Christoph Janello Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt
GABLER RESEARCH Markt- und Unternehmensentwicklung / Mar...
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Christoph Janello Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt
GABLER RESEARCH Markt- und Unternehmensentwicklung / Markets and Organisations Herausgegeben von Professor Dr. Dres. h. c. Arnold Picot Professor Dr. Professor h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald Professor Dr. Egon Franck Professorin Dr. Kathrin Möslein
Der Wandel von Institutionen, Technologie und Wettbewerb prägt in vielfältiger Weise Entwicklungen im Spannungsfeld von Markt und Unternehmung. Die Schriftenreihe greift diese Fragen auf und stellt neue Erkenntnisse aus Theorie und Praxis sowie anwendungsorientierte Konzepte und Modelle zur Diskussion.
Christoph Janello
Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dres. h. c. Arnold Picot
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität München, 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag st eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2283-0
Geleitwort Medienmärkte sind in besonderer Weise von der Digitalisierung betroffen. Ein sehr traditionsreicher Teil der Medienmärkte sind Buchmärkte. Seit der Erfindung des BuchdruckshabensiesichschrittweiseentwickeltundsindzueinemfestenBestand teildeskulturellenundwirtschaftlichenLebensgeworden.DiedigitaleRevolutionder letzten Jahre hat auch diesen Markt zumindest teilweise erfasst und stark ver unsichert – zum einen in der Weise, dass der Handel mit Büchern, auch mit ge druckten Büchern, immer häufiger online abgewickelt wird; diese Änderung betrifft vor allen Dingen die Struktur des Buchhandels; zum anderen werden Bücher selbst digitalisiert und elektronisch verfügbar gemacht, sei es über klassische Zugangs systeme wie Personal Computer und Notebooks, z. T. auch über mobile Endgeräte wie Smartphones, sei es über spezifische Lesegeräte für elektronische Bücher. Insofernkönntemanmeinen,dassderBuchmarktvoreinerUmwälzungsteht,denn selbst wenn nur ein relativ geringer Anteil des Buchhandels digital verläuft und zu sätzlich auch nur ein relativ geringer Teil des Buchmarktes von gedruckten auf elektronischeVersionenüberwechselt,würdedieserheblicheStrukturveränderungen zurFolgehaben.Daheristessinnvoll,sichmitdenVeränderungendesBuchmarktes vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu befassen und zu fragen, welche Perspektiven sich für Verleger, Handel und andere einschlägige Dienstleister unter dem Einfluss der Digitalisierung stellen. Dies ist der Ansatzpunkt der vorliegenden Dissertation. Sie möchte die Veränderungen der Wertschöpfung im Buchmarkt er fassen,dieAkteure,dieGewinnerund/oderVerliererseinkönnen,identifizierenund diePotenzialefürneueGeschäftsmodelleerkennen. Hierzu legt der Verfasser zunächst die theoretischen Grundlagen, indem er in kompakter Form sowohl die grundlegenden Ansätze zur Beschreibung von Wert schöpfungsprozessen, Intermediäre in der Medienbranche, das Konzept eines Ge schäftsmodells sowie medienökonomische Gesetzmäßigkeiten und die Delphi methodik,mitderereinenTeilseinerempirischenErforschungenuntermauert,dar legt.EsfolgteinegelungeneAnalysedesBuchmarkteswieersichjetztdarstellt,die neben einer fundierten Begriffsabgrenzung auch eine Analyse der Marktstrukturen und der regulativen Rahmenbedingungen umfasst. Gestützt auf eine überzeugend durchgeführte DelphiStudie werden anschließend verschiedene differenzierte Er
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Geleitwort
kenntnissezumEinflussderDigitalisierungaufdietraditionelleBranchenstrukturge zeigt und neuartige Geschäftsmodelle skizziert, die sich grob in Herstellung, Handel und Dienstleistung differenzieren lassen und deren praktische Relevanz durch konkrete Beispiele untermauert wird. Sowohl die systematisch theoretischen Über legungenwieauchdieempirischenErgebnisseführenschließlichzuderFormulierung von22Thesen,diedieGegenwartundvorallenDingendieZukunftdesBuchmarktes unterdemEinflussderDigitalisierungaufBasisdergewonnenenErkenntnissekenn zeichnen. Alleine diese Thesen sind von großem Wert für die medienökonomische sowiediemedienpolitischeunddiepraktischeDiskussionaufdiesemGebiet. Es ist zu erwarten, dass diese Arbeit, die sich gleichermaßen an Wissenschaft und Praxiswendet,dasWissenunddieDiskussionumdieZukunftdesBuchmarktes,die sichderzeitjavehemententfaltet,bereichernundqualitativverbessernwird. ArnoldPicot
Vorwort Dass die Digitalisierung eines Tages auch die Buchbranche vor ernste, teilweise existenzielle Herausforderungen stellen würde, war im Jahr 2006, als ich die ersten Schritte zu dieser Dissertation unternahm, noch schwer vorstellbar. Zu stark schien derBuchbegriffandergedrucktenundgebundenenHerstellungsweisezuhängen. Doch gerade die scheinbare DigitalisierungsImmunität, verbunden mit der großen wirtschaftlichenBedeutungdesBuchmarktes,fasziniertemichandiesemForschungs feld. Es galt zu untersuchen, inwieweit die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Analysen der Mediendigitalisierung auf den komplexen, differenzierten Buchmarkt übertragen werden können. Die Heterogenität des Buchmarktes wird dabei häufig unterschätzt, dementsprechend stellte sie eine große Herausforderung bei meinen Untersuchungen dar. Zudem musste die Frage beantwortet werden, was ein Buch eigentlichist–wennnichteingebundenerStapelvonPapierseiten. DasinterdisziplinäreForschungsprojektIntermediawareinidealerInkubatorfürdie Frühphase meiner Dissertation. Die damit verbundene Auseinandersetzung mit den VeränderungenderWertschöpfungsstrukturenderMedienbrancheaustheoretischer und praktischer Perspektive erwies sich als ein stabiles Fundament für mein Dis sertationsprojekt. Aus Intermedia ergab sich auch die Delphistudie mit vielen auf schlussreichenExperteneinschätzungenalsempirischesFundamentderArbeit. AuchnachdemEndevonIntermediagabmirdiefortdauerndeTätigkeitalsAssistent amInstitutvonProfessorDr.Dres.h.c.ArnoldPicoteineanregendewissenschaftliche Atmosphäre und den nötigen Freiraum zur Weiterentwicklung und Fertigstellung meiner Dissertation. Hierfür und für die stets aufgeschlossene, konstruktive und oftmals implizit wegweisende Betreuung gebührt meinem Doktorvater Professor ArnoldPicotmeinaufrichtigerDank. BedankenmöchteichmichauchbeiProfessorDr.ThomasHessfürdiewohlwollende Begleitung meines Projekts und für die Übernahme des Korreferats. Für wertvolle Unterstützung insbesondere in der Anfangsphase bedanke ich mich bei meinen IntermediaKollegen Matthias Kempf und Martin Schmid. Wertvolle Hinweise und Anregungen erhielt ich auch von Sophie Ahrens, Jakob Assmann, Marco van Baal,
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Vorwort
Oliver Baumann, Julia Gallenkamp, Nico Grove, Johann Kranz, Rahild Neuburger, KathrinSattlerundvielenanderen–hierfürherzlichenDank. Neben der fachlichen Perspektive ist für die Erstellung einer Dissertation auch die persönliche Unterstützung unabdingbar. Hierfür bedanke ich michinsbesondere bei meiner langjährigen Freundin Christine Buchner, meinen Eltern und bei meinem BruderPhilipp. BetrachtetmandiejüngstenMeldungenundProduktvorstellungen,soscheinenfast ausschließlichmoderne,spezifischewiemultifunktionelleLesegerätefürEBooksdie DigitalisierungdesBuchmarktesvoranzutreiben.Dassdieseeinewichtige,abereben nureineKomponenteuntervielenTransformationsprozessenderDigitalisierungdar stellen, zeigt meine nachstehende Arbeit. Ich bin mir sicher, durch die strukturierte AufarbeitungdeskomplexenThemaswertvolleErkenntnissefürdieBetrachtungaus wissenschaftlicher wie praktischer Perspektive liefern zu können und wünsche den LeserneineangenehmeundaufschlussreicheLektüre. ChristophJanello
Inhaltsverzeichnis Geleitwort..............................................................................................................V Vorwort................................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis..................................................................................................IX Abkürzungsverzeichnis.........................................................................................XIII Abbildungsverzeichnis...........................................................................................XV Tabellenverzeichnis.............................................................................................XVII 1 Einleitung............................................................................................................1 1.1 ForschungsbedarfundZielsetzung.....................................................................2 1.2 ForschungsdesignundAufbauderArbeit..........................................................5 2 TheoretischeGrundlagen....................................................................................9 2.1 AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen................................9 2.1.1 DasKonzeptderWertschöpfung.................................................................9 2.1.2 WertschöpfungaufderMikroebene.........................................................12 2.1.3 WertschöpfungaufderMesoebene..........................................................14 2.1.4 DynamikinWertschöpfungssystemen......................................................20 2.2 IntermediäreinderMedienbranche................................................................21 2.2.1 Intermediation...........................................................................................22 2.2.2 DisintermediationundReintermediation..................................................25 2.2.3 IntermediationundDisintermediationinMedienmärkten.......................28 2.3 DasKonzept„Geschäftsmodell“.......................................................................30 2.3.1 Definitionen...............................................................................................30 2.3.2 Dimensionen..............................................................................................32 2.4 MedienökonomischeGesetzmäßigkeiten........................................................35 2.4.1 BesonderheitenvonInformationsgütern..................................................35 2.4.2 KostenundErlösstruktur..........................................................................36
X
Inhaltsverzeichnis 2.4.3 ÖkonomischeNetzwerktheorie.................................................................37 2.5 DieDelphimethodik.........................................................................................40 2.5.1 Studienablauf.............................................................................................41 2.5.2 KlassifikationvonDelphistudien................................................................44 2.5.3 WissenschaftlicheFundierung...................................................................47 2.5.4 VorteileundNachteilederinternetgestütztenUmsetzung.......................49 2.6 ZwischenfazitI..................................................................................................52
3 DerBuchmarkt..................................................................................................53 3.1 Begriffsabgrenzungen......................................................................................53 3.1.1 BuchundEBook........................................................................................53 3.1.2 Buchhandel................................................................................................56 3.2 TraditionelleWertschöpfungsstruktur.............................................................57 3.3 SegmentedasBuchmarktes.............................................................................60 3.4 WirtschaftlicheKennzahlen.............................................................................61 3.4.1 Verlage.......................................................................................................61 3.4.2 Buchhandel................................................................................................63 3.5 WertschöpfungundErlösquellen.....................................................................65 3.6 RegulatorischeEingriffe...................................................................................66 3.7 ZwischenfazitII.................................................................................................69 4 VeränderungendurchDigitalisierung................................................................70 4.1 DigitalisierungderHerstellung.........................................................................70 4.2 DigitalisierungdesProduktes...........................................................................77 4.3 DigitalisierungdesVertriebs............................................................................83 4.4 DigitalisierungderNutzung..............................................................................89 4.5 DifferenzierungnachBranchensegmenten......................................................91 4.6 NutzungsverhaltenundMedienkonkurrenz....................................................93 4.7 ZwischenfazitIII................................................................................................94 5 KonsequenzenfürdieWertschöpfungimBuchmarkt........................................97 5.1 DasneueWertschöpfungssystem....................................................................97
Inhaltsverzeichnis
XI
5.2 VeränderungenindenErlösstrukturen..........................................................102 5.3 NeueundweiterentwickelteGeschäftsmodelle............................................104 5.3.1 GeschäftsmodelleinderHerstellung.......................................................109 5.3.2 GeschäftsmodelleimHandel...................................................................118 5.3.3 DienstleistungsbasierteGeschäftsmodelle..............................................128 5.3.4 GeschäftsmodelleimVergleich...............................................................131 5.4 IllustrierungderGeschäftsmodelledurchFallstudien....................................135 5.4.1 DieFallstudienmethodik..........................................................................135 5.4.2 OnlinebasierterDirektvertriebvonFachinformationen:Beckonline......138 5.4.3 IndividualisierteInhaltebündelung:Tripwolf...........................................139 5.4.4 EBookVertriebdurchden(Zwischen)Buchhandel:Libri.de..................142 5.4.5 MarktplatzfürEBooks:XinXii.................................................................143 5.4.6 EBooksfürBibliotheken:Ciando............................................................144 5.5 ZwischenfazitIV.............................................................................................146 6 Schlussbetrachtung:ThesenundPerspektiven.................................................148 6.1 DasBuchundseineNutzung..........................................................................148 6.2 DieWertschöpfungsstruktur..........................................................................152 6.3 Geschäftsmodelle...........................................................................................159 6.4 FazitundAusblick...........................................................................................165 Literaturverzeichnis.............................................................................................169 Anhang................................................................................................................195 Stichwortverzeichnis............................................................................................197
Abkürzungsverzeichnis ADEPT AdobeDigitalExperienceProtectionTechnology B2B
BusinesstoBusiness
B2C
BusinesstoConsumer
BoD
BookonDemand
DOI
DigitalObjectIdentifier
DRM
DigitalRightsManagement
DTD
DocumentTypeDefinition
EAN
EuropeanArticleNumber
FTP
FileTransferProtocol
IDR
IntermediationDisintermediationReintermediation
IDPF
InternationalDigitalPublishingForum
ISBN
InternationalStandardBookNumber
ISDN
IntegratedServicesDigitalNetwork
LCD
LiquidCrystalDisplay
OCF
OpeneBookPublicationStructureContainerFormat
OPF
OpenPackagingFormat
OPS
OpenPublicationStructure
PDF
PortableDocumentFormat
PoD
Printondemand
SGML StandardGeneralizedMarkupLanguage VCS
ValueCreatingSystem
XML
ExtensibleMarkupLanguage
XSLFO ExtensibleStylesheetLanguage–FormattingObjects
Abbildungsverzeichnis Abbildung1: IdentifizierterForschungsbedarf...........................................................3 Abbildung2: ForschungsdesignderArbeit.................................................................6 Abbildung3: AufbauderArbeitinschematischerDarstellung...................................8 Abbildung4: BetrachtungsebenenderWertschöpfung...........................................12 Abbildung5: DieWertschöpfungsketteeinesUnternehmensnachPorter(2000)...13 Abbildung6: DieWertschöpfungsketteeinerBrancheundihreDimensionen........15 Abbildung7: ShaperAdapterBeziehungeneinesBusinessWebs............................17 Abbildung8: DarstellungeinesWertschöpfungssystemsnachdemValueNet AnsatzvonParolini..............................................................................19 Abbildung9: ReduktionderTransaktionskostendurchdenBalighRichartzEffekt.23 Abbildung10: DerIDRZyklusnachChircu/Kauffman(1999).....................................27 Abbildung11: ZweiEbenenderWertschöpfungsarchitektur(schematische Darstellung).........................................................................................34 Abbildung12:VorgehenbeiderDurchführungeinerDelphistudie,inAnlehnung anSkulmoski/Hartman/Krahn(2007).................................................42 Abbildung13: ÄnderungstendenzderGruppenmeinungüberdie Befragungsrundenhinweg..................................................................48 Abbildung14: KlassischesWertschöpfungssystemderBuchbranche........................58 Abbildung15: UmsatzanteilederWarengruppenimBuchmarkt2008......................61 Abbildung16: UmsatzanteileimBucheinzelhandelnachVertriebswegenimJahr 2008....................................................................................................63 Abbildung17: WertschöpfungsaktivitätendertraditionellenBuchherstellung.........70 Abbildung18: MöglicheAusprägungenderDisintermediationimVertrieb elektronischerBücher.........................................................................83 Abbildung19: SchematischeDarstellungderFunktionsweisevonMikrokapseln mitelektronischerTinteimQuerschnitt.............................................90
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung20: EignungderverschiedenenBuchwarengruppenzurelektronischen Publikation..........................................................................................92 Abbildung21: WertschöpfungssystemdesdigitalisiertenBuchmarktes....................97 Abbildung23: GründefürdieRelevanzderOnlineVolltextsuche(Ergebnisder Delphistudie).......................................................................................99 Abbildung22: FürdieTransaktionsanbahnungambestengeeigneteAkteure (ErgebnisderDelphistudie).................................................................99 Abbildung24: InderDelphistudiefür2017prognostizierteVerteilungdesim BuchmarkterzieltenUmsatzesaufdieverschiedenen Vertriebswege...................................................................................100 Abbildung25: FürdenVertriebvonelektronischenBüchernambestengeeignete Akteure(ErgebnisderDelphistudie).................................................101 Abbildung26: InderDelphistudiefürdasJahr2017prognostizierte ZusammensetzungderErlösefürklassischeundelektronische Bücher...............................................................................................103 Abbildung27: ErstellungsprozesseinerFallstudie....................................................136
Tabellenverzeichnis Tabelle1:
DefinitionendesBegriffsIntermediationbzw.Intermediär................22
Tabelle2:
AufMedienundInformationsgüterzugeschnitteneDefinitionen derIntermediation..............................................................................28
Tabelle3:
DefinitionendesBegriffs„Geschäftsmodell“bzw.„Business Model“................................................................................................31
Tabelle4:
SystematikverschiedenerErlösformen...............................................33
Tabelle5:
KlassifikationvonDelphistudien..........................................................45
Tabelle6:
DefinitionendesBuchbegriffs.............................................................54
Tabelle7:
DefinitionendesBegriffesEBook.......................................................56
Tabelle8:
Die25umsatzstärkstenVerlageimdeutschsprachigenRaumim Jahr2008.............................................................................................62
Tabelle9:
Die25umsatzstärkstenBuchhandlungenimdeutschsprachigen RaumimJahr2008.............................................................................64
Tabelle10:
WichtigeDateiformatefürEBooksimVergleich................................77
Tabelle11:
FunktionsumfangvonBüchernundEBooksimVergleich..................82
Tabelle12:
GerätezurDarstellungvonEBooksimVergleich...............................89
Tabelle13:
BezugsrahmenfürdieBeschreibungvonGeschäftsmodellenim digitalisiertenBuchmarkt..................................................................105
Tabelle14:
AbgeleiteteGeschäftsmodelleundderenFundierungimÜberblick 109
Tabelle15:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„ZentralesPoD“....................110
Tabelle16:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„DezentralesPoD“................112
Tabelle17:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Individualisierte Buchprojekte“...................................................................................114
Tabelle18:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Offene Publikationsplattform“......................................................................115
Tabelle19:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„FollowtheFree“..................117
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle20:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„EBookVertriebüber geschlossenesSystem“......................................................................119
Tabelle21:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„EBookVertriebüber offenesSystem“................................................................................121
Tabelle22:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Verwertunggemeinfreier Werke“..............................................................................................123
Tabelle23:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„VermietungvonEBooks“...124
Tabelle24:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Transaktionsanbahnung“....126
Tabelle25:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Marktplatzbetrieb“..............127
Tabelle26:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Verlagsnahe Dienstleistungen“..............................................................................129
Tabelle27:
CharakteristikadesGeschäftsmodells„Formatkonvertierungund Bereithaltung“...................................................................................130
Tabelle28:
IdentifizierteGeschäftsmodelleimVergleich...................................132
1 Einleitung Die Digitalisierung hält die Medienbranche in Atem: Die Musikindustrie leidet seit JahrenunterstarkenUmsatzrückgängendurchdiedezentrale,legalewieauchillegale Verbreitung digitaler Musikprodukte, die erst langsam durch attraktive eigene An geboteabgefangenwird.ÄhnlichesgiltfürdieFilmundFernsehbranche,welcheim Angesicht internetbasierter Konkurrenz Alternativen zum klassischen, auf lineare AusstrahlungundWerbeerlösenbasierendenGeschäftsmodellsucht.AuchZeitungen und Zeitschriften kämpfen gegen die Abwanderung ihrer Leser zu Internetportalen und diensten, welche aus Sicht der Rezipienten qualitativ vergleichbare Inhalte kostenlosbereitstellen. Bis vor Kurzem erschien die seit Erfindung des Buchdrucks und der Etablierung der Buchhandelsstruktur im späten 18. Jahrhundert strukturell nahezu unveränderte BuchbrancheinweitenTeilenimmungegendieseEntwicklungenzusein–dieInhalte eines Buches waren mit seiner gedruckten und gebundenen Herstellungsform un trennbar verbunden. Zudem endeten kommerzielle Digitalisierungsansätze zu Ende desletztenJahrtausendsfürvieleUnternehmenimwirtschaftlichenFiasko.1 Doch nun erfasst die Digitalisierung auch den Buchmarkt. So weisen die Erlöse aus dem Verkauf elektronischer Bücher in den USA nach einer Statistik des Branchen verbandes IDPF ein annähernd exponentielles Wachstum auf, im Jahresvergleich habensichdieEinnahmenimerstenQuartaldesJahres2009mehralsverdoppelt.2 Ein ähnlicher Trend steht auch in Deutschland bevor, zumal das EBook Lesegerät „Kindle“vonAmazonnunauchinEuropaverfügbarist.3Entsprechendprognostiziert der Branchenverband Bitkom: „2 Millionen Deutsche wollen 2009 digitale Bücher kaufen.“4ImGegensatzhierzustagnierendieUmsätzemitgedrucktenBüchern.5 Diese Zahlen zeigen die Verlagerung des klassischen Buchhandelsgeschäfts hin zum „körperlosen Vertrieb“ der elektronischen Bücher über Datennetze, jedoch bewirkt 1
Vgl.Hawkins(2002),S.44;Heinold(2009),S.14ff;Warren(2009),S.83. Vgl.IDPF (2009). Diese Zahlen werden nur aus einer Stichprobe von 1215 Verlagen zu Groß handelspreisenerrechnet,weswegenderenabsoluteWertenichtaussagekräftigerscheinenund somitnichtwiedergegebenwerden. 3 Vgl.Amazon(2009a). 4 Bitkom(2009). 5 Vgl.Hendrickson(2009);BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008c),S.5. 2
2
1Einleitung
dieDigitalisierungdarüberhinauseineweitausumfassendereVeränderungderWert schöpfungimBuchmarkt. So scannt und indiziert Google seit dem Jahr 2004 systematisch die Bestände renommierter Bibliotheken und stellt diese, ergänzt durch von Verlagen bereit gestellte Buchinhalte, zur kostenlosen Volltextsuche im Internet zur Verfügung.6 Hieraus entsteht ein umfassendes Recherchemedium für Buchinhalte, welches der zeitzurVertriebsplattformausgebautwird.7SpezialisierteOnlineportaleunterstützen AutorenbeiderErstellung,ProduktionundDistributionihrerBuchprojekte,ohneBe teiligung eines klassischen Verlags. Auch aufseiten der Leser übernehmen literatur zentrierte Internetangebote wegweisende Selektions und Empfehlungsfunktionen, die traditionell durch andere, klassische Medien und den Buchhandel durchgeführt worden sind. Schließlich erreichen Lesegeräte mit einer dem Leseempfinden auf Papier ähnelnden Bildschirmtechnologie den Massenmarkt, wodurch auch die Rezeptionssituation als letzte Stufe der Wertschöpfung in ein digitalisiertes Umfeld verlagert wird, entsprechend der Einführung von handlichen MP3Playern auf dem GebietderMusikdistribution.8 Doch welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die tradierte Wert schöpfungsstruktur im Buchmarkt? Welche Akteure gewinnen, welche verlieren an Bedeutung?UndwelchePotenzialebergendieseEntwicklungenfürneueGeschäfts modelle? DieBeantwortungdieserFragenstehtimMittelpunktdervorliegendenArbeit. 1.1 ForschungsbedarfundZielsetzung DerintendiertewissenschaftlicheBeitragdieserDissertationliegtinderAnwendung bestehender Theorien und Methoden der Betriebswirtschaft auf den Buchmarkt als konkreten Gegenstandsbereich. Die Zielsetzung liegt darin, die durch Digitalisierung und den damit einhergehenden veränderten ökonomischen Gesetzmäßigkeiten an gestoßenen Transformationsprozesse zu prognostizieren und aus diesen Potenziale fürunternehmerischeTätigkeitabzuleiten.
6
Vgl.Google(2008). Vgl.Rich(2009). 8 Vgl.Olavarria(2009),S.15;Rapp(2009),S.23ff. 7
1.1ForschungsbedarfundZielsetzung
3
Dieserscheintangebracht,dasichderBuchmarktaufgrunddertraditionellenEinheit von Buch als Trägermedium und dem damit transportierten Inhalt im Gegensatz zu anderenMedienmärktenerstinderAnfangsphasederDigitalisierungunddendamit verbundenen Transformationsprozessen befindet. Neben der mit der Digitalisierung einhergehenden Trennung von Medium und Inhalt führen auch die einzigartige StrukturdesBuchmarktesunddasspezifischeRezeptionsverhaltenderLeserzuVer änderungen, die sich in Gestalt und Ausmaß von anderen Mediengattungen unter scheidenundsomiteinespezifischeBetrachtungrechtfertigen. Auf Basis der modifizierten Rahmenbedingungen steht den Marktteilnehmern eine Vielzahl an Handlungsoptionen offen, die einer systematischen Analyse zu unter ziehensind. DasindieserArbeitverfolgteForschungsvorhabenlässtsichdurchdieinAbbildung1 dargestellteVerbindungderbetriebswirtschaftlichenWertschöpfungsanalyse,diedie Organisation und Verteilung von wertschöpfenden Aktivitäten innerhalb von Unter nehmenwieauchfirmenübergreifenduntersucht,mitdenSpezifikaderInternetöko nomie und den Besonderheiten des Gegenstandsbereichs Buchmarkt charakteri sieren. Diesem Spannungsfeld ist bislang in der betriebswirtschaftlichen Forschung nur oberflächlich
Internetökonomie
Beachtung
geschenkt
worden. So beschreibt die bestehende Wert schöpfungs analyse
Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt
Literatur Buchmarkt
einerseits
die
derzeitige
Struktur und Geschäftsmodelle der Buchbranche9,
andere
Arbeiten
thematisieren die Potenziale medien neutraler Datenhaltung, insbesondere Abbildung1:IdentifizierterForschungsbedarf
auf der Grundlage von XML.10 Die Be
sonderheiten der Internetökonomie werden im Wesentlichen auf branchenüber greifendemNiveauherausgearbeitet11oderaufMedienmärkteangewendet,dievon
9
Vgl.etwaGläser(2008),S.208ff;Wirtz(2006),S.215ff;Brandtweiner(2000),S.17f. Vgl.hierzubspw.Benlianetal.(2005);Hartz(2004);Rothfuss/Ried(2003);Rawolle(2002). 11 Vgl.etwaPicot/Reichwald/Wigand(2008);Zerdicketal.(2003);Afuah/Tucci(2003);Scheer/Loos (2002);Zerdicketal.(2001);Shapiro/Varian(1999b). 10
4
1Einleitung
derDigitalisierungfrühersignifikantbetroffenwurden,wieetwadieMusikbranche12. Eine detaillierte Analyse des Buchmarktes mit seinen spezifischen Strukturen und Mediencharakteristikafehltjedochbislang. AuchdieBetrachtungenausderBuchundVerlagswissenschaftverbleibenaufeinem aus wirtschaftswissenschaftlicher Sichtweise oberflächlichen und praxisnahen Niveau, der Schwerpunkt liegt zumeist auf der Vorstellung von konkreten Datei formatenunddezidiertenEBookLesegeräten.13 DasbestehendeDefiziteinerintegrativenBetrachtungsollmitdervorliegendenDis sertation behoben werden. Dem identifizierten Forschungsbedarf entsprechend lautetdiezentraleForschungsfragedieserArbeit: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Wertschöpfung im Buch markt? Diese Fragestellung lässt sich durch drei weitere, spezifischere Forschungsfragen präzisieren: 1. Wie wandeln sich die Wertschöpfungsaktivitäten im Buchmarkt und welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Struktur des Wert schöpfungsnetzwerks? 2. WelcheGeschäftsmodelleentstehenodermüssenmodifiziertwerden? 3. BetreffendieVeränderungenalleBranchensegmenteimgleichenUmfang? DabeiadressiertdieersteFragedieWertschöpfungsorganisationaufMesoebene,die Zweite die Wertschöpfung im Unternehmen, also auf Mikroebene. Die dritte Frage trägtderHeterogenitätderBuchbrancheRechnung. Die Zielsetzung der vorliegenden Forschungsarbeit lässt sich zudem in ein Be schreibungsziel,einErklärungszielundeinGestaltungszieldifferenzieren:14
12
Vgl.bspw. Lam/Tan (2001); Zhu/MacQuarrie (2003); Emes (2004); Tuomola (2004); Mol/Wijnberg/Carroll(2005);Bockstedt/Kauffman/Riggins(2006). 13 Vgl.etwa Rapp (2009); RoeslerGraichen/Schild (2008);Titel(2007),S.197ff;Giebenhain/Mundt (2007);Heinold(2001a),S.310ff;Lang(2000),S.14ff. 14 Vgl.Eberhard (1999), S. 17. Eberhard bezeichnet das Beschreibungsziel als phänomenales, das Erklärungsziel als kausales und das Gestaltungsziel als aktionales Erkenntnisinteresse. Eine ähn licheSystematisierungfindetsichauchbeiChmielewicz(1994),S.9.
1.2ForschungsdesignundAufbauderArbeit
5
Das Beschreibungsziel liegt in der umfassenden Darstellung der direkten und in direkten Auswirkungen von Digitalisierung und Vernetzung auf den Buchmarkt. ZudemwirdalsAusgangspunktdietraditionelleBranchenstrukturaufgezeigt. Das Erklärungsziel dieser Arbeit liegt in der Aufdeckung der ökonomischen Mechanismen, welche die Veränderungen bewirken. Dies wird einerseits durch die Anwendung von einschlägigen Theorien und Zusammenhängen der Digitalisierung erreicht, zudem lassen sich aus der Analyse von Studien, Veröffentlichungen und Experteneinschätzungen sowie den betrachteten Fallstudien weitere Mechanismen extrahieren. Darüber hinaus verfolgt die vorliegende Arbeit die Zielsetzung, auf der Basis dieser Zusammenhänge Prognosen für die weitere Entwicklung der Wert schöpfungimBuchmarktzuerstellen. DasGestaltungszielenthälteinetheoretischeundeinepraktischeKomponente.Der theoretischeBeitragliegtdarin,ausderAnwendungbestehenderKonzepteaufeinen konkretenSachverhalteinenBeitragzuderenWeiterentwicklungzuleisten,wieetwa bei der konkreten Operationalisierung der Dimensionen eines Geschäftsmodells. Zudem wird eine Verbindung zwischen ökonomischer und buchwissenschaftlicher TheorieundLiteraturhergestellt.AuchlassensichdieimBuchmarktermitteltenZu sammenhänge auch auf andere Medienmärkte übertragen. Das praktische Ge staltungsziel besteht darin, Impulse für die Anpassung oder Entwicklung von Unter nehmensstrategien und Geschäftsmodellen zu geben, die der zu erwartenden ver ändertenWertschöpfungssituationRechnungtragen. 1.2 ForschungsdesignundAufbauderArbeit Um diese Zielsetzungen zu erreichen, wird ein vierstufiges Forschungsdesign ein gesetzt,dasinAbbildung2schematischdargestelltist. Im ersten Schritt erfolgt auf Grundlage von medien und internetökonomischen Theorien sowie Beschreibungskonzepten eine Bestandsaufnahme von Struktur und FunktionsweisedesBuchmarktesalsGrundlagefürdienachfolgendenAnalysen. Im Zentrum der zweiten Komponente steht die Herausarbeitung der zukünftigen Wertschöpfungsstruktur des Buchmarktes, welche das Resultat der stattfindenden Digitalisierungsvorgänge darstellt. Dies geschieht durch Anwendung etablierter TheoriensowieaufGrundlagederErgebnisseeinerDelphistudiealsPrimärforschung. Die Delphimethodik wurde gewählt, da die Zielsetzung des Forschungsvorhabens in
6
1Einleitung
derPrognoseeineskomplexen,schlechtstrukturiertenSachverhaltsbesteht,welcher durch quantitative Methoden aufgrund der bestehenden Unsicherheit nicht abzu bilden ist. Demgegenüber bündelt die Delphimethodik das Wissen und die Ein schätzungen einschlägiger Experten und Entscheidungsträger durch strukturierte Interaktion zwischen den Teilnehmern, woraus fundierte Prognosen erstellt werden können. TraditionelleWertschöpfungsstruktur MedienökonomischeZusammenhänge
Beschreibungskonzeptefür Wertschöpfungsprozesse
StrukturundFunktionsweisedesBuchmarktes
ZukünftigeWertschöpfungsstruktur Internetökonomie&Digitalisierungvon Informationsprodukten Intermediation,Disintermediation& Reintermediation
Thesen
These1
Delphistudie
These2 Geschäftsmodelle Operationalisierung der GeschäftsmodelldimensionenalsAnalyseraster
These3 ...
RollenimneuenWertschöpfungssystem
Fallstudien
Abbildung2:ForschungsdesignderArbeit
Im dritten Schritt wird die Analyseebene durch die Erarbeitung von idealtypischen Geschäftsmodellen auf die Perspektive eines (potenziellen) Marktteilnehmers ver schoben.HierzuwirdeinBezugsrahmeninderFormeinesmorphologischenKastens erarbeitet, welcher die systematische Beschreibung sowie den Vergleich der Ge schäftsmodelle erlaubt. Anhand von konkreten Fallstudien vielversprechend positionierterUnternehmenwerdendiesegenerischenGeschäftsmodelleillustriert. Im letzten Teil der Arbeit werden die erzielten Erkenntnisse in Thesenform auf bereitet und diskutiert, gefolgt von einer Reflexion des Vorgehens und einem Aus blick.
1.2ForschungsdesignundAufbauderArbeit
7
DermethodologischeAnsatzdervorliegendenArbeitistqualitativ,dasVorgehenent spricht der verfolgten prognostischen Zielsetzung und vereint Elemente des de duktiven und induktiven Erkenntniswegs:15 Zunächst werden deduktiv auf der Basis vontransaktionskostentheoretischerAnalysevonIntermediationsbeziehungensowie digitalisierungsbedingten Verschiebungen in Kosten und Erlösstrukturen Ver änderungen hergeleitet.Diese Erkenntnisse werden induktiv durch Ergebnisse einer Delphistudie sowie Fallstudien zu Geschäftsmodellen überprüft und ergänzt. Auf dieser breiten Wissensbasis kann schließlich eine Prognose bevorstehender Ver änderungenderimBuchmarkterbrachtenWertschöpfungerstelltwerden. ImEinklangmitdembeschriebenenForschungsdesigngliedertsichdieArbeitinsechs Kapitel,dieinAbbildung3wiedergegebensind. So werden nach der Einleitung in Kapitel zwei und drei die inhaltlichen Grundlagen gelegt, zum einen hinsichtlich der relevanten und argumentativ eingesetzten TheorienundzumandereninBezugaufdenBuchmarktalsAnalyseobjekt. In Kombination dieser Betrachtungsfelder werden in Kapitel drei theoriegeleitet digitalisierungsinduzierte Veränderungen im Buchmarkt aufgezeigt, gegliedert nach deren Wirkungen im Herstellungsprozess, auf das Produkt an sich, auf dessen Dis tribution sowie auf dessen Nutzung. Vertieft wird die Analyse durch die Differenzierung nach Branchensegmenten und durch die Diskussion der Bedeutung von Veränderungen im Mediennutzungsverhalten und der zunehmenden Medien konkurrenz.
15
Für Ausführungen zu den Charakteristika des deduktiven und induktiven Vorgehens vgl. etwa Eberhard(1999),S.29ff.
8
1Einleitung
Abbildung3: AufbauderArbeitinschematischerDarstellung
Kapitel fünf behandelt die Auswirkungen der dargestellten Veränderungen auf die Wertschöpfung im Buchmarkt. Hierzu wird zunächst ein Wertschöpfungssystem er arbeitet,welchesdiestrukturellenVeränderungenabzubildenvermag.ImAnschluss werden Veränderungen in den Erlösstrukturen hergeleitet, worauf in der Folge auf der Basis eines hierzu entwickelten Bezugsrahmens idealtypische Geschäftsmodelle insystematischerFormvorgestelltwerden.DiesewerdendurchkonkreteFallstudien illustriert. Das abschließende Kapitel sechs enthält 22 Thesen zur Weiterentwicklung des Buches, der Wertschöpfungsstruktur und zu Geschäftsmodellen im digitalisierten Buchmarkt, in welchen die erzielten Erkenntnisse verdichtet werden. Diese Thesen werdendiskutiertundinBezuggesetzt.ImAnschlusserfolgteinabschließendesFazit mitAusblick,KritikderForschungsmethodeundHinweisenaufweiterenForschungs bedarf.
2 TheoretischeGrundlagen In dieser Arbeit werden Veränderungen in den ökonomischen Wertschöpfungs strukturen der Buchbranche aufgezeigt. Es ist hierzu zunächst notwendig, theoretische Darstellungs und Analysekonzepte einzuführen, welche im späteren VerlaufzurAbleitungundDarstellungvonVeränderungendienen. 2.1 AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen DieErstellungundVerbreitungvonMedienproduktenisteineaufdieErzeugungvon Nutzen beim Rezipienten ausgerichtete Folge arbeitsteiliger Aktivitäten. Deren Ab folge und Komposition wird durch Innovationen und andere veränderte Rahmen bedingungen(bspw.zusammenwachsendeMärkteundIndustrien)zusehendsinfrage gestelltundneukonfiguriert,sowohlaufUnternehmenswieauchBranchenebene.16 Aus diesem Anlass sind die Betrachtung dieser Wertschöpfungsprozesse und deren Modifikationen von wachsender Bedeutung für betriebswirtschaftliche Frage stellungen. Einzelne Wertschöpfungsaktivitäten und deren Interaktion in Wert schöpfungssystemen stellen geeignete Analyseeinheiten dar und finden folglich in dieserArbeitVerwendung. AlsGrundlagewirdzunächstdastheoretischeKonzeptderWertschöpfungerläutert, woraufhin Ansätze zur Darstellung von Wertschöpfungsprozessen auf der Mikro ebene, also innerhalb von Unternehmen, vorgestellt werden. Darauf aufbauend werden Konzepte dargestellt, die Wertschöpfung auf der Mesoebene, also einer Industrie,abbilden.DabeiwirddieEntwicklungderKonzeptionenvonderAbbildung linearerhinzunetzwerkförmigenStrukturennachgezeichnet.ZudemwerdendieAn sätze hinsichtlich ihrer Eignung zur Umsetzung der in dieser Arbeit verfolgten Forschungsziele bewertet. Schließlich werden theoretische Ansätze diskutiert, die VeränderungeninWertschöpfungsstrukturenerklären. 2.1.1 DasKonzeptderWertschöpfung Der Begriff Wertschöpfung wurde zuerst in der volkswirtschaftlichen Gesamt rechnung verwendet, die zur Ermittlung des Nationaleinkommens einer Volkswirt
16
Vgl.Swoboda/Jager/Meierer(2008),S.532ff.
10
2TheoretischeGrundlagen
schaft eingesetzt wird.17 Wertschöpfung entspricht dem Nettoergebnis der Produktionstätigkeit und wird als „Differenz zwischen den Produktionswerten und den Vorleistungen der einzelnen Wirtschaftsbereiche bestimmt“18. Die über alle Sektoren summierten Wertschöpfungen ergeben das Bruttoinlandsprodukt einer Volkswirtschaft.19 DasbetriebswirtschaftlicheVerständnisdesBegriffesWertschöpfungentstammtder Wertschöpfungsrechnung,welchedasErgebnisdeswertschaffendenProzesseseines BetriebesalsWertgrößeinGeldeinheitenundsomitdieEigenleistungdesBetriebes und damit dessen Beitrag zum Volkseinkommen ermittelt.20 Diese entspricht der „SummederRoherträge,verringertumVorleistungen,diezugekauftwerden.“21Die WertschöpfungsrechnungistdemParadigmadesMarketBasedViewinderTradition Porterszuzuordnen22undstellteingrundlegendesErfolgsmaßwirtschaftlicherTätig keitdar.23 Neben dieser entstehungsorientierten Betrachtung der Wertschöpfung weist Gläser (2008) zudem auf die zusätzliche Perspektive der Verteilung der erbrachten Wert schöpfung auf die jeweiligen Anspruchsgruppen wie etwa Kapitalgeber, Mitarbeiter undStaatalsweitereAnwendungdesWertschöpfungskonzepteshin.24 In den oben genannten Begriffsdefinitionen wird lediglich auf den in Unternehmen bzw.WirtschaftsbereichenerzieltenNutzenzuwachsabgestellt.Dieserscheintjedoch, insbesondere vor dem Hintergrund der Einbeziehung der vormals passiven RezipientenindenWertschöpfungsprozessvonMedienunternehmen,alsnichtmehr zeitgemäß,daauchimKundennutzenstrategischeFragestellungendesManagements liegenundauchdiesezurWertschöpfungbeitragenkönnen. Entsprechend schlägt Jost (2005) vor, die insgesamt realisierte Wertschöpfung als „Differenz zwischen dem Konsumentennutzen aus dem Kauf des Produkts und den GesamtkostenfürseineBereitstellung“25zusehen. 17
Vgl.Töpfer(2005),S.492. Arentzen(1997),S.4356. 19 Vgl.Gläser(2008),S.393f. 20 Vgl.Weber(1993),S.4660;Arentzen(1997),S.4356. 21 Häberle(2008),S.1364. 22 Vgl.Swoboda/Jager/Meierer(2008);Porter(1980). 23 Vgl.Delfmann(2007),S.1965. 24 Vgl.Gläser(2008),S.394. 25 Jost(2005),S.191. 18
2.1AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen
11
Der daraus resultierende Bedarf einer differenzierteren Betrachtung des Konsu mentennutzens wurde von verschiedenen Autoren aufgegriffen. So setzt sich der Wert des Konsumentennutzens nach Parolini (1999) aus tangiblen und intangiblen Elementen,
Dienstleistungen
und
ökonomischen
Elementen
zusammen.26
Bowman/Ambrosini (2000) unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen dem usevalue,derdurchdievomKonsumentenwahrgenommeneNützlichkeitbestimmt wird,unddemexchangevalue,derbeimVerkaufdesGutesermitteltwird.27 Brack(2003)entwickelteinealternativeKlassifikationderElementedesindividuellen Bruttonutzens, die sich im Speziellen auf Mediengüter bezieht. Sie betont die Kontextspezifität und Individualität der Nachfragepräferenzen, die den aus einem Mediengut resultierenden Nutzen bestimmen. Der Bruttonutzen einesMediengutes setzt sich aus einem Funktional und einem Wirtschaftlichkeitsnutzen zusammen. ErstererbeziehtsichaufdieLeistungserfüllungundkannineinenPrimärundeinen Sekundärnutzen unterschieden werden. Der Primärnutzen entsteht im Falle der MediengüterausdemInhalt,denderKonsumentrezipierenwill.DerSekundärnutzen resultiert aus Funktionen des Mediengutes, die über die reine Informationsver mittlung hinausgehen und für den Kunden einen Zusatznutzen, etwa in seinem sozialen Umfeld, entstehen lassen. Der Bruttonutzen wird des Weiteren vom Wirtschaftlichkeitsnutzenbestimmt,welcherinsbesondereausdenphysischenEigen schaften des Trägermediums wie Lebensdauer, Wirtschaftlichkeit etc. und der funktionalenGestaltungdesGesamtproduktesresultiert.DerNettonutzenergibtsich fürBrack(2003)ausderDifferenzdessubjektivenBruttonutzensunddembezahlten Preis.28 Wertschöpfungstheoretische Untersuchungen können, wie in Abbildung 4 dar gestellt,aufdreiaufeinanderaufbauendenEbenenanalysiertvorgenommenwerden.
26
Vgl.Parolini(1999),S.119124. Vgl.Bowman/Ambrosini(2000),S.4. 28 Vgl.Brack(2003),S.80ff. 27
12
2TheoretischeGrundlagen
Makroebene: Globale/Nationale Wertschöpfung Mesoebene: Zwischenbetriebliche Wertschöpfung Mikroebene: Innerbetriebliche Wertschöpfung
29
Abbildung4:BetrachtungsebenenderWertschöpfung
Üblicherweise erfolgt die Diskussion von Wertschöpfung entweder auf makroöko nomischerEbeneimHinblickaufdenBeitragvonWirtschaftssektorenzumNational einkommen oder auf Mikroebene als Schaffung eines Nettonutzens durch inner betrieblicheWertschöpfung. Jedoch ist zusätzlich eine dazwischen liegende Mesoebene zu berücksichtigen, welche häufig mit den Begrifflichkeiten „Industrie“ oder „Branche“ umschrieben wird. Solche Ansätze zur Beschreibung und Analyse von Wertschöpfungssystemen sindfürdievorliegendeArbeitvonbesondererRelevanz,daaufdieserAnalyseebene AussagenüberVeränderungeninBranchenstrukturen,hierfürdieBuchbranche,ab geleitet werden können. Darüber hinaus ist bei der später vorgenommenen Be trachtung von Geschäftsmodellen die Mikroebene von Relevanz. Die Makroebene wirdaufgrundihrergeringenAussagekraftfürdenhierbetrachtetenUntersuchungs gegenstandnichtnähererläutert. 2.1.2 WertschöpfungaufderMikroebene Die von Michael Porter (1985) eingeführte, auf der Mikroebene angesiedelte Wert schöpfungskette30siehtdasUnternehmen„alseineAnsammlungvoneinanderunter scheidbarer, aber miteinander verbundener Produktionsfunktionen“.31 Insofern definiert Porter eine Wertschöpfungsaktivität als eine sich innerhalb des Unter 29
InAnlehnunganSchiele(2001),S.54undHofer(2000),S.134. Porter verwendet im Original den Begriff „value chain“, der in der deutschen Übersetzung mit „Wertkette“ wiedergegeben wird. Dieser ist inhaltsgleich mit der heute üblichen Bezeichnung „Wertschöpfungskette“, welcher aus Gründen der Begriffsklarheit in dieser Arbeit verwendet wird. 31 Porter(2000),S.69. 30
2.1AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen
13
nehmens befindende Produktionsfunktion, welche die Umwandlung von Inputs in Outputsbestimmt.
Abbildung5:DieWertschöpfungsketteeinesUnternehmensnachPorter(2000)32
Wie aus Abbildung 5 ersichtlich wird, unterteilt Porter (2000) die Wertschöpfungs aktivitäten eines Unternehmens in primäre Aktivitäten, welche unmittelbar mit der „physischen“ Leistungserstellung und verwertung befasst sind, und unterstützende Aktivitäten,diefürdieprimärenAktivitätenbenötigtwerden.Ersterewerdenunter gliedert in die sequenziell aufeinanderfolgenden Bereiche Eingangslogistik, Operationen,Ausgangslogistik,MarketingundVertriebsowieService.Diesewerden von den Aktivitäten Management der Humanressourcen, Technologieentwicklung undBeschaffungunterstützt,sowohlspezifischfürjedeprimäreAktivitätalsauchin Bezug auf die gesamte Kette. Die unterstützende Funktion der Unternehmensinfra strukturwirktaufdiekompletteWertschöpfungskette.DiegenerierteWertschöpfung kommtausSichtdesUnternehmensinderGewinnspannezumTragen.33 Das Wertschöpfungskettenkonzept nach Porter stellt eine stark vereinfachte Ab bildung der idealtypischen Wertschöpfung im Unternehmen dar, welche unter nehmensspezifisch anzupassen ist. Jedoch wird die industrieökonomische Herkunft deutlich das Schema ist insbesondere auf Unternehmen anwendbar, die auf Basis einerlangfristigverbundenenTechnologiearbeiten,welcheeinesequenziellgeprägte Wertschöpfungslogikbedingt,wieetwainderChemieoderAutomobilbranche,und lässt sich nicht auf intangible Produkte und reziproke Prozesse, wie z.B. in den
32
Porter(2000),S.66;Töpfer(2005),S.494. Vgl.Porter(2000),S.68.
33
14
2TheoretischeGrundlagen
Medien und bei Dienstleistungen, übertragen, da sie nicht derselben linearen Logik unterliegen.34 UmdiedigitalisierungsundvernetzungsbedingtenVeränderungenundPotenzialeim Geschäftsablauf abzubilden, ergänzten Rayport/Sviokla (1995) die physische Wert schöpfungskette um einen parallel verlaufenden virtuellen Wertschöpfungsprozess, der eine unterstützende Funktion für die physischen Wertschöpfungsstufen über nimmt und zudem eigenes Wertschöpfungspotenzial enthält. Allerdings bleibt auch hierdielineareStrukturerhalten.35 Für durch die klassische, lineare Wertschöpfungskette nicht darstellbare Wert schöpfungsprozesseschlagenStabell/Fjeldstad(1998)zweiweitereWertschöpfungs konfigurationen vor, den value shop und das value network36. Dabei besteht die Wertschöpfungslogik bei value shops in ggf. iterativen individuellen Lösungs prozessenvonKundenproblemenundimFalledesvaluenetworksinderVernetzung vonKundenaufderGrundlageeinerVermittlungstechnologie.37 2.1.3 WertschöpfungaufderMesoebene Erweitert man die Sicht über die Grenzen eines Unternehmens hinaus, so gelangt man zur Betrachtung von branchenweiten Wertschöpfungssystemen in der Meso ebene.ImFolgendenwerdenhierzudienendeAnsätzevorgestellt. SchondasobendargestellteKonzeptvonPortersahdieAnalysederEinbindungder unternehmensbezogenen Wertschöpfungskette in ein Wertschöpfungssystem, be stehendausvorundnachgelagertenWertschöpfungskettenderLieferantenundAb nehmer, vor, mit der strategischen Zielsetzung, durch die optimale Einpassung der eigenen Wertschöpfungskette Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dabei werden auch brancheninterne Konkurrenten auf der gleichen Wertschöpfungsstufe, sowie branchenfremde Wettbewerber, deren Wertschöpfungsaktivitäten Überschnei
34
Vgl.Stabell/Fjeldstad(1998),S.414ff;Afuah/Tucci(2003),S.121;Normann/Ramírez(1998),S.30; Wirtz(2006),S.53. 35 Vgl.Rayport/Sviokla(1995);Scheer/Loos(2002),S.30. 36 DerBegriff„valuenetwork“isthierandersbelegtalsdasüblicheVerständnisimSinnevon„Wert schöpfungsnetzwerk“, weswegen er auch als Netzwerkintermdiär bezeichnet wird. Vgl. Picot/Schmid/Kempf(2007),S.214. 37 Vgl.hierzuimDetailStabell/Fjeldstad(1998),S.414ff.
2.1AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen
15
dungen aufweisen oder Verbundeffekte entstehen lassen, berücksichtigt.38 Diese dreidimensionaleSichtweiseistinnachstehenderAbbildung6dargestellt.
Abbildung6:DieWertschöpfungsketteeinerBrancheundihreDimensionen39
Analog zu den auf die Mikroebene bezogenen Ausführungen lässt sich das Konzept derWertschöpfungskettennuraufBranchenmitsequenziellenProduktionsabläufen anwenden. Dies ist jedoch nicht immer gegeben, insbesondere bei dienstleistungs orientierten und informations und kommunikationsintensiven Tätigkeitenwie etwa inderMedienbranche,inwelchendiezudurchlaufendenWertschöpfungsaktivitäten von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen und auch reziprok durchlaufen werden können. Diesen Defiziten wird in den im Folgenden dargestellten Wertschöpfungssystemen Rechnunggetragen. Einen vergleichsweise alten Ansatz stellt die in Frankreich geprägte Filièreforschung dar: „Eine industrielle Filière besteht aus der Summe der Stufen des Produktions prozesses, der von Rohstoffen bis zur Befriedigung der Endkonsumentennachfrage reicht, gleichgültig ob sich diese Endnachfrage auf ein materielles Gut (…) oder auf 38
Vgl.Porter(2000),S.63ff. InAnlehnunganHagenhoff(2004),S.11;Picot/Schmid/Kempf(2007),S.217.
39
16
2TheoretischeGrundlagen
eine Dienstleistung bezieht“40. Dabei wird der komplette Produktionsprozess eines Produktesdargestellt,woraussichaufgrundverschiedenerZulieferbeziehungeneine netzwerkartige Struktur ergeben kann. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Überlegung ein, welchen Einfluss dominante Unternehmungen auf ihre Um gebungausüben.DesWeiterenwirdvoneinerWanderungderDominanzimVerlauf des Produktlebenszyklus von der Erzeugung hin zur Verteilung ausgegangen, wobei aucheineRückwanderungstattfindenkann.41 Auch Bitran/Bassetti/Romano (2003) stellen fest, dass die starre Struktur der Wert schöpfungsketten aktuelle Strukturen nicht mehr abzubilden vermag und sprechen voneinerEvolutionderWertschöpfungsketteninWertschöpfungsnetzwerke.Siede finiereneinWertschöpfungsnetzwerkwiefolgt: “Avaluenetwork[isdefined]asoneinwhichaclusterofactorscollaboratesto deliver thehighestvaluetotheendconsumerandwhereeachactorisresponsibleforthesuc cessorfailureofthenetwork.”42
DieAutorenbetonensomitinsbesonderedieKundenzentrierungdesNetzwerkesund diePotenzialedesInternetsfürdieKollaborationderbeteiligtenUnternehmen.43Zu beachtenistauch,dassindiesem,wieauchindenfolgendenAnsätzen,nichtmehr Wertschöpfungsaktivitäten, sondern Unternehmen mit deren Wertschöpfungs prozessenalseinzelneAnalyseeinheitbetrachtetwerden. Benger (2007) ergänzt in seiner Definition von Wertschöpfungsnetzwerken den Aspekt der fallweisen Konfiguration, welcher der Idee der grenzenlosen Unter nehmungnachPicot/Reichwald/Wigand(2008)entspricht:44 „Wertschöpfungsnetzwerke sind ihrer Struktur nach dezentrale polyzentrische Netz werke,diegekennzeichnetsinddurchkomplexreziprokeBeziehungenaufderGrundlage von Verknüpfungen zwischen autonomen, rechtlich selbstständigen Einheiten oder Akteuren. Sie bilden einen Pool von potentiellen Wertschöpfungspartnern, die fallweise zu Wertschöpfungsprozessen konfiguriert werden. Die Entstehung ist ökonomisch motiviert und auf die nachhaltige Erzielung von ökonomischem Mehrwert ausgerichtet. RückgratderKommunikationundInteraktionbildeteinverteiltesInformationssystem.“45
Besondere Ausprägungen dieser Wertschöpfungsnetzwerke werden als Business Websbezeichnet,dievonZerdicketal.(2001)wiefolgtdefiniertwerden: 40
Schiele(2001),S.57,ÜbersetzungnachStoffaes(1980),S.10. Vgl.Schiele(2001),S.58f. 42 Bitran/Bassetti/Romano(2003),S.1. 43 Vgl.Bitran/Bassetti/Romano(2003),S.1ff. 44 Vgl.Picot/Reichwald/Wigand(2008),S.342ff. 45 Benger(2007),S.96f. 41
2.1AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen
17
„Unter Business Webs werden Gruppen von Unternehmen verstanden, die unabhängig voneinanderwertschöpfendeTeilleistungenerstellenundsichgegenseitigergänzen.Der MarkterfolgdieserUnternehmenistaneinandergekoppelt,daderNachfragererstdurch das im gesamten Wertschöpfungsnetz entstandene Systemprodukt ganzheitliche Problemlösungen erhält, die sich gegenüber Konkurrenzprodukten durchsetzen müssen.“46
Das verbindende Element stellt in den meisten Fällen eine gemeinsam eingesetzte Technologie (Techonology Web), ein Kundensegment (Customer Web) oder ein Marktplatz(MarketWeb)dar.47WieinAbbildung7dargestellt,unterscheidetmanin Business Webs zwischen zwei Rollen, die beteiligte Unternehmen einnehmen können:Shaper,diedenKerneinesBusinessWebsdarstellenundeinodermehrere Kernsubsysteme sowie zentrale Standards und Schnittstellen kontrollieren, sowie Adapter,dieentsprechenddenVorgabendesShaperskomplementäreProdukteoder Dienstleistungen erstellen.48 Darüber hinaus können Adapter hinsichtlich ihrer Bindung an das Business Web unterschieden werden, dies ist in Abbildung 7 durch konzentrischeKreisedargestellt. Registrierte Adapter Adapter (äußererKreis)
Unabhängige Adapter
Adapter (innererKreis) Shaper
49
Abbildung7:ShaperAdapterBeziehungeneinesBusinessWebs
Mit dem Value Web Ansatz von Parolini (1999) existiert ein weiteres Konzept der Darstellung von Wertschöpfungssystemen, welches im Gegensatz zu den oben be schriebenen Modellen Wertschöpfungsaktivitäten von Unternehmensgrenzen 46
Zerdicketal.(2001),S.182. Vgl.Zerdicketal.(2001),S.182;HagelIII(1996),S.6ff.;Franz(2003),S.41ff. 48 Vgl.Franz(2003),S.39f;Picot/Schmid(2006),S.32f. 49 InAnlehnungFranz(2003),S.60. 47
18
2TheoretischeGrundlagen
abstrahiertdarstelltundsomitfürdieimRahmendieserArbeitvorgenommeneAna lyse der Veränderungen von Wertschöpfungskonfigurationen besser geeignet ist. Er wirdimFolgendennäherdargestellt. ParolinidefinierteinWertschöpfungssystemwiefolgt: „•avaluecreatingsystem(VCS)canbedefinedasasetofactivitiescreatingvalueforcus tomers; • theseactivitiesarecarriedoutusingsetsofhuman,tangibleandintangibleresources; • theyarelinkedbyflowsofmaterial,information,financialresourcesandinfluencerela tionships; • VCSsalsoincludeconsumptionactivities,insofarasthevaluethatfinalcustomersenjoyis alsoafunctionofthewaytheyuseandconsumethepotentialvaluereceived; • finalcustomersnotonlyreceiveandconsumethevaluecreated,butcanalsoparticipate invaluecreatingactivities; • activities may be governed by the market, a hierarchy or intermediate forms of co ordination(companynetworks); • various economic players may participate in a VCS (companies, families, public bodies, nonprofitorganizations)bytakingresponsibilityforoneormoreactivities; • aneconomicplayermayparticipateinmorethanoneVCS.”50
Parolini unterscheidet somit zwischen verschiedenen Ausprägungen von Wert schöpfungsaktivitäten (Realisierungs, Unterstützungs Transaktionsmanagement und Konsumaktivitäten) und verbindenden Strömen und bezieht explizit auch den KonsumentenindieDurchführungvonWertschöpfungsaktivitätenein. Dabei sind Realisierungsaktivitäten direkt an der Produktion oder Distribution des (physischen)ProduktesodereinerkonkretenDienstleistungbeteiligt.Unterstützungs aktivitätenverbesserndieEffektivitätundEffizienzvonanderenAktivitäten,ohnean derphysischenProduktioneinzelnerGüterbeteiligtzusein.SieumfassenimMedien kontext alle Prozessschritte bis zur Erstellung der ersten Kopie.51 Zudem existieren Transaktionsmanagementaktivitäten,welcheKaufundVerkaufsaktivitätenzwischen Unternehmen beschreiben, und Konsumaktivitäten der Endkunden. Aktivitätsver bindendeStrömewerdeninGüter,InformationsundEinflussströmesowiemonetäre Ströme unterschieden. Allgemeine Unterstützungsaktivitäten können auch ohne konkretenVerbindungsstromdargestelltwerden.52
50
Parolini(1999),S.62f. Vgl.Parolini(1999),S.162ff. 52 Vgl.Parolini(1999),S.80ff. 51
2.1AnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsprozessen
19
DerindenobendargestelltenAnsätzenüblicheBezugaufUnternehmenalskleinste Analyseeinheit wird durch eine detailliertere Analyse ersetzt, Unternehmen werden nun als Träger einer oder mehrerer Wertschöpfungsaktivitäten gesehen. Die nach stehendeAbbildung8enthältdievonParolinivorgeschlagenegrafischeDarstellungs form. Darstellungsweisevon Wertschöpfungssystemen
Legende Wertschöpfungsaktivitäten Realisierungsaktivität Unterstützungsaktivität S&P
Konsum
Unter nehmen A
Transaktionsmanagementaktivität Konsumaktivität
Ströme Güterstrom Informationsstrom
S&P
$
Geldstrom Einflussstrom
Konsum
Abbildung8:DarstellungeinesWertschöpfungssystemsnachdemValueNetAnsatzvonParolini53
Das Ziel des Ansatzes liegt in der Identifikation derjenigen Wertschöpfungs konfiguration,welchedieInnovationsfreudigkeitdesSystemssteigertundsomitdie Wertschöpfung maximiert.54 Diese Zusammensetzung wird nach Parolini in einem schrittweisen Vorgehen identifiziert.55 Zunächst werden hierzu die aus Kundensicht notwendigen Wertschöpfungsaktivitäten und ströme des Systems (subjektiv) be stimmt. Daraufhin wird die strukturelle Attraktivität jeder Aktivität ermittelt. Des Weiteren wird die Sichtbarkeit der Aktivität für den Konsumenten, ihre Portal funktion und das Potenzial zur Generierung von anwendungsrelevantem Wissen in dieBeurteilungmiteinbezogen.56DaraufaufbauendwirddiebisherigeKonfiguration des Wertschöpfungssystems, welche sich aus den bestehenden Grenzen der Unter nehmen und ihrenBeziehungen ergibt, mit alternativen Konfigurationen verglichen, umdiejenigeKonfigurationmitdemhöchstenInnovationspotenzialzuermitteln. 53
Vgl.Parolini(1999),S.101ff;Picot/Schmid/Kempf(2007),S.221. Vgl.Parolini(1999),S.213. 55 Vgl.Parolini(1999),S.181. 56 Vgl.Parolini(1999),S.171ff. 54
20
2TheoretischeGrundlagen
AufgrundderumfassendenDarstellungbisaufdieAktivitätsebene,derflexiblenLogik undderexplizitenEinbeziehungdesKundenerscheintdasValueNetKonzeptfürdie Abbildung von Veränderungen im komplexen Wertschöpfungssystem des Buch marktes vergleichsweise am besten geeignet, weswegen auf diese Methodik im weiterenVerlaufderArbeitzurückgegriffenwird. 2.1.4 DynamikinWertschöpfungssystemen EntsprechendderindervorliegendenDissertationverfolgtenIntentionderPrognose vonVeränderungensindauchdynamischeProzesseinWertschöpfungssystemen,die derartige Veränderungen bewirken, von Relevanz. Im Folgenden werden ent sprechendeAnsätzedargestellt. Mol/Wijnberg/Carroll (2005) erweitern zur Analyse der Dynamik den klassischen Wertschöpfungsbegriff um die Perspektive der Abschöpfung der erbrachten Wert schöpfung.57 Die zentrale Annahme besagt, dass die Attraktivität einer bestimmten Wertschöpfungsaktivität durch das Verhältnis aus abgeschöpfter und tatsächlich er zeugterWertschöpfungbestimmtwird.WirdineinerWertschöpfungsaktivität,etwa aufgrund hoher Verhandlungsmacht, mehr Wert abgeschöpft als erzeugt (d.h. das Verhältnisistgrößeralseins),bestehtfürangrenzendeUnternehmeneinAnreizzur vertikalen Integration und für externe Firmen ein Anreiz zum Markteintritt. Dieser Effektwirdalsvaluechainenvybezeichnet.58InKonsequenzkannes,inAbhängigkeit von den bestehenden Verhandlungsmachtverhältnissen, zu Veränderungen in der AbdeckungderWertschöpfungsaktivitätendurchUnternehmenkommen.59 Einen weiteren Ansatzpunkt zur Modellierung von Dynamik in Wertschöpfungs systemen schlagen Pagani/Fine (2008) vor. Sie generieren hierzu am Beispiel der Mobilfunkbranche aus Kausalketten Strukturgleichungsmodelle, auf deren Basis szenariogestütztVeränderungstendenzenableitetwerden.60DadieErkenntnisseauf allgemeinem Niveau bleiben, werden die Veränderungen nur verbal knapp be schrieben, die explizite Darstellung des neuen Wertschöpfungssystems unterbleibt jedoch. 57
In diesem Zusammenhang wird Wertschöpfung als Beitrag zum Nutzen des Endproduktes und Abschöpfung als Differenz zwischen Herstellungskosten und Erlös des (Zwischen)Produktes definiert.Vgl.Bowman/Ambrosini(2000),S.5ff. 58 Vgl.Mol/Wijnberg/Carroll(2005),S.252. 59 Vgl.Mol/Wijnberg/Carroll(2005),S.256. 60 Vgl.Pagani/Fine(2008),S.1103ff.
2.2IntermediäreinderMedienbranche
21
Eine theoretische Basis für Anpassungen der Wertschöpfungsstrukturen an neue Rahmenbedingungen stellen die der Neuen Institutionenökonomik zuzuordnenden Überlegungen von Douglass North zum institutionellen Wandel dar. So entstehen neue Institutionen dann, wenn Veränderungen in den Rahmenbedingungen (etwa Technologien, Kapitalverfügbarkeit, Spezialisierungsvorteile) dazu führen, dass sich hieraus erschließbare Gewinnmöglichkeiten für einen Unternehmer durch neue institutionelle Rahmenbedingungen besser ausschöpfen lassen als unter den be stehenden.61 Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangen auch Jacobides/Knudsen/Augier (2006), die Dynamik in Wertschöpfungsarchitekturen aus der Perspektive des Innovations managements betrachten. So haben innovierende Unternehmen die Möglichkeit, sonststabileIndustriestrukturenzuverändern,dasiedieRollenderihreInnovation umgebenden Marktteilnehmer sowie deren Verbindungen aktiv gestalten können. Dieses Vorgehen erlaubt es den Innovatoren auch, sich einen großen Anteil an den Innovationsrentenanzueignen.62 Somit lassen sich Weiterentwicklungen in Wertschöpfungssystemen als unter nehmerische Reaktionen auf insbesonderedurch Innovationen veränderteRahmen bedingungenverstehen.UminderLagezusein,dieseChancenzunutzen,müssendie Unternehmen über dynamische Kompetenzen63 verfügen, die „Fähigkeit einer Organisation[…],erfolgskritischeRessourcenclusternichtnuraufzubauenundzuver stetigen,sondernebenauchzurekonfigurieren,umsoderDynamikderUmweltge rechtzuwerden.“64 2.2 IntermediäreinderMedienbranche Für das Verständnis der Struktur von Wertschöpfungssystemen sowie deren Ver änderungsprozesse lassen sich auch durch die Analyse von Intermediären, welche eine Vermittlungsposition zwischen Verkäufer und Käufer einnehmen, wertvolle Er kenntnisseerzielen.HierzuwirdzunächstderBegriffIntermediationdefiniert,bevor die darauf aufbauenden Veränderungsprozesse Disintermediation, Reintermediation und neue Intermediation (New Intermediation) erläutert werden. Im Anschluss 61
Vgl.Emes(2004),S.175ff.;North(1990),S.83ff. Vgl.Jacobides/Knudsen/Augier(2006),S.1202ff. Zum Begriff der dynamischen Kompetenzen (dynamic capabilities) vgl. Teece/Pisano (1994); Teece/Pisano/Shuen(1997). 64 Schreyögg/Kliesch(2006),S.462. 62 63
22
2TheoretischeGrundlagen
werden die Konzepte auf Medienmärkte und die Buchbranche im Speziellen an gewendet. 2.2.1 Intermediation DerUrsprungderwissenschaftlichenBetrachtungvonIntermediationliegtinfrühen Handelstheorien65, die die Bedeutung von Händlern herausstellten, und ist seither fundamentaler Bestandteil der ökonomischen Theorie.66 Dabei wird der Inter mediationsbegriffwieinTabelle1dargestelltdefiniert: Autor
Definition
Rose(1999)
“An intermediary is an independent, profitmaximizing eco nomicagentmediatingbetweentwomarketsidesinpresence ofmarketimperfections. Intermediation is the bridging the incompatibilities between the two (market) sides involved in a transaction by transfor mation of output attributes of the supply market side to ap propriateinputattributesofthedemandmarketside.”67
Circu/Kauffman(2001)
“Intermediation is the process by which a firm, acting as the agent of an individual or another firm (a buyer or a seller), creates value by leveraging its middleman position to foster communicationwithotheragentsinthemarketplacethatwill leadtoexchangetransactions.”68
Picot/Reichwald/Wigand “Thetermintermediaryisgenerallyusedtodenoteanyactor onamarketwhoisneitherasuppliernorabuyer,buteither (2008) facilitatestheoverallfunctioningofthemarketorfirstenables the market to function, receiving a commission or similar compensationforthis.”69
Gläser(2008)
„Die Verlängerung der Wertschöpfungskette wird als Inter mediationbezeichnet.“70
Tabelle1: DefinitionendesBegriffsIntermediationbzw.Intermediär
Ein Intermediär nimmt somit eine Zwischenposition zwischen dem Erzeuger und KäufereinerWareein.DiesernichtzwingendnotwendigeSchritterscheintzunächst mitzusätzlichen(Transaktions)Kostenverbundenzusein.71Tatsächlichistjedochdie 65
Vgl.bspw.Steuart(1767),S.166ff. Vgl.Hess/vonWalter(2006),S.2. 67 Rose(1999),S.51. 68 Circu/Kauffman(2001),S.48. 69 Picot/Reichwald/Wigand(2008),S.308. 70 Gläser(2008),S.407. 71 Vgl.Rose (1999), S. 46. Der Begriff der Transaktionskosten stammt aus der Neuen Institu tionenökonomieundumfasstdieAnbahnungs,Vereinbarungs,Abwicklungs,KontrollundAn 66
2.2IntermediäreinderMedienbranche
23
ReduktiondieserKostendurchIntermediäredieamhäufigstengenannteBegründung fürderenExistenz.72 Die Einschaltung eines Intermediärs erscheint insgesamt dann vorteilhaft, wenn dadurchdieanfallendenTransaktionskostenreduziertwerdenkönnen.Dieswirdbei spielsweise anhand des in der nachstehenden Abbildung dargestellten Baligh RichartzEffekts deutlich, der auf die Kommunikationskosten zwischen Anbieter und Nachfragerabstellt. NotwendigeKontakteohneIntermediär
NotwendigeKontaktemitIntermediär
Anbieter1
Nachfrager1
Anbieter1
Nachfrager1
Anbieter2
Nachfrager2
Anbieter2
Anbieter3
Nachfrager3
Anbieter3
Nachfrager3
mAnbieter
nNachfrager
mAnbieter
nNachfrager
Intermediär
Nachfrager2
Legende Akteur
KontaktalsKostenfaktor
Abbildung9:ReduktionderTransaktionskostendurchdenBalighRichartzEffekt73
So reduziert die Einschaltung eines Intermediärs die Anzahl der mit Kosten ver bundenen Kommunikationsverbindungen zwischen Anbieter und Nachfrager vom Faktor n*m (mit m=Anzahl der Anbieterund n=Anzahl der Nachfrager) auf n+m, da nicht mehr jede Partei mit allen Gegenseiten den Kontakt aufrecht erhalten muss, sondernnurnochmitdemIntermediär.AusSichtdereinzelnenParteireduzierensich die Kommunikationskosten für die Anbieter von N (mit N=Kosten der n Ver bindungen)auf1/N,fürdieNachfragerentsprechendvonMauf1/M.74 Eine weitere Existenzbegründung für Intermediäre wird darin gesehen, dass einem Intermediärgelingenkann,durchdieBündelungderNachfrageSkalenvorteileimEin kaufzuerzielen.75 Diese Kostenersparnisse können vom Intermediär vereinnahmt werden, wodurch jedochAnreizefürdenEintrittweitererIntermediäreentstehen,welchesolangean passungskosten einer wirtschaftlichen Transaktion unter der Annahme unvollkommener Märkte und unvollständiger Verträge. Vgl. Coase (1937); Williamson (1975); Picot (1982), S. 270; Wolf (2003),S.268ff;Picot/Dietl/Franck(2008),S.57. 72 Vgl.Hess/vonWalter(2006),S.3. 73 InAnlehnunganGümbel(1985),S.112;Rose(1999),S.60;vonWalter(2007),S.51. 74 Vgl.Baligh/Richartz(1964),S.670;vonWalter(2007),S.51f. 75 Vgl.Yanelle(1988),S.III.
24
2TheoretischeGrundlagen
halten, bis die Intermediäre wettbewerbsbedingt keine Gewinne mehr erzielen, womit auch die Kosteneinsparungen für Anbieter und Nachfrager konterkariert werden.76SomitsolltenIntermediäreAnbieterundNachfragerandenEinsparungen beteiligen,umihreeigeneExistenzzusichern.77 Entsprechend ihrer im Rahmen der durchgeführten Transaktion übernommenen Rolle unterscheidet man zwischen Intermediären als Merchant und Broker.78 Während ein Merchant tatsächlich Güter erwirbt und veräußert, und somit Risiko trägt, nimmt ein Broker lediglich eine Vermittlungsposition zwischen Anbieter und Nachfragerein.79 DieBetrachtungderIntermediationfandihregrößteAufmerksamkeitimBereichder Finanzmärkte80, wo neben den oben genannten Gründen auch die im Vergleich mit einem Einzelgläubiger überlegene Überwachungsmöglichkeiten des Intermediärs in Bezug auf Informationsasymmetrien zwischen Schuldner und Gläubiger, der Risiko handelsowiedieSenkungderKostenderMarktteilnahmealsweitereGründefürdie ExistenzvonIntermediärengesehenwerden.81 Die Analyse von Intermediationsvorgängen liefert jedoch auch in den Forschungs gebieten ECommerce und Medien wertvolle Erkenntnisse und findet aus diesem Grund zunehmende Anwendung, etwa in Bezug auf das Entstehen neuer Inter mediationsgeschäftsmodellewieOnlineauktionsplattformenoderCommunities.82Zur Verdeutlichung und Unterscheidung der Aktivitäten von Intermediären im E Commerce können diese nach den von ihnen durchgeführten Funktionen charakterisiertwerden:83 AggregationvonInformationenüberVerkäufer,LieferantenundKäufer AggregationvonNachfrageoderAngebot VereinfachungderSuche ReduktionvonInformationsasymmetrien ZusammenführungvonKäuferundVerkäuferfürTransaktionen 76
Vgl.Baligh/Richartz(1964),S.671ff. Vgl.Gümbel(1985),S.113f. 78 Vgl.Hackett(1992),S.299ff. 79 Vgl.Rose(1999),S.67f. 80 Vgl.Yanelle(1988),S.II;Bhattacharya/Thakor(1992),S.7ff. 81 Vgl.Diamond(1984),S.409f;Leland/Pyle(1977),S.382ff;Allen/Santomero(1997),S.1478ff. 82 Vgl.etwaBailey(1998);Circu/Kauffman(2001),S.48ff;Kannan/Chang/Whinston(2001),S.72ff. 83 Die Auflistung der Funktionen folgt Circu/Kauffman (2001), S. 48 und Bailey (1998), S. 33ff. Sie erhebtkeinenAnspruchaufVollständigkeit,verdeutlichtjedochdiewichtigstenFunktionen. 77
2.2IntermediäreinderMedienbranche
25
Preissetzung ÜbernahmeeinerVertrauensposition. Im Kontext des ECommerce stehen darüber hinaus die Prozesse der Dis und Re intermediation im Fokus der Betrachtung, welche im folgenden Abschnitt be schriebenwerden. 2.2.2 DisintermediationundReintermediation BeiderAnalysevonIntermediationsstrukturensind,insbesondereinHinblickaufdie in dieser Arbeit untersuchten Veränderungen in Wertschöpfungsstrukturen, Modi fikationen der Intermediationsverhältnisse von Interesse. Neben der Intermediation durch neue Intermediäre können diese durch Disintermediation oder Reinter mediation geschehen. Dabei bedeutet Disintermediation die Ersetzung oder das ÜberspringeneinesvorhereingesetztenIntermediärs,Reintermediationdieerneute EinschaltungeineszuvordisintermediiertenIntermediärs.84 Aus theoretischer Perspektive wurde zunächst davon ausgegangen, dass die durch die zunehmende Verbreitung von Informations und Kommunikationstechnologien sinkenden Transaktionskosten85 zur Disintermediation im elektronischen Handel führt, da aufgrund der sinkenden Transaktionskosten und dem direkten Kunden zugangdieFunktioneneinesIntermediärsnichtmehrbenötigtwerdenundHersteller ihr Produkte im Extremfall direkt an die Endkunden verkaufen können.86 Diese An nahmewirdalsDisintermediationsthesebezeichnet.87 Sen/King(2003)kommenjedochdurchspieltheoretischeAnalysezuderErkenntnis, dass vollkommene Disintermediation keinen Gleichgewichtsfall darstellt, sondern zumindestMischlösungenexistieren.88
84
Vgl.Amit/Zott(2001),S.495;Chircu/Kauffman(1999),S.110ff;Sen/King(2003),S.155.DerBe griff Reintermediation wird in der Literatur uneinheitlich verwendet: Zum einen in enger Aus legung nur in Bezug auf ehemals disintermediierte Akteure, andererseits offen für alle neuen Intermediäre(vgl.etwaBrandtweiner(2000),S.18).DievorliegendeArbeitfolgtderengenAus legung, neue Akteure mit ähnlichen Funktionen wie ehemalige Intermediäre werden unter dem BegriffIntermediationbzw.NewIntermediationsubsumiert. 85 Vgl.Picot/Reichwald/Wigand(2008),S.58. 86 Vgl.Wigand/Benjamin(1995),S.62;Gellman(1996);Tapscott(1996),S.56;Roche(1996),S.436; Palvia/Vemuri(1999),S.118ff;Scheer/Loos(2002),S.34. 87 Vgl.vonWalter(2007),S.38. 88 Vgl.Sen/King(2003),S.161.
26
2TheoretischeGrundlagen
NebenderDisintermediationkommtesimGegenzugauchzurIntermediationdurch neue Intermediäre (New Intermediation), die neue Intermediationskonstellationen generierenoderzubestehendeninKonkurrenztreten.89SieführenzurTransaktions kostenreduktion auf Anbieterseite, übernehmen an den ECommerce angepasste, neue Dienstleistungen, wie etwa den Betrieb von Verzeichnisdiensten oder neu artigen Marktplätzen, wodurch auf Kundenseite Such, Informations und Ab wicklungskosten reduziert werden.90 Auch die Bündelung von Informationsgütern, derenpersonalisierteZusammenstellungunddieAbwicklungvonZahlungsvorgängen stellen Betätigungsfelder neuer Intermediäre dar.91 Oftmals sind sie in der Lage, durchneueTechnologieneinevorhernichterreichbare,höhereIntermediationsquali tät bereitzustellen. Dies wird etwa am Beispiel der umfassenden Buchvolltextsuche vonGoogledeutlich. Eine weitere Veränderung stellt die Reintermediation dar, hier kehren vormals disintermediierte Akteure in ihre Intermediärsrolle zurück. Hierzu entwickeln sie Kompetenzen,derenFehlenfürdieDisintermediationausschlaggebendwar.92 Der als IDRZyklus (IDR steht für Intermediation, Disintermediation und Reinter mediation) bekannt gewordene und in Abbildung 10 dargestellte Ansatz von Chircu und Kauffman leistet durch die Integration der dargestellten dynamischen Prozesse einenwertvollenBeitragzuderenVerständnisundwirdimFolgendenerläutert.
89
Vgl.Palvia/Vemuri (1999), S. 118ff; Zwass (1996); Vishik/Whinston (1999), S. 157ff. Sarkar/Butler/Steinfield (1995) bezeichnen diese neuen Intermediäre als Cyberintermediaries. Vgl.Sarkar/Butler/Steinfield(1995). 90 Vgl.Sarkar/Butler/Steinfield(1995);Amit/Zott(2001),S.495;Scheer/Loos(2002),S.34. 91 Vgl.Zwass(1996). 92 Vgl.Sen/King(2003),S.155;Chircu/Kauffman(1999),S.110ff.
2.2IntermediäreinderMedienbranche
27
Traditionalmarket Customer
Intermediary
Supplier
Intermediation Customer
Intermediary
Supplier
EConly Intermediary
Disintermediation Customer
Intermediary
Supplier
EConly Intermediary
Reintermediation Customer
ECable Intermediary
Supplier
EConly Intermediary
Key:
Weak link:
Stronglink:
Abbildung10: DerIDRZyklusnachChircu/Kauffman(1999)93
Die Autoren gehen von einem herkömmlichen Intermediationsverhältnis zwischen HerstellerundKäuferaus.DieseswirdinderzweitenPhasedurcheinenneuen,aufE Commerce spezialisierten Intermediär ergänzt, der zunächst aufgrund mangelnder BekanntheitseinerDienstleistungnureinegeringeBedeutunghat(inderAbbildung durcheineschwacheLiniedargestellt).AufgrundseinerdurchdenEinsatzvonITer zieltenKostenvorteilegelingtesdemaufECommercespezialisiertenIntermediärin der dritten Phase, vom traditionellen Intermediär Marktanteile zu übernehmen, wodurch dieser disintermediiert wird. Nach Chircu/Kauffman ist dieser Prozess jedoch nicht von Dauer, da traditionelle Intermediäre die Vorteile des ECommerce erkennenunddiesesAngebotinihrPortfolioaufnehmen,wodurchsieECommerce fähigwerden.DurchdiesenZugkönnensiedurchdenTransferihrerangestammten Kompetenzen und Ressourcen Marktanteile zurückgewinnen, Reintermediation findetstatt.94 ZudiesemKonzeptistkritischanzumerken,dassdieReintermediationalsAbschluss des Zyklus keinesfalls immer gelingt. Insbesondere verfügen die oben dargestellten neuen Intermediäre vielmals über Ressourcen und Kompetenzen, welche die an gestammten Intermediäre nicht ohne Weiteres aufbauen können. Zudem ist die
93
Chircu/Kauffman(1999),S.111. Vgl.Chircu/Kauffman(1999),S.110ff.
94
28
2TheoretischeGrundlagen
Integration des neuen Intermediationsansatzes in die bestehende Wertschöpfungs organisationdes„alten“Intermediärsoftmalsschwierig. 2.2.3 IntermediationundDisintermediationinMedienmärkten Die im vorangegangenen Abschnitt anhand des ECommerce dargestellten Prozesse findenauchinderMedienbranchestatt.95DieswirdimFolgendenunterbesonderer BerücksichtigungderBuchbranchedargestellt. Hierzu ist zunächst zu klären, inwieweit Medienunternehmen als Intermediäre auf gefasst werden können. Zu diesem Zweck sind in Tabelle 2 einige Definitionen zur IntermediationaufMedienundInformationsmärktenwiedergegeben.
Autor
Definition
Rose (1999)
"Aninformationintermediaryisanindependent,profitmaximizingeconomic information processing system performing its activities (information acquisi tion, processing and dissemination) on behalf of other economic agents' in formationneeds.”96
Lang (2001)
Intermediäre […] sind dadurch charakterisiert, dass sie als Koordinatoren zwischen Produzenten und Konsumenten stehen und letztlich den Tausch prozessunterstützen,teilweisesogarselbstorganisieren.[…]Übersetztaufden Mediensektor können jene Unternehmen als Intermediäre bezeichnet werden, die content von Autoren, Künstlern oder anderen content schaffendenUnternehmenzukaufen,Inhaltsomitnichtselbsterzeugen.“97
Seufert (2004)
„Unter Intermediäre werden hier alle Unternehmen verstanden, die in der Wertschöpfungskette zwischen den Inhalteproduzenten und den Rezipienten stehen“98
von Wal „ContentIntermediationistderHandelmitunddieVermittlungvonMedien inhalten(Content)zwischenAngebotundNachfrageaufContentMärktenmit ter dem Ziel der Reduktion von Marktunvollkommenheiten. Die Content (2007) IntermediationistabstrakteFunktionderBedürfnissevonAngebotundNach frage auf diesen Märkten und subsumiert konkret im Sinne einer physischen Überbrückung alle Funktionen, die zwischen den psychisch dominierten ProzessenderContentProduktionundRezeptionerfülltwerden.“99 Tabelle2: AufMedienundInformationsgüterzugeschnitteneDefinitionenderIntermediation
DieaktivitätsorientierteDefinitiondesInformationsintermediärsvonRose(1999)be zieht sich nicht direkt auf die Medienbranche, allerdings lassen sich die meisten 95
Vgl.Gläser(2008),S.406;Wirtz(2006),S.617f;Picard(2006),S.31f. Rose(1999),S.79. Lang(2001),S.72. 98 Seufert(2004),S.66. 99 vonWalter(2007),S.63. 96 97
2.2IntermediäreinderMedienbranche
29
AkteurederMedienbrancheauchalsinformationsverarbeitendeSystemedarstellen, wie es beispielsweise bei Buchverlagen gegeben ist.100 Jedoch schränkt die öko nomische Gewinnerzielungsabsicht die Analyse unangemessen ein, da sie ohne Zweifel relevante Akteure wie etwa die Wikimedia Foundation, die die Online enzyklopädie Wikipedia betreibt, oder Filesharingnetzwerke von der Untersuchung ausschließenwürde. DieDefinitionenvonSeufert(2004),Lang(2001)undvonWalter(2007)stellenalter nativ hierzu auf die Positionierung von Intermediären zwischen Produktion und RezeptioninnerhalbderWertschöpfungsstrukturderMedienbrancheab.Mitdiesem Verständnis werden auch die oben ausgeschlossenenAkteure erfasst, weswegen es fürdievorliegendeArbeitbessergeeigneterscheintundimFolgendenzugrundege legtwird. Die diesem Verständnis entsprechend zwischen Produktion und Rezeption an gesiedeltenTätigkeiteneinesIntermediärslassensichnäherbestimmen.Sowerden die Bereiche der Inhaltebeschaffung, Contentproduktion101, Contentbündelung, Ver vielfältigung und Distribution genannt.102 Hierunter fallen beispielsweise Rechte händler, Printverlage, OnlineSuchdienste, Filmverleiher, Fernseh und Radio programmanbieterundderGroßundEinzelhandel.103Gläser(2008)erwähntzudem „neue Intermediäre“ wie Marktbetreiber (z.B. Onlinedienste) und Inhaltepaketierer (z.B. virtuelle Marktplätze, Suchmaschinen, Portale, Preisvergleichsagenturen). DerenHauptaufgabeliegtinderInformationsaggregation.104 DieÜberlegungenzurIntermediationaufMedienmärktenwurdenauchaufdieBuch branche angewendet.105 So stellen, wie oben gezeigt, in der angestammten Branchenstruktur Buchverlage, Rechtehändler sowie alle Buchhandelsstufen Inter mediäredar.
100
Vgl.Brandtweiner(2000),S.17. Bei enger Auslegung des Intermediationsbegriffes stellt die originäre Contentproduktion keine Intermediationsfunktion dar (vgl. Lang (2001), S. 72). Dennoch wird diese Tätigkeit von einigen Autorengenannt(vgl.etwaSjurts(2004),S.281). 102 Vgl.Sjurts(2004),S.281;Seufert(2004),S.66;Gläser(2008),S.407. 103 Vgl.Lang(2001),S.72;Sjurts(2004),S.281;Seufert(2004),S.66. 104 Vgl.Gläser(2008),S.407. 105 Vgl.etwaGläser(2008),S.410f;Brandtweiner(2000),S.17f. 101
30
2TheoretischeGrundlagen
2.3 DasKonzept„Geschäftsmodell“ InnerhalbeinesWertschöpfungssystemsaufMesoebenestehenverschiedeneUnter nehmenimWettbewerb.UmderenInteraktionbesserverstehenzukönnen,lohntes, diePerspektivedereinzelnenUnternehmung,alsodieMikroebenezubetrachten.In diesem Zusammenhang hat sich in Forschung und Praxis der über die reine Be trachtung der innerbetrieblichen Wertschöpfungsaktivitäten hinausgehende Begriff Geschäftsmodell etabliert, welcher in diesem Abschnitt vorgestellt und diskutiert wird.HierzuwirdzunächsteineReihevongängigenDefinitionenerläutert,bevordie ElementeeinesGeschäftsmodellsnäherspezifiziertwerden. 2.3.1 Definitionen Trotz der hohen Verwendungshäufigkeit des BegriffesGeschäftsmodell besteht kein einheitlichesVerständnishinsichtlichdessenBedeutung.106DienachstehendeTabelle 3zeigtdieBandbreitederexistierendenDefinitionen.
Autor
Definition
Timmers (1998,2000)
„•An architecture for product, service and information flows, including a descriptionofthevariousbusinessactorsandtheirroles;and x a description of the potential benefits for the various business actors; and x adescriptionofthesourcesofrevenue.”107
Amit/Zott (2000)
„Abusinessmodelisthearchitecturalconfigurationofthecomponentsof transactionsdesignedtoexploitbusinessopportunities."108
Mahadevan (2000)
„Abusinessmodelisauniqueblendofthreestreamsthatarecriticaltothe business.Theseincludethevaluestreamforthebusinesspartnersandthe buyers, the revenue stream, and the logistical stream. The value stream identifies the value proposition for the buyers, sellers, and the market makersandportalsinanInternetcontext.Therevenuestreamisaplanfor assuring revenue generation for the business. The logistical stream ad dresses various issues related to the design of the supply chain for the business.”109
Wirtz (2000)
„Durch ein Geschäftsmodell wird in stark vereinfachter und aggregierter Formabgebildet,welcheRessourcenindieUnternehmungfließenundwie diese durch den innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess in ver marktungsfähige Informationen, Produkte und/oder Dienstleistungen
106
Vgl.Timmers(2000),S.32. Timmers(1998),S.4;Timmers(2000),S.32. 108 Amit/Zott(2000),S.13. 109 Mahadevan(2000),S.59. 107
2.3DasKonzept„Geschäftsmodell“
31
transformiertwerden.[…]DiewesentlicheIntention[...]bestehtjedochin der Aggregation wesentlicher, relevanter Aspekte aus den betriebs wirtschaftlichen Teildisziplinen, um hierdurch zu einem einfachen, komprimierten Oberblick der Geschäftsaktivitäten in Modellform zu ge langen.“110
Stähler (2001)
„Ich definiere ein Geschäftsmodell als ein Geschäftskonzept, das in der Praxisschonangewandtwird. 1.EinGeschäftskonzeptenthälteineBeschreibung,welchenNutzenKunden oder andere Partner des Unternehmens aus der Verbindung mit diesem Unternehmen ziehen können. Dieser Teil eines Geschäftsmodells wird ValuePropositiongenannt.[…] 2.EinGeschäftskonzeptistgleichzeitigeineArchitekturderWertschöpfung, d.h., wie der Nutzen für die Kunden generiert wird. Diese Architektur be inhaltet eine Beschreibung der verschiedenen Stufen der Wertschöpfung und der verschiedenen wirtschaftlichen Agenten und ihrer Rollen in der Wertschöpfung.[…] 3. Neben dem Was und dem Wie beschreibt das Geschäftskonzept auch, welche Einnahmen das Unternehmen aus welchen Quellen generiert. […] DieserTeildesGeschäftsmodellsheisstErtragsmodell.”111
Gemünden/ „Ein Geschäftsmodell stellt unter einer simultanen Betrachtung des den Kunden und dem Unternehmen vermittelten Wertes, die Gesamtheit der Schultz dieinterneundexterneLeistungserstellungbeeinflussendenstrategischen (2003) Erfolgsfaktoren von Unternehmen neben ihren dynamischen Wechsel wirkungensystematischdar."112
Pecha (2004)
„Ein Geschäftsmodell bildet den Transformationsprozess von Inputs in vermarktungsfähigeOutputsabundbeinhaltetdemzufolgeallerelevanten Aspekte der Geschäftstätigkeit einer strategischen Geschäftseinheit. Es dient den unternehmensinternen Entscheidungsträgern dabei, neue Optionen/AlternativenfürdieGeschäftstätigkeitzuidentifizierenunddiese zu evaluieren, zu implementieren und zu kontrollieren. Das Geschäfts modellveranschaulichtdarüberhinausdeneigenenMitarbeiternwieauch unternehmensexternen Investoren (gegenwärtige und potentielle), auf welchem Weg die strategische Geschäftseinheit eines Unternehmens die SchaffungökonomischerWerteplant.“113
Tabelle3: DefinitionendesBegriffs„Geschäftsmodell“bzw.„BusinessModel“
TrotzderbestehendenDefinitionsvielfaltlassensicheinigeGemeinsamkeitenidenti fizieren.SonehmendiemeistenDefinitionenaufdieTheoriederWertschöpfungund
110
Wirtz(2000),S.81f. Stähler(2001),S.41f. 112 Gemünden/Schultz(2003),S.175. 113 Pecha(2004),S.15. 111
32
2TheoretischeGrundlagen
dem darin enthaltenen Transformationsprozess von Input in Outputgüter Bezug, teilweiseergänztdurchstrategietheoretischeAspekte.114 DaimspäterenVerlaufdervorliegendenDissertationdasGeschäftsmodellkonzeptals Instrument zu Systematisierung wertschöpfender Aktivitäten eingesetzt wird, ist in diesem Kontext die Operationalisierbarkeit als wichtige Anforderung an die ver wendeteDefinitionzusehen.HierzuerscheintdieDefinitionvonMahadevan(2000), auswelchersichdieimFolgendendargestelltenDimensionenableitenlassen,alsam bestengeeignet,weswegensiedieserArbeitzugrundegelegtwird. 2.3.2 Dimensionen Auf Grundlage der oben vorgestellten Definitionen, insbesondere der von Mahadevan(2000)undStähler(2001),lassensichnachHass(2002)dreiDimensionen eines Geschäftsmodells unterscheiden: Produktarchitektur, Erlösmodell und Wert schöpfungsarchitektur.115 Produktarchitektur Die Produktarchitektur beschreibt, welcher Nutzen durch die Umsetzung des Ge schäftsmodells entsteht, etwa als Produkt oder Dienstleistung. Sie wird auch als ValuePropositionbezeichnet. In der Medienbranche ist hierbei zwischen den Informationsprodukten (produzierte Medieninhalte, etwa das TVProgramm) und der Absatzleistung (das Gut, mit dem sich Erlöse erzielen lassen, etwa die für Werbung erreichte Aufmerksamkeit) zu unterscheiden.BeideAspektesindBestandteilderProduktarchitekturi.w.S.,dieGe staltungdesInformationsprodukteswirdProduktarchitekturi.e.S.genannt.116 Erlösmodell Das Erlösmodell, auch Ertragsmodell genannt, nennt die Quellen, aus denen Ein nahmengeneriertwerdenunddefiniertdieadressiertenAbsatzmärktesowiediever folgtePreispolitik.117 Im Medienkontext wird üblicherweise zwischen direkten Erlösen, die beim Rezipienten erzielt werden, und indirekten Erlösen, die über Werbetreibende oder Institutionenerwirtschaftetwerden,unterschieden.Zudemist,wieinTabelle4dar 114
Vgl.Buttermann(2004),S.112ff. Vgl.Hass(2002),S.94;Stähler(2001),S.41f. 116 Vgl.Hass(2002),S.96ff. 117 Vgl.Hass(2002),S.120ff. 115
2.3DasKonzept„Geschäftsmodell“
33
gestellt, eine Unterscheidung zwischen transaktionsabhängigen und transaktions unabhängigenErlösenmöglich.118 Kriterium
DirekteErlösgenerierung
IndirekteErlösgenerierung
Transaktionsabhängig
Nutzungsgebührenfür Informationsprodukte EinnahmenausdemVertrieb vonKomplementärprodukten
Provisionen DataMining ContentSyndication
Transaktionsunabhängig PeriodischeErlöse
Werbung AusschüttungenvonVer wertungsgesellschaften
Tabelle4: SystematikverschiedenerErlösformen119
Somit lassen sich einerseits Erlöse aus dem Verkauf oder der Vermietung von Informationsprodukten erzielen, jedoch auch aus Produkten, die zum Informations produkt in komplementärer Beziehung stehen – wie etwa Lesegeräte für EBooks. Ebenfalls transaktionsabhängig sind Provisionen, welche für die Vermittlung einer Transaktion an Dritte von diesen ausgeschüttet werden sowie Erlöse aus der Aus wertung von Benutzerprofilen durch Data Mining und aus der Lizenzierung von Inhalten (Content Syndication). Transaktionsunabhängig sind abonnementähnliche periodische Zahlungen für den Zugang zu Inhalten sowie indirekte Erlöse aus WerbungundAusschüttungenvonVerwertungsgesellschaften(bspw.VGWort). Zudem können Erträge nach Erlösquellen unterschieden werden. Hierzu zählen die Produkte selbst, Kundenkontakte als Grundlage für Werbung und Kundendaten für dieAuswertungimDataMining.120 WertschöpfungsarchitekturaufMikroundMesoebene In der Wertschöpfungsarchitektur, der dritten Dimension eines Geschäftsmodells, wirdderProzessderLeistungserstellungdargestellt.Hierbeiistzwischendeninner betrieblich erbrachten Wertschöpfungsaktivitäten (Mikroebene) und deren Position imWertschöpfungssystemderBranche(Mesoebene)zuunterscheiden.
118
Vgl.Zerdicketal.(2001),S.26ff. EigeneDarstellunginAnlehnunganWirtz/Kleineicken(2000),S.627;Hass(2002),S.133f;Zerdick etal.(2001),S.26;Wirtz(2006),S.587. 120 Vgl.Hass(2002),S.120ff. 119
34
2TheoretischeGrundlagen
Abbildung11: ZweiEbenenderWertschöpfungsarchitektur(schematischeDarstellung)
WieinAbbildung11ersichtlich,geschiehtdieBerücksichtigungderWertschöpfungs aktivitäten innerhalb eines Geschäftsmodells auf zwei Ebenen: die Organisation der innerbetrieblichen Leistungserstellung (Mikroebene) und die Einbettung der er brachten Wertschöpfungsaktivität(en) in das Wertschöpfungssystem der Branche (Mesoebene).121DabeistehenbeideEbenenineinemVerhältnisderwechselseitigen Interdependenz.SoistbeispielsweisebeieinerAusweitungderLeistungstiefedurch dieÜbernahmeeinernachgelagertenWertschöpfungsaktivitätdiePositionimWert schöpfungssystem neu zu bestimmen, da die vormals durch andere Akteure er brachteLeistungnichtmehrbenötigtwirdundsomitandereSchnittstellenaufgebaut werdenmüssen. AusderDarstellungdesaufderMikroebeneanzusiedelndenGeschäftsmodellseines Unternehmens lässt sich darüber hinaus eine Vielzahl von strategisch wertvollen Informationen ableiten. So dient es zur Identifikation von Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen den verschiedenen Elementen der Geschäftstätigkeit122 undbietetdieMöglichkeit,AlternativenzurderzeitigenKonfigurationzuentwickeln und zu analysieren sowie die Auswirkungen von Veränderungen auf andere Aktivi täten zu prognostizieren.123 Auch kann auf diese Weise die Konfiguration ermittelt
121
FüreineDarstellungalternativerAnsätzezurBeschreibungvonWertschöpfungsarchitekturenvgl. Kapitel2.1.2(Mikroebene)und2.1.3(Mesoebene)dervorliegendenArbeit. 122 Vgl.Gemünden/Schultz(2003),S.175;Hass(2002),S.95. 123 Vgl.Pecha(2004),S.15.
2.4MedienökonomischeGesetzmäßigkeiten
35
werden, die die beste Passung an die sich ggf. verändernden Rahmenbedingungen aufweist.124 IndervorliegendenArbeitwerdendieseFunktionengenutzt,umImpulsefürunter nehmerischeAktivitätenunddieWeiterentwicklungvonUnternehmensstrategienim digitalisiertenBuchmarktzugeben. 2.4 MedienökonomischeGesetzmäßigkeiten ImfolgendenAbschnittwerdenZusammenhängeundGesetzmäßigkeitenvorgestellt, diefürdieAnalysevonMedienvonspezifischerBedeutungsind.Hierzuwirdzunächst auf Informationsprodukte im Allgemeinen eingegangen, bevor die typische Kosten undErlösstrukturvonMedienunternehmenthematisiertwird. 2.4.1 BesonderheitenvonInformationsgütern Medieninhalte stellen eine Ausprägung von Informationsgütern dar, die Shapiro/ Varianwiefolgtdefinieren:125 „Essentially,anythingthatcanbedigitizedencodedasastreamofbitsisinformation. For our purposes, baseball scores, books, databases, magazines, movies, music, stock quotes,andWebpagesareallinformationgoods.”126
Die nachstehend dargestellten Eigenschaften sind somit auch auf die in der vor liegendenArbeitbehandeltenBuchinhaltealsMedienproduktwirksam. Ein grundlegendes Charakteristikum von Informationsgütern stellt ihre Eigenschaft alsErfahrungsgüterdar,daderWertdesGutesvorabnichtbeurteilbar,sondernerst beidessenKonsumfeststellbarist.127ImGegensatzzuanderenErfahrungsgütern,wie etwa Lebensmitteln, behalten Informationsprodukte auch nach dem erstmaligen Konsum ihren Erfahrungsgutcharakter, was am Beispiel einer Tageszeitung deutlich wird.128 Diesem Problem, welches auch als Informationsparadoxon bezeichnet wird129,begegnenMedienunternehmendurchfreizugänglicheAusschnitte,wieetwa
124
Dies entspricht dem Konzept der Kontingenztheorie, welche in Abschnitt 5.3 für die Ableitung generischerGeschäftsmodelleAnwendungfindet. 125 Vgl.Brandtweiner(2000),S.33;Zerdicketal.(2001),S.149. 126 Shapiro/Varian(1999b),S.3. 127 Vgl.Schumann/Hess(2006),S.36. 128 Vgl.Shapiro/Varian(1999b),S.5. 129 Vgl.Arrow(1962),S.615;Picot/Reichwald/Wigand(2008),S.57.
36
2TheoretischeGrundlagen
Leseproben, und durch Qualitätssignalisierung durch Marken mit hoher Reputation.130 Digitale Informationsgüter weisen außerdem die nachstehenden Eigenschaften auf:131 Nichtabnutzbarkeit Digitale Güter unterliegen keinen Abnutzungserscheinungen und behalten somitihreQualitätfüreinenunbegrenztenZeitraumbei. Transmutabilität DerInhaltvondigitalenInformationsproduktenkanneinfachgeändert,variiert undpersonalisiertwerden. Reproduzierbarkeit DigitaleGüterkönnenzugeringenKostenunbegrenztundohneQualitätsver lustvervielfältigtwerden. Insbesondere aufgrund der unbegrenzten Reproduzierbarkeit ergibt sich ein öko nomisches Anreizproblem, welches als Trittbrettfahren bei öffentlichen Gütern be zeichnetwird.132Diesistgegeben,wennesnichtodernurschwermöglichist,einzel neNutzervomKonsumauszuschließen.IndiesemFalleerreichendieKonsumenten einen höheren individuellen Nutzen, wenn sie das Produkt ohne Bezahlung konsumieren – das gesellschaftliche Gesamtergebnis ist jedoch suboptimal, da die gewünschteLeistungaufgrunddergeringerenErlöseggf.ingeringeremUmfangoder garnichterbrachtwird.133 DiesesProblemistbesondersimBereichderdezentralen,nichtlizenziertenWeiter gabevonMedieninhaltendurchKonsumentenetwaüberdasInternetvonRelevanz und wird vonseiten der Industrie u.a. durch den Einsatz von Digital Rights Management,etwaKopierschutzmechanismen,bekämpft. 2.4.2 KostenundErlösstruktur Medienmärkte sind im Vergleich mit anderen Industrien geprägt durch einige Be sonderheitenhinsichtlichderZusammensetzungderKostenunddererzieltenErlöse. DiesewerdenimFolgendendargestellt. 130
Vgl.Shapiro/Varian(1999b),S.5. Vgl.Choi/Stahl/Whinston(1997),S.70ff;Brandtweiner(2000),S.34f. 132 Vgl.Varian(2001),S.610. 133 Vgl.Varian(2001),S.609ff;Wirtz(2006),S.28. 131
2.4MedienökonomischeGesetzmäßigkeiten
37
InihrerKostenstrukturweisenMedienproduktedeutlicheEconomiesofScaleauf,die Stückkosten sinken stark mit steigender Ausbringungsmenge. Dieser Effekt wird als FirstCopyCostEffectbezeichnet,derdadurchentsteht,dassfürdieerstmaligeHer stellung eines Medienproduktes, beispielsweise eines Buches, hohe Kosten ent stehen, wobei für weitere Kopien nur noch die vergleichsweise geringen Re produktionskosten anfallen. Diese Kosten sinken bei digitaler Distribution nochmals drastischaufeinmarginalesNiveau,sodasssiebeivielenKostenbetrachtungenver nachlässigtwerdenkönnen.134 Auf Erlösseite stellt der mehrfache Absatzmarkt von Medienprodukten die ent scheidende Besonderheit gegenüber anderen Industrien dar. Klassischerweise werdenhierunter derRezipientenmarkt, auf dem direkte Erlösebeim Nutzer erzielt werden,undderWerbemarkt,inwelchemWerbetreibendefürdiebeimRezipienten erzielte Aufmerksamkeit bezahlen, verstanden.135 Sie werden ergänzt durch den MarktfürRechteundLizenzensowieZusatzangeboteundMehrwertdienste.136 2.4.3 ÖkonomischeNetzwerktheorie In der ökonomischen Betrachtung von Gütermärkten wird der Wert eines Gutes üblicherweise aus dessen Knappheit bestimmt: je seltener ein Gut, desto höher dessen Wert. Jedoch ist bei Medien, Informations und Kommunikationsprodukten teilweiseeingegensätzlicherZusammenhangzubeobachten:IhrWertsteigtmitzu nehmenderVerbreitung.137DieserEffektwirdnachstehenderläutert. Güter, deren Nutzen für den Besitzer mit der Anzahl zusätzlicher Nutzer steigt, werden als Netzwerkprodukte bezeichnet.138 Dabei ist es unerheblich, ob ein physisches Netzwerk existiert (wie etwa das Internet) oder das Netzwerk durch Kompatibilitätentsteht(z.B.DateiformatevonEBooks).139 ÖkonomischbetrachtetentstehendurchdenKaufeinesNetzwerkproduktespositive externe Effekte. Diese „umfassen die unkompensierten Nutzenveränderungen, die einWirtschaftssubjektdurchseineHandlungenbeianderenGesellschaftsmitgliedern 134
Vgl. Shapiro/Varian (1999b), S. 20f; Zerdick et al. (2001), S. 165ff; Picard (2002), S. 54ff; Köhler (2005),S.9. 135 Vgl.Wirtz(2006),S.23ff. 136 Vgl.Gläser(2008),S.191. 137 Vgl.Schumann/Hess(2006),S.39. 138 Vgl.Katz/Shapiro(1985),S.424. 139 Vgl.Shapiro/Varian(1999b),S.174.
38
2TheoretischeGrundlagen
auslöst.“140DeswegenwerdenNetzwerkeffekteauchalsNetzwerkexternalitätenbe zeichnet.141 NetzwerkeffektewerdennachdenQuellenihrerExternalitätenunterschieden: Direkte Netzwerkeffekte entstehen durch den zusätzlichen Nutzen für be stehende Nutzer eines Netzeffektgutes, welcher durch dessen weitere Ver breitunggeneriertwird.142 IndirekteNetzwerkeffektebestehenaufgrundderExistenzvonKomplementär gütern,diedenNutzenderbetrachtetenBasisprodukteerhöhen.Diesistetwa bei Lesegeräten für elektronische Bücher der Fall, deren Nutzen mit wachsenderVerfügbarkeitvonEBookssteigt.143 Durch den Nutzenzuwachs, den ein neu hinzukommender Nutzer eines Netzwerk produktes bei allen anderen Anwendern dieses Produktes auslöst, entsteht ein sich selbst verstärkender Prozess, da der gestiegene Nutzen weitere Adoptionsent scheidungen nach sich zieht, die wiederum einen Nutzenanstieg bewirken usw. DiesesPhänomenwirdalsKreislaufderpositivenFeedbacksbezeichnet.144 Eine daraus resultierende Tendenz zu natürlichen Monopolen wird in der Literatur insbesondere für konkurrierende Produkte bzw. Standards beschrieben. Im Diffusionsprozess fällt zu einem relativ frühen Zeitpunkt die Entscheidung, welches Produkt sich am Markt durchsetzt. Dieses wächst durch die positiven Feedbacks, während das unterlegene Angebot durch den entgegengesetzt gerichteten Effekt mehrundmehranBodenverliert.145 HateinAnbietereinemarktbeherrschendeStellungerreicht,kannerdurchdieAus nutzung von insbesondere indirekten Netzwerkeffekten LockinEffekte realisieren und somit seine Vormachtstellung festigen. LockinEffekte basieren auf Wechsel kosten146, die durch Investitionen in bestimmte Technologien und dazu komplementäre Produkte und Fähigkeiten entstehen. Ein Softwaresystem, das auf den spezifischen Bedarf angepasst und mit anderen im Unternehmen verwendeten AnwendungenkompatibelistsowievondenMitarbeiternbeherrschtwird,bildetbei 140
Picot/Dietl/Franck(2008),S.47. Vgl.Zerdicketal.(2001),S.157. 142 Vgl.Schumann/Hess(2006),S.40. 143 Vgl.Katz/Shapiro(1985),S.424;Borowicz/Scherm(2001),S.393. 144 Vgl.Arthur/Arrow(2000),S.1ff;Zerdicketal.(2001),S.159ff. 145 Vgl.Shapiro/Varian(1999b),S.175ff;Arthur/Arrow(2000),S.1;Zerdicketal.(2001),S.160f. 146 ZumBegriffderWechselkostenvgl.Zerdicketal.(2001),S.162. 141
2.4MedienökonomischeGesetzmäßigkeiten
39
spielsweiseeinehoheBarrieregegenübereinemneuenSystem,dessenVorteilediese Wechselkostenüberwiegenmüssen,umeinenUmstiegauszulösen.147 Aus diesen Zusammenhängen wird der Stellenwert von Standards auf dem Gebiet von Informationsprodukten deutlich. Diese haben großen Einfluss auf die Diffusion von Innovationen und bieten den beteiligten Unternehmen Raum für wettbewerbs strategischesVerhalten,etwadurchdieSetzungvonproprietärenStandards.148 Die aus dem oben dargestellten im klassischen Fall doppelten Absatzmarkt ent stehenden Besonderheiten behandelt die auf Netzwerkeffekten basierende Theorie derzweiseitigenMärkte.EinzweiseitigerMarktbestehtdann,„wennzwischenzwei unterschiedlichen Kundengruppen zweiseitige indirekte Netzwerkeffekte vorhanden sind.“149DiesistetwabeiKleinanzeigenmärkteninTageszeitungengegeben,welche denInformationswertderZeitungerhöhenundzugleichmitsteigenderAuflagewert voller werden, da sie eine breitere Leserschaft erreichen. In dieser Situation erfolgt diePreissetzungnichtmehrnachklassischemGewinnmaximierungskalkülaufeinem Markt,sonderninsimultanerOptimierungbeiderMärkte,wasauchzurPreissetzung unterGrenzkostenführenkann.150 Die Komplexität steigt bei zwei und mehrseitigen Märkten noch weiter an, wenn Aktivitäten auf einer Wertschöpfungsstufe zu einer Verringerung des Wertes der Leistung auf einer anderen Marktseite führen – etwa durch die Integration von störenderWerbungoderdurchdenVerkaufvonLizenzen,aufderenBasisdieKunden dasProduktauchüberandereWegeerhaltenkönnen.151 Waren imBuchmarkt traditionell diese Effekte nur ingeringemUmfang vorhanden, etwainFormvondirektenNetzeffektenbeipopulärenTiteln,welcheaufgrunddieser Popularität als wertvoller wahrgenommen werden, so erscheinen Standards auf Software und Hardwareebene und die damit in Verbindung stehenden indirekten NetzwerkeffekteimdigitalisiertenBuchmarktvonentscheidenderBedeutungzusein, da deren Akzeptanz beim Rezipienten eine Grundvoraussetzung für die Verbreitung vonelektronischenBücherndarstellt.AuchgewinnendurchneueErlösmodellemehr 147
Vgl.Shapiro/Varian(1999b),S.184;Zerdicketal.(2001),S.162. Für detaillierte Ausführungen zum Thema Standardisierung vgl. Niggl (1994), S. 54ff; Shapiro/Varian(1999a),S.8ff;Zerdicketal.(2001),S.161;Picot/Fiedler(2002),S.248f;Löwer (2006),S.69ff. 149 Dewenter(2006),S.57.ZumBegriffderNetzwerkeffektevgl.Abschnitt2.4.3. 150 Vgl.Rochet/Tirole(2003);Armstrong(2006),S.668ff;Dewenter(2006);Gläser(2008),S.156. 151 Vgl.Picot/Dietl/Franck(2008),S.207. 148
40
2TheoretischeGrundlagen
facheAbsatzmärkteanBedeutung.DieseZusammenhängewerdenimspäterenVer laufderArbeitwiederaufgegriffen. 2.5 DieDelphimethodik In Kapitel fünf und sechs der vorliegenden Arbeit wird auf Ergebnisse einer vom Autor dieser Arbeit am Institut für Information, Organisation und Management der LudwigMaximiliansUniversität München durchgeführten Delphistudie zurück gegriffen.152Um eine Einordnungder dargestellten Ergebnisse zuermöglichen, wird imFolgendendieeingesetzteMethodikderDelphistudieerläutert. DelphistudienstelleneineMethodedar,Zukunftsprognosenfürschlechtstrukturierte Fragestellungen zu erstellen, die sich modellbasierten statistischen Methoden ent ziehen.153 Sie werden überwiegend den qualitativexplorativen Methoden der Zu kunftsforschung zugerechnet.154 Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre stellen Delphistudien ein Verfahren zur Informationsgewinnung als Grundlage für strukturierte Entscheidungen dar.155 Dabei bedienen sie sich insbesondere der intuitivenEinschätzungenunddesWissensvonExperten.156 Ihre Anwendungsfelder bestehen hauptsächlich in der Vorhersage zukünftiger Ent wicklungen und Ereignisse, in der Strategiebildung sowie bei der Entscheidungs findungunterUngewissheit.157 Die erste Anwendung erfolgte in den 1950er Jahren bei der RAND Corporation im militärischen Kontext des Kalten Krieges, weswegen die erzielten Ergebnisse erst einigeJahrespäterveröffentlichtwurden.158DieDelphimethodikgiltnacheinemAn wendungshöhepunktinden1980erJahrenheuteinvielenDisziplinen,insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften, der Medizin, der Pädagogik und der Psychologie als anerkannte Methodik zur Prognose technologischer und sozialer Ent
152
DainderDelphistudieeingegenüberdervorliegendenArbeitbreiteresForschungsgebietunter sucht wurde, wird hier auf eine Gesamtdarstellung der Ergebnisse verzichtet. Siehe hierzu Picot/Janello(2008);Picot/Janello(2009). 153 Vgl.Linstone/Turoff(1975),S.4;Rowe/Wright(1999),S.354;Rowe/Wright(2001),S.135f. 154 Vgl.Steinmüller (1997), S. 30ff. Eine allgemein anerkannte Systematik prospektiver Forschungs methodenexistiertjedochderzeitnicht. 155 Vgl.Häder/Häder(1994),S.9ff;Becker(1974),S.16;Albach(1970),S.12ff. 156 Vgl.Héraud/Munier/Nanopoulos(1997),S.35. 157 Vgl.Rowe/Wright(1996),S.75;Hanafin(2004),S.5f. 158 Vgl.Dalkey/Helmer(1963),S.458;Steinmüller(1997),S.70.
2.5DieDelphimethodik
41
wicklungen.159 Als grundlegende methodische Arbeit gilt die Publikation von Linstone/Turoff(1975),welchedieDelphimethodikwiefolgtdefinieren:160 „Delphimaybecharacterizedasamethodforstructuringagroupcommunicationprocess sothattheprocessiseffectiveinallowingagroupofindividuals,asawhole,todealwith acomplexproblem.”161
AusdervonDalkey/Helmer(1963)vorgelegtenDefinitionwerdendarüberhinausauf praxisnäherem Niveau die Zielsetzung von Delphistudien und deren idealtypische Umsetzungdeutlich: „Itsobjectistoobtainthemostreliableconsensusofagroupofexperts(…)byaseriesof intensivequestionnairesinterspersedwithcontrolledopinionfeedback.”162
TrotzderVielzahlundheterogenenUmsetzungderbisheutedurchgeführtenDelphi studiensindvierKennzeichenklassischerDelphistudienetabliert:163 AnonymitätderExperten IterationderBefragung,wodurchdieExpertenihreEinschätzungimLichtder anderenMeinungenvonRundezuRundeändernkönnen (Kontrolliertes)FeedbacküberdieAntwortenderanderenExperten,wodurch eineVerbesserungdereigenenEinschätzungermöglichtwird StatistischeAggregationderAussagenzurAuswertungundInterpretationder Daten. Zusammenfassend
stellen
Delphistudien
somit
thematisch
fokussierte
Gruppenkommunikationsprozesse dar, in denen der Informationsaustausch anonymisierterfolgt,umunerwünschteInteraktionsundReputationseffektezuver hindern. Für die Aussagequalität ist zudem eine hinreichende Expertise der KommunikationsteilnehmeraufdemjeweiligenGebietnotwendig. 2.5.1 Studienablauf DasVorgehenbeiderDurchführungeinerDelphistudie,wieesauchinderimKontext dieserArbeitdurchgeführtenUntersuchungAnwendungfand,lässtsichindienach stehendausgeführtenundinAbbildung12dargestelltenSchritteunterteilen.164 159
Vgl.Landeta (2006), S. 471; Landeta et al. (2008), S. 34; JungErceg et al. (2007), S. 41; Gupta/Clarke(1996),S.189. 160 Vgl.Zipfinger(2007),S.18;Hanafin(2004),S.5. 161 Linstone/Turoff(1975),S.3. 162 Dalkey/Helmer(1963),S.458. 163 Vgl.Rowe/Wright(1999)S.354;Woudenberg(1991),S.133;Skulmoski/Hartman/Krahn(2007),S. 2f;Martino(1993),S.17.
42
2TheoretischeGrundlagen Entwicklungder Forschungsfrage
Nach der Entwicklung der Forschungsfrage sowie der Selektion der Delphimethodik als Forschungsdesign erfolgt die Auswahl des
Festlegung Forschungsdesign
Expertenkomitees, eine für den Erfolg der UntersuchungkritischeAufgabe.165 DasExpertengremiumsetztsichausFachleuten
Auswahldes Expertenkomitees
fürdiebetrachteteProblemstellungzusammen, wobeidieZusammensetzunginsbesonderevom ZielderUntersuchungabhängtundsomitspezi
Pretest
fisch festgelegt werden muss.166 In der Praxis haben sich die folgenden Quotenmerkmale be
Durchführungund Analysederersten Befragungsrunde
währt: Zuordnung zu relevanten Fachgebieten, Herkunft aus verschiedenen Bereichen (z.B. Hochschulen, Wirtschaft, öffentlicher Dienst),
Entwicklungweiterer Befragungsrunden Bis Abbruchkriterium erreicht
Durchführungund Analyseweiterer Befragungsrunden Abbruchkriterium erreicht
Verfikation, Generalisierungund Dokumentationder Forschungsergebnisse Abbildung12: Vorgehen bei der Durchführung einer Delphistudie, in Anlehnung an Skulmoski/Hartman/ Krahn(2007)
regionale Zuordnung, Grad an Fachkenntnis.167 Darüber hinaus kann eine effektive Beteiligung der Experten nur erwartet werden, wenn die TeilnehmerindieForschungsthematikinvolviert sind, über relevante Informationen verfügen, zur Bearbeitung der Fragebögen motiviert sind unddieaggregiertenExpertenmeinungenihnen einenMehrwertbieten,zudemsiesonstkeinen Zuganghätten.168 Bezüglich der Größe des Expertenpanels gibt es in der Literatur keine einheitlichen Empfeh lungen, da keine Repräsentativität anzustreben
ist, sondern alle relevanten Perspektiven und Denkrichtungen vertreten sein sollten.169 Somit ist die Größe des Panels maßgeblich von der im relevanten 164
Vgl.Skulmoski/Hartman/Krahn (2007), S. 3. Genauere Informationen zum Ablauf der durch geführtenStudiesinddemAnhangdieserArbeitzuentnehmen. 165 Vgl.Keller(2001),S.25;füreineausführlicheDarstellungdesVorgehensbeiderExpertenauswahl vgl.Okoli/Pawlowski(2004),S.20ff. 166 Vgl.Häder(2000),S.2. 167 Vgl.Häder(2002),S.93. 168 Vgl.Delbecq/VanDeVen/Gustafson(1975),S.87f. 169 Vgl.Martino(1993),S.29;Skulmoski/Hartman/Krahn(2007),S.4;Scapolo/Miles(2006),S.688.
2.5DieDelphimethodik
43
Forschungsgebiet bestehenden Heterogenität abhängig. Die Empfehlungen reichen von fünf Experten bei einer homogenen Zusammensetzung170 bis hin zu einer mög lichst großen Anzahl, da hierdurch individuelle Schätzfehler weniger ins Gewicht fallen.171DiemeistenStudiensetzenjedochzwischen15und35Fachleuteein.172In derPraxishängtdieAnzahlderExpertendarüberhinausvonderVerfügbarkeitvon fürdieFragestellunghochqualifiziertenFachleutenab,daderQualitätgegenüberder QuantitätderVorzuggegebenwerdensollte.173 Im nächsten Schritt erfolgt die Entwicklung eines Fragebogenentwurfs, der in der ersten Befragungsrunde in der Regel verhältnismäßig offen und unstrukturiert ge staltetist,sowiedessenÜberprüfung.174ZurFormulierungundGestaltungvonFragen undderenKompositionexistiereneineVielzahlvonHilfestellungenauftheoretischer undempirischerBasis175,jedochisteineVorabÜberprüfungimsogenanntenPretest unerlässlich, um die Operationalisierung der Einzelfragen wie auch das gesamte Studiendesignzutesten.176 Hierzu stehen verschiedene PretestVerfahren zur Verfügung, die sich in ihrer SchwerpunktsetzungbezüglichderErreichungdero.g.Zieleunterscheiden.177Inder Regelfindetein„StandardPretest“Anwendung,welcherdieeinmaligeErhebungdes Fragebogens unter möglichst realistischen Bedingungen vorsieht. Hierbei werden unterpassiverBeobachtungca.20bis50Befragungendurchgeführt,umggf.dieo.g. Defizite zu identifizieren.178 Im Anschluss wird der Fragebogen entsprechend über arbeitet. Im Folgenden wird die erste Befragungsrunde durchgeführt und analysiert. Traditionell geschieht dies durch die Versendung von Papierfragebögen, jedoch kommen vermehrt elektronische Medien zum Einsatz, wie auch in der im Kontext dieser Arbeit durchgeführten Studie. Nach Auswertung des Rücklaufs durch die StudienleitungerhaltendieBefragtenInformationenüberdieErgebnissederersten Runde, welche im Kern zumeist aus dem Median der abgegebenen Einschätzungen (soweitsienumerischerhobenwordensind)bzw.dervorherrschendenMeinung(bei 170
Vgl.Loo(2002),S.765. Vgl.Cuhls/Breiner/Grupp(1996),S.13. 172 Vgl.Gordon(1994),S.6. 173 Vgl.Vorgrimler/Wübben(2003),S.765f. 174 Vgl.Rowe/Wright(1996),S.74. 175 Vgl.beispielsweisePayne(1951);Dillman(1978);Fowler(2002). 176 Vgl.Porst(2000),S.64. 177 FüreineÜbersichtderzurVerfügungstehendenMethodenvgl.Prüfer/Rexroth(1996). 178 Vgl.Prüfer/Rexroth(1996),S.97ff. 171
44
2TheoretischeGrundlagen
nichtquantifiziertenFragestellungen)undBegründungenvondeutlichabweichenden Expertenbestehen.179 IndennächstenSchrittenzeigtsichdieBesonderheitvonDelphistudien:Eswerden weitere Befragungsrunden entwickelt, durchgeführt und analysiert. Die Frage stellungen sind dabei identisch zu der vorhergehenden Runde oder stellen Weiter entwicklungenbzw.Vertiefungendar.180WiebeiderAnzahlderbenötigtenExperten gibtesinderLiteraturauchhinsichtlichderoptimalenAnzahlderIterationenkeine einheitlicheAussage.SogeltenzweibisfünfRundenalsüblich181,wobeiSteinmüller (1997) mehr als zwei Runden als oftmals unnötig einschätzt.182 Insgesamt lässt sich festhalten, dass als Abbruchkriterium traditionell der Konsens unter den Teil nehmern183, ggf. erweitert um die Stabilität der Antworten über die Runden hinweg184, gesehen wird, in jedem Falle jedoch die Beantwortung der Forschungs frage.185ZudemsindauchwirtschaftlicheÜberlegungenhinsichtlichdesVerhältnisses ausdendurcheineneueRundeentstehendenKostenunddemerwartetenErkennt niszuwachszuberücksichtigen.186 Zum Abschluss werden die Ergebnisse konsolidiert,kritisch geprüft (ggf.auch durch ergänzendeempirischeUntersuchungen)undveröffentlicht.187 2.5.2 KlassifikationvonDelphistudien Eine allgemein anerkannte, einheitliche Klassifikation der verschiedenen Aus gestaltungen von Delphistudien existiert derzeit nicht. Dies ist auf die Vielfalt ver folgterZieleundeingesetzterMethodenzurückzuführen,auswelchersichviele,nicht aufeineDimensionzurückführbareKombinationsmöglichkeitenergeben. ZurStrukturierungderinderLiteraturvorgenommenenUnterscheidungenwurdeein mehrdimensionaler Klassifikationsansatz entwickelt, der im Folgenden vorgestellt wird.ErberuhtaufdenbeidenHauptdimensionenZielsetzungundUmsetzungundist inTabelle5inFormeinesmorphologischenKastensdargestellt. 179
Vgl.Rowe/Wright(1996),S.74. Vgl.Loo(2002),S.764. 181 Vgl.Critcher/Gladstone(1998),S.432. 182 Vgl.Steinmüller(1997),S.75;Martino(1993),S.22. 183 Vgl.Häder(2002),S.117ff.FüreinenÜberblicküberverschiedeneVerfahrenzurFeststellungdes Konsensvgl.Dfouni/Croteau(2003),S.8ff. 184 Vgl.Dajani/Sincoff/Talley(1979);Chaffin/Talley(1980);Rowe/Wright(2001),S.130. 185 Vgl.Skulmoski/Hartman/Krahn(2007),S.5. 186 Vgl.Cuhls(1998),S.38f. 187 Vgl.Skulmoski/Hartman/Krahn(2007),S.5. 180
2.5DieDelphimethodik
Ziel setzung
Nach Rauch (1979)
ClassicalDelphi
Vorhersage NachHäder vondiffusen (2002) Sachver halten
PolicyDelphi
Ideen aggregation
Ablauf
EinteilunginBefragungsrunden, Feedbackjeweilsvornächster Runde
Medium
Papier fragebögen
Um setzung
Computer unterstützt: Teleoder OnlineDelphi
45
DecisionDelphi
Ermittlungvon Experten meinungen
Konsens bildung
SofortigesFeedback: RealTimeDelphi
Nurcomputerunterstützt möglich
Tabelle5: KlassifikationvonDelphistudien
Die in der Literatur am häufigsten vorgenommene Klassifikation erfolgt gemäß der IntentionderjeweiligenStudie.HierbeisindzweiTypologienverbreitet: Zum einen die aus dem angelsächsischen Raum stammende Einteilung in Classical Delphi, Policy Delphi und Decision Delphi, welche nach sukzessiver Entwicklung von Rauch (1979) umfassend beschrieben wurde. Als Classical Delphi wird hier die faktenbezogene Suche nach einer Konsensprognose unter unvoreingenommenen Experten gesehen188, während im Policy Delphi ein möglichst breites Spektrum von Alternativen für strategische Fragestellungen ermittelt werden soll.189 Das Decision Delphi, die dritte Ausprägung, dient zur Vorbereitung und Unterstützung der Ent scheidungsfindungdurcheineGruppevonEntscheidungsträgern.190 Die alternative Klassifikation von Häder (2002) unterscheidet zwischen vier Ziel setzungen, die weder deckungsgleich noch überschneidungsfrei mit den oben dar gestelltenTypenausfallen.SodifferenziertHäderzwischenDelphistudienzurVorher sage eines diffusen Sachverhaltes, zur Ideenaggregation, zur Ermittlung und Quali fikation der Ansichten einer Expertengruppe über einen diffusen Sachverhalt und Delphibefragungen zur Konsensbildung unter den Teilnehmern.191 Im Vergleich mit dererstenTypologiebestehteinegewisseÜbereinstimmungzwischendemClassical 188
Vgl.Rauch(1979),S.160f. Vgl.Turoff(1975),S.80. 190 Vgl.Rauch(1979),S.163ff. 191 Vgl.Häder(2002),S.30ff. 189
46
2TheoretischeGrundlagen
DelphiundDelphistudienzurVorhersagevondiffusenSachverhalten(beidezielenauf eine zukunftsgerichtete Konsensprognose ab) sowie zwischen Policy Delphi und Delphistudien zur Ideenaggregation (beide dienen dem Zweck, ein umfassendes Meinungsbildzuermitteln). EineKategorisierunggemäßderverfolgtenZielsetzungalleinewirdjedochderheute existierenden Vielfalt von Delphistudien nicht gerecht. Insbesondere durch die Ver fügbarkeitvonComputersystemenundderenweltweiterVernetzungsindWerkzeuge zurWeiterentwicklungdertraditionellenMethodikentstanden,derenNutzungeine SystematisierungnachweiterenKategoriennotwendigerscheinenlässt. SolassensichDelphistudienzunächstanhandderOrganisationdesKommunikations prozesses mit dem Expertenpanel weiter differenzieren. Dieser kann einerseits, wie im ursprünglichen Delphi vorgesehen, in klar abgegrenzte Befragungsrunden ein geteiltwerdenundsichsoaufeinenlängerenZeitraumbeziehen.Derrückkoppelnde InformationsflussgeschiehthierbeieinMalproRundedurchdieStudienleitung. Eine alternativeMöglichkeit besteht darin,die Unterscheidung in Rundendurch ein computergestütztes Echtzeitsystem, welches die Rückkoppelungsinformation individuell,automatisiertunddynamischberechnet,zuersetzen.BeidiesemalsReal Time Delphi oder Delphi Conference192 bezeichneten Verfahren werden die Teil nehmer aufgefordert, innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls mehrmals an der Befragung teilzunehmen und erhalten während der Teilnahme bei numerischen Schätzungen jeweils aktuell berechnete statistische Größen (z.B. Median) über alle bisherigen Teilnehmer hinweg ausgegeben, in deren Kontext sie ihre eigenen Schätzungenabgeben,ggf.begründenundbeliebigoftkorrigierenkönnen.193 Während das Real Time Delphi nur computergestützt durchführbar ist, ist das rundenbasierte Vorgehen sowohl ohne als auch mit computergestützter Daten erhebung möglich. Entsprechend wird die Erhebung mittels Papierfragebögen als Paper and Pencil Delphi und die computergestützte Durchführung allgemein, also sowohl per EMail als auch über interaktive Internetseiten, als TeleDelphi be
192
Vgl.Linstone/Turoff(1975),S.5. Vgl.Gordon/Pease(2006),S.321ff.
193
2.5DieDelphimethodik
47
zeichnet.194 Die Umsetzung als Onlinebefragung (OnlineDelphi) stellt eine spezielle AusprägungdesTeleDelphidar. 2.5.3 WissenschaftlicheFundierung Eine nicht abgeschlossene Diskussion besteht hinsichtlich der wissenschaftlichen Fundierung der Delphimethodik. Diese wird von einigen Seiten bestritten195, jedoch richtetsichdieKritikinweitenTeilenwenigerkonkretgegendieDelphimethodikals gegenalleVerfahren,dieschlechtstrukturierteFragestellungenüberzukünftigeEnt wicklungen untersuchen. Die Kritik ist also eher im Untersuchungsgegenstand be gründet. Zur Fundierung der Delphimethodik werden zunächst die grundlegenden, intuitiv nachvollziehbarenmethodischenHypothesengenannt:196 DerDurchschnittvonmehrerenExpertenschätzungenistvonhöhererQualität alseinzelneSchätzungen. DurchInteraktioninnerhalbderExpertengruppewächstdieQualitätderAus sagen. DieStrukturierungdesInteraktionsprozessesistvorteilhaft,daunerwünschte BeeinflussungenderExpertenuntereinandervermiedenwerden. Diese Thesen lassen sich durch die im Folgenden kurz wiedergegebenen wissen schaftstheoretischenÜberlegungenerhärten: Zunächst erscheint die Argumentation über das „n+1Argument“ plausibel, wonach mit jedem zusätzlich befragten Experten das Wissen des Gremiums und somit auch die Qualität dessen Einschätzung wächst.197 Nach einer Diskussion über den Gehalt dieser Argumentation kommen Saliger/Kunz (1981) nach wahrscheinlichkeits theoretischer Analyse zu dem Ergebnis, dass die durch Delphi gewonnenen Ergeb nissebesseralseinzufälligausgewähltesExpertenurteilsind.198Hiervongehenauch Rowe/Wright/Bolger (1991) aus. Diese schlussfolgern darüber hinaus, dass weniger sachkundige Experten („Swingers“) sich von der aggregierten Gruppenmeinung stärkerbeeinflussenlassenalsihrekenntnisreicherenKollegen(„Holdouts“),wodurch 194
Vgl.Linstone/Turoff (1975), S. 5; Florian (2000), S. 201. Für nähere Ausführungen zu den computergestütztenErhebungsverfahrenseiaufdieKapiteldreiundvierverwiesen. 195 FüreinenÜberblickvgl.Landeta(2006),S.469. 196 Vgl.Woudenberg(1991). 197 Vgl.Dalkey(1969),S.6ff. 198 Vgl.Saliger/Kunz(1981),S.470.
48
2TheoretischeGrundlagen
eineBewegungdesGruppenurteilsinRichtungderrichtigenLösungstattfindet(vgl. Abbildung13).199 Areacontainingtrue answer
Central Central Central Tendencyfor Tendencyfor Tendencyfor ‘Holdouts‘ ‘Swingers‘ Group
Abbildung13: ÄnderungstendenzderGruppenmeinungüberdieBefragungsrundenhinweg200
SomitfindeteineindirekteSelbstselektionderExpertenstatt,indemdieAussagevon höherqualifiziertenExperten,diesichihrerSachesehrsichersind,durchdieBeein flussung anderer Befragungsteilnehmer faktisch höher gewichtet wird. Diese Über legung wird im Wesentlichen durch einen von Blind/Cuhls (2001) durchgeführten HypothesentestaufderBasiseinesrealenDatensatzesbestätigt. Ebenfalls bekräftigen Parente et al. (1984) diese Annahmen. Sie ermitteln in einem empirischen Studiendesign eine Überlegenheit der Gruppenvorhersage über die isolierten Prognosen von 95% der Gruppenmitglieder. Auch zeigen Rowe/Wright/ McColl(2005)empirisch,dassdieExpertenmitdenakkuratestenEinschätzungenihre Meinung am wenigsten ändern, was ebenfalls die These von Rowe/Wright/Bolger (1991)stützt. InderLiteraturwerdenvieleVersuchebeschrieben,dieDelphimethodikperseeiner Evaluation zu unterziehen. So unternahmen etwa Rowe/Wright (1999) eine Meta studie,diedieinDelphistudienerzielteAussagepräzisionmitderandererMethodiken (einmalige Expertenbefragung sowie interagierende Gruppen) vergleicht, wobei ein VorteilderDelphimethodikermitteltwird.201Ono/Wedemeyer(1994)bestätigendie ValiditätderMethodik.AllerdingskommtetwaWoudenberg(1991)zudemErgebnis, dass Delphi keine signifikanten Vorteile gegenüber anderen Verfahren bietet und darüber hinaus bei geringen Vorteilen auch der mit Kosten verbundene hohe Auf wandzuberücksichtigenist.FolglichistkeineinheitlichesErgebniserkennbar. 199
Vgl.Rowe/Wright/Bolger(1991),S.238. InAnlehunganRowe/Wright/Bolger(1991),S.238. 201 Vgl.Rowe/Wright(1999),S.364ff. 200
2.5DieDelphimethodik
49
Im Vergleich zu mathematisch fundierten Prognoseverfahren, wie etwa der Trend extrapolation202,weisenDelphistudiensomiteinevergleichsweiseschwachemetho discheFundierungauf.JedochliegtihrAnwendungsfeldgenauindemBereich,indem solch analytische Verfahren nicht angewendet werden können, da eine hohe Un gewissheit bezüglich der relevanten Einflussfaktoren und den Kausalzusammen hängen herrscht, welche sich streng rationalen Analysemethoden entziehen. AllerdingshabenauchWissenschaftlerundExpertenProbleme,sichvondominanten Paradigma zu lösen, zudem sind unbewusste Wissenslücken (sog. unkonown unkonowns)kaumzuüberwinden.203InsgesamtistdieKritikinsbesondereindervor genommenen Prognose zukünftiger Entwicklungen begründet. Entsprechend vor sichtigsinddieerzieltenErgebnissezuinterpretieren. 2.5.4 VorteileundNachteilederinternetgestütztenUmsetzung Die Erhebung der durchgeführten Delphistudie erfolgte internetbasiert als Online Delphi unter dem Einsatz einer Standardsoftware für Onlinebefragungen. Die damit verbundenenVorteileundNachteilewerdenimFolgendendargestellt. Durch denEinsatz des Internets als Medium für die Delphibefragungen werden ins besonderedieZielederKostenundZeitersparniserreicht.Diesgeschieht,indemder traditionellpostalischeDatenaustauschüberdasInternetabgewickeltwird,wodurch zusätzlich der mit der Gefahr von Übertragungsfehlern behaftete Medienbruch zwischenPapierfragebögenundcomputergestützterAuswertungvermiedenwird.204 Aufgrund der sofortigen Erfassung der Antworten können diese gemäß vorher definierten Regeln bereits während der Beantwortung automatisiert ausgewertet werden. Dies ist insbesondere in drei Anwendungsfeldern von Vorteil: bei der Ver tiefungoffenerAntworteninfolgendenFragen,beibedingtenBegründungenundin derdynamischenBefragtenführung. Bei der Vertiefung offener Fragen ist es etwa möglich, in der ersten, qualitativ orientierten Befragungsrunde die Experten zu bitten, offen Zukunftstrends im KontextderuntersuchtenFragestellungzunennen.DiesekönnenanspätererStelle näherhinterfragt werden, beispielsweise hinsichtlich derenRealisierbarkeitund des Zeithorizonts. 202
ZurTrendexplorationvgl.bspw.Armstrong(2001). Vgl.RootBernstein(2003),S.172f;Kuhn(2006),S.35ff. 204 Vgl.Edwards(2003),S.265. 203
50
2TheoretischeGrundlagen
Mit bedingten Begründungen steht ein Instrument zur Verfügung, welches von Gordon/Pease(2006)fürRealTimeDelphiStudieneingeführtwurde,jedochauchin rundenbasierten OnlineDelphibefragungen eingesetzt werden kann: Die Befragten werden,soferndervonihneneingetrageneSchätzwertaußerhalbeinesbestimmten Intervallsliegt,aufgefordert,ihreSchätzungzubegründen.DieseBegründungwirdim FolgendendenanderenTeilnehmernmitgeteilt,fürdenFall,dassdiesedasjeweilige ArgumentbeiderMeinungsbildungnichtbedachthaben.FürrundenbasierteDelphi studienistdasIntervallindererstenRundedurchdieStudienleitungzubestimmen, indenfolgendenRundenkannderMittelwertdervorangegangenenRundealsAus gangswertfüreinIntervallnachobenunduntengewähltwerden. InderdynamischenBefragtenführungwirdderAblaufderBefragunginAbhängigkeit vonbekanntenEigenschaftendesExpertenoderbereitsgegebenenAntwortenmodi fiziert, es können also Fragen übersprungen oder deren Reihenfolge geändert werden.DiesermöglichtaucheinenochtiefergehendeSpezialisierunginnerhalbdes Expertenpanels und damit die Abdeckung eines breiteren Themenspektrums ohne Verlängerung des Fragebogens:205 So können die Befragten in Form der Selbst selektion Themenbereiche auswählen, über die sie ihrer eigenen Einschätzung nach diehochwertigstenAussagentreffenkönnen.InderimVorfelddieserArbeitdurch geführtenStudiegeschahdiesdurchdieSpezialisierungderabgegebenenPrognosen auf einzelne Branchensegmente,die Zuordnung der Experten erfolgte gemäß deren Selbsteinschätzung. AufGrundlagedersofortigenErfassungderAntwortenistesauchmöglich,denBe fragten durch automatisierte Plausibilitätsprüfungen auf nicht sinnvolle oder fehlendeAntwortenhinzuweisen,dieetwadurchTippfehleroderfalschverstandene Fragestellungen entstanden sein können. Dadurch wird die Zahl nicht verwertbarer Antwortengemindert. DurchdenEinsatzautomatisierterRandomisierungderReihenfolgevonFragenbzw. der einzelnen Beurteilungskriterien kann zudem ein verzerrender Reihenstellungs effekt206eliminiertwerden,derdazuführt,dasseineFragebzw.einKriteriuminAb
205
Vgl.Cuhls/Blind/Grupp(1998),S.6.Dabeiistjedochzuberücksichtigen,dassfürjedeSubgruppe einehinreichendgroßeAnzahlvonExpertennotwendigist,wasbeiderSelektionderBefragtenzu beachtenist. 206 Vgl.Ferber(1952);Stern/Dillman/Smyth(2007),S.127.
2.5DieDelphimethodik
51
hängigkeit von der Position im Fragebogen bzw. in der Frage abweichend be antwortetwird,wodurchergebnisqualitätsminderndeVerzerrungenentstehen. AufdenEinsatzvonElementendesRealTimeDelphiwurdeinderDurchführungder Studieverzichtet,einerseitsaufgrundderprimärqualitativenFokussierung,anderer seits zur Vermeidung unerwünschter BandwagonEffekte207, welche durch die dynamische Ermittlung und Wiedergabe von Mittelwerten von Teilmengen der Antwortenentstehenkönnten. In der Literatur ist jedoch auch eine breite Front der Kritik an Onlinebefragungen festzustellen, in erster Linie die Teilnehmerzusammensetzung betreffend.208 Diese KritikpunktewerdenimFolgendenüberblicksartigdargestellt.
AllenvoranwirddienichtgegebeneRepräsentativitätund–damitverbunden–eine verzerrte oder gar unbekannte Zusammensetzung der Stichprobe kritisiert.209 Diese KritikpunktelaufenjedochbeidenhierbetrachtetenDelphistudieninsLeere,dadie AuswahlderTeilnehmerkeinemRepräsentativitätsanspruchunterliegt,sondernnach fachlichenKriterienerfolgt.
Neben den genannten methodischen Nachteilen besteht zudem ein technischer: WohingegenbeiklassischenBefragungenfürdieBeantwortungdesFragebogensnur einStiftbenötigtwird,soisteinmitdemInternetverbundenesEndgerät,inderRegel ein Personal Computer, für die Beantwortung von Onlinebefragungen erforderlich. NebendenobengenanntenStichprobenverzerrungenkönnenzudemProblemeent stehen,diedurcheineheterogeneAusstattungderBefragtenmitSoftundHardware sowie der zur Verfügung stehenden Internetverbindungsgeschwindigkeit ent stehen.210SokannesetwazuDarstellungsfehlernkommen,dieimExtremfalleinen semantischenUnterschiedverursachen.211DieseFehlermüssendurchvorgeschaltete Tests und dem Einräumen eines alternativen Befragungsmediums für Zielgruppen mitgliederohneInternetzugangausgeschlossenwerden. Als Konsequenz aus den genannten Kosteneinsparungseffekten zeichnet sich seit einigerZeiteinweiteresProblemvonOnlinebefragungenab,dessenAusmaßbislang noch nicht wissenschaftlich untersucht worden ist: Durch die gesunkene finanzielle HürdederDurchführungisteinestarkeZunahmederAnzahlvonOnlinebefragungen 207
ZumBegriffderBandwagonEffektevgl.Leibenstein(1950),S.188ff;Simon(1957),S.79ff. Vgl.Wright(2005). Vgl.Bandilla(1999),S.9;Wölfer/Noll(2002),S.221. 210 Vgl.Schnell/Hill/Esser(2005),S.382;Zhang(2000),S.26. 211 Vgl.Dillman/Bowker(2001),S.169ff. 208 209
52
2TheoretischeGrundlagen
festzustellen, wodurch bei häufig nachgefragten Zielgruppen eine gewisse Teil nahmemüdigkeit entstehen könnte. Hier müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden, etwa die zusätzliche Kontaktierung auf telefonischem oder schriftlichem Wege oder eine verstärkte, glaubwürdige Versicherung des redlichen, das Gemein wohlförderndenwissenschaftlichenInteresses. 2.6 ZwischenfazitI Im vorangegangenen Kapitel wurde die theoretische Basis der vorliegenden Arbeit gebildet. So stellt die Analyse von Wertschöpfungsprozessen ein geeignetes Mittel zurErfassungvondigitalisierungsbedingtenVeränderungeninderLeistungserstellung innerhalbvonUnternehmenwieauchaufBranchenebenedar.Fürdiebranchenweite Analyse erscheint der flexible ValueNetAnsatz von Parolini (1999) am besten ge eignetzusein,weswegenerindenfolgendenKapitelnVerwendungfindet. Im Kontext der Veränderung von Wertschöpfungsstrukturen stellt auch die Unter suchungderRollevonMedienunternehmenalsIntermediäre,dieeineVermittlungs position zwischen Anbieter und Nachfrager übernehmen, eine aussagekräftige theoretische Grundlage dar. Hierbei ist insbesondere die Betrachtung der Hinter gründevonIntermediationsowiederggf.folgendenDisundReintermediationlehr reich. Für die Analyse der Interaktion verschiedener Unternehmen im Wertschöpfungs system sowie deren Strategien ist die Betrachtung der Positionierung der einzelnen Marktteilnehmer aufschlussreich. Hierzu dient das Konzept des Geschäftsmodells, welches Aussagen zur eingesetzten Produktarchitektur, dem verfolgten Erlösmodell sowiederArchitektur,inderdieWertschöpfungerbrachtwird,enthält. Zudemsind imMedienkontextSpezifika hinsichtlich der besonderenCharakteristika von Medienprodukten als Informationsprodukte, deren Kosten und Erlösstruktur sowie im digitalisierungsbedingt zunehmenden Maße Netzwerkeffekte und Fragen der Standardisierung zu berücksichtigen. Diese Zusammenhänge unterscheiden MediengütervongewöhnlichenGebrauchsgütern. Schließlicherfolgte,umdieEinordnungspätereingesetzterErgebnisseeinerDelphi studiezuermöglichen,einekritischeBetrachtungdieserMethodik.
3 DerBuchmarkt Nach Darstellung der relevanten theoretischen Konzepte wird im folgenden Kapitel der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit erläutert. Hierzu werden zu nächstwichtigeBegrifflichkeitendefiniert,bevordietraditionelleStrukturdesBuch marktesdurchdieDarstellungdesWertschöpfungssystemsvorgestelltwird. 3.1 Begriffsabgrenzungen Als Grundlage für die Betrachtung des Buchmarkteswerdenim Folgenden zunächst wichtigeAusdrückediskutiertunddefiniert. 3.1.1 BuchundEBook IndernachstehendenTabelle6sindeinführendeinigeDefinitionendesBuchbegriffs wiedergegeben,welchealsGrundlagefürdieimAnschlussdurchgeführteErarbeitung einerArbeitsdefinitiondienen.
Autor
Definition
Unesco (1964)
“Abookisanonperiodicalprintedpublicationofatleast49pages,exclu siveofthecoverpages,publishedinthecountryandmadeavailabletothe public”212
Hiller/Füssel "EineineinemUmschlagoderEinbanddurchBindungzusammengefasste, meistgrößereAnzahlvonleeren,beschriebenenoderbedrucktenBlättern (2006) […] von nicht periodischer Erscheinungsweise. […] Der Funktion nach ist das Buch die grafische Materialisierung geistigimmaterieller Inhalte, zum Zwecke ihrer Erhaltung, Überlieferung und Verteilung in der Gesell schaft“213
Sjurts (2006)
„[…] eine nicht periodisch erscheinende Publikation mit einer in sich ge schlossenen Inhaltsdarstellung und mindestens 48 Seiten. Das Buch be steht dabei aus gehefteten, blockartig beschnittenen und eingebundenen LagenvonbedrucktenBogenineinergeordnetenAbfolge.“214
Titel(2006)
Der Begriff Buch fasst ein „im urheberrechtlichen und buchhändlerischen Sinne veröffentlichtes Speichermedium […], Schrift und stehende Bild zeichenenthaltend.“215
Gläser
„Im traditionellen Verständnis ist ein Buch "ein bedruckter Stapel von
212
UNESCO(1964). Hiller/Füssel(2006),S.61. 214 Sjurts(2006),S.30. 215 Titel(2006a),S.79;Titel(2006b),S.119. 213
54
3DerBuchmarkt
(2008); Kerlen (2006)
Papier,dreiseitigoffenundzublättern,miteinemEinband."Traditioneller TrägeristPapier,aufdasdiezuvorgesetztenLetterngedrucktwerden,die DruckbogenineinenBuchblockgefalzt,miteinemEinbandausPappever sehen und als Objekt per Post verschickt werden. Man spricht vom ,,3P Szenario":Papier,Pappe,Post. Im digitalen Szenario ist Buch ein „Langtext, der nicht in direkter Kommunikation, also vorgetragen oder vorgelesen vermittelt wird, sondern mittels eines Trägers." Je nach Träger ist dieser Langtext bei der VervielfältigungjeweilseineranderenÖkonomieunterworfen.“216
Armstrong (2008)
“A book is ‘a substantive amount of content published in some physical form – normally paper sheets bound at one edge – and which is not dis tributedserially’.”217
Tabelle6: DefinitionendesBuchbegriffs
Bei Betrachtung der Definitionen fällt zunächst der traditionelle Bezug auf ein physisches,inderRegelgedrucktesMediumauf,welchesdurchzweiKriterienzuden Zeitschriften abgegrenzt wird: Zum einen wird auf die nichtperiodische Er scheinungsform abgestellt, zum anderen auf die Herstellungsweise als gebundene SammlungvonPapierseiten. Allerdings wird diese Abgrenzung der Digitalisierung nicht gerecht. So würden E Books,dieunterVerwendungvonspeziellenLesegerätenrezipiertwerden,mangels Beschaffenheit aus bedrucktem Papier keine Bücher darstellen – trotz identischem Inhalt,RezeptionsformundWirkung.218 Somit muss eine zeitgemäße Definition von der physischen Erscheinungsform abstrahieren,wieesbeiTitel(2006a)undinderzweitenVariantederDefinitionvon Stähler (2001) bzw. Kerlen (2006) geschieht. Allerdings wird die von Kerlen (2006) vorgenommene strikte Beschränkung auf Langtexte, wenngleich sie ein typisches Merkmal des Inhalts von Büchern darstellt, etwa Bilderbüchern und künstlerischen Bildbänden nicht gerecht, weswegen dieses Kriterium nur relativiert übernommen wird.UmeinebessereAbgrenzungzuZeitschriften,ZeitungenundOnlinemedienwie etwa Blogs zu erreichen, wird die Definition zudem um das übliche, in den DefinitionenvonArmstrong(2008)undSjurts(2006)enthalteneKriteriumderNicht periodizitätergänzt. 216
Gläser(2008),S.125;teilweiseinZitationvonKerlen(2006),S.1f. Armstrong(2008),S.195. SokommtauchKübler(2008)nachDiskussionausliterarischerPerspektivezudemSchluss,dass letztlich der Inhalt der ausschlaggebende Faktor für die Wirkung von Büchern auf den Leser ist undnichtderenphysischeHerstellungsform.Vgl.Kübler(2008),S.25ff.
217 218
3.1Begriffsabgrenzungen
55
SomitwerdenBücherimKontextdieserArbeitwiefolgtdefiniert: Ein Buch ist ein nicht periodisch erscheinendes, thematisch abgeschlossenes und typischerweise als Langtext verfasstes Medienprodukt, das in indirekter KommunikationdurcheinMediumzeitversetztvermitteltwird. Diese breite Definition schließt auch Hörbücher ein, sofern sie sich auf die reine TextwiedergabeohnekünstlerischeInterpretationbeschränken.219 ImRahmendieserArbeitistnebenderDefinitionvonBüchernimAllgemeinenauch die besondere Ausprägung als EBook, also in digitaler Form, von Relevanz. In der nachfolgendenTabelle7sindeinigeDefinitionenüberblicksartigdargestellt.
Autor
Definition
Feather/Sturges (2003)
„The result of integrating classical book structure, or rather the familiar concept of a book, with features that can be provided within an electronic environment is referred to as an electronic book (or ebook), which is intended as an interactive document thatcanbecomposedandreadonacomputer.”220
McKnight/Dearnley An “ebook can be defined as the content of a published book madeavailabletothereaderinelectronicform.”221 (2003) Garrod/Weller (2005)
“Today the term ebook tends to mean actual content i.e. books thatareavailableinelectronicform,andwhichcanbedownloaded fromtheInternetandreadonavarietyofhardwareplatformswith theaidofreadingsoftware.”222
Živkovi(2005)
“An electronic book consists of one or more files of monographic characteravailabletothepubliconlineorinphysicalform(onCD ROM,disketteundthelikephysicalcarriers).Inadditionto textit may include images and sound, links to related online pages and programstochangeandsupplementit.”223
Hiller/Füssel(2006) „EBook, Kurzbezeichnung für Electronic Book, dient sowohl als Bezeichnung für die digitalisierte Form von Inhalten (content) als auchfüreinspeziellesLesegerätimBuchformat.“224
219
Vgl.Kerlen(2006),S.2. Feather/Sturges(2003),S.168. 221 McKnight/Dearnley(2003),S.235. 222 Garrod/Weller(2005). 223 Živkovi(2005),S.61. 224 Hiller/Füssel(2006),S.105. 220
56
3DerBuchmarkt
Sjurts(2006)
„elektronischeFassungeinesBuchs.”225
Duden(2006)
„tragbaresdigitalesLesegerätinBuchformat,indasTexteausdem Internetübernommenwerdenkönnen“226
Armstrong(2008)
“Anebookis:anycontentthatisrecognisably‘booklike’,regard less of size, origin or composition, but excluding journal publica tions,madeavailableelectronicallyforreferenceorreadingonany device(handheldordeskbound)thatincludesascreen.”227
Tabelle7: DefinitionendesBegriffesEBook
Esistfestzustellen,dassderBegriff„EBook“derzeitirreführendsowohlfürdigitale BuchinhaltealsauchfürdezidierteLesegeräteverwendetwird,wobeidieinhaltsbe zogeneInterpretationinsbesondereinletzterZeitüberwiegt.228DieseunklareBegriff lichkeitistfüreinewissenschaftlicheAnalysenichthinnehmbar,weswegenindieser Arbeit der Begriff entsprechend der unten vorgenommenen Definition für digitale Buchinhalte verwendet wird. Die zur Rezeption eingesetzten Endgeräte werden als (dezidierte)EBookLesegerätebezeichnet. Bei den dargestellten Definitionen des Begriffes EBook herrscht ein durchgängiger Bezug auf den Buchbegriff vor. Dieser wird auch in der nachstehenden Arbeits definition beibehalten, indem EBooks passend zur vorgenommenen Definition des BuchbegriffsalsdessenbesondereAusprägungdefiniertwerden: Ein elektronisches Buch (EBook) ist ein nicht periodisch erscheinendes, thematisch abgeschlossenes und typischerweise als Langtext verfasstes Medien produkt,dasinindirekterKommunikationdurcheindigitalesMediumzeitversetzt vermitteltundaufeinemBildschirmwiedergegebenwird. Dabei umfasst der Begriff Bildschirm nicht nur stationäre Monitore, sondern alle DisplaysjeglicherTechnologieimmobilenwiestationärenUmfeld. 3.1.2 Buchhandel Für die wirtschaftlichen Akteure und Strukturen der Buchbranche sind einige spezi fische Termini üblich, welche für das Verständnis wichtig sind und deswegen kurz eingeführtwerden. 225
Sjurts(2006),S.52. Duden(2006). Armstrong(2008),S.199. 228 Vgl.etwa Hiller/Füssel (2006), S. 105; Janzin/Güntner (2006), S. 475; Titel (2006b), S.119; Armstrong(2008),S.195ff. 226 227
3.2TraditionelleWertschöpfungsstruktur
57
Zunächst unterscheidet man zwischen dem Herstellenden und dem Verbreitenden BuchhandelsowiedemZwischenbuchhandel.229DabeistehtderBegriffHerstellender Buchhandel für Verlage, weswegen dieser auch als Verlagsbuchhandel bezeichnet wird.230SomitwerdenVerlageals„derTeildesBuchhandels,derdietechnischeHer stellung der Bücher durch die Druckereien veranlasst“231 definiert.Nach ihren Wirt schaftsprinzipien werden Verlage weiter differenziert: Ein Selbstverlag stellt ein selbstständiges Gewerbe eines Autors dar, ein Kommissionsverlag tritt als reiner Dienstleister ohne Risikoübernahme auf, während der Eigentliche Verlag der gängigenVorstellungeinesverlegerischtätigenWirtschaftsbetriebesentspricht.232 Der Zwischenbuchhandel als Intermediär zwischen Verlagen und Einzelhandel um fasst die als Dienstleister für Verlage tätigen Verlagsauslieferungen, Barsortimenter, welcheaufeigeneRechnungarbeiten,eineschnelleundumfassendeBelieferungdes Bucheinzelhandels garantieren und diesen somit weitgehend von der Lagerhaltung befreien,sowiedenGrossobuchhandel,derdieseAufgabefürkleinereBuchverkaufs stellen und buchhändlerische Nebenbetriebe übernimmt.233 Der weit entwickelte ZwischenbuchhandelstellteineBesonderheitderdeutschenBuchbranchedar,inter nationaldominierteinezweistufigeStruktur.234 ImVerbreitendenBuchhandelsindalleUnternehmenzusammengefasst,welchefertig produzierte Bücher an Endkunden vertreiben. Hierzu zählen neben den klassischen Buchhandlungen, welche als Sortimenter oder Sortimentsbuchhandel bezeichnet werden, der Direktvertrieb von Verlagen, Versand und Bahnhofsbuchhandlungen, Buchgemeinschaften,Warenhäuser,AntiquariateundsonstigeVerkaufsstellen.235 3.2 TraditionelleWertschöpfungsstruktur Die Buchbranche verfügt über eine historisch gewachsene Wertschöpfungsstruktur, welche in diesem Abschnitt als Grundlage für die Analyse ihrer möglichen Ver änderungvorgestelltwird.InderfolgendenAbbildung14isthierzu,derValueNet Darstellungsweise von Parolini (1999) folgend, eine vereinfachte Darstellung des 229
Vgl.Schönstedt(1999),S.43;Heinold/Spiller(2004),S.30. Vgl.Heinold(2009),S.12. 231 Hiller/Füssel(2006),S.342. 232 Vgl.Schönstedt(1999),S.59ff. 233 Vgl.Behmetal.(1992),S.6;Heinold(2001a),S.160f;Heinold(2009),S.161ff;Sjurts(2004),S.65; Janzin/Güntner(2006),S.456;Kerlen(2006),S.246. 234 Vgl.Schönstedt(1999),S.43. 235 Vgl.Heinold(2009),S.174;BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008c),S.6. 230
58
3DerBuchmarkt
WertschöpfungssystemsderBuchbrancheinklusivederdominantenAkteursgruppen wiedergegeben.
Inhaltekreativ erschaffen
Inhalteentdecken
Vorfinanzieren
Inhalte bewertenund auswählen
Inhalte überarbeiten
Marketing& Branding betreiben
Rechtehandeln& crossmedial vermarkten
Inhalte bündeln
Bücherin Datenbank bereitstellen
Bücher drucken
Autor
Verlag
Bücherverleihen
BücherfürVerleih erwerben
Transaktion anbahnen
Bibliothek
Druckerei
Bücherverfügbar halten& ausliefern
Verlagsauslieferung Transaktion abwickeln
Bücher rezipieren
Leser
Bücherverfügbar halten& liefern
Bücherfür Konsumerwerben
Käufer
Bucheinzelhandel
Barsortiment
236
Abbildung14: KlassischesWertschöpfungssystemderBuchbranche
Die Wertschöpfung beginnt mit der kreativen Erschaffung eines Buchinhaltes durch den Autor. Dies geschieht in der Regel auf dessen Eigeninitiative hin, teilweise werdenAutorenauchvonVerlagenbeauftragt,etwabeiSammelbändenoderReise führern. Die folgenden Wertschöpfungstätigkeitenwerdenderzeit inder Regel von Verlagen ausgeführtoderbeauftragt.HierzuzähltzunächstdieEntdeckungpotenziellerBuch inhalte, die durch Lektoren und die Programmleitung bewertet werden.237 Hierbei ausgewählte Manuskripte werden, zumeist in Interaktion mit dem Autor, über arbeitetundsomitverbessert.ImnächstenSchrittgeschiehtdieBündelungvonggf. mehreren Beiträgen zu einem fertigen Buch. In diesem Schritt geschehen auch die grafische Gestaltung und der Satz des Buches. Dieses wird in digitaler Form vor gehalten.
236
EigeneDarstellungaufGrundlagevonHeinold(2001b),S.196f;Kerlen(2006),S.22;Picot/Janello (2008),S.18;Parolini(1999),S.187.DieBedeutungderverschiedenenDarstellungsformenistin Abbildung8aufSeite17dargestelltundwirddorterläutert. 237 Vgl.Kerlen(2006),S.22und69ff;Hiller/Füssel(2006),S.342.
3.2TraditionelleWertschöpfungsstruktur
59
Begleitend hierzu übernehmen Verlage auch weitere unterstützende Wert schöpfungsaktivitäten. Hierzu zählt die Vorfinanzierung der im Herstellungsprozess anfallenden Kosten und somit eine Risikoübernahme, welche jedoch auch teilweise den Autoren überlassen wird – im Extremfall, etwa bei wissenschaftlichen Publikationen ohne hohe Absatzerwartung, ist sogar vom Verfasser ein Autoren zuschuss zu leisten.238 Daneben betreiben Verlage Marketingmaßnahmen und signalisieren durch ihre Marke die Positionierung und Qualität des Titels.239 Eine weitere Aktivität von Verlagen liegt in der Akquise und dem Verkauf von Rechten, sowohl im Bezug auf Haupt wie Nebenrechte, wie etwa für Filmproduktionen und Übersetzungen. Die folgenden Wertschöpfungsaktivitäten der Vervielfältigung werden in der Regel von (zumindest rechtlich) eigenständigen Druckereien erbracht, teilweise jedoch auch innerhalb von Verlagen. Hierbei ist zunächst die Speicherung des fertigen BuchesindigitalerForminderDruckvorstufezunennen.Diesistteilweisedieeinzige Fassung des endgültigen Buches in digitaler Form, da Endkorrekturen durch den Autortraditionellin den fertigen Druckfahnen erfolgen und eine Übernahme dieser ÄnderungenindieelektronischenVorversionenmithohemAufwandverbundenist. Dies ist für die im weiteren Verlauf der Arbeit vorgenommene Diskussion über elektronische Erscheinungsformen von Relevanz, da eine durchgehend medien neutrale Datenhaltung diesen Medienbruch sowie den Aufwand weiterer Kon vertierungsvorgänge eliminiert. Für die Herstellungskosten wird üblicherweise ein DritteldesLadenpreisesangesetzt.240 Nach Fertigstellung der Bücher erfolgt deren Distribution. Diese geschieht in der Regel über den Zwischenbuchhandel und den Bucheinzelhandel, in Ausnahmefällen auchimDirektvertriebdurchdenVerlagselbst,allerdingsübernimmtdieserdanndie FunktioneinerVersandbuchhandlung.DerSammelbegriffZwischenbuchhandelsteht für die von Verlagen als Broker241 beauftragten Verlagsauslieferungen und die als MerchanttätigenBarsortimenter,welcheeineumfangreicheundkurzfristigeVerfüg barkeitlieferbarerBücherauseinerHandgarantieren.242ImBereichdesBucheinzel handels dominiert, wie in Abbildung 16 auf Seite 63 näher dargestellt, noch immer 238
Vgl.Kerlen(2006),S.105. DiesistvordemKontextdesInformationsparadoxons(vgl.Abschnitt2.4.1)besonderswichtig. Vgl.Kerlen(2006),S.131. 241 ZumBegriffdesBrokerundMerchantimSinnederIntermediärstheorievgl.Abschnitt2.2.1. 242 Vgl.Heinold(2001a),S.160ff;Hiller/Füssel(2006),S.368;Bellmann(2009),S.182. 239 240
60
3DerBuchmarkt
derSortimentsbuchhandelvordemDirektvertriebdurchVerlage,sonstigenVerkaufs stellensowiedemInternetbuchhandel,welcherjedocheindeutlichesWachstumer zielt.243 Der Bucheinzelhandel übernimmt traditionell auch die Transaktionsanbahnung, also dasZusammenbringenvonBuchundBuchkäufer,etwadurchBeratungoderAuswahl desangebotenenSortiments. Neben den Endkunden stellen auch Bibliotheken einen wichtigen Absatzmarkt für Bücher dar, wenngleich sie durch die befristete Weitergabe der Bücher auch eine alternative Zugangsmöglichkeit für Leser eröffnen und somit in Konkurrenz zum Buchhandelstehen. DieletztenSchritteimWertschöpfungssystemderBuchbranchewerdenvonKonsu menten durchgeführt. Es handelt sich um die letztendliche Beschaffung oder Leihe des Buches sowie dessen Rezeption. Die Darstellung deutet die häufige, aber nicht zwingendgegebeneIdentitätvonKäuferundRezipientan. 3.3 SegmentedasBuchmarktes Neben der dargestellten Handelsstruktur lassen sich die im Buchmarkt tätigen AkteuredarüberhinaushinsichtlichihrerthematischenFokussierungunterscheiden. Hierzu wird auf die etablierte Warengruppensystematik des Börsenvereins zurück gegriffen, welche den Buchmarkt in neun Gruppen unterteilt und in Abbildung 15, ergänztdurchihreUmsatzanteileimJahr2008,wiedergegebenist.
243
Vgl.BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008b).
3.4WirtschaftlicheKennzahlen
61
Sachbuch9,3% SchuleundLernen9,4% Belletristik32,3%
Sozialwissenschaften, Rechtu.Wirtschaft3,0% Mathematik, Naturwissenschaftenu. Technik5,2% Geisteswissenschaften, Kunst,Musik4,7%
Kinder &Jugendbücher 14,6%
Ratgeber15,1% Reisen6,5%
Abbildung15: UmsatzanteilederWarengruppenimBuchmarkt2008244
DieDifferenzierungzwischendiesenBranchensegmentenerscheintnotwendig,dadie digitalisierungsbedingten Veränderungen nicht auf jede Warengruppe im gleichen Umfang wirken. Die Gründe hierfür liegen insbesondere in der Eignung der Inhalte zurDigitalisierungsowieinderprimärenNutzungssituationundRezeptionsweise.245 3.4 WirtschaftlicheKennzahlen Insgesamt erwirtschaftete die Buchbranche in Deutschland im Jahr 2007 einen Um satzvonca.9,5MilliardenEuro246undstelltsomitnachderFernsehbranchedieum satzstärkste Mediengattung dar.247 Vertiefend zur oben dargestellten Wert schöpfungsstruktur werden imFolgendendie wirtschaftlichen Verhältnissevon Ver lagenundBuchhandelalsmaßgeblicheMarktteilnehmernäherbetrachtet. 3.4.1 Verlage ImJahr2006gabesinDeutschland2843Verlage.DieslässtaufdemerstenBlickauf einen wenig konzentrierten Markt schließen, jedoch erwirtschafteten davon 2226 Verlage weniger als eine Million Euro Umsatz und die 29 Verlage mit mehr als 50 MillionenEuroUmsatzerzieltengut62%desGesamtjahresumsatzes2006,mitauf 244
Vgl.BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2009),S.9.DieUmsatzanteilebeziehensichledig lichaufdieUmsätzeimSortimentsbuchhandelundinWarenhäusernundstellensomitnureinen Richtwertdar. 245 Vgl.hierzudieAusführungeninAbschnitt4.5. 246 Vgl.BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008c),S.5. 247 Vgl.Gläser(2008),S.186.
62
3DerBuchmarkt
grund des anhaltenden Konzentrationsprozesses steigender Tendenz.248 Die KonzentrationwirdauchausderfolgendenTabelle8deutlich,welchedie25umsatz stärkstenVerlageimdeutschsprachigenRaumzeigt.AuchhieristeinstarkesGefälle zuerkennen. Rang Name,Ort
Umsatz(Mio.€)
1
SpringerScience+BusinessMedia,Berlin
569,3
2
KlettGruppe,Stuttgart
434,0
3
CornelsenVerlagsgruppe,Berlin
354,3
4
RandomHouse,München
259,1
5
WestermannVerlagsgruppe,Braunschweig
246,8
6
HaufeGruppe,Freiburg/Breisgau
186,1
7
WekaFirmengruppe,Kissing
176,6
8
MairDuMont,Ostfildern
175,0
8
Weltbild,Augsburg
175,0
8
WoltersKluwerDeutschland,Köln
175,0
11
Thieme,Stuttgart
144,0
12
DeutscherFachverlag,Frankfurt/Main
135,7
13
C.H.Beck,München
135,0
14
RentropVerlagsgruppe,Bonn
134,0
15
VogelMedienGruppe,Würzburg
108,0
16
WileyVCH,Weinheim
96,5
17
BI/Brockhaus,Mannheim
90,0
18
Langenscheidt,München
87,4
19
Rowohlt,Reinbek
78,6
20
S.Fischer,Frankfurt/M
71,1
21
VerlagsgruppeDroemerKnaur,München
68,0
22
Landwirtschaftsverlag,Münster
66,2
23
VGHüthigJehleRehm,Heidelberg
65,0
24
DeutscherÄrzteVerlag,Köln
64,9
25
DAVVerlagsgruppe,Stuttgart
62,2
Tabelle8: Die25umsatzstärkstenVerlageimdeutschsprachigenRaumimJahr2008249
248
Vgl.Schönstedt(1999),S.44;BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008c),S.28ff. EigeneDarstellungaufGrundlagederDatenvonBuchreport(2009a).
249
3.4WirtschaftlicheKennzahlen
63
DiegroßeAnzahlanKleinverlagenexistierteherausideellenGründenundunterliegt zumeist wirtschaftlichen Problemen, wenn es ihnen nicht gelingt, eine erfolgreiche Nischenstrategieeinzuschlagen.250 3.4.2 Buchhandel Betrachtet man die Aufteilung der im Bucheinzelhandel erzielten Erlöse, so dominiert, wie in Abbildung 16 ersichtlich, noch immer der stationäre Sortiments buchhandel. Es folgen der Direktvertrieb durch Verlage, sonstige Verkaufsstellen (etwaSupermärkteoderTankstellen)sowiederInternetversandbuchhandel,welcher eindeutlichesWachstumerzielt:Nach6,9%MarktanteilimJahr2005,7,6%imJahr 2006 und 8,9% im Jahr 2007 wurden im Jahr 2008 10,7% erreicht, was einem Wachstum von 55% innerhalb von 3 Jahren entspricht.251 Die verbleibenden Ver triebswege Warenhäuser, klassischer Versandbuchhandel, sowie Buchgemein schaftensindvonuntergeordneterBedeutung. Versand Buchgemein buchhandel schaften 3,3% 2,9% Warenhäuser Sonstige 3,0% Verkaufsstellen 9,2%
Internet 10,7%
Sortiments buchhandel 52,6%
Verlagedirekt 18,2%
Abbildung16: UmsatzanteileimBucheinzelhandelnachVertriebswegenimJahr2008252
AuchimSortimentsbuchhandel,demimmernochgrößtenVertriebsweg,schreitetdie Marktkonzentration voran. Dieser Prozess wird aufgrund der Expansion von Buch 250
Vgl.Heinold(2009),S.151f. Vgl.Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2007); Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2008a); Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2008b); Börsenverein des Deutschen Buchhandels(2009),S.6. 252 Vgl.BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2009),S.6. 251
64
3DerBuchmarkt
handelsketten, allen voran Thalia und die DBHGruppe (Hugendubel / Weltbild) als Filialisierungbezeichnet.253 DieKonzentrationwirdauchausderfolgendenTabelle9,inderdie25größtenBuch handelskettenimdeutschsprachigenRaumdargestelltsind,deutlich. Rang Name
Umsatz(Mio.€)
1
ThaliaHoldingGmbH,Hagen
855,0
2
DBH Buch Handels GmbH (Hugendubel, Weltbild, u.a.), 755,0 München
3
MayerscheBuchhandlung,Aachen
160,0
4
SchweitzerFachinformationen,München
158,0
5
LibroHandelsgesellschaftmbH,Guntramsdorf
84,0
6
OrellFüssliBuchhandlungsAG,Zürich
80,0
7
Kaufhof,Köln
78,0
8
LehmannsFachbuchhandlungGmbH,Heidelberg
76,0
9
MorawaBuchundMedien,Wien
47,6
10
Osiander,Tübingen
43,9
11
KarstadtWarenhaus,Essen
40,0
12
Lüthy,Balmer,Stocker,Solothurn
36,9
13
Pustet,Regensburg
36,0
14
Wittwer,Stuttgart
35,1
15
SackMediengruppe,Köln
34,8
16
SternVerlag,Düsseldorf
33,0
17
Athesia,Bozen
32,7
18
Facultas,Wien
30,5
19
ValoraRetailDeutschland,Hamburg
29,6
20
Heymann,Hamburg
28,0
21
Tyrolia,Innsbruck
27,8
22
BuchhandlungDecius,Hannover
27,2
23
Rupprecht,Vohenstrauß
27,0
24
ExLibris,Dietikon
26,0
25
Schmitt&Co,Heidelberg
24,6
Tabelle9: Die25umsatzstärkstenBuchhandlungenimdeutschsprachigenRaumimJahr2008254
253
Vgl.Janzin/Güntner(2006),S.467f. EigeneDarstellungaufGrundlagederDatenvonBuchreport.de(2009a).
254
3.5WertschöpfungundErlösquellen
65
NebendeninderTabelleerfasstenBuchhandelskettenexistierteineVielzahlkleiner Buchhandlungen,welchetrotzdieserKonkurrenzbislangfortbestehenkonnten. 3.5 WertschöpfungundErlösquellen Den Akteuren der Buchbranche stehen traditionell Erlöse durch Wertschöpfungs aktivitätenaufdreirelevantenMärktenoffen:255 aufdemVertriebsmarktdurchProduktionundVerkaufvonBüchern auf dem Anzeigenmarkt durch den Verkauf von Aufmerksamkeit für Werbung aufdemLizenzmarktdurchdenVerkaufvonLizenzenfürProduktionundVer triebdurchDritte. Diese Erlöse werden entsprechend der erbrachten Wertschöpfung bzw. den be stehenden Verhandlungsmachtverhältnissen unter den beteiligten Akteuren auf geteilt. Die konkrete Verteilung ist dabei für jedes Buchprojekt verschieden, wes wegeneineallgemeingültigeÜbersichtnichterstelltwerdenkann.ImFolgendenwird somitaufGrundlagederbestehendenLiteratureinegrobeÜbersichtgegeben. DertraditionelleKalkulationsansatzbestandindersogenanntenDrittelkalkulation,in welcher je ein Drittel des Nettoladenpreises für Verlag (incl. Autorenhonorar), die technischeHerstellungundBuchhandelvorgesehenwar.256DiesesVerhältnishatsich jedoch deutlich in Richtung des Buchhandels sowie den Verlagsgemeinkosten ver schoben.257 So erhalten die Sortimentsbuchhändler je nach Warengruppe einen unterschiedlichen Rabatt gegenüber dem Verkaufspreis, dieser reicht von maximal 25%beiWissenschaftsbüchernüber2535%beiallgemeinerFachliteraturbishinzu knapp 50% bei Publikumsbüchern mit hoher Nachfrage, der von Zwischenbuch händlernzusätzlicherzielteRabattbeträgt1015%.258Heinold(2009)beschreibtden AnteilderbeidenHandelsstufenübereinstimmendmit2050%.259FürdiereineHer stellung werden 1320% des Verkaufspreises genannt, wobei dieser Anteil je nach Herstellungsqualität stark variiert.260 Nach Abzug des Autorenhonorars incl. Lizenz 255
Vgl.Heinold(2009),S.36ff. Vgl.Kerlen(2006),S.131. 257 Vgl.Janzin/Güntner(2006),S.455. 258 Vgl.Bellmann(2009),S.182;Kipphan(2001),S.189;Kerlen(2006),S.141. 259 Vgl.Heinold(2009),S.145. 260 Vgl.Kipphan(2001),S.189;Kerlen(2006),S.132;Alexander(2008),S.9. 256
66
3DerBuchmarkt
kosten von ca. 820% erhält der Verlag zwischen 30 und 50% des Erlöses261. Es ist jedochanzumerken,dassdieRealisierungdieserKalkulationvomtatsächlicherzielten Absatzabhängt,alsoinsbesonderedurchdenFixkostenanteilstarkrisikobehaftetist. 3.6 RegulatorischeEingriffe DerBuchmarktweisteinigeBesonderheitengegenüberanderenMärktenauf,welche aufgrund staatlicher Eingriffe in den freien Markt entstehen. Diese, allen voran die Buchpreisbindung,werdenimFolgendenthematisiert. BücherunterliegeninDeutschlandeinerPreisbindung,welchedenEinzelhandeldazu verpflichtet,dieseProduktegenerellnurzumvomVerlagfestgesetztenEndverkaufs preisabzugeben.262DiesistimGesetzüberdiePreisbindungfürBüchergeregelt,Aus nahmenbestehennurfürimportierteTitel(esseidenn,eshandeltsichumeinenRe import), gekennzeichnete Mängelexemplare, ältere Titel, bei welchen die Preis bindungdurchdenVerlagaufgehobenwurde,fürAutorenexemplare,fürBücherzum EinsatzimUnterrichtundinBibliothekensowiebeiRäumungsverkäufen.263 FürdiePreisbindungwerdeninderRegeldreiklassischeArgumenteangeführt:264 Ermöglichung einer Vielfalt an verlegten Titeln, wodurch Verlage gestärkt und in dieLageversetztwerdensollen,durchQuersubventionierungauchwenigererfolg reicheTitelzuverlegen,umdiekulturelleVielfaltzustärken Erhaltung eines dichten Buchhandelsnetzes, um jedem Bürger den einfachen Zu gangzumKulturgutBuchzusichern;zudemSchutzkleinerBuchhandlungen StärkunginsbesondereunbekannterAutoren,welchedurchdiehöhereTitelvielfalt höhereChancenhaben,verlegtzuwerden. DieserregulatorischeEingriffstehtseitLangeminderKritik,welchedarineineunan gemesseneEinschränkungdesWettbewerbssieht–derPreiswettbewerbimEinzel handel ist ausgeschlossen.265 Dies wird auch an der Tatsache deutlich, dass die Europäische Kommission die bis 2002 bestehende Organisationsform der Preis bindung, die als Sammelrevers bezeichnete freiwillige Vereinbarung zwischen Ver lagenundHändlern,alsKartellundsomitmitdemeuropäischenWettbewerbsrecht 261
Vgl.Kerlen(2006),S.131,140ff;Picard(2002),S.57. Vgl.Sjurts(2006),S.30;Hiller/Füssel(2006),S.343. S.§§2;7GesetzüberdiePreisbindungfürBücher(Buchpreisbindungsgesetz). 264 Vgl.imFolgendenKerlen(2006),S.240ff. 265 Vgl.Henning(1998),S.166f. 262 263
3.6RegulatorischeEingriffe
67
unvereinbar einstufte.266 Seither ist die Buchpreisbindung in Deutschland im Buch preisbindungsgesetz festgeschrieben.267 Eine entsprechende Regelung gilt auch in Österreich, während in der Schweiz die Buchpreisbindung aus wettbewerbsrecht lichen Gründen 2007 abgeschafft wurde.268 Auch im restlichen Europa sind Bücher zumeist preisgebunden, jedoch verzichten bspw. Schweden, Finnland, Groß britannien,IrlandundPolenaufdiesenEingriff.269 Preuß Neudorf (1999) betrachtet die Buchpreisbindung wissenschaftlich, insbes. durch spieltheoretische Analyse. So stellt die Preisbindung einen Mechanismus dar, derBuchhandlungenerlaubt,dasInformationsparadoxondurchdasöffentlicheAus legenderBücheralsöffentlicheGüterzuüberwindenundsomitdieGesamtwohlfahrt zu erhöhen. Durch die Ausschaltung des Preiswettbewerbs kommt es so zu keinen Trittbrettfahrern, die diese Leistung in Anspruch nehmen, die Bücher jedoch beim günstigsten Anbieter erwerben. Des Weiteren kommt er zu dem Ergebnis, dass die alleinige Argumentation über ein durch die Preisbindung künstlich erhöhtes Preis niveauzukurzgreift,daderWegfallderPreisbindungeineDynamikimHandelaus lösen würde, welcher durch ex ante nicht modellierbarer Rückkopplungseffekte die AuflagenundsomitdieKalkulationenderVerlagestarkverändernwürde.Auchfehlt durch die lange Tradition der Preisbindung ein geeigneter Vergleichsmaßstab. InsgesamtsprichtsichderVerfasserwederfürnochgegendiePreisbindungaus,ver weistjedochausdrücklichaufdiedigitalisierungsbedingtenVeränderungenderöko nomischenBedingungen,welchedieBuchpreisbindunginFragestellen.270 Aus den genannten Gründen besteht eine anhaltende Diskussion hinsichtlich der Notwendigkeit der Buchpreisbindung, die nicht immer sachlich geführt wird und oftmals starkvon den Interessen desBuchhandels geprägt ist.Mittelfristigwird mit ihrerAbschaffunggerechnet271,zumaldiemitihrverfolgtenZielenurbedingterreicht werden: So zeigte die Abschaffung in England 1995 zunächst keine negativen Aus 266
Vgl.Janzin/Güntner(2006),S.456f. Vgl.Sjurts(2006),S.30f. 268 Vgl.Boersenblatt.net(2007).AllerdingsisteineWiedereinführungfürdasJahr2010vorgesehen, wobei der grenzüberschreitende Versandbuchhandel ausgenommen ist und importierte Bücher generellmaximal20%teurerseindürfenalsimHerkunftsland.Vgl.Buchreport(2009b),S.1. 269 Vgl.Bernasconi/Hauck/Weise(2009),S.16. 270 Vgl.PreußNeudorf(1999),S.271ff. 271 So sehen die im Rahmen einer vom Verfasser dieser Arbeit durchgeführten Delphistudie be fragten Experten den Wegfall der Buchpreisbindung als viertgrößte Herausforderung für die AkteureimBuchmarkt.Vgl.Picot/Janello(2008),S.11. 267
68
3DerBuchmarkt
wirkungenaufdieZahlderVerlage,BuchhandlungenundNeuerscheinungen.272Auch inderderSchweizhattedieAbschaffungderPreisbindungimJahr2007nebendeut lichen Rabatten bei populären Titeln nur geringe Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau.273 Allerdings war in Frankreich und Schweden nach dem Wegfall der BuchpreisbindungeinRückgangderBuchvielfaltzuverzeichnen,weswegensie1982 wiedereingeführtwurde.274DieserEffektistinzwischenauchinGroßbritannienfest zustellen.275 Die Preisbindung scheint angesichts der zunehmenden Verbreitung von Buch handelsketten auch für die Erhaltung von kleinen Buchhandlungen keine wirksame Maßnahmezusein.ImGegenteilprofitierenFilialistenvonderBuchpreisbindung,da sie unter ihrem Schutz die Expansion vorantreiben und durch steigende Absatz volumina größere Einkaufsrabatte durchsetzen können, woraus ein wirtschaftlicher VorteilgegenüberdenkleinenBuchhandlungenresultiert,derdieweitereExpansion vereinfacht.276 Derzeit ungeklärt ist die Wirksamkeit der Buchpreisbindung für EBooks. Anfänglich vertratauchderBörsenvereindieAuffassung,EBooksseiennichtpreisgebunden: „Nach Auffassung des Börsenvereins sind EBooks keiner Preisbindung zugänglich. Begründet wird dies vornehmlich mit den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für EBooks. Verwiesen wird insbesondere darauf, dass bei grenz überschreitenden Lieferungen, wie sie beim Vertrieb von Ebooks typisch und gängige Praxissind,keinePreisbindunggilt.“277
Diese Auffassung ist inzwischen, vermutlich aufgrund der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Bedeutung elektronischer Bücher, revidiert worden, wie aus einer Stellungnahme des Vorstandes des Börsenvereins deutlich wird. So gelten nach aktueller Auffassung des Börsenvereins „in ihrer Gesamtheit zum Download be stimmteoderaufDatenträgernjeglicherArthandelbareWerke,diegeeignetsind,in ähnlicher Form genutzt zu werden wie gedruckte Werke“278 als preisgebundenes E Book, was u.a. Onlinedatenbanken und vernetze Onlineinhalte ausschließt.279 Hör 272
Vgl.Heinold(2001b),S.72. Vgl.NZZOnline(2008);Heinold(2009),S.64. 274 Vgl.Janzin/Güntner(2006),S.457. 275 Vgl.Heinold(2009),S.64. 276 Vgl.Henning(1998),S.166. 277 BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008e). 278 BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008f),S.2. 279 Vgl.BörsenvereindesDeutschenBuchhandels(2008f). 273
3.7ZwischenfazitII
69
bücher und andere Publikationsformen mit multimedialem Charakter unterliegen nichtderBuchpreisbindung.280 In jedem Falle erscheint die Buchpreisbindung als nationales Recht im Zeitalter globaler Vernetzung und der darüber stattfindenden Distribution von EBooks nicht mehr zeitgemäß, zumal EBooks durch den internetbasierten Vertrieb in direkter KonkurrenzzunichtpreisgebundenendigitalenMedienundInformationsprodukten stehen,dieggf.Substitutedarstellenkönnen. DiekulturpolitischeFörderungsabsichtistauchderGrundfüreineweitereBesonder heitimBuchmarkt:WieetwabeiLebensmittelnistnureinermäßigterUmsatzsteuer satzvonderzeit7%zuentrichten.281Hierdurchsoll,demCharakterdesmeritorischen Gutes entsprechend, die Nachfrage gestärkt und somit ein insgesamt höheres Nutzenniveau erreicht werden.282 Jedoch gilt diese Reduktion derzeit nicht für E Books, was vor dem Hintergrund der kulturpolitischen Absicht inkonsequent er scheintundfürdieseeinenWettbewerbsnachteilbedeutet.283 3.7 ZwischenfazitII NachBetrachtungdertheoretischenGrundlageninKapitel2erfolgtedieVorstellung und Abgrenzung des Buchmarkts als praktischer Gegenstandsbereich der vor liegenden Arbeit. Hierzu wurden als grundlegende Begriffsklärung die Begriffe Buch undEBookdefiniertunddieHandelsstrukturdargelegt. DieDarstellungdertraditionellenKonfigurationdesBuchmarktes,ergänztdurcheine differenzierte Schilderung der Branchensegmente und deren Spezifika, dient als GrundlagefürdiefolgendeBetrachtungderstrukturellenVeränderungen. Wichtige Kennzahlen für Umsatz und Konzentration im Buchhandel sowie dir tradi tionelleGenerierungundVerteilungvonErlösenstellendieBasisfürdasVerständnis derwirtschaftlichenBedeutungdesBuchmarktesdar.DieBuchpreisbindungundder reduzierte Mehrwertsteuersatz unterscheiden ihn als regulatorische Eingriffe von anderenMärkten.
280
Vgl.Titel(2007),S.218. Vgl.Kerlen(2006),S.266ff. 282 Vgl.Kiefer(2005),S.139ff;Musgrave(1986),S.341. 283 Vgl.Titel(2007),S.217. 281
4 VeränderungendurchDigitalisierung Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln methodische Grundlagen sowie der Buchmarkt in seiner traditionellen Struktur erörtert wurden, stehen nun die digitalisierungsbedingten Veränderungen im Zentrum der Betrachtung. Bereits An fang der 1980er Jahre wurden erste Studien über die Auswirkungen der DigitalisierungaufdieBuchbrancheerstellt.IndiesemKontextwurdeauchdernoch heuteüblicheBegriffdeselektronischenPublizierensgeprägt.SchonzudiesemZeit punkt kamen die Autoren zur Erkenntnis, dass weitreichende Veränderungen im ProduktionsprozesssowieinderDistributionundNutzungbevorstehenkönnten.284 Im Folgenden werden zunächst Veränderungen im Herstellungsprozess dargestellt, die im digitalisierten Produkt, welches in Abschnitt 4.2 behandelt wird, münden. DarauffolgendwerdendieEffektederDigitalisierungaufdenGebietendesVertriebs sowiederNutzungerörtert. 4.1 DigitalisierungderHerstellung Im in Abbildung 17 dargestellten Herstellungsprozess eines Buches hat die Digitalisierung seit einiger Zeit Einzug gehalten. So unterstützen internetbasierte Publikationsplattformen Autoren bereits bei der, ggf. kollaborativen, Erstellung des Manuskripts. Innerhalb von Verlagen ist Textverarbeitungs und Layoutsoftware heutzutagenichtmehrwegzudenken.IndieserEntwicklungistzwischenzweigroßen Entwicklungsstufen der Digitalisierung im Herstellungsprozess, isolierten und integriertenSystemen,zuunterscheiden.
Abbildung17: WertschöpfungsaktivitätendertraditionellenBuchherstellung285
284
Vgl.Riehm(1992),S.265ff. Die Darstellung stellt einen Auszug aus der Abbildung 14 auf Seite 49 skizzierten traditionellen WertschöpfungsarchitekturdesBuchmarktesdar.
285
4.1DigitalisierungderHerstellung
71
In der ersten Stufe der Digitalisierung wurden die einzelnen Verarbeitungsschritte durchEDVEinsatzeffizientergestaltet.DiesbegannmitderEinführungvonTextver arbeitungssystemen sowie davon getrennten Satzsystemen in den Bereichen der Inhalteüberarbeitung und bündelung.286 Durch die Verbreitung des Internets konnten auch die von den Autoren eingehenden und zur Produktion ausgehenden Inhalte digital übertragen werden, etwa durch EMail, direkte ISDN WählverbindungenoderFTP.287 AllerdingsdurchläuftderInhaltmitvoranschreitenderqualitativerVerbesserungund Aufbereitung auch verschiedene Entwicklungsstufen hinsichtlich des eingesetzten Datenformates:SoreichtderAutorseineInhaltebeispielsweiseinFormeinesMicro softWordDokumentsein,welchesimRahmenderÜberarbeitungundBündelungin einseitenlayoutorientiertesFormatwieetwaQuarkXPressüberführtwird.Diefinale DruckversionentstehtinderFormvonPostScriptoderPDFDokumenten.Eininhalt licher Entwicklungsschritt ist also immer an die voranschreitende grafische Auf bereitungimSatz,zumeistunterVerwendungproprietärerDateiformate,gekoppelt. Dieser Zusammenhang kann als „Satzlastigkeit“ der auf ein gedrucktes Endprodukt ausgerichtetenBuchproduktionbezeichnetwerden.288 Durch die Heterogenität der eingesetzten Anwendungssysteme kommt es darüber hinauszuInkompatibilitäten,welcheaufwendigeundmitunterverlustbehafteteKon vertierungenerforderlichmachen.SoistesoftmalsnurmitvielAufwandmöglich,aus denDruckdaten,inwelchenauchdiefinaleKorrekturerfolgte,diefertigenInhaltezur Wiederverwertung zu extrahieren, da nur noch die Formatierung des Textes, nicht aber seine Bedeutung (z.B. Überschrift) automatisiert zu erfassen ist – die ent sprechenden Metadaten fehlen.289 Durch die Einführung einer zentralen medien neutralen Datenhaltung, welche im Folgenden beschrieben wird, können diese MedienbrüchevermiedenundzudemweitereVorteileerreichtwerden.290 Als zentrales Ziel der medienneutralen Datenhaltung ist die Wiederverwertbarkeit derInhalteinverschiedenenMedienohnemanuelleAnpassungzunennen.291Hierzu wird der Inhalt in einer strukturierten Beschreibungssprache, welche den Inhalt ge 286
Vgl.Rothfuss/Ried(2003),S.24. Vgl.Dührkoop(1996),S.21f. 288 Vgl.Hartz(2004),S.15;Rothfuss/Ried(2003),S.29ff. 289 Vgl.Rothfuss/Ried(2003),S.31und58. 290 Vgl.Gläser(2008),S.442. 291 Vgl.Schumann/Tzouvaras(2003),S.234;Heinold(2009),S.100f. 287
72
4VeränderungendurchDigitalisierung
mäß seiner Bedeutung (z.B. Fließtext oderÜberschrift) in einzelne Elemente unter teilt, getrennt von dessen Formatierung abgelegt.292 Die Formatierungsinformation wird in Form von sog. Stylesheets, im Falle der später näher beschriebenen Aus zeichnungssprache Extensible Markup Language (XML) in der Form von DTDs oder Schemas, für jedes Ausgabemedium getrennt angelegt. Auf Grundlage dieser Dar stellungsinformationen wird der Inhalt für die Rezeption aufbereitet – im Idealfall völligautomatisiert.DiesistjedochnichtbeiallenInhaltstypengleichermaßenmög lich: So folgt etwa das Layout von Kunstbüchern ästhetischen und das von Schul bücher didaktischen Ansprüchen, welche sich nicht aus den vorliegenden strukturierten Daten ableiten lassen, weswegen die Integration zusätzlicher Dar stellungsinformationen und die Entwicklung von komplexeren Stylesheets bzw. manuelleEingriffenotwendigsind,wodurchzusätzlicheKostenentstehen.293 Liegen die Inhalte in medienneutraler Form vor, können durch deren Mehrfachver wertungkostengünstigzusätzlicheErlösegeneriertwerden(bspw.durchdieerneute Bündelung zu einer anderen Publikation).294 In Bezug auf Buchinhalte sind hierfür etwaSammelwerke,Sonderausgaben,BeiträgeinZeitschriftenoderZeitungensowie Onlinepublikationen und EBooks zu nennen. In größeren Medienunternehmen be stehen zudem Einsparmöglichkeiten, da verschiedene Redaktionen auf einen ge meinsamen Datenbestand zugreifen können. Auch besteht die Möglichkeit, die InhalteüberVertriebspartnerinFormvonContentSyndicationzuvermarkten.295 Zur Umsetzung der Redaktionsarbeit auf Grundlage von medienneutraler Daten haltung können einerseits Content Management Systeme296 eingesetzt werden, welche zudem umfassende Funktionen hinsichtlich Zugriffssteuerung, Versionierung undSimultanzugriffbeinhalten.Alternativkanneinezentraledateiundverzeichnis strukturorientierte Datenhaltung eingesetzt werden, welche zu geringeren Kosten flexibelandiejeweiligenBedürfnisseangepasstwerdenkann.Allerdingskönnenauf dieser Grundlage nur rudimentär Vorkehrungen zur Konsistenzsicherung bei gleich zeitigemZugriffsowieMechanismenzumZugriffsschutzundValiditätsprüfungenum gesetztwerden.297DieAuswahldeseingesetztenSystemssollteinAbhängigkeitvon 292
Vgl.Benlianetal.(2005),S.213. Vgl.Hartz(2004),S.18ffund41f;Titel(2007),S.202. 294 Vgl.Gläser(2008),S.454. 295 Vgl.Hartz(2004),S.33f. 296 ZumBegriffContentManagementSystem(CMS)vgl.Rothfuss/Ried(2003),S.16f. 297 Vgl.Rawolle(2002),S.70f. 293
4.1DigitalisierungderHerstellung
73
den konkreten Anforderungen des Verlags erfolgen, wobei die datenbankbasierte SpeicherunginContentManagementSystemenfürgrößereVerlageinsgesamtbesser geeigneterscheint.298 AlsgrundlegendesDatenformatzurmedienneutralenSpeicherungsowiezumDaten austauschhatsichindenletztenJahrendiesehrflexibleAuszeichnungsspracheXML bzw. deren Vorgänger Standard Generalized Markup Language (SGML) durch gesetzt.299 XML erlaubt, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, eine flexible Aus gestaltungderverwendetenElementesowiedieEinbindungvonnichttextbasierten Inhalten wie etwa Bildern und stellt eine gute Ausgangsbasis zur Transformation in verschiedeneAusgabeformatedar.300 Auf der Basis von XML wurden eine Reihe von für die Buchproduktion spezifischen Standards entwickelt, welche die in seitenorientierten Publikationen üblicherweise eingesetztenElementeenthaltenundfürdieWerkzeugeundExportroutinenzurVer fügung stehen. Hier sind etwa die Formate XSLFO, Docbook und der später näher beschriebene OPSStandard zu nennen.301 Derzeit besteht jedoch eine Vielfalt individuellerLösungen,einumfassendkompatiblerBranchenstandardistbishernicht zuerkennen.AllerdingserlaubteineaufXMLbasierteDatenhaltungeinevergleichs weiseeinfacheKonvertierunginandereStandards.DadurchistdieAbhängigkeitvom Hersteller des eingesetzten Softwaresystems relativ gering, was als Vorteil zu be wertenist.302 Die medienneutrale Datenhaltung ermöglicht zudem Effizienzsteigerungen im Produktionsprozess, da der aktuellste Versionsstand an zentraler Stelle abgelegt ist undvonallenbeteiligtenAkteurenabgerufenwerdenkann.Außerdemlässtsichauf dessenBasiseinhinreichendesStandardisierungsniveaugewährleisten,wodurchder Prozess besser gesteuert, Routinevorgänge automatisiert und Schnittstellen, etwa zwischen Anwendungsprogrammen, zur Druckerei oder in Katalogsysteme, ein gerichtet werden können. Die Integration von Metadaten, wie etwa Schlagwörter und Informationen zur Rechtesituation, erleichtert die Auffindbarkeit bestehender
298
Vgl.Hartz(2004),S.50ff;Gläser(2008),S.442. Vgl.Heinold(2009),S.100.Schumann/Tzouvaras(2003),S.234;Titel(2007),S.202.Füreineum fassendeDarstellungvonXMLvgl.Rothfuss/Ried(2003). 300 Vgl.Kreulich/Reuter(2001),S.166;Rawolle(2002),S.114. 301 Vgl.Zipper/Rödding(2004),S.17;Hartz(2004),S.28;Felici(2007),S.14. 302 Vgl.Hartz(2004),S.36. 299
74
4VeränderungendurchDigitalisierung
Inhalte und deren Wiederverwertung. Somit entstehen neue Erlös und Einspar potenzialesowiePotenzialezurProzessbeschleunigung.303 Hinsichtlich der Ablauforganisation existieren bei der Einführung einer medien neutralen Datenhaltung im Produktionsprozess zwei Alternativen: Zum einen kann der komplette Prozess ab der erstmaligen Erstellung des Inhalts medienneutral ge staltet werden. Dieses von Hartz (2004) als „strukturiertes Publizieren“ bezeichnete Vorgehen erfordert massive Eingriffe in bestehende Strukturen sowie großen Schulungsaufwand, ermöglicht aber auch die vollständige Realisierung aller Vor teile.304 Zum anderen besteht eine printproduktbasierte Strategie, bei der die traditionellen Prozesse beibehalten werden und erst das fertige Produkt in ein medienneutralesFormatüberführtwird,wodurchzumindestdieweitereVerwertung ermöglicht wird. Allerdings erscheint dieser Lösungsansatz langfristig nicht über zeugend,danichtdasvollePotenzialausgeschöpftwird.305 Insgesamtistfestzustellen,dassdieEinführungeinermedienneutralenDatenhaltung auf der Basis von XML zunächst mit einem hohen einmaligen Investitionsaufwand verbundenist,danebenderbenötigtenSoftundHardwareaucheineAnpassungder AbläufeunddieEntwicklungvonspezifischenStrukturierungsundFormatvorgaben erforderlich ist.Darüber hinausist meistens eine Überführung derAltbestände not wendig. Nach der Einführung können neben den Möglichkeiten der Mehrfachver wendungunddendamitverbundenenErlösendeutlicheEinsparungenbeivariablen Kostenerzieltwerden.AusdiesemGrunderscheintdiemedienneutraleDatenhaltung insbesonderefürgrößereVerlagemitvielengleichartigenProdukten,dieaufGrund lage von wenigen Stylesheets mit überschaubaren grafischen Anforderungen realisiertwerdenkönnen,vorteilhaft.306 AufBasisdieserstrukturiertenInhaltespeicherungistdieErstellungindividualisierter PublikationenalsweitereAnwendungmöglich.307DabeikanndieIndividualisierungin diesem Zusammenhang als die „nutzerindividuelle Anpassung digitaler Medien 303
Vgl.Kreulich/Reuter(2001),S.165;Hartz(2004),S.19fund35;Milliot(2009);Shatzkin(2008b). Vgl.Hartz(2004),S.16. 305 Vgl.Hartz(2004),S.13ffund61;Shatzkin(2008a),S.253. 306 Vgl.Rawolle(2002),S.189;Hartz(2004),S.84ff;Benlianetal.(2005),S.226ff;Shatzkin(2008a),S. 253f. 307 DieBegriffeIndividualisierung,PersonalisierungundCustomizationwerdenvoneinigenAutoren synonymverwendet,vonanderenweiterdifferenziert(vgl.Rauscher(2008),S.25ff.)Dadiesfür dasVerständnisentsprechenderBuchproduktenichterforderlicherscheint,wirdindieserArbeit ausGründeneinerübersichtlicherenDarstellungaufeinedifferenzierteBetrachtungverzichtet. 304
4.1DigitalisierungderHerstellung
75
produkte auf Basis von Kontextinformationen“308 definiert werden. Die hierzu ein gesetztenKontextinformationenwerdenexplizitdurchdenNutzerzurVerfügungge stellt oder automatisiert erhoben.309 Somit können Buchinhalte auf den Nutzer zu geschnitten gebündelt werden, die Herstellung erfolgt aufgrund der Kostenstruktur zumeist als EBook oder im nachstehend vorgestellten Druckverfahren Print on Demand. Die Digitalisierung hat auch die Entwicklung neuer Drucktechnologien ermöglicht. Neben Effizienz und Qualitätssteigerungen in klassischen Druckverfahren wie etwa der digitalen Druckplattenbelichtung im Offsetdruck ermöglicht die elektrofoto grafische Digitaldrucktechnologie die kostengünstige Produktion von Klein und Kleinstauflagen, da die einmaligen Kosten der Druckformerzeugung und Einrichtung entfallen. Dies führt dazu, dass im Gegensatz zu den traditionellen Druckverfahren, die Stückkosten mit steigender Produktionsmenge nicht oder nur geringfügig sinken.310 Die Qualität erreicht dabei annähernd die Qualität von Offsetdruck, auch farbige Kunstbücher sind in guter Qualität herstellbar.311 Hinsichtlich der Produktionskostenerzielt,abhängigvomkonkretenProjekt,derOffsetdruckerstab mehreren hundert bis einigen tausend Exemplaren geringere Stückkosten als der Digitaldruck.312 Die Verfügbarkeit und zunehmende Systemintegration dieser Technologie hat zur EtablierungeinerneuenProduktionsstrategiefürBüchergeführt:ImPrintonDemand Verfahren (PoD) erfolgt die Produktion (und Distribution) eines Buches individuell gemäßderkonkretenEndkundennachfrage.313EntsprechendwerdenaufdieseWeise produzierte Bücher als Books on Demand (BoD) bezeichnet.314 Dabei kommen hoch entwickelteProduktionssystemezumEinsatz,welcheautomatisiertdienotwendigen Druck und Bindevorgänge durchführen, wodurch eine kurzfristige und schnelle Produktionrealisiertwird.315 NebenderkurzenProduktionsdaueristaucheineschnelleDistributionzumKunden notwendig,denninsbesondereimdeutschenMarktwirdeineschnelleLieferungvon 308
Rauscher(2008),S.40. Vgl.Tam/Ying(2006),S.890. 310 Vgl.Schumann/Tzouvaras(2003),S.235;Biesalski(2006),S.244. 311 Vgl.Hübler(2001),S.74;Stevenson(2008),S.283. 312 Vgl.Kipphan(2001),S.586ff,923ffund978;Hübler(2001),S.67ff. 313 Vgl.Bauermees(2004),S.12;Fleming(2005),S.8. 314 Vgl.Bauermees(2004),S.13.BoDisteineeigetrageneMarkederBooksonDemandGmbH. 315 Vgl.Hagenmüller/Künzel(2009),S.262ff. 309
76
4VeränderungendurchDigitalisierung
bestellten Büchern erwartet.316 Dies ist der Grund, warum eine enge Bindung von PoDDruckereien an den (Zwischen) Buchhandel üblich ist. So ist die Books on Demand GmbH, mit über 100.000 lieferbaren Titeln der größte deutsche Anbieter, einTochterunternehmendesZwischenbuchhändlersLibri.317 Die Möglichkeit, einzelne Bücher kostengünstig zu produzieren, erweitert die Charakteristik als Massenmedium in Richtung kleinerer Einheiten – bis hin zur Individualkommunikation. Auch Bücher mit geringer Absatzerwartung können nun ökonomisch tragfähig publiziert werden, da das Auflagenrisiko entfällt.318 Zudem können die Inhalte jederzeit aktualisiert oder gemäß dem Kundenwunsch zu sammengestellt bzw. personalisiert werden.319 Auf dieser Basis entstehen neue Ge schäftsmodelle, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit thematisiert und beschrieben werden. DievoranschreitendeMiniaturisierungderProduktionsmaschineninVerbindungmit derVernetzungvongeeignetenInhaltenerlaubtessogar,dieProduktionbisinden Einzelhandel zu verlagern.320 Die derzeit verfügbare Espresso Book Machine 2.0 der Firma OnDemandBooks ermöglicht bspw. die vollautomatische Produktion von Büchern mit 40 bis 830 Seiten, incl. Bindung in einem farbigen Softcoverumschlag und Beschnitt, in wenigen Minuten bei einer Druckgeschwindigkeit von 112 Seiten proMinute.DievariablenKostenwerdenmit0,01USDproSeiteangegeben.321 DieseDrucktechnologievereintdeninhärentenVorteildesstationärenBuchhandels, der sofortigen Buchverfügbarkeit ohne Versanddauer, mit dem des PoD, der un begrenztenVerfügbarkeithinsichtlichSortimentsbreiteundTitelanzahl.Lediglichbei derBandbreiteanmöglichenAusstattungsvariantenhinsichtlichBindungundDruck qualität unterliegt PoD systembedingten Grenzen.322 Dennoch erscheint diese Technologie, auch aufgrund der auf ihrer Grundlage realisierbaren Kosten reduktionen bei Lagerhaltung, Logistik und Verkaufsfläche, zumindest in komplementärerFunktionalsvielversprechend.
316
Vgl.Fleming(2006),S.11. Vgl.Bauermees(2004),S.13;BooksonDemand(2008),S.3. 318 Vgl.Hagenmüller/Künzel(2009),S.264. 319 Vgl.Živkovi(2005),S.104. 320 Vgl.Hagenmüller/Künzel(2009),S.269f. 321 Vgl.Beisser(2008). 322 Vgl.Hübler(2001),S.77;Biesalski(2006),S.256f. 317
4.2DigitalisierungdesProduktes
77
4.2 DigitalisierungdesProduktes Ein digitalisierter Produktionsprozess legt die Grundlage für die Digitalisierung des Endproduktes in Form eines EBooks, welches das gedruckte Buch ergänzt oder er setzt. Im Folgenden wird, auf Grundlage der im Abschnitt 3.1.1 vorgenommenen DefinitiondesEBooks,deraktuelleEntwicklungsstanddargestellt. Im Gegensatz zu gedruckten Büchern stellen Bücher in digitaler Form keine physischenProdukte,sondernelektronischgespeicherteInformationendar,welche, umeineallgemeineLesbarkeitzuermöglichen,gemäßeinemstandardisiertenDatei formatorganisiertsind.FürdieRezeptionistfolglichzusätzlicheinEndgerätzurAn zeigedesInhaltsnotwendig.DiesewerdenspäterinKapitel4.4imRahmenderBe trachtungderdigitalisiertenNutzungssituationsystematisiertdargestellt. Derzeit ist eine Vielfalt an konkurrierenden spezifischen Dateiformaten für die Nutzung von EBooks ohne bestehende Internetverbindung festzustellen.323 Die wichtigstenFormatesindinderfolgendenTabelle10mitihrenwesentlichenEigen schaftendargestellt. Name
Extension Standardisier ungsgremium
Standard Seiten typ charakteristik
Portable Document Format
.pdf
ISO
Offen
Seitenbasierend Möglich
Mobipocket/ Amazon324
Proprietär
FließenderText
Ja
.mobi
Kindle
.azw
Amazon
Proprietär
FließenderText
Ja
eReader
.pdb
eReader
Proprietär
FließenderText
i.d.R.Ja
Open Publication Structure
.epub
International DigitalPublishing Forum(IDPF)
Offen
FließenderText
Möglich
Mobipocket .prc/
DRM
Tabelle10: WichtigeDateiformatefürEBooksimVergleich325
323
So bietet der EBookHändler fictionwise.com in den USA seine EBooks derzeit in zwölf ver schiedenenFormatenanumeinebreiteKompatibilitätzugewährleisten.Vgl.Fictionwise(2009). MobipocketisteinTochterunternehmenvonAmazon.Vgl.Mobipocket(2009). 325 EigeneDarstellungaufbauendaufISO(2005);ISO(2008);Mobipocket(2009);IDPF(2008);Rapp (2009),S.41ff;Felici(2007),S.14ff;RoeslerGraichen(2008b),S.30. 324
78
4VeränderungendurchDigitalisierung
AnstatteinenneuenStandardamMarktetablierenzumüssen,erscheinteszunächst sinnvoll, ein für elektronische Texte im Allgemeinen etabliertes Format auch für elektronischeBücherzuübernehmen. Hierfür kommt das von Adobe entwickelte Portable Document Format (PDF) in Be tracht, das im Bereich elektronischer Dokumente den Status eines DeFakto Standards erreicht hat und für welches über verschiedene Betriebssysteme hinweg kostenlose Anzeigeprogramme existieren.326 Durch die im Jahr 2005 erfolgte An erkennungalsISOStandardzurLangzeitarchivierungundalsplattformübergreifendes AustauschformatfürdigitaleDokumenteimJahr2008wurdediesePositiongefestigt und der Charakter eines offenen Standards festgeschrieben.327 Aufgrund der Nähe zur Postscript Sprache, welche in der Druckvorstufe eingesetzt wird, können PDF Dateien im Herstellungsprozess klassischer Bücher mit geringem Aufwand erzeugt werden. In dieser offenen Standardversion sind auch Verschlüsselungsverfahren als einfacher elektronischer Schutzmechanismus vorgesehen, jedoch stellt dies kein integriertesDigitalRightsManagement(DRM)Systemdar.328 FürdiesenZweckbietetAdobemitderAdobeDigitalExperienceProtectionTechno logy (ADEPT) ein proprietäres DRMSystem an, welches von Adobe als Dienstleister betrieben oder lizenziert wird und neben PDF auch das später vorgestellte OPS Format unterstützt.329 Für den Kunden wird kostenlos das Leseprogramm Adobe DigitalEditionsbereitgestellt,welchesauchdenTransferaufkompatibleLesegeräte ermöglicht.330 So können beispielsweise PDFDateien mit beschränkter Nutzungs dauererstelltwerden,aufderenBasisBibliothekenEBooksmitLeihfristanbieten.331 Allerdings geht durch diese Technologie die umfassende Kompatibilität des PDF Formatsverloren. InsbesondereaufgrundseinereinfachenNutzbarkeithatdasPDFFormatimBereich der EBooks einige Verbreitung erfahren, jedoch erweist sich die exakte Abbildung einerDruckseite,welchedenErfolgdesFormatesbegünstigte,fürtextlastigeEBooks alsNachteil:SokannderHeterogenitätderfürdasLesenvonEBookseingesetzten 326
Vgl.Rapp(2009),S.41f. Vgl.ISO(2005);ISO(2008);Adobe(2008). 328 Vgl.Adobe (2008), S. 55ff. Der Begriff Digital Rights Management wird auf Seite 73 näher be handelt. 329 Vgl.Adobe(2009a);RoeslerGraichen(2008b),S.33. 330 Vgl.Adobe(2009b). 331 DieseTechnologiewirdbeispielsweisevonCiandoeingesetzt.Vgl.Ciando(2009). 327
4.2DigitalisierungdesProduktes
79
Endgeräte hinsichtlich Bildschirmgröße und auflösung nicht Rechnung getragen werden, da die automatische Anpassung von Schriftgröße und Zeilenumbruch nicht möglichist.332 Die Standards, welche einen flexiblen Zeilen und Seitenumbruch erlauben (und somitdiesesDefizitnichtaufweisen)könnenindreiGruppeneingeteiltwerden:be stehende generische Dateiformate, proprietäre Standards sowie offene EBook spezifischeStandards.DiesewerdenimFolgendendargestellt. DaelektronischeBücherimWesentlichenausreinemTextbestehen,könnendieseim einfachsten Fall auch als Textdokumente gespeichert werden, wie dies etwa beim gemeinnützigenProjektGutenbergfürüber27.000gemeinfreieWerkederFallist.333 DashierebenfallseingesetzteHTMLFormaterlaubtdarüberhinausdieFormatierung von Text sowie die Integration von Medienelementen wie etwa Bildern. Allerdings erlaubendieseFormatekeinerleiSchutzvorModifikationoderunrechtmäßigerVer wendung, auch bieten sie keine standardisierte Möglichkeit zur Einbindung von maschinenlesbarenMetadaten,etwafürShopsysteme.SomitsinddieseFormatefür denprofessionellenVerkaufelektronischerBüchernichtgeeignet. DementsprechendhabeneineReihevonHerstellernproprietäreDateiformatefürdie kommerzielleDistributionvonEBookseingeführt.DieseweisendieGemeinsamkeit auf, flexibel umbrechenden Textfluss zu unterstützen und DRMFunktionen zu be inhalten.BekannteVertretersinddasaufdenOpenEbookSpecifications,einemVor gängerdesspätervorgestelltenOPSFormats,basierendeMobipocketFormatsowie dashiermitengverwandteKindleFormatvonAmazon.334AuchSonyhatfürseineE BookLesegeräteeinproprietäresDateiformateingeführt,unterstütztinderaktuellen EndgerätegenerationjedochauchdasOPSFormat.335Einenweiterengeschlossenen StandardstelltdaseReaderFormatdar,welchesinsbesonderefürPDAsundSmart phones(beispielsweisePalmOS,WindowsMobileoderiPhone)eingesetztwird.336 Die Verwendung proprietärer Standards ist aus Endkundensicht als problematisch anzusehen,dasichderNutzerdurchdenErwerbvonEBooksineinemdieserDatei formatefestandiesesbindet,eineKonvertierunginandereFormateistzumeistnicht 332
Vgl.Rapp(2009),S.41f. Vgl.ProjectGutenberg(2009). IDPF(2008);Mobipocket(2009);RoeslerGraichen(2008b),S.30f. 335 Vgl.Teicher(2008),S.19. 336 Vgl.eReader(2009). 333 334
80
4VeränderungendurchDigitalisierung
möglich. Bei Einstellung der jeweiligen Produktlinie werden die Inhalte im Lauf der Zeitwertlos, wie esbereits Nutzer von Lesegeräten der erstenGeneration erfahren mussten.337 Aus Unternehmenssicht führt dieser Umstand zu einer verlangsamten DiffusionvonEBooksundLesegeräten. Die Alternative zu den proprietären Standards stellt ein industrieweiter, offener Standarddar,welchervoneinerbreitenBasisanEndgerätenunterstütztwird.Dieser scheintinderGestaltdesvomUSBranchenverbandInternationalDigitalPublishing Forum entwickelten plattformunabhängigen Standardpaketes OPS, welches in der RegelaufgrundderDateiextensiondervertriebenenDateialsEPUBbezeichnetwird, Realitätzuwerden.338SeineStrukturwirdimFolgendennäherdargestellt. EshandeltsichhierbeiumeineFamilieausdreiinterdependentenStandards,welche im Mai 2008 vorgestellt wurden. Deren Kern stellt die aus XMLDokumenten be stehende Open Publication Structure (OPS) in der Version 2.0 dar, welche als Basis formatdenTextvonBüchernoderBuchteilenenthält.SiedientalsGrundlagefürdie GenerierungverschiedenerAusgabeformateundbeinhaltetdurchdasLesegerätan passbareSchriftfarbenundgrößensowieZeilenbzw.Seitenumbrüche.339 Im zweiten Element,dem OpenPackagingFormat (OPF), werden die Struktur einer OPSPublikation sowie deren Subelemente definiert. Dies umfasst etwa die Navigationsstruktur, Metadaten und verknüpfte Dateien wie bspw. Bilder. Des WeiterenkönnenhierüberdenStandardhinausgehendeDarstellungsinformationen hinterlegtwerden,umeineLesbarkeitüberalleGerätehinwegzugewährleisten.340 Der dritte Teilstandard, das Open eBook Publication Structure Container Format (OCF), stellt lediglich eine Hülle zur Verpackung aller Inhaltsdaten dar und trägt die bekannte Dateiextension .epub.341 Durch einen definierten Aufbau stellt es die Les barkeit durch entsprechende Anzeigesoftware sicher. Darüber hinaus erlaubt es E BookDistributoren, mehrere, ggf. hardwarespezifisch optimierte Dateiformate ein zubinden, solange eine OPSkompatible Version ebenfalls enthalten ist. So wird die
337
Vgl.RoeslerGraichen(2008b),S.34. Vgl.Teicher(2008),S.19;RoeslerGraichen(2008b),S.35. Vgl.Conboy(2009),S.27ff;Felici(2007),S.14f;IDPF(2008). 340 Vgl.Felici(2007),S.15. 341 Vgl.Felici(2007),S.14f. 338 339
4.2DigitalisierungdesProduktes
81
LesbarkeitinderstandardisiertenBasisversionaufallenkompatiblenEndgerätenge währleistet.342 AufgrunddieseroffenenContainerfunktionistesebenfallsmöglich,nebenTextund Bildern auch weitere Medienformate wie Audio oder Video einzubinden.343 Somit wird das EBook um zusätzliche Funktionen, wie etwa die Hörbuchausgabe oder Bonusmaterial(bspw.inFormvonVideos),erweitert. DerOPSStandardenthältansichkeineDRMFunktionen,jedochkönnendiesedurch den Distributor ergänzt werden. Allerdings besteht hierbei die Gefahr der In kompatibilitätvonOCFDateienverschiedenerHändler.344 Wegen seiner Offenheit und der Unterstützung durch einflussreiche Unternehmen erfährtderOPSStandardzunehmendeVerbreitung.345Sounterstütztbeispielsweise Adobe diesen Standard neben PDF in der kostenlosen EBookLesesoftware Digital Editions und bietet eine Exportschnittstelle aus der verbreiteten Layoutsoftware In Designan.346 Da die Existenz eines funktionellen, allgemein unterstützten und verbreiteten Standards als Bedingung für die erfolgreiche Diffusion von Innovationen, ins besondere bei der Existenz von Netzwerkeffekten, gesehen wird,347 ist die Etablierung eines umfassend kompatiblen Standards von großer Notwendigkeit und kannalsVoraussetzungfürdenErfolgvonEBooksangesehenwerden. ImAllgemeinenermöglichenEBooksgegenübertraditionellgedrucktenBücherneine Reihe neuer, multimedialer Möglichkeiten. Sie weisen allerdings aber auch system bedienteSchwächenauf.DiesesindinTabelle11überblicksartigdargestellt,wobei, abstrahierend von derzeitigen formatbedingten Restriktionen, die technische RealisierbarkeitalsMaßstabangesetztwird.
342
Vgl.Felici(2007),S.15. Vgl.Bowers(2009). 344 Vgl.Felici(2007),S.16;Hadro(2008),S.26;Conboy(2009),S.47. 345 Vgl.Bode(2008),S.20. 346 Vgl.Felici(2007),S.16;Teicher(2008),S.19. 347 Vgl.Farrell/Saloner (1985), S. 70ff; Shapiro/Varian (1999b), S. 188ff; Borowicz/Scherm (2001), S. 397ff. 343
82 Kriterium
4VeränderungendurchDigitalisierung KlassischeBücher
Voraussetzungen BesitzdesBuchesundaus reichendesLichtalleinige zurNutzung BedingungenfürNutzung
Darstellungsweise DurchSatzspiegelfestde
EBooks ZusätzlichpassendesEndgerätzurAn zeigeundStromversorgung(Netzbzw. Batterie)notwendig
terminiert
Darstellungsform(z.B.Schriftgröße) anpassbar
Navigation
InderRegellinearesLesen odergezieltesAufschlagen vonSeiten
LinearesLesenoderschnelle,flexible NavigationdurchinterneVerlinkung odergezieltesAufschlagenvonSeiten
Suchfunktion
ÜberIndex,wennvor handen
ZusätzlichelektronischeVolltextsuche
Datenstand
ZeitderDrucklegung
Aktualisierungenoderdynamische IntegrationaktuellerInformationen möglich
Umfangder Nutzungsrechte
DauerhafteLesemöglichkeit ZeitlicheundinhaltlicheAbstufungen (z.B.kapitelweiseBezahlung)durch DRMEinsatzmöglich
Vervielfältigung
Aufwendig,ggf.verlust behaftet
Unbegrenzt,ohneQualitätsverluste(so weitnichtdurchDRMeingeschränkt)
PhysischerPlatz bedarf
EntsprichtdemdesTräger mediumsPapier
Vernachlässigbar(Speichermedium)
Distributionsweg
PhysischesDistributions netz
FesteodermobileDatennetze,alter nativphysischesDistributionsnetz (Datenträger)
Zusatznutzen
Prestigenutzen(eigene Bibliothek),haptischesEr lebnis
VielfältigeMehrwertemöglich,z.B. verschiedeneVersionen,direkteVer linkungzuNachschlagewerken,multi medialeElemente(z.B.Videos,Hör buchversion)u.v.m.
LangfristigeHalt barkeit
Beientsprechender Lagerungundsäurefreier Herstellungsqualitätquasi unbegrenzt
WegenbegrenzterLebensdauerder Speichermedienundwechselnder Standardsproblematisch,ins besonderebeiproprietärenFormaten mitDRMSchutz
Tabelle11: FunktionsumfangvonBüchernundEBooksimVergleich348
BetrachtetmandieGegenüberstellungderbeidenBuchvarianten,soistfestzustellen, dass keine der beiden Alternativen der anderen umfassend überlegen ist. Vielmehr haben beide Buchtypen Vorteile und Nachteile, welche je nach gewünschtem Nutzungsszenariounterschiedlichzugewichtensind. 348
Eigene Darstellung, aufbauend auf Rapp (2009); RoeslerGraichen/Schild (2008); Weissberg (2008),S.258.
4.3DigitalisierungdesVertriebs
83
4.3 DigitalisierungdesVertriebs MitderDigitalisierungwerdenBücherauchvirtualisiert:FürdenVertriebvonEBooks ist kein physisches Medium mehr notwendig, welches der Distribution durch den PräsenzoderVersandhandelbedarf.DiehierausentstehendenneuenMöglichkeiten werdenimFolgendenbehandelt. DurchdenWegfallderphysischenBuchproduktionkönnenvondemfertiggestellten WerkunmittelbardigitaleKopieninbeliebigerAnzahlerstelltwerden,welcheanden Kundenabgesetztwerden.Dieskann,wieinAbbildung18schematischdargestellt,im Extremfall schon durch den Autor erfolgen. Dieser direkte Kontakt wird als voll ständigeDisintermediationbezeichnet.349 (2) (4)
Autor
Verlag
Onlinehandel
Zwischen buchhandel
Präsenzhandel
Käufer/Leser
(5) (3) (1)
Abbildung18: MöglicheAusprägungenderDisintermediationimVertriebelektronischerBücher
BeivollständigerDisintermediation(inAbbildung18mit(1)gekennzeichnet)könnte derPreisauf10%desheutigenEndverkaufspreisessinken,daderzeit90%desVer kaufspreises von den dann überflüssigen Akteuren vereinnahmt werden.350 Ein frühes,wennauchnichtabschließenderfolgreichesBeispielhierfürstelltdasüberdie WebseitealsEBookvertriebeneBuch„ThePlant“vonStephenKingdar.Hierstellte der Autor das Buch kapitelweise zum Download im Internet bereit, verbunden mit der Aufforderung zu freiwilligen Zahlungen in einem bestimmten Umfang. Die Fort setzungdesBucheswurdejedochnachKapitelsechsausgesetzt,nachdemdieLeser spendendenfestgesetztenMindestumfangnichtmehrerreichten.351 NebendiesermaximalenVarianteexistierenweitereAusprägungen.Sokannsichder Autor, statt den Vertrieb selbst zu organisieren, auch einer Onlinehandelsplattform bedienen,welchedieAuftragsabwicklungübernimmt(2).DieseRollekönntenneben 349
FürAusführungenzurDisintermediationvgl.Abschnitt2.2.2. Vgl.Gläser(2008),S.410f;Brandtweiner(2000),S.17f. 351 Vgl.Lang(2001),S.75ff;Stevenson(2008),S.282. 350
84
4VeränderungendurchDigitalisierung
spezialisierten EBookplattfomen und etablierten Onlinebuchhändlern auch Such maschinen mit Buchvolltextangeboten übernehmen. Amazon betreibt in den USA unter dem Namen Digital Text Platform bereits ein entsprechendes Angebot. Hier können Autoren oder Verleger ihre Titel in elektronischer Form in das Kindle Distributionsnetzwerkeinspeisenunderhalten35%derErlöse.352 EineweitereDisintermediationstelltderDirektvertriebdurchVerlage,welcheeigene Onlineshopsbetreiben(3),oderdiedirekteBelieferungdesOnlinebuchhandelsunter Umgehung des Zwischenbuchhandels dar (4). Entsprechend ist auch ein Vordringen des Zwischenbuchhandels zum Endkunden denkbar, wobei dieser in diesem Falle selbstalsOnlinebuchhändlerauftritt(5).353 BetrachtetmandieinAbschnitt3.5dargestelltenetabliertenStrukturenderErlösver teilungzwischendenBuchhandelsstufen,sobestehtfürdieindenebendargestellten Konstellationen beteiligten Akteure ein deutlicher Anreiz, sich auch die traditionell von den jetzt übersprungenen Handelsstufen vereinnahmte Wertschöpfungsspanne anzueignen. Denn der durch die Buchpreisbindung festgesetzte Endverkaufspreis354 verhindert einen Preiswettbewerb zwischen den alternativen Konfigurationen und gewährleistet somit, dass die derzeit erzielte Wertschöpfung auch in effizienteren Konstellationen vollständig angeeignet werden kann und somit größere Gewinn margenerzieltwerdenkönnen.InfolgedessenbestehtinderDigitalisierungdesVer triebes erhebliches Konfliktpotenzial innerhalb der Buchbranche, insbesondere zwischen stationärem Buchhandel und Verlagen, wenn diese EBooks direkt ver treiben, sowie zwischen den Sortimentern und dem Zwischenbuchhandel, sofern dieserindasEndkundengeschäfteinsteigt.355 Neben den dargestellten neuen Distributionsarchitekturen stellt auch der traditionelleVertriebswegüberalleStufeneineMöglichkeitdar,jedochistaufgrund der Kostenvorteile der konkurrierenden Konfigurationen ein harter Wettbewerb zu erwarten.InwieweitderstationäreHandelimVertriebvonEBookseineRollespielt istfraglich,jedochwirdernichtmehrzwingendbenötigt.
352
Vgl.Amazon(2009b). Vgl.Titel(2007),S.220ff;Gläser(2008),S.410f. Die Argumentation beruht darauf, dass auch EBooks der Preisbindung unterliegen. Vgl. hierzu Abschnitt3.6. 355 Vgl.Titel(2007),S.218ff. 353 354
4.3DigitalisierungdesVertriebs
85
Neben Veränderungen in der Distributionsarchitektur sind bei der Betrachtung der DigitalisierungdesVertriebesauchtechnischeVorgängevonRelevanz.Imeinfachsten FalleistesfürdenVertriebvonEBooksausreichend,demKonsumenteneineKopie des fertigen EBooks, etwa als PDF, per Internetdownload zur Verfügung zu stellen. Jedoch hat in diesem Fall der Urheberrechtsinhaber keine Kontrolle mehr über die betroffeneDatei,daderKäuferselbstinderLageist,verlustfreieKopieninbeliebiger Anzahlherzustellenundzuverbreiten,womiterallerdingsinderRegeldasUrheber rechtverletzt. ZurEinschränkungdieserMöglichkeitensteheneineReihetechnischerVerfahrenzur Verfügung, welche zusammenfassend als Digital Rights Management (DRM) be zeichnetwerden.356DiesesindinvielenderderzeitkommerzielleingesetztenDatei formatenfürelektronischeBücherintegralerBestandteil.357FürdieUmsetzungwirk samer DRMMechanismen ist es notwendig, für jeden Käufer eine personalisierte Variante des EBooks zu erstellen. Durch dieses Vorgehen lassen sich verschiedene AusprägungendesDRMSchutzesrealisieren:DiegeringsteSchutzmaßnahmestellen Wasserzeichen dar, welche, ohne die Nutzbarkeit einzuschränken, die eindeutige IdentifikationdesKäufersermöglichen.358DaaufdieserGrundlageimFalleeinerun rechtmäßigenWeiterverbreitungdieBeweisführungerleichtertwird,habenWasser zeichen eine abschreckende Wirkung. Andere, härtere DRMMechanismen beruhen aufVerschlüsselungundgewährennurdemrechtmäßigenKäuferunterNutzungder vorgesehenen Soft und Hardware im definierten Umfang Zugang zum jeweiligen Inhalt. Für die notwendige Personalisierung der Dateien ist ein entsprechender technischer Aufwand notwendig, welcher jedoch in voll automatisierten Prozessen durchgeführtwird.359 AlseindeutigesIdentifizierungsmerkmaleinesBuchprodukteshatsichseitdemJahr 1970 die International Standard Book Number (ISBN) in allen Handelsstufen etabliert.360 Diese in der ursprünglichen Form aus 10 Ziffern bestehende Nummer identifizierteindeutigeineAusgabeeinesBuchesundbeinhaltetdarüberhinausauch InformationenüberdenSprachraumunddenVerlag.ImJahr2007wurdenacheiner 356
Für eine detaillierte Betrachtung von DRM vgl. etwa Bechtold (2002); Fränkl (2005); Picot/Thielmann(2005). 357 Vgl.hierzuTabelle10aufSeite67. 358 ZudigitalenWasserzeichenvgl.etwaPetitcolas(2003). 359 Vgl.Schumann/Tzouvaras(2003),S.240ff. 360 Vgl.Kerlen(2006),S.183.
86
4VeränderungendurchDigitalisierung
Übergangszeitdie13stelligeISBNverpflichtendeingeführt.Diesebietetnebeneiner Kapazitätserhöhung auch die Kompatibilität zu den im Einzelhandel üblichen EAN Codes, welche eine eindeutige Identifikation aller Handelsprodukte mittels Barcode ermöglichen.361 HinsichtlichelektronischerBücheristjedochfestzustellen,dassaufgrundderVielfalt an bestehenden Dateiformaten Bücher nicht mehr über eine ISBN eindeutig identi fiziert werden können, da Verlage eine ISBN pro Buchversion vergeben, die Kon vertierung in weitere Formate aber auch im (Zwischen) Handel stattfindet. Aus diesem Grund können seit April 2008 auch Händler ISBNummern vergeben, sofern nichtbereitsderVerlagfürjedesFormateineISBNdefinierthat.Darüberhinausist zusätzlich die Verwendung des für alle digitalen Produkte offenen Standards DOI (Digital Object Identifier) zu empfehlen, der eine permanente eindeutige Identi fikationundAuffindbarkeitderdigitalenGütergewährleistet.362 Durch die Digitalisierung des Distributionswegs existieren für die Auslieferung der elektronischenBücherkeinesystembedingtenräumlichenGrenzen–überdasInter net ist eine weltweite Lieferung in kürzester Zeit möglich. Ungeachtet rechtlicher Restriktionen, etwa urheberrechtlicher Art bei räumlicher Beschränkung der Lizenz verträge oder Zöllen, entsteht somit ein globaler Wettbewerb, wodurch dessen Intensität steigt. Auch aus der kostenlosen Verfügbarkeit gemeinfreier oder unter offeneLizenzmodelle(z.B.CreativeCommons363)gestellterInhalteerwächstzusätz licheKonkurrenzumdenKunden,daauchdieseInhalteaufdengleichenLesegeräten rezipiertwerdenkönnen. Des Weiteren ermöglicht die digitale Distribution Verbesserungen in der Warenver fügbarkeit,diederklassischeHandelnichtbietenkann:SosindBücherniemalsver griffen und können zu jeder Tageszeit, unabhängig vom Ladenschluss, erworben werden. Auf diese Weise können auch wenig nachgefragte Titel in Summe zu nennenswertenUmsätzenführen.364DurchdenEinsatzvonMobilfunknetzenzurAus lieferung,wieesbeispielsweisebeimLesegerätKindleerfolgt,istzudemderKaufvon EBooks auch unterwegs möglich, soweit eine entsprechende Netzabdeckung be steht. 361
Vgl.ISBNAgenturfürdieBundesrepublikDeutschland(2005),S.5ff. Vgl.Weissberg(2008),S.256ff;Brown/Boulderstone(2008),S.234. 363 Vgl.CreativeCommons(2009). 364 Zudiesemals„LongTail“bezeichnetenPhänomenvgl.Anderson(2007). 362
4.3DigitalisierungdesVertriebs
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Eine nicht zu vernachlässigende Rolle in der Distribution von EBooks übernehmen insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Literatur die Bibliotheken. Diese kaufenoderlizenzierenEBooksundstellendieseihremNutzerkreiszurVerfügung,in der Regel kostenlos oder gegen eine monatliche Nutzungsgebühr. Dabei ist derzeit neben der allgemeinen Standardvielfalt auch eine Heterogenität hinsichtlich der Lizenzvereinbarungen zwischen Bibliothek und Rechteinhaber festzustellen: Die Bandbreite reicht vom einmaligen Kauf zum Listenpreis ohne Nutzungsein schränkungenüberverschiedeMischformenbishinzurreinenLizenzierungeinesZu gangs zur Datenbank eines externen Anbieters, wobei der Rechtekauf bei gleich zeitigerNutzungdesHostingsundAuslieferungssystemsdesexternenAnbieterssich derzeitdurchzusetzenscheint.365DawissenschaftlicheLiteraturfürelektronischeEr scheinungsformenbesondersgeeignetist366undderenRezipientenzumeistübereine gute Anbindung an Universitäts oder Landesbibliotheken verfügen, ist damit zu rechnen, dass sich der Absatz dieser Werke noch stärker auf die Bibliotheken konzentriert. Ein besonders wichtiges Element der Lizenzverträge für Bibliotheken stellt die Regelung zur erlaubten Nutzungsintensität eines EBooks dar, da diese prinzipiell durchihredigitaleNaturunbegrenztparallelgenutztwerdenkönnen.Somitkönnte derKaufeinesExemplarsfüralleNutzerderBibliothekausreichen,wodurchdiefür VerlagelukrativeAnschaffungmehrererExemplarebeibeliebtenTitelnentfällt.Hier werdenteilweiseDRMSystemeeingesetzt,welchediegleichzeitigeNutzungaufdie Anzahl der erworbenen Lizenzen begrenzen und so die traditionelle Ausleihe imitieren367 – allerdings erscheint dieses Modell nicht mehr zeitgemäß, da die Vor teilederDigitalisierungaktivausgeschlossenwerden. ImBereichderwissenschaftlichenFachzeitschriftenetabliertsichseiteinigenJahren mit Open Access Publishing ein völlig neues Distributionsmodell, welches aufgrund seiner ökonomischen Tragweite im Folgenden kurz dargestellt wird, wenngleich es derzeitimBuchmarktnuringeringemUmfang,etwabeiDissertationen,Anwendung findet. Unter Open Access Publishing versteht man den kostenlosen und technisch barrierefreien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen.368 Die Artikel werden 365
Vgl.Schallehn(2007).S.73ff;Wein(2007),S.23ff. Vgl.hierzudieAusführungeninAbschnitt4.5. 367 Vgl.Wein(2007),S.28. 368 Vgl.Mannetal.(2009),S.135. 366
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4VeränderungendurchDigitalisierung
hierbei ausschließlich online publiziert, die hierfür anfallenden Kosten werden zu meistdurchdieAutorenoderForschungseinrichtungengetragen.Diewirtschaftlichen Folgensindimmens,daeszueinerkomplettenDisintermediationder(Zeitschriften) Verlage kommt oder diese nur noch als Betreiber von Archiven fungieren, bei weg fallenden Verkaufserlösen, welche durch die Autorenbeiträge schwer zu kompensierensind. DaZeitschriftennichtGegenstanddervorliegendenArbeitsind,istlediglichdieÜber tragbarkeitdiesesModellsaufdiePublikationvonBüchernvonRelevanz.Diesistzum derzeitigen Zeitpunkt nicht abschließend zu beantworten, jedoch können einige Überlegungen angestellt werden. Zunächst ist festzustellen, dass Autoren innerhalb dieses Vertriebsmodells keine (oder sogar negative) finanzielle Einkünfte erzielen, womitsichdieAttraktivitätaufBereichenichtmonetärerPublikationsmotivationbe schränkt.DiesistbeispezialisiertenwissenschaftlichenPublikationenderFall,welche nur eine enge Zielgruppe adressieren und insbesondere aus der Forschungs motivation und Renommeestreben der Forscher entsteht. Eine vergleichbare Situation liegt bei den aufgrund ihrer kleinen Auflage schwer refinanzierbaren DissertationsundHabilitationsschriftenvor,weswegeneineÜbertragungaufdieses Gebiet bereits stattfindet.369 Für Publikationen mit Gewinnerzielungsabsicht bedarf esandererGeschäftsmodelle,welchebspw.inKapitel5.3vorgestelltwerden. InsgesamtbietetderdigitaleBuchvertriebsomiteineReiheneuerPotenziale,welche zumindestfüreinigeNutzungsszenariosVorteilebringen.DieseneuenMöglichkeiten führenjedochauchzusteigendembrancheninternenWettbewerbmitFolgenaufdie Branchenstruktur, da neue und vormals vorgelagerte Akteure in das Endkunden geschäfteinsteigen,wodurchdiesesausKundensichtunübersichtlicherwird.Jedoch profitieren die Kunden vom gestiegenen Wettbewerb, da die konkurrierenden An bieter dazu gezwungen sind, durch attraktive Angebote auf sich aufmerksam zu machen. Aus der Digitalisierung des Vertriebes entstehen auch neue Wertschöpfungsauf gaben, wie etwa die Formatkonvertierung, die Bereithaltung der EBooks und die Integration von DRMElementen. Diese schaffen Raum für neue Intermediäre mit entsprechendenGeschäftsmodellen.
369
Vgl.Heinold(2009),S.30.
4.4DigitalisierungderNutzung
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4.4 DigitalisierungderNutzung NachderDistributionelektronischerBuchproduktefolgtderenRezeption,fürdieim UnterschiedzutraditionellenBücherneinEndgerätzurAnzeigebenötigtwird.Hierzu ist eine Vielzahl von Gerätetypen verfügbar, die jedoch unterschiedliche Dar stellungseigenschaften aufweisen. Die nachstehende Tabelle 12 enthält eine über blicksartigeSystematisierung. Nutzungssituation Bauform Displaytechnologie Displaygröße Beispiele Stationär
Groß
CRT/TFT
>15‘‘
PC
Mobil
Tragbar
TFT
1217‘‘
Notebook
Mobil
Kompakt
LCD