Warum vertraust du mir nicht?
Robyn Donald
Julia 1050 20 – 1/93
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almutK.
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Warum vertraust du mir nicht?
Robyn Donald
Julia 1050 20 – 1/93
Gescannt von suzi_kay
Korrigiert von almutK.
1. KAPITEL
Für eine junge Frau, die ihr ganzes Leben in einem kleinen Ort auf der Sudinsel von Neuseeland verbracht hat, hie lt Auckland allerhand Überraschungen bereit, und zwar nicht nur angenehme. Es dauerte einen Monat, bevor Tiffany Brandon nachts trotz des Verkehrslärms schlafen konnte. Obwohl ihr die geschäftige, landschaftlich schon gelegene Großstadt immer besser gefiel, sehnte sie sich oft nach der Ruhe und dem Frieden in ihrer Heimat. Am meisten vermisste Tiffany jedoch ihre Mutter und die jüngeren Halbbrüder John und Peter. Früher waren ihr die beiden durch ihre Lebhaftigkeit und ihren Übermut nicht selten auf die Nerven gegangen, jetzt hatte Tiffany viel darum gegeben, wieder einmal von ihnen geärgert zu werden. Auch ihr Stiefvater George fehlte ihr, denn obwohl sie diesen großen, zurückhaltenden, sittenstrengen Mann nie ganz verstanden hatte, mochte sie ihn. Zum ersten Mal im Leben fühlte Tiffany sich einsam. Mit den anderen Mädchen im Wohnheim hatte sie nicht viel gemeinsam. Die meisten stammten zwar auch vom Land, aber aus der Umgebung von Auckland, und Tiffany fand sie unglaublich weltgewandt. Sie redeten über nicht s als über Männer und Liebesaffären und hatten ständig etwas vor. Bei der Arbeit ging es Tiffany nicht viel besser. Alle anderen Näherinnen bei Jacksons waren älter als sie und verheiratet, und ihr Leben drehte sich um die Ehemänner und die Kinder. Natürlich wusste Tiffany, das sie ihr Heimweh allmählich überwinden würde. Im Augenblick war jedoch die Mittagspause die einzige Tageszeit, die sie wirklich genoss. Sie aß ihre Sandwichs immer auf einer Bank in einem kleinen Park am Ende der Strasse, und dabei traf Tiffany oft den einzigen Freund, den sie bisher in Auckland gefunden hatte. Die Mädchen aus dem Wohnheim hätten vermutlich nicht viel von Mr. Upcott gehalten, denn alte Männer interessierten sie nicht, und er war mindestens vierzig Jahre älter als Tiffany mit ihren zweiundzwanzig Jahren. Doch sie hatte sofort gespürt, dass er genauso einsam war wie sie, und ihm scheu zugelächelt. In den folgenden Tagen hatten sie ab und zu miteinander gesprochen, erst nur wenige Worte, dann immer ausführlicher, und inzwischen waren sie Freunde geworden. Tiffany freute sich auf die Begegnungen mit ihm. Sie fand die Gespräche mit ihm immer anregend, und sein höfliches, etwas altmodisches Benehmen machte ihn ihr sympathisch. Auch heute wartete er wieder auf sie. Er trug einen nicht mehr neuen, aber unverkennbar maßgeschneiderten Anzug. Als Tiffany auf Mr. Upcott zukam, stand er auf. "Hübsch sehen Sie aus", begrüßte er sie. "Wie eine Vision des Frühlings an diesem schönen Herbsttag." Sie lächelte ihn an. Die winzigen goldenen Flecken in ihren braunen Augen funkelten in der Sonne. "Danke. Sie sind heute aber auch sehr elegant." "Ich muss nachher ins Stadtzentrum." Er wartete, bis Tiffany Platz genommen hatte, bevor er sich wieder setzte. "Haben Sie sich inzwischen etwas eingelebt? Sie wirken nicht mehr ganz so traurig wie bei unserer ersten Begegnung." "Ja, allmählich gewöhne ich mich an das Leben hier." Mit geschickten Bewegungen öffnete sie die Lunchbox und betrachtete unwillig den Imbiss, den sie von der Küche des Wohnheims erhalten hatte. Er war so phantasielos wie immer zubereitet. "Warum sind Sie eigentlich nach Auckland gekommen?" Tiffany zuckte die schmalen Schultern. "Zu Hause gab es für mich nichts zu tun. Als ich mit der Schule fertig war, hat mein Stiefvater mir eine Stelle bei einem Buchhalter besorgt. Es war die einzige Arbeit, die der Meinung meines Stiefvaters nach in Frage kam." "Ich war auch Buchhalter." Als sie ihn überrascht anschaute, lächelte er verständnisvoll. "Jedenfalls so etwas Ähnliches. Hat es Ihnen nicht gefallen?" "Nein. Ich hatte viel lieber mit den Händen gearbeitet. Ich konnte immer schon gut nähen und sticken, und es macht mir Spaß, mir neue Muster auszudenken. Mein Stiefvater halt das
für unsinnig, aber es ist das einzige, wofür ich begabt bin, und ich wollte etwas daraus machen. Zu Hause wäre ich nur... immer kleiner geworden." Hilflos hob sie die Hände, wahrend sie nach den richtigen Worten suchte, um ihre Gefühle auszudrücken. "Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe immer sehr gern dort gelebt. Trotzdem wollte ich … ich musste einfach weggehen. Sonst wäre ich erstickt!" Das letzte sagte sie so leidenschaftlich, dass sie nicht nur Mr. Upcott, sondern auch sich damit überraschte. "Es tut mir leid", fuhr sie beschämt fort. "Mein Stiefvater hat mir oft vorgeworfen, dass ich alles dramatisiere." "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich hatte nur nicht erwartet, dass Sie so temperamentvoll sein können, das ist alles." "Normalerweise versuche ich, mich zu beherrschen", erwiderte sie schuldbewusst. "Es gelingt Ihnen ausgezeichnet. Warum sind Sie ausgerechnet nach Auckland gezogen? Hier sind Sie sehr weit von zu Hause entfernt." "Seltsamerweise hat meine Mutter das vorgeschlagen. Mein Stiefvater war entsetzt. Er ist schrecklich altmodisch und ... und rechtschaffen. Für ihn sind alle Großstädte Brutstätten des Lasters, Auckland ganz besonders. Aber meine Mutter hat gesagt, wenn ich etwas erreichen wollte, müsste ich nach Auckland ziehen. Sie ist mit mir hergefahren und hat mir die Stelle als Näherin bei Jacksons und das Zimmer im Wohnheim beschafft." "Und jetzt nähen Sie also Gardinen, Kissen und Sesselbezüge für ein Dekorateurgeschäft. Macht es Ihnen Spaß?" Wieder zuckte sie die Schultern. Ihre Gefühle standen ihr ins Gesicht geschrieben. "Ich kann davon leben, und ich lerne viel dabei." "Was würden Sie am liebsten tun, Tiffany?" "Hübsche Sachen machen", erwiderte sie spontan. "Untersetzer, Servietten, Tischdecken, Bettdecken, Kissen - ich mochte ungewöhnliche Einzelstücke anfertigen und sie Geschäften wie Jacksons zum Verkauf anbieten. Das könnte ich gut." Entschlossen reckte sie das Kinn vor. "Eines Tages werde ich es auch tun." "Bravo", meinte Mr. Upcott anerkennend. "Würde sich das ausza hlen?" "O ja." Vor Begeisterung leuchtete ihr Gesicht. "Manche Frauen zahlen jeden Preis, wenn ihnen etwas gefällt. Es kümmert sie nicht einmal, ob die Sachen gut genäht sind, solange sie nur hübsch und ungewöhnlich aussehen." Dann erzählte Tiffany, dass manche Kundinnen offenbar nur bei Jacksons einkauften, weil sie nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wussten und Geld für sie keine Rolle spielte. Manchmal überschlugen sich Tiffanys Worte, so eifrig war sie bei der Sache. Die dichten schwarzen Locken glänzten in der Sonne, und die Haut schimmerte seidig. Die meisten Menschen hatten Tiffany auf viel junger als zweiundzwanzig geschätzt. Ihr schmales Gesicht mit dem dunklen Teint war alles andere als alltäglich, auch wenn niemand es als schon bezeichnet hatte. Sie besaß zudem eine angenehme, ungewöhnlich tiefe Stimme und strahlte eine Fische aus, die nur oberflächliche Menschen nicht zu schatzen wussten. Besonders wenn Tiffany wie jetzt angeregt und unbefangen erzahlte, bot sie ein ansprechendes Bild. "Solche Frauen kenne ich", sagte Mr. Upcott ironisch, nachdem sie ausgeredet hatte. Dann hob er den Kopf und schaute an ihr vorbei. "Ich werde abgeholt. Leider früher als verabredet." Tiffany folgte seinem Blick. Ein sehr großer Mann kam mit schnellen, geschmeidigen Schritten auf die Bank zu. Seine Gesichtszuge wirkten streng, fast wie aus Stein gemeißelt, der Mund war schmal und hart, und die Augen waren von einem auffallenden, strahlenden Blau. Eine geradezu beängstigende Autorität ging von ihm aus. "Hallo, Eliot", begrüßte Mr. Upcott ihn. "Du kommst zu früh, wie üblich. Tiffany, das ist mein Neffe Eliot Buchanan. Ich habe dir schon von Tiffany Brandon erzahlt, Eliot. Sie ist so nett, manchmal die Mittagspause mit mir zu verbringen."
Aus einem ihr unverständlichen Grund hatte Tiffany Eliot Buchanan lieber nicht die Hand gegeben. Natürlich tat sie es trotzdem. Als sie seine kräftigen, sonnengebräunten Finger berührte, lief ein Schauer durch Tiffanys Körper. "Guten Tag, Miss Brandon", sagte Eliot höflich, aber distanziert und lächelte dünn. "Arbeiten Sie hier in der Nähe?" Seine Stimme klang schön, doch auch hart. Ein gefährlicher Mann, dachte Tiffany und zog ihre Hand zurück. Außerdem benahm er sich überheblich, und zwar mit Absicht. "Ja. Sie ebenfalls, Mr. Buchanan?" In seinen Augen blitzte es auf. Gleich darauf schloss er sie halb, so dass der Ausdruck von dichten schwarzen Wimpern verborgen wurde. "Nein", erwiderte Eliot. "Mein Büro liegt im Stadtzentrum!" Das hatte sie sich denken können. Sein elegant geschnittener dunkler Anzug hatte vermutlich mehr gekostet, als ihr Stiefvater in zehn Jahren für Kleidung ausgab. Wahrscheinlich verdankt er sein athletisches Aussehen dem Schneider, dachte Tiffany bissig, dabei wusste sie genau, dass sie Eliot Buchanan damit unrecht tat. Er betrachtete sie so abschätzig von Kopf bis Fuß, dass sie fast zusammengezuckt wäre. Sie spürte, wie sie errötete, doch zum Glück hatte er sich da schon abgewandt. " Wir müssen aufbrechen", sagte er zu seinem Onkel, "sonst verpasst du deinen Termin." "Ach, beim Arzt muss man immer warten. Trotzdem hast du recht. Auf Wiedersehen, Tiffany." "Auf Wiedersehen, Mr. Upcott." Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: "Auf Wiedersehen. Mr. Buchanan." Ihr Abschiedsgruss für ihn schien Eliot zu überraschen. "Auf Wiedersehen, Tiffany", antwortete er herablassend, wie um den sozialen Unterschied zwischen ihnen zu betonen. Sein Onkel sah ihn prüfend an, lächelte Tiffany entschuldigend zu und ging mit ihm davon. Ärgerlich und gekränkt schaute sie ihnen nach. Sie hatte das Gefühl, dass Eliot Buchanan seinen Onkel so schnell wie möglich von ihr wegbringen wollte, als hatte sie eine ansteckende Krankheit. Für wen hielt dieser Eliot Buchanan sich eigentlich? Er hatte ihr, Tiffany, bewusst klargemacht, welcher unüberbrückbare Abgrund sie seiner Ansicht nach von ihm trennte. Das kommt davon, wenn man reich ist, dachte Tiffany. Wohlstand und Einfluss lässt die Menschen oft arrogant und eingebildet werden. Die beiden Männer waren inzwischen bei einem großen, schnellen und teuren Wagen angekommen, einem Lotus, falls Tiffany die Bilder in den Buchern ihres Halbbruders John richtig in Erinnerung hatte. Eliot Buchanan schloss seinem Onkel die Beifahrertür auf und ging um die Kühlerhaube herum zur Fahrerseite. Im warmen Licht der Herbstsonne schimmerte sein dunkles Haar wie Mahagoni. Als hatte er Tiffanys Blick gespürt, sah Eliot plötzlich zu ihr herüber und lächelte, dass seine Zahne aufblitzten. Dann stieg er ein, und wenig später entfernte sich der Wagen. Tiffany versuchte, sich zu entspannen. Sie durfte sich von diesem Mann nicht so aus der Fassung bringen lassen. Soziale Unterschiede gab es überall. Bei Jacksons fühlten sich die Dekorateure den Verkaufern überlegen und diese wiederum den Naherinnen. Diese Unterschiede galten als selbstverständlich, und sie hatten auch ihr Gutes, denn sie stachelten den Ehrgeiz an. Jetzt zum Beispiel. Unwillkürlich schwor Tiffany sich, dass Eliot Buchanan sie eines Tages mit Respekt anschauen wurde. Es überraschte sie, wie wichtig ihr dieser Vorsatz war. Nachdenklich zerbröckelte sie den Rest ihrer Sandwichs, streute die Krümel den Spatzen hin und stand auf. Heute war Zahltag. Es würde wieder Geld auf ihrem Bankkonto eingehen und sie ihrem Herzenswunsch, sich eine teure Industrienähmaschine zu kaufen, ein kleines Stuck naher bringen.
Am nächsten Tag traf Tiffany Mr. Upcott nicht im Park, auch am übernächsten nicht. Erst eine Woche später wartete er wieder auf sie, und in dieser Woche schien er um vieles müder und älter geworden zu sein. Tiffany war froh, ihn wiederzusehen, denn sie mochte ihn inzwischen sehr gern. Zur Begrüßung lächelte sie ihn so warm an, dass er sie überrascht anschaute, bevor er ihr Lächeln erwiderte. "Wie hübsch Sie aussehen", begrüßte er sie höflich wie immer. Aus seinem Mund klang das abgegriffene Kompliment jedes Mal neu und ernstgemeint. Tiffany lachte. Sie fand ihr Kleid zwar auch schön, aber es war nicht besonders modisch. "Danke! Sind Sie sicher, dass Sie das nicht nur wegen des schönen Wetters meinen? Ich kann kaum glauben, dass es bald Winter wird. Es ist so warm und so wundervoll klar." "Das ist typisches Herbstwetter. Im Sommer ist es hier fast immer dunstig und schwül." Wahrend Tiffany ihre Sandwichs auspackte und aß, erzählte Mr. Upcott ruhig und unbeschwert von Ereignissen in der Geschäftswelt .Viele der Menschen, die er erwähnte, schien er persönlich zu kennen. Zum erstenmal fragte Tiffany sich, wieso ein Mann wie er die Mittagszeit ausgerechnet mit ihr verbrachte. "Sie sehen nachdenklich aus", bemerkte er. Tiffany zögerte. Sie wollte nicht aufdringlich wirken. "Ich habe daran gedacht, dass Sie letzte Woche beim Arzt waren", erwiderte sie schließlich und wischte sich die Finger an einer Papierserviette ab. "Ach, das." Er lächelte müde. "Das war nur eine Routineuntersuchung. Und natürlich musste ich wirklich warten. Eliot ist manchmal etwas ungeduldig. Seine Mutter und meine verstorbene Frau waren Schwestern, deshalb glaubt er anscheinend, dass er mich herumkommandieren darf." "Ich fand ihn auch ein bisschen autoritär", stimmte Tiffany vorsichtig zu. Offensichtlich achtete und bewunderte Mr. Upcott seinen Neffen. "Ja, er kann recht autoritär sein. Im übrigen sind Anwälte oft misstrauische Menschen. Sie denken von allen das Schlechteste." "Das habe ich gemerkt." Falls Mr. Upcott den Ärger aus ihren Worten heraushörte, so ging er nicht darauf ein. "Er ist ein hervorragender Anwalt. Scharfsinnig und unglaublich schwer zu täuschen. Sicherlich wäre ein erstklassiger Verteidiger aus ihm geworden, wenn er sich nicht verpflichtet gefühlt hätte, sich um den Familienbesitz zu kümmern. Die Buchanans waren schon immer reich. Eliot verwaltet alles: das Aktienkapital, mehrere große Farmen, Obstplantagen und einige Betriebe. Er ist ein harter Geschäftsmann, aber vollkommen vertrauenswürdig und so unbestechlich, dass er einem fast unheimlich wird." Eine Weile blickte Mr. Upcott nachdenklich vor sich hin. "Aber ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen über Eliot zu sprechen", erklärte er dann, "sondern um Sie für morgen Abend zu mir zum Essen einzuladen." Als Tiffany ihn verblüfft ansah, fuhr er lachend fort: "Keine Angst, ich habe nichts Böses im Sinn. Ich mochte nur etwas mit Ihnen besprechen. Ein Problem, das ich seit vielen Jahren mit mir herumtrage. Vielleicht können Sie mir helfen." Seine Worte machten sie neugierig, und so nahm sie die Einladungen. Vielleicht war es naiv von Tiffany, nicht darüber nachzudenken, wie andere Menschen ihr Verhalten auslegen würden, aber sie spürte einfach, dass sie Mr. Upcott vertrauen konnte, und in diesem Punkt sollte sie recht behalten. Am nächsten Abend ließ Mr. Upcott Tiffany von einem Taxi abholen, das sie zu einem großen Haus in Remuera brachte, einem der vornehmsten Vororte von Auckland. Tiffany war nicht überrascht. Seit sie Eliot Buchanan begegnet war, ahnte sie, welchen Kreisen sein Onkel angehörte. Außerdem besaß Mr. Upcott ein ruhiges Selbstvertrauen, das ihn von allen anderen Männern, die sie kannte, unterschied.
Das Essen war hervorragend zubereitet und schmeckte Tiffany ausgezeichnet. Mr. Upcott bot ihr Wein an, doch sie lehnte ab. Ihr Stiefvater war strenger Antialkoholiker, und obwohl ihre Mutter seine Ansicht nicht vollkommen teilte, verstand Tiffany praktisch nichts von Wein. Sie wollte sich ihre Unwissenheit nicht anmerken lassen. Mr. Upcott verzichtete auch auf Wein. Als er und Tiffany nach dem Essen am offenen Kamin saßen und Kaffee tranken, goss er sich allerdings ein Glas Brandy ein. Von Zeit zu Zeit nippte er daran. Tiffany hatte die Mahlzeit sehr genossen. Jetzt schaute sie sich zufrieden in dem schönen, mit Sorgfalt eingerichteten Raum um. Draußen wehte ein kalter Wind, doch hier drinnen war es warm und gemütlich. Voll Zuneigung lächelte sie Mr. Upcott an. Unvermittelt stellte er sein Glas ab. "Erzählen Sie mir, wie Sie zu Ihrem hübschen Namen gekommen sind", bat er. "Tiffany ist eine Abkürzung von Theophania, nicht wahr?" Sie schüttelte den Kopf. "O nein. Na ja, vielleicht manchmal, aber ich heiße eigentlich Tifaine. Meine Mutter hat mir erzahlt, dass die Großmutter meines Vaters so hieß. Er wollte, dass ich nach ihr genannt werde, weil er sie sehr gern hatte." Traurig schaute sie ins Feuer. "Meine Mutter muss ihn sehr geliebt haben. Es fiel ihr schwer, über ihn zu sprechen, deshalb weiß ich nur wenig von ihm. Eins weiß ich jedoch - als Kind muss er oft einsam gewesen sein, nur seine Großmutter hat sich wirklich um ihn gekümmert. Mein Vater ist noch vor meiner Geburt gestorben." "Wirklich?" Sein Tonfall ließ Tiffany aufhorchen. Mr. Upcott schaute sie nicht an, sondern streichelte den Kopf seiner kleinen Corgi- Hündin. "Meine Großmutter hieß Tifaine. Sie hatte die gleichen Augen wie ... wie du: so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten, mit winzigen goldenen Flecken." Jäh hielt Tiffany den Atem an. Dann stöhnte sie leise auf. "Was . . . Das kann doch … Ich . .." flüsterte sie fassungslos. "Vor einigen Wochen hat deine Mutter mir geschrieben", fuhr Geoffrey Upcott fort. "Sie hat es nicht über sich gebracht, dir die Wahrheit zu gestehen. Dabei bin ich überzeugt, dass sie es ohne Furcht hatte tun können. Du wirst sie bestimmt nicht deswegen verachten." "Mutter und . .. und Sie?" Es war zuviel. Sie verbarg das Gesicht an der Rückenlehne des Sofas und brach in Tranen aus. Eine Zeitlang ließ er Tiffany ungestört weinen, während im Kamin das Feuer knisterte und die Hündin beunruhigt wimmerte. Als Tiffany nicht auf horte zu schluchzen, setzte Geoffrey Upcott sich neben sie. "Es ist ja gut, Mädchen. Wenn du weiter so weinst, bekommst du noch Kopf schmerzen." Zögernd nahm sie das Taschentuch, das er ihr hinhielt, wischte die Tränen fort und versuchte, sich zusammenzunehmen. Er brachte Tiffany dazu, einen kleinen Schluck Brandy zu nehmen, und wartete, bis sie sich beruhigt hatte. "Darf ich dir erzählen, wie alles gekommen ist?" fragte er dann. "Wenn du willst, rufe ich dir anschließend ein Taxi, und du siehst mich nie wieder. Aber vielleicht kannst du mir ja auch verzeihen. Das hoffe ich wenigstens." Was er zu berichten hatte, war alltäglich genug. Er war unglücklich verheiratet gewesen, hatte sich aber aus Pflichtgefühl und wegen der Kinder nicht scheiden lassen. Seine neue Sekretärin war damals erst vor kurzem nach Auckland gekommen und hatte sich einsam gefühlt. Jeder hatte beim anderen Trost gefunden. "Als ich erfuhr, dass sie schwanger war, habe ich ihr angeboten, mich von meiner Frau zu trennen." Bei der Erinnerung an jene Zeit wurde Geoffrey Upcotts Miene düster. "Marie wollte nichts davon wissen. Sie hing an mir, liebte mich aber nicht und war weise genug zu erkennen, dass eine Ehe zwischen uns auch nicht gutgegangen wäre. Außerdem hätte meine
Frau der Scheidung nicht so leic ht zugestimmt. Also ist Marie zu einer Freundin nach Wellington gezogen und hat dich dort zur Welt gebracht." Er machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. "Sie hat mir beschrieben, wie du aussahst - hübsch und schwarzhaarig, mit ganz dunklen Augen. Da habe ich sie gebeten, dich Tifaine zu nennen. Ich hatte mir schon immer eine Tochter mit diesem Namen gewünscht, doch meine Frau fand ihn zu ausgefallen. Sie hat unsere Kinder Diana und Colin getauft. Jetzt bin ich froh darüber. Diana sieht ihrer Mutter ähnlich, wahrend du das Ebenbild meiner Großmutter bist." Sein Blick wurde liebevoll. "Ihre Vorfahren stammten aus Frankreich. Daher der Name. Sie war zierlich und hatte eine schöne Stimme und ein warmes Lächeln, genau wie du." "Ich .. . Das freut mich." Hoffnungsvoll sah er sie an. "Wirklich, Tiffany? Das alles muss ein großer Schock für dich sein." "Ich wünschte, ich hätte es früher erfahren. Natürlich verstehe ich, warum Mutter nicht darüber sprechen wollte. Ich habe mich oft gefragt, was mein Vater wohl für ein Mensch war. Mutter hat mir nur erzählt, er sei freundlich und sehr klug gewesen." Geoffrey Upcott lächelte traurig. "Sie war auch freundlich zu mir." Eine Weile schwiegen sie beide. "Ist sie mit Ihnen . . . mit dir in Verbindung geblieben?" fragte Tiffany dann. "Nein. Sobald du alt genug warst, um zur Schule zu gehen, ist sie auf die Südinsel gezogen und hat keinen Unterhalt mehr von mir angenommen. Sie hielt es für besser, jeden Kontakt zu mir abzubrechen. Damals herrschte in meinem Leben große Unruhe, deshalb war ich sogar ein wenig erleichtert. In den folgenden Jahren habe ich manchmal fast vergessen, dass es dich gab. Ganz allerdings nie." Tiffany betrachtete seine Hände. Sie hatten Altersflecken, und die Knöchel waren geschwollen, doch als Tiffany auf ihre Hände schaute, stellte sie fest, dass die genauso geformt waren. Die Finger wurden zu den Spitzen hin schmaler, und der kleine Finger der linken Hand war fast genauso lang wie der Zeigefinger. Das überzeugte Tiffany mehr als alle Worte. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. "Ich wünschte, ich hatte es früher erfahren", sagte sie noch einmal. "Es wäre ... schön gewesen." Geoffrey nickte. "Es tut mir leid." "Das muss es nicht. Ich war als Kind glücklich. Ich hätte einfach nur gern meinen Vater gekannt." "Nun, jetzt kennst du ihn." Wieder kehrte Stille ein, eine erstaunlich behagliche Stille. Im Kamin knackte ein brennender Holzscheit, auf dem Teppich davor rollte sich die Hündin Jess im Schlaf auf den Rücken, so dass ihre Beine in die Luft ragten. Es viel Tiffany überraschend leicht, Geoffrey Upcott als ihren Vater zu akzeptieren. Sie fühlte sich bei ihm zu Hause. "Du hast gesagt, dass Mutter dir geschrieben hat", begann sie nach einer Weile. " Wann genau war das?" "Kurz nachdem du nach Auckland gekommen bist. Sie schrieb, ihr wäre wohler zumute, wenn sie wüsste, dass hier jemand ein Auge auf dich hat. Es stehe mir natürlich frei, mich um dich zu kümmern oder nicht." Er seufzte. "Es hat mic h überrascht, wie wichtig es mir war, meine zweite Tochter kennen zulernen." "Wir sind uns also nicht durch Zufall begegnet." "Richtig. Ich wollte mich erst mir dir anfreunden, bevor ich dir die Wahrheit verriet. Ich dachte, so würde es für dich leichter sein." Wahrscheinlich hatte er auch herausfinden wollen, was für ein Mensch seine Tochter war, bevor er sich zu etwas verpflichtete. Das war zwar etwas unromantisch, aber sehr verständlich.
"Ist deine Mutter glücklich, Tiffany?" Ein wenig misstrauisch schaute sie ihn an. "Ja. Ja, ich glaube schon. Warum?" "Weil sie mich in dem Brief gebeten hat, meine wahre Beziehung zu dir geheim zuhalten. Ihr Mann würde ihr nie verzeihen, dass sie ihn getäuscht hat." "Getäuscht? Ja, natürlich! Er hat sie sicherlich auch für eine Witwe gehalten." Nachdenklich runzelte sie die Stirn und versuchte, sich die Reaktion des Stiefvaters vorzustellen. "Ja", meinte Tiffany schließlich zögernd. "Er ist sehr ... sehr sittenstreng. Er verabscheut Lügen." "Und er würde es verurteilen, dass du ... dass deine Mutter nicht mit deinem Vater verheiratet war?" "Zumindest könnte er sich nur schwer damit abfinden. Wahrscheinlich würde er meiner Mutter verzeihen, ihr aber nie mehr ganz vertrauen." "Arme Marie", sagte Geoffrey leise. "Wir dürfen ihr Glück nicht gefährden. Es darf also niemand erfahren, was dich und mich verbindet. Falls wir uns öfter sehen sollten, wird das leider zu Gerede führen." Tiffany errötete, antwortete jedoch fest; "Wenn dich das nicht stört, ist es mir auch gleichgültig." "Vermutlich weißt du nicht, was dir bevorsteht", sagte er müde. "Man wird sich die schlimmsten Dinge über uns erzahlen. Und da ich meinem Sohn Colin und meiner Tochter Diana nicht verraten kann, wer du bist, werden auch sie Schwierigkeiten machen." "Vertrauen sie dir nicht?" fragte sie unsicher. "Nein. Ich fürchte zudem, sie sind nicht gut geraten. Sie wuchsen in einer Atmosphäre von Lieblosigkeit und Misstrauen auf, und um das wettzumachen, haben wir sie zu sehr verwöhnt. Es ist ihnen nicht gut bekommen." "Ich muss ja nichts mit ihnen zu tun haben", meinte sie unbehaglich. "Das ist sicher besser." Seufzend nahm er ihre Hand und blickte Tiffany prüfend in die Augen. "Überleg es dir noch einmal, Tiffany. Nun, sag jetzt nichts. Fahr erst ins Wohnheim zurück und denk gründlich über alles nach. Wenn du dich öfter mit mir triffst, setzt du dich dem Spott und den boshaften Bemerkungen deiner Mitmenschen aus. Ich könnte verstehen, wenn du das nicht willst. Du schuldest mir nichts." Als sie später aus dem fahrenden Taxi zu ihrem Vater zurückschaute und sah, wie er als schmale, dunkle Gestalt vor der erleuchteten Haustür stand und winkte, spürte sie wieder, wie einsam er war. Ein alter, müder, einsamer Mann, dem nur ein kleiner Hund Gesellschaft leistete. Vielleicht war es das, was bei ihrer Entscheidung den Ausschlag gab.
2. KAPITEL
Am nächsten Tag ging Tiffany wie üblich zur Mittagszeit in den kleinen Park. Es war kühler geworden, und ein frischer Südwind trieb große weiße Wolken über den blauen Himmel. Obwohl in den Gärten noch Astern und Dahlien blühten, spürte man, dass der Winter nicht mehr fern war. Schon von weitem sah sie jemanden auf der Parkbank sitzen. Freudig lächelnd eilte Tiffany auf den Mann zu. Der Wind zerzauste ihr die schwarzen Locken und rötete ihr die Wangen. Doch als sie die Bank fast erreicht hatte, hielt Tiffany unsicher inne. Dort wartete nicht ihr Vater auf sie, sondern sein Neffe. Eliot Buchanan saß lässig da und hatte die langen Beine ausgestreckt. Seine Miene war finster. Langsam trat Tiffany näher. "Ist... ist etwas passiert?" fragte sie beunruhigt. Daraufhin hob er nur die Augenbrauen. Tiffany errötete. "Ich meine, ist Mr. Upcott krank?" "Nein. Nicht einmal besonders müde", erwiderte Eliot kühl und verächtlich. "Setzen Sie sich, Tiffany. Sie sehen aus wie ein Flamingo, wenn Sie so von einem Fuß auf den anderen treten." Ärgerlich presste sie die Lippen zusammen, setzte sich jedoch gehorsam neben ihn, allerdings soweit wie möglich von ihm entfernt. Eliot lächelte kalt und betrachtete sie in aller Ruhe von Kopf bis Fuß. Sein Blick war so unverschämt, dass sie wieder errötete. "Hübsch, hübsch", bemerkte Eliot schließlich. "Jung, frisch und naiv. Ich kann verstehen, was Geoffrey an Ihnen findet. Was ich nicht begreife, ist, was Sie von ihm wollen. Geld vermutlich." Mit halb geschlossenen Augen beobachtete er, wie sie erbleichte. "Geoffrey hat Geld genug, aber er ist nicht umsonst ein erfolgreicher Buchprüfer gewesen. Aus ihm werden Sie nicht viel herausbekommen." Es fing also schon an. Obwohl Tiffany sich unter Eliots verächtlichem Blick innerlich wand, hob sie stolz den Kopf. "Sind Sie nicht etwas voreilig mit Ihren Vermutungen?" "Ich weiß, dass Sie ihn gestern Abend zu Hause besucht haben und erst um elf gegangen sind", erklärte er, lehnte sich zurück und vergrub die Hände in den Hosentaschen, ohne den Blick von Tiffany abzuwenden. Absurderweise fühlte sie sich schuldig. "Hat Ihnen das Schnüffeln wenigstens Spaß gemacht, Mr. Buchanan?" fragte sie zornig. "Ich habe Besseres zu tun, als hübsche kleine Schlampen quer durch Auckland zu verfolgen. Was ich wissen musste, habe ich durch zwei Telefonanrufe erfahren." Wütend funkelte sie ihn an und sprang auf. "Auf Wiedersehen, Mr. Buchanan." Sie wandte sich ab und ging steif aufgerichtet davon. Damit, dass er ihr folgen würde, hatte sie nicht gerechnet. Als sie ihn plötzlich dicht hinter sich hörte, stolperte sie. Sofort fasste er sie an den Schultern, drehte Tiffany zu sich und hielt sie fest. "Lassen Sie mich in Ruhe!" befahl sie eisig. Er ließ sie los. Seine Miene war ausdruckslos. "Erst werden Sie sich anhören, was ich zu sagen habe. Das wird Ihnen viel Kummer ersparen, falls Sie tatsachlich so unerfahren sind, wie Sie aussehen. Tiffany, wo sind Ihre Eltern?" "Auf der Südinsel." Einen Moment sah er sie schweigend an, dann lächelte er plötzlich charmant. "Sie hatten Sie nicht allein nach Auckland lassen dürfen. Wie alt sind Sie?" "Zweiundzwanzig", erwiderte sie verwirrt. Das Lächeln verwandelte ihn in den attraktivsten Mann, der ihr je begegnet war. "Alt genug, um auf mich selbst aufzupassen!" ergänzte sie hitzig.
Er lächelte immer noch, nun allerdings belustigt. "Sie scheinen noch nicht viel über das Leben zu wissen. Es wird Zeit, dass Ihnen jemand etwas beibringt. Aber nicht Geoffrey." "Er ist doch ..." Jäh verstummte sie und wandte den Blick ab. Sie durfte das Geheimnis ihrer Mutter nicht verraten. "Was ist er? Alt genug, um Ihr Vater zu sein?" fragte Eliot sanft, doch so herablassend, dass es sie zum Widerspruch reizte. Bevor sie antworten konnte, fuhr er fort: "Ihre Mutter hat Sie doch bestimmt vor den bösen Männern in der Großstadt gewarnt, die alle unbedingt mit Ihnen ins Bett wollen. Hat sie nicht erwähnt, dass auch alte Männer keine Ausnahme bilden? Geoffrey weiß Ihren schlanken, biegsamen Körper, die seidige Haut und den weichen, sinnlichen Mund sehr wohl zu schätzen. Wir haben neulich auf der Fahrt in die Stadt über Sie gesprochen." "Ich glaube Ihnen kein Wort", erwiderte Tiffany zornig und angewidert. "Sie sind ... Das muss ich mir nicht von Ihnen anhören! Wie können Sie so über Ihren Onkel sprechen?" "Ich bin eben ein Mann von Welt", spottete er, "genau wie Geoffrey. Sie sind nicht die erste, mit der er sich abgibt. Er hatte schon immer viel für junge Mädchen übrig. Meine Tante war auch um einiges jünger als er." "Ich will nichts mehr hören!" Verächtlich maß sie ihn und wandte sich ab. Sie hätte ihm gern auf den Kopf zugesagt, wie die Dinge zwischen ihr und Geoffrey wirklich standen, doch da das ihrer Mutter wegen unmöglich war, konnte sie Eliot nur ihre Wut und ihren Abscheu zeigen. Er legte ihr die Hand auf den Ellbogen. Unwillkürlich zuckte Tiffany zusammen. Sie spürte instinktiv, dass er nur auf einen Vorwand wartete, um sie zu verletzen. "Bleiben Sie hier!" befahl er finster. "Sie kleiner Dummkopf, begreifen Sie nicht..." "Ich begreife nur, dass Sie sich in Dinge einmischen, die Sie nichts angehen", unterbrach sie ihn zornig. Der Wunsch, sich für seine überheblichen Bemerkungen zu rächen, ließ sie alles andere vergessen. "Haben Geoffreys Kinder Sie beauftragt, ihre Interessen wahrzunehmen? Sie hätten sich einen geschickteren Unterhändler aussuchen sollen. Ich mag zwar naiv sein und nichts über die Welt wissen, aber deshalb lasse ich mich noch lange nicht beleidigen!" "Und ich habe Sie für unerfahren gehalten ", sagte er ausdruckslos und betrachtete sie so durchdringend, dass sie sich fast nackt vorkam. " Wie dumm von mir. Diese Kunst, schamhaft zu erröten, hat Ihnen bestimmt schon oft genutzt. Sie sollten Schauspielerin werden. Also gut, Tiffany. Wieviel verlangen Sie?" Es dauerte mehrere Sekunden, bis Tiffany begriff, was Eliot meinte. Dann schluckte sie und ballte die Hände zu Fausten. "Sie ... Sie ..." "Hören Sie auf mit dem Theater", fiel er ihr ungeduldig ins Wort. "Wieviel?" Dann nannte er eine Summe, deren Höhe Tiffany die Sprache verschlug. "Überlegen Sie es sich. Es ist ein großzügiges Angebot, und Sie müssen dafür nicht mit einem alten Mann ins Bett gehen." "Was haben Sie für eine schmutzige Phantasie!" stieß sie angewidert hervor und strich sich eine Haarlocke aus der Stirn. "Ich bin einfach Realist. Sie brauchen nicht sofort zu antworten. Ich lade Sie heute Abend zum Essen em. Dann können Sie mir sagen, wie Sie sich entschieden haben." "Nein, danke", erwiderte sie kurz angebunden. "Andere Männer hätten Ihnen mehr zu bieten als Geoffrey." Aus halb geschlossenen Augen beobachtete Eliot ihr Gesicht. "Falls Sie damit das meinen, was ich vermute, so lautet die Antwort entschieden nein." Ihre Stimme klang erstaunlich fest. Tiffany konnte kaum glauben, dass sie das alles nicht nur träumte. Abgesehen von einigen harmlosen Küssen hatte sie keine Erfahrung mit der Liebe, und dieser attraktive, abscheuliche Mann hielt sie für eine ... eine Hure! "Sie hätten bestimmt mehr Spaß dabei", fuhr er gelassen fort. "In Geoffreys Alter lassen die Kräfte nach: gleichgültig, wie gesund man ist."
Tiffany wusste zwar, dass heutzutage andere Sitten herrschten als noch zur Zeit ihrer Eltern, doch in der Kleinstadt, in der sie aufgewachsen war, hatte sich wenig geändert. Außerdem hatte der Stiefvater Tiffany streng erzogen. Dies war das erstemal, dass sie mit der nüchternen Wirklichkeit in Berührung kam. Eliots zynische Worte zerstörten das schöne, unverdorbene Bild, das sie sich von der Liebe gemacht hatte. Tiffany hasste ihn dafür, um so mehr, weil sie sich ein paar Minuten zuvor ein wenig zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Natürlich hatte er ganz bewusst seinen Charme eingesetzt, um sie gefällig zu stimmen. Vermutlich machte er es mit allen Frauen so. "Vielleicht ist mir das ja ganz recht", sagte sie kalt. Dabei wusste sie, dass sie ihn besser nicht noch weiter reizen sollte. Er sah jetzt schon gefährlich genug aus. "Ach so", sagte er verächtlich. "Sie wollen sich das Geld also nicht einmal ehrlich verdienen. Gut, wie Sie meinen. Von nun an sind wir Feinde. Und rechnen Sie nicht mit Gnade, Tiffany. Sie werden es noch bereuen, dass sie mein Angebot nicht angenommen haben." Als sie unwillkürlich zurückwich, lachte er auf und fasste sie am Ellbogen. "Und wer weiß, am Ende bekomme ich Sie doch. Geoffrey wird Ihnen schon aus Altersgründen kaum etwas beibringen können, was Sex angeht. Bei mir wurden Sie genug lernen, um auch den abgebrühtesten Liebhaber zufrieden zustellen." "Lassen Sie mich in Frieden!" Sie riss sich los. Der sinnliche Ausdruck auf seinem Gesicht erschreckte sie. Obwohl sie Eliots Wut fast körperlich spürte, richtete Tiffany sich stolz auf und sah ihm fest in die Augen. "Scheren Sie sich zum Teufel!" Sie drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon. In dieser Nacht lag Tiffany lange wach und grübelte über alles nach, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte. Allmählich wurde es im Wohnheim still, und auch der Verkehrslärm ließ nach. Ab und zu hörte Tiffany ihre Zimmernachbarin im Schlaf seufzen und in der Ferne eine Sirene heulen. Der Wind war aufgefrischt und strich klagend ums Haus. Schließlich drehte Tiffany sich auf die Seite und zog fröstelnd die Decke enger um sich. Tiffany hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie wollte Geoffrey Upcott besser kennenlernen, gleichgültig was Eliot Buchanan davon hielt. Ihr Leben lang hatte sie sich nach ihrem richtigen Vater gesehnt. Jetzt, da sie ihn gefunden hatte, würde sie nicht einfach weglaufen. Außerdem war Geoffrey einsam. Er hatte selbst zugegeben, dass er sich mit seinen anderen Kindern nicht verstand. Er brauchte sie, Tiffany, und sie brachte es nicht über sich, ihn abzuweisen. Deshalb stimmte sie ohne Zögern zu, als er am nächsten Morgen im Wohnheim anrief und sie zum Abendessen einlud. Sie hob sogar Geld vom Bankkonto ab und kaufte einen enggeschnittenen dunkelroten Rock, den sie schon vor Tagen in einem Geschäft nicht weit vom Wohnheim entdeckt hatte. Dazu zog sie eine rosa und golden gemusterte Bluse und eine dunkelrote Strickjacke an, die ihre Mutter für sie gekauft hatte. Obwohl Tiffanys Stiefvater nichts von Make-up hielt, hatte er ihr nie verboten, sich zu schminken, und in Auckland hatte sie einiges von den anderen Mädchen im Wohnheim und aus Modezeitschriften gelernt. Beim Abschied hatte ihre Mutter ihr ein kleines, aber vollständiges Make- up-Set geschenkt. Das nahm sie jetzt hervor. Vorsichtig trug sie eine Mischung aus rosa und goldenem Lidschatten auf, danach Mascara, Rouge und Lippenstift. Als sie sich zum Abschluss im Spiegel betrachtete, wirkten ihre Augen noch größer als sonst und schienen zu glühen. Die Wangenk nochen traten deutlicher hervor, um ihre Lippen lag ein sinnlicher Zug. "Himmel!" sagte Tiffany leise, kehrte dem Spiegel den Rücken zu und schlüpfte in ihre besten Schuhe. Wenigstens würde sie sich jetzt nicht fehl am Platz fühlen, auch wenn sie immer noch weder schön noch elegant aussah. Bis zur Ankunft ihres Vaters blieben ihr noch zehn Minuten Zeit. Gegen Tiffanys Willen kehrten ihre Gedanken zu Eliot Buchanan zurück. Nach langem Zögern hatte sie beschlossen.
Geoffrey nichts von der Begegnung mit Eliot zu erzählen. Es wurde ihn nur unnötig beunruhigen. Was konnte Eliot ihr letztlich schon anhaben? Als Geoffrey sie abholte, begrüßte sie ihn warm und scheinbar unbefangen. Falls er spürte, dass sie trotz allem nervös war, ließ er es sich nicht anmerken. Lächelnd küsste er sie auf die Wange. "Ich habe uns einen Tisch im ,Flamingo' reservieren lassen. Das ist eins meiner Lieblingsrestaurants. Es wird dir dort bestimmt gefallen." "Ist es groß?" fragte Tiffany beunruhigt. "Nein. Ganz klein und familiär. Als ich das letzte Mal dort war, stand die Tür zur Küche offen, so dass ich hineinsehen konnte. Damals war gerade die englische KricketNationalmannschaft zum Länderspiel in Auckland. Der Küchenchef fuchtelte mit der Bratpfanne in der Luft herum, weil er den Küchenhilfen zeigen wollte, wie man schnelle Bälle abwehrt. Die Leute haben sich gebogen vor Lachen. Ich übrigens auch." Tiffany entspannte sich allmählich. "Hast du lange auf das Essen warten müssen?" "Erstaunlicherweise nicht." Dann fragte er sie, was sie heute bei der Arbeit gemacht hatte, und erzählte ihr, welchen Streich ihm seine Hündin Jess am Nachmittag gespielt hatte. Bis das Taxi vor dem Restaurant hielt, hatte Tiffany ihre Ängste vergessen. Es war schön, mit dem Vater zusammenzusein. Von nun an würden sie sich immer besser kennenlernen und sich lieb gewinnen. Das "Flamingo" lag in einem alten zweistöckigen Gebäude mit weißen Spalieren vor den Fenstern. Drinnen herrschte eine freundliche und angenehm lässige Atmosphäre. Der Fußboden war mit schwarzen und weißen Fliesen ausgelegt, weiße Holzstühle standen um kleine Tische mit weißen Tischdecken, und ein Kassettenrecorder spielte Lieder aus "Porgy und Bess". Auf jedem Tisch standen brennende Kerzen in gläsernen Leuchtern und Blumenvasen. Nicht weit vom Eingang saßen Eliot Buchanan und eine blonde Frau in einem unglaublich eleganten, hautengen schwarzen Kleid. Als Eliot zur Tür schaute, drehte seine Begleiterin sich auch um und sah den Neuankömmlingen überheblich lächelnd entgegen. Tiffanys Magen krampfte sich zusammen, und ihre Kehle fühlte sich wie ausgedörrt an. Was für ein unglaubliches Pech! Doch als Tiffany Eliots Blick begegnete, wurde ihr klar, dass die Begegnung kein Zufall war. Irgendwie musste Eliot erfahren haben, was Geoffrey heute Abend vorhatte, und jetzt wollte er auf ihn aufpassen. Unter anderen Umständen hätte Tiffany das komisch gefunden. Jetzt verletzte sie sein Verhalten nur. Geoffrey schien sich über das Treffen zu freuen. "Hallo! Wie geht es Ihnen, liebe Ella? Und dir, Eliot? Schön, euch zu sehen." Während er Tiffany und Ella miteinander bekannt machte, winkte Eliot dem Oberkellner, und sie wechselten an einen Tisch für vier Personen. Bedrückt setzte Tiffany sich Geoffrey gegenüber. Sie wurde bestimmt keinen Bissen herunterbringen, jedenfalls nicht, solange Ella Sheridan sie so arrogant anstarrte. Gleich bei der Vorstellung hatte Ella sie unfreundlich von Kopf bis Fuß betrachtet, als wollte sie abschätzen, wieviel Tiffanys Kleidung gekostet hatte. "Sind Sie neu in Auckland?" fragte sie jetzt scheinbar interessiert. Ihre Stimme klang etwas schrill und unglaublich affektiert. "Ja." Ella lächelte und sah Tiffany mit großen braunen Augen mitfühlend an. "Es ist eine große, verwirrende Stadt, nicht wahr?" Sie trug etwas zu dick auf. Höflich lächelte Tiffany zurück. "Eigentlich nicht", erwiderte sie ruhig, ohne sich ihren Ärger anmerken zu lassen. "Ich finde Auckland sehr interessant. Und die Menschenmassen stören mich auch nicht. Sie erinnern rasch an Viehherden - Schafherden, genauer gesagt. Mit Schafen kenne ich mich aus."
Eliot maß sie durchdringend. Einen Moment herrschte angespanntes Schweigen, dann wechselte Geoffrey geschickt das Thema. Tiffany merkte bald, dass Eliot und Ella demselben eng verflochtenen Bekanntenkreis angehörten wie Geoffrey. Ihre Väter waren mit Geoffrey und auch untereinander gut befreundet gewesen. Fast jeder Name, der fiel, war allen dreien sofort vertraut, und wenn Ella einmal jemanden nicht kannte, nannte Geoffrey ihr schnell alle wichtigen Lebensdaten des Betreffenden, Eliot schilderte ihr in knappen, bissigen Worten den Charakter, und beide erklärten ihr, in welcher Beziehung er zu ihren Bekannten stand. Eine einzige glückliche Familie, dachte Tiffany bedrückt. Sie war sicher, dass Eliot und Ella sie ganz bewusst aus dem Gespräch ausschlossen, weil sie Geoffrey klarmachen wollten, dass sie nicht zu ihm passte. Dafür ergänzten Ella und Eliot sich um so besser. Sie waren beide schön, reich, wohlerzogen und versnobt. Sogar ihre Namen ähnelten sich. Obwohl das Essen hervorragend gekocht und appetitlich angerichtet war, brachte Tiffany zunächst kaum einen Bissen herunter. Sie war jedoch entschlossen, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Im Restaurant durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden, und Geoffrey hatte auch keinen Wein mitgebracht. Der Arzt habe ihm Alkohol verboten, erklärte er Eliot und Ella, und Tiffany trinke normalerweise nie Wein. "Wirklich nicht?" Spöttisch schaute Eliot sie an. "Unseren müssen Sie aber kosten." Er winkte. Die Kellnerin stellte ein Glas vor Tiffany hin und goss Weißwein ein. "Probieren Sie einen Schluck." Eliots Miene war ausdruckslos. Trotzdem merkte Tiffany, dass er sie eigenartig angespannt beobachtete. Ella schien es auch zu spüren, denn sie berührte seine Hand und sagte in gekränktem Tonfall etwas zu Eliot. Er achtete nicht auf sie. Wahrscheinlich hofft er, dass ich mich blamiere, dachte Tiffany und hob das Glas an die Lippen. Im selben Moment griff Eliot nach seinem, so dass sie gleichzeitig tranken. Wahrend sie nur an dem Wein nippte, leerte Eliot sein Glas auf einen Zug halb. "Und?" fragte Eliot rau. "Was halten Sie davon?" "Das sage ich Ihnen, wenn ich mehr getrunken habe", erwiderte sie lahm. Ella lachte, und die Spannung verflog. Tatsächlich schmeckte der Wein Tiffany recht gut. Aus Vorsicht trank sie dennoch nur in kleinen Schlucken. "Sie scheinen ihn nicht zu mögen", bemerkte Eliot nach einer Weile ruhig. "Doch, er ist sehr gut. Vielen Dank." Sie wusste, dass ihre Antwort unangemessen war, doch deshalb hatte Eliot noch längst nicht so überheblich die Augenbrauen hochziehen müssen. Dann mischte sich auch noch Ella ein. "Aber wenn Sie nichts davon verstehen ..." begann sie freundlich und herablassend. Zugleich lächelte sie, wohl um Geoffrey zu zeigen, dass sie nichts Böses im Schilde führte. Nur ihr kalter, feindseliger Blick verriet, dass sie ganz auf Eliots Seite war. "Überhaupt nichts", antwortete Tiffany, so gelassen sie konnte. "Das müssen Sie lernen." Vertrauensvoll beugte Ella sich zu Tiffany herüber. Sie hatte sich beim Trinken nicht eingeschränkt. "Wenn Sie öfter in guten Restaurants essen, sollten Sie unbedingt etwas über Wein wissen. Sicher, Sie können die Auswahl auch Ihrem Begleiter überlassen, aber man genießt den Wein mehr, wenn man sich damit auskennt." "Finden Sie?" fragte Tiffany. Sie verabscheute Eliot und Ella für ihr Verhalten, wollte sich jedoch nichts anmerken lassen. Die beiden sollten nicht auch noch Geoffrey den Abend verderben. Deswegen hörte sie still zu, während Ella ihr einen mit französischen Ausdrücken gespickten Vortrag über Jahrgange, Rebsorten und Anbaugebiete hielt.
Als Tiffany wenig später zum Waschraum im ersten Stock ging, folgte Ella ihr hinauf. Kaum waren sie vom Tisch aus nicht mehr zu sehen, fiel das geistreiche, lebhafte Gehabe von Ella ab. Sie starrte Tiffany so hämisch an, dass andere junge Frauen vielleicht im Boden versunken wären. Tiffany war jedoch nicht so leicht einzuschüchtern, auch wenn man ihr das nicht ansah. Äußerlich ruhig wandte sie sich dem Spiegel zu. "Der arme Geoffrey wird allmählich senil", meinte Ella schließlich eisig. "Ich glaube zwar nicht, dass er in erster Linie kluge Gespräche von Ihnen erwartet, aber Sie bringen ja kaum einen Satz heraus. Na, wahrscheinlich bedanken Sie sich für die Mahlzeit auf andere Art." Tiffany frischte ihren Lippenstift auf. "Etwas Originelleres ist Ihnen wohl nicht eingefallen?" Bevor Ella die Sprache wiederfand, fuhr Tiffany fort: "Ich an Ihrer Stelle würde keinen Wein mehr trinken. Sie reden schon undeutlich." "Was? Sie...Sie kleine..." Verächtlich verzog Tiffany die Mundwinkel. "Jetzt erfahre ich wohl endlich, wie sich eine Dame benimmt." Hilflos ballte Ella die Hände zu Fausten, so dass sich die langen Fingernägel in die Handflächen bohrten. "Verschwinden Sie, oder ich... ich..." "Spielen Sie sich nicht auf. Sie können mir nichts anhaben. Wenn man Schläge austeilt, muss man auch bereit sein, welche einzustecken. Denken Sie in Zukunft daran. Sonst geraten Sie einmal an jemanden, der nicht so gut erzogen ist wie ich, und dann könnten Sie Dinge zu hören bekommen, die Ihnen gar nicht gefallen würden. Obwohl Ihnen das nur gut tun würde." Tiffany kehrte ihr den Rücken zu und verließ stolz auf gerichtet den Waschraum, bevor sie doch noch die Beherrschung verlor. Wer hätte gedacht, dass du so reagieren kannst, dachte Tiffany auf dem Weg nach unten zufrieden. Ella würde sie nicht so schnell wieder offen angreifen. Als Tiffany sich dem Tisch näherte, standen beide Männer auf. Eliot sah sie prüfend an, und sie erwiderte seinen Blick zornig und voll Abneigung. Schließlich hatte Eliot Ella gegen sie aufgehetzt. Dann schaute Tiffany an ihm vorbei zu ihrem Vater, der sie beunruhigt beobachtete. Rasch lächelte sie ihm zu. Dazu musste sie sich nicht überwinden. Bei Ellas Rückkehr wurde Tiffanys Lächeln jedoch gezwungen. Obwohl Ella sie nicht beachtete, spürten die Männer, dass etwas vorgefallen war. Für den Rest des Abends herrschte eine ungemütliche Spannung am Tisch. Tiffany war erleichtert, als Geoffrey aufzubrechen vorschlug. Zu ihrem Ärger bot ihnen Eliot sofort an, sie nach Hause zu bringen. "Ich habe den Wagen ein Stück entfernt geparkt. Wenn ihr mir fünf Minuten Zeit lasst, hole ich euch am Eingang ab." "Die wenigen Schritte kann ich auch laufen", meinte Geoffrey belustigt. Also gingen sie zu Fuß zum Auto. Es war nicht der Lotus, sondern eine riesige, elegante und offensichtlich teure Limousine. Drinnen duftete es angenehm nach Leder. Eliot fuhr ausgezeichnet, genau wie Tiffany erwartet hatte. Als an einer Kreuzung ein Kleinwagen trotz Rot direkt vor ihnen in die Hauptstraße einbog, wich Eliot geschickt zur Seite aus und konnte einen Zusammenstoß vermeiden. Trotzdem zuckte Tiffany ängstlich zusammen und stöhnte leise auf. Ihr Vater berührte ihre eng verschlungenen Hände und lächelte ihr beruhigend zu. In diesem Moment drehte Ella sich um und sah es. Sie sagte nichts, doch ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie es kaum abwarten konnte, Eliot davon zu erzählen. Zum erstenmal wurde Tiffany wirklich klar, was es für sie bedeuten wurde, Kontakt mit Geoffrey zu halten und nicht sagen zu dürfen, dass er ihr Vater war. Unterstellungen ... Sex mit ihm ... Das stieß sie so ab, dass sie sich versteifte und ein Stück von Geoffrey abrückte. Er hielt sie nicht zurück, und Tiffany spürte, dass er wusste, was in ihr verging. Falls sie sich entschließen sollte, sich nicht mehr mit ihm zu treffen, würde er sie nicht umzustimmen versuchen.
Aber die innere Kraft, die ihr geholfen hatte, diesen Abend zu überstehen, ließ sie auch jetzt nicht im Stich. Geoffrey Upcott war ihr Vater. Sie hatte das Recht, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Unbewusst hob sie das Kinn, eine Geste, die ihre Mutter nur zu gut kannte. Sie bedeutete, dass Tiffany fest zu etwas entschlossen war. Später am Abend, kurz vor dem Einschlafen, fragte Tiffany sich, ob Eliot Ella wohl zum Abschied geküsst hatte. Ella hatte erwähnt, dass sie eine eigene Wohnung besaß. Vielleicht war Eliot mit ihr dorthin gefahren und lag jetzt eng umschlungen mit ihr im Bett? Tiffany strich sich die feuchten Locken aus dem Gesicht. Ihr Gesicht fühlte sich viel zu heiß an. Was kümmerte es sie, ob Ella Eliots Geliebte war? Sie mochte schließlich keinen von ihnen. Trotzdem fand Tiffany keine Ruhe. Immer wieder sah Tiffany die beiden im Geist nackt auf einem breiten Bett liegen, und als sie endlich eingeschlafen war, träumte sie davon. Nur dass sie jetzt Ellas Platz eingenommen hatte. Eliot liebte sie leidenschaftlich, und sie erlebte in seinen Armen eine Ekstase, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Zum Glück erinnerte sie sich am nächsten Morgen kaum noch an den Traum. Nur wenn sie an Ella dachte, spurte sie einen merkwürdigen Stich, fast als wäre sie eifersüchtig. Und auch das hatte sie bald verdrängt.
3.KAPITEL
In den folgenden Wochen hatte Tiffany oft das Gefühl, auf etwas zu warten. Sie traf sich regelmäßig mit ihrem Vater. Mittags kam er wie früher in den Park oder ging mit ihr in eins der nahe liegenden Restaurants und Cafes. Drei- bis viermal pro Woche besuchte sie ihn abends zu Hause, wo sie sich unterhielten und zusammen Musik hörten. Zu Tiffanys Freude mochten sie beide Opern und romantische Lieder am liebsten. Da Geoffrey eine riesige Plattensammlung besaß und viel über Musik wusste, erweiterte Tiffanys Horizont sich beträchtlich. Aus Büchern machte sie sich nicht so viel. Geoffrey sprach jedoch sehr gern über Literatur, und Tiffany ließ sich von seiner Begeisterung anstecken und las mehr als zuvor. Zum Spaß schrieb er ihr auf, welche Bücher man unbedingt kennen musste, wenn man als gebildet gelten wollte. Um ihm eine Freude zu machen, arbeitete sie sich durch die Liste hindurch. Manche Werke fand sie erstaunlich unterhaltsam, andere anregend und wieder andere zu schwierig oder einfach langweilig. Obwohl ihre Kritik Geoffrey oft zum Lachen reizte, verlangte er immer, dass Tiffany ihre Meinung begründete. Schließlich behauptete sie, er hätte Lehrer werden sollen. "Das wollte ich früher auch", antwortete er, "aber meine Eltern fanden den Gedanken entsetzlich, und schließlich habe ich nachgegeben. Wie fast immer, fürchte ich. Lass dir nie von anderen Menschen vorschreiben, wie du leben sollst, Tiffany. Nicht einmal von denen, die dich lieben. Sonst stellst du am Ende fest, dass du nur fremde Träume erfüllt hast." "Unsinn", widersprach sie fest. "Du hast dich bestimmt nicht nur herumschubsen lassen. Außerdem ist dein Leben noch längst nicht vorbei." "Ich bin über sechzig. Und erzähl mir nicht, das sei nicht alt. Ich weiß noch genau, wie ich mit zweiundzwanzig Jahren darüber gedacht habe." "Na und? Du kannst neunzig Jahre alt werden. Wieso wendest du dich nicht an eine Schule hier in der Gegend und bietest den Kindern Förderunterricht an oder..." Geoffrey lachte nur und wechselte das Thema. Später sollte sich Tiffany noch oft an dieses Gespräch erinnern. Als sie zum erstenmal Eliot bei Geoffrey antraf, war sie beunruhigt. Anscheinend hatte Eliot sich jedoch vorgenommen, sie vor seinem Onkel nicht offen anzugreifen. Die meiste Zeit unterhielt Eliot sich mit Geoffrey, während Tiffany zuhörte. Das Gespräch zwischen den beiden klugen Männern faszinierte sie. Um zehn Uhr abends bot Eliot Tiffany an, sie ins Wohnheim zurückzubringen. Als Geoffrey an ihrer Stelle ablehnte, hob Eliot nur schweigend die Augenbrauen, und der heikle Moment verstrich ohne Zwischenfall. "Er war geschäftlich in Australien", erklärte Geoffrey, nachdem er Eliot zur Tür begleitet hatte. "Schön, dass er wieder da ist. Ich unterhalte mich gern mit ihm. Er erinnert mich an seinen Vater. Eliot ist genauso klug wie Philip, nur hat er viel mehr Sinn für Humor." Er verstummte und schien auf eine Bemerkung von Tiffany zu warten. Als sie nichts sagte, fuhr er fort: "Du scheinst ihn nicht zu mögen." "Nicht besonders", gab sie unbehaglich zu. "Er schüchtert mich ein." Geoffrey lachte leise. "Das merkt man dir nicht an. Er kommt mindestens einmal pro Woche her. Trotz seiner autoritären Art hat er ein weiches Herz." Nicht, was mich betrifft, dachte Tiffany. Sie hoffte nur, dass sie Eliot nicht oft hier antreffen wurde. Dieser Wunsch ging jedoch nicht in Erfüllung. Eliot besuchte seinen Onkel immer öfter, manchmal sogar dreimal in der Woche, und Tiffany konnte nichts dagegen tun. Als sie einmal traurig zu Geoffrey sagte, in letzter Zeit würden sie sich kaum noch allein sehen, antwortete er ausweichend. Anscheinend wollte er es so.
Wenigstens ließ Eliot Tiffany bei diesen Besuchen auc h weiterhin in Frieden. Er behandelte sie wie eine jüngere Cousine, und nur der kalte Ausdruck in seinen Augen verriet, dass Eliot seine Meinung über Tiffany nicht geändert hatte. Ab und zu stritten sie miteinander, während Geoffrey belustigt und interessiert zuhörte, doch meist unterhielt Eliot sich mit ihm über das Neueste aus der Geschäftswelt oder gemeinsame Bekannte. Da Geoffrey diese Abende offensichtlich genoss, ließ Tiffany sie über sich ergehen. So verstrichen mehrere Wochen. Dann rief Eliot an einem Sonntagabend im Wohnheim an. "Geoffrey ist vor einer Stunde gestorben", teilte er Tiffany ohne Einleitung mit. Die Worte erschütterten sie tief, aber im Grunde war sie nicht überrascht. Ohne es zu wissen, musste sie damit gerechnet haben. Trotzdem verspürte sie einen so scharfen, stechenden Schmerz, dass sie unwillkürlich eine Hand ans Herz drückte. "Tiffany?" fragte Eliot ungeduldig. " Ja, ich bin noch da", erwiderte sie dumpf. "Woran ist er gestorben?" "An einem Herzanfall. Der Arzt hatte ihn vor Überanstrengung gewarnt. Hoffentlich haben Sie ihn nicht auf dem Gewissen." Bei den letzten Worten ließ seine eiserne Selbstbeherrschung ihn einen Moment lang im Stich, und Tiffany erkannte, wie tief Geoffreys Tod ihn getroffen hatte. Nur deshalb war er so grausam zu ihr. "Wann ist die Beerdigung?" fragte sie. "Dienstag vormittag. Deswegen rufe ich an. Sie sind nicht eingeladen." "Natürlich nicht", erwiderte sie tonlos. Die Wände der Telefonzelle waren vor kurzem in einem hässlichen, schmutzigen Geld gestrichen worden. Schon hatten die ersten Frauen aus dem Wohnheim Telefonnummern darauf gekritzelt. Tiffany betrachtete eine der Nummern. Die Ziffern tanzten ihr vor den Augen. Erst da merkte sie, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Sie weinte lautlos und ohne zu schluchzen. "Dafür hat Geoffrey Sie in seinem Testament bedacht", fuhr Eliot fort. "Ich hole Sie Mittwoch Mittag von der Arbeit ab." "Das ist nicht nötig." Tiffany schluckte. Sie spurte einen Kloß im Hals. "Ich möchte nicht..." "Ach, tun Sie nicht so, als wollten Sie die Erbschaft ablehnen", unterbrach er müde. "Bis Mittwoch." Er legte auf. Wie betäubt blieb Tiffany stehen und presste weiter den Telefonhörer ans Ohr. Nach einer Weile kam eine der anderen Frauen vorbei. Als sie Tiffany erblickte, blieb sie stehen. "Schlechte Nachrichten?" "Ja." Tiffany hangte den Hörer in die Gabel. "Hör zu..." Sie schüttelte den Kopf. "Es geht schon. Ich ... ich hatte damit gerechnet." "Möchtest du eine Tasse Tee? Oder irgend etwas anderes?" Sie macht sich Sorgen um mich, dachte Tiffany, und ihr wurde warm ums Herz. "Nein danke. Ich werde mich nur ein bisschen hinlegen. Es ... So schlimm ist es nicht." Die Frau nickte und ging weiter. Offenbar hatte ihr der Zwischenfall aber doch keine Ruhe gelassen, denn eine halbe Stunde später betrat die Leiterin des Wohnheims, eine nette altere Frau, Tiffanys Zimmer. Sie fragte, ob sie etwas für Tiffanys tun könne. "Nein, vielen Dank." Tiffany lag auf dem Bett und sah mit tränenlosen Augen zur Zimmerdecke hinauf. "Es geht mir gut", sagte sie leise. "Ist jemand gestorben?" "Ja." "Ein Verwandter?"
"Ja." Mein Vater, dachte sie müde, während die Frau ihr ihr Beileid ausdrückte. Ich kannte ihn nicht sehr lange. Am nächsten Tag erschienen die Todesanzeige sowie ein Nachruf in der Zeitung. Tiffany schnitt beides aus. Am Dienstag fuhr sie nach der Arbeit zu dem Friedhof, der in der Anzeige genannt war, und legte einen Blumenstrauß zu den eindrucksvollen Kränzen und Gestecken auf Geoffreys Grab. Sie musste weinen, doch den schlimmsten Kummer hatte sie inzwischen überwunden. Nach wenigen Minuten hatte sie sich wieder gefasst. Am Mittwoch Mittag wartete Eliot vor dem Geschäft im Wagen auf Tiffany. Als sie näher kam, stieg er aus und betrachtete grimmig ihr Gesicht. Tiffany wusste, dass sie nicht gut aussah. Menschen mit dunklem Teint stand Blässe nicht. Doch unerschrocken erwiderte sie Eliots Blick. Ihm war auch anzumerken, wie sehr er unter dem Tod seines Onkels litt. Doch obwohl sein Gesicht angespannt wirkte und die blauen Augen ihren Glanz verloren hatten, ging eine starke Anziehungskraft von ihm aus. Während er Tiffany die Beifahrertür aufhielt, kamen zwei junge Frauen vorbei. Neidisch betrachteten sie erst den Lotus, dann Eliot, und ihre Augen leuchteten auf. "Ich habe einen Tisch für uns reservieren lassen", erklärte er, als er den Motor anließ. Tiffany schaute an sich herab. Für einen Restaurantbesuch war sie viel zu einfach gekleidet. Wahrscheinlich wollte Eliot sie absichtlich in Verlegenheit bringen. Nun, sie würde sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Sie fuhren zu einem eleganten Restaurant, in dem Eliot offenbar gut bekannt war. Falls es die Kellner überraschte, jemand wie Tiffany in seiner Begleitung zu sehen, so ließen sie es sich nicht anmerken. Tiffany bestellte ein Omelett, obwohl sie sicher war, dass sie keinen Bissen herunterbringen würde. "Geoffrey hat einen Treuhandfonds für Sie einrichten lassen", teilte Eliot ihr mit, nachdem der Kellner gegangen war. "Außerdem erben Sie das Haus und den Schmuck seiner Großmutter." Tiffany lächelte vor sich hin. Sie wurde also etwas besitzen, das einmal der anderen Tifaine gehört hatte, dem einzigen Menschen, bei dem Geoffrey als Kind Liebe gefunden hatte. "Zufrieden?" spottete Eliot leise. "Freuen Sie sich nicht zu früh, Tiffany. Geoffreys Kinder wollen das Testament anfechten, und auch wenn sie verlieren, werde ich das Geld für Sie verwalten. Sie bekommen also nur, was ich Ihnen zahle, und das wird nicht mehr sein als unbedingt nötig. Der Schmuck ist nicht viel wert." Tiffanys Augen blitzten auf. "Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?" "Hatten Sie auf mehr gehofft? Nein, das ist Ihr ganzer Anteil an der Beute." "Dann gehe ich jetzt." Sie wo llte aufstehen. "Nein." Er fasste sie so hart am Handgelenk, dass es schmerzte. "Noch eine Bewegung, und ich sorge dafür, dass die anderen Gäste Sie nicht so schnell vergessen", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Bis jetzt hat niemand bemerkt, was hier vorgeht. Die dicke Frau am Nachbartisch denkt wahrscheinlich, dass ich Ihre Hand halte." Tiffany zögerte unschlüssig. In dem dunklen Geschäftsanzug wirkte Eliot elegant, aber auch recht konventionell. Männer wie er verursachten keine Skandale. Andererseits schaute er sie so feindselig an, als würde er nur auf eine Gelegenheit warten, sie öffentlich zu demütigen. Seufzend lehnte sie sich zurück. Der Kellner brachte das Essen, und Tiffany stocherte schweigend in dem Omelett herum, als Eliot aufgegessen hatte. "So ist es besser", meinte er, scheinbar ganz ruhig. "Die dicke Frau hält uns jetzt für Verliebte, die Streit miteinander hatten. Bestimmt malt sie sich aus, wie sehr wir die Versöhnung genießen werden."
Verächtlich betrachtete Tiffany ihn von Kopf bis Fuß. "Verliebte? Verlieben sich Männer wie Sie jemals in Frauen wie mich?" Ohne es zu ahnen, hatte sie eine wunde Stelle getroffen. Eliot erbleichte und presste die Lippen zusammen. In diesem Moment kam der Oberkellner an ihren Tisch und fragte würdevoll, ob ihnen das Essen geschmeckt hatte. Zufrieden beobachtete Tiffany, dass Eliot sich sichtlich zusammennehmen musste, bevor er antworten konnte. Sobald sie wieder allein waren, stand er auf, packte sie am Oberarm und zog sie mit sich nach draußen. Während der Rückfahrt sprach er kein Wort. Als Tiffany nach der Arbeit zum Wohnheim fahren wollte, fiel ihr plötzlich Jess ein. Geoffrey hatte ihr erzählt, dass seine anderen Kinder keine Hunde mochten. Ob sie daran gedacht hatten, die Hündin irgendwo unterzubringen? Kurz entschlossen stieg Tiffany in einen Bus nach Remuera. Geoffreys Nachbarin, eine altere Witwe, hatte Hunde sehr gern. Vielleicht wusste sie, was aus Jess geworden war. Tiffany hatte sich nicht geirrt. Mrs. Crowe hatte Jess sogar selbst bei sich aufgenommen. "Sie sollte eingeschläfert werden", erklärte sie Tiffany. "Das konnte ich doch nicht zulassen. Die Möbelpacker waren im Haus, das Tor stand offen, und Jess lief draußen auf der Straße herum. Sie sah furchtbar verloren aus. Deshalb habe ich sie zu mir geholt." Tiffany strich sich durchs Haar. "Was für Möbelpacker?" "Das war gleich am Morgen nach Mr. Upcotts Tod. Als ich den Wagen vorfahren sah, bin ich rüber gegangen - man hört ja die unglaublichsten Sachen über Diebesbanden. Aber Mr. Upcotts Kinder waren dabei Mrs. March und Colin Upcott. Es war also alles in Ordnung. Trotzdem, richtig finde ich das nicht!" "Was denn?" "Dass sie das ganze Haus leergeräumt haben. Nicht einmal saubergemacht haben sie hinterher. Also habe ich wenigstens gefegt und..." "Haben Sie denn einen Schlüssel, Mrs. Crowe?" Tiffany beugte sich zu Jess herab und kraulte ihr den Kopf. Die Augen der Hündin wirkten stumpf. Sie trauerte um ihr Herrchen. "Zufällig ja", erwiderte Mrs. Crowe schuldbewusst. "Als Mr. Upcott das letzte Mal verreist war, hat er ihn mir gegeben, damit ich Jess versorgen konnte. Eigentlich wollte ich ihn zurückgeben, aber... Und jetzt muss ich nach Gisborne zu meiner Tochter fahren und weiß nicht, was ich mit Jess anfangen soll. Können Sie sich nicht um sie kümmern?" Jess drängte sich an Tiffanys Beine. Tiffany spürte, wie Ärger und Bitterkeit in ihr hochstiegen. "Ja, ich werde für sie sorgen", antwortete sie fest. "Ich ziehe einfach nebenan ein. Mr. Upcott hat mir das Haus hinterlassen", ergänzte sie so beiläufig wie möglich. Das machte Mrs. Crowe natürlich neugierig, aber sie versuchte, es nicht zu zeigen. Trotzdem zögerte sie, Tiffany den Schlüssel zu überlassen, so dass Tiffany schließlich Eliot zu Hause anrief. Es meldete sich eine Frau, die Tiffany an der Stimme sofort als seine Mutter erkannte. Dann kam Eliot ans Telefon. „Was gibt es?" erkundigte er sich unfreundlich. Mit knappen Worten beschrieb Tiffany ihm die Lage und erklärte, warum sie in Geoffreys Haus ziehen wollte. Dass die Möbel abgeholt worden waren, erwähnte sie nicht. Wahrscheinlich hatte er es selbst veranlasst. "Bis das Testament bestätigt ist, haben Sie keinerlei Recht auf das Haus", antwortete er, nachdem sie ausgeredet hatte. "Das ist mir egal. Falls das Gericht Geoffreys Kinder recht gibt, muss ich eben wieder ausziehen. Bis dahin habe ich bestimmt ein Heim für Jess gefunden." Eine Zeit lang blieb es still. Tiffany stellte sich vor, wie Eliot stirnrunzelnd über ihren Plan nachdachte. "Gut", sagte Eliot endlich. "Ich übernehme die Verantwortung. Sorgen Sie nur dafür, dass Sie für die Zeit, die Sie dort wohnen, auch Miete zahlen können, falls Geoffreys Kinder den Prozess gewinnen."
"Was müssen das für nette Menschen sein", bemerkte Tiffany leichthin. "Hatten Sie etwas anderes erwartet? Was ..." Im Hintergrund hörte Tiffany eine Frau etwas rufen: diesmal nicht Eliots Mutter, sondern Ella Sheridan. Eliot lachte. "Ich komme gleich, Liebling." "Würden Sie dann bitte Mrs. Crowe erklären, dass alles seine Richtigkeit hat?" bat Tiffany. "Meinetwegen." Mrs. Crowe war schon nach wenigen Augenblicken überzeugt, und sie schwärmte Tiffany noch von Eliot vor, lange nachdem Tiffany von dem Thema genug hatte. Am nächsten Wochenende zog Tiffany ein. Von ihren knappen Ersparnissen hatte sie ein Bett, Decke und Kopfkissen, Bettwäsche und zwei Handtücher gekauft, denn abgesehen von einigen alten Lumpen in der Garage und den Einbauschränken war das Haus vollkommen leer. Nicht einmal Gartenwerkzeug war noch vorhanden. Am Samstag Vormittag besorgte sie etwas Geschirr und Besteck, die allernötigsten Nahrungsmittel und einen Knochen für Jess. Für einen Tisch und Stühle oder gar Gardinen reichte das Geld nicht mehr. Sonntag Nachmittag nahm sie Jess an die Leine und ging mit ihr spazieren. Dunkle Wolken verdeckten die Sonne, doch die kühle Luft war so erfrischend, dass Tiffany nicht weiter darauf achtete. Als sie auf dem Rückweg noch einen Kilometer vom Haus entfernt war, begann es zu regnen. Schon nach wenigen Augenblicken war Tiffany völlig durchnässt, und Jess ging es trotz des dichten Fells nicht viel besser. Der Wind trieb Tiffany die kalten Tropfen ins Gesicht. Bis sie die halbe Strecke hinter sich hatte, zitterte sie am ganzen Körper. Plötzlich hielt ein Wagen neben ihr. Hoffnungsvoll blieb Tiffany stehen. Dann versteifte sie sich, denn der Fahrer war Eliot. Er stieß die Beifahrertür auf. "Steigen Sie ein." Tiffany schüttelte den Kopf. "Ich bin tropfnass, und Jess auch. Außerdem sind wir fast da." "Steigen Sie ein! Sonst helfe ich nach." Sie hielt es durchaus für möglich, dass er die Drohung wahrmachen würde, so zornig sah er aus. Fröstelnd setzte Tiffany sich neben ihn, nahm Jess auf den Schoß und umarmt e sie, damit sie sich in diesem schönen, gepflegten Auto nicht schüttelte. "Sie hätten nicht..." "Halten Sie bitte den Mund", unterbrach Eliot Tiffany grob. Danach redeten sie kein Wort, bis Eliot vor der Garage anhielt. "Machen Sie das Tor auf", befahl er. "Sie sind schließlich schon nass. Und bringen Sie mir einen Lappen, so dass ich hier drinnen aufwischen kann." "Wieso haben Sie uns ..." "Tun Sie, was ich Ihnen sage!" stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Und zwar schnell." Tiffany sprang aus dem Wagen, öffnete das Garagentor und nahm das älteste Handtuch von dem Haufen Lumpen, den Geoffreys Kinder dagelassen hatten. Jess kam mit herein und schüttelte sich ausgiebig, zum Glück am anderen Ende der Garage. "Ziehen Sie sich trockene Sachen an", sagte Eliot rau, sobald er ausgestiegen war. "Jess. .." "Um den verdammten Hund kümmere ich mich. Sie ziehen sich um. Und duschen Sie vorher." Als sie trotzig stehen blieb, fuhr er fort: "Sonst setze ich Sie eigenhändig in die Badewanne." Tiffany machte auf dem Absatz kehrt, rannte ins Haus und die Treppe hinauf, als wäre der Teufel hinter ihr her. Als Tiffany zwanzig Minuten später wieder nach unten kam, hatte sie sich halbwegs gefangen. Sie trug einen dunkelroten Cordrock und eine langärmelige Wollbluse in derselben
Farbe. Mit dem feuchten Haar, das in dichten Locken ihr Gesicht umrahmte, hatte man sie für sechzehn halten können. Im Wohnzimmer brannte Licht. Jess lag auf einer Decke, trocken und offenbar sehr zufrieden. Wahrscheinlich hatte Eliot ihr etwas zu fressen gegeben. Er stand an der Glasschiebetür und schaute in den Regen hinaus, eine große, düstere Gestalt vor dem Grau der Dämmerung. Im Licht der einzigen Lampe schimmerte seine sonnengebräunte Haut wie Kup fer. Seine Stärke und die sichere, arrogante Körperhaltung verliehen ihm eine Schönheit, die vielen im üblichen Sinn gutaussehenden Männern fehlte. Noch nie war Tiffany einem so attraktiven Mann begegnet. Er flößte ihr Angst ein. Obwohl Tiffany das Zimmer lautlos betreten hatte, fuhr er sofort zu ihr herum und sah ihr in die Augen. "Ich habe Kaffee gekocht. Trinken Sie ihn." "Danke." Sie ging in die Küche und goss sich eine Tasse ein. "Mussten Sie die Erinnerung an Geoffrey wirklich so schnell loswerden?" fragte er wütend, als sie zurückkehrte. "Ich glaube gern, dass er kein atemberaubender Liebhaber war, aber etwas Dankbarkeit hätte er trotzdem verdient. Hoffentlich haben Sie die Sachen nicht an den erstbesten Trödler verkauft. Es waren einige wertvolle Stücke dabei." Tiffany umfasste die Tasse mit beiden Händen. "Als ich eingezogen bin, war das Haus schon leer. Die Nachbarin hat mir erzählt, dass die Möbelpacker gleich am Tag nach Geoffreys Tod hier waren. Ich dachte, das hatten Sie veranlasst." Einen Moment sah er sie empört an, dann wandte er den Blick ab. "Bestimmt nicht." Zu ihrer Überraschung glaubte sie ihm. "Dann waren es seine Kinder." "Nach dem Gesetz sind sie dazu berechtigt. Geoffrey hat Ihnen nur das Haus hinterlassen. Von der Einrichtung war nicht die Rede." Sie nickte müde. Das Ganze war ihr zuwider. "Zum Glück war Mrs. Crowe in der Nähe und hat sich um Jess gekümmert." Als die Hündin ihren Namen horte, hob sie kurz den Kopf, seufzte auf und rollte sich auf den Rücken. "Geoffreys Kinder wollten sie einschläfern lassen." "Nicht jeder mag Hunde", antwortete Eliot, fast als müsste er sich verteidigen. "Natürlich nicht." Sie trank den Kaffee aus. "Möchten Sie etwas trinken?" fragte sie höflich. "Außer Kaffee und Tee habe ich allerdings nichts da." "Nein." Er schaute sich in dem kalten Zimmer um. "So geht das nicht. Ich werde Ihnen morgen einen Vorschuss auszahlen. Haben Sie Ihren Job gekündigt?" "Nein, natürlich nicht." Sie sah, wie er Jess anblickte. "Jess kann tagsüber gut allein sein. Wenn Mrs. Crowe zur ückkommt, will sie ab und zu nach ihr sehen." "Ach, zum Teufel mit dem Hund!" Ärgerlich presste er die Lippen zusammen. "Ich weiß nicht, was ich von Ihnen halten soll, Tiffany. Sind Sie so naiv, oder tun Sie nur so?" "Aber das haben Sie doch längst durchschaut", entgegnete sie schnippisch. "Schon als wir uns kaum fünf Minuten kannten. Das ist ein Mann von schnellen Entschlüssen, habe ich mir damals gesagt. Ein Blick, und er weiß alles über dich." Tiffany hatte nicht gedacht, dass ihr kindischer Spott so großen Eindruck auf ihn machen würde. Eliot errötete vor Zorn und kam langsam auf sie zu. "Hüten Sie Ihre Zunge, Tiffany, sonst bekommen Sie Ärger." Er nahm ihr die Kaffeetasse ab und stellte sie auf den Fußboden, dann richtete er sich auf, faste Tiffany an beiden Händen und zog sie ruckartig an sich. Sie versuchte, sich loszureißen, und als ihr das nicht gleich gelang, begann sie, sich verzweifelt zu wehren. Jess sprang auf und knurrte. "Platz!" befahl Eliot. Die Hündin gehorchte sofort. "Nein", flüsterte Tiffany. "Nein, ich.. ." "Doch." Er griff ihr ins Haar und zog daran, bis sie den Widerstand aufgab. Lächelnd betrachtete er ihr Gesicht. Dann beugte er sich über sie, so dass sie seinen Atem auf den Lippen spürte. "Du hast mich absichtlich herausgefordert, und dafür wirst du jetzt bezahlen."
Tiffany war schon früher geküsst worden, aber noch nie zur Bestrafung. Mit weit auf gerissenen Augen beobachtete sie, wie Eliots Gesicht immer nä her kam, bis es zu verschwimmen schien. Dann spürte sie Eliots Lippen auf dem Mund, nicht hart und grob, wie sie erwartet hatte, sondern ganz sanft und weich. Wenn Eliot sie nicht weiter an den Haaren festgehalten hatte, wäre sie vielleicht sogar auf den Gedanken gekommen, dass er den Kuss genoss. Als er endlich den Kopf hob und ihr in die Augen sah, fühlte sie sich merkwürdig verloren. "Ganz nett", meinte Eliot gelassen, "aber noch lange nicht genug. “ Wieder beugte er sich über sie. Diesmal zwang er sie, die Lippen unter seinem Kuss zu öffnen, und drang mit der Zunge tief in Tiffanys Mund ein. So war Tiffany noch nie geküsst worden. Einen Moment lang dachte sie, sie würde ohnmächtig werden, und die Knie gaben unter ihr nach. Eliot stöhnte leise auf, legte stütze nd den Arm um Tiffany und küsste sie auf den Hals. Sie erbebte. Tief in ihr erwachten Gefühle, die sie noch nie erlebt hatte, und breiteten sich in ihr aus, bis ihr ganzer Körper in Flammenstand. Unwillkürlich klammerte sie sich an Eliots Schultern, dann schob sie die Hände unter seinen Armen hindurch, legte sie ihm auf den Rücken und schmiegte sich an Eliot. Er murmelte etwas, das sie nicht verstand, ließ ihr Haar los und streichelte langsam und sinnlich ihren Rücken bis hinab zu den Hüften. Als sie Eliots harten, erregten Körper so dicht an sich spurte, hielt sie den Atem an und zuckte zurück. "Noch nicht, meine Schöne", sagte Eliot leise und küsste sie noch einmal fordernd auf den Mund, und wieder wurde Tiffany so von ihren Empfindungen überwältigt, dass sie sich nicht wehrte. "Kämpf nicht dagegen an", flüsterte er rau. "Du willst es genauso wie ich." Doch seine Leidenschaft machte ihr angst. Tiffany spürte, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Erschrocken riss sie sich los, presste die Hand an die feuchten, geschwollenen Lippen und sah wie betäubt zu Eliot auf. "Wie gekonnt du die gekränkte Unschuld spielst!" meinte er höhnisch. "Geoffrey mag das gefallen haben, aber bei mir wirkt es nicht. Also spar dir die Mühe." Tiffany hörte gar nicht zu. Sie war so erschüttert, dass sie ihre Umgebung nur wie durch einen Schleier wahrnahm. Selbst in ihren kühnsten Träumen hatte sie es nicht für möglich gehalten, dass sie einmal so auf einen Mann reagieren würde. Unter Eliots Händen und Lippen war ihr Körper zum Leben erwacht, als hätte sie ihr Leben lang nur auf diesen Augenblick gewartet. Dabei hasste sie Eliot! Wie konnte er trotzdem solche Leidenschaft in ihr wecken? Schon bei der Erinnerung daran begann ihr Herz erneut schneller zu schlagen. Es war das erste Mal, dass sie einen Mann wirklich begehrte, und die Macht, die ihm das verlieh, erschreckte sie. Ob er ahnte, dass sie sich immer noch nach ihm sehnte? Eliot beobachtete sie mit halb geschlossenen Augen. Er hatte die Lippen zusammen gepresst, und sein Gesicht wirkte trotz der Sonnenbräune blass. Tiffany wünschte, sie würde mehr von Männern verstehen. Dann hätte sie vielleicht erraten, was in ihm vorging. So spürte sie nur undeutlich, dass er immer noch zornig auf sie war. In diesem Moment wandte er sich plötzlich ab. "Sieh mich nicht so entsetzt an! Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich dir." "Das freut mich. Würden Sie jetzt bitte gehen? Ich bin ... Ich kann nicht..." "Ist alles in Ordnung?" fragte er unwillkürlich, doch bevor sie antworten konnte, fuhr er verächtlich fort: "Ach, natürlich. Du kannst dich hervorragend verstellen, Tiffany. Diese weit aufgerissenen Augen, die bebenden Lippen - man konnte meinen, dass man ein unschuldiges Mädchen vor sich hat. Wenn du so weitermachst, wirst du es weit bringen. Viele alte Männer träumen davon, noch einmal eine kleine Jungfrau zu verführen." "Sie sind abscheulich! Verschwinden Sie!"
Als sie endlich allein war, ließ sie sich auf den kahlen Fußboden sinken, verbarg das Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus. Er war widerlich! Einfach widerlich. Wie konnte er nur solche Sachen über sie behaupten? War ihm noch nie der Gedanke gekommen, dass sein Onkel und sie sich auch aus anderen Gründen angefreundet haben könnten? Ja, sie hasste ihn. Aber warum hatte sein Kuss sie dann so erregt? Warum hatte sie Eliot so begehrt, dass sie darüber alle Vorsicht vergessen hatte? Ihm war es nicht anders ergangen, auch wenn er ebenfalls versucht hatte, es zu verbergen. Er spürte die sinnliche Spannung zwischen ihnen genauso wie sie, Tiffany. Natürlich fühlten sie sich nur körperlich zueinander hingezogen, doch gerade darin lag die Gefahr. Wenn sie, Tiffany, ihren Gefühlen jemals nachgeben sollte, würde sie damit ihr Leben zerstören. Als sie endlich stöhnend den Kopf hob, sah sie, dass Jess dicht vor ihr saß und sie beobachtete, als mache sie sich Sorgen um sie. Mit dem Handrücken wischte Tiffany die Tränen fort. "Ich bin ein Dummkopf, Jess", sagte sie müde. "Ein naiver Dummkopf." Jess schien derselben Meinung zu sein. Sie legte sich hin, den Kopf zwischen den Vorderpfoten, und sah zu Tiffany auf. Ihr Blick hatte etwas Tröstliches, und Tiffany brauchte dringend Trost. Zu Hause hatte sie mit ihrer Mutter über alles spreche n können. Marie hatte sie sicher verstanden. Schließlich musste sie etwas Ähnliches für Geoffrey empfunden haben, sonst hatte sie nie all ihre Prinzipien vergessen, um seine Geliebte zu werden. Tiffany konnte nicht glauben, dass sie nur aus Einsamkeit so gehandelt hatte. Wenn zwei erwachsene Menschen sich liebten, spiele die körperliche Anziehung immer eine große Rolle, hatte Tiffanys Mutter ihr einmal erklärt, aber ohne diese Liebe sei sie nichts als ein Trugbild, das einem letztlich nur Kummer und Schmerz bringe. Erst jetzt begriff Tiffany wirklich, was ihre Mutter damit gemeint hatte.
4. KAPITEL
Zwei Tage später brachte die Post einen Scheck und einen Brief von Eliots Anwaltskanzlei, in dem Tiffany förmlich erklärt wurde, dies sei ein Vorschuss auf den Betrag, der ihr nach Geoffreys Testament zustand. Noch vor wenigen Wochen hatte Tiffany nicht für möglich gehalten, dass sie einmal soviel Geld besitzen würde. Als erstes kaufte sie die Nähmaschine, die sie sich seit langem wünschte, außerdem Stühle, einen Tisch, mehrere Handtücher und einen saftigen Knochen für Jess. Den Rest der Summe zahlte sie aufs Konto ein. An diesem Abend blieb Tiffany lange auf und schmiedete Plä ne. Was sie vorhatte, erforderte Mut und Entschlossenheit, doch es würde mehr Spaß machen als die Arbeit bei Jacksons, und es würde ihr helfen, die Trauer um Geoffrey zu überwinden - von den Erinnerungen an Eliots Küsse ganz zu schweigen. Am nächsten Tag besprach sie ihre Plane mit Sylvia Clud, der Chefdesignerin bei Jacksons, und kaufte Stoffe, Bänder, Litzen und alles, was sie zum Nähen brauchte. Eine Woche später zeigte sie Mrs. Cloud die ersten Arbeitsproben: hübsch verzierte Platzdecken und Servietten und Kissen, die wie Früchte geformt waren. "Ja", sagte Mrs. Cloud, nachdem sie alles gründlich untersucht hatte. "Das ist sehr hübsch. Und gut genäht." Dann rief sie den Einkäufer zu sich. Er betrachtete die Sachen mindestens ebenso prüfend. "Ja, die gefallen mir", erklärte er schließlich. Tiffany atmete auf. Der Einkäufer schaute Mrs. Cloud fragend an, und als sie nickte, wandte er sich Tiffany zu. "Wieviel können Sie davon liefern?" "Soviel Sie wollen", erwiderte sie prompt. Mrs. Cloud lachte, und der Einkäufer lächelte breit. "Gut, dann kommen wir zum Geschäft." Als Tiffany eine halbe Stunde später das Gebäude verließ, hatte sie das Gefühl, auf Wolken zu gehen, und die Begeisterung hielt bis zum Abend vor. Nachdem Tiffany mit Jess im Park spazieren gegangen war und eine Kleinigkeit gegessen hatte, setzte sie sich an die Nähmaschine und arbeitete bis spät in die Nacht. In den nächsten Wochen hatte Tiffany mehr zu tun als je zuvor in ihrem Leben. Ihre Produkte fanden reißenden Absatz, so dass sie jede freie Minute nähen musste, um die Nachfrage zu decken. Daneben blieb keine Zeit, an Eliot zu denken. Was in ihren Träumen geschah, hatte Tiffany morgens zum Glück immer wieder vergessen. "Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich ganz selbständig zu machen?" fragte Mrs. Cloud sie eines Tages. "Das schon. Ich kann mich aber nicht recht dazu entschließen." "Meiner Meinung nach könnten Sie es schaffen. Sie besitzen Phantasie und einen Sinn für das Besondere, ihre Waren sind sauber gearbeitet, und sie gefallen den Kunden. Ich kann Ihnen zwar nicht versprechen, dass Sie ein Vermögen verdienen werden, doch im Augenblick verkaufen Ihre Produkte sich gut - sogar von Tag zu Tag besser. Ich an Ihrer Stelle würde kündigen." An diesem Abend nähte Tiffany nicht, sondern dachte lange und ernsthaft nach. Obwohl sie sich davor fürchtete, die sichere Stelle bei Jacksons aufzugeben, fand sie die Vorstellung auch aufregend. "Ich muss eine Spielernatur sein", sagte sie zu Jess, und als Jess sich zufrieden auf den Rücken rollte, musste Tiffany lachen. Am nächsten Tag reichte sie die Kündigung ein. Als die vierzehntägige Kündigungsfrist abgelaufen war, gaben Tiffanys Kolleginnen ein kleines Abschiedsfest für sie, und Mrs. Cloud erklärte, sie könne sich jederzeit an sie wenden, falls sie Hilfe brauche.
"Ich bin auch auf dem Land aufgewachsen und habe mir das, was ich erreicht habe, hart erkämpfen müssen. Deshalb spüre ich schnell, ob jemand mehr aus sich machen könnte. Sie haben das Zeug dazu, Tiffany. Aber gehen Sie den Männern aus dem Weg, bis Sie am Ziel sind." Die letzten Worte klangen bitter. Vielleicht hatte Mrs. Cloud eine unglückliche Ehe hinter sich. Oder eine unglückliche Liebesaffäre, denn heutzutage schienen die Menschen sich eher auf unverbindliche Beziehungen als auf eine Ehe einzulassen. Jedenfalls Menschen wie Eliot. Tiffany fragte sich, ob sie das eines Tages auch ganz normal finden würde. Bisher stieß der Gedanke daran sie immer noch ab. Geoffrey hatte einmal angedeutet, dass Eliot mehr als eine Liebesaffäre hinter sich hatte. "Er ist jung und gesund", hatte er ruhig ergänzt, als Tiffany unwillig das Gesicht verzog, "und solange niemand darunter leidet..." Weiter hatten sie nicht darüber gesprochen. Es war für sie beide ein heikles Thema, und damals hatten sie sich noch nicht lange gekannt. Die nächsten Tage verliefen ruhig. Obwohl Tiffany sich ihre Zeit jetzt selbst einteilen konnte, setzte sie sich jeden Tag um halb neun an die Nähmaschine und arbeitete bis halb fünf. Tiffany wäre rundum zufrieden gewesen, wenn sie sich nicht einsam gefühlt hätte. Abgesehen von Jess hatte sie niemanden, mit dem sie sprechen konnte. Immer öfter sehnte sie sich nach ihren Eltern und Geschwistern. "Ich muss mehr unter Leute gehen", sagte sie schließlich zu Jess. Einige Tage nach dem Scheck hatte Tiffany noch einen zweiten Brief von Eliots Anwaltskanzlei erhalten. Darin teilte ein ihr unbekannter Angestellter mit, dass man den beiliegenden Umschlag unter Geoffreys Papieren gefunden habe. Der Umschlag war versiegelt und an Tiffany adressiert. Darin befand sich ein Brief, in dem Geoffrey sie förmlich als seine Tochter anerkannte. Geoffrey schrieb weiter, er hatte ihr gern ihren rechtmäßigen Anteil am Erbe hinterlassen, doch dann würden seine ehelichen Kinder das Testament mit Sicherheit anfechten, und vermutlich würden sie den Prozess auch gewinnen, zumindest wenn Tiffany ihre wahre Beziehung zu ihm aus Rücksicht auf ihre Mutter weiter geheim hielt. Also hatte er damals schon gewusst, wie wenig Zeit ihm noch blieb. Zum Schluss dankte er Tiffany dafür, dass sie ihm soviel Freude geschenkt hatte, und bat sie, Eliot zu vertrauen. "Ich weiß, dass Du ihn nicht magst", schrieb Geoffrey, "und er ist auch davon überzeugt, dass er Dich nicht leiden kann. Trotzdem wird er Dein Vermögen zuverlässig und gut für Dich verwalten. Irgendwann solltest du ihm erzählen, wer Du bist, aber erst wenn Du die Zeit für gekommen hältst. Wann das ist, wirst Du von allein wissen." Ein merkwürdiger Vorschlag, hatte Tiffany beim Lesen gedacht, und auch jetzt fragte sie sich wieder, was Geoffrey damit gemeint hatte. Es ärgerte sie, dass sie Eliot nicht vergessen konnte, sosehr sie sich auch bemühte. Sie brauchte bloß die Augen zu schließen, schon sah sie ihn vor sich, groß, schlank und stark, mit leuchtenden Augen, dunklem Haar und sonnengebräuntem Gesicht. Während sie noch verträumt vor der Nahmaschine saß und herauszufinden versuchte, weshalb Eliot sie so faszinierte, klingelte es mehrmals schnell hintereinander an der Haustür. Tiffany wusste sofort, wer es war. Erst fuhr sie erschrocken zusammen, als hätte ihr Tagtraum plötzlich vor ihren Augen Gestalt angenommen, dann sprang sie auf, eilte zur Tür und öffnete. Es war lächerlich, sich so über seinen Besuch zu freuen. Trotzdem musste Tiffany sich beherrschen, um Eliot nicht anzustrahlen. Eliot sah sie forschend an. "Darf ich hereinkommen?" Erst da wurde ihr bewusst, dass sie ihm den Weg versperrte. Sie trat beiseite, schloss hinter ihm die Tür und kehrte mit ihm ins Wohnzimmer zurück.
"Setzen Sie sich." Als Tiffany auf die alte Couch deutete, die sie zusammen mit einer Truhe bei einem Trödler gekauft hatte, spürte sie plötzlich ein solches Stechen im Kopf, dass sie zusammenzuckte. "Was ist?" Tiffany rieb sich den steif en Nacken. "Nichts. Ich habe nur etwas Kopfschmerzen." Eliot betrachtete sie durchdringend und sah dann zur Nähmaschine und der halbfertigen schwarz- goldenen Bettdecke hinüber. "Wieso nähst du dann?" fragte er finster. "Setz dich, ich koche dir Tee. Hast du schon eine Tablette genommen?" "Ich brauche nur etwas frische Luft", widersprach sie, obwohl es ihr insgeheim wohltat, dass er sich Sorgen um sie machte. "Und ich möchte auch keinen Tee. Was wollen Sie von mir?" Ihre Unhöflichkeit machte keinen Eindruck auf ihn. Er legte den Aktenkoffer auf die Truhe, öffnete ihn und nahm mehrere Papierbogen heraus. "Wir haben den Schmuck, den Geoffrey dir hinterlassen hat, von einem Juwelier schätzen lassen", erklärte er ruhig. "Hier ist eine Durchschrift des Berichts." „Ich dachte..." "Was dachtest du?" "Ich dachte, Sie könnten nichts unternehmen, bis ... Geoffreys Kinder wollen das Testament doch anfechten." "Sie haben es sich anders überlegt. Deshalb hast du - zumindest nach dem Gesetz - ein Recht auf den Schmuck." Verächtlich betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Sie wusste, was er andeuten wollte: dass sie vom moralischen Standpunkt aus keinen Anspruch darauf hatte. Um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Einstellung sie verletzte, blickte sie scheinbar gleichgültig auf die Papiere in seiner Hand. "Ach so. Vielen Dank." Ihre ruhige Haltung machte ihn wütend. "Willst du den Schmuck noch von einem anderen Juwelier schätzen lassen?" Tiffany hob den Blick und sah Eliot in die Augen. Sie durfte ihm nicht zeigen, dass sie sich vor ihm fürchtete, sonst würde sie ihm noch mehr ausgeliefert sein. "Sie würden nie einen Klienten betrügen. Ich vertraue Ihnen." Die Antwort schien ihn zu verwirren. "Warum?" "Weil Geoffrey Ihnen vertraut hat. Er hat viel von Menschen verstanden." "Nur bis er dir begegnet ist", erwiderte Eliot grob. "Hoffst du vielleicht, dass du bei mir genauso viel Glück haben wirst wie bei ihm? Ich warne dich, Tiffany. Mit mir würdest du andere Dinge erleben als mit meinem kranken Onkel, das verspreche ich dir." Tiffany errötete, dann wurde sie blass. "Davon bin ich überzeugt", entgegnete sie tonlos. "Keine Angst, ich habe es nicht auf Sie abgesehen. Ich mag keine arroganten Männer, auch wenn sie noch so reich sind." Sie hob das Kinn und zwang sich, Eliot gelassen anzulächeln. "Ich brauche Ihr Geld nicht. Geoffrey hat mir genug hinterlassen. Und was Sie sonst zu bieten haben, lockt mich auch nicht." "Wirklich nicht? Hast du dir deshalb einen alten Mann zum Liebhaber genommen? Weil du frigide bist?" Tiffany holte aus und wollte zuschlagen. Im letzten Moment packte Eliot sie am Handgelenk, bog ihr den Arm auf den Rücken und zog sie an sich, bis ihre Brustspitzen Eliots Anzugjacke berührten. Noch mehr Gewalt, dachte Tiffany bitter, obwohl sie wusste, dass er sie körperlich nicht verletzen würde. Was sie an ihm fürchtete, war nicht seine Kraft, sondern die Macht, die er über ihre Gefühle besaß. Deshalb hatte seine letzte Bemerkung sie auch so getroffen. "Du magst es wohl nicht, wenn man dich frigide nennt", bemerkte er böse. "Warum nicht? Kommt es der Wahrheit zu nahe?"
"Denken Sie doch, was Sie wollen!" rief sie atemlos. "Sie arroganter, eingebildeter, starrsinniger Kerl! Für wen halten Sie sich eigentlich? Sie spielen hier den Moralapostel, dabei ist allgemein bekannt, dass Sie ... dass Sie ..." "Nur weiter", sagte er eisig. Sie warf den Kopf zurück und sah hasserfüllt zu Eliot auf. "Sie wissen genau, was ich meine. Aber bei einem Mann ist das natürlich etwas anderes. Da nennt man das Erfahrung. Und mich beschimpfen Sie als Schlampe! Verschwinden Sie aus meinem Haus!" "Mit Vergnügen!" stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Sobald ich festgestellt habe, wie nahe ich der Wahrheit gekommen bin." Vergeblich trat sie nach seinem Schienbein und wandte das Gesicht ab. Eliot küsste sie auf den Mund, und in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sich ein Teil von ihr die ganze Zeit danach gesehnt hatte, dass sie es genoss, seinen kraftvollen Körper so nah bei sich zu spüren. Unwillkürlich gab sie den Widerstand auf und ließ den Kuss still über sich ergehen, allerdings ohne ihn zu erwidern. Endlich hob Eliot den Kopf und sah ihr spöttisch lächelnd in die Augen. "Frigide. Ich wusste es doch. Eigentlich schade." "Sie müssen sich die nächste Geliebte eben anderswo suchen." Tiffany wischte sich mit dem Handrucken über die Lippen. Sie hasste Eliot mehr denn je. "Daran habe ich nie gezweifelt. Obwohl ich dich ganz appetitlich finden würde, wenn ich nicht Angst hätte, mir die Finger schmutzig zu machen." Zum Glück hatte er sie schon losgelassen, so dass er nicht merkte, wie sie zusammenzuckte. Einen Moment schloss sie gequält die Augen, dann hob sie trotzig das Kinn. "Sie kommen besser nicht mehr hierher. Rufen Sie in Zukunft an, wenn Sie mir etwas mitzuteilen haben." "Gern. Kannst du morgen um elf in mein Büro kommen? Dann übergebe ich dir den Schmuck." "Ja, kein Problem", erwiderte sie scheinbar ganz ruhig. Am nächsten Vormittag regnete es. Es war ein kalter, ungemütlicher Wintertag, obwohl in den meisten Gärten Blumen blühten: rote und rosafarbene Kamelien, kleine weiß-gelbe Jonquillen, bunte Anemonen und Stiefmütterchen. Zu Hause wurde das bedeuten, dass der Frühling begonnen hat, dachte Tiffany mit einem Anflug von Heimweh. Trotzdem heiterte der Anblick der Blumen sie auf. Sie fuhr mit dem Bus ins Stadtzentrum, schlenderte die belebte Queen Street entlang und schaute in jeden Buchladen. Als Tiffany schließlich auf die Uhr sah, stellte sie erschrocken fest, dass ihr bis zu dem Termin in Eliots Euro nur noch fünf Minuten blieben. Zum Glück hatte sie es nicht mehr weit. Trotzdem kam sie außer Atem und ziemlich abgehetzt dort an. "Mr. Buchanan ist noch beschäftigt", teilte die gepflegte Empfangsdame ihr ruhig mit. "Macht es Ihnen etwas aus, einen Moment zu warten? Bitte setzen Sie sich doch." Tiffany nahm auf der eleganten Ledercouch Platz und griff nach einer Zeitschrift. Die Artikel darin waren offenbar für Wirtschaftsfachleute geschrieben, denn Tiffany verstand kein einziges Wort. Also legte sie die Zeitschrift wieder beiseite und sah sich in dem Vorzimmer um. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Gemälde, das einen Baum darstellte. Es war nicht in dem übertrieben realistischen, detailgetreuen Stil gemalt, den Tiffany immer langweilig fand, sondern so, dass die Stille und das Geheimnisvolle des Urwalds zum Ausdruck kam. Hinter der Couch stand eine riesige Zimmerpflanze mit üppigen Blattern. Der Fußboden war mit dickem dunkelblauem Teppichboden ausgelegt, auf dem man bestimmt jeden Schmutz sah. Er war makellos sauber. Die Empfangsdame tippte mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Kein Zweifel, für Eliot war nur das Beste gut genug. Plötzlich, ohne Übergang, fiel Tiffany ein, wie sie ihr Angebot an Stoffservietten erweitern könnte. Rasch kramte sie in ihrer Handtasche nach einem Kugelschreiber und ihrer
Einkaufsliste und schrieb alles auf, so dass sie nicht hörte, wie die Bürotür geöffnet wurde. Erst als Eliots Schatten auf ihre Liste fiel, sah Tiffany gedankenverloren auf. Eliot betrachtete sie mit unbewegter Miene. "0h, hallo", begrüßte Tiffany ihn nervös. "Guten Morgen", antwortete er förmlich. Verlegen steckte sie Kugelschreiber und Liste in die Handtasche und stand auf. Sie merkte, dass die Empfangsdame immer wieder verstohlen zu ihnen herüber schaute, und Eliots Nähe verunsicherte Tiffany erst recht. Wenn er nur nicht so groß wäre, dachte sie. Sein Büro passte zu Eliot. Der Schreibtisch war modern, sehr funktional und zugleich ausgesprochen elegant. Auf der seidig schimmernden Tischplatte stand eine Vase mit duftenden Fresien. Draußen trommelte der Regen auf die Steinbrüstung eines kleinen Balkons. "Gefällt es dir?" Tiffany zuckte leicht zusammen. "O ja. Sehr sogar Ihr Büro ist genau wie Sie. Aber das wissen Sie doch bestimmt, Wer hat es für Sie eingerichtet?" "Meine Mutter." Verblüfft schaute Tiffany ihn an. "Sie ist sehr begabt", bemerkte sie zögernd. Eliot lächelte dünn. "Das ist sie." Das Lächeln verschwand. "Kommen wir zum Geschäft. Hast du dir die Liste der Schmuckstücke gestern Abend noch angesehen?" "Nein. Hätte ich das tun sollen?" "Es wäre besser gewesen. Wenn der Bote des Juweliers dir den Schmuck übergeben hat, wird er eine Quittung von dir haben wollen." "Ach so." Sie zuckte die Schultern. "Na, dann gehe ich die Liste anhand der Schmuckstücke durch, wenn der Bote da ist. Wann kommt er?" "Er muss jeden Augenblick eintreffen. Setz dich doch." Obwohl der Besuchersessel sehr bequem war, fühlte Tiffany sich unbehaglich. Hinter dem riesigen Schreibtisch wirkte Eliot zu selbstsicher und unangreifbar für ihren Geschmack. "Ich möchte noch ein oder zwei Punkte mit dir besprechen." Er schob ihr ein Blatt Papier zu. "Lies das bitte durch und sag mir, was du nicht verstehst." Es war ein kompliziertes Dokument, in dem die Bedingungen des Treuhandfonds festgelegt wurden. Tiffany musste Eliot mehrmals bitten, ihr einen Abschnitt zu erklären. Nach dem dritten Mal stand er auf und stellte sich hinter sie. Sofort war es um ihre Konzentrationsfähigkeit geschehen. "Das hier ist etwas schwer zu verstehen." Er beugte sich über Tiffany und deutete auf eine Stelle des Dokuments. "Ich glaube ... Ja, das stimmt." Doch Tiffany sah gar nicht auf den Text, sondern auf Eliots sonnengebräunte Hand. Während Eliot Tiffany mit seiner tiefen Stimme die Passage erklärte, rückte sie so weit wie möglich von ihm ab. Sie spürte eine merkwürdige Spannung in sich. Ihr Körper reagierte auf Eliots Nähe, sosehr Tiffany sich auch zu beherrschen versuchte. ".. . darauf hat Geoffrey besonderen Wert gelegt." Eliot verstummte kurz. "Dein Haar duftet nach Blumen", fuhr er im gleichen Tonfall fort. "D ... das ist das Shampoo", flüsterte sie atemlos, " oder Sie riechen die Fresien." "Nein. Es ist mir früher schon aufgefallen." Das letzte sagte Eliot dicht an ihrem Ohr. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Eliot nahm die Hand vom Dokument und trat vor Tiffany. Dann beugte er sich wieder vor und hob mit den Fingerspitzen ihr Kinn an, so dass sie Eliot ins Gesicht sehen musste. Seine Augen schienen zu glühen. "Nein, Eliot, ich .. ." "Doch." Er küsste sie ganz leicht auf den Mund. Tiffany erbebte und klammerte sich haltsuchend an die Armlehnen. "Sag: ,Ja, Eliot'", drängte Eliot leise.
Sie brachte kein Wort hervor, sondern schloss halb die Augen und öffnete ein wenig die Lippen. Er küsste Tiffany wieder, sanft und neckend, so dass sein Mund ihren kaum berührte. Trotzdem spürte Tiffany die Küsse am ganzen Körper. "Sag ja!" Sie stöhnte auf und hob die Hand. Ob Tiffany ihn wegstoßen oder an sich ziehen wollte, hatte sie selbst nicht sagen können. Als sie ihn berührte, begannen ihre Finger zu prickeln. Unwillkürlich ließ sie die Finger unter seine Anzugjacke gleiten, bis sie durch das dünne Hemd Eliots Herzschlag fühlte. Plötzlich sehnte sie sich danach, das Hemd zu öffnen und Eliots Körper mit den Händen zu erforschen. Langsam schloss sie die Augen ganz und stellte sich vor, wie er aussehen würde, kurz bevor er sie liebte. Eine Welle der Lust durchflutete sie. Fast glaubte Tiffany zu spüren, wie er sie nackt umarmte und sich auf sie legte... "Nein!" Entsetzt über sich selbst, zuckte sie zurück und stieß Eliot fort. "Sei nicht albern." Er fasste sie an der Hand, zog Tiffany hoch und legte die Arme um sie. Sein Gesicht wirkte angespannt, und er atmete schwer, als könne er seine Gefühle nicht langer unterdrücken. Aber Eliot verliert doch nie die Beherrschung! dachte Tiffany und fröstelte plötzlich. Dann küsste er sie so weich und verführerisch, dass sie alle Furcht vergaß. "Hab keine Angst", flüsterte er dicht an ihrem Mund. "Ich werde dir nicht weh tun. Ich schwöre dir... Warum quälst du mich so?" Verwirrt umfasste sie sein Gesicht mit beiden Händen. Es fühlte sich heiß und feucht an. Früher hatte er immer genau gewusst, was er tat, wenn er sie küsste, und hatte rechtzeitig aufgehört. Diesmal war es anders. Eliot hatte die Kontrolle über sich verloren, und Tiffany spürte, dass ihm kaum noch bewusst war, wen er umarmte. Immer wieder bedeckte er ihr Gesicht mit Küssen, als könnte er nicht genug von ihr bekommen. Seine Leidenschaft erschreckte sie, und doch sprach sie zugleich etwas in Tiffany an, das ihr bisher verborgen geblieben war. Sie schmiegte sich an ihn, küsste ihn auf den Hals und berührte die Haut mit der Zungenspitze. Ihr Verlangen nach ihm wurde immer stärker, bis sie alles andere vergaß. Als das Telefon klingelte, fuhren sie zusammen wie zwei Einbrecher, die man auf frischer Tat ertappt hat. Eliot ließ Tiffany so unvermittelt los, dass sie stolperte und wieder in den Sessel sank. Schweigend schaute Eliot auf sie herab, nicht mehr verlangend, sondern voll Abneigung. Der Blick traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Eliot sagte etwas, das sie nicht verstand, und streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus. "Ja?" Er lauschte einen Moment. "Ich bin gleich soweit", sagte er dann und legte auf. "Der Bote vom Juwelier ist da." "Ach so." Nervös strich sie sich durchs Haar. Noch immer meinte sie, seine Finger darin zu spüren. Jetzt verstand sie, weshalb so viele Frauen "in Schwierigkeiten gerieten", wie ihr Stiefvater es ausgedrückt hätte. Ihr Körper schmerzte vor unbefriedigter Lust, ihre Brüste spannten, und ihre Lippen fühlten sich wund an. Sie sehnte sich danach, Eliot wieder zu umarmen und sich ihm ganz hinzugeben. Und das durfte sie nicht. Wenn Eliot sie geliebt hätte, wäre es etwas anderes gewesen, doch er empfand nichts als Abscheu für sie. Die Art, wie er sie eben angeschaut hatte, würde sie so schnell nicht vergessen. Dabei hatte er mit allem angefangen! Ärgerlich richtete sie sich auf. Wenn er sie nicht so so liebevoll geküsst hätte, wäre überhaupt nichts geschehen! Was fiel ihm ein, sich jetzt verächtlich von ihr abzuwenden? "Bist du soweit?" fragte er ungeduldig. "Ja", erwiderte sie kurz. Es kostete ihn sichtlich Mühe, sie anzusehen. "Dein Lippenstift ist verschmiert." "Deiner auch", erwiderte sie bissig.
Angewidert zog er ein Taschentuch hervor und wischte sich den Mund ab. Dann setzte er sich hinter den Schreibtisch und befahl der Empfangsdame, den Boten hereinzuschicken. Es war ein junger, freundlicher Mann, der Tiffanys Lächeln und ihre hübsche Figur sehr zu schätzen wusste. Jedenfalls bis er Eliots frostigem Blick begegnete. Von da an benahm er sic h fast übertrieben höflich. Zu dritt verglichen sie die Liste mit dem Inhalt des Koffers, dann unterschrieb Tiffany die Quittung, und die Empfangsdame begleitete den Mann hinaus. Danach herrschte angespanntes Schweigen. "Also dann, vielen Dank", sagte Tiffany schließlich. "Ich gehe jetzt auch." "Ich fahre dich nach Hause." Sein unhöflicher Tonfall ärgerte sie. "Nein. Ich komme allein zurecht." "Trotzdem. Der Schmuck stellt eine ziemlich hohe Summe dar, auch wenn jedes Stück für sich nicht viel wert ist." "Dann nehme ich mir ein Taxi", widersprach sie hartnäckig. "Du tust, was ich dir sage." Als sie nicht antwortete, kam er um den Schreibtisch herum, fasste sie am Haar und bog ihren Kopf nach hinten. "Sonst zwinge ich dich dazu, und das würde dir gar nicht gefallen. Oder vielleicht doch, mehr als dir lieb ist." Tiffany schluckte nervös. "Also gut." Und dann dachte sie: Wenigstens hält er mich nicht mehr für frigide. Während der Fahrt zu ihrem Haus sprach Eliot kein Wort. Erst als er mit Tiffany an der Haustür stand, sagte er kühl: "In nächster Zeit werden wir uns nicht sehen. Ich muss geschäftlich nach Übersee." "Oh." Seine Miene war unbewegt, doch in seinen Augen entdeckte Tiffany ein solches Verlangen, dass sie unwillkürlich zurückwich. "Willst du mir keinen Abschiedskuss geben?" fragte er höhnisch. Erschauernd schüttelte sie den Kopf. "Nein? Das ist klug von dir." Eliot hielt ihr den Schmuckkoffer hin. "Da. Nimm dir deine Beute." "Stell ihn einfach ab", erwiderte sie tonlos. Eliot tat es und wandte sich zum Gehen. Plötzlich drehte er sich noch einmal um, fluchte leise und zog sie heftig an sich. Er bog sie weit nach hinten, küsste sie auf den Hals, schob die Hand unter ihren Pulli und legte sie auf eine von Tiffanys Brüsten. Sofort schoss feuriger Schmerz durch Tiffanys Körper. "Nein!" stieß sie noch hervor, dann küsste Eliot sie so wild und fordernd auf den Mund, dass sie allen Widerstand aufgab. Mit den Fingerspitzen erforschte er die sanfte Rundung der Brust und zog immer engere Kreise um die empfindliche Spitze, bis er sie schließlich berührte. Tiffany erbebte und stöhnte auf. Im nächsten Moment war alles vorbei. Fröstelnd und enttäuscht schaute sie zu Eliot auf. "Sieh mich nicht so an!" sagte er rau. "Ich habe mir nur meine Belohnung genommen." "Belohnung? Wofür?" fragte sie verwirrt, obwohl sie es im Grunde gar nicht hören wollte. "Dafür, dass ich mich für dich eingesetzt habe. Ich muss verrückt sein." Finster wandte er sich ab und ging.
5. KAPITEL
Als Tiffany an diesem Abend ins Bett ging, fühlte sie sich völlig erschöpft, und ihr Kopf dröhnte. Sie hielt das für eine Nachwirkung der Gefühle, die Eliot in ihr geweckt hatte. Am nächsten Morgen erwachte sie jedoch mit Fieber und rasenden Kopfschmerzen. Ihr Hals schmerzte, und sie fühlte sich wie zerschlagen. Nur mit Mühe schaffte sie es, die Treppe hinunterzusteigen und Jess zu füttern. Danach musste Tiffany sich zehn Minuten hinsetzen und ausruhen, bevor sie sich an den Rückweg wagte. Kein Zweifel, sie hatte sich erkältet. Am nächsten Tag ging es ihr noch schlechter. Immer wieder musste sie husten, dass ihr die Lungen weh taten, und ihr Nacken fühlte sich so steif an, dass sie kaum den Kopf bewegen konnte. Um sich etwas zu essen zu machen, war sie zu schwach. Also trank sie nur Wasser, nahm Aspirin ein und lag dösend im Bett, wenn sie nicht gerade hustete oder nieste. Am späten Nachmittag erwachte sie, weil jemand an der Haustür klingelte. Da Tiffany hoffte, dass Mrs. Crowe von der Reise zurückgekehrt war, zog sie langsam Bademantel und Hausschuhe an und schleppte sich die Treppe hinunter und zur Tür. Draußen stand jedoch nicht die Nachbarin, sondern Eliot. Als er Tiffany erblickte, wurde er blass. "Es ist nur eine Erkältung", flüsterte sie. Sie war so froh, ihn zu sehen, dass sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. "Wolltest du nicht verreisen?" "Ich bin früher als geplant zurückgekommen. Das ist nicht ,nur' eine Erkältung." Er hob sie hoch und trug sie zur Treppe. "Wie lange geht das schon so?" "Seit zwei Tagen, glaube ich." Zufrieden lehnte sie den Kopf an seine Brust. "Warst du beim Arzt?" Sie lachte, dann musste sie husten, und der Anfall endete erst, als Eliot sie auf dem zerwühlten Bett abgesetzt hatte. "Ich hätte es wohl kaum soweit geschafft", sagte sie außer Atem. Er murmelte etwas, das sie nicht verstand, hob sie wieder hoch und setzte sie sanft auf den Boden. Tiffany legte die Wange gegen die kühle Wand und beobachtete verträumt, wie geschickt Eliot das Laken abzog und die Bettwäsche wechselte. Vorher hatte er den Mantel ausgezogen und über die Türklinke gehängt. Unter dem hellen Hemd zeichneten sich deutlich Eliots Muskeln ab. Von nun an musste sie nicht mehr gegen das Kranksein ankämpfen. Er würde sich um sie kümmern. "Du solltest baden", erklärte er, als er fertig war. "Nein, duschen ist besser. Schaffst du das allein?" Sie nickte. "Ich warte vor der Tür. Ruf mich, falls du Hilfe brauchst, okay?" Sie nickte wieder und wollte aufstehen, doch ihr Körper gehorchte nicht. Stumm sah sie zu Eliot auf. Er half ihr hoch und zog sie einen Moment an sich. "Hast du überhaupt etwas gegessen?" Tiffany schüttelte den Kopf. Sofort begann er wieder zu schmerzen. "Nein. Ich hatte gar keinen Appetit. Wirklich nicht, Eliot." "Dich darf man keine Sekunde allein lassen", meinte er grimmig und begleitete sie sanft zur Badezimmertür. "Wo bewahrst du deine Nachthemden auf?" Es dauerte einen Augenblick, bis es ihr einfiel. Dafür scha ffte sie es, ohne Hilfe in die Duschkabine zu steigen. Das warme Wasser tat ihr gut. Weil sie nicht aufpasste, wurde ihr Haar auch nass, also wusch sie es. Selbst diese einfache Tätigkeit strengte Tiffany so an, dass sie sich gegen die Kabinenwand lehnte und müde die Augen schloss. Eliot schob die Tür auf und drehte das Wasser ab. "Das genügt." Seltsamerweise störte es Tiffany nicht, nackt vor ihm zu stehen. Vertrauensvoll sah sie zu ihm auf. Er wickelte ein Badetuch um sie und ein Handtuch um den Kopf.
"Das Haar hättest du nicht waschen sollen." Er führte sie zum Bett zurück. "Obwohl es auch sein Gutes hat. Mit den nassen Locken siehst du aus wie zwölf." Seufzend setzte sie sich aufs Bett. Eliot rieb ihr das Haar trocken. "Kannst du dir das Nachthemd allein anziehen?" "Ja", antwortete sie fügsam wie ein Kind. "Dann gehe ich jetzt nach unten und telefoniere." Er hatte ihr ein hochgeschlossenes, langärmeliges Nachthemd aus angerauter Baumwolle zurechtgelegt. Als Tiffany es endlich übergezogen hatte, musste sie wieder husten. Während sie mit einem zerknitterten Taschentuch die Tränen fortwischte kehrte Eliot zurück. "Hast du einen Fön?" "Nein." Er berührte ihre Locken. "Sie sind fast trocken. Also gut ab ins Bett." Die frische Bettwäsche fühlte sich wundervoll kühl an. Trotzdem legte Tiffany sich nicht gleich hin, sondern lächelte Eliot an. "Vielen Dank. Jetzt geht es mir schon viel besser." In diesem Moment bekam sie wieder einen Hustenanfall. Sie kauerte sich zusammen und schlang die Arme um sich. Jeder Atemzug tat ihr weh. Als Eliot einen Arm um sie legte, stützte sie sich dankbar auf ihn. Er rieb ihr sanft den Rücken, und das linderte den Schmerz. "Du steckst dich noch an", warnte sie Eliot. "Ich werde nie krank. Leg dich hin, ich hole dir etwas zu trinken." Diesmal dauerte es eine ganze Weile, bis er zurückkam. In den Händen hielt er ein Tablett. Jess folgte ihm ins Zimmer. "Iss das", befahl er sanft. "Ich bin für meine guten Rühreier bekannt. Wenn du sie verschmähst, bin ich beleidigt." Er stellte ihr das Tablett auf die Knie. Zwei Tage lang hatte Tiffany keinen Hunger gespürt. Jetzt knurrte ihr plötzlich der Magen. "Das sieht lecker aus. Woher hast du das Tablett?" "Von Mrs. Crowe. Sie ist gerade nach Hause gekommen." Das Essen schmeckte köstlich. Als Tiffany aufgegessen hatte, klingelte es an der Haustür. "Das wird der Arzt sein." Eliot nahm ihr das Tablett ab. Der Arzt, ein schmächtiger Mann in Eliots Alter, schickte Eliot und Jess aus dem Zimmer und untersuchte Tiffany zehn Minuten lang gründlich. "Sie haben eine schwere Bronchitis und eine Nebenhöhlenentzündung", erklärte er dann streng. "Außerdem sind Sie halb verhungert." Sie errötete schuldbewusst. "Ich werde Ihnen Antibiotika, ein Schmerzmittel und Hustensaft verschreiben. Bleiben Sie mindestens noch zwei Tage im Bett, und gehen Sie vor Ende der Woche nicht aus dem Haus. Und essen Sie kräftig!" Nachdem der Arzt das Zimmer verlassen hatte, hörte Tiffany ihn noch mit Eliot sprechen. Dann fiel die Haustür ins Schloss, und Eliot betrat das Zimmer. "Ich fahre zur Apotheke. In deiner Handtasche war ein Hausschlüssel, du musst mir also nicht öffnen." Sie nickte, und er wandte sich zum Gehen. "Eliot?" Er schaute über die Schulter zurück. "Vielen Dank", flüsterte sie. Statt zu antworten, sah er sie nur lange an. Den Ausdruck in seinen Augen sollte sie lange nicht vergessen. Die Tabletten machten Tiffany schläfrig, so dass sie die meiste Zeit döste. Wann immer sie aufwachte, war Eliot bei ihr. "Du musst doch nach Hause, Eliot", protestierte sie einmal spät am Abend. "Warum?" fragte er rau. "Da mache ich mir nur Sorgen um dich." "Aber deine Mutter... Außerdem kannst du hier nirgendwo schlafen." "Doch, auf der Couch. Und meine Mutter habe ich schon angerufen." Verwirrt schüttelte sie den Kopf. "Das ist sehr lieb von dir." "Lieb?" erwiderte er so heftig, als hätte sie ihn beleidigt. "Ich bin nicht lieb, mein Schatz."
Tiffany sah ihn schweigend an, während sie zu ergründen versuchte, was in seinem Kopf vorgehen mochte. Schließlich streckte sie den Arm aus und ergriff Eliots warme, starke Hand. "Doch, das bist du." Sie zog die Hand zu sich aufs Kopfkissen und legte die Wange darauf. So schlief Tiffany ein. In der Nacht wurde sie einmal wach, weil ihr die Kehle brannte. Eliot sprach beruhigend auf Tiffany ein, half ihr, sich aufzusetzen, und gab ihr eine Schmerztablette. "Geh nicht weg", sagte sie seufzend und schlief wieder ein. Als sie früh am nächsten Morgen erwachte, hatte das Fieber nachgelassen. Eliot lag neben ihr im Bett und schlief. Er hatte einen Arm um sie gelegt, und ihr Kopf ruhte auf Eliots Schulter. Der Hals schmerzte, die Nase war verstopft, jeder Atemzug tat weh, und trotzdem hatte Tiffany sich noch nie so glücklich gefühlt. Reine, überwältigende Freude erfüllte ihr Herz und ließ sie dass Leben in den leuchtendsten Farben sehen. Sie lag einfach nur still da, genoss die Wärme, die von Eliot ausging, lauschte seinem gleichmäßigen, unglaublich beruhigenden Herzschlag und spürte Eliots Hand auf der Hüfte. Selbst wenn er wie jetzt ganz entspannt dalag, merkte man, dass sich unter der glatten, sonnengebräunten Haut durchtrainierte Muskeln verbargen. Es müsste schön sein, seinen weichen, erregenden Mund auf dem Hals zu fühlen und seine Finger auf der nackten Haut... Daran hätte Tiffany nicht denken sollen. Sofort durchlief sie eine Welle der Lust. Das Gefühl war so heftig, dass Tiffany erschrak und sich unwillkürlich versteifte. Eliots Atemrhythmus änderte sich. Eliot murmelte etwas im Schlaf, drehte sich auf die Seite, so dass sein Kinn ihr Haar berührte, und legte auch den anderen Arm um Tiffany. Sie entspannte sich, fühlte sich warm und geborgen. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie wieder ein. Als Tiffany das nächstemal erwachte, blieb sie eine Weile still liegen und fragte sich, weshalb sie sich so verlassen vorkam. Dann fiel ihr alles wieder ein. Sie drehte den Kopf zur Seite. Eliot war nicht da, und das zweite Kopfkissen sah unbenutzt aus. Hatte sie alles nur geträumt? Wie sollte sie im Wachzustand mit Eliot fertig werden, wenn ihr Unterbewusstsein ihr solche Streiche spielte? Stöhnend drehte sie sich auf den Bauch und verbarg das Gesicht im Kissen. Doch nein, es war kein Traum gewesen. Ihre Träume von Eliot waren so erotisch, dass sie schon bei der Erinnerung daran errötete. Dieses Gefühl, geborgen in seinen Armen zu liegen, hatte sie wirklich erlebt. Als Eliot später die Treppe heraufkam, hatte Tiffany sich bereits das Gesicht gewaschen, die Zähne geputzt und alle Tabletten und Säfte, die der Arzt ihr verschrieben hatte, eingenommen. Jetzt saß sie auf der Bettkante und kämmte sich. Ihre Locken waren völlig zerzaust, und jedesmal, wenn sie mit dem Kamm hängenblieb, zuckte sie vor Schmerz zusammen, denn ihre Kopfhaut war sehr empfindlich. "Komm, lass mich das machen." Eliot stellte das Tablett auf die Kommode. Abgesehen vom Bett und einem Einbauschrank war sie das einzige Möbelstück im Zimmer. "Nein, ich ... es geht schon." Tiffany errötete vor Verlegenheit und senkte den Blick. Hatte sie wirklich mit Eliot im selben Bett geschlafen? Ungeduldig griff er nach der Haarbürste, die auf der Kommode lag. "Damit geht es bestimmt leichter." Tiffany hielt mitten in der Bewegung inne und wandte sich halb ab. Sie spürte, wie das Bett nachgab, als Eliot sich neben sie setzte. Langsam ließ sie die Hand mit dem Kamm sinken und legte sie in den Schoss. Ruhig und geschickt fuhr er Tiffany mit der Bürste durchs Haar, ohne ihr weh zu tun. "Unglaublich", meinte er nach einer Weile. "Sind das natürliche Locken, oder hast du dir eine Dauerwelle machen lassen?" "Sie sind von Natur aus so." Ihre Stimme zitterte. Tiffany atmete tief ein und versuchte, sich zusammenzunehmen. "Ich bin schon mit Locken geboren worden."
"Ach so." Vorsichtig glättete er eine dichte, seidige Strähne. "Als ich heute morgen aufgewacht bin, dachte ich erst, mir wäre über Nacht ein Bart gewachsen", fuhr er belustigt fort. "Dabei hat mich nur dein Krauskopf am Kinn gekitzelt." "Oh." Er lachte leise und stand auf. "Die Couch war schrecklich unbequem, deshalb habe ich mich zur dir gelegt. Du schienst nichts dagegen zu haben." Tiffany drehte sich zu ihm um. Sie musste einfach wissen, wie er das meinte. Auf seinem Gesicht lag der vertraute spöttische Ausdruck, den sie so hasste. "Du hättest eben nicht bleiben sollen", erklärte sie trotzig. "Unsinn. Ich habe gern neben dir geschlafen. Obwohl du ziemlich viel gehustet hast. Beim nächstenmal, wenn du wieder gesund bist, werde ich mir nehmen, was du mir letzte Nacht so vertrauensvoll angeboten hast." "Da habe ich geschlafen!" erwiderte sie empört. "Das stimmt, und ich zweifle nicht daran, dass du dich bei jedem Mann so weich und sinnlich angeschmiegt hättest. Deck dich wieder zu." Mit Träne n in den Augen schüttelte sie den Kopf. Der unerwartete Angriff hatte sie aus der Fassung gebracht. "Wein nicht, sonst verdirbst du dir den Appetit fürs Frühstück. Legst du dich freiwillig hin, oder muss ich nachhelfen?" Tiffany schnüffelte, wischte mit einer Hand die Tränen fort und suchte mit der anderen in der Tasche des Morgenmantels nach einem Taschentuch. Fluchend verließ Eliot das Zimmer. Als er zurückkam, lag Tiffany im Bett und putzte sich die Nase. Er hatte einen Stuhl hochgeholt und stellte ihn neben ihr ans Bett. "Warum kaufst du dir nicht endlich mehr Möbel? Du hast doch einen Vorschuss bekommen." "Ich habe alles, was ich brauche", erwiderte sie mit heiserer Stimme. "Einen Nachttisch hast du nicht." Er holte das Tablett und stellte es ihr auf den Schoss. "Ich muss jetzt gehen. Ich habe einen Termin. Mrs. Crowe wird sich um dich kümmern. Sie will dir auch Mittagessen kochen. Ich gebe ihr den Schlüssel. Um sechs komme ich wieder. Denk daran, was der Arzt gesagt hat. Steh auf keinen Fall auf!" Tiffany errötete vor Zorn und funkelte Eliot wütend an. "Ich stehe auf, wann ich will! Nur weil ich ein bisschen krank bin, lasse ich mich noch lange nicht von dir herumkommandieren. Ich bin doch ..." Sie verstummte mitten im Satz, weil Eliot ihr einen Finger auf den Mund legte. Die Berührung ließ ihr Herz schneller schlagen. "Tu, was ich dir sage, sonst schicke ich dir eine Berufskrankenschwester." Er nahm den Finger fort. Rebellisch presste Tiffany die Lippen zusammen. "Sei ein braves Mädchen." Er beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn, genau wie ihr Lieblingsonkel es getan hätte. "Du willst doch nicht, dass ich mir Sorgen um dich mache, oder?" Darauf fand Tiffany nicht so schnell eine Antwort. Noch lange, nachdem er gegange n war, dachte sie darüber nach. Obwohl sie sich einzureden versuchte, dass er sich nur über sie lustig gemacht hatte, wusste sie im Grunde, dass er die Worte ernst gemeint hatte. Trotz seiner Unduldsamkeit und Arroganz war Eliot ein freundlicher Mensch. Er mochte Jess, er hatte Geoffrey viel Zeit geopfert, und wenn er von seiner Mutter sprach, wurde seine Stimme jedesmal weich. Während Tiffany den duftenden Kaffee trank, musste sie an das denken, was Geoffrey in seinem Brief über Eliot geschrieben hatte. Vielleicht sollte sie Eliot jetzt sagen, wer sie war? Falls er ihr nicht glaubte, könnte sie ihm Geoffreys Brief zu lesen geben. Sie würde gern sein Gesicht sehen, wenn ihm klar wurde, wie sehr er ihr unrecht getan hatte. Andererseits wollte ihre Mutter, dass niemand davon erfuhr. Eliot würde sich vielleicht verpflichtet fühlen, Diane March und Colin Upcott zu informieren. Schließlich war er mit ihnen verwandt. Geoffrey hatte ihr geraten, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten ...
Nicht einmal sich selbst mochte Tiffany den wahren Grund für ihr Zögern eingestehen. Sie fürchtete sich davor, Eliot die Wahrheit zu gestehen. Denn wenn er sie danach immer noch voll Verachtung und Abneigung anschauen sollte, wäre jede Hoffnung, doch noch seine Zuneigung zu gewinnen, für immer verloren. Als Mrs. Crowe das Mittagessen brachte, entschuldigte Tiffany sich bei ihr dafür, dass Eliot sie einfach so in Anspruch genommen hatte. Mrs. Crowe lachte. "Ach Unsinn. Wir sind schließlich Nachbarn, da muss ich mich doch um Sie kümmern." Augenzwinkernd fuhr sie fort: "Und was Ihren Mr. Buchanan angeht etwas Arroganz steht jedem Mann. Frauen mögen starke Männer, auch wenn es heutzutage nicht mehr modern ist, das zuzugeben. Sie waren doch bestimmt froh, als er gestern abend alles in die Hand genommen hat." Das konnte Tiffany nicht abstreiten. Später am Tag brachte Mrs. Crowe ihr Tee, setzte sich zu ihr und plauderte mit ihr über die anderen Leute in der Strasse. Als sie gerade mitten in einer kleinen Skandalgeschichte war, klingelte es an der Tür. "Ach ja, das hat Mr. Buchanan erwähnt", sagte Mrs. Crowe. "Bitte ziehen Sie sich den Morgenmantel über, und warten Sie im Bad." "Aber wer..." "Es soll eine Überraschung sein", erklärte Mrs. Crowe verschmitzt. Durch die geschlossenen Badezimmertür hörte Tiffany Männerstimmen und schwere Schritte im Schlafzimmer, dann lief Mrs. Crowe eine ganze Weile im Raum auf und ab. Wieso gehe ich nicht einfach raus und sehe nach, was los ist? fragte Tiffany sich, während sie gehorsam wie ein kleines Kind auf der Badewannenkante hockte und darauf wartete, dass man sie, Tiffany, rief. Offenbar ging es ihr schlechter, als sie gedacht hatte. Oder es lag an den Tabletten. Die machten sie immer müde. Als sie sich gerade dazu aufgerafft hatte, das Bad zu verlassen, machte Mrs. Crowe die Tür auf. "Kommen Sie", bat Mrs. Crowe aufgeregt. Tiffany traute ihren Augen kaum. Ihre Möbel waren verschwunden. Statt dessen standen ein elegantes Doppelbett samt Nachtschränken und ein Toilettentisch mit einem riesigen Spiegel im Zimmer. Die Sachen waren wunderschön und hatten bestimmt viel Geld gekostet. "Oh!" sagte Tiffany nur. "Ich hätte Sie nicht zwingen sollen, so lange aufzubleiben, aber es sollte alles fertig sein, bevor Sie es sehen." Re umütig half Mrs. Crowe ihr ins Bett und deckte sie mit einem großen, wundervoll leichten Federbett zu. Das Laken und die grün und golden gemusterte Bettwäsche waren aus glattem Pärkai. "Ruhen Sie sich aus, ich koche Ihnen frischen Tee." Tiffany nickte. "Danke." Inzwischen kochte sie innerlich vor Zorn. Was fiel Eliot eigentlich ein? Wenn er heute abend kam, würde sie ihm schon die Meinung sagen! Als sie gegen sechs Uhr Jess aufgeregt bellen hörte, setzte Tiffany sich auf und sah mit fiebrig glänzenden Augen zur Tür. Eliot kam jedoch nicht zu ihr herauf. Sie hörte ihn unten mit Mrs. Crowe reden. "Ich gehe jetzt mit Jess spazieren, Tiffany!" rief er dann. "Was!" stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Noch nie war sie auf jemanden so zornig gewesen. "Du... du Schuft!" Natürlich hörte er sie nicht. Als er zurückkam, hatte sie geduscht und das Nachthemd gewechselt, Tabletten und Hustensaft eingenommen und saß hellwach und kampfbereit im Bett. Eliot blieb auf der Türschwelle stehen und betrachtete Tiffany gelangweilt. Als sie den Mund öffnete, hob er die Hand. "Ich werde nicht mit dir streiten", erklärte er gelassen. "Nicht heute abend. Du bist zu krank, um dein Bestes zu geben, und mit zweiter Wahl lasse ich mich nicht abspeisen." "Du bekommst überhaupt nichts von mir!" fuhr sie auf.
"Heute nicht", stimmte er zu, "also sei schön still. Wenn das Gericht Geoffreys Testament bestätigt hat, kannst du mir meinetwegen das Geld für die Möbel erstatten. Bis dahin will ich nichts darüber hören." In ohnmächtigem Zorn sah sie zu ihm auf. "Und was soll das Doppelbett?" fragte sie schließlich. "Falls du glaubst..." Er hob die Augenbrauen. "Die schmalen haben mir allesamt nicht gefallen. Außerdem sind Doppelbetten viel bequemer. Ich schlafe auch in einem." "Das dachte ich mir. Aber ich schlafe allein!" Eliot lachte, kam auf sie zu und setzte sich auf die Bettkante. Als Tiffany von ihm wegrutschen wollte, hielt er sie an den Handgelenken fest. "Letzte Nacht nicht", spottete er und sah zu, wie sie errötete. Dann ließ er sie plötzlich los und stand auf. "Reg dich ab, du Hitzkopf. Ich werde nicht mit dir streiten, und dabei bleibt es. Du hast eine rote Nase, deine Augen sind verquollen, und du siehst aus, als hättest du immer noch Fieber. Ich bin doch kein Sadist!" "Ach nein?" Seine Worte machten sie verlegen, obwohl sie gar nicht spöttisch geklungen hatten, sondern fast liebevoll. In dieser Nacht schlief Eliot auf der Couch, und in der nächsten ließ er Tiffany allein. Die Tabletten und der Hustensaft hatten ihre Wirkung getan. Tiffany war fast wieder gesund. Trotzdem lag sie lange wach und lauschte auf die Geräusche im Haus. Seit dem letzten Wortwechsel hatte Eliot sie höflich und distanziert, fast wie eine Fremde behandelt, doch zugleich hatte zwischen ihnen eine merkwürdige Spannung geherrscht, die Tiffany beängstigend und erregend zugleich fand. Wann immer Eliot sie anschaute, spürte sie, dass er daran dachte, wie er sie geküsst hatte. Es war, als wären sie durch unsichtbare Ketten aneinander gebunden und könnten sich nicht daraus befreien. Am Freitagabend brachte Eliot Tiffany ein Dokument vorbei, das sie unterschreiben sollte. Sie erkannte auf den ersten Blick, dass der Waffenstillstand beendet war. Obwohl Eliots Miene unbewegt wie immer war, konnte Tiffany seinen Zorn und seine Verachtung fast körperlich spüren. "Willst du es von deinem eigenen Anwalt überprüfen lassen?" fragte er bissig, nachdem sie das Dokument durchgelesen hatte. "Vielleicht betrüge ich dich ja." "Das glaube ich nicht", entgegnete sie nüchtern. "Geoffrey hatte Vertrauen zu dir." Einen Moment sah er sie schweigend und finster an, dann zuckte er die Schultern. "Also unterschreib." Sie gehorchte und hielt ihm das Dokument hin. Er trug eine lässig geschnittene Hose, in der seine langen, kräftigen Beine zur Geltung kamen, und trotz des regnerischen Wetters nur ein kurzärmeliges Hemd. Seine Arme waren sonnengebräunt. Tiffany spürte einen Kloß im Hals. Sie schluckte, und sofort richtete Eliot den Blick auf ihren schlanken Hals. Plötzlich schien Tiffany die Luft im Zimmer unerträglich warm. "Möchtest du eine Tasse Kaffee?" fragte sie atemlos. "Nein, danke." "Dann - vielen Dank." "Wofür?" fragte er rau, als bereite auch ihm das Sprechen Mühe. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und senkte den Blick zu der Pulsstelle an Eliots Hals. "Dafür, dass du während meiner Krankheit so freundlich zu mir warst." Er lachte freudlos. "Ich habe mich nicht aus Gutherzigkeit um dich gekümmert, Tiffany. Stell dich bitte nicht naiv. Dazu hast du kein Recht. Nicht, nachdem du dich an einen alten Mann verkauft hast." Sie wollte schon zornig auffahren, da erkannte sie, dass er genau darauf wartete. Er schien seinen Hass kaum noch beherrschen zu können. Sie dur fte ihn jetzt nicht herausfordern. "Trotzdem warst du freundlich zu mir", antwortete sie versöhnlich, so schwer es ihr auch fiel. Ruhig wandte sie sich ab, als Zeichen, dass für sie das Gespräch beendet war.
Es nützte nichts. "Habe ich dafür nicht eine Belohnung verdient?" fragte er sanft und höhnisch. Bevor sie noch einmal versuchen konnte, ihn zu beschwichtigen, warf er das Dokument auf den Tisch, umarmte sie und drückte sie so fest an sich, dass sie vor Schmerz aufschrie. Dann beugte er sich über sie und küsste sie. Als er ihren Mund endlich wieder freigab, dröhnte ihr das Blut in den Ohren. Eliot sah ihr lange ins Gesicht. Verwirrt spürte sie, dass er zitterte. Ohne nachzudenken, legte sie ihm die Arme um die Schultern und drückte ihn sanft an sich. Eben war sie noch wütend auf ihn gewesen, gerade weil er solche Macht über ihren Körper besaß, jetzt wollte sie ihm nur helfen, und sie wusste nicht, wie. "Oh, verdammt", flüsterte er. Sein Gesicht wirkte abgehärmt, als wäre er am Ende seiner Kräfte. Langsam schloss er die Augen und küsste Tiffany immer wieder leicht auf die Wangen und die Schläfen. "Du machst mich verrückt", sagte er so leise, dass sie ihn kaum verstand. Tiffany druckte ihn fester an sich und rieb die Wange an seinem Gesicht. Es war ganz heiß. "Nicht, Eliot." Was sie damit meinte, wusste sie selbst nicht. "Bitte nicht." "Ich kann nicht anders." Er küsste sie wieder, diesmal ohne ihr weh zu tun, und Tiffany kämpfte nicht mehr gegen ihn an. Leidenschaftlich erwiderte sie seinen Kuss, klammerte sich an seine Schultern und überließ sich ganz den wilden, unbekannten Gefühlen, die Eliot in ihr weckte. Als er begann, ihren Körper mit den Händen zu erforschen, stöhnte sie vor Lust leise auf. Eliot zog ihr das T-Shirt aus dem Rockbund, öffnete den BH und betrachtete bewundernd ihre Brüste. "Du bist so schön ..." Mit einer einzigen Bewegung streifte er ihr T-Shirt und BH ab. Einen Moment lang erstarrte sie vor Schreck, dann beugte Eliot sich herab und nahm eine Brustspitze zwischen die Lippen, und dabei erwachte ein so unerträgliches Verlangen in Tiffany, dass sie alles andere vergaß. Langsam ließ er die Lippen zur anderen Brustspitze gleiten. Tiffany zitterte jetzt am ganzen Körper. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und die Augen halb geschlossen. Ich sterbe, dachte sie benommen. Es ist einfach zuviel. Sie merkte kaum, wie Eliot sie hochhob. Erst als das Feuer in ihr langsam nachließ, weil er sie nicht mehr liebkoste, öffnete sie die Augen. Eliot trug sie die Treppe hinauf. Und plötzlich wurde Tiffany klar, wohin er wollte: zu dem Bett, das er für sie gekauft hatte, wahrscheinlich genau zu diesem Zweck. Wenn ihr das alles nicht so neu gewesen wäre, hätte sie vielleicht klüger reagiert. Ein Blick auf Eliots Gesicht hätte ihr verraten, dass sie sich nur retten konnte, wenn sie sehr, sehr vorsichtig war. Eliot begehrte sie, für ihn spielte sonst nichts mehr eine Rolle. Doch Tiffany war noch viel zu benommen, um klar denken zu können, und so sagte sie das erste, was ihr einfiel. "Nein!" Eliot achtete nicht darauf. Er hatte jetzt das obere Ende der Treppe erreicht und ging auf die Schlafzimmertür zu. "Nein!" Tiffanys Stimme wurde schrill vor Furcht. "Bitte nicht, Eliot. Bitte ..." Jetzt schien er zu begreifen, was sie wollte. Einen Moment blieb er stehen, und seine Miene verhärtete sich. Er wirkte nicht mehr nur erregt, sondern auch zornig und finster entschlossen. Aber mit Zorn konnte sie umgehen. Das dachte sie wenigstens. "Es tut mir leid." Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Wie gebannt beobachtete er sie dabei. "Mir auch", sagte er dann, ging zum Bett und ließ Tiffany so plötzlich darauf fallen, dass sie einen Moment wie gelähmt dalag. Ungeduldig zog er sich das Hemd über den Kopf und griff nach der Gürtelschnalle. Erschrocken schrie Tiffany auf und wollte aufspringen, doch Eliot packte sie, legte sich halb
auf sie und küsste sie so hart auf den Mund, dass ihr Kopf ins Kissen gedrückt wurde. Zugleich ließ er die Hände von ihrer Taille aufwärts zu ihren nackten Brüsten gleiten. Es erregte sie, ihn auf sich zu spüren, seinen männlichen Duft einzuatmen und zu fühlen, wie sehr Eliot sie begehrte. Trotzdem durfte sie nicht zulassen, dass er sie einfach nahm. Inzwischen war sie soweit ernüchtert, dass sie wusste, was sie falsch gemacht hatte. Als er ihren Mund freigab und sie verlangend auf den Hals küsste, legte sie Eliot beide Hände ans Gesicht. "Es tut mir leid", flüsterte sie, "aber ich kann das nicht, Eliot. Bitte vergewaltige mich nicht." Selbst dieses hässliche Wort brachte ihn nicht zur Besinnung. Er hob den Kopf und lächelte sie böse und ohne Mitleid an. "Das wird auch nicht notwendig sein. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du mich auf den Knien anflehen, dich zu nehmen, du kleine Schlampe." Entsetzt sah sie zu ihm auf. Ihre Lippen begannen zu zittern. Eliot beugte sich wieder über sie, küsste sie auf die Schulter und streichelte sanft ihren Bauch. Tiffany erbebte. Sie wollte, dass er sie weiter streichelte, immer weiter... "Nicht so!" stieß sie jedoch hervor. "Nicht im Zorn!" Er lachte, so dass sie seinen Atem heiß auf der Haut spürte. "Anders geht es nicht", antwortete er hart und voll Verachtung. "Du wirst mich immer wütend machen, auch wenn du noch so sehr versuchst, mich zu umgarnen. Aber es wird mir trotzdem gefallen. Und dir auch, das verspreche ich dir." Es klang, als würde er ihr Rache schwören. Tiffany zuckte zusammen und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Eliot lachte wieder und hielt sie fest, bis sie den Kampf erschöpft aufgab. Dann zog er ihr auch die übrigen Kleidungsstücke aus. Abschätzend und verlangend zugleich betrachtete er ihren schönen Körper, wie ein Raubtier seine Beute. Tiffanys Augen füllten sich mit Tränen, und sie drehte den Kopf zur Seite, damit sie Eliot nicht ansehen musste. Sie hatte sich fest vorgenommen, alles kalt und gefühllos über sich ergehen zu lassen, doch dazu war sie viel zu unerfahren und Eliot ein zu guter Liebhaber. Lange bevor er ganz von ihr Besitz ergriff, schien ihr Körper in Flammen zu stehen, und ihre Ängste und Bedenken verblassten in dem Sturm von Gefühlen, den Eliot in ihr entfachte. Als er zum erstenmal in sie eindrang, spürte sie einen kurzen, scharfen Schmerz. Im gleichen Moment sah sie, wie Eliot begriff. Doch es war zu spät, er konnte seine Leidenschaft nicht mehr beherrschen. Tiffany seufzte leise auf, klammerte sich an seine Schultern und bewegte sich mit ihm. Danach ließ er sich schwer auf sie sinken, als hätte er seine letzte Kraft verausgabt. Tiffany blieb still unter ihm liegen. Sie spürte, wie heftig sein Herz klopfte, fast so laut und schnell wie ihr eigenes. Seltsamerweise empfand sie keinen Zorn. Früher oder später würde sie Eliot dafür hassen, dass er ihr das angetan hatte. Jetzt fühlte sie sich nur träge und zufrieden.
6. KAPITEL
Erst als Eliot sich von Tiffany herunterschob, wurde ihr richtig bewusst, was geschehen war. Beschämt rollte sie sich auf den Bauch und verbarg das Gesicht im Kopfkissen. "Warum?" Als sie nicht antwortete, packte er sie an der Schulter und drehte Tiffany auf den Rücken. Eliots Gesicht war blass, und um seinen Mund lag ein angespannter Zug. "Warum? Was zum Teufel ist zwischen dir und Geoffrey vorgegangen?" Tiffany konnte seinen Blick nicht ertragen. Sie schloss die Augen und presste die Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten. Sie fühlte sich am ganzen Körper wund, als hätte man sie geschlagen, doch der Schmerz in ihrem Herzen war noch unerträglicher. "Warum hast du es mir nicht gesagt, Tiffany?" fragte Eliot ruhiger. "Warum hätte ich das tun sollen?" Sie sah trotzig zu ihm auf. "Hast du vielleicht danach gefragt? Außerdem hättest du mir doch nicht geglaubt. Du hast immer nur das Schlimmste von mir gedacht! Woher sollte ich wissen, dass du mich mit Gewalt nehmen würdest?" "Himmel!" flüsterte er und ließ sie los, als hätte er sich an ihr verbrannt. Wie oft hatte sie sich danach gesehnt, ihn von seinem hohen Ross stürzen zu sehen! Nun war es endlich soweit, doch sie konnte sich nicht daran freuen. Wochenlang hatte sie versucht, Eliot zu hassen, weil sie nicht zugeben wollte, wie stark sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Dass es so enden musste, war mehr, als sie ertragen konnte. "Bitte geh jetzt", sagte sie müde. "Mach dich nicht lächerlich." Geistesabwesend zog er die Bettdecke über sie. Die Geste verriet, wie oft er schon das Bett mit einer Frau geteilt hatte, aber seine Hand zitterte dabei. "Du kleiner Dummkopf!" platzte er heraus. "Es musste doch so kommen! Hast du das wirklich nicht gewusst? Bist du so naiv? Die Spannung zwischen uns war doch mit Händen zu greifen. Du hast mich gewollt, und ich wollte dich." "Du hast recht", erwiderte sie tonlos. "Ich war dumm und naiv. Ich habe dir vertraut, so naiv war ich." "O verdammt." Müde und wütend auf sich selbst, drehte er sich auf den Rücken und wandte das Gesicht von ihr ab. Das dunkle Haar war zerzaust und schweißnass. Tiffany wusste noch genau, wie es sich unter ihren Fingern angefühlt hatte, und sie musste sich beherrschen, um nicht noch einmal Eliots kraftvolle Schultern zu streicheln. Bei der Erinnerung daran, wie sehr sie bei ihrer eigenen Vergewaltigung mitgeholfen hatte, errötete sie vor Scham. Herzlichen Glückwunsch, dachte sie bitter. Du bist jetzt eine von Eliot Buc hanans Geliebten. "Okay." Er verschränkte die Arme auf dem Kissen und legte den Kopf darauf. "Wir müssen eben heiraten. Ausgerechnet ich gehe einer unwissenden Jungfrau in die Falle! Wenn das kein Witz ist! Wann kannst du soweit sein?" Tiffany setzte zweimal zum Sprechen an, brachte aber kein Wort hervor. "Sei nicht albern!" stieß sie endlich gepresst hervor. "Was?" Er fuhr zu ihr herum und sah sie an, als hätte er sie am liebsten umgebracht. "Wieso nicht? Denkst du, ich verführe jeden Tag eine Jungfrau? Das liegt mir nicht." "Heute hast du es getan", entgegnete sie böse. "Damit wirst du wohl leben müssen. Ich denke nicht daran, dich zu heiraten. Jeden anderen, aber nicht dich." Zum zweitenmal war es ihr gelungen, ihn in seiner Selbstsicherheit zu erschüttern. "Wirklich?" fragte er sanft und stützte sich auf einen Ellbogen. Tiffany zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch und erwiderte unfreundlich seinen Blick. "Ja, wirklich." Zu ihrer Überraschung klang ihre Stimme ganz normal. "Und warum nicht? In einer Hinsicht passen wir doch hervorragend zusammen. Das haben wir gerade festgestellt. Für eine Jungfrau warst du erfreulich leidenschaftlich. Wenn ich
daran denke, wie du gestöhnt und wie einfühlsam du mich gestreichelt hast... Daran könnte ich mich gewöhnen. Du bist eine Naturbegabung, Tiffany." Er schob die Hand unter die Bettdecke und streichelte zärtlich Tiffanys Brüste. Tiffany hielt den Atem an und stieß seine Hand beiseite, aber da hatte er schon gemerkt, dass die Brustspitzen unt er seinen Fingern hart wurden. "Siehst du?" "Du glaubst wohl, eine Ehe wäre eine einzige endlose Orgie?" fragte sie wütend. Er lächelte, schob die Bettdecke ein Stück beiseite und nahm eine der Brustspitzen zwischen die Zähne. Tiffany versteifte sich und wollte ihn wegstoßen. Er lachte nur und öffnete die Lippen über ihrer Brust. Entsetzt spurte sie, wie ihr Körper erneut zum Leben erwachte. "Das ist keine schlechte Idee", meinte Eliot spöttisch, ohne Tiffany loszulassen. "Doch, das ist es. Ich bin ... ich will nicht..." Sie verstummte, weil sie plötzlich nicht mehr klar denken konnte. Eliot hob den Kopf und küsste sie warm und lockend auf Hals und Schulter. Trotzig wandte sie das Gesicht ab. "Doch, du willst. Es hat dir genauso gefallen wie mir. Nicht wahr, Tiffany?" Als sie den Kopf schüttelte, lachte Eliot wieder. "Soll ich dich dazu bringen, es zuzugeben? Das könnte ich nämlich. Ganz leicht. Dein Körper hat mich freudig in sich aufgenommen, und du hast mir immer wieder gesagt, wie sehr du mich willst. Du warst verrückt nach mir, und das hat mich auch verrückt gemacht..." "Nein!" Sie sprang aus dem Bett, lief zum Kleiderschrank und streifte den Morgenmantel über. Eliot lehnte sich zurück, verschränkte die Hände unter dem Kopf und beobachtete Tiffany lächelnd. Wie ein orientalischer Fürst seine Lieblingssklavin, dachte Tiffany wütend. Selbstzufrieden und zuversichtlich. Dieser eingebildete Kerl! "Wir haben nichts gemeinsam!" fuhr sie ihn an. " Sei nicht dumm. Sexuell passen wir ausgezeichnet zusammen. Komm, gib es zu, Tiffany. Wie lange willst du den Kopf noch in den Sand stecken? Ich habe es gleich gewusst. Vom ersten Augenblick an habe ich gespürt, dass du dich im Bett wie eine kleine Teufelin aufführen würdest. Und dass ich dich haben könnte." "Was bildest du dir ein! Du hast mich nicht gehabt, du hast mich genommen! Und dafür hasse ich dich." "Abgesehen von den ersten zwei Minuten hast du dich nicht sehr gewehrt", widersprach er boshaft. "Deshalb wäre ich auch nie darauf gekommen, dass du noch Jungfrau warst. Du hast dich an mich geklammert und mich angefleht. .." "Sei still!" Eliot stieß die Bettdecke fort und stand auf. Als Tiffany ihn so nackt vor sich sah, schloss sie entsetzt die Augen und wirbelte herum, bis sie ihm den Rücken zukehrte. "Ich habe dich genommen, aber du mich auch", sagte er dicht hinter ihr. "Wenn mich das zum herzlosen Lüstling macht, was bist du dann? Oder willst du mir erzählen, dass du in Wirklichkeit in mich verliebt bist?" "Red keinen Unsinn!" Ihre Stimme bebte vor Wut. "Ich finde dich widerlich. Glaubst du, ich würde dich heiraten, nur damit du kein schlechtes Gewissen haben musst?" "Und weil wir uns auf einem wichtigen Gebiet sehr gut ergänzen", beharrte er ruhig. "Außerdem ist mir gerade noch ein Grund eingefallen. Mit dir habe ich mich noch nie gelangweilt." "0 nein!" Sie ballte die Hände zu Fäusten und fuhr zu ihm herum. Dann errötete sie bis zu den Haarwurzeln. "Zieh dir etwas an, um Himmels willen! So kann ich nicht mit dir reden."
Unbekümmert warf er den Kopf zurück und lachte. Tiffanys Mund fühlte sich plötzlich wie ausgedörrt an. Wieder nahm Eliots erotische Ausstrahlung sie gefangen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Eliot hörte auf zu lachen und sah Tiffany in die Augen. Sie schluckte und fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Wie gebannt betrachtete er Tiffanys Mund, dann ergriff er ihre Hand und legte sie sich an die Brust. Tiffany spürte, dass auch sein Herz heftig pochte. Einen Moment lang hielt sie die Finger steif, dann entspannte sie sich, und als Eliot sie an sich zog, wehrte sie sich nicht. Langsam hob sie den Kopf und blickte zu Eliot auf. Er wirkte so siegesbewusst, dass sie sich heftig losriss. "Nein! Ich lasse mich von dir nicht..." "Verführen?" ".. . zu etwas zwingen, das ich nicht will. Zu nichts! Und jetzt verschwinde endlich!" "Wie du willst. Aber nicht für lange." Er legte ihr die Hand um den Nacken. "Ich weiß, was mit dir los ist. Du bist enttäuscht, dass die Wirklichkeit anders ist, als du es dir erträumt hast. Früher oder später wirst du dich jedoch mit den Tatsachen abfinden müssen, Tiffany. Wer weiß, vielleicht bist du schon von mir schwanger." Daran hatte sie noch keine Sekunde lang gedacht. Wie betäubt sank sie in einen Sessel und schaute vor sich hin, während Eliot sich anzog. Als er fertig war, kam er wieder zu ihr und blieb neben ihrem Sessel stehen. "Mach dir nicht allzu viele Sorgen", riet er ihr nüchtern, ganz der tüchtige Rechtsanwalt. "Ich melde mich bald." "Bemühe dich nicht." Sie versuchte, ebenso sachlich zu sprechen wie er. "Ich werde meine Meinung nicht ändern. Lass mich einfach in Ruhe." "Manchmal glaube ich, dass dir eine Tracht Prügel nicht schlecht bekommen würde." "Versuch es nur. Du wirst schon sehen, was du davon hast." Eine Weile herrschte angespanntes Schweigen. "Also gut", meinte Eliot schließlich lässig. "Bemitleide dich ruhig, wenn du dir etwas davon versprichst. Bis ich wiederkomme, hast du hoffentlich Vernunft angenommen." Tiffany hörte, wie er die Treppe hinunterging, etwas zu Jess sagte und die Haustür hinter sich zuschlug. Erst als das Brummen des Automotors verklungen war, brach sie in Tränen aus. Sie weinte, bis ihr die Augen brannten und ihr Kopf zu schmerzen begann. Dann duschte sie und wusch sich das Haar, bezog das Bett neu, sah nach Jess, machte sich ein Glas heiße Milch und ging ins Bett. Obwohl es schon spät war, lag sie noch lange wach und grübelte. Irgendwie musste sie Eliot davon überzeugen, dass sie ihn nie heiraten würde. Zögernd, fast widerstrebend legte sie die Hand auf die Brüste. Eliot hatte sie, Tiffany, so leidenschaftlich geliebt, dass sie alles außer ihrem Verlangen nach ihm vergessen hatte. Als er in sie eindrang, hatte sie geschrien - nicht nur aus Schmerz, sondern weil sie in jenem Augenblick erkannte, dass sie ihr Leben lang hierauf gewartet hatte. Gegen das, was sie in Eliots Armen erlebt hatte, verblassten selbst Tiffanys wildeste Träume. Dieser Abend hatte ihr Leben für immer verändert. Jetzt wusste sie, wie es war, Eliot zu lieben... Nein! Sie liebte ihn nicht. Liebe war ein sanftes, warmes Gefühl. Sie war von Eliot fasziniert, mehr nicht. Sie hasste und begehrte ihn, weil nur er diesen Hunger in ihr stillen konnte. Ihm ging es genauso. Anfangs hatte er sie vielleicht nur geküsst, um sie zu demütigen, doch schon nach wenigen Augenblicken war er ihrer erotischen Ausstrahlung völlig verfallen. Er war erst hart, dann aber unglaublich zärtlich gewesen, und zum Schluss, kur z vor dem Höhepunkt, hatte er ihr, Tiffany, Worte der Liebe ins Ohr geflüstert. Vielleicht weil sich das, was mit ihnen geschah, nicht anders ausdrücken ließ.
Trotzdem durfte sie diese Gefühle nicht mit Liebe verwechseln, auch wenn sie noch so stark und noch so schwer zu beherrschen waren. Liebe wurde mit der Zeit immer tiefer. Was sie, Tiffany, und Eliot verband, würde bald vergehen. Sicher, solange Eliot sie in den Armen hielt und sie diese unglaubliche Leidenschaft erleben ließ, war sie für ihn wic htiger als jeder andere Mensch auf der Welt. Aber eben nur so lange. Das durfte sie nie vergessen. Es hatte schon viele Frauen in seinem Leben gegeben, und es würde noch viele geben, und jede von ihnen würde dieselbe Macht über ihn besitzen wie sie, Tiffany. Aber warum hatte er sie praktisch mit Gewalt genommen? Sicherlich war er nicht zum erstenmal von einer Frau abgewiesen worden, auch wenn es bestimmt nicht oft vorkam. Normalerweise akzeptierte er eine Weigerung, das spürte Tiffany instinktiv. Er war schließlich ein zivilisierter Mensch. Nur bei ihr nicht. Das, was sie zueinander hinzog, schien zu stark zu sein. Den Grund dafür begriff er wahrscheinlich ebensowenig wie sie. Plötzlich wurde Tiffany von Traurigkeit und einer überwältigenden Sehnsuc ht ergriffen. Doch sie durfte diesen Gefühlen nicht nachgeben. Das war zu gefährlich. Eliot wurde sie nur benutzen, und wenn er sie nicht mehr wollte, würde er sie fallenlassen. Was das für sie bedeuten würde, wagte sie sich nicht vorzustellen. Als es am nächsten Vormittag an der Haustür klingelte, befand Tiffany sich gerade im oberen Stock. Rasch hielt sie Jess die Schnauze zu, damit sie nicht bellte, nahm sie auf den Arm und warf einen Blick aus dem Fenster. Vor dem Haus stand der Lotus. Tiffany hielt den Atem an. Wenn sie nicht aufmachte, würde Eliot bestimmt glauben, sie sei nicht zu Hause, und wieder gehen. Er klingelte mehrmals, dann hörte sie seine Schritte auf dem Plattenweg. Erleichtert atmete sie auf. Zu früh. "Guten Morgen, Mr. Buchanan", hörte sie Mrs. Crowe fröhlich sagen. "Ist es nicht ein wundervoller Tag?" "Ja, wirklich. Sagen Sie, haben Sie Miss Brandon weggehen sehen?" "Nein", erwiderte Mrs. Crowe unbefangen. "Heute morgen hat sie Jess ausgeführt, aber jetzt müsste sie eigentlich da sein. Sie ist viel zu Hause." "Ich weiß." Es klang sehr zufrieden. "Als ich mich gestern von ihr verabschiedet habe, fühlte sie sich nicht sehr wohl", fuhr er lauter fort, "Ob sie wohl. .." "Sie meinen, sie könnte einen Rückfall gehabt haben?" fragte die gutgläubige Mrs. Crowe beunruhigt. "Was machen wir nur?" "Ich könnte das Schloss aufbrechen", schlug Eliot seelenruhig vor. "Oder ... Nein, die Polizei rufen wir besser noch nicht. Vielleicht hat sie auch einfach das Klingeln nicht gehört." Wütend biss Tiffany die Zähne zusammen. Sie würde Eliot wohl doch gegenübertreten müssen, sonst rief er am Ende wirklich die Polizei. Als er wieder klingelte, setzte sie Jess ab, lief hinunter und öffnete. "Ach, da bist du ja", begrüßte er sie. "Geht es Ihnen auch gut?" rief Mrs. Crowe. "Wir haben uns schon Gedanken gemacht." Tiffany rang sich ein Lächeln ab. "Ich habe das Klingeln nicht gleich gehört." Dann lud sie die Nachbarin zu einer Tasse Tee ein. "Ach, ein andermal, meine Liebe." Augenzwinkernd schaute Mrs. Crowe von Tiffany zu Eliot. Was Mrs. Crowe dachte, war nicht schwer zu erraten. "Ich will gleich in die Stadt, muss noch viel erledigen." Eliot begrüßte Jess. Als Mrs. Crowe sich zurückgezogen hatte, richtete er sich auf und betrachtete forschend Tiffanys Gesicht, vor allem den Mund. Die Lippen waren noch immer etwas geschwollen. "Versuch das nicht noch einmal", sagte er kalt. "Ich habe schon mehr als ein Schloss aufgebrochen."
"Ich will dich nicht sehen. Warum begreifst du das nicht?" Darauf ging Eliot nicht ein. "Ich habe letzte Nacht viel nachgedacht." "So?" Sie blieb an der Tür stehen, während Eliot zur Couch ging und sich setzte. "Ja. Komm her, Tiffany." Widerwillig gehorchte sie, setzte sich jedoch nicht neben ihn auf die Couch, sondern auf den Stuhl daneben. Unverwandt sah sie Eliot in die Augen, als könnte sie ihn durch ihren Blick in Schach halten. Ihr Verhalten schien Eliot zu amüsieren. Trotzdem ging etwas Gefährliches von ihm aus. "Meine kluge Tiffany. Oder soll ich Tiffaine zu dir sagen?" Daraufhin zuckte sie zusammen. "Ein hübscher Name", fuhr er fort. "Und sehr ungewöhnlich." Mit halb geschlossenen Augen beobachtete er ihr Gesicht. "Französisch, glaube ich. Soll ich dir verraten, was ich über dich denke?" "Kann ich dich daran hindern?" "Nein." "Also?" "Als Geoffrey mich gebeten hat, sein Testament zu deinen Gunsten zu ändern, war ich überrascht", begann er sachlich. "Besonders, weil er dir unbedingt den Schmuck seiner Großmutter hinterlassen wollte. Geld sei dir bestimmt lieber, habe ich eingewandt. Er war nicht umzustimmen. Da der Schmuck nicht besonders wertvoll ist und Diane ihn doch nur verkauft hätte, habe ich nicht weiter widersprochen. Ich dachte, Geoffrey so zufrieden stellen. Trotzdem ließ mir die Angelegenheit keine Ruhe. Deshalb habe ich mir eine Kopie deiner Geburtsurkunde verschafft." "Das ist illegal!" "Nein. Nur wenn man es in krimineller Absicht tut. Als ich gestern abend nach Hause kam, lag die Urkunde im Briefkasten. Interessanterweise war unter ,Name des Vaters' nichts eingetragen. Und die Urkunde war auf Tifaine, nicht auf Tiffany ausgestellt. Geoffreys Großmutter hieß auch Tifaine. Ist das nicht ein merkwürdiger Zufall?" "Sehr merkwürdig", erwiderte sie gepresst. "Nachdem ich das gesehen hatte, habe ich mich mit meiner Mutter unterhalten. Sie hat ein erstklassiges Gedächtnis. Nach kurzem Nachdenken fiel ihr ein, dass Geoffrey vor über zwanzig Jahren eine Sekretärin namens Marie Brandon hatte. Ist das etwa noch ein Zufall?" Tiffany schwieg. "Diese Sekretärin soll auf ruhige Art sehr attraktiv gewesen sein. Geoffreys Frau war höllisch eifersüchtig auf sie. Das kam bei ihr leider öfter vor, doch in diesem Fall führte sie sich so schlimm auf, dass Geoffrey der Sekretärin schließlich gekündigt hat. Wie ich jetzt weiß, hatte meine Tante Margaret zur Eifersucht allen Grund." "Herzlichen Glückwunsch", erklärte Tiffany unbewegt. "Und was willst du nun?" "Dich." Als sie ihn nur stumm anschaute, stand er auf, fasste sie an den Handgelenken und zog Tiffany auf die Füße. "Warum wirst du deswegen rot? Du weißt doch, dass ich dich will." "Letzte Nacht..." Sie errötete noch mehr. "Letzte Nacht warst du vor allem wütend auf mich." "Was bist du für ein Unschuldslamm", meinte er erschüttert. "Ja, ich war wütend auf dich. Sehr sogar. Aber ich hätte nie mit dir geschlafen, wenn ich dich nicht von Anfang an begehrt hätte. Schon an dem Tag, als ich dich mit meinem Onkel im Park gesehen habe. Ich habe mich dafür gehasst, denn ich dachte, du seist nichts als ein billiges Flittchen, das es auf einen reichen alten Mann abgesehen hat, und trotzdem kam ich nicht von dir los." Man hörte ihm an, wie sehr es ihm widerstrebte, das zugeben zu müssen. "Selbst wenn ... wenn ich wirklich so wäre, wie du dachtest, hättest du mich nicht so behandeln dürfen." "Glaubst du, das wüsste ich nicht?" Er ließ ihre Handgelenke los und ergriff Tiffanys Hand. "Ich habe dir schon gesagt, dass es mir leid tut..."
Tiffany lachte auf. "Ach ja? Wie auch immer, du bist über mich hergefallen, und weil ich Jungfrau war, hast du mir dann großmütig angeboten, mich zu heiraten. An eine Entschuldigung kann ich mich nicht erinnern." "Komm, setzen wir uns beide auf die Couch." Als sie nebeneinander auf der Couch saßen, ließ er Tiffanys Hand los, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte die Fingerspitzen aneinander. "Dann möchte ich mich jetzt dafür entschuldigen", erklärte er ernst, den Blick auf seine Hände gerichtet. Tiffany schwieg. Obwohl sie wusste, dass die Entschuldigung ernst gemeint war, spürte sie instinktiv, dass Eliot sein Verhalten nicht ihretwegen bereute. Er war nach wie vor zornig auf sie, und sie wusste auch, warum. Sie kannte ihn inzwischen recht gut. Seine Gespräche mit Geoffrey hatten ihr viel über ihn verraten. Damals hatte sie noch nicht geahnt, weshalb Eliot sie so faszinierte, und dennoch hatte sie jedes Wort von ihm, jede Geste, jeden Wechsel in seinem Gesichtsausdruck in sich aufgenommen. Die Fähigkeit, sich zu beherrschen, war für Eliot eine der wertvollsten menschlichen Eigenschaften überhaupt. In seinen Augen war sie das Fundament, ohne das kein geordnetes Leben möglich war. Und gestern abend hatte er die Kontrolle über sich verloren. Seine Gefühle waren zu stark gewesen. Ob er sie, Tiffany, aus Wut oder aus Verlangen genommen hatte, spielte dabei im Grunde keine Rolle. Er hatte wegen ihr, Tiffany, die Beherrschung verloren, und das würde er so schnell nicht verzeihen. Er muss mich für vollkommen schwachsinnig halten, wenn er glaubt, dass ich ihn unter diesen Bedingungen heirate, dachte Tiffany bedrückt. "Tiffany?" Fröstelnd drehte sie sich zu ihm um. "Ich nehme deine Entschuldigung an. Du bist aber nicht verpflichtet, mich zu heiraten. Du hast mich im Grunde genommen, nicht vergewaltigt." "Ich habe dich gegen deinen Willen verführt. Das ist nicht viel besser." Sie lächelte ironisch. "Deine Gewissensbisse sind keine Grundlage für eine Ehe." Eliot versuchte nicht, sie umzustimmen. "Und das ist dein letztes Wort?" fragte er nur. Sie nickte. "Wenn ich einmal heirate, dann aus Liebe. Eine Ehe ohne gegenseitige Liebe kann nicht gutgehen." "Die meisten Menschen auf dieser Welt wären anderer Meinung." Tiffany betrachtete Eliots Miene. Sie war undurchdringlich. Er hatte die Lippen zusammengepresst, und seine sonst so leuchtenden Augen wirkten dunkel. Trotz seiner äußerlichen Ruhe ging eine beängstigende Kraft von ihm aus. "Bitte geh jetzt", sagte Tiffany. Wortlos stand er auf. Nachdem sie die Haustür hinter ihm geschlossen hatte, blieb Tiffany lange regungslos stehen und sah vor sich hin. Eliot begehrte sie immer noch. Das hatte der Ausdruck in seinen Augen ihr verraten, und wenn sie daran dachte, wie wild und hemmungslos sie sich geliebt hatten, dann wusste sie auch, warum: nicht weil er sie liebte, sondern weil sie ihm ganz und gar gehören sollte. Genau wie sie musste er seine ganze Willenskraft aufbieten, um sein Verlangen unter Kontrolle zu halten. Doch diese Gefühle waren nicht von Dauer, und wenn sie erloschen waren, würde ihnen nichts bleiben. Zu einer Ehe gehörte mehr. Mann und Frau mussten sich lieben und einander vertrauen. Sie durften den anderen nicht nur als ihren Besitz ansehen, sondern als gleichberechtigten Partner. Solange Eliot das nicht begriff und akzeptierte, würde es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben. Warum Tiffany überhaupt über eine gemeinsame Zukunft mit ihm nachdachte, fragte sie sich nicht. Sie glaubte immer noch, dass er sie nur faszinierte. Mit Liebe hatte das ihrer Meinung nach nichts zu tun.
7. KAPITEL
Während der nächsten zehn Tage hielt Eliot sich von Tiffany fern. Es überraschte sie nicht. Was zwischen ihnen vorgefallen war, hatte ihn ebenso erschüttert wie sie. Dann hatte sie sich auch noch geweigert, ihn zu heiraten, und das zu akzeptieren, fiel ihm bestimmt nicht leicht. Tiffany verbrachte die Zeit mit nähen. Ihr war traurig zumute, denn sie vermisste Eliot, sosehr sie sich auch einzureden versuchte, dass es am besten für sie sei, ihn nie wiederzusehen. Eines Morgens hatte sie ein Paket mit ihren Produkten in einem Geschäft in Remuera abgeliefert und war auf dem Weg zur Bushaltestelle. Es regnete. Tiffany musste immer wieder den Regenschirmen der anderen Passanten ausweichen. In den Rinnsteinen stand das Wasser, und die Menschen machten mürrische Gesichter. Nur ein kleiner Junge in gelben Gummistiefeln hüpfte vergnügt von einer Pfütze zur anderen, während seine Mutter ergeben zuschaute. Tiffany begegnete ihrem Blick, und sie lächelten sich an. Der kurze Zwischenfall munterte Tiffany auf. Plötzlich legte ihr jemand die Hand auf den Arm. "Wenn du mich heiratest, hast du vielleicht bald auch so einen Sohn", sagte Eliot dicht an Tiffanys Ohr. Sprachlos vor Überraschung, sah sie zu ihm auf. Sein Gesicht war schmaler geworden, und sein Lächeln wirkte angestrengt. Tiffanys Herz zog sich schmerzlich zusammen. "Ich habe dir doch gesagt..." fing sie an. Er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen und schüttelte mit leisem Lächeln den Kopf. "Reg dich nicht gleich auf. Komm lieber mit mir essen." "Eliot. . ." "Nur essen, weiter nichts. In einem netten Restaurant, mit einem netten Begleiter." Natürlich hätte Tiffany ablehnen sollen, doch dazu war sie viel zu froh, ihn wiederzusehen. "Na ja, ich.. ." "Tu dir keinen Zwang an", unterbrach Eliot sie. Sie musste lächeln. "Du bist unmöglich!" "Du auch", erwiderte er. "Unmöglich und unvergesslich. Leider." "Hast du denn versucht, mich zu vergessen?" "O ja. Komm, lass uns gehen. Wir tun einfach so, als hätten wir uns gerade erst kennengelernt. Ich kann mich nämlich auch anständig benehmen. Du wirst schon sehen." Das brachte sie wieder zum Lächeln. "Daran habe ich nie gezweifelt." "Wirklich nicht? Dabei war ich zu dir immer nur unhöflich. " "Ich dachte, daran wollen wir nicht mehr denken?" Er schaute ihr in die Augen. "Natürlich. Weißt du eigentlich, dass die kleinen goldenen Flecken in deinen Augen funkeln, wenn du erregt bist? Und deine Art, mich unter gesenkten Wimpern hervor anzus ehen, macht mich verrückt." Er ließ die Hand ihren Arm hinabgleiten, streichelte mit dem Daumen kurz die Pulsstelle am Handgelenk und ergriff dann Tiffanys Hand. "Für jemanden, den ich gerade erst kennengelernt habe, bist du ziemlich unverfroren", meinte Tiffany, so gelassen sie konnte. Lachend drückte er ihr die Hand. "Ich flirte schrecklich gern. Dafür bin ich berüchtigt. Wenn ich etwas will, kann mich nichts und niemand aufhalten. Und mir ist in Sekundenschnelle klargeworden, dass ich dich will." Was sollte sie dazu sagen? Während des ganzen Mittagessens neckte Eliot sie, brachte sie zum Lachen und behandelte sie fürsorglich und rücksichtsvoll. Es war, als hätten sie nie miteinander gestritten und sich nie leidenschaftlich umarmt. Eliot ließ seinen ganzen Charme spielen, um sie für sich zu gewinnen. Tiffany fand ihn unwiderstehlich, und das wusste er genau.
Nach dem Essen fuhr er sie trotz ihrer Proteste nach Hause. "Willst du mich nicht hineinbitten?" fragte er, als sie ausgestiegen war. "Nein", antwortete sie ernsthaft. "Dafür kenne ich dich nicht gut genug." Seine Augen blitzten auf. "Das lässt sich ändern." Er hob Tiffanys Hand an die Lippen und strich ganz leicht mit der Zungenspitze darüber. Tiffanys Herz setzte einen Schlag aus. "Au revoir", sagte Eliot danach höflich, ging zum Auto zurück, stieg ein und fuhr los. Am Abend rief er an und lud sie ein, mit ihm zum Essen und ins Kino zu gehen. Tiffany wusste nicht, was sie antworten sollte, und so zögerte sie zu lange. "Dann machen wir das morgen. Ich hole dich um sechs Uhr ab", erklärte er ruhig und legte auf. In der Nacht träumte sie wieder einmal von ihm, auf völlig unmissverständliche Art. Schließlich weckte ihr eigenes Stöhnen sie auf. Sie fühlte sich fiebrig vor Verlangen. Dann wurde ihr klar, dass sie allein war. Traurig und frierend wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, bis sie endlich wieder einschlief. Am nächsten Morgen hatte der Regen aufgehört, und die Häuser der Stadt funkelten wie frisch gewaschen in der Sonne. Tiffany ging mit Jess spazieren, dann setzte sie sich an die Nähmaschine und arbeitete ohne Unterbrechung bis fünf Uhr. Danach nahm sie ein Bad und zog eins der Kleider an, die ihre Mutter für sie genäht hatte. Es war von den Schultern bis zu den Hüften gerade geschnitten und umspielte dann in weichen Falten die Beine bis kurz unter den Knien. Die rostrote Farbe ließ Tiffanys Haut warm schimmern, doch der weiße Kragen, die weißen Ärmelaufschläge und die auffällige Knopfleiste auf dem Vorderteil verliehen Tiffany etwas Schulmädchenhaftes. "Möchtest du mir etwas beweisen?" fragte Eliot leise, während er ihr die Wagentür aufhielt. "Du siehst aus wie deine eigene kleine Schwester." Herausfordernd hob Tiffany das Kinn. "Bist du nun enttäuscht?" Er lächelte belustigt. "Nein, meine Süße. Nicht im geringsten. Es macht dich nur interessanter." Rasch ging er um den Wagen herum und setzte sich neben sie. Statt den Motor anzulassen, legte Eliot die Hände aufs Lenkrad und betrachtete sie. "Bist du schwanger, Tiffany." "Das . .. das weiß ich noch nicht." Die Frage hatte sie so unerwartet getroffen, dass sie ein Zittern in der Stimme nicht unterdrücken konnte. "Es wird sich in etwa zehn Tagen herausstellen." "Ich verstehe." Er blieb lange still. Schließlich räusperte er sich. "Versprichst du, mir die Wahrheit zu sagen?" Nervös biss sie sich auf die Lippe. "Ja. Warum ist dir das so wichtig?" fragte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte. "Weil ich anders bin als Geoffrey. Ich möchte meinem Kind ein guter Vater sein." Er sprach ruhig, fast gleichgültig. "Also glaub nicht, dass du einfach verschwinden könntest. Ich würde dich überall finden." "Ach so." Ihre Kehle fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an. Hieß das, dass er sie, Tiffany, nicht mehr heiraten wollte? Ging er nur mit ihr aus, weil er sie bei Stimmung halten wollte, bis er sicher war, dass sie kein Kind von ihm erwartete? Vielleicht würde er ihr dann vorschlagen, seine Geliebte zu werden, dreimal die Woche mit ihm zu essen und anschließend ins Bett zu gehen. Und wenn sie doch schwanger war? Was dann werden sollte, konnte sie sich noch viel weniger vorstellen. "Wohin fahren wir?" fragte sie, um sich abzulenken. "Zu einem kleinen Restaurant nicht weit vom Kino. Das Essen ist dort sehr gut."
Beim Essen behandelte er sie wieder genauso charmant wie am Tag zuvor. Sie lachten viel, flirteten harmlos ein bisschen und unterhielten sich über den neuesten politischen Skandal. Eliot hörte sich aufmerksam an, was Tiffany dazu zu sagen hatte, und antwortete ohne Überheblichkeit. Tiffany genoss seine Gesellschaft. Sie genoss es auch, dass die anderen Frauen im Restaurant neidisch zu ihnen herüberschauten. Einige der Gäste kannten Eliot und kamen an ihren Tisch, um ihn zu begrüßen. Eliot stellte ihnen Tiffany vor, machte ihnen aber unmissverständlich klar, dass er mit ihr allein sein wollte. "Jetzt denken sie, du willst mich verführen", meinte Tiffany, nachdem ein älteres Ehepaar sich von ihnen verabschiedet hatte. "Und sie wundern sich, weil ich ganz anders bin als die Frauen, mit denen du sonst ausgehst. Wie gut, dass sie die Wahrheit nicht kennen." "Und was ist die Wahrheit?" Sie zuckte die Schultern und schaute unwillkürlich auf seinen Mund. "Das weißt du doch." "Ich schon", antwortete er betont. "Ich frage mich jedoch, ob du es weißt." "Ich habe nie behauptet, dass ich Gedanken lesen kann." Um Eliots Blick auszuweichen, trank sie ihren Wein aus. "Wirklich nicht?" fragte er lässig. "Für eine so unerfahrene junge Frau durchschaust du die Menschen manchmal beängstigend gut. Bist du fertig?" "Ja." "Dann lass uns gehen." Der Film war sehr gut und teilweise so spannend, dass Tiffany unwillkürlich den Atem anhielt und sich an Eliots Ärmel klammerte. Eliot lächelte ihr im Dunkel zu, ergriff ihre Hand und hielt sie bis zum Schluss fest. Als sie das Gebäude verließen, regnete es wieder. Tiffany hakte sich bei Eliot unter und eilte mit ihm über den nassen Asphalt zum Auto. In den umliegenden Kinos waren auch gerade die Vorstellungen zu Ende, und auf dem Bürgersteig drängten sich die Menschen. In der Nähe von Tiffany und Eliot rutschte eine ältere Frau aus und fiel hin. Ihr Mann versuchte, ihr aufzuhelfen, doch sie stöhnte und sank wieder zu Boden. "Ich glaube, ich habe mir den Fuß verstaucht..." Sofort sammelte sich eine kleine Menschenmenge um die Frau. Eliot löste Tiffanys Arm von seinem, schob sich zu der Frau durch und übernahm wie selbstverständlich das Kommando. Er bestand darauf, die Frau ins Krankenhaus zu fahren, und auf der Unfallstation warteten er und Tiffany zusammen mit dem Ehemann, während die Frau untersucht wurde. "Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen", erklärte Mr. Grainger wohl zum siebtenmal, den Blick ängstlich auf die Tür des Behandlungszimmers gerichtet. Eliot lächelte Mr. Grainger so warm an, dass Tiffany plötzlich einen Kloß im Hals spürte. Eliot konnte so sanft und fürsorglich sein, allerdings verbarg er es die meiste Zeit, als würde er sich dessen schämen. Er kümmerte sich um dieses unbekannte Ehepaar, wie er sich früher um Geoffrey gekümmert hatte. Sicherlich wäre er ein guter Vater. "Hat Ihnen der Film gefallen?" fragte Eliot. "O ja. Ihnen auch? Und Ihrer Frau?" "Sehr sogar", erwiderte Eliot gelassen und sah Tiffany von der Seite an. Um Mr. Grainger von seinen Sorgen abzulenken, unterhielt sich Tiffany mit ihm über den Film, das Wetter und das Leben in Auckland. Bald hatte sie ihn zum Lächeln gebracht, und er machte ihr auf seine etwas schwerfällige Art Komplimente. Als seine Frau im Rollstuhl aus dem Behandlungszimmer gebracht wurde, sah er überrascht auf. Offenbar hatte er gar nicht gemerkt, wieviel Zeit vergangen war. Der Arzt sah Tiffany bewundernd an.
"Es ist wirklich nur eine Verstauchung", teilte er Mr. Grainger dann munter mit. "Ich habe den Knöchel verbunden und Ihrer Frau für alle Fälle Schmerztabletten mitgegeben. Achten Sie darauf, dass sie in den nächsten Tagen den Fuß nicht mehr als unbedingt nötig belastet." Eliot fuhr die Graingers nach Hause, trug Mrs. Grainger ins Haus und setzte sie auf ihrem Bett ab. Sie bedankte sich überschwänglich und bot Eliot und Tiffany Tee an. Lächelnd lehnte er ab, verabschiedete sich und kehrte mit Tiffany zum Auto zurück. Während der Rückfahrt sprach er kein Wort. Tiffany war inzwischen so müde, dass sie immer wieder gähnen musste. Das gleichmäßige Schaben der Scheibenwischer wirkte zudem einschläfernd. Im Licht der Scheinwerfer blitzten die Regentropfen wie winzige silberne Nadeln auf, und auf dem Asphalt stand das Wasser. Während Eliot langsam und vorsichtig durch die fast leeren Strassen fuhr, betrachtete Tiffany die wenigen erleuchteten Fenster in den Häusern. Sie fragte sich, ob irgend jemand von den Menschen dort sich genauso erregt und zugleich unglücklich fühlte wie sie. Dann fielen ihr die Augen zu. Als das Brummen des Motors erstarb, schrak sie auf. Sie hatte tatsächlich geschlafen. "Soll ich dich auch ins Haus tragen?" fragte Eliot lachend. "Nein!" Etwas ruhiger ergänzte sie: "N ein, vielen Dank. Ich bin nur müde." "Schade." Bevor sie antworten konnte, stieg er aus und hielt ihr wie üblich die Beifahrertür auf. Tiffany bedankte sich höflich und wollte gehen. "Nicht so hastig, meine Süße", meinte er und küsste sie leicht und neckend auf den Mund. "So, das war's . Gute Nacht." Eigentlich hätte sie dankbar sein müssen, weil er nicht mehr von ihr wollte. Statt dessen ärgerte es sie, dass er bewusst den Zurückhaltenden spielte, und der Ärger machte sie unvorsichtig. Sie legte die Arme um Eliot, küsste ihn auf den Hals und schmiegte sich einen Moment lang an Eliot. Dann ließ sie ihn los, rannte zum Haus und knallte die Tür hinter sich zu. Wenige Sekunden später hörte Tiffany, wie Eliot den Motor anließ und mit quietschenden Reifen davonfuhr. Erleichtert atmete sie auf. Das war dumm von ihr gewesen. Sie hatte ihn bewusst herausgefordert, und so etwas ließ sich ein Mann wie Eliot normalerweise nicht einfach bieten. "Dein Frauchen ist ein Dummkopf", sagte sie ironisch zu Jess, "aber sie wird sich bessern." Am nächsten Abend rief Eliot um neun Uhr an und lud Tiffany ein, am Wochenende mit ihm auszugehen. Diesmal zögerte sie nur ganz kurz. "Nein, Eliot. Vielen Dank, aber ich halte es für besser …“ "Wirklich?" unterbrach er sie in dem unnachgiebigen Tonfall, den sie nur zu gut kannte. "Ich nicht. Ich werde dich am Abend um halt acht abholen, und wenn du nicht fertig bist, ziehe ich dich eigenhändig an." "Das wagst du nicht", behauptete sie unsicher. "Meinst du?" Tiffany erschauderte. "Das ist doch albern ..." Wieder ließ er sie nicht ausreden. "Da stimme ich dir zu. Deshalb machst du dich am besten schon vor meiner Ankunft schick. Wenn ich dir beim Umziehen helfen muss, gehen wir wahrscheinlich überhaupt nicht aus." "Ich hasse dich!" Nur mit größter Mühe gelang es ihr, ihre Stimme am Zittern zu hindern. Er lachte. "Ich weiß, mein Liebling. Ist es nicht aufregend? Also bis Samstag." Tiffany knallte den Hörer auf. Ihre Hände bebten, doch nicht nur vor Zorn. Eliots sinnliche Drohung hatte in ihr Gefühle geweckt, die sie lieber nicht wahrhaben wollte. "Ich hasse ihn", flüsterte sie, hob Jess hoch und verbarg das Gesicht in ihrem Fell.
Am Samstag war Tiffany natürlich lange vor Eliots Ankunft fertig. Während sie sich in dem großen Spiegel betrachtete, gestand sie sich widerwillig ein, dass sie sich auf den Abend freute. Sie war gern mit Eliot zusammen, auch wenn sie sich für ihre Schwäche schämte. Diesmal trug Tiffany neue Sachen. In einer Boutique hatte sie eine cremefarbene, mit Spitze besetzte romantische Seidenbluse und einen weiten, elegant geschnittenen schwarzen Rock mit einem breiten Gürtel erstanden, der ihre schmale Taille betonte. Außerdem legte sie die Perlen- und Granatohrringe ihrer Urgrossmutter und einen dazu passen Ring an. Als sie Eliot die Tür öffnete, betrachtete er Tiffany anerkennend von Kopf bis Fuß. "Zeitlos schön", bemerkte er. Trotzig hob sie das Kinn. "Wohin gehen wir überhaupt?" "Mit dir könnte ich mich überall sehe n lassen." Ungläubig hob sie die Augenbrauen. "Willst du mir schmeicheln?" "Merkst du nicht, wenn dir jemand die Wahrheit sagt?" Er sah sie noch einmal von Kopf bis Fuß an. "Einfach perfekt. Süß, elegant und unschuldig. Die anderen Männer werden mich beneiden." "Wo gehen wir hin?" fragte sie langsam und betont, als hätte sie es mit einem zurückgebliebenen Kind zu tun. Sein Blick hatte sie nicht nur wütend gemacht, sondern auch erregt. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie Eliot mit Händen und Lippen ihren Körper erforscht hatte, bis sie, überwältigt von Leidenschaft, jeden Widerstand aufgegeben hatte. Hastig versuchte sie, die Erinnerung zu verdrängen. Solche Tagträume konnte sie, Tiffany, sich jetzt nicht leisten. Sie traute Eliot nicht über den Weg. Wenn sie mit Eliot fertig werden wollte, musste sie klar denken können. "Warte ab", beantwortete er kühl ihre Frage. Als Tiffany sich nicht von der Stelle rührte, zog er Tiffany an sich. "Wir können natürlich auch hierbleiben", ergänzte er läche lnd. "Du bist abscheulich." "Ich weiß. Zu dumm, dass du mich trotzdem willst, nicht wahr? Kommst du nun mit, oder sollen wir es uns bei dir bequem machen?" "Versuchst du es immer mit Drohungen, wenn du etwas erreichen willst?" Widerstrebend folgte sie ihm zum Wagen. "Immer. Das spart Zeit und viel Mühe." Gegen ihren Willen musste sie lächeln. Eliot war wirklich unmöglich. Aber du tust doch gern, was er sagt, dachte sie dann, und ihr Lächeln wurde traurig. Sie würde sich noch viel mehr von ihm gefallen lassen, um dafür mit ihm Zusammensein zu dürfen. Zwanzig Minuten später bremste Eliot vor einem großen Haus in Kohimarama, einem vornehmen Vorort von Auckland direkt am Meer. Tiffany sank das Herz. "Gehen wir etwa zu einer Party?" fragte sie mit dünner Stimme. "Ja. Alex und Christabel sind alte Freunde von mir. Du magst sie bestimmt." Er schaltete den Motor aus und wandte sich Tiffany zu. "Keine Angst. Sie werden dich nicht beißen." Tiffany fand Alex und Christabel Thomassin dann wirklich recht sympathisch, doch ihr wurde schon nach wenigen Minuten klar, dass die beiden ganz anderen Kreisen angehörten als sie. Alex Thomassin, ein großer, dunkelhaariger Australier, strahlte genau wie Eliot eine ruhige Zuversicht aus, die nur wirklich reiche Menschen besitzen. Seine Frau, ein ehemaliges Fotomodell, fast so groß wie ihr Mann und wunderschön, schien ihn sehr zu lieben. Und er sie auch. Die beiden gingen offensichtlich völlig ineinander auf, und sie waren glücklich. Es ist ungerecht, dachte Tiffany ein wenig neidisch. Sie haben alles, was man sich nur wünschen kann, und ich muss auf das, woran mir am meisten liegt, verzichten. Die meisten Gäste schienen zu wissen, wer Tiffany war, denn sie lächelten wissend, wenn sie ihnen vorgestellt wurde. Tiffany war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen, obwohl sie spürte, dass hinter ihrem Rücken über sie und Eliot geredet wurde. "Wie wütend du aussiehst", sagte Eliot dicht an ihrem Ohr. "Ich dachte immer, ich sei der einzige, der dich aus der Ruhe bringt. Was ist los?"
Sie fragte sich, warum er sie überhaupt mitgenommen hatte. Um herauszufinden, ob sie mit einer solchen Situation fertig werden würde? Oder wollte er nur mit seiner neuesten Eroberung prahlen? Wahrscheinlich letzteres, dachte sie böse. "Stört es dich nicht, wenn über dich geklatscht wird?" Ganz kurz trat ein drohender Ausdruck in seine Augen, dann senkte Eliot halb die Lider, um seine Gefühle zu verbergen. "Was geht mich das Geschwätz anderer Leute an?" Gleichgültig blickte er sich im Raum um. "Außer Alex und Christabel interessiert mich hier niemand. Ich glaube, Christabel hat viel mit dir gemeinsam." Sie schaute verwirrt drein. "Wie kommst du denn darauf? Sie sieht einfach umwerfend aus ..." "Was hast du für eine schlechte Meinung von dir." Lässig ergriff er ihre Hand und küsste sie. "Du bist auch nicht gerade hässlich, mit diesen großen klaren Augen, dem weichen, verlockenden Mund und einer Figur . .." Er lächelte breit. Zögernd lächelte sie zurück. "Den Rest erzähle ich dir lieber später. In Ruhe." Bevor sie protestieren konnte, fuhr er fort: "Ich habe etwas anderes gemeint. Christabel stammt auch vom Land, genau wie du. Sie ist in der Wildnis hoch oben im Norden aufgewachsen." Das letzte sagte er ziemlich laut, und da Christabel in diesem Moment auf sie zukam, hörte sie es. Lachend küsste sie ihn auf die Wange. Obwohl sie bei weitem die größte Frau im Raum war und außerdem noch Schuhe mit hohen Absätzen trug, überragten Eliot und Alex sie immer noch. Neben ihr kam Tiffany sich winzig klein vor. "Ist er nicht schrecklich?" sagte Christabel nachsichtig zu ihr. "Kein Wunder, dass er sich so gut mit Alex versteht. Sie sind beide die reinsten Teufel. Ich habe den hohen Norden schon als Kind verlassen", erklärte sie. "Seitdem habe ich nur noch in Großstädten gelebt." Alex trat zu ihnen und legte seiner Frau den Arm um die schlanke Taille. "Trotzdem ist der Norden deine geistige Heimat." Dann lächelte Alex Tiffany an, und zum erstenmal an diesem Abend hatte sie das Gefühl, ganz dazuzugehören. "Wir sind nach Auckland gekommen, damit Christabels Eltern endlich ihre Enkelin kennenlernen", ergänzte er. Christabel lachte. "Und ganz nebenbei erledigst du noch ein paar Geschäfte." Von nun anfühlte Tiffany sich viel wohler. Die Thomassins gefielen ihr wirklich. Obwohl Christabel sich vorbildlich um ihre Gäste kümmerte, fand sie zwischendurch immer wieder Zeit, mit Tiffany zu plaudern. Die Party dauerte bis kurz nach Mitternacht. Nachdem die anderen gegange n waren, tranken Eliot und Tiffany noch mit ihren Gastgebern Kaffee und unterhielten sich. Tiffany spürte, dass Christabel und ihr Mann sie unauffällig einzuschätzen versuchten, doch das geschah so zwanglos, dass sie sich trotzdem ganz entspannt und unbefa ngen am Gespräch beteiligte. Vor dem Aufbruch durfte sie noch kurz zu der kleinen Holly Thomassin hineinschauen. Sie war erst drei Monate alt, und ihre Eltern waren offensichtlich sehr stolz auf sie. Nach diesem Abend wurde Tiffany immer öfter mit Eliot zu Partys eingeladen. Anfangs war ihr diese Entwicklung gar nicht recht. Eliot bestand jedoch darauf, dass Tiffany die Einladungen annahm, und so lernte sie mit der Zeit alle seine Bekannten kennen. Die meisten von ihnen waren nicht nur reich, sondern auch klug und freundlich, und Tiffany war gern mit ihnen zusammen. Trotzdem fühlte sie, dass sie nur in der Runde geduldet wurde, weil man sie für Eliots neue Geliebte hielt. Ella Sheridan war seit einigen Wochen in Amerika, wurde aber bald zurückerwartet. Nach diesen Partys brachte Eliot Tiffany jedesmal nach Hause, gab ihr einen Gutenachtkuss und ging. Nie versuchte er, sie zu verführen, obwohl er ihr immer wieder deutlich zeigte, wie attraktiv er sie fand. Es war, als hätte Tiffany jene leidenschaftliche Umarmung nur geträumt.
8. KAPITEL
Tiffany wusste immer weniger, was sie von Eliots Benehmen halten sollte. Trotzdem ging sie weiter mit ihm aus. Sie versuchte sich einzureden, dass sie nur nachgab, weil sie nicht immer gegen ihn ankämpfen konnte. Allmählich wurde ihr jedoch klar, dass sie sich etwas vormachte. Was sie für Eliot empfand, ging längst über rein körperliches Verlangen hinaus. Sicher, sein Anblick verschlug ihr noch immer den Atem, und wenn Eliot sie berührte, fing ihr Körper Feuer, doch das war nicht alles. "Ich habe mich in ihn verliebt", gestand sie Jess flüsternd. An diesem Abend war Tiffany still und in sich gekehrt. Eliot und sie waren wieder einmal zu einer Party eingeladen. Ella war aus Amerika zurück. Obwohl sie sich zu sehr vor Eliot fürchtete, um ihre Enttäuschung und Wut offen zu zeigen, sah sie Tiffany hasserfüllt an. Tiffany war unbehaglich zumute, besonders da sie spürte, dass die anderen Partygäste sie, Ella und Eliot neugierig beobachteten. Eliot wurde mit der Situation natürlich mühelos fertig. Er behandelte Ella freundlich, wich aber nie von Tiffanys Seite und lächelte sie immer wieder träge und voll Charme an. Wie schon an manchen Abenden trank er nach der Party noch bei ihr Kaffee. Dabei teilte Tiffany Eliot mit, sie halte es für besser, wenn sie sich nicht mehr wiedersehen würden. Er blickte sie forschend an. "Warum?" "Weil es überflüssig ist. Ich bin nicht schwanger." "Was hat das damit zu tun?" "Na, deswegen bist du doch mit mir herumge zogen, oder nicht?" "Ich bin mit dir herumgezogen, wie du es ausdrückst, weil ich dich heiraten will. Du solltest dir ein Bild davon machen können, was auf dich zukommt." "So ist das also", erwiderte sie leise. Seine Worte hatten sie bis ins Innerste getroffen. "Es war alles nur ein Trick, um deinen Kopf durchzusetzen, mich dazu zu bringen, dass ich dich heirate." "Nein, kein Trick. Ich habe um dich geworben, wie sich das für einen zukünftigen Ehemann gehört. Wenn ihr beide, du und Geoffrey, mehr Vertrauen zu mir gehabt hättet, wäre alles anders gekommen, aber deswegen solltest du nicht auf etwas verzichten müssen, das jeder jungen Braut zusteht." "Das könnte aus einem Ratgeber für Liebhaber aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen", meinte sie obenhin, um ihre wahren Gefühle zu verbergen. "Hast du etwa mit deiner Mutter über mich gesprochen?" "In solchen Fragen brauche ich längst keinen Rat von meiner Mutter mehr", antwortete er nach einer kurzen Pause gereizt. Er hatte mit ihr gesprochen, das stand für Tiffany nun fest. Sicherlich hatte sie ihn in dem bestärkt, was er ohnehin glaubte: dass man, wenn man mit einer Jungfrau schläft, sie hinterher auch heiraten muss. Gleichgültig, wie unglücklich die Ehe wird. Nun, sie, Tiffany, würde dabei nicht mitspielen. Ihre eigene Mutter hatte richtig gehandelt, als sie aus Geoffreys Leben verschwunden war. Was sie geschafft hatte, schaffte sie, Tiffany auch. Entschlossen stand sie auf. "Es ist auch unwichtig." Sie sah ihm nicht in die Augen. "Ich werde dich jedenfalls nicht heiraten. Niemals." "Und warum bist du dann mit mir ausgegangen?" fragte er sanft. Sie durfte nicht zögern, sonst erriet er, dass sie ihn anlügen wollte. "Weil ich verrückt nach dir bin." Ihre Stimme klang gepresst. "Wenn du willst, kannst du mich als deine Geliebte haben, aber nicht als deine Frau." Es trat eine Stille ein, wie sie Erdbeben vorausgeht. Tiffany verschränkte die Hände vor den Brüsten, senkte den Kopf und wartete auf Eliots Antwort wie auf einen tödlichen Schla g.
Plötzlich sprang Eliot auf, packte sie an den Schultern und zog Tiffany zu sich herum. Er sah aus, als hätte er sie am liebsten umgebracht. Sein Gesicht wirkte so angespannt, dass die Wangenknochen deutlich hervortraten. "Sag das noch einmal!" stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Sag es mir ins Gesicht." Sein Verhalten jagte ihr Angst ein, doch Tiffany konnte jetzt nicht mehr zurück, "Du hast es schon verstanden", antwortete sie kaum hörbar. "Sag es!" Er umklammerte ihre Schultern fester. Vor Schmerz zuckte Tiffany zusammen. "Ich werde mit dir schlafen, wenn du das möchtest, aber heiraten werde ich dich nicht." "Dann sollst du bekommen, was du dir wünschst." Eliot zog sie an sich und küsste sie so hart auf den Mund, dass ihr Kopf weit nach hinten gebogen wurde. Dann löste er sich einen Moment von ihr, lächelte sie böse an und biss sie in die Unterlippe, gerade so fest, dass es ein bisschen weh tat. Als Tiffany leise aufschrie, küsste er sie auf den Hals. "Als meine Frau hättest du Anspruch auf Rücksichtnahme und Respekt, Tiffany. Als meine Geliebte nicht. Willst du es dir noch einmal überlegen?" Diesmal würde er sie verletzen, und zwar mit Absicht. Tiffany wusste längst, dass sich unter seinem beherrschten Äußeren ein Hang zur Grausamkeit verbarg. Heute nacht würde sie diese Grausamkeit zu spüren bekommen. Ihre Weigerung, ihn zu heiraten, hatte ihn in seinem Stolz getroffen, und das würde er Tiffany büssen lassen. Trotzdem stand ihr Entschluss fest. Als seine Frau hätte sie noch viel mehr zu leiden als so. "Nein." "Dann nicht." Er ließ sie los. Verwirrt sah sie zu ihm auf. Er hatte seinen Zorn schon wieder unter Kontrolle. Sein Gesicht wirkte maskenhaft starr. "Ab nach oben." Mit dem Kopf deutete er zur Treppe. "Sofort?" Spöttisch hob Eliot die Augenbrauen. "Sofort. Eine Mätresse hat zu gehorchen, und sie muss jederzeit für ihren Liebhaber bereit sein." Tiffany ging vor ihm die Treppe hinauf und ins Schlafzimmer. Dort blieb sie stehen und drehte sich zu Eliot um. "Zieh dich aus", befahl er. Sie schluckte und öffnete mit bebenden Fingern den Reißverschluss ihres roten Partykleids. Eliot beobachtete sie scheinbar unbewegt, doch der Ausdruck in seinen Augen verriet ihn. Die Luft zwischen Eliot und Tiffany schien vor Spannung zu vibrieren. "Den Rest auch", sagte er rau, als Tiffany im Petticoat vor ihm stand. "Du brauchst dich nicht zu beeilen. Ich lasse mich gern auf die Folter spannen." Tiffany sah ihn an. Unnachgiebig erwiderte er ihren Blick. Eliot hatte sich wieder in den Mann verwandelt, vor dem sie sich zu Geoffreys Lebzeiten so gefürchtet hatte. Natürlich hätte sie protestieren sollen, doch sie brachte kein Wort hervor. Langsam zog sie den Petticoat aus, danach den fleischfarbenen BH. Dann senkte sie den Kopf, so dass die Locken ihr Gesicht verbargen, und streifte auch den Slip ab. Endlich stand sie nackt vor Eliot, das Kinn trotzig erhoben, die Hände zu Fäusten geballt. "Sehr hübsch", meinte er lässig. "Nur etwas steif. Du hast eben noch nicht viel Übung. Keine Angst, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du gut zugeritten sein." Die zynische Anspielung ließ sie zusammenzucken. Er trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Brust. "Und jetzt zieh mich aus." Das fiel Tiffany schwerer als alles andere. Wenn sie nicht an seinem unregelmäßigen Atem und den Schweißperlen auf seiner Stirn gemerkt hätte, dass er sie trotz allem begehrte, hätte sie es nicht über sich gebracht. "Leg dich ins Bett." Steif und furchtsam streckte sie sich dort aus. Sie hatte erwartet, dass er sie sofort gewaltsam nehmen würde. Statt dessen legte er sich eine Zeitlang still neben sie und atmete tief durch, als könnte er seine Gefühle nur mit größter Mühe beherrschen. Schließlich drehte
er sich auf die Seite und strich ganz sanft vom Nacken bis zu den Oberschenkeln über Tiffanys Körper. "Der Himmel weiß, warum du solche Macht über mich hast", sagte Eliot so stockend, dass sie den Kopf drehte und Eliot anschaute. Die Nachttischlampe brannte. In ihrem Licht wirkten seine Gesichtszüge hart und streng, um den Mund lag ein freudloses Lächeln. Langsam beugte Eliot sich über Tiffanys Brüste und nahm eine der Spitzen zwischen seine wannen, feuchten Lippen. Tiffany stöhnte auf und bog sich ihm entgegen. Er ließ eine Hand zu der empfindlichen Stelle zwischen ihren Oberschenkeln gleiten, und unter seinen Fingern erwachte Tiffanys Körper zum Leben. Ein unerträglich süßer Schmerz ergriff von ihr Besitz, und sie merkte nicht einmal mehr, dass sie immer noch stöhnte. Als Eliot Tiffany viele Stunden später verließ, blieb sie erschöpft liegen, sah zur Zimmerdecke hinauf und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Warum nur konnte dieser Mann ihr, Tiffany, jeden eigenen Willen rauben, so dass sie selbst dann noch vor Leidenschaft verging, wenn er sie niederträchtig behandelte? Eliot hatte ihr keinen Schmerz zugefügt. Im Gegenteil, Eliot hatte alles getan, um ihr Lust zu bereiten, bis sie nur noch die zärtliche Berührung seiner Hände und Lippen und seine sanfte, lockende Stimme wahrgenommen hatte. Außer sich vor Verlangen, hatte sie sich an ihn geschmiegt, mit bebenden Händen seinen schweißnassen Körper gestreichelt und vertrauensvoll jeden der Wünsche Eliots erfüllt. Wenn sie jetzt daran zurückdachte, wand sie sich innerlich vor Entsetzen. Er hatte keinen Augenblick lang die Kontrolle über sich verloren. Nicht einmal, als sie gemeinsam den erlösenden Höhepunkt erreichten und Tiffany laut Eliots Namen gerufen hatte. Er hatte nur leise gelacht, sie eine Weile schlafen lassen und dann zärtlich geweckt. Beim zweiten Liebesspiel war er noch sanfter zu ihr gewesen, bis sie ihren Gefühlen wieder völlig ausgeliefert war. Während er sich erneut in der Gewalt behielt. Danach hatte er Tiffany in den Armen gehalten, bis sie wieder eingeschlafen war Erst in den frühen Morgenstunden war er gegangen. Jetzt lag sie also allein in dem großen Bett und weinte, obwohl sie wusste, dass das nichts half. Eine Zeitlang wälzte sie sich unruhig von einer Seite auf die andere, leise schluchzend stand sie schließlich auf, duschte und zog sich an. Danach ging sie nach unten, um Jess zu versorgen. Draußen wehte ein kalter Ostwind und trug den Duft der stürmischen See in die Stadt. Sogar Jess gefiel das Wetter nicht. Sie blieb an der Haustür sitzen, schnupperte und zuckte mit den Ohren. "Komm, das tut uns beiden gut", redete Tiffany ihr aufmunternd zu, nahm sie an die Leine und zog den Mantel enger um sich. Merkwürdig, wie das normale Leben weiterging, auch wenn man sich noch so unglücklich fühlte. Die Bäume im Park beugten die kahlen Äste im Wind, und das Gras war tropfnass. Dafür duftete alles frisch. Normalerweise spielte Tiffany mit Jess Ball, um ihr Bewegung zu verschaffen, doch heute war das überflüssig. Die Hündin lief nun begeistert auf dem Rasen umher, die Nase wenige Zentimeter über dem Boden. Tiffany vergrub die Hände in den Manteltaschen, sah dem Tier zu und versuchte, wenigsten für kurze Zeit ihre Sorgen zu vergessen. Das war nicht einfach. Letzte Nacht hatte sie wieder nicht einmal daran gedacht, dass sie schwanger werden könnte. Jetzt ließ sich diese Furcht nicht länger verdrängen. "Ich muss zum Arzt gehen", sagte Tiffany leise vor sich hin. Nicht zu dem, der sie während ihrer Krankheit behandelt hatte, denn das war Eliots Arzt gewesen. Am besten fragte sie Mrs. Crowe, ob sie ihr jemand empfehlen konnte. "Dr. Fischer", erwiderte Mrs. Crowe dann auf die Frage prompt. "Er ist sehr nett und gerade so alt, dass man sich nicht mehr vor ihm geniert. Seine Praxis liegt in der Einkaufsstrasse." Fragend betrachtete sie Tiffanys Gesicht, das vom Wind und vor Scham gerötet war.
"Sind Sie auch wieder ganz gesund, meine Liebe? Sie arbeiten doch hoffentlich nicht zuviel?" Tiffany lächelte verlegen. "Nein, keine Angst." Trotzdem setzte sie sich gleich nach ihrer Rückkehr an die Nähmaschine und arbeitete, bis der Kopf zu schmerzen begann. Schließlich musste Tiffany ihre Aufträge pünktlich erfüllen, wenn sie nicht als unzuverlässig gelten wollte. Kurz vor Mittag rief sie in der Arztpraxis an und ließ sich einen Termin geben. Nachdem sie aufgelegt hatte, drehten sich ihre Gedanken wieder um Eliot. Er hatte ihr beim Abschied nichts versprochen. Vielleicht sah sie ihn nie wieder. Aber wenn er ihr Angebot annehmen sollte und sie nichts unternahm, würde sie früher oder später bestimmt schwanger werden. "Oh, Himmel!" flüsterte sie niedergeschlagen. Das war also aus ihren hohen Idealen geworden. Sie hatte sie für einen Mann über Bord geworfen, der nichts als Verlangen und Abneigung für sie empfand. Während sie ihr Leben für ihn geopfert hätte. Während sie noch in Gedanken versunken neben dem Telefon stand, begann es zu läuten. Eliot war am Apparat. "Mit wem hast du gesprochen?" fragte er kurz angebunden. Tiffany schluckte. "Mit einem Geschäft... wegen einer Lieferung ." Sie konnte ihm einfach nicht von dem Termin beim Arzt erzählen. "Arbeite nicht zu hart. Du bist immer noch nicht völlig gesund." Wirklich nicht? Und warum hatte er sie dann letzte Nacht bis zur Erschöpfung geliebt? Im Grunde wusste Tiffany es jedoch. Genau wie sie hatte er seine Leidenschaft einfach nicht unterdrücken können. "Ich muss heute nachmittag verreisen", fuhr er nach einer kurzen Pause fort. "Wann ich zurückkomme, kann ich noch nicht genau sagen. Spätestens in einer Woche. Ich melde mich, wenn ich wieder da bin." Noch nie hatte Tiffany sich so verlassen gefühlt. Sie musste husten, damit sie Überhaupt ein Wort herausbrachte. "Ach so. Dann gute Reise." "Danke." Es klang, als wäre er jetzt schon unerreichbar weit von ihr entfernt. "Pass auf dich auf, Tiffany. Soll ich dir etwas mitbringen?" Das letzte sagte er so höhnisch, dass sie sich stolz aufrichtete. "Nein, danke. Ich möchte nur dich." "Oh, mich bekommst du." Er lachte leise. "Bis nächste Woche." Bevor sie sich richtig verabschieden konnte, hatte er aufgelegt. Ohne Eliot kam Tiffany ihr Leben erschreckend leer vor. Nur wenn sie arbeitete, konnte sie ihre Sehnsucht zeitweise vergessen, deshalb nähte sie jeden Tag von morgens bis spät am Abend. Nachts träumte sie von Eliot, doch jetzt handelten die Träume nicht mehr von Erotik und Leidenschaft, sondern von Trennung, Einsamkeit und Angst. Wenn Tiffany morgens erwachte, fühlte sie sich, als wäre ein Teil von ihr gestorben. Allmählich wurde ihr klar, was sie angerichtet hatte. Sie hatte ihre Liebe verraten. Statt Eliot zu heiraten und darauf zu hoffen, dass seine Gefühle für sie sich eines Tages ändern würden, hatte sie versucht, aus ihrer Liebe etwas Kleineres, weniger Wichtiges zu machen: rein körperliches Verlangen. Damit hatte sie jede Chance auf eine bessere Zukunft verspielt. Sicherlich würde sie, Tiffany, noch viele leidenschaftliche Nächte mit ihm erleben, doch früher oder später wurde er sie verlassen, und dann würde sie für immer ohne ihn auskommen müssen. Seufzend stützte Tiffany den Kopf auf die Hände. "Komm zurück zu mir, Geliebter", flüsterte sie. Am Samstagvornittag, zehn Tage nach Eliots Abreise, hielt sein Lotus wieder vor dem Haus. Tiffany wollte gerade mit Jess ausge hen. Als Tiffany Eliot erblickte, verharrte sie wie erstarrt vor der Haustür. Er trug ein blau-braun kariertes Freizeithemd und eine enggeschnittene Hose. Sein Haar glänzte in der Sonne. In der lässigen Kleidung wirkte er jünger und unbeschwerter, als Tiffany ihn je erlebt hatte.
Nachdem er Jess begrüßt hatte, richtete er sich auf und trat auf Tiffany zu. Forschend betrachtete er ihr Gesicht. "Du hast zuviel gearbeitet", sagte er leise, beugte sich vor und küsste sie. Einen Moment stand sie noch reglos da, dann schmiegte sie sich an Eliot, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Zum Glück merkte er es nicht. Langsam hob er den Kopf. "Es wird Zeit, dass Jess Kühe zu sehen bekommt", meinte Eliot. "Corgis sind ursprünglich zum Viehtreiben gezüchtet worden. Komm, wir fahren aufs Land. Schnell, mach dich fertig." "Muss ich mich umziehen?" Tiffanys Stimme klang heiser. "Nein, was du anhast, ist genau richtig. Hast du Gummistiefel?" "Ja". "Gut, nimm sie mit. Und alles, was du sonst noch brauc hst. Wir kommen erst nach dem Abendessen zurück." Tiffany drehte nur ein wenig den Kopf und küsste Eliot auf den Hals. "Wenn wir essen gehen, muss ich mich doch umziehen." "Wenn du nicht gleich verschwindest, hast du bald überhaupt nichts mehr an." Trotzdem legte er ihr die Hand auf den Hinterkopf und hielt Tiffany fest. Sie küsste ihn noch einmal und berührte mit der Zungenspitze seine glatte Haut, konnte nicht genug von ihm bekommen. "Hast du mich vermisst?" fragte er rau. "Hmm ..." Tiffany seufzte sehnsuchtsvoll. Lachend ließ er sie los, schob sie zur Tür und gab Tiffany einen Klaps. "Versuch nicht, mich zu verzaubern, du kleine Hexe. Und nun los. Wir werden bei meinem Gutsverwalter und seiner Frau essen. Dafür musst du dich nicht schick machen." Also behielt Tiffany ihre Jeans an, tauschte die Bluse nur gegen einen Pullover aus. Anschließend lachte Tiffany sich im Spiegel an und räumte schnell noch den Nachttisch auf, denn nach der Rückkehr würde Eliot gewiss mit ihr hier heraufkommen... Es war ein wundervoller Tag. Im Hafen von Auckland waren Segler und Surfer unterwegs. Die bunten Segel leuchteten in der Sonne, und das Wasser glitzerte. Eliot und Tiffany fuhren über die Hafenbrücke, aus Auckland heraus und weiter durch eine bezaub ernde Landschaft nach Norden. Nach etwa einer Stunde bog Eliot in eine kleine Seitenstrasse ein, die sich in unglaublich schlechtem Zustand befand. Beim ersten Schlagloch schrie Tiffany unwillkürlich erschrocken auf. "Früher war es noch schlimmer", teilte Eliot ihr mit, während er den Wagen um eine gefährliche Kurve lenkte. "Im Grunde müsste die Strasse neu geteert werden, doch da sie höchstens zu einem halben Dutzend Häusern führt, wird es immer wieder aufgeschoben." "Wie man sieht." Er lachte, ohne den Blick von der schmalen, kurvenreichen Strasse abzuwenden. Bei keinem anderen Fahrer hätte Tiffany sich so sicher gefühlt. Selbst als sie dicht an einem Abgrund vorbeifuhren, blieb sie entspannt sitzen und betrachtete interessiert die Landschaft. Erst jetzt wurde Tiffany bewusst, dass sie in den letzten Monaten nicht aus der Stadt herausgekommen war. Es tat gut, endlich wieder offenes Land um sich zu haben, Schafe und Kühe zu sehen und die Schatten der Wolken auf den Hügeln zu beobachten. Als die beiden sich dem Ende der Strasse näherten, hörte das umzäunte Weideland auf, und sie fuhren zwischen niedrigen Teebäumen hindurch, die über und über mit kleinen weißen Blüten besät waren. Dazwischen lagen düstere, sumpfige Niederungen. "Das Gelände gehört mir", erklärte Eliot. "Schon lange?" "Seit etwa drei Jahren. Als ich die Farm gekauft habe, sah es überall so aus. Inzwischen hat sich einiges gebessert, aber es gibt noch viel zu tun." Sein Tonfall ließ sie aufhorchen. "Es macht dir Spass, nicht wahr?" fragte sie. "Ja."
"Mehr als die Arbeit als Rechtsanwalt?" Erst glaubte sie, Eliot wollte nicht antworten. Er schien jedoch nur über die Frage nachzudenken. "Ich glaube schon", sagte er schließlich. "Versteh mich nicht falsch. Ich liebe meine Arbeit. Ich finde es nur einfach noch befriedigender, ein Stück Land wieder fruchtbar zu machen. Deshalb bin ich noch lange kein Farmer. Die eigentliche Arbeit erledigt Dick Howard. Ich trage das nötige Geld und reichlich Ideen dazu bei. Der Plan is t vielleicht unsinnig, wenn man an die Lage auf dem Weltmarkt denkt, aber zum Überleben wird es schon reichen." Tiffany nickte. Wie oft hatte sie diese Worte im Haus ihres Stiefvaters zu hören bekommen! Wir werden schon überleben - das sagten die Leute auf dem Land seit uralten Zeiten, und sie hatten überlebt, während in den Städten Könige hingerichtet und Regierungen gestürzt wurden. Als sie um einen niedrigen Hügel bogen, sah Tiffany ein altes zweistöckiges Haus zwischen riesigen Makrokarpa-Bäumen. Ein Stück davon entfernt standen inmitten von Gärten zwei moderne Bungalows. "Da sind wir." Eliot deutete auf das alte Gebäude. "Das war einmal das Gutshaus. Es ist ziemlich heruntergekommen. Bisher habe ich es nur soweit instand setzen lassen, dass es nicht noch weiter verfällt." "Es ist wunderschön." "Das finde ich auch. Die Bäume müssen natürlich gefällt werden. Ich habe schon junge gepflanzt, in größerem Abstand vom Haus." "Das ist gut. Ich finde Makrokarpa-Bäume sowieso zu düster." "Sie nehmen dem Haus alles Licht. Wer immer sie gepflanzt hat, hatte offenbar keinen Funken Phantasie. Oder er konnte einfach nicht glauben, dass Bäume wirklich so groß werden." Das brachte Tiffany zum Lachen. Eliot nahm kurz ihre Hand und drückte sie. "Du hast die gleiche Art von Humor wie ich." Das überraschte ihn anscheinend. "Ich höre dich gern lachen. Es passiert nicht allzu oft." In seiner Gegenwart hatte Tiffany auch selten Grund dazu. Das sprach sie jedoch nicht aus. Sie hatte sich vorgenommen, diesen Tag mit Eliot aus vollem Herzen zu genießen. Am Tor wartete ein schmächtiger, O-beiniger Mann auf sie. Er lächelte die Besucher strahlend an, doch der Blick, den er Tiffany aus klugen grauen Augen zuwarf, war prüfend. "Das ist Dick Howard", stellte Eliot den Mann vor. "Ich habe dir ja gesagt, dass ich Tiffany Brandon mitbringen würde, Dick." Dick drückte ihr kräftig die Hand. "Meine Frau freut sich schon darauf, Sie kennenzulernen." Sie gingen zwischen blühenden Krokussen, Jonquillen und Osterglocken hindurch zu einem der Bungalows. Mrs. Howard begrüßte Eliot und Tiffany ebenfalls herzlich, wenn auch etwas zurückhaltender. Sie war größer als ihr Mann und hatte wunderschöne grüne Augen in einem ansonsten unscheinbaren Gesicht. Zu viert tranken sie auf der Terrasse hinter dem Bungalow Tee. Von hier hatte man einen weiten Blick über die grünen Hügel der Farm. Tiffany entspannte sich. Schmunzelnd sah sie einem winzigen Bantamhahn zu, der sich offenbar für den König des Gartens hielt. Sie merkte nicht, dass Eliot kaum den Blick von ihr abwandte und die Howards sie beide unauffällig beobachteten, während sie mit Eliot über die Farm sprachen. Die Terrasse war windgeschützt, und die Sonne wärmte, obwohl es noch Winter war. Weit über ihnen segelten am blauen Himmel Vögel im Wind. "Das sind doch Möwen", bemerkte Tiffany in einer Gesprächspause. "Sind wir denn so nah am Meer?"
"Tiffany stammt von der Südinsel", erklärte Eliot den Howards, "deshalb kennt sie sich hier noch nicht aus. Bis zur Küste sind es nur drei Kilometer, Tiffany. Die Farm reicht bis dorthin." Er stand auf und fasste sie an der Hand. "Komm, wir machen eine Rundfahrt." "Nein, warte, erst helfe ich Mrs. Howard beim Abwaschen." "Das ist nicht nötig", wehrte Mrs. Howard ab. "Eliot hat uns eine Spülmaschine gekauft. Außerdem wird Ihr Hund noch verrückt, wenn er nicht bald Auslauf bekommt." Das brachte alle zum Lachen, denn Jess saß wirklich zitternd vor Aufregung da und schnupperte ununterbrochen. Wenn Eliot sie nicht angeleint hätte, hätte sie sich längst auf den kleinen Hahn gestürzt. Für die Rundfahrt benutzten sie Dick Howards Landrover. Auf dem Farmgelände waren die Wege gut instand. Die meiste Zeit unterhielt Eliot sich mit Dick, und Tiffany mischte sich nur ab und zu ein. "Sie sind wohl auf einer Farm aufgewachsen?" fragte Dick nach einer ihrer Bemerkungen. Tiffany nickte. "Ja. Mein Vater hat eine Milchfarm auf der Südinsel." "Na, das Landleben ist überall gleich." Er blinzelte leicht. "Eliot hat manchmal etwas merkwürdige Vorstellungen davon, wie man eine Farm betreiben sollte, aber sie scheinen zu funktionieren." "Ich halte nichts von Ausbeutung", sagte Eliot, als Tiffany ihn fragend anschaute. "Was man der Erde wegnimmt, muss man ihr irgendwann zurückgeben." Danach verwickelte er Dick in ein Gespräch über Entwässerungssysteme, von dem Tiffany kaum ein Wort verstand. Auf dem Gipfel eines Hügels hielten sie an. "Von hier hat man den besten Blick", erklärte Dick. Sie stiegen aus, und Eliot hob Jess vo n der Ladefläche. "Wie gut gehorcht sie, wenn man sie ruft?" fragte er Tiffany. Sie zuckte die Schultern und sah lächelnd auf Jess herab, die ungeduldig an der Leine zerrte. "Im Park kommt sie sofort. Wie es hier wird, weiß ich nicht" "Probieren wir es." Er löste die Leine. Sofort stellte Jess die Ohren auf, senkte die Schnauze und rannte durch das niedrige Gras davon. Als Tiffany rief, kehrte sie sofort um, wenn auch nicht gerade begeistert. "Braves Mädchen", lobte Tiffany sie. "Und nun lauf wieder." Dick hatte wirklich einen hervorragenden Aussichtspunkt ausgesucht. Von dem Hügel hatte man einen ungehinderten Blick auf die saftigen grünen Weiden der Farm und das graugrüne Buschland in den verwilderten Bereichen. Hinter einer Pimenanpflanzung lag das Meer, und am Horizont entdeckte Tiffany die Umrisse von Bergen. "Oh, wie schön!" rief sie. Ihre Begeisterung schien Dick zu freuen. "Das dort drüben ist die CoromandeluHalbinsel." Er deutete auf die höchsten Gipfel. "Nördlich davon liegt die Great Barrier-Insel, und der winzige Punkt dazwischen ist die Cuvier- lnsel." Tiffany versuchte, sich eine Karte der Nordinsel vorzustellen. "Ja, ich weiß. Irgendwie hatte ich hier auf der Nordinsel aber keine Berge erwartet. Abgesehen von den Vulkanen im Landesinneren und dem Mount Egmont natürlich." "Ach, ihr aus dem Süden denkt immer, Berge gebe es nur bei euch", neckte Eliot sie. "Der Moehu auf der Coromandel-Halbinsel ist fast tausend Meter hoch." Sie lachte. "Das ist doch kein Berg! Bei uns sind die Berge über dreitausend Meter hoch." Dann wandte sie sich Dick zu und zog ihn wieder ins Gespräch. Es war ein wundervoller Tag. Grosse weiße Wolken zogen über den leuchtendblauen Himmel, die Lerchen sangen, und die Mutterschafe riefen nach ihren neugeborenen Lämmern. Die Sonne schien, und der Wind war gerade so stark, dass er erfrischte.
Wann immer die drei während ihrer weiteren Rundfahrt anhielten, rannte Jess wie aufgezogen über die Weiden. Nur einmal musste Eliot sie scharf zurückrufen, weil sie bellend auf eine Gruppe Übermütiger Hereford-Kalber zulief. "Du hast selbst gesagt, dass sie zum Viehtreiben gezüchtet worden ist", meinte Tiffany, als Jess widerwillig zu ihnen zurücktrottete. "Mein Vieh soll sie bitte in Ruhe lassen." Eliot bückte sich und streichelte der Hündin liebevoll den Kopf. Was für ein widersprüchlicher Mann er ist, dachte Tiffany. Grausam und freundlich, hart und sanft, absolut vertrauenswürdig und zugleich rücksichtslos. Und ich liebe ihn, genau wie er ist. Lächelnd sah sie auf seinen gesenkten Kopf hinab. Das Haar schimmerte mahagonifarben in der Sonne. Eliot richtete sich auf und begegnete Tiffanys Blick. Einen Moment sah Eliot ihr schweigend in die Augen, dann verzog er spöttisch den Mund, fasste Tiffany am Ellbogen und führte sie zum Landrover zurück. "Komm. Länger als zweieinhalb Stunden hält Dick es ohne Tee nicht aus."
9. KAPITEL
Als Tiffany und Eliot mit Dick Howard zurückkehrten, hatte Mrs. Howard eine üppige Teetafel für sie vorbereitet. Alle ließen sich den Tee und das Essen schmecken, und auch Jess kam nicht zu kurz. Anschließend schlug Eliot Tiffany vor, das alte Gutshaus zu besichtigen. "Ich habe zuviel gegessen", meinte Tiffany seufzend, während sie über den Rasen zwischen den Gebäuden gingen. "Was ist Mr. Howard für eine gute Köchin!" "Das stimmt", erwiderte Eliot kurz angebunden. Verstohlen sah Tiffany ihn von der Seite an. Wie immer, wenn sie allein in seiner Nähe war, erwachte schmerzliches Verlangen in Tiffany und ihr fiel ein, dass zu Hause ihr Bett auf sie und Eliot wartete. Sofort spürte sie, wie sie errötete. Um sich zu beruhigen, atmete sie mehrmals tief ein und versuchte, an etwas anderes zu denken. "Wie alt ist das Gutshaus?" erkundigte sie sich. "Etwa hundert Jahre, hat man Dick erzählt. Dafür ist es erstaunlich schlicht gebaut. Ich hätte es älter geschätzt." Zwei Stufen führten zu einer breiten, von Säulen gestützten Steinterrasse hinauf. Im Innern des Gebäude war es kalt und wegen der Bäume sehr dunkel. Trotzdem konnte Tiffany sich vorstellen, dass die großen, hohen Räume einmal sehr schön aussehen würden. "Hier muss noch viel gemacht werden." Schaudernd sah sie sich in der verkommenen Küche um. Eliot lächelte. "Ja, wirklich. Als ich das Haus besichtigt habe, flatterten bei jedem Windstoss die Stoffbespannungen an den Wänden. Wie würdest du es einrichten?" Fast hätte sie begeistert geantwortet, doch der Ausdruck in seinen Augen machte sie vorsichtig. Sie schüttelte den Kopf. "Wenn du dem Haus wirklich gerecht werden willst, solltest du einen Fachmann zu Rate ziehen." "Meinst du?" fragte Eliot unzufrieden. Sie hatte sich also nicht getäuscht. "Das Haus in der Stadt hast du inzwischen sehr schön eingerichtet." "Das war auch kinderleicht." "Verwendet nicht jede Frau gern viel Zeit und Geld auf ihr zukünftiges Heim?" Unwillig wollte sie zurückweichen. Eliot fasste sie an den Schultern und zog sie an sich. "Wenn wir erst Kinder haben, können wir ganz hier herziehen", fuhr er herausfordernd fort. "Die Strasse ist zwar schauderhaft, aber das lässt sich ändern. Es gibt hier ganz in der Nähe eine Schule. Kinder würden sich hier wohl fühlen." Tiffany blieb steif auf gerichtet stehen. "Das glaube ich gern. Wir werden aber keine Kinder haben." "Möchtest du keine?" Trotzig sah sie ihm in die Augen. "Nicht von dir." "Schade." Einen Moment presste er die Lippen zusammen, dann küsste er Tiffany leicht auf den Mund. "Die Entscheidung liegt natürlich bei dir. Meine Mutter wird zwar enttäuscht sein, aber schließlich geht es um unser Leben, nicht um ihrs. Wusste er nicht, wie sehr er sie mit diesen Andeutungen verletzte? "Ich werde dich nicht heiraten, Eliot." Er lachte, so dass sie seinen Atem warm auf den Lippen fühlte. "Und ob du mich heiraten wirst. Was glaubst du, wo ich die letzten Tage verbracht habe?" "Wo?" flüsterte sie. "Ich habe mich deinen Eltern vorgestellt." Tiffany erbleichte und hob flehend die Hand. "Nein!" "Doch", erwiderte er. "Wir haben uns ausgezeichnet verstanden. Dein Stiefvater war richtig gerührt, als ich bei ihm um deine Hand angehalten habe. Dass ich schon mit dir im
Bett war, habe ich ihm lieber nicht erzählt. Das hätte er mir wohl nicht so leicht verziehen. Obwohl er sicher auch der Meinung gewesen wäre, dass ich dich jetzt heiraten muss." "Was fällt dir ein? Ich könnte dich umbringen!" Sie holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Zufrieden beobachtete sie, wie Eliots Wange erst blass wurde und sich dann rötete. Er lächelte nur und sah Tiffany mit halbgeschlossenen Augen an. "Ich werde dich nicht heiraten", erklärte sie rau. "Niemals. Und wenn meine ganze Familie deinem Charme verfallen sein sollte. Wieso begreifst du das nicht endlich? Ich will dich nicht heiraten! Ich will nicht an dich gebunden sein, bis du meiner überdrüssig wirst und dich von mir scheiden lässt. Lieber sterbe ich!" "Wer redet von Scheidung?" Er umklammerte ihre Schultern so hart, dass es schmerzte. "Ich würde mich nie scheiden lassen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich nach wenigen Jahren schon genug von dir hätte. Du bist noch sehr unerfahren, Tiffany. Wahrscheinlich verstehst du deshalb nicht, was ich von dir will. Du sollst mir ganz gehören, mit Leib und Seele. Ich will, dass du in mir deinen Meister erkennst." So finster und entschlossen hatte sie ihn noch nie sprechen gehört. Entsetzt schüttelte sie den Kopf. "Nein. Das werde ich nicht zulassen." "Du kannst mich nicht aufhalten." Plötzlich ließ er sie los, trat ans Fenster und sah lange schweigend hinaus. Dann drehte er den Kopf halb zu ihr um, so dass sie sein Gesicht von der Seite sah. "Wenn du mich nicht heiratest", sagte er ruhig, fast beiläufig, "erzähle ich deinem Stiefvater, wie du gezeugt worden bist. Er ist sehr religiös, nicht wahr? Und sittenstreng, Sicher verabscheut er Lügen und Betrug." Tiffany zuckte zusammen und verbarg das Gesicht in den Händen. Sie hatte gedacht, sie habe genug durchgemacht, doch dies war schlimmer als alles, was er ihr bisher angetan hatte. Und es erreichte seinen Zweck. Wenn ihr Stiefvater erfuhr, dass seine Frau ihn bewusst getäuscht hatte, würde das die Ehe zerstören. Deshalb hatte die Mutter Geoffrey gebeten, seine wahre Beziehung zu ihr, Tiffany, geheimzuhalten. Eliot durfte seine Drohung nicht wahrmachen, sonst wurden nicht nur die Mutter, sondern auch der Stiefvater darunter zu leiden haben. Es war still im Zimmer, nur Tiffanys stoßweiser Atem war zu hören. "Also?" fragte Eliot müde, aber unnachgiebig. "Warum tust du das?" fragte sie. Er zuckte die Schultern. "Das weiß der Himmel. Glaubst du, mir gefällt es so? Ich würde viel lieber dein großzügiges Angebot annehmen, mich mit dir vergnügen, so lange es mir gefällt, und dich anschließend verlassen. Aber ich kann es einfach nicht." "Du willst eine Frau heiraten, obwohl sie dich hasst, nur weil du gern mit ihr ins Bett gehst?" Er ergriff ihre Hand und hob sie an die Lippen. "Nicht nur deswegen." Sanft biss er Tiffany in den Daumenballen. Sofort flackerte das Feuer in ihr wieder auf. "Das nennt man auch den Venushügel", erklärte Eliot, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet. "Merkst du, warum? Nein, ich möchte nicht nur sexuelle Gefälligkeiten von dir, Tiffany. Ich will dich, und zwar ganz." Es klang endgültig. Tiffany fröstelte und atmete seufzend aus. "Also gut." Für sie würde es ein Leben voll Demütigung und Schmerz werden. Eliot würde bestimmt nicht absichtlich grausam zu ihr sein. Vielleicht erlebte sie sogar glückliche Zeiten mit ihm. Trotzdem würde sie nie vergessen, dass er sie zwar leidenschaftlich begehrte, aber nicht liebte. "Lass es uns auf althergebrachte Weise besiegeln", schlug er ernst vor, als wüsste er, was dieser Schritt für sie bedeutete. Obwohl Eliot sie ganz sanft küsste, konnte Tiffany sich nicht entspannen. Sie spürte zu deutlich, wie eisern er sich beherrschen musste.
"Ach, was soll's", flüsterte er plötzlich, und sein Kuss wurde fordernd. Alle warmen und liebevollen Gefühle waren in ihr erstorben, doch die Leidenschaft war geblieben. Wie eine feurige Woge durchflutete sie ihren Körper, so dass Tiffany unter dem Kuss die Lippen Öffnete und sich sehnsüchtig an Eliot schmiegte. Die Augen hielt sie fest geschlossen, um den triumphierenden Ausdruck auf seinem Gesicht nicht sehen zu müssen. Eliot stöhnte auf, gab ihren Mund frei und küsste sie immer wieder auf den Hals und in den V-Ausschnitt ihres Pullovers. Außer sich vor Verlangen klammerte Tiffany sich an Eliot, und als er den Pullover hochschob, wehrte sie sich nicht. Eliot legte die Hände auf ihre Brüste, streichelte sie zärtlich und beobachtete, wie die Spitzen unter der Berührung hart wurden. "Du bist so schön", flüsterte er, "so wunderschön. Ich wünschte..." Tiffany zog seinen Kopf zu ihren Brüsten herab. Sie hatte längst alles um sich herum vergessen. Dies war es, wonach sie sich seit Tagen sehnte. Sie wollte ganz in diesen Gefühlen versinken und Eliots Mund auf der nackten Haut spüren, bis ihr, Tiffany, und Eliot das nicht mehr genügte und er ihren Hunger auf die einzig mögliche Art stillte. Hinterher würde sie es natürlich bereuen, aber erst mal würde sie für kurze Zeit in Eliots Armen Glück und Erfüllung finden. Als er den Kopf hob, legte sie ihm die Hand in den Nacken und versuchte, Eliot festzuhalten. Er fühlte sich heiß an, als hätte er Fieber. "Nicht hier", sagte er rau. "Nicht jetzt, Tiffany." "Doch." Sie küsste ihn auf den Hals, wie sie es von ihm gelernt hatte. "Doch, Eliot. Bitte." "Hier? Soll ich dich wirklich hier nehmen?" Er schüttelte sie. "Auf dem Fußboden, Tiffany?" Seine Worte und noch mehr sein gr immiger Tonfall zerstörte die erotische Spannung. Mit weit aufgerissenen Augen schaute Tiffany zu Eliot auf. Sie glaubte, Zorn und Verachtung auf seinem Gesicht zu lesen. Unwillkürlich hob sie die Hände, um sich dahinter zu verstecken. "Nein." Er zog ihre Arme beiseite. "Nicht hier, mein Liebling", fuhr er sanfter fort, "sosehr ich mich auch nach dir sehne. Lass uns warten. Sieh mich nicht so an, Tiffany. Bitte." "Wie sehe ich dich denn an?" fragte sie bitter. "Beschämt? Genauso fühle ich mich auch." Sie konzentrierte sich ganz darauf, ihren Pullover wieder zurechtzurücken. Ihr Körper schmerzte vor unerfülltem Verlangen, doch sie versuchte, nicht darauf zu achten. Eliot entfernte sich ein Stück von ihr und stopfte sein Hemd in den Hosenbund. Irgendwie war es herausgerutscht. Nicht gerutscht, dachte Tiffany angewidert. Ich habe es herausgezogen! Weil ich Eliots Rücken streicheln wollte. Er hatte sich wundervoll warm und glatt unter den Fingern angefühlt. Und als Eliot eine der Brustspitzen in den Mund nahm, hatte Tiffany die Hände zu Fäusten geballt, weil sie die Lust, die er in ihr weckte, fast nicht mehr ertragen hatte. Und das bei einem Mann, der nichts als seelenlose Begierde für sie empfand! Tiffany verachtete sich deswegen. Sie fühlte sich erschöpft und niedergeschlagen wie nie zuvor in ihrem Leben. Müde ließ sie die Schultern hängen und ging zur Tür. "Tiffany", sagte Eliot leise. Tiffany blieb stehen, und er kam zu ihr. Er legte ihr den Zeigefinger unters Kinn, hob es an und betrachtete lange forschend ihr Gesicht. "Ach, nichts", meinte Eliot dann, fasste sie am Ellbogen und begleitete sie hinaus. Als die beiden spät abends nach Auckland zurückgekehrt waren, kam Eliot nur kurz mit Tiffany ins Haus, um nachzusehen, ob alles rechtens war, küsste sie auf die Stirn und ging. Am nächsten Abend lud Eliots Mutter Tiffany und Eliot zum Abendessen ein.
Mrs. Buchanan war ebenso charmant wie ihr Sohn, aber lange nicht so furchteinflößend. Offensichtlich, erleichtert, dass ihr Sohn endlich heiraten wollte, sagte sie fröhlich zu Tiffany: "Ich möchte Enkelkinder haben." Nach dem Essen rief Eliot Tiffanys Eltern an, erzählte stolz und glücklich, alles wäre in bester Ordnung, als hätte Tiffany aus freien Stücken in die Hochzeit eingewilligt. Danach gab er den Hörer an Tiffany weiter, blieb neben ihr stehen und legte ihr den Arm um die Schultern. "Wir freuen uns ja so für dich, mein Liebling", sagte Marie aufgeregt. "Wir mögen ihn alle, und John und Peter beten ihn geradezu an." Tiffany zwang sich zu lachen und scheinbar unbeschwert mit ihrer Mutter zu plaudern. Marie sollte nicht merken, wie sehr ihre Tochter sich verändert hatte. "Ihr werdet euch wohl nicht hier trauen lassen", meinte Marie sehnsüchtig. "Ich ... ich glaube nicht..." Tiffany wollte nicht auch noch ihre warmherzigen Eltern an dieser Farce teilhaben lassen. Bevor Tiffany weitersprechen konnte, nahm Eliot ihr den Hörer wieder ab. Aber natürlich würden sie die Hochzeit in Tiffanys Elternhaus feiern, antwortete Eliot an ihrer Stelle. In kleinem Kreis, denn er habe nur wenige Angehörige. Gelassen und zuversichtlich unterhielt er sich mit Marie über die Einzelheiten, und als er Tiffany den Hörer wiedergab, war schon ihr Stiefvater am Apparat und wünschte ihr ruhig alles Gute. Dann sprach sie noch kurz mit ihren Halbbrüdern, ließ sich ein wenig von ihnen necken und legte auf. Und fing an zu weinen. Sie konnte die Tränen einfach nicht zurückhalten, sosehr sie sich auch vor Eliots Mutter schämte. Tiffany war so elend zumute, dass sie am liebsten gestorben wäre. Eliot drückte sie tröstend an sich und gab ihr sein Taschentuch. "Armes Kind", sagte Mrs. Buchanan mitfühlend, "das Ganze war wohl zuviel für dich, und sicher sehnst du dich auch nach deinen Eltern. Du brauchst sie nicht so festzuhalten, Eliot. Sie wird sich nicht gleich in Luft auflösen. Hol ihr lieber ein Glas Brandy." "Brandy mag sie nicht." "Dann einen Sherry oder sonst etwas", entgegnete seine Mutter. "Nun mach schon, Eliot. Sie muss etwas zur Stärkung trinken." Eliot ließ Tiffany los, dafür legte seine Mutter ihr sanft den Arm um die Schultern und führte sie zur Couch. Tiffany schluckte, putzte sich die Nase und wischte sich die Tränen ab. "Das kommt von der Aufregung", behauptete Mrs. Buchanan. Ihr Tonfall erinnerte Tiffany so an den ihrer eigenen Mutter, dass sie erst lachen, dann wieder schluchzen musste und schließlich einen Hustenanfall bekam. Mrs. Buchanan klopfte ihr auf den Rücken, und Eliot hielt Tiffany ein Glas mit Whiskey hin und befahl ihr, es auszutrinken. Der Whiskey schmeckte zwar ekelhaft, half Tiffany aber, sich zu entspannen. Wenige Minuten später begann sie zu gähnen. "Du kannst gern hier schlafen", sagte Eliots Mutter. "O nein, vielen Dank. Ich möchte Jess nicht über Nacht allein lassen." "Gut, dann wird Eliot dich jetzt nach Hause fahren." Mrs. Buchanan lächelte Tiffany voll Zuneigung an und wandte sich danach Eliot zu. "Sorg dafür, dass sie nicht zu lange aufbleibt. Sie braucht Schlaf. Sie hat ganz dunkle Ringe unter den Augen." "Das kommt von der Aufregung", ahmte er spöttisch seine Mutter nach, doch als er Tiffany anschaute, wurde seine Miene düster. Wieder sah er dann kurz im Haus nach dem Rechten, bevor er sich verabschiedete. Diesmal küsste er Tiffany nicht nur flüchtig, sondern wild und leidenschaftlich, schien sich und ihr beweisen zu wollen, welche Macht er über sie besaß. Und wieder konnte Tiffany ihm nicht widerstehen. Am liebsten hätte sie ihm gestanden, dass er den Kampf zwischen ihnen
längst gewonnen hatte. Doch das wagte sie nicht. Wenn er erst wusste, dass sie ihn liebte, würde sie ihm endgültig ausgeliefert sein. "Schlaf gut", flüsterte er heiser. Langsam ließ er die Hände abwärts bis zu ihren Hüften gleiten und drückte Tiffany an sich, damit sie spürte, wie sehr er sie begehrte. "Dafür würde ich alles tun. Willst du mich auch, Tiffany?" Sie erbebte, antwortete aber nicht. Eliot lachte. "Du bist ein Feigling, mein Schatz. Eines Tages wirst du mir sagen, wie sehr du mich begehrst, immer wieder, bis ich es nicht mehr hören mag." Er küsste sie noch einmal und ging. Die nächsten Tage vergingen für Ttffany wie im Traum. Alle Entscheidungen überließ sie Eliot. Die Hochzeit würde in einem Monat stattfinden, und eine Woche vorhe r sollte Tiffany nach Hause fliegen. Obwohl sie keine dringenden Aufträge zu erledigen hatte, verbrachte sie jede freie Minute an der Nähmaschine, weil so keine Zeit zum Grübeln blieb. Mrs. Buchanan half Tiffany, ihre Aussteuer und ein Hochzeitskleid zu kaufen. Anfangs war Tiffany entsetzt darüber, wieviel Geld sie für Kleidung ausgegeben sollte, doch Mrs. Buchanan wies sie sanft zurecht. "Obwohl Eliot nicht besonders gern ausgeht, hat er viele soziale Verpflichtungen. Du musst auf alles vorbereitet sein, vom Morgenempfang bis zum festlichen Ball." "Morgenempfang?" wiederholte Tiffany erschrocken. Mrs. Buchanan lachte. "Na, ganz so schlimm wird es nicht werden. Trotzdem solltest du nicht an der Garderobe sparen, meine Liebe. Du hast eine hübsche Figur. Eliot sieht dich bestimmt gern in schicken Kleidern. Er möchte stolz auf dich sein können, so wie du auf ihn." Nach kurzem Zögern setzte sie hinzu: "Eliot gilt als gute Partie. Es waren schon viele Frauen hinter ihm her, und manche werden es auch nach der Hochzeit weiter versuchen." Das war im Moment Tiffanys geringste Sorge. "Einige von ihnen wirst du morgen abend kennenlernen", fuhr Mrs. Buchanan fort. "Sie haben Eliot schon als Kinder gekannt, und ich bin mit ihren Eltern befreundet, deshalb konnte ich sie nicht übergehen." Am nächsten Abend sollte die Verlobungsparty stattfinden. Anfangs hatte Eliot nur wenige gute Freunde dazu einladen wollen, doch irgendwie war die Gästeliste immer länger geworden. Normalerweise hätte es Tiffany nervös gemacht, dass sie so vielen seiner Bekannten vorgestellt werden sollte. Sie hatte sich innerlich jedoch so weit von der Welt zurückgezogen, dass es ihr kaum etwas ausmachte. Was sie tragen würde, wusste sie schon: ein neues Seidenkleid im gleichen Goldton wie die winzigen Flecken in ihren Augen. Nicht einmal der Gedanke an Eliots Exfreundinnen beunruhigte sie. Das war auch gut so, denn eine der ersten, die am nächsten Abend im Haus der Buchanans ankamen, war Ella Sheridan. Sie begrüßte Tiffany so flüchtig, dass es fast unhöflich war, legte Eliot die Arme um den Nacken und küsste ihn herzlich auf den Mund. "Du siehst müde aus, Liebling", sagte sie lässig und sah Tiffany an, um zu sehen, wie sie reagierte. "Oder hast du Sorgen?" Er lächelte Ella an. "Weder noch, Ella. Und nun benimm dich, sonst denkt Tiffany, du hättest überhaupt keine Manieren." "Meine Manieren haben mich noch nie an etwas gehindert." Sie wandte sich ab und ging davon, wobei sie herausfordernd die Hüften schwang. Ihr Kleid zog viele Blicke auf sich. Es war leuchtend rot, schmiegte sich eng an den schlanken Körper und ließ eine Schulter frei. "Tu wenigstens so, als wärst du eifersüchtig", flüsterte Eliot Tiffany ins Ohr. "Sie beobachten uns nämlich." Tiffany verzog die Lippen. "Soll ich mich an deinen Arm klammern und jede Frau unter Vierzig anfunkeln, wenn sie mit dir spricht? Ich fürchte, das liegt mir nicht." "Du lügst. Du weißt einfach, dass mir alle Frauen außer dir gleichgültig sind. Nur deshalb lässt Ella dich kalt."
Schweigend sahen sie sich in die Augen. Einen Moment lang schien alles um sie herum zu versinken, sie spürten nur noch die Kraft, die sie aneinander band. Dann trat Mrs. Buchanan zu ihnen, und der Zauber war gebrochen. Kurz darauf kamen Geoffreys Tochter Diane March, ihr Ehemann und ihr Bruder Colin an. Tiffany merkte, dass die anderen Gäste sie und die Neuankömmlinge neugierig beobachteten. Sie alle wussten vermutlich, dass Geoffrey Upcott vor seinem Tod oft mit Tiffany zusammengewesen war. Diane und Colin benahmen sich jedoch vorbildlich, und Eliot unterhielt sich so ungezwungen mit ihnen, als wäre an der Situation nichts Ungewöhnliches. Was sind wir für Heuchler, dachte Tifiany später am Abend, während sie mit Eliot tanzte. Wir alle verstecken uns hinter Masken, und nur wenn wir für einige Momente die Beherrschung verlieren, zeigt sich, was wirklich in uns vorgeht. Nachdenklich betrachtete sie ihre schmale Hand, die auf Eliots Schulter lag. Der Diamant an dem Verlobungsring funkelte. Durch den dunklen Stoff des Anzugs spürte Tiffany Eliots Wärme. Merkwürdig, einerseits war er es, der sie vor Leuten wie Ella und Diane March beschützte, andererseits war sie überhaupt nur in diese Lage geraten, weil er sie erpresst hatte. Wie konnte ein Mann so stark und unangreifbar sein und sich trotzdem von seiner Leidenschaft beherrschen lassen? Wenn Tiffany früher von der Liebe geträumt hatte, dann hatte sie sich immer etwas Sanftes und Wärmendes darunter vorgestellt. Jetzt hatte sie sich verliebt, und es brachte ihr nichts als Schmerz, denn ihre Liebe wurde nicht erwidert. "Du bist sehr still", bemerkte Eliot leise. "Die anderen werden noch denken, wir hätten uns zum erstenmal gestritten." "Dabei wäre es längst nicht mehr das erste Mal." Sie hatte ganz vergessen, dass sie und Eliot im Mittelpunkt des Interesses standen. "Findest du? Mir kommen unsere ständigen Auseinandersetzungen mehr wie ein endloser Wettkampf vor, bei dem nie jemand gewinnt." "Am Ende hast du doch gewonnen", erwiderte sie ein wenig bitter. "Ich? Nein, wenn einer Sieger ist, dann du." Verwirrt sah sie zum ihm auf. "Unsinn. Du hast erreicht, was du wolltest." "Weil du mich heiraten wirst, ohne es zu wollen?" Tiffany errötete. "Ich verstehe. Es wäre natürlich noch schöner für dich, wenn ich freudig zugestimmt hätte. Tut mir leid. Selbst du kannst nicht alles haben." "So habe ich es eigentlich nicht gemeint." Er lächelte freudlos und lenkte sie geschickt um einen seiner alten Freunde herum, der offenbar zuviel Champagner getrunken hatte und jetzt beweisen wollte, wie gut er tanzen konnte. "Wir reden besser ein andermal darüber." "Es gibt nichts zu bereden." "Da hast du auch wieder recht", stimmte er höflich zu. "Wie heißt es so schön? Wie man sich bettet, so liegt man. Mir gefällt diese Situation auch nicht, aber ich werde das Beste daraus machen." "Typisch Rechtsanwalt." Es war eine offene Herausforderung, und die Rache folgte sofort. Eliot beugte sich über Tiffany und küsste sie, bis sie sich unwillkürlich an ihn schmiegte und sich nur zögernd wieder von ihm löste. Jemand pfiff, andere Leute klatschten oder riefen Eliot Scherze zu, auf die er selbstsicher wie immer antwortete. "Ich kann dich nicht ausstehen", erklärte sie wütend, während sie ihn zugleich anlächelte. "Ich weiß. Schade, ich mag dich nämlich gern. Aber das ist nicht so wichtig, denn uns hat etwas ganz anderes zusammengeführt." "Lust", meinte sie verächtlich. "Genau. Abgesehen von Hunger und Durst ist das der Trieb, der die Menschen am meisten beherrscht. Wenn du mir nicht begegnet wärst, hättest du wahrscheinlich irgendeinen
netten jungen Mann geheiratet, dreimal pro Woche mit ihm deine eheliche Pflicht erfüllt und dich gefragt, warum soviel Theater um Sex gemacht wird. Wäre dir das lieber gewesen?" "Wenigstens hätte ich dann selbst bestimmt, wie ich leben will. Jeder Mensch hat das Recht, seine eigenen Entscheidungen zu treffen." Ihr Tonfall wurde hitzig, sosehr sie sich auch zu beherrschen versuchte. "Du hast mir dieses Recht genommen." "Glaubst du, ich hätte mir das ausgesucht?" "Du hattest zumindest die Wahl", beharrte sie. Unerwartet warf er den Kopf zurück und lachte, als hätte sie etwas besonders Lustiges gesagt. Niemand außer Tiffany merkte, wie bitter dieses Lachen klang. "Da irrst du dich, mein liebster Schatz. Leidenschaft nimmt einem die Wahl, sie raubt einem die Willenskraft, die man für jede Entscheidung braucht. Ich weiß, du verachtest mich, Tiffany, aber nicht so, wie ich mich selbst verachte." Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen. Er litt unter diesem Zustand genau wie sie. Für ihn war sein Verlangen nach ihr eine Schwäche, und weil sie der Grund für diese Schwäche war, hasste er sie. Traurig seufzte Tiffany auf. Sofort drückte Eliot sie fester an sich. "Entspann dich, Tiffany. Es hat keinen Zweck, dagegen anzukämpfen. Das müsstest du inzwischen eigentlich wissen. Wir haben uns viel. .. Wir könnten uns viel geben, wenn du es nur zulassen würdest." "Ich wünschte ..." fing sie an, sprach aber nicht zu Ende. Was sollte sie sich auch wünschen? Seine Liebe würde sie doch nie erlangen. Eliot legte ihr die Hand unters Kinn und hob es an. "Mach nicht ein solches Gesicht, sonst denken die Leute noch, ich hätte dich geschlagen." "Seit wann kümmert es dich, was die Leute von dir denken?" "Das ist mir völlig gleichgültig. Sonst würde ich kaum eine Frau heiraten, die die meisten meiner Bekannten für die Exgeliebte meines Onkels halten. Aber wenn es so aussieht, als würde ich die Schwachen und Hilflosen unterdrücken, statt ihnen beizustehen, ist es um meinen guten Ruf als Anwalt geschehen." Er wollte sie zum Lächeln bringen, und das gelang ihm auch. Plötzlich fand sie ihn unglaublich sympathisch. Wieviele verschiedene Gefühle hatte er nicht schon in ihr geweckt! Liebe, Verlangen, Sympathie und Respekt - und Hass, Rachsucht, Verzweiflung und Wut. In gewisser Weise verstand sie, warum er so grausam zu ihr war. Ihretwegen hatte er etwas getan, das all seinen Idealen widersprach. Doch musste er sie deshalb zu einer Ehe zwingen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war? Früher oder später würde sein Verlangen nach ihr erlöschen, und dann ... Oder war es genau das, was er sich erhoffte? Dass er sie irgendwann einmal nicht mehr begehren und so seine Selbstachtung wiederfinden würde? Der Gedanke ließ Tiffany frösteln, und das Blut dröhnte ihr so laut in den Ohren, dass sie nichts anderes mehr wahrnahm. Endlich erkannte sie, in welche Falle sie fast gegangen wäre. Es war schlimm genug, dass er in ihr nur eine Art Spielzeug sah. Wenn selbst diese Verbindung zwischen ihnen abbrechen sollte, wenn er sie, Tiffany, eines Tages nur noch gleichgültig und gelangweilt anblicken sollte ... Lieber wurde sie sich umbringen. Sei nicht hysterisch, ermahnte sie sich streng. Glaubst du wirklich, dass Eliot dir das antun würde? Ängstlich und fragend sah sie zu ihm auf. Seine Miene war streng und arrogant wie immer, und der Ausdruck in seinen Augen düster und unnachgiebig zugleich. Als er Tiffanys Blick bemerkte, lächelte Eliot sie böse an, als wisse er genau, was in ihr vorging. Da wurde ihr klar, was sie zu tun hatte. Um drei Uhr morgens begleitete Mrs. Buchanan die letzten Partygäste zur Haustür. Anschließend kehrte sie gähnend zu Eliot und Tiffany zurück. "Das hat Spaß gemacht", meinte sie. Du siehst müde aus, Tiffany. Wir hätten es doch so planen sollen, dass du bei uns übernachtest."
"Sie hat es ja nicht weit bis nach Hause." Eliot küsste seine Mutter auf die Wange. "Ich danke dir." "Wofür? Du weißt doch, wie gern ich Partys feiere, und diese habe ich ganz besonders genossen. Ich habe lange genug darauf gewartet, dass du dich endlich verliebst." Forschend betrachtete sie Tiffanys blasses Gesicht. "Ich rufe dich morgen an, meine Liebe, dann können wir die letzten Fragen besprechen. Wann fliegst du ab?" "Nächsten Mittwoch", antwortete Eliot an Tiffanys Stelle. "Komm, Liebling. Du schläfst ja schon im Stehen." Er legte stützend den Arm um sie. Tiffany bedankte sich bei Mrs. Buchanan, lächelte ihr noch einmal zu und ließ sich zum Wagen bringen. Nachdem Eliot sich von Tiffany verabschiedet hatte, stieg sie müde die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Die Füße schmerzten, die Kehle fühlte sich wund an, und Tiffany spürte einen Druck auf der Brust, der ihr das Atmen schwermachte. Trotzdem schlief sie wie eine Tote. Erst gegen Morgen begann sie, sich unruhig von einer Seite auf die andere zu wälzen und im Schlaf leise zu stöhnen.
10. KAPITEL
Am nächsten Morgen hatte Tiffany rasende Kopfschmerzen und das sichere Gefühl, dass ihr etwas Furchtbares bevorstand. Auch nachdem sie mit Jess spazierengegangen war, fühlte Tiffany sich nicht viel besser. Nur die Kopfschmerzen hatten etwas nachgelassen. Als Eliot ankam, saß sie zusammengekauert im Sessel, trank Pfefferminztee und unterhielt sich mit Jess, die zu ihren Füssen lag und beunruhigt zu ihr aufschaute. "Du siehst halbtot aus", bemerkte Eliot, zog sie hoch und hielt sie auf Armeslänge von sich. Tiffany musste schlucken, bevor sie überhaupt ein Wort herausbrachte, und auch dann klang ihre Stimme dünn. "Ich werde dich nicht heiraten, Eliot." Einen Moment blieb er ganz still stehen. Dann runzelte er finster die Stirn. "Das haben wir doch oft genug besprochen. Du kleiner Dummkopf. Hast du die ganze Nacht nicht schlafen können, weil du mir das sagen wolltest?" "Ich werde dich nicht heiraten", wiederholte Tiffany fest und schwankte. Sofort stützte er sie. "Doch, das wirst du. Du bist müde und überdreht ..." "Behandle mich bitte nicht wie einen hysterischen Teenager", fuhr sie ihn an. "Dann benimm dich auch nicht so." Obwohl er spöttisch sprach und seine Miene ausdruckslos war, spürte Tiffany, dass er seine Gefühle nur mühsam beherrschen konnte. "Ich bin nicht hysterisch, im Gegenteil. Ich bin endlich zur Vernunft gekommen. Wenn du nicht begreifst, dass eine Ehe zwischen uns zur Katastrophe führen würde, dann muss ich eben für uns beide entscheiden. Ich werde nicht mit offenen Augen ins sichere Verderben laufen." Eliot lächelte herablassend. "Nun übertreib nicht, meine Süße. Ich werde dich nicht umbringen, das verspreche ich dir. "Mit dir verheiratet zu sein, wäre schlimmer als der Tod." "Du redest Unsinn, und das weißt du auch. “ Er richtete den Blick auf ihren Mund. Als Tiffany den verlange nden Ausdruck in Eliots Augen bemerkte, riss sie sich los und wich zurück. "Nein!" Er folgte ihr, zog sie an sich und küsste sie, bis sie jeden Widerstand aufgab. Erst als sie zu zittern begann, gab Eliot ihren Mund frei, fasste sie an den Huf ten und drückte sie an sich. "So", meinte er siegesgewiss. "Jetzt sag mir, dass du mich nicht willst." "Das habe ich nie behauptet." Sie nahm all ihre Kraft zusammen, öffnete die Augen und sah Eliot ins Gesicht. "Ich will dich so sehr, dass ich es kaum ertrage. Aber ich werde dich nicht heiraten." Schweigend erwiderte er ihren Blick. Was in Eliot vorging, konnte sie nicht erraten. Endlich ließ er sie los. "Erklär mir den Grund." "Das habe ich schon. Das einzige, was uns verbindet, ist der Sex. Darauf lässt sich nichts Dauerhaftes aufbauen. Du hast doch genug Affären hinter dir, um das zu wissen. Was soll aus uns werden, wenn du eines Tages genug von mir hast? Du hast gesagt, du würdest dich nicht scheiden lassen, aber glaubst du, ich würde unter diesen Umständen weiter mit dir zusammenleben wollen? Hältst du mich für eine Masochistin?" "Nein. Nur für eine dumme Frau. Ein dummes kleines Mädchen, genauer gesagt. Hast du daran gedacht, was du deiner Mutter mit deiner Entscheidung antust?" "Warum beantwortest du mir nicht meine Frage?" flüsterte sie. Seine kraftvollen Gesichtszüge wurden hart. Ich hatte recht, dachte sie. Er würde mich so tief verletzen, dass ich mich nie davon erholen würde. Mit bebenden Händen zog Tiffany den Ring, den er ihr geschenkt hatte, vom Finger und hielt ihn Eliot hin. "Ich werde dich nicht heiraten."
"Nach dem Motto: Was ich dreimal ausspreche, ist ganz bestimmt wahr?" fragte er, ohne sich zu rühren. "Ich meine es ernst." "Ja, das sehe ich." Er schaute kurz zur Treppe und wieder auf Tiffanys blasses Gesicht. "Ich könnte dich dazu bringen, deine Meinung zu ändern." "Nein." Sie schüttelte den Kopf und strich sich das Haar aus der schweißnassen Stirn. "Nein. Du könntest mich dazu bringen, dass ich vor Verlangen alles andere vergesse, aber an meinem Entschluss würde das nichts ändern." Endlich nahm er den Ring und drehte ihn zwischen den Fingern, so dass der Diamant im trüben Tageslicht aufblitzte. "Also gut. Dann gibt es nichts mehr zu sagen." Sie presste die Hände an die Brust. Tiffany hatte damit gerechnet, dass er sie mit Drohungen unter Druck setzen würde. Statt dessen schien er sich einfach mit ihrer Entscheidung abzufinden. Unsicher beobachtete Tiffany, wie er ruhig und geschmeidig zur Tür ging. Jess sprang um ihn herum, doch er wich ihr geschickt aus. "Du brauchst dir um deine Mutter keine Sorgen zu machen", erklärte er an der Haustür und öffnete sie. "Ich werde ihr Geheimnis nicht verraten." Tiffanys Herz klopfte so heftig, als wollte es jeden Augenblick zerspringen. Deshalb hörte sie auch nicht, was Eliot zu Jess sagte. Erst als er nach Tiffany rief und noch einmal rief, rannte sie los. Draußen quietschen Bremsen, Jess jaulte auf und verstummte. "Bleib wo du bist!" befahl Eliot Tiffany über die Schulter hinweg. Tiffany achtete nicht darauf. Sie erreichte das Auto kurz nach ihm. Die Fahrerin war schon ausgestiegen und beugte sich über das kleine Fellbündel, das neben dem Wagen auf der Strasse lag. "Zum Glück bin ganz langsam gefahren", meinte die Frau erschüttert. "Er ist doch hoffentlich nicht tot." Mit sicheren Bewegungen tastete Eliot Jess' bewegungslosen Körper ab. "Nein. Sie lebt. Wahrscheinlich sind ein paar Rippen gebrochen, mehr nicht." Er richtete sich auf. Erst jetzt merkte Tiffany, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. "Ruf bei Dr. Seaton an, Liebling", bat er sanft. "Er ist Tierarzt. Ich trage Jess ins Auto." Zwei Stunden später kehrten Eliot und Tiffany nach Hause zurück. Jess hatte offensichtlich Schmerzen, doch sie verhielt sich ruhig. Die Spritze, die der Tierarzt ihr gegeben hatte, wirkte noch. Da Jess sich möglichst wenig bewegen sollte, hatte er Tiffany einen Käfig für sie mitgegeben. Eliot legte Jess hinein und stellte den Käfig an die Glasschiebetür, so dass die Sonne daraufschien. "Man sollte sich nicht so stark an Haustiere binden", meinte Tiffany mit bebender Stimme. "Warum nicht? Sie ist ein so liebevolles, lebensfrohes Geschöpf. Du müsstest schon sehr hartherzig sein, um nicht viel für sie zu empfinden. Und du hast ein weiches Herz. Nicht wahr, Tiffany?" "Als ich den Wagen bremsen hörte ... Das war's, habe ich gedacht. Jetzt hast du selbst sie noch verloren." Sie war noch immer so erschüttert, dass sie kaum merkte, was sie damit alles verriet. "Ach, Jess ist zäh", antwortete Eliot jedoch nur ruhig. "Du brauchst dir keine Sorgen mehr um sie zu machen. Setz dich, ich koche dir Kaffee." Während er in der Küche beschäftigt war, blieb Tiffany still auf der Couch sitzen und schaute sich im Zimmer um. Allmählich beruhigte Tiffany sich. Als der Kaffee fertig war, sprach Eliot leise und freundlich mit ihr. Es tat ihr gut, seine Stimme zu hören, und der Kaffee erfrischte Tiffany. "Wie gut du die Menschen zu behandeln weißt", bemerkte sie schließlich. Er lächelte unerwartet sanft. "Das gehört zu meinem Beruf. Tiffany, warum hast du so plötzlich beschlossen, mich doch abzuweisen?"
"Weil mir klargeworden ist, dass deine Gefühle für mich sich früher oder später in Gleichgültigkeit und Hass verwandeln wurden", antwortete sie. Der Schock über Jess' Unfall hatte sie so erschöpft, dass sie keine Ausflüchte fand. "Das würde ich nicht ertragen." "Warum sollte das geschehen?" "Ist es denn nicht immer so? Nur wenn Mann und Frau sich von ganzem Herzen lieben, haben sie auch die Chance, miteinander glücklich zu werden. Selbst dann geht es nicht immer gut." Eliot hatte mit dem Rücken an die Schiebetür gelehnt. Jetzt richtete er sich auf. "Und?" fragte er leise. "Du kleiner Dummkopf, weißt du denn immer noch nicht, dass ich dich liebe? So sehr, dass ich es kaum ertrage? Dass ich dich von Anfang an geliebt habe?" Sprachlos schaute Tiffany ihn an. "Das glaube ich nicht!" stieß sie schließlich hervor. Er zuckte die Schultern. "Ich kann es auch kaum fassen. Trotzdem ist es die Wahrheit." Unsicher wandte sie den Blick von ihm ab. "Von Anfang an? Unmöglich. Du hast mich als kleine Schlampe bezeichnet." Er verzog das Gesicht. "Als hübsche kleine Schlampe, wenn ich mich recht erinnere. Selbst da habe ich dich schon gewollt, mehr als alles andere auf der Welt." "Warum? Ich bin ganz anders als die Frauen, mit denen du bisher zusammen warst." "Vielleicht liebe ich dich gerade deshalb." Er kam auf sie zu und setzte sich neben sie, ohne sie zu berühren. "Meine früheren Geliebten waren alle mehr oder weniger wie Ella. Schön, klug und begehrenswert, doch mit einem Herz aus Stein. Und dann habe ich dich gesehen, wie du schüchtern neben meinem Onkel saßest. Deine Locken schimmerten in der Sonne, und mir wurde schlagartig klar, dass du zu mir gehörst. Als wären wir nur lange Zeit getrennt gewesen und hätten uns endlich wiedergefunden." Sein warmer Tonfall und noch mehr seine Worte schienen einen Zauber über sie zu werfen. Trotzdem konnte sie immer noch nicht ganz glauben, was Eliot da sagte. "Aber dann . .. warum hast du mich dann so grausam behandelt?" "Weil es so aussah, als hättest du eine Affäre mit Geoffrey. Ich spürte, dass zwischen euch eine starke Verbindung bestand, und das war die einzige Erklärung, die mir einfiel." Sein Tonfall wurde düster. "Ich war außer mir vor Eifersucht. Am liebsten hätte ich dich nie wiedergesehen." "Und trotzdem bist du immer wieder zu Geoffrey gekommen, wenn ich da war" Eliot sah sie von der Seite an. "Ja. Ich glaube, an diesen Abenden habe ich mich endgültig in dich verliebt. Weil mir klar wurde, wie klug und selbständig und lebendig du bist. Ich wollte, dass deine Wärme und Freundlichkeit nur mir gehören. Statt dessen hast du Geoffrey angelächelt. Weißt du überhaupt, was Eifersucht ist?" Tiffany dachte daran, wie sehr sie Ella Sheridan verabscheut hatte, "Ein bisschen", gestand Tiffany ein. "Das freut mich. Dann stehe ich wenigstens nicht ganz allein da. Früher hat es mich nie gestört, wenn eine Frau nicht nur Augen für mich hatte, aber bei dir ..." Er unterbrach sich, schluckte und sah zu Boden. "Es fällt mir schwer, das auszudrücken. Normalerweise bin ich nie um Worte verlegen, doch wenn ich daran denke, dass ich dich verlieren könnte . .. Die Vorstellung jagt mir Angst ein." Tiffany hätte es nie für möglich gehalten, dass ihr weltgewandter, zynischer Eliot einmal so zu ihr sprechen würde. Einen Moment lang spürte sie überwältigende Freude. Dann mischte sich Furcht hinein. Eliot hatte wegen ihr, Tiffany, schon früher seine Beherrschung verloren, und jedesmal hatte sie dafür büssen müssen. Er seufzte leise auf. "Meine einzige Geliebte, wie kann ich dich nur überzeugen? Verstehst du nicht, dass du nur deshalb so starke Wut in mir geweckt hast, weil ic h spürte, welche Macht du über mich hattest? Ich habe Geoffrey um deine Zuneigung beneidet, bis ich
ihn fast dafür hasste. Und dich habe ich noch mehr gehasst. Weil du mir alle Willenskraft genommen hast, bis ich meinen Gefühlen völlig ausgeliefert war.“ Die Selbstverachtung, mit der er das sagte, erschütterte Tiffany mehr als alles zuvor. Vielleicht würde er ihr eines Tages verraten, weshalb er seine Zuneigung zu ihr auch als Schwäche sah. Jetzt war es ihr viel wichtiger, ihn zu trösten. Scheu ergriff sie seine Hand. Einen Moment lang fasste Eliot ganz fest zu, dann hielt er Tiffanys Finger sanft in seinen. "Es tut mir leid", antwortete Tiffany leise. "Wenn ich das gewusst hätte ... Ich liebe dich auch, Eliot. Aber du kamst mir immer so weltgewandt und erfahren vor - ich hätte nie gedacht, dass du dich innerlich genauso zerrissen fühlen könntest wie ich. Als du mich genommen hast..." Sie unterbrach sich und errötete. "Ich war zornig und zugleich ... hingerissen", gestand sie zögernd. "Warum hast du dich dann geweigert, mich zu heiraten?" Sie lächelte traurig. "Weil ich dachte, du hättest es nur aus Ehrgefühl vorgeschlagen. Außerdem warst du offensichtlich wütend auf mich. Ich hatte dich dazu gebracht, die Kontrolle über dich zu verlieren." Eliot schaute auf ihren weichen, sinnlichen Mund. "Das stimmt. Du warst zu unschuldig und gleichzeitig so leidenschaftlich... Ich konnte nicht genug von dir bekommen." Dann wandte er den Blick ab. "Als ich fünfzehn Jahre alt war", sprach Eliot tonlos weiter, "habe ich herausgefunden, dass mein Vater meine Mutter betrog. Eines Tages habe ich sie überrascht, wie sie weinte, und obwohl sie eine Ausrede dafür hatte, spürte ich, dass sie log. Kurz danach habe ich zufällig mit angehört, was zwei Freunde meines Vater über ihn sagten. Angeblich konnte er keine hübsche Frau in Ruhe lassen. Später habe ich herausgefunden, dass es nicht ganz so schlimm war. Er hatte nur hin und wieder eine Affäre, aber oft genug, um meine Mutter tief unglücklich zu machen." Tiffany nickte schweigend. Endlich begriff sie, warum Eliot sich so verhalten hatte. "Jung und ungestüm wie ich war, habe ich meinen Vater zur Rede gestellt", fuhr Eliot bitter fort. "Er hat ganz offen mit mir darüber gesprochen. Von Mann zu Mann gewissermassen. Es war widerlich. Für ihn waren seine Affären vollkommen unwichtig. Er liebe meine Mutter, hat er behauptet. Männer könnten nicht immer treu sein. So seien sie nun einmal veranlagt." Empört hob Tiffany den Kopf. "Glaubst du das auch?" fragte sie hitzig. "Nein." Eliot lachte leise und küsste sie auf die Lippen. "Nein. Ich will nur eine Frau. Seit ich dir begegnet bin, war ich mit keiner anderen mehr zusammen." Tiffany musste daran denken, wie sie sich nach dem Abend im Restaurant Eliot in Ellas Armen vorgestellt hatte. Damals hatte sie vor Eifersucht nicht schlafen können. Jetzt kümmerte es sie nicht mehr. Sie vertraute ihm. "Gut", erklärte sie. "Erzähl weiter." "Den Rest kannst du dir denken. Mein Vater hat sich zwar auch oft jüngere Frauen ausgesucht, doch sie waren immer schon erfahren und wussten, was gespielt wurde. Auf seine Art hatte er auch ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Kein anständiger Mann würde je ein unschuldiges Mädchen verführen, hat er zu mir gesagt. Deshalb fand ich Geoffreys Verha lten auch so abstoßend." Tiffany seufzte und lehnte den Kopf an seine Schulter. "Und dann habe ich dich genommen. Obwohl ich es nicht wollte. Also war ich genauso schlimm wie mein Vater. Willenskraft, Zurückhaltung und Selbstbeherrschung - alles, worauf ich mein Leben aufgebaut hatte - waren plötzlich nichts mehr wert. Du warst Jungfrau, und ich habe dich wie eine Hure behandelt." "Nein!" widersprach sie entsetzt. "Nein, Eliot. So war es nicht." "O doch. Im Grunde galt meine Abscheu jedoch mir, nicht dir." Jess rollte sich im Käfig auf die Seite und strampelte im Schlaf mit den Beinen. Die Augenlider zuckten. Vermutlich träumte sie, ein Kaninchen zu jagen. Draußen im Garten
bewegten sich die Zweige der Bäume im Wind. Die ersten silbergrünen Knospen brachen schon auf. Trotz des trüben Wetters stand der Frühling vor der Tür. "Deshalb habe ich beschlossen, dich zu heiraten", fuhr Eliot fort. "Ich hielt es für meine Pflicht. Nicht einmal mir selbst mochte ich eingestehen, dass ich das Leben ohne dich einfach nicht mehr ertragen hätte." Er drückte Tiffany fest an sich. "Darauf, dass du ablehnen könntest, wäre ich nie gekommen." "Das hat dich natürlich noch mehr gegen mich aufgebracht." Tiffany hob die Hand und strich ihm über die Wange. "Ich konnte nicht einwilligen. Ich war sicher, dass du mich nicht liebst, und die Vorstellung, trotzdem an dich gebunden zu sein, war mir unerträglich. Du schienst mich zu hassen und hast mich zugleich begehrt. Das konnte ich nicht begreifen." "Ich weiß." Er nahm Tiffanys Hand, hob sie an die Lippen und küsste sie zärtlich und sinnlich zugleich. Ohne Furcht sah Tiffany ihm in die leuchtendblauen Augen. Am liebsten hätte sie ihn an sich gezogen und sich ganz der Leidenschaft überlassen, die nur er in ihr weckte. Dach dazu war dieses Gespräch zu wichtig. Endlich konnte sie offen über das reden, was sie so lange mit sich herumgetragen hatte. Eliot liebte sie. Sie brauchte sich ihrer Gefühle nicht mehr zu schämen. Scheu lächelte sie ihn an, und er lächelte so warm zurück, dass es ihr den Atem verschlug. "Oh, ich liebe dich so!" flüsterte Eliot rau. "Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal soviel für eine Frau empfinden würde. Meine früheren Geliebten habe ich begehrt, und ich mochte sie gern, aber mehr nicht. Immer war ich derjenige, der die Affäre beendet hat." Er küsste sie, stand auf und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Tiffany konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Früher hatte sie Eliot immer verstohlen beobachten müssen, damit er nicht merkte, was in ihr vorging. Unwillkürlich senkte sie auch jetzt halb die Lider, während sie seine breiten Schultern, die schmalen Hüften und die kraftvollen Arme und Beine betrachtete. Wieder erwachte Verlangen in ihr und drohte sie zu überwältigen. Ohne es zu merken, fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Dann riss sie den Blick von Eliot los und schaute auf ihre Hände. Was war es nur, dass ihn so anziehend machte? Es waren nicht nur sein perfekter Körper, die klaren Gesichtszüge oder der Charme, den Eliot so gut einzusetzen wusste. Irgendwie spürten alle Frauen sofort, dass sie in seinen Armen nie gekannte Lust finden würden. Und die Frauen reagierten entsprechend. Jede Frau auf der Party gestern abend war sich seiner Ausstrahlung mehr oder weniger stark bewusst gewesen. Aber er hat sich ausgerechnet für mich entschieden, dachte Tiffany staunend. Nicht, weil er es so will, sondern weil er nicht anders kann. Aus irgendeinem Grund passe ich zu ihm wie keine andere. Eliot blieb an der Glastür stehen und schaute in den Garten hinaus. Er kehrte Tiffany halb den Rücken zu. "Als du mir angeboten hast, meine Geliebte zu werden, hätte ich zufrieden sein müssen, doch ich war es nicht. Ich wollte mehr von dir als nur Sex. Als meine Mätresse wärst du immer noch unabhängig gewesen. Du hättest mich jederzeit verlassen können. Ich wollte dich so fest an mich binden, dass du nie mehr von mir frei sein würdest." Er zögerte kurz und setzte dann hinzu: "Weil ich auch nie mehr von dir loskommen werde." Tiffanys Herz setzte einen Schlag aus. Eliot hatte den Kopf gesenkt und blickte vor sich hin. Als fürchte Eliot sich vor ihrer Antwort. Langsam drehte er sich zu Tiffany um und sah sie bittend an. "Wir waren beide sehr dumm", meinte sie unsicher. "Ich dachte, dass uns nur Hass und Begierde miteinander verbinden! Dabei hätte ich wissen müssen, dass nur Liebe so stark sein kann." "Tiffany." Er kam auf sie zu und streckte die Hände aus. "Tiffany. Meine Geliebte. Mein einziges Glück."
Die beiden umarmten und küssten sich wie zwei Liebende, die zu lange getrennt gewesen waren. Tiffanys Herz begann heftig zu schlagen. Sie fuhr Eliot mit den Fingern durchs Haar und schmiegte sich an ihn, unschuldig und herausfordernd zugleich. "Nein", flüsterte er und löste sich von ihr. "Hör auf, Liebling." Überrascht sah sie ihn an. "Warum?" "Weil das nächste Mal, dass ich dich liebe, vollkommen werden soll. Und dazu müssen wir warten, bis wir verheiratet sind." Es hatte eine stille Hochzeit werden sollen. So hatten Eliot und Tiffany es jedenfalls geplant. Doch auf dem Land ist so etwas unmöglich. Alle Nachbarn und Freunde von Tiffany und ihrer Familie kamen zur Feier, und außerdem nahmen erstaunlich viele von Eliots Bekannten daran teil. Viele von ihren erschienen so elegant gekleidet, dass sie den Einheimischen noch lange Gesprächsstoff lieferten. "Jetzt sind deine Freunde endgültig davon überzeugt, dass du verrückt geworden bist", behauptete Tiffany neckend, als sie abends endlich mit Eliot allein war. Sie saßen im Wohnzimmer des Wochenendhauses, dass einer von Eliots Bekannten ihnen überlassen hatte. Lachend umarmte er sie. "Den Eindruck haben sie auf mich nicht gemacht. Ich fand, sie sahen neidisch aus. Jeder Mann in der Kirche hätte am liebsten mit mir getauscht." "Sogar Alex Thomassin?" "Na ja, der nicht. Er ist eben verrückt nach seiner Christabel." Tiffany nickte. "Ich habe mich gefreut, sie wiederzusehen." "Ich habe sie kaum bemerkt." Er küsste sie auf den Halsansatz und strich ihr sanft über Brüste und Hüften. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, dass es schmerzte, doch sie spürte, dass er sich diesmal Zeit lassen würde. Er würde die Spannung zwischen ihnen auskosten, bis sein Verlangen schließlich so stark wurde, dass er es nicht mehr beherrschen konnte. Aus dem Wohnzimmerfenster hatte man einen wundervollen Blick auf die schneebedeckten Berge um den hübschen Ort Queenstown und auf den langgestreckten, tief en Wakitipi-See. Nur wenige Kilometer entfernt lag das Skigebiet am Coronet Peak. Tiffany und Eliot wollten zwei Wochen bleiben. Vielleicht würden sie irgendwann dorthin fahren. Lächelnd lehnte Tiffany den Kopf an Eliots Schulter. Vielleicht. "Wie stark du bist", flüsterte Tiffany. "Stark und warm und zuverlässig. Wenn ich dein Herz schlagen höre, fühle ich mich geborgen wie nie zuvor in meinem Leben. Kannst du dich noch an die Nacht erinnern, als ich krank war und du neben mir geschlafen hast? Da bin ich einmal aufgewacht. Du hattest den Arm um mich gelegt, und ich habe deinen Herzschlag gehört. Damals konnte ich nicht begreifen, wieso ich mich bei dir so ... so sicher fühlte, obwohl ich dich hasste und fürchtete. Wenn ich nicht so unerfahren gewesen wäre, hätte ich gleich erkannt, dass ich in Wirklichkeit bis zum Wahnsinn in dich verliebt war." "Na, ich weiß nicht", antwortete er belustigt und bedauernd zugleich. "Ich war genauso blind, und ich hatte wahrhaftig Erfahrung genug mit Frauen." "Aber nicht mit der Liebe", meinte sie. Es überraschte sie, dass sie bei seinen Worten überhaupt keine Eifersucht empfand. "Nein." Er verbarg das Gesicht in ihrem Haar. "Nicht mit der Liebe. Weißt du übrigens, dass dein Stiefvater mich gestern abend ermahnt hat, gut auf dich aufzupassen?" "Nein!" Sie wollte den Kopf heben, doch Eliot hielt sie fest. "Doch. Er sagte, er habe dich noch nie so glücklich gesehen, und ich solle dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Er hatte offenbar gehört, dass ich in Auckland als Frauenheld gelte." "Oh." Das war sicher kein leichtes Gespräch für Eliot gewesen. "Was hast du geantwortet?" "Dass das alles hinter mir liegt. Und dass ich jetzt nur noch den Wunsch habe, dich glücklich zu machen. Ich glaube, zum Schluss war er überzeugt."
Liebevoll legte Tiffany ihm die Hand an die Wange. "Es wird dir nicht schwerfallen. Du musst nur bei mir bleiben, mehr nicht." " Worüber hast du vor unsere Abfahrt so lange mit deiner Mutter gesprochen?" Einen Moment blieb Tiffany stumm, dann sagte sie: "Sie hat mir erzählt, dass sie meinem Stiefvater die Wahrheit über Geoffrey und mich gestanden hat." "Und?" "Er hat es die ganze Zeit gewusst, Eliot. All die Jahre hat er darauf gewartet, dass sie es ihm erzählen würde." Tiffanys Augen füllten sich mit Tränen, und ihre Stimme bebte. "Ich habe ihn oft für übertrieben hart und streng gehalten, aber das ist er gar nicht. Er muss sie sehr lieben, wenn er so geduldig abwarten konnte, bis sie ihm endlich vertraut." "Natürlich liebt er sie", erklärte Eliot bewegt und drückte Tiffany enger an sich. "Dein Stiefvater ist wie ich. Er liebt nur einmal - und dann vorbehaltlos. Sowie ich dich liebe." Seine Worte erregten sie, obwohl er sie ganz sachlich und unbewegt aussprach. "Und ich dich." Eliots Lippen glitten zu ihrer Wange, und als er weiterredete, spürte Tiffany jede Bewegung seines Mundes. "Das war der zweite Grund, warum er mit mir reden wollte. Er hat sich in mir wiedererkannt, und er wollte mich davor warnen, dich nicht zu sehr einzusperren. Er weiß, wie schwer es mir fällt, dich mit jemandem zu teilen, und dass es mich schon ärgert, wenn du nur deinen früheren Freunden zulächelst. So wie heute", ergänzte Eliot. Erschrocken fuhr sie zusammen und hob den Kopf. Unter den halb geschlossenen Lidern schienen Eliots Augen zu glühen. "Glaubst du, ich hätte nicht erraten, wer das war?" fragte er spöttisch. Dann wurde sein Blick weich. "Ich könnte auf alles eifersüchtig werden: auf das, was du gern tust, auf die Menschen, mit denen du gern zusammen bist... Das war es, was dein Stiefvater meinte. Ich möchte dich ganz besitzen, deine Gedanken und Gefühle sollen sich nur um mich drehen, wie die einer Haremsfrau um ihren Pascha, von dessen Wohlwollen ihr Leben abhängt. Kein Wunder, dass du dich manchmal vor mir fürchtest. Wenn ich nicht aufpasse, werde ich dich früher oder später ersticken." Unsicher maß sie ihn. Erst jetzt wurde ihr völlig bewusst, worauf sie sich eingelassen hatte. Einen Moment lang machte es ihr Angst, doch nur kurz. Dann blickte sie Eliot tief in die Augen und begriff, was er in Wirklichkeit meinte: Er wollte wissen, ob ihre, Tiffanys, Liebe auch stark genug war. "Nein, das wirst du nicht", erwiderte Tiffany zärtlich. "Vergiss nicht, ich habe mich schon in dich verliebt, als du dich tatsächlich noch wie ein Pascha aufgeführt hast. Meine Liebe zu dir hat nicht nur etwas mit Sex zu tun. Ich liebe dich, weil du stark und freundlich und rücksichtsvoll bist. Im Grunde habe ich von Anfang an gewusst, dass ich mein Herz an dich verlieren würde. Was meinst du, weshalb ich dir gegenüber so misstrauisch und abweisend war?" Er lächelte. "Ich denke, das hatte wirklich etwas mit diesem Sex zu tun, über den du immer so abfällig sprichst." Zärtlich biss er sie ins Ohrläppchen. Tiffanys Puls raste. Sie hob die Hand, strich Eliot sanft über die Wange und den kraftvollen Hals und spurte, wie Eliots Herz schneller zu schlagen begann. "Nein. Nein, nicht nur ..." Ganz langsam ließ er die Lippen über ihren Hals gleiten. "So kann ich nicht klar denken", stieß sie atemlos hervor. Sie wollte sich nur noch den Gefühlen überlassen, die von ihr Besitz ergriffen, doch irgendwie musste sie Eliot überzeugen. "Dann lass es", flüsterte er. "Erklär es mir nicht, zeig es mir." Früher war er immer der Aktive gewesen, schon weil er viel mehr Erfahrung besaß. Diesmal überließ er sich Tiffany. Vorsichtig knöpfte sie ihm das schöne Hemd auf und streichelte Eliots Brust und die breiten Schultern, als müsste sie sich für alle Zeiten einprägen,
wie sie sich anfühlten. Dann drängte sie sich näher an ihn, küsste ihn auf die glatte Haut und fuhr mit den Fingerspitzen durch die feinen Härchen. Eliot atmete heftig ein. "Komm mit nach oben", sagte er heiser und hob Tiffany hoch. Nachdem er sie im Schlafzimmer abgesetzt hatte, ergriff sie seine Hand und drückte sie an die Brust, damit er merkte, wie wild ihr, Tiffanys, Herz schlug. "Ich liebe dich." Sie sagte es immer wieder: als sie eng umschlungen mit Eliot auf dem breiten Bett lag und er sie auf Brüste und Bauch küsste, und später, als er end lich ganz von ihr Besitz ergriff. Und noch einmal, während er sich in ihr bewegte und sie sich an seine Schultern klammerte, doch da wusste sie kaum noch, was sie sprach. Trotzdem waren es diese Worte, die Eliot alles vergessen ließen, so dass er sich seinem Verlangen ganz hingab. Und als er erschöpft und schwer auf ihr lag und sein Atem sich noch nicht wieder beruhigt hatte, strich sie Eliot das schweißnasse Haar aus der Stirn und sagte es noch einmal. "Bist du nun überzeugt?" fragte Tiffany dann, die Lippen an seiner Schulter. Er schob sich von Tiffany herunter, legte sich auf die Seite und zog Tiffany an sich. "0 ja. Wenn du dich gibst, dann ganz, nicht wahr? Mit Körper, Seele und Herz. Jemand wie du ist mir noch nie begegnet. Ich fühle mich wie der König der Welt." Sie lachte leise und schmiegte sich an ihn. Dabei spürte sie, dass er sie schon wieder begehrte. "Ich dachte immer, Liebe macht die Männer müde", neckte sie ihn. "Wer hat dir nur das erzählt?" Er lachte auch, zärtlich, sinnlich und liebevoll. Tiffany seufzte zufrieden, küsste ihn auf den Mund und schlang den Arm um Eliot, so dass ihre Hand auf seinem Rücken lag. Leise und lockend begann Eliot zu reden und Tiffany ganz leicht zu streicheln. Seine tiefe, volle Stimme, seine Zärtlichkeiten und noch mehr die Worte, die er sprach, warfen einen Zauber über Tiffany, dem sie nicht zu entkommen versuchte. Sie spürte, dass sie endlich Eliots Vertrauen gewonnen hatte. Er wusste jetzt, dass sie ihre Macht über ihn nie missbrauchen würde. Vo n nun an mussten sie nichts mehr voreinander verbergen. -ENDE