 42)1437 enthält auch § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB eine besondere Regelung für den redlichen Erwerb beweglicher Sachen „in einer öffentlichen Versteigerung“1438. Das Gesetz verwirklicht dabei das reine Rechtsscheinprinzip, so daß es auf Zurechnungsvoraussetzungen von Seiten des Eigentümers nicht ankommt. Dementsprechend stellt § 366 Abs 4 Satz 2 HGB ausdrücklich klar, daß im Fall der öffentlichen Versteigerung auch gestohlene, verlorengegangene oder sonst abhanden gekommene Sachen gutgläubig erworben werden können. Unter einer öffentlichen Versteigerung iSd § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB sind dabei Versteigerungen im Zuge einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Exekution zu verstehen1439, aber auch – bis zum 31. Dezember 2004 – freiwillige Feilbietungen nach den §§ 269 ff AußStrG1440 sowie Versteigerungen durch dazu befugte Gewerbsleute (§ 158 GewO)1441. Gemäß § 269 EO gilt § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB schließlich auch bei einem Freihandverkauf durch einen Handelsmäkler, ein Kreditinstitut, ein Versteigerungshaus oder ein Vollstreckungsorgan1442.
1435 1436
1437 1438 1439 1440
1441
1442
Dazu ausführlich unten S 366 f. Abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 133. Ausführlich zum Codex Theresianus oben S 102 ff. Eingehend zum ALR oben S 110 ff. Ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung Dünkel, Versteigerung 4 ff. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/54. Das neue Außerstreitgesetz (BGBl I 111/2003), das am 1. Jänner 2005 in Kraft tritt, beschränkt die Fälle der freiwilligen Feilbietung in seinem § 191 hingegen auf Liegenschaften, Superädifikate und Baurechte. Vgl dazu auch RV 224 BlgNR XXII. GP 17 und 118. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/54; zu Pfandleihern § 155 GewO. Zu Auktionen im Internet siehe Nußbaumer/Rauch in Plöckinger/Duursma/Mayrhofer, Internet-Recht 81 ff, einerseits und Gurmann, Internet-Auktionen 165 ff, anderseits, der einem redlichen Steigerungserwerb in solchen Fällen mE zu Recht ablehnend gegenübersteht. Zu den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten, die gegen eine Privilegierung reiner Privatversteigerungen sprechen, sogleich unten im Text sowie zutreffend bereits OGH in SZ 6/228. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/54.
Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips
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Eine besondere Regelung des redlichen Erwerbs in öffentlichen Versteigerungen wie sie das ABGB vorsieht, ist rechtsvergleichend weit verbreitet. So wird ein gutgläubiger Steigerungserwerb abhanden gekommener Sachen etwa auch in Deutschland (§ 935 Abs 2 BGB) und in Griechenland (Art 1039 Satz 2 ZGB) geschützt. In der Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB), in Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil) und in Spanien (Art 464 Abs 2 Código civil) wird dem redlichen Erwerber in diesen Fällen zumindest ein Lösungsrecht eingeräumt. Dabei ist allerdings zu beachten, daß der Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen bedeutende Unterschiede aufweist: So ist in Deutschland für einen redlichen Erwerb in öffentlicher Versteigerung nach § 935 Abs 2 BGB die Legaldefinition des § 383 Abs 3 BGB maßgeblich, die Versteigerung hat also „durch einen für den Versteigerungsort bestellten Gerichtsvollzieher oder zu Versteigerungen befugten anderen Beamten oder öffentlich angestellten Versteigerer öffentlich zu erfolgen.“ Erfaßt sind dabei nur Versteigerungen nach bürgerlichem Recht1443, während bei öffentlichen Versteigerungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§§ 814 ff dZPO) der Erwerb durch staatlichen Hoheitsakt erfolgt, wobei die Redlichkeit des Erwerbers keine Rolle spielt1444. Im Schweizer Recht ist unter einer öffentlichen Versteigerung iSd Art 934 Abs 2 ZGB hingegen jede öffentlich angekündigte, auf öffentlichem oder privatem Recht beruhende Versteigerung zu verstehen1445; gleichgestellt ist der freihändige Verkauf im Betreibungs- und Konkursverfahren1446. Da dem Begriff der öffentlichen Versteigerung Art 229 OR zugrunde liegt, ist eine behördliche Mitwirkung dabei nicht stets notwendig, sondern es kommt lediglich 1443
1444
1445 1446
So etwa der Selbsthilfeverkauf einer nicht hinterlegungsfähigen Sache bei Annahmeverzug des Käufers nach § 383 BGB; dazu und zu weiteren Beispielsfällen Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 49; Frank/Veh, JA 1980, 250 ff. Auch freiwillige Versteigerungen (dazu von Hoyningen-Huene, NJW 1973, 1473 ff) sind geschützt, wenn sie die Voraussetzungen des § 383 Abs 3 BGB erfüllen, siehe Dünkel, Versteigerung 69 f; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 27; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 5 c (S 394), wobei auch hier ein redlicher Erwerb abhanden gekommener Sachen möglich ist, siehe BGH in NJW 1990, 899. Für eine Beschränkung auf die Fälle gesetzlich vorgeschriebener öffentlicher Versteigerung – zumindest de lege ferenda – hingegen Frank/Veh, JA 1983, 255. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 49; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 III 2 (S 408 f); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 27. RG in RGZ 156, 395, 398; BGH in BGHZ 55, 20, 25; BGHZ 100, 95, 98; BGHZ 119, 75, 76 f. Kritisch MünchKomm/Quack, BGB4 § 935 Rz 19, der bei Bösgläubigkeit des Erwerbers für eine restriktive Auslegung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften eintritt; im Ergebnis ähnlich Marotzke, NJW 1978, 133 ff. Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 492. Stark in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 934 Rz 19; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 934 Rz 36.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
darauf an, daß die Versteigerung öffentlich angekündigt wurde und jedermann an ihr teilnehmen darf1447. Auch bei freiwilligen privaten Versteigerungen, die diese Voraussetzungen erfüllen, ist deshalb ein nach Art 934 Abs 2 ZGB privilegierter Gutglaubenserwerb möglich1448. Die grundsätzliche Privilegierung der öffentlichen Versteigerung war lange Zeit weitgehend unbestritten, ja selbst dezidierte Kritiker des gutgläubigen Fahrniserwerbs fanden an diesem Erwerbstatbestand wenig auszusetzen1449. Um so bemerkenswerter erscheint es, daß weder die UNIDROIT-Entwürfe zum redlichen Mobiliarerwerb eine entsprechende Sonderregel kennen1450 noch das niederländische Recht (siehe Art 3:86 Abs 3 lit a BW), das als jüngste europäische Kodifikation besondere Beachtung verdient. Die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung eines redlichen Erwerbs in öffentlicher Versteigerung erscheint deshalb von besonderem Interesse. Wie einleitend bereits erwähnt wurde, können für die besondere Privilegierung des redlichen Erwerbs in öffentlicher Versteigerung vor allem zwei Wertungsgesichtspunkte vorgebracht werden: Einerseits die gesteigerten Verkehrsinteressen, anderseits das Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes, der einen erhöhten Vertrauensschutz legitimiert. Zuweilen wird zur Rechtfertigung des redlichen Erwerbs in öffentlicher Versteigerung überdies auf den Gedanken der Verschweigung verwiesen, wonach der Berechtigte seines Rechts durch Nichtausübung verlustig gehe1451. In diesem Sinne betont schon Zeiller1452, daß es sich bei der Versteigerung um einen öffentlichen Akt handle, bei dem jedermann erscheinen und Einspruch erheben könne. Nun ist die 1447 1448
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Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 934 Rz 24. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 934 Rz 24; Stark in Honsell/ Vogt/Geiser, ZGB2, Art 934 Rz 19; derselbe, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 934 Rz 36. Binding, Ungerechtigkeit des Eigentumserwerbs 12 FN 1; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 232. Kritisch aber H. Hübner, Rechtsverlust 145 ff; Peters, Entzug des Eigentums 82, 84. Siehe dazu Sauveplanne, Rapport explicatif/Explanatory Report, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967-1968 (1969) I 181, der dieses Fehlen mit dem rechtsvereinheitlichenden Zweck der Entwürfe begründet, weshalb eine Regelung des Steigerungserwerbs nicht erforderlich sei: „sales by auction and in markets are internal sales to which the draft does not apply“. Vgl Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 690; derselbe, Vertrauen 139 f; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 23; Schultze, JherJB 49 (1905) 184; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 252. Ablehnend H. Müller, ZfRV 1963, 7; Dünkel, Versteigerung 41 ff, 58 f, 78; Frank/Veh, JA 1983, 250; Günther, Gutgläubiger Fahrniserwerb 37; Westermann/Gursky, Sachenrecht § 49 III 2 (S 408); Wieling, Sachenrecht I § 10 V 5 c (S 395); H. Hübner, Rechtsverlust 145; Peters, Entzug des Eigentums 82, 84. Kommentar II/1, 135.
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Verschweigung zwar kein allgemeines Rechtsinstitut des ABGB1453, doch finden sich Verschweigungstatbestände in verschiedenen Einzeltatbeständen, so insbesondere beim Eigentumserwerb des ehrlichen Finders nach § 392 ABGB1454. Gerade für den gutgläubigen Versteigerungserwerb kommt dem Gesichtspunkt der Verschweigung allerdings nur eine sehr eingeschränkte und untergeordnete Bedeutung zu: Zumindest in der heutigen Zeit erschiene es nämlich als lebensfremde Fiktion, wenn man annehmen würde, daß der Eigentümer abhanden gekommener Sachen jegliche öffentliche Versteigerung verfolgen könne und damit stets die Möglichkeit hätte, seine Rechtsposition durch ein rechtzeitiges Eingreifen zu sichern1455. Mit dem faktischen Verlust einer solchen „Sicherungsmöglichkeit“ verliert aber auch der Gedanke der Verschweigung selbst seine Bedeutung1456. Auf die mE entscheidenden Wertungsgesichtspunkte ist im Folgenden näher einzugehen, wobei vorweg klarzustellen ist, daß sich die Ausführungen primär auf das österreichische Recht beziehen. Läßt eine Rechtsordnung nämlich – so wie die Schweiz – einen privilegierten Gutglaubenserwerb auch in öffentlich angekündigten und frei zugänglichen Privatversteigerungen zu, so verliert der Gesichtspunkt einer besonders verstärkten Rechtsscheingrundlage mangels behördlicher Mitwirkung offenkundig an Bedeutung. Ebenso wird in derartigen Fällen unsicher, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, von besonders gesteigerten Verkehrsinteressen auszugehen. Mit dem Wegfall der maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte wird aber die besondere Privilegierung des redlichen Steigerungserwerbes selbst zweifelhaft1457. Als vergleichsweise schwache Rechtfertigung verbleibt in solchen Fallkonstellationen nur noch der Gesichtspunkt der qualifizierten Öffentlichkeit, wobei diese wohl eine gewisse Präventionswirkung entfaltet und dazu beiträgt, den Absatz 1453 1454
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Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 201. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 6/11; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 280 f. Vgl weiters die §§ 412 und 418 letzter Satz ABGB sowie die §§ 62-64 GBG. So zutreffend Peters, Entzug des Eigentums 82, 84; Dünkel, Versteigerung 59, 78. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß schon der bedeutende holländische Naturrechtslehrer Antonius Matthaeus (1601–1654) in seinem Werk „De Auctionibus“ einen Steigerungserwerb an gestohlenen Sachen mit einer ganz ähnlichen Begründung abgelehnt hat: Voraussetzung für eine Verschweigung sei stets die tatsächliche Eingriffsmöglichkeit des Eigentümers. Wegen der Öffentlichkeit des Erwerbes und der staatlichen Autorität des Versteigerungsverfahrens („locus publicus et hastae auctoritas“) räumt Matthaeus dem redlichen Erwerber aber immerhin einen Lösungsanspruch ein. Siehe dazu Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 143 ff; Dünkel, Versteigerung 15 ff. Kritisch zu den von § 935 Abs 2 BGB erfaßten Fällen freiwilliger Versteigerung deshalb auch Frank/Veh, JA 1983, 255.
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gestohlener Fahrnis wenigstens in dieser Veräußerungsform hintan zu halten. Nun aber zu den für das österreichische Recht entscheidenden Wertungsgesichtspunkten: Die besonders gesteigerten Verkehrsinteressen werden deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die Privilegierung des Erwerbs in öffentlicher Versteigerung mit dem Zweck derartiger Veranstaltungen in engem Zusammenhang steht: Jede Versteigerung dient selbstverständlich dazu, für die angebotenen Gegenstände einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Dies setzt aber voraus, daß die präsumtiven Ersteher sich hinsichtlich der Eigentumslage hinlänglich gesichert fühlen dürfen, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Ersteigerer regelmäßig nicht in der Lage sind, sich einen Einblick in die Vorgeschichte der Sache zu verschaffen1458. So betont auch Zeiller1459, daß es um so notwendiger sei einen solchen Übernehmer zu schützen, als sonst der im Allgemeinen so nützliche Zweck der öffentlichen Versteigerungen, durch einen größeren Zusammenschluß (gesicherter) Käufer das höchste Anbot zu erhalten, größtenteils vereitelt würde. Ganz ähnlich sieht es auch die Judikatur und hebt hervor, es sei der Zweck des § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB „die Ersteher bei öffentlichen Versteigerungen, die sonst schutzlos der Eigentumsklage ausgeliefert wären, zu schützen und dadurch eigentlich erst die rechtliche Voraussetzung für das Erscheinen von Bietern und damit die praktische Durchführbarkeit von öffentlichen Versteigerungen zu ermöglichen“1460. Eine besondere Berücksichtigung der Verkehrsinteressen erscheint dabei um so mehr angezeigt, als es bei der exekutiven Versteigerung und dem Selbsthilfeverkauf um die schutzwürdigen Interessen wirtschaftlich von der Versteigerung betroffener Dritter geht und somit auch der Gedanke des Gläubigerschutzes in die Waagschale fällt1461. Da eine öffentliche Versteigerung iSd § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB neben der öffentlichen Bekanntmachung eine behördliche Ermächtigung voraussetzt1462, folgt der Schutz des Erwerbers auch aus dem Vertrau-
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Heck, Sachenrecht 253 f; von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 232. Kommentar II/1, 135. So das Prozeßgericht in SZ 10/144; siehe auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7. Siehe Dünkel, Versteigerung 63 ff, 70, 79; H. Müller, ZfRV 1963, 7 sowie Frank/ Veh, JA 1983, 255, die deshalb – de lege ferenda – die Fälle der „freiwilligen Versteigerung“ vom Anwendungsbereich des § 935 Abs 2 BGB ausschließen wollen. Sind die sonstigen Voraussetzungen, so das Vorliegen einer Gewerbebefugnis (§ 158 GewO), erfüllt, so ändert der allfällige Wegfall versteigerungspolizeilicher Maßnahmen – etwa durch Außerkrafttreten der Feilbietungsordnung 1786 in Wien – aber nichts an der Zulässigkeit eines redlichen Steigerungserwerbs; siehe
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en, das man einer staatlich autorisierten Stelle entgegenbringen darf1463. Dementsprechend verweist schon Zeiller1464 auf das „öffentliche Ansehen der die Versteigerung leitenden gerichtlichen oder polizeilichen Behörden“, ein Gedanke, der uns schon beim römisch-rechtlichen Erwerb vom Fiskus begegnet ist (Konstitution des Kaisers Zeno)1465. Diese Konstitution, die vor allem Versteigerungsfälle betraf, ist schon deshalb ideengeschichtlich von besonderer Bedeutung, weil sie Zeiller1466, dem Redaktor des ABGB, nachweislich bekannt war und Svarez, der Schöpfer des ALR, dessen § 42 I 151467 in seinen Schlußvorträgen mit dem Hinweis rechtfertigt: „Diese Bestimmung hat schon das Ius Romanum“1468. Schließlich wird auch in den Motiven zum BGB die Privilegierung des redlichen Steigerungserwerbs damit begründet, daß das Vertrauen auf die unter behördlicher Autorität vorgenommene Veräußerung nicht beeinträchtigt und der materielle Erfolg der Versteigerung nicht gefährdet werden solle1469. Der Gedanke der staatlichen Autorität ist aber nicht nur dogmengeschichtlich von Interesse, sondern öffnet auch den Blick dafür, daß beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung eine besonders verstärkte Rechtsscheingrundlage vorliegt, die ein Vertrauen des Erwerbers in deutlich erhöhtem Maße rechtfertigt. Wie stets ist dabei freilich erforderlich, daß die maßgebliche Rechtsscheinbasis tatsächlich vorliegt, da Mängel der Rechtsscheinposition durch den guten Glauben des Erwerbers nicht überbrückt werden können. Erforderlich ist also eine ordnungsgemäße Versteigerung, was voraussetzt, daß die funktionelle Zuständigkeit des die Versteigerung anordnenden Organs gegeben ist, die bevorstehende Versteigerung ordnungsgemäß angekündigt und die Versteigerung selbst ordnungsgemäß
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VfSlg 12.408 = ÖBA 1991, 765 (Foramitti); siehe dazu auch Holoubek/Lang, ecolex 1990, 724. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298. Siehe auch Randa, Eigentumsrecht2 I 343; Krasnopolski, Redlicher Verkehr 23; Wellspacher, Vertrauen 140; derselbe, GrünhutsZ 31 (1904) 690 f; Ehrenzweig, System2 I/2, 185. Kritisch hingegen H. Hübner, Rechtsverlust 146 (zum deutschen Recht); Dünkel, Versteigerung 60 ff, 78 f. Kommentar II/1, 135. Siehe dazu oben S 76. Kommentar II/1, 134 FN *; vgl dazu schon oben FN 391. § 42 I 15 ALR: “Sachen, die von dem Fisko, oder bey öffentlichen Versteigerungen erkauft worden, sind keiner Vindikation unterworfen.“ Carl-Gottlieb Svarez ad Part. I Tit. XV ALR: Von der Verfolgung des Eigenthums, vorgetragen im Staatsrath am 20. Januar 1794, abgedruckt in: Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833), 85. Zitiert nach Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 234. Ausführlicher dazu Hinz, aaO, 234 ff, 240 ff sowie Dünkel, Versteigerung 29 ff. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 349 = Mugdan, Materialien III 194.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
durchgeführt wird1470. Nur wenn diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Ersteher Eigentum erwerben. Alle anderen Verfahrensmängel stehen einem redlichen Eigentumserwerb hingegen nicht entgegen, da sie nicht zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen zählen1471. In jenen Fällen, in denen Wirksamkeitsvoraussetzungen fehlen, scheitert ein redlicher Erwerb, ohne daß es darauf ankäme, ob dem Ersteher die Mängel bekannt waren oder nicht1472. Dies ist völlig konsequent, da der gute Glaube an das Vorliegen der Rechtsscheinbasis – ebenso wie beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB1473 – nicht geschützt wird. Nur in jenen Fällen, in denen eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation tatsächlich vorliegt, bestehen nämlich schutzwürdige Verkehrsinteressen. Hinsichtlich der Redlichkeit des Erwerbers gelten die allgemeinen Regeln, der Erwerber muß den Verpflichteten also für den Eigentümer halten1474, wobei schon leichte Fahrlässigkeit schadet1475. Daß die Versteigerung ungeachtet gebotener Zweifel am Eigentum des Verpflichteten vorgenommen wird, macht dabei den Ersteher selbstverständlich nicht gutgläubig1476. Allerdings ist zu beachten, daß besondere Nachforschungsobliegenheiten dem Zweck und Ablauf einer Versteigerung diametral entgegenstehen1477 und deshalb nicht ohne weiters angenommen werden dürfen1478. Dem Kauflustigen bliebe sonst – will er nicht als unredlich gelten – nichts anderes übrig, als ein völliger Verzicht auf eine Ersteigerung. Deshalb ist es völlig zutreffend, wenn die Rechtsprechung betont, daß bei der Zwangsversteigerung eines Kfz das Vorliegen des Typenscheins nicht erforderlich ist, weil der Verpflichtete sonst durch die Verweigerung seiner Herausgabe die Verwertung des Fahrzeugs verhindern könnte1479. Auch die Bemerkungen eines Dritten bei der Versteigerung, die zu versteigernde Sache gehöre dem Verpflichteten nicht, schließen die Gut1470
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OGH in SZ 6/228; SZ 22/121 = JBl 1950, 89; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 10; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/54; Reidinger, JBl 1980, 579 f. OGH in SZ 22/121 = JBl 1950, 89; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 10; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7. OGH in SZ 22/121 = JBl 1950, 89. Dazu unten S 296 f mit Nachweisen in FN 1529; zum Erwerb von einem Scheinkaufmann unten S 318 ff. Reidinger, JBl 1980, 579; Dünkel, Versteigerung 77; siehe auch OGH in SZ 22/121 = JBl 1950, 89. OGH in SZ 50/142 = EvBl 1978/76; JBl 1980, 589; SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92. Zur Frage der Redlichkeit ausführlich unten S 396 ff und S 402 ff. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7. Vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298. Vgl dazu Dünkel, Versteigerung 50; Reidinger, JBl 1980, 580 f. OGH in SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92.
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gläubigkeit des Erstehers nicht aus, wenn das Vollstreckungsorgan auf Weisung des Exekutionsgerichtes trotz dieser Vorhalte die Versteigerung durchführt und so die Bedenken des Ersteigerers zerstreut1480. Dementsprechend wird auch in den Motiven zum BGB betont, daß Rechtsbehauptungen von Dritten „nur unter Umständen, insbesondere wenn sie von genügenden Nachweisungen unterstützt werden, die bona fides auszuschließen geeignet sind“1481. Deshalb scheitert ein redlicher Erwerb, wenn aus den Umständen klar das Eigentumsrecht des Dritten hervorgeht und der Versteigerer den Verkauf nur aus formalen Gründen vornimmt, weil dem Ersteher in diesem Fall fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden muß1482. Ebenso scheidet eine Gutgläubigkeit des Erstehers aus, wenn der Verpflichtete selbst behauptet, die zu versteigernde Sache gehöre ihm nicht, wobei es in diesem Fall auch nicht erforderlich sein soll, daß der Verpflichtete das Fremdeigentum belegen kann1483. Sind alle sonstigen Voraussetzungen eines Steigerungserwerbs gegeben, so erwirbt der redliche Ersteher in den Fällen der Zwangsversteigerung mit dem Zuschlag das Eigentum an der Sache1484, in allen übrigen Fällen mit ihrer Übergabe1485. Auch hier hat der Alteigentümer aber selbstverständlich das Recht auf (schuldrechtliche) „Schadloshaltung“ iSd § 367 letzter Satz ABGB. Der Eigentumsanspruch des wahren Berechtigten verwandelt sich bei einem Rechtsverlust durch redlichen Erwerb eines Dritten also in einen Anspruch auf den Erlös der (exekutiv) versteigerten Sache1486. Dieser Anspruch richtet sich auch gegen den betreibenden Gläubiger, der aus dem Erlös der beim Verpflichteten gepfändeten Sache befriedigt wird1487, und ist auf § 1041 ABGB zu stützen1488. Ist der Erwerber unredlich, so scheidet zwar ein gutgläubiger Erwerb aus, doch ist zu beachten, daß eine Genehmigung des Erwerbes iSd § 1016 ABGB stattfindet, wenn sich der Eigentümer den Erlös aus der Versteigerung zuweisen läßt1489. 1480 1481 1482 1483 1484 1485
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Vgl OGH in SZ 10/224; Klang in Klang, ABGB2 II 227. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 349 = Mugdan, Materialien III 194. OGH in GlUNF 1600; SZ 50/142 = EvBl 1978/76. Siehe OGH in JBl 1980, 589; dazu Reidinger, JBl 1980, 579 ff. OGH in SZ 26/281; vgl dazu schon Kollroß, GerZ 1929, 20 ff. OGH in SZ 9/30; vgl auch EvBl 1963/433 = JBl 1964, 265; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7. OGH in GlU 3043. OGH in SZ 16/114. OGH in SZ 46/8 = JBl 1973, 315 = EvBl 1973/197. Zu solchen Fällen einer „abgeirrten Exekution“ Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 13; Rummel in Rummel, ABGB3 § 1041 Rz 8; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1063 Rz 81; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 606, 614 f. OGH in SZ 10/224; SZ 50/142 = EvBl 1978/76; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 7. Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei gescheiterter Versteigerung siehe Reidinger, JBl 1980, 582.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
Scheitert ein redlicher Erwerb in öffentlicher Versteigerung und veräußert der (bösgläubige) Ersteher die Sache seinerseits an einen gutgläubigen Dritten, so sind für dessen Erwerb wiederum die allgemeinen Regeln maßgeblich. Hingegen wird in Deutschland von manchen vertreten, daß eine öffentliche Versteigerung iSd § 383 Abs 3 BGB auch bei bösem Glauben des Erstehers den Makel des Abhandenkommens tilgt, so daß die Sache bei einer späteren Weiterveräußerung ohne Rücksicht auf den § 935 BGB erworben werden könne1490. Dies vermag jedoch letztlich nicht zu überzeugen. Zwar ist zuzugestehen, daß einem „Durchgang“ der Sache durch eine öffentliche Versteigerung im Hinblick auf die Redlichkeit eines nachfolgenden Dritterwerbers Bedeutung zukommen kann, weitergehende Rechtsfolgen lassen sich daraus aber mE nicht ableiten: Das Gesetz privilegiert den Erwerb in öffentlicher Versteigerung nämlich nur deshalb, um den materiellen Erfolg der Versteigerung zu sichern und berechtigten Gläubigerinteressen Rechnung zu tragen. Scheitert die auf der Versteigerung vorgenommene Übereignung aber ohnedies, so besteht kein Anlaß, die besondere Schutzwürdigkeit des Eigentümers einer abhanden gekommenen Sache auch bei nachfolgenden Weiterveräußerungen außer Acht zu lassen1491, zumal der redliche Dritterwerber sein Vertrauen wiederum seinem Vormann schenkt, ohne daß dessen Stellung durch eine besondere Rechtsscheingrundlage verstärkt wäre. Ohne Rücksicht auf eine Zurechnung des Rechtsscheintatbestandes von Seiten des wahren Berechtigten kann der redliche Dritterwerber deshalb nur in jenen Fällen das Eigentum an der fremden Sache erlangen, in denen er selbst die Sache in einer privilegierten Erwerbssituation erworben hat, also der Tatbestand des § 367 Satz 1 Fall 1 oder Fall 2 ABGB erfüllt ist1492.
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So Wolff/Raiser, Sachenrecht10 252, die dies damit begründen, daß der Eigentümer sich seines Rechtes verschwiegen habe; zum Gesichtspunkt der „Verschweigung“, dem bei der öffentlichen Versteigerung unter heutigen Verhältnissen schwerlich Bedeutung zukommen kann und der ein solches Ergebnis deshalb keinesfalls zu rechtfertigen vermag, schon oben im Text. Ebenso wie Wolff/Raiser im Ergebnis wohl Schwab/Prütting, Sachenrecht30 Rz 437. So zutreffend Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 III 2 (S 409). Ablehnend auch Planck/Brodmann, BGB5 § 935 Anm 6 c; RGRK/Pikart, BGB12 § 935 Rz 38; Soergel/Henssler, BGB13 § 935 Rz 21; Wieling, Sachenrecht I § 10 V 5 c (S 395); Dünkel, Versteigerung 89. So auch Riedler, NZ 1994, 8 (unzutreffend aber mE die Übertragung dieses Ergebnisses auf eine Vertrauensmännerkette mit unredlichen Zwischenveräußerern, da es in einem solchen Fall um eine Frage der Zurechnung und nicht um das Vorliegen einer besonders privilegierten Erwerbssituation geht; zu Vertrauensmännerkette und gescheiterter Einzelrechtsnachfolge siehe schon oben S 254 ff und S 261 ff). Ebenso soll nach Riedler, aaO, 1 ff, 9, im Fall des § 824
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C. Erwerb vom befugten Gewerbsmann § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB regelt den redlichen Erwerb von einem „zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“. Geschützt wird in diesem Fall auch der Erwerb von gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen. Wie bereits hervorgehoben wurde, beruht diese Privilegierung des Handelsverkehrs zum einen auf den gesteigerten Verkehrsinteressen, zum anderen auf dem erhöhten Vertrauensschutz, da ein Erwerber, der bei jenem kauft, der dazu staatlich befugt ist, ein Optimum an Sorgfalt walten läßt1493. Ob ein Gewerbsmann befugt ist, ist nach der österreichischen Gewerbeordnung zu beurteilen1494. Maßgebend ist also die Gewerbebefugnis1495. Gleichgültig ist dabei, ob es sich um ein reglementiertes Gewerbe1496, das einen Befähigungsnachweis erfordert, oder um ein freies Gewerbe handelt1497. Zur Erlangung einer Gewerbebefugnis ist in jedem Fall die Anmeldung des Gewerbes erforderlich (§§ 339 f GewO). Auch Ausländer mit einer Niederlassung in Österreich müssen das Gewerbe angemeldet haben1498, um die Voraussetzungen des § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB zu erfüllen1499. Dabei ist zu beachten, daß Staatsangehörige eines EU-Mitglieds-
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letzter Satz ABGB nur der unmittelbare Erwerb vom Scheinerben Schutz genießen. Dagegen aber Holzner, NZ 1994, 121 ff. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298. Randa, Eigentumsrecht2 I 344; E. Demelius, Sachenrecht 27; Pfersche, Sachenrecht2 29; Klang in Klang, ABGB2 II 224 f; Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 12; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 4; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 8; OGH in SZ 2/14; EvBl 1959/316 = ZVR 1959/241 = ZfRV 1960, 124 (Schneider). Vgl schon Zeiller, Kommentar II/1, 135, der betont, daß der Veräußerer „von dem Gesetze oder von der Behörde zum Handel befugt“ sein müsse; ebenso Nippel, Bürgerliches Gesetzbuch III 218 f. Ehrenzweig, System I/2, 186; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 298. AA nur Pineles, JBl 1920, 20 ff und 87 ff („Märchen vom befugten Gewerbsmann“); gegen diesen schon Ehrenzweig, JBl 1920, 65 f, der allerdings einen Schutz des Erwerbers auch dann erwägt, wenn jemand allgemein als befugter Händler gilt; dazu sowie zur Problematik des Marktkaufes noch unten im Text. Seit der GewO-Novelle 2002 werden unter dieser einheitlichen Kategorie die früher als Handwerke und gebundene Gewerbe eingestuften Tätigkeiten zusammengefaßt. Zur Einteilung der Gewerbe siehe § 5 ff, 94 GewO; dazu Feik in Bachmann et al, Besonderes Verwaltungsrecht5 153 ff. Vgl schon Ehrenzweig, System2 I/2, 186; Randa, Eigentumsrecht2 I 344 f; Klang in Klang, ABGB2 II 224; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/55. Ein Warenhandel über die Grenze (Lieferung von Waren durch ein Handelsunternehmen mit Standort im Ausland an Geschäftspartner in Österreich) unterliegt hingegen nicht der GewO; siehe Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 51 Rz 1 mwN. Siehe Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 12; OGH in EvBl 1959/316 = ZVR 1959/241 = ZfRV 1960, 124 (Schneider); SZ 32/100. AA nur Schneider, ZfRV
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staates oder eines EWR-Vertragsstaates Gewerbe wie Inländer ausüben dürfen (§ 373b GewO)1500 und die dort erworbenen beruflichen Qualifikationen einem inländischen Befähigungsnachweis gleichzuhalten sind (§§ 373a ff GewO). Ist keine Anmeldung erfolgt und ist der Gewerbsmann nach den handelsrechtlichen Vorschriften Kaufmann, so kommt § 366 HGB zur Anwendung, ein redlicher Erwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen ist also ausgeschlossen1501. Diese Anknüpfung an eine staatliche Befugnis – bei welcher der Gedanke staatlicher Autorität und Aufsicht eine maßgebliche Rolle spielt1502 – und die damit verbundene sehr weitgehende Privilegierung des redlichen Erwerbs hat freilich auch Kritik auf sich gezogen. So hat Exner1503 geradezu sarkastisch angemerkt, daß es dem Rechtsbewußtsein widerstrebe, wenn man an jeder widerrechtlich entzogenen Sache schon deshalb das Eigentum verliere, weil sie durch das „Purgatorium irgendeines befugten Trödelladens“ hindurchgegangen sei. Überdies weist Ehrenzweig1504 darauf hin, daß die Gewerbefreiheit den Wert der Bestimmung zweifelhaft erscheinen lasse1505. Bedenkt man, daß die Liberalisierung der Gewerbeordnung seit dieser Kritik Ehrenzweigs stetig vorangetrieben wurde, so werden solche Zweifel noch verstärkt: Seit der Gewerberechtsnovelle 20021506 ist nämlich zu bedenken, daß die – für Fälle des redlichen Erwerbs einschlägigen – Handelsgewerbe (§ 154 GewO)1507 nicht mehr an einen Befähigungsnachweis geknüpft sind, sondern nunmehr zu den freien Gewerben zählen; gleiches gilt für die Tätigkeit eines Handelsagenten1508.
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1960, 126 ff, der bei einem ausländischen Gewerbsmann die Befugnis nach den einschlägigen ausländischen Vorschriften ausreichen lassen will, was nicht nur der Systematik der GewO widerspricht, sondern auch der ratio des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB nicht gerecht wird; zu dieser sogleich im Text. Für sonstige Drittstaatsangehörige siehe § 14 GewO. OGH in EvBl 1959/316 = ZVR 1959/241 = ZfRV 1960, 124 (Schneider). Siehe etwa OGH in SZ 2/14; Swoboda, Bürgerliches Gesetzbuch II 243. Tradition 63 FN 48. System2 I/2, 186. Vgl auch Exner, Tradition 67 FN 62, der schon im Jahre 1867 darauf hinweist, daß auf Grund der Gewerbefreiheit, „die Zahl der Artikel, die ein Gewerbsmann zu führen berechtigt ist, nicht mehr, wie ehedem, eine genau und ängstlich begrenzte ist“; kritisch auch Frotz, Kastner-FS (1972) 154. BGBl I 2002/111. Unter Handel iSd GewO ist dabei eine auf den Warenaustausch zwischen den einzelnen Wirtschaftsgliedern gerichtete, gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit zu verstehen, wobei bereits dem Erwerb der Ware der Zweck, diese an andere Wirtschaftsglieder weiterzugeben, zugrunde liegen muß. Siehe Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 154 Rz 2 mwN. Dies ergibt sich e contrario aus § 94 GewO, in dem die reglementierten Gewerbe – also jene Tätigkeiten, deren Ausübung die Erbringung eines Befähigungs-
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Im Unterschied zu einem gutgläubigen Erwerb von einem Kaufmann nach § 366 HGB bestehen aber dennoch nicht zu unterschätzende Kautelen: Während bei einem Kaufmann die faktische Ausübung der Tätigkeit ausreicht, da es sich bei der „Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren)“ nach § 1 Abs 2 Z 1 HGB um ein Grundhandelsgewerbe handelt, das unabhängig von der Größe – also auch dann, wenn sein Betrieb einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert – und ohne Registrierung im Firmenbuch die Kaufmannseigenschaft begründet („Ist-Kaufmann“)1509, setzt die Erlangung einer Gewerbebefugnis stets – also auch bei freien Gewerben, wie dem Handelsgewerbe – eine Anmeldung zum Gewerberegister voraus (§ 339 GewO). Im Hinblick auf die Problematik des redlichen Erwerbs ist dabei besonders hervorzuheben, daß die Unbescholtenheit des Gewerbetreibenden Voraussetzung für die Erlangung einer Gewerbebefugnis ist (§ 13 GewO)1510 und bei der Anmeldung von der Behörde überprüft wird (§ 340 GewO). Die Eintragung in das elektronische und beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zentral geführte Gewerberegister (§ 365c GewO) erleichtert zudem das Auffinden des Veräußerers, da in das Register nicht nur der Standort der Gewerbeberechtigung und die Standorte weiterer Betriebsstätten, sondern auch Familienname und Wohnanschrift des Gewerbetreibenden einzutragen sind (siehe §§ 365 ff GewO), wobei die Behörde nach Maßgabe des § 365e GewO Auskünfte zu erteilen hat. Schließlich ist zu beachten, daß bei bestimmten Handelsgewerben – nämlich beim Handel mit Antiquitäten und Kunstgegenständen sowie beim Altwarenhandel – besondere behördliche Überprüfungsmöglichkeiten bestehen1511, die ersichtlich den Handel mit gestohlenen Waren hintanhalten
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nachweises erfordert – taxativ aufgezählt sind; siehe Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 94 Rz 2. Aus dem weiten Bereich des Handels zählen zu den reglementierten Gewerben nur mehr ganz wenige Sparten, die überdies für einen redlichen Erwerb nicht gerade einschlägig sind, so der Großhandel mit Arzneimitteln und Giften (§ 94 Z 32 GewO), der Handel mit Medizinprodukten (§ 94 Z 33 GewO) und der Waffenhandel (§ 94 Z 80 GewO). Dazu etwa Krejci, Handelsrecht2 25 ff, 32 f; Holzhammer, Handelsrecht8 20 ff; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/17 ff. Gemäß § 13 GewO sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie wegen betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) (§ 13 Abs 1 Z 1 lit a GewO) oder wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen (§ 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO) verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist. Siehe überdies die allgemeine Vorschrift des § 338 GewO über die amtswegige Überprüfung von Betrieben.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
sollen. So sind die genannten Gewerbetreibenden nach § 154 Abs 2 Z 1 GewO verpflichtet, Sicherheitsbehörden während der Geschäftsstunden die Nachschau in den Geschäftslokalen zu ermöglichen, Beweismittel vorzulegen, Einsicht in die Geschäftsbücher zu gewähren und die für die Überprüfung notwendigen Auskünfte, insbesondere über die Herkunft der Waren, zu erteilen. Gemäß § 154 Abs 2 Z 2 GewO besteht für die genannten Händler überdies die Verpflichtung, die ihnen zugekommenen Mitteilungen über verlorene, vergessene, zurückgelassene oder dem rechtmäßigen Besitzer widerrechtlich entzogene Gegenstände geordnet und nachschaubereit aufzubewahren1512. Anders als etwa das Schweizer oder das französische Recht (Art 934 Abs 2 ZGB; Art 2280 Abs 1 Code civil) schützt das ABGB den Erwerb am Markt nicht generell, sondern nur dann, wenn der Veräußerer ein befugter Gewerbsmann ist1513. Wer ohne Gewerbeberechtigung (wenngleich zulässigerweise) auf dem Markt Waren feilbietet (§§ 286 ff GewO)1514, ist noch nicht Gewerbsmann1515. Ein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Veräußerer eine Gewerbebefugnis hat, insbesondere weil es sich um einen Marktfahrer (§ 154 Abs 5 GewO) handelt1516. Dieses Erfordernis einer Gewerbeberechtigung erscheint auch durchaus sachgerecht1517: Im Hinblick auf die dafür nötige Eintragung in das Gewerberegister erhöht 1512
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1515 1516
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Verstöße gegen die angeführten Verpflichtungen sind gemäß § 367 Z 37 GewO verwaltungsstrafrechtlich zu sanktionieren. Klang in Klang, ABGB2 II 225; Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Ehrenzweig, System2 I/2, 186; Randa, Eigentumsrecht2 I 346 f; Pfersche, Sachenrecht2 29; Mayr, Lehrbuch I 424 FN 27. AA noch Krasnopolski, Redlicher Verkehr 23 f; Ofner, Sachenrecht 80; siehe auch Stubenrauch, Kommentar I8 461 mit FN 3. Nach § 286 Abs 1 GewO hat jedermann das Recht, auf Märkten Waren nach Maßgabe der von den Gemeinden hiefür durch Verordnung bestimmten Voraussetzungen feilzubieten und zu verkaufen. Bei Gewerbsmäßigkeit ist aber eine Gewerbebefugnis erforderlich, siehe Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 286 Rz 6. Zur Definition des Marktes und den nicht der Gewerbeordnung unterfallenden Ausnahmen (Bauernmarkt, marktähnliche Veranstaltungen zu wohltätigen Zwecken, zB Adventsmarkt einer karitativen Institution) siehe § 286 GewO und Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 286 Rz 2, 8, 13 ff. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 8. Selbstverständlich kommen auch andere Gewerbeberechtigungen in Frage, so etwa das Handelsgewerbe; dazu Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 286 Rz 6. Siehe auch § 50 Abs 1 Z 7 GewO, wonach Gewerbetreibende im Rahmen ihres Gewerbes auf Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen Waren verkaufen dürfen. Daß nach der ratio legis des § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB der „behördlichen Anzeige“ entscheidende Bedeutung zukommt, betont zu Recht schon Randa, Eigentumsrecht2 I 347. Kritisch hingegen Gschnitzer, Sachenrecht2 111; Stubenrauch, Kommentar I8 461 mit FN 3.
Fälle des reinen Rechtsscheinprinzips
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dies für den Alteigentümer nämlich zumindest die Chance, den Veräußerer ausfindig zu machen, was auch für Marktfahrer gilt, da diese in der Gewerbeanmeldung anstelle der Bezeichnung eines Standortes ihre genaue Wohnanschrift anzugeben haben, die dann als Standort gilt (§ 339 Abs 2 GewO)1518. Auch ist zu beachten, daß es Sache des Erwerbers ist, den Beweis dafür zu führen, daß er die Sache von einem befugten Gewerbsmann erworben hat1519, er also das Risiko zu tragen hat, wenn er den Veräußerer nicht namhaft machen kann1520. Zu beachten ist weiters, daß für den redlichen Erwerb nicht jede Art von Gewerbebefugnis stets ausreicht, sondern es nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB darauf ankommt, daß der Gewerbsmann gerade „zu diesem Verkehre“ befugt ist. So wie bei einem redlichen Erwerb von einem Kaufmann nach § 366 HGB erforderlich ist, daß der Kaufmann die Sache „im Betriebe seines Handelsgewerbes“ veräußert1521, so ist auch ein zu diesem Verkehre befugter Gewerbsmann iSd § 367 ABGB nur derjenige, zu dessen Gewerbebetrieb der Handel mit derartigen Sachen gehört1522: Entscheidend ist also, daß der Veräußerer eine Gewerbeberechtigung hat, die das konkrete Geschäft deckt1523. In diesem Sinne betont schon Zeiller1524, daß beispielsweise derjenige gegen die Eigentumsklage nicht geschützt wird, der vom Uhrmacher einen fremden Spiegel oder vom 1518
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Auch hier bestehen wiederum besondere Vorschriften über die behördliche Aufsicht: Gemäß § 288 Abs 3 GewO haben die Gewerbetreibenden bei ihrer Markttätigkeit die Verständigung über die Eintragung im Gewerberegister (die den früheren „Gewerbeschein“ ersetzt) stets mit sich zu führen und auf Verlangen der behördlichen Organe vorzuweisen. Sondervorschriften gelten für Ausländer: Personen, die im Ausland eine Gewerbstätigkeit befugt ausüben, dürfen gemäß § 288 Abs 2 GewO Waren auf Märkten feilhalten und verkaufen, soweit in dieser Hinsicht Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Auch sie müssen aber Nachweise mit sich führen, aus denen sich eindeutig ergibt, daß sie in ihrem Heimatstaat zur Ausübung eines entsprechenden Gewerbes berechtigt sind. Siehe Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 § 288 Rz 4. Siehe nur Pfersche, Sachenrecht2 29, der zutreffend ausführt, daß der Erwerber zu beweisen hat, daß die objektiven Voraussetzungen des § 367 ABGB gegeben sind, was im übrigen der allgemeinen Beweislastverteilung entspricht, wonach jede Prozeßpartei dasjenige zu beweisen hat, was für sie günstig ist; siehe dazu Rosenberg, Beweislast5 98 ff; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht6 Rz 585; Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 882; Klicka, Beweislastverteilung 8 ff. Entsprechendes gilt auch beim Erwerb von einem Kaufmann nach § 366 HGB, vgl dazu noch unten S 303. Siehe dazu noch unten S 305. OGH in ZBl 1922/184; SZ 9/50; EvBl 1959/316 = ZVR 1959/241 = ZfRV 1960, 124 (Schneider). Iro, Sachenrecht2 Rz 6/55; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 12; Klang in Klang, ABGB2 II 224 f. Kommentar II/1, 136.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
Spiegelfabrikanten eine fremde Uhr an sich bringt. Im Unterschied zu § 366 HGB, wo der „Betrieb des Handelsgewerbes“ auch Liquidationsgeschäfte umfaßt1525, gehört auch die Veräußerung des Unternehmensinventars nicht zum Verkehr dieses Unternehmens, wenn der Veräußerer nicht zum Handel mit solchen Gegenständen befugt war1526. Grundsätzlich nicht erforderlich ist, daß sich der Erwerber von der Gewerbebefugnis des Veräußerers überzeugt, da eine solche Vorgangsweise regelmäßig als unüblich anzusehen wäre und der Erwerber mangels Verdachtsmomenten mit derartigen, einen schleunigen Umsatz behindernden Nachforschungspflichten nicht zu belasten ist. Zu weitgehend erscheint es hingegen, wenn Klang1527 ausführt, daß es dem Erwerber auch nicht schade, wenn er von der Gewerbebefugnis keine Kenntnis habe. Im Hinblick auf die Prüfung der Redlichkeit kann es nämlich sehr wohl einen Unterschied machen, ob der Erwerber den Veräußerer für einen Gewerbsmann hält oder nicht1528, wobei Klang freilich zuzugestehen ist, daß hinsichtlich des Auftretens als „Gewerbsmann“ eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ völlig ausreicht, sofern nur alle objektiven Umstände des Erwerbs der Redlichkeit nicht entgegenstehen (vgl § 368 ABGB). Anderseits ist zu betonen, daß es dem Erwerber nichts nützt, wenn er fälschlich annimmt, sein Gewährsmann sei ein befugter Gewerbsmann, obwohl diesem eine Gewerbebefugnis fehlt: Die Gewerbeberechtigung muß also wirklich vorliegen1529. Dies folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, daß der gute Glaube nur 1525
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OGH in SZ 43/120 = EvBl 1971/7; RdW 1983, 107 = HS 14.003 und 14.193; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 9; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 6. OGH in SZ 9/50; SZ 10/144; SZ 43/120 = EvBl 1971/7; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 Rz 8; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 13. In Klang, ABGB2 II 225; zustimmend Riedler, NZ 1996, 6; Kletec˘ka, Ersatz- und Nacherbschaft 230 f. Vgl auch Holzner, NZ 1994, 122. OGH in SZ 2/14; Swoboda, Bürgerliches Gesetzbuch II 243; Klang in Klang, ABGB2 II 225. Vgl auch Gschnitzer, Sachenrecht2 113, wo Entsprechendes aber auch zum Erwerb vom Vertrauensmann ausgeführt wird: „Dasselbe gilt, wenn jemand glaubt vom Vertrauensmann zu erwerben, dieser es aber nicht ist“. Dem kann nicht zugestimmt werden: Beim Erwerb vom Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB muß der Erwerber den Vertrauensmann nämlich für den Eigentümer der Sache halten (dazu schon oben S 198 ff und S 202 ff), darf also gerade nicht wissen oder glauben, daß dem unberechtigten Veräußerer die Sache nur anvertraut wurde, da sonst ein Gutglaubenserwerb jedenfalls scheitert. Es ist nämlich zu beachten, daß es beim „Anvertrauen“ nicht um die objektive Rechtsscheinbasis geht, sondern um die Begrenzung des Verkehrsschutzes durch das Erfordernis der Zurechnung des Anscheinstatbestandes „Besitz“; siehe dazu ausführlich oben S 226 ff.
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die fehlende Berechtigung des Veräußerers, nicht aber die fehlende Rechtsscheinbasis überbrücken kann und entspricht zudem der Interessenlage: Würde man nämlich auch im Hinblick auf die objektive Rechtsscheingrundlage Abstriche zulassen, so bestünde keine den Eigentümer schützende Kautele mehr, zumal auf dessen Position durch die Verwirklichung des reinen Rechtsscheinprinzips ohnedies nur wenig Rücksicht genommen wird. Schließlich ist zu beachten, daß der redliche Erwerb stets nur den objektiv unverdächtigen Erwerb schützen soll, da nur in diesem Fall förderungswürdige Verkehrsinteressen bestehen. Dies erfordert aber zugleich, daß zumindest die grundlegenden wirtschaftlichen Ordnungsregeln – hier in Form der notwendigen Gewerbeberechtigung – eingehalten werden. Im Unterschied zum Grundfall des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB wird beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nicht nur der gute Glaube an das Eigentum des Veräußerers, sondern auch an dessen Verfügungsbefugnis geschützt1530. Die Interessenlage ist hier nämlich völlig ident mit den Fällen eines Erwerbs vom Kaufmann, in denen § 366 HGB eine solche Erweiterung des Gutglaubensschutzes ausdrücklich anordnet1531, ja es kann sogar ein Größenschluß gezogen werden1532: Bei Erlangung einer Gewerbeberechtigung werden nämlich relativ strenge Anforderungen an die Zuverlässigkeit (siehe § 13 GewO) und zum Teil auch an die Befähigung gestellt, während die Kaufmannseigenschaft bloß an den (faktischen) Betrieb eines Handelsgewerbes geknüpft ist. Die befugte Gewerbeausübung hat deshalb mindestens ebensoviel „Indizwirkung“ für das Vorliegen einer Verfügungsbefugnis wie die Kaufmannseigenschaft1533. Anders als bei einem Erwerb vom Kaufmann, schadet dem Erwerber bei einem Erwerb von einem befugten Gewerbsmann aber schon leichte Fahrlässigkeit, es sind an die Redlichkeit des Erwerbers also die allgemeinen – auch für die anderen beiden Fälle des § 367 ABGB geltenden – Maßstäbe anzulegen1534. Eine andere Sichtweise würde den Wertungswiderspruch zwischen dem gutgläubigen Erwerb von einem Kaufmann, der dem Hand-wahre-Hand-Prinzip verhaftet bleibt, und dem Erwerb von einem befugten Gewerbsmann, der einen Anwen1530
1531 1532 1533
1534
Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; derselbe, Kreditsicherungsrecht 45; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 FN 550; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. AA Binder, Sachenrecht Rz 6/31. Dazu eingehend noch unten S 310 ff. So zutreffend Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51. Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. Zur Frage der Redlichkeit ausführlich unten S 396 ff.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
dungsfall des reinen Rechtsscheinprinzips darstellt, nämlich nicht verringern, sondern noch vergrößern1535.
III. Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB A. Geschichtliche Entwicklung und systematische Einordnung Im Vergleich zum Grundfall redlichen Mobiliarerwerbs, dem Erwerb vom Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – der als gesetzliche Basiswertung anzusehen ist1536 – privilegiert § 366 HGB den redlichen Erwerb vom Kaufmann in zweierlei Hinsicht: Geschützt wird auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, zudem schadet dem Erwerber nur grobe Fahrlässigkeit. Wegen der gesteigerten Verkehrsinteressen erscheint diese Privilegierung des Erwerbs im Handelsverkehr sachlich durchaus gerechtfertigt, weshalb ein redlicher Erwerb im Handel allgemein und zwar auch von Kritikern dieses Institutes befürwortet wird1537. Daß die gesetzliche Wertung Zustimmung verdient, bestätigt im übrigen auch ein rechtsvergleichender Befund, ist eine Privilegierung des Handelsverkehrs doch geradezu eine Konstante der ansonsten höchst unterschiedlichen Regelungen über den gutgläubigen Erwerb1538. Dennoch nimmt § 366 HGB – wie auch schon die Vorgängerbestimmung des Art 306 AHGB – im österreichischen Recht eine eigentümliche Stellung ein: Im Gegensatz zu einem redlichen Erwerb von einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB ist nach § 366 1535 1536 1537
1538
Dazu schon oben S 14 f. Dazu ausführlich bereits oben S 67 f. Vgl insbesondere Peters, Entzug des Eigentums 79 ff; H. Hübner, Rechtsverlust 139 ff, 142 f (zu weit gehe hingegen die Privilegierung des Handels beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB); Zweigert, RabelsZ 23 (1958) 17 (de lege ferenda auch für einen Schutz des redlichen Erwerbs von abhanden gekommenen Sachen); Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 271 ff, 274 (de lege ferenda sei aber danach zu unterscheiden, ob die [anvertraute] Sache in der Hand des Eigentümers Ware oder Individualgut sei; bei einer Ware sei die Vindikation gegenüber einem redlichen Erwerber gänzlich zu versagen, bei einem Individualgut hingegen ein Lösungsrecht einzuräumen). AA etwa von Lübtow, FS 41. DJT (1955) 232, der dafür aber einen Ausbau der Ersitzung vorschlägt, was freilich dem Bedürfnis nach einer sofortigen Sicherung des Warenumschlages nicht ausreichend Rechnung trägt, vgl dazu schon oben S 128 f. Siehe dazu oben S 23 f sowie unten im Text; weiters Thorn, Mobiliarerwerb 177 ff mit gutem Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten eine solche Privilegierung auszugestalten.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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Abs 4 Satz 1 HGB ein Gutglaubenserwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen nämlich ausgeschlossen. Diese Differenzierung ist wertungsmäßig nicht begründbar – sind die Verkehrsschutzbedürfnisse in beiden Fällen doch völlig ident – sondern beruht auf einer unterschiedlichen Grundkonzeption beider Tatbestände1539: Während § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB das reine Rechtsscheinprinzip verwirklicht, bleibt § 366 HGB dem Grundsatz „Hand wahre Hand“ verhaftet, belastet den Eigentümer also nur in jenen Fällen mit der Gefahr eines Rechtsverlustes, in denen er den Rechtsschein in zurechenbarer Weise geschaffen hat, weil er seine Sache aus der Hand gegeben, also einem anderen „anvertraut“ hat. Diese systematisch eigentümliche und mit der Gesamtkonzeption offenkundig wenig abgestimmte Stellung des § 366 HGB läßt sich nur geschichtlich erklären und steht in engem Zusammenhang mit der Rolle des Handelsrechtes als Motor der Rechtsvereinheitlichung im deutschsprachigen Raum1540. Dem Handelsrecht des 19. Jahrhunderts wird nämlich gemeinhin eine – zuweilen pathetisch überhöhte – Vorreiterrolle zugeschrieben, es wurde kämpferisch als „Pionier des bürgerlichen Rechts“ bezeichnet1541, oder romantisch verklärt mit einem Gletscher verglichen, der das bürgerlich-rechtliche Tal überragt1542: „In den unteren Regionen vereint sich sein schmelzender Firn mit den allgemeinen Niederschlägen, in den oberen findet stete neue Firnbildung statt“1543. Für die Etablierung des redlichen Erwerbes im deutschen Rechtskreis ist die Zuschreibung einer solchen „bahnbrechenden Reformstellung des Handelsrechts“1544 auch durchaus gerechtfertigt, wenngleich die Anerkennung des gutgläubigen Mobiliarerwerbs auch hier zunächst „nur zögernd und gleichsam in letzter Stunde“1545 erfolgte1546: Anläßlich der wechselvollen Beratungen des ADHGB 1861 stand das Schicksal des 1539 1540
1541 1542
1543
1544 1545 1546
Dazu und zu den daraus resultierenden Konsequenzen bereits oben S 148 f. Siehe dazu insbesondere Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen; K. Schmidt, Gegenwartsaufgaben, insb 26 ff; prägnant zusammenfassend Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 462 f. So Rießer, Einfluß handelsrechtlicher Ideen 71. So – in einem berühmt gewordenen Bild – Levin Goldschmidt, Universalgeschichte 12. Zum – mindestens partiellen – Verlust dieser Vorreiterrolle durch die formalenge kaufmännische Konzeption des HGB und die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung zu einem Außenprivatrecht des Unternehmens Karsten Schmidt, Gegenwartsaufgaben, insb 24 ff; vgl auch unten FN 1578 mwN. Goldschmidt, Universalgeschichte 11. Goldschmidt, ZHR 8 (1865) 226 f. Siehe zum Folgenden insbesondere H. Hübner, Rechtsverlust 27 ff; Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 266 ff; Lux, Entwicklung des Gutglaubensschutzes, ZHR-Beiheft 16 (1939) 29 ff.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
Gutglaubenserwerbs nämlich mehrfach auf Messers Schneide und erst anläßlich der dritten Lesung stellte Preußen den Antrag, redliche Erwerber und Pfandnehmer allgemein zu schützen1547, was sogleich eine heftige Diskussion auslöste. Die Verfechter redlichen Mobiliarerwerbs betonten dabei insbesondere das Bedürfnis nach Verkehrsschutz, dem im Handelsverkehr besondere Bedeutung beizumessen sei: Kein Kaufmann würde ruhig sein können, wenn das römisch-rechtliche Vindikationssystem eine größere praktische Anerkennung gefunden hätte. Nur der Umstand, daß dieses System so wenig in das Verkehrsleben eingedrungen sei, daß Vindikationsprozesse äußerst selten erhoben würden, und der Handelsstand im allgemeinen kaum eine Ahnung davon habe, wie gefährlich seine Stellung nach diesem Recht sei, lasse es begreiflich erscheinen, wenn in manchen Ländern keine Anträge auf Ergänzung des Handelsgesetzbuches im Sinne der vorliegenden Vorschläge gestellt worden seien.1548 Im übrigen würden die Vorschläge auch nicht den Handelsstand, sondern das mit den Kaufleuten verkehrende Publikum privilegieren1549. In der Folge kam es zu regelrechten Kampfabstimmungen bis der redliche Erwerb in Art 306 ADHGB endlich verankert wurde, wobei die Regelung der materiellen Rechtslage, wonach nicht nur die Vindikation ausgeschlossen sei, sondern der redliche Erwerber auch Eigentum erlange, nur mit Hilfe der Stimme des Vorsitzenden durchgesetzt werden konnte. Nachdem auch der 15. Deutsche Juristentag im Jahr 1880 die Übernahme der handelsrechtlichen Vorschriften für das künftige bürgerliche Recht befürwortet hatte1550, waren die Würfel freilich gefallen. Die I. Kommission, die sich anläßlich der Beratungen des BGB noch im Jahre 1875 für das römisch-rechtliche Vindikationensystem ausgesprochen hatte1551, schwenkte um1552. Ab nun war für das BGB und das am 1. Jänner 1900 zugleich in Kraft gesetzte dHGB die prinzipielle Zulässigkeit redlichen Mobiliarerwerbs kein Thema mehr, 1547
1548 1549
1550 1551
1552
Schon davor hatte man sich darauf geeinigt, bei Verkaufskommissionen einen Gutglaubenserwerb zuzulassen, wie dies zuerst die Nürnberger Kommission gefordert hatte. Dazu Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 266 f. Protokolle, ADHGB 4608. Protokolle, ADHGB 4609; wie FN 1548 zitiert nach Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 269. Siehe Verhandlungen des 15. DJT (1880) II 82 ff, 84, 329 ff. Siehe Protokolle I. Kommission, BGB 4002 f = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I (§§ 854-1017) 597 f. Nur bei öffentlich ersteigerten Sachen, Geld und Inhaberpapieren sollte ein redlicher Erwerb zulässig sein; siehe dazu auch H. Hübner, Rechtsverlust 30 f mit FN 84. Siehe Protokolle I. Kommission, BGB 4004 f = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I (§§ 854-1017) 598 f. Wiederum war die Abstimmung überaus knapp, bei Stimmengleichheit (5 : 5) gab die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag für den redlichen Mobiliarerwerb.
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sondern es wurde anläßlich der weiteren Beratungen ausdrücklich betont, daß auf die Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Regelungen der größte Wert zu legen sei1553. Der redliche Mobiliarerwerb hatte sich als Rechtsinstitut auch in Deutschland durchgesetzt. Seinem rechtsvereinheitlichenden Zweck entsprechend wurde das ADHGB als AHGB auch in Österreich in Kraft gesetzt und galt hier sogar länger als in Deutschland, nämlich von 1862 bis 1938. Erst im Zuge des Anschlusses von Österreich an Deutschland im Jahre 1938 wurde es auch in Österreich durch das HGB ersetzt1554, das bis heute in Geltung steht. Während Art 306 AHGB in Deutschland aber unzweifelhaft eine bedeutende rechtsfortbildende Wirkung zukam, sieht die Lage bezogen auf das österreichische Recht anders aus: Hier stellt sich § 366 HGB als eine recht überstürzt aus den deutschen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs im bürgerlichen Recht (§§ 932 ff BGB) und im Handelsrecht (§ 366 dHGB) zusammengeflickte Regelung dar1555, die – wie schon Art 306 AHGB – deutlich hinter jenem Schutzniveau zurückbleibt, das § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB schon im Jahre 1811 für den „gewerblichen Verkehr“ vorgesehen hat. Es überrascht daher nicht, daß anläßlich der geplanten Handelsrechtsreform (Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes 2003) auch eine Novellierung des gutgläubigen Erwerbs beabsichtigt ist, wobei die Sonderregel des § 366 HGB entfallen und in § 367 ABGB der redliche Erwerb von „einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ durch den Erwerb „von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ ersetzt werden soll1556. B. Objektive Voraussetzungen des Erwerbs 1. Maßgeblichkeit der Kaufmannseigenschaft im rechtsvergleichenden Überblick Ein redlicher Erwerb nach § 366 HGB setzt voraus, daß die Sache von einem „Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes“ veräußert wird. Ebenso wie beim Erwerb von einem „befugten Gewerbsmann“ wird die besondere Privilegierung des redlichen Erwerbs im Handelsverkehr so1553
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1555 1556
Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 344 = Mugdan, Materialien III 191; siehe auch Protokolle I. Kommission, BGB 4006 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Sachenrecht I (§§ 854-1017) 599; Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 207 = Mugdan, Materialien III 631. Siehe die „Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich“ vom 24. 12. 1938, DRGBl 1938 I 1999 = GBlÖ 1939/86. Dies konstatiert schon Frotz, Kastner-FS (1972) 133. Siehe dazu ausführlich noch unten S 331 ff.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
mit von der Person des Veräußerers und der Art seiner Geschäftstätigkeit abhängig gemacht. Eine derartige Anknüpfung ist rechtsvergleichend weit verbreitet: Während manche Rechtsordnungen einen Erwerb auf Messe und Markt privilegieren1557, wird häufiger – wie auch im österreichischen Recht – auf die Kaufmannseigenschaft des Veräußerers abgestellt: Neben dem deutschen Recht (§ 366 dHGB), ist dabei insbesondere auf das Schweizer Recht zu verweisen, dessen Art 934 Abs 2 ZGB einen Erwerb von einem „Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt“ voraussetzt, weiters etwa auf den französischen Art 2280 Abs 1 Code civil („marchand vendant des choses pareilles“), den portugiesischen Art 1301 Código civil („comerciante que negoceie em coisa do mesmo ou semelhante género“)1558, aber auch auf das US-amerikanische Recht, das in § 2-403 (2) Uniform Commercial Code auf einen „merchant who deals in goods of that kind“ abstellt. Einen Sonderweg beschreiten hingegen das spanische und das niederländische Recht, die dem Ort der Veräußerung maßgebliche Bedeutung beimessen. So schützt Art 85 Código de comercio nur den Kauf von Handelswaren in Warenlagern oder in für das Publikum geöffneten Geschäften. Darunter fallen allerdings nur solche Verkaufsstätten, die von eingetragenen Kaufleuten eröffnet wurden. Bei nicht eingetragenen Kaufleuten ist hingegen erforderlich, daß das Geschäft an acht aufeinanderfolgenden Tagen für das Publikum geöffnet ist oder durch Anschläge, Schilder oder Annoncen in Tageszeitungen angekündigt wird1559. Ebenso setzt Art 3:86 Abs 3 lit a BW nicht nur voraus, daß der Erwerber – der überdies Konsument sein muß!1560 – die Sache von einem Veräußerer erhalten hat, der den öffentlichen Verkauf von Sachen gleicher Gattung gewerblich betreibt und in der normalen Ausübung seines Gewerbes handelt, sondern der Veräußerer muß dieses Gewerbe auch „in einem dazu bestimmten Gewerberaum ausüben, der eine gebaute unbewegliche Sache oder einen Teil von dem jeweils dazu gehörenden Grundstück ausmacht“1561. Der Zweck solcher Bestimmungen 1557
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So insbesondere die Schweiz (Art 934 Abs 2 ZGB) für den Erwerb am Markt sowie Frankreich (Art 2280 Abs 1 Code civil) und Griechenland (Art 1039 Satz 2 BGB) auch für den Erwerb auf Messen. Die bekannte „market overt“-Regel des englischen Rechtes wurde hingegen im Jahr 1995 abgeschafft, siehe dazu Thorn, Mobiliarerwerb 180 ff, 188 ff. Art 1301 Código civil: „Händler, der mit Sachen derselben oder ähnlicher Art handelt“. Siehe dazu von Gerlach, Eigentumserwerbsschutz im spanischen Recht 141 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 190 f. Dazu schon oben S 23 f und S 145. So die Übersetzung bei Nieper/Westerdijk, Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 3-5, 51 f. Siehe dazu Thorn, Mobiliarerwerb 192 f; Nieper/Ploeger, Niederlande, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 184 f mit FN 100, 244 f.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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liegt auf der Hand: Durch das Abstellen auf „feste Verkaufsstellen“ wird der Schutz eines Erwerbs von „fahrenden Händlern“ unterbunden und damit zugleich die Chance erhöht, daß der Verkäufer ausfindig gemacht und vom Alteigentümer wenigstens schuldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann1562. Gegenüber dem doch recht starren Abstellen auf einen festen Veräußerungsort im spanischen und niederländischen Recht, aber auch einem wenig differenzierten Schutz eines Erwerbs auf Messe und Markt, wie ihn das französische, griechische und schweizerische Recht kennen1563, hält das österreichische Recht in der Sache überzeugend die Mitte: Indem § 366 HGB auf die Veräußerung durch einen „Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes“ abstellt, wird nämlich hinreichend sichergestellt, daß nur ein objektiv unverdächtiger Erwerb geschützt wird – nur in diesem Fall besteht ein von der Rechtsordnung anzuerkennendes Verkehrsinteresse. Überdies ist zu beachten, daß den Erwerber die Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der Rechtsscheingrundlage trifft, er also beweisen muß, daß er die Sache von einem Kaufmann erworben hat, was regelmäßig dessen Namhaftmachung voraussetzt und damit zugleich sicherstellt, daß der Alteigentümer sich am unberechtigten Veräußerer schadlos halten kann1564. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die Art des Verkaufsortes neben den sonstigen Modalitäten des Erwerbs ohnedies eine gewichtige Rolle bei der Prüfung der Redlichkeit spielt1565.
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In diesem Zusammenhang ist auch auf die Auskunftspflicht (wegwijspflicht) des niederländischen Rechts hinzuweisen, wonach der redliche Erwerber drei Jahre lang in der Lage sein muß, dem Alteigentümer alle Angaben zu machen, die für diesen erforderlich sind, um den Veräußerer ausfindig zu machen. Kann der Erwerber dies nicht, so findet – außer bei Geld – ein Gutglaubenserwerb nicht statt (Art 3:87 BW). Dazu Thorn, Mobiliarerwerb 224 f; Nieper/Ploeger, Niederlande, in: von Bar, Sachenrecht in Europa III 185. Siehe die Nachweise oben FN 1557. Im Unterschied zum Erwerb von einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB wird im Rahmen des § 366 HGB den schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen des Alteigentümers auch dadurch Rechnung getragen, daß ein redlicher Erwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen ausgeschlossen ist. Zum Aspekt einer möglichst interessengerechten Zuweisung der obligatorischen Ansprüche siehe schon oben S 247 ff. Vgl etwa (zum deutschen Recht) OLG München in NJW 2003, 673 (nicht rechtskräftig): Kein redlicher Erwerb einer wertvollen Gargnani-Geige am Münchener Hauptbahnhof.
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2. Gesetzlicher Anwendungsbereich a) Bestandsaufnahme § 366 HGB ist anzuwenden, wenn die Veräußerung durch einen „Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes“ erfolgt. Die Möglichkeit eines Gutglaubenserwerbs ist somit an den allgemeinen Anwendungsbereich des HGB gekoppelt. Entscheidend ist also, daß der Veräußerer ein Kaufmann iSd §§ 1 ff HGB ist, wobei auch der Erwerb von Minderkaufleuten – also von solchen Kaufleuten, deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (§ 4 HGB) – erfaßt ist1566. Ebenso geschützt wird ein Erwerb von „Kaufleuten kraft unzulässiger Firmenbucheintragung“ nach § 5 HGB1567. Problematisch erscheint es hingegen, wenn die herrschende österreichische Lehre einen redlichen Erwerb auch dann für zulässig erachtet, wenn es sich beim Veräußerer lediglich um einen Scheinkaufmann handelt1568, da in diesem Fall die für § 366 HGB erforderliche Rechtsscheinbasis, nämlich die Kaufmannseigenschaft des unbefugten Veräußerers, objektiv gerade nicht vorliegt1569. Faktisch deckt sich der Anwendungsbereich von § 366 HGB („Erwerb vom Kaufmann“) und § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB („Erwerb vom befugten Gewerbsmann“) weitgehend, wobei § 366 Abs 5 HGB ausdrücklich festlegt, daß die für den redlichen Erwerber günstigeren Vorschriften unberührt bleiben. Relevant ist dies bei gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen, in denen nur § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB die Möglichkeit eines redlichen Erwerbs eröffnet. Allerdings ist zu beachten, daß ein Erwerb von einem befugten Gewerbsmann stets voraussetzt, daß dieser zum Gewerberegister angemeldet ist, was ein Mindestmaß an staatlicher Aufsicht sicherstellt1570. Bei § 366 HGB kommt es auf das Vorliegen einer Gewerbebefugnis hingegen nicht an1571, sondern es ist ausreichend, daß die spezifischen handelsrecht1566 1567
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Krejci, Handelsrecht2 222; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4. Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85; Krejci, Handelsrecht2 222. Ausführlich dazu noch unten S 318 f mwN in FN 1637. Siehe Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85; Krejci, Handelsrecht2 222; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 6; AA Holzhammer, Handelsrecht8 190 und die herrschende deutsche Lehre, siehe die Nachweise unten FN 1653 und 1654. Dazu ausführlich unten S 326 ff. Eingehend dazu schon oben S 293 f. Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 6; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Klang in Klang, ABGB2 II 225; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 14. OGH in EvBl 1959/316 = ZVR 1959/241 = ZfRVgl 1960, 124 (Schneider); SZ 43/120 = EvBl 1971/7.
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lichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet vor allem, daß es bei Grundhandelsgewerben allein auf die faktische Ausübung einer solchen Tätigkeit ankommt; praktisch besonders relevant ist dies im Hinblick auf § 1 Abs 2 Z 1 HGB, also die „Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiterveräußert werden“. Bei § 2 HGB ist hingegen auf die Eintragung ins Firmenbuch und bei § 6 HGB auf die Rechtsform des Veräußerers (AG, GmbH etc) abzustellen. Ebenso wie es bei § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB darauf ankommt, daß der veräußernde Gewerbsmann gerade „zu diesem Verkehr befugt ist“, ist für den Schutz eines redlichen Erwerbs nach § 366 HGB schließlich erforderlich, daß der Kaufmann die Sache „im Betriebe seines Handelsgewerbes“ veräußert, die Veräußerung auf seiner Seite also ein Handelsgeschäft ist. Für die Beurteilung der Betriebszugehörigkeit sind dabei die §§ 343 f HGB maßgeblich1572, und zwar einschließlich der Zweifelsregel des § 344 Abs 1 HGB1573, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten. Neben Hilfs- und Nebengeschäften sind dabei auch Liquidationsgeschäfte erfaßt1574. Die Zugehörigkeit zum Betrieb muß freilich stets tatsächlich gegeben sein; ein bloßer guter Glaube an die Betriebszugehörigkeit reicht hingegen nicht aus1575. b) Kritik und Gang der weiteren Untersuchung Es wurde bereits ausgeführt, daß es sachlich durchaus gerechtfertigt erscheint, die Privilegierung des redlichen Erwerbs an die Person des Veräußerers zu knüpfen und von dessen „kaufmännischer Tätigkeit“ abhängig zu machen. Dennoch erweckt der von § 366 HGB gewählte Anknüpfungspunkt Bedenken. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland ist die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs im Handelsverkehr nämlich völlig an den formal-positivistischen Kaufmannsbegriff der §§ 1 ff HGB gekoppelt1576. Dies erscheint nicht unproblematisch, wird der 1572 1573 1574
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Krejci, Handelsrecht2 222; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 6. OGH in JBl 1968, 571; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 9. OGH in SZ 43/120 = EvBl 1971/7; RdW 1983, 107 = HS 14.003 und 14.193. Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 6, 9; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 6; Krejci, Handelsrecht2 222. Anderes gilt für § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB, dazu schon oben mit FN 1526. Krejci, Handelsrecht2 222; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 6. Seit der deutschen HGB-Reform 1998 ist der Anwendungsbereich des dHGB mit jenem des österreichischen HGB freilich nicht mehr ident, siehe dazu insb P. Bydlinski, JBl l998, 405 ff.
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Anwendungsbereich des HGB doch allgemein sehr kritisch beurteilt. Der Kaufmannsbegriff wird als antiquiert, obsolet und mißlungen kritisiert1577 und eine Weiterentwicklung des Handelsrechts zu einem Außenprivatrecht der Unternehmen gefordert1578. Während die deutsche HGB-Reform 19981579 mit ihrer grundlegenden Novellierung des Kaufmannsbegriffes die Problematik wesentlich entschärft hat1580, wird in Österreich derzeit an einer Reform des HGB intensiv gearbeitet und ihre Umsetzung ist angesichts des bereits vorliegenden HandelsrechtsÄnderungsgesetz-Entwurfes 2003 wohl nur mehr eine Frage der Zeit1581. In der Sache soll diese Reform sogar wesentlich weiter gehen als die deutsche und das Handelsgesetzbuch durch ein Unternehmensgesetzbuch (UGB) ersetzen1582. Ein Aufrollen der Reformdiskussion kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit selbstverständlich nicht erfolgen, aber auch eine Detailanalyse des Kaufmannsbegriffes wäre wenig zweckmäßig, sind jene „berichtigenden Worte des Gesetzgebers, die ganze Bibliotheken zu Makulatur werden lassen“1583 doch auch in Österreich nun schon absehbar. Trotz der bereits bestehenden Reformpläne sinnvoll erscheint 1577
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Siehe dazu Krejci, F. Bydlinski-FS (2002) 219 ff; K. Schmidt, Handelsrecht5 § 3 (S 47 ff); Schauer, FS 100 Jahre Wirtschaftsuniversität (1998) 39 ff, 50 ff; derselbe, GesRZ 2003, 4 ff; Winkler, Kaufmann, 93 ff; Dehn, JBl 2004, 5 f; (zur Rechtslage vor der deutschen HGB-Reform 1998) J. Neuner, ZHR 157 (1993) 243 ff; Henssler, ZHR 161 (1997) 13 ff. So K. Schmidt, Handelsrecht5 § 3 (S 47 ff); derselbe, JuS 1985, 249 ff; derselbe, JBl 1995, 341 ff; derselbe in Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz 67 ff; siehe schon Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 103 ff, 179 ff; derselbe, JuS 1967, 533 ff; derselbe, Stimpel-FS (1985) 29 ff; derselbe, ZHR 154 (1990) 567 ff. Dem Ansatz von K. Schmidt de lege ferenda, nicht aber de lege lata zustimmend F. Bydlinski, System und Prinzipien 438 ff; derselbe, Handels- oder Unternehmensrecht 25 ff; kritisch hingegen Canaris, Handelsrecht23 § 1 Rz 23 ff, 43 f; Zöllner, ZGR 12 (1983) 82 ff. Dazu K. Schmidt, NJW 1998, 2161 ff; derselbe, Handelsrecht5 § 10 (291 ff); P. Bydlinski, ZIP 1998, 1169 ff; derselbe, JBl 1998, 405 ff (im Vergleich mit dem österreichischen Recht). K. Schmidt, Handelsrecht5 § 3 I 2 b (S 50 f). Zur geplanten Novellierung des redlichen Erwerbs, die mittlerweile beschlossen wurde (BGBl I 2005/120), ausführlich unten S 331 ff. Siehe dazu insbesondere Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz; weiters Roth/Fitz, JBl 2002, 409 ff; Roth, RdW 2003, 610 ff; Schauer, GesRZ 2003, 3 ff; derselbe, ecolex 2004, 4 ff; derselbe, JBl 2004, 23 ff; G. Wilhelm, ecolex 2004, 1; S Bydlinski, JBl 2004, 2 ff; Dehn, JBl 2004, 5 ff; Krejci, JBl 2004, 10 f; K. Schmidt, JBl 2004, 31 ff. Vgl – immer noch lesenswert – Kirchmann, Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft (mit Zitat auf S 29); siehe aber auch Larenz, Unentbehrlichkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft.
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es hingegen, zu untersuchen, inwieweit der Anwendungsbereich des § 366 HGB schon de lege lata durch Analogieschlüsse erweitert oder durch die Lehre vom Scheinkaufmann ergänzt werden kann1584, denn beide Fragestellungen sind auch de lege ferenda relevant: Bei der Frage der Analogie geht es nämlich darum, eine Vorschrift auf vergleichbare, aber nicht geregelte Sachverhalte anzuwenden, um so eine dem Gleichheitsgebot entsprechende rechtliche Beurteilung der jeweiligen Sachlage zu ermöglichen. Die Feststellung einer ausfüllungsbedürftigen Lücke erfordert also – insbesondere bei den hier relevanten teleologischen Lücken – stets die Aufdeckung der für eine Vorschrift maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte. Eine solche teleologische Interpretation ist aber auch notwendig, wenn abgeschätzt werden soll, inwieweit im Hinblick auf § 366 HGB tatsächlich ein Reformbedarf besteht; nur diese ermöglicht aber wiederum eine Beurteilung der bereits vorliegenden Reformvorschläge1585. Bei der Lehre vom Scheinkaufmann geht es hingegen um das Zusammenspiel von Rechtsscheinhaftung und redlichem Erwerb, eine methodisch hoch interessante Frage, die auch im Hinblick auf die Struktur redlichen Erwerbs besonders aufschlußreich zu sein verspricht. Überdies ist die Problematik auch nach einer allfälligen Reform von Interesse. Dies zeigt insbesondere die deutsche Diskussion, wo auch nach der HGB-Reform 1998 weiterhin umstritten ist, ob ein redlicher Erwerb von Scheinkaufleuten nach § 366 dHGB zu schützen ist oder nicht. Nicht anders stellt sich die Lage aber auch in Österreich dar: Macht ein neu gefaßter § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB einen redlichen Erwerb nämlich davon abhängig, daß die Veräußerung durch einen „Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ erfolgt, so stellt sich auch hier die Frage, was rechtens ist, wenn der Veräußerer kein Unternehmer ist, sondern sich nur als solcher geriert.
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Im Hinblick auf das Verhältnis von Analogie und Scheinkaufmannslehre ist zu beachten, daß auch die Lehre vom Scheinkaufmann dazu führt, daß Personen dem Handelsrecht unterworfen werden, die nicht Kaufleute iSd §§ 1 ff HGB sind. Von einem „verdeckten Analogieproblem“ spricht daher kritisch Raisch, Stimpel-FS (1985) 43 ff. Dieser Kritik ist insofern zuzustimmen, als die Lehre vom Scheinkaufmann nicht zur Überwindung eines als zu eng empfundenen Kaufmannsbegriffes herangezogen werden darf, sondern nur dort legitim zur Anwendung gelangt, wo ein echtes Vertrauensschutzbedürfnis besteht (siehe K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 VIII 1 [S 323 f], § 10 VIII 2 d [S 326]). Die Grenzen der Scheinkaufmannslehre ergeben sich daher aus den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung, so zutreffend J. Neuner, ZHR 157 (1993) 265 f. Dazu ausführlich unten S 331 ff.
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C. Erweiterung des Anwendungsbereiches durch Analogie? 1. Ausgangspunkt Die handelsrechtlichen Vorschriften sind leges speciales zu den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Ausdrücklich bestimmt dies Art 4 der 4. EVHGB: „In Handelssachen sind die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts nur insoweit anzuwenden, als nicht die besonders für Handelssachen geltenden Gesetze etwas anderes bestimmen“. Konkret für den redlichen Erwerb ordnet Entsprechendes auch § 366 Abs 5 HGB an: „Für den gutgläubigen Erwerber günstigere Vorschriften des österreichischen Rechts bleiben unberührt“. In diesem Sinne können die Vorschriften des HGB als Ausnahmevorschriften zum allgemeinen Zivilrecht angesehen werden1586. Betrachtet man das 4. Buch des HGB (§§ 343-453)1587, das die Handelsgeschäfte zum Gegenstand hat, so weckt dies allerdings Zweifel an der inneren Rechtfertigung eines solchen Standpunktes1588. Über weite Strecken handelt es sich dabei nämlich um Bestimmungen allgemein zivilrechtlichen Charakters, deren Regelung im Handelsrecht nur geschichtlich erklärt werden kann und auf die rechtsvereinheitlichende Funktion und Vorbildwirkung des ADHGB zurückzuführen ist1589. Gerade der Blick auf die Regelung der Handelsgeschäfte hat deshalb stets Zweifel an der Selbständigkeit des Handelsrechtes geweckt1590. Engt man den Blick nicht so weit ein und begreift das Handelsrecht als Recht der Sonderregeln für professionelles unternehmerisches Wirken1591, so ist dieser Rechtsmaterie normative Spezifität aber durchaus zuzubilligen1592. Diese „innere Selbständigkeit“ hängt freilich nicht davon ab, ob im Sinne eines bloß den Rechtsstoff ordnenden äußeren Systems – 1586
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Sieht man von der Betonung des Spezialitätsgrundsatzes einmal ab, so ist das prinzipielle Verhältnis von allgemeinem Zivilrecht und Handelsrecht insgesamt freilich noch zu wenig ausgeleuchtet. Zur Subsidiarität des Zivilrechts und der normativen Spezifität des Handelsrechts vgl aber F. Bydlinski, System und Prinzipien 431 ff, 444 ff mwN; siehe auch die grundlegenden Untersuchungen von Raisch, insb Abgrenzung; derselbe, Geschichtliche Voraussetzungen. §§ 343-475h dHGB. Dazu rechtsvergleichend insb Kramer, Ostheim-FS (1990) 299 ff. Dazu vor allem Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen; weiters K. Schmidt, Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts 26 ff. Vgl Canaris, Handelsrecht23 § 1 Rz 22, 30 ff, 45. Eine selbständige Teilkodifikation der Handelsgeschäfte lehnt daher auch Kramer, Ostheim-FS (1990) 319 f, ab, der freilich betont, daß es für den Handelsverkehr spezifische Wertungsgesichtspunkte gebe, die nicht im Sinne einer Kommerzialisierung des allgemeinen Privatrechts generalisiert werden dürften. So Krejci, F. Bydlinski-FS (2002) 227; vgl dazu schon oben mit FN 1578. F. Bydlinski, System und Prinzipien 431 ff, 444 ff mwN.
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so wie in Österreich oder Deutschland – eine eigene handelsrechtliche Kodifikation besteht, oder – wie etwa in der Schweiz und Italien – auf eine solche zugunsten eines Einheitssystems verzichtet wird1593. Die Frage nach der „Selbständigkeit“ des Handelsrechtes und seiner normativen Spezifität kann im gegebenen Rahmen nicht weiter vertieft werden und es ist dies im vorliegenden Zusammenhang auch nicht nötig: Der Qualifizierung des § 366 HGB als spezieller Vorschrift oder Ausnahmeregel ist für die Frage der Analogie ohnedies keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Es ist heute nämlich anerkannt, daß auch Ausnahmevorschriften der Analogie zugänglich sind, sofern ein vom Wortlaut nicht erfaßter Fall sachlich gleich gelagert, also rechtsähnlich ist1594. In diesem Sinne hat schon Pisko – noch zum AHGB – die Zulässigkeit der analogen Anwendung einzelner handelsrechtlicher Vorschriften für das bürgerliche Recht untersucht und grundsätzlich bejaht1595. Dementsprechend werden schon heute zahlreiche Vorschriften des HGB im bürgerlichen Recht analog angewendet1596. Dies gilt auch für den redlichen Erwerb, nämlich den Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des Gewerbsmannes1597 und wird auch im Hinblick auf einen – unstreitig zulässigen – lastenfreien Erwerb nach ABGB erwogen1598. 1593
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Dies zeigt sich etwa daran, daß in der Schweiz Bucher, Meier-Hayoz-FS (1972) 1 ff, 12, die Eigenständigkeit des Handelsrechts betont, während in Deutschland Müller-Freienfels, von Caemmerer-FS (1978) 583 ff, 613 die „Selbständigkeit“ des Handelsrechtes in Frage stellt. Auf diese rechtsvergleichend doch erstaunliche und gerade deshalb lehrreiche Diskrepanz hat im übrigen schon F. Bydlinski, System und Prinzipien 433; derselbe, Handels- oder Unternehmensrecht 10, hingewiesen. Siehe zum Themenkreis – mit weiteren rechtsvergleichenden Hinweisen – auch Kramer, Ostheim-FS (1990) 299 ff. Siehe dazu Canaris, Feststellung von Lücken2 181; Larenz, Methodenlehre6 355 f; Kramer, Methodenlehre2 185 ff; F. Bydlinski, Methodenlehre2 440; Engisch, Juristisches Denken5 147 f. Aufschlußreich zur geschichtlichen Entwicklung des Analogieverbotes von Ausnahmevorschriften („singularia non sunt extendenda“), insbesondere dem Zusammenhang mit der gemeinrechtlichen Statutentheorie („statute stricte sunt interpretanda“), welche die Rezeption römisch-rechtlicher Regeln gegenüber dem deutschen Partikularrecht befördern sollte, Raisch, Stimpel-FS (1985) 34; zur Statutentheorie vgl schon oben S 97 f mit FN 538. Pisko, Handelsgesetze als Quelle bürgerlichen Rechts; aus jüngerer Zeit siehe insbesondere Raisch, Stimpel-FS (1985) 29 ff mwN. Siehe nur Kramer, Ostheim-FS (1990) 300 f. Vgl oben S 297 mit Nachweisen in FN 1530. So Pisko, Handelsgesetze als Quelle bürgerlichen Rechts 112 f (noch zu Art 306 AHGB). Diesem Argument kommt aber allenfalls unterstützende Funktion zu, läßt sich ein lastenfreier Erwerb im Zivilrecht doch schon in Analogie zu den §§ 367, 371 ABGB begründen, wofür zwingend ein Größenschluß spricht: Wenn man sogar das Eigentumsrecht als Vollrecht des guten Glaubens erwerben kann, dann muß das um so mehr für den Wegfall von Einschränkungen des Eigentums gelten; siehe
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Fragt man nun spezieller danach, ob auch eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 366 HGB durch Analogie zulässig ist, so erscheint es zunächst angezeigt, sich die allgemeinen, schon kurz erwähnten Erfordernisse eines zulässigen Analogieschlusses nochmals zu vergegenwärtigen. Bei der Analogie geht es darum – entsprechend dem allgemeinen Gleichheitsgebot – Gleiches gleich zu behandeln1599. Zu fragen ist also danach, ob die überaus formale und positivistische Abgrenzung des Kaufmannsbegriffes im Hinblick auf die Regelung des redlichen Erwerbes zu gravierenden Wertungswidersprüchen führt, weil gleich gelagerte Sachverhalte nicht erfaßt werden und deshalb an den Privilegierungen des § 366 HGB nicht teilnehmen. Für die Feststellung einer solchen teleologischen Lücke1600 sind freilich nicht wie immer geartete rechtspolitische Bedürfnisse oder Wunschvorstellungen maßgeblich, sondern die immanente Teleologie des Gesetzes1601. Dies macht es erforderlich, den genuinen Anwendungsbereich des § 366 HGB einer näheren Untersuchung zu unterziehen, um so die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte aufzudecken. 2. Genuiner Anwendungsbereich des § 366 HGB § 366 Abs 1 HGB erweitert den Gutglaubensschutz des ABGB in zweifacher Weise: Zum einen schadet dem Erwerber nur grobe Fahrlässigkeit, zum anderen wird auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers geschützt. Beides soll den gesteigerten Interessen des Handelsverkehrs Rechnung tragen. Während der Maßstab der Redlichkeit den Erwerber vor überzogenen Sorgfaltsanforderungen und damit verbundenen Nachforschungspflichten bewahrt und so die Schleunigkeit und möglichst unkomplizierte Abwicklung des Handelsverkehrs sicherstellt, ist die zweite Privilegierung – nämlich der Schutz auch des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis – für den genuinen Anwen-
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Iro, Sachenrecht2 Rz 6/63; Randa, Eigentumsrecht2 I 365; Klang in Klang, ABGB2 II 221 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 333; E. Bydlinski, ÖBA 1988, 970 f. Dies gilt insbesondere bei – den hier allein relevanten – Wertungslücken, siehe Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz2 45, 72 FN 47 mwN; F. Bydlinski, Methodenlehre2 474; Larenz/Canaris, Methodenlehre3 193, 195; Zippelius, Methodenlehre9 § 11 I b und II a. Von einer solchen teleologischen Gesetzeslücke spricht man dann, wenn die mit Hilfe des Interpretationsmaterials ermittelte ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgebot die Erstreckung einer Rechtsfolgeanordnung einer Norm oder auch mehrerer gesetzlicher Vorschriften - wegen der Übereinstimmung der rechtlichen Wertungen - auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall erfordert. Siehe F. Bydlinski, Methodenlehre2 474; Canaris, Feststellung von Lücken2 141 und 71 ff, 148 ff. Vgl Larenz/Canaris, Methodenlehre3 195; Canaris, Feststellung von Lücken2 35 f.
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dungsbereich des HGB noch aufschlußreicher. Schon in den Gesetzesmaterialien zum HGB, der sogenannten Denkschrift wird diesbezüglich nämlich betont1602: „Der Fall, daß auf Grund eines handelsrechtlichen Vertragsverhältnisses die Befugnis begründet ist, über eine fremde Sache, sei es im eigenen Namen, sei es im Namen des Eigentümers zu verfügen, ist so häufig, daß die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigt werden würde, wenn dem entschuldbaren Irrtum über das Vorhandensein einer solchen Verfügungsbefugnis der Schutz versagt bliebe“. Daß die Materialien – soweit es um ein Handeln in eigenem Namen geht1603 – damit das Richtige treffen, hat die weitere Entwicklung 1602 1603
Denkschrift, HGB 207. Die Denkschrift stellt einem Handeln in eigenem Namen jenes in fremdem Namen hingegen ohne weiteres gleich und will § 366 HGB auch dann anwenden, wenn „ein Handlungsagent im Namen des Geschäftsherren die Waren desselben, welche er auf seinem Lager hat, veräußert und übergibt“ (aaO 207 f). Dementsprechend wird in Deutschland die Anwendbarkeit des § 366 dHGB auch bei Fehlen der Vertretungsmacht verbreitet bejaht; so Schlegelberger/Hefermehl, HGB5 § 366 Rz 32; MünchKomm/Welter, HGB § 366 Rz 42 ff; Baumbach/Hopt, HGB31 § 366 Rz 5; Heymann/Horn, HGB § 366 Rz 16; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 16; siehe zuletzt besonders K. Schmidt, JuS 1987, 936 ff; derselbe, Handelsrecht5 § 23 III (S 681 ff), der betont, eine solche Gleichstellung sei auch notwendig, da im Handelsverkehr häufig nicht unterschieden werde, ob der Verfügende in fremdem Namen oder in eigenem Namen handle und im Rahmen der Vertriebssysteme auch funktionell austauschbar sei, ob ein Vertragshändler, ein Kommissionsagent oder ein Handelsvertreter tätig werde (ähnlich Hefermehl, Horn und Welter, jeweils aaO). Allerdings ist fraglich, ob solche Fehleinschätzungen in der Laiensphäre – die häufig nur darauf beruhen, daß der rechtlichen Konstruktion getätigter Geschäfte allzu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird – eine besondere Schutzwürdigkeit begründen. Überdies ist zu berücksichtigen, daß im Zweifel, also bei unzureichender Offenlegung, ohnedies von einem Eigengeschäft des Handelnden auszugehen ist (dazu unten bei FN 1690), weshalb § 366 HGB ohnedies zur Anwendung gelangt (so auch Reinicke, AcP 189 [1989] 104 f). Auch deshalb sollten allfällige Schutzlücken nicht überschätzt werden, spielen sie in der Praxis doch kaum eine Rolle (vgl Reinicke, AcP 189 [1989] 79; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 231). Vor allem aber ist die Interessenlage in beiden Fällen durchaus unterschiedlich, wie Canaris, Großkomm, HGB3 III/2 § 366 Anm 27; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 16, zutreffend betont: Bei einem Handeln in fremdem Namen ist nicht dieselbe Wahrscheinlichkeit für das Bestehen der Vertretungsmacht gegeben, wie bei einem Handeln in eigenem Namen für das Bestehen der Verfügungsmacht; derjenige, der in fremdem Namen handelt, ist nämlich typischerweise weit stärker von seinem Auftraggeber abhängig und der Vertrauenstatbestand daher deutlich schwächer. Auch ist – wie Wiegand, JuS 1974, 548, hervorhebt – in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß die Vollmacht personenbezogen, die Ermächtigung aber gegenstandsbezogen ist (vgl schon Flume, Rechtsgeschäft4 § 57, 1 b [S 904]). Die Rechtsscheinwirkung des Besitzes betreffe insofern nur die rechtliche Beziehung
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eindeutig erwiesen. Wie Karsten Schmidt nämlich im Hinblick auf die Bedeutung der Verfügungsbefugnis zu Recht betont, hat § 366
zur Sache, während derjenige, der an die Vertretungsmacht glaube, der Person des Vertreters traue. Im Hinblick auf das österreichische Recht wird ein Schutz des guten Glaubens an die Vertretungsbefugnis schließlich schon im Hinblick auf das Prinzip der kausalen Tradition abgelehnt: Ein Eigentumserwerb scheitert nämlich am Vorliegen eines gültigen Titels, da § 366 HGB diesen nicht zu ersetzen vermag; siehe Welser, Vertretung ohne Vollmacht 217 f; Frotz, Kastner-FS (1972) 138 f; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 9; ebenso im Hinblick auf §§ 367, 1088 ABGB F. Bydlinski, JBl 1967, 357 f. Trotz des Abstraktionsprinzips bereitet die schuldrechtliche Lage freilich auch in Deutschland Probleme (dazu Stadler, Verkehrsschutz durch Abstraktion 255 f; dieselbe in Ebenroth/Boujong/ Roth, HGB § 366 Rz 11): Auch hier geht die hL nämlich davon aus, daß der Schutz des guten Glaubens an die Vertretungsmacht nur die dingliche Einigung saniert, nicht aber das obligatorische Grundgeschäft heilt, weshalb der Eigentumserwerb nicht kondiktionsfest ist und bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden muß, was die Lage weiter kompliziert und dazu führt, daß dem Gutgläubigen sein Erwerb letztlich nichts nützt; die bereicherungsrechtlichen Einzelheiten sind freilich wiederum umstritten (für Herausgabe und Wertersatz nur gegen Erstattung des Kaufpreises Baumbach/Hopt, HGB31 § 366 Rz 5; dagegen GroßKomm/ Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 27). Insoweit erscheint es konsequenter, wenn K. Schmidt, JuS 1987, 939; derselbe, Handelsrecht5 § 23 III 2 (S 684 ff), für einen kondiktionsfreien Erwerb plädiert und dem redlichen Erwerber die Sache somit endgültig zuweist (K. Schmidt stützt sich dabei auf § 179 Abs 1 BGB, wonach der falsus, der den Vollmachtsmangel kannte, auf Erfüllung in Anspruch genommen werden kann und sieht dies als Rechtsgrund für ein „Behalten-Dürfen“ der Sache; dagegen aber Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 17; Reinicke, AcP 189 [1989] 93 ff; Hager, Verkehrsschutz 414 FN 151). Im Ergebnis noch weiter geht Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 22, der für eine Sanierung auch des Grundgeschäftes eintritt und deshalb eine „gesetzlich typisierte Anscheinsvollmacht“ immer schon dann annehmen will, „wenn die Voraussetzungen des § 366 HGB erfüllt sind“ (für eine Heilung des Grundgeschäftes de lege ferenda schon Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 276; dagegen aber überzeugend Welser, Vertretung ohne Vollmacht 217 FN 17: Der unwirksam Vertretene käme in eine arge Situation, er verlöre nicht nur sein Eigentum, sondern wäre zusätzlich noch Ansprüchen des Erwerbers – insbesondere auf Gewährleistung – ausgesetzt, obwohl er für die Annahme eines Vollmachtstatbestandes keinen Anlaß gegeben habe). Eine Ausdehnung des sachenrechtlichen Verkehrsschutzes auf das Vollmachtsrecht ist mit den gängigen dogmatischen Kategorien daher letztlich nicht in Einklang zu bringen, wird von den Rechtsscheinwirkungen des Besitzes nicht gedeckt und ist – wie bereits betont wurde – weder auf Grund der Interessenlage gerechtfertigt noch aus unabweisbaren Vertrauensschutzgründen geboten. Es sprechen somit die besseren Gründe dafür, die Sachprobleme dort zu belassen, wo sie auch ihren dogmatischen Sitz haben: § 366 HGB ist daher nur bei einem Handeln in eigenem Namen anzuwenden, geht es hingegen um
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dHGB „an Schlagkraft erheblich gewonnen, seitdem die Kreditsicherungspraxis im Warenhandel den Händler immer häufiger zum verfügungsberechtigten Nichteigentümer mutieren ließ“1604. Vereinfachend und typisierend lasse sich im Warenhandel § 932 BGB (der nur den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers schützt) als Gutglaubensschutz für Konsumenten beschreiben, § 366 dHGB dagegen als Gutglaubensschutz für Kenner der Handelsusancen. Daß dieser Befund angesichts der weiten Verbreitung des Eigentumsvorbehalts auch für Österreich durchaus bestätigt wird, zeigt im übrigen schon die große Zahl einschlägiger Gerichtsentscheidungen, wobei bei Waren, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden1605, an die Redlichkeit zumindest dann ein strenger Maßstab angelegt wird, wenn es sich beim Erwerber um einen Kaufmann handelt1606. Freilich darf nicht übersehen werden, daß die Gesetzesverfasser beim Schutz des guten Glaubens auch an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers in erster Linie an den Kommissionär gedacht haben, wie
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ein Handeln in fremdem Namen, so richtet sich der Schutz berechtigten Vertrauens nach den Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht. So auch die herrschende österreichische Lehre, siehe Welser, Vertretung ohne Vollmacht 214 ff, 217 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 299 f; Kastner, Frotz-FS (1972) 138 f; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 9; Krejci, Handelsrecht2 223; OGH in SZ 53/163 = JBl 1981, 536; ebenso im Hinblick auf die §§ 367, 1088 ABGB F. Bydlinski, JBl 1967, 357 f. AA zu § 366 HGB Holzhammer, Handelsrecht8 190 und Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 22, dessen Argumente auch Kalss/Schauer, Handelsrecht, Rz 9/61 FN 145 für beachtlich halten. Gegen eine Ausdehnung des § 366 dHGB auf die Fälle fehlender Vertretungsmacht wenden sich auch in Deutschland insbesondere GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 27; Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 16 f; Wiegand, JuS 1974, 548; Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 567; Reinicke, AcP 189 (1989) 79 ff; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 229 ff; Ebenroth/Boujong/ Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 10 f. K. Schmidt, NJW 1999, 400; derselbe, Handelsrecht5 § 23 I 2 (S 672 f). Beispiele aus der Judikatur sind etwa Baumaterialien (ÖBA 1991, 56 [Gröll] = JBl 1991, 378), Maschinen (SZ 23/379; SZ 63/138 = RdW 1991, 41 = ÖBA 1991, 138), Glasbehälter für Gemüsekonserven oder Furnierhölzer (OGH in JBl 1986, 234 und 235 [Czermak]); siehe weiters Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 30. Vgl dazu Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 11; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 377; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644 f; OGH in SZ 60/120 = JBl 1988, 314 (Czermak) = ÖBA 1988, 88; JBl 1993, 183 = ÖBA 1993, 156 (Bollenberger); zur Veräußerung von Kfz siehe OGH in SZ 68/196 = RdW 1996, 356 = HS 26.106 und 26.368 sowie die Nachweise in FN 936. Entfällt deshalb – zumindest im kaufmännischen Verkehr – ein für das Eigentum des Veräußerers sprechender Rechtsschein, wird die Frage virulent, unter welchen Umständen auf das Vorliegen einer Verfügungsbefugnis vertraut werden darf; dazu sogleich unten im Text mit FN 1611 und 1613.
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sich der Denkschrift zum HGB eindeutig entnehmen läßt1607: „Wer von einem Kaufmanne, der gewerbsmäßig Kommissionsgeschäfte betreibt, Waren oder Wertpapiere erwirbt oder zum Pfande nimmt, wird oftmals nicht im Unklaren darüber sein, daß die betreffenden Gegenstände nicht dem Veräußerer oder Verpfänder gehören, er darf sich aber, wenn ihm die Umstände keine Veranlassung zu zweifeln geben, darauf verlassen, daß der Kommissionär zur Verfügung über den Gegenstand befugt ist, und es kann ihm der Regel nach nicht angesonnen werden, Ermittlungen darüber anzustellen, ob ein gültiger Kommissionsvertrag besteht und wieweit er reicht“. Da das Berufsbild des Kommissionärs dadurch gekennzeichnet ist, daß dieser fremde Sachen in eigenem Namen verkauft (§ 383 HGB), trifft die gesetzliche Wertung völlig zu. Auf Grund seiner Berufsstellung ist der Kommissionär nämlich typischerweise verfügungsbefugt1608. Anders formuliert kann man also sagen, daß der Besitz des Kommissionärs eben nicht neutral, sondern mit dem Anschein der Verfügungsbefugnis verbunden ist1609. Nichts anderes gilt aber auch für den praktisch so bedeutsamen Fall der Veräußerung von Gütern, die unter Eigentumsvorbehalt stehen1610: Bei einer Vielzahl von Waren ist es heute nämlich allgemein üblich, daß der Lieferant dem Kaufmann diese zwar zum Zweck der Weiterveräußerung liefert, sich seinerseits aber das Eigentum an der Ware bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält. Mit der Weiterveräußerung ist der Lieferant freilich typischerweise einverstanden, ist den Beteiligten doch völlig klar, daß der Kaufmann das Geld, das er dem Lieferanten schuldet, zuerst einmal verdienen muß. Findet die Veräußerung im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb des Kaufmannes und gegen Barzahlung statt, darf der Erwerber deshalb grundsätzlich von der Erteilung einer entsprechenden Verfügungsbefugnis ausgehen1611; ist diese doch schließlich der Normalfall1612. Wurde die Ermächtigung ausnahmsweise nicht erteilt, widerrufen oder ist sie aus sonstigen Gründen erloschen oder hat sich der Veräußerer nicht an die Grenzen der Verfügungsermächtigung gehalten, so bietet § 366 HGB zu Recht Schutz, 1607 1608 1609 1610
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Denkschrift, HGB 207. Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 2. So Reinicke, AcP 189 (1989) 101. Siehe zum Folgenden Reinicke, AcP 189 (1989) 101; GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 3, 35, 41 ff. Dazu Bollenberger, JBl 1995, 646 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 377; OGH in SZ 60/13 = JBl 1988, 311, dazu Rodrigues, JBl 1988, 295 ff; SZ 60/120 = JBl 1988, 314 (Czermak) = ÖBA 1988, 88; JBl 1993, 183 = ÖBA 1993, 156 (Bollenberger); RdW 2000, 469. Für Deutschland siehe GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 35, 41 ff. F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 633 f; Frotz, Kreditsicherungsrecht 184 f; Bollenberger, ÖJZ 1995, 642.
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sofern das Vertrauen des Erwerbers nur nach Lage des konkreten Falles als gerechtfertigt angesehen werden darf1613. Wie die Beispielsfälle gezeigt haben, beruht der Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers auf dem Vorliegen eines verstärkten Rechtsscheintatbestandes, da zum Besitz als zusätzliche Rechtsscheingrundlage die Kaufmannseigenschaft, genauer genommen die Berufsstellung des Verfügenden und die Zugehörigkeit des Geschäftes zum Betrieb seines Handelsgewerbes tritt1614; der veränderten Rechtsscheinwirkung entspricht somit die veränderte Rechtsscheinbasis1615. Stellen das Kommissionsgeschäft und der Warenhandel unter Eigentumsvorbehalt dabei legitime Anwendungsfelder des § 366 HGB dar, darf anderseits aber auch nicht übersehen werden, daß die verallgemeinernde Wertung des Gesetzes, der Innehabung aller Kaufleute eine derart weite Indizwirkung zuzuerkennen1616 und daher den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis stets und generell zu schützen, nicht unproblematisch ist1617: Die Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer Verfügungsbefugnis ist nämlich bei vielen Kaufleuten bei weitem nicht in dem Ausmaß gegeben, wie bei einem Kommissionär oder einem Warenhändler1618. So sind etwa Frachtführer, Spediteure oder Lagerhalter typischerweise gerade nicht zur Veräußerung der in ihrer Gewahrsame befindlichen Waren befugt, schon ihre Berufsstellung begründet daher grundsätzlich bösen Glauben des Erwerbers1619. 1613
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Zu den im Einzelnen zu stellenden Anforderungen siehe Schuhmacher in Straube, HBG3 § 366 Rz 11 f; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 26 ff, 30 f ; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1063 Rz 97 sowie die Nachweise in FN 1611. Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 2. So treffend Wiegand, JuS 1974, 548. Vgl Frotz, Kastner-FS (1972) 150 f. Siehe Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen 274 ff; Großkomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 3 f; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 3; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 1. Noch zweifelhafter ist es, wenn das Gesetz bei Kaufleuten das Bestehen einer Verfügungsbefugnis auch im Hinblick auf die Bestellung eines Pfandrechts generell unterstellt; dazu ausführlich Großkomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 4, 55 ff; kritisch auch Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 1. Vergleichbare Probleme stellen sich übrigens auch im ABGB, nämlich beim Verweis des § 456 ABGB auf § 367 ABGB, wobei freilich schon umstritten ist, ob ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb von einem befugten Gewerbsmann überhaupt in Betracht kommt; bejaht wird dies von Ehrenzweig, System2 I/2, 411; Iro, Sachenrecht2 Rz 10/18; Harrer, Sicherungsrechte 65; Klang in Klang, ABGB2 II 454; ablehnend hingegen Böhler, Verpfändung 56 f; E. Demelius, Pfandrecht 355 ff; Eicher, Mobiliarpfandrecht 201; Frotz, Kreditsicherungsrecht 40; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 456 Rz 3; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 345; ebenso ablehnend für den gutgläubigen Erwerb von Sicherungseigentum Frotz, Kreditsicherungsrecht 112; E. Bydlinski, ÖBA 1988, 970 f (mit jeweils unterschiedlichem methodischen Ansatz). Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 3, 19.
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Im Hinblick auf den breiten Anwendungsbereich des HGB zeigt sich somit eine deutliche Diskrepanz zwischen der ratio legis und der tatbestandlichen Fassung des § 366 Abs 1 HGB1620. Diese kann nur dadurch überbrückt werden, daß die Anforderungen an die Redlichkeit um so strenger gehandhabt werden, je mehr sich das Berufsfeld des jeweiligen Kaufmannes vom Leitbild des Kommissionärs und des Warenhandels unter Eigentumsvorbehalt entfernt1621. Im Hinblick auf den Schutz der Verfügungsbefugnis ist es daher erforderlich, je nach Art des vom Veräußerer ausgeübten Handelsgewerbes differenzierte Anforderungen an die Redlichkeit zu stellen1622. Auch hier zeigt sich also wiederum die Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen1623. 3. Folgerungen für die Zulässigkeit einer Analogie Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, daß der Anwendungsbereich des HGB im Hinblick auf § 366 HGB eher zu weit als zu eng geraten ist und deshalb auf der Ebene der Redlichkeitsprüfung wiederum eingeschränkt werden muß. Bedenkt man weiters, daß der Kernanwendungsbereich redlichen Erwerbs, nämlich der Warenhandel gemäß § 1 Abs 2 Z 1 HGB als Grundhandelsgewerbe ohnedies erfaßt wird und zwar unabhängig von der Größe des kaufmännischen Betriebs, so ist es letztlich nicht überraschend, daß trotz der überaus kasuistischen Normierung des Kaufmannsbegriffes für eine analoge Ausdehnung des § 366 HGB auf nichtkaufmännische Personengruppen in Österreich derzeit kaum ein Bedürfnis besteht. Während eine analoge Erstreckung des § 366 HGB auf jeglichen Unternehmer aber schon deshalb ausscheidet, weil ein solches Beiseiteschieben des gesetzlichen Anwendungsbereiches methodisch nicht zulässig wäre1624, ändert dieser Befund nichts an der prinzipiellen Zulässigkeit vorsichtiger Einzelanalogie. 1620
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So zu Recht Canaris, Handelsrecht § 29 Rz 3; derselbe in GroßKomm, HGB3 III/2 § 366 Anm 4, 55. Vgl GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 Anm 3, 31 f; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 3, 18 ff. Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 1. Dabei ist selbstverständlich auch danach zu differenzieren, ob es sich um eine Veräußerung handelt oder um ein Sicherungsgeschäft in Form einer Pfandbestellung oder einer Sicherungsübereignung; eingehend dazu Großkomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 4, 55 ff. Grundlegend Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 9 ff, 27, § 932 Rz 37; derselbe, JuS 1974, 207 f; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 189 f, 193 ff; vgl dazu schon oben S 188 f und S 192 f sowie ausführlich unten S 416 ff. AA K. Schmidt, Handelsrecht5 § 23 II 1 a (S 675 f), der § 366 dHGB auf „jeden Unternehmensträger“ anwenden will. Auch wenn man anerkennt, daß eine analoge Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Unternehmensträger grundsätzlich
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Anders als in Österreich, besteht in Deutschland für eine solche Einzelanalogie auch tatsächlich ein dringender Bedarf und zwar seit der HGB-Reform 19981625: Diese hat den Katalog der Grundhandelsgewerbe (§ 1 Abs 2 Nr 1 bis 9 dHGB aF), die den Kern der gewerblichen Tätigkeit bilden und deshalb – unabhängig von der Größe – ipso jure Kaufmannsqualität mit sich brachten, beseitigt. Nach § 1 Abs 2 dHGB ist für die Kaufmannseigenschaft nun generell Voraussetzung, daß das Handelsgewerbe nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kleingewerbliche Warenhändler, die sich nicht nach § 2 dHGB ins Handelsregister haben eintragen lassen, sind vom Anwendungsbereich des dHGB daher nicht mehr erfaßt; § 366 dHGB ist auf einen Erwerb von kleinen Händlern nicht mehr direkt anwendbar1626. Kunden eines kleinen und nicht eingetragenen Eigenhändlers, denen bekannt ist, daß dieser seine Waren unter Eigentumsvorbehalt bezieht, wären somit in ihrem guten Glauben auch dann nicht mehr geschützt, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände darauf vertrauen durften, daß eine Verfügungsbefugnis erteilt wurde, diese aber ausnahmsweise fehlt1627. Dies führt zu gravierenden Wertungswidersprüchen1628: Im Warenhandel begründet die Berufsstellung des Veräußerers nämlich unabhängig von der Größe des Betriebes den Anschein einer typischerweise bestehenden Verfügungsbefugnis. Über-
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in Betracht kommt, so bedarf jede einzelne Analogie doch der gesonderten Begründung (so zu Recht Canaris, Handelsrecht23 § 1 Rz 25). Eine Schutzlücke, die eine generelle Erstreckung auf Unternehmensträger rechtfertigen würde, liegt aber – wie der vorstehende Abschnitt hinlänglich deutlich gemacht hat – im Fall des § 366 HGB keinesfalls vor. Ablehnend daher auch Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 8; Heymann/Horn, HGB § 366 Rz 4; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 4. Zu K. Schmidts Konzept, das Handelsrecht zu einem Außenprivatrecht der Unternehmen fortzubilden, siehe im übrigen schon oben mit FN 1578. Zur dabei erfolgten Änderung des Kaufmannsbegriffes siehe K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 (291 ff); P. Bydlinski, ZIP 1998, 1169 ff; derselbe, JBl 1998, 405 ff (im Vergleich mit dem österreichischen Recht). Anderes gilt nur für Kleinkommissionäre, da § 383 Abs 2 Satz 2 dHGB nF auf die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buchs des dHGB und damit auch auf § 366 dHGB verweist; siehe K. Schmidt, NJW 1998, 2163; Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 6. Auch dieser Verweis ist freilich technisch mißlungen, da er nur in „Ansehung des Kommissionsgeschäftes“ erfolgt, also das – für § 366 dHGB maßgebliche – Ausführungsgeschäft zwischen Kommissionär und Drittem nach gängiger Terminologie gar nicht erfassen würde; siehe von Olshausen, JZ 1998, 719 f; MünchKomm/Welter, HGB § 366 Rz 30 f. Vgl von Olshausen, JZ 1998, 719. Siehe Canaris, Handelsrecht23 § 29 Rz 7; kritisch auch MünchKomm/Welter, HGB § 366 Rz 26 f, 32; K. Schmidt, NJW 1998, 2163 f.
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dies weist Canaris1629 zu Recht darauf hin, daß sich nicht legitimieren lasse, warum zwar der Erwerb von einem Kleinkommissionär Gutglaubensschutz genießen solle1630, nicht aber jener von einem Kleinhändler. Der insoweit allein maßgebliche Unterschied zwischen einem Handeln auf fremde und einem für eigene Rechnung betreffe nämlich nur das Innenverhältnis zum Kommittenten beziehungsweise Lieferanten und sei für die Interessenlage im Außenverhältnis zum Kunden des Kleingewerbetreibenden irrelevant. Nach richtiger Auffassung ist § 366 dHGB deshalb auf kleingewerbliche Warenhändler analog anzuwenden1631. D. Redlicher Erwerb vom Scheinkaufmann? 1. Problemstellung Fraglich ist, ob ein redlicher Erwerb nach § 366 HGB auch dann stattfindet, wenn der Veräußerer lediglich vorgibt, ein Kaufmann zu sein, es sich also um einen „Scheinkaufmann“ handelt. Dabei ist freilich zu beachten, daß sich eine solche Problematik bei Kaufleuten nach § 5 HGB, die häufig „Scheinkaufleute kraft Eintragung“ genannt werden, präziser aber als „Kaufleute kraft unzulässiger Firmenbucheintragung“ zu bezeichnen sind1632, von vornherein nicht stellt: § 5 HGB ist nämlich keine Rechtsscheinnorm1633, sondern ordnet an, daß ein nicht(voll)kaufmännischer Gewerbetreibender, der zu Unrecht ins Firmenbuch eingetragen ist, nach § 5 HGB als (Voll)Kaufmann gilt1634. Auf eine wie immer geartete Gutgläubigkeit kommt es dabei nicht an1635, sondern es handelt sich um einen Tatbestand des absoluten Verkehrsschutzes, der 1629 1630 1631 1632 1633
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Handelsrecht23 § 29 Rz 7. Siehe oben FN 1626. Canaris, Handelsrecht § 29 Rz 7; MünchKomm/Welter, HGB § 366 Rz 32. Siehe dazu Krejci, Handelsrecht 66 ff; knapper derselbe, Handelsrecht2 37 ff. Canaris, Handelsrecht23 § 3 Rz 51; K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 III 1 a (S 298); Baumbach/Hopt, HGB31 § 5 Rz 1; Krejci, Handelsrecht 67; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/40; Rebhahn in Jabornegg, HGB § 5 Rz 9. Dazu näher Krejci, Handelsrecht2 37 ff; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/38 ff; Straube in Straube, HGB3 § 5 Rz 4 ff; Rebhahn in Jabornegg, HGB § 5 Rz 1 ff. In Deutschland hat sich durch die – mit der HGB-Reform 1998 erfolgte – Änderung des Kaufmannsbegriffes auch die Bedeutung und der Anwendungsbereich des § 5 dHGB verschoben, dazu Canaris, Handelsrecht23 § 3 Rz 48 ff; MünchKomm-Ergänzungsband/Lieb, HGB § 5 Rz 1 ff; Baumbach/Hopt, HGB31 § 5 Rz 2; K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 III 1 b, 2 (S 299 ff). Straube in Straube, HGB3 § 5 Rz 10; Rebhahn in Jabornegg, HGB § 5 Rz 5; Krejci, Handelsrecht2 37 f; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/39; Canaris, Handelsrecht23 § 3 Rz 51; K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 III 2 d) aa (S 302); Baumbach/Hopt, HGB31 § 5 Rz 3.
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im Sinne einer unbedingten Verkehrssicherheit Abgrenzungsschwierigkeiten und Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens der Kaufmannsmerkmale verhindern soll1636. Es ist daher unstreitig, daß ein redlicher Erwerb nach § 366 HGB auch dann stattfindet, wenn der Veräußerer ein § 5 HGB-Kaufmann ist1637. Schwierigkeiten bereiten hingegen jene Fälle, in denen der Veräußerer bloß auf Grund seines Auftretens den Anschein erweckt, er sei ein Kaufmann. In diesen Fällen könnte man versucht sein, zur Lösung dieser Problematik die Regeln über den Scheinkaufmann kraft Verhaltens heranzuziehen, nach denen sich derjenige, der durch sein Auftreten in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, ein Kaufmann zu sein, von einem gutgläubigen Dritten, der auf diesen Anschein vertraut und im Hinblick darauf gehandelt hat, als Kaufmann behandeln lassen muß1638. Doch läßt sich daraus für den Fall des redlichen Erwerbs letztlich nichts gewinnen. Beim redlichen Mobiliarerwerb geht es nämlich nicht um eine Haftung des Scheinkaufmannes für einen von ihm gesetzten Rechtsscheintatbestand, sondern um den Rechtsverlust eines Dritten, nämlich des wirklich berechtigten Eigentümers1639. Es bedürfte 1636
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Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 1 f; derselbe, Handelsrecht23 § 3 Rz 51, § 6 Rz 9; Krejci, Handelsrecht 69; derselbe, Handelsrecht2 37; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/39; Straube in Straube, HGB3 § 5 Rz 3a. Krejci, Handelsrecht2 222; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Hueck, ArchBürgR 43 (1919) 451; M. Wolff in Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 40; RGRK/Ratz, HGB2 § 366 Rz 19; GroßKomm/Canaris, HGB3 § 366 Anm 5; Schlegelberger/Hefermehl, HGB5 § 366 Rz 26; Baumbach/Hopt, HGB31 § 366 Rz 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 3; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 3; I. Koller in Koller/Roth/Morck, HGB5 § 366 Rz 2; Heymann/Horn, HGB § 366 Rz 4; Ruß in HK-HGB6 § 366 Rz 2; Ensthaler/Weber, GK-HGB6 § 366 Rz 6. Siehe dazu Canaris, Vertrauenshaftung 180 ff; derselbe, Handelsrecht23 § 6 Rz 7 ff; K. Schmidt, Handelsrecht5 § 10 VIII (S 323 ff); Krejci, Handelsrecht 72 ff; derselbe, Handelsrecht2 40 ff; Kalss/Schauer, Handelsrecht Rz 2/46 ff; Rebhahn in Jabornegg, HGB § 5 Rz 10 ff; Straube in Straube, HGB3 § 5 Rz 15 ff. Grundlegend zu dieser – ursprünglich von Staub – entwickelten Lehre schon Hueck, ArchBürgRecht 43 (1919) 415 ff, der die Scheinkaufmannslehre aber noch willenstheoretisch („Erklärung an die Öffentlichkeit“) aufgefaßt hat, während man heute überwiegend von einem Fall der Rechtsscheinhaftung ausgeht. Zur dogmatischen Einordnung der Vertrauenshaftung vgl im übrigen schon oben FN 1169. Zur Entwicklung der Scheinkaufmannslehre siehe auch Nickel, JA 1980, 566 ff; kritisch zu diesem Institut aber von Olshausen, Raisch-FS (1995) 147 ff. So schon Hueck, ArchBürgR 43 (1919) 451 f, ebenso die deutsche hL, siehe die Nachweise unten FN 1659. Vgl auch Canaris, Vertrauenshaftung 182, der in der Folge aber dennoch annimmt § 366 dHGB passe seiner ratio legis nach auch hier; ähnlich auch Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85. Dazu sogleich noch unten im Text.
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daher der Aufdeckung stichhaltiger Gründe auf Seiten des Eigentümers, die es zu rechtfertigen vermögen, diesen in höherem Ausmaß mit der Gefahr eines Rechtsverlustes zu belasten, als dies in der Basiswertung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – also beim Erwerb vom Vertrauensmann – festgelegt ist1640. Eine vergleichbare Problematik stellt sich auch im Hinblick auf die Publizitätswirkung des Firmenbuches und den von § 15 HGB angeordneten Schutz des gutgläubigen Geschäftsverkehrs1641, und zwar sowohl bei ursprünglich korrekten, dann aber fehlerhaft gewordenen Eintragungen im Firmenbuch („negatives Publizitätsinteresse“, § 15 Abs 1 HGB)1642 als auch bei ursprünglich unrichtigen Firmenbucheintragungen („positives Publizitätsinteresse“1643)1644. Auch in solchen Fallkonstellationen ist heftig 1640
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Zur Qualifikation des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB als „Basiswertung“ und damit als „gesetzlichem Normalfall“ schon oben S 67 f. § 15 HGB kommt nur dann zum Tragen, wenn nicht ohnedies der Tatbestand des § 5 HGB erfüllt ist, der im Unterschied zu § 15 HGB einen absoluten, also redlichkeitsunabhängigen Verkehrsschutz normiert. Anzuwenden ist § 15 HGB somit insbesondere in jenen Fällen, in denen der zu Unrecht Eingetragene nicht einmal ein Gewerbe ausübt oder dieses gänzlich eingestellt wurde. Vgl dazu Krejci, Handelsrecht2 38; Straube in Straube, HGB3 § 5 Rz 11 ff. § 15 Abs 1 HGB schützt das Vertrauen des gutgläubigen Geschäftsverkehrs auf die Vollständigkeit des Firmenbuches: „Solange eine in das Firmenbuch einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war“. Siehe dazu Krejci, Handelsrecht2 58 f; Burgstaller in Jabornegg, HGB § 15 Rz 15 ff; Schenk in Straube, HGB3 § 15 Rz 3 ff; Canaris, Handelsrecht23 § 5 Rz 2 ff. Die in Deutschland geläufige Unterscheidung zwischen „negativem“ und “positivem“ Publizitätsinteresse zur Kennzeichnung der Wirkungen von unterlassenen und unrichtigen Eintragungen ins Handelsregister, ist in Österreich insofern erklärungsbedürftig, als mit dem Schlagwort „positive Publizität“ herkömmlicherweise auch die Funktion des § 15 Abs 2 HGB umschrieben wird, wonach Dritte eingetragene und bekanntgemachte Tatsachen gegen sich gelten lassen müssen. Siehe zur Terminologie auch Burgstaller in Jabornegg, HGB § 15 Rz 7. In Deutschland ist diese Konstellation seit 1969 ausdrücklich in § 15 Abs 3 dHGB verankert: „Ist eine einzutragende Tatsache unrichtig bekanntgemacht, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war, auf die bekanntgemachte Tatsache berufen, es sei denn, daß er die Unrichtigkeit kannte“. Auch vor dieser Novellierung des § 15 dHGB war freilich anerkannt, daß in solchen Fällen die allgemeinen Regeln der Rechtsscheinhaftung zur Anwendung zu bringen sind, was zu ähnlichen Ergebnissen führt, siehe dazu Canaris, Handelsrecht23 § 5 Rz 42 ff. Gleiches hat – mangels expliziter Regelung – in Österreich noch heute zu gelten, siehe Krejci, Handelsrecht2 60 f; Burgstaller in Jabornegg, HGB § 15 Rz 23 f; Schenk in Straube, HGB3 § 15 Rz 14 f.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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umstritten, ob der redliche Erwerber, der auf die Kaufmannseigenschaft des zu Unrecht ins Firmenbuch eingetragenen Veräußerers vertraut hat, nach § 366 HGB zu schützen ist oder nicht. 2. Meinungsstand a) Österreich Die österreichische Lehre hält einen redlichen Erwerb von einem Scheinkaufmann überwiegend für zulässig. Dies gilt nicht nur für jene Fälle, in denen § 15 HGB zur Anwendung gelangt1645, sondern wird von Schuhmacher1646, Kerschner1647 und Krejci1648 auch bei einem Scheinkaufmann kraft Verhaltens bejaht. Gleiches haben schon Hämmerle/Wünsch1649 vertreten, die sich als einzige auch um eine nähere Begründung bemühen: Es sei unrichtig, daß § 366 HGB auf Veräußerungsgeschäfte von Scheinkaufleuten nicht angewendet werden könne, weil der Rechtsnachteil nicht den Scheinkaufmann, sondern den wahren Berechtigten treffe. Wenn dies auch bedauerlich sei, so könne doch nicht übersehen werden, daß der Abschluß des Vertrages nur zwischen dem Dritten und dem Scheinkaufmann erfolge, so daß jenem jedenfalls das Recht eingeräumt werden müsse, sich auf seinen guten Glauben hinsichtlich des Eigentums oder der Verfügungsbefugnis und hinsichtlich der Kaufmannseigenschaft des Vertragspartners zu berufen. Hingegen haben noch Pisko1650 und Löbl1651 bei der Kommentierung des Art 306 AHGB die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs bei nicht tatsächlich bestehender Kaufmannseigenschaft bestritten, im Hinblick auf § 366 HGB vertritt gleiches Holzhammer1652. Abgesehen von den kurzen, schon zitierten Ausführungen von Hämmerle/Wünsch wird freilich weder die eine, noch die andere Auffassung näher begründet; eine tiefergehende Untersuchung der Problematik fehlt bislang.
1645
1646 1647 1648 1649 1650 1651 1652
So Krejci, Handelsrecht2 222; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 4; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht III3 85. In Straube, HGB3 § 366 Rz 4. In Jabornegg, HGB § 366 Rz 6. Handelsrecht2 222. Handelsrecht III3 85. Staub/Pisko, AHGB2 Art 306 § 8 aE (S 124). In Staub/Pisko, AHGB3 Art 306 § 8 aE (S 215). Handelsrecht8 190.
322
Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
b) Deutschland aa) Übersicht Im Gegensatz zu Österreich lehnt die herrschende deutsche Lehre einen gutgläubigen Erwerb nach § 366 dHGB ab, wenn es sich beim Veräußerer lediglich um einen Scheinkaufmann handelt. Dies gilt nicht nur bei einem Scheinkaufmann kraft Auftretens1653 sondern auch für die Fälle unrichtiger Eintragung im Handelsregister nach § 15 dHGB1654. Von gewichtigen Gegenstimmen wird die Anwendbarkeit des § 366 dHGB hingegen bejaht, wenn es sich beim Veräußerer um einen Scheinkaufmann kraft Auftretens handelt1655. Gleiches soll gelten, wenn die Voraussetzungen des § 15 dHGB erfüllt sind1656, wobei der Meinungsstand insofern noch differenzierter ist, als in diesen Fällen auch solche Autoren für die Zulässigkeit eines Gutglaubenserwerbs plädieren, die einen redlichen Erwerb von einem Scheinkaufmann kraft Verhaltens ablehnen1657. Die herrschende Auffassung begründet ihren ablehnenden Standpunkt vor allem mit dem – schon von Hueck1658 vorgebrachten – Argu1653
1654
1655
1656
1657
1658
Hueck, ArchBürgR 43 (1919) 451 f; Düringer/Hachenburg/Breit, HGB3 § 366 Rz 3; RGRK/Ratz, HGB2 § 366 Rz 19; Baumbach/Hopt, HGB31 § 5 Rz 16, § 366 Rz 4; Schlegelberger/Hefermehl, HGB5 § 366 Rz 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 4; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 3; Heymann/Horn, HGB § 366 Rz 4; Ruß in HK-HGB6 § 366 Rz 2; Ensthaler/Weber, GK-HGB6 § 366 Rz 7; Bülow, AcP 186 (1986) 576 ff, 588; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 228; Brox, Handels- und Wertpapierrecht17 Rz 267; Wiegand, JuS 1974, 548; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 862 mit FN 679; siehe auch K. Schmidt, Handelsrecht5 § 23 II 1 a (S 674 f), der § 366 dHGB aber auf jeden Unternehmensträger anwenden will, dazu noch unten im Text. Ablehnend auch OLG Düsseldorf in DB 1999, 89 = NJW-RR 1999, 615 = JuS 1999, 921 (K. Schmidt); vgl schon RG in LZ 23 (1929) 778; offen lassend BGH in NJW 1999, 425. Hueck, ArchBürgR 43 (1919) 451 f; RGRK/Ratz, HGB2 § 366 Rz 19; Schlegelberger/Hefermehl, HGB5 § 366 Rz 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 5; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 228 f; Brox, Handels- und Wertpapierrecht17 Rz 267; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 862 mit FN 679. Canaris, Vertrauenshaftung 181 f; derselbe in GroßKomm, HGB3 § 366 Anm 6; derselbe, Handelsrecht23 § 6 Rz 26, § 29 Rz 5; Nickel, JA 1980, 576; MünchKomm/ Welter, HGB § 366 Rz 29; I. Koller in Koller/Roth/Morck, HGB5 § 366 Rz 2. GroßKomm/Canaris, HGB3 § 366 Anm 7; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 5; M. Wolff in Ehrenberg, Handelsrecht IV/1, 40; MünchKomm/Welter, HGB § 366 Rz 29; Roth in Koller/Roth/Morck, HGB5 § 15 Rz 60. So K. Schmidt, Handelsrecht5 § 23 II 1 a (S 675); Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 3; Heymann/Horn, HGB § 366 Rz 4; Ruß in HKHGB6 § 366 Rz 2. ArchBürgR 43 (1919) 451 f.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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ment, eine Anwendung der Scheinkaufmannslehre auf § 366 dHGB hätte zur Folge, daß der Rechtsnachteil nicht den Scheinkaufmann, sondern den wahren Berechtigten treffen würde, dieser habe aber den Rechtsschein der bestehenden Kaufmannseigenschaft nicht veranlaßt1659. Diese Argumentation – durch einen Rechtsschein dürfen nicht völlig Unbeteiligte belastet werden – lokalisiert das Problem zu Recht bei der Frage der Zurechenbarkeit1660. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, daß die Rechtsscheingrundsätze allein zur Folge hätten, daß der Rechtsschein der Wirklichkeit entspräche, während der Rechtsverlust auf Seiten eines Dritten kraft Gesetzes (§ 366 Abs 1 dHGB) angeordnet werde1661. Eine solche Argumentation ist nämlich allzu formal und geht nicht auf die zugrundeliegende Interessenlage ein. Gewichtige Gegenargumente, die meinungsbildend gewirkt haben, hat hingegen Canaris vorgebracht; eine pointierte Position vertritt auch Karsten Schmidt. Auf beide Auffassungen ist daher im Folgenden näher einzugehen. bb) Canaris Primär aus Gründen des Vertrauensschutzes hält Canaris1662 einen redlichen Erwerb vom Scheinkaufmann für zulässig. Zwar gesteht Canaris durchaus zu, daß es dabei nicht um die Haftung des Scheinkaufmannes selbst geht, sondern um den Rechtsverlust des wahren Berechtigten, doch passe § 366 dHGB seiner ratio legis nach auch hier1663: § 366 dHGB diene nämlich dem Schutz gutgläubiger Dritter im Verkehr mit einem Kaufmann, und vom Dritten her gesehen mache es keinen Unterschied, ob dieser wirklich Kaufmann sei oder sich nur als solcher geriere. Die Interessen des wahren Berechtigten würden dadurch nicht verletzt. Dieser hätte sein Recht nämlich jedenfalls verloren, wenn der Scheinkaufmann sich als Eigentümer ausgegeben hätte. Behaupte der Veräußerer statt dessen lediglich seine Verfügungsmacht, so ändere das im Verhältnis 1659
1660 1661
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1663
Siehe insb OLG Düsseldorf in DB 1999, 89 = NJW-RR 1999, 615, 616 = JuS 1999, 921 (K. Schmidt); Bülow, AcP 186 (1986) 577 mit FN 1, 582 f; Schlegelberger/ Hefermehl, HGB5 § 366 Rz 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 4; weiters etwa RGRK/Ratz, HGB2 § 366 Rz 19; Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB2 § 366 Rz 3; Ensthaler/Weber, GK-HGB6 § 366 Rz 7; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 228; Brox, Handels- und Wertpapierrecht17 Rz 267; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 862 mit FN 679. So zutreffend Ebenroth/Boujong/Joost/Stadler, HGB § 366 Rz 4. Vgl aber Roth in Koller/Roth/Morck, HGB5 § 15 Rz 60: „hinzunehmende Reflexwirkung“. Vertrauenshaftung 181 f; GroßKomm/Canaris, HGB § 366 Anm 6 f; derselbe, Handelsrecht23 § 6 Rz 26. Canaris, Vertrauenshaftung 182; GroßKomm/Canaris, HGB § 366 Anm 6.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
zum wahren Berechtigten nichts, denn dieser habe durch die freiwillige Weggabe der Sache jedenfalls das Risiko der Veruntreuung geschaffen. Ob sich dieses Risiko nun dadurch verwirkliche, daß der Besitzer sich als Eigentümer aufspiele, oder dadurch, daß er sich als Verfügungsberechtigter und zugleich als Kaufmann ausgebe, sei von dem wahren Berechtigten nicht zu beeinflussen und daher für die Bewertung seiner Interessen ohne Belang. Berührt sei daher lediglich das Verhältnis zu dem gutgläubigen Dritten. Dieser sei aber hier genauso schutzwürdig wie bei einem Rechtsgeschäft mit einem echten Kaufmann. Nach Canaris ist es deshalb folgerichtig, dem Erwerber einen Schutz nicht nur dann zu gewähren, wenn es sich beim Veräußerer um einen Scheinkaufmann kraft Auftretens handelt, sondern den redlichen Verkehr auch im Fall des § 15 dHGB zu schützen1664: Der gutgläubige Erwerber dürfe nach dem Rechtsgedanken des § 15 dHGB nämlich davon ausgehen, daß er es mit einem Kaufmann zu tun habe und folglich in den Genuß des Schutzes des § 366 dHGB komme, und im Verhältnis zum wahren Berechtigten spiele es keine Rolle, ob die Kaufmannseigenschaft wirklich gegeben sei oder nicht. cc) Karsten Schmidt Im Gegensatz zu Canaris läßt Karsten Schmidt1665 die bloße Scheinkaufmannseigenschaft für einen redlichen Erwerb nicht genügen. Der gute Glaube an die Kaufmannseigenschaft sei grundsätzlich nicht geschützt. Anders sei allerdings in den Fällen des § 15 dHGB zu entscheiden: Wer noch im Handelsregister eingetragen sei, in Wahrheit aber kein Unternehmen mehr betreibe, könne unter den Voraussetzungen des § 15 Abs 1 dHGB den redlichen Erwerb einleiten. Dasselbe müsse auch dann gelten, wenn der Veräußerer durch eine unrichtige Registerbekanntmachung zu Unrecht als Kaufmann ausgewiesen sei (§ 15 Abs 3 dHGB). Dem Wortlaut nach wirke § 15 dHGB zwar nur zu Lasten desjenigen, in dessen Angelegenheit die Eintragung oder Bekanntmachung vorzunehmen war, aber es sei anerkannt, daß dieser Vertrauensschutz auch zu Lasten Dritter – hier also des wahren Eigentümers – gehen könne1666. Allerdings bezweifelt K. Schmidt, daß dieser Schutz alleine ausreicht. Entsprechend seiner Konzeption das Handelsrecht zu einem Unterneh1664 1665 1666
GroßKomm/Canaris, HGB § 366 Anm 7. Handelsrecht5 § 23 II 1 a (S 674 ff). Dies ist freilich keineswegs unbestritten. Siehe etwa Ebenroth/Boujong/Joost/ Stadler, HGB § 366 Rz 5, die gegen einen solchen Schutz des redlichen Erwerbers einwendet, daß eine Reflexwirkung des § 15 dHGB zu Lasten des wahren Berechtigten nicht gerechtfertigt sei, zumal diesem der unrichtige Registerstand nicht zugerechnet werden könne.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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mensrecht auszubauen1667, befürwortet er deshalb eine Anwendung des § 366 dHGB auf jeden Unternehmensträger. Entscheidend sei nicht, daß der Erwerber den Veräußerer für einen Kaufmann halte, sondern daß dieser unternehmerisch tätig sei. Auf die besonderen Voraussetzungen der §§ 1 ff dHGB käme es hingegen nicht an. 3. Stellungnahme a) Rechtspolitische Erwägungen Bedenkt man, daß § 366 dHGB ebenso wie § 366 HGB nur eine sehr geringfügige Privilegierung des redlichen Erwerbes anordnet – die sich in Deutschland auf den Schutz des guten Glaubens auch an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers beschränkt, in Österreich überdies ein Scheitern redlichen Erwerbs erst bei grober Fahrlässigkeit umfaßt, was in Deutschland § 932 Abs 2 BGB allgemein vorsieht – so scheint die Zulässigkeit eines gutgläubigen Erwerbs vom Scheinkaufmann im Ergebnis wenig bedenklich und im Hinblick auf den eigentümlichen und reformbedürftigen Anwendungsbereich des Handelsrechtes1668 rechtspolitisch auch verständlich, wenngleich bereits gezeigt wurde, daß der Anwendungsbereich des § 366 HGB schon de lege lata eher zu weit als zu eng geraten ist1669. Sieht man den Kaufmannsbegriff als obsolet an und befürwortet einen Umbau des Handelsrechts zu einem Außenprivatrecht der Unternehmen1670, so erscheint es aber immerhin konsequent, § 366 HGB auf alle Unternehmensträger anzuwenden, wie dies Karsten Schmidt1671 vorgeschlagen hat. Ein solcher Ansatz, der den erweiterten Rechtsscheintatbestand in der tatsächlich entfalteten unternehmerischen Tätigkeit lokalisiert, fügt sich auch durchaus in die vom österreichischen Recht vorgegebene Gesamtkonzeption, zumal dem Grundfall des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB der redliche Erwerb von Privatpersonen, der keiner besonderen Privilegierung bedarf, überlassen bleibt1672. Mit dem geltenden Recht ist dieser Lösungsvorschlag dennoch nicht zu vereinbaren, wird der Anwendungsbereich des HGB doch allzu großzügig beiseite geschoben, was den Rahmen einer methodisch zulässigen Korrektur – insbesondere durch vorsichtige Einzelanalogie1673 – bei weitem 1667
1668 1669 1670 1671 1672 1673
Siehe K. Schmidt, Gegenwartsaufgaben des Handelsrechts; derselbe, Handelsrecht5 § 3 (S 47 ff); derselbe, JuS 1985, 249 ff; derselbe, JBl 1995, 341 ff; derselbe in Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz 67 ff. Vgl bereits oben S 305 ff. Dazu oben S 315 f. Siehe dazu oben S 306 mit FN 1578. Handelsrecht5 § 23 II 1 a (S 675 f). Vgl dazu schon oben S 147 f. Dazu schon oben S 316 ff.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
übersteigt. Rechtspolitische Fehler zu beseitigen, ist aber allein der Gesetzgeber berufen1674. De lege ferenda ist der Ansatz von Karsten Schmidt hingegen gerade für das österreichische Recht von besonderer Brisanz. Nach dem Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG) 2003 – der einem diesbezüglichen Vorschlag von Krejci1675 folgt – soll § 366 HGB nämlich zur Gänze eliminiert und in § 367 ABGB der Erwerb von „einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ durch den Erwerb „von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ ersetzt werden. Auf diesen Reformvorschlag ist im Anschluß gesondert einzugehen. b) Geltende Rechtslage aa) Scheinkaufmann kraft Auftretens De lege lata ist die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs vom Scheinkaufmann mE zweifelhaft: Argumentiert wird nämlich – insbesondere von Canaris – in erster Linie aus der Sicht des vertrauenden Erwerbers, der in jedem Fall gleich schutzwürdig sei, ob sich der Veräußerer nun als Eigentümer geriere oder seine Verfügungsbefugnis behaupte. Dieses Argument könnte genauso aber auch im Hinblick auf § 932 BGB ins Treffen geführt werden, doch steht dem Abs 2 dieser Bestimmung entgegen, der den Schutz des Erwerbers im Zivilrecht ausdrücklich auf den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers beschränkt. Auch wenn man zugesteht, daß die Behauptung kaufmännischer Tätigkeit das Vertrauen auf eine in Wahrheit nicht bestehende Verfügungsbefugnis typischerweise fördern kann, so bleibt doch offen, warum das bloße Gehabe des Veräußerers den Eigentümer nur im analogen Anwendungsbereich des Handelsrechts, dort aber stets, nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers im Zivilrecht aber niemals belasten sollte1676. Das Vertrauen auf das Gerede des Veräußerers, das einer tatsächlich bestehenden objektiven Rechtsscheingrundlage entbehrt, vermag eine solche Differenzierung mE nicht zu rechtfertigen und würde überdies zu 1674
1675 1676
Zum Unterschied zwischen rechtspolitischen Fehlern, die nur durch legislative Akte verbessert werden können, und gesetzlichen Wertungswidersprüchen – insbesondere in Form teleologischer Lücken –, die im Rahmen der Rechtsfortbildung zu bereinigen sind, siehe Canaris, Feststellung von Lücken2 33 ff. Zur lex lata-Grenze der Rechtsfindung F. Bydlinski, Canaris-Symposium (1998) 27 ff. Krejci in Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz 39. Zu beachten ist freilich, daß dieser mangelnde Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsermächtigung des Veräußerers im allgemeinen Zivilrecht durch die Möglichkeit einer „Anscheinsverfügungsermächtigung“ deutlich abgefedert werden kann, dazu bereits oben S 216 ff; zur Bedeutung dieses Institutes für das Handelsrecht sogleich noch unten S 329 ff.
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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einer partiellen Privilegierung des Erwerbers führen, ohne daß Gründe auf Seiten des Eigentümers für eine solche, gegenüber dem gesetzlichen Normalfall des § 932 BGB besondere Belastung geltend gemacht werden könnten. Aus diesen Gründen kann auch der Auffassung von Hämmerle/Wünsch und der herrschenden österreichischen Lehre nicht gefolgt werden. Sieht man einmal davon ab, daß eine allzu weit verstandene Scheinkaufmannslehre letztlich zu einer partiellen Ignorierung des vom HGB normierten Anwendungsbereiches führt und eine – im Hinblick auf das Prinzip der zweiseitigen Rechtfertigung – sachlich bedenkliche Mehrbelastung des Eigentümers mit sich bringt, so könnten gegen die Zulässigkeit eines Erwerbes vom Scheinkaufmann schließlich noch jene Gründe ins Treffen geführt werden, die auch gegen einen Erwerb von einem „Scheingewerbsmann“ nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB sprechen: Der gute Glaube des Erwerbers substituiere nur die fehlende sachenrechtliche Stellung des Veräußerers, während die Rechtsscheingrundlage als solche tatsächlich bestehen müsse. Deshalb findet ein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nach ganz einhelliger und zutreffender Auffassung nur dann statt, wenn eine Gewerbebefugnis tatsächlich vorliegt1677. Dasselbe Argument kann aber auch gegen einen Erwerb von einem Scheinkaufmann vorgebracht werden. So betont etwa Wiegand1678, daß die Kaufmannseigenschaft zur Rechtsscheinbasis gehört, weshalb sie konstitutiv sei und daher wirklich vorliegen müsse. Eine solche Argumentation, die eine Parallele zwischen § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB und § 366 HGB herzustellen sucht, erscheint freilich nur auf den ersten Blick stichhaltig. Bei näherem Hinsehen erwachen hingegen Zweifel, ob ein solcher Vergleich trotz der ganz unterschiedlichen Konstruktion der beiden Gutglaubenstatbestände tatsächlich gezogen werden darf. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß § 366 HGB – im Gegensatz zu § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB – den Interessen des Eigentümers ohnedies dadurch Rechnung trägt, daß er den Verkehrsschutz durch das Erfordernis der Zurechnung begrenzt, ein Gutglaubenserwerb also nur an solchen Sachen stattfindet, die der Eigentümer freiwillig aus der Hand gegeben hat. Berücksichtigt man weiters, daß das Zurechnungserfordernis dem Eigentümer zumindest die abstrakte Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung einräumt, so erscheint der Schutz eines redlichen Erwerbs vom Scheinkaufmann deshalb in jenen Fällen gerechtfertigt, in denen der Eigentümer seine Sache einer Person anvertraut hat, von der er erkennen konnte, daß sie als Kaufmann auftritt und Veräußerungsgeschäfte tätigt. In diesem Fall hat der Eigentümer seine Sache nämlich freiwillig 1677 1678
Siehe die Nachweise oben FN 1529. JuS 1974, 548.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
in eine Umsatzsphäre eingegliedert und damit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Im Hinblick auf ein präsumtives Erwerbervertrauen ist überdies zu beachten, daß der Eigentümer durch sein Verhalten eine Rechtsscheingrundlage geschaffen oder zumindest in Kauf genommen hat, die über die sonst – nämlich beim Erwerb vom Vertrauensmann – ausreichende, bloße Übertragung der Gewahrsame deutlich hinausgeht. Sowohl der Aspekt der Gefahrenbeherrschung auf Seiten des Eigentümers, als auch der Vertrauensschutzgedanke auf Seiten des Erwerbers sprechen daher für eine Mittellösung, die wegen der besonders qualifizierten Zurechnungslage eine im Hinblick auf den Normalfall des § 366 HGB verdünnte Rechtsscheingrundlage ausreichen läßt. Eine besondere Gefährdung der Eigentümerinteressen ist bei einem derartig begrenzten Schutz des gutgläubigen Erwerbs vom Scheinkaufmann um so weniger zu befürchten, als § 366 HGB den Erwerb im Handel gegenüber dem Normalfall des Erwerbes vom Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB ohnedies nur sehr moderat privilegiert: Läßt man einen Erwerb vom Scheinkaufmann analog § 366 HGB zu, so erstreckt sich der Schutz des Erwerbers auch auf den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers und es schadet ihm überdies nur grobe Fahrlässigkeit. Mutatis mutandis lassen sich die vorgebrachten Argumente auch auf die Fälle des Erwerbs von einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB übertragen, doch kommt der Lehre vom „Scheingewerbsmann“, dem in Wahrheit die Gewerbebefugnis fehlt, wohl keine eigenständige praktische Bedeutung zu: Erforderlich ist nämlich nach der hier vertretenen Konzeption stets die Erfüllung eines erhöhten Zurechnungserfordernisses („Eingliederung in die Umsatzsphäre“). Liegt diese Voraussetzung aber vor, so reicht der Schutz eines redlichen Erwerbers bei einer Veräußerung durch einen Scheinkaufmann ohnedies weiter, als bei einem Erwerb von einem Scheingewerbsmann. Im Fall des § 366 HGB schadet dem Erwerber nämlich nur grobe Fahrlässigkeit, während die Privilegierung des Erwerbs von einem befugten Gewerbsmann in der Ermöglichung eines redlichen Erwerbes auch an gestohlenen Sachen liegt, der aber wegen der erforderlichen Zurechnung im Fall des „Scheingewerbsmanns“ ohnedies nicht in Betracht kommt.
bb) Zu den Fällen des § 15 HGB Bezieht man die eben dargelegten Gründe auf die Fälle des § 15 HGB, so scheinen diese auch für die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs vom unrichtig eingetragenen Kaufmann zu sprechen. Auf Grund des Firmenbuchstandes, der den Veräußerer zu Unrecht als Kaufmann ausweist, ist dem Eigentümer nämlich objektiv erkennbar, daß er seine Sache einem „Kaufmann“ anvertraut und damit einer Umsatzsphäre eingliedert. Aller-
Erwerb vom Kaufmann nach § 366 HGB
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dings ist zuzugestehen, daß die abstrakte Möglichkeit der Einsichtnahme ins Firmenbuch nur einen sehr schwachen Zurechnungsgrund bildet, weil der Eigentümer in der Regel keinerlei Anlaß dafür sehen wird, vor dem Aus-der-Hand-Geben der Sache eine Firmenbuchabfrage durchzuführen. Selbst an diesen Minimalanforderungen erhöhter Zurechnung fehlt es überdies in jenen Fällen, in denen die unrichtige Eintragung zwar vor der Veräußerung der Sache, aber erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in dem der Eigentümer diese bereits aus der Hand gegeben hat. Praktisch werden die Fälle einer derartig verdünnten oder gar fehlenden Zurechnung freilich selten sein, da der zu Unrecht ins Firmenbuch eingetragene Veräußerer wohl in der Regel auch unternehmerisch tätig sein wird, weshalb dem Eigentümer schon deshalb häufig erkennbar ist, daß er seine Sache der erhöhten Gefahr einer Umsatzsphäre aussetzt1679. Vor allem aber sprechen gewichtige sachliche Gründe dafür, die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs in den Fällen des § 15 HGB allgemein zu bejahen: Es darf nämlich mE nicht außer Acht gelassen werden, daß das Firmenbuch besonderen öffentlichen Glauben genießt und damit eine besonders starke Rechtsscheingrundlage darstellt, weshalb es gerechtfertigt erscheint, das Vertrauen des Erwerbers auch bei minimaler oder gar fehlender Zurechnung der Scheinkaufmannseigenschaft nicht zu enttäuschen. E. Ergänzung durch die Regeln über die Anscheinsverfügungsermächtigung Bei der Untersuchung der Legitimationswirkung des Besitzes wurde gezeigt, daß der Besitz regelmäßig zwar nur eine Grundlage für den guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers abzugeben vermag – was insbesondere im Hinblick auf den Erwerb von einem Vertrauensmann des Eigentümers nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB relevant ist –, eine wesentliche Ergänzung des Vertrauensschutzes sich aber durch das Vorliegen einer Anscheinsverfügungsermächtigung ergeben kann1680. Praktisch bedeutsam sind die dabei entwickelten Grundsätze auch im gegebenen Zusammenhang: Trotz Fehlens der für § 366 HGB prinzipiell konstitutiven Kaufmannseigenschaft ist der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Veräußerers nämlich in jenen Fällen zu schützen, in denen auf Grund einer Analogie zu den Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht die Annahme einer Anscheinsverfügungsermächtigung sachlich gerechtfertigt erscheint1681. Ein solcher Schutz kommt – wie Canaris1682 1679 1680 1681
1682
Beachte aber auch oben FN 1641. Siehe oben S 216 ff. Dazu GroßKomm/Canaris, HGB3 § 366 Anm 16 f; derselbe, Handelsrecht23 § 29 Rz 8. Zum Institut der Scheinermächtigung bereits Canaris, Vertrauenshaftung 71 f. Handelsrecht23 § 29 Rz 8; GroßKomm/Canaris, HGB3 § 366 Anm 16.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
als Beispiel anführt – etwa dann in Betracht, wenn der Verkäufer von unter Eigentumsvorbehalt geliefertem Saatgut es wiederholt duldet, daß ein nichtkaufmännischer Landwirt dieses unbefugt weiterveräußert. In solchen Fällen kann sich der Eigentumsvorbehaltsverkäufer gegenüber gutgläubigen Erwerbern grundsätzlich nicht auf das Fehlen der Verfügungsbefugnis des Eigentumsvorbehaltskäufers und Weiterveräußerers berufen und zwar auch dann nicht, wenn den Erwerbern das Bestehen des Eigentumsvorbehalts bekannt war. Besonders ist die Lage schließlich, wenn ein Angestellter oder sonstiger Gehilfe des Kaufmannes diesem gehörige Sachen in eigenem Namen unberechtigt veräußert. Nach deutschem Recht aber auch nach Schweizer Rechtslage ist ein redlicher Erwerb solcher Sachen prinzipiell ausgeschlossen, wenn der Gehilfe als Besitzdiener des Eigentümers zu qualifizieren ist, da die Sache in einem solchen Fall als abhanden gekommen angesehen wird (§ 935 BGB)1683. Zutreffend ist dies – zumindest nach österreichischem Recht – freilich nur dann, wenn der Gehilfe in den Machtbereich des Eigentümers und Besitzherren eingebunden ist1684, ihm also keine Alleingewahrsame an der Sache eingeräumt wurde1685. Auch für das deutsche Recht wird überdies betont, daß eine bestehende Vertretungsmacht ein Abhandenkommen der Sache saniert1686. Dabei ist allerdings zu beachten, daß das Schlagwort „Vertretungsmacht überwindet Abhandenkommen“ zwar im Ergebnis zutreffen kann, ihm in dogma1683
1684 1685 1686
Im Schweizer Recht ist ein redlicher Erwerb zwar möglich, aber an die besondere Verwirkungsfrist des Art 934 ZGB gebunden. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 6/56. Dazu ausführlich oben S 265 ff. So soll insbesondere die Weggabe einer Sache durch die Organperson einer juristischen Person kein Abhandenkommen der Sache begründen, da der Wille der Organperson den Willen der juristischen Person repräsentiere und das Organ die tatsächliche Sachherrschaft für die juristische Person ausübe, siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 7 (S 407); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 39; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 15; ausführlich zur Problematik Hager, Verkehrsschutz 399 ff mwN. Zu weitgehend erscheint es hingegen, wenn bei Veruntreuung einer Sache durch einen Prokuristen, der diese unberechtigt in eigenem Namen weiterveräußert, ein Abhandenkommen schon deshalb verneint wird, weil das Geschäft, falls es im Namen des Vertretenen abgeschlossen worden wäre, noch von der Vollmacht gedeckt gewesen wäre; so aber Hager, Verkehrsschutz 399, 405 mwN. Da es hier aber gerade nicht um eine schuldrechtliche Verpflichtung des Geschäftsherren geht, die immerhin auch mit seiner Berechtigung aus dem gegen seinen Willen begründeten Geschäft verbunden wäre, sondern allein ein ihm drohender Rechtsverlust durch den redlichen Erwerb eines Dritten in Rede steht, erscheint es mE sachgerechter, auch in solchen Fällen die allgemeinen Regeln zur Anwendung zu bringen und darauf abzustellen, ob dem Prokuristen die Alleingewahrsame an der Sache eingeräumt wurde oder nicht.
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tischer Hinsicht aber häufig gar kein legitimer Anwendungsbereich verbleibt. Hat der Gehilfe nämlich nicht nur Vertretungsmacht, sondern hat er auch in fremdem Namen gehandelt, so kommt ohnedies ein Geschäft mit dem Geschäftsherren zustande1687 und der Eigentumserwerb findet normgerecht auf derivative Weise statt. Ein Problem des Abhandenkommens der Sache stellt sich in diesem Fall also gar nicht1688. Wie stets ist es somit unverzichtbar, streng zu prüfen, ob das betreffende Geschäft in eigenem oder in fremdem Namen geschlossen wurde, wobei insbesondere auch zu beachten ist, daß unternehmensbezogene Geschäfte von Angestellten regelmäßig auf den Unternehmensträger abzielen1689 und die allgemeine Regel, wonach im Zweifel ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen ist1690, dementsprechend der Modifikation bedarf.
IV. Reformvorschläge des HaRÄG-Entwurfes 20031691 In Österreich ist eine umfassende Reform des Handelsrechts geplant, wobei dieses zu einem „Unternehmensprivatrecht“ umgebaut werden soll1692. Dementsprechend soll das Handelsgesetzbuch (HGB) durch ein 1687 1688
1689
1690 1691
1692
Dies betont schon Hager, Verkehrsschutz 6, 398 f. Entsprechendes gilt auch für das häufig genannte und etwa von Westermann/ Gursky, Sachenrecht7 § 49 I 6 (S 407) angezogene Beispiel eines Ladenangestellten, der ohne den Willen des Inhabers eine im Laden befindliche, dem Inhaber nicht gehörige Sache veräußert. Auch hier wird argumentiert, daß der Ladenangestellte zwar Besitzdiener sei, § 56 HGB ein Abhandenkommen der Sache aber ausschließe; vgl auch Tiedke, Gutgläubiger Erwerb 40; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 935 Rz 14. Ist die Veräußerung durch § 56 HGB gedeckt, so handelt der Ladenangestellte aber ohnedies mit Wirkung für und gegen den Prinzipal. Die Frage des Abhandenkommens ist daher nur dann relevant, wenn der Ladeninhaber die Sache selbst gestohlen hat. So zutreffend Hager, Verkehrsschutz 405 FN 109. Siehe dazu K. Schmidt, Handelsrecht5 § 5 III (S 120 ff), § 23 II 1 a (S 675); weiters Hügel, JBl 1983, 449 ff, 523 ff, 528 ff; Schwimann/Apathy, ABGB2 § 1017 Rz 5; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 181; P. Bydlinski, Allgemeiner Teil2 Rz 9/54. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 181; P. Bydlinski, Allgemeiner Teil2 Rz 9/54. Während der Drucklegung dieser Arbeit wurde das HaRÄG beschlossen und am 27.10.2005 kundgemacht, siehe BGBl I 2005/120. Gemäß Art XXXII HaRÄG sind die novellierten §§ 367, 368 und 456 ABGB auf jene Rechtsgeschäfte anzuwenden, die nach dem 31.12.2006 abgeschlossen werden. Für davor abgeschlossene Rechtsgeschäfte gelten die bisherigen Bestimmungen weiterhin. Siehe dazu insbesondere Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz; weiters Roth/Fitz, JBl 2002, 409 ff; Roth, RdW 2003, 610 ff; Schauer, GesRZ 2003, 3 ff; derselbe, ecolex 2004, 4 ff; derselbe, JBl 2004, 23 ff; G. Wilhelm, ecolex 2004, 1; S Bydlinski, JBl 2004, 2 ff; Dehn, JBL 2004, 5 ff; Krejci, JBl 2004, 10 f; K. Schmidt, JBl 2004, 31 ff.
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Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage
„Unternehmensgesetzbuch“ (UGB) ersetzt werden. Nach intensiven Vorarbeiten liegt nunmehr der Entwurf eines Handelsrechts-Änderungsgesetzes (HaRÄG) 2003 vor1693, der mittlerweile bereits beschlossen wurde (siehe FN 1691). Im gegebenen Zusammenhang ist von besonderem Interesse, daß nach diesem Entwurf auch eine grundlegende Novellierung des gutgläubigen Mobiliarerwerbs vorgesehen ist, wobei – einem Vorschlag Krejcis folgend1694 – insbesondere die „Zweispurigkeit“ der handelsrechtlichen und der zivilrechtlichen Regelung beseitigt werden soll. Dementsprechend ist geplant, § 366 HGB in der Sache gänzlich zu eliminieren1695. Im Gegenzug dazu soll in § 367 ABGB der Erwerb von „einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ durch den Erwerb „von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ ersetzt werden. In § 368 Abs 1 ABGB nF soll dabei ausdrücklich klargestellt werden, daß Redlichkeit nur dann vorliegt, wenn der Erwerber „weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.“ Wie auch den Materialien zum Entwurf eindeutig zu entnehmen ist, verhindert somit in allen Fällen des § 367 ABGB nF schon leichte Fahrlässigkeit einen redlichen Erwerb1696. Während sich der gute Glaube grundsätzlich auf die Eigentümerstellung des Veräußerers beziehen muß, ordnet der geplante Gesetzestext explizit an, daß bei einem Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens nicht nur der gute Glaube an dessen Eigentümerstellung, sondern auch an dessen Verfügungsbefugnis geschützt wird. Dies entspricht sowohl dem derzeit geltenden § 366 Abs 1 HGB als auch der herrschenden Auffassung zum Erwerb von einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB1697. Neben einigen sprachlichen Modernisierungen sieht der Entwurf schließlich noch eine Regelung des lastenfreien Erwerbs vor: „Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so erlischt dieses Recht mit dem Erwerb des Eigentums durch den rechtmäßigen und redlichen 1693
1694 1695
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Dieser Entwurf ist samt Materialien auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz abrufbar: http://www.justiz.gv.at/gesetzesentwuerfe/. Zum Folgenden bereits Karner, RdW 2004, 137 ff. Krejci in Krejci/K. Schmidt, Vom HGB zum Unternehmergesetz 38 f. Die Regelung des § 366 Abs 3 HGB über den redlichen Erwerb der gesetzlichen Pfandrechte von Kommissionär, Spediteur, Lagerhalter und Frachtführer wird beibehalten und in den § 367 UGB verschoben; vgl zu diesen Pfandrechten oben FN 1052. Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso nun EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67. Frotz, Kastner-FS (1972) 152 f; derselbe, Kreditsicherungsrecht 45; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 FN 550; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/51; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 5. AA Binder, Sachenrecht Rz 6/31.
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Besitzer, es sei denn, dass dieser in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist“ (§ 367 Abs 2 ABGB nF)1698. Derzeit ist diese Problematik nur in § 366 Abs 2 HGB ausdrücklich geregelt, während es im allgemeinen Zivilrecht an einer entsprechenden Vorschrift fehlt; auch hier bestehen an der Zulässigkeit eines lastenfreien Erwerbs freilich schon bislang keinerlei Zweifel1699. Bevor auf diese Reformvorschläge näher einzugehen ist, erscheint es – zur besseren Übersicht – zweckmäßig, die geltende Fassung und die Entwurfsfassung der §§ 367 und 368 ABGB in der folgenden Synopse einander gegenüberzustellen: Geltende Fassung
Entwurf
§ 367 ABGB (1) Die Eigentumsklage findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache nicht statt, wenn er beweist, daß er diese Sache entweder in einer öffentlichen Versteigerung, oder von einem zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne, oder in was immer für einer anderen Absicht anvertraut hatte.
§ 367 ABGB nF (1) Die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache ist abzuweisen, wenn er beweist, dass er die Sache gegen Entgelt in einer öffentlichen Versteigerung, von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte. In diesen Fällen erwirbt der rechtmäßige und redliche Besitzer das Eigentum. Der Anspruch des vorigen Eigentümers auf Schadenersatz gegen seinen Vertrauensmann oder gegen andere Personen bleibt unberührt.
(2) In diesen Fällen wird von den redlichen Besitzern das Eigentum erworben, und dem vorigen Eigentümer steht nur gegen jene, die ihm dafür verantwortlich sind, das Recht der Schadloshaltung zu.
1698
1699
Geplant ist weiters eine ausdrückliche Regelung des gutgläubigen Rangerwerbs, siehe § 456 Abs 2 ABGB nF: „Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so geht das Pfandrecht des rechtmäßigen und redlichen Pfandbesitzers diesem Recht vor, es sei denn, dass der Pfandbesitzer in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist (§ 368).“ Randa, Eigentumsrecht2 I 365; Klang in Klang, ABGB2 II 221 f; Frotz, Kreditsicherungsrecht 100 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/62 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 333; E. Bydlinski, ÖBA 1988, 970 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 11; Schwimann/Hinteregger, ABGB3 § 466 Rz 1. Schumacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 2 hält deshalb sogar die ausdrückliche Regelung des § 366 Abs 2 HGB letztlich für überflüssig. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit ist eine explizite Regelung freilich sehr zu empfehlen; im übrigen enthält auch das deutsche Recht in § 936 BGB eine solche.
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(2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so erlischt dieses Recht mit dem Erwerb des Eigentums durch den rechtmäßigen und redlichen Besitzer, es sei denn, dass dieser in Ansehung dieses Rechtes nicht redlich ist. § 368 ABGB Wird aber bewiesen, daß der Besitzer entweder schon aus der Natur der an sich gebrachten Sache, oder aus dem auffallend zu geringen Preise derselben, oder aus den bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormannes, aus dessen Gewerbe oder anderen Verhältnissen einen gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzers hätte schöpfen können; so muß er als ein unredlicher Besitzer die Sache dem Eigentümer abtreten.
§ 368 ABGB nF (1) Der Besitzer ist redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beim Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens genügt der gute Glaube an die Befugnis des Veräußerers, über die Sache zu verfügen. (2) Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache, aus ihrem auffällig geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer die Sache dem Eigentümer zu überlassen.
Der geplante Reformschritt – mit dem die „Zweispurigkeit“ des redlichen Mobiliarerwerbs beseitigt werden soll – erscheint in der Sache durchaus angezeigt. Dies wird ganz deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB und § 366 HGB auf ganz unterschiedlichen Grundkonzeptionen beruhen: hier das reine Rechtsscheinprinzip, dort der Grundsatz „Hand wahre Hand“. Auch wenn grobe Wertungswidersprüche zwischen beiden Konzepten schon im Weg der Auslegung vermieden werden können1700, so erscheint es doch unbefriedigend, wenn ein und derselbe Lebenssachverhalt – nämlich der redliche Erwerb im „Handel“ – in zwei sich großteils überschneidenden Tatbeständen geregelt wird, wobei den gesteigerten Verkehrsinteressen überdies noch in jeweils unterschiedlicher Weise Rechnung getragen wird. Dies führt nicht nur zu Abstimmungsschwierigkeiten und zur Gefahr von divergie1700
Siehe dazu ausführlich oben S 148 f.
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renden, miteinander nicht in Einklang zu bringenden und damit ungerechten Entscheidungen, sondern ist auch gesetzestechnisch unbefriedigend, weil unübersichtlich und unnötig kompliziert. Es ist daher sehr zu begrüßen, wenn die Privilegierung des Handelsverkehrs in Zukunft nur mehr von einem Tatbestand erfaßt werden soll und dieser in der allgemeinen Regel des § 367 ABGB situiert ist. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung ist eine Beurteilung des Reformvorschlages schwieriger. Wird künftig nicht mehr auf den redlichen Erwerb von einem „befugten Gewerbsmann“ abgestellt, sondern auf die Veräußerung durch einen „Unternehmer“, so führt dies – wie auch die Materialien zugestehen1701 – zu einer deutlichen Ausdehnung des bisherigen Gutglaubensschutzes. Das Erfordernis einer Gewerbebefugnis hat das reine Rechtsscheinprinzip des § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB, das für den Eigentümer mit erheblichen Härten verbunden ist, nämlich immerhin durch die Komponente staatlicher Aufsicht und die erleichterte Möglichkeit, den unberechtigten Veräußerer mit Hilfe des Gewerberegisters aufzuspüren, abgefedert1702. Diese Kautelen sollen nun entfallen. Überdies hat schon die Untersuchung des § 366 HGB gezeigt, daß der redliche Erwerb von einem „Kaufmann“ von seinem Anwendungsbereich her eher zu weit als zu eng gefaßt ist, weshalb es notwendig ist, die Redlichkeit des Erwerbers in jenen Fällen besonders streng zu prüfen, in denen es nicht um den Kernbereich des Warenhandels geht, sondern etwa das Lager- oder Speditionsgeschäft betroffen ist1703. Der Begriff des Unternehmers ist nun aber noch deutlich weiter als jener des Kaufmannes. Ohne Rechtsschutzdefizite zu beseitigen, wird der Unschärfebereich, in dem ein zu weit geratener Tatbestand auf der Ebene der Redlichkeit wiederum eingeschränkt werden muß, somit massiv ausgedehnt1704. Eine solche Gefährdung der Eigentümerinteressen wiegt um so schwerer, als der Erwerb von einem Unternehmer – entsprechend der bisherigen Konzeption des § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB und entgegen § 366 Abs 4 Satz 1 HGB – auch an verlorenen, gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zulässig ist. Auch wenn zuzugestehen ist, daß der Entwurf eine sachgerechte Einschränkung des Gutglaubensschutzes auf seinen legitimen Anwendungsbereich schon dadurch ermöglicht, daß der Erwerb von einem Unternehmer nur dann geschützt wird, wenn die Veräußerung zum „gewöhnlichen Betrieb seines Unter1701
1702 1703 1704
Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso nun EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67. Dazu eingehend oben S 293 f. Ausführlich dazu oben S 315 f. Die deshalb erforderliche „Korrekturfunktion der Redlichkeit“ wird im übrigen auch von den Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58 betont; ebenso EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67.
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nehmens“ gehört, sollte deshalb mE überlegt werden, im Tatbestand des neuen § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB doch wiederum auf die Veräußerung durch einen – freilich nun nicht mehr übertrieben begriffspositivistisch umschriebenen – Kaufmann abzustellen, und so als Kernbereich der gesetzlichen Norm das Leitbild des Warenhandels zu etablieren. Für einen solchen – eher konservativen – Ansatz spricht nicht zuletzt auch die Rechtsvergleichung, stellen neben dem deutschen doch etwa auch das schweizerische, französische, portugiesische oder US-amerikanische Recht auf den Erwerb von einem Kaufmann ab1705. Besonders zu begrüßen ist es hingegen wiederum, daß § 368 Abs 1 ABGB nF die bislang umstrittene Frage nach dem anzuwendenden Redlichkeitsmaßstab klärt und dabei – entsprechend der schon bislang herrschenden Auffassung1706 – einen Gutglaubenserwerb schon bei leichter Fahrlässigkeit scheitern läßt. Zustimmung verdient diese Wertung insbesondere auch im Hinblick auf § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF, also den redlichen Erwerb von einem Unternehmer. Läßt man einen Erwerb nämlich auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zu und trägt den gesteigerten Verkehrsinteressen somit schon durch das reine Rechtsscheinprinzip Rechnung, dann ist es erforderlich, wenigstens auf Seiten des Erwerbers einen strengen Maßstab an die Redlichkeit anzulegen. Dies ist auch der Grund, warum der Redlichkeitsmaßstab des § 366 HGB – der den Eigentümerinteressen durch das Hand-wahre-Hand-Prinzip Rechnung trägt – auch nach geltendem Recht nicht auf § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB übertragen werden darf. Eine Kumulation beider Komponenten – grobe Fahrlässigkeit und reines Rechtsscheinprinzip – würde die legitimen Interessen des Eigentümers nämlich völlig vernachlässigen und könnte nicht mehr als sachlich abgewogene Lösung angesehen werden1707. Es ist daher völlig zutreffend, wenn auch die Materialien zum Reformvorschlag betonen, daß der Erweiterung des Gutglaubenserwerbs eine größere Verantwortung des Erwerbers entspreche, die sich in einem höheren Maß an Sorgfalt niederschlage. Auf diese Weise werde ein allzu leichtfertiger Verlust des Eigentumsrechtes des bisher Berechtigten verhindert1708. Schließlich ist zu betonen, daß auch nach der geplanten Regelung ein redlicher Erwerb von einem „Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb sei1705
1706
1707 1708
So § 366 dHGB; Art 934 Abs 2 ZGB; Art 2280 Abs 1 Code civil; Art 1301 Código civil; § 2-403 (2) UCC; siehe dazu schon oben S 301 ff. Apathy, NZ 1989, 137 ff, 140; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff, 147 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/50; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 234, 296. Eingehend dazu oben S 149. Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67.
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nes Unternehmens“ nur dann zulässig ist, wenn der Veräußerer tatsächlich eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Der Erwerb von einem Scheinunternehmer ist mangels Vorliegens der vom Gesetz geforderten „verstärkten Rechtsscheingrundlage“ also in keinem über § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB hinausgehenden Maße privilegiert. Auch hier ist freilich die oben zur Problematik des Scheinkaufmannes entwickelte Mittellösung zu beachten1709: Hat der Eigentümer seine Sache einer Person anvertraut, von der er erkennen konnte, daß sie sich als Unternehmer geriert, so ist die verdünnte Rechtsscheingrundlage des Scheinunternehmers als ausreichend anzusehen. In diesem Fall ist also auch der gute Glaube des Erwerbers an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers zu schützen. Im Gegensatz zum Normalfall des Erwerbs von einem Unternehmer nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF kommt dabei allerdings ein Erwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen nicht in Betracht, da in solchen Fallkonstellationen die zu fordernden erhöhten Zurechnungsvoraussetzungen („Eingliederung in eine Umsatzsphäre“) nicht gegeben sind.
1709
Siehe oben S 326 ff.
§ 7 Übereignungsformen
I. Problemstellung und rechtsvergleichender Überblick Zu den meist diskutierten Problemkreisen redlichen Erwerbs gehört die Frage nach den für einen solchen Erwerb tauglichen Übertragungsformen. Zwar ist in jenen Rechtsordnungen, in denen das Traditionsprinzip gilt, selbstverständlich, daß ein redlicher Erwerb erst dann in Betracht kommt, wenn alle Voraussetzungen eines normgerechten Erwerbes – mit Ausnahme der Berechtigung des Veräußerers – vorliegen, also auch ein Vollzug der Übereignung in Form einer Übergabe der Sache erfolgt ist. Heftig umstritten ist aber, ob für eine solche Übergabe auch alle Übergabssurrogate ausreichen. Als besonders problematisch wird dabei das Besitzkonstitut empfunden, bei dem der Veräußerer Inhaber (Fremdbesitzer) der Sache bleibt und dem Erwerber den Besitz bloß vermittelt. Gegen die Zulässigkeit des Besitzkonstituts wird insbesondere eingewendet, daß der Eigentümer davor geschützt werden müsse, daß der ihn treffende Rechtsverlust sich hinter einem so wenig ersichtlichen Akt wie dem constitutum possessorium verstecke1710. Auch wird vorgebracht, daß der Erwerber, dem die Sache durch ein Besitzkonstitut übergeben wurde, dem Veräußerer das gleiche Vertrauen schenke wie der Eigentümer, der diesem seine Sache anvertraut habe. Der redliche Erwerber sei deshalb nicht schutzwürdiger als der Eigentümer1711.
1710 1711
So Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192. Siehe Motive BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192: Eine Unbilligkeit gegen den gutgläubigen Erwerber liege nicht vor, da in dem Belassen der Sache in den Händen des Veräußerers eine Vertrauenserweisung liege, deren Gefahr ohne Unbilligkeit den Vertrauenden treffe. Ebenso schon Goldschmidt, Handelsrecht I/2, 826 FN 14; zustimmend Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 209 = Mugdan, Materialien III 632 sowie – mit unterschiedlichen Konsequenzen – Wolff/Raiser, Sachenrecht10 255; Wacke, Besitzkonstitut 48 ff; Picker, AcP 188 (1988) 522 ff, 551 f; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 901; Musielak, JuS 1992, 721 f; Kindl, Rechtsscheintatbestände 330 ff. Ablehnend Heck, Sachenrecht 250; Wellspacher, Vertrauen 7 f; Iro, Besitzerwerb 238; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 17; abwägend Spielbüchler, Schuldverhältnis 178 f.
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Übereignungsformen
Reduziert man die eben dargelegten Argumente – fürs erste noch vereinfachend – auf ihren wesentlichen Kerngehalt, so wird deutlich, daß für den redlichen Erwerb vielfach ein „Näherherantreten“ des Erwerbers an die Sache und damit eine vollständige Verdrängung des Eigentümers aus seiner besitzrechtlichen Position für erforderlich gehalten wird. Deutlich in diese Richtung weist die Regelung des deutschen Rechtes, das – im Gegensatz zu Österreich und der Schweiz – die für den redlichen Mobiliarerwerb tauglichen Übereignungsformen in den §§ 932 ff BGB detailliert regelt und dabei wesentlich strengere Anforderungen an das Übergabserfordernis stellt, als in den Fällen eines Erwerbs vom Eigentümer oder sonst verfügungsbefugten Veräußerer (§§ 929 ff BGB): Für einen Gutglaubenserwerb ist nämlich stets erforderlich, daß dem Veräußerer nicht der geringste Rest an Besitz verbleibt, dieser sich also seines Besitzes vollständig entäußert1712. Dies ergibt sich aus § 933 BGB, der die Zulässigkeit des Besitzkonstitutes ausdrücklich ausschließt und damit für die Fälle gutgläubigen Erwerbs zum strengen Traditionsprinzip zurückkehrt1713. Gemäß § 933 BGB erlangt der redliche Erwerber nämlich erst dann das Eigentum an der Sache, wenn er diese vom Veräußerer übergeben erhalten hat. Durchgehalten wird dieses „Prinzip des vollständigen Besitzverlustes“ auch in den Fällen eines redlichen Erwerbs durch Abtretung des Herausgabeanspruches. Zwar überträgt der Veräußerer in der Konstellation des § 934 Fall 1 BGB – ebenso wie im Fall des Besitzkonstitutes – nur mittelbaren Besitz, im Unterschied zum Besitzkonstitut trennt er sich dabei aber vollständig von seiner Besitzposition1714. Ist dies formal-systematisch auch zutreffend, so wird das Verhältnis der §§ 933 und 934 BGB allgemein dennoch als mißlungen angesehen, da § 934 BGB Fälle redlichen Erwerbs ermöglicht, in denen sich „nach außen“ – also in einer auch für den Eigentümer wahrnehmbaren Weise – nichts ändert. Der in § 933 BGB noch perhorreszierte „heimliche Gutglaubenserwerb“1715 ist nur einen Paragraphen später plötzlich statthaft1716. Wirft somit schon das Verhältnis der §§ 933 und 934 1712
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Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 3, 17, 20; Michalski, AcP 181 (1981) 418 f; Wiegand, JuS 1974, 203, 204; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 933 Rz 3, § 934 Rz 2; Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 3 b (S 372); Frotz, Kastner-FS (1972) 153. So Boehmer, Grundlagen II/2, 29; siehe auch Picker, AcP 188 (1988) 524; Kindl, Rechtsscheintatbestände 312. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 2 a (S 397 f); Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff, 418 ff; Bauer/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 20, 22; Wieling, Sachenrecht I § 10 IV 4 a (S 375 f); Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 934 Rz 2 f. So treffend (zu § 934 BGB) W. Müller, AcP 136 (1933) 186 ff; Picker, AcP 188 (1988) 521; Kindl, AcP 201 (2001) 394 ff. Pointiert W. Müller, AcP 133 (1937) 87: Die Weisheit mit der der Gesetzgeber § 933 BGB begründet habe, müsse er bei § 934 BGB schon wieder vergessen haben.
Problemstellung und rechtsvergleichender Überblick
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BGB gewichtige und viel diskutierte Probleme auf1717, so wird anderseits auch der von § 933 BGB angeordnete Ausschluß des Besitzkonstitutes teilweise als zu weitgehend empfunden und eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung vorgeschlagen: Zuzulassen sei ein Besitzkonstitut in jenen Fällen, in denen der Veräußerer Eigenbesitzer der Sache sei und damit in keiner besitzrechtlichen Beziehung zum wahren Eigentümer stehe1718. Angesichts der aufgezeigten Kontroversen überrascht es nicht, daß auch in der Schweiz und Österreich die Frage nach den für einen redlichen Erwerb tauglichen Übereignungsformen heftig umstritten ist, zumal der Gesetzgeber – im Gegensatz zu Deutschland – eine spezifische Regelung nicht getroffen hat. Die aufgezeigten Probleme beschränken sich freilich keineswegs auf jene Länder, in denen die Eigentumsübertragung eine Übergabe der Sache erfordert, sondern stellen sich in ganz ähnlicher Weise auch dann ein, wenn eine Rechtsordnung das Konsensprinzip anerkennt, also das Eigentum grundsätzlich schon mit Abschluß des Kaufvertrages oder eines sonstigen auf die Eigentumsübertragung ausgerichteten schuldrechtlichen Geschäftes übergehen läßt. Wie bereits dargestellt wurde1719, bereitet der Fall der Mehrfachveräußerung ein und derselben Sache hier sogar besonders häufig Schwierigkeiten und wird deshalb etwa im französischen und italienischen Recht ausdrücklich geregelt (Art 1141 Code civil; Art 1155 Codice civile)1720: Veräußert der Eigentümer dieselbe Sache nacheinander an zwei Personen, so gebührt demjenigen Erwerber der Vorzug, der als erster den Besitz an der Sache erlangt hat. Für den Zweiterwerber gilt dies freilich nur dann, wenn er redlich ist. Besonders hervorzuheben ist, daß der gutgläubige Zweiterwerber sowohl nach französischem als auch nach italienischem Recht erst dann geschützt wird, wenn er den tatsächlichen Besitz an der Sache (possessi1717
1718
1719 1720
Siehe dazu schon Boehmer, Grundlagen II/2, 28 ff, 32 ff sowie – aus jüngerer Zeit – Hager, Verkehrsschutz 330 ff; Picker, AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff; Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff; Wacke, Besitzkonstitut 50 ff; Musielak, JuS 1992, 720 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 317 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 391 ff, jeweils mwN. So Ernst, Eigenbesitz 266 ff, 272. In der Tendenz ähnlich Hager, Verkehrsschutz 343 f, nach dem darauf abzustellen ist, daß kein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch des bislang Berechtigten gegenüber dem unmittelbaren Besitzer besteht. Siehe – für das Schweizer Recht – schon F.-E. Klein, Gerwig-FS (1960) 121 ff, 132, der die Zulässigkeit des Besitzkonstitutes auf jene Fälle beschränkt, in denen kein Besitzmittlungsverhältnis zum Eigentümer besteht und der nichtberechtigt Verfügende als selbständiger Besitzer handelt. Ausführlich dazu oben S 130 ff. Entsprechendes gilt auch für das englische Recht sowie den Code civil du Québec, siehe bereits oben S 130 f sowie Thorn, Mobiliarerwerb 211 ff mit weiteren rechtsvergleichenden Hinweisen.
342
Übereignungsformen
on réelle; possesso materiale ed effettivo) erlangt hat, ein Besitzkonstitut für einen redlichen Erwerb also nicht ausreicht. Interessant ist, daß der gutgläubige Zweiterwerber also immer nur dann geschützt wird, wenn er „näher an die Sache herantritt“ als der erste Erwerber, der an der Sache bereits regulär Eigentum erworben hat. Vergegenwärtigt man sich, daß sich auch in Österreich und der Schweiz eine ganz ähnliche Fallkonstellation ergeben kann, wenn eine Sache mehrfach durch Besitzkonstitut übertragen wird1721 und dieses Übergabssurrogat – anders als in Deutschland (§ 933 BGB) – nach überwiegender Auffassung für einen redlichen Erwerb ausreichen soll1722, so ergibt sich – wie bereits an früherer Stelle konstatiert wurde – ein verblüffender rechtsvergleichender Befund: Jene Rechtsordnungen, die vom Konsensprinzip ausgehen, schützen einen redlichen Erwerber nur dann, wenn diesem die Sache tatsächlich übergeben wurde, während in solchen Rechtsordnungen, die dem Traditionsprinzip folgen, ein Besitzkonstitut und damit eine Übergabe durch bloße Erklärung für den gutgläubigen Erwerb ausreichen soll. Schließlich ist daran zu erinnern, daß auch der UNIDROIT-Entwurf zum redlichen Erwerb (LUAB 1968) das Erfordernis der Übergabe eingehend regelt und darauf abstellt, daß die Sache dem redlichen Erwerber „ausgehändigt“ worden ist1723. Nach Art 11 LUAB 1968 ist dafür erforderlich, daß sich die Sache entweder tatsächlich in den Händen des Erwerbers befindet oder dieser im Besitz eines Dokumentes ist, das die Sache repräsentiert (Art 11 Abs 1 LUAB 1968). Ausreichend ist aber auch, daß sich die Sache bei einem Dritten befindet, welcher sie unwiderruflich für den Erwerber innehat (Art 11 Abs 2 LUAB 1968). Durch dieses Abstellen auf die tatsächliche Innehabung durch den Erwerber oder eine Besitzmittlung durch „Dritte“ wird den Erfordernissen des Geschäftsverkehres an erweiterten Übergabsformen – insbesondere durch Besitzanweisung – somit zwar durchaus Rechnung getragen, zugleich aber ein Besitzkonstitut für den redlichen Erwerb als nicht ausreichend angesehen. Als Grund für den Ausschluß des Besitzkonstitutes nennen die Verfasser des UNIDROIT-Entwurfes dabei die nachteiligen Unsicherheiten, denen Dritte ausgesetzt wären, wenn der Erwerber bereits geschützt würde, bevor man sich auf Grund äußerer Umstände von seinem Eigentumserwerb überzeugen konnte1724. In der folgenden Untersuchung wird zunächst der Meinungsstand überblicksweise dargestellt und auf diese Weise eine erste Orientierung 1721 1722 1723
1724
Eingehend bereits oben S 132 f. Siehe dazu die Nachweise in FN 1726. Dazu und zu den sonstigen Regelungen des LUAB 1968 und seinen Modifikationen durch den LUAB 1974 ausführlich bereits oben S 48 ff und S 52 f. Siehe Rapport explicatif, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967-1968 (1969) I 185.
Meinungsstand
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ermöglicht. Zugleich wird dadurch die Basis bereitgestellt, die es ermöglicht, die Problem- und Interessenlage – ohne Gefahr einer unnötigen Argumentationswiederholung – detailliert zu erörtern.
II. Meinungsstand Während in Deutschland § 933 BGB ausdrücklich anordnet, daß ein Besitzkonstitut für einen redlichen Erwerb nicht ausreicht und die Fälle eines Gutglaubenserwerbs durch Abtretung eines Herausgabeanspruches nach § 934 BGB heftig umstritten sind1725, fehlt in Österreich und der Schweiz eine besondere Regelung der Problematik. Die herrschende österreichische und schweizerische Auffassung leitet daraus die Zulässigkeit aller Übergabsformen für den redlichen Erwerb ab, weshalb auch die Übergabssurrogate Besitzkonstitut und Besitzanweisung ausreichen sollen1726. Diese Auffassung ist freilich keineswegs unbestritten, wobei den vorgebrachten Gegenargumenten durchaus unterschiedliches Gewicht zukommt. Vorbehalte bestehen in erster Linie gegen einen redlichen Erwerb durch Besitzkonstitut. So lehrt schon Ehrenzweig, daß ein Konstitut für einen redlichen Erwerb nicht ausreiche, da eine bloße Willensänderung des untreuen Vertrauensmannes den Besitz gemäß § 319 ABGB nicht zu ändern vermöge1727. Eine solche Position vermag allerdings nicht zu überzeugen, da sie – wie schon Iro1728 zu Recht eingewendet hat – die faktische Natur der Besitzverhältnisse verkennt. Aus § 319 ABGB läßt sich nämlich nur ableiten, daß der Inhaber einer Sache den Grund seiner
1725 1726
1727
1728
Zum Meinungsstand ausführlich unten S 370 ff. Österreich: Iro, Besitzerwerb 237 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/49; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 3; derselbe, Schuldverhältnis 171 ff, 178 ff (allerdings mit bedeutsamen Modifikationen; dazu sogleich im Text sowie unten S 362 f); Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 9; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 2. OGH in SZ 11/12. Schweiz: Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20 ff; Liver, Schweizerisches Privatrecht V/1, 327; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1766; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 82 ff; derselbe in Honsell/Vogt/ Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26 f. Grundsätzlich auch Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 486 f, der aber die besonderen Anforderungen, die an die Wirksamkeit von Besitzkonstitut und Anweisung zu stellen sind, betont und damit zu wesentlichen Einschränkungen gelangt. Dazu sogleich noch unten im Text. Ehrenzweig, System2 I/2, 84, 189; ebenso Pfersche, Sachenrecht2 30. Eine ähnliche Position vertritt für das deutsche Recht auch Ernst, Eigenbesitz 228 ff, 242 f, 261 ff, 266 ff. Dazu ausführlicher unten S 378 f. Besitzerwerb 238.
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Übereignungsformen
Gewahrsame nicht eigenmächtig verändern darf, nicht aber, daß er dies nicht faktisch könnte1729. Gegen einen Gutglaubenserwerb in Form der Besitzauftragung wird überdies eingewendet, daß ein Erwerber, der die Sache beim Veräußerer belasse, diesem im selben Maße das Vertrauen schenke wie der Eigentümer und deshalb nicht schutzwürdiger erscheine als dieser1730. Dementsprechend hält auch Gschnitzer1731 einen redlichen Erwerb für ausgeschlossen, solange sich die Sache weiterhin beim Veräußerer befindet1732. Gleiches hat in Anlehnung an § 933 BGB für die Schweiz noch Ostertag vertreten1733: Der Erwerber erlange erst in jenem Zeitpunkt Eigentum an der Sache, in dem ihm diese ausgefolgt werde und er deshalb „direkten“ Besitz an ihr erlange. Dies sei auch der für den guten Glauben maßgebliche Zeitpunkt. Hingegen hält Spielbüchler1734 ein Besitzkonstitut für einen redlichen Erwerb grundsätzlich für zulässig, will den vergleichbaren Vertrauenspositionen aber in anderer Weise Rechnung tragen: Der redliche Erwerber erlange zwar zunächst das Eigentum an der Sache, der Alteigentümer könne diese aber zurückerwerben, wenn 1729
1730 1731
1732
1733 1734
Iro, Besitzerwerb 47 FN 127; ähnlich Spielbüchler, Schuldverhältnis 173 f. Daß § 319 ABGB insofern keine „Sperrwirkung“ zukommt, bestätigt im übrigen die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung: Im römischen Recht hatte der Satz „nemo sibi ipse causam possessionis mutare potest“, auf den § 319 ABGB zurückgeht, nämlich insbesondere die Funktion, eine usucapio pro herede durch Mieter, Leihnehmer usw einzuschränken. Eine solche Ersitzung – die insbesondere noch der Codex Theresianus vorsah – auszuschließen, war aber auch der Zweck der §§ 319 und 1462 Abs 2 ABGB. Siehe dazu Apathy, Strasser-FS (1983) 947 ff, 953 ff. § 319 ABGB soll also lediglich verhindern, daß der Inhaber einer Sache und seine Universalsukzessoren ihre eigene Position durch eigenmächtiges Handeln verbessern können. Diese Bestimmung sagt somit nichts darüber aus, ob redliche Dritte, die auf die geschaffene Besitzlage vertrauen, ihrerseits geschützt sein sollen oder nicht; diese Frage ist vielmehr allein auf Grundlage des § 367 ABGB und der sonstigen Gutglaubensvorschriften zu lösen. Insofern fügt sich § 319 ABGB nahtlos in das hier entwickelte Konzept und bestätigt wiederum, daß die Lage des unberechtigten Veräußerers durch den redlichen Erwerb eines Dritten weder verbessert noch verschlechtert werden soll, sondern seine Interessen für die Zulässigkeit eines gutgläubigen Erwerbs neutral sind; siehe dazu ausführlich schon oben S 53 ff. Zu diesem Argument der „gleichen Vertrauenserweise“ ausführlich unten S 361 ff. Gschnitzer, Sachenrecht2 113 f. Hingegen sei eine Besitzanweisung ausreichend, da der Erwerber die Sache an sich gebracht habe, sobald der Besitzmittler sie für ihn besitze (Gschnitzer, aaO 114). Kritisch auch Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 8, der bei einem Besitzkonstitut die Schutzwürdigkeit des Erwerbers wegen der „Pattstellung“ von Eigentümer und Erwerber für zweifelhaft hält. Ostertag, Berner Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 17. Schuldverhältnis 178 ff, 180.
Meinungsstand
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die tatsächliche Herausgabe der Sache doch noch an ihn erfolge1735. Der Erwerber erlange unangreifbares Eigentum also erst dann, wenn er die Sache in die Hand bekomme1736. Für einen unangreifbaren Gutglaubenserwerb ist nach Spielbüchler somit erforderlich, daß der Erwerber näher an die Sache herankommt als der Eigentümer. Ein solches „Näherherantreten an die Sache“ fordern in der Schweiz auch Hinderling1737 und F. E. Klein1738. Die Problematik verdeutlicht Hinderling dabei an einem Beispiel1739: Eine Bank veräußert von A bei ihr hinterlegte Wertpapiere in der irrigen Annahme, Eigentümerin zu sein, an einen Kunden B, der sie bei ihr in offenem Depot beläßt. Entscheidend müsse in diesem Falle sein, daß die Bank, weil sich die Tradition an B nicht durch körperliche Übergabe, sondern nur durch Besitzkonstitut vollziehen sollte, immer noch und weiterhin für den ahnungslos bleibenden A den Besitz ausübe. Zwar geriere sich die Bank gegenüber B als Eigenbesitzerin, ohne aber gegenüber A die Stellung eines unselbständigen Besitzers aufgegeben zu haben. Der fortbestehende Eigenbesitz des A schließe B vom Erwerb des für die Eigentumserlangung erforderlichen Besitzes aus. Anders könne es sich nur verhalten, wenn die Bank dem A erklärt hätte, daß sie nicht mehr für ihn besitze. Auch wenn die Begründung Hinderlings anfechtbar erscheint – ebenso wie Ehrenzweig trägt Hinderling nämlich der faktischen Natur der Besitzverhältnisse nicht ausreichend Rechnung1740 –, so hat es in der Sache doch viel für sich, einen redlichen Erwerb nicht eintreten zu lassen, solange für den Eigentümer A nach außen alles beim Alten bleibt und er sich hinsichtlich seiner Beziehung zur Sache völlig gesichert fühlen darf. Aus entsprechenden Gründen will deshalb auch F. E. Klein die Zulässigkeit des Besitzkonstitutes auf jene Fälle beschränken, in denen kein Besitzmittlungsverhältnis zum Eigentümer besteht und der nichtberechtigt Verfügende als selbständiger Besitzer handelt1741. Auch F. E. Klein begründet dieses Ergebnis allerdings damit, daß der unselbständige Besitzer durch das bereits bestehende Besitzmittlungsverhältnis gebunden sei und er deshalb dem redlichen Dritten 1735
1736 1737 1738 1739 1740
1741
Entsprechendes soll nach Spielbüchler, Schuldverhältnis 182, auch für die Fälle der Besitzanweisung gelten. Dagegen Iro, Besitzerwerb 239. Siehe dazu noch unten S 362 f. Schweizerisches Privatrecht V/1, 487. Gerwig-FS (1960) 121 ff, 132. Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487. Ausführlicher dazu noch unten S 378 f (in Auseinandersetzung mit der vergleichbaren Position von W. Ernst). F.-E. Klein, Gerwig-FS (1960) 121 ff, 132. Ähnlich die Position von Ernst, Eigenbesitz 266 f, 272, und Hager, Verkehrsschutz 343 f, die in derartigen Fallkonstellationen für eine teleologische Reduktion des § 933 BGB eintreten. Dazu schon oben S 341 mit FN 1718.
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Übereignungsformen
keinen mittelbaren Besitz verschaffen könne1742, was aus den dargelegten Gründen aber nicht zutrifft. Im Gegensatz zu einem Gutglaubenserwerb durch Besitzkonstitut wird ein redlicher Erwerb durch Besitzanweisung überwiegend für unproblematisch angesehen und daher auch von solchen Autoren befürwortet, die eine Besitzauftragung für nicht ausreichend ansehen1743. Diese unterschiedliche Behandlung von Konstitut und Anweisung beruht vor allem darauf, daß der Veräußerer durch seine Anweisung an den Besitzmittler, die Sache künftig für den Erwerber innezuhaben, seine Besitzposition – im Unterschied zum Besitzkonstitut – vollständig aufgibt, so daß der Erwerber zumindest formal näher an die Sache herantritt. Anders als beim Besitzkonstitut, bei dem der unbefugte Veräußerer die Sache unmittelbar besitzt, erscheint bei der Besitzanweisung allerdings die Rechtsscheingrundlage problematisch1744: Der Veräußerer ist bei der Besitzanweisung nämlich nur mittelbarer Besitzer der Sache, seine Besitzposition als solche somit nicht sinnlich wahrnehmbar. Im Sinne eines streng verstandenen Rechtsscheinprinzips ist deshalb nach Iro1745 für einen redlichen Anweisungserwerb prinzipiell erforderlich, daß der Besitzmittler den Sachbesitz des Veräußerers in objektiv wahrnehmbarer Weise anerkennt. Nach anderen soll in jenen Fallkonstellationen, in denen der Veräußerer nicht selbst Inhaber der Sache ist, sogar erforderlich sein, daß das veräußerte Gut dem Erwerber wirklich ausgefolgt wird1746. Unproblematisch ist die Rechtsscheingrundlage hingegen dann, wenn man – mit der hier vertretenen Auffassung – davon ausgeht, daß die Besitzverschaffungsmacht dem Besitz als Rechtsscheinbasis grundsätzlich gleichsteht1747. Im Gegensatz zu den bisher dargestellten Auffassungen, welche die Übergabssurrogate für alle Formen eines redlichen Erwerbes entweder genügen lassen oder aber ausschließen, vertritt Frotz1748 einen sehr interessanten Lösungsansatz, der nach der Art des in Rede stehenden Er1742 1743
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F.-E. Klein, Gerwig-FS (1960) 132. Siehe etwa Gschnitzer, Sachenrecht2 114. Ebenso schließt das BGB zwar einen redlichen Erwerb durch Besitzkonstitut aus (§ 933 BGB), läßt eine Abtretung des Herausgabeanspruches – die funktional der Besitzanweisung entspricht – aber genügen (§ 934 BGB). Deshalb soll nach Klang in Klang, ABGB2 II 226, zwar ein Besitzkonstitut für einen redlichen Erwerb ausreichen, nicht aber eine Besitzanweisung: § 367 ABGB setze als Grundlage für das vom Gesetz geschützte Vertrauen des Erwerbers nämlich stets die wirkliche Innehabung des Veräußerers voraus. Besitzerwerb 243 ff. Klang in Klang, ABGB2 II 226; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 556 f; vgl schon Wellspacher, Vertrauen 182 f. Eingehend dazu bereits oben S 179 ff und S 195 f sowie unten S 351 ff und S 395. Kastner-FS (1972) 153.
Meinungsstand
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werbstatbestandes differenziert: Der aus dem deutschen Recht bekannte Grundgedanke, daß das Vertrauen des Erwerbers auf die Legitimation des Eigentümers nur dann zu einem Gutglaubenserwerb führen könne, wenn der Besitzer der Sache sich des den Rechtsschein des Eigentums begründenden Besitzes zugunsten des Erwerbers entäußere oder bereits früher entäußert habe, beziehe sich nur auf solche Tatbestände redlichen Erwerbs bei denen – so wie bei einem Erwerb von einem Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB oder einem Kaufmann nach § 366 HGB – die Rechtsscheinwirkung der Innehabung dogmatisch-konstruktiv relevant sei. Da dies auf § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nicht zutreffe, seien bei einer Veräußerung durch einen befugten Gewerbsmann alle Erwerbsformen – einschließlich der Besitzanweisung und des Besitzkonstitutes – unbedenklich zulässig. Ebenso sind Pfersche1749 und wohl auch Binder1750 der Auffassung, daß ein Besitzkonstitut zwar für einen redlichen Erwerb von einem Vertrauensmann des Eigentümers ungenügend sei, für einen Gewerbsmannerwerb aber ausreiche. Allerdings begründen Pfersche und Binder ihren Standpunkt nicht näher1751 und auch die Argumentation von Frotz erweckt Zweifel. Im Hinblick auf die maßgebliche Rechtsscheingrundlage bestehen zwischen den einzelnen Erwerbstatbeständen nämlich nur insofern Unterschiede, als die Berufsstellung des Gewerbsmannes – ebenso wie jene des Kaufmannes – auch den guten Glauben an die Verfügungsmacht des Veräußerers zu rechtfertigen vermag, während bei einem Erwerb von einem Vertrauensmann die Rechtsscheinwirkung des Besitzes nur das Vertrauen auf die Eigentümerstellung des Veräußerers legitimiert1752. Hingegen kann – wie schon F. Bydlinski1753 zu Recht eingewendet hat – keine Rede davon sein, daß die staatliche Veräußerungsbefugnis den Rechtsschein begründe, der Gewerbsmann dürfe über alle Sachen, die ihrer Art nach von der Gewerbeberechtigung erfaßt seien, verfügen und zwar ganz unabhängig davon, wo auf der Welt sich diese gerade befänden. Im Hinblick auf die maßgebliche Rechtsscheingrundlage ist vielmehr bei allen Tatbeständen redlichen Erwerbs entscheidend, ob man der Rechtsscheinwirkung des Besitzes die Besitzverschaffungsmacht gleichstellt oder nicht1754. Hin1749 1750 1751
1752 1753 1754
Sachenrecht2 30. Sachenrecht Rz 6/51. Pfersche verweist lediglich auf § 319 ABGB, der – wie bereits dargelegt wurde – für die Problematik aber nichts hergibt. Nach Binder bilde das Besitzkonstitut hingegen deshalb keine taugliche Erwerbsart, weil ein Gutglaubenserwerb vom Vertrauensmann dessen Sachinnehabung voraussetze, was bei der Besitzauftragung aber ohnedies unproblematisch erscheint. Dazu ausführlich schon oben S 202 ff. In Klang, ABGB2 IV/2, 556. Daß eine solche Gleichstellung geboten erscheint, wurde bereits oben S 179 ff und S 195 f dargelegt. Siehe dazu noch unten S 351 ff und S 395.
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Übereignungsformen
gegen ist es mE zutreffend, wenn Frotz1755 betont, daß die Zurechnungsfrage bei einem Erwerb von einem Gewerbsmann keine Rolle spielt. Insofern bestehen zwischen den einzelnen Erwerbstatbeständen tatsächlich gewichtige Unterschiede: Liegt dem redlichen Erwerb nämlich – wie bei einer Veräußerung durch einen befugten Gewerbsmann – das reine Rechtsscheinprinzip zugrunde, so verzichtet das Gesetz auf die Zurechnung des Rechtsscheintatbestandes und damit auch auf eine Gefahrenbeherrschung durch den wahren Berechtigten. Die besitzrechtliche Stellung des Eigentümers zur Sache spielt in solchen Fällen deshalb auch für die Frage der tauglichen Übergabsformen keine Rolle. Auf diesen – bislang zu wenig beachteten – Aspekt wird noch näher einzugehen sein1756. Schließlich stellen selbst jene Autoren, die alle Übergabsformen für einen redlichen Erwerb als zulässig ansehen, hinsichtlich der Übergabssurrogate vielfach besondere Kautelen auf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Redlichkeitsprüfung. So wird zum einen betont, daß vor allem in jenen Fällen, in denen der Veräußerer lediglich mittelbaren Besitz an der Sache hat, an die Redlichkeit des Erwerbers besonders hohe Anforderungen zu stellen seien, um auf diese Weise der verdünnten Rechtsscheingrundlage Rechnung zu tragen1757. Zum anderen wird als problematisch angesehen, daß der Erwerber bei einer Übergabe der Sache in Surrogatsform häufig in keinen körperlichen Kontakt zur Sache tritt und deshalb besondere Verdachtsmomente, die der Sache körperlich anhaften, gar nicht wahrnehmen kann. Einigkeit besteht freilich darin, daß der redliche Erwerber aus seiner mangelnden Sachnähe keine Vorteile ziehen soll und er deshalb nicht besser gestellt sein darf als bei einer körperlichen Übergabe1758.
III. Problemfelder Schon die Übersicht über den Meinungsstand hat deutlich werden lassen, daß es offenkundig ganz unterschiedliche Aspekte und Problembe1755 1756 1757
1758
Kastner-FS (1972) 152 f. Siehe unten S 366 ff. Siehe insbesondere Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 934 Rz 3; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 19 ff. Dazu schon oben S 188 f sowie unten S 419 f. Siehe Iro, Besitzerwerb 235 f, 240 f; Spielbüchler, Schuldverhältnis 177 f; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20 und 21; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 85, 87; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26. Ausführlich dazu unten S 383 ff.
Problemfelder
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reiche sind, die in den Fällen redlichen Erwerbs starke Bedenken gegen eine völlige Gleichstellung der körperlichen Übergabe mit den Übergabssurrogaten erwecken. Eine weitere Untersuchung der Problematik erscheint daher nur sinnvoll, wenn diese unterschiedlichen – teilweise im Verlauf der Arbeit schon angesprochenen – Aspekte gedanklich getrennt und in der Folge je für sich erörtert werden. Zu unterscheiden sind dabei im wesentlichen drei Problemfelder: Als erster Aspekt ist das Verhältnis von Rechtsscheinposition und Übergabsform zu nennen. Anerkennt man, daß im Fall der körperlichen Übergabe der Besitz des nicht berechtigten Veräußerers die maßgebliche Rechtsscheingrundlage darstellt, so stellt sich die Frage, ob auch bei allen Übergabssurrogaten eine ausreichende Rechtsscheinbasis besteht. Problematisch sind dabei insbesondere jene Fälle, in denen der Veräußerer lediglich mittelbaren Besitz an der Sache hat. Die folgende Erörterung kann dabei im wesentlichen auf der schon in § 4 gewonnenen Erkenntnis aufbauen, daß dem Besitz als Rechtsscheingrundlage die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers grundsätzlich gleichzuhalten ist. Der folgende Punkt IV stellt insofern eine Ergänzung der bisherigen Untersuchung und eine Exemplifizierung der aufgestellten Thesen auch für die Fälle des Streckengeschäftes (Geheißerwerbes) dar. Als zweiter Aspekt ist das von zahlreichen Rechtsordnungen geforderte „Näherherantreten“ des Erwerbers an die Sache und die damit in Verbindung stehende Problematik eines „heimlichen Gutglaubenserwerbs“ näher zu analysieren. Dabei wird sich ein enger Zusammenhang mit dem schon in § 5 erörterten – für die Zurechnung des Rechtsscheins maßgeblichen – Risikoprinzip und dem damit verbundenen Gedanken der Gefahrenbeherrschung zeigen. Als dritter Aspekt ist schließlich auf jene Besonderheiten der Redlichkeitsprüfung einzugehen, die zu bewältigen sind, wenn man die Tauglichkeit der Übergabssurrogate in den Fällen gutgläubigen Erwerbs grundsätzlich anerkennt und die unter dem Stichwort „Zurechnung erwerbsspezifischen Gehilfenwissens“ zusammengefaßt werden können. Wie bereits angeklungen ist, geht es dabei insbesondere darum, zu verhindern, daß der redliche Erwerber durch die Wahl einer Übergabe in Surrogatsform besser gestellt wird, als in den Fällen einer körperlichen Übergabe, in denen der Erwerber notwendigerweise in direkten Kontakt zur Sache tritt und diese daher tatsächlich in Augenschein nehmen muß. Betrachtet man die dargestellten Aspekte unter dem Blickwinkel der jeweils maßgeblich betroffenen Personen, so zeigt sich, daß die Frage der tauglichen Rechtsscheingrundlage und die Redlichkeitsprüfung das Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber betreffen, während bei der Problematik des „Näherherantretens an die Sache“ die Interessen des Erwerbers mit jenen des Eigentümers abzuwägen sind.
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Übereignungsformen
Macht dieser Interessenvergleich die Unterschiedlichkeit der einzelnen Problemkreise deutlich, ist anderseits aber auch zu betonen, daß die Frage der für den gutgläubigen Mobiliarerwerb tauglichen Übergabsformen keineswegs isoliert untersucht werden kann, sondern in engem Zusammenhang mit den schon bisher erörterten Grundlagen redlichen Fahrniserwerbs steht. So kann bei der Frage der Übergabsformen etwa nicht unberücksichtigt bleiben, ob das Gesetz den gutgläubigen Erwerb auf dem Hand-wahre-Hand-Prinzip aufbaut oder als Anwendungsfall des reinen Rechtsscheinprinzips konstruiert: Nur im ersten Fall spielt nämlich der Gedanke der Risikoabschätzung und Gefahrenbeherrschung durch den Eigentümer eine Rolle, während solche Kautelen zum Schutz des wahren Berechtigten in der zweiten Fallgruppe fehlen. Ein heimlicher Gutglaubenserwerb erscheint daher nur in jenen Fällen bedenklich, in denen das Gesetz auf die besitzrechtliche Position des Eigentümers zur Sache Rücksicht nimmt und daher dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung Rechnung trägt. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß den unterschiedlichen Problembereichen bei den einzelnen Übergabsformen durchaus unterschiedliches Gewicht zukommt: So ist im Fall des Besitzkonstituts die Rechtsscheingrundlage völlig unproblematisch, weil der Veräußerer – wie im Fall der körperlichen Übergabe – unmittelbarer Besitzer der Sache ist. Als bedenklich wird aber empfunden, daß der Veräußerer die Gewahrsame an der Sache behält und damit ein heimlicher, für den Eigentümer nach außen nicht wahrnehmbarer Gutglaubenserwerb ermöglicht wird. Hingegen stößt bei der Besitzanweisung schon die Rechtsscheingrundlage auf Bedenken, da der Veräußerer sich nur im mittelbaren Besitz der Sache befindet, seine Besitzposition somit völlig vergeistigt und damit die Rechtsscheinbasis auf ein Minimum reduziert ist. Anderseits gibt der Veräußerer mit der Anweisung an den Besitzmittler, die Sache nunmehr für den Erwerber zu besitzen, seine Besitzposition – ebenso wie bei einer Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 934 BGB – völlig auf, so daß ein „Näherherantreten“ des Erwerbers an die Sache zumindest formal gewährleistet ist. In gleicher Weise stellt sich bei beiden Übergabsformen wiederum die Frage nach der „Zurechnung des Gehilfenwissens“, da dem Erwerber kein Vorteil daraus erwachsen soll, daß er mit der erworbenen Sache nicht selbst in körperlichen Kontakt getreten ist.
Übereignung und taugliche Rechtsscheingrundlage
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IV. Übereignung und taugliche Rechtsscheingrundlage A. Grundlagen Im Hinblick auf die Rechtsscheingrundlage unproblematisch sind jene Übereignungsformen, in denen der Veräußerer unmittelbarer Besitzer der Sache ist, neben dem Grundfall der körperlichen Übergabe also auch die Fälle des Besitzkonstitutes. Die Rechtsscheinbasis ist hier nämlich nicht weniger stark als dort: Der den Rechtsschein begründende Besitz des Veräußerers ist beim Besitzkonstitut genauso gegeben wie bei der realen Tradition1759. Aber auch die Übergabe kurzer Hand (traditio brevi manu), bei welcher der Inhaber die Sache mit Zustimmung ihres bisherigen Besitzers nunmehr für sich selbst besitzen will, fügt sich in dieses Bild, sofern der Erwerber die Sache nur zuvor vom Veräußerer erhalten hat1760: Systemkonform ist die maßgebliche Rechtsscheinbasis in diesem Fall der frühere Besitz des Veräußerers. Problematisch sind hingegen jene Fälle, in denen der Veräußerer – wie im Fall einer Besitzanweisung – nur mittelbarer Besitzer der Sa1759
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Dies betonen schon Wellspacher, Vertrauen 7; Heck, Sachenrecht 250; Iro, Besitzerwerb 237 f. So ausdrücklich § 932 Abs 1 Satz 2 BGB. Das Gesetz hat dabei offenbar den Grundfall vor Augen, daß der Veräußerer dem Erwerber die fremde Sache zuerst vermietet oder sonst zu unmittelbarem Fremdbesitz übertragen und später verkauft hat. In komplexeren Erwerbsfällen soll es – nach einer von Wolff/Raiser, Sachenrecht10 255, geprägten, gängigen Formel – ausreichen, daß „der Veräußerer früher einmal Besitzer gewesen ist und nach ihm der Eigentümer nicht mehr besessen hat“. Dagegen wird aber eingewendet, daß ein früherer Besitz des Veräußerers nach § 1006 Abs 2 BGB nur den guten Glauben an ein früheres Eigentum des Veräußerers rechtfertige (Wieser, JuS 1972, 569 FN 15; zustimmend Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 47 I 2 [S 388]). Deshalb ist nach Westermann/Gursky, aaO, erforderlich aber auch ausreichend, daß der Veräußerer im Augenblick der Besitzbegründung des Erwerbers noch unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Sache ist oder ein Fall des Geheißerwerbs vorliegt. Dementsprechend ist ein redlicher Erwerb etwa zu bejahen, wenn A eine fremde Sache dem B leiht, dieser sie dem C weiterverleiht, der sie sich hernach von A, den er für den Eigentümer hält, durch traditio brevi manu übertragen läßt. Bei einem solchen bloß mittelbaren Veräußererbesitz kommt es freilich – ebenso wie bei einem Geheißerwerb – nicht mehr auf den „Rechtsschein des Besitzes“, sondern auf die Besitzverschaffungsmacht an. Dies betont auch Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 33; derselbe, JuS 1974, 203 mit FN 23, der deshalb jede Veranlassung und Ermöglichung des Besitzerwerbs durch den Veräußerer für einen redlichen Erwerb ausreichen läßt. Vgl weiters für die Schweiz Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 82 f; für Österreich Klang in Klang, ABGB2 II 226.
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Übereignungsformen
che ist, da eine solche vergeistigte Sachherrschaft mangels objektiver Erkennbarkeit eine taugliche Rechtsscheingrundlage nicht abzugeben vermag. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, können auch diese Fälle sachgerecht bewältigt werden, sofern man nur anerkennt, daß dem Besitz als Rechtsscheingrundlage die Besitzverschaffungsmacht grundsätzlich gleichzustellen ist und dabei auch die Verschaffung mittelbaren Besitzes ausreicht, sofern diese nur tatsächlich erfolgt ist1761. Erst die Einbeziehung der Besitzverschaffungsmacht ermöglicht schließlich eine Lösung auch jener Fälle, in denen der Veräußerer in keinerlei Besitzbeziehung zur Sache gestanden ist, seine Anweisung über die Einschaltung von Hilfspersonen dem Erwerber aber den Besitz an der Sache verschafft hat. Auf solche Fälle des Geheißerwerbs wird im Folgenden näher eingegangen, wobei der Schwerpunkt auf das praktisch besonders bedeutsame, dogmatisch aber schwer zu erfassende Streckengeschäft gelegt wird. B. Streckengeschäft 1. Ausgangslage Im Fall des Streckengeschäftes wird eine Sache, die auf Grund einer Kette von Verträgen übereignet werden soll, nicht von einem Veräußerer an den nächsten weitergereicht, sondern der erste Verkäufer übergibt die Sache unmittelbar dem Letzterwerber, um ihm auf diese Weise das Eigentum an ihr zu verschaffen1762: A liefert also eine Sache, die er an B veräußert hat, der sie seinerseits an den C weiterverkauft, direkt dem C. Auf diese Weise sollen durch eine reale Güterbewegung zwischen A und C, zwei Kaufverträge (A – B und B – C) gleichzeitig erfüllt werden. Die direkte Lieferung dient somit lediglich der „Abkürzung des langen Wegs“ und trägt dazu bei, unnötige Kosten zu vermeiden. 2. Unmittelbare Rechtsgrundlage zwischen A und C Die Fälle des Streckengeschäftes können durchaus unterschiedlich ausgestaltet werden, insbesondere ist es möglich, daß zwischen dem erstveräußernden A und dem Letztabnehmer C eine unmittelbare Rechtsgrundlage geschaffen wird, auf die hin die Leistung des A an C und
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Siehe oben S 179 ff und S 195 f sowie unten S 395. Siehe dazu F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 305 ff; Spielbüchler, Schuldverhältnis; derselbe, JBl 1971, 589 ff; Koziol, JBl 1977, 617 ff; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 13 ff; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/78 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 293 ff.
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der damit verbundene Eigentumserwerb des C erfolgt1763: So wenn die Forderung des B gegen A an C zediert wurde, A die Schuld des B gegenüber C übernimmt oder der Vertrag zwischen A und B als (echter) Vertrag zugunsten des C ausgestaltet wurde. In all diesen Fällen scheint die sachenrechtliche Lage keine besonderen Schwierigkeiten aufzuweisen, da Titel und Übergabe parallel laufen1764. Auch ein allfälliger redlicher Erwerb des C vom nicht berechtigt veräußernden A folgt deshalb – scheinbar unproblematisch – dem allgemeinen Schema. Ist der Titel A – C gültig und der nicht verfügungsberechtigte A selbst im Besitz der Sache, die er dem C direkt liefert, steht einem redlichen Erwerb nach den allgemeinen Regeln nichts entgegen. Auch handelt es sich in solchen Konstellationen nicht um einen Geheißerwerb, sondern um einen Fall der körperlichen Übergabe, so daß auch die erforderliche Rechtsscheingrundlage keine Schwierigkeiten bereitet. Soweit es nicht um Geld oder Inhaberpapiere geht (§ 371 ABGB), ist freilich erforderlich, daß A ein befugter Gewerbsmann ist oder ihm die Sache vom wahren Berechtigten anvertraut wurde (§ 367 ABGB). Anderseits scheint ein redlicher Erwerb generell ausgeschlossen, wenn es an einem gültigen Titel zwischen A und C fehlt und zwar auch dann, wenn A Eigentümer der Sache ist. Bei einer Schuldübernahme wäre somit erforderlich, daß das Vertragsverhältnis zwischen B und C gültig begründet wurde, bei einer Zession oder einem Vertrag zugunsten Dritter jenes zwischen A und B1765. Im Fall der Schuldübernahme ist dies auch selbstverständlich: Ist der Vertrag zwischen B und C, dessen Schuldner A geworden ist, ungültig, so fehlt für die Übereignung jegliche causa. Problematisch sind hingegen jene Fälle, in denen zwischen B und C ein gültiges Vertragsverhältnis besteht, das Verhältnis zwischen A und C, das der Abwicklung und Übereignung als unmittelbare Rechtsgrundlage dienen soll, aber ungültig ist. In den Fällen des Vertrages zugunsten Dritter und der Zession stellt sich somit die Frage, ob sich C gegenüber A mit Erfolg auf sein Rechtsverhältnis mit B zu stützen vermag. Anerkennt man, daß der Vertrag zugunsten Dritter – ebenso wie die sogleich zu be1763
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Siehe F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 307 f; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 14; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/79; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294. Koziol, JBl 1977, 617; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294. Vgl F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 307 f, der freilich betont, daß es nicht allein darauf ankomme, was zwischen A und B wirklich vereinbart worden sei, sondern vielmehr entscheidend sei, auf welches Rechtsverhältnis die Leistung des A nach seiner Erklärung bei der Leistung oder nach den für die Auslegung seines Leistungsverhaltens zwischen A und B maßgebenden, C also mindestens erkennbaren Umständen zu beziehen sei. Deshalb komme es etwa auf die Ungültigkeit eines Vertrages zwischen A und B zugunsten des C nicht an, wenn dieser annehmen durfte, die Leistung auf seine eigene Forderung gegen B zu empfangen. Siehe auch Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 14.
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sprechende Anweisung – nur ein Instrument zur Abwicklung des langen Wegs darstellt, so erscheint es sachgerecht, dem C, der auf die Gültigkeit des Deckungsverhältnisses vertraut hat, auch hier die Möglichkeit eines redlichen Erwerbes analog § 367 ABGB zuzubilligen1766. Entsprechendes vertreten Spielbüchler1767 und Holzner1768 auch für den Fall der Zession: Parallel zur Anweisungslage könne der Zessionar C bei mangelhaftem Deckungsverhältnis (abgetretene Forderung A – B) analog § 367 ABGB gutgläubig Eigentum erwerben, wenn ein entgeltliches Valutaverhältnis (B – C) bestehe und C bezüglich der Wirksamkeit des Deckungsverhältnisses nicht schlechtgläubig sei1769. Diese Auffassung erscheint freilich nicht unproblematisch. Es kann nämlich eingewendet werden, daß die Zession – anders als eine Anweisung oder ein Vertrag zugunsten Dritter – nicht bloß eine technische Abkürzung des langen Wegs darstellt, sondern C als Neugläubiger an die Stelle des Altgläubigers B treten wollte, weshalb er nicht anders zu behandeln wäre als dieser. Wünscht C die stärkere rechtliche Stellung eines Gläubigers, so hätte er anderseits auch die Konsequenzen der Direktlieferung zu tragen, wenn die Rechtsgrundlage der Leistung ungültig ist1770. Für eine solche Lösung spricht 1766
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Siehe Spielbüchler, Schuldverhältnis 158 ff, 163 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 10; Apathy/Riedler, Schuldrecht BT2 Rz 15/44. Dementsprechend hat nach hA auch die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung wie bei der Anweisung, also entlang der Rechtsgrundverhältnisse zu erfolgen. Siehe Rummel in Rummel, ABGB3, Vor § 1431 Rz 16; Honsell/Mader in Schwimann, ABGB2, Vor §§ 1431 ff Rz 34; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12 271 f; Große-Sender, ÖJZ 1999, 91 ff. Siehe auch Apathy/Riedler, Schuldrecht BT2 Rz 15/44, die aber für eine Kondiktion A – C plädieren, wenn bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter das Deckungsverhältnis mangelhaft ist und C den Leistungsgegenstand nicht gutgläubig erworben hat. Die aufgezeigte Parallele zur Anweisungslage gilt freilich nur in jenen Fällen, in denen die Einbeziehung des Versprechenden – wie beim Streckengeschäft – bloß der vereinfachten Erfüllung zwischen Versprechensempfänger und Drittem dient. Anders hingegen, wenn der Versprechensempfänger erkennbar den Zweck verfolgt, dem Dritten gerade die Verpflichtung des Versprechenden zu verschaffen, während dessen tatsächliche Leistung an den Dritten dann allein dessen Sache sein soll. In solchen Fällen liegt eine Parallele zu den – sogleich zu besprechenden – Zessionsfällen näher. Siehe F. Bydlinski, System und Prinzipien 263 FN 282, der sich insoweit auf Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung 478 ff, 483 ff, stützt. Zum Verhältnis von sachenrechtlichem Verkehrsschutz und bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung siehe Spielbüchler, JBl 2001, 38 ff und Hager, BGH-FS I (2000) 777 ff. Schuldverhältnis 163 f; derselbe in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 10. JBl 1995, 403. Holzner, JBl 1995, 403; zustimmend Lukas, Zession 177. Für vertretbar halten diese Lösung auch Apathy/Riedler, Schuldrecht BT2 Rz 15/45. Karollus, JBl 1994, 582; Dörner, NJW 1990, 476. Genau entgegengesetzt argumentiert Holzner, JBl 1995, 403; ebenso schon Lieb, Jura 1990, 361: Der Zessi-
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überdies, daß die privatautonom getroffene Gestaltungswahl auch sonst die Risikoverteilung bestimmt1771 und nicht durch eine nachträgliche „Als ob“-Betrachtung und einen Rekurs auf den gerade nicht gewählten langen Weg revidiert werden kann1772. Bei dieser Sicht der Dinge könnte sich C gegenüber A somit nicht auf sein gültiges Vertragsverhältnis mit B stützen und ein redlicher Erwerb schiede dementsprechend mangels Titels aus1773.
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onar habe sich durch die Abtretung stärker sichern wollen als bei einer nur anweisungsgemäßen Leistung des Schuldners, und es sei nicht einzusehen, warum er deshalb bereicherungsrechtlich schlechter stehen solle. Siehe Karollus, JBl 1994, 581; eingehend F. Bydlinski, System und Prinzipien 244 ff, 263 mwN. Überdies könnte vorgebracht werden, daß A dem C die Sache auf die abgetretene Forderung und gerade nicht im Hinblick auf das Zuwendungsverhältnis zwischen B und C geleistet hat, weshalb es – im Hinblick auf den Schuldnerschutzgedanken des § 1394 ABGB – besonders begründungsbedürftig wäre, warum A hinsichtlich der Sachrückgabe nun schlechter stehen sollte, als bei einer direkten Lieferung an seinen ursprünglichen Gläubiger B (vgl zum deutschen Recht Dörner, Dynamische Relativität, 339; derselbe, NJW 1990, 475; aA aber Lorenz, AcP 191 (1991) 281 f, 304). Im Vergleich zu einer Anweisung auf Schuld, der A gemäß § 1401 Abs 1 ABGB ebenfalls Folge zu leisten hat, vermag dieses Argument für das österreichische Recht aber nicht zu überzeugen und könnte eher für eine Strukturparallele zur Anweisungslage ins Treffen geführt werden. F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 307; Karollus, JBl 1994, 582; Beclin, JAP 1993/94, 137 f. Mit dieser Lösung korrespondiert wiederum die – freilich heftig umstrittene – bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: Zu kondizieren hat der Zessus A die fehlgeschlagene Leistung vom Zessionar C und nicht vom Zedenten B, so F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 307; derselbe, System und Prinzipien 261 ff; Karollus, JBl 1994, 573 ff, 579 ff; Iro in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 2/120; Rummel in Rummel, ABGB3 Vor § 1431 Rz 17; Rahmatian, Bereicherungsausgleich 161 f. Hingegen scheidet nach Holzner, JBl 1995, 403 f, gegen einen gutgläubig erwerbenden Zessionar ein Bereicherungsdurchgriff konsequenter Weise aus. Die Kondiktion sei gegen den Zedenten zu richten, bei Schlechtgläubigkeit des Zessionars könne wahlweise aber auch direkt auf diesen gegriffen werden. Für eine Kondiktion gegen den Zedenten auch Lukas, Zession 177; Markowetz, ÖJZ 2001, 581 ff, 591, sowie die herrschende deutsche Auffassung, siehe Canaris, Larenz-FS (1973) 834 ff; Lorenz, AcP 191 (1991) 279 ff; BGH in BGHZ 105, 365 = NJW 1989, 900; BGHZ 122, 46 = JZ 1993, 1116 (Nicolai); dagegen aber insb Dörner, Dynamische Relativität 329 ff; derselbe, NJW 1990, 473 ff; Flume, AcP 199 (1999) 18 ff. Begründet wird diese Lösung – Kondiktion gegen den Zedenten – vor allem auch damit, daß sich der Zessus den Neugläubiger nicht als Vertragspartner ausgesucht habe und deshalb auch mit dessen Insolvenzrisiko nicht belastet werden dürfe. Deshalb wird von manchen zumindest eine Ausfallshaftung des Zedenten für den Fall der Uneinbringlichkeit der Kondiktion gegen den Zessionar (Avancini, ÖBA 1989, 463)
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3. Anweisungslage In der Praxis weit häufiger sind jene Fallkonstellationen, in denen eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen A und C fehlt und der Abwicklung eine Anweisungslage zugrunde liegt: B weist einerseits den A an, die Sache in eigenem Namen, aber auf Rechnung des B zu liefern, anderseits ermächtigt er den C, die Sache im eigenen Namen und auf Rechnung des B entgegenzunehmen. Die direkte Abwicklung zwischen A und C wirkt dabei zugleich als Erfüllung des Deckungsverhältnisses (Vertrag zwischen A und B) und des Valutaverhältnisses (Vertrag zwischen B und C). Selbstverständlich kann auch in dieser Situation zwischen A und C eine unmittelbare Rechtsgrundlage geschaffen werden: Hat A die Anweisung des B nämlich angenommen – wozu er freilich nicht verpflichtet ist –, so entsteht dadurch ein abstraktes Schuldverhältnis zwischen A und C, das nach hA auch dann einen ausreichenden Titel für den Eigentumserwerb des C darstellt, wenn das Deckungs- und das Valutaverhältnis mangelhaft sind1774. Ist eine solche „Annahme der Anweisung“ nicht erfolgt, so ist für einen derivativen Eigentumserwerb des C – genauso wie bei einer Abwicklung im „langen Weg“ – hingegen eine Kette von gültigen Titelgeschäften erforderlich1775. Die sachenrechtliche Ausgestaltung bereitet dabei allerdings schon für den Fall eines derivativen Erwerbs erhebliche Schwierigkeiten und zwar insbesondere im Hinblick auf das erforderliche Verfügungsgeschäft: Wenn man die dingliche Einigung nicht bereits bei Abschluß des Titelgeschäftes annimmt1776, son-
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oder sogar eine Solidarhaftung von Zedent und Zessionar (Beclin, JAP 1993/94, 138 ff) befürwortet. F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 310; Koziol, JBl 1977, 617; Aicher in Rummel, ABGB3 1061 Rz 14; kritisch Iro, Sachenrecht2 Rz 6/84; eingehend dazu jetzt Spielbüchler, JBl 2003, 825 ff. Koziol, JBl 1977, 618, 619, 621; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/81; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 16 f. Nach F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 308 ff, reicht hingegen stets die Anweisung „als halbe causa“ in Verbindung mit einem gültigen Grundverhältnis zum Eigentumserwerb des C aus, so daß sich die Probleme nicht in der hier geschilderten Weise stellen und ein derivativer Eigentumserwerb des C selbst dann in Betracht kommt, wenn das Zuwendungsverhältnis zwischen B und C ungültig ist. Dagegen Koziol, JBl 1977, 618 ff; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 18. Siehe dazu (mit unterschiedlichem Ansatzpunkt) Spielbüchler, JBl 1971, 592 ff; derselbe, Schuldverhältnis 101 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 425 Rz 2; F. Bydlinski, Larenz-FS (1973) 1027 ff, 1034 ff; derselbe in Klang, ABGB2 IV/2, 370 ff, 375 f; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 16; Baier, ÖJZ 1973, 203. OGH in ÖBA 1987, 51 (Iro); RdW 1987, 157 (Iro); SZ 67/213; NZ 1998, 136; anders noch die ältere Judikatur, siehe zuletzt OGH in JBl 1984, 671; offenlassend OGH in VersE 1733.
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dern grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übergabe abstellt1777, so wird das Verfügungsgeschäft direkt zwischen A und C abgeschlossen1778: Soll C gemäß seinem Vertrag mit B Eigentümer werden, so handelt er dabei in eigenem Namen und erlangt durch die Übergabe das Vollrecht an der Sache1779. Komplex ist auch die Frage eines redlichen Erwerbs, doch konnte über ihre Lösung weitgehend Einigkeit erzielt werden1780: Ist eines der Vertragsverhältnisse nichtig oder mit sachenrechtlicher ex-tunc-Wirkung – etwa wegen Irrtums – anfechtbar, so scheidet ein derivativer Erwerb mangels geschlossener Titelkette aus. Ob C gutgläubig Eigentum an der Sache erwerben kann, hängt davon ab, welches der Vertragsverhältnisse von der Mangelhaftigkeit betroffen ist. Ist das Deckungsverhältnis zwischen A und B mangelhaft, so ist § 367 ABGB zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil B nicht der Besitzer der Sache ist und es insofern an der Rechtsscheingrundlage fehlt. Diese Bestimmung kann jedoch zumindest analog herangezogen werden1781, weil die Befolgung der Anweisung durch A bei C den Eindruck erweckt, daß B auf Grund eines gültigen Deckungsverhältnisses über die Sache wirksam disponieren kann. Dieser Rechtsschein kann dem durch den Besitz vermittelten durchaus gleichgestellt werden1782. Es zeigt sich also auch beim Streckengeschäft, daß die Lösung derartiger Fälle hinsichtlich der Rechtsscheingrundlage keine besonderen Schwierigkeiten bereitet, wenn man anerkennt, daß dem Besitz die Besitzverschaffungsmacht als Rechtsscheinbasis grundsätzlich gleichzu-
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Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 290 f; Welser, JBl 1975, 219 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/40; Bollenberger, Zahlungsunfähigkeit 67 ff. Iro, Besitzerwerb 69 f; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/81; Koziol, JBl 1977, 621; Bollenberger, Zahlungsunfähigkeit 72 f. Soll hingegen B das Eigentum an der Sache erhalten und C bloß ein obligatorisches Recht (zB Miete) oder ein beschränktes dingliches Recht (zB Pfandrecht) erwerben, schließt C das auf Eigentumsübergang gerichtete Verfügungsgeschäft im Namen des B. Die Vollmacht dafür ergibt sich (konkludent) aus der ihm von B erteilten Ermächtigung, die Sache auf seine Rechnung entgegenzunehmen. Eine Offenlegung ist regelmäßig nicht erforderlich, da es dem A typischerweise egal ist, ob nach dem Verhältnis zwischen B und C der eine oder der andere das Eigentum an der Sache erlangen soll. Siehe Iro, Sachenrecht2 Rz 6/81. Grundlegend Spielbüchler, Schuldverhältnis 147 ff; ihm folgend Koziol, JBl 1977, 618, 621 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 18; siehe bereits Wilburg in Klang, ABGB2 VI 452, 489. Spielbüchler, Schuldverhältnis 147 ff; Koziol, JBl 1977, 618, 622; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/82; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 18; Wilburg in Klang, ABGB2 VI 452, 489. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/82.
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halten ist1783. Entscheidend ist also stets, daß sich die Rechtsmacht des Veräußerers aus der Sicht des Erwerbers bewährt1784. Verschafft der Veräußerer B dem Erwerber C dabei den unmittelbaren Besitz an der Sache, weil B den A angewiesen hat, dem C die Sache körperlich zu übergeben, so ist die Rechtsscheingrundlage sogar stärker als in den Fällen der Besitzanweisung, in denen der Veräußerer dem Erwerber nur den mittelbaren Besitz an der Sache überträgt. Es ist also durchaus möglich, daß die Rechtsscheinbasis in jenen Fällen, in denen der Veräußerer mittelbaren Besitz an der Sache hat, schwächer ausgestaltet ist, als in Fallkonstellationen, in denen es an einer Besitzbeziehung des Veräußerers zur Sache überhaupt fehlt, also ein Erwerb durch Geheißpersonen vorliegt1785. Am schwächsten ist die Rechtsscheinposition schließlich in solchen Fällen, in denen ein nicht besitzender Veräußerer dem Erwerber bloß mittelbaren Besitz an der Sache verschafft. Auch ein solcher Geheißerwerb ist für einen redlichen Erwerb grundsätzlich ausreichend1786. Wegen der Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen ist der unterschiedlichen Stärke der Rechtsscheingrundlage allerdings im Rahmen der Redlichkeitsprüfung Rechnung zu tragen1787. 1783 1784
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Ausführlich oben S 179 ff und S 195 f. Vgl Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 45 III 1 a (S 366 f); Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 6. Geheißpersonen sind – nach deutscher Terminologie – solche Erwerbsgehilfen, die weder Besitzmittler noch Besitzdiener desjenigen sind, für den sie auftreten. Siehe Wolff/Raiser, Sachenrecht10 235 f; Martinek, AcP 188 (1988) 574, 600; Wadle, JZ 1974, 689; Kindl, Rechtsscheintatbestände 333. Daß auch ein redlicher Geheißerwerb zulässig ist, ist dabei auch in Deutschland anerkannt, siehe dazu Wolff/Raiser, Sachenrecht10 254 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 47 I 1 (S 385 ff); Hager, Verkehrsschutz 286 ff; derselbe, ZIP 1993, 1446 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 339 ff; Martinek, AcP 188 (1988) 621 ff; Musielak, JuS 1992, 716 ff. Vgl Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 10. Wie bei einer Besitzanweisung oder bei einem Besitzkonstitut können sich allerdings auf Grund des Hand-wahre-Hand-Prinzips und des damit verbundenen Gedankens der Gefahrenbeherrschung Einschränkungen ergeben, wenn die Geheißperson Vertrauensmann des Eigentümers ist und auf Anweisung eines unbefugten Veräußerers nunmehr dem redlichen Erwerber den Besitz mittelt. Auch in solchen Fällen stellt sich nämlich – wie beim Besitzkonstitut oder einer Besitzanweisung – das Problem eines „heimlichen“ Gutglaubenserwerbs. Dazu unten S 364 ff und S 366 ff. Schwierigkeiten bereiten schließlich jene irregulären Fälle, in denen die Geheißperson selbst Eigentümer der Sache ist oder ein Anwartschaftsrecht an dieser hat, doch lassen sich auch solche Konstellationen befriedigend lösen, wenn man beachtet, daß die (Besitz)Anweisung die Rechtsstellung des Angewiesenen nicht gegen dessen Willen verschlechtern kann. Vgl zur Problematik Spielbüchler, Schuldverhältnis 170 ff, 182; F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 557; Iro, Besitzerwerb 246 f. Siehe dazu oben S 188 f sowie unten S 419 f.
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Auch das Tatbestandsmerkmal „Erwerb vom Vertrauensmann“ läßt sich im Fall des Streckengeschäftes nicht unmittelbar anwenden, weil A die Sache dem B nicht anvertraut, ihm also keine Alleingewahrsame an der Sache verschafft hat. Führt man sich allerdings vor Augen, daß es beim „Anvertrauen“ um eine Frage der Zurechnung geht – der Eigentümer also nur dann mit dem Risiko eines Rechtsverlustes belastet werden soll, wenn er die Rechtsscheinlage selbst zurechenbar geschaffen hat –1788, so wird deutlich, daß für die Anwendung des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB sogar ein Größenschluß spricht1789: Auf Grundlage der Veräußerungsvorgänge hat der Eigentümer A seine Sache nämlich selbst und direkt an den redlichen Erwerber C ausgehändigt und ist damit das Risiko eines Rechtsverlustes bewußt eingegangen, während er sich im Normalfall des § 367 Satz 1 Fall 3 bloß in der Vertrauenswürdigkeit des Zwischenmannes B täuscht1790. Überdies ist zu berücksichtigen, daß es einen Mangel in der Sphäre des A darstellt, wenn dieser die Anweisung des B trotz Ungültigkeit des Deckungsverhältnisses befolgt, und dieser Mangel deshalb dem A und nicht dem redlichen C zur Last zu fallen hat1791. Problematisch erscheint schließlich, daß der Erwerber C regelmäßig weiß, daß B nicht Eigentümer der Sache, sondern allenfalls verfügungsbefugt ist, worauf bereits Flume1792 und Spielbüchler1793 hingewiesen haben. Allerdings ist zu beachten, daß im Fall des Streckengeschäftes die Redlichkeit des Erwerbers nicht auf das Eigentum des B, sondern auf die Gültigkeit des Deckungsverhältnisses bezogen ist1794. Auch insofern wird also ein völliger Gleichklang mit einer Abwicklung im langen Weg erreicht, bei dem C den B deshalb für den Eigentümer hält, weil dieser die Sache seinerseits auf Grund eines „Deckungsverhältnisses“ von A erworben hat1795. Hier wie dort kommt dem Institut des redlichen Erwerbs somit die Funktion zu, eine Aufstörung von Veräußerungsketten zu vermeiden1796. Ist das Deckungsverhältnis gültig, das Valutaverhältnis zwischen B und C aber unwirksam, so kommt ein redlicher Erwerb des C mangels 1788 1789
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Dazu ausführlich oben S 226 ff. Vgl schon Wilburg in Klang, ABGB2 VI 489; Spielbüchler, Schuldverhältnis 153; derselbe, JBl 2003, 826. Zu den Fällen einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge im „langen Weg“ siehe bereits oben S 261 ff. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/82. E. Wolf-FS (1985) 62 f, 64 f. Schuldverhältnis 161. Spielbüchler, Schuldverhältnis 161 ff; Koziol, JBl 1977, 622; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/82; vgl schon Wilburg in Klang, ABGB2 VI 452. Vgl bereits Koziol, JBl 1977, 622; Spielbüchler, Schuldverhältnis 162. Vgl dazu bereits oben S 142 f und S 261 ff.
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gültigen Titelgeschäftes hingegen nicht in Betracht1797. Umstritten ist, ob in einem solchen Fall B das Eigentum an der Sache erwirbt oder dieses bei A verbleibt1798. Nach überwiegender Auffassung ändert sich an der Eigentümerstellung des A nichts, da C die Sache normalerweise nicht für B entgegennehmen will und daher im Verhältnis zwischen A und B keine Übergabe stattgefunden hat1799. Hingegen will Spielbücher1800 zumindest in diesem pathologischen Fall den B das Eigentum erwerben lassen, während nach deutscher Auffassung im Streckengeschäft stets – und zwar für eine logische Sekunde1801 – ein Durchgangserwerb stattfinden soll1802, der bei Unwirksamkeit der Verfügung zwischen B und C das Eigentum bei B zur Ruhe kommen läßt und damit wiederum die Parallele zur Lieferung im „langen Weg“ herstellt1803. Mangels schuldrechtlichen Titels kommt ein Gutglaubenserwerb des C schließlich auch dann nicht in Betracht, wenn beide Grundverhältnisse ungültig sind1804. Auch dies entspricht wiederum der Abwicklung im „langen Weg“.
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Iro, Sachenrecht2 Rz 6/83; Koziol, JBl 1977, 622; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 20. Nach F. Bydlinski in Klang, ABGB2 VI/2, 308 ff soll hingegen auch in diesem Fall der Anweisungsempfänger C das Recht erwerben; vgl dazu schon oben FN 1775. Koziol, JBl 1977, 622; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 294; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/83; Bollenberger, Zahlungsunfähigkeit 73; Aicher in Rummel, ABGB3 § 1061 Rz 20. Spielbüchler, Schuldverhältnis 117 ff, 128 ff; derselbe, JBl 1971, 592 ff, 598, 600. Dagegen F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 313 FN 32a; Koziol, JBl 1977, 618; Welser, JBl 1975, 221. Kritisch Marotzke, AcP 191 (1991) 177 ff, der die juristische Sekunde im Hinblick auf die von ihm abgelehnten konkursrechtlichen Folgen sarkastisch als „nullum mit Dauerwirkung“ bezeichnet. HM, siehe Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 51 Rz 17; Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 40 III 3 (S 315 ff); Wieling, Sachenrecht I § 9 VIII (S 331 ff); MünchKomm/Quack, BGB4 § 929 Rz 146 ff; Hager, Verkehrsschutz 278 ff; derselbe, ZIP 1993, 1447 ff; Martinek, AcP 188 (1988) 615 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 335 ff. Anderes gilt selbstverständlich auch nach dieser Auffassung in jenen Fällen, in denen die Parteien bewußt eine direkte Übereignung A – C gewählt haben. Nimmt man einen solchen „Durchgangsgeheißerwerb“ an, so sind auch Fälle eines redlichen Erwerbs des Zwischenmannes B vom nichtberechtigten Veräußerer A denkbar. Zwar ist die Sache von A direkt an C geliefert worden, doch trägt auch hier der Gedanke der Besitzverschaffungsmacht: Für den Zwischenmann B bewährt sich die Rechtsmacht des Verkäufers A zwar nicht dadurch, daß dieser ihm die Sache übergibt, sie erhält aber genügend Stütze, wenn seine Weisungen (Lieferung an C) befolgt werden. Siehe Hager, Verkehrsschutz 286 ff, 288 mwN. Anders bei Annahme der Anweisung, siehe oben im Text mit FN 1774.
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V. Übereignung und Gefahrenbeherrschung A. Maßgebliche Wertungsgesichtspunkte 1. Gleiche Vertrauenserweise? Wie eingangs bereits erwähnt wurde, begründen schon die Materialien zum BGB die Unzulässigkeit des Besitzkonstitutes für den redlichen Erwerb (§ 933 BGB) damit, daß der Erwerber dem Veräußerer in diesem Fall das gleiche Vertrauen schenke wie der Eigentümer und deshalb nicht schutzwürdiger erscheine als dieser1805. Ein solches Argument kann freilich nur in jenen Fällen geltend gemacht werden, in denen das Gesetz den gutgläubigen Fahrniserwerb auf Grundlage des Handwahre-Hand-Prinzips konstruiert, also ein Erwerb vom Vertrauensmann des Eigentümers vorliegt (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB; § 935 Abs 1 BGB; Art 933 ZGB)1806. Ist ein redlicher Erwerb hingegen auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zulässig – so beim Erwerb vom befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB), in öffentlicher Versteigerung (§ 367 Satz 1 Fall 1 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB) oder an Geld und Inhaberpapieren (§ 371 ABGB; § 366 Abs 4 Satz 2 HGB; § 935 Abs 2 BGB; Art 935 ZGB) – ist ein allfälliges, in den Zwischenmann gesetztes „Vertrauen“ des Eigentümers völlig irrelevant, weshalb auch ein „Vertrauensvergleich“ nicht in Betracht kommt. Aber auch für die Fälle des Erwerbs vom Vertrauensmann erscheint die dargelegte Argumentation keineswegs zwingend: So wendet schon Heck1807 ein, daß es sich nicht um zwei vergleichbare Vertrauensakte handle. Auch bei Bejahung eines Eigentumserwerbs müsse der Erwerber die Folgen seiner Besitzbelassung nämlich insofern tragen, als sie dem Besitzmittler die abermalige Veräußerung der Sache ermöglichen würde. Der Erwerber werde also durch die Bejahung eines Eigentumserwerbs gar nicht besser gestellt als der frühere Eigentümer. Dieser Argumentation stimmt auch Iro1808 zu: Die Vertrauensinvestition seitens des Erwerbers werde ohnedies mit jener des Alteigentümers gleich behandelt, da auch jener im Fall der Veräußerung an Dritte das Risiko des Rechtsverlustes zu tragen habe. 1805
1806
1807 1808
Siehe Motive BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192 sowie die Nachweise in FN 1711. Dies betont zu Recht schon Iro, Besitzerwerb 238 FN 354; vgl auch Spielbüchler, Schuldverhältnis 178, der zwar zugesteht, daß diese Argumentation nur beim Erwerb vom Vertrauensmann unmittelbar einsichtig sei, dann aber meint, daß das darin zutage tretende Risiko des Erwerbers auch den Fall des Gewerbsmannes treffe. Sachenrecht 250. Besitzerwerb 238.
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Auch wenn dieser Argumentation eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist, darf anderseits nicht übersehen werden, daß die Zulassung des Besitzkonstituts den Eigentümer dennoch schlechter stellt als den Erwerber, wie Spielbüchler1809 überzeugend dargelegt hat: Der Alteigentümer sei gegenüber dem redlichen Erwerber nämlich insofern benachteiligt, als ihm eine Sinnesänderung des nicht berechtigten Veräußerers nichts nütze, wenn der Erwerber bereits Eigentümer geworden sei. Er könne nämlich sein Recht an der Sache durch eine Rückgabe nicht wiedererlangen, da er entweder keinen Anlaß habe die Sache neuerlich zu erwerben, weshalb es an einem für § 367 ABGB erforderlichen Titelgeschäft fehle oder er zwar von seinem Rechtsverlust wisse, dann aber nicht mehr gutgläubig sei. Dem Alteigentümer gegenüber käme daher der Umstand, daß auch der Erwerber die Sache dem Veräußerer anvertraut habe, nie zum Tragen, und er wäre damit gegenüber dem Erwerber, der sich zuvor in einer entsprechenden Situation befunden habe, schlechter gestellt. Sachgerecht sei insofern aber eine Gleichbehandlung von Alteigentümer und Erwerber. Auf Grund des bestehenden oder vorausgesetzten Besitzmittlungsverhältnisses habe nämlich sowohl der Alteigentümer als auch der Erwerber noch die Chance, die tatsächliche Herausgabe der Sache zu erreichen und somit die vergeistigte Sachherrschaft ihrer Bewährung zuzuführen. Knüpfe man an die tatsächliche Herausgabe an, dann sei die Eigentumslage insofern in der Schwebe, als der Redliche zunächst zwar Eigentum an der Sache erwerbe, der Alteigentümer das Eigentum aber zurückerwerben könne, wenn die tatsächliche Herausgabe doch noch an ihn erfolge. Unangreifbares Eigentum erlange der Erwerber also erst dann, wenn er die Sache tatsächlich in die Hand bekomme1810. Für die von Spielbüchler vertretene Auffassung sprechen sicherlich die von ihm dargelegten Wertungsgesichtspunkte. Aber auch konstruktiv ist die von ihm vorgeschlagene bloß „relative“ Eigentumsübertragung zumindest ein de lege ferenda vertretbarer Lösungsansatz, der sich auch rechtsvergleichend bestätigen läßt und eine Parallele im niederländischen Recht findet1811: Zwar führt das Besitzkonstitut zu einer Übertragung der Sache an den redlichen Erwerber, nach Art 3:90 Abs 2 BW ist diese dem wirklichen Eigentümer gegenüber aber so lange unwirksam (relatieve ongeldigheid), bis die Sache in die Hände des Erwerbers gelangt1812. 1809 1810
1811 1812
Schuldverhältnis 179 ff. Spielbüchler, Schuldverhältnis 180. Entsprechendes soll nach Spielbüchler, aaO 182, auch für die Fälle der Besitzanweisung gelten. Siehe dazu Thorn, Mobiliarerwerb 103 f mwN. Art 3:90 Abs 2 BW: „Blijft de zaak na de levering in handen van de vervreemder, dan werkt de levering tegenover een derde die een ouder recht op de zaak heeft,
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Im Hinblick auf die lex lata des österreichischen Rechtes weist Iro allerdings darauf hin, daß für das von Spielbüchler vorgeschlagene „relative Eigentum“ keinerlei gesetzliche Anhaltspunkte bestehen, weshalb sich diese Lösung dogmatisch nicht begründen lasse1813. Sieht man von den methodischen Schwierigkeiten, die Spielbüchlers Lösung mit sich bringt, einmal ab, so bestehen mE aber auch in sachlicher Hinsicht Bedenken. Es ist nämlich nicht nur fraglich, ob „relative Eigentumsverhältnisse“ im Hinblick auf eine möglichst eindeutige und damit auch zeitlich stabile dingliche Zuordnung tatsächlich wünschenswert erscheinen, sondern es ist vor allem auch daran zu zweifeln, ob dieser Lösungsansatz der Interessenlage der betroffenen Parteien in ausreichendem Maße Rechnung trägt. Berücksichtigt wird von Spielbüchler nämlich nur ein Vergleich der „beidseitigen Vertrauenserweise“, während die vielfach als Mißstand empfundene Gefahr eines „heimlichen Gutglaubenserwerbs“ außer Betracht bleibt. Auch wenn man Spielbüchlers Vorschlag folgt, wird der Eigentümer aber vielfach überhaupt keinen Grund dafür sehen, die Herausgabe der Sache zu verlangen und sich sein Eigentum auf diese Weise wiederum zu sichern oder – genauer gesagt – es zurückzuerlangen, ist für ihn doch nach außen hin alles beim Alten geblieben. Auf diesen Aspekt ist im Folgenden näher einzugehen.
1813
eerst vanaf het tijdstip dat de zaak in handen van de verkrijger is gekomen, tendzij de oudere gerechtigde met vervreemding heeft ingestemd.“ [„Bleibt die Sache nach der Lieferung in den Händen des Veräußerers, dann wirkt die Lieferung einem Dritten gegenüber, der ein älteres Recht auf die Sache hat, erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Sache in die Hände des Erwerbers gelangt ist, es sei denn, daß der ältere Berechtigte der Veräußerung zugestimmt hat.“]. Iro, Besitzerwerb 239. Überdies wendet Iro, aaO, ein, daß Spielbüchlers Ansatz die erst zu beweisende Prämisse – das Besitzkonstitut habe nicht die gleiche rechtsverschaffende Kraft wie eine körperliche Übergabe – bereits voraussetze, bei einer körperlichen Übergabe aber das von Spielbüchler angegriffene Ergebnis nicht zu bezweifeln sei: Erlange der Veräußerer nämlich später auf Grund eines Miet-, Leihe- oder Verwahrungsvertrages mit dem Erwerber wiederum die Sache, so trete gegenüber dem früheren Eigentümer dieselbe Lage ein. Warum dies aber bei einem Besitzkonstitut anders sein solle, bleibe nach wie vor offen. Dagegen kann freilich eingewendet werden, daß in dem von Iro gebildeten Fall die Sache zuvor tatsächlich körperlich übergeben wurde, also ein nach außen hin sinnfälliger Akt stattgefunden hat, der für den gefährdeten Eigentümer eine zumindest abstrakte Warnfunktion erfüllt. Im Unterschied zu den Fällen des Besitzkonstitutes droht hier ein „heimlicher Gutglaubenserwerb“ also nicht. Gerade dieser Gesichtspunkt darf aber – wie im Text sogleich näher darzulegen ist – bei der Bewertung der Interessenlage nicht außer Acht gelassen werden.
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2. Zur „Heimlichkeit“ des Besitzkonstitutes Umstritten ist freilich auch jene Begründungslinie, die darauf abstellt, daß der Eigentümer davor geschützt werden müsse, daß der ihn treffende Rechtsverlust sich hinter einem so wenig ersichtlichen Akt wie dem constitutum possessorium verstecke1814. Nach Boehmer1815 liegt die ratio legis dieses Ausschlusses in der Verhinderung von „Schein- und Schiebungsgeschäften“. Dagegen kann freilich eingewendet werden, daß durch das Besitzkonstitut das strenge Traditionsprinzip – das dem Interesse an einer objektiven Erkennbarkeit von Übereignungsvorgängen dient („Sichtbarkeitsinteresse“; Publizitätsprinzip1816) – stets durchbrochen wird und dieses Argument somit gegen das Besitzkonstitut als solches sprechen müßte1817. Doch weist Boehmer zu Recht darauf hin, daß das Gesetz beim legitimen Rechtsverkehr den Parteiinteressen an erleichterten Übergabsformen zwar durchaus Rechnung tragen könne, da hier die Gefahr eines Mißbrauchs unerkennbarer Rechtsverschiebungen bloß in geringem Ausmaß bestehe, während es bei illegitimen Rechtsübertragungen durch Nichtberechtigte nicht in gleichem Maß den Eigentumsschutz zugunsten heimlicher Transaktionen zurücksetzen dürfe1818. Es sei eben eine Erfahrungstatsache, daß diese Form heimlicher Rechtsübertragung gerade von Seiten Nichtberechtigter, die um eigener Vorteile willen den Eigentümer um sein Recht bringen wollten, in unlauterer Weise mißbraucht werde1819. Als praktischen Hauptfall für den Ausschluß des Besitzkonstitutes nennt Boehmer1820 den Interessenkonflikt zwischen einem Warenlieferanten, der sich zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung das Eigentum an der Ware vorbehalten hat, und dem Geldkreditgeber, dem der Käufer die noch nicht voll bezahlte Ware in Form der Besitzauftragung zur Sicherung übereignet. Insofern ist die wichtigste Konsequenz des § 933 BGB die Bevorzugung des Warenkreditgebers vor dem Geldkreditgeber1821. Für das österreichische Recht spielt diese Fallkonstellation allerdings 1814 1815 1816
1817
1818 1819 1820 1821
So Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192. Grundlagen II/2, 29 ff, 39. Kritisch dazu aber Hedinger, Publizitätsdenken, insb 45 ff, 49 ff; M. Bauer, Bosch-FS (1976) 1 ff; gegen das Traditionsprinzip als solches Süß, Wolff-FS (1952) 141 ff, 164 („Übergabe als publizistischer Realakt bei Mobilien unbrauchbar und überflüssig)“. Siehe schon Wellspacher, Vertrauen 8 f; aufschlußreich zu diesem Übergabssurrogat Wacke, Besitzkonstitut; vgl auch oben FN 732. Boehmer, Grundlagen II/2, 29. Boehmer, Grundlagen II/2, 30. Grundlagen II/2, 30 f. Siehe dazu Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 19; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 933 Rz 5; MünchKomm/Quack, BGB4 § 933 Rz 3, 18.
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keine Rolle, da die publizitätslose Sicherungsübereignung als solche abgelehnt wird und auf Grund des Faustpfandprinzips (§§ 451 f ABGB) Sicherungseigentum durch ein Besitzkonstitut niemals begründet werden kann1822. Abgesehen davon, könnte gegen die Auffassung Boehmers auch vorgebracht werden, daß es eine unzulässige Verallgemeinerung darstelle, wenn man stets davon ausgehe, daß die Veräußerung einer fremden Sache auf einer kriminellen Willensentscheidung des Verkäufers beruhe. Es sei vielmehr durchaus auch vorstellbar und wahrscheinlich überwiegend so, daß die unberechtigte Verfügung aus Versehen erfolge1823. In diesen Fällen trägt aber das „Schieber“-Argument nicht. Dies gesteht freilich auch Boehmer1824 zu und bedauert gleichzeitig den Hang des Gesetzgebers zu generalisierenden aut-aut-Entscheidungen. Gerade im Sachenrecht kann eine solche Verallgemeinerung, die eine klare und damit der Rechtssicherheit dienende Regelung mit sich bringt, aber wohl um so eher toleriert werden, als ein ganz erhebliches Bedürfnis nach einer unzweideutigen dinglichen Zuordnung besteht. All diese Überlegungen für und wider die Zulässigkeit eines „heimlichen Gutglaubenserwerbs“ durch Besitzkonstitut scheint schließlich ein Einwand Wellspachers vom Tisch zu wischen, der lapidar feststellt: „Dem Eigentümer gegenüber ist die wirkliche Übergabe der Sache kaum mehr „offenkundig“ als das Konstitut und jedenfalls nützt ihm die Ersichtlichkeit des Besitzwechsels nichts, da mit demselben bereits der Eigentumserwerb des gutgläubigen Dritten eingetreten ist“1825. Die ganze Diskussion wäre demnach überflüssig, ist es für den wahren Berechtigten doch ohnedies zu spät. 1822
1823
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Siehe nur F. Bydlinski in Klang, ABGB2 IV/2, 459 f; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 365 f; Iro, Sachenrecht2 Rz 14/11; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 §§ 357–360 Rz 3, § 451 Rz 1 ff; OGH in SZ 58/1; SZ 70/118; ÖBA 1998, 216 (Spielbüchler) uva. Dem entspricht auch die Rechtslage in der Schweiz, wo Art 717 ZGB bestimmt, daß der Eigentumsübergang Dritten gegenüber unwirksam ist, wenn damit eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfand beabsichtigt worden ist. Dazu Schwander in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 717 Rz 4 mwN. Eine Bevorzugung des Warenkreditgebers vor dem Geldkreditgeber besteht freilich auch in Österreich insofern, als der Eigentumsvorbehalt im Gegensatz zum Pfandrecht publizitätslos ist, weshalb der Käufer beim Erwerb einer beweglichen Sache regelmäßig nicht zwischen Waren- und Geldkredit wählen kann; kritisch dazu Harrer, Sicherungsrechte 94, 123 f, 126, der deshalb de lege ferenda für ein Mobiliarsicherheitenregister eintritt. So Iro, Besitzerwerb 238 f, der betont, es könne deshalb auch nicht unterstellt werden, daß die Position des Erwerbers bei einem Besitzkonstitut stets besonders unsicher sei, weil er die Sache bei einem nicht berechtigten „kriminellen“ Veräußerer belassen habe. Grundlagen II/2, 31, 39. Wellspacher, Vertrauen 7; zustimmend Spielbüchler, Schuldverhältnis 173.
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Gerade das zuletzt angeführte, von Wellspacher vorgebrachte Argument macht freilich deutlich, daß es erforderlich ist, die Interessenlage der beteiligten Parteien nicht bloß global zu bewerten, sondern genauer zu analysieren. Vergegenwärtigt man sich nämlich, daß das Gesetz durch das Erfordernis der Zurechnung dem Risikoprinzip und damit dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung Rechnung trägt, dann kommt den vorgebrachten – wenn auch in dieser Form noch unzulänglichen – Argumenten durchaus erhebliches Gewicht zu, das in den Fällen redlichen Mobiliarerwerbs deutlich gegen eine generelle Zulässigkeit des Besitzkonstitutes spricht1826: Das Zurechnungserfordernis weist dem Eigentümer nämlich nicht nur das Risiko für die Auswahl seines Vertrauensmannes zu („Mißbrauchsrisiko“), sondern stellt anderseits auch sicher, daß der Alteigentümer im Fall seines Rechtsverlustes den Veräußerer ausfindig machen und diesen zumindest schuldrechtlich in Anspruch nehmen kann. Diesen schuldrechtlichen – auf das Schadenersatz- und Bereicherungsrecht zu stützenden – Ausgleichsansprüchen kommt freilich nur dann praktische Bedeutung zu, wenn der bislang berechtigte Eigentümer sie auch zu realisieren vermag. Die Chance der Realisierung hängt nun aber entscheidend davon ab, daß der Eigentümer – durch einen nach außen sinnfälligen Akt – von seinem Rechtsverlust möglichst bald erfahren und seine Ausgleichsansprüche deshalb noch rechtzeitig geltend machen kann. Läßt man hingegen einen heimlichen Gutglaubenserwerb zu, so wird sich der Eigentümer, der ja weiß, wo und in wessen Händen sich seine Sache befindet, regelmäßig in völliger Sicherheit wiegen und vom Verlust seines Eigentums häufig erst dann Kenntnis erhalten, wenn der ungetreue Veräußerer – etwa ein Lagerhalter – bereits zahlungsunfähig geworden und in Konkurs gefallen ist. Die Berücksichtigung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche und der Chance ihrer Realisierung ist somit der in der Sache entscheidende Wertungsgesichtspunkt, der gegen die Zulässigkeit eines heimlichen Gutglaubenserwerbs und für das Erfordernis eines „Näherherantretens“ des Erwerbers an die Sache spricht. B. Restriktion der Übergabssurrogate in den Fällen des Hand-wahre-Hand-Prinzips 1. Maßgebliche Fallgruppen Als wichtigstes Zwischenergebnis der vorstehenden Erörterungen kann festgehalten werden, daß ein gutgläubiger Erwerb durch Besitzkonstitut oder Besitzanweisung dann unproblematisch erscheint, wenn dem 1826
Zu den unterschiedlichen Aspekten der Gefahrenbeherrschung ausführlich bereits oben S 246 ff.
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redlichen Mobiliarerwerb das reine Rechtsscheinprinzip zugrunde liegt. Da das Gesetz in diesen Fällen auf eine Zurechnung des Rechtsscheintatbestandes von Seiten des wahren Berechtigten verzichtet und dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung keine Bedeutung beimißt, kann die besitzrechtliche Stellung des Eigentümers zur Sache auch im Hinblick auf die tauglichen Übergabsformen keine Rolle spielen. In den Fällen des § 367 Satz 1 Fall 1 und Fall 2 ABGB sowie bei § 371 ABGB und § 366 Abs 4 HGB sind für einen redlichen Erwerb deshalb alle Übergabsformen – einschließlich der Übergabssurrogate – zulässig und ausreichend. Da bei einem redlichen Erwerb in öffentlicher Versteigerung die Übereignung regelmäßig durch Zuschlag erfolgt1827, ist dies praktisch vor allem für den Erwerb von Geld und Inhaberpapieren sowie die Veräußerung durch einen befugten Gewerbsmann (Unternehmer iSd § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF) bedeutsam. Die hier vertretene Lösung trägt dabei auch den gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnissen Rechnung, die in den genannten Bereichen bestehen und denen eine möglichst weitgehende Gleichstellung von derivativem und originär-redlichem Erwerb entgegenkommt. Auch dies spricht in den Fällen des reinen Rechtsscheinprinzips für die Zulässigkeit aller Übergabsformen. Im Hinblick auf jene Fälle, in denen das Gesetz den redlichen Erwerb auf Grundlage des Hand-wahre-Hand-Prinzips konstruiert, hat die bisherige Untersuchung hingegen gezeigt, daß die Übergabssurrogate Besitzkonstitut und Besitzanweisung bedenklich erscheinen. Entscheidend ist dabei weniger das Vorliegen „gleicher Vertrauenserweise“ – ein Argument, das primär im Hinblick auf eine Übergabe in Form des Besitzkonstitutes vorgebracht wird1828 –, sondern der Grundsatz der Gefahrenbeherrschung, der dem Zurechnungsprinzip zugrunde liegt und dem auch im Hinblick auf die schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche Rechnung zu tragen ist: Die Chance ihrer Realisierung ist nämlich der entscheidende Wertungsgesichtspunkt, der in diesen Fällen gegen einen „heimlichen“ Gutglaubenserwerb und damit gegen die unbeschränkte Zulässigkeit des Besitzkonstitutes und der Besitzanweisung spricht. Erforderlich ist deshalb ein nach außen sinnfälliger Akt, der für den Eigentümer objektiv wahrnehmbar ist und es ihm dadurch ermöglicht, rasch auf seinen Rechtsverlust zu reagieren.
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Dazu oben S 289. Siehe oben S 361 ff. Hingegen hat der unbefugte Veräußerer im Fall der Besitzanweisung – ähnlich wie bei der Abtretung des Herausgabeanspruches nach § 934 BGB – seine „Besitzposition“ völlig aufgegeben, so daß der redliche Erwerber zumindest formal näher an die Sache herangetreten ist. Vgl zu diesem, im deutschen Recht ganz geläufigen, Argument bereits oben S 340 mit FN 1714.
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Von einer solchen Restriktion der Übergabssurrogate sind grundsätzlich alle Fälle redlichen Erwerbs erfaßt, denen das Hand-wahreHand-Prinzip zugrunde liegt. In erster Linie also der Grundfall redlichen Erwerbs, nämlich der Erwerb von einem Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB. Eine Beschränkung der Übergabsformen erscheint in solchen Fällen auch deshalb durchaus wertungsgerecht, weil es dabei um unbefugte Veräußerungen durch Privatpersonen geht, bei denen keine gesteigerten Verkehrsinteressen bestehen und auch das praktische Bedürfnis nach einer völligen Gleichstellung der Übergabssurrogate gering sein dürfte. Problematisch erscheint es hingegen, daß auch der Erwerb von einem Kaufmann nach § 366 HGB erfaßt wird, obwohl hier prinzipiell dieselben Verkehrsschutzbedürfnisse vorliegen wie bei einem befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB. Daß zwischen beiden Konstellationen unterschieden werden muß, ist allerdings keine Schwäche der hier vertretenen Auffassung, sondern darauf zurückzuführen, daß das Gesetz selbst zwischen beiden Fällen differenziert und beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann – anders als bei einer Veräußerung durch einen Kaufmann – auf das Zurechnungsprinzip keine Rücksicht nimmt, weshalb auch dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung keine Bedeutung zukommen kann. Betrachtet man die Fälle eines redlichen Erwerbs von einem Kaufmann genauer, so zeigt sich überdies ein differenzierteres Bild, das eine sachgerechte und widerspruchsfreie Lösung erlaubt: Es ist nämlich zu beachten, daß unter den Kaufmannsbegriff des HGB auch Frachtführer, Spediteure und Lagerhalter fallen. Gerade in diesen Fällen besteht aber für den Eigentümer, der weiß wo und in wessen Hand sich die Sache befindet, ein besonders hohes Interesse an der Unzulässigkeit eines heimlichen Gutglaubenserwerbs durch Übergabssurrogate. Es ist deshalb durchaus sachgerecht, daß der wahre Berechtigte, der ihm gehörige Güter eingelagert hat, sich hinsichtlich seines Eigentumsrechtes völlig gesichert fühlen darf, solange sich seine Sachen in der Lagerhalle befinden und er auf sie jederzeit störungsfrei zugreifen kann. Anders stellt sich die Sachlage hingegen dar, wenn es sich bei dem unbefugten Veräußerer um einen Warenkaufmann iSd § 366 Abs 2 Z 1 HGB handelt, dem der wahre Berechtigte seine Sache anvertraut hat. In einer solchen Fallkonstellation hat der Eigentümer seine Sache nämlich selbst einer Umsatzsphäre eingegliedert und damit der erhöhten Gefahr eines Rechtsverlustes ausgesetzt. Deshalb und wegen der gesteigerten Verkehrsinteressen im kaufmännischen Warenhandel erscheint es gerechtfertigt, auch bei einer Veräußerung durch einen Warenkaufmann alle Übergabsformen – einschließlich der Übergabssurrogate – für einen redlichen Erwerb ausreichen zu lassen. Nichts anderes hat aber auch im Hinblick auf § 1088 Satz 2 ABGB zu gelten, da der Eigentümer seine Sa-
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che dem „Trödler“ sogar zum Verkauf übergeben hat: Der Eigentümer hat an der Sache somit offenkundig kein Sachinteresse, sondern nur ein Wertinteresse, zu dessen Realisierung er seine Sache einer Absatzsphäre eingegliedert und damit der erhöhten Gefahr eines Rechtsverlustes bewußt ausgesetzt hat. Wegen dieses deutlich geringeren Bestandschutzinteresses des wahren Berechtigten erscheint es deshalb auch in den Fällen des § 1088 Satz 2 ABGB gerechtfertigt, alle Übergabsformen für einen redlichen Erwerb ausreichen zu lassen1829. Argumentum a minori ad maius hat gleiches schließlich auch für jene besonderen und von § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB erfaßten Fallkonstellationen zu gelten, in denen eine gescheiterte Einzelrechtsnachfolge vorliegt1830. Zwar bestehen auf Grund des Anwendungsbereiches des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – Erwerb von einer Privatperson – grundsätzlich keine erhöhten Verkehrsinteressen, doch ist zu berücksichtigen, daß der Eigentümer die Sache selbst weiterveräußern wollte und an ihr somit wiederum kein Sach- sondern nur ein Wertinteresse hat. Mangels Rückgabeerwartung des wahren Berechtigten im Zeitpunkt des „Anvertrauens“ der Sache ist das Bestandsinteresse des Eigentümers auch hier deutlich geringer als im Grundfall des Vertrauensmannerwerbs. Deshalb reichen auch in den Fällen einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge alle Übergabssurrogate für einen redlichen Erwerb aus, was gleichzeitig dazu beiträgt, bei Weiter- und Kettenveräußerungen eine verkehrsschädliche Aufstörung der Vormännerkette zu vermeiden. Problematisch erscheinen hingegen die Fälle eines Verkaufs unter Eigentumsvorbehalt. Behält sich der Verkäufer sein Eigentum vor, so zeigt dies nämlich, daß es ihm auf seine dingliche Sicherung entscheidend ankommt und es besteht deshalb schon bei Übergabe der Sache an den Eigentumsvorbehaltskäufer für den Fall der Nichtzahlung eine konkrete Rückgabeerwartung. Dennoch sollten mE auch in solchen Fallkonstellationen alle Übergabsformen als ausreichend angesehen werden, wenn der Eigentumsvorbehaltskäufer ein Warenkaufmann ist oder die Sache gerade zum Zweck des Weiterverkaufes übergeben wurde (§ 1088 Satz 2 ABGB), da auch hier die dem Eigentümer zurechenbare Eingliederung in eine Absatzsphäre letztlich durchschlägt. Eine solche verkehrsfreundliche Lösung scheint um so eher vertretbar, als das österreichische Recht keine publizitätslose Sicherungsübereignung kennt und deshalb auch bei Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs durch Übergabssurrogate keine übermäßige Belastung des Warenkredits zu befürchten steht1831. Zusammenfassend 1829 1830 1831
Zu § 1088 Satz 2 ABGB schon oben S 206 ff. Dazu bereits oben S 261 ff. Vgl Iro, Besitzerwerb 239 f. Anders ist die Lage hingegen in Deutschland, wo die Problematik der §§ 933 und 934 BGB vor allem in den Fällen einer publizitätslosen Sicherungsübereignung von unter Eigentumsvorbehalt stehenden Waren schlagend wird und der redliche Erwerb zu einer Schwächung des Warenkredits
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ist damit festzuhalten, daß auch dann alle Übergabsformen für einen redlichen Erwerb ausreichen, wenn der Eigentümer seine Sache einem Warenkaufmann anvertraut hat (§ 1 Abs 2 Z 1 iVm § 366 HGB), sie einem anderen zum Verkauf übergibt (§ 1088 Satz 2 ABGB) oder ein Fall der gescheiterten Einzelrechtsnachfolge vorliegt (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB). Sind somit jene Fallgruppen abgesteckt, in denen eine unbeschränkte Zulässigkeit der Übergabssurrogate Besitzkonstitut und Besitzanweisung für den redlichen Erwerb abzulehnen ist – nämlich die Fälle des Hand-wahre-Hand-Prinzips mit Ausnahme des Warenkaufmannes, der Übergabe zum Verkauf und der gescheiterten Einzelrechtsnachfolge –, so stellt sich nun noch die Frage, wie die hier vorgeschlagene Restriktion dogmatisch umzusetzen und der „nach außen sinnfällige Akt des Treubruchs“ näher zu bestimmen ist. Da in Deutschland ein redlicher Erwerb durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs nach § 934 BGB ganz ähnliche Probleme aufwirft, die sehr intensiv und eindringlich diskutiert werden, erscheint zunächst ein vergleichender Blick zweckmäßig1832. 2. Diskussionsstand zur vergleichbaren Problematik des § 934 BGB a) Ausgangsfälle und herrschende Ansicht Die Problematik der §§ 933 und 934 BGB läßt sich am besten an Hand von zwei Beispielsfällen veranschaulichen, die das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatten und die die Grundlage der Diskussion bilden. Es sind dies der „Zuckerfall“1833 und der „Fräsmaschinenfall“1834.
1832
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zugunsten des Geldkredits führen kann. Vgl dazu schon oben S 364 und die Beispielsfälle unten S 370 ff. Im gegebenen Rahmen muß sich die Darstellung dabei auf das Grundsätzliche beschränken. Grundlegend zur Problemlage schon Boehmer, Grundlagen II/2, 28 ff, 32 ff; weiters W. Müller, AcP 133 (1937) 86 ff. Für eine umfassende Auseinandersetzung siehe – mit jeweils unterschiedlichem Lösungsansatz – Medicus, H. Hübner-FS (1984) 611 ff (Einschränkung des redlichen Erwerbs in den Fällen des Nebenbesitzes); Picker, AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff (Maßgeblichkeit der Rechtsscheinvermutung des § 1006 Abs 3 BGB); Hager, Verkehrsschutz 330 ff, 342 ff, 346 ff, 362 ff (Sperrfunktion des Herausgabeanspruches); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 886 ff, 901 ff (Vergleich der beidseitigen Vertrauenspositionen); ähnlich im Ansatz Musielak, JuS 1992, 719 ff, 721 f und Kindl, Rechtsscheintatbestände 322 ff, 331 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 391 ff, 405 ff (Erfordernis eines offenkundigen Besitzbruchs); Ernst, Eigenbesitz 242 ff („Erneuerte furtum-Lösung“); Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff (prinzipielle Rechtfertigung der rechtspolitisch fehlerhaften §§ 933 und 934 BGB de lege lata). Siehe RG in RGZ 135, 75 und RGZ 138, 265. BGH in BGHZ 50, 45.
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Im Zuckerfall verkauft der Eigentümer E dem Käufer K unter Eigentumsvorbehalt größere Mengen an Zucker. Aus Vorsicht liefert E den Zucker nicht direkt an K, sondern lagert diesen auf seinen Namen beim Lagerhalter L ein, wo der Zucker je nach Bedarf von K abgerufen werden kann. K veräußert den Zucker an seinen Kreditgeber D unter Abtretung seines angeblich gegen L bestehenden Herausgabeanspruchs. Es gelingt K in der Folge, den L dazu zu bewegen, mit D ein Besitzmittlungsverhältnis einzugehen. Gegenüber dem Eigentümer E verhält sich L so, als mittle er ihm weiterhin den Besitz. Trotz dieses „Doppelspiels“ des L, dem E seine Sache anvertraut hat, und obgleich für E nach außen hin alles beim Alten geblieben ist, bejaht das Reichsgericht einen redlichen Erwerb des D nach § 934 Fall 2 BGB, läßt also einen „heimlichen Gutglaubenserwerb“ des D zu. Daß ein solches Ergebnis mit den Wertungen des § 933 BGB – kein redlicher Erwerb durch Besitzkonstitut – schwerlich in Einklang zu bringen ist, zeigt besonders deutlich auch der Fräsmaschinenfall: E verkauft dem K unter Eigentumsvorbehalt eine Fräsmaschine. In der Folge übereignet K diese Maschine zur Sicherheit an D1 und zwar mittels Besitzkonstituts. Zwischen K und D1 wird also ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. Zum Zweck der Refinanzierung übereignet D1 die Fräsmaschine seinerseits an D2, indem er diesem den gegen K zustehenden Herausgabeanspruch abtritt. Da K weder Eigentümer der Maschine ist, noch über diese verfügen darf, kann er dem D1 derivativ kein Eigentum verschaffen. Aber auch ein redlicher Erwerb des D1 scheidet aus, weil ein Besitzkonstitut nach § 933 BGB für einen Gutglaubenserwerb nicht ausreicht. D2 kann hingegen – nach Auffassung des BGH – das Eigentum an der Fräsmaschine redlich erwerben und zwar nach § 934 Fall 1 BGB (Abtretung des Herausgabeanspruches aus dem Besitzmittlungsverhältnis zwischen K und D1). Auch in diesem Fall ist die Fräsmaschine also stets dort geblieben, wo sie war. Dennoch kommt die im Fall des Besitzkonstituts betonte Intention der Gesetzesverfasser – der den Eigentümer treffende Rechtsverlust durch einen gutgläubigen Erwerb eines Dritten solle sich nicht „hinter einem so wenig ersichtlichen Akt verstecken“1835 – nach Auffassung des BGH nicht zum Tragen und zwar wegen des letztlich doch sehr formalen Arguments, im Unterschied zum Besitzkonstitut habe der Veräußerer D1 durch die Abtretung seines Herausgabeanspruches gegen K an D2 seinen Besitz an der Sache vollständig aufgegeben1836. Zwar stimmt ein Teil der deutschen Lehre der Position der Rechtsprechung zu1837, doch räumt der BGH – unter Hinweis auf die grundlegende 1835 1836 1837
Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 345 = Mugdan, Materialien III 192. BGH in BGHZ 50, 45, 49 f und 52. Siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 3 (S 400); Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 34 ff; derselbe, WM 1978, 450 ff; RGRK/Pikart, BGB12 § 934 Rz 8, 12; Pa-
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Kritik der §§ 933, 934 BGB durch Boehmer1838 – im Fräsmaschinenfall selbst ein, daß das Ergebnis in der Sache bedenklich erscheine, da wirtschaftlich gleich liegende Sachverhalte unterschiedlich beurteilt werden müßten. Geradezu resignierend stellt der BGH dann allerdings fest, daß dies auf Grund der gesetzlichen Vorgaben hingenommen werden müsse: Da das Gesetz beim gutgläubigen Erwerb stets darauf abstelle, ob der Veräußerer sich seines Besitzes vollständig entledigt habe, sei die gesetzliche Regelung jedenfalls nicht willkürlich, so daß der Richter nicht in der Lage sei, von dem vom Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebrachten Willen abzuweichen1839. Gerade dies wird von den Kritikern der aufgezeigten Rechtsprechungslinie aber vehement in Abrede gestellt. b) Kritik in der Lehre aa) Die Lehre vom Nebenbesitz Ein bedeutender Teil der deutschen Lehre lehnt die von der Rechtsprechung im Zuckerfall entwickelte Rechtsauffassung ab1840 und stützt sich dabei auf die von Martin Wolff in einem Rechtsgutachten zu dieser Entscheidung entwickelte Lehre vom Nebenbesitz1841: Das doppeldeutige Verhalten des Lagerhalters L habe gerade darauf abgezielt, den mittelbaren Besitz des Eigentümers E nicht eindeutig zu zerstören. E und K stünden deshalb als mittelbare Besitzer nebeneinander. Ein solcher gleichstufiger Nebenbesitz genüge für einen redlichen Erwerb nach § 934 BGB aber nicht: Die §§ 932 ff BGB verlangten nämlich, daß der Erwerber besitzrechtlich näher an die Sache herankomme als der Eigentümer. Dementsprechend wird die Lehre vom Nebenbesitz auch im Fräsmaschinenfall für anwendbar gehalten: Da es der Käufer K vermie-
1838 1839 1840
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landt/Bassenge, BGB64 § 868 Rz 5, § 934 Rz 3 f; Michalski, AcP 181 (1981) 384 ff, 416, 422; Soergel/Henssler, BGB13 § 934 Rz 3, 6 und 16; vgl auch Staudinger/ Wiegand, BGB (2004) § 934 Rz 2 f (für eine fallbezogene Lösung durch einen „Rückgriff auf die subjektiven Voraussetzungen“). Grundlagen II/2, 31 ff. BGH in BGHZ 50, 45, 51 f. Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 24; Wieling, Sachenrecht I § 6 III 3 b (S 232 ff) und § 10 IV 4 d (S 379); Medicus, H. Hübner-FS (1984) 611 ff; derselbe, Bürgerliches Recht19 Rz 558 ff; Wacke, Besitzkonstitut 54 ff; Hermann Lange, JuS 1969, 163 f; AlternativKomm/Reich, BGB § 934 Rz 7; W. Müller, AcP 137 (1933) 88 ff; M. Wolf, Sachenrecht21 Rz 179, 570. Ebenso noch H. Westermann, Sachenrecht5 § 19 III (S 89) und § 48 III (S 235 f); aA aber nun Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 19 II 4 (S 120 ff) und § 48 II 3 (S 400). Siehe RG in RGZ 135, 75 ff mit ausführlicher Auseinandersetzung mit Wolffs Rechtsgutachten; weiters Wolff/Raiser, Sachenrecht10 35 mit FN 27, 50, 256 f mit FN 22. Der Begriff „Nebenbesitz“ selbst stammt von Dölle, JW 1932, 1212 und 3763.
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den habe, den mittelbaren Besitz des Eigentümers E eindeutig zu zerstören, standen E und der erste Sicherungsnehmer D1 als gleichstufige mittelbare Besitzer nebeneinander. Mehr als diesen Nebenbesitz konnte D1 dem zweiten Sicherungsnehmer D2 deshalb nicht übertragen. Der Erwerb des bloßen Nebenbesitzes reiche für einen redlichen Erwerb des D2 nach § 934 BGB aber nicht aus1842. Gegen die Lehre vom Nebenbesitz wird vor allem eingewendet, sie führe zu unübersehbaren besitzrechtlichen Folgen und sei mit der gesetzlichen Regelung des Besitzes nicht vereinbar. Auch könne der tatsächliche Wille, die Sache nach Ablauf der Besitzzeit an den Oberbesitzer herauszugeben, nur gegenüber einer Person bestehen1843. Doch schlagen solche besitzrechtlichen Einwände mE letztlich nicht durch, da es bei der Lehre vom Nebenbesitz nicht um die Zuweisung von Besitzrechten geht, sondern lediglich um die Frage, ob in den genannten Konstellationen ein redlicher Erwerb zulässig sein soll oder nicht1844. Dementsprechend betont Medicus mE völlig zu Recht, daß die Figur des Nebenbesitzes der Ausdruck einer richtigen Wertung sei: Wer nicht näher an die Sache heranrücke als der Eigentümer zu ihr noch stehe, solle nicht zu dessen Lasten von einem Nichteigentümer erwerben1845. bb) Anknüpfung an den Herausgabeanspruch Nach der Auffassung von Hager und Picker ist in jenen Fällen, in denen der redliche Erwerber nur mittelbaren Besitz erlangt, dem Heraus1842
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Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 559 ff, 561; Wacke, Besitzkonstitut 54 ff. Hingegen stimmt Hermann Lange, JuS 1969, 164 ff der Entscheidung des BGH zu, da die Lehre vom Nebenbesitz ein „Doppelspiel“ des unmittelbaren Besitzers voraussetze, das im Fräsmaschinenfall aber nicht vorgelegen sei. Die Lehre vom Nebenbesitz ablehnend Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 19 II 4 (S 120 ff) und § 48 II 3 (S 400); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 897 f; Hager, Verkehrsschutz 360 ff; Kindl, Rechtsscheintatbestände 325 ff; Eichler, Institutionen II/1 24 FN 48, 147; Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb 17 f, 36; derselbe, WM 1978, 450 f; Kollhosser, JuS 1992, 215, 219 f; Musielak, JuS 1992, 720; RGRK/Kregel, BGB12 § 868 Rz 9 und 21; MünchKomm/Joost, BGB4 § 868 Rz 20; Palandt/Bassenge, BGB64 § 868 Rz 2. Für eine umfassende Kritik siehe insb Picker, AcP 188 (1988) 533 ff, 539 ff, 547 f. Siehe Medicus, H. Hübner-FS (1984) 613 ff, der überzeugend die rein negative Funktion des Nebenbesitzes aufzeigt, die nur darauf abziele, § 934 BGB auf ein sachlich gerechtfertigtes Ausmaß einzuschränken. Schwerer wiegt der Einwand Pickers, AcP 188 (1988) 547 f, die Lehre vom Nebenbesitz sei nicht geeignet, die praktischen Probleme befriedigend zu lösen, weil sie Schutzlücken offen lasse. Diese dürfte für Teilbereiche zwar zutreffen, doch ist Pickers Lösungsansatz seinerseits wohl zu restriktiv. Siehe dazu noch unten S 379 f mit FN 1882. Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 561; zustimmend auch Wacke, Besitzkonstitut 56.
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gabeanspruch des Eigentümers maßgebliche Bedeutung beizumessen. Nach Hager1846 entfaltet der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den unmittelbaren Besitzer nämlich eine Sperrwirkung, die einen gutgläubigen Erwerb verhindere, solange der Herausgabeanspruch nicht unmöglich geworden sei. Abgeleitet wird diese „Sperrfunktion des Herausgabeanspruches“ aus § 933 BGB, der ein Besitzkonstitut für einen redlichen Erwerb nicht ausreichen läßt, sondern dem gutgläubigen Erwerber erst dann Eigentum zuweist, wenn ihm die Sache übergeben wurde1847: Der Eigentümer büße sein Recht also nicht ein, solange er mit Hilfe eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruches auf die Sache zugreifen könne1848. Es sei somit weniger die Position des Veräußerers als jene des Berechtigten, die für die Zulässigkeit eines redlichen Erwerbs den Ausschlag gebe, wobei auch Hager zu Recht betont, daß der Erwerber näher an das Gut herankommen müsse als der wahre Berechtigte. Dies sei aber solange nicht der Fall, solange der Eigentümer nach wie vor in der Lage sei, seine schuldrechtlichen Herausgabeansprüche durchzusetzen1849. Die Position von Hager führt in den hier behandelten Ausgangsfällen zu befriedigenden Ergebnissen: Im Fräsmaschinenfall berührt die Veräußerung der Sache durch K an D1 mittels Besitzkonstituts (§ 933 BGB) das Bestehen des Herausgabeanspruches des Eigentümers E gegen K nämlich ebensowenig, wie die anschließende Veräußerung der Sache von D1 an D2 durch Abtretung des zwischen D1 und K bestehenden Herausgabeanspruches (§ 934 Fall 1 BGB). Ebenso wird im Zuckerfall der Herausgabeanspruch des Eigentümers E gegen den Einlagerer L nicht dadurch unmöglich, daß der Einlagerer sich auf ein Besitzmittlungsverhältnis mit einem Dritten (D) einläßt. In beiden Fällen entfaltet der Herausgabeanspruch des Eigentümers somit eine Sperrwirkung, so daß ein „heimlicher“ Gutglaubenserwerb nicht stattfinden kann. Eine ähnliche Auffassung wie Hager vertritt auch Picker1850, der seine Position in einer umfassenden und gedankenreichen Untersuchung präsumtionstheoretisch zu untermauern sucht: Es müsse darauf gesehen werden, ob der Eigentümer oder der Erwerber auf Grund seiner Beziehung zur Sache den besseren Vertrauensgrund habe, wobei dieses Vertrauen an objektive Voraussetzungen gebunden werden müsse1851. 1846 1847 1848
1849 1850 1851
Verkehrsschutz 362 ff, 364 ff. Hager, Verkehrsschutz 342 ff. Deshalb ist nach Hager, Verkehrsschutz 343 f, § 933 BGB, der einen redlichen Erwerb durch Besitzkonstitut ausschließt, in jenen Fällen teleologisch zu reduzieren, in denen kein Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den unberechtigt Verfügenden besteht. Vgl dazu schon oben S 341 mit FN 1718. Hager, Verkehrsschutz 343. AcP 188 (1988) 511 ff, 548 ff. Picker, AcP 188 (1988) 551 f.
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Objektiv mehr Grund, auf sein Eigentum zu vertrauen, habe derjenige, dessen Beziehung zur Sache im Verhältnis zum Gegner für ihn die Eigentumsvermutung begründe1852. Dies entscheide sich nach den Vermutungsregeln des § 1006 BGB. Der gutgläubige Erwerber müsse eine Stellung erlangen, die gegenüber dem bisher Berechtigten zu seinen Gunsten die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB rechtfertige. Beim Erwerb mittelbaren Besitzes sei somit § 1006 Abs 3 maßgeblich, wonach im Falle des mittelbaren Besitzes die Eigentumsvermutung für den mittelbaren Besitzer gelte1853. Entgegen dem Wortlaut sei diese Bestimmung aber so zu verstehen, daß die Vermutung an den gegenüber dem unmittelbaren Besitzer gerichteten Rückgewährsanspruch aus der zeitlich begrenzten Sachüberlassung anknüpfe1854. Für den Fall, daß sowohl dem Eigentümer als auch dem Erwerber ein Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer zustehe, spreche die Vermutung für den älteren Anspruch1855. In solchen Fallkonstellationen komme ein gutgläubiger Erwerb deshalb nicht zustande, solange sich die Sache unverändert beim unmittelbaren Besitzer befinde1856. Auch nach Picker ist deshalb sowohl im Zucker- als auch im Fräsmaschinenfall ein Gutglaubenserwerb abzulehnen. Gegen die Auffassung von Hager und Picker wird vor allem eingewendet, daß die lex-lata-Grenze überschritten werde1857. Dies gelte insbesondere auch für die Ableitung der Lösung aus § 1006 Abs 3 BGB, da diese Bestimmung nicht an den Rückgewährsanspruch, sondern an den mittelbaren Besitz anknüpfe. Zudem hat Gursky1858 darauf aufmerksam gemacht, daß § 932 Abs 1 Satz 2 BGB ausdrücklich einen Fall regle, – nämlich den Gutglaubenserwerb durch traditio brevi manu –, in dem der redliche Erwerber Eigentümer werde, ohne daß die Vermutung des § 1006 BGB für ihn spreche. In dieser Konstellation sei der spätere Erwerber nämlich nur unmittelbarer Fremdbesitzer, so daß die Vermutung des § 1006 BGB nicht für ihn spreche. Gleichwohl finde ein redlicher Erwerb gemäß § 932 Abs 1 Satz 2 BGB selbstverständlich statt1859. Allerdings wird der Erwerber bei einer traditio brevi manu sogar unmittelbarer Eigenbesitzer der Sache, so daß seine „stärkere“ Besitzposition
1852 1853 1854 1855 1856 1857
1858
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Picker, AcP 188 (1988) 552. Picker, AcP 188 (1988) 554. Picker, AcP 188 (1988) 555 ff, 562 ff, 566. Picker, AcP 188 (1988) 567. Picker, AcP 188 (1988) 570. Siehe Musielak, JuS 1992, 720 f; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 2 (S 397 f); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 900, 904 f. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 48 II 2 a (S 398); zustimmend Kindl, Rechtsscheintatbestände 330; derselbe, AcP 201 (2001) 404. Für weitere Einwände siehe noch unten S 379 f.
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ohnedies nicht zweifelhaft erscheint. Problematisch ist hingegen, daß die von Hager vorgeschlagene Restriktion des § 934 BGB bei Vorliegen einer mehrstufigen Besitzleiter (zB Eigentümer – unbefugter Veräußerer – Einlagerer) teils zu eng erscheint und teils zu weit greift1860, wobei der Einwand einer partiell zu weitgehenden Beschränkung redlichen Erwerbs auch den Lösungsvorschlag Pickers betrifft. Darauf ist weiter unten noch näher einzugehen1861. cc) Maßgeblichkeit des offenkundigen Besitzbruches Nach Musielak und Kindl setzt ein redlicher Erwerb stets einen „offenkundigen Besitzbruch“ voraus. Im Anschluß an J. Wilhelm1862 geht Musielak1863 nämlich davon aus, daß sich dem § 933 BGB der Rechtsgedanke entnehmen lasse, daß der Erwerber gegenüber dem Eigentümer nicht bevorzugt werden dürfe, wenn die Sache bei jener Person bleibe, die sie vom Eigentümer erhalten habe. Vertrauten sowohl der Erwerber als auch der Eigentümer in gleicher Weise dem unmittelbaren Besitzer, dann gebe es keinen Grund, das Vertrauen des Erwerbers höher zu bewerten als das des Eigentümers1864. Für einen redlichen Erwerb sei deshalb erforderlich, daß eine Änderung der Besitzlage eintrete. Erst die Macht des Veräußerers, diese Änderung herbeizuführen, gebe dem Vertrauen des Erwerbers nämlich eine Rechtfertigung und realisiere es somit. Dieser Grundgedanke sei auch im Hinblick auf § 934 BGB zu beachten1865: Solange sich die Sache noch im Besitz der Person befinde, die sie vom Eigentümer erhalten habe, bewegten sich beide noch auf der Vertrauensgrundlage, die für das Einverständnis des Eigentümers maßgebend gewesen sei. Dieser Gedanke lasse sich bildlich dadurch ausdrücken, daß man sage, die Sache befinde sich immer noch in einem vom Vertrauen des Eigentümers umschlossenen Bereich. Solange dieser Bereich nicht verlassen werde, sei einerseits das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers auf die Berechtigung des Veräußerers noch nicht realisiert und anderseits das Vertrauen des Eigentümers auf die Loyali1860
1861 1862
1863 1864 1865
Dies kritisiert zu Recht schon Kindl, Rechtsscheintatbestände 328 f; derselbe, AcP 201 (2001) 404. Siehe S 379 f mit FN 1879 und 1882. Sachenrecht2 Rz 901 ff. Allerdings gelangt J. Wilhelm in der Folge zu teilweise anderen Ergebnissen als Musielak und Kindl; so insbesondere bei einer mehrstufigen Besitzleiter (zB: Eigentümer – unbefugter Veräußerer – Einlagerer), bei der ein redlicher Erwerb nach § 934 Fall 1 BGB unbedenklich zulässig sein soll; siehe dazu noch unten S 379 f mit FN 1881. JuS 1992, 721. Zur Problematik „gleicher Vertrauenserweise“ ausführlich schon oben S 361 ff. Musielak, JuS 1992, 722.
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tät des unmittelbaren Besitzers noch ungebrochen. Die äußere Sachlage spreche für die Loyalität und der Eigentümer habe folglich keinen Grund, daran zu zweifeln. Wie § 933 BGB zeige, habe sich der Gesetzgeber bei der Konzeption der §§ 932 ff BGB von Erwägungen leiten lassen, die durch das Hand-wahre-Hand-Prinzip ausgedrückt würden, weshalb auch der Eigentümer vertrauen dürfe, solange sich die Sache noch im Besitz jener Person befinde, der er sie ausgehändigt habe. Dasselbe müsse aber auch dann gelten, wenn die Vertrauensperson des Eigentümers mit dessen Einverständnis die Sache einem Dritten übergebe. Durch ein solches Einverständnis erweitere der Eigentümer sein Vertrauen auch auf den Dritten, der dann an die Stelle des bisherigen ummittelbaren Besitzers trete. Wenn jedoch ohne Wissen und Willen des Eigentümers die Vertrauensperson den unmittelbaren Besitz auf einen Dritten übertrage, dann werde damit dem Vertrauen des Eigentümers die Grundlage genommen; gleichzeitig werde dadurch das Vertrauen des Erwerbers gerechtfertigt, das dieser in den Rechtsschein des Besitzes gesetzt habe. Sein Vertrauen verdiene dann gegenüber dem Vertrauen des Eigentümers den Vorzug. Mit ganz ähnlichen Überlegungen begründet auch Kindl1866 die Erforderlichkeit eines „offenkundigen Besitzbruches“. Wie Musielak weist auch Kindl auf die Rechtsparömie „Hand wahre Hand“ und die Gesetzesmaterialien zu § 933 BGB hin, aus denen sich ableiten lasse, daß ein Vergleich der jeweiligen Vertrauenserweise maßgeblich sei. Nach Auffassung der Gesetzesverfasser sei das Belassen einer Sache in den Händen des Veräußerers eine Vertrauenserweisung, deren Gefahr den Erwerber treffen müsse. Die Kreditierung des Besitzes durch den Erwerber solle also einen Gutglaubenserwerb verhindern. Diese Überlegungen seien auch § 934 BGB zugrunde zu legen, so daß ein redlicher Erwerb nicht stattfinde, solange sich die Sache in den Händen der Person befinde, der sie der Eigentümer anvertraut habe. Das Gleiche habe zu gelten, wenn die Sache mit Einverständnis des Eigentümers bei einer ihm bekannten Person eingelagert worden sei. Der Eigentümer wisse in diesen Fällen, wo sich seine Sache befinde. Er schenke einer ihm bekannten Person ebenso Vertrauen, wie dies der redliche Erwerber tue, der sich mit dem Erwerb mittelbaren Besitzes begnüge. Nur wenn das Vertrauen des Berechtigten offen gebrochen worden sei, käme ein redlicher Erwerb in Betracht1867. Entscheidend sei nämlich, daß das Vertrauen des Erwerbers erst dann objektiv auf einer stärkeren Grundlage basiere als das Vertrauen des Eigentümers, wenn ein offener Vertrauensbruch vollzogen worden sei1868. 1866 1867 1868
Rechtsscheintatbestände 330 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 405 ff. Kindl, Rechtsscheintatbestände 321 f; derselbe, AcP 201 (2001) 410. Kindl, Rechtsscheintatbestände 332.
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Im Ergebnis führt auch der Lösungsansatz von Musielak und Kindl dazu, daß sowohl im Zuckerfall als auch im Fräsmaschinenfall ein redlicher Erwerb ausscheidet, da sich die Sache noch dort befindet, wo sie der Eigentümer gelassen hat und das Vertrauen des Erwerbers nicht auf einer stärkeren Grundlage beruht als jenes des Eigentümers. dd) „Erneuerte furtum-Lösung“ Eine Sonderstellung nimmt schließlich die Position von Wolfgang Ernst1869 ein, der für eine „erneuerte furtum-Lösung“ eintritt: Ausgehend von römisch-rechtlichen Quellen und der älteren gemeinrechtlichen Doktrin gelangt Ernst entgegen der hL zur Auffassung, daß der mittelbare Besitz bei fortgesetzter Sachinnehabung durch den Besitzmittler erst beendet werde, wenn der Besitzmittler die Sache in Zueignungsabsicht gebrauche oder beschädige und sich dadurch dem bisherigen mittelbaren Eigenbesitzer als unrechtmäßiger Besitzer haftbar mache; auch ohne haftungsbegründendes Verhalten dadurch, daß er dem mittelbaren Besitzer gegenüber erkläre, die Sache künftig nicht mehr als gemietet, als Pfand usw, sondern zu uneingeschränkter eigener Bestimmung innezuhaben, oder schließlich, indem er die Innehabung gegenüber dem mittelbaren Besitzer wahrheitswidrig ableugne1870. In Fortsetzung dieser These vertritt Ernst die Auffassung, daß der bestehende mittelbare Besitz des Eigentümers durch die gegenüber einem Dritten abgegebene Erklärung des Besitzmittlers, er wolle die Sache zukünftig für ihn innehaben, nicht beeinflußt werde und daß der Dritte dadurch folglich nicht Besitzer werde1871. Ein redlicher Erwerb des Dritten scheide dementsprechend aus. Ernst räumt selbst ein, daß seine Auffassung schon beim geringsten Zugeständnis an ein naturalistisches Besitzverständnis nicht mehr nachvollzogen werden könne, weil die naturalistische Besitzvorstellung meine, mit dem dokumentierten Fortfall des Besitzmittlungsverhältnisses ende zwangsläufig der bisherige mittelbare Besitz1872. Daß dieses „naturalistische Besitzverständnis“ aber auch dem österreichischen Recht zugrunde liegt, hat Iro überzeugend dargelegt, und deshalb gegen die Auffassung von Ehrenzweig1873 – ein redlicher Erwerb durch Besitzkonstitut scheitere an § 319 ABGB, da eine bloße Willensänderung den Besitz nicht ändern könne1874 – zu Recht eingewendet, daß damit die fak1869 1870 1871 1872 1873 1874
Eigenbesitz 228 ff, 242 ff, 264. Ernst, Eigenbesitz 239. Ernst, Eigenbesitz 242 f. Ernst, Eigenbesitz 243. System2 I/2, 84, 189. Ähnlich für die Schweiz Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487, und F. E. Klein, Gerwig-FS (1960) 132. Siehe dazu schon oben S 345 f.
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tische Natur der Besitzverhältnisse verkannt werde1875. Selbst wenn man von diesem Gegenargument absieht, vermag die Auffassung von Ernst aber schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie bei Veräußerungen in mehrstufigen Besitzleitern einen heimlichen Gutglaubenserwerb unbedenklich zuläßt1876. Auf diesen Einwand, der auch die Konzeption von Hager betrifft, ist noch näher einzugehen1877. 3. Lösung im österreichischen Recht Wie die Darstellung des Meinungsstandes zu § 934 BGB gezeigt hat, versucht die überwiegende deutsche Lehre die aufgezeigten Wertungswidersprüche zwischen den §§ 933 und 934 BGB aufzulösen, wobei allen Auffassungen gemeinsam ist, daß sie ein „Näherherantreten“ des Erwerbers zur Sache fordern. In der Begründung und den Einzelheiten bestehen zwischen den einzelnen Auffassungen freilich gravierende Divergenzen und auch die erzielten Ergebnisse sind durchaus unterschiedlich befriedigend. So ist es mE nicht unmittelbar einleuchtend, wenn Hager auf die „Sperrfunktion des Herausgabeanspruches“ abstellen will und sich damit dem Einwand aussetzt, daß die sachenrechtliche Zuordnung prinzipiell an sichtbare Vorgänge anknüpft und nicht an rein interne Ansprüche1878. Schwerer wiegt jedoch, daß Hager den Grundsatz des „Näherherantretens des Erwerbers“ mE doch zu formal verwirklicht und einen heimlichen Gutglaubenserwerb deshalb selbst in Standardsituationen nicht zuverlässig ausschließt1879. So betont Hager1880, daß in einer mehrstufigen Besitzleiter die Herausgabeansprüche grundsätzlich auf das Besitzmittlungsverhältnis beschränkt seien. Die Zession der Forderung durch den erstrangigen mittelbaren Besitzer wirke deshalb unmittelbar auf die Position des Oberbesitzers zweiter Stufe zurück; sein Anspruch erlösche infolge der Unmöglichkeit der Herausgabe und 1875 1876 1877 1878
1879
1880
Iro, Besitzerwerb 47 FN 127, 238; vgl auch Spielbüchler, Schuldverhältnis 173 f. Siehe Ernst, Eigenbesitz 264. Siehe sogleich unten im Text. Vgl Kindl, Rechtsscheintatbestände 329; derselbe, AcP 201 (2001) 403 f; siehe schon Medicus, Bürgerliches Recht19 Rz 558 FN 121, der gegen die präsumtionstheoretische Auffassung von Picker einwendet, das BGB pflege Vermutungen an Sichtbares und nicht an unsichtbare Ansprüche zu knüpfen. Dies kritisiert zu Recht auch Kindl, Rechtsscheintatbestände 328 f. Überdies weist Kindl, AcP 201 (2001) 404, darauf hin, daß es anderseits unbefriedigend erscheint, daß ein redlicher Erwerb trotz offenkundiger Besitzverschiebung stets ausgeschlossen sein soll, solange der Herausgabeanspruch des Eigentümers nur nicht unmöglich geworden ist. Die von Hager vorgeschlagene Restriktion geht insofern wiederum zu weit, wobei dieser Einwand auch den Lösungsansatz Pickers betrifft. Siehe dazu noch unten FN 1882. Verkehrsschutz 365.
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sperre deshalb einen redlichen Erwerb gemäß § 934 Fall 1 BGB nicht1881. Anschaulich wird die Problematik an einem Beispiel: Der Eigentümer E vertraut V seine Sache an, der sie mit Zustimmung des E beim Lagerhalter L einlagert. Veräußert V die Sache unbefugt an den redlichen D und zwar durch Abtretung seines Herausgabeanspruches gegen L – oder im österreichischen Recht durch Besitzanweisung – so hat E sein Eigentum verloren, obwohl er stets gewußt hat, wo und in wessen Händen sich die Sache befindet und er sich auf Grund der äußeren Lage auch weiterhin durchaus in Sicherheit wiegen darf1882. Dem entscheidenden Wertungsgesichtspunkt – Gefahrenbeherrschung durch den Eigentümer und Realisierung seiner schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche – wird durch eine solche Lösung aber nicht ausreichend Rechnung getragen. Der hier vertretenen Auffassung näher steht hingegen die Lehre vom Nebenbesitz, wobei sich die deutliche Konvergenz beider Positionen besonders klar zeigt, wenn man sie mit einem häufig gegen die Nebenbesitzlehre vorgebrachten Argument kontrastiert. Schon Boehmer1883 wendet gegen die Lehre vom Nebenbesitz nämlich ein, daß damit eine so gewichtige Rechtsfolge wie der Eintritt des redlichen Erwerbs vom „Doppelspiel“ des Besitzmittlers abhänge: Sei der Besitzmittler so geschickt oder gewissenlos, daß er beiden Kontrahenten gegenüber den Anschein zu erwecken verstehe, die Sache für sie zu besitzen, so bleibe der wahre Berechtigte mittelbarer Besitzer und Eigentümer. Sei der Besitzmittler hingegen so dumm oder aufrichtig, seine Karten aufzudecken, so werde der Erwerber mittelbarer Besitzer und erlange deshalb das Eigentum an der Sache. Es erscheine aber unerträglich, eine dogmatisch und praktisch so wichtige Frage wie den redlichen Erwerb von dem höheren oder geringeren Grade der Tarnungskunst des Besitzmitt-
1881
1882
1883
Ebenso im Ergebnis auch Ernst, Eigenbesitz 264; W. Müller, AcP 137 (1933) 90; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 902. Daß auch die Lehre vom Nebenbesitz in solchen Fallkonstellationen nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt betont Picker, AcP 188 (1988) 547. Anders als Hager, Verkehrsschutz 365, und die in FN 1881 genannten Autoren lehnt Picker, AcP 188 (1988) 547, 566 FN 122, einen redlichen Erwerb in solchen Fallkonstellationen zu Recht ab. Da Picker allerdings generell auf das Bestehen eines vermutungsbegründenden Rückgewähranspruchs abstellt, dürfte sein Ansatz in der Sache zu weit gehen, da nicht danach differenziert wird, ob die Weitergabe durch den Vertrauensmann befugt oder unbefugt erfolgt ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies aber ein ganz entscheidender Aspekt, da nur die unbefugte Weitergabe für den Eigentümer eine Warnfunktion erfüllt. Nicht die Präsumtionstheorie, sondern das Prinzip der Gefahrenbeherrschung erweist sich demnach als der eigentlich maßgebliche Wertungsgesichtspunkt. Zu befugter und unbefugter Weitergabe sogleich noch unten im Text. Grundlagen II/2, 43.
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lers abhängig zu machen1884. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Wahrnehmbarkeit des Rechtsverlustes hingegen der für die Lösung geradezu entscheidende Wertungsgesichtspunkt: Nur in jenen Fällen, in denen der Eigentümer die Untreue des Zwischenmannes erkennen kann, besteht für ihn nämlich ein Anlaß tätig zu werden und seine Ansprüche tunlichst geltend zu machen. Eine gewisse Berechtigung kommt der Kritik Boehmers dennoch zu. Auch wenn man im Hinblick auf die Chance der Realisierung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche einen „nach außen sinnfälligen Akt“ für maßgeblich hält, würde man sich nämlich auf sehr schwankenden und unsicheren Boden begeben, wenn man darauf abstellen wollte, ob das Doppelspiel des Besitzmittlers im konkreten Einzelfall vom Eigentümer durchschaut werden konnte oder nicht1885. Gerade im Sachenrecht, bei dem wegen seiner Zuordnungsfunktion ein besonders hohes Maß an Rechtssicherheit erforderlich ist, bedarf es daher einer schematischeren Lösung, die derartige Zweifelsfälle gar nicht erst aufkommen läßt. Es hat deshalb viel für sich, wenn Musielak1886 und Kindl1887 die „Offenkundigkeit des Besitzbruchs“ für maßgeblich halten und damit zugleich „besitzrechtliche Mißverständnisse“, zu denen die Lehre vom Nebenbesitz Anlaß geben könnte, vermeiden. Dementsprechend ist für Kindl ein redlicher Erwerb ausgeschlossen, solange sich die Sache entweder in den Händen jener Person befindet, der sie der Eigentümer selbst anvertraut hat, oder sie mit seinem Einverständnis bei einer anderen ihm bekannten Person eingelagert wurde. Erst wenn das Vertrauen des Eigentümers offen gebrochen worden sei, indem die Sache dem Erwerber tatsächlich übergeben oder zu einer dem Eigentümer unbekannten Person verbracht worden sei, wäre ein redlicher Erwerb möglich1888. Trotz bedeutsamer Unterschiede in der Begründung1889 entsprechen die Ergebnisse Kindls im wesentlichen der hier vertretenen Position. 1884
1885
1886 1887 1888 1889
Nach Boehmer, Grundlagen II/2, 41 ff, soll ein redlicher Erwerb hingegen schon daran scheitern, daß der Besitzmittler den Oberbesitz des Eigentümers nicht einseitig aufkündigen könne und daher auch nicht in der Lage sei, dem Erwerber den mittelbaren Besitz zu verschaffen. Wie im Hinblick auf die Positionen von Ehrenzweig, Hinderling und F. E. Klein und Ernst bereits ausgeführt wurde (siehe oben S 343 f, 345 f und S 378 f), wird eine solche Auffassung der faktischen Natur der Besitzverhältnisse aber nicht gerecht. Vgl Picker, AcP 188 (1988) 546, 547 f; J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 898; Hager, Verkehrsschutz 360 ff, 362 f. JuS 1992, 721 f. Rechtsscheintatbestände 330 ff; derselbe, AcP 201 (2001) 405 ff, 410. Kindl, Rechtsscheintatbestände 331 f; derselbe, AcP 201 (2001) 410. Ebenso wie Musielak legt auch Kindl seinem Lösungsansatz primär die Rechtsparömie „Hand wahre Hand“ zugrunde und hält deshalb einen Vergleich
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Allerdings ist mE nicht darauf abzustellen, ob der Einlagerer oder ein sonstiger Zwischenmann dem Eigentümer persönlich bekannt ist oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Sache mit Einverständnis des wahren Berechtigten an eine dritte Person weitergegeben wurde – weshalb der Eigentümer über seinen Vertrauensmann auf die Sache jederzeit störungsfrei zugreifen kann und für ihn somit kein Grund zur Beunruhigung besteht – oder ob eine unbefugte Weitergabe vorliegt1890. Nur wenn seine Güter unbefugt verbracht wurden, hat der Eigentümer nämlich Anlaß, auf diese Treulosigkeit zu reagieren und seine Rechtsmacht zu mobilisieren. Unter dem Gesichtspunkt der Risiko- und Gefahrenbeherrschung ist deshalb nur in den zuletzt genannten Konstellationen – also bei einem offenkundigen Treubruch durch unbefugte Weitergabe – ein redlicher Erwerb in Surrogatsform zulässig1891. Dem gleichzustellen sind schließlich jene Fälle, in denen der Vertrauensmann sein Besitzmitt-
1890
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der Vertrauenserweise für maßgeblich. Entscheidend sei also, daß das Vertrauen des Erwerbers objektiv auf einer stärkeren Grundlage beruhe als jenes des Eigentümers. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der eigentlich maßgebliche Wertungsgesichtspunkt hingegen die „Chance der Realisierung der schuldrechtlichen Ansprüche“ und damit der Gedanke der Gefahrenbeherrschung. Auf eine befugte oder unbefugte Weitergabe stellt zu Recht auch Musielak, JuS 1992, 722, ab. Problematisch erscheint unter diesem Gesichtspunkt aber die von Musielak, JuS 1992, 722, vorgeschlagene Lösung der folgenden Fallkonstellation: E veräußert seine Sache unter Eigentumsvorbehalt an V, der sie mit Zustimmung des E bei L einlagert. In der Folge veräußert V die Sache durch Abtretung des Herausgabeanspruches an den gutgläubigen K. Nach Musielak reiche das für einen redlichen Erwerb des K nicht aus. Vereinbare allerdings L mit K ein Besitzmittlungsverhältnis, so verliere E seine Besitzbeziehung zur Sache und K habe die Sache nach § 934 Fall 2 BGB gutgläubig erworben. Nach der hier vertretenen Auffassung fehlt es aber auch in diesem Fall an einem offenkundigen Besitzbruch mit Warnfunktion, so daß ein „heimlicher“ Gutglaubenserwerb des K nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist eben auch hier nicht der „Vergleich von Vertrauenspositionen“, sondern der Gedanke der Gefahrenbeherrschung. Nach der Auffassung von Kindl, Rechtsscheintatbestände 331 f; derselbe, AcP 201 (2001) 410, ist der Eigentümer hingegen schon dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er sich von vornherein damit einverstanden erklärt hat, daß die Sache bei einer ihm unbekannten Person eingelagert wird. Zwar könnte für eine solche Lösung vorgebracht werden, daß der Eigentümer durch ein solches Einverständnis dokumentiert habe, daß er kein besonderes Interesse an der „Gefahrenbeherrschung“ habe und deshalb auch im Hinblick auf einen heimlichen Gutglaubenserwerb nicht schutzwürdig erscheine. Angesichts der Realitäten einer arbeitsteiligen Gesellschaft erscheint ein solcher Standpunkt allerdings allzu rigide und wird den Interessen des wahren Berechtigten letztlich nicht gerecht, da auch jener Eigentümer keinerlei Grund zum Mißtrauen hat, der seine Überwachungsmacht jederzeit aktualisieren kann, indem er seinen Vertrauensmann auffordert, ihm den konkreten Lagerhalter zu nennen.
Übereignung und Redlichkeitsprüfung
383
lungsverhältnis gegenüber dem Eigentümer ausdrücklich aufgekündigt hat. Auch in einer derartigen Fallkonstellation liegt nämlich ein objektiv feststellbarer und offenkundiger „Treubruch“ vor und es besteht deshalb kein Grund, den Eigentümer im Fall seiner Untätigkeit stärker zu schützen als in den sonstigen Fällen eines „offenkundigen Besitzbruches“. Im Ergebnis ist somit festzuhalten: Ein gutgläubiger Erwerb in Surrogatsform kommt solange nicht in Betracht, solange der Eigentümer auf Grund einer mit seiner Zustimmung geschlossenen Vertrauensmännerkette weiß, wo und in wessen Händen sich die Sache befindet und die Besitzmittlungskette in keiner vom Eigentümer objektiv wahrnehmbaren Weise gebrochen wurde. Unter dem Gesichtspunkt der Risiko- und Gefahrenbeherrschung ist nämlich stets entscheidend, daß der Eigentümer seinen Rechtsverlust wenigstens abstrakt erkennen kann und damit die Möglichkeit hat, auf seinen Rechtsverlust zu reagieren und wenigstens seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche möglichst rasch und damit erfolgversprechend geltend zu machen. Ein redlicher Erwerb setzt deshalb stets eine für den Eigentümer objektiv wahrnehmbare Zerstörung seiner Besitzbeziehung zur Sache voraus. Ein solcher offenkundiger Besitzbruch, der die Möglichkeit eines redlichen Erwerbs in jeglicher Übergabsform eröffnet, liegt dabei vor, wenn die Sache an den Erwerber körperlich übergeben wurde, eine unbefugte Weitergabe des Gutes an einen Dritten stattgefunden hat oder der Besitzmittler das Besitzmittlungsverhältnis gegenüber dem Eigentümer ausdrücklich aufgekündigt hat. Solange für den Eigentümer nach außen hin alles beim Alten bleibt und mangels objektiv wahrnehmbarer Zerstörung seiner Besitzbeziehung zur Sache für ihn keinerlei Anlaß zu Mißtrauen besteht, ist der wahre Berechtigte gegen einen „heimlichen Gutglaubenserwerb“ in Surrogatsform hingegen geschützt. Abschließend ist nochmals darauf hinzuweisen, daß die hier vertretene Restriktion eines redlichen Erwerbs in Surrogatsform alle Fälle des Hand-wahre-Hand-Prinzips erfaßt (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB, § 366 HGB), soweit es nicht um die Veräußerung durch einen Warenkaufmann, eine Übergabe zum Verkauf (§ 1088 Satz 2 ABGB) oder eine gescheiterte Einzelrechtsnachfolge geht1892.
VI. Übereignung und Redlichkeitsprüfung Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein redlicher Erwerb durch Übergabssurrogate – soweit er nach den vorhergehenden Ausführungen zulässig erscheint – auch im Hinblick auf die Redlichkeitsprüfung spezifische Probleme aufwirft. Diese resultieren daraus, daß der Erwerber 1892
Ausführlich dazu oben S 368 ff.
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Übereignungsformen
bei einem Besitzkonstitut oder einer Besitzanweisung – anders als bei einer körperlichen Übergabe – nicht notwendigerweise in einen direkten Kontakt zur Sache tritt. Anders als bei einer Übergabe von Hand zu Hand wird der Erwerber deshalb häufig auf besondere Merkmale der Sache, die auf das Eigentumsrecht eines Dritten hinweisen, nicht aufmerksam, da er etwa – um ein klassisches Schulbeispiel zu nennen – den Bibliotheksstempel im erworbenen Buch mangels Sachnähe gar nicht wahrnehmen kann1893. Über die Lösung derartiger Fälle besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit, denn es liegt auf der Hand, daß der redliche Erwerber bei einer Übergabe in Surrogatsform nicht besser gestellt sein kann als bei einer körperlichen Übergabe. Dementsprechend betont auch die Schweizer Lehre, daß der Erwerber nicht davon profitieren dürfe, daß er die Sache nicht sofort herausverlangt, sondern eine Übergabe in Surrogatsform gewählt habe. Umstände, die bei einer Übergabe von Hand zu Hand den guten Glauben ausschließen oder in Frage stellen würden, seien bei der Prüfung der bona fides deshalb so zu würdigen, als ob sie dem Erwerber bekannt gewesen wären1894. Das Wissen des Veräußerers als Erwerbsgehilfe ist dem Erwerber also zuzurechnen, wobei – wie schon Spielbüchler1895 zu Recht betont – „die Zurechnung der Unredlichkeit auf jene Fälle zu beschränken ist, in denen der Erwerber selbst unredlich gewesen wäre, wenn er den Erwerb durch eigene Handlung begründet hätte“. Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung der Redlichkeitsprüfung beim Besitzerwerb durch Mittelspersonen hat Iro1896 den eben dargelegten Standpunkt überzeugend begründet und weiter abgesichert: Grundsätzlich sei für die Wissenszurechnung entscheidend, daß die Hilfsperson (Besitzmittler oder Besitzdiener) bei der Bildung des Besitzwillens oder bei der Erlangung der Gewahrsame für den Geschäftsherren mitgewirkt habe. Immer wenn sich eine derartige Hilfsperson bei der Begründung der Innehabung für den Erwerber in schlechtem Glauben befinde, müsse deshalb auch der Erwerber selbst als unredlicher Besitzer behandelt werden1897. 1893
1894
1895 1896 1897
Siehe etwa Planck/Brodmann, BGB5 § 934 Anm 3; Wellspacher, Vertrauen 13; Spielbüchler, Schuldverhältnis 177 f; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 21; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 85; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 20 und 21; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 487; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 85, 87; derselbe in Honsell/Vogt/Geiser, ZGB2, Art 933 Rz 26. Schuldverhältnis 177 f. Besitzerwerb 153 ff, 168 ff, 233 ff. Iro, Besitzerwerb 233.
Übereignung und Redlichkeitsprüfung
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Wie Spielbüchler1898 weist allerdings auch Iro1899 darauf hin, daß eine unbeschränkte Wissenszurechnung in der Sache zu weit ginge. Dies zeige insbesondere das Beispiel eines redlichen Erwerbs durch Besitzkonstitut: Da der Veräußerer, der zugleich Besitzmittler sei, zumeist wisse oder wissen müsse, daß die von ihm übergebene Sache nicht seine eigene sei, würde ein redlicher Erwerb schon aus diesem Grund regelmäßig scheitern1900. Der Erwerber käme also auch dann nicht in den Genuß der Vorteile der Redlichkeit, wenn in seiner Erwerbsbeziehung nicht der geringste Anhaltspunkt für Unregelmäßigkeiten bestanden habe und er, wenn er selbst tätig geworden wäre, nicht als schlechtgläubig anzusehen gewesen wäre1901. Wie Iro1902 weiter ausführt, müsse deshalb berücksichtigt werden, daß dem Geschäftsherren nur die typischen mit dem Gehilfeneinsatz verbundenen Risiken zur Last fallen sollen, die darin bestünden, daß nicht er selbst mit den konkreten Erwerbsumständen konfrontiert werde, sondern seine Hilfsperson. Die Gehilfengefahr liege also darin, daß andere Personen als der Erwerber im Rahmen ihrer dienstlichen Verrichtungen von Verdachtsmomenten erführen, die sonst dem Geschäftsherren entgegengetreten wären. Ein Wissen, das sie auf andere Weise erworben hätten, stehe mit ihrer Verwendung als Erwerbsgehilfen hingegen in keinem Zusammenhang und könne daher bei der Zurechnung nicht berücksichtigt werden. Wie Iro aufzeigt, ermöglicht diese Präzisierung – keine Zurechnung von „zufälligen“ Kenntnissen der Hilfspersonen – eine befriedigende Lösung des redlichen Erwerbs durch Besitzkonstitut. Der Veräußerer, der die Sache durch Besitzkonstitut übergebe, habe nämlich in Bezug auf die Sache eine doppelte Funktion1903: Einerseits sei er Besitzer der Sache und wisse daher meist über ihre Herkunft und die Art ihrer Erlangung Bescheid. Anderseits solle er als Hilfsperson des Erwerbers diesem die Innehabung der Sache verschaffen; dabei könnten ihm aber nur die objektiv der Sache anhaftenden oder sonst bei der Gewahrsamserlangung für den Geschäftsherren hervortretenden Umstände auffallen. Dem Erwerber zurechenbar sei der Veräußerer nur in seiner zweiten Funktion, nämlich als Gehilfe bei der Detention; nur insofern sei ihm eine Verrichtungstätigkeit für den Erwerber übertragen worden. Daher könnten dem Erwerber auch nur jene Kenntnisse des Veräußerers schaden, die dieser in seiner Eigenschaft als Gehilfe erlangt habe. Das Veräußererwissen selbst stehe hingegen außerhalb des vom Erwerber auf sich 1898 1899 1900 1901 1902 1903
Schuldverhältnis 177. Besitzerwerb 235 ff. Iro, Besitzerwerb 235, 240. Iro, Besitzerwerb 235. Besitzerwerb 236. Iro, Besitzerwerb 236.
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Übereignungsformen
genommenen Risikos und müsse deshalb als tätigkeitsfremde Kenntnis der Hilfsperson bei der Zurechnung außer Betracht bleiben. Wie Iro darlegt, hat Entsprechendes auch bei einem gutgläubigen Erwerb durch Besitzanweisung zu gelten: Auch hier könne nur jener schlechte Glaube zugerechnet werden, der bei der Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft entstehen hätte können1904. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, daß dem Erwerber im Rahmen der Redlichkeitsprüfung nur, aber immerhin das erwerbsspezifische Wissen des Gehilfen zuzurechnen ist1905. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß der redliche Erwerber durch die Einschaltung von Hilfspersonen beim Besitzerwerb weder privilegiert noch benachteiligt wird, sondern genau jenes Risiko tragen muß, das er durch die Einschaltung von Hilfspersonen selbst geschaffen hat.
1904 1905
Iro, Besitzerwerb 236. Iro, Besitzerwerb 241.
§ 8 Redlichkeit
I. Vorbemerkungen Daß berechtigtes Vertrauen Schutz verdient, kann heute als allgemeines Rechtsprinzip bezeichnet werden1906. Für die konkrete Rechtsanwendung ist damit freilich noch nicht viel gewonnen, zeigt die Rechtsvergleichung doch schon für den beschränkten Bereich redlichen Mobiliarerwerbs ganz unterschiedliche Lösungen, wobei der Gutglaubenserwerb nicht nur sehr variantenreich ausgestaltet ist, sondern dem Bedürfnis nach Vertrauens- und Verkehrsschutz oftmals auch auf andere Weise Rechnung getragen wird1907. Den Gegenstand der folgenden Untersuchung bildet deshalb nicht das allgemeine Prinzip des Vertrauensschutzes, sondern seine konkrete Ausgestaltung durch das Gesetz. Da das Vertrauen des Erwerbers somit nur innerhalb eines spezifischen rechtlichen Zusammenhanges relevant ist, sind für die Begriffsbildung nicht primär psychologische, sondern juristisch-normative Kategorien maßgeblich1908. In diesem Zusammenhang erscheint eine zweite Klarstellung nützlich: Bezeichnet man den Schutz berechtigten Vertrauens als Prinzip unserer Rechtsordnung, so darf dies nicht zu dem Schluß verleiten, das Vertrauen des Erwerbers sei der allein maßgebliche Rechtfertigungsgrund redlichen Erwerbs. Bei einer solchen Sicht der Dinge bliebe nämlich völlig unerklärlich, warum das Gesetz das Vertrauen des Eigentümers in seinen Gewährsmann mit einem Rechtsverlust sanktioniert, das Vertrauen des Erwerbers in dieselbe Person aber als höchst schutzwürdig ansieht. Als Legitimationsgrundlage taugt das Vertrauen des Erwerbers somit ebenso wenig wie der oft mystifizierte Rechtsschein des Besitzes1909. Wie bereits 1906 1907 1908
1909
Wiegand in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 183. Eingehend dazu oben S 124 ff. So zutreffend Canaris, Vertrauenshaftung 504. Siehe auch Fikentscher, Schuldrecht9 Rz 163 sowie Eichler, Rechtslehre vom Vertrauen 4 ff, 107 ff, der auf die Unterschiede von rechtlicher und sittlicher Bewertung des Vertrauens hinweist. Vgl auch die Beiträge in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten, die die rechtliche Bedeutung von Vertrauen und Vertrauensschutz interdisziplinär untersuchen. Dazu schon oben S 167 ff sowie S 193 ff mit FN 1035.
388
Redlichkeit
eingehend dargelegt wurde, geht es bei der Problematik des redlichen Erwerbs vielmehr um eine Prinzipienkollision zwischen Bestandschutz und Verkehrsinteressen, wobei beide Prinzipien gegeneinander abzuwägen sind1910. Bei dieser Prinzipienabwägung spielt der Gesichtspunkt des Vertrauens freilich eine maßgebliche Rolle, ist die Redlichkeit des Erwerbers doch geradezu eine selbstverständliche Voraussetzung gutgläubigen Mobiliarerwerbs. Es erscheint nämlich als unverzichtbares Gerechtigkeitspostulat, daß ein Erwerb zu Lasten des wahren Berechtigten nur in jenen Fällen stattfindet, in denen der Erwerber gutgläubig gehandelt hat. Dem Vertrauenstatbestand korrespondiert als zweites, gewissermaßen begriffsnotwendiges Merkmal deshalb das Vertrauen1911. Ist die Redlichkeit des Erwerbers somit als zentrales Tatbestandselement gutgläubigen Mobiliarerwerbs anzusehen1912, so ist doch zu beachten, daß das Gesetz nicht die Redlichkeit des Erwerbers als Erwerbsvoraussetzung, sondern seine Unredlichkeit als Erwerbshindernis ausgestaltet hat. Schon die systematische Einordnung des Vertrauens bedarf deshalb einer näheren Untersuchung (unten II). Die Konzeption der Unredlichkeit als Erwerbshindernis zeigt, daß es bei der Gutgläubigkeit des Erwerbers nicht um eine psychische Tatsache geht, die jeweils von Fall zu Fall positiv festgestellt werden müßte: Wie Canaris1913 zu Recht betont, ist Vertrauen nämlich häufig nicht mehr als das Fehlen von Mißtrauen, ja man könne mit einer gewissen Berechtigung sogar sagen, daß niemand stärker vertraue, als derjenige, dem sein Vertrauen nicht einmal zu Bewußtsein komme. Niemals schützt die Rechtsordnung freilich blindes Vertrauen. Voraussetzung eines Vertrauensschutzes ist deshalb stets eine entsprechende Vertrauensbasis, also im Rahmen des Rechtsscheinprinzips, das Vorliegen einer von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsscheinposition. Beim gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen ist diese Vertrauensbasis im Besitz oder in der Besitzverschaffungsmacht zu sehen. Dies wurde bereits ausgeführt1914, bedarf aber noch der Ergänzung. Bislang nicht erörtert wurde nämlich die Frage, ob der Schutz des Erwerbers stets positive Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes voraussetzt (unten III) und ein innerer Zusammenhang von Vertrauen und Disposition erforderlich ist (unten IV). Steht fest, daß Unredlichkeit einen gutgläubigen Erwerb verhindert, so ist damit freilich noch nichts über den anzulegenden Maßstab ausge1910 1911 1912 1913 1914
Siehe oben S 65 ff. Canaris, Vertrauenshaftung 503. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/50. Vertrauenshaftung 503 f. Oben S 179 ff und S 195 f.
Systematische Einordnung und Beweislast
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sagt. Umstritten ist dabei nicht nur der Grad der einzuhaltenden Sorgfalt, sondern auch die Frage, ob die (Un)Redlichkeit subjektiv oder objektiv zu bestimmen ist (unten V). Nach Abklärung der tatbestandlichen Voraussetzungen bedarf schließlich die Funktion der Redlichkeit noch einer näheren Betrachtung. Diesem Tatbestandselement kommt nämlich deshalb eine so zentrale Bedeutung zu, weil es ermöglicht, das Institut des redlichen Erwerbs den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Diese Steuerungsfunktion ist dabei keineswegs auf die tatsächliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse beschränkt, sondern resultiert aus der grundsätzlichen Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen (unten VI).
II. Systematische Einordnung und Beweislast Gemäß § 328 ABGB wird die Redlichkeit des Besitzers vermutet. Dementsprechend hat der Eigentümer der Sache gemäß § 368 ABGB zu beweisen, daß der Erwerber unredlich war und ein gutgläubiger Erwerb deshalb nicht stattfindet1915. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ist somit nicht die Redlichkeit eine Erwerbsvoraussetzung des § 367 ABGB, sondern die Unredlichkeit Erwerbshindernis1916. Gleiches gilt nicht nur für die sonstigen Tatbestände gutgläubigen Erwerbs im österreichischen Recht (§ 371 ABGB, § 366 HGB), sondern auch für jene des deutschen und schweizerischen Rechts. Auch hier hat die Sperrfunktion der Unredlichkeit beweisrechtliche Konsequenzen: So ist völlig anerkannt, daß nach § 932 BGB nicht der Erwerber seine Gutgläubigkeit, sondern der wahre Berechtigte dessen Bösgläubigkeit zu beweisen hat1917. Für Art 933 ZGB ergibt sich dies schon aus Art 3 Abs 1 ZGB, der wie § 328 ABGB eine Vermutung der Gutgläubigkeit anordnet1918. 1915
1916 1917
1918
Ebenso zu § 366 HGB Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 14; Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 8; Holzhammer, Handelsrecht8 190. OGH in ZVR 1995/63; JBl 1993, 183 = ÖBA 1993, 156 (Bollenberger); RdW 2000, 469. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 367 Rz 5. MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 70; Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 51; Palandt/Bassenge, BGB64 § 932 Rz 15; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 932 Rz 11; RGRK/Pikart, BGB12 § 932 Rz 21; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 104; derselbe, JuS 1974, 208 f; Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 52 Rz 25; Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 932 Rz 2; Musielak, Grundlagen der Beweislast 379; Rosenberg, Beweislast5 336. Siehe Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 478; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1772; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 80; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 38. Zu Art 3 Abs 1 ZGB sogleich noch unten im Text bei FN 1934.
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Redlichkeit
Die Konzeption der Unredlichkeit als Erwerbshindernis und die damit verbundene Beweislastverteilung fügt sich nahtlos in das sachenrechtliche Konzept: So ist nicht nur in Österreich (§ 328 ABGB), sondern auch in der Schweiz (Art 3 Abs 1 ZGB) eine allgemeine Vermutung der Redlichkeit normiert und auch im Fall der Ersitzung hat nach österreichischem, deutschem und schweizerischem Recht nicht der Ersitzende seine Redlichkeit, sondern der wahre Berechtigte dessen Unredlichkeit zu beweisen1919. Selbstverständlich ist das dargestellte Konzept dennoch nicht. So ordnete der Codex Theresianus – im Gegensatz zum ABGB – noch ausdrücklich an, daß bei einem Erwerb „Macht Rechtens“ nicht der Eigentümer die Unredlichkeit, sondern der Erwerber seine Redlichkeit zu beweisen habe (II Kap 8 Nr 56 ff)1920. Ebenso stand die von § 932 BGB getroffene Beweislastverteilung keineswegs von Anfang an fest. Vielmehr wurde die Regelung des ersten Entwurfes, die noch dem Erwerber die Beweislast für seine Gutgläubigkeit auferlegt hatte1921, erst von der zweiten Kommission mit der denkbar knappen Mehrheit von 9 zu 8 Stimmen verworfen1922. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß auch der ursprüngliche UNIDROIT-Entwurf zum redlichen Mobiliarerwerb (LUAB 1968) eine Beweislast des Erwerbers für seinen guten Glauben anordnet, wobei von ihm nachzuweisen sei, daß er die gewöhnlich im Geschäftsverkehr anzuwendende Sorgfalt beachtet habe1923. Die Beweislastverteilung des UNIDROIT-Entwurfes 1968 wur1919
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1921 1922 1923
§ 1463 ABGB: Ehrenzweig, System2 I/2, 287; Klang in Klang, ABGB2 VI 581; Schwimann/Mader, ABGB2 § 1463 Rz 8; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1463 Rz 1. § 937 Abs 2 BGB: Soergel/Henssler, BGB13 § 937 Rz 13; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 937 Rz 11; MünchKomm/Quack, BGB4 § 937 Rz 44; Wieling, Sachenrecht I § 11 I 2 b (S 409); Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 937 Rz 3; Rosenberg, Beweislast5 112 f, 140, 209, 336. Art 728 ZGB: Rey, Sachenrecht I2 Rz 2004. Abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 133 f. Hingegen wird bei der vom Codex Theresianus „Verjährung“ genannten Ersitzung der gute Glaube „bei Personen von guten Namen und Leumund allemal vermuthet, folglich das Widerspiel von dem Gegentheil erwiesen werden“ muß (II Kap 9 Nr 22), siehe Harrasowsky, Codex Theresianus II 139. Vgl dazu Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 639, 643 ff; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 561 ff, 565 f. Vgl Motive, BGB, Amtliche Ausgabe III 346 f = Mugdan, Materialien III 192 f. Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 207 f = Mugdan, Materialien III 631 f. Art 9 LUAB 1968: „The purchaser must prove that he took the precautions normally taken in business.“ Der Folgeentwurf LUAB 1974 überläßt die Frage der Beweislast hingegen den Gerichten, um diesen eine freiere Beurteilung der Einzelfallsumstände zu ermöglichen; siehe Sauveplanne, Rapport explicatif/Explanatory Report, Unif. L. Rev 1975 I 107. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß der Grundsatz der freien Beweiswürdigung selbstverständlich nicht weiterhilft, wenn zu entscheiden ist, zu wessen Lasten eine non-liquet Situation gehen soll. Zu den UNIDROIT-Entwürfen ausführlich schon oben S 47 ff.
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de dabei vor allem damit begründet, daß es dem Eigentümer gerade bei internationalen Käufen oftmals zu schwer fiele nachzuweisen, unter welchen Umständen der Kauf abgeschlossen wurde1924. Ob für die Vermutung der Redlichkeit und die damit verbundene Beweislastverteilung auch Wahrscheinlichkeitserwägungen maßgeblich sind, ist umstritten1925, doch kommt es darauf letztlich nicht an. Es steht nämlich fest, daß die gesetzliche Beweislastregel nicht auf einer „natürlichen“ Vermutung der Gutgläubigkeit beruht1926, sondern im Interesse des Verkehrsschutzes konstituiert wurde1927. Besonders deutlich geht dies aus den schon erwähnten Protokollen der zweiten Kommission des BGB hervor, welche die Beweislastverteilung des § 932 Abs 2 BGB beschlossen hat1928: Der Eingriff in das bestehende Eigentum finde seine Rechtfertigung wesentlich in der Rücksicht auf das Verkehrsinteresse. Man müsse daher die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb auch so gestalten, daß der redliche Verkehr ausreichend geschützt werde. Der redliche Erwerber werde jedoch erheblich gefährdet, wenn ihm zugemutet werde, nach langer Zeit den Hergang beim Erwerb einer beweglichen Sache noch soweit darzutun, um das Gericht von seiner Redlichkeit zu überzeugen. Der Eigentümer, der seine Sache einem anderen anvertraue, müsse die Gefahr eines Eigentumsverlustes deshalb auch insofern tragen, als der Nachteil der Beweislast ihn treffe und nicht den dritten Erwerber. Die gesetzliche Beweislastverteilung, die den redlichen Erwerber deutlich bevorzugt, beruht somit auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Verkehrsschutzes1929. Überdies trägt sie den Schwierigkeiten Rechnung, die ein Beweis „innerer Tatsachen“ mit sich bringen würde1930 und wird zuweilen auch darauf zurückgeführt, daß 1924
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Sauveplanne, Rapport explicatif/Explanatory Report, UNIDROIT Annuaire/YearBook 1967-1968 (1969) I 173. Bejahend Jäggi, Berner Kommentar I/1 ZGB, Art 3 Rz 89; vgl auch Reinecke, Beweislastverteilung 47 FN 171. Ablehnend Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 932 Rz 2; zweifelnd Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast 204. Siehe dazu und zur Bedeutung von Wahrscheinlichkeitserwägungen Musielak, Grundlagen der Beweislast 379, 380 f, 383 f. Vgl Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 932 Rz 2; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast 204. Siehe Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 208 = Mugdan, Materialien III 631. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 101. Im Hinblick auf die von § 335 ABGB angeordnete schadenersatzrechtliche Einstandspflicht des unredlichen Besitzers entspricht die Redlichkeitsvermutung des § 328 ABGB hingegen den allgemeinen Regeln. Nach § 1296 ABGB hat nämlich stets der Geschädigte das Verschulden des Schädigers zu beweisen, sofern nicht die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB greift. Siehe dazu Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 16/15 ff, 16/21 ff mwN. Vgl Canaris, Vertrauenshaftung 516; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 101; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 183 f.
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Redlichkeit
negative Beweise tunlichst zu vermeiden sind („negativa non sunt probanda“)1931. Schon im römischen und gemeinen Recht galt daher für die Ersitzung der Satz „bona fides praesumitur“1932, der im Naturrecht zu einer allgemeinen Vermutung der Gutgläubigkeit ausgebildet wurde und dem nicht nur das ABGB sondern auch das BGB in allen seinen Vertrauenstatbeständen folgt1933. Besonders deutlich bringt diese Vermutung schließlich auch das Schweizer Recht in Art 3 Abs 1 ZGB zum Ausdruck: „Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten“1934. Hat die gesetzliche Beweislastverteilung somit in der Sache viel für sich, so wäre es anderseits doch unbillig, den Eigentümer mit Beweisen zu belasten, die er schlechterdings nicht erbringen kann. So liegen die nach § 368 ABGB zu berücksichtigenden besonderen Umstände des Erwerbes – wie der auffallend geringe Preis, der Ort und der Zeitpunkt der Veräußerung sowie die Person des Veräußerers – regelmäßig völlig außerhalb der Sphäre des Eigentümers1935, ja entziehen sich nicht selten zur Gänze der Möglichkeiten einer auch nur nachträglichen Kenntnisnahme durch den wahren Berechtigten. Insofern weicht die gesetzliche Beweislastverteilung von der allgemeinen Regel ab, daß der Beweisnähere den Beweis zu führen hat1936. Wesentlich entschärft wird die Gefahr eines sachlich nicht zu rechtfertigenden „Beweisnotstandes“ freilich dadurch, daß der Erwerber nach den allgemeinen Beweislast-
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Vgl Baumann, Zürcher Kommentar3 I/1 ZGB, Art 3 Rz 15; Reinecke, Beweislastverteilung 47 f. Ein beweisrechtlicher Grundsatz ist darin nach heute hA aber nicht zu erblicken, siehe dazu Baumgärtel, Beweislastpraxis Rz 224 ff, 331 ff; Rosenberg, Beweislast5 330 ff; Klicka, Beweislastverteilung 55 f. Vgl Kaser, Römisches Privatrecht2 I 423; Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht9 156; Coing, Europäisches Privatrecht I 185. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 101; vgl dazu auch Wiegand, JuS 1978, 145, 148 ff. Rechtstechnisch gesehen handelt es sich nach Rosenberg, Beweislast5 203 ff, bei den dargestellten Regelungen allerdings nicht um Vermutungen im eigentlichen Sinne: Gesetzliche Vermutungen von Tatsachen seien nämlich nur solche Rechtssätze, die das Vorliegen einer als Tatbestandsmerkmal einer Rechtswirkung erforderten Tatsache aus einem tatbestandsfremden Umstand erschließen. Wie bereits dargestellt wurde und auch von Rosenberg, aaO, 204 f, 208 f, betont wird, ist die Redlichkeit aber keine „vermutete“ Voraussetzung des gutgläubigen Erwerbs, sondern die Unredlichkeit ein Erwerbshindernis, das der wahre Berechtigte zu beweisen hat. Genau genommen geht es bei der „Redlichkeitsvermutung“ also nicht um eine Vermutung, sondern um eine einfache Beweislastregel. Zum „Sphärengedanken“ vgl schon oben S 275 f mit FN 1413. MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 70. Vgl auch die Einwände der überstimmten Minderheit bei Schaffung des § 932 BGB, siehe Protokolle der zweiten Lesung, BGB III 207 f = Mugdan, Materialien III 631.
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regeln alle sonstigen Umstände zu beweisen hat, die für ihn günstig sind1937. Der Erwerber hat deshalb das Vorliegen des von § 367 ABGB geforderten Rechtsscheintatbestandes zu beweisen1938, weiters die Gültigkeit des Titels sowie die erfolgte Übereignung; auch wird er über die näheren Umstände des Erwerbes Auskunft zu geben haben1939. Insofern trifft den Erwerber also eine Mitwirkungspflicht, deren Verletzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 272 ZPO Rechnung zu tragen ist1940. Dementsprechend betont auch der BGH, daß der (klagende) Eigentümer zwar die Bösgläubigkeit des Erwerbers (in casu: Pfandgläubigers) beweisen müsse. Habe der Kläger aber aufgezeigt, daß aus den Rechnungen das Bestehen eines Eigentumsvorbehaltes ersichtlich gewesen sei, so obliege es nun dem Beklagten seinerseits die Bösgläubigkeit substantiiert zu bestreiten. Er könne sich deshalb nicht auf die bloße Behauptung zurückziehen, die Rechnungen hätten dem unbefugten Verpfänder nicht als Eigentumsnachweis gedient. Der Beklagte müsse vielmehr aufzeigen, auf welche sonstige Weise der unberechtigt Verfügende seine Eigentümerstellung dargetan habe1941. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß der Eigentümer zwar jene Umstände zu beweisen hat, aus denen sich die Verpflichtung des Erwerbers zu allfälligen Nachforschungen ergibt. Gelingt dem Eigentümer dieser Nachweis, so hat der Erwerber aber seinerseits nachzuweisen, daß er die angemessenen Maßnahmen getroffen hat1942.
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Zu den allgemeinen Beweislastregeln siehe Rosenberg, Beweislast5 98 ff; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht6 Rz 585; Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 882; Klicka, Beweislastverteilung 8 ff. Dementsprechend wird auch im Hinblick auf § 932 BGB betont, daß der Erwerber den Erwerbsvorgang zu beweisen hat; siehe Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 932 Rz 1; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 70. Der Erwerber hat also nachzuweisen, daß er die Sache in einer öffentlichen Versteigerung oder von einem befugten Gewerbsmann erworben hat. Ebenso wird er beim Erwerb von einem Vertrauensmann die Person des Veräußerers zu nennen haben. Den Umstand, daß der Eigentümer die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat und der Veräußerer deshalb als Vertrauensmann zu qualifizieren ist, hat der Erwerber hingegen niemals nachzuweisen. Beim „Anvertrauen“ geht es nämlich nicht um den Rechtsscheintatbestand, sondern um die Begrenzung des Gutglaubensschutzes durch das Zurechnungsprinzip. Die Beweislast für ein Abhandenkommen der Sache trifft deshalb stets den Eigentümer; siehe dazu schon oben S 274 ff. Grundlegend zu solchen prozessualen Auskunftspflichten Stürner, Aufklärungspflichten; vgl weiters oben S 276 mit FN 1414. Vgl dazu Klicka, Beweislastverteilung 68 f. BGH in NJW 1982, 38 = JR 1982, 147 (Damrau). Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 105; Baumgärtel/Baumgärtel, Beweislast2 II § 932 Rz 5. Vgl auch OGH in SZ 66/152 (zu § 1500 ABGB).
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Redlichkeit
III. Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes? Wie Canaris1943 gezeigt hat, ist der gute Glaube nicht das einzige subjektive Erfordernis auf Seiten des Vertrauenden: Die Gutgläubigkeit erschöpfe sich nämlich rein negativ in der unverschuldeten Unkenntnis der wahren Rechtslage und setze keinerlei Beziehung zum Vertrauenstatbestand voraus. Ohne eine solche Beziehung habe die Rechtsordnung aber grundsätzlich keinen Anlaß zu einem Eingreifen. Sei das Vertrauen nicht durch einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet, so verdiene der Vertrauende nämlich keinen Schutz, weil das Bestehen des Vertrauenstatbestandes in solchen Fällen reiner Zufall sei und der Gutgläubige in Wahrheit blind vertraut habe. Es müsse daher ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vertrauenstatbestand und dem Vertrauen bestehen, was zumindest voraussetze, daß dem Vertrauenden der Vertrauenstatbestand bekannt sei. Gerade im Sachenrecht scheint eine solche Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes aber nicht stets erforderlich zu sein. So setzt nach ganz herrschender Auffassung der Schutz des guten Glaubens an den Grundbuchsstand keineswegs voraus, daß der gutgläubige Dritte in das Grundbuch Einsicht genommen hat1944. Wie Canaris1945 überzeugend dargelegt hat, ist dieses mangelnde Erfordernis einer Registereinsicht aber bloß eine scheinbare Ausnahme von dem eben dargelegten Grundsatz: Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß der Rechtserwerb im Grundbuchsrecht grundsätzlich eine Eintragung voraussetze und daß diese wegen des Voreintragungsgrundsatzes (§ 39 GBO; § 21 GBG) in aller Regel nur erfolgen werde, wenn das Recht des Veräußerers tatsächlich im Grundbuch verlautbart sei. Der Dritte erscheine daher auch dann schutzwürdig, wenn er sich ohne Überprüfung der Buchrechtslage lediglich darauf verlasse, daß der Veräußerer seine – dh des Dritten – Eintragung durchsetzen könne. Er vertraue dann nämlich immerhin noch mittelbar auf dessen Voreintragung und damit auf den Rechtsschein des Grundbuchs. 1943 1944
1945
Vertrauenshaftung 507 ff. Ehrenzweig, System2 I/2, 118; Iro, Sachenrecht2 Rz 6/65; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 431 Rz 10; Wellspacher, Vertrauen 40; Wolff/Raiser, Sachenrecht10 146 f; Eichler, Institutionen I 126 mit FN 150; derselbe, Rechtslehre vom Vertrauen 97 f; Westermann/Eickmann, Sachenrecht7 § 84 II 4 (S 651); Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 23 Rz 32; MünchKomm/Wacke, BGB4 § 892 Rz 48; AlternativKomm/ von Schweinitz, BGB §§ 892, 893 Rz 13; RGRK/Augustin, BGB12 § 892 Rz 82, 96; Lutter, AcP 164 (1964), 123 f, 165, 166 f; Wiegand, JuS 1975, 209. RG in RGZ 86, 353, 356; BGH in BGHZ 104, 139, 143; ebenso schon Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 212 f = Mugdan, Materialien III 117 f. Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 973 Rz 15; Deschenaux, Schweizerisches Privatrecht V/3, II 790. Vertrauenshaftung 508.
Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes?
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Im Mobiliarsachenrecht tritt die Problematik von vornherein weniger deutlich in Erscheinung. Hier ist nämlich regelmäßig schon durch die Übergabe der Sache sichergestellt, daß der Erwerber vom Bestehen des Rechtsscheins – Besitz und Besitzverschaffungsmacht – Kenntnis erlangt1946. Problematisch sind hingegen jene Fälle, in denen sich die Rechtsscheinbasis des redlichen Erwerbs in der Verschaffung mittelbaren Besitzes erschöpft, also insbesondere bei einem redlichen Erwerb mittels Besitzanweisung oder bei Abtretung des Herausgabeanspruchs: Da weder der mittelbare Besitz noch die Besitzverschaffungsmacht nach außen in Erscheinung treten, fehlt in diesen Fällen nämlich eine objektiv wahrnehmbare Rechtsscheingrundlage auf die der Erwerber unmittelbar vertrauen könnte. Ähnlich wie beim Grundbuch trägt der Erwerber aber auch hier ohnedies das Risiko, ob das behauptete Besitzmittlungsverhältnis tatsächlich besteht und eine Anweisung vorgenommen wurde. Der Erwerber vertraut also wiederum zumindest mittelbar darauf, daß der Veräußerer ihm das Eigentum an der Sache verschaffen kann und damit auf die Rechtsscheingrundlage „Besitzverschaffungsmacht“. Daß die Besitzverschaffungsmacht somit nicht nur prinzipiell, sondern auch im Hinblick auf die erforderliche „Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes“ für einen redlichen Erwerb ausreicht1947, wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, daß ein redlicher Erwerber mangels Vorliegens von Verdachtsmomenten gar keinen Anlaß dafür sehen wird, im Hinblick auf das Besitzmittlungsverhältnis besondere Erkundigungen einzuholen. Würde man daher – entgegen dem hier vertretenen Standpunkt – stets eine Befragung des Besitzmittlers verlangen, so wäre der redliche Erwerb von Voraussetzungen abhängig, die zu erfüllen nur derjenige bestrebt sein wird, der ohnedies schon Zweifel hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers hegt und deshalb einen Gutglaubensschutz gar nicht verdient. Ein derart merkwürdiges Ergebnis wäre aber offenkundig ganz sachwidrig1948. Im Hinblick auf die Redlichkeit des Erwerbers sind konsequente und wertungsgerechte Ergebnisse deshalb mE nur dadurch zu erzielen, daß die Erfordernisse eines redlichen Erwerbs möglichst jenen eines normgerechten derivativen Erwerbs angeglichen werden1949.
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Vgl Wellspacher, Vertrauen 40; Wiegand, JuS 1978, 150; Wieling, Sachenrecht I § 10 III 4 (S 368); Neundörfer, Bedeutung des Vertrauens 5. Zur prinzipiellen Gleichstellung von Besitz und Besitzverschaffungsmacht eingehend oben S 179 ff und S 195 f. Daß keine Pflicht zur Befragung besteht, betont im Hinblick auf § 934 BGB auch Wieling, Sachenrecht I § 10 III 4 (S 368). Restriktionen können sich im Hinblick auf die für einen redlichen Erwerb tauglichen Übergabsformen hingegen auf Grund des Hand-wahre-Hand-Prinzips
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Redlichkeit
IV. Vertrauen und Disposition Von der eben behandelten Problematik der Kenntnis des Rechtsscheines zu unterscheiden, ist die oft mit dieser vermengte Frage des Kausalzusammenhanges zwischen Vertrauen und Disposition1950: Es geht dabei nicht um die Beziehung von Vertrauenstatbestand und Vertrauen, sondern um jene zwischen Vertrauen und vorgenommener Disposition. Das Vertrauen ist nämlich grundsätzlich nur deshalb schutzwürdig, weil es das Verhalten des Vertrauenden beeinflußt hat, was mittels der conditio-sinequa-non-Formel zu prüfen ist1951. Dementsprechend wird etwa bei einem unrichtigen oder unvollständigen Schuldanerkenntnis des debitor zessus für eine Einstandspflicht nach § 1396 Satz 2 ABGB gefordert, daß sich das Vertrauen des Zessionars in einer nachteiligen Vermögensdisposition niedergeschlagen hat, dieser also etwa die in Rede stehende Forderung rechtsgeschäftlich erworben oder im Fall einer Sicherungszession einen Kredit gewährt hat1952. Für den redlichen Mobiliarerwerb ist die Frage der Kausalität des Vertrauens freilich weitgehend unproblematisch: Es ist nämlich kaum denkbar, daß der Erwerber eine Übereignung der Sache durch den Veräußerer auch dann angestrebt hätte, wenn ihm bewußt gewesen wäre, daß dieser weder Eigentümer noch verfügungsbefugt ist1953.
V. Anforderungen an die Gutgläubigkeit A. Redlichkeitsmaßstab Wer die Unrichtigkeit des Vertrauenstatbestandes durchschaut, also die wahre Sach- und Rechtslage erkennt, hat keinen Grund zu vertrauen und verdient deshalb den Schutz der Rechtsordnung nicht1954. Daß Bös-
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1952 1953
1954
und des damit verbundenen Gedankens der Gefahrenbeherrschung ergeben; siehe oben S 366 ff und S 379 ff. Siehe Canaris, Vertrauenshaftung 514 ff. Vgl dazu die von Canaris, Vertrauenshaftung 515, gebildeten Beispielsfälle, welche die Problematik sehr anschaulich werden lassen. Zu Recht betont Canaris, aaO, 516, dabei aber auch, daß die Kausalität des Vertrauens als innere Tatsache sehr schwer zu beweisen wäre, weshalb – ähnlich wie bei der Vermutung der Gutgläubigkeit – auch diesbezüglich eine Umkehr der Behauptungs- und Beweislast stattzufinden habe. Siehe Popp, Schuldanerkenntnis 153 ff; derselbe, ÖBA 1999, 980. Zur Streitfrage, ob als relevante Disposition der Abschluß des entgeltlichen Geschäftes ausreicht oder auf die tatsächliche Zahlung abzustellen ist („Gutglaubenserwerb nach Maßgabe der Zahlung“) siehe oben FN 26 und FN 301. Canaris, Vertrauenshaftung 504.
Anforderungen an die Gutgläubigkeit
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gläubigkeit einen gutgläubigen Mobiliarerwerb scheitern läßt, ist daher selbstverständlich1955. Schwieriger sind jene Fälle zu beurteilen, in denen sich der Erwerber in die Irre führen läßt, obgleich er Anlaß zum Mißtrauen hatte. Die Grenzziehung zwischen schutzwürdigem Vertrauen und selbst zu vertretender Leichtfertigkeit kann dabei nicht dem Vertrauensschutzgedanken selbst entnommen werden, sondern ist eine Wertentscheidung des positiven Rechts1956. Während § 932 Abs 2 BGB aber ausdrücklich bestimmt, daß dem Erwerber erst grobe Fahrlässigkeit schadet, findet sich in Österreich nur für den Bereich des Handelsrechts sowie im Wechsel- und Scheckrecht eine ausdrückliche Regelung: Gemäß § 366 Abs 1 HGB ist der Erwerber „nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache dem Veräußerer oder Verpfänder nicht gehört oder daß der Veräußerer oder Verpfänder nicht befugt ist, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen“. Ebenso stehen nach Art 16 Abs 2 WG und Art 21 SchG böser Glaube und grobe Fahrlässigkeit einem redlichen Erwerb entgegen; gleiches gilt für § 365 HGB, der auf § 16 WG verweist. Das ABGB beschränkt sich in § 326 ABGB hingegen auf eine allgemeine Definition der Begriffe Redlichkeit und Unredlichkeit: „Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuten muß, daß die in seinem Besitze befindliche Sache einem andern zugehöre“. Für die §§ 367, 371 ABGB bietet eine so allgemein gehaltene Vorschrift freilich keine Hilfestellung, bleibt der für die Grenzziehung entscheidende Maßstab der anzulegenden Sorgfalt doch gerade offen. Bei einem redlichen Erwerb von Geld und Inhaberpapieren nach § 371 ABGB besteht im Hinblick auf den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab dennoch weitgehend Einigkeit; hier soll dem Erwerber erst grobe Fahrlässigkeit schaden, wofür geradezu zwingend ein Größenschluß spricht1957: Da nach Art 16 WG, Art 21 SchG und § 365 HGB der Erwerber eines abhanden gekommenen Wechsels, Schecks oder einer kaufmännischen Anweisung nur dann zur Herausgabe verpflichtet ist, wenn er zumindest grob fahrlässig vorgegangen ist, muß dies um so mehr für die noch umlauffreudigeren Inhaberpapiere und Geldmittel 1955
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Dazu MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 21, 23 ff; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 41; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 477; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 48; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1775. Canaris, Vertrauenshaftung 504. Frotz, Kastner-FS (1972) 153 f; Iro, Besitzerwerb 152; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/60. Anders aber Schwimann/Klicka, ABGB3 § 368 Rz 2, § 371 Rz 4, der offenbar auch in diesem Fall leichte Fahrlässigkeit schaden lassen will, dies aber nicht näher begründet.
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Redlichkeit
gelten1958. Auch ein redlicher Erwerb nach § 371 ABGB scheitert deshalb erst bei grober Fahrlässigkeit. Im Hinblick auf § 367 ABGB ist der an die Gutgläubigkeit des Erwerbers anzulegende Maßstab hingegen heftig umstritten: So schadet nach den einen nur grobe Fahrlässigkeit1959, während andere auf die Unkenntnis und die objektive Wahrscheinlichkeit rechtmäßiger Zugehörigkeit abstellen1960. Nach herrschender Auffassung führt hingegen schon leichte Fahrlässigkeit zur Unredlichkeit1961. Den Standpunkt der herrschenden Lehre, dem auch die Rechtsprechung überwiegend folgt1962, hat Iro1963 eingehend und überzeugend begründet. Iro zeigt nämlich, daß die Voraussetzungen der Redlichkeit nicht isoliert bestimmt werden können, sondern es zur Vermeidung gravierender Wertungswidersprüche erforderlich ist, die Regeln über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis in das Gesamtsystem des bürgerlichen Rechtes zu integrieren. Für die Bestimmung der Redlichkeit sei dabei besonders die in § 335 ABGB angeordnete Rechtsfolge des Schadenersatzes bedeutsam, für welche die allgemeinen Grundsätze der §§ 1293 ff ABGB maßgeblich seien1964. Unter Unredlichkeit iSd ABGB sei deshalb ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zu verstehen, wobei sich der Unredlichkeits- und der Verschuldensbegriff umfänglich deckten1965. Wie Iro1966 überzeugend darlegt, würde jede andere Auffassung zu gravierenden Wertungswidersprüchen führen: Wollte man eine Unredlichkeit nämlich erst bei grober Fahrlässigkeit oder gar bei Nichtwissen 1958
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Nach Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 371 Rz 3 ist hingegen auch in diesem Fall auf „Nichtwissen und objektive Unverdächtigkeit des Erwerbs“ abzustellen. Dazu sogleich noch näher im Text. Randa, Eigentumsrecht2 I 367; Ehrenzweig, System2 I/2, 190; vgl auch Frotz, Kreditsicherungsrecht 46; Gschnitzer, Sachenrecht2 11. OGH in EvBl 1974/181. Schey/Klang in Klang, ABGB2 II 92 f; Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff, 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f; vgl auch Oberhofer, JBl 1996, 153, 156. Apathy, NZ 1989, 137 ff, 140; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644; Iro, Besitzerwerb 111 ff, 142 ff, 147 ff; derselbe, Sachenrecht2 Rz 6/50; Klang in Klang, ABGB2 II 223; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 234, 296; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 367 Rz 3; Eccher in KBB, ABGB § 367 Rz 3. OGH in GlUNF 7074; ZVR 1957/119; SZ 50/142 = EvBl 1978/76; JBl 1980, 589; SZ 58/75 = EvBl 1986/90 = JBl 1986, 239 = RdW 1985, 337; SZ 58/166 = JBl 1986, 240 = RdW 1986, 141; SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92. Besitzerwerb 111 ff, 147 ff. Besitzerwerb 114 ff, 126 ff, 140 ff. Besitzerwerb 142, 146, 147, 150. Besitzerwerb 147 ff.
Anforderungen an die Gutgläubigkeit
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annehmen, so hätte man grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten zur Beantwortung der Frage, wie sich die Bestimmungen über den gutgläubigen Besitzerwerb zum Schadenersatzrecht verhielten. Entweder man behandle die Besitzregeln als Sondervorschriften, welche die §§ 1293 ff ABGB verdrängten, oder man lasse beide Normenkomplexe nebeneinander zum Zuge kommen. Vertrete man die erste Variante, so ergebe sich die zwingende Folgerung, daß die in § 335 ABGB erwähnten Schadenersatzansprüche entgegen den §§ 1323 f ABGB zumindest grobe Fahrlässigkeit des Besitzers voraussetzten. Man stehe dann aber sofort vor der Frage, womit dieses „milde Sonderhaftpflichtrecht“ für den Bereich des Besitzes zu rechtfertigen sei. Warum nur derjenige, der wissentlich eine Sache in Besitz nehme, für alle Schäden einzustehen habe, sei aber ebensowenig erklärlich wie eine Einschränkung auf grobes Verschulden. Völlig unterschiedliche haftungsrechtliche Folgen, je nachdem, ob der Beschädigung der Sache eine Besitzergreifung durch den Schädiger vorausgegangen sei oder nicht, ließen sich aber mit keiner wie immer gearteten Funktion des Besitzes erklären. Auch um die zweite Lösungsvariante ist es – wie Iro1967 aufgezeigt hat – nicht viel besser bestellt: Vertrete man nämlich mit Spielbüchler1968 die Auffassung, daß neben den in ihrer Relevanz auf das Sachenrecht beschränkten Vorschriften der §§ 329 ff ABGB die allgemeinen Schadenersatzregeln eingreifen, so provoziere man die unerfreuliche Situation, daß das auf der einen Ebene erreichte Ergebnis auf der anderen wieder weitgehend rückgängig gemacht werden müßte, ja selbst im Fall des gutgläubigen Erwerbes offenbar ein Schadenersatzanspruch gegen den „redlichen“ Erwerber durchaus möglich sei1969. Wie Iro1970 abschließend betont, lassen sich gravierende Systembrüche und unerfreuliche Interferenzen zwischen den einzelnen Rechtsfolgen somit nur vermeiden, wenn Unredlichkeit und Verschulden nach einem Maßstab beurteilt werden, also im Einklang mit den allgemeinen Regeln schon leichte Fahrlässigkeit die Redlichkeit ausschließt. Demgegenüber lassen Schey/Klang1971 und Spielbüchler1972, die auf die „objektive Unverdächtigkeit des Erwerbes“ abstellen, die Frage nach der erforderlichen Sorgfalt letztlich offen, da nichts darüber ausgesagt wird, in welchen Fällen redlicherweise von einer Unverdächtigkeit der Erwerbssituation ausgegangen werden darf. Ob ein Erwerb objektiv un1967 1968 1969
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Besitzerwerb 148 f. Schuldverhältnis 286 ff. So ausdrücklich für den Fall der Ersitzung Spielbüchler, Schuldverhältnis 288 f; vgl dazu noch unten FN 2016. Besitzerwerb 149. In Klang, ABGB2 II 92 f. Schuldverhältnis 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f.
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Redlichkeit
verdächtig ist oder nicht, kann nämlich nicht abstrakt beantwortet werden, sondern hängt davon ab, welcher Sorgfaltsmaßstab an die Erwerbssituation anzulegen ist1973. Daß dabei aber durchaus unterschiedliche Maßstäbe denkbar sind, zeigen Bestimmungen wie § 366 HGB und § 932 Abs 2 BGB, nach denen – im Gegensatz zur hM zu § 367 ABGB – erst grobe Fahrlässigkeit einem gutgläubigen Erwerb entgegensteht. Versteht man unter Redlichkeit bloßes „Nichtwissen“1974, so läßt sich überdies nicht erklären, weshalb bei einem gutgläubigen Erwerb von einem Kaufmann nach § 366 HGB bereits grobe Fahrlässigkeit schaden soll, beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann aber erst „Nichtwissen“, obwohl nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB auch ein Erwerb an abhanden gekommenen Sachen zulässig ist und deshalb wenigstens auf Erwerberseite ein strengerer Maßstab angelegt werden muß1975. Auch § 368 ABGB schafft nämlich insofern keinen Ausgleich, als die objektiven Umstände des Erwerbes – also die Unverdächtigkeit der Erwerbssituation – selbstverständlich auch im Rahmen des § 366 HGB zu beachten sind. Dementsprechend ist etwa völlig anerkannt, daß bei einer Veräußerung zu einem Schleuderpreis ein redlicher Erwerb mangels Gutgläubigkeit nicht nur nach § 368 ABGB, sondern auch im Rahmen des § 366 HGB ausscheidet1976. Für das Verständnis der Problematik ist es deshalb mE entscheidend, zwei Fragestellungen gedanklich klar voneinander zu trennen, nämlich die Frage nach dem Grad der erforderlichen Sorgfalt von jener, ob die Redlichkeit subjektiv oder objektiv zu beurteilen ist. Im Hinblick auf die zweite Fragestellung hat die Auffassung von Schey/Klang und Spielbüchler mE viel für sich und legt den Grundstein für eine objektive Beurteilung der Fahrlässigkeit. Darauf wird noch näher einzugehen sein, hier geht es zunächst nur um den erforderlichen Sorgfaltsgrad. Der hier vertretene Standpunkt – im Rahmen des § 367 ABGB schadet dem Erwerber schon leichte Fahrlässigkeit – läßt sich durch weitere systematische Überlegungen noch entscheidend absichern. Eine Übertragung des von § 366 HGB angeordneten Redlichkeitsmaßstabes auf § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB würde nämlich zu gravierenden Wertungs1973
1974
1975 1976
Deshalb räumt auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, ein, daß das Erfordernis der Unverdächtigkeit (§ 368 ABGB) nur ausnahmsweise von dem der Schuldlosigkeit unterschieden werden könne. Nur gelegentlich sei es strenger, manchmal sogar milder. Siehe Spielbüchler, Schuldverhältnis 286 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2. Allerdings stellt Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2 und 4, dem Nichtwissen im Hinblick auf § 368 ABGB das Nicht-Verdacht-Schöpfen gleich, weshalb schon Zweifel an der Rechtmäßigkeit den guten Glauben beseitigen sollen. Dazu sogleich noch unten im Text. Zu Schleuderpreis und Veräußerung unter Wert siehe nur GroßKomm/Canaris, HGB3 III/2 § 366 Anm 48 ff.
Anforderungen an die Gutgläubigkeit
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widersprüchen führen, da beide Bestimmungen auf einem unterschiedlichen Grundkonzept beruhen1977; hier reines Rechtsscheinprinzip, dort der Grundsatz „Hand wahre Hand“1978. Den gesteigerten Verkehrsschutzbedürfnissen im Handel wird somit auf jeweils unterschiedliche Weise Rechnung getragen: Bei § 366 HGB durch eine Lockerung der an die Redlichkeit zu stellenden Anforderungen, bei § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB mittels eines Verzichts auf die Berücksichtigung der Risiko- und Gefahrenbeherrschung durch den Eigentümer. Demgemäß schadet dem Erwerber bei einer Veräußerung durch einen Kaufmann erst grobe Fahrlässigkeit, während bei einem redlichen Erwerb von einem befugten Gewerbsmann zwar keinerlei Nachlässigkeit vorliegen darf, der Erwerber dafür aber auch im Hinblick auf gestohlene, verlorene oder sonst abhanden gekommene Sachen Schutz genießt. Eine Kumulation beider Komponenten – grobe Fahrlässigkeit und reines Rechtsscheinprinzip – würde die legitimen Interessen des Eigentümers hingegen völlig vernachlässigen und könnte nicht mehr als sachlich abgewogene Lösung angesehen werden. Jene Auffassung, die auch im Rahmen des § 367 ABGB auf grobe Fahrlässigkeit abstellen will1979, ist deshalb nicht nur mit der Systematik des ABGB unvereinbar, sondern führt auch im Hinblick auf die Gesamtkonzeption redlichen Erwerbs zu gravierenden Wertungswidersprüchen. Daß schon leichte Fahrlässigkeit den Erwerber unredlich macht, wird schließlich auch durch die Reformvorschläge des HaRÄG-Entwurfes 2003 bestätigt1980: In § 368 Abs 1 ABGB nF soll nämlich ausdrücklich klargestellt werden, daß Redlichkeit nur dann vorliegt, wenn der Erwerber „weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.“ Wie auch den Materialien zum Entwurf zu entnehmen ist, verhindert dabei in allen Fällen des § 367 ABGB nF schon leichte Fahrlässigkeit einen redlichen Erwerb1981. Dies gilt insbesondere auch für § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF, also einen Erwerb von einem „Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“, der an die Stelle des Erwerbs von einem „zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ treten soll. Läßt man einen Erwerb nämlich auch an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zu und trägt den gesteigerten Verkehrsinteressen somit schon durch das reine Rechtsscheinprinzip Rechnung, dann ist es – wie eben ausgeführt wur1977 1978 1979
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Vgl schon Iro, Besitzerwerb 150 f. Siehe dazu schon oben S 147 ff. Randa, Eigentumsrecht2 I 367; Ehrenzweig, System2 I/2, 190; vgl auch Frotz, Kreditsicherungsrecht 46; Gschnitzer, Sachenrecht2 11. OGH in EvBl 1974/181. Ausführlicher zu den geplanten, mittlerweile beschlossenen Änderungen (BGBl I 2005/120) oben S 331 ff. Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso nun EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67.
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Redlichkeit
de – erforderlich, wenigstens auf Seiten des Erwerbers einen strengen Maßstab an die Redlichkeit anzulegen. Es ist daher völlig zutreffend, wenn auch in den Erläuterungen zum Reformvorschlag betont wird, daß der Erweiterung des Gutglaubenserwerbs eine größere Verantwortung des Erwerbers entspreche, die sich in einem höheren Maß an Sorgfalt niederschlage. Auf diese Weise werde ein allzu leichtfertiger Verlust des Eigentumsrechtes des bisher Berechtigten verhindert1982. B. Subjektiver oder objektiver Redlichkeitsbegriff? Kann als bisheriges Zwischenergebnis festgehalten werden, daß ein gutgläubiger Erwerb in den Fällen des § 367 ABGB schon bei leichter Fahrlässigkeit des Erwerbers ausscheidet, so bedarf es nun noch der Klärung, ob an die Redlichkeit ein objektiver oder ein subjektiver Maßstab anzulegen ist. Rechtsvergleichend lassen sich beide Systeme beobachten1983, wobei insgesamt eine objektivierte Betrachtungsweise überwiegen dürfte. Selbst in Ländern, die einem subjektiven Begriff der Gutgläubigkeit den Vorzug geben, wird ein redlicher Erwerb nämlich gemeinhin an objektive Kriterien geknüpft und dementsprechend etwa im englischen Recht ein Erwerb „in the ordinary course of business“ gefordert1984. Ähnliches gilt für das US-amerikanische Recht, nämlich den Uniform Commercial Code: Auch nach § 2-403 (2) UCC ist erforderlich, daß es sich um einen Erwerb im üblichen Geschäftsverkehr handelt („buyer in ordinary course of business“). Ist der Erwerber selbst Kaufmann, gelten überdies besonders verschärfte Maßstäbe. Nach § 2-403 (1) (b) UCC erfordert Gutgläubigkeit in diesem Fall nämlich „honesty in fact and the observance of reasonable commercial standards of fair dealing in the trade“, vorausgesetzt ist hier also stets die Einhaltung der im Handelsverkehr üblichen Sorgfalt1985. Im deutschen und schweizerischen Recht wird an die Gutgläubigkeit hingegen von vornherein ein objektiver Maßstab angelegt, so daß ein subjektives Unvermögen dem Erwerber nichts nützt1986. Versteht man mit Iro1987 unter Unredlichkeit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, so ist freilich zu beachten, daß dem österrei1982
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Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso nun EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67. Vgl dazu Sauveplanne, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1961 (1962) 89 ff; derselbe, Rapport explicatif/Explanatory Report, UNIDROIT Annuaire/Year-Book 1967-1968 (1969) I 169 ff; Thorn, Mobiliarerwerb 131 ff. Siehe Thorn, Mobiliarerwerb 136 ff. Dazu Pfetsch, Gutglaubensschutz 42 ff, 122 ff, 175 f; Thorn, Mobiliarerwerb 139 f. Ausführlicher dazu sogleich noch unten im Text. Besitzerwerb 126 ff, 137 ff, 140 ff.
Anforderungen an die Gutgläubigkeit
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chischen Schadenersatzrecht prinzipiell ein subjektiver Verschuldensbegriff zugrunde liegt1988. Um den erforderlichen Gleichklang der besitzrechtlichen und der schadenersatzrechtlichen Rechtsfolgen zu erzielen, erscheint es deshalb unumgänglich, auch im Sachenrecht – und zwar insbesondere im Hinblick auf § 335 ABGB – von einem subjektiven Redlichkeitsbegriff auszugehen1989. Selbstverständlich ist aber auch bei einem solchen Redlichkeitsbegriff § 1297 ABGB zu beachten, wonach jener sich eines Versehens schuldig macht, der jenen Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit nicht aufwendet, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann. Aufmerksamkeit und Fleiß sind daher stets objektiv zu beurteilen. Ebenso ist § 1299 ABGB (analog) zur Anwendung zu bringen und bei Sachverständigen – also bei solchen Personen, die eine Tätigkeit übernommen haben, die besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert – an das Verschulden ein objektiver Maßstab anzulegen, so daß es für einen nicht unerheblichen Teil der Anwendungsfälle zu einer Objektivierung kommt. Daß es sich bei den – für den gutgläubigen Erwerb relevanten – Nachforschungspflichten (auch) um Obliegenheiten handelt1990, steht einer solchen Betrachtungsweise nicht entgegen, wie ein Vergleich mit anderen Obliegenheitsverletzungen zeigt. So ist auch bei einem Mitverschulden iSd § 1304 ABGB anerkannt, daß die Bestimmung des § 1299 ABGB analog anzuwenden ist, wenn es sich beim Geschädigten um einen Sachverständigen handelt1991. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine solche „Teilobjektivierung“ jenen Wertungsgesichtspunkten, die für den Bereich des gutgläubigen Erwerbs maßgeblich sind, ausreichend Rechnung trägt. Es ist nämlich zu beachten, daß beim redlichen Erwerb eine gänzlich andere Interessenlage vorliegt als bei einer schadenersatzrechtlichen Haftung und einer besitzrechtlichen Einstandspflicht, geht es doch nicht um die Zurechnung einer Schadensfolge, sondern um die Zuerkennung einer Rechtswohltat zu Lasten des Eigentümers. Schon die unterschiedliche Rechtsfolgenseite läßt somit das Anlegen eines unterschiedlichen Maßstabes durchaus angezeigt erscheinen, doch läßt sich diese „Indizwirkung“ noch wesentlich erhärten: Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß das Institut des redlichen Erwerbes nicht allein wegen des subjektiven Vertrauensschutzes besteht, sondern sich nur auf Grund der objektiven Verkehrsschutzinteressen rechtfertigen läßt1992. Solche objektiven Verkehrsinteressen bestehen aber 1988 1989
1990 1991
1992
Siehe Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 5/35 f; derselbe, AcP 196 (1996) 593 ff, 595 f. So – mit eingehender Begründung – Iro, Besitzerwerb 140 ff, 149 f. Siehe aber noch unten bei FN 2018. Dazu unten S 410 ff. Siehe OGH in SZ 69/258 = ÖBA 1997, 646 = JBl 1997, 524 (Mitverschulden einer Bank). Eingehend oben S 63 ff.
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nur in jenen Fällen, in denen eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation tatsächlich vorliegt. Insofern ist es völlig zutreffend, wenn Wiegand1993 den redlichen Erwerber als Repräsentanten der Verkehrsinteressen bezeichnet und Gilmore1994 im Hinblick auf den Uniform Commercial Code betont „he [the bona fide purchaser] serves a commercial function: he is protected not because of his praiseworthy character, but to the end that commercial transactions may be engaged in without elaborate investigation”. Geht es um einen Gutglaubenserwerb, ist an die Redlichkeit deshalb kein subjektiver, sondern ein objektiver Maßstab anzulegen. Der hier vertretene Standpunkt – beim gutgläubigen Erwerb ist stets ein objektiver Redlichkeitsbegriff maßgeblich – dürfte auch den Gesetzesverfassern durchaus nahegelegen haben1995: So hat schon der Codex Theresianus für den Fall des redlichen Erwerbs ausdrücklich betont, es sei „an dem gemeinen guten Glauben, daß der Erwerber zur Zeit der Erhandlung die Sache fremd zu sein in Wahrheit nicht gewußt habe, nicht genug, sondern er muß auch dieselbe von jemanden solchen an sich gebracht haben, von deme er vernünftiger Weise hat glauben können, daß sie ihm gehörig seie“ (II Kap 8 Nr 46). In den Folgebestimmungen des Codex Theresianus werden dann sehr detailliert objektive Umstände genannt, die für die Verdächtigkeit oder Unverdächtigkeit des Erwerbes sprechen wie insbesondere der Vermögensstand, Leumund und das Gewerbe des Veräußerers (II Kap 8 Nr 47 ff) 1996. Im Hinblick auf die weitere Untersuchung ist dabei hervorzuheben, daß es sich bei diesen Kriterien nicht um taxativ aufgezählte, für den Erwerberschutz konstitutive Tatbestandselemente handelt, sondern um einen demonstrativen Indizienkatalog, aus dem die Redlichkeit des Erwerbers geschlossen werden kann1997. Daß dieser Standpunkt auch dem ABGB zugrunde liegt, zeigt die Bestimmung des § 368 ABGB, wonach derjenige die Sache als unredlicher Besitzer an den Eigentümer herauszugeben hat, der „entweder schon aus der Natur der an sich gebrachten Sache, oder aus dem auffallend zu geringen Preise derselben, oder aus den bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormannes, aus dessen Gewerbe oder andern Verhältnissen einen gegründeten Verdacht gegen die Redlichkeit seines Besitzes hätte schöpfen können“. Wie auch Zeiller betont, sollen letztlich also 1993 1994 1995
1996
1997
JuS 1978, 149. Yale L. J. 63 (1954) 1057. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Spielbüchler, Schuldverhältnis 273 ff; vgl auch Schey, Redlicher und unredlicher Besitzer 83 ff. Die bezogenen Stellen sind abgedruckt bei Harrasowsky, Codex Theresianus II 132 f. Siehe Krasnopolski, Schutz des redlichen Verkehrs 14; Hinz, Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs 254 f; Völkl, Kohlegger-FS (2001) 546 f, 562 ff. AA offensichtlich Wellspacher, GrünhutsZ 31 (1904) 638 f.
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die objektiven Umstände entscheiden1998. Stets ist für einen redlichen Erwerb also eine objektiv unverdächtige Erwerbslage erforderlich, worauf zu Recht schon Schey/Klang1999 und besonders Spielbüchler2000 aufmerksam gemacht haben. Demgemäß betont auch die Rechtsprechung, daß es beim redlichen Erwerb nicht auf die subjektive Meinung des Erwerbers ankomme, sondern darauf, ob der Erwerb objektiv als verdächtig anzusehen sei2001. Ein gutgläubiger Erwerb findet also dort nicht statt, wo irgendein Merkmal den Erwerbsakt objektiv als verdächtig erscheinen läßt2002. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, so ist allerdings noch die dogmatische Einordnung des § 368 ABGB zu klären. Für Schey2003, Klang2004 und Spielbüchler2005 handelt es sich dabei um besondere objektive Tatbestandselemente. So betont Schey2006, daß § 368 ABGB den positiven Voraussetzungen des Eigentumserwerbs, der Redlichkeit des Erwerbers und der Qualifikation des Erwerbsgeschäftes als weiteres Erfordernis die Unverdächtigkeit des Vormannes hinzugefügt habe. Es gehe also um eine positive Anforderung, die zur objektiven Grundlage des Erwerbes zähle und nicht um das subjektive Moment der bona fides. Ebenso hebt Spielbüchler2007 hervor, daß die „objektive Lage“ kein Element der Redlichkeit sei, sondern ein zusätzliches Erfordernis des gutgläubigen Erwerbs, das nicht mit bloß objektivierterer Fahrlässigkeit gleichgestellt werden dürfe2008.
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Siehe Ofner, Ur-Entwurf und Beratungs-Protokolle II 369; ähnlich Zeiller, Kommentar II/1, 64, 137 f. In Klang, ABGB2 II 92 f; siehe auch Klang in Klang, ABGB2 II 227. Schuldverhältnis 289 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f. OGH in HS 5282 = EvBl 1967/82 = ZVR 1967/213; HS 6291 = ZVR 1969/292; SZ 68/196 = RdW 1996, 356 = HS 26.106 und 26.368. OGH in SZ 23/379; SZ 34/197 = EvBl 1962/181 = ZVR 1963/15; HS 9349/12; JBl 1980, 539; SZ 58/166 = JBl 1986, 240 = RdW 1986, 141; ZVR 1995/63; RdW 1999, 711 = ecolex 1999, 761; ecolex 2001, 908. Siehe aber auch die Entscheidung des OGH in WoBl 2003, 301 (Iro) = EvBl 2002/178 = ecolex 2002, 808 (Pilz), in der bei einer Ersitzung durch einen beschränkt Geschäftsfähigen ein subjektiver Redlichkeitsbegriff angewendet wird. Dazu sogleich noch unten im Text bei FN 2017. Redlicher und unredlicher Besitzer 82. In Klang, ABGB2 II 227; vgl auch Schey/Klang in Klang, ABGB2 II 92 f, die bei der Redlichkeit generell auf die „objektiv offenbare Erscheinung einer rechtmäßigen Zugehörigkeit“ abstellen. In Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2, § 368 Rz 1 f; derselbe, Schuldverhältnis 289 ff. Redlicher und unredlicher Besitzer 82. In Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2. Hingegen weist Spielbüchler, Schuldverhältnis 290, noch darauf hin, daß es letztlich nur darauf ankomme, wie weit man die Fahrlässigkeit objektiviere.
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Diese Qualifikation des § 368 ABGB hängt offenkundig mit dem besonderen Redlichkeitsbegriff zusammen, den die genannten Autoren vertreten. So soll nach Schey die Redlichkeit des Besitzes durch die Verdächtigkeit des Vormannes begrifflich nicht ausgeschlossen werden, sie nütze dem Erwerber in diesem Fall bloß nichts mehr2009. Ebenso geht es Spielbüchler darum, die Redlichkeit nicht als fehlendes Verschulden sondern als „bloßes Nichtwissen“ zu qualifizieren2010. Verschulden und Redlichkeit können nach dieser Auffassung also auseinanderfallen2011, weshalb § 368 ABGB nicht als bloße Objektivierung der Fahrlässigkeit aufgefaßt werden kann. Daß einem solchen Redlichkeitsbegriff nicht gefolgt werden kann, wurde bereits ausgeführt2012. Mit dem Wegfall des von Schey, Schey/Klang und Spielbüchler vertretenen Redlichkeitskonzeptes entfällt aber auch die Notwendigkeit, im Rahmen des § 367 ABGB „zusätzliche Tatbestandselemente“ zu entwickeln. Gegen eine Qualifikation der in § 368 ABGB genannten Kriterien als „besondere Tatbestandselemente“ redlichen Erwerbs sprechen aber noch weitere Gründe. Es ist nämlich zu beachten, daß die von § 368 ABGB genannten Umstände keinesfalls zum Rechtsscheintatbestand selbst zählen können, wie sich im Grundfall des § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – also dem Erwerb vom Vertrauensmann – deutlich zeigt: Voraussetzung ist hier nämlich stets, daß die maßgebliche Rechtsscheingrundlage dem Eigentümer zugerechnet werden kann, was für die in § 368 ABGB genannten Umstände (Preis, Verkaufsort, persönliche Eigenschaften des Vormannes) gerade nicht gilt, weil der wahre Berechtigte auf diese regelmäßig keinerlei Einfluß nehmen kann, da sie zumeist völlig außerhalb seiner Sphäre liegen2013. Es zeigt sich somit, daß eine Qualifikation der in § 368 ABGB genannten Umstände als „selbständige Tatbestandselemente“ eine dogmatisch exakte Erfassung zumindest deutlich erschwert. Weit zweckmäßiger erscheint es deshalb, die Problematik dort zu belassen, wo sie – auch nach dem Willen der historischen Gesetzesverfasser2014 – ihren eigentlichen 2009
2010 2011 2012 2013
2014
Schey, Redlicher und Unredlicher Besitzer 82. Den redlichen Besitzer selbst definiert Schey, aaO 75, als denjenigen, „der tatsächlich an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes nicht zweifelt, mag darin ein entschuldbarer oder ein unentschuldbarer Irrtum gelegen sein“. Schuldverhältnis 286 ff; derselbe in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2. Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2; derselbe, Schuldverhältnis 286 ff. Siehe oben S 399 f. Dazu bereits oben S 177 f (in Auseinandersetzung mit dem von H. Hübner, Giehl, Rebe, M. Bauer und Zweigert vertretenen Konzept eines durch „Anscheinsmerkmale verstärkten Rechtsscheintatbestandes“). Siehe Zeiller, Kommentar II/1, 137 f, der im Hinblick auf die in § 368 ABGB genannten Kriterien ausführt, daß über die Unredlichkeit aus den vorliegenden Umständen geurteilt werden müsse.
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dogmatischen Sitz hat, nämlich bei der Redlichkeitsprüfung: Aus § 368 ABGB ist abzuleiten, daß beim gutgläubigen Erwerb an die Redlichkeit ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der Fahrlässigkeitsbegriff also objektiviert werden muß. Erst diese dogmatische Einordnung macht hinreichend deutlich, daß die erforderliche Objektivierung auf allgemeinen Wertungsgesichtspunkten beruht – Verkehrsschutzinteressen bestehen nur bei einer objektiv unverdächtigen Erwerbssituation – und somit in allen Fällen des redlichen Erwerbs gilt, also selbstverständlich nicht nur im Rahmen der §§ 367 ABGB und 371 ABGB2015, sondern auch im Hinblick auf § 366 HGB, Art 16 Abs 2 WG und Art 21 SchG. Ebenso ist in den Fällen der Ersitzung zu entscheiden, da es auch bei diesen um den Schutz von Verkehrsinteressen geht, weshalb § 368 ABGB auch hier analog anzuwenden ist2016. Demgegenüber ist der OGH bei der Ersitzung durch einen beschränkt Geschäftsfähigen jüngst für einen subjektiven Redlichkeitsbegriff eingetreten2017: Bei der Prüfung der Redlichkeit sei auf das persönliche Einsichtsvermögen des beschränkt Geschäftsfähigen abzustellen, wobei allerdings zu vermuten sei, daß dieser typischerweise jenes Einsichtsvermögen habe, das die ihm zugebilligte Erwerbsfähigkeit voraussetze. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie noch das Berufungsgericht nämlich völlig zu Recht betont hat, stehen nicht voll Geschäftsfähige zwar nach § 21 ABGB unter dem besonderen Schutz des Gesetzes, doch besteht dieser Schutz nur im Hinblick auf eine Übervorteilung im geschäftlichen Verkehr und eine Nicht- oder Minderzurechnung von Verstößen gegen gesetzliche Pflichten. Hingegen könne – wie das Berufungsgericht weiter ausführt – aus § 21 ABGB nicht abgeleitet werden, daß nicht oder nur beschränkt Geschäftsfähigen Vorteile zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer erwachsen sollen. Dementsprechend betont auch Iro2018, daß es nicht sachgerecht wäre, die mangelnde Einsichtsfähigkeit des (teilweise) Geschäftsunfähigen dadurch zu honorieren, daß ihm Gutgläubigkeit attestiert werde, obwohl das Nichterkennen von Anhaltspunkten, die gegen die Berechtigung der Besitzausübung sprächen, nur auf seine geminderten Geisteskräfte zurückzuführen sei. 2015
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Daß § 368 ABGB auch auf § 371 ABGB anzuwenden ist, betont auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 326 Rz 2. So zu Recht auch Apathy, NZ 1989, 140. AA Spielbüchler, Schuldverhältnis 288 f, für den die objektive Unverdächtigkeit ein „zusätzliches Tatbestandsmerkmal“ des § 367 ABGB darstellt, das für die Ersitzung keine Bedeutung haben soll. Vielmehr soll es bei der Ersitzung nur auf die „Unkenntnis des fremden Rechtes“ ankommen, sachenrechtlich also offenbar ein sehr großzügiger Maßstab angelegt werden. Nach der Auffassung von Spielbüchler könne die damit verbundene Vermögensverschiebung mit Hilfe des Bereicherungs- und Schadenersatzrechtes aber wieder korrigiert werden. Dagegen zu Recht Iro, Besitzerwerb 148 f. OGH in WoBl 2003, 301 (Iro) = EvBl 2002/178 = ecolex 2002, 808 (Pilz). WoBl 2003, 304; anders noch derselbe, Besitzerwerb 140 ff, 149 f.
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Der Geschäftsunfähige würde damit nämlich zu Lasten desjenigen, der durch den Gutglaubenserwerb betroffen wäre, im Verhältnis zu Personen mit durchschnittlichen Geisteskräften bevorzugt. Eine solche Bevorzugung sei aber sicherlich nicht der Sinn des Schutzes Geschäftsunfähiger. Diese sollten durch das Abstellen auf ihre subjektiven Fähigkeiten vor Nachteilen bewahrt werden, die ihnen auf Grund ihres mangelnden Einsichtsvermögens drohen könnten, also vor allem vor Haftungsfolgen oder einer bereicherungsrechtlichen Inanspruchnahme über die vorhandene Bereicherung hinaus. Es bestehe aber kein Grund, ihnen wegen ihrer minderen geistigen Begabung Vorteile zukommen zu lassen, die einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer verwehrt wären. Deshalb tritt auch Iro für eine Objektivierung des Redlichkeitsmaßstabes ein, so daß darauf abzustellen sei, ob ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer in der Situation des beschränkt Geschäftsfähigen die Bedenklichkeit seines Besitzerwerbes erkannt hätte. Sei dies zu bejahen, so sei der gute Glaube zu verneinen, so daß eine Ersitzung ebenso ausscheide wie ein Rechtserwerb nach § 367 ABGB. Schadenersatzrechtlich und bereicherungsrechtlich sei hingegen auf die tatsächliche Einsichtsfähigkeit abzustellen. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden: Bei einem gutgläubigen Erwerb ist an die Redlichkeit stets – und zwar wegen der völlig identen Interessenlage auch bei § 371 ABGB, § 366 HGB, Art 16 Abs 2 WG und Art 21 SchG – ein objektiver Maßstab anzulegen. Der Grad der erforderlichen Sorgfalt ist dabei aber mangels Gutgläubigkeit verschieden: Während einem redlichen Erwerber im Rahmen des § 367 ABGB schon leichte Fahrlässigkeit schadet, scheitert ein Gutglaubenserwerb nach § 371 ABGB, § 366 HGB, Art 16 Abs 2 WG und Art 21 SchG erst bei grober Fahrlässigkeit. Legt man in den Fällen des redlichen Erwerbs an die erforderliche Sorgfalt einen objektiven Maßstab an, so ist damit einerseits zwar klargestellt, daß ein subjektives Unvermögen dem Erwerber nichts nützt, anderseits ist aber doch zu berücksichtigen, daß der objektive Sorgfaltsmaßstab je nach der in Rede stehenden Erwerbergruppe differieren kann. An kaufmännische Erwerber ist insofern ein anderer Maßstab anzulegen als an Privatpersonen2019. Abzustellen ist deshalb auf die Maßfigur eines sorgfältigen Erwerbers aus der Personengruppe des konkreten Erstehers, weshalb branchentypische und berufsspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Festlegung der gebotenen Sorgfalt zu berücksichtigen sind. Dementsprechend wird auch in Deutschland betont, daß die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers den Sorgfaltsmaßstab
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Dies betont auch die Rechtsprechung; vgl unten S 421 f mit FN 2079.
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zwar nicht mindern2020, wohl aber verschärfen können2021. Anzuwenden ist also ein objektiver Fahrlässigkeitsbegriff, wobei durch die Berücksichtigung der Personengruppe, welcher der Erwerber angehört, eine Typisierung stattfindet, weshalb auch hier die branchentypische und berufsspezifische Sorgfalt maßgeblich ist 2022. Entsprechendes gilt auch für die Schweiz, wo Art 3 Abs 2 ZGB bestimmt: „Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.“ Nach allgemeiner Auffassung ist der gute Glaube also nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen; bei Vorliegen von Verdachtsmomenten scheitert ein redlicher Erwerb nach Art 933 f ZGB deshalb trotz subjektiven Unvermögens2023. Auch in der Schweiz ist also ein objektiver Fahrlässigkeitsbegriff anzuwenden2024, wobei jener Durchschnittsmaßstab an Aufmerksamkeit maßgeblich ist, den eine redliche Person nach den Umständen aufzuwenden pflegt2025. Die dabei zu stellenden Anforderungen differieren dabei wiederum nach Geschäftszweig und Erwerbsart2026.
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Palandt/Bassenge, BGB64 § 932 Rz 10; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46, 2 c (S 377). Siehe auch BGH in NJW 1965, 687: Die geschäftliche Unerfahrenheit des Erwerbers sei unbeachtlich, da Unkenntnis dessen, was der Verkehr erfordere, im Zivilrecht nicht entschuldige. Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46, 2 c (S 377); Palandt/Bassenge, BGB64 § 932 Rz 10. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 49 ff; RGRK/Pikart, BGB12 § 932 Rz 40; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46, 2 c (S 377); Erman/Michalski, BGB11 § 932 Rz 9; vgl auch – mit etwas anderer Schwerpunktsetzung – MünchKomm/ Quack, BGB4 § 932 Rz 27 f, 36. Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 477; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1776 f; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 46 f; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 29. BG in BGE 79 II 59, 64 (Unbeachtlichkeit des Beklagteneinwandes, er sei zum Zeitpunkt des Erwerbes noch kein erfahrener, branchenkundiger Autohändler gewesen und überdies nicht besonders intelligent). Vgl Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 29; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 47; Jäggi, Berner Kommentar I/1 ZGB, Art 3 Rz 126 f. Jäggi, Berner Kommentar I/1 ZGB, Art 3 Rz 122; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 479; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1777; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 47; Zobl, Berner Kommentar2 IV/2/5/1 ZGB, Art 884 Rz 822. BG in BGE 79 II 59, 64; BGE 105 IV 303, 305 f. Jäggi, Berner Kommentar I/1 ZGB, Art 3 Rz 125, 128; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 480; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1778; Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 50 f; Zobl, Berner Kommentar2 IV/2/5/1 ZGB, Art 884 Rz 823 ff.
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C. Nachforschungspflichten Schon in den Materialien zu § 932 BGB wird betont, daß das für einen gutgläubigen Erwerb erforderliche Fehlen grober Fahrlässigkeit dem Erwerber eine gewisse Nachforschungspflicht auferlege2027. Die Rechtsprechung hat diesen Gedanken frühzeitig aufgegriffen und dadurch den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen – insbesondere dem gehäuften Auftreten von Eigentumsvorbehalten und Sicherungsübereignungen – Rechnung getragen2028. Die Konstituierung von Nachforschungspflichten trägt somit wesentlich zur Steuerungsfunktion der Redlichkeit bei. Dabei ist freilich zu beachten, daß solche Nachforschungspflichten in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Konzeption des redlichen Erwerbes stehen, welcher der Verkehrserleichterung dienen soll. Deshalb sind solche Erkundigungspflichten nur bei besonderen „Verdachts- und Gefahrenlagen“ – Gebrauchtwagenkauf, typischerweise unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren, Kreditsicherungsgeschäfte – zu statuieren, während eine allgemeine Nachforschungspflicht auch bei gewöhnlichen Umsatzgeschäften von Letztabnehmern zu weit ginge2029. Dementsprechend wird schon in den Motiven zum BGB betont, daß man dem Erwerber keine (zu) strenge Dilligenzpflicht auferlegen dürfe, um den Zweck der Vorschrift nicht zu beeinträchtigen, sondern Nachforschungen nur dann zu verlangen seien, wenn für solche ein Anlaß bestehe2030 und auch in der Schweiz wird betont, daß eine „allgemeine Erkundigungspflicht“ nicht besteht2031. Auf die praktische Relevanz der Nachforschungspflichten ist noch näher einzugehen2032; hier geht es zunächst um ihre dogmatische Einordnung: Häufig wird hervorgehoben, daß es sich bei den sogenannten Nachforschungspflichten nicht um Rechtspflichten im eigentlichen Sinne handle, sondern um bloße Obliegenheiten2033. Im Hinblick auf den 2027 2028 2029
2030 2031
2032 2033
Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 346 = Mugdan, Materialien III 192. Ausführlicher dazu noch unten S 420 ff. Siehe Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 55 ff, 68 ff (mit umfassender Judikaturanalyse). Noch zurückhaltender Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46 2 c (S 377 f); Musielak, JuS 1992, 715 und Wieling, Sachenrecht I § 10 III 3 d (S 366 f), die entgegen Wiegand, aaO, Rz 78 ff, auch bei Sicherungsübereignungen eine generelle Nachforschungspflicht hinsichtlich fremder Sicherungsrechte ablehnen. Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 346 = Mugdan, Materialien III 192. Stark, Berner Kommentar3 IV/3/1 ZGB, Art 933 Rz 50; Jäggi, Berner Kommentar I/1 ZGB, Art 3 Rz 128; Homberger, Zürcher Kommentar2 IV/3 ZGB, Art 933 Rz 30; Hinderling, Schweizerisches Privatrecht V/1, 479; Rey, Sachenrecht I2 Rz 1777. Siehe unten S 420 ff. R. Schmidt, Obliegenheiten 307; MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 41; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 43; Musielak, JuS 1992, 715 FN 35; Bol-
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redlichen Erwerb ist dies sicherlich zutreffend. Holt der Erwerber trotz bestehender Verdachtsmomente keine Erkundigungen ein und stellt somit sein Vertrauen nicht auf eine ausreichend sichere Basis, so treffen ihn die nachteiligen Folgen; ein redlicher Erwerb scheidet demgemäß aus. Anderseits darf selbstverständlich nicht übersehen werden, daß die Verletzung einer Obliegenheit gegenüber einem Dritten zugleich die Verletzung einer Rechtspflicht darstellen kann. Besonders deutlich wird dies im Bereich des Schadenersatzrechts2034: Geht etwa ein Fußgänger statt auf dem Gehsteig auf der Fahrbahn, so handelt er nicht nur sorglos gegenüber seinen eigenen Gütern und begeht damit eine Obliegenheitsverletzung, sondern sein Verhalten ist überdies auch als rechtswidrig zu qualifizieren, weil es gegen die Straßenverkehrsvorschriften verstößt. Kommt es in der Folge zu einem Verkehrsunfall, so sind deshalb nicht nur allfällige Schadenersatzansprüche des verletzten Fußgängers wegen seines Mitverschuldens nach § 1304 ABGB zu kürzen, sondern er wird auch seinerseits dem geschädigten Kraftfahrzeuglenker gegenüber schadenersatzpflichtig. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch im hier behandelten Bereich: Die Verletzung der erforderlichen Nachforschungen stellt deshalb nicht nur eine Obliegenheitsverletzung dar, sondern kann zugleich auch als Verletzung einer Rechtspflicht zu qualifizieren sein, die den präsumtiven Erwerber gegenüber dem wahren Berechtigten schadenersatzpflichtig macht und die besitzrechtlichen Einstandspflichten des § 335 ABGB nach sich zieht. Versteht man mit Iro2035 unter Unredlichkeit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, so wird allerdings zweifelhaft, welchen Sinn es haben sollte, die Nachforschungspflichten zugleich als Obliegenheiten zu qualifizieren. Iro2036 betont nämlich, daß die Unredlichkeit stets die Rechtswidrigkeit impliziere, wobei es darauf ankäme, ob ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer erkennen hätte können, daß der Erwerb zu einer Verletzung fremder Rechte führe. Bei einer solchen Betrachtungsweise bleibe aber – wie Iro2037 weiter ausführt – für die Annahme einer besonderen Obliegenheit kaum mehr Raum, sondern diese gehe in der allein entscheidenden Frage auf, ob der Erwerber bei der Anwendung der vom Gesetz verlangten Sorgfalt zur Feststellung gelangen hätte müssen, daß die Erlangung der Sache absolut geschützte Rechte Dritter verletze oder nicht.
2034 2035 2036 2037
lenberger, ÖJZ 1995, 644 FN 40. AA Wieling, Sachenrecht I § 10 III 3 d (S 366 FN 28), der betont, daß es sich um eine echte Pflicht des Erwerbers handle, und zwar gegenüber dem Eigentümer, dessen Recht verletzt zu werden drohe. Siehe dazu Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 12/6. Besitzerwerb 126 ff, 137 ff, 140 ff. Besitzerwerb 139 f. Besitzerwerb 138 f.
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Die von Iro vorgebrachten Argumente sind überzeugend und machen deutlich, daß die Verletzung von Nachforschungspflichten regelmäßig eine Pflichtverletzung darstellt. Dennoch kann mE nicht darauf verzichtet werden, die Unterlassung der gebotenen Nachforschungen weiterhin auch als Obliegenheitsverletzung zu qualifizieren. Die Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Obliegenheitsverletzung bleibt nämlich im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen relevant: Auf Grund ihrer Rechtswidrigkeit führt die Verletzung von Nachforschungspflichten zu einer schadenersatzrechtlichen Einstandspflicht, weil sie eine Obliegenheitsverletzung darstellt, läßt sie einen gutgläubigen Erwerb scheitern. Eine solche Differenzierung ist keineswegs von bloß dogmatischem Interesse, sondern wird praktisch relevant, wenn es um die schwierige Frage geht, was rechtens ist, wenn der Erwerber die gebotenen Nachforschungen unterlassen hat. Kann er sich in diesem Fall darauf berufen, daß auch eine Vornahme von Erkundigungen zu keiner Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätte? Die Problematik läßt sich an Beispielen verdeutlichen: Jemand erwirbt ein Gebrauchtfahrzeug ohne sich den Typenschein vorlegen zu lassen oder kauft typische Eigentumsvorbehaltsware ohne die Rechnungen einzusehen2038. Kann der Erwerber in solchen Fällen geltend machen, daß der Verkäufer den Typenschein ohne weiters hätte vorlegen können oder daß aus den Rechnungen ein Eigentumsvorbehalt nicht ersichtlich gewesen wäre? Im Hinblick auf eine schadenersatzrechtliche Haftung erscheint die Berücksichtigung derartiger Einwände ganz unproblematisch und läßt den Beurteilenden fast reflexartig an ein „rechtmäßiges Alternativverhalten“ denken. Nach den Regeln über das rechtmäßige Alternativverhalten hat ein rechtswidrig handelnder Täter schadenersatzrechtlich nämlich nicht einzustehen, wenn er beweisen kann, daß der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre2039. Zwar liegen die Dinge noch etwas diffiziler, doch ändert dies nichts am Ergebnis: Bei genauerer Betrachtung ist nämlich zu berücksichtigen, daß es bei der Verletzung von Nachforschungspflichten um Unterlassungen geht. Hätten aber auch die gebotenen Erkundigungen den Schaden nicht verhindert, so scheidet ein Schadenersatzanspruch schon mangels Kausalität aus2040. Im Ergebnis betont deshalb auch Iro2041, daß die Nachforschungspflichten nicht um ihrer selbst willen bestünden, sondern nur den Zweck hätten, 2038 2039
2040
2041
Vgl dazu die Nachweise unten FN 2046 und FN 2047. Siehe dazu nur Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/60 ff, der entgegen der hM aber nicht für eine völlige Haftungsbefreiung, sondern für eine Schadensteilung eintritt. Siehe Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/63; Karollus, Schutzgesetzverletzung 392 f; Welser, ÖJZ 1975, 44. Besitzerwerb 138.
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die wahre Rechtslage aufzuklären. Wären die an sich gebotenen Erkundigungen aber zur Erreichung dieses Zieles gar nicht geeignet gewesen, so müsse die für den Eintritt des schädigenden Erfolges unmaßgebliche und daher bedeutungslose Verletzung von Obliegenheiten für das Unwerturteil über den konkreten Täter außer Betracht bleiben. Ob sich diese Argumentation auch auf die Fälle eines redlichen Erwerbs übertragen läßt, erscheint mE aber zweifelhaft. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß es beim gutgläubigen Erwerb nicht um die Zurechnung eines Schadens geht, sondern um die Erzielung eines Vorteils und zwar zu Lasten des wahren Berechtigten2042. Überdies ist zu beachten, daß sich der redliche Erwerb nur auf Grund der objektiven Verkehrsschutzinteressen rechtfertigen läßt2043. Solche Verkehrsinteressen bestehen aber nur in jenen Fällen, in denen eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation tatsächlich vorliegt. In jenen Fallkonstellationen, in denen Nachforschungspflichten bestehen, ist dies aber gerade nicht der Fall. Gerade weil objektiv Zweifel bestehen, wird vom Erwerber ja verlangt, sich über die tatsächlich vorliegenden Eigentumsverhältnisse nähere Informationen zu verschaffen. Unterläßt der Erwerber die im Verkehr gebotenen Erkundigungen und räumt objektiv bestehende Zweifel nicht aktiv aus, so erscheint es aber auch nicht gerechtfertigt, ihm besondere Rechtsvorteile zuzuerkennen. Dies läßt sich schon damit begründen, daß nur tatsächlich vorhandenes und nicht bloß hypothetisch mögliches Vertrauen besonders schutzwürdig erscheint. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß schutzwürdige Verkehrsinteressen nur in jenen Fällen bestehen, in denen den objektiven Erfordernissen eines sorgfältigen Erwerbs tatsächlich entsprochen wird. Eine andere Sichtweise würde nämlich zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung unsorgfältiger Erwerber führen und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer allzu sehr in den Hintergrund drängen. Dementsprechend betont auch die österreichische Rechtsprechung und Lehre, daß ein redlicher Erwerb bei einer Unterlassung der gebotenen Nachforschungen ausscheidet: Seien die pflichtgemäßen Nachforschungen unterlassen worden, so könne sich der Erwerber nicht darauf berufen, daß sie doch keinen Erfolg gehabt hätten2044. Nicht anders ist aber auch nach herrschender deutscher 2042 2043 2044
Siehe schon Bollenberger, ÖJZ 1995, 645 f. Ausführlich dazu oben S 63 ff. OGH in HS 5281/10; SZ 23/379; ZVR 1995/63; Schuhmacher in Straube, HBG3 § 366 Rz 11; Bollenberger, ÖJZ 1995, 645 f. Vgl aber auch OGH in SZ 60/120 = JBl 1988, 314 (Czermak) = ÖBA 1988, 88; ÖBA 1991, 56 (Gröll) = JBl 1991, 378; EvBl 1993, 90, wo jeweils obiter betont wird, daß auch die pflichtgemäße Vornahme der (unterlassenen) Nachforschungen nach den Beweisergebnissen keinen Erfolg gehabt hätte, die Ursächlichkeit der Unterlassung für das Höchstgericht also nicht völlig irrelevant zu sein scheint.
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Auffassung zu entscheiden: Könne der Erwerber nicht beweisen, daß er entsprechende Erkundigungen eingeholt habe, so scheide ein gutgläubiger Erwerb unabhängig davon aus, ob die Nachforschungen zur Aufklärung der wahren Rechtslage geführt hätten oder nicht2045. Auch in Deutschland kommt es also nicht auf die Ursächlichkeit der Unterlassung an, sondern nur darauf, ob die gebotenen Nachforschungen überhaupt angestellt worden sind oder nicht. Aus diesem Grund entfällt auch beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs ohne Vorlage des Kraftfahrzeugbriefes (Typenscheines) der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht schon deshalb, weil der Veräußerer den Kraftfahrzeugbrief im Besitz hatte und ihn ohne weiteres hätte vorlegen können2046. Nichts anderes hat aber auch nach österreichischem Recht zu gelten2047. Ähnlich wie bei der Frage des subjektiven oder objektiven Redlichkeitsbegriffes ist im gegebenen Zusammenhang also zu berücksichtigen, daß die Verletzung von Nachforschungspflichten zu ganz unterschiedlichen Rechtsfolgen führen kann, nämlich einerseits zu einer schadenersatzrechtlichen Haftung und anderseits zum Scheitern eines gutgläubigen Erwerbs. Geht es nun aber nicht um eine Schadensüberwälzung auf den Erwerber, sondern um die Zuerkennung besonderer Vorteile zu Lasten des Eigentümers, so erscheint es durchaus sachgerecht, an die Erlangung von Vorteilen strengere Maßstäbe anzulegen als an die Abwendung einer Haftung. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß der Einwand, auch eine pflichtgemäße Vornahme der unterlassenen Nachforschungen hätte die wahre Rechtslage nicht aufgeklärt, den Erwerber zwar vor einer schadenersatzrechtlichen Einstandspflicht bewahren kann, ihm im Hinblick auf einen redlichen Erwerb aber nichts nützt. Auf den ersten Blick erscheint es völlig konsequent, die dargelegten Argumente auch auf das Immobiliarsachenrecht zu übertragen. Zwar wurde bereits ausgeführt, daß grundsätzlich keine Einsicht in das Grundbuch erforderlich ist und daß das mittelbare Vertrauen auf den Registerstand ausreicht, doch könnte argumentiert werden, dies gelte eben 2045
2046
2047
RG in RGZ 143, 14, 18 f = JW 1934, 353 (Kernert); RGZ 147, 321, 331; BGH in WM 1958, 754, 755; NJW 1991, 1415, 1417; NJW 1994, 2022, 2024 = ZIP 1994, 787, 789. Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 60, 82 ff, 105; derselbe, JuS 1974, 208; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46 2 c (S 379); Soergel/Henssler, BGB13 § 932 Rz 24; Kindl in Bamberger/Roth, BGB § 932 Rz 20; RGRK/Pikart, BGB12 § 932 Rz 49, 61; Kernert, JW 1934, 353. AA Mormann, WM 1966, 9; Jauernig/Jauernig, BGB11 § 932 Rz 17; Wieling, Sachenrecht I § 10 III 4 (S 368); differenzierend MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 44, 47 (nur bei Bestehen einer konkreten Verdachtslage); dem folgend Palandt/Bassenge, BGB64 § 932 Rz 10. RGRK/Pikart, BGB12 § 932 Rz 61; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46 2 c (S 379); vgl auch MünchKomm/Quack, BGB4 § 932 Rz 42, 44. AA OLG Saarbrücken in NJW 1968, 1936. Ebenso Bollenberger, ÖJZ 1995, 646.
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nur in jenen Fällen, in denen der Erwerber keinen objektiven Anlaß zu Zweifeln habe. Bestünden solche Zweifel, so hätte sich der Erwerber hingegen vom Registerstand zu überzeugen. Allerdings ist zu beachten, daß auch beim redlichen Mobiliarerwerb eine Überprüfung der Besitzmittlungsverhältnisse grundsätzlich nicht erforderlich ist und es nur darauf ankommt, ob diese tatsächlich bestehen und eine Anweisung erfolgt ist. Vor allem aber ist zu bedenken, daß eine mechanische Übertragung der dargelegten Argumente auf das Immobiliarsachenrecht der besonderen Stellung des Grundbuches nicht ausreichend Rechnung tragen würde. Seiner Aufgabe der Transaktionserleichterung, Rechtssicherung und des Verkehrsschutzes kann das Grundbuch nämlich nur dann gerecht werden, wenn die Maßgeblichkeit des Registerstandes nicht durch die Einwendung fehlender Einsicht gefährdet werden kann. Dementsprechend wird vielfach betont, daß dem Register öffentlicher Glaube zukomme2048 und die allgemeine Kenntnis des Grundbuches deshalb fingiert werde2049. Daß es dabei aber nicht um eine Fiktion geht, sondern um den Schutz mittelbaren Vertrauens auf den Grundbuchsstand, wurde bereits ausgeführt und ist im Hinblick auf „Verlautbarungstatbestände“ auch keine Besonderheit. Entsprechendes gilt nämlich nicht nur für sonstige Register, sondern etwa auch für die Prospekthaftung. Auch bei dieser ist für einen Schadenersatzanspruch eine Einsicht in den Prospekt nicht erforderlich, sondern es ist ausreichend, daß mit dem Verlautbarungstatbestand „Prospekt“ eine „Anlagestimmung“ geschaffen wurde2050. Schließlich darf auch ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Mobiliarsachenrecht nicht übersehen werden: Beim Grundbuch kann im Nachhinein der Registerstand im entscheidungswesentlichen Zeitpunkt stets sicher festgestellt werden. Der Einwand mangelnder Einsicht würde hier also eine Rechtsunsicherheit in das Register erst hineintra2048
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Wolff/Raiser, Sachenrecht10 146 f; MünchKomm/Wacke, BGB4 § 892 Rz 48 („objektiver Rechtsschein des Grundbuchs“); Boehmer, JZ 1952, 574 („objektive Verläßlichkeit des amtlichen Rechtsscheinapparates“). Siehe schon Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 212 f = Mugdan, Materialien III 117 f. Baur/Stürner, Sachenrecht17 § 23 Rz 32; RGRK/Augustin, BGB12 § 892 Rz 82, 96; vgl auch Eichler, Institutionen I 126 mit FN 150; derselbe, Rechtslehre vom Vertrauen 97 f („Schutz institutionellen Vertrauens“); Lutter, AcP 164 (1964) 123 f, 165, 166 f („absoluter und formaler Verkehrsschutz“); ebenso AlternativKomm/ von Schweinitz, BGB §§ 892, 893 Rz 13. So schon die Motive zu § 45 dBörseG: „Unter der Mitwirkung der offenkundigen allgemeinen Verhältnisse wird sich eine dem Inhalte des Prospekts entsprechende Stimmung des Publikums bilden und hieraus ergibt sich der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Prospekt und der Aktienanschaffung, wenn jemand ein Stück nach Erlaß des Prospekts erwirbt, mag er ihn nun gelesen haben oder nicht und der erste oder ein späterer Erwerber sein.“; zitiert nach Brawenz, ÖBA 1990, 169 ff, der zur Problematik ausführlicher Stellung nimmt.
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gen. Beim redlichen Mobiliarerwerb ist es hingegen gerade umgekehrt: Steht fest, daß der Erwerber keine Nachforschungen unternommen hat, so würde die Zulässigkeit des Einwandes, solche Erkundigungen wären ohnedies nicht erfolgreich gewesen, die Möglichkeit nachträglicher Malversationen erst eröffnen, weil im Fahrnisrecht eine dem Grundbuch vergleichbare, objektive und sichere Überprüfungsbasis gerade nicht zur Verfügung steht. Insofern spricht für den hier vertretenen Standpunkt nicht nur der Grundsatz der Rechtssicherheit, sondern auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität des Vertrauensschutzes2051.
VI. Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen A. Grundlagen Gegenüber dem anpassungsfähigen und fein differenzierten Schuldrecht erscheint das Sachenrecht zuweilen als vergleichsweise starre und ungefüge Rechtsmaterie2052. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, daß dem Sachenrecht eine Zuordnungsfunktion zukommt2053, die ein besonders hohes Maß an Rechtssicherheit erforderlich macht. Sachenrechtliche Regelungen müssen deshalb besonders klar abgrenzbar und möglichst eindeutig anwendbar sein, was stärker typisierende und zuweilen auch schematische Vorschriften zur Folge hat. Anderseits ist gerade bei einem Institut wie dem redlichen Erwerb, das den Warenumsatz entsprechend den jeweils vorgegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen erleichtern soll, eine kontinuierliche Anpassung an die sich wandelnden Realitäten unumgänglich. Nur auf diese Weise kann das Institut die ihm zugedachte Funktion des Vertrauens- und Verkehrsschutzes erfüllen. In diesem Spannungsverhältnis zwischen der anzustrebenden Rechtssicherheit und der erforderlichen Anpassungskorrektur kommt der Redlichkeit – genauer gesagt der Unredlichkeit als Erwerbshindernis – besondere Bedeutung zu, ja sie kann auf Grund ihrer Steuerungsfunktion geradezu als zentrales Tatbestandselement bezeichnet werden2054. Zum besseren Verständnis dieser Steuerungs- und Anpassungsfunktion erscheint es nützlich, sich die dogmatischen Grundlagen nochmals vor Augen zu führen2055: Vertrauenstatbestand und Vertrauen stehen in 2051 2052 2053
2054 2055
Vgl schon Wellspacher, Vertrauen 40. Vgl Gschnitzer, Sachenrecht2 1. Siehe Westermann/Westermann, Sachenrecht7 § 2 II (S 9 ff), § 3 (S 17 ff); J. Wilhelm, Sachenrecht2 Rz 2, 30, 37 ff; F. Bydlinski, System und Prinzipien 315 ff; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 212. Vgl Iro, Sachenrecht2 Rz 6/50. Siehe schon oben S 189 ff (in Auseinandersetzung mit W. Ernst).
Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen
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einem inneren Zusammenhang, weshalb stets ein „Hin-und Herwandern des Blickes“ zwischen beiden Komponenten erforderlich ist. Zutreffend charakterisiert Wiegand2056 dieses Phänomen als „Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen“ und betont zu Recht die gegenseitige Bedingtheit beider Komponenten: Je geringer die Rechtsscheinwirkung des Vertrauenstatbestandes sei, desto strenger seien die Voraussetzungen für die Redlichkeit zu bestimmen. Erst dieses Konzept ermöglicht eine ausreichende Differenzierung der unterschiedlichen Fallkonstellationen und eine wertungsgerechte Lösung der stets variierenden Einzelfälle. Überdies bietet es den Zugang zu einem vertieften Verständnis der Gesamtkonzeption redlichen Erwerbs. B. Besitz und Grundbuch Die eben angesprochene Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen zeigt schon ein Vergleich von Besitz und Grundbuch, also den jeweils maßgeblichen Rechtsscheinpositionen für einen redlichen Mobiliar- und Immobiliarerwerb. Anders als der „künstliche“ Rechtsscheintatbestand Grundbuch ist der Besitz nämlich eine verhältnismäßig unsichere Vertrauensgrundlage2057, beide Rechtsscheinpositionen sind also von offenkundig unterschiedlichem Gewicht. Diesen Umstand berücksichtigt das deutsche Recht folgerichtig auf der Ebene der Redlichkeit: Der gute Glaube an den Grundbuchsstand wird erst durch positive Kenntnis seiner Unrichtigkeit zerstört (§ 892 BGB), während dem redlichen Erwerber einer beweglichen Sache bereits grobe Fahrlässigkeit schadet (§ 932 BGB). Im österreichischen Recht setzt ein gutgläubiger Erwerb hingegen auch im Immobiliarsachenrecht voraus, daß der Erwerber ohne jedes Verschulden, also nicht einmal (leicht) fahrlässig gehandelt hat2058. Gutgläubig ist somit nur derjenige, der bei gehöriger Sorgfalt die Unrichtigkeit der betreffenden Eintragung im Hauptbuch nicht erkennen konnte2059. Immerhin wird aber zu Recht betont, daß die an den Erwerber zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden 2056
2057
2058
2059
Staudinger/Wiegand, BGB (2004) Vor §§ 932 ff Rz 9 ff, 27, § 932 Rz 37; derselbe, JuS 1974, 207 f; derselbe in Hof/Kummer/Weingart, Recht und Verhalten 189 f, 193 ff. Vgl schon Motive, BGB, Amtliche Ausgabe 346 = Mugdan, Materialien III 192 sowie oben S 171. H. Demelius, Grundbuchsrecht 95; Ehrenzweig, System2 I/2, 118; Klang in Klang, ABGB2 II 348; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 327. OGH in GlUNF 6189; NZ 1978, 110; SZ 63/35; SZ 66/152; SZ 68/194 = JBl 1996, 458; JBl 1998, 41 (Holzner). Kritisch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 431 Rz 10. Iro, Sachenrecht2 Rz 6/65. OGH in SZ 28/256; NZ 1978, 110; SZ 66/152; JBl 1998, 41 (Holzner); SZ 70/185; SZ 71/212.
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dürfen, da sonst das Grundbuch entwertet würde2060. Der Erwerber muß die Richtigkeit des Buchstandes daher nur dann überprüfen, wenn sich wegen besonderer Umstände Bedenken ergeben2061. Wie gezeigt wurde, ist der unterschiedlichen Stärke der Rechtsscheinpositionen auf der Ebene der Nachforschungspflichten noch in weiterer Hinsicht Rechnung zu tragen: Während die Unterlassung der gebotenen Nachforschungen beim redlichen Erwerb beweglicher Sachen einen gutgläubigen Erwerb stets verhindert, ist eine unterlassene Einsichtnahme in das Grundbuch unschädlich, sofern der tatsächliche Registerstand das Vertrauen des Erwerbers bestätigt hätte. C. Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände Der unterschiedlichen Stärke des Rechtsscheintatbestandes kommt auch bei der Ausgestaltung der einzelnen Tatbestände gutgläubigen Mobiliarerwerbs Bedeutung zu: So resultiert der verstärkte Schutz redlichen Erwerbs von Wechsel und Scheck – hier schadet dem Erwerber erst grobe Fahrlässigkeit – nicht nur aus der besonderen Umlauffähigkeit dieser Papiere, sondern ist auch durch das Vorliegen eines erweiterten Rechtsscheintatbestandes gerechtfertigt. Zum Besitz des Papiers tritt als Legitimationsgrundlage nämlich die geschlossene Indossamentenkette2062. Daß der Redlichkeitsmaßstab der Art 16 WG und 21 SchG auch auf einen Erwerb von Inhaberpapieren nach § 371 ABGB anzuwenden ist2063, beruht hingegen nicht auf einer „besonderen“ Rechtsscheingrundlage, sondern ist auf die noch stärkeren Verkehrsschutzbedürfnisse zurückzuführen: Zwar erschöpft sich die Rechtsscheingrundlage bei Inhaberpapieren im Besitz des Papiers, doch sind diese Papiere zirkulationsfähiger als Wechsel und Scheck. Beim gutgläubigen Erwerb von einem Kaufmann und von einem befugten Gewerbsmann bestehen hinsichtlich der Rechtsscheingrundlage keine gravierenden Unterschiede, weswegen eine Gleichbehandlung prinzipiell angezeigt erscheint und im Hinblick auf den Schutz auch des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis tatsächlich zu erfolgen hat2064. Der Redlichkeitsmaßstab des § 366 HGB darf hingegen nicht auf § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB übertragen werden, weil beide Bestimmungen auf unterschiedlichen Grundkonzeptionen beruhen (reines Rechts2060
2061
2062 2063 2064
Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 327; Ehrenzweig, System2 I/2, 118. OGH in SZ 68/194 = JBl 1996, 458. Ehrenzweig, System2 I/2, 118; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 327. OGH in SZ 28/64; NZ 1978, 110; SZ 63/35. Dazu oben S 156 f. Siehe die Nachweise in FN 1957. Siehe oben S 297 mit Nachweisen in FN 1530.
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scheinprinzip; Grundsatz „Hand wahre Hand“). Gravierende Wertungswidersprüche können deshalb nicht durch eine „Gleichbehandlung“, sondern nur durch das Anlegen unterschiedlicher Redlichkeitsmaßstäbe verhindert werden: Anders als bei § 366 HGB schadet dem Erwerber im Rahmen des § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB deshalb schon leichte Fahrlässigkeit2065. D. Relevanz auf Tatbestandsebene Für die praktische Rechtsanwendung besonders bedeutsam ist die Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen auf der Ebene der einzelnen Tatbestandselemente: So hat die Analyse des § 366 HGB gezeigt, daß der Anwendungsbereich dieser Bestimmung zu weit geraten ist. Deshalb sind die Anforderungen an die Redlichkeit um so strenger zu handhaben, je mehr sich das Berufsfeld des jeweiligen Kaufmannes vom Leitbild des (Verkaufs)Kommissionärs entfernt. Es ist also erforderlich, je nach Art des vom Veräußerer ausgeübten Handelsgewerbes differenzierte Anforderungen an die Redlichkeit zu stellen2066. Entsprechendes gilt für den redlichen Erwerb „von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF, der den Erwerb von einem „zu diesem Verkehre befugten Gewerbsmanne“ und den „Erwerb von einem Kaufmann“ ersetzen soll2067. Da der Begriff des Unternehmers noch deutlich weiter ist als jener des Kaufmannes wird der Unschärfebereich des Tatbestandes, der auf der Ebene der Redlichkeit wiederum eingeschränkt werden muß, sogar massiv ausgedehnt. Daß der Redlichkeit insofern eine besondere „Korrekturfunktion“ zukommt, wird deshalb auch in den Erläuterungen des Reformvorschlages betont2068. Bei der Redlichkeitsprüfung ist weiters zu beachten, daß die für den redlichen Erwerb maßgebliche Rechtsscheingrundlage im Hinblick auf die unterschiedlichen Übergabsformen von durchaus unterschiedlicher Stärke sein kann2069: So ist der unmittelbare Besitz des Veräußerers bei körperlicher Übergabe oder einem Besitzkonstitut typischerweise von stärkerem Gewicht als die „unsichtbare Besitzverschaffung“ im Fall der Besitzanweisung. Hat der Besitzmittler die Anweisung hingegen angenommen oder durch für den Erwerber äußerlich erkennbare Besitzmittlungsakte bestätigt, so dürfte die Stärke der Rechtsscheinposition in 2065 2066 2067
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Ausführlicher bereits oben S 149 und S 400 f. Ausführlich oben S 315 f. Eingehend zum mittlerweile beschlossenen HaRÄG-Entwurf 2003 (BGBl I 2005/120) oben S 331 ff. Erläuterungen, HaRÄG-Entwurf 2003, 58; ebenso nun EBzRV 1058 BlgNR XXII. GP 67. Siehe oben S 188 f und S 357 f.
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etwa die Mitte der eben dargestellten Extrempole „unmittelbarer Besitz“ und „vergeistigte Besitzverschaffungsmacht“ halten. E. Änderungen der ökonomischen Verhältnisse Die wohl größte praktische Relevanz hat das dargelegte Konzept im Hinblick auf tatsächliche Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seit dem Inkrafttreten des ABGB 1811 nämlich grundlegend geändert. Neue Geschäftstypen wie der Eigentumsvorbehalt oder das Leasing sind hinzugetreten und haben die Fälle eines Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz unbestreitbar vermehrt. Entgegen mancher kritischer Äußerungen2070 hat dieser ökonomische Wandel die Rechtsscheinkonzeption des redlichen Erwerbs aber keineswegs veralten lassen, sondern vielmehr gezeigt, daß die gesetzliche Regelung eine sachgerechte Bewältigung solcher Änderungen im Tatsachenbereich durchaus ermöglicht, nämlich durch eine Anpassung der an die Redlichkeit zu stellenden Anforderungen. Dementsprechend haben die Gerichte auf die „Entwertung“ des Rechtsscheintatbestandes „Besitz“ frühzeitig reagiert und zwar durch die Konstituierung von Nachforschungspflichten. So hat das Reichsgericht schon 1904 – also nur vier Jahre nach dem Inkrafttreten des BGB – betont, daß das Gesetz davon ausgehe, daß vom Erwerber ein gewisses Maß an Vorsicht geübt werde und er diejenige Prüfung in Ansehung des Rechts seines Vormannes nicht unterlasse, die nach den gegebenen Umständen zu erwarten sei und deren Nichtvornahme schlechthin mit dem Verhalten eines ordentlichen Mannes unverträglich sei2071. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die deutsche Rechtsprechung in den Krisenjahren um 1930 auf die Zunahme von Eigentumsvorbehalten und Sicherungsübereignungen mit einer entschiedenen Verschärfung der Nachforschungspflichten reagiert hat2072. Während das Reichsgericht 1927 noch betonte, daß Prüfungs- und Nachforschungspflichten nur bestünden, wenn bestimmte Verdachtsmomente dazu Veranlassung gäben2073, nahm das Höchstgericht 1933 – also nur wenige Jahre später – unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise einen bedeutend strengeren Standpunkt ein: Zwar sei richtig, daß die Rechtsprechung Prüfungs- und Nachforschungspflichten bisweilen nur bei Vorliegen von Verdachts2070
2071 2072 2073
Siehe insbesondere Frotz, Kastner-FS (1972) 154; vgl weiters oben S 173 mit FN 910. RG in RGZ 58, 162, 164. H. Hübner, Rechtsverlust 72 f; Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 57 ff. Vgl RG in JW 1927, 1683; ähnlich noch RGZ 135, 75, 85 (trotz allgemeiner Üblichkeit eines Eigentumsvorbehaltes keine Erkundigungspflicht, da der Verkäufer als „zuverlässiger Händler“ galt).
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momenten angenommen habe, doch habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, daß sich seit diesen Entscheidungen die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtert hätten, und es habe ungeprüft gelassen, ob nicht in Folge der Wirtschaftskrise die Aufstellung strengerer Erfordernisse geboten sei. Diese Prüfung hätte um so näher gelegen, als im Juli 1931 in Deutschland eine Bankenkrise ausgebrochen sei, die zu staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsleben geführt hätte, um einen allgemeinen Zusammenbruch zu verhindern2074. Diese strengeren Anforderungen wurden in der Folge für bestimmte Verkehrssituationen verallgemeinert: So wird schon in RGZ 143, 14 beim Erwerb eines Kfz eine Erkundigungspflicht angenommen und in RGZ 147, 321 wird im Hinblick auf eine Sicherungsübereignung festgestellt, „die Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt sei heute derart üblich geworden, daß jeder, der sich Ware eines Kaufmannes übereignen lasse, mit einer Belastung der Ware durch einen Eigentumsvorbehalt rechnen müsse“2075. Ebenso wie die deutsche Rechtsprechung hat auch die österreichische Judikatur schon im Jahr 1938 entsprechende Nachforschungspflichten betont und zwar in einer Entscheidung, die einen „Wella-Dauerwellenapparat“ betraf2076. Wie das Berufungsgericht ausführte, war dafür vor allem die Überlegung ausschlaggebend, daß ein kaufmännischer Erwerber, der sich nicht fahrlässigerweise den bekanntesten Übungen des neuzeitlichen Geschäftsverkehrs verschließe, wissen müsse, daß es heutzutage allgemein Brauch sei, Apparate, die im Ankaufe teuer zu stehen kämen, auf Raten zu liefern und zu erhalten und daß in diesen Fällen stets das Eigentum bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehalten werde. Nach Auffassung des Höchstgerichts war der Erwerber deshalb verpflichtet, das Eigentum des Veräußerers an Hand der Urkunden, insbesondere der Rechnung (Faktura) und der Zahlungsbestätigung zu überprüfen2077. Die Häufigkeit von Eigentumsvorbehalt und Leasing hat somit zu einer Anpassungskorrektur geführt, die auch die österreichische Rechtsprechung vollzogen hat: Dementsprechend wird bei Waren, die üblicherweise un2074 2075
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RG in RGZ 141, 129, 131 f. RG in RGZ 147, 321, 331. Siehe dazu und zur weiteren Entwicklung der deutschen Rechtsprechung Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 57 ff. OGH in SZ 20/182. In besonderen Konstellationen wurde auch schon davor die Einholung von Auskünften verlangt, vgl OGH in GlUNF 7074 (Verpfändung einer Versicherungspolizze). Das Höchstgericht betont überdies, daß die Fahrlässigkeit des Erwerbers – heute geradezu selbstverständlich – nicht dadurch ausgeschlossen werde, daß es der Eigentümer unterlassen habe, an der unter Eigentumsvorbehalt verkauften Maschine ein Merkmal anzubringen, das auf den Eigentumsvorbehalt hinweise; ebenso OGH in SZ 23/379. Zu „ersichtlich gemachten Eigentumsvorbehalten“ vgl noch die ältere Rechtsprechung des OGH in GlUNF 6009; GlUNF 6863.
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ter Eigentumsvorbehalt verkauft werden2078, an die Redlichkeit zumindest dann ein strenger Maßstab angelegt, wenn es sich beim Erwerber um einen Kaufmann handelt2079. Darüber hinaus ist sowohl in Österreich2080 als auch in Deutschland2081 allgemein anerkannt, daß der Erwerber eines Gebrauchtwagens mangels Redlichkeit nicht geschützt wird, wenn er sich die Kfz-Papiere (Typenschein, Kraftfahrzeugbrief) nicht vorlegen läßt. Die Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen zeigt sich dabei auch auf der Ebene der Nachforschungspflichten und läßt sich wiederum in einem komparativen Satz wiedergeben: Je stärker die objektiven Verdachtsmomente sind, um so strenger sind die Nachforschungspflichten zu handhaben2082. Dementsprechend können den Erwerber selbst dann weitere Nachforschungspflichten treffen, wenn der Verkäufer zwar im Typenschein als Zulassungsbesitzer ausgewiesen ist, besondere Umstände aber objektiv den Verdacht nahelegen, der Verkäufer könnte unredlich sein2083. 2078
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Beispiele aus der Judikatur sind etwa Baumaterialien (ÖBA 1991, 56 [Gröll] = JBl 1991, 378), Maschinen (SZ 23/379; SZ 63/138 = RdW 1991, 41 = ÖBA 1991, 138), Glasbehälter für Gemüsekonserven oder Furnierhölzer (OGH in JBl 1986, 234 und 235 [Czermak]); siehe weiters Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 30. Vgl dazu Schuhmacher in Straube, HGB3 § 366 Rz 11; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12 377; Bollenberger, ÖJZ 1995, 644 f; OGH in SZ 60/120 = JBl 1988, 314 (Czermak) = ÖBA 1988, 88; JBl 1993, 183 = ÖBA 1993, 156 (Bollenberger). OGH in SZ 34/197 = EvBl 1962/181 = ZVR 1963/15; HS 5282 = EvBl 1967/82 = ZVR 1967/213; JBl 1988, 313 = ZVR 1988/81 = HS 18.532; SZ 68/196 = RdW 1996, 356 = HS 26.106 und 26.368 (Gutglaubenserwerb vom Leasingnehmer). Beim Barkauf eines fabriksneuen Kfz von einem Händler ist eine Einsicht in den Typenschein hingegen nicht nötig: OGH in ZVR 1962/24 = HS 627; SZ 60/13 = JBl 1988, 311 (Rodrigues, aaO 295 ff) = RdW 1987, 157 = HS 18.531; gleiches gilt für Vorführwagen: OGH in JBl 1988, 313 = ZVR 1988/81 = HS 18.532; RdW 1993, 331. Ebenso ist bei der Zwangsversteigerung eines Kfz das Vorliegen des Typenscheins nicht erforderlich, da der Verpflichtete sonst durch die Verweigerung seiner Herausgabe die Verwertung des Fahrzeugs verhindern könnte, so OGH in SZ 66/120 = JBl 1994, 330 = RdW 1994, 204 = ecolex 1994, 92. Siehe weiters Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 31; Schuhmacher in Straube, HGB2 § 366 Rz 11a; Schwimann/Klicka, ABGB3 § 368 Rz 5; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 368 Rz 3 f; Bollenberger, ÖJZ 1995, 645, 647, 650. BGH in WM 1956, 158; WM 1963, 1186; NJW 1967, 1022, 1024; NJW 1975, 735; NJW 1991, 1415; NJW 1996, 2226. Hingegen ist eine Vorlage des Kraftfahrzeugbriefes beim Kauf fabriksneuer Wagen von angesehenen Händlern nicht erforderlich: BGH in BGHZ 30, 374, 380. Siehe weiters Staudinger/Wiegand, BGB (2004) § 932 Rz 90, 139 ff, 166 ff; Westermann/Gursky, Sachenrecht7 § 46 2 c (S 378 f); ausführlich Barheine, Kraftfahrzeugerwerb. OGH in RdW 1999, 711 = ecolex 1999, 761; Kerschner in Jabornegg, HGB § 366 Rz 27. OGH in SZ 68/196 = RdW 1996, 356 = HS 26.106 und 26.368 (Gutglaubenserwerb vom Leasingnehmer).
§ 9 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
§ 1 Grundlagen 1. Bei der Problematik des redlichen Mobiliarerwerbs gerät die statische Funktion des Sachenrechts und der damit verbundene Bestandschutz in Konflikt mit der dynamischen Seite des Verkehrs- und Vertrauensschutzes. Es treffen somit zwei gegenläufige Rechtsprinzipien aufeinander, die in möglichst optimaler Weise miteinander in Einklang zu bringen sind (§ 1 I). 2. Untersucht man die denkbaren Möglichkeiten, wie der Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer und dem redlichen Erwerber auflösbar wäre, so zeigen sich schon rechtsgeschichtlich zwei konträre Lösungsmodelle: Das römische Recht schützte das Bestandsinteresse des Eigentümers umfassend, da dieser seine Sache von jedem, auch einem redlichen Erwerber vindizieren konnte (Vindikationsgrundsatz). Im alten deutschen Recht konnte der Eigentümer, der seine Sache freiwillig aus der Hand gegeben hatte, hingegen nur schuldrechtlich gegen seinen untreuen Gewährsmann vorgehen (Hand-wahre-Hand-Prinzip). Ein Rechtsvergleich zeigt, daß diese gegensätzlichen Lösungsmodelle keineswegs überwunden sind, sondern bis heute fortwirken (§ 1 III). 3. Extrempositionen, die den Eigentümer oder den redlichen Erwerber einseitig bevorzugen, sind selten. Weit häufiger streben Rechtsordnungen einen Kompromiß zwischen Eigentümer- und Erwerberinteressen an. Solche vermittelnde Lösungen unterscheiden zwischen anvertrauten und freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen, statuieren Lösungs- oder Rückkaufsrechte und sehen differenzierte Regelungen für den Handel, öffentliche Versteigerungen sowie Geld- und Inhaberpapiere vor; unterschieden wird häufig auch nach der Art des Grundgeschäftes (§ 1 III 3 A). 4. Trotz bestehender Unterschiede weist der redliche Mobiliarerwerb im deutschen Rechtskreis in seinen Grundlinien eine bemerkenswerte Homogenität auf. Im Hinblick auf eine künftige Rechtsvereinheitlichung kann eine Herausarbeitung der für diesen Rechtskreis stilbildenden Faktoren dazu beitragen, daß diese im Wettstreit der Rechtsordnungen nicht unbeachtet verloren gehen (§ 1 III B). 5. Die bislang von der Europäischen Union im Privatrecht getroffenen Regelungen bieten ein punktuell-disparates Bild. Es ist deshalb
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eine Europäisierung der Rechtswissenschaft erforderlich, die die maßgeblichen Grundprinzipien herausarbeitet. Dies gilt auch für das Sachenrecht, das von den Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union bislang erstaunlich unberührt blieb. Dieses mangelnde Interesse resultiert aus dem statischen Charakter des Sachenrechts. Anderes gilt aber für jene Regelungen, die die Warenzirkulation und damit die dynamische Seite des Sachenrechts betreffen. In diesem Bereich führen grenzüberschreitende Transaktionen häufig zu mobilen Konflikten. Dies erklärt, daß gerade der redliche Erwerb zu Vereinheitlichungsbemühungen bereits Anlaß gegeben hat, die sich allerdings auf öffentlich-rechtliche und international-privatrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes beschränken (§ 1 III C). 6. Im Hinblick auf eine künftige Rechtsvereinheitlichung sind die UNIDROIT-Entwürfe zum redlichen Mobiliarerwerb besonders bedeutsam. Vor allem der erste UNIDROIT-Entwurf (LUAB 1968) weist dabei deutliche Parallelen zum österreichischen Recht auf und läßt im Handel – ebenso wie § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB – einen gutgläubigen Erwerb auch an abhanden gekommenen Sachen zu (§ 1 III D). 7. Beim Problem des redlichen Mobiliarerwerbs geht es um einen Konflikt in einem Dreiecksverhältnis, doch sind in die Interessenabwägung nur die Interessen des Eigentümers und jene des Erwerbers einzubeziehen. Der Lage des unberechtigt Verfügenden wird durch eine abgestufte Haftung ausreichend Rechnung getragen, da die Fälle fehlenden Verschuldens anders sanktioniert werden als bewußte Verfügungen zu Lasten eines Dritten (§ 1 IV A). 8. Gegenüberzustellen sind das Bestandschutzinteresse des Eigentümers (Wertinteresse und Affektionsinteresse) und das Vertrauensschutzinteresse des Erwerbers, wobei auch bei diesem ein Wertinteresse besteht, wenn er bereits Investitionen getätigt hat. Zu berücksichtigen sind überdies die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Eigentumszuordnung, die in der Zuweisung des Insolvenzrisikos kumulieren (§ 1 IV B). 9. Wägt man die Interessen der unmittelbar Beteiligten gegeneinander ab, so überwiegen die Interessen des Eigentümers, für deren Schutz auch die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie spricht (§ 1 IV C). 10. Der redliche Erwerb läßt sich nicht rechtfertigen, wenn man ihn bloß als Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer und dem redlichen Erwerber auffaßt. Begründbar wird die gesetzlich getroffene Wertentscheidung nur, wenn man überindividuelle Rechtfertigungsmomente in die Betrachtung einbezieht und berücksichtigt, daß das geltende Recht dem Allgemeininteresse an Verkehrsschutz maßgebliche Bedeutung beimißt (§ 1 IV D 1). 11. Der Verkehrsschutz stellt als Rechtsprinzip keine absolute Größe dar und vermag keine einseitige Geltung zu beanspruchen. Vielmehr
Geschichtlicher Abriß
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handelt es sich um ein Optimierungsgebot, das mit gegenläufigen Prinzipien – im konkreten Fall dem Eigentumsschutz – abzuwägen ist. Bei dieser Abwägung sind der Gedanke des Vertrauensschutzes, das damit verbundene Rechtsscheinprinzip sowie das Prinzip der Gefahrenbeherrschung und Risikoverteilung zu berücksichtigen. Es handelt sich bei diesen Grundsätzen nämlich um Subprinzipien geringerer Abstraktionshöhe, die den redlichen Erwerb zwar für sich nicht zu legitimieren vermögen, bei seiner konkreten Ausgestaltung aber zu berücksichtigen sind. Den Ausgangspunkt der Abwägung bildet dabei der vom Gesetz als „Normalfall“ geregelte Tatbestand, der als Basiswertung über das Gewicht der einzelnen Bewertungskriterien Auskunft gibt. Diese Qualität einer Basiswertung kommt dem Erwerb vom Vertrauensmann (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB) zu. Dieser ist nämlich nicht nur vom österreichischen Recht als Zentralfall des redlichen Erwerbs konzipiert, sondern auch dogmengeschichtlich und rechtsvergleichend der Grundfall gutgläubigen Erwerbs (§ 1 IV D 2). 12. Beim Gedanken des Verkehrsschutzes handelt es sich nicht um ein bloßes rechtspolitisches Motiv, sondern um einen tragenden Wertungsgesichtspunkt, der stärker als bisher bei der konkreten Interpretation der Gutglaubensvorschriften einbezogen werden muß. Dabei ist zu beachten, daß das Prinzip des Verkehrsschutzes nicht nur durch einen sofortigen Gutglaubenserwerb befriedigt werden kann, sondern auch von der Ausgestaltung der Ersitzung und der Übereignungsregeln abhängt. Überdies muß berücksichtigt werden, daß das Bedürfnis nach Verkehrsschutz keine feststehende Größe ist, sondern von der Erwerbssituation und der Art der betroffenen Sache abhängt (§ 1 IV D 3).
§ 2 Geschichtlicher Abriß 13. Dem römischen Recht war ein sofortiger gutgläubiger Eigentumserwerb zwar fremd, doch trug es den Bedürfnissen des Verkehrs durch das Institut der usucapio, die Möglichkeit abstrakten Sachenrechtserwerbs und die Sonderregelung hinsichtlich von Geld Rechnung, wobei der Gedanke des Verkehrsschutzes bereits betont wurde: Bono publico usucapio introducta est (§ 2 II A). 14. Auch das deutsche Recht kannte ursprünglich keinen redlichen Erwerb vom Nichtberechtigten. Die Unterscheidung zwischen unfreiwillig abhanden gekommenen und freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen resultiert vielmehr aus der eigentümlichen Ausgestaltung der Fahrnisverfolgung des älteren Rechts. Auf dieser Basis weist schon das mittelalterliche Recht ein erstaunlich differenziertes Spektrum an Lö-
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sungen auf, bei denen die Frage des Verkehrsschutzes bereits deutlich in den Vordergrund tritt (§ 2 II B). 15. Für die weitere Entwicklung war die Rezeption des römischen Rechts von tiefgreifender Bedeutung. Unter dem Einfluß des römischrechtlichen Ersitzungsrechts wurde die Art des Besitzerwerbs stärker in die Betrachtung einbezogen und die Redlichkeit als subjektives Tatbestandsmerkmal ausgeformt. Dies wird besonders greifbar im Kommentar des Mevius zum Lübischen Stadtrecht, der die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte (Problematik der Nachforschungspflicht; Risikozuweisung für die Auswahl des Vertrauensmannes; Bedeutung des Verkehrsschutzes) bereits klar aufgezeigt und die weitere Entwicklung maßgeblich beeinflußt hat (§ 2 II C). 16. Die Entstehungsgeschichte des § 367 ABGB weist zwei deutlich voneinander abgehobene Entwicklungsstufen auf: Während der Codex Theresianus von 1766 einen gutgläubigen Erwerb in sehr umfassender Weise anordnet, trifft der Entwurf Martini ebenso wie die Endfassung des ABGB von 1811 eine tatbestandlich wesentlich enger umgrenzte Regelung. Dieser schwer erklärbare „Bruch“ der Entwicklungslinie ist auch auf den Einfluß des preußischen ALR zurückzuführen (§ 2 III A). 17. Der Codex Theresianus unterscheidet nicht zwischen freiwillig aus der Hand gegebenen und unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen und führt damit zu einem sehr weitgehenden Schutz des redlichen Erwerbers, der auf der objektiven Unverdächtigkeit des Erwerbs aufbaut. Diese sehr verkehrsfreundliche Konfliktlösung wird ausdrücklich mit der „Sicherheit gemeinen Handels und Wandels“ begründet. Dogmengeschichtlich besonders bemerkenswert ist, daß dem redlichen Erwerber erstmals ausdrücklich eine gesicherte materiell-rechtliche Stellung zugestanden wird, nämlich „Eigentum Macht Rechtens“ (§ 2 III B). 18. Im Unterschied zum Codex Theresianus kehrt der Entwurf Martini zum Vindikationsgrundsatz zurück. Insofern liegt ein Einfluß des ALR nahe (§ 2 III C). Dieses nimmt zwar in der konkreten Ausgestaltung des Erwerberschutzes einen anderen Standpunkt ein, in seiner Konzeption – nämlich Vindikationsgrundsatz und Ausschluß der Fahrnisverfolgung in einzelnen Fällen – gleicht es dem Entwurf Martini und dem heutigen ABGB aber völlig. Überblickt man die Fälle des § 367 ABGB, so zeigt sich, daß schon Martini und Zeiller ein feines Bewußtsein für die unterschiedliche Stärke des erforderlichen Verkehrsschutzes entwickelt haben. In den Fällen des Handels und der öffentlichen Versteigerung ist demzufolge der objektiv unverdächtige Erwerb ausschlaggebend, während beim Erwerb vom Vertrauensmann, der seinen Hauptanwendungsfall im Verkehr unter Privaten findet, der Erwerberschutz zugunsten des Eigentümers eingeschränkt wird. Dem unterschiedlichen Verkehrsschutzbedürfnis wird hier durch das Erfordernis der Zurechnung entsprochen (§ 2 III D).
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§ 3 Verkehrsschutz 19. Ein gewisses Minimum an sachenrechtlichem Verkehrsschutz erweist sich offenbar für jede entwickelte Rechtsordnung als unverzichtbar und wird auf durchaus unterschiedliche Weise erreicht: Neben dem sofortigen Gutglaubenserwerb kommen hierfür so unterschiedliche rechtstechnische Mittel wie Ersitzung, Abstraktionsprinzip, Eigentumsvermutung und Ausgestaltung der Eigentumsklage sowie Registersysteme für Mobilien in Betracht (§ 3 II A 1). 20. Während die Ersitzung den Verkehrsinteressen insofern dient, als lang dauernde tatsächliche Zustände mit der wahren Rechtslage in Einklang gebracht werden, trägt der sofortige Mobiliarerwerb dem Verkehrsschutz in jenen Fällen Rechnung, in denen es auf eine rasche und sichere Abwicklung ankommt, also beim Warenumsatz. Verkehrsschutz und Sicherheit durch die Eindeutigkeit sachenrechtlicher Zuordnung haben damit einen jeweils anderen Bezugspunkt (§ 3 II A 2). 21. In jenen Rechtsordnungen, die vom Konsensprinzip ausgehen, stellt die Doppelveräußerung einer Sache einen besonders häufigen Konfliktfall dar. Geschützt wird der redliche Zweiterwerber regelmäßig nur dann, wenn er tatsächlich den Besitz an der Sache erlangt hat. In Rechtsordnungen, die wie Österreich und die Schweiz auf dem Traditionsprinzip aufbauen, wird hingegen vielfach auch das Besitzkonstitut für einen gutgläubigen Erwerb als ausreichend angesehen, was bei einer Doppelveräußerung zu einem konträren Ergebnis führt. Dieser verblüffende rechtsvergleichende Befund legt es nahe, die Frage eines redlichen Erwerbs in Surrogatsform neuerlich zu überdenken (§ 3 II A 3 a). 22. Während das deutsche Abstraktionsprinzip Titelmängel in der Vormännerkette unabhängig von der Redlichkeit des Erwerbers saniert, verhindert in Rechtsordnungen, die wie Österreich und die Schweiz auf dem Prinzip der kausalen Tradition basieren, nur ein gutgläubiger Erwerb eine unnötige Aufstörung mehrgliedriger Veräußerungsketten (§ 3 II A 3 b).
§ 4 Rechtsscheinprinzip und Vertrauensbasis 23. Dem Grundfall redlichen Erwerbs – dem Erwerb vom Vertrauensmann nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB – liegt ebenso wie jenem nach § 366 HGB das Rechtsscheinprinzip zugrunde: Besitz als Rechtsscheingrundlage, Anvertrauen als Zurechnungserfordernis, Redlichkeit des Erwerbers. Von diesem Konzept weichen § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB, § 366 Abs 4 Satz 2 HGB (Erwerb in öffentlicher Versteigerung), § 367
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Satz 1 Fall 2 ABGB (Erwerb vom befugten Gewerbsmann) sowie § 371 ABGB und § 366 Abs 4 Satz 2 HGB (Erwerb von Geld und Inhaberpapieren) ab, die einen redlichen Erwerb auch an gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen zulassen. Dieser Verzicht auf jegliche Zurechnungsgrundlage beruht auf erhöhten Verkehrsschutzbedürfnissen, da teils eine größere Umlauffähigkeit erreicht werden soll, teils eine besondere Privilegierung des Handels bezweckt wird. Versucht man auch diese Regeln in die Systematik des Rechtsscheinprinzips einzupassen, so handelt es sich um Fälle des sogenannten „reinen Rechtsscheinprinzips“ (§ 4 I). 24. Während die Rechtsscheinhaftung zur Begründung einer Verpflichtung führt, geht es beim redlichen Erwerb um den Verlust eines Rechtes. Daß eine solche formale Abgrenzung unerläßlich ist, zeigt die Problematik des gutgläubigen Forderungserwerbs: Da nur die Rechtszuständigkeit wechselt, kann gegen diesen nämlich nicht eingewendet werden, er würde zu einer Gläubigervermehrung auf Kosten des Schuldners führen. Gegen einen redlichen Forderungserwerb spricht vielmehr das Fehlen einer ausreichend typisierten Rechtsscheinbasis. Deshalb ist ein gutgläubiger Forderungserwerb unbedenklich, wenn der Gläubiger einen ausreichend starken Rechtsschein in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat – so bei einer Scheinzession (§ 916 Abs 2 ABGB) – oder in jenen Fällen, in denen eine typisierte Rechtsscheinbasis durchaus vorliegt, nämlich bei Wertpapieren (§ 4 II A). 25. Zwischen Rechtsscheinhaftung und gutgläubigem Erwerb bestehen auch materielle Unterschiede: Beim gutgläubigen Erwerb geht es um einen Schutz von Verfügungen, durch den die Umlauffähigkeit von Sachen und eine klare Rechtszuordnung gewährleistet werden soll. Die Rechtsscheinhaftung zielt hingegen auf Rechtssicherheit inter partes. Überdies ist zu beachten, daß die Rechtsscheinhaftung das ganze Vermögen des Haftenden erfaßt, während der Rechtsverlust beim redlichen Erwerb gegenständlich beschränkt ist. Deshalb erscheint das reine Rechtsscheinprinzip (Verzicht auf eine Zurechnung) beim redlichen Erwerb eher wertungsgerecht als bei einer Rechtsscheinhaftung (§ 4 II B). 26. Nach der Konzeption des Gesetzes ist der Besitz des Veräußerers die maßgebliche Rechtsscheingrundlage. Zwar wird die Rechtsscheinwirkung des Besitzes zunehmend bestritten, doch beruht diese Kritik vielfach auf der unzutreffenden Vorstellung, die Rechtfertigung des gutgläubigen Erwerbes hinge von der „Legitimationskraft“ des Besitzes ab. Gerechtfertigt werden kann das Institut des redlichen Mobiliarerwerbs aber nur auf Grund des Verkehrsschutzprinzips. Will man dem Gedanken des Verkehrsschutzes in einer Weise Rechnung tragen, die das Vertrauensprinzip berücksichtigt, also nur berechtigtes Vertrauen für schutzwürdig erachtet, ist es erforderlich, an einen „natürlichen Rechtsscheintatbestand“ anzuknüpfen. Im Grundfall des Barkaufes mit körper-
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licher Übergabe ist die Minimalanforderung an eine objektiv unverdächtige Erwerbssituation aber, daß der Verkäufer die Sache in Händen hat und mit ihr wie ein Eigentümer verfährt, also (Eigen)Besitz (§ 4 III). 27. Dem Besitz als Rechtsscheingrundlage ist die Besitzverschaffungsmacht gleichzustellen: Entscheidend ist das Vorliegen einer unverdächtigen Erwerbssituation, die jener eines regulären Erwerbs entspricht. Erst durch die Berücksichtigung des Besitzwechsels wird es möglich, komplexere Erwerbsvorgänge durch Übergabssurrogate (Besitzanweisung; Abtretung des Herausgabeanspruchs) oder im Streckengeschäft (Geheißerwerb) hinreichend zu erfassen. Bei der Verschaffung (mittelbaren) Besitzes wird die Rechtsscheingrundlage zwar auf ein Minimum reduziert, doch ist diese Verdünnung der Rechtsscheinposition durch strengere Anforderungen an die Redlichkeit zu kompensieren (§ 4 III 4). 28. Der Besitz bietet nur für die Eigentümerstellung des Veräußerers eine taugliche Rechtsscheingrundlage. Da stets vorausgesetzt ist, daß der Veräußerer als Eigentümer auftritt, also die Sache als die seinige behandelt (§ 309 Satz 2 ABGB), ist der Sachbesitz nicht zugleich geeignet, den guten Glauben an eine Verfügungsbefugnis des Veräußerers hervorzurufen. Der gute Glaube an die Verfügungsmacht könnte daher nur an die bloße Gewahrsame anknüpfen, wobei die Sachüberlassung allerdings auf ganz verschiedenen Gründen beruhen kann. Wegen der Schwäche des Rechtsscheintatbestandes und der Evidenz der Interessenbindung des Verfügenden ist die bloße Innehabung des Veräußernden deshalb keine ausreichende Rechtsscheinbasis für einen guten Glauben an seine Verfügungsbefugnis (§ 4 IV B). 29. Anders als bei einem Erwerb von einer Privatperson nach § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB ist beim Erwerb von einem befugten Gewerbsmann (§ 367 Satz 1 Fall 2 ABGB) oder einem Kaufmann (§ 366 HGB) auch der gute Glaube an das Bestehen einer Verfügungsbefugnis geschützt: Die persönliche Qualifikation des Veräußerers – seine Berufsstellung und die Zugehörigkeit des Geschäftes zu seinem Gewerbe – macht das Vorliegen von Verfügungsmacht besonders wahrscheinlich, weshalb ein erweiterter Vertrauensschutz gerechtfertigt erscheint (§ 4 IV B). 30. Hat der Eigentümer seine Sache einem anderen zum Verkauf anvertraut, so erweitert § 1088 Satz 2 ABGB den Schutz des redlichen Erwerbers gegenüber § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB und schützt auch den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis. Da der Eigentümer kein Sachinteresse, sondern nur ein Wertinteresse hat, erscheint es sachgerecht, einen redlichen Erwerb in einem weitergehenden Ausmaß zuzulassen, als dies die Basiswertung des Vertrauensmannerwerbes generell vorsieht. § 1088 Satz 2 ABGB setzt voraus, daß die Sache wirklich zum Verkauf übergeben wurde, weshalb diese Bestimmung dem redlichen Erwerber nur das Risiko der richtigen Beurteilung des Umfanges der Veräußerungsbefugnis abnimmt. Ähnlich wie bei einer Anscheinsvoll-
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macht sind überdies objektiv erkennbare, dem Eigentümer zurechenbare Anhaltspunkte erforderlich, die auf das Bestehen von Verfügungsmacht schließen lassen (§ 4 V B). 31. Auf die Fälle einer Scheinermächtigung sind die Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht analog anzuwenden. Für eine solche Analogie spricht nicht nur § 1088 Satz 2 ABGB, sondern auch ein Größenschluß: Bei einem Handeln in fremdem Namen ist die Vertrauensschutzlage nämlich typischerweise deutlich schwächer als bei einem Handeln in eigenem Namen, weshalb der Schutz des guten Glaubens an eine Vollmacht nicht weiter reichen kann als jener an das Bestehen einer Verfügungsbefugnis (§ 4 V C).
§ 5 Erwerb vom Vertrauensmann und Zurechnungsprinzip 32. Das österreichische Recht verwirklicht den Grundsatz „Hand wahre Hand“ im allgemeinen Zivilrecht in positiver, im Handelsrecht in negativer Ausprägung: § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB verlangt, daß der Eigentümer seine Sache einem anderen anvertraut hat, § 366 Abs 4 Satz 1 HGB schließt einen redlichen Erwerb an abhanden gekommenen Sachen aus. Beide Formulierungen beruhen auf demselben Grundgedanken: Der Eigentümer soll nur dann mit dem Risiko eines Rechtsverlustes belastet werden, wenn er den Rechtsschein in zurechenbarer Weise selbst geschaffen hat. Entscheidend ist somit nicht die unterschiedliche Formulierung, sondern die idente Funktion: Begrenzung des Verkehrsschutzes durch das Erfordernis der Zurechnung (§ 5 I und II). 33. Für den redlichen Erwerb ist weder das Veranlassungs- noch das Verschuldensprinzip maßgeblich, sondern das Risikoprinzip und der damit verbundene Gedanke der Gefahrenbeherrschung: Der Eigentümer, der seine Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat, wird mit dem Mißbrauchsrisiko belastet, weil dieses mit der Sachüberlassung an einen Dritten notwendigerweise verbunden ist und er diese Gefahrenquelle noch am ehesten durch eine sorgfältige Überprüfung seines Vertrauensmannes beherrschen kann. Vom Entwendungsrisiko ist der wahre Berechtigte hingegen freigestellt. Eine solche Differenzierung ist auch deshalb sachgerecht, weil der Eigentümer im Fall des Mißbrauchs wenigstens seine schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche geltend machen kann, während Diebe in der Regel nicht auffindbar sind und der Eigentümer deshalb den Wertverlust endgültig zu tragen hätte. Dies zeigt, daß der Gedanke der Gefahrenbeherrschung auch die interessengerechte Zuweisung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche und des Insolvenzrisikos erfaßt (§ 5 II C und D).
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34. Da der Eigentümer das Mißbrauchsrisiko zu tragen hat, schließt weder ein Irrtum über die Person, noch ein betrügerisches Herauslocken der Sache einen redlichen Erwerb aus. Dies gilt auch bei Vorliegen einer Vertrauensmännerkette. Ebensowenig unterbricht ein Irrtum über die Sache die Zurechnung, da dem Eigentümer bei gegenstandsbezogenen Irrtümern die Gefahrenbeherrschung noch weit eher zumutbar ist, als bei Irrtümern über die Person des Vertrauensmannes. Bei Drohung und Zwang scheidet ein redlicher Erwerb hingegen aus, da die Herausgabe der Sache nicht mehr auf einer selbstbestimmten Risikoabschätzung beruht (§ 5 III B 1). 35. Bei einer gescheiterten Einzelrechtsnachfolge ist § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB analog anzuwenden: Da der Eigentümer, der seine Sache veräußern wollte, nur ein Wert- aber kein Sachinteresse hat, ist ihm ein Rechtsverlust weit eher zumutbar als im Grundfall des „Anvertrauens“, in dem eine Rückgabeerwartung besteht. Wegen der kausalen Tradition kommt dem redlichen Erwerb in solchen Fällen überdies eine besonders wichtige Verkehrsschutzfunktion zu, da eine unnötige Aufstörung von Veräußerungsketten verhindert wird (§ 5 III B 2). 36. Da der Erbe die Rechtsstellung des Erblassers übernimmt und der Eigentümer selbst bewirkt hat, daß die Sache in seine Hände gelangt, ist auch der Erbe selbst als Vertrauensmann anzusehen (§ 5 III B 3). 37. Ein Anvertrauen der Sache setzt voraus, daß der Eigentümer die Alleingewahrsame übertragen hat. Bei einem Bruch bloßer Mitgewahrsame ist die Sache somit abhanden gekommen. Dies gilt auch bei Besitzdienern, die insofern keine Sonderstellung genießen: Solange der Eigentümer seine Sache nicht völlig aus der Hand gibt, hat er das Risiko eines Rechtsverlustes nicht freiwillig übernommen und darf durch einen redlichen Erwerb nicht belastet werden (§ 5 III B 4 und 5). 38. Beim redlichen Erwerb geht es um die Zuweisung spezifischer Risiken rechtsgeschäftlichen Verkehrs. Hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit sind deshalb die Regeln über die Geschäftsfähigkeit analog anzuwenden (§ 5 III B 6). 39. Unabhängig von der Formulierung des Tatbestandes obliegt die Beweislast für die fehlende Zurechnung stets dem wahren Berechtigten (§ 5 III B 7).
§ 6 Redlicher Erwerb bei verstärkter Rechtsscheingrundlage 40. Wo dies in typisierter Weise möglich ist, stellt das Gesetz auf einen verstärkten Rechtsscheintatbestand ab, so beim Erwerb in öffentlicher Versteigerung, vom befugten Gewerbsmann oder vom Kaufmann. Die erhöhten Verkehrsinteressen und das durch den verstärkten Rechts-
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scheintatbestand in gesteigertem Maß erweckte Vertrauen rechtfertigen dabei eine besondere Privilegierung des Erwerbs, wobei erhöhte Anforderungen an den Rechtsscheintatbestand mit geringeren an die sonstigen Erwerbsvoraussetzungen korrespondieren. Bei der Umsetzung dieses Konzeptes geht das Gesetz unterschiedliche Wege: Beim redlichen Erwerb in öffentlicher Versteigerung, vom befugten Gewerbsmann sowie von Geld, Inhaber- und Orderpapieren gilt das reine Rechtsscheinprinzip. Demgegenüber privilegiert § 366 HGB den redlichen Erwerb nur relativ milde: Geschützt wird auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis, zudem schadet erst grobe Fahrlässigkeit (§ 6 I). 41. Verwirklicht das Gesetz das reine Rechtsscheinprinzip und verzichtet auf das Erfordernis der Zurechnung, so hat dies vor allem zwei Konsequenzen: Zum einen kommt eine Privilegierung des Erwerbs nur in Betracht, wenn der verstärkte Rechtsscheintatbestand tatsächlich vorliegt. Mängel der Rechtsscheingrundlage können durch den guten Glauben nicht überspielt werden. Zum andern zeigt der Verzicht auf die Zurechnung, daß das Gesetz auf den Aspekt der Gefahrenbeherrschung nicht Bedacht nimmt: Die Stellung des Eigentümers zur Sache spielt deshalb ebensowenig eine Rolle wie die Art seines Sachverlustes. Dies spricht für eine Zulässigkeit aller Übereignungsformen einschließlich der Übergabssurrogate (§ 6 II A 2). 42. Ein redlicher Erwerb nach § 367 Satz 1 Fall 1 ABGB setzt eine ordnungsgemäß angekündigte und durchgeführte Versteigerung voraus, die durch das funktionell zuständige Organ angeordnet wird. Hinsichtlich der Redlichkeit gelten die allgemeinen Regeln, der Erwerber muß den Verpflichteten also für den Eigentümer halten, wobei schon leichte Fahrlässigkeit schadet. Wegen des Zwecks und Ablaufs einer Versteigerung bestehen dabei grundsätzlich keine besonderen Nachforschungsobliegenheiten (§ 6 II B). 43. Für einen Gutglaubenserwerb nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB ist erforderlich, daß der Veräußerer tatsächlich eine Gewerbeberechtigung besitzt. Im Unterschied zu § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB wird auch der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis geschützt. Die Interessenlage ist nämlich völlig ident mit den Fällen eines Erwerbs vom Kaufmann, in denen § 366 HGB dies ausdrücklich anordnet. Anders als bei einem Erwerb von einem Kaufmann schadet aber schon leichte Fahrlässigkeit. Eine andere Sichtweise würde den Wertungswiderspruch zwischen § 366 HGB, der dem Hand-wahre-Hand-Prinzip verhaftet bleibt, und § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB, der einen Anwendungsfall des reinen Rechtsscheinprinzips darstellt, nämlich nicht verringern, sondern noch vergrößern (§ 6 II C). 44. Wegen der gesteigerten Verkehrsinteressen erscheint eine Privilegierung des Erwerbs im Handelsverkehr sachlich gerechtfertigt. Dennoch nimmt § 366 HGB im österreichischen Recht eine eigentümliche Stellung ein: Im Gegensatz zu einem redlichen Erwerb von einem
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befugten Gewerbsmann nach § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB ist nach § 366 Abs 4 Satz 1 HGB ein Gutglaubenserwerb an gestohlenen, verlorenen oder sonst abhanden gekommenen Sachen ausgeschlossen. Diese Differenzierung ist wertungsmäßig nicht begründbar, sondern beruht auf der unterschiedlichen Grundkonzeption beider Tatbestände, die nur geschichtlich zu erklären ist (§ 6 III A). 45. § 366 HGB schützt den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers, weil dessen Kaufmannseigenschaft das Bestehen von Verfügungsmacht besonders wahrscheinlich macht. Dies gilt allerdings nur für das gesetzliche Leitbild des Kommissionärs sowie den Warenhandel unter Eigentumsvorbehalt, nicht aber bei Kaufleuten, die wie Frachtführer, Spediteure oder Lagerhalter typischerweise keine Waren verkaufen. Diese Diskrepanz zwischen ratio legis und Tatbestand kann nur dadurch überbrückt werden, daß die Anforderungen an die Redlichkeit um so strenger gehandhabt werden, je mehr sich das Berufsfeld des jeweiligen Kaufmanns vom Leitbild des Warenhandels entfernt (§ 6 III C 2). 46. Ein redlicher Erwerb von einem Scheinkaufmann kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer seine Sache einer Person anvertraut hat, von der er erkennen konnte, daß sie als Kaufmann auftritt und Veräußerungsgeschäfte tätigt. In diesem Fall hat der Eigentümer seine Sache nämlich freiwillig einer Umsatzsphäre eingegliedert und damit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt: Wegen der besonders qualifizierten Zurechnungslage genügt eine im Hinblick auf den Normalfall des § 366 HGB verdünnte Rechtsscheingrundlage. Ein darüber hinausgehender Schutz ist nur in den Fällen des § 15 HGB angezeigt. Das Firmenbuch ist nämlich eine besonders starke Rechtsscheingrundlage, die einen Vertrauensschutz auch bei fehlender Zurechnung rechtfertigt (§ 6 III D). 47. Es ist zu begrüßen, daß der Entwurf eines Handelsrechtsänderungsgesetzes 2003 die unbefriedigende „Zweispurigkeit“ der handels- und zivilrechtlichen Gutglaubensregeln beseitigt. Allerdings ist problematisch, daß § 367 Satz 1 Fall 2 ABGB nF auf den Erwerb von einem „Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens“ abstellt. Dadurch wird der schon bei § 366 HGB gegebene Unschärfebereich noch erheblich ausgedehnt. Vorzugswürdig wäre es, auf die Veräußerung durch einen – nicht mehr eng umschriebenen – Kaufmann abzustellen und so als Kernbereich der gesetzlichen Norm das Leitbild des Warenhandels zu etablieren. Zustimmung verdient der strenge Redlichkeitsmaßstab des Entwurfes, der auch für den Erwerb von einem Unternehmer gelten soll. Läßt man Gutglaubensschutz nämlich auch bei abhanden gekommenen Sachen zu und trägt den gesteigerten Verkehrsinteressen schon durch das reine Rechtsscheinprinzip Rechnung, dann ist es erforderlich, wenigstens auf Seiten des Erwerbers einen strengen Maßstab anzulegen (§ 6 IV).
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§ 7 Übereignungsformen 48. Bei der umstrittenen Frage der für einen redlichen Erwerb tauglichen Übergabsformen sind drei Problemfelder zu unterscheiden: Erstens die Frage der maßgeblichen Rechtsscheingrundlage, wobei dem Besitz die Besitzverschaffungsmacht gleichzustellen ist. Zweitens das Erfordernis eines „Näherherantretens“ des Erwerbers an die Sache, das mit der Problematik eines „heimlichen Gutglaubenserwerbs“ und dem Gedanken der Gefahrenbeherrschung in Zusammenhang steht. Drittens die Besonderheiten der Redlichkeitsprüfung, die sich daraus ergeben, daß der Erwerber bei einer Übergabe in Surrogatsform mit der Sache nicht unmittelbar in Kontakt tritt, sondern sich eines Erwerbsgehilfen bedient (§ 7 III). 49. Liegt der Abwicklung im Streckengeschäft eine Zession der Forderung des B gegen A an C zugrunde, so scheidet ein Erwerb des C bei Ungültigkeit der abgetretenen Forderung mangels Titels selbst dann aus, wenn das Rechtsverhältnis zwischen B und C wirksam zustande gekommen ist (§ 7 IV B 2). 50. Im Fall der Anweisung ist ein redlicher Erwerb in Analogie zu § 367 ABGB zu bejahen, wenn das Valutaverhältnis intakt ist und der Erwerber C auf die Gültigkeit des Deckungsverhältnisses zwischen A und B vertrauen durfte. Die Besitzverschaffungsmacht des B ist dem unmittelbaren Besitz des Veräußerers nämlich gleichzuhalten und die Befolgung der Anweisung durch A rechtfertigt die Zurechnung des Rechtsscheins in gleicher Weise wie ein Anvertrauen iSd § 367 Satz 1 Fall 3 ABGB (§ 7 IV B 3). 51. Bei einem redlichen Erwerb durch Übergabssurrogate ist zu beachten, daß der Gedanke der Gefahrenbeherrschung auch die interessengerechte Zuweisung der schuldrechtlichen Ausgleichsansprüche und des Insolvenzrisikos erfaßt. In den Fällen des Hand-wahreHand-Prinzips ist deshalb ein „Näherherantreten“ des Erwerbers an die Sache erforderlich: Ein gutgläubiger Erwerb findet nicht statt, solange der Rechtsverlust für den Eigentümer nicht erkennbar ist und er nicht wenigstens schuldrechtlich reagieren kann. Der Eigentümer ist deshalb geschützt, solange er auf Grund einer mit seiner Zustimmung geschlossenen Vertrauensmännerkette weiß, wo und in wessen Händen sich die Sache befindet und die Besitzmittlungskette in keiner vom Eigentümer objektiv wahrnehmbaren Weise gebrochen wurde (§ 7 V A und B 3). 52. Besitzkonstitut und Besitzanweisung sind unproblematisch, wenn dem redlichen Mobiliarerwerb das reine Rechtsscheinprinzip zugrunde liegt (§ 367 Satz 1 Fall 1 und Fall 2 ABGB, § 371 ABGB, § 366 Abs 4 HGB). Da das Gesetz in diesen Fällen auf eine Zurechnung des Rechtsscheintatbestandes verzichtet und der Gefahrenbeherrschung kei-
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ne Bedeutung beimißt, kann die besitzrechtliche Stellung des Eigentümers zur Sache nämlich auch im Hinblick auf die tauglichen Übergabsformen keine Rolle spielen (§ 7 V B 1). 53. Auch in den Fällen des Hand-wahre-Hand-Prinzips reichen alle Übergabsformen aus, wenn der Eigentümer seine Sache einem Warenkaufmann anvertraut hat (§ 366 HGB), sie einem anderen zum Verkauf übergibt (§ 1088 Satz 2 ABGB) oder ein Fall der gescheiterten Einzelrechtsnachfolge vorliegt (§ 367 Satz 1 Fall 3 ABGB). In solchen Fallkonstellationen hat der Eigentümer seine Sache nämlich selbst einer Umsatzsphäre eingegliedert und damit der erhöhten Gefahr eines Rechtsverlustes ausgesetzt (§ 7 V B 1). 54. Ist eine Übergabe in Surrogatsform zulässig, so hat sich der Erwerber das erwerbsspezifische Wissen seiner Gehilfen zurechnen zu lassen. Nur auf diese Weise kann eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber einer Übergabe von Hand zu Hand vermieden werden (§ 7 VI).
§ 8 Redlichkeit 55. Die Redlichkeit ist keine Erwerbsvoraussetzung, sondern die Unredlichkeit ein Erwerbshindernis, dessen Vorliegen der Eigentümer zu beweisen hat. Allerdings trifft den Erwerber hinsichtlich der näheren Umstände des Erwerbs eine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht, deren Verletzung im Rahmen des § 272 ZPO zu würdigen ist (§ 8 II). 56. In den Fällen des § 367 ABGB schadet dem Erwerber schon leichte Fahrlässigkeit. Bei Geld und Inhaberpapieren ist hingegen der Haftungsmaßstab des Art 16 WG, Art 21 SchG und § 365 HGB anzuwenden, so daß ein Gutglaubenserwerb nach § 371 ABGB erst an grober Fahrlässigkeit scheitert (§ 8 V A). 57. Der Gedanke des Verkehrsschutzes macht deutlich, daß stets nur ein objektiv unverdächtiger Erwerb Schutz genießt. An die Redlichkeit ist deshalb ein objektiver Maßstab anzulegen. Dies läßt sich aus § 368 ABGB ableiten, der keine eigenständigen Tatbestandsmerkmale enthält, sondern eine Objektivierung der Redlichkeit anordnet (§ 8 V B). 58. Der objektive Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach jener Personengruppe, der der Erwerber angehört, so daß branchen- und berufstypische Fähigkeiten und Kenntnisse zu berücksichtigen sind (§ 8 V B). 59. Bei einer Verletzung der Nachforschungspflichten scheidet ein redlicher Mobiliarerwerb selbst dann aus, wenn die gebotenen Nachforschungen nicht zu einer Aufklärung des wahren Sachverhaltes geführt hätten. Nur tatsächlich vorhandenes und nicht bloß hypothetisches Vertrauen erweist sich als schutzwürdig (§ 8 V C).
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60. Auf Grund der Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen variiert der an die Redlichkeit anzulegende Sorgfaltsmaßstab je nach der Stärke des Rechtsscheintatbestandes. Dies zeigt sich schon im Verhältnis von Besitz und Grundbuch, bei dessen Überprüfung geringere Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind und eine unterlassene Einsichtnahme nicht schadet, hat aber auch innerhalb des redlichen Fahrniserwerbs Bedeutung: So differieren die Anforderungen an die Redlichkeit im Rahmen des § 366 HGB je nach Art des ausgeübten Handelsgewerbes, die Sorgfaltspflichten bei einer Übergabe in Surrogatsform sind strenger zu handhaben als bei einer körperlichen Übergabe. Schließlich ist auch einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse Rechnung zu tragen, weshalb eine Ausweitung der Fälle mittelbaren Besitzes eine Verschärfung der Erkundigungsobliegenheiten nach sich ziehen kann (§ 8 VI).
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Sachverzeichnis A Abhandenkommen 18 f, 223 ff, 250 ff – kein Erwerbsausschluß s Rechtsscheinprinzip, reines – und Vertretungsmacht 330 f – s auch Zurechnung Abstraktionsprinzip 26, 27, 32 f, 134 ff – und redlicher Erwerb 139 ff – und römisches Recht 79 f, 136 FN 745 – und Verkehrsschutz 137 ff Abtretung – und Abstraktionsprinzip 141 FN 778 – des Herausgabeanspruchs 34 f, 182 ff, 195, 340 f, 370 ff, 395 – und redlicher Erwerb 141 FN 778, 153 ff, 156 FN 821 – zum Schein 154 – und Streckengeschäft 352 ff Abwägungsgesetz 2 FN 5, 66; s auch Prinzipienabwägung Affektionsinteresse 55, 62 Ähnlichkeitsvermutung, rechtsvergleichende 27 f, 28 FN 154 Alleingewahrsame, Erfordernis 263 f, 270 f Allgemeines Landrecht 98, 101 f, 110 ff, 115, 135 f, 287 Allgemeininteresse 63 f; s auch Rechtfertigung, überindividuelle; Verkehrsschutz amerikanisches Recht 14 FN 64, 143 f, 302, 402; s auch anglo-amerikanisches Recht Analogie 117 FN 660, 309 f – zu § 368 ABGB 407 – zu §§ 1297, 1299 ABGB 403 – zu § 456 ABGB 21 – zu § 366 HGB 307, 308 ff, 316 ff
– und Anscheinsvollmacht 215, 216 ff, 329 f – und Redlichkeit 403, 407 – und Scheinkaufmannslehre 307 FN 1584, 328 – und Streckengeschäft 354, 357 – und Zurechnung 253 f, 262, 274 – und Zurückbehaltungsrecht 199 FN 1052 Anefangsklage 84 f, 108 FN 602 Anfechtbarkeit – des Titels 142 ff, 261 ff; s auch Titelmängel – des Verfügungsgeschäftes 33 FN 176, 143 FN 783 anglo-amerikanisches Recht 14 FN 64, 26, 143 f, 178, 262 f; s auch amerikanisches Recht; englisches Recht Anscheinsverfügungsermächtigung 215, 216 ff, 220, 329 f Anscheinsvollmacht 159, 207 FN 1075, 214 f, 311 FN 1603 – analoge Anwendung 215, 216 ff, 329 f Anweisung 356 ff argumentum a minori ad maius s Größenschluß Ausgleichsansprüche, schuldrechtliche 57, 246, 247 ff, 257, 279, 303 FN 1564, 366 f, 383 Auskunftspflicht 393 – Codex Theresianus 108, 247 FN 1280 – niederländisches Recht 19, 247 FN 1280, 303 FN 1562 Außenvollmacht 158 FN 834 – analoge Anwendung 218 Autorität, staatliche 76, 280, 286 f, 292 ff
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Sachverzeichnis
B Basiswertung 67 f, 277, 279 f Bereicherungsanspruch – und Abstraktionsprinzip 32 ff, 135 FN 739 – und abgeirrte Exekution 289 – konkursfester 58 FN 301 – und Streckengeschäft 354 FN 1766, 355 FN 1773 – s auch Ausgleichsansprüche Bergelohn 21 f Beschlagnahme 261 FN 1340 Besitz – durch Anscheinsmerkmale verstärkter 174 ff – eigenmächtige Änderung 343 f, 378 f – mehrstufiger 163, 164, 376, 379 f – mittelbarer 162, 163, 164, 182 ff, 185 ff, 351 f, 395, 419 f – als Rechtsscheingrundlage 60 f, 165 f, 167 ff, 181 f, 193 ff, 198 ff, 351 f, 417 f, 419 f – selbständiger 132 FN 731, 164, 166, 345 f – Umfang der Rechtsscheinwirkung 198 ff – unmittelbarer 162, 163, 164, 181, 188 f, 351, 419 f – unselbständiger 164, 345 f – s auch Besitzbegriff; Eigenbesitz; Fremdbesitz; Rechtsbesitz Besitzanweisung 6 f, 34 FN 181, 185 ff, 195 f, 346 f, 351 f, 366 ff, 383 ff, 386, 395, 419 f; s auch Übereignungsformen; Übergabsformen, taugliche Besitzaufgabe, vollständige s Besitzverlust Besitzauflassung s traditio brevi manu Besitzauftragung s Besitzkonstitut Besitzbegriff 161 ff – deutscher 162 f – handelsrechtlicher 164 f – österreichischer 161 f – schweizerischer 163 f – s auch Besitz Besitzbruch, offenkundiger 376 ff, 381 ff Besitzdiener 162, 163, 164, 265 ff, 330, 384
Besitzkonstitut 6 f, 30, 34 f, 37, 50 f, 132 ff, 181, 185 FN 997, 249 f, 339 ff, 351, 361 ff, 383 ff – Heimlichkeit 187, 249 f, 281 f, 340, 364 ff, 383 – gleiche Vertrauenserweise 339, 344 f, 361 ff, 367 – s auch Übereignungsformen; Übergabsformen, taugliche Besitzleiter, mehrstufige 163, 164, 376, 379 f Besitzmittler 162, 163, 182, 185 FN 997, 188 f, 255, 380 f, 383, 384 f Besitzschutz 163 FN 852, 268, 270 Besitzverlust, vollständiger 35, 134, 340 Besitzverschaffungsmacht 171 FN 902, 179 ff, 195 f, 351 f, 357 f, 395, 419 f Besitzwille 161 f, 164 FN 858; s auch Willensänderung Bestandschutz 1 f, 55 f; s auch Eigentumsschutz Bestandsinteresse 55 f; s auch Sachinteresse betrügerisches Herauslocken 259 f Beweislast – allgemeine Regel 275, 295 FN 1519, 392 f – bei Anvertrauen und Abhandenkommen 274 ff – im Codex Theresianus 104, 108, 390 – bei Ersitzung 390, 392 – und Mitwirkungspflicht 393 – und Nachforschungspflicht 393 – für die Rechtsscheingrundlage 295, 303, 393 – für die Redlichkeit 22, 389 ff – und Sphärengedanke 275 f, 392
C Chance der Realisierung schuldrechtlicher Ansprüche 57, 246, 247 ff, 249 f, 257, 279, 303 FN 1564, 366 f, 383 cheapest cost avoider 245 f; s auch ökonomische Analyse Codex Maximilianeus Bavaricus 102 Codex Theresianus 85 FN 453, 92, 101 ff, 247 FN 1280, 390, 404 Common Law s anglo-amerikanisches Recht
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D DDR, Recht der 13 FN 61 Deckungsverhältnis, fehlendes 353 f, 357 ff Detentionswille 162 FN 848, 164 FN 858; s auch Willensänderung deutsches Recht – geltendes passim, insb 3 f, 32 ff, 126 f, 134 ff, 155 ff, 162 f, 166, 168, 172, 182 ff, 198 FN 1049, 199 FN 1052, 223 f, 250 ff, 255 f, 265 ff, 271 f, 283, 290, 317 f, 340 f, 351 FN 1760, 370 ff, 417 – historisches 81 ff, 126, 265 Diebstahl, ökonomische Analyse 123 FN 683, 245 FN 1274 – s auch Abhandenkommen; Entwendungsrisiko Diebstahlssicherung 159, 233 FN 1185, 281 Disposition über den Besitz s Besitzverschaffungsmacht Doppelspiel 249 f, 371, 372 f, 380 f Doppelverkauf s Mehrfachveräußerung Dritthandverfahren 85 FN 453 Drohung 260 f Duldungsverfügungsermächtigung 219; s auch Anscheinsverfügungsermächtigung Duldungsvollmacht 219 FN 1131 – analoge Anwendung 215, 219 – s auch Anscheinsvollmacht Durchgangserwerb 360
E Eigenbesitz 162 f, 165 FN 861, 166, 198 FN 1049, 201 FN 1058, 205, 341 Eigentumsschutz 1 f, 65 ff, 123 f – verfassungsrechtlicher 4, 56, 63, 64 FN 326 – s auch Bestandschutz Eigentumsvermutung 157, 165, 171 f, 198 f, 203 Eigentumsvorbehalt 197, 219, 313, 314 f, 369, 410, 420 ff – und Rechtsvereinheitlichung 43 ff Einigung, dingliche 32 f, 134 ff, 139 FN 768, 356 f Einzelrechtsnachfolge, gescheiterte 257 f, 261 ff, 369
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englisches Recht 14 FN 64, 131, 143 f; s auch anglo-amerikanisches Recht Enteignung durch redlichen Erwerb 4 Entgeltlichkeit 26 f, 29 f, 33 f, 109, 115, 127, 148, 154; s auch Zahlung, Maßgabe der Entwendungsrisiko 246; s auch Risikozuweisung Entwurf Horten 110 Entwurf Martini 29 FN 159, 64, 101 f, 114 ff, 168 Ersitzung 126 ff, 390, 392, 407 f – römisch-rechtliche s usucapio Erwerb – gesetzlicher 199 FN 1052 – vom Nichtberechtigten s gutgläubiger Erwerb – objektiv unverdächtiger 70, 119, 177, 186, 303, 404 f, 407, 413; s auch Rechtsscheinbasis, mangelhafte – originärer 168 f – rechtsgeschäftlicher 199 Erwerbsgehilfe, Wissenszurechnung 384 ff Erwerbsinteresse 56 estoppel-Prinzip 178, 242 europäische Rechtsvereinheitlichung 38 ff Exekution, abgeirrte 289
F Fahrlässigkeit 7, 31, 35, 149, 288, 297 f, 336, 396 ff, 402 ff; s auch Redlichkeit Forderungserwerb, gutgläubiger 141 FN 778, 153 ff, 159 Frachtführer 199 FN 1052, 315, 332 FN 1695, 368 französisches Recht 19, 20, 24, 25 f, 27, 68 FN 344, 105 FN 583, 127 f, 130 ff, 302, 341 f Fräsmaschinenfall 249 FN 1285, 370 ff Fremdbesitz 162 f, 201, 203 Funktionswandel 100 f, 196 f
G Gebrauchtwagen, Erwerb 176 f, 288, 414, 422
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Sachverzeichnis
Gefahrenbeherrschung 59 f, 66, 67, 147, 236, 241 ff, 246 ff, 252 f, 254 f, 257, 270 f, 279, 400 f – durch Diebstahlssicherung 159, 233 FN 1185, 281 – und Übergabsformen 249 f, 281 f, 361 ff, 366 ff, 383 – s auch Risikoprinzip; Risikozuweisung Geheißerwerb 184 FN 991, 195, 358; s auch Streckengeschäft Geld 24, 148, 152, 157 f, 280, 367, 397 f – Vermengung 81 Gerechtigkeit 64, 66 f, 160, 225 FN 1150, 233 Geschäftsfähigkeit, mangelnde 271 ff Gewahrsame 61, 161 f, 164 ff, 250 f, 273 – eigenmächtige Änderung 343 f, 378 f – und Rechtsschein 165 f, 198 FN 1049, 201, 202 ff – s auch Alleingewahrsame; Detentionswille Gewährenzug 85 FN 453, 108 Gewährschaftsgedanke 247 f Gewerbsmann, befugter 148 f, 152, 202, 291 ff, 304 f, 401 f – und gutgläubiger Pfandrechtserwerb 7 FN 30, 315 FN 1618 – und Reform 332, 334 ff; s auch Handelsrechts-Änderungsgesetz; Unternehmer – und Übergabsformen 347 f, 366 f – s auch Scheingewerbsmann Gewere 83 ff, 270, 275 griechisches Recht 19, 23, 24, 139 FN 767 Größenschluß 217 f, 258, 262, 297, 309 FN 1598, 359, 397 f Grundbuch 155 FN 817, 160, 169 ff, 394, 414 ff, 417 f Grundgeschäft – Art 25 ff – mangelhaftes s Titelmängel Güterzuordnung, sachenrechtliche 1, 55 f, 57 f, 129, 133 FN 732, 159, 206, 381, 416 gutgläubiger Erwerb – von Forderungen 141 FN 778, 153 ff, 159 – von Geld 24, 148, 152, 157 f, 280, 367, 397 f – und gesetzlicher Erwerb 199 FN 1052
– vom befugten Gewerbsmann 148 f, 152, 202, 291 ff, 304 f, 347 f, 366 f, 401 f – von Inhaberpapieren 24, 148, 152, 155, 157, 367, 397 f, 418 – vom Kaufmann 7 f, 31 f, 148 f, 202, 293, 298 ff, 368 ff, 400, 408, 419 – und Kollisionsrecht 42 FN 218 – lastenfreier 309 FN 1598, 332 f – von Orderpapieren 156 f, 278; s auch Scheck; Wechsel – eines Pfandrechts 6, 7 FN 30, 21, 199 FN 1052, 315 FN 1618, 332 FN 1695, 333 FN 1698 – von einer Privatperson 69 f, 147, 204 f, 368 – und rechtsgeschäftlicher Erwerb 199 – Rechtsnatur 168 f – und Rechtsvereinheitlichung 45 ff – und Rektapapiere 156 FN 821 – eines Schecks 156 f, 279 f, 397, 418 – vom Scheinerben 147 f, 155 FN 817, 290 FN 1492 – vom Scheingewerbsmann 327 f – vom Scheinkaufmann 220 f, 318 ff – vom Scheinunternehmer 336 f – und Streckengeschäft 352 ff – vom Unternehmer 205, 331 ff, 367, 401 f, 419 – bei fehlender Verfügungsbefugnis 30 f, 35, 37, 48, 51, 201, 202 ff, 205 ff, 297, 310 ff, 332, 337; s auch Anscheinsverfügungsermächtigung – in öffentlicher Versteigerung 24, 152, 282 ff, 367 – vom Vertrauensmann 59 ff, 67, 147, 151, 202 ff, 223 ff, 250 ff, 277, 367 f, 383 – bei fehlender Vertretungsbefugnis 207 FN 1075, 214 f, 311 FN 1603, 330 f – eines Wechsels 154 FN 813, 156 f, 279 f, 397, 418 – des Zurückbehaltungsrechts 199 FN 1052 Gutgläubigkeit s Redlichkeit
H Haager Kaufgesetze 41 f, 43 f, 47 Hand-wahre-Hand-Prinzip 9 f, 11 f, 18 f, 29, 32, 90 f, 147, 148 f, 298 f, 334, 336 – historische Entwicklung 81 ff, 97 ff, 118
Sachverzeichnis – und Übergabsformen 366 ff, 383 – Vertrauensmannerwerb und Zurechnung 223 ff Handel, Erwerb im s Kaufmann – rechtsvergleichend 23 f, 92, 145, 301 f Handeln auf eigene Gefahr 236; s auch Gefahrenbeherrschung Handeln in fremdem Namen 207 FN 1075, 214 f, 311 FN 1603, 330 f Handelsprivileg, historisches 89 f Handelsrechts-Änderungsgesetz 205, 301, 306, 325 f, 331 ff, 401 f, 419 heimlicher Gutglaubenserwerb 187, 249 f, 281 f, 340, 364 ff, 383 Herausgabeanspruch – Abtretung 34 f, 182 ff, 195, 340 f, 370 ff, 395 – Sperrfunktion 373 ff, 379 f
I in iure cessio 79 f Indossament 156 f, 158 FN 832, 278, 418 Inhaberpapiere 24, 148, 152, 155, 157, 367, 397 f, 418 Innehabung s Gewahrsame Insolvenzrisiko 17 f, 33 f, 58 FN 301, 108, 135 FN 739 – Zuweisung 57, 248 f, 366; s auch Ausgleichsansprüche Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen 188 f, 192, 197, 316, 358, 416 ff Interessen, beteiligte – maßgeblicher Personenkreis 53 ff – von Eigentümer und Erwerber 55 ff – Abwägung 57 ff – s auch Prinzipienabwägung; Rechtfertigung internationales Privatrecht 42 f Internetauktionen 282 FN 1441 Interpretation – historische 74 – rechtsvergleichende 27 f – teleologische 123 f, 225 FN 1150, 307 Irrtum – über die Person 254 f – über die Sache 258 f italienisches Recht 16 f, 25, 27, 68 FN 344, 123 FN 683, 130 ff, 341 f
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iustitia – commutativa 64 – distributiva 3, 64 – s auch Gerechtigkeit
J juristische Person 330 FN 1686
K Kanonisches Recht 94 Kaufmann, Erwerb vom 7 f, 31 f, 148 f, 202, 293, 298 ff, 368 ff, 400, 408, 419 – Anwendungsbereich 293, 304 ff, 310 ff – Erweiterung durch Analogie 307, 308 ff, 316 ff – geschichtliche Entwicklung 223 f, 298 ff – rechtsvergleichend 301 ff; s auch Handel – und Übergabsformen 368 ff – Verhältnis zum befugten Gewerbsmann 148 f, 293, 297 f, 298 f, 304 f, 334 f, 400 f – s auch Handelsrechts-Änderungsgesetz; Scheinkaufmann Kaufpreis, Erstattung s Bergelohn; Lösungsrecht Kaufrecht, einheitliches 41 f, 43 f, 47 Kausalität des Vertrauens 396 Kausalitätsprinzip s Tradition, kausale Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes 394 f Kollision von Rechtsprinzipien s Prinzipienabwägung Kollisionsrecht 42 f Kommissionär 199 FN 1052, 202, 207, 313 ff, 332 FN 1695 Kompromißlösungen 4 FN 24, 18 ff, 57 f; s auch Lösungsmodelle Konkursrisiko s Insolvenzrisiko Konsensprinzip 14 FN 66, 25, 44, 130 ff, 133 FN 732, 341 f Konstitution Kaiser Zenos 76, 280, 287 Konsumentenkauf 145 Kraftfahrzeug, Erwerb 176 f, 288, 414, 422 Kulturgüterschutz 46, 55
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Sachverzeichnis
L Lagerhalter 199 FN 1052, 315, 332 FN 1695, 368; s auch Zuckerfall lastenfreier Erwerb 309 FN 1598, 332 f Leasing 173, 197, 251, 421 f Legitimationstheorie 86 FN 457, 167 ff lex rei sitae 42 – und redlicher Erwerb 42 FN 218 Liquidationsgeschäfte 296, 305 List 259 f Lösungsmodelle 4, 57 f, 66 f, 124 ff – rechtsgeschichtlich 11 f, 72 ff – rechtsvergleichend 11 ff Lösungsrecht – geltendes Recht 12 f, 20 ff, 36, 145 f – historisches 88 ff, 91, 98, 110 f, 112 – im österreichischen Recht 21 f – bei Verpfändung 20 f LUAB 1968 47 ff, 342, 390 f LUAB 1974 47 f, 52 ff Lübisches Recht 82 FN 433 und 434, 91, 96 ff; s auch Mevius
– und öffentliche Versteigerung 288 Namenspapiere 156 FN 821 Naturrecht 2 f, 95 FN 523, 106, 116 f, 285 FN 1456, 392 Nebenbesitz 372 f, 380 f nemo plus iuris… 55 f, 75; s auch Vindikationsgrundsatz niederländisches Recht 19, 23 f, 24, 25, 26, 145, 247 FN 1280, 284, 302 f, 362
O Obhutsgehilfe 268 ökonomische Analyse des Rechts 60, 122 f, 245 f ökonomische Verhältnisse, Änderung 197, 420 ff Optimierungsgebot 2 FN 5, 65; s auch Prinzipienabwägung Orderpapiere 156 f, 278; s auch Scheck; Wechsel
M
P
mancipatio 79 f market overt-Regel 302 FN 1557 Marktkauf 92, 294 f, 302, 303 – Codex Theresianus 104 – deutsch-rechtlicher 89, 95 FN 524 Mehrfachveräußerung – beim Konsensprinzip 14 FN 64, 130 ff, 341 f – beim Traditionsprinzip 132 ff, 342 Mevius, Kommentar 60, 91, 96 ff, 105 f, 237 Mißbrauchsrisiko, Zuweisung 244 ff, 246 f, 254, 258; s auch Risikozuweisung Mitbesitz 263 f Mobiliarregister 13 FN 60, 16 f, 125 FN 692
Personenkreis, maßgeblicher 53 ff Pfandrecht 6, 7 FN 30, 133 FN 732, 315 FN 1618, 333 FN 1698, 364 f – gesetzliches 199 FN 1052, 332 FN 1695 – und Lösungsrecht 21 polnisches Recht 13 FN 61, 25 portugiesisches Recht 12 f, 23, 125, 302 possession réelle 130 ff, 341 f possesso materiale ed effetivo 132 ff, 341 f praesumptio similitudinis s Ähnlichkeitsvermutung, rechtsvergleichende Prinzipienabwägung 1 f, 65 ff, 123 f, 387 f Privatperson, Erwerb von 69 f, 147, 204 f, 368 Privatrecht, gemeineuropäisches 38 ff Project des Corporis Juris Fridericiani 102 Prozeßtheorie, deutsch-rechtliche 86 FN 457 Publizitätsprinzip 42, 364
N Nachforschungspflichten 197, 410 ff, 420 ff – und Beweislast 393 – Unterlassung 412 ff
Sachverzeichnis Publizitätstheorie, deutsch-rechtliche 86 FN 457, 227 FN 1160; s auch Legitimationstheorie Putativtitel 77 FN 396; s auch Titelmängel
Q Québec, Code civil du 13 f
R Rangerwerb 333 FN 1698 Realakt 252 f Rechtfertigung – überindividuelle 61 f, 63 ff, 129 FN 716, 194, 243, 387 f; s auch Verkehrsschutz – zweiseitige 231 f, 233 FN 1185, 280 f Rechtsbesitz 163 FN 852, 270 FN 1386 Rechtsprinzipien, gegenläufige 1 f, 65 ff, 123 f, 387 f Rechtsschein – durch Anscheinsmerkmale verstärkter 174 ff – des Besitzes 60 f, 165 f, 167 ff, 181 f, 193 ff, 198 ff, 351 f, 417 f, 419 f – und Besitzverschaffungsmacht 171 FN 902, 179 ff, 195 f, 351 f, 357 f, 395, 419 f – des Erbscheins 155 FN 817, 160; s auch Scheinerbe – des Grundbuchs 169 ff, 394, 417 f – und Innehabung 165 f, 198 FN 1049, 201, 202 ff – s auch Rechtsscheingrundlage; Rechtsscheinwirkung Rechtsscheinbasis, mangelhafte 220 f, 281, 327 f – beim befugten Gewerbsmann 296 f, 327 f – beim Unternehmer 336 f – bei öffentlicher Versteigerung 287 f – s auch Scheinkaufmann Rechtsscheingrundlage – Beweislast 295, 303, 393 – Kenntnis 394 f – maßgebliche 160 ff – unterschiedliche Stärke 147, 188 f, 277 ff, 358, 417 ff; s auch Interdepen-
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denz von Rechtsschein und Vertrauen – verstärkte 146, 152, 196, 202, 277 ff, 418 f – s auch Rechtsschein; Rechtsscheinwirkung Rechtsscheinhaftung 152, 153 ff, 158 f, 160 f, 253, 319 FN 1638; s auch Vertrauenshaftung Rechtsscheinprinzip 9 f, 67 f, 151 ff, 187 ff, 227 f – Ablehnung 151 FN 802, 180 FN 963, 184 FN 988, 189 ff – reines 10, 152, 157 f, 159, 232 f, 233 FN 1185, 279 ff, 366 f, 400 ff Rechtsscheintatbestand s Rechtsscheingrundlage Rechtsscheinwirkung, Umfang 198 ff Rechtssicherheit 55, 57 f, 68 FN 347, 159, 206, 381, 416 Rechtsvereinheitlichung, europäische 38 ff Rechtsvergleichung, funktionale 28 FN 154 Rechtsverlust, gegenständliche Beschränkung 159, 233 FN 1185, 281 Redlichkeit 387 ff – Beweislast 22, 389 ff – leichte oder grobe Fahrlässigkeit 7, 31, 35, 149, 288, 297 f, 336, 396 ff – beim befugten Gewerbsmann 149, 296 ff, 400 f – beim Kaufmann 310 ff, 315 f, 400, 407, 419 – Korrektivfunktion 176 f – objektiver oder subjektiver Begriff 399 f, 402 ff – bei öffentlicher Versteigerung 288 f – und Nachforschungspflichten 197, 288, 393, 410 ff, 420 ff – Steuerungsfunktion 416 ff; s auch Interdependenz von Rechtsschein und Vertrauen – und Übergabsformen 188 f, 348, 358, 383 ff, 419 f – beim Unternehmer 335 f, 401 f, 419 – Vermutung 22, 389 ff – Zurechnung von Hilfspersonen 349, 383 ff – s auch Unredlichkeit; Vertrauen Reduktion, teleologische – § 367 ABGB 256 f
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Sachverzeichnis
– § 933 BGB 340 f Register, öffentliche s Grundbuch; Mobiliarregister Rektapapiere 156 FN 821 res extra commercium 67 f FN 344, 77 FN 398 res furtivae 77 f Retentionsrecht, redlicher Erwerb 199 FN 1052 Rezeption des römischen Rechts 92 ff Risikoprinzip 236, 240 ff, 246 ff, 366 Risikozuweisung 59 f, 61, 66, 67, 99, 147, 241 ff; s auch Gefahrenbeherrschung Römisches Recht 11 f, 74 ff, 136 FN 745, 161 FN 845 Rückabwicklungsrisiko 248 FN 1282; s auch Insolvenzrisiko Rückerwerb vom Nichtberechtigten 5 FN 25 Rückkaufsrecht 17 f, 22
S Sachen, anvertraute und abhanden gekommene 18 f, 223 ff, 250 ff; s auch Abhandenkommen; Zurechnung Sachenrecht – statische und dynamische Seite 1, 42 f – Vereinheitlichung 38 ff – Zuordnungsfunktion 1, 55 f, 57 f, 129, 133 FN 732, 159, 206, 381, 416 Sachinteresse 20, 62, 158 FN 832, 208, 262, 280, 368 f; s auch Bestandsinteresse Sachsenspiegel 82 f, 87, 90 FN 489, 105 f, 265 FN 1359 Sale of Goods Act 14 FN 64, 131, 143 f, 262 f Schadensteilung 4, 57 f Scheck 156 f, 279 f, 397, 418 Scheinabtretung s Scheinzession Scheinerbe 147 f, 155 FN 817, 290 FN 1492 Scheinermächtigung s Anscheinsverfügungsermächtigung Scheingeschäft 154 Scheingewerbsmann 327 f Scheinkaufmann 220 f, 307, 318 ff, 337 – kraft Auftretens 319 f, 321 ff, 326 ff – nach § 15 HGB 320 f, 322, 324 f, 328 f
– und Anscheinsverfügungsermächtigung 329 ff Scheinübertragung 154, 216 Scheinunternehmer 336 f Scheinzession 154 Schuldübernahme 352 f Schutz, einseitiger – des Eigentümers 12 ff – des Erwerbers 16 ff – s auch Kompromißlösungen; Lösungsmodelle schwedisches Recht 17 f, 22, 25 schweizerisches Recht passim, insb 36 f, 126 f, 142 f, 155 ff, 163 f, 166 FN 868, 170 f, 172, 185 FN 997, 199 FN 1052, 224 f, 250 ff, 258 f, 283 f, 343, 345 f, 389, 392, 409 Selbstverantwortung, Grundsatz der 228 ff, 233 seller in possession 131 f Sicherungsübereignung 21, 173, 364 f, 369 FN 1831, 420 f sozialistisches Eigentum 67 f FN 344 spanisches Recht 14 f, 19, 20, 23, 24, 302 f Spediteur 199 FN 1052, 315, 332 FN 1695, 368 staatliches Eigentum 67 f FN 344 Statutentheorie 97 f, 309 FN 1594 Streckengeschäft 195 f, 352 ff – Anweisungslage 356 ff – unmittelbare Rechtsgrundlage 352 ff – bereicherungsrechtliche Rückabwicklung 354 FN 1766, 355 FN 1773 – s auch Deckungsverhältnis; Valutaverhältnis Subprinzipien 66 f, 231 f; s auch Prinzipienabwägung System, bewegliches 68 FN 347; s auch Basiswertung
T Täuschung 259 f Teilzahlung 58 FN 301 Titelmängel 25 f, 127, 214 f, 311 FN 1603 – bei Veräußerungsketten s Vormännerkette traditio brevi manu 181, 351
Sachverzeichnis traditio, römisch-rechtliche 79 f, 136 FN 745 Tradition – abstrakte s Abstraktionsprinzip – kausale 25, 29, 36 f, 135 f, 142 ff, 262, 311 FN 1603 Traditionsprinzip 30, 34 f, 37, 132 ff, 339, 342, 364 Transaktionskosten 60, 122; s auch ökonomische Analyse Trennungsprinzip 32, 44, 134 Trödler, Erwerb vom 31, 206 ff, 368 f tschechisches Recht 13 Typenschein 176 f, 288, 414, 422
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Universalsukzession 263 UN-Kaufrecht 41 f, 44, 47 Unredlichkeit als Erwerbshindernis 388, 389 ff; s auch Redlichkeit Unternehmensgesetzbuch s Handelsrechts-Änderungsgesetz Unternehmer, Erwerb vom 205, 331 ff, 367, 401 f, 419 Urentwurf 114 ff; s auch Entwurf Martini usucapio 77 ff, 81, 94 f, 126 – pro herede 344 FN 1729
V U Übereignungsformen 339 ff – und Gefahrenbeherrschung 249 f, 281 f, 361 ff, 366 ff, 383 – und Näherherantreten an die Sache 131 f, 134, 340, 341 f, 345, 366, 379 ff – Problemfelder 348 ff – und Rechtsscheingrundlage 181 ff, 195 f, 351 ff – und Redlichkeitsprüfung 188 f, 348, 349, 358, 383 ff, 419 f – s auch Besitzanweisung; Besitzkonstitut; traditio brevi manu; Übergabsformen, taugliche Übergabe – durch Erklärung s Besitzanweisung; Besitzkonstitut; traditio brevi manu – körperliche 181, 195, 351 – kurzer Hand s traditio brevi manu – durch Zeichen 181 Übergabsformen, taugliche 6 f, 30, 34 f, 37, 50 f, 130 ff, 181 ff, 195 f, 249 f, 281 f, 339 ff – beim reinen Rechtsscheinprinzip 281 f, 366 f – beim Hand-wahre-Hand-Prinzip 366 ff, 379 ff – s auch Übereignungsformen Umlauffähigkeit, gesteigerte 145, 148, 152, 157 f, 159, 418 unentgeltlicher Erwerb s Entgeltlichkeit ungarisches Recht 13 FN 61, 22 UNIDROIT-Entwürfe 46 ff, 284, 342, 390 f Uniform Commercial Code 14 FN 64, 143 f, 178, 262 f, 302, 402
Valutaverhältnis, fehlendes 360 f Veranlassungsprinzip 233 ff Veräußerungsketten, mehrgliedrige s Vormännerkette Verfassungsrecht, Bedeutung s Eigentumsschutz, verfassungsrechtlicher Verfügungen, Schutz von 159 Verfügungsbefugnis, fehlende 30 f, 35, 37, 48, 51, 201, 202 ff, 205 ff, 297, 310 ff, 332, 337; s auch Anscheinsverfügungsermächtigung Verjährung 128 f Verkaufsauftrag 206 ff, 368 f Verkaufsermächtigung, externe 218 Verkaufsvollmacht 214 f; s auch Handeln in fremdem Namen Verkehrsinteressen, gesteigerte 68, 144 ff, 147 f, 152, 157 f, 278 f, 286 Verkehrsschutz 1 f, 9, 28 FN 154, 42, 63 ff, 121 ff, 159, 194 FN 1035, 387 f – Abstufbarkeit 119, 144 ff, 147 ff, 232 f; s auch Verkehrsinteressen – und Abstraktionsprinzip 79 f, 137 ff – und Ausgestaltung der Übereignung 130 ff – und Ersitzung 126 ff – geschichtliche Entwicklung 81, 87 ff, 99 ff, 109, 112 f, 116 f – und kausale Tradition 142 f, 262 f – und Konsensprinzip 130 ff, 341 f – und Sachenrechtssystem 124 ff – und staatliche Autorität 76, 280, 286 f, 292 ff – und Systematik redlichen Erwerbs 144 ff
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Sachverzeichnis
– und Traditionsprinzip 130, 132 ff, 341 f – s auch Prinzipienabwägung; Rechtfertigung, überindividuelle verlorene Sachen s Abhandenkommen Verschuldensprinzip 237 ff Verschweigung 284 f – deutsch-rechtliche 126 FN 695 Versicherbarkeit des Risikos 159, 233 FN 1185, 281 Versteigerung, öffentliche 24, 152, 282 ff, 367 Vertrag – dinglicher 32 f, 134 ff, 139 FN 768, 356 f – zugunsten Dritter 352 ff Vertrauen – und Disposition 396 – und Kenntnis des Rechtsscheintatbestandes 394 f – mittelbares 394 f, 414 f – s auch Vertrauensprinzip Vertrauenserweise, gleiche 339, 344 f, 361 ff, 367 Vertrauenshaftung 10, 68, 153 ff, 158 f, 160 f, 229, 230 f, 253; s auch Rechtsscheinhaftung Vertrauensmann, Erwerb vom 59 ff, 67, 147, 151, 202 ff, 223 ff, 250 ff, 277, 367 f, 383; s auch Hand-wahre-HandPrinzip; Zurechnung Vertrauensmännerkette 254 ff Vertrauensprinzip 1, 59, 63, 66, 160 f, 194 f, 387 f Vertrauensschutzinteresse 56 Vertretungsmacht – und Abhandenkommen 330 f – fehlende 207 FN 1075, 214 f, 217 f, 311 FN 1603; s auch Anscheinsvollmacht Verwirkungsfrist 13 FN 61, 14 FN 70, 19, 36 Vindikationsgrundsatz 3, 11 f, 55 f, 75 f, 92 f, 102, 110, 114, 115, 117 Voidable-title-Doktrin 14 FN 64, 143 f, 178, 262 f Vollmacht, fehlende s Vertretungsmacht Vormännerkette, Titelmängel in der 32 f, 141 ff, 262 f – bei Kettenzession 141 FN 778 – s auch Einzelrechtsnachfolge, gescheiterte
W Wechsel – redlicher Erwerb 154 FN 813, 156 f, 279 f, 397, 418 – und Rechtsscheinhaftung 154 FN 813 Werkunternehmerpfandrecht 199 FN 1052 Wertinteresse 55, 56, 62, 208, 262, 280, 368 f Wertpapiere 155 ff, 278, 279 f; s auch Inhaberpapiere; Orderpapiere Wertverfolgungsgedanke 58 FN 301 Willensänderung, eigenmächtige 343 f, 378 f Willensmängel 253 ff Wissenszurechnung 384 ff
Z Zahlung, Maßgabe der 5 FN 26, 58 FN 301 Zession s Abtretung Zuckerfall 249 FN 1285, 370 ff Zuordnungsfunktion, sachenrechtliche 1, 55 f, 57 f, 129, 133 FN 732, 159, 206, 381, 416 Zurechnung des Rechtsscheins 223 ff – Alleingewahrsame 263 f, 270 f – Begriff 228 ff – Besitzdiener 265 ff, 330 f – Beweislast 274 ff – gescheiterte Einzelrechtsnachfolge 257 f, 261 ff – nachfolgende Gewahrsamsträger 255 ff – und Haftungsgrund 230 ff – Irrtum über die Person 254 f – Irrtum über die Sache 258 f – bei juristischer Person 330 FN 1686 – List, Drohung, Zwang 259 ff – Mindestvoraussetzungen 229 f – Universalsukzession 263 – bei Vertrauensmännerkette 254 ff – Verzicht auf Erfordernis s Rechtsscheinprinzip, reines – Willensmängel 253 ff – s auch Abhandenkommen; Rechtsscheinprinzip Zurechnungsfähigkeit 229, 271 ff
Sachverzeichnis Zurechnungsprinzip 223 ff, 226 ff, 233 ff, 252 Zurückbehaltungsrecht, redlicher Erwerb 199 FN 1052
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Zuweisung schuldrechtlicher Ansprüche 57, 246, 247 ff, 257, 279, 303 FN 1564, 366 f, 383 Zwang 260 f