Nr. 1463
Geburt eines Cantaro von Ernst Vlcek Die Hauptpersonen des Romans: Yttalar - Ein „Generalfähnrich- von Sampso...
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Nr. 1463
Geburt eines Cantaro von Ernst Vlcek Die Hauptpersonen des Romans: Yttalar - Ein „Generalfähnrich- von Sampson Shoudar-Yttalars Kontrahent Ayshupon - Oberster Schulungsleiter von Sampson Perry Rhodan – Der Terraner auf einer Brutwelt der Cantaro. Gucky - Der Mausbiber auf Extratour
1. Gleich nach der Landung des cantarischen Robotschiffes hatten sich die zehn blinden Passagiere mitsamt den fünf Robotern und der Ausrüstung in die Wildnis des Planeten Sampson abgesetzt. Es war alles nach Plan verlaufen. Der Flug war komplikationslos gewesen, und auch nach der Landung waren sie nicht entdeckt worden. Es hatte auch später keine besonderen Schwierigkeiten gegeben, wenn man davon absah, daß sie bereits zweimal den Standort hatten wechseln müssen. Zuerst waren sie von einer cantarischen Robotpatrouille aufgescheucht worden, das zweitemal waren sie an einem Teich mit einer Quelle gelandet, der den Tieren des Waldes als Tränke diente. Gucky hatte darauf bestanden, die Tiere nicht von ihrem Platz zu verreiben. „Hier schlagen wir das Lager auf“, hatte Perry Rhodan am dritten Standort erklärt. „Oder hat jemand Einwände vorzubringen?“ Diesmal gab es keine Einwände und drei der fünf Roboter konnten beginnen, den Boden für den subplanetaren Stützpunkt auszuheben; der Aushub wurde einfach atomisiert. Die beiden anderen Roboter begannen mit der Vermessung des Geländes. Es bestand :eine Gefahr, daß sie geortet werden konnten, denn sie waren weit genug von den Anlagen der Cantaro entfernt. Sie befanden sich auf einem der dichtbewaldeten Hügel nördlich des Raumhafens, auf der den Hauptanlagen gegenüberliegenden Seite. Die Roboter orteten insgesamt neun Gebäude, die die charakteristische Form von Klonfabriken hatten. Acht von ihnen waren auf dem Areal von 1000 Quadratkilometern relativ weit verstreut und jeweils von vielen kleinen barackenartigen Häusern, offenbar den Unterkünften für Klone, umgeben. Erst die neunte Klonfabrik war wesentlich kleiner als die anderen und stand in dem Talkessel mit dem Raumhafen, dicht an diesem und südlich davon. An diese Klonfabrik grenzten nur vier Gebäude, die durch eine etwas aufwendigere Bauweise hervorstachen. Die drei Anoree Gawal, Degruum und Shyrbaat, hatten eine Lichtung aufgesucht und starrten von dort auf die Lichter des Raumhafens hinunter. Es gab im Augenblick nichts zu besprechen, und darum ließ Perry Rhodan sie unter sich. Gucky hatte offensichtlich Langeweile, denn er kommandierte die Roboter ganz unnötig. Harold Nyman, Nadja Hemata und der hünenhafte Gulliver Smog waren mit der Sortierung der Einzelteile des Transmitters beschäftigt. Tyly Chyunz stand unbeteiligt hinter ihnen und beobachtete sie bei ihrem Tun. „Der Mond steht voll am Himmel und ...“, begann der Blue und verstummte dann, als hätte er den Faden verloren. Rhodan warf ihm einen forschenden Blick zu, aber sonst achtete niemand auf ihn. Er blähte seinen Brustkorb und setzte zu einem neuen Versuch an, der jedoch ebenso unvollendet blieb: „Und der Mond stand voll am Himmel ...“ „Laß es genug sein! „ rief Gucky ihm zu. „Du bist heute nicht gut drauf.“ Als hätte der Blue nur darauf gewartet, daß ihm jemand Aufmerksamkeit schenkte, eilte er zu dem Mausbiber. „Welcher Anfang für eine Ode an Sampson gefällt dir besser, Gucky?“ erkundigte sich Tyly Chyunz. „Ich sagte dir schon, daß du heute nicht gut drauf bist“, antwortete der Mausbiber. „Ist dir denn noch nicht aufgefallen, daß Sampson gar keinen Mond hat?“ 2. Dies war Shoudars 600. Geburtstag. Er war fast 20 Monate alt. Und somit ein erwachsener Cantaro, ein Generalfähnrich, der knapp vor seiner Beförderung zum General stand. Beförderung war vielleicht nicht der richtige Ausdruck - es war mehr eine Initiierung. Es gab für Shoudar nur noch ganz wenige Verbote, einige davon waren allerdings sogar durch seinen Rang bedingt, denn ein Generalfähnrich konnte sich nicht so gehenlassen wie ein normaler Cantaro. Ein Generalfähnrich war zur absoluten Disziplin verpflichtet. Zwar sollte man meinen, daß ein Klon alle gewünschten Fähigkeiten und Eigenschaften aus der Retorte mitbekommen habe, aber es gab auch unter den Klonen solche und solche. Wie das Beispiel Yttalar zeigte. Selbst unter den Spezialzüchtungen waren Fehlprodukte nicht ganz auszuschließen. Als Generalfähnrich war Shoudar etwas Besonderes. Er hatte eine steile Karriere vor sich und viel Ruhm und Ehre
in Aussicht. Und er hatte den Ehrgeiz, die Spitze der Machtpyramide zu erklimmen. Shoudar wollte es zu nicht weniger als zum Strategen bringen. Mit Hinblick auf seine Karriere kam ihm Yttalar gerade recht. Jedoch paßte es ihm gar nicht, daß sein auserwähltes Opfer sich mit ihm zu fraternisieren versucht hatte. Zeigte doch schon allein diese Eigenschaft, sich einem Artgenossen in Freundschaft zuzuwenden, daß Yttalar ein Fehlprodukt war. Äußerlich unterschied sich Yttalar kaum von Shoudar, eben nur durch die gewollten individuellen Merkmale. Auch bezüglich des organischen und syntronischen Innenlebens, die verschiedenen Module und die halborganischen Implantate betreffend, waren die Unterschiede gewollt. Es gab jedoch ein oberstes Gebot dafür, wodurch sich ein Generalfähnrich nicht vom anderen unterscheiden durfte: Das waren seine Linientreue und sein Korpsdenken. Aber gerade in diesen wichtigen Punkten, der Geisteshaltung und der Grundeinstellung, wich Yttalar von der Norm ab. Da war sich Shoudar ganz sicher. Yttalars eigenartiges Verhalten hatte schon vor Wochen begonnen, eigentlich zu dem Zeitpunkt, da diese seltsamen Funksprüche Sampson zum erstenmal erreichten - beziehungsweise, als diese Tatsache offiziell bekanntgegeben wurde. An Shoudars 520. Geburtstag, um genau zu sein. Die Sonne Nizhda lag in Richtung Westside rund 12.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt. Nizhda wurde offiziell als Sol-Typ bezeichnet, der Spektralklasse G2 V zugeordnet und besaß acht Planeten. Der dritte davon war Sampson und umlief die Sonne in einer mittleren Entfernung von etwas weniger als 140 Millionen Kilometern. Shoudar benutzte diese Maßeinheiten wie alle anderen Cantaro auch, obwohl er eine Aversion gegen diese Terranisierung hatte. Der Planet bestand zu 65 Prozent aus Wasser, die Landmassen verteilten sich auf sechs Kontinente. Der größte davon trug immer noch den Namen, den ihm einst terranische Siedler vor eineinhalb Jahrtausenden oder länger gegeben hatten, nämlich Eleuthera. Es hieß, daß diese einstige Kolonie des Solaren Imperiums bis zum Jahre 3000 A. D., also schon 600 Jahre vor Beginn der gültigen Zeitrechnung, besiedelt gewesen war, dann aber aus heute unbekannten Gründen aufgelassen wurde. Mehr an Geschichte hatte Sampson nicht aufzuweisen. Nun war der Planet eine Brutwelt von Shoudars Volk. Aber hier wurden nicht nur gewöhnliche Cantaro gebrütet, sondern in einer speziellen Klonfabrik auch solche für höhere Aufgaben. Nämlich Generalfähnriche, aus denen Generale der cantarischen Streitkräfte und später möglicherweise auch Strategen hervorgehen sollten. Stratege, das war die höchste erreichbare Position für einen Cantaro - Shoudars großes Ziel. Die Brutfabriken waren wie einst die .Siedlungen der Terraner ebenfalls auf Eleuthera errichtet worden, und zwar im Zentrum des Kontinents, auf 12° südlicher Breite. Das Klima war entsprechend tropisch. Es gab insgesamt neun Zuchtanlagen, acht davon für Alltagsklone und zusätzlich die eine Fabrik, in der ausschließlich Generalfähnriche gezüchtet wurden. Diese Fabriken waren, zusammen mit den anderen Anlagen, über ein Gebiet von knapp 1000 Quadratkilometern verteilt. Der Raumhafen nahm sich mit vier Quadratkilometern Fläche dagegen bescheiden aus, aber er war allemal ausreichend groß, obwohl reger Verkehr herrschte. Robotschiffe brachten die cantarischen Ova und Spermata von den verschiedenen Fruchtbarkeitsbanken der Galaxis nach Sampson, wo sie auf die Klonfabriken verteilt wurden. Die Robotschiffe flogen ohne Ladung wieder ab. Denn für den Transport der fertigen Klone von Sampson zu den galaktischen Bestimmungsorten kamen größere Raumschiffe zum Einsatz. Zumeist handelte es sich dabei um die 250-Meter-Schiffe des Aktäon-Typs, die für den Transport von Passagieren gebaut worden waren. Nur für die Abholung der ausgebildeten Generale, in welchen Rang die Generalfähnriche nach Beendigung ihrer Ausbildung automatisch erhoben wurden, kamen die cantarischen Raumschiffe zum Einsatz - jene Symbole von Macht und Stärke, die im Volksmund „Buckelschiffe“ genannt wurden. Zumeist übernahm der ausgebildete General auch sogleich das Kommando über sein Schiff. In den gewöhnlichen Brutfabriken waren in der Hauptsache Roboter tätig, stationäre ebenso wie mobile. Sie arbeiteten nach einem festgelegten Programmschema, das nur gelegentlich modifiziert zu werden brauchte. Ihnen oblag die Betreuung der aus den Retorten gezogenen Cantaro, sie kümmerten sich um die Einpflanzung der verschiedenen Module, die Präparierung des genetischen Materials und die Aufzucht der heranwachsenden Cantaro. Nach spätestens 20 Monaten waren die Klone ausgereift und konnten ins Leben entlassen werden. In der Klonfabrik für Generalfähnriche war der Ablauf im Prinzip der gleiche. Nur daß hier die Roboter bloße Assistentenfunktion hatten. Weil es sich um die Erschaffung ganz besonderer Cantaro handelte, standen zur Aufzucht die besten cantarischen Genetiker zur Verfügung. Es war eigentlich selbstverständlich, daß man sich beim Klonen der Elite der Cantaro auch nur auf die eigene Elite verließ. Die Generalfähnrichsfabrik stand auf einem abgesperrten Areal, in einem von bewaldeten Hügeln umgebenen Talkessel, unmittelbar südlich des Raumhafens. Sie war kleiner als die anderen Brutanlagen. In diesem abgegrenzten Sektor lagen auch die beiden
Gebäude, in denen die cantarischen Schulungsleiter untergebracht waren, das Haus für die Zöglinge, drei Schulungsgebäude und ein separates Haus für den Nakken Ayshupon. Es war keineswegs alltäglich, daß ein Nakk den Posten eines Obersten Schulungsleiters innehatte. Aber Ayshupon genoß eine Sonderstellung. Er besaß auf Sampson fast unumschränkte Macht. Im November begann die Regenzeit und dauerte drei Monate. Dies äußerte sich darin, daß die zweite Tageshälfte von heftigen Gewittern eingeleitet wurde, die bis zu drei Stunden andauerten. Mitte Dezember hatte die Regenperiode ihren Höhepunkt erreicht; ihr Ende würde Shoudar jedoch nicht mehr erleben, denn dann war er bereits ausgebildeter General des cantarischen Führungsstabs. In drei Wochen war es soweit, dann bekam Shoudar sein eigenes Schiff, mit dem er Sampson für immer verlassen würde. Zuerst wollte er aber noch Yttalar abschießen. Diese Empfehlung wollte er als General mitbringen. Shoudar verstand nicht, daß sie sich an den galaktischen Kalender halten mußten. Warum hatten die Cantaro, die mächtigste Volksgruppe in der Galaxis, nicht ihren eigenen Kalender? Es war Shoudar unverständlich, daß sie die Tage nach der Rotation des Planeten Erde zählten und die Jahre nach dessen Umlaufzeit um seine Sonne -und nicht etwa nach den Gegebenheiten von Sampson. Nicht einmal Ayshupon hatte ihm auf seine diesbezügliche Frage eine befriedigende Antwort geben können, aber mit seiner Antwort hatte der Oberste Schulungsleiter wenigstens zu verstehen gegeben, daß auch er das Kalendermaß als kurios betrachtete. Wie auch immer, da die Cantaro den terranischen Kalender übernommen hatten, schrieb man an Shoudars 520. Geburtstag den 27. September. Und das war genau der Tag, da er zum erstenmal von den verrückten Funksprüchen hörte, die auf Sampson empfangen wurden. Schulungsleiter Guulmar, einer von sechs cantarischen Lehrern, gab ihnen gerade Unterricht in theoretischer Kampfstrategie. Es ist überflüssig zu sagen, daß außer Shoudar und Yttalar kaum einer ihm folgen konnte, denn die sechs anderen Zöglinge waren wesentlich jünger und in ihrer Ausbildung noch weiter zurück. Aber Guulmar leitete bald auf das Thema Polit-Propaganda über und wartete dann mit einem konkreten Beispiel auf. „Hört euch einmal diese verrückte Botschaft an“, erklärte der Schulungsleiter übergangslos. „Und danach möchte ich von jedem seine persönliche Ansicht dazu hören. Und zwar in einem ausführlichen Dossier, einer umfangreichen Analyse. Aber zuerst das Anhörungsmaterial.“ Guulmar ließ die Tonaufzeichnung ablaufen, und die Generalfähnriche mußten in der Folge einiges über sich ergehen lassen: eine Hetztirade der übelster Form, einen primitiven Appell an die niedersten Instinkte. Zuerst erschien auch Shoudar der Inhalt dieser Botschaft als bloß „verrückt“, weil sie so viele Ungereimtheiten und offensichtliche Unwahrheiten enthielt. Aber je länger sie dauerte und je deutlicher die Absicht wurde, desto mehr kam er zu der Ansicht, daß der Inhalt in höchstem Maß ketzerisch war. Es handelte sich um einen Appell an das Volk der Cantaro. Allein diese Pauschalierung zeigte, daß der Absender, der sich „Friedenssprecher“ nannte, keine Ahnung von den vielschichtigen sozialen Strukturen innerhalb der Cantaro und dem hierarchischen Aufbau ihrer Zivilisation hatte. Denn es war ein großer Unterschied zwischen den Zöglingen von Sampson und denen von Shuungar - und noch eklatanter waren die Unterschiede bei den „fertigen“ Cantaro, etwa zwischen den Soldaten von Stiftermann III und den Siedlern von Angermaddon. Solche Unterschiede machte der Friedenssprecher jedoch nicht, er wandte sich pauschal an die, „die ihr euch Cantaro nennt“, als handle es sich bei ihnen um Droiden, die nach einem Schema gefertigt würden. Darüber hätte man ja hinwegsehen können, aber wenn ihr Wirken in der Milchstraße als Schand- und Greueltaten und als Frevel hingestellt wurde, dann war die Toleranzgrenze überschritten. Die Absicht, Aufruhr und Unruhe stiften zu wollen, wurde deutlich. Schien es zuerst so, als handle es sich bei dem Friedenssprecher um einen einzelnen Mahner, stellte sich im weiteren Verlauf heraus, daß sich hinter diesem Begriff eine Gruppe oder ein Kollektiv versteckte. Nach der Anklage kam die Aufforderung zur Besinnung. „Erinnert euch an die Wurzeln! An eure Herkunft!“ forderte der Friedenssprecher auf. Und er hatte sofort die Antwort parat, wo diese zu suchen waren. „Eure Vorfahren waren eine Splittergruppe unseres Volkes, ein Teil der Anoree. Habt ihr das vergessen?“ Die Wahrheit war, daß die Cantaro nie eine solche Erinnerung an die gemeinsame Abstammung mit einem Volk besessen hatten, das sich Anoree nennt. Die Wahrheit sah ganz anders aus, doch auch dafür hatte der Friedenssprecher eine mögliche Antwort. „Habt ihr vergessen müssen, weil ihr zu schwach wart, um euch gegen die Manipulation eurer Gehirne zu wehren ?“ Demnach waren die Cantaro als Splittergruppe der Anoree einst cantauri genannt worden, was soviel bedeutete wie „Streuner“ und „Herumtreiber“. Doch sei es nicht zu spät für eine Umkehr, meinten jene, die den Friedenssprecher betrieben. Die Anoree boten sich an, den Cantaro die Hände zu reichen, um sie, die „blutrünstigen und herrschsüchtigen Monster“, aus dem „Strudel des Verderbens“ zu retten.
Die Botschaft war in diesen Punkten so verlogen, daß man sie als komisch hätte abqualifizieren können, wenn die dahintersteckende Absicht nicht so ernst gewesen wäre. Shoudar und den anderen Zöglingen war bekannt, daß es innerhalb der Milchstraße eine kleine, aber lästige Widerstandsgruppe gab, die zwar keine ernsthafte Macht darstellte, jedoch sowenig auszurotten war wie manches Ungeziefer. Diese Unverbesserlichen nannten sich Widder und kämpften in einer Art Selbstzerstörungswahn gegen alle neuzeitlichen Veränderungen, gegen die moderne Humanität und generell gegen den Fortschritt an. Doch bisher hatten sich die Widder damit begnügt, kleinere Scharmützel zu gewinnen. Ihre Verleumdungspolitik und Propaganda hatten sich zwar gegen die Cantaro gerichtet, aber sie hatten sich damit stets an die Galaktiker gewandt. Nun geschah es zum erstenmal, daß sie versuchten, mit ihrer Propaganda die Cantaro selbst anzusprechen. Das war tolldreist; Shoudar fand keinen besseren Ausdruck dafür. Sie gingen sogar so weit, die Cantaro als Manipulierte hinzustellen, als Wesen ohne festen Willen, die die Völker nicht aus eigener Überzeugung vor einem schlimmen Schicksal schützten, sondern nach dem Diktat irgendwelcher dubiosen Machthaber die Galaktiker unterdrückten. „Davon müßten wir wohl auch etwas merken“, gestattete sich Shoudar einen Zwischenruf, was ihm jedoch einen Verweis von Guulmar eintrug. Der Appell des Friedenssprechers an „die Cantaro“ gipfelte schließlich in der Aufforderung, sich gegen das eigene System zu wenden, den „eigenen Willen zu erforschen, den Verstand zu gebrauchen“ und sich gegen „jene“ zu wenden, „die euch lenken, die euch zu Abhängigen, Verrätern, Frevlern und gar Mördern machen“. Aber wenn die Anoree mit ihrem Friedenssprecher die ominöse, die Milchstraße beherrschende Macht auch nicht einordnen konnten, so hatte er wenigstens einen Namen dafür: Monos! Ein wahrlich unglaublicher und lächerlicher Name für das die Milchstraße lenkende Supremkommando. Auch wenn Shoudar als Generalfähnrich nicht in alle 'Geheimnisse eingeweiht war, so stand doch wohl fest, daß es sich bei dem Supremkommando um alles andere als ein Einzelwesen handelte. Doch damit nahmen es die Anoree, wer auch immer sich hinter diesem Phantasienamen versteckte, nicht so genau. „Befreit euch und uns und alle rechtschaffenen Völker der Milchstraße von dieser unheilvollen Macht Monos! Es würde euch rehabilitieren. Und denkt daran! Ihr seid nicht allein in diesem Kampf. Alle, gegen die ihr euch bisher gewendet habt, stehen auf eurer Seite. Und die Anoree.“ Es war wohl der Gipfel an Unverfrorenheit, zum Verrat aufzurufen und diesen als Rehabilitierung hinzustellen. Aber es war auch gleichzeitig ein überaus naiver Versuch der Widder-Terroristen, das Milchstraßensystem zu erschüttern. Guulmar schaltete die Tonübertragung aus. „Es gibt auch Bilder zu dieser Botschaft, doch wollen wir uns diese für eine andere Lektion aufheben“, sagte der Schulungsleiter anschließend an diese Direktübertragung - denn der Friedenssprecher strahlte seine Botschaft permanent und in ständiger Wiederholung aus. „Für diesmal sollte das Gehörte reichen. Jedem von euch steht eine Aufzeichnung zur Verfügung. Ihr könnt diese beliebig analysieren. Aber übertreibt nicht, das ist die Sache nicht wert. Von euch wird nur erwartet, eine persönliche Stellungnahme zu dieser kuriosen Botschaft entweder zu verfassen oder in freier Rede abzugeben.“ Shoudar meldete sich spontan zu Wort und erklärte: „Ich brauche nicht lange zu überlegen, um meine Meinung über diesen geradezu beleidigenden Manipulationsversuch darzulegen.“ Aber Guulmar wollte seine Meinung nicht hören. „Von einem Generalfähnrich wird erwartet, daß er sich nicht impulsiv zu einer Problemstellung äußert“, sagte er zurechtweisend. „Auch wenn euch der Inhalt dieses Aufrufs noch so eindeutig und lächerlich erscheint, so sollt ihr ihn ernsthaft überdenken und ausführlich analysieren. Erst danach dürft ihr ihn kommentieren.“ Bevor er die acht Zöglinge entließ sagte er noch: „Ihr solltet euch auch überlegen, ob diese Hetzkampagne geeignet sein könnte, auch nur einen aus unserem Volk wankelmütig zu machen. Überdenkt alle Für und Wider und versucht, durch Selbstanalyse zu einem objektiven Urteil eurer eigenen Einstellung zu gelangen.“ Damit war die Schulung für diesen Tag "beendet. Shoudar konnte sich damals noch nicht vorstellen, daß auch nur ein Cantaro auf diesen Unsinn hereinfallen könnte. Er hielt es so lange für unmöglich, bis Yttalar ihn eines Besseren belehrte. Nachdem die Roboter die subplanetaren Anlagen fertiggestellt hatten, wurden die Räume eingerichtet. Diese Aufgabe übernahmen die drei von der CASSIOPEIA, Harald Nyman, Nadja Hemata und Gulliver Smog. Tyly Chyunz, obwohl er auch zu ihrem Team gehörte, beteiligte sich nicht an dieser Arbeit. Der Blue machte einen so verträumten Eindruck, daß man annehmen durfte, er arbeite an seiner „Ode an Sampson“. Gulliver Smog beschwerte sich, daß die Roboter die Decke des Gewölbes, in dem der Transmitter aufgestellt
werden sollte, zu niedrig gehalten hätten. Dabei hatte er trotz seiner 1,95 Meter noch gut einen Meter Kopffreiheit. Als Nadja, die schlagfertige Funkerin, ihn darauf hinwies, daß er in der Transmitterhalle sogar schnurspringen könne, ohne sich an der Decke den Kopf anzuschlagen, meinte er nur, daß er eben dauernd das Gefühl habe, daß ihm die Decke auf den Kopf falle. Perry Rhodan nahm dieses erste Anzeichen von Gereiztheit ernst genug, um einem Arbeitsroboter auf zutragen, den Boden des Transmitterraums um einen Meter tiefer zu verlegen. Gulliver, den sie wegen seiner Statur den „Ertruser“ nannten, wehrte beschämt ab, aber Rhodan blieb bei seiner Entscheidung. Die drei Anoree belegten gemeinsam den hintersten der insgesamt acht Räume; dabei war zu beobachten, wie Degruum und Shyrbaat jeder für sich dezent und in Form kleiner Höflichkeiten um die Gunst von Gavval buhlten und einer den anderen auszustechen versuchte. Die weibliche Anoree genoß diese Aufmerksamkeiten ihrer beiden Gefährten offensichtlich. Nadja Hemata hatte einen Raum für sich allein, Rhodan teilte sich einen als Unterkunft mit Harold Nyman und Gulliver Smog, einer wurde als Funkstation, ein weiterer als Lager eingerichtet, und neben dem Raum mit dem Transmitter gab es auch noch einen für den gemeinsamen Aufenthalt, der, wie alle anderen auch, recht spartanisch ausgestattet war. Blieb noch ein Raum, in dem sich Gucky nur unter Protest zusammen mit Tyly Chyunz unterbringen ließ. „Was hast du gegen Blues?“ fragte Nadja. „Sie stinken nicht und brauchen nicht viel Platz. Hör einfach nicht hin, wenn Tyly rezitiert. Du hast doch keine Ressentiments gegen Fremde, Kleiner?“ „Ich nicht, aber ihr“, erwiderte Gucky. „Das ist, was man unter Apartheid versteht: Anoree zu Anoree, Terraner zu Terraner - und Alien zu Alien.“ Gucky hatte wieder einmal die Lacher auf seiner Seite, und damit war auch er selbst wieder versöhnt. Nachdem die Grobarbeiten verrichtet waren, wurden alle fünf Roboter für Ortungs- und Funküberwachungsaufgaben eingesetzt. Dies war nur eine Notlösung, bis sich Nadja ihre Funkstation eingerichtet hatte. Sie begann augenblicklich damit, während Harold und Gulliver mit der Aufstellung des Transmitters beschäftigt waren. Perry Rhodan hoffte, daß sie am folgenden Tag an die Erledigung ihres Auftrags gehen konnten. „Wann nehmen wir Kontakt mit Generalfähnrich Yttalar auf?“ erkundigte sich Degruum bei Perry Rhodan. „Wir wollen nichts überstürzen“, erwiderte Rhodan. „Wir müssen uns zuerst einen Überblick über die Gesamtlage verschaffen.“ „Ich plädiere dafür, daß wir damit sofort beginnen“, schaltete sich Gucky in das Gespräch ein, „und einen talentierten Teleporter zur Erkundigung ausschicken.“ Rhodan gab schmunzelnd seine Zustimmung, und gleich darauf war Gucky entmaterialisiert. Tyly Chyunz dachte immer noch nicht daran, bei der Aufstellung des Transmitters mit Hand anzulegen. Er sah nur zu und gab nur gelegentlich Sätze wie diesen von sich: „Wenn ich dich, o Sampson, sehe, dein voller Mund ... hm-hm-hm ... wehe ...“ „Warum siehst du mich dabei an, Tyly?“ knurrte Harold Nyman. Der Blue öffnete den Mund zu einer Erklärung, aber er kam nicht mehr dazu, sie abzugeben. Denn in diesem Augenblick materialisierte Gucky und stahl ihm die Schau. Der Mausbiber war zwei Stunden weg gewesen. In dieser Zeitspanne hatte er nach eigener Aussage zwei Dutzend Teleportersprünge absolviert und war nun rechtschaffen müde. Er brachte eine Fülle von Informationen mit, die die bisher von den Robotern gemachten Ortungsergebnisse um wichtige Details ergänzten oder korrigierten. So hatte Gucky herausgefunden, daß die einzelne Klonfabrik am Rand des Raumhafens jene war, die sie interessierte. In ihr wurden die Generalfähnriche, wie Yttalar einer war, gezüchtet. Bei den angrenzenden Gebäuden handelte es sich um Ausbildungsstätte und Unterkünfte für die Zöglinge und Schulungsleiter. Bei diesen handelte es sich um Cantaro, sicher nicht mehr als zehn an der Zahl. Unter ihnen befand sich zumindest auch ein Nakk, der ein eigenes Gebäude für sich hatte. Gucky hatte ihn beobachtet, wie er auf seiner mechanischen Kriechsohle über den Platz geschwebt war. „Hast du Yttalar gefunden?“ erkundigte sich Gavval hoffnungsvoll. „Hast du versucht, ihn zu kontaktieren? „ „Nein“, gestand Gucky und rechtfertigte sich damit, daß er aus Gründen der Vorsicht keinen Kontaktversuch unternommen hatte. Mit einem Seitenblick auf Perry Rhodan fragte er: „War ich etwa zu vorsichtig?“ „Keineswegs“, verneinte Rhodan. „Wir stehen nicht unter Zeitdruck. Es ist besser, wir warten mit gezielten Aktionen, bis die QUEEN LIBERTY eingetroffen ist. Bis dahin sind es nur noch fünf Tage.“ •* Perry Rhodan hatte mit Homer G. Adams einen genauen Zeitpunkt vereinbart, an dem das Flaggschiff der Widder einen raschen Vorbeiflug an Sampson absolvieren sollte. Dabei sollte es zu einer knappen, kodierten Berichterstattung kommen. Von deren Inhalt sollte es abhängen, ob Rhodans Gruppe Verstärkung erhielt oder in Sicherheit gebracht werden würde. Der zweite Tag endete ohne weitere besondere Vorkommnisse. 4.
Yttalar war wohl der einzige Generalfähnrich, der sich aus dem Sperrgebiet wagte und die Natur von Sampson erforschte. Yttalar nahm diese Mühe auf sich, um seinen Horizont zu erweitern.
Es konnte nichts schaden, wenn ein angehender General auch auf anderen Wissensgebieten beschlagen war, hatte er den Schulungsleitern gegenüber argumentiert. Ein General hatte nicht nur für die Verteilung der Raumstreitkräfte und die Zuteilung der Bodentruppen an Krisenherde zu sorgen. Er bekam manchmal auch die Verantwortung über ganze Sonnensysteme und deren Bewohner übertragen. Und dann war er für das Schicksal der Planetenbewohner verantwortlich. Sein Einfühlungsvermögen in die Psyche fremder, andersdenkender Intelligenzen konnte dabei eine große Entscheidungshilfe sein. Schulungsleiter Zingaal hatte dafür kein Verständnis gehabt. Er hatte nur gelacht und gemeint, daß ein General kein Psychologe sein müsse, um die Befehle des Supremkommandos auszuführen. „Es gibt eine Reihe von Standardsituationen, egal welches Aussehen oder welche Denkweise die davon Betroffenen haben“, hatte er stereotyp erklärt. „Und für jede dieser Situationen gibt es wiederum eine Anzahl feststehender Lösungen. Lerne deine Lektionen, Yttalar, dann bist du gut beraten. Jeder General, der nach eigenen Wegen sucht, ist ein schlechter General.“ Als Yttalar herausfand, daß Guulmar weit mehr Verständnis für seinen Wissensdurst hatte, wandte er sich von da an nur noch an diesen. Und er hatte von diesem Schulungsleiter bisher auch noch jedesmal einen Passierschein bekommen. Yttalars Ausflüge in die Natur dienten vor allem der Beobachtung der Tierwelt. Er wollte sehen, wie sich das winzige Insekt gegen das stärkere Reptil schützte, und er wollte die Taktik der geduldigen Schlange kennenlernen, mit der sie ihre Opfer beschlich. Er hatte beobachtet, daß die großen Raubtiere, die Herren des Dschungels alles andere als blutrünstige Bestien waren, die blindlings ihre Beute schlagen konnten. Ihre vermeintliche Stärke war von der Natur dadurch ausgemerzt worden, daß sie den Schwächeren schnellere Beine verlieh oder ihnen einen besseren Geruchssinn gab, der sie vor den starken rechtzeitig warnte. Und so mußten auch die Herren des Dschungels Listen und Tücken entwickeln, um zu ihrer Beute zu gelangen. Mit ihrer Kraft allein hätten auch die Starken ihre Vormachtstellung nicht behaupten können. Denn die Beute fiel ihnen keineswegs einfach in den Rachen. Yttalar war überzeugt, daß er seinen ersten großen Sieg bei einem strategischen Spiel gegen Shoudar den Erkenntnissen verdankte, die er durch die Beobachtung der Tierwelt gewonnen hatte. Es ging dabei um die Simulation einer Raumschlacht. Yttalar hatte den „Feind“ gezogen, der immer der Schwächere war. „Feind“ war das Synonym für die terroristischen Widder, deren Namen man aber im theoretischen Unterricht nicht nannte. Shoudar hatte gegen Yttalars drei antike Kugelraumer sieben cantarische Vollkampfschiffe aufzubieten. Neben der überlegenen Kampfkraft hatte Shoudar auch noch den Vorteil, die Zielkoordinaten von Yttalars Raumschiffen zu kennen. Natürlich dachte Shoudar, mit so einem unterlegenen Gegner leichtes Spiel zu haben. Darum legte er auf Taktik keinen großen Wert, sondern stürzte sich mit voller Kraft auf den Gegner, als dieser die Zielkoordinaten erreicht hatte. Yttalar erinnerte sich in dieser Situation an die Taktik des „Totstellens“, die er bei manchen Tieren des Dschungels beobachtet hatte, und er überlegte sich, wie er sie auf seine Situation übertragen konnte. •Und das lief dann so ab: Er ließ es zu, daß Shoudar mit aller Feuerkraft über seine fast wehrlosen Schiffe herfiel, und leistete halbherzige Gegenwehr. Zu einem genau kalkulierten Zeitpunkt stellte er das Feuer jedoch ein und ließ seine Schutzschirme zusammenbrechen. Shoudar war so siegesgewiß, daß er auf alle weiteren Vorsichtsmaßnahmen verzichtete und zum Entern der Feindschiffe überging. Yttalar stellte sich so lange tot, bis er Shoudar am verwundbarsten wußte. Dann ging er zum Gegenangriff über. Es gelang ihm, drei von Shoudars als unzerstörbar geltenden Schiffen zu zerstören, bevor Shoudar seinen Widerstand brach. Doch an Yttalars Erfolg war dadurch nicht mehr zu rütteln, denn Shoudars Auftrag hatte gelautet, die Schiffe manövrierunfähig zu schießen und zumindest einen Teil der feindlichen Besatzung gefangenzunehmen. Eigene Verluste waren für Shoudar je doch nicht einkalkuliert. Seine Niederlage wurde damit vollkommen, daß ihm kein einziger Feind in die Hände fiel. Yttalar mußte jedoch zugeben, daß Shoudar die Niederlage wie ein wahrer General genommen hatte: Er hatte symbolisch Selbstanklage erhoben und sich dem Tribunal des Supremkommandos ausgeliefert. Inzwischen hatten sie Dutzende solcher Simulationen hinter sich, und es stand in etwa unentschieden, mit leichten Vorteilen für Yttalar; Shoudar hatte aus seinen Fehlern gelernt. Aber gewiß wäre er nie auf den Gedanken gekommen, daß er letztlich ebenfalls Nutznießer von Yttalars Beobachtungen des tierischen Instinktverhaltens geworden war. Da Generale jedoch nicht nur durch Simulation ausgebildet werden konnten, standen für die beiden ältesten Generalfähnriche auch praktische Einsätze auf dem Lehrplan. Und in der Praxis konnte wiederum Shoudar mehr Gutpunkte für sich verbuchen. Das klang, als würde ein Konkurrenzkampf unter den Generalfähnrichen gefördert, und dieser Eindruck wurde der Wahrheit vollauf gerecht. Je erfolgreicher ein Cantaro war, desto länger lief sein cynaui - wie es der Oberste Schulungsleiter, der Nakk Ayshupon, vermutlich ausgedrückt hätte.
Ja, es blieb nicht einmal nur beim sportlichen Konkurrenzkampf, sondern die Zöglinge der Generalfähnrichsschule von Sampson wurden sogar ganz bewußt aufeinandergehetzt. Yttalar erinnerte sich an einen seiner ersten Einsätze auf der Gettowelt Cirkula. Nachdem er das Schulungsschiff selbst dort hingeflogen hatte, wurde er in den Slums der Metropole abgesetzt und erhielt den Auftrag, einen feindlichen Agenten dingfest zu machen, der unter dem Decknamen „Raduohs“ tätig war - ein Begriff übrigens, der in keiner der galaktischen Sprachen einen Sinn ergab. Das fand Yttalar als erstes heraus, weil er der Bedeutung von Namen großes Gewicht beimaß. Es dauerte Tage, bis Yttalar die erste Spur des Gesuchten fand, obwohl er sich aller erdenklichen Druckmittel gegen die Gettobewohner bediente. Und es dauerte noch einmal so lange, bis er sein Opfer endlich gestellt hatte.
Es kam zu einer Art Schattenkampf, bei dem Yttalar zu unterliegen drohte, denn sein Gegner war ihm in allen Belangen überlegen. Bevor es jedoch zum Äußersten kommen konnte, griff ein Schiedsrichter ein - der kein anderer als Schulungsleiter Emnensa war und schritt zur Demaskierung. Dabei stellte sich heraus, daß es sich bei dem von Yttalar Gejagten um keinen anderen als Shoudar handelte, der seinerseits wiederum auf den Agenten Ralatty angesetzt worden war. Obwohl ihm das in diesem Fall nicht weitergeholfen hatte, blieb Yttalar dabei, daß hinter Namen stets ein tieferer Sinn zu suchen war. Er hatte ja auch wirklich nicht ahnen können, daß ihre Schulungsleiter so infantil sein könnten,
ihrer beider Namen einfach umzudrehen und sie aufeinanderzuhetzen. Aber als Lehrbeispiel trug dies bei beiden Zöglingen seine Früchte, zumal ihnen Schulungsleiter Emnensa versicherte, daß Widder-Agenten keinesfalls mehr Einfallsreichtum bei der Auswahl ihrer Decknamen bewiesen. Und weil Yttalar es sowieso mit Namen hatte, forschte er auch unablässig nach der Bedeutung des ihm unbekannten Wörtchens cynaui - so lange, bis er sie erfuhr. Aber damit wußte er immer noch nicht, welches Organ eines Cantaro damit gemeint war. Sein unstillbarer Wissensdurst fand somit eine neue Forschungsquelle. Yttalar hatte viel Zeit auf Selbstversuche verwandt. Solche Experimente wurden von den Schulungsleitern zwar nicht gefördert, weil sie zur Ausbildung eines Generalfähnrichs nicht beitrugen, aber wenn schon nicht in der Beurteilung honoriert, so wurden sie wenigstens toleriert. Der Grund seiner Experimente war der, zu erforschen, ob er im Besitz eines cynaui war. Diesen Begriff hatte er einmal bei einer Diskussion zwischen Guulmar und Ayshupon aufgeschnappt. Der Nakk hatte ihn dabei, auf Guulmar und die Cantaro generell bezogen, in recht abfälliger Weise gebraucht. Darum hatte sich Yttalar auch den genauen Wortlaut gemerkt, den Ayshupon damals gebrauchte. „Eure Lebenserwartung ist begrenzt“, hatte der Nakk gespottet. „Der cynaui tickt in euch wie eine Lebensuhr. Und ist er abgelaufen, dann sterbt ihr im Feuerwerk des Todes. Wir Nakken dagegen haben keinen cynaui, der unsere Lebenserwartung einschränkt. Das allein sagt genug darüber aus, daß wir Nakken dem Supremkommando näher stehen als ihr Cantaro.“ Yttalar suchte nach Erklärungen für dieses ihm bis dahin unbekannte Wort und fand sie schließlich nach langwierigen Nachforschungen. Demnach war cynaui ein Kunstwort aus dem Slang der Nakken, das sie aus dem Cantarischen abgeleitet hatten. Es bedeutete soviel wie „Begrenzer des Lebens“ oder aber auch den gezielt herbeigeführten gewaltsamen Tod überhaupt. Ayshupon gebrauchte diesen Begriff noch des öfteren, auch wenn er die Generalfähnriche unterrichtete. Aber Yttalar konnte als einziger der Zöglinge von sich behaupten, daß er ihn verstand. Die anderen Generalfähnriche unternahmen nicht einmal den Versuch, alles zu verstehen, was der Oberste Schulungsleiter ihnen zu vermitteln versuchte. Sie konzentrierten sich voll darauf, sich nur jenes Wissen anzueignen, das sie einst als General würden brauchen können. Yttalar war da anders, er war, wie er bald feststellte, überhaupt anders als die anderen Generalfähnriche. Er war zwar ebenfalls bestrebt, einmal ein erfolgreicher General zu werden, aber er interessierte sich dabei auch für Dinge, die jenseits des Horizonts eines Generals in spe lagen. Er war sogar darum bemüht, die Mentalität der Nakken verstehen zu lernen. Ayshupon war diesbezüglich gewissermaßen sein Testobjekt. Doch kam Yttalar in diesem Fall nicht weiter. Zwischen dem Nakken und ihm stand nicht nur die Dimensionsbarriere der konträren Denkart, sie trennte auch noch der Rangunterschied. Als Yttalar einmal versucht hatte, sich mit dem Obersten Schulungsleiter unter vier Augen über den ominösen cynaui zu unterhalten, hatte der Nakk mit seiner drohend klingenden synthetischen Stimme geantwortet: „Das Supremkommando macht kurzen Prozeß mit mißratenen Generalfähnrichen. „ Yttalar hatte das als ernste Warnung aufgefaßt und Vorstöße in diese Richtung ab sofort unterlassen. Das bedeutete aber nicht, daß er seinen Wissensdurst generell unterdrückte. Es war für ihn unerläßlich, in Selbstversuchen danach zu forschen, ob man ihm einen cynaui eingebaut hatte oder nicht. Damit konnte Ayshupon nur ein Modul gemeint haben, wie es die Cantaro in unterschiedlicher Zahl trugen Module, ohne die sie nicht lebensfähig waren. Dieses cynaui-Modul sollte nach Ayshupons Aussage jedoch kein Lebenserhalter in irgendeiner Form sein, sondern ein Todbringer. Mit welchem Eifer Yttalar die Selbsttests auch vornahm, er entdeckte in sich kein Modul, das als cynaui hätte gelten können. Dafür entdeckte er einiges andere Interessante an sich, durch das er sich physisch von anderen Generalfähnrichen unterschied. Vermutlich handelte es sich dabei um eine psychosomatische Wechselwirkung, was die Erklärung für seine geistige Beschäftigung mit Dingen war, die ihn eigentlich nicht kümmern sollten. Diese Dinge über sich wußte aber nur er, Yttalar, selbst - nach außen hin hatte er sich gut abgeschirmt. Er legte keinen Wert darauf, von den anderen Generalfähnrichen diffamiert zu werden, sondern war selbst darauf aus Makel an anderen aufzudecken. Und als er dann die Botschaft des Friedenssprechers hörte, da war es eigentlich gar kein Wunder, daß er ihr auf Anhieb verfiel. Er war innerlich reif für die Worte der Anoree. Die Botschaft gab ihm Antwort auf viele Fragen, auf die er bisher keine Antworten gefunden hatte. Es waren jedoch Antworten, die sein angelerntes Weltbild total über den Haufen warfen. Yttalar ging nicht nur in die Wildnis um die Tierwelt zu beobachten und daraus zu lernen. Eigentlich hatte er diese Phase hinter sich und begab sich nur noch in den Dschungel, um ungestört über verschiedene Dinge nachdenken zu können. Am Beginn des letzten Drittels hatte er mit den Exkursionen zu den anderen Klonfabriken begonnen, wo in Serie die Alltagscantaro gezüchtet wurden. Diese Droiden, die nie aus einem bestimmten genetisch vorprogrammierten Schema würden ausbrechen können, waren seine neuesten Studienobjekte. Die Cantaro in den acht Großfabriken wurden ausschließlich von Robotern aus der Retorte gezogen und auch später
von ihnen betreut. Ihre Schule fürs Leben war weniger spezialisierte Ausbildung als Drill. Wenn nach etwa zwanzig Monaten ihr Entwicklungsprozeß abgeschlossen war, kamen die Aktäon-Schiffe, nahmen sie zu Hunderten auf und brachten sie zu ihren Bestimmungsorten. So trist konnte die Werdung eines Cantaro sein. In Gesprächen mit ihnen erfuhr Yttalar, daß sie keineswegs so negativ über ihr Schicksal dachten, wie er es sah. Die Soldaten freuten sich auf den Kampf gegen alle, die sich gegen die herrschende Ordnung auflehnten. Die Beamten teilten die Galaktiker bereits in Kategorien ein, in Dulder und Aufrührer, und legten sich im voraus die Sanktionen zurecht. Die Politiker wußten längst schon, welche Druckmittel sie zur Unterdrückung möglicher Widerstände einsetzen wollten. Und die Ordnungshüter kannten die Paragraphen der Gesetze ganz genau und wußten, welche Ordnung die Galaktiker zu ihrem Glück benötigten. Aber alle waren sich einig, daß alles, was sie später einmal tun würden, nur für das Wohl der Galaktiker sein würde. So weit, so gut und auch richtig, aber ... Yttalar fragte einen Politiker, der knapp davor stand, zu einer Blues-Welt geschickt zu werden und dort in der Geburtenregelung tätig zu sein, ob man sich denn nicht überlegen könnte, auch die Galaktiker selbst zu fragen, was sie denn für das Beste für sich hielten. Die Frage war insofern nicht ernst gemeint, als Yttalar ja wußte, daß die Bewohner dieser Galaxis einer starken Hand bedurften, um von ihr geführt zu werden. Es lag Yttalar also fern, die feststehenden Werte anzweifeln zu wollen. Was er aber hören wollte, war die plausible Erklärung dafür, warum man bei den Galaktikern die Zügel nicht zu sehr lockern durfte. Doch diese Antwort konnte ihm der zukünftige Geburtenregelungsspezialist nicht geben, weil er keine entsprechende Ausbildung bekommen hatte. Alles; was er gelernt hatte, war, mit welchen Mitteln man eine Bevölkerungsexplosion unter den Blues verhindern konnte. Andere Politiker, die zu Wohlstandswelten abkommandiert werden sollten, wußten schon, wie sie es erreichen konnten, daß es ihren Schutzbefohlenen nicht zu gutgehen durfte, damit sie nicht zu unternehmungslustig wurden. Das Sprichwort „Nur ein hungriger, gebrochener Galaktiker ist ein friedlicher Galaktiker“ hatte schon seine Richtigkeit. Aber konnte man bei der Bewältigung der Probleme nicht Cantaro klonen, die mit den Problemen und ihren Ursachen auch vertraut waren? Das war freilich kein Thema, das Yttalar während der Ausbildung zur Diskussion stellen wollte. Ihm ging es vor allem um die Probleme seines eigenen Volkes. Und da lag genug im argen. Schon lange bevor der Friedenssprecher der Anoree sich gemeldet hatte. sah er sich bohrenden Fragen nach Herkunft, nach Gegenwart und Zukunft seines Volkes ausgesetzt. War es denn nötig, zum Wohl der Galaktiker solche Opfer zu bringen, der eigenen Entwicklung solche Schranken aufzuerlegen, wie es das Beispiel der Alltagscantaro zeigte? Nach über sechs Jahrhunderten der missionarischen Tätigkeit in der Milchstraße sollten die Cantaro jetzt endlich wieder an sich denken und ihr eigenes Leben führen dürfen. Die Cantaro konnten doch nicht zu Droiden geworden sein, nur um die Nachteile einer solchen Synthese tragen zu müssen. Warum durften die Cantaro nicht frei und ungebunden leben, sondern mußten sich Zwängen unterwerfen, die durch die destruktive Mentalität der Galaktiker bestimmt wurden? Hatten die Cantaro ihre sinnvollen und nützlichen Module, die sie haushoch über rein biologische Wesen stellten, in ein Bußgewand umfunktioniert? Hatte sich das Volk der Cantaro irgend etwas zuschulden kommen lassen? Was für eine Schuld hatte Yttalars Volk in der Vergangenheit womöglich auf sich geladen, um seit Jahrhunderten diesen Sühnedienst zu verrichten? War das Supremkommando .etwa nur dazu da, über die Sühne der Cantaro zu wachen und erst in zweiter Linie für die Abwehr des Chaos durch die Galaktiker zu sorgen? Fragen über Fragen, die Yttalar in seinem jungen Leben bewegten, die er aber nicht stellen durfte, weil die dadurch aufgeworfene Problematik tabu war. Yttalar hatte niemanden, mit dem er sie erörtern konnte. Und dann spielte ihnen Guulmar die Botschaft des Friedenssprechers vor - und auf einmal erhielt Yttalar eine Fülle möglicher Antworten. Der Friedenssprecher nannte die Anoree das Volk, von dem die Cantaro abstammten. Er nannte als ihre Herkunft einen galaktischen Sektor tief im Universum, fern dieser Galaxis. Und er hatte eine Antwort dafür, warum die Cantaro sich mit einem so niedrigen Lebensstandard begnügten. „Habt ihr vergessen müssen, weil ihr zu schwach wart, um euch gegen die Manipulation eurer Gehirne zu wehren?“ Damit stellte der Friedenssprecher in den Raum, daß die Cantaro ohne eigenen Willen und ohne Selbstbestimmung waren, Unfreie- die eigentlichen Sklaven der Milchstraße. Diese Aussage schockierte Yttalar weniger wegen ihres provozierenden Gehalts, sondern vielmehr deswegen, weil sie eine eindeutige Lösung für den ganzen Fragenkomplex bot, eine unglaubliche und dennoch mögliche Erklärung für die Ursachen cantarischen Fehlverhaltens gab. Es klang alles so plausibel - wenn Yttalar auch Mühe hatte, manche der Behauptungen als wahr zu akzeptieren. Daß sein Volk in dieser Galaxis mit seiner Macht Mißbrauch treiben könnte, daran hatte er bisher keinen
Gedanken verschwendet. Aber - auch das war eine Möglichkeit, die man nicht einfach ignorieren durfte. Es ging Yttalar schließlich aber nicht mehr um Wahrheit und Lüge und die Frage nach einer Schuld. Für ihn zählte bald nur noch, daß mit dem Friedenssprecher plötzlich eine Instanz existierte, die die Dinge offen aussprach und die bereit war, Tabu-Themen zu erörtern. Die Botschaft des Friedenssprechers ging Yttalar nicht mehr aus dem Sinn. Sie nagte in ihm, zehrte ihn auf, bis er halb wahnsinnig war vor Ungewißheit und Zweifeln. Um sein psychisches Gleichgewicht wiederzufinden, hätte er schon mit dem Friedenssprecher in Dialog treten müssen. Doch diese Möglichkeit blieb ihm versagt. Eine andere Möglichkeit war die, herauszufinden, ob es unter seinesgleichen nicht noch jemanden gab, dem die Botschaft der Anoree - des möglichen Stammvolks der Cantaro - so tief ging wie ihm. Bei aller Vernunft, die ihm die möglichen Risiken aufzeigte - Yttalar hatte keine andere Wahl, als seinen Forscherdrang in diese Richtung abzuleiten. Nur so konnte er hoffen, sein Dilemma zu lösen. Er mußte in Erfahrung bringen, was es bedeutete, ein Cantaro zu sein, und was es in diesem Zusammenhang mit dem cynaui auf sich hatte. 5. Bis Sonnenuntergang war das Ereignis dieses Tages der Start des Robotschiffs, mit dem sie als blinde Passagiere gekommen waren. Ansonsten war bis zu diesem Zeitpunkt nur zu berichten, daß es den ganzen Nachmittag über in Strömen goß. Als der Regen abbrach, war es so schwül und heiß, daß man das Freie besser erst recht mied. Nadja hatte ihre Funkzentrale inzwischen in Betrieb genommen und lauschte in den Äther. Die Brutwelt Sampson empfing keine Funksprüche und sendete auch keine ins All hinaus; diese Brutwelt war schon immer sehr isoliert gewesen und geheimgehalten worden. Auch der Transmitter war aufgestellt und einsatzbereit. Dabei handelte es sich um eines der von Widdern entwickelten Geräte, die einen so geringen Energiebedarf hatten, daß sie eine nur schwer anzumessende Streuemission erzeugten. Darüber hinaus besaß er zusätzlich einen speziellen Ortungsschutz in Form eines Deformators, der die Streuimpulse auf eine Weise umformte, daß sie nicht mehr als die eines Transmitters identifiziert werden konnten. Harold Nyman bedauerte nur, daß man den Transmitter nicht praktisch testen konnte. Gucky bot sich an, bei den Anlagen der Cantaro einen Transmitter zu suchen, den man für einen Probelauf als Empfängerstation verwenden könnte. Das trug ihm einen mahnenden Blick Rhodans ein. „War nur ein Scherz, Perry“, beruhigte der Ilt den Terraner. „Du brauchst nicht immer alles ernst zu nehmen, was ich sage. Es ist unter dir zwar schwer, sich seinen gesunden Humor zu bewahren, aber gelegentlich kann ich noch scherzen.“ Man forderte Tyly Chyunz auf, zur Feier des Tages einen passenden Vers zu verfassen, doch fand der Blue dies unter seiner Würde. Er ging offensichtlich immer noch mit der Idee schwanger, in einer Ode an die Brutwelt Sampson dem Planeten einen Mond anzudichten. Die Anoree hatten Perry Rhodan wieder bedrängt, etwas zu unternehmen, damit man wenigstens Teilerfolge erzielte, bis die QUEEN LIBERTY mit Verstärkung eintraf. Rhodan kam ihren Forderungen nach, indem er Gucky wieder auf Erkundung schickte. Damit der Ilt nicht auf dumme Gedanken kam, grenzte er seinen Auftrag aber genau ab. „Sieh dich erst einmal bei den Klonfabriken für Massenfertigung um, Kleiner“, trug er Gucky auf. „Bestimmt sind sie weniger gut bewacht als die Brutstätte für Generalfähnriche und darum gefahrloser auszukundschaften. „ „Was wollen wir denn von den gewöhnlichen Cantaro?“ erkundigte sich Gucky. „Das gehört zur Beurteilung der Gesamtlage“, antwortete Rhodan darauf. „Keine Extratouren, wenn ich bitten darf!“ Gucky schnaubte erbost und entmaterialisierte. Er kehrte erst lange nach Sonnenuntergang zurück, als es ein wenig abgekühlt und sich die Einsatzgruppe im Freien versammelt hatte. Gucky entschuldigte sein langes Fernbleiben damit, daß er sich von den Cantaro in eine Diskussion habe verwickeln lassen und darüber die Zeit vergessen habe. „Die Droiden-Klone erwägen sogar einen Streik, um gegen die unwürdige Fließbandproduktion zu demonstrieren“, erklärte er. „Sie drohen damit, die Verwaltung der Milchstraße hinzuschmeißen, wenn man in ihr Leben nicht ein wenig Gefühl und Liebe einbringt. Ich bin da ganz auf ihrer Seite, denn schließlich sind sie die Herren der Milchstraße.“ Perry Rhodan ließ den Mausbiber ausfabulieren, denn er sorgte damit für eine Hebung der Stimmung. Erst als Gucky das Thema ausgeschöpft hatte, fragte Rhodan: „Und was war tatsächlich?“ Gucky war erstaunt. „Das waren alles Tatsachen, wenn auch ein wenig ausgeschmückt“, bekannte er. „Also ehrlich, ich bin froh, kein Cantaro zu sein. Das sind wirklich regelrechte Fabriken, in denen sie geklont werden und ihre verschiedenen Module verpaßt bekommen. Das geht Schlag auf Schlag; jede Minute wird von einem Robotarbeiter ein Cantaro
aus der Retorte gezogen und an den nächsten Roboter weitergereicht, der das Produkt prüft und in die ihm zustehende Kategorie einordnet.“ Der Mausbiber schüttelte sich. „Es war schaurig, mit anzusehen, wie die Cantaro als Ware behandelt werden.“ Auch bei ihrer weiteren Entwicklung änderte sich nichts an der Situation der Cantaro. Sie wurden in rasantem Tempo erwachsen, erhielten ihre Ausbildung im Schnellverfahren und blieben insgesamt sich selbst überlassen. „Wenn sie nicht solche Teufel wären, könnten einem die Cantaro richtig leid tun“, schloß Gucky seinen Bericht. Wie nebenbei kam es auch heraus, daß die Klonfabriken kein besonderes " Überwachungs- und Schutzsystem hatten. Das waren die Ereignisse des zweiten Tages. 6.
Der Tag begann mit einer Lehrstunde, vor der sich die Zöglinge schon die ganze Woche über gefürchtet hatten. Der Unterricht mit Ayshupon stand auf dem Stundenplan. Es war wirklich schwer, den Ausführungen des Nakken zu folgen, wenn er über die 5. Dimension referierte. Und er tat, wenn er einmal die Woche die Zöglinge betreute, nichts anderes. Eigentlich unverständlich, dachte Shoudar, daß man eine so verantwortungsvolle Aufgabe ausgerechnet einem Nakken übertragen hatte. Nakken waren nun mal weltfremd. Diesmal hatte der Oberste Schulungsleiter ein so interessantes Thema wie „Die Wirkung hyperenergetischer Strahlung auf syntronische Körpermodule und deren Mißbrauch als Droge“. Aber selbst dabei verlor er bald den Faden und glitt in philosophische Bereiche ab oder in das, was für einen Nakken eben Philosophie war. Letztlich lief es darauf hinaus, daß Ayshupon die Generalfähnriche zwar vor solchem Mißbrauch warnte, die hyperenergetische Berauschung jedoch keineswegs als abschreckend hingestellt hatte. Danach übernahm Tooreca die Ausbildung der Zöglinge. Er führte sie in die Brutfabrik, die die Geburtsstätte aller Generalfähnriche war. Auf dem Weg dorthin konnte Shoudar nicht anders, als auf Ayshupons unverständliche Vortragsweise anzuspielen. Allerdings sehr vorsichtig, weil man den Obersten Schulungsleiter nicht einfach unverblümt kritisieren durfte. Aber zu dem Genetiker Tooreca stand er in einem besonderen Verhältnis und wagte ihm gegenüber ein wenig mehr Offenheit. Und der Schulungsleiter zeigte Verständnis für die Sorgen seiner Zöglinge. „Ihr müßt euch darauf konzentrieren, was Ayshupon zu sagen hat, und einfach überhören, wie er die Informationen darbringt“, sagte Tooreca. „Es verhält sich bei ihm, was seine Vortragsweise betrifft, ähnlich wie mit der Botschaft des Friedenssprechers. Habt ihr euch darüber bereits ein Urteil gebildet?“ „Die Absicht ist wohl eindeutig“, sagte Shoudar. Bevor er seine Meinung zu diesem Thema eingehender äußern konnte, bestürmten die jüngeren Zöglinge Tooreca mit ihren lächerlichen Fragen. Shoudar ließ sich daraufhin zurückfallen, bis er mit Yttalar auf gleicher Höhe war. Sein Altersgenosse war an diesem Tag sehr schweigsam. „Ich sehe, du kannst diesem Thema ebensowenig abgewinnen wie ich“, sagte Shoudar, aber Yttalar gab ihm vorerst keine Antwort. Erst nach einer ganzen Weile sagte er: „Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall. Ich denke an nichts anderes als an die Botschaft des Friedenssprechers. Ich tue mich überaus schwer mit einer Analyse. Könnten wir uns darüber unterhalten?“ Shoudar gab seine Zustimmung, allerdings in einem Ton, der seine Abneigung nicht verhehlte. In der Brutfabrik referierte Tooreca über die rechtzeitige Erkennung von genetischen Fehlprodukten beim Klonen. Da der Genetiker kein Freund von grauer Theorie war, zeigte er ihnen am lebenden Beispiel, wie leicht eine Mutation von einem gesunden Klon zu unterscheiden war. Zu diesem Zweck bediente er sich eines zwei Monate alten Cantaro-Klons, der gerade die Retorte verlassen hatte. Er legte ihn in den Scanner ein und ließ seinen Zustand durch eine Gesamtanalyse bestimmen. Tooreca arbeitete schnell und kommentierte seine Arbeit sachlich. „Diesem Klon wurde bereits als Embryo ein neuartiges semiorganisches Implantat eingesetzt, das uns als revolutionär angepriesen wurde. Aber anstatt mit dem Embryo mitzuwachsen, wurde es von seinem Körper abgestoßen und hat zu einer Reihe von Mißbildungen geführt. Statt eines Super-Cantaro haben wir Ausschuß produziert. Aber im Namen des Fortschritts müssen wir auch solche Fehlschläge einkalkulieren. Wir nehmen bei hundert Versuchen sogar neunundneunzig Nieten in Kauf, wenn wir mit dem einen Exemplar den Cantaro der Zukunft erschaffen können.“ Obwohl keiner der Zöglinge in seinem zukünftigen Leben mit genetischen Experimenten zu tun haben würde, gehörte es zur Ausbildung der Generalfähnriche, auch über diesen Wissenszweig Bescheid zu wissen. Es mochte an dem besonderen Verhältnis liegen, das Shoudar zu Tooreca hatte, daß ihn das Thema des Gen-Mülls so sehr faszinierte und er ständig unter seinen Mitzöglingen Ausschau nach Indizien hielt, die sie als Mutationen
entlarvten. Er hatte eine Fülle solcher Hinweise an Tooreca weitergegeben, doch hatte dieser die vermeintlichen Indizien als individuelle Merkmale abgetan. Shoudar war zwar weiterhin auf der Suche nach Anhaltspunkten, die Mitzöglinge als Mutationen entlarven konnten, aber er war mit seiner Berichterstattung weniger voreilig. Wenn er das nächstemal Meldung erstattete, dann nur, wenn seine Beweise stichhaltig waren. Das würde ihm einen Bonus in der Beurteilung einbringen und seine Karriere günstig beeinflussen. Nach dem Anschauungsunterricht bekamen die Zöglinge eine Lektion unter dem Hypnoschuler, geballtes Basiswissen; das sonst nur in monatelangem Studium zu erarbeiten gewesen wäre. Shoudars und Yttalars Ausbildung war bald abgeschlossen; das meiste von dem, was sie lernten, war nur noch eine Wiederholung bekannter Tatsachen. Aber sie wußten beide auch, daß die letzte Phase ihrer Ausbildung weniger der Vermehrung oder Festigung ihres Wissens galt, sondern daß es sich in erster Linie um Tests handelte, um sie noch einmal bis ins kleinste Modul zu prüfen, bevor sie ihrer Bestimmung übergeben wurden. Denn wurden sie erst einmal als Generale auf die Galaxis losgelassen, mußten sie ohne jeglichen Makel sein. Das robotische Testsystem für Generalfähnriche galt als das ausgeklügeltste überhaupt. Aber vermutlich sah man es nicht als hundertprozentig sicher an, denn warum sonst hielt man die Generalfähnriche dazu an, ein waches Auge auf ihre Mitzöglinge zu haben? Shoudar zumindest war von den Schulungsleitern immer wieder dazu aufgefordert worden. Er gab sich jedoch keiner Illusion hin und wußte, daß Yttalar ihn ebenso wachsam belauerte, wie er Yttalar. Und Shoudar erinnerte sich mit Unbehagen daran, daß er an seinem 500. Geburtstag wegen einer geringfügigen Verfehlung von einem Generalfähnrich, der in wenigen Tagen von Sampson abgehen sollte, denunziert worden war. Das hatte eine Reihe peinlicher Überprüfungen nach sich gezogen, die Shoudar nie vergessen würde. Er hatte diese Tests als notwendiges Übel akzeptiert und konnte danach aufatmen, als sich die Anschuldigungen als grundlos herausgestellt hatten. Shoudar war sich seiner Untadeligkeit bewußt. Er war von sich überzeugt und sicher, ein besserer General zu werden als etwa Yttalar. Und irgendwo in ihm saß die Tatsache wie ein Stachel, daß man ihn einer strengen Überprüfung unterzogen hatte und den weit weniger fähigen Yttalar nicht. Es war nur wenige Tage nachdem sie die Botschaft des Friedenssprechers zum erstenmal vorgespielt bekommen hatten, daß Shoudar mitten in der Nacht von Yttalar aus dem Schlaf geweckt wurde. Sein Altersgenosse stand plötzlich vor der Tür und fragte: „Darf ich hinein?“ Es war schon überaus seltsam, daß ein Zögling einen anderen in seiner Unterkunft aufsuchte. „Wenn dir damit geholfen ist“, sagte Shoudar ablehnend. Aber Yttalar ließ sich dadurch nicht abweisen. Er trat ein und schloß hinter sich sorgsam die Tür. Sein ganzes Gehabe hatte etwas Verschwörerisches an sich. „Ich finde keine Nacht mehr Schlaf“, sagte Yttalar. „Gegen Schlafstörungen gibt es eine bessere Medizin, als eines anderen Generalfähnrichs Nachtruhe zu stören“, erwiderte Shoudar. „Du hättest wenigstens bis morgen warten können. Was sollen sich die anderen denken, wenn sie von deinem Besuch erfahren?“ „Das sollten sie besser nicht“, sagte Yttalar. „Und schon gar nicht einer der Schulungsleiter. Diese Angelegenheit sollte unter uns bleiben. Auch wenn ich mich irre.“ Die Situation behagte Shoudar immer weniger. „Was ist das für eine Angelegenheit^“ fragte er. Yttalar wirkte nervös. Er schwieg eine Weile, bewegte sich unruhig am Platz. „Es geht um den Friedenssprecher“, sagte er endlich. „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß dich der Inhalt der Botschaft angesprochen hat.“ „Abgestoßen ist wohl das richtige Wort“, berichtigte Shoudar. „Wie auch immer, ich hatte jedenfalls den Eindruck, daß dieser Appell nicht wirkungslos an dir abgeprallt ist. Aus diesem Grund habe ich mich so intensiv damit beschäftigt, daß ich keinen Schlaf mehr fand. Die Botschaft klingt auf seltsame Art in mir nach, wenn du verstehst, was ich meine.“ „Nein, das verstehe ich nicht“, sagte Shoudar kalt. „Ich habe diesen Unsinn nämlich längst schon wieder vergessen.“ „Aber das ist gegen Guulmars Auftrag“, sagte Yttalar. „Erinnere dich daran, was er von uns erwartet. Wir sollen uns ein Urteil bilden und eine Arbeit darüber verfassen, welche AusWirkungen die Botschaft auf weniger gefestigte Individuen haben könnte.“ „Mein Urteil habe ich längst gefällt. Ich bekomme deswegen keine schlaflosen Nächte.“ „Ich habe dich anders eingeschätzt, Shoudar“, sagte Yttalar, und es klang irgendwie bedauernd, so daß Shoudar zum erstenmal hellhörig wurde. „Darum habe ich mich in diese Sache vertieft. Und nun gehen mir die Worte des Friedenssprechers nicht mehr aus dem Sinn.“ „Hör einfach nicht hin“, riet Shoudar.
„Wenn das so einfach wäre“, entgegnete Yttalar; er machte mehr denn je einen lauernden Eindruck. „Man kann Tatsachen nicht einfach negieren. Ich höre diese Botschaft nun mal. Also muß ich mich ihr stellen.“ Es stand Shoudar eigentlich nicht zu, einen Zögling in die Schranken zu weisen oder gar zu maßregeln, da sie gleichrangig waren. Aber Yttalar schrie förmlich nach Zurechtweisung. „Das ist keine Botschaft, die du hörst - es ist eine Versuchung“, sagte Shoudar. „Wenn du stark genug bist, ihr zu widerstehen, dann sollte sie dich auch nicht stören. Im anderen Fall müßtest du Guulmar oder den Obersten Schulungsleiter Ayshupon über deine Zweifel informieren.“ „Nein, das ist die Sache nicht wert“, beeilte sich Yttalar zu versichern. „Vergiß es wieder.“ Nach einer kurzen Pause fügte er wie als späte Rechtfertigung hinzu: „Wie ich eingangs schon erwähnte, es ging mir dabei nur um dich. Ich dachte, du seist vielleicht gefährdet, auf die Lügen und die ketzerischen Parolen hereinzufallen. Ich wollte dir in jedem Fall den Rat geben, deine Gedanken nicht zu offen in deiner Analyse kundzutun.“ Das war eigentlich der Gipfel an Unverfrorenheit. „Hätte ich deine Fürsorge gebraucht, wäre ich zu dir gekommen“, sagte Shoudar. „Aber wer hat eigentlich wen heimgesucht?“ „Wie gesagt, ich wollte dich bloß auf die Probe stellen. Irgendwie hatte ich den Eindruck, daß diese Angelegenheit dich belastet. Aber ich sehe, daß du standhaft genug bist. Vergiß es, wie auch ich meine Zweifel an dir vergessen werde.“ Shoudar vergaß es nicht. Im ersten Moment dachte er, daß Yttalar vom gleichen Ehrgeiz wie er selbst sein könnte und es darauf angelegt hatte, ihn zu irgendwelchen Geständnissen zu animieren, die er dann gegen ihn verwenden konnte. Dies hatte Yttalar letztlich auch un-mißverständlich zu verstehen gegeben - zu deutlich eigentlich. Ein Intrigant wäre mit solchen Geständnissen demjenigen gegenüber, den er anzuschwärzen vorhatte, vorsichtiger gewesen. Shoudar jedenfalls hätte im umgekehrten Fall alles abgestritten. Aber jemand, der etwas anderes verbergen wollte; nämlich ein gröberes Vergehen, der stand lieber zu einer weit weniger schlimmen Tat, als es Denunzierung war. War es demnach möglich, daß Yttalar den verlogenen Phrasen des Friedenssprechers erlegen war? Und auf einmal fand auch Shoudar in dieser Nacht keinen Schlaf mehr. Nicht, daß ihn die Angelegenheit über die Maßen belastete, aber Yttalars Verhalten erschien ihm doch als recht suspekt. In diesem Zusammenhang fiel Shoudar ein, daß sein Altersgenosse ihm schon immer sehr labil erschienen war. Es lohnte sich, Yttalar im Auge zu behalten. Vielleicht hatte Ayshupon da gar einen Blindgänger großgezogen, ohne es gemerkt zu haben. Doch war das nicht doch wohl zu weit hergeholt? Unvorstellbar eigentlich, daß einem Nakken genetische oder physische Mängel an einem Zögling entgangen sein sollten! Shoudar vergaß dann die Angelegenheit vorübergehend, denn in den folgenden Tagen wurde er voll gefordert. Doch dann entdeckte er eines Tages Yttalar zu ungewöhnlicher Zeit unter dem Hypnoschuler, und das Interesse an seinen Mitzögling war wieder geweckt. Ihm fiel urplötzlich wieder all das ein, was ihm an Yttalar verdächtig erschien. Und er fragte sich, was denn für Yttalar von so großem Interesse sein mochte, daß er sich darüber Wissen außerhalb der Lehrstunden zuführen ließ. Shoudar zog sich zurück, bis Yttalar durch einen Roboter aufgeschreckt wurde und den Hypnoschuler geradezu fluchtartig verließ. Als der patrouillierende Roboter wieder weg war, suchte Shoudar den Hypnoschuler auf und rief die zuletzt von Yttalar angeforderte Lektion aus dem Speicher ab. Der Hypnoschuler wies als zuletzt behandeltes Thema den Oberbegriff „Abstammungslehre der Cantaro“ aus. Ein gänzlich unverfängliches Thema, gleichzeitig aber auch eines, das ein angehender General längst intus haben mußte. Darum forschte Shoudar weiter und erfuhr so, daß Yttalar nicht nur gezielt Fragen nach der Herkunft und Abstammung ihres Volkes gestellt, sondern die erhaltenen Antworten auch angezweifelt hatte. Yttalar hatte doch tatsächlich wissen wollen, ob die Cantaro von einem Urvolk namens Anoree abstammen konnten. Das war, wenn schon nicht der Beweis, zumindest ein deutliches Verdachtsmoment darauf, daß Yttalar zu einem Zweifler geworden war. In seinem Eifer vergaß Shoudar jedoch, sich eine Abschrift der Arbeitsleistung des Hypnoschulers auswerfen zu lassen. Und als er bei nächster Gelegenheit den Hypnoschuler aufsuchte, um das Versäumte nachzuholen, fehlte in dem ausgeworfenen Arbeitsprotokoll die heimliche Sitzung Yttalars. Damit, daß Yttalar alle Spuren verwischte, machte er sich noch verdächtiger. Shoudar war froh, nicht sofort einen Schulungsleiter hinzugezogen und sich nicht blamiert zu haben, ansonsten nahm er diese Niederlage gelassen hin. Wenn sein Verdacht nicht unbegründet war, würde sich Yttalar schon noch eine Blöße geben. Und während er in den folgenden Tagen und Wochen Yttalar beobachtete, fiel ihm an dessen Verhalten immer mehr Merkwürdiges auf, Kleinigkeiten bloß, die Bestätigung seines Verdachts waren. Nur war nichts Handfestes dabei, mit dem man zu einem Schulungsleiter oder gar zu Ayshupon hätte gehen können.
Yttalar war überaus vorsichtig und ließ sich nichts zuschulden kommen, tat nichts, was auch nur das geringste öffentliche Mißtrauen erwecken konnte. Gerade diese übertriebene Vorsicht machte ihn für Shoudar nur um so verdächtiger. Es gab für ihn keinen Zweifel, daß Yttalar der verlogenen Botschaft des Friedenssprechers der Anoree verfallen war. Und darum war Shoudar sicher, daß seine Stunde noch schlagen würde. Er mußte jedoch noch eine ganze Weile auf diesen Augenblick warten. Und dann tat Yttalar eines Tages etwas, das ihn das Koordinierungsmodul kosten konnte. Damit lieferte er sich Shoudar aus. 7.
„Ich habe einen Plan“, eröffnete Degruum Perry Rhodan am darauffolgenden Morgen. „Ich habe mich mit Gavval und Shyrbaat beraten, und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß wir uns den Cantaro zeigen sollten.“ „Ihr seid verrückt“, entfuhr es Rhodan. Er entschuldigte sich bei den Anoree dafür und fügte dann erklärend hinzu: „Wenn die Cantaro euch zu Gesicht bekommen, dann werden sie eine Treibjagd sondergleichen auf uns veranstalten. Unsere ganze Mission wäre gefährdet.“ „Das muß nicht so sein“, sagte Degruum in der ihm eigenen ruhigen Art. „Es könnte auch der Fall sein, daß sie bei unserem Anblick vor Ehrfurcht erzittern. Wir haben sie nun seit Wochen mit den Sendungen des Friedenssprechers berieselt. Das kann nicht ohne Wirkung geblieben sein. Nachdem wir so viel über unser Volk und die Abstammung der Cantaro von uns gesprochen haben, wäre es an der Zeit, daß sie uns auch einmal zu sehen bekommen. Wenn Yttalar schon auf unsere Botschaft so positiv reagiert hat, können wir hoffen, daß auch andere Cantaro sich auf die wahren Werte ihres Volkes besinnen, wenn wir ihnen gegenübertreten.“ „Du vergißt dabei, daß es sich bei den Cantaro um Klone der fünften Generation handelt, die keinerlei Erinnerung mehr an ihre Vergangenheit haben“, argumentierte Rhodan. „Ihr seid für sie Fremde. Yttalar ist offenbar ein Einzelfall, oder aber man hat ihn sowieso nur als Köder benutzt.“ „Warum versuchen wir nicht, das herauszufinden?“ fragte Degruum. „Das werden wir“, versprach Rhodan und fügte einschränkend hinzu: „Zuerst müssen wir uns aber absichern und auf Verstärkung warten.“ „Wir sind da nicht ganz deiner Meinung“, sagte Degruum. „Wir glauben, daß es auch bei den manipulierten Cantaro noch so etwas wie eine Urerinnerung gibt. Und wir glauben, daß die Zeit für eine Gegenüberstellung reif ist.“ „Wir können uns nicht kopfüber ins Abenteuer stürzen“, erwiderte Rhodan. „Im Augenblick sind wir praktisch schutzlos. Wenn es sich hier um eine Falle handelt, wären wir geliefert.“ „Wir verlangen ja gar nicht viel“, sagte Degruum beharrlich. „Laß Gucky, der ein ausgezeichneter Telepath ist ...“ „Das will ich meinen“, warf der Mausbiber ein. „ ... einmal die Gedanken der Cantaro erforschen“, fuhr Degruum unbeirrbar fort. „Daraus läßt sich erkennen, ob sie irgend etwas im Schilde führen. Die Cantaro fühlen sich hier auf Sampson sicher. Sie werden daher vermutlich nicht ständig ihre syntronischen Gehirnprozessoren aktiviert haben, so daß es Gucky gelingen könnte, aus ihren Gehirnfunktionen organischen Ursprungs Informationen zu sammeln.“ Perry Rhodan mußte zugeben, daß dies ihnen weiterhelfen könnte - wenn Gucky vorsichtig genug ans Werk ging. „Ich bin die Mutter der Vorsicht, oder wie das so heißt“, versicherte der Mausbiber, bevor er sich in den erneuten Einsatz teleportierte. Diesmal blieb er noch länger als die anderen Male weg und brachte wieder eine Fülle interessanter Informationen mit. Degruum hatte recht gehabt. Die Generalfähnriche hatten vorwiegend ihre organischen Gehirnkomponenten aktiviert, so daß es ihm gelungen war, einiges aus ihren Gedanken zu erfahren. So fand Gucky heraus, daß es sich bei den drei auf dem Raumhafen abgestellten Kleinraumschiffen um einfache Planetenfähren ohne Überlichtantrieb handelte. Nur das vierte, ein typisches cantarisches Buckelschiff von 60 Metern, war fernflugtauglich. Es trug den Namen MACCHAM, was soviel bedeutete wie „Vorzugsschüler des Meisters“. Alle Schiffe waren unbesetzt und unbewacht. Es gab auch keine Warnanlage, so daß es ein Kinderspiel wäre, einige Sprengsätze an Bord zu verstecken, um für alle Eventualitäten Vorsorge zu treffen. „So weit sind wir noch nicht“, bremste Rhodan den Eifer des Mausbibers und fragte dann ahnungsvoll: „Wie hast du diese Einzelheiten herausgefunden? „ „Ich habe mich selbstverständlich an Bord der Schiffe umgesehen“, antwortete Gucky. „Keine solche Selbstverständlichkeit mehr!“ befahl ihm Rhodan. „Oder dies war dein letzter Ausflug zu den Cantaro.“ „Mach nur so weiter“, schimpfte Gucky und bleckte herausfordernd seinen Nagezahn. „Kommandiere und schikaniere mich nach Lust und Laune. Mit einem gutmütigen, menschenfreundlichen Mausbiber kann man ja beliebig umspringen. Aber es könnte sein, daß, wenn du so weitermachst, du nicht erfährst, was Freund Yttalar so denkt und was ihn bewegt.“ „Du hast den Generalfähnrich Yttalar gefunden?“
In diesen Moment der Stille, der entstand, bevor sich alle auf den Mausbiber stürzten und ihn mit Fragen bestürmten, drang Tyly Chyunz' Stimme. Er verkündete: „Herrlich strahlt der volle Mond - auf Sampsons Antlitz ... kugelrund?“ Aber mit diesem gelungenen Vers kam er natürlich nicht gegen das an, was Gucky zu bieten hatte. Yttalar war nur ein einziges Mal unvorsichtig geworden und voll aus sich herausgegangen. Er hatte sozusagen sein Ratio-Modul ausgeschaltet und einem anderen gegenüber, in dem er sich einen Verbündeten erhofft hatte, seinen Emotionen freien Lauf gelassen. Zum Glück war er dabei so vorsichtig zu Werke gegangen, daß er, nachdem der andere sich als nicht kooperativ erwiesen hatte, alles ins Gegenteil verkehren konnte. Aber er war damals nur um Haaresbreite einer Denunzierung entgangen, das war ihm gleich darauf klargeworden. Er hatte Shoudar zu nächtlicher Stunde in dessen Unterkunft aufgesucht und sich ihm anvertraut - und war von diesem empört abgewiesen worden. Nachträglich erschien Yttalar sein leichtsinniges Verhalten als geradezu selbstzerstörerisch, und er nahm sich fest vor, sich keine zweite solche Blöße mehr zu geben. Yttalar wurde so vorsichtig wie ein Verschwörer - und in gewisser Weise war er das auch. Sensibel registrierte er alles Ungewöhnliche, wägte jedes Wort peinlich ab, bevor er es aussprach, und legte auch die Worte anderer auf die Waagschale, bevor er darauf reagierte. Seine Nachforschungen betrieb er immer vorsichtiger. In den Lehrstunden getraute er sich kaum mehr, Fragen an die Schulungsleiter zu stellen, verrichtete aber seine Arbeit weiterhin zu deren vollster Zufriedenheit. Sie sahen seine Introvertiertheit vermutlich als erste Ansätze einer Generalswürde an und nicht als das, was sie war, nämlich ein Schutzmantel gegen eine feindliche Umwelt. Den Mitzöglingen ging er tunlichst aus dem Weg, was keinerlei Verdacht erregte, denn die Tendenz zur Isolierung wurde bei Generalfähnrichen als stark ausgeprägte Individualität ausgelegt. Yttalar glaubte aber zu erkennen, daß der früher so distanziert wirkende Shoudar seine Nähe suchte. Er wagte jedoch nicht, dies so auszulegen, daß sein Altersgenosse auf seine Linie eingeschwenkt sei, sondern wertete es als Nachstellung. Bei einer Gelegenheit, es war nur wenige Tage vor ihrem letzten gemeinsamen Einsatz, vertraute ihm Shoudar sogar ein kleines Geheimnis an. „Ich zähle die Tage“, verriet ihm Shoudar vertrauensvoll. „Das ist meine private Rebellion gegen die Einhaltung des terranischen Kalenders. Heute ist mein fünfhundertfünfzigster Geburtstag.“ Yttalar hatte darauf so ablehnend reagiert, wie es ihm zustand. Er sagte kühl: „Da du in deinem privaten Kalender mit terranischen Standardtagen rechnest, mußt du dir den Vorwurf der Inkonsequenz gefallen lassen.“ Yttalar wurde daraufhin noch vorsichtiger, und Shoudar ließ ihn vorerst in Ruhe. Erst nachdem Guulmar sie über den bevorstehenden Auftrag informiert hatte, versuchte sich Shoudar wieder anzubiedern. Aber das störte ihn nicht weiter, denn da war er in Gedanken schon längst weit fort, in einem anderen Leben, in einer anderen Zeit. Und schuld daran war der Einsatz, in den Guulmar sie schickte. Der Schulungsleiter beorderte sie an diesem Novembertag in eines der Schulungszimmer, das von den Zöglingen „Befehlszentrale“ genannt wurde, weil hier stets Entscheidungen von besonderer Bedeutung getroffen wurden. Wenn ein Zögling in die Befehlszentrale gerufen wurde, dann wußte er, daß eine für ihn wichtige Entscheidung gefällt wurde. Yttalar und Shoudar waren stets von hier aus in ihre Einsätze geschickt worden, und darum waren sie nicht überrascht, als ihnen Guulmar sogleich eröffnete, daß er einen wichtigen Auftrag für sie habe. „Eure Zeit als Generalfähnriche geht ihrem Ende zu, in weniger als zwei Monaten seid ihr fertige Generale“, sagte der Schulungsleiter zur Einleitung. „Euer Wissensstand entspricht praktisch dem der höchstrangigen cantarischen Geheimnisträger. Es ist also nicht nötig, euch die Situation mit Phrasen zu umschreiben. Ich kann offen mit euch reden.“ Er kam auch gleich zur Sache. „Euer Auftrag ist, einen der Funksatelliten des sogenannten Friedenssprechers zu zerstören. Ihr bekommt das Kommando über ein Vollkampfschiff, die Koordinaten des Funksatelliten und völlige Handlungsfreiheit. Wichtig ist nur, daß ihr den Auftrag mit einer Erfolgsmeldung abschließt, alles andere ist eure Sache. Das sind die Fakten. Und nun zu den Hintergründen.“ Es ist nicht zu beschreiben, was in diesem Augenblick in Yttalar vor sich ging. Er versuchte, die ihn nach dem Gehörten überschwemmende Gedankenflut abzuwehren. Er überstrapazierte seine entsprechenden Module, nur um sich äußerlich nichts von dem anmerken zu lassen, was in ihm an Gedanken und Emotionen entfesselt wurde. Er fühlte sich von Guulmar und Shoudar beobachtet, glaubte, daß sie ihm mit ihren Blicken ins Innerste dringen wollten. Aber er glaubte doch, sich ausreichend in der Gewalt zu haben. Aber alle seine Bedenken und Ängste wurden von der unglaublichen Tatsache verdrängt, daß er diesen Auftrag erhielt. Yttalar konnte sein Glück kaum fassen: Man schickte ihn zum Friedenssprecher, gab ihm damit die Möglichkeit, den so heiß ersehnten
Kontakt herzustellen. Er hätte nie für möglich gehalten, diese Chance zu bekommen. Einziges Hindernis war nur Shoudar; ohne dessen Begleitung hätte Yttalar unumschränkte Handlungsfreiheit gehabt. Yttalar war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er Guulmars Ausführungen kaum folgen konnte. Er mußte sein Temperament zügeln, um sich auf den Vortrag des Schulungsleiters konzentrieren zu können. „ ... sehen wir uns mit einer neuen Situation konfrontiert. Die Widder haben von außerhalb der Milchstraße Verstärkung bekommen. Damit ist die Behauptung, daß es kein Leben mehr außerhalb der Wälle gibt, unhaltbar geworden. Auch wenn das Gros der Galaktiker davon nichts erfahren wird, so bedeutet der Zustrom von Verbündeten eine Verstärkung der Widerstandsorganisation. Für euch, die zukünftigen Generale, bedeutet dies eine Erschwerung eurer Aufgabe. Wie stark sich die Widder auf einmal fühlen, könnt ihr schon daran erkennen, daß sie öfter den offenen Schlagabtausch mit uns suchen und auch immer öfter siegreich bleiben.“ Guulmar machte eine kurze Pause, um seine Worte auf die beiden Generalfähnriche einwirken zu lassen, bevor er mit Nachdruck fortfuhr: „Die Widder kommen auf einmal aus ihren Rattenlöchern hervor, in denen sie sich seit Jahrhunderten verkrochen haben, dies in der Absicht, den Nimbus unserer Unbesiegbarkeit zu zerstören. Hier wäre Kritik am Supremkommando angebracht, das offenbar die entstehenden Gefahren unterschätzt hat oder aus anderen unerfindlichen Gründen zaudert, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzugreifen. Doch das ist nicht Thema unserer Unterhaltung. Wir sehen uns auf einmal auch damit konfrontiert, daß die Widder mit ihrer Propaganda plötzlich auf uns Cantaro direkt Einfluß zu nehmen versuchen. Es ist schon darum wichtig, den Friedenssprecher zum Verstummen zu bringen.“ Der Schulungsleiter machte wieder eine Pause und sagte abschließend: „Wenn ihr noch Fragen habt, dann scheut euch nicht, sie zu stellen.“ Shoudar hatte eine Frage. „Auch wenn wir hier nicht Kritik am Supremkommando üben wollen, so möchte ich mich doch über die Gründe informieren, wie es möglich ist, daß sich die Terroristen auf einmal so stark fühlen können. Die Verstärkung, die sie von außerhalb der Milchstraße bekommen haben, nimmt sich doch im Verhältnis zu ihrem bisherigen Potential geradezu lächerlich aus. Die Statistiken sagen aus, daß den Widdern rund hundert einsatzfähige Raumschiffe verschiedener Klassen zur Verfügung stehen. Die paar Schiffe können ihre plötzliche Erstarkung nicht ausmachen. Dazu kommt noch, daß wir sie am Perseus-Black-Hole vernichtend geschlagen haben. Ist es da nicht übertrieben, die Widder auf einmal als ernste Bedrohung unserer Ordnung anzusehen?“ „Lassen wir doch das Supremkommando aus dem Spiel“, sagte Guulmar zurechtweisend. „Wenn wir von einer Erstarkung der Widder reden, dann müssen wir einen Faktor hinzurechnen, der sich statistisch nicht erfassen läßt. Die Galaktiker sind unberechenbare Gefühlswesen, obwohl wir alles daransetzen, sie nach unseren Maßstäben zu normieren. Wie dem auch sei, daß Gleichgesinnte von außerhalb der Wälle zu ihnen stießen, hatte in zweifacher Weise eine aufputschende Wirkung. Zum einen wurde damit aufgezeigt, daß unsere Schutzwälle nicht unüberwindlich sind. Zum anderen handelt es sich bei den Eindringlingen um längst totgeglaubte Helden der Vergangenheit. Für rational denkende Wesen wie uns wäre dies ohne erhöhende Wirkung. Bei den Galaktikern wirkt sich dieser Input jedoch potenzierend aus. Ich weiß, das klingt geradezu pervers, aber so sind die Galaktiker nun mal. - Kannst du uns dazu etwas sagen, Yttalar?“ Yttalar kam sich ertappt vor, als er Guulmars stechenden Blick plötzlich auf sich ruhen sah. Offenbar mußte es irgendwie publik geworden sein, daß er sich heimlich intensiv mit galaktischer Geschichte beschäftigte. „Die Heldenverehrung bei den Galaktikern läßt sich bis zu den Anfängen zurückverfolgen“, erklärte Yttalar. „Als unser Volk sich gezwungen sah, den Schutz über diese Galaxis zu übernehmen, mußte es auch gegen den herrschenden Personenkult ankämpfen und ihn abbauen. Mit anderen Worten, alle führenden Persönlichkeiten, an denen sich die Galaktiker aufrichten konnten, wurden beseitigt oder für tot oder nicht existent erklärt. Das war das Fundament für die nötigen Geschichtskorrekturen, auf denen das heutige Weltbild basiert ...“ „Wolltest du nicht noch etwas hinzufügen?“ fragte Guulmar lauernd. „Nein“, sagte Yttalar, obwohl ihm, wie Guulmar richtig erkannt hatte, sehr wohl noch etwas auf der Zunge lag. Er hätte nur zu gerne hinzugefügt, daß auch die Cantaro von umfangreichen Geschichtsfälschungen nicht verschont geblieben waren. Aber Yttalar hatte sich gut genug in der Gewalt, um dies für sich zu behalten. „Dann ist die Besprechung beendet“, sagte der Schulungsleiter. Als Yttalar in der darauffolgenden Nacht von seinem heimlichen Streifzug zurückkehrte, erwartete ihn in seiner Unterkunft unverhoffter Besuch. „Ich habe diesen Gegenbesuch bei dir noch gut“, empfing ihn Shoudar. „Du erinnerst dich doch noch, Yttalar?“ „Was willst du von mir?“ fragte Yttalar, nachdem er sich wieder gefaßt hatte. „Ich frage dich auch nicht, wo du dich zu dieser ungewöhnlichen Stunde noch herumgetrieben hast“, erwiderte Shoudar. Yttalar wäre um eine Antwort nicht verlegen gewesen, aber es war in jedem Fall besser zu schweigen; eine Rechtfertigung einem Mitzögling gegenüber wäre fast einem Schuldbekenntnis gleichgekommen.
Und Yttalar war schuldig. Sein nächtlicher Ausflug hatte der Beschaffung eines Informationsträgers gedient. Nachdem er dies getan hatte, stand er vor der Wahl, diesen in seine Unterkunft mitzunehmen und dort in aller Ruhe eine Nachricht abzufassen und diese zu speichern. Dann hatte er sich aus Gründen der Vorsicht jedoch dagegen entschieden, die Nachricht in aller Hast in den Speicherkristall gesprochen, diesen in dem längst vorbereiteten Impulsgeber deponiert und das eiförmige Gerät an Bord der MACCHAM gebracht und dort versteckt. Die MACCHAM war ihr Einsatzschiff, und darum wäre es nicht besonders aufgefallen, wenn man ihn dort entdeckt hätte. Ein gewissenhafter Generalfähnrich, der sich auf seinen Einsatz vorbereitete, konnte niemals Verdacht erregen. Aber damit, daß er bei seiner Rückkehr in seine Unterkunft Shoudar vorfinden würde, konnte Yttalar nicht rechnen. „Nenne mir den Grund deines Besuches, und dann geh“, verlangte Yttalar. „Ich mochte die verbleibenden Stunden nützen, um mich auf unseren Einsatz vorzubereiten.“ „Darüber möchte ich mit dir reden“, sagte Shoudar. „Du hast mich einmal im Verdacht gehabt, daß ich der Lügenpropaganda des Friedenssprechers erlegen sei.“ „Ich habe meinen Irrtum eingesehen und dich gebeten, die Angelegenheit zu vergessen“, sagte Yttalar. „Willst du eine zusätzliche Entschuldigung von mir?“ „Das genügt mir nicht“, erwiderte Shoudar. „Irgendwie habe ich den Eindruck, daß du mir seit damals ausweichst, mich behandelst, als hätte ich einen Makel. Um mich davon zu befreien, möchte ich dich um den Vorzug bitten, den Friedenssprecher zerstören zu dürfen.“ „Einverstanden“, sagte Yttalar. Shoudar schien überrascht, daß Yttalar seinem Wunsch so schnell nachkam. „Es freut mich, daß du mir diese Bitte gewährst“, sagte Shoudar, ohne Anstalten zu machen, aus der Unterkunft zu gehen. Er fügte übergangslos hinzu: „Bei der Lagebesprechung mit Schulungsleiter Guulmar ist ein Thema zu kurz gekommen. Ich meine, daß es durchaus sinnvoll gewesen wäre, eingehender über das Supremkommando zu diskutieren. Findest du nicht auch?“ „Guulmar hat eindeutig festgehalten, daß dies kein Diskussionsthema sei“, antwortete Yttalar, dessen Interesse ganz gegen seine Absicht und seinen Willen auf einmal geweckt wurde. „Unter uns, Yttalar, hast du dich nicht selbst schon gefragt, wer oder was hinter dem Supremkommando eigentlich steckt?“ fuhr Shoudar unbeirrt fort. „Es ist nicht verboten, daß angehende Generale sich darüber Gedanken machen. Es sollte sogar ihre Pflicht sein, dies zu tun. Als Mitglieder der galaktischen Führungsspitze müssen wir uns einen kritischen Durchblick bewahren.“ „Welche Ideologie willst du mir eigentlich verkaufen?“ erkundigte sich Yttalar spöttisch. „Komm doch einfach zur Sache.“ „Was stellst du dir denn unter dem Supremkommando eigentlich vor?“ fragte Shoudar geradeheraus. „Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht und könnte dir nur den Wortlaut aus dem Unterricht wiedergeben“, sagte Yttalar. „Wenn du zu feige bist, dich mir zu öffnen, dann will ich mit gutem Beispiel vorangehen“, begann Shoudar mutig. „Ich weiß nicht, was ich von der obersten Instanz halten soll, die sich Supremkommando nennt. Ist es eine Gruppe, die sich aus organischen Wesen zusammensetzt, aus Wesen unseres Volkes? Vielleicht handelt es sich sogar um einen Machtblock aus ausgesuchten und verdienten Strategen. Möglich aber auch, daß das Supremkommando in Wirklichkeit ein Verbund von unfehlbaren Syntroniken ist. Das würde erklären, warum wir viele der Beschlüsse oder auch Unterlassungen nicht verstehen.“ Shoudar wirkte auf einmal sehr nachdenklich, und Yttalar wollte ihm in diesem Moment glauben, daß dies ein Thema war, das ihn tatsächlich stark beschäftigte. Shoudar fuhr fort: „Vielleicht gibt aber auch die Bezeichnung Herren der Straßen, die sich in der Umgangssprache eingebürgert hat, Aufschluß über die Zusammensetzung des Supremkommandos. Die Herren der Straßen - das klingt nach wahrer. Macht. Ich frage mich aber immer wieder, wer die Herren der Straßen sein mögen. Immerhin sind sie die oberste Instanz in der Milchstraße -und sie stehen auch hoch über uns, an der absoluten Spitze. Ich möchte auch zu gerne wissen, ob es spezielle Klonverfahren gibt, durch die Mitglieder des Supremkommandos erschaffen werden, oder aber ... Glaubst du, daß einer von uns beiden die Chance hat, in diesen erlauchten Kreis aufgenommen zu werden?“ „Wenn einer von uns beiden - dann du!“ versicherte Yttalar ernsthaft. Shoudar stampfte erregt mit dem Fuß auf; eine solche impulsive Reaktion hatte Yttalar von ihm noch nie erlebt. Sieh an, sieh an, dachte er, Shoudar kann auch Gefühl zeigen. „Du lehnst es also ab, dich mit mir seriös zu unterhalten, auch gut“, sagte Shoudar zornig. „Wir sehen uns an Bord der MACCHAM. Es bleibt bei unserem Abkommen?“ „Der Friedenssprecher gehört dir“, versprach Yttalar. Shoudar stürmte ohne ein weiteres Wort aus der Unterkunft. Yttalar starrte auf die geschlossene Tür und fragte sich, ob er sich in seinem Mitzögling nicht vielleicht doch geirrt hatte.
Aber eigentlich war das nun unmaßgeblich. Yttalar hatte sich endgültig entschlossen, als Dialogpartner den Friedenssprecher ins Auge gefaßt und alles auf die Verwirklichung dieser Absicht abgestimmt. Er wollte die Chance, sein Ziel zu erreichen, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, indem er sich Shoudar anvertraute. Die MACCHAM startete in der Abenddämmerung des nächsten Tages. Yttalar und Shoudar hatten ihre Instruktionen gelernt und anschließend ihre Taktik besprochen. Sie einigten' sich darauf, daß Shoudar die militärischen Entscheidungen treffen sollte, Yttalar übernahm die Schiffsführung. Über das Vorgehen gegen den Funksatelliten wollte sich Shoudar erst vor Ort entscheiden. Es hing alles davon ab, ob die Anoree ein Wachsystem eingerichtet hatten oder nicht. Yttalar fiel auch die Aufgabe zu, sich vom Erfolg des Unternehmens zu überzeugen. Zu diesem Zweck mußte er nach getaner Arbeit das Schiff verlassen und die Trümmer des vernichteten Funksatelliten untersuchen. Dies kam Yttalars Absichten natürlich sehr entgegen. Yttalar blieb während des Fluges in der Kommandozentrale allein und hatte so Gelegenheit, seine Vorbereitungen zu treffen. Es war nicht viel zu tun. Er brauchte nur den Impulsgeber mit dem Speicherkristall in seinem Raumanzug zu deponieren, um ihn zur Hand zu haben, wenn er ausstieg. Der Flug verlief ohne besondere Ereignisse. Eine Lichtwoche vor dem Ziel legte Yttalar einen Zwischenstopp ein und nahm eine Routineortung vor. Zu diesem Zeitpunkt tauchte Shoudar in der Kommandozentrale auf und überzeugte sich davon, daß sich in diesem Raumsektor nichts Verdächtiges tat. Die erhaltenen Daten bestätigten, daß es in weitem Umkreis nur den Funksatelliten gab und sonst nichts. „Eigentlich schade, daß sich keiner der Ketzer hier aufhält“, bedauerte Shoudar. „Es wäre eine Aufwertung unseres Einsatzes gewesen, hätten wir einen Gefangenen machen und mit nach Sampson "bringen können. Wirklich schade. Dann bringen wir es rasch hinter uns.“ Yttalar brachte die MACCHAM in einer letzten kurzen Überlichtetappe ins Zielgebiet und drosselte die Geschwindigkeit auf ein Zehntel. Shoudar hatte den Feuerleitstand übernommen. „Ich habe den Funksatelliten erfaßt“, sagte er. „Übergib jetzt die Schiffssteuerung an die Automatik, Yttalar.“ „Automatik hat übernommen“, meldete Yttalar. Für ihn gab es an Bord nun nichts weiter zu tun. „Ich mache mich schon auf in die Luftschleuse. Ich merke es ja, wenn du den Abschuß getätigt hast.“ „Eigentlich schade, das Ding einfach abzuschießen, meinst du nicht auch, Yttalar?“ sagte Shoudar. „Es wäre eigentlich sinnvoller, den Satelliten einzuholen, um ihn auf Sampson untersuchen zu können.“ „Das wäre gegen unseren Auftrag“, erwiderte Yttalar, obwohl es ihm schwerfiel, gegen die Versuchung anzukämpfen. Aber er sagte sich, daß Shoudar ihm vielleicht nur eine Falle stellen wollte. „Tun wir, was getan werden muß.“ Yttalar suchte die Rüstkammer auf, schlüpfte in den Raumanzug und schloß das Versorgungssystem an sein entsprechendes Körpermodul an. Der eiförmige Impulsgeber bauschte den Raumanzug vorne an der Brust verräterisch, aber davon würde Shoudar nichts merken. Yttalar begab sich in die Schleusenkammer und wartete, bis sich das Außenschott geöffnet hatte. Er brauchte nicht lange auf Shoudars Einsatz zu warten. Es ging alles sehr schnell. Ein Blitz zuckte in der Schwärze des Alls auf, gleich darauf erfolgte in einiger Entfernung eine Explosion. „So, jetzt bist du dran, Yttalar“, hörte er Shoudars Stimme in seinem Empfänger. Yttalar flog zu der Stelle hinüber, an der die Explosion stattgefunden hatte. Von dem Funksatelliten waren nur noch einige Trümmer übrig, die durch die Explosion in alle Richtungen geschleudert wurden. Er stellte, wie es von ihm verlangt wurde, die erforderlichen Messungen an. Dabei holte er den eiförmigen Impulsgeber hervor, stellte die Zeitschaltung so ein, daß der Sender in wenigen Stunden aktiviert würde, zu einem Zeitpunkt, in dem die MACCHAM sich längst auf dem Rückflug nach Sampson befinden würde, und kehrte dann zum Schiff zurück. „So schnell ging das?“ wunderte sich Shoudar. „Eigentlich sind wir als Generalfähnriche für solch einen Einsatz überqualifiziert“, sagte Yttalar. „Etwas mehr hätten wir schon gefordert werden können.“ „Für mich war es ein voller Erfolg“, erwiderte Shoudar zufrieden. Yttalar fragte sich besorgt, ob Shoudar irgend etwas von seinem geheimen Tun mitbekommen hatte. Aber dann fügte Shoudar hinzu: „Auf Sampson herrscht solche Langeweile, daß ich über jede Abwechslung froh bin.“ Yttalar atmete erleichtert auf. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand, um mit den Anoree in Kontakt zu treten. Jetzt konnte er nur noch darauf warten, daß etwas passierte. „Jetzt können wir den Wachschiffen grünes Licht geben“, erklärte Shoudar. „Welchen Wachschiffen?“ erkundigte sich Yttalar erschrocken. „Habe ich vergessen, dir von Ayshupons Beschluß zu erzählen?“ fragte Shoudar scheinheilig, obwohl er Yttalar offenbar absichtlich nicht informiert hatte. „Vor dem Abflug habe ich dem Obersten Schulungsleiter den Vorschlag gemacht, drei Schiffe am ehemaligen Standort des anorischen Funksatelliten zu postieren. Ayshupon hat dem zugestimmt und mich für diese Idee gelobt.“ „Und wozu dieser Aufwand?“ wollte Yttalar wissen.
„Erscheint es dir nicht auch wahrscheinlich, daß die Anoree nachschauen kommen, was mit ihrem Funksatelliten passiert ist, wenn er auf einmal nicht mehr sendet?“ fragte Shoudar. In der Tat, Yttalar war überzeugt, daß es so kommen würde. Sein ganzer Plan basierte auf dieser Überzeugung. Durch Shoudars Eingreifen waren seine Chancen auf Erfolg jedoch gleich Null geworden. Es war kaum vorstellbar, daß die Anoree gegen drei Cantaro-Schiffe eine Chance hatten. Aber nun war es zu spät, ihnen mit der Nachricht auch eine Warnung zukommen zu lassen. Yttalar konnte nur noch auf ein Wunder hoffen. 9. Eines mußte man dem Mausbiber lassen, er hatte sich strikt an Perry Rhodans Anweisungen gehalten und größtmögliche Vorsicht walten lassen - zumindest nach eigener Aussage. Gucky war folgendermaßen vorgegangen: Er hatte die insgesamt acht Generalfähnriche zuerst geduldig aus der Ferne beobachtet und dann überaus sensibel deren Gedanken gefiltert. Die Generalfähnriche waren tatsächlich alle männlichen Geschlechts was ja bis zu diesem Zeitpunkt nicht als selbstverständlich vorauszusetzen war. Aber weiter verwunderlich war es ja nun auch wiederum nicht, da man ja noch nie von einer weiblichen Cantaro in einer Führungsposition gehört hatte. „Mach es doch nicht so spannend, Gucky“, drängte Harold Nyman. Inzwischen kannte Gucky alle Generalfähnriche beim Namen: Miruulan, Laenebor, Shoudar ... und Yttalar. Noch bevor Gucky seinen Namen erfuhr, erkannte er ihn sofort am Inhalt seiner Gedanken. Während sich bei den anderen alles um Themen ihrer Ausbildung und späteren Bestimmung drehte, glitten Yttalars Gedanken immer wieder ab. Er beschäftigte sich viel mit Themen die außerhalb des Bereichs eines Generalfähnrichs lagen - er machte sich sogar Gedanken über das triste Dasein der „Alltagscantaro“, wie er die Fließbandprodukte aus den anderen Klonfabriken nannte. Und er dachte immer wieder und sehr intensiv an die Botschaft des Friedenssprechers, die die Brutwelt Sampson nicht mehr erreichte, seit er und Shoudar mit der MACCHAM hingeflogen waren und den Funksatelliten zerstört hatten. In diesem Zusammenhang tauchte in Yttalars Gedanken auch der Impulsgeber auf, den die Anoree bei den Trümmern des Friedenssprecher-Satelliten vorgefunden hatten. Yttalar hatte den Impulsgeber hinterlegt, und er wartete nun voller Hoffen und Bangen darauf, ob seine Aktion irgend etwas auslösen würde. Er wartete darauf, daß ihm die Anoree ein Zeichen geben würden. Als dies Degruum, Gavval und Shyrbaat hörten, drängten sie darauf, Yttalar das ersehnte Zeichen zu schicken und ihm damit zu verstehen zu geben, daß er das Risiko nicht umsonst auf sich genommen hatte. Sie litten förmlich mit dem Generalfähnrich, der in völliger Ungewißheit der Dinge harrte, die da kommen mochten - oder auch nicht. „Yttalar soll wissen, daß er nicht auf verlorenem Posten steht“, sagte Gavval, und ihre beiden männlichen Gefährten stimmten darin ein. „Wir müssen auf Nummer Sicher gehen“, sagte Rhodan. „Es wäre leichtsinnig, aus übertriebenem Mitgefühl alle unsere Pläne über den Haufen zu werfen.“ Die Anoree sahen zwar ein, daß sie nichts überstürzen durften, um die Aktion nicht zu gefährden, aber sie blieben dabei, daß Yttalar es verdient hatte, irgendein Zeichen zu erhalten. „Ich bin bereit“, sagte Gucky. „Soll ich ihm ein Autogrammfoto von euch dreien bringen? Das wäre doch wenigstens ein Anfang.“ Perry Rhodan erreichte schließlich eine Kompromißlösung. Gucky sollte sich weiterhin auf Yttalar konzentrieren und alles über ihn und seine Situation herausfinden. Wenn sich eine günstige Gelegenheit bot, aber nur dann, wenn der Ilt sicher sein konnte, daß die anderen Zöglinge und die Schulungsleiter keinen Verdacht schöpften, durfte er Yttalar einen Hinweis zukommen lassen, der den erhofften Kontakt in Aussicht stellte. Welcher Art dieser Hinweis sein sollte, mußte Gucky selbst entscheiden, das hing von den Gegebenheiten ab. „Ich kann es einfach nicht fassen!“ rief Gucky in gespielter Ungläubigkeit aus. „Träume ich, oder ist es wirklich wahr? Bin ich denn mündig geworden, daß ich plötzlich selbst entscheiden darf?“ Er hatte damit - wieder einmal - die Lacher auf seiner Seite, und letztlich waren mit Rhodans Kompromißlösung auch die Anoree zufrieden. Der Blue Tyly Chyunz ergriff die Gelegenheit, einen seiner Mondverse in abgewandelter Form loszuwerden. Und diesmal wurde ihm auch die gewünschte Aufmerksamkeit zuteil. Er rezitierte: „Sampsons voller Mond, er blickt mich an - fragend, traurig oder wie und wann?“ „Zum letztenmal, Tyly, warum starrst du mich jedesmal, wenn du diesen Unsinn von dir gibst, so seltsam an?“ rief Harold Nyman erbost; er schien wirklich verärgert, denn sein volles, rundes Gesicht lief dabei rot an. „Was soll das Gefasel über einen Mond, den diese Welt gar nicht besitzt? „ „Dein Anblick inspiriert mich einfach dazu, Harry“, sagte der Blue. „Ich blicke in dein Vollmondgesicht und denke, daß Sampson doch noch einen Trabanten bekommen hat.“
Es folgte zuerst einmal irritiertes Schweigen. Wohin sich der Blue auch wandte, bekam er nur lange Gesichter zu sehen. Aber dann sagte Gucky: „Donnerwetter, Tyly hat's drauf.“ Natürlich war es spöttisch gemeint, aber diese Bemerkung war es, die die anderen auftauen ließ. Und einer steckte den anderen an, und dann bogen sie sich vor Lachen. „Harry ist Sampsons Trabant“, gluckste Nadja unter Lachtränen. „Darauf muß man erst kommen!“ Tyly Chyunz konnte sich in dem Gefühl sonnen, eine Pointe gelandet zu haben, die zumindest unfreiwillig komisch war. Er hatte sie alle verblüfft, weil er ganz gezielt auf einen Gag hingearbeitet hatte. J „War es wirklich so komisch?“ erkundigte sich Tyly Chyunz später vertraulich bei Nadja. „Der Gag an sich war ja wohl nicht so gut, Tyly“, antwortete sie darauf. „Aber die Ausdauer, mit der du darauf hingearbeitet hast, die verdient Bewunderung.“ 10. Jetzt habe ich dich, Yttalar, hatte Shoudar gedacht, als er den Mitzögling bei einer verbotenen Handlung beobachtete. Aber inzwischen waren seit dieser Tat Wochen vergangen, ohne daß er den anderen hätte überführen können. Man schrieb den 20. Dezember, Shoudar beging bereits seinen 604. Geburtstag. In spätestens drei Wochen würden sie als Generale bestätigt werden, ein Schiff bekommen und in ihre verantwortungsvolle Aufgabe eingewiesen werden. So weit durfte es nicht kommen, bevor er Yttalar nicht zu Fall gebracht hatte. Bisher hatte sich Shoudar noch nicht zum entscheidenden Schritt entschließen können. Der Grund für seine Zurückhaltung war der, daß er nichts Schlagkräftiges gegen Yttalar in der Hand hatte. Dabei war sich Shoudar seiner Sache ganz sicher. Er war fest davon überzeugt, Yttalar endlich des Verrats überführt zu haben - und wenn schon vielleicht nicht das, so glaubte er, den Beweis gefunden zu haben, es mit einem genetischen Fehlprodukt zu tun zu haben. Es war während ihres Einsatzes beim anorischen Funksatelliten gewesen, daß Shoudar Yttalar dabei beobachtet hatte, wie er bei den Trümmern irgend etwas hinterlegt hatte. Shoudar hatte leider keine Gelegenheit gehabt, den Gegenstand zu identifizieren, den Yttalar dort deponiert hatte, dazu war keine Zeit gewesen. Es mochte eine Nachricht für die Betreiber des Friedenssprechers gewesen sein, ebensogut konnte es aber auch sein, daß Yttalar nur irgend etwas hatte loswerden wollen. Das würde er bei einer Konfrontation gewiß aussagen, denn wenn es um Kopf und Kragen ging, würde er vor keiner Lüge zurückschrecken. Das war auch der Grund, warum er bis jetzt noch keine Meldung erstattet hatte. Er brauchte stichhaltige Beweise gegen Yttalar. Shoudar hatte lange überlegt, was er tun könnte, um Yttalar eindeutig zu überführen, bis er sich dazu entschlossen hatte, ihn auszuspionieren. Schon bald nach ihrer Rückkehr von besagtem Einsatz hatte sich Shoudar eine Überwachungsanlage besorgt. Das war nicht ganz einfach, denn obwohl den Generalfähnrichen Unterstützung zustand, konnte man sich nicht jedes technische Gerät ungefragt besorgen. Offiziell darum anzusuchen, davor scheute Shoudar zurück, weil Yttalar davon hätte erfahren können und womöglich gewarnt wurde. Shoudar entschloß sich darum dazu, den Schulungsleiter Tooreca darauf anzusprechen. Da er zu Tooreca in einem außergewöhnlich guten Verhältnis stand, fiel es ihm nicht schwer, sich vertraulich an ihn zu wenden. Shoudar sagte ihm ganz offen, daß er jemanden im Verdacht habe, mit dem Feind zu kollaborieren, jedoch nicht genügend Beweise habe, um seinen Namen zu nennen. Wie könne er also an die erforderliche technische Ausrüstung gelangen, ohne daß dies offiziell bekannt würde und der Verdächtige vorzeitig Verdacht schöpfe? Tooreca zeigte Verständnis für seine Situation und sagte: „Du bekommst die technische Ausrüstung von mir. Ich werde sie für dich in meinem Namen anfordern.“ Der Schulungsleiter stellte keinerlei Fragen, obwohl Shoudar das halb und halb gehofft hatte, weil er es sich wünschte, jemanden ins Vertrauen ziehen zu können. Irgendwie fühlte sich Shoudar nämlich mit seinem Geheimnis des Lebens nicht mehr sicher; er traute es Yttalar zu, auch einen Artgenossen zu töten. Er hatte gelegentlich von einem Modul gesprochen, das er cynaui nannte und von dem er behauptete, es sei so etwas wie eine Lebensuhr, die Cantaro in sich trügen und die man abstellen könne, wenn man das nötige Wissen besitze. Daran mußte Shoudar denken, als er sich während einer Schulungsstunde, von der er unentschuldigt fernblieb, in Yttalars Unterkunft schlich und dort die Mikrospione versteckte. Von nun an konnte er Yttalar ständig auch in seiner Privatsphäre überwachen. Wie gesagt, das war bald nach ihrem Einsatz gegen den Friedenssprecher-Satelliten gewesen. Inzwischen waren Wochen vergangen, in denen Shoudar Yttalar nicht aus den Augen gelassen hatte. Aber das erhoffte beweiskräftige Belastungsmaterial hatte er auf diese Weise nicht bekommen. Zuerst hatte Shoudar nächtelang gewacht und Yttalar nicht aus den Augen gelassen. Aber mit der Zeit wurde ihm diese Nachtwache zu langweilig, und er machte nur noch Aufzeichnungen, die er sich nachträglich im Zeitraffer vorspielte.
Gewiß, Yttalar benahm sich schon recht eigenartig, wenn er sich innerhalb seiner Privaträume unbeobachtet fühlte. Er saß grübelnd da, wälzte sich unruhig auf seinem Lager, schreckte oftmals wie elektrisiert von seinem Lager hoch, blickte sich gehetzt um und begann dann seine Unterkunft zu durchsuchen. Dieses Verhalten entsprach so ganz und gar nicht dem eines zukünftigen Generals, nicht einmal dem eines Durchschnittscantaro. Ein Cantaro hatte sich einfach in der Gewalt - nicht so aber Yttalar. In manchen Nächten beschäftigte sich Yttalar stundenlang mit Selbsttests, und das hatte fast den Anschein, als versuche er herauszufinden, was es denn genau war, das ihn von einem makellosen Cantaro unterschied. Damit fügte Yttalar gewissermaßen selbst Mosaik- um Mosaikstein in das Gesamtbild ein, das sich Shoudar von einer cantarischen Fehlzüchtung machte. Das reichte zwar für Shoudars persönliche Bestätigung, sich nicht geirrt zu haben, aber es war ihm zuwenig für eine Denunzierung. Er wollte Yttalar nicht die geringste Chance lassen, sich aus der Schlinge zu ziehen. Fast hatte Shoudar schon die Hoffnung aufgegeben. Aber dann kam der 20. Dezember, sein 604. Geburtstag. Und am Ende des Tages geschah es. Es passierte etwas so Haarsträubendes, etwas, das nicht nur Yttalar das Koordinierungsmodul kosten mußte, sondern das auch der ganzen Angelegenheit eine völlig neue Dimension gab. Vor dieser Instruktionsstunde hatte Shoudar schon die ganze Woche gebangt. Ayshupon war als Lehrer der Schrecken aller Zöglinge, aber ganz schlimm war es, wenn er sich die Generalfähnriche einzeln vornahm. Und an seinem 604. Geburtstag war Shoudar an der Reihe, denn es war Tradition, daß die vor ihrer Ausmusterung stehenden zukünftigen Generale in Einzelgesprächen mit dem Obersten Schulungsleiter ihre Befähigung unter Beweis stellten. Doch Shoudar hatte sich umsonst gefürchtet. Er lernte Ayshupon von einer ganz anderen Seite kennen und faßte sogar Vertrauen zu dem Nakken. Ayshupon verkniff es sich in ihrem vertraulichen Gespräch, bloß Phrasen der nakkischen Philosophie von sich zu geben, sondern wählte ein Thema, das Shoudar sehr interessant fand. Der Nakk eröffnete das Gespräch mit einer Frage: „Was stellst du dir eigentlich unter dem Supremkommando vor, Shoudar?“ Die Antwort fiel Shoudar leicht. „Das Supremkommando ist die oberste Instanz in der Milchstraße. Von ihm geht die Macht aus, der sich alle Galaktiker, alle Cantaro und auch die Nakken zu beugen haben.“ „So könnte auch schon ein drei Wochen alter Klon antworten“, meinte der Nakk daraufhin und gab seiner synthetischen Stimme eine spöttische Klangfarbe. „Ich aber möchte die persönliche Meinung eines cantarischen Generals hören. Was hältst du vom Supremkommando? Wer steht deiner Meinung nach hinter diesem recht nichtssagenden Sammelbegriff?“ Shoudar überlegte einige Zeit, dann entschloß er sich dazu, Ayshupon seine ehrliche Meinung zu sagen. „Ich glaube, daß sich das Supremkommando aus verdienten cantarischen Strategen zusammensetzt“, erklärte er. „Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Führungsspitze um einen kleinen Personenkreis. Ich denke dabei an zehn oder zwanzig besonders fähige Cantaro - und selbst wenn es hundert an der Zahl sind, wäre es immer noch ein erlauchter Kreis. In jedem Fall muß es sich um eine relativ kleine und streng begrenzte Gruppe handeln. Denn die absolute Macht muß in den Händen ganz weniger sein, um auch wirksam ausgeübt werden zu können.“ „Und daran, daß sich das Supremkommando aus Nakken zusammensetzen könnte, hast du wohl noch nicht gedacht?“ erkundigte sich Ayshupon. Shoudar entschloß sich abermals, bei der Wahrheit zu bleiben. „Das erscheint mir absurd“, sagte er offen. „Das Supremkommando muß sich an die herrschenden Gegebenheiten halten und realitätsbezogene Entscheidungen treffen. Die Nakken haben Fähigkeiten, die uns Cantaro abgehen und die sie für spezielle, höherdimensionierte Aufgaben unersetzlich machen, aber als Beherrscher einer Galaxis sind sie wegen ihres Mangels an Realitätssinn wohl weniger geeignet.“ „Worin siehst du den Aufgabenbereich der Nakken?“ erkundigte sich Ayshupon. „Nenne mir ein Beispiel.“ „Als Bewacher der Black Holes könnte ich mir niemanden Geeigneteren als die Nakken vorstellen“, antwortete Shoudar. „Sehr gut“, sagte Ayshupon, und es klang zufrieden; was in dem Nakken tatsächlich vor sich ging, konnte man an seiner Gesichtsmaske nicht ablesen. „Kennst du den volkstümlichen Ausdruck für das Supremkommando, Shoudar?“ „Ja, ich habe davon gehört“, sagte Shoudar. „Man nennt das Supremkommando auch die Herren der Straßen, aber ich wüßte nicht zu sagen, warum.“ „Du hast eine mögliche Antwort daraufgegeben“, sagte Ayshupon. „Du hast uns soeben zugestanden, daß wir Nakken die Meister der fünften Dimension sind. Wir verstehen und beherrschen die Kräfte, die den Schwarzen Löchern innewohnen. Und diese Schwarzen Löcher sind die Knotenpunkte mit den Schaltstellen für die Sternenstraßen, die die Cantaro einst zur Überwindung kosmischer Distanzen benutzten. Du könntest dir als angehender General einmal überlegen, ob der Begriff Herren der Straßen nicht möglicherweise davon abgeleitet ist. Alle Cantaro sollten das einmal tun.“
Ayshupon machte eine Pause, bevor er mit verstärkter Stimme rief: „Vielleicht würden die Cantaro dann weniger selbstherrlich über sich urteilen und uns Nakken den Stellenwert beimessen, der uns zusteht.“ Der Nakk beruhigte sich sofort wieder und fügte mit gemäßigter Stimme hinzu: „Ob es sich so verhält oder nicht, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich bin jedenfalls nicht Mitglied des Supremkommandos, sondern auch nur ein Befehlsempfänger.“ Shoudar wußte darauf nichts zu sagen; die Offenheit des Nakken verblüffte ihn. Ayshupon streckte seinen wirbellosen Körper, der nur von dem metallenen Exoskelett aufrecht gehalten wurde, und blickte ihn aus seinen mechanischen Augen an. „Bilde dir nicht zuviel ein, Shoudar“, sagte er dann wieder mit unpersönlicher Stimme. „Meine Pflicht ist es, dich als ausgebildeten General in die Dienste der Milchstraße zu entlassen. Dazu gehört unter anderem, dich auf alle möglichen Aspekte hinzuweisen, auch auf meine Stellung innerhalb des Systems.“ Ayshupon machte wieder eine Pause, und Shoudar wußte immer noch nichts zu sagen. „Kommen wir zum Abschluß“, sagte der Nakk schließlich. „Das Supremkommando befiehlt, und wir haben zu gehorchen. Das gilt für mich in meiner Position ebenso wie für den niedrigsten Soldatenklon. Das wäre alles für diesmal.“ Obwohl er die Unterrichtsstunde mit Ayshupon genossen hatte, war Shoudar doch froh, entlassen zu werden. Er wußte nicht recht, was er von dem Nakken halten sollte. Immerhin hatte ihm Ayshupon zu verstehen gegeben, daß selbst er Befehle auszuführen hatte, über deren Sinn oder Bedeutung er nicht nachzudenken, sondern die er korrekt auszuführen hatte. Als Shoudar in seine Unterkunft kam, schaltete er als erstes automatisch die Überwachungsanlage ein. Er wollte jetzt nicht über Ayshupons Aussagen und Anspielungen nachdenken. Zuerst mußte er sich entspannen und so für ein geordnetes Zusammenspiel seiner Module sorgen. Das konnte er am besten bei der Betrachtung seines erklärten Intimfeindes. Er blickte ohne große Erwartungen auf den Bildschirm, der die Unterkunft seines Mitzöglings zeigte. Überrascht stellte er fest, daß Yttalars Zimmer leer war, obwohl er keinen Unterricht hatte. Das mußte nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben, denn es konnte leicht sein, daß Yttalar zu einem Schulungsleiter gerufen worden war - oder sogar zu einem Gespräch mit Ayshupon. Yttalar verbrachte viel von seiner Freizeit auch außerhalb des Schulungsgeländes, in freier Natur oder bei den Alltagscantaro aus den Großklonanlagen. Shoudar mußte sich fragen, warum ihn solche seltsamen Neigungen nicht auch bei den Schulungsleitern verdächtig machten - solche Interessen waren doch eines Generalfähnrichs unwürdig. Das ließ sich leicht herausfinden. Denn wo immer sich Yttalar auch herumtrieb, es würde sich leicht eruieren lassen, denn über den Aufenthalt der Generalfähnriche wurde ein genaues Protokoll geführt. Und jeder Zögling konnte sich über das Tun des anderen jederzeit informieren, ohne damit Aufsehen zu erregen; dieses Überwachungssystem gehörte zur Schule des Lebens, denn auch ein cantarischer General hatte so gut wie kein Privatleben. Ein solches blieb den niedrigen, den triebhaften Chargen überlassen. Shoudar forderte Yttalars Tagesablauf an und erfuhr daraus, daß dieser vor drei Stunden seine Unterkunft aufgesucht und seit damals nicht verlassen hatte. Tatsächlich war er jedoch nicht da. Shoudar witterte sofort irgendwelche verbotenen Umtriebe, mit deren Aufdeckung er Yttalar endlich festnageln konnte. Aber er konnte das Geheimnis seines Verschwindens nicht einmal mittels seines Überwachungssystems klären, denn dieses wies eindeutig aus, daß Yttalar seine Unterkunft zwar betreten, danach aber nicht mehr verlassen hatte. Als letzte Möglichkeit blieb ihm nur noch übrig, die Bildaufzeichnung ablaufen zu lassen, um herauszufinden, wie Yttalar aus seiner Unterkunft gekommen war. Gerade als sich Shoudar anschickte, dies zu tun, zeigte der Überwachungsschirm an, wie Yttalar plötzlich in seinem Zimmer auftauchte. Er stand auf einmal, ohne daß sein Kommen angezeigt worden wäre, mitten im Bild. Und er war nicht allein. Ein Fremder befand sich an seiner Seite, ein pelziges Wesen von animalischem Aussehen, das jedoch kein Tier sein konnte, weil es in eine seinem Körper angepaßte Kombination gekleidet war. Shoudar hatte ein solches Geschöpf weder schon einmal gesehen noch von dieser Spezies gehört. Es konnte sich um keinen Bewohner von Sampson handeln, denn dieser Planet hatte kein intelligentes Leben hervorgebracht. Und es war auch bestimmt kein Galaktiker. Aber der Fremde sprach Interkosmo. Er sagte: „Jetzt erhole dich erst einmal von diesem Schock, Yttalar. Denke immer daran, daß wir deine Freunde sind und in deiner Nähe. Ich komme bald wieder. „ Mit diesen Worten entmaterialisierte der Fremde. Er löste sich von einem Moment zum anderen auf, als sei er von einem unsichtbaren Transmitter abgestrahlt worden. Shoudar war fassungslos. Endlich besaß er den Beweis gegen Yttalar, nach dem er so lange gesucht hatte. Und zwar in Bild und Ton.
Shoudar spielte die Aufzeichnung zurück bis zu der Stelle, an der der Fremde in Yttalars Zimmer aufgetaucht war. Er war auf die gleiche Weise gekommen, wie er den Generalfähnrich zurückgebracht hatte. Von wo? Das war im Moment noch nicht so wichtig. Shoudar stoppte den Bildrücklauf an der Stelle, als Yttalar noch allein in seiner Unterkunft war. Er hatte sich einen Scanner geliehen und war gerade dabei, seinen Schädel zu durchleuchten, als er durch ein Geräusch in seinem Rücken aufgeschreckt wurde. Dieses Geräusch hatte der Fremde bei seinem unvermittelten Auftauchen verursacht. Yttalar wirbelte herum und zeigte beim Anblick des Eindringlings Überraschung. Da sich Yttalar unbeobachtet wähnte, konnte seine Reaktion nicht gespielt sein. Demnach tauchte der Fremde auch für ihn überraschend auf, so daß es sich nicht um eine verabredete Zusammenkunft handeln konnte. „Guck nicht so kariert, Yttalar“, sagte das Pelzwesen mit der vorspringenden Schnauze und ließ einen einzelnen Nagezahn aufblitzen. „Ich bin ein Fremder. Wir haben deine Nachricht erhalten und sind hier, um ...“ Yttalar machte eine Abwehrbewegung. Da griff der Fremde blitzschnell nach ihm und entmaterialisierte mit ihm. Sonst ereignete sich nichts bis zu dem Zeitpunkt, als der Fremde Yttalar wieder zurückbrachte. Er war über eine Stunde weg gewesen. Yttalar sah sehr mitgenommen aus. Er wirkte krank, wie Shoudar einen Generalfähnrich noch nie krank gesehen hatte. Er zitterte und zeigte einen völlig verstörten Gesichtsausdruck. Was hatte er erlebt, das ihm so schwer zugesetzt hatte? Shoudar hätte es zu gerne gewußt. Aber er würde es schon noch erfahren. Zuerst zählte jedoch nur, daß er Yttalar endlich - endlich - verräterischer Umtriebe überführt hatte. „Wir haben deine Nachricht erhalten und sind hier, um ...“ Diese Aussage war die Bestätigung dafür, daß Yttalar den Fremden und seine Gefährten gerufen hatte. Shoudar wußte auch genau, wann und wo das gewesen war. Nun stellte sich ihm aber plötzlich das Problem, wie er sein Material auswerten sollte. Es war eine große Versuchung für ihn, einfach Yttalar aufzusuchen und ihm ins Gesicht zu sagen, daß seine Machenschaften aufgedeckt worden seien. Dies wäre für Shoudar eine große Selbstbefriedigung gewesen und eine gewisse Entschädigung für seine Ausdauer und Mühen. Aber er entschied sich dagegen, denn es stand zuviel auf dem Spiel. Wer konnte wissen, wie Yttalar in seiner Panik reagierte - und ob er nicht die Möglichkeit hatte, die Fremden zu warnen. Nein, Shoudar durfte nicht an sich denken, sondern mußte handeln wie ein General. Er mußte Meldung erstatten - und dafür kam nur der Oberste Schulungsleiter in Frage. Shoudar machte sich sofort auf den schweren Gang und nahm die gesamten Bilddokumente als Beweismaterial mit. Der Nakk empfing ihn trotz der ungewöhnlichen Stunde, ohne sich nach dem Grund seines Besuches zu erkundigen. Ayshupon hörte sich Shoudars Geschichte schweigend an. Nachdem Shoudar geendet hatte, verlangte der Nakk, das Beweismaterial zu sehen. Shoudar spielte ihm die Aufzeichnung vor. Als das Pelzwesen zu sehen war, zeigte Ayshupon zum erstenmal eine Reaktion. „Das ist doch dieser Ilt, der uns schon zu schaffen gemacht hat“, sagte er mit seiner synthetischen Stimme. Danach verfiel er wieder in Schweigen und gab keinen Kommentar mehr ab bis zu der Szene, in der „dieser Ilt“ Yttalar wieder in seine Unterkunft zurückgebracht hatte und kurz darauf wieder verschwunden war. „Das sind die Beweise, die ich gegen Yttalar gesammelt habe“, erklärte Shoudar abschließend. „Sie sprechen wohl für sich. Sie zeigen auf, daß Yttalar ein Überläufer, ein Verräter ist, eindeutig eine Fehlzüchtung. Ich konnte die Verantwortung nicht mehr alleine tragen und sah mich dazu verpflichtet, dir Bericht zu erstatten, Ayshupon.“ „Du hast richtig gehandelt, Shoudar“, sagte Ayshupon bestätigend. Daraufhin verfiel er wiederum in brütendes Schweigen. Schließlich gab er einen eigenartigen Laut von sich, der einem Räuspern oder Seufzen gleichkommen mochte. Er richtete seine Optik auf Shoudar, und dann sagte er: „Nun ist es meine Pflicht, etwas zu tun, von dem ich nicht weiß, was es auslösen wird. Wir haben bei unserem Gespräch über das Supremkommando von Befehlsgewalt und Gehorsam gesprochen. Meine folgende Handlungsweise ist als Paradebeispiel dafür anzusehen, daß auch ich nur ein Befehlsempfänger bin.“ „Du bist der Oberste Schulungsleiter, der Befehlshaber von Sampson“, sagte Shoudar nur. „So scheint es“, sagte der Nakk. „Aber mir ist vorgeschrieben, was ich in bestimmten Situationen zu tun habe. Im vorliegenden Fall bin ich verpflichtet, einen Lagebericht mit vorbereitetem Kode an das Supremkommando zu funken. Was daraufhin passieren wird, davon habe ich nicht die geringste Ahnung. Lassen wir uns also überraschen, Shoudar.“ 11. Sie waren bereits den vierten Tag auf Sampson und hatten nichts anderes zu tun, als auf das Eintreffen der QUEEN LIBERTY zu warten. Alle vorbereitenden Arbeiten waren abgeschlossen. Man kannte alle Details der cantarischen Anlagen, wußte, wo die zentrale Energiestation war und wo die Abwehrforts standen. Ihre große Befürchtung war gewesen, daß sich auf Sampson oder im Sektor Nizhda ein Verband cantarischer
Kampfschiffe befinden könnte. Das hätte für die QUEEN LIBERTY unangenehm werden können. Aber Sampson wurde vom Raum aus nicht gesichert; es gab nicht einmal Orbitale Abwehrforts. Vermutlich dachten die Cantaro, daß größtmögliche Geheimhaltung dieser Brutwelt die beste Sicherheit war. Nun, ihnen konnte es recht sein. Wenn Homer G. Adams mit seinem Flaggschiff eintraf und die vereinbarte Verstärkung über den Transmitter schickte, dann konnten sie mit dem Sturm auf die Generalfähnrichsunterkunft beginnen. Wenn alles nach Plan verlief, konnten sie eine halbe Stunde später bereits wieder mit der QUEEN LIBERTY unterwegs aus dem Nizhda-System sein. Lange noch bevor der Alarm cantarische Buckelschiffe auf den Plan rufen würde. Das eine geparkte Schiff, die MAC-CHAM, zählte ohnehin nicht, denn es würde ein leichtes Ziel für Adams' Flaggschiff abgeben und erst gar nicht abheben können. Perry Rhodan hätte den Einsatz trotzdem gerne schon hinter sich gehabt. Er versprach sich einiges von einem höherrangigen cantarischen Gefangenen. Es war eine friedliche, wolkenlose Nacht. In der Tierwelt schien es publik geworden zu sein, daß man um den Hügel mit den lecker aussehenden Exoten besser einen Bogen machte, denn es ließen sich keine Nachtschwärmer mehr blicken, seit sich in der ersten Nacht irgendein größeres Raubtier am Energiezaun eine Abreibung geholt hatte. Auch von den cantarischen Klonfabriken gab es nichts Außergewöhnliches zu berichten. Sampson zeigte sich als das reinste Idyll, in dem man beinahe vergessen konnte, wie es um die Milchstraße und ihre Bewohner stand - wo man auch die persönlichen Probleme hätte vergessen können, wenn sie sich nicht so schmerzhaft eingebrannt hätten. Gesil ... Monos ... Rhodan hatte allein sein wollen und darum das Freie aufgesucht. Er befand sich etwa dreißig Meter unterhalb der Hügelkuppe, als er aus dem Eingang ihres Stützpunkts aufgeregte Stimmen hörte. Gerade als er sich umdrehte, kam ein Roboter herausgeflogen und prallte gegen einen Baum. Rhodan fand, daß er aussah, als hätte er sich mit einem Haluter angelegt. Im folgenden vernahm er durch tumultartige Hintergrundgeräusche Guckys beschwörende Stimme aus der Tiefe. Der Mausbiber redete auf irgend jemand beruhigend ein, aber Einzelheiten waren nicht zu verstehen. Im nächsten Moment kam mit einem mächtigen Satz eine humanoide Gestalt aus dem Eingang gesprungen. Es war ein Cantaro - wie Rhodan es befürchtet hatte. Als der Cantaro auf ihn zugerast kam, griff er blitzschnell zum Paralysator. Aber noch bevor er die Waffe in Anschlag bringen konnte, materialisierte Gucky zwischen ihnen. Der Cantaro wurde telekinetisch in die Höhe geschoben und blieb, mit Armen und Beinen hilflos strampelnd, zwei Meter über dem Boden in der Schwebe. Er hat es wirklich getan! dachte Rhodan in einer Mischung aus Zorn und Erstaunen. Gucky baute sich unter dem Cantaro auf. „Verstehst du denn kein Interkosmo, Yttalar?“ rief er zu ihm hinauf. „Ich habe dir versichert, daß wir Freunde sind. Wir haben deine Nachricht am zerstörten Satelliten des Friedenssprechers gefunden und sind nur deinetwegen auf Sampson. Die Anoree sind ebenfalls hier. Du wirst sie gleich kennenlernen. Aber zuerst beruhige dich, und führe dich nicht auf wie ein Besessener.“ Der Cantaro beruhigte sich tatsächlich und schlug nicht mehr um sich. Gucky ließ ihn langsam zu Boden gleiten und entließ ihn erst aus seinen telekinetischen Kräften, als er sicher auf den Beinen stand. Der Cantaro blickte zwischen Rhodan und Gucky hin und her. „Wer seid ihr?“ fragte er. „Wir sind Freunde der Anoree, Verbündete jenes Volkes, von dem die Cantaro abstammen“, sagte Rhodan ruhig. Er deutete auf den Ilt. „Gucky hat dir bereits die Zusammenhänge erklärt. Es ist die Wahrheit, daß wir nur deinetwegen hier sind.“ Die Haltung des Cantaro blieb ablehnend. „Euch habe ich nicht gerufen“, sagte er kalt. Er taxierte Rhodan nach dessen Geschmack ein wenig zu feindselig. „Du bist ein Rebell, ein Terraner. Ein Feind der Milchstraße. Mein Leben ist der Vernichtung von Leuten deines Schlages gewidmet. Nur für den Kampf gegen Opportunisten wie dich wurde ich geboren.“ „Es ist wohl nicht der Augenblick, mit dir darüber zu diskutieren“, sagte Rhodan. Als er über des Cantaro Schultern die drei Anoree aus den sub-planetaren Anlagen auftauchen sah, fügte er hinzu: „Aber vielleicht änderst du deine Meinung, wenn du erst die Anoree kennengelernt hast.“ Dem Cantaro war es nicht entgangen, daß Rhodan an ihm vorbeiblickte. Er drehte sich langsam um die eigene Achse, um seinen Blicken zu folgen. Noch bevor er die Drehung um 180 Grad vollendete, hatte er die drei Humanoiden, die von so grundverschiedener Statur wie die Cantaro waren, erblickt. Er erstarrte mitten in der Bewegung, sah Gavval, Degruum und Shyrbaat nur an. Sie kamen gemessenen Schrittes näher, sahen den Cantaro freundlich, wohlwollend an. Plötzlich begann Yttalar zu zittern. Und mit jedem Schritt den die drei Anoree näher kamen, verstärkte sich das Zittern seines Körpers.
Gavval blieb stehen und hob die Hand, um auch ihren Artgenossen Einhalt zu gebieten. Mittlerweile wurde der Körper des Cantaro wie von Krämpfen geschüttelt. „Was hat das zu bedeuten?“ fragte Harold Nyman aus dem Hintergrund besorgt. „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, er erkennt uns“, sagte Gavval und betrachtete den Cantaro forschend. „Das ist nicht die reine Wiedersehensfreude“, stellte Gucky fest. „Vielleicht wäre es klüger, die Begegnung abzubrechen. „ Der Cantaro ging wie in Zeitlupe in die Knie. Dabei schlugen seine Beine in konvulsivischen Bewegungen gegeneinander. Die zitternden Arme hatte er steif, verkrampft zu Boden gestreckt. Sein Gesicht war wächsern, alles Blut schien daraus gewichen zu sein, die Augen hatte er so verdreht, daß die Pupillen verschwunden waren und nur noch die grünliche Iris zu sehen war. „Bring ihn zurück, Gucky!“ befahl Perry Rhodan. „Was auch mit ihm passiert, es bringt ihn um.“ Degruum hob die Hand. „Nein, bitte nicht“, rief er. „Es tut ihm weh, aber es ist nichts Schlimmes. Es ist nur die Urerinnerung an seine Abstammung, die in ihm hervorbricht. Das Rassenbewußtsein triumphiert über alle künstlich herbeigeführten Restriktionen. Laßt Yttalar diese Urerinnerung ausleben. Es tut weh wie alles Elementare, aber es ist wichtig für seine Erneuerung.“ Rhodan zweifelte daran, ob Degruum mit der Beurteilung von Yttalars Zustand recht hatte. Der Cantaro war in sich zusammengesunken, kauerte gekrümmt auf dem Boden, aber das Gesicht mit den blinden Augen hatte er immer noch in Richtung der Anoree emporgewandt. „Kannst du seine Gedanken lesen, Gucky?“ erkundigte sich Rhodan. „Sage mir, was er denkt.“ Der Mausbiber konzentrierte sich dann schüttelte er bedauernd den Kopf. „Yttalar denkt überhaupt nicht mehr“, sagte er. „Im ersten Moment, beim Anblick Gavvals und ihrer Gefährten, da sind seine Gedanken in Aufruhr geraten. Aber jetzt hat offenbar seine syntronische Ratio das Kommando übernommen.“ „Natürlich ist es so“, bestätigte Degruum. „Es kann gar nicht anders sein. Als seine syntronischen Gehirnprozessoren registrierten, daß er uns als Vertreter seines Stammvolkes erkannte, schalteten sie sich dazwischen und übernahmen das Kommando über seinen Körper. Laßt ihn das durchleben und uns dann mit ihm sprechen.“ Degruum kniete vor Yttalar nieder und blickte ihm in die blicklosen Augen. „Du hast uns Anoree als dein Stammvolk erkannt, nicht wahr, Yttalar?“ sagte er mitfühlend. „Du weißt jetzt, wohin du gehörst und. daß man gewaltsam versucht, euch Cantaro die Individualität zu nehmen, das Ureigenste eurer Persönlichkeit zu unterdrücken, abzutöten.“ Der Cantaro gab blubbernde Laute von sich, dabei trat ihm gelblicher Speichel aus dem Mund. Er bot einen bemitleidenswerten Anblick. Gucky blickte Rhodan fast flehend an und schüttelte den Kopf. „Er wird noch durch Degruums aufopfernde Fürsorglichkeit sterben“, sagte der Mausbiber. „Er ist kein denkendes Wesen, nicht einmal Droide mehr, sondern nur noch Roboter. Irgendeines der Module, die ihn steuern, wird es auch scharfen, ihn umzubringen.“ „Schluß damit!“ beschieß Rhodan endgültig. „Gucky wird Yttalar auf der Stelle zurückbringen. Wir kümmern uns um ihn, wenn er sich wieder erholt hat.“ Degruum stand auf und wandte sich seinen Artgenossen zu. Auch Shyrbaat hatte keinen Einwand vorzubringen. Nur Gawal sagte: „Überstürze nichts, - Perry. Er hat uns erkannt, aber die sein Bewußtsein überkommende Urerinnerung brach mit solcher Heftigkeit durch, daß sie beinahe zu einem traumatischen Kollaps geführt hat. Wir ziehen uns darum besser zurück. Warte ab, bis wir außer Sichtweite sind. Wenn sich sein Zustand dann nicht bessert, dann kannst du deine Rettungsaktion immer noch vornehmen. Aber es wäre wichtig, mit Yttalar zu sprechen, bevor ihr ihn zurückbringt. Das wäre für ihn überaus wichtig.“ Rhodan sah den drei Anoree nach, wie sie im Eingang ihres Stützpunkts verschwanden. Er hatte den Eindruck, daß sie niedergeschlagen wirkten. Es war wohl für sie schwer zu ertragen, daß ihr Anblick einem Cantaro einen beinahe tödlichen Schock verursachte. „Okay, Kleiner“, sagte Rhodan zu Gucky. „Teleportiere mit uns beiden an einen anderen Ort. Vielleicht wirkt sich ein Tapetenwechsel heilsam auf Yttalar aus.“ Gucky teleportierte mit Perry Rhodan und Yttalar zum Rand des Raumhafens, nahe der Zöglingsunterkunft. Als der Mausbiber Rhodans vorwurfsvollen Blick sah, mit dem er diese leichtsinnige Aktion strafte, rechtfertigte er sich: „Ich dachte, es würde Yttalars Regeneration beschleunigen, wenn er sich in vertrauter Umgebung wiederfindet.“ Der Cantaro hatte sich tatsächlich von seinem eigenartigen Krampfzustand wieder einigermaßen erholt. Er wirkte nur noch ein wenig benommen, aber er hatte seinen Körper wieder in der Gewalt. „Wie fühlst du dich, Yttalar?“ erkundigte sich Rhodan. „Leer, inhaltslos, nichtswürdig und unnütz“, sagte Yttalar und starrte ins Leere. „Ich misse den sengenden. Glückseligkeit spendenden Schmerz der Erinnerung. Ich kann nicht beschreiben, was ich gefühlt habe. Ich kann auf
einmal Zusammenhänge erkennen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es ist alles so ganz anders, als es mich gelehrt worden ist.“ „Du hast die Anoree gesehen“, sagte Rhodan. „War es ihr Anblick, der dir die Erinnerung an bisher Unbekanntes brachte und dich die Zusammenhänge erkennen ließ?“ „Wie kommt es, daß ich auf einmal weiß, daß die Anoree unsere Stammväter sind?“ sagte Yttalar statt einer Antwort. „Woher habe ich die Gewißheit, daß es nur so und nicht anders sein kann? Daß dies die einzige Wahrheit ist, auf die es ankommt? Alles andere sind Lügen.“ Gucky konnte sich nicht verkneifen einzuwerfen: „Degruum hatte schon recht. Was einen Cantaro nicht umbringt, macht ihn hart.“ „Anerkennst du . uns jetzt .als Freunde der Anoree - und somit auch als deine Verbündeten?“ wollte Perry wissen. Yttalar sah ihn erstaunt an. „Ich mache zwischen den Gefährten der Anoree und diesen selbst keinen Unterschied“, sagte er, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt. „Meine Meinung vor diesem Ereignis zählt nicht. Alles, was ich bisher zu wissen glaubte, sind falsche Erinnerungen. Für mich zählt nur noch die Botschaft des Friedenssprechers. Ich bin gewillt zu lernen, was ich noch nicht weiß.“ „Da gibt es eine Menge, was du nachzuholen hast“, warf Gucky ein. „Warum habt ihr mich von den Anoree getrennt?“ fragte Yttalar, als falle ihm erst jetzt auf, daß sie einen Ortswechsel vorgenommen hatten. Er blickte sich um, sah die MACCHAM und den Gebäudekomplex mit der Zöglingsunterkunft und der Schulungsstätte und versteifte sich plötzlich. „Ich gehe dahin nicht wieder zurück. Mein Platz ist bei den Anoree. Ich habe sie gerufen, damit sie mich aus dieser Zwangslage befreien. Bringt mich wieder zu ihnen.“ „Das tun wir ganz gewiß“, versicherte ihm Rhodan. „Wir sind nur aus dem einen Grund nach Sampson gekommen, um dich von hier fortzubringen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre das noch verfrüht. Wir sind noch nicht soweit.“ „Warum kann ich nicht bei den Anoree bleiben?“ fragte Yttalar. Rhodan erklärte es ihm. „Das Raumschiff, das uns abholen soll, ist noch nicht eingetroffen. Wenn du nicht in dein Quartier zurückkehrst, wird man eine Suchaktion starten und unser Versteck finden. Und wenn das geschieht, dann wäre alles verloren. Du mußt dich noch ein wenig gedulden. Gucky, der beste Telepath und Teleporter des bekannten Universums, wird mit dir in Verbindung bleiben und dich abholen, wenn es soweit ist.“ Yttalar überlegte kurz, dann nickte er zustimmend. „Aber laßt mich nicht länger als nötig warten“, sagte er. Unvermittelt fügte er hinzu: „Ich weiß, daß ihr Feinde meines Volkes seid. Glaubt aber nicht, daß ich nun aus einem Gefühl der Zugehörigkeit zu den Anoree zum Verräter werde. Mir geht es in erster Linie darum, gewisse Mißstände aufzudecken - und meinem Volk zu helfen.“ „Wir können schon jetzt die Fronten klären“, sagte Rhodan. „Es ist auch nicht unsere Absicht, jemandem zu schaden. Auch uns ist lediglich daran gelegen, die herrschenden Mißstände, die die Bewohner einer ganzen Galaxis zu Unfreien machen, abzuschaffen. So gesehen gehen unsere Absichten gar nicht so weit auseinander, und ich bin sicher, daß wir nach eingehenderen Gesprächen einander noch näherkommen werden.“ „Jetzt bringe ich dich besser in deine Klause zurück, Yttalar“, sagte Gucky, nachdem Rhodan geendet hatte. „Besteht denn wirklich keine Möglichkeit, daß ich bei den Anoree bleiben kann?“ versuchte der Cantaro seine Rückkehr zu den anderen Zöglingen zu verhindern. „Es gäbe so viel, was ich mit ihnen zu erörtern hätte ...“ „Dazu wird sich noch ausreichend Gelegenheit bieten“, versicherte Rhodan. „Gucky bleibt dein Kontaktmann.“ Der Ilt stellte den für die Teleportation nötigen Kontakt mit dem Cantaro her und entmaterialisierte mit ihm. Als er kurz darauf wieder allein zu Rhodan zurückkehrte, maulte er: „Es wäre doch überaus liebenswert von dir, könntest du mich hie und da auch mal loben, wenn wir unter uns sind und ohne die hinterhältige Absicht, damit irgend jemand einseifen zu wollen.“ „Für eine Belobigung besteht nun wirklich kein Anlaß“, sagte Rhodan. „Eine Standpauke wäre für das, was du uns eingebrockt hast, schon eher angebracht. Ich kann nur hoffen, daß nun deine vorschnelle Handlungsweise keine nachteiligen Auswirkungen hat.“ „Wußte ich es doch, daß du in Wirklichkeit nur an mir herumnörgeln kannst“, schimpfte der Mausbiber. „Ich hätte gute Lust, dich hier schmoren zu lassen, nur um zu sehen, wie du ohne meine Hilfe zurechtkommst.“ Aber das brachte Gucky dann doch nicht über sich und teleportierte mit Rhodan zurück ins Lager. Schon bald nach ihrer Rückkehr meldete Nadja Hemata, daß ein kodierter Funkrichtstrahl die cantarische Funkstation in Richtung galaktische Westside verlassen habe. Gleichzeitig stellte sie umfangreiche Truppenbewegungen auf dem gesamten Areal fest. Die Trupps setzten sich aus Robotern und Cantaro aus den Klonfabriken zusammen. „Sieht ganz nach einer allgemeinen Mobilmachung aus“, stellte sie fest und sinnierte: „Ob das mit Yttalars Besuch bei uns zu tun haben kann?“ Perry Rhodan suchte mit den Blicken Gucky, aber der Mausbiber hatte sich heimlich aus dem Staub gemacht. 12. Perry Rhodan hatte sich mit den anderen besprochen.
Es war ihnen allen klar, daß sie unter den veränderten Bedingungen den ursprünglichen Plan nicht mehr durchführen konnten. Darum einigten sie sich auf folgende Änderung: Wenn die QUEEN LIBERTY über Sampson auftauchte, dann sollte ein Roboter per Transmitter an Bord geschickt werden und Adams einen Situationsbericht überbringen. Die Aufgabe von Adams sollte in der Folge sein, eine Reihe von Ablenkungsmanövern zu fliegen, die den Anschein erwecken sollten, als wolle die QUEEN LIBERTY zur Landung ansetzen. Dadurch wurden die Verteidiger abgelenkt werden und ihre Kräfte auf das Raumschiff konzentrieren. Wie viele solcher Ablenkungsmanöver zu absolvieren waren, konnte im voraus nicht festgesetzt werden. Das Risiko für die QUEEN LIBERTY war dabei denkbar gering, es wurde durch den Einsatz des leistungsfähigen Virtuellbildners auf ein vertretbares Minimum gesenkt. Wenn diese Taktik aufging, sollten, womöglich von den Cantaro unbemerkt, Landetruppen in zwei Beibooten abgesetzt werden, als Verstärkung und weiteres Ablenkungsmanöver für Rhodans Einsatztruppe. Perry Rhodan markierte als Landeplatz für die beiden Beiboote zwei einige Kilometer auseinanderliegende Punkte südlich der Massenklonfabriken, so daß die Aufmerksamkeit der Verteidiger in die falsche Richtung gelenkt wurde. „Während sich das Kampfgeschehen weiter nach Süden verlagert, stoßen wir von den Flanken zum Areal am Raumhafen vor, auf dem die Generalfähnriche leben“, führte Rhodan weiter aus. „Da damit zu rechnen ist, daß die Generalfähnriche besonders geschützt werden, sollten wir unsere verbleibenden vier Roboter ins Feuer schicken am besten aus Richtung des Raumhafens. Dadurch gewinnen wir wiederum etwas mehr Spielraum. Letztlich dient aber auch unser Vorstoß von den Flanken nur zur Ablenkung. Die Hauptverantwortung liegt nämlich bei Freund Gucky. Denn während wir die Verteidiger in Atem halten, soll Freund Gucky zu den Generalfähnrichen teleportieren und sie nacheinander in unseren Stützpunkt bringen.“ „Was, alle acht? „ wunderte sich Nadja Hemata. „Wie sollen wir diese wilde Horde bändigen? Hast du vergessen, daß es sich um ausgewachsene Cantaro handelt?“ „Die werden doch nicht freiwillig mit mir Händchen halten“, klagte auch Gucky. „Sie werden mich in Stücke reißen.“ „Dein Problem, wie du mit ihnen fertig wirst, Freund Gucky“, sagte Rhodan kalt. „Du hast uns schließlich diese Suppe eingebrockt.“ „Wie du meinst“, sagte der Mausbiber. „Wenn es nicht anders geht, dann gebrauche ich eben Gewalt.“ „Ich meine, wenn sich uns die Gelegenheit bietet, dann sollten wir versuchen, so viele cantarische Führungskräfte wie möglich gefangenzunehmen“, erklärte Rhodan seine Maßnahme. Es kamen keine weiteren Einwände. Die Anoree waren von der Idee sogar begeistert, daß ihnen nicht nur Yttalar zur Verfügung stehen würde, sondern daß sie Gelegenheit bekommen sollten, mehr von seiner Sorte zu bekehren. „Es bleibt natürlich keine Zeit, jedem einzeln das Koordinierungsmodul zu entfernen“, sagte Harold Nyman. „Aber es würde vorerst reichen, sie mit dem von den Widdern entwickelten Nervengas zu lahmen, das sie zwar bei Bewußtsein läßt, aber kampfunfähig macht. Das Problem ihrer provisorischen Unterbringung ließe sich damit lösen, daß wir den Lagerraum absichern und so ein einigermaßen aus-bruchssicheres Gefängnis schaffen. Es wäre auch sinnvoll, eine Abhöranlage zu installieren.“ „Dann macht euch sofort an die Arbeit!“ rief Rhodan. Er wandte sich an die drei Anoree: „Euch würde dann die Aufgabe zukommen, die Gefangenen so lange zu bewachen, bis sich die Gelegenheit bietet, sie per Transmitter zur QUEEN LIBERTY abzustrahlen.“ „Diese Aufgabe übernehmen wir gerne“, sagte Degruum. „Aber ohne uns hast du zu wenige Leute für den Einsatz zur Verfügung, Perry.“ „Es muß reichen, wenn Gucky, Harry und ich die eine Flanke übernehmen“, sagte Rhodan, „und Nadja, Gulliver und Tyly von der anderen kommen. Wir wollen uns mit den Cantaro schließlich nicht wirklich anlegen, sondern Freund Gucky, auf dem die Hauptlast liegt, gewissermaßen nur Feuerschutz geben.“ „Was ist das für eine neue Masche, das mit >Freund Gucky