Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament
Begründet von Günther Bornkamm und Gerhard von Rad Herausg...
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Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament
Begründet von Günther Bornkamm und Gerhard von Rad Herausgegeben von Cilliers Breytenbach, Bernd Janowski, Reinhard G. Kratz und Hermann Lichtenberger
118. Band Miriam von Nordheim Geboren von der Morgenröte?
Neukirchener Verlag
Miriam von Nordheim
Geboren von der Morgenröte? Psalm 110 in Tradition, Redaktion und Rezeption
2008
Neukirchener Verlag
©2008 Neukirchener Verlag Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, N e u k i r c h e n - V l u y n Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Kurt Wolff, Düsseldorf Satz u n d Druckvorlage: Miriam von Nordheim Gesamtherstellung: H u b e r t & Co. Printed in Germany ISBN 9 7 8 - 3 - 7 8 8 7 - 2 2 7 6 - 0 ISSN 0512-1582
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlags unzulässig u n d strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen u n d die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Fiir Johannes
Vorwort
Schone Ode! deren Plan für uns nicht versteckt seyn dürfte. (Johann Gottfried von Herder; Vom Geist der Ebräischen Poesie. Zweiter Theil; Dessau 1783; S.410)
Der von Johann Gottfried von Herder als ״Schöne Ode!" bezeichnete Psalm 110 gibt der alttestamentlichen Forschung seit jeher Rätsel auf. Spricht dieser Psalm von einem König, der von der Morgenröte geboren wird, oder ist hier die Rede vom ״Tau seiner Jugend"? Wird der König als ein ״präexistentes Wesen" vor dem Morgenstern gezeugt? Ist Ps 110 eine Messiasverheißung? Oder hat Ps 110 seinen Bestimmungsort ״lediglich" in der Legitimation der Hasmonäerherrschaft? Kommt hier womöglich noch ein alter vorexilischer Inthronisationsritus zur Sprache? Diesen und darüber hinausgehenden Fragen möchte sich die vorliegende Arbeit widmen. Eine literarische Analyse von Psalm 110 leitet die Arbeit ein, die sowohl einen ״Ersttext", seine Übersetzungen ins Griechische, Syrische, Aramäische und Lateinische sowie den raasoretischen Text mit der jeweiligen theologischen Intention wahrzunehmen versucht. So wird der Psalm als einzelner Text wie auch in seinen Redaktions- und Rezeptionsstufen analysiert. Ein Ausblick in christliche und jüdische Rezeption des Psalms schließt die Arbeit ab. Die vorliegende Arbeit wurde am Fachbereich Ev. Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main 2007 als Dissertation angenommen und für die Veröffentlichung punktuell überarbeitet. Mein ganz herzlicher Dank geht zuerst an meinen Betreuer und Doktorvater Prof. Dr. Markus Witte. Er gab mir zu jeder Zeit die Möglichkeit, (exegetische) Fragen zu stellen und über meine Arbeit zu diskutieren. Durch ihn habe ich schließlich die Liebe zu philologischer Arbeit und zu religionsgeschichtlichen Fragestellungen entdeckt. Darüber hinaus hat er mich als Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin gefordert. Des Weiteren möchte ich mich bei Frau Prof. Dr. Francesca Albertini herzlich bedanken, da sie bereit war, das Zweitgutachten zu übernehmen. Für das dritte Gutachten sowie für viele hilfreiche und weiterführende Anregungen danke ich sehr herzlich Herrn Prof. Dr. Reinhard G. Kratz. Ich freue mich und bin ihm
Vili
Vorwort
und Herrn Prof. Dr. Bernd Janowski sehr dankbar, dass meine Arbeit in die Reihe ״Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament" aufgenommen wurde. Dass der Gegenstand meiner Arbeit ein Königspsalm ist, verdanke ich nicht zuletzt Herrn Prof. Dr. Manfred Oeming, der mein Interesse für die Königspsalmen durch ein Seminar an der Universität Heidelberg geweckt hatte, sodass ich dies zum Spezialgebiet im Fach Altes Testament in der mündlichen Prüfung des 1. Kirchlichen Examens der EKHN erhob. Der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gebührt ebenfalls mein Dank, die mich durch ein Stipendium der Hessischen Lutherstiftung gefördert hat. Unter den vielen Menschen, die mich in den Jahren der Entstehung dieser Arbeit begleitet haben, gilt mein herzlicher Dank zuerst meinen Eltern Ingrid und Eckhard von Nordheim. Sie förderten mich im Studium, gaben mir während der Promotionszeit einerseits ein Diskussionsforum, um meine Ergebnisse durchzuspielen, andererseits investierten sie viel Zeit und Mühe in das Korrekturlesen dieser Arbeit. Für Korrekturarbeiten, die Möglichkeit zum Diskutieren und für Nachfragen bezüglich hebräischer Grammatik und nicht zuletzt für den persönlichen Rückhalt in der Zeit der Promotion danke ich meinem Verlobten Johannes F. Diehl. Für all diese Dinge sei ihm dieses Buch gewidmet. Für Korrekturarbeit habe ich ebenfalls meiner Kollegin Frau Daniela Opel herzlich zu danken. Dass wir zu zweit als Doktorandinnen im Alten Testament tätig waren, hat mir viel Spaß gemacht und auch Trost in schwierigeren Zeiten gegeben. Für Hilfestellungen beim Lesen französischer Texte danke ich herzlich Frau Nina Kolbe, in Bezug auf italienische Werke meinem Onkel Herrn Dr. Joachim von Nordheim. Gerade in der Anfangszeit meiner Dissertation suchte ich oft Rat in grammatischen Fragen bei Herrn Kevin Trompelt - auch ihm sei herzlich gedankt. Ebenso habe ich mich gefreut, in Herrn Amitai BarKol einen jüdischen Gesprächspartner zu haben, an den ich meine Fragen zu Ps 110 im Siddur richten konnte. Es hat mit sehr geholfen, die Ergebnisse meiner Arbeit von Zeit zu Zeit vorstellen und diskutieren zu dürfen. Für diese Möglichkeit danke ich herzlich zum einen der alttestamentlichen Sozietät der Universitäten Franfurt und Mainz sowie der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, zum andern dem Rhein-Main-ExegetenTreffen. Am Schluss, aber deswegen nicht weniger herzlich, geht mein Dank an Herrn Dr. Volker Hampel für die zahlreichen wertvollen Hinweise zur Drucklegung. Bad Soden a. Taunus, im November 2007
Miriam von Nordheim
Inhalt
Vorwort
VII
1
Einleitung
2 2.1 2.2 2.3
Darstellung der Forschungsgeschichte Zu Psalm 110 Die Gattung ״Königspsalmen" Fazit
1 5 5 18 21
Hauptteil A: Literarische Analyse 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Die masoretische Gestalt von Psalm 110 Der masoretische Text Beobachtungen zum Sprach- und Motivschatz Beobachtungen zur Poetologie Gliederung und Aufbau des masoretischen Textes Übersetzung des masoretischen Textes Auswertung
4
Traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Psalm 110 Die ״prophetische" Einleitungsformel Erhöhungsmotive des Königs Zur Rechten sitzen/sein Feinde als Fußschemel Herrscherstab/Stab der Macht Theologische Motive Der Gottesberg/Zion JHWH hat geschworen und es wird ihn nicht reuen Tag des Zorns Gottes Kampfmotivik Motiv und Bedeutung von: Motiv und Bedeutung von ״Melchisedek" Motiv und Bedeutung von V.7: ״Aus einem Bach am Weg wird er (daraufhin) trinken, deshalb wird er den Kopf erheben"
4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.5 4.6 4.7
23 23 33 35 40 43 44 47 48 53 54 57 60 64 64 67 73 76 80 91 99
Inhalt
4.8
Zusammenfassung
112
5 5.1 5.2 5.3
Schlussfolgerungen der literarischen Analyse Literarkritische Entscheidungen Vergleichende Darstellung von Psalm 110 mit Jes 14 Synoptischer Vergleich von Psalm 110 mit ausgewählten Liedern Gliederung und Übersetzung von Psalm 110* Text und Gliederung von Psalm 110* Übersetzung von Psalm 110* Gattung und ״Sitz im Leben" von Psalm 110* Entstehungssituation von Psalm 110
117 117 119
5.4 5.4.1 5.4.2 5.5 5.6
123 127 127 130 130 134
Hauptteil B: Innerbiblische Exegese 6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.4
Vorüberlegungen zur innerbiblischen Exegese Redaktionsstufe 1: Psalm 110 im Kontext des hebräischen Psalters Kurze Hinfuhrung zur sogenannten ״Psalterexegese" Psalm 110 und seine Stellung im 5. Psalmbuch Die Arbeitshypothese zur kanonischen Psalmenauslegung nach N. Lohfmk Fazit Die Psalmen 89 und 132 Redaktionsstufe 2: Psalm 110 im Kontext der hebräischen Bibel Ps 110 und die Nathanweissagung Das neue Thema: ״JHWH wird es nicht reuen" Fazit Redaktionsstufe 3: Die masoretische Punktation Auswertung
143 145 145 146 149 155 156 157 157 158 163 165 168
Hauptteil C: Rezeption und jüdische Auslegung von Psalm 110 7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6
Die antiken Bibelübersetzungen Die LXX-Übersetzung von Psalm 110 Einleitung Der Text Aufbau und Gliederung εκ; γαστρός προ εωσφόρου έξεγέννησά σε Verknüpfung mit anderen Texten in der LXX Auswertung
171 171 171 172 180 183 185 193
Inhalt
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.5 8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.3
9 9.1 9.2 9.2.1
XI
Die aramäische Übersetzung von Psalm 110 im Targum Einleitung Der Text Auswertung Die syrische Übersetzung von Psalm 110 in der Peschitta Einleitung Der Text Auswertung Die lateinischen Versionen von Psalm 110 Einleitung Die Texte Auswertung Die Intentionen der antiken Bibelübersetzungen ein Fazit Psalm 110 im Kontext jüdischer Schriften in hellenistisch-römischer Zeit Die hasmonäische Rezeption von Psalm 110 in Jerusalem Religionsgeschichtliche Einordnung I Makk 14,41 f. AssMos 6,1 Jub 32,1 TestLev 8 und 18 Auswertung Psalm 110 und die in Qumran gefundenen Schriften Genesis-Apokryphon Kol. XXII 4QAmram 11 QMelch TestLev und die ״Worte Levis" (aramäischer Levi) in Qumran Auswertung Alttestamentliche Königstexte in qumranischen Schriften Psalm 110 und sein motivgeschichtliches Umfeld in nicht-kanonischer Literatur aus hellenistischrömischer Zeit - ein Fazit Rezeption und Auslegung von Psalm 110 in spätantiker und mittelalterlicher jüdischer Tradition Einleitung Leitfrage 1: An wen richtet sich Psalm 110? Im babylonischen Talmud
197 197 198 204 206 206 206 209 210 210 211 216 217 221 221 221 224 227 229 230 234 235 237 238 240 264 265 267 272 275 275 278 278
XII
9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.4 10
Inhalt
In den Midraschim Bei Saadja Gaon Bei Jefet ben Eli Bei den hochmittelalterlichen Grammatikern Leitfrage 2: Wie wird mit dem Motiv der göttlichen Geburt im ursprünglichen Vers 3 umgegangen? Im Jerusalemer Talmud In den Midraschim Bei Saadja Gaon Bei Jefet ben Eli Bei den hochmittelalterlichen Grammatikern Auswertung
280 284 284 285 287 287 288 290 290 291 293
Ausblick: Psalm 110 und seine Wirkung im Neuen Testament
299
11
Schlussinterpretation
307
12
Literatur
311
Stellenregister (Auswahl) Namen- und Sachregister (Auswahl)
331 339
1 Einleitung
״Dieser wunderbare Psalm, welcher von dem wahren Melchisedek oder Hohepriester - König, von Seinen Feinden, Seinem Volk und Seinem Siege handelt, ist nicht nur durch die tiefen Enthüllungen aus den Geheimnissen der Ewigkeit, durch die hohe Erhabenheit des prophetisch-messianischen Schaublicks, sondern auch durch die eigenthümliche, das innerste Wesen des Herrn kennzeichnende Verbindung des König- und Priesterthums in Seiner Person einzig in seiner Art und deshalb, wie Luther sagt, ,der rechte, hohe Hauptpsalm von unserm lieben Herrn Jesu Christo.'1״ Diese Hochschätzung von Psalm 110 hat ihren Grund darin, dass er im Laufe der Jahrhunderte zu einem Fundament der Christologie geworden ist. Ps 110 wird am häufigsten unter den alttestamentlichen Belegen im Neuen Testament zitiert oder es wird auf ihn angespielt er war ״für die Entwicklung der späteren Messiaserwartung ausschlaggebend".2 Das Apostolische Glaubensbekenntnis enthält eine Anspielung auf Ps 110,1 in Form des Bekenntnisses, Jesus sitze zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. So berühmt dieser Psalm geworden ist, so schwer verständlich sind einzelne Passagen in ihrem Wortlaut. In seiner masoretischen Form wirft Ps 110 große Fragen auf. Er wird in älterer wie jüngerer Forschung als unverständlich bezeichnet, sodass Willy Stärk zu Beginn des letzten Jahrhunderts folgende Formulierung fand: „Ps. 110 entzieht sich leider wegen seiner dunklen Sprache und der vielen Verderbnisse im Text dem vollen Verständnis."3 Auch Joachim Schaper stellte 1998 hinsichtlich der Übersetzung von V.3 fest: „Das verstehe, wer will."4 Dieses Unverständnis hat zur Folge, dass V.3 des masoretischen Textes, wie er in der BHS abgedruckt ist, stets nach anderen Text-
1 2 3 4
E. Taube, Praktische Auslegung der Psalmen, 670. H. Seebass, Herrscherverheißungen, 86. W. Stärk, Lyrik, 236. J. Schaper, Der Septuaginta-Psalter, 173.
2
1 Einleitung
zeugen oder durch eine seltene Übersetzungsvariante der verwendeten Vokabeln geändert wird. Aber nicht nur die literarische Analyse des Psalms ist problematisch, es ist zudem in der alttestamentlichen Forschung umstritten, welchen König der Verfasser mit diesem Psalm beschreiben wollte. Ist Ps 110 Teil eines vorexilischen Krönungshymnus und besingt er die Inthronisation Davids, Salomos oder Josaphats, rühmt der Autor einen bestimmten Herrscher aus der Hasmonäerdynastie, oder ist Ps 110 zu den sogenannten messianischen Herrscherweissagungen zu zählen? In der Wirkungsgeschichte des Psalms sind nicht nur eine Interpretation von V.3 und ein spezifisches Verständnis hinsichtlich des Adressaten greifbar - im Gegenteil. Unterschiedliche Wahrnehmungen des Psalms stehen zeitweise nebeneinander, sodass im Folgenden weder von dem einen ״Urtext" beziehungsweise „Ersttext" gesprochen wird noch von der einen jüdischen Auslegung im Mittelalter. Die Masoreten ihrerseits versahen eine Textversion aus mehreren Handschriften mit ihrem Punkt- und Akzentsystem - es war dasjenige Manuskript, das sie für das einzig wahre, zumindest fiir das theologisch relevanteste hielten. Trotzdem wird in dieser Arbeit der Versuch unternommen, eine Entwicklungslinie von einem möglicherweise ursprünglichen hebräischen Konsonantentext bis zu der masoretischen Gestalt von Ps 110 nachzuzeichnen, auch wenn diese Linie nicht geradlinig verläuft. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt somit nicht nur auf der Rekonstruktion eines ursprünglichen Psalmtextes und seiner EntstehungsSituation, sondern im Besonderen auch auf der Fragestellung, welche theologischen Intentionen mit der Tradierung und Interpretation des Psalms verbunden waren. Es wird sich zeigen, dass bestimmte theologische Aspekte des Psalms intensiver als andere weitergegeben worden sind. Zunächst war Ps 110 ein einzelnes Lied mit einer spezifischen Aussage. Mit der Aufnahme in die hebräische Bibel änderte sich seine Aussagerichtung insofern, als er nun mit anderen Texten korrespondiert. Dementsprechend ist eine andere Verständnisebene des Psalms innerhalb der griechischen Bibel greifbar, da er hier wiederum durch Begriffe und Leitworte mit anderen Texten verknüpft ist. Schließlich wurde die Form und Aussage von Ps 110 verändert, als die Masoreten ihn mit Punktation und Akzenten versahen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, nicht nur die kurz angezeigten verschiedenen Stufen festzustellen, die als Redaktionen verstanden werden, sondern ebenso, ihre spezifische theologische Intention aufzudecken. In der Forschung wurde besonders die masoretische Arbeit in diesem Punkt vernachlässigt, da man sich zumeist darauf beschränkt, den ״ursprünglichen" Text zu rekonstruieren. Im Rahmen der innerbiblischen Exegese (Hauptteil B; Kap. 6), zu der auch die masoretische Bearbeitung zählt, sollen die verschiedenen
3 1 Einleitung
Redaktionsstufen und theologischen Veränderungen herausgearbeitet werden. Dieser Untersuchung liegt eine ausführliche literarische Analyse (Hauptteil A; Kap. 3) ebenso zugrunde wie eine breite traditions- und motivgeschichtliche Betrachtung (Kap. 4). Nach dem Versuch einer Rekonstruktion eines möglicherweise ursprünglichen Psalmtextes samt seiner Entstehungs Situation sowie einer Gattungszuweisung (Kap. 5) und einer innerbiblischen Exegese sollen im Hauptteil C die Rezeption und Auslegung von Ps 110 untersucht werden, wobei sich die Analyse der spätantiken und mittelalterlichen Auslegung auf die jüdische Tradition beschränkt. Unter Rezeption sind hier zum einen die Bibelübersetzungen ins Griechische, Aramäische, Lateinische und Syrische zu subsumieren, daran anschließend wird zum andern untersucht, auf welche Weise Psalm 110 im Kontext der Schriften hellenistisch-römischen Zeit wahrgenommen wurde. Dabei zeigt sich vor allem, dass Ps 110 gerade in den letzten zwei vorchristlichen Jahrhunderten wie zu Jesu Zeiten eine wichtige Rolle in unterschiedlichen religiösen Gruppierungen gespielt hat. Den Schluss der Arbeit bildet ein kurzer Ausblick auf die neutestamentlichen Aufnahmen von Ps 110, sodass sich eine Entwicklung von einem eigenständigen Königslied hin zu einem - wie Luther sagt ״Hauptpsalm von unserm lieben Herrn Jesu Christo" - im Laufe einiger Jahrhunderte nachvollziehen lässt.
2 Darstellung der Forschungsgeschichte
2.1 Zu Psalm 110 Ein Blick auf die Forschungsgeschichte von Ps 110 lässt schnell erkennen, dass bei seiner Auslegung viele unterschiedliche Schwerpunkte gebildet und ebenso unterschiedliche Ergebnisse erreicht wurden. Nach Erhard S. Gerstenberger hat dies seinen Grund darin, dass der Text zumindest partiell als ״obskur" wahrgenommen wird: Er weise einerseits Korruptionen auf, andererseits habe er unverständliche Anspielungen auf mythische, rituelle und theologische Details zum Inhalt.5 Aufgrund der häufig konstatierten Textkorruptionen liegen die Probleme der Exegese von Ps 110 1.) in der Rekonstruktion eines möglicherweise ursprünglichen Psalmtextes, 2.) in der Übersetzung und 3.) in der Gliederung. Des Weiteren fordern gerade die genannten Anspielungen Gerstenbergers stets neue Datierungsversuche heraus, sodass - sowohl im Bereich der literarischen Analyse als auch in der Frage der Datierung - eine Vielfalt von Ergebnissen zu finden ist. Auch ist die Rolle von Ps 110 in der nicht-kanonischen jüdischen Literatur in der sogenannten zwischentestamentlichen Zeit nicht unumstritten. Um dem großen Interesse an Ps 110 in seinen verschiedenen Ausprägungen gerecht zu werden, soll die Forschungsgeschichte synchron wie diachron dargestellt werden. Unter Berücksichtigung der Kriterien „Übersetzung/Struktur", „altorientalische außerbiblische Parallelen", „Datierung", „Verknüpfung mit anderen biblischen Texten", „Ps 110 in der nichtkanonischen jüdischen Literatur aus hellenistischer und römischer Zeit sowie in rabbinischen Schriften und in seiner Septuaginta-Version", „Psalm 110 im Neuen Testament" und schließlich „Psalm 110 in der Komposition des 5. Psalmbuches" wird sich herausstellen, wie in den unterschiedlichen Epochen der Auslegungsgeschichte stets andere Aspekte dieses Psalms im Vordergrund standen und verschiedene Methoden primär zur Exegese herangezogen worden sind.
5
Vgl. E.S. Gerstenberger, Psalms. Part 2, 264.
6
2 Darstellung der Forschungsgeschichte
Übersetzung/Struktur Der scheinbar schwierige - von Hermann Hupfeld als ״merkwürdig"6, von Emil Taube als „durch die tiefen Enthüllungen aus den Geheimnissen der Ewigkeit [...] einzig"7 bezeichnete - Text von Ps 110 unterliegt seit Jahrzehnten in alttestamentlicher Forschung dem Interesse, eine neue Übersetzung, Rekonstruktion eines „Urtextes" und eine Gliederung desselben anzubieten. Theodor H. Gaster setzte im Jahr 1937 mit seinem Aufsatz über Ps 110 einen der Anfangspunkte in der neueren Diskussion um die exakte Übersetzung einschließlich ihrer Interpretation.8 Nach ihm folgten reichlich Analysen des Psalms, dass Rudolf Kilian 1990 bemerkte, zu Ps 110 sei schon so viel Verschiedenes geäußert worden, „so daß eine weitere anfragende Vermutung keinerlei Schaden anrichten kann."9 Die Spanne der Ergebnisse zu Struktur und Sprache des Psalms reicht von der Aussage Bernhard Duhms, dass sich in den Versen 5-7 nur noch „ein Gebröckel von allerlei Sätzen"10 finde, bis hin zu Leo Krinetzkis Bezeichnung von Ps 110 als ein formvollendetes Gedicht11 oder von Gianfranco Ravasi, der formuliert: „il Sal 110 merita quindi di essere collocato nella Iinea dei testi gloriosi dell'antica poesia ebraica"12. Hinsichtlich der Frage, ob oder welches Metrum Ps 110 zugrunde liegt, sind die Ansätze ähnlich mannigfaltig. Während Erhard S. Gerstenberger den fragmentarischen Charakter des Psalms unterstrich und keine metrische Analyse vornahm, erkannten Hans-Joachim Kraus, Klaus Seybold und Leo Krinetzki ein rhythmisches Muster - die festgestellten Muster variieren jedoch. Uneinigkeit in der alttestamentlichen Forschung herrscht ebenfalls in Bezug auf die Übersetzung und die Frage, ob der Konsonantenbestand oder die masoretische Punktation anders zu verstehen sein müsse oder nicht. Während Gary A. Rendsburg unter der Prämisse arbeitete, dass er in die masoretische Form von Ps 110, sei es in den Konsonantenbestand, die Vokalisation oder die Akzentsetzung, nicht eingreife13, änderte Mitchell Dahood beispielsweise in fast jedem Vers den masoretischen Text ab oder wählte seltenere Wiedergaben einzelner Begriffe. 14 Hans Möller sah 1980 die Notwendigkeit einer Glättung des 6
H. Hupfeld, Die Psalmen, 173. E. Taube, Praktische Auslegung der Psalmen, 670. 8 T.H. Gaster, Psalm 110. 9 R. Kilian, Der „Tau" in Ps 110, 3 - ein Mißverständnis?, 417. 10 B. Duhm, Die Psalmen, 400. 11 L. Krinetzki, Ps 110(109), 113. 12 G. Ravasi, II libro dei Salmi, 266. 13 G. Rendsburg, Psalm CX 3B, 549. 14 Vgl. M. Dahood, Psalms III, 113: „The hypothesis that the psalmist employed no vowel letters improves the sense in vss. 2 (rdh = rädähu), 6 (y'danneh for MT yädin ba-), 7 (manhil for MT minnahal; ysth = y£sitehü; r's = rö'so) [...]. A study 7
2.1 Zu Psalm 110
7
Textbestands in den Versen 5-7, indem er statt אדניdie Lesart אדניvorschlug. Maurice Gilbert und Stephen Pisano stellten hingegen im gleichen Jahr in den Versen 5-7 einen durchgehend zusammenhängenden Text ohne ersichtlichen und zu korrigierenden Bruch fest, da ein Sprecherwechsel gerade in alten Texten nicht wundere.15 William P. Brown widmete sich 1998 lediglich der Übersetzung von V.3b und gelangte zu folgendem Verständnis: ״In holy splendor, out of the womb, towards the dawn go forth! Like (the) dew, I have begotten you." 16 Brown widersprechend, gelangte Gary R. Rendsburg 1999 zu folgender Wiedergabe von V.3b: ״In the manifestation of holiness, With the rain of dawn, Yours is the dew of your youth."17 Fokussiert allein auf das Wort שלin V.3, schlug Rudolf Kilian 1990 vor, es unter der Berücksichtigung ägyptischer Quellen nicht als ״Tau", sondern als ״Duft" wiederzugeben.18 Claus Schedl befürwortete zu V.7 eine alternative Punktation.19 Lucas Kunz konzentrierte sich auf die Akzentsetzung der Masoreten und versuchte, diese für Übersetzung und Struktur nutzbar zu machen.20 Die Vorschläge zur Struktur von Ps 110 weisen ähnlich viele Varianten wie die Übersetzungsmöglichkeiten auf. Ausschlaggebend ist hierbei meist die Frage, ob es sich um zwei oder drei Gottesreden handelt. 1988 veröffentlichte Willem van der Meer eine ausführliche Strukturanalyse zu Ps 110, in der er zu dem Schluss kam, dass sich Ps 110 durch zwei Gottesreden (Beginn in V.l und V.4) in zwei Teile untergliedern lasse.21 Hans-Joachim Kraus erkannte indessen in V.3 zusätzlieh eine Gottesrede, sodass er für eine Dreiteilung des Psalms plädierte. Pierre Auffret beschäftigte sich literarisch gleich zweimal mit der Struktur dieses Psalms. Seine 1982 durchgeführte Gliederung korrigierte er rund zwanzig Jahre später und gelangte schließlich zu dem Schluss, dass sich Ps 110 in vier Einheiten (V.l-2; 3; 4; 5-7) unterteilen ließe, die sowohl in sich selbst eine Struktur als auch Parallelen zu den anderen Einheiten aufweisen.22
of the psalm's vocabulary and style within the Northwest Semitic ambience brings to light new words in vss. 1 ('ad, 'seat'), 2 (slh, 'to forge'), 3 ('ammekä, 'your Strong One'), 7 (derek, 'throne')". 15 H. Möller, Der Textzusammenhang in Ps 110; M. Gilbert u. S. Pisano, Psalm 110 (109), 5-7, 347. 16 W. P. Brown, A royal performance, 96. 17 G.Rendsburg, Psalm CX3B, 551. !8 R. Kilian, Der „Tau" in Ps 110, 3 - ein Mißverständnis?, 419. 19 C. Schedl, Aus dem Bache am Wege: manhïl bad.derekyfsitëhû. 20 L. Kunz, Psalm 110 in masoretischer Deutung. 21 W. van der Meer, Psalm 110: A Psalm of Rehabilitation?, 233. 22 P. Auffret, Note sur la structure littéraire du Psaume CX; u. ders.; Il est seigneur sur les nations.
8
2 Darstellung der Forschungsgeschichte
Es fallt auf, dass vor allem hinsichtlich der Übersetzung von V.3 und des Textzusammenhangs der Vv.5-7 die alttestamentliche Forschung von einer opinio communis weit entfernt ist. Ebenso herrschen über die Struktur wie über das Metrum des Psalms Uneinigkeit. Daher soll eine ausfuhrliche literarische Analyse von Ps 110 die Grundlage dieser Arbeit bilden. Bei den Versuchen, eine Struktur in Ps 110 zu bestimmen, wurde bisher vor allem auf die Gottesreden und auf einzelne Themen oder sich wiederholende Wörter geachtet sowie auf den Sprecher und Adressaten, zu wenig aber oder gar nicht auf die syntaktische Struktur der Satzarten. Diese Herangehensweise wird der Gliederung der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt. Altorientalische außerbiblische Parallelen Lorenz Dürr beschäftigte sich bereits 1929 mit altorientalischen Parallelen zu Ps 110. Er wollte zeigen, dass in der altorientalischen Königsideologie beziehungsweise im Königsritus Paralleltexte zu Ps 110 existieren.23 1937 führte Theodor H. Gaster diese Überlegungen fort und erklärte, dass Ps 110 ein Formular eines vorisraelitischen Krönungsrituals darstelle.24 Helen G. Jejferson vermerkte 1954, dass es sich wahrscheinlich um einen sehr alten Text mit kanaanäischen Parallelen handele.25 Der Schwerpunkt des Psalm-Kommentars von Hans-Joachim Kraus von 1960 lag bei Verweisen auf Texte der altorientalischen Königsideologie. 1972 beschrieb Klaus Homburg ״Psalm 110! im Rahmen des judäischen Krönungszeremoniells", bevor Geo Widengren 1976 einen wegweisenden, heute noch häufig zitierten Aufsatz veröffentlichte: ,,Psalm 110 und das sakrale Königtum in Israel".26 Er konstatierte, es könne als gesichert gelten, dass dieser Psalm zum Königsritual bei der Krönung des israelitischen Königs in Jerusalem gehört habe. Weiterhin unternahm er den Versuch, den Zusammenhang von Ps 110 mit der Stellung des israelitischen Königs als sakraler Person zu klären, wobei die Verbindung mit der vorisraelitischen, rein kanaanäischen Königsideologie besonders betont wurde. In der Forschung wird im Allgemeinen nicht mehr angezweifelt, dass zu Ps 110 altorientalische Parallelen existieren, jedoch sind die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen interessant: Wo manche Forscher 23
L. Dürr, Psalm 110 im Lichte der neueren altorientalischen Forschung, 5: ״So glaube ich denn auch Ps. 110 auf Grund des jetzt vorliegenden altorientalischen Materials diesen seinen Sitz im Leben des Königs anweisen zu können, indem ich ihn als K r ö n u n g s p s a l m , vorgetragen vom Propheten am Tage der Thronbesteigung zum feierlichen Akte der Thronerhebung und der Krönung des neuen Königs, naherhin als direkten Begleittext zu diesem Akte oder als K r ö n u n g s rituale auffasse." 24 T.H. Gaster, Psalm 110,37.41. 25 H.G. Jefferson, Is Psalm 110 Canaanite?, 156. 26 K. Homburg, Psalm 110! im Rahmen des judäischen Krönungszeremoniells; G. Widengren, Psalm 110 und das sakrale Königtum in Israel.
2.1 Zu Psalm 110
9
die Parallelen in Ägypten suchten, orientierten sich andere primär an den Texten aus Ugarit oder an assyrischen Texten. Innerhalb der ״ägyptischen" Forschung sind beispielsweise Jean de Savignac, Rudolf Kilian und Klaus Koch zu nennen.27 Kilian (1999) fuhrt erstmalig das Phänomen der „relecture" ausdrücklich zu Ps 110 ein. Seiner Ansicht nach handele es sich bei Ps 110 um ein altes ägyptisches Königslied, das seine erste relecture durch die jerusalemischen Hoftheo logen erfuhr, die zweite nach dem Tod Serubbabels. Nach dem Untergang der davidischen Dynastie sei Ps 110 als Zeugnis messianischer Prophetie gelesen worden.28 2002 lieferte Koch einen Beitrag zu Ps 110 und dessen Verbindung zu Ägypten, in dem er - wie Kilian - auf zahlreiche ägyptische Mythen und Rituale hinwies, denen Ps 110 ähnlich zu sein scheint. In den letzten Jahren verlagerte sich das Interesse an Paralleltexten zu den Königspsalmen in den assyrischen Bereich. Martin Arneth beispielsweise verglich Ps 72 mit assyrischen Vorlagen.29 Zu Ps 110 veröffentlichte John W. Hilber 2003 einen Aufsatz mit dem Titel „Psalm CX in the light of Assyrian prophecies", in dem er ähnliche Motivik von assyrischen Orakeln und ihre Relevanz für die Interpretation und Datierung von Ps 110 hervorhob. Auf der Basis dieser Ähnlichkeiten könne Ps 110 als kultische Prophetie zur Thronbesteigung aus monarchischer Zeit beschrieben werden.30 Des Weiteren wurde Ps 110 durch Oswald Loretz im Zusammenhang mit seinen Forschungen zu Ugarit behandelt.31 Allgemein hält Loretz hinsichtlich der neueren Psalmenforschung fest, dass poetologischen, philologischen und religionsgeschichtlichen Studien, die AltsyrienKanaan und das Zweistromland einbeziehen, eine durch nichts ersetzbare Bedeutung fiir die Erforschung des Psalters zukommt.32 Die Frage, die sich bezüglich der altorientalischen Motivik stellt, ist jedoch, inwiefern diese Verwandtschaft von Ps 110 zu außerbiblischen altorientalischen Königsideologien einen Ansatzpunkt für seine Datierung bildet. Handelt es sich tatsächlich um einen solch alten Text original aus der judäischen Königszeit - oder könnten nicht bewusst altorientalische Königsmotive in späterer Zeit aufgenommen und messianisiert oder auf einzelne Personen persischer, hellenistischer oder römischer Zeit übertragen worden sein? 27
J. de Savignac, Psaume CX à l'aide de la littérature Égyptienne; R. Kilian, Relecture in Psalm 110; K. Koch, Der König als Sohn Gottes. 28 R. Kilian, Relecture in Psalm 110, 250.252f. 29 M. Arneth, Psalm 72 in seinen altorientalischen Kontexten. 30 J.W. Hilber, Psalm CX in the light of Assyrian prophecies (vgl. z.B. 353.366). 31 Z.B. O. Loretz, Die Psalmen IL Beitrag der Ugarit-Texte zum Verständnis von Kolometrie und Textologie der Psalmen. 32 O. Loretz, Psalmstudien, 7.
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2 Darstellung der
Forschungsgeschichte
Datierung Obwohl Ps 110 um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert ״nahezu unangefochten" 33 als nachexilisches Dokument galt, wandte sich Hermann Hupfeld in seinem Psalm-Kommentar ausdrücklich gegen eine makkabäische Datierung wie auch gegen eine ursprünglich messianische Interpretation. Franz Delitzsch ging einen eigenen Weg hinsichtlich der Datierungsfrage, da er zwar diesen Psalm als einen prophetischen Spruch an David auffasste, die Aussage aber sei prophetisch-messianisch, indem Ps 110 8v Ttve׳up1ax1 (Mt 22,43) an David ergangen sei, als Aussage Davids über den verheißenen künftigen Christus. 34 Hingegen votierte Bernhard Duhm 1922: ״Daß der Angeredete der Hasmonäer Simon ist, geht aus dem Inhalt von V.l-4, besonders aber auch aus dem von BiCKELL entdeckten Umstände hervor, daß diese Verse ein Akrostichon mit dem Namen שמעןsind; das שב, mit dem das Orakel beginnt, liefert den ersten Buchstaben. [...] Daß Ps 110!.4 sich auf Simon bezieht, beweist nicht bloß das Akrostichon, sondern mehr noch der Umstand, daß dies Gedicht auf niemand so gut paßt wie auf ihn." 35 Mitte des 20. Jh.s wurde wiederum eine vorexilische Abfassung vertreten. Theodoor C. Vriezen36 stellte 1944 fest, dass es sich bei Ps 110 um den Teil einer vorexi״ lischen Thronbesteigung handeln müsse, spätestens aber seit dem 1945 erschienenen Aufsatz von E.R. Hardy ״The Date of Psalm 110" wurde mehrheitlich in der alttestamentlichen Forschung die Ansicht vertreten, Ps 110 sei ein vorexilisches Orakel an den König, meist im Zusammenhang einer Inthronisationsfeier. Hardy datierte den Psalm in die frühe Königszeit und sprach sich gegen eine Ansetzung in die makkabäische Epoche aus, da es zum einen keine Prophetie mehr gegeben habe (und V. 1 diese Terminologie aufnehme) und zum andern, weil es in dieser Zeit nicht üblich gewesen sei, den heiligen Namen zu benutzen. 37 1954 gab es durch Edward J. Kissane noch einen Beitrag, der Ps 110 von vorneherein messianisch (und somit ״spät", außerhalb einer Inthronisationsfeier) interpretierte: ״There is no doubt, therefore, that the traditional Interpretation of the Psalm, which takes it to refer directly to the Messiah, is the correct one." 38 In seinem Psalm-Kommentar stellte jedoch Hans-Joachim Kraus (1960) im Blick auf die damalige Forschungssituation fest, dass die Periode, in der man Ps 110 in der Makkabäerzeit ansetzte (Bernhard Duhm) und noch die Meinung vertrat, der Verfasser des Liedes habe aufgrund einer Lektüre von Gen 14 sein Gedicht entworfen (Friedrich Baethgen), heute über33
H. Donner, Der verläßliche Prophet, 219. Vgl. Fz. Delitzsch, Biblischer Commentar über die Psalmen, vierte Überarb. Aufl., 725. 35 B. Duhm, Die Psalmen, 398.400. 36 T.C. Vriezen, Psalm 110,85. 37 E.R. Hardy, The Date of Psalm 110, 385f. 38 E. Kissane, The Interpretation of Psalm 110, 113. 34
2.1 Zu Psalm 110
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wunden und fast schon vergessen sei. ״Daß der Psalm einen festlichen Akt aus ältester Zeit spiegelt und uralte Traditionen enthält, wird heute fast allgemein anerkannt. Die Frage ist nur, um welchen Festakt es sich handelt".39 1965 setzte aber - um mit Herbert Donner zu sprechen ״eine zögerliche Renaissance der makkabäischen Deutung"40 unter anderem durch Marco Treves41 ein, der Ps 110 anhand des Akrostichons "שמען אים״zu datieren versuchte - allein Simon sei die angeredete Person. Dem widersprachen zunächst John-Westerdale Bowker (1967) und Georg Sauer (1968), indem sie darlegten, dass hier weder ein Akrostichon vorliege, noch der Psalm in den Kontext der makkabäischen Epoche gehöre.42 Stefan Schreiner versuchte 1977 eine Art Kompromiss: Der Bearbeiter des Psalms folge hier treu seiner Vorläge, dem alten Königslied, und Ps 110 sei wie Sach 6,9-15 so überarbeitet worden, dass der nun vorliegende Text als (wenigstens) nachträgliche Legitimationsurkunde des Geschichtlich-Gewordenen gewertet werden wolle.43 Um eine späte Datierung zu legitimieren, führte Gillis Gerleman 1981 eine neue Variante der Interpretation von Psalm 110 in die alttestamentliche Forschung ein: Bei dem ״Angesprochenen" dieses Psalms handele es sich um Juda. Ps 110 beschreibe also in V.l, dass Juda zur Macht und Herrscherstellung emporsteigen würde; V.3 läge die Geschichte von Juda und Thamar (Gen 38) zugrunde. Nach der feierlichen Zusage der Priesterwürde (V.4) würden die kriegerischen Leistungen Judas bei der Landnahme rühmend bedacht (V.5f.)· Als Schlussvignette erscheine in symbolischer Verkleidung eine für die Zukunft des Judastammes entscheidende Begebenheit (V.7), indem Juda einen Häuptling emporkommen lasse.44 Diesen Emporkömmling sah Gerleman in der Herrscherdynastie der Hasmonäer, auf die seines Erachtens Ps 110 gedichtet wurde. Anfang der 90er Jahre des 20. Jh.s verstärkte sich abermals die Datierung in die vorexilische Zeit. Wie bereits oben erwähnt, stellte Rudolf Kilian (1999) die ägyptische Vorlage des Psalms in den Vordergrund und machte die Methode der ״relecture" für diesen Psalm geltend. Zudem konstatierte Thijs Booij 1991, dass einerseits das beschriebene königliche Priestertum und andererseits die Art der Legitimation des Königs - durch einen göttlichen Schwur - auf einen frühen Abschnitt der monarchischen Periode als Abfassungszeit schließen lassen.45 Herbert Donner belebte 1994 mit seinem Aufsatz ״Der verläßliche Prophet" wiederum die Diskussion um eine mögliche hasmonäische Ab39
H.-J. Kraus, Die Psalmen IL, 929. H. Donner, Der verläßliche Prophet, 219. 41 M. Treves, Two acrostic Psalms. 42 J.W. Bowker, Psalm CX, 31 ff. u. G. Sauer, Die aKpoöTixLÖec Psalm II und CX. 43 S. Schreiner, Psalm CX und die Investitur des Hohenpriesters, 220. 44 G. Gerleman, Psalm CX, 16ff. 45 Vgl. T. Booij, Psalm CX, 406. 40
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2 Darstellung der
Forschungsgeschichte
fassungszeit, indem er Ps 110 mithilfe von I Makk 14,41 auf den Hohepriester Simon als Adressaten von Ps 110 deutete.46 2000 stellte Barry C. Davis47 fest, dass es sich hier ausschließlich um einen messianischen Text handele und es definitiv kein ״Royal Psalm" sei. Klaus Seybold legte in seinem Psalm-Kommentar 1996 einen seiner Schwerpunkte auf die Darstellung des Psalms als Teil vorexilischer Jerusalemer Königsideologie, während Erhard S. Gerstenherger 2002 ihn wiederum innerhalb der exilischen/nachexilischen messianischen Erwartung lokalisierte. Ist Ps 110 nun ein Königspsalm, der historische Ereignisse zeitnah beschreibt oder der alte Motive in nachexilischer Zeit bewusst aufnimmt? Um diese Frage zu beantworten, sollen sowohl die Gattung der Königspsalmen näher beleuchtet als auch die im Psalm vorkommenden Motive untersucht und seine Verbindung zu anderen biblischen und außerbiblischen Texten dargestellt werden. Beziehungen von Psalm 110 zu inner- und außerbiblischen Texten Als erster Bezugspunkt dient bei intertextuellen48 Untersuchungen von Ps 110 die Abraham-Geschichte von Gen 14, da an dieser Stelle ebenfalls die Figur des Melchisedek eine Rolle spielt. Dies machte HaroldHenry Rowley in seinem Aufsatz von 1950 ״Melchizedek and Zadok (Gen 14 und Ps 110)" zum Thema. Rowley stellte fest, dass Ps 110 aus einer Zeit komme, in der Gen 14 bereits die Funktion einer ätiologischen Geschichte innehatte, und dass Ps 110 mit dieser Geschichte eng verbunden sei. Wie Abram das Priestertum Melchisedeks anerkannt habe, so habe David das Priestertum Zadoks anerkannt. Die Person Zadoks sei die Verbindung zwischen Gen 14 und Ps 110.49 Jehuda Elitzur kam 1985 zu dem Schluss, dass die angesprochene Person in Ps 110 Joschaphat sein müsse, da vor allem V.7 auf die Joschaphat-Perikope in II Reg 3 anspiele.50 Gerade in den letzten Jahren hat die Person Melchisedeks erneut Interesse geweckt. 1993 widmete sich Theo de Kruijf diesem Thema, wobei er das bisher wenig beachtete Testament des Levi als Anspielung auf Melchisedek und Ps 110 heranzog.51 1996 analysierte Philip J. Nel die MelchisedekTradition von Gen 14, Ps 110, 1 lQMelch sowie des Hebräerbriefs und folgerte, dass Ps 110 die älteste Version dieser Tradition darstelle.52 Im Jahr 2000 untersuchte Martin McNamara die Figur des Melchi46
H. Donner, Der verläßliche Prophet, 218ff. B.C. Davis, Is Psalm 110 a messianic Psalm? 48 Der Begriff ״intertextueU" bezeichnet in dieser Arbeit nicht mehr als eine - wie auch immer festzulegende - Relation zwischen zwei oder mehr Texten. 49 H.H. Rowley, Melchizedek and Zadok, 468.470.472. 50 .60 . ד ר כ ו של מלכיצדק. אליצו־ר.י 51 T. de Kruijf, The Priest-King Melchizedek. 52 P J . Nel, Psalm 110 and the Melchizedek Tradition. 47
2.1 Zu Psalm 110
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sedek vom Targum (hier kommt der Name ״Melchisedek" allerdings gar nicht vor) über die rabbinische bis hin zur altchristlichen Literatur und widmete sich dabei ebenfalls Ps 11O.53 Einen anderen Schwerpunkt der Beschäftigung mit Melchisedek wählte Jakob J. Petuchowski54 1957. Er stellte fest, dass Ps 110 durch die Verknüpfung mit dem Melchisedek-Motiv zur Legitimation des Herrschaftsregimes der Hasmonäer benutzt wurde. Edward J. Kissane hob 1954 Ps 110 auf den Boden der Nathanweissagung. Aufgrund dieser Tatsache zog Kissane die Schlussfolgerung, dass der Psalm von Beginn an messianisch angelegt war.55 Einen eher ausgefallenen Versuch zur textübergreifenden Lektüre unternahm Hans Joachim Stoebe 1959, indem er versuchte, das priesterliche Kolorit von Ps 110 mithilfe von 1 Sam 21 zu verstehen.56 1 960 machte es sich Raymond J. Tournay zur Aufgabe, primär innerbiblische Parallelen aufzuzeigen. Er hielt fest, dass Psalm 110 sprachliche Kontakte zu Kohelet und zum Chronistischen Geschichtswerk aufweise, in deren Entstehungszeit auch Ps 110 falle. Es handele sich nicht um ein archaisches Gedicht, da weder das Wort „König", noch „Salbung", noch „Thron" in ihm vorkommen, sondern um eine absichtliche Archaisierung, die vom priesterlichen Zirkel Jerusalems ausging, der sich an der Theologie Kohelets orientierte.57 Nicht nur innerhalb der hebräischen Bibel, sondern auch in der Septuaginta und der sogenannten zwischentestamentlichen Literatur wurden intertextuelle Beziehungen von Ps 110 analysiert, so auch in qumranischen und rabbinisehen Schriften. Eberhard Bons zeigte 2003 markante Motive in Ps 109LXX auf. Er vertrat die These, dass - deutlicher als der MT - die Septuaginta Bezüge zwischen Ps 2 und Ps 109LXX herstelle, ja es scheine, dass sie stellenweise Ps 109LXX an Ps 2 anpasse. Gerade die Gemeinsamkeiten zwischen Ps 2 und Ps 109LXX würden sich dazu eignen, im NT in christologische Argumentationen eingeflochten zu werden.58 Joachim Schaper sah in 109,3LXX die Präexistenz der Messiasgestalt beschrieben (1998)59, ebenso wie bereits Fausto Parente 197360. Dieser konstatierte sogar, dass bereits die hebräische Vorlage der LXX eine messianische präexistente Figur in diesem Psalm beschreibt. Für Ariane Cordes (2006) hingegen stellt die messianische Interpretation 53 54 55 56 57 58 59 60
M. McNamara, Melchizedek. J.J. Petuchowski, The controversia! figure of Melchizedek. E. Kissane, The Interpretation o f P s 110, 110.113. H.J. Stoebe, Erwägungen zu Ps. 110. R. Tournay, Le Psaume CX. E. Bons, Die Septuaginta-Version von Psalm 110 (109 LXX), 141ff. J. Schaper, Der Septuaginta-Psalter. F. Parente, Προ εωσφόρου έξεγέννησά σε.
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2 Darstellung der
Forschungsgeschichte
von Ps 109LXX eine Spekulation dar - eine dahingehende bewusste theologische Exegese des Übersetzers sei nicht ablesbar.61 Vinzenz Hamp spezialisierte sich 1974 bei seinem Vergleich zwischen masoretischem Text und LXX auf Ps 110,4b, wobei er ebenso darauf hinwies, dass eine messianische Deutung bereits in der Septuaginta nicht beweisbar sei.62 Michael Tilly stellte 2003 heraus, dass der in hebräischer Sprache überlieferte Ps 110 in hellenistisch-jüdischer Literatur nicht messianisch interpretiert wurde, sondern zumeist die Legitimation königlicher bzw. hoherpriesterl icher Autorität im Vordergrund gestanden habe. Nach Tilly ist weiter nicht nur zu fragen, welche unterschiedlichen Interpretationen und Applikationen Psalm 110 in der religiösen Literatur des antiken Judentums erfahren habe und inwieweit sein messianisches Verständnis bereits im jüdischen Psalmengebrauch implizit enthalten sei, sondern auch, welche sozialen und religiösen Strömungen innerhalb des antiken Judentums ihn mit einer spezifischen Sinngebung versahen und worin die theologische Leistungsfähigkeit dieser spezifischen Sinngebung bestanden habe. 63 1994 zog Herbert Donner I Makk 14 als Interpretationskontext heran. Nach Hermann L. Strack u. Paul Billerbecifi^ (1928) skizzierte auch Gerhard Bodendorfer in einem Aufsatz die rabbinische Auslegung von Ps 110 in Talmudim, Midraschim und Targum, wobei er, im Gegensatz zu Strack/Billerbeck65, die anti-christliche Tendenzen in jüdischer Auslegung vermuteten, die Wichtigkeit von Abraham als Vorbild des Glaubens in den Vordergrund rückte.66 Im Bereich der Psalmen-Kommentare widmete sich Gianfranco Ravasi am ausführlichsten anderen Interpretationskontexten. Er nahm zum einen die Untersuchungen Strack/Billerbecks im Hinblick auf die Auslegung von Ps 110 im rabbinischen Schrifttum auf, zum andern stellte er kurz die Figur des Melchisedek in Qumran dar - dazu zitierte er eine Passage aus llQMelch schließlich beschäftigte er sich in seinem Schlusskapitel mit der neutestamentlichen Rezeption von Ps 110.
Vor dem Hintergrund der Vielfalt von intertextuellen Bezügen von Ps 110 mit biblischen und außerbiblischen Texten gilt es, über die Feststellung dieser Bezüge hinauszugehen und zu fragen, mit welchen Texten dieser Psalm in welcher Zeit korrespondiert und welche theo61
A. Cordes, Spricht Ps 109 LXX von einem Messias, 260. V. Hamp, Ps 110, 4b und die Septuaginta, 526ff. 63 M. Tilly, Psalm 110 zwischen hebräischer Bibel und Neuem Testament, 149f.l65. 64 H. Strack u. P. Billerbeck, Der 110. Psalm. 65 H. Strack u. P. Billerbeck sehen in der Deutung von Ps 110 auf Abraham durch R. Ismael christentumsfeindliche Tendenzen, vgl. H. Strack u. P. Billerbeck, Der 110. Psalm, 459f. 66 Vgl. G. Bodendorfer, Abraham zur Rechten Gottes, 266. 62
2.1 Zu Psalm 110
15
logischen Interpretationen dadurch frei werden. Welche Rolle spielt beispielsweise das Melchisedek-Motiv für die Interpretation von Ps 110 vor allem im Bezug auf die nichtkanonischen Schriften aus hellenistischer Zeit? Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Beschäftigung mit der LXX-Version und der Frage liegen, ob durch die LXX Ps 110 ״messianisiert" worden ist und welche Bezüge zu anderen Textstellen sich finden lassen. Neue Interpretationsräume werden ebenfalls durch Bezugnahmen auf Ps 110 (bzw. Ps 109LXX) im neutestamentlichen Schrifttum geschaffen, die in der Forschung schon eine breite Analyse erfahren haben und somit in dieser Arbeit marginalen Charakter haben werden. Psalm 110 im Neuen Testament David M. Hay67 verfasste 1973 eine der wenigen Gesamtdarstellungen von Ps 110 mit dem Schwerpunkt auf der christlichen Rezeption, wobei er auch knapp die LXX-Ubersetzung, die Qumranfunde, die rabbinische und die sogenannte zwischentestamentliche Literatur analysierte. 1982 war Terrance Callan einer der ersten, die sich ausschließlich mit den Bezügen zwischen Ps 110 und dem Neuen Testament beschäftigten. In seinem Aufsatz „Psalm 110:1 and the origin of the expectation that Jesus will come again", in dem er auch rabbinische Literatur heranzog, kam er zu der Schlussfolgerung: „I have argued that Ps 110:1 played a crucial role in the development of the expectation that Jesus would come again."68 In den 90er Jahren erschienen vor allem durch Martin Hengel und Gerhard Dautzenberg richtungsweisende Aufsätze zur Aufnahme von Ps 110 im NT. Hengel konstatierte, dass aus Ps 110,1 ״eine offensichtliche Grundaussage der Christologie" stamme. ״Meine Frage ist, wie die Urgemeinde beharrlich die ungeheuerliche Aussage wagen konnte, daß der gekreuzigte Messias Jesus von Nazareth nicht nur durch Gott von den Toten auferweckt [...], sondern unmittelbar zu seiner Rechten, d.h. zu seinem Throngenossen, erhöht worden sei."69 2 001 beschäftigte sich David R. Anderson in einer Monographie zum Thema ״The king-priest of Psalm 110 in Hebrews" mit der Aufnahme von Ps 110 im Hebräerbrief.71·1 Lukas Bormann verfasste 2003 den Aufsatz ,JPsalm 110 im Dialog mit dem Neuen Testament" und leistete damit einen Beitrag zur Intertextualitätsdebatte. Gerade Ps 110,1 mit seinen vielfachen Anspielungen im NT - nach Bormann ist dies kein pars-pro-toto- Prinzip - biete hierzu ein großes Potential. Jesus werde durch die intertextuelle Beziehung zwischen Ps 110,1 und NT in den himmlischen (Thron-) Raum Gottes integriert 67 68 69 70
D.M. Hay, Glory at the Right Hand. T. Callan, Psalm 110,1 and the origin of the expectation, 635f. M. Hengel, ״Setze Dich zu meiner Rechten!", 120. D.R. Anderson, The king-priest of Psalm 110 in Hebrews.
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2 Darstellung der Forschungsgeschichte
und habe Anteil an dem Machtpotential Gottes, das sich in Gericht und Rettung erweise. 71 Als einer der wenigen neuzeitlichen Kommentatoren beschäftigte sich Gianfranco Ravasi mit der christlichen Interpretation des Psalms. Er hob innerhalb der Kommentarschreiber am deutlichsten hervor, dass Ps 110 verschiedene Ebenen der Rezitation durchlaufen habe. Er hielt fest, dass der Text seinen ursprünglichen historischen Sinn im Laufe der Jahrhunderte verloren und einen anderen hermeneutisehen Sinn erhalten habe. Tatsächlich hätte niemand den Text als Krönungstext in einer Zeit rezitiert, in der es kein Königtum mehr gab, sondern Ps 110 habe indessen einen messianischen Aspekt erhalten. Deshalb ist es für Ravasi wichtig, sich breiter mit der Rezeption in rabbinischen Schriften wie im Christentum zu beschäftigen. 72 Psalm 110 in der Komposition des 5. Psalmbuches Dieser Aspekt der Psalmenforschung - oder besser: der Psalterforschung - hat seinen Schwerpunkt im ausgehenden 20. Jh. sowie zu Beginn des neuen Jahrtausends. Der Fokus dieses Vorgehens liegt auf der Fragestellung, ob nicht neben der Einzelpsalmexegese auch eine ״Psalterexegese" notwendig sei. Als bekannteste Vertreter dieses Ansatzes in neuerer Zeit sind Erich Zenger und Frank-Lothar Hossfeld zu nennen. E. Zenger stellte die These auf, es gehe „vielmehr um die Frage, ob über die jedem Psalm ureigene und spezifische Sprach- und Sinngestalt hinaus ihm noch eine weitere Bedeutungsdimension durch seine im Psalmenbuch gegebene Positionierung zukommt und ob das Buch als Ganzes eine Programmatik hat, die mit bloßer Betrachtung der Einzeltexte eben nicht erfaßt werden kann." 73 Dass die Psalmen durch Stichworte miteinander verknüpft sind, wird nicht mehr bezweifelt - zumal schon Franz Delitzsch in seinen „Symbolae" (1846) und in seinem Kommentar viele Stich Wortverkettungen von benachbarten Psalmen aufgezeigt hatte. 74 Hermann Gunkel bemerkte indessen, dass „einfache klare Gründe für die Anordnung der Psalmen nicht nachzuweisen sind". 75 Erst in neuerer Zeit wurde die Arbeit von Delitzsch wieder positiv gewürdigt und aufgegriffen. So bemühten sich Christoph Barth, Matthias Miliard und Gerald H. Wilson, dazu bewusste Kompositionen im Psalter aufzudecken. 76 In Bezug auf Ps 110 und den hinteren Teil des Psalters ist hier unter anderem die Arbeit von Klaus Koenen zu nennen, in der er in den Pss 90-110 eine bewusst 71
L. Bormann, Psalm 110 im Dialog mit dem Neuen Testament, 204. Vgl. G. Ravasi, II Ubro dei Salmi, 266. 73 E. Zenger, Der Psalter als Buch, 12. 74 Fz. Delitzsch, Symbolae ad psalmos. 75 H. Gunkel, Einleitung in die Psalmen, 435. 76 C. Barth, Concatenatio im ersten Buch des Psalters; M. Millard, Die Komposition des Psalters; G.H. Wilson, The Editing of the Hebrew Psalter. 72
2.1 Zu Psalm 110
17
konzipierte Komposition darzustellen versuchte.77 Erhard S. Gerstenberger hingegen sprach sich dezidiert gegen ein solches Interpretationskonzept der Psalmen aus, da dieses Konzept die Gefahr berge, durch unser ״rückproj!zierendes theologisches Interesse"78 die Situation der damaligen Zeit nicht korrekt zu erfassen. Im Bereich der Königspsalmen und ihrer Stellung in einer jeweiligen Komposition haben in jüngerer Zeit Wilson und Markus Säur gearbeitet.79 So formulierte Saur als ein Ziel seiner Dissertation, einen Beitrag zur Diskussion um die Komposition des Psalters aus der Perspektive der Königspsalmen zu leisten.80 In Bezug auf Ps 110 wird innerhalb der innerbiblischen Exegese die Konzeption der Psalterexegese zu prüfen sein, um festzustellen, ob und gegebenenfalls an welchen Stellen sich durch die Stellung von Ps 110 im 5. Psalmenbuch neue Sinnräume für den zu untersuchenden Psalm erschließen lassen. Zielsetzung Angesichts der skizzierten Forschungslage zu Ps 110 stellt sich die Aufgabe, eine Gesamtdarstellung von Ps 110 in Bezug auf seinen oft als ״unverständlich" eingestuften masoretischen Text, seine Entstehungsgeschichte, seine Paralleltexte und intertextuellen Bezugspunkte, seine LXX-Gestalt und seine Rezeptionsgeschichte zu erarbeiten. Ulrike Bail hat richtig erkannt, dass das intertextuelle Potential der Psalmen darin besteht, ״dass sie im Laufe ihrer Entstehung als einzelne Psalmen und der kanonischen Endfassung als Psalter viele Bedeutungen in sich aufgenommen haben, vielstimmig lesbar waren und sind."81 Diese Stellungnahme ist im Blick auf Ps 110 dahingehend zu präzisieren, dass Ps 110 nicht nur innerhalb des Psalters seine Bedeutung geändert hat, sondern dass zusätzlich durch die Übersetzungen in LXX, Targum, Peschitta und Vulgata sowie durch rabbinische und christliche Aufnahmen neue und andersartige Interpretationsspielräume geschaffen worden sind, die in dieser Arbeit eingehend analysiert werden sollen. Um der These von Gerald H. Wilson und Markus Saur nachgehen zu können, ob Ps 110 als ein Königspsalm eine besondere Rolle und Aufgabe im Psalter zukomme, wird eine Darstellung der Forschungsge-
77 78 79 80 81
K. Koenen, Jahwe wird kommen. E.S. Gerstenberger, Der Psalter als Buch und Sammlung, 8. G.H. Wilson, The use of the Royal Psalms; M. Saur, Die Königspsalmen. M. Saur, Die Königspsalmen, 1. U. Bail, Psalm 110, 121.
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2 Darstellung der Forschungsgeschichte
schichte hinsichtlich der Gattung ״Königspsalmen" vorangehen. ״Fundamentally, what is a royal psalm?"82 2.2 Die Gattung ״Königspsalmen" Hermann Gunkel hielt 1914 über die Königspsalmen fest: ״Es gibt in der biblischen Sammlung der Psalmen eine Reihe von Liedern, gewöhnlich ,Königspsalmen' genannt. Welche einzelnen Gedichte dazu zu rechnen sind, ist streitig. Noch streitiger ist ihre Auffassung." 83 In der Tat sind einige Punkte in Bezug auf die Königspsalmen bis heute in der Forschung umstritten. Es ist sowohl unklar, welche Psalmen überhaupt zu dieser Gattung zu zählen sind, da sich keine Kriterien zur Einordnung durch äußere strukturelle Merkmale aufstellen lassen, als auch, wann diese Psalmen verfasst wurden, auf welche Größen (realer oder messianischer König oder auch als Kollektiv) sie gedichtet worden sind oder welchen ״Sitz im Leben" sie haben. Im Folgenden wird eine kurze Darstellung der Forschungsgeschichte über die ״Gattungsdefinition Königspsalmen" geliefert.84 Mit Johann Gottfried von Herder und seinem Werk ״Vom Geist der Ebräischen Poesie" (1783) findet sich schon früh eine Einordnung von Ps 2 und 110 in die Reihe der ״Königspsalmen", wobei diese Gruppe nicht explizit definiert wird.85 Es werden Beispiele für hebräische Poesie vorgestellt, übersetzt und erklärt. Als einer der ersten Exegeten gruppierte Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1811/21823) die Psalmen gemäß ihrer Form und ihrem Inhalt. In seinem Psalm-Kommentar hielt er eine Klassifizierung ״Königspsalmen" fest, gab jedoch keine näheren Charakteristika zur Einteilung in diese Psalmgruppe an.86 Franz Delitzsch (1867/41883) hingegen teilte die Psalmen weniger nach ihrem Inhalt als nach ihrer theologischen Aussagerichtung in folgende fünf Psalm-Gruppen ein: 1. unmittelbar eschatologisch-messianisch; 2. typisch-messianisch; 3. typisch-prophetisch messianisch; 4. mittelbar eschatologischmessianisch; 5. eschatologisch-jehovisch.87
82
S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 66. H. Gunkel, Die Königspsalmen, 42. 84 Zu diesem Forschungsüberblick verweise ich zusätzlich auf die Darstellung der Forschungsgeschichte bei S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, sowie bei R.G. Haney, Text and Concept Analysis in Royal Psalms. 85 J.G. von Herder, Vom Geist der Ebräischen Poesie, 383ff. 86 Vgl. W.M.L. de Wette, Commentar über die Psalmen, 3 f. 87 Vgl. Fz. Delitzsch, Biblischer Commentar über die Psalmen, 56ff. 83
2.2 Die Gattung ״Königspsalmen "
19
Bernhard Duhm (1922) indessen favorisierte die zeitliche Ordnung der Psalmen in Gruppen der vormakkabäischen Psalmen, Psalmen aus der Zeit der makkabäischen Kämpfe etc.88 Hermann Gunkel (1933) definierte die Königspsalmen als solche Lieder, die ihre innere Einheit dadurch haben, „daß sie sämtlich von Königen handeln" 8 9 , hielt dagegen aber auch fest, dass Königspsalmen also nicht eine eigentliche, in sich geschlossene „Gattung" seien, sondern sie bestünden aus einer ganzen Reihe von Gattungen, die je nach den verschiedenen Anlässen auf den ersten Blick unterschieden werden könnten. Unter den Königsliedem gebe es einige, die mit den Liedern des Volkes zusammengestellt werden müssten: die Königsdanklieder mit den Dankliedern des Volkes, die Klagelieder des Königs, denen ein Orakel folge, mit denen des Volkes, denen auch die göttliche Antwort erwidert werde. Ferner gebe es auch Königslieder, die mit der Gattung des einzelnen Privatmannes verwandt seien, sowie auch das Danklied des Herrschers mit dem Danklied eines Einzelnen verwandt sei. Noch häufiger seien diejenigen Stellen, wo Dichtungen des Einzelnen Sätze enthalten, die sich eigentlich nur im Munde von Königen verstehen ließen.90 Auch Sigmund Mowinckel hielt 1961 in Bezug auf die Königspsalmen in ähnlicher Weise fest, dass man diese verschiedenen anderen Gattungen zuordnen müsse, begründete aber seine These durch die kultische Wirklichkeit der Psalmen: „Wenn man von den Königspsalmen im AT spricht, so will man nicht diesen Namen als Bezeichnung einer eigenen literarischen Gattung aufgefaßt haben. Die betreffenden Psalmen umfassen vielmehr fast alle literarischen Gattungen der Psalmdichtung: individuelle Klagepsalmen [...], Dankpsalmen [...], öffentliche Klagepsalmen [...], Orakelpsalmen (Ps. 2; 45; 72; 110; 132), Bettags- und Festliturgien [...], Gelübdepsalmen (Ps. 101), Segenspsalmen (Ps. 72). Was ihnen gemeinsam ist, ist das sachliche Moment, daß sie sich alle in irgendeiner Weise mit dem Könige Israels beschäftigen. Hier haben wir es mit den Psalmen als kultischen Gattungen und nach ihrer verschiedenen kultischen Verwendung zu tun." 91 Durch diese Interpretation gelangte Mowinckel zu erheblich mehr Königspsalmen als Gunkel. Schon bei Gerhard von Rad (1940/41) sind kaum Einschränkungen in der Charakteristik der Königspsalmen zu erkennen, obwohl er durchaus anmerkte, dass das Verständnis der Königspsalmen noch an allerlei Unklarheiten leide.92 Die genannten Unklarheiten bezog er auf das Problem der Deutung und Datierung der Königspsalmen. Er erkannte 88 89 90 91 92
Vgl. B. Duhm, Die Psalmen, XXff. H. Gunkel, Einleitung in die Psalmen, 140. H. Gunkel, Einleitung in die Psalmen, 146f. S. Mowinckel, Psalmenstudien, 78. G. von Rad, Erwägungen zu den Königspsalmen, 216.
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2 Darstellung der
Forschungsgeschichte
dennoch diese Gattung an, rückte diese Psalmen sämtlich in die Nähe von messianischen Weissagungen 93 und sprach ihnen eine universale Perspektive zu: ״Die Sänger der Königspsalmen reden also viel mehr von dem göttlichen Urbild des Königtumes als von seiner geschichtlichen Erscheinung. Oder besser gesagt: von jenem göttlichen Urbild, das vor ihrem prophetischen Geiste stand, reden sie das geschichtliche Königtum an." 94 1989 vertrat Joachim Becker eine kollektive Deutung der Königspsalmen. Ihm war es hierbei wichtig zu begründen, wonach die Idee des Königtums kollektivierend in exilisch/nachexilischer Zeit auf das Volk übertragen worden sei. Er reflektierte dabei aber nicht, dass es ein Problem mit der Gattung ״Königspsalmen" geben könnte. 95 Gegen Ende des letzten Jh.s kamen wiederum Zweifel an der Gattung ״Königspsalmen" auf. Während Klaus Seybold Einschränkungen vornahm, dass die sogenannten Königspsalmen nur insofern eine ״Gattung" bildeten, als sie sich auf das sogenannte Königsritual und den Königskult an den Reichsheiligtümern beziehen und sich eigentlich einer Klassifizierung entziehen würden, 96 ordnete Georg Fohrer die Königspsalmen sämtlich anderen Gattungen zu. Seines Erachtens seien in erster Linie für die Erfassung und Bestimmung der Liedgattungen formale, literarisch-stilistische Merkmale und nur aushilfsweise der Inhalt der Psalmen maßgeblich. Demnach würden sich drei grundlegende Gattungen mit jeweils mehreren Unterarten ergeben, nämlich Hymnen oder Loblieder, Klagelieder und Danklieder. Es sei keine eigene Gattung von Königspsalmen anzunehmen. 97 Erhard S. Gerstenherger (1991) unterteilte die Königspsalmen in mehrere Untergruppen. Seiner Ansicht nach gehören die Pss 18; 89 und 144 zu der Gruppe Klage und Dank und Pss 20 und 21 zum Bereich der Fürbitte. Als Krönungshymnen seien Pss 2; 110 und eventuell auch 72 anzusehen; Ps 45 sei ein Hochzeitslied. 98 Scott R.A. Starbuck gelangte in seiner Dissertation 1999 über die sogenannten Königspsalmen nach einer ausführlichen Forschungsgeschichte zu einer überzeugenden eigenen Definition dieser Gattung: ״The RPss are psalms whose concern is the Institution of Israelite kingship. Their protagonist is an unspecified king; hence he is a typological representative of the 'office' of the Institution."99 So 93
G. von Rad, Erwägungen zu den Königspsalmen, 222: ״Gewiß darf man die Königspsalmen nicht einfach mit den messianischen Weissagungen zusammenwerfen; sie stellen zwei verschiedene Traditionsströme dar, jene sind gebundener, diese ihren prophetischen Trägern entsprechend freier." 94 G. von Rad, Erwägungen zu den Königspsalmen, 219. 95 J. Becker, Die kollektive Deutung der Königspsalmen. 96 K. Seybold, Die Psalmen: eine Einführung, 98. 97 G. Fohrer, Psalmen, 2.5. 98 E.S. Gerstenberger, Psalms. Part 1, 19. 99 S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 102.
2.3 Fazit
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widersprach er der These, dass der ״Sitz im Leben" der Königspsalmen zwingend im Kult zu sehen ist. Trotz dieser Feststellung über eine gemeinsame Charakteristik der Königspsalmen warnte er zu Recht davor, von einer zusammengehörigen Gruppe zu sprechen; denn sie seien alle äußerst unterschiedlich.100 Die 2004 erschienene Dissertation zu den Königspsalmen und deren Stellung im Psalter von Markus Saur legt ihren Schwerpunkt darauf, ״aufgrund der genauen Analyse dieser Prozesse die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Königspsalmen zu erfassen und damit ihre theologische Position zu bestimmen."101 In Bezug auf die Königspsalmen in gattungsspezifischer Sicht formulierte Saur vorsichtig, dass diese Psalmen keine Gattung im Sinne der Formgeschichte darstellen würden, sodass er den Begriff ״Psalmengrappe" bevorzuge.102 Zudem verfolgte Saur die These, dass die Königspsalmen sich zwischen der altorientalischen Königsideologie und dem Aufkommen messianischer Hoffnungen bewegen würden und dass sie Ergebnis eines literarischen Prozesses seien.103 2.3 Fazit Aus der Übersicht über die Forschungsgeschichte bleibt als Fazit zu ziehen, dass eine Einteilung der Psalmen unter Benutzung der ״Gattungsbezeichnung Königspsalmen" schwierig ist, da es ihnen an literarischen gattungstypischen Merkmalen fehlt. S.R.A. Starbuck ist in dieser Hinsicht zuzustimmen, dass es zwar ״Königspsalmen" gibt (unter seiner oben genannten Definition), aber diese durchaus individuellen Charakter haben. Sie handeln zwar allesamt von einem nicht identifizierten König, einem Protagonisten, haben aber einen unterschiedlichen ״Sitz im Leben" und einen unterschiedlichen theologischen Schwerpunkt. Vor diesem Hintergrund ist es also zu vermeiden, von der enggefuhrten Gattung der ״Königspsalmen" zu sprechen, durchaus aber zuzugestehen, dass es Königslieder im Psalter gibt, die aber auch anderen Gattungen wie Hymnen, Danklieder eines Einzelnen oder anderen zugeordnet werden können. Im Folgenden wird deshalb mit M. Saur von der Gruppe der Königspsalmen, von den sogenannten Königspsalmen oder von Königs Hedem gesprochen und das Wort ״Gattung" in diesem Zusammenhang gemieden. Obgleich die Königslieder keine geschlossene Gattung bilden, soll hier auch unter100
S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 206f. M. Saur, Die Königspsalmen, 1. Auch G.H. Wilson sah (1986) einen theologischen Zusammenhang der Königspsalmen, nämlich darin, dass sie an Nahtstellen (״seams") im hebräischen Psalter zu finden seien (vgl. G.H. Wilson, The use of the the Royal Psalms). 102 M. Saur, Die Königspsalmen, 24. 103 M. Saur, Die Königspsalmen, 21. 101
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2 Darstellung der Forschungsgeschichte
sucht werden, ob für Ps 110 Korrespondenzen zu anderen Königsliedern auszumachen sind, ob die Stellung von Ps 110 innerhalb des Psalters einer Schaltstelle gleichkommt und ob Ps 110 durch seine Position eine Veränderung in seiner theologischen Aussage erfahrt.
Hauptteil A: Literarische Analyse
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110 Wie der Überblick über die Forschungslage zu Ps 110 bereits gezeigt hat, verläuft die Diskussion vor allem hinsichtlich der Struktur, der Übersetzung und der Metrik sehr kontrovers. Das Defizit der bisher erbrachten Beiträge zu Ps 110 besteht darin, dass sie sich meist in nur einer Arbeitsweise (metrische oder kolometrische, syntaktische oder Akzent orientierte Analyse und andere) dem Text näherten. Deshalb werden innerhalb dieses Kapitels der vorliegenden Arbeit mehrere Methodenschritte durchgeführt, die eine Übersetzung des masoretischen Textes zum Ziel haben. In dieser literarischen Analyse wird also der masoretische Text untersucht, gegliedert und übersetzt. Sprachliche und syntaktische Besonderheiten werden erörtert, jedoch nicht geändert, da nicht nur ein möglicherweise ursprünglicher Psalmtext sondern auch die Textentstehung bis zum vorliegenden masoretischen Text dargestellt werden soll. Mögliche redaktionelle Eingriffe werden vermerkt und an späterer Stelle ausfuhrlich untersucht. 3.1 Der masoretische Text 104 ל ך ן ד מזמור1 נאם יהוה ו ל א ד נ י ש ב ל י מ ע י :עד־אשית איביף ה ד ם לר?ליך :איביך
ךב$ב
מטה־עזף־ י ש ל ח י ה ו ד מציון ירדה2 ך ב ת ב י ו ם ח י ל ף3 עקוןז3
: ל ך ת י ך: ב ה ך ך י ־ ק ך ש מ ר ח ם מ ש ח ר 'לף־ ט ל נ ש ב ע יהרה ו ו ל א ינחם4 :אתה־כהן לעולם על־תברתי מלבי־צךק :יום־אפו מלכים5 אדני על־ימץן! מחץ5 : ידיין ב כ ו י ם מ ל א ג ר ו ת מ ח ץ ר א ש ע ל ־ א ר ץ ר ב ה6 : תח ע ל ־ כ ן ; ר י ס ך א ש: מ נ ח ל ב ד ר ך יק7
104
Auf der Basis des Codex Leningradensis B19 A (L).
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3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
Textbeobachtungen und Erläuterungen zur Übersetzung: V.l: מזמורbezeichnet ein zu Instrumentenbegleitung gesungenes Lied 105 , das im religiösen Bereich mit ״Psalm" wiedergegeben wird. Die Überschrift als Ganze weist zwei Übersetzungsmöglichkeiten auf: 1.) ist es möglich, hier David als Verfasser zu verstehen. In der Überschrift einen umschriebenen Genitiv zu sehen und sie mit ״ein Psalm Davids" zu übersetzen, wäre allerdings zum einen durch die Satzstellung ungewöhnlich und so eher מץמור לדודzu erwarten. Zum andern stellt die Überschrift nach masoretische! ־Punktation keine Genitiv-Verbindung dar, da לח־רeinen trennenden Reb"1a יträgt. Bei vorliegender Satzteilfolge und Akzentuierung ist es eher möglich, מזמורals Epexegese zu dem vor לח־דausgelassenen Gattungsbegriff zu betrachten: Dies ist eine Dichtung von (oder: in Bezug auf) David und zwar ein Psalm.106 2.) ist es ebenso möglich, aufgrund der SatzStellung ״Für David, ein Psalm" zu übersetzen. Beide letztgenannten Varianten werden auch durch die masoretische AkzentSetzung gestützt. Ein besonderes Kennzeichen von Ps 110 ist seine prophetische Einleitungsformel. Dabei ist auffallig, dass יהוד zumeist den Schluss einer prophetischen Redeeinheit markiert. 107 In dem Ausdruck הדם לרגליךliegt ein umschriebener Genitiv vor, der mit ״ein Schemel deiner Füße" oder ״ein Schemel für deine Füße" wiedergegeben werden kann. In jedem Fall handelt es sich um ״einen Schemel", der im Hebräischen indeterminiert ist. Syntaktisch fallt auf, dass Ps 110 ebenso wie Ps 72 durch eine Folge von Imperativ und Imperfekt 108 eröffnet wird. Durch die Stellung des Imperfekts ( )אשיתnach der Konjunktion עד־wird eine - definitiv - eintretende Handlung geschildert. 109
105
Vgl. HALAT, Art.: .536 ,מזמור 106 Vgl. Gesenius/Kautzsch/Bergsträsser, § 129c. 107 Sehr häufig begegnet נאם יהוהin den Prophetenbüchern, dort vor allem bei Jeremia (über 150 Mal). Diese Formel kommt aber auch außerhalb der Prophetenbücher in Gen 22,16; Num 14,28; I Sam 2,30; II Reg 9,26; 19,33; 22,19 vor. Zwei weitere Stellen weisen ebenfalls keine Schiussstellung der Formel auf: Jes 56,8 und Sach 12,1, wobei in Jes 56,8 נאם אדני יהוהzwar den Versanfang bildet, der Vers an sich aber den Schluss eines Redeabschnittes darstellt. Bei Sach 12,1 liegt in נאם יהוהwie in Ps 110,1 der Beginn einer Gottesrede vor. 108 Trotz der Diskussion um die Begriffe ״Imperfekt" und ״Perfekt" zur Bezeichnung der hebräischen Verbformen behalte ich die im 19. Jh. von Heinrich Ewald in die Hebraistik eingeführten Begriffe bei, ohne eine Entscheidung zu treffen, ob das hebräische Verbalsystem eher ein Aspekt- oder Tempussystem ist (vgl. zur Diskussion u.a. J.F. Diehl, Hebräisches Imperfekt, 23-27). 109 D. Michel, Tempora und Satzstellung, 175.
3.1 Der masoretische Text
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V.2: Durch die Satzstellung Objekt - finîtes Verb - Subjekt wird der ״Stab deiner Macht^firrtgiE)" in diesem Fall besonders betont. 110 In der Wurzel rdh liegt ein gemeinsemitischer111 Herrschaftsterminus vor, so auch in der neu-assyrischen Königstitulatur, in der redû die universale und umfassende Leitungsfunktion des königlichen Herrschers ausdrückt. Ein religiöser Sprachgebrauch im strengen Sinn ist bei rdh nicht anzunehmen, da Gott weder Subjekt noch Objekt ist. 112 Ob רדהnun eine Friedens- oder Gewaltherrschaft eines Königs/Volkes über ein anderes Volk beschreibt, ist, biblisch betrachtet, zwar nicht eindeutig113 - zieht man allerdings die Vv.5-7 zur Interpretation von V.2 mit heran, so ist hier ein gewalttätiges Herrschen über die Feinde zu vermuten, von denen der König umgeben ist. E. Jenni erklärt ?קרב als ״Lokalisation in einer Personenmenge"114, sodass der König inmitten der Feinde agiert. Durch diese Lokalisierung des Königs in der Mitte von Feinden könnte auf eine Fremdherrschaft geschlössen werden, die das israelitisch/judäische Volk regiert. V.3: Die Schwierigkeit, diesen Vers zu übersetzen, zeigt sich vor allem in der Fülle von Übersetzungsmöglichkeiten, die in der alttestamentlichen Forschung und in den verschiedenen BibelÜbersetzungen geboten werden.115 V.3 besteht im masoretischen Text aus vier Nominalsätzen: ע?זך ; ד ב ת ביום ח י ל ך/ ביהךרי־קךש/ מךלום מ ש ח ד/ ל ך ך \ ־: ל ך ט ל.
Nominalsätze drücken im Hebräischen einen Zustand und keine Handlung aus. Folgen mehrere Nominalsätze aufeinander, so wird eine Entsprechung von (zuständlichen) Aussagen behauptet. 116 Es handelt sich folglich - syntaktisch betrachtet - im gesamten V.3 um eine Zustandsbeschreibung. Der erste Teil von V.3 bietet zu diesem Aspekt keine Schwierigkeit, da ״das Freiwillig-Sein des Volkes" durchaus einen Zustand am Tag der Macht des Königs beschreibt. Ebenso unproblematisch verhält es sich mit בהךרי־קךש. Dies ist eine ״nominale Mitteilung", bei der das Mubtada fehlt, und es stellt somit einen einpoligen Nominalsatz 117 dar. Diese nominale Mitteilung kann sich nach masoretischer Akzentuierung nicht weiterhin auf das Volk beziehen, da חילךmit einem "Ôlê wejôrëd versehen ist. Dieser Akzent stellt in poetischen Texten einen stärkeren Trenner dar als der Atnach.118 110
W. Groß, Die Satzteilfolge im Verbalsatz, 90ff. H.-J. Zobel, Art. .351 ,רדה 112 H.-J. Zobel, Art.: .355 ,רדה 113 Vgl. auch U. Neumarm-Gorsolke, Herrschen in den Grenzen, 222. 114 E. Jenni, Die Präposition Beth, 221. 115 Vgl. U. Bail, Psalm 110, 103 u. G. Ravasi, II libro dei Salmi, 269. 116 Vgl. D. Michel, Tempora und Satzstellung, 185. 117 Vgl. D. Michel, Grundlegung einer hebräischen Syntax II; 159. 118 Vgl. P. Joüon u. T. Muraoka, A Grammar of biblical Hebrew, § 15h. 111
37 3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
So liegt es nahe, בהךךי־קךשauf den König zu beziehen, der im Schlussteil durch das לךnoch einmal eigens angesprochen wird. Die ״nominale Mitteilung", die nun folgt, ist aber schwerlich eine Zustandsbeschreibung:מרחם משח ר. Durch die Stellung des Atnachs steht חר: מרחם מקebenfalls als ein einpoliger Nominalsatz isoliert in V.3. Im Grunde läge auch hier eine ZustandsbeSchreibung vor, doch das ״Sein/Kommen aus dem Mutterleib" ist zeitgleich mit der ״Freiwilligkeit des Volkes" kaum verstandlieh. Ebenso verhält es sich mit der Aussage ״du hast den Tau deiner Jugend". Auch dies ist im eigentlichen Sinn keine Zustandsbeschreibung. Alle vier Nominalsätze miteinander in Entsprechung zueinander zu setzen, wirkt kaum verständlich. Es stellt sich die Frage, ob in V.3b ursprünglich ein Nominalsatz vorgelegen hat. Viele Handschriften - wie beispielsweise die hebräischen Spalten der Hexapla des Origenes, die Septuaginta und die Peschitta - bezeugen schließlich an dieser Stelle einen Verbalsatz, indem sie ל ד ת י ך: als ילז־תיךlesen. Wie diese Varianten ihrerseits Ps 110 interpretieren, sei vorerst zurückgestellt. Die erste Schwierigkeit in der Wortwahl von V.3 bietet das seitene נדבת. In der Forschung ist umstritten, ob es in der Bedeutung ״Dankopfer" oder ״Freiwilligkeit" zu verstehen ist. Als Vergleichstext kann Jdc 5,2.9 dienen: בפרע פרעות בישראל בהתנדב עם ברכו ידוה2 לבי לחוקקי ישראל המתנדבים בעם ברכו יהוד9
Hier stellt sich das Volk freiwillig an die Seite der Führer Israels. Wie in Ps 110 kommen sowohl עםals auch die Wurzel נדבvor, daneben ist auch der Kontext kriegerisch. Durch diese Parallele gestützt, ist in Ps 110,3 נדבתebenfalls mit ״Freiwilligkeit (des Volkes)" zu übersetzen. Dass in V.3 die Übersetzung von ״heiligem Schmuck" - und nicht ״im Glanz des Heiligtums" - bevorzugt wird, lässt sich einerseits mit der ähnlichen Constructus-Verbindung in den Pss 29,2 und 96,9 (I Chr 16,29 par.) begründen, in denen בדדרת־קדש vorkommt. Auch hier ist wie bei der Verwendung des ״Fußschemels" in V. 1 zu bemerken, dass es zwar weitere Stellen mit einer Constructus-Verbindung aus denselben Wörtern gibt, die Verbindung allerdings variiert. In den Pss 29 und 96 stehen die Göttersöhne beziehungsweise die Völker in heiligem Schmuck, um sich vor JHWH niederzuwerfen. Von einer Proskynese wird in Ps 110 jedoch nicht gesprochen. Andererseits ist auf einen weiteren sogenannten Königspsalm (Ps 21) hinzuweisen. In Ps 21,6 wird von der Pracht des Königs gesprochen, sodass es nahe liegt, dass auch in Ps 110 der König in Pracht gehüllt war.
3.1 Der masoretische Text
27
In בהךרי־קךשliegt eine ungewöhnliche, aber grammatisch nicht unmögliche Plural-Endung vor. Es fällt auf, dass hier nicht, wie in Ps 29,2, die eher als regulär erachtete Constructus-Verbindung בהדרת־־קדשsteht, sondern dass eine Maskulin-Endung vorliegt. Obwohl הדרfeminin ist, kann auch dieses Wort eine maskuline Endung haben, da feminine Plural-Endungen sprachgeschichtlieh meist das Konkrete (Nomen unitatis), während maskuline das Allgemeine (Nomen collectivum) bezeichnen.119 So ist es durchaus möglich, dass der Autor über eine große Menge von ״Schmuck" (Collectivum) und nicht über viele einzelne Schmuckstücke eine Aussage treffen will. Aus diesem Grunde liegt hier keine Notwendigkeit vor, den Text in ( בהררי־קדשauf heiligen Bergen) zu ändern, wie es häufig in der Forschung geschieht.120 Die Vokalisation von משחרist ungewöhnlich. Die Masoreten vokalisieren das Wort als Nominalbildung des Verbs שחר. Diese Art der Nominalbildung beschreibt einen Ort (wie z.B. )מנדל oder den Gegenstand einer Handlung (beispielsweise 121( מכתבdas ist hier allerdings nicht der Fall. Zu der Wurzel s.h.r ()שחר existieren im biblischen Hebräisch drei verschiedene Bedeutungen: שחרI kommt als Verb nur in Hi 30,30 vor und heißt ״schwarz werden". Das Adjektiv ״schwarz" ist häufiger.122 שחר II begegnet (bis auf Prov 11,27) stets im Picel und bedeutet ״auf etwas aus sein, suchen nach". שחרIII impliziert vermutlich die Aussage von (״weg)zaubern; weggezaubert machen", so in Jes 47,11. 123 Eine Nominalbildung dieser Aussagen erscheint wenig sinnvoll, da weder ״das Schwarze" einen Ort oder Gegenstand darstellt noch ״der/die/das Suchende/Gesuchte" oder das ״Weggezauberte". ״Jemand, der etwas sucht" würde eine Partizipialform erfordern, nicht aber eine Miqtal-Bildung. Die Nominalbildung משחרist lediglich im masoretischen Text bezeugt, während andere wichtige Textzeugen (die Septuaginta, die hebräischen Spalten in der Hexapla des Origenes, Theodotion, die Peschitta124) משחרlesen und somit hier die ״Morgenröte" beschreiben. Dieses Phänomen der eigenwilligen Punktation des 119
Vgl. D. Michel, Grundlegung einer hebräischen Syntax, 34ff. Vgl. L.C. Allen, Psalm 110, 79f.; auch H.-J. Kraus, Die Psalmen II, 926f.; L. Krinetzki, Ps 110(109), I I I u.ö. 121 Yg! p joüon u. T. Muraoka, A Grammar of biblical Hebrew, § 88Ld. 122 Lev 13,31.37; Cant 1,5; 5,11; Sach 6,2.6. 123 So HALAT, Art.: 1358 ,שחרf. 124 In der Leidener Ausgabe der Peschitta ist allerdings nicht direkt das Phänomen der ״Morgenröte" im Text erkennbar, doch scheint sich die Vokalisation von משחרin der syrischen Wiedergabe zu verbergen (vgl. dazu Kapitel 7.3 Die syrische Übersetzung von Psalm 110 in der Peschitta, S. 206ff). Ähnlich verhält es sich mit dem Theodotion-Text. 120
28
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
MT soll an späterer Stelle weiter analysiert werden. So, wie diese Vokabel im masoretischen Text begegnet, muss sie wörtlieh als ״das Schwarze" übersetzt werden.125 Welche Bedeutung damit intendiert ist, wird innerhalb der innerbiblischen Exegese erläutert werden. Des Weiteren ist es nicht erforderlich, in der Constructus-Verbindung מרחם משחרeine Dittographie anzunehmen.126 Ohne eine Änderung im Konsonantenbestand vorzunehmen, bleiben zwei Möglichkeiten in der grammatischen Analyse dieser Constructus-Verbindung. Einerseits ist es möglich, dass der Autor hier mit einem doppelten מןein Stilmittel (Alliteration, Anapher) schaffen wollte. Dazu könnte man Ps 22,11 als Parallele heranziehen; denn dort heißt es: קליף השלכתי מרחם מבטן אמי אלי אתה: Auch hier fallt die Konstruktion mit einem doppelten מןins Auge. Der Unterschied liegt allerdings in der Stellung des Atnachs. So ist dies hier nicht als eine Art Anapher anzusehen, sondern als synonymer Parallelismus: Auf dich bin ich geworfen von Mutterschoß her, von meiner Mutter Leib an bist du mein Gott. Eine andere Parallele mit doppeltem מןist in Prov 8,23 zu sehen: מעולם נסכתי מראש מקדמי־ארץ. Von Ewigkeit her war ich eingesetzt, von Anfang an, von den Urzeiten der Erde. Die zweite grammatische Möglichkeit ist die Annahme eines enklitischen Mems, wie dies von P. Joüon/T. Muraoka 127 und H. Hummel 128 vertreten wird. Das Phänomen eines enklitischen Mems kommt meist in Genitiv-Verbindungen (so auch im Ugaritischen129) vor. Joüon/Muraoka nennen in Ubereinstimmung mit Hummel folgende Stellen, an denen dieses Phänomen in der BHS zu finden sei: Gen 14,6 ;בהררם שעירNum 21,14 ואת־הבחלים ;ארנוןPs 18,16 ( אפיקי מיםvgl. II Sam 22,16 )אפקי יםsowie Ps 110,3 )מרחמם שחר =( מרחם משחר. Wichtig für die vorliegende Analyse ist die Tatsache, dass damit auch in einem sogenannten Königspsalm ein enklitisches Mem zu finden ist, ähnlich zu Ps 110,3 auch in proklitischer Stellung, wie es die masoretische Gestalt darbietet.
125 Die Lesart ״Morgenröte" impliziert folglich eine Änderung des MT, sodass U. Bail nicht zugestimmt werden kann: ״Wörtlich übersetzt, und das heißt in diesem Fall, ohne Veränderung des masoretischen Textes lautet dieser Versteil: In heiligem Schmuck aus dem Schoß der Morgenröte ist dir der Tau deiner Jugend." U. Bail, Psalm 110, 102. 126 So Th.C. Vriezen, Psalm 110, 82 und H.-J. Kraus, Die Psalmen II, 927. Sie halten das zweite mem fur eine Dittographie; so auch D.A. Robertson, Linguistic evidence, 106. 127 P. Joüon u. T. Muraoka, A Grammar of Biblical Hebrew, § 129«. 128 H. Hummel, Enclitic Mem in Early Northwest Semitic, 98. 129 Vgl. J. Tropper, Ugaritische Grammatik, 825ff.
3.1 Der masoretische Text
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Die Punktation von ילדתיךist in dieser Form als Nomen unter den wichtigen Textzeugen lediglich im masoretischen Text bezeugt. Die Septuaginta, die hebräischen Spalten der Hexapla des Origenes, die Peschitta und viele hebräische Handschriften130 hingegen sehen hier ein Verb: ״Ich habe dich geboren". Wenn die masoretische Punktation in der Übersetzung berücksichtigt wird, dann bildet der letzte Teil dieses Verses eine Constructus-Verbindung und ist - wie folgt - zu übersetzen: ״Du hast den Tau deiner Jugend/Kindheit." Die Wendung לך טלbirgt allerdings gewisse Schwierigkeiten in der Übersetzung. Dass die Septuaginta beide Wörter scheinbar weglässt, wird in einem eigenen Kapitel untersucht; ebenso das Motiv des Taues. Wird ילדתיךnicht als Nomen, sondern als Verb (״ich habe dich geboren") aufgefasst, so ist לך טלnicht Teil einer Constructus-Verbindung, wie dies die Masoreten intendierten (״für dich Tau deiner Jugend/Kindheit"). An dieser Stelle sei lediglich auf die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten des Lamed im biblischen Hebräisch hingewiesen. Die zu fällende Entscheidung an dieser Stelle ist, ob es sich um ein Lamed ascricptionis handelt, das die Zugehörigkeit von Dingen zu Personen kennzeichnet131, oder aber, ob hier ein Lamed revaluationis als spezifizierende ReIdentifikation13- vorliegt. So wäre im ersten Fall zu übersetzen: ״für dich ist Tau" oder im letztgenannten Fall ״nämlich: Du als Tau" oder: ״nämlich: Du der Tau". V.4: Gemäß der Tempusfolge ist die Handlung des ולא ינחםdie ne־ gierte Folge von133.נשבעיהוה In dem Ausspruch אתה־כהן לעולםliegt eine deklarative Ernennung 134 der angesprochenen Person vor. Ein Problem stellt allerdings die Wortfolge dar; denn in anderen nominalen Deklarativen folgt das Pronomen der Statusbezeichnung, so z.B. in Ps 2,7 בני אתהoder in Jes 41,9 und 49,3 עבדי אתה. In Ps 110,4 liegt der Fall genau anders, wie auch in II Sam 3,12. 130
Die Handschriften, die ילדתיךgenui te lesen, sind bei de Rossi wie folgt verzeichnet. Ken. 2, 17, 30, 31, 36, 41, 89, 102, 121, 130, 171, 176, 180, 192, 203, 204, 207, 208, 209, 210, 213, 215, 219, 227, 239, 242, 251, 252, 319, 330, 399, 400, 402, 403, 404, 423, 425, 437, 444, 455, 456, 477, 495, 496, 497, 520, 539, 546, 559, 572, 587, 598, 601, 602, 606, 625, 638, 639, 646. 131 Vgl. E. Jenni, Die Präposition Lamed, 69. Dieser Kategorie ordnet E. Jenni dieses ל ך ט לzu. 132 Vgl. E. Jenni, Die Präposition Lamed, 46. Hier sind Beispiele aufgezählt, aber nicht Ps 110,3. Ich halte es aber dennoch für eine Möglichkeit, die später berücksichtigt wird. 133 Vgl. D. Michel, Tempora und Satzstellung, 129ff. 134 A. Wagner, Sprechakte und Sprechaktanalyse, 148ff. Vgl. auch zum Folgenden.
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3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
In על־־ךבךתיliegt ein sogenanntes Chirek compaginis vor. 135 Dieses grammatische Phänomen tritt an das nomen regens in der Constructus-Verbindung heran. Zudem findet sich das Chirek compaginis an einigen Partikeln, wie 138לתי-ז136,מבי137, בלתיund oder חניאל. Außerhalb des st. cstr. steht das Chirek compaginis nur ״in Partizipialformen im sichtlichen Streben nach voller tönenden Formen."140 Nach Präpositionen steht in hebräischen Texten eigentlich der Genitiv, so auch in diesem Fall, wenn er sich auch als solcher nicht immer durch eine besondere Endung auszeichnet.141 Nach D.A. Robertson liegt an dieser Stelle statt eines Genitivs eine besondere Betonung vor; in der Übersetzung ändere sich allerdings nichts. Des Weiteren wäre diese Endung ein Zeichen für einen alten Text.142 Ob in diesen Texten eine althebräische Sprach־ form vorliegt oder ob bewusst eine archaisierende Sprache vom Autor verwendet wurde, ist allerdings nicht feststellbar. Hinsichtlich der Übersetzung ist der ausfuhrlichen Untersuchung V. Hamps zu der Wendung ךתי2 על־ךzu folgen und mit ״in Nachahmung" von Melchisedek wiederzugeben. i43 Zu dieser Stelle sei des Weiteren mit Hamp auf Ps 45,5 verwiesen - einen anderen sogenannten Königspsalm - , der in vergleichbarer Weise (nur ohne Chirek compaginis) die Wendung על־דברbenutzt: wegen der Wahrheit oder: für die Sache der Wahrheit. S. Schreiner wendet sich ausdrücklich gegen die Annahme einer alten Genitiv-Endung, und übersetzt diese Stelle mit ״um meinetwillen".144 Er gelangt zu dem Schluss, dass das Yod das 135
Dies ist ein Yod, das meist betont und an den status constructus angefügt ist, um dessen enge Verbindung mit dem folgenden Genitiv zu unterstreichen, und das vermutlich auf die alte Genitiv-Endung „i" zurückgeht. Vgl. O. Grether, Hebräische Grammatik, 160. Vgl. auch Gesenius/Kautzsch/Bergsträsser, §90 u. P. Joüon u. T. Muraoka, Α Grammar of Biblical Hebrew, § 93/. Dtn 1,36; 4,12; Jos 11,13; I Reg 3,18; 12,20; Ps 18,32. Jdc 5,14; Jes 46,3; Ps 44,11.19; 45,9; 68,32; 74,22; 78,2.42; 88,10; Hi 6,16; 7,6; 9,3.25; 11,9; 12,22; 14,11; 15,22.30; 16,16; 18,17; 20,4; 28,4; 30,30; 31,7; 33,18.23.30; Mi 7,12. 138 Gen 21,26; 43,3.5; 47,18; Ex 22,19; Num 11,6; 21,35; 32,12; Dtn 3,3; Jos 8,22; 10,33; 11,8.19; Jdc 7,14; I Sam 20,26; II Reg 10,11; Jes 10,4; 14,6; Am 3,3.4; Hi 14,12; Dan 11,18. 139 Jes 47,8.10; Zeph 2,15. ' 4 0 Z.B. in Jes 22,16; Mi 7,14; Ps 101,5; 113,5-7; 114,8. Zu diesem ganzen Abschnitt vgl. Gesenius/Kautzsch/Bergsträsser, § 90 l. 141 E. König hat in Ps 110,4 diese „alte" Kasus-Endung erkannt und noch weitere Beispiele angeführt. Vgl. E. König, Stilistik, Rhetorik, Poetik, 279. 142 D.A. Robertson, Linguistic evidence, 76. 143 Vgl. V. Hamp, Ps 110,4b und die Septuaginta, 522. 1 44 Vgl. S. Schreiner, Psalm CX und die Investitur des Hohenpriesters, 221.
3.1 Der masoretische Text
31
Suffix der 1. Ps. Sg sei und sich auf JHWH beziehe. Problematisch an dieser These ist, dass eine Vergleichspartikel zu Melchisedek fehlt. Eine andere Lösung schlägt S.R.A. Starbuck vor. Er sieht in der Verbindung על־דברתיdas - korrupte - königliche Epitheton baal dibrötay ״Lord of My Command".145 In dem ugaritischen Namen 'amrb'l ״Command of Ba'al" wäre ein vergleichbarer Titel zu sehen, ebenso wie in dem ägyptischen Epitheton auf Ramses III ״Bacal with His Sword" und ״Lord of Truth". So gelangt Starbuck zu folgender Übersetzung von V.4: "Yahweh has sworn and he will not disavow: 'You are 'Priest Eternal', 'Lord of My Command', King of RighteousnessV'146 Dieser Vorschlag birgt allerdings das Problem, dass einerseits ein Eingriff in den Konsonantenbestand notwendig ist (Starbuck ergänzt ein ב, um בעל דברתיlesen zu können), der nicht auf der Grundlage anderer Textzeugen erfolgt. Andererseits gibt es für die Wendung בעל דברתיkeine biblische Parallele. Die von Starbuck angeführte Dtn-Stelle (Dtn 33,3) weist zwar die Vokabel דברתauf, die aber weder in Kombination mit בעלgebraucht noch als Epitheton verwendet wird. V.5: Ein Fragment aus der Kairoer Geniza wie auch andere HandSchriften bezeugen ״JHWH" anstatt אדני, was inhaltlich richtig ist. Doch ist an dieser Stelle die Gottesbezeichnung אדניbewusst gewählt, um auf V. 1 zurückzuweisen und durch die Aufnahme von אדניmit geänderter Punktation einen Perspektivenwechsel von Gott auf den König einzuleiten. In V.l ist ״mein Herr" an Gottes rechter Seite, in V.5 ist Gott, der HERR, an der rechten Seite des Königs. Die Frage nach dem Subjekt in den Versen 5-7 wird an späterer Stelle diskutiert werden. Syntaktisch betrachtet, beschreibt ein Nominalsatz vor einem Verbalsatz einen Zustand, der zur Zeit der eintretenden Handlung des Verbalsatzes noch andauert.147 Somit wäre es möglich V.5 wiederzugeben mit: ״Der HERR ist an deiner Rechten Seite und nun/von da aus schlägt er am Tag seines Zorns Könige." מחץstellt eine definitive Tat JHWHs dar, unklar ist allerdings die Zeitstufe, sodass kontextuell entschieden werden muss: Geht man davon aus, dass der ״Tag seines Zorns"/iS8־DVS eine zukünftige evtl. eschatologische Aussage ist, so ist eine präsentisch/futurische Übersetzung notwendig: Er zerschlägt Könige. Bezieht sich ביוט־אפוauf eine vergangene Tat JHWHs in der Geschichte Israels/Judas, muss vergangen übersetzt werden. V.6: Durch den Imperfekt-Anschluss wird eine Folge von V.5 beschrieben, sodass יז־ין בגויםim Handlungsverlauf die Folge von 145 146 147
S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 155. S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 156. D. Michel, Tempora und Satzstellung, 184.
32
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
מחץ מלכיםdarstellt. Doch sind beide Verse durch einen Silluq und Sof iPasuq getrennt. Wie auch zu V.l legt sich zu dieser Wendung ein Vergleich mit Ps 72,If. nahe, da in Ps 72 vom König(ssohn) ausgesagt wird, dass er sein Volk in Gerechtigkeit richten soll. In Ps 72 heißt es: : אלהים משפטיך למלך תן וצדקתך לבךמלך1 ידץ עמך בצדק2 Gott, gib deine Rechts Satzungen dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, damit er dein Volk richten wird in Gerechtigkeit Auch hier ist mit ידיןder König gemeint, der mit Gottes Hilfe richten soll, nur das Objekt ist das eigene Volk. Demgegenüber könnte Ps 110 die Aussage noch übertreffen, da der König von JHWH dazu aufgerufen ist, sogar unter den Fremdvölkern zu richten. Der folgende Nominalsatz stellt zudem eine Erläuterung zu diesem Verbalsatz dar, womit das Richten unter den Völkern näher beschrieben wird: ״damit er richten wird unter den (Fremd-)Völkern, (Täler) füllend mit toten Körpern". Dass das Subjekt des Nominalsatzes der König ist, legt eine Parallel stelle aus dem Siegeslied auf Thutmose III. nahe, das - wie später darzustellen ist - viele Parallelen zu Ps 110 aufweist. Es spricht Amun-Re zu Thutmose III.: Ich zeige ihnen Deine Majestät als wilden Löwen, wie du sie zu Leichen machst in ihren Tälern. *48 Aquila, Symmachus und Hieronymus lesen in Ps 110,6 anstatt ףות-$ (״tote Körper") ״( גאיותTäler") in Kombination mit מלא. Vermutlich liegt hier aber eine Ellipse vor, da in dem zitierten Siegeslied auf Thutmose III. Täler mit Leichen gefüllt werden. L. Krinetzki entscheidet sich für גאותals ursprüngliche Textbasis und übersetzt somit ״umstrahlt von Hoheit". Er konstatiert, dass sich diese Lesart von selbst als die einzig mögliche empfehle, ״zumal sie einen sehr guten Sinn ergibt"149. Das allein ist kein ausreichender Grund für eine Textkorrektur.
148 149
J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, 526, Z. 70f. L. Krinetzki, Ps 110 (109), 112.
3.2 Beobachtungen zum Sprach- und Motivschatz
33
Grammatisch betrachtet, kann מלאsowohl Partizip Qal 150 , ein Verbaladjektiv, sein als auch Qal 3. Pers. Pf. Dass es sich aber bei מלא גוירתum einen Nominal- und nicht Verbalsatz handelt, wird durch die Syntax der Verse 5-1 gestützt, denn es liegt zweimal die parallele Abfolge Nominalsatz - Perfekt Imperfekt (bzw. x-Imperfekt) vor, Die perfektische folgende Aussage expliziert die Aussage über das Richten der (Fremd-)Völker und das Füllen der Täler mit toten Körpern: Es wird nochmal zusammengefasst, dass der König andere Könige auf der Erde besiegt. Mit ראשist nicht zwingend der ״Kopf von vielen Menschen" gemeint, sondern speziell die ״Köpfe von anderen Königen", datfin auch die Bedeutung von einem ״Kopf, der die Krone trägt", haben kann. Das Bezugswort von ה: רבist nicht deutlich erkennbar. Da ארץin der hebräischen Bibel als ״weite/große Erde" im Singular nicht in Kombination mit רבהauftritt151 und der Kopf ( )ראשnicht weiblich ist, bleibt nur eine Bezugsmöglichkeit offen: רבהist hier ein Adverb, das מחץnäher beschreibt: Er zerschlägt reichlich die Köpfe anderer Könige. Als Adverb wird רבהauch im Psalter verwendet (Ps 62,3; 78,15: hier ebenfalls am Schluss des Verses), sodass diese Übersetzung zu bevorzugen ist. V.7: Dieser Vers beginnt mit einer Inversion durch ein imperfektisches Prädikat. Wenn eine solche Inversion einem Verbalsatz mit perfektischem Prädikat folgt (so der Schluss von V.6), wird dadurch einer Aussage ein gewisser Abschluss gegeben.152 Das ״Trinken aus dem Bach" und das ״Erheben des Kopfes" sind somit die Folge des מחץaus V.6c und als Schluss beziehungsweise als Abgesang des Psalms zu verstehen. 3.2 Beobachtungen zum Sprach- und Motivschatz Es lassen sich folgende Phänomene beobachten: 1. Es ist kein hapax legomenon vorhanden, insofern, als eine bestimmte Wurzel lediglich in Ps 110 vorkommt. In ihrer Zusammenstellung und ihrer Position im Satz sind allerdings einige Constructus-Verbindungen in der hebräischen Bibel einzigartig. Diese sind: 150 Diese Partizip-Bildung ist eine Ausnahme, vgl. P. Joüon u. T. Muraoka, A Grammar of Biblical Hebrew, §78/. Ein Beispiel hierfür ist Jer 23,24: הלוא את־־השמלם ןארדהאךץ אני מלא. 151 Im Plural gibt es die Kombination einmal in Jer 28,8: אל־ארצות רבותsowie in 11QT 59,2 ( )ויבזרום בארצות רבותund lQpHab VI,8 ( . ( ר ב ו ת 152 yg] d Michel, Tempora und Satzstellung, 186f.
ר י ב ארצות
34
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
נאם יהוהam Satzanfang153 ( עמך נדבתbeide Wurzeln kommen in Jdc 5 vor, dort ist נדבallerdings ein Verb) ( בהךרי־קךשIn Ps 29,2 und 96,9 begegnet: 154
דזדם לרכליך על־דברתי 156 מרחם משחר Nur an dieser Stelle sind in den Psalmen die Wörter גויות, ( מטהin der Bedeutung ״Stab"), die Anrede לאתיund der Name מלכי־צךק vorhanden. Während 157 כויותgesamtbiblisch eine seltene Vokabel ist, begegnen מטהund אדניsehr häufig im Pentateuch. Das Motiv vom Füllen ״mit toten Körpern" findet sich, wenn nicht biblisch, so aber außerbiblisch in einem poetischen Text - im Siegeslied von Thutmose III., das später ausführlich dargestellt werden wird. Der מטה~עזfindet sich zwar nicht im Psalter, dafür aber biblisch außerhalb des Psalters in poetischen Texten (Ez 19 und Jer 48). Die Wurzel נחםsteht vermehrt im Psalter, hat jedoch verschiedene Bedeutungsnuancen. Oft wird mit dieser Wurzel in den Psalmen ausgedrückt, dass jemand getröstet wird oder dass Gott Mitleid hat. Letzteres zeigt sich z.B. in Ps 106,45: Hier zeigt JHWH Mitleid mit seinem Volk und gedenkt an seine בריתtrotz des unrechten Verhaltens des Volkes. In Ps 90,13 meint נחםentweder ״eine Strafe zurücknehmen" oder ״Mitleid empfinden". Die Bedeutung der Wurzel נחםist in Ps 110 jedoch eine andere158, da es hier um eine Tat JHWHs geht, die er selbst nicht bereuen wird. In poetisehen Texten zeigt sich somit keine vergleichbare Verwendung dieser Wurzel, wie auch die außerbiblische Untersuchung zeigen wird. In dem poetischen Text Num 23,19 wird sogar gegenteilig behauptet, Gott sei kein Menschenkind, dass er etwas bereute. Alle übrigen Vokabeln sind als häufiges Psalmvokabular zu beschreiben:ימין,עז,חיל,שית,ציון, הדר, לעולם, עם, מלכיםund .איב Vergleiche mit Sonne und Mond wie auch mit der Morgenröte und dem Tau sind gängige Motive: In Ps 72,5.6.17 finden sich ״Sonne", ״Mond" und ״Tau/Regen"; in Ps 89,37f. ״Sonne und Mond"; in Ps 133,3 die Wendung כטל־חרמון. In Ps 57,9 und 108,3 155
2.
3.
4. 5.
153
Vgl. dazu Kapitel 4.1 Die ״prophetische" Einleitungsformel, S. 48ff. 154 vgl. dazu die Analyse dieser Wendung im Kapitel 4.2.2 Feinde als Fußschemel, S. 57ff. 155 Sonst gibt es diese Verbindung nur in Hi 5,8 in der Bedeutung ״Sache" und in Koh 3,18 und 8,2 als ״wegen". 156 Eine ausführliche Untersuchung dazu steht im Kapitel 4.5 Motiv und Bedeutung von מרחם משחר ל ך ט ל ילדתיך, S. 80ff. 157 In der Bedeutung ״toter Körper" nur Jdc 14,8f.; I Sam 31,10.12 und Nah 3,3 sowie in Sir 49,15. 158 Vgl. H. Simian-Yofre, Art.: 375 ,נחם.
35
3.3 Beobachtungen zur Poetologie
begegnet die bildhafte Beschreibung ״ich will die Morgenröte wecken" ()אעירה שחר, in Ps 139,9 die Metapher ״Flügel der Morgenröte" .כנפי־שחר 6. Auch die Hyperbel der Geringschätzung159, dass die Feinde unter die Füße gelegt werden, ist nicht untypisch für die Sprache der Psalmen: Ps 8,7: ;כל שתה תחת־רגליוPs 18,39: ;יפלו תחת רגליPs 47,4: ולאמי• תחת רגלינו. Vom ״Fußschemel" wird in Ps 99,5 und 132,7 ( )להדם רגליוgesprochen. 3.3 Beobachtungen zur Poetologie H.-J. Kraus hält treffend zu Ps 110 fest: „Die Schwierigkeiten beginnen bereits in der Beurteilung des Metrums." 160 Dementsprechend gibt es in der Forschung zu Ps 110 verschiedene Thesen zu einem dem Psalm zugrunde liegenden metrischen System. Um die Gegensätzlichkeit der Ergebnisse darzustellen, sind hier drei Varianten tabellarisch wiedergegeben.161 Vers Überschrift Vers 1 Vers 2 Vers 3 Vers 4 Vers 5 Vers 6 Vers 7
Metrum nach Kraus
Metrum nach Seybold
Metrum nach Krinetzki
3+2 2+2 2+3+3 2+2 2+2+3 2+2 2+2 2+2 3+3 2+2 3+2
3+ viermal 2+2+2
3+2 3+2 2+3+3 2+2 2+3 2+2 3+2 3+3 2+2 2+2 3+3
3+ viermal 2+2+2
Diese drei Beispiele verdeutlichen die Schwierigkeit, ein eindeutiges Metrum festzustellen. Alle drei Exegeten gehen mit dem Vorverständnis, dass hier ein einheitliches Metrum vorliegen müsse, an die Ana-
159
Vgl. E. König, Stilistik, Rhetorik, Poetik, 71f. H.-J. Kraus, Psalmen II, 928. 161 Weitere Thesen zum metrischen Muster von Ps 110 finden sich bei: G. Ravasi, Il libro dei Salmi, 259. Zum Folgenden vgl. H.-J. Kraus, Psalmen II, 928; K. Seybold, Die Psalmen, 437ff. u. L. Krinetzki, Ps 110 (109), 113. 160
36
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
lyse dieses Psalms und ändern dementsprechend den masoretischen Text. So rekonstruiert Kraus die Verse 5 und 6 wie folgt 162 : Vers 5: Vers 6:
אדני על־ימינך מחץ מלכים ביוס־אפו ידין בגויות מלא גאיות מחץ ראש על־ארץ ר ב ה
Krinetzki ist inkonsequent im Umgang mit den Maqqef-Verbindungen. In V.l wird עד־אשיתeinzeln als zwei Hebungen gezählt, während in V.4b על־דברתי־eine Hebung darstelle. Auch die Zählung von V.5 wäre damit uneinheitlich. Zudem stützt Krinetzki sich auf die Lesart der Septuaginta in V.3, die so nicht im masoretischen Text bezeugt ist. Im Anschluss an diese Darstellung soll eine eigene metrische Analyse dieses Psalms durchgeführt und ausgewertet werden 163 : Vers 1: 3+2 3(2)+2 Vers 2: 2(1 )+3+3 Vers 3: 2+2 2( I)+2+3 Vers 4: 2+2 3(2)+4(2) Vers 5: 3(2)+4(3) Vers 6: 2+2 2+3(2) Vers 7: 3+4(3)
So, wie Ps 110 im masoretischen Text begegnet, ist kein zugrunde liegendes metrisches System erkennbar, da die Stichen in ihrer Länge zu unterschiedlich sind. Die Verse 5 und 7 enthalten jeweils einen Stichos mit vier Wörtern, die Verse 2 und 3 enthalten frei schwebende Trikola. Den Psalm in ein metrisches Muster zu zwängen und aufgrund dessen Textänderungen und Umstellungen am masoretischen Text vorzunehmen, ist der falsche Weg. Einzelne Verse könnten durchaus als metrisch aufgefasst werden, wie z.B. V.6 164 - das bleibt allerdings ohne nähere Anhaltspunkte nicht zu beweisen. 162 H.-J. Kraus, Psalmen II, 926f. Darüber hinaus ist seine Auffassung von Vers 7 als ein 3+2 Metrum für mich nicht einsichtig. 163 In Klammern stehen Varianten der Maqqef-Verbindungen, ob diese als ein oder zwei Hebungen zu lesen sind. 164 K. Seybold, Poetik der Psalmen, 124: ״eine Untergliederung bei den (2+2) + (2+2) ist häufig."
37
3.3 Beobachtungen zur Poetologie
Eine kolometrische Analyse ergibt folgendes Bild: 1.1. 1.2.
L Überschrift:
Bikolon:
1.3.
Bikolon:
2.1.
Bikolon:
2.2. 3.1.
Monokolon: Bikolon:
3.2.
Monokolon: Bikolon:
4.1.
Bikolon:
4.2.
Bikolon:
5.1.
Bikolon:
6.1.
Trikolon:
7.1.
Bikolon:
ל ד ו ד מזמור אם יהוד לאדני: שב לימיני עד־־אשית איביך ה ד ם לרגליך מטה־עזך ישלח יהוה מציון ר ד ה ב ק ר ב איביך עמך נ ד ב ת ביום ח י ל ך בהדרי־קדש מרחם משחר ל ך ט ל ילדתיך נשבע יהוה ולא ינחם אתה־כהן לעולם על־דברתי מלכי־־צדק אדני על־ימינך מחץ ביום־אפו מלכים ידין בנוים מלא גויות מחץ ראש על־ארץ ר ב ה מנחל ב ד ר ך ישתה על־־כן ירים ראש
9 12 8 11 9 6 13 12 7 8 8 8 10 8 7 11 14 11 15 9 8 14 12 11
Auch an dieser Analyse wird deutlich, dass hier kein Psalm übergreifender Rhythmus vorliegt. Wenn man von einer idealen Kolon-Länge, die zwischen 10-16 Konsonanten variiert, ausgeht, dann liegen einige Verse außerhalb des Schemas. Zudem weisen Monokola auf eine Störung im Rhythmus hin, sodass in den Versen 2 und 3 kein durchgehend metrisches Muster vorhanden ist. Ebenso ist das Trikolon in V.6 auffallig, da Trikola sonst meist einen Abschluss markieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis - dass in Ps 110 kein einheitlicher Rhythmus zugrunde liegt - gelangt auch O. Loretz.165 Er fuhrt ebenfalls eine kolometrische Analyse von Ps 110 durch und stellt Störungen im Rhythmus fest. Loretz allerdings kommt zu folgenden Schlussfolgerungen auf dem Boden seiner kolometrischen Untersuchung:166
165
O. Loretz, Die Psalmen II, 162ff. Seine kolometrische Analyse weicht allerdings an manchen Punkten von der oben dargestellten ab. 166 Vgl. ebd.
58
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
• נאם יהוה לאדניsei eine sekundäre Einleitung der folgenden Rede. ® Zu שב לימיני עדfehle ein paralleles Kolon, wie auch zu אשית הרם ® sei eine ergänzende Glosse, weil es das Kolon überfülle. ® עמך נדבת ביום חילך בהדרי־קדשsei eine messianische Glosse. • V.7 sei eine ״Glosse, die nachträglich noch auf das Tun des Messias hinweist."167 Nachdem sich gezeigt hat, dass in Ps 110 kein einheitliches rhythmisches Muster erkennbar ist, sind zwei Interpretationen möglich: Entweder lässt Ps 110 ein erhebliches Textwachstum erkennen, das diese Störungen in der Rhythmik hervorgerufen hat (wie dies beispielsweise O. Loretz vermutet), oder Ps 110 ist kein poetischer Text. Um letztere Möglichkeit zu prüfen, soll Ps 110 nun anhand der von W.G.E. Watson aufgelisteten Kriterien168 für poetische Texte untersucht werden. Watson teilt die Kennzeichen für Poesie in vier Gruppen ein: Broad, Structural, devices concerned with sound (wordplay and rhyme) and negative criteria (absence of components). Zu Gruppe 1 (״Broad") werden Phänomene wie ungewöhnliches Vokabular wie auch Satzteilfolge, die Ellipse, eine besondere Kürze der Sätze, Archaismen und Symmetrie gezählt - in Ps 110 lassen sich all diese Phänomene nachweisen. Wie bereits oben analysiert, enthält Ps 110 seltenes Vokabular, besonders in Form der Constructus-Verbindungen. Ungewöhnliche Wortstellungen liegen durch die Hyperbata in den Vv.5 und 6 vor ( מלבים... מחץund רבה... )מחץ ראש. Diese Verse sind zudem symmetrisch aufgebaut. Auch in V.4 steht der deklarative Sprechakt in ungewöhnlicher Satzteilfolge. V.3 ist eine AnSammlung von Kurzsätzen, bei dem einmal das Mubtada ausgelassen ist (Ellipse). Ebenso möglich ist die Annahme, dass in der Formulierung מלא גויותdie ״Täler" ausgelassen wurden (wie dies im Siegeslied von Thutmose III. belegt ist) und somit eine Ellipse vorliegt. Ein Archaismus liegt in dem Chirek compaginis in V.4 vor (sowohl in על־דברתיals auch in )מלכי־צדק, eine weitere archaisierende Form könnte ein enklitisches Mem in V.3 ( )מרחם משחרdarstellen. Zu den Strukturmerkmalen (bei Watson bilden sie die zweite Gruppe) ist festzustellen, dass sowohl parallel als auch chiastisch konstruierte Sätze vorhanden sind. Die Vv.l und 2 sind chiastisch aufgebaut: Imperativ - Imperfekt//x-Imperfekt - Imperativ. Falls in V.3 ילדתיךnach der LXX in ein Verb geändert wird, ist auch dieser Vers in sich chiastisch konstruiert: Nominalsatz - x-Perfekt//Perfekt - Nominalsatz. Die Vv.5 und 6 sind sowohl durch die gleiche Vokabel מחץ und einem folgenden Hyperbaton ( מחץund מלכים, מחץ ראשund )רבה
167 168
O. Loretz, Die Psalmen II, 164. W.G.E. Watson, Classical Hebrew Poetry, 46ff.
3.3 Beobachtungen zur Poetologie
39
parallel hintereinandergestellt als auch durch die Satzfolge der Vv.5-7. Hier liegt folgendes Muster vor: Nominalsatz - Perfekt - Imperfekt//Nominalsatz - Perfekt - x-Imperfekt - x-Imperfekt. Das Wortpaar in Form von ״Morgenröte und Tau" existiert zwar nicht im masoretischen, in einem unvokalisierten Text hingegen schon. Bin klassischer Auf- und Abgesang ist nicht festzustellen. In V. 1 ist zweimal ein Homoioteleuton zu erkennen: לימיני...לאדני לרגליך...איביך Schließlich ist anzumerken, dass sich in Ps 110 - außer in V.4aß keine prosaischen Elemente wie Relativ-Pronomen, Artikel, nota accusativi und ein Waw als syndetischer Satzanschluss finden lassen. Letzteres liegt allerdings in V.4aß vor. Nach diesen ersten Annäherungen an Ps 110 in seiner masoretischen Form ist festzuhalten, dass der Psalm überwiegend aus Vokabeln besteht, die in biblischen Liedern, meist in Psalmen aber auch in Jdc 5 und Jer 48 beispielsweise, vorhanden sind. Der Psalm beinhaltet einige seltenere Wendungen, die in ihrer Motivik jedoch auch in anderen Liedern zu finden sind (״Feinde fallen unter die Füße", ״ein freiwilliges Volk", ״in heiligem Schmuck", ״Täler mit toten Körpern füllen"). Auffallig ist das hapax legomenon in masoretischer Punktation ()משחר, das in anderen Lesarten nicht bezeugt ist. ילךתיךist in gleicher Weise auffällig, da erstens ein Nominalsatz an dieser Stelle schwer verständlieh ist, zweitens wichtige Textzeugen hier eine Verbform belegen, drittens dieses Wort lediglich noch ein zweites Mal in der hebräischen Bibel bezeugt ist, aber nicht in einem poetischen Text. Ein weiteres ungewöhnliches Phänomen bildet V.4aß, da hier zum einen ein prosaisches Element vorhanden ist (ein Waw als syndetischer Satzanschluss), zum anderen ist נחםsonst nicht in poetischen Texten in der Bedeutung ״eine Tat bereuen (oder auch nicht-bereuen)" zu finden. Die poetologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass zwar kein Psalm übergreifender Rhythmus vorliegt (einige Kola sind ״zu kurz", andere ״zu lang", es gibt mehrere Monokola), aber sonstige Kennzeichen von Poesie wie Wortstellung und ähnliches in hohem Maße vorliegen. Ob hier nun ein Fragment vorliegt169 und Ps 110 deshalb keinen Rhythmus aufweist, oder ob er einen vollständigen, aber unrhythmischen Text darstellt, wird anhand der folgenden Gliederung untersucht. 169
So E.S. Gerstenberger, Psalms, Part 2, 266: „The psalm looks fragmentary, no doubt."
40
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
3.4 Gliederung und Aufbau des masoretischen Textes Gerade in Bezug auf die Struktur des Textes existiert in der Forschung eine Fülle verschiedener Auffassungen. Nach W. van der Meer 170 lässt sich Ps 110 in zwei Lieder gliedern, die in der originalen Version fünf, in der aktualisierten Form sechs Strophen beinhalten. Die Strophen würden sich dadurch auszeichnen, dass sie innerhalb ihrer selbst Rückbezüge enthielten, aber sich zu den anderen Strophen hin abgrenzten. Diese Abgrenzung beziehungsweise die gesamte Struktur des Psalms werde durch den Gottesnamen, Subjektwechsel und die tautologische Präsenz des Suffixes der 2. Pers. Sg. geprägt. Dem Ansatz van der Meers, den Gottesnamen als Strukturhilfe zu sehen, ist auf der Basis des masoretischen Textes nicht zu folgen, da van der Meer die These aufstellt, dass V.7b sich ursprünglich direkt an V.5 angeschlössen habe 171 . Auch seine postulierten Rückbezüge innerhalb der Strophen selbst sind nicht eindeutig nachvollziehbar, wie die Verbindung von ימיןund 172 רגלoder der Parallelismus zwischen נדבתund 173 ילדתיך. Unter Zuhilfenahme der Akzentsetzung, vor allem mit Blick auf die trennenden Akzente, wird die Gliederung nun am masoretischen Text durchgeführt. Bei der masoretischen Akzentsetzung fallt auf, dass die Verse 1 und 4 exakt dieselbe Reihenfolge von Akzenten aufweisen. Ebenso zeigen die Verse 3aß.b und 7 eine auffallend ähnliche Akzentfolge. Diese Konstellation könnte den Anschein erwecken, dass die Masoreten hier einen zweigeteilten Psalm wahrnehmen174, in dem beide Teile jeweils dieselbe Anfangs- und Schlusssequenz vorweisen, indem die Verse 1 und 4 sowie 3aß.b und 7 parallel mit Akzenten versehen werden.· Deshalb wird in nachfolgender Tabelle Ps 110 in dieser Parallelität der Akzente dargestellt.
170 w v a n der Meer, Psalm 110: A Psalm of Rehabilitation? 171 W. van der Meer, Psalm 110: A Psalm of Rehabilitation?, 231 f. 172 Vgl. W. van der Meer, Psalm 110: A Psalm of Rehabilitation?, 211. 173 W. van der Meer, Psalm 110: A Psalm of Rehabilitation?, 217f.: ״Both words could be used as designations of military units." 174 Unter anderen nehmen auch S. Schreiner (Ps CX und die Investitur des Hohepriesters, 218), K. Seybold (Die Psalmen, 136-140), G. Ravasi (11 libro dei Salmi, 274) und E.S. Gerstenberger (Psalms. Part 2, 263 [mit Überschrift eigentlich dreigeteilt]) einen zweiteiligen Aufbau des Psalms an, verfolgen diesen Weg aber nicht aufgrund der masoretischen Akzentsetzung.
3.4 Gliederung und Aufbau des masoretischen Textes V.l
Überschrift
41 ן 1 ;
לך!ד מזמור
Redeeinleitung JHWHs
i נאם יהרה
ני^בע יהוה ו
לאדני
ולא לנחם
Hauptaussage / Rede JHWHs
שב לימינן
אתה־כהן לעולם
Zweigliedriger Anhang: 1)
עד־אשית איביד
על־ךבךתי
הדם
:מלבי־צךק
j Überleitung
V.4
לרגליה
1
V.3 (ab aß)
j j
!!
Beschreibung d. Königs
י! בהדרי־־קדש
Beschreibung d. Königs
חר5מרדום מק
Beschreibung d. Königs
לד
Beschreibung d. Königs
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Die Masoreten stellen jeweils zwei Anfangs- und Schlusssequenzen heraus und verdeutlichen dadurch, welche Verse zusammen gelesen werden müssen, denn auf die einleitende Gottesrede in den Versen 1 und 4 folgt jeweils im nächsten Vers erst eine Handlung / Rede Gottes (V.2 und 5), im folgenden Vers handelt der König (V.3aa und 6). In masoretischer Lesart liegt keine dritte Gottesrede in Vers 3 vor, wie dies beispielsweise in der Septuaginta-Version der Fall ist. So lösen die Masoreten die Subjektfrage der Verse 5-7 durch ihre Akzentsetzung. Das Subjekt wechselt von JHWH auf den König am Übergang von V.5 zu V.6, da beide Psalmteile denselben Aufbau haben: V. 1 V.2 V.3a V.3b
Gottesrede Gottesrede bzw. Gott handelt Königsbeschreibung bzw. der König handelt Königsbeschreibung bzw. der König handelt
V.4 V.5 V.6 V.7
42
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
So wird der masoretische Text durch trennende Akzente in 2 x 15 Abschnitte eingeteilt (zuzüglich der Überschrift), wobei die Vermutung nahe liegt, dass die beiden Teile des Psalms parallel gelesen werden sollen. Bewusst wurde die Frage nach dem Subjekt der Verse 5-7 nicht im Übersetzungsteil, sondern im Bereich der Gliederung des Psalms zu klären versucht, da, grammatisch betrachtet, sowohl ״Gott" als auch der ״König" Subjekt der Verse 5-7 sein können. Gesamtbiblisch wird מחץsowohl mit ״Gott" als Subjekt wie auch mit handelnden menschliehen Personen verwendet175; ebenso liegt der Fall bei ידין. Dies allein gibt also keinen Aufschluss. Dass aber ein Subjektwechsel vorliegt, ist anzunehmen, da im Alten Testament die Vorstellung, dass JHWH Wasser aus einem Bach trinkt, nicht existiert.176 Zweimal ist im Psalter zwar die Rede davon, dass JHWH etwas trinkt. In Ps 50,13 ist das ״Trinken JHWHs" Teil einer rhetorischen Frage, ob er das Blut von Böcken trinken könne. Es ist hier jedoch nicht die Rede davon, dass JHWH selbst auf einem Weg geht und aus einem Bach trinkt. Ebenso wenig hat Ps 110,7 etwa mit Ps 78,65 gemein, da Gott beschrieben wird, der sich verhält wie einer, der Wein getrunken hätte. Auch dieser Vergleich erbringt kein ähnliches Motiv zu der Möglichkeit, dass JHWH auf einem Weg geht, sich zu einem Bach niederbeugt und trinkt. JHWH kann also als ״trinkend" beschrieben werden, was in mythischer Rede zwar denkbar, an dieser Stelle jedoch nicht überzeugend wirkt: Warum sollte JHWH aus einem Bach trinken?177 Vorweg sollte die Prämisse stehen, dass der Text - genauer die Verse 5-7 - so, wie er im MT begegnet, keine textlich durcheinandergeratene Einheit mit JHWH als Subjekt ist, wie H.-J. Kraus und R. Kilian dies annehmen.178 H. Möller widmet sich dem Subjektproblem der Verse 5-7 und hält dazu fest, dass sich dann ein glatter Textzusammenhang in Ps 110 ergebe, wenn man אדניin V.5 nicht auf Gott, sondern auf den König beziehe.179 Nach der Analyse von M. Gilbert und S. Pisano ist V.5 - wie folgt - zu verstehen: ״The Lord is at your right hand. He (the king) will crush kings on the day of His wrath." 180 Diese Lösung beinhaltet die Schwierigkeit, dass die 3. Person in diesem Vers einmal auf den König (in )מחץund einmal auf Gott (in )אפוgedeutet wird.
175
Hab 3,13; Ps 68,22; Dtn 33,11 - Gott ist Subjekt; Num 24,17; Jdc 5,26; II Sam 22,39; Ps 18,39 = ein Mensch ist Subjekt. 176 Womit aber nicht gesagt ist, dass diese Vorstellung im antiken Israel/Juda nicht existiert haben könnte. 177 Motivik und Aussage von Vers 7 werden in Kapitel 4.7 Motiv und Bedeutung von V.7: „Aus einem Bach am Weg wird er (daraufhin) trinken, deshalb wird er den Kopf erheben", S. 99ff., besprochen. 178 S.o. u. vgl. R. Kilian, Relecture in Psalm 110, 244. 179 Vgl. H. Möller, Der Textzusammenhang in Ps 110, 287-289. 1 »o m. Gilbert u. S. Pisano, Psalm 110 (109), 5-7, 355.
3.4 Gliederung und Auföau des masoretischen Textes
43
Dass ein solcher Wechsel innerhalb eines Verses ohne nähere Subjektkennzeichnung stattfinden soll, wäre ungewöhnlich. Die Verse 5b und 6b sind auffallend ähnlich konstruiert. Ihnen liegt das gleiche Verb am Beginn des Satzes zugrunde, zudem sind beide Verse als Hyperbaton verfasst. Ein Hyperbaton ist dies insofern, als in der Mitte des Satzes jeweils eine adverbiale Bestimmung der Zeit oder des Ortes zu finden ist. In V.5 bildet מחץ מלכיםdie gesperrte SatzStellung des Hyperbatons, in V.6 ist dies in מחץ רבהzu sehen, da רבה hier ein Adverb ist. 181 Damit die handelnde ״Person" nochmals unterstrichen wird, führt der Autor zu dem ersten מחץnoch ביום־אפדein, da sich der Ausdruck ״Tag seines Zorns" vermutlich auf Gott bezieht. 182 Der zweite מחץ-Satz fügt die adverbiale Bestimmung ״auf der Erde" ein. Dies könnte in Parallelität zu V.5 ein Zeichen dafür sein, dass hier ein Mensch auf der Erde handelt. So könnten die Verse 5b und 6b nicht eine Dublette gelesen, sondern als bewusste Formulierung dazu verwendet werden, um eine Parallelität von Gott und dem König auszudrücken: Beide werden Könige schlagen. 183 Als Vergleich sei dazu Ps 18 herangezogen, zu dem K.-P. Adam schreibt: ״Königlicher Beter und JHWH haben dieselbe Handlungsrolle und Ausrüstung. Die BeSchreibung der königlichen Gestalt des Psalmbeters verweist auf die Beschreibung des zum Kampf nahenden JHWH in Ps 18,8-16 und in anderen Texten. Königlicher Beter und zum Kampf nahender JHWH sind zum Teil wörtlich gleich beschrieben." 184 Dementsprechend ist in V.5 JHWH der Agens, während in V.6 der König die Hauptperson ist. V.7 ist fortführend eine Beschreibung des Königs. Dies wird sowohl durch die parallele Konstruktion der Vv.5b und 6b nahe gelegt, als auch durch die Akzentsetzung der Masoreten unterstrichen.
3.5 Übersetzung des masoretischen Textes Die Übersetzung ist auch hier in masoretischer Akzentuierung dargestellt:
181 182 183 184
Vgl. Kapitel 3.1 Der masoretische Text, S. 23ff. Vgl. Kapitel 4.3.3 Tag des Zorns Gottes, S. 73ff. Vgl. Kapitel 4.4 Kampfmotivik, S. 76ff. K.-P. Adam, Der königliche Held, 124.
44
3 Die masoretische Gestalt von Psalm 110
1 In Bezug auf David, ein Psalm. Spruch JHWHs zu meinem Herrn: Sitz zu meiner Reüiten, bis ich deine Feinde lege ! als einen Schemel deiner Füße. 2 1Den Stab deiner Macht 1 wird JHWH ausstrecken
!
vom Zion her;
!
Herrsche in der Mitte deiner Feinde!
3 Dein Volk ist Freiwilligkeit am Tag deiner Macht, (Du bist) in heiligen Schmuck, (Du bist) aus dem Mutterleib der/des Schwarzen, du hast den Tau deiner Jugend/Kindheit.
! JHWH redet 4 JHWH redet | JHWH edet\־ JHWH ,edet r JffllH/elet \ JHWH 5 handelt \ JHWH | handelt 1 JHWH \ handelt Königsbe6 schreibung Königsbeschreibung Königsbeschreibung Königsbeschreibung Königsbe7 schreibung Königsbeschreibung Königsbeschreibung | Königsbeschreibung
JHWH hat geschworen, und er wird es nicht bereuen: Du bist Priester in Ewigkeit in Nachahmung Melchisedeks. Der HERR ist an deiner rechten Seite, er zerschlägt am Tag seines Zorns Könige, damit er richten wird unter den (Fremd-) Völkern. Er füllt (Täler mit) toten Körpern. Er zerschlägt Köpfe auf der Erde reichlich. Aus einem Bach am Weg wird er (daraufhin) | trinken, j deshalb ! wird er den Kopf erheben. J
3.6 Auswertung Die Frage, ob hier ein Fragment vorliegt, da der Psalm zwar typisches Liedvokabular und poetische Kennzeichen trägt, aber nicht metrisch lesbar ist, lässt sich aufgrund der Akzentsetzung beantworten: In masoretischer Punktation ist Ps 110 nicht fragmentarisch. Die Gliederung zeigt, dass hier ein wohl konstruierter Psalm vorliegt, der Bezüge von hinteren zu vorderen Abschnitten aufweist, ebenso wie sich ähnelnde Satzkonstruktionen und Chiasmen. Die Masoreten gliederten Ps 110 in zwei Teile, die jeweils als Gottesrede eingeleitet werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber nun die Frage nach der Poesie: Kann man von Ps 110 als poetischem Text reden oder nicht? Ihm liegt kein einheitlicher Rhythmus zugrunde, dagegen besitzt er typisches Liedvokabular, poetische Satzkonstruktionen und Stilmittel.
3.6 Auswertung
45
Da sich Ps 110 nicht als ein Lied mit metrischem Muster ausweist, das lediglich ein oder zwei Text- beziehungsweise Rhythmus Störungen beinhaltet, legt sich der Schluss nahe, den Psalm nicht aufgrund eines metrischen Systems zu ändern, sondern ihn als nicht-metrisch aufzufassen. Zumindest liegt ihm kein Muster zugrunde, das anderen Psalmen der hebräischen Bibel ähnelt. Trotzdem ist dieser Psalm mit zahlreichen Stilmitteln, poetischem Vokabular und ungewöhnlichen Satzteilfolgen ausgestattet, sodass es sich anbietet, hier von einem poetisierenden Text zu sprechen. Dieser Begriff soll zum einen die Abgrenzung gegen metrische Systeme verdeutlichen, zum andern einen Text beschreiben, der durch poetische Stilmittel sprachlich geformt ist. Als auffallige Phänomene des masoretischen Textes erwiesen sich vor allem die Vokabeln משחרund ילדתיך, deren Übersetzung unverständlieh erscheint. Da andere Lesarten den gleichen Konsonantenbestand, aber eine andere Punktation in diesen Wörtern sahen, stellt sich fol־ gende Frage: Was beabsichtigten die Masoreten mit dieser Punktation? Diese Fragestellung wird als roter Faden die nächsten Kapitel begleiten. Des Weiteren fiel der Ausdruck ולא ינחםauf, da sowohl die Verwendung des Waws als syndetischer Anschluss als auch die Wurzel נחםnicht typisch für poetische Texte sind. An dieser Stelle ist ebenfalls noch ungeklärt, ob es sich in der Überschrift um einen Psalm für David handelt, oder ob David als Verfasser stilisiert wird. Diese vier Auffälligkeiten ( 1 מ ש ח ר, ילללסיך schrift) werden vor allem im Kapitel der innerbiblischen Exegese auf ihren möglichen redaktionellen Charakter untersucht, darüber hinaus wird innerhalb der Rezeptionen der Fokus auf diese Phänomene gelenkt.
זם
לא י?'ל
4 Traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
Wie der Forschungsüberblick zu Beginn gezeigt hat, sind gerade zu Datierung und ״Sitz im Leben" viele unterschiedliche Meinungen laut geworden. Ausschlaggebend für die verschiedenartigen Datierungsversuche ist meist die Beurteilung der Widerspiegelung altorientalischer Königsideologie in Ps 110. Dass hier altorientalische Königsmotive vorhanden sind, wurde bereits in mehreren Arbeiten nachgewiesen, sei es im Vergleich mit ägyptischen, ugaritischen oder assyrisehen Texten. Die Frage, die sich hier stellt, ist aber nicht, ob sich altorientalische Motivik in Ps 110 findet, sondern wie, wann und auf welchem Hintergrund diese verarbeitet und eingearbeitet worden ist. Allein die Aufnahme von altorientalischem Material sagt wenig über die Datierung und den ״Sitz im Leben" des jeweiligen Psalms aus. Mit Blick auf den zu Beginn dieser Arbeit geleisteten Forschungsüberblick zur Gattung ״Königspsalmen" wird nun untersucht, ob es möglich ist, überhaupt von einer solchen Gattung zu sprechen. Was sind Königspsalmen? Sind sie ״Reflex historischer Ereignisse oder kultischen Geschehens oder aber weder das eine noch das andere, sondern Ausdruck eschatologischer Erwartung? Damit verbinden sich Datierungsdifferenzen ein und desselben Psalms von mehr als acht Jahrhunderten."185 Um die Gattungsfrage von Ps 110 zu klären, gegebenenfalls diesen zu datieren und zu lokalisieren, ist es sinnvoll, zunächst eine traditionsgeschichtliche Analyse der einzelnen Motive von Ps 110 durchzuführen. Dabei werden folgende Formeln und Motive untersucht: • Die ״prophetische" Einleitungsformel • ״Erhöhungsmotive des Königs" (״Zur Rechten sitzen/sein"; ״Feinde als Fußschemel", ״Heirscherstab/Stab der Macht") • ״Theologische Motive" (״der Gottesberg/״Zion", ״JHWH hat geschworen und es wird ihn nicht reuen", ״Tag des Zorns Gottes" • ״Kampfmotivik" • מרחם משחר ל ך ט ל י ל ד ת י ך ״ •Melchisedek" • ״Aus einem Bach am Weg wird er (daraufhin) trinken, deshalb wird er den Kopf erheben."
185
E. Otto, Politische Theologie in den Königspsalmen, 33.
48
4 Traditionsgeschichtliche
Untersuchung zu Psalm 110
Die Motive werden zunächst innerbiblisch analysiert, anschließend mit vorderorientalischen und griechischen Parallelen verglichen. 4.1 Die ״prophetische" Einleitungsformel Innerbiblische Untersuchung: Die Formel נאם יהרהkommt über 250 Mal in der hebräischen Bibel vor. Quantitativ betrachtet, sticht dabei das Jeremiabuch heraus; dort erscheint נאם יהוהüber 150 Mal. Diese Formel begegnet jedoch auch außerhalb des corpus propheticum, so in Gen 22,16; Num 14,28; I Sam 2,30; II Reg 9,26; 19,33; 22,19 und II Chr 34,27. Im Psalter ist נאם יהוהin Ps 110 einmalig. Auffallig ist, dass mir נאםsonst meist den Schluss einer prophetischen Redeeinheit markiert oder in deren Mitte steht. Dass eine direkte Rede mit נאםeingeleitet wird, gibt es an wenigen Stellen (vgl. innerhalb der Bileam-Perikope Num 24,3f.l5f. נאם בלעםbzw. נאם הנברsowie נאם ;שמעwie auch II Sam 23,1 ;נאם דור בךישיPs 36,2 נאם־פשעund Prov 30,1 )נאם הגבר. Nur in Ps 110 und in Sach 12,1 ist es hingegen in der hebräischen Bibel der Fall, dass der Spruch JHWHs eine Rede einleitet.186 Eine ausführliche Untersuchung zu נאם יהוהhat Friedrich Baumgärtel (1961) vorgenommen. Er kam zu dem Ergebnis, dass mit נאם יהוהnie eine konkrete Anweisung verbunden sei, da Befehle in konkreter Situation mit כה אמר יהוהeingeleitet und nicht durch den ״Spruch JHWHs" abgeschlossen würden: ״Wenn der Gottesspruch eine konkrete Anweisung, einen ganz speziellen Befehl an den Propheten oder an das Volk enthält, dann wird er mit כה אמר י׳eingeleitet. Grundsatzlieh kommt dann ein נ׳ י׳im Verlauf des Gottesspruchs nicht ins Spiel. Und dort, wo ein Gottesspruch - ohne daß er besonders eingeleitet ist - ein נ׳ י׳enthält oder mit נ׳ י׳schließt, ist sein Inhalt niemals ein konkreter Befehl. נ׳ י׳hat also nichts zu tun mit Befehls- und Anweisungsinhalten."187 Ansonsten sei נאם יהוהaber mit allem verbunden, was die Propheten zu künden haben: Gerichtsdrohungen, Verheißungen, Tadel und Mahnungen. 188 Hinsichtlich dieser Einleitung zu Ps 110 fallt somit zum einen auf, dass die Formel am Beginn und nicht am Schluss einer Gottesrede positioniert ist. Zum andern ist der Inhalt dieser kurzen Rede ein konkreter Befehl, der an die königliche Person ergeht.
186
In Jes 56,8 findet sich נאם אדני יהרהzwar am Anfang des Verses, doch bildet Vers 8 als Ganzer das Ende bzw. die Mitte einer Redeeinheit. 187 F. Baumgärtel, Die Formel ne'umJahwe, 284f 188 vgl. F. Baumgärtel, Die Formel n^um Jahwe, 287.
tl
4.1 Die,,prophetische
" Einleitungsformel
49
Außerbiblische Parallelen: Die Kombination vom ״Spruch einer Gottheit" und einem Imperativ am Beginn einer Gottesrede an einen König lässt sich hingegen außerbiblisch nachweisen. So zeigt nicht nur die Einleitungsformel Ähnlichkeit mit dem ״Spruch JHWHs" aus Ps 110, zudem findet sich des Öfteren im Anfangsteil neu-as syrischer Orakel die Nennung des Adressaten kombiniert mit einem Imperativ. Der Adressat muss nicht direkt angesprochen werden, sondern es ist in assyrischen Orakeln ebenso der Adressat im Dativ belegt:189 a-bat di5 sä URXJ.arba-U a׳na m ai-i7/r-PAB-AS MAN KUR-a?-rar The word of Istar ofArbela to Esarhaddon, king of Assyria190
Der meist der Nennung des Adressaten folgende Imperativ ist häufig eine Beruhigungsformel (so beispielsweise in SAA 9 1.1; 1.2; 2.3), in 3.2 aber findet sich auch eine andere Aufforderung im Eingangsteil, nämlich die Aufforderung zum Zuhören: {si׳ta-am]-me-a DUMU.MES K\JR-as-s1!r Listen, ()Assyrians!191
In Ägypten deutet eine dem "נאם ידזוה״aus Ps 110 ähnliche Redeeinleitung auf die Regierung von Amenhotep III. (ca. 1413-1377 v.Chr.) hin: Words spoken by Amon-Re, King of the Gods: My son, of my body, my beloved, Neb-maat-Re, My living image, whom my body created, Whom Mut, Mistress of Ishru in Thebes, the Lady of the Nine Bows, bore to me, And (she) nursed thee as the Sole Lord of the people192
Ebenso erhält Thutmose III. einen Gotteszuspruch, der mit einer entsprechenden Redeeinleitung versehen ist: Gesprochen von AMUN-RE, dem Herrn von Karnak: Sei mir willkommen, der du jubelst beim Anblick meiner Schönheit, 189
Vgl. S. Parpola, Assyrian Prophecies, LXV. SAA 9 3.4, Z. 33f. J.W. Hilber weist in seinem Aufsatz ebenfalls auf einige assyrische Parallelen zu dieser Art Einleitungsformel hin: „The introductory formula marking Psalm cx as a prophetic oracle is supported by the numerous similarities to Assyrian prophecies: 1) introductory formula 'word of DN to Esarhaddon' (SAA 9 3.4 ii 33-34; 3.5 iii 16-17)." (J.W. Hilber, Psalm CX in the light of Assyrian prophecies, 355). 191 SAA 9 3.2, Z. 27. 192 ANET, 376. 190
50
4 Traditionsgeschichtliche
Untersuchung zu Psalm 110
mein Sohn, mein Schützer, Men-cheper-re, der ewig lebtß93
Auch in hellenistischer Zeit finden sich ähnliche Text- und Liedanfange, die zwar nicht zwingend mit einer wörtlichen Rede des Zeus beginnen, aber doch den großen Gott Zeus in der ersten Zeile preisen, bevor der weltliche Herrscher beschrieben wird. Dass griechische Siegeslieder und Hymnen auf weltliche Herrscher mit Zeus beginnen, wird zum Standard in der Lyrik gezählt.194 So heißt beispielsweise die erste Zeile von Theokrits Enkomion auf Ptolemaios II. Philadelphos (308-246 v.Chr.; König seit 285 v.Chr.): ' Εκ Διός άρχώμεσ^α και ές Δία λήγετε Μοΐσαι Mit Zeus wollen wir beginnen und bei Zeus hört auf, Musen195
Erst anschließend wird König Ptolemaios, der hier zu Ehrende, genannt. Auch bei einem Siegeslied von Kallimachus auf Berenike II. (die Ehefrau von Ptolemaios III. Euergetes; sie lebte von ca. 272 bis 221 v.Chr.) wird zuallererst Zeus gedankt.196 Bei all diesen Parallelen handelt es sich um huldigende Anreden an den König, die ihm Unterstützung der Götter zusichern. Das entspricht der Intention von Ps 110. Fazit: Die Untersuchungen zu נאם יהוהhaben ergeben, dass es sich bei dieser Formel am Anfang von Ps 110 um eine Singularität in der hebräischen Bibel handelt, da sie 1) zu Beginn einer Gottesrede steht und 2) mit einem konkreten Befehl verbunden ist. נאם יהוהverweist somit eher auf parallele Formulierungen in außerbiblischen Texten und Inschriften. So begegnen beispielsweise in neu-assyrischen Orakeln sowohl ähnliehe Redeeinleitungen als auch ein Imperativ nach der Nennung des Adressaten, wie dies ebenso in Ps 110 vorliegt:נאם יהרה לאדני שב לימיני. Daneben sind in Ägypten zahlreiche Inschriften belegt, die mit dem ״Spruch einer Gottheit" eine direkte Rede an den König einleiten. Dies findet sich ebenfalls im Siegeslied auf Thutmose III. - eine Inschrift, die gleich mehrere Motive mit Ps 110 gemein hat. 193 J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, 524. Vgl. auch M. Lichtheim; Ancient Egyptian Literature, 35. Diese Stele wird im Folgenden noch von Interesse sein, da sie einige verwandte Motive zu Ps 110 beinhaltet. Sie berichtet unter anderem von Amun-Re, der ״Feinde" unter den Füßen des Königs ausbreitet, von dem König, der majestätisch als ״Lord of Light" erscheint, der andere Völker zerschlägt, der als ״shooting Star" beschrieben wird, der Leichen aufhäuft in feindlichen Tälern. 194 vgl. R. Hunter, Theocritus. Encomium of Ptolemy Philadelphus, 97. 195 Griechischerund deutscher Text nach Theokrit, Gedichte, 128 bzw. 129 Z.l. 196 F. Nisetich, The poems of Callimachus, 131.
4.1 Die ״prophetische"
Einleitungsformel
51
Die Einleitungsformel von Ps 110 besitzt ihre Parallelen in der Art und Weise ihrer Verwendung demnach eher in außerbiblischen Gottesreden, die an Könige gerichtet sind - in der hebräischen Bibel kommt die Verwendung von נאם שמע אמרי־אלaus Num 24,16 Ps 110 am nächsten. Aufgrund der Einleitungsformel wird oft vermutet, dass Ps 110 die Form eines prophetischen Heilsorakels habe. 197 Dies soll im folgenden Exkurs geprüft werden. Ps 110 als prophetisches Heilsorakel? Zunächst ist allgemein in Bezug auf die Charakterisierung von ״Prophetischem in den Psalmen" mit H. Gunkel/J. Begrich festzustellen, dass sich ״Prophetisches in den Psalmen" dadurch auszeichne, dass meistens eine Endhoffhung ausgedrückt werde durch Redewendungen wie ״es kommt eine Zeit", ״diese Zeit ist nahe", ״die Stunde ist bereits gekommen", ״JHWH kommt selber". In alledem sei JHWH einzig und allein der Handelnde; Menschen würden diese Hoffnung nicht herbeifuhren. Außerdem würde eine jubelnde Grundstimmung beschrieben, Freude über die Wiederherstellung der Stadt Jerusalem und des Volkes Israel.198 Vergleicht man nun diese Charakterisierungen mit Ps 110, fällt auf, dass nichts davon in diesem Psalm vorkommt. 199 Zudem ist Gott nicht der allein Handelnde; seine große Macht, die Übergabe des Herrscherstabes von ihm an den König und seine Taten gegen die Feinde sind zwar Grundlage für die Macht des Königs, doch handelt der König auch selbst. Vom König wird ebenfalls gesagt, dass er die Feinde schlagen werde. Das jubelnde Volk wird in Ps 110 nicht beschrieben, lediglich insofern, als es an der Seite des Königs kämpfen wird. Außer der Einleitungsformel נא• יהוהweist folglich nichts auf einen prophetischen Charakter des Psalms hin. Bei Ps 110 handelt es sich weder deutlich um Prophetie noch um die Form eines Orakels. Nach Gunkel/Begrich ergehen Königsorakel auf Anfragen des Königs und sind ״fast sämtlich in Prosa gehalten" 200 , oder es wird von ihnen nur erzählt. Dazu wird verwiesen auf I Sam 14,41 a.b; 14,42a.b; 23-,2a.b; 23,12a.b; II Sam 2,1 (Frage und Antwort zweimal); 5,19a.b; 5,23a.23b-24; 24,10.l2ff; 24,17.18; I Reg 14,5.12; 22,6.7.1 lf; 22,15; 22,16.17; II Reg 1,2.6; 6,33; 7,1; 22,11-14.15-20; Jer 38,14.17f.; 38,19.20-22.201 In Ps 110 wird nicht davon berichtet, dass ein Prophet befragt und ein Orakel eingeholt worden wäre. Zwar ist Ps 110 ein nicht-metrischer Text, doch ist es ange197 In Kommentaren wie in Aufsätzen zu Ps 110 ist zu lesen, dass es sich bei diesem Psalm um ein prophetisches (Heils-)Orakel handele. So stellen es beispielsweise A. Caquot, Remarques sur le Psaume CX, 3; A. Weiser, Die Psalmen II, 477, und M. Gilbert u. S. Pisano, Psalm 110(109), 5-7, 356, dar. Ähnlich sieht es auch K. Seybold, der durch die •M-Formel den Charakter dieses Spruchs als ein Seher- oder Orakelwort bestimmt. Die Formel gehöre „zum Repertoire des Offenbarungsmittlers, der eine Audition (,Raunung') weitergibt. Es ist an einen Hofpropheten zu denken." (K. Seybold, Die Psalmen, 438). 198 H. Gunkel, Einleitung in die Psalmen, 330ff. 199 Welche Aussage das Motiv „Tag seines Zorns" innerhalb von Ps 110 hat und ob dieses prophetisch, eschatologisch oder ganz anders verstanden werden muss, wird später erläutert (s. Kapitel 4.3.3 Tag des Zorns Gottes, S. 73ff.). 200 H. Gunkel, Einleitung in die Psalmen, 146. 201 Vgl. ebd.
634Traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Psalm 110 messener, ihn statt als Prosa als ״poetisieiend" zu betrachten, sodass kein Vergleich zu den von Gunkel und Beglich genannten Stellen von Königsorakeln zu ziehen möglich ist. Ps 110 als ein priesterliches Heilsorakel zu beschreiben, wirft ebenfalls Probleme auf, da - nach J. Begrich - das priesterliche Heilsorakel wie folgt zu charakterisieren ist: „Das Orakel beginnt gewöhnlich mit den Worten ,furchte dich nicht'. [...] An zweiter Stelle folgt die Bezeichnung des Angeredeten. Fehlt sie, so schließt sich unmittelbar ein begründender Satz an, der mit kl eingeleitet wird, sich aber auch ohne besondere Kausalpartikel anfügen kann. Er enthält eine Versicherung der hilfreichen Nähe Jahwes. In diesem Falle bildet das Pronomen der 1. Person das Subjekt und eine nominale Aussage der Nähe das Prädikat, vgl. Jes 41 iQ ,denn ich bin mit dir' [...] Auf solchen Satz folgt eine an den Beter gerichtete Aussage Jahwes, welche ausspricht, daß Jahwe erhört hat, und weiter ausfuhrt, worin die Erhörung im einzelnen besteht." 202 Zudem bestehe ein enger Zusammenhang zwischen dem Klagelied des Einzelnen und dem priesterlichen Heilsorakel. Das Orakel sei nichts anderes als die gewährende Antwort auf das Klagelied. 203 Diesen Aspekt des Heilsorakels verneint hingegen R. Kilian. Seiner Ansicht nach ist der „Sitz im Leben" von Heilsorakeln in Volksklageliedern, Klageliturgien oder prophetischen Liturgien zu sehen - nicht in individuellen Klageliedern. 204 Ein Heilsorakel kann nach H. Schulte auch an den König als einzelne Person ergangen sein, doch gaben die Propheten solche Zukunftsansagen meist in Bezug auf das Schicksal des ganzen Volkes oder Landes oder auf den König als dessen Repräsentanten. 205 Bei der Anwendung dieser Charakteristika auf Ps 110 fallt auf, dass es sich hier nicht um ein priesterliches Heilsorakel handelt, ob man nun der Definition von J. Begrich aufgrund von Deuterojesaja oder R. Kilian folgt. Die entscheidenden Argumente ergeben sich daraus, dass erstens die sonst konstitutive Beruhigungsformel 206 nicht vorhanden ist: Es wird im gesamten Psalm nicht auf die Furcht des Königs in der Bedrängung durch Feinde angespielt. Zweitens wird nicht berichtet, dass der König zuvor ein Klagelied angestimmt hätte, sodass der Psalm keine Antwort auf eine Klage darstellt. Zwar sagt JHWH in einer Ich-Rede dem König Beistand zu, dass er dessen Feinde besiegen werde, doch fehlt hier ein besonderer Ausdruck der Nähe JHWHs durch ein Personalpronomen. Darüber hinaus gibt Ps 110 keinen Hinweis darauf, dass JHWH den König erhört habe und deshalb nun 202
J. Beglich, Das priesterliche Heilsorakel, 82ff. 203 Vgl. J. Begrich, Das priesterliche Heilsorakel, 87.91. Auch wenn Begrich in späteren Jahren seine Charakteristika der Heilsorakel ausweitet - und diese Ausweitungen geschehen nach D. Michel (Deuterojesaja, 513) um den Preis genauerer Gattungsmerkmale - , so bleibt immer noch die Verwandtschaft von Heilsorakeln zu Klageliedern obligatorisch für die Bestimmung jener Gattung. 204 Vgl. R. Kilian, Ps 22 und das priesterliche Heilsorakel, 88. 205 Vgl. H. Schulte, Persönliche Heilsorakel, 257f. 206 So auch bei der Beschreibung der Charakteristika von Heilsorakeln durch Westermann: „Nur diese Texte, in deren Mitte der Heilszuspruch [sc. Fürchte dich nicht!] und die nominale und perfektische Begründung enthalten sind, gehören eindeutig zur Gattung des Heilsorakels." (vgl. C. Westermarm, Das Heilswort bei Deuterojesaja, 365; vgl. auch D. Michel, Deuterojesaja, 513).
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
53
handele. Drittens betreffen die Zukunftsansagen dieses Textes primär den König selbst und dies nicht nur als Repräsentanten des Volkes. Das Volk wird lediglich als freiwillig kämpfend in Vers 3 dargestellt - es wird keine Aussage dahingehend getroffen, dass es in Frieden und Gerechtigkeit noch in Freude leben wird. Ps 110 bietet demnach weder einen typisch prophetischen Inhalt, noch ist er in Prosa geschrieben, noch ergeht er als Antwort auf Anfragen des Königs. Es wird auch keine Entscheidungshilfe gefordert. Für ein Heilsorakel fehlen ihm vor allem die Beruhigungsformel und die Gestaltung des Psalms als Antwort auf Not oder Klage des Königs. Daher empfiehlt es sich nicht, Ps 110 als prophetisches (Heils-) Orakel zu bezeichnen, obwohl es in seinem Eingangsteil Parallelen zu neu-assyrisehen Orakeln aufweist. Die genannten Parallelen (Einleitungsformel, Adressat und folgender Imperativ) sind mit einem Bericht über die Zukunft die einzigen Gemeinsamkeiten mit Ps 110. In Ps 110 fehlt hingegen die meist obligatorische Beruhigungsformel, ebenso wenig finden sich eine Selbst-Identifikation der Gottheit, ein Bericht über die Vergangenheit, eine Gebetsaufforderung und kultische Gebote. 207
In Bezug auf den Beginn von Ps 110 ist festzustellen, dass hier Ähnlichkeiten zu außerbiblischen Gottesansprachen an den König existieren. Die Vermutung liegt nahe, dass der Verfasser des Psalms sich an außerbiblische Gottesreden anpasst und das נאם יהוהals ״Aufmerksamkeitskennzeichen und Bedeutsamkeitsanzeige"208 benutzt. Durch die prophetische Formel נאם יהרהwird die Aufmerksamkeit gebündelt und die Wichtigkeit der folgenden Aussagen hervorgehoben: ״Daß sich weitere prophetische Aspekte im Inhalt des Psalms nicht finden lassen - auch semantisch gibt es keine Anhaltspunkte für einen typisch prophetischen Sprachgebrauch - läßt die funktionelle Verwendung der Formel נאם יהוהals Aufmerksamkeitskennzeichen und Bedeutsamkeitsanzeige um so deutlicher hervortreten."209 Diese Art der Verwendung ähnelt in der hebräischen Bibel der Bileam-Prophetie in Num 24, die ebenfalls ein poetisches Stück über einen israelitischen Herrscher nach sich zieht. Hier ist allerdings nicht JHWH Subjekt, und der Herr־ scher wird deutlicher eschatologisch beschrieben, als dies in Ps 110 greifbar ist. 4.2 Erhöhungsmotive des Königs Vor allem in den ersten beiden Versen von Ps 110 wird das Bild eines erhabenen Herrschers projiziert. Es werden drei Szenen dargestellt, die die Mächtigkeit des Königs beschreiben: Der Herrscher sitzt zur Rechten JHWHs (als ehrenvoller Repräsentant), die Feinde liegen unter seinen Füßen (Unterdrückung), und sein Stab wird vom Zion her 207
Die genannten Bausteine fur neu-assyrische Orakel hat S. Parpola zusammengestellt; vgl. S. Parpola, Assyrian Prophecies, LXIVff. 208 A. Doeker, Funktion der Gottesrede, 110. 209 A. Doeker, Funktion der Gottesrede, 109f.
65 4Traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
ausgestreckt (Herrschaft).210 Diese Motive - das Sein ״zur Rechten", die ״Feinde als Fußschemel" und ״der Herrscherstab" - sollen im Folgenden untersucht werden. 4.2.1 Zur Rechten sitzen/sein Innerbihlische Untersuchung: Das Motiv ״sich zur Rechten befinden" oder ״die rechte Hand Gottes" ist keine Seltenheit innerhalb des Psalters,211 aber auch außerhalb des Psalters findet sich der Ausdruck ימיןin der Bedeutung ״rechts" oft verbunden mit Kraft, Macht oder Ehre. 212 Biblisch betrachtet, wird deutlich, dass die ״Rechte" meist den Vorzug erhält.213 Obgleich ״die Rechte" in prosaischer wie in poetischer Literatur der hebräischen Bibei zu finden ist, soll der Fokus hier in erster Linie auf poetischen Texten liegen: In Ex 15 wird der rechte Arm Gottes als Unterstützung und Sicherheit für Mose und das Volk Israel genannt; Jes 63,12 nimmt diese Stelle auf, und spricht so ebenfalls innerhalb eines Büß- und Bittgebets des Volkes von Gottes rechtem Arm im Sinne von Hilfe und Unterstätzung. In dem sogenannten Königspsalm 45,10 sitzt die Braut dem König zur Rechten. Es ist deutlich, dass der Ausdruck ״rechts" sowohl ein Bild des Schutzes (Ex 15 und Jes 63) als auch ein Bild der Ehre und der Macht bietet. Obwohl das Wort ימייןin Jes 14 nicht vorkommt, ist ein Vergleich auch an dieser Stelle - wie später zu weiteren Motiven - sinnvoll. In diesem Spottlied macht sich der Dichter über den gefallenen König von Babel lustig, der sich anmaßte, zu sein wie (ein) Gott. In Jes 14,13 heißt es: השמים אעלה ממעל לכוכבי־אל ארים כסאי ואשב בהר־־מועד בירכתי צפון Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über den Sternen Eis will ich meinen Thron errichten, und ich will sitzen auf dem Berg der Versammlung am äußersten Norden.
Hier wird gesagt, dass der König von Babel sich selbst seinen Thron auf den Götterberg stellen wollte - in Ps 110 hingegen wird der König von JHWH gebeten, neben ihm Platz zu nehmen. Es wäre möglich, dass der Dichter von Ps 110 das Spottlied von Jes 14 als bewussten Kontrast im Blick hatte, da dieses Lied noch weitere Parallelstellen gerade als Kontrapunkte - zu Ps 110 aufweist, wie den Herrscherstab, 214 den Gottesberg und vor allem den .בךשחר
21
° Vgl. T. Booij, Psalm CX, 397. Z. B. Ps 16,8.11; 20,7; 44,4; 48,11; 89,14.26.43; 118,15.16 u. ö. 212 Z. B.Ex 15, 6; I Reg 2,19 u. ö. 213 Vgl. H.-J. Fabry, Art. .660 ,ימין 214 S. Kapitel 5.2 Vergleichende Darstellung von Ps 110 mit Jes 14, S. 119ff. 211
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
55
Außerbiblische Parallelen: In Texten, Bildern und Statuen des Alten Orients ist ebenfalls diese ehrenvolle Bedeutung von ,,rechts" präsent. Nach den Untersuchungen M. Görgs ist die Vorstellung der Rechten Gottes ״nämlich zunächst und exklusiv aus der Konstellation Hochgott und Pharao heraus zu deuten und in der mythologischen Dimension der ursprünglichen Sinnbeziehung zu verankern."215 Das Sitzen des Königs neben dem Schöpfergott selbst sei ein Bild für die einzigartige Erwählung. O. Keel gibt als ägyptisches Beispiel für das Sitzen zur Rechten aus Ps 110 das folgende Bild an: Hier sitzt der Pharao Horemhab (18. Dynastie; ca. 1335-1310 v.Chr.) mit porträthaften Zügen dargestellt zur Rechten des Königsgottes Horns. 236
Im ugaritischen Ba al-Zyklus ist die rechte Seite der Gottheit - in dem Fall die Rechte Bacals - ebenfalls ein Ehrenplatz. Über Kothar waHasis wird gesagt: 46 [...] tcdb . ksu 47 w yttb . Ivtnn . aliyn 48 b'l. [...] ' A throne is set up and he is seated at the right hand of Mightiest BaaV-V 215
M. Görg, Thronen zur Rechten Gottes, 76f. Bild und Text vgl. 0 . Keel, Bildsymbolik, 240.247. 217 Nach KTU2 1.4 V 46-48. Englische Übersetzung nach S.B. Parker, Ugaritic Narrative Poetry, 131. 216
67 4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
Auch in hellenistischer Zeit beschreibt die rechte Seite die Ehrenseite. So schreibt Kallimachus über Apollo: δύναται γάρ, έπε ι Διί δεξιός ήσται. 2 1 8 denn er ist imstande, da er zur Rechten des Zeus sitzt.
In Theokrits Enkomion auf Ptolemaios II. Philadelphos ist zwar nicht von dem Ausdruck ״des Sitzens zur Rechten" die Rede, aber der genaue Platz des Throns ist ebenso von großer Bedeutung und ausfuhrlieh beschrieben: Dem König sei ein goldener Thron im Haus des Zeus erbaut, und dieser Thron stehe neben dem des Alexander; gegenüber sei der Thron des Herakles. Durch diese genaue Positionierung des königlichen Throns wird Ptolemaios nicht nur hohe Ehre zuteil, sondem er wird in diese Götter- und Heldengeschichte eingebettet: [...] οί χρΰσεος θρόνος εν Διός ο'ικω δέδμηται ־παρά δ' αΰτόν Αλέξανδρος φίλα ειδώς έδριάει, Πέρσαισι βαρύς ΰεός αίολομίιρας. άντια δ' Ήρακλήος εδρα κενταυροφόνοιο *ίδρυται σ τ ε ρ ε ο ί τετυγμένα έξ άδάμαντος־ Und ihm ist ein goldener Thron im Haus des Zeus erbaut. Neben ihm sitzt Alexander, freundlich den Anschein habend, den Persern ein schwerer Gott, mit blinkendem Leibgurt Gegenüber ist der Sitz des Herakles, des Kentaurentöters, errichtet, aus hartem Stahl gearbeitet.2^
Ebenso wird in hellenistischer Zeit in jüdischen Schriften die Rechte Gottes als Ehrenplatz verstanden. Im Testament Hiobs (XXXIII, 3) spricht Hiob davon, dass sein Thron im Überirdischen sei, ״und seine Herrlichkeit und Pracht sind zur Rechten des Vaters" 220 . Ob das Motiv der Rechten Gottes hier unabhängig vorkommt, oder ob die Wendung εκ δεξιών auf Ps 109,1 LXX anspielt, muss offen bleiben.221 Fazit: Die Untersuchung der Verwendung von ימיןzeigt, dass mit ״rechts" oft Ehre, Kraft oder Macht oder auch Gottes Schutz/Sicherheit verbunden ist, und dass es sich hierbei meist um bildliche Sprache handelt. Mit dem Sitzen zur Rechten Gottes wird ״die Position des Königs theologisch qualifiziert: seine Herrschaft geht von Jahwe aus und wird von diesem legitimiert. Mit seiner Thronbesteigung im Palast übernimmt er den Platz zur Rechten als den Herrschersitz und damit die Statthalter-
218
Griechischer Text nach The LCL, Callimachus, 50 Z.29. Griechischer und deutscher Text nach B. Effe, Theokrit, Gedichte, 128 bzw. 129 Z. 17-21. 220 B. Schaller, Das Testament Hiobs, 353. 221 So B. Schaller, ebd. 219
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
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schalt Jahwes." 222 Der Ehrenplatz wird dem angesprochenen König in Ps 110 durch eine Aufforderung JHWHs verliehen. Als Kontrapunkt zu diesem Motiv ist das Lied in Jes 14 anzusehen, in dem geschildert wird, dass sich der babylonische König eigenmächtig auf den Gottesberg setzt und schließlich fällt. Diese Beispiele verdeutlichen, dass das Sitzen zur Rechten ein gängiges Motiv des Alten Orients war. Es ist häufig in Bildern und Statuen wie auch in Texten veranschaulicht. In der hebräischen Bibel ist allerdings das Sitzen zur Rechten als Ehrenplatz nur in Ps 45; 80 und I Reg 2,19 zu finden, als Anmaßung eines Thrones im Himmel zudem in Jes 14,13. Auch in der Zeit der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten ist die Nennung des Königsthrons im Haus des Zeus neben Alexander und gegenüber von Herakles ein Ausdruck von großer Ehre. 4.2.2 Feinde als Fußschemel Innerbiblische Untersuchung: Sprachlich betrachtet, ist der Ausdruck ״Fußschemel" in Ps 110 kein hapax legomenon, vgl. I Chr 28,2 ( ;)להדם רגלי אלהינוJes 66,1 (הדם ;)דגליThr 2,1 ( ;)הדבר־דנליוPs 99,5 ( )להדם רגליוund 132,7 ()להדם רגליו. An diesen Stellen sind es jedoch nicht wie in Ps 110 die Feinde, die als Fußschemel dienen sollen, sondern entweder Zion/ Israel (Thr 2,1), die Erde (Jes 66,1) oder der Tempel (I Chr 28,2) stellen diesen Fußschemel dar. All diese Bibelstellen außer Ps 110 beschreiben den ״Fußschemel" positiv und als Gott zugehörig, während in Ps 110 die Rolle des Fußschemels wenig ehrenvoll ist: Die Feinde werden zum Abstellen der Füße des Königs benutzt. Dies ist ein klares Bild von menschlicher Überlegenheit. Nach dem biblischen Befund lässt sich folglich sagen, dass der ״Fußschemel" in Ps 110,1 einzigartig verwendet wird. 223 Diese Singularität schlägt sich auch in der grammatischen Form nieder: In Ps 110,1 ist die Rede von ״einem Schemel deiner Füße". Dazu ist nicht auschlaggebend, ob diese Wendung dativisch (״ein Schemel für deine Füße") oder genitivisch (״ein Schemel deiner Füße") verstanden wird - in jedem Falle ist der Schemel indeterminiert. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, dass der Autor den Fußschemel bewusst unbestimmt beschrieben hat, weil der bestimmte Fußschemel in der hebräischen Bibel Gott zugehörig ist, in Form von Israel, Zion oder des Tempels. Ps 110 greift hier also nicht die Traditionslinie des הדם רגליםauf, die an den genannten Stellen in der hebräisehen Bibel vorhanden ist. Dem Motiv der Feinde als Fußschemel 222
K. Homburg, Psalm 110! im Rahmen des judäischen Krönungszeremoniells,
245. 223
Wie dies auch F. Gössmann, „Scabellum pedum tuorum", 52, feststellt״. „In luce huius traditionis, sive litterariae sive archaeologicae, ,scabellum' in Ps 110, 2 singulari quadam emphasi efferri dicendum est."
58
4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
kommt Jos 10,24 am nächsten, da Josua die Männer Israels auffordert, ihre Füße auf den Nacken von eben besiegten Königen zu stellen (שימו )את־רנליכם על־צוארי המלכים האלה. Eine größere innerbiblische Verwandtschaft als zu den Belegstellen des Fußschemels in Ps 110,1 besteht zu dem Ausdruck, dass die Feinde unter die Füße fallen. Diese Redewendung findet sich nicht selten in der hebräischen Bibel, so zum Beispiel in Ps 18,39 = II Sam 22,39 ( ;)יפלו תחת רגליPs 45,6 (עמים )תחתיך יפלוund Ps 47,4 ()ולאמים תחת רגלינו. Auch in prosaischer Literatur, wie etwa in I Reg 5,17, ist dieses Motiv präsent: David konnte dem Namen JHWHs kein Haus bauen, weil er mit den Völkern ringsherum Krieg führte, bis JHWH sie gab תחת כפות רגלד. U. Neumann-Gorsolke beschreibt diese Wendung des ״unter die Füße Fallens" als ein Syntagma, das nicht ein historisch verifizierbares Kriegsgeschehen schildert, sondern in die Sieges- und Herrschaftstopik gehört, welche die Stellung des Königs/ des Volkes über besiegte beziehungsweise unterworfene Feinde beschreibt.224 In genau diese Sieges- und Herrschaftstopik ist das Motiv der Feinde als Fußschemel des Königs von Ps 110,1 einzuordnen, mit einer möglichen Modifikation, dass in Ps 110 die Feinde ״schon von JHWH überwältigt sind, sodass das Bild des Schemels im Gegensatz zur Kampfschilderung in 2Sam 22 (par. Ps 18) statisch wirkt. Gerade dadurch bringt das Motiv die dominante Stellung des Königs gegenüber den Feinden zum Ausdruck." 225 Außerbiblische Parallelen: Die Feinde als Fußschemel des Königs sind als Motiv für Unterdrückung sowohl literarisch als auch ikonographisch in den Ländern des Alten Orients bekannt. In Ägypten ist literarisch noch kein schriftlicher Ausdruck belegt, aber Darstellungen der Feinde als Fußschemel des Pharao sind umso häufiger und treten vor allem im Neuen Reich zutage. 226 M. Metzger weist hierzu auf ein Fresko im Grabe des Kenamun von Schech Abd el-Kurna hin, auf dem der junge Amenophobis IL auf dem Schoß seiner Amme sitzend dargestellt ist. ״Dem künftigen König dienen zwei Reihen von knieenden Gefangenen mit auf dem Rücken gefesselten Händen als Fußschemel, wobei seine Füße auf den Köpfen der oberen Reihen ruhen [...]. Unterworfene Feinde als figürliehe Dekoration erscheinen ferner am Fußschemel bei Amenophobis III. [...] und Tutanchamun [...J." 22 ?
224 225 226 227
Vgl. U. Neumann-Gorsolke, Herrschen in den Grenzen, 98. U. Neumann-Gorsolke, Herrschen in den Grenzen, 99. Vgl. H.-J. Fabry; Art.: • T i , 351f. M. Metzger, Königsthron und Gottesthron, 92.
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
59
Bei O. Keel ist zu Ps 110,1b folgendes Bild zu sehen:
Hier sind die neun traditionellen Feindvölker als Fußschemel dargestelltes Auf schriftlicher Ebene wird das Motiv der Feinde unter den Füßen des Pharao zwar nicht als Fußschemel bezeichnet, aber ähnlich beschrieben, so z.B. im Siegeslied auf Thutmose III., in dem Amun-Re spricht, dass er die Herrscher anderer Völker unter den Füßen des Pharaos in ihren eigenen Ländern ausbreiten werde: Ich lasse die, die sich gegen dich empören unter deine Sandalen fallen und dich die Streitenden und ,Krummherzigen' zertreten^
Als literarischen Beleg für das Motiv lassen sich vor allem assyrische Beispiele anfuhren: 230 Dementsprechend berichtet Tukulti-Ninurta I. (um 1230) über seinen militärischen Sieg über Kastilias IV. von Babylon! en folgendes: 61 qa-ti ik-sud kisäd be-lu- ti-sü ^ 62 ki-ma gal-tap-pi i-na sepemQS-ja 22
8 Text und Bild vgl. O. Keel, Bildsymbolik, 231.233. J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, 524. 230 Bei U. Neumann-Gorsolke, Herrschen in den Grenzen, 99-120, ist eine ausführliche Analyse dieses ״Fußmotivs" in altorientalischen Texten und Bildern nachzulesen. 229
60
4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110 61 Auf seinen Herrennacken 62 wie auf einen Schemel trat ich mit meinen Füßen23'
Auch in phönizischen Inschriften ist das ״Legen der Feinde unter die Füße" präsent, so beispielsweise in Karatepe in Bezug auf den Herrscher Azitawada (diese Wendung ist ebenfalls mit der Wurzel + תחתgebildet):
שית
(י17)ואנך אזתוד שתנם ת ח ת פעם Ich aber, 'ZTWD, legte sie unter meine Füße?32
Fazit: Der Ausdruck des ״Fußschemels" in Ps 110 ist biblisch, in der Verwendung allerdings nicht mit biblischen Stellen vergleichbar. In den zu vergleichenden biblischen Texten ״gehört" der Fußschemel stets JHWH und nicht dem König. Es ist denkbar, dass sich der Dichter des Psalms durch den umschriebenen Genitiv233 von den anderen Belegstellen abgrenzte. Eine traditionsgeschichtliche Verbindung zu dem Ausdruck ״unter die Füße fallen" erscheint sinnvoll, der vor allem in den Psalmen, aber auch in I Reg 5,17 als Siegesmotiv verwendet wird. Die ״Feinde als Fußschemel des Königs" sind vor allem in außerbibIi sehen Texten und Abbildungen vorhanden, sodass an dieser Stelle wiederum von einer Aufnahme altorientalischer Königsideologie in Ps 110 gesprochen werden kann. 4.2.3 Herrscherstab/Stab der Macht
Innerbiblische Untersuchung: Das Zepter als Symbol der Macht des Königs ist ein geläufiges Motiv sowohl in biblischen und außerbiblischen altorientalischen Texten und Bildern als auch in anderen antiken Kulturen. G. Widengren zieht hierbei einen Vergleich zu den beiden Stellen innerhalb der Königspsalmen: Ps 2,9 und 45,7. Ps 2,9 betone den Sieg des israelitischen Königs über die umliegenden Völker, in den Königspsalmen ein gewohnliches Thema. Ps 45,7 hebe hervor, dass das Zepter Ausdruck für das Rechtsbewusstsein und die Gerechtigkeit des Königs sei, es sei ein 234 שבט מישר Anschließend bringt Widengren altori spiele, in denen von einem gerechten Zepter die Rede ist. Doch ist ein gerechtes Zepter in Ps 110 gemeint? Mit keinem Wort fällt eine Andeutung in diese Richtung. Dass es sich hier um eine Königsinsignie 235
E. Weidner, Die Inschriften Tukulti-Ninurtas I., Inschrift 5, 12. Einen Hinweis auf diese Stelle gibt H.~J. Fabry, Art.: • i r j , 350. 232 Phönizischer Text aus KAI 26 A (I), 16f. (der Text stammt nach KAI aus dem ausgehenden 8. Jh. v.Chr.); Übersetzung aus H. Donner u. W. Röllig, KAI II, 36. 233 Vgl. Kapitel 3.1 Der masoretische Text, S. 23ff. 234 G. Widengren, Psalm 110 und das sakrale Königtum in Israel, 191.
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
61
handelt, ist klar, das Wortfeld ״Gerechtigkeit" ist hier jedoch ausgespart. Damit, dass das Zepter in den Königspsalmen kein unbekanntes Thema ist, hat Widengren sicher recht, allerdings handelt es sich in Ps 2,9 und 45,7 nicht um einen מטה־עזך. Ps 2,9 spricht von einem שבט ברזל, Ps 45,7 von einem שבט מישר שבט מלכותך. G.R. Driver 235 bemerkt ebenfalls, dass der Ausdruck מטה עזךhier fremd erscheint, sodass er zu einer anderen Übersetzungsvariante greift: Hier könne nicht von einem Zepter die Rede sein, und das Suffix müsse als Objekt und nicht possessiv verstanden werden. ״Consequently מטה עזך ישלחmay legitimately be translated ,he will Stretch out (i.e. offer, give) a staff of authority (or mighty weapon ) to thee'." 236 Dass hier nicht von einer Königsinsignie die Rede sein soll, ist, angesichts der Existenz anderer Parallelen zu biblischen und außerbiblischen Königsliedern, wenig überzeugend. Biblisch wird von einem מטה־עזlediglich an vier weiteren Stellen ge~ sprachen: Jer 48,17 ( )איכה נשבר מטה־עז מקל תפארהund Ez 19,11.12.14. Bei Ez 19 handelt es sich um ein Klagelied, in dem es am Schluss heißt: ולא־היה בה מטה־עז שבט למשול. Jer 48,17 ist Teil eines GerichtsWortes gegen Moab. Der Herrscherstab Moabs wird zerbrochen. Das Motiv des מטה־עזfindet sich sowohl in Ez 19 als auch in Jer 48 in poetischen Texten. A. Doeker stellt diesbezüglich fest, dass an diesen Stellen vom Zerbrechen der Insignie gesprochen werde und Ps 110 möglicherweise gerade diese Terminologie aufgreife, ״um in Erinnerung an das Exil die kommende ungebrochene Herrschaft deutlich zu machen. Diese Deutung setzt allerdings eine Datierung des Psalms voraus, die den Text zeitlich nach der Entstehung der Prophetentexte v e r o r t e t . " 2 3 7 Die Satzteilfolge von V.2 unterstützt die These Doekers, da der Herrscherstab durch die Position an vorderster Stelle besonders betont ist. Der Terminus könnte gerade deshalb zu Beginn des Verses stehen, um so seine Bedeutung zu unterstreichen und dadurch auszudrücken, dass dieser Herrscherstab eben nicht zerbrochen ist, sondern von JHWH vom Zion her gesandt wird. Eine weitere Parallele in dieser Richtung könnte auch in dem Spottlied von Jes 14 zu sehen sein. Hier wurde der Herrscherstab des Königs von Babel durch JHWH zerbrochen. Als Lexeme werden sowohl מטהals auch שבטverwendet; zusätzlich ist JHWH die handelnde Person. In Jes 14,5 zerbricht JHWH den Stab - in Ps 110,2 verleiht JHWH den Herrscherstab. Hier ist eine antonyme Verwendung zu dem Motiv aus Ps 110,2 zu finden, da in Jes 14,5 JHWH den Herrscherstab des Königs, der die Völker schlug und die Fremdvölker im Zorn beherrscht ( )רדהhatte, zerbricht. In Ps 110,2 findet sich dieselbe Wortkombination: JHWH sendet den Stab
235 236 237
Vgl. G.R. Driver, Psalm CX, 17*f G.R. Driver, Psalm CX, 18*. A. Doeker, Funktion der Gottesrede, 104.
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4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
der Macht und gibt den Befehl, dass der König unter den Fremd Völkern herrschen soll. Außerbiblische Parallelen: Zu allen Zeiten eines Königreichs im Orient war es möglich und gängig, den Herrscher mit einem Stab oder Zepter als Königsinsignie darzustellen, sodass sich parallele Motive in Ugarit, Assyrien, Ägypten, Phönizien und in den hellenistischen Reichen finden lassen. Als parallele Ausdrücke im Alten Orient verweisen G. Widengren und S.R.A. Starbuck unter anderem auf Assyrien, Babylonien, Ugarit und Phönizien.238 In KTU2 1.6 VI 29 heißt es: ht. mtptk = das Zepter deiner Herrschaft. Beim Krönungshymnus des Assurbanipal wird, wie in Ps 110, dem König von einer Gottheit das Zepter verliehen. Die ersten drei Zeilen dieses Hymnus lauten (in englischer Übersetzung): d UTU LUGAL AN-e u KI.TIM a-na SIPA-u\t kib-r)at erbe-tim lis-si-ka UD.MES-Äa MU.AN.NA.MES-,fo &as-sur na-d[in]- GIS.PA-A]־ö' lu-ur-rik ina GIR.2-Ät7 KUR-fa? [0] ru-up-pis May Samas, king of heaven and earth, elevate you to shepherdship over the four [regionjs! May Assur, who gafveyjou [the scepter], lengthen your days andyearsl Spread your land wide at your feetß39
Ebenso ist in sumerischer Literatur von einem Zepter zu lesen, das vom Himmel her verliehen wird. 240 Auch in Phönizien ist ein Herrscherstab als ein Stab der Gerichtsbarkeit in Form einer Inschrift auf dem AhTröm-Sarkophag belegt: htr.mspth = der Stab seiner Gerichtsbarkeit.241 Nicht nur zur Blütezeit der Sumerer und von Ugarit wird die Macht des Königs unter anderem durch das Zepter demonstriert, auch später, beispielsweise innerhalb der Diadochenreiche, dient das Zepter als Ausdruck königlicher Erhabenheit und göttlichen Status. W. Cheshire hat die Motivik des Zepters von Arsinoe II. Philadelphos untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass auf ptolemäi sehen Münzprägungen die Herrscherin Arsinoe II. Philadelphos mit einem ״charakteristischen 238
G. Widengren, Psalm 110 und das sakrale Königtum in Israel, 191 ff. u. S.R.A. Starbuck, Court Oracles in the Psalms, 145. 239 SAA 3, 26: VAT 13831 Z.l-3. 240 vgl. "The Eridu Genesis" in: W.W. Hallo (Hg.), The Context of Scripture. Vol. 1, 514. Siehe auch W.W. Hallo (Hg.), The Context of Scripture. Vol. 1, 553, die Verleihung eines Zepters durch Enlil. 241 Transliteration und Übersetzung nach R.G. Lehmann, Dynastensarkophage, 38.
4.2 Erhöhungsmotive des Königs
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Szepter" dargestellt sei. Gemeinsam mit dem Schleier und dem Widderhorn bilde es die „charakteristische ikonographische Ausstattung der vergöttlichten Arsinoe II. Philadelphos."242 Diese vergöttlichte Darstellung werde durch die Verschmelzung ägyptischer und griechischer Motive erreicht.243
Wie auch die Abbildung zeigt, bestehe dieses „charakteristische" Zepter aus einem ovalen Aufsatz, an dessen unterem Rand man zwei dünne, blütenblattähnliche Spitzen erkennen könne. „Ein Szepter mit einer fast identisch gebildeten Spitze [...] findet sich häufig auf spätklassischen und hellenistischen Münzbildern des Zeus." 244 Durch das kleine, hinter dem Ohr erscheinende Widderhorn werde der jeweilige Herrscher als Kind des Amun gekennzeichnet. Der Schleier wiederum sei ein Kennzeichen der Hera. 245 Fazit: Diese kurze Untersuchung des Motivs des Herrscherstabes hat ergeben, dass der Stab als Königsinsignie ein gängiges Motiv im Alten Orient zu verschiedenen Zeiten war. In hellenistischer Zeit tritt das Phänomen auf, dass auf Münzprägungen der Arsinoe II. Philadelphos ägyptische und griechische Zepter-Motive miteinander verschmelzen. Die hebräische Wortwahl ist in Ps 110 aber beachtenswert: Der verwendete hebräische Ausdruck erscheint zwar auf den ersten Blick ungewöhnlich, da sonst in den Königspsalmen meist שבטals Zepter verwendet wird, doch wird seine Verwendung plausibel, wenn man vor allem das Klagelied aus Ez 19, Jer 48 und das Spottlied aus Jes 14 zur Interpretation heranzieht. Der sonst gebrochene Herrscherstab wird 242 Cheshire, Deutung eines Szepters, 105. 243 Vg^ Cheshire, Deutung eines Szepters, llOf. Die Abbildung ist von Tafel IVa. 244 Yg] w Cheshire, Deutung eines Szepters, 105. 245 Vgl. W. Cheshire, Deutung eines Szepters, 107ff.
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4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
nun als mächtiger Stab dem König zugesagt und von JHWH ausgesandt. Auch das Possessivsuffix ist folgerichtig und als solches zu übersetzen, da von einem Herrscherstab gesprochen wird, der bei anderen Herrschern als zerbrochen beschrieben wird: Dein Herrscherstab ist nicht zerbrochen, sondern wird von JHWH gesandt. Auffällig ist weiterhin, dass in Ps 110 die Königsinsignie nicht mit dem Wortfeld ״Gerechtigkeit" oder „gerechte Herrschaft" verbunden ist, wie dies in Ps 45 der Fall ist. Somit legt sich nahe, von verschiedenen Nuancen in den Bedeutungen der Herrscherstäbe - einerseits in Ps 110 und andererseits in Ps 2 und 45 - auszugehen. 4.3 Theologische Motive 4.3.1 Der Gottesberg/Zion Innerbiblische Untersuchung: Analysiert man das Vorkommen des Begriffs ״Zion" in der hebräischen Bibel, so erhält man folgendes Bild: Der ״Zion" spielt im corpus propheticum (vor allem bei Jesaja) und im Psalter eine große Rolle - er fehlt hingegen im Bereich von Gen - I Sam sowie bei Esr, Neh und Ez. In erzählender nicht-prophetischer Literatur wird der Zion nur selten erwähnt, z.B. als Gebetseinleitung in I Reg 8,1 (par. II Chr 5,2): Dort wird dezidiert Jerusalem, die Stadt Davids, als Zion bezeichnet. In den Psalmen wird vom Zion oft als Wohnstätte oder heiligem Ort Gottes gesprochen - so in Ps 2,6; 9,12; 14,7; 50,2; 53,7; 74,2; 76,3; 78,68; 84,8; 99,2; 132,13. In den Klageliedern tritt vermehrt die Personifikation des ״Zion" als Tochter auf, wie auch in der HerrscherWeissagung von Sach 9,9f. und in den Psalmen 9; 48; 97. Dass der Zion der Ausgangspunkt von Tora ist, wird in Jes 2 Ii Mi 4 gesagt dieser Gedanke fehlt im Großen und Ganzen im Psalter, obwohl der ״Zion" als Stätte Gottes des gerechten Richters (vgl. Ps 9) und Jerusalem als Ort vom ״Thronen zum Gerichfc^ttfi^ "כסאותbeschrieben werden kann (Ps 122,5). Gerade innerhalb des Psalters tritt die Vielseitigkeit hervor, mit weleher der Begriff ״Zion" verwendet wird, sodass C. Körting dies als ״Weite des Topos Zion" bezeichnen kann. 246 Dieser Topos könne in einzelnen Psalmen Bedeutungsnuancen annehmen und andere ausblenden. Es sei der Kontext, der den Gehalt vorgebe, und kein ausgereiftes theologisches Konzept. Konstanten seien in der Rede vom Zion aber dennoch vorhanden. Obwohl das Motiv des Gottesberges schon früh in der Religionsgeschichte Israels und Judas verankert sei, sei die Zionstheologie der Psalmen nachexilisch: ״Zion ist für das Volk Israel 246
Vgl. C. Körting, Zion in den Psalmen, 2211
4.3 Theologische Motive
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eine Konstante, die das Exil und Zerstörungen überdauert hat. [...] Zion eröffnet die Perspektive in eschatologische Dimensionen und er ist eine Brücke in die eigene Vergangenheit."247 Nach dieser kurzen Bestandsaufnahme stellt sich die Frage, welche Konnotation das Motiv „Zion" in Ps 110,2 trägt. Im Blick auf den gesamten Psalm ergibt sich, dass der „Zion" insofern weder in Gerichts- noch in Heilsvorstellungen eingebunden ist, als keine Drohung gegen Jerusalem oder den Zion ausgesprochen und ebenso wenig der Zion mit Gerechtigkeit, Recht oder Frieden verbunden wird. Es ist zwar die Rede von anderen Völkern und Königen, die von Gott und dem König zerschlagen werden, aber es handelt sich nicht um ein Völkerkampfmotiv, da nichts von einem Ansturm gegen Zion gesagt wird. Zudem wird von „Zion" nicht als Tochter oder in anderer Personifikation gesprochen. Auch weist die Verwendung von „Zion" in Ps 110 Unterschiede zu den Wallfahrtsliedern auf, da diese eine andere Herrschaftsform beschreiben, die von Zion ausgeht. Ps 110 spricht vom Zerschlagen der Könige, nicht von Segen, Kinderreichtum und Nahrung. 248 Der „Zion" ist in Ps 110 die Stätte Gottes, ohne dass explizit von einer JHWH-Königsherrschaft oder von seinem Heiligtum die Rede ist. Ebenso bleibt Jerusalem als Gottesstadt unerwähnt. Die deutlichste Parallele zu Ps 110 findet sich in Ps 2,6: JHWH salbt den König auf dem Zion, dem Berg seiner Heiligkeit. Zusätzlich zu den Stellen der Zionstheologie im Psalter sei wiederum auf das Spottlied auf den König von Babel (Jes 14) hingewiesen, denn auch hier begegnet das Motiv des Gottesberges - es ist allerdings nicht der Zion, sondern der Zaphon, der Berg am äußersten Norden. Dem König von Babel wird anmaßendes Verhalten vorgeworfen, insofern, als er zum Himmel hinaufsteigen, hoch über den Sternen Eis seinen Thron errichten und auf dem Berg der Versammlung im äußersten Norden sitzen wollte. Die Bezeichnung des Berges als „äußerster Norden" weist auf den Zaphon hin, der als Sitz Bacals verehrt wurde. 249 Auch bei Jes 14,13 sind die drei Elemente Gottheit, König und Gottesberg wie bei den Pss 2 und 110 miteinander verbunden, nur hier in einer Schilderung des arroganten Verhaltens des Königs, dass er sich selbst auf den Gottesberg begeben hätte. Ps 110 vertritt dazu - wie auch bei dem Motiv des zur Rechten Sitzens, dem Herrscherstab und dem „Sohn der Morgenröte"250 - die gegenteilige Darstellung: Der König wird von JHWH mit Macht versehen, er eignet sie sich nicht selbst an. Diese Macht geht vom Gottesberg, dem Zion, aus.
247 C. Körting, Zion in den Psalmen, 228. 248 Vgl c Körting, Zion in den Psalmen, 216. 249 Vgl. auch R. Rendtorff, Theologie des Alten Testaments, Bd. 2, 151. 250 S. Kapitel 5.2 Vergleichende Darstellung von Ps 110 mit Jes 14, S. 119ff.
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Außerbiblische Parallelen zum Gottesberg: Vor allem in Ugarit ist der Gottesberg der Sitz der Götter. Als Textbeispiele seien die Geschichte um Kirta und ein Lied über Bacal angeführt. In der Geschichte um Kirta heißt es (in der Übersetzung von S.B. Parker): Bacal's mountain will weep for you, father ~ Mount Saphon, the holy domain25]
Das Lied über Bacal beginnt mit (Übersetzung nach TU AT): 1 Ba'al thront wie ein Berg-sbta, Haddub lag[ert] 2 wie ein Bär inmitten seines göttlichen Berges Saphon, inmitten 3 des Berges des SiegesI252
O. Loretz hält fest, dass der siegreiche Kampf Ba'als gegen seine Feinde zu dem Ergebnis gefuhrt habe, dass auch er - ähnlich den anderen Göttern - einen Palast auf seinem heiligen Berg Saphon erhalten habe. Schöpfung und Fruchtbarkeit seien erst gesichert, wenn der Regenspender und Sieger über die Chaosmächte in seinem Palast inthronisiert sei. 253 0. Loretz vermutet weiter, dass die Aspekte der Wohnorte von El und Bacal in Ugarit innerhalb der Bibel auf JHWHs Wohnort in Jerusalem übertragen würden. 254 Daneben wird in den Mythen Griechenlands von einem Berg - dem Olymp - gesprochen, auf dem sich die Götter versammeln. In der Ilias beispielsweise wird der Olymp häufig als Wohnsitz der Götter beschrieben: άλλοι μεν γαρ πάντες δσοι ύεοί είσ5 έν Όλτίμπω, σοι τ' έπιπείϋονται και δεδμήμεσΟα έκαστος, 2 5 5 Denn alle anderen Götter aber, die auf dem Olymp sind, gehorchen dir, und wir geben den Bitten nach, ein jeder.
Bei Theokrit ist der Olymp auch genannt, aber nicht weiter expliziert. Die Unsterblichen werden dort am Schluss des Enkomions als Könige des Olymp bezeichnet.256 Fazit: Als Resümee lässt sich über die Zionstheologie in Ps 110 festhalten, dass der ״Zion" hier vordergründig die Bedeutung des ״Berges 251
S.B. Parker, Ugaritic Narrative Poetry, 35. Lied über Ba'al, TUAT Band II - Lieferung 6, 821. 253 O. Loretz, Ugarit und die Bibel, 159. 254 Vgl. O. Loretz, Ugarit und die Bibel, 159f. 255 Homer, Ilias, 5. Gesang Z. 877. 25 6 Vgl. Theokrit, Gedichte, 134ff. Z.132f. 252
4.3 Theologische Motive
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JHWHs" hat. Explizit werden keine weiteren theologischen Konzepte um den Zion entfaltet. Er ähnelt in seiner Bedeutung dem Zaphon als „Berg Ba als" und dem Olymp als „Berg und Sitz der griechischen Götter". Die deutlichste biblische Parallele zu Ps 110,2 findet sich in Ps 2,6, da auch dort die Einsetzung des Königs durch JHWH mit dem Zion verbunden wird. Der Zion ist in Ps 110,2 die Stätte JHWHs, von der JHWH den Herrscherstab des Königs aussendet - es findet sich keine Anspielung auf Gerechtigkeit, Völkerkampf oder -wallfahrt sowie Schalom. Als antonyme Parallelstelle bietet sich wiederum Jes 14 an, da dort auch der König von Babel auf dem Gottesberg sitzt - er hat sich jedoch eigenmächtig dorthin begeben. Inwiefern allerdings implizit zusätzliche theologische Bedeutungsnuancen des Zion in Ps 110,2 mitklingen, ist nicht klar. C. Körting beschreibt die Funktion des Zion in Ps 110 als eine Argumentation auf zwei Ebenen: „Ps 110 argumentiert somit auf der vertikalen wie auch auf der horizontalen Ebene, weshalb Zion und nur Zion das Herrschaftszentrum dieses Priesterkönigs sein kann. Auf der vertikalen Ebene ist es die Gegenwart Gottes auf Zion, die auch den König an diesen Ort bindet. Die Horizontale ist die Geschichte Israels mit seinem Gott. Sie zeigt, daß Gott diesen Ort erwählt und seinen Herrscher dort eingesetzt hat, verankert in der Frühzeit und gültig für die Ewigkeit."257 Durch die Nennung des Zion kann Ps 110 so gelesen werden, dass er an die Geschichte des Volkes Israel und vermutlich an die damit verbundenen Hoffnungskonzepte anknüpft, die die Zionstheologie in den Psalmen der nachexilischen Zeit vertritt - explizit formuliert ist dies allerdings nicht. 4.3.2 JHWH hat geschworen und es wird ihn nicht reuen JHWH hat geschworen - innerhiblische Untersuchung: Einerseits wird das Schwören JHWHs in der hebräischen Bibel als positive Zusage verwendet und mit den Erzvätern und/oder der Landverheißung in Verbindung gebracht.258 In Bezug auf David ist der Schwur JHWHs ebenfalls positiv konnotiert, so in II Sam 3,9 und den Pss 89 und 132, dass JHWH (einst) dem David (ewiges) Königtum
257
C. Körting, Zion in den Psalmen, 212. So in Gen 22,16; 24,7; 26,3; 50,24; Ex 13,5.11; 32,13; 33,1; Num 11,12; 14,16.23; 32,10.11; Dtn 1,8.34.35; 2,14; 4,31; 6,10.18.23; 7,8.12.13; 8,1.18; 9,5; 10,11; 11,9.21; 13,18; 19,8; 26,3; 28,9; 29,12; 30,20; 31,7.20.21.23; 34,4; Jos 1,6; 5,6; 21,43.44; Jdc 2,1; Jos 1,6; 21,43f.; Jdc 2,1; Jer 11,5; 32,22; Mi 7,20. Der Schwur JHWHs kann sich auch auf die Väterverheißung beziehen und zum Ausdruck bringen, dass JHWH sich bei der ersten Exodus-Generation nicht an den Schwur halten werde, den er den Vätern gegeben hatte. 258
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geschworen hat. 259 In Jes 54,9 ist vom Schwur JHWHs an Noah die Rede, der auf das ganze Volk Israel übertragen wird. In dem bereits mehrmals zitierten Kapitel 14 im Buch Jesaja wird ebenfalls von einem Schwur JHWHs berichtet. Dieser steht direkt im Anschluss an das Spottlied auf den babylonischen König und hat die Vernichtung Babels zum Inhalt (so auch Jer 51,14). In Jes 62,8 schwört JHWH, dass die Fremdherrschaft bald ein Ende haben werde. In Ez 16,8 wird der ״Bund" JHWHs mit Jerusalem durch einen Schwur gekennzeichnet. Andererseits schwört JHWH den Adressaten Negatives zu, wie in Jos 5,6; Jdc 2,15; Jer 22,5; 44,26; 49,13; Am 4,2; 6,8; 8,7 und Ps 95,11, wo dem Volk beziehungsweise dem Hause Eli (I Sam 3,14) der Niedergang angesagt wird. Eine Stelle mit ähnlichem Textverständnis wie Ps 110 ist biblisch schwer zu fassen, obwohl das Motiv, dass JHWH einen Schwur leistet, mehrfach vorkommt. Da die Psalmen 89 und 132 von einem Schwur JHWHs an König David berichten und auch in Ps 110 der Schwur an den König gerichtet ist, werden diese Stellen im Folgenden untersucht. Die anderen Belege für das Schwören JHWHs sind in Bezug auf das Textverständnis von Ps 110 weniger relevant, da es in Ps 110 weder um die Erzväter noch um die (einstige) Landverheißung noch um einen Schwur negativen Inhalts geht. Das Thema „JHWH hat geschworen" ist eines der zentralen Themen in den Königsliedern 89 und 132. Nach G. Giesen ist dieser Verheißungseid an keiner Stelle ein Primärbeleg für eine eidliche Zusage JHWHs, vielmehr stellt er „eine nachträgliche Interpretation dar, durch die eine ursprünglich uneidlich gegebene Zusage JHWHs verschärfend zu einer durch einen Schwur abgesicherten Verheißung umgedeutet wird." 260 Diese These wird durch die Beobachtung gestützt, dass sich innerhalb der Nathanverheißung in II Sam 7 das Motiv des Schwörens nicht findet. Die genannten Psalmen stellen eine (spätere) Auseinandersetzung mit der Nathanverheißung dar, wie dies im Folgenden erläutert werden wird. Diese ist somit ebenfalls als Interpretament für die Auslegung von Ps 110 anzusehen. Bei Ps 89 handelt es sich zwar nach der Einteilung H. Gunkels um einen Königspsalm, doch kann man darüber hinaus T. Veijola zustimmen, den Psalm als Ganzen als Volksklagelied zu bezeichnen, da auch der Königsteil kollektivierend als Klage zu verstehen sei. 261 Im Anschluss an das Gotteslob wird die Verheißung des ewigen Königtums an David zum Thema des Psalms. Der Rückbezug von Ps 89 auf 259
Im Psalter tritt die Wurzel שבעim Nif'al noch an folgenden Stellen auf: Ps 15,4; 24,4; 63,12; 95,11; 102,9; 119,106. Diese Stellen haben allerdings andere Bedeutungen bzw. motivische Schwerpunkte als Ps 110,4. 260 G. Giesen, Die Wurzel ״ שבעschwören", 332. 261 Vgl. T. Veijola, Verheissung in der Krise, 174f.
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die Nathanverheißung wird ״zum einen durch die Verbalwurzeln כון (vgl. II Sam 7,13.16.26) und ( בנהvgl. II Sam 7,11.27) und zum anderen durch die Stichworte כסאund ( זרעvgl. II Sam 7,12) hergestellt. Die doppelte Bestandszusage für Nachkommenschaft und Thron Davids entspricht dem Inhalt der Nathanverheißung, deren Leitwort בית in Ps 89 durch זרעund כסאrepräsentiert wird." 262 Diese Verheißung ist Grund zur Klage für den Beter: Der Beter stellt - Gott anklagend fest, dass Gott seinen Gesalbten verworfen, den Bund gebrochen und die Krone seines Knechtes entweiht hat. Die Feinde triumphieren - der Thron des Gesalbten ist mit Schande bedeckt, obgleich Gott David, seinem Knechte, vorzeiten geschworen hat: Bis in Ewigkeit werde ich dein Geschlecht aufrichten und ich werde bauen - Generation für Generation - deinen Thron. Nach M. Pietsch greift der Psalm ״angesichts der Infragestellung der (Nathan-) Verheißung auf diese selbst zurück, um ihre Gültigkeit zu bestätigen." 263 Der Überschrift, der Form und seiner Stellung im Psalter nach handelt es sich bei Ps 132 um ein Wallfahrtslied, in dem ״alles zusammengefaßt [ist], was zur Bedeutung des Zion aus Geschichte und Gegenwart zu sagen war, so daß er geradezu ein Kompendium der Ziontheologie genannt werden kann." 264 In ihm ist zweimal vom Schwur JHWHs die Rede, und, wie in der Nathanweissagung, sind Königs- und Zionstheologie hier eng miteinander verwoben. Die Ladeerzählung bildet den ersten Teil des Psalms, an den sich die Verheißung des ewigen Königtums an David anschließt und den thematischen Schwerpunkt des Psalms und somit den eigentlichen Gegenstand der Bitte des Psalmisten darstellt. 265 Eine Erklärung JHWHs, dass er sich den Zion als Wohnstätte erwählt hat und dort David mächtig werden lässt, steht am Schluss des Psalms. M. Pietsch beschreibt folglich das Zentrum von Ps 132 als ״eine aktualisierende Neuinterpretation der Nathanverheißung." 266 In Bezug auf den Schwur JHWHs in den beiden eben beschriebenen Königspsalmen hielt G. Giesen fest, dass die zeitliche Ansetzung dieses Verheißungseides 267 in die nachexilische Zeit weise. Der Eid JHWHs erfahre gerade in der nachexilischen Zeit eine SchwerpunktVerlagerung: Während der exilischen Epoche sei der Eid JHWHs fast ausnahmslos auf das Heilsgut des verheißenen Landes hin ausgerichtet gewesen, in der nachexilischen Zeit würden doch eher Hoffnungen auf ein neues Königtum geweckt, an dessen Spitze schließlich ein david redivivus erwartet werde. 268 G. Giesen ist zuzustimmen, dass der 262
M. Pietsch, »Dieser ist der Sproß Davids...«, I I I . M. Pietsch, »Dieser ist der Sproß Davids...«, 122. 64 Vgl. K. Seybold, Die Wallfahrtspsalmen, 66. 265 Vgl. M. Pietsch, »Dieser ist der Sproß Davids...«, 125. 266 m Pietsch, »Dieser ist der Sproß Davids...«, 137. 267 Vgl. G. Giesen, Die Wurzel ״ שבעschwören", 332. 268 Vgl. G. Giesen, Die Wurzel ״ שבעschwören", 371. 263
2
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4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
Schwur JHWHs unterschiedliche Schwerpunkte ausbildet, doch bietet sich statt einer zeitlichen Einteilung eher eine Kategorisierung anhand der verschiedenen biblischen Bücher an, da auch im Dtn exilische/nachexilische Redaktionsschichten vorhanden sind, in denen sich trotzdem der Schwur auf das versprochene Land hin ausrichtet. So ist festzuhalten, dass in den Psalmen - ausgenommen ist hier Ps 95,11 die Vorstellung eines david redivivus erkennbar ist, in den Geschichtsbüchern hingegen ist der Schwur JHWHs primär auf die Landverheißung hin ausgerichtet. Diese Aussageabsicht des Schwures JHWHs hinsichtlich eines david redivivus verbirgt sich auch in PsSal 17,4 - dieses Lied stammt vermutlich aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert und setzt die Eroberung Jerusalems durch Pompejus 63 v.Chr. voraus. 269 Hier wird mit dem Ausdruck, dass JHWH einst geschworen hat, wiederum auf die Nathanweissagung angespielt. Es heißt: Du, Herr, erwähltest David zum König über Israel, und du schworst ihm für seinen Samen in Ewigkeit, daß sein Königtum vor dir nicht aufhöre.
Außerbiblische Parallelen: Dass Gottheiten einen Schwur leisten, kommt in den Texten des Alten Orients häufig vor. In der Eridu Genesis wird das Motiv des Schwörens von Göttern gleich mehrmals erwähnt: An, Enlil, Enki, and Ninhursaga had the gods of heaven and earth [swear] by the names An and Enlil. Ziusudra's Vision of the Gods Assembling At that time Ziusudra was king and lustration priest. [-] [As he] stood there regularly day after day something that was not a dream was appearing: conversation] a swearing (of) oaths by heaven and earth, [a touching of throats] [...] End of Enki's Speech "You here have sworn by the life's breath of heaven the life's breath of earth that he verily is allied with you yourself; you there, An and Enlil, have sworn by the life's breath of heaven, 269
Vgl. S. Holm-Nielsen, Die Psalmen Salomos, 51. Folgende Übersetzung ist von S. 97f.
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the life's breath of earth, that he is allied with all of you." 2 7 0
Im Enuma Elisch wird auf Tafel VI von einer Versammlung der Götter erzählt: 95 Es versammelten sich die großen Götter, sie machten das Schicksal Marduks erhaben und verbeugten sich. Sie sprachen einen Fluch über sich selbst aus schworen mit Wasser und Öl und legten ihre Hand an die Kehle. Sie gewährten ihm das Recht auf Königsherrschaft über die Götter271
Im Gilgamesch-Epos wird in Zeile 15ff. von einem Schwur berichtet: [Es schjwor ihr Vater Anu, ihr Ratgeber, Held Enlil, ihr Thronträger Ninurta, ihr Kanalinspektor Ennugia?•12
Bei Homer ist das Schwören eines Eides kein gängiges Motiv, Kallimachus beschreibt hingegen in einer Hymne an den Gott Apollo, dass dieser immer redlich seinen Eid halte: a.el Ö' ei'optcog XitöXXüjv. 273 Apollo ist immer seinem Eid treu.
Fazit: Es ist durchaus ein übliches Motiv in der hebräischen Bibel, dass JHWH schwört. Auch dass JHWH einen Schwur gegenüber dem König leistet, ist in Ps 110 nicht singulär. In den Pss 89 und 132 wird durch das Schwören JHWHs an David der Bezug zur Nathanverheißung in II Sam 7 deutlich gemacht, doch ist der Inhalt des Schwures in Ps 110 einzigartig. In Ps 89 wird der Schwur JHWHs an David Grund zur Klage, sodass das gesamte Lied als Klage zu verstehen ist - ganz im Gegensatz zu Ps 110. In Ps 132 ist der Schwur JHWHs der Grund zur Wallfahrt an den Zion und für großen Jubel. In Ps 132 wird zwar, wie in Ps 110, der Zion als Wohnstätte JHWHs betrachtet, doch ist die Rolle des Zion in jenem Psalm die zentrale Aussage, während in Ps 110 der Zion eher marginal Erwähnung findet, ohne dass er als Sitz JHWHs näher beschrieben wäre, auch nicht als Wohnort der Lade oder als Grund und Ziel einer Wallfahrt. In Ps 110 hat der Schwur JHWHs die ewige Priesterschaft des Königs zum Inhalt.274 Die Verwendung 270
The Eridu Genesis; in: W.W. Hallo (Hg.), The Context of Scripture. Vol. 1, 514f. 271 TUAT Band Iii - Lieferung 4, 594. 272 TUAT Band III-Lieferung 4, 729. 273 Griechischer Text nach LCL, Callimachus, 54 Z. 68. 274 Obgleich hier keine deutliche Gemeinsamkeit zwischen den Pss 89, 110 und 132 in Bezug auf den Inhalt des Schwures festgestellt werden kann, so bleibt doch
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dieses Verheißungseides könnte auf eine Entstehung in nachexilischer Zeit schließen lassen, so, wie dies auch in PsSal 17 und Ps 132 deutlieh ist, da sich der Schwur JHWHs nicht auf ein verheißenes Land, sondern eher auf einen (neuen) König richtet. Daher liegt die Vermutung nahe, dass auch in Ps 110 an einen david redivivus zu denken ist. Der Vergleich mit außerbiblischen Texten zeigt, dass auch in altorientalischer und hellenistischer Literatur eine Gottheit einen Schwur leisten kann. Es stellt sich die Frage, ob sich der Autor von Ps 110 mit der Aussage, dass JHWH schwört, (lediglich) im Bereich altorientalischer Motivik bewegt, oder ob er damit auch auf die Nathanweissagung zurückgreift. Der Name ״David" steht nicht in unmittelbarer Nähe des Schwures, wie dies in den Ps 89 und 132 der Fall ist, aber die Überschrift spricht von einem Psalm in Bezug auf/für/von David. Um dieses Problem zu klären, muss untersucht werden, ob die Überschrift sekundär ist. Dies wird im Anschluss an Kapitel 5.6 Entstehungssituation von Psalm 110 geklärt. Und JHWH wird es nicht reuen Zu Beginn dieser Arbeit wurde bereits festgestellt, dass V.4aß zwei Auffälligkeiten beinhaltet: 1) stellt das Reuen JHWHs kein typisch poetisches Motiv des hebräischen Psalters dar; 275 2) findet sich in Form der Konjunktion ו- ausnahmsweise - ein Element prosaischer Rede. Die Auffälligkeit des ״Nicht-Reuens" JHWHs an dieser Stelle wird zudem dadurch unterstrichen, dass sich hierzu kein biblischer Vergleichstext findet. An zwei Stellen in der hebräischen Bibel wird berichtet, dass es JHWH reut - einmal hinsichtlich der Erschaffung des Menschen (Gen 6,6f.), zum andern, dass er Saul zum König gemacht hat (I Sam 15,1 f f ) . Doch sprechen diese Texte nicht davon, dass JHWH eine Tat von sich nicht bereuen wird. Dass JHWH überhaupt etwas bereuen kann, vor allem hinsichtlich König oder Königtum, verweist auf die Saul-David-Geschichte, in der JHWH sagt, dass er es bereut hat, Saul zum König gemacht zu haben (I Sam 15,11 aa.35b): נחמתי כי־המלכתי את־שאול ל מ ל ך11 Ich bereue, dass ich Saul zum König gemacht habe. ויחרה נחם כי־המליך את־שאול על־־ישראל35 Und JHWH bereute, dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.
Hierbei handelt es sich nicht um poetische Texte. Dies ist insofern auffällig, als sich die anderen parallel verwendeten Motive in poetischen interessant, dass a)le drei Psalmen einen Schwur Jahwes an den König (David) beschreiben. Die Aufeinanderfolge und die Stellung dieser drei Psalmen im Psalter werden in Hauptteil B „Innerbiblische Exegese" untersucht. 275 Vgl. Kapitel 3.2 Beobachtungen zum Sprach- und Motivschatz, S. 33f.
4.3 Theologische Motive
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Texten der hebräischen Bibel nachweisen lassen. 276 Wenn JHWH das Subjekt zu einer positiven Konnotation von נחםin einem poetischen Text darstellt, dann ist er derjenige, der den Psalmbeter tröstet. Somit liegt hier eine andere Bedeutung von נחםvor. Ebenso wenig ist ein Paralleltext aus altorientalischer oder griechischhellenistischer Literatur zu finden, der eine Kombination von einem göttlichen Schwur mit der Zusage einer Nicht-Reue beschreibt. Es legt sich folglich nahe, diese Wendung später redaktionsgeschichtlich zu untersuchen. 4.3.3 Tag des Zorns Gottes Innerbiblische Untersuchung: Der Tag des Zorns Gottes wird häufig mit den Vokabeln יוםund אף beschrieben, daneben tritt auch der Ausdruck יום זעםin Ez 22,24 oder ( יום חרון אפוJes 13,13). Zu der Wortkombination יום אףgibt es vor allem Vergleichstexte in Thr 1,12; 2,1 und 2,21. An diesen Stellen ist der Tag des Zorns allerdings bereits eingetroffen, und das Exil Israels war die Folge. Von einer Niederlage Israels ist in Ps 110 nicht die Rede - daher soll nach weiteren Texten mit diesem Thema gesucht werden. ״Zorn" kann im Hebräischen durch verschiedene Vokabeln ausgedrückt werden, wobei אףdas häufigste Lexem für ״Zorn" in der hebräischen Bibel darstellt und in fast allen ihren Teilen belegt ist. 277 Es kann eine menschliche oder eine göttliche Tat beziehungsweise Reaktion ausdrücken, wobei אףmit dem Subjekt Gott weit häufiger belegt ist. In den Sprüchen ist durchweg von menschlichem אףdie Rede (Prov 15,1; 21,14; 29,22; 30,33 und öfter). In der Tora sowie in den anderen Geschichtsbüchern handelt es sich bei אףeinerseits um eine menschliche (Gen 44,18; Ex 11,8; I Sam 22,34 u.ö.), andererseits um eine göttliche Angelegenheit (Ex 32). In Hi 20,28 wird vom Tag des Zorns Gottes über die Gottlosen gesprochen.
Im vorliegenden Zusammenhang sind die Stellen von Bedeutung, in denen Gott das Subjekt des Zornes ist und sich der Zorn gegen FremdVölker richtet. In den Psalmen stellt Gott das Subjekt von Zorn dar. 278 In Ps 2 trifft Gottes Zorn die Völker, die über seinen Gesalbten spotten, ebenso in Ps 21,10, wo die Feinde Objekt des Zorns sind. Beides sind ebenso Königslieder wie Ps 110. Desgleichen ist in prophetischer Literatur der Zorn fast immer eine Reaktion Gottes (eine Ausnahme bildet Jes 7,4). Obwohl Zeph den ״Tag des Zorns Gottes" in den ersten beiden Kapiteln zum Thema hat, ist dieses Prophetenbuch als Interpretationshilfe 276
Vgl. dazu Kapitel 4 Traditionsgeschichtliche Untersuchung zu Psalm 110, S. 47ff. 277 Vgl. E.Johnson, Art.: ־ps, 381. 278 Z. B. Ps 2,5.12; 18,16; 21,10; 27,9; 30,6; 77,10; 78,21.31; u.ö., außer in 37,8; 55,3 und 124,3. Ps 138,7 ist textkritisch unklar.
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für Ps 110 nicht geeignet, da sich dort der Zorn Gottes nicht gegen fremde, feindliche Völker richtet. Innerhalb des corpus propheticum sind die zwei aufeinanderfolgenden Kapitel 13 und 14 des Jesaja-Buches aufschlussreich, da erstens in Jes 13,13 mit וביום חרון אפוeine Ps 110 vergleichbare Wendung vorliegt. Das ganze Kapitel hat den Zorn JHWHs zum Thema als Gerieht an Babel. Zweitens handelt es sich bei diesem Kapitel um einen poetischen Text - auch die anderen bisher festgestellten Bezüge von Ps 110 zu anderen Texten sind in poetischen Stücken zu finden. Das Lexem אףkommt ebenso in Jes 14,6 vor; hier werden die Völker im Zorn geschlagen, allerdings ist der gefallene König von Babel das Subjekt des Zorns. Das ganze Lied beschreibt den König aber in mythischer Übertreibung279 und seine Anmaßung, zu sein wie ein Gott, sodass hier die Vokabel אףnicht zwingend als menschliche Gemütsregung verstanden werden muss, sondern eher als Ausdruck für seine Anmaßung, wie ein Gott zu handeln. Außerbiblische Parallelen: Nach U. Berges lassen sich die Belege vom Zorn der Götter im altorientalischen Raum, die Vergleichspunkte mit den Stellen vom Zorn JHWHs im AT aufweisen, in vier Kategorien unterteilen: a) der die Menschheit zu vernichten suchende Zorn b) der in die Geschichte der Völker eingreifende Zorn c) der Tempelstädte samt Heiligtümer zerstörende Zorn d) der den Einzelnen in Todesnot stürzende Zorn. 280
Hinsichtlich der Verwendung des Zorns JHWHs in Ps 110 wird die Kategorie b) von Interesse sein. So ist auf der Babel-Stele Nabonids zu lesen : Gemäß dem Zorn des Gottes verfahr er mit dem Lande, seinen Groll löste er nicht. Der Fürst Marduk schlug 21 Jahre in Baltila seinen Wohnsitz auf. Da waren die Tage erfüllt, der Termin war gekommen. Es beruhigte sich der Zorn des Königs der Götter, des Herrn der Herren. Er gedachte Esagilas und Babels, des Sitzes seiner Herrschaft. Den König von Subartu, der infolge des Zornes Marduks die Zerstörung des Landes bewirkt hatte, erschlug sein leiblicher Sohn mit der Waffe m
279 Vgl. dazu H. Wildberger, Jesaja. 2. Teilband, 544: Schon zu Beginn des Spottliedes ״wird die Vorstellungswelt des Mythos heraufbeschworen, weil gewöhnliche Begriffe für das Ungeheuerliche, wovon zu reden ist, nicht aussagekräftig genug sind." 280 Vgl. U. Berges, Der Zorn Gottes, 309.330. 281 X U A T B a n c ! i _ Lieferung 4, 407.
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4.3 Theologische Motive
In einem Lied auf Amun-Re heißt es: Jauchzen dir, Amun-Re! Der den Arm Ausspannende, Herr der Kraft, stark im Angriff, Zorniger mit wütendem Herzen, der seine Feinde zurücktreibt.282
Fazit: Die biblisch verwandten Textstellen zum Motiv ״Tag des Zorns Gottes" lassen sich am deutlichsten in den Königsliedem Ps 2 und 21 erkennen sowie in Jes 13/14. Die anderen Stellen kommen als Vergleich nicht in Frage, da entweder der Tag des Zorns schon eingetroffen ist (so in den Klageliedern) oder sich nicht gegen Fremdvölker richtet (Zephanja und andere Stellen aus der prophetischen Literatur, sowie Hiob) oder nicht Gott das Subjekt ist (so teilweise in den Geschichtsbüchern und in den Sprüchen). Ps 110 lehnt sich auch bei diesem Motiv an andere biblische Königsund Siegeslieder an und will Gottes Zorn, der sich gegenüber FremdVölkern entlädt, deutlich machen. אףhat, obwohl es nicht eindeutig aus dem Text hervorgeht, aufgrund seiner Parallelstellen in den Pss 2 und 21 sowie Jes 13/14 JHWH (beziehungsweise hier )אדניals Subjekt. Auch außerbiblische Texte legen JHWH als Subjekt des Zorns nahe. Zudem ist אדניdas letztgenannte Subjekt. Aber nicht nur diese alttestamentlichen Querverweise unterstreichen, dass es sich um den Tag von JHWHs Zorn handelt - dies wird ebenso durch die parallele Konstruktion der Verse 5 und 6 suggeriert: : א ת י על־ימי;ך מחץ ביום״אפו לולבים5 : ידין' בנוים מלא ?רות מחץ ר״אש על־ארץ רבד6 Die Verse 5b und 6b sind vom Dichter ähnlich gestaltet. In V.5 wird von der kämpferischen Tat JHWHs berichtet, gekennzeichnet durch den ״Tag seines Zorns". In V.6 wird mit derselben Vokabel מחץdie Tat des Königs beschrieben. Dies wird daran deutlich, dass parallel zum ״Tag seines Zorns" auch hier eine attributive Bestimmung eingeschoben ist. ,Auf der Erde" wird als Kennzeichen dafür verwendet, dass es sich bei dem reichlichen Zerschlagen von Köpfen um eine Tat auf der Erde, und nicht von Gott, sondern vom König, handelt. Hinzu kommt, dass diese parallele Darstellung des kämpfenden Gottes und kämpfenden Königs in Ps 110 keinen Einzelfall darstellt. Dies wird im folgenden Unterkapitel ״Kampfmotivik" näher erläutert. So lässt sich feststellen, dass das ״Zerschlagen der Köpfe" am Tag seines Zorns in V.5b eine Tat JHWHs darstellt, parallel dazu in V.6b ״das Zerschlagen von Köpfen" auf der Erde eine Tat des Königs.
282
XUAT Band n
- Lieferung 6, 862.
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4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110
Ob es sich bei dem ״Zerschlagen der Könige am Tag seines Zorns" um eine präsentisch/futurische oder eschatologische Tat JHWHs handelt, ist nicht klar ersichtlich. Auch in den Parallelstellen ist der ״Tag des Zorns" nicht eindeutig zeitlich zu bestimmen. In Ps 2 wird אזmit einer Imperfekt-Form verwendet, um den Zeitpunkt des Zorns zu beschreiben, ebenso findet sich in Ps 21 ein Imperfekt: באפו יבעלם. In Jes 13 wird vom Tag des Zorns JHWHs in einer Vision gegen Babel berichtet, die ebenfalls mit Imperfekten konstruiert ist. Dieses Kapitel ist der Auftakt zum Triumphlied über den gefallenen König von Babel. Dass der König von Babel fällt, ist ein futurisches, nicht aber eschatologisches Ereignis. In den außerbiblischen Vergleichstexten ist der Zorn der Gottheit ebenfalls kein endzeitliches Geschehen. So berichtet die Babel-Stele Nabonids vom Zorn Marduks, der bereits gegen ein Volk gewirkt habe. Die Vermutung liegt nahe, dass auch in Ps 110 keine eschatologische Tat Gottes durch den ״Tag seines Zorns" beschrieben wird. 4.4 Kampfmotivik Ausgangspunkt dieser Analyse sind die obigen Ergebnisse, dass einerseits in masoretischer Darbietung in den Versen 5-7 ein Subjektwechsei erfolgt, andererseits die Verse 5b und 6b auffallend ähnlich konstruiert sind.283 Zuerst wird die Tat JHWHs beschrieben, der Könige zerschlägt, anschließend wird gesagt, dass der König Köpfe auf der Erde reichlich zerschlägt. Dieser Wechsel von göttlicher und königlieber Ebene gerade innerhalb von Kampfmotivik ist sowohl in biblischen als auch außerbiblischen Texten präsent, wie dies K.-P. Adam anhand von Ps 18, auch einem Königslied, herausgearbeitet hat. Innerbiblische Untersuchung: Das Verb מחץ, das im vorliegenden Fall die Parallelisierung von kämpfendem Gott und kämpfendem König intendiert, kommt nur in poetischen Texten - hierbei besonders in Hymnen und ähnlichen Gattungen - vor und wird in seinem theologischen Gebrauch durch das Subjekt bestimmt. Das Subjekt ist immer Gott oder sein Volk. 284 Bei letzterem, mit Israel oder seinem König als Handlungsträger, steht מחץ in Num 24,8.17; Jdc 5,26; Ps 18,39 (= II Sam 22,39). Es ist auffällig, dass in diesen Texten bereits Beziehungen zu Ps 110 festgestellt wurden. Große Ähnlichkeit besteht bezüglich Vokabular und Motivik zu dem Königslied in Psalm 18. Gott unterwirft für den König die Völker (V.48): וידבר עמים תחתי. Der König zerschlägt ״sie", dass sie unter seine Füße fallen (V.39): אמחצם ולא־יכלו קום יפלו תחת רגלי. Die These 283 Vgl Kapitel 3.4 Gliederung und Aufbau des masoretischen Textes, S. 40ff. 284 Vgl. A. Schäkel, Art.: 812 ,מחץ.
4.4 Kampfinotivik
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K.-P. Adams ist zu unterstützen, dass hier JHWH wie auch der irdische König als königlicher Held im Kampf handeln. 285 Zur Aussage von K.~P. Adam, dass nur vom Beter von Ps 18 (II Sam 22), vom künftigen davidischen König in Num 24,17 und von Jael Jdc 5,26 gesagt werde, dass sie (wie JHWH) die Feinde niederschlagen ( )מחץwürden 286 , muss Ps 110,5-7 ergänzt werden. Auch hier kämpfen Gott und König heldenhaft gegen andere Könige und Völker. Dass eine Art ״Parallelisierung" des (davidischen) Königs mit JHWH in den Psalmen stattfinden kann, zeigt nicht nur die Motivik des Kampfes, sondern auch die ehrenvolle Beschreibung des Königs mit Attributen, die sonst JHWH zugedacht sind. So finden sich im Königslied von Ps 21 die Lexeme כבוד, הוד והדד, die an dieser Stelle nicht JHWH, sondern den König beschreiben. ״Es sind Begriffe, die Jahwes Nähe, ihn selbst, auf herrscherlich-machtvolle und herrlichprachtvolle Weise anzeigen, woran der König überreichen Anteil bekommt." 287 Die Parallelität von König und JHWH zeigt sich in Ps 110 somit zum einen darin, dass der König den Platz neben JHWH zugewiesen bekommt (V.l), zum andern, dass beide im Kampf gegen andere Völker scheinbar ebenso nebeneinander agieren (Vv.5+6). Außerbiblische Parallelen: K.-P. Adam verweist in seiner Untersuchung der Vokabel מחץauf außerbiblische altorientalische Texte. Auch in ugaritischen Texten beschreibe rnhs die Götter Ba c al und Anat in königlicher Handlungsrolle. Ebenso sei mit mahäsu dieses Lexem (mit breiterem BedeutungsSpektrum) im Akkadischen gut belegt. 288 Als Beispiel für eine motivisch parallele Gestaltung von Gott und König im Kampf zieht Adam die altorientalische Theologie der Ninurta-Überlieferung aus sumerischer Zeit heran, in der sich eine Typisierung des Kampfes des irdischen Königs und der Gottheit finden lasse. 289 Zu den ugaritischen, akkadischen und sumerischen Beispielen lässt sich auch das ägyptische Siegeslied auf Thutmose III. hinzufugen. Dort werden Amun-Re und der König ebenfalls ähnlich parallel stilisiert. Amun-Re spricht zu Beginn jeder Strophe davon, dass er selbst gekommen sei, um den König die Feinde unterwerfen zu lassen: Ich bin gekommen, dich zertreten zu lassen die Fürsten des Libanon,
[...] Ich bin gekommen, dich zertreten zu lassen die Bewohner Asiens, [-J 285
K.-P. Adam, Der königliche Held, 107. Vgl. ebd. 287 H. Spieckermann, Heilsgegenwart, 214. 288 Vgl. K.-P. Adam, Der königliche Held, 108. 289 Vgl. K.־P. Adam, Der königliche Held, 16ff. 286
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4 Traditions geschichtliche Untersuchung zu Psalm 110 Ich bin gekommen, dich das Ostland zertreten zu lassen, [:.] Ich bin gekommen, dich das Westland zertreten zu lassen, [...] Ich bin gekommen, dich zertreten zu lassen, die in ihren ,Körben' sind, [...] Ich bin gekommen, dich die Inselbewohner zertreten zu lassen, [•••] Ich bin gekommen, dich die Libyer zertreten zu lassen; [•••] Ich bin gekommen, dich die Enden der Erde zertreten zu lassen, [...] Ich bin gekommen, dich zertreten zu lassen, die am Anfang der Erde wohnen, [...] Ich bin gekommen, dich die nubischen Troglodyten zertreten zu lassen, !־
j290
In jedem Fall agieren in diesem Lied Gottheit und König gegen die Feinde des Landes. Gerade in letzterem Motiv ist eine deutliche Parallele zu Ps 110 im Vokabular zu erkennen, da davon berichtet wird, dass der König die Feinde zu ״Leichen macht" in ihren Tälern - ähnlich wie in Ps 110,6. Dieser Befund unterstützt erstens die Annahme, dass in V.6 der König bereits Subjekt ist. Zweitens ist es wahrscheinlich, dass ״die Täler" in V.6 elliptisch ausgelassen sind. Vor dem Hintergrund dieses ägyptischen Siegesliedes intendiert Ps 110,6 die Bedeutung, dass der König Täler mit toten Körpern füllt. 291 Auch in hellenistischer Literatur findet sich die Parallelisierung von der Gottheit und dem König im Kampf, da auch zu der Zeit der Ptolemäerherrschaft ״Tapferkeit und militärische Klugheit, dazu der Besitz oder zumindest der Anspruch auf ein angemessenes Herrschaftsgebiet [...] conditiones sine quibus non" 292 waren. So beschreibt Kallimachus in der Hymne auf Apollo den gemeinsamen Kampf von Ptolemaios III. Euergetes - sein Name ist allerdings nicht direkt genannt und Apollo: δς μάχεται μακάρεσσιν, εμω βασιλήι μάχοιχο־ όστις εμω βασιλήι και Απόλλων ι μάχοιχο. 2 9 3 Er, der mit den Seligen kämpft, möge mit meinem König kämpfen. Der, der mit meinem König ist, möge auch mit Apollo kämpfen. 290
J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, 525f. Aquila, Symmachus und Hieronymus lesen auch anstatt ( גויותLeichen) גאיות (Täler) in Kombination mit .מלא 292 Ygi klassische 27£, 34f., 39, 65, 80-89, 94, 109, 112f., 115, 118, 120, 122, 124, 130, 137, 150, 165ff, 169, 177£, 180, 183, 185, 195, 197, 205, 208, 210, 214, 217ff., 290293,295,307-310 Nathanweissagung 13,68-72, 132, 141, 144, 149, 156f., 159164, 168f., 268, 303, 307
340 Ninurta 71, 77 Pescher 241, 244ff., 248, 251, 253ff. Pharao 55, 58f., 85, 90, 136 Pharisäer/pharisäisch 139f., 222ff., 234, 260, 273, 296, 298, 309 Pinhas 93, 225f., 230 Ptolemäer/ptolemäisch 57, 62, 78f., 97f., 112f., 133ff., 138 Ptolemaios 50, 56, 78f., 97, 123, 125,307 Ptolemaios II. Philadelphos 50, 56, 79, 97, 307 Sanherib ... 108f., I l l , 113, 131, 136 Schalem 82f. Siegeslied 32, 34, 38, 50, 59, 77, 79, 96, 109, 11 Iff., 126, 133f., 136,215,307 Simon 10, 12, 138, 140,222, 224 ־227
Register Tau
7, 26, 28f., 34, 39, 44, 80, 84-89, 114, 120, 124, 130, 168, 183, 195, 203, 208ff, 212, 217ff., 287, 289-292, 307-310 Theokrit 66, 79, 97, 112, 115, 126, 133, 136ff., 307 Thutmose III 32, 34, 38, 49f., 59, 77, 79, 96, 112, 114, 123, 126, 133f., 179,215 Tora 64, 73, 111, 139, 148, 152, 198, 201, 204, 222, 224, 245f., 248, 251, 257, 269, 273, 275, 28If., 293,295 Ugarit 9, 62, 66, 82f., 115 Zeus ... 50, 56f., 63, 79, 90, 113, 123 Zion 44,47,53,57,61,64-67, 69, 71, 105, 111, 113f., 119ff., 124, 130, 138, 153, 159, 164, 173, 182, 189, 192, 199, 207, 211, 244, 255, 263f., 269, 271, 283,285 Zionstheologie 64-67, 69, 105