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IN JEDES HAUS GEHÖRT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundfunk über d i e g r o ß e , spannend geschriebene Weltgeschichte „ B i l d der Jahrh u n d e r t e " des Münchner Historikers O t t o Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses n e u a r t i g e n , erregenden Geschichtswerkes e r f ü l l t . Hier sind nicht, wie in Lehrbüchern alter A r t , d i e historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit a n e i n a n d e r g e r e i h t : d i e V e r g a n g e n h e i t w i r d v o r d e m A u g e des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen w i e Du und ich schreiten über die wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den A b l a u f der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen m i t e r l e b e n . Zierers „ B i l d der Jahrhunderte" ist ein W e r k für d i e Menschen unserer Zeit, für d i e Erwachsenen w i e für d i e J u g e n d . DER
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Aschenbrödel unter B l u m e n Das Licht weißglühender Neonröhren schimmert durch das Meerwasser des Aquariums, vor dem wir stehen. Phantastische Glocken, Schirme und Mützen schweben, sinken und steigen in rhythmischer Bewegung durch das gläserne Reich. Der Himmel mag wissen, wer diesen Märchengestalten den Namen „Quallen" gegeben hat. Orchideen des Meeres müßten sie heißen! Durch das duftige Gewoge der Schleierleiber, Schleppen und des Fadengewimmels leuchtet es flaschengrün, zart rosenrot, weißblau, pflrsichfarben: Ein zauberhaftes Schauspiel, ein Geschenk für schönheitstrunkene Augen, zu vergleichen nur mit einer Almwiese im blühenden Frühling oder mit dem Regenbogenbunt einer Märchenbuchseite. Es isl schwer, sich vorzustellen, daß diese Blütengeschöpfe mit dem garstigen Namen Tiere sein sollen, daß dieses atemähnliche Auf und Nieder der Glocken und das Hinundherschwanken der Schirme physikalisch ausgewogene Schwimmstöße sind und die Zuckungen der Fäden und Fransen nichts anderes bedeuten als raffendes Zugreifen beutegieriger Hände. W e r möchte glauben, daß diese fast glashellen Gebilde von feinsten Nahrungskanälen, von Nervenbahnen und von den elastischen Fasern hauchzarter Muskeln durchzogen sind? Die Täuschung und Verwirrung wird noch größer, wenn man vor einem anderen Glasbehälter der Schausammlung steht. Auf den Felsen eines kleinen Unterwassergebirges wachsen einzeln oder in Gruppen rote, purpurne, gelbe und weiße Seerosen, Seenelken und Seeanemonen. In stiller Schönheit blühen auf den fleischigen Stielen die Blumenkronen; aus einem tropischen Steingarten scheinen sie hergebracht. Aber plötzlich zuckt hier und da eine der Blütenstrahlen, oder der Fadenkranz eines Blumenkopfes gerät in eine sacht herumtastende und wallende Bewegung. Jetzt erst sind wir sicher, auch hier Tierwesen vor uns zu haben; denn mit solch suchendem, greifendem, „lebendigem" Herumfahren bewegt sich keine Blume. Niemand hat das Wasser aufgerührt, so daß von daher der Anstoß gekommen sein könnte. Diese Wendungen der scheinbaren Blumenkörper waren irgendwie „gewollte", ganz tierhafte Regungen, zu einem bestimmten Zweck. Die Besucher des Aquariums können sich kaum von de „Blumen"-Gärten trennen. Gegenüber soviel blühend-lebendige
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Pracht findet ein hell erleuchteter Schaubehälter mit Scheibenbarschen, der in der gleichen Ausstellungshalle steht, kaum noch Beachtung. Und doch wartet gerade hier ein kleines Wesen auf seine Entdeckung, das fast noch rätselhafter ist als jene geisterhaft blühenden Blumentiere, und das durchaus zu ihnen gehört: Die Hydra, der Süßwasserpolyp. Man sieht es auf den ersten Blick, daß sie den Seerosen von drüben verwandt ist, nur daß sie viel kleiner ist und nichts Anziehendes an sich hat. Wie festgewurzelt, unscheinbar und winzig, sitzt die Hydra auf den schmalen Blättern der Wasserpflanzen. Ihre Anwesenheit zwischen den Zierbarschen ist nicht programmgemäß, sie ist mit dem Fischfutter hereingeschleppt worden. Der Aquariumswärter lauert schon längst auf den Augenblick, wo er bei der nächstfälligen Reinigung das lästige Kroppzeug, so schnell wie es gekommen, wieder los wird. Das Tierchen verdient diese Mißachtung nicht. Im Gegenteil: Es ist eines der interessantesten Geschöpfe im großen Reiche der Tiere. Neben den angestaunten Zauberwesen der Blumentiere mag die Hydra ein Aschenbrödel sein, das überall im Wege steht — aber es braucht nur ein Märchenprinz in Gestalt des Biologen zu kommen, um die Hydra aus ihrer Bescheidenheit emporzuheben zu der Stellung, die ihr in Wirklichkeit gebührt.
Ein uraltes Geschlecht Hydra und die Blumentiere drüben in den Nachbaraquarien gehören dem großen Tierstamm der Hohltiere an, einem uralten Geschlecht. Schon in den ältesten Gesteinsschichten des Erdballs, soweit sich versteinerte Pflanzen- und Tierreste erhalten haben, finden sich Überreste, von Hohltieren. Auf 600 Millionen Jahre schätzt man ihr Alter. Wir w i s s e n also, daß diese Geschöpfe mit zu den ältesten Bewohnern der Erde gehören. Aber auch wenn wir das nicht tatsächlich wüßten, könnten wir es annehmen, und zwar auf Grund von Erfahrungen über die Keimesentwicklung der Tiere, die man in der „biogenetischen Regel" zusammengefaßt hat. Es ist eine erstaunliche Erkenntnis, daß die Entwicklung, die ein einzelnes Tierwesen heute bis zu seiner Reife durchläuft, vermutlich der Entwicklungsgeschichte der ganzen Tierart seit den Urzeiten entspricht. Was bei der Art selbst Millionen Jahre gebraucht hat, um sich heranzubilden, das verläuft bei den heutigen
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Einzelvertretern der Art im zusammengedrängten Zeitraum eines Tierlebens. Man kann deshalb vielfach aus den Entwicklungsstufen eines bestimmten Lebewesens auf die Beschaffenheit der verschiedenen aufeinanderfolgenden Generationen seiner Vorfahren schließen. Um das zu verstehen, werden wir die Hydra eine Zeitlang aus dem Auge lassen und uns den mikroskopisch kleinen Bausteinen zuwenden, aus denen jeder Tierkörper zusammengesetzt ist: den Zellen. Die Zelle ist jene winzige Baueinheit des Lebendigen, die für sich selber besteht, also ein selbständiges tierisches Wesen bildet (Einzeller), die sich aber auch mit unzähligen ihresgleichen zu wundervoll aufeinander abgestimmten Lebensorganismen — Vielzellern — zusammenschließen kann. Solch eine Zelle ist ein nur Millimeterbruchteile großes Gebilde aus sogenanntem Protoplasma (griechisch: protos = erstes, plasma = Gebilde), einer leimartigen Substanz, die den Leib der Zelle bildet. Wie der Kern im Fruchtfleisch der Kirsche, so sitzt inmitten des Plasmas, durch eine weiche Hülle von ihm getrennt, der Zellkern. Bei den nur aus einer Zelle bestehenden Lebewesen verrichtet diese eine Zelle alle Lebenstätigkeiten — Fressen, Verdauen, Bewegen, Wahrnehmen, Fortpflanzen; bei den mehrzelligen Wesen werden diese Aufgaben von den verschiedenen auf e i n e bestimmte Tätigkeit eingestellten, d. h. also spezialisierten Zellen, erledigt. Die Zellen sind hier aus Allerweltsarbeitern zu Fach- und Spezialarbeitern geworden. Spezialisierung ist immer das Zeichen einer fortgeschrittenen Entwicklung, während Einfachheit den ursprünglicheren Zustand kennzeichnet. Das gilt für das gesamte Reich der Lebewesen. So ist z. B. bei den Insektenfressern unter den Säugetieren der auf das Leben in der Erde spezialisierte Maulwurf oder die auf das Fliegen spezialisierte Fledermaus eine fortgeschrittenere und deshalb später entstandene Form als die viel weniger spezialisierte und deshalb ursprünglichere und ältere Spitzmaus. Das läßt sich auch in die Vergangenheit zurückverfolgen: Je weiter wir im großen Lesebuch unserer Erde zurückblättern, dessen Seiten die Gesteinsschichten mit ihren Versteinerungen sind und dessen Seitenzahlen nach Jahrhunderttausenden rechnen, um so einfacher sehen wir die Bilder der Lebewesen werden. Schon mit den ersten zurückgeblätterten Seiten ist die Geschichte des höchstspezialisierten Wesens, des Menschen, durchgelesen. Auch die Säugetiere sind schon einfacher geworden; sie 4
verschwinden aber erst in der Mitte des Lesebuches. Dafür blicken uns die Abbilder der in jener Zeit vielseitig spezialisierten, zu gewaltiger Größe ausgebildeten, doch einfacher als die Säugetiere gebauten Reptilien an. Auch sie sinken zurück, je weiter wir blättern, und andere noch einfachere Tiergeschlechter beherrschen die Seiten. Die ältesten uns erhalten gebliebenen Reste stammen von niederen, einfachen Formen, von Krebsen, Schnecken, Würmern, Stachelhäutern, Korallen und Schwämmen. Doch das sind schon hochorganisierte Gestalten gegenüber den Einzellern, von denen wir nur unsichere Spuren kennen, die aber im Uraltertum der Erdgeschichte, in der Jugendzeit unserer alten Mutter Erde, gelebt haben. Der vorher glühende Globus hatte damals bereits eine feste Gesteinshaut um sich gelegt, und aus dem Niederschlag der Wasserdämpfe war das erste Urmeer hervorgegangen. In ihm ist wohl das Leben auf Erden entstanden — wie, darüber kann die Wissenschaft nichts aussagen; aber wir denken uns, daß es in Gestalt winziger Bakterien auftrat, einzelliger pflanzenartiger Geschöpfe, die befähigt waren, die Bestandteile des Wassers und der Luft in lebenden Stoff umzugestalten. So wie das vielgestaltige Reich der Lebewesen in einfachsten einzelligen Formen seinen Ursprung nahm, genau so beginnt das Leben jedes einzelnen Wesens auf einer untersten einzelligen Stufe. Der Mensch, der riesige Elefant, der Schmetterling, der Regenwurm: ihrer aller Leben und Gestalt entspringt einer einzigen Zelle. Jedes Lebewesen fängt also für sich da noch einmal an, wo vor über anderthalb Milliarden Jahren das Leben überhaupt begann. Das ist der Inhalt der biogenetischen Regel, von der wir auf der vorhergehenden Seite gesprochen haben.
Tüchtige Einzeller Wir müßten ein Mikroskop zu Hilfe nehmen, um das Leben eines typischen Einzellers recht beobachten zu können. Was wir unter den vergrößernden Linsen entdecken würden, läßt sich andeutend auch mit Hilfe einer Zeichnung anschaulich machen. Das dargestellte, etwa 0,2 mm große Wesen ist ein Wechseltierchen oder eine Amöbe, eine der ursprünglichsten und einfachsten Tierformen, die wir kennen. Der Leib ist ein Protoplasma-Klümpchen von unregelmäßiger, dauernd wechselnder Gestalt. Der glasig5
Das Wechseltierchen, d i e A m ö b e , ist eine der einfachsten T i e r f o r m e n . Der „ L e i b " ist eine Einzelle, ein Protoplasmaklümpchen von wechselnder Gestalt. Ausstülpungen dienen als Füße (Seh = Scheinfüßchen). Im W e g e l i e g e n d e Kleinstkörperchen w e r d e n vom Leibe eingeschluckt (rechts bei Seh) und in den Nahrungsnöhlen (N = Nahrungsvakuolen) v e r d a u t o d e r durch d i e Ausscheidungshöhle (KV = k o n t r a k t i l e , zusammenziehbare, V a kuole) ausgeschieden. Zentrale der Zelle ist der Zellkern (K), Sitz der Lebenskraft und Träger des Erbgutes.
wäßrige Inhalt des Schleimklümpchens befindet sich in ständigem Fließen. An einigen Stellen stülpen sich dabei kleine Spitzen, sogenannte Scheinfüßchen, heraus und haften sich fest; an anderen Stellen werden sie wieder in den Leib zurückgezogen, und so gleitet das Tier langsam über den Boden. Kleine Hindernisse, die dem dahinfließenden Wesen begegnen — Schlammteilchen, Algen usw. —, werden von den Scheinfüßchen umflossen, in den Leib eingeschlossen und wandern durch ihn hindurch. Jede Stelle des Plasmaleibes kann sich auf diese Weise jederzeit öffnen. Was an den eingeschluckten Fremdkörpern unverdaulich ist, tritt nach einem Weilchen wieder irgendwo aus dem Protoplasmaleib der Amöbe heraus, während die genießbaren Teile verdaut werden. Flüssigkeitsbläschen, die sogenannten Nahrungsvakuolen, stellen den verdauenden „Magen" dar. Manchmal sind mehrere solcher Bläschenmagen zugleich in Tätigkeit; nach getaner Arbeit ver schwinden sie aber wieder. Noch ein weiteres Bläschen ist in der Zeichnung zu sehen, das ebenfalls in regelmäßigem Wechsel verschwindet und wieder erscheint und das deshalb die „kontraktile Vakuole" (der zusammenziehbare Hohlraum) heißt, es dient der Ausscheidung, entspricht also etwa der Niere höherer Lebe-
Das Wechseltierchen nimmt N a h r u n g (N) zu sich. (K ist der Zellkern)
Ein Wechseltierchen vermehrt sich: Zellkern und Protoplasmaleib strecken sich, schnüren sich ein und teilen sich zuletzt. Z w e i neue Wechseltierchen mit Kern und Protoplosmen sind entstanden. Das Muttertierchen ist z w e i g e t e i l t .
Richtige Magen sind die Nahrungsvakuolen nun nicht. Der Magen ist ein Organ der Vielzeller, ein Verband von Zellen, der auf eine bestimmte Aufgabe, auf die Verdauungsarbeit, spezialisiert ist. Bei den Urtieren jedoch, die nur aus einer Zelle bestehen, nennt man eine Einrichtung wie die Vakuolen, die noch kein eigentliches Organ sind, ein Organell. Das Protoplasma ist also der Leib der Amöbe, der zwar einige erste Ansätze zu Organausbildungen aufweist, aber doch alle Lebenstätigkeiten noch selber vollbringt. Im Innern des dauernd seine Gestalt ändernden Protoplasmas bleibt eine Stelle immer bestehen: der Zellkern. Er ist für das Lebewesen genau so wichtig wie der Protoplasmaleib, eines ohne das andere ist nicht lebensfähig. Er ist die Zentrale des Lebewesens, der Sitz der Lebenskraft, jenes geheimnisvollen Etwas, das wir nicht erklären können. So haben wir das einzellige Wechseltierchen kennengelernt, haben zugeschaut, wie es sich mit seinem dahinfließenden Leibe fortbewegt, wie es Nahrung aufnimmt, verdaut und die Reste wieder ausscheidet. Nun wollen wir noch wissen, wie es sich vermehrt. Es gehört nicht viel Geduld dazu, das zu erfahren: Schon nach einigen Stunden des Beobachtens bemerken wir nämlich, wie die Bewegung des Wechseltierchens aufhört. Die Scheinfüßchen werden eingezogen, und die Amöbe liegt als ein rundes Klümpchen still. Dann beginnt zunächst der kugelige Zellkern sich in die Länge zu strecken und schnürt sich in der Mitte ein wie eine Brezel. Die Einschnürung wird immer enger; und endlich ist der Kern ganz durchgeschnürt und in zwei Teile zerlegt. Inzwischen hat auch der Protoplasmaleib sich gestreckt und eingeschnürt und
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teilt sich nun ebenfalls in der Mitte durch. So sind aus der einen Amöbe zwei kleine Tierchen genau derselben Art geworden. Aus jedem der beiden Stücke quellen die Scheinfüßchen wieder heraus; langsam gleiten die zwei neuen Amöben voneinander fort, nehmen Nahrung auf und wachsen heran — und vielleicht schon nach Stunden wiederholt sich die Teilung aufs neue. In ähnlicher Form erfolgt die Vermehrung der meisten Urtiere. Doch gibt es unter den zahlreichen verschiedengestaltigen Urtieren einige, bei denen sich die neugebildeten Wesen nicht trennen, sondern beieinander bleiben und eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft (Kolonie) bilden. Solche Kolonien bestehen bei manchen Arten nur aus wenigen (zwei, vier, acht usw.) Einzeltieren, bei anderen wieder aus mehreren tausend. Das Kugelgebilde der Abbildung unten ist eine solche Kolonie; es sind Geißeltiere der Gattung Eudorina, die wie fast alle Einzelligen im Wasser leben; an der Luft würden sie schnell ausgetrocknet sein. Die Koloniekugel besteht aus 32 Einzeltieren (auf dem Bilde sind nicht alle zu sehen), die durch fortgesetzte Teilung aus einer einzigen Zelle hervorgegangen sind. Bei der Teilung der Mutterzelle lagen die Tochterzellen zunächst in einer Ebene nebeneinander; später vertiefte sie sich schalenförmig und bog sich schließlich zu der gallertgefüllten Hohlkugel zusammen, an deren Oberfläche die 32 Tiere sitzen. Jedes einzelne Tier streckt zwei sogenannte Geißelfäden nach außen in das Wasser, mit denen es sich Nahrung in eine Mundöffnung hineinstrudelt. Durch das Schlagen der Geißelfäden erfolgt gleichzeitig die rollende Fortbewegung der Koloniekugel. Eine andere kugelförmige Kolonie wird von Geißeltierchen der Gattung Volvox gebildet. Sie besteht aus Tausenden von
Kolonie der Einzeller Die Kachkommen eines einzelnen Geißeltierchens b i l d e n eine Lebensgemeinschaft (Kolonie) in Kug e l g e s t a l t . Hier lebt nicht mehr jedes Tierchen für sich. Die Geißelfüßchen strudeln d i e N a h r u n g für a l l e heran und sind zugleich auch d i e Ruder zur Fortbewegung der Lebenskugel.
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Einzelwesen, die aber nicht mehr jedes für sich auf der Oberfläche leben; feine Protoplasmafäden, die sich wie ein Netz unter der Kugelrinde hinspinnen, stellen nämlich zwischen den Koloniegenossen eine Verbindung her. Bei der Volvox-Kugel können wir auch beobachten, daß es unter den vielen tausenden gewöhnlichen Kugelinsassen einige wenige gibt, die größer sind als die übrigen und die keine Geißelfäden besitzen. Sie beteiligen sich nicht an der Arbeit der Ruderknechte, und sie können auch keine Nahrung aufnehmen, werden vielmehr von den anderen durch das Protoplasmafadennetz miternährt. Dafür erfüllen sie eine andere Aufgabe, zu der die Genossen nicht mehr in der Lage sind: Sie pflanzen sich fort. Bei den zuerst genannten Eudorina-Geißeltierchen vermag sich nach einer gewissen Lebenszeit jedes Einzelmitglie'd der Kolonie in ein männliches oder weibliches Geschlechtswesen umzuwandeln. Die männlichen Geschlechtstiere schlüpfen in die weiblichen ein, aus der Vereinigung beider wächst eine Mutterzelle heran, die durch Teilung eine neue 32er-Kolonie entstehen läßt. Bei den Volvox-Geißeltieren können sich nur noch einzelne von den vieltausend Mitgliedern der Kolonie fortpflanzen. Eine solche Fortpflanzungszelle beginnt sich nach einer gewissen Lebenszeit zu teilen. Die zwei, vier, acht oder mehr Tochterzellen wachsen in die Kugel hinein, lösen sich schließlich von der Innenwand ab und schweben als neue kleine Kugel im Innern der Mutterkugel. Ist eine Anzahl dieser Tochterkugeln beisammen, platzt die Außenhülle der alten Kolonie, und die jungen Kolonien begeben sich, ins freie Wasser, wo sie bald zur normalen Größe heranwachsen. Die alte Kolonie geht zugrunde. So erblicken wir in der Stufenfolge Einzelurtier-Eudorina-Volvox die schrittweise Entwicklung vom einzelligen zum vielzelligen Lebewesen. Volvox steht auf der Grenze, denn auch bei ihr ist der Zustand des dicht zusammengeschlossenen Zellverbandes eines Vielzellers noch nicht erreicht. Dazu gehört viel mehr. Wenn wir uns indes an die einzellige Amöbe erinnern, die alles noch selber tun mußte: das Fortbewegen, die Nahrungsaufnahme, die Verdauung, Ausscheidung, das Wachsen und Fortpflanzen, so schätzen wir die Arbeitsteilung in den Volvox-Kolonien doch schon als eine Weiterentwicklung auf eine höhere Stufe ein. Die Zellindividuen der Kolonie haben bereits einen Teil ihrer Selbständigkeit aufgegeben — das Ernähren oder das Fortpflanzen — und 9
steuern so der Form des vielzelligen Lebewesens zu, dessen einzelne Zellen nur noch bestimmte Tätigkeiten ausüben können. Übrigens sind Eudorina, Volvox und verschiedene andere Geißeltierchen noch in einer weiteren Hinsicht Grenzwesen; sie werden nämlich von manchen Forschern zu den Pflanzen gerechnet, da sie den grünen Pflanzenfarbstoff Chlorophyll (griechisch: chloros = grün, phyllos = Blatt) besitzen und mit ihm, wie alle grünen Pflanzen, das in der Luft oder im Wasser enthaltene Kohlensäuregas mit Hilfe des Sonnenlichts in Aufbaustoffe umwandeln können; andererseits weisen sie doch zugleich eindeutig tierische Züge auf. Bei den Vielzellern haben die einzelnen Zellen sich auf Sonderaufgaben spezialisiert. Nur eine einzige Art von Zellen ist auch bei diesen höher entwickelten Lebewesen so vielseitig wie die Lrtier-Einzelle: Das ist die Keimzelle, das Ei. In ihr schlummern die Kräfte für die Ausbildung des ganzen hochentwickelten Organismus — ein Elefant liegt zwar noch nicht als winziger Elefant in der Eizelle, wie man sich das früher einmal vorstellte, aber die, Kraft und Fähigkeit, einen Elefanten neu heranzubilden, wohnt der kleinen Eizelle inne. Die Eizelle ist ein einzelliges Gebilde mit Protoplasma und Kern, allerdings ist sie oft stark vergrößert und außerdem mit Nährstoffen durchsetzt. Auch das Hühnerei ist solch eine Einzelle. Das verwundert zwar manchen, weil er sich unter einer Zelle, dem kleinsten Baustein der Lebewesen, etwas Kleines vorstellt. Das trifft im allgemeinen auch zu, aber die Eizellen sind durch die Nährstoffe, die sie speichern, oft angeschwellt. Nur bei den Säugetieren bleiben auch die Eizellen klein; denn bei ihnen steht das sich neubildende Wesen im Leibe des Muttertieres mit diesem in inniger Verbindung und wird von ihm ernährt. Wo sich die neuen Wesen außerhalb des Mutterleibes entwickeln wie beim Huhn, muß natürlich ein genügender Vorrat an Nährstoffen von vornherein mitgegeben werden; das ist beim Hühnerei das Gelbe.
A u s e i n e r K u g e l w i r d e i n Sack Die Entwicklung eines Vielzellers in einfachster Form erfolgt im allgemeinen so, daß sich die Eizelle in zwei Zellen teilt, die zwei Tochterzellen in vier, die vier Enkelzellen in 10
acht Zellen usw. Zunächst bilden die neuen Zellen einen traubenförmigen Haufen, später ordnen sie sich zu einer Kugel, deren Inneres hohl ist, während die Zellen auf der Oberfläche der Kugel sitzen, wie bei den Eudorina- und Volvox-Geißeltieren. Auf einer weiteren Entwicklungsstufe bildet sich in der Hohlkugel wie bei einem schlaffen Gummiball eine Einbeulung, die sich immer weiter vertieft; schließlich hat sich die eine Hälfte der Kugel in die andere hineingestülpt, so daß sich die Rinde der oberen Kugelhälfte dicht in die untere Kugelhälfte einschmiegt und so eine doppelwandige Halbkugel entsteht. Dabei schließt sich der offene Band der Halbkugel fast ganz zusammen, und wir haben n u n ein sackartiges Gebilde, eine allseitig von einer Doppelwand umschlossene Leibeshöhle mit einer Mundöffnung vor uns. Gastrula, bauchigen Becher, nennt der Biologe diese eingestülpte Zellenkugel; sie ist schon eine kompliziert arbeitende Einrichtung. Hier ist der Punkt, wo wir haltmachen können, um uns wieder mit der Hydra, die wir schon fast vergessen haben, zu befassen; denn die Hydra ist sozusagen eine Gastrula. Wenn wir einen Längsschnitt durch die Hydra studieren (siehe Abb.), so erkennen wir auf den ersten Blick alle Merkmale, die wir eben für die Gastrula-Hohltiere festgelegt haben: Der Leib zu einem Sack mit Doppelwänden eingestülpt, das Fußende geschlossen, das entgegengesetzte Ende mundartig offen. Die Doppelwand des Sackes besteht aus einer inneren und einer äußeren Zellschicht; zwischen beiden liegt ein dünnes Häutchen, das zur Stütze des Körpers dient.
Eine H y d r a im Längsschnitt Das Tier haftet mit dem Fußende (oben) an einer G l a s p l a t t e . M a n erkennt d i e äußere Zellschicht (Ä. Seh.), die Stützschicht (St. Seh.) und d i e innere Zellschicht ( i . Seh.). Der Leibessack ist an der Mundseite (M.) zu Fangarmen (F.) a u s g e z o g e n . Links d i e weibliche (W.K.) und d i e männliche Keimzelle (M.K.), rechts eine Knospe. Keimzellen und Knospe deuten schon z w e i verschiedene Fortpflanzungsarten der H y d r a a n .
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Nach diesem einfachen Grundplan sind alle Hohltiere gebaut, wenngleich bei den verschiedenen Hohltierformen noch mannigfaltige, zusätzliche Einrichtungen ausgebildet worden sind. Schon bei der Hydra finden wir eine Erweiterung des einfachen Bauplanes. Auf der Zeichnung erkennt man neben der Mundöffnung den Leibessack in zwei Spitzen ausgezogen. Diese Spitzen sind zwei der Fangarme, die in einem Kränz um die Mundöffnung herumstehen und die wir bei den Tieren im Aquarium als lange Fäden herunterhängen sehen. Die Bedeutung und Wirksamkeit dieser Fäden wird uns klar, wenn wir etwas Nahrhaftes, z. B. Wasserflöhe, in den Hydra-Behälter geben. Kommt einer der „Flöhe" — in Wahrheit sind sie ja Krebschen — in den Bereich der Hydraarme, so sitzt er auch schon fest. Vergeblich sind seine Bemühungen, sich loszureißen; über dem Gezappel gerät der Beutefloh an einen weiteren Arm und ist n u n ganz gefangen. Den anderen Wasserflöhen geht es nicht besser. W e n n wir einen Fangarm unter dem Mikroskop betrachten, entdecken wir, daß er mit kleinen Bläschen besetzt ist. Diese Bläschen sind die sogenannten Nesselkapseln. Sie sind hohl und in der Höhlung ist ein Nesselfaden spiralig aufgerollt. Bührt ein Wasserfloh an eine der Kapseln, so bricht der spitze Fortsatz der Kapsel ab; der mit Widerhaken besetzte Nesselfaden schnellt heraus, klebt an dem Beutetier fest und verwundet es. Gleichzeitig ergießt sich aus der Kapsel eine Flüssigkeit in die W u n d e , die eine lähmende, auf ganz kleine Beutetiere sogar tödliche Wirkung ausübt (s. Abbildung S. 13). Fast alle Hohltiere haben solche Nesselkapseln; man bezeichnet Hohltiere daher auch als Nesseltiere. Auch der Mensch verspürt die Wirkung des Nesselgiftes, besonders wenn er an größere Hohltiere gerät. Kein Wunder auch: denn schon die gemeine Seerose in unserem Aquarium ist an jedem ihrer etwa 200 Fangarme mit ungefähr 4 Millionen Nesselkapseln versehen. Andere Nesseltiere sind noch reichlicher bedacht. W e n n jede Kapsel auch nur ein winziges Tröpfchen Gift enthält, ist die Gesamtwirkung des Giftes aus vielen Millionen Kapseln für den Angreifer recht unangenehm und verleidet ihm zum mindesten das Wiederkommen. Das Nesselgift ist oft so stark, daß es beim Menschen furchtbare Schmerzen, schwere Entzündungen und Fieber hervorrufen kann. Was von der Hydra an Beuletieren eingebracht ist, wird von den Fangannen an den Mund gehoben und verschlungen. Die innere Zellschicht sondert einen Verdauungssaft ab, der die ver12
Die W a f f e der H y d r a Eine der unzähligen Gift-(Nessel-)kapseIn an den Fangarmen. Bei Berührung platzt d i e Nesselkapsel auf. Der s p i r a l i g a u f g e r o l l t e Ness e l f a d e n (links) schnellt hervor (rechts), v e r w u n det den A n g r e i f e r und e r g i e ß t eine g i f t i g e , lähmende Flüssigkeit in d i e W u n d e .
daulichen Teile der Beute zersetzt; die unverdaulichen Reste werden später wieder ausgespien. Die Polypen sind recht gefräßig, darum schimpfte der Aquariumswärter auch so mordsmäßig auf sie. Sie fressen den Fischen das Futter weg, im Zuchtaquarium vergreifen sie sich auch an der Fischbrut. Zudem vermehren sie sich so rasch, daß sie auch durch ihre Masse zur Plage werden können. Die Sorge um den Fortbestand Tiere, die über die Urtierstufe hinaus sind, vermehren sich im allgemeinen in der Weise, daß sie sich in zwei Geschlechter trennen, die verschiedenartige Keimzellen erzeugen, die Weibchen Eier und die Männchen Samen, und daß mit der Vereinigung dieser beiden Keimzellen die Bildung eines neuen Wesens beginnt. Bei den meisten Tieren ist es so — aber es gibt auch hier Ausnahmen; die Natur hat die verschiedensten Möglichkeiten erdacht, um den Fortbestand vor allem jener Geschöpfe zu sichern, die anderen zur Nahrung dienen und die deshalb befruchten können oder selbst befruchtet werden. Die Hydra auf der Abbildung Seite 11 ist solch ein Zwitterwesen. Die Hydra ist in dieser Hinsicht besonders bevorzugt, da sie sich auf mehrere Arten fortpflanzen kann. So vermehrt sie sich einmal nach allgemeinem Tierbrauch durch die Vereinigung von Ei und Samen; man kann nämlich auch in der Hydrafamilie Männchen erkennen, die den Samen, und Weibchen, die die Eier erzeugen, wie das in der höheren Tierwelt durchweg der Fall ist. 13
Aber bei der Hydra ist diese Art der Fortpflanzung doch die Ausnahme. Denn die meisten Arten sind Männchen und Weibchen zugleich, sie sind Zwitterwesen, die sowohl Samen wie Eier in ihrem Körper hervorbringen. Ist eine zolche Zwitter-Hydra für die Fortpflanzung reif, so sproßt am unteren Teil des Leibes, fast am Fußende, ein kugeliger Auswuchs hervor, in dem sich das Ei befindet. Die Samenzellen hingegen bilden sich in beulenförmigen Auftreibungen unterhalb der Fangarme. Man vermutet, daß die weibliche Keimzelle einen Wirkstoff ins Wasser absondert, der dann plötzlich die männliche Keimzelle einer anderen Hydra aus ihrem Versteck lockt. Die Samenzellen schwärmen aus und bewegen sieh mit ihrem peitschenartigen Schwanzfaden schnell durch das Wasser. Eine der Zellen dringt dann in die fremde Eikugel ein und vereinigt sich dort mit der Eizelle, die sich gleich zu teilen und zu entwickeln beginnt. D a ß es bei der zwittrigen Hydra nicht zur Selbstbefruchtung kommt, wird dadurch vermieden, daß Ei- und Samenzellen zu verschiedenen Zeiten reif werden. Die Amöbe, die als Einzeller in der Entwicklungsreihe unter der vielzelligen Hydra steht, belehrte uns, daß Ei und Samen nicht in jedem Falle für die Fortpflanzung notwendig sind. Aber der Vermehrung durch Zellteilung haftet ein Nachteil an: Der Stoff bleibt immer derselbe, es kommt nichts Neues hinzu, und man könnte sich vorstellen, daß die Kraft dieses selben Stoffes sich einmal erschöpft. Zwar ist diese Kraft gewaltig. Eine englische Forscherin hat einmal fünf Jahre ein Urtier, ein Pantoffeltierchen, Tag für Tag beobachtet und es nach der Teilung immer wieder abgesondert und für sich allein gehalten. Dabei h a t sie festgestellt, daß dieses Pantoffeltier sich 3029 mal teilte. W e n n die Nachkommen dieses mikroskopisch kleinen Tieres alle am Leben geblieben und nicht gefressen worden wären, bevor sie sich wieder fortpflanzen konnten, dann hätte die Masse ihrer Nachkommen und deren Nachkommen usw. schließlich 10 000 Erdkugeln ausfüllen können. Die Fortpflanzung durch einfache Zellteilung bringt immer nur gleichartige Nachkommen zustande; denn die Mutterzelle geht ja bei der Zweiteilung ihres Kernes und ihres Protoplasmas ganz in den Tochterzellen auf; die Alt-Zelle ist gar nicht mehr vorhanden. Man sagt deshalb, daß eine Amöbe nie sterben könne. 14
Durch Jahrmillionen sei sie immer die gleiche geblieben, und deshalb gebe es bei den Wechseltierchen keine Individuen, die sich unterscheiden lassen. Anders ist es, wenn zwei getrennte Lebewesen Keimzellen ihres Körpers zusammentun und daraus dann ein neues Wesen heranwächst, ohne daß die beiden gebenden Teile sich selber aufgeben. Die Erbanlagen des einen verbinden sich mit den Erbanlagen des anderen; die daraus hervorgehenden Nachkommen sind wirkliche Tierindividuen, die man nicht ohne weiteres mit einem der Elternteile gleichsetzen kann. Wenn die mikroskopisch winzige Samenzelle einer Hydra der weiblichen Keimzelle einer zweiten Hydra zustrebt, so trägt sie einen männlichen Zellkern zu einem weiblichen hinüber. Jeder Kern enthält zahlreiche Körnchen, die man unter dem Mikroskop nur erkennen kann, wenn man sie mit besonderen Farbstoffen gefärbt hat; es sind die Chromatin-Körnchen (von griechisch: chroma =- Farbe). Sie liegen immer zu Fäden, den Chromosomen (Farbkörpern) oder Kernschleifen, aneinandergereiht im Zellkern. Jedes Kömchen ist von dem anderen verschieden, und an jedes sind eine oder mehrere Erbeigenschaften gebunden. Alle zusammen ergeben sie das bunte, aus vielerlei Merkmalen und Fähigkeiten zusammengesetzte Bild eines Lebewesens. Die Samenzelle einer Hydra, die die Eizelle einer zweiten Hydra erreicht hat, dringt in sie ein, und hier vereinigen sich die männlichen und weiblichen Chromosomen zu einem neuen Zellkern mit doppeltem Chromosomensatz. Das aus Samen und Ei neuentstehende Lebewesen erbt also einen Teil der väterlichen und einen Teil der mütterlichen Eigenschaften. Aus der befruchteten Eizelle, wie sie bei der Hydra durch die Verschmelzung der männlichen und weiblichen Chromosomen entstanden war, wachsen durch fortgesetzte Teilung alle anderen Körperzellen. Es leuchtet ein, daß auch sie alle das mütterliche wie das väterliche Erbgut, den doppelten Chromosomensatz, mitbekommen. Nur die Keimzellen bilden eine Ausnahme: Bevor sie reif werden, verringern sie ihre Chromosomenzahl auf die Hälfte. — Kein Wunder, denn täten sie es nicht, bekäme ja bei der nächsten Befruchtung die Eizelle vier Chromosomensätze! Nicht immer aber bedarf es zur Entstehung neuen Befruchtung: Wasserflöhe (Daphnien), wie wir sie Hydra im Glasbehälter zur Beute vorsetzten, sind ein des Beispiel. Beim näheren Zuschauen entdecken wir 15
Lebens der vorhin der bezeichnenbei einigen
Samenzellen werden von einem Ei angelockt ( I ) . Damit nur eine einzige Samenzelle in das Ei eindringen kann, bildet sich sofort nach ihrem Auftreffen eine zweite Eihaut (2), die allen anderen den Eintritt verwehrt. Der Kopf der Samenzelle, die den Zellkern mit dem männlichen Erbgut enthält, strebt dem Eizellkern zu (3 und 4). Die Chromosomen vereinigen sich im Eizellkern (5).
Wasserflöhen am Rücken Eier als kleine helle Kügelchen durch die Schale schimmern. Die Eier entwickeln sich im sogenannten Brutraum zu neuen Tieren, ohne daß sie befruchtet sind, d. h. ohne daß sie sich mit einer Samenzelle vereinigt haben. Diese Art der Fortpflanzung ohne Mitwirkung des Samens heißt Jungfernzeugung oder Parthenogenese (griechisch: parthenos = Jungfrau, genesis = Zeugung). Die aus den parthenogenetischen Eiern hervorgehenden Daphnien sind alles Weibchen, die wiederum auf dem Wege der Jungfernzeugung Daphnien-Weibchen hervorbringen. Das geht so den ganzen Sommer hindurch. Erst im Herbst treten auf einmal Männchen auf, und die Weibchen bilden nun eine andere Art von Eiern aus, die größer und dunkler sind, Dauereier genannt. Sie werden von den Männchen befruchtet, aber sie entwickeln sich nicht im Brutraum zu neuen Daphnien; sie umgeben sich vielmehr mit einer harten Schale, werden abgelegt und machen eine mehrwöchige Ruhezeit durch, ehe sie sich zu neuen Weibchen entwickeln, die nun wieder jungfräulich Nachkommen hervorbringen. Dieser Wechsel zwischen Tieren, die aus jungfräulichen wie aus zweigeschlechtlich befruchteten Eiern entstehen, wird Generationswechsel genannt, eine Erscheinung, die uns noch beschäftigen wird. Man kann Eier verschiedener Tierarten aber auch künstlich zur Entwicklung bringen, indem man sie mit Chemikalien behandelt oder mit einer feinen Nadel ansticht. Durch die Reizung wird das Ei zur Entwicklung angeregt; lange Zeit vermutete man deshalb, auch die Samenzelle wirke nur als Entwicklungsanreger — so wie eine aufgezogene, aber stillstehende Uhr durch einen Stoß gegen das Pendel in Ga,ng gesetzt wird. Diese Annahme erwies sich als Irrtum; das Hinzutreten der Samenzelle zur Eizelle dient, wie wir 16
bereits wissen, einer viel wichtigeren Aufgabe, nämlich der Übertragung ihrer Chromatin-Körnchen und damit der männlichen Erbanlagen auf das neue Wesen. Der kurze Hinweis auf einige Probleme der Vererbung ging von der Frage aus, wie die Hydra sich vermehrt. Erinnern wir uns also: Eine Samenzelle ist in die kugelige Eiblase am Fußende der Hydra eingedrungen, das Ei darin beginnt sich zu entwickeln. Bei der grünen Hydra fällt der Keimling, nachdem er sich etwas herausgebildet und mit einer festen Hülle umgeben hat, vom Muttertier ab und ruht etwa 6 bis 8 Wochen. Dann kommt ein kleiner Polyp aus ihm hervor, wird zum fertigen Tier und siedelt sieh irgendwo an. Bei der braunen Hydra verläuft die Entwicklung etwas anders. Hier läßt der Mutterpolyp den Keimling nicht abfallen, sondern biegt ihren Leib zur Seite und klebt den Keimling mit einer schleimigen Masse neben sich auf die Unterlage an. Hier erst umgibt er ihn mit der festen Hülle. Das Ausschlüpfen der jungen Polypen dieser Art erfolgt schon nach etwa 2 Wochen. Man hat beobachtet, wie ein Muttertier auf diese Weise bis zu 10 Eier rund um sich absetzte.
Sprossendes Leben Aber die Fortpflanzung durch Ei und Samen erfolgt bei den Hydren nur zu bestimmten und je nach Art des Tieres verschiedenen Jahreszeiten. Die Hydra vermehrt sich in der übrigen Zeit auf ungeschlechtliche Weise, nämlich durch die Knospung. Prüft man eine Hydra-Gesellschaft im Glase genauer, so entdeckt man, daß auf dem Leib mancher Polypen ein oder auch zwei andere Polypen sitzen. Das sind solche durch Knospung entstandene Tochterpolypen. Bei einiger Geduld kann man die Knospung gut verfolgen. Da bildet sich zunächst am Leibe eine Ausbuchtung, die im Laufe weniger Tage zu einem Seitenast heranwächst. Dann sprießen die Fangarme hervor, und bald ist das Tochtertier fertig und fängt nun selbst seine Nahrung. Eine Zeitlang steht die Leibeshöhle des Tochtertieres noch mit der des Muttertieres in Verbindung, später jedoch schließt sich diese Verbindung, und zuletzt löst sich das junge Tier ab und sucht sich einen eigenen Ruheplatz; denn die Hydra kann sich von der Stelle bewegen. Im allgemeinen haftet sie zwar auf ihrer Unterlage fest und angelt gemächlich die vorüberschwimmende Beute. Wenn ihr aber 17
Zu gewissen Zeifen vermehrt sich d i e Hydra nicht durch Ei und Samen, sondern durch Knospung. Die Tochterhydra wächst aus einer Knospenanlage am Fuße des Mutterpolyps hervor (Kn. und K. b e i a und b), zuletzt fängt sie, noch am H y d r a l e i b e h ä n g e n d , selbst ihre N a h r u n g (c). Dann löst sie sich ab (d) und w i r d ein eigener Polyp (P). O f t knospen mehrere Nachkommen zugleich aus der H y d r a hervor und b i l d e n einen Stock, eine Lebensgemeinschaft.
einmal der Sitzplatz nicht mehr gefällt, wenn z. B. irgend etwas ihren Platz verdunkelt, was sie nicht mag, dann macht sich die Hydra auf die Beine, oder richtiger: nicht auf die Beine, sondern auf die Arme. Sie reckt sich lang, beugt sich zur Seite und hält sich ein Stück weiter mit den Fangarmen fest. Dann löst sie ihren Leib von der Unterlage ab, zieht sich zusammen und heftet sich dicht neben den Armen wieder an. Manche sind noch geschickter: sie werfen sich in einem richtigen Überschlag herum und heften sich auf der anderen Seite wieder an die Fläche. Man will sogar beobachtet haben, wie Polypen auf ihren Armen dahinspazierten. Die Tiere werden immer dann in Bewegung gebracht, wenn das Aquarium auf der Seite, an der die Tierchen haften, verdunkelt wird; sie wandern dann allesamt auf die helle Seite hinüber. Die Hydra bietet dadurch, daß die Tochterknospen noch eine Zeitlang mit dem Muttertier verbunden bleiben, ein Beispiel guten Familiensinnes; denn jeder Angehörige des Tierstockes, wie man so eine Familie zusammenhängender Einzeltiere nennt, gibt von der Nahrung, die er in seinem Leibe hat, etwas an die anderen ab. Der Hydrastock, der im günstigsten Fall auf etwa acht Angehörige heranwachsen kann, löst sich aber auf, sobald die einzelnen Familienmitglieder für das Leben gerüstet sind, jeder geht dann seinen eigenen Weg. Es gibt aber auch andere Polypen, die dauernd im Stock zusammenbleiben. Einer dieser stockbildenden Polypen — es ist die Obelia geniculata — lebt in der Nordsee. Aus der Zeichnung ergibt sich, wie sie gebaut ist: Man sieht einen kleinen Tierstock, in dem die einzelnen Angehörigen durch Röhren miteinander in Verbindung
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stehen. Bei einigen Polypen ist ein Fangarmkranz sichtbar, bei anderen nicht. Wo sie fehlen, sind die Fangarme nicht etwa eingezogen; die Tiere besitzen gar keine. Sie können daher auch keine Beute machen, ihre Genossen müssen sie miternähren. Dafür haben sie in der Stockgemeinschaft eine andere Aufgabe: sie über"3hmen die Fortpflanzung. Ein Längsschnitt durch den Stock (Mitte) läßt bei den Tieren mit Fangarmen, den „Nährtieren", einen ähnlichen Körperbau erkennen wie bei der Hydra, nämlich eine Leibeshöhle, in der die Beute verdaut wird. Bei den anderen Tieren, den „Geschlechtstieren", jedoch bemerken wir, daß an ihrer Innenwand Knospen sprießen (G.T.). Sie werden nach einiger Zeit aus dem Polypen entlassen und schwimmen davon (E.). Die jungen Polypen der Obelia geniculata sehen äußerlich ganz anders aus als ihre Mutter, und der uneingeweihte Betrachter würde die beiden so ganz verschiedenen Tiergestalten niemals für Mutter und Tochter halten. Während der Mutterstock ein kleines verzweigtes Bäumchen ist, sieht der frei im Wasser schwimmende Abkömmling wie ein kleiner Hutpilz mit fransigem Band aus oder wie Urgroßmutters spitzenbesetzter Sonnenschirm. Es gibt auch andere Tiere, bei denen die Jungen ganz und gar nicht ihren Eltern gleichen. Die beinlose, geschwänzte Kaulquappe läßt noch nicht den künftigen Frosch erkennen und
Ein Polypenstock (links), bei dem die Knospen durch Röhren verbunden sind und e i n a n d e r e r n ä h r e n . Die Knospen mit Fangarmen sind d i e Ernährer. Die armlosen Knospen dienen der Fortpflanzung. In der Mitte A ist ein N ä h r t i e r (N.T.) und ein Geschlechtstier (G.T.) im Längsschnitt zu sehen. Das Geschlechtstier b i l d e t Knöspchen; sie sind die U r s p r u n g s g e b i l d e , aus denen d i e wunderv o l l e n Q u a l l e n entlassen w e r d e n (E.), d i e als Blumentiere im M e e r l e b e n .
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die Raupe nicht die Puppe oder gar den Schmetterling, in den sie sich einmal verwandelt. Die Kaulquappe und die Raupe aber sind Jugendformen von Tieren, die im Laufe ihrer Entwicklung zum Erwachsenen eine Körperverwandlung (Metamorphose) durchmachen. Bei den Obelia-Polypen liegt ein anderer Vorgang zugrunde. Die aus dem Geschlechtstier des Stockes entlassenen Jungen sind keine Jugendformen, sondern fertige Tiere, die sich nicht mehr verändern. W e n n sie eine Zeitlang Beute gemacht haben, entwickeln sich in ihnen Eier und Samen, die ins Wasser entlassen werden; aus der Vereinigung geht wieder ein Polypenstock mit Nähr- und Geschlechtstieren hervor. Es ist eines der überraschendsten Beispiele für einen Generationswechsel: Eine Generation wird von einer ganz anders gestalteten abgelöst, aus ihr geht dann wieder die erste Form hervor. Die anders aussehenden, freischwimmenden Abkömmlinge des Polypen sind jene Blumentiere, die wir am Beginn unserer Erzählung so bewundert haben. Meist entstehen sie übrigens nicht durch Knospung wie bei der Obelia, sondern durch Teilung: Eine Qualle nach der andern schnürt sich nach oben hin vom Polypen ab, so daß es aussieht, als seien Teller aufeinandergestapelt. Schließlich löst sich eine nach der andern, dreht sich um und schwimmt davon. Sie kommen in allen Meeren vor; schon an der Ostsee oder Nordsee kann man sie kennenlernen. Bei der Bildung dieser Schwebetiere schwelgte die Natur in einem wahren Schöpfungsrausch, ersann die kunstvollsten Formen und durchhauchte sie mit den zartesten, köstlichsten Farben. Die Blumengeschöpfe aus einem Stoff, der feiner als Spinnweben und zarter als das zerbrechlichste Glas ist, sind unfaßbare Kunstwerke, die kein Goldschmied und kein Glasbläser auch nur erdenken könnte. Sie können auch nur im Wasser bestehen, das sie durchflutet, stützt und trägt. Auf den Strand geworfen, zergehen die Quallen fast in ein Nichts und werden zu einem Schaumliäutchen, weil ihr Körper bis zu 98 Prozent aus Wasser besteht. Ein Quallenleib von 20 Pfund Lebendgewicht zerrinnt, an Land gebracht, zu lächerlichen 30 Gramm Trockensubstanz.
E i n T i e r - e i n g a n z e r Staat Die Natur erging sich bei der Erschaffung dieser Tiergruppe nicht nur in Schönheit und phantastischen Gestalten, sondern auch
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tjrn Ersinnen der verschiedenartigsten Lebensweisen. Alle Quallen machen zwar einen Generationswechsel durch; aber bei vielen tritt die Polypen-Generation, die ursprünglich immer die Ausgangsform , ist, nicht mehr auf, es formen sich aus den Eiern der Quallen «gleich wieder Quallen. Bei manchen ist der Vorgang der Fortpflanzung bisher noch nicht geklärt, z . B . bei kleinen Formen "des Süßwasser-Polypen, die ganz selten auch in den einheimischen jjrlüssen und Seen angetroffen werden. Bei den Obelia-Polypen erlebten wir, wie sich die Angehörigen Seines Tierstockes in die anfallende Arbeit teilten; die einen kumulierten sich um die Nahrung, die anderen besorgten die Fortpflanzung. Der Biologe erkennt in diesen Polypen die ersten Vert r e t e r eines Tierstaates, in dem jeder „Bürger" eine bestimmte •Arbeit verrichtet, ähnlich wie es auf einer höheren Entwicklungss t u f e bei den staatenbildenden Insekten, den Bienen, Ameisen *und Termiten, der Fall ist. Unter den Quallen sind in der Arbeitst e i l u n g am weitesten die sogenannten Staatsquallen fortgeschritten. 'Ein solch schwimmender Tierstock, den wir zunächst für ein einziges, wenn auch bizarres Wesen halten, setzt sich in Wirklichkeit jaus Hunderten oder Tausenden von Einzeltieren zusammen, die durch Knospung auseinander hervorgehen und in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt sind. Je nach der Aufgabe, die ihnen übertragen ist, sind die Einzeltiere verschieden gebaut. Eine der am höchsten ausgebildeten Staatsquallen ist die Physophora. An | i n e m Hauptstamm baut sich der ganze Tierstaat auf, durch ihn werden alle Angehörigen mit Nahrung versorgt. An seinem oberen E n d e sitzt eine mit Luft gefüllte Schwimmblase, mit deren Hilfe • e r Tierstock im Wasser auf- und absteigen kann; im Aufstieg dehnt sich die Schwimmblase aus, beim Absteigen zieht sie sich Susammen. Unter der Blase befindet sieh eine Doppelreihe von Schwimmpolypen, die den Tierstock fortbewegen, indem sie das Wasser taktmäßig einziehen und wieder ausstoßen. Unter den Schwimmern schließlich folgt noch eine ganze Gesellschaft der Verschiedenartigsten Polypen: Tastpolypen, die die Beute erkennen und signalisieren; Wehrpolypen, die sie mit ihren Nesseln überwältigen; Freßpolypen, die sie fressen und verdauen und den Nahrhaft dem Hauptstamm zuführen; und schließlich männliche und weiblidie Geschlechtspolypen, die Samen und Eier erzeugen. Es gibt Forscher, die den Tierstaat der Physophora als einen Organismus ansehen; ebenso wie sie eine einzelne Ameise, die wir gewöhnlich als ein Tier für sich betrachten, nur für ein frei herumlaufendes Organ des Organismus Ameisenstaat halten. Bei der 21
A u f b a u einer aus v i e len Tieren bestehenden Staatsqualle. S
Schwimmblase
-j Sg Schwimmpolypen (-glocken) zur Fortbewegung der Qualle, M Magenschläuche mit s p i r a l i g e n Fanga r m e n , darunter
Tastpolypen Wehrpolypen Freßpolypen Fortpflanzungspolypen
Staatsqualle und den staatenbildenden Hohltieren ist es ohne Zweifel richtig, nicht von einem Einzeltier, sondern von einem aus Einzeltieren bestehenden Staat zu sprechen. Die so umsichtig zusammengepaßten Lebensgemeinschaften der Polypen und Quallen sind nicht ohne Feinde. Die Ausrüstung mit der scharfen Waffe ihrer giftigen Nesselorgane läßt das auch nicht anders erwarten. Die Giftspritzen sind aber kein unbedingt sicherer Schutz. Es gibt eben Tiere, denen diese brennenden Giftbläschen nichts ausmachen. Unsere Hydra zum Beispiel wird von mancherlei Fischen verspeist, denen die giftdurchsetzte Kost keineswegs schadet. Ebenso haben die Nesseltiere des Meeres unter Fischen, Vögeln und anderen Tieren „Freunde, die sie zum 22
Fressen lieb haben". In dieser Hinsicht waren die Fadenschnecken, die auch in unseren Meeren vorkommen, eine besondere Überraschung. Diese Nacktschnecken haben auf ihrem Rücken spitze, v/eichstachelige Körperauswüchse von lebhafter Färbung. Die Auswüchse sind die Kiemen der Schnecke, mit denen sie atmet; gleichzeitig stellen sie ihre Schutzwaffe dar; denn sie enthalten Nesselkapseln, die ein brennendes Gift absondern, wenn etwa ein Fisch die Schnecke schnappt. Man nahm zunächst an, die Fadenschnecke erzeuge diese Nesselkapseln selbst, aber bei genauerer Untersuchung ergab sich etwas weitaus Interessanteres. Die Fadenschnecken ernähren sich von Blumentieren, deren Nesselkapseln ihnen gar nichts ausmachen. Die noch unreifen Nesselzellen werden im Darm der Fadenschnecken nicht verdaut und auch nicht als unverdaulich ausgeschieden; sie wandern vielmehr durch den Leib der Schnecke in deren Rückenorgane, reifen dort heran und werden mit ihren Giftschleudern zu willkommenen Bundesgenossen der Fadenschnecke, die sonst keine Schutzmittel gegen ihre zahlreichen Feinde besitzt. Übrigens gibt es auch im Süßwasser einen solchen Fall: Ein Strudel wurm wurde entdeckt, der ganz ähnlich mit den Nesselkapseln der Hydra gespickt ist wie die Nacktschnecken des Meeres.
Herkules und die Hydra Der Zaubergarten der Polypen und Blumentiere enthüllt, je tiefer man in ihn eindringt, immer neue lebenstechnische Wunder. Als die Naturkundler erstmals diese Lebensbereiche überschauten und die erstaunlichsten Dinge aufdeckten, mußten sie immer wieder die Genauigkeit ihrer Beobachtungen nachprüfen, da sie nicht sicher waren, ob sie sich nicht getäuscht hatten; so verwirrend, unglaublich offenbarte sich die Erfindungskraft der Natur. Und eines Tages gab selbst die Hydra, deren Leben man längst für enträtselt hielt, noch ein weiteres Geheimnis preis: die Fähigkeit, sich noch auf eine dritte Art zu vermehren. W e n n wir in diesem Zusammenhang in die griechische Götterund Sagenwelt hinuntersteigen, um den Götterliebling Herkules heraufzubeschwören, so ist der kleine Abstecher in die antike Mythologie wohlbegründet. Die alten Geschichten werden heute zwar- gern als alt und altmodisch abgetan, aber in ihnen steckt oft manch tiefe Weisheit, die man treffender und wirksamer als 23
die antike Sage gar nicht vortragen kann; zudem spiegelt sich in diesen Geschichten der Alten vielfach sehr anschaulich das Leben längst vergangener Zeiten. Herkules war der Sohn von Alkmene, einem irdischen Weibe, und Zeus, dem obersten der Götter. Er war somit ein Mensch von der Mutter her und wurzelte in der Erde. Zugleich aber durchflutete ihn der Hauch des Göttlichen, und das trieb ihn den Göttern zu, von denen er ausgegangen; aber die Götter machten selbst ihrem Liebling den Aufstieg zum Olymp nicht leicht und stellten ihm die härtesten Aufgaben, damit er beweisen könne, ob er würdig sei, im hohen Rate der Himmlischen zu sitzen. Die Erlegung der Hydra von Lerna, einer fürchterlichen Sehlange mit neun Häuptern, war unter den Aufgaben die schwerste. Herkules wagte den Kampf, und sein Schwert traf gut;
Ein Seestern regeneriert die abgebissenen Arme
aber für jedes abgeschlagene Haupt wuchsen der Hydra zwei neue nach. Erst als er dem Untier die Halsstümpfe mit Fackeln ausbrannte, konnte Herkules das Nachwachsen verhindern und schließlich das Untier erlegen. Das Ungeheuer von Lerna h a t dem Süßwasserpolypen den zoologischen Namen gegeben; denn wie die Herkules-Hydra, kann auch der Hydra-Polyp abgetrennte Teile des Körpers vielzählig n i e d e r erneuern. Diese wunderbare Fähigkeit bezeichnen die Gelehrten als Regeneration, d. h. Wiedererzeugung. Die Hydra kann ihren Körper fast an jeder beliebigen Stelle durchschnüren und läßt schon nach kurzer Zeit die fehlenden Körperglieder neu erstehen. Ist das hintere Leibesende abgetrennt, 24
so bildet sie ein neues Fußstück, ist das vordere weggeschnitten, so formt sie einen neuen Fangarmkranz. Auch bei künstlichen Teilungen wird die Regenerationskraft wirksam, die bei der Hydra geradezu erstaunlich ist. Noch winzig kleine Leibesteile von Vemm Durchmesser, d . h . Stücke, die etwa den zweihundertsten Teil des erwachsenen Tieres ausmachen, vermögen sich wieder zu vollkommenen Tieren zu ergänzen. Wir wissen bereits, daß auch in dem einfach gebauten Organismus der Hydra die Zellen schon in verschiedener Weise spezialisiert sind: In der äußeren Schicht ihres Leibes befinden sich Sinnesund Schutzzellen, in der inneren Freß- und Ernährungszellen. Es gibt im Körper der Hydra und anderer Tiere mit gut ausgebildetem Regenerationsvermögen aber auch Zellen, die sich bei der Entwicklung des Tieres aus dem Ei nicht spezialisiert haben, sondern im ursprünglichen Zustand verblieben sind. Diese undifferenzierten Zellen entwickeln offenbar die Fähigkeit, sich zu allen möglichen Spezialzellen auszubilden — so wie man etwa aus einem Stück Holz eine Puppe, einen Löffel, ein Schiffchen oder sonst etwas schnitzen kann. So sind sie vermutlich die Träger der Regeneration. Wunderbar und geheimnisvoll ist nur, wie diese Zellen, die durch die Körpergewebe an die Wundstelle wandern und dort den verlorengegangenen Körperteil, manchmal auch ein fast ganz neues Wesen aufbauen, „wissen" können, in welcher Zellenform sie den Rau der Ergänzungsstücke betreiben müssen. s Das Bemühen, hinler diese rätselhafte Lebenskraft der Regeneration zu kommen, hat zu mancherlei Tierversuchen geführt. Jeder Naturfreund weiß, daß sich aus den Körnchen der gallertartigen Frosch- und Molcheier im Laufe von Tagen und Wochen Larven, Kaulquappen, entwickeln. Die beiden Kaulquappenarten unterscheiden sich vor allem darin, daß die Molchlarve für einige Zeit am Kopfe zwei fadenförmige Fortsätze, sogenannte Haftfäden, zeigt, während die Froschlarve an der gleichen Stelle Haftnäpfe hat; Molchlarven haben außerdem echte Zähne im Kiefer, die Froschlarve dagegen Hornzähne am Mundrand. Der deutsche Tierforscher Spemann und seine Schüler führten an den Frosch- oder Molchkeimen Operationen durch, indem sie an ihnen mit feinsten Glasinstrumenten kleine Zellgewebsstückchen entfernten, um sie an anderen Stellen des Leibes wieder einzupflanzen. Die Gewebsverpflanzungen wurden in einem frühen Entwicklungsstadium vorgenommen, und zwar dann, wenn die Castrula sich auszubilden, d. h. wenn die Zeilhohlkugel sich zu 25
einem Sack einzustülpen begann. In diesem Zeitpunkt nämlich spezialisieren sich die Zellen und bilden sich zu den Ur-Organen um. Die Gewebsverpflanzungen wurden in mannigfaltiger Weise vorgenommen, und ihre Ergebnisse bieten aufschlußreiche Einblicke in den Ablauf der Lebensentwicklung. Sie im einzelnen zu schildern, würde zu weit führen; nur ein besonders interessanter Versuch, der vor allem zum Verständnis der Regenerationsvorgänge beiträgt, sei hier geschildert: Man pflanzte auf den Mundrand eines Molchkeimes die Bauchhaut eines Froschkeimes. Die Bauchhaut wuchs ein und bildete sich zu Mundorganen um. Das Zellgewebe der Mundrandgegend war also in der Lage, das Bauchhautgewebe, das ursprünglich etwas ganz anderes hatte werden sollen, zu „zwingen", sich zu Mundorganen zu formen. Das war schon überraschend genug — aber noch unbegreiflicher waren die weiteren Folgen der Überpflanzung: Da das Bauchhautgewebe von einem Frosch stammte, bildete es sich auf dem Molch nicht zu Haftfäden und Molchzähnen, sondern zu Haftnäpfen und Frosch-Hornzähnen aus. Das FroschZellgewebe verändert sich also unter dem Zwang des artfremden Molchgewebes in gewisser Weise um, seine Frosch-Herkunft war jedoch nicht auszulöschen. Dieses Beispiel beweist erneut, daß ein jedes Geschöpf sich offenbar „nach dem Gesetz, nach dem es angetreten" ist, entwickeln muß. Auch bei der Hydra vollziehen sich ähnliche wundersame Gesetzmäßigkeiten. Man beobachtete, wie ein Tier, das von oben nach unten gespalten war, so daß die Leibeshälften auseinanderklafften und nur mit einem kleinen Teile zusammenhingen, nach wenigen Stunden wieder zu einem Ganzen zu-' sammenwuchs. War die Wiedervereinigung der Teile aus irgendeinem Grunde nicht möglich, so schlössen sich zunächst die Schnittwunden, und dann ersetzten die beiden Hälften allmählich die fehlenden Leibesteile und Fangarme; wie bei dem HydraUngeheuer der Sage entwickelte sich schon nach kurzer Zeit ein Tier mit zwei Köpfen. Aus zwei Köpfen bildeten sich unter ähnlichen Bedingungen vier Köpfe. Es gab kleine Ungeheuer mit acht Köpfen und zwei Füßen oder mit drei Köpfen und sechs Füßen. Krempelte man einen Polypen wie einen Handschuhflnger um, so daß die Innenschicht der Leibeshöhle zur Außenschicht und, umgekehrt die Außenschicht zur Innenschicht wurde, und hinderte] man durch eine quergesteckte Borste die Tiere daran, sich wieder.) 26
Beispiel einer R e g e n e r a t i o n : Ein Strudelwurm (Mitte) ist an zwei Stellen durchschnitten. Links: Der Rumpf b i l d e t einen neuen Kopf- und Schwanzt e i l . Rechts o b e n : Der Kopfteil entwickelt einen Leib- und Schwanzteil. Rechts u n t e n : Der Schwanz e r g ä n z t Leib- und Kopfteil zu einem neuen Strudelwurm.
zurückzukrempeln, so konnten sie selbstverständlich in ihrem neuen Zustand nicht bestehen; den nach innen gekommenen Sinnes- und Schutzzellen war es nicht möglich, die Tätigkeit der Freß- und Verdauungszellen auszuüben. Da halfen sich die Polypen auf zweierlei Weise. Entweder sie spalteten sich auf und krempelten sich dann wieder zurück, oder aber sie ließen die Zellen der Außenschicht, die sich jetzt innen befanden, durch die Löcher wieder nach außen wandern, die durch die Borste verursacht waren; die gewanderten Zellen vereinigten sich dann zu einer neuen zusammenhängenden Außenschicht. Die Teile, die jetzt noch nicht an ihrem richtigen Platze saßen, wurden abgestoßen, andere fehlende erneuert, bis schließlich der Polyp seine alte Gestalt wieder hergestellt hatte.
Freundschaften Das Leben der Hydra und mancher ihrer Hohltier-Verwandten ist so verwickelt und wundersam, daß noch Generationen hier zu forschen haben, um es auszuschöpfen. Von einer Merkwürdigkeit aber sei noch berichtet, einer der fesselndsten und rätselhaftesten Erscheinungen im Dasein dieser Tiere. Unter den verschiedenen Hydra-Arten wurde schon die grüne Hydra erwähnt. Grüngefärbte Tiere sind an sich nichts Ungewöhnliches. Das Grün ist im allgemeinen für die so gefärbten Tiere auch nur von geringer Bedeutung und dient lediglich zum Schmuck und zur Tarnung. 27
Bei der grünen Hydra aber stellte man bei mikroskopischer Untersuchung fest, daß ihre grüne Farbe gar nicht ihre Körperfarbe ist, sondern durch winzige einzellige Algen, also durch Pflanzen, hervorgerufen wird, die sich in der inneren Zellsehicht der Hydra eingenistet haben. Man könnte annehmen, daß diese Algen von der Hydra als Nahrung aufgenommen worden sind. So ist es aber nicht; die Algen leben tatsächlich in den Zellen der Hydra, vermehren sich dort und werden \ on ihr auch keineswegs gestört oder als lästig empfunden; — mir wenn sie sich zu stark vermehren, verdaut die Hydra einige von ihnen. Die Algen — es sind Kugelalgen mit dem wissenschaftlichen Namen Zoochlorella, d. h. Tier-Grünling — haben sich ganz auf das Leben in Tierkörpern eingestellt, und auch die Wirtstiere richteten sich mehr oder weniger auf ihre Gäste ein. Die Alge findet im Körper ihrer Wirte einen gewissen Schutz, sie empfängt die von ihnen ausgeatmete Kohlensäure, die sie als Pflanze zum Leben braucht; auch die organischen Stoffe, die der Wirt bei der Verdauung übrig läßt, nützt sie genießerisch aus. Als Gegengabe liefert sie den Sauerstoff, den sie bei der Umwandlung der Kohlensäure freimacht. In anderen Fällen ist das gegenseitige Verhältnis noch enger. Die grüne Amöbe z. B. lebt, wenn ihr andere Nahrung nicht erreichbar ist, ganz von den Algen, die sich bei ihr eingemietet haben, und dem Sauerstoff, den sie bieten. Auch eine Strudelwurmart ist ganz auf den Sauerstoff der Alge angewiesen; die Alge wiederum kann ohne den Strudelwurm-Wirt nicht leben, da sie beim Eintritt in seinen Körper die Zellstoffhaut abgestreift hat, die ihre Zellen im Freien umgibt. Solch ein inniges Freundschaftsverhältnis, bei dem beide Partner geben und nehmen und manchmal einer ohne den anderen verloren wäre, nennt man Symbiose (griechisch: symbios = Miteinanderleben). Symbiosen gibt es zwischen Pflanzen, zwischen Pflanze und Tier und zwischen Tieren verschiedener Art. Eine der am schönsten ausgebildeten Symbiosen hat man auf dem Meeresgrunde erkundet, und zwar zwischen Seerosenquallen und Einsiedlerkrebsen. Die Einsiedlerkrebse sind kleine, wenige Zentimeter lange Meereskrebse, deren Hinterleib nicht wie der übrige Körper einen festen Panzer trägt, sondern weichhäutig ist. Der weiche 28
Hinterleib bietet eine leichte Angriffsfläche für allerlei auf Krebsfleisch lüsterne Räuber, und so ist der Krebs bestrebt, sich auch für seine ungeschützte Körperpartie einen künstlichen Panzer zu verschaffen. Er sucht sich also ein leeres Schneckenhaus, in das er gut hineinpaßt, so daß bei Gefahr nur noch die kräftigen Scheren zur Haustür hinausschauen. In diesem Haus lebt der Kr&bs dauernd; er schleppt es mit sich, wenn er auf dem Meeresgrund herumwandert. Auf den Gehäusen siedeln sich mancherlei andere Lebewesen an, z. B. kleine Polypenkolonnen oder Seepocken, die sonst auf Steinen, Muscheln, Walen oder an den Schiffswänden ein festsitzendes Leben führen. Diese Untermieter des Einsiedlerkrebses nutzen ihren Wirt gründlich aus; er spült ihnen Nahrung zu, wenn er beim Herumlaufen den Schlamm aufwirbelt oder wenn er seine Beute zerkleinert; der Krebs selbst hat von seinen Gästen keinen Gewinn. Dieses Zusammenleben ist also noch nicht das, was man unter Symbiose versteht. Anders aber ist das Verhältnis zwischen dem gleichen Krebs und der Seerose, die sich auf seinem Schneckenhäuschen seßhaft gemacht hat. Zwischen den beiden Tieren gibt es eine ganz ausgeprägte Freundschaft; bei dem Einsiedlerkrebs Eupagurus prideauxi und der Seerose Adamsia palliata ist sie sogar so eng, daß keiner der beiden, außer in der Jugendzeit, jemals ohne den anderen lebt. Im Aquarium siecht die Seerose trotz reichlicher Ernährung dahin, wenn ihr der Krebs fehlt. Zwei Krebse kämpfen oft bis zum Tode miteinander um den Besitz einer Seerose. Begegnet ein noch lediger Eupagurus auf seiner W a n d e r u n g einer Adamsia, die auf einem Stein oder leeren Schneckenhaus hockt, so tritt er auf sie zu und packt sie mit seinen Scheren an. Bei einer solch derben Berührung würde die Adamsia sonst sofort die Nesselbatterien ihrer Fangarme und ihrer Leibessäule in Tätigkeit setzen. Aber in diesem Falle bleibt sie ganz ruhig, löst sich von ihrem Sitzplatz ab und läßt sich von ihrem Freund ohne Widerstreben auf dessen Haus überpflanzen; hier hält er ihren Leib so lange umfaßt, bis sie sich niedergelassen und festgesetzt hat. Die Adamsia, die bisher nur unscheinbar war, zieht die runde Säule ihres Leibes rechts und links auseinander und wächst wie ein Leibgürtel rund um den Krebs herum. Schließlich haftet sie nur noch mit einem kleinen Teil ihres Fußes auf dem Schneckenhaus, während die Hauptmasse ihres Leibes den hinteren Teil des 29
Krebses in einen lebenden Schutzmantel hüllt. Ihre Fangarme hält sie dicht unter die Kiefer des Krebses, und wenn er seine Beute verzehrt, bekommt die Freundin auch gleich ihr Teil ab. Nicht weniger seltsam ist eine Symbiose, die sich in den tropischen Meeren zwischen einer Seerose und einem kleinen Fisch entwickelt hat, dessen Lebensbereich zwischen den Blumentieren der unterseeischen Gärten liegt. Droht ihm von irgendeiner Seite Gefahr, so schlüpft er unangefochten durch den Vorhang der Nesselfäden in den Leib der nächsten Seerose hinein; und merkwürdig: Die sonst so mißtrauische Seerose läßt das Fischchen ruhig gewähren und hütet sich auch, solange es bei ihr weilt, den Verdauungsapparat in Tätigkeit zu setzen. Die Symbiose ist eine der wunderbarsten Erscheinungen im Reich des Lebendigen. D a ß die Geschöpfe einander fressen, daß die schwergepanzerten und schwerbewaffneten sich respektvoll aus dem Wege gehen, ist ein alltäglicher Vorgang; aber daß sich zwei ganz verschiedene Wesen, die sich ohne weiteres allein durchs Leben schlagen könnten, zusammentun, daß sie einander helfen, sich aufeinander einstellen und schließlich eines ohne den anderen nicht mehr glücklich ist, das ist uns unbegreiflich. Was führt den Eupagurus-Krebs und die Adamsia-Seerose zu ihrer Freundschaft? Ist es ein angeborenes „Wissen", ist es Zwang, Trieb, Instinkt, wenn die Seerose auf ihren Krebsfreund wartet oder wenn der Krebs sich aufmacht, eine Seerosen-Freundin zu suchen und um sie zu kämpfen? Neueste eingehende Beobachtungen seltsamer Lebenserscheinungen und Vorgänge scheinen einiges Licht in den geheimnisvollen Mechanismus des Zueinanderstrebens der beiden Lebewesen einer Symbiose zu bringen. Es ist festgestellt, daß z. B. die Bewegung der Samenzelle auf die Eizelle hin, der Zusammenschluß von einzelnen Urtieren zu einer Kolonie, der Wandertrieb der Zugvögel und selbst Gefühlszustände des Menschen vom Vorhandensein gewisser sehr komplizierter chemischer Substanzen abhängig sind. Ähnliche Substanzen können vielleicht auch das Freundschaftsstreben von Einsiedler und Seerose auslösen; doch damit wäre erst erklärt, w i e solche Vorgänge zustande kommen, nicht aber, wozu. Aber ist eine solche Frage in dieser Form überhaupt zu beantworten? Ist sie nicht vielmehr ein Teil jener weitergreifenden, von der Wissenschaft nie zu beantwortenden Frage nach dem Wozu der Welt überhaupt? Eine unbegreifliche Schöpfer-
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macht hat die Welt erschaffen, die riesenhaften Sonnen, das Schleimklümpchen der Amöbe, uns Menschen. Unter allen ist nur dem Menschen das Bestreben eingepflanzt, den Geheimnissen der Schöpfung nachzuspüren. Wie einstmals Herkules mit den Ungeheuern, so kämpfen wir mit dem Rätselhaften, das uns umgibt. Herkules konnte nach übermenschlichem Ringen die Vielköpfige bezwingen; wir gewöhnlichen Sterblichen aber kämpfen vergebens mit der Hydra: F ü r jedes Geheimnis, das wir enthüllen, wachsen zwei neue empor. Doch unverdrossen dringen wir immer wieder in das Unbekannte vor; denn so ist es uns aufgetragen von Anbeginn.
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