OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
DIE GROSSE EMPÖR...
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OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
DIE GROSSE EMPÖRUNG Unter diesem Titel ist soeben der Doppeiband 27/28 der neuen Weltgeschichte erschienen. Der Doppelband behandelt das 16. Jahrh. n. Chr. Die Einheit des Abendlandes und der Chiistenheit zerbricht. Der Riß verästelt sich über Europa und setzt sich bis in das kleinste Dorf, bis in die Familien fort. Die Gedanken der Gewissensfreiheit, der evangelischen Gleichheit der Menschen, die Loslösung derWissenschaften von der Theologie, die Abwendung der meisten Pursten von kirchlichen Einflüssen und die wachsende Rebellion der Massen gegen die bisherige, schwer erschütterte Ordnung bestimmen das Bild der Übergangszeit. Die „gläserne Kuppel" des Mittelalters ist niedergestürzt.
Auch dieser Doppelband ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wieder ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Er kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM6.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monats lief er ungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunsch werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. (Einzelbände 1—18 je DM 3.60.) Prospekt kostenlos vom
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU MÜNCHEN
KLEINE
B I B L I O T H E K DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
Georg
HEFTE
Steinbacher
Erlebnisse
eines
Tiergärtners
VERLAG SEBASTIAN LUX * MURNAU / MÜNCHEN
AFFEN
VOLK
as wäre ein Zoo ohne Affen? Ohne die Meerkatzen, (die Rhesusaffen, ohne die Paviane. Der Affenfelsen im Berliner Zoo wurde von einer großen Mantelpavianherde bewohnt. Diese Mantelpaviane, auch Hamadryas genannt, sind abessinische Affen, die in ihrer Heimat nachts in Felswänden ruhen, tagsüber aber zur Nahrungsaufnahme in die Steppe gehen. Die Männchen tragen wehende graue Schultermähnen und sehen damit sehr dekorativ aus; sie haben die Größe eines mittleren Hundes und besitzen ein geradezu furchtbares Gebiß. Um die Anlage recht eindrucksvoll zu gestalten, wurde auf ihr immer eine ganae Anzahl alter Männchen gehalten. Es herrschte daher stets reger Betrieb. Denn jedes Männchen will sich recht viele Weibchen erraffen, jeder Pascha aber bewacht eifersüchtig seinen Harem. Deshalb lebten die Berliner Paviane in ständigem Streit. Hierbei verletzten sie sich oft schwer; einem wurde der Arm durch einen Biß"gebrochen, einem anderen Nase und Maul weit aufgerissen. Aber diese streitbaren Herren haben eine phantastische Heilhaut — man konnte fast zusehen, wie sich selbst klaffende Wunden in kurzer Frist schlössen. Mancher Pavianmann hat Narben wie ein alter Corpsstudent, der zwei Dubzend Mensuren hinter sich hat. 2
Besonders heftig wurden die Auseinandersetzungen, als wir einmal zehn Paar erwachsene Hamadryas-Paviane der Herde auf dem Felsen zugesellen wollten. Sie waren frisch aus Afrika importiert, und jedes Paar hatte auf dem Transport eine Kiste bewohnt. Zunächst setzten wir (die Männer Und Weiber voneinander getrennt in zwei benachbarte Käfige des Quarantäne-Hauses. Da saßen die Paare, durch das Gitter geschieden, nebeneinander, lausten und liebten sich zwischen den Stäben hindurch. Schließlich transportierten wir sie in die Freianlage. Dort ergriff jeder Mann sofort sein Weih und verteidigte es hartnäckig gegen die Alteingesessenen, die schleunigst ihren Harem durch den unerwarteten Frauensegen vergrößern wollten. Es kam izu so erbitterten Kämpfen, daß mehrere Wärter eingreifen und einen Tag lang die Pavianherde in ständiger Bewegung halten mußten, um die Beißereien immer wieder zu «unterbrechen. Während dieser aufregenden Stunden waren nicht nur die Affenmänner gefährdet, sondern auch die Frauen, da sie vom Besitzer wie vom Angreifer unentwegt hin- und hergezerrt wurden, und schließlich war es auch für die Menschen, die sich inmitten der tobenden Herde aufhalten mußten, recht gefahrvoll. Der Wärter Schöncke, der den Pavianfelsen in seiner Obhut hatte, hielt seine Pfleglinge großartig in Ordnung. Er riskierte eigentlich immer seine -Gesundheit, wenn er den Felsen betrat. Hätte sich nämlich auch nur eines der Jungtiere ernstlich durch eine unbedachte Bewegung seinerseits bedroht gefühlt und um Hilfe geschrien, würden ihn sofort sämtliche Männer des Felsens angegriffen haben, um dem Kleinen 'zu helfen — und vor dem mächtigen Gebiß der Paviane hat sogar der Leopard Respekt! Schöncke ging daher nur langsam und bedächtig zwischen den Affen umher. Er hat viele seiner Pfleglinge in Freiheit dressiert, sie schlugen Saltos vor- und rückwärts, machten Handstand und allerlei andere Kunststücke. Die Besucher spendeten ihnen dafür Erdnüsse und Zuckerstücke, Schöncke selbst erntete manches Trinkgeld. In dieser Herde lebte auch ein einsamer, grüner Pavian, der jung auf den Felsen gekommen und zu einem Riesenkerl herangewachsen war, bis er lernte, die hohe Absperrmauer zu überspringen. Er war sehr gutartig, aber man bekam doch einen mächtigen Schreck, wenn das starke Tier plötzlich vor einem auf der Brüstung saß, auch wenn es einem nur bettelnd die Hand entgegenstreckte. Neben den Mantelpavianen hielten wir auch eine große Herde von Blutbrustpavianen, Dscheladas, herrlich schönen Tieren mit kahlen leuchtend roten Flecken auf der Brust und fliegenden Schulter3
mahnen. Sie stammen aus den Hochgebirgen Nordostafrikas und sind phantastische Felskletteier. Ihr großer Käfig war mit Kacheln ausgekleidet, die für menschliche Begriffe einen glatten, fugenlosen Wandbelag abgaben. Die Dschcladas aber kletterten an ihnen empor, als wäre es eine Leiter. Freund Zukowsky, lange Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hagenbecks Tierpark, erzählt gern eine schöne Paviangeschichte, die er selbst erlebt hat. Eines Tages riß in Stellingen eine ganze Herde aus; die meisten konnten in den Laubenkolonien in der Umgebung des Tierparkes eingefangen werden, einige entzogen sich aber allen Nachstellungen. Spät abends kam Zukowsky mit seiner Frau heim. Als sie die Haustür aufschließen wollten, fing es au zu schneien, obwohl man sich mitten im Hochsommer befand. Zukowsky ahnte Schlimmes; er fing eine „Sehneeflocke" ein und siehe da — es war eine Daunenfeder. Nun schaute das Ehepaar am Gebäude hoch:, Richtig, die Daunen wirbelten aus dem eigenen Schlafzimmerfenster! Zukowskys stürzten die Treppe empor und rissen die Tür auf. Ein halbes Dutzend Paviaoe fuhr wie eine Horde Wilder zum Fenster hinaus. Sie hatten die Daunendecken aufgerissen und sich damit amüsiert, den Inhalt durch fleißiges Hineinspringen zum Fortfliegen zu bringen. In Frankfurt spielte uns — und einem Kaufmann — ein südamerikanischer Kapuzineraffe einen anderen Streich. Er entwischte ausgerechnet am Pfingstmorgen und kletterte über die Zoomauer. Von uns verfolgt, floh er eine Straße entlang. Als wir ihn au sehr bedrängten, verschwand er in einem Kellerfenster, das wn Lager einer Lebensmittelgroßhandlung gehörte. Wir verstopften es, erfragten den Namen des Verwalters und erfuhren, daß er einen mehrtägigen Ausflug mache, also unerreichbar sei. Notgedrungen vertagten wir daraufhin die Sache bis: zum nächsten Morgen, denn wir waren sicher, daß der Affe inzwischen nicht Hunger litt. Ein Wärter machte unterdessen einen kleinen .lungen ausfindig, der dank seiner schmächtigen Figur durch das Fenster paßte. In frühei Morgenstunde eilte der Fangtrupp zum Tatort, man schob den Bengel durch da« Fenster und hielt dann ein Fangnetz davor. Unter uns erhob sich ein heftiges Rumoren, Marmeladecimer klirrten, Schachteln fielen von den Regalen. Schließlich flitzt; der Affe in seiner Not durch die Fensteröffnung in c'as Netz. Nachdem auch der Junge wieder herausgeklettert war, rü jkten wir befriedigt mit dem Ausreißer ab. Ich hätte zu gern das Gesicht des Lagerverwalters sehen mögen, als er am nächsten Morgen sein Reich betrat. 4
Unsere Augsburger Mantelpaviane kamen früher gelegentlich einmal aus, da ihr Käfig damals alt und baufällig war. Aber wenn ich unsere Tigerdogge holte, zogen sie sich schnell in ihr Haus zurück; vor dem Hund hatten sie mehr Furcht als vor uns Menschen. Der Käfig, die Freianlage bedeutet eben für die Affen ihr sicheres Heim. Als ich einmal nach Kriegsende in den Münchner Tierpark Hellabrunn kam, saß die ganze große Pavianherde oben auf dem Affenhaus in voller Freiheit — die Wände ihrer Anlage waren so durch Bomben beschädigt worden, daß sie ohne große Schwierigkeiten hätten aussteigen können. Aber keiner wagte, sich weit von ihr zu entfernen. Man kehrte immer wieder auf sie zurück, wenn man hungrig war oder wenn eine Gefahr drohte. Eine Affenherde ist stets ein interessantes Studienobjekt. Ein Pascha regiert den Trupp, er fordert das beste Futter und die Liebe möglichst aller Frauen für sich. Wehe, wenn sein Wille nicht erfüllt wird, er regiert rauh und absolut! Seine Untertanen schmeicheln sich bei ihm ein und suchen sich gegenseitig den Rang abzulaufen. Sie tun dies nach Affensitte, indem sie ihm ihre oft bunt gefärbte Kehrseite hinhalten und sie zur genaueren Betrachtung anbieten. Gegen Fremde, aber auch gegen persönliche Feinde aus der eigenen Gruppe hetzen sie den Häuptling so raffiniert menschenähnlich auf, wie man es sich nicht schöner vorstellen kann. Die kleinen Affenkinder sind absolut unantastbar, kein Affe der Herde tut ihnen etwas — im Gegenteil, sie werden von allen bis aufs äußerste gegen jeden Feind verteidigt. Es ist deshalb ein schwieriges Unternehmen, aus einer solchen Familie ein Jungtier herauszufangen oder ein totes Kind der Mutter abzujagen. Man muß stets Vorsichtsmaßnahmen treffen, damit man nicht die ganze Herde am Hals hat. Die Affenmänn«r sind dann sehr rabiat und tapfer. Wir vermeiden solche Eingriffe, wenn es irgend möglich ist; aber wenn ein Junges stirbt, trägt es die Mutter meist solange herum, bis es weitgehend in Verwesung geraten ist. Sie versteht einfach nicht, daß ihr Kind tot ist; dann müssen natürlich wir Menschen eingreifen. Alle Affen sind beim Publikum besonders beliebt. Viele Dauerbesucher haben unter ihnen ihre besonderen Freunde, denen sie bei jedem Aufenthalt im Garten Leckerbissen zustecken. Wir Zooleute haben zwar volles Verständnis für diese Tierfreunde, betrachten aber ihr Schenkbedürfnis stets mit etwas geteilten Gefühlen. Denn wir begrüßen es natürlich, wenn unsere Pfleglinge zusätzlich abwechslungsreiches Futter bekommen; leider aber verteilt sich die Tierliebe nicht gleichmäßig auf alle Käfiginsassen, sondern vor allem 5
die jüngeren werden bevorzugt und bekommen so oft viel mehr, als ihnen gut tut. Sie verderben sich den Magen und werden mitunter sogar buchstäblich zu Tode gefüttert. Das passierte in Berlin einmal mit einem jungen Magot, der an seinem zweiten Geburtstag so viel 'durchs Gitter zugesteckt bekam, daß er zwei Tage später daran starb! Ein junger Affe kann eben genau so 'wenig wie ein * Kind beurteilen, was ihm gut tut oder schadet. v Das Füttern durch die Besucher bringt außerdem leicht die gesamte Affenschar durcheinander. Genau wie bei unseren Vorfahren in der „guten alten Zeit" hat auch bei den Affen der Vater der Familie das erste Anrecht auf alles Gute. Er nimmt es den schwächeren Käfiggefährten einfach fort und frißt es selbst. Damit sind aber die Besucher nicht einverstanden, sie wollen vor allem „den süßen Kleinen" etwas zukommen lassen. Der alte Pascha nimmt dies nicht nur ihnen, sondern auch den eigenen Sprößlingen sehr übel, denn er will den Hauptteil der Spenden haben und verjagt darum die Kinder. Das Publikum versteht natürlich die Affensitten nicht, beschimpft den Vater und versucht, den Kleinen das Futter doch auf irgendeine listige Art, hinter dem Rücken des Erzeugers, zuzustecken. Auf die Dauer wird aber dadurch der Alte übellaunisch gegen den eigenen Nachwuchs und bösartig gegenüber den 'Menschen. Viele Affen sind so verdorben und zu unnna'bbaren, bissigen Kreaturen geworden. Darum, wenn du vor den Affenkäfig trittst, lieber Leser, gib erst den starken Tieren, vor allem dem Stammvater, den ihm nach Affenrecht und -sitte 'zustehenden Anteil, bevor du dich seinen Kindern zuwendest! Es ist also kein Wunder, daß wir fast an jedem Affenkäfig ein großes Schild „Vorsicht, bissig" anbringen müssen. Trotz dieser Warnung vergeht kaum ein Sonntag, an dem nicht mindestens ein L Besucher ein schmerzhaftes Andenken an den Zoo bekommt. Manche Affen leisten in dieser Beziehung Beachtliches. In Frankfurt waren es meist die Meerkatzen, die mit Vorliebe die spendende Hand blitzartig an das Gitter heranzogen und kräftig hineinbissen; einmal wurde einer Besucherin so die ganze Spitze des Zeigefingers abgie quetscht. Es ist bekannt, daß die Affen die klügsten Tiere sind, auch wenn sie nicht ebenso abstrakt denken können wie wir. Ihre Kombinationsfähigkeit ist oft erstaunlich. Die ersten Mantelpaviane, die wir in Augsburg zeigen konnten, stammten aus Hellabrunn; sie sind dort auf der großen Freianlage geboren worden. Als unsere Affen eingefangen wurden, bezeichnete Direktor Heinz Heck d'en Wärtern die 6
Ostasiatisdie Blätteraffen mit Jungen, sehr seltene Zootiere
Tiere, die für Augsburg bestimmt waren und dirigierte die ganze Prozedur, betätigte sich aber nicht aktiv an ihr. Trotzdem schalten diese Paviane noch nach Monaten laut und flohen in den sicheren Innenstall, wenn Direktor Heck sie in Augsburg besuchte. Im Sommer 1950 bauten wir in Augsburg ein Affenhaus, das mit einer großen Freianlage für Paviane verbunden ist. Hier sind die Affen vom Publikum nicht durch einen tiefen Graben und durch eine hohe Mauer getrennt wie in Hellabrunn oder in Berlin, sondern durch einen Wassergraben. Er ist nur 90 Zentimeter tief bei einer Breite von viereinhalb bis sechs Meter. Man kann hinter einer solchen Absperrung natürlich nur Arten halten, die das Wasser meiden und schlecht schwimmen, nicht solche Wasserratten und Springkünstler wie etwa die Rhesus-Affen. Es war nun sehr interessant zu beobachten, wie sich, die Paviane verhielten, als sie die neuen Innenkäfige im Haus bezogen und, nachdem sie sich an sie gewöhnt hatten, auch die neue Freianlage besetzten. Sie getrauten sich zuerst gar nicht hinaus", schauten durch die geöffnete Klappe ins Freie und beobachteten scharf alles, was sich draußen abspielte. Dann gingen die stärksten Tiere vorsichtig ins Freie, machten die Runde am Wassergraben entlang, prüften mit gespannter Miene die Grabenbreite, begaben sich dann zum Haus und sahen sich genau die Mauer an. Einer versuchte, an ihr bis zum Dach zu springen. Nachdem sie auf diese Art und Weise festgestellt hatten, daß ein Entweichen unmöglich war, bestiegen sie vorsichtig und gemessen einen großen Baum, den wir ihnen zum Klettern auf die Anlage gestellt hatten. Sobald in der Umgebung ein Wesen erschien, das ihnen unheimlich war, flüchteten sie alle ins Haus. Das war ihr sicherer Port, den sie kannten. Jedesmal, wenn ein neuer Affe auf die Freianlage kommt, erleben wir das gleiche; immer wieder das beinahe sachlich erscheinende Prüfen der Absperrung. Erst, wenn das erfolgt ist, findet sich der Affe damit ab, daß er hier festgehalten ist. An den Wassergraben gehen sie immer nur sehr vorsichtig. Wenn sie trinken wollen, dann wirkt es so, als fürchteten sie, jeden Augenblick könne ein Krokodil erscheinen und sie verschlingen — so, wie es in ihrer Heimat ist. Der schlaueste Affe, den ich kennenlernte, war ein kleiner Kapuziner, der in Berlin auf der Gibbon-Anlage lebte. Wenn der Wärter das Gehege säuberte, ließ sich der Affe von ihm auf die Hand nehmen und den Besuchern hinreichen. Er bettelte sie an und verspeiste alle eßbaren Gaben. Das Trinkgeld aber stopfte ev dem Wärter in die Tasche. Es machte ihm besondere Freude, die 8
grüne Uniformmütze seines Betreuers zu entführen. Er versuchte, sie auf seinen winzigen Kopf 'zu setzen. Sie war dem Knirps natürlich viel zu groß, darum hielt er sie mit den Händen so über den Kopf, wie sie gesessen haben würde, wenn sie gepaßt hätte, und ging dann aufrecht auf den Hinterbeinen spazieren. Mit großem Geschick fing er Sperlinge und die freifliegend gehaltenen Mönchssittiche, die in dem Gehege Futter suchten. Die Sperlinge tötete er kurzerhand und fraß sie auf; mit gefangenen Mönchssittichen verfuhr er allerdings recht roh: Er hielt sie mit einer Hand am Hals fest, damit sie ihn nicht beißen konnten, kletterte auf den nächsten Baum und rupfte sie dort bei lebendigem Leibe. Der Papagei und die Zuschauer protestierten laut, man rief nach einem Wärter, aber er war machtlos. Denn wenn er glücklich den Baum erstiegen hatte, auf dem der kleine Unhold sein Opfer quälte, war „Fritzchen" längst ausgerissen und rupfte auf dem nächsten Baum weiter. Eine ganze Herde anderer Kapuziner lebte in Berlin im kleinen Säugetierhaus. Die zwitschernden Stimmchen dieser katzengroßen Affen erwecken den Eindruck, als seien es schwache, schutzbedürftige Wesen. Aber als einer von ihnen herausgefangen werden sollte und ihr Betreuer den Käfig mit dein Fangnetz betrat, verwandelten sich die zarten Wesen in eine Rotte Teufel und gingen gesdilossen auf ihn los. Er war froh, daß er ihnen noch im letzten Augenblick entkommen konnte, ohne ernsthaft gebissen zu werden. In der Neuen Welt gibt es einige sehr ruhige Vertreter des Affengeschlechts: die Woll- und die Spinnaffen. Ihre Bewegungen wirken, als seien sie mit der Zeitlupe aufgenommen. Sie haben sich noch eine fünfte Hand zugelegt: die Spitze ihres langen, muskulösen Schwanzes ist zu einem Greiforgan umgestaltet. Mit ihm hängen sie sich gern an einem Ast auf und schaukeln, alle vier Hände in der Luft, oder sie tragen in ihm etwas Eßbares, eine Banane, spazieren. In Frankfurt besaßen wir eine schöne Sammlung der kleinsten Affen, der Ziwergäffchen aus Südamerika. Mein Vorgänger Dr. Priemel hatte sie mit großer Liebe und Mühe zusammengebracht. Zwergäffchen sind sehr zart und schwierig zu halten. Sie zeichnen sich neben ihrer Winzigkeit meist durch besonders hübsche Färbung aus: Löwenäffchen sind satt goldgelb, Silberäffchen leuchtend weißgrau, Pinselohräffchen bunt. Die Tiere sind kaum eichhörnchengroß, leibhaft und immer in Bewegung. Wir hatten geräumige Glaskäfige mit vielen grünen Pflanzen für sie eingerichtet, deren Boden einen dichten Torfbelag besaß. Er wurde immer naß gehalten, so daß eine gewisse Luftfeuchtigkeit diese Urwaldbewohner umgab. Wir 9
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züchteten sie sogar. Es war sehr spaßig zu sehen, wie sich auch die Väter des Nachwuchses annahmen, denn nicht nur die Mutter trug die noch hilflosen Jungen auf dem Rücken mit sich herum, sondern auch der Vater beteiligte sich vom vierten Tage am Kindertransport. Zum Säugen mußten die winzigen Kinder natürlich umsteigen. Ein Silberäffchen wog bei der Geburt 27 Gramm! Der Wärter Neiß nahm es in seine Obhut, denn die Mutter kümmerte sich nicht um das Kleine. Wir setzten es zunächst auf einen Haarbesen und später auf einen Fuchsschwanz, an dem es sich festklammerte. Eine Heizlampe sorgte für die nötige Wärme. Alle anderthalb Stunden bekam es von seiner .„Pflegemutter" eine winzige Puppenflasche mit Milch und Haferschleim. Sein Körper hatte kaum die Stärke eines Daumens, sein Gesichtchen war so groß wie der Nagel eines kleinen Fingers. Diese Sammlung der kleinsten Affen fand damals das Interesse vieler Fachleute, seihst aus dem Ausland. Der Frankfurter Zoo legte früher besonderes Gewicht darauf, recht viele Kleintiere aus aller Welt zu halten, die der Besucher anderer Zoologischer Gärten . im allgemeinen nicht zu sehen bekommt. Neben den eigentlichen Affen werden auch immer einige Halbaffen, wie Kattas, Varis, Makis aus Madagaskar gezeigt. Wenn nicht ein Schild am Käfig auf die Verwandtschaft zwischen diesen spitzschnäuzigen und langschwänzigen Tieren und den eigentlichen Affen hinweist, wird wohl kaum ein Besucher auf die Idee kommen, daß sie etwas mit unserem „nächsten Verwandten" zu tun haben. Sie sitzen meist hoch oben in ihrem Käfig und werden kaum beachtet. Von Zeit zu Zeit aber erheben sie ohne sichtbaren Anlaß ihre Stimmen mit aller Kraft zu einem gemeinsamen, weitihinschallenden, zwerchfellerschütternden Geschrei, um ebenso plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, wieder zu verstummen. Dann stürzen von allen Seiten die Besucher herbei, denn sie glauben, hier ereigne sich etwas ganz Fürchterliches. Die winzig kleinen, nächtlich lebenden Galagos aus Afrika sind nahe mit diesen Halbaffen verwandt. Tagsüber schlafen sie in ihren Kasten, man sieht höchstens ein Stückchen Fell am Schlupfloch. Nachts aber springen sie mit Riesensätzen, oft über vier Meter weit, von einer Käfigwand zur anderen. Dabei leuchten ihre Augen gespensterhaft rötlich durch das Dunkel, als ob kleine Irrlichter umhertanzten. Eine Tierfreundin besaß einen solchen Galago. Er lebte in einem Käfig, der im Wohnzimmer stand. Wenn seine Herrin abends zur Ruhe ging und dabei noch einmal aus ihrem Schlafzimmerfenster hinausschaute, stellte sie zu ihrer Verwunderung fest, 10
daß in den Straßenbäumen vor ihrem Haus eine merkwürdige Art von Glühwürmchen lebte. Sie sah immer wieder leuchtende Punkte im Geäst auftauchen und hin- und herwandern. Erst nach Wochen merkte sie, daß ihr Galago, sobald die Hausinsassen izur Ruhe ge" gangen waren, selbst die Tür seines Käfigs anhob, das Freie gewann und durch das geöffnete Woihnzimmerfenster hinauswechselte. Dann turnte er nach Herzenslust in der Nachbarschaft herum und kehrte vor Tau und Tag auf dem gleichen Wege wieder in sein Heim zurück.
* ie drei großen Menschenaffen Schimpanse, Gorilla und Orang, unsere nächsten Verwandten, sind wohl die jedem Tiergä'rtner liebsten Pfleglinge. Als ich nach Frankfurt kam, lebten dort drei Schimpansen, Jonny, Moritz und Fine, die etwa sechs, acht und zehn Jahre alt waren. Fine war ein nettes, liebes Mädchen, das mich jeden Morgen mit Handschlag begrüßte. Das ist natürlich keine Umgangsform, die unter Affen üblich ist, aber sie wird schnell erlernt. Fine war eine große Artistin, sie lief Seil, balancierte Bälle, fuhr Rad und Roller. Ihr Käfiggenosse Moritz, ein hoffnungsvoller Jüngling, kam mit ihren Künsten bei weitem nicht mit. Jonny, der Dritte im Bunde, hatte ursprünglich mit den beiden anderen zusammen [gehaust. Er wurde aber flegelhaft, und so zogen wir es vor, ihn einzeln izu halten. Ihr Pfleger war der Affenwärter .KolLmann, ein unerhört starker Mann, der sich aus Liebhaberei nebenberuflich als Artist betätigte und als Untermann bei menschlichen Pyramiden guten Ruf gewonnen hatte. Er besaß die nötigen Körperkräfte, auch mit den Schimpansenmännern fertig zu werden. Auf der alltäglichen Runde durch den Tiergarten traten wir stets an seine Pfleglinge heran und wünschten iilhnen „Guten Morgen". Sie wußten -genau, es gab dann etwas zu naschen. Sobald wir die Haustür öffneten, ertönte dann auch lautes Schimpansengeschrei — sie brauchten uns gar nicht zu sehen, sie erkannten uns schon am Schritt. Fine wurde trächtig. Es waren aber keine Anzeichen an ihr zu erkennen. An einem Aprilmorgen begrüßte sie mich wie immer. Nach einer knappen (halben Stunde kam mir Kollmann aufgeregt nachgelaufen: „Herr Doktor, Fine hat ein Kind." Ich stürzte zurück, um an dem freudigen Ereignis Anteil zu nehmen. Die Schimpansin hielt das noch nasse Junge mit einer Hand gegen den Unterleib gedrückt. Zunächst ließ sie Kollmann nicht an ihr Kind heran. Wenn 11
er sich näherte, schlug sie nach ihm und ging fort. Es kostete viele Ablenkungsmanöver, bis es gelang, sie zutraulich zu .machen. Die folgenden Monate waren hochinteressant. Das Schimpansenkind — es war ein Mädchen, und wir tauften es „Sannchen" —wurde unser aller Liebling. Unsere Zuneigung äußerte sich allerdings zunächst rein platonisch, denn Fine hütete es wie ihren Augapfel. In der ersten Zeit trug sie es immer an ihren Unterleib gedrückt. Sannchen hielt sich mit beiden Händen an den mütterlichen Flanken fest. Zum Schlafen legte sich Fine auf den Rücken, schob ihre Beine über das Kind, legte ihre Hände über den noch freien Raum, iso daß Sannchen warm, weich und gut zugedeckt iauf der Mutter Schoß ruhte. Zum Trinken zog sich der kleine Schimpanse etwas an der Alten mit ihrer Hilfe hoch und fand die Brust. In den ersten Tagen geschah das sieben- bis achtmal. Als Sannchen zwei Monate alt war, brachte ihr Fine das Sitzen bei. Sie streifte das Kind mit der Hand von sich ab und placierte es vor sich hin. Das paßte der Kleinen gar nicht, sie schrie und wollte zurück, aber die Mutter probierte es immer wieder, bis Sannchen endlich selbständig sitzen konnte. Kaum war diese Erziehungsphase im Gange, begann Fine auch mit den ersten Gehübungen. Wenn Sannchen vor ihr hockte und sich mit den Fingern an ihr festhielt, rutschte sie vorsichtig rückwärts, und Sannchen mußte folgen. Anfänglich ging es nur schlecht, aber als das Kind ein Vierteljahr alt war, klappte es tadellos. Und jetzt sah ich etwas, das ich nie für möglich gehalten hätte, weil es verblüffend menschenähnlich war: Fine ergriff mit jeder Hand ein Händchen ihres Kindes und ließ es vor sich herlaufen, genau wie es meine Frau mit unserer Tochter tat. Mit knapp einem halben Jahr machte Sannchen die ersten Gelhversuche allein. Nun setzte Fine ihr Kind irgendwo auf den Boden, ging ein Stück fort und lockte es. Allmählich gelang auch das. Mit neun Monaten hatte Sannchen in ständigem Unterricht die Kunst des Gehens erlernt. Darauf kam das Klettern an die Reihe. Hierbei brauchte die Mutter nicht mitzuwirken, aber sie überwachte alle Übungen ihres Kindes sehr genau und paßte auf, daß es nicht fiel. Als Sannchen ein halbes Jahr alt war, erlaubte Fine zum ersten Male, daß Kollmann mit ihm spielte. Es faßte ihm ins Gesicht und zog an seinen Haaren. Allmählich wurde er „in die Familie aufgenommen". Es wurde Sannchens größter Spaß, ihm das Schlüsselbund fortzunehmen und damit auszureißen. Viel Interesse fanden seine Zähne, Sannchen faßte ihm mit dem Zeigefinger in den Mund und tastete sie ab. 12
Jetzt werde auch ich zur Familie zugelassen. Sannchen kommt zM mir, um zu spielen. Es stößt mit seinem Köpfchen gegen meinen Kopf, guckt in meine Taschen, läßt sich kitzeln und bohrt mir mit dem Finger in die Nase. Mit fünf Monaten beginnt es, von Kollmaun Nahrung anzunehmen. Es trinkt aber volle anderthalb Jahre an der Mutter. Sannchen ist zu einem schönen, kräftigen Schimpansen herangewachsen. Leider ist sie 1946, nach meinem Ausscheiden aus dem Frankfurter Zoo, im Alter von sieben Jahren gestorben. Die prächtigen Schimpansen im Berliner Zoo haben dagegen nie gezüchtet. Hier lebte vor dem Krieg ein besonders großes, starkes Paar: Toto und Titine. Toto wog etwa 140 Pfund, er war voll erwachsen, aber er hat sich nie für die Weiblichkeit interessiert; Titine war ihm völlig gleichgültig. Auch diese Schimpansen kannten uns genau. Wir machten uns manchmal den Scher»', vorbeizugehen, wenn ihr Wärter Liebetreu gerade eine seiner bekannten Vorstellungen mit ihnen gab. Oft standen an die tausend begeisterte Zuschauer vor dem Käfig und betrachteten voller Interesse das, was die Affen darboten. Erschienen wir auf der Bildiläche, ließen Toto und Titine alles stehen und liegen, sprangen ans Gitter und riefen uns zu. Aber Liebetreu fand schnell ein gutes Mittel gegen solche Störungen. Er sagte mit lauter Stimme zu den Affen: „Seht ihr da den Onkel Doktor, der viel Zeit hat und im Garten spazierengeht? Kommt her, ihr müßt fleißig sein, ihr müßt arbeiten!" Dann drehten sich alle Köpfe nach uns um, und wir flüchteten! Außer den Schimpansen besaßen wir in Frankfurt einen jungen Gorilla, einen Vertreter der wertvollsten Menschenaffenart. In der afrikanischen Heimat kostet solch ein Tier schon das Vielfache eines Schimpansen, und ein in der Gefangenschaft herangewachsener Gorilla würde Phantasiepreise erzielen, wenn er überhaupt verkäuflich wäre. Unser Gorilla hieß Tommy, er schien einer besonders kleinen Rasse anzugehören. Als er über dreieinhalb Jahre bei ans und über fünf Jahre alt war, wog er erst 75 Pfund, während es seine Artgenossen in Berlin im gleichen Alter auf mehr als das Doppelte brachten. Er war halt kein Riesen-, sondern eher ein Zwerggorilla, aber ein gutmütiges, liebenswürdiges Tier. Ich ging oft mit Kollmann zu ihm. Wie alle Gorillas war er ruhiger und gesetzter als die Schimpansen. Er begrüßte mich freundlich mit Handschlag, aber dann wollte er stets mit mir ringen. Das überließ ich bald seinem Pfleger, denn Tommy hatte Mordskräfte, aber selbst Kollmann war trotz 13
(.einer athletischen Figur nach einer halben Spielstunde wie aus dem Wasser gezogen. Wesentlich lebhafter als Tommy und seine Berliner Kollegen war ein Gorillamann in London. Im dortigen Zoo bewohnte ein erwachsenes Paar allein ein hypermodernes, kreisrundes Gebäude, das gleichzeitig Innen- unid Außenkäfig war. (Die ganze Vorderseite war nämlich durch Glasfenster verschlossen, die bei gutem Wetter durch einen kunstvollen Drehmechanismus weggekurbelt werden konnten; diese sinnvolle Apparatur pflegte allerdings leider nie richtig zu funktionieren. Der Gorillamann war ein muskulöser, drahtiger Bursche, der mit langen Sätzen wie ein Wilder durch seinen Käfig tobte und jedesmal, wenn er sich ärgerte, seine Wut mit kräftigen Hieben unid Bissen an seiner unglücklichen Frau ausließ. Sie war eigentlich ständig auf der Flucht vor ihm und hat diese schlechte Behandlung auch nicht sehr lange vertragen. Die riesigen Berliner Gorillamänner Bobby und Pongo hatten starken Fettansatz. Bobby erreichte mit zehn Jahren 525 Pfund, Pongo, ider nicht viel jünger war, als er dem Krieg zum Opfer fiel, über 400 Pfund. Beide waren phlegmatisch und gesetzten Temperaments. Liebetreu, ihr Pfleger, war mit Shakespeare der Meinung „Laßt dicke Männer um mich sein, die nachts gut schlafen". Das taten seine Gorillas auch, vor allem blieben sie anständig und friedfertig. Ich habe sie oft besucht, und vor allem mit Bobby Zwiesprache gehalten; er guckte mich dabei mit seinen dunklen Augen höchst verständnisvoll ,an. Liebetreu ging stets zu seinen Gorillas hinein — in London wäre das Selbstmord gewesen. Als Bobby im Jahre 1935 starb und in den letzten Zuckungen lag, saß Liebetreu neben ihm unid hielt seine riesige Hand, während ihm die hellen Tränen über das Gesicht liefen. Der Abschied von einem Mitgeschöpf, das er sieben Jahre lang betreut und aus einem Gorillakind zum größten Affen herangezogen hatte, der je in einem europäischen Zoo gelebt hat, fiel ihm bitter schwer. Wir verstanden seinen Schmerz. Wie riesig Bobbys Kräfte waren, zeigt folgende Episode: Eines Tages ärgerte er sich beim Spiel über den Schimpansen Toto. Er drückte ihn, ganz ruhig, ohne sichtbare Erregung, mit der Hand auf den Erdboden, so daß der sehr starke Schimpanse flach dalag und sich nicht rühren konnte. Bobby bewegte dabei nur den Arm. Wenn man bedenkt, daß Toto einem starken Mann weit überlegen war, kann man Bobbys Kräfte ermessen. Er hat nur einmal in seinem Leben einen Wärter angegriffen. Damals hatte Liebetreu frei, und sein langjähriger Vertreter Wilcke führte die Menschenaffen vor. 14
Gemeinsam mit Toto wollte erBobby im Handwagen durch denKäfij; ziehen. Das wurde dem Gorilla zu langweilig, er sprang falsch ab, nämlich nach vorn, fiel unglücklicherweise auf den Menschen und biß kräftig in sein Bein. Da zeigte Toto, daß er eine anständige Haut War: Er schlug auf den Gorilla los, bis dieser von seinem Opfer abließ, und lenkte ihn dank seiner überlegenen Geschwindigkeit solange ab, bis Wilcke mit gebrochenem Bein aus dem Käfig gehumpelt war. Schimpansen und Gorillas werden fast stets als Jungtiere eingefangen, nachdem man ihre Mütter im afrikanischen Urwald getötet hat. So kommen die kleinen Kerle nach abenteuerlicher Fahrt xu einem Tierhändler, der sie an einen Zoo weitergibt. Hier werden sie wie Kinder aufgeizogen und ganz ähnlich betreut. Gorillas sind noch nie in Gefangenschaft gezüchtet worden, während bisher nur der Münchener Zoo regelmäßig Schimpansengeburten erzielen konnte. Der Orang ist der phlegmatischste aller Menschenaffen. Wir besaßen in Berlin ein altes Paar dieser Baumbewohner aus den Urwäldern Sumatras und Borneos, Adam und Cleo. Sie waren als voll erwachsene Tiere eingefangen worden; sie blieben stets mißtrauisch, obwohl sie sich gut eingelebt hatten, und ließen niemand zu nahe an sich heran. Liebetreu durfte ihnen wohl aus einer gewissen Entfernung das Futter reichen, sie lehnten aber jeden Versuch ab, in ein engeres Verhältnis zu ihm zu kommen. So hatten wir nicht viel von diesen Pfleglingen. Sie hockten meist oben auf den Sitzstangen ihres Käfigs und bewegten sich wenig. Ich hatte stets das Gefühl, daß diesen Tieren, die dem Leben in Baumkronen angepaßt sind, die Käfigeinrichtung nicht zusagt und ihnen keine Anregung bietet, sich zu betätigen; die Käfigstangen sind zu hart und unbeweglich, während die Äste in den Baumkronen weich federn und wippen. Eines Tages sollten unsere Orangs einen anderen größeren Käfig beziehen. Es war unmöglich, sie mit Netzen oder Käschern einaufangen oder sie zu greifen, denn dazu waren sie viel zu stark. ^ ir bauten daher im Innern des Affenhauses vor der Käfigtür einen Fangkäfig aus starkem Drahtgeflecht auf und köderten ihn mit Bananen und anderen guten Sachen. Nach einigen Stunden gingen Adam und Cleo wohl in den Käfig; aber vorsichtig, wie sie waren, hielt sie eine Hand izur Tür hinaus, so daß sie nicht zugeschlagen werden konnte; mit der anderen ergriffen sie das Begehrte. Wir mußten daher den Fangkäfig verlängern. Bald saß Cleo drin, und die Tür wurde ztiigeschlagen. Da riß sie mit einem kurzen Ruck das Drahtgeflecht auseinander, zwängte sich durch die Öffnung und 15
hangelte im nächsten Augenblick in der Dachkonstruktion des Hauses herum. Wir waren heilfroh, als wir sie mit vieler Mühe wieder in das alte Gelaß hineindirigiert hatten. Jetzt wurde der Fangkäfig verstärkt, und nun gelang auch die Überführung. Cleo hat mehreren Jungen das Leben geschenkt, sie wurden leider alle nicht groß. In den letzten Jahren sind verhältnismäßig viele Oranggeburten in der Gefangenschaft erzielt worden. Das lag vor allem daran, daß die Fänger es gelernt hatten, erwachsene Orangs lebend in ihrer Heimat zu erbeuten; in den Jahren um 1927 wurde eine ganze Reihe zuchtfähiger Orangs in den Handel gebracht. Mein eindrucksvcllstes Orangerlebnis hatte ich im Tierpark Hellabrunn, als ich in der Menschenaffenstation zum ersten Male die weithin klingende, dumpfhallende Stimme eines alten Orangmannes hörte. Wunderbar tief tönend klang sie durch das Abenddunkel, ein dröhnender Laut folgte dem andern. Es war, als umgäbe mich plötzlich der Zauber des tropischen Urwaldes. Unsere jungen Orangs und Schimpansen durften sich im Sommer bei gutem Wetter im Freien unter Aufsicht des Wärters austollen. Sie spielten auf dem Rasen und kletterten in den Büschen und Bäumen umher. Hier zeigten sie eine Kunst, die wir im Käfig nicht beobachten konnten: Sie flochten sieh mit wenigen Handgriffen im Geäst Nester, die fest genug waren, sie zu tragen, und auf denen sie nachts ebenso hätten schlafen können, wie es ihre Artgenossen draußen im Urwald tun. Und sie waren dazu fähig, ohne es lernen oder üben zu müssen! Die Gibbons, die uns ferner stehen als die eigentlichen Menschenaffen, kommen im allgemeinen nicht in ein ähnlich enges Freundschaftsverhältnis zu uns. Einer von ihnen ist mir besonders in Erinnerung. Professor Lutz Heck brachte aus Marseille ein zwei Pfund schweres iSilbergiibbon-Kind mit, das er dort gekauft hatte. Der Vogelwärter Dähne, einer der tüchtigsten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, nahm es in seine Pflege. Dähne trug bei der Arbeit stets eine lange, blaue Schürze; hinter diese steckte er den kleinen Gibbon. Da saß Suse — so hieß das GibbonKind — weich und geborgen; sie kam nur zum Vorschein, wenn sie ihre Flasche erhielt. Der Besucher erkannte alluin an Dähnes geschwollenem Busen, daß hier etwas Besonderes zu verzeichnen war. Später turnte sie an ihrem Pfleger herum und begleitete ihn auch zu Fuß auf seinen Gängen. Schließlich fing sie an, Unsinn zu treiben: Sie schlich sich in voller Deckung an die Vogelkäfige heran, schlug plötzlich mit der Hand gegen das Gitter und freute sich sichtlich, wenn die 16
Piepmätze vor Schreck herumflatterten. Als sie gar begann, den Papageien die Schwanzfedern auszureißen, mußte sie auf die Freianlage für Baumaffen übersiedeln. Hier bewohnte sie anfänglich die Futterkammer, und von dort aus machte sie gelegentlich Ausflüge in die Baumkronen der Umgebung. Gibbons sind phantastische Kletterer. Suse warf sich mit ihren langen Armen von Ast zu Ast, ließ sich senkrecht aus großer Höhe herabfallen und fing sich an einem Zweig auf. Aber eines Tages war es für Suse mit der goldenen Freiheit aus. Und das kam so: Suse turnte vor unseren Augen in einem Baum umher und verschwand im Laub. Plötzlich hörten wir laute Hilferufe aus dem weitgeöff'neten Fenster im dritten Stock eines benachbarten Hauses. Dort saß ein Mädchen nichtsahnend hinter der Schreibmaschine, als der Affe plötzlich mit einem Satz vor ihr auf der Walze hockte. Vor lauter Schreck schrie sie angstvoll auf. Suse verließ daraufhin den Raum und stieg im Erdgeschoß wieder in das Haus ein. Hier erfreute sie den Leiter eines Porzellangeschäftes, indem sie zierlich und graziös vor seinen Augen zwischen den wertvollen Waren herumturnte. Sie machte nichts kaputt, dem Herrn aber stand der Angstschweiß auf der Stirn! Suse mußte nun endgültig die Freianlage beziehen, auf der schon einige andere Gibbons neben weiteren Baumaffen lebten. Ein starker Gibbonmann hatte entdeckt, daß er aus derFreianlage herauskonnte. Er besuchte täglich die Baumkronen in der Nachbarschaft. Zu unserer Freude zeigte er hierbei seine herrlichen Kletterkünste; aber dann biß er unsere Photographin übel in den Arm: Der Gibbon saß hoch oben in einem Baum, als sich unsere Mitarbeiterin und der Wärter näherten. Mit drei Hangelschwüngen seiner langen Arme hatte das Tier sie blitzschnell erreicht. Sie fand keine Zeit, sich auch nur mit einer Bewegung zur Wehr zu setzen. Ebenso rasch hatte der Gibbon sich wieder in Sicherheit gebracht. Natürlich machten wir ihm für die Folge weitere Ausflüge unmöglich. Affenbisse haben meist ein übles Nachspiel. Die dolchartig verlängerten Eckzähne dringen tief in die Muskulatur des Opfers ein, und die Wunden sind fast immer verunreinigt. Sie heilen oberflächlich zu, der tiefsitzende Schmutz kann nicht herauseitern, und es bildet sich ein böser Abszeß. Unsere Affenwärter tragen alle eine ansehnliche Zahl von Narben als Andenken an ihre Pfleglinge.
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RAUB
TIERE
icht weit -von den Afifenf eisen und dem Menschen-Affenhaus erhebt sich im Grün der Parkbäume das Raubtierhaus. Jedermann denkt, es müsse besonders gefährlich sein, Löwen und Tiger zu betreuen. Die Wärter im Raubtierhaus werden darum auch mit ehrfürchtigem 'Staunen betrachtet. Sie selber freilich lächeln nur darüber. Ein alter erfahrener Löwendresseur, wie Karl Neiss in Frankfurt, iürchtet sich — glaube ich — eher davor, einen langen Schriftsatz auszuarbeiten, als izu seinen geliebten Tieren in den Käfig zu gehen. Wenn ich die lange Reihe der Löwen und Tiger überdenke, denen ich in emeinem Leben begegnet hin — Amur und Sibi, Erich und Rös'chen, Rex und Rigo, und wie sie alle hießen —, so kann ich nur sagen: Die meisten waren brave und gute Kerle, die mich freudig begrüßten, sobald ich mich näherte, sich an das Gitter drückten und sich genau so gerne streicheln ließen wie eine Hauskatze. Selbstverständlich sind wildgefangene Großkatzen gefährlich, man muß sich vor ihnen in acht nehmen; die Mehrzahl unserer ZooInsassen aber ist im Tiergarten geboren. Diese Tiere sind zwischen Menschen groß geworden und sehen in ihnen keinen Feind. Als im Berliner Zoo die neue große Freianlage erbaut war, kaufte Professor Heck eine Gruppe von sieben dressierten riesigen Mähnenlöwen, die 13
die neue Anlage bevölkern sollten. Ein eben eingestellter Hilfswärter bekam den Auftrag, den Innenkäfig zu säubern. Um ihn ungefährdet betreten izu können, mußte er idie Löwen in das Nachbargelaß sperren. Wenige Minuten später kam ich dazu. Da stand der Mann zwischen den gewaltigen Tieren und izog eines nach dem andern am Schwanz in den Nebenraum. Die Wüstenkönige knurrten und schimpften furchtbar, aber sie ließen sich diese einzigartige Behandlung ohne Gegenwehr gefallen. Denn sie waren vollgefressen und satt und wollten schlafen, und darum waren sie der Aufforderung, auf eigenen Füßen den Käfig zu räumen, nicht nachgekommen. Kurz entschlossen hatte der Mann zu diesem etwas gefährlichen Mittel gegriffen. Sobald er eines der gewaltigen Tiere nach nebenan gezerrt hatte, sank es soifort nieder, streckte sich und ruhte weiter. Mir allerdings standen bei dem Anblick idie Haare zu Berge. Häufig werde ich gefragt: Was machen Sie nur, wenn ein Löwe ausbricht? Das kann selbstverständlich immer einmal geschehen. Denn auch Wärter sind nicht allwissend und vollkommen und lassen im Drang der Arbeit nicht nur eine, sondern auch einmal zwei Türen offenstehen, so daß eine Großkatze ihren Käfig verlassen kann. Aber es ist viel peinlicher, wenn ein bösartiger Bulle oder ein brunftiger Hirsch entläuft! Fin Löwe oder ein Tiger fühlt sich in der fremden Umgebung außerhalb des gewohnten Raumes äußerst unsicher und verkriecht sich bald im nächsten stillen Winkel; man kann ihn dann in der Regel ohne allzu große Schwierigkeiten in eine Kiste hineindirigieren. Und er ist dann froh, wenn er wieder „zu Hause" ist. Ich habe es auch noch nie erlebt, daß ein Löwe sich mit aller Kraft darum bemühte, aus einer Freianlage herauszuspringen. Alle Absperrgräben, die ich kenne, sind höchstens achteinhalb Meter breit. Ein in der Steppe von Angola gemessener Sprung eines freien Löwen erreichte aber zwölf Meter. Manch ein Wüstenkönig könnte, wenn 'er wirklich iwollte, wohl aus seinem Gehege heraus, aber er bleibt lieber daheim, da gibt es zu fressen, da wird er gut behandelt, was soll er also in der Fremde? Löwen sind hervorragend zur Haltung im Zoo geeignet. Ihre wilden Brüder fressen in der afrikanischen Steppe vor allem die bunten Wildpferde, die Zebras; wir geben ihnen Pferdefleisch, und das bekommt ihnen sehr gut. Sie pflanzen sich bei uns so regelmäßig fort, daß man in normalen Zeiten Mühe hat, den Nachwuchssegen loszuwerden. Der Leipziger Zoo betrieb eine regelrechte „Löwenfabrikation", er deckte mit ihrer Produktion den Bedarf der Zirkusse auf der ganzen Welt! Viele Hunderte von Löwen sind von dort aus 19
in alle Himmelsrichtungen verkauft worden, sogar nach Afrika, denn es war billiger für einen afrikanischen Zoo, einen jungen Löwen in Leipzig zu erwerben, als ihn mit Mühe in der Steppe einzufangen. Die Preise sanken manchmal derart, daß man nicht ganz fehlerfreie Tiere bereits für 200 bis 300 Mark bekommen konnte. Alte Löwen kosteten 1000 bis 1500 Mark. Die anderen Zoologischen Garten legten keinen besonderen Wert auf „Löwenzucht en masse". Für uns kam es nur darauf an, in der Saison eine Löwenfamilie mit 'Kleinkindern zu zeigen und daneben noch einige Löwenbabies zu haben, mit denen auf dem Schoß sich die Besucher gar zu igern photographieren lassen; eine solche Aufnahme ist für viele Besucher ein schönes Andenken fürs Leben. Diese Löwchen nahmen wir der Mutter meist gleich nach der Geburt fort und ließen sie von einer Hündin als Amme großziehen, um sie bequem zur Hand zu haben. Das war eine besondere Spezialität unseres alten Oberwärters Olesen. Er hat viele hunderte Großkatzen so aufgezogen. Besonders nett ist es, wenn man eine ganze Löwenfamilie, Vater, Mutter und Kinder, zusammen zeigen kann. Das macht keine Schwierigkeiten, denn sie sind gesellig. Das glückt auch bei manchen Tigern. Es gibt kein schöneres Bild, als wenn die Kleinen tolpatschig miteinander spielen, sich balgen, oder gemeinsam an der Mutter herumzerren. Auch der Vater muß herhalten; er zieht sich aber in eine stille Ecke zurück, wenn es ihm zu dumm wird. Löwenmänner werden nur dann gefährlich, wenn das Weibchen brunftig ist. Wie die meisten Tiere sind sie ntürlich futterneidisch. Darum pflegt man sie vor der Mahlzeit einzeln abzusperren. Wenn man Löwen von klein auf um sich hat und sie mit der Flasche großzieht, sind sie reizende Gesellschafter. Man könnte sie auch in einem Privathaushalt bis zur Geschlechtsreife pflegen, wenn sie nicht zu grob mit der Wohnungseinrichtung umgehen würden. Besonders schöne Schaustücke waren die Berberlöwen, die bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts in Nordafrika vorkamen, heute aber ausgerottet sind. Sie trugen nicht nur eine gewaltige Schultermähne, sondern auch eine Bauchmähne. Einer der letzten von ihnen war der alte „Soliman", der lange Jahre in Berlin lebte. Er ist Vater unzähliger Löwen geworden. Auch unser Frankfurter „Rigo" hatte BerberMut. Nach Solimans Tod mußte Rigo gelegentlich nach Berlin gebracht werden, um dort für die Erhaltung der Bauchmähnenlöweii zu sorgen. Oberwärter Neiss hat ihm und 6einem Gefährten „Rex" viele Kunststücke beigebracht und führte sie täglich vor. Beide Löwen sind leider dem Kriege zum Opfer gefallen. 20
Noch anhänglichere Pfleglinge waren unsere Frankfurter sibirischen Tiger „Amur" und „Sibi". Sobald sie uns sahen, standen sie am Gitter und warteten auf die liebkosende Hand. Wie alle ihre Artgenossen waren es riesige Klötze mit langem, dichtem Fell. Das ist im Zoo von Vorteil, denn dank ihrem Haarwuchs brauchen sie im Winter keinen geheizten Käfig. Ihre Brüder in Fernost leben in Gebieten, in denen es weit kälter ist als in Mitteleuropa; wenn es nur nach dem Klima ginge, könnte es diese Großkatzen auch bei uns geben. Tiger baden auch sehr gern, es erregt bei den Besuchern immer großes Staunen, wenn sie in ihre Becken steigen und mit größter Freude darin herumplanschen. Löwe und Tiger sind äußerlich nicht zu verwechseln, im Körperbau sind sie aber einander so ähnlich, daß nur ein Spezialist die Skelette auf Grund sehr eingehender Untersuchungen unterscheiden kann. Im Benehmen sind sie dagegen recht verschieden. Zwei befreundete Löwen begrüßen sich mit maunzendem Aauh aauh; Tiger dagegen, indem sie mit phhhhh die Luft ausstoßen. Mit diesen Tönen muß man sie auch als Mensch begrüßen. Dem Tiger fehlt zudem das dröhnende Brüllen des Löwen, obwohl auch er über eine recht laute Stimme verfügt. Tiger halten sich nicht so gut wie Löwen, sie vermehren sich auch nicht so stark, aber es gibt Ausnahmen; die Berliner Königstigerin Rös'chen hielt hierin wohl den Rekord! Sie hat etwa 40 Junge großgezogen, eine beachtliche Leistung! Wenn sie warf, ging Olesen zu ihr hinein, nahm die Jungen, wie sie erschienen, kontrollierte ihr Geschlecht und legte sie der Mutter schön zurecht. Sobald die Kleinen etwa ein Vierteljahr alt waren, ließen wir die ganze Familie zusammen. Wir brauchten keine Sorge um die Kinder zu haben, denn Rös'chen paßte genau auf sie auf, wehe dem Vater Erich, wenn er seine Sprößlinge auch nur ischief ansah. Sofort hatte er einige schallende Ohrfeigen weg. Es rwar ein urkomisches Bild, wenn die kleinen Frechlinge mit seiner Schwanzspitze spielen wollten. Es war ihm sehr unsympathisch, aber er wagte nicht einmal zu knurren. Er war monatelang nur geduldet, obwohl er ein Riesenkerl und stärker als seine Frau war. Löwen und Tiger fressen ansehnliche Fleischportionen. Sie erhalten je nach der Größe 15 bis 20 Pfund am Tag; allerdings lassen wir sie regelmäßig in jeder Woche einen Tag fasten. Das tut ihnen gut, denn sie reißen auch in der Freiheit nicht an jedem Tag frische Beute. Als eine Tigerin einmal nicht recht fressen wollte, bekam sie ein halbwüchsiges Schwein lebend in den Käfig gesetzt. Sie tötete es 21
blitzartig um! „human": Bevor ,der Rüsselträger überhaupt wußte, was los war, stand das Raubtier über ihm, packte von oben her das Genick und 'zermalmte mit den Backenzähnen die Wirbelsäule, das Opfer gab nicht einmal ein Quieken von sich. Löwen und Tiger sind übrigens ziemlieh kurzlebig, sie werden kaum über 20 Jahre alt. Unser alter Soliman war schon — Außenstehende hielten das kaum für möglich — mit 17 Jahren ein Greis. Warum bringt uns ein Löwe, ein Tiger nicht um, sobald wir seinen Käfig betreten, wie es doch seiner Natur entsprechen müßte? Ein unter Menschen groß gewordenes Tier sieht in uns keine Feinde oder Beuteobjekte, sondern beifreundete Artgenossen, die ihm nichts tun, die es nicht fürchtet und denen es selbst entgegentritt wie gleichberechigten oder übergeordneten Kumpanen. Der Löwe Rex drängt sich schmeichelnd an seinen Wärter und reibt sich an ihm, wie er es mit seinesgleichen tut. Er sucht die Gesellschaft des Menschen wie eines Gefährten. Er sieht uns genau so wenig als Mittagsmahl an wie ein Hundebesitzer seinen lieben Hausgenossen. Wir neigen ja auch selbst dazu, uns nahestehende Haustiere oder unseren Hund anzureden wie einen anderen Menschen und bei ihnen die eigenen Geistesgaben oder A r erständnis für das gesprochene Wort vorauszusetzen, als ob sie wie wir Menschen seien. Ebenso verhält sich das zahme Tier. Wenn allerdings ein Löwenmann brunftig wird, treibt er uns von seinem Weibchen fort; er tut das dann nicht etwa, weil er die Menschen haßt, sondern weil er in uns den Konkurrenten sieht. Und wenn er gerade sein iFutter bekommt, vermeiden wir es nicht deshalb, in seinen Käfig zu gehen, weil er dann Appetit auf uns hätte, sondern weil er futterneidisch ist und für seine Mahlzeit fürchtet. Wenn sich doch einmal ein Unfall mit zahmen Großkatzen ereignet, liegt die Schuld meist auf Seiten des Menschen, der sich irgendwie falsch oder ungewöhnlich benimmt. In Frankfurt verunglückte ein Wärter tödlich: er rutschte im Tigerkäfig aus, fiel hin und erschreckte die Tiere. Sie bissen zu und verletzten ihn derart, daß er bald seinen Wunden erlag. In Berlin wurde ein Wärter schwer beschädigt, als er in der Silvesternacht stark angeheitert einigen Freunden zeigen wollte, wie gut er eine Gruppe halbwüchsiger Löwen dressiert hatte. Zu seinem Glück bearbeiteten ihn die Tiere nur mit den Pranken, sonst wäre er wohl nicht mit dem Leben davongekommen. Wildfänge müssen natürlich mit Vorsicht behandelt werden. Der Tierhändler Bussius erzählte mir, wie er in Moskau einen ganzen Transport asiatischer Tiere für Deutschland aufgekauft, in Kisten 22
Löwenpaar bei der Mittagsruhe untergebracht unid in einen Güterwagen verladen hatte. Er selbst fuhr mit einem Begleiter in dem verschlossenen Waggon mit. Als der Zug Rußlands Hauptstadt verließ, begann ein frisch aus Sibirien gekommener, erwachsener Tiger seine Kiste zu zertrümmern. Innerhalb weniger Minuten 'hatte er eine Öffnung hereingebissen, durch die .er sich hindurebzwängen konnte. Nun saß er fauchend und knurrend vor den schreckerstarrten Männern, die sich in der Enge des von den Tierkisten ausgefüllten Raumes nicht zu rühren vermochten. Schließlich sprang der Tiger auf eine große Kamelkiste und von dort durch eine Luftklappe aus dein fahrenden Zug, als der Zug einen Vorort passierte. Er wurde schließlich von der Polizei erschossen. Der amerikanische iSilberlöwe, der Puma, ist weit kleiner und schwächer als seine altweltHichen Vettern. Er kann ebenso zahm und anhänglich sein wie sie. Natürlich sind altgefangene Pumas bösartig und bissig. Als das Berliner Raubtierhaus umgebaut wurde, mußten wir einen Flügel räumen und brachten einige Pumas in einem Raubtierwagen unter, der hinter einem Bretterverschlag am Rand der Tierkinderschau abgestellt war. An einem herrlichen 23
Sonntag waren zahllose Besucher im Zoo. Allein auf ider Tierkinderschau drängten sich einige tausend Menschen. Ein Wärter reinigte den eben genannten Wagen und vergaß, eine Tür zu schließen. Schreckensbleich kam er ins Büro und berichtete aufgeregt, ein bissiger Puma sei ausgekommen, säße aber noch hinter dem Verschlag. Uns wurde etwas bänglich zumute. Der Verschlag grenzte an die Tiergartenmauer. Unzählige Menschen gingen in diesem Park, der Lunge Berlins, spazieren. Entwich der Puma in den Tiergarten oder in den Zoo, so hätte es jedesmal eine furchtbare Panik gegeben, obschon der Puma wahrscheinlich niemand angegriffen hätte. Darum griff Professor Heck zur Büchse, und wir eilten unauffällig zum Raubtierwagen. Gott sei Dank, der Puma war noch da und hatte sich in eine Ecke verkrochen. Im Schuß brach er sofort tot zusammen. Uns fiel ein Stein vom Herzen, die Besucher aber haben nichts von dem ganzen Vorfall bemerkt. Die zweite amerikanische Großkatze, der schön gefleckte Jaguar, ist gefährlicher als der Puma, er ist auch wesentlich stärker. Aus manchen Gebieten erhielten wir Exemplare, die ebenso groß waren wie Inseitiger: Riesenkerle, die mit ihren mächtigen Dickköpfen wahrhaft unheimlich aussahen. Die Zucht von Jaguaren und auch von Leoparden ist schwierig. In Berlin lebte ein schwarzes Jaguarweibehen; solche Farbabänderungen kommen bei den gefleckten Großkatzen gelegentlich vor, sie sind teurer als die normal gefärbten, darum wollten wir gern mit diesem Weibchen züchten. Aber es gelang nicht, es fraß seine Jungen jedesmal sofort nach der Geburt auf. Wir haben alles versucht, es daran zu hindern. Wir hielten Tag und Nacht bei ihm Wache, um die Kleinen sofort wegzunehmen, wir ließen es auf einem Bretterrost werfen, damit die Jungen durch die Spalten fallen sollten und herausgezogen werden konnten. Es half nichts. Sie schaffte es immer, den Nachwuchs zu fassen und aufzufressen. Auch in Köln lebte solch eine Kindsmörderin; es ist für den Tiergärtner jammerschade, daß man die herrlichen Tiere nicht von dieser üblen Gewohnheit freimachen kann. Die .altweltlichen Leoparden sind sympathischer als die Jaguare. Sowohl unter den Frankfurtern wie unter den Berlinern waren reizend zahme, spiellustige Schmeichler, wie der persische Leopard „Peterchen", den der bekannte Forscher Gerd Heinrich aus dem Lande des Pfauenthrons wohl als einen der letzten seiner Art mitbrachte. Er wäre am liebsten durch das Gitter hindurchgekrochen, um zu uns zu gelangen. Oberwärter Olesen legte sich eine afrikanische Leopardin als Boa um den Hals, wenn er besonderen Eindruck auf 24
die Besucher machen wollte. Trotz aller Zahmheit muß man bei Leoparden aber sehr darauf achten, 'daß ihnen Kinder nicht zu nahe kommen. Jener Prozeß, der einen furchtbaren Unglücksfall durch einen völlig zahmen Leoparden zum Anlaß hatte, wird noch vielen im Gedächtnis sein: Ein bekannter Maler hatte sich das Tier aus dem schwarzen Erdteil mitgebracht und hielt es in seinem Junggesellenheim. Alles ging gut, bis eines Tages die Putzfrau, die die Wohnung betreute, zum ersten Male ihr Töchterchen mitbrachte. Als sie das Zimmer betrat, sprang der Leopard zu und tötete das Kind. Über das Motiv dieses Angriffes ist viel gerätselt worden, jedoch liegt eine einfache Erklärung auf der Hand. Leoparden sind auf Affenjagd spezialisiert; es war für das Tier nicht möglich, einen Unterschied zwischen dem ihm fremden Kind und einem gleichgroßen Affen zu machen. Erwachsenen Menschen gegenüber bliöb der Tiger immer unbedingt zuverlässig. In Berlin leibte lange Zeit ein sehr zahmer, schwarzer Leopard. Ein Besucher hatte herausbekommen, daß er sich von jedermann durchs Gitter streicheln ließ. Da der Herr ein besonderes Geltungsbedürfnis hatte, pflegte er zu warten, bis die Wärter während der Mittagspause unsichtbar wurden. Dann rief er Schaulustige zusammen, kletterte über die Absperrung und führte dem staunenden Publikum vor, wie schön sich der Panther von ihm liebkosen ließ. Unglücklicherweise starb der Leopard. Sofort wurde ein anderer gekauft und in den gleichen Käfig gesetzt. Der Neuling war ein bösartiger Wildfang. Nichtsahnend wollte der Herr wieder einmal sein Schauspiel vorführen, aber schon hatte ihn der Panther beim Wickel, faßte mit allen vier Pranken durchs Gitter und zerfetzte mit den Krallen die Muskulatur des Unglücklichen. Glücklicherweise konnte er nicht zwischen den Stäben hindurchbeißen. Bis die Wärter herbeigeeilt waren, hatte das Opfer schwere Verletzungen erlitten. Die Geparden sind wohl die umgänglichsten Großkatzen. Diese hochbeinigen Steppentiere, die paarweise leben und ihre Beute hetzend erjagen, schließen sich eng an ihren Pfleger an. Ein schönes Männchen hat als stiller Zuschauer an manchem gemütlichen Abend in der Berliner Zoo-Kantine teilgenommen. Es wurde in vorgerückter Stunde besonders gern herbeigeholt, wenn wir Gäste unter uns hatten. Sie guckten stets sehr unsicher, wenn Inspektor Mösges mit dem prächtigen Tier eintrat. Er begrüßte sofort freundlich seine Bekannten, aber sogar sehr selbstsichere Fremde wurden wortkarg, bescheiden und verlegen, wenn der Gepard neben ihnen Platz nahm. Die Käfigun.g im Raubtierhaus sagt den Geparden als Tieren der 25
weiten Ebene nicht recht zu. Ihre Muskulatur schwindet, und sie fressen schlecht. In Wipsnade sah ich dagegen zwei Männchen, die geradezu fett waren, dicke Muskelpakete batten und förmlich vor Gesundheit strotzten. Sie bewohnten aber auch eine ausgedehnte Einfriedigung, in der sie sich müde laufen konnten. Sie warteten auf der einen iSeite, bis ein Besucher, möglichst in Begleitung eines Kindes, an der anderen erschien, dann spielten sie Jagd: in voller Fahrt rasten sie auf ihr Ziel los, als ob sie das Kind packen wollten — und legten sich gemütlich hin, wenn sie bei ihm angekommen waren. Sobald jemand am anderen Ende erschien, stürmten sie wieder los. So machten sie sich die nötige Bewegung und fühlten sich sichtlich wohl dabei. Unsere einheimischen Großkatzen, die Luchse, die beute leider innerhalb unserer Grenzen ausgerottet sind, wurden uns meist von Dr. Remler-Kajana aus Mittelfinnland geliefert. Er ließ sie dort im Winter von Jägern auf Skiern in den riesigen Waldungen fangen. Die Karelier spürten die Luchse im hohen Schnee auf, trieben sie Kunächst auf eine freie Fläche, etwa ein Hochmoor, und hetzten sie dort zu Stande — Lucbse sind keine ausdauernden Läufer. Wenn sie nicht mehr weiter konnten, sprang der Jäger mit dem Schneeschuh auf das Wild und drückte es in die weiche Masse hinein, fesselte es und transportierte es ab. Das klingt wie Jägerlatein, es muß aber gianz gut gelingen, denn Remler deckte praktisch 'den gesamten Zoobedarf mit der Ergebnissen dieser Fangart. Ein solcher Luchs kam abends in .einer Kiste in Berlin an. Es war schon dunkel und daher nicht zweckmäßig, ihn auszupacken und in den Käfig zu setzen. Man ließ darum die Kiste im Flur des Raubtierhauses stehen. Am Morgen jedoch war der Luchs verschwunden. Er hatte die Bretter durchbissen, war aus dem Haus entwichen und lebte eine Woche lang im 'größten Berliner Park, dem Tiergarten, wo ihm die damals sehr zahlreichen Kaninchen ausreichend Nahrung boten. Es gelang nicht, ihn einzufagnen, er mußte abgeschossen werden. Er hat damit ein weniger unrühmliches Ende gefunden, als jener schwarze Panther, der in eimerm Schweizer Zoo ausriß und ein halbes Jahr das Hochgebirge bevölkerte, bis er von einem Bauern in einer Sennhütte als „große Katze" mit dem Beil erschlagen und dann aufgegessen wurde. Obwohl unsere Luchse alt gefangen waren, wurden sie allmählich zutraulich, kamen ans Gitter und spielten wie die Hauskatzen mit uns, und zwar mit besonderer Vorliebe mit einem Taschentuch. Sie haben oft gezüchtet. Ein kleiner Luchs ist das Netteste, was es gibt 26
Leopard, als Großkatze auch im Klettern sehr gewandt Er wird sehr anhänglich. Ein Jungtier, das wir nach Braunschweig gaben, wurde dort sogar längere Zeit ganz frei gehalten. Die Bären sind völlig anders geartet als die Katzen. Sie geben leider sehr häufig Anlaß zu schweren Unglücksfällen. Main kann schon mit Bären-Flaschenkindern sein blaues Wunder erleben: Eben trinkt ein fünf Monate altes Bärlein noch behaglich schmatzend aus dem Schnuller, da haut es schon vor Wut schreiend mit den kleinen Pranken um sich. Der Umschwung kommt ganz unerwartet — wie der Blitz aus heiterem Himmel. Die anderen Raubtiere zeigen deutlich, wenn sie schlechte Laune bekommen, bei Bären aber weiß man nie, woran man ist. Es ist daher in den meisten Zoos streng untersagt, zu den Bären in den Käfig zu gehen. Selbs! die kleinste Art, der nur boxergroße Malayenbär, hat schon manches Unheil angerichtet. Besondere Riesen sind der Alaska-Bär und der KamtschatkaBär. Sie erreichen weit über zehn Zentner Gewicht. Der Berliner Alaska-Bär „Jonas" war ein ausnehmend starke? Tier. Eines Tages stieg ein Junge über den Absperrzaun vor seinem Käfig; er wollte ein Stück Brot aufheben, um es dem Bären zu »eben. Blitzschnell war Jonas bei ihm, langte mit der Pranke durch das Gitter, riß den 27
Arm des Jungen herein und biß ihn ab. Trotz des großen Blutverlustes kam der Junge mit dem Leben davon und trat später in die Dienste des Zoologischen Gartens. Eisbären sind besonders gefährlich, sie können weit springen und sind daher sehr schnell am Opfer. Wenn man ihnen eine große Holzkugel in ihr Wasserbassin tut, führen sie gern ihre Art der Seehundsjagd vor. Der Bär schleicht sich tiefgeduckt an das Becken heran, springt plötzlich zu, als sei der Seehund gerade aufgetaucht, und schlägt furchtbar mit der Pranke zu. Die schwerste Kugel fliegt im hohen Bogen aus dem Wasser aufs Land. Der Bär packt sie sofort mit den Zähnen. Aber auch im Tatzenhieb unseres Meisters Petz liegt eine ungeheure Kraft. Ein ausgebrochener Bäremmann tötete ein erwachsenes Schwein mit einem Schlag. Und auch das Gebiß des braunen Bären ist nicht zu verachten. Im Dezember oder Januar wirft die Bärin ihre Jungen. Sie sind bei der Geburt kaninchengroß und kurz behaart. Aber sie brauchen trotzdem nicht zu frieren. Die Bärin polstert das Lager, das sie für den Winter angelegt hat, mit Laub und Moos — bei uns im Zoo mit Stroh — sauber aus und nimmt die Kleinen unendlich vorsichtig und geschickt zwischen die Beine und den Körper, damit sie weich, warm und geborgen im langhaarigen Fell der Mutter ruhen. Die Eisbärin gräbt sich im tiefen Schnee eine Höhle mit langer Einfahrtsröhre und bringt in diesem Kristallpalast im Dezember ihre Kinder zur Welt. Bären züchten in Gefangenschaft ohne igroße Schwierigkeit. In den Vorkriegszeiten konnte man im Mai jede Menge Jungbären verkaufen. Sie sind als Flaschenkinder außerordentlich beliebt und kosteten etwa 300 bis 400 Mark. Dagegen wurde man einjährige Bären nur unter großen Schwierigkeiten los; die wollte niemand haben. Alte, starke Zuchtbären jedoch waren wieder verkäuflich. Wenn man bedenkt, daß eine Bärin 30 bis 40 Jahre lebt und es in dieser Zeit auf die gleiche Zahl Junge bringen kann, wird man die jährliche „Überproduktion" verstehen. Man mußte wohl oder übel im Herbst einen Teil dieses Zuviel töten und in Bärenschinken verwandeln, aber auch dann noch waren die Bären unberechenbar: sie hatten nämlich nicht selten Trichinen. Eisbären züchten nicht so leicht. Besondere Erfolge hatten hier die Städtischen Tiergrotten in Bremerhaven. Die dortigen beiden Eisbärenpaare sind kapitale Tiere, die zum Teil schon zwanzig Jahre in der Weserstadt leben. Sie ziehen alljährlich Junge groß. Während Eisbären schlecht, Baribale und Braunbären leidlich 28
klettern können, sind die Kragen- und Malayenbären Meister in diesem Fach. Sie steigen an senkrechten Mauern empor, wenn die Steine nicht sehr sauber verfugt sind. Man muß ihr Gehege sorgsam prüfen, damit es nicht eines Tages leer steht. Nette Pfleglinge sind die Kleinbären: Wasch-, Nasen- und Katzenbär. Den terriergroßen Waschbären wurde in Frankfurt eine alte Linde als Freianlage zur Verfügung gestellt, in deren Krone sie sich nach Herzenslust tummeln konnten. Eine Umzäumung in zwei Meter Abstand vom Fuß des Baumes verhinderte ihr Entweichen, wenn sie zum Erdboden herabkamen. Zuerst ging alles wunderbar. Die Besucher freuten sich, wenn die Pelzkugeln hoch über ihren Köpfen in den Zweigen herumturnten. Nachwuchs gab es allerdings kaum. Man mußte versuchen, die trächtigen Weibchen rechtzeitig herauszufangen, sonst wurden die Jungen von den Gefährten gefressen. Bald aber lernten es einige Waschbären, sich von den Spitzen der untersten Aste ihres Baumes jenseits der Einfriedigung in die Freiheit fallen zu lassen. Das war anfänglich nicht zu tragisch, denn Oberwärter Neiss besaß eine Vorstehhündin mit phantastisch guter Nase, die jeden Ausreißer in kürzester Zeit in seinem Tagesversteck wieder fand, stellte und verbellte, damit er gefangen werden konnte. Allmählich kannten die Waschbären aber den Zauber, sie versteckten sich immer besser, waren erst nach Tagen zu finden und gingen in der Zwischenzeit im Dunkeln auf Geflügeljagd. Da war es mit dem schönen Kletterbaum aus, nachdem ein Waschbär innerhalb 24 Stunden Hühner für 45 Mark, drei Brillenpinguine für 450 Mark und noch einige andere Vögel gemordet hatte. Die Bären kamen nun in eine sichere Anlage, in der statt des Kletterbaumes nur ein Ast zum Turnen zur Verfügung stand, der nicht über die Einfriedigung hinwegragte. Fast ebenso populär wie der Bär ist der Wolf. Meister Isegrim war vor nicht allzulanger Zeit noch wild in unserer Heimat anzutreffen; in jedem Winter pflegten vereinzelte Grauräuber nach Ostpreußen einzuwechseln. In Frankfurt brach in früheren Jahren ein Wolf aus und trieb sich sieben Monate in der weiteren Umgebung der Stadt herum, bis ihn ein Förster als bösartigen Hund erschoß! Das war nicht ungefährlich, denn der Räuber kann furchtbar beißen. Als ich meine Tätigkeit in Frankfurt begann, brach wieder ein Wolf aus seinem baufälligen Käfig aus. Wir drückten ihn vorsichtig in einen Teich, um ihn schwimmend gefahrlos einfangen zu können. Er erreichte aber zu schnell das jenseitige Ufer. Im letzten Moment sprang Oberwärter Neiss in das seichte Wasser, ergriff das Tier mit 29
den bloßen Händen im Genick und hielt es dank seiner Bärenkräfte trotz aller Gegenwehr fest, bis es gebunden war; eine große Narbe am Handgelenk erinnert noch beute an das Abenteuer. In Wipsnade hat man eine (mit Fichten bestandene Parzelle eingezäunt und hielt hier ein starkes Rudel, bis zu 60 Stück. Die hellgrauen Tiere bieten im Düster des Waldes ein prächtiges Bild; ihr nächtliches Heulkonzert war bei der Vielzahl der Stimmen besonders schaurig. In einem mitten in der Großstadt gelegenen Zoo können die zur Schlafenszeit laut erschallenden Lieder der Wölfe, Schakale und Hyänen die Anwohner recht unangenehm in der Ruhe stören. Bekommt man einen jungen Isegrim in seinen Besitz, so wird er oft zahm wie ein Hund. Tierfreunde haben schon eine ganze Reihe von solchen Wölfen selbst mitten in der Stadt gehalten, ohne daß es nachteilige Folgen hatte, so der bekannte Tierpsychologe Bastian Schmid. Mischlinge zwischen Wolf und Hund sind dank ihrer nahen Verwandtschaft unschwer zu erzielen. Sie gehörten lange Zeit ebenso wie die Löwen-Tigerbastarde zum eisernen Bestand eines großen Tierparks. Auch jung aufgezogene Füchse können sehr zahm sein, wie es „Mimi" in Berlin war. Sie kam einem immer entgegen und wälzte sich, laut vor Wonne schreiend, auf dem Rücken, wenn man sie streichelte. Man kann Füchse leider nicht als Haustiere halten, weil der üble Geruch zu lästig wird. Unter ihren winzig kleinen Vettern, den Wüstenfüchsen oder Feneks mit den riesigen Ohren gibt es sehr liebenswürdige Pfleglinge. Professor Rensch besaß lange Jahre ein solches Tier, das ein geradezu idealer Hausgefährte war. Seine Springkünste waren verblüffend, der Zwerg schnellte^ sich mit einem Satz vom Fußboden auf das Klavier.
* Von unseren einheimischen Marderarten sieht man nicht viel. Sie kommen nur zur Zeit der Fütterung aus ihrem Schlafkasten und halten sich sonst tagsüber verborgen. Bekommt man einmal ein jung aufgezogenes Tier, ändert sich allerdings das Bild. Solch ein Marder sitzt ständig am Gitter und will unterhalten sein. Unser zahmer Steinmarder in Augsburg läßt sich besonders gern mit Kuchen füttern, er frißt davon beträchtliche Mengen, eine eigenartige Vorliebe für ein Raubtier. Der große südamerikanische Marder Tayra, der über doppelt so schwer ist wie unsere Arten, ist viel beweglicher und zugänglicher. Er turnt wie wild in seinem Käfig umher. Sehr nett sind zahme Fischottern, sie sind anhänglich wie Hunde, laufen 30
mit ihrem Herrn mit und sind ständig izum Spiel bereit. Setzt man ihnen lebende Futterfische ins Becken, fangen sie die Beute mit spielender Leichtigkeit. Sobald das Rasseln des Eimers izu hören ist, sitzt der Otter auf einem erhöhten Punkt und hält nach seinem Futterspender Ausschau. Im Wasser aalt er sich förmlich, läßt sich an der Oberfläche treiben und putzt sich dabei. Die tropischen Mungos, Ichneumons und Schleichkatzen sind langweilige Pfleglinge. Der Mungo gilt als einer der wichtigsten Giftschlangenbekämpfer. Wie gelingt es idem etwas über rattengroßen Tier, eine starke Kobra zu töten? Kipling hat den Vorgang in einem seiner Bücher herrlich spannend geschildert. Dr. Schmidt-Schaumburg hatte in einem großen Gehege einen Mungo und eine Kobra zusammengesetzt, um zu sehen, was geschah. Die Schlange richtete sich wütend hoch, stellte ihr Halsschild ab und biß immer wieder nach dem kleinen Räuber, der ruhig vor ihr saß. Bei jedem Angriff rückte er schnell gerade soviel zur Seite, daß der Kopf der Sehlange ins Leere fuhr. Sie wurde schließlich müde, ihre Stöße wurden schwächer. Als sie wieder zubiß, schob sich der Mungo zwar nochmals zur Seite, packte .aber mit dem Gebiß den Scblangenscbädel und zermalmte ihn. Der Vorgang wirkte, als riskierte der Mungo gar nichts dabei. Vertreter der verschiedenen .Hyänenarten findet man wohl in jedem Zoo. Viele der großen Aasfresser mit dem mächtigen Gebiß sind sehr zahm und zutraulich. Aber man sieht sich im Umgang mit ihnen doch besser vor, denn wenn sie einmal zxisehnappen, zermalmen sie auch unsere Knochen ohne Schwierigkeit. Auf der Berliner Tierkinderschau izeigten wir alljährlich junge Hyänen als Flaschenkinder. iSie trugen stets den schönen Namen „Bonzo".
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Die Abbildungen zeigen: Vordere Umschlagseite: Zebra; Rückseite des Umschlags: Giraffe (1 Tag alt); Textseite 2: Pavian; Textseite 18: Tiger.
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