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Funktionsstörungen
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Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Thüroff, J. W.: Urologische Differenzialdiagnose (ISBN 9783131010629) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
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Urologische Differenzialdiagnose
Unter Mitarbeit von Folke Schmidt Mit Beiträgen von Daniel K. Ackermann Christoph Adam Eduard Becht Lars Conzelmann Kassa Darge Wolfgang Dillenburg Detlef Frohneberg Elmar W. Gerharz Rolf Gillitzer Helmut Heidler Lothar Hertle Klaus-Peter Jünemann Heinz Kölbl Gerd Ludwig Sebastian W. Melchior Stefan C. Müller Frank Oberpenning Thomas Otto Eckhard Petri
Sven J. Petry Hans-Jürgen Piechota Vassilis Poulakis Hubertus Riedmiller Herbert Rübben Folke Schmidt Hermann Schulte-Wissermann Daniela Schultz-Lampel Martin Spahn Raimund Stein Christian G. Stief Christian Thomas Joachim W. Thüroff Christof van der Horst Peter H. Walz Karl Weingärtner Martin Westenfelder Dirk M. Wilbert
2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
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Funktionsstörungen
Herausgegeben von Joachim W. Thüroff
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Funktionsstörungen
1. Auflage 1995 1. italienische Auflage 1998 1. polnische Auflage 1998
Aktuelle Informationen finden Sie unter www.thieme.de/detailseiten/9783131010629.html
Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
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Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 1995, 2007 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Telefon: + 49/(0)711/8931-0 Unsere Homepage: www.thieme.de Printed in Germany Zeichnungen: Barbara Gay, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Umschlaggrafik: Martina Berge, Erbach Satz: primustype Hurler GmbH, Notzingen Druck: Firmengruppe APPL, aprinta druck, Wemding ISBN 978−3−13−101062−9
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Die 2. Auflage der „Urologischen Differenzialdiagnose“ präsentiert sich nicht nur in neuem Gewand, sondern auch in einer grundsätzlich überarbeiteten Struktur. Unverändert ist zwar das Prinzip „vom Symptom oder Befund zur Diagnose“ mit „Einstieg“ in die differenzialdiagnostischen Überlegungen über Symptome (Leitsymptom, Nebensymptom) und Befunde (pathognomonisch, typisch, häufig, selten). Neu ist jedoch die funktionell ausgerichtete Struktur, die Themen wie z. B. „Blasenentleerungsstörungen“ oder „Harnspeicherstörungen“ über die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinausgehend in jeweils einheitlichen Kapiteln zusammenfasst. Neu sind ebenfalls die Randspalten mit „Merksätzen“ und „Warnhinweisen“, die der Didaktik des Buches als beliebtes „Repetitorium“ entgegenkommen. Geblieben ist die Gliederung in geschlechts- und altersspezifische Betrachtungen („Urologie des Kindes“, „Urologie der Frau“, „Urologie des Mannes“), wenn sich daraus von vornherein eine Reduktion der differenzialdiagnostischen Möglichkeiten ergibt. Dies trägt der banalen klinischen Erkenntnis Rechnung, dass das „akute Skrotum“ beim Säugling ein anderes Spektrum differenzialdiagnostischer Überlegungen eröffnet als beim alten Mann oder dass die „Harninkontinenz“ andere Folgeuntersuchungen auslöst, wenn der Patient im Rollstuhl ins Unter-
suchungszimmer kommt. Eine allumfassende Systematik wäre demnach wenig sinnvoll und würde völlig ausufern, was in den gewählten Kategorien durch Fokussierung vermieden wird. Neu ist ebenfalls die Darstellung einer rationellen Primär- und Stufendiagnostik in Form von Flussdiagrammen, die dem Prinzip folgen „auf kürzestem Weg zur Diagnose“. Die Schwierigkeit einer „Differenzialdiagnose“ als Vielautorenbuch ist die Harmonisierung der einzelnen Kapitel. Hier sei allen Autoren für ihre Kooperation und das Verständnis gedankt, wenn notwendige Angleichungen erfolgen mussten. Dem Verlag sei für die konzeptionellen Anregungen zur Umgestaltung sowie für die hervorragende Ausstattung des Buches gedankt. Herr Dr. Folke Schmidt trug während seines USA-Forschungsaufenthaltes die Hauptlast der inhaltlichen und redaktionellen Koordination. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle auch Frau Ingeborg Hug, die dem Redaktionssekretariat vorstand, für ihre konstruktive Mitarbeit. Bei den Lesern der 1. Auflage bedanke ich mich für vielfältige Anregungen und Hinweise auf Errata, die in die Bearbeitung der 2. Auflage eingeflossen sind. Auch für diese Auflage würde ich mir wieder diese Art des Feedbacks wünschen. Mainz, im Frühjahr 2007
Joachim W. Thüroff
Vorwort zur 1. Auflage
Die Anregung, die „Urologische Differenzialdiagnose“ herauszugeben, verdanke ich meinem Lehrer Rudolf Hohenfellner, und es waren zahlreiche Gespräche und Diskussionen mit ihm, aus denen schlussendlich das nunmehr verwirklichte Konzept des Buches hervorging. Um eine Differenzialdiagnose nicht zu einem Lehrbuch mit eingefügten differenzialdiagnostischen Tabellen werden zu lassen, kam es darauf an, in Gliederung und Aufbau die sich aus der Anamnese des Patienten ergebenden Fragestellung zu reflektieren. Es wurde dementsprechend
versucht, den „Einstieg“ in die Differenzialdiagnose über Symptome, klinische Bilder oder Zufallsbefunde zu vermitteln, die typische differenzialdiagnostische Überlegungen und Abklärungsprogramme in Klinik und Praxis auslösen. Dabei waren sicher Vereinfachungen der Vielfalt der Symptomatik, klinischen Bilder und möglichen Zufallsbefunde vonnöten, um die differenzialdiagnostischen Aspekte in einer handhabbaren Zahl von Kapiteln darzustellen und Überschneidungen und Wiederholungen zu vermeiden. Dennoch erschien es sinnvoll, geschlechts-
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Vorwort zur 2. Auflage
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Vorwort zur 1. Auflage
und altersspezifische Unterscheidungen zu treffen („Urologie des Kindes“, „Urologie der Frau“, „Urologie des Mannes“) und daneben alters- und geschlechtsunabhängige Aspekte zu behandeln („Allgemeine Urologie“). Das Herzstück jeglicher Differenzialdiagnose sind die differenzialdiagnostischen Tabellen, die einem Grundlagenabschnitt mit Definitionen, Ätiologie, Pathophysiologie und Klassifikation folgen. Diese differenzialdiagnostischen Tabellen ordnen in Frage kommende Differenzialdiagnosen im Sinne einer „Checkliste“, beginnend mit den Diagnosen, für die das besprochene Symptom Leitoder Hauptsymptom ist, gefolgt von Diagnosen, für die das Symptom zwar typisch, aber selten ist oder ein Spätsymptom darstellt, bis hin zu Krankheitsbildern, für die das Symptom weniger spezifisch ist. Sämtliche urologischen Diagnosen werden in den folgenden „Kurzdarstellungen von Krankheitsbildern“ aufgeführt, aber nicht notwendigerweise im selben Kapitel. Da die meisten Diagnosen durchaus unter mehreren Symptomen auftreten können, erfolgt die Kurzdarstellung des Krankheitsbildes jeweils dort, wo das Haupt- oder Leitsymptom Kapitelüberschrift ist. Die Tabellen enthalten Querverweise für solche Kurzdarstellungen von Krankheitsbildern, die in anderen Kapiteln erfolgen. Differenzialdiagnosen von Erkrankungen benachbarter Organsysteme, z. B. aus Gynäkologie und Chirurgie, sind in den Tabellen berücksichtigt, diese Erkrankungen werden allerdings nicht in den „Kurzdarstellungen von Krankheitsbildern“ behandelt. Hier sei auf die entsprechenden fachspezifischen Lehrbücher und Differenzialdiagnosen verwiesen. Ergänzt werden die Tabellen der Differenzialdiagnosen durch solche, in denen Symptomatik, Ätiologie/Pathogenese und Diagnostik erfasst werden. Tabellen zur Erleichterung einer Abklärungsstrategie im Sinne einer Stufendiagnostik ordnen in Frage kommende Untersuchungstechniken bzw. -befunde danach, ob solche Befunde pathognomonisch bzw. hochspezifisch sind oder spezifisch, aber selten sind und schließlich weniger spezifisch sind, um durch Auswahl geeigneter Untersuchungsverfahren den kürzesten Weg zur Diagnose zu weisen. Dabei werden die einzelnen Untersuchungstechniken als bekannt vorausgesetzt und nicht im Einzelnen ausgeführt. Im Rahmen der Kurzdarstellung von Krankheitsbildern wird das symptomatische Spektrum komplettiert, wenn neben einem Hauptsymptom auch Nebensymptome zu berücksichtigen sind. Weiterhin werden Patho-
genese und pathologische Anatomie ausgeführt sowie das diagnostische Vorgehen im Sinne der oben schon erwähnten Stufendiagnostik. Auf eine Darstellung von Therapiemodalitäten wird bewusst verzichtet. Unter „Fehldiagnosen/Differenzialdiagnostische Probleme“ werden typische differenzialdiagnostische Verwechslungen angeführt sowie Untersuchungstechniken und Befundkonstellationen dargelegt, die geeignet sind, solche differenzialdiagnostische Probleme zu überwinden. Fallbeispiele können hier besonders lehrreich sein. Die Konzeption der Tabellarien von Diagnosen, Symptomatik, Ätiologie/Pathogenese, Befunden und Diagnostik erlaubt im Computer eine Verknüpfung im Sinne eines „Expertensystems“, wenn das gesamte Memory auf CDROM erhältlich ist. Wie im vorliegenden Buch folgt die Logistik dem Prinzip „vom Symptom zur Diagnose“, wobei je nach Wertigkeit von Symptomen (Leitsymptom, Nebensymptom) und Befunden (pathognomonisch, typisch, häufig, selten) die Zahl von Symptomen und Befunden variiert, durch deren Verknüpfung eine Diagnose mit zuverlässiger Sicherheit vorausgesagt werden kann. Dementsprechend müssen mehr oder weniger Schritte an Zusatzdiagnostik zwischengeschaltet werden, um die Diagnose zu erhärten. Allen Autoren, die zur Verwirklichung des dargelegten Konzeptes einiges an „Harmonisierungsarbeit“ über ihre Kapitel ergehen lassen mussten, sei für ihre Geduld und Mühen hier ganz besonders gedankt. Mehr als jedes andere Werk ist die Brauchbarkeit einer Differenzialdiagnose als Mehrautorenbuch von der Einheitlichkeit der Kapitel in Aufbau und Gliederung abhängig. Dem Verlag sei für die konstruktive Zusammenarbeit insbesondere in der komplizierten Gestaltung der Tabellen sowie für die hervorragende Ausstattung des Buches gedankt. Herrn Dr. D. Wienhold, der die Hauptlast der readaktionellen Detailarbeit in direkter Zusammenarbeit mit dem Verlag trug, und Frau M. Knaak, die dem Redaktionssekretariat vorstand, darf ich an dieser Stelle ganz besonders für ihre unermüdliche Arbeit danken. Bei allen Lesern möchte ich mich jetzt schon für kritische Anmerkungen und Rückäußerungen zu dieser ersten Auflage bedanken, die sicher dazu beitragen werden, das in Arbeit befindliche Expertensytem auf CD-ROM zu optimieren.
Wuppertal, im August 1995
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J. W. Thüroff
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Ackermann, Daniel K., Prof. Dr. med. Hirslanden Klinik Aarau Schänisweg 5001 Aarau Schweiz
Gerharz, Elmar W., PD Dr. med. Julius-Maximilians-Universität Klinik für Urologie Josef-Schneider-Str. 2 97080 Würzburg
Melchior, Sebastian W., PD Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Adam, Christoph, Dr. med. Klinikum der Universität Großhadern Urologische Klinik Marchioninistr. 15 81377 München
Gillitzer, Rolf, Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Müller, Stefan C., Prof. Dr. med. Universitätsklinikum Bonn Klinik für Urologie Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn
Becht, Eduard, Prof. Dr. med. Dr. h. c. Krankenhaus Nordwest Klinik für Urologie und Kinderurologie Steinbacher Hohl 2−26 60488 Frankfurt
Heidler, Helmut, Prim. Univ.-Doz. Dr. med. Allgemeines Krankenhaus Linz Urologische Abteilung Krankenhausstraße 9 4020 Linz Österreich
Oberpenning, Frank, PD Dr. med. St.-Agnes-Hospital Bocholt Klinik für Urologie und Kinderurologie Barloer Weg 125 46397 Bocholt
Conzelmann, Lars, Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Hertle, Lothar, Professor Dr. med. Universitätsklinikum Münster Klinik und Poliklinik für Urologie Albert-Schweitzer-Str. 33 48129 Münster
Darge, Kassa, Prof. Dr. med. Abteilung für Pädiatrische Radiologie Institut für Röntgendiagnostik Josef-Schneider-Str. 2/D31 97080 Würzburg
Jünemann, Klaus-Peter, Prof. Dr. med. KKSH, Campus Kiel Klinik für Urologie und Kinderurologie Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
Dillenburg, Wolfgang, Dr. med. Krankenhaus Nordwest Klinik für Urologie und Kinderurologie Steinbacher Hohl 2−26 60488 Frankfurt Frohneberg, Detlef, Prof. Dr. med. Städt. Klinikum Karlsruhe Urologische Klinik Moltkestr. 90 76133 Karlsruhe
Otto, Thomas, Prof. Dr. med. Städtische Kliniken Neuss Lukaskrankenhaus Urologische Klinik Preußenstr. 84 41464 Neuss Petri, Eckhard, Prof. Dr. med. Klinikum Schwerin Frauenklinik Wismarsche Str. 393−397 19055 Schwerin
Kölbl, Heinz, Prof. Dr. med. Universitäts-Frauenklinik Mainz Langenbeckstr. 1 55101 Mainz
Petry, Sven J. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Ludwig, Gerd, Prof. Dr. med. Städtische Kliniken Frankfurt a. Main-Höchst Urologie Gotenstr. 6−8 65929 Frankfurt
Piechota, Hans-Jürgen, Prof. Dr. med. Klinikum Minden Klinik für Urologie und Kinderurologie Portastr. 7−9 32423 Minden
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Funktionsstörungen
Anschriften
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Anschriften
Poulakis, Vassilis, Dr. med. Krankenhaus Nordwest Klinik für Urologie und Kinderurologie Steinbacher Hohl 2−26 60488 Frankfurt
Funktionsstörungen
Riedmiller, Hubertus, Univ.-Prof. Dr. med. Universitätsklinikum Würzburg Zentrum Operative Medizin Urolog. Klinik und Poliklinik Oberdürrbacher Str. 6 97080 Würzburg
8
Rübben, Herbert, Prof. Dr. med. Dr. h. c. Urologische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum GHS Essen Hufelandstr. 55 45122 Essen Schmidt, Folke, Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Schulte-Wissermann, Hermann, Prof. Dr. med. Klinikum Krefeld Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Lutherplatz 40 47805 Krefeld Schultz-Lampel, Daniela, Prof. Dr. med. Kontinenzzentrum Südwest Schwarzwald-Baar-Klinikum Röntgenstr. 20 78054 Villingen-Schwenningen
Spahn, Martin, Dr. med. Städt. Klinikum Karlsruhe Urologische Klinik Moltkestr. 90 76133 Karlsruhe
Walz, Peter H., Prof. Dr. med. Klinikum Lüdenscheid Abt. für Urologie Paulmannshöher Str. 14 58515 Lüdenscheid
Stein, Raimund, PD Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Weingärtner, Karl, PD Dr. med. Sozialstiftung Bamberg Klinikum Akad. Lehrkrankenhaus der Universität Erlangen-Nürnberg Klinik für Urologie und Kinderurologie Buger Str. 80 96049 Bamberg
Stief, Christian Georg, Univ.-Prof. Dr. med. Klinikum der Universität Großhadern Urologische Klinik Marchioninistr. 15 81377 München Thomas, Christian, Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Thüroff, Joachim W., Prof. Dr. med. Johannes-Gutenberg-Universität Urologische Klinik und Poliklinik Langenbeckstr. 1 55131 Mainz
Westenfelder, Martin, Prof. Dr. med. Stadtkrankenhaus Maria-Hilf Klinik für Urologie und Kinderurologie Oberdießemer Str. 94 47805 Krefeld Wilbert, Dirk M., Prof. Dr. med. Urologische Klinik Spital Linth Gasterstr. 25 8730 Uznach Schweiz
van der Horst, Christof, Dr. med. KKSH, Campus Kiel Klinik für Urologie und Kinderurologie Arnold-Heller-Str. 7 24105 Kiel
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IX
Inhaltsübersicht
1.1
Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 1.4
Flankenschmerzen D. K. Ackermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suprapubische Schmerzen D. K. Ackermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1
5
29
5.1
Tumormarker bei Prostatakarzinom . . . . . . . . . 115
5.2
Tumormarker bei Hodentumoren . . . . . . . . . . . 118
5.3
Untersuchungen zur Beurteilung der Nierenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
5.4
Labordiagnostik bei Urolithiasis . . . . . . . . . . . . . 123
5.5
Säure-Basen-Gleichgewicht und Blutgase . . . . 127
5.6
Anämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
35 53
Sichtbare äußere Veränderungen P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
2.1
Gynäkomastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
2.2
Striae (Striae cutis atrophicae sive distenae) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
2.3
Behaarungsanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
2.4
Ödeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
2.5
Eunuchoide Körperproportionen . . . . . . . . . . . .
68
Laborwerte C. Thomas, S. W. Melchior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
20
Schmerzhafte Blasenentleerung F. Oberpenning, S. C. Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zylinder im Urinsediment W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 111
Genitale Schmerzen D. M. Wilbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5
4.7
Abdominalschmerzen H.-J. Piechota, L. Hertle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2
1
6
Renale Hypertonie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . 131
6.1
Renoparenchymatöse Hypertonie . . . . . . . . . . . 131
6.2
Renovaskuläre Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
7
Röntgen- und Sonographiebefunde . . . . . 141
7.1
Stumme Niere R. Gillitzer, S. J. Petry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
3
Fieber durch pathologische Befunde des Harntraktes S. J. Petry, R. Gillitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.2
Pathologische Urinbefunde . . . . . . . . . . . . . .
4.1
Hämaturie T. Otto, H. Rübben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2
77
7.4 87
Leukozyturie/Pyurie
4.3
Pneumaturie/Fäkalurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 102
4.4
7.5
Retrogrades Urethrogramm (RUG) R. Gillitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
7.6
Miktionszystourethrogramm (MCU) R. Gillitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
8
Proteinurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 105
4.6
Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen C. Adam, C. G. Stief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Kristallurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 103
4.5
Renale und retroperitoneale Raumforderungen D. Frohneberg, M. Spahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
87
W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 100
Harnstauungsniere R. Gillitzer, S. J. Petry . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
7.3
4
Veränderungen des Urin-pH-Wertes W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . . 109
Funktionsstörungen
1
8.1
Funktionsstörungen des unteren Harntraktes − Lower urinary Tract Symptoms (LUTS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Blasenentleerungsstörungen F. Schmidt, J. W. Thüroff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
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Inhaltsübersicht
8.2
Harnspeicherstörungen − Pollakisurie, imperativer Harndrang, Harninkontinenz J. W. Thüroff, H. Heidler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
9
Pathologisch veränderte Urinproduktion L. Conzelmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz S. C. Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 12.3 Infertilität G. Ludwig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 12.4 Palpable Prostataverhärtung S. Melchior, C. Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 12.5 Priapismus
10
11
C. van der Horst, K.-P. Jünemann . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Urethraler Ausfluss W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht . . . . . . . . . . . . . . 249
12.6 Penoskrotale Schwellung P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
Kinderurologische Krankheitsbilder . . . . . 255
12.7 Penisdeviation P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
11.1 Bauchschmerzen (Nabelkoliken) H. Schulte-Wissermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz D. Schultz-Lampel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
Funktionsstörungen
11.3 Abdominaltumor
11.6 Intersexuelles Genitale M. Westenfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
8
11.7 Hodendystopie P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
K. Weingärtner, H. Riedmiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes H. Riedmiller, K. Darge, E. W. Gerharz . . . . . . . . . . . . . 295 11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen H. Schulte-Wissermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
11.8 Anomalien des äußeren Genitales R. Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
12.8 Varikozele P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
13
13.1 Anomalien des äußeren Genitales, puberale Geschlechtsdifferenzierungsstörung, primäre Amenorrhö E. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 13.2 Dyspareunie E. Petri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 13.3 Deszensus/Prolaps H. Kölbl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 13.4 Harntraktveränderungen in der Schwangerschaft P. H. Walz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
14 12
Urologische Erkrankungen der Frau . . . . . 445
Glossar
Urologische Erkrankungen des Mannes . 369
F. Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
12.1 Hämospermie D. M. Wilbert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
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1
1
1.1 Abdominalschmerzen . . . . . . . .
Schmerzen
1
1.2 Flankenschmerzen . . 20 1.3 Suprapubische Schmerzen . . . . . . . . 29 1.4 Genitale Schmerzen . 35
1.1
1.5 Schmerzhafte Blasenentleerung . . . 53
Abdominalschmerzen H.-J. Piechota, L. Hertle
Schmerzen
Grundlagen Erkrankungen der Nieren und der harnableitenden Wege gehen mehrheitlich mit abdominalen Beschwerden und Schmerzen einher. Jedoch ist auch eine Vielzahl nichturologischer Krankheitsbilder mit diesen Symptomen vergesellschaftet, sodass die differenzialdiagnostische Abgrenzung erschwert sein kann. Schmerzperzeption und Erregungsleitung: Die Schmerzperzeption erfolgt in den sensiblen Nervenendigungen oder in den subsynaptischen Bezirken der Dendriten. Es existieren spezifische Schmerzrezeptoren, die auf chemische, thermische oder mechanische Noxen ansprechen. Die Erregungsleitung gelangt über die Neuriten des peripheren Neurons und das Spinalganglion zum Hinterhorn des Rückenmarks, kreuzt im Bereich des Halsmarks auf die Gegenseite und gelangt via Medulla oblongata, Thalamus (Tractus spinothalamicus) und Hypothalamus weiter zur Großhirnrinde.
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Einteilung Schmerztypisierung Zur näheren Charakterisierung abdominaler Schmerzen kann bei der körperlichen Untersuchung unterschieden werden zwischen: 왘 Spontanschmerz, 왘 Druckschmerz, 왘 Klopfschmerz, 왘 Loslassschmerz, 왘 Douglasschmerz. Beim Provokationsschmerz kommt es zur Schmerzverstärkung durch Palpation. Oftmals findet sich bei abdominalen Schmerzen eine begleitende lokalisierte oder generalisierte Abwehrspannung der Bauchdecke. Bei abdominalen Schmerzen wird der viszerale von dem somatischen Schmerz unterschieden. Viszerale Schmerzen: Sie können durch Kapselspannung parenchymatöser Organe, Dehnung oder spastische Kontraktionen der glatten Muskulatur sowie Durchblutungsstörungen hervorgerufen werden. Die Perzeption und Schmerzleitung erfolgt über aus den Eingeweiden und dem Peritoneum viscerale entspringende Fasern des vegetativen Nervensystems (Nn. splanchnici). Der Schmerz und ist meist intermittierend, diffus und schlecht lokalisierbar und hat dumpfen, krampfartigen, bohrenden Charakter. Die Schmerzattacken sind häufig von vegetativen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Blässe und Schwitzen sowie Unruhe begleitet. Ein Wechsel der Körperhaltung durch Krümmen und sich Winden sowie Umhergehen verschafft dem Betroffenen bisweilen Linderung,
Der viszerale Schmerz ist dumpf, quälend, von wechselnder Intensität und unscharf in der Lokalisation.
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1.1 Abdominalschmerzen
Schmerzen
wohingegen es in Ruhe eher zu einer Verschlimmerung der Beschwerden kommt. Die Kolik als Sonderform des viszeralen Schmerzes tritt ohne Prodromalsymptome auf und ist durch intermittierend an- und abschwellende, wehenartige Schmerzattacken mit schmerzfreien Intervallen charakterisiert. Sie geht mit raschen, massiven Druckerhöhungen in Hohlorganen einher und ist in der Regel von intensiven Muskelkontraktionen (Spasmen) begleitet, durch die sich das Hohlorgan um die Austreibung von Fremdkörpern, wie beispielsweise Konkrementen oder Koageln, bemüht. Durch Entzündung oder Katheterirritation bedingte Schmerzzustände der harnableitenden Wege werden definitionsgemäß als Tenesmen bezeichnet. Somatische Schmerzen sind lokalisierbar, anhaltend und schneidend.
1
Somatische Schmerzen: Der somatische Schmerz wird durch direkte Irritation des Peritoneum parietale von Bauchwand, Mesenterialansatz und Retroperitoneum beispielsweise bei entzündlichen Prozessen, Tumorinfiltration oder Organperforation hervorgerufen. Die Schmerzleitung erfolgt segmental und seitengetrennt über sensible Nn. intercostales. Es handelt sich typischerweise um einen gut lokalisierten, von einer abdominalen Abwehrspannung begleiteten, scharfen bis brennenden Dauerschmerz. Bettruhe und Schonhaltung führen zur Schmerzlinderung, während Bewegung und Erschütterungen wie beim Husten oder Niesen eine Verschlimmerung der Beschwerden zur Folge haben. Die anatomische Nähe der Nieren, des oberen Harntraktes und der Harnblase zum Peritoneum erklärt, warum es im Rahmen von Erkrankungen dieser Organe häufig zu peritonealen Reizerscheinungen kommt. Dadurch kann der primär viszerale Schmerz von somatischen Beschwerden überlagert werden. Es kann ein Symptomenmischbild mit Übelkeit, Erbrechen, Darmatonie, Obstipation und Meteorismus resultieren. Führt ein tumoröses oder entzündliches Geschehen zur raschen Volumenzunahme eines parenchymatösen Organs, kommt es zur Dehnung der Organkapsel und Auftreten des sog. Parenchymschmerzes. Gleichzeitig beeinträchtigt die entstehende intraparenchymatöse Druckerhöhung die Organdurchblutung. Aufgrund der verminderten Sauerstoffzufuhr und Anhäufung saurer Stoffwechselprodukte resultiert der den Parenchymschmerz noch verstärkende Ischämieschmerz. Der Schmerzcharakter wird zumeist als dumpf, brennend oder pochend beschrieben und lässt eine Periodik vermissen.
Schmerzlokalisation und -ausstrahlung Der viszerale Schmerz strahlt häufig in die Head-Zonen aus. Beim somatischen Schmerz kennzeichnet das Punctum maximum den Ort der Schmerzentstehung.
Viszeraler Schmerz: Die viszerale Schmerzausstrahlung erfolgt in Gebiete, die dem gleichen Neurosegment angehören wie das erkrankte Organ. Dabei können sich die Schmerzen in Haut- oder Muskelfaszienbezirke (Head-Zonen, MacKenzie-Zonen) projizieren, die zum Teil weit entfernt vom erkrankten Organ als Ursprungsort des Schmerzreizes liegen („Referred Pain“) (Tab. 1.1, Abb. 1.1, 1.2). Bei abgehenden hohen, mittleren oder tiefen Harnleitersteinen ist mit dem Tiefertreten des Konkrementes typischerweise eine Verlagerung des Schmerzes und seiner Ausstrahlung verbunden, wodurch nicht selten exakte Rückschlüsse auf die aktuelle Steinlage möglich sind. Während hohe Harnleiterkonkremente überwiegend Oberbauch- und Flankenschmerzen verursachen, sind bei mittleren und tief gelegenen Steinen in die Leisten- und Genitalregion (Hoden, Labia majora) der gleichen Seite ausstrahlenden Schmerzen zu beobachten. Liegt das Konkrement prävesikal, intramural oder gar im Ostium, imponieren stechende, brennende Blasenschmerzen mit imperativem Harndrang und Pollakisurie wie bei einer akuten Urozystitis oder Urethritis (Abb. 1.3). Somatischer Schmerz: Der somatische Schmerz ist dagegen am Ort der Erkrankung (z. B. Entzündung) lokalisiert. Verschiedene neurologische und orthopädische Krankheitsbilder (z. B. Diskushernie, Spondylarthrose, Spondylitis, Wirbelmetastasen, primäre Knochenerkran-
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Einteilung
Segmentale Lokalisation viszeraler Schmerzen
Organ
Segment
Dermatom
Zwerchfell
C3−C5
Schulter-Hals-Bereich
Herz
C5−Th6
Arm bis Xiphoid
Ösophagus
Th1−Th6
Kleinfinger bis Xiphoid
Oberbauchorgane
Th6−Th8
Xiphoid bis Epigastrium, untere Skapulagegend
Dünndarm und rechtes Kolon
Th9−Th10
periumbilikal
linkes Kolon
Th11−Th12
Unterbauch
Nieren und Harnleiter
Th6−L5
Flanke, Mittel- bis Unterbauch, Genitalbereich, medialer Oberschenkel
Harnblase
Th6−L5 (Detrusor) S1−S4 (Trigonum)
Unterbauch
Schmerzen
Tabelle 1.1
3
1
Abb. 1.1
Ventrale Schmerzausstrahlung unterschiedlicher Organerkrankungen.
kungen, Morbus Bechterew usw.) mit Beteiligung eines abdominalen Nervensegmentes können eine primäre abdominale Erkrankung vortäuschen. In der Regel fehlt dabei jedoch die abdominale Abwehrspannung und der Kranke ist oft nicht fähig anzugeben, ob der Schmerz im Abdomen oder im Rücken lokalisiert ist. Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bereitet der Herpes zoster, wenn vor dem Ausbruch des Exanthems segmentgebundene, einseitige, heftige neuralgiforme Schmerzen auftreten, welche ebenso wie die Hauteffloreszenzen nur selten die Mittellinie überschreiten.
Die klinische Untersuchung des Abdomens beinhaltet die Inspektion, Palpation, Auskultation und die digitorektale Untersuchung.
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1.1 Abdominalschmerzen
Schmerzen
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1 Abb. 1.2
Dorsale Schmerzausstrahlung unterschiedlicher Organerkrankungen.
Abb. 1.3
Regionale Lokalisation abdominaler Schmerzen.
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Einteilung
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Schmerz im zeitlichen Verlauf
Dazu bedarf es der Evaluation der Dauer der Erkrankung und der Entwicklungszeit der Schmerzen. Diese Unterscheidung vermag im Zusammenhang mit der Erhebung anderer zeitabhängiger Faktoren und Symptome eine differenzialdiagnostische Hilfestellung geben, wie die nachstehenden Beispiele zeigen. Bei der Urolithiasis treten Koliken etwa in der Hälfte der Fälle typischerweise rhythmisch in Abständen von Minuten bis Wochen auf. Ruhende Kelch- oder Ausgusskonkremente verursachen oft lediglich ein dumpfes, sich im Liegen verstärkendes Organgefühl und bleiben nicht selten asymptomatisch. Inkarzerierte Harnleitersteine oder spontan abgehende kleinste Konkremente und Nierengrieß können gänzlich unbemerkt bleiben. Häufig findet sich bei abdominalen Beschwerden ein zeitlicher Zusammenhang mit äußeren Faktoren wie beispielsweise Nahrungs- oder Medikamenteneinnahme. So verstärkt bei der akuten Gastritis Nahrungsaufnahme die diffusen, dumpfen, median im Oberbauch lokalisierten Beschwerden. Nach Erbrechen tritt meist Linderung ein. Neben Nikotin-, Alkohol- und Koffeinabusus können auch psychische und physische Stresssituationen (schweres Trauma, Operation) sowie Infektionen, Nahrungsmittel oder Intoxikationen an der Entstehung einer akuten Gastritis beteiligt sein. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten wie Salicylate, Phenylbutazon, Indometazin, Corticoide und Zytostatika kommen ursächlich in Betracht. Häufig ist die Gastritis der sekundäre Ausdruck einer Grundkrankheit, wie der chronischen Urämie, bei akuten oder chronischen Lebererkrankungen und als Stauungsgastritis bei der Herzinsuffizienz. Die erosive Gastritis ist eine wichtige Ursache der Hämatemesis. Die beim Ulcus ventriculi auftretenden, scharf umschriebenen, im Epigastrium lokalisierten Schmerzen von bohrendem, stechendem Charakter treten zumeist 1−2 Stunden postprandial sowie als Spontanschmerz um Mitternacht auf. Sie bessern sich typischerweise auf Milch, Antazida oder Nahrungszufuhr („Food-Relief“) und verschwinden dann in der Regel nach wenigen Minuten. Morgendlicher Nüchternschmerz kommt nie vor. Bei der Gallenkolik durch Steineinklemmung treten akut krampfartige, subkostale oder epigastrische Schmerzen im rechten Oberbauch auf, die häufig in die Schulter und den Rücken ausstrahlen. Zu den Begleitsymptomen können lokaler Druckschmerz (Murphy-Zeichen) mit Abwehrspannung, Erbrechen, Übelkeit, Fieber, Leukozytose, Schüttelfrost und ein Ikterus der Haut und Schleimhäute zählen. Bei gegebener Fettintoleranz treten die Beschwerden meist postprandial nach Diätfehlern auf. Die Cholelithiasis betrifft Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer und ist bei Diabetes mellitus, adipösen Patienten, nach Schwangerschaften und mit zunehmendem Alter gehäuft. Bei der akuten Pankreatitis imponieren zumeist plötzlich einsetzende, heftige, gürtelförmig zum Rücken ausstrahlende Oberbauchschmerzen im Gefolge von Nahrungs- und Alkoholexzessen oder bei Cholelithiasis. Tumorbedingte Schmerzen im Abdomen beginnen im Allgemeinen langsam und uncharakteristisch und weisen keine Periodik oder Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme auf. Sie sind progredient und meist von unbestimmten Beschwerden wie Inappetenz, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Leistungsknick, Abgeschlagenheit und Schwäche (Tumoranämie!) begleitet. Die wichtigsten differenzialdiagnostischen Überlegungen bei Schmerzen im Abdomen basieren auf der Beantwortung folgender Fragen: 왘 Ist eine Organzuordnung möglich?
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Schmerzen
Zur Differenzierung des zeitlichen Verlaufes abdominaler Schmerzen werden unterschieden: 왘 akute, im Verlauf weniger Minuten oder Stunden einsetzende Schmerzen, 왘 chronische Schmerzen, 왘 in Schüben rezidivierende Schmerzen
1
6
1.1 Abdominalschmerzen 왘 왘 왘
Handelt es sich um eine Infektion? Liegt eine Gefäßbeteiligung vor? Herrscht ein Volumenmangel?
Besonderheiten
Schmerzen
Akutes Abdomen: Als Sonderform akut auftretender, abdominaler Beschwerden verdient das akute Abdomen besondere Beachtung. Seine frühzeitige Erkennung und Einleitung der notwendigen, zumeist operativen therapeutischen Maßnahmen können in Abhängigkeit von der Grunderkrankung entscheidenden Einfluss auf Überleben und Prognose des Patienten haben. Die Diagnose des akuten Abdomens gelingt im Frühstadium häufig mit den einfachen Mitteln der Anamnese und des Tastbefundes.
Leitsymptome des akuten Abdomens: 쐌 Schmerzen, 쐌 Erbrechen, 쐌 reduzierter Allgemeinzustand mit oder ohne Schocksymptomatik, 쐌 Meteorismus, 쐌 pathologische Darmperistaltik.
Erbrechen: Als vegetative Reaktion, bei peritonealer Reizung sowie im Rahmen einer gastrointestinalen Passagestörung kann Erbrechen auftreten und ist dabei in der Regel von Schmerzen begleitet oder gefolgt. Schwere Gallen- und Nierenkoliken sowie die akute Pankreatitis werden gewöhnlich von mehrfachem, reflektorischem Erbrechen begleitet. Als Folge eines peritonealen Reizzustandes ist es ein häufiges Initialsymptom der Appendizitis, Peritonitis oder bei intraabdominalen Abszessen. Mit zunehmender Darmatonie kommt es sowohl beim mechanischen als auch beim paralytischen Ileus zum Überlauferbrechen. Beim mechanischen Ileus lässt sich die Lokalisation der Darmunwegsamkeit in etwa aus der Beschaffenheit des Erbrochenen abschätzen (Galle, Dünndarminhalt, Koterbrechen). Im Gegensatz zu entzündlichen Darmerkrankungen führt reflektorisches Erbrechen sowie Erbrechen bei der akuten Gastritis und bei intestinalen Passagestörungen zu vorübergehender Erleichterung.
1
Der akute Bauch 쐌 bereitet Schmerzen (möglichst keine starken Analgetika!), 쐌 neigt zum Erbrechen (Magensonde), 쐌 macht Angst (milde Sedativa), 쐌 braucht Volumen (Infusionstherapie), 쐌 verlangt eine bevorzugte Lagerung (nach Wunsch), 쐌 neigt zu Schock und Ateminsuffizienz. (nach H. Bünte, 1996)
Im späteren Stadium des akuten Abdomens überlagern sich die Symptome und erschweren die differenzialdiagnostischen Erwägungen.
Peritonealer Reizzustand: Ein peritonealer Reizzustand wird fast immer von einer raschen Verschlechterung des Allgemeinbefindens mit schwerem Krankheitsgefühl, Angst, Tachykardie, Übelkeit, Fieber, Schwitzen und Exsikkose begleitet. Bei diffuser, eitriger Peritonitis entwickelt sich ein charakteristischer Gesichtsausdruck mit fahlem Aussehen, spitzer Nase und halonierten Augen („Facies hippocratica/abdominalis“). Paralytischer Ileus: Leitsymptom des paralytischen Ileus: 쐌 Insgesamt geblähtes Abdomen in Verbindung mit auskultatorisch feststellbarer „Totenstille“ und perkutorischer Tympanie.
Eine umschriebene, mit Hyperperistaltik und Kolikschmerz kombinierte Auftreibung ist häufig Vorbote des akuten, mechanischen Dünndarmverschlusses. „Rahmentympanie“ des Kolonrahmens deutet auf einen Dickdarmverschluss hin. Die sorgfältige Verlaufsbeobachtung perkutorischer und auskultatorischer Phänomene ermöglicht neben der Erkennung vermehrter intestinaler Luft- und Flüssigkeitsansammlungen (kollernd-gurrende Darmgeräusche) auch den Nachweis oder gar die Lokalisation von Stenosen (metallisch klingende Stenoseperistaltik, Durchspritzgeräusche). Im Vergleich zu Schmerzen und Erbrechen sind Stuhl- und Windverhaltung für die Differenzialdiagnose einer intestinalen Passagestörung wenig aussagefähig und treten bestenfalls bei tiefen Dickdarmverschlüssen als Frühsymptom auf.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Dagegen schließen Stuhl- und Windabgang beim akuten Abdomen einen Darmverschluss niemals aus.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Denn zahlreiche Krankheitsbilder weisen diesbezüglich charakteristische Muster auf. Zusammen mit der genauen Kenntnis dieser Krankheitsbilder und der anatomischen Organnachbarschaften kann die Verdachtsdiagnose gestellt werden. Die Schmerzdifferenzierung hat somit entscheidenden Einfluss auf die Untersuchungsplanung und Diagnosestellung. Der Arzt ist hierbei auf die subjektive Schmerzäußerung und -bewertung in Sprache und Gestik durch den Patienten angewiesen und sollte bei der eigenen Wertung die psychische Grundstimmung des Patienten berücksichtigen. Weitere Diagnostik: Durch die weitere Diagnostik sind organische von funktionellen oder psychischen Leiden zu differenzieren. Als Faustregeln können berücksichtigt werden: 왘 Häufigkeitsregel („Seltenes kommt zwar vor, Häufiges ist häufig.“), 왘 Lokalisationsregel („Das Zentrum der Schmerzsymptomatik weist in der Regel auf den erkrankten Organbezirk hin.“). Die weiterführende spezifische Diagnostik richtet sich nach der entsprechenden Verdachtsdiagnose, die aus der Differenzierung des Schmerzes resultiert.
Schmerzen
Anamnese und körperliche Untersuchung: Der Schmerz hat bei der Erhebung der Anamnese und körperlichen Untersuchung einen hohen Stellenwert. Als häufigstes urologisches Leitsymptom ist er für die weitere Diagnostik und Therapie jedoch nur dann wegweisend, wenn ihm ein Ursprungsorgan nebst zugrunde liegender Pathologie im Sinne einer Verdachtsdiagnose zugeordnet werden kann. Hierzu muss der Schmerz zunächst genau differenziert werden nach: 왘 Lokalisation, 왘 Qualität, 왘 Ausstrahlung, 왘 zeitlichem Verlauf, 왘 Begleitsymptomen. Differenzierung des Schmerzes nach: 쐌 Lokalisation, 쐌 Qualität, 쐌 Ausstrahlung, 쐌 zeitlichem Verlauf, 쐌 Begleitsymptomen.
Zum Schutz vor Fehldiagnosen ist die wiederholte Untersuchung und Erkennung von Verlaufsänderungen notwendig. Die Schmerztherapie sollte möglichst erst nach vollständiger klinischer Befunderhebung am Abdomen begonnen werden.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Organ
Erkrankung
1. Epigastrium 1.1 Herz
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Myokardinfarkt Angina pectoris Endokarditis Myokarditis Perikarditis Perikarderguss Herzbeuteltamponade Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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1.1 Abdominalschmerzen
Organ
Erkrankung
1. Epigastrium (Fortsetzung) 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Pneumonie Pleuritis Lungenembolie Lungeninfarkt Thoraxtrauma Rippenfraktur Pneumothorax Hämatothorax Chylothorax
1.3 Ösophagus
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Hiatushernie gastroösophagealer Reflux Ösophagitis Ulkus peptische Stenose Ösophagusvarizen Mallory-Weiss-Syndrom Ösophagusachalasie Ösophaguskarzinom
1.4 Magen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Gastritis Ulcus ventriculi Ulkusperforation funktionelle Störung sekundäre Begleiterscheinung von Allgemeinerkrankungen Magenkarzinom maligne Lymphome Sarkome Polyposis ventriculi Leiomyom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
akute oder chronische Pankreatitis Papillenkonkrement Pankreaskarzinom Pankreas anulare Pankreaszysten, -pseudozysten zystische Pankreasfibrose (Mukoviszidose)
Schmerzen
1.2 Lunge
1
1.5 Pankreas
2. Rechter Oberbauch 2.1 Leber
쐌 Hepatitis 쐌 Perihepatitis acuta bei Gonorrhö oder Chlamydieninfekt 쐌 Leberzirrhose 쐌 Stoffwechselerkrankungen 쐌 Speicherkrankheiten 쐌 Leberabszess 쐌 Leberechinokokkus 쐌 Stauungsleber (Budd-Chiari-Syndrom) 쐌 Leberhämangiom 쐌 primäres Leberzellkarzinom 쐌 Metastasenleber Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Organ
9
Erkrankung
2.2 Darm
쐌 Duodenum − Ulcus duodeni − Ulkusperforation − Pylorusstenose − Duodenalatresie − Duodenaldivertikel 쐌 Kolon − Megacolon transversum − Chilaiditi-Syndrom − Kolonpolyp − Kolonkarzinom − subhepatische bzw. retrozökale Appendizitis
2.3 Gallenwege
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Cholezystolithiasis Cholezystitis Gallenblasenempyem Choledocholithiasis Gallenblasenperforation Cholangitis Mirizzi-Syndrom Tumor der Gallenwege
2.4 Niere, Nebenniere (s. u.)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Lage- und Strukturanomalien Harntransportstörung V.-ovarica-dextra-Syndrom retrokavaler Ureter (S. 318) Nephrolithiasis (S. 27, S. 321) Entzündung Tumor (S. 154) Zirkulationsstörung Trauma
2.5 sonstige Affektionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Unterlappenpneumonie basale Pleuritis subphrenischer Abszess Rippenfraktur Herpes zoster
1
3. Linker Oberbauch 3.1 Niere, Nebenniere
Schmerzen
2. Rechter Oberbauch (Fortsetzung)
쐌 Lage- und Strukturanomalien − Hufeisenniere (Rovsing-Syndrom) − multizystische Dysplasie (S. 291, S. 303) − komplizierte Nierenzysten (S. 158) − Malrotation 쐌 Zirkulationsstörung − akutes prärenales Nierenversagen (S. 236) − Niereninfarkt − renovaskuläre Schrumpfniere − Nierenvenenthrombose (S. 28, S. 292) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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1.1 Abdominalschmerzen
Organ
Erkrankung
3. Linker Oberbauch (Fortsetzung) 쐌 Harntransportstörung − Hydronephrose − vesikorenaler Reflux (S. 319) − Megaureter (S. 315) − externe Ureterkompression − retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond) (S. 153) − interne Ureterokklusion 쐌 Trauma − Nierenkontusion − Parenchymeinriss, Kapselhämatom − Nierenruptur, Nierenstielverletzung − perirenales Hämatom 쐌 Nephrolithiasis − ruhende Kelchsteine − Ausgusskonkremente − Nierenbeckenventilsteine (S. 98, S. 160) 쐌 Entzündung − akute, chronische oder xanthogranulomatöse Pyelonephritis − Pyelonephritis (S. 80) − pyelonephritische Schrumpfniere − nekrotisierende Papillitis − akute oder chronische Glomerulonephritis − Nierenkarbunkel (S. 81, S. 159) − Pyonephrose (S. 159) − paranephritischer Abszess (S. 82) − Nierentuberkulose (S. 178) 쐌 Tumor − Nebennierentumor (Adenom, Karzinom, Phäochromozytom, Neuroblastom, Metastasen) (S. 166) − Nierentumor (Nierenzellkarzinom, Wilms-Tumor, Nierenadenom, Onkozytom, Hamartom, Angiomyolipom) (S. 154) − Nierenbeckenkarzinom (S. 98, S. 163)
3.2 Milz
쐌 Splenomegalie bei: − Polyzythämie − Leukämie − Septikämie − Mononucleosis infectiosa (Morbus Pfeiffer) − Speicherkrankheiten − portaler Hypertension 쐌 ein- oder zweizeitige Milzruptur 쐌 Milzinfarkt 쐌 Milzvenenthrombose, -stenose 쐌 Milzbrand, -karbunkel
Schmerzen
3.1 Niere, Nebenniere (Fortsetzung)
1
3.3 sonstige Affektionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Unterlappenpneumonie basale Pleuritis subphrenischer Abszess Rippenfraktur Herpes zoster Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Organ
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Erkrankung
4.1 Ovar, Eileiter
쐌 Entzündungen − akute und chronische Adnexitis, Salpingitis (unspezifische Infekte, Gonorrhö, Syphilis, Tuberkulose) − Parametritis − Pyosalpinx − Tuboovarialabszess 쐌 Zyklus, Schwangerschaft − Menstruation − Eisprung − Follikelzyste (Graaf) − Corpus-luteum-Zyste − Extrauteringravidität (ovarial, abdominal, infundibulär, ampullär, isthmisch, interstitiell) − Tubarruptur, Tubarabort − Endometriose 쐌 benigne Tumoren − polyzystisches Ovar (Stein-Leventhal-Syndrom) − Tuboovarialzyste (mit oder ohne Einblutung bzw. Stieldrehung) − Hydrosalpinx − seröses Zystom, Zystadenom − Pseudomuzinzystom − Dermoidzyste − Myom, Lipom, Chondrom, Osteom, Angiom, Fibrom (Meigs-Syndrom) − Thekazelltumor, Hypernephroidtumor 쐌 maligne Tumoren − Teratom − Disgerminom (Seminom), Brenner-Tumor, Granulosazelltumor − Arrhenoblastom, Fibrosarkom 쐌 Metastasen − Adenokarzinom des Kolons − Krukenberg-Tumor
4.2 Niere
쐌 Nephroptose 쐌 Heterotopien, Beckenniere
4.3 Harnleiter
쐌 interne Obstruktion − Konkrement (S. 44, S. 98) − Koagel − abgestoßene Papille, Matrix, Detritus − Urothelkarzinom 쐌 externe Kompression − Schwangerschaft − V.-ovarica-dextra-Syndrom − retrokavaler Ureter (S. 318) − Aneurysma der Bauchaorta oder A. iliaca communis − retroperitoneale Raumforderung (Hämatom, Tumor, Metastasen) (S. 164) − retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond) (S. 153) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Schmerzen
4. Rechter Unterbauch
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1.1 Abdominalschmerzen
Organ
Erkrankung
Schmerzen
4. Rechter Unterbauch (Fortsetzung) 4.4 Darm
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Meckel-Divertikel Ileitis terminalis Appendizitis (S. 45) Enteritis regionalis (Morbus Crohn) Invagination Leistenhernie
4.5 sonstige Affektionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Verwachsungen, Briden, Adhäsionen Obstipation, Kotsteine Beckenvenenthrombose Koxitis degenerative Hüftgelenkveränderungen knöcherne Tumoren und Metastasen des Beckens
5.1 Ovar, Eileiter (s. o.)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Entzündung Zyklus Schwangerschaft benigne Tumoren maligne Tumoren Metastasen
5.2 Niere, Harnleiter (s. o.)
쐌 Lageanomalie der Niere 쐌 interne Harnleiterobstruktion 쐌 externe Harnleiterkompression
5.3 Darm
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
5.4 sonstige Affektionen (s. o.)
쐌 Aneurysma der Aorta abdominalis 쐌 Beckenvenenthrombose 쐌 Erkrankungen von Hüftgelenk und Beckenknochen
5. Linker Unterbauch
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Enteritis regionalis (Morbus Crohn) Divertikulose Divertikulitis (Linksappendizitis) Proktosigmoiditis Polypen des distalen Kolons Karzinom des distalen Kolons Fremdkörper Verwachsungen, Briden, Adhäsionen Obstipation, Kotsteine Colon irritabile Leistenhernie
6. Blasenregion und Leistengegend 6.1 Harnblase
쐌 Form- und Lageanomalien − Urachusfistel − Ureterozele (S. 317) − Divertikel − Ekstrophie − Deszensus, Prolaps (Zystozele) − posteriore Urethralklappen (S. 184, S. 292) − Hypertrophie des Colliculus seminalis Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Organ
13
Erkrankung
6.1 Harnblase (Fortsetzung)
6.2 Uterus, Vagina, Vulva
쐌 Blasenentleerungsstörung, Harnverhalt − habituelle Harnverhaltung, hypotone Blase − neurogene Blasenentleerungsstörung (angeboren, erworben, iatrogen) (S. 270) − Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie − Sphinktersklerose − Blasenhalsbarre − benigne Prostatahyperplasie (S. 198) − Prostatakarzinom (S. 201, S. 372) − Harnröhrenklappen (S. 184, S. 292) − Harnröhrenstenose oder -striktur (S. 185, S. 189, S. 202) − Meatusstenose (S. 202) 쐌 Entzündung − akute oder chronische Zystitis (S. 32) − interstitielle Zystitis (S. 32, S. 219) − Trigonitis, Reizblase − tuberkulöse Zystitis − Schistosomiasis (Bilharziose) − Aktinomykose 쐌 Tumor − Karzinom lokalen oder extravesikalen Ursprungs (S. 97) − Polyposis, Endometriose, Hämangiom 쐌 sonstige Affektionen − Fistel (S. 102, S. 212) − Blasenruptur (intra- oder extraperitoneal) (S. 34) − Harnröhrenabriss (supra-/infradiaphragmal) (S. 44, S. 52, S. 99) − Harnleiterkonkrement (prävesikal, intramural) (S. 44, S. 98) − Zystolithiasis, Fremdkörper (S. 182) 쐌 Form- und Lageanomalien − Dopplung und/oder Septierung − Anteflexion − Retroversion, -flexion, -position − Deszensus, Prolaps − Hymenalatresie − Hämato-, Pyokolpos 쐌 Schwangerschaft − Gestosen − Placenta praevia, Plazentaablösung − Plazentainfarkt − Abortus − Puerperalinfektion 쐌 Entzündung − Endometritis, Zervizitis, Kolpitis, Vulvitis (unspezifisch-pyogene Infekte, Soor, Trichomoniasis, Gonorrhö, Erosion, Syphilis, Moniliasis, Tuberkulose) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Schmerzen
6. Blasenregion und Leistengegend (Fortsetzung)
1
14
1.1 Abdominalschmerzen
Organ
Erkrankung
Schmerzen
6. Blasenregion und Leistengegend (Fortsetzung) 6.2 Uterus, Vagina, Vulva (Fortsetzung)
쐌 Tumor − intrauterine Blastome (Chorionangiom, -epitheliom, Blasenmole) − Myom − Sarkom − Korpuskarzinom − Kollumkarzinom − Malignome der Vagina − Zyste (Bartholini), Fibrom, Lipom, Karzinom der Vulva
6.3 sonstige Affektionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Leistenhernie, Hodenhochstand (S. 351) entzündliche Erkrankungen des Anorektums Prostatitis, Prostatodynie (S. 42, S. 52) Aneurysma Douglasabszess Neoplasien des Rektums
1 In der Nabelregion lokalisierte und diffuse abdominale Schmerzen Ätiologie
Erkrankung
1. Hernie
쐌 epigastrische oder supraumbilikale Hernie 쐌 Nabelhernie
2. Entzündung, Infektion
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
akute Gastroenteritis und Enterokolitis, Parasitosen Lymphadenitis mesenterialis Frühstadium der akuten Appendizitis Morbus Crohn Colitis ulcerosa
3. Ileus
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
mechanischer Ileus Volvulus, Invagination, Inkarzeration, Strangulation Briden und Adhäsionen Atresie, Stenose durch Ulkus, Polypen oder Tumor Mekoniumileus paralytischer Ileus: − kongenital (z. B. Morbus Hirschsprung, neurogene oder myogene Achalasie) − traumatisch (z. B. stumpfes Bauchtrauma, Wirbelfraktur, retroperitoneales Hämatom) − reflektorisch (z. B. Koliken, starke Schmerzzustände) − medikamentös (z. B. diabetische Azidose, Urämie, Hypokaliämie) − sekundär (z. B. Peritonitis) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Ätiologie
Erkrankung
4. Organperforation, Abszedierung, Peritonitis
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
5. sonstige Affektionen
쐌 Colon irritabile, Meteorismus, Pseudoobstruktion, Obstipation 쐌 pseudomembranöse, antibiotikaassoziierte Kolitis 쐌 Kollagenosen, Autoimmunerkrankungen 쐌 Maldigestion 쐌 Bestrahlungsschäden 쐌 Peritonealkarzinose 쐌 Endometriose
15
Schmerzen
perforiertes Ulcus ventriculi oder duodeni subphrenischer Abszess Darmschlingenabszess perforierte Appendizitis, perithyphilitischer Abszess Divertikelperforation, perisigmoidaler Abszess Tumorperforation Douglasabszess Gangrän und Perforation bei ischämischen Enteropathien 쐌 Leberabszess, subhepatischer Abszess 쐌 Perforation bei akuter Cholezystitis oder Gallenblasenempyem 쐌 perforierte Pankreaszyste oder -abszess
1
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Zirkulationsstörungen der Mesenterialgefäße Beim akuten, arteriellen Mesenterialgefäßverschluss (intestinaler Apoplex) treten rasch zunehmende massive Schmerzen im Zentrum der Bauchhöhle (Darmkrämpfe) sowie Übelkeit und Erbrechen auf. Es fehlen Entzündungszeichen, der Kranke ist fieberfrei und eine Schocksymptomatik kann frühzeitig einsetzen. Oft folgt ein stummes Intervall („fauler Frieden“) von 2−12 Stunden Dauer, bevor dann als Auswirkungen der Durchwanderungsperitonitis durch Gangrän der nicht mehr durchbluteten Darmabschnitte Leukozytose, Temperaturerhöhung, peritonitische Reizerscheinungen, Darmatonie (Ileus) oder blutige Durchfälle hinzutreten. Die klassischen Zeichen des akuten Abdomens kommen spätestens dann zur Ausbildung, wenn es in Folge der ischämischen intestinalen Nekrose zur Perforation des betroffenen Darmabschnittes gekommen ist. Die Letalität beträgt zu diesem Zeitpunkt unter jeglicher Behandlung nahezu 100 %, weshalb bei entsprechendem Verdacht umgehend eine selektive Mesenterialgefäßdarstellung (z. B. als Angio-CT oder -MRT) durchgeführt oder vorzugsweise die sofortige Laparotomie veranlasst werden sollte. Rein arteriosklerotisch bedingte Stenosen oder Verschlüsse des Truncus coeliacus oder der Aa. mesentericae superior und inferior sind infolge der zumeist guten Kollateralisierung selten. Der akute Mesenterialarterienverschluss tritt dagegen häufig embolisch als sekundäre Komplikation beim Myokardinfarkt mit wandständiger Thrombenbildung, bei Mitralstenosen und Vorhofflimmern oder im Rahmen einer Endokarditis lenta auf. Das klinische Bild des Mesenterialinfarktes kann jedoch auch ohne thrombotischen Gefäßverschluss im Gefolge eines kardialen oder zirkulatorischen Schocks und bei schwerer Herz- und Kreislaufinsuffizienz sowie im Rahmen von Autoimmunerkrankungen oder Kollagenosen entstehen. Die klinische Symptomatologie beim arteriellen mesenterialen Gefäßverschluss und bei einer Mesenterialvenenthrombose ist nahezu identisch. Gleiches gilt für lokale Zirkulationsstörungen bedingt durch Strangulation, Invagination oder starke
Die Diagnose des gefäßbedingten akuten Abdomens wird klinisch gestellt. Für Diagnostik bleibt nicht viel Zeit. Jede Stunde der Verzögerung der Laparotomie wird mit etwa 5−10 % Letalitätsanstieg bezahlt. (H. Bünte, 1996)
Auffällig ist die Diskrepanz zwischen dem annähernd normalen abdominalen Tastbefund und den heftigen Beschwerden beim venösen und arteriellen Mesenterialgefäßverschluss.
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1.1 Abdominalschmerzen
Schmerzen
intestinale Distension. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung einer Mesenterialvenenthrombose ist daher nur angiographisch möglich. Als Ursache von Thrombosen im Zuflussgebiet der Pfortader kommen benachbarte Infektionen oder septische Prozesse am Magen-Darm-Trakt, insbesondere aber Karzinome des Magens, Querkolons, Pankreas und der Gallenwege in Betracht. Die chronische intestinale Ischämie (Claudicatio intestinalis, Angina abdominalis, Ortner-Syndrom) ist charakterisiert durch 1/2−1 Stunde postprandial auftretende, krampfartige Schmerzen im Mittel- bis Oberbauch. Die Symptome eines akuten Abdomens kommen nur bei akutem vollständigem Verschluss durch eine Gefäßthrombose zur Ausprägung. Die Beschwerden sind von der Art der aufgenommenen Nahrung unabhängig, sprechen oft auf Nitrate an und sind durch die üblichen therapeutischen Maßnahmen beim Ulcus pepticum oder bei der Cholelithiasis nicht zu beeinflussen. Begleitend kommt es zu veränderten Verdauungsgewohnheiten (häufig Obstipation, selten Diarrhoe) und gelegentlich Teerstühlen und Malabsorption mit progredientem Gewichtsverlust.
Divertikulitis Ätiologie: Bei der Divertikulose entwickeln sich Kolondivertikel als transmuraler Schleimhautprolaps entlang der die Mukosa versorgenden Gefäßkanäle. Sie entstehen möglicherweise auf dem Boden einer kongenitalen Disposition als Folge einer zumeist spastischen intraluminalen Druckerhöhung bei gleichzeitiger Involution der Muskulatur mit zunehmendem Alter und sind überwiegend im Sigmoid lokalisiert. Bei einigen Patienten bedingen sie teils massive Blutungen und bereiten sonst üblicherweise erst im Entzündungsfall als Divertikulitis Beschwerden.
1 Die Sigmadivertikulitis kann bei gedeckter Perforation mit schmerzhaftem Tastbefund, bei freier Perforation mit Peritonitiszeichen und bei Fistelbildung mit Pneumaturie einhergehen.
Symptomatik: Rezidivierend krampfartige Schmerzen mit symptomfreien Intervallen in der suprapubischen Region und im linken Unterbauch mit lokaler Abwehrspannung, tastbarer walzenförmiger Resistenz, Douglasschmerz, Stuhlunregelmäßigkeiten sowie Fieber, CRP- und BSG-Erhöhung mit Leukozytose müssen daher beim zumeist älteren Patienten an eine Kolondivertikulitis („Linksappendizitis“) denken lassen. Die Beschwerdeprogredienz weist auf Komplikationen durch Abszedierung, Wandverdickung und mechanische Obstruktion der Stuhlpassage, Perforation mit Zeichen der lokalen oder diffusen Peritonitis oder Fistelbildung hin und begründet dann die Indikation zur operativen Sanierung. Die Sterblichkeit bei elektiver Operation der unkomplizierten Divertikulitis beträgt unter 3 % und steigt bei Noteingriffen über 10 %, weshalb heute die Frühoperation der Divertikulitis empfohlen wird. Bei vesikosigmoidaler Fistelbildung sollte die Fistelexzision mit simultaner Sigmaresektion durchgeführt werden.
Diagnostik 쐌 CT, 쐌 Kolonkontrasteinlauf, 쐌 selten Koloskopie.
Die Diagnosesicherung ermöglicht die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber Kolonkarzinom, Morbus Crohn des Kolons sowie nichtobstruktiven, röntgenkontrastarmen distalen Harnleiterkonkrementen.
Leistenhernie Ätiologie: Die Hernieninzidenz wird in der Literatur mit 3−5 % angegeben, wobei es sich in 75 % um Leistenhernien und 8 % um Schenkelhernien handelt. Bei den Leistenhernien beträgt der Anteil des männlichen Geschlechts 95 %. Narbenbrüche,
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Die wichtigste, häufigste und gefährlichste Komplikation der Hernie ist die Inkarzeration.
Schmerzen
Zwerchfellbrüche (Bochdalek, Morgagni), epigastrische Hernien, Nabelbrüche (10 %), Rektusdiastasen sowie seltene Hernienformen (Spieghelii, Hernia obturatoria, lumbalis, perinealis) und innere Hernien (Treitz) machen insgesamt 17 % aller Hernien aus. Bei der angeborenen Leistenhernie des Säuglings oder Kleinkindes besteht eine anatomische Disposition durch den Descensus testis mit dann ausbleibender Obliteration des Processus vaginalis peritonei. Die erworbene Leistenhernie des Erwachsenen entsteht fast immer im Falle einer Beeinträchtigung der Bauchwandfestigkeit (Narben) und/oder durch eine Erhöhung des intraabdominalen Druckes, wie beispielsweise im Rahmen einer Schwangerschaft, oder durch verstärkten Einsatz der Bauchpresse bei der Defäkation (chronische Obstipation), bei der Miktion (subvesikales Abflusshindernis) oder Exspiration gegen Widerstand (chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen). Beim Heben schwerer Lasten sowie bei Bläsern (Horn, Glas) ist eine berufliche Disposition gegeben.
17
Symptomatik: Symptome des unkomplizierten, reponiblen Leistenbruchs: 쐌 Ziehende, zum Teil belastungsabhängige Schmerzen, 쐌 Schwellung in der Leistengegend, 쐌 uncharakteristische Bauchbeschwerden und Verdauungsstörungen.
Die Irreponibilität einer Leistenhernie ist zumeist durch Inkarzeration, Strangulation mit venöser Stauung, Entzündung und Verwachsungen bedingt und findet sich auch bei Gleitbrüchen und übergroßen Hernien, deren Bruchinhalt „sein Heimatrecht in der Bauchhöhle verloren hat“. Mechanischer Ileus, Durchblutungsstörung und Peritonitis können den Leistenbruch komplizieren. Eine dringliche Operationsindikation besteht beim Auftreten von Ileus- und Schocksymptomen wegen der Gefahr der Darmnekrose und Perforation.
1 Die Indikation zur Hernienoperation ist nahezu immer gegeben, da sich Hernien niemals spontan zurückbilden, mit der Zeit an Größe zunehmen und ständig die Gefahr der Inkarzeration besteht.
Diagnostik 쐌 Anamnese, 쐌 Palpation: − Lokalisation, − Anprall beim Husten oder Pressen, − Bruchsackinhalt (Omentum, Appendix, Adnexe), − Reponibilität, − Untersuchung der Gegenseite (in 20−30 % Vorliegen doppelseitiger Hernien!), 쐌 Aussscheidungsurogramm und Harnstatus zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegen Harnleiterkonkremente.
Die Reposition inkarzerierter Hernien ist nur in den ersten 6 Stunden nach Beginn der Inkarzeration erlaubt. Inkarzerierte Hernien, die älter als 6 Stunden sind, müssen operativ freigelegt werden, damit der Bruchinhalt unter Sicht beurteilt werden kann.
Aneurysma der Aorta abdominalis Ätiologie: Ätiologisch dominiert die arteriosklerotische Genese. Traumatische, mykotische und syphilitische Ursachen gehören zu den Ausnahmen. Mit einer Spontanruptur ist in ca. 70 % zu rechnen. Die gefürchtete Aneurysmaruptur geht mit plötzlich einsetzenden, starken Schmerzen sowie Kreislaufkollaps und Schock einher und wird selten überlebt. Im Aneurysma verlangsamt sich die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes und nach dem Bernoulli-Gesetz (Gesamtenergie = Summe aus statischem und dynamischem Druck) steigt der transmurale Druck. Daher bedeutet jede Größenzunahme des Aneurysmas eine Abnahme der Strömungsenergie, eine Zunahme des transmuralen Druckes und damit der Perforationswahrscheinlichkeit.
Im Rahmen der urologischen Diagnostik akuter Flankenschmerzen sollte zum Ausschluss eines Aneurysmas bei unauffälligem Ultraschallbefund der Nieren stets eine sonographische Mitbeurteilung der Aorta abdominalis erfolgen.
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1.1 Abdominalschmerzen
Das Aortenaneurysma kann entweder durch direkte Kompression des linksseitigen Ureters oder bei inflammatorischer Komponente durch perianeurysmatische Fibrosierung ähnlich der Retroperitonealfibrose (Morbus Ormond) eine Harnabflussstörung verursachen.
Symptomatik: Aneurysmen der Bauchaorta bleiben häufig unbemerkt, bis sie ab einer Größe von 4−6 cm als expansiv pulsierende, intraabdominale Raumforderung mit systolischem Strömungsgeräusch palpiert und durch bohrende Rückenschmerzen oder linksseitige Bauch- und Flankenbeschwerden symptomatisch werden können. Das dissezierende Aortenaneurysma verursacht vergleichsweise stärkere, oft als zerreißend geschilderte Schmerzen mit plötzlichem Beginn, deren anfängliches Punktum maximum Hinweis auf die Dissektionsstelle geben kann. Nach De Bakey liegt diese zu 65 % im Bereich des thorakalen Aortenbogens und nur zu 5 % in der Aorta abdominalis. Die Beteiligung verschiedener peripherer Arterien bedingt eine Vielzahl von Symptomen und Befunden (Myokardinfarkt, zerebrale Ischämie, Hemiparese, Paraplegie, akutes Nierenversagen, Darmnekrose, periphere Ischämie), die sich zunächst scheinbar nicht auf eine gemeinsame Ursache zurückführen lassen.
Schmerzen
Diagnostik
1
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
Lokalisation, Größe und Ausdehnung, Harnstau
CT
perianeurysmatische Fibrosierung
Abdomenübersicht
in 60 % paravertebral lineare oder sichelförmige Verkalkungsstrukturen
MR-/CT-Angiographie
Abklärung anderer Faktoren (Nierenarterienstenose, aberrierende Polgefäße)
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Sepsis Jede zweite Sepsis geht von den Harnwegen aus.
Ätiologie: Eine Sepsis kann sich auf dem Boden von Verletzungen, infizierten Fremdkörpern, Abszessen, Phlegmonen, Lymphangitis und Thrombophlebitis entwickeln. Zu den prädisponierenden Faktoren zählen Leukosen und Malignome, immunsuppressive Therapie (Corticoide) und Immunmangelsyndrome, Leberzirrhosen, Diabetes mellitus sowie die Schwangerschaft. Als häufige Grunderkrankungen sind chronisch-entzündliche Erkrankungen des Urogenital-, Gastrointestinal- (auch Gallenwege) und Respirationstraktes (Langzeitbeatmung) sowie der febrile Abort bekannt. Die Mehrzahl der Infektionen ist iatrogener Herkunft, etwa 75 % werden als nosokomiale Sepsis im Krankenhaus erworben. Infizierten zentralvenösen Kathetern und Harnwegskathetern sowie Sekretverhalt nach Operationen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Als Endoplastitis werden Septikämien im Zusammenhang mit intravasalen oder implantierten Fremdkörpern bezeichnet. Die Urosepsis entsteht überwiegend durch Einschwemmung gramnegativer, Endotoxin bildender Stäbchen bei liegendem transurethralen Verweilkatheter oder durch Instrumentierung (transurethrale Resektionen, endourologische Manipulationen am gestauten oberen Harntrakt, Katheterwechsel). Sie ist auch heute noch mit einer Mortalität von bis zu 70 % behaftet. Die schnellstmögliche Entfernung des septischen Herdes stellt die wichtigste therapeutische Maßnahme dar. Flankierend sind neben einer resistogrammgerechten antibiotischen Behandlung häufig intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich. Jeder nichtsanierte abszedierende oder phlegmonöse Eiterherd kann potenziell durch Einbruch in die Lymph- und Blutbahn über eine Bakteriämie zur septischen Allgemeininfektion mit nicht selten eitrigen Metastasen in anderen Organen führen. Wegen der verschiedenen Prognosen wird die grampositive (z. B. Staphylokokkensepsis) von der gramnegativen (z. B. Pseudomonadensepsis) unterschieden. Der septische Schock (Endotoxinschock) stellt in 5−20 % eine lebensbedrohliche Komplikation dar.
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
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Symptomatik: Die Symptomatologie der Sepsis kann sehr variabel und unspezifisch und insbesondere beim immunsupprimierten, älteren und anergen Patienten anfangs eher diskret sein. Sie umfasst in der Regel schwere toxische Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Übelkeit und Erbrechen, diffuse abdominale Beschwerden und Blutdruckabfall. Die Haut ist im Frühstadium gerötet, warm und trocken, später livide verfärbt (Livedo racemosa), kalt und feucht. Klassische Symptome der manifesten Sepsis Labor
intermittierendes, septisches Fieber (Temperatur 쏜 38,5 °C), Schüttelfrost
Leukozytose 쏜15 000/mm3 bzw. Leukopenie 쏝 5000/mm3
Abgeschlagenheit, Schwäche, Inappetenz, Übelkeit
Linksverschiebung im Differenzialblutbild
Erbrechen, Durchfall
Thrombozytopenie 쏝 130 000/mm3, Gerinnungsstörungen
Tachykardie, Hypotension, Schock
hypochrome Anämie
Oligurie, Anurie
Elektrolytverschiebungen, Hypophosphatämie
Hyperventilation
respiratorische Alkalose, metabolische Azidose
Bewusstseinsstörung
positive Blutkulturen
Schmerzen
Klinik
1
Voroperationen am Abdomen Aus jedem operativen Eingriff mit Eröffnung der Bauchhöhle und Manipulation am Intestinum können im Intervall von Tagen bis zu Jahren infolge von Adhäsion und Bridenbildung unbestimmte abdominale Beschwerden, wechselnde Stuhlgewohnheiten oder ein sekundärer Ileus resultieren. Nach Eingriffen am Dünn- oder Dickdarm sind neben der postoperativen, durch konservativ-medikamentöse Maßnahmen gut zu beeinflussenden intestinalen Paralyse weitere charakteristische Komplikationen bekannt. Hierzu zählen frühe und späte Anastomoseninsuffizienzen (Peritonitis, Schlingenabszess) sowie die Anastomosenstenose und innere Hernien. Letztere entstehen durch die Verlagerung von Darmschlingen oder Netzanteilen in vergrößerte Bauchfelltaschen, wie beispielsweise an der Flexura duodenojejunalis (Treitz), oder durch Adhäsion und unzureichend verschlossene Mesenterialschlitze nach Darmresektionen. Von der Narbenhernie streng zu unterscheiden ist der Platzbauch, bei dem Eingeweide ohne Bruchsack durch die Bauchwand treten. Parastomale Hernien gehören zu den häufigsten Spätkomplikationen nach Anlage einer Enterostomie oder eines Ileumconduit. Der Bruchsack kann sich intra- oder perstomal oder subkutan oder interstitiell zwischen den Muskelschichten neben dem Bauchwandabschnitt des Enterostomas befinden, was sich klinisch und durch eine präoperative CT meist gut differenzieren lässt. Für den Urologen und seinen Patienten sind die vorstehenden möglichen Operationsfolgen von Bedeutung, da bei der radikalen Tumorchirurgie der Harnblase Harnableitungen unter Verwendung ausgeschalteter ilealer und zökaler Darmsegmente geschaffen werden. Diesen Pouches oder Neoblasen bleibt ursprungsgemäß ihre schleimbildende Eigenschaft erhalten, wodurch bei unzureichender Diurese oder äußerer Spülung ein Schleimverhalt entstehen kann. Der resultierend schmerzhafte Abdominaltumor mit begleitenden Harnstauungsnieren und Oligoanurie kann dabei als Lokalrezidiv des vormaligen Harnblasenmalignoms verkannt werden.
Bei unklaren Bauchschmerzen darf auf eine gezielte Anamnese der Voroperationen und die Suche nach Operationsnarben nicht verzichtet werden.
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1.2 Flankenschmerzen
1.2
Flankenschmerzen D. K. Ackermann
Grundlagen
Schmerzen
Flankenschmerzen lokalisieren sich ein- oder beidseitig im Rumpfbereich zwischen Rippenbogen, Lendenwirbelsäule, Beckenkamm und vorderer Axillarlinie. Alle in dieser Gegend liegenden Organe können bei Erkrankungen zu Schmerzen führen. Dazu zählen: 왘 Integument, 왘 Muskulatur, 왘 Nerven, 왘 Rippen, 왘 Nieren samt ableitenden Harnwegen, 왘 Peritoneum, 왘 Leber, 왘 Gallenblase, 왘 Milz, 왘 Darm.
1
Einteilung
Schmerzcharakter des viszeralen Schmerzes: 쐌 Krampfartig, bohrend 쐌 Patient geht herum und windet sich. Schmerzcharakter des somatischen Schmerzes: 쐌 Dumpf bis scharf, andauernd, exakter lokalisierbar 쐌 Patient liegt ruhig im Bett, vermeidet jede unnötige Bewegung.
Zur Strukturierung des differenzialdiagnostischen Spektrums von Flankenschmerzen können verschiedenste Parameter wie Organzugehörigkeit, Schmerzcharakter u. a. herangezogen werden. Ausgehend von der klinischen Situation werden die differenzialdiagnostischen Tabellen nach der Seitenlokalisation und dem Verlauf (akut/chronisch) gegliedert (s. tabellarischer Überblick auf S. 24 f). Prinzipiell lässt sich jeder Flankenschmerz in einen viszeralen und einen somatischen unterteilen. Der viszerale Schmerz findet den Ausgang von den inneren Organen und wird über die Nn. splanchnici fortgeleitet. Typischerweise wird dieser Schmerz durch Überdehnung und Spasmus ausgelöst. Die Patienten empfinden den viszeralen Schmerz als krampfartig und bohrend, sind unruhig, blass, schweißgebadet und leiden an Übelkeit und Erbrechen. Herumgehen und sich winden bringt eine Schmerzerleichterung. Der somatische Schmerz geht von der Bauchwand mitsamt dem Peritoneum parietale aus und wird über die segmentalen sensiblen Nervenfasern fortgeleitet. Der Schmerzcharakter ist dumpf bis scharf, andauernd und typischerweise exakter lokalisierbar als der viszerale Schmerz. Der Patient liegt ruhig im Bett und vermeidet jede unnötige Bewegung, die den Schmerz verstärken würde.
Besonderheiten
Der Kolikpatient steigt aus dem Bett, der Patient mit Peritonitis bleibt im Bett.
Die Erkrankung eines inneren Organs führt aber oft nicht zu einem viszeralen Schmerz im Bereich des Ursprungs, sondern es werden auch Schmerzen ausgelöst, die in einer somatischen Region empfunden werden. Diese fortgeleiteten Schmerzen lokalisieren sich in Gebieten bzw. Strukturen, die von denselben Embryonalsegmenten (Dermatomen) stammen wie das erkrankte Organ. Aufgrund der Primärlokalisation und der Fortleitung des Schmerzes ergeben sich differenzialdiagnostische Hinweise bei Flanken- oder Oberbauchkoliken. Als Koliken bezeichnet man akut auftretende, heftigste krampfartige viszerale Schmerzen, die meistens durch eine akute Obstruktion von Hohlorganen hervorgerufen werden. Bei Harnleitersteinkoliken kommt es infolge der Nierenkapselspannung zu einem konstanten dumpfen Schmerz im kostovertebralen Winkel. Zusätzlich leiden die Patienten an krampfartigen Schmerzen, die entlang dem Harnleiterverlauf ausstrahlen und durch Spasmen der Nierenbecken- und Uretermuskulatur verursacht
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werden. Obstruktionen im oberen Harnleiter führen in der Regel zu Schmerzen im Oberbauch oder der Flanke. Die Schmerzen können gelegentlich bis in die ipsilateralen Hoden fortgeleitet werden. Obstruktionen im Bereich des mittleren Harnleiters verursachen Schmerzen in Mittel- und Unterbauch, was einen Prozess im Bereich der Appendix vermiformis oder des Colons sigmoideum vortäuschen kann. Distale Uretersteine präsentieren sich gelegentlich als Schmerzen an der Penisspitze. Demgegenüber wird die Gallenkolik im rechten Epigastrium empfunden mit Ausstrahlung in die rechte Rückenseite und rechte Schulter. Eine ähnliche Schmerzsymptomatik, wenngleich der kolikartige Charakter weniger im Vordergrund steht, verursacht die akute Cholezystitis. Schmerzausstrahlung in den Rücken sprechen eher für Pankreasaffektionen, Ulkusperforationen oder Aortenaneurysma. Auch die akute Cholezystitis kann in den Rücken (rechte Skapulaspitze) ausstrahlen. Neben Schmerzcharakter, -lokalisation und -ausdehnung geben aber auch der Verlauf und zusätzliche klinische Befunde differenzialdiagnostische Hinweise. Ein akutes Auftreten der Schmerzen spricht für eine plötzliche Verlegung von Hohlorganen oder Blutgefässen. Begleitendes Fieber wird durch Infekt oder Nekrose verursacht; Verspannung der Bauchmuskulatur mit „Défense musculaire“ weisen auf eine Reizung des parietalen Peritoneums hin.
Basisdiagnostik Anamnese: Die Harnsteinkolik kommt aus heiterem Himmel. Früher durchgemachte Episoden geben differenzialdiagnostische Hinweise. 왘 Ernährungsanamnese: Der Schmerz bei subpelviner Stenose wird typischerweise nach Aufnahme großer Flüssigkeitsmengen ausgelöst. Gelegentlich geben die Patienten eine Linderung der Beschwerden bei Änderung der Körperposition in Bauchlage an. Die Gallenkolik wird in der Regel nach Aufnahme zu fetthaltiger Speisen beobachtet. 왘 Miktionsanamnese: Schmerz im Anschluss an die Miktion spricht für einen vesikorenalen Reflux. 왘 Verhebetrauma als Auslöser vertebragener Schmerzen? 왘 Rhythmusstörungen, thrombembolische Geschehen: Hinweis auf Prozesse im Bereich der Nierengefäße. Körperliche Untersuchung: 왘 Palpation: Bei der akuten Harnstauung findet sich eine Druck- und Klopfdolenz im Bereich des Nierenlagers und je nach Höhe des Hindernisses eine Druckdolenz entlang dem Harnleiterverlauf. Das Abdomen ist weich und indolent. Verspannung der Bauchdecke mit Abwehrspannung im rechten Oberbauch sind typisch für eine Cholezystitis, im rechten Mittelbauch bzw. Unterbauch für Appendicitis acuta. 왘 Auskultation: Die Darmgeräusche sind infolge der Darmparalyse bei akuter Harnstauung abgeschwächt. 왘 Herz-Kreislauf-Parameter: Subfebrile bis febrile Temperaturen, Normo- bis Hypotonie, Tachykardie mit offener Peripherie sind Alarmzeichen der gramnegativen Sepsis. Bei einer retrozökalen perforierenden Appendizitis halten die Patienten das rechte Bein im Hüftgelenk gebeugt und geben eine Schmerzverstärkung bei Beinstreckung an infolge des Zuges auf die gereizte Psoasmuskulatur. Urinstatus: Mikrohämaturie: Verlegungen der ableitenden Harnwege mit Steinen oder Papillennekrosen, 왘 Leukozyturie und Bakteriurie: bei zusätzlichem bakteriellen Infekt, 왘
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21
Schmerzen
Basisdiagnostik
1
22
1.2 Flankenschmerzen 왘 왘
Proteinurie mit Zylindern: Hinweis auf Nierenvenenthrombose oder Glomerulonephritis, Porphobilinogen: pathognomonisch für eine Porphyrie.
Ein pathologischer Urinstatus wird aber auch bei einer retrozökalen Appendizitis beobachtet, da der benachbarte Harnleiter in Mitleidenschaft gezogen wird.
Schmerzen
Blutlabor: 왘 Nierenfunktionsparameter (Kreatinin, Harnstoff), 왘 Entzündungsindikatoren (Leukozyten, Thrombozyten, C-reaktives Protein), 왘 Untersuchung auf Bilirubin und die organtypischen Enzyme, inkl. Cholestaseparameter (bei V.a. hepatisches Geschehen oder eine Pankreasaffektion).
1
Die Computertomographie ist das wichtigste Diagnostikum beim Flankenschmerz. Sie bildet alle wesentlichen Organe ab.
Cave: Wegen der Gefahr einer Fornixruptur sollten während der Kolik keine intravenösen Kontrastmittel verabreicht werden.
Computertomographie: Die Computertomographie ermöglicht die Darstellung aller für Flankenschmerzen infrage kommenden Organe. Sie bildet auch röntgennegative Harnsteine (Harnsäure-, Matrixsteine) ab. Der Patient muss nicht speziell vorbereitet werden und die orientierende Untersuchung beim akuten Flankenschmerz bedarf keiner Kontrastmittel, was wiederum die Provokation einer Fornixruptur oder allergischen Reaktion vermeiden lässt. Bei der steinbedingten Kolik erkennt man typischerweise bereits mit der Nativuntersuchung den Stein und Zeichen einer akuten Obstruktion (Abb. 1.4, 1.5). Ist die native Computertomographie nicht konklusiv, so wird in der gleichen Sitzung Kontrastmittel verabreicht, was die Aussagekraft der Untersuchung wesentlich erweitert. Fazit: Die Computertomographie ist bei der Diagnostik von Flankenschmerzen zur dominierenden Methode gereift. Da in unseren Breitengraden Computertomographen flächendeckend zur Verfügung stehen, ist der ursprüngliche Abklärungsweg mit Abdomenleerröntgenbild, Ultraschall und Ausscheidungsurographie verdrängt worden. Trotzdem sollen diese Verfahren als Alternativen oder Ergänzungen Erwähnung finden. 왘 Abdomenleerröntgenbild: Auf dem Abdomenleerbild wird nach konkrementverdächtigen Verschattungen im Bereich der oberen Harnwege und der Gallenwege gesucht. Im Weiteren interessieren die Kontur der Nieren, der Psoasschatten, freie Luft in den Gallenwegen und die ossären Strukturen. Diese Untersuchungstechnik ist bei der Verlaufskontrolle nach extrakorporaler Zertrümmerung von Harnsteinen unbestritten.
Abb. 1.4 Native Computertomographie: distaler Harnleiterstein rechts (Pfeil), Katheter in der Harnblase (Stern).
Abb. 1.5 Native Computertomographie: rechte Niere bei distalem, blockierenden Harnleiterstein. Nierenbecken erweitert (Stern), perirenale Flüssigkeit (Pfeile).
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Diagnostisches Vorgehen
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Ausscheidungsurographie (= intravenöse Pyelographie = IVP): Die Ausscheidungsurographie ermöglicht bei normaler Ausscheidungsfunktion eine sichere Aussage über die Morphologie des Nierenbeckenkelchsystems und des Harnleiters, zudem kann die Ausscheidungsfunktion der Nieren beurteilt werden. Während einer Harnkolik sollte wegen der Provokation einer Fornixruptur auf diese Untersuchung verzichtet werden. Eine urographisch stumme Niere bei normalem Ultraschallbefund spricht für eine totale Harnobstruktion oder Infarkt. Retrograde Ureteropyelographie: Die retrograde Abklärung findet ihre Indikation, wenn eine Ausscheidungsurographie nicht konklusiv ist oder aufgrund der Nierenfunktionseinschränkung oder einer allergischen Disposition nicht durchgeführt werden kann. Ultraschall (US): Mit Ultraschall wird nach Nierensteinen, proximalen Uretersteinen, Gallensteinen und Dilatationen des oberen Harntrakts bzw. der Gallenwege gesucht. Es sei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine fehlende Dilatation der Nierenbeckenkelchsysteme eine akute Harnobstruktion nicht ausschließt. Zuverlässige Aussagen erlaubt der Ultraschall über das Nierenparenchym und über peri-/pararenale Veränderungen. Die Suche erstreckt sich weiter auf retroperitoneale Flüssigkeitsansammlungen, Aortenaneurysmen und Tumoren. Doppler-Sonographie: Diese nichtinvasive Untersuchung liefert wertvolle Hinweise bei Verdacht auf ein renalvaskuläres Geschehen mit Funktionsausfall der Niere. Bei pathologischem Befund wird eine Nierenangiographie angeschlossen zur Lokalisation der vaskulären Obstruktion und Therapieplanung.
Cave: Nach jeder retrograden Abklärung muss an eine iatrogene, obstruktive Pyelonephritis gedacht werden. Cave: Ein normaler Ultraschall der Nieren schließt eine akute Harnobstruktion nicht aus.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei akutem Flankenschmerz ist in Abb. 1.6 dargestellt.
Abb. 1.6
Diagnostisches Vorgehen beim akuten Flankenschmerz (Kolik).
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Schmerzen
왘
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1.2 Flankenschmerzen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Symptomausprägung
Erkrankung
Schmerzen
1. Akute rechtsseitige Flankenschmerzen (Koliken)
1
1.1 Hauptsymptom
쐌 쐌 쐌 쐌
blockierender Nierenstein blockierender Harnleiterstein subpelvine Stenose blockierende Papillennekrosen, Blutkoagula
1.2 typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
vesikorenaler Reflux Pyelonephritis Nierenarterienembolie Nierenarterienthrombose Nierenvenenthrombose Blutung oder Infekt in Nierenzyste Herpes zoster vertebragene Affektion (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung)
1.3 Spätsymptom
쐌 Blutung in retroperitonealen Tumor
1.4 weniger typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Nebenniereninfarkt Cholezystolithiasis akute Cholezystitis Pankreatitis Ulcus duodeni akute Appendizitis Leberaffektion (Hepatitis, Leberstauung, Perihepatitis gonorrhoica) Pleuraaffektion (Pleuritis, Pneumonie, Lungenembolie) Porphyrie Kollagenosen Hyperlipidämie, Ketoazidose Blutkrankheiten (Sichelzellanämie)
2. Akute linksseitige Flankenschmerzen 2.1 Hauptsymptom
쐌 쐌 쐌 쐌
2.2 typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2.3 Spätsymptom 2.4 weniger typisches Symptom
blockierender Nierenstein blockierender Harnleiterstein subpelvine Stenose blockierende Papillennekrosen, Blutkoagula
vesikorenaler Reflux Pyelonephritis Nierenarterienembolie Nierenarterienthrombose Nierenvenenthrombose Blutung oder Infekt in Nierenzyste Herpes zoster vertebragene Affektion (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung) 쐌 Blutung in retroperitonealen Tumor 쐌 쐌 쐌 쐌
Nebenniereninfarkt Pankreatitis Ulcus duodeni Pleuraaffektion (Pleuritis, Pneumonie, Lungenembolie) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Symptomausprägung
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Erkrankung
2. Akute linksseitige Flankenschmerzen (Fortsetzung) 2.4 weniger typisches Symptom (Fortsetzung)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Porphyrie Kollagenosen Hyperlipidämie, Ketoazidose Blutkrankheiten (Sichelzellanämie) Milzinfarkt inkarzerierte Hiatushernie Myokardinfarkt
3.1 typisches Symptom
쐌 vertebragene Affektion (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung) 쐌 akute Glomerulonephritis
3.2 weniger typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
blockierende Nierensteine blockierende Harnleitersteine subpelvine Stenosen blockierende Papillennekrosen, Blutkoagula vesikorenale Refluxe Pyelonephritiden Nierenarterienembolien Nierenarterienthrombosen Nierenvenenthrombosen Blutung oder Infekt in Nierenzysten Herpes zoster Blutung in retroperitonealen Tumor Pankreatitis Ulcus duodeni Ösophagusruptur Pleuraaffektion (Pleuritis, Pneumonie, Lungenembolie) Porphyrie Hyperlipidämie, Ketoazidose Blutkrankheiten (Sichelzellanämie)
4. Chronische einseitige Flankenschmerzen (rechts oder links) 4.1 Hauptsymptom
쐌 Nierenstein 쐌 subpelvine Stenose
4.2 typisches Symptom
쐌 vertebragene Affektion (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung) 쐌 weitere Ursachen chronischer Harnstauung (Missbildung, Tumor, Entzündung, Harnleiterstein)
4.3 Spätsymptom
쐌 retroperitoneale Tumoren
4.4 weniger typisches Symptom
쐌 chronische Pyelonephritis 쐌 Cholezystolithiasis (nur rechts)
5. Chronische beidseitige Flankenschmerzen 5.1 typisches Symptom
쐌 vertebragene Affektion (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung) 쐌 Morbus Ormond
5.2 weniger typisches Symptom
쐌 Nierensteine 쐌 subpelvine Stenosen 쐌 weitere Ursachen chronischer Harnstauung (Missbildung, Tumor, Entzündung, Harnleitersteine) 쐌 chronische Pyelonephritiden 쐌 retroperitoneale Tumoren
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Schmerzen
3. Akute beidseitige Flankenschmerzen
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1.2 Flankenschmerzen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akute Harnstauung (Kolik)
Schmerzen
Eine gesunde Niere blutet auch unter Antikoagulation nicht.
Ursachen: Die häufigste Ursache der akuten oberen Harnobstruktion stellt die Urolithiasis dar. Das identische Beschwerdebild kann aber auch durch Papillennekrosen oder Blutkoagula verursacht werden. Papillennekrosen treten vor allem bei Analgetikanephropathie oder chronischer Pyelonephritis infolge eines Diabetes mellitus auf. Die Diagnose einer Antikoagulanzienblutung aus dem Nierenbeckenkelchsystem ist nur nach Ausschluss einer Blutungsursache wie Tumor oder Stein erlaubt. Die Blutung mit Koagelverstopfung des oberen Harntraktes ist bei einer gesunden Niere − wenn überhaupt − nur in seltenen Fällen allein durch die Antikoagulation verursacht. Bei der akuten Verlegung des Harntraktes kommt es proximal dazu in den ersten Minuten zu einer Steigerung der Wandspannung mit Zunahme von Druckamplitude und Frequenz der Kontraktionen. Mit zunehmendem hydrostatischem Druck und Wandspannung erliegt nach ca. 30 Minuten die peristaltische Aktivität. Der viszerale Schmerz dürfte von der Reizung der Spannungsrezeptoren in der glatten Muskulatur herrühren, eine gewisse Rolle bei der Schmerzentstehung kommt auch der Irritation von Chemorezeptoren und ischämischen Rezeptoren im Urothel zu. Symptome: Bei der akuten Harnstauung werden die Patienten von stärksten Flankenschmerzen befallen. Die Schmerzausstrahlung hängt von der Lokalisation der Obstruktion ab (S. 20 f). Bei im distalen, intramuralen Harnleiter gelegenen Verschlüssen steht oft die Blasenreizsymptomatik mit Pollakisurie und Dysurie im Vordergrund.
1
Diagnostik Cave: Intravenöses Kontrastmittel wegen der Gefahr einer Fornixruptur nur im kolikfreien Intervall verabreichen!
Cave: Eine infizierte und gestaute Niere muss entlastet werden!
Das diagnostische Vorgehen richtet sich nach dem vorgestellten Stufenprogramm (S. 23). 쐌 Klinik, 쐌 Urinstatus, 쐌 native Computertomographie.
Da die obstruktive Pyelonephritis mit möglichem Übergang in eine Urosepsis die gefährlichste Komplikation der akuten Harnobstruktion darstellt, muss schon bei der Erstdiagnostik nach den Entzündungsparametern gesucht werden, um möglichst frühzeitig die notwendige Urindrainage anzulegen.
Fornixruptur Ursachen: Zur Fornixruptur kommt es, wenn die akute Drucksteigerung im Nierenbeckenkelchsystem den wenig widerstandsfähigen Übergang zwischen Kelch und Papille zum Einreißen bringt. Die Fornixruptur kann bei jeder akuten Harnstauung auftreten, häufig rupturiert die Fornix infolge der osmotischen Diuresewirkung von Kontrastmitteln, die für ein Ausscheidungsurogramm während einer Kolik gegeben worden sind. Die Fornixruptur heilt spontan, wenn die Obstruktion wegfällt und der ausgetretene Harn nicht infiziert war. In diesem Fall ist die Ruptur als Schutzmechanismus für die Niere zu verstehen, da infolge der Ruptur der schädliche Überdruck im Hohlsystem abnimmt.
Symptome: Der Fornixruptur geht eine akute Harnstauung voraus, somit ist auch die Symptomatologie durch diese bestimmt. Ein seltener, aber typischer Hinweis auf eine Fornixruptur ist die schlagartige Besserung der Schmerzsymptomatik.
Diagnostik 쐌 Zufallsbefund bei der Stufendiagnostik der Harnstauung, 쐌 CT/Ausscheidungsurographie: − Kontrastmittelextravasation um Kelchhälse und Nierenbecken (Abb. 1.7, 1.8).
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Abb. 1.8 Computertomographie mit intravenösem Kontrastmittel: Fornixruptur bei blockierendem Harnleiterstein rechts (gleicher Patient wie auf Abb. 1.4 und 1.5).
컅 Abb. 1.7 Ausscheidungsurographie: Fornixruptur bei blockierendem Stein (Pfeil) im lumbalen Harnleiter links.
Chronische Harnstauung Ursachen: Zu einer chronischen Harnstauung kann eine Vielzahl intrinsischer und extrinsischer Erkrankungen führen. Bei den intrisischen Ursachen stehen subpelvine Stenosen und Urolithasis im Vordergrund. Als extrinsische Ursachen ist vor allem an retroperitoneale Tumoren, Aortenaneurysmen und retroperitoneale Fibrosen zu denken. Der Schmerz dürfte durch eine Reizung der Druck- und Spannungsrezeptoren im Nierenbeckenkelchsystem und in der Nierenkapsel bedingt sein. Bei retroperitonealen Tumoren muss eine zusätzliche Infiltration der Nervenwurzel in Betracht gezogen werden. Symptome: Die chronische Harnstauung kann stumm zu einem Funktionsverlust der Niere führen. Oft beschreiben die Patienten aber ein seit langer Zeit bestehendes dumpfes Schmerzgefühl in der Flankengegend. Gelegentlich treten kolikartige Beschwerden auf. In Ausnahmefällen ist die chronische Harnstauung von einer arteriellen Hypertonie begleitet. Zu jeder Zeit können sich eine akute Dekompensation des Harntransportes und/oder eine akute obstruktive Pyelonephritis entwickeln.
Diagnostik Ursachenabklärung: 쐌 Ausschluss tumoröses Geschehen/Kompression von außen. Beurteilung der Harnstransportfunktion: 쐌 Unterscheidung zwischen Dilatation und Obstruktion (nach Ausschluss eines malignen Prozesses).
Nichtobstruierende Nierensteine Ursachen: Eine mögliche Erklärung dieser Schmerzen ist die Aktivierung von Chemorezeptoren im Nierenkelch durch Entzündungssubstanzen wie Serotonin und Histamin, welche wegen der mechanischen Reizung sezerniert werden.
Prozesse im Bereich von Blase und Prostata führen typischerweise zu beidseitigen Harnstauungen.
Cave: Bei doppelseitiger Harnstauung sind immer vesikale und infravesikale Prozesse in die differenzialdiagnostischen Überlegungen miteinzubeziehen. Die Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems ist evtl. für Infekte verantwortlich, führt aber im Gegensatz zur Obstruktion nicht zum renalen Funktionsverlust.
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Schmerzen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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1.2 Flankenschmerzen Symptome: Ein nichtobstruierender und auch nichtinfizierter Nierenkelchstein kann andauernde, sehr beeinträchtigende Schmerzen verursachen, die den Patienten zum ständigen Gebrauch von Analgetika verleiten und zu den verschiedensten medizinischen Abklärungen führen.
Diagnostik 쐌 Computertomographie/Ausscheidungsurographie zur morphologischen Diagnose.
Schmerzen
Es gibt keinen diagnostischen Test, der die ursächliche Beteiligung eines kleinen, nichtobstruierenden, nichtinfizierten Kelchsteines an Flankenschmerzen beweisen kann, Gewissheit hat man erst nach der Therapie.
Nierenarterienembolie und -thrombose Ursachen: Prinzipiell birgt jede arterielle thromboembolische Disposition das Risiko eines Nierenarterienverschlusses in sich. Zu einer Thrombosierung der Nierenarterie oder eines ihrer Äste kann es aber auch im Anschluss an stumpfe Bauchoder Rückentraumen kommen.
1
Symptome: Die Symptomatik hängt von der Infarktgröße ab. Während kleine Infarkte der Nierenrinde oft klinisch stumm verlaufen, führen große Infarkte zu einem plötzlichen, scharfen Schmerz im Bereich der Flanke oder des oberen Abdomens. Die Patienten leiden zusätzlich an Übelkeit, Erbrechen und Fieber. Eine kardiovaskuläre Vorbelastung wie Mitralstenose, Vorhofflimmern, Herzklappenprothesen, Herzwandthromben, Aortenaneurysma oder vorangegangene Katheterisierung der Aorta weisen zusätzlich auf diese Diagnose hin.
Diagnostik Fehlen eindeutige anamnestische Hinweise, so erfolgt der diagnostische Ablauf gleich wie bei einer Harnkolik. Bei urographisch stummer Niere: 쐌 Doppler-Sonographie, 쐌 Arteriographie, Blutlabor: 쐌 Leukozytose, 쐌 deutlicher Anstieg der Serumaspartataminotransferase (AST) − früher SGOT, Urin: 쐌 Mikro- oder Makrohämaturie mit einer milden Proteinurie (in etwa der Hälfte der Fälle).
Nierenvenenthrombose
Ein nephrotisches Syndrom kann Ursache oder Folge einer Nierenvenenthrombose sein.
Ursachen: Zustände mit Hyperkoagulabilität wie nephrotisches Syndrom, Zunahme von Gerinnungsfaktoren, Mangel an Antithrombin III sind typische Voraussetzungen für eine Nierenvenenthrombose. Weitere prädisponierende Faktoren sind Endothelläsionen nach stumpfen Traumen oder Tumorinvasion der Venenwand. Pathologisch-anatomisch entwickelt sich bei ungenügendem Kollateralabfluss ein hämorrhagischer Infarkt. Symptome: Das klinische Bild hängt vom Ausmaß der Thrombosierung, der Geschwindigkeit der Thrombosenentstehung und vom Vorhandensein eines kollatera-
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Basisdiagnostik
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len venösen Abflusses ab. Ein plötzlicher, kompletter venöser Verschluss zeigt sich durch starke lumbale Schmerzen, Makrohämaturie, Blutdruckanstieg oder Schock. Bei langsamem Verschluss und genügendem kollateralem Abfluss steht ein nephrotisches Syndrom im Vordergrund. Anamnestisch eruierbare Traumen, Lungenembolien, membranöse glomeruläre Nephritis, schwere Dehydration bei Kindern, lange Reisen in verkrampfter Körperposition lassen an diese seltene Diagnose denken.
Diagnostik
쐌 CT/Aussscheidungsurographie: − Vergrößerung der Niere mit meist noch vorhandener, aber deutlich verminderter Aussscheidungsleistung; gelegentlich Füllungsdefekte im Bereich des Nierenbeckens und des Ureters als Ausdruck der kollateralen Drainagevenen, 쐌 Sicherung der Diagnose mit renaler Venographie.
1.3
Es ist durchaus möglich, dass bereits die nichtinvasive Computertomographie genügend Informationen liefert.
Schmerzen
Wie beim arteriellen Verschluss wird bei fehlenden anamnestischen Hinweisen die Stufendiagnostik analog der Harnkolik durchgeführt.
1
Suprapubische Schmerzen D. K. Ackermann
Grundlagen Für die suprapubischen Schmerzen liefert die Anatomie den Schlüssel zur Differenzialdiagnose. Dicht hinter Bauch- und vorderer Beckenwand liegen die urologischen Organe, gefolgt von den gynäkologischen. Rektum und rektosigmoidaler Übergang bilden die Schicht zwischen urogenitalen Strukturen und hinterer Beckenwand. Für die Pathogenese des viszeralen und somatischen Schmerzes gelten dieselben Überlegungen, die auch im Kap. 1.2 „Flankenschmerzen“ angestellt werden. Mehrheitlich stammen die suprapubischen Schmerzen von ortsansässigen Organen, die wiederum aufgrund ihrer Nähe zu den kaudalen Körperöffnungen und ihrer Beteiligung an der Ausscheidungsfunktion Symptome vonseiten der Miktion, Defäkation oder Menstruation zeigen.
Suprapubische Schmerzen sind häufig kombiniert mit Miktions-, Defäkations- oder Menstruationsbeschwerden.
Einteilung Die suprapubischen Schmerzen können in akute und chronisch-rezidivierende Formen unterteilt werden, für welche unterschiedliche Differenzialdiagnosen gelten (s. tabellarischer Überblick auf S. 32).
Besonderheiten Während beim Mann die akute Harnverhaltung die häufigste und auch dramatischste Form des suprapubischen Schmerzes darstellt, stehen bei der Frau Blasenentzündungen und Affektionen der Genitalorgane im Vordergrund.
Basisdiagnostik Anamnese: Eine sorgfältige Anamnese gibt schon wesentliche Anhaltspunkte zur Diagnosestellung.
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1.3 Suprapubische Schmerzen 왘
Schmerzen
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Eine Differenz zwischen rektaler und axillärer Temperatur von mehr als 0,5 °C spricht für einen entzündlichen Prozess im kleinen Becken. Die Unterscheidung zwischen Blasentenesmen und Harnverhalt erfolgt zuverlässig mit der Ultraschalluntersuchung. Menstruationsabhängige Hämaturien sind typisch für eine Endometriose der Blase oder des Harnleiters.
Schmerzanamnese: Dabei interessieren zeitlicher Verlauf und Zeitpunkt des Auftretens von Schmerzen. Der Mittelschmerz tritt beim Eisprung auf, Endometrioseschmerzen exazerbieren während der Menstruation. Akut aufgetretene Schmerzen im Anschluss an ein Verhebetrauma lassen an eine Muskelzerrung, Bauchwandhernie oder vertebragene Affektion denken. Eine Therapie mit Antikoagulanzien kann zum spontanen Rektusscheidenhämatom führen. Ein akutes Schmerzereignis bei einem Patienten mit Blasenentleerungsstörung und chronischer Blasenüberdehnung kann Ausdruck einer spontanen Blasenruptur sein. Schmerzen in den ersten Tagen nach Operationen im kleinen Becken sind evtl. auf eine Lymphozele oder Ostitis pubis zurückzuführen. Miktions-/Defäkationsanamnese: Besondere Beachtung verdienen auch begleitende Symptome vonseiten der Miktion und Defäkation. Schmerz im Hypogastrium mit stärkstem Harndrang und Unfähigkeit zum Wasserlassen ist pathognomonisch für einen Harnverhalt. Pollakisurie und Dysurie stehen bei Zystitis und Prostatitis im Vordergrund. Stuhl-, Windverhaltung oder Durchfall weisen auf ein intestinales Geschehen hin. Defäkationsbeschwerden während der Menstruation lenken den Verdacht auf Endometrioseherde im Septum rectovaginale und am Mastdarm.
Körperliche Untersuchung: 왘 Inspektion: Oft kann schon aufgrund der Inspektion des Patienten zwischen viszeralem oder somatischem Schmerz unterschieden werden (vgl. Kap. 1.2). Inspektorisch werden der Bauchraum, die inguinalen und femoralen Bruchlücken und das äußere Genitale abgesucht. Ein ausgedehntes Rektusscheidenhämatom imponiert als mediale Vorwölbung der Bauchdecke, bei inkarzerierten Hernien ist nach einer gewissen Zeit die darüber liegende Haut gerötet, Skrotalschwellung und Hodenhochstand weisen auf eine Entzündung oder Torsion von Hoden und Anhangsgebilden hin. Es sei darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen einer Peritonitis ein oder beide Hoden hochgezogen sein können (Collins-Zeichen). 왘 Palpation/Perkussion: Mit der Palpation und Perkussion des Abdomens werden Ort des Schmerzmaximums, peritonitische Zeichen und Resistenzen gesucht. Druck- und Klopfdolenz des Nierenlagers sprechen für eine Harnleiterkolik. Danach schließt sich die Palpation der Bruchpforten und des Skrotums an. Bei der rektalen Palpation interessieren die Form und Dolenz der Prostata, Vorwölbung und Druckdolenz des Douglas-Raumes, Verschiebeschmerz der Portion und intraluminale Resistenzen des Darmes. Der Portioschiebeschmerz spricht für eine Affektion des weiblichen Genitales. Die vaginale Palpation ist in diesen Fällen angezeigt, da sie eine bessere Beurteilung von Uterus und Adnexen ermöglicht. Gelegentlich lässt sich ein großer, prävesikaler oder intramuraler Harnleiterstein von vaginal palpieren. 왘 Auskultation: Die Abdominalauskultation trägt zur Unterscheidung zwischen paralytischem und mechanischem Ileus bei, über Arterienaneurysmen hört man gelegentlich ein systolisches Schwirren. Die Untersuchung der unteren Extremitäten konzentriert sich auf Zeichen eines vaskulären Prozesses wie Ischämie bei Aorten-, Iliakalaneurysma oder venöse Kongestion bei Beckenvenenthrombose. Ultraschalluntersuchung: Die suprapubische Ultraschalluntersuchung informiert über den Füllungszustand der Harnblase und lässt auf einfache, direkte Weise den suprapubischen Schmerz wegen Harnverhaltens vom Schmerz wegen infektbedingten Blasentenesmen abgrenzen. Im Weiteren können je nach Größe der Befunde Aussagen über den Blaseninhalt (Tamponade, Steine, Tumoren), Prostata (Größe, Abszesse) und perivesikale Prozesse (Lymphozelen) gemacht werden. Urinstatus: Hämaturie? 왘 Harnwegsinfekt? 왘
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Diagnostisches Vorgehen
왘 왘
Urinanalyse nach Prostatamassage: bei V.a. chronische Prostatitis, Schwangerschaftstest: bei V.a. Extrauteringravidität, Porphobilinogen: bei V.a. Porphyrie.
Blutlabor: 왘 Entzündungsparameter (Leukozyten-, Thrombozytenzahl und C-reaktives Protein).
Cave: Eine Prostatamassage ist bei akuter Prostatitis oder Prostataabszess wegen der Dissemination von Entzündungsstoffen und Keimen kontraindiziert.
Fazit: In der Mehrzahl der Fälle gelingt mit diesen 5 Untersuchungsschritten die Diagnosestellung oder zumindest eine entscheidende Einschränkung des differenzialdiagnostischen Spektrums. Die Diagnostik wird in der Folge gezielt weitergeführt (s. tabellarischer Überblick auf S. 32, Abb. 1.9). Bei den urologischen Ursachen für einen akuten Unterbauchschmerz genügt in der Regel das diagnostische Instrumentarium mit Katheterismus und evtl. Notfallzystoskopie. Bei unklaren Situationen werden Computertomographie und/oder Magnetresonanztomographie herangezogen. Oft wird der Urologe vom Bauchchirurgen oder Internisten bei unklaren Unterbauchbeschwerden herangezogen mit der Frage, ob sicher keine urologische Störung mit im Spiel sei. Auch bei negativer Basisdiagnostik mit Klinik, Ultraschall-, Urin- und Blutuntersuchung wird man nicht umhinkommen, eine Computertomographie oder Ausscheidungsurographie zu veranlassen, da letztlich nur damit ein kleines prävesikales Harnleiterkonkrement ausgeschlossen werden kann.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen beim akuten suprapubischen Schmerz ist in Abb. 1.9 dargestellt.
Abb. 1.9
Diagnostisches Vorgehen beim akuten suprapubischen Schmerz.
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1.3 Suprapubische Schmerzen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Symptomausprägung
Erkrankung
Schmerzen
1. Akute suprapubische Schmerzen 1.1 Hauptsymptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.2 typisches Symptom
쐌 Rektusscheidenhämatom 쐌 Aneuryma dissecans der Aorta abdominalis oder Iliakalarterien 쐌 Beckenvenenthrombose 쐌 Ostitis pubis
1.3 weniger typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1
akute Harnverhaltung akute Zystitis akute Prostatitis, Prostataabszess Blasentamponade Blasenruptur Uterusaffektion (stielgedrehte Myomknoten, Blutung in degeneriertes Myom, Infekt)
distaler Harnleiterstein akute Appendizitis Mesenterialinfarkt Affektion des Eileiters Affektion des Ovars
2. Chronische, sich wiederholende suprapubische Schmerzen 2.1 Hauptsymptom
쐌 chronische Zystitis (Reinfektion, Rezidiv) 쐌 interstitielle Zystitis 쐌 primäre Dysmenorrhoe
2.2 typisches Symptom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2.3 Spätsymptom
쐌 Neoplasie im kleinen Becken
2.4 weniger typisches Symptom
쐌 Affektion des kaudalen Rumpfskelettes (Diskopathie, ossäre Läsion, muskuläre Störung, Senkungsabszess)
Carcinoma in situ der Harnblase chronische Prostatitis, Prostatopathie Colon irritabile chronische Adnexitis Morbus Crohn, Colitis ulcerosa
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akute/chronische Zystitis (inkl. interstitielle Zystitis) Ursachen: Die akute Zystitis wird typischerweise durch eine aufsteigende Infektion verursacht. Es verwundert somit nicht, dass dieses Krankheitsbild bei der Frau wegen der kurzen Harnröhre und deren Nachbarschaft zur Genital- und Analregion häufiger auftritt (Honeymoon-Zystitis). Zu den Erregern zählen in erster Linie E. coli. Bei Männern bestehen als ursächliche Faktoren meistens Störungen der Blasenentleerung (Prostatahyperplasie, Harnröhrenstrikturen) oder chronisch-entzündliche Prozesse in der Prostata. Bei chronisch-rezidivierenden, bakteriellen Zystitiden kommen vesikorenaler Reflux, Harnsteinleiden, Fremdkörper und vesikointestinale Fisteln als Ursachen in Betracht. Eine Sonderform der chronischen Zystitis stellt die interstitielle Zystitis dar, deren Pathogenese weitgehend unbekannt ist, gehäuft bei Frauen auftritt und in gewissen Fällen zur Schrumpfblase führt. Symptome: Neben den suprapubischen Schmerzen werden Pollakisurie, Dysurie und Fremdkörpergefühl in der Blase angegeben. Bei der unkomplizierten Zystitis
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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fehlen Fieber und Schüttelfrost. Palpatorisch ist die suprapubische Gegend weich, gelegentlich druckdolent, aber ohne peritonitische Zeichen. Bei der interstitiellen Zystitis stehen Pollakisurie (auch nachts!) und Blasenschmerzen, die mit der Blasenfüllung zunehmen und sich nach der Miktion bessern, im Vordergrund.
Bei einer erstmaligen Zystitis mit typischer Anamnese und Klinik ist eine weitere Diagnostik Ermessensfrage. Meistens führt eine antibiotische Kurztherapie über 3 Tage zum Erfolg. Bei sich wiederholenden Harnwegsinfekten ist die Unterscheidung zwischen Rezidiv und Reinfekt wichtig. Im Gegensatz zum Rezidiv ist beim Reinfekt ein neuer Stamm von E. coli verantwortlich. Im klinischen Alltag ist aber eine Typisierung der Stämme nicht sinnvoll und man bedient sich der gut dokumentierten Regel, dass ein Rezidiv typischerweise innerhalb von 2 Wochen nach adäquater Therapie auftritt, was ein seltenes Ereignis darstellt. Reinfekte werden bei 30−50 % nach einfachen Harnwegsinfekten beobachtet und bedürfen bei prämenopausalen Frauen keiner weiteren Abklärung. Eine solche ist bei echten Rezidiven und Infekten beim Mann indiziert, wobei sich die Diagnostik auf die Blasenentleerungsfunktion und die oberen Harnwege konzentriert. Pollakisurie und Blasenschmerzen mit einem blanden Urin: 쐌 An hyperaktive Blase oder interstitielle Zystitis denken. Bessert sich die Situation nicht auf eine medikamentöse Blasensedation, ist eine zystoskopische Abklärung in Narkose angezeigt. Das Auftreten von punktförmigen (Glomerulationen) oder flächenhaften (Mukosa-Cracking) Schleimhautblutungen bei der Blasenfüllung sind typisch für die interstitielle Zystitis.
Wiederholen sich Harnwegsinfekte bei der prämenopausalen Frau, so ist die Unterscheidung zwischen Rezidiv und Reinfekt hinsichtlich der weiteren Maßnahmen wichtig.
Schmerzen
Diagnostik
Cave: An die Möglichkeit eines Carcinoma in situ der Harnblase denken!
Pollakisurie, Blasenschmerzen und Mikrohämaturie: 쐌 Zwingender Ausschluss eines Carcinoma in situ mit Zystoskopie, Blasenspülzytologie und ggf. Biopsie.
Blasentamponade Ursachen: Zur Tamponade kommt es, wenn Blutung und intravesikale Koagelbildung die Entleerungskapazität der Harnblase übersteigen. Prinzipiell kann jede Erkrankung mit Makrohämaturie zu einer Blasentamponade führen. In erster Linie wird man Karzinome von Blase und Prostata, hämorrhagische Zystitis und Prostatahyperplasie in Betracht ziehen. 1−2 Wochen nach transurethralen Operationen an Blase oder Prostata werden gelegentlich Blasentamponaden trotz hämaturiefreiem Intervall beobachtet, der Grund dafür liegt in einer erneuten Blutung nach Abschilfern der Schorfe. Symptome: Die Blasentamponade präsentiert sich als stärkster suprapubischer Schmerz mit Harndrang, aber Unmöglichkeit des Wasserlassens. Die Symptomatik ist vergleichbar zu der des akuten Harnverhalts. Die Patienten sind unruhig, schweißgebadet und haben das Gefühl, ein Zerreißen der Blase sei nur noch eine Frage von Minuten. Der Puls ist beschleunigt, der Blutdruck nur bei vorherigem Blutverlust erniedrigt, Fieber findet sich keines. In der Regel bestand vor dem akuten Schmerzereignis eine Makrohämaturie.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌
Anamnese, Klinik, Sonographie: echoreicher Blaseninhalt (Abgrenzung zum Harnverhalt), Katheterismus mit dickem Blutungskatheter (Couvelaire-Katheter).
Cave: Wenn keine Blutkoagula aspiriert werden können, ist die Indikation zur notfallmäßigen Zystoskopie gegeben.
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1
34
1.3 Suprapubische Schmerzen
Schmerzen
Blasenrupturen können zu Beginn symptomlos verlaufen und führen bei blandem Urin zu keiner Peritonitis.
1
Blasenruptur Ursachen: Eine spontane Rupturierung der Blasenwand tritt praktisch nur bei vorgeschädigter Blase infolge akuter oder chronischer Harnretention auf. Die Blase zerreißt am schwächsten Punkt, d. h. am Blasenvertex oder im Fall einer Blasenerweiterungsplastik im Anastomosenbereich zwischen Darm und Blase. Bei der spontanen Ruptur kommt es zu einer intraperitonealen Extravasation von Urin. Bei fehlendem Urininfekt führt dies aber zu keiner Peritonitis. Die Blasenrupturen bei Beckentraumen können sowohl extra- als auch intraperitoneal liegen. Symptome: Die spontane Blasenruptur äußert sich typischerweise als akutes, stechendes Schmerzereignis im Hypogastrium, sie kann aber zu Beginn symptomlos verlaufen. Entweder kommt es zu einer Makrohämaturie oder die Patienten können überhaupt kein Wasser mehr lassen. Anamnestische Angaben über eine chronische Blasenentleerungsstörung, Blasenwanderkrankung oder Status nach Blasenerweiterungsplastik lassen an diese seltene Komplikation denken. Häufiger als die spontane Ruptur ist die Verletzung der Blase im Rahmen eines stumpfen oder penetrierenden Beckentraumas.
Diagnostik Die Diagnostik der spontanen Blasenruptur ist schwieriger als die der Harnverhaltung oder der Blasentamponade. Wichtig ist vor allem, dass man an diese Möglichkeit denkt. Die klinische Untersuchung ist oft nicht sehr ergiebig, es besteht eine diskrete Druckdolenz im Unterbauch, peritonitische Zeichen fehlen in der Regel. Innerhalb von Stunden steigen wegen der peritonealen Selbstdialyse die Serumwerte der harnpflichtigen Substanzen. Gelegentlich geben die Patienten auch Harndrang an bei fehlender Urinentleerung, die Differenzialdiagnose zum Harnverhalt liefert die Ultraschalluntersuchung. Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
keine Darstellung der Blase, evtl. bereits freie Flüssigkeit im Abdomen
Zystogramm
Kontrastmittelaustritt ins Peritoneum bzw. in den paravesikalen, extraperitonealen Raum
Rektusscheidenhämatom Ursachen: Rektusmuskelblutungen treten spontan bei Antikoagulation, Schwangerschaft, degenerativen Muskelerkrankungen oder traumatisch bedingt auf. Symptome: Die Symptomatik mit zunehmendem suprapubischen Schmerz und Harndrang ohne Urinentleerung kann der einer Blasentamponade sehr ähnlich sein. Bei großen Hämatomen kommt es evtl. zur Ureterobstruktion und zur Anurie oder zur Dekompensation des Kreislaufes.
Diagnostik 쐌 Computertomographie (Abb. 1.10).
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Abb. 1.10 Computertomographie bei Rektusscheidenhämatom. Dünne Pfeile: Hämatom des rechten M. rectus abdominis mit Durchbruch in den paravesikalen Raum rechts. Dicker Pfeil: Hämatom im linken M. rectus abdominis. B: nach links verdrängte Harnblase.
35
Schmerzen
Grundlagen
1 1.4
Genitale Schmerzen D. M. Wilbert
Genitale Schmerzen allgemein Grundlagen Definition: Genitale Schmerzen lassen sich nach der Akuität, der Dauer oder der Zuordnung zu einzelnen Regionen des Genitalbereichs einteilen. Aus differenzialdiagnostischer Sicht erscheint eine regionale Einteilung, gefolgt von einer Einteilung nach dem zeitlichen Verlauf, am sinnvollsten. Zwanglos ergeben sich in der Abklärung Überschneidungen mit dem inspektorischen und palpatorischen Aspekt der penoskrotalen Schwellung (s. Kap. 12.6, S. 417). Genitale Schmerzen beim Mann können sich auf die suprapubische Region, das Skrotum, den Penis und das Perineum beziehen, wenn man äußere und innere Genitalorgane zusammen betrachtet. Ausgenommen sind hier die suprapubischen Schmerzen, die im vorhergehenden Kapitel abgehandelt werden. Der regionale Charakter der Schmerzen ist zum einen durch ihre Entstehung am Ort herleitbar, zum anderen durch die Ausstrahlung von Schmerzen anatomisch oder funktionell benachbarter Regionen zu erklären. Daher bietet sich eine differenzierte Betrachtung des genitalen Schmerzes gemäß der Einteilung in folgende Regionen an: 왘 Skrotum, 왘 Penis, 왘 Perineum. Das gleichzeitige Auftreten genitaler Schmerzen in mehreren der genannten Regionen spielt bei den differenzialdiagnostischen Überlegungen eine wichtige Rolle neben dem Schmerzcharakter. So sind beispielsweise chronische ziehende Beschwerden im Skrotum verbunden mit perinealen Missempfindungen häufig einem „Chronic pelvic Pain Syndrom“ (CPPS) in Gestalt einer chronischen Prostatitis zuzuordnen.
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Skrotale Schmerzen
Schmerzen
CPPS = neue Definition!
1
Ursachen: Unter Berücksichtigung der allgemeingültigen Einteilung in endogene und exogene Ursachen bei der Krankheitsentstehung sind für die genitalen Schmerzen vor allem äußere Einflüsse zu nennen. Entzündungen des inneren und äußeren Genitales dürften das Gros der infrage kommenden Erkrankungen ausmachen. Zahlenmäßig seltener, aber anamnestisch und inspektorisch deutlicher verifizierbar sind traumatische Veränderungen, seien es stumpfe oder gar perforierende Verletzungen. Dagegen sind genitale Schmerzen, bedingt durch benigne oder maligne Tumoren selten und oft erst im fortgeschrittenen Stadium zu finden. Einen nicht zu übersehenden Raum nehmen auch die psychosomatisch bedingten Funktionsstörungen ein. Nach der derzeit gültigen Nomenklatur werden diese als nichtentzündliches CPPS kategorisiert.
Einteilung Genitale Schmerzen lassen sich unterteilen in: skrotale Schmerzen, 왘 penile Schmerzen, 왘 perineale Schmerzen, 왘 Kombinationen. 왘
Diese regionale Einteilung ist fast deckungsgleich mit der Einteilung des Chronicpelvic-Pain-Syndroms gemäß der aktuellen EAU-Guidelines (Fall et al. 2003). Die o.g. genitalen Schmerzen werden nämlich dort zusammen unter dem Oberbegriff des „Chronic pelvic Pain Syndrome“ (CPPS) dem Gebiet urologischer Entitäten zugeordnet und dann gemäß einzelner Organe aufgeteilt: 왘 Blase, 왘 Urethra, 왘 Penis, 왘 Prostata, 왘 Skrotum. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und American Urological Association (AUA) bieten derzeit noch keine Leitlinien zu diesem Thema an.
Skrotale Schmerzen Grundlagen Definition: In einem fließenden Übergang können sich skrotale Schmerzen akut oder mehr protrahiert präsentieren und stellen dann ein Symptom einer ganzen Reihe von infrage kommenden Erkrankungen dar. Skrotale Schmerzen können dabei einseitig oder beidseitig auftreten. Leitsymptome 쐌 Akut einsetzender Schmerz, 쐌 langsam zunehmender Schmerz, 쐌 dumpfer Dauerschmerz, 쐌 intermittierender Schmerz (bewegungsab- bzw. -unabhängig), 쐌 ausstrahlend in Leiste, Oberschenkel, 쐌 ziehender Schmerz (volumenbedingt), 쐌 beidseitiger Schmerz.
Weitere Hinweise geben Begleiterscheinungen, die bei den diagnostischen Überlegungen mit in Betracht gezogen werden müssen.
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Basisdiagnostik
37
Begleitsymptome: 쐌 Skrotalschwellung, 쐌 Hautrötung, 쐌 Skrotalwandödem, 쐌 gleichzeitiges Penisödem, 쐌 Juckreiz, 쐌 Befall anderer Organe.
Ursachen: Vaskuläre Probleme (Torsion) und Entzündungen (Epididymitis, Orchitis) sind meist für akute, einseitige Schmerzen verantwortlich. Gleiches gilt für Tumoren und benigne Raumforderungen bis hin zur Hydrozele/Spermatozele.
Die wichtigste Unterscheidung skrotaler Schmerzen betrifft ihr plötzliches Auftreten gegenüber sich langsam bildenden Schmerzen. Aus diesem Grund wird der „akute Skrotalschmerz“ im Folgenden unter den Besonderheiten hervorgehoben.
Cave: Das „akute Skrotum“ ist ein Notfall!
Besonderheiten Der plötzlich einsetzende Schmerz im Skrotalbereich führt zu der wichtigen differentialdiagnostischen Überlegung von Hodentorsion/Hydatidentorsion/Epididymitis. Die typischen Altersgipfel sind hinweisend, aber nicht beweisend: 왘 Säuglingsalter: Hodentorsion (oft extravaginal), 왘 8.−12. Lebensjahr: Hydatidentorsion, 왘 12.−16. Lebensjahr: Hodentorsion (oft intravaginal), 왘 쏜 16. Lebensjahr: Epididymitis/Hodentorsion.
Cave: Grenze der Ischämiezeit des Hodens 6−8 Stunden!
Basisdiagnostik Anamnese: Zeitdauer der Schmerzen, 왘 Art des Einsetzens der Schmerzen, 왘 mit Übelkeit/Erbrechen, 왘 frühere, vergleichbare Episoden. 왘
Klinische Untersuchung: 왘 Inspektion: − Rötung, − Schwellung, − Hodenhochstand. 왘 Palpation: − Druckschmerz, − Knoten oberhalb Hoden tastbar, − Blue Dot Sign (sichtbarer dunkler Punkt bei Hydatidentorsion). − (Prehn-Zeichen: Anheben des Skrotums erleichtert nicht die Schmerzen bei Torsion). 왘 Körpertemperatur
Skrotaler Tastbefund: Normalbefund, Hoden verhärtet/vergrößert, Nebenhoden verdickt, weich-teigiger Skrotalinhalt, prallelastische Vergrößerung, Hoden/Nebenhoden nicht voneinander abgrenzbar, Raumforderung neben dem Hoden/Nebenhoden.
Urinstatus Blutlabor: 왘 Leukozyten, 왘 Linksverschiebung, 왘 C-reaktives Protein, 왘 Immuntiter.
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Schmerzen
Einteilung
1
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Skrotale Schmerzen Bildgebende Diagnostik: 왘 Sonographie (B-Bild), 왘 Farbduplexsonographie, 왘 Kernspintomographie, 왘 (Thermographie, nuklearmedizinischer Hodenscan). Diagnostische Hodenfreilegung
Diagnostisches Vorgehen
Schmerzen
In der Abklärung des „akuten Skrotums“ gibt es kein einzelnes Symptom oder Befund, der zu einer gesicherten Diagnose führt. Entscheidend ist die Zusammenschau von Anamnese, klinischem Befund und apparativer Diagnostik im Sinne einer wahrscheinlichen Diagnose (Abb. 1.11). Im Zweifelsfall muss immer eine Hodenfreilegung vorgenommen werden (AWMF-Leitlinien 2005). Die Wertigkeit des sog. Prehn-Zeichens ist in der Klinik umstritten. Wegweisend ist nach Abklärung der Schmerzcharakteristik, der Begleitsymptome und Inspektion oft der Tastbefund. Unter Anwendung obiger diagnostischer Maßnahmen ergibt sich der in Abb. 1.12 dargestellte, orientierende Vorschlag zur Reihenfolge der Untersuchungen.
1
Im Zweifelsfall muss immer die diagnostische Hodenfreilegung angestrebt werden.
Abb. 1.11 Akutes Skrotum: Ablauf der Diagnostik mit Wahrscheinlichkeitsabwägung für eine bestimmte Diagnose.
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Schmerzen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
1 Abb. 1.12
Diagnostischer Algorithmus skrotaler Schmerzen.
Farbcodierte Doppler-Sonographie: Eine große Hilfe in der diagnostischen Abklärung ist die farbcodierte Doppler-Sonographie. Zeigt diese eine fehlende Durchblutung des betroffenen Hodens, ist die Diagnose sicher. Leider gilt dies im umgekehrten Fall nur bedingt, da eine noch messbare Perfusion eine bereits vorhandene venöse Stauung nicht ausschließt oder bei einer intermittierenden Torsion eine gerade wiederkehrende arterielle Durchblutung angezeigt werden kann (Wilbert et al. 1993).
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen In die Differenzialdiagnostik sollten die folgenden Erkrankungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) miteinbezogen werden:
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Epididymitis Orchitis Hodenabszess Skrotalgangrän (Fournier) Follikulitis (Furunkel) Chronic pelvic Pain Syndrome
2. nichtentzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌
Hodentorsion Hydatidentorsion Thrombose Plexus pampiniformis Hodeninfarkt Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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40
Skrotale Schmerzen
Ätiologie
Erkrankung
3. Tumoren
쐌 Hodentumor
4. Trauma
쐌 Skrotalhämatom 쐌 Hodenruptur 쐌 Harnröhrenruptur bei Beckenfraktur
5. projizierte Schmerzen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
hoher Harnleiterstein Appendizitis Neuralgie des N. ilioinguinalis Neuralgie des N. genitofemoralis retroperitoneale Prozesse
Schmerzen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Hodentorsion Ursachen: Drehung des Hodens durch Kontraktion des M. cremaster bei abnormaler Aufhängung des Hodens: 왘 Extravaginale Torsion (mit Tunica vaginalis) im Neugeborenenalter, 왘 intravaginale Torsion (innerhalb der Tunica vaginalis) im puberalen Alter, 왘 selten mesorchiale Torsion zwischen Hoden und Nebenhoden.
1 Imperativ bei allen Maßnahmen ist ihre zügige Durchführung, um nicht unnötig Zeit zu verlieren.
Symptome: Akut einsetzender Schmerz mit Übelkeit, Erbrechen, auch aus dem Schlaf heraus oder nach körperlicher Bewegung. Hochstehen des betroffenen Hodens. Zunächst erfolgt eine venöse Abflussstörung (hämorrhagischer Infarkt), später ein Abklemmen der arteriellen Blutzufuhr. Bei der Untersuchung besteht in der Regel ein äußerst starker Druckschmerz. Gelegentlich ist der torquierte Samenstrang selbst zu tasten.
Diagnostik Gemäß Abb. 1.11 ist es sinnvoll, einzelne Befunde zu sammeln, die die Diagnose wahrscheinlich machen. 쐌 Farbcodierte Doppler-Sonographie: validester Parameter, 쐌 Hodenfreilegung (mit anschließender therapeutischer Orchidopexie)
Hydatidentorsion Ursachen: Die Appendix testis (Morgagni-Hydatide) und die Appendix epididymis (Giraldes-Hydatide) stellen Überreste des Müller-Ganges am Oberpol des Hodens und Nebenhodens dar. Sind sie lang gestielt, kann es zur Torquierung mit anschließendem hämorrhagischen Infarkt kommen. Symptome: Die Symptomatik ist vergleichbar mit einer Hodentorsion (s. o.). Die Knaben mit Hydatidentorsion sind tendenziell eher jünger. Bei der Inspektion findet sich u. U. ein kleines dunkles Areal, welches durch die Skrotalhaut durchschimmert, das sog. „Blue Dot Sign“. Der Hoden selbst ist in der Regel weniger hoch stehend als bei einer Hodentorsion. Wenn es die Schmerzen zulassen, kann man die torquierte Hydatide sogar tasten.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
vergrößerte Hydatide im B-Bild
Duplexsonographie
normal bis hyperperfundiertes Hodenparenchym
In der Regel ist die Hodenfreilegung anzuschließen.
Ursache: Meist folgt eine Epididymitis einem bakteriellen Harnwegsinfekt durch aszendierende Keimbesiedlung des Nebenhodens. Es sind auch virale Epididymitiden beschrieben sowie hämatogene Infektionen, z. B. bei Brucellose oder Tuberkulose. Im Kindesalter ist eine Epididymitis sehr selten. Symptome: Meist erfolgt eine langsame Steigerung der Symptomatik über Stunden bis Tage. Typischerweise besteht Fieber und eine entzündliche Laborkonstellation. Häufig gehen Miktionssymptome der Epididymitis voraus oder begleiten sie. Regelmäßig findet sich eine mehr oder weniger ausgeprägte Schwellung des Skrotums, möglicherweise so gewaltig, dass eine palpatorische Abgrenzung zwischen Hoden und Nebenhoden nicht möglich ist. Dann besteht meistens eine Epididymoorchitis.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌
Inspektion, Palpation, Labor inkl. Urinstatus, B-Bild-Sonographie: − Verbreiterung des Nebenhodens, − evtl. eine symptomatische Hydrozele, − fleckige Inhomogenität bei entzündlicher Mitbeteiligung des Hodenparenchyms, 쐌 Angiodynographie: − massive Hyperperfusion von Hoden und Nebenhoden.
Hodenabszess Ursachen: Selten besteht eine primär hämatogene Infektion. Meist ist der Abszess die Folge einer nicht ausgeheilten Epididymoorchitis. Damit kommen die üblichen gramnegativen Erreger ursächlich infrage. Symptomatik: Klinisch besteht ein schweres Krankheitsbild mit starken, in die Leiste ausstrahlenden Schmerzen und hohem Fieber. Beim ausgereiften Abszess lässt sich die typische Fluktuation palpatorisch erfassen. Die Skrotalhaut ist gerötet und massiv ödematös geschwollen.
Diagnostik In Erweiterung der Diagnostik der akuten Epididymitis zeigt jetzt die Sonographie des befallenen Hodens ein mehr oder weniger deutliches liquides und damit hypoechogenes Areal mit dicker Wand.
Orchitis Ursachen: Die isolierte Entzündung des Hodenparenchyms ist ein seltenes Ereignis. Bekannt ist sie bei Mumps, aber auch Tuberkulose, Typhus, Paratyphus oder Diphtherie.
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Schmerzen
Epididymitis
1
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Skrotale Schmerzen Symptome: Relativ akut einsetzende Schmerzen mit Schwellung und Rötung des befallenen Hemiskrotums. Es bestehen Fieber, eine Allgemeinsymptomatik sowie evtl. zusätzliche Symptome der ursprünglichen Infektionskrankheit, wie z. B. eine Parotisschwellung bei Mumps. Ein beidseitiger Befall ist möglich.
Diagnostik
Schmerzen
Im Labor besteht eine Entzündungskonstellation. Bei viralen Erkrankungen fehlt ein entsprechender CRP-Anstieg. Bei gleichzeitiger Pankreatitis findet sich eine Erhöhung der Amylase.
1
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
vergrößerter Hoden mit fleckförmigen Echoinhomogenitäten
Doppler-Sonographie
entzündungsbedingte Hyperperfusion
Fournier-Gangrän Ursachen: Ausgangspunkt einer Fournier-Gangrän ist eine Verletzung der Skrotalhaut oder im unteren Harntrakt. Besonders bei reduzierter Immunabwehr kann es dann zu einer Besiedlung mit anaeroben Keimen kommen, die in kürzester Zeit zu dem Bild der nekrotisierenden Fasziitis führen. Symptome: Anfangs schmerzhafte, mit zunehmender Ausbreitung eher weniger schmerzhafte grau-bläuliche Nekrose der Skrotalhaut mit möglichem Übergreifen auf Penis, Perineum oder suprapubische Region. Es besteht ein übler Geruch.
Diagnostik 쐌 Inspektion, 쐌 mikrobiologische Abstriche, speziell für anaerobe Keime.
Furunkel Ursachen: Streptokokkeninfektion einer Talgdrüse, die zu einer ausgedehnten Entzündung der Haut mit Abszessbildung führen kann. Symptome: Lokale Rötung, Schwellung, Schmerzen und Ödem der Skrotalhaut.
Diagnostik 쐌 Sonographie des Skrotalinhaltes: Ausschluss einer Ursache des entzündlichen Porus im Bereich des Nebenhodens.
Chronic pelvic Pain Syndrome Einteilung: Die Prostatitis wird nach neuerer Nomenklatur (NIDDK/NIH) (Fall et al. 2003) eingeteilt in: 왘 I. Akute bakterielle Prostatitis 왘 II. Chronische bakterielle Prostatits 왘 III. Chronic pelvic Pain Syndrome (CPPS) 왘 IIIa. Entzündliches CPPS (Leukozyten im Ejakulat)
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder 왘 왘
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IIIb. Nichtentzündliches CPPS IV. Asymptomatische entzündliche Prostatitis (nur histologisch)
Besonders die Gruppen II und IIIa und IIIb kommen hier in Betracht. Symptome: Ziehende Schmerzen in einem oder beiden Hoden, evtl. mit Ausstrahlung in die Leistenregion, evtl. auch perineale Schmerzen (siehe auch dort) kennzeichnen u. a. dieses Krankheitsbild.
Untersuchung
Erwarteter Befund
Cave:
Inspektion und Palpation des Skrotums
unauffällig
Sonographie des Skrotums
unauffällig
Analyse des Ejakulats bzw. des Urins
Leukozyten im Ejakulat bzw. Exprimat-Urin
Vor Bestätigung dieser Diagnose gilt es, andere Ursachen der skrotalen Schmerzen auszuschließen!
Thrombose des Plexus pampiniformis Ursachen: Es besteht eine spontane Thrombose der unteren Anteile der V. testicularis, wobei die genauen Ursachen nicht näher bekannt sind. Symptome: Das Ausmaß der Thrombose bestimmt die Symptome. Es kommt zu einem variablen Schmerz von Skrotum bis in die Leiste mit einer Schwellung des Skrotums.
Diagnostik 쐌 Palpation der thrombosierten Venen, 쐌 evtl. farbcodierte Doppler-Sonographie.
Hodeninfarkt Ursachen: Auch der Verschluss der A. testicularis ist ein absolut seltenes Ereignis, denkbar z. B. bei einem offenen Foramen ovale, arteriosklerotischen oder entzündlichen Gefäßveränderungen. Symptome: Bei einer akuten Infarzierung bestehen akute Hodenschmerzen wie bei einer Hodentorsion.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
farbcodierte Doppler-Sonographie
Ausfall der arteriellen Perfusion im Hodenparenchym
Hodentumor Ursachen: Die Pathogenese der Keimzelltumoren und anderer mesenchymaler Tumoren des Hodens ist unklar. Ein deutlicher Zusammenhang besteht allerdings mit einem vorbestehenden Kryptorchismus.
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Schmerzen
Diagnostik
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Skrotale Schmerzen Symptome: Die meisten Hodentumoren entwickeln sich ohne Schmerzen, lediglich in 10−15 % kommt es zu doch deutlichen Beschwerden, besonders wenn der Tumor die Hodenkapsel oder den Nebenhoden infiltriert. Diagnostik: 쐌 Übliche Untersuchungen zur Tumordiagnostik, 쐌 Palpation, 쐌 Sonographie.
Skrotalhämatom/Hodenruptur Ursachen: Stumpfe Traumen der Skrotalregion führen je nach Krafteinwirkung zu einer Einblutung in die Skrotalwand oder sogar zu einer Ruptur der Hodenkapsel mit Parenchymzerreißung.
Schmerzen
Symptome: Es bestehen nach dem Trauma akute stärkste Schmerzen mit peritonealen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Kreislaufkollaps.
Diagnostik
1
Untersuchung
Erwarteter Befund
Inspektion und Palpation
deutlich geschwollenes Hemiskrotum, evtl. mit Einblutungen
Sonographie
Hämatozele peritestikulär, gelegentlich kann die Rissstelle in der Tunica albuginea direkt visualisiert werden
Beckenfraktur/Harnröhrenruptur
Typisch: Schmetterlingshämatom
Ursachen: Bei einer Beckenfraktur geht ein hochgradiges Trauma (z. B. Verkehrsunfall) voraus. Harnröhrenrupturen können extrapelvin durch eine sog. Straddle-Verletzung am Damm durch ein direktes Trauma entstehen. Symptome: Typisch ist das sich perineal und skrotal ausbreitende Schmetterlingshämatom. Bei einer Urethraruptur distal des Sphinkters kommt es auch zum Austritt von Blut am Meatus externus urethrae.
Diagnostik 쐌 Beckenübersichtsaufnahme zur Diagnose der Beckenfraktur, 쐌 vorsichtige retrograde Urethrographie.
Harnleiterstein Ursachen: Entsprechend der embryonalen Entwicklung des Hodens mit allmählichem Deszensus entspringen auch seine sensiblen Nerven aus den unteren Thorakalsegmenten. Daher kann ein hoher Harnleiterstein reflektorisch zu projizierenden Schmerzen in den seitengleichen Hoden führen. Symptome: Es bestehen ziehende Schmerzen im Hoden mit intervallartiger Natur. Gleichzeitige Flankenschmerzen weisen den weiteren diagnostischen Weg.
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Besonderheiten
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Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌
Inspektion und Palpation: unauffällig, Urinstatus, Nierenleeraufnahme, sonographische Untersuchung der Nieren.
Akute Appendizitis/retroperitoneale Prozesse
Penile Schmerzen Grundlagen Definition: Es sind vorrangig die entzündlich bedingten, brennenden, stechenden Missempfindungen in der Folge akuter Urethritiden zu nennen, die oft eine Pollakisurie mit vermehrtem Harndrang nach sich ziehen. Gelegentlich kann ein Urethrastein diese Symptomatik imitieren. Bei der Einschätzung urethraler Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass selbst harmlose Manipulationen, wie die Entnahme eines Urethralabstriches, von Patienten als äußerst unangenehm empfunden werden, da diese Genitalregion sehr stark sensibel versorgt ist. Leitsymptome 쐌 Ausfluss, 쐌 Schwellung des Penis, 쐌 Rötung − am Meatus externus urethrae, Penishaut, 쐌 Verkrümmung, 쐌 Hämatom.
Ursachen: Entzündungen, 왘 nichtentzündliche Erkrankungen, 왘 Tumoren, 왘 Trauma/Verletzungen. 왘
Einteilung In der Abklärung hilfreich ist wiederum eine Einteilung in akut auftretende Erkrankungen gegenüber langsam einsetzenden Symptomen, wobei Entzündungen und Traumata zur ersteren Gruppe gehören.
Besonderheiten Direkte Affektionen des Penis und seiner anatomischen Strukturen müssen von projizierenden Schmerzen (z. B. Blasenstein) abgegrenzt werden.
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Schmerzen
Ursachen: Beide Erkrankungen können über eine Reizung des N. genitofemoralis oder N. ilioinguinalis zu einer Schmerzprojektion in den seitengleichen Hoden führen.
1
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Penile Schmerzen
Basisdiagnostik Anamnese: Zeitdauer der Schmerzen, 왘 Abhängigkeit von Miktion, 왘 Abhängigkeit von Erektionszustand. 왘
Schmerzen
Inspektion: 왘 Schwellung, 왘 Verkrümmung, 왘 Hautveränderung, 왘 Ausfluss?
1
Palpation: 왘 Verhärtung im Bereich der Schwellkörper, 왘 Verhärtung im Bereich der Harnröhre, 왘 Verschieblichkeit der Haut. Labor: 왘 Urinstatus, 왘 Harnröhrenabstrich. Bildgebende Diagnostik: 왘 Sonographie des Penis (mit farbcodierter Doppler-Sonographie), 왘 retrogrades Urethrogramm.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei penilen Schmerzen ist in Abb. 1.13 erläutert.
Abb. 1.13
Diagnostisches Vorgehen bei penilen Schmerzen.
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Ätiologie
Erkrankung
1. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
akute Urethritis nichtbakterielle Urethritis Balanitis, Posthitis spezifische Infektionen des äußeren Genitales Kranzfurchenlymphangitis
2. nichtentzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Blasenstein Urethrastein Paraphimose Priapismus Induratio penis plastica
3. Tumoren
쐌 Peniskarzinom 쐌 Urethrakarzinom 쐌 Kaposi-Sarkom
4. Trauma
쐌 Ruptur des Corpus cavernosum 쐌 Urethraruptur 쐌 urethraler Fremdkörper
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akute Urethritis Siehe Kap. 10, S. 249.
Balanitis, Posthitis Meistens als Balanoposthitis auftretende Entzündung der Schleimhaut der Glans penis und des inneren Blattes des Präputiums, die durch Pilze (Candida-Spezies), Viren (Herpes simplex) oder Bakterien (Staphylokokken) ausgelöst werden kann. Speziell für mykotische Balanitiden ist ein Diabetes mellitus prädisponierend. Rezidivierende Balanoposthitiden können zur Ausbildung einer Phimose führen, die selbst wiederum Ursache entzündlicher Veränderungen sein kann.
Kranzfurchenlymphangitis Die Kranzfurchenlymphangitis stellt eine schmerzarme Verdickung von Lymphgefäßen im Bereich des Sulcus coronarius dar, die ätiologisch nicht einzuordnen ist. Meist bei Männern jüngeren bis mittleren Alters auftretend, verschwindet sie nach einiger Zeit wieder ohne spezifische Therapiemaßnahmen.
Blasenstein Eine infravesikale Obstruktion ist meist die Ursache einer Blasensteinbildung, häufig vergesellschaftet mit rezidivierenden Harnwegsinfekten. Abdomenleeraufnahme, Sonographie und Zystoskopie erhärten die Diagnose.
Urethrastein So genannte spontan abgangsfähige Steine aus dem oberen Harntrakt werden nur bei pathologischen infravesikalen Engen in der Harnröhre retiniert. Dazu zählen die Urethrastriktur und die Meatusstenose.
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Schmerzen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen bei penilen Schmerzen
1
48
Penile Schmerzen Symptome: Stechende Schmerzen bei Miktion bis hin zum Harnverhalt charakterisieren die Symptomatik.
Diagnostik 쐌 Palpation des Steines in der Harnröhre von außen, 쐌 Endoskopie (gleichzeitig Therapieeinleitung).
Ein retrogrades Urethrogramm mit Leeraufnahme kann vorgeschaltet werden.
Schmerzen
Paraphimose
1
Speziell nach Einlage eines transurethralen Katheters oder endoskopischen Eingriffen kommt es bei retrahiertem Präputium zu einem zunehmenden Ödem mit der anschließenden Unmöglichkeit, das Präputium wieder in die ursprüngliche Lage zurückzuversetzen. Eine relative Phimose geht diesem Ereignis oft voraus.
Priapismus Siehe Kap. 12.5., S. 405.
Induratio penis plastica Bei der Induratio penis plastica (Peyronie-Disease) bestehen Schmerzen meist nur während der Erektion im Bereich der fast immer auf dem Dorsum penis befindlichen fibrösen Plaques, die zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Abknickung des Penisschaftes nach dorsal führen. Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankung sind unbekannt. Eine Vergesellschaftung mit dem Nachweis des HLA-B27-Antigens und der Dupuytren-Kontraktur wird häufiger gefunden. Die Lokalisation und Ausdehnung des Plaques ist variabel.
Diagnostik Lokalisationsdiagnostik: 쐌 Palpation, 쐌 hochauflösende Penissonographie.
Das Ausmaß der Abknickung kann durch artifizielle Erektion, z. B. während eines Kavernosogramms, abgeschätzt werden.
Peniskarzinom Die Symptomarmut des Peniskarzinoms führt dazu, dass oft erst im späteren Stadium der Arzt aufgesucht wird. In der Frühphase findet sich im Bereich der Glans penis oder des Präputiums ein induriertes, druckempfindliches Areal oder ein nichtabheilendes Ulkus wie Morbus Bowen, Leukoplakie, Erytrhoplasie Queyrat oder eine Balanitis xerotica obliterans. Pathogenetisch werden eine vorbestehende Phimose, mangelnde Genitalhygiene, möglicherweise auch Herpesinfektionen angeschuldigt.
Diagnostik 쐌 Biopsie zur definitiven histologischen Sicherung.
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Grundlagen
49
Differenzialdiagnostisch sind auch Metastasen anderer Tumoren (z. B. Prostatakarzinom) im Bereich des Penisschaftes in Erwägung zu ziehen. Das Lymphknotenstadium wird neben der Palpation der Inguinalregion durch eine Computertomographie des Beckens festgelegt.
Urethrakarzinom
Diagnostik 쐌 Spülzytologie, 쐌 Urethroskopie 쐌 Biopsie.
Ruptur des Corpus cavernosum Diese auch als Penisfraktur bekannte Verletzung tritt fast immer infolge eines zu vehement betriebenen Geschlechtsverkehrs auf. Es findet sich dann ein mehr oder weniger ausgeprägtes Hämatom des Penisschaftes entlang der Buck-Faszie.
Diagnostik 쐌 Kavernosogramm zur Lokalisation der Rupturstelle, 쐌 retrogrades Urethrogramm zum Ausschluss einer gleichzeitigen Ruptur der Harnröhre bzw. des Corpus spongiosum.
Urethraler Fremdkörper Besteht der Verdacht auf Selbstmanipulation, kann ein vermuteter Fremdkörper in der Urethra durch Beckenübersichtsaufnahme, retrogrades Urethrogramm und gegebenenfalls Urethroskopie gesichert und extrahiert werden.
Perineale Schmerzen Grundlagen Definition: Anatomisch ist die Perinealregion ventral vom Ansatz des Skrotums und dorsal von der Analregion begrenzt. Damit liegt sowohl die hintere Harnröhre, der Beckenboden mit der kranial gelegenen Prostata als auch der vordere Teil der Ischiorektalgrube in dieser Zone. Instrumentell bedingte Harnröhrenperforationen oder extrapelvine Urethrarupturen nach perinealem Trauma führen zu perakut einsetzenden starken Schmerzen. Akute Schmerzen werden durch eine akute Prostatitis, einen Periurethralabszess, aber auch perianale Abszesse und Thrombosen der äußeren Hämorrhoidalkonvolute ausgelöst. Ein dumpfer Druck, auch mit Ausstrahlung in den Skrotalbereich, sind typische Schmerzangaben bei chronischer Prostatitis.
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Schmerzen
Als seltene Ursache peniler Schmerzen ist das Urethrakarzinom anzusehen. Seine Frühsymptomatik besteht meist in blutigem Ausfluss, obstruktiven Miktionsbeschwerden und Ausbildung von Fisteln und periurethralen Abszessen. Aus Gründen unterschiedlicher therapeutischer Vorgehensweisen wird in Urethralkarzinome der vorderen und der hinteren Urethra eingeteilt. Pathogenetisch werden chronische Entzündungen der Harnröhre und jahrelange Bougierungsbehandlungen verantwortlich gemacht.
1
50
Perineale Schmerzen
Schmerzen
Während sich Schmerzen, die an der Hautoberfläche erzeugt werden, gut lokalisieren lassen, sind die dumpfen tiefen Schmerzen durch den Patienten weniger genau zu lokalisieren. Dies gilt in noch höherem Maß für die von sympathischen und parasympathischen, marklosen Afferenzen weitergeleiteten viszeralen Schmerzen, die oft an der Haut in den entsprechenden Head-Zonen verspürt werden. Es kommt zu einer Hyperalgesie des entsprechenden Hautareals. Durch Entzündungen und Spasmen der viszeral innervierten Urogenitalorgane werden Dehnungs- und Schmerzafferenzen gereizt, die entsprechende Schmerzsensationen ins Bewusstsein rufen.
1
Leitsymptome: 쐌 Akute stechende Schmerzen, 쐌 Schmerzen beim Sitzen, 쐌 Schmerzen bei Miktion/Defäkation, 쐌 urethrale Blutung.
Ursachen: Entzündliche Erkrankungen der Urethra oder Prostata, 왘 stumpfes Trauma von aussen oder instrumentelle Verletzungen der Urethra, 왘 anale bzw. perianale Erkrankungen, wie z. B. ein Perianalabszess. 왘
Einteilung Akut einsetzende perineale Schmerzen, z. B. nach stumpfem Trauma, bedürfen einer schnellen und definitiven Abklärung. Langsam aufgetretene Schmerzen benötigen aufgrund umfangreicher differenzialdiagnostischer Überlegungen eine schrittweise Untersuchung.
Besonderheiten Immer sind Erkrankungen des Analbereiches in die Überlegungen miteinzubeziehen.
Basisdiagnostik Anamnese: Dauer und Stärke der Schmerzen, 왘 Abhängigkeit von Miktion, Ejakulation, Defäkation, 왘 Chronizität. 왘
Inspektion: 왘 Schwellung, 왘 Rötung, 왘 Hämatom. Palpation: 왘 Veränderungen des Bulbus urethrae, 왘 Veränderungen der Analregion und des Analkanals, 왘 Palpation der Prostata. Urinstatus Rektoskopie
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Bildgebende Diagnostik: 왘 Computertomographie oder Kernspintomographie, 왘 retrogrades Urethrogramm.
Diagnostisches Vorgehen Bei perinealen Schmerzen immer an Erkrankungen des Anorektalgebietes denken.
Schmerzen
Das diagnostische Vorgehen bei perinealen Schmerzen ist in Abb. 1.14 erläutert.
1 Abb. 1.14
Diagnostisches Vorgehen bei perinealen Schmerzen.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen perinealer Schmerzen Ätiologie
Erkrankung
1. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. nichtentzündlich
쐌 Perianalthrombose 쐌 Analfissur
3. Tumoren
쐌 fortgeschrittenes Prostatakarzinom (lokal) 쐌 Rektumkarzinom
4. Trauma
쐌 Urethraperforation 쐌 bulbäre Harnröhrenverletzung (Straddle-Trauma)
chronische Prostatitis akute Prostatitis Periurethralabszess Proktitis Perianalabszess
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akute Prostatitis Ursache ist regelhaft ein aufsteigender Harnwegsinfekt. Es besteht ein akutes Krankheitsbild mit hohem Fieber, Miktionsbeschwerden, perinealen Schmerzen und tief sitzenden Kreuzschmerzen. Die Palpation der Prostata ist äußerst schmerzhaft.
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Perineale Schmerzen
Chronische Prostatovesikulitis (= Chronic pelvic Pain Syndrome) Afebrile, rezividierende Entzündungen der Prostata und der Samenblasen, meist mit einer Einschränkung der infravesikalen Abflussverhältnisse kombiniert. Die Pathogenese ist nicht geklärt. Es gibt eine bakterielle und abakterielle Form mit nahezu identischen Symptomen. Ausstrahlende Schmerzen in das Skrotum, Penis und/oder Perineum werden angegeben. Prostata-Experimat oder Ejakulatkultur zeigen einen eventuellen bakteriellen Ursprung. Sonst lassen sich Leukozyten bei gleichzeitig steriler Ejakulatkultur nachweisen. Die Palpation der Prostata ist nicht oder nur wenig schmerzhaft.
Schmerzen
Proktitis
1
Ständiger Reiz zum Stuhlgang, gehäuftes Absetzen von Stühlen, auch mit Blutbeimengungen legen entzündliche Veränderungen im Bereich des Enddarms nahe. Weitere Diagnostik s. chirurgische Literatur.
Perianalabszess Im Gegensatz zur Proktitis steht beim Perianalabszess die schmerzhafte Stuhlverhaltung im Vordergrund. Palpatorisch findet sich neben dem analen Schließmuskel ein entzündlicher, sehr schmerzhafter Tumor. Weitere Diagnostik s. chirurgische Literatur.
Analfissur Schmerzhafte Stuhlverhaltung, schmerzhafte rektale Untersuchung mit diskreter entzündlicher Veränderung machen eine Analfissur wahrscheinlich. Diese Rhagaden der Analschleimhaut lassen sich oft erst in Narkose richtig darstellen, weil erst dann eine ausreichende Dehnung des schmerzbedingt spastischen Analsphinkters möglich ist.
Fortgeschrittenes Prostatakarzinom Siehe Kap. 12.1, S. 372.
Rektumkarzinom Befindet sich ein Rektumkarzinom im unteren Bereich des Rektums, kann es zu perineal empfundenen Schmerzen führen. Hinweisend sind daneben rektaler Blutabgang, Obstipation oder andere Defäkationsbeschwerden.
Bulbäre Urethraruptur Die bulbäre Urethraruptur tritt bei Verletzungen des Perinealbereiches auf. Typisch sind sog. Straddle-Verletzungen, wenn der Verunfallende rittlings auf den Damm fällt. Durch gleichzeitige Ruptur des Corpus spongiosum kommt es zu einem Hämatom, welches sich innerhalb der Colles-Faszie ausbreitet. Weitere Symptome sind Schmerzen bei Miktion, Blutaustritt aus der Harnröhre oder blutige Miktion. Die Diagnose wird durch ein retrogrades Urethrogramm gesichert. Partielle und komplette Rupturen sind möglich.
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Grundlagen
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Kombinationen verschiedener genitaler Schmerzlokalisation Grundlagen Definition: Die im Einzelnen abgehandelten Regionen genitaler Schmerzen können natürlich auch in unterschiedlichen Kombinationen Schmerzen repräsentieren. Keine Berücksichtigung finden hier unterschiedliche Seitenlokalisationen bei paarigen Organen.
Ursachen: Ursächlich sind die oben angegebenen Erkrankungen verantwortlich zu machen. Oft sind die Kombinationen von Schmerzen mehrerer Regionen Ausdruck eines dann ausgedehnten Krankheitsbildes. Bezüglich der Diagnostik wird auf die Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten verwiesen.
Einteilung
1
Folgende Kombinationen sind möglich: penoskrotale Schmerzen (z. B. bulbäre Urethraruptur mit Hämatom oder Urinphlegmone), 왘 skrotal-perineale Schmerzen (z. B. Fournier-Gangrän), 왘 penil-perineale Schmerzen (z. B. ausgedehnte Urethritis), 왘 penoskrotale und perineale Schmerzen (z. B. chronic pelvic pain syndrome). 왘
Literatur AWMF-Leitlinien − Register 006/023 der Dt. Gesellschaft für Kinderchirurgie: Hodentorsion. Retrieved 30.12 2005 from http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF. Fall M, Baranovskj AP, Fowler CJ, Lepinhard V et al. EAU-Guidelines: Guidelines on Chronic Pelvic Pain. EAU; 2003. Wilbert DM, Schaerfe C, Stern WD, Strohmaier WL, Bichler KH. Evaluation of the acute scrotum by color-coded Doppler-Ultrasonography. J Urol. 1993;149:1475−7.
1.5
Schmerzen
Leitsymptome: Die Leitsymptome ergeben sich aus der Kombination der befallenen Schmerzregionen.
Schmerzhafte Blasenentleerung F. Oberpenning, S. C. Müller
Grundlagen Definition: Unter dem Oberbegriff Dysurie versteht man allgemein eine vom Patienten als unangenehm empfundene Miktion. Als Algurie bezeichnet man das Auftreten von Schmerzen beim Miktionsvorgang. Unter Strangurie (griechisch „stranx“ = herausgepresster Tropfen) versteht man die Sonderform einer mit schmerzhaftem Harndrang und krampfartigen Blasenschmerzen (Tenesmen) einhergehenden Miktion, die nur zur Entleerung geringer Harnmengen führt. Als Ursachen für die o.g. Symptome finden sich u. a.: 왘 entzündliche Erkrankungen der unteren Harnwege, darunter insbesondere Formen der Urozystitis, Urethritis und Prostatitis,
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1.5 Schmerzhafte Blasenentleerung 왘 왘 왘
obstruktive Erkrankungen des unteren Harntraktes, wie die Meatus- und Urethrastriktur, Obstruktion durch BPH, Blasensteine, Formen der Blasenentleerungsstörung (S. 191), seltener tumoröse Erkankungen oder Zystitisformen ohne Erregernachweis wie die interstitielle Zystitis oder die radiogene Zystitis.
Einteilung
Schmerzen
Entzündliche Erkrankungen der unteren Harnwege Zystitiden sind beim Mann seltener und sollten immer Anlass zur weiteren Ursachenforschung geben (Ausschluss von Obstruktion, anatomischen oder funktionellen Anomalien).
1 NIH-Klassifikation der Prostatitiden: I. akut-bakterielle Prostatitis II. chronisch-bakterielle Prostatitis III. chronisches Beckenschmerzsyndrom (CPPS) A. entzündlich B. nichtentzündlich IV. asymptomatische Prostatitis (histologisch)
Die häufigste Ursache für eine schmerzhafte Miktion ist die akut- oder chronischrezidivierend auftretende Urozystitis, die meist durch urethrale Keimaszension bedingt ist und daher bevorzugt bei Frauen auftritt. Symptomatisch steht neben der Algurie eine Pollakisurie, mitunter auch eine Hämaturie (hämorrhagische Zystitis), im Vordergrund. Sowohl jüngere Frauen im geschlechtsfähigen Alter (HoneymoonZystitis) als auch postmenopausale Frauen (gestörte Vaginalflora durch Östrogenmangel) können betroffen sein. Bei vornehmlich urethral lokalisiertem Schmerz kann eine Urethritis vorliegen, die sowohl unspezifischer als auch spezifischer Natur sein kann. Als Leitsymptom der gonorrhoischen Urethritis gilt der meist morgendlich auftretende Fluor, in dem sich Gonokokken nachweisen lassen. Der Nachweis von Problemkeimen wie Chlamydien, Myko- und Ureaplasmen erfordert spezielle Abstrich- oder PCR-Untersuchungen. Bei Urethritiden mit Keimnachweis sollte eine Partnerdiagnostik und ggf. -mitbehandlung erwogen werden. Liegen beim Mann begleitend Hämospermie, Schmerzen im Dammbereich bei der Defäkation oder rektalen Palpation der Prostata vor, ist eine Prostatitis (S. 54) differenzialdiagnostisch abzugrenzen (4-Gläser-Probe, Abb. 1.15).
Obstruktive Erkrankungen des unteren Harntraktes Die Vergesellschaftung dysurischer Beschwerden mit Harnstrahlabschwächung und/oder Restharnbildung sollte insbesondere beim Mann an das Vorliegen einer subvesikalen Obstruktion denken lassen. Am häufigsten werden gutartige Prostatavergrößerungen oder Harnröhrenstrikturen nach vorausgehenden Instrumentationen oder Verletzungen angetroffen − mitunter auch ein fortgeschrittenes Prostatakarzinom. Eine punktförmig verengte Vorhaut oder ausgeprägte Meatusenge ist bereits durch Inspektion erkennbar. Bei Knaben treten Meatusengen bevorzugt nach Zirkumzision auf, ferner kann das Vorliegen von Harnröhrenklappen durch MCU bzw. endoskopisch ausgeschlossen werden.
Abb. 1.15
4-Gläser-Probe.
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Tabellarischer Überblick Differenzialdiagnosen
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Auch Fremdkörperinkorporationen oder Manipulationen der Harnröhre können eine Obstruktion bedingen, manchmal ohne dass dazu (insbesondere beim kindlichen Patienten) richtungsweisende anamnestische Angaben gemacht werden. Bei der Untersuchung der Frau ist eine vaginale Einstellung mit Inspektion/Palpation von Introitus und Orificium obligat, damit Urethralkarunkel, paraurethrale Zysten oder ein Prolaps der Urethra erfasst werden. Divertikel der weiblichen Harnröhre werden endoskopisch oft übersehen, lassen sich jedoch ggf. durch Doppelballonurethrographie darstellen.
Tumoröse Erkrankungen des Harntraktes
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Schmerzen
Nicht nur endoskopisch erkennbare Malignome des Harntraktes, sondern vor allem auch das oft inapparente Carcinoma in situ, können zu ausgeprägten dysurischen Beschwerden führen. Zyklusabhängige Miktionsbeschwerden der Frau erfordern eine (ggf. interdisziplinäre!) Endometriosediagnostik. Urologischerseits sind Endometrioseherde der Harnblase zystoskopisch auszuschließen.
Basisdiagnostik und weiteres diagnostisches Vorgehen entsprechen der Abklärung von Blasenentleerungsstörungen (Abb. 1.16). Siehe hierzu auch Kap. 8.
1
Tabellarischer Überblick Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. obstruktiv
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Zystitis (akut, chronisch) (S. 32) Urethritis (S. 249) unspezifischer Harnwegsinfekt paraurethraler Abszess (unspezifisch, Gonorrhö) chemische Zystitis (z. B. nach Blaseninstillation) (S. 60) physikalische Zystitis (Radiatio!) (S. 60) interstitielle Zystitis (S. 32, S. 219) virale Zystitis eosinophile Zystitis Urotuberkulose (S. 178) Schrumpfblase Prostatovesikulitis (S. 51, S. 84) allergische Zystitis Sigmadivertikulitis (S. 16) Blasen-Darm-Fisteln (S. 102) Echinokokkusinfektion (S. 178)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Meatusstenose (S. 202) Urethrastriktur (S. 185, S. 202) Urethralklappen (S. 184, S. 292) Urethrastein Prostataadenom (S. 198) funktionelle subvesikale Obstruktion (S. 269) Urethralkarunkel Urethralprolaps Urethraldivertikel (S. 220) thrombosierte Urethralvenen paraurethrale Zystex Fremdkörper (S. 182) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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1.5 Schmerzhafte Blasenentleerung
Schmerzen
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1
Abb. 1.16 Diagnostischer Algorithmus zur Abklärung einer schmerzhaften Blasenentleerung.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Ätiologie
Erkrankung
3. tumorös
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
4. andere
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
57
Harnblasentumore (Carcinoma in situ, S. 97) Samenblasentumor Endometriose (S. 153) Prostatakarzinom (S. 201, S. 372) Urethrakarzinom (S. 48) Urethralpolyp Prolaps von Tumorzotten eines Sarcoma botryoides
Schmerzen
interstitielle Zystitis (S. 219, s. u.) vesikorenaler Reflux (S. 319) Uretersteine (S. 44, S. 98) Urethrastein (S. 47) Blasensteine (S. 47) urethrale Manipulationen Ureterozele (S. 317) neurogene Blase (S. 270) Urge-lnkontinenz (S. 222) chemische Reizung (Seifen, Pessare, Desodorantien, Schaumbad) 쐌 neurologische Systemerkrankungen (multiple Sklerose, Lyme-Borreliose, amyotrophe Lateralsklerose) 쐌 Z.n. ritueller Beschneidung
1
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Interstitielle Zystitis − Painfull Bladder Syndrome (IC/PBS) Definition: Die interstitielle Zystitis ist ein mit schmerzhafter Blasenentleerung, Pollakisurie/Nykturie und Harndrang einhergehendes Krankheitsbild, welches chronische zystitische Beschwerden verursacht, ohne dass ein Erregernachweis gelingt. Die Prävalenz ist größer als früher vermutet und Betroffene erleiden erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität. Die International Continence Society (ICS) bevorzugt den Terminus „Painfull Bladder Syndrome“ (PBS), definiert als „suprapubischer Schmerz in Relation zur Blasenfüllung, begleitet von Symptomen wie Pollakisurie/Nykturie bei fehlendem Nachweis einer Harnwegsinfektion und in Abwesenheit anderer offensichtlicher Pathologika“. Für die Diagnose IC sollten entzündliche Veränderungen der Harnblasenwand bzw. endoskopische Hinweise (Glomerulationen, Hunner-Ulzera) vorliegen, während beim PBS eine endoskopisch/bioptisch inapparente Schmerzsymptomatik der Harnblasenregion im Vordergrund steht. Die IC bevorzugt das weibliche Geschlecht im Verhältnis 10 zu 1 und manifestiert sich klinisch vornehmlich im 4. Lebensjahrzent. Ein Drittel der Patient(inn)en erleiden erste Symptome bereits vor dem 30. Lebensjahr und es besteht eine erhöhte Koinzidenz mit allergischen, entzündlichen und autoimmun bedingten Erkrankungen. Ätiologie: Ätiologisch werden u. a. Infektionen, eine alterierte Blasenschleimhautbarriere, exogene Noxen sowie neurologische, hormonelle, vaskuläre, allergische oder autoimmune Störungen vermutet (Tab. 1.2). Die 1989 vom amerikanischen NIH (National Health Institute) und NIDDK (National Institute of Diabetes, Digestive and Kidney Disease) revidierten Forschungs(!)-kriterien zur Diagnose der IC (Tab. 1.3) sollen homogene Studienkollektive für wissenschaftliche Untersuchungen definieren. Da ein Großteil der IC-Patienten diese Kriterien nicht erfüllt, besitzen sie bei der klinischen Diagnosestellung allenfalls orientierenden Charakter.
Assoziation der IC mit anderen Erkrankungen: 쐌 Allergien, 쐌 Fibromyalgie, 쐌 Irritable Bowel Syndrome, 쐌 Inflammatory Bowel Disease, 쐌 Autoimmunerkrankungen.
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1.5 Schmerzhafte Blasenentleerung
Tabelle 1.2
Hypothesen zur Pathogenese der interstitiellen Zystitis
Schmerzen
쐌 Mikroorganismen − Anaerobier, Viren 쐌 Defekt urothelialer Schutzfaktoren − defekte GAG-Schicht − erhöhte epitheliale Permeabilität (Plattenepithelmetaplasie − toxische Substanzen des Urins) − Inhibition der Urothelproliferation 쐌 Mastzellen 쐌 veränderter Stickoxidmetabolismus 쐌 exogene Noxen 쐌 Hypoxie 쐌 allergisch, Autoimmunerkrankung 쐌 Neuropathie autonomer Nerven 쐌 hormonelle Dysbalance 쐌 psychosomatische Ursachen
Tabelle 1.3
1
Interstitielle Zystitis: Forschungskriterien des NIH
Einschlusskriterien
Definitive Ausschlusskriterien
Relative Ausschlusskriterien
쐌 Schmerzen im Blasenbereich und/oder Drangsymptomatik 쐌 zystoskopisch Glomerulationen (nach Hydrodistension) oder Hunnerulzera
쐌 Kapazität 쏜 350 ml (Wachzustand) 쐌 kein Drang bei 150 ml Füllung 쐌 autonomer Detrusor 쐌 keine Nykturie 쐌 쏝 8 Miktionen tagsüber 쐌 Herpes genitalis 쐌 chemische, aktinische Zystitis, TBC 쐌 Blasentumoren
쐌 쏝 9 Monate Symptome 쐌 Ansprache auf Antibiotika, Anticholinergika, Spasmolytika 쐌 bakterielle Zystitis/Prostatitis 쏝 3 Monate 쐌 Steine 쐌 Tumoren an Uterus, Vagina, Urethra 쐌 Harnröhrendivertikel, Vaginitis 쐌 Alter 쏝 18 Jahre
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Anamnese (Miktionsprotokoll), Urinuntersuchung, Harnflussmessungen, Zystoskopie, ggf. Biopsie und bildgebende Verfahren (Urogramm, Miktionszysturethrogramm, CT), 쐌 bei Männern Ausschluss von Prostataerkrankungen.
Gegen IC sprechen Miktionsvolumina über 250 ml, miktionsfreie Intervalle von über 2 Stunden, das Fehlen von Nykturie oder längere Phasen der Beschwerdefreiheit.
Hauptaspekt der Anamnese ist das Miktionsprotokoll mit objektiven Angaben zu Wasserlass- und Trinkgewohnheiten, sowie Drang- und Schmerzausprägung. Der oft suprapubisch lokalisierte Schmerz steigert sich meist mit zunehmender Blasenfüllung, kann in Leisten, Genitale, Rektum oder Kreuzbein ausstrahlen und wird durch die Miktion nur kurzfristig gelindert. Die Miktionshäufigkeit tags und nachts und die entleerten Harnvolumina (funktionelle Blasenkapazität) liefern die wichtigsten urodynamischen Grundgrößen. Symptomenscores wie der ICSI (O’Leary IC Symptom und Problem Index) sind zwar
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zur Diagnosestellung unzureichend, jedoch ein gut validiertes Instrument zur Symptomquantifizierung und Verlaufsbeurteilung unter Therapie. Harnflussmessungen mit Restharnbestimmung, Urinuntersuchungen inklusive Zytologie (Ausschluss eines Carcinoma in situ), ggf. proktologische, gynäkologische, dermatologisch/venerologische Konsiliaruntersuchungen, im Einzelfall auch bildgebende Verfahren − Urogramm, Miktionszysturethrogramm, CT) werden zum weiteren Ausschluss von Differenzialdiagnosen (Infekte, Steine, Anomalien, Blasenentleerungsstörung, Malignome) durchgeführt. Bei Männern müssen Prostataerkrankungen (BPH, Prostatakarzinom, Prostatitis) evaluiert werden (PSA, DRU, TRUS). Besteht Verdacht auf IC, sollte eine Zystoskopie in Narkose durch einen mit dem endoskopischen Aspekt der Erkrankung vertrauten Untersucher erfolgen. IC-Patienten weisen endoskopisch häufig sog. Glomerulationen oder schlierenartige Blutabsonderungen (Mukosa-Cracking) auf, die sich meist erst nach Distension der Blase (2 Minuten bei 80 cm H2O) manifestieren. Hunner-Ulzera (die nicht mit iatrogenen Läsionen durch Instrumentierung oder Katheter zu verwechseln sind) kommen nur bei 10 % der Fälle vor und werden von manchen Autoren der „klassischen IC-Form“ zugerechnet. Obwohl histologische Kriterien eine IC weder zweifelsfrei beweisen noch sicher ausschließen können, dient eine Entnahme repräsentativer Biopsien u. a. dem Ausschluss eines Carcinoma in situ, welches Beschwerden wie bei IC verursachen kann. Bioptisch finden sich oft eine rupturierte Mukosa, submuköse Hämorrhagien und entzündliche Infiltrate mitunter aber auch unauffällige histophatologische Befunde im Frühstadium der Erkrankung. Eine pathohistologische Bestätigung der IC ist vor allem bei der seltenen (ca. 10 %), sog. klassischen Form aussichtsreich, die durch das Vorhandensein von Hunner-Ulzera bei reduzierter Narkosekapazität der Harnblase charakterisiert ist. Biopsate müssen bei der Fragestellung IC Detrusormuskulatur enthalten und mit Spezialfärbungen zum Nachweis von Mastzellen (Trypsin), Bindegewebe und Nervengewebe (S100) untersucht werden. Von einigen Autoren wird empfohlen, zu prüfen, ob die intravesikale Instillation einer Kaliumlösung Beschwerden auslöst. Ein positiver Kaliuminstillationstest soll Hinweise auf einen Schleimhautbarrieredefekt geben. Der Test ist aber für eine Diagnosestellung der IC nicht sehr spezifisch. Eine Vielzahl von experimentell nur unzulänglich untersuchten IC-Markern (Histaminderivate, Tryptase, Wachstums- und Kernfaktoren, Zytokinprofile, Hyaluronsäure, Schmerzmetaboliten, Stickoxid, antiproliferativer Faktor usw.) ist derzeit für die klinische Diagnostik nicht relevant.
Benigne Prostatahyperplasie (BPH) Siehe S. 198.
Prostatakarzinom Siehe S. 201, S. 372.
59
Endoskopische Anzeichen für IC: 쐌 Glomerulationen: petechiale, teils flächig konfluierende Unterblutungen der Schleimhaut, die in mindestens 3 von 4 Quadranten nach Hydrodistension auftreten. 쐌 Hunner-Ulzera: gerötete Schleimhautareale meist mit radiär auf einen zentralen Narbenbereich zulaufenden Gefäßen, aufliegenden Koageln oder Fibrinablagerungen. Unter Distension kommt es zur Ruptur und Blutung des Ulkus.
Schmerzen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Cave: Das Carcinoma in situ verursacht das gleiche Beschwerdebild, wie die IC. Deshalb Ausschluss eines Carcinoma in situ durch Entnahme repräsentativer Biopsien!
Histologischen Veränderungen bei IC: 쐌 Urotheliale Ulzerationen oder Denudation, 쐌 submuköse Entzündungszellen, 쐌 Formation von Binde- und Granulationsgewebe, 쐌 Ödem, Kongestion, Hämorrhagien, 쐌 Detrusorfibrose (und Myopathie), 쐌 vermehrte Mastzellen in Urothel, Submukosa und Detrusor, 쐌 vermehrte Einsprossung/ Aktivierung von Nervenfasern.
Urethrastriktur Siehe S. 185, S. 189, S. 202.
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie Siehe S. 203.
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1
60 1.5 Schmerzhafte Blasenentleerung Radiogene Zystitis Ätiologie: Die strahleninduzierte Zystitis tritt nach Bestrahlungen im kleinen Becken (nach bis zu 30 % der Bestrahlungen von Genital-, Prostata- oder Rektumkarzinomen) auf.
Schmerzen
Symptomatik: Die Symptomatik ähnelt der der chronischen Zystitis, ist aber individuell sehr unterschiedlich und korreliert nicht immer mit der applizierten Strahlendosis. Hinzu kommt, dass assoziierte Harnwegsinfekte die Symptomatik verstärken können. Es kommt zunächst zu einem Ödem der Blasenwand, gefolgt von einer fortschreitenden Fibrosierung aller Blasenwandschichten. Schließlich treten eine Rarifizierung des Urothels, Schleimhautulzerationen und Nekrosen auf. Kompliziert wird die radiogene Zystitis durch Makrohämaturien. Bei einer Nekrose aller Blasenwandschichten kann es zu einer Ausbildung vesikovaginaler Fisteln mit entsprechender Symptomatik (Fäkalurie, Pneumaturie) kommen.
1
Endoxanzystitis/chemische Zystitis Bei entsprechender Anamnese ist auch an eine Endoxanzystitis zu denken. Ätiologie: Ätiologisch bedeutsam ist der Metabolit des Endoxans, das Acrolein, sowie ein saurer Urin-pH. Eine chemische Zystitis kann auch durch andere Substanzen wie Ifosfamid, Busulfan, Penicillin G, Methicillin, Insektizide oder Anilinmetabolite ausgelöst werden. Symptomatik: Es kann zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. Der Schweregrad ist dosisabhängig und wird durch eine gleichzeitige Therapie mit Corticosteroiden potenziert. Das Risiko eines sekundären Karzinoms ist erhöht.
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61 2.1 Gynäkomastie . . . . . 61
Sichtbare äußere Veränderungen
P. H. Walz
2.2 Striae (Striae cutis atrophicae sive distensae) . . . . . . . . 63 2.3 Behaarungsanomalien . . . . . . . . . 64 2.4 Ödeme . . . . . . . . . . . 66
2.1
Gynäkomastie
2.5 Eunuchoide Körperproportionen . . . . . . 68
Grundlagen Definition: Unter Gynäkomastie versteht man die ein- oder beidseitige Vergrößerung der männlichen Brust. Bei der echten Gynäkomastie besteht eine Hypertrophie des Brustdrüsenkörpers. Bei der beidseitigen falschen Gynäkomastie liegt eine Fettansammlung bei Adipositas vor, bei der einseitigen falschen Gynäkomastie meist ein Tumor (Fibroadenom, seltener Mammakarzinom).
Cave: Bei einseitiger Gynäkomastie des Mannes auch an Mammakarzinom denken!
Ätiologie: Ursächlich bei der echten Gynäkomastie ist ein Überwiegen von Östrogenen gegenüber der Testosteronkonzentration im Serum bzw. die Stimulation der Mammarezeptoren durch glandotrope (Prolaktin) oder gonadotrope Hormone (luteinisierendes Hormon, LH) (s. tabellarischer Überblick auf S. 62).
Basisdiagnostik Anamnese Blutlabor: 왘 Alpha-1-Fetoprotein, hCG, CA 15−3 (Ausschluss Mamma- bzw. Hodentumor), 왘 LH, FSH, Prolaktin, Testosteron, Östradial (Ausschluss endokrinologische Ursache). Bildgebende Verfahren: 왘 Hodensonographie, 왘 ggf. Mammographie, 왘 NMR der Sella.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. idiopathisch pubertär (Häufigkeit bis 50 %) 2. Östrogentherapie
쐌 bei Prostatakarzinom (ohne vorherige Mamillenbestrahlung)
3. genetisch
쐌 Chromosomenanomalien: − Klinefelter-Syndrom − XX-Mann 쐌 Reifenstein-Syndrom 쐌 testikuläre Feminisierung Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Sichtbare äußere Veränderungen
2
2
Sichtbare äußere Veränderungen
62
2.1 Gynäkomastie
Eine Gynäkomastie kann auch bei Aufnahme hoher Hormonkonzentrationen durch die Ernährung, z. B. durch hormonbehandeltes Fleisch, auftreten.
Ätiologie
Erkrankung
4. Hodentumoren
쐌 Chorionepitheliom 쐌 Leydig-Zell-Tumor postpubertär (Abb. 2.1) 쐌 Sertoli-Zell-Tumor präpubertär
5. endokrin
쐌 Hyperthyreose
6. Hypophysentumoren
쐌 Prolaktinom
7. sonstige
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Leberzirrhose Dystrophia adiposogenitalis (Morbus Fröhlich) Mammakarzinom Hypertyreose Niereninsuffizienz Medikamente
2
Abb. 2.1 Postpubertäre Gynäkomastie durch erhöhte Östrogenproduktion eines Leydig-Zell-Tumors. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Falsche Gynäkomastie Ätiologie: Alimentär bedingt durch erhebliche Vermehrung des subkutanen Fettpolsters besonders im Bereich um die Mamillen ohne Vergrößerung der Brustdrüsen (Fettbrust, Lipomastie, Makromastia adiposa).
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Basisdiagnostik
2.2
63
Striae (Striae cutis atrophicae sive distensae)
Definition: Blau- oder braunrötliche, später auch gelbweiße, parallele Streifenzeichnungen der Haut besonders im Bereich von Bauch, Hüften und Mammae. Ätiologie: Die streifenförmigen parallelen Hautveränderungen finden sich physiologischerweise in der 2. Schwangerschaftshälfte, krankhaft bei ausgeprägter Adipositas und bei Hyperkortisolismus (= Cushing-Syndrom) (Abb. 2.2) (s. tabellarischer Überblick auf S. 64).
Striae in der 2. Schwangerschaftshälfte = Striae gravidarum Striae bei Adipositas, meist bei Jugendlichen = Striae distensae
Sichtbare äußere Veränderungen
Grundlagen
2 Abb. 2.2 Striae bei Cushing-Syndrom. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Basisdiagnostik Anamnese: Medikamentenanamnese, 왘 Schwangerschaft, 왘 Gewichtsverlauf. 왘
Blutlabor Ggf. bildgebende Verfahren: Sonographie, 왘 MRT. 왘
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64
2.3 Behaarungsanomalien
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Schwangerschaft 쐌 Hypothyreose 쐌 genetische Syndrome 쐌 krankhaftes Essverhalten
3. Erhöhung des Glucocorticoidspiegels
쐌 primäre NNR-Hyperplasie: − idiopathisch − NNR-Adenom 쐌 sekundäre NNR-Hyperplasie: − ACTH-Überproduktion durch Hypothalamus/Hypophysenstörung − ektope ACTH-Bildung durch Malignome 쐌 Pubertät 쐌 Corticoidbehandlung.
Sichtbare äußere Veränderungen
2. Adipositas
2.3
2
Grundlagen
Behaarungsanomalien
Definition: Eine Vermehrung der Primärbehaarung wird als Hypertrichosis bezeichnet, die örtlich begrenzte als Hypertrichosis circumscripta (z. B. H. sacralis). Veränderungen der von der Pubertät an wachsenden Sekundärbehaarung sind bei der Frau virilisierend (mit Bartwuchs, Haarwuchs an den Brüsten und Oberschenkeln = Hirsutismus) und beim Mann feminisierend (horizontaler Schamhaarabschluss, fehlender Bartwuchs). Selten kann bei beiden Geschlechtern ein Verlust der Sekundärbehaarung auftreten (z. B. bei Hypophysentumor).
Einteilung Neuauftreten von Lanugobehaarung = paraneoplastisches Syndrom
Anomalien der Primärbehaarung: Bei einer Spina bifida occulta wird oft ein Haarbüschel über dem Kreuzbein (Hypertrichosis sakralis) gefunden. Das Neuauftreten von Lanugobehaarung gilt als paraneoplastisches Syndrom. Anomalien der Sekundärbehaarung: Virilisierung: Eine Virilisierung tritt auf bei Ovarialtumoren (Arrhenoblastom, polyzystisches Ovar), beim adrenogenitalen Syndrom (AGS), bei NNR-Tumoren oder -Hyperplasie sowie bei Androgenmedikation. Eine Sonderform der Virilisierung ist die Pubertas praecox des Knaben bei präpubertärem Leydig-Zell-Tumor (Abb. 2.3) und beim männlichen AGS. Feminisierung: Feminisierende Veränderungen finden sich bei NNR-Tumoren, Hodentumoren (Chorionepitheliom, postpubertärer Leydig-Zell-Tumor, Sertoli-ZellTumor), bei testikulärer Feminisierung und Östrogentherapie.
Basisdiagnostik Anamnese Körperliche Untersuchung Blutlabor
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a Abb. 2.3 a u. b Pubertas praecox bei einem 6-jährigen Knaben mit Leydig-Zell-Tumor. Wachstumsakzeleration und aspektmäßig erwachsenes äußeres Genitale. a Knabe mit Leydig-Zell-Tumor. b Altersentsprechender normalgroßer Knabe. (Diese Abb. sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Ggf. bildgebende Verfahren: Sonographie, 왘 MRT. 왘
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Femininer Behaarungstyp 1.1 Hodentumor
쐌 Leydig-Zell-Tumor postpubertär
1.2 genetisch
쐌 hypogonadotroper Hypogonadismus 쐌 Klinefelter-Syndrom
1.3 sonstige
쐌 Anabolikaeinnahme 쐌 Östrogentherapie
2. Maskuliner Behaarungstyp 2.1 idiopathischer Hirsutismus 2.2 androgenproduzierender Ovarialtumor
쐌 Arrhenoblastom 쐌 polyzystisches Ovar
2.3 als Pubertas praecox des Knaben
쐌 männliches AGS 쐌 Leydig-Zell-Tumor präpubertär (Abb. 2.3) 쐌 androgenbildender NNR-Tumor (Abb. 2.4)
2.4 sonstige
쐌 NNR-Tumor 쐌 Androgentherapie
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65
Sichtbare äußere Veränderungen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
2
2.4 Ödeme
Sichtbare äußere Veränderungen
66
2
Abb. 2.4 a u. b Hormonaktiver Nebennierenrindentumor bei einem 5-jährigen Knaben. a Habitus. b Äußeres Genitale. (Diese Abb. sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
2.4
Ödeme
Grundlagen Definition: Schmerzlose Schwellung infolge einer Ansammlung von wässriger (seröser) Flüssigkeit im interstitiellen Gewebe von Haut und Schleimhäuten. Ätiologie: Ursachen sind ein erhöhter hydrostatischer oder verminderter onkotischer Druck, Kapillarwandschäden oder ein gestörter lymphatischer Abfluss. Beim Skrotalödem wird eine idiopathisch allergische Komponente diskutiert.
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67
Abb. 2.5 Skrotal- und Penisödem nach Zystektomie wegen Blasenkarzinom, Urethrarezidiv und Urethrektomie mit beidseitiger inguinaler Lymphadenenektomie. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Symptomatik: Ödeme können generalisiert oder lokalisiert auftreten. Sie sind meist verschiebbar und eindrückbar, Ausnahmen bilden die Lymphödeme. Bis zur klinischen Manifestation generalisierter Ödeme müssen sich mehrere Liter im Körper ansammeln.
Klinische Manifestation generalisierter Ödeme erst bei Einlagerung mehrerer Liter!
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Art des Ödems
Ursache
1. Skrotalödem
쐌 쐌 쐌 쐌
2. Lymphödem von Skrotum, Penis und unteren Extremitäten
쐌 Tumorverlagerung der Lymphabflussbahnen im kleinen Becken 쐌 Verödung der Lymphabflussbahnen nach Radiotherapie im kleinen Becken 쐌 Filariosis (Elephantiasis) 쐌 Kavathrombose bei Kompression durch retroperitoneale Tumoren oder Metastasen (z. B. bei Hodentumoren) oder bei Verschluss durch Tumorthromben (Nierenzellkarzinom) 쐌 iatrogen nach pelviner Lymphadenektomie 쐌 iatrogen nach inguinaler Lymphadenektomie (Abb. 2.5)
3. Lidödeme/Gesichtsödem
쐌 bei Nephritis und nephrotischem Syndrom
4. generalisiertes Ödem
쐌 Herzinsuffizienz 쐌 nephrotisches Syndrom 쐌 Leberzirrhose
idiopathisch (vorzugsweise bei Kindern) evtl. allergisch Herzinsuffizenz lokale Entzündungsreaktion
쐌 medikamentös induziert (Östrogene, Cortison)
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Sichtbare äußere Veränderungen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
2
2.5 Eunuchoide Körperproportionen
Sichtbare äußere Veränderungen
68
Abb. 2.6 Große Skrotalhernie mit „vergrabenem“ Penis. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Skrotalhernie/Hydrozele Eine große Skrotalhernie (Abb. 2.6) oder eine große Hydrozele mit praller Füllung des Skrotums können mit einem Lymphöden verwechselt werden.
2 2.5
Eunuchoide Körperproportionen
Grundlagen Unter Pseudohermaphroditismus masculinus versteht man eine unzureichende Maskulinisierung aus unterschiedlicher Ursache bei chromosomal und gonadal männlichen Individuen (Karyotyp 46, XY). Das äußere Genitale ist intersexuell, die Körperstruktur kann eher weiblich sein, die Gonaden sind jedoch männlich. Beim Pseudohermaphroditismus femininus liegt ein chromosomal und gonadal weibliches Individuum vor (Karyotyp 46, XX), wohingegen der Phänotypus intersexuell oder männlich ist. Eine endogene Ursache ist das weibliche AGS. Exogene Ursachen sind die Einnahme virilisierender Medikamente durch die Mutter sowie androgenproduzierende Tumoren der Mutter.
Definition: Als Eunuch wird der sich unter dem bereits präpubertär bestehenden Mangel an testikulären Androgenen (durch Kastration, Hypo- oder Agonadismus) entwickelnde Mann bezeichnet. Typisch sind: 왘 Hochwuchs, 왘 unterentwickelte Muskulatur, 왘 Fettpolster, 왘 Fistelstimme. Ätiologie: Sämtliche Veränderungen sind durch einen angeborenen oder erworbenen Mangel von testikulären Androgenen hervorgerufen. Symptome: 쐌 Hochwuchs durch betonte Unterlänge (Sitzzwerg), 쐌 unterentwickelte Muskulatur, 쐌 Fettpolster im Hüft-, Gesäß- und Brustbereich, 쐌 unterentwickelte sekundäre Geschlechtsmerkmale, 쐌 Osteoporose.
Einteilung Beim präpubertären Eunuchismus bestehen die in Tab. 2.1 aufgeführten UrsacheWirkung-Beziehungen. Bei postpubertärem Eunuchismus wird keine Gestaltveränderung gefunden, jedoch eine teilweise Rückbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Bartwuchs usw.).
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder
69
Ursache
Auswirkung
verzögerter Epiphysenschluss
Hochwuchs
Eiweißstoffwechselstörung
unterentwickelte Muskulatur
Reifungsstörung
fehlender Stimmbruch
Androgenmangel
쐌 쐌 쐌 쐌
Sichtbare äußere Veränderungen
Tabelle 2.1 Ursache-Wirkung-Beziehungen beim präpubertären Eunuchismus
fehlende sekundäre Geschlechtsmerkmale Fettpolster Osteoporose fehlende Potenz
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Testosteronsynthesestörungen
쐌 primär intrafetale Hodenschädigung (Gonadendysgenesie) 쐌 Leydig-Zell-Dysgenesie 쐌 durch angeborene Enzymdefekte,
2. genetisch
쐌 Chromosomenanomalien − Klinefelter-Syndrom 쐌 Homozystinurie-Syndrom 쐌 Syndrom des fertilen Eunuchen (isolierter LH-Mangel, Pasqualini-Syndrom) 쐌 Marfan-Syndrom 쐌 Androgenrezeptordefekte: − testikuläre Feminisierung − Reifenstein-Syndrom 쐌 idiopathischer hypogonadotroper Hypogonadismus (kombiniert mit Anosmie = Kallmann-Syndrom),
3. sonstige
쐌 präpubertäre akute oder chronische Hypophysenvorderlappeninsuffizenz,
2
Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder Klinefelter-Syndrom Ätiologie: Eine Teilungsstörung der Keimzelle führt zu einem zusätzlichen X-Chromosom (47-XXY-Trisomie). Klinisch findet sich ein Hochwuchs mit gestörtem Ober/-Unterlängen-Verhältnis zugunsten der Unterlänge, Gynäkomastie, kleinen festen, oft derben Hoden (unter 8 ml Volumen) bei normal großem Penis sowie weiblicher Schamhaargrenze. Die Inzidenz wird mit 2−4 % der männlichen Neugeborenen angegeben. Nur 1/3 der Fälle ist wegen des Testosteronmangels therapiebedürftig.
Adrenogenitales Syndrom Ätiologie: Durch einen Enzymdefekt in der Cortisolsynthese kommt es zu einem hypophysären ACTH-Überschuss und infolgedessen zum Androgenüberschuss, u. U. kombiniert mit Hypertonie und Salzverlustsyndrom (Störung der Aldosteronsynthese). Beim männlichen Geschlecht findet sich eine Pubertas praecox mit Penishypertrophie, verfrühter Ausbildung von Schambehaarung und Bartwuchs (s. Abb. 2.3).
Bei gestörter Aldosteronproduktion: AGS mit Salzverlust, ist die Aldosteronproduktion nicht betroffen: AGS ohne Salzverlust.
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2.5 Eunuchoide Körperproportionen
Sichtbare äußere Veränderungen
Beim weiblichen Geschlecht kommt es zu einer Virilisierung des Genitales und einem phänotypisch unterschiedlich ausgeprägten Bild des Intersex (Abb. 2.7, 2.8). Uterus und Ovarien bleiben infantil, es resultiert eine primäre Amenorrhö. Bei beiden Geschlechtern kommt es durch die anabole Wirkung zu athletischem Körperbau, jugendlichem Hochwuchs, jedoch durch frühzeitigen Epiphysenschluss später zu vergleichsweisem Kleinwuchs.
2 Abb. 2.7 Pseudohermaphroditismus femininus bei weiblichem AGS, Klitorishypertrophie und partiellem Verschluss des Sinus urogenitalis. Prader-Stadium 3. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Abb. 2.8 Pseudohermaphroditismus femininus bei weiblichem AGS, Prader-Stadium 5. Die Klitoris ist zum Penis umgewandelt, die Urethra (genauer der Sinus urogenitalis) mündet auf der Glansspitze. Bei der oberflächlichen Inspektion ist kein Unterschied zu einem männlichen Säugling zu sehen. Das Skrotum ist leer. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder
71
Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) Ätiologie: Eine Überproduktion der Glucocorticoide kann ursächlich bedingt sein: adrenal: − primäre idiopathische Hyperplasie der Zona fasciculata (häufigste Form), − benigne Adenome (ca. 20 %), − Karzinome (10 %) (der Übergang zur malignen Entartung ist fließend), 왘 hypophysär-hypothalamisch: − ACTH-Überproduktion in der Hypophyse durch gestörte Hypothalamus-Hypophysen-Achse mit sekundärer Nebennierenrindenhyperplasie, − ACTH-produzierender Tumor des Hypophysenvorderlappens, 왘 paraneoplastisch: − ACTH-bildender Tumor (paraneoplastisches Syndrom, z. B. kleinzelliges Bronchialkarzinom).
Auch durch die regelmäßige Gabe von ACTH und Corticoiden kann die Symptomatik eines Cushing-Syndroms hervorgerufen werden (medikamentöses Cushing-Syndrom).
Symptome: 쐌 Gerötetes Vollmondgesicht, 쐌 Stammfettsucht mit Specknacken (Büffel-Typ), 쐌 rote Hautstriae an Oberschenkeln, Bauch und Brüsten (Abb. 2.9), 쐌 Hypertonie (90 %), 쐌 Osteoporose, 쐌 verminderte Glukosetoleranz durch Steroiddiabetes, 쐌 Männer: Hypogonadismus, 쐌 Frauen: Amenorrhö.
Abb. 2.9 Typischer Habitus bei Cushing-Syndrom mit Stammfettsucht (schlanke Arme!), roten Hautstriae an Oberarmen, Brüsten, Bauch und Oberschenkeln. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Sichtbare äußere Veränderungen
왘
2
72
2.5 Eunuchoide Körperproportionen
Diagnostik
Sichtbare äußere Veränderungen
Bildgebende Verfahren: 쐌 Sonographie, 쐌 Röntgen-Thorax (Bronchialkarzinom!), 쐌 CT, 쐌 MRT. Labor: 쐌 Cortisol in Plasma u. Harn erhöht, 쐌 ACTH je nach Ursache erhöht (hypophysär-hypothalamisch) oder erniedrigt (adrenal), 쐌 Dexamethason-Hemmtest, 쐌 Tumormarker (neuronspezifische Enolase).
Primärer Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) Ätiologie: Ursache ist in 70 % der Fälle ein Aldosteron produzierender Nebennierenrindentumor der Zona glomerulosa, in 30 % eine idiopathische Nebennierenrindenhyperplasie. Symptome: 쐌 Hypertonie, 쐌 Kopfschmerzen, 쐌 Polyurie, 쐌 Polydipsie, 쐌 Muskelschwäche, 쐌 Paresen, 쐌 Parästhesien, 쐌 Tetanie, 쐌 Kardiomegalie, 쐌 Retinopathie.
2
Diagnostik Im Gegensatz zum primären Hyperaldosteronismus ist bei sekundärem Hyperaldosteronismus die Plasmareninaktivität erhöht.
Untersuchung
Erwarteter Befund
Labor
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Hypokaliämie/Hyperkaliurie Hypernatriämie metabolische Alkalose (renaler H+-Verlust) Aldosteronkonzentration in Plasma u. 24-h-Sammelurin erhöht Renin erniedrigt
Testosteronsynthesestörungen Gonadendysgenesie: Eine primäre intrafetale Hodenschädigung führt zu einer defekten Testosteronsynthese mit daraus resultierendem unterschiedlichem intersexuellem Phänotypus. Leydig-Zell-Dysgenesie: Das Kerngeschlecht ist männlich, der Phänotypus weiblich, es finden sich kleine, retinierte Hoden. Testosteronsynthesestörungen durch angeborene Enzymdefekte: Aufgrund des fehlenden Testosteron kommt es zu unterschiedlich ausgeprägter Feminisierung, die Hoden zeigen keine Spermatogenese.
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Nichtklassifizierbare äußerliche Veränderungen
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Testosteronutilisationsstörungen
5-α-Reduktase-Defekt (pseudovaginale perineoskrotale Hypospadie): Durch das Fehlen des Enzyms 5-α-Reduktase wird Testosteron nicht in die Wirkform Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt. Die Entwicklung von Prostata, Skrotum und Penis ist DHT-abhängig und kann daher nicht oder nur rudimentär erfolgen. Die Hoden sind normal groß, der Testosteronspiegel ist ebenfalls normal.
Nichtklassifizierbare äußerliche Veränderungen Nichtklassifizierbare äußerliche Veränderungen, die Hinweise auf Veränderungen des Urogenitaltraktes geben können, sind in Tab. 2.2 aufgeführt.
Tabelle 2.2 Nichtklassifizierbare äußerliche Veränderungen, die Hinweise auf Veränderungen des Urogenitaltraktes geben können Symptom
Mögliche Erkrankung
Aniridie
Wilms-Tumor
Hautkolorit 쐌 gelblich-grau 쐌 bräunlich-grau 쐌 rot anfallsweise (Flushes)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
terminale Niereninsuffizienz Morbus Addison Phäochromozytom Steroidentzug (Kastration chir./chem.) Karzinoidsyndrom
Hemihypertrophie
쐌 Wilms-Tumor 쐌 renale tubuläre Azidose
Lipom lumbosakral (Abb. 2.10)
쐌 wird ähnlich wie die Hypertrichosis sacralis bei Spina bifida occulta gefunden
Mamillen überzählig (Polythelie) (Abb. 2.11)
쐌 Leitsymptom verschiedener Dysplasien der Nieren
Nabel chronisch nässend (Abb. 2.12)
쐌 Urachuspersistenz
Nabel chronisch entzündet (Abb. 2.13)
쐌 Urachussinus
Ohrfehlbildung
쐌 Potter-Syndrom
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Sichtbare äußere Veränderungen
Testikuläre Feminisierung (Hairless-Woman-Syndrom): Durch einen Androgenrezeptordefekt entwickelt sich bei männlichem Kerngeschlecht und Testosteron produzierenden Hoden ein phänotypisch weibliches Individuum. Die Hoden sind retiniert, auffallend ist das Fehlen der Sekundärbehaarung.
2
2.5 Eunuchoide Körperproportionen
Sichtbare äußere Veränderungen
74
2
Abb. 2.10 Großes lumbosakrales Lipom als Hinweis auf eine Spina bifida occulta. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Abb. 2.11 Polythelie (überzählige Mamillen). Kommt bei 1 % aller Neugeborenen vor, wie hier meist links. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Abb. 2.12 “Urinpfütze“ im Nabel bei Urachuspersistenz. (Diese Abb. ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Sichtbare äußere Veränderungen
Nichtklassifizierbare äußerliche Veränderungen
2
a
b Abb. 2.13 a u. b Chronisch entzündeter Nabel bei Urachussinus. a In der Tiefe des Nabels vorgewölbte Mukosa. b Urachussinus lässt sich auf eine Strecke von 3 cm sondieren. (Diese Abb. sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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2.5 Eunuchoide Körperproportionen
Sichtbare äußere Veränderungen
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2
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Fieber durch pathologische Befunde des Harntraktes Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
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S. J. Petry, R. Gillitzer
Grundlagen Definition: Fieber bezeichnet eine Erhöhung der Körperkerntemperatur über den physiologischen Sollwert von 37 °C als Folge einer veränderten hypothalamischen Thermoregulation. Der physiologische Temperaturverlauf folgt einem zirkadianen Rhythmus mit einem Minimum am Morgen (axillär 36,0 °C, oral 36,2 °C, rektal 36,5 °C) und einem Maximum am Nachmittag (axillär 37,2 °C, oral 37,5 °C, rektal 37,8 °C), wobei das Ziel der Thermoregulation darin besteht, den Istwert der Körpertemperatur auf diesem physiologischen Zielwert konstant zu halten. Bei Fieber ist die Regelgröße der Temperatur auf ein höheres Niveau verschoben, d. h. thermoregulatorische Mechanismen des Hypothalamus sorgen für die Einhaltung einer höheren Solltemperatur. Im Gegensatz dazu kommt es bei der Hyperthermie zur Erhöhung der Körpertemperatur, weil die unveränderte Regelgröße von 37 °C nicht mehr eingehalten werden kann (z. B. durch erhöhte Wärmezufuhr oder -bildung bzw. durch verringerte Wärmeabgabe). Leitsymptome: Wärmekonservierung (Verminderung der Hautdurchblutung) und Wärmeproduktion (Muskelzittern) sind die Mechanismen, welche zum Anstieg der Körpertemperatur führen. Es erhöht sich auch die Herzfrequenz. Biochemische Abwehrvorgänge werden durch diesen erhöhten Energieumsatz beschleunigt, aber mit subjektiven Beschwerden erkauft: Kältegefühl, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Inappetenz. Gelegentlich zeigen sich auch bei sehr hohem Fieber kortikale Funktionsstörungen (Fieberdelir), Säuglinge und Kleinkinder können sogar mit zerebralen Krampfanfällen reagieren (Fieberkrampf). Beim Fieberabfall wird über eine vermehrte Wärmeabgabe durch verstärkte Hautdurchblutung und verminderten Muskeltonus die Isttemperatur auf die wieder erniedrigte Solltemperatur abgesenkt. Hitzewallungen, Schwitzen und das Gefühl der Abgeschlagenheit sind die Folge.
Durch einen erhöhten Energieumsatz werden biochemische Abwehrvorgänge beschleunigt und unterstützt.
Leitsymptome für Fieberanstieg: 쐌 Blässe, 쐌 Kältegefühl, 쐌 Schüttelfrost, 쐌 Kopf- und Gliederschmerzen, 쐌 Inappetenz, 쐌 Fieberdelir, 쐌 Krampfanfall. Leitsymptome für Fieberabfall: 쐌 Hautrötung, 쐌 Hitzewallungen, 쐌 Schwitzen, 쐌 Abgeschlagenheit.
Ursachen: Fieber ist das Symptom einer Akut-Phase-Reaktion, verursacht durch fiebererzeugende Stoffe, sog. Pyrogene, welche eine Regelgrößenveränderung der Körpertemperatur bewirken. Exogene Pyrogene sind Erregerbestandteile, Bakterientoxine, wie die Lipopolysaccharidkomplexe der Membran gramnegativer Bakterien,
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Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
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3
Grundlagen
Exogene Pyrogene können direkt oder über Aktivierung endogener Pyrogene (Zytokine) Fieber auslösen. Im urologischen Bereich findet sich Fieber nur bei hämatogenen oder aszendierenden Infektionen der parenchymatösen Organe (Niere, Prostata, Hoden, Nebenhoden) bzw. bei Keimaussaat (Sepsis). Eine Hohlsysteminfektion alleine, wie bei der Zystitis, verursacht kein Fieber.
die durch Komplement opsonisiert und von Makrophagen phagozytiert werden. Diese schütten daraufhin eine Reihe von Zytokinen − endogene Pyrogene −aus (Interleukine IL-1, IL-6, Tumornekrosefaktoren TNFα und TNFβ u. a.), welche auf hämatogenem Weg zu zirkumventrikulären Regionen des Gehirns gelangen können, die keine Blut-Hirn-Schranke besitzen. Bei entzündlichen Prozessen wird dort die Anzahl der Zytokinrezeptoren hochreguliert. Die Zytokine führen zu einer Ausschüttung von Prostaglandin PGE im vorderen Hypothalamus, wodurch die Fieberreaktion ausgelöst wird. Antipyretika vom Cyclooxygenase-Inhibitor-Typ (z. B. ASS) greifen hier durch Hemmung der Prostaglandinsynthese an. Gleichzeitig wirken endogene Antipyretika (ADH, Corticolebrin und α-Melanozyten-stimulierendes Hormon) in einer negativen Rückkopplung dem Fieber entgegen. Es scheint auch gesichert, dass, von in der Leber durch Kupffer-Zellen produziertes PGE ausgelöst, das „pyrogene“ Signal über vagale Afferenzen zum Gehirn übertragen wird. Allerdings kann Fieber auch unabhängig von diesen pyrogenen Zytokinen bewirkt werden. Bei In-vitro-und In-vivo-Versuchen an Tieren als auch am Menschen konnten nach Zugabe von exogenen Pyrogenen Fieberreaktionen trotz spezifischer Blockade von Il-1, IL-6 oder TNF induziert werden. Die Entdeckung von peripheren Toll-like-Rezeptoren (TLR), an welche sich exogene Pyrogene direkt binden können, liefert eine Erklärung, weshalb jedwedes bakterielle Produkt Fieber über Stimulation des vorderen Hypothalamus durch seine spezifischen TLR verursachen kann. In über 70 % aller initial unklaren Sepsisfälle handelt es sich um ein uroseptisches Geschehen. Herdsuche und Herdlokalisation sind insbesondere bei anfänglichen diffusen parenchymatösen Entzündungsprozessen vor deren eitriger Einschmelzung eine klinische Herausforderung.
Einteilung Eine erhöhte Körpertemperatur unter 38,0 °C bezeichnet man als subfebril, eine höhere als febril. Bei Fieber von meist über 39 °C und einer Tagesschwankung von 쏝 1 °C spricht man von Kontinuafieber, bei einer Tagesschwankung von 쏜 1 °C handelt es sich um remittierendes Fieber. Intermittierendes Fieber mit wechselnden Fieberspitzen am Abend und Rückkehr zur Normaltemperatur am Morgen finden sich häufig bei fieberhaften Harnwegsinfekten. Einen Wechsel zwischen febrilen und afebrilen Tagen, den man z. B. bei einer Malariainfektion findet, nennt man periodisches Fieber.
Besonderheiten Bei der Frau steigt physiologischerweise in Abhängigkeit vom Menstruationszyklus nach der Ovulation unter dem Einfluss des Progesterons die Körpertemperatur um ca. 0,5 °C an. Auch andere Hormone, wie Thyroxin und Trijodthyronin, führen zu einem verstärkten Grundumsatz und damit zu einer Erhöhung der Wärmebildung. Besondere Beachtung erfordern bekannte, bisher asymptomatisch gebliebene Pathologien (Nierenzysten, Nierensteine usw.). Die Suche nach der Ursache von Fieber unklarer Genese muss interdisziplinär erfolgen. Kollagenosen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Immundefekte, Tumoren oder auch allergische Reaktionen sind auszuschließen.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Anamnese: Neben der allgemeinen Anamnese sollte auf folgende Punkte besonders geachtet werden: 왘 Familienanamnese (Tbc),
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
왘 왘 왘 왘 왘
rezidivierende Harnwegsinfekte (auch während der Kindheit), invasive Untersuchungen innerhalb der letzten Tage (Katheterismus, Urodynamik, Zystoskopie, Prostatastanzbiopsie), zurückliegende Operationen bzw. ambulante Eingriffe (Zahnbehandlung), Auslandsaufenthalte, spezielle gynäkologische Anamnese, Schwangerschaft.
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
왘
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Körperliche Untersuchung: 왘 Rektale Untersuchung, 왘 Untersuchung des äußeren Genitales, 왘 Palpation: − klopfschmerzhaftes Nierenlager? − druckdolentes Abdomen? Blutlabor: 왘 Blutbild, 왘 beschleunigte Blutsenkung, 왘 Leukozytose, 왘 CRP-Anstieg, 왘 sinkende Thrombozytenzahlen und AT-III bei beginnender Sepsis (Parameter einer Verbrauchskoagulopathie), 왘 Blutkultur (vor Antibiotikatherapie). Harnuntersuchung: 왘 Leukozyten- und Nitritnachweis nur bei Anschluss an das harnableitende System.
3
Bildgebende Verfahren: 왘 Ultraschall, 왘 Abdomenübersicht, 왘 i. v. Pyelogramm, 왘 CT oder MRT, 왘 Nierenfunktionsszintigraphie. Erweiterte Diagnostik (nur nach Eradikation eines Harnwegsinfektes): 왘 Miktionszysturethrographie, 왘 retrogrades Urethrogramm bzw. retrograde Pyelographie.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Organmanifestation
Ursache von Fieber
1. Niere
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
vaskulär
kanalikuär
Nierenhüllen
Raumforderungen Nierenkarbunkel infizierte Nierenzyste infizierte Zystenniere (nekrotisch zerfallender) Tumor Niereninfarkt Zustand nach Embolisation Panarteriitis nodosa infizierte Harnstauungsniere iatrogen nach Manipulation (Steinextraktion, retrograde Pyelographie) 쐌 Pyelonephritis 쐌 Reflux 쐌 perinephritischer Abszess
Fieber ohne Organmanifestation findet sich in folgenden Fällen: 쐌 postoperativ, 쐌 Thrombose/Thrombophlebitis, 쐌 Sekretverhalt, 쐌 Schwebeabszesse/Spritzenabszesse.
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Grundlagen
Ursache von Fieber
2. Ureter
쐌 infizierte Harnstauung 쐌 Ureterempyem 쐌 iatrogen (s. o.)
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
Organmanifestation
3. Blase
쐌 Harnwegsinfektion − infizierte Urachuszyste − infiziertes Blasendivertikel − infizierte Fistel (Vagina, Intestinum) − Fremdmaterial (z. B. nach Inkontinenzoperationen) − iatrogen (nach Zystoskopie, Instillationstherapie)
4. Prostata
쐌 hämatogen 쐌 aszendierend/per continuitatem − iatrogen (nach Punktion) − bei periproktischen Entzündungen 쐌 granulomatöse Prostatitis
5. Samenblase
쐌 Samenblasenempyem 쐌 Mitbeteiligung bei Prostatitis (Prostatovesikulitis) 쐌 thrombotische Entzündungen des Plexus Santorini
6. Samenstrang
쐌 쐌 쐌 쐌
3
7. Utriculus prostaticus
쐌 Empyem und Abszess
8. Hoden und Nebenhoden
쐌 aszendierend − Epididymitis 쐌 hämatogen − Mumpsorchitis/Epididymoorchitis − Hoden- bzw. Hydatidentorsion mit Nekrose − infizierte Hydrozele testis − posttraumatisch
9. Skrotum
쐌 abszedierende Infekte von Atheromen
10. Urethra
kongenitale Malformation (ektop mündender Ureter) Begleitentzündung bei Epididymitis Entzündung nach Plexus-pampiniformis-Thrombose iatrogen (nach Operationen, z. B. Vasektomie)
쐌 쐌 쐌 쐌
Urethritis (venerisch und nicht venerisch) Harnröhrendivertikel Urethra duplex Cowper-Drüsen (Abszessbildung bei Stenose der Ausführungsgänge) 쐌 Fremdkörper 쐌 iatrogen (nach Zystoskopie durch Schleimhautverletzung)
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akute Pyelonephritis Die akute Pyelonephritis verläuft in fast allen Fällen einseitig.
Definition: Die Pyelonephritis ist eine vorwiegend kanalikulär aszendierende, aber auch hämatogen oder lymphogen auftretende, interstitielle Entzündung des Nierenparenchyms, die meist durch aerobe gramnegative Bakterien, wie E.coli, verursacht wird. Im Keimspektrum finden sich u. a. aber auch Proteus mirabilis, Klebsiellia pneumoniae, Enterokokken, Enterobacter und Pseudomonadas aeruginosa.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
Symptomatik: 쐌 Plötzlich einsetzender, einseitiger, konstanter Flankenschmerz, 쐌 Schüttelfrost, 쐌 febrile Temperaturen, 쐌 allgemeines schweres Krankheitsgefühl, 쐌 dysurische Beschwerden (bei begleitender Zystitis, die bei aszendierenden Infektionsmodus anamnestisch schon vor Flankenschmerzen und Fieber auftreten).
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Blutlabor
쐌 Leukozytose 쐌 CRP-Erhöhung 쐌 Serumkreatinin meist nicht erhöht
Urinstatus
쐌 Leukozyturie 쐌 Hämaturie 쐌 Bakteriurie
Sonographie
쐌 betroffene Niere etwas vergrößert im Vergleich zur kontralateralen Seite 쐌 unscharfe Abgrenzung zur Umgebung 쐌 evtl. mit im Parenchym gelegenen kleinen echoarmen Arealen im Sinne einschmelzender Herde
Pyelographie
쐌 nur in ca. 1/4 pathologische Auffälligkeiten, wie z. B. eine im Seitenvergleich vergrößerte Niere, eine verzögerte Ausscheidung, eine Kelchhalskompression durch interstitielles Ödem oder eine Obstruktion (Abb. 3.1).
3
Abb. 3.1 Akute Pyelonephritis rechts. Durch interstitielles Ödem Obstruktion und Prolongation des oberen Nierenkelchhalses mit Dilatation des oberen Nierenkelches.
Nierenabszess/-karbunkel Definition: Ursache sind häufig obstruierende Kelchsteine, die zu einer Infektion hauptsächlich durch gramnegative Bakterien führen. Prädisponierend sind eine herabgesetzte Immunabwehr durch Diabetes mellitus, HIV-Infektion, Zytostatikathe-
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Abzesse sind multizentrisch, Karbunkel herdförmig lokalisiert.
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Grundlagen
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
rapie usw. Abszesse der Niere sind meist multizentrisch, wohingegen ein Karbunkel sich typischerweise herdförmig an der Nierenoberfläche findet, mit meist keilförmiger Ausrichtung seiner Spitze in Richtung Hilus.
3
Symptomatik: 쐌 Typische Zeichen einer akuten Entzündung mit Schüttelfrost, Fieber, Abgeschlagenheit, 쐌 einseitige dumpfe Flankenschmerzen, 쐌 spontan oder bei Perkussion schmerzhaftes Nierenlager, 쐌 je nach Größe des Abszesses evtl. Schonhaltung.
Insgesamt ähnelt das Krankheitsbild deutlich dem der Pyelonephritis.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Urinstatus
쐌 bei fehlender Beteiligung der ableitenden Harnwege keine pathologischen Urinbefunde
Sonographie
쐌 Einschmelzungsherd anfänglich mit einem echoarmen, später aber echoreichen, eher inhomogenem Strukturmuster 쐌 Nierenkontur weist Vorbucklung auf
CT (Abb. 3.2) bzw. MRT
쐌 differenzialdiagnostische Abgrenzung zu Nierenzellkarzinom
Cave: Bei Nichtbehandlung der Erkrankung kann es zur Urosepsis kommen!
Abb. 3.2 a u. b Medial gelegener Nierenabszess der linken Niere (Pfeil). a Koronarschnitt. b Sagittalschnitt.
Perinephritischer Abszess Definition: Ein zwischen der Gerota-Faszie und der Niere im Bereich der Fettkapsel gelegener Abszess, welcher meist in Folge eines Nierenabszesses bzw. -karbunkels per continuitatem entsteht und wegen der Ausdehnungsmöglichkeiten entlang des M. psoas gelegentlich erhebliche Ausmaße annehmen kann.
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Symptomatik: 쐌 Akut auftretendes Fieber, 쐌 Schüttelfrost, 쐌 einseitiger dumpfer Flankenschmerz, 쐌 meist Hautrötung, 쐌 klassische Schonhaltung mit ipsilateraler Beinbeugung und Wirbelsäulenbeugung, 쐌 evtl. auch reaktive pleuritische bzw. peritonitische Symptome je nach Lage und Größe des Abszesses.
Allerdings kann die Symptomatik auch unspezifisch sein und zu einer verzögerten Diagnose führen.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Urinstatus
쐌 bei fehlender Beteiligung der ableitenden Harnwege keine pathologischen Urinbefunde
Sonographie
쐌 aufgehobene Atemverschieblichkeit der betroffenen Niere
i.v. Pyelographie
쐌 verstrichener Psoasrandschatten
CT (Abb. 3.3)
쐌 Abgrenzung eines perinephritischen Abszesses von einem Hämatom bzw. Tumor 쐌 Bestimmung der Größe des Abszesses 쐌 Möglichkeit der Platzierung einer perkutanen Drainage
Abb. 3.3 a u. b Perinephritischer Abszess kaudal der rechten steintragenden Niere. a Koronarschnitt. Abb. 3.3 b 컄
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Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
3
Grundlagen
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
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Abb. 3.3 a u. b Perinephritischer Abszess kaudal der rechten steintragenden Niere. b Sagittalschnitt.
3
Akute, bakterielle Prostatitis Definition: Eine meist durch Aszension bzw. Reflux von infiziertem Urin in die Prostatagänge entstandene Entzündung der Prostata, welche aber auch auf hämatogenem Weg entstehen kann. Das Erregerspektrum gleicht dem der Harnwegsinfektionen (s. auch Pyelonephritis). Bei jüngeren Patienten ist auch an sexuell übertragbare Erreger zu denken (Chlamydien und Mykoplasmen).
Symptomatik: 쐌 Klassische klinische Symptomatik einer Parenchyminfektion mit Schüttelfrost und hohem Fieber, 쐌 Dysurie mit Brennen in der Harnröhre, 쐌 verstärkter Harndrang mit Pollakisurie- und Nykturie 쐌 diffuser perinealer Schmerz, 쐌 Schmerzen beim Stuhlgang und bei digital-rektaler Untersuchung.
Diagnostik Eine Fluktuation bei Palpation der Prostata ist ein Hinweis für ein Abszess
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Körperliche Untersuchung (Palpation), transrektale Sonographie, Urinuntersuchung (Mikrobiologie), Blutlabor (Entzündungsparameter), Uroflowmetrie/Sonographie zur Restharnbestimmung.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Cave: Keine Prostatamassage zur Sekretgewinnung! Gefahr der bakteriellen Sepsis!
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
Zusätzlich zur Palpation der Prostata sollte eine transrektale Sonographie durchgeführt werden, um mögliche Einschmelzungsherde aufzudecken. Eine Fluktuation bei der Palpation weist auf einen Abszess hin. Eine Prostatamassage zur Sekretgewinnung ist aber wegen der Gefahr einer bakteriellen Sepsis kontraindiziert. Entscheidend ist eine mikrobiologische Urinuntersuchung und bei Fieber die Anlage von Blutkulturen zum Erregernachweis und zur antibiogrammgerechten Antibiotikatherapie. Im Labor finden sich elevierte Entzündungsparameter. Auch sollte mittels Uroflowmetrie und sonographischer Restharnbestimmung eine infravesikale Obstruktion ausgeschlossen werden, da diese zur Vermeidung eines Urinrefluxes in die Samenwege die Anlage einer suprapubischen Zystostomie erforderlich macht. Im infektfreien Intervall vervollständigen dann ein Miktionszystourethrogramm und evtl. eine Urethrozystoskopie die Diagnostik.
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Akute Epididymitis Definition: Eine Entzündung des Nebenhodens, welche kanalikulär aszendierend über den Ductus deferens nach vorausgegangenen Harnwegsinfekten, seltener hämatogen entsteht. Symptomatik: 쐌 Hohes Fieber, 쐌 plötzlich eintretende, sehr ausgeprägte und sehr schmerzhafte Schwellung des Skrotums, 쐌 Abgrenzung des Nebenhodens vom Hoden oft nicht mehr möglich 쐌 betroffenes Hemiskrotum gerötet, überwärmt.
3
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Anamnese
쐌 obstruktive Symptome? 쐌 vorangegangene transurethrale Eingriffe?
körperliche Untersuchung
쐌 Prehn-Zeichen meist positiv
transkrotaler Ultraschall
쐌 deutlich aufgetriebener Nebenhoden, häufig Begleithydrozele
Uroflowmetrie/sonographische Restharnbestimmung
쐌 Ausschluss einer infravesikalen Obstruktion (ggf. Harnableitung mit suprapubischem Katheter)
Auch hier ist eine mikrobiologische Urindiagnostik und bei Fieber die Anlage von Blutkulturen obligat. Um in den prädisponierten Altersgruppen (Kinder, Erwachsene bis 30 Jahren) eine Hodentorsion auszuschließen, ist eine Doppler-Sonographie hilfreich, im Zweifel sollte, vor allem bei fehlendem Nachweis eines Harnwegsinfektes die Indikation zur Hodenfreilegung frühzeitig gestellt werden. Allerdings verursacht die akute Hodentorsion keine Entzündungszeichen, die jedoch bei Nekrose und Superinfizierung nach vorangegangener übersehener älterer Hodentorsion vorhanden sein können. Im infektfreien Intervall wird die Ursachenforschung durch ein Miktionszystourethrogramm bzw. eine Urethrozystoskopie ergänzt.
Cave: Eine Hodentorsion ist unbedingt auszuschließen, notfalls muss eine operative Exploration erfolgen.
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Grundlagen
Fieber durch path. Befunde d. Harntraktes
Literatur Schmidt RF, Thews G. Physiologie des Menschen. Heidelberg: Springer; 2004. Campbell-Walsh Urology. 8. Edition. Philadelphia; W.B. Saunders; 2002. Deetjen P, Speckmann E-J. Physiologie. 3. Aufl. München: Urban & Schwarzenberg; 1999. Siegenthaler W. Klinische Pathophysiologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2006. McCance KL, Huether SE. Pathophysiology. The Biologic Basis for Disease in Adults and Children, St. Louis: Mosby-Year Book; 2005. Jocham D, Miller K. Praxis der Urologie. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2002. Alken P, Walz P. Urologie. London: Chapmann & Hall; 1998. Schmelz HU, Sparwasser C, Weidner W. Facharztwissen Urologie. Differenzierte Diagnostik und Therapie. Berlin: Springer; 2006.
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4
Pathologische Urinbefunde
4.1 Hämaturie . . . . . . . . 87 4.2 Leukozyturie/ Pyurie . . . . . . . . . . . . 100 4.3 Pneumaturie/ Fäkalurie . . . . . . . . . 102 4.4 Kristallurie . . . . . . . . 103 4.5 Proteinurie . . . . . . . . 105
Hämaturie
4.6 Veränderungen des Urin-pH-Wertes . . . . 109
T. Otto, H. Rübben
Grundlagen
4.7 Zylinder im Urinsediment . . . . . . 111
Definition: Die Makrohämaturie ist definiert als eine mit dem Auge sichtbare Blutbeimengung im Urin; dies ist ab 1 ml Blut auf 100 ml Urin zu erwarten. Die Makrohämaturie wird klassifiziert nach Farbe, Blutanteil sowie begleitender klinischer Symptomatik. Die Beurteilung der Urinfarbe stellt eine der ältesten diagnostischen Kriterien dar. Die Urinbetrachtung ermöglicht die Entscheidung zwischen frischer und alter Blutung, die Farbintensität zwischen starker Blutung und schwach blutigem, fleischwasserfarbenem Urin. Bei Überschreiten einer bestimmten Blutmenge kommt es zur Gerinnung mit Koagelbildung bis zur Harnblasentamponade, d. h. einer partiellen bzw. kompletten Ausfüllung der Harnblase mit koaguliertem Blut. Die Erythrozyturie oder Mikrohämaturie ist definiert als eine mit dem Auge nicht sichtbare Blutbeimengung im Urin. Der Nachweis erfolgt durch eine qualitative Harnuntersuchung oder eine quantitative Zellzahlbestimmung. Eine Mikrohämaturie liegt definitionsgemäß vor, falls mehr als 2 Erythrozyten pro μl oder mehr als 2000 Erythrozyten pro ml Urin vorhanden sind. Da eine Rotfärbung des Urins nicht ausschließlich durch Blut verursacht sein kann, muss die Diagnose einer Hämaturie durch qualitative und quantitative Methoden bewiesen sein. Symptomatik: Eine Hämaturie kann einziges Symptom sein; andererseits können starke Schmerzen die führenden Beschwerden im Rahmen eines Symptomkomplexes darstellen. Ätiologisch bedeutsam ist die Differenzierung in eine schmerzhafte und schmerzlose Hämaturie. Die schmerzhafte Hämaturie kann unter Berücksichtigung des Schmerzcharakters und der Schmerzausstrahlung eine klinische Zuordnung zu einem Krankheitsbild erlauben.
Einteilung 왘
왘
Hämaturie in Verbindung mit Infektzeichen: Jede zweite Sepsis geht von den Harnwegen aus. Die Urosepsis entsteht überwiegend durch Einschwemmung gramnegativer, endotoxinbildender Stäbchen bei liegendem transurethralen Dauerkatheter oder durch Instrumentierung (transurethrale Resektionen, endourologische Manipulationen am gestauten oberen Harntrakt). So ist auch heute noch das Vollbild der Sepsis mit einer Mortalität von 70 % behaftet. Die schnellstmögliche Entfernung oder Entleerung des septischen Herdes stellt die wichtigste therapeutische Maßnahme dar. Flankierend sind neben einer resistogrammgerechten antibiotischen Behandlung häufig intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich. Schmerzhafte Hämaturie bei Urolithiasis: Ein Harnsteinleiden ist die häufigste Ursache der schmerzhaften Hämaturie. Die Urolithiasis ist in der Regel mit einem Harnwegsinfekt und Leukozyturie kombiniert. Die meisten Harnsteine sind spontan abgangsfähig. Die Therapie ist minimalinvasiv ausgerichtet und beinhaltet in Abhängigkeit von der Steingröße, Lokalisation und Steinzusammensetzung die Verfahren der ESWL sowie der ureterorenoskopischen oder perkutanen
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Pathologische Urinbefunde
4.1
4
Pathologische Urinbefunde
88
4.1 Hämaturie
Abb. 4.1
4 왘 왘
Nierenverletzung durch Schleudertrauma und Contrecoup.
Steinentfernung. Bei Infektsteinen steht neben der vollständigen Entfernung der Konkremente die Infektprophylaxe im Vordergrund. Ätiologisch ist wichtig zwischen stoffwechselbedingten, infektbedingten und anatomisch verursachten Krankheitsbildern zu unterscheiden. Schmerzlose Hämaturie bei maligner Ursache: siehe tabellarischer Überblick auf S. 93. Schmerzhafte Hämaturie bei Trauma: In der Traumatologie werden verschiedene Verletzungsarten differenziert. Unterschieden werden geschlossene von offenen Verletzungen. Bezogen auf die Gewalteinwirkung wird das direkte vom indirekten Trauma unterschieden. Am häufigsten sind geschlossene Verletzungen, d. h. Traumen ohne Eröffnung des Integuments, infolge einer stumpfen Gewalteinwirkung. Davon zu unterscheiden sind offene, penetrierende Verletzungen infolge einer Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzung. Die direkte Gewalteinwirkung geschieht durch Schlag, Stoß oder Kompression. Ein indirekter Schädigungsmechanismus findet sich bei dem Schleudertrauma und der Contrecoup-Verletzung (Abb. 4.1). Eine Erythrozyturie oder eine sichtbare Blutbeimengung zum Urin kann nach Verletzung von Niere, Harnleiter, Harnblase, Harnröhre und den Geschlechtsorganen auftreten. In Bezug zur Gesamtzahl aller Verletzungen beträgt der Anteil urologischer Traumata 1 %. Bei einem Polytrauma steigt die Verletzungsrate urologischer Organe auf 5 % an. Insbesondere bei polytraumatisierten Patienten werden urologische Verletzungen häufig überlagert und verspätet diagnostiziert. Am häufigsten finden sich Verletzungen der Niere, gefolgt von der Harnblase, der männlichen Harnröhre sowie dem männlichen Genitale. Harnleiterläsionen sind bei einer Häufigkeit von 3−5 % aller urologischen Traumen sehr selten.
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Diagnostisches Vorgehen
89
왘 왘 왘
Hämaturie sonstiger Ursachen: siehe tabellarischer Überblick auf S. 95 f. Rotfärbung des Urins ohne Krankheitswert: siehe tabellarischer Überblick auf S. 97. Verfärbung des Urins wie bei Hämaturie: siehe tabellarischer Überblick auf S. 97.
Basisdiagnostik Anamnese: Schmerzanamnese, 왘 Miktionsanamnese. 왘
Körperliche Untersuchung Urinstatus: Qualitative Harnuntersuchung, 왘 quantitative Harnuntersuchung. 왘
Sonographie
Diagnostisches Vorgehen Die Zuordnung einer Hämaturie zur jeweiligen Ursache bzw. Erkrankung kann durch eine Vielzahl diagnostischer Verfahren erfolgen. Ziel ist es, mit möglichst wenigen Verfahren die Hämaturie und die zugrunde liegende Erkrankung zu diagnostizieren. Vor Einleitung einer apparativen Diagnostik erfolgt die Erhebung einer Anamnese und klinischen Untersuchung. Basierend auf der Basisdiagnostik, bestehend aus Anamnese, klinischem Befund, Harnuntersuchung und Sonographie, ist die Zuordnung einer Hämaturie trotz der Vielzahl der Ursachen meist möglich. Zur weiteren Abklärung stehen folgende diagnostische Maßnahmen zu Verfügung: Endoskopie: 왘 Die führende endoskopische Untersuchung bei Verdacht auf ein Harnblasenkarzinom ist die Urethrozystoskopie; diese ist ebenfalls zur Blutungslokalisation indiziert. 왘 Eine Ureteropyeloskopie ist angezeigt, falls im Rahmen der bildgebenden Diagnostik ein Verdacht auf einen Harnleiter- oder Nierenbeckentumor nicht ausgeschlossen werden kann. Bildgebende Verfahren: 왘 Radiologische Maßnahmen bei Verdacht auf Urolithiasis sind eine Abdomenübersichtsaufnahme ohne Kontrastmittel sowie ein Urogramm.
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Pathologische Urinbefunde
Mögliche Symptome bei Verletzungen urologischer Organe: 쐌 Hämaturie, 쐌 lokaler Druckschmerz, 쐌 tastbarer Tumor, 쐌 sichtbares Hämatom, 쐌 Darmatonie, 쐌 Übelkeit, 쐌 Erbrechen, 쐌 Peritonitis, 쐌 Zunahme des Bauchumfanges, 쐌 Entwicklung eines hämorrhagischen oder septischen Schockes.
4
90
4.1 Hämaturie 왘
Bei rezidivierender Harnwegsinfektion kann im infektfreien Intervall ein vesikoureterorenaler Reflux durch ein Miktionszysturethrogramm nachgewiesen werden.
Untersuchungen wie die Angiographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder nuklearmedizinische Nierenfunktionsuntersuchungen sind in der Regel nicht erforderlich und sollten nur bei gezielter Fragestellung nach der Basisdiagnostik durchgeführt werden (Tab. 4.1). Die diagnostischen Maßnahmen werden hinsichtlich ihrer Wertigkeit für entzündlich, stein- und tumorbedingte Ursachen in Tab. 4.1 bewertet.
Pathologische Urinbefunde
Tabelle 4.1 Darstellung von diagnostischen Verfahren, die die Zuwendung einer Hämaturie zur jeweiligen Erkrankung ermöglichen
4
Diagnostische Maßnahme
Tumor
Stein
Entzündung
Anamnese
+++
+++
+++
klinische Untersuchung
+++
+++
+++
+++
+++
+++ ++
qualitative Harnuntersuchung 쐌 Urinsediment 쐌 Erythrozytenmorphologie 쐌 Urinzytologie
+++
quantitative Harnuntersuchung
++
Bakterienkultur (Uricult)
++
laborchemische Bestimmungen im Blut 쐌 Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) 쐌 Blutbild 쐌 Elektrolyte im Serum 쐌 Harnsäure im Serum Sonographie endoskopische Maßnahmen 쐌 Urethrozystoskopie
쐌 Ureteropyeloskopie
radiologische Maßnahmen 쐌 Abdomenübersichtsaufnahme 쐌 i. v. Urogramm (IVP) 쐌 Miktionszysturethrogramm (MCU)
++ ++
+++
++ ++ ++ +++
Lokalisation der Blutung +++ (bei Verdacht auf HL- oder NB-Tumor) ++
++
Angiographie
+
Computertomographie (CT)
++
Magnetresonanztomographie (MRT)
++
nuklearmedizinische Nierenfunktionsunter- + suchungen (DMSA/ING)
++ nach Infekttherapie ++
++ ++
++ ++
++
+
+++: führende diagnostische Maßnahme ++: empfohlene diagnostische Maßnahme +: nur in Ausnahmefällen und nicht primär durchzuführende Untersuchung
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++ ++
+
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
91
Ätiologie
Erkrankung
1. Hämaturie in Verbindung mit Infektzeichen 1.1 entzündlich (häufig)
쐌 Zystitis (bakteriell − S. 32, mechanisch, radiogen − S. 60)
Diagnostik: Urinsediment, ggf. Zystoskopie. 쐌 Urethritis (bakteriell, mechanisch) (S. 249) Diagnostik: Abstrich. 쐌 chronische Pyelonephritis (S. 80) Diagnostik: Sonographie, Urogramm, MCU, DMSA. 쐌 interstitielle Nephritis Diagnostik: Anamnese (spez. Medikamente), Biopsie. 쐌 Glomerulonephritis
Septikämie: Klinik: 쐌 Intermittierendes Fieber 쏜 38,5 °C, Schüttelfrost, 쐌 Abgeschlagenheit, Schwäche, Inappetenz, Übelkeit, 쐌 Erbrechen, Durchfall, 쐌 Tachykardie, Hypotension, Schock, 쐌 Oligurie, Anurie, 쐌 Hyperventilation, 쐌 Bewusstseinsstörung. Labor: 쐌 Leukozytose 쏜 15 000, Leukopenie 쏝 5000/mm3, 쐌 Linksverschiebung im Differenzialblutbild, 쐌 Thrombozytopenie 쏝 130 000/mm3, Gerinnungsstörungen, 쐌 Elektrolytverschiebungen, Hypophosphatämie, 쐌 hypochrome Anämie, 쐌 respiratorische Alkalose, metabolische Azidose, 쐌 positive Blutkulturen.
Diagnostik: Anamnese, Blutdruckmessung, Urinanalyse, Nierenbiopsie. 쐌 Sigmadivertikulitis (S. 16) Diagnostik: Kolon-Kontrasteinlauf, Sigmoideoskopie. 쐌 Morbus Crohn Diagnostik: Radiologische Darstellung, Endoskopie.
2. Schmerzhafte Hämaturie bei Urolithiasis 2.1 Infektsteine (häufig)
쐌 chronischer Harnwegsinfekt 쐌 Harnwegsobstruktion 쐌 Darmsegmente zur Harnableitung
Diagnostik: Anamnese, Sonographie, Urinanalyse. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Pathologische Urinbefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
4
92
4.1 Hämaturie
Ätiologie
Erkrankung
2. Schmerzhafte Hämaturie bei Urolithiasis (Fortsetzung) 2.2 Calciumoxalat, Calciumphosphat
쐌 Hyperparathyreoidismus (selten)
Diagnostik: Anamnese, Sonographie, PTH. 쐌 Vitamin-D-Intoxikation (selten)
Pathologische Urinbefunde
Diagnostik: Vitamin D.
4
쐌 Sarkoidose (selten) Diagnostik: Röntgen Thorax. 쐌 renale tubuläre Azidose selten) (S. 110, S. 127) Diagnostik: Urin-pH, Blutgasanalyse. 쐌 Hyperthyreose (selten) Diagnostik: T3/T4. 쐌 쐌 쐌 쐌
renale Hyperkalzurie (selten) Hyperkalzurie infolge Immobilisation (häufig) Hyperoxalurie (selten) idiopathische Urolithiasis (häufig)
Diagnostik: Sonographie, Urin-pH, Elektrolytbestimmung im Urin, Urinsediment. 2.3 Harnsäuresteine (häufig)
쐌 Harnsäurediathese 쐌 medikamentöse Ursache, Chemotherapie, Gewebeuntergang
Diagnostik: Sonographie, Urinsediment, Harnsäure im Blut. 2.4 Zystinsteine (selten)
쐌 쐌 쐌 쐌
Zystinurie Zystinose (S. 126) Fanconi-Syndrom (S. 392) Lowe-Syndrom (S. 330)
Diagnostik: Urinsediment, Sammelurin. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ätiologie
93
Erkrankung
3. Schmerzlose Hämaturie bei maligner Ursache 3.1 Nierenbeckenkarzinom
쐌 Urothelkarzinom (5 % der Urothelkarzinome) (S. 98, S. 163) 쐌 Adenokarzinom (selten) 쐌 Plattenepithelkarzinom (selten)
3.2 Harnleiterkarzinom
쐌 Urothelkarzinom (2 % der Urothelkarzinome) (S. 98, S. 152, S. 163)
Symptomatik: Führende Symptome sind Makrohämaturie und Schmerzen (durch Koliken). 3.3 Harnröhrenkarzinom (selten) (S. 48)
쐌 Urothelkarzinom der proximalen Harnröhre 쐌 Plattenepithelkarzinom der distalen Harnröhre
Diagnostik: Urogramm, Zystoskopie. 3.4 Nierentumor (S. 154)
쐌 쐌 쐌 쐌
Nierenzellkarzinom (90 %) (S. 97, S. 160) Wilms-Tumor (S. 282) Onkozytom (S. 157) Sarkom (S. 163)
Diagnostik: Sonographie, CT/MRT. 3.5 Harnblasenkarzinom
쐌 Urothelkarzinom (95 %) 쐌 Adenokarzinom 쐌 Plattenepithelkarzinom
Diagnostik: Zystoskopie in TUR-Bereitschaft. 3.6 Prostatakarzinom
쐌 Adenokarzinom (쏜 90 %) 쐌 Urothelkarzinom
Diagnostik: Palpation, Sonographie (TRUS), Sextantenbiopsie. 3.7 Infiltration harnableitender Organe durch Tumoren ausgehend von Nachbarorganen
쐌 Uteruskarzinom 쐌 Kolonkarzinom
Diagnostik: Sonographie, radiologische Fisteldarstellung, Endoskopie, CT/MRT. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Pathologische Urinbefunde
Diagnostik: Urogramm, evt. retrogrades Ureteropyelogramm mit PE, ggf. CT/MRT.
4
94
4.1 Hämaturie
Ätiologie
Erkrankung
3. Schmerzlose Hämaturie bei maligner Ursache (Fortsetzung) 3.8 Hämatologische Erkrankungen mit Störung der Blutgerinnung (häufig)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Leukämie, GML, AML, ALL Morbus Hodgkin malignes Non-Hodgkin-Lymphom Plasmozytom Sonographie, Knochenmarkbiopsie, Differenzialblutbild
Diagnostik: Sonographie, Knochenmarkbiopsie, Differenzialblutbild.
Pathologische Urinbefunde
4. Schmerzhafte Hämaturie bei Trauma
4
4.1 Nierenverletzung Grad I Grad II
Grad III
Grad IV
Grad V
쐌 leichte Nierenkontusion, subkapsuläres Hämatom, Nierenkapsel intakt 쐌 leichter Parenchymeinriss (쏝 1 cm tief) mit perirenalem Hämatom ohne Läsion des Nierenbecken-KelchSystems, Nierenkapsel intakt 쐌 tiefer Parenchymeinriss (쏜 1 cm tief) mit oder ohne Läsion von Segmentgefäßen, mit oder ohne devitalisierten Fragmenten, keine Läsion des NierenbeckenKelch-Systems, Nierenkapsel intakt 쐌 Parenchymzerreißung mit Eröffnung des Nierenbecken-Kelch-Systems mit oder ohne Gefäßläsion unterhalb der Hauptarterie, Urinextravasat, segmentaler Funktionsausfall, Nierenkapsel intakt 쐌 multipel fragmentierte, zertrümmerte Niere oder Abriss der Hilusgefäße, Thrombosierung der Nierenarterie, Kapselruptur
Diagnostik: Urinuntersuchung, Sonographie, CT/MRT; bei Grad II und darüber hinaus noch Duplexsonographie, Abdomenübersichtsaufnahme und Schockdiagnostik. Begleitverletzungen entscheiden bei Grad III über das weitere diagnostische Vorgehen. Symptomatik: 쐌 Grad I−II: Hämaturie, lokaler Druckschmerz 쐌 Grad III−IV: Hämaturie, lokaler Druckschmerz, Flankentumor, inkompletter Ileus, Schocksymptomatik möglich. 쐌 Grad IV−V: häufig polytraumatisierter Patient im hämorrhagischen Schock, äußere Verletzungszeichen, akutes Abdomen, Zunahme des Beckenumfanges, Hämaturie nicht obligat. 4.2 Harnblasenverletzung, -ruptur (S. 34) 쐌 stumpfes Trauma bei voller Blase intraperitoneale Ruptur (30 % aller Harnblasentraumata) extraperitoneale Ruptur (70 % aller Harnblasentraumata)
쐌 indirekte Gewalteinwirkung, „Abschertrauma“, Anspießung durch Knochensplitter
kombinierte Ruptur (extra- und intraperitoneal) (10−20 % aller Harnblasentraumata)
쐌 s. o.
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ätiologie
95
Cave:
Erkrankung
4. Schmerzhafte Hämaturie bei Trauma (Fortsetzung) 4.2 Harnblasenverletzung, -ruptur (Fortsetzung)
Letalität steigt bei nichterkannter intraperitonealer Harnblasenruptur nach 10 Stunden auf 30 %!
Symptomatik: Intraperitoneale Ruptur: häufig (25 %) begleitende Beckenfraktur, Hämaturie, lokaler Druckschmerz, Peritonitis, Schock (hämorrhagisch/septisch). Extraperitoneale bzw. kombinierte Ruptur: Hämaturie, lokaler Druckschmerz, inkompletter Ileus; im Vergleich zur intraperitonealen Ruptur weniger ausgeprägte Symptomatik. 4.3 Harnröhrentrauma (S. 44, S. 52) supradiaphragmale Ruptur infradiaphragmale Ruptur Kontusion
쐌 indirekte Gewalteinwirkung nach vorderer Beckenringfraktur, Verletzung oberhalb des Diaphragma urogenitale 쐌 Verletzung unterhalb des Diaphragma urogenitale durch direktes Harnröhrentrauma infolge stumpfer Gewalteinwirkung („Straddle-Verletzung“) 쐌 bei Radfahrern direkte Gewalteinwirkung auf die infradiaphragmale, bulbäre Harnröhre ohne Ruptur
Diagnostik: Urethrogramm (antegrad u. retrograd), Röntgen Becken, Sonographie, Zystogramm (antegrad), bei supradiaphragmaler Ruptur rektodigitale Untersuchung und Schockdiagnostik. Symptomatik: Supradiaphragmale Ruptur: „Anurie“ bei tastbarer Harnblase, Hämatom im Bereich der Bauchdecke, gelegentlich im Bereich der Dammregion, lokaler Druckschmerz, Prostatahochstand, abnorme Beweglichkeit der Prostata. Infradiaphragmale Ruptur: Hämaturie, perineales Hämatom. Kontusion: Hämaturie, lokaler Druckschmerz, Hämatom im Bereich der Perinealregion.
Begleitende Erkrankungen bei einer Hämaturie durch Trauma: Akutes Abdomen (Peritonitis) durch: 쐌 Verletzung innerer Organe, 쐌 Urinextravasation, 쐌 Infektion, 쐌 Ileus, 쐌 Hämatom, 쐌 penetrierende Verletzung, Polytrauma, Ileus: 쐌 reflektorisch, 쐌 paralytisch, Schock: 쐌 hämorrhagisch, 쐌 septisch.
5. Hämaturie sonstiger Ursachen 5.1 vaskuläre Ursachen (selten)
쐌 vaskuläre Nephropathie
Diagnostik: Duplexsonographie, Biopsie. 쐌 Nierenvenenthrombose (S. 28, S. 292) Diagnostik: Angiographie, Duplexsonographie. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Pathologische Urinbefunde
Diagnostik: Sonographie, Zystogramm, Urinuntersuchung, Blutbild, Gerinnung, Schockdiagnostik. Bei der intraperitonealen Ruptur entscheiden Begleitverletzungen über das weitere diagnostische Vorgehen.
4
96
4.1 Hämaturie
Ätiologie
Erkrankung
5. Hämaturie sonstiger Ursachen (Fortsetzung) 5.1 vaskuläre Ursachen (selten) (Fortsetzung)
쐌 Lupus erythematodes
Diagnostik: Immunnologisch-serologische Untersuchung.
Pathologische Urinbefunde
쐌 Nussknackersyndrom
4
Diagnostik: CT, Angiographie, Duplexsonographie. 5.2 medikamentöse Ursachen (häufig)
쐌 Methotrexat 쐌 Cyclophosphamid 쐌 Antikoagulanzien
Diagnostik: Anamnese, Blutbild, bei Antikoagulanzien Gerinnungsstatus. 5.3 genetisch bedingte Ursachen
쐌 Hämophilie
Diagnostik: Anamnese, Blutbild. 5.4 sonstige Ursachen
쐌 Endometriose
Diagnostik: Anamnese, Endoskopie. 쐌 Prostatavarizen (häufig) Diagnostik: Endoskopie. 쐌 Hufeisenniere Diagnostik: Sonographie, Urogramm. 쐌 Nierenzysten (häufig) (S. 306) 쐌 Zystennieren (selten) (S. 301) Diagnostik: (Familien)Anamnese, Sonographie. 쐌 benigne familiäre Erythrozyturie/asymptomatische Mikrohämaturie (2 % aller Kinder) Diagnostik: Erythrozytenmorphologie, keine weitere Diagnostik bei unauffälliger körperlicher Untersuchung, lediglich Urinkontrollen. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Ätiologie
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Erkrankung
6. Rotfärbung des Urins ohne Krankheitswert 6.1 medikamentös
쐌 Nitrofurantoin
6.2 Nahrungsmittel
쐌 Farbstoffe 쐌 rote Rüben
6.3 Blutbeimengung genitalen Ursprungs
쐌 Mittelstrahlurin zum Zeitpunkt der Menstruation
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Hämolyse Ikterus parenchymatöse Lebererkrankung Crush-Syndrom Rabdomyolyse McArdle-Syndrom Malaria tropica Porphyrie erythropoetische Porphyrie akute intermittierende hepatische Porphyrie Porphyria cutanea tarda
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Harnblasenkarzinom Ätiologie: Harnblasenkarzinome entstehen unter dem Einfluss von Karzinogenen. Bekannte Karzinogene sind Substanzen aus der Gruppe der aromatischen Amine (Naphtylamin, Benzidin, Phenacetin). Symptomatik: Führendes Symptom ist die schmerzlose Hämaturie. Blasenhalsnahe Tumoren können zu einer Pollakisurie führen. Gewichtsabnahme, Kachexie und tumorbedingte Schmerzen sind Spätsymptome und Ausdruck einer Systemerkrankung.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Anamnese, klinische Untersuchung, qualitative Harnuntersuchung, Sonographie (Harnblase, oberer Harntrakt und regionäre Lymphknoten), Urethrozystoskopie, Zytologie.
Nierenzellkarzinom Symptomatik: Schmerzlose Mikrohämaturie, häufig als Spätsymptom. Selten sind Flankenschmerzen, allgemeine Abgeschlagenheit und erhöhte BSG.
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Pathologische Urinbefunde
7. Verfärbung des Urins wie bei Hämaturie
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4.1 Hämaturie
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Qualitative Harnuntersuchung, Sonographie, Zytologie, Bestimmung der harnpflichtigen Substanzen im Serum, CT oder MRT, Knochenszintigramm zum Ausschluss ossärer Metastasen vor Operation.
Pathologische Urinbefunde
Nierenbeckenkarzinom
4
Symptomatik: Rezidivierende schmerzlose Mikrohämaturie, gelegentlich Koliken infolge Abgang eines Blutkoagels oder Nekrosepartikels.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Qualitative Harnuntersuchung, Urethrozystoskopie zum Zeitpunkt der Blutung zur Lokalisation der Blutungsquelle, Urinzytologie, Urogramm (ggf. Ureteropyeloskopie), ggf. CT oder MRT.
Nierenbeckenstein Symptomatik: Mikrohämaturie, Flankenschmerzen.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Qualitative Harnuntersuchung, rektale Temperaturmessung, Blutbild, harnpflichtige Substanzen im Serum, Sonographie, Urogramm zur Darstellung der Abflussverhältnisse und Anatomie
Bei Verdacht auf Sepsis (Fieber, Leukozytose, Ektasie des Hohlsystems) sofortige Entlastung des gestauten Hohlsystems.
Harnleiterkonkrement Symptomatik: Hämaturie (Mikrohämaturie oder Makrohämaturie) mit kolikartigen Schmerzen; Fieber und Schüttelfrost können auftreten und müssen als Symptome einer Sepsis gewertet werden.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Qualitative Harnuntersuchung, Temperaturmessung, Sonographie, Abdomenleeraufnahme, Urogramm im kolikfreien Intervall.
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Abb. 4.2 Grad IV.
Nierenverletzung
99
Pathologische Urinbefunde
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Abb. 4.3 Eintrittspforte eines faustgroßen Metallteiles an der linken Flanke mit konsekutiver Verletzung der Niere (Grad V) und anderer Organe (s. Text).
Hämorrhagische Zystitis Symptomatik: Algurie, Pollakisurie, Hämaturie.
Diagnostik 쐌 Quantitative Harnuntersuchung, 쐌 Sonographie der Harnblase und des oberen Harntraktes (Restharn), 쐌 Bakterienkultur aus dem Urin.
Bei Verdacht auf Urosepsis weitere Diagnostik zurückstellen und sofort das gestaute Hohlsystem entlasten.
Hämaturie bei Polytrauma Das Polytrauma ist gekennzeichnet durch multiple Verletzungen, die verschiedene Körperregionen betreffen und zu einer plötzlichen Störung der Vitalfunktionen führen. Häufige Ursache von Mehrfachverletzungen sind Verkehrsunfälle. Sämtliche Organe des Urogenitaltraktes können in ein Polytrauma miteinbezogen sein; am häufigsten betroffen sind Niere und Harnblase.
Fallbeispiele Polytrauma mit Nierenverletzung Grad V (Abb. 4.3): Ein 35-jähriger Mann erlitt bei einem Arbeitsunfall eine Einsprengung eines faustgroßen Metallteiles in die linke Flanke (Abb. 4.3). Dies führte zu ausgedehnten retroperitonealen Verletzungen von Sigma- und Harnleiteranteilen sowie zu einer drittgradigen Nierenverletzung mit Organzertrümmerung. Zudem wies der Patient drittgradig offene Frakturen der Beckenschaufeln und des Unterarmes auf. Nach Einleitung einer Schocktherapie wurde die linke Niere entfernt, die verletzten Darmanteile reseziert und ein doppelläufiger Anus praeter angelegt. Die drittgradig offenen Frakturen wurden osteosynthetisch versorgt. Supradiaphragmale Harnröhrenruptur infolge eines Beckentraumas: Ein 7-jähriger Junge erlitt nach einem PKW-Unfall eine Beckenfraktur mit Symphysenruptur und supradiaphragmaler Harnröhrenruptur (Abb. 4.4). Infolge der dislozierten Beckenfraktur erfolgte eine notfallmäßige chirurgische Reposition mit osteosynthetischer Versorgung. In gleicher Sitzung erfolgte die primäre Reanastomose der komplett rupturierten Harnröhre. 6 Monate nach Therapie wies die Harnröhre keine urodynamisch relevante Striktur auf.
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4
4.2 Leukozyturie/Pyurie
Pathologische Urinbefunde
100
4
Abb. 4.4 fraktur.
Isolierte, asymptomatische Leukozyturien bis 10 Leukozyten/Gesichtsfeld können bei jungen Erwachsenen ohne Krankheitswert auftreten.
Bei fehlendem Bakteriennachweis, einer sterilen Leukozyturie, muss stets an das Bestehen einer Tuberkulose, einen Infekt mit schwer kultivierbaren Erregern (z. B. Chlamydien) sowie an einen Infekt nach antibiotischer Anbehandlung gedacht werden.
Das Vorhandensein von Leukozytenzylindern im Sediment spricht stets zumindest für eine renale Mitbeteiligung am Entzündungsgeschehen. Zur Ausbildung einer Pyurie trägt häufig das gleichzeitige Bestehen einer Harnabflussstörung im Sinne einer Hydronephrose bzw. Blasenentleerungsstörung bei.
4.2
Zystogramm bei supradiaphragmaler Harnröhrenruptur nach Beckenring-
Leukozyturie/Pyurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Der Nachweis von 쏜 10 000 Leukozyten/ml im nichtzentrifugierten Urin bzw. von 쏜 5 Leukozyten/Gesichtsfeld im Urinsediment bezeichnet eine Leukozyturie. Bei starker Leukozyturie mit gelblich-weißer Urintrübung spricht man von Pyurie. Leitsymptome: Die Symptomatik der Leukozyturie/Pyurie ergibt sich meist aus Lokalisation und Ausprägung der zugrunde liegenden Entzündungsreaktion. Ursachen: Ursächlich für eine Leukozyturie kommen nahezu alle inflammatorischen Prozesse im gesamten Urogenitalsystem in Betracht. Der Nachweis einer signifikanten Bakteriurie (쏜 105 Keime/ml Urin) sowie von Nitrit ist Hinweis für eine zugrunde liegende Infektion. Leukozyten finden sich auch bei abakteriellen Entzündungen wie der interstitiellen Nephritis oder einer Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantation. Während bei Infektionen neutrophile Granulozyten im Urinsediment dominieren, kann sich bei letzteren eine Eosinophilie als Ausdruck der allergischen Diathese bzw. eine Lymphozyturie finden. Auch bei Glomerulonephritis, Tumoren sowie nicht zuletzt bei Fremdkörpern im Bereich der Harnwege (Katheter, Steine) lässt sich eine Leukozyturie nachweisen.
Besonderheiten Bei Frauen kann bei Kontamination der Urinprobe durch Fluor vaginalis eine Leukozyturie vorgetäuscht werden. Zur korrekten Beurteilung ist hier die Urinentnahme mittels sterilem Einmalkatheterismus erforderlich.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
101
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Urinstix: Nachweis der Leukozyten durch Spaltung eines auf dem Testfeld befindlichen Esters durch die Granulozytenesterase; der detektierte Farbstoff entsteht durch Oxidation eines Spaltproduktes unter Luftsauerstoff, 왘 Nachweis von lysierten Zellen ist möglich, jedoch kein Nachweis von Lymphozyten, 왘 falsch negative Befunde durch hohe Konzentration von Proteinen, Glucose sowie bestimmten Medikamenten (Doxycyclin, Gentamicin, Cephalexin u. a.). 왘
Urinsediment: Normalerweise 쏝 5 Leukozyten/Gesichtsfeld; pathologische Relevanz erst bei 쏜 10 Leukozyten/Gesichtsfeld, 왘 im hypotonen Urin kommt es zur Lyse der Leukozyten (75 % in 4 h) mit nachfolgend falsch negativem Befund (vgl. Urinstix), 왘 der Nachweis von Leukozytenzylindern ist ein Zeichen einer renalen Beteiligung. Bakterienkultur: 왘 Kultur von Mittelstrahlurin, Einmalkatheterurin, 4-Gläser-Probe bzw. Nierenbeckenurin (bei Hydronephrose) je nach klinischer Symptomatik, 왘 ggf. Spezialkulturmedien bzw. spezielle Nachweisverfahren (z. B. PCR zum TbcNachweis) zur Erfassung atypischer Erreger. Labor: 왘 Blutbild, CRP: Anhalt für generalisierten Entzündungsprozess, 왘 Kreatinin, Harnstoff: renale Insuffizienz. Sonographie: Nephritis, renaler/perirenaler Abszess, Nierentumor, 왘 Hydronephrose, Restharn. 왘
I.v. Urogramm/Zystogramm: 왘 Bei rezidivierenden Infekten zum Ausschluss komplizierender Faktoren (Nephrolithiasis, Blasenstein, Anomalien, vesikoureteraler Reflux).
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung/Erreger
1. Harnwegsinfektionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Urethritis Prostatitis Epididymitis Zystitis Pyelonephritis Tbc
2. interstitielle Nephritis/Analgetikanephropathie 3. Glomerulonephritis 4. Tumoren 5. Fremdkörper
쐌 Katheter 쐌 Konkremente
6. Transplantatabstoßung
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Pathologische Urinbefunde
왘
4
102
4.3 Pneumaturie/Fäkalurie 4.3
Pneumaturie/Fäkalurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Luft- (Pneumaturie) bzw. Stuhlbeimengungen (Fäkalurie) im Urin als Ausdruck einer vesikointestinalen Fistel.
Pathologische Urinbefunde
Leitsymptome: Die Pneumaturie wird vom Patienten meist als transurethraler Abgang von Luft während der Miktion wahrgenommen. Im Falle einer Dauerableitung findet sich der anhängende Katheterbeutel oft prall mit Gas gefüllt. Bei Fäkalurie finden sich neben einer beige-bräunlich-schwärzlichen Urinverfärbung feste Stuhlbestandteile sowie Schleimbeimengungen im Urin. Als Folge der rezidivierenden Keimbesiedlung der Harnwege, vor allem bei Fistelung zum Kolon, finden sich darüber hinaus die Symptome des rasch wiederkehrenden oder therapierefraktären Harnweginfektes. Allgemeinsymptome können zwischen asymptomatischem Verlauf, vor allem bei gedeckter Fistelung, und septischem Krankheitsbild bei peritonealer Beteiligung bzw. begleitender Harntransportstörung variieren. Ohne operativen Fistelverschluss versterben 75 % der Patienten innerhalb von 5 Jahren an einer Sepsis.
4
Symptomentrias: 쐌 Pneumaturie, 쐌 Fäkalurie, 쐌 rezidivierende Harnwegsinfekte.
Nur 50−75 % der enterovesikalen Fisteln weisen die klassische Symptomtrias auf. Pneumaturie alleine kann auch vorübergehend nach interventionellen Maßnahmen mit Verbringung von Luft ins Blasenlumen (Urethrozystoskopie) auftreten.
Ursachen: Die Kombination aus Fäkalurie und Pneumaturie ist pathognomonisch für das Vorliegen einer enterovesikalen Fistel. Ätiologisch finden sich: 왘 Sigmadivertikulitis (66 %), 왘 Karzinome von Kolon bzw. Harnblase, 왘 fistulierende Verläufe des Morbus Crohn, 왘 chronische Entzündungsverläufe nach Radiatio im Becken.
Basisdiagnostik Anamnese: Miktions- und Stuhlanamnese, 왘 gastroenterologische Anamnese (Divertikulose, Morbus Crohn), 왘 Voroperationen, Radiatio. 왘
Körperliche Untersuchung: 왘 Abdominalstatus (Abwehr, Resistenzen, OP-Narben, Dermatose nach Radiatio). Urin: Urinstix, 왘 Urinkultur. 왘
Labor: 왘 Blutbild, 왘 CRP, 왘 Kreatinin.
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Grundlagen
103
Fistelnachweis: 왘 Urethrozystoskopie, ggf. als Kondomzystoskopie, 왘 Koloskopie, 왘 Kolonkontrasteinlauf, 왘 CT-Abdomen, 왘 orale Gabe von Mohn/medizinischer Kohle: Ausscheidung der applizierten Substanz innerhalb von 24 h im Urin weist die Fistel nach.
Diagnostisches Vorgehen
Pathologische Urinbefunde
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer vesikointestinalen Fistel folgt die Diagnostik dem klinischen Erscheinungsbild. Keines der o.a. Verfahren kann alleine in jedem Fall einen Fistelnachweis erbringen (Kavanagh et al. 2005). Vor operativer Intervention sollte zumindest je ein Verfahren zur Abklärung von Blase (Urethrozystoskopie) bzw. Darm (Koloskopie, Kolon-Kontrasteinlauf mit wässrigem Konstratmittel) sowie eine CT des Abdomens zur Aufdeckung der zugrunde liegenden Ätiologie eingesetzt werden.
Literatur Kavanagh D et al. Diagnosis and treatment of enterovesical fistulae. Colorectal Disease. 2005;7:286−91.
4.4
Kristallurie
4
W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Nachweis von aufgrund der Überschreitung der Löslichkeit aus dem Urin ausgefallenen Kristallen unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung im Urinsediment. Leitsymptome: Das Auftreten von Kristallisationsprozessen, zumal im abkühlenden, konzentrierten Urin, stellt per se keinen Beweis für das Bestehen einer Erkrankung dar. Viele Kristalle erscheinen auch im normalen Sediment. Der Nachweis bestimmter Kristalle kann allerdings bei einigen Erkrankungen auf dem Weg der Diagnosefindung hilfreich sein. Ursachen: Bei Überschreitung des Löslichkeitsproduktes durch hohe Stoffkonzentration zusammen mit einer Verschiebung des pH-Wertes kommt es, häufig erst nach Abkühlen des Urins außerhalb des Körpers (eine Kristallisation noch im Bereich der Tubuli bzw. ableitenden Harnwege ist selten), zur Kristallisation bzw. amorphen Ausfällung bestimmter Substanzen. Die Kristallform ist dabei oft charakteristisch für das entsprechende Salz. Auch die kristallinen Formen bestimmter Medikamente (Indinavir, Sulfonamide) können z. T. nachgewiesen werden. Im saueren Urin finden sich Oxalat- und Harnsäurekristalle, amorphe Urate sowie Zystinkristalle. Letztere lassen sich als einzige Ausnahme im normalen Urin nicht nachweisen und sind pathognomonisch für das Bestehen einer Zystinurie. Im alkalischen Urin präzipitieren vorwiegend Phosphate. In Abb. 4.5 sind verschiedene Urinkristalle dargestellt.
Der Nachweis von Kristallen im Urin muss kein Krankheitsbeweis sein.
Zystinkristalle gibt es nicht im normalen Urin!
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104
4.4 Kristallurie
b
Pathologische Urinbefunde
a
4
c
e
d
f
Abb. 4.5 a−f Verschiedene Urinkristalle (aus: Siegenthaler W, Hrsg. Siegenthalers Differentialdiagnose. 19. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005). a Typische Oxalatkristalle (Briefkuvertform). b Rhombenförmige, im polarisierten Licht farbig erscheinende Harnsäurekristalle. c Charakteristische hexagonale Zystinkristalle. d Tripelphosphatkristalle. e Leucinkristalle. f Indinavirkristalle bei antiretroviraler Therapie.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Urinsediment: Aus der Kristallmorphologie kann bei Kenntnis des Urin-pH-Wertes meist auf die chemische Zusammensetzung des Kristalls geschlossen werden.
왘
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Die unterschiedlichen Formen, das charakteristische Erscheinungsbild sowie die klinische Bedeutung von Urinkristallen sind im Folgenden aufgeführt. Kristall
Erkrankung/Erreger
1. Oxalatkristalle (Briefumschlagform)
쐌 rezidivierende Calciumoxalat-Nephrolithiasis
2. Harnsäurekristalle (Rhombenform)
쐌 Uratnephropathie 쐌 Tumorlysesyndrom
3. amorphe Urate (Ziegelmehl)
쐌 Uratnephropathie 쐌 Tumorlysesyndrom
4. Zystinkristalle (hexagonal)
쐌 Zystinurie (pathognomonisch)
5. Magnesiumammoniumphosphatkristalle (Sargdeckelform)
쐌 chronische Entzündungen von Nieren und Harnwegen (Infektsteine)
6. Leucinkristalle (kugelförmig, braun-gelb)
쐌 Leberfunktionsstörung Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Grundlagen
Kristall
Erkrankung/Erreger
7. Tyrosinkristalle (nadelförmig)
쐌 Leberfunktionsstörung
8. Indinavirkristalle (nadelförmig)
쐌 antiretrovirale Therapie 쐌 akutes, kristallbedingtes Nierenversagen möglich
9. Artefakte
쐌 Staub 쐌 Fasern 쐌 Haare
105
Siegenthaler W, Hrsg. Siegenthalers Differentialdiagnose. 19. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005.
4.5
Proteinurie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Proteinurie bezeichnet eine Gesamteiweißausscheidung über den Urin von mehr als 150 mg/24 h. Je nach verwendeter Messmethode werden allerdings auch unterschiedliche Referenzbereiche zwischen 40−300 mg/24 h angegeben. Leitsymptome: Eine gesteigerte Eiweißausscheidung im Urin ist ein wichtiger Hinweis für das Vorliegen parenchymatöser Nierenerkrankungen. Obwohl das Ausmaß der Proteinurie meist den Grad der renalen Schädigung reflektiert, treten klinische Symptome oft erst bei einer Proteinurie im nephrotischen Bereich 쏜 3,5 g/24 h auf. Der Urin wird schaumig und mit weiter zunehmendem Eiweißverlust kommt es zum Auftreten von Ödemen, Pleuraergüssen und Aszites sowie mitunter zu einer Hypalbuminämie 쏝 20−30 g/l.
Das mengenmäßig am stärksten im Urin enthaltene Protein ist das vom Tubulusepithel gebildete Tamm-HorsfallMukoprotein.
Leitsymptome: 쐌 Schaumiger Urin, 쐌 Ödeme, 쐌 Pleuraergüsse, 쐌 Aszites.
Ursachen: Die Niere stellt mit der glomerulären Filtermembran und dem sich daran anschließenden Tubulusapparat ein System dar, in dem Plasmaproteine einerseits größen- und ladungsselektiv aus dem Plasma filtriert, andererseits aber durch die Tubulusepithelien zu 90−95 % wieder resorbiert und katabolisiert werden. Entsprechend diesen Mechanismen kann eine gesteigerte Proteinausscheidung einerseits durch einen vermehrten systemischen Anfall filtrierbarer Proteine bzw. eine gesteigerte Passage normalerweise zurückgehaltener Eiweiße infolge eines glomerulären Schadens mit nachfolgender Überlastung der tubulären Reabsorptionsprozesse entstehen. Andererseits kommt es auch bei normaler Filtration durch Störung der tubulären Eiweißwiederaufnahme bzw. durch Freisetzung von Proteinen in den Urin distal der Nephronebene zu pathologisch gesteigerter Eiweißausscheidung.
Mit gewissen Einschränkungen lässt sich die Ursache einer Proteinurie anhand des Musters der vermehrt ausgeschiedenen Proteine (Markerproteine) bestimmen.
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Pathologische Urinbefunde
Literatur
4
106
4.5 Proteinurie
Einteilung Gestützt auf diese pathophysiologischen Grundsätze lassen sich die in Tab. 4.2 angegebenen Formen der Proteinurie auch anhand des Musters der ausgeschiedenen Proteine unterscheiden. Tabelle 4.2 Formen der Proteinurie mit typischen, vermehrt im Urin ausgeschiedenen Markerproteinen Form
Unterform
prärenale Proteinurie
Pathologische Urinbefunde
renale Proteinurie
Markerprotein Bence-Jones-Protein, Hämoglobin, Myoglobin
selektiv glomerulär
Albumin, Transferrin
unselektiv glomerulär
Albumin, IgG
tubulär
α1-Mikroglobulin, β2-Mikroglobulin
postrenale Proteinurie
α2-Makroglobulin, Tamm-Horsfall-Protein, IgA
benigne Proteinurie
Prärenale Proteinurie Proteine mit einem Molekulargewicht 쏝 6000 Dalton gelangen ungehindert durch den glomerulären Filter. Zwischen 6000 und 60 000 Da werden die Eiweiße mit wachsender Größe und anionischer Ladung zunehmend im Plasma zurückgehalten. Albumin mit 69 000 Da gelangt mit weniger als 1 % in das Filtrat, noch größere Moleküle wie Immunglobuline werden so gut wie nicht filtriert. Von den in das Tubuluslumen gelangenden Proteinen werden 90−95 % wieder von den Tubulusepithelien absorbiert. Eine Proteinurie durch einen vermehrten systemischen Anfall filtrierbarer, niedermolekularer Proteine, der das Reabsorptionsvermögen der Tubuli übersteigt, bezeichnet man als prärenale Proteinurie. Die Niere ist hierbei strukturell und funktionell intakt.
4
Renale Proteinurie: 쐌 Selektive, glomeruläre Proteinurie, 쐌 unselektive, glomeruläre Proteinurie, 쐌 tubuläre Proteinurie.
Renale Proteinurie Durch Schädigung des glomerulären Filterapparates im Rahmen primärer und sekundärer Nierenerkrankungen kann einerseits zunächst die Ladungsselektivität der Filtration eingeschränkt werden, was das vermehrte Auftreten mittelgroßer anionischer Proteine mit einem Molekulargewicht zwischen 60 000 und 80 000 Da im Urin zur Folge hat. Aufgrund dieses relativ begrenzten Spektrums spricht man von selektiver, glomerulärer Proteinurie. Ein ausgeprägter Schaden der Glomeruli führt zu einem Verlust der Größenselektivität der Filtration und damit zum Erscheinen von Proteinen mit einer Molekülmasse 쏜 100 000 Da im Urin, der unselektiven, glomerulären Proteinurie. Werden aufgrund einer funktionellen Störung der Tubulusepithelien die physiologischerweise filtrierten, niedermolekularen Proteine nicht im gewohnten Maße reabsorbiert und katabolisiert, spricht man von einer tubulären Proteinurie.
Postrenale Proteinurie Gelangen die Proteine nach der Tubuluspassage durch Blutungen bzw. Exsudationen im Verlauf der ableitenden Harnwege in den Urin, liegt eine postrenale Proteinurie vor.
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Diagnostisches Vorgehen
Benigne Proteinurie Die Proteinausscheidung im Urin unterliegt erheblichen intra- und interindividuellen Schwankungen. Unter bestimmten Lebensumständen (körperliche Belastung, Fieber, Kälte, konstitutionell juvenile Proteinurie) kann die Proteinausscheidung über das normale Maß von 150 mg/24 h gesteigert sein, sollte aber 0,5 g/24 h nicht überschreiten.
Basisdiagnostik
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Cave: Zwischen dem letzten Geschlechtsverkehr und einer Proteinuriediagnostik muss ein zeitlicher Abstand von mind. 12 h eingehalten werden (Albumingehalt des Spermas: 6,3 g/l!).
Anamnese: Begleiterkrankungen (Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Autoimmunerkrankungen), 왘 Medikamentenanamnese (Hämolyse, Myolyse, Tubulotoxizität), 왘 urologische Anamnese (Tumor, Konkrement, Infekt). Sonographie: Niere (Parenchym-Pyelon-Verhältnis, Echomuster, Raumforderungen, Verkalkungen), 왘 Blase (Raumforderungen, Konkremente). 왘
Semiquantitative Analyse (Urinstix): Messprinzip: Aminogruppen der Urinproteine deprotonieren eine auf dem Testfeld immobilisierte Säure, wodurch diese in das andersfarbige Säureanion umgewandelt wird. 왘 Die Nachweisbarkeit einzelner Proteine ist vom Gehalt an Aminogruppen abhängig. Albumin, als wesentlichstes Protein in der Früherkennung glomerulärer Schädigung, kann prinzipiell gut detektiert werden. Die Nachweisgrenze bei routinemäßig eingesetzten Teststreifen liegt allerdings für eine Erkennung der geringfügig erhöhten Albuminausscheidung (Mikroalbuminurie mit 쏜 30 mg Albumin/d), z. B. im Rahmen einer frühen diabetischen Nephropathie, zu hoch. Höhermolekulare Proteine (IgG) werden deutlich schlechter, niedrigmolekulare Proteine werden kaum (β2-Mikroglobulin) oder gar nicht (Bence-Jones-Proteine) erkannt. 왘
Quantitative Analyse: Gesamtproteinausscheidung (24-h-Sammelurin; Referenzbereich je nach angewandter Methode), 왘 Bestimmung von Einzelproteinen/ Markerproteinen. 왘
Qualitative Analyse: Ausscheidungsmuster der Urinproteine (SDS-PAGE) aus 24-h-Sammelurin; Abgrenzung der verschiedenen Proteinurieformen bei Kenntnis der Gesamtproteinausscheidung.
왘
Bei hohem Urin-pH erfolgt die Deprotonierung unabhängig von der Anwesenheit von Proteinen, weshalb bei pH 쏜 8 eine Proteinurie anderweitig verifiziert werden muss.
Alternativ zur Urinsammlung über 24 h kann auch der Quotient aus Eiweiß- und Kreatininkonzentration im Spontanurin bestimmt werden: Proteinurie (g/24 h)= Urineiweiß (mg/dl)/Urinkreatinin (mg/dl).
SDS-PAGE = Sodiumdodecylsulfat- Polyacrylamidgelelektrophorese
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Pathologische Urinbefunde
왘
4
108
4.5 Proteinurie
Diagnostisches Vorgehen
Pathologische Urinbefunde
Die Differenzierung verschiedener Proteinurieformen kann entweder mittels SDSPAGE oder durch quantitative Bestimmung mehrerer Markerproteine erfolgen. Die Beurteilung der bei letzterer Methode erhaltenen Parameter ist in Abb. 4.6 dargestellt.
4
Abb. 4.6 Proteinurie-Differenzierung: Bei positivem Hb-Nachweis kann durch die Bestimmung von Albumin, α1-Mikroglobulin und α2-Makroglobulin u. U. eine Lokalisationsdiagnostik der Hämaturie erfolgen. Bei fehlendem Hb-Nachweis kann durch Kombination der Einzelbefunde von Albumin, α1-Mikroglobulin und IgG eine Differenzierung der Proteinurie durchgeführt werden (mod. nach Thomas 2005).
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Besonderheiten
109
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Prärenal (Overflow-Proteinurie) 쐌 Hämolyse 쐌 Rhabdomyolyse 쐌 monoklonale Gammopathie
2.1 selektiv glomerulär
쐌 diabetische/hypertensive Nephropathie (Frühstadium)
2.2 unselektiv glomerulär
쐌 diabetische/hypertensive Nephropathie (fortgeschrittenes Stadium) 쐌 Glomerulonephritiden 쐌 Kollagenosen 쐌 EPH-Gestose 쐌 Nierenstauung (Rechtsherzinsuffizienz, Nierenvenenthrombose)
2.3 tubulär
쐌 interstitielle Nephritis (bakteriell, viral, allergisch, Balkan-Nephritis) 쐌 toxischer Tubulusschaden 쐌 erbliche Tubulopathie (Fanconi-Syndrom, renal-tubuläre Azidose)
3. Postrenal 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Harnwegsinfekte Tumore Konkremente Traumata Menstruationsblut
4
Literatur Thomas L, Hrsg. Labor und Diagnose. 6. Aufl. Frankfurt am Main: TH Books Verlags-Gesellschaft; 2005.
4.6
Pathologische Urinbefunde
2. Renal
Veränderungen des Urin-pH-Wertes W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Die Niere nimmt mit der tubulären H+-Sekretion bzw. der HCO3-Resorption an der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes teil. Bei Mischkost werden etwa 60− 80 mmol saure Valenzen pro Tag ausgeschieden. Der durchschnittliche Urin-pH liegt dann zwischen 5,5 und 6,5. Bei Azidose kann der Urin-pH auf bis zu 4,5 absinken, bei Alkalose bis auf 8,2 ansteigen.
Besonderheiten Einige Urinuntersuchungen sind in ihrem Aussagewert durch den bestehenden Urin-pH limitiert. Bei pH-Werten 쏜 7 ist ein Urinsediment durch ein mögliches Auflösen der Matrix von Zylindern sowie die Lyse von Erythrozyten und Leukozyten nicht mehr sinnvoll. Ebenso kommt es bei der Proteinbestimmung mittels Teststreifen zu falsch positiven Ergebnissen.
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4.6 Veränderungen des Urin-pH-Wertes Durch Veränderung des Urin-pH wird die Löslichkeit verschiedener Salze moduliert. Während z. B. die Kristallisation von Urat- und Zystinsteinen durch Alkalisierung erschwert werden kann, fallen Calciumphosphat und Magnesiumammoniumphosphat im alkalischen Milieu, häufig auf dem Boden einer chronischen Infektion mit ureasebildenden Keimen, verstärkt aus.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Pathologische Urinbefunde
Beim längeren Stehen kommt es durch bakterielle Proteinzersetzung zu einer pH-Verschiebung ins Alkalische.
Urinstix: pH-Messung mittels Indikatorsystem im frischen Urin.
왘
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Symptomausprägung
Erkrankung
1. pH 7−8 (anhaltend)
쐌 metabolische/respiratorische Alkalose 쐌 chronische Harnwegsinfekte 쐌 renal-tubuläre Azidose (in Kombination mit metabolischer Azidose)
2. pH 4−5 (anhaltend)
쐌 metabolische/respiratosche Azidose
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Renal-tubuläre Azidose (RTA)
4
Bedingt durch eine Störung der renalen Säureelimination kommt es zur Ausbildung einer hyperchlorämischen, metabolischen Azidose. Die RTA kann sowohl primär als Folge hereditärer Störungen von Membrantransportprozessen als auch sekundär als Folge renaler bzw. extrarenaler Erkrankungen auftreten. Abhängig von der Lokalisation des zugrunde liegenden Defektes können 4 Typen abgegrenzt werden, die sich in Pathogenese und Symptomatik unterscheiden und nachfolgend kurz dargestellt werden.
Auch im Säurebelastungstest mit Ammoniumchlorid (0,1 g/kg KG) werden keine UrinpH Werte 쏝 5,5 erreicht.
Typ I (distale RTA): Durch gestörte H+-Sekretion im distalen Tubulus erfolgt eine gesteigerte Na+-Sekretion anstelle der Protonen mit nachfolgender Abnahme des Extrazellulärvolumens. Durch Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) kommt es zur Hypokaliämie. Die chronische Azidose führt zu einer gestörten Ca2+-Resoption sowie gesteigerten Citratresoption im proximalen Tubulus mit Hyperkalzurie, Hypokalzämie und Hypozitraturie. Der hypokalzämieinduzierte sekundäre Hyperparathyreoidismus führt einerseits zur Osteomalazie und andererseits zur Hyperphosphaturie. Letztere hat zusammen mit der Hyperkalzurie, der Hypozitraturie sowie dem alkalischen Urin-pH die Ausbildung einer Nephrokalzinose durch Kristallisation von Calciumphosphat zur Folge. Die Markschwammniere (zystische Dilatation der Sammelrohre mit Kalkablagerung) geht bei 50 % der Patienten mit RTA einher. Typ II (proximale RTA): Seltener und klinisch weniger schwerwiegend wie Typ I kommt es, infolge gestörter Bicarbonatresorption im proximalen Tubulus, einerseits zur Azidose, andererseits über gesteigerte Na+-Ausscheidung zur Erhaltung der Elektroneutralität und nachfolgender Aktivierung des RAAS auch zur Hypokaliämie. Die ebenfalls wie bei Typ I entstehende Hyperkalzurie und Hyperphosphaturie führt hier wegen der aufgrund der Resorptionsstörung im proximalen Tubulus ebenfalls bestehenden Hyperzitraturie sowie der bei intakter H+-Sekretion im distalen Tubulus durchaus möglichen Urinazidifikation 쏝 5,5 in der Regel nicht zur Nephrokalzinose. Durch die Protonenelimination im distalen Tubulus ist die Azi-
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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dose meist mild. Die Symptomatik wird bestimmt durch mit der RTA kombinierte Resorptionsdefekte z. B. für Aminosäuren, Phosphat oder Urat im proximalen Tubulus.
Typ IV: Durch verminderte Aldosteronbildung bzw. -wirkung kommt es zu einer verminderten H+-Sekretion. Im Unterschied zur RTA Typ I bzw. II besteht einerseits eine Hyperkaliämie bzw. andererseits eine nicht gesteigerte Bicarbonatausscheidung. Der Urin-pH kann Werte 쏝 5,5 annehmen. Bei Vorliegen einer hyperchlorämischen Azidose ohne andere Vorerkrankungen muss der Verdacht auf RTA geäußert werden. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch ausbleibenden Urin-pH-Abfall 쏝 5,5 im Ammoniumchlorid-Belastungstest (Typ I) sowie durch Nachweis einer gesteigerten Bicarbonatausscheidung (Typ II). Neben der primären treten auch sekundäre Formen der RTA, z. B. im Zusammenhang mit interstitieller Nephritis, Autoimmunerkrankungen, Stoffwechselkrankheiten (Morbus Wilson) oder unter Einwirkung von Fremdstoffen (Amphotericin B, Blei, Quecksilber) auf. Die Therapie erfolgt durch Basensubstitution (Bicarbonat, Citrat) sowie durch Elektrolytausgleich.
4.7
Zylinder im Urinsediment W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Das im Tubulusepithel physiologischerweise gebildete Mukoprotein (Tamm-Horsfall-Protein) polymerisiert unter bestimmten Bedingungen (hohe Urinosmolarität, saurer pH, hohe Salzkonzentration) und bildet hyaline Ausgusszylinder im distalen Tubulus bzw. Sammelrohr, die im Urinsediment gefunden werden.
Einteilung Die Einteilung der Zylinder erfolgt anhand der in die Proteinmatrix ein- bzw. aufgelagerten Substanzen bzw. Zellen in: 왘 zellfreie Zylinder, 왘 zellhaltige Zylinder.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Urinsediment: 10 ml des durchmischten, als Mittelstrahl gewonnenen Morgenurin werden 10 min bei 3000 rpm zentrifugiert; nach Dekantieren und Abtropfen wird das erhaltene Pellet in der Restflüssigkeit resuspendiert und bei 400 facher Vergrößerung im Phasenkontrast mikroskopisch untersucht.
왘
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Pathologische Urinbefunde
Typ III: Sehr seltene, auf Carboanhydrase-II-Mangel im proximalen und distalen Tubulus beruhende und mit geistiger Retardierung und Osteopetrose einhergehende Form mit Merkmalen von Typ I und II.
4
112
4.7 Zylinder im Urinsediment
Pathologische Urinbefunde
a
b
c
4
d
e
Abb. 4.7 a−e Verschiedene Urinzylinder (aus: Siegenthaler W, Hrsg. Siegenthalers Differentialdiagnose. 19. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005). a Typische Leukozytenzylinder. b Hyaliner Zylinder. c Feingranulierter Zylinder. d Epithelzylinder. e Breiter, gekerbter Wachszylinder.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Einige typische Urinzylinder sind in Abb. 4.7 dargestellt. Zylinderform
Erkrankung
1. Zellfreie Zylinder 1.1 hyaline Zylinder
쐌 vereinzeltes Auftreten bei Gesunden; vermehrt bei körperlicher Belastung, Fieber, Herzinsuffizienz
1.2 granulierte Zylinder
쐌 Granula durch lysierte Epithel- und Blutzellen sowie Proteinurie; ganz vereinzelt auch bei Gesunden
1.3 Wachszylinder
쐌 breite, durchsichtige Zylinder aus amorphem Material; Polymerisation durch geringen Harnfluss im Sammelrohr bei chronischer Niereninsuffizienz (pathognomonisch)
1.4 Fettzylinder
쐌 degenerierte Tubuluszellen; bei nephrotischem Syndrom und schwerer Proteinurie
Das Auftreten jeder Zylinderform mit Ausnahme der hyalinen ist als pathologisch anzusehen. Der Nachweis von Zylindern ist zwar spezifisch, aber nur wenig sensitiv.
2. Zellhaltige Zylinder 2.1 Epithelzylinder
쐌 ein- bzw. aufgelagerte Epithelzellen bei erhöhter Zellabstoßung im Rahmen einer interstitiellen Nephritis bzw. der Regenerationsphase des akuten Nierenversagens
2.2 Erythrozyten-/Hämoglobinzylinder
쐌 ein- bzw. aufgelagerte Erythrozyten; sicherer Hinweis auf Glomerulopathie; nur 40 % der Glomerulonephritiden zeigen jedoch E-Zylinder
2.3 Leukozytenzylinder
쐌 Granulozyten/Lymphozyten aufgelagert bei entzündlichen, bakteriellen (Pyelonephritis) oder abakteriellen (Lupusnephritis) Nephritiden
2.4 Bakterienzylinder
쐌 Bakterien meist gemischt mit Leukozyten bei Pyelonephritis
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Auf wichtige Krankheitsbilder mit Zylindern im Urinsediment wird in den Kap. 3 und 9 auf den S. 80 und S. 236 eingegangen.
Literatur Siegenthaler W, Hrsg. Siegenthalers Differentialdiagnose. 19. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2005.
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Pathologische Urinbefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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4
Pathologische Urinbefunde
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115
5
Laborwerte
C. Thomas, S. W. Melchior
5.1 Tumormarker bei Prostatakarzinom . . . 115 5.2 Tumormarker bei Hodentumoren . . . . . 118 5.3 Untersuchungen zur Beurteilung der Nierenfunktion . . . . . 119
Tumormarker bei Prostatakarzinom
5.4 Labordiagnostik bei Urolithiasis . . . . . . . . 123
PSA (prostataspezifisches Antigen)
5.5 Säure-Basen-Gleichgewicht und Blutgase . . . . . . . . . . 127
Grundlagen
5.6 Anämie . . . . . . . . . . . 128
Definition: Der wichtigste Laborparameter zur Diagnose und Verlaufsbeurteilung des Prostatakarzinoms ist das prostataspezifische Antigen (PSA). PSA ist ein Glykoprotein und wird fast ausschließlich in den Epithelzellen der Prostatadrüse gebildet. Seine Aufgabe ist die Verflüssigung des Ejakulats zur Erhöhung der Spermienmotilität. Kleine Mengen PSA zirkulieren physiologischerweise im Serum, größere Mengen können mit einem Prostatakarzinom, einer benignen Prostatahyperplasie, der akuten Prostatitis oder dem Zustand nach Prostatabiopsie assoziiert sein. Das PSA ist also korrekterweise ein Organmarker und weniger ein Tumormarker. Das Gesamt-PSA (totales PSA, t-PSA) im Serum besteht aus dem an das Plasmaprotein α1Antichymotrypsin gebundenen PSA (komplexiertes PSA) und ungebundenem PSA (freies PSA). Die Aufteilung von Gesamt-PSA in seine beiden Untergruppen und die Korrelation ihrer Konzentration zum zeitlichen Verlauf erhöhen die diagnostische Sensitivität und Spezifität dieses Markers.
Das PSA ist ein Organmarker und weniger ein Tumormarker.
Einteilung t-PSA Normalerweise kommt t-PSA in niedriger Konzentration im Serum vor. Sein altersunabhängiger oberer Normwert liegt bei 쏝 4 ng/ml, ist jedoch vom jeweiligen Testverfahren abhängig. Mit zunehmendem Alter steigt die PSA-Konzentration im Serum an. Somit ist der Normwert von 4 ng/ml eigentlich nicht für alle Altersgruppen gültig und kann bei 70-Jährigen durchaus bei 6,5 ng/ml liegen (Tab. 5.1). Eine dementsprechende Senkung des Referenzbereiches bei unter 50-Jährigen auf 2,5 ng/ml wird kontrovers diskutiert. Zur Vorsorge eines Prostatakarzinoms sollte der PSAWert bei Männern ab dem 50. Lebensjahr bestimmt werden. Liegt eine familiäre Belastung vor, wird die Bestimmung schon ab dem 40. Lebensjahr empfohlen.
Tabelle 5.1 Altersbezogene obere Grenzwerte von prostataspezifischem Antigen (PSA) im Serum Alter (Jahre)
Serum-PSA (ng/ml)
40−49
bis 2,5
50−59
bis 3,5
60−69
bis 4,5
70−79
bis 6,5
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Laborwerte
5.1
5
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5.1 Tumormarker bei Prostatakarzinom Bei einem klinisch asymptomatischen Patienten mit einem t-PSA zwischen 2−4 ng/ml liegt die Inzidenz eines Prostatakarzinoms bei 쏝 15 %. Liegt der PSA-Wert im sog. Graubereich, d. h. bei einem t-PSA zwischen 4−10 ng/ml, steigt die Inzidenz auf bis zu 25 %. Hinter einem t-PSA 쏜 10 ng/ml verbirgt sich (Prostatitis ausgeschlossen) in bis zu 50 % ein Prostatakarzinom.
PSA-Quotient (freies PSA/t-PSA) t-PSA unterteilt sich in freies und gebundenes PSA. Freies PSA steigt bei benigner Prostatahyperplasie relativ stärker an als t-PSA. Das Verhältnis von freiem PSA zu tPSA bezeichnet man als PSA-Quotienten, sein Grenzwert hängt vom jeweiligen Testverfahren ab und liegt zwischen 15−30 %. Ein erniedrigter PSA-Quotient deutet somit eher auf ein malignes Geschehen bei einer Erhöhung des Gesamt-PSA hin. Durch Verwendung des PSA-Quotienten neben dem t-PSA werden 20−60 % unnötiger Prostatabiopsien vermieden.
PSA-Anstiegsgeschwindigkeit
Laborwerte
Beurteilt wird die Veränderung der t-PSA-Konzentration über die Zeit. In der Baltimore Longitudinal Study of Aging wurde gezeigt, dass Unterschiede in der PSA-Anstiegsgeschwindigkeit zwischen Männern mit und ohne Prostatakarzinom bis zu 9 Jahre vor der Diagnosesicherung des Prostatakarzinoms erkennbar sind. Liegt die Anstiegsgeschwindigkeit 쏜 0,75 ng/ml und Jahr, ist die Inzidenz eines Prostatakarzinoms deutlich erhöht. Das Konzept dieser Bestimmung basiert auf 3 Messungen von t-PSA innerhalb von 2 Jahren. Die Formel zur Berechnung lautet:
5
vPSA-Anstieg =
PSA-Anstiegsgeschwindigkeiten 쏜 0,75 ng/ml sind verdächtig auf ein Prostatakarzinom
c −c c −c 1 × PSA2 PSA1 + PSA3 PSA2 Δt1−2 Δt2−3 2
(
)
vPSA-Anstieg: PSA-Anstiegsgeschwindigkeit cPSA1: 1. PSA-Konzentration Δt1−2: Zeitintervall zwischen 1. und 2. PSA-Konzentrationsbestimmung
Über die Indikation zur Prostatabiopsie bei einer PSA-Anstiegsgeschwindigkeit 쏜 0,75 ng/ml und einem t-PSA 쏝 4 ng/ml wird noch diskutiert.
PSA-Verdopplungszeit Die Verdopplungszeit gibt den Zeitraum an, in dem sich die Konzentration von t-PSA verdoppelt. Der theoretische Vorteil der Verdopplungszeit gegenüber der Anstiegsgeschwindigkeit liegt darin, dass die Verdopplungszeit unabhängig von der Höhe des Ausgangs-PSA und unabhängig vom Verfahren ist. Die Formel zur Berechnung lautet:
tPSA-Verdopplung =
log2 × Δt1−2 log cPSA2− log cPSA1
tPSA-Verdopplung: PSA-Verdopplungszeit
Die PSA-Verdopplungszeit hat einen besonders hohen Stellenwert für Patienten nach Radiatio oder operativer Therapie eines Prostatakarzinoms. Verdopplungszeiten 쏝 3 Monaten gelten als prognostisch ungünstig.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Alkalische Phosphatase (AP) Grundlagen Definition: Die alkalische Phosphatase (AP) ist ein zellmembrangebundenes Glykoprotein, das von allen Geweben exprimiert wird. Die im Serum messbare Gesamt-AP besteht aus 4 Isoenzymen, wobei die Leber-AP und die Knochen-AP zu jeweils gleichen Anteilen beim Gesunden über 90 % ausmachen. Die AP kann bei einer Reihe von Erkrankungen erhöht sein (s. tabellarischer Überblick). Für urologische Krankheitsbilder ist jedoch besonders die Knochen-AP zur Erkennung des ossär metastasierten Prostatakarzinoms bedeutsam, denn dieses führt durch seine vornehmlich osteoblastischen Metastasen zu einer Erhöhung der Knochen-AP im Serum. Ihr Grenzwert liegt für gesunde Erwachsene bei 쏝 21,3 ng/ml. Insgesamt ist die Zuverlässigkeit des t-PSA als Staging-Marker geringer als die der Knochen-AP. Es wird angenommen, dass 75 % der Patienten mit einem t-PSA 쏜 100 ng/ml Knochenmetastasen haben, während diese bei einem t-PSA 쏝 20 ng/ml selten sind. Bezug nehmend auf szintigraphisch nachgewiesene Knochenmetastasen, unter Anwendung eines Grenzwertes von 쏜 100 ng/ml für t-PSA und 쏜 19 ng/ml für die Knochen-AP, beträgt die Richtigkeit des t-PSA nur 69,2 %, die der Knochen-AP jedoch 84,6 %.
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Pathologisch erhöhte APWerte gehen meistens mit einer Erkrankung der Leber und Gallenwege bzw. des Knochens einher.
Prostatakarzinompatienten mit einer Knochen-AP 쏜 21,3 ng/ml sollten zur Lokalisation der Knochenmetastasen weiterführend skelettszintigraphisch abgeklärt werden.
Lebererkrankungen Lebererkrankungen sind die häufigste Ursache erhöhter Gesamt-AP-Werte. Bei etwa 60 % dieser Patienten liegt die AP im pathologisch erhöhten Bereich. Differenzialdiagnostische Bedeutungen hat sie im Muster mit den Aminotransferasen (AST, ALT) und der GGT zur Erkennung cholestatischer Zustände. In Relation zur Aktivität der Aminotransferasen ist die AP hoch bei Cholestase und normal oder nur gering erhöht bei fehlender cholestatischer Komponente. Bezogen auf die Isoformen der AP macht die Leber-AP den größten Anteil an der Gesamt-AP aus.
Skeletterkrankungen Bei signifikantem Skelettbefall, wie z. B. bei Morbus Paget oder bei metastatischen Knochenherden, ist die Gesamt-AP ebenfalls erhöht. Die Knochen-AP, ein Isoenzym, hat zur Erkennung und Verlaufsbeurteilung von Knochenerkrankungen einen nahezu gleichen Stellenwert wie Skelettröntgen und die Szintigraphie des Skeletts.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Im tabellarischen Überblick finden sind Erkrankungen aufgeführt, die mit einer Erhöhung der AP im Serum einhergehen. Organ
Erkrankung
1. Leber
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Hepatitis Leberzirrhose Leberabszess Leberzellkarzinom PSC PBC
2. Skelett
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Knochenfraktur Osteoporose Morbus Paget Knochenmetastasen multiples Myelom
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Laborwerte
Einteilung
5
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5.2 Tumormarker bei Hodentumoren
5.2
Tumormarker bei Hodentumoren
Grundlagen Nur 20 % der Seminome bzw. 60 % der Nichtseminome produzieren Tumormarker.
Über 90 % aller Hodentumoren sind Keimzelltumoren, die sich jeweils zur Hälfte auf Seminome und Nichtseminome verteilen. 20 % der Seminome und 60 % der Nichtseminome produzieren die sog. onkofetalen Marker Alphafetoprotein (AFP), humanes Choriongonadotropin (hCG) und/oder das Enzym Laktatdehydrogenase (LDH). Diese 3 Marker spielen eine wichtige Rolle in der Diagnostik, dem Therapieverlauf und der Nachsorge von Hodentumoren. Eine prognostische Einteilung der Ausgangswerte ist in Tab. 5.2 dargestellt. Sind AFP, hCG oder LDH bei palpatorischem und sonographischem Verdacht auf einen Hodentumor erhöht, wird bei histologischer Bestätigung mit anschließender Ablatio testis eine erneute Bestimmung der Marker am 5. postoperativen Tag empfohlen. Aufgrund der kurzen Halbwertszeiten (hCG 쏝 24 h, AFP 쏝 5 Tage, LDH 쏝 5 Tage) sollte sich dann eine deutliche Senkung des Levels zeigen. Ist dies nicht der Fall, muss von Residuen bzw. Metastasen des Primärtumors ausgegangen werden.
Laborwerte
Tabelle 5.2 Prognostische Einteilung für Keimzelltumoren nach der International Germ Cell Consensus Group (IGCCG)
5
Prognose
Nichtseminomatöse Tumoren
Seminome
gut (92 % Überlebensrate)
AFP 쏝 1000 μg/l hCG* 쏝 5000 IU/l LDH 쏝 1,5 × oberer Normalwert
normales AFP jeder LDH- oder hCG-Wert
intermediär (75 % Überlebensrate)
AFP 1000−10 000 μg/l hCG 5000−50 000 IU/l LDH 쏝 1,5−10 × oberer Normalwert
jeder LDH- oder hCG-Wert
schlecht (50 % Überlebensrate)
AFP 쏜 10 000 μg/l hCG 쏜 50 000 IU/ LDH 쏜 10 × oberer Normalwert
entfällt
* gemessen als β-hCG oder hCGβ, siehe Text
Alphafetoprotein Definition: Physiologisch wird Alphafetoprotein (AFP), ein Glykoprotein, während der Schwangerschaft vom Dottersack, dem Gastrointestinaltrakt und von der Leber gebildet. Sein oberer Normwert liegt beim Gesunden 쏝 10 ng/ml. Bei Keimzelltumoren, die als neoplastisches Abbild fetaler Strukturen gesehen werden können, wird AFP hauptsächlich von den Zellen des Dottersacktumors und des embryonalen Karzinoms gebildet. Seminome hingegen produzieren kein AFP. Bei AFP-positiven Hodentumoren spiegelt der zeitliche Konzentrationsabfall im Serum die Menge des entfernten Tumors wieder. Somit sollte beim organbegrenzten Hodentumor die AFP-Konzentration im Serum innerhalb von 5 Tagen wieder in den Referenzbereich sinken. Unter Chemotherapie weisen Patienten mit Halbwertszeiten 쏜 7 Tage nach 2 Zyklen ein signifikant geringeres Gesamtüberleben auf als diejenigen mit normaler AFP-Halbwertszeit.
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Laktatdehydrogenase
119
Humanes Choriongonadotropin Definition: Humanes Choriongonadotropin (hCG), ein Glykoprotein, ist mit dem von der Plazenta gebildeten Schwangerschaftsgonadotropin identisch und besteht aus einer α- und einer β-Proteinkette. Zusätzlich zum regulären Hormon kommen im Serum verschiedene Varianten vor, insbesondere die freie β-Kette. Zur Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Hodentumoren werden sowohl das reguläre Hormon (β-hCG) als auch die freie β-Kette (hCGβ) bestimmt. Die oberen Referenzbereichswerte bei Männern betragen für β-hCG 쏝 5 IU/l und für hCGβ 쏝 0,2 IU/l. Beim Hodentumor werden β-hCG und hCGβ hauptsächlich vom Chorionkarzinom gebildet, sind jedoch nicht für dieses spezifisch. Die Serumkonzentrationen von β-hCG und hCGβ korrelieren mit dem histologischen Befund, somit entspricht ein β-hCG- oder hCGβ-Wert von 10 IU/l etwa 106 Tumorzellen. Die Halbwertszeiten von β-hCG und hCGβ liegen bei 쏝 24 h.
Definition: Die Laktatdehydrogenase (LDH) ist ein Enzym das die Oxidation von Laktat zu Pyruvat unter Verwendung von NAD+ als H+-Akzeptor katalysiert und ist im Zytoplasma aller Zellen lokalisiert. Da die humanen Gewebe 5 unterschiedliche LDH-Isoenzyme enthalten, besteht die im Serum messbare Aktivität aus den Aktivitätsanteilen dieser Isoenzyme. Der obere Normwert der LDH beträgt 쏝 250 U/l. Erhöhungen der LDH werden bei vielen pathologischen Zuständen gefunden, die mit einer Schädigung der Gewebe einhergehen, haben aber auf Grund mangelnder Organspezifität eine nur mäßige differenzialdiagnostische Aussagekraft. Die quantitative Differenzierung der Isoenzyme erlaubt demgegenüber eine organbezogene Diagnostik. Die LDH, insbesondere das Isoenzym LDH-1 ist neben dem AFP und hCG ein Kriterium zum Staging von Hodentumoren, ein Marker der Therapieresponse, der Überlebenszeit und der Überlebensrate. So betrugen in einer 5-Jahres-Studie bei Patienten mit Werten im Referenzbereich die prädiktiven Werte für Überleben für die LDH-1 100 %, für die LDH 81 %, für AFP 75 % und für β-hCG 77 %.
5.3
Untersuchungen zur Beurteilung der Nierenfunktion
Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist der beste Indikator der Nierenfunktion, obwohl die Nieren weitere Funktionen mit regulativer Wirkung auf den Elektrolytund Wasserhaushalt, den Knochen- und Mineralstoffwechsel, die Erythropoese und den Blutdruck ausüben. Gemessen wird die GFR traditionell als die renale Clearance einer bestimmten Substanz vom Plasma. Die GFR ist dasjenige Plasmavolumen, das in einer Minute vollständig von der Substanz befreit wird. Normalerweise sind das beim Gesunden alters- und geschlechtsabhängig 35−180 ml/min/1,73 m2. Beim jungen Menschen kann die GFR 180 ml/min/1,73 m2 betragen, ab dem 50. Lebensjahr nimmt sie physiologischerweise um 13 ml /min/1,73 m2 jede 10 Jahre ab und kann bis auf 35 ml/min/1,73 m2 vermindert sein. Die Bestimmung von Kreatinin und Harnstoff im Serum und von ihnen abgeleitete Parameter wie die Kreatininclearance und prädiktive Formeln werden als indirekte Marker in Routinediagnostik zur Abschätzung der GFR eingesetzt und haben sich bewährt.
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Laborwerte
Laktatdehydrogenase
5
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5.3 Untersuchung zur Beurteilung der Nierenfunktion
Kreatinin Grundlagen Definition: Kreatinin ist ein Stoffwechselprodukt von muskulärem Kreatin und Phosphokreatin. Die Kreatininkonzentration im Serum reflektiert die Muskelmasse einer Person und variiert deshalb nur wenig von Tag zu Tag. Da die Kreatininbildung proportional der Muskelmasse ist, zeigen gesunde Personen, unabhängig von der GFR, alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede im Serumkreatininwert und der Kreatininausscheidung im Harn.
Laborwerte
Einteilung In der Urologie ist die Kreatininbestimmung aus Urin, Wunddrainagen und Zysten wichtig zur Abklärung der Frage nach einer möglichen Leckage der harnableitenden Wege. Ist letzteres der Fall, ist der Kreatininwert höher als im Serum. Sind die Werte vergleichbar, kann es sich um Serum, Lymphe und interstitielle Flüssigkeit oder ein Gemisch dieser Extravasate handeln.
5 Beträgt der Kreatininwert 쏜 1,1 mg/dl, liegt die GFR meistens 쏝 50 %.
Kreatinin im Harn Gesunde Personen bilden täglich etwa 20 mg Kreatinin/kg Körpergewicht. Bei einer Person mit einem Gewicht von 70 kg sind das 1,4 g/Tag, und da in der Regel innerhalb von 24 h etwa 1400 ml Urin ausgeschieden werden, beträgt die mittlere Kreatininkonzentration im Harn 100 mg/dl. Die Kreatininausscheidung im Harn wird, da sie über die Zeit relativ konstant ist, als Bezugssystem zu Beurteilung der renalen Ausscheidung von Substanzen herangezogen, z. B. beim Harnsteinträger zur Beurteilung der Calciumausscheidung im morgendlichen Spontanurin. Auch weist beim Diabetiker eine Albuminurie 쏝 30 mg/g Kreatinin auf eine gut behandelbare Mikroalbuminurie, ein Wert darüber auf eine irreversible glomeruläre Schädigung hin.
Kreatinin im Serum Die Kreatininbestimmung im Serum ist aufgrund der leichten Durchführbarkeit und der geringen Kosten die primäre Untersuchung zur Beurteilung der Nierenfunktion. Sie ist aber nur ein grober Marker zur Beurteilung der GFR, bedingt durch eine hyperbole Funktion zwischen GFR und Serumkreatinin (Abb. 5.1). In Tab. 5.3 ist die Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz nach den Richtlinien der National Kidney Foundation der Vereinigten Staaten von Amerika aufgezeigt. Beim akuten renalen Versagen beruht die Erhöhung des Kreatinins auf einer Verminderung der GFR durch Schädigung der Glomerula. Bei chronisch-progressiver Niereninsuffizienz ist die Abnahme der Anzahl der Glomerula die Ursache. Beim Nierenversagen aufgrund eines multiplen Organversagens (prärenales Nierenversagen) wird im Mittel 9 ± 7 Tage nach dem akuten Ereignis der dialysepflichtige Zustand erreicht bei Kreatininwerten 쏜 8 mg/dl. Innerhalb des Referenzbereiches von 0,4−1,1 mg/dl ist die Kreatininbestimmung insensitiv zur Beurteilung der GFR. Erst eine Einschränkung der GFR auf unter 50 ml/min/1,73 m2 führt zu einem Kreatininwert oberhalb des Referenzbereiches. Der Bereich der GFR von normalen Werten bis zu 50 ml/min/1,73 m2 wird auch als kreatininblinder Bereich bezeichnet. Wesentliche Ursachen der Unempfindlichkeit des Serumkreatinins zur Beurteilung leichter bis mäßiger Einschränkungen der GFR sind die alters- und geschlechtsbedingten Änderungen der Muskelmasse. So können Patienten mit geringer Muskelmasse bei einer GFR von 30 ml/min/1,73 m2 noch einen Kreatininwert am oberen Referenzbereich haben. Das Serumkreatinin ist also ungeeignet zur Erkennung früher Stadien der chronischen Niereninsuffizienz. Diese sind klinisch stumm und nur durch Laboruntersuchungen zu diagnostizieren. Zur Lösung des Problems wird die Bestimmung der Kreatininclearance durchgeführt oder der Serumkreatininwert in eine prädiktive Formel zur Beurteilung der GFR eingesetzt.
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Abb. 5.1 Zusammenhang von Serumkreatinin und glomerulärer Filtrationsrate (GFR). Zwischen dem Serumkreatinin und der GFR besteht eine inverse Korrelation (GFR = U/p × Vμ [ml/min]; U = Urinkonzentration, p = Plasmakonzentration, Vμ = Harnzeitvolumen). Beispiel: Steigt das Kreatinin im Serum (bei konstantem U und Vμ) von 1,0 auf 2,0 mg/dl an, so führt dies zu einer drastischen Einschränkung der GFR um 50 %. Umgekehrt führt es zu einer geringeren Verminderung der GFR um 10 %, wenn das Kreatinin von 5 auf 10 mg/dl ansteigt.
121
Laborwerte
Einteilung
Tabelle 5.3 Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz Stadium
Beschreibung/Definition
GFR
Diagnostische/therapeutische Konsequenzen
1
normale oder erhöhte GFR bei Patienten mit Risikofaktoren wie z. B. Diabetes mellitus oder Bluthochdruck
쏜 90
Untersuchungen auf Proteinurie und Harnsediment zum Screening auf Nierenschädigung, Behandlung der koexistierenden Bedingungen, Reduktion des kardiovaskulären Risikos
2
milde oder frühe Nierenschädigung
89−60
beginnende Entwicklung eines sekundärer Hyperparathyreoidismus, Ermittlung der Progressionsrate (Kreatininclearance, Proteinausscheidung)
3
moderate Nierenfunktionseinschränkung
59−30
Feststellung und Behandlung der Komplikationen erforderlich, z. B. Dyslipoproteinämie, Anämie, sekundärer Hyperparathyreoidismus, linksventrikuläre Hypertrophie
4
schwere Niereninsuffizienz
29−15
Anstieg der Triglyceride, Hyperphosphatämie, metabolische Azidose, Tendenz zur Hyperkaliämie. Patienten zur Dialyse vorbereiten
5
terminale Niereninsuffizienz
쏝 15
Entwicklung einer Azotämie
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5.3 Untersuchung zur Beurteilung der Nierenfunktion
Kreatininclearance (Ccr) Mit der Ccr wird approximativ die GFR im Bereich von 100−30 ml/min bestimmt. Die Ccr ist auf die Körperoberfläche einer 70 kg schweren Person, entsprechend einer Körperoberfläche von 1,73 m2 standardisiert. Ist der Kreatininwert im Serum höher als 2 mg/dl, sollte die Kreatininclearance nicht mehr bestimmt werden, da, bedingt durch eine zunehmende tubuläre Kreatininsekretion und extrarenale Kreatininausscheidung, die GFR mittels der Kreatininclearance systematisch zu hoch bestimmt wird. Die Formel zur Berechnung lautet: Ccr (ml/min/1,73 m2) = U × Uvol × 1,73/s × t × KO
Laborwerte
Ccr: Clearance in ml pro min U: Konzentration von Kreatinin im Urin S: Konzentration von Kreatinin im Serum, Mittelwert aus 2 Proben zu Beginn und dem Ende der Sammelperiode Uvol: Urinmenge pro Sammelzeit t: Sammelzeit in min KO: Körperoberfläche des Patienten
5
Prädiktive Formeln: Nach Empfehlung der American Kidney Foundation und der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie kann durch Einsetzen des Serumkreatininwertes in prädiktive Formeln die GFR berechnet werden und auch eine Beurteilung der GFR im kreatininblinden Bereich ist möglich. In diesen Formeln sind Korrekturfaktoren für Alter und Geschlecht bzw. das Körpergewicht enthalten (Korrekturfaktor für Frauen: 0,742, KG = Körpergewicht, SCr = Serumkreatinin): 왘 Cockcroft-Gault: GFR (ml/min) = (140 − Alter) × (KG in kg) / 72 × SCr (mg/dl) 왘 MDRD (Modification of Diet in renal Disease): GFR (ml/min) / 1,73 m2 = 186,2 × SCr-1,154 × Alter (Jahre)-0,203
Harnstoff Grundlagen Definition: Harnstoff ist das Endprodukt des Protein- und Aminosäurestoffwechsels und wird in der Leber gebildet. Der beim Proteinabbau entstehende Ammoniak wird in den Mitochondrien in Harnstoff umgewandelt (Harnstoffzyklus). Der Erwachsene bildet etwa 16 g Harnstoff täglich, die durch glomeruläre Filtration renal ausgeschieden. Im Wesentlichen bestimmen 3 Faktoren die Konzentration des Harnstoffs im Serum: 왘 die renale Perfusion, 왘 die von Eiweißzufuhr abhängige Harnstoffbildungsrate, 왘 die GFR. Der Referenzbereich des Harnstoffs im Serum bei normaler GFR und einer Proteinzufuhr von 1 g/kg Körpergewicht/Tag mit der Nahrung beträgt 17−43 mg/dl. Aufgrund der Abhängigkeit von der Proteinzufuhr ist die Bestimmung des Harnstoffs nicht geeignet, frühe Stadien der chronischen Niereninsuffizienz zu erkennen. In der Regel werden Konzentration oberhalb des Referenzbereiches erst bei einer Einschränkung der GFR auf etwa 30 ml/min/1,73 m2 gemessen. Somit dient die Bestimmung des Serumharnstoffs der Verlaufsbeurteilung der chronischen Niereninsuffizienz mit deutlicher Einschränkung der GFR sowie der Beurteilung des akuten Nierenversagens. Als Beurteilungskriterium wird nicht die Harnstoffkonzentration, sondern der Harnstoff-Kreatinin-Quotient im Serum, beide Para-
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Einteilung
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Tabelle 5.4 Wertigkeit des Harnstoff-Kreatinin-Quotienten beim akuten Nierenversagen Quotient
Nierenversagen
쏜 40
prärenal, Serumkreatinin normal oder nur leicht erhöht
쏝 25
renal
쏜 25
postrenal, Harnstoff stärker erhöht als Kreatinin
meter gemessen in mg/dl, herangezogen. Beim akuten Nierenversagen erlaubt der Quotient die Differenzierung von renaler, prärenaler und postrenaler Azotämie (Tab. 5.4).
Labordiagnostik bei Urolithiasis
In den westlichen Industrieländern haben Nierensteinträger zu 60−75 % Steine aus Calciumoxalat, 15 % aus Calciumphosphat und 5−10 % sind Uratsteine. Bei Patienten mit den Symptomen einer Urolithiasis sollte immer bestimmt werden: 왘 im Serum Kreatinin, Harnsäure, Calcium und Elektrolyte, 왘 ein Streifentest zur Untersuchung auf Hämaturie und Bakteriurie, 왘 bei Patienten mit rezidivierenden Nierensteinen Untersuchung des 24-h-Urins auf Calcium, Oxalat, Harnsäure, Zystin und Natrium. Die Steinbildung ist das Resultat einer Imbalance zwischen der Löslichkeit von Salzen und ihrer Kristallisation. Deshalb ist die Salzkonzentration im Urin der entscheidende Faktor. Untersuchungen im Serum haben nur ergänzenden Charakter und dienen der Abklärung einer Grunderkrankung. Biochemische Risikofaktoren im Urin für die Nierensteinbildung sind in Tab. 5.5 (S. 124) angegeben.
Häufigkeit von Harnsteinen: 1. Calciumoxalat, 2. Calciumphosphat, 3. Urat.
Hyperkalzurie Grundlagen Definition: Hyperkalzurie ist die vermehrte Ausscheidung von Calcium im Urin. Die Hyperkalzurie ist der häufigste pathologische Befund bei Nierensteinträgern.
Einteilung 4 im Folgenden genannte pathogene Mechanismen der Hyperkalzurie sind für die Bildung calciumhaltiger Nierensteine verantwortlich. 왘 Absorptive Hyperkalzurie: Etwa 50 % der Patienten mit calciumhaltigen Nierensteinen haben eine absorptive Hyperkalzurie. Sie absorbieren intestinal einen größeren Calciumanteil als normal. Dadurch kommt es zu einem leichten Anstieg der Calciumkonzentration im Blut mit konsekutiver Zunahme des glomerulär filtrierten Calciums und einer Suppression der Parathormonsekretion. Als Folge der erhöhten renalen Calciumbelastung und der Parathormonsuppression nimmt die renal-tubuläre Resorption von Calcium ab und eine Hyperkalzurie resultiert. Die absorptive Hyperkalzurie wird durch Calciumbelastung (Zunahme der Calciumausscheidung) oder Calciumentzug (Verminderung der Calciumausscheidung) diagnostiziert.
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Laborwerte
5.4
5
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5.4 Labordiagnostik bei Urolithiasis 왘
왘
왘
Renale Hyperkalzurie: Hier liegt ein Defekt des renal-tublären Mechanismus der Calciumresorption vor. Durch den beständigen Calciumverlust resultiert ein sekundärer Hyperparathyreoidismus mit vermehrter Bildung von 1,25-(OH)2-Vitamin D3. Dieses bewirkt eine verstärkte intestinale Calciumabsorption. Auch bei Calciumentzug, z. B. im Nüchternzustand, liegt eine Hyperkalzurie vor. Resorptive Hyperkalzurie: Die resorptive Hyperkalzurie ist die Folge eines Adenoms der Nebenschilddrüsen mit Ausbildung eines primären Hyperparathryreoidismus. Die exzessive PTH-Synthese verursacht nicht nur eine erhöhte Resorption von Calcium aus dem Skelettsystem, sondern auch die renale Synthese von Calcitriol. Dadurch kommt es zusätzlich zu einer erhöhten intestinalen Calciumabsorption. Bei dieser Form der Hyperkalzurie besteht eine Kombination aus absorptiver und resorptiver Hyperkalzurie. Eine diätetische Calciumeinschränkung führt zu keiner Normalisierung der Calciumausscheidung. Hyperkalzurie und Hypernatriurie: Eine Hyperkalzurie kann durch eine vermehrte Kochsalzzufuhr bedingt sein. Beträgt die Natriumausscheidung 쏜 100 mmol/24 h, so führt jeder weitere Anstieg um 100 mmol zu einer Zunahme der Calciumausscheidung um 1,25 mmol/24 h. Die Natriumausscheidung ist deshalb ein wichtiger Indikator zur Beurteilung des diätetischen Einflusses auf die Calciumausscheidung, denn eine Natriumrestriktion reduziert die Hyperkalziurie.
Laborwerte
Basisdiagnostik
5
Calcium im 24-h-Sammelurin: pathologische Ausscheidung siehe Tab. 5.5. Calcium-Kreatinin-Quotient im Spontanurin mit und ohne Calciumbelastung: Werte für die verschiedenen Hyperkalzurieformen siehe Tab. 5.6.
Tabelle 5.5 Ausscheidungen im 24-h-Sammelurin, die als Risikofaktoren der Harnsteindiathese zu werten sind Parameter
Einheit
Ausscheidung (Männer)
Ausscheidung (Frauen)
Calcium
mg/24 h
쏜 300
쏜 250
Oxalat
mg/24 h
쏜 38
쏜 32
Natrium
mmol/24 h
쏜 250
쏜 250
Harnsäure
mg/24 h
쏜 750
쏜 720
Citrat
mg/24 h
쏝 320
쏝 320
Zystin
mg/24 h
쏜 25
쏜 25
Magnesium
mg/24 h
쏝 56
쏝 56
Tabelle 5.6 Calcium-Kreatinin-Quotient bei Gesunden und Patienten mit absorptiver und resorptiver Hyperkalzurie (HCU) im Calciumabsorptionstest Molares Verhältnis*
Gesunde
Absorptive HCU
Resorptive HCU
A
0,08−0,23
0,16−0,27
0,36−0,64
B
0,27−0,46
0,56−0,98
0,73−0,96
* Molares Verhältnis: A: 2-h-Urin nach Fasten; B: 2-h-Urin nach 1 g Calciumbelastung aus Milch, Brot, Butter und Calciumsirup
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Grundlagen
125
Hyperoxalurie Grundlagen Definition: Unter Hyperoxalurie versteht man die erhöhte Ausscheidung von Oxalsäure im Urin. Die Hyperoxalurie ist aufgrund des niedrigen Löslichkeitsproduktes von Calciumoxalat eine häufige Ursache von Nierensteinen. In 70−80 % der Nierensteine ist Calciumoxalat die wesentliche Komponente. Die Hyperoxalurie kann auf einer Störung des Oxalatmetabolismus oder der verstärkten enteralen Oxalatabsorption beruhen. Eine Hyperoxalurie beginnt bei einer Ausscheidung 쏜 45 mg/24 h, eine milde Hyperoxalurie liegt bis 60 mg/24 h vor, darüber spricht man von einer schweren Hyperoxalurie.
Einteilung Die tägliche Oxalataufnahme mit der Nahrung ist 50−200 mg, kann aber auch bis zu 1000 mg betragen. Oxalatreiche Nahrungsmittel sind z. B. Rhabarber, rote Beete, Spinat, Mandeln, Tofu, Tee und Schokolade. Somit spielt der diätetische Faktor eine entscheidende Rolle in der Bildung einer Hyperoxalurie. Normalerweise wird im Überschuss vorhandenes Oxalat im Dickdarm durch den Anaerobier Oxalobacter degradiert. Man nimmt an, dass eine mangelnde Kolonisation mit diesem Keim eine Ursache von erhöhter Oxalsäureabsorption und damit ein Risikofaktor für Nierensteine sein könnte.
Primäre Hyperoxalurie Die primäre Hyperoxalurie (PH) ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der entweder eine Verminderung der Aktivität von Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase (PH 1) oder eine Mutation im Gen für das zytosolische Multienzym Glycolat-Reduktase/Hydroxypyruvat-Reduktase (PH 2) vorhanden ist. Beide Pathomechanismen führen zu einer vermehrten Bildung von Oxalsäure. Dadurch entsteht in über 50 % der Fälle im Laufe der Zeit eine Funktionseinschränkung der Nieren.
Basisdiagnostik Oxalat im 24-h-Sammelurin: pathologische Ausscheidung siehe Tab. 5.5.
Hyperurikosurie Grundlagen Definition: Unter Hyperurikosurie versteht man die erhöhte Ausscheidung von Harnsäure im Urin. Die Inzidenz der Harnsäuresteine beträgt 20 % in Deutschland. Harnsäure fördert die Bildung von Salzkristallen. Ursachen: 3 im Folgenden genannte wesentliche Faktoren sind für die Bildung von Uratkristallen verantwortlich. 왘 Kontinuierlich saurer Urin: Harnsäure ist eine schwache Säure mit einem aktuellen Urin-pH von 5,35. Bei diesem pH liegt Harnsäure zur Hälfte in ihrer nichtdissoziierten, unlöslichen Form und zur Hälfte als Salz in Form von löslichem Natriumurat vor. Saurer Urin fördert die Bildung von unlöslicher Säure und somit von Uratsteinen. Die Ursache für einen erniedrigen Urin-pH bei Uratsteinträgern
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Laborwerte
Enterale Hyperoxalurie
5
126
5.4 Labordiagnostik bei Urolithiasis
왘
Laborwerte
왘
5
liegt entweder in einer verstärkten H+-Sekretion oder in einer verminderten Pufferkapazität des Urins oder beidem. Eine Hyperurikosurie, die auf einer erhöhten Synthese, einer vermehrten renalen Ausscheidung oder einer Kombination von beidem beruht. Vermindertes Urinvolumen: Oligurie ist ein unabhängiger Risikofaktor der UratNephrolithiasis in Trockengebieten.
Klinische Ursachen der Urat-Nephrolithiasis: 왘 Chronische Durchfallerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn. Gründe sind einerseits der Flüssigkeitsverlust sowie die Ansäurerung des Urins durch den Bicarbonatverlust über den Darm. 왘 Purinreiche Kost: Die übermäßige Aufnahme von tierischem Protein erhöht die Harnsäurelast, senkt den pH und vermindert die Citratkonzentration des Urins. Bei 70 % der Patienten mit Hyperurikosurie beruht diese auf einer erhöhten Purinaufnahme. 왘 Gicht: Die Inzidenz der Uratsteinbildung ist direkt proportional dem Ausmaß der Hyperurikosurie. 왘 Monogene Störungen des Uratmetabolismus (Lesh-Nyhan-Syndrom): Der Defekt des Enzyms Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase kann zu Harnsäurewerten im Serum von über 10 mg/dl und zu einer Ausscheidung im Urin von über 1000 mg/24 h führen. 왘 Urikosurische Substanzen wie z. B. Probenicid, Salicylsäure in hohen Dosen, Röntgenkontrastmittel. 왘 Störungen im Purinmetabolsimus (Adenin-Phosphoribosyl-Transferase-Defizienz): Adenin wird nur zu 2,8-Dihydroxyadenin oxidiert und mit dem Urin ausgeschieden, wo es zur Steinbildung führt. Die Diagnose dieser autosomal-rezessiven Erkrankung erfolgt durch den Nachweis des Enzymmangels in roten Blutzellen.
Basisdiagnostik Harnsäure im 24-h-Sammelurin: pathologische Ausscheidung siehe Tab. 5.5. Harnsäure-Kreatinin-Quotient im Spontanurin: Bei Erwachsenen unter Normalkost weist eine Quotient von größer 0,80 (mg/mg) auf eine Hyperurikosurie hin.
Zystinurie Grundlagen Definition: Zystinurie ist die vermehrte Zystinausscheidung durch die Niere. Die Zystinurie beruht auf einen renalen und intestinalen Transportdefekt der dibasischen Aminosäuren Zystin, Lysin, Ornithin und Arginin. Die fraktionelle Exkretion von Zystin beträgt physiologischerweise 0,4 %. Die tubuläre Resorption von Zystin erfolgt zu 80 % durch ein niedrigaffines, natriumunabhängiges Transportsystem mit hoher Kapazität und zu 20 % durch ein hochaffines System, das ebenfalls andere dibasischen Aminosäuren transportiert. Zystinsteine machen 1−2 % aller Nierensteine aus. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Alter von 30 Jahren. Zystin ist bei einem Urin-pH von 5−7 nahezu unlöslich. Bei steigendem pH nimmt die Zystinlöslichkeit zu und ist bei einem Urin-pH von 8 nahezu 3 fach so hoch wie bei physiologischem pH. Deshalb ist bei Zystinurie eine Urinalkalisierung das therapeutische Ziel.
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Basisdiagnostik
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Einteilung Es werden 3 Typen der Zystinurie unterschieden: 왘 der homozygote Typ mit einer hohen Ausscheidung von Zystin und anderen dibasischen Aminosäuren. Aufgrund eines Fehlens des Proteins rBAT, einem Transportaktivator oder Kotransporter von Zystin, erfolgt eine verminderte renal-tubuläre Resorption. Der homozygote Typ ist zu 90 % klinisch symptomatisch, also ein Steinträger, 왘 die heterozygoten Typen II und III haben zwar eine erhöhte Zystinausscheidung, sind aber nur zu 13 % klinisch symptomatisch.
Basisdiagnostik Labordiagnostisch beweisend für eine Zystinurie sind die hexagonalen Zystinkristalle im Urin. Ebenfalls gibt es chemische Tests wie z. B. den Cyanid-NitroprussidSchnelltest zum qualitativen Nachweis.
Renal-tubuläre Azidose (RTA) Definition: Die renal-tubuläre Azidose (RTA) ist ein klinisches Syndrom, das durch eine hyperchlorämische metabolische Azidose charakterisiert ist. Die RTA ist eine familiäre oder erworbene Erkrankung, bei der die Nieren nicht fähig sind, Urin mit einem pH von 5,5 oder darunter zu bilden. Es besteht eine Assoziation zwischen RTA und Nierensteinbildung. 2 Formen der RTA, die distale renal-tubuläre Azidose (Typ 1) und die hyperkaliämische, distale renal-tubuläre Azidose (Typ 4) sind mit Hyperkalziurie, Nierensteindiathese und Nephrokalzinose verknüpft.
Basisdiagnostik Urin-pH: Ein pH 쏜 6,0 in der ersten Morgenurinprobe beim nüchternen Patienten, der sich bei einer Wiederholungsuntersuchung bestätigt, ist hinweisend auf eine RTA. Voraussetzung ist, dass kein Harnwegsinfekt vorliegt. Furosemid-Test: Zur Bestätigung kann der Furosemid-Test durchgeführt werden. Dabei muss der Patient über Nacht fasten und bekommt am Morgen 40 mg Furosemid oral verabreicht. In 30-minütigen Abständen werden Urinproben gewonnen (bis zu 5 h). Der pH sollte relativ rasch auf 쏝 5,5 fallen. Das ist nicht der Fall bei einer distalen RTA (Typ 4).
5.5
Säure-Basen-Gleichgewicht und Blutgase
Die Aktivität der Enzyme des Organismus wird durch den pH-Wert des Gewebes beeinflusst. Somit ist die Homöostase des pH-Wertes ein wichtiges Regulationsziel des Organismus. Die Lunge als Organ der CO2-Ausscheidung und die Niere als Organ der H+ bzw. HCO3-Ausscheidung sorgen langfristig für eine ausgeglichene H+-Bilanz und somit für einen stabilen pH-Wert im Körper. Um kurzfristige und lokale pHSchwankungen auszugleichen, bedient sich der Organismus der Mechanismen der chemischen Pufferung, die bei Funktionsstörungen zu große pH-Veränderungen verhindert. Als Puffer bezeichnet man Substanzen, die H+- oder OH--Ionen binden oder abgeben und dadurch den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht halten.
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Laborwerte
Grundlagen
5
128
5.6 Anämie Physiologische Puffer sind: 왘 Proteine, 왘 Phosphate, 왘 CO2-Bicarbonat-System. Die wichtigen Kenngrößen des Säure-Basen-Gleichgewichts, der Kohlendioxidentsorgung und der Sauerstoffversorgung werden im Rahmen der Blutgasanalytik gemeinsam im heparinisierten Vollblut ermittelt. Die wichtigsten Kenngrößen, die hierbei bestimmt werden, sind: 왘 pH-Wert, 왘 pCO2, 왘 pO2, 왘 BE (Base excess bzw. Basenabweichung), 왘 Standardbicarbonat (Referenzwerte in Tab. 5.7).
Tabelle 5.7
Referenzbereiche von Parametern des Säure-Basen-Haushaltes
Parameter
Einheit
Blut, venös
7,37−7,45
7,35−7,43
pCO2
mmHg
35−46
37−50
pO2
mmHg
71−104
36−44
Laborwerte
pH
Blut, arteriell
HCO3-
mmol/l
21−26
21−26
Basenabweichung
mmol/l
-2−+3
-2−+3
Standardbicarbonat
mmol/l
21−26
21−26
Gesamt-CO2
mmol/l
23−28
22−29
5
Sauerstoff-Sättigung (SO2)
%
95,0−98,5
70,0−80,0
Klinische Symptome einer metabolischen Azidose: 쐌 Hyperventilation, 쐌 Schwindel, 쐌 Übelkeit, 쐌 Müdigkeit.
In der Urologie kommt der Bestimmung der Basenabweichung bei Harnableitungen eine besondere Rolle zu. Durch die Verwendung von Darmanteilen zur Bildung einer Neoblase bzw. durch die Implantation der Ureteren in den Dickdarm werden saure Valenzen, die normalerweise von Urothel nicht absorbiert und mit dem Urin ausgeschüttet werden, über die Darmschleimhaut resorbiert und dem Körper wieder zugeführt. Dies kann zu einer hyperchlorämischen Azidose führen, die sich in einem Abfall des Standardbicarbonats und einer negativen Basenabweichung abzeichnet. Nach Harnableitungen empfiehlt es sich, 1−2 Tage vor und nach der Entfernung der Harnleiterschienen eine Blutgasanalyse durchzuführen. Bei negativer Basenabweichung sollte der Patient mit Substanzen, die Natrium-Hydrogen-Citrat bzw. Natrium-Hydrogen-Carbonat enthalten, auf einen normwertigen Säure-Basen-Haushalt eingestellt werden.
5.6
Anämie
Grundlagen Definition: Die Verminderung des Hb-Bestandes des Organismus wird als Anämie bezeichnet. Eine Anämie liegt vor, wenn die Erythrozytenmasse reduziert ist und bei Frauen 쏝 17 ml/kg Körpergewicht und bei Männern 쏝 20 ml/kg Körpergewicht beträgt.
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Einteilung Da die Erythozytenmasse nur mit radioaktiven Methoden, also schwierig messbar ist, wird die Bestimmung der Hb-Konzentration in einem definierten Blutvolumen alternativ durchgeführt. Denn die Hb-Konzentration erfasst das Produkt aus Erythrozytenzahl und Hb-Gehalt der Erythrozyten. Eine Abnahme der Erythrozytenmasse bewirkt einen Abfall der Hb-Konzentration und beruht entweder auf einer Verminderung der Erythrozytenzahl oder einer Abnahme des erythrozytären Hb-Gehaltes. Nach Empfehlungen der WHO liegt bei Männern eine Anämie bei einem Hb von 쏝 13 g/dl und bei Frauen von 쏝 12 g/dl vor. In Europa und den USA haben etwa 1 % der erwachsenen Männer und 14 % der erwachsenen Frauen eine Anämie, für Südostasien z. B. sind die Zahlen 40 % und 57 %.
129
Vereinfachte Einteilung der Anämien: 쐌 Akute Blutungsanämie, 쐌 renale Anämie, 쐌 Tumoranämie.
Einteilung Eine Einteilung der Anämien kann erfolgen nach: Pathogenese: Diese Einteilung ist jedoch aufgrund der teils komplexen Mechanismen schwierig. 왘 Erythrozytenmorphologie: − Mikrozytär und hypochrom sind die Eisenmangelanämie und die Thalassämien, − normozytär und normochrom die Anämie chronischer Erkrankungen, auch als Entzündungs- und Tumoranämie bezeichnet, sowie die hämolytischen Anämien, − makrozytäre Anämien sind häufig bei chronischer Lebererkrankung und bei DNS-Synthesestörungen bedingt durch Folsäure oder Vitamin-B12-Mangel. 왘 Regenerativität der Erythropoese: Diese wird durch Bestimmung der Retikulozytenzahl beurteilt: − Die Retikulozytose weist auf eine hyperregenerative Erythropoese hin, wie sie bei Blutungen oder hämolytischem Syndrom auftritt. − Die Retikulozytopenie ist das Zeichen einer hyporegenerative Erythropoese und ist bei der Anämie chronischer Erkrankungen und bei chronischer Niereninsuffizienz die Regel. Hyporegenerative Anämien entstehen oft aufgrund einer inadäquat niedrigen Erythropoetinsynthese. In der Urologie wird der Arzt meistens mit den folgenden 3 Arten der Anämie konfrontiert: Akute Blutungsanämie: Eine akute Anämie durch Blutverlust ist durch den Hämatokritwert, die Erythrozytenzahl und die Hb-Konzentration meist erst nach 24 h zu fassen, da in den ersten Stunden keine kompensatorische Zunahme des Plasmavolumens erfolgt. Bis zu einem Hb-Wert von 7,5 g/dl geschieht die hämodynamische Kompensation allein über die Zunahme des Herzschlagvolumens. Ein Absinken des Hb-Wertes auf bis zu 6,0 g/dl führt unter den Bedingungen der Normovolämie nicht zu einer Steigerung der Morbidität und Mortalität, vorausgesetzt, dass pulmonale und kardiale Begleitrisiken fehlen. Der akute Blutverlust wird durch eine Steigerung der Erythropoese kompensiert. Im Allgemeinen dauert es 3−4 Tage, bis der Hb-Wert im Blut um einen Zähler gestiegen ist. Renale Anämie: Die renale Anämie ist normozytär, normochrom und hyporegenerativ. Im Vordergrund steht eine verminderte Synthese von Erythropoetin mit der toxischen Wirkung harnpflichtiger Substanzen. Beide Faktoren bewirken eine Hypoproliferation der Erythropoese im Knochenmark und sind möglicherweise auch für die leichte Verkürzung der Erythrozytenlebenszeit verantwortlich. Eine renale Anämie tritt ab einer GFR 쏝 40 ml/min bzw. ab einem Serumkreatinin 쏜 1,5 mg/dl auf, da es dann zu einer Abnahme der Erythropoetinbildung kommt. Das ist nicht der Fall bei polyzystischer Nierenerkrankung, bei der die Eryhropoetinbildung erhalten bleibt. Eine Abklärung der Anämie sollte bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz bei einem Hb-Wert von 쏝 11 g/dl erfolgen. Wichtig bei diesen Pa-
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Laborwerte
왘
5
130
5.6 Anämie tienten ist die Abklärung des Eisenhaushalts. Die Therapie der renalen Anämie erfolgt durch Gabe von rekombinanten Erythropoetin (rHuEPO). Zur Kontrolle des Eisenbedarfs unter rHuEPO-Therapie wird der Hb-Gehalt der Retikulozyten bestimmt. Ein Wert 쏜 28 pg spricht für eine ausreichende Eisenversorgung der Erythropoese.
Laborwerte
Tumoranämie: Etwa 50 % der Tumorpatienten haben eine Anämie mit einem mittleren Hb-Wert von 10−11 g/dl. Relativ selten fällt der Hb-Wert 쏝 8 g/dl. Der Bluttransfusionsbedarf liegt bei bis zu 28 %. Die Tumoranämie wird wie die Entzündungsanämie zu den Anämien chronischer Erkrankungen gezählt, und geht, insbesondere bei metastasierten soliden Tumoren, mit einer Erhöhung des Inflammationsmarkers C-reaktives Protein (CRP) einher. Die Synthese von CRP wird durch proinflammatorische Zytokine stimuliert. Bei der Anämie chronischer Erkrankung blockieren proinflammatorische Zytokine die stimulierende Wirkung von Erythropoetin auf die Blutbildung. Zudem kommt es zu einer Störung der Eisenverteilung aufgrund einer zytokininduzierten vermehrten Speicherung von Eisen in den Makrophagen des retikuloendothelialen Systems und einer nicht entsprechend dem Bedarf der Erythropoese angepassten Eisenversorgung. Diesen Zustand bezeichnet man auch als funktionellen Eisenmangel. Labordiagnostisch zeigt das Blutbild eine normozytäre normochrome Anämie, der Serumeisenwert ist vermindert und Ferritin erhöht. Zur Abklärung eines funktionellen Eisenmangels wird die retikulozytäre Hämoglobinkonzentration oder die Konzentration des löslichen Transferrinrezeptors bestimmt.
5
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Zur Differenzierung der Anämien und Feststellung der Ätiogenese wird das kleine Blutbild bestimmt. Es enthält folgende wichtige Parameter, mit denen in etwa 70 % der Fälle eine Anämie abgeklärt werden kann: 왘 Hämoglobinwert zur Beurteilung der Erythrozytenmasse des Organismus, 왘 Hämatokritwert als Maß zur Beurteilung des Erythrozytenanteils am Blutvolumen, 왘 Erythrozytenmorphologie, also das mittlere korpuskuläre Volumen (MCV-Wert) und die mittlere korpuskuläre Hämoglobinmenge (MCH-Wert) zur Einteilung der Anämien in mikrozytär, normozytär und makrozytär sowie in hypochrom und normochrom. Zusätzliche Untersuchungen zur Differenzierung der Anämien sind: Retikulozytenzahl oder -index (RI) als Maß der Effektivität der Erythropoese, 왘 Retikulozyten-Indizes wie der Hb-Gehalt der Retikulozyten zur Beurteilung eines Funktionseisenmangels der Erythropoese, 왘 biochemische Marker des Eisenhaushaltes wie Ferritin zur Beurteilung der Speichereisenreserve und der lösliche Transferrinrezeptor zur Abschätzung des Eisenbedarfs der Erythropoese, 왘 Inflammationsmarker wie das C-reaktive Protein (CRP) zur Erkennung einer entzündungsbedingten Anämie, 왘 Erythropoetin im Serum zur Beurteilung der Stimulation der Erythropoese (z.B beruht bei chronischen Nierenerkrankungen die Anämie auf einer verminderten Erythropoetinbildung). 왘
Literatur Thomas L. Labor und Diagnose. 6. Aufl. Frankfurt: TH-Books Verlag; 2005. Loughlin KR. PSA in Klinik und Praxis. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2004. Hautmann RE, Huland H. Urologie. Heidelberg: Springer Verlag; 2001. Kidney Disease Outcome Quality Initiative. K/DOQI clinical practice guidelines for chronic kidney disease evaluation, classification and stratification. Am J Kidney Dis. 2002;39 (Suppl.2):1−246.
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Renale Hypertonie W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Die arterielle Hypertonie, also das reproduzierbare Vorliegen arterieller Blutdruckwerte über 140/90 mmHg, ist eine in den Industrienationen häufige und in Anbetracht der damit verbundenen, sekundären kardiovaskulären Schädigung medizinisch und sozioökonomisch äußerst relevante Erkrankung. Etwa 25−30 % der Normalbevölkerung, aber bereits 60−70 % des aufgrund der Alterung der Gesellschaft relevanter werdenden Personenkreises über 65 Jahre, sind von der arteriellen Hypertonie betroffen. Die Ätiologie der arteriellen Hypertonie ist multifaktoriell. Für die bei ca. 90 % der Patienten vorliegende sog. primäre Hypertonie konnte zwar mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher, die Entstehung beeinflussender Faktoren identifiziert werden, deren Rolle kann aber im konkreten Einzelfall meist nur als hypothetisch angesehen werden. Nur in den ca. 10 % der sog. sekundären Hypertonien lässt sich ein konkreter Auslöser der Blutdruck(RR)-Steigerung identifizieren. Aufgrund der hier aber dann häufig bestehenden, kausalen Interventionsmöglichkeit bzw. wegen des früheren und schwereren Auftreten von Hochdruckkomplikationen bei renaler Hypertonie im Vergleich zu primärer Hypertonie, ist die diagnostische Identifikation dieser Fälle äußerst wichtig. Die primäre Hypertonie ist eine Ausschlussdiagnose. Im Folgenden wird die häufigste sekundäre Hypertonieform, die renale Hypertonie, näher diskutiert. Bei der renalen Hypertonie werden, je nach Art der zugrunde liegenden Veränderung, unterschieden: 왘 renoparenchymatöse Hypertonie, 왘 renovaskuläre Hypertonie.
6.1
Renoparenchymatöse Hypertonie
Grundlagen
6.1 Renoparenchymatöse Hypertonie . . . . . . . . 131 6.2 Renovaskuläre Hypertonie . . . . . . . . 133
primäre Hypertonie = Ausschlussdiagnose
Sekundäre Hypertonieformen: 쐌 Renale Hypertonie, 쐌 endokrine Hypertonie, 쐌 kardiovaskuläre Hypertonie, 쐌 neurogene Hypertonie, 쐌 Schwangerschaftshypertonie, 쐌 medikamenteninduzierte Hypertonie.
Definition: Durch angeborene oder erworbene, ein- oder doppelseitige Erkrankung des Nierenparenchyms hervorgerufene Hypertonie. Nierenparenchymerkrankungen sind für ca. 5 % aller Hypertonien verantwortlich und stellen damit die häufigste Ursache einer sekundären Hypertonie dar. Ursachen: Sowohl doppel- als auch einseitige Nierenparenchymerkrankungen können mit einer arteriellen Hypertonie einhergehen, deren Häufigkeit mit der Schwere der renalen Funktionsstörung zunimmt. Zwar ist eine eingeschränkte glomeruläre Filtration hierbei keine Voraussetzung für das Auftreten einer arteriellen Hypertonie, nahezu alle Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz weisen aber eine solche auf. Wichtige ein- bzw. doppelseitige renoparenchymatöse Erkrankungen mit möglicher konsekutiver Hypertonie sind in Tab. 6.1 aufgeführt.
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Renale Hypertonie
6
6
132
6.1 Renoparenchymatöse Hypertonie
Renale Hypertonie
Tabelle 6.1
6
Bei lange bestehender Hypertonie ist häufig eine Unterscheidung zwischen primärer Hypertonie mit nachfolgender Niereninsuffizienz (Nephrosklerose) und doppelseitiger Nierenschädigung mit sekundärer Hypertonie nicht mehr möglich, für das therapeutische Procedere einer aggressiven medikamentösen RR-Einstellung aber auch nicht erforderlich.
Parenchymatöse Nierenerkrankungen als Auslöser sekundärer Hypertonie
Einseitig
Doppelseitig
Hydronephrose
Glomerulonephritis
kongenitale, globale/ segmentale Hypoplasie
beidseitige, obstruktive bzw. refluxbedingte Nephropathie
vesikoureteraler Reflux/ chronische Pyelonephritis
diabetische Glomerulosklerose
Strahlennephritis
polyzystische Nierendegeneration
traumatische Atrophie (Page-Niere)
Systemerkrankungen mit renaler Beteiligung (z. B. systemischer Lupus erythematosus, Polyarteritis nodosa, Sklerodermie, Wegener Granulomatose, Goodpasture-Syndrom, thrombotisch-thrombozyopenische Purpura)
einfache Nierenzyste
Analgetikanephropathie
Pathogenese: Für das Entstehen einer renoparenchymatösen Hypertonie beim Vorliegen der o.g. ein- bzw. doppelseitigen Parenchymerkrankungen werden folgende pathogenetische Mechanismen verantwortlich gemacht: 왘 Retention von Natrium und Wasser als Folge der Niereninsuffizienz mit konsekutiver Erhöhung des intravasalen Volumens (Volumenhochdruck), 왘 Verminderung der renoparenchymatösen Perfusion, z. B. durch Gefäßrarefizierung und -kompression im Rahmen fibrotischer Entzündungsprozesse oder interne (Hydronephrose) bzw. externe (Hämatom) Parenchymkompression mit nachfolgender Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), 왘 verminderte Bildung vasodilatatorischer Mediatoren (Kinine, Prostaglandine) in der geschädigten Niere, 왘 Erythropoetintherapie bei niereninsuffizienten Patienten. Die als Folge der genannten Veränderungen sich ausbildende Steigerung des systemischen und nachfolgend auch des intraglomerulären RR stellt ihrerseits wieder einen bedeutenden Progressionsfaktor der zugrunde liegenden Nierenschädigung im Sinne eines Circulus vitiosus dar, was die Notwendigkeit zu rascher diagnostischer Abklärung bzw. therapeutischer Intervention unterstreicht.
Basisdiagnostik Basisdiagnostik: 쐌 Urinanalyse, 쐌 Bestimmung der harnpflichtigen Substanzen, 쐌 Sonographie.
Abgeleitet von den o.g. zugrunde liegenden Erkrankungen kann mit einfachen und nahezu überall verfügbaren diagnostischen Mitteln der Verdacht auf das Vorliegen einer renoparenchymatösen Hypertonie im Rahmen einer Hypertonieabklärung geäußert werden. Auffällige Befunde der Urinanalyse wie Proteinurie, Hämaturie, Leukozyturie, Zylindrurie oder Bakteriurie bzw. der harnpflichtigen Substanzen im Serum lenken den Verdacht in die entsprechende Richtung. Beide können aber auch, gerade bei den einseitigen Formen mit Kompensation der Gesamtnierenfunktion durch die gesunde Gegenseite, unauffällig ausfallen. Richtungsweisende Befunde wie eine Seitendifferenz der Nierengröße 쏜 1,5 cm sowie morphologische Auffälligkeiten (Hydronephrose, Narben, Parenchymverschmälerung) liefert hier die Sonographie.
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Grundlagen
133
Diagnostisches Vorgehen, tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen und Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Siehe im Folgenden Kapitel auf den S. 137 f.
6.2
Renovaskuläre Hypertonie
Grundlagen
Ursachen: Anhand radiologischer sowie pathophysiologischer Kriterien lassen sich die in Tab. 6.2 genannten beiden wesentlichen Ursachen der renovaskulären Hypertonie differenzieren. Die arteriosklerotisch bedingte Nierenarterienstenose ist für bis zu 90 % der renovaskulären Hypertonien verantwortlich. Sie findet sich vorwiegend im proximalen Drittel der Nierenarterie, ein- oder beidseitig, ist entsprechend den zugrunde liegenden, allgemeinen arteriosklerotischen Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Rauchen, Diabetes mellitus, Dyslipoproteinämie) häufig mit arteriosklerotischen Veränderungen in anderen Gefäßabschnitten (in 80−85 % der Fälle) vergesellschaftet und zeigt wie diese eine Häufung des Auftretens bei älteren Männern. Da die arteriosklerotische Nierenarterienstenose sowohl Ursache als auch Folge einer arteriellen Hypertonie sein kann, zeigt sie, zumal bei ausbleibender oder unzureichender Therapie, eine deutliche Progressionstendenz.
Ca. 17 % der betroffenen Gefäße verschließen sich im Verlauf von 3−4 Jahren komplett mit nachfolgender Ausbildung von Schrumpfniere und Niereninsuffizienz.
Tabelle 6.2 Ursachen der renovaskulären Hypertonie und ihre wichtigsten Eigenschaften und Unterscheidungsmerkmale Ursache
Eigenschaften
Arteriosklerose
쐌 쐌 쐌 쐌
fibromuskuläre Dysplasie
쐌 Häufigkeit ca. 10 % 쐌 mittlere und periphere Gefäßabschnitte, vorwiegend rechts 쐌 Ätiologie unklar 쐌 vorwiegend bei jüngeren Frauen (35−45 J.)
seltene Ursachen
쐌 쐌 쐌 쐌
Häufigkeit ca. 90 % proximale Gefäßabschnitte, in 28 % bds. allg. Risikofaktoren der Arteriosklerose vorwiegend bei älteren Männern
Häufigkeit 쏝 1 % Arteriitiden Aneurysmata von Aorta bzw. A. renalis Kompression der A. renalis von außen (Tumoren, Zysten) 쐌 Nierenarterienembolie (VHF)
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Renale Hypertonie
Definition: Durch Einengung einer oder mehrerer Nierenarterien hervorgerufene und durch Beseitigung derselben potenziell heil- bzw. besserbare Hypertonie. Eine renovaskuläre Genese liegt bei 1−4 % der Hochdruckpatienten vor. Bei Patienten mit schwerer Hypertonie bzw. mit therapieresistentem Hochdruck liegt die Prävalenz mit 5−12 % allerdings deutlich höher, bei Patienten mit KHK bzw. pAVK findet man sogar in bis zu 30 % eine begleitende Nierenarterienstenose.
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6.2 Renovaskuläre Hypertonie Bei ca. 10 % der Fälle von renovaskulärer Hypertonie findet sich ursächlich eine fibromuskuläre Dysplasie. Sie betrifft meist die mittleren und peripheren Abschnitte der vorwiegend rechtsseitigen Nierenarterie bis in die Segmentarterien, findet sich besonders bei jüngeren Frauen zwischen 35 und 45 Jahren und ist ätiologisch unklar. Besonders bei Befall der medialen Wandabschnitte findet sich z. T. eine rasche Progredienz. Neben der möglichen Ausbildung einer renovaskulären Hypertonie können Thrombosierungen in poststenotischen Aneurysmata sowie spontane Gefäßdissektionen zum kompletten, akuten Gefäßverschluss führen.
Renale Hypertonie
Bedingt durch die unregelmäßige Verdickung der Media findet sich in der Nierenangiographie typischerweise eine perlschnurartige Einengung des Gefäßlumens.
Pathogenese: Bei mehr als 50−70 %iger Lumeneinengung der A. renalis oder einer ihrer Verzweigungen kommt es durch die Minderperfusion im abhängigen Parenchym, vermittelt über Barorezeptoren im Bereich der Macula densa, zur gesteigerten Reninfreisetzung aus Zellen des juxtaglomerulären Apparates und damit zur Aktivierung des RAAS. Die RR-Steigerung ist dann Folge der durch Angiotensin II vermittelten, generalisierten Vasokonstriktion mit Steigerung des totalen peripheren Widerstandes sowie der durch Angiotensin II und Aldosteron vermittelten Natrium- und Wasserretention im proximalen Tubulus- bzw. Sammelrohrsystem. Medikamentöse Interventionen mit dem Ziel der Unterdrückung der Angiotensin-IIBildung (ACE-Hemmer) bzw. -wirkung (AT1-Antagonisten) können einerseits zu einer effektiven Senkung der renovaskulären Hypertonie führen. Über die Aufhebung der durch Angiotensin II vermittelten Vasokonstriktion am Vas efferens und damit der kompensatorischen Erhöhung von intraglomerulärem Kapillardruck und Filtrationsleistung können sie aber auch bei beidseitiger Nierenarterienstenose ein akutes Nierenversagen auslösen. Besonders gefährlich ist hierbei die Kombination mit NSAID, welche durch eine Aufhebung der prostaglandinvermittelten Vasodilatation am Vas afferens zu einer weiteren Senkung der Filtrationsleistung führen. Eine länger bestehende, hochgradige Nierenarterienstenose führt zur Ausbildung einer Schrumpfniere (ischämische Nephropathie) und bei beidseitiger Stenose zur Entwicklung einer Niereninsuffizienz. Bei 22 % der älteren Patienten mit neu aufgetretener, terminaler Niereninsuffizienz ist eine renovaskuläre Erkrankung zumindest mitursächlich.
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Basisdiagnostik
Eine beidseitige Nierenarterienstenose stellt eine Kontraindikation des Einsatzes von ACE-Hemmern bzw. AT1Antagonisten dar.
Anamnese: Auftreten einer Hypertonie vor dem 30. Lebensjahr mit diastolischen RR-Werten 쏜 110 mmHg, 왘 erstmaliges Auftreten einer Hypertonie nach dem 60. Lebensjahr, 왘 rasche Verschlechterung einer bestehenden sowie therapieresistente Hypertonie, 왘 überschießender RR-Abfall unter ACE-Hemmer bzw. AT1-Antagonist, 왘 fehlende nächtliche RR-Absenkung. 왘
Klinik: 왘 Akute Erhöhung des Serumkreatinins ohne andere Ursache oder nach ACE-Hemmer-Einnahme, 왘 stimuliertes RAAS mit hypokaliämischer, metabolischer Alkalose, 왘 periumbilikal auskultierbares Gefäßgeräusch (bei 30−40 % der Patienten), 왘 sonographischer Größenunterschied der Nieren. Beim Vorliegen der o.g. anamnestischen bzw. klinischen Hinweise muss im Rahmen der Hypertonieabklärung an das Vorliegen einer renovaskulären Hypertonie gedacht werden. Keiner dieser Befunde ist jedoch pathognomonisch. Sie dienen lediglich dazu, den Kreis der Patienten, die einer weiterführenden Diagnostik zugeführt werden müssen, einzuengen. Zu weiterer Eingrenzung bzw. definitivem Nachweis werden die folgenden nicht- bzw. wenig invasiven Screeningverfahren eingesetzt, wobei für keines eine eindeutige Überlegenheit über die anderen nachgewiesen ist und der Einsatz im Wesentlichen von der Präferenz des Untersuchers abhängt:
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Basisdiagnostik
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Duplexsonographie: 왘 Darstellung von Lokalisation und hämodynamischer Relevanz einer Stenose, 왘 schonendstes Verfahren, jedoch in der Aussagekraft stark abhängig von Untersucher (Erfahrung) und Patient (Adipositas, Darmgasüberlagerung), 왘 die Strömungsanalyse in der Stenose bzw. poststenotisch hat die Etablierung der in Tab. 6.3 genannten Kriterien bzw. Indizes für das Vorliegen einer hämodynamisch wirksamen Stenose ermöglicht. Tabelle 6.3 Duplexsonographische Kriterien für das Vorliegen einer Nierenarterienstenose (nach Lenz u. Gossmann 2003) Messung
Kriterien
쐌 Verbreiterung des Frequenzbandes des Doppler-Signals direkt (in der Stenose gemessen) 쐌 Steigerung der systolischen Spitzengeschwindigkeit: absolut 쏜1,8 m/s, relativ 쏜 3,5-fach vs. Aorta 쐌 Pulsatilitätsindex: Vmax.syst. − Venddiast./Vmittel indirekt (poststenotisch gemessen) 쐌 Seitendifferenz 욷 0,12 mit Abfall auf der stenosierten Seite
Vmax.syst.: maximale systolische Flussgeschwindigkeit (poststenotisch) Venddiastol.: endiastolische Flussgeschwindigkeit (poststenotisch) Vmittel: mittlere Flussgeschwindigkeit zw. Systole und Diastole (poststenotisch)
Spiral-CT-Angiographie: Darstellung der Nierenarterien bei normaler Nierenfunktion, 왘 Gefahr der durch jodhaltiges Kontrastmittel induzierten Nephropathie. 왘
MR-Angiographie: 왘 Darstellung der Nierenarterien (Abb. 6.1), 왘 Messung funktioneller Parameter wie renaler Blutfluss und GFR ohne jodhaltiges Kontrastmittel bzw. Strahlenbelastung auch bei Niereninsuffizienz, 왘 Einschränkung der Anwendung bei Metallimplantaten bzw. Adipositas per magna.
Cave: Keine Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel bei eingeschränkter Nierenfunktion!
Abb. 6.1 NMR-Darstellung einer Nierenarterienstenose. Proximale Stenose der rechten A. renalis (씮) in einer NMR-Angiographie mit koronarer Rekonstruktion (mit freundl. Genehmigung von Dr. C. Dechow, PD Dr. M. Düx, RZI, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt/M.).
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Renale Hypertonie
쐌 Resistenceindex: Vmax.syst. − Venddiast./Vmax.syst. 쐌 Seitendifferenz 쏜 5 % mit Abfall auf stenosierter Seite
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6.2 Renovaskuläre Hypertonie Plasmareninaktivität: 왘 Basal gesteigert bei 50−80 % der Patienten mit renovaskulärer Hypertonie, 왘 überschießender Anstieg nach Applikation eines rasch wirksamen ACE-Hemmers durch Wegfall des negativen Feedbacks des hohen Angiotensin-II-Spiegels (Captopril-Test), 왘 keine Seitenlokalisation. Isotopennephrographie: 왘 Seitengetrennte Beurteilung der Nierenclearance nach Applikation eines Markers der glomerulären Filtration (99 mTc-DTPA), 왘 nach Gabe eines ACE-Hemmers kommt es bei relevanter Nierenarterienstenose in der betroffenen Niere zu einem starken Clearanceabfall, 왘 ungeeignet bei chronischer Niereninsuffizienz mit Serumkreatinin 쏜 2 mg/dl sowie hochgradiger Stenose.
Renale Hypertonie
In Abhängigkeit von den erhobenen Befunden werden die Patienten anschließend dem Goldstandard der Diagnostik, der selektiven Nierenarterienangiographie in DSATechnik zugeführt (Abb. 6.2 a). Im Rahmen des zwar invasiven, mit gewissen Risiken
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a
b Abb. 6.2 a u. b Proximale Nierenarterienstenose. Darstellung der gleichen, proximalen Nierenarterienstenose wie in Abb. 6.1 mittels Angiographie in DSA-Technik. Die in (a) dargestellte Stenose (씮) ist nach interventioneller Dilatation und Stenteinlage nicht mehr nachweisbar (b) (mit freundl. Genehmigung von Dr. C. Dechow, PD Dr. M. Düx, RZI, Krankenhaus Nordwest, Frankfurt/M.).
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen verbundenen und relativ teuren Eingriffes kann dann aber auch bei Nachweis einer relevanten Stenose in gleicher Sitzung die Therapie mittels Angioplastie bzw. Stentimplantation erfolgen (Abb. 6.2 b). Im Gegensatz zu anderen essenziellen oder auch sekundären Hypertonieformen kann die renovaskuläre Hypertonie hierdurch nicht nur therapiert, sondern prinzipiell geheilt werden. Zur Beurteilung der hämodynamischen Relevanz einer Stenose und damit der Wahrscheinlichkeit der Besserung der arteriellen Hypertonie nach Intervention können folgende Kriterien herangezogen werden: 왘 angiographisch gemessener Druckgradient entlang der Stenose mind. 20−30 %, 왘 Ausmaß der Lumeneinengung mind. 50−70 %, 왘 Abfall der GFR nach Captoprilgabe im Isotopennephrogramm, 왘 Nachweis einer Schrumpfniere mit Differenz zum Longitudinaldurchmesser der Gegenseite von mind. 1,5 cm, 왘 Lateralisierung der Reninsekretion bei seitengetrennter Bestimmung; aufgrund der Invasivität bei fehlender Möglichkeit zur gleichzeitigen therapeutischen Intervention spielt die seitengetrennte Reninabnahme im Nierenvenenblut im Rahmen der o.g. Screeningverfahren keine bedeutende Rolle; zum Nachweis der endokrinen Aktivität vor operativer Entfernung einer Schrumpfniere kann sie jedoch von Nutzen sein.
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Das verlässlichste Kriterium für die funktionelle Relevanz einer Nierenarterienstenose ist die anhaltende RR-Senkung bzw. -normalisierung nach Beseitigung der Enge.
Wichtigstes Ziel der Hypertonieabklärung muss sein, die zahlenmäßig wenigen, aber potenziell teilweise kurativ therapierbaren Patienten mit sekundären Hypertonieformen aus der großen Masse der Patienten mit primärer und meist nur symptomatisch behandelbaren Hypertonie zu selektieren. Nicht jeder Hypertoniker kann, alleine schon aus ökonomischen Gesichtspunkten, einer kompletten Abklärung aller möglichen Hypertonieursachen unterzogen werden. Abb. 6.3 zeigt beispielhaft ein mögliches, vor allem auch kosteneffektives, diagnostisches Vorgehen zur Eingrenzung von Patienten mit Verdacht auf renale Hypertonie.
Wichtigstes Ziel bei der Hypertonieabklärung: Identifizierung der Patienten mit sekundären Hypertonieformen.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. primäre Hypertonie 2. endokrine Hypertonie
쐌 쐌 쐌 쐌
3. kardiovaskuläre Hypertonie
쐌 Aortenisthmusstenose 쐌 Aortenklappeninsuffizienz 쐌 Schlafapnoesyndrom
4. neurogene Hypertonie
쐌 intrakranielle Drucksteigerung
Phäochromozytom Cushing-Syndrom Conn-Syndrom Hyperthyreose
5. Schwangerschaftshypertonie 6. medikamenteninduzierte Hypertonie
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Kontrazeptiva Sympatomimetika Parasympatolytika Corticoide Schilddrüsenhormone Drogen
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Renale Hypertonie
Diagnostisches Vorgehen
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6.2 Renovaskuläre Hypertonie
Renale Hypertonie
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6 Abb. 6.3 Flussdiagramm zur Eingrenzung von Patienten mit renaler Hypertonie. Bei Bestehen bestimmter anamnestischer Voraussetzungen werden die Patienten einer einfachen Basisdiagnostik zugeführt. Ergeben sich Hinweise für renoparenchymatöse Schädigung, erfolgt die weitere Differenzierung und ggf. kausale bzw. symptomatische Therapie. Bei diagnostischem bzw. anamnestischem Verdacht auf eine renovaskuläre Genese wird nach Bestätigung durch ein Screeningverfahren die angiographische Intervention angestrebt.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Die klinisch wichtigsten, differenzialdiagnostisch von der renalen Hypertonie abzugrenzenden, sekundären Hypertonieformen seien im Folgenden kurz besprochen. Auch hier sollte anhand relativ einfacher, klinischer bzw. laborchemischer Hinweise das Stellen einer entsprechenden Verdachtsdiagnose möglich sein und deren Bestätigung dann durch gezielten Einsatz weiterer Diagnostik gesucht werden. Auch hier ist eine frühzeitige Erkennung prognostisch ebenso wichtig wie bei der renalen Hypertonie.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Phäochromozytom Ursache: Meist gutartige (Entartungsrisiko 15−25 %), katecholaminproduzierende Tumoren aus chromaffinen Zellen neuroektodermalen Ursprungs des Nebennierenmarks (80−85 %) sowie der Ganglien des sympathischen Nervensystems (10−15 %, Paragangliome); gehäuftes Auftreten im Rahmen von Phakomatosen (Neurofibromatose, Hippel-Lindau-Syndrom) bzw. der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN Typ II: Kombination mit medullärem Schilddrüsenkarzinom und prim. Hyperparathyreoidismus), jedoch entstehen 90 % sporadisch (Mundschenk et al. 2001). Anamnese/Klinik: Die Verdachtsdiagnose eines Phäochromozytoms muss bei Vorliegen der Trias Kopfschmerzen, starkes Schwitzen und Tachykardien bei gleichzeitig bestehender paroxysmaler bzw. persistierender Hypertonie (90 %) mit hypertensiven Krisen geäußert werden. Die Prävalenz unter Hypertonikern beträgt 0,1−0,5 %. Symptomentrias: 쐌 Kopfschmerz, 쐌 starkes Schwitzen, 쐌 Tachykardie.
Basisdiagnostik: 쐌 Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin (bzw. ihrer Abbauprodukte wie Vanillinmandelsäure, Metanephrin oder Normetanephrin) im 24-h-Sammelurin, 쐌 Clonidintest (die clonidinvermittelte Hemmung der sympatikotonen Katecholaminfreisetzung ist bei Phäochromozytom aufgehoben). Lokalisationsdiagnostik: 쐌 Sonographie, Abdomen-CT bzw. -MRT, 쐌 123I-MIBG-Szintigraphie.
Bei jedem Phäochromozytom ist eine molekularbiologische Diagnostik auf das Vorliegen eines MEN-Typ-II-Syndroms dringend indiziert.
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Cushing-Syndrom Ursache: Alle Zustände pathologisch vermehrter Cortisolwirkung, einschließlich der medikamentösen; abgesehen von medikamentösen Formen seltene Erkrankung auf dem Boden eines Hypophysenadenoms (70−80 %), eines cortisolproduzierenden Nebennieren(NN)-Tumors (10−20 %), einer bilateralen NN-Hyperplasie bzw. einer ektopen ACTH-Produktion (10 %, z. B. paraneoplastisch beim SCLC); im Kindesalter dominieren mit ca. 50 % die NN-Karzinome. Anamnese/Klinik: Im Vordergrund der Symptomatik stehen: Hypertonie (80 %), 왘 Stammfettsucht, 왘 Vollmondgesicht, 왘 Striae rubrae, 왘 Zeichen des Hypogonadismus, 왘 Muskelschwäche, 왘 diabetische Stoffwechsellage. 왘
Renale Hypertonie
Diagnostik
Leitsymptom der ektopen ACTH-Produktion ist eine Hyperpigmentierung.
Diagnostik Basisdiagnostik: 쐌 Dexamethason-Kurztest: ausbleibende Suppression des Serumcortisol 쏝 2 μg/dl nach 2 mg Dexamethason.
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6.2 Renovaskuläre Hypertonie
Bestätigungsdiagnostik: 쐌 Cortisolbestimmung im 24-h-Sammelurin, 쐌 Dexamethason-Langtest: ausbleibende Suppression des Serumcortisol 쏝 2 μg/dl nach 4 × 0,5 mg Dexamethason über 2 d, 쐌 CRH-Stimulationstest bzw. Bestimmung der ACTH-Plasmakonzentration. Lokalisationsdiagnostik: 쐌 Sonographie, 쐌 Schädel-/Abdomen-CT bzw. -MRT.
Conn-Syndrom/primärer Hyperaldosteronismus Ursache: Alle Formen der primär gesteigerten Aldosteronproduktion mit konsekutiver Reninsuppression meist auf dem Boden eines NNR-Adenoms (70 %) bzw. einer bilateralen NNR-Hyperplasie (20−30 %).
Renale Hypertonie
Anamnese/Klinik: Leitsymptome sind die Hypertonie sowie die Hypokaliämie, letztere mit z. B. Muskelschwäche, Polyurie und Parästhesien. Die Inzidenz des ConnSyndroms bei Hypertonikern liegt bei 0,5−1 %.
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Leitsymptome: 쐌 Hypertonie, 쐌 Hypokaliämie, 쐌 Muskelschwäche, 쐌 Polyurie, 쐌 Parästhesien.
Diagnostik Basisdiagnostik: 쐌 Elektrolytbestimmung im Serum und Sammelurin sowie BGA (Hypokaliämie, Hypernatriämie, Hyperkaliurie, metabolische Alkalose) Bestätigungsdiagnostik: 쐌 Erhöhte Aldosteron- sowie erniedrigte, nicht durch Orthostase stimulierbare Reninaktivität im Plasma. Lokalisationsdiagnostik: 쐌 Sonographie, 쐌 Abdomen-CT bzw. MRT.
Literatur Lenz T, Gossmann J. Renovaskuläre Hypertonie und ischämische Nephropathie. In: Geiger H, Jonas D, Lenz T, eds. Nierenerkrankungen. Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. 1. Aufl. Stuttgart: Schattauer Verlag; 2002. Mundschenk J et al. Phäochromozytom. Dt. Ärztebl. 2001;98:A2502−10.
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7.1
7.1 Stumme Niere . . . . . 141
Röntgen- und Sonographiebefunde
7.2 Harnstauungsniere . . 144 7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen . . . . . . . 154 7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen . . . . . . 170
Stumme Niere R. Gillitzer, S. J. Petry
Grundlagen
7.5 Retrogrades Urethrogramm (RUG) . . . . . 183 7.6 Miktionszystourethrogramm (MCU) . . . . . 186
Definition: Als „stumme Niere“ wird die im Rahmen eines intravenösen Pyelogramms (IVP) oder einer Computertomographie fehlende röntgenologische Darstellung der Niere nach intravenöser Kontrastmittel(KM)-Gabe definiert. Dabei handelt es sich prinzipiell um einen einseitigen Befund, da sich bei beidseitigen Erkrankungen im Stadium der chronischen Niereninsuffizienz eine intravenöse Kontrastmittelgabe (IVP, CT) verbietet. Leitsymptome: Die Symptombandbreite reicht von der akuten Kolik über unspezifische Beschwerden bis zur absoluten Beschwerdefreiheit (Zufallsbefund).
Leitsymptome: 쐌 Flankenschmerz, 쐌 Hämaturie, 쐌 Proteinurie, 쐌 Hypotonie/Hypertonie, 쐌 uncharakteristisch (z. B. Unwohlsein, Oberbauchbeschwerden, Völlegefühl), 쐌 Zufallsbefund.
Da die Funktion der ausgefallenen Niere in der Regel von der kontralateralen gesunden Niere kompensiert wird, kommt es bei einem chronischen Funktionsausfall einer Niere meistens zu keinen nennenswerten laborchemischen oder klinischen Veränderungen.
Symptomatik und Krankheitsverlauf stehen in enger Beziehung zueinander. Meistens sind akute Ereignisse mit Flankensymptomatik verbunden, während chronische Erkrankungen sich eher durch unspezifische Beschwerden äußern oder symptomlos bleiben.
Ursachen: Eine „stumme Niere“ wird durch die stark verminderte oder fehlende glomeruläre Filtration von Röntgenkontrastmittel verursacht. Diese beruht auf einer einseitigen Einschränkung der Nierenfunktion, die vorübergehend oder permanent sein kann.
Einteilung Eine „stumme Niere“ hat eine Vielfalt möglicher Ursachen: Prärenal: Die Ursache liegt in dem der Niere vor- oder nachgeschalteten Kreislauf- und Gefäßsystem: − Nierenarterienabriss; Nierenarterienstenose; Nierenarterienverschluss, − Nierenvenenthrombose, − extreme arterielle Hypotension. 왘 Renal (intrarenal): Die Ursache liegt in einer primär parenchymatösen Erkrankung, die häufiger beide Nieren gleichzeitig betrifft. Der Funktionsausfall der einzelnen Niere kann unterschiedlich schwer ausgeprägt sein: − Nierenparenchymschaden (angeboren: z. B. Nierendysplasie, multizystische Niere; erworben: z. B. Refluxnephropathie). 왘
Bei einer vorgeschädigten Niere (z. B. durch Nierenarterienstenose) kann es bereits bei mäßigem Blutdruckabfall infolge der verminderten Nierenperfusion zu einer temporären oder langzeitigen Reduktion der glomerulären Filtrationsrate kommen, sodass die Niere „stumm“ bleibt.
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Röntgen- und Sonographiebefunde
7
7
Röntgen- und Sonographiebefunde
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7.1 Stumme Niere
Der Begriff „stumme Niere“ ist zeitlich gebunden. Eine „stumme Niere“ im IVP (Aufnahmen 7 und 14 Minuten nach intravenöser Kontrastmittelgabe) kann sich verspätet mehrere Stunden nach Kontrastmittelgabe im Parenchym in der sog. „nephrographischen Phase“ anfärben und Kontrastmittel in das Hohlsystem ausscheiden. Beim Vorliegen einer „stummen Niere“ sollten daher weitere Bilder in mehrstündlichen Abständen bis zu 24 Stunden durchgeführt werden. Nicht selten sind allein diese Spätaufnahmen für eine exakte Lokalisation einer Obstruktion der oberen Harnwege ausschlaggebend.
왘
Postrenal: Die Ursache liegt in einer Obstruktion der ableitenden Harnwege. Die Obstruktion kann dabei auf jeder Ebene der harnableitenden Wege auftreten, vom Nierentubulus bis zum Meatus urethrae externus. Postrenale Störungen sind die häufigste urologische Ursache für das Bild der „stummen Niere“.
Besonderheiten Das IVP liefert vorwiegend morphologische Daten von Niere und ableitenden Harnwegen. Funktionell beschreibt der Befund einer „stummen Niere“ das momentane Defizit der Niere, Kontrastmittel auszuscheiden bzw. zeitgerecht auszuscheiden. Häufig ist bei postrenalen Obstruktionen die Kontrastmittelausscheidung verzögert, auch noch nach Stunden (Spätaufnahmen!), nachweisbar. Eine spezifische Information über die Nierenfunktion kann das IVP darüber hinaus nicht vermitteln. Eine „stumme Niere“ im IVP ist nur bei postrenalen Obstruktionen mit einer Harnstauung vergesellschaftet, während diese bei vaskulären Ursachen (z. B. fehlender Nierenperfusion) fehlt. Im Falle einer Obstruktion der ableitenden Harnwege korreliert die stumme Niere im IVP mit dem gleichzeitigen Bild einer Harnstauungsniere im Ultraschall. In seltenen Fällen ist die exkretorische Funktion der Niere bei einer Obstruktion der ableitenden Harnwege so eingeschränkt, dass eine Harnstauung sonographisch kaum darstellbar ist.
Basisdiagnostik vor IVP 왘 왘 왘 왘 왘
Anamnese (Allergien?), körperliche Untersuchung, Urinanalyse (z. B. Urinstreifenschnelltest), Sonographie, Nierenretentionsparameter (Kreatinin, Harnstoff).
Diagnostisches Vorgehen
7
Das diagnostische Vorgehen zur Abklärung einer stummen Niere ist in Abb. 7.1 dargestellt.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Symptome = akute Erkrankung keine Symptome = chronische Erkrankung
Mit der ausführlichen Anamnese und der Sonographie als einfache Basisuntersuchung lassen sich diese möglichen Differenzialdiagnosen sofort ausschließen!
Entscheidend ist das Vorhandensein oder Fehlen von Symptomen. Streng genommen müssen folgende Zustände ausgeschlossen sein: 왘 Nierenagenesie, 왘 operative Einzelniere. Differenzialdiagnose der asymptomatischen „stummen Niere“ als Zufallsbefund bei leerer Anamnese: Einige Krankheitsbilder können gänzlich symptomlos bleiben und werden als Zufallsbefund erkannt. Differenzialdiagnose der symptomatischen „stummen Niere“: Akutereignisse, meistens in Form von Flankenschmerzen bzw. Koliken, ggf. in Kombination mit einer Hämaturie, führen zur weiteren Diagnostik (Sonographie, IVP), wobei dann radiologisch eine „stumme Niere“ auffällt.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Abb. 7.1 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei „stummer Niere“. Lokalisation
Erkrankung
1. Akute Erkrankungen 1.1 prärenal
쐌 Nierenarterienabriss (Trauma) 쐌 Nierenarterienverschluss (Embolie, Thrombose) 쐌 Nierenvenenthrombose (selten, Perinatalperiode)
1.2 renal
쐌 stumpfes Nierentrauma 쐌 Pyelonephritis, xanthogranulomatöse Pyelonephritis, Nierenabszesse
1.3 postrenal
쐌 blockierender Ureterstein 쐌 Ureterverschluss (z. B. nach Operation im kleinen Becken)
2. Chronische Erkrankungen 2.1 prärenal
쐌 쐌 쐌 쐌
2.2 renal
쐌 pyelonephritische Schrumpfniere 쐌 tuberkulöse Schrumpfniere 쐌 multizystische Niere
2.3 postrenal
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Vaskulitiden (z. B. Panarteriitis nodosa) Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises Nierenarterienstenose Nierenarterienaneurysma
Malignome mit retroperitonealem „Bulky Disease“ Peritonealkarzinose Strahlenfibrose (n. Bestrahlung des Retroperitoneums) retroperitoneale Fibrose (Morbus Ormond) Subpelvinstenose okkludierender Uretertumor blockierender Ureterstein (selten schmerzlos) Refluxnephropathie
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Immer Sonographie vor IVP (in Einzelfällen, z. B. Subpelvinstenose, Infundibulumstein, ist ein IVP nach sonographischer Diagnose entbehrlich).
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7.2 Harnstauungsniere
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises mit „stummer Niere“: 쐌 Lupus erythematodes, 쐌 progressive Sklerodermie, 쐌 Periarteriitis nodosa, 쐌 Wegener-Granulomatose, 쐌 Purpura Schönlein-Henoch, 쐌 Amyloidose.
Differenzialdiagnose der „stummen Niere“ im Rahmen generalisierter Erkrankungen: Meistens handelt es sich hierbei um Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises mit vaskulärer Beteiligung. Diese systemischen, chronisch verlaufenden Krankheitsbilder betreffen prinzipiell beide Nieren. Dadurch kommt es zum allmählichen, häufig asymptomatischen Nierenfunktionsverlust. Damit werden diese Krankheitsbilder eher durch Zeichen der chronischen Niereninsuffizienz auffällig, in der sich eine Kontrastmittelgabe (IVP, CT) ohnehin verbietet. Selten werden einseitige Befunde bei normaler Nierengesamtfunktion in Kontrastmitteluntersuchungen als „stumme Niere“ entdeckt.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Röntgen- und Sonographiebefunde
Perinatale Nierenvenenthrombose
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Die perinatale Nierenvenenthrombose ist eine mögliche Ursache der perinatalen Hämaturie. Prädisponierend sind Dehydrierung und eine Polyzythämie. Kinder diabetischer Mütter können unter einer osmotischen Diurese leiden und unterliegen einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Nierenvenenthrombose. Eine früh einsetzende postnatale Hypertension kann die Folge sein.
7.2
Harnstauungsniere R. Gillitzer, S. J. Petry
Grundlagen Nicht jede sonographisch nachweisbare Erweiterung des Harntraktes ist gleichbedeutend mit einer unphysiologischen Druckerhöhung bei einer Obstruktion, die therapiebedürftig ist.
Definition: Unter dem Begriff der Harnstauungsniere versteht man eine unphysiologische Aufweitung des Harnhohlsystems. In der Regel liegt diese vor, wenn der Harntransport aus der Niere gestört ist. Der renal produzierte Urin der betroffenen Niere staut sich vor dem Hindernis. Die Begriffe Harnstauungsniere und Harntransportstörung werden synonym verwendet. Harnwegsobstruktionen können bereits in utero auftreten und sind in jedem Lebensalter möglich. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Obstruktion und Dilatation ohne Obstruktion. Leitsymptome: Wie bereits im Kapitel „stumme Niere“ erwähnt, stehen Symptomatik und Krankheitsverlauf in enger Beziehung zueinander. Meistens sind akute Ereignisse mit Flankensymptomatik verbunden, während chronische Ereignisse mit eher unspezifischen Beschwerden einhergehen oder sogar symptomlos bleiben. Bei einer akuten Steinkolik sind die Schmerzen in Abhängigkeit der Steinlokalisation in der Flanke oder im ipsilateralen Unterbauch lokalisiert und strahlen häufig in das Genitale aus. Bei intramural im Harnleitertunnel gelegenen Steinen kann als einziges Symptom auch eine Testalgie vorliegen. Häufig findet sich eine Hämaturie. Durch die enge räumliche Beziehung zwischen Ureter und Peritoneum kann es reflektorisch zur Darmparalyse sowie Übelkeit und Erbrechen kommen. Ein langsam intraluminal okkludierender Uretertumor kann zu einer Harntransportstörung führen und dabei asymptomatisch bleiben, bis er durch Hämaturie bemerkt wird. Eine Ureterkompression durch extraluminale expandierende Prozesse oder im Rahmen einer retroperitonealen Fibrose kann lange Zeit unerkannt bleiben. Letztendlich kann der Patient im Verlauf dumpfe Schmerzen in der Lendengegend oder im Rücken empfinden. Bei einer bilateralen Nierenbeteiligung fällt die Harntransportstörung nicht selten durch uncharakteristische Symptome der chronischen Niereninsuffizienz und Urämie anstatt durch eine Schmerzsymptomatik auf. Bei Kindern steht meistens die abdominale Symptomatik im Vordergrund („Nabelkoliken“).
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Einteilung
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Leitsymptome 쐌 Flankenschmerz, 쐌 Hämaturie, 쐌 Proteinurie, 쐌 hypotoner/hypertoner Kreislauf, 쐌 Fieber, 쐌 Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen, 쐌 Harnwegsinfekt, 쐌 Anurie (bei bilateraler Harntransportstörung oder unilateraler Harntransportstörung bei Einzelniere), 쐌 Zufallsbefund.
Cave: Harnstauungsniere + HWI + Fieber = drohende Sepsisgefahr!
Ursachen: Die Ursache der Harnstauungsniere kann entweder im Harnhohlsystem selbst liegen (intrinsisch) oder durch äußere Kompression bedingt sein (extrinsisch). Eine intrinsische Störung liegt z. B. bei einer myofibrösen Dysplasie des pyeloureteralen Übergangs vor (kongenitale Subpelvinstenose), oder bei einem dysplastischen und adynamischen Harnleiter/Harnleitersegment, der infolge fehlender/insuffizienter Peristaltik dilatiert (kongenitaler primärer Megaureter). Eine extrinsische Störung liegt vor, wenn die Harntransportstörung durch äußere, mechanische Kompression der ableitenden Harnwege bedingt ist (z. B. kongenitale Subpelvinstenose aufgrund eines sog. kreuzenden Gefäßes). Eine solche, durch äußere Kompression bedingte, extraluminale Obstruktion ist abzugrenzen von einer Obstruktion, die von einer inneren Blockierung des Lumens des Harnhohlsystems ausgeht (endoluminal). Die Harntransportstörung kann akut einsetzen (in der Regel schmerzhaft) oder sich langsam im Verlauf ausbilden (häufig unbemerkt). Somit kann eine seit der Geburt bestehende Harntransportstörung (z. B. Subpelvinstenose) häufig bis zum Erwachsenenalter unbemerkt bleiben. Eine Harntransportstörung kann auch vorliegen, wenn der Urin aufgrund eines fehlenden Refluxschutzes im Bereich des intramuralen Ureterverlaufes der Blase von der Blase in die Niere zurückpendeln kann (vesikorenaler Reflux). Beim Vorliegen einer ausgeprägten subvesikalen Obstruktion kann ein sekundärer Reflux auftreten. Hierbei ist der Antirefluxmechanismus primär intakt. Der erhöhte Auslasswiderstand führt jedoch zu hohen intravesikalen Drücken und der Ausbildung von Blasendivertikeln, wodurch die Uretermündung sekundär „extravesikalisiert“ und damit refluxiv werden kann. Oder die eintretende Blasenwandhypertrophie führt zur Obstruktion des ureterovesikalen Überganges. Beispiele für eine solche bilaterale Harntransportstörung sind die BPH im Stadium III nach Alken beim Erwachsenen und die Harnröhrenklappe beim Knaben, wobei links häufiger ein sekundärer Reflux auftritt, rechts eine ureterovesikale Obstruktion.
Einteilung Der Dilatationsgrad des Nierenhohlsystems hängt im Wesentlichen von 2 Faktoren ab: 왘 Grad der Obstruktion, 왘 Dauer der Obstruktion.
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Eine Harnabflussstörung in Verbindung mit einem Harnwegsinfekt kann zu einer aszendierenden Infektion mit Fieber und Schüttelfrost führen, woraus sich, wenn dieser Zustand unbehandelt bleibt, schnell eine lebensbedrohliche Urosepsis entwickeln kann. Bei einer nachgewiesenen Harntransportstörung und allgemeinen Entzündungszeichen muss die sofortige Nierenentlastung (Nephrostomieanlage oder Ureterkathetereinlage) und systemische antibiotische Behandlung erfolgen.
7
Röntgen- und Sonographiebefunde
146
7.2 Harnstauungsniere
Ein extrarenal ausgebildetes Nierenbecken kann sich stärker erweitern als ein intrarenal lokalisiertes Nierenbecken. Trotz bestehender Obstruktion ist beim intrarenal gelegenen Nierenbecken evtl. sonographisch keine ausgeprägte Nierenbeckenkelcherweiterung zu erkennen.
Eine chronische Harnstauungsniere führt zum fortschreitenden Funktionsverlust der Niere. Neben der Druckatrophie führt die Herabsetzung der Durchblutung (Freisetzung von Thromboxan) zu einer ischämiebedingten Atrophie. Durch Verlust von funktionierender Nierensubstanz verschmälert sich die Nierenparenchymdicke im Ultraschallbild. Bei der sonographischen Beurteilung einer Harnstauungsniere erfolgen Angaben über die Nierengröße und -form, die Breite des Parenchymsaumes und die Kelchweite und Nierenbeckenweite. 3 Schweregrade der Harntransportstörung werden sonographisch erfasst: 왘 Stadium I: Nierenkelche 0,5−1 cm im Durchmesser, Nierenbecken 3−4 cm. Sinusreflex erhalten. 왘 Stadium II: Kelchhälse 쏜 1 cm, Nierenbeckendurchmesser 쏜 4,5 cm. Sinusreflex aufgebraucht. Parenchymbreite normal oder geringgradig verschmälert. 왘 Stadium III: Die Niere stellt sich als zystisches Hohlsystem dar. Irreversibles Endstadium der Harnstauungsniere ist die sog. „hydronephrotische Sackniere“. Die Niere besteht dann lediglich aus einer afunktionellen, dünnschichtigen Parenchymkappe um ein schlauchförmiges, stark erweitertes Harnhohlsystem. Im IVP erfolgt die Klassifikation der Harnstauungsniere nach Emmett und das Ausmaß der Parenchymschädigung nach Smellie (Abb. 7.2, 7.3).
Basisdiagnostik Anamnese: Schmerzanamnese: In 85 % ist eine gezielte Anamnese diagnostisch richtungweisend. Schmerzcharakter und Ausstrahlung in die ipsilaterale Leiste oder das Genitale sind typisch. Beim Vorliegen einer chronischen Harnstauung sind dumpfe Flankenschmerzen häufig.
왘
Klinische Untersuchung: 왘 Palpation/Perkussion: Das Nierenlager ist druck- und klopfempfindlich. Druck im Bereich des Ureterverlaufes löst auch häufig Schmerz aus. 왘 Auskultation: Das Abdomen kann aufgetrieben sei, die Peristaltik ist herabgesetzt.
7 Der Ultraschall erlaubt die Diagnose einer Harnstauung. Selten gelingt jedoch beim Erwachsenen der Nachweis der Ursache, da der Ureter durch Darmgasüberlagerung insbesondere im mittleren Anteil sonographisch schwer darstellbar ist. Sonographisch gelingt der Ursachennachweis einer Harnstauung im Bereich des Ureterabganges (z. B. Subpelvinstenose, Infundibulumstein, Unterpolzyste; Abb. 7.4), prävesikal (z. B. intramuraler Ureterstein) oder intravesikal (z. B. Harnblasentumor am Ureterostium).
Blutlabor: 왘 Harnstoff/Kreatinin: Bei normaler kontralateraler Niere können Kreatininwert und Harnstoff kurzzeitig nach Einsetzen der Harnstauung reflektorisch erhöht sein (Thromboxanausschüttung). Im Verlauf normalisieren sich die Werte zunehmend. 왘 Entzündungsparameter: Erhöhte Entzündungszeichen deuten auf eine superinfizierte Harnstauung und sind dringend handlungsbedürftig! Urinstatus/Urinkultur: Pathologische Harnbestandteile (Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit, Bakterien) sind Zeichen einer Sekundärinfektion. Bei primär ungeklärter Ätiologie der Harnstauungsniere sollte der Urin immer auf säurefeste Stäbchen hin untersucht werden, insbesondere wenn eine „sterile“ Leukozyturie vorliegt. Sonographie: Die Sonographie steht wegen der einfachen Handhabung, Schnelligkeit, fehlender Invasivität und Strahlenbelastung immer am Anfang der bildgebenden Diagnostik einer Harnstauung. Sie ist beliebig wiederholbar und eignet sich zur Verlaufsbeurteilung der Dilatationsweite einer Harnstauungsniere.
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147
Röntgen- und Sonographiebefunde
Basisdiagnostik
7
a
b
c
d
Abb. 7.2 a−e Klassifikation der Harnstauungsniere in Anlehnung an Emmett (aus: Altwein JE, Rübben H: Urologie. 3. Aufl. Stuttgart: Enke; 1993). Urogrammmontage mit korrespondierenden Schemazeichnungen.
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e
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Röntgen- und Sonographiebefunde
7.2 Harnstauungsniere
7
a
b
c
d
Abb. 7.3 a−d Klassifikation entzündlich-obstruktiver Nierenschädigungen in Anlehnung an Smellie (aus: Altwein JE, Rübben H: Urologie. 3. Aufl. Stuttgart: Enke; 1993). Urogrammmontage mit korrespondierenden Schemazeichnungen. a Geringe radiomorphologische Vernarbung. b Ausgeprägte Vernarbung. c Stauungsniere. d Schrumpfniere (Endstadium).
Cave: Die Durchführung eines IVP’s innerhalb von 6 Stunden nach einer akuten Kolik ist kontraindiziert! Durch die osmotisch bedingte Diuresesteigerung kann es zur Fornixruptur und Urinextravasation im bereits druckerhöhten Harnhohlsystem kommen.
Infusionspyelogramm (IVP): Das Urogramm schließt sich bei ausreichender Gesamtnierenfunktion und fehlender Kontrastmittelallergie als nächstes diagnostisches Mittel zur Beurteilung einer Harnstauungsniere an. Die Harnstauungsniere kann verspätet Kontrastmittel (KM) ausscheiden und in den Initialaufnahmen als „stumm“ erscheinen. Spätaufnahmen in ein- bzw. mehrstündigen Zeitabständen sind anzustreben.
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149
Röntgen- und Sonographiebefunde
Diagnostisches Vorgehen
a
b Abb. 7.4 a u. b a Sonographiebild einer den Ureter komprimierenden Unterpolzyste der rechten Niere mit konsekutiver Harntransportstörung. (Unterpolzyste: langer Pfeil; dilatiertes Harnhohlsystem: kurzer Pfeil). b Computertomographie (gleicher Patient). Unterpolzyste (langer Pfeil) und konsekutive Dilatation des Harnhohlsystems mit KM-Spiegel im unteren Kelch (kurzer Pfeil).
Die sonographische Unterscheidung einer Harnstauungsniere von einer multizystischen Niere kann u. U. schwierig sein. Im IVP lassen sich beide Krankheitsbilder in der Regel problemlos unterscheiden.
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7
150
7.2 Harnstauungsniere
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen zur Abklärung einer Harnstauungsniere ist in Abb. 7.5 dargestellt.
Röntgen- und Sonographiebefunde
Nach längerer uni- oder bilateraler Obstruktion kommt es nach Beseitigung der Obstruktion zu einer verstärkten Entlastungspolyurie. Vor allem bei älteren Patienten sollte der Wasser- und Elektrolythaushalt kontrolliert und ggf. ausgeglichen werden.
7 Abb. 7.5 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei Harnstauungsniere.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Lokalisation
Erkrankung
1. Einseitige Harnstauung 1.1 intraluminal
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.2 extraluminal
쐌 retroperitoneale Fibrose 쐌 retroperitonealer Abszess 쐌 Nierenzyste (s. Abb. 7.4)
Urolithiasis Harnleitertumor Endometriose Blutkoagel Pilzinfektionen Papillennekrose Fibroepitheliom
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Lokalisation
151
Erkrankung
1. Einseitige Harnstauung (Fortsetzung) 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Aneurysma Gefäßprothese Ovarialprozess LK-Kompression (Bulky Disease) Operationen (im Retroperitoneum oder kleinen Becken) Schwangerschaft (rechts) retrokavaler Ureter Ureterhernie entzündliche Darmerkrankungen (Appendizitis, Divertikulitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
1.3 intramural
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Tbc (narbige Ureteritis) Schistosomiasis Ödem Morbus Schönlein-Henoch Ureteritis cystica infiltrierendes Blasenkarzinom Harnleiterstenose (nach Instrumentation)
1.4 kongenital
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Subpelvinstenose vesikoureteraler Reflux Megaureter Ureterklappe Doppelniere (oberer Anteil) ektope Uretermündung Ureterhernie Ureterozele
2. Beidseitige Harnstauung 쐌 쐌 쐌 쐌
Urolithiasis („Uratverstopfung“) bilateraler Harnleitertumor bilaterale Endometriose Blutkoagel
2.2 extraluminal
쐌 쐌 쐌 쐌
retroperitoneale Fibrose (primär/sekundär) Lipomatosis pelvis LK-Kompression (Bulky Disease) aortobifemoraler Bypass
2.3 intramural
쐌 Tbc (narbige Ureteritis) 쐌 Schistosomiasis 쐌 gynäkologische Tumoren mit Einbruch ins Trigonum, lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom, lokal fortgeschrittenes Rektumkarzinom 쐌 infiltrierendes Blasenkarzinom
2.4 kongenital
쐌 vesikoureteraler Reflux 쐌 obstruktive Megaureteren 쐌 Harnröhrenklappe
2.5 vesikal/subvesikal
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2.1 intraluminal
neurogene Blase BPH Prostatakarzinom Strahlenblase Urethrastriktur Meatusstenose/Phimose
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Röntgen- und Sonographiebefunde
1.2 extraluminal (Fortsetzung)
7
152
7.2 Harnstauungsniere
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Blockierender Infundibulumstein Ursache: Am pyeloureteralen Übergang eingekeilter Nierenbeckenstein. Eine Spontansteinpassage ist unmöglich. Symptome: 쐌 Akute Kolik, 쐌 dumpfer Flankenschmerz, 쐌 Hämaturie, 쐌 uncharakteristische Beschwerden (Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen), 쐌 (ggf. Zufallsbefund!).
Röntgen- und Sonographiebefunde
Diagnostik
7
Obligat: 쐌 Anamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Temperaturmessung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, 쐌 Labor, 쐌 Abdomenübersicht, 쐌 (ggf. gedrehte Aufnahme). Fakultativ: 쐌 IVP, 쐌 Nierenfunktionsprüfung (MAG3).
Harnleitertumor Ursache: Urotheltumor des oberen Harntraktes, wächst endoluminal mit konsekutiver Harnstauung. Symptome: 쐌 Hämaturie, 쐌 selten Flankenschmerz (durch Koagelabgang).
Diagnostik Obligat: 쐌 Anamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, 쐌 Labor, 쐌 IVP, 쐌 Zystoskopie, 쐌 Urinzytologie (seitengetrennt), 쐌 retrograde Ureteropyelographie. Fakultativ: 쐌 CT, 쐌 Nierenfunktionsprüfung (MAG3), 쐌 Ureterorenoskopie, PE.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
153
Retroperitoneale Fibrose
Symptome: 쐌 Ein- oder beidseitige Harnstauung, 쐌 Lendenbeschwerden, 쐌 Rückenschmerzen, 쐌 uncharakteristische Beschwerden (Unwohlsein, Übelkeit), 쐌 Gewichtsverlust, 쐌 Urämiesyndrom, 쐌 Beinschwellung, 쐌 Schwellung des äußeren Genitales.
Diagnostik Obligat: 쐌 Anamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, 쐌 Labor, 쐌 IVP (typische Uretermedialisierung!), 쐌 CT u. PE’s. Fakultativ: 쐌 Nierenfunktionsprüfung (MAG3).
Endometriose des Harnleiters Ursache: Bei Frauen im gebärfähigen Alter ektope Endometriumherde meistens in Blase oder distalem Ureter (externa: Kompression ohne Hämaturie; interna: Okklusion, zyklische Hämaturie). Häufig ist eine Sectio cesarea oder eine Hysterektomie vorangegangen. Symptome: 쐌 Mensesabhängige kolikartige Flankenschmerzen, 쐌 Hämaturie (nur Endometriosis interna).
Diagnostik Obligat: 쐌 Anamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, 쐌 Labor, 쐌 IVP, 쐌 Zystoskopie.
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Ursache: Ungeklärte, primär chronisch-entzündliche fibrosierende Gewebeveränderung des Retroperitoneums, welche die großen Gefäße und die Ureteren ummauert (häufig beidseitiger Befall). Beginnt in der Regel in Höhe des Promontoriums und schreitet nach kranial und kaudal fort. Eine sekundäre retroperitoneale Fibrose kann nach perkutaner Radiatio des Retroperitoneums, beim Bauchaortenaneurysma, medikamentös induziert (Methysergid, Hydralazin, Haloperidol, Methyldopa, β-Blocker, Phenacetin und Amphetamine) oder paraneoplastisch entstehen.
7
154
7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen
Fakultativ: 쐌 Retrograde Ureteropyelographie, 쐌 Ureterorenoskopie, PE, 쐌 Nierenfunktionsprüfung (MAG3).
7.3
Renale und retroperitoneale Raumforderungen D. Frohneberg, M. Spahn
Nierentumoren Röntgen- und Sonographiebefunde
Grundlagen
7
Die klinische Symptomatik des Nierentumors hat sich seit der Einführung der Sonographie und mit deren flächendeckenden Einsatz grundlegend gewandelt. War noch in den 80er-Jahren die klassische Symptomentrias palpabler Abdominaltumor, Hämaturie, Flankenschmerzen wegweisend für die Diagnose eines Nierentumors, so werden heute überwiegend symptomlose Tumoren als Zufallsbefund im Rahmen der Sonographie entdeckt. Eine allgemeine Tumorsymptomatik kann auftreten, führt jedoch in den seltensten Fällen zur Diagnosefindung (Tab. 7.1). Leitsymptome: 쐌 Meist keine, Zufallsbefunde! 쐌 Mikro-/Makrohämaturie, 쐌 Flankenschmerzen, 쐌 Abdominaltumor.
Tabelle 7.1
Symptomatik benigner und maligner renaler Raumforderungen
Raumforderung
Allgemeinsymptomatik
Hämaturie
Adenom
−
−
Onkozytom
−
+
Angiomyolipom
−
++
reninproduzierender juxtaglomerulärer Nierentumor
++ (RR hoch)
Lipom
−
−
Liposarkom
+
++
xanthogranulomatöse Pyelonephritis
++
++
Teratom
−
−
Nierenzyste
−
−
zystische Nierendegeneration
(+)
(+)
maligner Nierentumor (und Nierenbeckentumor)
(+)++
++
Nierenabszess/Karbunkel
+
++ (Sepsis)
−: selten, +: häufig, ++: sehr häufig
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Diagnostisches Vorgehen
155
Einteilung
Benigne Nierentumoren können vom kortikalen Gewebe (Adenome, Onkozytome u. a.) oder von den unterschiedlichen mesenchymalen Gewebeanteilen des Parenchyms oder der Kapsel ausgehen. Differenzialdiagnostisch sind maligne Tumoren oft schwer oder gar nicht abgrenzbar. Trotz ihrer benignen Entität können sie klinische Relevanz aufgrund von Symptomen (z. B. Flankenschmerzen) entwickeln, die durch reine Größenzunahme oder akut z. B. bei Einblutung entstehen können. Bei 90 % der primären malignen Nierentumoren handelt es sich um Nierenzellkarzinome (Synonyme: Grawitz-Tumor, Hypernephrom, hypernephroides Karzinom). Nephroblastome (Wilms-Tumoren) werden in 5−12 % und Sarkome in 1−3 % der Fälle beschrieben. Renale Metastasen anderer Tumoren und maligne Lymphome zählen zu den sekundären malignen Nierentumoren. Das Nierenzellkarzinom tritt bei Männern etwa doppelt so häufig wie bei Frauen auf. Das Nephroblastom (Wilms-Tumor) ist die häufigste solide Raumforderung im Kindesalter und macht ca. 5 % der kindlichen Tumoren aus.
Basisdiagnostik Siehe S. 146.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei renalen Raumforderungen ist in Abb. 7.6 dargestellt.
Röntgen- und Sonographiebefunde
Renale Raumforderungen werden in benigne und primäre bzw. sekundäre maligne Nierentumoren eingeteilt (s. tabellarischer Überblick auf S. 156).
7
Abb. 7.6 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei renalen Raumforderungen.
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156
7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen
Röntgen- und Sonographiebefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
7
Ätiologie
Erkrankung
1. benigne Nierentumoren
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. maligne Nierentumoren (Tab. 7.2)
Tabelle 7.2
Nierenadenom Angiomyolipom (Bourneville-Pringle-Syndrom) Onkozytom reninproduzierender juxtaglomerulärer Tumor Nierenzyste zystisches Nephrom Nierenabszess, Karbunkel, Pyonephrose, abszedierende Pyelonephritis Leiomyom Hämangiom AV-Malformationen Nierenarterienaneurysma Hämangioperizytom xanthogranulomatöse Pyelonephritis Nierenabszess, Karbunkel, Pyonephrose, abszedierende Pyelonephritis Nierenzellkarzinom maligne mesenchymale Tumoren der Niere Urothelkarzinom des Nierenbeckens renale Metastasen maligne Lymphome
Symptomatik maligner Nierentumoren Symptome allgemein
abdominal
Hämaturie
Sonographie
IVP
CT
MRT
Nierenzellkarzinom
(+)
(+)
+
++
(+)
++
++
mesenchymale Tumoren
(+)
(+)
+
++
(+)
++
++
metastatische Nierentumoren
++
(+)
+
++
(+)
++
++
maligne Lymphome
++
(-)
(+)
++
(+)
++
++
Urothelkarzinome der Niere
(+)
−
+++
+
++
+
+
+: selten, ++: häufig, +++: sehr häufig
Kurzdarstellung wichtiger benigner Krankheitsbilder Nierenadenome Die Definition des Nierenadenoms ist schwierig und wird wegen der mangelnden Abgrenzbarkeit von malignen Tumoren deshalb von manchen Autoren abgelehnt. Von Seiten der Pathologen herrscht Einigkeit darüber, dass bei nicht Organ überschreitenden Nierenzelltumoren die Dignität nicht mit den üblichen Kriterien der Zellatypie oder Invasivität alleine, sondern nur in kombinierter Betrachtung mit der Tumorgröße und dem Tumortyp möglich ist. Es wurde daraufhin versucht, Tumoren ohne Metastasierungswahrscheinlichkeit zu definieren, die in Übereinstimmung mit der WHO als Adenome bezeichnet werden. Hierzu gehören so genannte G1-Tu-
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Kurzdarstellung wichtiger benigner Krankheitsbilder
157
moren mit einem Durchmesser von weniger als 0,5 cm. Die Adenome sind histologisch durch eine papilläre oder tubuläre Struktur gekennzeichnet. Tumoren mit Grading G2−G4 sind definitionsgemäß auch bei geringer Größe als Nierenzellkarzinome zu klassifizieren. Nomenklatorische Sonderfälle sind die Nierenadenomatose mit multiplen Tumoren vom chromophilzelligen Typ und die multiplen Onkozytome.
Angiomyolipome bestehen mikroskopisch aus Blutgefäßen, Muskelfasern und Fettgewebe, von denen einzelne Anteile dominieren können. Trotz der Klassifikation als benigner Nierentumor sind Ausdehnungen in regionale Lymphknoten und die V. cava beschrieben. 20 % der Angiomyolipome sind mit der tuberösen Hirnsklerose (Bourneville-Pringle-Krankheit) vergesellschaftet. Umgekehrt sind 80 % der bei tuberöser Hirnsklerose auftretenden Nierentumoren Angiomyolipome. Definierte radiologische Befunde lassen in der Mehrzahl der Fälle die Diagnose Angiomyolipom sichern. Die sonographisch meist gut abgrenzbaren, hoch echogenen Läsionen (fettisointens) legen den Verdacht auf ein Angiomyolipom zwar nahe, sind jedoch nicht beweisend. Die sicherste Methode zum Nachweis eines Angiomyolipoms ist die Computertomographie. Der Nachweis auch geringer fettäquivalenter Dichtewerte in einem Nierentumor (Hounsfield-Einheiten 쏝 10) schließt ein Nierenzellkarzinom weitestgehend aus und gilt als beweisend für die Diagnose Angiomyolipom. Allerdings lassen sich in 14 % aller Angiomyolipome keine Fettanteile in der CT nachweisen, eine Differenzierung gegenüber dem Nierenzellkarzinom ist in diesen Fällen nicht möglich. Die Tumoren müssen operiert werden. Verkalkungen wurden in Angiomyolipomen nicht nachgewiesen. Ihr Nachweis spricht (auch bei simultan vorhandenen Fettanteilen) für eine andere Tumorentität. Bei Kontraindikationen zur Durchführung einer Computertomographie können fettunterdrückte MRT-Untersuchungen äquieffektiv die Diagnose sichern. Differenzialdiagnostisch sind die seltenen Lipo-, Leiomyo- und Fibrosarkome von Angiomyolipomen abzugrenzen. Therapie: Bis zu 82 % der Angiomyolipome 쏜 4 cm werden im Verlauf symptomatisch. Aufgrund der Tatsache, dass ca. 9 % zum Zeitpunkt der Präsentation einen hämorrhagischen Schock aufweisen, sollte die elektive Operation angeraten werden.
Bourneville-Pringle-Syndrom (tuberöse Hirnsklerose) Die tuberöse Hirnsklerose mit ihrer Symptomatik epileptiformer Krampfanfälle, spastischer Lähmungserscheinungen und Intelligenzverlust ist häufig kombiniert mit dem Adenoma sebaceum (Pringle-Syndrom). Tumoren innerer Organe (Niere, Herz, Muskel), Doppelnieren und Situs inversus completus werden gefunden. Diese progrediente Erkrankung ist prognostisch ungünstig. Das Bourneville-Pringle-Syndrom gehört zu den Phakomatosen. Im Rahmen eines autosomal-dominant vererbten Fehlbildungssyndroms kommen Gliawucherungen der Hirnrinde und Gefäßwucherungen vor. Renale Läsionen beinhalten Nierenzysten und Angiomyolipome. Des Weiteren kann es zu Tubulus- und Glomerulumhyperplasie sowie selten Nierenzellkarzinomen kommen. Die abgeschwächte Form, das isolierte Pringle-Syndrom, tritt klinisch durch Café-au-lait-Flecken und Nävi in Erscheinung. Das diagnostische und operative Vorgehen ist unter Berücksichtigung der Gesamtprognose abzuwägen.
Sehr große oder rasch wachsende Tumoren sind sarkomverdächtig und sollten operiert werden.
82 % der Angiomyolipome 쏜 4 cm werden im Verlauf symptomatisch. Fettäquivalente Dichtewerte im CT (HE 쏝 10) beweisen ein Angiomyolipom.
Onkozytom Die mit einem Altersgipfel zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt auftretenden Onkozytome machen 5−7 % aller Nierentumoren aus. Die Inzidenz zeigt eine Geschlechtsspezifität von 2:1 der Männer gegenüber den Frauen. Klinisch ist eine Dif-
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Angiomyolipom
7
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7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen ferenzierung zwischen Onkozytom und Nierenzellkarzinom nicht möglich. Auch das radiologisch in der CT, MRT und Angiographie beschriebene „Radspeichenphänomen“ hat sich als unzuverlässig in der Diagnostik erwiesen. Onkozytäre Herde werden auch in Nierenzellkarzinomen vorgefunden und sind daher auch durch Nadelbiopsie und Nadelaspirationszytologien nicht mit ausreichender Sicherheit von Nierenzellkarzinomen zu differenzieren. Lediglich die histologische Untersuchung des gesamten Tumors ermöglicht eine sichere Zuordnung.
Röntgen- und Sonographiebefunde
Juxtaglomerulärer reninproduzierender Nierentumor
7
Dieser seltene, durch Hypertonie und Hypokaliämie charakterisierte Tumor betrifft in der Regel junge Erwachsene und präsentiert sich meist durch eine solide Raumforderung in der Bildgebung. Die Tumoren sind meist 쏝 3 cm und hypovaskularisiert. Bildgebend ist die Differenzierung vom Nierenzellkarzinom nicht möglich. Die Tumoren entstehen aus den juxtaglomerulären reninproduzierenden Zellen und sind immunhistochemisch typischerweise positiv für mit Faktor VII und Faktor VIII verwandte Antigene, was auf ihren endothelialen Ursprung hinweist. Diagnostisch entscheidend ist die selektive Reninbestimmung aus der Nierenvene. Die Therapie der Wahl ist die Operation.
Zystische Nierenerkrankungen Nierenzysten sind sackartige Ausstülpungen von Nephronsegmenten, die mit Epithel ausgekleidet sind. Zystennieren können zu einer progredienten Einschränkung der Nierenfunktion führen. Hierunter versteht man das nephrologische Krankheitsbild der zystischen Nierendegeneration. Zystische Nierendegeneration: Die zystisch degenerativen Nierenerkrankungen können in Form der multizystischen Nierendysplasie einseitig oder als adulte polyzystische Nierendegeneration beidseitig auftreten. Die multizystische einseitige Nierendegeneration fällt im Kindesalter häufig durch einen palpablen abdominalen Tumor auf. In der Regel liegt eine normal funktionierende Gegenniere vor. Die Indikation zur operativen Entfernung einer multizystischen Niere ist u. a. von Lebensalter oder Begleitsymptomen (Verdrängung) abhängig. Die polyzystische Nierendegeneration als autosomal-dominant vererbte Erkrankung ist mit nahezu kompletter Penetranz behaftet und führt zum progressiven Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit bzw. Transplantation im Alter von ca. 50 Jahren. Komplikationen wie Hämaturie, Infektionen, Abszedierung und Einblutungen mit schmerzhafter Abdominalsymptomatik können aufgrund der Symptomatik und auch bei Malignitätsverdacht zur Nephrektomie führen (sog. komplizierte Zysten).
Diagnostik Standarddiagnostik: 쐌 Sonographie, 쐌 i. v. Urographie, 쐌 Computertomographie oder MRT.
Solitäre Nierenzysten: Definitionsgemäß sind solitäre Nierenzysten im Unterschied zu den zystischen Nierendegenerationen durch Ausstülpungen und Erweiterungen der Sammelrohre entstanden und haben aufgrund ihrer Größe gelegentlich einen verdrängenden Charakter. Dies kann sowohl das Nierenhohlsystem als auch die Abdominalorgane betreffen. Die Nierenfunktion wird in der Regel nicht oder nur geringfügig eingeschränkt.
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Kurzdarstellung wichtiger benigner Krankheitsbilder
Einteilung zystischer renaler Raumforderungen nach Bosniak
Typ
Kriterien
Dignität
Therapie
Bosniak 1
쐌 unkomplizierte Zyste
benigne
keine
Bosniak 2
쐌 septierte Zysten 쐌 minimale Verkalkungen in Septen oder Zystenwand 쐌 infizierte oder hyperdense Zysten mit altem o. geronnenem Blut
benigne
Beobachtung
Bosniak 3
쐌 unregelmäßig begrenzt 쐌 verdickte Septen 쐌 große unregelmäßige Verkalkungen
Malignitätsverdacht
Operation
Bosniak 4
쐌 쐌 쐌 쐌
Malignitätsverdacht
Operation
große zystische Komponenten unregelmäßig unscharfe Grenzen KM-aufnehmende Anteile!
Mit der Einführung des Kontrastmittels Gadolinium lässt sich im MRT die Kontrastmittelaufnahme als Kennzeichen eines malignen Nierentumors beurteilen. In T1-gewichteten Untersuchungen vor und nach Gadoliniumgabe lässt sich eine Kontrastmittelaufnahme (Durchblutung) eindeutig nachweisen. Eine der schwierigsten Differenzialdiagnosen in der radiologischen Diagnostik renaler Raumforderungen ist die Unterscheidung zwischen benignen Nierenzysten und zystischen Nierenzellkarzinomen. Bosniak entwickelte eine Klassifikation zur Differenzierung renaler zystischer Läsionen und der Wahrscheinlichkeit ihrer Malignität (Tab. 7.3)
Bosniak-3- und -4-Zysten sind malignitätssuspekt und sollten operativ freigelegt/exzidiert werden.
Zystisches Nephrom: Eine Reihe verschiedener Synonyme wurden für diese benignen, makroskopisch glatt begrenzten multizystischen Tumoren benutzt. Sie weisen 2 Altersgipfel im 2.− 3. und 40.−50. Lebensjahr auf. In der radiologischen Diagnostik werden sie praktisch immer als Bosniak-3-Zysten klassifiziert und lassen sich somit nicht von Nierenzellkarzinomen differenzieren. Verkalkungen können ebenso wie kontrastmittelaufnehmende Septen auftreten. Die Diagnose wird in der Regel anhand des Nephrektomiepräparates histopathologisch gestellt. Wegweisend ist hierbei zum einen das makroskopische Bild mit scharf begrenzten, gut abgekapselten und durch Septen getrennten, nichtkommunizierenden Zysten. Zum anderen zeigt der histologische Befund typische, mit kuboidalen Epithelzellen ausgekleidete Zysten, die durch Septen mit reichlich eingelagertem zellreichen stromalen Bindegewebe getrennt sind. Nierenabszess, Karbunkel, Pyonephrose, abszedierende Pyelonephritis: Diese meistens mit obstruktiven Veränderungen des Harntraktes vergesellschafteten entzündlichen Nierenerkrankungen treten gelegentlich auch im Rahmen von Pyelonephritiden mit gramnegativen Erregern auf. Die Pyonephrose geht bei unangemessener Therapie mit Nierenabszessen und Karbunkelbildung (Einschmelzung von Nierengewebe) oder der Bildung eines perinephritischen Abszesses einher. Multiple Mikroabszesse können das wahre Ausmaß der Infektion in der Bildgebung verschleiern. Symptome: 쐌 Allgemeinsymptome der akuten Entzündung, 쐌 erhöhte Entzündungsparameter (BSG, CRP, Leukozytose), 쐌 septische Temperaturen, 쐌 Thrombozytopenie.
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Tabelle 7.3
159
7
160
7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen Therapeutisch steht beim septischen Geschehen die Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Funktion, intravenöse Antibiose und ggf. Heparinisierung im Vordergrund. Ein gestautes Hohlsystem muss zwingend durch eine Doppel-J-Anlage oder perkutane Nephrostomie entlastet werden. Nierenabszesse oder -karbunkel machen eine notfallmäßige Nephrektomie erforderlich. Die kurzfristige intensive Überwachung unter antibiotischer Therapie ist zwingend.
Kurzdarstellung wichtiger maligner Krankheitsbilder Nierenzellkarzinom
Röntgen- und Sonographiebefunde
Epidemiologie: Das Nierenzellkarzinom ist ein mit 3 % der malignen Tumoren relativ seltener Tumor. Die Inzidenz beträgt 4,1−8,7 pro 100 000 Einwohner pro Jahr und tritt bei Männern doppelt so häufig wie bei Frauen auf. Betroffen ist jedes Lebensalter einschließlich der Kindheit mit steigender Inzidenz in Korrelation zum Alter und einem Altersgipfel zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
7
Pathologie: Die historische Aussage von Grawitz, dass das klarzellige Nierenzellkarzinom nicht von der Niere, sondern von dysontogenetisch in die Niere versprengten Keimanteilen der Nebennierenrinde ausgehe führte zu der Bezeichnung „Hypernephrom“. Mittlerweile besteht kein Zweifel, dass die Nierenzellkarzinome epitheliale Tumoren sind, die von unterschiedlichen Anteilen der Harnkanälchen ihren Ursprung nehmen. Das Nierenzellkarzinom ist unter den Charakteristiken der Histologie, Morphologie, Histochemie, der Biochemie und auch zytogenetisch kein einheitlicher Tumor, sondern weist Subtypen auf (Tab. 7.4). Eine der einzigartigen Verhaltensweisen der Nierenzellkarzinome ist ihre Prädilektion zur Veneninvasion, die in bis zu 10 % vorkommt und somit häufiger als bei jeder anderen Tumorart auftritt. Die Mehrzahl der sporadisch auftretenden Nierenzellkarzinome entsteht unilateral und unifokal. Eine bilaterale Beteiligung wird in 2−4 % gefunden. Multizentrizität tritt in 10−20 % meist in Verbindung mit einem papillären Nierenzellkarzinom und der familiären Form (Hippel-Lindau-Syndrom) auf. Hippel-Lindau-Syndrom (VHL): Das Hippel-Lindau-Syndrom (VHL) manifestiert sich durch die Bildung von Nierenzellkarzinomen, Phäochromozytomen, Retinaan-
Tabelle 7.4
Nierenzellkarzinom − Subtypen
Subtyp
Ursprung
Häufigkeit
Besonderheiten
klarzelliges, konventionelles
proximales Tubulusepithel
70−80 %
쐌 2−5 % weisen sarkomatös differenzierte Anteile auf
papilläres
distales Tubulusepithel
10−15 %
쐌 terminale Niereninsuffizienz 쐌 erworbene Nierenzysten 쐌 bis zu 40 % multifokal
chromophobes
kortikaler Anteil des Sammelsystems
4−5 %
Ductus Bellini
medulläres Gewebe (Sammelrohrsystem?)
쏝 1%
쐌 schlechte Prognose 쐌 meist kein Ansprechen auf konventionelle Therapie
renal-medulläres sarkomatöse Varianten
nicht geklärt sarkomatöse Differenzierung aller o.g. Subtypen möglich
쏝 1% 1−5 %
쐌 schlechte Prognose 쐌 schlechte Prognose
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Kurzdarstellung wichtiger maligner Krankheitsbilder
161
giomen und Hämangioblastomen des zentralen Nervensystems. Alle diese Tumoren sind stark vaskularisiert und können daraufhin zu erheblicher Morbidität führen. Neben Nierenzellkarzinomen treten bei dieser kongenitalen polytopen angioplastischen Missbildung aus dem Formenkreis neurokutaner Syndrome zystische Degenerationen des Pankreas, Zystennieren und Nebenhodentumoren auf. Nierenzellkarzinome entwickeln sich in ca. 50 % der Patienten mit VHL. Charakteristisch ist das Auftreten in der 3.−5. Lebensdekade, die Multifokalität der Tumoren und das bilaterale Vorkommen. Die frühzeitige Diagnosestellung dieser seltenen autosomal-dominant mit einer Penetranz von 80−90 % vererbten Erkrankung ist für die Prognose und frühzeitige Therapie wichtig.
Symptome: Aufgrund der weit verbreiteten Ultraschalluntersuchungen werden mittlerweile mehr als 60 % der Nierentumoren als Zufallsbefunde diagnostiziert. Die klassische Symptomentrias des Nierentumors mit palpablem Nierentumor, Flankenschmerz und Makrohämaturie ist nur noch bei weniger als 5 % aller Patienten feststellbar. In der Regel liegen bei diesen Patienten fortgeschrittene Tumoren vor, von denen etwa 47 % zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Metastasen aufweisen. Die Varikozele testis kann bei vorliegendem Nierenvenen- bzw. V.-cava-Thrombus eines Nierentumors auftreten. Ein Nierentumor sollte auch bei jeder Varicozele sonographisch ausgeschlossen werden. Ödeme der abhängigen Partien, Malabsorptionserscheinungen und Lungenembolien sind selten. Bei Tumorbefall hepatischer Venen kann ein Budd-Chiari-Syndrom auftreten. Eine Tumorinvasion des rechten Vorhofs kann eine progrediente Herzinsuffizienz bewirken. Zahlreiche endokrine Substanzen können von den Nierenzellkarzinomen produziert werden und paraneoplastische Symptome bewirken (Tab. 7.5). Diese sind jedoch heutzutage selten wegweisend für die Diagnosestellung. In 5−9 % der Fälle wird die Diagnose jedoch durch metastasenbedingte Symptome gestellt, wobei das klinische Bild von deren Lokalisation abhängt (Lunge 55 %, Leber 33 %, Knochen 32 %, Nebenniere 19 %, kontralaterale Niere 11 % und ZNS 6 %).
Röntgen- und Sonographiebefunde
Prognose: Wichtige prognostische Faktoren des Nierenzellkarzinoms beinhalten vor allem die tumorrelevanten Parameter wie Karzinomtyp, Staging, Grading und die Subtypisierung. Diese gelten als Kriterien 1. Ordnung. Daneben weisen spezifische klinische Zeichen und Symptome wie Gewichtsverlust, niedriger Karnofsky-Index, Anämie, Hyperkalzämie, erhöhte Serumwerte der alkalischen Phosphatase und eine erhöhte BSG eine Korrelation mit einem schlechteren Patientenprognose auf. Als paraneoplastisches Syndrom können eine Polyglobulie (Erythropoetinanstieg), eine hyperreninämische Hypertonie (Reninanstieg) und das Stauffer-Syndrom (Leberdysfunktionssyndrom) auftreten. Das Tumorstaging ist hierbei der wichtigste Prognosefaktor. Organbeschränkte Tumoren weisen 5-Jahres-Überlebensraten von 70−90 % auf. Die Invasion des perirenalen Fettgewebes führt zu einer Reduktion der Überlebensraten um 15−20 %. Für Tumoren mit Veneninvasion (pT3 b) zeigen sich nach aggressiver chirurgischer Therapie 5-Jahres-Überlebensraten von 45−69 %, sofern der Tumor lokal organbegrenzt ist. Hierbei ist die direkte Invasion der Venenwand prognostisch relevanter als die reine Ausdehnung. Die Lymphknotenmetastasierung geht ebenso wie die Fernmetastasierung mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 5−30 % einher. Asynchron auftretende Metastasen zeigen einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Hierbei ist die metastasenfreie Zeit einer der wichtigsten Prognosefaktoren, die einen indirekten Hinweis auf das Wachstumsverhalten des Tumors gibt. Insgesamt steigt die Überlebensrate bei Patienten nach radikal operierten Nierentumoren durch die zunehmende Frühdiagnose asymptomatischer und damit häufig pathohistologisch günstiger Tumorstadien im Laufe der letzten Jahre durch den vermehrten Einsatz moderner bildgebender Verfahren, speziell der Sonographie.
7
Mehr als 60 % der Nierentumoren werden als Zufallsbefunde diagnostiziert.
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7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen
Tabelle 7.5 Toxisch-systemische und endokrine Effekte von Nierenzellkarzinomen (nach Pollak et al. Clinical Urography. Philadelphia: Saunders; 1990) Toxische Effekte 쐌 Anorexie, Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit 쐌 gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen u. a.) 쐌 Fieber 쐌 hepatorenale Dysfunktionen (Stauffer-Syndrom: Erhöhung der alkalischen Phosphatase, GT und 2-Hyperglobulin; Erniedrigung des Serumalbumins und Prothrombins) 쐌 Anämie 쐌 Amyloidose
Röntgen- und Sonographiebefunde
Endokrine Effekte 쐌 Polyglobulie (Erythropoetin) 쐌 Hyperkalzämie (Parathormon, Vitamin D, Prostaglandin) 쐌 Hyperkaliämie (ACTH) 쐌 Galaktorrhö (Prolaktin) 쐌 Gynäkomastie, Libidoverlust (Gonadotropine) 쐌 Hypertonie (Renin)
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
7
Jede KM-aufnehmende renale Raumforderung ist malignitätsverdächtig.
Sonographie Doppler-/Duplexsonographie, CT, IVP, MRT.
Der Sonographie gebührt der Verdienst der Primärdiagnostik von Zufallsbefunden, die bei 60 % der Patienten gefunden werden. Sie ist die Grundlage der klinischen Stadienbestimmung eines Tumors und wird durch die Computertomographie ergänzt, um die Größe, Lokalisation und Abgrenzung festzulegen. Thrombosierungen der V. renalis und der V. cava werden durch Doppler- und Duplexsonographie diagnostiziert. Trotz seiner geringen Sensitivität und Spezifität in der Diagnostik des Nierenzellkarzinoms behält das i. v. Pyelogramm (IVP) besonders wegen seines diagnostischen Nutzens der Hämaturieabklärung (Nierenbeckentumor) auch beim Nierenzellkarzinom seine Bedeutung. Es lässt gleichzeitig die Abschätzung der Funktion der Gegenniere zu. Eine renale Raumforderung, die sonographisch nicht eindeutig Zystenkriterien aufweist, sollte mittels Computertomographie und/oder MRT weiter abgeklärt werden. Hierbei sollten mehrere Phasen untersucht werden, um eine Kontrastmittelaufnahme des Tumors beurteilen zu können. Therapie: Das von Robson 1963 beschriebene operative Verfahren zur Entfernung des Nierentumors mit frühzeitiger Ligatur der Nierenarterie und Vene und die Entfernung der Niere unter Einschluss der umgebenden Fettkapsel, der Gerota-Faszie und der ipsilateralen Nebenniere sowie des proximalen Harnleiters ist weltweit als Standardverfahren akzeptiert. Ein Teil dieser Kriterien wird mittlerweile aber kontrovers diskutiert. Ob die Entfernung der regionalen Lymphknoten eine Verbesserung der Langzeitprognose mit sich bringt, ist unbewiesen. Kontrollierte vergleichende Studien fehlen. Die Inzidenz von 5−10 % Nebennierenmetastasen rechtfertigt die Entfernung der Nebenniere. Dies wird jedoch ebenfalls kontrovers diskutiert. Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass die Adrenalektomie als Routinebestandteil der Tumornephrektomie auf große Tumoren, Oberpollokalisationen und radiologisch nachweisbar vergrößerte Nebennieren beschränkt werden kann.
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Kurzdarstellung wichtiger maligner Krankheitsbilder
163
Als operativer Zugangsweg für die Tumornephrektomie für Tumoren 쏝 8 cm Durchmesser ohne Veneninvasion und Lymphknotenvergrößerungen setzt sich zunehmend die laparoskopische Tumornephrektomie neben den klassischen Zugangswegen (suprakostal, ggf. transthorakal, transperitoneal) durch. Allgemein akzeptierte Indikationen für eine organerhaltende Operation sind bilaterale Tumoren und die Einzelniere. Die guten Prognosedaten kleinerer Tumoren führten zu einer Ausweitung dieser elektiven Indikation. Sie gilt derzeit für Tumoren 쏝 4 cm Durchmesser. Große retrospektive Serien zeigten 5-Jahres-Überlebensraten von 90−100 %. Die Lokalrezidivrate liegt bei 쏝 2 %. Vergleichende Studien zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen Nierentumorexzision und Tumornephrektomie bei Tumorgröße 쏝 4 cm.
Diese Tumoren sind in der Regel bildgebend nicht von Nierenzellkarzinomen zu differenzieren und erfordern eine vergleichbare Diagnostik und Therapie (Tab. 7.6). Eine Sonderform maligner Nierentumoren nimmt der Wilms-Tumor ein, der in der größten Häufigkeit im Kindesalter zu finden ist. In einzelnen Fällen tritt er jedoch auch im Erwachsenenalter auf (S. 282 „Abdominaltumor“).
Tabelle 7.6 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Maligne mesenchymale Tumoren der Niere
Fibrosarkom Liposarkom Myosarkom Angioendotheliom osteogenes Sarkom maligne Tumoren der Nierenkapsel Wilms-Tumor (Nephroblastom)
Urothelkarzinome von Nierenbecken und Harnleiter Nierenbeckenkarzinome werden in 4,5−9 % aller malignen renalen Tumoren diagnostiziert. Primäre Urothelkarzinome sind mit etwa 1 % aller Malignome des Urogenitaltrakts sehr selten. Männer sind mit einem Verhältnis von 2−3:1 häufiger betroffen als Frauen. Der Häufigkeitsgipfel ist mit dem 50.−70. Lebensjahr dem der Nierenzellkarzinome vergleichbar. Ätiologisch sind chronisch-entzündliche oder stauungsbedingte Veränderungen, familiäre Nephritis, Schmerzmittelabusus (Phenacetin), Umwelttoxine (Zigarettenrauch) sowie Spätfolgen von Thorotrastuntersuchungen des Nierenholsystems (u. a.) beschrieben. Pathologie: Nierenbecken und Harnleiterkarzinome treten in etwa 1/4 der Fälle multilokulär auf. 80−90 % sind papilläre, z. T. solide Übergangszellkarzinome. Ihre Prognose ist der von Harnblasenkarzinomen vergleichbar.
Diagnostik Das Leitsymptom des Harnleiter- und Nierenbeckenkarzinoms ist die Makrohämaturie. Zusätzlich zu den bei den Nierenzellkarzinomen angewandten Standardverfahren ist die endoskopische Abklärung der Harnblase, ggf. eine endoskopische Abklärung des Harnleiters und Nierenbeckenkelchsystems mit Probeentnahme sinnvoll. Begleitend können Tumorformationen der Harnblase auftreten. Leitsymptom: 쐌 Makrohämaturie.
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Maligne mesenchymale Tumoren der Niere
7
164
7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen Therapie: Die Standardtherapie ist die operative Entfernung von Niere, Harnleiter und Blasenmanschette. Die 5-Jahres-Überlebensraten für Urothelkarzinome des oberen Harntraktes sind abhängig von Tumorstadium und Grading. Hochdifferenzierte Tumoren haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von 쏜 80 %, wohingegen infiltrativ wachsende bei 40−50 % und entdifferenzierte bei 15−20 % liegen.
Primär retroperitoneale Tumoren
Röntgen- und Sonographiebefunde
Grundlagen
7
Die seltenen primär retroperitonealen Tumoren entstehen aus Relikten von Keimzellgewebe im Retroperitoneum. Sie müssen von topographisch im Retroperitoneum entstehenden Metastasen z. B. des Urogenitalsystems, von Hodentumoren und deren Lymphknoten sowie von Organtumoren der Nebenniere unterschieden werden. Etwa 70 % aller retroperitonealen Tumoren sind Metastasen anderer Karzinome. Retroperitoneale Tumoren werden mit einer Häufigkeit von 0,3−3 Promille diagnostiziert. Eine sichere Geschlechtsbindung ist nicht erkennbar. An den Fett-Bindegewebe-Tumoren erkranken Frauen jedoch häufiger als Männer. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 5. Lebensjahrzehnt. Neurogene und teratoide Tumoren entstehen bevorzugt in der Kindheit, wobei das Neuroblastom der häufigste solide Tumor dieser Altersgruppe ist (S. 285). Symptome: Die Symptome retroperitonealer Tumoren sind unspezifisch und reichen von allgemeinen, kolikartigen Abdominal- und Rückenbeschwerden, Gewichtsverlust, Inappetenz, Brechreiz bis zur Obstipation. Bei Beteiligung des Harntraktes können Dysurie und Hämaturie auftreten. Die Oligoanurie kann bei Kompression des Harntraktes auch als Primärsymptom diagnoseführend sein. Da Fibrosarkome in seltenen Fällen insulinaktiv sind, können ungeklärte Hypoglykämien wegweisend sein
Einteilung Die Klassifikation der primär retroperitonealen Tumoren erfolgt nach embryologischen Gesichtspunkten (Tab. 7.7). Es können jeweils benigne und maligne Tumoren entstehen. Etwa 85 % aller primär retroperitonealen Tumoren verursachen eine Verdrängung (Obstruktion) oder auch Infiltration des Harntrakts, so dass eine urologische Diagnostik und Therapie zwingend ist. Tabelle 7.7
Primär retroperitoneale Tumoren
Ursprungsgewebe
Häufigkeit
mesenchymal
49 %
neurogen
19 %
epithelial
11,5 %
teratoid
9%
keine Klassifikation möglich
11,5 %
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
165
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Die bildgebenden und klinischen Untersuchungsverfahren führen vergleichbar denen des Nierenzellkarzinoms zur Diagnose (S. 160). Eine Analyse der Hodentumormarker, Vanillinmandelsäure und Katecholaminausscheidung im Urin ist ratsam. Bei unklarer Dignität ist ggf. eine primäre bioptische Diagnosesicherung sinnvoll.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Dignität
Tumor
Häufikeit
1.1 benigne
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Lipom Leiomyom Xantogranulom Myxom Fibrom Andere
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
35 % 21 % 12 % 9% 9% 14 %
1.2 maligne
쐌 쐌 쐌 쐌
Liposarkom Leiomyosarkom Fibrosarkom andere
쐌 쐌 쐌 쐌
25 % 17 % 27 % 30 %
2. Epitheliale primär retroperitoneale Tumoren (zystische Tumoren) 2.1 benigne
쐌 epithelial ausgekleidet 쐌 Adenome
쐌 66 % 쐌 3%
2.2 maligne
쐌 Karzinome
쐌 31 %
3. Neurogene primär retroperitoneale Tumoren 3.1 benigne
쐌 Neurinom/Neurofibrom 쐌 Phäochromozytom
쐌 40 % 쐌 10−25 %
3.2 maligne
쐌 Neuroblastom
쐌 35 %
4. Sonderformen 4.1 unklare Dignität
쐌 adrenale chromaffine Tumoren 쐌 Teratome (gelten im Kindesalter als benigne, beim Erwachsenen als maligne Tumoren)
4.2 maligne
쐌 primär retroperitoneale teratoide Tumoren 쐌 extragonadale Hodentumoren
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Röntgen- und Sonographiebefunde
1. Mesenchymale primäre retroperitoneale Tumoren
7
166
7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen
Nebennierentumoren Grundlagen
Röntgen- und Sonographiebefunde
Weitaus am häufigsten liegen Nebennierenmetastasen unterschiedlicher Primärtumoren vor.
7
Definition: Nebennierentumoren werden mit steigendem Einsatz der Sonographie und radiologischen Schnittbildverfahren zunehmend häufig als Zufallsbefunde diagnostiziert (Inzidentalome). Häufiger als primäre benigne oder maligne hormonaktive Nebennierentumoren treten Metastasen auf. Eine radiologische Differenzierung hormonaktiver Tumoren ist jedoch ebenso wenig möglich wie eine eindeutige Dignitätsbestimmung. Die häufigsten Primärlokalisationen sind: 왘 Melanom, 왘 Mamma, 왘 Lunge, 왘 Niere, 왘 Blase, 왘 Kolon, 왘 Ösophagus, 왘 Gallenblase, 왘 Leber, 왘 Pankreas, 왘 Prostata, 왘 Magen, 왘 Uterus. Die Nebennierenblutung kann im Sinne eines Tumors bei den bildgebenden Verfahren, ggf. auch durch Palpation, auffallen. Sie ist selten, tritt aber gehäuft nach traumatischer Geburt oder neonataler Hypoxie des Neugeborenen und in 8 % bilateral auf. Von der Nebennierenrinde ausgehende Tumoren sind durch die Wirkung der Mineralcorticoide (Morbus Conn) oder des Cortisols (Morbus Cushing) charakterisiert. Aus den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks entstehen die Phäochromozytome, die bei 0,5 % aller Hypertoniepatienten ursächlich für die Blutdruckerhöhung sind. Nur in 10 % sind diese Tumoren maligne. Neben der Nebenniere sind alle chromaffinen Gewebe vom Halsbereich bis zum Becken als möglicher Sitz dieser Tumoren zu berücksichtigen. Mit 80 % liegen meist singuläre Tumoren vor. Jeweils 10 % der Phäochromozytome treten familiär, bilateral, multipel oder extraadrenal auf. Kindliche Phäochromozytome sind mit 10 % selten. Die detaillierte Darstellung von Phäochromozytom sowie Cushing- und ConnSyndrom erfolgt in Kap. 6, S. 139.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei Phäochromozytom, Cushing-Syndrom, Conn-Syndrom und Inzidentalom ist in den Abb. 7.7−7.10 dargestellt. Neben den bildgebenden Standardverfahren der Sonographie, Computertomographie und Magnetresonanztomographie ist das wichtigste diagnostische Vorgehen die Abklärung der endokrinen Aktivität der Nebennierentumoren. Hierzu gehören z. B. die 24-StundenUrinuntersuchung und der MIGB-Scan zum Nachweis eines hormonaktiven Phäochromozytoms.
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Abb. 7.7 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei Phäochromozytom.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Tumor
7
Klinik
1. NN-Mark 1.1 Phäochromozytom
쐌 90 % benigne 쐌 10 % maligne 쐌 RR hoch
Diagnostik: 쐌 24-h-Urin: Katecholamine, Vanillinmandelsäure, 쐌 Sono, CT, MRT, 쐌 ggf. 123J-MIBG-Scan. 1.2 Ganglioneuroblastome
167
Röntgen- und Sonographiebefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
쐌 häufiger paravertebrale Lokalisation als primäre NNTumoren
Diagnostik: 쐌 Sono, CT, MRT. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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7.3 Renale und retroperitoneale Raumforderungen
Röntgen- und Sonographiebefunde
168
7
Abb. 7.8 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei CushingSyndrom.
Tumor
Klinik
2. NN-Rinde 2.1 Morbus Cushing
쐌 쐌 쐌 쐌
70 % idiopathische Hyperplasie 20 % benigne Adenome 10 % Karzinome sekundär bei ACTH Überproduktion (Hypothalamus/ Hypophysenstörung, iatrogen, ektope/paraneoplastische Produktion)
Diagnostik: 쐌 Klinik, 쐌 17-Hydroxysteroide im Urin, 쐌 Dexamethasonhemmtest, 쐌 Sono, CT, MRT. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Abb. 7.9 Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei ConnSyndrom (primärem Hyperaldosteronismus).
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
7
Abb. 7.10 talom.
Flussdiagramm zur Darstellung des diagnostischen Vorgehens bei Inziden-
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7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Tumor
Klinik
2. NN-Rinde (Fortsetzung) 2.2 Morbus Conn
쐌 70 % aldosteronproduzierender Tumor 쐌 Zona glomerulosa
Röntgen- und Sonographiebefunde
Diagnostik: 쐌 Labor: Na+ hoch, K+ erniedrigt, Aldosteron hoch, Renin erniedrigt, 쐌 Sono, CT, MRT. Nebennierentumoren ab 6 cm Größe sind gehäuft malignen Ursprungs. Wegen der Unterschätzung der Tumorgröße in CT und MRT besteht die OP-Indikation ab einer Tumorgröße von 5 cm.
Therapie: OP (beim Phäochromozytom unter α-Blockade). Eine der Schwierigkeiten adrenaler Raumforderungen ist die Häufigkeit der als Zufallsbefund aufgefallenen Nebennierentumoren, sog. Inzidentalome. Patienten mit soliden Tumoren sollten biochemisch abgeklärt werden. Eindeutig zystische Läsionen ohne endokrine Aktivität werden lediglich beobachtet. Das Vorgehen bei hormoninaktiven Nebennierentumoren 쏝 5 cm wird kontrovers diskutiert. Einige Autoren (Staren 1995, Barzon 2000) empfehlen die Operation bei soliden Tumoren ab 3−4 cm Größe, insbesondere bei jungen Patienten. Einigkeit besteht bzgl. der Bewertung von Raumforderungen 쏜 6 cm, die einheitlich als malignitätsverdächtig klassifiziert werden und operativ entfernt werden sollten (Cerfolio 1993). Aufgrund der häufig in der Computertomographie und Kernspintomographie unterschätzten Größe adrenaler Tumoren werden die meisten Tumoren ab einer Tumorgröße von 5 cm operiert. Kleinere Tumoren müssen endokrin abgeklärt und bei fehlender Hormonaktivität engmaschig kontrolliert werden.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Auf wichtige Krankheitsbilder bei Nebennierentumoren wird auf S. 139 und S. 288 ausführlich eingegangen.
Literatur
7
Barzon L, Boscaro M. Diagnosis and management of adrenal incidentalomas. J. Urol. 2000;163(2):398−407. Cerfolio RJ et al. Accuracy of computed tomography in predicting adrenal tumor size. Surg Gynecol Obstet. 1993;176(4):307−9. Staren ED, Prinz RA. Selection of patients with adrenal incidentalomas for operation. Surg Clin North Am. 75(3):499−509.
7.4
Verkalkung = makroskopisch erkennbare Einlagerung von Calciumsalzen
Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen C. Adam, C. G. Stief
Grundlagen Definition: Verkalkung beschreibt die makroskopisch erkennbare Einlagerung von Calciumsalzen im parenchymatösen Gewebe, in Haut, Subkutis oder Muskulatur, in der Wand von Hohlorganen, im Lumen des Gastrointestinaltraktes oder in den ableitenden Harn- oder Gallenwegen. Leitsymptome: Abdominale oder retroperitoneale Verkalkungen sind meist asymptomatisch und werden lediglich im Rahmen von bildgebenden Untersuchungsverfahren als Zufallsbefund entdeckt. Zu nennen sind hier in erster Linie Phlebolithen
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171
Röntgen- und Sonographiebefunde
Grundlagen
Abb. 7.11 Verkalkte Mesenteriallymphknoten in Projektion auf den rechten Unterbauch und zahlreiche Phlebolithen im kleinen Becken.
im kleinen Becken, verkalkte Mesenteriallymphknoten (Abb. 7.11) oder Gefäßverkalkungen; seltener vorkommend die ebenfalls meist symptomlosen Verkalkungen nach Traumata, spezifischen oder unspezifischen Entzündungen oder im Zusammenhang mit malignen Tumoren (Abb. 7.12). Nur gelegentlich rufen diese dumpfe, schlecht lokalisierbare Organschmerzen hervor. Häufige symptomatische Verkalkungen sind in den ableitenden Harn- oder Gallenwegen anzutreffen: Finden sich beim akuten Geschehen meist kolikartige, gut lokalisierbare Schmerzen, die von ausgeprägten generellen Infektionszeichen bis hin zur Sepsis begleitet sein können, so überwiegen nach dem Übergang in eine chronische Stauung dumpfe Organschmerzen mit ggf. Zeichen der lavierten chronischen Infektion. Rufen Verkalkungen in den Harnwegen ganz überwiegend Mikro- oder Makrohämaturien hervor, so ist bei Betroffenheit der Gallenwege eine Entfärbung des Stuhls mit Dunkelfärbung des Urins (Hyperbilirubinurie) fakultativ und von der zeitlichen Dauer der Stauung abhängig. Blasensteine können dysurische Beschwerden und/oder eine stakkatoartige Miktion bedingen. Ursachen: Verkalkung bedeutet die Einlagerung von Calciumsalzen („Kalk“) innerhalb des Körpers. Verkalkungen können sowohl monokausal als auch multifaktoriell verursacht sein; eine genaue Differenzierung des jeweiligen Einzelfalls ist nicht immer möglich.Neben physiologischen Verkalkungen (Knochen) finden sich altersbedingte Verkalkungen (Gefäßwände, Knorpel) durch den Übergang löslicher Calciumsalze in unlösliche Calciumsalze der nichtflüchtigen Fettsäuren und deren Ablagerung (Abb. 7.13). Intraparenchymatöse, intramurale oder intraluminale (Gefäße) Verkalkungen entstehen durch Einlagerung von unlöslichen Calciumsalzen in traumatisiertes, entzündliches, minderperfundiertes oder abgestorbenes Gewebe. Weitere intraluminale (ableitende Harn- und Gallenwege) Verkalkungen bestehen aus Einlagerungen physiologisch vorkommender, anorganischer Kristalle in eine organische Matrix oder aus primär auskristallisierten Substanzen.
7 Verkalkungen sind meistens asymptomatische Zufallsbefunde. Symptomatische Verkalkungen finden sich meist in den ableitenden Harnoder Gallenwegen.
Cave: Kolikartige Schmerzen können von generellen Infektionszeichen bis hin zur Sepsis begleitet sein.
Ursachen können monokausal oder multifaktoriell sein, darüber hinaus physiologisch oder pathologisch.
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172
7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Röntgen- und Sonographiebefunde
b Abb. 7.12 a u. b Verkalkter Nierentumor. a Abdomenübersicht. b CT.
a
7
a
b Abb. 7.13 a u. b a Verknöcherung der knorpeligen Rippenanteile. b Verkalkung der Aorta abdominalis (Pfeile).
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Diagnostisches Vorgehen
173
Einteilung Eine Einteilung lässt sich beispielsweise nach der Lokalisation in der a.−p. Röntgenübersichtsaufnahme vornehmen. Man unterscheidet hier die 4 Quadranten, den Mittelbauch und die Blasenregion (s. tabellarischer Überblick S. 175). Weiterhin kann man − wie im tabellarischen Überblick dargestellt − die Verkalkungen nach dem urologischen Organsystem unterscheiden, wobei hier zwischen Niere/Nebenniere und Blase/Prostata/Samenblasen unterschieden wird. Außerdem unterscheidet man symptomatische von asymptomatischen Verkalkungen, solche mit lokaler Erkrankung von solchen mit systemischer Erkrankung als Ursache, abdominale von retroperitonealen und maligne von benignen Verkalkungen. Hier kann die Computertomographie eine Unterscheidungshilfe darstellen (Kroepil et al. 2003).
Röntgen- und Sonographiebefunde
Besonderheiten Es sei erwähnt, dass ca. 80 % der Gallensteine Cholesterinsteine ohne Calciumeinlagen sind (Lammert u. Matern 2004); auch Harnsäure-, Struvit- und Zystinsteine (ca. 30 % aller Fälle von Urolithiasis) enthalten keine Calciumeinlagerungen, sind also keine „Verkalkungen“ im engeren Sinne.
Basisdiagnostik Konventionelles Röntgen: Verkalkungen werden in der konventionellen röntgenologischen Diagnostik als röntgendichte, weiße Strukturen abgebildet. Computertomographie: Verkalkungen werden als weiße Strukturen mit 75−400 Houndsfield-Einheiten (Urolithiasis) bzw. 150−2000 Houndsfield-Einheiten (Knochen) abgebildet. Kernspintomographie: Verkalkte Strukturen werden aufgrund der geringen Protonendichte sowohl in T1als auch in T2-gewichteten Bildern dunkel abgebildet. Sonographie: Verkalkungen werden als echodichte weiße Strukturen abgebildet, hinter (vom Schallkopf aus gesehen) denen sich ein Schallauslöschphänomen − der sog. Schallschatten − zeigt.
7 Basisdiagnostik: 쐌 Konventionelles Röntgen, 쐌 CT, 쐌 Sonographie.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen ist in Abb. 7.14 dargestellt.
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7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Röntgen- und Sonographiebefunde
174
7
Abb. 7.14 Flussdiagramm zum Ablauf des diagnostischen Vorgehens bei abdominalen und retroperitonealen Verkalkungen.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
175
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Lokalisation
Erkrankung
1.1 oberer rechter Quadrant
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.2 oberer linker Quadrant
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.3 unterer rechter/ linker Quadrant
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Phlebolith Harnleiterstein (S. 44, S. 47) Gefäßverkalkung Prostatasteine/-verkalkung (S. 402) Knochenprozesse Corpus alienum Blasenverkalkung Harnleiterverkalkung Dermoidzyste/ovarielle Verkalkung Ductus-deferens-Verkalkung Appendixstein extrauterine Gravidität
1.4 Mittelbauch
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Phlebolith Harnleiterstein (S. 44, S. 48) Gefäßverkalkung Hufeisennierenstein Fetus Corpus alienum
Gallenstein Nierenstein (S. 27) Harnleiterstein (S. 44, S. 98) Mesenteriallymphknoten Pankreas Nierentumor/-zyste (S. 154, S. 158) Nebennierentumor(Neuroblastom) (S. 285) Gefäß/Aneurysma (S. 17) Tuberkulose/Tuberkulom (S. 178) parenchymatöser Tumor/Metastase Echinokokkuszyste (S. 178) multizystische Nierendysplasie (S. 291) Corpus alienum
Nierenstein (S. 27) Harnleiterstein (S. 44, S. 48) Mesenteriallymphknoten Pankreas Corpus alienum intraparenchymatöse Verkalkungen Nierentumor/-zyste (S. 154) Nebennierentumor (S. 166) Neuroblastom (S. 285) Gefäß/Aneurysma Milzverkalkungen/Thorotrastmilz/Tuberkulose/ Tuberkulom 쐌 multizystische Nierendysplasie (S. 291) 쐌 Echinokokkuszyste
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Röntgen- und Sonographiebefunde
1. Lokalisation in der a.−p. Abdomenübersichtsaufnahme
7
176
7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Lokalisation
Erkrankung
1. Lokalisation in der a.−p. Abdomenübersichtsaufnahme (Fortsetzung) 1.5 Blasenregion
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Phlebolith distaler/intramuraler Harnleiterstein (S. 44, S. 98) Prostatasteine (S. 402) Prostataverkalkung Blasenstein (S. 47) Samenblasenverkalkung Blasenwandverkalkung (S. 181) Corpus alienum Dermoidzyste uterine Verkalkung Fäkolith
Röntgen- und Sonographiebefunde
2. Lokalisation bezogen auf urologische Organe
7
2.1 pararenal
2.2 renal intraparenchymatös
쐌 Nebennierentumor 쐌 Neuroblastom 쐌 Nierenarterienverkalkung/-aneurysma 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Markschwammniere renal tubuläre Azidose Papillennekrose Glomerulonephritis multizystische Nierendysplasie Nierentumor/-zyste Tuberkulose/Tuberkulom Echinokokkuszyste
Hohlraumsystem
쐌 Nephrolithiasis
2.3 Blase/Prostata/ Samenblasen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Blasenstein (S. 47) Corpus alienum 2Prostatasteine (S. 402) Prostataverkalkung Samenblasenverkalkung Ductus-deferens-Verkalkung Blasenwandverkalkung
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Renale parenchymatöse Verkalkungen Die Abgrenzung intraparenchymatöser renaler Verkalkungen versus Verkalkungen im Hohlsystem ist von großer therapeutischer Wichtigkeit. So finden sich bei der renal tubulären Azidose vom distalen Typ disseminierte intraparenchymatöse Verkalkungen; die Hyperkalzurie fördert aber auch die Bildung von Steinen im Hohlsystem. Bei der Markschwammniere (Abb. 7.15) finden sich multiple zystisch erweiterte Tubuli (8−10 mm) mit einer Ansammlung von kleinsten Konkrementen in den Sammelröhrchen; sie prädisponiert ebenfalls zur Urolithiasis. Können sich multiple linsen- bis erbsgroße Verkalkungen im Bereich der Nierenrinde nach Glomerulonephritits finden, so zeigen sich nach Papillennekrose die Verkalkungen in Projektion auf den Übergang Nierenrinde−Nierenmark. Nierenzysten (Abb. 7.16) können ebenfalls (partiell) verkalken; in verkalkten Nierenzysten finden sich in bis zu 10 % maligne Prozesse (Patterson et al. 1987); differenzialdiagnostisch ist ebenfalls an eine Echinokokkuszyste (Abb. 7.17) oder ein Tuberkulom (Abb. 7.18) zu denken. Die o.g. intraparenchymatösen Verkalkungen sind asymptomatisch.
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177
Abb. 7.15
Röntgen- und Sonographiebefunde
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Markschwammnieren beidseits (Abdomenübersichtsaufnahme).
7
b Abb. 7.16 a u. b Verkalkte Nierenzyste. a Abdomenübersichtsaufnahme. b Nach Kontrastmittelgabe.
a
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7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
b
Röntgen- und Sonographiebefunde
Abb. 7.17 a u. b Echinokokkuszyste. a Abdomenübersichtsaufnahme. b Kernspintomographie.
7
a
Diagnostik Cave: In verkalkten Nierenzysten finden sich in 10 % der Fälle maligne Prozesse.
Stufendiagnostik: 쐌 Abdomenübersichtsaufnahme, 쐌 Sonographie, 쐌 laterale/gedrehte Aufnahme, 쐌 Veratmungsaufnahme, 쐌 Ausscheidungsurogramm, 쐌 Schichtungen, 쐌 CT, 쐌 Spiral-CT, 쐌 MRT, 쐌 retrogrades Ureteropyelogramm, 쐌 perkutane Zystenpunktion, 쐌 Angiographie, 쐌 operative Freilegung.
Spezifische Nieren-, Ureter- und Prostataverkalkungen (Nierentuberkulose) Ätiologie: Der primäre Infektionsherd der Tuberkulose betrifft überwiegend die Lunge. Nach einer Latenzphase von 5−10 Jahren induziert bei ca. 10 % der Patienten die hämatogene, überwiegend sekundäre Infektion der Niere mit Mycoabacterium tuberculosis eine spezifische, chronische Entzündung des renalen Parenchyms (Lenk u. Schroeder 2001). Sind bei der Miliartuberkulose beide Nieren von kleinen bis hirsekorngroßen Tuberkeln durchsetzt, so entsteht die verkäsende und ulzerie-
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a Abb. 7.18 a u. b Tuberkulom. a Abdomenübersichtsaufnahme. b Nach Kontrastmittelgabe.
b
Röntgen- und Sonographiebefunde
179
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
7 rende Nierentuberkulose im Nierenmark. Aus dem rasch verkäsenden Herd entwickelt sich entweder ein abgekapselter Prozess unter weiterer Eindickung des verkäsenden Inhaltes (bis hin zum Tuberkulom) oder durch die Beteiligung der gesamten Niere eine Kittniere, die durch Einlagerung von Kalksalzen dann in eine Mörtelniere übergeht. Bei Einbruch in das Hohlsystem kommt es zu einer offenen Tuberkulose mit hochinfektiösem Urin. Bei (Mit)Beteiligung der Ureteren entstehen über die meist distale tuberkulöse Ureteritis Harnleiterstenosen und ggf. Ureterverkalkungen. An der Blasenschleimhaut bilden sich zuerst gerötete Höfe um ein oder beide Ostien; dann tuberkulöse Knötchen im Bereich der gesamten Blasenschleimhaut, die durch Konfluieren an Größe gewinnen und durch Ulzeration auch der tiefen Wandschichten eine Schrumpfblase hervorrufen können. Eine Mitaffektion der ableitenden Samenwege beim Mann entsteht über die hämatogene Infektion der Epididymis oder der Prostata. Klinisch imponieren im Spätstadium eine ausgeprägte Verplumpung des Nebenhodens, multiple Strikturen im Bereich des Ductus deferens sowie eine Prostataverkalkung variablen Grades. Symptomatik: Die klinische Symptomatologie der Urogenitaltuberkulose ist bis auf eine (Mit)Beteiligung von Blase und/oder männlicher Adnexe eher larviert und unspezifisch. Deswegen sollte bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen mit mehrfach „sterilen“ Harnkulturen, persistierenden Mikro- oder Makrohämaturien ohne ansonsten fassbares Substrat oder „abakteriellen“ Prostatitiden bei jüngeren Patienten an eine Tuberkulose gedacht werden.
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7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Diagnostik
Röntgen- und Sonographiebefunde
Die bakteriologische Diagnostik stützte sich bislang auf den färberischen Nachweis (Ziehl-Neelsen-Färbung, unspezifisch) von Mykobakterien im Urin bzw. Ejakulat oder spezifische Kulturen bzw. Tierversuche. In neuerer Zeit steht ein hochspezifischer Test auf PCR-Basis zur Verfügung. Erwarteter Befund
Sonographie
Form- oder Größenveränderungen der Nieren oder des Nebenhodens; Verkalkungen von Niere, Harnleiter, Prostata
Abdomenübersichtsaufnahme
Form- oder Größenveränderungen der Nieren; Verkalkungen von Niere, Harnleiter, Prostata
Ausscheidungsurogramm
Form- oder Größenveränderungen der Nieren; Verkalkungen von Niere, Harnleiter, Prostata; Veränderungen der ableitenden Harnwege (Verplumpung, Verziehung, Stenose, stumme Anteile, Schrumpfblase)
retrograde Urethrographie
Prostataverkalkungen, Harnröhrenstenosen
Urethrozystoskopie Harnröhrenstenosen, Blasenveränderungen (Ostienrötung, bullösseröse Granulationen, akute und chronische Ulzerationen, Ostienveränderungen, Schrumpfblase); ggf. Biopsie retrogrades Urete- Harnleiterverkalkungen, Stenosen, Nierenbeckenkelchveränderunropyelogramm gen seitengetrennte Isotopennephrographie
renale Funktionseinschränkungen
Ureterorenoskopie Harnleiterstrikturen, morphologische Veränderung des Nierenbeckenkelchsystems, Granulationen, Ulzerationen; ggf. Biopsie
Cave:
7
Untersuchung
Bei Einbruch eines tuberkulösen Herdes in das Hohlsystem entsteht eine offene Tuberkulose mit infektiösem Urin.
5−10 Jahre nach primärer Tuberkulose entsteht in 10 % der Fälle eine Urogenitaltuberkulose durch hämatogene Streuung.
Therapie: Zur Therapie einer aktiven Tuberkulose ist bei gegebener Compliance sofort eine (ambulante) Behandlung mittels oral applizierbarer Chemotherapeutika (z. B. Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Streptomycin) zu beginnen (Lenk u. Schroeder 2001). Bevorzugt wird eine Dreierkombination, an Nebenwirkungen ist auf Leberschäden, zentral- oder peripher-nervöse Störungen, Nephrotoxizität und Hauterscheinungen zu achten. Regelmäßige Resistenzkontrollen sind notwendig. Die Therapie von Harnabflussbehinderungen erfolgt analog zu solcher anderen Ursache (z. B. Ableitung mittels Harnleiterkatheter, operative Intervention usw.) Die Symptomatologie der Urogenitaltuberkulose ist häufig larviert und unspezifisch.
Nierenarterienverkalkung, -aneurysma Ätiologie: Unter hyperlipidämischen Bedingungen nehmen die glatten Muskelzellen der Gefäßwände über einen vom LDL-Rezeptor unabhängigen Weg unphysiologische Mengen von Cholesterin auf. Die konsekutive metastabile Mizelleneinlagerung führt über Zelldegeneration und Defektersatz durch Kollagen zu makroskopisch erkennbaren arteriosklerotischen Bezirken, die dann verkalken können (Maxfield u. Tabas 2005). Dystrophische Veränderungen innerhalb der arteriosklerotischen Beete mit Schwächung der Media der Gefäßwand können zu einer lokalen Lumenerweiterung, einem Aneurysma führen. Thromben innerhalb des Aneurysmas können dann ebenfalls verkalken.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
181
Symptomatik: Die Symptomatik der Nierenarterienverkalkung ist lediglich durch ihre möglichen hämodynamischen Veränderungen bestimmt; per se ist sie asymptomatisch (s. S. 131 Hypertonie).
Diagnostik Adaptierte Diagnostik: 쐌 Abdomenübersichtsaufnahme, 쐌 Sonographie, 쐌 Isotopennephrogramm, 쐌 Ausscheidungsurogramm, 쐌 i. v. DSA und Angiographie.
Blasenwandverkalkung Ätiologie: Die Bilharziose oder Schistosmiasis wird durch Schistosomen (Blasenbeteiligung: Schistosoma haematobium) hervorgerufen. Schistosomen zeigen folgenden Entwicklungszyklus beim Menschen: 1. Eier in submukösen Venen des Darmes oder der Harnblase, 2. Entwicklung von Mirazidien innerhalb der Eier, Ulzeration der Schleimhaut, Ausscheidung ins Wasser, 3. Sprengen der Eischale, Eindringen der Mirazidien in Süßwasserschnecken, 4. Umwandlung mit asexueller Vermehrung (× 105) über Sporozysten in infektiöse Zerkarien, 5. Ausscheidung in Wasser, Eindringen in unverletzte menschliche Haut, 6. über Kreislauf in intrahepatische Gefäße, 7. adulte Würmermigration in submuköse (Blasen)Venengeflechte, 8. Eiablage (200−500/d). Werden die Eier nicht ausgeschieden, sterben die Mirazidien innerhalb von 10−14 Tagen ab und kalzifizieren. Diese kalzifizierten Eier imponieren makroskopisch als Blasenverkalkung. Symptomatik: Die klassische Symptomatik der Schistosomiasis ist die Kombination von Dys- und Makrohämaturie. Zusammen mit „sterilen“ Urinbakteriologien und der Reise- oder geographischen Aufenthaltsanamnese mit Schwimmen im Wasser erhärtet sich der Verdacht.
Diagnostik 쐌 Nachweis von Schistosomaeiern im Urin (Tagesperiodik mit Peaks um 10 und 14 Uhr), 쐌 ggf. zystoskopische Biopsie.
Serologisch ist der Nachweis einer stattgehabten Infektion ebenfalls möglich. Therapie: Die Therapie der Bilharziose erfolgt in erster Linie chemotherapeutisch, wobei Praziquantel das Mittel der ersten Wahl darstellt (Richter 2003). Nur im Falle von fortgeschrittenen anatomisch-organischen Läsionen (Ureterstenosen, große Blasenulzera, Schrumpfblase, Blasenhalssklerose) oder bei Entstehung eines Blasenkarzinoms ist ein chirurgisches Procedere erforderlich.
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Therapie: Zur Therapie stehen symptomatische medikamentöse Behandlungsversuche, die Angioplastie, die rekonstruktive Gefäßchirurgie oder die Nephrektomie zur Auswahl.
7
182
7.4 Abdominale und retroperitoneale Verkalkungen
Lymphknotenverkalkungen, verkalkte peritoneale Metastasen: Diagnostik Labor: 쐌 Blutserologie, 쐌 Urin- und Stuhldiagnostik. Bildgebende Verfahren: 쐌 Sonographie, 쐌 Abdomenübersichtsaufnahme plus Zweitbild nach bestimmtem Zeitintervall oder nach Bewegung, 쐌 Veratmungsaufnahme, 쐌 Ausscheidungsurogramm, 쐌 laterale/gedrehte Aufnahme, 쐌 CT.
Röntgen- und Sonographiebefunde
Chirurgische Exploration
7
Fremdkörper Tablette; Suppositorien; traumatische, manipulatorische oder iatrogene Corpora aliena, Zustand nach schwermetallhaltigen Injektionen; Phlebolithen, Kontrastmittelrückstände; Knochenveränderungen (Osteoidosteom, Anlagestörungen, osteoklastische oder osteoblastische Metastasen), Weichteilverkalkungen nach Trauma, Infektion oder Minderperfusion, Bänderverkalkungen.
Diagnostik Bildgebende Verfahren: 쐌 Sonographie, 쐌 Abdomenübersichtsaufnahme plus Zweitbild nach bestimmtem Zeitintervall oder nach Bewegung, 쐌 Veratmungsaufnahme, 쐌 Ausscheidungsurogramm, 쐌 laterale/gedrehte Aufnahme, 쐌 MDP, 쐌 Gastro-/Kolo-/Rektoskopie, 쐌 CT. Chirurgische Exploration
Literatur Kroepil P, Coakley FV, Graser A, Breimann RS, Qayyum A, Yeh BM. Appearence and Distinguishing Features of Retroperitoneal Calcifications at Computer Tomography. J Comput Assist Tomogr. 2003;27:860−3. Lammert F, Matern S. Evidenzbasierte Prävention der Cholezystolithiasis. Dtsch Med Wochenschr. 2004;129:1548−50. Lenk S, Schroeder J. Genitourinary tuberculosis. Curr Opin Urol. 2001;11:93−6. Maxfield FR, Tabas I. Role of cholesterol and lipid organization in disease. Nature. 2005;438:612−21. Patterson J, Lohr D, Briscoe C, Briscoe G, Flanigan RC. Calcified renal masses. Urology. 1987;29:353−6. Richter J. The impact of chemotherapy on morbidity due to schistosomiasis. Acta Tropica. 2003;86:161−83.
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Grundlagen
7.5
183
Retrogrades Urethrogramm (RUG) R. Gillitzer
Die Röntgenuntersuchungen retrogrades Urethrogramm und Miktionszystourethrogramm (Kap. 7.6, S. 186) dienen der Abklärung pathologischer Befunde des unteren Harntraktes, speziell der Urethra und der Blase. Sie können einzeln oder in Kombination durchgeführt werden.
Grundlagen
Technische Durchführung: Der Patient liegt in Halbseitenlage (Lauenstein-Lage). Nach Glans- und Meatusdesinfizierung wird der Penis mit einer Penisspannklemme gestreckt. Der Meatus wird mit einer Olive intubiert und gleichzeitig abgedichtet. Anfertigung einer Übersichtsaufnahme. Während der Patient zur Beckenbodenrelaxation aufgefordert wird, werden langsam 30−50 ml wasserlösliches Röntgenkontrastmittel in den Meatus injiziert. Das Kontrastmittel fließt retrograd in die Urethra und gelangt schließlich in die Blase. Bei Beckenbodenrelaxation wird die Darstellung von prostatischer Harnröhre und Blasenhals ermöglicht. Unter Durchleuchtungskontrolle kann die Kontrastmittelfüllung der gesamten Urethra beobachtet werden. Im Anschluss an das RUG können bei Bedarf bei kontrastmittelgefüllter Blase ein Miktionszystourethrogramm (MCU) oder ein Refluxzystogramm angefertigt werden. Bei hochgradigen Strikturen bzw. kompletter Urethraobliteration, z. B. nach Harnröhrenabriss, ist die kombinierte Durchführung eines retrograden Urethrogrammes und eines Miktionszystourethrogrammes (Kontrastmittelfüllung über Zystostomie) unerlässlich zur Abschätzung der Länge einer Striktur.
Zur Durchführung eines retrograden Urethrogrammes muss der Penis mittels Penisspannklemme gestreckt bleiben. Ansonsten kann ein geschlängelter Harnröhrenverlauf eine Harnröhrenstriktur durch schräges Auftreffen der Röntgenstrahlen vortäuschen (Abb. 7.19). Zur Beurteilung von Prostata und Blasenhals sollte der Blasenboden bei der retrograden Urethrographie mitdargestellt sein.
Röntgen- und Sonographiebefunde
Definition: Das retrograde Urethrogramm ist eine statische Röntgenuntersuchung zur Abklärung pathologischer Befunde der gesamten Harnröhre vom Meatus urethrae externus bis zum Blasenhals.
7
Abb. 7.19 Vorgetäuschte penile Harnröhrenstriktur durch geschlängelten Harnröhrenverlauf (Luftblase hinter der vorgetäuschten Striktur; Pfeil). Die Striktur wurde urethroskopisch ausgeschlossen.
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7.5 Retrogrades Urethrogramm (RUG)
Röntgen- und Sonographiebefunde
Cave: Bei der retrograden Urethrographie können sich die Ductus deferentes bzw. die Ductuli ejaculatorii retrograd darstellen. Das retrograde Auffüllen der Urethra unter erhöhtem Druck muss unterbleiben. Ansonsten kann durch kleine Schleimhauteinrisse eine Kontrastmitteleinschwemmung in das Corpus spongiosum erfolgen, bei bakterieller Kontamination mit entsprechenden Risiken. Der Schwellkörper und sein venöses Abflusssystem werden dann angefärbt (Abb. 7.20). Die mögliche iatrogene Keimverschleppung birgt die Gefahr einer Bakteriämie und Urosepsis.
Abb. 7.20 „Überspritztes“ retrogrades Urethrogramm mit Darstellung des Corpus spongiosum im bulbären Bereich (Pfeil).
7
Abb. 7.21 Doppelballonkatheter (Variante mit distaler Olive und proximalem Ballon). Kontrastmitteldarstellung der Urethra im abgedichten Abschnitt (Pfeil).
Besonderheiten Das klassische RUG eignet sich als bildgebendes Verfahren für die männliche Urethra. Bei der Frau verwendet man zur Darstellung der kurzen Harnröhre die sog. Doppelballontechnik mit Abdichtung des Meatus externus und Meatus internus der Harnröhre durch jeweils einen Ballon (Abb. 7.21). Am häufigsten ist diese Untersuchung zur Abklärung eines Urethraldivertikels oder einer Harnröhrenfistel indiziert.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
185
Diagnostisches Vorgehen Das RUG eignet sich als bildgebendes Verfahren zur weiteren Abklärung folgender obstruktiver und dysurischer Miktionsbeschwerden: 왘 Harnstrahlabschwächung, 왘 hoher Restharn, 왘 Algurie/Strangurie, 왘 Pollakisurie/Nykturie.
Radiologischer Befund
Erkrankung
1. Kontrastmittelaussparung
쐌 쐌 쐌 쐌
쐌 쐌 쐌 쐌 2. Kontrastmittelextravasat / atypisches KM-Depot
쐌 쐌 쐌 쐌
Harnröhrenstriktur (Abb. 7.22) Blasenhalsenge BPH (prostatische Harnröhre elongiert und eng) “Moormann-Ring“ (urodynamisch meist nichtrelevante Enge im Bereich des Überganges von der membranösen zur bulbären Harnröhre) Urethralklappe Fremdkörper Harnröhrentumoren (Abb. 7.23) Utrikuluszyste Harnröhrendivertikel Harnröhrenfistel Urethra duplex Beckenringtrauma mit zumeist posteriorer Harnröhrenverletzung
Röntgen- und Sonographiebefunde
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
7
Abb. 7.22
Bulbäre Harnröhrenstrikturen im RUG (Pfeile).
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7.6 Miktionszystourethrogramm (MCU)
Röntgen- und Sonographiebefunde
186
Abb. 7.23 RUG mit Darstellung eines bulbären Harnröhrentumors (Aussparung; Pfeil). Histologische Diagnose eines Urothelkarzinoms.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Wichtige Krankheitsbilder sind in Kap. 7.6 auf S. 189 aufgeführt.
7 7.6
Miktionszystourethrogramm (MCU) R. Gillitzer
Grundlagen Alternativ kann die nach einem IVP erreichte Füllung der Blase genutzt werden, um anschließend während der Miktion die Harnröhre darzustellen. Einerseits verläuft diese Untersuchung nichtinvasiv, andererseits stellt sich die Harnröhre jedoch aufgrund der geringeren Kontrastmittelkonzentration etwas schwächer dar als beim konventionellen MCU. Eine Refluxprüfung ist wegen des noch im oberen Harntrakt befindlichen Kontrastmittels nicht aussagekräftig.
Definition: Das Miktionszystourethrogramm (MCU) ist eine dynamische Röntgenuntersuchung zur Abklärung pathologischer Befunde der Blase und der Harnröhre. Distal von Strikturen oder anderen hochgradigen Obstruktionen wird die Harnröhre jedoch meistens nur schwach kontrastiert. Technische Durchführung: Patient liegt in Halbseitenlage (Lauenstein-Lage). Anfertigung einer Übersichtsaufnahme. Die Blase wird entweder retrograd über einen transurethralen Katheter mit 200−300 ml eines verdünnten, wasserlöslichen Kontrastmittels oder antegrad über eine perkutane Blasenpunktion (v.a. bei Kindern) gefüllt. Unter Durchleuchtungskontrolle werden Röntgenaufnahmen vor, während und nach der Miktion angefertigt. Das MCU ist als dynamische Röntgenuntersuchung des Miktionsvorganges fester Bestandteil einer videourodynamischen Untersuchung im Rahmen der Abklärung neurogener Blasenfunktionsstörungen.
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Diagnostisches Vorgehen
187
Besonderheiten Refluxprüfung: Darstellung eines vesikoureteralen/vesikorenalen Refluxes bereits bei der Blasenfüllung (sog. „Niederdruckreflux“), oder erst unter der Miktion nach Erreichen der maximalen Blasenkapazität (sog. „Hochdruckreflux“) (Abb. 7.24).
Diagnostisches Vorgehen Ein MCU ist durchzuführen bei Verdacht auf: infravesikale Harnabflussbehinderung (z. B. Urethralklappe, Harnröhrenstriktur, Blasenhalsstenose), 왘 Blasenfistel, 왘 Blasenruptur, 왘 Blasendivertikel, 왘 Urachusdivertikel, 왘 Urachusfistel, 왘 neurogene Blasenentleerungsstörung, 왘 vesikoureteralen Reflux. 왘
Bei Kindern wird das MCU mit Blasenpunktion in der Regel dem retrograden Urethrogramm vorgezogen (keine Instrumentation der Harnröhre).
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Lokalisation
Erkrankung
1. Übersichtsaufnahme 1.1 Blase
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.2 Prostata
쐌 intraprostatische Verkalkungen (Prostatakonkremente)
Blasensteine (schattengebend) distaler Ureterstein Phlebolithen Fremdkörper Bilharziose (Schistosomiasis), Verkalkungen der gesamten Blasenwand und des distalen Ureters (pathognomonisch)
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Abb. 7.24 MCU mit Darstellung eines bilateralen vesikorenalen Refluxes 4.−5. Grades.
7
188
7.6 Miktionszystourethrogramm (MCU)
Lokalisation
Erkrankung
Röntgen- und Sonographiebefunde
2. Kontrastmittelaussparung 2.1 Blase
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2.2 Harnröhre
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Tumor Blasensteine (nichtschattengebend) Trabekelblase Blutkoagel Fremdkörper neurogene Blase („Christbaumblase“) Prostataadenom (symmetrische Anhebung oder Pelottierung des Blasenbodens oder KM-Aussparung bei Mittellappen) 쐌 Blasenhalsenge 쐌 Bilharziose (Fremdkörpergranulome der Blasenwand im akuten Stadium) Harnröhrenstriktur Harnröhrenklappe Fremdkörper Stein Tumor Blutkoagel
3. Kontrastmittelextravasat/atypisches KM-Depot 3.1 Blase
쐌 쐌 쐌 쐌
Divertikel Fistel (vesikovaginal, vesikointestinal) Urachusdivertikel/-persistenz Ruptur
3.2 Harnröhre
쐌 쐌 쐌 쐌
Divertikel Ruptur Fistel Urethra duplex (Abb. 7.25)
7 Abb. 7.25 MCU einer Urethra duplex.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
189
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Bulbäre Harnröhrenstriktur Ursache: Angeboren oder erworben, meistens iatrogen bedingt nach Instrumentation, idiopathisch und heutzutage seltener nach venerischen Infektionen (Gonorrhö, Chlamydienurethritis).
Diagnostik Obligat: 쐌 Anamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, Restharnbestimmung, 쐌 Uroflow, 쐌 RUG/MCU. Fakultativ: 쐌 Urethroskopie.
Kongenitale posteriore Harnröhrenklappe des Knaben Ursache: Angeborene schwere Obstruktion aufgrund eines gefensterten Diaphragmas im Bereich der prostatischen/membranösen Harnröhre. Symptome: Intrauterine Diagnose; beidseitige Harnstauungsnieren bei stetiger Blasenfüllung, Oligohydramnion. In der Perinatalperiode Gedeihstörung, reduzierter Allgemeinzustand, Symptome der Urosepsis. Bei milderen Formen Harnstrahlabschwächung, Harnwegsinfekte, Enuresis.
Diagnostik Obligat: 쐌 Fremdanamnese/körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus/Urinkultur, 쐌 Sonographie, Restharnbestimmung, 쐌 MCU (durch Blasenpunktion).
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Röntgen- und Sonographiebefunde
Symptome: 쐌 Harnstrahlabschwächung, 쐌 Pollakisurie, 쐌 Nachtröpfeln, 쐌 Dysurie, 쐌 Doppelmiktion, 쐌 bei vorderen Strikturen „Harnröhrenausmelken“ nach Miktion zur Entleerung der Urethra.
7
7.6 Miktionszystourethrogramm (MCU)
Röntgen- und Sonographiebefunde
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191
8 8.1
Funktionsstörungen des unteren Harntraktes − Lower urinary Tract Symptoms (LUTS)
8.1 Blasenentleerungsstörungen . . . . . . . . . 191 8.2 Harnspeicherstörungen − Pollakisurie, imperativer Harndrang, Harninkontinenz . . . . . . . . 205
Blasenentleerungsstörungen F. Schmidt, J. W. Thüroff
Grundlagen Definition: Unter Blasenentleerungsstörungen versteht man eine erschwerte, verlängerte und/oder unvollständige Entleerung der Harnblase.
Darüber hinaus kann auch die Nykturie auf eine Blasentleerungsstörung hindeuten. Die Nykturie ist die Anzahl von Blasenentleerungen während des Nachtschlafes, wobei jedem Wasserlassen Schlaf vorausgeht und folgt (Abrams 2004). Die physiologische Miktion setzt ein koordiniertes Zusammenspiel aus Kontraktion der Blasenmuskulatur und Erschlaffung des Sphinkters voraus. Als Ursache für die o.g. Symptome findet sich häufig: 왘 eine anatomische oder funktionelle Obstruktion zwischen Blasenhals und äußerer Harnröhrenmündung. 왘 Darüber hinaus ist an eine Herabsetzung der Kontraktionskraft des Detrusors zu denken (underactive detrusor). 왘 Schließlich können auch Veränderungen, die einer eigentlich normalen Detrusorfunktion entgegenwirken (z. B. Blasendivertikel, vesikoureteraler Reflux), zu einer Störung der Harnentleerung führen.
Zu beachten ist, dass es häufig Mischformen zwischen einzelnen ätiologischen Faktoren gibt bzw. diese ineinander übergehen können.
Einteilung Infravesikale Obstruktion und sekundäre Auswirkungen auf den Detrusor Die Ursache eines erhöhten infravesikalen Widerstandes kann entweder mechanisch/anatomisch oder funktionell bedingt sein (Abb. 8.1). Die anatomische Obstruktion wird meist hervorgerufen durch: 왘 benigne Prostatahyperplasie, 왘 Harnröhrenstrikturen oder -klappen, 왘 Prostatakarzinom, 왘 Meatusstenosen, 왘 Blasenhalssklerose, 왘 Urethrakarzinom. Selten ist an Fremdkörper (auch Steine) zu denken.
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Funktionsstörungen
Leitsymptome: 쐌 Startverzögerung, 쐌 unterbrochener oder geteilter Harnstrahl, 쐌 Harnstrahlabschwächung, 쐌 Miktion unter Einsatz der Bauchpresse, 쐌 Nachtröpfeln, 쐌 Harnverhalt.
8
192
8.1 Blasenentleerungsstörungen
Cave: Eine subvesikale Obstruktion kann sowohl zu einer Detrusorhyperaktivität als auch zu einer Detrusorhypoaktivität führen.
Cave: Die Differenzierung zwischen sekundärer Detrusorüberaktivität auf dem Boden einer subvesikalen Obstruktion und einer primären Detrusorüberaktivität ist wichtig für die Abschätzung des Erfolges einer TURP.
Im Gegensatz dazu ist bei der funktionellen infravesikalen Obstruktion das koordinierte Zusammenspiel von Detrusor und Kontinenzmechanismus gestört. Kommt es während der Detrusorkontraktion zur unwillkürlichen Kontraktion der urethralen oder periurethralen Muskulatur, spricht man bei neurogener Ursache von einer Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie. Ein gestörtes Zusammenspiel von Detrusor und Sphinkter nichtneurogener Ursache bezeichnet man als Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination. Durch eine infravesikale Obstruktion können in der Blase sekundäre Veränderungen hervorgerufen werden. Einerseits kann es durch die Hypertrophie des Detrusors zu einer Detrusorüberaktivität (detrusor overactivity) und Erniedrigung der Compliance kommen. Klinisch äußert sich dies durch das Auftreten irritativer Miktionssymptome. Andererseits kann eine infravesikale Obstruktion durch den hypertrophen Umbau des Blasenmuskels zur Herabsetzung der Kontraktilität des Detrusors während der Entleerungsphase führen (detrusor underactivity). Hieraus resultiert eine weitere Verschlechterung des Harnflusses. Nicht selten sind diese beiden Formen miteinander kombiniert. Wichtig ist insbesondere bei der Detrusorüberaktivität die urodynamische Abklärung. Besteht klinisch der Verdacht auf eine Detrusorüberaktivität, ist eine urodynamische Abklärung auch hinsichtlich des Erfolges einer operativen Therapie wichtig. Resultiert die Detrusorüberaktivität sekundär aus einer infravesikalen Obstruktion, so kann die Symptomatik beispielsweise durch eine TURP gebessert werden. Umgekehrt kann bei primärer Detrusorüberaktivität durch eine TURP der infravesikale Widerstand so gesenkt werden, dass es zu einer Inkontinenz kommt (detrusor overactivity incontinence).
Funktionsstörungen
Detrusorhypoaktivität (Detrusor Underactivity)
8
Zu beachten ist, dass die myogenen Schäden den Detrusor entweder primär betreffen können oder sekundär, z. B. bei chronisch erhöhtem Widerstand, entstehen (s. o.).
Ursachen einer reduzierten Detrusorkontraktilität können Läsionen oder Erkrankungen der Innervation (neurogen) oder des Detrusors selbst sein (myogen) (Abb. 8.1). Das komplette Fehlen einer Detrusorkontraktion wird als akontraktiler Detrusor bezeichnet. Ist diese auf eine Läsion des Conus medullaris zurückzuführen, so bezeichnet man den Detrusor als dezentralisiert. Wenn die Kontraktionskraft des Detrusors durch eine infravesikale Obstruktion erschöpft wurde, spricht man von einer Detrusordekompensation.
Abb. 8.1 Übersicht über die Einteilung der Blasenentleerungsstörungen nach ihrer Pathogenese (Details siehe Text).
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Basisdiagnostik
193
Besonderheiten Geschlechtsspezifische Besonderheiten beim Mann: Die häufigste Ursache einer infravesikalen Obstruktion beim Mann ist die benigne Prostatahyperplasie (BPH). Daneben ist aber auch an eine Harnröhrenstriktur oder ein Prostatakarzinom zu denken. Die Ätiologie der infravesikalen Obstruktion ist beim Mann vielseitig und nicht auf die hier genannten Ursachen beschränkt. Geschlechtsspezifische Besonderheiten bei der Frau: Bei der Frau kann es nach iatrogenen Eingriffen zu fibrotischen Veränderungen im Sinne von Meatusstenosen oder Blasenhalssklerosen kommen. Selten können ausgeprägte Zystozelen durch ein Kinking der Urethra zu einer mechanischen Erhöhung des infravesikalen Widerstandes führen („Quetschhahnphänomen“). Häufiger sind bei der Frau Blasenentleerungsstörungen durch eine postoperative oder postpartale Detrusorhypoaktivität oder im Rahmen neurogener Erkrankungen verursacht.
Postoperative Blasendysfunktion: Zu einer postoperativen Harnstrahlabschwächung und Restharnbildung kommt es durch eine Schädigung sympathischer und parasympathischer Nervenfasern des Plexus pelvicus. Das höchste Risiko hierzu besteht nach radikaler Hysterektomie und abdominoperinealer Rektumresektion. In ca. 2/3 der Fälle sind die Blasenentleerungsstörungen reversibel. Eine vorzugsweise suprapubische Harnableitung reicht zunächst aus. Bei nach 4 Wochen persistierenden Restharnmengen ist allerdings die urodynamische Abklärung zu empfehlen. Beim posttraumatischen Harnverhalt ist an die Möglichkeit eines Harnröhrenabrisses zu denken.
Basisdiagnostik Anamnese: Miktionsanamnese, z. B. mittels Miktionstagebuch, 왘 Medikamentenanamnese, 왘 neurourologische Anamnese (begleitende neurologische Erkrankung, wie z. B. Morbus Parkinson, multiple Sklerose, diabetische Neuropathie, Apoplex), 왘 Quantifizierung von Symptomatik und Lebensqualität mit validierten internationalen Symptomenscores (z. B. Internationaler Prostata Symptom Score, IPSS). 왘
Körperliche Untersuchung (inkl. digital rektale Untersuchung): 왘 Prostatavergrößerung? 왘 Palpabler Unterbauchtumor? Urologisch-neurologischer Status: Sensibilitätsprüfung in den Dermatomen S2−S5, 왘 Prüfung des Sphinktertonus (Willkürmotorik, Kneifen), 왘 Reithosenanästhesie, 왘 Bulbokavernosusreflex, 왘 Kremasterreflex, 왘 Analreflex. 왘
Labor: 왘 Serumkreatinin: Insbesondere bei chronischer Blasenentleerungsstörung kann es sekundär zu einer Schädigung des oberen Harntraktes und einer Niereninsuf-
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Funktionsstörungen
Ätiologische Besonderheiten beim Kind: Beim Knaben können Harnröhrenklappen den infravesikalen Widerstand mechanisch erhöhen und zu Blasenentleerungstörungen führen. Daneben ist aber auch an eine funktionelle Erhöhung des infravesikalen Widerstandes im Rahmen neurologischer Erkrankungen, wie z. B. der Spina bifida, zu denken.
8
194
8.1 Blasenentleerungsstörungen
왘
fizienz kommen. Eine Erhöhung des Kreatinins erfordert deshalb eine weiterführende Diagnostik des oberen Harntraktes. PSA: Bei männlichen Patienten 쏜 45 Jahre ist mit einer altersabhängig erhöhten Inzidenz des Prostatakarzinoms zu rechnen. Eine PSA-Bestimmung ist bei Patienten über 50 Jahren zu empfehlen.
Urinstatus: 왘 U-Stix positiv für Leukozyten/Nitrit? (씮 Harnwegsinfekt), 왘 Erythrozyturie? 왘 Validierung des Ergebnisses durch Anlegen einer Urinkultur und eines Antibiogramms. Sonographie (ggf. transrektaler Ultraschall): Dilatation der oberen Harnwege? 왘 Prostatavergrößerung? (Prostatagewicht normalerweise 20 ± 5 g), 왘 Restharn? (쏜 50 ml oder mehr als 10 % der Kapazität). 왘
Funktionsstörungen
Uroflow/Harnstrahlmessung: Neben dem maximalen Urinfluss (Qmax) als klinisch wichtigstem Einzelwert liefert vor allem der Kurvenverlauf wichtige Hinweise auf die zugrunde liegende Blasenentleerungsstörung. Eine Harnröhrenstriktur fällt beispielsweise durch einen plateauförmigen Kurvenverlauf auf. Eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie zeigt hingegen einen wellenförmigen Verlauf der Uroflowkurve (Abb. 8.2). Außerdem ist die Harnstrahlmessung wichtig als Verlaufskontrolle. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass der Qmax volumenabhängig ist und eine Uroflowmetrie nur bei einem Miktionsvolumen 쏜 150 ml eindeutig klassifiziert werden kann. Urodynamik: Die Urodynamik kann durch die Beurteilung der Blasen- und Sphinkterfunktion sowie des Ablaufes der Miktion die Ursache der Blasenentleerungsstörung sehr differenziert aufdecken. Sie eignet sich insbesondere zur Erkennung einer Detrusorunteraktivität oder -überaktivität.
8
Abb. 8.2 Die Form der Harnflusskurve kann Hinweise auf die Ursache der Harnstrahlabschwächung liefern und ist bei der benignen Prostatahyperplasie (BPH) und der Harnröhrenstriktur ähnlich. Allerdings zeigt sich bei der Harnröhrenstriktur ein eher plateauförmiger Kurvenverlauf. Die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie zeigt einen wellenförmigen Kurvenverlauf. Schwierigkeiten kann die Abgrenzung von einer Miktion mit Bauchpresse ergeben, bei der der Kurvenverlauf ähnlich ist (nach Jonas et al. 1998).
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Diagnostisches Vorgehen
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Diagnostisches Vorgehen Um beim älteren Mann eine benigne Prostatahyperplasie zu diagnostizieren, sind in der Regel die digitale rektale Untersuchung (DRU), die sonographische Bestimmung der Prostatagröße und des Restharnvolumens sowie die Uroflowmetrie ausreichend (Abb. 8.3). Maximaler Harnfluss unter 10 ml/s: Bei einer Blasenentleerungsstörung mit einem maximalen Harnfluss unter 10 ml/s ist von einer infravesikalen Obstruktion auszugehen. Insbesondere nach zurückliegenden Instrumentationen, z. B. nach transurethraler Katheteranlage, ist an eine Harnröhrenstriktur zu denken.
Funktionsstörungen
Maximaler Harnfluss über 15 ml/s: Bei einer Blasenentleerungsstörung mit einem maximalen Harnfluss über 15 ml/s sollte eine urodynamische Abklärung erfolgen. Daneben sollte auch immer bei jungen Patienten mit Blasenentleerungsstörungen und bei begleitenden neurologischen Erkrankungen (z. B. Morbus Parkinson) oder
8
Abb. 8.3 Das Flussdiagramm verdeutlicht das diagnostische Vorgehen bei Blasenentleerungsstörungen des Mannes. Es sind nur die wichtigsten Differenzialdiagnosen genannt. Im Zweifelsfalle sollte eine urodynamische Abklärung erfolgen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass es zu Mischformen der einzelnen Diagnosen kommen kann bzw. diese ineinander übergehen können. Auch bei einem maximalen Harnfluss von 10−15 ml/s kann eine subvesikale Obstruktion vorliegen. Bei einem maximalen Harnfluss von über 15 ml/s ist eine Obstruktion unwahrscheinlich.
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8.1 Blasenentleerungsstörungen pathologischen Befunden bei der neurologischen Untersuchung eine urodynamische Untersuchung durchgeführt werden. Maximaler Harnfluss 10−15 ml/s: Für Blasenentleerungsstörungen mit einem maximalen Harnfluss zwischen 10 und 15 ml/s existieren keine bindenden Vorgaben. Im Zweifelsfall sollte eine Urodynamik erfolgen. Bei Blasenentleerungsstörungen der Frau ist eine mechanische Obstruktion selten, sodass nach entsprechender Basisdiagnostik die urodynamische Abklärung erfolgen sollte.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Erhöhter infravesikaler Widerstand
Funktionsstörungen
1.1 anatomisch
8
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
BPH Prostatakarzinom Blasenhalssklerose Harnröhrenstriktur Harnröhrenklappe (Knaben) Urethrastein Meatusstenose Zystozele Urethradivertikel Urethrakarzinom Fremdkörper
Diagnostik: Die Diagnose einer anatomischen infravesikalen Obstruktion wird klinisch durch Röntgenuntersuchung (Miktionszysturethrogramm, retrogrades Urethrogramm), Endoskopie, Ultraschall, Uroflow und Harnröhrenkalibrierung gestellt. Bei parallel bestehenden neurologischen Erkrankungen, irritativen Miktionsbeschwerden und einem Maximalflow 쏜15 ml/s sollte zur Abklärung einer Detrusorhyperaktivität eine Urodynamik mit Zystomanometrie und Druck-Fluss-Messung erfolgen. 1.2 funktionell Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
쐌 neurogen (z. B. multiple Sklerose) 쐌 psychogen 쐌 idiopathisch
Diagnostik: Urodynamik: 1. Speicherphase: Die Speicherphase zeigt uneinheitliche Befunde. 2. Entleerungsphase: Hier zeigt sich trotz eines hohen Miktionsdruckes ein schwacher Harnstrahl. Bei Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination oder -Dyssynergie zeigt sich ein erhöhter Miktionsdruck bei vermindertem Uroflow. Darüber hinaus zeigt sich aber eine fehlende Relaxation des Beckenbodens (EMG) während der Miktion. In der Videourodynamik lässt sich eine zwiebelförmig erweiterte proximale Harnröhre nachweisen. Im Miktionszysturethrogramm kann sich eine Divertikelblase oder Christbaumblase zeigen. Das Urethradruckprofil bietet keine zusätzlichen diagnostischen Informationen, lediglich bei der Sphinkterspastik liefert das Urethradruckprofil das Bild eines erhöhten Harnröhrenverschlussdruckes und einer erhöhten aktiven Drucktransmission (Hyperreaktivität). Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ätiologie
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Erkrankung
2. Detrusorhypoaktivität (Detrusor Underactivity) 2.1 neurogen
쐌 Diskusprolaps 쐌 Rückenmarktrauma 쐌 kongenitale Läsionen (z. B. Spina bifida, MMC) 쐌 multiple Sklerose 쐌 Myelitis (Polio, Herpes zoster) 쐌 Morbus Parkinson 쐌 Schädigung N. pelvicus (z. B. postoperativ) 쐌 Schädigung Ganglion pelvicum 쐌 diabetische Neuropathie
2.2 myogen
쐌 chronische Überdehnung („Dekompensation“) 쐌 entzündlich 쐌 diabetische Myopathie 쐌 iatrogen
2.3 psychogen 2.4 habituell
Cave:
2.5 medikamentös
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2.6 Energievernichtung („Windkesseleffekt“)
쐌 refluxive Megaureteren 쐌 Blasendivertikel
Auch die anticholinerge Therapie des Morbus Parkinson kann zu Blasenentleerungsstörungen führen.
Cave: Amplitude des Detrusordruckes ist kein Maß für die Qualität der Detrusorkontraktion. Messtechnisch kann die Detrusorkontraktion nur in Relation zwischen Druck und Fluss beurteilt werden.
Anticholinergika trizyklische Antidepressiva β-Adrenergika Dopaminagonisten Benzodiazepine Calciumantagonisten
Diagnostik: Sonographie, Miktionszysturethrogramm.
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Funktionsstörungen
Diagnostik: Urodynamik: 1. Speicherphase: Blasenkapazität in der Regel erhöht; Harndrang verspätet oder vollständig fehlend. 2. Entleerungsphase: bei akontraktilem Detrusor komplettes Fehlen der Detrusorkontraktion; bei der Hypoaktivität abgeschwächte Detrusorkontraktion; die Detrusorkontraktion wird durch Bauchpresse unterstützt und es kommt dadurch zu einem wellenförmigen Verlauf der Harnflussrate. Eine Differenzierung zwischen neurogener und myogener Detrusorhypokontraktilität ist durch den Carbacholtest möglich. Kommt es nach Gabe von 0,25 mg Carbachol (z. B. Doryl) s.c. nach 20 Minuten zu einem Druckanstieg um mindestens 25 cm H2O, ist der Test positiv und es handelt sich um eine neurogene Detrusorhypokontraktilität. Bei Verdacht auf eine neurogene Ursache der Detrusorhypokontraktilität ist insbesondere auf Auffälligkeiten bei der neurourologischen Untersuchung zu achten. Der Bulbokavernosusreflex kann eine verlängerte Latenz zeigen. Weiter reichende neurologische Untersuchungen müssen ggf. nachgeschaltet werden, z. B. kann die Erhebung von Pudendus-SEP (= somatosensibel evozierte Potenziale) erforderlich werden. Bei Verdacht auf einen Diskusprolaps sollte ein MRT veranlasst werden.
8
198
8.1 Blasenentleerungsstörungen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Benigne Prostatahyperplasie (BPH)
BPS = benignes Prostatasyndrom
Funktionsstörungen
BPE = benign prostatic enlargement BPO = benign prostatic obstruction
8
Eine Harnstrahlabschwächung entwickelt sich schleichend, sodass der Patient ggf. keine Notiz von ihr nimmt.
Cave: Verzögerter Miktionsbeginn bzw. abgeschwächter Harnstrahl können sowohl durch eine infravesikale Obstruktion als auch durch eine Detrusorhypoaktivität verursacht sein. Außerdem kann eine Detrusorhypoaktivität sekundär aus einer infravesikalen Obstruktion resultieren. Differenzierung durch Urodynamik.
Die häufigste Ursache für Blasenentleerungsstörungen des Mannes ist die benigne Prostatahyperplasie. Mehr als die Hälfte der über 60-Jährigen haben eine BPH. Streng genommen entspricht die Diagnose benigne Prostatahyperplasie einem histologischen Befund und wird mit pBPH abgekürzt (p = pathohistologisch). Die früher unter BPH zusammengefasste klinische Symptomatik wird heute als benignes Prostatasyndrom (BPS) bezeichnet. Um das Erkrankungsbild symptomatisch genauer zu klassifizieren, wurden in den letzten Jahren einige Begriffe und Abkürzungen aus dem englischen Sprachraum eingeführt. So bedeutet benigne prostatische Vergrößerung (BPE = benign prostatic enlargement) eine gutartige Vergrößerung der Prostata mit oder ohne Obstruktion. Im Gegensatz dazu tritt bei der benignen Prostataobstruktion (BPO = benign prostatic obstruction) durch die Vergrößerung der Prostata eine Obstruktion auf. Teilweise korreliert die Größe der Prostata nicht mit der Schwere der Symptomatik oder dem Ausmaß der Obstruktion. Dies trifft insbesondere zu, wenn sich ein obstruktiver Mittellappen der Prostata gebildet hat, der durch die digitale rektale Untersuchung nicht zu ertasten ist (Abb. 8.4). Klassischerweise werden die Symptome der BPH in obstruktive und irritative Miktionsbeschwerden unterteilt: Zu den obstruktiven Miktionsbeschwerden zählt die Startverzögerung beim Wasserlassen, die sich aus der verlängerten Öffnungszeit ergibt. Eine Startverzögerung kann aber auch durch eine Detrusorhypoaktivität hervorgerufen werden. Auch bei der Harnstrahlabschwächung muss differenzialdiagnostisch an eine Detrusorhypoaktivität gedacht werden. Darüber hinaus treten eine verlängerte Miktionszeit und Nachtröpfeln auf. Bei unvollständiger Blasenentleerung geben die Patienten Restharngefühl an. Auf dem Boden sich entwickelnder Harnwegsinfekte kann Brennen bei Miktion dazukommen. Obstruktive Mikionsbeschwerden bei BPH: 쐌 Startverzögerung, 쐌 Harnstrahlabschwächung, 쐌 verlängerte Miktionszeit, 쐌 Nachtröpfeln, 쐌 Restharngefühl 쐌 Harnverhalt.
Abb. 8.4 Normale, vergrößerte und obstruierende Prostata (modifiziert nach Thorpe et al. 2003).
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Daneben können auch irritative Beschwerden bei der Miktion auftreten. Hierzu zählt eine Erhöhung der Miktionsfrequenz im Tagesverlauf (Pollakisurie). Abhängig von der Flüssigkeitsaufnahme erfolgt die Miktion tagsüber bis zu 7-mal. Eine Erhöhung der Frequenz kann durch große Restharnmengen und die daraus folgende Verringerung der funktionellen Blasenkapazität entstehen. Auch die Entwicklung einer sekundären Detrusorüberaktivität im Rahmen der BPH kann zu pollakisurischen Beschwerden führen. Von einer Nykturie spricht man bei Patienten, die nachts aus dem Schlaf aufwachen, um zu miktionieren. Auch eine Reihe nichturologischer Krankheitsbilder kann eine Nykturie verursachen. Differenzialdiagnostisch muss besonders an kardiovaskuläre Erkrankungen, arterielle Hypertonie und eine Diuretikatherapie mit Aufhebung des normalen Tag-Nacht-Rhythmus der Urinkonzentrierung gedacht werden. Als imperativen Harndrang oder Urgency versteht man das plötzlich auftretende Verlangen, miktionieren zu müssen. Tritt ein unwillkürlicher Urinabgang hinzu, spricht man von einer Drang-Inkontinenz oder Urge-Inkontinenz.
199
Differenzialdiagnose der Nykturie: 쐌 BPH/subvesikale Obstruktion, 쐌 kardiovaskuläre Erkrankungen, 쐌 arterielle Hypertonie, 쐌 Diuretikatherapie.
Die subvesikale Obstruktion kann über eine schleichende Erhöhung der Restharnwerte zu einer Harnstauung mit konsekutivem postrenalem Nierenversagen führen. Da dieser Verlauf chronisch ist, können Patienten lange asymptomatisch bleiben und erst mit einer Erhöhung der Retentionsparameter, Hydronephrose und arterieller Hypertonie oder sogar mit den Zeichen einer Niereninsuffizienz und Urämie auffallen („stille BPH“). Der akute Harnverhalt ist bei Patienten mit BPH in 10−15 % zu erwarten. Bei asymptomatischem Verlauf kann die Überlaufinkontinenz im Vordergrund stehen. Die Patienten können sich mit akuten Unterbauchschmerzen und einem palpablen Unterbauchtumor präsentieren. Sonographisch zeigt sich eine übervolle Blase. Der Verlauf der BPH lässt sich in verschiedene Stadien untergliedern (Tab. 8.1). Um die Beschwerden zwischen einzelnen Patienten vergleichen zu können, aber auch um beim Einzelpatient im Verlauf den Therapieerfolg messen zu können, sind verschiedene standardisierte Symptomen-Scores eingeführt worden. Aufgrund der guten Reproduzierbarkeit hat sich insbesondere der International Prostate Symptom Score (IPSS) durchgesetzt (Tab. 8.2): In diesem werden 7 Fragen zur Blasenentleerung gestellt. Pro Frage werden jeweils 5 Punkte vergeben. Ein Gesamtpunktwert von 0−7 entspricht einer leichtgradigen, ein Punktwert von 8−19 einer mittelgradigen und ein Punktwert von 20−35 einer hochgradigen Blasenentleerungsstörung. Zusätzlich wird im Lebensqualitätsindex das subjektive Ausmaß der Beschwerden klassifiziert.
Cave: Beim akuten Abdomen mit Unterbauchschmerzen auch an Harnverhalt im Rahmen der BPH denken.
Tabelle 8.1 Stadieneinteilung der benignen Prostatahyperplasie nach Alken Stadium
Definition
1 Reizstadium
obstruktive und irritative Miktionsbeschwerden
2 Restharnstadium
zunehmender Restharnbildung, rezidivierende Harnwegsinfektionen, Blasensteinbildung und Drang-Inkontinenz
3 Dekompensationsstadium
Überlaufblase (Ischuria paradoxa), Harnstauungsnieren, dekompensierte Niereninsuffizienz bis zur Urämie
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Funktionsstörungen
Irritative Miktionsbeschwerden bei BPH: 쐌 Pollakisurie (Frequency), 쐌 Nykturie, 쐌 imperativer Harndrang/Urgency, 쐌 Drang-Inkontinenz/Urge-Inkontinenz,
8
Internationaler Prostata Symptomen-Score (IPSS) − urologischer Bewertungsstandard für Beschwerden des unteren Harntraktes bei gutartiger Prostatavergrößerung
8 1
0 0 0 0 niemals 0
3. Wie oft mussten Sie beim Wasserlassen mehrmals aufhören und wieder neu beginnen?
4. Wie oft hatten Sie Schwierigkeiten, das Wasserlassen hinauszuzögern?
5. Wie oft hatten Sie einen schwachen Strahl beim Wasserlassen?
6. Wie oft mussten Sie pressen oder sich anstrengen, um mit dem Wasserlassen zu beginnen?
7. Wie oft sind Sie im Durchschnitt nachts aufgestanden, um Wasser zu lassen?
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Wie würden Sie sich fühlen, wenn sich ihre jetzigen Symptome beim Wasserlassen in Ihrem weiteren Leben nicht ändern würden?
0
ausgezeichnet
Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Harntraktsymptome
1
zufrieden
Zur Ermittlung des Gesamt-IPSS einfach die zutreffenden Ziffern zusammenzählen.
einmal
0
2. Wie oft mussten Sie innerhalb von 2 Stunden ein zweites Mal Wasser lassen?
2
überwiegend zufrieden
1
1
1
1
1
1
0
1. Wie oft hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Blase nach dem Wasserlassen nicht ganz entleert war?
seltener als in einem von fünf Fällen
niemals
Die Angaben beziehen sich auf die letzten 4 Wochen Bitte ankreuzen!
3
gemischt, teils zufrieden, teils unzufrieden
2
zweimal
2
2
2
2
2
2
seltener als in der Hälfte der Fälle
4
überwiegend unzufrieden
3
dreimal
3
3
3
3
3
3
ungefähr in der Hälfte der Fälle
5
5
fünfmal
5
5
5
5
5
5
fast immer
Lebensqualität Index L =
6
sehr schlecht
Gesamt-IPSS-Score =
unglücklich
4
viermal
4
4
4
4
4
4
in mehr als der Hälfte aller Fälle
Bitte kein falscher Stolz bei Prostata-Beschwerden! Dieser Test soll Ihnen dabei helfen, eines der häufigsten Männerleiden in der 2. Lebenshälfte − die gutartige Prostatavergrößerung − frühzeitig zu erkennen. Sie erhalten einen Hinweis über die Schwere Ihrer Erkrankung und die Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung.
Tabelle 8.2
Funktionsstörungen
200 8.1 Blasenentleerungsstörungen
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Neben den genannten Symptomen kann sich bei der BPH durch Läsion gestauter Venen auch eine Makrohämaturie ausbilden. Fazit: Aus der Länge der obigen Ausführungen ist ersichtlich, dass sich die BPH sehr vielseitig äußern kann. Es gibt kein spezifisches Symptom, das eine benigne Prostatahyperplasie zuverlässig vorhersagt und es gibt keine strenge Korrelation zwischen der Größe der Prostata, der Ausprägung der Symptome und dem Ausmaß der Obstruktion. Klinische Symptomatik, Fragebogen, Harnfluss, Ultraschall und Urodynamik messen jeweils verschiedene Aspekte und sollten bei der Beurteilung von Patienten mit Symptomen des unteren Harntraktes separat betrachtet werden.
Diagnostik Neben der Basisdiagnostik, bestehend aus Anamnese mit IPSS, 왘 körperlicher Untersuchung inkl. DRU, 왘 Labor
201
Makrohämaturie bei BPH durch Ruptur gestauter prostatischer Venen.
Cave: Oft Diskrepanz zwischen Ausprägung der Symptomatik und Prostatagröße. Außerdem findet sich nicht immer eine Übereinstimmung der Ausprägung der klinischen Symptome mit den urodynamischen Befunden.
왘
sollen gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
Funktionsstörungen
Obligat: 쐌 urologischer Ultraschall: − Niere, − Blase, − Prostatavolumen (möglichst TRUS). Fakultativ: 쐌 Urethrozystogramm: bei V.a. Harnröhrenstriktur, 쐌 IVP: bei auffälligem Ultraschallbefund, Harnabflussstörung, Hämaturie, Steinanamnese, rezidivierenden Harnwegsinfekten, 쐌 Urodynamik (inkl. Zystomanometrie und Druck-Flussmessung) bei: 쐌 Diskrepanz zwischen Symptomen und Befunden der Basisdiagnostik, − BPH in Kombination mit einer neurologischen Erkrankung/Läsion, − maximalem Harnfluss 쏜15 ml/s. − Kombination einer BPH mit ausgeprägter irritativer Symptomatik oder Inkontinenz ohne Restharn, − Symptompersistenz nach TURP.
8
Prostatakarzinom Das Prostatakarzinom wird heutzutage in erster Linie durch Palpation und Bestimmung des PSA-Wertes im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen entdeckt. Die Diagnose wird durch die histologische Beurteilung der Prostatabiopsie gestellt. Prostatakarzinome werden deshalb seltener symptomatisch aufgrund von Miktionsbeschwerden infolge einer Obstruktion oder Zeichen der systemischen Metastasierung, wie Knochenschmerzen oder pathologischen Frakturen. Das Prostatakarzinom kann bei lokal fortgeschrittenem Tumor durch eine Hämaturie oder Hämospermie auffallen. Bei ossärer Metastasierung kann im Labor eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase auftreten. In der Regel handelt es sich um osteoblastische Metastasen, sodass eine Hyperkalzämie selten ist. Bei großer Prostata kann das Prostatakarzinom durch irritative und obstruktive Miktionsbeschwerden wie eine benigne Prostatavergrößerung imponieren. Darüber hinaus kann es durch Lymphknotenmetastasen zu einer Einengung der Ureteren mit Harnstauung und Niereninsuffizienz kommen. Bei Lymphabflussstörungen treten Beinödeme auf. Wie bei anderen Tumorerkrankungen kann im Blutbild eine Anämie auftreten.
Cave: Bei großer Prostata kann das Prostatakarzinom infolge einer Obstruktion die Symptome einer BPH bieten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass BPH und Prostatakarzinom im Allgemeinen koinzident vorkommen.
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202
8.1 Blasenentleerungsstörungen
Diagnostik Abklärung eines symptomatischen Prostatakarzinoms durch: 쐌 DRU, 쐌 PSA-Bestimmung, 쐌 TRUS, 쐌 ggf. Biopsie. Vor geplanter definitiver Therapie sollten noch folgende Untersuchungen zum Staging erfolgen: 쐌 Röntgen Thorax, 쐌 IVP/Sonographie Nieren, 쐌 Urethrogramm, 쐌 ggf. CT Abdomen (Lokalbefund? Lymphknotenmetastasen? Organfiliae?), 쐌 ggf. Staginglymphadenektomie, 쐌 Knochenszintigraphie (Knochenmetastasen?).
Im Falle eines positiven Tastbefundes oder eines PSA 쏜10 ng/ml erfolgt eine Stanzbiopsie der Prostata. Das differenzialdiagnostische Vorgehen bei einem PSA 쏝 10 ng/ml ist im Kap. 5.1 abgehandelt.
Urethrastriktur
Funktionsstörungen
Cave:
8
Bei zurückliegenden Instrumentationen der Harnröhre an Harnröhrenstriktur denken.
Bei Harnröhrenstriktur: 쐌 Keine Startverzögerung, 쐌 Harnstrahl plateauförmig abgeschwächt, 쐌 bei distaler Striktur aufgeteilter Harnstrahl.
Harnröhrenstrikturen sind meist erworben als Folge eines Traumas (Beckenringfraktur, „Straddle“-Verletzung) oder iatrogen bedingt (endoskopische Eingriffe, Dauerkatheteranlage). Entzündungen der Harnröhre, im Rahmen einer Gonorrhö oder Urogenitaltuberkulose, sind heute seltener anzutreffen. Selten finden sich angeborene Urethrastrikturen. Eine Sonderform nimmt dabei der sog. Moormann-Ring ein. Hierbei handelt es sich um eine urodynamisch meist nicht relevante Enge im Bereich des Überganges von der membranösen zur bulbären Harnröhre. Die angeborene Meatusstenose des Mädchens (Meatusweite 쏝 10 Charr + Lebensalter) und die durch Östrogenmangel oder chronische Entzündungen erworbene Meatusstenose der Frau werden mittels Bougie à boule diagnostiziert. Ab einem Harnröhrendurchmesser 쏝 17 Charr finden sich urodynamische Veränderungen. Klinisch zeigt sich bei der Harnröhrenstriktur keine Startverzögerung. Der Harnstrahl ist plateauförmig abgeschwächt. Charakteristisch ist das Nachtröpfeln, das beim Mann der Entleerung der proximal der Striktur gelegenen Dilatation entspricht. Bei distalen Harnröhrenstrikturen oder Meatusstenosen kommt es zu einem gießkannenartigen, aufgeteilten oder rotierenden Harnstrahl. Durch den proximal der Enge erhöhten intraurethralen Miktionsdruck kann es beim Mann zu einem Reflux in die prostatischen Gänge und die Vasa deferentia kommen. Als Folge davon können sich Prostatitiden und Epididymitiden entwickeln.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
203
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Uroflow/Druck-Fluss-Messung
fehlende Startverzögerung, plateauförmig abgeschwächter Harnstrahl
retrograde Urethrographie
Grad der Stenosierung, Länge der Striktur (mit MCU)
Miktionszysturethrogramm
Länge der Striktur, prästenotisch Erweiterung der proximalen Harnröhre, im Ausmaß abhängig von der intravesikalen Druckerhöhung
Unterbauchsonographie
Restharn, Harnverhalt
Harnröhrenkalibrierung
weißer Ring am Meatus externus, nichtelastischer Widerstand in der distalen Harnröhre
Urethrozystoskopie
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie/-Dyskoordination
Dyssynergie: neurogen Dyskoordination: nichtneurogen
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Miktionszysturethrogramm
enger Blasenhals bzw. Ausbleiben einer adäquaten Blasenhalsöffnung unter der miktionellen Detrusorkontraktion; es fehlt die trichter- oder zwiebelförmige Blasenhalsöffnung unter der Miktion; evtl. sekundäre Veränderungen, wie Trabekel-/Divertikelblase (Abb. 8.5)
Urodynamik
trotz koordinierten Verhaltens von Detrusor und externem Sphinkter/Beckenboden mit Relaxation des quergestreiften Sphinktermechanismus im Beckenboden-EMG zeigen sich in der Druck-Fluss-Messung deutliche Zeichen einer Obstruktion (reduzierter Harnfluss trotz erhöhtem Detrusordruck) (Abb. 8.5)
Zur Unterscheidung einer funktionellen (muskulären) Blasenhalsobstruktion von einer anatomischen (fibrotischen) Blasenhalssklerose lässt sich der Phentolamintest heranziehen. Dabei wird die Druck-Fluss-Messung nach intravenöser Gabe von 5 mg Phentolamin, einem kombinierten α1- und α2-Blocker, wiederholt. Bei der funktionellen Blasenhalsobstruktion (Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination) ist eine deutliche Verbesserung der Miktion mit Reduktion des Obstruktionsgrades zu erwarten. Bei der Detrusor-Sphinkter-externus-Dyssynergie besteht die funktionelle Obstruktion auf Höhe des quergestreiften Sphinktermechanismus. Diese tritt im Rah-
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Funktionsstörungen
Funktionelle infravesikale Obstruktionen können auf Höhe des Blasenhalses oder auf Höhe des quergestreiften Sphinktermechanismus auftreten. Zu einer Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination kommt es durch das fehlerhafte Zusammenspiel zwischen Detrusor (parasympathisch) und Blasenhals (sympathisch) während der Detrusorkontraktion. Die Ätiologie ist unklar, häufig betroffen sind junge Männer (Marion’s disease). In der Folge kommt es zu einer Muskelhypertrophie des Detrusors. Aufgrund von Kollagenablagerungen wird die Blasenhalsenge morphologisch fixiert. Häufig wird die Blasenentleerungsstörung erst zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr durch Blasenentleerungsstörungen bis hin zum Harnverhalt manifest.
8
204
8.1 Blasenentleerungsstörungen
Funktionsstörungen
Abb. 8.5 Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination. Zystomanometrie: Unauffällige Füllungsphase (a). In der Entleerungsphase (b) zeigt sich trotz erhöhtem Miktionsdruck ein reduzierter maximaler Harnfluss. Regelrechte Relaxierung des quergestreiften Sphinkters mit EMG-Stille. Im Miktionszysturethrogramm konstante Engstellung des Blasenhalses und der proximalen Harnröhre (nach Jonas et al. 1998).
8
Cave: Unterscheidung zwischen funktioneller Blasenhalsobstruktion und anatomisch/ fibrotischer Blasenhalssklerose: Phentolamintest.
men neurologischer Erkrankungen oder Läsionen des suprasakralen Rückenmarkes (z. B. traumatisch bedingt) auf. Vergleichbare Miktionsbilder ergeben sich bei willkürlicher Miktionsunterbrechung durch Kneifen oder unwillkürliche Beckenbodenaktivitäten ohne neurologische Erkrankung (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination), z. B. im Kindesalter.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Miktionszysturethrogramm
proximale Urethra zwiebelförmig aufgetrieben (Abb. 8.6)
Urodynamik
typischerweise eine der Detrusorkontraktion entgegen gerichtete (dyssynerge) simultane Beckenbodenkontraktion mit Aktivitätsvermehrung im Beckenboden- oder Sphinkter-EMG als Ausdruck der funktionellen Obstruktion; bei Spastik konstant reduzierter Harnfluss, bei einschießenden Beckenbodenaktivitäten wellenförmige Harnflusskurve (Abb. 8.6)
Literatur Abrams P, Cardozo L, Khoury S, Wein A. Incontinence. 3rd International Consultation on Incontinence June 26−29, 2004. International Continence Society. Edition 2005. Editions 21. Paris:490. Barry MJ, Fowler FJ, O’Leary MP. The American Urological Association Symptom Index for benign prostatic hyperplasia. J Urol. 1992;148:1549−57. Jonas U, Heidler H, Höfner K, Thüroff JW. Urodynamik. 2. Aufl.. Stuttgart: Enke Verlag; 1998:30,80−1. Thorpe A, Neal D. Benign Prostatic Hyperplasia. Lancet. 2003;361:1359−67.
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Abb. 8.6 Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie. Zystomanometrie: Unauffällige Füllungsphase (a). In der Entleerungsphase (b) findet sich im EMG während der Detrusorkontraktion eine dyssynerge Aktivitätsvermehrung im Bereich des Sphinkters. Hierdurch erst verzögerte Miktion nach Ermüdung des Sphinktermechanismus. Bei wechselnder Aktivierung des externen Sphinktermechanismus unter der Miktion undulierender Harnstrahl (hier gezeigt). Bei Spastik findet sich ein konstant reduzierter Harnstrahl. Im Miktionszysturethrogramm findet sich die proximale Urethra zwiebelförmig aufgetrieben (nach Jonas et al. 1998).
8.2
Harnspeicherstörungen − Pollakisurie, imperativer Harndrang, Harninkontinenz J. W. Thüroff, H. Heidler
Grundlagen Definition: Pollakisurie bedeutet vermehrtes Wasserlassen (쏜 8-mal/d) bei verminderter Blasenfüllung und somit Auftreten des maximalen Harndrangs vor Erreichen einer adäquaten Blasenkapazität, die mit ca. 300 ml angesetzt werden kann. Der imperative Harndrang tritt dann auf, wenn die zentralnervöse Hemmfunktion auf den Blasenentleerungsreflex nurmehr eine kurze Zeit aufrechterhalten werden kann und bei fehlender Miktionsgelegenheit eine nichtverhinderbare Miktion eintritt. Harninkontinenz ist ein unfreiwilliger Harnabgang, der für den Patienten ein hygienisches oder soziales Problem bedeutet. An Formen können unterschieden werden (s. tabellarischer Überblick auf S. 214): 왘 Belastungs- oder Stressinkontinenz, 왘 die Drang- oder Urge-Inkontinenz, 왘 die Reflexinkontinenz, 왘 die Überlaufinkontinenz, 왘 die extraurethrale Inkontinenz.
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205
Funktionsstörungen
Grundlagen
8
206
8.2 Harnspeicherstörungen
Funktionsstörungen
“Overactive Bladder“ (OAB) = Symptomenkomplex OAB-dry = FrequencyUrgency-Syndrom OAB-wet = Dranginkontinenz
Harninkontinenz: 쐌 Symptom: Anamnese eines unwillkürlichen Harnverlustes 쐌 Befund: klinischer Nachweis eines Harnverlustes 쐌 Diagnose: pathophysiologische/urodynamische Klassifikation
8
Cave: Harninkontinenz unter körperlicher Belastung (Anamnese) ist nicht gleich Belastungs- oder Stressinkontinenz (Diagnose): Belastung überfordert Sphinkter = Belastungsinkontinenz, Belastung triggert Detrusorkontraktion = Dranginkontinenz. Urodynamische Differenzierung ist erforderlich!
Die Symptome Pollakisurie, imperativer Harndrang und Dranginkontinenz wurden von der International Continence Society (ICS) zu „Overactive Bladder“ (OAB) zusammengefasst, wobei wiederum das ehemalige Frequency-Urgency-Syndrom (Pollakisurie, imperativer Harndrang) nun als OAB-dry und die Dranginkontinenz als OAB-wet unterschieden werden. Symptomatik: Der Symptomenkomplex, der als Hauptsymptome Pollakisurie und imperativen Harndrang umfasst (Frequency-Urgency-Syndrom, „OAB-dry“), ist Ausdruck einer blasenbedingten Harnspeicherstörung, die entweder durch einen vermehrten sensorischen Input der Blase (hypersensitive Blase), eine erniedrigte Detrusor-Compliance (hyperbarer Detrusor) oder durch ungenügend gehemmte motorische Aktivität des Detrusors ausgelöst wird (überaktiver Detrusor) (s. tabellarischer Überblick auf S. 214). Die schwerste Form eines solchen Reizzustandes kann zur Dranginkontinenz führen („OAB-wet“). Auch wenn keine strenge Korrelation einzelner Symptome zur Pathophysiologie der zugrunde liegenden Funktionsstörungen besteht, so lässt doch die Anamnese schon einige Rückschlüsse auf Klassifikation (Tab. 8.3) und Ätiologie (s. tabellarischer Überblick auf S. 215) zu. Demnach ist die Symptomatik des überaktiven Detrusors häufig am Tage gegenüber der Nacht betont, dagegen hat die hyperbare, kleinkapazitäre Blase prinzipiell tags und nachts denselben Schweregrad der Symptomatik. Bei der hypersensitiven Blase deutet eine gleich stark ausgeprägte Tag- und Nachtsymptomatik auf eine organische Ätiologie, während die Pollakisurie ohne ausgeprägte Nykturie auf einen psychosomatischen Hintergrund schließen lässt. Der suprapubische Schmerz bei gefüllter Blase findet sich bei interstitieller Zystitis als Ursache einer hypersensitiven Blase, aber auch bei Radiozystitis, Chemozystitis und Zystitis nach intravesikaler BCG-Therapie. Harninkontinenz kann ein Symptom beschreiben (Anamnese eines unwillkürlichen Harnverlustes), einen klinischen Befund (Harnverlust beim Provokationstest der klinischen Untersuchung) oder eine pathologisch-anatomisch und pathophysiologisch definierte Diagnose (Klassifikation). Verwirrung kann dann entstehen, wenn die Begriffe „Stressinkontinenz“ und „Dranginkontinenz“ synonym für Symptomatik und Diagnose verwendet werden. Für eine gezielte weitergehende Diagnostik ist die sorgfältige umfassende Anamnese unerlässlich, auch wenn assoziierte Symptome wie Pollakisurie, Nykturie, imperativer Harndrang, suprapubischer Schmerz bei gefüllter Blase, fehlendes Blasenfüllungsgefühl, Miktionserschwernis mit und ohne Harndrang unterschiedlich gute Korrelationen zur urodynamischen Diagnose haben (Tab. 8.3). Eine zur Harninkontinenz führende körperliche Belastung kann urodynamisch entweder die Verschlussfähigkeit des Sphinkters überfordern (Belastungsinkontinenz) oder aber eine unwillkürliche Detrusorkontraktion mit nachfolgendem Harnverlust triggern (motorische Dranginkontinenz). Die subtile Anamnese der zeitlichen Beziehung zwischen körperlicher Belastung und Harnverlust (Harnabgang während der Belastung bei Belastungsinkontinenz, geringfügig verzögerter Harnabgang nach Belastung bei provozierter motorischer Dranginkontinenz) kann zwar Hinweise auf die Diagnose liefern, jedoch nicht die urodynamische Diagnostik ersetzen. Bei der Belastungsinkontinenz sind die Symptome immer tagsüber ausgeprägter als nachts, während bei extraurethraler Inkontinenz tags und nachts der gleiche Schweregrad der Inkontinenz besteht. Fehlendes Blasenfüllungsgefühl, unbemerkte Harninkontinenz und gleichzeitiges Bestehen einer Blasenentleerungsstörung sind eine Symptomkonstellation, die nahezu pathognomonisch für eine neurogene Inkontinenz ist (Reflexinkontinenz oder Überlaufinkontinenz). Neben Erhebungen über Umstände, Sensationen und zirkadianen Rhythmus des unwillkürlichen Harnverlustes ist insbesondere bei der Belastungsinkontinenz zur Festlegung des klinischen Schweregrades (S. 224) eine Quantifizierung des Harnverlustes erforderlich. Dazu empfiehlt sich die Angabe von Größe, Zahl und Feuchtigkeitsgrad (Tropfen/feucht/nass) verwendeter Vorlagen bzw. ein standardisierter Vorlagentest. Miktionssymptome im Sinne von Brennen (Dysurie) oder Schmerzen
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Grundlagen
207
Symptomatik
Drang (OAB) +/− Inkontinenz: sensorisch
Drang (OAB) +/− Inkontinenz: LowCompliance
Drang (OAB) +/− Inkontinenz: motorisch
Reflexinkontinenz
Belastungsinkontinenz
Überlaufinkontinenz
Extraurethrale Inkontinenz
Pollakisurie
+++
+++
+++
+
+
+++
−
Nykturie
+++
+++
+
+
+
+++
−
imperativer Harndrang
+++
+++
+++
−
−
+
−
suprapubischer Schmerz (gefüllte Blase)
+++
+++
+
−
−
+
−
Inkontinenz unter Drang
+++
++
+++
−
−
+
−
Inkontinenz unter Belastung
−
−
−
−
+++
−
−
Inkontinenz unbemerkt
−
−
−
+++
−
+++
+++
fehlendes Blasenfüllungsgefühl
−
−
−
+++
−
+++
−
Miktionserschwernis, fehlender Harndrang
−
−
−
+++
−
++
−
Miktionserschwernis bei Harndrang
−
−
−
+
−
++
−
Algurie/Dysurie
++
++
+
−
−
−
−
Symptome tags = nachts
++
+++
+
+++
−
++
+++
−
++
−
+++
−
−
Symptome tags 쏜 nachts +
−: Symptom fehlt, +: seltenes Symptom, ++: häufiges Symptom; +++: Leitsymptom
(Algurie) beim Wasserlassen können auf einen Harnwegsinfekt als Ursache einer Dranginkontinenz hindeuten. Geringe Mengen eines Harnverlustes müssen u. U. differenzialdiagnostisch von einem Fluor vaginalis oder einer ausgeprägten intertriginösen Hyperhidrose abgrenzt werden. Bei Schwierigkeiten kann hier ein Vorlagentest nach Instillation von Indigocarmin in die Blase hilfreich sein. Im Kindesalter ist das nächtliche Einnässen (Enuresis nocturna) ohne Tagsymptome als Folge einer verzögerten Maturation hemmender Nervenbahnen, einer abnormen Schlaftiefe mit verminderter Blasenfüllungsperzeption, einer unzulänglichen nächtlichen ADH-Sekretion oder psychosozialer Konflikte abzugrenzen von der echten Harninkontinenz, z. B. bei Sinus urogenitalis (S. 273). Pathophysiologie: Die Kenntnis der Ätiologie einer Erkrankung ist für jeden kausalen Therapieansatz unumgänglich. Die Pathophysiologie erklärt den Mechanismus der Funktionsstörung und Symptomentstehung und bietet dementsprechend einen rationalen Ansatz für eine symptomatische Therapie. Eine solche symptomatische Therapie kann adjuvant zur kausalen Therapie erfolgen oder als alleinige Therapie der zahlreichen kausal nicht weiter abklärbaren, „idiopathischen“ Reizzustände des unteren Harntraktes. Die Pathophysiologie wird mittels urologischer Funktionsdiagnostik (Druck-/Flussmessung, EMG, Röntgen) abgeklärt. Dabei zeigt sich, dass die funktionelle und symptomatische Reaktion des unteren Harntraktes bei verschiedensten Erkrankungen und Funktionsstörungen wenig differenziert ist („the bladder is a poor witness“) (s. Tab. 8.3 und tabellarischer Überblick auf S. 215 ff).
Funktionsstörungen
Tabelle 8.3 Symptomkonstellationen bei unterschiedlichen Formen von Overactive Bladder (OAB) und Harninkontinenz
8
„The bladder is a poor witness.“ Symptomatik ist uniform und wenig differenziert; die urodynamische und ätiologische Abklärung zur Klassifikation der Funktionsstörung ist erforderlich!
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208
8.2 Harnspeicherstörungen
Einteilung
Funktionsstörungen
Eine Störung der Speicherfunktion der Blase (Harnspeicherstörung) mit den Kardinalsymptomen 왘 Pollakisurie, 왘 imperativer Harndrang, 왘 Harninkontinenz kann entweder durch eine Fehlfunktion der Blase oder des Sphinkters bedingt sein (s. tabellarischer Überblick auf S. 214): 왘 Den blasenbedingten Störungen der Speicherfunktion können zugrunde liegen: − vermehrte sensorische Impulse und/oder eine erniedrigte Reizschwelle (hypersensitive Blase), − eine Veränderung der Akkomodationsfähigkeit der Blase im Sinne einer erniedrigten Compliance, wobei es bei Füllung der Blase zu einem in Relation zum Füllungsvolumen unverhältnismäßig hohen Druckanstieg mit daraus folgender Einschränkung der Blasenkapazität kommt (hyperbarer Detrusor), − eine ungehemmte Aktivität des normalerweise während der Blasenfüllungsphase stabilen Detrusor (überaktiver Detrusor), wobei der überaktive Detrusor nichtneurologischer Ätiologie als „instabiler Detrusor“ und bei neurogen bedingter Enthemmung als „hyperreflexiver Detrusor“ bezeichnet wird. 왘 Funktionsstörungen des Blasenauslasses im Sinne einer urethralen Sphinkterinsuffizienz führen in der Regel zur Belastungs- oder Stressinkontinenz, lediglich bei der mildesten Form der Blasenhalsinsuffizienz mit Eintritt von Urin in die hintere Harnröhre wird ebenso wie bei dem Befund der Urethrainstabilität (Fluktuation des Urethraverschlussdruckes) die sensorische Auslösung einer Drangsymptomatik diskutiert, ohne dass es im Einzelfall zur Inkontinenz kommen muss.
8
Beim überaktiven Detrusor (OAB) bleibt die Ätiologie häufig ungeklärt („idiopathisch“).
Auch wenn wiederum keine strengen Korrelationen zwischen Pathophysiologie und Ätiologie bestehen, so lässt doch eine bekannte Grunderkrankung (z. B. Urogenitaltuberkulose) auf die zu erwartende Funktionsstörung (hyperbarer Detrusor) schließen bzw. lässt ein bekannter urodynamischer Befund (z. B. überaktiver Detrusor) die Diagnose einer interstitieller Zystitis per Definition ausschließen (s. tabellarischer Überblick auf S. 215 ff). Bei verschiedenen, zum Teil progressiv verlaufenden Erkrankungen der Blasenwandung (z. B. tuberkulöse Zystitis, Radiozystitis, interstitielle Zystitis) findet sich im Frühstadium eine hypersensitive Blase mit eingeschränkter funktioneller Blasenkapazität in der Urodynamik, aber normaler anatomische Blasenkapazität unter Narkose (anästhetische Blasenkapazität). Die Spätstadien der genannten Erkrankungen sind durch progressive Blasenwandfibrose und Schrumpfblasenbildung (hyperbarer Detrusor) gekennzeichnet, wobei der Bestimmung der Blasenkapazität unter Narkose eine wesentliche Bedeutung zur Beurteilung der Prognose einer funktionellen Rehabilitation bzw. für die Indikation zu einer Blasenerweiterungsplastik zukommt. Von den dargestellten (eher seltenen) ätiologisch definierten Erkrankungen, bei denen Symptomatik und zugehörige Pathophysiologie Folge dieser Grunderkrankung sind, werden die durch neurologische Erkrankungen und Läsionen verursachten Störungen der Blasen- und Sphinkterfunktion abgegrenzt (Tab. 8.4, 8.5), obwohl urodynamische Befundmuster und damit die Pathophysiologie vergleichbar sein können. Ein wesentlicher Unterschied bei „kompletten“ Rückenmarkläsionen ist per Definition das Fehlen der Sensibilität, während bei suprapontinen Läsionen (Apoplex, Morbus Parkinson) die Sensibilität erhalten ist und eine Drangsymptomatik in den Vordergrund tritt. In vielen Fällen, insbesondere beim überaktiven Detrusor, bleibt jedoch die Ätiologie trotz aller diagnostischen Bemühungen ungeklärt („idiopathisch“). In diesen Fällen werden Defizite hemmender Neurone als Ursache diskutiert, die mit klinischen und elektrophysiologischen Methoden nicht nachweisbar sind. Die
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Einteilung
209
Neurologische Läsionshöhe
Funktionsstörung des unteren Harntraktes
suprapontin
쐌 überaktiver (hyperreflexiver) Detrusor ohne Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie 쐌 erhaltene Sensibilität
suprasakrales Rückenmark
쐌 überaktiver (hyperreflexiver) Detrusor mit Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie 쐌 fehlende Sensibilität („komplette Läsion“)
sakrales Rückenmark (Konus) Sakralnerven (Kauda)
쐌 unteraktiver (hyporeflexiver/areflexiver) Detrusor ± Sphinkterhypotonie 쐌 fehlende Sensibilität
periphere autonome Nerven (Ganglion pelvicum)
쐌 unteraktiver (hyporeflexiver/areflexiver) Detrusor ohne Sphinkterhypotonie 쐌 fehlende Sensibilität
N.-pudendus-Läsion
쐌 hypotoner/areflexiver Sphinkter bzw. Beckenboden 쐌 erhaltene Sensibilität
Tabelle 8.5 Ätiologie neurologischer Läsionen für die unterschiedlichen Läsionshöhen − Prädilektionslokalisationen der Läsionen für die einzelnen Erkrankungen und typische Funktionsstörungen des unteren Harntraktes Lokalisation
Funktionsstörung
Ätiologie
suprapontin
überaktiver (hyperreflexiver) Detrusor ohne Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie („zerebral enthemmte Blase“)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
suprasakrales Rückenmark
überaktiver (hyperreflexiver) Detrusor mit DetrusorSphinkter-Dyssynergie („spinale Reflexblase“)
쐌 zervikales/thorakales Rückenmarkstrauma 쐌 zervikaler Diskusprolaps 쐌 spinal betonte multiple Sklerose 쐌 thorakale Meningomyelozele (S. 223, S. 270) 쐌 Syringomyelie 쐌 funikuläre Myelose (Vitamin B12) 쐌 degenerative, entzündliche, tumoröse, vaskuläre Rückenmarkerkrankungen oberhalb von S2
sakrales Rückenmark (Konus) Sakralnerven (Kauda)
unteraktiver (hyporeflexiver/areflexiver) Detrusor ± Sphinkterhypotonie
쐌 lumbales Rückenmarktrauma 쐌 lumbaler Diskusprolaps 쐌 lumbosakrale Myelomeningozele (S. 227, S. 270) 쐌 Neurolues 쐌 Tethered-Cord-Syndrom 쐌 degenerative, entzündliche, tumoröse, vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks der Spinalnerven unterhalb von S1
zerebrovaskuläre Insuffizienz Apoplexie Morbus Alzheimer Morbus Parkinson zerebral betonte multiple Sklerose
Fortsetzung Tabelle 8.5 컄
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Funktionsstörungen
Tabelle 8.4 Neurogene Blase − Höhe einer neurologischen Läsion und typische Funktionsstörungen des unteren Harntraktes
8
210
8.2 Harnspeicherstörungen
Funktionsstörungen
Tabelle 8.5 Ätiologie neurologischer Läsionen für die unterschiedlichen Läsionshöhen − Prädilektionslokalisationen der Läsionen für die einzelnen Erkrankungen und typische Funktionsstörungen des unteren Harntraktes (Fortsetzung)
8
Lokalisation
Funktionsstörung
Ätiologie
periphere autonome Blaseninnervation
unteraktiver (hyporeflexiver/areflexiver) Detrusor
Polyneuropathie z. B. bei: 쐌 Diabetes mellitus 쐌 Amyloidose 쐌 Alkoholismus 쐌 Urämie 쐌 Schwermetallvergiftung (Blei, Kadmium, Quecksilber) 쐌 Tabes dorsalis 쐌 Herpes zoster 쐌 Guillain-Barré-Syndrom 쐌 operative Denervierung z. B. nach: − Wertheim-Operation − abdominosakraler Rektumamputation
periphere somatische Sphinkterinnervation
hypotoner/areflexiver Sphinkter bzw. Beckenboden
쐌 Entbindung 쐌 Pudendusläsionen
Therapie muss dabei auf die Beherrschung der Symptome („symptomatisch“) beschränkt bleiben, weiterhin ist die symptomatische Therapie adjuvant zur kausalen Therapie einer bekannten Grunderkrankung indiziert. Dabei sind die motorisch bedingten Reizzustände des unteren Harntraktes (überaktiver Detrusor) medikamentös günstiger z. B. durch Antimuskarinika zu beeinflussen als rein sensorische Reizzustände (hypersensitive Blase). Ätiologisch definierte Formen von OAB und Harninkontinenz (s. tabellarischer Überblick auf S. 215 ff) werden getrennt betrachtet und dementsprechend im Einzelnen unten („Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder auf S. 217 ff) besprochen.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Prinzip der Diagnostik ist es, zunächst die häufigsten und nach der Symptomkonstellation wahrscheinlichsten Erkrankungen mit den relevanten Untersuchungsmethoden abzuklären, die möglichst ohne Abschweife zur Diagnose führen (z. B. Urethrozystoskopie bei Verdacht auf Blasenscheidenfistel). Ist aus der Anamnese der Ansatz für solch eine zielgerichtete Diagnostik nicht ersichtlich, so erfolgt eine Stufendiagnostik, beginnend mit den am wenigsten belastenden bzw. invasiven Untersuchungen zum Ausschluss der häufigsten Ursachen (z. B. Harnwegsinfekt) und Einsatz von aufwendigeren und invasiveren Untersuchungsverfahren unter gezielter Indikation (Abb. 8.7, Tab. 8.6). Die Klassifikation funktioneller Störungen des unteren Harntraktes erfolgt durch funktionelle Untersuchungsverfahren (Urodynamik, EMG, Miktionszysturethrographie) auf der Basis der objektiven Darstellung der zugrunde liegenden Pathophysiologie. Dabei beruht die Abklärung von OAB und Harninkontinenz auf der Zystomanometrie, bei Verdacht auf eine Blasenentleerungsstörung ist zusätzlich die Miktionsanalyse mittels Druck-/Flussmessung, EMG und/oder Miktionszysturethrographie (Videourodynamik) indiziert.
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Funktionsstörungen
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Abb. 8.7 Stufendiagnostik zur Abklärung der unterschiedlichen Formen von Overactive Bladder (OAB) und Harninkontinenz.
Ein z. B. nach den Empfehlungen der ICS standardisierter Vorlagentest dient der Quantifizierung der Menge des unwillkürlichen Harnverlustes. Derselbe Test kann nach intravesikaler Instillation von Methylenblau oder Indigokarmin zur Unterscheidung eines geringen Harnverlustes von einem Fluor vaginalis bzw. einer ausgeprägten intertriginösen Hyperhidrosis benutzt werden. Das Urethradruckprofil ist die einzige Untersuchungstechnik, die Parameter der urethralen Verschlussfunktion (Ruheverschlussdruck, funktionelle Urethralänge, Drucktransmission unter Belastung) direkt untersucht. Dementsprechend ist die Durchführung eines Urethradruckprofiles nur bei Verdacht auf eine urethrale Sphinkterinsuffizienz (Belastungsinkontinenz) oder auf eine kombinierte Inkontinenz (Belastungsinkontinenz kombiniert mit einer anderen Inkontinenzform) indiziert. Nur das abnorm niedrige Urethradruckprofil (Ruheverschlussdruck, funktionelle Länge, Drucktransmission) beinhaltet diesbezüglich diagnostische Aussagekraft. Bei sensorischer Dranginkontinenz oder Verdacht auf eine Low-ComplianceBlase ist eine Narkose zur diagnostischen Urethrozystoskopie häufig notwendig, um z. B. die maximale anatomische Kapazität einer Low-Compliance-Blase zu bestimmen oder Biopsien für eine pathologisch-anatomische Diagnostik zu erhalten. Die Reflexinkontinenz als neurogene Form eines überaktiven Detrusors ist häufig durch eine zusätzliche Blasenentleerungsstörung im Sinne einer DetrusorSphinkter-Dyssynergie und sensible Ausfälle gekennzeichnet. Entsprechend muss die Funktionsdiagnostik durch Druck-Fluss-Untersuchung der Miktionsphase, ggf. in Kombination mit Beckenboden-EMG und röntgenologischer Darstellung der Miktions-
8 Urethradruckprofil nur zur Abklärung von Belastungsinkontinenz oder kombinierter Inkontinenz indiziert! Hierbei sind nur abnorm niedrige Werte (Ruhedruck, funktionelle Länge, Drucktransmission unter Stress) von diagnostischer Aussagekraft.
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8.2 Harnspeicherstörungen
Tabelle 8.6
Uroneurologische Diagnostik bei Verdacht auf neurogene Blase
Sensibilität der sakralen Dermatome („Reithosenanästhesie“) Aktive Beweglichkeit 쐌 쐌 쐌 쐌
Hüfte: Beugung L2−3, Streckung L4−5 Knie: Beugung L5−S1, Streckung L3−4 oberes Sprunggelenk: Dorsalflexion L4−5, Plantareflexion S1−2 unteres Sprunggelenk: Pronation L4, Supination L5−S1
Reflexe 쐌 Bulbokavernosusreflex (Fremdreflex S2−4) 쐌 Analrelfex (Fremdreflex S2−4) Neurophysiologische Tests 쐌 Bulbokavernosuslatenzzeit 쐌 afferente Nervenleitgeschwindigkeit: sakrale, spinale, zerebrale Ableitung evozierter Potenziale z. B. nach Bulbokavernosusstimulation 쐌 efferente Nervenleitgeschwindigkeit: EMG-Sphinkteraktivität z.. nach kortikaler Magnetstimulation, sakraler Foramenstimulation
Funktionsstörungen
Oberer Harntrakt 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Serumkreatinin endogene Kreatininclearance Isotopenclearance Sonographie/IVP Refluxzystogramm
Unterer Harntrakt 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Sonographie (Restharn, Blasenwanddicke, Prostata) Videourodynamik (Druck/Fluss, EMG, MCU) ± Carbacholtest ± Eiswassertest sakrale Foramenstimulation (PNE unter Urodynamik)
8 phase das Vorhandensein einer funktionellen infravesikalen Obstruktion abklären (s. auch S. 191 ff). Die Überlaufinkontinenz als dekompensierte Form einer Blasenentleerungsstörung bedarf der Untersuchungstechniken zur Abklärung einer Blasenentleerungsstörung (S. 142), wobei im Prinzip die Formen einer subvesikalen Obstruktion von denen der Detrusorhypoaktivität abgegrenzt werden. Die extraurethrale Inkontinenz ist durch eine spezifische Anamnese gekennzeichnet. Bei den angeborenen Formen besteht die Inkontinenz lebenslang, bei den erworbenen Formen lässt sich zumeist ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Intervention (Operation, Entbinding, Radiatio) eruieren. Harnverlust aus einem Ureter (ektoper Ureter, Ureterovaginalfistel) geht in der Regel mit einer − wenn auch manchmal nur geringfügigen − Dilatation des betroffenen oberen Harntraktes einher und bedarf deshalb der Abklärung des oberen Harntraktes durch Sonographie und i. v. Pyelographie. Die Vesikovaginalfistel lässt sich durch Blauverfärbung der proximalen intravaginal eingelegten Tupfer nach intravesikaler Instillation von Methylenblau oder Indigokarmin von einem transurethralen Harnabgang differenzieren, der die distalen eingelegten Tupfer verfärbt. Bei Verdacht auf
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
213
Funktionsstörungen
eine zusätzliche Ureterovaginalfistel erfolgt die Wiederholung des Tupfertestes nach intravenöser Gabe von Indigokarmin bei abgeleitetem transurethralem Dauerkatheter. Die Beurteilung einer Blasenscheidenfistel hinsichtlich Größe, Lokalisation und Beziehung zu den Ureterostien sowie Wundverhältnissen erfordert vor einer Operation in jedem Fall die endoskopische Inspektion durch Urethrozystoskopie und Kolposkopie. Zur Beurteilung der anatomischen Blasenkapazität vor Verschluss einer großen Blasenscheidenfistel mit Notwendigkeit einer Ureterreimplantation kann es notwendig sein, eine sog. Kondomzystoskopie durchzuführen, bei der die Blasenfüllung über einen am Zystoskopschaft befestigten dünnwandigen Ballon (Kondom) erfolgt, der den konstanten Verlust von Spülflüssigkeit durch die Vesikovaginalfistel verhindert. Die optische Beurteilbarkeit der Blasenschleimhaut ist durch den dünnwandigen Ballon nur geringfügig beeinträchtigt.
8
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8.2 Harnspeicherstörungen
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Inkontinenzformen Klassifikation
Symptome/Befunde
1. Dranginkontinenz/ Urgeinkontinenz sensorisch
쐌 Harnverlust unter Drang
Funktionsstörungen
motorisch
8
쐌 쐌 쐌 쐌
ohne Detrusorüberaktivität nicht unter Belastung unter Detrusorüberaktivität nicht unter Belastung
2. Belastungsinkontinenz/ Stressinkontinenz
쐌 Harnverlust unter Belastung
3. Reflexinkontinenz
쐌 spinale neurogene Blase (Reflexblase): − Harnverlust unter Detrusorüberaktivität (-hyperreflexie) − kein Harndrang − Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie
4. Überlaufinkontinenz
쐌 dekompensierte Blasenentleerungsstörung: − Restharn übersteigt Blasenkapazität
5. extraurethrale Inkontinenz
쐌 anatomischer Bypass des urethralen Sphinkters: − vesikovaginal − ureterovaginal
Harnspeicherstörungen Klassifikation
Symptome/Befunde
1. Blasenbedingte Harnspeicherstörung 1.1 hypersensitive Blase
쐌 쐌 쐌 쐌
1.2 hyperbarer Detrusor
쐌 OAB (-dry/-wet) 쐌 erniedrigte Detrusor-Compliance
1.3 überaktiver Detrusor
쐌 OAB (-dry/-wet) 쐌 Detrusorüberaktivität (instabil, hyperreflexiv)
OAB(-dry/-wet) verfrühter 1. Harndrang verminderte Blasenkapazität Fehlen von Detrusorüberaktivität
2. Urethrale Sphinkterinsuffizienz 2.1 instabile Urethra
쐌 OAB-wet 쐌 fluktuierender Urethraverschlussdruck
2.2 hyporeaktive Urethra
쐌 Belastungs-/Stressinkontinenz 쐌 verminderte Drucktransmission unter Stress
2.3 hypotone Urethra
쐌 Belastungs-/Stressinkontinenz 쐌 verminderter Urethraruhedruck
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
215
Overactive Bladder (OAB) und Harninkontinenz Klassifikation
Ätiologie
1.1 hypersensitive Blase
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Östrogenmangel interstitielle Zystitis (S. 219) Radiozystitis (S. 60) Chemozystitis (S. 60) TBC-/BCG-Zystitis (S. 178) Bilharzia (S. 181) Carcinoma in situ der Blase Prostatakarzinom psychosomatisch
1.2 Low-Compliance-Blase
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
TBC-Zystitis (Vernarbungsstadium, S. 178) Bilharzia (S. 181) Radiozystitis (Stadium III) interstitielle Zystitis (Endstadium) (S. 219) neurogen primär-myogen?
1.3 überaktiver Detrusor
쐌 Harnwegsinfekt 쐌 Fremdkörper (z. B. Blasenstein, S. 47) 쐌 infravesikale Obstruktion (z. B. Urethradivertikel, S. 220 f) 쐌 psychosomatisch 쐌 primär-myogen? 쐌 idiopathisch
2. Reflexinkontinenz (S. 223) 2.1 suprapontine neurologische Läsionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
zerebrovaskuläre Insuffizienz Apoplexie Morbus Alzheimer Morbus Parkinson zerebrale multiple Sklerose
2.2 suprasakrale/infrapontine neurologische Läsionen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
zervikales/thorakales Rückenmarkstrauma zervikaler Diskusprolaps spinale multiple Sklerose thorakale Meningomyelozele Syringomyelie funikuläre Myelose (Vitamin-B12-Mangel) degenerative, entzündliche, tumoröse, vaskuläre Rückenmarkerkrankungen oberhalb von S2
3. Belastungsinkontinenz (S. 223 f) 3.1 hyporeaktiver Sphinkter (Beckenbodenschwäche ± Deszensus)
쐌 Denervierung (z. B. nach Entbindung, Operation) 쐌 Atrophie (Inaktivität, Denervierung) 쐌 primär-myogen?
3.2 hypotoner Sphinkter (intrinsische Urethraläsion)
쐌 쐌 쐌 쐌
Östrogenmangel („atrophe Urethritis“) iatrogen neurogen primär-myogen? Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Funktionsstörungen
1. Drang (OAB) mit/ohne Inkontinenz (S. 222)
8
216
8.2 Harnspeicherstörungen
Klassifikation
Ätiologie
4. Überlaufinkontinenz (S. 225, s. auch S. 191 ff „Blasenentleerungsstörungen“) 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
4.2 hypoaktiver Detrusor
쐌 hypokontraktil/akontraktil (nichtneurogen): − sekundär-myogen (Dekompensation bei infravesikaler Obstruktion, S. 192) − psychosomatisch − primär-myogen (Altersdegeneration, Diabetes mellitus) − idiopathisch 쐌 hyporeflexiv/areflexiv (neurogen, S. 226): − sakrales Rückenmark (Konus)/ Sakralnerven (Kauda): − lumbales Rückenmarkstrauma − lumbaler Diskusprolaps − lumbosakrale Myelomeningozele (S. 227) − Neurolues − Tethered-Cord-Syndrom − degenerative, entzündliche, tumörose, vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks oder der Spinalnerven unterhalb von S1 − periphere autonome Blaseninnervation: − periphere Neuropathien − operative Denervierung (z. B. nach Wertheim-Operation, abdominosakraler Rektumamputation)
Funktionsstörungen
4.1 hyposensitive Blase (S. 225) (neurogen)
8 4.3 subvesikale Obstruktion
Diabetes mellitus Alkoholismus Urämie Amyloidose Schwermetallvergiftung (Blei, Kadmium, Quecksilber) 쐌 Tabes dorsalis
쐌 pathologisch-anatomisch: − BPH, PCA − Blasenhalsobstruktion (Marion’s disease) (S. 233) − Harnröhenstriktur − rotatorischer Deszensus (Quetschhahnphänomen, S. 193) − Genitalprolaps − Urethradivertikel (S. 220 f) − Urethrastenose/Meatusstenose (S. 193) 쐌 funktionell (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination (Hinman-Syndrom, S. 233) 쐌 suprasakrale/infrapontine neurologische Läsionen (S. 223 „Reflexinkontinenz“) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Klassifikation
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Ätiologie
5. Extraurethrale Inkontinenz (S. 227) 쐌 angeboren: − ektoper Ureter (S. 228) − ektope Ureterozele (S. 312) 쐌 erworben: − vesikovaginale Fistel (S. 230) − vesikozervikale Fistel − vesikovaginorektale Fistel − ureterovaginale Fistel (S. 229) − urethrovaginale Fistel (S. 231)
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Leitsymptome: 쐌 Miktionsbeschwerden mit Brennen beim Wasserlassen (Dysurie) und schmerzhafter Miktion (Algurie), 쐌 Pollakisurie, 쐌 Nykturie, 쐌 imperativer Harndrang aufgrund einer durch die Schleimhautirritation bzw. -entzündung vermehrten sensiblen Reizung (hypersensitive Blase) oder aufgrund unwillkürlicher Detrusorkontraktionen (überaktiver Detrusor). Bei der hämorrhagischen Zystitis kommt als weiteres Hauptsymptom die Mikrooder Makrohämaturie hinzu.
Das Krankheitsbild wird ausführlicher im Kap. 1.3 auf S. 32 beschrieben.
Prostatitissyndrom Definition: Darunter werden die in Tab. 8.7 genannten Formen mit den zugehörigen Befunden zusammengefasst. Tabelle 8.7
Prostatitissyndrom − NIH-Klassifikation
Formen
Befunde
I − akute bakterielle Prostatitis
akute leukozytäre Infektion
II − chronische bakterielle Prostatitis
rezidivierende Infektion 쏜 10 Leukozyten pro Gesichtsfeld (Ejakulat, Prostatasekret, Urin nach Prostatamassage)
III − chronische Prostatitis/chronisches Schmerzsyndrom des Beckens
Symptomatik ohne Infektion
IIIa − entzündliches chronisches Schmerzsyndrom des Beckens
쏜 10 Leukozyten pro Gesichtsfeld (Ejakulat, Prostatasekret, Urin nach Prostatamassage)
IIIb − nichtentzündliches chronisches Schmerzsyndrom des Beckens
쏝 5 Leukozyten pro Gesichtsfeld (Ejakulat, Prostatasekret, Urin nach Prostatamassage)
IV − asymptomatische entzündliche Prostatitis
keine Symptome, Zufallsbefund in Prostatabiopsie, Prostatasekret oder Ejakulat
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Funktionsstörungen
Bakterielle Zystitis
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8.2 Harnspeicherstörungen
Funktionsstörungen
Pathogenese: Am häufigsten führen klinisch stille oder manifeste akute bakterielle Urethritiden in Zusammenhang mit Unterkühlungen aszendierend zu einer chronisch-entzündlichen Prostatitis, die meist erst nach Jahren eine klinische Symptomatik hervorruft and dann einen chronisch-rezidivierenden Verlauf aufweist. Diese aszendierende Entwicklung wird durch angeborene oder erworbene Harnröhrenengen begünstigt. Als bakterielle Erreger kommen vorrangig E. coli und Enterokokken infrage. Bei einer akuten Exazerbation kann sich aus der akuten Prostatitis/Vesikulitis durch weitere kanalikuläre Ausbreitung eine akute Epididymitis entwickeln. Die chronisch-entzündlichen Veränderungen in der Prostata können aufgrund der sensiblen Irritationen eine Kontraktion der glatten Harnröhren-/Prostatamuskulatur oder eine Sphincter-externus-Spastik auslösen. Je nach Ausmaß ergeben sich daraus zusätzliche obstruktive Veränderungen, die die Entwicklung der Prostatakongestion mit gestörter Sekretentleerung fördern. Das Vorliegen von Prostatakonkrementen vermindert die kurativen Therapiechancen und kann somit eine Indikation zur transurethralen Prostataresektion unterstützen. Symptomatik: Irritative Miktionsbeschwerden: 쐌 Pollakisurie, 쐌 imperativer Harndrang, 쐌 Dranginkontinenz, 쐌 Nachtröpfeln. Obstruktive Miktionbeschwerden: 쐌 Startverzögerung, 쐌 Strahlabschwächung, 쐌 Mehrfachmiktion. „Ausstrahlungs“-Beschwerden: 쐌 Suprasymphysäres Druckgefühl, 쐌 ziehende Beschwerden inguinal bds. sowie in beide Hoden.
Nach antibiotisch erfolgreich therapierter erregerbedingter Prostatitis muss damit gerechnet werden, dass bei jedem 4. Patienten diese Form in ein chronisches Schmerzsyndrom des Beckens übergeht (s. auch Kap. 1, S. 42).
Diagnostik
8
Da verständlicherweise die verschiedenen Formen des Prostatitissyndroms nicht mit einer Therapieform behandelt werden können, ergibt sich für eine erfolgreiche Therapie die Notwendigkeit einer exakten Differenzierung. 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Harnstatus inkl. Harnkultur, Rektalbefund, Prostataexprimat mit Kultur von Sekret oder Urin nach Prostatamassage, Ejakulatkultur, Unterbauchsonographie, Uroflowmetrie, Miktionszystourethrogramm.
Dabei zeigen die verschiedenen Formen des Prostitissyndroms die in Tab. 8.7 genannten charakteristischen Befunde.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Interstitielle Zystitis Definition: Es handelt sich um eine chronische, abakterielle Zystitis mit Mastzellinfiltration von Lamina propria und Detrusor. Spätformen sind Hunner-Blasenulkus und Low-Compliance-Blase. Die Ätiologie der Erkrankung ist unklar („autoimmuner Formenkreis“).
Ätiologie/Pathogenese: Die Erkrankung betrifft zu 90 % Frauen. Bezüglich der Ätiologie und Pathogenese bestehen zahlreiche Theorien wie nichtbakterielle Infektion, toxische Harnsubstanzen, genetische oder endokrinologische Defekte, lymphatische oder venöse Abflussstörungen, neurogene Ursachen, allergische oder Autoimmunprozesse und letztlich ein defekter Mechanismus der Urothelprotektion. Eine neurogene Entzündungsgenese mit Nachweis einer Vermehrung sympathischer Neurone sowie vermehrtem vasoaktivem intestinalen Polypeptid (VIP) und Neuropeptid Y in der Blase findet sich interessanterweise auch bei anderen sog. Autoimmunerkrankungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und rheumatoider Arthritis. Die Theorie einer erhöhten Permeabilität des Urothels für Urin und toxische Substanzen aufgrund einer defekten urothelialen Schutzschicht mit Glykosaminglykanen (GAG) hat sich weder elektronenoptisch noch durch entsprechende Therapieversuche mit Glykosaminglykananalogen, wie Heparin und Pentosanpolysulfat, bestätigt. Zur Theorie einer möglichen psychovegetativen oder psychosomatischen Genese konnte gezeigt werden, dass zwar 75 % der Patientinnen mit interstitieller Zystitis psychische Anomalien aufwiesen, die aber den Befunden von Patienten mit chronischen organischen Schmerzen bei Krebserkrankungen entsprachen und entsprechend eher als Folge denn als Ursache der Erkrankung gedeutet wurden.
Symptomatik bei interstitieller Zystitis: 쐌 Schmerzen (suprapubisch/ urethral/vaginal/perineal), 쐌 Besserung nach Miktion, 쐌 Pollakisurie, imperativer Harndrang, 쐌 Nykturie. Das Fehlen einer Nykturie spricht gegen die Diagnose interstitielle Zystitis.
Diagnostik Die Diagnostik entspricht bei entsprechender Symptomatik weitgehend einer Ausschlussdiagnostik nach NIH-Kriterien (Tab. 8.8). Wichtige Ausschlusskriterien sind bakterielle Infektionen, insbesondere Harnwegsinfekte, sowie der urodynamische Ausschluss eines überaktiven Detrusors (motorische Urge). Nach NIH-Kriterien wird die Diagnose durch den urodynamischen Befund einer hypersensitiven Blase (sensorische Urge) unterstützt, im Spätstadium durch den Nachweis einer reduzierten Compliance (Low-Compliance-Blase). Als Einschlusskriterien gelten der endoskopische Befund petechialer Schleimhautblutungen nach zystoskopischer Auffüllung der Blase („Glomerulationen“) und in der Blasenwandbiopsie entzündliche lymphozytäre und leukozytäre Infiltrate mit Eosinophilen, Plasmazellen und Mastzellen. Ein Gehalt von mehr als 28 Mastzellen/mm2 Detrusor wird als charakteristisch angesehen, während Mastzellen in der Lamina propria des Urothels allein für die Diagnose nicht ausreichend sind. Das von Hunner 1915 beschriebene Ulkus der Blasenschleimhaut gilt als pathognomonisch für das Endstadium der interstitiellen Zystitis, ist aber für die Diagnose des Frühstadiums nicht zu fordern.
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Funktionsstörungen
Symptomatik: In Vordergrund stehen quälende suprapubische, urethrale, vaginale oder perineale Schmerzen, die sich nach Blasenentleerung vorübergehend bessern. Daraus resultieren imperativer Harndrang, Pollakisurie und Nykturie, wobei das Fehlen einer Nykturie gegen die Diagnose spricht. Das Besondere an der Erkrankung ist, dass einerseits die chronische Symptomatik dazu führt, dass die Lebensqualität von Frauen mit interstitieller Zystitis deutlich unter der von Frauen mit terminaler Niereninsuffizienz liegt und andererseits klinisch und histologisch kaum harte Befunde zur Erklärung dieser Symptomatik gefunden werden.
8
220
8.2 Harnspeicherstörungen
Tabelle 8.8
Diagnosekriterien der interstitiellen Zystitis (NIH-Konsensus-Konferenz)
Automatischer Diagnoseausschluss 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
쏝 18 Jahre benigne oder maligne Blasentumoren Radiozystitis tuberkulöse Zystitis bakterielle Zystitis Kolpitis Cyclophosphamidzystitis symptomatisches Urethraldivertikel Karzinome von Zervix, Korpus, Vagina oder Urethra aktiver Herper zoster Blasensteine, distale Uretersteine Miktionsfrequenz 쏝 5 pro 12 Stunden Nykturie 쏝 2 Symptombesserung durch Antibiotika, Harnantiseptika, Harntraktanalgetika (z. B. Phenazopyridin) Symptomdauer 쏝 12 Monate Detrusorüberaktivität (motorische Urge in der Urodynamik) Blasenkapazität 쏜 400 ml Fehlen einer sensorischen Urge
Automatischer Diagnoseeinschluss
Funktionsstörungen
쐌 Hunner-Ulkus
8
Positive Faktoren (2 „positive Faktoren“ sind für die Diagnose erforderlich) 쐌 쐌 쐌 쐌
Schmerzen bei Blasenfüllung, Erleichterung durch Entleerung Schmerzen (suprapubisch, pelvin, urethral, vaginal oder perineal) petechiale Schleimhautblutungen („Glomerulationen“) bei der Zystoskopie verminderte Compliance in der Zystometrie
Untersuchung
Erwarteter Befund
Harnstatus/-kultur Zystomanometrie
Ausschluss Harnwegsinfekte 쐌 Ausschluss überaktiver Detrusor 쐌 sensorische Urge (hypersensitive Blase) 쐌 Low-Compliance-Blase 쐌 Blasenkapazität 앗
Urethrozystoskopie in Narkose 쐌 Glomerulationen 쐌 Hunner-Ulkus Blasenwandbiopsie (mit Erfassung des Detrusors)
쐌 entzündliche und lymphozytäre Infiltrate mit Eosinophilen, Plasmazellen, Mastzellen (쏜 28 Mastzellen/mm2 Detrusor)
Harnröhrendivertikel Definition: Harnröhrendivertikel der Frau breiten sich im Septum urethrovaginale aus, wobei die Verbindung mit der Urethra (Divertikelhals) häufiger in der distalen als in der proximalen Urethra liegt und häufiger dorsal als lateral zu finden ist. Symptomatik: Die Symptomatik ist variabel und hängt im Wesentlichen von der Breite der Verbindung zur Harnröhre und dem Eintreten von Sekundärpathologien
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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(Empyem, Steinbildung) ab. Das Urethradivertikel kann asymptomatisch bleiben und irritative Symptome einer „Reizblase“ oder eines „Urethralsyndroms“ mit Dysurie, Pollakisurie und imperativem Harndrang verursachen. Divertikel mit einem breiten Divertikelhals können sich während der Miktion auffüllen und dabei die Urethra komprimieren, wodurch einerseits eine obstruktive Symptomatik und andererseits ein Nachträufeln durch Entleerung nach Miktion im Sinne einer Pseudoinkontinenz resultieren kann. Pathogenese: Urethradivertikel entstehen aus dilatierten paraurethralen Drüsen, wobei es strittig ist, ob die sackartige Erweiterung einer Skene-Drüse präformiert (angeboren) ist oder durch Verlegung des Ausführungsganges erworben wird. Weniger wahrscheinlich ist die Theorie der geburtstraumatischen Entstehung. Sekundär können sich im obstruierten Divertikel Steine und selten Tumoren bilden.
Untersuchung
Erwarteter Befund
Palpation
쐌 tastbare Resistenz der vorderen Scheidenwand (bei Divertikeln mit engem Divertikelhals oder entzündlicher Verlegung des Divertikelhalses) 쐌 schmerzhafte Palpation bei Empyembildung 쐌 nur etwa 1/3 der Harnröhrendivertikel durch Palpation diagnostizierbar
Miktionszysturethrogramm
Füllung der Divertikel über den Divertikelhals (in 2/3 der Fälle)
Doppelballon-Urethrographie (Abb. 8.8)
Abb. 8.8 Urethradivertikel. Radiologische Darstellung durch Urethrographie mittels Doppelballonkatheter.
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Funktionsstörungen
Diagnostik
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8.2 Harnspeicherstörungen
Dranginkontinenz (Urge-Inkontinenz, OAB-wet) Definition: Die Dranginkontinenz ist der unwillkürliche Harnverlust unter imperativem Harndrang, dem urodynamisch eine hypersensitive Blase (sensorische UrgeInkontinenz) oder ein überaktiver Detrusor (motorische Urge-Inkontinenz) zugrunde liegen. Symptomatik: Der dranghafte Harnverlust ist Leitsymptom der Dranginkontinenz, weitere Hauptsymptome sind Pollakisurie und imperativer Harndrang (OAB). Bei der motorischen Dranginkontinenz ist häufig eine belastungsabhängige Triggerkomponente anamnestisch eruierbar, d. h. die Symptome sind tagsüber ausgeprägter als nachts. Bei der sensorischen Dranginkontinenz deutet eine tags und nachts ähnlich stark ausgeprägte Symptomatik auf eine somatische Ätiologie (z. B. interstitielle Zystitis, tuberkulöse Zystitis), während eine überwiegende Tagsymptomatik auf eine psychosomatische Ätiologie schließen lässt. Beschwerden beim Wasserlassen im Sinne von Brennen (Dysurie) und Schmerzen (Algurie) können Hinweise auf einen Harnwegsinfekt als Ursache der Dranginkontinenz sein.
Funktionsstörungen
Leitsymptom: 쐌 dranghafter Harnverlust.
8
Dranginkontinenz/UrgeInkontinenz: 쐌 I − sensorisch 쐌 II − Low-Compliance-Blase (hyperbarer Detrusor) 쐌 III − motorisch (überaktiver Detrusor) Differenzierung über Zystomanometrie.
Pathophysiologie/Ätiologie: Bei der sensorischen Dranginkontinenz sind vermehrte sensible Impulse und/oder eine erniedrigte Reizschwelle der Blase Ursache für einen verfrühten ersten Harndrang, einen imperativen Harndrang mit Harnverlust sowie eine Einschränkung der funktionellen Blasenkapazität. Eine motorische Detrusoraktivität während der Blasenfüllungsphase im Sinne eines überaktiven Detrusors ist nicht nachweisbar. Eine sensorische Dranginkontinenz kann durch eine Reihe entzündlicher Blasenwanderkrankungen ausgelöst werden, durch einen postmenopausalen Östrogenmangel, durch ein Carcinoma in situ der Blasenschleimhaut oder auch psychosomatisch bedingt sein (S. 215). Bei der motorischen Dranginkontinenz findet sich eine nicht unterdrückbare, unwillkürliche Detrusoraktivität im Sinne eines überaktiven Detrusors als Ursache der dranghaften Harninkontinenz. Als Ursachen kommen Harnwegsinfekte, intravesikale Fremdkörper (z. B. Blasensteine), infravesikale Obstruktionen (BPH) und psychosomatische Faktoren in Betracht. Ein Großteil der Befunde muss allerdings im Sinne einer Ausschlussdiagnostik als „idopathisch“ klassifiziert werden (S. 215).
Diagnostik Die Diagnose einer sensorischen oder motorischen Dranginkontinenz beruht auf dem Befund der Zystomanometrie. Bei der sensorischen Dranginkontinenz erfolgt der unfreiwillige Harnverlust ohne körperliche Belastung und ohne motorische Detrusoraktivität aufgrund einer infolge des imperativen Harndrangs (hypersensitive Blase) ausgelösten reflektorischen Urethrarelaxation. Bei der motorischen Dranginkontinenz ist der dranghafte Harnverlust Resultat einer unwillkürlichen, nicht unterdrückbaren motorischen Detrusoraktivität im Sinne eines überaktiven Detrusors. Stufendiagnostik zur Abklärung der verschiedenen Ätiologien (s. Abb. 8.7): 쐌 Harnstatus bzw. -kultur, 쐌 urethraler Abstrich mit Bestimmung des karyopyknotischen Index (KPI) zur Beurteilung des urethralen Östrogeneffektes, 쐌 Urethrozystoskopie, 쐌 Blasenwandbiopsien zum Nachweis von entzündlichen oder tumorösen Blasenwanderkrankungen, 쐌 bildgebende Untersuchungen zur Darstellung von Blasensteinen, Urethradivertikeln usw.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Reflexinkontinenz Definition: Die Reflexinkontinenz ist der unwillkürliche Harnverlust aufgrund ungehemmter Detrusorkontraktionen, wobei der motorischen Überaktivität (hyperreflexiver Detrusor) ursächlich eine neurologische Läsion des suprasakralen Rückenmarkes (spinale Reflexblase) oder suprapontiner Bahnen und Kerne mit hemmender Wirkung für die Blaseninnervation (zerebral enthemmte Blase) zugrunde liegt. Symptomatik: Die „unbemerkte“ Harninkontinenz erklärt sich durch den Sensibilitätsverlust bei kompletten suprasakralen Rückenmarkläsionen. Typisch ist die Kombination mit einer Blasenentleerungsstörung (Restharnbildung) aufgrund einer Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie. Die Symptomtrias Sensibilitätsverlust, Harninkontinenz und Blasenentleerungsstörung ist nahezu pathognomonisch für die Reflexblase bei suprasakraler Rückenmarkläsion. Bei inkompletten suprasakralen Rückenmarkläsionen oder suprapontinen neurologischen Läsionen von Bahnen und Kernen der Blaseninnervation und (teil)erhaltener Sensibilität kann der Harnverlust wie bei der motorischen Dranginkontinenz unter imperativem Harndrang auftreten. Bei suprapontinen Läsionen fehlen die Zeichen einer neurogenen Blasenentleerungsstörung, es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine zwar unkontrollierte, ansonsten aber physiologisch ohne Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie ablaufende Miktion (zerebral enthemmte Blase).
Funktionsstörungen
Symptomtrias für Reflexblase bei suprasakraler Rückenmarkläsion: 쐌 Verlust der Blasensensibilität, 쐌 Harninkontinenz, 쐌 Blasenentleerungsstörung (Restharn).
Pathophysiologie/Ätiologie: Ursache für die Reflexinkontinenz ist die mangelhafte zentrale Hemmung der sakralen Reflexbögen durch Unterbrechung suprasakraler Bahnen und/oder Kerne der Blasen- und Sphinkterkontrolle (s. Tab. 8.4). Die Ätiologie der Reflexinkontinenz beinhaltet sämtliche Läsionen oder Erkrankungen des Zentralnervensystems, die suprasakrale Bahnen und/oder Kerne der Blasen- und Sphinkterkontrolle betreffen, ob sie nun auf traumatische, degenerative, vaskuläre, entzündliche oder tumoröse Prozesse zurückzuführen sind (s. Tab. 8.5).
Diagnostik
Cave:
Die Diagnose einer Reflexinkontinenz beruht auf dem Befund der Videourodynamik in Verbindung mit dem Nachweis einer neurologischen Grunderkrankung oder Läsion durch entsprechende neurologische Diagnostik (s. Tab. 8.6): 왘 Bei suprasakralen Rückenmarkläsionen findet sich in Verbindung mit der motorischen Überaktivität (hyperreflexiver Detrusor) eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie als funktionelle Ursache einer Blasenentleerungsstörung infolge des Ausfalles der pontinen Koordination zwischen Detrusor und Sphinkter. 왘 Bei suprapontinen Läsionen wird die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie und damit die funktionelle Blasenentleerungsstörung vermisst. Dementsprechend finden sich weniger aggressive Druckwerte des hyperreflexiven Detrusors. Zur Abklärung der verschiedenen Ätiologien (S. 215) ist in der Regel eine fachneurologische Diagnostik erforderlich.
Aggressive Detrusordrücke bei spinaler Reflexblase! Ursachen: 쐌 Hyperreflexiver Detrusor, 쐌 Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie. Kritische Höhe: 쐌 40 cm H2O DetrusorLeak-Point-Pressure. Folgen: 쐌 Vesikoureterale Obstruktion, 쐌 vesikoureteraler Reflux.
Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz) Definition: Die Belastungsinkontinenz ist der unwillkürliche Harnabgang unter körperlicher Belastung aufgrund einer urethralen Sphinkterinsuffizienz. Symptomatik: Typisch für die Belastungsinkontinenz ist die Angabe des unwillkürlichen Harnverlustes unter körperlicher Belastung, wobei die Symptomatik stets
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8.2 Harnspeicherstörungen tagsüber ausgeprägter ist als nachts im Liegen. Nach Stamey werden 3 klinische Schweregrade unterschieden: 왘 Grad I ist ein Harnverlust unter schwerer körperlicher Belastung (Heben, Husten, Treppensteigen), 왘 Grad II unter leichter körperlicher Belastung (Aufstehen, Gehen), 왘 Grad III der Harnverlust auch im Liegen.
Funktionsstörungen
Pollakisurie erklärt sich als vorsorgliche Blasenentleerung, um der Inkontinenz bei gefüllter Blase vorzubeugen. Harndrang kann aufgrund einer sensiblen Reizung durch Harneintritt in die hintere Harnröhre infolge einer geringen Blasenhalsöffnung unter Belastung ausgelöst werden.
8
Belastungsinkontinenz = Stressinkontinenz Urethrale Sphinkterinsuffizienz: 쐌 Grad I: beim Heben, Husten, Treppensteigen, 쐌 Grad II: beim Aufstehen, Gehen, 쐌 Grad III: im Liegen. Deszensus (koexistent, nicht Ursache der Inkontinenz): 쐌 Grad I: intravaginal, 쐌 Grad II: am Introitus, 쐌 Grad III: vor dem Introitus.
Pathophysiologie: Die Belastungsinkontinenz der Frau kann durch eine erhöhte Mobilität von Blasenhals und Urethra unter Belastung infolge eines mangelhaften Widerlagers des Beckenbodens (hyporeaktive Sphinkterinsuffizienz) und/oder durch eine Hypotonie des intrinsischen urethralen Sphinktermechanismus bedingt sein. 왘 Die Belastungsinkontinenz aufgrund einer Beckenbodenschwäche mit mangelhaftem Widerlager des Blasenauslasses kann mit oder ohne Deszensus der vorderen Vaginalwand einhergehen. Beim Vorliegen eines Deszensus ist dieser nicht Ursache der Harninkontinenz, sondern vielmehr haben Harninkontinenz und Deszensus die gemeinsame gleiche Ursache einer Beckenbodenschwäche. Ätiologisch kommen Überdehnung und Denervierung der Beckenbodenmuskulatur nach vaginaler Entbindung, Inaktivitätsatrophie sowie eine Bindegewebsschwäche in Betracht. 왘 Der hypotone Sphinkter hat zumeist eine höhergradige Inkontinenz (Grad II−III) zur Folge. Ursache sind morphologische oder funktionelle Läsionen von Mukosa/ Submukosa/Muskularis der funktionellen Harnröhre, z. B. beim Mann nach Prostataoperationen und bei der Frau nach Radiatio oder Voroperationen. Bei postmenopausalem Östrogenmangel kann die Abdichtfunktion der Harnröhrenschleimhaut, deren Proliferation östrogenabhängig ist, durch Schleimhautatrophie und verminderte Kongestion des submukösen Venenplexus beeinträchtigt sein. Direkte Läsionen der Urethra (Entbindung, iatrogen) können durch Narbenbildung in der intrinsischen glatten und quergestreiften Muskulatur der Urethra zu deren Insuffizienz führen. Schließlich können neurologische Läsionen sowohl zur Denervierung des glattmuskulären als auch des quergestreiften Sphinkteranteils führen.
Diagnostik Das Symptom einer Harninkontinenz unter körperlicher Belastung sollte durch den klinischen Befund des Abganges von Harn aus der gefüllten Blase z. B. beim Husten im Stehen mit gespreizten Beinen (Provokationstest) verifiziert werden. Die Diagnose „Belastungsinkontinenz“ wird aufgrund des zystomanometrischen Befundes gestellt, wobei überaktive Detrusorkontraktionen fehlen müssen und ein Harnverlust durch Provokation einer Belastungssituation (Husten) nachweisbar sein sollte. Ist dies insbesondere bei Grad-I-Stressinkontinenz bei einer Zystomanometrie im Liegen oder Sitzen nicht der Fall, so kann die Zystomanometrie mit entsprechenden Provokationstests im Stehen oder auch ambulatorisch wiederholt werden, wobei die zystomanometrische Darstellung der Situation des Harnverlustes zur Diagnoseetablierung nicht zwingend notwendig ist (s. Abb. 8.7). Das Urethradruckprofil ist zur Diagnose einer Stressinkontinenz grundsätzlich nicht erforderlich, hat aber Bedeutung zur Darstellung der Pathophysiologie (hyporeaktiv/hypoton) des individuellen Falles und damit für Prognose und Therapiewahl. Ein gleichzeitig bestehender Deszensus sollte durch vaginale Spekulumeinstellung, Perinealsonographie oder laterales Zystogramm in Stehen mit Doppelbelichtung dargestellt und quantifiziert werden. Nach Stanton werden 3 klinische Schweregrade unterschieden:
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder 왘 왘 왘
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Grad I ist ein intravaginaler Deszensus, Grad II ein Deszensus bis zum Introitus, Grad III ein Deszensus vor den Introitus (Prolaps).
Überlaufinkontinenz Definition: Die Überlaufinkontinenz ist der unwillkürliche Harnverlust bei Blasenüberfüllung bzw. -überdehnung, wobei das Restharnvolumen die maximale Blasenkapazität übersteigt. Symptomatik: Da die Überlaufinkontinenz Symptom und Resultat der Dekompensation einer Blasenentleerungsstörung mit ausgeprägter Restharnbildung oder Harnverhaltung ist (Incontinentia paradoxa), hängt die Begleitsymptomatik im Wesentlichen von der Dauer der Vorgeschichte ab. Meist werden sich in der Anamnese vorangegangene Symptome einer Blasenentleerungsstörung aufdecken lassen (S. 191), seltener ist die „stille“ Retention mit Überlaufinkontinenz. Bei chronischer Retention kann die Überlaufinkontinenz ohne wesentliche Drangsymptomatik einhergehen, immer finden sich allerdings Pollakisurie und Nykturie als Ausdruck der eingeschränkten funktionellen Blasenkapazität (s. Tab. 8.3). Bei akutem Eintritt kommen in der Regel imperativer Harndrang bzw. die Symptome des schmerzhaften, quälenden Harnverhaltes hinzu. Bei neurogenen Läsionen mit Überlaufinkontinenz (hyposensitive Blase bei sensorischer Läsion bzw. schlaffe Blase bei motorischer Läsion) fehlt die Wahrnehmung der Blasenfüllung gänzlich.
Funktionsstörungen
Pathophysiologie: Bei der Überlaufinkontinenz aufgrund einer chronischen Retention übersteigt der intravesikale Druck trotz meist fehlender Detrusoraktivität infolge der Überdehnung der viskoelastischen Elemente der Blasenwandung den maximalen urethralen Verschlussdruck, sodass pathophysiologisch eine passive Inkontinenz resultiert. Bei akutem Eintritt des Ereignisses können zusätzliche unwillkürliche Detrusorkontraktionen (überaktiver Detrusor) im Sinne eines frustranen Miktionsversuches zur Erhöhung des intravesikalen Druckes beitragen, woraus die Symptome des quälenden und dranghaften Harnverhaltes mit Überlaufinkontinenz resultieren.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
erhebliche Restharnmengen
Die weitere Abklärung bezieht sich im Wesentlichen auf die Abklärung der Ätiologie und Pathophysiologie (s. tabellarischer Überblick auf S. 216) der Blasenentleerungsstörung (s. auch S. 191 ff).
Hyposensitive Blase (sensorische neurogene Läsion) Definition: Bei der hyposensitiven Blase handelt es sich um eine isolierte Läsion der sensiblen Afferenzen der Blase aufgrund einer autonomen Neuropathie, einer Läsion der Spinalnerven bzw. Spinalganglien oder einer Hinterstrangläsion bei prinzipiell erhaltener Motorik des unteren Harntraktes (Prototyp: diabetische autonome Neuropathie).
8 Überlaufinkontinenz: Restharn übersteigt die Blasenkapazität. Myogen: 쐌 Detrusordekompensation bei infravesikaler Obstruktion. Neurogen: 쐌 Sensorische Läsion (hyposensitive Blase), 쐌 motorische Läsion (areflexiver Detrusor), 쐌 sensomotorische Läsion.
Symptomatik: 쐌 Nachlassen oder Fehlen von Blasenfüllungsgefühl und Harndrang mit sukzessiver Vergrößerung der Miktionsintervalle, 쐌 grundsätzlich ist jedoch die Blasenentleerung möglich.
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8.2 Harnspeicherstörungen Bei zunehmender Vergrößerung der Miktionsintervalle und der Blasenkapazität entwickeln sich erhebliche Restharnmengen bis hin zu Überlaufinkontinenz, wofür ursächlich entweder eine myogene Detrusordekompensation oder ein Fortschreiten der neurologischen Erkrankung mit Einbeziehung auch der viszeromotorischen Efferenzen (areflexiver Detrusor) in Betracht kommt. Bei Restharnbildung ist das Auftreten von Harnwegsinfekten geläufig, wegen der niedrigen intravesikalen Drücke ist jedoch eine sekundäre Beeinträchtigung des oberen Harntraktes durch vesikoureterale Stauung oder Reflux und aszendierende Pyelonephritiden die Ausnahme. Pathophysiologie/Ätiologie: Ursache für die hyposensitive Blase ist die isolierte Schädigung sensibler Afferenzen in peripheren Nerven (autonome Neuropathie), Spinalnerven, Spinalganglien und Hinterstrangbahnen bei erhaltenen viszeromotorischen Efferenzen (s. Tab. 8.4). Die Ätiologie umfasst periphere sensorische und autonome Polyneuropathien, z. B. bei Diabetes mellitus, Alkoholismus, Urämie und Schwermetallvergiftungen (s. Tab. 8.5). Beim Guillan-Barré-Syndrom handelt es sich um eine idiopathische mononukleäre Polyneuritis im Endoneurium, die Vorder- und auch Hinterwurzeln betreffen kann. Beim Herpes zoster findet sich eine hämorrhagisch-nekrotisierende Ganglionitis, die beim Befall der Segmente S2−S4 zum reversiblen Ausfall der Blasensensorik führen kann. Im Quarternärstadium der Lues treten 8−10 Jahre nach Krankheitsausbruch als Tabes dorsalis und progressive Paralyse eine fortschreitende entzündliche Degeneration der Hinterwurzeln und der Hinterstränge des Rückenmarkes auf.
Funktionsstörungen
Diagnostik
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Die Diagnose einer isolierten sensorischen Läsion beruht auf dem Befund der Zystomanometrie in Verbindung mit dem neurologischen Nachweis einer peripheren oder autonomen Neuropathie, einer Hinterwurzel- oder einer Hinterstrangläsion. In der Zystomanometrie findet sich eine vergrößerte Blasenkapazität bei niedrigen intravesikalen Drücken und fehlendem Harndrang mit Überlaufinkontinenz. Eine Detrusorkontraktion kann im kompensierten Stadium noch willkürlich eingeleitet werden.
Schlaffe Blase (areflexiver Detrusor, motorische neurogene Läsion) Definition: Bei der schlaffen Blase handelt es sich um einem einen areflexiven Detrusors infolge einer peripheren Läsion der autonomen motorischen Innervation, einer Läsion der Vorderwurzeln oder motorischen Spinalnerven (Kaudaläsion) oder einer Läsion des Pelvikuskernes im sakralen Miktionszentrum (Konusläsion). Wenn diese motorischen Läsionen auch prinzipiell ohne begleitende sensorische Läsion vorkommen können, so besteht doch in der Mehrzahl der Fälle eine kombinierte sensomotorische Läsion (Prototyp: Diskusprolaps L4/L5). Symptomatik: Im Vordergrund der Symptomatik steht die Blasenentleerungsstörung aufgrund eines areflexiven Detrusors, zumeist in Kombination mit einem Verlust von Blasenfüllungsgefühl und Harndrang. Das Verhältnis zwischen Restharnbildung und Überlaufinkontinenz hängt vom Auslasswiderstand des Sphinkters ab: 왘 Bei hypotonem, areflexivem Sphinkter wird die Blasenentleerung mittels Bauchpresse noch möglich sein, meist besteht dann aber gleichzeitig eine neurogene Belastungs- und Überlaufinkontinenz. 왘 Bei kombinierten Läsionen mit nichtrelaxierendem Sphinkter oder spastischem Sphinkter steht die Blasenentleerungsstörung mit Restharnbildung und Überlaufinkontinenz im Vordergrund.
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Bei Restharnbildung sind Harnwegsinfekte zwar geläufig, wegen der niedrigen Detrusordrücke sind aber Symptome des oberen Harntraktes im Sinne fieberhafter Pyelonephritiden eher selten. Pathophysiologie/Ätiologie: Ursache für den areflexiven Detrusor ist die Unterbrechung der motorischen Efferenzen auf Höhe der peripheren Nerven, der Vorderwurzeln oder Spinalnerven (Kaudasyndrom) oder des sakralen Miktionszentrums (Konussyndrom) (s. Tab. 8.4). Die Ätiologie des areflexiven Detrusors beinhaltet sämtliche Läsionen oder Erkrankungen des sakralen Rückenmarks, der Spinalnerven oder der peripheren autonomen Nerven, in denen motorische Efferenzen für die Blase geleitet werden, ob sie nun auf traumatische, degenerative, vaskuläre entzündliche oder tumoröse Prozesse zurückzuführen sind (s. Tab. 8.5): 왘 Ein Konus-Kauda-Syndrom findet sich beim lumbalen Diskusprolaps oder bei Querschnitttraumen im Lendenwirbelbereich. 왘 Die lumbosakrale Myelomeningozele verursacht häufig eine gemischte Läsion. 왘 Die spinale multiple Sklerose betrifft nur in 18 % das sakrale Rückenmark, wobei klinisch nur in 11 % ein areflexiver Detrusor gesehen wird. 왘 Die periphere Neuropathie bei Diabetes mellitus betrifft initial lediglich die Blasensensorik, im fortgeschrittenen Stadium kommt jedoch die Beteiligung der motorischen Efferenzen hinzu mit Entwicklung eines areflexiven Detrusors. 왘 Nach Operationen im kleinen Becken im Sinne einer radikalen Tumorchirurgie (Wertheim-Operation, abdominosakrale Rektumamputation) ist ein areflexiver Detrusor durch operative periphere Denervierung erklärt.
Die Diagnose eines areflexiven Detrusors beruht auf dem Befund der Zystomanometrie in Verbindung mit dem neurologischen Nachweis einer peripheren oder autonomen Nervenläsion oder Polyneuropathie oder einem Konus-Kauda-Syndrom. In der Zystomanometrie findet sich eine vergrößerte Blasenkapazität mit fehlendem Harndrang. Die intravesikalen Drücke sind niedrig, Detrusorkontraktionen fehlen gänzlich, und Miktionsversuche erfolgen mit Bauchpresse, wobei die Effektivität einer solchen Blasenentleerung vom Auslasswiderstand des Sphinkters während des Entleerungsmanövers abhängt. Zur Unterscheidung eines myogen-akontraktilen Detrusors von einem neurogen-areflexiven Detrusor ist der Denervierungs-Hypersensibilitätstest hilfreich. Dabei werden unter zystomanometrischer Druckregistrierung 0,25 mg Carbachol subkutan injiziert. Ein positiver Test mit Nachweis eines signifikanten Druckanstieges (쏜 25 cm H20) in der Blase, der bei intakter Innervation durch zentralvervöse Gegenregulation nicht eintritt, ist Zeichen für eine neurogene Ätiologie.
Extraurethrale Inkontinenz Definition: Die extraurethrale Inkontinenz ist der Harnverlust über einen anatomischen Bypass, der einen prinzipiell funktionstüchtigen urethralen Sphinktermechanismus umgeht. Symptomatik: Charakteristisch ist ein ununterbrochener Harnverlust tags und nachts. Bei geringen Harnmengen (ektoper Ureter) kann allerdings dadurch eine positions- bzw. belastungsabhängige Inkontinenz vorgetäuscht werden, dass im Liegen die Speicherkapazität der Vagina nicht oder nur wenig überschritten wird und dementsprechend der Harnverlust geringer zu sein scheint. Bei der angeborenen Form einer ektopen Uretermündung besteht der Harnverlust lebenslang, wobei im Kindesalter eine Fehlinterpretation als Enuresis typisch ist (S. 260). Bei den erworbenen Formen lässt sich anamnestisch meist ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Intervention (Operation, Entbindung, Radiatio) eruieren. Für die Verletzungsfistel ist der unmittelbar postoperativ auftretende vaginale Harnverlust charakteris-
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Funktionsstörungen
Diagnostik
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8.2 Harnspeicherstörungen tisch, bei Nekrosefisteln und auch Verletzungsfisteln mit primärer Urinombildung und erst sekundärer vaginaler Fistelbildung muss mit Intervallen von Tagen bis zu einigen Wochen zwischen auslösendem Ereignis und Eintreten der Harninkontinenz gerechnet werden, bei radiogenen Fisteln sogar mit Intervallen bis zu mehreren Jahren.
Extraurethrale Inkontinenz: Angeboren: 쐌 Ektoper Ureter, 쐌 ektope Ureterozele, 쐌 Sinus urogenitalis, 쐌 Epispadie/Ekstrophie. Erworben: 쐌 Vesikovaginale Fistel, 쐌 vesikozervikale Fistel, 쐌 vesikovaginorektale Fistel (Kloake), 쐌 ureterovaginale Fistel, 쐌 urethrovagianle Fistel.
Ätiologie/Pathophysiologie: Es werden angeborene oder erworbene Ursachen für einen anatomischen Bypass des urethralen Sphinktermechanismus unterschieden: 왘 Beispiel für eine kongenitale Ätiologie ist die ektope Uretermündung, 왘 Beispiele für eine erworbene Ätiologie sind Ureterovaginalfistel, Vesikovaginalfistel und Urethrovaginalfistel. Wenn bei einer Verletzungsfistel des Ureters das Urinextravasat zunächst kompartimentiert bleibt (Urinom) oder intraperitoneal (urinöser Aszites) und über liegende Wunddrainagen abgeleitet wird, kann sich die vaginale Fistelbildung erst verzögert etablieren. Bei primär geschlossenen Läsionen des Harntraktes kann es durch Ligatur, instrumentelle Quetschung, präparatorische Denudierung, Hämatom- und Lymphozelenbildung dann sekundär infolge von Ischämie und Infektion zur Ausbildung von Nekrosen kommen, die zur Fistelbildung (Nekrosefistel) oder im Bereich des Ureters zur Stenosierung auch ohne Fistelbildung führen können. Das bei der Nekrosefistel obligate Intervall von Tagen bis zu einigen Wochen bis zum Auftreten der Fistel kann bei radiogenen Nekrosefisteln infolge radiogener Spätschäden bis zu mehreren Jahren betragen.
Funktionsstörungen
Ektoper Ureter
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Definition: Bei einer Ureterektopie handelt es sich um eine Harnleitermündung außerhalb der Blase, die in 3/4 der Fälle mit einer kompletten Doppelanlage (Ureter duplex) einhergeht und dabei stets den zum oberen Doppelnierenanteil gehörigen Ureter betrifft. Beim Knaben kann aus embryologischen Gründen die Mündung des Ureters in Blasenhals, prostatischer Harnröhre, Samenblase, Ductus deferens oder Ductus ejaculatorius liegen, beim Mädchen in Blasenhals, gesamter Harnröhre, Vestibulum vaginae, Vagina, Collum oder Corpus uteri. Symptomatik: Bei Mädchen mit ektoper Mündung der Harnleiters distal des urethralen Sphinkters oder in Vagina und Uterus ist die permanente Harninkontinenz bei erhaltener normaler Miktion das Leitsymptom. Lediglich bei Mündung im Blasenhalsbereich kann die Inkontinenz fehlen und ein vesikoureteraler Reflux mit Symptomen rezidivierender Harnwegsinfekte im Vordergrund stehen. Fast immer findet sich eine Obstruktion der ektopen Harnleitermündung mit Megaureter und weitgehend funktionslosem zugehörigen Nierenanteil. Beim Knaben mündet der Harnleiter jeweils in etwa der Hälfte der Fälle in die hintere Harnröhre oberhalb des Sphincter externus oder in den Genitaltrakt, es kommt also niemals zu einer Inkontinenz. Leitsymptom sind rezidivierende Harnwegsinfektionen und Epididymoorchitiden. Leitsymptome: 쐌 Bei Mädchen: permanente Harninkontinenz bei erhaltener Miktion. 쐌 Bei Knaben: rezidivierende Harnwegsinfektionen und Epidymoorchitiden.
Diagnostik Die Diagnose wird durch sonographische, nuklearmedizinische oder radiologische Darstellung des zum ektopen Ureter gehörigen dilatierten (Doppel)Nierenanteils gestellt (Abb. 8.9).
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Ureterovaginalfistel Ureterläsionen liegen mit einer Inzidenz von 0,08 % an 11. Stelle der Verletzungen des Harntraktes bei Operationen in der Frauenheilkunde. Die Lokalisation von Ureterläsionen hat 3 typische Prädilektionsstellen: 왘 an der Kreuzung mit den Ovarialgefäßen im Lig. infundibulopelvicum, 왘 zervixnahe im Parametrium an der Kreuzung mit der A. uterina, 왘 unmittelbar prävesikal im Septum vesicovaginale, wo der Ureter der Zervix bzw. der Vaginalvorderwand dicht anliegt. Anatomische Ursachen für die hohe Ureterläsion sind narbige Veränderungen nach Adnexitiden und die Ausbreitung entzündlicher oder tumoröser Prozesse im Lig. infundibulopelvicum. Im Bereich des Parametriums führen organüberschreitende Prozesse oder große Myome der Zervix zu Harnleiterverlagerungen. Ein infolge starker Blutung aus den Uteringefäßen dramatischer Operationsverlauf mit notfallmäßigem Setzen von Klemmen, Umstechungen und Massenligaturen erklärt Ureterläsionen im Bereich des Lig. latum. Ein höhergradiger Deszensus (Prolaps) oder Zug an der Zervix bei der vaginalen Hysterektomie verlagern den prävesikalen Ureter nach distal und medial, wo er beim Absetzen des Uterus und Versorgen des Vaginalstumpfes verletzt werden kann. Die radikale Tumorchirurgie mit der Notwendigkeit der Präparation des pelvinen Ureterabschnittes kann bei weitgehender Skelettierung des Harnleiters mit Zerstörung der in der Adventitia longitudinal verlaufenden nutritiven Gefäße und eventuell kombinierter Strahlentherapie auch dann zu einer ischämischen Spätnekrose des Ureters führen, wenn direkte Läsionen wie Quetschung, Durchstechung oder Ligaturen nicht stattgefunden haben.
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Funktionsstörungen
Abb. 8.9 17-jährige Frau mit extraurethraler Inkontinenz bei ektoper Uretereinmündung des zum linken oberen Doppelnierenanteiles gehörigen Ureters in die distale Urethra.
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8.2 Harnspeicherstörungen
Symptomatik: 쐌 Postoperatives Druckgefühl in der Flanke, 쐌 Koliken, 쐌 ungeklärte Temperaturanstiege
sollten immer an eine Ureterbeteiligung denken lassen.
Diagnostik Schon aus forensischen Gründen ist eine sofortige sonographische Dokumentation des oberen Harntraktes und Aufdeckung eventuell bestehender Seitendifferenzen unumgänglich. Beim vaginalen Harnverlust ist zunächst der Ausschluss einer Blasenscheidenfistel erforderlich, am einfachsten durch Ausschluss von Verfärbungen mehrerer in die Scheide eingelegter Tupfer nach retrograder Instillation von Indigokarminlösung in die Blase über einen transurethralen Katheter. Der Nachweis einer Ureterovaginalfistel erfolgt durch Blauverfärbung der Vaginaltupfer nach intravenöser Gabe von 5 ml Indigokarmin („intravenöse Blauprobe“) bei dauerabgeleitetem transurethralem Katheter. Für die Beurteilung der Lokalisation und Ausdehnung einer Ureterläsion ist insbesondere im Hinblick auf eine operative Rekonstruktion eine Röntgendarstellung auf jeden Fall erforderlich, meistens die Kombination einer antegraden und retrograden Pyelographie.
Vesikovaginalfistel
Funktionsstörungen
Ätiologie: Blasenläsionen liegen mit einer Inzidenz von 0,3 % an 4. Stelle der Verletzungen des Harntraktes bei Operationen in der Frauenheilkunde. Vesikovaginalfisteln sind in der Mehrzahl der Fälle Folge einer vaginalen oder abdominalen Hysterektomie, selten Folge geburtshilflicher Eingriffe oder einer Radiotherapie. Sonderformen sind die seltenen Vesikozervikalfisteln, die nach geburtshilflichen Eingriffen (Sectio caesarea, Forzeps) auftreten, und die Kloaken (vesikovaginorektale Fisteln), die nahezu ausschließlich nach der Behandlung gynäkologischer Malignome auftreten, in der Mehrzahl nach hochdosierter Radiotherapie, aber auch nach radikaler Tumorchirurgie mit und ohne kombinierter Radiotherapie.
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Youssef-Syndrom: Menstruation durch die Blase bei vesikozervikaler Fistel
Symptomatik: Der unmittelbar postoperativ tags und nachts auftretende Harnverlust durch die Scheide deutet auf eine primäre Verletzungsfistel hin, bei Nekrosefisteln insbesondere nach Radiotherapie kann das Intervall bis zur Fistelentstehung Monate bis Jahre betragen. Bei hohen Vesikozervikalfisteln und einer relativen Kontinenzfunktion der Zervix kann die Menstruation durch die Blase (Youssef-Syndrom) Leitsymptom sein.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
쐌 bei Blasenscheidenfistel Anfärben der tiefen Tuptransurethrale Instillation von Indigokarminlösung nach Einlefer gen mehrerer vaginaler Tupfer 쐌 bei transurethralem Harnverlust Anfärben der äußeren Tupfer Kolposkopie und Zystoskopie
쐌 Größe und Lokalisation der Fistel, 쐌 Lagebeziehung zu den Oreterostien, 쐌 Grad der entzündlichen Begleiterscheinungen
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
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Urethrovaginalfistel Ätiologie: Urethrovaginalfisteln sind nur in etwa 50 % der Fälle durch Eingriffe in der Frauenheilkunde verursacht, davon am häufigsten durch vordere Vaginalplastik und selten durch eine instrumentelle vaginale Entbindung. Die übrigen, nicht durch gynäkologisch-geburtshilfliche Eingriffe bedingten Urethrovaginalfisteln haben als typische Ursachen: 왘 Exstirpation eines Urethradivertikels, 왘 Perforation eines alloplastischen Harnröhrenverschlusses (Scott-Sphinkter, Kunststoff-Inkontinenzschlinge), 왘 Polytrauma. Symptomatik: In Abhängigkeit von Größe und Lokalisation der Urethrovaginalfistel steht bei den transsphinkteren Fisteln die totale Harninkontinenz im Vordergrund der Symptomatik. Lediglich die extrasphinkteren, im distalen Harnröhrendrittel gelegenen Fisteln können bis auf irritative Beschwerden symptomarm bleiben.
Diagnostik 쐌 Urethroskopie und Kolposkopie.
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Die ungewollte Blasenentleerung beim Lachen kommt bei Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 5 und 25 Jahren vor. Die Symptomatik führt vom imperativen Harndrang bis zur kompletten Blasenentleerung im Sinne eines durch Lachen kortikal evozierten Miktionsreflexes. Die Anamnese ist charakteristisch, sämtliche Untersuchungsbefunde einschließlich der Urodynamik ergeben gewöhnlich Normalbefunde, selten findet sich ein überaktiver Detrusor. In der Regel sistiert das Syndrom nach dem 20.−25. Lebensjahr spontan.
Epilepsie Das Einnässen ist ein typischer Befund im generalisierten epileptischen Anfall. Schwierig wird die richtige Einordnung dieses Symptoms, wenn ein Anfallsleiden nicht bekannt ist oder Anfälle vornehmlich im Schlaf auftreten (Schlafepilepsie). Wichtigster Hinweis auf ein mögliches Anfallsleiden ist das fehlende Erinnerungsvermögen an genauere Umstände, Bedingungen und Einzelheiten des unwillkürlichen Harnverlustes sowie das Ausmaß des Harnverlustes (komplette Blasenentleerung). Im Intervall ergeben die Urodynamik und die neurourologische Untersuchung sämtlich Normalbefunde. Die Diagnose wird aufgrund des EEG-Befundes gestellt, evtl. in Verbindung mit Provokationstests (optische Provokation, Schlafentzug).
Alkoholismus, Drogenabusus Der Alkoholismus kann nicht nur durch periphere Neuropathie zu Blasenentleerungsstörungen infolge einer hyposensitiven Blase oder eines akontraktilen Detrusors führen, sondern kann auch eine Harnspeicherstörung (Harninkontinenz) dann vortäuschen, wenn ein Einnässen im Rahmen eines Vollrausches, wie auch im Drogenrausch, erfolgt. Hierbei handelt es sich um eine unbemerkte Miktion bei Außerkraftsetzung der Wahrnehmungsfähigkeit der Blasenfüllung und der zentralen Kontrolle der Blasenmotorik. Hinweise aus der Anamnese sind das bevorzugte Auf-
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Funktionsstörungen
Giggle-Inkontinenz
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8.2 Harnspeicherstörungen treten des Harnverlustes im Schlaf, sowie das Ausmaß des Harnverlustes (komplette Blasenentleerung). Urodynamisch finden sich Normalbefunde oder als Zeichen der zusätzlichen peripheren Neuropathie eine hyposensitive Blase oder ein hypo-/akontraktiler Detrusor.
OAB bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) in Kombination mit Apoplexie/Zerebralsklerose/Morbus Parkinson Apoplexie, Zerebralsklerose und Morbus Parkinson können mit dem Untergang inhibitorischer zerebraler Regelkreise des Miktionsreflexes einhergehen, sodass z. B. bei 45−98 % der Patienten mit Morbus Parkinson ein überaktiver Detrusor nachgewiesen werden kann. Bei Vorliegen einer BPH in Kombination mit einer suprapontinen neurologischen Läsion muss zwischen einem hyperreflexiven Detrusor als Folge der neurologischen Grunderkrankung und einem überaktiven Detrusor als Folge der subvesikalen Obstruktion unterschieden werden, da beide Bedingungen als Ursache für eine Symptomatik von Pollakisurie, Nykturie, imperativem Harndrang und Harninkontinenz in Betracht kommen.
Funktionsstörungen
Diagnostik
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Der zystomanometrische Nachweis eines überaktiven Detrusors kann in der Regel zwischen dem obstruktiv bedingten und dem neurogen bedingten überaktiven Detrusor nicht unterscheiden. Die Druck-Fluss-Messung gibt Aufschluss über das Vorhandensein einer subvesikalen Obstruktion. Bei eindeutiger subvesikaler Obstruktion und fehlender Detrusorüberaktivität kann eine BPH ohne erhöhtes Risiko auch beim Patienten mit Morbus Parkinson operativ saniert werden. Bei überaktivem Detrusor mit Drangsymptomatik oder Inkontinenz und fehlender subvesikaler Obstruktion und fehlender Restharnbildung sollte konservativ mit Antimuskarinika therapiert werden. Bei Kombination einer subvesikalen Obstruktion mit einem überaktiven Detrusor muss das Risiko individuell abgeschätzt werden. Bei Überwiegen der subvesikalen Obstruktion und Beherrschbarkeit der Überaktivität des Detrusors durch Antimuskarinika ist eine operative Sanierung der BPH in der Regel sinnvoll, während bei ausgeprägter neurogener Überaktivität die operative Therapie der BPH ein hohes Risiko der Reflexinkontinenz birgt.
Überlaufinkontinenz bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) und diabetischer Neuropathie Bei Diabetes mellitus wird als Ursache einer Blasenentleerungsstörung eine autonome Neuropathie mit sensorischer Läsion (hyposensitive Blase) oder motorischer Läsion (areflexiver Detrusor) gefunden. Bei zusätzlich vorliegender BPH und Entwicklung einer Blasenentleerungsstörung mit erheblichen Restharnmengen und Überlaufinkontinenz ist schwer zwischen myogener Detrusordekompensation und neurogenem areflexiven Detrusor zu unterscheiden.
Diagnostik In der Zystomanometrie kann bei fehlenden Detrusorkontraktionen (hypoaktiver Detrusor) häufig nur der Denervierungs-Hypersensibilitätstest zwischen einer myogenen Ätiologie (akontraktiler Detrusor) und einer neurogenen Ätiologie (areflexiver Detrusor) unterscheiden. Dazu werden unter zystomanometrischer Druckkontrolle 0,25 mg Carbachol subkutan injiziert, wobei bei einem positiven Test mit signifikantem Anstieg (쏜 25 cm H20) des Detrusordruckes, der bei intakter Innervation durch zentralvenöse Gegenregulation nicht eintritt, eine neurogene Ätiologie angenommen werden muss. Da bei Fehlen der miktionellen Detrusorkontraktion der urodynamische Nachweis einer infravesikalen Obstruktion nicht geführt werden kann, ist therapeutisch im Zweifelsfall die operative Herabsetzung des subvesikalen Widerstandes indiziert (transurethrale Prostataresektion, Blasenhalsinzi-
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
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sion), die eine Verbesserung der Blasenentleerung mittels Bauchpresse oder CredéManöver anstrebt.
Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie (Marion’s disease) Als Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie wird eine Blasenentleerungsstörung bezeichnet, bei der die Detrusorkontraktion trotz Relaxation des quergestreiften Sphinktermechanismus (Beckenboden-EMG) nicht zur Öffnung des Blasenhalses führt. Es wird eine Dyskoordination zwischen Parasympathikusaktivität (Detrusorkontraktion) und Sympathikusaktivität (Blasenhalskontraktion) angenommen (autonome Dyssynergie), die Ätiologie ist unklar. Betroffen sind junge Männer, häufig wird die Blasenentleerungsstörung aber erst zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr durch Harnverhalt apparent, wobei sich aber fast immer eine obstruktive Miktionsanamnese mit abgeschwächtem Harnstrahl bis zurück in die Jugend verfolgen lässt. Anlass zur Verwechslung mit einer neurogenen Blase geben u. a. ein herabgesetztes Blasenfüllungsgefühl und ein verminderter Harndrang bis hin zur Überlaufinkontinenz.
Christbaumblase oder Trabekel-/Divertikelblase und Stauung des oberen Harntraktes sind häufig Befunde, die an eine neurogene Blase denken lassen (Abb. 8.10 a u. b). Die Diagnose wird durch Druck-Fluss-Messung gestellt, wobei sich trotz koordinierten Verhaltens von Detrusor und externem Sphinkter/Beckenboden mit Relaxation des quergestreiften Sphinktermechanismus im Beckenboden-EMG deutliche Zeichen der Obstruktion ergeben (reduzierter Harnfluss trotz erhöhten Detrusordruckes). Ursache für die Obstruktion ist das radiologisch darstellbare Ausbleiben einer adäquaten Blasenhalsöffnung unter der miktionellen Detrusorkontraktion (Abb. 8.10 b). Zur Unterscheidung einer funktionellen (muskulären) Blasenhalsob-
Funktionsstörungen
Diagnostik
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a
b
Abb. 8.10 a u. b Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie (Marion’s Disease). 17-jähriger Patient ohne nachweisbare neurologische Erkrankung oder Läsion mit obstruktiven Miktionsbeschwerden. a IVP: Harnstauungsniere Grad III links. b Miktionszysturethrogramm: Christbaumblase, vesikoureteraler Reflux rechts, fehlende Blasenhalsöffnung trotz miktioneller Detrusordrücke bis 170 cm H2O, Restharn 150 ml.
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8.2 Harnspeicherstörungen struktion von einer anatomischen (fibrotischen) Blasenhalsstriktur lässt sich der Phentholamintest heranziehen. Dabei wird die Druck-Fluss-Messung nach intravenöser Gabe von 5 mg Phentholamin wiederholt, einem kombinierten α1- und α2Blocker, wobei bei der funktionellen Blasenhalsobstruktion (Detrusor-BlasenhalsDyssyneregie) eine deutliche Verbesserung der Miktion mit Reduktion des Obstruktionsgrades zu erwarten ist.
Nichtneurogene neurogene Blase (Hinman-Syndrom) Beim Hinman-Syndrom handelt es sich um eine psychogene Blasenentleerungsstörung im Kindesalter, die mit Inkontinenz, Harnwegsinfekten, radiologischen Harntraktanomalien und teilweise Enkopresis einhergeht. Da sowohl die Symptomatik als auch die radiologischen und urodynamischen Befunde mit denen einer neurogenen Blase vereinbar sind, ohne dass im Einzelfall eine neurologische Erkrankung oder Läsion nachweisbar ist, wurde das Syndrom als nichtneurogene neurogene Blase bezeichnet.
Funktionsstörungen
Diagnostik Charakteristisch sind große Restharnmengen, Christbaum- oder Trabekel-/Divertikelblase und Dilatation des oberen Harntraktes aufgrund vesikoureteraler Stauung oder Reflux. In der Zystomanometrie und Druck-Fluss-Messung findet sich eine Detrusorüberaktivität in Kombination mit einer Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination oder einem nichtrelaxierenden Sphinkter („dysfunctional voiding“). Die Abklärung der Ätiologie erfordert den Ausschluss einer neurologischen Erkrankung durch umfassende fachneurologische Diagnostik. Fast immer sind Verhaltensstörungen darstellbar, häufig als Reaktion auf eine familiäre Problematik. In der Regel treten die Symptome nach erfolgreichem Abschluss des Toilettentrainings und einer anschließenden trockenen Periode variabler Dauer sekundär auf. Das Behandlungskonzept basiert auf Verhaltenstherapie (Miktionstraining) mit adjuvanter Pharmakotherapie (Antimuskarinika) und/oder Suggestionstherapie (Hypnose), eine formale Psychotherapie ist nicht indiziert.
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
L. Conzelmann
Grundlagen Definition: Unter einer pathologisch veränderten Urinproduktion versteht man eine qualitativ und/oder quantitativ veränderte Produktion des Harns. Qualitative Veränderungen: Zu den qualitativen Veränderungen gehören: im engeren Sinn die eingeschränkte Fähigkeit der Nieren, harnpflichtige Substanzen auszuscheiden, 왘 im weiteren Sinn der Verlust der renalen, endokrinen und regulatorischen Aufgaben (z. B. Blutbildung, Regulation von Elektrolyt-, Wasser- und Säure-BasenHaushalt). Im Rahmen der pathologisch veränderten Urinproduktion spricht man auch von einer Niereninsuffizienz. Quantitative Veränderungen: Eine quantitative Veränderung äußert sich in einer verminderten oder vermehrten Ausscheidung von Urin: 왘 der Anurie (쏝 100 ml/d), 왘 der Oligurie (쏝 500 ml/d), 왘 der Polyurie (쏜 4000 ml/d). Die Anurie ist definiert durch eine Harnausscheidung unter 100 ml in 24 Stunden. Ursächlich hierfür sind die o.g. Störungen auf prärenaler, renaler und postrenaler Ebene. Die Polyurie wird definiert als eine pathologisch erhöhte Urinausscheidung von über 4000 ml pro Tag. Die Ursachen hierfür sind: 왘 Diabetes mellitus (Glukosurie mit osmotischer Diurese), 왘 medikamentös (Diuretika), 왘 Alkohol (Suppression der ADH-Sekretion in der Hypophyse), 왘 Diabetes insipidus (Trias: Polyurie, Polydipsie, Asthenurie): − zentral (ADH-Mangel, häufiger), − renal (ADH-Resistenz der Niere), 왘 polyurische Phase nach akutem Nierenversagen (= Entlastungspolyurie), 왘 Herzinsuffizienz (nächtliche Polyurie, Nykturie), 왘 Polydipsie (gesteigertes Durstempfinden und vermehrte Trinkmenge, psychogen oder reaktiv, z. B. bei Diabetes), 왘 Hyperkalzämiesyndrom (Hyperparathyreoidismus, paraneoplastisches Syndrom), 왘 Bartter-Syndrom (erbliche Tubulusfunktionsstörung; Hypokaliämie, Alkalose, Hypotension, Hyperkalziurie), 왘 Pseudo-Bartter-Syndrom (Klinik des Bartter-Syndrom, oft junge Frauen mit Laxanzien- und Diuretikaabusus). Leitsymptome: 쐌 Anurie (쏝 100 ml/d), 쐌 Oligurie (쏝 500 ml/d), 쐌 Polyurie (쏜 4000 ml/d).
Um eine Anurie vom akuten Harnverhalt zu unterscheiden, genügt eine Ultraschalluntersuchung der Blase. Beim akuten Harnverhalt findet sich eine maximal gefüllte Blase, die Anurie zeigt eine leere Blase aufgrund fehlender renaler Urinproduktion.
Cave: Nach Entlastung einer postrenalen Obstruktion kann es zu einer lebensbedrohlichen Polyurie kommen.
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
왘
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9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Tabelle 9.1 Normwerte von Kreatinin, Harnstoff und glomeruläre Filtrationsrate (GFR) für Männer, Frauen und Kinder
9
Kreatinin (mg/dl)
Harnstoff (mg/dl)
GFR (ml/min)
Männer
0,84−1,25
12−48
60−140
Frauen
0,66−1,09
12−48
95−160
Kinder
0,25−0,62
12−42
120−145
Kreatinin und Harnstoff: Die Höhe des Kreatinins im Serum wird vor allem beeinflusst durch die Masse der Muskulatur und ist damit geschlechts-, alters- und gewichtsabhängig. So haben Frauen, Kinder und ältere Menschen, bedingt durch ihre geringere Muskelmasse, einen niedrigeren Kreatininwert als junge, erwachsene Männer. Die Kreatininclearance sinkt mit jeder Lebensdekade um einen relativ konstanten Wert (ca. 5 ml/min/1,73 m2). Der Harnstoff ist der primäre Metabolit des Proteinstoffwechsels und wird vollständig von den Nieren ausgeschieden. Der Harnstoffspiegel im Serum hängt von der aufgenommenen Eiweißmenge, dem Hydrierungszustand, der Leberfunktion und einer katabolen Stoffwechsellage ab. Außerdem müssen ungefähr 2/3 der Nierenfunktion verloren gegangen sein, bevor der Serumspiegel des Harnstoffs signifikant ansteigt. Aus diesem Grund ist der Harnstoffspiegel als Marker weniger spezifisch für eine Niereninsuffizienz als der Kreatininwert im Serum. In der Tab. 9.1 sind die Normwerte von Kreatinin, Harnstoff und GFR für Männer, Frauen und Kinder zusammengefasst. Weitere klinische Symptome, die im Rahmen des Symptomenkomplexes einer pathologisch veränderten Urinproduktion auftreten können: 쐌 Nykturie, 쐌 Flankenschmerzen, 쐌 Ödeme, 쐌 Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, 쐌 Pruritus.
Einteilung Das Nierenversagen wird in die akute und die chronische Niereninsuffizienz unterteilt.
Akute Niereninsuffizienz Bei der akuten Niereninsuffizienz (= akutes Nierenversagen, ANV) handelt es sich um ein akut vorkommendes, in der Regel reversibles Versagen der Nierenfunktion, welche mit einer Oligurie oder Anurie und einem Anstieg der Retentionsparameter im Serum (Kreatinin, Harnstoff) einhergeht. Sie durchläuft 4 Stadien (Tab. 9.2). Die akute Niereninsuffizienz wird weiter differenziert nach der Lokalisation in: 왘 prärenales, 왘 renales, 왘 postrenales Nierenversagen (Ursachen siehe tabellarischer Überblick auf S. 240 f). Prärenales Nierenversagen: Die Ursachen für ein prärenales Nierenversagen sind zirkulatorisch-ischämischer oder toxischer Art (s. tabellarischer Überblick auf S. 240). Renales akutes Nierenversagen: Ein akutes Nierenversagen aufgrund einer primäre Nierenerkrankungen stellt ca. 1−2 % der akuten Niereninsuffizienzen dar. Die Ursa-
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Einteilung
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Tabelle 9.2 Stadieneinteilung der akuten Niereninsuffizienz Stadium
Dauer
Symptome
Diurese (ml/d)
I − Schädigung
Stunden bis Tage
extrarenale Grundkrankheit (Schock, Toxine)
쏜 500
II − Oligurie/Anurie
9−11 Tage
Proteinurie, Hämaturie, Zylindrurie, Isosthenurie
쏝 500
III − Polyurie
2−3 Wochen
Hyposthenurie, Leukozyturie, Bakteriurie
쏜 500
IV − Restitution
Wochen−Monate
gestörte Partialfunktion, evtl. Defektheilung
normal
Postrenales (akutes) Nierenversagen: Die akute Anurie als Leitsymptom beim postrenalen akuten Nierenversagen wird verursacht durch einen mechanischen Verschluss der ableitenden Harnwege. Da die Nierenfunktion prinzipiell erhalten bleibt bzw. die laborchemischen und klinischen Zeichen der akuten Niereninsuffizienz nach Beseitigung der Obstruktion reversibel sind, ist die Bezeichnung „postrenales akutes Nierenversagen“ nicht ganz eindeutig. Ein postrenales akutes Nierenversagen entsteht bei supravesikaler Obstruktion in der Regel nur dann, wenn die Ursache der Harnabflussstörung bilateral ist. Ausnahmen hiervon bilden anatomische oder funktionelle Einzelnieren. Im Gegensatz dazu sind bei der infravesikalen Obstruktion beide Nieren involviert und sie führt unbehandelt zur akuten Niereninsuffizienz (s. tabellarischer Überblick auf S. 242). Leitsymptom des postrenalen akuten Nierenversagens: Anurie.
Nach Beseitigung der postrenalen Obstruktion normalisieren sich die pathologisch veränderten klinischen und laborchemischen Befunde rasch. In den meisten Fällen resultiert eine Restitutio ad integrum ohne wesentliche renale Funktionseinschränkungen. Dauert eine postrenale Obstruktion länger als 30 Tage an, so ist eine vollständige Erholung der Nierenfunktion unwahrscheinlich. Der akute Harnverhalt ist nicht gleich zu setzten mit der postrenalen, akuten Niereninsuffizienz, kann aber in ihr enden, wenn es zu keiner Entlastung kommt. Der akute Harnverhalt ist definiert als die Unfähigkeit, die Harnblase trotz Harndrang und maximaler Füllung zu entleeren. Die Ursachen sind in der Regel eine vesikale oder infravesikale Obstruktion. Steigt der intravesikale Druck über den Verschlussdruck des Schließmuskels, so kommt es zum Harnträufeln (Überlaufblase, Ischuria paradoxa).
Chronische Niereninsuffizienz Die chronische Niereninsuffizienz ist die Folge einer irreversiblen Verminderung der glomerulären, tubulären und endokrinen Funktion beider Nieren. Ihr liegt ein progressiver Untergang funktionstüchtiger Nephrone zugrunde. Sie wird abhängig von der Einschränkung der renalen Funktion in 4 Stadien eingeteilt (Tab. 9.3), die fließend ineinander übergehen und, ausgehend von der Grunderkrankung, über Monate oder Jahre andauern können. Das terminale Stadium einer chronischen Niereninsuffizienz ist die Urämie. Die Urämie im eigentlichen Sinne bedeutet die Intoxikation des Körpers mit harnpflichtigen Substanzen, die bei der terminalen Niereninsuffizienz auftritt.
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
chen sind entzündliche und vaskuläre Nephropathien, tubuläre Erkrankungen und das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) (s. tabellarischer Überblick auf S. 241).
9
238
9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Tabelle 9.3
9
Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz nach Sarre
Stadium
Labor
Klinische Merkmale
I − Latenzstadium
Kreatinin 쏝 1,2 mg/dl Harnstoff 쏝 40 mg/dl ausreichende Nierenfunktion bei bestehender Grunderkrankung der Nieren
asymptomatisch
IIa − Stadium der vollen Kompensation
Kreatinin 쏝 1,2 mg/dl Harnstoff 쏝 40 mg/dl Kreatininclearance um 50−60 % vermindert pathologischer Harnstatus
asymptomatisch evt. Müdigkeit, Leistungsminderung
IIb − Stadium der kompensierten Retention
Kreatinin 1,5−8,0 mg/dl Harnstoff 40−100 mg/dl kompensierte Azidose Anämie Urinkonzentrationseinschränkung
Pruritus, Nausea, Hypertonus, Osteodystrophie, Neuropathie (= beginnende klinische Zeichen der Urämie)
III − Stadium der dekompensierten Retention
Kreatinin 8−12 mg/dl Harnstoff 쏜 100 mg/dl Anämie Azidose Hyperkaliämie Isosthenurie
urämisches Syndrom
IV − Urämie
Kreatinin 쏜 12 mg/dl Harnstoff 쏜 100 mg/dl
urämisches Syndrom
Symptome der Urämie: 쐌 Urämischer Fötor, 쐌 urämische Enzephalopathie mit Leistungsinsuffizienz, 쐌 Lungenödem, 쐌 Blutungsneigung, 쐌 Pruritus, 쐌 Nausea, 쐌 Hypertonus, 쐌 gastrointestinale Störungen, 쐌 Polyneuritis, 쐌 Serositis, 쐌 Herzrhythmusstörungen.
Besonderheiten Im akuten Nierenversagen muss die Menge des ausgeschiedenen Harns dem eigentlichen renalen Schaden nicht entsprechen. Erst die Bestimmung der harnpflichtigen Substanzen lässt auf den tatsächlichen Funktionszustand der Nieren schließen. Bei einem minimalen Anstieg des Serumkreatinins über den Normwert liegt eine deutliche Reduktion der glomerulären Filtrationsrate (GFR) vor (s. Kap. 5, Abb. 5.1).
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
239
(Abb. 9.1)
Anamnese: Trinkmenge (Einfuhr pro 24 h), 왘 Miktionsfrequenz, -volumina (Ausfuhr pro Stunde oder pro 24 Stunden, tags vs. nachts), 왘 Blasenentleerungsstörung (s. Kap. 8), 왘 Flüssigkeitsverluste (Durchfall, Erbrechen, Schwitzen), 왘 Fieber, 왘 Vorerkrankungen (Nieren, Stoffwechsel, Tumor, Prostata), 왘 Operationen, 왘 Medikamente, 왘 Umgang mit toxischen Stoffen, 왘 Flankenschmerzen. 왘
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Körperliche Untersuchung: 왘 Abdomen, 왘 Extremitäten (Ödeme), 왘 Nierenlager (Narben, Druckschmerzhaftigkeit), 왘 äußeres Genitale, 왘 digitale rektale Untersuchung (Prostatagröße, -konsistenz, rektale Raumforderung), 왘 Hautkolorit (Café-au-lait-Farbe). Blutlabor: 왘 Blutbild: Hämoglobin/Hämatokrit (renale Anämie spricht für chronisches Geschehen), 왘 Kreatinin (jede Erhöhung muss zu einer Abklärung des oberen Harntraktes führen), 왘 Harnstoff, 왘 Elektrolyte (Kalium, Calcium, Natrium), 왘 Blutgasanalyse (Azidose, Alkalose). Urinstatus: Urin-Stix (Hämaturie, Leukozyturie, Proteinurie, pH, spezifisches Gewicht), 왘 Osmolarität, Osmolalität, 왘 Urinkultur, 왘 Erythrozytenmorphologie (Fragmentozyten oder Akanthozyten sind renaler Genese), 왘 Kreatinin (normal 쏝 30 mg/dl), Harnstoff, Natrium, 왘 Kreatininclearance (24-h-Sammelurin). 왘
Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie und Doppler-Sonographie: − Beurteilung des oberen Harntraktes (große Nieren = akutes Nierenversagen, Schrumpfnieren = chronische Niereninsuffizienz, Dicke des Parenchyms, Aufstau des Nierenbeckenkelchsystems, Konkremente, Zysten, Raumforderungen), − Beurteilung der Blase (Volumen, Wanddicke, Raumforderungen, Konkremente, endovesikaler Prostatalappen), − Prostatavolumen, − extrarenale oder extravesikale Pathologie (freie Flüssigkeit, Raumforderung), − Doppler-Funktion: Durchblutung der Nieren (Gefäßverschluss, Stenose, Kinking, Indizes). 왘 Röntgen Thorax: Zeichen der Überwässerung (Ödem, Erguss, Stauung der Pulmonalvenen), 왘 Abdomenübersicht: Nieren, 왘 i. v. Pyelogramm (IVP).
9 Cave: Bei einem postrenalen Nierenversagen kann eine Obstruktion des oberen Harntraktes auch ohne Dilatation vorkommen.
Cave: Kontraindikation für Kontrastmittelgabe bei Kreatinin 쏜 1,7 mg/dl.
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
240
9
9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Abb. 9.1 Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen bei pathologisch veränderter Urinproduktion.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Akute Niereninsuffizienz Ursache
Beispiel
1. Prärenales Nierenversagen 1.1 zirkulatorischischämische Ursache, sog. „Schockniere“ (ca. 80 %) (Reduktion der renalen Zirkulation und damit der GFR)
쐌 RR-Abfall bei Schock, Hypovolämie, Elektrolytstörungen (Hyponatriämie), Embolie, Nebennierenrindeninsuffizienz, Diabetes mellitus 쐌 Hypovolämie bei Blutung, Wasser- und Elektrolytverlust (Schwitzen, Diarrhö, Erbrechen), Hypalbuminämie, Aszites, hepatorenales Syndrom, Dursten, Verbrennungen, Unterkühlung, Ileus, akute Pankreatitis 쐌 infektiös-toxische Genese: Flüssigkeitsverschiebung bei Sepsis, Peritonitis 쐌 kardiale Genese: vermindertes Herzzeitvolumen bei Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Perikarditis 쐌 renovaskuläre Genese: verminderte Nierendurchblutung bei Nierengefäßverschluss (Embolie, Thrombose, Stenose, intraoperativ), Aortenaneurysma Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ursache
241
Beispiel
1.2 toxische Ursache (ca. 15−20 %) (bei einigen Autoren auch renales ANV) 쐌 endogene Toxine (häufig durch Obstruktion der Tubuli) 쐌
exogene Toxine
쐌
쐌 쐌 쐌
Hämolyse durch vermehrte Filtration von Hämoglobin bei Transfusionszwischenfall, hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) (s. u.), paroxysmale Hämoglobinurie (Rhabdo)Myolyse durch vermehrte Filtration von Myoglobin; Crush-Niere nach Trauma, exzessive körperliche Belastung, Drogenabusus, Alkoholentzugsdelir, Lipidsenker, Kohlenmonoxidvergiftung Chemikalien: Anilin, Chlorate, Glykolverbindungen, Kaliumbromat, -dichromat, -oxalat, Kresol, Lysol, Methanol, Naphthole, Phenole, Phosphor, Parathion (E605), Seife, Schwermetalle (As, Au, Bi, Cd, Hg, Pb, Sb, Ti, U), Tetrachlorkohlenwasserstoffe, Trichlorethylen Insektizide, Pflanzenschutzmittel, Pflanzen- und Tiergifte Medikamente (Tab. 9.4) Röntgenkontrastmittel (Tab. 9.4)
Ein akutes Nierenversagen kann insbesondere dann auftreten, wenn bei einer bestehenden Nierenerkrankung zusätzlich nephrotoxische Substanzen aufgenommen oder verabreicht werden.
2. Renales Nierenversagen 2.1 entzündliche Nephropathien
쐌 akute, perakute Glomerulonephritis 쐌 rapid progressive Glomerulonephritis (z. B. Goodpasture-Syndrom) 쐌 Pyelonephritis 쐌 akute interstitielle Nephritis 쐌 Abstoßung nach Nierentransplantation 쐌 Medikamentös induzierte, akute interstitielle Nephritis 쐌 Infektion (Pyelonephritis, Sepsis, Pneumonie, NierenTbc, Hantavirus)
2.2 vaskuläre Nephropathien
쐌 bilaterale Nierenrindennekrose (Gefäßverschlüsse durch intravasale Gerinnung, v.a. während Schwangerschaft, führen zu Schrumpfnieren) 쐌 Eklampsie (Schwangerschaftsnephropathie) 쐌 bds. Verschluss der Nierenarterien oder -venen 쐌 Panarteriitis 쐌 Sklerodermie 쐌 systemischer Lupus erythematodes 쐌 Vaskulitis
2.3 tubuläre Genese
쐌 Plasmozytom (Verstopfung der Tubuli durch Leichtketten) 쐌 Hyperurikämie (durch Urat) 쐌 Glykolintoxikation (durch Oxalate)
2.4 hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS; GasserSyndrom, häufigstes ANV im Kindesalter)
쐌 verursacht durch enterohämorrhagische E. coli 쐌 verusacht durch Pneumokokken
Cave: Alle Nierenerkrankungen (außer dem systemischen Lupus erythemathodes) führen in der Schwangerschaft zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion.
Symptomentrias des hämolytisch-urämischen Syndroms: 쐌 Hämolytische Anämie, 쐌 Thrombozytopenie, 쐌 akutes Nierenversagen.
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
1. Prärenales Nierenversagen (Fortsetzung)
9
242
9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Lokalisation
Erkrankung
Pathologisch veränderte Urinproduktion
3. Postrenales (akutes) Nierenversagen (Abb. 9.2)
9
Cave: Niemals blinde Kathetereinlage bei V.a. Urethraverletzungen. Vorher immer ein retrogrades Urethrogramm anfertigen.
3.1 supravesikal
쐌 Nephroureterolithiasis 쐌 Ureter- u. Ureterabgangsstenose (subpelvine Stenose) 쐌 retroperitoneale Prozesse: − Fibrose (Morbus Ormond) − Strahlenschaden − Hämatom − Aortenaneurysma − Myome − Sarkome − Lymphome − Metastasen − Malignome von Uterus, Ovar, Blase, Prostata, Kolon 쐌 Verletzung des Ureters (traumatisch, iatrogen) 쐌 Blutkoagel 쐌 Tumor des Nierenbeckens oder des Ureters 쐌 Ureterozele
3.2 vesikal
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
3.3 infravesikal
쐌 benigne Prostatahyperplasie 쐌 Malignome von Prostata, Urethra, Vulva, Vagina, Uterus, Penis 쐌 Blasenhalssklerose 쐌 Urethrastriktur 쐌 Meatusstenose 쐌 Phimose 쐌 Blutkoagel 쐌 Corpus alienum 쐌 Prostatitis (Algurie, Fieber, druckschmerzhafte Prostata) 쐌 Harnröhrenklappen 쐌 Urethraverletzung (traumatisch, iatrogen)
Blasen-, infiltrierendes Prostatakarzinom Blasentamponade Blasensteine Corpus alienum Blasenentleerungsstörungen (s. Kap. 8.1, S. 191 f): − medikamentöse Ursache (Neuroleptika, Spasmolytika, Analgetika) − neurogene Ursache (Rückenmarkschädigung, Bandscheibenprolaps L1−L5) − postoperativ nach Spinalanästhesie − psychogene Ursachen
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Abb. 9.2
243
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ursachen einer postrenalen Obstruktion.
Tabelle 9.4
Medikamentöse Ursache eines prärenalen, akuten Nierenversagens
Medikamentengruppe
Beispiele
periphere Analgetika und nichtsteroide Antirheumatika
쐌 Diatrizoat, Ibuprofen, Naproxen, Indometacin, Phenazon, Phenazetin, Phenylbutazon, Pyrazolon, Acetaminophen, Paracetamol, ASS, Metamizol, Diclofenac (Hemmung der Cyclooxygenase 씮 RAAS: verminderte Na+-Exkretion und renale Durchblutungsminderung) 쐌 NSAR können zu akutem Nierenversagen führen, sofern die Aufrechterhaltung des renalen Blutflusses von renalen Prostaglandinen abhängt. Das Risiko, ein Nierenversagen zu entwickeln, ist u. a. bei vorbestehender Niereninsuffizienz oder unter Komedikation mit ACE-Hemmern erhöht.
Anästhetika
쐌 Halothan, Enfluran, Isofluran (alle Inhalationsnarkotika außer dem Lachgas) führen zu einer Verminderung der Nierendurchblutung, der GFR und der Urinausscheidung.
ACE-Hemmer
쐌 Captopril, Enalapril, Lisinopril, Ramipril (Verschlechterung der intrarenalen Hämodynamik)
9
Cave: bilaterale oder Einzelniere mit Nierenarterienstenose, Atherosklerose mit grenzwertiger Nierenfunktion.
Fortsetzung Tabelle 9.4 컄
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244
9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Tabelle 9.4 zung)
Medikamentöse Ursache eines prärenalen, akuten Nierenversagens (Fortset-
Medikamentengruppe
Beispiele
Antibiotika
쐌 Penicillin (interstitielle Nephritis) 쐌 Aminoglykoside (Schädigung der Tubuluszellen; Tubulusnekrosen 씮 ANV) − Streptomycin, Gentamycin, Tobramycin, Netilmicin, Amikacin 쐌 Cephalosporine − 1. Generation (Cefazolin, Cefalexin, Cefadroxil, Cefaclor) − 2. Generation (Cefamandol, Cefuroxim, Cefotiam, Cefoxitin, Cefuroximaxetil, Loracarbef) − 3. Generation (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftizoxim, Ceftazidim, Cefepim, Cefsulodin, Cefoperazon, Cefodizim, Cefixim, Cefpodoximproxetil, Cefetametpivoxil, Ceftibuten, Cefdinir) 쐌 Gyrasehemmer (Chinolone) − Gruppe I (Norfloxacin, Pefloxacin) − Gruppe II (Enoxacin, Fleroxacin, Ofloxacin, Ciprofloxacin) − Gruppe III (Levofloxacin, Sparfloxacin) − Gruppe IV (Gatifloxacin, Moxifloxacin) 쐌 Tetracycline 쐌 Polymyxin B 쐌 Sulfonamide (Nierenschädigung durch Auskristallisierung) − Sulfadiazin, Sulfamethoxazol, Sulfadioxin, Sulfasalazin 쐌 Glykopeptidantibiotika (Vancomycin, Teicoplanin) 쐌 Fosfomycin 쐌 Imipenem
Antimykotika
쐌 Amphotericin B (meist reversibel; verminderte Nephrotoxizität bei liposomalem Amphotericin B)
Virustatika
쐌 Aciclovir (Auskristallisierung in Nierentubuli) 쐌 Foscarnet, Lamivudin
Antituberkulotika
쐌 Pyrazinamid (Hyperurikämie) 쐌 Ethambutol 쐌 Streptomycin
Zytostatika
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Röntgenkontrastmittel
쐌 ionische Kontrastmittel (Amidotrizoat, Iotalamat, Metrizoat, Iodamid) 쐌 nichtionische Kontrastmitteln (Iopamidol, Iohexol) 쐌 Iobitridol (Xenetix), Iodamid, Iotalaminsäure, Iopamidol, Iopromid (Ultravist), Iotroxinsäure, Ioglicinsäure, Iopentol, Ioxaglat
Immunsuppressiva
쐌 Ciclosporin A (dosisabhängig, reversibel nach Reduktion oder Absetzen; renale Vasokonstriktion mit konsekutiver Schädigung der Tubuli und der kleinen Gefässen) 쐌 Tacrolimus
Diuretika
쐌 Thiazide, Amilorid, Triamteren, Aldosteronantagonisten sind kontraindiziert bei stark eingeschränkter NI (GFR 쏝 30 ml/min) oder Kreatinin 쏜 2,0 mg/dl: Senkung der GFR und Nierendurchblutung 쐌 Schleifendiuretika in der Anurie sind kontraindiziert 쐌 Mannitol
9
Cisplatin (Nephrotoxizität ist dosisabhängig) Methotrexat Ifosfamid Mitomycin D-Penicillamin
Fortsetzung Tabelle 9.4 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
245
Tabelle 9.4 Medikamentöse Ursache eines prärenalen, akuten Nierenversagens (Fortsetzung) Medikamentengruppe
Beispiele
Drogen
쐌 Heroin, Amphetamine
H2-Antagonisten
쐌 Cimetidin, Ranitidin
Antikoagulanzien
쐌 Heparin (nicht bei schweren Nierenfunktionsstörungen)
Plasmaexpander
쐌 Dextran
Chronische Niereninsuffizienz Ätiologie
Erkrankung/Auswirkung
1. diabetische Nephropathie
쐌 Glomerulosklerose, Gefäßveränderungen
2. Hypertonus
쐌 Nephrosklerose
3. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌
Pathologisch veränderte Urinproduktion
chronische Glomerulonephritis interstitielle Nephritis chronische Pyelonephritis Balkannephritis
4. polyzystische Nephropathie/Zystennieren 5. Analgetikanephropathie
쐌 ca. 1 % „Phenacetinniere“(Paracetamol = Metabolit von Phenacetin); Hemmung der Prostaglandin-E2Synthese führt zur verminderten Durchblutung und Papillennekrosen (Flankenschmerzen, Hämaturie)
6. Kollagenosen
쐌 systemischer Lupus erythematodes (bis 70 % Nierenbeteiligung; Glomerulonephritis, Hämaturie, Proteinurie 쏜 0,5 g/d, Zylindrurie, Hypertonie) 쐌 Sklerodermie (10 % Nierenbeteiligung; Veränderung der Arteriolen, Hypertonie, Niereninfarkte)
7. Vaskulitiden
쐌 Arterio- und Arteriolosklerose (v.a. maligne Nephrosklerose) 쐌 mikroskopische Panarteriitis (anämische Infarkte) 쐌 Wegener-Klinger-Granulomatose (80 % Nierenbeteiligung; Glomerulonephritis) 쐌 Purpura Schönlein-Henoch (Glomerulonephritis, IgA hoch)
8. Amyloidose
쐌 Amyloidablagerungen in Niere und Harntrakt
9. Tumoren
쐌 Plasmozytom (= multiples Myelom; Nephrokalzinose, sek. Amyloidose) 쐌 Lymphome (Infiltrate des Nierenparenchyms)
10. Hyperurikämie
쐌 Gichtniere, Nephritis, obstruktive Uropathie durch Uratsteine
11. Sichelzellenanämie
쐌 Papillennekrosen, Glomerulosklerose
12. obstruktive Uropathie 13. chronische Blasenentleerungsstörungen (s. Kap. 8) 14. unklare Ursache
9
Papillennekrosen kommen vor bei diabetischer Nephropathie, obstruktiver Nephropathie, Urogenital-Tbc, Sichelzellanämie.
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9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Akutes Nierenversagen durch Röntgenkontrastmittel Insbesondere bei Patienten mit bestehendem Nierenschaden und/oder Plasmozytom oder Morbus Waldenström kann durch Applikation eines Röntgenkontrastmittels eine Kontrastmittelnephropathie entstehen. Bei einer Unumgänglichkeit der Kontrastmitteluntersuchung sollte der Patient gut hydriert sein, nephrotoxische Medikamente abgesetzt und prophylaktisch Acetylcystein 1200 mg/d p.o. vor der Untersuchung appliziert werden. Darüber hinaus sind Kontrastmittelnebenwirkungen bei der Applikation ionischer Kontrastmittel (z. B. Amidotrizoat, Iotalamat, Metrizoat, Iodamid) signifikant häufiger als bei nichtionischen Kontrastmitteln (z. B. Iopamidol, Iohexol).
Funktionelle Oligurie
Pathologisch veränderte Urinproduktion
Die funktionelle Oligurie entsteht unter Exsikkose. Der Urin ist dunkler und konzentriert (spez. Gewicht 쏜 1025 mg/l). Wird eine funktionelle Oligurie nicht ausreichend durch Flüssigkeitszufuhr behandelt, so kann sich ein akutes Nierenversagen ausbilden.
9
Nierentransplantatversagen Das Transplantatversagen basiert auf einer hyperakuten, akuten oder chronischen Abstoßung. Die hyperakute Abstoßung, der eine HLA-Inkompatibiliät zugrunde liegt, sollte bei einem negativen Cross-Match zwischen Empfängerserum und Spenderlymphozyten nicht vorkommen. Die hyperakute Abstoßung tritt innerhalb von 24 Stunden nach Revaskularisation der Transplantatniere auf und ist extrem selten geworden. Die akute Abstoßung ist gekennzeichnet durch folgende Symptome: Fieber, Abgeschlagenheit, Oligurie, Gewichtszunahme, Hypertonie und schmerzhafte Transplantatumgebung. Sie kann ohne klinische Symptome auftreten und nur durch eine verschlechterte Nierenfunktion festgestellt werden. Ist das Kreatinin um 20 % angestiegen, so muss nach einer Ursache gesucht werden. Die akute Abstoßung ist eine Ausschlussdiagnose, nachdem sämtliche Differenzialdiagnosen ausgeschlossen wurden, und bedarf der Transplantatbiopsie (Tab. 9.5).
Tabelle 9.5
Differenzialdiagnosen der Abstoßung
Abstoßung
Differenzialdiagnsoe
Befund
hyperakut
arterielle Thrombose
verläuft meist klinisch inapperent
venöse Thrombose
schmerzhaft geschwollenes Transplantat
Ciclosporin-Nephrotoxizität
erhöhter CsA Spiegel im Serum
technische Komplikationen (Ureterobstruktion, Gefäßkomplikationen)
Harntransportstörung Extravasat
Medikamenten-Nephrotoxizität
Medikamentenanamnese
Hypovolämie
klinische Zeichen Einfuhr/Ausfuhr
Harnwegsinfekt
Urinsediment
Ciclosporin-Nephrotoxizität
schwierige DD (histologisch)
akut
chronisch
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Tabelle 9.6 Geschätzte Rate der rekurrierenden Nierenerkrankungen nach Nierentransplantation (nach Land 2003)
diabetische Nephropathie Oxalose
Geschätzte Rekurrenzrate 100 % 90−100 %
membranoproliferative GN Typ II
80−90 %
IgA-Nephropathie
40−50 %
Wegner-Granulomatose
15−50 %
fokal segmentale Glomerulosklerose
20−40 %
hämolytisch-urämisches Syndrom
10−25 %
Zystinose
0%
Unter der chronischen Abstoßung versteht man eine chronische Verschlechterung der Transplantatfunktion. Darüber hinaus muss mit einer Rekurrenz verschiedener renaler Grunderkrankungen im Transplantat gerechnet werden, die ebenfalls zu einem Transplantatversagen führen können. Eine Übersicht über die häufigsten rekurrierenden Nierenerkrankungen gibt die Tab. 9.6 wieder. Häufig lässt sich ein akutes Nierenversagen, eine Ciclosporin-A-Nephrotoxizität, eine Abstoßungsreaktion oder eine rekurrente Nierenerkrankung anhand der klinischen und laborchemischen Parameter nicht voneinander unterscheiden; dann ist eine Biopsie der Transplantatniere unumgänglich.
Diagnostik Basisdiagnostik: 쐌 Anamnese (eigene Urinausscheidung vor der Transplantation? Medikamente mit nephrotoxischer Nebenwirkung?) 쐌 körperliche Untersuchung, 쐌 Labor (Kreatinin, Harnstoff, Kalium, Hämoglobin, Cyclosporin-A-Talspiegel), 쐌 Ausscheidung in 24 Stunden, 쐌 Urinsediment (Harnwegsinfekt? Erythrozytenmorphologie?), 쐌 Ultraschall (Harntransportstörung? Extravasat? Lymphozele?). Spezialuntersuchungen: 쐌 Farbcodierte Doppler-Sonographie (Gefäßverschluss? Abknicken des Gefäßes? Perfusion[sdefizit] des Parenchyms?) mit Bestimmung der Widerstandsindizes, 쐌 nuklearmedizinische Untersuchung (Szintigraphie).
Literatur Alken P, Walz PH. Urologie. Weinheim: VCH Verlag; 1992. Eichenauer R, Vanherpe H. Klinikleitfaden Urologie. 3. Aufl. München: Urban & Fischer; 2003. Herold G. Innere Medizin. 2005. Land W. Evaluations-Manual Nierentransplantation. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2003. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 259. Aufl. Berlin: de Gruyter; 2002. Tanagho EA, McAninch JW. Smith’s General Urology. 16th ed. New York: McGraw-Hill Publishing Co; 2004.
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Pathologisch veränderte Urinproduktion
Erkrankung
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9 Pathologisch veränderte Urinproduktion
Pathologisch veränderte Urinproduktion
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10 Urethraler Ausfluss W. Dillenburg, V. Poulakis, E. Becht
Grundlagen Definition: Absonderung von Sekret aus dem Meatus urethrae externus. Leitsymptome: 쐌 Ausfluss (glasig, trüb, eitrig), vornehmlich morgens, nach längerer Miktionskarenz auftretend, 쐌 Brennen in der Harnröhre, 쐌 Schmerzen bei der Miktion.
Ursachen: Als Ursache des urethralen Ausflusses kommen Infektionen, mechanische Manipulationen oder allergische Reaktionen der vorderen Urethralschleimhaut in Betracht. Gelegentlich findet er sich auch als Folge von Entzündungen weiter proximal gelegener Anteile des Harntraktes, z. B. bei akuter Prostatitis. Ein nach konservativer Therapie rezidivierender Ausfluss kann auch Zeichen einer Anomalie des unteren Harntraktes sein.
Urethraler Ausfluss kann auftreten als Folge von: Infektionen, 왘 Manipulationen, 왘 allergischen Reaktionen, 왘 Anomalien des unteren Urogenitaltraktes. 왘
Eine Einteilung nach dem Erscheinungsbild der Absonderung ist nicht sinnvoll, da hieraus nicht eindeutig auf die zugrunde liegende Pathologie geschlossen werden kann.
Infektionen Infektionen stellen die häufigste Ursache der Urethritis und damit des urethralen Ausflusses beim Mann dar. Das hierbei vorkommende Keimspektrum ist vielfältig, wobei Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis Serotypen D−K, Mycoplasma genitalium und Ureaplasma urealyticum die am häufigsten vorkommenden Erreger sind. Oft lassen sich auch Mischinfektionen nachweisen. In ca. 25 % kommt es im Verlauf einer infektiösen Urethritis zu einer Keimaszendierung mit Beteiligung von hinterer Harnröhre (Urethritis posterior), Prostata oder Nebenhoden. Bei Ausfluss als Folge von Entzündungen oder Infektionen weiter proximal gelegener Organe wie Prostatitis oder Epididymitis stehen meist die hierfür charakteristischen Symptome im Vordergrund und sind dann diagnostisch wegweisend.
Urethaler Ausfluss
Einteilung
10 Die infektiösen Ursachen der Urethritis stellen allesamt sexuell übertragbare Infektionen dar und bedürfen der Mitbeurteilung und -behandlung des Sexualpartners.
Manipulationen Reizungen der Urethralschleimhaut im Rahmen medizinischer Maßnahmen (Dauerkatheter, transurethrale Eingriffe) oder sexueller Stimulation führen ebenfalls, zumal nach bakterieller Superinfektion der lädierten Schleimhaut, zu urethritischen Beschwerden. Während erstere sich meist zwanglos aus der Anamnese ergeben, werden zweitere aus Schamgefühl häufig erst auf gezielte Nachfrage hin eingeräumt.
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250
10 Urethaler Ausfluss
Allergische Reaktionen Allergische Reaktionen auf z. B. vaginale Kontrazeptiva sind beschrieben und gehen klassischerweise mit einem wasserklaren Ausfluss einher.
persistierender/rezidivierender Ausfluss: Hinweis auf Anomalien der Harnröhre
Anomalien Nach Anomalien der Harnröhre wie z. B. Urethraldivertikel bzw. Urethradopplung sollte speziell bei persistierendem sowie häufig rezidivierendem urethralem Ausfluss gezielt gesucht werden.
Besonderheiten Bei Frauen ist das Auftreten einer reinen Urethritis selten. Sie tritt hier meist als Mitbeteiligung bei Zystitis bzw. Vulvovaginitis und Zervizitis auf. Jede Entzündung der Urethra kann zur Ausbildung einer narbigen Urethrastriktur führen, weshalb jegliche interventionelle Maßnahmen an der Harnröhre schonend erfolgen und auf die langfristige Anwendung von transurethralen Kathetern zugunsten der komplikationsärmeren, suprapubischen Zystostomie verzichtet werden sollte. Bei genetisch disponierten Patienten (HLA B27 pos.) kann es, meist im zeitlichen Abstand zu einer bakteriellen Urethritis, zur Ausbildung reaktiver, entzündlicher Manifestationen an Haut, Augen und Gelenken und damit mit Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis zur Ausbildung der klassischen Symptomentrias des Morbus Reiter kommen.
Urethaler Ausfluss
Symptomtrias des Morbus Reiter: 쐌 Urethritis, 쐌 Konjunktivitis, 쐌 Arthritis.
10
Basisdiagnostik Anamnese: Sexualanamnese (Beschwerden beim neuen [?] Sexualpartner? Sexualpraktiken mit Risiko der Harnröhrentraumatisierung? Verwendung allergener Hilfsmittel?), 왘 medizinische, transurethrale Manipulationen (DK-Versorgung? Transurethrale Instrumentierung?), 왘 Miktionsanamnese (Dysurie? Hämaturie?). 왘
Körperliche Untersuchung: 왘 Penis-/Harnröhrenanomalien, 왘 Ausfluss, 왘 Prostatitis, 왘 Epididymitis. Zytologie/Bakteriologie: Urinsediment des Ersturins: Nachweis von 쏜 15 Leukozyten/Gesichtsfeld im Sediment von 3 ml Ersturin bei 400facher Vergrößerung spricht für eine Urethritis, 왘 Urethralsekret/Harnröhrenabstrich: Nachweis von 쏜 4 Leukozyten/Gesichtsfeld bei 1000facher Vergrößerung im Ausstrichpräparat spricht für eine Urethritis; bei Sekret ohne Leukozyten muss an im Rahmen von Defäkation und sexueller Erregung austretendes Prostatasekret gedacht werden, 왘
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen 왘
왘
251
mikrobiologische Diagnostik von Ersturin und Urethralsekret: die Nachweisverfahren der häufigsten Erreger sind im tabellarischen Überblick der Differenzialdiagnosen dargestellt, 4-Gläser-Probe: Infektlokalisation bei chronischer Urethritis zur Abgrenzung gegenüber einer chronischen Prostatitis; bei Prostatitis finden sich im Prostataexprimat und Exprimaturin um eine Zehnerpotenz höhere Keimzahlen als in der 1. Urinprobe, bei Urethritis umgekehrt; Voraussetzung für die Auswertbarkeit ist ein steriler Mittelstrahlurin.
Diagnostisches Vorgehen
Abb. 10.1
Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erreger/Erkrankung
1.1 Infektionen
쐌 Neisseria gonorrhoeae
Diagnostik: − Mikroskopisch: Ausstrich des Urethralabstriches auf 2 Objektträgern und Färbung mit Methylenblau bzw. nach Gram, − Kultur: Urethralabstrich auf Schokoladenagar. 쐌 Chlamydia trachomatis Diagnostik: − Antigennachweis: direkter Immunfluoreszenztest/ELISA aus zellreichem Urethralabstrich, − Nukleinsäurenachweis: PCR aus 1. Urinportion. Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Urethaler Ausfluss
Das Flussdiagramm in Abb. 10.1 verdeutlicht das diagnostische Vorgehen bei urethralem Ausfluss.
10
252
10 Urethaler Ausfluss
Ätiologie
Erreger/Erkrankung
1.1 Infektionen (Fortsetzung)
쐌 Mycoplasma genitalium
Diagnostik: − Kultur auf Spezialmedium, − PCR aus 1. Urinportion. 쐌 Ureaplasma urealyticum Diagnostik: − Kultur auf Spezialmedium, − PCR aus 1. Urinportion. 쐌 Trichomonas vaginalis Diagnostik: − Direktnachweis nach Mischen des Urethralsekretes mit physiologischer NaClLösung im Deckglaspräparat, − Kultur in flüssigem Spezialmedium.
Urethaler Ausfluss
쐌 Candida sp. (bei Immunsuppression) 쐌 HSV Typ 2 (in Kombination mit schmerzhaften, klaren Bläschen am äußeren Genitale) 쐌 Enterobacteriaceae 쐌 Enterokokken 쐌 Streptokokken 쐌 Staphylokokken
10
1.2 Manipulationen
쐌 Urethralverletzung durch fremd- bzw. autoerotische Stimulation 쐌 Urethrafremdkörper durch „spielerisch-experimentelles Einführen“ bei Kindern 쐌 Dauerkatheter 쐌 transurethrale Eingriffe
1.3 allergische Reaktion
쐌 allergene Vaginalpräparate
1.4 Anomalien
쐌 Urethraduplikatur 쐌 Urethraldivertikel
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Gonorrhö Mit einer Jahresinzidenz von 100−400 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner ist die durch Neisseria gonorrhoeae hervorgerufene Gonorrhö (Tripper) die zweithäufigste bakterielle Geschlechtskrankheit nach der Chlamydienurethritis (Petersen u. Clad 1995). Während beim Mann nach einer Inkubationszeit von 2−5 Tagen die Urethritis mit eitrig-grünlichem Ausfluss (Abb. 10.2) (ca. 80 % der Fälle) und bei der Miktion zunehmendes Brennen in der Harnröhre im Vordergrund stehen, betrifft die genitale Infektion bei der Frau vor allem die Cervix uteri und verläuft hier meist wesentlich blander, weshalb sie häufiger in ein chronisches Stadium übergeht. Durch Keimaszension kann es einerseits zu Prostatitis und Epididymitis, andererseits zu Salpingitis, Adnexitis und Douglasabszess kommen. Extragenitale Infektionen (Proktitis, Pharyngitis) sind möglich. Eine Disseminierung mit Kniegelenkarthritis, Endokarditis und Sepsis ist selten.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
253
Abb. 10.2 Eitriger Ausfluss bei Infekt mit Neisseria gonorrhoeae (aus: Jocham u. Miller 2003).
Diagnostik 쐌 Nachweis von granulozytenphagozytierter Diplokokken in Gramfärbung des Urethralausstriches, 쐌 Primärkultur und Klassifizierung des Erregers auf speziellen Nährböden.
Petersen EE, Clad A. Genitale Chlamydien-Infektionen. Dt. Ärztebl. 1995;92:A277−A287. Jocham D, Miller K, eds. Praxis der Urologie. Band 1. 2. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2003.
Urethaler Ausfluss
Literatur
10
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Urethaler Ausfluss
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10
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255
11 Kinderurologische
11.1 Bauchschmerzen (Nabelkoliken) . . . . 255
Krankheitsbilder
11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz . . 260 11.3 Abdominaltumor . . 273 11.4 Dilatation des oberen Harntraktes . . . . . . 295
Bauchschmerzen (Nabelkoliken) H. Schulte-Wissermann
Grundlagen Ätiologie: Bauchschmerz ist im Kindesalter ein häufiges, aber auch vieldeutiges Symptom. Die vor allem von 5- bis 12-jährigen Kindern geradezu stereotyp in die Nabelgegend lokalisierten Beschwerden führten Moro bereits 1913 dazu, den im deutschsprachigen Raum allgemein angewandten Begriff „Nabelkoliken“ zu prägen (im englischen Sprachgebrauch als „bellyaches“ übernommen). Die Ursachen für Bauchschmerzen bzw. Nabelkoliken sind so mannigfaltig, dass man den Index eines jeden pädiatrischen Lehrbuches anführen könnte. Kinder projizieren ihre Beschwerden vorwiegend in den Bauch. Das bedeutet, dass für die subjektiv empfundenen Beschwerden sowohl abdominale (z. B. gastrointestinale, urogenitale) als auch extraabdominale organische Erkrankungen (z. B. Pneumonie), aber ebenso psychologische und funktionelle Ursachen infrage kommen. Insgesamt überwiegen funktionell verursachte Beschwerden erheblich: Manche Pädiater schätzen den Anteil von Kindern mit rein funktionell bedingten Nabelkoliken auf 80−90 %! Umso wichtiger erscheint die diagnostische Aufgabe des Arztes, die real vorhandenen, aber dennoch prognostisch günstigen funktionellen Beschwerden von den organisch verursachten Bauchschmerzen zu trennen.
11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen . . 323 11.6 Intersexuelles Genitale . . . . . . . . . 338 11.7 Hodendystopie . . . 351 11.8 Anomalien des äußeren Genitales. . 355
Cave: 9 von 10 Kindern mit Bauchschmerzen leiden an sog. „funktionellen“ Bauchschmerzen mit Lokalisation in der Nabelgegend
Symptomatik: Der subjektiv empfundene Bauchschmerz ist wie kaum ein anderes Symptom altersabhängig: 왘 Säuglinge und junge Kleinkinder, die ihre Beschwerden noch nicht angeben können, äußern ihre Leibschmerzen durch Unruhe und „unmotiviertes“ Schreien. Für den jungen Säugling sind diese Attacken − in der Regel ausgelöst durch die relativ große Nahrungsaufnahme,MeteorismusundLuftschlucken−geradezutypisch(sog. „Trimenonkoliken“); in der symbiotischen Beziehung zum Kind leidet die Mutter mit. 왘 Etwa 5- bis 12-jährige Kinder vermitteln ihren Bauchschmerz zwar, sind aber noch mehr oder weniger unfähig, ihre Beschwerden exakt zu lokalisieren: Der Projektionsort ist im Allgemeinen die Nabelgegend. 왘 Mit fortschreitendem Alter werden die subjektiven Angaben exakter. Entsprechendes gilt für objektivierbare Untersuchungsparameter wie Druckempfindlichkeit, Loslassschmerz und Abwehrspannung. Bauchschmerzen können sowohl isoliert als auch zusammen mit anderen Symptomen auftreten, die in der diagnostischen Abgrenzung sehr hilfreich sein können. Die Erhebung der Schmerzanamnese hat daher folgende Punkte zu enthalten: 왘 zeitlicher Verlauf, Rezidive und Frequenzen der Schmerzzustände, 왘 Charakter und Intensität der Schmerzen: kolikartig, drückend, ziehend, dumpf oder scharf, wenig oder scharf lokalisiert, 왘 weitere Symptome. Erbrechen, Stuhlverhalten, Miktionsbeschwerden, Kopfschmerzen, Husten usw., 왘 Dramatik des Ablaufs, Kollaps(-Neigung), Schweißausbruch, Blässe, 왘 Fieber in zeitlichem Zusammenhang mit den Schmerzen, 왘 psychosoziale Faktoren, 왘 Alter und familiäre Belastung.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
11.1
11
256
11.1 Bauchschmerzen (Nabelkoliken) Pathophysiologie: 2 Arten sensibler Nervenfasern vermitteln die schmerzhaften Stimuli im Abdomen: Ein Nervenfasertyp (A-Fasern) vermittelt aus Haut und Muskel scharf lokalisierte Schmerzen, der andere (C-Fasern) aus den Organen, Peritoneum und Muskel schlecht zu lokalisierende, dumpfe Schmerzen. Schmerzstimuli, die vom parietalen Peritoneum ausgehen, werden allerdings mehr lokalisiert und intensiver als die von inneren Organen ausgehenden empfunden, obwohl sie in CFasern (Dermatome Th6−L1) weitergeleitet werden. Die Nervenimpulse erreichen über die afferenten Fasern die Hinterwurzeln des Rückenmarks und nach Umschaltung auf teilweise auch die Mittellinie kreuzende Axone die Medulla, Mittelhirn, Thalamus und letztendlich den Kortex (Gyrus postcentralis), wo der Schmerz bewusst wird. Viszerale Schmerzen sind „dumpf“ und werden im Allgemeinen in dem Dermatom wahrgenommen, von dem das betroffene Organ seine Innervation erhält. Schmerzstimuli von Leber, Gallengängen, Pankreas, Magen und oberem Dünndarm projizieren sich gewöhnlich in das Epigastrium; solche vom distalen Dünndarm, Zökum, Appendix und proximalen Kolon in die Nabelgegend, solche vom distalen Kolon, Harntrakt und Beckenorganen suprapubisch. Eine Seitenpräferenz kann gewöhnlich angegeben werden. Bestehen Schmerzen in entfernteren, vom gleichen Neurosegment versorgten Gegenden (z. B. Schulterschmerz), liegen ausgeprägte, intensive Prozesse in den befallenen Organen vor. Durch Nervenreizung im parietalen Peritoneum entsteht ein „scharfer“ und recht gut umschriebener Schmerz. Ischämie und Entzündungen scheinen die Schmerzschwelle deutlich zu erniedrigen. Moduliert wird die Schmerzempfindung durch psychologische Faktoren (auf zerebraler Ebene).
Kinderurologische Krankheitsbilder
Einteilung
11
Aus praktischen Gründen werden beim Kind die Leibschmerzen (Nabelkoliken) in rezidivierende und akute Bauchschmerzen unterteilt (Tab. 11.1). Intensität, Charakter und Lokalisation der Beschwerden werden bewusst nicht als führende Merkmale einer Klassifikation herangezogen, da diese erst im späten Kindesalter wirklich verwertbar sind. Aber auch die Unterteilung in rezidivierende und akute Bauchschmerzen birgt Unsicherheiten in sich, da Überlappungen beider Gruppen nicht auszuschließen sind: 왘 Vereinzeltes Vorkommen rezidivierender Bauchschmerzen kann als akute Attacke erscheinen, 왘 akute Erkrankungen können rezidivieren. Unterteilung der Nabelkoliken in rezidivierende und akute Bauchschmerzen.
Chronische Bauchschmerzen = mindestens 3 Episoden von Bauchschmerzen in 3 aufeinander folgenden Monaten.
In beiden Gruppen sind häufige, seltenere und ungewöhnliche Ursachen bzw. Erkrankungen unterscheidbar. Akute Bauchschmerzen sind durch plötzlichen Beginn ohne Bauchschmerzenvorgeschichte gekennzeichnet. Chronisch-rezidivierende Bauchschmerzen sind definiert als mindestens 3 Episoden von Bauchschmerzen in einer Zeitspanne von 3 aufeinander folgenden Monaten. Unter den chronisch-rezidivierenden Bauchschmerzen sind die sog. „funktionellen Bauchschmerzen“ wegen ihrer außergewöhnlichen Häufigkeit besonders zu erwähnen, bei denen definitionsgemäß strukturelle, infektiöse, entzündliche oder biochemische Veränderungen des Gastrointestinaltraktes fehlen. Funktionelle Bauchschmerzen treten plötzlich um die Nabelgegend lokalisiert auf und halten in der Regel nicht länger als eine Stunde an. Zwischen den oft heftig empfundenen Schmerzattacken und der Nahrungsaufnahme bzw. Defäkation bestehen kaum Zusammenhänge.
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Einteilung
Tabelle 11.1
257
Differenzialdiagnose „rezidivierender“ bzw. „akuter“ Bauchschmerzen
Rezidivierende Bauchschmerzen
Akute Bauchschmerzen
Häufige Ursachen 쐌 funktionelle Bauchschmerzen (Syndrom des irritablen Darms; „Nabelkoliken“) 쐌 Laktoseintoleranz 쐌 Fruktosemalabsorption 쐌 Nahrungsmittelallergie 쐌 chronische Obstipation 쐌 Dreimonatskoliken 쐌 psychogene Faktoren (z. B. Schulphobie, psychosoziale Stressfaktoren) 쐌 chronisch-rezidivierende Appendizitis 쐌 Coecum mobile 쐌 Dysmenorrhö 쐌 Mittelschmerz
쐌 Gastroenteritis: − viral − bakteriell (Salmonella, Shigella, Yersinia, Campylobacter) 쐌 akute Obstipation 쐌 akute Appendizitis (S. 45) 쐌 mesenteriale Lymphadenitis (viral) 쐌 Nahrungsmittelvergiftung 쐌 Diätfehler (Art und Menge der Nahrung) 쐌 Pharyngitis (besonders Streptokokken) 쐌 Pneumonie (vor allem rechter Unterlappen) 쐌 akute Pyelonephritis (S. 80)
쐌 Ulcus ventriculi oder duodeni 쐌 Darmparasiten (z. B. Lamblien; Würmer machen in der Mehrzahl keine Beschwerden) 쐌 gastroösophageale Refluxkrankheit 쐌 Aerophagie 쐌 chronische Darmentzündungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) 쐌 Zöliakie 쐌 Sichelzellanämie 쐌 Erkrankungen des Harntraktes (Harnwegsinfekt, Hydronephrose, andere Harntransportstörungen, Harnwegskonkrement, Hufeisenniere, dystope Niere, Zystennieren, S. 301) 쐌 Abdominaltumoren (Wilms-Tumor, Neuroblastom, Ovarialzyste) 쐌 (Hepato)Splenomegalie 쐌 Hiatushernie 쐌 Leistenhoden/Pendelhoden (S. 352 f) 쐌 rheumatische Erkrankungen (JRA, SLE) 쐌 medikamentöse Nebenwirkungen (z. B. Aspirin) 쐌 Gilbert-Meulengracht-Syndrom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Peritonitis Invagination Volvulus Strangulationsileus (Briden, Verwachsungen) Meckel-Divertikel (häufiger schmerzlose Darmblutung Cholezystitis, Cholelithiasis, Cholangitis Gallenblasenhydrops bei KawasakiSyndrom Hepatitis akute Pankreatitis Leistenhernie (S. 16) intraabdominaler Abszess (z. B. perinephritisch, subdiaphragmal, S. 82) Entzündungen des inneren weiblichen Genitales Mononucleosis infectiosa Herpes zoster Purpura Schoenlein-Henoch Leukämie, Lymphome akutes rheumatisches Fieber Hypoglykämie Diabetes mellitus (bei Ketoazidose) Elektrolytentgleisung (Hypokaliämie) Verletzung der Bauchwandmuskulatur (Sport) Milzruptur, subkapsuläres Hämatom intraperitoneale Blutung Fortsetzung Tabelle 11.1 컄
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Seltenere Ursachen
11
258
11.1 Bauchschmerzen (Nabelkoliken)
Tabelle 11.1 Differenzialdiagnose „rezidivierender“ bzw. „akuter“ Bauchschmerzen (Fortsetzung) Rezidivierende Bauchschmerzen
Akute Bauchschmerzen
Ungewöhnliche Ursachen 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Kinderurologische Krankheitsbilder
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
11
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
chronische Pankreatitis Dünndarmduplikatur Mesenterialzyste Choledochuszyste exsudative (protein-loosing) Enteropathie Schwermetallvergiftung Bezoar Polyposis intestinii (familiär) arteriomesenterialer Duodenalverschluss (schlanke Teenager) Hernia lineae albae (H. epigastrica, H. paraumbilicalis) Migräne Abdominalepilepsie familiäres Mittelmeerfieber hereditäres angioneurotisches Ödem Morbus Addison Hyperthyreose Mukoviszidose (Mekoniumileus-Äquivalentsyndrom) Porphyria familiäre Dysautonomie (Riley-DaySyndrom) Hämatokolpos Endometriose (S. 153) Diszitis Tuberkulose der Wirbelsäule paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie Coarctatio aortae Hirntumoren
쐌 toxisches Megakolon (bei Colitis ulcerosa, Morbus Hirschsprung) 쐌 Harnwegskonkremente (machen seltener Schmerzen als beim Erwachsenen, S. 5, S. 321) 쐌 Hodentorsion (S. 389, S. 423) 쐌 Ovarialtorsion 쐌 Pseudopankreaszyste 쐌 Aszites 쐌 Serositis (Kollagenerkrankungen, Urämie) 쐌 diabetische Ketoazidose 쐌 Vaskulitis (z. B. Panarteriitis nodosa) 쐌 Perikarditis 쐌 hämolytische Krise 쐌 Rückenmarktumor
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Wichtig: genaue Schmerzanamnese!
Anamnese: Bauchschmerzen (Nabelkoliken) zwingen wegen der Fülle der möglichen Ursachen dazu, eine genaue Schmerzanamnese zu erheben (s. o.) und vor allem nach weiteren, meist wegweisenden Symptomen (z. B. Durchfall, Erbrechen, Husten, Hämaturie) zu suchen. Dies gilt ganz besonders für den Säugling und das Kleinkind, bei denen Lokalisation und Schmerzcharakter noch nicht beschrieben werden können. Körperliche Untersuchung: Genaue körperliche Untersuchung am ausgezogenen Kind: Auch extraabdominale Untersuchung notwendig (s. z. B. Bauchschmerz bei Pharyngitis, Pneumonie). Urinstatus Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie des Abdomens (einschließlich Nieren und Harnwege): in aller Regel wegweisend für Erkrankungen der Nieren und Harnwege,
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder 왘
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Miktionszystourethrographie (evtl. Isotopenuntersuchung): Bestätigung der Harnwegserkrankung.
Weiterführende Diagnostik: Computertomographie, Kernspintomographie, Blutuntersuchungen, Zystoskopie usw. in Abhängigkeit von den Befunden.
왘
Schmerzcharakter
Cave:
1. parenchymatöse Nierenerkrankungen mit Organvergrößerung
쐌 in der Regel schmerzlos
2. Wilms-Tumor (großer), große poly-/ multizystische Nieren (S. 282, S. 291)
쐌 selten, dann unbestimmte und rezidivierende Bauchschmerzen
Gegen funktionelle Bauchschmerzen sprechen die Lokalisation der Schmerzen außerhalb der Nabelgegend und das Vorliegen objektivierbarer Befunde wie Durchfall, Hämaturie oder Fieber.
3. Hydronephrose
쐌 rezidivierende, kolikartige Flankenschmerzen möglich; dabei oft Erbrechen; rasche Erholung
4. Ureterobstruktion (z. B. Stein, S. 44, S. 98)
쐌 akute kolikartige, ins Genitale bzw. nach distal ausstrahlende Schmerzen, seitenbetont 쐌 Hämaturie 쐌 bei distaler Obstruktion evtl. Pollakisurie
5. Megaureter (S. 315)
쐌 seltener, dann dumpfe Schmerzen in Flanke und Unterbauch
6. Reflux (S. 319)
쐌 selten, dann eher dumpfe Beschwerden in Flanke, besonders bei Miktion
7. Hufeisenniere
쐌 nicht selten drückende und ziehende Beschwerden in Nabelgegend
8. dystope Niere
쐌 ziehende Beschwerden im seitlichen Unterbauch
9. akute Zystitis (S. 32)
쐌 unklare Bauchschmerzen zwischen Symphyse und Nabel: dysurische Beschwerden
Erkrankung
10. akute Pyelonephritis (S. 80)
쐌 쐌 쐌 쐌
11. Hämatokolpos
쐌 wehenartige Schmerzen im (Unter)Bauch 쐌 Bauchtumor 쐌 Amenorrhö bei pubertiertem Mädchen
12. Leisten-, Gleit-, Pendelhoden (S. 352)
쐌 manchmal unklare drückende und ziehende Unterbauchbeschwerden bei älteren Knaben 쐌 Lokalisation in Leistengegend möglich
Bauch diffus druckempfindlich Flankenschmerz Klopfschmerzhaftigkeit des Nierenlagers ansonsten Symptome wie bei akuter Zystitis, Fieber
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Rezidivierendes Bauchschmerzsyndrom Definition: Rein funktionell bedingte Nabelkoliken im Alter von etwa 5−12 Jahren (S. 255).
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen (nach dem 6. Lebensjahr)
11
260
11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz Offensichtlich handelt es sich bei den funktionellen Bauchschmerzen um eine Dysfunktion des autonomen Nervensystems des Gastrointestinaltraktes. Der zeitliche Ablauf, die Dauer und die Intensität der Schmerzattacken können erheblich variieren, in seltenen Fällen sogar ein akutes Abdomen nachahmen. Symptomatik: Typischerweise werden die Nabelkoliken aus dem Spiel heraus oder unverhofft angegeben und verschwinden in der Regel nach wenigen Minuten wieder spontan. Während des Schlafes sistieren die Bauchschmerzen. Bei Befragung nach der Lokalisation der Beschwerden zeigen die Kinder mit breiter Hand auf die Nabelgegend, bezeichnenderweise mit lächelnder und freundlicher Mimik, da die Beschwerden für den Patienten weniger Besorgnis erregend und schmerzhaft sind als für die Mutter. Zwischen den Attacken ist das Abdomen meist schmerzfrei zu palpieren, vermehrte Darmgeräusche (Darmgase), aufgelockerter oder eingedickter Stuhl können vorliegen. Manche Kinder geben zusätzlich (vegetative) Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen an, zeigen Gesichtsblässe und neigen zu vermehrtem Schwitzen. Betroffene Patienten sind am besten als „sensible“ Kinder (mit geringem Selbstbewusstsein) zu beschreiben, bei denen psychosoziale Stressfaktoren die Beschwerden verstärken können.
Diagnostik
Kinderurologische Krankheitsbilder
Basisdiagnostik: 쐌 Anamnese, 쐌 körperliche Untersuchung, 쐌 Urinstatus, 쐌 Sonographie des Abdomens. Weiterführende Diagnostik, z. B.: 쐌 Magen-Darm-Passage, 쐌 Computertomographie, 쐌 Endoskopie, 쐌 pH-Metrie, 쐌 H2- bzw. 13C-Harnstoff-Atemtest.
Die weiterführende Diagnostik sollte durchgeführt werden bei: objektiver und/oder subjektiver Lokalisierbarkeit der Schmerzen in den rechten Unterbauch, 왘 Lokalisierung der Schmerzen außerhalb der Nabelgegend, 왘 besonders heftig verlaufenden Attacken, 왘 auffälligem Befund der Abdomensonographie und/oder im Urinstatus. 왘
11.2
11
Enuresis und kindliche Harninkontinenz D. Schultz-Lampel
Grundlagen Definition: Die Enuresis ist definiert als alleiniges Einnässen im Schlaf an mindestens 2 Nächten pro Monat nach dem 5. Lebensjahr ohne Tagsymptomatik oder Harnwegsinfekte. 33 % der 5-Jährigen nässen noch nachts ein. Die spontane Remissionsrate beträgt 15 % pro Jahr. Synonym werden die bisher gebräuchlichen Begriffe Enuresis nocturna, unkomplizierte Enuresis, monosymptomatische Enuresis und enuretisches Syndrom verwendet.
Leitsymptom: Einnässen, d. h. der unkontrollierte Urinverlust in der Nacht ohne Tagsymptome und/ oder Harnwegsinfekte.
Die Pathophysiologie des Einnässens ist in Abb. 11.1 dargestellt.
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Abb. 11.1
Pathophysiologie des Einnässens.
Einteilung Zur Pathogenese existiert eine Reihe von Hypothesen, von denen die Theorie der Maturationshemmung am weitesten akzeptiert ist. Dabei wird infolge mangelhafter Reifung subkortikaler hemmender Nervenbahnen eine Retardierung auf der Stufe einer frühkindlichen Reflexmiktion angenommen, die zu unwillkürlichen Detrusorkontraktionen und erniedrigter Blasenkapazität führt. Für die Mitbeteiligung genetischer bzw. familiärer Faktoren an der Manifestation der Enuresis spricht die familiäre Häufung der Enuresis. So nässen 44 % der Kinder ein, wenn ein Elternteil Enuretiker war und 77 %, wenn beide Elternteile Enuretiker waren. Genetische Faktoren spielen wahrscheinlich die wichtigste Rolle in der Entstehung der Enuresis. Meist wird die Enuresis autosomal-dominant mit einer hohen Penetranz (90 %) vererbt. Bisher konnten mehrere Gendefekte (EnuresisGene) auf verschiedenen Chromosomen (8 q, 12 q, 13 q, 22 q) lokalisiert werden. Eine erniedrigte nächtliche Produktion des antidiuretischen Hormons (ADH) wird häufig mit der Enuresisentstehung in Verbindung gebracht. Der physiologische nächtliche ADH-Anstieg bleibt aus und es kommt zu einer erhöhten nächtlichen Urinproduktion, die die funktionelle Blasenkapazität überschreitet. Auch Störungen der Perzeption des Miktionsreizes während des Schlafes werden mit der Enuresisentstehung in Zusammenhang gebracht. Abnorme Trinkgewohnheiten sind häufig alleinige oder verstärkende Ursache einer Enuresis. In wie weit psychogene oder psychiatrische Störungen eine Enuresis verursachen, ist schwer abschätzbar. Allerdings treten emotionale Störungen oder Verhaltensstörungen bei Enuretikern 2−6-mal häufiger auf als bei Gleichaltrigen. Eine psychogene Ursache ist umso wahrscheinlicher die Ursache der Enuresis, je länger die Kinder zuvor bereits trocken gewesen waren.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Einteilung
11
262
11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Besonderheiten Primäre Enuresis: 75−80 % der Enuretiker haben ein von Geburt an bestehendes nächtliches Einnässen ohne längere trockene Phasen. Sekundäre Enuresis: Das Einnässen tritt nach einer bereits vorausgegangenen mindestens 6-monatigen trockenen Phase erneut auf. Adulte Enuresis: In 3−4 % persistiert des Einnässens über das 18. Lebensjahr hinaus.
Basisdiagnostik Sie dient in erster Linie dem Ausschluss zugrunde liegender urologischer, neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen. Cave:
Kinderurologische Krankheitsbilder
Ein Einnässkalender, der nur die trockenen und nassen Nächte innerhalb eines Monats dokumentiert, ist nicht ausreichend.
11
Verdacht auf eine kleinkapazitäre Blase besteht, wenn der Mittelwert der Miktionsvolumina 쏝 65 % der Altersnorm beträgt. (Windelgew. nass − Windelgew. trocken) + 1. Morgenurin in g = nächtliche Diurese in ml
Cave: 2 Stunden vor dem zu Bettgehen sollte das Trinken eingestellt werden.
Anamnese: Miktionsanamnese: − Häufigkeit des Einnässens, − Miktionsgewohnheiten, wie häufige oder seltene Miktion, − situatives Einnässen (z. B. nur zu Hause), − intermittierende, bauchpressenunterstützte Miktion, − Tagsymptome (Pollakisurie, Haltemanöver, Urinverlust), − Harnwegsinfekte (fieberhaft/nichtfieberhaft). 왘 Trinkanamnese: − Trinkgewohnheiten, − übermäßige abendliche Flüssigkeitsaufnahme. 왘 Stuhlanamnese: − Obstipation, − Stuhlschmieren, − Enkopresis, − Stuhlinkontinenz. 왘 Allgemeine Anamnese: − Zeichen einer allgemeinen Retardierung, Entwicklungsverzögerung, − psychische oder Verhaltensauffälligkeiten, − Begleiterkrankungen, − frühere Therapiemaßnahmen. 왘 Sozialanamnese: − Familiäre Stresssituationen wie Geburt eines Geschwisterkindes, − Trennung der Eltern, − Tod der Großeltern, − Schulprobleme. 왘
Trink- und Blasentagebuch (Miktionsprotokoll): Dokumentation von Miktions-, Einnässfrequenz, Miktionsvolumina, Harndranggefühl, Trinkzeiten und Trinkvolumina sowie des Stuhlverhaltens über jeweils 24 Stunden an mindestens 2 auf einander folgenden, besser 4−6 Tagen (Abb. 11.2): 왘 Bestimmung der mittleren Blasenkapazität: Mittelwert der miktionierten Volumina des Tagebuches (altersentsprechender Normwert: Alter × 30 + 30 = Blasenkapazität in ml), 왘 Bestimmung des nächtlichen Diuresevolumens: Summe aus Differenz der nassen Windel und der trockenen Windel und der ersten Urinportion nach der eingenässten Nacht, 왘 Trinkverhalten. Körperliche Untersuchung: Hier sollte auf Hinweise für das Vorliegen einer urologischen oder neurologischen Erkrankung oder angeborener Missbildungen geachtet werden:
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Basisdiagnostik
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Abb. 11.2
왘
왘
Miktions- und Trinktagebuch.
Genitalinspektion: − Stenosierende Phimose bei Knaben, − Rötungen im Genitalbereich oder Labiensynechie bei Mädchen. Orientierende neurologische Statuserhebung: − Inspektion des Rückens (lumbosakrale Region) nach Hinweisen auf Spina bifida occulta (präsakrale Lipome, Tierfellnävus, Steißbeingrübchen), − Asymmetrien der Hautfalten, − Glutealatrophie, − Deformitäten der unteren Extremitäten, − Prüfung der Sensibilität im Reithosenareal, − Reflexe der unteren Extremitäten (Bulbokavernosus-Analreflex, Analsphinktertonus).
Urinstatus: Harnsediment (zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes obligat), 왘 Harnkultur (nur bei pathologischem Sediment). 왘
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Das Miktions- und Trinktagebuch ist das wichtigste diagnostische Instrument.
11
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11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Bei einer Blasenwanddicke 쏜 3,0 mm besteht der Verdacht auf eine subvesikale Obstruktion oder Detrusorhyperaktvität. Bei chronischen Harnwegsinfekten findet sich oft eine stark verdickte Blasenwand.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Bei jeder Detrusordicke 쏜 1,5 mm sollte eine Detrusorhyperaktivität, eine dyskoordinierte Miktion, ein Harnwegsinfekt oder ein vesikorenaler Reflux ausgeschlossen werden.
11
Da bei der Enuresis die Basisdiagnostik bis auf das Einnässen unauffällig ist, sind keine weiteren urologischen Untersuchungen, insbesondere keine urodynamische Untersuchung erforderlich. Finden sich dagegen Tagsymptome, Harnwegsinfekte, körperliche, neurologische oder psychische Auffälligkeiten oder eine konstante Restharnbildung, muss eine kindliche Harninkontinenz oder Blasenfunktionsstörung diagnostiziert werden, die u. U. einer weiteren Abklärung bedarf.
Cave: Alters- und Geschlechtsabhängigkeit der Harnflusskurve. Ein minimales Miktionsvolumen von 100 ml sollte angestrebt werden. Die Urodynamik sollte idealerweise unter digitaler Röntgendurchleuchtung als Videourodynamik durchgeführt werden. Antibiotische Prophylaxe bei Kindern mit neurogenen Blasenfunktionsstörungen und rezidivierenden Harnwegsinfekten (Trimetoprim-Cotrimoxazol oder CephalosporinSaft) empfohlen.
Orientierende Sonographie: Messung des Restharns (nach Miktion): maximal 10 % des mittleren Miktionsvolumens, mehrfache Wiederholungen sind zur Reproduktion pathologischer Befunde notwendig. 왘 Messung der Blasenwanddicke (bei 50 % Blasenfüllung): Grob orientierend kann die Dicke der gesamten Blasenwand (Schleimhaut, Detrusormuskulatur und Adventitia) mit dem 3,5-MHz-Schallkopf gemessen werden. Normalwerte: bei 쏝 50 % Blasenfüllung 쏝 2,0 mm, bei 쏜 50 % Blasenfüllung 쏝 1,5 mm. 왘 Detrusorwanddicke: Spezifischer ist die Messung der Detrusorwanddicke: Messung der Detrusordicke an der Blasenvorderwand bei einer mittleren Blasenfüllung zwischen 10−50 % der altersentsprechenden Blasenkapazität mittels 5,0MHz- oder 7,0-MHz-Schallkopf 왘 Sonographie des oberen Harntraktes: Dilatation, Hinweise auf Doppelbildung/Reflux, renale Parenchymläsionen. 왘
Diese Untersuchungsschritte erlauben in der Regel die Diagnose einer Enuresis und den Ausschluss einer kindlichen Harninkontinenz. Weiterführende Diagnostik: Die weiterführende Diagnostik dient weiterhin dem Nachweis bzw. Ausschluss zugrunde liegender anatomischer oder funktioneller Blasenentleerungsstörungen bzw. neurogener oder psychiatrischer Ursachen des Einnässens: 왘 Uroflowmetrie/Flow-EMG-Studie: − Uroflowmetrie: Screening für das Vorliegen einer subvesikalen Obstruktion. − Flow-EMG-Studie: Simultane Aufzeichnung von Uroflow und BeckenbodenEMG gibt entscheidende Hinweise auf das Vorliegen einer dyskoordinierten Miktion (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination; DSD). 왘 Miktionszystourethrogramm (MZU, MCU): Indiziert bei Zeichen einer Blasenentleerungsstörung infolge subvesikaler Obstruktion, wie verdickte Blasenwand oder Restharn, zum Ausschluss organischer Ursachen wie Meatusstenose, Harnröhrenenge oder Harnröhrenklappen und eines vesikoureteralen Refluxes (VUR). Die Durchführung eines isolierten MCU ohne simultane Druck-FlussMessung wird zunehmend kontrovers diskutiert, da es für Kleinkinder ein erhebliches Untersuchungstrauma darstellt. 왘 Urodynamik (Tab. 11.2, 11.3): − Indikationen: Verdacht auf funktionelle Blasenentleerungsstörungen (DSD), therapieresistente kindliche Harninkontinenz, therapieresistente Enuresis, obligat bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen. − Messkatheter: spezielle doppellumige urodynamische Messkatheter (6 Charr) für den transurethralen sowie suprapubischen Zugangsweg. 왘 Narkoseuntersuchung (Urethrozystoskopie, Harnröhrenkalibrierung, evtl. Urodynamikkatheteranlage) bei: − rezidivierenden Harnwegsinfekten, − Verdacht auf vesikorenalen Reflux, − Verdacht auf subvesikale Obstruktion, − allen unklaren Fällen. Seltene diagnostische Zusatzuntersuchungen: Ausscheidungsurogramm (AUG; falls möglich, durch MRT-Urogramm ersetzen), 왘 Isotopen-Nephrogramm (ING): bei normalem Sonographiebefund des oberen Harntraktes nur fakultativ, bei Reflux oder Stauungsnieren zur Dokumentation des Ausgangsbefundes des oberen Harntraktes sinnvoll, 왘 MRT-Urographie: bei Verdacht auf extraurethrale Inkontinenz bei Ureterektopie, 왘 MRT der lumbosakralen Wirbelsäule: bei Kindern mit therapieresistenten funktionellen Blasenentleerungsstörungen ohne sichtbare neurogene Grunderkrankung zur Identifikation okkulter dysraphischer Störungen, 왘 weiterführende psychiatrische und neurologische Abklärung: insbesondere bei Kindern, die nach längerem trockenem Intervall erneut einnässen. 왘
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Diagnostisches Vorgehen
Relevante urodynamische Normalwerte bei Kindern
Parameter
Normalwert
Füllungsphase max. Blasenkapazität
Alter (Jahre) × 30 + 30 = ml
Restharn
쏝 10 % der maximalen Blasenkapazität
1. Harndrang
쏜 60 % der maximalen Blasenkapazität
intravesikaler Druck (sitzend)
durchschnittlich 14 cmH2O zu Beginn bis 24 cmH2O am Ende der Füllung
Detrusoraktivität
stabil
Abdomendruck
stabil
Compliance
쏜 25 ml/cmH2O
Beckenboden-EMG
still
Detrusor-Leak-Point-Pressure (DLPP)
쏝 40 cmH2O
Entleerungsphase Maximaler Harnfluss
altersabhängig
Mittlerer Harnfluss
altersabhängig
Miktionsdruck
쏝 75 cmH2O
Beckenboden-EMG
still
Die Normalwerte müssen immer in Korrelation mit dem Alter angegeben werden (Altersabhängigkeit der Messwerte, situative und messtechnische Artefakte).
Tabelle 11.3
Wichtigste urodynamische Befunde
쐌 Detrusorhyperaktivität mit 25−79 % der häufigste Befund 쐌 Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination bei 15−32 % der Kinder als Zeichen eines Miktionsfehlverhaltens mit fehlender Relaxierung des externen Sphinkters bzw. Beckenbodens während der Miktion 쐌 Detrusorhypokontraktilität bei 5 % der Kinder mit großer schlaffer Blase und hoher Restharnbildung, kombiniert mit einer Hyposensitivität im Sinne eines LazyBladder-Syndroms; bei Mädchen 4-mal häufiger als bei Knaben 쐌 Unauffällige Zystometrie bei 6−34 % der Kinder trotz ausgeprägter Inkontinenzproblematik
Diagnostisches Vorgehen Der Umfang, die Invasivität und die Reihenfolge des diagnostischen Vorgehens hängt neben dem Alter des Kindes ganz wesentlich von der Art und Schwere der vorliegenden Symptomatik, zurückliegenden frustranen Behandlungsversuchen sowie dem zu erwartenden diagnostischen Zugewinn ab. Sinnvoll erscheint eine Enuresisabklärung erst ab einem Alter von 5 Jahren. Insgesamt hat sich die Invasivität in der Abklärung der Enuresis und kindlichen Harninkontinenz in den letzten Jahren deutlich reduziert und die Therapie orientiert sich hauptsächlich an einer exakt und komplett durchgeführten Basisdiagnostik (Abb. 11.3).
Vorteil des suprapubischen Messkatheters sind die bessere Tolerabilität und die objektiveren Untersuchungsergebnisse. Anlage der Messkatheter vorzugsweise im Rahmen einer Narkoseuntersuchung bzw. in Lokalanästhesie oder Sedierung. Die urodynamische Untersuchung sollte frühestens 4−6 Stunden nach Sedierung bzw. Narkose, besser noch erst am Folgetag, durchgeführt werden. Bei starkem Narkoseüberhang wird die Messung erst am Folgetag durchgeführt.
Cave: Provokationstests, wie Eiswassertest oder Carbacholtest, oder ein Urethradruckprofil (UDP) sind im Kindesalter selten indiziert.
Der Detrusor-Leak-Point-Pressure (DLPP) wird zur Verlaufskontrolle und Prognosefaktor zur Abschätzung der Gefährdung des oberen Harntraktes bei Kindern mit neurogenen Blasenfunktionsstörungen durchgeführt. Drücke über 40 cm H2O weisen auf ein potenzielles Risiko der Schädigung des oberen Harntraktes hin.
Urethrozystoskopie und Harnröhrenkalibrierung (Bougie-àboule) zum Ausschluss eines mechanischen anatomischen Hindernisses. Anatomische Veränderungen wie Meatusstenose, Harnröhrenenge oder -klappe werden in gleicher Narkose beseitigt. Sind anatomische Veränderungen ausgeschlossen und besteht der Verdacht auf eine funktionelle Blasenentleerungsstörung, sollte die Einlage eines suprapubischen Urodynamikkatheters erfolgen.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.2
265
11
266
11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Abb. 11.3
Flussdiagramm zur Abklärung des Einnässens.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Art der Störung
Ursachen
1. Enuresis
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. Dranginkontinenz
쐌 kleinkapazitäre Blase 쐌 Blasenhypersensitivität 쐌 Detrusorhyperaktivität
3. Blasenirritation
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
4. subvesikale Obstruktion
쐌 mechanische Obstruktion: − Meatusstenose − Harnröhrenstenose − Harnröhrenklappe − extreme Phimose 쐌 funktionelle Obstruktion: − Detrusor-Sphincter-internus-Dyssynergie − Detrusor-Sphincter-externus-Dyssynergie
5. neurologische Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
11
쐌 쐌 쐌 쐌
tiefer Schlaf ADH-Mangel kleinkapazitäre Blase Trinkfehlverhalten psychogene Störung
Harnwegsinfekt Balanitis Fremdkörper (intravesikal, intravaginal) chemische Reizung Oxyuriasis
Myelomeningozele Spina bifida Sakrallipom Filum-terminale-Syndrom frühkindlicher Hirnschaden Tumoren des Spinalkanales (z. B. Astrozytom, Rhabdomyosarkom) spinale Tumormetastasen (z. B. Neuroblastom) Wirbelsäulenosteomyelitis Masernenzephalitis Poliomyelitis Fortsetzung “Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Art der Störung
Ursachen
6. echte Harninkontinenz
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
7. Stoffwechselerkrankungen
쐌 Diabetes mellitus 쐌 Diabetes insipidus
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ektoper Ureter Sinus urogenitalis inkontinente Epispadie Blasenekstrophie angeborene oder erworbene Fisteln
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Kindliche Harninkontinenz Definition: Jedes Einnässen, das verbunden ist mit zusätzlichen oder alleinigen Tagsymptomen, wie Pollakisurie, Dysurie, imperativer Harndrang, Urinverlust oder Harnwegsinfekten, wird als kindliche Harninkontinenz bezeichnet. Sie tritt bei 15− 20 % der Kinder mit Einnässen auf und ist häufig mit körperlichen oder neurologischen Auffälligkeiten sowie Anomalien des Harntraktes assoziiert. Ursache können sowohl Harnspeicherstörungen, Blasenentleerungsstörungen als auch kombinierte Störungen sein.
Bisher gebräuchliche Synonyma sind Enuresis diurna bzw. kombinierte Enuresis diurna et nocturna, komplizierte Enuresis, Enuresis mit Tagsymptomatik, symptomatische Enuresis.
Ursache: Störung des zirkadianen ADH-Sekretionsprofils, wobei signifikant erniedrigte nächtliche ADH-Serumspiegel konsekutiv zur Produktion großer, niederosmolaler Harnmengen führen, die bei Übersteigen der funktionellen Blasenkapazität ein Einnässen auslösen können. Symptome: 쐌 Reines nächtliches Einnässen relativ großer Volumina.
Diagnostik 쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende Diagnostik: − spezifisches Gewicht des Urins (inkl. 2 Nachtportionen, mittleres spez. Gew. 쏝 1020), − Sonographie des oberen Harntraktes, − Beobachtung des Harnstrahles, 쐌 unnötige Diagnostik: − ADH-Profilometrie: Bestimmung der ADH-Serumspiegel über 24 Stunden um 8, 12, 16, 20, 24 u. 4 Uhr mit Nachweis eines fehlenden Anstieges nächtlicher Werte, − Urinosmolalität: simultane Bestimmung mit den ADH-Werten mit Nachweis erniedrigter nächtlicher Werte (Mittlere Osmolalität 쏝 800 mosm/l).
Die richtungweisendste Untersuchung ist die Ermittlung des nächtlichen Diuresevolumens nach der Formel: (Windel nass − Windel trocken) + 1. Morgenurin in g = nächtliches Urinvolumen in ml.
11
Kindliche überaktive Blase/kindliche Dranginkontinenz/nichtneurogene Detrusorhyperaktivität Ursachen: Reifungsverzögerung der zentralen Hemmung des Miktionsreflexes mit Persistenz frühkindlicher ungehemmter Detrusorkontraktionen. Gerade im Kindesalter kann eine Dranginkontinenz infolge Detrusorhyperaktivität oder auch Hypersensitivität auch Ausdruck einer Blasenirritation aufgrund von Harnwegsinfektionen, Fremdkörpern (intravesikal, intravaginal), chemischer Reizung, Koprostase oder Oxyuriasis sein.
Kinderurologische Krankheitsbilder
ADH-Mangel
Diese Störungen nennt man heute Inkontinenz bei Detrusorhyperaktivität infolge lokaler Pathologie.
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11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Symptome: 쐌 Einnässen in der Nacht und/oder am Tag, das mit Pollakisurie, imperativem Harndrang, Haltemanövern und tropfen- bzw. oder schussweisem Harnabgang einhergeht.
Giggle-Inkontinenz: Eine Sonderform der Detrusorhyperaktivität ist die Giggle-Inkontinenz (s. auch S. 231, S. 268). Die Ursache ist möglicherweise eine Imbalance zwischen dem cholinergen und dopaminergen System wie beim Narkolepsie-Kataplexie-Syndrom. Hereditäre Ursachen werden vermutet. Die Bewegung der Bauchmuskulatur beim Lachen triggert eine Detrusorkontraktion, die konsekutiv eine komplette Blasenentleerung auslöst. Symptome: 쐌 Komplette Blasenentleerung beim Lachen, 쐌 hauptsächlich bei 8−12-jährigen Mädchen.
Diagnostik
Kinderurologische Krankheitsbilder
Die richtungweisendste Untersuchung ist die Ermittlung des mittleren Miktionsvolumens und der Vergleich zur altersentsprechenden Blasenkapazität.
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쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende Diagnostik: 쐌 Flow-EMG-Studie, − Miktionszystourethrographie (bei Harnwegsinfektionen), − Zystomanometrie, − Druck-Fluss-Messung mit EMG oder Videourodynamik, − Urethrozystoskopie, − Kalibrierung der Urethra beim Mädchen.
Miktionsvolumina 쏝 65 % der Formel „Alter × 30 + 30 = ml“ sprechen für eine kindliche Dranginkontinenz. Eine pathophysiologische Sicherung der Diagnose ist allerdings nur durch eine Zystomanometrie möglich.
Psychogene Blasendysfunktion
Cave: Die Diagnose der psychogenen Blasendysfunktion ist primär eine Ausschlussdiagnose, die vorher einer kompletten Abklärung bedarf. Zur Exploration der psychogenen Faktoren dienen unter anderem analytische Familiengespräche. Wichtig erscheint die Abgrenzung sekundärer psychischer Veränderungen als Folge der Enuresis.
Ursache: Psychogene Faktoren können Auslöser einer Enuresis sein. Besonders Stresssituationen, die in der Zeit der Sauberkeitserziehung um das 3. Lebensjahr auftreten, können beim Kind Angstsituationen und eine Persistenz des Einnässens oder typischerweise zu einem späteren Zeitpunkt ein erneutes Einnässen (sekundäre Enuresis) verursachen. Bei diesen Kindern sind Enkopresis und Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressionen, Nägelkauen, Unruhe, Schlafstörungen, Essstörungen, Ängstlichkeit, geringes Selbstwertgefühl, Gehemmtheit, Leistungsdruck und überstarker Ehrgeiz typische Hinweise auf die Genese. Störungen der Eltern-Kind-Beziehung sowie Störungen der elterlichen Beziehung können ebenso richtungweisend für die Diagnose einer psychogenen Blasendysfunktion sein. Symptome: 쐌 Einnässen am Tag und/oder in der Nacht meist nach längeren trockenen Perioden, 쐌 Miktionsvermeidung, 쐌 Verhaltensauffälligkeiten.
Diagnostik 쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende psychologische oder psychiatrische Exploration.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Einnässen bei Harnwegsinfekt Ursache: Zur Enuresis kann es beim Harnwegsinfekt infolge verstärkter Aktivität sensorischer afferenter Rezeptoren kommen, die zentral nicht mehr gehemmt werden können. Während tagsüber häufig noch die Willkürkontrolle über die Blase gelingt, kommt es im Schlaf bei herabgesetzter Rezeptionsschwelle zum Einnässen. Bei einem Teil der Patienten liegen infektionsbegünstigende Erkrankungen wie Urolithiasis oder Harnwegsanomalien wie Obstruktionen oder Reflux vor, die ausgeschlossen werden müssen. Symptome: 쐌 Dysurie, 쐌 Pollakisurie, 쐌 Einnässen am Tag und/oder in der Nacht, 쐌 Fieber, 쐌 stinkender trüber Urin, 쐌 Bauch- oder Flankenschmerzen, 쐌 pathologischer Urinbefund: Mikro- oder Makrohämaturie, Bakteriurie, Leukozyturie, Nitritnachweis.
쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt, 쐌 weiterführende Diagnostik (bei rezidivierenden Infekten obligat): − MCU (Restharn, Blasenkontur, Divertikel, Trabekel, subvesikale Obstruktion, vesikorenaler Reflux), − Videourodynamik, − Urethrozystoskopie, − Harnröhrenkalibrierung beim Mädchen, − Ausscheidungsurographie, − MRT-Urographie.
Bei Einnässen in Zusammenhang mit rezidivierenden Harnwegsinfekten sollte ein MCU oder eine Videourodynamik zum Ausschluss eines vesikorenalen Refluxes oder einer subvesikalen Obstruktion erfolgen.
Subvesikale Obstruktion Ursache: Die subvesikale Obstruktion kann eine anatomisch-mechanische Ursache haben wie Meatusstenose, Harnröhrenenge oder Harnröhrenklappe. Häufiger ist die funktionelle Obstruktion, der entweder eine Maturationsstörung der die Miktion steuernden Nervenbahnen vorliegt, eine neurogene Läsion (Detrusor-SphinkterDyssynergie) oder schließlich ein anerzogenes Fehlverhalten im Sinne eines zu frühen und rigorosen Toilettentrainings mit Beckenbodenkneifen zum Verhindern des Einnässens (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination, Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination). Wahrscheinlich liegen derartige funktionelle Störungen auch der sog. okkult neurogenen Blase zugrunde. Beim Einleiten der Miktion kommt es dabei nicht zum simultanen koordinierten Erschlaffen des Beckenbodens oder des Blasenhalses. Der durch den erhöhten Miktionswiderstand gesteigerte Miktionsdruck kann in eine sekundäre Detrusorhyperaktivität mit den typischen Symptomen münden. Symptome: 쐌 Pollakisurie, 쐌 imperativer Harndrang, 쐌 Einnässen am Tag und/oder in der Nacht, 쐌 abgeschwächter Harnstrahl, 쐌 Stottermiktion, 쐌 notwendiges Pressen zur Miktion, unvollständige Blasenentleerung, rezidivierende Harnwegsinfekte.
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Diagnostik
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11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz
Diagnostik Im MCU finden sich sowohl bei mechanischer als auch funktioneller Obstruktion als typische Zeichen eine prästenotische Auftreibung der Harnröhre, z. B. typische Engstellung der hinteren Harnröhre mit prästenostischer Dilatation der prostatischen Harnröhre bei Harnröhrenklappe und Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination (DSD), evtl. Trabekulierung und Pseudodivertikelbildung, evtl. sekundärer vesikorenaler Reflux. Bei der funktionellen Obstruktion finden sich im Uroflow, dem Flow-EMG und MCU oder der Videourodynamik meist neben einer Detrusorhyperaktivität ein hoher Miktionsdruck bei niedrigem, protrahiertem Flow und ein nichtrelaxierender Beckenboden während der Miktion (DSD).
Lazy-Bladder-Syndrom Ursache: Langjährige Miktionsvermeidung mit extrem seltenen Miktionen, die zunächst zum Verlust des Blasenfüllungsgefühl und dann infolge chronischer Überdehnung der Blase zum Verlust der Detrusorkontraktilität führt. Symptome: 쐌 Insbesondere bei Mädchen, 쐌 sehr seltene Miktionen, 쐌 Urinverlust am Tag und/oder in der Nacht mit zusätzlicher Restharnbildung.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
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Urodynamisch findet sich eine Detrusorhypokontraktilität mit großer schlaffer Blase und hoher Restharnbildung, kombiniert mit einer Blasenhyposensitivität.
쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende Diagnostik: 쐌 Druck-Fluss-Messung oder Videourodynamik.
Neurogene Blasendysfunktion Ursache: Bei neurogener Ätiologie tritt der Urinverlust infolge einer Detrusorhyperaktivität zumeist ohne sensible Sensationen oder imperativem Harndrang auf. Gleichzeitig kann man eine unvollständige oder erschwerte Blasenentleerung finden (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie). Hierbei handelt es sich um eine Koordinationsstörung von Detrusor und Sphinkter zumeist auf dem Boden einer angeborenen Hemmungsmissbildung (geschlossene oder offene Myelodysplasien). Seltener spielen entzündliche, traumatische oder tumoröse Ursachen eine Rolle. Die Pathophysiologie der Funktionsstörung wird von der Lokalisation der neurogenen Läsion geprägt. Bei Schädigung im Konus-Kauda-Bereich im Sinne einer infranuklearen Läsion liegt eine akontraktile Blase vor, bei der zwar eine Entleerung durch Einsatz der Bauchpresse möglich sein kann, die dabei auftretenden Miktionsdrücke aber vom subvesikalen Widerstand abhängen. Bei niedrigem Auslasswiderstand und Sphinkterinsuffizienz steht die Inkontinenz im Vordergrund. Bei einer oberhalb des Miktionszentrums gelegenen Schädigung im Sinne einer supranuklearen Läsion finden sich ein hyperreflexiver Detrusor und eine funktionelle Obstruktion (DetrusorSphinkter-Dyssynergie), sodass auch in diesem Fall eine Kombination von Inkontinenz mit gleichzeitiger Restharnbildung resultiert. Die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie führt zu unphysiologisch hohen Detrusordrücken, die das Hauptrisiko für eine sekundäre Schädigung des oberen Harntraktes darstellen. Symptome: 쐌 Harninkontinenz, kombiniert mit einer funktionellen Blasenentleerungsstörung, 쐌 Restharn, 쐌 chronisch-rezidivierende Harnwegsinfekte.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik 쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende Diagnostik: 쐌 neurologische Untersuchung durch Kinderneurologen, − Röntgenübersicht der Lumbosakralregion, − MRT der Wirbelsäule, − eher selten Urethrozystoskopie.
Okkult-neurogene Blasendysfunktion Ursache: Bei der okkult-neurogenen Blasendysfunktion finden sich vergleichbare Funktionsstörungen wie bei der neurogenen Blase, ohne dass eine neurologische Grunderkrankung nachgewiesen werden kann. Zur Ätiologie existieren 3 Theorien: 왘 Es handelt sich um eine subklinische, neurologisch nicht nachweisbare Störung von Blasen- und Sphinkterinnervation, 왘 die Blasenfunktionsstörung wird durch eine Obstipation verursacht, 왘 es handelt sich um eine psychogen ausgelöste Fehlfunktion. Symptome: Es finden sich wie bei der neurogenen Blasendysfunktion Symptome der Harninkontinenz und der Blasenentleerungsstörung mit Restharn und Harnwegsinfekten sowie sekundärer Beeinträchtigung des oberen Harntraktes. Häufig Koinzidenz mit Obstipation und Enkopresis.
Diagnostik Da die Diagnose der okkult-neurogenen Blasenfunktionsstörung eine Ausschlussdiagnose darstellt, wenn sich keine neurologischen Ursachen feststellen lassen, ist die Diagnostik identisch mit der der neurogenen Blasenfunktionsstörungen.
Ektoper Ureter Ursache: Eine Ureterektopie mit Mündung des Ureters distal des weiblichen Sphinktermechanismus tritt bei Fehlposition der Ureterknospe am Wolff-Gang oder bei Verzögerung der Separation von Ureteranlage und Wolff-Gang auf. Bei Knaben mündet der ektope Harnleiter proximal des Sphincter urethrae externus in Strukturen, die sich aus dem Wolff-Gang differenzieren (Ductus deferens, Samenblasen, Ductus ejaculatoris) oder in die prostatische Harnröhre und verursacht daher keine Inkontinenz. Bei Mädchen dagegen bildet sich der Wolff-Gang zurück und kann in Form des Gartner-Ganges persistieren. Die Mündung des ektopen Ureters kann am Blasenhals oder in der hinteren Urethra liegen (35 %), am Meatus externus (30 %), in der Vagina (25 %) oder in Höhe des persistierenden Gartner-Ganges mit sekundärer Öffnung in Vagina oder Uterus (5 %). In 70 % ist die Ureterektopie mit einer Doppelnierenanlage vergesellschaftet, wobei der Ureter des oberen Nierenanteiles ektop mündet und die Niere meist hypoplastisch ist. Bei Mädchen tritt die Ureterektopie 5-mal häufiger auf als bei Knaben. Symptome: Nur bei Mädchen kommt der permanente Urinabgang tags und nachts bei gleichzeitigem Erhalt der normalen Miktion als Leitsymptom für eine ektope,
Der Detrusor-Leak-Point-Pressure (DLPP) ist ein wichtiger Prognosefaktor zur Abschätzung der Gefährdung des oberen Harntraktes bei Kindern mit neurogenen Blasenfunktionsstörungen. Drücke über 40 cm H2O weisen auf ein potenzielles Risiko der Schädigung des oberen Harntraktes hin.
Synonyma für die okkultneurogene Blasendysfunktion: 쐌 Dysfunktionelles Blasensyndrom, 쐌 subklinische neurogene Blase, 쐌 okkult neurogene Blase, 쐌 isolierte neuropathische Blase, 쐌 externe Sphinkterhyperkinese, 쐌 nichtneurogene neurogene Blase, 쐌 isolierte neuromuskuläre (mitigierte) Blasenentleerungsstörung.
Cave: Die urodynamischen Befunde sind identisch mit denen bei neurogener Blasendysfunktion. Oft besteht eine Koinzidenz mit Harnwegsinfekten, Obstipation und Enkopresis.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Im MCU oder der Videourodynamik finden sich radiologisch eine typische Christbaumblase mit Trabekeln und Pseudodivertikeln, eine subvesikale Obstruktion mit Engstellung des Blasenhalses oder Sphincter externus mit proximaler Dilatation sowie häufig ein vesikorenaler Reflux. In der Urodynamik sind Detrusorhyperaktivität, hohe Miktionsdrücke bei niedrigem Flow als Zeichen der Obstruktion, dyssynerge Aktivitätszunahme der Beckenbodenmuskulatur bei der Miktion typisch.
11
272
11.2 Enuresis und kindliche Harninkontinenz extrasphinktäre Uretermündung in Betracht. Bei infiziertem Urin können Pyurie, vaginaler Fluor, Dysurie, Flankenschmerzen und perineale Schmerzen auftreten bis hin zum Bild der Urosepsis. Bei Knaben tritt eine Inkontinenz niemals auf. Leitsymptom ist hier die Pyurie mit rezidivierenden Epididymoorchitiden, Prostatitiden und Vesikulitiden. Leitsymptom bei Mädchen: 쐌 Permanenter Urinabgang tags und nachts bei gleichzeitig erhaltener normaler Miktion. Leitsymptom bei Knaben: 쐌 Pyurie mit rezidivierenden Epididymoorchitiden, Prostatiden, Vesikulitiden.
Ist die ektop mündende Nieren-Harnleiter-Einheit mit einer dysplastischen, schlecht funktionierenden Nierenanlage kombiniert, kann die Symptomatik irreführend sein: 왘 intermittierender Fluor, 왘 nur gelegentliches Einnässen mit Trockenphasen beim Dursten oder an heißen Tagen.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
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Obligat: 쐌 Anamnese (permanenter Urinabgang), 쐌 körperliche Untersuchung, besonders Genital- und Analregion, 쐌 Miktions- und Trinkprotokoll über 2−4 Tage, 쐌 Urinuntersuchung, 쐌 Sonographie des oberen und unteren Harntraktes, 쐌 Windeltests, 쐌 Ausscheidungsurographie (wird heute zunehmend durch MRT-Urographie ersetzt), 쐌 Urethrozystoskopie. Fakultativ: 쐌 Blauprobe, 쐌 Vaginoskopie, 쐌 Miktionszystourethrographie, 쐌 retrograde Pyelographie, 쐌 CT mit Kontrastmittelgabe, 쐌 MRT-Urographie, 쐌 MRT-Angiographie. Da der obere Anteil des ektop mündenden Harnleiters meist starke Funktionseinschränkungen aufweist, ist er radiologisch oft stumm. Mit der Durchführung einer MRT-Urographie gelingt es in der Regel, selbst fast funktionslose Nierenanteile darzustellen. Heute kann die MRT-Urographie häufig das Ausscheidungsurogramm, die retrograde Pyelographie und evtl. sogar auch die Zystoskopie, Vaginoskopie und Blauprobe ersetzen.
In der Sonographie können eine Hydronephrose des oberen Nierenanteils und ein dilatierter Ureter bis zur Blase hinweisend sein; evtl. ist auch eine ektope Ureterozele darstellbar. Im Ausscheidungsurogramm findet sich meist eine Doppelnierenanlage mit verminderter Anzahl von Kelchen des unteren Anteils und dilatiertem oberen Anteil mit reduziertem Parenchym. Mit der Urethrozystoskopie kann ein in der hinteren Harnröhre mündendes Ostium, evtl. ein Hemitrigonum mit einseitig fehlendem Ostium, wenn keine Doppelbildung vorliegt, identifiziert werden. Die retrograde Pyelographie stellt bei funktionsloser Niere den meist dilatierten geschlängelten Ureter und die Hydronephrose dar. Durch die Vaginoskopie kann ein in die Vagina mündendes Ostium identifiziert werden. Bei einer Blauprobe kann nach intravenöser Farbstoffinjektion ein Farbstoffaustritt aus der Vagina durch das ektope Ostium nachgewiesen werden.
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Grundlagen
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Sinus urogenitalis Ursache: Als Sinus urogenitalis wird die gemeinsame embryonale Endstrecke von Vagina und Urethra bezeichnet. Normalerweise treffen beim weiblichen Embryo die fusionierten Müller-Gänge in der 9. Woche auf die Dorsalseite des Sinus urogenitalis und führen zur Trennung von Genitaltrakt (Vagina) und Harntrakt (Urethra). Bei embryonalen Harnwegsmissbildungen kann der Sinus urogenitalis persistieren. Je nach Zeitpunkt der Entwicklungsstörung weist der persistierende Sinus urogenitalis unterschiedliche Schweregrade auf, die von der leichtesten Form der weiblichen Hypospadie bis hin zum vesikovaginalen Konfluens mit fehlendem Blasenhals reichen können. Cave:
Symptome: 쐌 Tropfenweiser Urinverlust, 쐌 auch Urinverlust bei Belastung.
Diagnostik 쐌 Basisdiagnostik (wie oben aufgeführt), 쐌 weiterführende Diagnostik: − MRT-Urographie, − Rektoskopie, − CT mit Kontrastmittelgabe, − Kolonkontrastdarstellung, − Laparoskopie.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Die leichteren Formen einer weiblichen Hypospadie können durch vaginalen Harnreflux während der Miktion mit postmiktioneller tropfenweiser Urinentleerung aus der Vagina Anlass zur Fehlinterpretation als Enuresis bieten. Bei den schwereren Formen steht die Inkontinenz infolge der Blasenhalsinsuffizienz im Vordergrund.
Bei der Genitalinspektion und Urethrozystoskopie findet sich eine gemeinsame Vaginal- und Urethraöffnung, evtl. Kombination mit ambivalentem Genitale, evtl. Kombination mit Rektumfistel. Im MCU kontrastieren sich Blase und Vagina simultan.
11.3
Abdominaltumor K. Weingärtner, H. Riedmiller
Grundlagen Definition: Als Abdominaltumor wird jede pathologische Raumforderung im Abdomen bezeichnet, die entweder inspektorisch, palpatorisch oder mithilfe von bildgebenden Verfahren erkannt wird. Als Ausgangspunkt für diese Tumoren kommen sämtliche Organe und Strukturen im Abdomen oder Retroperitoneum infrage. Pathogenese (Tab. 11.4): Neuroblastom, Wilms-Tumor und Rhabdomyosarkom sind die häufigsten soliden malignen abdominalen Tumoren im Kindesalter. Während noch bis vor wenigen Jahren zu ihrer Ätiologie wenig bekannt war, hat vor allem die Entwicklung molekularbiologischer Techniken (z. B. Fluorescence in situ Hybridization [FISH], Reverse Transcriptase-Polymerase Chain Reaction [RT-PCR] oder Spectral Karyotyping [SKY]) Einblicke in die Veränderungen auf chromosomaler Ebene und innerhalb zellulärer Signalkaskaden ermöglicht. Beim Neuroblastom wurde eine Reihe genetischer Alterationen gefunden, wie die Amplifikation des Proto-Onkogens MYCN, Deletionen auf Chromosom 1 im Bereich des kurzen Arms oder Insertionen im Bereich des langen Arms auf Chromosom 17, die nachweisbar mit einem fortgeschrittenen Tumorstadium bei Diagnose, raschem Tumorprogress und insgesamt ungünstiger Prognose einhergehen. Die Wilms-Tumor-Gene WT1 und WT2 sind beide auf Chromosom 11 lokalisiert. WT1 fungiert als Tumor-Suppressorgen und ist an der Organogenese der Nieren be-
11 Wilms-Tumor und Rhabdomyosarkom werden auch als „embryonale“ Tumoren bezeichnet, da sie ihren Ausgang vom unreifen mesenchymalen Gewebe nehmen und ähnliche histologische Merkmale aufweisen, wie sie auch in Phasen der normalen Nierenoder Skelettmuskulaturentwicklung gefunden werden.
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11.3 Abdominaltumor
Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.4
11
Ätiologie abdominaler Raumforderungen
Tumor
Ätiologie
Wilms-Tumor
쐌 쐌 쐌 쐌
Rhabdomyosarkom
쐌 unklar 쐌 Häufung in Familien mit Li-Fraumeni-Syndrom, einer autosomal-dominant vererbten Erkrankung mit erhöhtem Auftreten maligner Tumoren (z. B. Mammakarzinom, Hirntumoren, Nebennierenkarzinom, Leukämie); mögliche genetische Ursache des Li-Fraumeni-Syndroms: Veränderung des Tumor-Suppressorgens p53 auf dem kurzen Arm des Chromosoms 17 쐌 Assoziation und gehäuftes Auftreten bei Neurofibromatose
Neuroblastom
쐌 Amplifikation des Proto-Onkogens MYCN, Deletionen auf Chromosom 1 im Bereich des kurzen Arms oder Insertionen im Bereich des langen Arms auf Chromosom 17 쐌 Tumor, ausgehend von den sympathischen Ganglien; vermutlich pluripotente Stammzelle, die sich in Richtung einer neuroblastomähnlichen Zelllinie oder einer dem Phäochromozytom (S. 139, S. 288) ähnlichen Zelllinie differenzieren kann; dabei je nach Reife- oder Differenzierungsgrad mögliche Übergänge vom malignen Neuroblastom zum Ganglioneuroblastom bis hin zum benignen differenzierten Ganglioneurom
testikuläre Neoplasien
쐌 gehäuft bei Kryptorchismus
lymphoretikuläre Neoplasien
쐌 unbekannt
Phäochromozytom
쐌 autosomal-dominant vererbt? 쐌 gehäuftes Auftreten bei Patienten mit Neurofibromatose, Sturge-Weber-Syndrom (Leptangiomatose, Epilepsie, Glaukom) und Sipple-Syndrom (multiple endokrine Neoplasie TypIlb)
Nebennierenrindenkarzinom
쐌 unbekannt
embryonale Genese, da gelegentlich konnatal 2fache Mutation (nach Knudsen), germinal und somatisch chromosomale Defekte (v.a. auf Chromosom 11, 17, 19, s. o.) häufigere Inzidenz bei Vorliegen konnataler Anomalien (s. o.)
teiligt, WT2 scheint mit der Bildung des Insulin-like-Growth-Factor (IGF-2) in Zusammenhang zu stehen. Wenngleich die meisten Wilms-Tumoren sporadisch auftreten, ist eine Reihe von Missbildungssyndromen bekannt, bei denen Wilms-Tumoren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit vorkommen und dann auch vielfach bilateral auftreten. Bei diesen Kindern ist aufgrund des erhöhten Wilms-Tumor Risikos ein engmaschiges Screening empfehlenswert: 왘 WAGR-Syndrom: Wilms-Tumor, Aniridie, Anomalien des Urogenitaltraktes, mentale Retardierung, 왘 Wiedemann-Beckwith-Syndrom: Makroglossie, Omphalozele, Hemihypertrophie, 왘 Denys-Drash-Syndrom: zwittriges Genitale, kongenitale Nephritis, 왘 Perlman-Syndrom: fetaler Gigantismus, mentale Retardierung, 왘 Soto-Syndrom: Makrozephalie, Entwicklungsverzögerung, 왘 isolierte Aniridie, 왘 familiärer Wilms-Tumor, 왘 Trisomie 18.
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Basisdiagnostik
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Beim WAGR-Syndrom liegt eine partielle oder vollständige chromosomale Deletion der Region 11p13 vor. Fehlt nur ein Allel, können Anomalien im Urogenitaltrakt beobachtet werden, für die Entstehung eines Wilms-Tumors ist jedoch zusätzlich zu dieser genetischen Mutation eine somatische Mutation erforderlich (sog. „two hit hypothesis“ nach Knudson). Eine Punktmutation des WT1 führt zum Denys-Drash-Syndrom, einer ausgesprochen seltenen Erkrankung im Kindesalter, die durch das simultane Auftreten von nephrotischem Syndrom, männlichem Pseudohermaphroditismus und Wilms-Tumor charakterisiert ist. Beim Wiedemann-Beckwith-Syndrom fehlt im Bereich 11p15.5 das genetische Material des mütterlichen Allels und ist durch eine Duplikation des männlichen Allels ersetzt. Daraus resultiert eine Überexpression von IGF-2, der aufgrund seiner starken wachstumsfördernden Wirkung als Ursache von Hemihypertrophie und Organomegalie vermutet wird. Chromosomale Veränderungen im Bereich 17q12−21 und 19q13−17 scheinen ebenfalls mit einem erhöhtem Wilms-Tumor Risiko verbunden zu sein. Darüber hinaus konnten in Wilms-Tumoren Deletionen folgender Regionen gefunden werden: 16q, 1p, 7p. Beim Rhabdomyosarkom ist die Ätiologie unklar. Es fand sich jedoch eine erhöhte Inzidenz bei Patienten mit Neurofibromatose und in Familien mit Li-Fraumeni-Syndrom, einer autosomal-dominant vererbten Erkrankung, die mit einem erhöhten Auftreten maligner Tumoren (z. B. Mammakarzinom, Hirntumoren, Nebennierenkarzinom, Leukämie) einhergeht. Als mögliche genetische Ursache des LiFraumeni-Syndroms wird eine Veränderung des Tumor-Suppressorgens p53 auf dem kurzen Arm des Chromosoms 17 angenommen. Am wenigsten bekannt sind bislang die pathogenetischen Faktoren beim kindlichen Phäochromozytom, dessen Auftreten mit einer Reihe anderer Erkrankungen, wie der Neurofibromatose, dem Sturge-Weber-Syndrom oder multiplen endokrinen Neoplasien vom Typ 2 assoziiert sein kann. Ein autosomal dominanter Erbgang wird vermutet.
Basisdiagnostik Anamnese Körperliche Untersuchung: 왘 Palpation: − Größenbestimmung, − Lokalisation, − Verschieblichkeit, − Einbeziehung benachbarter Strukturen, − uni-/bilateral, − Überschreitung der Mittellinie (typisch für Neuroblastom, weniger typisch für Wilms-Tumor). Blutlabor: 왘 BSG, 왘 BB, 왘 Elektrolyte, 왘 harnpflichtige Substanzen, 왘 Transaminasen, 왘 Gerinnung, 왘 CRP. Urinuntersuchung: Urinstatus, 왘 Urinsediment. 왘
Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie, 왘 MRT (wegen Strahlenbelastung dem CT zu bevorzugen).
11 Cave: Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf typische Stigmata assoziierter Krankheitsbilder (z. B. BeckwithWiedemann-Syndrom oder Aniridie beim Wilms-Tumor, Neurofibrome als kutane Manifestationen beim Neuroblastom usw.) geachtet werden.
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276
11.3 Abdominaltumor
Kinderurologische Krankheitsbilder
Das Jahrzehnte lang in der Basisdiagnostik kindlicher Abdominaltumoren eingesetzte Urogramm ist heute meist entbehrlich, Computer- und Kernspintomographie sind ihm in ihrer diagnostischen Aussagekraft deutlich überlegen.
Diagnostisches Vorgehen Die Sonographie erlaubt − abhängig von der Erfahrung des Untersuchers und der Geräteausstattung − in den meisten Fällen bereits eine korrekte Diagnosestellung oder zumindest eine differenzialdiagnostische Eingrenzung des Krankheitsbildes und ist zum wesentlichen und zentralen Bestandteil in der Diagnostik geworden (Abb. 11.4−11.10). Wird zur weiteren Abklärung eine schnittbildgebende Diagnostik notwendig, sollte die Kernspintomographie gegenüber der Computertomographie favorisiert werden, da die Strahlenbelastung entfällt.
a
Abb. 11.4 a u. b Wilms-Tumor. Korrelation von sonographischem Bild (a) und Operationspräparat (b). Wilms-Tumoren sind gegenüber dem gesunden Nierenparenchym meist gut abgrenzbar und zeigen eine leberähnliche, inhomogene Echotextur. Häufig finden sich kleinere zystische Läsionen, Verkalkungen sind im Gegensatz zum Neuroblastom nicht nachweisbar. (Die Abbildungen wurden dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
11
b
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Diagnostisches Vorgehen
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b
a
a
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.5 a u. b Sonographischer Nachweis von Metastasen eines Wilms-Tumors in der Leber (a, blau umrandet) und der Nebenniere (*, b). (Die Abbildungen wurden dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
11 bb Abb. 11.6 a u. b Farbcodierte Doppler-Sonographie einer Niere mit zentral gelegenem Wilms-Tumor (a) im Vergleich mit dem makroskopischen Schnittpräparat nach 4wöchiger präoperativer Chemotherapie. Im Vergleich mit dem gesunden Nierenparenchym sind Wilms-Tumoren weniger gut vaskularisiert (Die Abbildungen wurden dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt. Abb. 11.6 a ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet).
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11.3 Abdominaltumor
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.7 Nephroblastomatose bei einem Kind mit Hemihypertrophie. Die Nephroblastomatose ist durch fokale Echogenitätsvermehrungen (blau eingekreist) mit inhomogenem Reflexmuster gekennzeichnet. Zur Differenzierung sollte immer eine Kernspin- oder Computertomographie erfolgen, da der Ultraschall zu wenig spezifisch ist. (Die Abbildung wurde dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
11
Abb. 11.8 Neuroblastom der rechten Nebenniere mit homogenem Binnenreflexmuster, punktförmigen Echogenitätsvermehrungen und einer größeren Zyste. (Die Abbildung wurde dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
Abb. 11.9 Neuroblastom der rechten Nebenniere bei einem Schulkind. Schlecht von der Umgebung abgrenzbarer Tumor mit inhomogenem Reflexmuster. Typisch sind die fokalen echogenen Areale mit Schallschatten, die Verkalkungen entsprechen. Der Tumor (Tu) liegt dorsal der Leber (L), kaudal vom Tumor ist der Oberpol der verdrängten rechten Niere (N) erkennbar. (Die Abbildung wurde dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
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Diagnostisches Vorgehen
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Abb. 11.10 Phäochromozytom der rechten Nebenniere bei einem 15-jährigen Jungen mit arterieller Hypertonie. Der Tumor hat ein leberähnliches Binnenreflexmuster mit größeren Zysten, dorsal und kaudal vom Tumor die ipsilaterale Niere. (Die Abbildung wurde dankenswerterweise von Herrn Prof. Dr. Deeg, Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Klinikum Bamberg, zur Verfügung gestellt.)
Kinderurologische Krankheitsbilder
Für spezielle Fragestellungen stehen folgende nuklearmedizinische Untersuchungen zur Verfügung: 왘 Isotopennephrogramm (Nierenszintigraphie): Die heute meist mit MAG3 durchgeführte Nierenszintigraphie erlaubt eine seitengetrennte Funktionsbeurteilung beider Nieren. Zusätzlich kann durch Auswahl einer „Region of Interest“ (ROI) beispielsweise bei Doppelsystemen der Funktionsanteil des oberen und unteren Nierenanteils berechnet werden. Darüber hinaus erlaubt eine unter standardisierten Bedingungen durchgeführte Clearanceuntersuchung mit Diuresebelastung die Differenzierung einer noch kompensierten Harntransportstörung von einer urodynamisch relevanten Störung, die eine Operation erfordert. 왘 Knochenszintigramm zum Ausschluss ossärer Filiae im Rahmen des Tumorstaging. 왘 MIBG-Scan: Er ermöglicht in fast 90 % die Lokalisation multifokaler und extraadrenaler Phäochromozytome und hormonproduzierender Neuroblastome. Als Tracer wird 131I-Metajodbenzyl-Guanidin (= MIBG) verwendet. Tab. 11.5 gibt einen Überblick über Indikation und Wertigkeit verschiedener Untersuchungstechniken. Das intravenöse Pyelogramm (IVP) in den Bildbeispielen und tabellarischen Übersichten wurde zum Vergleich mit anderen Untersuchungsmodalitäten beibehalten, da es vielerorts noch Anwendung findet.
Tabelle 11.5
Wertigkeit der bildgebenden Diagnostik bei der Differenzialdiagnose abdominaler Tumoren im Kindesalter
Tumor Wilms-Tumor
Sonographie Nierenvergrößerung, renale RF mit heterogenem Reflexmuster, Tumorthrombus? Leberfiliae?
IVP vergrößerter Nierenschatten, Verkalkungen (in 15 %), verdrängtes NBKS, stumme Niere, verzögerte Kontrastmittelausscheidung oder Harnstau in ca. 10 %
CT nativ: hypodense RF, Nierenparenchym deformiert oder aufgebraucht mit Kontrastmittel: inhomogen, Blutungen, Zystenbild, gute Beurteilung Lymphknotenbefall, Tumorthrombus, Nachbarorgane
MRT
Nuklearmedizin
wie CT, darüber hinaus bessere Beurteilung auf Vorliegen einer Gefäßinvasion, Tumorinfiltration von Nachbarorganen (Abb. 11.11)
Beurteilung der seitengetrennten Nierenfunktion, wichtig vor allem bei bilateralen Wilms-Tumoren
Fortsetzung Tabelle 11.5 컄
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11.3 Abdominaltumor
Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.5 Wertigkeit der bildgebenden Diagnostik bei der Differenzialdiagnose abdominaler Tumoren im Kindesalter (Fortsetzung) Tumor
Sonographie
IVP
CT
MRT
Nuklearmedizin
Rhabdomyosarkom (RMS)
Organzuordnung Blase/Prostata meist schwierig, polyzyklische RF am Blasenboden, inhomogene RF der Prostata, evtl. transrektaler Schall hilfreich, renale RF beim RMS der Niere
beim RMS der Blase traubenförmige Kontrastmittelaussparungen in der Blase, Harnstau beim RMS der Prostata, Anhebung des Blasenbodens, Einengung der prostatischen Harnröhre
RMS-Blase: RF Blasenboden und Trigonumbereich RMS Prostata: RF der Prostata, Anhebung Blasenboden
durch koronare Schnittbilder bessere Beurteilung der Organzugehörigkeit
Nierenszintigraphie und seitengetrennte Clearance vor Operation oder Chemotherapie
Neuroblastom
pararenale RF, Niere nach kaudal verlagert
Nierenfunktion normalerweise nicht eingeschränkt, Verkalkungen (in ca. 50 %), Niere meist nach unten verlagert, keine Veränderungen des Nierenhohlsystems
irreguläre, inhomogene, pararenale RF, Verkalkungen (80 %), Leber und Gefäßinvasion mit Verlagerung von V. cava inferior und Aorta häufig
wie CT, zusätzlich gute Beurteilung und Abgrenzung intra-/extraspinaler Prozess
Knochenscan zum Ausschluss ossärer Metastasen obligat
testikuläre Neoplasien
testikuläre RF mit unterschiedlichem, meist inhomogenem Echomuster, retroperitoneale Lymphknoten
lateral verlagerte Ureteren bei großen retoperitonealen Lymphomen
retroperitoneale Lymphome, gut zur Verlaufskontrolle nach Chemotherapie und im Follow-up
wie CT, darüber hinaus bessere Beurteilung auf Vorliegen einer Gefäßinvasion oder Tumorinfiltration von Nachbarorganen
evtl. vor geplanter Operation oder Chemotherapie zur Bestimmung (seitengetrennter) Nierenfunktion
lymphoretikuläre Neoplasien
retroperitoneale Lymphome, Hodenbefall
vergrößerte, gelegentlich stumme Niere, deformiertes Nierenhohlsystem, lateral verlagerte Ureteren
retroperitoneale Lymphome, gut zur Verlaufskontrolle nach Chemotherapie und im Follow-up
wie CT, darüber hinaus bessere Beurteilung auf Vorliegen einer Gefäßinvasion oder Tumorinfiltration von Nachbarorganen
Knochenscan zum Ausschluss ossärer Metastasen empfohlen
Phäochromozytom
glatt begrenzte RF der Nebenniere mit inhomogener Binnenstruktur (zentrale Nekrosen, Einblutungen)
meist Kaudalverlagerung der betroffenen Niere
unspezifisch, nativ gut abgegrenzte, homogene RF, HE 20−60, nach Kontrastmittel rasches Enhancement, zentrale Nekrosen und Einblutungen
durch koronare Schnittbilder bessere Beurteilung der Organzugehörigkeit
MIBG(Metajodbenzylguanidin)-Scan vor allem bei sonographisch unauffälligen Nebennieren, ideal zum Auffinden extraadrenaler Phäochromozytome
NNR-Karzinom
inhomogene pararenale RF mit Kaudalverlagerung der Niere
meist Kaudalverlagerung der betroffenen Niere
meist unilateral, kleine, inhomogene RF, zentral liquide oder semiliquid, Infiltration von Nachbarorganen
durch koronare Schnittbilder bessere Beurteilung der Organzugehörigkeit gegenüber CT
Knochenscan zum Ausschluss ossärer Metastasen
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RF = Raumforderung
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Labor: Neben den meist routinemäßig durchgeführten Analysen (s. o.) erfolgt bei Verdacht auf das Vorliegen eines Phäochromozytoms oder Neuroblastoms die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin im Serum und ihrer Metaboliten Vanillin- und Homovanillinmandelsäure im 24-h-Sammelurin. Spezielle immunologische Untersuchungsmethoden: Urologisch relevant sind vor allem die Tumormarker Alpha-1-Fetoprotein (AFP) und die β-Untereinheit des Choriongonadotropins (β-hCG). Speziell für die Hodentumoren sind sie wertvolle Laborparameter zur Verlaufskontrolle, Erfolgsbeurteilung einer Chemotherapie und zur Früherkennung eines Rezidives oder Tumorprogresses.
Tumor
Differenzialdiagnose
1. Wilms-Tumor
쐌 maligne Tumoren: − Neuroblastom − Phäochromozytom − Rhabdomyosarkom − Hepatoblastom − Lymphom, Lymphosarkom − Leiomyosarkom, Fibrosarkom − Nierenkarzinom (S. 97, S. 160) 쐌 benigne abdominale Raumforderungen: − Hydro-/Pyonephrose (S. 291) − Nierenabszess (S. 81, S. 159) − multizystische Nierendysplasie − polyzystische Nierendegeneration − kongenital mesoblastisches Nephrom − zystisches Nephroblastom − Angiomyelolipom (S. 157) − Myelolipom − Mesenterialzysten − Choledochuszysten − intestinale Duplikationszysten − Splenomegalie − Nierenvenenthrombose − xanthogranulomatöse Pyelonephritis
2. Rhabdomyosarkom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
bullöse Zystitis, hämorrhagische Zystitis (S. 99) Wilms-Tumor retroperitoneale Fibromatose Teratom Vaginalblutung
3. Neuroblastom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Wilms-Tumor Ganglioneuroblastom Ganglioneurom Nebennierenkarzinom, -adenom Phäochromozytom (S. 139, S. 288) Metastasen
4. testikuläre Neoplasien
쐌 Befall der Hoden bei Systemerkrankungen wie beispielsweise Leukämie und Lymphomen
5. lymphoretikuläre Neoplasien
쐌 Lymphosarkome 쐌 Liposarkome 쐌 Leiomyosarkome Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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11.3 Abdominaltumor
Tumor
Differenzialdiagnose
5. lymphoretikuläre Neoplasien (Fortsetzung) 6. Phäochromozytom
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
7. Nebennierenrindenkarzinom
쐌 Neuroblastom 쐌 Nebennierenadenom (S. 166) 쐌 Wilms-Tumor
Rhabdomyosarkome testikuläre Neoplasien Fibrosarkome Neuroblastom Wilms-Tumor Ganglioneurom Nebennierenkarzinom, -adenom renale Hypertonie Linksherzhypertrophie Thyreotoxikose
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Kinderurologische Krankheitsbilder
Wilms-Tumor
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Der Wilms-Tumor (Nephroblastom) ist der häufigste maligne Nierentumor bei Kindern und Jugendlichen mit einer Inzidenz von 1:100 000. In Deutschland werden pro Jahr etwa 100 Neuerkrankungen registriert, in den USA etwa 500. Der Tumor tritt meist in den ersten 7 Lebensjahren auf, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 3 und 4 Jahren. Was die Erkrankungshäufigkeit angeht, gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Die Inzidenz dieses Tumors ist in Asien im Vergleich zu Europa und den USA erniedrigt. Bilaterale Wilms-Tumoren (ca. 5 %) können synchron oder metachron auftreten und werden vor allem bei jüngeren Kindern zwischen 1− 2 Jahren beobachtet. Bei etwa 1−2 % der Kinder mit Wilms-Tumor finden sich assoziierte konnatale Anomalien (s. o.). Metastasen finden sich am häufigsten in der Lunge, Gehirn (vor allem Rhabdoidtumor) und Knochen (klarzelliges Nephroblastom). Unterschieden werden 3 histologische Subtypen mit niedrigem, intermediärem und hohem Malignitätsgrad. Die Stadieneinteilung erfolgt nach den Empfehlungen der National Wilms Tumor Study (NWTS) oder Societé Internationale d’ Oncologie Pédiatrique (SIOP) (Tab. 11.6). Tabelle 11.6
Stadieneinteilung der Wilms-Tumoren in der NWTS 3
Stadium
Beschreibung
1
Tumor auf eine Niere beschränkt und vollständig entfernt (Oberfläche der Kapsel intakt, keine Ruptur, keine Tumorresiduen nach Entfernung)
2
Tumorausdehnung über eine Niere hinaus, aber vollständige Entfernung möglich (z. B. Ausdehnung durch Pseudokapsel hindurch, Gefäße außerhalb der Niere infiltriert) a) ohne Lymphknotenbefall paraaortal b) mit Lymphknotenbefall paraaortal
3
nichthämatogener Residualtumor im Abdomen; intraoperative oder frühe Tumorruptur, peritoneale Oberflächen besät; Lymphknotenketten außerhalb der paraaortalen betroffen; Tumor nicht komplett entfernt wegen lokaler Ausdehnung in (vital) bedeutsame Strukturen
4
hämatogene (Fern)Metastasen, z. B. in Lunge, Leber, Gehirn und/oder Knochen
5
bilaterale Tumoren (synchron oder metachron)
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Das auf den Studien der NWTS und SIOP basierende multimodale Behandlungskonzept hat zu einer signifikanten Verbesserung des Langzeitüberlebens von Kindern mit Wilms-Tumor beigetragen, das heute bei etwa 85−90 % liegt. Häufigstes Erstsymptom: 쐌 Inspektorisch und palpatorisch fassbarer Abdominaltumor (90 %), 쐌 meist keine Beschwerden (60 %), in etwa 30 % abdominale Schmerzen. Weitere Symptome: 쐌 Obstipation (15−20 %), 쐌 Makrohämaturie (5−20 %), 쐌 Mikrohämaturie (50 %), 쐌 Hypertonie (60 %).
Im Gegensatz zum Neuroblastom ist der Wilms-Tumor meist auf eine Seite begrenzt und nicht über die Mittellinie hinaus entwickelt.
Diagnostik
Abb. 11.11 MRT einer Patientin mit ossär metastasiertem Wilms-Tumor in sagittaler Schnittführung. Metastatischer Befall der Wirbelkörper der unteren BWS und LWS mit nahezu kompletter Destruktion des 2. LWK.
Rhabdomyosarkom Rhabdomyosarkome (RMS) sind die häufigsten malignen Weichteiltumoren im Kindesalter. Sie entstehen aus embryonalem mesenchymalem Gewebe und können in fast allen Organen auftreten. In ca. 20 % der Fälle ist der Urogenitaltrakt (Harnblase, Prostata, Uterus, Vagina, Samenstrang) betroffen. Diese Tumoren besitzen ein aggressives Tumorwachstum mit frühzeitiger Invasion von Nachbarorganen und haben eine ausgesprochene Tendenz, frühzeitig hämotogen und lymphogen zu metastasieren. Lokalrezidive sind häufig. Fernmetastasen finden sich am häufigsten in der Lunge (ca. 50 %), den regionalen Lymphknoten oder Skelettsystem (ca. 33 %) und in etwa 20 % in Leber oder Gehirn.
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An erster Stelle der weiterführenden klinischen Diagnostik steht die Sonographie (s. Abb. 11.4−11.6). Mit diesem nichtinvasiven Verfahren sind eine exakte Größenbestimmung, eine Differenzierung zwischen solider und zystischer Raumforderung und meist eine Organzuordnung möglich. Die Kernspintomographie (Abb. 11.11) hat die Computertomographie verdrängt, die nur noch in differenzialdiagnostisch unklaren Fällen ergänzend durchgeführt wird, ein Urogramm ist nicht erforderlich. Bei Verdacht auf pulmonale Filiae im konventionellen Röntgen wird ergänzend ein Spiral-CT des Thorax angefertigt. In Tab. 11.5 sind Vor- und Nachteile der einzelnen Untersuchungsverfahren nebeneinander aufgelistet.
11
284
11.3 Abdominaltumor
Cave: RMS des Urogenitaltraktes finden sich vor allem in der Gruppe zwischen 15 und 19 Jahren.
RMS treten gehäuft zwischen dem 3. und 5. sowie zwischen 15. und 19. Lebensjahr auf. Im Durchschnitt beträgt das Erkrankungsalter 6 Jahre. Die Ätiologie ist unklar. Ein gehäuftes Auftreten wurde bei Patienten mit Morbus Recklinghausen beobachtet. Histologisch werden 4 Subtypen unterschieden: 왘 das alveolarzellige, 왘 das embryonale, 왘 das pleiomorphe, 왘 das botryoide RMS. Beweisend sind quergestreifte Zellelemente oder der positive Nachweis des Intermediärfilamentes Desmin. Symptomatik (variierend in Abhängigkeit von der Primärlokalisation, z. B.): 쐌 Akutes Abdomen, 쐌 Makrohämaturie, 쐌 Dysurie, 쐌 Harnverhalt (z. B. beim botryoiden RMS), 쐌 Obstipation, 쐌 Hodenschwellung, 쐌 Vaginalpolyp (Abb. 11.12).
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Diagnostik Präoperatives Staging (Tab. 11.7): 쐌 Sonographie, 쐌 Röntgen Thorax, 쐌 CT, Knochenszintigramm, 쐌 Knochenmarkbiopsie, 쐌 ggf. offene Inzisionsbiopsie.
Therapie: Ähnlich wie bei den anderen kindlichen Tumoren zeigt ein multimodales Behandlungskonzept die besten Ergebnisse (5-Jahres-Überlebensrate bei primär lokalisiertem RMS ca. 70 %). Die Reihenfolge wie auch die Durchführung der einzelnen Therapiemodalitäten hängt von der Tumorgröße, Tumorausdehnung, Histologie, Lokalisation, Alter und von der damit verbunden Resektabilität ab.
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Abb. 11.12 Aus der Vagina prolabiertes Rhabdomyosarkom.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Tabelle 11.7
285
Stadieneinteilung des Rhabdomyosarkoms
Stadium
Beschreibung
1
lokalisierte Erkrankung, Tumor komplett entfernt a) Tumor auf den Muskel oder das Ursprungsorgan beschränkt b) Infiltration außerhalb dieser Strukturen ohne Lymphknotenbeteiligung
2
regionale Ausbreitung a) makroskopisch komplett entfernter Tumor, mikroskopisch Residualtumor, keine regionale Lymphknotenbeteiligung b) regionale Erkrankung, vollständig reseziert, regionale Lymphknoten beteiligt, jedoch vollständig entfernt ohne mikroskopische Residuen c) regionale Erkrankung mit Lymphknotenbeteiligung, makroskopisch komplett entfernt, aber mit Zeichen mikroskopischer Residuen
3
inkomplette Resektion oder Biopsie mit makroskopischen Tumorresten
4
metastatische Erkrankung bei Diagnose
Mit einer Inzidenz von 1:10 000 Neugeborenen ist das Neuroblastom der häufigste solide Tumor im Säuglings- und Kleinkindalter, der Erkrankungsgipfel liegt bei 1 1/2 Jahren. 50 % der Fälle treten bei Kindern unter 2 Jahren auf, rund 75 % der beschriebenen Fälle finden sich bei Kindern unter 4 Jahren. Der Tumor kann seinen Ausgangspunkt nehmen von Zellen der Neuralleiste, den sympathischen Grenzstrangganglien und dem Nebennierenmark. Je nach Differenzierungs- und Reifungsgrad sind Übergänge zum Ganglioneuroblastom und Ganglioneurom möglich. Der Tumor wächst meist zunächst lokal invasiv. Die Metastasierung erfolgt frühzeitig hämatogen und lymphogen und scheint unabhängig von der Größe des Ausgangstumors zu sein. Typischerweise finden sich Metastasen im Schädel, den langen Röhrenknochen, regionalen Lymphknoten, der Leber, dem subkutanen Fettgewebe und der Lunge, wobei Metastasen im subkutanen Fettgewebe und der Leber offenbar die beste Prognose haben. Die heute gebräuchliche internationale Stadieneinteilung des Neuroblastoms (Tab. 11.9) basiert auf einer Weiterentwicklung der 1971 von Evans u. Mitarb. vorgeschlagenen Klassifikation.
Tabelle 11.8
Cave: Rund 70 % der Patienten haben bei Diagnosestellung bereits Metastasen.
Mögliche Lokalisationen des Primärtumors beim Neuroblastom
Primärtumor
Häufigkeit (%)
Abdomen
55
Nebenniere
37
Thorax
13
Hals
5
Becken
4
Kopf
2
unbekannt
Zu beachten ist, dass die meisten Neuroblastome im Retroperitoneum entstehen, fast die Hälfte hiervon betreffen die Nebenniere (andere Lokalisationen in Tab. 11.8).
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Neuroblastom
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11.3 Abdominaltumor
Tabelle 11.9
Internationale Stadieneinteilung des Neuroblastoms
Stadium
Beschreibung
1
Tumor auf Urprungsorgan begrenzt, makroskopisch komplette Tumorentfernung mit und ohne mikroskopischen Resttumor, verdächtige ipsi- und kontralaterale Lymphknoten histologisch negativ
2
a) unilateraler Tumor mit makroskopisch inkompletter Entfernung, verdächtige ipsi- und kontralaterale Lymphknoten histologisch negativ b) unilateraler Tumor mit makroskopisch kompletter oder inkompletter Entfernung, ipsilaterale und regionale Lymphknoten positiv, verdächtige kontralaterale Lymphknoten histologisch negativ
3
Tumor überschreitet Mittellinie mit und ohne Lymphknotenbefall oder unilateraler Tumor mit kontralateralem Lymphknotenbefall oder Mittellinientumor mit bilateralem Befall
4
Tumor mit Fernmetastasen (Knochen, Knochenmark, Gehirn, Leber, Lunge, Weichteilgewebe oder entfernte Lymphknotengruppen*)
4-S
lokalisierter Primärtumor wie Stadium 1 oder 2, jedoch mit Fernmetastasen, beschränkt auf Leber, Haut und/oder Knochenmark
Kinderurologische Krankheitsbilder
* Bei diesen Patienten wird gewöhnlich ein erhöhter Serumferritinspiegel und E-Rosette Inhibitory Factor gefunden, der es ermöglicht, diese Patienten von solchen im Stadium 4-S zu unterscheiden.
Symptomatik: Abhängig vom Ort des Primärtumors oder der Lokalisation von Metastasen variieren die klinischen Syndrome: 왘 intrathorakale Neuroblastome imponieren durch Atemnot, 왘 abdominale Neuroblastome durch eine Harntransportstörung, 왘 zervikale Neuroblastome durch ein Horner-Syndrom. Die Kinder sind im Gegensatz zu Wilms-Tumor-Patienten meist in ihrem Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt.
Häufig findet sich eine Hypertonie. Allgemeinsymptome wie Schmerzen, Müdigkeit, Temperaturerhöhung, Blässe, Stuhlunregelmäßigkeiten (Obstipation oder Diarrhoe) sind meist Ausdruck einer Metastasierung, ebenso wie eine Protrusio bulbi oder periorbitale Ekchymosen, vergrößerte knotige Leber oder eine Anämie auf eine Metastasierung hinweisen.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
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Körperliche Untersuchung, Labor, Sonographie, Kernspintomographie Knochenszintigramm (ggf. ergänzend konventionelles Röntgen), MIBG-Scan.
Palpatorisch findet sich bei Neuroblastomen im Abdomen ein derber, knotiger, fixierter Tumor, der im Gegensatz zum Wilms-Tumor häufig über die Mittellinie hinausreicht. Cave: Bei metastasiertem Neuroblastom sollte das Staging ein MRT des Schädels zum Ausschluss von Hirnmetastasen einschließen.
Sonographie (s. Abb. 11.8 u. 11.9) und Kernspintomographie sind die Standarduntersuchungen in der bildgebenden Diagnostik, die Lokalisation und Ausdehnung von Primärtumor und Metastasen ermöglichen, falls nicht vorhanden, kann die Kernspintomographie durch CT ersetzt werden. Das Staging schließt in der Regel ein Knochenszintigramm zum Ausschluss ossärer Filiae ein, ggf. ist erforderlich, dass dort auffällige Befunde durch konventionelle Röntgenuntersuchungen ergänzt werden. Primärtumor und Filae können durch eine 131I-Metajodbenzyl-Guanidin-Szintigraphie
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(MIBG-Scan) nachgewiesen werden, selten kommen bei MIBG-negativen Tumoren auch andere Radiopharmaka oder spezielle monoklonale Antikörper zum Einsatz. Labor: Etwa 70 % der Neuroblastome gehen mit einer erhöhten Serumkonzentration der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin einher und zwischen 80 und 95 % der Patienten zeigen eine erhöhte Ausscheidung der Katecholamin-Stoffwechselprodukte Vanillinmandelsäure und Homovanillinmandelsäure im Urin. Die Bestimmung dieser Parameter im Verlauf einer Erkrankung kann als Tumormarker benutzt werden und erlaubt prognostische Aussagen oder das frühzeitige Erkennen eines Residualtumors oder Rezidives. Ebenfalls als Tumormarker eingesetzt wird die neuronenspezifische Enolase (NSE), LDH oder Ferritin werden als prognostische Parameter zur Risikoabschätzung eingesetzt. Das Behandlungsspektrum beinhaltet operative, chemotherapeutische und strahlentherapeutische Maßnahmen. Die Operation dient der histologischen Sicherung der Diagnose und − sofern möglich − der Komplettentfernung des Primärtumors. Die Prognose ist stadienabhängig: die 5-Jahres-Überlebensrate liegt für lokal begrenzte Tumoren der Stadien I und II bei 95 %, für Tumoren im Stadium III bei 75 % und für Tumoren im Stadium IV zwischen 30 und 40 %.
Testikuläre Neoplasien Zu den seltenen Differenzialdiagnosen abdominaler Tumoren im Kindesalter zählen primär extragonadale Keimzelltumoren oder ausgedehnte retroperitoneale Metastasen testikulärer Neoplasien.
쐌 Körperliche Untersuchung: − Palpation beider Hoden. 쐌 Bildgebende Verfahren: − Sonographie des Skrotalinhaltes (mindestens 7,5- oder besser 10−13,5-MHzSchallkopf, optimal mit farbcodiertem Doppler) − MRT des Abdomens zum Ausschluss retroperitonealer Filiae (und ggf. des Gehirns bei fortgeschrittenen Tumoren), − CT Thorax zum Ausschluss mediastinaler und pulmonaler Filiae. 쐌 Labor: − Alphafetoprotein, − β-hCG, − Testosteron, Epiandrosteron, Androstendiol, 17-Hydroxyprogesteron, 17-Desoxyhydrocortisol, 17-Ketosteroide im Urin (zur Erfassung hormonaktiver Tumoren), − ggf. LDH.
Lymphoretikuläre Neoplasien, akute Leukämie Durch einen Mitbefall der retroperitonealen Lymphknoten können maligne Hodgkin- und Non-Hodgkin-Tumoren als abdominale Raumforderung imponieren. Urologischerseits fällt meist eine Verdrängung beider Harnleiter oder eine Harnstauung auf. Nur in seltenen Fällen wird jedoch ein invasives Vorgehen (perkutane Nephrostomie) erforderlich, da es unter entsprechender Chemotherapie rasch zu einer Rückbildung der Lymphome und der Abflussbehinderung kommt. Eine Infiltration beider Nieren im Rahmen der Systemerkrankung ist ebenfalls möglich. Eine weitere Komplikation im Rahmen einer akuten Leukämie ist der diffuse testikuläre Mitbefall, der in 2−5 % der Fälle beobachtet wird. In etwa 8−25 % können vom Hoden Rezidive eines Lymphoms oder einer Leukämie ausgehen, da die Tumorzellen im Hodenparenchym offenbar durch die Blut-Hoden-Schranke vor zytotoxisch wirksamen Zytostatikaspiegeln geschützt werden.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
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11.3 Abdominaltumor Diagnostisch bieten diese Krankheitsbilder bei bekannter Systemerkrankung meist keine Schwierigkeit.
Phäochromozytom Das Phäochromozytom ist der sog. „10 %-Tumor“: 쐌 10 % sind bilateral, 쐌 10 % sind maligne, 쐌 10 % treten extraadrenal entlang des sympathischen Grenzstranges auf (z. B. Hals, Mediastinum).
Das Phäochromozytom (s. Abb. 11.10) nimmt seinen Ausgang von chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks (Pars medullaris). Im Kindesalter beträgt der Anteil extraadrenaler Tumoren 30 %. Bislang ist die Ätiologie unklar. Patienten mit dem Syndrom der multiplen endokrinen Neoplasie Typ IIb (Sipple-Syndrom) besitzen offenbar ein hohes Risiko, an einem Phäochromozytom zu erkranken. Phäochromozytome sind hormonaktive Tumoren. Adrenale Phäochromozytome produzieren sowohl Adrenalin als auch Noradrenalin, wohingegen Tumoren mit extraadrenaler Lokalisation fast ausschließlich Noradrenalin produzieren. Symptome: 쐌 Hypertonie, 쐌 Tachykardie, 쐌 Schweißausbrüche, 쐌 gerötetes Gesicht, 쐌 gestörter Visus, 쐌 Kopfschmerzen, 쐌 Kreislaufkollaps.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Cave:
11
Bei Patienten mit Lokalisation des Phäochromozytoms im Bereich der Blase findet sich in 60 % der Fälle eine Hämaturie, und die sonstigen o.g. Symptome treten vor allem während und nach Miktion auf.
Laborchemisch findet sich bei 90−95 % der Patienten eine erhöhte Ausscheidung von Katecholaminen und ihrer Metaboliten (Vanillinmandelsäure).
Diagnostik 쐌 Sonographie (s. Abb. 11.10), 쐌 Kernspintomographie bzw. CT zur weiteren Differenzierung, 쐌 131I-Metajodbenzyl-Guanidin (MIBG) zur Lokalisation multifokaler und extraadrenaler Phäochromzytome (in fast 90 % der Fälle möglich).
Nebennierenrindenkarzinom Differenzialdiagnostisch relevant, jedoch bei Kindern insgesamt selten, sind die Nebennierenrindenkarzinome. Es handelt sich meist um hormonproduzierende Tumoren. Hiervon abzugrenzen sind benigne Raumforderungen wie beispielsweise ein primärer Morbus Cushing oder ein Aldosteronom.
Diagnostik 쐌 Hormonanalysen, 쐌 Sonographie, 쐌 CT.
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Die im Folgenden kurz dargestellten Krankheitsbilder können Anlass zu Fehldiagnosen sein und sollten bei der Abklärung eines Abdominaltumors differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden. Als differenzialdiagnostische Entscheidungshilfe dienen Tab. 11.10 und 11.11.
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme (I)
Diagnose
Differenzialdiagnose
Typisches Alter
Typische Symptome
Typische Befunde
Labor
Harntransportstörung, Hydronephrose
multizystische/polyzystische Nierenerkrankung, Urinom
Neugeborener, Säugling
Harnwegsinfekt, Fieber, Urosepsis
Raumforderung in der Flanke und/oder Abdomen
Leukozytose, CRP-Erhöhung
multizystische/polyzystische Nierenerkrankung
Nierenzyste, Hydronephrose, Hippel-Lindau-Syndrom, tuberöse Sklerose (Bourneville-Pringle-Syndrom)
Neugeborener
keine, falls symptomatisch: Harnwegsinfekt, Fieber, Urosepsis
prallelastische Raumforderung in der Flanke oder Abdomen, bei multizystischer Nierendysplasie meist einseitig
bei infantil polyzystischer Nierenerkrankung erhöhte harnpflichtige Substanzen, Urämie
Urinom
Nierenzyste, Hydronephrose
Neugeborener
Flankenschmerzen, Harnwegsinfekt, Fieber, Urosepsis
Raumforderung in der Flanke
Leukozytose, CRP-Erhöhung
Harnröhrenklappen
Meatusstenose, Phimose, Utrikuluszyste, Rhabdomyosarkom
Neugeborener, Säugling
Harnverhalt, Harnwegsinfekt, Fieber, Urosepsis
Unterbauchtumor, der prall gefüllten Harnblase entsprechend, evtl. abdominale RF bei ausgeprägten beidseitigen Harnstauungsnieren
Leukozytose, CRP-Erhöhung
Nierenvenenthrombose
Pyelonephritis, WilmsTumor, mesoblastisches Nephrom, Nephroblastomatose (s. Abb. 11.7), Lymphome, Leukämie
Neugeborener
Hypertonie, Flankenschmerzen, kolikartige Beschwerden
palpabler Flankentumor
Anämie, Thrombozytopenie, Hämaturie, Proteinurie
Nebennierenblutung, -abszess
Neuroblastom, Adenokarzinom, Phäochromozytom, Metastasen anderer Tumoren
Neugeborener (Säugling)
palpabler Flankentumor, abdominale Schmerzen
palpabler Tumor (in 85 %), Ikterus (in 쏜 85 %), Anämie (ca. 50 %)
Anämie
Hydrometrokolpos
Vaginalseptum, Labiensynechie, Sinus urogenitalis, Kloake, Rhabdomyosarkom
Neugeborener, Säugling
abdominale Schmerzen, Harnverhalt
Unterbauchtumor, Hymen imperforatus oder Vaginalseptum oder Sinus urogenitalis
evtl. Leukozytose, CRP-Erhöhung
Urachusanomalien
Megazystis-Megaureter-Syndrom, Harnröhrenklappen, Utrikuluszyste, Hydrometrokolpos
selten Neugeborene und Säuglinge, häufiger Kleinkind und Schulkind
nässender Nabel, rezidivierende Harnwegsinfekte
sondierbarer Fistelgang im Nabeltrichter, Resistenz in der Medianlinie zwischen Blase und Nabel
evtl. Leukozytose, CRP-Erhöhung
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.10
289
11
290
11.3 Abdominaltumor
Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.11
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme (II)
Diagnose
Sonographie
i. v. Urogramm*
Kernspintomographie*
Spezielle Diagnostik
Harntransportstörung, Hydronephrose
dilatiertes NBKS, Kelche ins Nierenbecken überführbar, proximaler Harnleiter meist darstellbar
urographisch meist stumme Niere, bei chronischer Harntransportstörung Halbmond oder „Crescent Sign“, bei akuter Harntransportstörung „weiße Niere“
falls keine Klärung durch Sonographie, und MCU oder Zusatzinformationen, z. B. zur seitengetrennten Nierenfunktion, benötigt werden
MCU: infravesikale Obstruktion? Reflux? Nierenszintigraphie: Nierenfunktion? seitengetrennte Nierenfunktion?
multizystische/ polyzystische Nierenerkrankung
Niere(n) vergrößert, von multiplen kleinen Zysten und echoreichen Formationen durchsetzt, Zysten an anderen Organen. bei multizystischer Nierenerkrankung nur einseitig
multizystische Niere: vergrößertes Organ, stumm; selten auf Spätaufnahme Septenzeichen oder „Septation Sign“ polyzystische Niere: bds. vergrößerte Nieren, NBKS deformiert und verdrängt, „sunburst sign“
multizystische Nierenerkrankung: einseitig polyzystische Nierenerkrankung: Nieren meist stark vergrößert, Zysten in Niere, Leber, Milz, Pankreas
Nierenszintigraphie: Nierenfunktion? seitengetrennte Nierenfunktion?
Urinom
perirenale hypodense Flüssigkeitsansammlung, dilatiertes NBKS
dilatiertes NBKS, Verdrängungserscheinungen der Niere
pararenale Flüssigkeitsansammlung, gelegentlich auf Spätaufnahmen Kontrastmittelanreicherung bei Kommunikation mit dem meist dilatierten Hohlsystem
MCU: meist vesikorenaler Reflux
Harnröhrenklappen
bilateral dilatierter oberer Harntrakt, Restharnbildung, Blasenwandverdickung, erweiterte prostatische Harnröhre
dilatierte NBKS bds., Megaureteren, Blasenpseudodivertikel, Blasenwandverdickung, Blasentrabekulierung
in der Regel keine Indikation für MRT
antegrades MCU: Blasentrabekulierung, Blasenpseudodivertikel, elongierte und dilatierte Pars prostatica der Harnröhre, evtl. vesikorenaler Reflux
Nierenvenenthrombose
vergrößerte Niere mit echoreichen und echoarmen Arealen, Tumorthrombus in V. cava oder peripheren Venen
nur in Zweifelsfällen erforderlich
vergrößerte Niere, Thrombus in der Nierenvene oder V. cava, Einblutungen in die Niere oder das Retroperitoneum, streifige Verdichtung perirenalen Fettgewebes, sog. „Cob Webs“, vor allem nach Kontrastmittelgabe
Nachweis des Thrombus mit Doppler-Sonographie, Kavographie, Nierenphlebographie, DSA
Nebennierenblutung, -abszess
vergrößerte, echoreiche Niere, Tumorthrombus in V. cava oder peripheren Venen
Verdrängung des NBKS nach unten, Zeichen der welkenden Blume oder „Dropping Flower Sign“, bei Hämatomen älter als 10 Tage Verkalkungen
bei frischer Nebennierenblutung glatt begrenzte RF von 50−70 HE, ältere Hämatome ca. 30 HE; selten notwendig, da sonographisch gut darstellbar
11
Fortsetzung Tabelle 11.11 컄
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
Tabelle 11.11
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme (II) (Fortsetzung)
Diagnose
Sonographie
i. v. Urogramm*
Kernspintomographie*
Spezielle Diagnostik
Hydrometrokolpos
Flüssigkeitsansammlung hinter der Blase, Blasenverdrängung und -deformierung, Harnstauungsnieren bds.
Hydronephrose, Verdrängung beider Ureteren, Kompression und Deformation der Harnblase
Flüssigkeitsansammlung in Scheide oder Corpus unteri, evtl. Darstellung der auslösenden Ursache
Genitogramm: Sinus urogenitalis? kloakale Missbildung?
Urachusanomalien
Verbindung zwischen Blase und Nabel, beim Urachussinus zystische Raumforderung in der Medianlinie
bei persistierendem Urachus Nachweis des Fistelgangs, gelegentlich gelingt beim vesikourachalen Divertikel und Urachussinus die Darstellung der Verbindung zwischen Blase und Nabel
Fistelgang oder zystische Formation in der Medianebene zwischen Blase und Nabel, gelegentlich Verkalkungen, bei florider Entzündung Randenhancement der Läsion
Fistelgangdarstellung antegrad über den Nabeltrichter, Zystoskopie zum Nachweis der Läsion am Blasendach und Ausschluss eines intravesikalen Tumors (z.B Adenokarzinom)
* Das Urogramm ist meist entbehrlich; wann immer möglich sollte der Kernspintomographie (MRT) gegenüber der Computertomographie (CT) aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung der Vorzug gegeben werden.
Harntransportstörung, Hydronephrose
Kinderurologische Krankheitsbilder
Eine der häufigsten Differenzialdiagnosen abdominaler Tumoren im Kindesalter sind durch Harntransportstörungen hervorgerufene Veränderungen am Urogenitaltrakt (s. S. 146, S. 295). Bei der körperlichen Untersuchung fällt in der Regel ein prallelastischer Tumor in der Flankengegend oder im Oberbauch auf. Bei Vorliegen einer Harnröhrenklappe imponiert als Unterbauchtumor die massiv gefüllte Harnblase. Darüber hinaus findet sich meist ein Harnwegsinfekt oder Fieber. Laborchemisch kann die Nierenfunktion eingeschränkt sein, eine Leukozytose und/oder CRP-Erhöhung bestehen. Meist wird die Harntransportstörung schon bei der pränatalen Sonographie entdeckt und dann unmittelbar postnatal weiter abgeklärt. Häufigste Ursache für eine Harntransportstörung bei Knaben sind Harnröhrenklappen, bei Mädchen die Ureterozele bei gleichzeitigem Vorliegen eines doppelt angelegten Nierenhohlsystems. Etwa gleich häufig wird das Vorliegen einer Subpelvinstenose beobachtet.
Multizystische und polyzystische Nieren Zu den häufigsten renalen Raumforderungen im Säuglings- und Kleinkindalter gehört die unilateral auftretende multizystische Nierendysplasie. Bei dieser Anomalie liegt eine vollständige Dysplasie des Nierenparenchyms bei kompletter Harnleiteratresie vor. Ursache ist eine Entwicklungsstörung der Ureterknospe und des nephrogenen Mesenchyms. Abzugrenzen hiervon sind die polyzystischen Nierenerkrankungen, wobei eine infantile, juvenile und adulte Form unterschieden werden. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt und tritt unmittelbar postnatal in Erscheinung. Beide Nieren sind schwammartig von multiplen Zysten durchsetzt und auf ein Vielfaches der Norm vergrößert. Die meisten Säuglinge sterben innerhalb der postnatalen Tage an Urämie und respiratorischer Insuffizienz. Die juvenile Verlaufsform wird kompliziert durch zusätzlich zur Niereninsuffizienz auftretende Hypertonie. Die adulte polyzystische Nierendegeneration wird autosomal-dominant vererbt und tritt klinisch meist erst jenseits des 40. Lebensjahres in Erscheinung. Auch hier sind beide Nieren in unterschiedlichem Ausmaß von multiplen Zysten durchsetzt.
Zu beachten ist, dass viele der Kinder zusätzliche Missbildungen aufweisen (z. B. Herz, Gastrointestinaltrakt).
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11.3 Abdominaltumor
Urinom Die Ausbildung eines Urinoms ist meist Folge einer simultan bestehenden subvesikalen Obstruktion. Vermutet wird, dass es bei einer plötzlichen Druckerhöhung im Nierenhohlsystem zu einer Fornixruptur und einem Leakage von Urin in den Perirenalraum kommt.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
dilatiertes Nierenhohlsystem, pararenale zystische Formation
i. v. Urogramm
gelegentlich Nachweis einer Verbindung zwischen Nierenhohlsystem und Urinom
Miktionszysturethrogramm
häufig vesikorenaler Reflux
Kinderurologische Krankheitsbilder
Harnröhrenklappen
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Harnröhrenklappen sind die häufigste Ursache einer subvesikalen Obstruktion im Neugeborenen- und Säuglingsalter. Die Diagnose dieser konnatalen Missbildung wird heute durch den routinemäßigen Einsatz der Sonographie während der Schwangerschaft vielfach bereits pränatal gestellt. Postnatal weisen Klappenkinder in der Regel einen floriden Harnwegsinfekt, in schweren Fällen auch eine Urosepsis auf. Häufig ist die Nierenfunktion eingeschränkt.
Diagnostik Cave: Im Vordergrund bei der Primärversorgung steht der Erhalt der Nierenfunktion. Die Rekonstruktion des Harntraktes erfolgt mit absolut verzögerter Dringlichkeit.
쐌 Körperliche Untersuchung: tastbarer Unterbauchtumor (gefüllte Harnblase und die konsekutiven Harnstauungsnieren), 쐌 Sonographie, 쐌 antegrades Miktionszystourethrogramm.
Therapie: Zur Sicherung der Harnableitung wird die Anlage einer suprapubischen Zystostomie erforderlich. Bei ungenügender Dekompression des oberen Harntraktes oder eingeschränkter Nierenfunktion mit Kreatininwerten 쏜 0,8 mg/dl wird eine supravesikale Harnableitung mittels perkutaner Nephrostomie oder besser Pyelo- oder Ureterokutaneostomie erforderlich.
Nierenvenenthrombose Die Nierenvenenthrombose im Säuglings- und Kleinkindalter ist meist Folge einer exzessiven Dehydratation und Hämokonzentration beispielsweise im Rahmen einer massiven Diarrhö. Die Thrombosierung kann sich von der V. cava beginnend in die Peripherie fortsetzen, jedoch auch auf umgekehrtem Weg zentripedal verlaufen. Die akut auftretende venöse Abflussbehinderung bedingt eine enorme Größenzunahme der betroffenen Niere mit konsekutiver Funktionseinschränkung. Meist bestehen akute Flankenschmerzen. Klinisch imponiert des Weiteren eine Hämaturie und Proteinurie. Über das Hohlsystem ausgeschiedene Blutkoagel können ähnliche Beschwerden wie bei einer Harnleiterkolik verursachen.
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
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Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
im Vergleich zur Gegenseite vergrößerte Niere, meist Nachweis eines Thrombus
Urogramm
stumme und vergrößerte Niere
CT/Kavographie
Ausmaß der Thrombosierung
Nebennierenblutung, Nebennierenabszess
Symptome: 쐌 Palpabler Tumor (in ca. 85 %), 쐌 Ikterus (in mehr als 80 % der Fälle), 쐌 Anämie (in ca. 50 %).
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 hypodenses Areal im Nebennierenbereich 쐌 bei Lagewechsel sog. „Sedimentationsphänomen“ (zwischen verflüssigtem Hämatom und Pus kommt es zu einer Schichtung, die sich bei Lagewechsel ändert, wobei der schwerere Pus nach unten sedimentiert)
Urogramm
쐌 Raumforderung oberhalb der Niere (sog. „Zeichen der welkenden Blume“ oder „Drooping Flower“ mit Achskippung der Niere und Verdrängung nach kaudal)
Cave: Gehäuftes Auftreten einer Nebennierenblutung in Kombination mit einer Nierenvenenthrombose. Cave: Kommt es zu einer bakteriellen Besiedelung eines Nebennierenhämatoms, ist die Ausbildung eines Nebennierenabszesses möglich, der jedoch auch durch hämatogene Streuung entstehen kann. Häufigste Ursachen sind hierbei die maternofetalen Infektionen während der Geburt oder Geburtstraumen, z. B. bei Forceps-Entbindungen.
Wichtig ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung anderer Prozesse im Nebennierenbereich (z. B. Neuroblastom).
Hydrometrokolpos Definition: Als Hydrometrokolpos wird eine bereits pränatal auftretende Sekretretention in Vagina und Uterus bezeichnet. Beschränkt sich dieser Flüssigkeitsverhalt nur auf die Vagina, liegt ein Hydrokolpos vor. Ursache ist meist ein Hymen imperforatus, jedoch können auch andere Hemmungsmissbildungen wie ein hohes vorderes Vaginalseptum oder auch ein persistierender Sinus urogenitalis ähnliche Beschwerden hervorrufen und müssen differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Als Hämatokolpos oder Hämatometrokolpos wird ein in der Regel während der Menarche symptomatisch werdender Sekretverhalt in Vagina oder Vagina und Uterus bezeichnet.
Zu beachten ist, dass ein inspektorisch unauffälliges äußeres Genitale mit orthotoper Harnröhrenmündung und inspektorisch normaler Vagina verdächtig ist auf das Vorliegen eines hohen Vaginalseptums.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Gelegentlich finden sich im Neugeborenenalter spontane Einblutungen im Nebennierenbereich. Die Größe der Nebennieren, deren Hypervaskularität und eventuell auftretende venöse Stauungszustände werden als mögliche prädisponierende Faktoren vermutet. Als auslösende Faktoren werden Geburtstrauma, Asphyxie und Sepsis sowie Störungen der Blutgerinnung (Hypoprothrombinämie) diskutiert.
11
294
11.3 Abdominaltumor
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
körperliche Untersuchung
쐌 prallelastischer Unterbauchtumor, stark vorgewölbtes Hymen
Sonographie
쐌 Verdrängung (und Komprimierung) der Blase 쐌 hinter der Blase unterschiedlich ausgeprägte Flüssigkeitsansammlungen in Vagina und Uterus 쐌 häufig Dilatation des oberen Harntraktes
Kernspintomogramm/ Genitogramm (unerlässlich bei unauffälligem äußerem Genitale)
쐌 Ausschluss einer Fusions- oder Duplikationsanomalie oder eines Sinus urogenitalis
Kinderurologische Krankheitsbilder
Urachusanomalien
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Während der Embryonalzeit verbindet der Allantoisgang (Urachus) Sinus urogenitalis und Nabel. Mit abgeschlossenem Blasendeszensus obliteriert normalerweise diese Verbindung zum Lig. umbilicale medianum. Persistieren jedoch Anteile des Allantoisganges, kann es zu folgenden Urachusanomalien kommen: 왘 persistierender Urachus: offene Verbindung zwischen Nabel und Blase, 왘 Urachuszyste: Obliteration beider Enden des Urachus mit Persistenz eines Lumens im mittleren Anteil, 왘 Urachussinus: zeitweise nur partiell obliterierter Urachus mit möglicher Drainage zum Nabel oder zur Blase, 왘 vesikourachales Divertikel: der Urachus ist zum Nabel hin verschlossen. Zwischen Blasendach und Urachus besteht eine Kommunikation.
Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Sonographie, i. v. Urogramm mit Prallfüllung der Harnblase im seitlichen Strahlengang, Kernspintomographie, Zystoskopie, evtl. Fistelgangsdarstellung über den Nabeltrichter.
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11.4
Dilatation des oberen Harntraktes* H. Riedmiller, K. Darge, E. W. Gerharz
Grundlagen Definition: Als Dilatation des oberen Harntraktes wird jede akute oder chronische Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems (NBKS) und Ureters bezeichnet, die über das physiologische Maß hinausgeht. Sie manifestiert sich in unterschiedlicher Ausprägung von einer diskreten Ektasie des NBKS und der Ureteren bis hin zur
* Wir danken Herrn Dr. Franzaring und Herrn Dr. Leonhard für die Unterstützung bei der ´ Beitragsbearbeitung.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Grundlagen
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11.4 Dilatation des oberen Harntraktes massiven Dilatation eines umschriebenen Abschnittes oder des gesamten oberen Harntraktes. Die Extremvariante ist die Hydronephrose (maximale Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems mit Parenchymrarefizierung), bedingt durch eine Harntransportstörung auf unterschiedlicher Höhe des oberen und unteren Harntraktes. Ätiologie: Einer Dilatation können kongenitale (Fehlbildungen) und erworbene Ursachen (Harnsteine, Strikturen) zugrunde liegen. Eine Weitstellung des oberen Harntraktes kann durch eine distal zur Dilatation gelegene Obstruktion verursacht, aber auch refluxbedingt sein. Darüber hinaus finden sich Mischformen. Ziel der weiterführenden Diagnostik ist zu prüfen, ob interventionelle Maßnahmen notwendig sind, um bei signifikanten Harntransportstörungen eine progressive Nierenfunktionseinschränkung zu verhindern.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Symptomatik im Kindesalter: 쐌 Uncharakteristisch, 쐌 rezidivierende, teilweise fieberhafte Harnwegsinfektionen, 쐌 Gedeihstörungen, 쐌 abdominale und Flankenschmerzen, 쐌 Hämaturie, 쐌 ggf. palpabler Flankentumor, 쐌 arterielle Hypertonie und Niereninsuffizienz als Spätfolgen.
11
In sonographischer und radiologischer bzw. magnetresonanztomographischer Diagnostik sind je nach Krankheitsbild Dilatationen des gesamten ein- oder beidseitigen oberen Harntraktes bis zur diskreten Ektasie nur eines umschriebenen Anteils zu beobachten. Differenzialdiagnostisch müssen dysplastische und zystische Veränderungen abgegrenzt werden, die eine Dilatation der ableitenden Harnwege vortäuschen können.
Einteilung Die Klassifikation der sonographisch gesicherten Dilatation des oberen Harntraktes erfolgt nach Fernbach (1993; Grad I−IV). Die Einteilung des vesikorenalen Refluxes mit konsekutiver Dilatation des oberen Harntraktes basiert auf einer Empfehlung des International Reflux Study Committee (Lebowitz et al. 1985) und kombiniert 2 frühere Klassifikationen.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Im Vordergrund stehen die Anamnese und die körperliche Untersuchung, als nichtinvasives, ubiquitär verfügbares Verfahren folgt die Sonographie. Weiterführende radiologische, nuklearmedizinische bzw. invasive Diagnostika können sich je nach Fragestellung anschließen und zusätzliche Informationen bieten (Abb. 11.13). Anamnese: Vorerkrankungen, 왘 Voroperationen, 왘 frühere Harnwegsinfektionen, 왘 unklare fieberhafte Infekte, 왘 potenziell nephrotoxische Medikamente, 왘 Ödeme, 왘 Hämaturie, 왘 Abdominal- bzw. Flankenschmerzen, 왘 Gedeihstörungen, 왘 Familienanamnese (angeborene Fehlbildungen; Reflux). 왘
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Abb. 11.13 Harntrakt.
Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen bei dilatiertem oberem
Körperliche Untersuchung: 왘 Inspektion, 왘 Palpation, 왘 Auskultation, 왘 Perkussion, 왘 Blutdruckmessung. Blutlabor: 왘 Blutbild, 왘 Elektrolyte, 왘 Transaminasen, 왘 Kreatinin (Kreatininclearance), 왘 Harnstoff, 왘 Harnsäure,
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
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11.4 Dilatation des oberen Harntraktes 왘 왘 왘
Protein, Phosphat, CRP.
Urinuntersuchung: Volumen/24 Stunden, 왘 Leukozyten, 왘 Erythrozyten, 왘 pH-Wert, 왘 spezifisches Gewicht, 왘 Protein-, Kreatininausscheidung, 왘 Kristalle, 왘 Urinkultur und Resistenzbestimmung.
Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
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Sonographie: Sie kann sowohl pränatal als auch postpartal erfolgen. 왘 Pränatale Sonographie: Ab der 13. Schwangerschaftswoche sind die fetalen Nieren zu beurteilen, ab der 17. Woche sind bis zu 90 %, ab der 22. Woche sind 쏜 95 % definitive Aussagen über Harntransportstörungen möglich (pathologische Morphologie mit Dilatation des Harntraktes, Parenchymdicke und Echogenität, Nierenfehlanlagen, Blasenfüllung und Entleerung, Fruchtwassermenge). 왘 Postnatale Sonographie: Eine Übereinstimmung der pränatalen mit der postnatalen Dilatation findet sich in 50−80 %. Aufgrund der postpartalen Oligurie der Neugeborenen ist jedoch die Sonographie erst ab dem 2. postpartalen Tag oder in der 1. Lebenswoche aussagefähig. 왘 Postpartal werden beurteilt: Nierenlage und Größe; Parenchymveränderungen und -dicke, Raumforderungen (Zyste, Tumor), Kontur und Ausdehnung des Nierenhohlsystems sowie Harnleiterabgangs; Urolithiasis, Blasenvolumen und -konfiguration, Blasenwandveränderungen, -dicke, maximales Blasenfüllungsvolumen und Restharn, Ureterozele. Radiologische Diagnostik: 왘 Intravenöses Pyelogramm (IVP): − Nierenübersichtsaufnahme: Beurteilung von Weichteilschatten, Psoasrandschatten, Verkalkungen (Steine), Wirbelsäulenveränderungen (z. B. Spina bifida). − Frühaufnahme 1−2 Minuten p.i.: Nephrographische Phase: Beuteilung von Nierengröße, Form, Lage, indirekt über die Durchblutung und Kontrastmittelanreicherung im Parenchym. − Aufnahme 15−20 Minuten p.i.: Darstellung des Nierenhohlsystems, der Ureteren und der Blase; evtl. Spätaufnahmen bei Ausscheidungsverzögerung. Die Klassifikation der Harnstauung erfolgt nach Emmet. − Urographische Phase: Beurteilung von Achskippung der Niere, Malrotation, intra- und extrarenale Raumforderung, Uretermorphologie (einfache oder doppelte Anlage, Elongation, Lateralisierung, Medialisierung, ektope Mündung, Ureterozele). Dilatation, Kontrastmittelaussparungen im Hohlsystem. Streifenzeichnung des Pyelons oder Ureters (Schleimhautfalten bei refluxiv bedingter Dilatation oder entzündlichen Veränderungen). „Dropping Flower Sign“ (Achskippung und Verdrängung des Hohlsystems bei Doppelnieren mit stummem oberen Anteil oder Tumor im oberen Nierendrittel), Halbmondzeichen (bei extremer NBKS-Ektasie in der Frühphase nach Kontrastmittelgabe halbmondförmige Kontrastierung der Kelche, hinweisend auf eine länger bestehende Dilatation). Wegen der eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit der Neugeborenennieren ist das Ausscheidungsurogramm erst am Ende der 1. Lebenswoche verwertbar. 왘 Miktionszysturethrogramm (MCU): Bei Kindern erfolgt die suprasymphysäre Blasenpunktion und Füllung der Blase mit Kontrastmittel. Beurteilt werden: − Morphologie (Christbaumblase bei neurogenen Blasenstörungen),
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
왘
Nuklearmedizinische Untersuchungen: 왘 Nierenfunktionsszintigraphie: Bei der Nierenfunktionsszintigraphie wird eine radioaktiv markierte Substanz intravenös injiziert, welche über die Nieren ausgeschieden wird. Durch die statische oder dynamische Dokumentation der Anreicherung in den Nieren und ableitenden Harnwegen erlaubt sie eine seitengetrennte Nierenfunktionsbeurteilung sowie eine Differenzierung der Funktion von oberem und unterem Anteil von Doppelnieren (region of interest; ROI) und gibt Hinweise auf eine funktionell wirksame Obstruktion der ableitenden Harnwege. Hierzu werden unterschiedliche Substanzen eingesetzt: − 99 mTc-MAG3 (Mercaptoacetyltriglycin): Ausscheidung über die Tubuli, Beurteilung (dynamisch) der tubulären Funktion und relativen Abflussverhältnisse in den oberen Harnwegen (Auswertungsdaten: Gesamtfunktion, Altersnormwert, seitengetrennte Funktion, Zeitpunkt der maximalen Aktivität [tmax] in der Niere sowie der Zeitraum bis zur Auswaschung von 50 % der maximalen Aktivität [t1/2], prozentualer Anteil der maximalen Aktivität, die 15 min nach Lasixgabe (0,5 mg/kg KG i. v.) noch in der Niere vorhanden ist). − 99 mTc-DPTA: wird filtriert und zur Bestimmung der glomerulären Funktion benutzt. − 99 mTc-DSMA: Beurteilung (statisch) der tubulären Funktion. − 123I-Hippuran: Beurteilung der proximalen Tubulusfunktion. 왘 Furosemidauswaschtest: Durch die Unreife des Tubulusepithels des Neugeborenen sind verlässliche Clearancewerte erst nach dem 3. Lebensmonat sinnvoll interpretierbar. Die Beurteilung der seitengetrennten Funktion und des Auswaschtests sind jedoch früher möglich. Beurteilt wird der Auswascheffekt aus dem Hohlsystem, der ein Maß für die Kompensation einer Urinabflussstörung ist. Zeigt die Funktionskurve einen Aktivitätsabfall um 쏜 50 % nach 10 min, liegt keine funktionelle Obstruktion vor. Kommt es nur zu einem Aktivitätsabfall von 쏝 50 % nach 20 min, liegt eine relevante Harntransportstörung vor. Falsch hohe seitengetrennte Funktionswerte können sich bei einer ausgeprägten Obstruktion oder bei vesikoureterorenalem Reflux ergeben, wenn die Blase während der Untersuchung nicht abgeleitet ist.
Cave: Deutlich eingeschränkte Indikationsstellung wegen hoher Strahlenbelastung!
Nuklearmedizinische Untersuchungen ergeben erst nach Reifung der Nierenfunktion gegen Ende des 1−3. Lebensmonates valide Ergebnisse.
Urodynamische Untersuchung: Uroflowmetrie: Messung des Harnzeitvolumens bei der Miktion (evtl. in Kombination mit Beckenboden-EMG), 왘 Restharnbestimmung (sonographisch), 왘 Zystometrie: Messung des intravesikalen Drucks in der Füllung- und Miktionsphase (Abklärung neurogener Blasenentleerungsstörungen) (nicht vor Ende des 1. Lebensjahres), 왘 Urethradruckprofil: Ermittlung des urethralen Verschlussdruckes und der funktionellen Drucktransmission. 왘
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Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
− Funktion: Refluxprüfung (Nieder- und Hochdruckreflux), − radiologische Dokumentation der Füllungsphase unter Bauchpresse sowie der Miktionsphase mit Darstellung der Urethra und evtl. vorhandener infravesikaler Obstruktionen (Urethralklappen). Computertomographie (CT): Die CT erlaubt eine überlagerungsfreie Darstellung in Körperquerschnitten mit hoher Auflösung. Eine Indikation besteht besonders bei Raumforderungen, Differenzialdiagnose von Zysten bzw. soliden Raumforderungen. Magnetresonanztomographie (MRT): Insbesondere bei komplexen Fragestellungen erlaubt die MRT mit ihren dreidimensionalen Rekonstruktionsmöglichkeiten eine Darstellung morphologischer und topographischer Details. Sie bietet sämtliche Vorzüge der CT (überlagerungsfreie Darstellung, gute Differenzierung zwischen liquiden und soliden Anteilen, hohe Auflösung, dreidimensionale Rekonstruktion) ohne Strahlenbelastung und gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei Säuglingen und komplexen Fragestellungen.
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300
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. Isolierte Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems 1.1 Ureterabgangsstenose
쐌 kongenital: − extrinsisch (bindegewebige Adhärenzen, aberrierende Gefäße) − intrinsisch (idiopathisch, hoher Ureterabgang) 쐌 sekundär
1.2 Rotations-/Verschmelzungsanomalien
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Dystopia abdominalis Dystopia pelvica gekreuzte Dystopie Kuchenniere Hufeisennieren Beckenklumpniere unilaterale Verschmelzungsniere thorakale Dystopie
Kinderurologische Krankheitsbilder
1.3 1.4 1.5 1.6
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Urolithiasis Hydrokalikose Megakalikose hohe Ureterklappen 1.7 Kompression durch abdominalen oder retroperitonealen Tumor (S. 164) 1.8 Tuberkulose (S. 178) 2. Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems und des Ureters 2.1 kongenitale Missbildungen Niere
쐌 Nierenagenesie mit refluxiver Ureterknospe 쐌 Nierenhypoplasie mit obstruktivem oder refluxivem Ureter 쐌 segmentale Nierenhypoplasie 쐌 Doppelnieren (mit assoziierten Anomalien): − Ureter duplex: − Doppelniere mit ektop mündendem Megaureter (oberer Anteil) − Doppelnieren mit refluxivem Megaureter (unterer Anteil) − Doppelniere mit primärem Megaureter − Doppelniere mit ektoper Ureterozele (oberer Anteil) − Ureter fissus Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Ätiologie
301
Erkrankung
2. Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems und des Ureters (Fortsetzung)
2.2 sekundäre Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems und des Ureters
쐌 subvesikale Obstruktion (S. 269): − Harnröhrenklappen − Harnröhrenstrikturen − Meatusstenose − Phimose (S. 355, S. 430) 쐌 neurogene Blasenentleerungsstörung: − kongenital − erworben: − supranuklare Läsion (Reflexblase) − infranukleare Läsion (schlaffe Blase) 쐌 sekundärer Megaureter 쐌 sekundärer vesikorenaler Reflux 쐌 Urolithiasis 쐌 posttraumatische/postentzündliche Ureterstenosen 쐌 durch abdominale Raumforderung bedingte Harntransportstörung
3. Zystische Nierenerkrankungen 3.1 polyzystische Nierendegeneration (Zystennieren)
쐌 infantile Form (Potter-Typ I): sekundäre Sammelrohrerweiterung bei sonst normaler Nierenarchitektur 쐌 multizystische Nierendysplasie (Potter-Typ II): frühe Störung der Sammelrohrdifferenzierung und Fehlen der Nephrondifferenzierung 쐌 adulte polyzystische Niere (Potter-Typ III): im Erwachsenenalter, ca. 4. Lebensjahrzehnt, manifest werdende Störung der Sammelrohrdifferenzierung 쐌 zystische Nierendysplasie bei fetaler Obstruktion (Potter-Typ IV): sekundäre Sammelrohrdilatation durch Harnwegsobstruktion nach primärer Funktionsaufnahme der ersten Nephrongeneration 쐌 zystische Dysplasie bei Missbildungssyndromen (Jeune-, Zellweger-, Meckel-Syndrom) Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kinderurologische Krankheitsbilder
2.1 kongenitale Missbildungen (Fortsetzung) 쐌 blind endender Doppelureter Ureter 쐌 primärer Megaureter 쐌 sekundärer Megaureter 쐌 Ureterektopie 쐌 ektop mündender Megaureter 쐌 Ureterozele: − intravesikal − extravesikal − ektop − orthotop 쐌 Ureterklappe 쐌 retrokavaler Ureter 쐌 vesikorenaler Reflux: − primärer Reflux − sekundärer Reflux − kongenitaler primärer Reflux mit Nierendysplasie (Megazystitis-Megaureter-Syndrom) Prune-Belly-Syndrom
11
302
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Ätiologie
Erkrankung
3. Zystische Nierenerkrankungen (Fortsetzung) 3.2 kortikale Nierenzysten
쐌 einfache Solitärzysten 쐌 multilokuläre Zysten (Zystadenom) 쐌 kortikale Zysten bei Missbildungssyndromen (HippelLindau-, Goldenhar-, Jeune-, Zellweger-, Meckel-Syndrom)
3.3 medulläre Nierenzysten
쐌 쐌 쐌 쐌
Kinderurologische Krankheitsbilder
3.4 mikrozystisches kongenitales nephrotisches Syndrom (finnischer Typ) 3.5 extraparenchymatöse Nierenzysten
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Markschwammnieren Nephronophtise juvenile (Fanconi-)Nephronophtise medullär-zystische Nierenzysten
쐌 parapelvine Zysten 쐌 pyelogene Zysten 쐌 Nierenpseudozysten: − postobstruktiv − posttraumatisch
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Nierendysplasie Unter den angeborenen Missbildungen ist die Niere das am häufigsten betroffene Organ, sowohl isolierte Fehlbildungen der Niere als auch kombinierte Fehlbildungen mit anderen Organsystemen kommen vor (z. B. Turner-Syndrom, Hippel-Lindau-Syndrom, Alport-Syndrom). Bei der Nierendysplasie finden sich häufig Knorpelzellen, primitive undifferenzierte Tubuli, unreife fetale Glomeruli sowie eine mangelhafte Differenzierung der Sammelrohe mit zystischen Veränderungen.
Nierendysplasie mit normalem, refluxivem, dystop mündendem oder atretischem Harnleiter Pathogenese: Die Niere ist lediglich als funktionslose fibröse Knospe angelegt. Der Ureter kann atretisch, normalkalibrig angelegt sein und orthotop oder dystop münden. Infolge des Refluxes kommt es zu einer Dilatation des Ureters, die Niere ist erheblich funktionsgemindert. Symptomatik: 쐌 Bei unilateralem Vorkommen meist keine Symptomatik, 쐌 bei refluxivem Ureter oder infravesikaler Obstruktion: fieberhafter Harnwegsinfekt häufig Erstsymptom.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
303
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 keine oder nur rudimentäre Niere darstellbar 쐌 bei refluxivem Ureter flüssigkeitsgefüllter, parenchymfreier fibröser Hohlraum in Position der Niere
IVP
쐌 keine oder nur flaue Ausscheidung auf der betroffenen Seite 쐌 evtl. Füllung des Ureters oder rudimentären Nierenbeckens
MCU
쐌 oft refluxiver Ureter
Urethrozystoskopie (seltene Indikation)
쐌 kein oder atrophes Ostium 쐌 bei refluxivem Ureter Lage- und Formanomalie des Ostiums 쐌 evtl. dilatierter Ureter
Pathogenese: Ätiologisch liegt eine frühe Störung der Sammelrohraufteilung und Ausbleiben einer Nephroninduktion vor. Die Sammelrohe sind auf 1−3 cm erweitert und münden in Zysten. Dazwischen findet sich gefäßreiches Bindegewebe, in 90 % der Fälle vergesellschaftet mit Missbildungen der ableitenden Harnwege (Ureteratresie). Häufig sind weitere zystische Fehlbildungen von Leber, Pankreas und Lunge. Männliche Säuglinge sind zweimal häufiger betroffen als Mädchen. Eine familiäre Häufung findet sich nicht.
Symptomatik: 쐌 Je nach Ausprägung von klinisch stummer Form bis zur letalen Komplikation (extrem seltenes bilaterales Vorkommen), 쐌 fieberhafte Harnwegsinfekte, 쐌 palpabler Flankentumor beim Neugeborenen.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
multiple zystische Areale, die nicht konfluieren; die größten Zysten liegen peripher; Nierenparenchymsaum meist nicht nachweisbar (Abb. 11.14)
IVP
bei fehlender Kontrastmittelausscheidung „Septation Sign“, das der schwachen Kontrastmittelanfärbung der noch verbliebenen hauchdünnen Parenchymsepten entspricht
Nierenfunktionsszintigraphie
keine bis minimale Funktion der betroffenen Niere
Differenzialdiagnose: Bilaterale polyzystische Nieren, 왘 Ureterabgangsstenose, 왘 Dilatation durch Obstruktion oder Reflux. 왘
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Multizystische Nierenerkrankungen (Potter-Typ IIa)
11
304
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Abb. 11.14 Multizystische Nierenerkrankung. Sonographie: Multiple, nichtkonfluierende zystische Areale, extrem ausgedünnter Parenchymsaum.
Adulte polyzystische Niere (Potter-Typ III) Pathogenese: Es finden sich beidseitige zystische Veränderungen der Nieren, beginnend in der Adoleszenz, zunehmend fortschreitend und im 4.−5. Lebensjahrzehnt zur Niereninsuffizienz führend. Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt (Inzidenz 1:1000, bei Trisomie 13, 14, 15, 18 gehäuft).
Kinderurologische Krankheitsbilder
Ätiologie: Die Proliferation der Tubulusepithelien führt zu einer zystischen Ektasie mit peritubulären fibrotischen Veränderungen, beide Nieren sind erheblich vergrößert (bis zu 10 kg) mit bis zu pflaumengroßen Zysten in allen Nephronabschnitten.
Symptomatik: 쐌 Im Kindesalter weitgehend symptomlos, 쐌 palpable Nierenvergrößerung, 쐌 Schmerz, 쐌 Verdrängungserscheinungen, 쐌 Hämaturie, 쐌 Hypertonie, 쐌 Niereninsuffizienz.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 Anfangsstadium: zunächst multiple zystische Formationen unterschiedlicher Größe (Abb. 11.15 a) bei noch erhaltener Parenchymstruktur 쐌 fortgeschrittenes Stadium: multiple, teils große Zysten, Binnenechos (Einblutungen entsprechend), Parenchymreduktion, riesige, oft bis ins kleine Becken reichende traubenartig zystische Nieren
IVP
쐌 쐌 쐌 쐌
CT/MRT
쐌 Ausdehnungsdiagnostik und differenzialdiagnostische Abklärung bei Verdacht auf tumoröse Veränderungen (Abb. 11.15 b)
11
im Spätstadium riesige Nierenschatten unregelmäßige Nierenkontur Verdrängung des NBKS durch die Zysten flaue Kontrastmittelausscheidung durch Niereninsuffizienz
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305
Kinderurologische Krankheitsbilder
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Abb. 11.15 a u. b Adulte polyzystische Nierendegeneration. Unterschiedlich große Nierenzysten im Ultraschall (a) und in der T2 gewichteten MRT (b) (koronare Schnittführung).
Differenzialdiagnose: Tumor, 왘 Solitärzysten, 왘 Hydronephrose. 왘
11
Markschwammniere Pathogenese: Zystische Erweiterungen der Sammelrohre, in der Regel bilateral; in der Adoleszenz beobachtet man eine Zunahme der Veränderungen. Inzidenz 1:20 000. Symptomatik: 쐌 Hämaturie, 쐌 Leukozyturie, 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 oft Auftreten von Nephrolithiasis, 쐌 spät: Niereninsuffizienz und renale Hypertonie.
Hauptkomplikation im Erwachsenenalter ist die massive Urolithiasis mit Steinbildung in den erweiterten Sammelrohren.
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306
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 oft zystische Veränderungen und Verkalkungen der Sammelrohre 쐌 Harntransportstörung bei Steinabgang
IVP
쐌 charakteristische streifenförmige Kontrastmittelakkumulationen in den Papillen als Frühsymptom 쐌 Kalkablagerungen in den Pyramiden und zystische Aufweitungen im Bereich der Papillen 쐌 häufig Urolithiasis
Differenzialdiagnose: Polyzystische Nierendegeneration, 왘 Nierenmarkzysten, 왘 Tumoren, 왘 Entzündungen. 왘
Nierenrindenzysten
Kinderurologische Krankheitsbilder
Pathogenese: 0,1−5,0 cm große Zysten treten unter der Nierenkapsel oder im Nierenparenchym solitär oder multipel auf und sind von flachem Epithel ausgekleidet, an Zahl und Größe zunehmend. Symptomatik: 쐌 In der Regel symptomlos, 쐌 bei Anschluss an das Nierenhohlsystem Hämaturie, 쐌 bei großen Zysten: Verdrängungserscheinungen und Harnstauung, 쐌 bei Einblutungen oder Zysteninfektionen Schmerzen.
Diagnostik
11
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 zystische Veränderungen vor allem im Nierenrindenbereich, solitär oder multipel 쐌 echofreie Struktur 쐌 dorsale Schallverstärkung 쐌 Randschatten 쐌 glatte Begrenzung 쐌 runde Konfiguration 쐌 keine Kapsel (Abb. 11.16)
IVP
unregelmäßige Nierenkonturen und Verdrängungserscheinungen des Nierenhohlsystems (Pelotteneffekt)
CT
Zysten reichern kein Kontrastmittel an, daher gut von Kelchektasie oder tumoröser Raumforderung zu differenzieren
Differenzialdiagnose: Multilokuläre Zysten, 왘 Nierenmarkzyste, 왘 polyzystische Nierendegeneration, 왘 infantile polyzystische Niere, 왘 Tumor, 왘 paranephritische Prozesse, 왘 Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems. 왘
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
307
Abb. 11.16 a u. b a Nierenrindenzyste. Sonographie der rechten Niere: vollkommen echofreie rundliche Struktur in der Rinde. b Eine parapelvine Zyste kann eine Hydronephrose vortäuschen. Im abgebildeten Fall ist die große parapelvine Zyste (Pfeil) von den Nierenkelchen (*) abgrenzbar.
Pathogenese: Die Häufigkeit liegt bei 4 % (Mädchen doppelt so häufig betroffen wie Jungen). Während der Embryonalentwicklung entsteht aus dem Wolff-Gang eine 2. Ureterknospe. In der Regel werden die 3 kranialen Pyramidenpaare von der oberen Ureteranlage, die unteren 4 Pyramidenpaare vom kaudalen Ureter drainiert. Beide Ureteren können sich variabel zwischen Niere und Blase vereinigen (Ureter fissus).
Nur bei einer assoziierten Ureterpathologie kommt der Doppelniere ein Krankheitswert zu (Abb. 11.17).
Kinderurologische Krankheitsbilder
Doppelnieren
11
Abb. 11.17 a−d a Doppelniere b Doppelniere c Doppelniere d Doppelniere
Doppelnieren mit assoziierten Ureterfehlbildungen. mit refluxivem Megaureter (unterer Anteil). mit ektop mündendem Megaureter (oberer Anteil). mit primärem Megaureter (oberer Anteil). mit Ureterozele (oberer Anteil).
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308
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes Bei getrennter Mündung in die Blase (Ureter duplex) finden sich 2 Ostien. Gemäß der Meyer-Weigert-Regel mündet der zum kranialen Nierenanteil gehörende Ureter im Trigonum vesicae kaudomedial des zum unteren Doppelnierenanteil gehörenden Ureters. Der kaudal mündende Ureter (oberer Doppelnierenanteil) verläuft länger intramural submukös in der Blase, sodass dieser besser gegen einen Reflux geschützt ist. Symptomatik: 쐌 In der Regel symptomlos, 쐌 bei Harntransportstörung oder Reflux: 쐌 Harnwegsinfekte, − Schmerzen, − Hämaturie, − Miktionsstörungen, 쐌 spät: Niereninsuffizienz, renaler Hypertonus.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 Duplikatur des NBKS 쐌 Zweiteilung des zentralen Reflexbandes durch Parenchymbrücke 쐌 isolierte Dilatation des von der Harntransportstörung betroffenen Doppelnierenanteils (Abb. 11.18)
IVP
쐌 쐌 쐌 쐌
MCU
쐌 häufig ausgeprägter Reflux in den unteren Nierenanteil
Nierenfunktionsszintigraphie
쐌 Funktionsuntersuchung des oberen und unteren Doppelnierenanteils durch Festlegung von Regions of interest (ROI) 쐌 seitengetrennte Funktionsuntersuchungen mittels 99 mTc-DSMA oder 99Tc-MAG3-Szintigraphie, evtl. mit Furosemidauswaschtest zur Burteilung einer obstruktiven Komponente
Urethrozystoskopie
쐌 beim Ureter duplex 2 Ostien 쐌 bei der Ureterozele zystische Erweiterung des intravesikal submukösen Ureterverlaufs (ektope oder orthotope Mündung)
11
Verdrängung der oberen Kelchgruppe Doppelbildung des Ureters geteiltes Nierenbecken funktionsloser, in der Regel oberer Doppelnierenanteil führt zu Verdrängungserscheinungen und fehlender oberer Kelchgruppe (Dropping Flower Sign) 쐌 indirekte Zeichen eines funktionslosen oberen Doppelnierenanteils: − Lateralkippung der Nierenlängsachse − Fehlen der oberen Kelchgruppe − gewundener Verlauf des dargestellten kaudalen Ureters
Differenzialdiagnose: Zystische Nierenerkrankungen, 왘 Refluxnephropathie, 왘 obstruktive Dilatation, 왘 Tumor. 왘
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
309
Doppelniere mit ektop mündendem Megaureter (oberer Anteil) Pathogenese: Der Ureter des oberen Nierenanteils mündet ektop in die Nachfolgeorgane des ursprünglichen Wolff-Ganges (Blasenhals, proximale präsphinktäre Urethra, selten: postsphinktäre Urethra, Samenblasen, Ductus deferens, Introitus vaginae [Gartner-Gang], sehr selten: kutan oder rektal). Der Ureter weist in der Regel eine deutlich obstruktive Komponente auf. Der zugehörige Nierenanteil ist meist massiv dilatiert und parenchymreduziert. Der untere Doppelnierenanteil kann durch die Dilatation des oberen lateralisiert sein. Eine Ureterektopie ohne Doppelnierenanlage ist sehr selten und resultiert aus einer pathologischen embryonalen Trigonumanlage. Symptomatik: 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Pyurie, 쐌 Sepsis, 쐌 Schmerzen, 쐌 Gedeihstörungen, 쐌 Inkontinenz, 쐌 Schmerzen genital, 쐌 rezidivierende Prostatitis und Epididymitis.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 bei Obstruktion massiv parenchymreduzierter oberer Nierenanteil 쐌 massiv dilatierter, zum oberen Anteil gehörender, Ureter im distalen Bereich 쐌 Lateralisierung der Nierenachse 쐌 nichtdilatierter unterer Anteil
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.18 a u. b a Doppelniere. Sonographie: Längsschnitt mit Parenchymbrücke und Darstellung erweiterter Nierenbecken in beiden Anteilen. b Doppelniere mit massiver Aufweitung der kranialen Anteile bei regelrechter Darstellung des unteren Nierenbeckens. Befunde dieser Art findet man gelegentlich bei ektop mündendem Harnleiter bzw. einer Ureterozele.
11
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Untersuchung
Erwarteter Befund
IVP
쐌 weitestgehend normaler unterer Doppelnierenanteil 쐌 verzögerte Kontrastmittelanflutung in dilatierten oberen Nierenanteil 쐌 dilatierter, oft im distalen Drittel geschlängelt verlaufender kranialer Ureter 쐌 ektope Mündung
MRT
쐌 dreidimensionale Darstellung der topographischen Lagebeziehungen (Abb. 11.19)
MCU
쐌 kein Reflux nachweisbar 쐌 bei Mündung im Bereich der Urethra evtl. Mündungsregion als Kontrastmittelaussparung darstellbar (Abb. 11.20)
Urethrozystoskopie
쐌 bei Mündung des Ureters im Bereich der Urethra oder des Blasenhalses Darstellung des Ostiums 쐌 in der Blase lediglich Ostium des unteren Anteils im Trigonum erkennbar
Kinderurologische Krankheitsbilder
310
11
Abb. 11.19 a−c Doppelniere links (씮). Der zum oberen Anteil gehörende ektop mündende Harnleiter ist im IVP (a) nicht erkennbar. In der MR-Urographie kann er (씯) in der koronaren (b) und der sagittalen (c) Schnittführung dargestellt werden (stark T2gewichtete Sequenz; Wasserbild).
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
311
Abb. 11.20 Refluxiver, ektop mündender Harnleiter. MCU: Zusätzliche Darstellung eines intrarenalen Refluxes.
Pathogenese: Der Ureter der unteren Doppelnierenanlage mündet kranial-lateral verlagert in die Blase. Durch die insuffiziente Fixation in die Waldeyer-Scheide und den kurzen intramuralen submukösen Verlauf kommt es zu einem vesikorenalen Reflux. Der untere Doppelnierenanteil ist durch den Reflux oft deutlich parenchymund funktionsreduziert. Das NBKS ist, vor allem bei voller Blase, dilatiert. Symptomatik: 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Sepsis, 쐌 Schmerzen, 쐌 Gedeihstörungen.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 oberer Doppelnierenanteil weitgehend unauffällig mit zartem NBKS 쐌 unterer Anteil parenchymreduziert 쐌 Dilatation des NBKS und zugehörigen Ureters
IVP
쐌 oberer Nierenanteil normal 쐌 unterer Anteil funktionsreduziert mit verzögerter, flauer Kontrastmittelausscheidung 쐌 Parenchymverschmälerung 쐌 Dilatation von NBKS und Ureter 쐌 Uretermündung kranialisiert und lateralisiert
MCU
쐌 in der Regel höhergradiger Reflux in den unteren Doppelnierenanteil 쐌 massiv dilatierter Ureter mit Kinking
Urethrozystoskopie
쐌 Ostium des unteren Doppelnierenanteils lateralisiert und kranialisiert (C-D-Position, golflochartig), mit Spülstrahl aufspülbar 쐌 Ostium des oberen Anteils kaudal und medial davon gelegen
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Doppelniere mit refluxivem Megaureter (unterer Anteil)
11
312
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Doppelniere mit primärem Megaureter Pathogenese: Der primäre Megaureter ist in aller Regel dem oberen Doppelnierenanteil zugehörig. Die Harnleiterdilatation kann segmental oder auf ganzer Länge vorliegen. Bedingt durch die kaudale und mediale Ostiumposition ist der intramurale Ureterverlauf länger als beim Ureter des unteren Anteils. Der obere Nierenanteil ist deutlich parenchymreduziert und narbig verändert, die Funktion ist meist erheblich eingeschränkt. Symptomatik: 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Sepsis, 쐌 Schmerzen, 쐌 Gedeihstörungen.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
11
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 massiv parenchymreduzierter oberer Nierenanteil 쐌 massiv dilatierter zum oberen Anteil gehörender Ureter
IVP
쐌 weitestgehend normaler unterer Doppelnierenanteil 쐌 verzögerte Kontrastmittelanflutung in dilatierten oberen Nierenanteil 쐌 dilatierter, oft im distalen Drittel geschlängelt verlaufender kranialer Ureter
MCU
쐌 kein Reflux nachweisbar
Doppelniere mit ektoper Ureterozele (oberer Anteil) Pathogenese: Die Ureterozele stellt die Mündung des oberen Doppelnierenanteils dar (Inzidenz 1:8000). In der Regel liegt das Ostium des unteren Anteils direkt am kranialen Rand der Ureterozele oder reitet auf dieser. Große Ureterozelen können weit in das Blasenlumen vorragen und in einzelnen Fällen zu einer Harntransportstörung der Gegenseite führen. Ektope Ureterozelen liegen am Blasenhals oder in der präsphinktären Urethra. Die stenotischen Ureterozelen (40 %) liegen komplett im Blasenlumen und haben einen vermehrten, longitudinal orientierten muskulären Wandanteil. Die Mündung der sphinkterischen Ureterozele (40 %) liegt im Bereich des Sphincter urethrae internus (ektop). Bei weitem Ostium verhindert der M. sphincter urethrae internus einen Urinabfluss aus der Ureterozele, sodass es nur unter der Miktion zu einem Urinfluss aus dem oberen Doppelnierenanteil kommen kann. Dilatation und Funktionsreduzierung des oberen Doppelnierenanteils ist abhängig vom Grad der Obstruktion durch die Ureterozele. Symptomatik: 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Sepsis, 쐌 Schmerzen, 쐌 Gedeihstörungen, 쐌 Harnsteinbildung.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
313
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 dilatierter, parenchymreduzierter oberer Doppelnierenanteil 쐌 dilatierter zum oberen Anteil gehörender Ureter 쐌 Ureterozele als zystische, in das Blasenlumen hineinragende Formation erkennbar mit wechselndem Füllungszustand
IVP
쐌 bei guter Nierenfunktion des betroffenen oberen Anteils kolbige Auftreibung des distalen Ureters in Mündungsregion (Kobrakopfphänomen) 쐌 bei schlechter Nierenfunktion des betroffenen Anteils rundliche endoluminale Kontrastmittelaussparung der Blase, Dilatation des oberen Doppelnierenanteils und Ureters 쐌 bei funktionslosem oberen Anteil laterokaudale Achskippung (Dropping Flower) der Niere und Fehlen der oberen Kelchgruppe
MCU
쐌 bei 50 % vesikorenaler Reflux in den unteren Doppelnierenanteil 쐌 Reflux in den oberen Doppelnierenanteil in 10−20 %
Urethrozystoskopie
쐌 mögliche Kompression kleiner Ureterozelen durch die Blasenfüllung 쐌 Füllung und Darstellung der Ureterozele (falls nicht obstruktiv) oft nur bei peristaltischer Welle 쐌 bei großen Ureterozelen Darstellung des kontralateralen Ostiums erschwert
Kongenitale Ureterabgangsstenosen Pathogenese: 왘 Idiopathische Subpelvinsteose (intrinsisch): Die Ätiologie ist weitgehend unbekannt (Häufigkeit 1:1000−1500 Neugeborene). Die Störung kann sich schon intrauterin, aber auch erst nach der Geburt manifestieren. Der spontane Verlauf kann zu einem Fortschreiten der Störung mit letztlich Niereninsuffizienz führen, spontane Rückbildungen der Harntransportstörung sind jedoch auch bekannt. 왘 Hoher Ureterabgang (intrinsisch): Der Abgang liegt meist nicht am tiefsten Punkt des Pyelons. 왘 Bindegewebige Adhärenzen zwischen Ureter und unterem Nierenpol (extrinsisch): Die extrinsischen Stenosen werden durch mechanische Faktoren ausgelöst, die den Ureter komprimieren oder zu einer Knickstenose führen. 왘 Aberrierende Gefäße (extrinsisch): Aberrierende, den Ureter am pyeloureteralen Übergang kreuzende Gefäße (häufig untere Polgefäße) führen zu einer Kompression des Ureters. Symptomatik: 쐌 Inappetenz, 쐌 Gedeihstörungen, 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Schmerz, 쐌 Hämaturie, 쐌 palpabler Oberbauchtumor, 쐌 Harnsteinbildung, 쐌 Niereninsuffizienz.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
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314
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Cave: retrograde Pyelographie nur unmittelbar präoperativ (Infektgefahr)!
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 isolierte Dilatation des NBKS mit Kelchverplumpungen und in schweren Fällen mit Parenchymreduktion 쐌 Ureter nicht darstellbar (Abb. 11.21 a u. b)
IVP
쐌 Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems mit Ballonierung des Nierenbeckens und Kelchverplumpung bis zum Ureterabgang 쐌 evtl. Parenchymverschmälerung (Abb. 11.22 a)
MCU
쐌 Vesikorenaler Reflux in 10 %
retrograde Pyelographie
쐌 Nur in seltenen Fällen zur Darstellung der Uretermorphologie erforderlich, dann nur unmittelbar präoperativ (Infektgefahr!)
MRT
쐌 Bei komplexen Fragestellungen indiziert (Abb. 11.22 b)
Kinderurologische Krankheitsbilder
Nierenfunktionsszin- 쐌 Liefert Informationen über die seitengetrennte Funktion der tigraphie mit FuroseNieren und lässt mit dem Lasixauswaschtest den Grad der midauswaschtest urodynamisch relevanten Obstruktion abschätzen (Abb. 11.21 c)
11
Abb. 11.21 a−c Ureterabgangsstenose. Sonographie (a u. b): Linke Niere in Längsund Querschnitt mit stark dilatiertem Nierenbeckenkelchsysten. In der Szintigraphie (c) Kletterkurve der linke Niere im Sinne einer urodynamisch relevanten Harnabflussstörung. (Die Abbildung wurde dankenswerterweise von Herrn Dr. R. Lorenz, Klinik und Poliklinik für Nukearmedizin, Universität Würzburg, zur Verfügung gestellt.)
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
315
Differenzialdiagnose: Sekundäre Ureterabgangsstenose, 왘 polyzystische Degeneration, 왘 multizystische Nierendegeneration, 왘 Nierenzysten, 왘 Tumor. 왘
Primärer Megaureter Pathogenese: Im terminalen Uretersegment findet sich eine adynames, von zirkulären Muskel- und Kollagenfasern durchsetztes wandverdicktes Segment, das die peristaltische Welle des proximalen Ureteranteils nicht weiterlaufen lässt und zusätzlich sogar noch zu einer Retroperistaltik führen kann. Durch den prävesikal adynamen Ureter baut sich ein erhöhter Ureterverschlussdruck auf, wobei das terminale Uretersegment weitgehend normkalibrig und die „Obstruktion“ somit funktionell und nicht anatomisch bedingt ist. Der proximale Ureter hat im Vergleich zum Gesunden einen auf das 3−5fache erhöhten Anteil an elastischen Fasern. Symptomatik: 쐌 Oft asymptomatisch, 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Flankenschmerzen, 쐌 Hämaturie, 쐌 Steinbildung, 쐌 Hypertonie, 쐌 Niereninsuffizienz.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.22 a u. b a Bilaterale Ureterabgangstenose. Ausscheidungsurographie: Typisch konfiguriertes Nierenbecken mit fehlender Harnleiterdarstellung. b Bilaterale Ureterabgangsstenose. MR-Urographie in koronarer Schnittführung (T2Wichtung): Massive Aufweitung beider Nierenbeckenkelchsysteme. Ein Reflux war ausgeschlossen worden.
11
316
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Diagnostik Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 Dilatation des NBKS und der oft mäanderförmig verlaufenden Ureteren bis in den prävesikalen Bereich (Abb. 11.23)
IVP
쐌 bei massiver Nierenbeckendilatation oft fast normale Kelche 쐌 Ureter besonders im mittleren und distalen Drittel dilatiert mit einem terminal-prävesikalen engen Segment (Abb. 11.24)
MCU
쐌 bei ca. 10 % ein vesikorenaler Reflux
Urethrozystoskopie
쐌 häufig Lateralisierung des Ostiums 쐌 bei massivem Reflux häufig ein Golflochostium
Nierenfunktionsszintigraphie
쐌 Da durch das IVP eine Obstruktion nicht sicher auszuschließen ist, sollte zur Komplettierung der Diagnostik und Indikationsstellung zu einer evtl. erforderlichen operativen Sanierung eine Nierenfunktionsszintigraphie mit Furo-semidauswaschtest erfolgen.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Untersuchung
11
Abb. 11.23 a−d Uretermündungsstenose. a u. b Sonographie (a) quer, (b) längs: Massiv dilatierte und geschlängelt verlaufende retrovesikale Harnleiter. c In der Panoramabildgebung gut auf ganzer Länge darzustellen. d Dilatation des Nierenbeckens.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
317
Differenzialdiagnose: Sekundärer Megaureter, 왘 angeborene oder erworbene Ureterstriktur, 왘 ureterale Klappen, 왘 Ureterozele, 왘 primärer oder erworbener vesikoureteraler Reflux. 왘
Ureterozele Pathogenese: Die Ureterozele (Inzidenz 1 : 5000−12 000, weiblich : männlich = 7 : 1) besteht aus einer ballonähnlichen Auftreibung im intraveskalen submukösen Ureterverlauf, die durch die peristaltischen Wellen zystisch in die Blase vorgewölbt wird. Die Außenseite der Zelenwand besteht aus Blasenschleimhaut, die Innenseite aus Ureterschleimhaut. Die Wand weist eine Fehlverteilung von Muskulatur und Bindegewebe auf. Symptomatik: 쐌 Häufig asymptomatisch, 쐌 Schmerzen, 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Hämaturie, 쐌 Harnverhalt.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.24 Primärer Megaureter beidseits. IVP: Massive Dilatation des beidseitigen oberen Harntraktes. Radiologischer Nachweis des prävesikal engen Uretersegmentes (Pfeil).
11
318
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 intravesikale Darstellung einer zystischen Formation mit wechselndem Füllungszustand am Trigonum 쐌 bei Obstruktion Dilatation des parenchymreduzierten oberen Doppelnierenanteils und des zugehörigen Ureters (Abb. 11.25 a)
IVP
쐌 „Kobrakopfphänomen“ als kolbige Auftreibung an der Uretermündungsstelle, bedingt durch kontrastmittelgefüllte Ureterozele
MCU
쐌 bei 50 % ausgeprägter Reflux in den unteren Nierenanteil, bei Ureterozele kolbenförmige Kontrastmittelaussparung in die Blase (Abb. 11.25 b)
Nierenfunktionsszintigraphie
쐌 häufig seitengetrennte Funktionsuntersuchung erforderlich, eine Trennung des oberen und unteren Doppelnierenanteils (ROI) sowie ein Furosemidauswaschtest
Urethrozystoskopie
쐌 Kleine orthotope Ureterozelen können bei gefüllter Blase übersehen werden. Füllung und Darstellung der Ureterozele (falls nicht obstruktiv) ist oft nur bei Urinejektion möglich. Bei großen Ureterozelen ist die Lokalisation des kontralateralen Ostiums oft problematisch.
Differenzialdiagnose: Megaureter, 왘 vesikorenaler Reflux, 왘 ektoper Ureter. 왘
Retrokavaler Ureter Pathogenese: Es handelt sich um eine fetale Entwicklungsstörung der Kardinalvenen, aus denen sich die V. cava entwickelt. Der rechte Ureter unterkreuzt in Höhe LWK 3−4 die V. cava, um diese dann wieder zu überkreuzen und in regulärer Lage weiter zu ziehen. Damit kommt es zu einer Kompression des Ureters.
11
Abb. 11.25 a u. b a Ureterozele. Zystische Struktur mit echoreicher Wand im Ultraschall. b KM-Aussparung im MCU.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
319
Symptomatik: 쐌 Flankenschmerz, 쐌 Kolik bei Diuresebelastung, 쐌 Hämaturie.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 dilatiertes NBKS mit breitem Harnleiterabgang 쐌 Ureter bis zur Kreuzungsstelle mit der V. cava verfolgbar
IVP
쐌 leicht bis stark dilatierter proximaler Ureter und NBKS 쐌 Parenchymreduktion 쐌 bei funktionell geringgradiger Obstruktion zarte Ureterdarstellung distal der Kreuzungsstelle, medial ziehend und abbrechend in Höhe LWK 3, bei weiterer distaler Darstellung ein S-förmiger Verlauf
Differenzialdiagnose: Ureterstenose, 왘 Ureterklappen, 왘 nichtschattengebendes Ureterkonkrement, 왘 narbige Verziehung, 왘 Tumorkompression, 왘 Morbus Ormond (beim Erwachsenen).
Primärer vesikorenaler Reflux Pathogenese: Ursache des primären Refluxes ist eine mangelhafte Verankerung des Ureterostiums in der Blase. Der ureterovesikale Verschlussmechanismus wird durch den submukösen Ureterverlauf, den schrägen Durchtritt durch die Blasenmuskulatur sowie die Fixation des terminalen Ureters am Trigonum bedingt. Sowohl ein verkürzter intramuraler Verlauf (vor allem bei Doppelfehlbildungen [kaudaler Nierenanteil]) als auch ein fehlerhafter Aufbau des juxtavesikalen Ureters und der trigonalen Blasenmuskulatur bedingen Störungen des Ventilmechanismus mit nachfolgend vesikoureteralem bzw. vesikorenalem Reflux. Symptomatik: 쐌 Unspezifische Gedeihstörungen, 쐌 Flankenschmerz, 쐌 rezidivierende Harnwegsinfekte, 쐌 Spätfolgen: Niereninsuffizienz und Hypertonie.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 narbig verändertes bzw. rarefiziertes Nierenparenchym 쐌 bei voller Blase dilatierter Ureter und eine Dilatation und Verplumpung des NBKS 쐌 evtl. Doppelniere
Miktionsurosonographie (MUS)
nach intravesikaler Gabe von Ultraschallkontrastmittel Darstellung des Reflux durch Mikrobläschen (Abb. 11.26 a u. b)
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Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
11
320
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Untersuchung
Erwarteter Befund
IVP
쐌 쐌 쐌 쐌
MCU
쐌 bei Blasenfüllung ein Nierendruckreflux oder in der Miktionsphase ein Hochdruckreflux 쐌 Einteilung des vesikoureteralen/-renalen Refluxes s. o. (Abb. 11.26 c)
Urethrozystoskopie
쐌 Beurteilung von Ostienmorphologie und Lage (lateralisiert) 쐌 Ausschluss subvesikaler Obstruktionen
Kelchdestruktion und -verplumpungen Parenchymnarben durchgezeichneter Harnleiter Doppelnierenanlage
Nierenfunktionsszintigra- 쐌 99 mTc-MAG3 seitengetrennte Nierenfunktion 쐌 indirekter Refluxnachweis phie 쐌 Ausschluss einer gleichzeitigen Obstruktion
Differenzialdiagnose: Sekundärer Reflux, 왘 primärer oder sekundärer Megaureter, 왘 Megazystitis-Megaureter-Syndrom.
Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
11
Abb. 11.26 a−c Vesikorenaler Reflux. Sonographische und radiologische Darstellung von Reflux und intrarenalem Reflux rechte Seite. a u. b MUS. c MCU.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
321
Prune-Belly-Syndrom (PB-Syndrom) Pathogenese: Das PB-Syndrom (Inzidenz 1:400 000 Geburten) ist ein Dysplasiesyndrom mit Bauchwandmuskelschwäche, schwerwiegenden dysplastischen Veränderungen der Nieren und ableitenden Harnwege und bilateralem Kryptorchismus. Ätiologisch wird sowohl eine passagere intrauterine schwere subvesikale Obstruktion als auch eine fehlerhafte Mesenchymdifferenzierung diskutiert. Die Prognose ist von der Ausprägung der renalen Dysplasie abhängig. Symptomatik: 쐌 Bauchwandmuskelschwäche, 쐌 Harnwegsinfekte, 쐌 Gedeihstörungen.
Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 pränatal: Dilatation und Deformierung des oberen Harntraktes, Oligohydramnion 쐌 später: Zeichen der Nierendysplasie, Dilatation des Harntraktes, auffällige Blasenmorphologie, Restharn
IVP
쐌 massiv dilatiertes NBKS, Kelchdeformitäten 쐌 dilatierte und elongierte Ureteren 쐌 große Blasenkapazität
MCU
쐌 쐌 쐌 쐌
urethrale Fehlbildungen (Strikturen, Megalourethra) dilatierte und deformierte Blase vesikorenaler Reflux dilatierte und elongierte Ureteren vor allem im distalen Drittel 쐌 massiv dilatiertes NBKS mit Deformierungen
Urolithiasis Pathogenese: Bei Kindern selten (Inzidenz 2−5 %), ab dem 9. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit zu. Begünstigend für die Steinbildung sind Harnwegsinfekte (Infektsteine bei Kleinkindern), Abflussbehinderungen und angeborene oder erworbene Stoffwechseldefekte. Symptomatik: 쐌 Koliken, 쐌 Erbrechen, 쐌 Hämaturie, 쐌 unspezifische Abdominalbeschwerden, 쐌 Leukozyturie, 쐌 fieberhafte Harnwegsinfekte, 쐌 Spätfolgen: Nierenfunktionseinschränkung, renaler Hypertonus.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
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322
11.4 Dilatation des oberen Harntraktes
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
쐌 Darstellung der Steine im Bereich der Niere und pyeloureteralen Übergangs 쐌 bei Uretersteinen Dilatation des Abschnittes proximal des Steines
IVP
쐌 bei röntgendichten Steinen direkter Steinnachweis in der Nierenübersichtsaufnahme 쐌 bei nichtschattengebenden Steinen Kontrastmittelaussparungen 쐌 bei Uretersteinen häufig Abflussbehinderung mit Dilatation des proximalen Ureters und NBKS, Ausscheidungsverzögerung der gestauten Niere
Differenzialdiagnose: Tumor, 왘 Ureterstriktur, 왘 Markschwammnieren, 왘 interstitielle Zystitis mit Papillennekrosen, 왘 akute Pyelonephritis mit eventueller Koagelverstopfung des Ureters und Nephrokalzinose. 왘
Kinderurologische Krankheitsbilder
Literatur
11
APN-Konsensusgruppe, Arbeitskreis Kinderurologie in der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Arbeitsgemeinschaft Kinderurologie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Consensus on diagnostic strategies in connatal dilatations of the urinary tract. Akt Urol. 2002;33:36−45. Bonfig R, Riedmiller H. Urologie. In: Speer CP, Gahr M, Hrsg. Pädiatrie. 2. Aufl. Berlin: Springer; 2005:863−89. Darge K, Beer M. Fortschritte in der pädiatrischen Sonographie. Radiologe. 2003;43:813− 22. Darge K, Moeller RT, Trusen A, Butter F, Gordjani N, Riedmiller H. Diagnosis of vesicoureteric reflux with low-dose contrast-enhanced harmonic ultrasound imaging. Pediatr Radiol. 2004;35:73−8. Darge K, Riedmiller H. Current status of vesicoureteral reflux diagnosis. World J Urol. 2004;22:88−95. Fernbach SK, Maizels M, Conway JJ. Ultrasound grading of hydronephrosis: introduction to the system used by the Society for Fetal Urology. Pediatr Radiol. 1993;23:478−80. Hahn K, Rink FJ. Nuklearmedizinische Funktionsdagnostik. In: Thüroff JW, Schulte-Wissermann H, Hrsg. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2000:51−7. Kröpfl D, Verweyen A. Harnleiteranomalien. In: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003:438−51. Lebowitz RL, Olbing H, Parkkulainen KV, Smellie JM, Tamminen-Möbius TE. International Reflux Study in Children: International system of radiographic grading of vesicoureteric reflux. Pediatr Radiol. 1985;15:105−9. Lyon RP, Marshall S, Tanagho E. The ureteral orifice: its configuration and competency. J Urol. 1969;102:504. Mackie CG, Stephens FD. Duplex kidneys: A correlation of renal dysplasia with position of the ureteral orifice. J Urol. 1995;114:274. Peters CA, Mandell J, Lebowitz RL et al. Congenital obstructed megaureters in early infancy: Diagnosis and treatment. J Urol. 1989;142:641−5. Ransley PG, Dhillon HK, Gordon I, Duffy PG, Dillon MJ, Barratt TM. The postnatal management of hydronephrosis diagnosed by prenatal ultrasound. J Urol. 1990;144:584−7. Stein R, Zepp F, Schumacher R, Hohenfellner R. Stufendiagnostik asymptomatischer Harnwegsdilatationen bei Neugeborenen. In: Thüroff JW, Schulte-Wissermann H, Hrsg. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2000:10−3. Riedmiller H, Bonfig R. Vesikoureteraler und vesikorenaler Reflux. In: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003:452−65.
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Grundlagen
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Riedmiller H, Gerharz EW. Ureterozele. In: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003:466−71. Ringert RH. Harnleiterabgangsstenosen. In: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003:430−7. Schumacher R, Tröger J. Bildgebende urologische Diagnostik. In: Thüroff JW, Schulte-Wissermann H, Hrsg. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2000:32−50. Schumacher S, Brühl PW. Nierenanomalien. In: Jocham D, Miller K, Hrsg. Praxis der Urologie. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2003:409−29. Wille S, von Knobloch R, Klose KJ, Heidenreich A, Hofmann R. Magnetic resonance urography in pediatric urology. Scand J Urol Nephrol. 2003;37:16−21. Weitzel D, Hohenfellner K. Neonatales sonographisches Screening des Harntraktes. In: Thüroff JW, Schulte-Wissermann H, Hrsg. Kinderurologie in Klinik und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2000:2−9.
11.5
Wachstums- und Gedeihstörungen H. Schulte-Wissermann
Definition: Wachstums- und Gedeihstörung ist ein Sammelbegriff für ätiopathogenetisch sehr unterschiedliche Störungen der Gewichts- und/oder Längenentwicklung des Kindes. Immer sind die einwirkenden Störungen chronisch und bewirken natürlich ganz besondere Wachstums- und Gedeihreduzierungen in Phasen starken Wachstums (vor allem Säuglingszeit). Nicht immer sind Längen- und Gewichtsentwicklung gleichermaßen betroffen: Chronische Gedeihstörungen mit mangelnder Gewichtszunahme bei normaler Körperlänge kommen ebenso vor wie isolierte Störungen des Längenwachstums. Die Einordnung eines klinischen Zustandes als Wachstums- und Gedeihstörung ist im Grunde nur möglich − besonders bei gleichsinniger Reduzierung von Gewicht und Körperlänge, wenn das Lebensalter des Kindes bekannt ist. In Ländern der sog. Dritten Welt ist daher die Einschätzung von Wachstum und Ernährungszustand kompliziert. Im angelsächsischen Sprachgebrauch entspricht „Failure to Thrive“ der chronischen Gedeihstörung, während „Malnutrition“ der Dystrophie am nächsten kommt. In Bezug auf Malnutrition kennt die sog. Wellcome-Klassifikation 4 verschiedene Zustände, wobei − bezogen auf das altersentsprechende Standardgewicht − zwischen dem Grad des Untergewichtes und dem Vorhandensein von Ödemen unterschieden wird: 1. Untergewicht: Gewicht 60−80 % der Altersnorm (50. Perzentile), 2. Marasmus: Gewicht unter 60 % der Altersnorm, 3. Kwashiokor: Gewicht 60−80 % der Altersnorm, Ödeme, 4. Marasmischer Kwashiokor: Gewicht unter 60 % der Altersnorm, Ödeme.
Definition der (chronischen) Wachstums- und Gedeihstörung: Reduktion der absoluten Körperlänge und/oder des Körpergewichtes bzw. der Zuwachsraten der Längen- und/ oder der Gewichtsentwicklung von mehr als der doppelten Standardabweichung (-2 SD) vom Mittelwert der Altersnorm.
Während das Gewicht in zahlreichen Fällen auch auf die vorhandene Körpergröße bezogen werden kann (Mangelernährung: -2 SD oder 쏝 80 %), lässt sich ein Minderwuchs nur durch Vergleich mit der entsprechenden Altersnorm diagnostizieren. Ätiologie: Grundsätzlich sind Wachstums- und Gedeihstörungen auf Ursachen zurückzuführen, die entweder in der Umgebung des Kindes zu finden (exogen) oder im Patienten selbst begründet sind (endogen). Inadäquate Nahrungszufuhr, d. h. mangelnde Deckung des quantitativen, aber auch des qualitativen Nahrungsbedarfs (z. B. Eiweiß-, Vitamin-, Jodmangel), ist in Entwicklungsländern überwiegend die Ursache für Wachstums- und Gedeihstörungen. In den westlichen Industrieländern rücken dagegen endogene Faktoren mehr in den Vordergrund.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Grundlagen
11
324
11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen Zahlreiche Ursachen können zu Wachstums- und Gedeihstörungen führen: exzessive Energieverluste (bei intestinaler Malabsorption), 왘 pathologische Stoffwechselvorgänge mit einer ganzen Reihe von zugrunde liegenden Störungen (genetische Defekte wie auch globale Organinsuffizienzen), 왘 Endokrinopathien, 왘 Muskel- und Skeletterkrankungen, 왘 Chromosomenaberrationen. 왘
Cave:
Kinderurologische Krankheitsbilder
In erster Linie ist die Wachstums- und Gedeihstörung als Symptom von Zuständen und Erkrankungen aufzufassen, die zu einer chronischen Unterdeckung der Energiezufuhr, aber auch einzelner (essenzieller) Nahrungsmittel führen.
11
Nicht selten sind die Ursachen kombiniert; eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder eine Chromosomenaberration wie die Trisomie 21 können selbstverständlich durch verminderte Nahrungsaufnahme zu „Aufzuchtproblemen“ führen. Die Ursachen einer Wachstums- oder Gedeihstörung sind so zahlreich, dass im Grunde das Sachregister eines jeden pädiatrischen Lehrbuches zur Differenzierung herangezogen werden kann. Organische bzw. patienteneigene Ursachen kommen aber auch in den westlichen Industrieländern wesentlich seltener vor, als man allgemein annehmen könnte: Mehr als 50 % der beobachteten Wachstums- und Gedeihstörungen sind auf Umgebungsfaktoren (vermindertes Nahrungsangebot wie z. B. „Hunger an der Brust“, Kindesmisshandlung, Vernachlässigung) oder psychosoziale Ursachen (Deprivation) zurückzuführen. Symptomatik: Die Wachstums- und Gedeihstörung ist in vielen Fällen die einzige auffällige Symptomatik. Sie wird besonders auffällig in Phasen hoher Wachstumsraten (vor allem Säuglingsalter), üblicherweise begleitet von statomotorischer und psychomotorischer Retardierung. Bei dystrophen Kindern kommt es, von der Bauchhaut ausgehend, auf die Extremitäten übergreifend, zu einer Abnahme des subkutanen Fettgewebes. Daher erscheint die Haut als insgesamt zu weit (Tabaksbeutelgesäß). Die Muskulatur an Armen und Beinen wirkt dürftig ausgebildet und schlaff. Die Haut ist blass mit leichter Zyanose an den oft unterkühlten Extremitäten.
Weitere Symptome: 쐌 Erbrechen, 쐌 Diarrhö, 쐌 Hungerstühle, 쐌 Fieber, 쐌 Anämie, 쐌 Zyanose, 쐌 aufgetriebenes Abdomen, 쐌 syndromhafte Fehlbildungen, 쐌 Ödeme usw.
Wenn man berücksichtigt, wie stark das Gedeihen des Kindes von einer intakten Beziehung zur Mutter und Familie abhängig ist, so wird man in den weitaus meisten Fällen die Ursache(n) der Gedeihstörung allein durch eine gute Anamnese und körperliche Untersuchung feststellen können. Laboruntersuchungen sind daher eher zweitrangig; sie bestätigen und präzisieren im Allgemeinen nur die Diagnose.
Einteilung Wachstums- und Gedeihstörungen werden am geeignetsten nach ihrer Ätiologie eingeteilt. Ausgehend vom zeitlichen Verlauf der Wachstums- und Gedeihstörung besteht auch folgende Einteilung, mit der unter Benutzung normaler Wachstumskurven (Abb. 11.27, 11.28) die Ursache der Wachstums- und Gedeihstörung eingegrenzt werden kann: 왘 plötzliche Beeinträchtigung von Wachstum und/oder Gewichtszunahme, 왘 allmähliche Beeinträchtigung von Wachstum und/oder Gewichtszunahme,
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Abb. 11.27 Wachstums- und Gewichtskurven in Perzentilen (Mädchen 0−18 Jahre) (nach Brandt u. Reinken).
325
Kinderurologische Krankheitsbilder
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
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Abb. 11.28
Wachstums- und Gewichtskurven in Perzentilen (Jungen 0−18 Jahre) (nach Brandt u. Reinken).
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11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen 왘 왘
kontinuierliche Reduktion von Größe und Gewicht seit Geburt, pränatale Wachstums- und Gedeihstörung.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Anamnese: Familienanamnese, 왘 Sozialanamnese, 왘 Ernährungsanamnese. 왘
Körperliche Untersuchung Labor: Je nach Krankheitsbild (S. 329 ff): 왘 Blutlabor, 왘 Urinuntersuchung.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Bildgebende Diagnostik: Je nach Krankheitsbild (S. 329 ff): 왘 Röntgen, 왘 IVP, 왘 Sonographie.
11
Weiterführende Diagnostik: Je nach Krankheitsbild (S. 329 ff): 왘 Histologie, 왘 molekulargenetische Untersuchung.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Normalvarianten des Wachstums Wachstumsvariante
Kommentar
1. familiäre Mindergröße
쐌 Größe und Gewicht proportional unter 3. Perzentile, jedoch den entsprechenden Wachstumskurven folgend 쐌 Mindergröße in der Familie bekannt 쐌 Knochenalter entspricht chronologischem Alter
2. konstitutionelle Entwicklungsverzögerung
쐌 erbliche Variante der Norm 쐌 nach dem 3. Lebensmonat verzögertes Wachstum und oft auch verspäteter Eintritt der Pubertät 쐌 Knochenalter gleichermaßen wie Längenentwicklung retardiert, sodass letztendlich normale Endlänge erreicht werden kann
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Wachstums- und Gedeihstörungen durch exogene Ursachen Ursache
Symptomatik
1. geringes Nahrungsangebot
쐌 Gewicht eher reduziert als Körpergröße 쐌 Ursache meist offensichtlich (s. auch Eltern mit alternativen Ernährungsgewohnheiten), aber auch versteckt (z. B. „Hunger an der Brust“) 쐌 quantitativ (kalorisches Defizit): Dystrophie, Marasmus 쐌 qualitativ (z. B. Proteinmangel): Kwashiokor
2. psychosoziale Faktoren (häufig)
쐌 ungünstiges familiäres Milieu mit schlechter MutterKind-Beziehung bis hin zu schlechter Betreuung des Kindes (Vernachlässigung, Misshandlung) 쐌 Komplexe Einwirkung sozioökonomischer und emotionaler Faktoren
3. psychosozialer Minderwuchs
쐌 ausgeprägter Minderwuchs und Dystrophie mit mangelnder psychomotorischer Entwicklung, aggressivem Verhalten und mangelndem Interesse an der Umwelt 쐌 reversible verminderte Sekretion von Wachstumshormon (psychosomatische Erkrankung)
Ursache
Erkrankung
1. einfache bzw. komplexe tubuläre Störungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
DeToni-Debré-Fanconi-Syndrom okulozerebrorenales (Lowe)Syndrom Diabetes insipidus renalis renal-tubuläre Azidose familiäre hypophosphatämische Rachitis Pseudohypoparathyreoidismus Bartter-Syndrom (Kalium- und Chlorverlust) Pseudohypoaldosteronismus (Natriumverlust)
2. chronische Niereninsuffizienz
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Refluxnephropathie, obstruktive Uropathie (S. 293) kongenitale Hypoplasie/Dysplasie Glomerulonephritiden (spezielle) interstitielle Nephritis polyzystische Nierendysplasie juvenile Nephronophthise hämolytisch-urämisches Syndrom Alport-Syndrom und andere hereditäre Nephropathien Zystinose Oxalose Schönlein-Henoch-Syndrom Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (SLE, Panarteriitis nodosa)
쐌 쐌 쐌 쐌
Die unter 1. aufgeführten Erkrankungen sind selten; die unter 2. aufgeführten Erkrankungen sind in abnehmender Häufigkeit für chronische Niereninsuffizienz verantwortlich.
3. chronische Hämodialyse und Nierentransplantation
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Wachstums- und Gedeihstörungen bei renalen Erkrankungen
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11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen
Kinderurologische Krankheitsbilder
Wachstums- und Gedeihstörungen bei angeborenen oder erworbenen extrarenalen chronischen Erkrankungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Ursache
Erkrankung
1. Erkrankungen des Zentralnervensystems
쐌 chronisches subdurales Hämatom 쐌 Zerebralschaden durch Hypoxie, Blutung, Trauma, Infektion 쐌 degenerative Erkrankungen 쐌 dienzephales Syndrom (z. B. Tumor im Bereich des 3. Ventrikels)
2. gastrointestinale Erkrankungen
쐌 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 쐌 Schluckstörungen, gastroösophagealer Reflux, Ösophaguskompression 쐌 Hiatushernie 쐌 Pylorusstenose 쐌 Mukoviszidose 쐌 Enzymdefekte in der Schleimhaut (z. B. Laktasemangel) 쐌 Zöliakie 쐌 chronische Pankreatitis bzw. Pankreasinsuffizienz (z. B. Schwachmann-Syndrom) 쐌 Nahrungsmittelallergie (besonders Kuhmilch) 쐌 Leber- und Gallengangserkrankungen 쐌 chronische Darmentzündungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa 쐌 Morbus Hirschsprung
3. kardiorespiratorische Erkrankungen
쐌 angeborenes (zyanotisches) Vitium 쐌 Myokardiopathie, Endo-/Myokarditis 쐌 chronische Lungenerkrankungen (z. B. bronchiopulmonale Dysplasie, Bronchiektasen) 쐌 rekurrierendes, schweres Asthma (psychosoziale Faktoren?) 쐌 Mukoviszidose
4. endokrinologische Erkrankungen
쐌 Hypo-/Hyperthyreose 쐌 Hypopituitarismus 쐌 Nebennierenrinde: − Morbus Addison − Cushing-Syndrom − Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) − kongenitales adrenogenitales Syndrom (AGS) (S. 69, S. 450) 쐌 Hypoparathyreoidismus 쐌 Diabetes mellitus
5. Muskel- und Skeletterkrankungen
쐌 Skeletthypoplasien, -dysplasien wie z. B. Achondroplasie, Osteogenesis imperfecta (dysproportionierter Minderwuchs) 쐌 Vitamin-D-resistente Rachitis 쐌 Muskeldystrophie, Muskelatrophie, kongenitale Myopathien
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Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Kurzdarstellung wichtiger renaler Krankheitsbilder
Erkrankung
6. metabolische Erkrankungen
쐌 Galaktosämie 쐌 Erkrankungen im Stoffwechsel der Aminosäuren bzw. organischen Säuren 쐌 Speicherkrankheiten: − Mukopolysaccharidosen − Lipidosen − Glykogenosen 쐌 schwerer Eisen-, Zink-, Vitaminmangel
7. Chromosomenstörungen
쐌 z. B. Trisomie 13, 18, 21 쐌 Ullrich-Turner-Syndrom (S. 344)
8. chronische Infektionen
쐌 z. B. Tuberkulose, Pilzinfektionen, Parasitosen, AIDS
9. immunologische Erkrankungen
쐌 Immundefekte 쐌 rheumatische Krankheiten, Kollagenkrankheiten (z. B. JRA, SLE)
10. chronische Intoxikation
쐌 z. B. Blei, Quecksilber, Kupfer, Hypervitaminosen
11. kongenitale Ursachen (intrauteriner Minderwuchs)
쐌 exogen: − Infektion − Strahlenschädigung − Plazentainsuffizienz − mütterliche Ursachen: Niereninsuffizienz, EPHGestose, Zigaretten-/Alkoholabusus, Medikamente (besonders Zytostatika) 쐌 endogen: − chromosomale Aberrationen − dysmorphogenetische Syndrome (z. B. SilverRussel-Syndrom)
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder − tubuläre Erkrankungen Chronische Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichtes, des Elektrolytgleichgewichtes, der Plasmaosmolarität und des Wasserhaushaltes wirken sich verlangsamend auf das Wachstum aus, auch wenn die genauen pathogenetischen Mechanismen nicht bekannt sind. Am ehesten sind noch die negative Auswirkung einer renalen Azidose und einer Hypophosphatämie auf den Knochenstoffwechsel zu verstehen (renale Osteopathie, renale Rachitis).
De-Tonie-Debré-Fanconi-Syndrom Definition: Globale Störung der Aminosäuren-, Phosphat-, Glucose- und Bicarbonatresorption. Pathogenese: Schädigung des proximalen Tubulus. Durch pathologische Erhöhung der passiven Permeabilität vermindert sich die Transportleistung für Aminosäuren, Glucose, Phosphat, Bicarbonat und Eiweiß. Natrium, Kalium und Calcium werden ebenfalls vermehrt ausgeschieden (bis zum 5 fachen der Norm). Ätiologie: Entweder idiopathisch (primär) oder sekundär, wofür eine ganze Reihe von Erkrankungen bzw. Ursachen in Betracht kommen:
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Ursache
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11
330
11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen 왘
왘
erblich: Zystinose, Galaktosämie, hereditäre Fruktoseintoleranz, Tyrosinämie, Wilson-Erkrankung, Glykogenosen, Lowe-Syndrom, Cytochrom-c-OxidaseMangel, idiopathisch, sekundär erworben: Schwermetallvergiftungen (Blei, Quecksilber), Medikamente (Azathioprin, Ifosfamid, Cisplatin, veraltetes Tetrazyklin), multiples Myelom, Amyloidose. Symptomatik: Erste Symptome, besonders bei Säuglingen: 쐌 Polyurie, 쐌 Polydipsie, 쐌 Exsikkose, 쐌 erhöhte Temperaturen. später: 쐌 Minderwuchs, 쐌 Gedeihstörungen, 쐌 rachitische Zeichen.
Diagnostik
Kinderurologische Krankheitsbilder
쐌 Nachweis von Hyperaminazidurie, Proteinurie, Glukosurie, Hypophosphatämie, Hypokalzämie, Hypourikämie und Azidose, 쐌 Sicherung der tubulären Transportstörungen durch spezielle Funktionsuntersuchungen 쐌 Nachweis der Ursache.
11
Okulozerebrorenales (Lowe-)Syndrom Ätiopathogenese: Meist X-chromosomal-rezessives Erbleiden (Störung der Inositol-Polyphosphat-5-Phosphatase). Nierenmikroskopie anfänglich normal. Später zunehmend Veränderungen am Bürstensaum, Vergrößerung der tubulären Mitochondrien, Basalmembranverdickung, Tubulusatrophie; auch glomeruläre Veränderungen mit Zellvermehrung, Basalmembranverdickung, Fibrose.
Symptomatik: 쐌 Angeborene Katarakte, 쐌 gelegentlich Buphthalmus bzw. Enophthalmus, 쐌 Korneatrübung, 쐌 bereits im Säuglingsalter deutliche (progressive) psychomotorische Retardierung und muskuläre Hypotonie, 쐌 zunächst leichte Adipositas, ab 2. Lebensjahr Dystrophie, Kryptorchismus, 쐌 Fanconi-Syndrom, später gelegentlich auch chronische Niereninsuffizienz.
Diagnostik 쐌 Klinik, 쐌 Nachweis eines Fanconi-Syndroms.
Differenzialdiagnose: Zerebrohepatorenales Syndrom Zellweger.
Diabetes insipidus renalis Ätiopathogenese: Meist Knaben (X-chromosomal-rezessiv), Mutation im Vasopressin-V2-Rezeptor-Gen. Selten autosomal rezessiv.
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Kurzdarstellung wichtiger renaler Krankheitsbilder
331
Symptomatik: 쐌 Polyurie mit sehr niedrigem spezifischem Gewicht, 쐌 Polydipsie, 쐌 Exsikkose, 쐌 Inappetenz, 쐌 Fieber, 쐌 evtl. sekundäre geistige Retardierung.
Diagnostik 쐌 Polyurie mit Urinosmolalität unter 90 mosm/l trotz Exsikkose 쐌 Natrium- und Chlorkonzentration im Serum deutlich erhöht, 쐌 Tubulusresistenz gegen Vasopressin (synthetisches DDAVP: 4 E i. v.).
Differenzialdiagnose: 왘 Andere chronische Nierenerkrankungen, 왘 Diabetes mellitus (Glukosurie), 왘 Diabetes insipidus neurohormonalis (Vasopressintest).
Renal-tubuläre Azidose (primäre RTA) Ätiopathogenese: Typ I und Typ II der primären RTA: Typ I wird als klassische bzw. distale RTA bezeichnet. Meist sporadisch, aber auch autosomal-dominant bzw. -rezessiv vererbt. Mädchen überwiegen. Defekt beruht auf verminderter Sekretion von H+ in den distalen Tubuluszellen bzw. auf Unfähigkeit des distalen Tubulus, einen adäquaten Gradienten für H+-Ionen zwischen Tubuluslumen und Blut aufzubauen. 왘 Typ II der RTA beruht auf einem Defekt der proximalen Bicarbonatresorption (Carboanhydrasedefekt). Sporadisch, aber auch autosomal-rezessiv (in manchen Familien mit Taubheit oder Osteopetrosis). Weitere, wesentlich seltenere Typen der RTA existieren. Tubuläre Azidose auch sekundär, z. B. bei Fanconi-Syndrom. Symptomatik: 쐌 Erbrechen, 쐌 Nephrokalzinose, 쐌 Nephrolithiasis (Calciumoxalat, Calciumphosphat), 쐌 Polyurie (nach Nierenmarkschädigung), 쐌 Muskellähmungen (bei sekundärer Hypokaliämie), 쐌 Osteomalazie, 쐌 Rachitis, 쐌 Minderwuchs, 쐌 alkalischer Urin.
Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
11
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Blutlabor
쐌 manifeste Azidose mit niedrigen Bicarbonatwerten (쏝 15 mval/l) 쐌 Hyperchlorämie 쐌 Hyponatriämie 쐌 bisweilen Hypokaliämie
Urinuntersuchung
쐌 hoher Urin-pH
Säurebelastung
쐌 führt bei Typ I zu keiner Erniedrigung des Urin-pH, wohl aber bei Typ II
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11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen Differenzialdiagnose: 왘 Andere chronische Nierenerkrankungen mit metabolischer Azidose, 왘 Diabetes mellitus, 왘 andere Rachitis- bzw. Nephrolithiasisformen.
Familiäre hypophosphatämische Rachitis Ätiopathogenese: Am häufigsten X-chromosomal-dominantes Erbleiden, daher bei Mädchen geringere Ausprägung der Symptome. Erhebliche isolierte Störung der tubulären Phosphatrückresorption (sog. Phosphatdiabetes bzw. Vitamin-D-resistente Rachitis). Ursache beruht auf Mutation im PHEX-Gen, wodurch der Na-Ph-Kotransporter runterreguliert ist. Biochemische Veränderungen (Hypophosphatämie, hohe alkalische Phosphatase) sind bereits im 1. Lebensjahr, klinische Symptome aber vorwiegend erst ab dem 2. Lebensjahr nachweisbar. Später Nephrokalzinose.
Symptomatik: 쐌 Mäßiggradiger Minderwuchs mit Betonung an den unteren Extremitäten, 쐌 ausgeprägte O-Beine (seltener X-Beine), 쐌 Watschelgang, 쐌 Rosenkranz an Rippen, 쐌 Auftreibung von Hand- und Fußgelenken, 쐌 peridontale Abszesse, 쐌 Schmelzdefekte an den Zähnen, 쐌 verspäteter Zahndurchbruch, 쐌 nach Pubertät Wirbelsäulenverbiegungen.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik
11
Untersuchung
Erwarteter Befund
Röntgen
쐌 Veränderungen wie bei Vitamin-D-Mangelrachitis
Blutlabor
쐌 쐌 쐌 쐌
Urinuntersuchung
쐌 Hyperphosphaturie 쐌 pathologische Verminderung der (funktionellen) Phosphatrückresorption
Hypophosphatämie hohe alkalische Phosphatase normales Serumcalcium erhöhtes Parathormon (sekundärer Hyperparathyreoidismus)
Differenzialdiagnose: 왘 Fanconi-Syndrom und renal-tubuläre Azidose, 왘 chronische Niereninsuffizienz (hier Serumphosphat erhöht, Serumcalcium erniedrigt), 왘 klassische Vitamin-D-Mangelrachitis einschließlich der durch Diphenylhydantoin, Primidon oder Phenobarbital induzierten Rachitis antiepileptica (nicht erblich, oft früh im Säuglingsalter, Calcium eher niedrig, Phosphat eher erhöht, Serumkonzentration des aktiven 1,25-(T)OH2-D3 niedrig), 왘 Pseudovitamin-D-Mangelrachitis Typ I (autosomal rezessiv vererbter Block der Hydroxylierung von 25-Hydroxy-Vitamin D3 zu 1,25-(OH2)-D3) oder Typ II (Rezeptormangel für D3), 왘 Hypophosphatasie (Erbkrankheit mit verringerter oder fehlender alkalischer Phosphatase), 왘 metaphysäre Chondrodysplasien.
Pseudo-Hypoparathyreoidismus Ätiopathogenese: Autosomal-dominant (Typ I). Hypokalzämie und verminderte renale Phosphatexkretion bedingt durch fehlende Parathormonwirkung auf Niere und
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Kurzdarstellung wichtiger renaler Krankheitsbilder
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Skelett. Ursache der Parathormonresistenz ist offensichtlich das Fehlen der Bindungsproteine N oder G, die zur Stimulierung des Adenylcyclasesystems erforderlich sind. Symptomatik: 쐌 Kleinwuchs, 쐌 gedrungener Körperbau, 쐌 Rundgesicht, 쐌 Brachymetakarpie, 쐌 subkutane Verkalkungen, 쐌 hypokalzämische Folgen wie Katarakt, Basalganglienverkalkung, Haarausfall, Brüchigkeit der Nägel, Tetanie, geistige Retardierung.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Blutlabor
쐌 Hypokalzämie 쐌 Hyperphosphatämie 쐌 Parathormon im Serum deutlich erhöht
Parathormonresistenz
쐌 vermindertes Ansprechen der Nieren auf Parathormon hinsichtlich cAMP-und Phosphatexkretion
Differenzialdiagnose: 왘 Ullrich-Turner-Syndrom, 왘 Pseudo-Pseudohypoparathyreoidismus (gleicher Phänotyp bei fehlenden biochemischen Veränderungen).
Bartter-Syndrom Ätiopathogenese: Klassisches Bartter-Syndrom autosomal-rezessiv vererbt. Hyperplasie des juxtaglomerulären Apparates mit Hyperreninämie und Hyperaldosteronismus sowie konsekutiver Hypokaliämie und metabolischer Alkalose. Chloridkanaldefekt im distalen Tubulus. Beim klinisch ähnlichen Gitelman-Syndrom besteht ein Na+-Cl−-Kotransporterdefekt. Symptomatik: 쐌 Minderwuchs, 쐌 Polyurie, 쐌 Polydipsie, 쐌 Dehydratation, 쐌 Fieber, 쐌 Muskelschmerzen, 쐌 Krampfanfälle, 쐌 Intelligenzdefekte, 쐌 Obstipation.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Typische Syndromatik
11
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Blutlabor
쐌 Plasmakonzentration für Kalium deutlich erniedrigt (쏝 2,5 mval/l) 쐌 metabolische Alkalose 쐌 Hypochlorämie 쐌 erhöhte Serumspiegel von Renin, Aldosteron, Prostaglandin E2
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11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen
Untersuchung
Erwarteter Befund
Urinuntersuchung
hohe Urinausscheidung von Kalium, Chlor und oft auch Calcium
Blutdruckmessung
Blutdruck (überraschend) normal
Histologie
Nachweis einer Macula-densa-Zellhyperplasie
Molekulargenetische Diagnostik
Differenzialdiagnose: 왘 Ausschluss von Hypokaliämien anderer tubulärer Ursachen: Diabetes mellitus, Diabetes insipidus, Kalium- und Bicarbonatverlust bei chronischem Erbrechen, Laxanzien-, Diuretika- und Lakritzabusus. Diese Zustände gehen im Allgemeinen mit niedrigen Chloridverlusten durch den Harn einher.
Pseudohypoaldosteronismus (Typ I)
Kinderurologische Krankheitsbilder
Ätiopathogenese: Meist familiär; Rezeptordefekt an den Tubuluszellen für Aldosteron.
11
Symptomatik: 쐌 Inappetenz, 쐌 Erbrechen, 쐌 Exsikkose, 쐌 Dystrophie, 쐌 Salzkristalle an den Augenlidern, 쐌 Beginn kurz nach der Geburt.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Blutlabor
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Urinuntersuchung
쐌 exzessiver Natriumverlust über die Nieren
Hyponatriämie Hyperkaliämie metabolische Azidose (sog. Typ IV der RTA) Plasmareninaktivität und Aldosteron erhöht Glykocorticoidspiegel im Plasma normal
Differenzialdiagnose: Alle Formen der Hyponatriämie, insbesondere Zustände mit Nebenniereninsuffizienz.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder − chronische Niereninsuffizienz Die Auswirkungen der chronischen Niereninsuffizienz auf das Wachstum sind komplex. Neben der Einschränkung der glomerulären Filtration finden sich (in Abhängigkeit von der Grunderkrankung) häufig auch tubuläre Störungen sowie sekundäre Veränderungen wie Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltsveränderungen, arterielle Hypertonie und endokrine Störungen (Insulin, Glucagon, Wachstumshormon,
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Kurzdarstellung wichtiger renaler Krankheitsbilder
Cave: Die Wachstumsretardierung ist die bedeutendste Komplikation der chronischen Niereninsuffizienz. Bei angeborener Nierenschädigung ist sie deutlicher ausgeprägt als bei später erworbener.
Diagnose: Die chronische Niereninsuffizienz bzw. eine eingeschränkte GFR unter 25 ml/1,73 qm KO lässt sich relativ leicht durch Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen im Serum bzw. durch Clearanceuntersuchung nachweisen. Die Ursache der renalen Insuffizienz ist in den meisten Fällen bereits bekannt (wenn man von der obstruktiven Uropathie absieht, die in der Tat lange klinisch stumm verlaufen kann): Die zur chronischen renalen Insuffizienz führende Grunderkrankung benötigt Monate bis Jahre, um eine chronische Wachstums- und Gedeihstörung hervorzurufen.
Polyzystische Nierenerkrankungen Ätiopathogenese: Zystennieren Typ I und Typ III nach Potter: Autosomal-rezessives Erbleiden (Zystennieren Typ I nach Potter, englisch abgekürzt ARPKD): Zahlreiche, recht große Zysten in Kortex und Medulla aufgrund von Dilatation der Sammelrohre. Interstitium und Tubuli zunächst normal, aber zunehmend interstitielle Fibrose und Tubulusatrophie. Zysten auch in Leber, zum Teil progressive Veränderungen bis hin zur Zirrhose und portalen Hypertension. Erhebliche Unterschiede in der Expression mit bereits pränatalem Beginn der Niereninsuffizienz (Oligohydramnion!) oder erst im Vorschulalter. 왘 Autosomal-dominantes Erbleiden (Zystennieren Typ III nach Potter, englisch abgekürzt ADPKD): Kortikale und medulläre Zysten aufgrund von Dilatation der Tubuli. Leberzysten ohne klinische Signifikanz. Niereninsuffizienz meist erst im mittleren Erwachsenenalter; sichere (ultrasonographische) Veränderungen aber schon im Säuglingsalter. 왘
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Somatomedin). Protein-Kalorien-Malnutrition wird nicht nur durch renalen Verlust verursacht, sondern auch durch Inappetenz im Rahmen der chronischen Erkrankung. Erhöhte Konzentrationen harnpflichtiger Substanzen steigern die Osmolarität des Glomerulusfiltrates, wodurch die tubuläre Reabsorption von Wasser und Elektrolyten aus dem Primärharn gestört wird; es kommt zur osmotischen Diurese mit Elektrolyt- und Basenverlusten. Im fortgeschrittenen Stadium dagegen wird die Elimination zunehmend gehemmt mit der Folge der Salzretention, Ödembildung und Hypertonie. Rückstau von Phosphat verursacht Hypokalzämie mit der Folge eines sekundären Hyperparathyreoidismus. Außerdem ist die nierengebundene Aktivierung von Vitamin D in den aktiven Metaboliten 1,25-(OH)2-D3 eingeschränkt. Das gleiche gilt für Erythropoetin, das bei Mangel zusammen mit einer urämischen Schädigung der Erythropoese zur (hyporegeneratorischen) renalen Anämie führt. Erste Wachstums- und Gedeihstörungen können auftreten, wenn die glomeruläre Leistung auf 25−50 % der Norm abgefallen ist (chronische Niereninsuffizienz). Bei Abfall der glomerulären Clearance (GFR) unter 25 ml/1,73 qm Körperoberfläche (chronisches Nierenversagen) lassen sich immer metabolische Veränderungen nachweisen; Osteodystrophie, Anämie, Hypertonie sowie urämische Symptome (Inappetenz, Erbrechen, Schwindel, Anorexie) werden mit abnehmender Funktion zunehmend häufiger. Die Wachstumsretardierung ist allerdings die bedeutendste Komplikation der chronischen Niereninsuffizienz. Die Durchschnittsgröße von jungen Erwachsenen, die während ihrer Kindheit wegen Niereninsuffizienz im Endstadium behandelt wurden, liegt mehr als 3 SD unter der Norm. Die Wachstumsminderung ist bei Kindern mit obstruktiver Uropathie deutlicher ausgeprägt als bei Patienten mit einfacher Verminderung der Nierenmasse durch andere Gründe. Ebenso wirkt sich die Wachstumsretardierung bei angeborenen Nierenerkrankungen mehr aus als bei später erworbenen: Die normale Wachstumsrate beträgt im Säuglingsalter 25 cm/Jahr und wird im weiteren Kindesalter nicht mehr erreicht. Langfristige Gabe von Wachstumshormon kann heute das Wachstum deutlich steigern.
335
11
336
11.5 Wachstums- und Gedeihstörungen
Symptomatik: 쐌 „Großer Bauch“, 쐌 tastbare Raumforderungen intraabdominal beidseits, 쐌 vergrößerte Leber, 쐌 Hämaturie, 쐌 Polyurie, 쐌 Hypertonie, 쐌 Ösophagusvarizen.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Sonographie
erhöhte Echogenität und verwaschene Markrindengrenze
IVP
radiäre Streifung in den längs gerichteten erweiterten Sammelrohren
Untersuchung der Eltern (Potter III)
bei leerer Familienanamnese (kein erkranktes Geschwisterkind, gesunde Eltern) kann die Diagnose durch (offene) Biopsie der Niere sowie der Leber gesichert werden
Kinderurologische Krankheitsbilder
Obwohl die verantwortlichen Gene inzwischen identifiziert sind, spielt eine molekulargenetische Diagnostik keine Rolle.
11
Differenzialdiagnose: 왘 Andere Raumforderungen wie beidseitige Hydronephrose, Wilms-Tumor oder Nierenvenenthrombose beidseits (durch morphologische Untersuchungen wie Ultraschall, IVP, Computer- oder Kernspintomographie leicht abgrenzbar), 왘 multizystische Dysplasie vom Typ II nach Potter ( einseitig).
Nephronophthise Ätiopathogenese: Progrediente tubulointerstitielle Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang. Mikrozystische Veränderungen in der Medulla aufgrund von Dilatation der distalen Tubuli und der Sammelrohre. Progressive interstitielle Entzündung und Fibrose mit nachfolgender glomerulärer Sklerose und Rindenatrophie. Bisher 4 Gendefekte bekannt. Symptomatik: 쐌 Niereninsuffizienzzeichen meistens in der Pubertät, 쐌 zunächst tubuläre Symptomatik führend: Polyurie, Polydipsie, 쐌 Enuresis nocturna, 쐌 Zeichen der renalen Azidose (S. 128).
Diagnostik Zunehmend kleine Nieren (!) und Funktionsverschlechterung. Oft kann die Diagnose nur durch Biopsie gesichert werden. Sonderform: Senior-Løken-Syndrom, bei dem zusätzlich eine tapetoretinale Degeneration vorliegt (Blindheit). Molekulargenetische Charakterisierung möglich. Differenzialdiagnose: 왘 “Markschwammniere“, bei der ein autosomal-dominanter Erbgang vorliegt (Symptomatik erst im Erwachsenenalter, Variante der gleichen Erkrankung?), 왘 andere Formen der tubulären und glomerulären Insuffizienz.
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Kurzdarstellung wichtiger renaler Krankheitsbilder
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Alport-Syndrom und andere hereditäre Nephropathien Ätiopathogenese: Hereditär. Symptomatik: Wie beim nephritischen bzw. nephrotischen Syndrom.
Diagnostik Siehe Tab. 11.12. Diagnose und Differenzialdiagnose der hereditären Nephropathien
Erkrankung
Beschreibung
Alport-Syndrom
fortschreitendes nephritisches Syndrom mit zunehmender Ertaubung; in 10 % der Fälle Augensymptome (Katarakt, Keratokonus); glomeruläre Zellproliferation und Sklerosierung; unregelmäßige Verdickungen und Verdünnungen und Aufsplitterung der Basalmembran; interstitielle Nephritis; Knaben stärker betroffen als Mädchen
essenzielle Akroosteolyse bzw. Tarsal-Metakarpal-Osteolyse (autosomal-dominant)
fortschreitende Niereninsuffizienz mit schwerer Arthropathie
Onychoosteodysplasie bzw. Nail-PatellaSyndrom (autosomal-dominant)
nephritisches Syndrom mit Nagel- und zahlreichen Skeletthypoplasien (z. B. Patella); in 10 % Niereninsuffizienz
kongenitales nephrotisches Syndrom (autosomal-rezessiv)
als sog. „finnischer Typ“ unbeeinflussbares schweres nephrotisches Syndrom bereits im Säuglingsalter
partielle Lipodystrophie mit membranoproliferativer GN (autosomal-rezessiv)
fortschreitendes nephritisches bzw. nephrotisches Syndrom mit partieller Lipodystrophie (Gesicht); in Kombination mit Typ II der membranoproliferativen GN (C3Nephritis-Faktor-positiv)
Zystinose Ätiopathogenese: Autosomal-rezessives Erbleiden. Störung des ATP-abhängigen Transportsystems für Zystin in der Lysosomenmembran. Exzessive Anhäufung von Zystin im retikulohistiozytären System, besonders in Milz, Leber, Lymphknoten und Knochenmark, aber auch in Tubuluszellen, Niereninterstitium, Kornea, Schilddrüse. Die Anhäufung von Zystinkristallen führt zur Entzündung, interstitieller Fibrose und Sklerose. Die Gedeih- und Wachstumsretardierung bei Zystinose ist multikausal: Störung der Nierenfunktion, des Skelettwachstums, der Schilddrüsenfunktion. Nieren enden als Schrumpfnieren. Symptomatik bei der schweren (infantilen nephropathischen) Verlaufsform: 쐌 Frühzeitig Wachstums- und Gedeihstörungen, 쐌 hypothyreotische Zeichen, 쐌 meist blond und helle Hautfarbe (Melaninsynthesestörung), 쐌 Photophobie, 쐌 Fanconi-Syndrom (ab dem 3. bis 6. Lebensmonat), 쐌 Zeichen der chronischen Niereninsuffizienz (nach einigen Jahren).
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Tabelle 11.12
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338
11.6 Intersexuelles Genitale
Diagnostik (Doppelbrechende) Zystinkristalle in Kornea, Retina, Knochenmark und Blutzellen. Zystingehalt in Leukozyten 80−100fach über der Norm. Differenzialdiagnose: 왘 Alle Ursachen des Fanconi-Syndroms bzw. der chronischen Niereninsuffizienz, 왘 Zystinurie: autosomal-rezessives Erbleiden, bei dem Zystin und die 3 dibasischen Aminosäuren Lysin, Ornithin und Arginin wegen eines Tubulusdefektes vermehrt ausgeschieden werden. Die klinische Symptomatik ist durch Harnwegskonkremente geprägt (Zystin kristallisiert bei über 300 mg/l leicht aus), wobei es im Gefolge zur chronischen Infektion und deutlichem Parenchymschwund mit Niereninsuffizienz kommen kann (Diagnose: erhöhte Aminosäurenausscheidung im Urin bei ansonst normalem Stoffwechsel, Zystinkristalle im Urin), 왘 Oxalose: autosomal-rezessives seltenes Erbleiden mit exzessiver Calcium-Oxalat-Ablagerung, Nephrokalzinose und sekundärer Niereninsuffizienz, hohe Ausscheidung von Oxalsäure.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder − chronische Dialyse und Nierentransplantation
11
Trotz Nierenersatztherapie besteht bei den meisten Kindern die urämische Wachstums- und Gedeihstörung fort. Hämodialysierte Kinder haben etwa zu je 1/3 normale (allerdings ohne Aufholwachstum), reduzierte oder überhaupt keine Wachstumsraten. Patienten unter chronischer Peritonealdialyse (CPD) haben vergleichbare Wachstumsraten zu gleichaltrigen hämodialysierten Kindern. Der übliche Wachstumsschub kurz vor oder während der Pubertät, die oft verspätet eintritt, ist geringer. Zahlreiche Faktoren können während der Dialysebehandlung hierfür verantwortlich gemacht werden: 왘 deutliche Anämie, 왘 signifikante Hypertonie, 왘 chronische Azidose (mit renaler Osteopathie), 왘 Ernährungsfehler (nichtangepasste Proteindiät und Phosphatreduktion), 왘 psychosoziale Faktoren. Nach Nierentransplantation ist das Wachstum im Allgemeinen besser, jedoch nicht ausreichend. Zwar ist die Stoffwechsellage nach erfolgreicher Transplantation deutlich gebessert, jedoch anders gelagerte psychosoziale Probleme (wie Angst vor Transplantatabstoßung und vermeintlich geringe Akzeptanz durch die Umwelt) sowie der Einfluss wachstumshemmender Medikamente (Steroid) bleiben.
11.6
Intersexuelles Genitale M. Westenfelder
Grundlagen Definition: Das intersexuelle Genitale entsteht in Folge einer somatosexuellen Differenzierungsstörung, d. h. Störungen der chromosomalen, gonadalen und phänotypischen Geschlechtsentwicklung. Unter diesen Begriff fällt jedes unvollständig ausdifferenzierte männliche oder weibliche Genitale, so auch die Hypospadien und das virilisierte Genitale beim adrenogenitalen Syndrom (AGS). Intersexuelles Genitale deckt sich aber nicht mit den Begriffen Intersex oder Intersexualität. Intersex: Heute unbefriedigend, weil variabel verwendete und aus dem angloamerikanischen übernommene Bezeichnung für Intersexualität. Intersexualität: Diskrepanz zwischen dem chromosomalen, gonadalen und phänotypischen Geschlecht.
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Grundlagen
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Leitsymptome: Morphologisch nicht eindeutig männliches oder weibliches äußeres und inneres Genitale beinhaltet: 쐌 schwere Hypospadieformen bei Chromosomen 46, XY und Hodengewebe, 쐌 alle deutlich virilisierte AGS-Formen bei Chromosomen 46, XX, 쐌 alle Formen der Intersexualität.
Ursachen der intersexuellen Genitalentwicklung sind alle nur möglichen Störungen der Vorgänge, die aus der gemeinsamen Urform, genetisch determiniert und hormonell gesteuert, ein chromosomal adäquates normales männliches oder weibliches Genitale entstehen lassen. Häufigere klinische Formen sind (Tab. 11.13): 왘 Adrenogenitales Syndrom (Karyotyp 46, XX), 왘 Gonadendysgenesien, 왘 isolierte Störungen des Anti-Müller-Hormons (Mangel/Resistenz), 왘 isolierte Störung der Androgenbiosynthese, Leydig-Zell-Insuffizienz, 왘 enzymatische Störungen (17/20-Lyase-Mangel, 17β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Mangel, 5-α-Reduktase-Mangel), 왘 komplette oder partielle Androgenresistenz,
Tabelle 11.13
Perineale Hypospadien und komplett virilisierte AGS-Formen entsprechen Zuständen mit intersexuellem Charakter.
Zu beachten ist, dass aufgrund der extremen morphologischen Variationsbreite häufig eine große diagnostische Unsicherheit besteht und auch heute noch in ca. 20−25 % primär Nicht- oder Fehldiagnosen gestellt werden (s. auch Abb. 11.37). Ein normaler Phallus bzw. ein weiblich erscheinendes Genitale schließt Intersexualität bzw. das Vorliegen einer extremen Form des intersexuellen Genitale nicht aus.
Charakteristische Befundkonstellation bei Intersexualität
Erkrankung
Gonaden tastbar
Phänotyp
Karyotyp
Salzverlust
Uterus
Vagina
Auftreten familiär
bds.
eine
keine
m
intersex.
w
Hypospadie
++
+
+
+
+
−
XY/XX
−
−
−/+
(+)
gemischte GD
−
+
+
−
+
−
XY/XO
−
+
+
−
AGS
−
−
++
+
+
+
XX
++/−
+
+
+/−
externe Androgene
−
−
+
+
+
−
XX
−
+
+
−
Hermaphr. verus
+
+
+
−
+
−
XX/XY
−
+
+
−
reine GD
−
−
+
−
(+)
+
XX/XY
−
(+)
(+)
−
defekte AndrogenSynthese, Gonadotropinmangel
−
−
+
−
+
−
XY
−
−
(−)
+
5-α-ReduktaseMangel
−
−
+
−
+
−
XY
−
−
−
+
Androgenrezeptordefekt
−
−
+
+
+
+
XY
−
Hernia uteri inguinale
−
+
−
+
+
−
XY
−
+
+
−
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Problematisch ist die systematische Zuordnung von Hypospadie (feminisiertes männliches Genitale) und AGS (virilisiertes weibliches Genitale) zur Intersexualität. Während die distalen und penilen Hypospadien, aber auch die minimal virilisierten AGS-Formen nicht als intersexuelles Genitale gesehen werden, stellen die perinealen Hypospadien und komplett virilisierten AGS-Formen, die dem Unerfahrenen rein weiblich bzw. rein männlich erscheinen, Zustände mit intersexuellem Charakter dar.
11
340
11.6 Intersexuelles Genitale 왘
komplexe Fehlbildungen: − Hermaphroditismus verus (bei Karyotyp 46, XX, bei chromosomalem Mosaik Karyotyp 46, XX/Karyotyp 46, XY), − schwere Hypospadien − Fehlbildungen in Kombination mit Intersexualität, − komplexe syndromale Erkrankungen in Kombination mit Intersexualität.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Einteilung
11
Historisch bedingt gibt es sehr verschiedene Einteilungsschemata für die verschiedenen Formen der Intersexualität. Die folgende Einteilung orientiert sich überwiegend an den Differenzierungsschritten der Genitalentwicklung: 왘 Störung des genetischen Geschlechtes: − Klinefelter-Syndrom, − XX-Mann, − Turner-Syndrom, − gemischte Gonadendysgenesie, − Hermaphroditismus verus. 왘 Gonadale Störungen: − Reine Gonadendysgenesien. 왘 Störung des phänotypischen Geschlechtes: − Weiblicher Pseudohermaphroditismus: − AGS, − exogene Androgene. − Männlicher Pseudohermaphroditismus: − Defekte Androgensynthese, Gonadotropinmangel, − 5-α-Reduktase-Mangel, − Androgenrezeptordefekt. − Hernia uteri inguinale, − Hypospadie ohne Defektnachweis.
Besonderheiten Dilemma: Einerseits Nichterkennen und Verzögerung der Diagnostik, andererseits Fehlinterpretation und falsche Annahme des Vorliegens von Intersexualität.
Das Dilemma der Intersexualität postnatal besteht einerseits im Nichterkennen und dadurch der Verzögerung oder dem Unterbleiben der Diagnostik und einer eher zufälligen Geschlechtszuweisung, andererseits bei proximalen Hypospadien in der Fehlinterpretation und damit der Annahme, dass Intersexualität vorläge. Dies löst dann eine unnötigeVerunsicherungderElternundÜberdiagnostikaus.ZudieserFehlbewertung kommt es in ca. 20 % aller betroffenen Neugeborenen. Hebammen, Geburtshelfer und Neonatologen, aber auch Kinderurologen und Kinderchirurgen sollten sich daher mit der Vielfalt der somatosexuellen Differenzierungsstörungen auseinandersetzen, um frühzeitigdiekorrektendiagnostischenundtherapeutischenSchritteeinzuleitenoder zu planen, und um eine korrekte Geschlechtszuweisung mitbeurteilen zu können. Verdacht auf intersexuelle Differenzierungsstörung (Intersex) besteht bei: männlichem äußeren Genitale und nichttastbaren Gonaden, 왘 Hypospadie und unilateral nichttastbarer Gonade, 왘 schweren Hypospadien (skrotal, perineal), 왘 intersexuellem Genitale ohne Scheideneingang, 왘 Leistenhernien mit atypischen Gonaden, 왘 Salzverlust, 왘 Mikropenis, 왘 kloakalen Differenzierungsstörungen. 왘
Die Abklärung sollte heute nicht mehr „notfallmäßig“, sondern abgestuft, zügig und in sachkundigen Zentren erfolgen.
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Auf die Geschlechtszuweisung bei Intersexualität wird häufig zu wenig Aufmerksamkeit verwendet. Nicht selten hat die Hebamme/der Geburtshelfer das Geschlecht dem ersten Anschein nach zugeordnet. Der Geschlechtszuweisung kommt aber folgenschwere Bedeutung zu und darf in unklaren Fällen erst nach Sicherung des wahrscheinlichen Geschlechtes unter Einbeziehung aller Beteiligten und nicht als einsame Entscheidung erfolgen. Die Konsequenz bei der Diagnose AGS ist die rasche Hormonsubstitution und bei allen Formen des intersexuellen Genitale die Notwendigkeit einer operativen Korrektur als Frühkorrektur (9.−15. Lebensmonat) in erfahrenen Zentren, über die die Eltern ausführlich informiert und aufgeklärt werden müssen.
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Bei Diagnose AGS rasche Hormonsubstitution.
Cave: Geschlechtszuweisung bei Intersexualität von folgenschwerer Bedeutung!
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Anamnese: Familienanamnese, aufschlussreich bei AGS und 5-α-Reduktase-Mangel
왘
Sonographie: Uterus, 왘 Gonaden, 왘 Nebennieren. 왘
Kinderurologische Krankheitsbilder
Körperliche Untersuchung: 왘 Genitalstatus: − Hypospadieform, − Prader-Stadium (Abb. 11.29), − Gonadenbefund, − Leistenhernie, − rektale Untersuchung (Portio tastbar?).
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Abb. 11.29
Prader-Stadien 1−5 zur Einteilung des intersexuellen Genitales.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
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11
11.6 Intersexuelles Genitale
Abb. 11.30 a u. b a NMR zur Klärung komplexer Anomalien des inneren Genitales bei Intersex. b Genitogramm bei AGS, Prader 5. Beachte die extrem kurze Scheide.
Labor: 왘 Elektrolyte: Bei Verdacht auf AGS ist zu berücksichtigen, dass in der ersten Woche ein Salzverlust noch nicht in Erscheinung tritt, 왘 Hormonstatus, 왘 Chromosomenanalyse. Weiterführende Diagnostik: Genetische Untersuchung, 왘 evtl. NMR bei komplexen Anomalien (Abb. 11.30 a), 왘 evtl. laparaskopische Abklärung, 왘 evtl. Gonadenbiopsie bei gemischter Gonadendysgenesie, 왘 Genitogramm obligat präoperativ bei Feminisierungsoperationen oder Hypospadiekorrektur und Verdacht auf Utrikuluszyste (Abb. 11.30 b). 왘
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Morphologie
Intersexform
1. normaler bis leicht hypospader Phallus, nicht palpable Hoden
쐌 adrenogenitales Syndrom 쐌 bilateraler Kryptorchismus 쐌 exogene Androgene
2. normaler Phallus, Leistenhernie mit nicht palpablem Hoden
쐌 Hernia uteri inguinalis
3. hypospader Phallus u. 1 palpable Gonade
쐌 gemischte Gonadendysgenesie 쐌 Hypospadie mit Kryptorchismus
4. skrotal-perineale Hypospadie u. 1 Gonade
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
gemischte Gonadendysgenesie schwere Hypospadie Androgenresistenz Hermaphroditismus verus XX-Mann
5. Skrotal-perineale Hypospadie ohne Gonade
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
adrenogenitales Syndrom gemischte Gonadendysgenesie reine Gonadendysgenesie 5-α-Reduktase-Mangel Defekte Androgensynthese Gonadotropinmangel
6. weibliches Genitale, Scheide fehlt/ Stummel
쐌 Rokitanzki-Küstner-Hauser-Syndrom 쐌 5-α-Reduktase-Mangel 쐌 Androgenrezeptordefekt = testikuläre Feminisierung
7. Penoid, „Mikropenis“ u. Analatresie
쐌 Mädchen mit Kloakalanomalie
8. kleiner Penis, kleine feste Hoden
쐌 Klinefelter-Syndrom
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Chromosomale Störungen Klinefelter-Syndrom: 0,1 % aller Männer. Durch Non-Disjunction entsteht ein überzähliges X-Chromosom, ein Chromosomensatz von 47, XXY und auch mehrfaches an X- oder Y-Chromosom sowie Mosaike sind möglich. Durch Androgen-Defizit entsteht eine erhöhte testikuläre Östrogensekretion. Symptomatik beim männlichen Phänotyp: 쐌 Kleine, feste Hoden, 쐌 fehlende Spermatogenese, 쐌 Infertilität, 쐌 Androgenmangelzeichen, 쐌 manchmal geistige Retardierung.
Ein operatives Problem besteht nicht, evtl. ist eine Hormonsubstitution erforderlich.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
11
344
11.6 Intersexuelles Genitale XX-Mann: Durch Translokation des kurzen Armes des Y-Chromosoms mit dem SRY-Gen auf das X-Chromosom entsteht ein Chromosomen-Satz von 46, XX. Symptomatik: 쐌 Patienten sind klein, 쐌 normale Intelligenz, 쐌 schwerere Hypospadie.
Turner-Syndrom: Durch Non-Disjunction oder Mosaik-Bildung kommt es zu einem Chromosomensatz von 45, XO, 45 XO−46, XX. Symptomatik: 쐌 Weiblicher Phänotypus, 쐌 klein, 쐌 Hypogonadismus, 쐌 tiefe Nackenhaare, 쐌 typische Stigmata, 쐌 Streak-Gonaden, 쐌 kleine Tuben und Uterus.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Die Therapie beschränkt sich auf eine hormonelle Substitution.
11
Gemischte Gonadendysgenesie: Häufigkeit 1:2500−1:700 000, Chromosomensatz 46, XY, 45, XO, Mosaik. StreakGonade (leere Gonadenhülse, Abb. 11.31 a) oder ein Streak-Hoden (Abb. 11.31 b), kombiniert mit retiniertem oder kryptorchem Hoden. Dieser enthält mit wenigen Ausnahmen nur Sertoli- und Leydig-Zellen, keine Germinalzellen. Die Produktion des Anti-Mullerian-Faktors (Anti-Müller-Faktors) ist insuffizient, woraus die Persistenz des Uterus und Tube (Abb. 11.31 c) in sehr wechselnder Ausprägung resultiert. Das äußere Gentiale ist intersexuell, die Individuen bleiben infertil und klein. Gonadoblastome sind bis zu 70 %, aber auch Endometriumkarzinome sind zu erwarten. Bei gut ausgeprägtem, hormonproduzierendem Hoden, der sich ins Skrotum verlagern lässt, wird eher die männliche, sonst die weibliche Rolle angestrebt. Hermaphroditismus verus: Sehr selten, meist handelt es sich um fehldiagnostizierte gemischte Gonadendysgenesien. Chromosomal 46, XX, XY oder Mosaik, definiert durch Vorliegen von ovariellem und testikulärem Gewebe, evtl. auch als Ovotestis und intersexuellem Genitale. Das SRY-Gen ist nicht nachweisbar. 75 % werden angeblich eher männlich erzogen. Die Geschlechtszuweisung entspricht dem somatischen Befund.
Gonadale Störungen Reine Gonadendysgenesien: Chromosomal 46, XX oder 46, XY (= Swyer-Syndrom). Symptomatik: 쐌 Phänotypisch weiblich, 쐌 2 Streak-Gonaden, 쐌 sexueller Infantilismus, 쐌 mittlere Größe, 쐌 Müller-Strukturen sind vorhanden, 쐌 Scheide oft zu kurz.
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Abb. 11.31 a−c a Retinierte große Streak-Gonade bei gemischter Gonadendysgenesie. b Streak-Hoden, makroskopisch nicht zu differenzieren. c Persistierender Uterus (U), Tuben (T) und Streak-Gonade (S) bei gemischter Gonadendysgenesie. Beachte die extreme Variabilität.
Großes Risiko der Dysgerminome und Gonadoblastome. Die Exstirpation der Streak-Gonaden ist unabdingbar. Unklar ist der ideale Zeitpunkt: früh bei Leistenhernie und Herniotomie, sonst nach der Pubertät. Belassene Gonaden stellen ein zu großes Risiko dar. Weibliche Geschlechtszuweisung und entsprechende Hormonsubstitution.
Störung des phänotypischen Geschlechtes Weiblicher Pseudohermaphroditismus: Virilisierung durch exogene/endogene Hormone. Häufigste Form, das adrenogenitale Syndrom (AGS) (Abb. 11.32), ein autosomal-rezessiv vererbter Defekt der Cortisolsynthese, wodurch ACTH-Spiegel zu hoch ausfallen, die zur Nebennierenstimulation und Bildung von Vorstufen vor dem jeweiligen Enzymdefekt führen. Häufigste Form der 21-Hydroxylase-Mangel. Vorkommen 1:5000. Es entstehen Androstendion, Testosteron und Pregnandiol. Die Diagnose erfolgt über das Plasma-17-OH-Progesteron, welches beim Neugeborenen bestimmt wird. Seltener sind der 11β-Hydroxylase-Mangel, noch seltener der 3β-Hydroxysteroid-Hydrogenase-Mangel.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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346
11.6 Intersexuelles Genitale
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.32 a−c a AGS, typisches Prader-3-Stadium. b u. c AGS mit Salzverlust. Prader-5-Stadium. Nichtpalpable Gonaden sind erster Hinweis, Salzverlust tritt erst mit 7−10 Tagen in Erscheinung.
11
Die Therapie besteht in der sofortigen Substitution, der Anpassung an Stresssituationen und der Behandlung des Salzverlustes, welcher in den ersten Tagen aber noch keine Rolle spielt. Exogene Androgene: Auch durch Androgen produzierende Tumoren der Mutter, z. B. adrenale Adenome, Arrhenoblastome und Leydig-Zell-Tumoren − auch Luteome, ansonsten durch die Einnahme von Gestagen in der Frühschwangerschaft, um einen Abort zu verhindern, kann der weibliche Fetus stark virilisiert werden (s. Kap. 13.2, Abb. 13.1 S. 448). Männlicher Pseudohermaphroditismus: Karyotyp 46, XY, Hoden, defekte Entwicklung des inneren und äußeren Genitales, schwere Hypospadie. Defekte Androgensynthese (Abb. 11.33 a): 왘 Gonadotropinmangel, 5 verschiedene Enzyme sind beteiligt.
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Abb. 11.33 a−c a 32-jähriger Mann mit defekter Androgensynthese und hypospadem Mikropenis. b 22-jährige „Frau“ mit 5-α-Reduktase-Mangel und Vaginalaplasie. c 12 Monate alter Knabe mit partiellem Androgenrezeptordefekt, schwerer Hypospadie und tastbaren Hoden.
Symptomatik: 쐌 Bilateraler Kryptochismus, 쐌 schwere Hypospadie, 쐌 kleiner Phallus. 왘 왘 왘 왘 왘
20,22-Desmolasemangel: Nicht mit dem Leben vereinbar. 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Defekt: Breites morphologisches Spektrum zwischen männlich und weiblich, Hirsurtismus in der Pubertät. 17α-Hydroxylase-Mangel: Hypertonus, Hypokaliämie. 17,20-Desmolase-Mangel. 17-Hydroxysteroid-Dehydrogenasemangel: Geboren mit rein weiblichem Phänotypus und blind endender Vagina, Virilisierung in der Pubertät.
5-α-Reduktase-Mangel (Abb. 11.33 b): Autosomal-rezessiv vererbt. 46, XY, normale bis hochnormale Testosteronspiegel, retinierte Hoden. Bei der Geburt weibliches
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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11.6 Intersexuelles Genitale Genitale. Individuen werden meist als Mädchen aufgezogen, virilisieren in der Pubertät und werden dann meist gynäkophil, d. h. ihre sexuelle Orientierung ist auf das weibliche Geschlecht ausgerichtet. Die frühe Empfehlung der frühzeitigen Gonadektomie und Feminisierung wird heute zurückhaltend betrachtet. Gehäuftes Vorkommen in Papua-Neuguinea, der Dominikanischen Republik, der Türkei, Israel und Palästina. Androgenrezeptordefekt (Abb. 11.33 c): Testikuläre Feminisierung, 46, XY, hoher Testosteronspiegel. Klinisch sehr breites Spektrum, z. B. männliches Individuum mit ausbleibender Pubertät oder Infertilität und weibliche Individuen mit Amenorrhö. Unter Umständen extern rein weiblich, normale Mammaentwicklung, fehlende Schambehaarung, über X-Chromosom vererbt. Postpubertär hohe TestosteronSpiegel werden zu Östradiol aromatisiert, was dann zu Gynäkomastie bei männlichem und weiblichem Phänotypus führt.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Hernia uteri inguinale: Die Persistenz der Müller-Gang-Struktur durch mangelhafte Produktion des MIFFaktors durch die Leydig-Zellen. Klinisch einseitige Retentio testis, kontralaterale Leistenhernie, in der sich dann Uterus und Tube finden. Kloakalanomalien und sexuelle Differenzierungsstörungen: Die Trennung der Kloake in Sinus urogenitalis und gastrointestinalen Kanal erfolgt gegen Ende der 5. Embryonalwoche, nicht wie früher angenommen durch ein nie nachgewiesenes Septum urorectale, sondern durch Ausformung der Kloakenmembran und der seitlichen Rathke-Falten. Diese Differenzierungsstörungen führen zu Kloakalanomalien, die in einer nahezu unendlichen morphologischen Variationsbreite vorkommen. Die Architektur des Beckenbodens ist gestört, Harntraktanomalien sind häufig, beim Knaben wird fast immer eine Fistel zum Urogenitaltrakt vorliegen und beim Mädchen wird zusätzlich zum imperforierten Anus mit Fistel auch Uterus und Vagina in unterschiedlichsten Ausmaß mitbetroffen sein. Schwere Formen gehen dabei scheinbar zusätzlich mit somatosexuellen Differenzierungsstörungen einher, bei denen es sich weniger um echte Intersexe als vielmehr um eine mangelhafte Rückbildung des Tuberculum genitale bzw. um Hemmungsmissbildungen handelt. Bei Unverständnis der Verhältnisse resultieren daraus Schwierigkeiten bei der Geschlechtszuweisung, die echte Probleme aufwerfen können (Abb. 11.34, 11.35).
11
Abb. 11.34 a−c Intersexuelle Problematik bei 9-jährigem Mädchen mit Kloakalanomalie und komplexen Fehlbildungen des Harntraktes (a), wegen Penoid (b) als Junge erzogen, trotz nachgewiesener Ovarien, Uterus und Scheide (c).
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Hypospadie ohne Defektnachweis (Abb. 11.36): Häufigste somatosexuelle Differenzierungsstörung. Distale Formen machen über 70 % aus, mittlere und proximale Formen sind vergleichsweise selten (Tab. 11.14). Sie bilden ein breites morphologisches Spektrum mit assoziierten Anomalien wie Maldescensus testis, Hydrozele testis, Leistenhernie. Die Meatusposition ist nur ein Parameter des Schweregrades, weitere sind: 왘 Phallusgröße, 왘 Dysplasie der Urethra, 왘 Vorkommen und Ausmaß der Schaftkrümmung (Tab. 11.15), 왘 Ausbildung und Verteilung der Penisschafthaut, 왘 ventraler Skrotalansatz, 왘 Skrotaltransposition.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.35 Knabe mit Kloakalanomalie, komplexen Fehlbildungen des Harntraktes und Penisaplasie, der im 1. Lebensjahr feminisiert wurde.
11
Abb. 11.36 Beispiele mittlerer und proximaler Hypospadie, die die extreme morphologische Variationsbreite dieser Anomalie wiedergeben.
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350
11.6 Intersexuelles Genitale
Tabelle 11.14
Meatusposition bei Hypospadie (2000 dokumentierte Fälle)
Meatusposition
Häufigkeit (%)
distal
73 % (37 % glandulär und koronar, 36 % distal-penil)
medial
13 %
proximal
14 % (7 % penoskrotal, 7 % skrotal und perineal)
Kinderurologische Krankheitsbilder
Tabelle 11.15 Vorkommen der Penisschaftverkrümmung bei Hypospadie (bei 1000 konsekutiven Fällen)
Hypospadie mit ein- oder beidseitig nichttastbarem Hoden: Verdacht auf Intersexualität.
Hypospadie (n = 1000)
Anzahl (n)
PSK (n)
Hypospadia glandis
136
91
Hypospadia coronarea
256
Hypospadia penis distalis
%
PS gerade (n)
%
67
45
33
174
68
82
32
342
275
80
67
20
Hypospadia penis medialis
131
123
94
8
6
Hypospadia penis-scrotalis
77
77
100
0
0
Hypospadia scrotalis
55
55
100
0
0
Hypospadia perinealis
4
4
100
0
0
Nur bei den schweren Formen (skrotale und perineale machen nur 7 % aus) kann der Verdacht auf Intersexualität aufkommen. Sind aber beide Hoden zu tasten, auch wenn sie retiniert liegen, ist dies auszuschließen (Abb. 11.37). Ist ein Hoden oder sind beide nicht zu tasten, ist dagegen der Verdacht groß, dass eine Intersexualität vorliegt, und eine weitere Abklärung ist erforderlich. Dies gilt auch für alle Fälle der proximalen Hypospadie mit Minipenis.
11
Abb. 11.37 Knabe mit skrotaler Hypospadie und retinierten, aber tastbaren Hoden bds., bis zum 6. Lebensjahr als Mädchen aufgewachsen mit der Diagnose „Labiensynechie“. Später feminisiert.
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Einteilung
11.7
351
Hodendystopie P. H. Walz
Grundlagen Definition: Als Hodendystopie werden sämtliche Formen nicht intraskrotal liegender Hoden bezeichnet. Hodendystopie, Kryptorchismus, Maldescensus testis oder Hodenhochstand sind Synonyme für den gestörten Deszensus des oder der Hoden von kranial retroperitoneal hinab ins Skrotum. Es ist die häufigste Erkrankung einer endokrinen Drüse. Die Hodenanlage findet sich während des 2.−3. Schwangerschaftsmonats retroperitoneal auf der Höhe zwischen 1. und 3. Lendenwirbelkörper. Entlang dem Gubernaculum testis passiert der Hoden den Leistenkanal, um seine endgültige skrotale Lage gegen Ende des 8. Monats zu erreichen.
Ätiologie: Der Deszensus der Hoden ist abhängig vom Zusammenspiel vieler Faktoren (Androgene, Müllerian inhibiting Substance, kaudale Insertionsstelle des Gubernakulum, Insulin-like-Factor-3 der Leydig-Zellen usw.). Störungen können zum inkompletten oder fehlerhaften Deszensus führen, der genaue Mechanismus ist nur teilweise bekannt. Beim sekundären Hodenhochstand wird z. B. nach einer Leistenhernien- oder Hydrozelenoperation der primär deszendierte Hoden in kryptorcher Lage durch Verwachsungen fixiert. Diese Fixation kann auch idiopathisch durch fibröse Reste des Processus vaginalis verursacht sein, die ein Längenwachstum des Samenstrangs verhindern.
Einteilung Nach der Lage der Hoden kann die Hodendystopie eingeteilt werden in: Hodenretention: − Abdominal, − inguinal, − präskrotal. 왘 Hodenektopie: − Epifaszial-inguinal, − penil, − femoral, − krural, − perineal. 왘
Bei der Hodenretention handelt es sich um ein Anhalten auf dem Weg des physiologischen Deszensus. In 6 % findet sich eine abdominale Retention zwischen unterem Nierenpol und innerem Leistenring, in 69 % eine inguinale Retention im Bereich des Leistenkanals und in 25 % eine präskrotale Retention außerhalb des äußeren Leistenrings. Bei der Hodenektopie liegt der Hoden außerhalb dieser Route, die kraniale Lage oberhalb des äußeren Leistenrings auf der Faszie des M. obliquus externus abdominis (epifaszial-inguinal) ist die häufigste. In Abb. 11.38 sind die verschieden Positionen eines nicht normal deszendierten Hodens dargestellt
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Häufigkeit: 왘 Bei Frühgeburten wird eine Hodenretention in ca. 30 % der Fälle beobachtet. 왘 Bei neugeborenen Knaben wird in durchschnittlich 3−6 % ein ein- und beidseitiger nichtdeszendierter Hoden festgestellt. 왘 Nach dem 1. Lebensjahr ist die Häufigkeit 1−2 %.
11
352
11.7 Hodendystopie
Abb. 11.38 Formen der Hodendystopie: Hodenretention (a: präskrotal, b: inguinal, c: abdominal) und Hodenektopie (d: epifaszial-inguinal, e: und f: femoral).
Kinderurologische Krankheitsbilder
Als Gleithoden wird ein in Höhe des äußeren Leistenrings liegender Hoden bezeichnet, der sich zwar manuell in das Skrotum herabziehen lässt, jedoch anschließend wegen eines zu kurzen Funiculus spermaticus wieder in seine Ausgangslage zurückkehrt. Beim Pendelhoden ist der Funiculus spermaticus ausreichend lang, der Hoden bewegt sich jedoch aufgrund eines abnormen M. cremaster oder eines offenen Processus vaginalis frei zwischen Skrotalfach und Leiste und wird dabei in den verschiedensten Lokalisationen angetroffen. Beim sekundären Hodenhochstand war der Hoden bereits im Skrotum festgestellt worden, ist aber bei einer weiteren späteren Untersuchung oberhalb des Skrotums fixiert.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Anamnese Körperliche Untersuchung: 왘 Palpation des Skrotalinhaltes im Liegen und Stehen, bei Kindern im Schneidersitz.
11 Etwa die Hälfte der Knaben mit Hodendystopie hat gleichzeitig eine Leistenhernie (offener Processus vaginalis). Bei etwa 2−4 % aller dystoper Hoden finden sich Begleitfehlbildungen von Nebenhoden und/oder Samenstrang.
Weiterführende Diagnostik: Zur Lokalisation nicht palpabler Hoden: 왘 Sonographie, 왘 MRT, 왘 CT, 왘 V.-spermatica-Phlebographie, 왘 Laparoskopie. 왘 Choriongonadotropin-Stimulationstest (HCG-Test): Bei beidseitigem Kryptorchismus lässt sich eine abdominale Retention von einer Anorchie durch den HCG-Test differenzieren. Nach Stimulation kommt es bei vorhandenem Hodengewebe für 4−5 Tage zu einem deutlichen Anstieg des Testosterons im Serum (Abb. 11.39).
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353
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Lokalisation
Ätiologie
1. ein- oder beidseits
쐌 genuin (Umweltfaktoren wie Pestizide = „endocrine disruptors“ und jahreszeitliche Einflüsse werden diskutiert) 쐌 Hodenagenesie (evtl. gleichzeitig ipsilaterale Nierenagenesie und Samenblasenagenesie) 쐌 Hodenaplasie („vanishing testis“, z. B. durch intrauterine Hodentorsion) 쐌 Trisomie 21 쐌 splenogonadale Fusion 쐌 iatrogen durch narbige Fixierung, z. B. nach Verschluss eines offenen Processus vaginalis peritonei
2. beidseits
쐌 Hodendystopie bds. bei Oviduktpersistenz (Hernie und kontralateraler Hodenhochstand = Hernia uteri inguinalis (Abb. 11.40) 쐌 Hodendystopie bds. bei Prune-Belly-Syndrom
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Oviduktpersistenz, Hernia uteri inguinalis Durch den Müllerian inhibiting Factor (MIF) wird beim Knaben die Regression der Müller-Gänge initiiert, aus denen sonst Uterus und Tubae uterinae entstehen würden. Lediglich der kaudale Anteil verbleibt als Utriculus prostaticus, der kraniale als Appendix testis. Bei fehlendem MIF kann eine „Oviduktpersistenz“ mit beidseitig normalen Hoden und Uterus (Abb. 11.40) resultieren bei sonst männlichem Habitus.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.39 HCG-Test bei einem 5-jährigen Knaben mit Bauchhoden beidseits. Der Test überprüft die Leydig-Zellen. Durch Choriongonadotropin-Applikation kommt es zu deren Stimulation mit anschließendem Testosteronanstieg.
11
354
11.7 Hodendystopie
Abb. 11.40 Oviduktpersistenz mit Uterus und beidseits davon normalen Hoden und Nebenhoden.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Diagnostik Meist als Zufallsbefund bei der inguinalen Exploration oder bei der Laparoskopie wegen beidseitigem Kryptorchismus.
11
Abb. 11.41 a u. b Pseudohermaphroditismus femininus bei AGS mit „normal-männlichem“ äußeren Genitale, jedoch leerem Skrotum beidseits, Intersex-Klassifikation Prader 5. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) a Äußerer Aspekt. b Der zur Urethra geschlossene Sinus urogenitalis mündet auf der „Penis“-Spitze.
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Grundlagen
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme 왘 왘 왘 왘
Verdickter, bis ins Skrotum reichender distaler Processus vaginalis bei wegen adipöser Bauchdecke schwer palpierbaren, hochinguinalen Hoden, Hochinguinal gelegener Hoden, der als deszendierter kleiner oder atropher Hoden fehlinterpretiert wird, Pseudohermaphroditismus femininus mit männlichem Phänotypus, z. B. bei weiblichem AGS (Abb. 11.41), Oviduktpersistenz (s. Abb. 11.40)
11.8
355
Auch dystope Hoden können torquieren. Bei leerem Skrotalfach und ipsilateraler akuter Unterbauch- oder Inguinalsymptomatik an Hodentorsion denken!
Anomalien des äußeren Genitales R. Stein
Phimose Grundlagen
Leitsymptome: 쐌 Harnwegsobstruktion: Miktionsbeschwerden wie Nachtröpfeln, Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion bis hin zum akuten Harnverhalt. 쐌 Entzündungen: Wiederholte Entzündungen der Vorhaut (Posthitis) und/oder der Eichel (Balanitis/Balanoposthitis) führen zur fixierten narbigen Phimose. Ebenso können Retraktionsversuche einer primär nicht narbig verengten Vorhaut Rhagaden und Fissuren mit konsekutiver Narbenbildung bedingen. 쐌 Smegmaretention: Da die Eichel bei einer Phimose nicht gereinigt werden kann, kommt es durch Absonderungen der Eichel und Vorhaut zur Smegmabildung, welches sich entzünden kann. 쐌 Paraphimose: Relative Enge des Präputiums, die eine Retraktion der Vorhaut noch zulässt, aber durch zirkuläre Kompression des venösen Blutabstromes und Lymphabstromes im Sulcus coronarius distal zu einer irreponiblen Präputialschwellung führt (sog. „spanischer Kragen“).
Ursachen: Bei Geburt besteht eine spaltlose Verbindung zwischen dem Epithel der Eichel und dem des inneren Vorhautblattes. Lediglich der Meatus urethrae ist durch eine kleine Apertur sichtbar. Eine zunehmende Akkumulation von abgeschilferten Epithelzellen führt zur Ablösung der Innenseite der Vorhaut von der Glans. Das infantile Smegma − eine Ansammlung von natürlichem und sterilem Detritus − ist nicht mit dem Smegma des Erwachsenen zu verwechseln. Bei 6-monatigen Knaben lässt sich die Vorhaut in ca. 20 % zurückstreifen, bei 3-jährigen Knaben in ca. 90 %. Danach ist die beträgt die spontane Zunahme der Retrahierbarkeit der Vorhaut ca. 1 % pro Jahr, bis bei ca. 1 % der 17-Jährigen sich die Vorhaut immer noch nicht über den Sulcus coronarius zurückstreifen lässt.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Definition: Bei der Phimose besteht ein Missverhältnis zwischen Größe der Glans und Weite des Präputiums. Die Vorhaut kann nicht oder nur unter Schwierigkeiten hinter den Sulcus coronarius zurückgezogen werden.
11
356
11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie
Einteilung Es werden folgende Formen unterschieden: Bei der angeborenen (primären) Phimose besteht seit Geburt eine Vorhautverengung (Abb. 11.42). Ab dem 3. Lebensjahr sollte man die Vorhaut zurückziehen können. Ist dies nicht der Fall, so spricht man von einer Phimose. 왘 Treten in den ersten Lebensjahren wiederholt Entzündungen oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen (Aufblähen der Vorhaut beim Wasserlassen) auf, so liegt eine behandlungsbedürftige Phimose vor. 왘 Die Vorhautverklebung (Konglutination) − ein normaler körperlicher Entwicklungszustand − ist von der Phimose abzugrenzen. Die spontane Lösung erfolgt durch Wachstum, Erektionen und allgemeine Körperhygiene. 왘 Bei der erworbenen Phimose besteht zunächst eine normale Weite der Vorhaut. Durch rezidivierende Entzündungen oder durch forcierte Manipulationen mit Einrissen und Blutungen mit entzündlicher und/oder narbiger Abheilung kommt es zur narbigen Phimose (Abb. 11.43). 왘 Eine absolute Phimose liegt vor, wenn die Vorhaut nicht retrahierbar ist. Bei der relativen Phimose kann diese nur schwer über die Eichel zurückgezogen werden.
Kinderurologische Krankheitsbilder
왘
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Abb. 11.42 Physiologische Phimose bei einem 2jährigen Knaben.
Abb. 11.43
Narbige Phimose.
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Grundlagen
Abb. 11.44 a u. b
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Buried-Penis mit behandlungsbedürftiger Phimose.
Besonderheiten
Assoziierte Hypospadie: Unter einer intakten Vorhaut/Präputialverklebung kann sich eine Hypospadie mit normaler oder mit glandulärer/koronarer Meatusposition (Hypospadia sine Hypospadia) verbergen.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Differenzialdiagnose
Kommentar
1. physiologische „Säuglings“Phimose
쐌 Vorhaut lässt sich ca. ab dem 3. Lebensjahr zurückstreifen, kein Anhalt für Vernarbungen/Schürring
2. Lichen sclerosus et atrophicans (Balanitis xerotica obliterans = BXO)
쐌 weißlicher Schürring bzw. weißliche Veränderungen an Präputium und Glans (Abb. 11.45)
3. Schnürring
쐌 nach dem Zurückstreifen der Vorhaut sichtbare deutliche zirkuläre Einschnürung der Haut (Abb. 11.46)
4. Frenulum breve
쐌 nach dem Zurückstreifen des Präputiums sichtbares deutlich verkürzte Frenulum, welches bei der Erektion zur ventralen Deviation oder Einreißen führen kann
Hypospadie Grundlagen Definition: Es handelt sich um eine Hemmungsmissbildung mit unvollständigem Verschluss der Urethra und des Corpus spongiosum während der fetalen Entwicklung. Der Meatus externus liegt dystop auf der ventralen Seite des Penis im Bereich zwischen Glans und Perineum. Die Hypospadie kann mit Meatusstenose, Verkrümmung des Penisschaftes und/oder Penistorsion assoziiert sein. Die Urethra distal des
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Buried/webbed/concealed Penis: Der normal große Penis, meist vergesellschaftet mit einer relativen/absoluten Phimose, ist im präpubischen Fett eingegraben (Abb. 11.44).
11
358
11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie
Abb. 11.45 Balanitis xerotica obliterans.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.46
11
Paraphimose.
Meatus ist gespalten angelegt (Urethralrinne), ebenso ist die Vorhaut ventral gespalten mit Anlage einer ausgeprägten dorsalen Vorhautschürze. Bei den proximalen Formen kann zusätzlich eine penoskrotale Transposition vorliegen. Insbesondere bei den distalen Formen der Hypospadie kann eine Meatusstenose vorliegen.
Leitsymptome: 쐌 Dorsale Vorhautschürze: Durch die ausgeblieben ventrale Fusion der Penisschafthaut und des Präputiums liegt meist eine ausgeprägte dorsale Vorhautschürze vor (Abb. 11.47). 쐌 Penisdeviation: Je ausgeprägter die Hypospadie, desto häufiger besteht eine ventrale Deviation aufgrund der Insertion der Penisschafthaut (seltener: „häutige Chorda“) oder der bindegewebigen Chorda (rudimentäres Corpus spongiosum) und asymmetrisch verkürzter Corpora cavernosa. 쐌 Penistorquierung: Eine Rotation des Penisschaftes zur Seite kann unabhängig von der Lokalisation des Meatus und dem Schweregrad der Hypospadie vorliegen (Abb. 11.48). 쐌 Meatusstenose: Insbesondere bei den distalen Formen kann eine Meatusstenose (dünner Harnstrahl, obstruktive Miktionsbeschwerden) vorliegen. 쐌 Nach unten gerichteter Harnstrahl: Bei der penilen und proximalen Hypospadie ist aufgrund der Lokalisation des Meatus der Harnstrahl nach unten gerichtet.
Die Assoziation mit einem Kryptorchismus ist bei den proximalen Formen der Hypospadie häufiger zu beobachten. Andererseits finden sich bei Kindern mit einer proximaler Hypospadie häufiger Frühgeborene, die im Vergleich zu termingerecht geborenen Kindern generell vermehrt einen Hodenhochstand aufweisen. Ursachen: Das äußere Genitale entwickelt sich aus dem Sinus urogenitalis. Die geschlechtliche Differenzierung beginnt ab der 6. SSW. Sie ist abhängig von der Testosteronproduktion und der Hormonsensibilität des Gewebes. Der Penis bildet sich aus den paarigen Genitalhöckern. Die Urethralplatte entsteht durch die Proliferation des Kloakenentoderms, welches mit dem Ektoderm des Genitalhöckers kommuniziert. Verdichtungen im proximalen Anteil der Urethralplatte bilden das Corpus spongiosum. Die Urethra entsteht aus dem medianen Schluss der Urethralfalten, welche sich chronologisch von perineal nach glandulär schließen (Abb. 11.49). An der vent-
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Grundlagen
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Abb. 11.47 Dorsale Vorhautschürze bei distaler Hypospadie.
Penile Torsion bei distaler Hypospa-
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.48 die.
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Abb. 11.49 a u. b Entwicklung der Urethra durch Verschluss der Urethralrinne von proximal nach distal. Entsprechend dem Zeitpunkt der embryonalen Hemmungsmissbildung kann der Meatus im gesamten Verlauf der Urethra liegen, mit Ausnahme der prostatischen Urethra.
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11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie ralen Seite der Glans bildet sich eine Einziehung (Ektoderm), die Anschluss an die urethrale Falte erlangt. Wird der Prozess der Fusionierung unterbrochen, liegt der Meatus hypospad. Als Ursache für den Arrest wird ein intrauteriner Androgenmangel in der kritischen Phase der Morphogenese der Urethra vor der 14. SSW diskutiert. Unterbleibt die mesenchymale Differenzierung der Umgebung der Urethra zum Corpus spongiosum, entsteht die fibröse Chorda. Die Chorda (rudimentäres Corpus spongiosum) kann auch beidseits nach proximal reichen. Die dorsale Vorhautschürze entsteht durch die inkomplette ventrale Fusionierung der Penisschafthaut.
Einteilung
Kinderurologische Krankheitsbilder
Es gibt verschiedene Klassifikationen, wobei die Lokalisation des Meatus die Form der Hypospadie bestimmt (Abb. 11.50).
11
Abb. 11.50
왘 왘 왘
왘
왘
Lage des Meatus bei den verschiedenen Formen der Hypospadie.
Anteriore/distale Hypospadie: Der Meatus liegt im distalen Drittel des Penisschaftes bzw. im Bereich der Glans (glanduläre, koronare, subkoronare Hypospadie). Mittlere Hypospadie: Der Meatus ist im mittleren bis proximalen Drittel des Penisschaftes lokalisiert (penile, proximal-penile Hypospadie). Posteriore/proximale Hypospadie: Hier ist der Meatus am penoskrotalen Übergang bis hin zum Perineum zu finden (penoskrotale, skrotale, perineale Hypospadie) (Abb. 11.51). „Short urethra“ („hypospadia sine hypospadia“): Der Meatus liegt glandulär bei gleichzeitiger ventraler Deviation des Penis infolge einer Chorda oder von asymmetrisch verkürzter Corpora cavernosa. Die weibliche Hypospadie ist selten und ein meist nicht behandlungsbedürftiger Zufallsbefund beim Versuch einer Kathetereinlage.
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Körperliche Untersuchung: Bei distalen Hypospadie reicht in der Regel die körperliche Untersuchung aus (Assoziation mit Kryptorchismus insbesondere bei Frühgeborenen).
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
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Abb. 11.51 Skrotale Hypospadie mit penoskrotaler Transposition.
Chromosomenanalyse: Der Wangenabstrich (Nachweis des Barr-Körpers als Hinweis auf ein zweites XChromosom) ist heute obsolet, 왘 Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung der Chromosomen in den Lymphozyten (FISH Technik, die mit Fluorochromen ganze Chromosomen oder Teile von diesen differenziell markiert und sichtbar macht − „FISH-Färbung“), 왘 Karyotyp-Bestimmung aus den Lymphozyten oder aus dem Knochenmark (Kultivierung der Zellen, Untersuchung von mindestens 30 Zellen in der Metaphase, Dauer 2−3 Tage), 왘 Genanalyse. 왘
Hormonuntersuchungen: Diese erfolgen beim Verdacht auf ein adrenogenitales Syndrom (AGS) oder dem „Placenta Aromatase Deficit Syndrom“ bei virilisierten Mädchen bzw. Störungen der Testosteron-Biosynthese/5-α-Reduktase-Mangel bei Knaben. Die Testosteronbestimmung ist nur unmittelbar post partum bzw. bis zum 2.−3. Lebensmonat sinnvoll. Andere Hormone werden entsprechend der vermuteten Störung − siehe Kap. 11.6, S. 338 − bestimmt. Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie des Abdomens: Suche nach Uterus, Ovarien bzw. Ovotestis oder Testis; bei Kindern mit obstruktiver Miktionssymptomatik bzw. sehr engem Meatus: Sonographie von Blase und Nieren (Restharn/Dilatation des oberen Harntraktes), bei unklarem Befund Miktionszysturethrogramm, 왘 Genitogramm ggf. mit 2 Kathetern (in der Blase und in der Vagina), 왘 Urethrozystoskopie bei allen unklaren Befunden; bei Intersex/sexuellen Differenzierungsstörungen Laparoskopie zur Gonadensuche.
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Kinderurologische Krankheitsbilder
Bei unklarem Geschlecht bzw. beim Verdacht auf eine sexuelle Differenzierungsstörung (Intersex) sollte insbesondere bei den proximalen Formen der Hypospadie eine weitere Abklärung erfolgen:
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11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie
Bei Hypospadie mit bilateralem Kryptorchismus sollte immer eine chromosomale Abklärung erfolgen.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Sexuelle Differenzierungsstörung
Befunde
Kinderurologische Krankheitsbilder
1. Pseudohermaphroditismus masculinus (Karyotyp 46, XY)
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1.1 defekte Androgensynthese, Gonadotropinmangel (20,22-DesmolaseMangel 3β-HydroxysteroidDehydrogenaseDefekt 17α-HydroxylaseMangel 17,20-DesmolaseMangel 17-HydroxysteroidDehydrogenaseMangel)
쐌 bilateraler Kryptorchismus 쐌 proximale Hypospadie 쐌 kleiner Phallus
1.2 Androgenrezeptordefekt (testikuläre Feminisierung), partieller Defekt (Reifenstein-Syndrom)
쐌 „Hairless Women“ 쐌 bei inkompletter Ausbildung: Hypospadie und ausbleibende Pubertät 쐌 Infertilität
1.3 5-α-ReduktaseMangel
쐌 Virilisierung während der Pubertät
1.4 Hernia uteri inguinale
쐌 Persistenz der Müller-Gang-Struktur (Aniti-MüllerianHormon-Mangel) 쐌 Hodenhochstand 쐌 kontralaterale Leistenhernie (mit Uterus und Tube)
2. Pseudohermaphroditismus femininus (Karyotyp 46, XX, Virilisierung durch endogene/exogene Hormone) 2.1 adrenogenitales Syndrom (AGS)
쐌 Hypertrophie von Klitoris und Labien
3. Hermaphroditismus verus (ca 60 %: Karyotyp 46, XX, ca. 10 %: 46, XY, ca. 30 %: Mosaik XX/XY (ca. 30 %), Ovar/Testis/Ovotestis 4. Gemischte Gonadendysgenesie (Karyotyp 45, XY, 45, X0, Mosaik, StreakGonade)
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Wichtige Krankheitsbilder, die mit Hypospadie einhergehen, sind ausführlich in Kap. 11.6, S. 338 dargestellt.
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Einteilung
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Epispadie Grundlagen Definition: Die Epispadie ist eine Entwicklungsstörung mit Spaltbildung des unteren Harntraktes und des äußeren Genitale um die 3. SSW. Die Urethra mündet ektop auf der Dorsalseite des Penis oder ist komplett gespalten und liegt als Urethralrinne dorsal den beiden Schwellkörpern auf. Es besteht ein fließender Übergang zur Blasenekstrophie. Insgesamt eine sehr seltene Fehlbildung mit einer Inzidenz von ca. 1 : 120 000 bei Knaben bis 1 : 450 000 bei Mädchen.
Weibliches Geschlecht: 쐌 Vollständige Spaltbildung von Klitoris (Clitoris bifida) und Symphyse, 쐌 nach ventral verlagerter Introitus vaginae, 쐌 Mons pubis abgeflacht, Urethra verkürzt und weit, 쐌 Harninkontinez (Stress- oder komplette Inkontinenz).
Ursache: Bei dieser Spaltbildung des Urogenitaltraktes liegt eine Hemmungsmissbildung des Mesenchyms mit unvollständigem Verschluss der unteren Bauchwand vor. Dementsprechend findet sich bei der Epispadie als distale Variante der Entwicklungsstörung im Gegensatz zur Hypospadie eine auf der Dorsalseite des Penis offen liegende Urethralrinne. Erfasst die Spaltbildung auch weiter kranial gelegene Partien, so imponiert neben der Epispadie auch ein fehlender Symphysenschluss, eine Spaltung von membranöser/prostatischer Harnröhre und Blasenhals sowie bei vollständiger Ausprägung auch eine im Bauchdeckenniveau unverschlossene Harnblase (Ekstrophie).
Einteilung Epispadie beim männlichen Geschlecht: 왘 Epispadia glandis: Die Glans ist dorsal gespalten, der Meatus liegt im Bereich des Sulcus coronarius. Die Vorhaut ist ebenso dorsal gespalten und liegt als Schürze ventral, kann jedoch auch fast komplett geschlossen sein. Der Beckenring ist geschlossen, ebenso die membranöse/prostatische Harnröhre und der Blasenhals, es besteht Urinkontinenz. Häufig liegt eine mehr oder weniger ausgeprägte Deviation des Penis nach dorsal vor. 왘 Epispadia penis: Der Meatus externus liegt auf der Dorsalseite des Penis zwischen dem Sulcus coronarius und der Symphyse. Das Präputium ist dorsal gespalten und die Vorhautschürze liegt ventral. 왘 Epispadia pubis: Der Meatus externus liegt auf der Dorsalseite des Penis im Winkel zwischen dem Penisschaft und Mons pubis (Abb. 11.52). Es besteht eine unterschiedlich ausgeprägte Dehiszenz der Symphyse. Meist liegt eine Harninkontinenz vor.
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Leitsymptome: Männliches Geschlecht: 쐌 Epispader Meatus: Die Epispadie imponiert entweder als Erweiterung der Harnröhrenmündung oder als klaffender Spalt, lokalisiert auf der Glans penis bzw. der dorsalen Fläche des Penisschaftes. 쐌 Ventrale Vorhautschürze: Die Vorhaut (Präputium) ist ventral im Überschuss vorhanden. 쐌 Penisdeviation: Der Penis ist durch einen bindegewebigen derben Strang (Chorda) nach der Dorsalseite des Penis flektiert und liegt bei Erektion dem Unterbauch an. 쐌 Harninkontinenz: Bei den proximalen Formen besteht eine Stressinkontinenz bzw. eine vollständige Harninkontinenz.
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11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie
Abb. 11.52 a u. b Kontinente penopubische Epispadie. a Klinischer Aspekt. b MCU mit kompetentem Blasenhals.
Epispadie beim weiblichen Geschlecht: Die milden Formen sind leicht zu übersehen, bei der Epispadia pubis besteht eine totale Inkontinenz, die Klitoris ist gespalten.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
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Körperliche Untersuchung: Bei der Epispadia glandis genügt in der Regel die körperliche Untersuchung. Sonographie: Die Sonographie gibt einen Anhalt über Blasenkapazität und evtl vorhandene zusätzliche Anomalien des oberen Harntraktes. Miktionszysturethrogramm: Bei Verdacht auf eine Urethra duplex (distale Epispadie) und zur Beurteilung des Blasenhalses bei der penopubischen Epispadie ist ein Miktionszysturethrogramm indiziert (Abb. 11.53).
Bei V.a. Urethra duplex (distale Epispadie) und zur Beurteilung des Blasenhalses bei der penopubischen Epispadie ist ein Miktionszysturethrogramm indiziert.
Urethrozystoskopie: Präoperativ erfolgt zur Beurteilung der funktionellen Harnröhre und des Blasenhalses die Urethrozystoskopie. Differenzialdiagnose: 왘 Urethra duplex: Eine kleine Urethralöffnung kann übersehen werden, 왘 Ekstrophievarianten.
Abb. 11.53 a−c Urethra duplex. a Klinischer Aspekt. b MCU mit zunächst Darstellung der dorsalen Urethra.
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Grundlagen
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Ekstrophie Grundlagen
Leitsymptome: Ekstrophie beim männlichen Geschlecht: 쐌 Die offenliegende Blasenschleimhaut liegt im Hautniveau. 쐌 Die Urethra ist als Urethralrinne auf der dorsalen Seite des Penis angelegt und trennt die gespaltene Glans (komplette Epispadie) (Abb. 11.54 a). 쐌 Der verkürzte Penis ist zur Dorsalseite des Penis gekrümmt und liegt bei einer Erektion der unteren Bauchwand an. 쐌 Die Ureteren münden in die Blasenplatte mit einem kurzen submukösen Tunnel und sind in der Regel refluxiv. 쐌 Die ventrale Fusion des Beckens ist unterblieben, sodass die Symphyse weit klafft. 쐌 Der Nabel liegt weiter kaudal am Oberrand der Blasenplatte und weist häufig einer Omphalozele auf (Hernie der Nabelschnur − Nabelschnurbruch). 쐌 Lateral rotierte Hüftpfannen und entsprechende Fehlstellung des Femur bedingen den „Entengang“. 쐌 Beidseitige Leistenhernien sind häufig mit Leistenhoden assoziiert. 쐌 Es besteht eine Rektusdiastase mit vorderen Bauchwandhernie zwischen den Mm. recti abdominis. Ekstrophie beim weiblichen Geschlecht: 쐌 Harnblase und Urethra sind komplett gespalten, die offen liegende Urethralrinne trennt die gespaltene Klitoris (komplette Epispadie) (Abb. 11.54 b). 쐌 Der Introitus vaginae ist nach ventral verlagert, die Vagina verläuft somit parallel zum Beckenboden. 쐌 Der Anus ist ebenfalls nach ventral verlagert. 쐌 Die restlichen Befunde entsprechen denen beim männlichen Geschlecht.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Definition: Die Blasenekstrophie ist eine Entwicklungsstörung mit kompletter Spaltbildung des unteren Harntraktes und des äußeren Genitale um die 3. SSW, es besteht ein fließender Übergang von der Epispadie. Die Blase liegt offen im Unterbauch und die gespaltene Urethra liegt als Urethralrinne auf der Dorsalseite des Penis den beiden Schwellkörpern auf. Die Häufigkeit der Blasenekstrophie unter den Lebendgeburten beträgt etwa 1:10 000−1:50 000. Knaben sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.
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Abb. 11.54 a u. b Blasenekstrophie. a Befund bei einem männlichen Neugeborenen. b Befund bei einem 3-jährigen Mädchen.
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11.8 Anomalien des äußeren Genitales − Phimose, Hypospadie, Epispadie/Ekstrophie
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.55 a u. b Entwicklung der Blasenekstrophie (a) bzw. der kloakalen Ekstrophie (b), modifiziert nach Walsh.
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Ursache: In der 3. SSW bildet die Kloakenmembran die vordere Bauchwand des Embryo zwischen Nabel und kaudalem Ende des Köperstammes. Die Verschmelzung der paarigen Genitalhöcker im kranialen Sektor der Kloakenmembran führt zur Bildung von Klitoris bzw. Penis und durch Breitenwachstum zur Verkleinerung der Kloakenmembran und zum Einwachsen von Mesenchym in die entstehende Bauchwand unterhalb des Nabels. Unterbleibt das Einwachsen des Mesenchyms in die Kloakenmembran, so können sich die Genitalhöcker nicht vereinigen und die Kloakenmembran persistiert auf ganzer Länge. Bei einer Entwicklungsstörung der Kloakenmembran und der Mesenchymderivate des Unterbauches kommt es sekundär zur Ruptur der Kloakenmembran kranial der Genitalhöcker. Der Schweregrad der Spaltbildung wird vom Zeitpunkt der Ruptur der Kloakenmembran bestimmt, die kausale Genese ist unbekannt (Abb. 11.55).
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Körperliche Untersuchung: Die Inspektion zeigt das typische Bild der Blasenekstrophie. Pränatale Sonographie: Das Fehlen einer Harnblase bei normaler Fruchtwassermenge in mehreren Untersuchungen ist ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen einer Fehlbildung aus dem Ekstrophiekomplex. Handelt es sich um einen sehr ausgeprägten Defekt, wie im Fall einer kloakalen Ekstrophie, kann ein qualifizierter Untersucher diesen am Ende des 1. und zu Beginn des 2. Trimenons sonographisch erfassen. Postpartale Sonographie: Die postpartale Sonographie klärt Anomalien der ableitenden Harnwege (Dilatation/assoziierte Malformationen), bzw. des Uterus ab. MRT: Ein MRT des Beckens oder des Myelons erfolgt nur bei auffälligen Befunden.
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
Männliche kloakale Ekstrophie post partum.
Differenzialdiagnose: 왘 Ekstrophievarianten, 왘 kloakale Ekstrophie: Kommt es zur Entwicklungsstörung von Sinus urogenitalis und Rektum durch das Septum urorectale (Abb. 11.56), so resultiert eine der schwersten Formen der Spaltbildung − die kloakale Blasenekstrophie mit einer Häufigkeit von 1 : 200 000−1 : 400 000. Das Zökum ist in der Mitte zwischen den beiden Blasenhälften gespalten. Es liegt eine Atresie des übrigen Kolons und des Anus vor.
Kinderurologische Krankheitsbilder
Abb. 11.56
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12 Urologische Erkrankungen des Mannes
12.1 Hämospermie . . . . . . . . 369 12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz . . . . . 374 12.3 Infertilität . . . . . . . . 386 12.4 Palpable Prostataverhärtung . . . . . . . 402 12.5 Priapismus . . . . . . . 405
12.1
Hämospermie
12.6 Penoskrotale Schwellung . . . . . . . 417
D. M. Wilbert
Grundlagen
12.7 Penisdeviation . . . . 437 12.8 Varikozele . . . . . . . . 441
Leitsymptome: 쐌 Verläuft meist asymptomatisch, 쐌 typischerweise schmerzlos, 쐌 wird nach einer Ejakulation bei Koitus mit Kondom oder Coitus interruptus, bei nächtlicher Pollution oder Masturbation bemerkt, 쐌 nicht selten gibt die Partnerin den ersten Hinweis auf das Vorliegen einer Hämospermie.
Nur in seltenen Fällen wird von einer schmerzhaften Ejakulation berichtet. Allerdings können andere urologische Symptome wie Hämaturie begleitend auftreten. Die Tatsache einer Hämospermie stellt für den Patienten subjektiv ein beunruhigendes Ereignis dar, weswegen er in der Regel bald einen Arzt aufsucht. Ursachen: Grundsätzlich ist jeder Abschnitt der samenableitenden Wege, vom Hodenparenchym bis zum Meatus externus urethrae, als Ursprung einer Hämospermie denkbar. Eine Hämospermie setzt immer eine pathologische Verbindung zwischen blutführenden Gefäßen und den samenableitenden Wegen voraus. Entzündliche Veränderungen z. B. des Samenblasenepithels oder der Harnröhre mit Blutaustritt sind ebenso im Bereich der pathogenetischen Möglichkeiten wie Gefäßläsionen durch Tumoren dieser Region. Auch stumpfe Gewalteinwirkungen auf Hoden, Nebenhoden, Ductus deferens oder das Perineum können zu einer vorübergehenden Hämospermie führen, wenn es zu Schleimhauteinrissen und somit zu einem kapillären Blutübertritt in die samenableitenden Wege kommt. Entsprechend ihren vielfältigen auslösenden Ursachen hat die Hämospermie keine einheitliche Ätiologie. Für die Beurteilung einer Hämospermie ist das Alter des Patienten ebenso wichtig wie evtl. vorhandene, weitere begleitende urologische Symptome (z. B. Hämaturie). Während bei Patienten unter 40 Jahren in der Regel eine benigne Erkrankung, wie z. B. eine Prostatovesikulitis oder eine Utrikuluszyste zu erwarten ist, muss bei Patienten über 40 Jahre an ein Malignom als Ursache, z. B. ein Prostatakarzinom, gedacht werden (Tab. 12.1).
Eine recht häufige Ursache ist heutzutage eine kürzlich durchgeführte Prostatabiopsie, die oft zu einer passageren Hämospermie führt.
Cave: Bei Patienten 쏜 40 Jahre an Prostatakarzinom denken!
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Definition: Als Hämospermie wird jede makroskopisch oder mikroskopisch sichtbare Blutbeimengung der Samenflüssigkeit definiert. Besteht eine frische Blutung, ist das Sperma eher rötlich, bei älteren Blutungen eher bräunlich verfärbt. In einigen Fällen ist sie ein einmaliges Ereignis. Die tatsächliche Inzidenz und Prävalenz der Hämospermie ist nicht bekannt.
12
370
12.1 Hämospermie
Tabelle 12.1
Urologische Erkrankungen des Mannes
Einteilung: Haemospermia spuria − Haemospermia vera
12
Cave: Die monosymptomatische Hämospermie sollte in jedem Fall abgeklärt werden!
Differenzialdiagnose der Hämospermie (nach relativer Häufigkeit aufgelistet)
Patientenalter 쏝 40 Jahre
Patientenalter 쏜 40 Jahre
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Prostatovesikulitis Urethritis intraurethrale Kondylome Selbstmanipulation Urogenitaltuberkulose idiopathische Hämospermie
benigne Prostatahyperplasie ektatische Venen am Blasenhals Prostatakarzinom Samenblasentumor Prostatitis
Einteilung In der klinischen Routine hat sich die Einteilung in eine Haemospermia spuria (diskrete Beimengung von kleinen Blutkoageln oder -fäden) und eine Haemospermia vera als homogene Verfärbung des gesamten Ejakulates bewährt. Weitergehende Einteilungen existieren nicht. Bei der Haemospermia spuria ist in der Regel von urethralen Ursachen der Blutung auszugehen, während bei der Haemospermia vera eine Ursache im Bereich der Prostata oder Samenblasen am wahrscheinlichsten ist.
Besonderheiten Die Krankheitsmechanismen, die zu einer Hämospermie führen, geben auch Anlass zu anderen urologischen Symptomen wie Hämaturie, Dysurie, Zeichen der infravesikalen Obstruktion oder lassen pathologische Palpationsbefunde erkennen. Der in der Literatur manchmal gefundene Standpunkt, die monosymptomatische Hämospermie als selbstlimitierendes benignes Geschehen aufzufassen und nicht weiter abzuklären, kann aufgrund der vielfältigen möglichen Ursachen nicht unterstützt werden.
Basisdiagnostik Anamnese: Farbe des Spermas, 왘 Häufigkeit der Hämospermie, 왘 sonstige Beschwerden. 왘
Körperliche Untersuchung: 왘 Palpation von Prostata, Samenblasen, Hoden, Nebenhoden und Ductus deferentes. Labor: 왘 Urinstatus und -sediment, 왘 4-Gläser-Probe mit Urinkulturen und mikroskopischen Ausstrichen des Prostataexprimates, 왘 Spermiogramm, 왘 Ejakulatkultur. Sonographie: Prostata und Samenblasen (suprapubisch oder transrektal).
왘
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Diagnostisches Vorgehen
371
Falls bis hier eine Diagnose nicht gestellt werden kann, sieht das weitere Untersuchungsprogramm vor: 왘 Abdomenleeraufnahme, Miktionszysturethrogramm, 왘 Urinkultur und Ejakulatkultur auf Tuberkulose, 왘 Kernspintomographie des kleinen Beckens, 왘 Urethrozystoskopie, 왘 Gerinnungslabor, 왘 Bestimmung des prostataspezifischen Antigens, 왘 Bilharzioseabklärung, 왘 (Vesikulographie, nur in Ausnahmefällen indiziert).
Diagnostisches Vorgehen Es gilt in erster Linie, entzündliche Erkrankungen der männlichen Adnexe nachzuweisen bzw. auszuschließen.
Urologische Erkrankungen des Mannes
Den typischen Ablauf der Untersuchungen zeigt Abb. 12.1. Der Befund einer Hämospermie ist nach der ersten Angabe des Patienten leicht zu bestätigen. Diagnostische Probleme entstehen jedoch bei der weiteren Suche nach den auslösenden Faktoren. Es hat sich bewährt, die Konstanz des Befundes durch mindestens 2-malige Ejakulatuntersuchung zu überprüfen. Die weiteren Untersuchungsschritte sind von der Wahrscheinlichkeit der auslösenden Veränderungen geleitet. Die steigende Invasivität ist ein Leitfaden zur sinnvollen Reihung des diagnostischen Programms. Schlussendlich lassen sich 60−80 % der Fälle mit einer Hämospermie bis zu einer befriedigenden Diagnosegewinnung abklären.
12
Abb. 12.1
Hämospermie: Ablauf der Diagnostik.
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372
12.1 Hämospermie
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
1. entzündliche Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. Tumoren
쐌 Prostatakarzinom 쐌 Samenblasentumor (benigne, maligne)
3. kongenitale Malformationen
쐌 Utrikuluszyste (evtl. mit Steinbildung) 쐌 Müllerian-duct-Zyste 쐌 ektatische Venen der prostatischen Urethra
4. Trauma
쐌 쐌 쐌 쐌
5. sonstige Erkrankungen
쐌 Status nach Prostatabiopsie 쐌 hämorrhagische Diathesen
chronische Prostatovesikulitis (+ Prostatasteine) Urethritis posterior Urogenitaltuberkulose Bilharziose Amyloidose der Samenblasen urethrale Kondylome
iatrogene Verletzungen der hinteren Harnröhre urethrale Selbstmanipulation stumpfe Verletzung der samenableitenden Wege sexueller Exzess
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Urologische Erkrankungen des Mannes
Urethritis posterior
Diagnostik
12
Diagnostik
Ursache: Selbstlimitierte, umschriebene entzündliche Veränderungen der bulbären Harnröhre, möglicherweise aufgrund einer hormonellen Imbalance bei pubertierenden Knaben. Anamnese/Klinik: Leichte Blutung, die typischerweise als Blutfleck in der Unterwäsche bemerkt wird.
쐌 Urethroskopie.
Urethrale Condylomata acuminata Ursache: Sexuell übertragene Infektion mit dem Papillomavirus (HPV). Anamnese/Klinik: Manifestation meist an der Glans penis und dem inneren Vorhautblatt.
쐌 Blickdiagnostik, 쐌 Sichtbarmachung kleinster Kondylome (Weißfärbung) durch Auftragen von Eisessig, 쐌 nach Behandlung der externen Kondylome ist eine Urethroskopie zur Diagnostik intraurethraler Condylomata acuminata indiziert.
Prostatakarzinom In einer Screeningpopulation für ein Prostatakarzinom ist die Hämospermie mit 0,5 % ein seltenes Ereignis. Bei Patienten mit einer Hämospermie im entsprechen-
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
373
den Alter wird aber ein Prostatakarzinom doppelt so häufig gefunden wie bei Patienten ohne Hämospermie. Zur Diagnostik des Prostatakarzinoms siehe S. 201.
Amyloidose der Samenblasen Eine Amyloidose der Samenblasen kann in Form des isolierten Altersamyloids oder als Teilmanifestation einer systemischen Amyloidose auftreten. Histologisch findet sich das Amyloid subepithelial und führt zur Wandverdickung und Lumeneinengung.
Samenblasentumoren Als gutartige Entität sind Zystadenome beschrieben, die aufgrund ihrer retrovesikalen Lage riesige Ausmaße annehmen können, bevor sie symptomatisch werden. Bösartige primäre Samenblasenkarzinome sind äußerst selten. Sie kommen als papilläres oder anaplastisches Karzinom vor. Wegen ihrer Lage bleiben sie ebenfalls lange Zeit klinisch stumm. Embryologisch besteht eine Artverwandtschaft mit dem Prostatakarzinom. Maligne Samenblasentumoren werden in allen Altersstufen angetroffen. Auszuschließen ist immer eine Infiltration durch ein bereits bestehendes Prostatakarzinom.
Bei der Utrikuluszyste handelt es sich um eine kurze, blind endende Aussackung entodermalen Ursprungs, die entwicklungsgeschichtlich der proximalen Vagina entspricht. Bei Kindern mit intersexuellem Genitale und bei ausgeprägteren Hypospadieformen wird häufiger eine Utrikuluszyste gefunden. Gelegentlich wird eine Steinbildung in der Utrikuluszyste beschrieben.
Diagnostik 쐌 Suprapubische oder transrektale Sonographie, 쐌 Kernspintomographie, 쐌 ggf. endoskopische Untersuchung.
Müllerian-Duct-Cyst (Müller-Gang-Zyste) Unterscheidbar von der Utrikuluszyste stellt die Müllerian-Duct-Cyst ein Überbleibsel der paranephrischen Gänge dar und entspricht dem Uterus beim weiblichen Geschlecht. Ihr Ursprung ist mesodermal. Ein gehäuftes Auftreten bei Hypospadien findet sich nicht. Die Müller-Gang-Zysten können riesige Ausmaße erreichen, über 5 cm Durchmesser sind beschrieben.
Diagnostik 쐌 Schnittbildverfahren, 쐌 transrektale Punktion mit Kontrastmittelinjektion zum Nachweis einer Verbindung zur Urethra.
Ektatische Venen der prostatischen Urethra Diese bei der benignen Prostatahyperplasie häufig vorkommenden submukösen Venenektasien führen meist zu einer Hämaturie. Ihre Genese ist als venöse Abflussstörung bei vorliegender Vergrößerung der Prostata zu verstehen. Nach der Litera-
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Utrikuluszyste
12
374
12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz tur sollen sie auch beim jüngeren Mann, möglicherweise als kongenitale Venenerweiterungen, vorkommen.
Diagnostik 쐌 Endoskopie.
Traumata Die häufigste Ursache der iatrogen induzierten Hämospermie ist die transrektale Prostatabiopsie.
Für iatrogene Verletzungen anlässlich endoskopischer Untersuchungen oder Katheterisierungsmaßnahmen ist bei Läsionen der hinteren Harnröhre der Zusammenhang mit der Hämospermie ebenso evident wie bei urethralen Selbstmanipulationen.
Hämorrhagische Diathesen Zur Abklärung hämorrhagischer Diathesen sei auf die einschlägigen Fachbücher der inneren Medizin verwiesen. Eine Antikoagulanzientherapie muss differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen und abgefragt werden.
Urologische Erkrankungen des Mannes
Literatur
12
Furuya S, Kato H. A clinical entity of cystic dilatation of the utricle associated with hemospermia. J Urol. 2005;174:1039−42. Han M, Brannigan RE, Antenor JA, Roehl KA, Catalona WJ. Association of hemospermia with prostate cancer. J Urol. 2004;172:2189−92. Hedinger CE, Dhom G. Pathologie des männlichen Genitale. Bd. 21. In: Doerr W, Seifert G, Hrsg. Spezielle pathologische Anatomie. Berlin: Springer; 1991. Krause W, Rothauge CF. Andrologie. Stuttgart: Enke;1991. Smith DE. General Urology. 9 th ed. Los Altos, CA: Lange; 1978. Spring-Mills E, Hafez ESE. Male Accessory Sex Glands. Amsterdam: Elsevier; 1980.
12.2
Erektile Dysfunktion und Impotenz S. C. Müller
Grundlagen Definition: Vernachlässigt man Störungen der Libido und Ejakulation, so bezieht sich der Begriff der erektilen Dysfunktion bzw. Impotenz auf ein chronisches Krankheitsbild von mindestens 6-monatiger Dauer, bei dem mindestens 70 % der Versuche, einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, erfolglos sind (Leitlinie der DGU). Diese Störung hat vielfältige Ursachen im psychischen, psychosozialen und somatischen Bereich, wobei es durchaus zu erheblichen Einflüssen auf die Lebensqualität der Betroffenen, ihrer Partner und Familien kommt. Versagens- und Erwartungsängsten kommen bei diesem Phänomen eine mitbedingende und aufrechterhaltende Rolle zu (Leitlinie der DGU und EAU). Leitsymptome: Die altersabhängige sekundäre bzw. organisch bedingte Erektionsstörung ist gekennzeichnet durch: 쐌 schleichend eintretende Erektionsstörungen, 쐌 spätes Erreichen der vollen Rigidität, 쐌 frühzeitiges Nachlassen der Rigidität, 쐌 volle Rigidität wird nicht mehr erreicht.
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Grundlagen
Induktion einer Erektion.
Pathophysiologie: Eine normale Erektion resultiert aus dem komplexen Zusammenspiel von neurogenen, vaskulären (arteriell/venös), hormonellen und psychogenen Faktoren, wobei dem Schwellkörpergewebe selbst und dem Endothel der kavernösen Räume eine zentrale Schlüsselposition zukommt (Abb. 12.2). Dank einer in den letzten 20 Jahren intensivierten Grundlagenforschung bestimmen zunehmend die Kenntnisse von Physiologie und Pathophysiologie das Verständnis über die Ursachen von Erektionsstörungen. Meilensteine waren dabei die intrakavernös verabreichten gefäßwirksamen Medikamente sowie die im Labor entwickelten Tiermodelle, mit deren Hilfe durch Neurostimulation Erektionen ausgelöst werden konnten. Die gewonnenen Erkenntnisse führten weg von dem Glauben, dass Erektionsstörungen fast ausschließlich psychogener Natur seien. Heute weiß man, dass die erektile Dysfunktion viele organische Ursachen haben kann, wobei funktionelle Störungen (Einfluss von Pharmaka, psychischer Stress usw.) eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Die typische Altersabhängigkeit der ED korreliert gut mit einer endothelialen Dysfunktion, die wiederum mit bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren zusammenhängt (z. B. KHK, Hypertonie, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen), aber auch mit Veränderungen bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) bzw. LUTS (lower urinary tract symptoms). Stickoxyd (NO) spielt dabei eine wesentliche Rolle als lokaler Neurotransmitter, der im Endothel der Schwellkörper gebildet wird. Eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Schwellkörpers und die endothelial gebundene „Stickoxydsynthase“ sind wichtige Voraussetzungen. Unter dem Einfluss von NO entsteht in der glatten Muskelzelle cGMP, was zur Relaxation und damit zur Erektion führt. Die Typ-5Phosphodiesterasen (PDE-5) inaktivieren cGMP und induzieren die Detumeszens. PDE-5-Hemmer (Viagra usw.) erhöhen die intrakavernösen cGMP-Konzentrationen und verbessern damit die Erektion. Prävalenz: Die „Massachusetts Male Aging Study (MMAS)“ zeigte, dass bereits 52 % der Männer zwischen 40 und 70 Jahren von Erektionsstörungen betroffen sind (leichte Erektionseinschränkung: 17 %; moderate ED: 17−34 %; vollständiger Erektionsverlust: 5−15 %), wobei das Problem mit höherem Alter deutlich zunimmt. Nur
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.2
375
12 Klassische Risikofaktoren: 쐌 Diabetes mellitus, 쐌 Hyperlipidämie, 쐌 arterielle Hypertonie, 쐌 Nikotinabusus (쏜 20 Zigaretten/Tag), 쐌 Alkoholabusus, 쐌 Niereninsuffizienz.
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12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz etwa 30 % der 70-Jährigen geben an, frei von Erektionsstörungen zu sein. Die erektile Dysfunktion ist daher ein ernsthaftes und quantitativ erhebliches Gesundheitsproblem.
Einteilung Es gibt multiple Ursachen für Erektionsstörungen, wobei überwiegend ein organisches Korrelat zugrunde liegt. Entsprechend ihrer Pathogenese unterscheidet man organische von nichtorganischen/psychogenen Erektionsstörungen (Abb. 12.3, Tab. 12.2). Folgende Erektionsmuster sollten unterschieden werden: spontane (nächtliche/morgendliche) Erektionen: sympathisches, thorakolumbales Erektionszentrum (Th10−L1), 왘 audiovisuell (psychogen) ausgelöste Erektionen: parasympathisches, sakrales Erektionszentrum (S2−S4), 왘 sensorisch/reflektorisch (taktil) ausgelöste Erektionen, z. B. bei Masturbation: Afferenz: N. pudendus, sakrales Miktionszentrum (S2−S4), 왘 Erektionen bei Geschlechtsverkehr: Beteiligung aller Zentren/Systeme 왘
Bei der Impotenz muss man differenzieren zwischen: primäre Impotenz: Eine für den Geschlechtsverkehr ausreichende oder lang genug anhaltende Rigidität des Gliedes wurde nie erreicht (meist jüngere Patienten mit z. T. konnatalen Problemen). 왘 sekundäre Impotenz: Hier sind phasische Verläufe mit symptomfreien Intervallen von situativ/partnerabhängigen Erektionsstörungen zu unterscheiden.
Urologische Erkrankungen des Mannes
왘
Eindeutige Ursachen einer sekundären Erektionsstörung sind: plötzlicher Beginn nach definierten Traumen (z. B. Querschnittlähmung, Operation im kleinen Becken), 왘 psychosexueller Schock. 왘
Die Einteilung des Erektionsgrades ist Tab. 12.3 zu entnehmen.
12
Abb. 12.3
Einteilung der Erektionsstörungen.
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Einteilung
377
Tabelle 12.2 Ursachen von Erektionsstörungen Ursache
Beispiel
psychogen
쐌 psychosexuelle Fehlentwicklung 쐌 partnerspezifische Konfliktsituationen 쐌 Versagensängste usw.
neurogen
Läsionen des ZNS: 쐌 zerebral: (Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren, Entzündungen, Schädigungen des limbischen Systems, Temporallappenaffektionen) 쐌 spinal: (Querschnittverletzungen) 쐌 psychogenes Erektionszentrum (Th10−L1) = sympathisches Nervensystem 쐌 reflexogenes Erektionszentrum (S2−S4) = parasympathisches Nervensystem 쐌 spinale Leitungsbahnen (Afferenzen und/oder Efferenzen)
endokrin
쐌 Testosteronmangel (hypo-, normo-, hypergonadotroper Hypogonadismus) 쐌 Hypo-/Hyperthyreoidismus 쐌 Hyperprolaktinämie 쐌 Morbus Cushing 쐌 Morbus Addison
medikamentös
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Drogen
쐌 Nikotin 쐌 Alkohol 쐌 harte Drogen
vaskulär
arteriell: 쐌 kongenitale Gefäßanomalien (Agenesien, Hypoplasien, Dysplasien, a.-v. Malformationen) 쐌 erworbene Gefäßläsionen: arteriosklerotisch (Stenosen, Verschlüsse), posttraumatisch (Stenosen, Verschlüsse, a.-v. Fisteln), entzündlich(?), (generalisiert, lokalisiert)
β-Blocker Diuretika Psychopharmaka Antiandrogene Nitrate Cimetidin
venös: 쐌 Insuffizienz des Venensystems (Vv. emissariae/V. dorsalis profunda, hiläre und kaveröse Venen) 쐌 ektope Venen 쐌 pathologische Shunts (glandokavernös, spongiosokavernös) im Schwellkörper liegend
쐌 쐌 쐌 쐌
Fibrosierung/Degeneration der glatten Schwellkörpermuskulatur lnduratio penis plastica/kongenitale Penisdeviation lnkompetenz der Tunica albuginea funktionelle Störungen (Neurotransmitter- bzw. Rezeptormangel)
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Läsionen des peripheren Nervensystems: 쐌 autonomes Nervensystem: 쐌 Parasympathikus (Nn. erigentes) 쐌 Sympathikus (Plexus hypogasticus superior/inferior) 쐌 somatisches Nervensystem: N. pudendus (S2−S4)/N. dorsalis penis
12
378
12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz
Tabelle 12.3
Klassifizierung des Erektionsgrades
Erektionsgrad
Merkmale
E0
keine Tumeszenz, keine Rigidität
E1
leichte Tumeszenz, keine Rigidität
E2
mittlere Tumeszenz, keine Rigidität
E3
volle Tumeszenz, keine Rigidität
E4
volle Tumeszenz, mittlere Rigidität
E5
volle Tumeszenz, volle Rigidität
Besonderheiten
Urologische Erkrankungen des Mannes
Eine sorgfältige Diagnostik muss sicherstellen, dass wesentliche, bislang unbekannte Erkrankungen, deren Erstsymptom die ED sein kann, nicht übersehen werden.
12
Die Folgerung, dass bei Vorhandensein von nächtlichen Erektionen bei erektiler Dysfunktion eine psychogene Ursache vorliegen muss, ist nicht haltbar!
Auch im Zeitalter der Phosphodiesterase-5-Inhibitoren erscheint eine vorschnelle Therapie ohne vorausgehende Diagnostik nicht sinnvoll und wäre in Kombination mit Nitropräparaten auch kontraindiziert, ja sogar lebensgefährlich. Die erektile Dysfunktion, die ja hauptsächlich bei Männern ab dem 50. Lebensjahr eine Rolle spielt, ist oft das erste Symptom einer schwerwiegenden, bislang dem Patienten nicht bekannten Erkrankung, z. B.: 왘 Erstsymptom eines Diabetes mellitus, 왘 Frühsymptom einer koronaren Herzkrankheit bzw. Indikator eines späteren Myokardinfarktes. Am Beispiel des Diabetes mellitus erkennt man die Schwierigkeit, eine exakte Ursache zu eruieren. Einerseits ist sicher die Mikroangiopathie für die hämodynamischen Probleme verantwortlich und auch ursächlich an der histologisch nachweisbaren Degeneration der Schwellkörpermuskulatur beteiligt, andererseits führt aber auch die periphere Neuropathie zur Störung der autonomen Innervation dieses Gewebes. Beim Nikotinabusus wird deutlich, dass kurzfristig ein ganglienblockender Effekt des Nikotins bei der parasympathischen Neurotransmission die Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur verhindert und damit für die Erektionsstörung verantwortlich ist. Tierversuche und die klinische Erfahrung zeigen, dass dies konzentrationsabhängig und reversibel ist. Langfristig findet man eine irreversible Muskeldegeneration der Schwellkörper, wahrscheinlich in Folge einer chronischen Schädigung der kleinen Gefäße. Das Vorhandensein nächtlicher Erektionen ist nicht automatisch mit einer psychogenen erektilen Dysfunktion gleichzusetzen, denn die Innervationswege unterscheiden sich. Nächtliche und auch morgendliche Spontanerektionen, die im sympathischen thorakolumbalen Erektionszentrum lokalisiert sind, können auch auftreten, wenn das parasympathische (sakrale) Erektionszentrum, das für psychogene (audiovisuell ausgelöste) Erektionen verantwortlich ist, geschädigt ist. Reflexogene Erektionen (z. B. Masturbation) werden afferent über den N. pudendus und efferent über das sakrale Erektionszentrum induziert. Nicht selten haben die Patienten selbst oder auch ihre Partnerinnen überzogene Vorstellungen an die „sexuelle Performance“. Auch hier ist ein aufklärendes Gespräch oft effektiver als eine primäre pharmakologische Therapie. Unter Berücksichtigung der bekannten Risikofaktoren wird klar, dass die ED stark mit den bekannten „Zivilisationskrankheiten“ zusammenhängt und eine bewusste Ernährung, sinnvolle Lebensführung und Einbeziehung regelmäßiger sportlicher Aktivität viel zur Krankheitsprophylaxe beitragen können. Die bekannten pathophysiologischen Zusammenhänge lassen neben der revolutionierenden Therapie mit PDE-5-Hemmern in Zukunft auch gentherapeutische Möglichkeiten erkennen.
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Basisdiagnostik
Mögliche Erkrankungen als Risikofaktoren einer erektilen Dysfunktion
Ursache
Beispiel
Stoffwechselerkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌
Diabetes mellitus Hypertriglyzeridämie Hypercholesterinämie Niereninsuffizienz
kardiovaskuläre Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Arterielle Hypertonie KHK Myokardinfarkt (periphere) Durchblutungsstörungen kardiopulmonale Insuffizienz
neurologische Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Apoplex multiple Sklerose Morbus Parkinson periphere Polyneuropathien (Diabetes, Alkohol) Bandscheibenvorfall
psychische Erkrankungen
쐌 Depression 쐌 Angstzustände
Operationen, Traumata
쐌 쐌 쐌 쐌
hormonelle Erkrankungen
쐌 Hypogonadismus 쐌 Schilddrüsenerkrankungen
radikale Prostatektomie Rektumexstirpation Beckentrauma Wirbelsäulentrauma/-degeneration
Basisdiagnostik Nichtinvasive Diagnostik: 왘 Allgemeinanamnese: − Beachte Alter und Risikofaktoren (Tab. 12.4). − Medikamentenanamnese: Nitrate und PDE-5-Inhibitoren sind kontraindiziert! − Nikotinabusus? − Partielles Androgendefizit (PADAM)? 왘 Sexualanamnese: − Standardisierte Fragebögen wie der „International Index of Erectile Function (IIEF)“, − Differenzierung primärer (meist junge Patienten) von sekundärer Impotenz, − wichtige Punkte der Sexualanamnese sind in Tab. 12.5 zusammengefasst. Bei Hinweisen auf eine psychogene Genese (z. B. gute Erektion bei Masturbation, partnerabhängige Erektionsqualität, Ejaculatio praecox, Anorgasmie) sollte eine psychologische Diagnostik durch ausgebildete Psychologen oder Psychosomatiker erfolgen. 왘
Körperliche Untersuchung: − Ausschluss schwerer Allgemeinerkrankungen und alimentärer Störungen. − Hypogonadismus: nachlassende Behaarung, trockene atrophische Haut, Atrophie der Muskulatur, Osteoporose und Hodenatrophie. − Phimose? Induratio penis plastica? − rektale Palpation: Prostatahyperplasie bzw. Prostatakarzinom?
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Tabelle 12.4
379
12
380
12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.5 Allgemein
Konkrete Fragen
zeitliche Dimension
쐌 쐌 쐌 쐌
Ausprägung der Störung
쐌 Maximaler Erektionsgrad E0−E5? 쐌 Gleiche Erektion bei Verkehr, morgens und bei Masturbation? 쐌 Wie viele Versuche von 10 Versuchen sind erfolgreich?
Art der Störung
쐌 쐌 쐌 쐌
sexuelles Verlangen
쐌 Fehlende, reduzierte, normale, gesteigerte Libido? 쐌 Ausreichende Stimulation durch die Partnerin?
Situationsabhängigkeit
쐌 Stress, Besserung im Urlaub? 쐌 Neue Partnerin? 쐌 Spezielle Praktiken?
Leidensdruck
쐌 Warum kommt der Patient? 쐌 Eigener Wunsch, Wunsch der Partnerin? 쐌 Drohende Krise, stabile Partnerschaft?
Ursache der ED aus Patientensicht
쐌 Erkrankungen? 쐌 Konflikte? 쐌 Stress?
왘
12 Bei Verdacht auf ein Prolaktinom sollte die Hypophyse mittels MRT abgeklärt werden. Ein GnRH-Test zur Überprüfung der Hypophysenfunktion sollte nur bei extrem niedrigen Testosteronwerten durchgeführt werden.
Wichtige Punkte der Sexualanamnese
Seit wann? Plötzliches oder allmähliches Auftreten? Koitusfrequenz pro Monat aktuell/früher? Wann war der letzte Verkehr?
Unzureichende oder fehlende Erektion? Vorzeitige Detumeszenz? Ejaculatio praecox? Anorgasmie?
Laboruntersuchungen: − Kleines Blutbild, − Blutfette (Triglyceride, Cholesterin, HDL/LDL), − Nüchtern-Glucose + HBA1 c-Wert, − Retentionsparameter, − Leberenzyme, − Testosteron, − (TSH, T3, T4).
Bei unauffälliger endokrinologischer Anamnese und normalem Untersuchungsbefund genügt als Screening die Bestimmung des Testosteronwertes. Ein vermeintlich niedriger Testosteronwert sollte aufgrund der zirkadianen Schwankungen dieses Hormons erneut bestimmt werden. Zeigt sich wiederum ein pathologischer Wert, empfiehlt sich eine erweiterte endokrinologische Labordiagnostik: − freies und gebundenes Testosteron, − LH, − FSH, − Prolaktin. Die Indikation zur Bestimmung des Prolaktins ergibt sich aus einer reduzierten Libido und Gynäkomastie und/oder einem erniedrigten Testosteronspiegel. In der Vergangenheit wurde die Wirkung einer Testosteron-Ersatztherapie weit überschätzt, trotzdem hat Testosteron einen wichtigen Einfluss auf neuronale Erregungsüberleitung im ZNS und peripher auf die Konzentration und Wirksamkeit der kavernösen Stickoxydsynthase, denn NO spielt eine zentrale Rolle als Neurotransmitter der penilen Erektion.
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Basisdiagnostik 왘
Nächtliche penile Tumeszenz- und Rigiditätsmessung (NPTR): − Mindestens 2 Nächte erfassen! − Aussagekraft sehr umstritten!
Zusammenfassend ist die nichtinvasive Diagnostik ein sehr wichtiger Schritt in der Abklärung der erektilen Dysfunktion. Bisher unentdeckte gravierende Erkrankungen, deren erstes Symptom möglicherweise die erektile Dysfunktion ist, sollten erkannt und damit schwerwiegende Folgen für den Patienten vermieden werden. Bei den meisten Patienten und korrekter Indikation kann mit Abschluss der nicht-invasiven Diagnostik eine konservative Therapie (überwiegend mit einem PDE-5-Hemmer) eingeleitet werden. Eine weiterführende Diagnostik ist nur in ausgewählten Fällen sinnvoll.
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Das Vorhandensein nächtlicher Erektionen ist nicht automatisch mit einer psychogenen erektilen Dysfunktion gleichzusetzen! Eine Erektion mit mindestens 60 % Rigidität an der Spitze des Penis für 10 Minuten oder länger deutet nur auf ein funktionierendes organisches Gefüge hin.
Semiinvasive Diagnostik: Schwellkörperinjektionstest (SKAT-Test): Der Schwellkörperinjektionstest (SKATTest) in Verbindung mit einer Doppler-Untersuchung bzw. farbcodierten Duplexsonographie erlaubt eine objektive Beurteilung der arteriellen-penilen Versorgung. Gleichzeitig können der Zustand der kavernösen Schwellkörper und indirekt auch die kavernös-venösen Verschlussmechanismen beurteilt werden („kavernöse Kompetenz“). In Abhängigkeit der verabreichten Dosis und der daraus resultierenden Erektion ist die neurogene Versorgung des Schwellkörpers grob orientierend möglich. Die eingesetzte Dosierung von üblicherweise Prostaglandin E1 (PGE1) hängt von der vermuteten Ursache der Erektionsstörung ab. Bei neurogenen oder endokrinen Ursachen reichen niedrige Dosierungen (5 μg PGE1) aus, bei älteren Patienten und einer eher wahrscheinlichen vaskulären Genese kann auch mit höheren Dosierungen von 10−20 μg begonnen werden und ggf. bis zu 40 μg gesteigert werden. Vor dem SKAT-Test muss jeder Patient ausführlich über den Ablauf des Tests und mögliche Risiken (Priapismus 쏝 1 %) aufgeklärt werden. Die Erektionsantwort beim SKAT-Test sollte nach Erektionsgraden (s. Tab. 12.3) klassifiziert werden. Angst und psychologischer Stress kann das Ergebnis des SKAT-Tests aufgrund einer Sympathikusaktivierung negativ beeinflussen. In Zweifelsfällen sollte der SKAT-Test daher mehrfach wiederholt werden. Führt eine geringe Dosis PGE1 (5 μg) zu einer vollständigen Erektion, so liegt vermutlich eine neurogene oder psychogene Ursache der ED zugrunde. Braucht man 20 μg bis zum Erreichen einer Erektion, liegt die Ursache vermutlich in einer vaskulär-arteriellen oder kavernös-myozytären Störung. Wenn auch eine maximale Dosis von 40 μg PGE1 nicht zur ausreichenden Erektion führt, besteht der Verdacht auf eine venenokklusive Dysfunktion bzw. schwere Schwellkörperpathologie und kann evtl. durch eine dynamische Infusionskavernosometrie und -graphie bestätigt werden. Für die klinische Orientierung ausreichend ist oft schon der Einsatz eines „Penisringes“. Die farbcodierte Duplexsonographie der tiefen penilen Gefäße sollte immer mit einem SKAT-Test kombiniert werden. Die Messung in den paarig angelegten Aa. profundae penis sollten im proximalen Penisschaftdrittel erfolgen und kurz nach Injektion von Prostaglandin E1 beginnen. Die höchsten Flussraten werden zu Beginn der Tumeszenzphase gemessen und sollten nach deutschen und europäischen Leitlinien mindestens 30 cm/s betragen. Aufgrund vieler möglicher Störfaktoren und Messfehler ist die Wertigkeit der farbcodierten Duplexsonographie und des SKAT-Testes nicht unumstritten. 왘 Neurophysiologische Diagnostik: Eine neurophysiologische Diagnostik ist fakultativ, bedeutet meist erheblichen Aufwand und ist in ihrer Aussagekraft der Einzelverfahren limitiert. Autonome Neuropathien sind nur schwer nachweisbar und das in den 90er-Jahren häufig durchgeführte Elektromyogramm der Corpora cavernosa (CC-EMG) konnte sich aufgrund vieler Messartefakte nicht durchsetzen. Die Indikation zur Durchführung weiterer neurophysiologischer Untersuchungsverfahren stellt sich selten (weil meist ohne therapeutische Konsequenz)
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Urologische Erkrankungen des Mannes
왘
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12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz und nur dann, wenn gravierende neurologische Ursachen diagnostiziert oder ausgeschlossen werden müssen. Möglich sind: − die penile sympathische Hautantwort (PSHA), − das Beckenboden-EMG, − die N.-pudendus-Latenzzeit-Messung, − der Bulbokavernosusreflex, − somatosensibel evozierte Potenziale (SSEP).
Beide Untersuchungen sollten nur durchgeführt werden, wenn der Diagnostik auch eine operative Konsequenz folgt, wobei die Indikation zur Revaskularisationschirurgie heutzutage extrem selten gestellt wird und die gravierende venenokklusive Dysfunktion mit der Konsequenz der Implantation einer Penisprothese auch anderweitig diagnostiziert werden kann.
Invasive Diagnostik: 왘 Die superselektive Angiographie der Penisarterien nach intrakavernöser Prostaglandin-E1-Injektion gibt morphologische Informationen über den arteriellen Gefäßstatus ohne den Funktionszustand zu berücksichtigen. 왘 Die dynamische Infusionskavernosometrie und -graphie (DICC) ist eine sehr aufwendige Untersuchung, erlaubt in Korrelation zum intrakavernösen Druck eine quantitative Beurteilung der kavernösen Funktion (Kavernosometrie) und eine bildliche Darstellung der drainierenden Venensysteme (Kavernosographie). 왘 Die Kavernosometrie quantifiziert den Erhaltungsfluss und die Druckabfallszeit. Der Erhaltungsfluss ist derjenige Fluss, der zur Aufrechterhaltung einer rigiden Erektion erforderlich ist (Norm 쏝 15 ml/s bei Drucken 쏜 100 mmHg). Die Druckabfallszeit ist die Zeit, in der der intrakavernöse Druck nach Unterbrechung der Perfusion von 150 mmHg bis auf einen Druck von 50 mmHg sinkt. Der Normwert liegt bei 쏜 60 s.
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Diagnostisches Vorgehen Notwendige diagnostische Maßnahmen lassen sich nach einem 3-Stufen-Schema unterteilen in: 왘 nichtinvasive, 왘 semiinvasive, 왘 invasive Maßnahmen. Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der „Deutschen Gesellschaft für Urologie“ und der „European Association of Urology“ (Abb. 12.4). Abb. 12.4 3-Stufen-Schema zur Diagnostik der erektilen Dysfunktion.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Folgende Befunde schließen eine organische Ursache weitgehend aus: nur partnerbezogene Erektionsstörung, 왘 gute Erektion bei Pharmakontestung mit guten arteriellen Verhältnissen (Doppler-Sonographie), 왘 wechselhafte/situative Erektionsstörung. 왘
Vaskuläre Ursache
Befund/Symptom
1. arteriell
쐌 es dauert sehr lange bis zum Erreichen der vollen Rigidität 쐌 schlechte arterielle Situation in der Pharmako-Doppler-Sonographie (maximaler Flow − Gefäßdilatation) 쐌 eindeutige Gefäßveränderungen/Stenosen/Verschlüsse/kongenitale Anomalien in der Pharmakoangiographie
2. venös
쐌 volle Rigidität wird zwar schnell, aber nur kurzzeitig erreicht (primäre Impotenz!) 쐌 kein Erreichen der vollen Rigidität auch bei Pharmakontestung 쐌 gute arterielle Verhältnisse, ohne Rigidität zu erreichen 쐌 pathologische Pharmakokavernometrie/-graphie
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Arterielle lnsuffizienz
Symptomatik: Es dauert lange, bis die volle Gliedsteife erreicht wird (vorausgesetzt, keine anderen organischen Störungen liegen vor). Pathogenese: Kongenitale Gefäßanomalien der arteriellen Schwellkörperversorgung sind relativ häufig. Hierzu zählen: 왘 unilaterale Arterialisation des Schwellkörpers (in etwa 15 %). Die normalerweise paarig angelegte Versorgung der Schwellkörper durch die A. pudenda interna ist auf einer Seite nicht vorhanden (Gefäßagenesie) bzw. insuffizient (Gefäßhypoplasie, Dysplasie). Im Schwellkörper selbst lassen sich jedoch meist 2 tiefe Penisarterien darstellen, die allerdings durch ein sog. „Cross-over“ nur von einer Seite her gespeist werden. Die unilaterale Arterialisation lässt sich nur durch eine Pharmakoangiographie diagnostizieren. Die Duplexsonographie zeigt im Idealfall gute arterielle Verhältnisse in beiden tiefen Penisarterien. Meist findet man jedoch eine deutliche Seitendifferenz als Hinweis auf eine mögliche Gefäßanomalie. 왘 Atypische Abgänge der Penisarterien (z. B. A. pudenda accessoria) sind beschrieben und möglicherweise Ursache postoperativer Durchblutungsstörungen. Zu den erworbenen Gefäßläsionen zählen weiterhin: altersbedingte arteriosklerotische Veränderungen und möglicherweise Gefäßläsionen im Rahmen systemisch-entzündlicher oder lokal-entzündlicher Prozesse (Prostatitis?).
왘
Diagnostik 쐌 Anamnese, 쐌 Pharmakontestung mit Duplexsonographie: Richtwerte der arteriellen Durchblutung sind: Peak-flow in den tiefen penilen Arterien 욷 25 cm/s; maximale Durchmesserzunahme der tiefen penilen Arterien nach Pharmakongabe: 60−100 %, 쐌 Pharmakokavernometrie/-graphie zum Ausschluss eines venösen Lecks, 쐌 Pharmakoangiographie, falls therapeutische Konsequenz.
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Ursachen: Arterielle Minderperfusion des Schwellkörpergewebes.
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12.2 Erektile Dysfunktion und Impotenz
Venöse Leckage Das venöse Leck gilt nicht als eigene Ursache der Erektionsstörung, sondern ist Symptom verschiedener zugrunde liegender pathogenetischer Faktoren. Symptome: 쐌 volle Rigidität wird nur ganz kurzzeitig (meist bei jugendlichen Patienten, primäre Impotenz!) oder überhaupt nicht erreicht, 쐌 verbessertes Erektionsverhalten durch Obstruktion der Penisbasis (Penisring).
Pathogenese: 왘 Kongenital-ektope Schwellkörpervenen, 왘 Fibrosierung der glatten Schwellkörpermuskulatur, 왘 Induratio penis plastica, 왘 Inkompetenz der Tunica albuginea, 왘 Shunts zum Corpus spongiosum, 왘 funktionelle Störungen des glatten Schwellkörpermuskelgewebes.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
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쐌 (meist ohne Erfolg) Pharmakontestung bis zur Maximaldosis inkl. Penisring
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Duplexsonographie
쐌 meist gute bis normale arterielle Verhältnisse
Pharmakokavernometrie/graphie
쐌 hoher Erhaltungsflow (Normalwert 욷 15 ml/min) und schnelle Druckabfallzeiten nach Perfusionsstopp 쐌 röntgenologische Darstellung verschiedener Abflusswege des Penis bei intrakavernösem Druck von 욷 100 mmHg
Neurogene Impotenz Pathogenese: 왘 Traumata zentral und peripher (Querschnitt), 왘 iatrogene chirurgische Läsionen (z. B. Tumorchirurgie im kleinen Becken), 왘 Erkrankungen des Rückenmarks (MS, Tabes dorsalis, Syringomyelie, Tumore. Entzündungen), 왘 periphere Neuropathien (Diabetes mellitus, Alkoholismus, Urämie), 왘 pharmakologische Manipulation an neurogenen Regelmechanismen (der Einfluss verschiedener Pharmaka ist nicht zu unterschätzen, meist sind die Veränderungen reversibel). Symptome: 쐌 Erektionsstörungen bei genau definierten und lokalisierbaren neurologischen Läsionen (z. B. Querschnittsymptomatik). 쐌 nach der Phase des akuten Schocks (mehrere Wochen) ist die Erholungsfähigkeit der Sexualfunktion innerhalb von 12 Monaten nach dem Trauma beurteilbar. 쐌 Patienten mit inkompletten Läsionen haben ein besseres Erektionsverhalten als Patienten mit kompletten Läsionen. 쐌 Ist das reflexogene Erektionszentrum erhalten (Läsionen oberhalb S1), ist die Erektionsfähigkeit deutlich besser als bei Läsionen des Reflexzentrums. 쐌 Psychogene Erektionen sind von schlechterer Qualität als reflexogene Erektionen. 쐌 Hypersensitivität auf intrakavernös verabreichte vasoaktive Substanzen.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Pharmakontestung (cave: Hypersensitivität! Risiko der prolongierten Erektion), BCR-Latenzzeitmessung evozierte Potenziale, CC-EMG, Schlaflabor (NPTR-Studien).
Eine Objektivierung peripherer autonomer Neuropathien ist evtl. mithilfe des CCEMG möglich. Dessen Wert wird jedoch sehr unterschiedlich diskutiert. Der Anteil neurogen bedingter Erektionsstörungen dürfte aber bisher unterschätzt worden sein. Die Aufdeckung bestehender Läsionen der autonomen Innervation des Penis ist meist nur indirekt möglich (z. B. urodynamische Untersuchungen). Störungen des somatischen Nervensystems (Latenzzeit, evozierte Potenziale) lassen indirekt Störungen im autonomen Nervensystem vermuten.
Psychogene Impotenz
Symptome: 쐌 Wechselndes Erektionsverhalten bei verschiedenen Partnern, 쐌 Diskrepanz anamnestischer Angaben und objektivierbarer Befunde (Pharmakontestung, Doppler-Sonographie, Pharmakokavernometrie), 쐌 gute Response auf intrakavernös verabreichte vasoaktive Substanzen trotz anamnestisch angegebener Erektionsschwierigkeiten.
Diagnostik 쐌 Psychiatrische Abklärung (unter Einbeziehung des Partners).
Literatur Böhm M, Jockenhövel F, Wieder W, Hrsg. Männersprechstunde. Heidelberg: Springer-Verlag; 2004. Feldmann HA, Goldstein I, Hatzichristou DJ et al. Impotence and its medical and psychosocial correlates: Results of the Massachusetts male aging study. J Urol. 1994;151:54−61. Guidelines on erectile dysfunction. European Association of Urology (EAU). http://www.uroweb.nl/files/uploaded_files/2005ErectileDysfunction.pdf Hauck EW, Altinkilic B, Diemer T, Weidner W. Diagnostik der erektilen Dysfunktion. Urologe. 2005;44:1154−9. Kinsey AC. Sexual behaviour in the human male. Philadelphia: Saunders; 1948. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Diagnostik und Therapie von Libidound Erektionsstörungen. AWMF-Leitlinien-Register: Nr. 043/031 − Entwicklungstufe 1. http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF Rosen R, Leary M, Altwein J et al. LUTS and male sexuality: findings from the multi-national surveyof the aging male (MSAM-7). Int J Impotence Res. 2002;14(Suppl.3):25. Stief CG, Hartmann U, Höfner K, Jonas U, Hrsg. Erektile Dysfunktion. Diagnostik und Therapie. Heidelberg: Springer-Verlag; 1997. Vlachopoulos C et al. Prevalence of asymptomatic coronary artery disease in men with vasculogenic erectile dysfunction. A prospective angiographic study. Eur Urol. 2005;48:996−1003.
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Die Psyche ist trotz der Vielzahl jetzt bekannter organischer Ursachen bei Erektionsstörungen ein nicht zu vernachlässigender Faktor.
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12.3 Infertilität
12.3
Infertilität G. Ludwig
Grundlagen Infertilität = Unfruchtbarkeit eines Einzelnen Sterilität = Unfruchtbarkeit eines Paares
Definition: Unter Infertilität versteht man Unfruchtbarkeit. Ein Mann ist unfruchtbar, wenn er trotz normaler sexueller Aktivität bei einer gesunden Partnerin unfähig ist, ein Kind zu zeugen. Besteht dieser Zustand länger als ein Jahr, ist eine diagnostische Abklärung indiziert. Leitsymptome: 쐌 Gibt es nicht, 쐌 Hinweis auf eine männliche Infertilität ist der vergebliche Versuch, ein Kind gezeugt zu haben, 쐌 die Anamnese ersetzt das Symptom.
Inzidenz: In Deutschland sind ca. 2 Millionen Paare, d. h. ungefähr jede 6. Partnerschaft im gebärfähigen Alter ungewollt kinderlos. In 30 % liegt die Ursache allein bei der Infertilität des Mannes, in weiteren 20 % ist der Mann zusätzlich mit einem kombinierten weiblichen Faktor an der Sterilität der Partnerschaft beteiligt. Cave:
Urologische Erkrankungen des Mannes
Ein Mann, der ungewollt noch nicht Vater geworden ist, muss nicht, kann jedoch unfruchtbar sein.
Ursächlich unterscheidet man eine primäre Infertilität durch einen direkten Hodenschaden, die angeboren oder erworben sein kann, 왘 sekundäre Infertilität durch einen indirekten Hodenschaden, die ebenfalls angeboren oder erworben sein kann, 왘 eine sog. idiopathische Infertilität, deren Ursache unklar ist (Abb. 12.5). 왘
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Abb. 12.5 Text).
Übersicht über die Einteilung der Ursachen einer Infertilität (Details siehe
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Einteilung
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Einteilung Die Fruchtbarkeit aus erworbener primärer und erworbener sekundärer Ursache kann dauerhaft oder vorübergehend, therapieresistent oder therapierbar, gestört sein. Unterscheide vor allem: 쐌 OAT-Syndrom, 쐌 Azoospermie, 쐌 Aspermie.
Tabelle 12.6 Andrologische Nomenklatur in Diagnose und Differenzialdiagnose der Infertilität Ejakulat
Sperma = Samen
Spermatozoon Plural: Spermatozoen (früher Spermien)
Samenzelle, Samenfäden
-spermie 쐌 Aspermie 쐌 Hypospermie 쐌 Hyperspermie 쐌 Hämatospermie oder Hämospermie 쐌 Pyospermie
Volumen des Spermas 쐌 kein Sperma 쐌 zu wenig Sperma (쏝 2 ml) 쐌 zu viel Sperma (쏜 6 ml) 쐌 blutiges Sperma
-zoospermie 쐌 Azoospermie 쐌 Oligospermie 쐌 Polyzoospermie 쐌 Asthenozoospermie
Spermatozoen im Sperma 쐌 keine Spermatozoen im Sperma 쐌 zu wenig Spermatozoen/ml (쏝 20 Mio./ml) 쐌 zu viele Spermatozoen/ml (쏜 250 Mio./ml) 쐌 herabgesetzte Motilität (50 % bei normaler Morphologie) 쐌 쏜 50 % abnorm geformte Spermatozoen 쐌 nur tote Spermatozoen (durch Eosintest gesichert) 쐌 sehr wenige (쏝 1 Mio./ml), erst nach Sedimentation entdeckte Spermatozoen 쐌 nur rundköpfige Spermatozoen 쐌 Oligoasthenoteratozoospermie-Syndrom
쐌 Teratozoospermie 쐌 Nekrozoospermie 쐌 Kryptozoospermie 쐌 Globozoospermie 쐌 OAT-Syndrom
쐌 eitriges Sperma
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Bei der primären Infertilität liegt die Ursache in den Gonaden (Hoden) selbst. Die sekundäre Infertilität ist die Folge einer indirekten negativen Beeinflussung der Gonaden durch krankhafte Veränderungen übergeordneter Systeme und genetischer Syndrome durch genitale Beteiligung (Leitsymptom „kleine Hoden“). Primäre und sekundäre Infertilität werden pathogenetisch jeweils in angeboren und erworben unterteilt. Als idiopathisch („von selbst entstanden“) bezeichnet man die angeborene oder erworbene Infertilität unklarer Ursache und Genese (Oligoasthenoteratozoospermie = OAT-Syndrom und Spermatogenesestopp) (Tab. 12.6). Fehlende Hoden haben zwangsläufig eine Infertilität zur Folge (Tab. 12.7). Eine Schädigung der Hodentubuli, die das germinative Epithel enthalten und aus denen sich die Spermatozoen (Spermien, Samenzellen) entwickeln, können dauerhaft oder vorübergehend unfruchtbar machen (Tab. 12.8, Tab. 12.12). Hierher gehören auch die toxischen Schäden durch Pharmaka und Chemotherapeutika (Tab. 12.13). Angeborene chromosomale Aberrationen (Tab. 12.8, 12.9) sowie viele Fehlbildungssyndrome mit genitaler Beteiligung können Ursache einer Infertilität sein (Tab. 12.10, 12.11).
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12.3 Infertilität
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.7
Differenzialdiagnose der angeborenen primären Infertilität
Diagnose
Differenzialdiagnose
Anorchie (bilaterale gonadale Agenesie) 쐌 leeres Skrotum 쐌 Zeichen des Androgenmangels (eunuchoider Habitus = schmale Schultern, breite Hüften), größere Unter- als Oberlänge, mangelnde Bart- und Körperbehaarung, weibliche (quere) Schamhaargrenze
쐌 bilateraler Kryptorchismus 쐌 erworbene Hodenatrophie (nach bilateraler Torsion, Kastration, schwerem Trauma)
zystische Hodendegeneration 쐌 verminderte Hodenvolumina 쐌 vermehrte Hodenvolumina 쐌 sonographisch multiple echoarme Bezirke (Wabenmuster) 쐌 manchmal komplette Hoden-/ Nebenhoden-Dissoziation
쐌 bilaterale Hodentumoren (S. 43, S. 118, S. 427) 쐌 bilaterale multiple Hodenzysten
Sertoli-Cell-only-Syndrom (= Castillo-Syndrom = Germinalzellaplasie) 쐌 beidseits kleine Hoden 쐌 auch normal große Hoden 쐌 Konsistenz immer vermindert 쐌 FSH im Serum erhöht 쐌 LH im Serum normal 쐌 Testosteron immer normal
쐌 Verschlussazoospermie 쐌 kompletter Spermatogenesestopp 쐌 Klinefelter-Syndrom
Alle geschilderten Formen haben im Spermiogramm eine Azoospermie. Sie machen ca. 2 % aller Infertilitätsursachen aus. Das Sertoli-Cell-only-Syndrom ist am häufigsten.
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Einteilung
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Diagnose
Symptomatik
Differenzialdiagnose
Kryptorchismus (Maldescensus testis, Hodenretention oder Ektopie)
쐌 ein oder beidseits leeres Skrotum 쐌 Hoden evtl. tastbar im Leistenkanal oder Umgebung 쐌 bei Bilateralität: HCG-Test positiv (zum Nachweis des Vorhandenseins eines Hodens)
쐌 kongenitale Anorchie (bei Beidseitigkeit) 쐌 unilaterale Hodenatrophie 쐌 Pendelhoden (S. 352)
쐌 angeschwollenes gerötetes Skrotalfach 쐌 Druckschmerz 쐌 Fieber
쐌 Epididymitis (S. 41, S. 85, S. 422) 쐌 Hodentumor (S. 118, S. 427) 쐌 Hodentorsion (S. 40, S. 389, S. 423) 쐌 Hydrozele (S. 419)
쐌 harter kleiner oder normal großer Hoden 쐌 fehlende Entzündungszeichen
쐌 Hodentumor 쐌 alte Torsion
쐌 angeschwollenes gerötetes Skrotalfach 쐌 Druckschmerz 쐌 Prehn-Zeichen positiv
쐌 Epididymitis 쐌 Orchitis 쐌 Hodentumor
alt
쐌 Hodenatrophie (Erbsgröße) 쐌 fehlende Entzündungszeichen
쐌 einseitige Hodenatrophie anderer Genese (Leistenoperation, Trauma
Hodentrauma (S. 428)
쐌 Anamnese 쐌 angeschwollenes, evtl. livide verfärbtes Skrotalfach (Hämatom) 쐌 Druckschmerz 쐌 sonographischer Tunikadefekt 쐌 Hämatozele
쐌 쐌 쐌 쐌
Orchitis (S. 91, S. 389, S. 426) akut
chronisch oder alt
Hodentorsion (S. 40, S. 423) (genauer: Samenstrangtorsion) akut
Hodentumor Hodentorsion Orchitis Epididymitis
Alle 4 weisen unterschiedliche Spermiogrammbefunde auf (normal, schweres OAT-Syndrom bis Azoospermie). Sie machen 15−20 % der Infertilitätsursachen aus. Der Kryptorchismus ist am häufigsten.
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Tabelle 12.8 Differenzialdiagnose der erworbenen primären Infertilität
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12.3 Infertilität
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.9
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Chromosomale Aberrationen
Diagnose
Differenzialdiagnose
Klinefelter-Syndrom (47XXY-Trisomie) 쐌 kleiner Hoden 쐌 normal großer Penis 쐌 weibliche Schamhaargrenze 쐌 eunuchoider Hochwuchs 쐌 Gynäkomastie 쐌 Azoospermie 쐌 Kerngeschlechtsbestimmung XXY− XXXXY
쐌 andere Gynäkomastieursachen, idiopathischer hypogonadotroper Hypogonadismus (IHH) 쐌 IHH + Anosmie (= Kallmann-Syndrom) 쐌 alle anderen chromosomalen Aberrationen 쐌 alle genetischen Syndrome mit genitaler Beteiligung (Tab. 12.10)
chromosomale Mosaike 쐌 klinisch wie bei Klinefelter-Syndrom 쐌 Azoospermie 쐌 Kerngeschlechtsbestimmung ergibt XXY-neben XY-Gonosomen
쐌 wie bei Klinefelter-Syndrom
XYY-Syndrom (überzähliges Y-Chromosom) 쐌 Hochwuchs 쐌 lange Glieder 쐌 kleiner Hoden 쐌 psychisches Fehlverhalten mit Aggression und kriminellen Neigungen 쐌 OAT-Syndrom 쐌 normales FSH, LH und Testosteron
쐌 Klinefelter-Syndrom 쐌 idiopathischer hypogonadotroper Hypogonadismus 쐌 Kallmann-Syndrom
XX-Mann-Syndrom (X-Translokation auf den kürzeren Arm des Y-Chromosoms) 쐌 fast weibliches Aussehen 쐌 Genitale fast weiblich (Penis = „Klitorishypertrophie“) 쐌 Gynäkomastie 쐌 Azoospermie (falls überhaupt Ejakulat gewinnbar) 쐌 Kerngeschlechtsbestimmung 46, XX
쐌 andere Intersexformen 쐌 atypisches chromosomales Mosaik 쐌 adrenogenitales Syndrom
autosomale Aberration (Trisomie 8, 13, 18, 21) 쐌 kleine Hoden 쐌 OAT-Syndrom (Trisomie 8) 쐌 Azoospermie (Trisomie 13,18, 21)
쐌 Klinefelter-Syndrom 쐌 chromosamales Mosaik
Die Inzidenz des Klinefelter-Syndroms schwankt in der Literatur zwischen 1:250−1:1200 Geburten. Das XYY-Syndrom und das chromosomale Mosaik sind selten. Noch seltener sind die autosomalen Aberrationen. Das XX-Mann-Syndrom ist eine Rarität.
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Einteilung
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Diagnose
Differenzialdiagnose
Curshman-Batten-Steinert-Syndrom (myotone Dystrophie) 쐌 kleine Hoden 쐌 Muskelschwund der kleinen quergestreiften Muskulatur 쐌 progressiver Verlauf 쐌 schwache HCG-Antwort
쐌 alle anderen genetischen Syndrome mit genitaler Beteiligung 쐌 chromosomale Aberration
Werner-Syndrom 쐌 kleine Hoden 쐌 Minderwuchs 쐌 Alopezie 쐌 Atrophie des subkutanen Fettgewebes 쐌 Hautgeschwüre
wie oben
Nonne-Milroy-Meige-Syndrom 쐌 hypoplastisches Genitale 쐌 chronisch-hereditäre Ödeme
wie oben
Rothmund-Thomson-Syndrom 쐌 kleine Hoden 쐌 Minderwuchs 쐌 Poikilodermie 쐌 Alopezie 쐌 Katarakt 쐌 FSH und LH erhöht 쐌 Testosteron normal oder erniedrigt
wie oben
Lawrence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom 쐌 kleine Hoden 쐌 Adipositas 쐌 Debilität 쐌 Poly- und Syndaktylie 쐌 hypothalamisch-hypophysäre Insuffizienz
wie oben
Meckel-Gruber-Syndrom 쐌 hypoplastisches Genitale 쐌 Kryptorchismus 쐌 zystische Nierendysplasie 쐌 Mikrozephalus 쐌 Enzephalozele 쐌 kurzer Nacken 쐌 Polydaktylie
wie oben
Robers-Syndrom (Pseudothalidomid-Syndrom) Minderwuchs 쐌 Gesichtshämangiom 쐌 Mikrozephalus 쐌 Genitalhypoplasie 쐌 Kryptorchismus 쐌 zystische Nierendegenration 쐌 Hypotrichosis 쐌 Debilität
wie oben
Kallmann-Syndrom (IHH + Anosmie) 쐌 kleine Hoden 쐌 lange Gliedmaßen 쐌 Zeichen des Androgendefizits 쐌 FSH + LH erniedrigt 쐌 Anosmie
쐌 idiopathischer hypogonadotroper Hypogonadismus ohne Anosmie 쐌 Klinefelter-Syndrom
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Tabelle 12.10 Genetische Syndrome mit genitaler Beteiligung
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12.3 Infertilität
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.11 ten
Syndrome mit Hypogenitalismus und fehlendem Verschluss der Genitalspal-
Diagnose
Differenzialdiagnose
Noonan-Syndrom (männliches Turner-Syndrom) 쐌 kleine Hoden 쐌 Kryptorchismus 쐌 Minderwuchs 쐌 Hyperthelorismus 쐌 häufig Herzfehler 쐌 leichte Demenz 쐌 Skelettanomalie
쐌 alle anderen genetischen Syndrome mit genitaler Beteilung 쐌 chromosomale Aberrationen
Prader-Labhard-Willi-Syndrom 쐌 kleine Hoden 쐌 Minderwuchs 쐌 Adipositas 쐌 Myotonie 쐌 Diabetes mellitus
wie oben
Fanconi-Syndrom
wie oben
Guerin-Syndrom (Arthogryposis multiplex congenita)
wie oben
Hanhard-Syndrom (rezessiver Zwergwuchs)
wie oben
Hutchinson-Gilford-Syndrom (Progerie)
wie oben
Russel-Syndrom (Zwergwuchsform)
wie oben
12
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Einteilung
Differenzialdiagnose der erworbenen sekundären Infertilität
Diagnose
Differenzialdiagnose
Varikozele testis 쐌 tastbares (im Stehen oft auch sichtbares) Venenkonvolut meist hinter dem linken Hoden („Sack voll Regenwürmer“) 쐌 erhöhte Skrotaltemperatur links 쐌 positiver venöser Reflux bei Doppler-Sonographie 쐌 oft OAT-Syndrom bis Azoospermie
쐌 Spermatozele (S. 422) 쐌 Hydrozele (S. 419) 쐌 Leistenhernie (S. 16)
Epididymitis (S. 41, S. 85, S. 422) 쐌 schmerzhafte Skrotalschwellung 쐌 Rötung 쐌 Fieber 쐌 manchmal Leukozyturie
쐌 Orchitis (S. 41, S. 389, S. 426) 쐌 Hodentorsion (S. 40, S. 389, S. 423) 쐌 Hodentumor (S. 43, S. 118, S. 427)
Prostatitis (S. 54) 쐌 Druckgefühl im Damm 쐌 Schmerzen im Damm und Genitalbereich 쐌 manchmal Ausfluss 쐌 manchmal Fieber 쐌 Leukozyturie
쐌 Prostatodynie (S. 42, S. 52)
iatrogene Ursachen 쐌 Hauptsymptom: Aspermie 쐌 Leistenhernienoperation 쐌 Orchidopexie 쐌 thermische Schäden, z. B. bei Gießereiarbeiten 쐌 Verletzung der retroperitonealen sympathischen Nerven und/oder des hypogastrischen Plexus bei: 쐌 retroperitonealer Lymphadenektomie 쐌 lumbaler Sympathektomie 쐌 Operation an der Bauchaorta 쐌 Rektumresektion 쐌 Prostataresektion Sämtliche Eingriffe können zur retrograden Ejakulation und/oder Emissionsstörung des Spermas führen
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.12
393
12
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12.3 Infertilität
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.13
Pharmaka und Chemikalien als Ursache einer Infertilität
Stoffgruppe
Beispiel
Zytostatika
Cyclophosphamid, Chlorambuzil, Kolchizin, Methotrexat, Actinomycin D, Mitomycin, Bleomycin
Immunsuppressiva
Azathioprin, Glucocorticoide
Chemotherapeutika
Azulfidine (bei Kolitis)
Antirheumatika
Azapropazon
Psychopharmaka
Antidepressiva, Antiemetika, Antiepileptika, Hypnotika, Tranquilizer
Antibiotika
Nitrofurantoin, Cotrimoxazol, Tertrazykline, Gentamycin, Cephalosporine, Chloramphenicol
Antimykotika
Imidazolderivate, Ketokonazol
Anthelminthika
Levamyzol
zentral-nervös wirkende Substanzen
Trifluoperazin
Antihypertensiva
Reserpin, Methyldopa, Clonidin, Guanethidin
Hypnotika
Carbromal
Ganglienblocker
Hexamethonium, Mekamylamin
α-Rezeptorenblocker
Phentolamin, Phenoxybenzamin
β-Rezeptorenblocker
Propranolol
Anticholinergika
Atropin, Benztropinmesylat
Basisdiagnostik Keine Scheu vor Befragung von oft tabuisierten, weil (möglicherweise für den Patienten wie für den Arzt) „peinlichen“ Gebieten (z. B. im Bereich der Sexualanamnese)!
12 Cave: Einfühlsamkeit und Takt bei der Erhebung der Sexualanamnese!
Anamnese: Familien- und Eigenanamnese: Neben der Erstellung der Familienanamnese (Erbkrankheiten, Diabetes mellitus) ist die Befragung nach eigenen Kinder-, Stoffwechsel- und neurologischen Krankheiten wichtig. Vor allem ein Hodenhochstand, Zeitpunkt seiner Beseitigung, Becken- und Genitalverletzungen (Leistenbruchoperation) sowie urogenitale Infektionen oder Begleitinfektionen bei Viruserkrankungen postpubertär (vor allem Mumps, aber auch Röteln, Masern u. a.) oder sonstige infektiöse Erkrankungen (Morbus Pfeiffer, Parasitosen) können Ursache einer späteren Infertilität sein. 왘 Medikamenten- und Sozialanamnese: Manche Berufe exponieren durch Hitze oder Noxen ebenso zu möglichen Fertilitätsschäden wie Umweltgifte (z. B. Kohlenwasserstoff), Alkoholabusus und bestimmte Pharmaka (s. Tab. 12.14). Dagegen ist ein negativer Einfluss des Rauchens auf Spermatozoendichte, -motilität oder -morphologie entgegen früher vertretener Auffassungen nicht gesichert. 왘 Sexualanamnese: Hier ist in einfühlsamer Technik nach der Dauer des unerfüllten Kinderwunsches, Beginn und Verlauf der Pubertät, auch nach Erektion, Ejakulation, Libido, Art und Häufigkeit der sexuellen Kontakte zu fragen. Schließlich umfasst dies auch Fragen zur Partnerin, die vorausgegangenen Geburten oder Fehlgeburten der Partnerin, Zyklusverhalten und eventuelle gynäkologische Erkrankungen. 왘
Klinische Untersuchung: 왘 Inspektion und Palpation: Bei der Inspektion darf nicht allein das Genitale untersucht werden, sondern es müssen auch der Gesamthabitus, das Verhältnis Ober-
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Diagnostisches Vorgehen
왘
zu Unterlänge, die Fettverteilung, der Behaarungstyp, die Schilddrüse und die Mammae beurteilt werden. Dem äußeren Genitale gilt natürlich besondere Beachtung: Größe und Verhältnis von Penis zu Skrotum sind festzuhalten (z. B. normal großer Penis, kleines Skrotum oder umgekehrt). Orchidometrie: Dann werden orchidometrisch die Hodenvolumina bestimmt (normal im Durchschnitt 욷 20 ml/Hoden, hochpathologisch 쏝 12 ml/Hoden, atrophisch 쏝 6 ml/Hoden). Sonographie und Doppler-Sonographie: Sonographisch wird die Textur der Hoden bildlich dargestellt und doppler- oder besser duplexsonographisch die Durchblutung von Samenstrangsgefäßen und Hoden gemessen.
Labor: Bestimmung der Basishormone: 왘 Gonadotropine: FSH und LH geben Auskunft über das Ausmaß eines Hodenschadens. Ist FSH erhöht, spricht das für einen schweren Schaden des samenbildenden Epithels. Ist LH erhöht, für einen Schaden, der das Testosteron produzierenden Leydig-Zellen. Sind beide erniedrigt liegt der Schaden wahrscheinlich in einem übergeordneten Zentrum (Hypophyse, Hypothalamus). Dann liegt ein hypogonadotroper Hypogonadismus vor. 왘 Testosteron: Das Testosteron ist das wichtigste männliche Hormon. Es wird in den Leydig-Zellen des Hodens gebildet. Ein Mangel spricht für eine Schädigung der Leydig-Zellen (z. B. beim Klinefelter-Syndrom oder toxischer Schädigung durch Medikamente). Oft ist dann das LH isoliert erhöht. 왘 Prolaktin: Sollte nur bei Vorliegen einer gleichzeitigen erektilen Dysfunktion und/oder einer Gynäkomastie bestimmt werden, um den sehr seltenen, gutartigen, prolaktinproduzierenden Hypophysentumor, das Prolaktinom, auszuschließen.
Oft sind die Gonadotropine FSH und LH trotz Infertilität normal (z. B. in vielen Fällen des idiopathischen OAT-Syndroms).
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei männlicher Infertilität ist in Abb. 12.6 dargestellt. Nach ausführlicher Erhebung der Anamnese, klinischer Untersuchung und Kenntnis der Basishormone ist die zentrale Untersuchung die Erstellung einer Ejakulatanalyse, das sog. Spermiogramm (Tab. 12.14).
Tabelle 12.14
Ejakulatanalyse
Substrat
Eigenschaften
Normal
Ejakulat
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
milchig trüb-gelblich kastanienblütenartig 2−6 ml 7,2−7,8 10−20 min
Spermatozoen
쐌 Motilität
쐌 쐌 쐌 쐌
30 % progressiv schnell beweglich 20 % mäßig beweglich 50 % unbeweglich 20 × 106/ml
Farbe Geruch Volumen pH-Wert Verflüssigungszeit
쐌 Dichte Spermatozoen und sonstige Rundzellen
쐌 Formen
쐌 mindestens 50 % normale Formen 쐌 쏝 1 Mio. Zellen der Spermatogenesereihe/ml 쐌 쏝 0,5 Mio. Leuko-/ Lymphozyten/ml
Spermatozoen
쐌 Vitalität im Eosintest
쐌 60 % lebende Spermatozoen
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Urologische Erkrankungen des Mannes
왘
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12
12.3 Infertilität
Urologische Erkrankungen des Mannes
396
Abb. 12.6 Das Flussdiagramm verdeutlicht das diagnostische Vorgehen bei der männlichen Infertilität (Details siehe Text). Im Zentrum steht die Ejakulatsanalyse (Spermiogramm) als wichtigster Diagnoseschritt. Bei schwerem OAT-Syndrom bleibt nur ein Versuch mit ICSI, bei nichtverschlussbedingter Azoospermie eine Hodenbiopsie mit gleichzeitiger TESE zur anschließenden ICSI, bei gestauten Nebenhoden ggf. MESA.
12
Vitalitätstest: rote Spermatozoen = tote Spermatozoen
Nach einer sexuellen Karenz von nicht kürzer als 3 und nicht länger als 7 Tagen sollte das per Masturbation gewonnene, in einem sauberen (bei Verdacht auf Genitalinfektionen sterilen) Gefäß aufgefangene Ejakulat 20 bis spätestens 40 Minuten nach Ejakulation untersucht werden. Dies deshalb, weil sich das Sperma oft erst 20 Minuten nach dem Auswurf verflüssigt und nach einer halben Stunde die Beweglichkeit der Spermatozoen (Spermien) zunehmend nachlässt. Farbe, Geruch und pH-Wert geben einen groben Hinweis auf eventuelle Infektionen, das Volumen auf Verschlüsse der distalen Samenwege. Unter dem Mikroskop wird zunächst die Beweglichkeit eingeschätzt, wobei mindestens 30 % der Spermien eine progressive, nach vorn gerichtete Beweglichkeit mit
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Erweiterte Fertilitätstests: 왘 Imunologische Tests: − Mixed-Antiglobulin-Reaktion-Test (MAR-Test), − Sperm-Mucus-Kontakt-Test nach Kremer und Jager, − Slide-Test nach Kurzrock-Miller. 왘 Penetrationstests: − Postkoitaltest nach Sims-Huhner, − Boviner-Mucus-Penetrationstest (Penetrak-Test). 왘 Hypoosmotischer Schwelltest (HOS-Test) 왘 Überprüfung der akrosomalen Reaktion und Akrosinbestimmung durch TripleStaining nach Talbot und Chacot oder durch ELISA. 왘 Die Spermaseparierung durch „Waschen“ und Swim-up zur Vorbereitung einer homologen Insemination oder In-vitro-Fertilisation (ivF). Bei schwerem OAT-Syndrom bleibt nur ein Versuch mit ICSI, bei Azoospermie eine Hodenbiopsie mit gleichzeitiger TESE, bei gestautem Nebenhodenkopf ggf. MESA als assistierte Konzeption in enger Zusammenarbeit mit dem Gynäkologen.
Assistierte Konzeption: 쐌 MESA = mikrochirurgische extratestikuläre Spermatozoenaspiration, 쐌 TESE = testikuläre Spermatozoenextraktion, 쐌 ICSI = intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion.
Cave: Ein normales Spermiogramm ist kein Beweis für Fertilität!
Im Zentrum steht die Ejakulatsanalyse (Spermiogramm) als wichtigster Diagnoseschritt.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie
Erkrankung
Urologische Erkrankungen des Mannes
Raumgewinn haben sollten. Die Dichte (= Anzahl der Spermien pro ml Ejakulat) wird in der Zählkammer errechnet. Die Morphologie trennt mikroskopisch normale von pathologischen Formen. Mindestens 50 % der Spermatozoen sollten normale Formen aufweisen. Auch sind höchstens 1 Millionen Zellen der Spermatogenesereihe pro ml (Spermatiden, Spermatozyten, Spermatogonien) sowie höchstens eine halbe Millionen Leukozyten oder Lymphozyten pro ml als normal zu betrachten. Die Vitalität wird im Eosintest beurteilt. Lebende Spermatozoen weisen, auch wenn sie unbeweglich sind, den Eosinfarbstoff ab. Bei toten Spermatozoen färben sich die Köpfe rot an. Bei einer Azoospermie (keine Spermatozoen im Ejakulat) muss eine Hodenbiopsie evtl. mit gleichzeitiger MESA und TESE für eine ICSI vorgenommen werden. Hier ist die interdisziplinäre Kooperation mit dem Gynäkologen unabdingbare Voraussetzung. In sehr seltenen Fällen kann auch ein distaler Verschluss des Ductus deferens im Bereich des Ductus ejaculatorius Ursache einer Azoospermie sein. Hinweise dafür sind ein vermindertes Ejakulatvolumen (쏝 1 ml) und ein saurer pH-Wert (pH 5). Der Beweis gelingt sonographisch durch transrektalen Ultraschall der Prostata (TRUS) und endoskopisch durch Urethroskopie mit dem Nachweis einer Utrikuluszyste. Falls die Ejakulatanalyse (das Spermiogramm) normal ausfällt, kann trotzdem eine Fertilitätsstörung vorliegen. Dann müssen erweiterte Fertilitätstests vorgenommen werden.
397
1. Primäre Infertilität 1.1 angeboren (s. Tab. 12.7)
쐌 Anorchie 쐌 zystische Hodendegeneration 쐌 Sertoli-Cell-only-Syndrom
1.2 erworben (s. Tab. 12.8)
쐌 쐌 쐌 쐌
Kryptorchismus Orchitis Hodentorsion Hodentraumen Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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12
398
12.3 Infertilität
Ätiologie
Erkrankung
2. Angeborene sekundäre Infertilität 2.1 chromosomale Aberrationen (s. Tab. 12.9)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Klinefelter-Syndrom chromosomale Mosaike XYY-Syndrom XX-Mann-Syndrom autosomale Aberration
2.2 genetische Syndrome mit genitaler Beteiligung (s. Tab. 12.10)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Curshman-Batten-Steinert-Syndrom Werner-Syndrom Nonne-Milroy-Meige-Syndrom Rothmund-Thomson-Syndrom Lawrence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom Meckel-Gruber-Syndrom Robers-Syndrom Kallmann-Syndrom
2.3 Syndrome mit Hypogenitalismus und fehlendem Verschluss der Genitalspalten (s. Tab. 12.11)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Noonan-Syndrom Prader-Labhard-Willi-Syndrom Fanconi-Syndrom Guerin-Syndrom Hanhard-Syndrom Hutchinson-Gilford-Syndrom Russel-Syndrom
3. Erworbene sekundäre Infertilität (s. Tab. 12.12)
Urologische Erkrankungen des Mannes
3.1 anatomisch/entzündlich
12
쐌 쐌 쐌 쐌
Varicocele testis Epididymitis Prostatits iatrogene Ursachen
3.2 Pharmaka und Chemikalien als Ursache einer Infertilität (s. Tab. 12.13)
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Klinefelter-Syndrom Beim Klinefelter-Syndrom liegt eine chromosomale Aberration durch mindestens ein zusätzliches X-Chromosom vor (47XXY−XXXXY). Klinefelter-Syndrome sind therapieresistent infertil. Es gilt, sie differenzialdiagnostisch auszuschließen. Es gibt auch pyknische Klinefelter-Syndrome! Unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild ist entscheidend: Der normal große Penis bedeckt die kleinen Hoden.
Erscheinungsbild: Im klassischen Fall eunuchoider Hochwuchs, Gynäkomastie, kleine Hoden bei normal großem Penis, weibliche Schamhaargrenze. Im Spermiogramm schwere Oligozoo- bis Azoospermie. Intelligenzdefekte kommen vor und nehmen mit Zahl der zusätzlichen X-Chromomen zu. Die Störung ist nicht selten, ihre Inzidenz wird mit 0,4−0,08 % der männlichen Neugeborenen angegeben. Pathogenese: Die kindliche Entwicklung ist oft normal. Der Hypogonadismus zeigt sich erst in der Pubertät. Nur ein 1/3 der Fälle ist wegen des Testosteronmangels therapiebedürftig. Eine Fertilität kann nicht erreicht werden.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik 쐌 Chromosomenanalyse aus Mundhöhlenabstrich oder Leukozyten.
Kryptorchismus Fehlender oder fehlgeleiteter Deszensus (Maldeszensus) der normalerweise bei Geburt im Skrotalfach befindlichen Hoden. In 15−20 % der Fälle einer andrologischen Sprechstunde auch bei Einseitigkeit Ursache einer späteren Infertilität. Erscheinungsbild: Vom Gesamthabitus her unauffällige normale Männer mit unauffälligem äußerem Genitale, evtl. ist der verspätet deszendierte oder operativ herabgeholte Hoden etwas kleiner und von weicherer Konsistenz. Im Allgemeinen besteht ein unterschiedlich schweres, oft ausgeprägtes OAT-Syndrom.
Anamnestische Erfragung des Hodendeszensus bei Abklärung der Infertilität dringend erforderlich. Bei leerem Skrotum und negativer Sonographie: 쐌 HCG-Test, 쐌 Laparoskopie.
Diagnostik 쐌 Inspektion und Palpation sind diagnostisch meist entscheidend, 쐌 ein Spermiogramm gibt Aufschluss über den Fertilitätsstatus, 쐌 bei beidseits leerem Skrotalfach muss ein HCG-Test das Vorhandensein von Hoden (im positiven Fall: Anstieg des Testosterons im Serum) nachweisen.
Varikozele Erweiterung des Plexus pampiniformis (fast ausschließlich links), hervorgerufen durch venöse Flussumkehr in der V. spermatica interna durch fehlende Klappen. Führt häufig zum OAT-Syndrom mit Infertilität. Pathogenese: Unklar. Hypothetisch kommt es zur Überwärmung des entsprechenden Hodens auf Grund der Blutüberfüllung, weiterhin zur Hypoxie durch fehlenden rechtzeitigen Abtransport hypoxischen Blutes. Warum hierdurch die Gesamtfertilität beeinträchtigt wird, ist unklar. In vielen Fällen − wobei der Einzelfall nicht diskriminierbar ist − führt die operative oder sklerotherapeutische Beseitigung zur Verbesserung des Spermiogramms und der Fertilitätschance.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Cave: Die Varikozele ist 쐌 manchmal verantwortlich für eine Infertilität, 쐌 gibt es auch bei fertilen Männern, 쐌 macht keine Beschwerden. Falls diese bei Varikozele angegeben werden, sollte man ausschließen: 쐌 Leistenhernie, 쐌 Genitalneuralgie, 쐌 psychosomatische Ursache.
Inspektion und Palpation im klassischen Fall „Sack voll Regenwürmer“ im linken Skroim Stehen und Liegen talfach hinter dem Hoden Sonographie
Venengeräusche über dem Plexus pampiniformis, die sich beim Pressen (Valsalva-Manöver) verstärken
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Pathogenese: Mechanisch-anatomische Behinderung (zu kurze Ausbildung der Samenstranggefäße, abnorm verlaufende Cremasterfasern, zu enger Leistenkanal, fehlerhafte Insertion des Gubernaculum testis) oder endokrine Dysregulation (Verminderung des mütterlichen Choriongonadotropins, das den Deszensus stimulieren soll, mangelnde Ansprechbarkeit der fetalen Leydig-Zellen auf Gonadotropin und primäre Störung der fetalen Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse mit mangelhafter Leydig-Zell-Stimulation). Wahrscheinlich sind die Ursachen vielfältig und verschieden, möglicherweise zum Teil singulär, zum Teil komplex, was die unterschiedliche Auswirkung auf die Fertilität mit und ohne zeitgerechte Therapie erklärt.
12
400
12.3 Infertilität
Das idiopathische OAT-Sandrom ist die häufigste Ursache der Infertilität, d. h. die Ursache ist unklar
Idiopathisches OAT-Syndrom Klinisch findet sich ein Normalbefund ohne Anhalt für Androgendefizit mit normalem äußeren Genitale. Unerfüllter Kinderwunsch in der Anamnese besteht seit längerer Zeit. Im Spermiogramm findet sich eine Oligoasthenoteratozoospermie in unterschiedlichem Ausmaß bis hin zur Kryptozoospermie. Die andrologische Anamnese ist stumm und ergibt keinen Anhalt auf eine Schädigung. Die Hodenbiopsie zeigt häufig einen inkompletten Spermatogenesestopp.
Diagnostik 쐌 Spermiogramm, 쐌 Ausschluss einer Varikozele oder einer sonstigen Noxe, die symptomatisch ein OATSyndrom hervorrufen kann (s. Tab. 12.13).
Azoospermie Meist klinischer Normalbefund und Infertilität. Äußeres Genitale inspektorisch und palpatorisch unauffällig. Manchmal Hoden etwas kleiner und weicher. Im Spermiogramm Fehlen von Samenzellen. Cave:
Urologische Erkrankungen des Mannes
Verschluss der Samenwege ausschließen!
Pathogenese: Angeborenes Sertoli-Cell-only-Syndrom (Germinalzellaplasie), bei dem die Tubuli nur Sertoli-Zellen, aber keine Zellen der Spermatogenesereihe enthalten, oder idiopathischer Spermatogenesestopp, bei dem die Ursamenzellen (Spermatogonien) angelegt sind, aber nur bis zu einer bestimmten Stufe (Spermatozyten oder am häufigsten Spermatiden) ausreifen und nicht das Endresultat des ausgebildeten Spermatozoons erreichen. Dritte und wichtigste, weil gut behandelbare Ursache ist die Verschlussazoospermie durch einen meist entzündlichen Verschluss im Bereich des Nebenhodens, die operativ-mikrochirurgisch beseitigt werden kann. Sehr selten ist die distale Verschlussazoospermie mit Ausbildung einer Utrikuluszyste am Colliculus seminalis, die durch transurethrale Resektion ebenfalls einer kausalen Therapie zugänglich ist.
Diagnostik 쐌 Nach mindestens zweifachem Spermiogramm mit Zentrifugation und fehlenden Spermatozoen Bestimmung von FSH im Serum (hohes FSH deutet auf primären, meist irreparablen Hodenschaden hin), 쐌 falls normal: operative Freilegung ohne vorherige Hodenbiopsie mit Nebenhodenexploration und ggf. operativer Beseitigung durch Epididymovasostomie, 쐌 bei fehlendem Nebenhodenstau: Hoden-Probeexzision zur Verifizierung der Diagnose mit gleichzeitigem sterilem Einfrieren für eine eventuelle TESE.
12
Aspermie Fehlendes Ejakulat. Unauffälliger Gesamthabitus, normales äußeres Genitale bei normaler sexueller Aktivität und Orgasmusfähigkeit. Bei Aspermie immer postmasturbatorischen Zentrifugaturin auf Spermien untersuchen!
Pathogenese: Entweder retrograde Ejakulation, meist hervorgerufen durch ausgiebige retroperitoneale Operationen (RLA nach Hodentumor, Bauchaortenaneurysma, Rektumkarzinom) und hierdurch bedingte Emissionsstörung des Ejakulates aus Bläschendrüsen, Prostata und Ductus deferens sowie durch neurologische Erkrankungen (multiple Sklerose, Syringomyelie, Myelitis durch Viren oder Zecken). Ein mangelhafter Verschluss des M. sphincter internus führt im Gegensatz zu früher vertretener Auffassung nicht zu einer retrograden Ejakulation, sodass
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Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme
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auch eine vorsichtige transurethrale Resektion nicht zwangsläufig zu einer retrograden Ejakulation führen muss, wenn der Ductus ejaculatorius nicht verletzt wird.
Diagnostik 쐌 Untersuchung des postmasturbatorischen Urins auf Samenzellen.
Polyzoospermie Zu viele Spermatozooen im Ejakulat (mehr als 250 Millionen Spermatozoen/ml). Die Ätiologie ist unklar. In vielen Fällen handelt es sich wahrscheinlich um eine physiologische Variante ohne pathologische Dignität. Manchmal jedoch Infertilität ohne weitere erkennbare Ursache außer der Polyzoospermie. In vielen Fällen Akrosindefekte in der Kopfkappe der Spermatozoen mit fraglich verminderter Penetrationsfähigkeit.
Diagnostik
Fehldiagnosen − differenzialdiagnostische Probleme Weibliche Infertilität Bei normalem Spermiogramm oder nur gering pathologischem Spermiogramm, unauffälligem klinischen Befund und Fehlen von Hinweisen auf einen männlichen Faktor bei der erweiterten Fertilitätsdiagnostik (s. o.) muss auch an die weibliche Ursache einer möglichen Sterilität gedacht werden.
Diagnostik 쐌 Abklärung der weiblichen Seite durch Bestimmung eines biphasischen Zyklus, Basishormone, LH, FSH, Östradiol (ggf. Prolaktin), 쐌 klinisch-gynäkologische Untersuchung mit Sonographie des Unterbauches zum Ausschluss von Ovarialzysten, 쐌 Ausschluss einer Endometriose, ggf. Laparoskopie und Persufflation des Uterus und der Tuben.
Vorgetäuschte männliche Infertilität Ätiologie: 왘 Zu kurze sexuelle Karenzzeit, 왘 thermische Alteration des Ejakulates, 왘 Auffangen in spermatiziden Behältnissen (Kondomen), 왘 zu große zeitliche Differenz zwischen Ejakulation und Untersuchung, 왘 Virusinfektion zum Zeitpunkt der Untersuchung, 왘 Einnahme von die Fertilität beeinträchtigenden Medikamenten (s. Tab. 12.14), 왘 nichtovulationsbezogene Frequenz des Geschlechtsverkehrs.
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쐌 Spermiogramm, 쐌 akrosomale Reaktion, 쐌 Akrosinbestimmung.
12
402
12.4 Palpable Prostataverhärtung
Literatur Krause W, Weidner W. Andrologie, Krankheiten der männlichen Geschlechtsorgane. Stuttgart: Enke; 1998. Ludwig G, Frick J, Rovan E. Praxis der Spermatologie. Atlas und Anleitung. Berlin: Springer; 1996. Nieschlag E, Behre HM. Andrologie, Grundlagen und Klinik der reproduktiven Gesundheit des Mannes. Berlin: Springer; 1996.
12.4
Palpable Prostataverhärtung S. Melchior, C. Thomas
Grundlagen Definition: Die palpable Prostataverhärtung ist der typische Untersuchungsbefund beim Prostatakarzinom. Daher muss jede palpable Prostataverhärtung bis zum Beweis des Gegenteiles durch eine Prostatabiopsie als karzinomsuspekt eingestuft werden. Cave:
Urologische Erkrankungen des Mannes
Bei der DRE auch achten auf: 쐌 Marisken, 쐌 Analfissuren, 쐌 Hämorrhoiden, 쐌 Tumoren des Anorektums.
Durchführung der DRE (= digital rectal examination): Die rektale Untersuchung kann entweder bei stehendem oder vornüber gebeugtem Patienten, im Bett in Seitenlagerung oder in Knie-Ellenbogen-Lage erfolgen. Dabei wird mit dem Finger die gesamte Rektumampulle ausgetastet und die Größe, Form, Oberflächenbeschaffenheit und Abgrenzbarkeit der Prostata nach kranial und lateral beurteilt. Die rektale Untersuchung ist nicht nur für die Beurteilung der Prostata von Bedeutung. Durch die Inspektion und Palpation der Analregion können Marisken, Analfissuren, Hämorrhoiden sowie Tumoren des Anorektums diagnostiziert werden. Dabei ist insbesondere auf Blutauflagerungen am Fingerling am Ende der Untersuchung zu achten. Symptomatik: 쐌 Prostatakarzinom im Frühstadium: keine Beschwerden, 쐌 lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom: irritative oder obstruktive Miktionsbeschwerden, Hämaturie oder Hämospermie, 쐌 BPH: obstruktive und/oder irritative Miktionsbeschwerden (Startverzögerung, Strahlabschwächung, Nachträufeln, Restharngefühl, Pollakisurie, Nykturie, Dysurie, Algurie) durch eine Behinderung der Blasenentleerung (s. Kap. 8.1, S. 191), 쐌 akute entzündliche Prostataerkrankungen: allgemeine Infektzeichen (Fieber, Leukozytose, Erhöhung von CRP, BSG usw.), infekttypische Befunde im Urin, imperativer Harndrang, Dysurie, Algurie, perineale Schmerzen, Druckschmerzhaftigkeit der Prostata und Defäkationsbeschwerden; gelegentlich Hämospermie oder eitriger urethraler Ausfluss.
Einteilung
12
Die Befunde der digital-rektalen Untersuchung lassen sich wie folgt unterteilen: Die Konsistenz der gesunden Prostata ist weich bis prallelastisch, vergleichbar der des angespannten Daumenballens. Die gesunde Prostata ist bei erhaltenem Sulkus nach allen Seiten gut abgrenzbar und nicht druckdolent. 왘 Das Prostatakarzinom imponiert in der Regel als mehr oder weniger holzharte Induration, vergleichbar der Konsistenz des Daumengrundgliedes. Die Oberfläche ist höckrig mit oft fehlender Abgrenzbarkeit gegenüber den Samenblasen. Im klinisch fortgeschrittenen Stadium sind die seitlichen Sulzi verstrichen. Bei einem klinischen T3-Tumor fehlt insbesondere die Verschieblichkeit der Rektumschleimhaut oder die Prostata ist innerhalb des Beckens unbeweglich fixiert. Die laterale Abgrenzbarkeit zum Becken fehlt und der große Tumor kann das 왘
Jede palpable Prostataverhärtung bis zum Beweis des Gegenteiles karzinomsuspekt.
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Basisdiagnostik
왘
왘
Darmlumen mehr oder weniger stark einengen. Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten machen v.a. eine chronische oder granulomatöse Prostatitis, fibrotische Veränderungen nach Prostatatuberkulose oder Prostatasteine. Insbesondere vorausgegangene transurethrale Prostataresektionen können bei entsprechender Kapselnähe eine Verhärtung der Prostatakapsel hervorrufen. Die klinische Einordnung isolierter derber Prostataknoten oder flächiger Prostataverhärtungen ist schwierig. Jede palpable Verhärtung der Prostata ist daher bis zum Beweis des Gegenteiles als karzinomsuspekt einzustufen und muss durch eine Gewebeentnahme abgeklärt werden. Charakteristisch für die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist ebenfalls die prallelastische Konsistenz. Die Palpation der BPH ist nicht schmerzhaft. Abhängig von der Größenzunahme und der Lokalisation der Adenomknoten in der Prostata imponiert die Oberfläche glatt oder knotig, oft mit verstrichenem Sulkus. Abhängig von der Größe können die basalen Prostataabschnitte bzw. die Samenbläschen mit dem tastenden Finger häufig nicht mehr erreicht werden. Charakteristisch für akute entzündliche Veränderungen der Prostata ist die starke Schmerzhaftigkeit der Palpation, hervorgerufen durch einen schmerzbedingten erhöhten Sphinktertonus und/oder Einschmelzungen. Die Konsistenz ist teigig. Bei Vorliegen von Abszessen ist die Prostata extrem druckdolent und die Einschmelzungsherde können häufig durch fluktuierende, eindrückbare Läsionen identifiziert werden.
403
Starke Schmerzhaftigkeit bei der DRE typisch für entzündliche Veränderungen!
Basisdiagnostik Anamnese: Schmerzanamnese, 왘 Infektanamnese, 왘 Miktions-, Defäkationsanamnese. Körperliche Untersuchung: 왘 Digital-rektale Palpation. Labor: 왘 PSA: Der wichtigste Laborparameter bei Prostataerkrankungen ist das prostataspezifische Antigen (PSA) inklusive der Bestimmung der Unterformen (freies PSA, komplexiertes PSA) sowie der verschiedenen Derivate wie PSA-Density, PSA-Velozität, PSA-Verdopplungszeit u. a. Der PSA-Wert ist organspezifisch und nicht tumorspezifisch, sodass ein erhöhter PSA-Wert natürlich nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen eines Prostatakarzinoms ist. Der PSA-Wert kann durch ein Karzinom, eine BPH und/oder eine Prostatitis verursacht sein. 왘 Infektparameter: Eine Veränderung infekttypischer Serumparameter (Leukozytose, erhöhtes C-reaktives Protein, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit) ist nur bei akut-entzündlichen Prozessen der Prostata zu erwarten (s. S. 51, S. 84).
Vermutet der Kliniker aufgrund eines pathologischen PSA-Wertes ein Karzinom, muss ein solches durch eine Gewebeentnahme nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
Urinstatus: Hämaturie?
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Transrektaler Ultraschall (TRUS): Die transrektale Sonographie ist das entscheidende bildgebende Verfahren bei Prostataerkrankungen. Moderne High-End-Geräte mit speziellen hochauflösenden Rektalsonden erlauben die dreidimensionale Rekonstruktion der Prostata in sagittaler und transversaler Bildführung. Die Untersuchung kann ohne größeren Aufwand durchgeführt werden und erlaubt neben einer genauen Volumenbestimmung der Prostata eine zuverlässige Beurteilung von zentraler, transitionaler und peripherer Zone und ist damit ein essenzielles Hilfsmittel für eine Biopsie der Prostata. 왘 Prostatakarzinom: Bei einer unteren Auflösungsgrenze von 0,2 mm lassen sich auch nichtpalpable Prostatakarzinome lokalisieren und unter sonographischer
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Urologische Erkrankungen des Mannes
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12.4 Palpable Prostataverhärtung
왘
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Kontrolle gezielt biopsieren. Typischerweise imponieren die in der peripheren Zone lokalisierten Karzinome im Ultraschall echoarm. Allerdings sind echoarme Läsionen nichtkarzinomspezifisch und etwa 20−30 % sind histologisch nichtmaligne. Umgekehrt finden sich auch Karzinome in 12−30 % in isoechoischen Arealen und sind damit nicht im TRUS darstellbar. BPH: Der sonographische Befund der BPH ist ebenfalls hypodens, gelegentlich hyper- bis isodens und kann in aller Regel durch die Lokalisierung in der Transitionalzone sowie durch scharf abgrenzbare Adenomknoten identifiziert werden. Corpora amylacea: Sie imponieren als punktuelle Verkalkungen entlang der chirurgischen Kapsel und erscheinen im TRUS hyperdens, ebenso wie postinfektionelle Residuen oder Prostatasteine. Prostataabszess: imponiert als charakteristische echofreie Läsion und kann in Verbindung mit der klinischen Symptomatik einfach diagnostiziert werden. Die TRUS erleichtert die gezielte Abszesspunktion und -drainage. Chronische Entzündungen: Sie weisen keine pathognomonischen TRUS-Befunde auf und können hyper-, hypo- und isodens imponieren. Häufige, aber unspezifische TRUS-Befunde sind Verkalkungen in der Prostata als Hinweis auf vorausgegangene Entzündungen.
Diagnostisches Vorgehen
Urologische Erkrankungen des Mannes
Das diagnostische Vorgehen bei palpapler Prostataverhärtung ist in Abb. 12.7 dargestellt.
12
Abb. 12.7 Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen bei palpabler Prostataverhärtung.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Tastbefund
Erkrankung
1. Nichtschmerzhafte Palpation 1.1 prallelastische Konsistenz
쐌 gesunde Prostata 쐌 BPH
1.2 Verhärtung
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Prostatakarzinom chronische oder granulomatöse Prostatitis fibrotische Veränderungen der Prostata Prostatasteine Z.n. TURP Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Grundlagen
Tastbefund
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Erkrankung
2. Schmerzhafte Palpation 2.1 teigige Konsistenz
쐌 akuter entzündlicher Prozess
2.2 Fluktuation
쐌 Prostataabszess
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Wichtige Krankheitsbilder bei palpabler Prostataverhärtung sind in den Kap. 1.5 und 8.1 auf den S. 54, S. 198 und S. 201 dargestellt.
12.5
Priapismus C. van der Horst, K.-P. Jünemann
Definition: Meist mit Schmerzen einhergehende, nichtunterbrechbare Dauererektion ohne fortbestehende sexuelle Stimulation, Ejakulation oder Orgasmus. Benannt nach Priapos, dem Gott der Manneskraft aus der griechischen Mythologie, sind beim Priapismus typischerweise nur die Corpora cavernosa von der Dauererektion betroffen, nicht das Corpus spongiosum oder die Glans penis. Häufig entwickelt sich ein Priapismus während der nächtlichen unwillkürlichen Erektionsphasen oder im Anschluss an eine sexuell induzierte Erektion. Abzugrenzen ist die prolongierte Erektion, die nach intrakavernöser Applikation einer vasoaktiven Substanz auftritt und nach Stunden spontan sistieren oder in einen Priapismus übergehen kann. Der Priapismus tritt in allen Alterklassen, auch beim Neugeborenen, auf, hat jedoch Häufigkeitsgipfel zwischen dem 5.−10. und 20.−50. Lebensjahr. Für die Therapie ist eine hämodynamische und klinische Unterscheidung des schmerzhaften ischämischen Priapismus (veno-occlusiv, Low-Flow, s. u.) vom nichtischämischen Priapismus (arteriell, High-Flow, s. u.) ein wichtiger differenzialdiagnostischer Schritt.
kritische Grenze: 6 Stunden
Auftreten des Priapismus: 쐌 Akut, 쐌 intermittierend, 쐌 chronisch.
Cave: Leitsymptome: Ischämischer Priapismus: 쐌 Isolierte Rigidität der Schwellkörper, 쐌 Ischämieschmerz, 쐌 livide Verfärbung, 쐌 Penisödem, 쐌 holzig-derbe Schwellkörper. Nichtischämischer Priapismus: 쐌 Schmerzfreiheit, 쐌 nichtvollständige Rigidität, 쐌 Pulsation des Penisschaftes, 쐌 prallelastische Schwellkörper.
In der klinischen Untersuchung lassen sich die Priapismusformen häufig nicht eindeutig zuordnen. Wenngleich die gezeigten Symptome richtungweisend sein können, ist eine hämodynamische Analyse unerlässlich.
Als seltene Sonderformen gelten der isolierte Priapismus des Corpus spongiosum bzw. der Glans penis oder der partielle Priapismus, bei dem lediglich der proximale (häufiger) oder distale Anteil der Corpora cavernosa betroffen ist. Eine ausgesprochene Rarität stellt der weibliche, der klitorale Priapismus dar. Ursachen: Als häufigste Form wird der idiopathische Priapismus in bis zu 50 % angegeben, ohne sichere Erklärung der zugrunde liegenden Pathogenese. Im Gegensatz
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Grundlagen
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406
12.5 Priapismus dazu findet man eine Reihe verschiedenster Ursachen, die einen sekundären Priapismus auslösen können (s. auch tabellarischer Überblick). 왘 Sichelzellanämie: Die veränderten Eigenschaften der Blutzellen führen zu einer Verlegung des subtunikalen Venengeflechtes. Als Folge resultiert eine diffuse venöse Okklusion. Häufig treten intermittierende nächtliche Priapismusattacken auf. 왘 Intrakavernöse Injektionstherapie: Als Folge einer Überdosierung von vasoaktiven Substanzen (Papaverin, Papaverin/Phentolamin, PGE1). Dabei handelt es sich initial immer um einen so genannten High-Flow-Priapismus (s. u.), der bei zeitgerechtem Einschreiten ohne Folgen bleibt. Bei unzureichender oder zu später Therapie geht er dann in einen ischämischen Low-Flow Priapismus über. 왘 Neurogene Erkrankung: Durch ein Ungleichgewicht des autonomen Nervensystems verursacht. Eine gesteigerte Antwort auf genitale Stimulation kann durch zentral wirksame Anästhesie verursacht sein. 왘 Maligne Tumoren: Obstruktion der venösen Drainage durch Metastasen. 왘 Medikamentöse Therapie: Verschiedene Medikamente, aber auch Drogen wie z. B. Cocain, können dosisunabhängig in seltenen Fällen zu einem Priapismus führen. 왘 Trauma: Die Verletzung einer kavernösen Arterie oder der intrakavernösen arteriellen Äste kann zu einem unregulierten Einstrom von Blut in die sinusoidalen Räume führen. Der venöse Abfluss kompensiert dies zumindest teilweise, sodass in der Regel eine nichtvollständige Rigidität ohne Ischämie resultiert.
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Einteilung
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Hämodynamisch unterscheidet man zwischen 2 ganz unterschiedlichen Priapismusformen: 왘 Low-Flow-Priapismus, 왘 High-Flow-Priapismus.
Low-Flow-Priapismus In bis zu 90 % liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ein Low-Flow- oder StasePriapismus vor. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist die dopplersonographisch einfach nachzuweisende arterielle Minderperfusion der beiden Schwellkörper über die paarig angelegten Aa. profundae penis bei normalem arteriellem Blutfluss in den penilen Dorsalarterien. Makroskopisch lässt sich keine Pulsation der als derb zu palpierenden Corpora cavernosa finden. Durch die Blutstase in den kavernösen Hohlräumen − bei intrakavernösen Druckwerten von 85−110 mmHg − ist nicht nur die arterielle Zufuhr gedrosselt, sondern auch der venöse Rücktransport deutlich eingeschränkt. Kavernosographisch lässt sich kein venöser Abfluss darstellen. Ein typischer Ischämieschmerz nach mehreren Stunden ist die Folge. Cave: Diese Priapismusform bedarf der sofortigen therapeutischen Intervention, da jedes weitere Abwarten die Gefahr der irreversiblen Schwellkörperbeschädigung in sich birgt. Punktion der Korpora bzw. die chirurgische Intervention sind die Therapie der Wahl.
Symptome: 쐌 Ischämieschmerz, 쐌 keine Pulsation des Gliedes, 쐌 derb zu palpierende Korpora.
High-Flow-Priapismus Hämodynamisch auf einem völlig entgegengesetzten Prinzip beruhend, findet man bei dieser meist schmerzfreien Priapismusform einen deutlich erhöhten arteriellen Einstrom in die Schwellkörper bei kavernosographisch nachweisbarem, breitem venösem Kontrastmittelabstrom. Auffallend das pulsatile Verhalten des Gliedes bei insgesamt prallelastisch zu palpierenden Korpora. Durch den kontinuierlichen Blut-
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Besonderheiten austausch kann das metabolische Milieu in einem physiologisch tolerablen Bereich gehalten werden, sodass keine nachhaltigen Strukturveränderungen zurückbleiben. Diese durch die intrakavernöse Injektion vasoaktiver Substanzen (SKAT= Schwellkörperautoinjektionstherapie) zunehmend anzutreffende Form mündet, wie jeder andere Priapismus auch, spätestens nach 12−24 Stunden in einen Stase-Priapismus mit all seinen Folgen.
407
SKAT = Schwellörperautoinjektionstherapie
Symptome: 쐌 Meist schmerzfrei, 쐌 pulsatiles Gliedverhalten, 쐌 prallelastisch zu palpierende Korpora.
Besonderheiten
High-Flow-Priapismus: Beim High-Flow-Priapismus findet durch eine glattmuskuläre Relaxation (ausgelöst z. B. durch SKAT, Trauma, neurogene bzw. irritative Prozesse usw.) der Schwellkörperarterien und Corpora cavernosa ein erhöhter arterieller Einstrom statt, der zur Ausbildung einer Erektion führt. Durch den kontinuierlichen neurogenen Reiz wird während des gesamten Zeitraumes der erhöhte arterielle Bluteinstrom aufrechterhalten, bei allerdings offenen venösen Abflussverhältnissen. Dieses Stadium kann über viele Stunden aufrechterhalten werden, ohne dass irreversible Schäden zurückbleiben. In der Mehrzahl der Fälle führt allerdings die konsekutive Relaxation der Schwellkörpermuskulatur zu einer Einschränkung des venösen Abstromes und der High-Flow-Priapismus kehrt sich in einen Stase- oder Low-Flow-Priapismus um.
Cave: Um dem Fortschreiten der Fibrosierung bei lang andauerndem Low-Flow-Priapismus zuvorzukommen, sollte eine evtl. notwendige Implantation eines Schwellkörperimplantates möglichst frühzeitig erfolgen.
Der Low-Flow-Priapismus stellt einen urologischen Notfall dar, der eine sofortige Intervention erfordert. Innerhalb welchen Zeitraumes eine irreversible Schädigung eintritt, ist bis heute nicht abschließend geklärt.
Auch bei lang andauerndem High-Flow-Priapismus ist nicht mit einer irreversiblen Schädigung der Schwellkörper zu rechnen.
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Low-Flow-Priapismus: In 80−90 % aller Priapismusfälle findet man einen Staseoder Low-Flow-Priapismus. Die Gefahr besteht nicht in der Dauererektion an sich als vielmehr in der damit verbundenen Blutstase in den Corpora cavernosa. Beim normalen Erektionsvorgang findet über parasympathische Impulse eine Dilatation der zum Penis führenden und in den Schwellkörpern verlaufenden Arterien statt bei simultaner Relaxation der glatten Muskelzellen im Corpus cavernosum. Durch die Erweiterung der kavernösen Hohlräume und der damit verbundenen Widerstandsabnahme bei konsekutiver Bluteinstromzunahme resultiert eine intrakavernöse Volumen- und Druckzunahme, die zur Kompression des subtunikal gelegenen Venengeflechtes (venöse Restriktion) und zu einer Einschränkung des venösen Rückstromes führt. Während sich beim physiologischen Erektionsvorgang nach Erreichen der Erektion (90−110 mmHg) ein arteriovenöses Flussgleichgewicht einstellt, liegt beim Stase-Priapismus eine deutliche, wenngleich nicht vollständige, venöse Abflussbehinderung vor, basierend auf einer permanenten Relaxation der Schwellkörpermuskulatur bzw. eines thrombotischen oder mechanischen Verschlusses der abführenden Venen, die zu einer Verminderung des intrakavernösen Blutaustausches führt. Mit zunehmender Erektions- bzw. Priapismusdauer nimmt der Sauerstoffgehalt im Gewebe ab, der CO2-Gehalt deutlich zu und bewirkt eine weitere Verschlechterung der Blutviskosität. Bereits nach 5,5−6,5 Stunden liegen der intrakavernöse Blut-pH unter 7,0, die pCO2-Werte deutlich über den pO2-Werten (2:1 und höher). Durch die erhöhte CO2-Spannung bildet sich ein Ödem in den Trabekeln der Schwellkörper aus, das nach 12−24 Stunden zu irreversiblen Veränderungen der glatten Schwellkörpermuskulatur und den Trabekeln führt und schließlich in der Fibrose endet. Vollständiger Verlust der endothelialen Auskleidung der kavernösen Hohlräume und bindegewebiger Ersatz der glatten Muskelzellen stellen den Endzustand dar.
12
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12.5 Priapismus
Basisdiagnostik Anamnese: Auftreten des Priapismus (akut, intermittierend, chronisch), 왘 Umstände des Auftretens (Geschlechtsverkehr, Schwellkörperinjektion, nächtlich usw.), 왘 Schmerzanamnese, 왘 Trauma, 왘 Medikamentenanamnese (Schwellkörperinjektion?), 왘 Begleiterkrankungen (neurologische, hämatologische Erkrankungen usw.). 왘
Körperliche Untersuchung: 왘 Inspektion des Genitales (Verfärbungen, Pulsation, Ödem), 왘 Palpation (derbe oder prall-elastische Schwellkörper), 왘 Beurteilung der Rigidität, 왘 rektale, abdominale und neurologische Untersuchung. Labor: 왘 Kavernöse Blutgasanalye (venöses oder arterielles Blut), 왘 Differenzialblutbild (inkl. Hämoglobin S), 왘 Gerinnungsstatus, 왘 Urinstix und Urinkultur mit Antibiogramm. Sonographie: Farbcodierte Duplexsonographie der kavernösen Arterien und Corpora cavernosa, 왘 Low-Flow: minimaler arterieller Inflow, dilatierte Copora cavernosa, venöse Restriktion, 왘 High-Flow: vermehrter arterielle Inflow, kavernöses „Blutpooling“, venöser Abfluss offen.
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왘
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Röntgendiagnostik: 왘 Kavernosographie: kann ebenfalls zwischen den beiden Priapismusformen differenzieren. Beim Low-Flow-Typ zeigt sich eine Venostase mit Okklusion, während sich beim High-Flow-Typ eine rasche Drainage der Schwellkörper darstellt. 왘 Indikation am ehesten zum differenzialdiagnostischen Ausschluss anderer Faktoren wie z. B. okkulte Penisfraktur.
Diagnostisches Vorgehen Cave: Ein in der Frühphase des Low-Flow-Priapismus gewonnenes Blutgas kann insbesondere beim pharmakoinduzierten Priapismus einen High-Flow-Typ anzeigen und initial irreführend sein.
Um einen Priapismus zu diagnostizieren, ist in der Regel die Anamnese und klinische Untersuchung richtungweisend. Für die weitere Therapie ist jedoch die eindeutige Klassifizierung in einen Low-Flow-Priapismus als urologischer Notfall, der eine sofortige Intervention erfordert, und einen High-Flow-Priapismus unbedingt erforderlich. Die klinische Symptomatik kann hierbei nur als Hinweis dienen. Erst die Aspiration von kavernösem Blut mit anschließender Blutgasanalyse lässt eine eindeutige Zuordnung treffen. Sollte die Blutgasanalyse nicht eindeutig sein, ist der nächste diagnostische Schritt die farbcodierte Duplexsonographie der Schwellkörper inkl. der arteriellen Versorgung (Abb. 12.8). Eine Kavernosographie sollte nur in Ausnahmefällen Anwendung finden.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Abb. 12.8 Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen zur Differenzierung zwischen dem ischämischen Low-Flow-Typ und dem nichtischämischen High-Flow-Typ.
Mit Ausnahme des im Rahmen der Pharmakontestung bzw. der Schwellkörper-Autoinjektionstherapie mit vasoaktiven Substanzen verursachten Priapismus (prolongierte Erektion) müssen die in der Literatur angegebenen Ätiologien als priapismogene Kofaktoren angesehen werden, da die letztendlich auslösenden Mechanismen ungeklärt sind. Demzufolge wird der idiopathische Priapismus mit ca. 35−70 % aller Fälle auch am häufigsten angegeben. Ätiologie
Erkrankung
1. Impotenz
쐌 SKAT (intrakavernöse Injektion vasoaktiver Substanzen) 쐌 Erektionshilfen (Erektionsring, Vakuumpumpe)
2. Tumoren
쐌 Myelome (z. B. Plasmozytom) 쐌 maligne Lymphome 쐌 lokaler Primärtumor (Penis-, Prostata-, Blasenkarzinom, S. 97, S. 201) 쐌 Metastasen (z. B. Melanom)
3. medikamentös induzierte Formen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
4. urologische Erkrankungen/Entzündungen
쐌 Genitale und Adnexe (Urethritis, Balanitis, Prostatitis, Zystitis, Kavernitis, S. 54, S. 32, S. 47) 쐌 Abszessbildungen (Prostata, Skrotum, perineal) 쐌 Enddarm (Proktitis, Analfissuren) 쐌 irritative Prozesse (Prostataadenom, Fremdkörper in Urethra und Blase, S. 198, S. 182) 쐌 Gonorrhö
5. hämatologische Erkrankungen
쐌 Leukämie, Sichelzellanämie, Polyglobulie 쐌 Hämophilie, Hämodialyse, Hämoglobinopathien (Thalassämie)
Antidepressiva, Psychopharmaka Antihypertensiva Antikoagulanzien (Heparin) Testosteron, GnRH, Steroide Drogen (Kokain, Marihuana)
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Urologische Erkrankungen des Mannes
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12.5 Priapismus
Ätiologie
Erkrankung
6. Allgemeinerkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Pneumonie Typhus, Malaria rheumatisches Fieber Amyloidose, Tularämien Fabry Disease Diabetes mellitus Mumps (ohne Orchitis) rheumatoide Arthritis
7. Traumata
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Penisfraktur, Koitalverletzungen Straddle-Trauma Schädelverletzungen (Subarachnoidalblutung) postoperativ (Herniotomien, TUR-P) Radiotherapie
8. vaskuläre Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Beckenvenenthrombose Schwellkörperthrombose Thrombose des Plexus vesicoprostaticus Aortenaneurysma (mit V.-cava-Einbruch, S. 17) Vaskulitis
9. neurologische Erkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Querschnittläsion Meningomyelozele multiple Sklerose Tabes dorsalis, Entzündungen des ZNS ZNS- und Wirbelsäulentumoren Claudicatio intermittens des Rückenmarkes Spinalkanaleinengungen
10. Sonstiges
쐌 parenterale Ernährung (20 % fetthaltige Emulsionen) 쐌 psychogen (Psychosen, Angst- und Erschrockenheitszustände) 쐌 Intoxikationen (Kohlenmonoxid/-dioxid, Blei, Arsen, Alkohol, Tetanusanatoxin, Strychnin, Muskarin, Aphrodisiaka, Sepsis, Urämie) 쐌 Anästhesien (Spinal-, Peridural-, Lokalanästhesie, Intubationsnarkose, Fentanyl)
Die Kriterien zur Differenzialdiagnose des Low-Flow- und High-Flow-Priapismus sind der Tab. 12.15 zu entnehmen.
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Idiopathisch Mit 35−70 % häufigste Diagnose eines Priapismus ohne Kenntnis oder Hinweis für ursächliche Faktoren und Kofaktoren. Symptomatik: In 50 % vorangegangene Dauererektionen mit verzögerter Detumeszenz; in den anderen 50 % erstmaliges Ereignis. Sowohl schmerzhafter als auch schmerzfreier Priapismus möglich. Pathogenese: Unbekannt. Sowohl Low-Flow(Stase)- als auch High-Flow-Priapismus möglich. Inwieweit die vorangegangenen Dauererektionen zu einer Schädigung des neurovegetativen Systems des erektilen Gewebes geführt und somit den Priapismus begünstigt haben, bleibt hypothetisch. Levine u. Mitarb. (1991) postulierten als Ursache für den auf einer überschießenden, glattmuskulären Schwellkör-
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
Tabelle 12.15
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Differenzialdiagnose Low-Flow- und High-Flow-Priapismus
Parameter
Low-Flow-Priapismus
High-Flow-Priapismus
Körperliche Untersuchung Schmerz
schmerzhaft
nichtschmerzhaft
Inspektion
bläulich-livide Verfärbung keine Pulsation des Gliedes
unauffälliges Hautkolorit oft deutliche Pulsation des Gliedes
Palpation
derb, hölzern
prallelastisch
arterieller Einstrom
niedrig bis Blutstase
deutlich erhöht
venöser Abstrom
nahezu vollständig blockiert
offen
Blutviskosität
zähflüssig
flüssig
pO2
sehr niedrig (쏝 60)
normal/leicht erniedrigt (쏜 60)
pCO2
deutlich erhöht (쏜 70)
normal/leicht erhöht (쏝 70)
pH
쏝 7,0
쏜 7,0
Hämodynamik
perrelaxation basierenden idiopathischen Priapismus eine Dysregulation der für die Detumeszenz und Erschlaffung verantwortlichen adrenergen und/oder endothelialen Mechanismen im penilen Gewebe.
Diagnostik Differenzierung von Low-Flow- und High-Flow-Priapismus durch: 쐌 Doppler-Sonographie: Aa. dorsalis penis bds., Aa. profundae penis bds., 쐌 Blutgasanalyse (intrakavernös): pO2, pCO2, pH, BE, 쐌 Röntgendiagnostik: Kavernosographie (nur im Bedarfsfall, z.B Ausschluss einer Penisfraktur), 쐌 Schwellkörperpunktion: optional.
Keine probatorische Injektion von Vasokonstriktiva (Epinephrin, Noradrenalin, Metaraminol) ohne vorherige Diagnostik! Ausschluss vorgeschalteter bzw. übergeordneter Ursachen.
Pharmakotherapie bei Impotenz Zunehmend häufiger zu finden aufgrund der weit verbreiteten Schwellkörper-Autoinjektionstherapie mit vasoaktiven Substanzen (Papaverin, Papaverin/Phentolamin, PGE1). Symptomatik: Bis zu 6 Stunden p.i. stets High-Flow-Priapismus, der sich mit zunehmender Erektionsdauer in einen Low-Flow-Priapismus umkehrt. Pathogenese: Die pharmakologisch induzierte arterielle Dilatation und glattmuskuläre kavernöse Relaxation bedingen eine arterielle Einstromzu- und intrakavernöse Widerstandsabnahme mit konsekutivem Volumen- und Druckanstieg in den Schwellkörpern, die zu einer Kompression des subtunikal gelegenen Venengeflechts führen. Im Stadium der vollständigen Rigidität gleichen sich arterieller Einstrom und venöser Abstrom. Trotz des anfangs noch ausreichenden Blutaustausches verändert sich im Laufe der prolongierten Erektion (High-Flow-Priapismus) das intrakavernöse, metabolische Milieu (쏜 6 Stunden) und kehrt sich langsam in einen
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Metabolismus
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12.5 Priapismus Low-Flow-Priapismus um. Auch wenn es einzelne Fälle von pharmakologisch induzierten High-Flow-Priapismen über 24 Stunden gibt, ist die kritische Grenze mit 6 Stunden anzugeben.
Diagnostik Differenzierung zwischen High-Flow- und Low-Flow-Priapismus durch: 쐌 Doppler-Sonographie: Aa. dorsalis penis bds., Aa. profundae penis bds., 쐌 Blutgasanalyse (intrakavernös): pO2, pCO2, pH, BE, 쐌 Vasokonstriktiva: bei Nachweis eines High-Flow-Priapismus bzw. bis 6 Std. p.i. intrakavernöse Applikation von Vasokonstriktiva, 쐌 Schwellkörperpunktion: bei Low-Flow-Priapismus bzw. optional zu Vasokonstriktiva.
Medikamentös induzierte Formen Einer der wichtigsten prädisponierenden Kofaktoren beim Priapismus. In bis zu 30 % lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme bzw. Wirkung und Priapismusentstehung herstellen.
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Symptomatik: Direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen Beginn der medikamentösen Therapie und ersten, meist rezidivierenden Episoden prolongierter Erektionen, bis hin zu Priapismen mit auffällig verzögerter Detumeszenz. Dosisabhängigkeit erwiesen!
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Pathogenese: Vorrangig Low-Flow-Priapismus, basierend auf einem lokalen (systemischen) blockierenden Effekt, der den sympathogenen Kontrollmechanismus der Schwellkörperdetumeszenz beeinträchtigt (Antidepressiva, Psychopharmaka, Antihypertensiva). Unklarer Mechanismus sowohl bei Heparin als auch bei der Testosteronbehandlung. Beim Drogenmissbrauch (Kokain) wird die Hemmung der Noradrenalin-Reabsorption an der neuromuskulären Endplatte als ursächlich angesehen.
Diagnostik 쐌 Differenzierung zwischen High-Flow- und Low-Flow-Priapismus wie zuvor beschrieben, 쐌 Medikamentenanamnese: Umsetzen der Medikation.
Hämatologische Erkrankungen Seltene Priapismusform (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen), wenngleich bei vorbestehender hämatologischer Grunderkrankung diese pathogenetisch sehr wahrscheinlich ist. Ausnahme: Bis zu 42 % der an Sichelzellanämie Erkrankten entwickeln zwischen dem 19. und 21. Lebensjahr einen Priapismus. Symptomatik: Rezidivierend schmerzhafte Priapismen. Pathogenese: Typischer ischämischer Low-Flow(Stase)-Priapismus. Verlegung der venösen Abflusswege (Thrombose) durch erhöhte Blutviskosität und Thrombozytenaktivität (z. B. Sichelzellanämie, Polyglobulie). Zytologischer Nachweis von Tumorzellen in den Corpora cavernosa bei bestehender Leukämie könnte Thrombosierung des venösen Drainagenetzes begünstigen.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Doppler-Sonographie: penile Arterien (optional), Blutgasanalyse (intrakavernös): pO2, pCO2, pH, BE, Röntgendiagnostik: Kavernosographie (optional), Differenzialblutbild: Hämoglobin S, ggf. internistische Abklärung.
Urologische Erkrankungen/Entzündungen Symptomatik: Der zugrunde liegenden Erkrankung/Entzündung entsprechend (s. tabellarischen Überblick). Pathogenese: Unsichere, vielschichtige Pathophysiologie. Sowohl irritative Prozesse mit Beeinträchtigung der neuromuskulären Regulation als auch mechanische bzw. hämodynamische Mechanismen möglich.
Diagnostik 쐌 Differenzierung zwischen High-Flow- und Low-Flow-Priapismus wie zuvor beschrieben, 쐌 weitergehende Diagnostik entsprechend der Grunderkrankung.
Symptomatik: Stets durch den Primäraffekt bestimmt, wobei die neurologische Symptomatik im Vordergrund steht. Pathogenese: Direkte Reizung des zerebralen bzw. sakralen Erektionszentrums bzw. deren Nervenbahnen, die in einer Dauererektion bzw. einen Priapismus münden. Sowohl High-Flow- als auch Low-Flow-Priapismus möglich.
Diagnostik 쐌 Weitergehende neurologische Diagnostik soweit nötig, z. B.: − Reflexstatus, − Liquorpunktion, 쐌 Differenzierung zwischen High-Flow- und Low-Flow-Priapismus wie zuvor beschrieben, 쐌 Röntgendiagnostik: − CT, − MRT, − Angiographie (z. B. Schädel).
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Neurologische Erkrankungen
12 Vaskuläre Erkrankungen Symptomatik: Schmerzhafter, ischämischer Priapismus. Pathogenese: Low-Flow-Priapismus infolge einer Widerstandserhöhung im extrakavernösen/venösen Abflussschenkel (Thrombose, Einbruch eines Aortenaneurysmas in V. cava), der schließlich zur Schwellkörperthrombose führt.
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12.5 Priapismus
Diagnostik 쐌 Differenzierung zwischen High-Flow- und Low-Flow-Priapismus wie zuvor beschrieben. Bildgebende Verfahren: 쐌 Doppler-Sonographie: Extremitäten, 쐌 Röntgendiagnostik: Kavernosographie, Angio-/Phlebographie. Blutbild: 쐌 Leukozytose, 쐌 Eosinophilie, 쐌 Hypergammaglobulinämie, 쐌 CPK-Erhöhung, 쐌 Rheumafaktoren (Latextest, Waaler-Rose-Test). Urinsediment: 쐌 Hämaturie, 쐌 Proteinurie, 쐌 Zylinder.
Tumoren Symptomatik: Dem Primärtumor entsprechend.
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Pathogenese: Buntes Bild der Pathophysiologie (mechanisch, neurogen, thrombotisch).
12
Diagnostik 쐌 Differenzierung der Priapismusform, 쐌 anschließend komplette diagnostische Palette zur Primärtumorsuche.
Fehldiagnosen Fehldiagnosen bei diesem Krankheitsbild sind möglich bezogen auf die Priapismusform (Low-Flow- oder High-Flow-Priapismus) oder aber die differenzialdiagnostische Abklärung der den Priapismus auslösenden Grunderkrankung (s. Kasuistik). In seltenen Fällen kann auch der Priapismus selbst fehlgedeutet werden.
Pharmakoninduzierte Erektion Hämodynamisch gleicht die pharmakologisch induzierte der sexuell stimulierten Erektion. Demnach findet auch im Erektionszustand nach wie vor ein ausreichender Blutaustausch statt, ohne dass es zu metabolisch-pathologischen Milieuänderungen kommt. Auch eine mehrstündige, bis zu 6 Stunden anhaltende Erektion ist somit tolerabel. Man spricht in einem solchen Fall auch nicht von Priapismus, sondern vielmehr von einer prolongierten Erektion, die sich in der Mehrzahl der Fälle spontan zurückbildet. Differenzialdiagnostisch ist die pharmakologisch induzierte prolongierte Erektion vom High-Flow-Priapismus nicht zu unterscheiden. Demzufolge kann auch jede prolongierte Erektion in einem Low-Flow-Priapismus enden. Trotz der sich hämodynamisch gleichenden Phänomene ist die pharmakoninduzierte prolongierte Erektion vom High-Flow-Priapismus abzugrenzen, da nur 0,1−0,3 % aller Schwellkörper-Autoinjektionen in einem therapiebedürftigen Priapismus enden. Während beim nicht pharmakologisch induzierten High-Flow-Priapismus in aller Regel sofort interveniert wird (Zeitdauer meist unsicher), ist bei der prolon-
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Kasuistik
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gierten Erektion eine abwartende Haltung angebracht, wobei die zeitliche Grenze von 6 Stunden nicht überschritten werden sollte.
Penishämatom (traumatisch) Jegliches traumatische Ereignis im Bereich des äußeren Genitales kann ein Penishämatom zur Folge haben. Die Entscheidung, ob es sich im Rahmen des Traumas um einen begleitenden Priapismus handelt (Straddle-Trauma, Penisfraktur) oder nur um ein posttraumatisches Hämatom mit Ödembildung, kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Bei sehr ausgedehnten Befunden (Beckenfraktur usw.) kann sich die bildgebende Ultraschalldiagnostik als problematisch erweisen, eine dopplersonographische Befunderhebung bzw. intrakavernöse Blutgasanalyse dürfte allerdings stets durchführbar sein. Von besonderem diagnostischen Wert ist bei Verdacht auf Penisfraktur die Kavernosographie, da sich einerseits die Frakturstelle lokalisieren lässt (chirurgische Intervention möglich), andererseits eine Aussage hinsichtlich des venösen Abflusses getroffen werden kann.
Indurationen bzw. Verhärtungen der Schwellkörper aufgrund eines Karzinoms oder einer Induratio penis plastica (IPP) können mit einem sog. partiellen Priapismus verwechselt werden. Auffälligstes anamnestisches Merkmal ist der zeitliche Verlauf bis zur Entwicklung der penilen Resistenz. Handelt es sich sowohl bei der IPP als auch beim Peniskarzinom um einen langsam fortschreitenden Prozess, ist der partielle Priapismus ein akutes, noch dazu oft schmerzhaftes Ereignis, das allerdings nicht selten zur Fibrosierung des betroffenen Schwellkörperanteiles geführt hat, da die Diagnosestellung bzw. ärztliche Konsultation meist hinausgezögert wird.
Kasuistik Aufnahme eines 7-jährigen Knaben, der 2 Tage zuvor spontan einen Priapismus entwickelt hatte, der in einem auswärtigen Krankenhaus vorbehandelt worden war. Eine Ursache des Priapismus konnte initial nicht festgestellt werden, dopplersonographisch ließ sich jedoch ein High-Flow-Priapismus nachweisen, sodass nach Rücksprache die intrakavernöse Applikation von Effortil vorgenommen wurde. Der damit erzielte temporäre Effekt einer kurzzeitigen Detumeszenz konnte trotz wiederholtem Versuch mit Effortil nicht dauerhaft gehalten werden. Daraufhin wurde das Kind zu uns zur weiteren Diagnostik und Therapie überwiesen. Laut Angabe der Mutter war ein grippaler Infekt mit Husten und leichter Temperaturerhöhung vorausgegangen. Inspektorisch bot sich das Bild eines rigiden Penisschaftes, die Vorhaut war ödematös angeschwollen, der Penisschaft aufgrund der zweimaligen Punktionen mit Effortil-Applikation von einem Hämatom überlagert (Abb. 12.9). Doppler-sonographisch ließ sich erneut ein High-Flow-Priapismus nachweisen, die Blutbildkontrolle ergab eine Leukozytose mit 13 600, im Differenzialblutbild fand sich kein Hinweis für eine hämatologische Grunderkrankung. Bereits im Vorfeld war eine Kernspintomographie (MRT) des Rückenmarkes erfolgt, die keinen Anhalt für eine neurologische Grunderkrankung bot (Abb. 12.10). Bei der eingehenden körperlichen Untersuchung fiel jedoch ein Herpes an der Unterlippe des Knaben auf (Abb. 12.11), die Vorgeschichte des grippalen Infektes mit Husten und leicht erhöhter Körpertemperatur veranlasste uns, eine RöntgenThoraxuntersuchung bei dem Kind durchführen zu lassen. Dabei ergab sich ein pneumonisches, linksseitiges Unterlappeninfiltrat mit geringem Winkelerguss. Wie sich später herausstellte, konnte im Serum ein erhöhter Antikörpertiter auf Mycoplasma pneumoniae festgestellt werden. Therapeutisch war im Akutstadium eine erneute Schwellkörperpunktion versucht worden, die jedoch nicht ausreichend zu einer Detumeszenz führte, worauf-
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Peniskarzinom/Induratio penis plastica
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12.5 Priapismus
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Abb. 12.9 Priapismus bei einem 7-jährigen Knaben. Zustand nach erfolgloser zweimaliger Schwellkörperpunktion.
Abb. 12.10 Unauffälliges Kernspintomogramm ohne Anhalt für eine neurologische Grunderkrankung des deutlich sichtbaren Priapismus.
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Abb. 12.11 Auffällige Herpesinfektion an der Unterlippe des Knaben.
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Grundlagen
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hin ein Winter-Shunt angelegt und eine entsprechende i. v. Antibiose unter der Verdachtsdiagnose der Pneumonie begonnen wurde. Der Penisschaft blieb über weitere 2 Tage weiterhin leicht tumeszent (E2), eine erneute rigide Erektion stellte sich jedoch nicht ein. 14 Tage postoperativ war der Befund völlig reizlos, das Kind hatte zwischenzeitlich bereits wieder Spontanerektionen entwickeln können. Der zuvor geschilderte Fallbericht eines pneumoniebedingten Priapismus verdeutlicht, wie wichtig die sorgfältige Differenzialdiagnostik in einem solchen Fall sein kann, da durch eine adäquate Therapie, im vorliegenden Fall i. v. Antibiose und operative Entlastung, die Erektionsfähigkeit nach Priapismus erhalten werden kann.
Hauri D. Priapismus. In: Bähren W, Altwein JE, Hrsg. Impotenz. Stuttgart: Thieme; 1988:190. Jünemann KP, Potempa D, Löbelenz M, Alken P. Therapie der prolongierten Erektion. In: Wetterauer U, Stief CG, Hrsg. Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion mit vasoaktiven Substanzen. Berlin: de Gruyter; 1990:109. Levine FJ, Saenz de Tejada I, Payton TR, Goldstein I. Recurrent prolonged erections and priapism as a sequela of priapism: Pathophysiology and management. J Urol. 1991;145:764. Lue TF, Hellstrom W, McAninch JW, Tanagho EA. Priapism: A refined approach to diagnosis and treatment. J Urol. 1986;136:104. Pohl J, Pott B, Kleinhans G. Priapism: A three-phase concept of management according to aetiology and prognosis. Br J Urol. 1986;58:113. Porst H. Erektile Impotenz: Ätiologie, Diagnostik, Therapie. Stuttgart: Enke; 1987. Spycher MD, Hauri D. The ultrastructure of the erectile tissue in priapism. J Urol. 1986;135:142. de Vere White R, Nagler HM. Priapism. In: Krane RJ, Siroky MB, Goldstein I, Hrsg. Male Sexual Dysfunction. Boston: Little, Brown & Company; 1983:101. Winter CC, McDowell G. Experience with 105 patients with priapism: Update review of all aspects. J Urol. 1988;140:980.
12.6
Penoskrotale Schwellung P. H. Walz
Grundlagen Eine Vielzahl von Erkrankungen des männlichen äußeren Genitale ist durch Anamnese (langsamer oder akuter Beginn) und klinische Untersuchung bereits richtungweisend zu diagnostizieren. Dennoch haben gerade bei vermeintlich eindeutiger Diagnose Fehler gravierende vitale Konsequenzen. So gilt bis zur Sicherung der endgültigen Diagnose (Hydrozele oder Hodentumor? Epididymitis oder Hodentorsion?) der Grundsatz: „Immer das Schlimmste vermuten!“ Skrotalhaut: Das Ödem der Skrotalhaut ist meist kombiniert mit einem Penisödem. Lediglich bei Erkrankungen des Skrotalinhalts einer Seite (akute Epididymitis, Hydatiden- oder Hodentorsion) ist nur eine Skrotalhälfte betroffen. Die Ätiologie eines Skrotalhautödems kann sein: 왘 kardial, 왘 traumatisch, 왘 allergisch, 왘 nephrogen, 왘 infektiös, 왘 lymphogen, 왘 iatrogen, 왘 idiopathisch.
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Literatur
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12.6 Penoskrotale Schwellung
Abb. 12.12 Plattenepithelkarzinom der Skrotalhaut. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Das Plattenepithelkarzinom der Skrotalhaut (Abb. 12.12) ist eine heute seltene Erkrankung. Es ist auch ein klassisches Beispiel einer chemischen Karzinogenese durch Kohlenwasserstoffe („Schornsteinfegerkrebs“). Es entsteht auf dem Boden einer chronischen Entzündung.
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Skrotalinhalt: Schwellungen und Vergrößerungen des Skrotalinhaltes können sich teilweise langsam und über einen längeren Zeitraum entwickeln und werden vom Patienten in der Anfangsphase kaum oder gar nicht bemerkt. Typische Beispiele sind die Hydrozele, die Spermatozele, die Varikozele, der bis ins Skrotum reichende Leistenbruch sowie Hoden- oder Nebenhodentumoren. Unter dem Begriff „akutes Skrotum“ werden verschiedene Erkrankungen des Skrotalinhaltes und der Skrotalhaut mit plötzlich einsetzender Schwellung und Schmerzen zusammengefasst. Durch die rasche Mitbeteiligung benachbarter Strukturen im Skrotalfach ist die Differenzialdiagnose oft erschwert. Symptomatik: Der u. U. starke lokale Schmerz im Bereich einer Skrotalhälfte strahlt oft zum Leistenkanal aus oder wird vom Kranken wegen begleitender Peritonealreizung primär im Unterbauch empfunden. Hieraus erklären sich Fehldiagnosen wie Appendizitis und Harnleiterstein. Begleitsymptome des akuten Skrotums können auch Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Schweißausbruch oder sogar Schockzustand sein. Mögliche Symptomatik des „akuten Skrotums“: 쐌 Schmerzen, zum Teil ausstrahlend, 쐌 plötzlich einsetzende Schwellung, 쐌 Übelkeit, 쐌 Erbrechen, 쐌 Tachykardie, 쐌 Schweißausbruch, 쐌 Schockzustand.
12
Das „akute Skrotum“ ist ein Notfall und bedarf einer sofortigen Diagnostik und ggf. Therapie.
Ätiologie: Allergische Reaktionen der Skrotalhaut (idiopathisches angioneurotisches Ödem, Insektenstich) können ebenso das Bild des akuten Skrotums bieten wie bakterielle Entzündungen. Mit dem Ausgangspunkt einer Follikulitis oder eines Furunkels kann sich die Skrotalphlegmone als Streptokokkeninfekt der Haut entwickeln. Als entzündliche Thrombophlebitis präsentiert sich das Krankheitsbild der Thrombose des Plexus pampiniformis. Beim Hodentrauma treten „vernichtende“ Schmerzen auf. Die Hodentorsion sowie die Hydatidentorsion können ebenso heftige akute Schmerzen verursachen oder mit geringen akuten und parallel mit dem Ausmaß der Durchblutungsstörung langsam zunehmenden Schmerzen verbunden sein. Das macht sie dann differenzialdiagnostisch schlecht abgrenzbar von der akuten Epididymitis mit identischem Schmerzverlauf.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder des Skrotums und des Skrotalinhaltes
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Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Anamnese Inspektion Klinische Untersuchung Labor: 왘 Entzündungsparameter, 왘 Urinbefund, 왘 Tumormarker. Bildgebende Verfahren: 왘 Die Sonographie erlaubt die Unterscheidung flüssiger oder solider Raumforderungen.
Ätiologie
Erkrankung
1. entzündlich
쐌 쐌 쐌 쐌
Epididymitis Epididymoorchitis Orchitis Hodenabszess
2. mechanisch
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Hodentorsion Torsion einer Hydatide Torsion eines Appendix testis akute Hydrozele inkarzerierte Leistenhernie
3. traumatisch
쐌 Hoden-/Nebenhodentrauma 쐌 Hämatozele 쐌 Insektenstich
4. Tumor
쐌 Hodentumor 쐌 Nebenhodentumor 쐌 Samenstrangtumor
5. vaskulär
쐌 Hodeninfarkt 쐌 Thrombose des Plexus pampiniformis 쐌 Thrombophlebitis bei Varikozele
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder des Skrotums und des Skrotalinhaltes Fournier-Gangrän Definition: Akute, im Bereich des Damms, Skrotums und Penisschaftes verlaufende, lebensbedrohliche nekrotisierende Infektion, die Kutis, subkutanes Fett, Faszie und Muskulatur befallen kann (Fasziitis, Myositis). Ätiologie/Pathogenese: Mischinfektion mit gasbildenden anaeroben und aeroben Erregern. Prädisponierend ist ein Diabetes mellitus. Durch Anaerobiermetabolismus entsteht Gas im Subkutangewebe, das für den Krepitus, das typische Knistern
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen einer Skrotalschwellung
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12.6 Penoskrotale Schwellung
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.13 Beginnende Fournier-Gangrän. Nekrotischer Bezirk der rechten Skrotalseite mit Schwellung der gesamten Skrotalhaut, übergehend auf die Penisbasis. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Abb. 12.14 Fournier-Gangrän mit nekrotischer „mumifizierter“ Skrotalhaut und Übergreifen auf Perineum, Penisschafthaut und Inguinalregion. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
der Haut bei Palpation, verantwortlich ist. Pathologisch-anatomisch findet man eine Endarteriitis mit ausgedehnten Nekrosen. Ausgangspunkte sind inadäquat behandelte anale und urogenitale Infektionen. Symptomatik: Charakteristisch ist die kurzfristige Symptomentwicklung wie Schmerz, Rötung, Krepitus mit teilweise foudroyantem Auftreten einer Gangrän des Skrotums (Abb. 12.13), u. U. unter Beteiligung von Penis, Skrotum, Perineum, der Perianalregion und der Bauchhaut (Abb. 12.14). Differenzialdiagnostisch muss an Gasbrand gedacht werden.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder des Skrotums und des Skrotalinhaltes
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Symptome: 쐌 Akuter Verlauf, 쐌 Schmerz, 쐌 Rötung, 쐌 Schwellung, 쐌 Krepitus, 쐌 Gangrän des Skrotums
Hydrozele Definition: Flüssigkeitsansammlung im Raum zwischen viszeralem und parietalem Blatt der Tunica vaginalis testis. Primäre oder idiopathische Hydrozele: 왘 Beim Knaben: fehlender oder inkompletter Verschluss des Processus vaginalis peritonei (Hydrozele testis bzw. Hydrozele funiculi spermatici). 왘 Beim Erwachsenen: wahrscheinlich Ungleichgewicht zwischen Sekretion und Absorption der Tunica vaginalis (ab dem 40. Lebensjahr oft spontan entstehend) (Abb. 12.15).
Abb. 12.15 Hydrozele. Die linke Skrotalhälfte ist prallelastisch, ohne Druckschmerz, die Skrotalhaut ist nicht gerötet oder ödematös und gut verschieblich. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Sekundäre Hydrozele (Begleithydrozele, symptomatische Hydrozele) bei: Epididymitis, 왘 Leistenhernie, 왘 Orchitis, 왘 Hodentorsion, 왘 Hodentumoren. 왘
Etwa 40 % aller Hodentumoren haben eine Begleithydrozele.
Diagnostik 쐌 Sonographie, 쐌 Diaphanoskopie.
Die Diaphanoskopie ist zwar einfach durchführbar, wegen der Möglichkeit einer Begleithydrozele bei anderer Grunderkrankung jedoch nicht ausreichend.
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Symptomatik: 쐌 Meist schmerzlose, zystische Schwellung des Skrotums.
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12.6 Penoskrotale Schwellung
a
Abb. 12.16 a u. b Spermatozele. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) a Haselnussgroße, prallelastische, nichtdruckdolente Raumforderung oberhalb des linken Hodens. b Intraoperativ finden sich mehrere Zysten im Nebenhodenkopf (gekammerte Spermatozele).
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b
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Spermatozele Definition: Die Spermatozele ist eine Zyste, die mit dem Nebenhodenkanälchen direkte oder indirekte Verbindung hat (Abb. 12.16).
Diagnostik 쐌 Sonographie.
Mittels Ultraschalldiagnostik ist eine Spermatozele eindeutig von einem Neoplasma zu differenzieren und somit eine Operation entbehrlich.
Epididymitis Definition: Die Epididymitis ist eine Entzündung des Nebenhodens. Sie ist die häufigste Erkrankung des Organs und betrifft vorwiegend Erwachsene. Ätiologie/Pathogenese: Die Entzündung von Nebenhoden und Samenstrang (Epididymitis und Deferentitis) entsteht meist kanalikulär über den Samenleiter bei Urethritis und Harnwegsinfektion. Die abszedierende Epididymitis ist durch Einschmelzungsherde charakterisiert und greift nicht selten auf den Hoden über, der ebenfalls abszedieren kann. Bei Dauerkatheterträgern oder nach transurethralen Eingriffen, insbesondere der Prostataresektion, tritt sie in 4−6 % als Komplikation auf. Der gleichzeitige Befall beider Hoden ist untypisch. Die tuberkulöse Epididymitis ist eine Sekundärerkrankung bei extragenitalem Primärherd, die Infektion erfolgt überwiegend hämatogen. Sie kann auch als Folge einer BCG-Instillationstherapie auftreten.
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Symptomatik: Fieber, Schmerzen und zunehmende Schwellung des Nebenhodens sind Leitsymptome der akuten Epididymitis. Die Schmerzen strahlen vom Nebenhoden bis hin zur Leistengegend aus. Häufig besteht ein Harnwegsinfekt mit Pollakisurie und Brennen bei der Miktion oder eine Urethritis mit Ausfluss. Leitsymptome: 쐌 Fieber, 쐌 ausstrahlende Schmerzen, 쐌 Schwellung des Nebenhodens.
Die Haut der betroffenen Skrotalhälfte ist ödematös mit ausgeprägter Rötung und gegen den Skrotalinhalt nicht verschiebbar. Initial bestehen eine starke Druckschmerz und Induration des Nebenhodens, mit Fortschreiten der Entzündung ist die palpatorische Abgrenzbarkeit zwischen Nebenhoden und beteiligtem Hoden zunehmend aufgehoben (Epididymoorchitis). Der Samenstrang ist vielfach geschwollen. Es kann sich eine entzündlich-symptomatische Hydrozele entwickeln.
Diagnostik
Bildgebung: 쐌 Hodensonographie (akut: Differenzialdiagnose, Verlaufskontrolle: Einschmelzung), 쐌 Miktionszystourethrogramm nach Abklingen des akuten Stadiums.
Differenzialdiagnose: Wichtigste Differenzialdiagnose ist die Hodentorsion. Klingt eine Nebenhodenentzündung unter einer adäquaten Infektbehandlung innerhalb einer Woche nicht ab, ist eine Überprüfung der Diagnose erforderlich, insbesondere um einen Hodentumor nicht zu übersehen (Tab. 12.16). Im Zweifelsfall ist es besser, den Hoden freizulegen, als bei unsicherer Diagnose abzuwarten. Gelegentlich tritt infolge der Epididymitis eine entzündliche Begleithydrozele auf.
Erreger einer bakteriellen Harnwegsinfektion = Erreger der Epididymitis Nachgewiesener Erreger einer Urethritis = Erreger der Epididymitis
Wichtigste Differenzialdiagnose: Hodentorsion
Cave: Jeden unklaren Hodenbefund durch Probefreilegung abklären! „If in doubt, cut it out.“
Hodentorsion Grundlagen: Anatomisch lassen sich 3 Varianten der Hodentorsion unterscheiden (Abb. 12.17): 왘 die häufigere intravaginale (Hoden und Nebenhoden), 왘 die extravaginale (Torsion von Hoden, Nebenhoden und Samenstrang), 왘 die seltene mesorchiale (Torsion des Hodens gegen den Nebenhoden). Symptomatik: Leitsymptom der Hodentorsion ist der plötzlich auftretende, manchmal vernichtende Schmerz im Skrotum (häufig aus dem Schlaf heraus), teilweise in Kombination mit Übelkeit, Erbrechen und peritonitischen Zeichen. Die ebenfalls vorkommende Torsion dystoper Hoden erzeugt das Bild eines akuten Abdomens.
Cave: Bei kompletter Torsion (쏜 360°) mit abrupter Unterbrechung der Blutzirkulation droht nach längstens 6 h die akute Gefahr des Organverlustes, die auch bei inkompletter Torsion mit zunächst starker Drosselung des venösen Abflusses auftreten kann.
Leitsymptom: 쐌 Plötzlich auftretender, manchmal vernichtender Schmerz im Skrotum.
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Labor: 쐌 Blutbild, BSG, CRP, 쐌 Urinstatus, 쐌 fakultativ Urethralabstrich.
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12.6 Penoskrotale Schwellung
Urologische Erkrankungen des Mannes
Tabelle 12.16
Differenzialdiagnose Hodentorsion, Epididymitis, Tumor
Parameter
Hodentorsion
Epididymitis
Tumor
Alter
vorwiegend bis zur Pubertät
Jugendliche selten, sonst alle Altersgruppen
20−40 Jahre
Temperatur
nein
initial Fieber, evtl. sogar Schüttelfrost
nein
Schmerz
starker Schmerz, Abdominalsymptomatik bei weichen Bauchdecken
starker Schmerz
in der Regel kein Schmerz
Befund (initial)
쐌 initial elastisch fixier- 쐌 initial Nebenhoden ter Hodenhochstand deutlich zu tasten, 쐌 Nebenhoden abverdickt und hart, grenzbar, nicht an tyneben dem Hoden 쐌 später oft keine pischer Stelle 쐌 Schmerzzunahme bei Differenzierung Anheben des Hodens mehr möglich (Prehn-Zeichen)
langsam zunehmende Schwellung bzw. Verhärtung
Skrotalhaut (initial)
Haut (anfangs) nicht gerötet
Rötung im Beginn, später Ödem
Haut nicht gerötet
Samenstrang
nicht verändert
oft entzündlich verdickt
nicht verändert
sonographischer Befund
homogenes Parenchym
쐌 Nebenhoden inhomogen 쐌 Hoden homogen abgrenzbar
echoarme und/ oder echoreiche Parenchymveränderung
Verlauf (ohne Therapie)
Hodenatrophie
Restitutio ad integrum weitere Zu(ggf. mit narbiger Ver- nahme der dickung eines Neben- Schwellung hodenanteils) oder Abszess
Diagnostik Die erforderliche schnelle Diagnostik und Therapie machen die Hodentorsion zur bedeutendsten Form des akuten Skrotums.
Untersuchung
Erwarteter Befund
Palpation
쐌 in der Frühphase z. T. hochstehender, elastisch fixierter Hoden 쐌 Verlagerung des Nebenhodens nach dorsokranial 쐌 durch Anheben des Hodens Schmerzverstärkung (bei der Epididymitis Schmerzlinderung!) (Im weiteren Verlauf behindert das Vollbild des akuten Skrotums mit typischerweise rasch auftretender Schwellung und Rötung der Skrotalhaut eine Differenzialdiagnose durch Palpation.)
Doppler-Sonographie/ Perfusionsszintigraphie
쐌 nicht immer eindeutig
Labor
쐌 keine Entzündungsparameter in der Initialphase (keine Erhöhung von Leukozytenzahl oder CRP) 쐌 Hinweise auf Harnwegsinfekt fehlen
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c Abb. 12.17 a u. b Formen der Hodentorsion. a Schema extravaginal. b Schema intravaginal. c Intraoperativer Situs mit kompletter intravaginaler Torsion, ca. 540° (3 × 180°), 5 Stunden alt.
Der klinische Alltag zeigt ein erhebliches Risiko der Fehldiagnose (nur bei ca. 25 % richtige Einweisungsdiagnose).
Hydatidentorsion Definition: Häufig auftretende, klinisch oftmals nicht gesicherte Torquierung der kleinen Anhangsgebilde an Hoden und Nebenhoden (Appendix testis; Appendix epididymidis, Paradidymis, Vas aberrans). Sie findet sich bei etwa 1/3 der Hodenfreilegungen wegen vermuteter Hodentorsion. Symptomatik: 쐌 Überwiegend nur kurze Schmerzattacken, bevorzugt im Bereich des oberen Hodenpols, 쐌 selten ein der Hodentorsion vergleichbares Bild, 쐌 gelegentlich stielgedrehte Hydatide als dunkler Knoten durch die Skrotalhaut erkennbar (Abb. 12.18).
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder des Skrotums und des Skrotalinhaltes
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12.6 Penoskrotale Schwellung
a
Urologische Erkrankungen des Mannes
b Abb. 12.18 a u. b Hydatidentorsion. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) a Intraoperativer Situs, die pralle Hydatide liegt zwischen Hoden und Nebenhoden. b Die torquierte Hydatide schimmert als bläulich-schwarzer Knoten oberhalb der Hodenkontur durch die Skrotalhaut.
Diagnostik 쐌 Klinik, 쐌 Hodenfreilegung (zur differenzialdiagnostischen Abklärung von der Hodentorsion im Zweifelsfalle unvermeidbar; dabei wird die torquierte Hydatide abgetragen).
12 Ätiologie der Orchitis: 쐌 Epididymoorchitis, 쐌 Mumpsorchitis, 쐌 granulomatöse Orchitis, 쐌 bakterielle und virale Allgemeininfektionen.
Orchitis Definition: Die Orchitis ist eine Entzündung des Hodenparenchyms. Ätiologie/Pathogenese: Die Orchitis entsteht hämatogen im Rahmen einer Sepsis oder fortgeleitet bei einer Epididymitis. Die Mehrzahl aller Hodenentzündungen tritt durch Mitbeteiligung des Organs bei einer Epididymitis als Epididymoorchitis auf. Die häufigsten Formen der isolierten Orchitis sind: 왘 Mumpsorchitis, 왘 granulomatöse Orchitis.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder des Skrotums und des Skrotalinhaltes
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Symptomatik: Leitsymptom: 쐌 Hodenschwellung.
Die Mumpsorchitis tritt in 30 % beidseitig und postpubertär auf. Sie beginnt mit ihrer Symptomatik 3−4 Tage nach der Parotitis. Der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper sichert die Diagnose. Die granulomatöse Orchitis verläuft langsam, betrifft häufig Männer zwischen 40 und 70 Jahren unter der Symptomatik einer Harnwegsinfektion. Es handelt sich fast immer um eine einseitige schmerzlose Hodenvergrößerung. Die Epididymoorchitis verläuft wie eine fortgeschrittene Epididymitis.
Diagnostik Mumpsorchitis: 쐌 Nachweis spezifischer IgM-Antikörper. Granulomatöse Orchitis: 쐌 Hodenbiopsie.
Differenzialdiagnose: Bei akuter Epididymoorchitis muss eine Hodentorsion ausgeschlossen werden. Wichtigste Differenzialdiagnose der granulomatösen Orchitis ist der Hodentumor.
Urologische Erkrankungen des Mannes
Hodentumor Grundlagen: Es werden 2 Gruppen primärer Hodentumoren unterschieden: Keimzelltumoren (ca. 95 %), 왘 gonadale Stromatumoren (Leydig-Zell-Tumor, Sertoli-Zell-Tumor (ca. 3 %). 왘
Maligne Lymphome (sekundäre Tumoren) stellen etwa 2 % der Hodenmalignome. Gonadale Stromatumoren: Leydig-Zell-Tumor: von den Leydig-Zwischenzellen des Hodens ausgehender Tumor, die Häufigkeit beträgt bis 3 % aller testikulären Tumoren. Leydig-Zell-Tumoren produzieren präpuberal vermehrt Androgene und führen dadurch zu einer Pubertas praecox (s. Kap. 2, Abb. 2.3). Postpuberal entsteht durch eine vermehrte Östrogenbildung in 24−36 % eine Gynäkomastie (s. Kap. 2, Abb. 2.1). Präpuberal ist der Leydig-Zell-Tumor immer gutartig, postpuberal kann in weniger als 10 % eine maligne Entartung auftreten. 왘 Sertoli-Zell-Tumor: Von den Sertoli-Stützzellen des Hodens ausgehender Tumor. Er hat eine Häufigkeit von weniger als 1 %. 왘
Keimzelltumoren: Erstsymptom ist die schmerzlose (85 %), einseitige und meist langsame Größenzunahme des Hodens, in etwa 15 % entzündliche Begleitveränderungen. Palpatorisch findet sich eine glatte, sehr derbe, häufig gleichmäßige Vergrößerung des Hodenkörpers, gelegentlich ein umschriebener Knoten. Im fortgeschrittenen Stadium kann der ganze Skrotalinhalt tumorös befallen sein.
Bei einer kurzfristig entstandenen Hydrozele muss speziell beim jungen Mann ein Hodentumor ausgeschlossen werden.
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12.6 Penoskrotale Schwellung
Diagnostik Cave: Der fehlende Nachweis von AFP und β-hCG ist nicht gleichbedeutend mit dem Ausschluss eines Hodentumors. Etwa 20 % der Hodentumoren sind Marker-negativ.
Anamnese, Sonographie: 쐌 Hodentumoren, die sich dem palpatorischen Nachweis entziehen können, lassen sich meist sonographisch gut darstellen. Tumormarker: Von Keimzelltumoren und ihren Metastasen werden typische Tumormarker produziert: 쐌 Alphafetoprotein (AFP) und humanes Choriongonadotropin (β-hCG) sind für Primärdiagnostik und Verlaufskontrolle von Bedeutung. Allerdings setzen nicht alle Hodentumoren AFP und β-hCG frei. Seminome produzieren in etwa 5 % β-hCG, nichtseminomatöse Hodentumoren in einem hohen Prozentsatz AFP und β-hCG. 쐌 Die Laktatdehhydrogenase (LDH) ist ein unspezifischer Tumormarker, der zur Verlaufskontrolle bei fortgeschrittenen Seminomen eingesetzt wird. 쐌 Die plazentare alkalische Phosphatase (PLAP) ist ein weiterer Marker für das Seminom, ist jedoch bei Rauchern unspezifisch erhöht.
Urologische Erkrankungen des Mannes
Differenzialdiagnose: 왘 Epididymitis, 왘 Orchitis, 왘 Hydrozele, 왘 Spermatozele, 왘 Hämatozele, 왘 (alte) Hodentorsion, 왘 Hodenmetastasen (z. B. bei malignem Lymphom).
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Häufig kann allein die Anamnese richtungweisend sein. Bei Verdacht auf Hodentumor gilt: Im Zweifel für ein operatives Vorgehen entscheiden.
Hodentrauma Ursachen: Stumpfe Traumen, z. B. Sportverletzung, sind häufig, offene Stich- oder Schussverletzungen selten. Wegen der festen Tunica albuginea rupturiert der Hoden selbst eher selten. Gelegentlich kann es im Rahmen eines stumpfen Skrotaltraumas zu einer Hodentorsion kommen. Symptomatik: 쐌 Starke Schmerzsymptomatik (Dehnungsschmerz der Tunica albuginea), 쐌 u. U. ausgeprägtes peritestikuläres Hämatom im lockeren Skrotalgewebe, 쐌 Hämatozele, 쐌 Hodenhochstand bei gleichzeitiger Verlagerung der Hodenlängsachse (Hinweis auf eine traumatisch bedingte Hodentorsion).
Bei Arbeitsunfällen durch Bandapparate (Treibriemen) kann es zur kompletten Ablederung der Skrotalhaut kommen.
Diagnostik Untersuchung
Erwarteter Befund
Anamnese
쐌 Unfallhergang, Schmerzentwicklung
Inspektion/Palpation
쐌 skrotales Hämatom 쐌 Stellung des Hodens und der Achse 쐌 prallelastische Resistenz
Sonographie
쐌 Begleithydrozele bzw. Hämatozele 쐌 Hodenparenchym unregelmäßig begrenzt (Ruptur)
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder des Penis
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Abb. 12.19 Leiomyosarkom des Samenstrangs. Zwischen Penisbasis und Skrotaleingang links wölbt sich ein tennisballgroßer, palpatorisch prallelastischer und gegen die Unterlage wenig verschieblicher Tumor vor. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Samenstrang- und Nebenhodentumoren sind selten, überwiegend benigne (70 %) und mesenchymalen Ursprungs, z. B. Lipome. Maligne Tumoren sind bei Jugendlichen am häufigsten Rhabdomyosarkome (zu 90 % vom Samenstrang ausgehend), klinisch dominiert eine schmerzhafte inguinale oder intraskrotale Schwellung. Bei älteren Männern (쏜 50 Jahre) finden sich meist Leiomyosarkome (Abb. 12.19). Differenzialdiagnose: 왘 Chronisch-entzündliche Veränderungen (besonders chronische Epididymitis), 왘 Adenomatoidtumor (dysontogenetisches Relikt des Wolff-Ganges).
Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder des Penis Penoskrotale Schwimmhaut Definition: hoher Ansatz des Skrotums an der Unterseite des normal entwickelten Penis (Abb. 12.20).
Urologische Erkrankungen des Mannes
Paratestikuläre Tumoren und Tumoren des Samenstrangs
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Abb. 12.20 Penoskrotale Schwimmhaut. Die Skrotalhaut reicht an der Ventralseite weit nach distal. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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12.6 Penoskrotale Schwellung
a
b
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.21 a u. b 2 Beispiele eines vergrabenen („buried“) Penis. Durch Retraktion des Präputiums kommt jeweils ein normal großer Penis zum Vorschein. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Cave: Die forcierte Retraktion eines zu engen Präputiums führt zu Einrissen, Narbenbildung und Phimose.
Abb. 12.22 Narbige Phimose. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Differenzialdiagnose: 왘 Genuiner Mikropenis, 왘 „vergrabener“ Penis, bei adipösem Mons pubis (Abb. 12.21).
Phimose Definition: Unter Phimose versteht man die angeborene oder erworbene Verengung der Penisvorhaut, die nicht mehr über die Glans zurückgestreift werden kann. Ätiologie: Im Neugeborenenalter ist die Phimose physiologisch. Am Ende des 1. Lebensjahres ist bei 50 % der Knaben die Vorhaut zurückstreifbar, mit 3 Jahren bei 90 %. Ein forcierter Retraktionsversuch führt nicht selten zu Einrissen und einer narbigen Einengung. Rezidivierende Entzündungen der Glans (Balanitis) und des inneren Vorhautblattes (Balanoposthitis) führen ebenfalls häufig zu einer Phimose (Abb. 12.22), ebenso Tumoren.
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder des Penis
Ätiologie der Phimose: 쐌 Idiopathisch, 쐌 postentzündlich-narbig (Abb. 12.22): 쐌 rez. Balanoposthitis, − rez. Candidamykose, − Condylomata lata, − Ulcus molle, 쐌 tumorös: − Condylomata accuminata (s. Abb. 12.25), − Condylomata BuschkeLöwenstein (s. Abb. 12.26), − Lichen sclerosus et atrophicus (s. Abb. 12.27), − Balanitis xerotica obliterans (s. Abb. 12.28), − Morbus Bowen (s. Abb. 12.29), − Peniskarzinom (s. Abb. 12.30).
Abb. 12.24 Paraphimose, 5 Tage alt. Das Präputium ist geringgradig ödematös und im Bereich des Schnürringes ulzeriert. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Symptomatik: Nur bei sehr enger Vorhautöffnung sind Symptome zu erwarten: Ballonierung des Präputium bei der Miktion, die sehr selten sogar bis zum Harnverhalt führen kann, sowie gehäufte Balanitiden. Bei Retraktion einer relativ verengten Vorhaut kann diese hinter der Glans im Sulcus coronarius „einklemmen“, es kommt zu einer Paraphimose. Symptome (bei sehr enger Vorhaut): 쐌 Ballonierung des Präputiums bei Miktion, 쐌 selten Harnverhalt, 쐌 gehäuft Balanitiden.
Differenzialdiagnose: Präputialödem (idiopathisch, allergisch oder Lymphödem).
Paraphimose Definition, Ätiologie und Klinik: Ursächlich besteht eine Einengung der Vorhaut oder eine Phimose. Bei zurückgestreifter Vorhaut bildet sich ein Schnürring im Sulcus coronarius, der den oberflächlichen venösen Blutabfluss beeinträchtigt. Daraus resultiert eine Schwellung des inneren Präputialblattes („spanischer Kragen“) und der Glans (Abb. 12.23), letztere ist infolge der venösen Stauung blaurot verfärbt. Die proximalen Anteile des Penis sind unauffällig. Bei Fortbestehen der Paraphimose entwickelt sich eine Ulzeration des Präputiums (Abb. 12.24), im Extremfall infolge eines auch arteriellen Verschlusses eine Gangrän der Glans.
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.23 Akute Paraphimose mit ödematös geschwollenem Präputium und Schwellung der Glans. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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12.6 Penoskrotale Schwellung
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Abb. 12.25 Condylomata accuminata des Präputium und der Glans im Bereich des Sulcus coronarius. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Abb. 12.26 Condylomata gigantea (Buschke-Löwenstein). Im 10-jährigen unbehandelten (!) Verlauf wurden die gesamte Penisschafthaut, die Haut des Mons pubis und Teile der Skrotalhaut völlig destruiert. Die Schwellkörper und die Glans waren nicht befallen. In der rechten Inguinalregion wölben sich vergrößerte Lymphknoten vor. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Entzündliche/tumoröse Veränderungen von Präputium und Glans Condylomata accuminata (Feigwarzen): Die Erreger sind DNA-Viren (Papillomaviren), die Inkubationszeit beträgt 4 Wochen bis 6 Monate. Es finden sich polymorphe, gelegentlich konfluierende spitze papillomatöse Wucherungen: 왘 beim Mann an Glans, Präputium (Abb. 12.25), in der Urethra und perianal, 왘 bei der Frau an Vulva, Vagina, Zervix und perianal. Eine maligne Entartung ist möglich. Condylomata gigantea (Buschke-Löwenstein): Die klinisch bösartige Variante der Condylomata accuminata wächst lokal destruierend mit Durchbruch des Präputium und Einbruch in die Schwellkörper (Abb. 12.26).
Syphilitischer Primäraffekt Die Erreger sind Treponemen. Etwa 3 Wochen nach der Infektion bildet sich an der Eintrittstelle eine schmerzlose, scharf begrenzte, rötliche Papel, die verhärtet und zu einem schmerzlosen Ulkus mit harten Rändern erodiert (harter Schanker, Ulcus durum). Abheilung nach einigen Wochen auch ohne Therapie möglich. Condylomata lata sive syphilitica: Symptome des Stadium II (und III) der Syphilis. Breit aufsitzende, meist oberflächlich mazerierte („nässende“), hochinfektiöse Pa-
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder des Penis
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Abb. 12.28 Balanitis xerotica obliterans mit weißlichen Belägen der Glans. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
peln, besonders an Stellen mit starker Schweißabsonderung (Analtrichter, Vulva, Axilla).
Ulcus molle (weicher Schanker) Der Erreger ist Hämophilus ducreyi, ein gramnegatives Stäbchen. Die Inkubationszeit beträgt 3−10 Tage. An der Eintrittstelle (Glans, Präputium, Labien) entwickelt sich eine entzündliche Papel, später ein schmerzhaftes, rundliches oberflächliches Ulkus. Oft schmerzhafte Vergrößerung der regionären Lymphknoten, die einschmelzen und perforieren können.
Präkanzerosen Der Lichen sclerosus et atrophicus penis (Abb. 12.27) führt zur Verhärtung u. Verengung der Vorhaut, weißlicher Verfärbung der Eichel (Balanitis xerotica obliterans, Abb. 12.28) mit Meatusstenose, des inneren Vorhautblattes und zur Schrumpfung des Frenulums. Gilt als fakultative Präkanzerose.
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Abb. 12.27 Lichen sclerosus et atrophicus. Weißlich-glänzende Veränderung an der Dorsalseite des Präputiums mit resultierender Phimose. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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12.6 Penoskrotale Schwellung
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.29 Morbus Bowen des Perineums. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Abb. 12.30 Plattenepithelkarzinom des Penis, Destruktion von Glans und Präputium. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Cave: Bioptische Diagnosesicherung ist bei allen Veränderungen erforderlich.
Das Carcinoma in situ der Epidermis wird Morbus Bowen genannt, bei Lokalisation auf der Glans Erythroplasie Queyrat. Es findet sich ein langsam wachsender, scharf begrenzter, entzündlich geröteter, samtartig weicher, wenig erhabener Herd (Abb. 12.29). Nach langem Bestehen mit langsamem Wachstum entwickelt sich ein Plattenepithelkarzinom der Haut. Assoziiert mit Papillomaviren.
Peniskarzinom Definition: Plattenepithelkarzinom der Haut mit vorwiegendem Primärsitz auf der Glans und dem Präputium (Abb. 12.30). Prädisponierend sind eine Phimose mit Smegmaretentionen und chronische Balanitis. Wächst meist schmerzlos ulzerierend („blumenkohlartig“). Epidemiologie: Das Peniskarzinom ist mit weniger als 0,5 % aller urologischen Malignome selten. Der Altersgipfel liegt bei ca. 60 Jahren; die Entwicklung aus Präkanzerosen ist gesichert. Klinik: 왘 Im Anfangsstadium findet sich häufig ein wenig schmerzhafter verruköser oder ulzeröser Befall der Glans oder des Präputiums. Sekundäre Infektionen führen, besonders in Verbindung mit einer verengten Vorhaut, zur eitrigen Balanoposthitis oder Ödem des Penis, wobei der Tumor bei nichtreponibler Vorhaut übersehen werden kann. Daher bei Phimose mit chronischer Balanitis immer Peniskarzinom ausschließen (Abb. 12.31).
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder des Penis
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b Abb. 12.31 a u. b Schmerzloses Ödem der Penisschafthaut mit Hautrötung bei Peniskarzinom. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
왘
Im Spätstadium findet sich ein blumenkohlartiges Überwuchern der Glans und des Penisschaftes bis hin zur Autoamputation. Meist nur geringe Schmerzsymptomatik.
Vergrößerte regionäre Lymphknoten sind oft durch eine Superinfektion verursacht und nicht durch Metastasen.
Cave: Bei nichtretrahierbarem Präputium und palpabler Verhärtung der Glans stets an ein Peniskarzinom denken.
Differenzialdiagnose: 왘 Venerische Primäraffekte wie luetisches Ulkus, Lymphogranuloma venereum oder Ulcus molle, 왘 Condylomata accuminata, insbesondere der Art „gigantea“ (Buschke-Löwenstein) (s. Abb. 12.26), 왘 Zustand nach Injektion von Fremdsubstanzen (Paraffin, flüssiges Silikon) in das Präputium mit knotenförmiger Verhärtung infolge Bindegewebereizung; Einschmelzung möglich (Abb. 12.32).
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12.6 Penoskrotale Schwellung
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.32 a u. b Oleosklerom (Paraffinom) der distalen Penisschafthaut nach Injektion von Paraffin zur Penisvergrößerung. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Penistrauma Ursachen: Äußere Penisverletzungen mit Hautablederung treten meist durch ein stumpfes Trauma (Sturz, Tritt) auf. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verletzung des Penis durch Masturbationshilfen − z. B. Staubsauger (Abb. 12.33), Penisring (Erektionshilfe) − oder durch Stich bzw. Schnitt. Zur Penisfraktur, d. h. zu einer Ruptur der Corpora cavernosa, kann es nur in erigiertem Zustand, z. B. bei forciertem Koitus, kommen. Symptomatik: Je nach Art der Verletzung findet man: 쐌 ausgeprägtes subkutanes Penishämatom, 쐌 Penisödem, 쐌 Ablederung der Penishaut, 쐌 akute Blutung aus Penisarterien, 쐌 Penisdeviation.
Diagnostik 쐌 Inspektion/Palpation, 쐌 Kernspintomographie oder Kavernosographie bei V.a. Penisfraktur, 쐌 Urethrographie (bei V.a. Mitverletzung der Harnröhre)
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Einteilung
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Abb. 12.33 Penistrauma. Verletzung von Glans und Präputium durch Staubsauger als Masturbationshilfe. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
12.7
Penisdeviation P. H. Walz
Grundlagen
Ätiologie der kongenitalen Penisdeviation: Kutane Chorda, Corpus spongiosum normal angelegt, 왘 fibröse Chorda, Corpus spongiosum nicht normal angelegt, 왘 korporokavernosale Chorda, Corpus spongiosum normal angelegt, 왘 kongenitale „Short Urethra“, 왘 Asymmetrie der Corpora cavernosa, Corpus spongiosum normal angelegt. 왘
Ätiologie der erworbenen Penisdeviation: Bei der erworbenen Penisdeviation im Rahmen einer Induration penis plastica wird eine traumatische Genese vermutet.
Einteilung Angeborene Formen Ursache der angeboren Krümmung des Penis bei der Erektion ist die Folge einer Asymmetrie der Corpora cavernosa bzw. einer Verkürzung des Corpus spongiosum. Verantwortlich gemacht wird ein vorübergehendes Androgendefizit während der Genitalentwicklung. Bei einer höhergradigen Hypospadie ist das Corpus spongiosum teilweise bindegewebig verändert und führt durch die mangelnde Elastizität („wie eine Bogensehne“) zu einer Ventralkrümmung. Bei der Hypospadia sine hypospadia (short urethra) mündet die Urethra normal mit dem Meatus externus auf der Glansspitze, durch eine teilweise ausgeprägte Chorda sind jedoch die Corpora cavernosa bei Erektion nach ventral verkrümmt (Abb. 12.34). Bei einer ventralen Fixierung durch die Penisschafthaut (kutane Chorda) wird bei Erektion vor allem die Glans nach ventral „gekippt“ (Abb. 12.35).
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Definition: Als Penisdeviation oder -kurvatur bezeichnet man eine Verkrümmung der Corpora cavernosa. Sie ist nur bei der Erektion des Penis erkennbar. Sie kann schmerzhaft sein und den Geschlechtsverkehr erschweren oder unmöglich machen.
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12.7 Penisdeviation
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.34 Extreme Penisdeviation. Der erigierte Penis ist an der Peniswurzel fast 120° nach ventral verkrümmt, der an normaler Stelle der Glansspitze mündende Meatus externus urethrae weist nach kaudal (rechter Bildrand). (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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b Abb. 12.35 a u. b Hypospadia sine hypospadia (short urethra) mit dorsaler Vorhautschürze und zusätzlicher ventraler häutiger Fixation. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) a Der erigierte Penis ist mehr als 90° nach ventral verkrümmt. b Bei Retraktion des Präputiums wird die distale Penishälfte noch stärker ventralwärts gezogen, sodass ein fast „angelhakenförmiges“ Aussehen resultiert.
Erworbene Formen Bei der erworbenen Krümmung im Rahmen einer Induratio penis plastica finden sich palpatorisch in den Corpora cavernosa oft umschriebene flache Verhärtungen, die durch eine Vernarbung der Tunica albuginea, oft mit Kalkeinlagerungen, hervorgerufen werden. Eine traumatische Genese wird vermutet. Die traumatisch erworbene Form der „Penisfraktur“ entsteht meist nach einer Verletzung der Corpora cavernosa durch eine mechanisch bedingte Zerreißung der
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
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Schwellkörperfaszie im Stadium der Erektion. Seltener ist eine Vernarbung nach längerer SKAT-Anwendung zur Therapie einer erektilen Dysfunktion. Vereinzelt wurde eine Induratio penis plastica nach Vakuumtherapie wegen erektiler Dysfunktion beschrieben. Iatrogen kann es nach Harnröhrenoperationen zu einer ventralen Deviation kommen.
Basisdiagnostik Zur Planung einer Korrekturoperation ist eine von Patienten durchgeführte Autofotografie in 2 Ebenen (seitlich und von oben) hilfreich (Abb. 12.36).
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Penisfraktur bzw. -ruptur Definition: Einriss der Tunica albuginea einer bzw. beider Corpora cavernosa während Erektion. In ca. 25 % der Fälle findet sich eine Mitbeteiligung des Corpus spongiosum mit Urethraverletzung. Das Corpus spongiosum kann nur eingerissen oder samt Urethra völlig durchtrennt sein. Symptomatik: 쐌 Anamnestisch „knackendes“ Geräusch mit lokalisiertem penilen Schmerz, 쐌 plötzlicher Erektionsverlust, dabei häufig Schmerzlinderung, 쐌 bei Mitbeteiligung der Urethra Hämaturie bzw. Blutaustritt aus der Urethra oder − bei kompletter Durchtrennung der Urethra − Harnverhalt.
Bei der „latenten“ Penisfraktur kommt es nach kurzzeitigem Penisschmerz (ggf. mit Erektionsverlust) oft Wochen später durch narbige Veränderungen zum Bild einer Induratio penis plastica mit Verkrümmung.
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Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.36 Vom Patienten durchgeführte Autofotographie zur Planung der Operation. Man erkennt die in Penisschaftmitte knapp proximal der Glans lokalisierte Ventralkrümmung der Corpora cavernosa.
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12.7 Penisdeviation
Urologische Erkrankungen des Mannes
Abb. 12.37 a−c Penisfraktur (etwa 12 Stunden nach Trauma). a Bläulich-schwarze Verfärbung der Penisschafthaut ohne wesentliche Schwellung. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) b Bei der MRT kommt der ventrale Defekt des Corpus cavernosum (Pfeil) zur Darstellung. c Intraoperativer Situs mit fertig gestellter Naht des Corpus cavernosum und Corpus spongiosum. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
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Diagnostik Bei konservativ behandelter Penisfraktur kann eine narbig bedingte Verkrümmung resultieren.
쐌 쐌 쐌 쐌
Anamnese/Inspektion: nahezu beweisend für eine Penisruptur, Kavernosographie: zur Lokalisation der Rupturstelle, ggf. MRT (Abb. 12.37), retrogrades Urethrogramm (bei Blutaustritt aus der Urethra) zur Lokalisation der Urethraverletzung.
Induratio Penis plastica, Peyronie-Krankheit (IPP) Definition: Bei der Induratio penis plastica handelt es sich um eine chronische, oft über einen Zeitraum von mehreren Monaten progredient verlaufende Induration des Penis infolge von herdförmigen oder diffus sich ausbreitenden bindegewebigen Verhärtungen (Plaques) der Tunica albuginea der Schwellkörper, u. U. bis in das Septum penis reichend. Die Häufigkeit beträgt etwa 1:1000 bei 쏜 40-Jährigen. Ätiologie und Pathogenese: Die Ätiologie ist unbekannt, jedoch scheint eine traumatische Genese wahrscheinlich. Übermäßige Scher- und Biegekräfte bei sexuellen Aktivitäten führen zu rezidivierenden Einrissen kleinster Gefäße der Tunica albuginea mit Fibrinexsudation und Aktivierung der Fibroblasten mit folgender Narbenbildung, evtl. mit knorpeliger Umwandlung und Kalkeinlagerung. Möglicherweise besteht eine genetische Disposition, da bei Patienten mit IPP nicht selten gleichzeitig eine Dupuytren-Kontraktur (Beugekontraktur der Finger durch eine Verhärtung u. Schrumpfung der Palmaraponeurose) festzustellen ist. Symptomatik: 쐌 Krümmung des erigierten Penis meist nach dorsal, die bis zur Unmöglichkeit der Kohabitation führen kann.
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Grundlagen
12.8
441
Varikozele P. H. Walz
Grundlagen Definition: Die Varikozele ist eine tast- und sichtbare varizenartige Erweiterung und Vermehrung der im Samenstrang verlaufenden Venen des Plexus pampiniformis mit knäuelartigen Gefäßbündeln („Krampfaderbruch“). Die Inzidenz liegt zwischen 8 und 23 %, häufigstes Auftreten zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Bei 90 % der Patienten ist die Varikozele linksseitig, bei 3 % rechtsseitig und bei 7 % beidseitig lokalisiert.
Abb. 12.38 Ausgeprägte Varikozele links. Der Hoden ist nach kaudal verlagert, das linke Hemiskrotum durch die kranial liegende Varikozele deutlich vergrößert. (Diese Abbildung ist auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.)
Urologische Erkrankungen des Mannes
Symptomatik: Es findet sich eine diskrete bis groteske Vergrößerung des Plexus pampiniformis (Abb. 12.38, 12.39). Die Varikozele ist meist schmerzlos, gelegentlich
12 Abb. 12.39 a u. b Sekundäre Varikozele bei großem Nierentumor links mit Thrombus der V. renalis. (Diese Abbildungen sind auf der buchbegleitenden DVD in Farbe abgebildet.) a Im Liegen prall gefüllte Venen des Plexus pampiniformis. b Intraoperativer Situs: Die V. testicularis ist bis ca. 1,5 cm Durchmesser ektatisch und verläuft kaudal (linker Bildrand) ausgeprägt geschlängelt.
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442
12.8 Varikozele wird ein leichtes Ziehen geklagt. Sehr selten können bei einer Venenthrombose heftige Schmerzen auftreten. Bei der Varikozele − vor allem der ausgeprägten im Kindesalter − besteht häufig ein reduziertes Hodenvolumen. Fertilitätsstörungen findet man bei 15 % der Männer mit Varikozele im Gegensatz zu 3 % bei Männern ohne Varikozele. Allerdings besteht noch Unsicherheit darüber, was eine Varikozele in Bezug auf Fertilität tatsächlich bewirkt.
Einteilung Die Klassifikation der Varikozele in 3 Schweregrade erfolgt nach der Einteilung der WHO (1993). Die Untersuchung muss dabei im Stehen durchgeführt werden: 왘 subklinisch: inspektorisch und palpatorisch kein Nachweis eines Venenkonvolutes, doppler-sonograpisch Reflux, 왘 Grad I: palpatorisch bei Valsalva nachweisbar, 왘 Grad II: palpatorisch unter Ruhebedingungen nachweisbar, aber nicht sichtbar, 왘 Grad III: sichtbar und leicht palpierbar.
Idiopathische oder primäre Varikozele
Urologische Erkrankungen des Mannes
Die idiopathische oder primäre Varikozele tritt gewöhnlich linksseitig auf und wird durch verschiedene Hypothesen erklärt: 왘 Klappeninsuffizienz der V. testicularis, 왘 angeborene Gefäßwandschwäche, 왘 langer, freier Verlauf im retroperitonealen Raum ohne Muskelpumpe, 왘 erhöhter hydrostatischer Druck (besonders links), 왘 hydrodynamisch schlechterer Einstrom in die V. renalis. Seltenere Varianten sind die Ausbildung einer Varikozele über eine Druckerhöhung/ Klappeninsuffizienz im Bereich der V. ductus deferentis oder V. cremasterica oder bei abnormen venösen Kollateralen zwischen Plexus pampiniformis und V. saphena magna, V. iliaca communis oder interna.
Symptomatische oder sekundäre Varikozele Cave: Bei Persistenz der Varikozelenfüllung im Liegen sowie bei einer rechtsseitigen Varikozele muss ein Tumor der Niere und des Retroperitoneums ausgeschlossen werden. Sonographie von Nieren und Retroperitoneum!
Die symptomatische oder sekundäre Varikozele entsteht meist infolge einer venösen Einflussstauung durch Kompression der V. renalis sinistra (linksseitige Varikozele) oder der V. cava (links- oder rechtsseitige Varikozele). Ursächlich ist dann meist ein Nierentumor oder gelegentlich ein retroperitonealer Tumor. Vor allem bei Kindern vor der Pubertät und älteren Männern muss differenzialdiagnostisch daran gedacht werden. Auch eine Thrombosierung des Plexus pampiniformis kann zur ein- oder beidseitigen sekundären Varikozele führen. Ätiologie: Idiopathisch, 왘 Kavathrombose, 왘 Nierenzellkarzinom, 왘 retroperitonealer Tumor, 왘 Thrombosierung des Plexus pampiniformis. 왘
12
Bei Persistenz der Varikozelenfüllung im Liegen muss an eine sekundäre, symptomatische Varikozele gedacht werden (Abb. 12.39).
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen Körperliche Untersuchung: 왘 Die Inspektion und Palpation erfolgen zuerst im Stehen und unter abdominaler Druckerhöhung (Valsalva) und anschließend im Liegen, wobei sich die primäre linksseitige Varikozele spontan entleert.
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Basisdiagnostik
443
Urologische Erkrankungen des Mannes
Bildgebende Verfahren: 왘 B-Bild-Sonographie: Es können die Durchmesser der Venen im Liegen, im Stehen und während des Valsalva-Manövers gemessen und das Hodenvolumen bestimmt werden. 왘 Duplexsonographie (ggf. farbcodiert): Darstellung der Strömungsumkehr der testikulären Venen. 왘 Retrograde Phlebographie der V. spermatica: bei V.a. auf Venenanomalien (z. B. Varikozelenrezidiv). Sie ist auch für die Primärdiagnostik mit sofort anschließender Therapie (Sklerosierung) geeignet, allerdings ist sie eine invasive und kostenintensive Methode mit erheblicher Strahlenbelastung.
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12.8 Varikozele
Urologische Erkrankungen des Mannes
444
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445
13 Urologische Erkrankungen
13.1 Anomalien des äußeren Genitales, puberale Geschlechtsdifferenzierungsstörung, primäre Amenorrhö . . 445
der Frau
13.2 Dyspareunie . . . . . . 451 13.3 Deszensus/Prolaps . 458
13.1
13.4 Harntraktveränderungen in der Schwangerschaft . . . . . . . . . . . 465
Anomalien des äußeren Genitales, puberale Geschlechtsdifferenzierungsstörung, primäre Amenorrhö E. Petri
Grundlagen Definition: Die Geschlechtsdifferenzierung ist ein komplexer Prozess, welcher sich auf 3 Ebenen abspielt: 왘 chromosomale Determinierung, 왘 Gonadendifferenzierung, 왘 phänotypische Differenzierung.
Ätiologie: Zwischen 6. und 11. Embryonalwoche vergrößern sich die Urgeschlechtszellen, aus der Gonade wird ein erkennbares Ovar. Die Differenzierung der MüllerGangsysteme ist beeinflusst vom Fehlen oder Vorhandensein hormoneller testikulärer Einflüsse. Nach der 7. Embryonalwoche treten die typischen Veränderungen des äußeren Genitales zum männlichen bzw. weiblichen Geschlecht ein, wobei Urogenitalsinus und oberes Vaginalsegment aus den Müller-Gängen in Verbindung treten müssen. Bei Störungen der Sexualdifferenzierung während der embryonalen Entwicklung resultiert eine Vielzahl von möglichen Fehlbildungen. Bei der primären Amenorrhö finden sich häufig chromosomale Aberrationen und Intersexualität, genitale Fehlbildungen sowie eine Gonadendysgenesie. Symptomatik: Die Symptomatik ist bestimmt von der genetischen bzw. anatomischen Fehlbildung oder Fehlanlage. Sie wird beim jeweiligen Krankheitsbild dargestellt. Pathophysiologie: Das Geschlecht wird normalerweise zum Zeitpunkt der Befruchtung durch die beiden Gonosomen bestimmt. Auf welche Weise das Y-Chromosom die Gonadendifferenzierung steuert, ist wenig bekannt. Eine X-Aneuploidie hat eine inkomplette weibliche Gonadendifferenzierung (Gonadendysgenesie) zur Folge. Das Y-Chromosom steuert weiterhin die Zytosol- und Kernrezeptoren für Androgene, welche ihrerseits für die Differenzierung der äußeren und inneren männlichen Genitalien notwendig sind.
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Urologische Erkrankungen der Frau
Die äußeren Genitalien sind bis zur 7. Embryonalwoche bei männlichen und weiblichen Embryonen identisch. Im Laufe der weiteren Differenzierung können verschiedene Störungen einen Stillstand der Differenzierung bzw. Funktionsstörungen hervorrufen. Das Ausbleiben der Menarche (primäre Amenorrhö) hat verschiedene Ursachen.
13
446
13.1 Anomalien des äußeren Genitales
Einteilung Die möglichen Störungen der Geschlechtsdifferenzierungen lassen sich in die im tabellarischen Überblick der Differenzialdiagnosen auf S. 447 genannten Gruppen einteilen. Die Entwicklung des intersexuellen äußeren Genitales wird nach A. Prader in 5 Stadien eingeteilt, wobei ein fließender Übergang von der vollkommen weiblichen zur vollkommen männlichen Form besteht. Da die Gonadenanlage doppelseitig ist, können auch einseitige intersexuelle Abwandlungen erfolgen.
Basisdiagnostik Das Risiko der Virilisierung eines weiblichen Fetus durch hormonelle Kontrazeptiva ist vernachlässigbar gering.
Anamnese: Familienanamnese: Endokrinopathien oder Stoffwechselerkrankungen? 왘 Schwangerschaftsanamnese: intrauterine Exposition des Fetus gegenüber virilisierenden Medikamenten oder Hormonen? 왘
Intersexuelle Entwicklungen können Folge einer exzessiven Exposition des weiblichen Fetus gegenüber Androgenen während der Embryonalphase sein. Ein unzureichender Androgenspiegel oder eine verminderte Ansprechbarkeit des Gewebes männlicher Feten kann ebenfalls intersexuelle Entwicklungen zur Folge haben.
Urologische Erkrankungen der Frau
Körperliche Untersuchung: 왘 Beim Neugeborenen Zeichen einer Nebenniereninsuffizienz, einschließlich Dehydratation, Erbrechen, Diarrhoe, Elektolytverschiebungen und Schock? 왘 Untersuchung auf sichtbare Fehlbildungen der Genitalien durch Inspektion und Palpation der Organe des kleinen Beckens.
13
Labor: 왘 Serumelektrolyte: Salzverlustsyndrom? 왘 Endokrinologische Parameter: Neben der Bestimmung von Testosteron, Dihydrotestosteron, LH und den Östrogenen erlauben die 17-Ketosteroidspiegel und 17Hydoxykortikosteroidspiegel die Differenzierung der verschiedenen Formen des Hermaphroditismus. Bei einer Virilisierung ist es notwendig, zwischen einer kongenitalen Nebennierenhyperplasie und einem virilisierenden Tumor der Ovarien oder der Nebennieren zu unterscheiden. Der Zustand der Nebennieren lässt sich durch die Bestimmung der 17-Ketosteroide im Urin, 17-Hydroxyprogesteron im Serum sowie Testosteron und Dehydroepiandrosteronsulfatspiegel feststellen. Eine Supression der 17-Ketosteroide oder des Dehydroepiandrosteronsulfats durch Dexamethason verifiziert eine kongenitale Nebennierenhyperplasie. Bei der Amenorrhö erlaubt die Bestimmung von LH und FSH die Differenzierung einer ovariellen Dysfunktion von Funktionsstörungen des Hypothalamus. Die Untersuchung der 5-α-Reduktase und die Androgenrezeptorbindungskapazität in einer Fibroblastenkultur aus der Genitalhaut ist bei der Differenzierung des Pseudohermaphroditismus hilfreich. 왘 Chromosomenanalyse: Eine Chromosomenanalyse ist bei allen Formen der Intersexualität zwingend, gewöhnlich geht diese mit einem chromosomalen Mosaik einher; die Diagnose lässt sich in vielen Fällen jedoch erst nach chirurgischer Exploration histologisch sichern. Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie, konventionelle Radiologie bis hin zu MRT versuchen die Darstellung des inneren Genitales bzw. ektoper Organe. Laparoskopie/Pelviskopie: 왘 Sie erlaubt neben der Diagnosestellung Probeexzisionen zur histologischen Sicherung oder die vollständige Exstirpation, z. B. von Hoden. Bei der Amenorrhö
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
447
ist durch eine Abrasio im Sinne einer Strichkürettage eine Differenzierung von organischen und funktionellen Störungen möglich.
Diagnostisches Vorgehen Das diagnostische Vorgehen bei Anomalien des äußeren Genitales ist in Abb. 13.1 dargestellt, die Differenzialdiagnose der primären Amenorrhö in Abb. 13.2.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Art der Störung
Erkrankung
1. gonadale und/oder chromosomale Störungen (echter Hermaphroditismus, s. auch S. 344)
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
2. Maskulinisierung genetisch weiblicher Individuen (weiblicher Pseudohermaphroditismus)
쐌 adrenogenitales Syndrom (AGS) 쐌 transplazentare Virilisierung
3. gestörte Virilisierung genetisch männlicher Individuen (männlicher Pseudohermaphroditismus)
쐌 Testosteronsynthesedefekte (S. 72) 쐌 Androgenresistenz (S. 348) 쐌 rezeptorpositive Androgenresistenz
4. Hemmungsmissbildungen der Derivate der Wolff-Gänge ohne chromosomale oder hormonale Störungen 5. psychische Intersexualität
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder Abnorme Gonade (XO-Gonadendysgenesie, Turner-Syndrom) Definition: Es handelt sich um ein chromosomal bedingtes Syndrom mit Minderwuchs, ausbleibender endogener Pubertätsentwicklung und zahlreichen fakultativen Anomalien bei weiblichem äußeren Habitus. Ursache ist eine Monosomie des kurzen Armes des X-Chromosoms, welche in 1:8000−1:10 000 Geburten vorkommt. Ein erhöhtes Wiederholungsrisiko besteht nicht, Geschwistererkrankungen wurden aber beschrieben. In typischen Fällen ist zytogenetisch ein Karyotyp 45, XO nachzuweisen, wobei eine Vielzahl von strukturellen Defekten an einem X-Chromosom beschrieben wurde. Symptomatik: Klinisch fällt bei einem Neugeborenen das Lymphödem an Handund Fußrücken auf, in der Regel ist im 5.−6. Lebensjahr ein vermindertes Längenwachstum nachweisbar. Spätestens das Ausbleiben der Pubertätsentwicklung zum erwarteten Zeitpunkt ist Anlass, die Verdachtsdiagnose Turner-Syndrom exakt zu klären.
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Urologische Erkrankungen der Frau
gemischte Gonadendysgenesie Turner-Syndrom Klinefelter-Syndrom (S. 69, S. 343, S. 398) Triplo-X-Frauen XY-Gonadendysgenesie XX-Gonadendysgenesie
13
448
13.1 Anomalien des äußeren Genitales
Urologische Erkrankungen der Frau
Abb. 13.1 Flussdiagramm zum diagnostischen Vorgehen bei Anomalien des äußeren Genitales.
13
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbilder
449
Symptome: 쐌 Pterygium (50 %), 쐌 tief sitzende, zum Teil deformierte Ohren (60−89 %), 쐌 kurzer Nacken mit tiefem Haaransatz (80−90 %), 쐌 hypoplastische Mamillen (60−80 %), 쐌 Cubitus valgus (40−69 %), 쐌 hoher schmaler Gaumen, oft mit Mikrognathie und einem fischähnlichen Mund (50 %), 쐌 angeborenes Vitium cordis (20−40 %), 쐌 renale Fehlbildungen (50 % fakultative Dysmorphien), 쐌 äußeres Genitale infantil weiblich, ebenso Uterus und Tuben, 쐌 anstelle von Ovarien sog. „Streak Gonads“, weiße, flache, funktionsunfähige Bindegewebsstränge.
Diagnostik 쐌 Körperliche Untersuchung, 쐌 endokrinologische Untersuchung: Zeichen eines hypergonadotropen Hypogonadismus.
Therapie: Eine kausale Behandlung ist nicht möglich, Wachstumsretardierung und Hormonmangel lassen sich jedoch entsprechend medikamentös beeinflussen. Die Reifeentwicklung lässt sich bei einem Knochenalter von 11−12 Jahren mit einer zy-
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Urologische Erkrankungen der Frau
Abb. 13.2 Differenzialdiagnose der primären Amenorrhö.
13
450
13.1 Anomalien des äußeren Genitales klischen Medikation von Östrogen und Gestagen einleiten, Ovulationshemmer mit niedrigem Östrogengehalt sind hier geeignet.
Abnormes Genitale bei normalen Testes (testikuläre Feminisierung, Oviduktpersistenz) Ätiologie: Es handelt sich um eine spezielle Form der Intersexualität mit weiblichem Phänotyp und männlichen Gonaden. Ursache ist eine komplette Androgenresistenz der Peripherie, welche auf einer fehlenden Bindung des Dihydrotestosterons an ein spezifisches intrazelluläres Rezeptorprotein beruht. Bei X-chromosomal-rezessiver Vererbung besteht ein Karyotyp 46, XY. Symptomatik: 쐌 Weiblicher Phänotyp mit normaler allgemeiner Entwicklung und psychisch weiblicher Orientierung, 쐌 Vagina endet blind, 쐌 Uterus und Tuben fehlen, 쐌 Testes liegen intraabdominal oder inguinal, zum Teil in einer Hernie.
Während der Pubertät zeigt sich der typische Anstieg der Testosteronproduktion, wobei die Androgenresistenz eine entsprechende Virilisierung verhindert. Auch entwickelt sich keine normale Sekundärbehaarung („hairless women“). Therapie: Eine Behandlungsmöglichkeit des Primärdefektes ist nicht möglich, die Gonaden sollten jedoch spätestens nach Entwicklung der Mammae exstirpiert werden, eine erforderliche Herniotomie kann schon im Kindesalter erfolgen. Eine individuelle Substitution mit Östrogenen ist zu empfehlen.
Urologische Erkrankungen der Frau
Abnormes Genitale bei normalen Ovarien
13
Doppelmissbildungen, Aplasie bzw. Atresie: Störungen im Bereich des Ovidukts einschließlich der Scheide resultieren in Doppelmissbildungen und Aplasien, wozu auch das Mayer-Rokitanski-Küster-Hauser-Syndrom gehört, Atresien des Hymens und der Scheide, Hemmungsmissbildungen, welche bei unauffälligem innerem Genitale zu Ansammlungen des Menstrualblutes im Sinne einer Hämatokolpos, Hämatometra oder Hämatosalpinx führen können. Sie bedürfen einer chirurgischen Intervention. Beim Mayer-Rokitanski-Küster-Hauser-Syndrom besteht eine Hemmungsmissbildung mit strangförmiger Anlage und fehlender Kanalisierung von Uterus und Vagina. Bei fehlender Scheide gelingt laparoskopisch die Diagnose durch Darstellung des häufig nur rudimentären strangförmigen Uterus bei normaler Ausbildung von Tuben und Ovarien. Von der partiellen oder totalen Vaginalaplasie/ Atresie bei normalen Ovarien ist diejenige bei der testikulären Feminisierung (s. o.) zu differenzieren. Therapie: Inzision oder Dilatation partieller Atresien, Anlage einer Neovagina bei Vaginalaplasie. Adrenogenitales Syndrom: Das adrenogenitale Syndrom (AGS) ist durch eine Überproduktion von androgenen NNR-Hormonen bzw. androgenwirksamen Metaboliten bedingt. Es kann das angeborene kongenitale AGS vom erworbenen (postpuberalen) AGS unterschieden werden. 왘 Beim kongenitalen AGS besteht eine autosomal-rezessive enzymatische Störung mit Hyperplasie der Nebennierenrinde, wobei in 95 % ein C21-Hydroxylasemangel besteht. Aufgrund des Cortisolmangels wird ACTH stark vermehrt gebildet, wobei es schließlich zu einer pathologisch gesteigerten Produktion von androgenen NNR-Hormonen kommt. Bei Geburt dieser Kinder besteht bei Knaben eine Hodenhypoplasie, bei Mädchen eine Hypoplasie der Ovarien, welche unbehandelt immer in einer primären Amenorrhö endet. Die Klitoris ist penisartig vergrößert, die großen Labien skrotumartig umgewandelt. Man kann das Bild auch
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13.2 Dyspareunie
왘
als Pseudohermaphroditismus femininus (internus) bezeichnen, wobei die Chromosomenkonstellation 46, XX besteht. Das kongenitale AGS kann mit und ohne Salzverlustsyndrom und Hypertonie auftreten. Beim männlichen Individuum führt das AGS zur Pseudopubertas praecox mit vorzeitiger Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale. Das postpuberale („late onset“) AGS ist Folge einer Hyperplasie der Nebennierenrinde oder eines androgenbildenden Tumors. Meist liegt eine sekundäre Amenorrhö vor, bei fehlenden Genitalmissbildungen ist in Abhängigkeit von Menge und Dauer der Androgenwirkung ebenfalls eine Klitorishypertrophie, Hirsutismus und Akne nachweisbar.
451
Kongenitales AGS mit oder ohne Salzverlustsyndrom und Hypertonie.
Diagnostik 쐌 Bestimmung des Testosterons und des Dehydroepiandrosteronsulfats im Serum, 쐌 Durchführung eines ACTH-Tests.
Therapie: Methode der Wahl ist die lebenslange Dauermedikation mit Glucocorticoiden zur Bremsung der ACTH-Produktion im Hypophysenvorderlappen. Die Dosierung richtet sich nach den Androgenwerten. Diaplazentare Virilisierung: Die transplazentare Virilisierung kann in seltenen Fällen beim weiblichen Fetus durch einen androgenbildenden Tumor der Mutter (z. B. Androblastom) oder durch exogene Zufuhr von Androgenen oder Progestagenen während der Frühschwangerschaft auftreten. Schwere Genitalmissbildungen sind bei den meist kurzfristigen Hormongaben im Allgemeinen nicht zu erwarten. Eventuell können operative Korrekturen, vor allem an der Klitoris, notwendig werden.
Die Unterscheidung zwischen AGS und transplazentarer Virilisierung erfolgt durch die Anamnese (Testosteron- oder Progestageneinnahme in der Gravidität), biochemisch durch den Ausschluss einer Cortisolsynthesestörung in der Nebennierenrinde.
13.2
Dyspareunie E. Petri
Definition: Der Begriff wird heute zur Beschreibung von Schmerzen bei der Kohabitation verwandt. Er bezeichnet ursprünglich (pareunos, griechisch = Bettgenosse) eine „fehlende Übereinstimmung in der Ehe“. Die Dyspareunie bezeichnet einen schmerzhaften Geschlechtsverkehr, bei dem im Gegensatz zum Vaginismus der Koitus vollzogen wird. Der korrekte Fachausdruck sollte „Algopareunie“ lauten, was „schmerzhaftes Zusammengehen“ bedeutet. Ätiologie: Neben organischen Ursachen (etwa 50 % der Frauen) mit trophischen Störungen von Vulva und Vagina, Gewebedefekten nach Geburten oder Operationen, Entzündungen im kleinen Becken, Endometriose und Lageanomalien der Organe kommen v. a. funktionell bedingte psychosexuelle Störungen infrage. Extensive rekonstruktive Eingriffe bei Genitaldeszensus und Harninkontinenz, vor allem Komplikationen bei Verwendung alloplastischer Schlingen und Netze, haben zu einer deutlichen Zunahme von iatrogenen Dyspareunien geführt. Symptomatik: Im Gegensatz zur Eupareunie, dem von Kehrer geschaffenen Begriff für volle Übereinstimmung beider Partner während des Geschlechtsverkehrs, be-
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Urologische Erkrankungen der Frau
Diagnostik
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13.2 Dyspareunie deutet Dyspareunie das konträre Verhalten, das nicht nur durch die Dysharmonie im sexuellen Erleben, sondern auch durch die Manifestation schmerzhafter Sensationen beim oder nach dem Koitus gekennzeichnet ist. Es sind Schmerzen am Introitus, in der Vagina und bei tiefer Penetration des Penis zu unterscheiden. Sie können umschrieben (z. B. Episiotomienarben) oder sehr diffus (z. B. ausgedehnte Endometriose, funktionelle Sexualstörung) sein.
Zunahme iatrogen verursachter Dyspareunien durch Verwendung alloplastischer Schlingen und Netze.
Pathophysiologie: Pathologische gynäkologische Befunde und funktionelle Sexualstörungen finden sich etwa gleich häufig. Bei den organischen Ursachen muss auf kongenitale Fehlbildungen oder Normvarianten geachtet werden. Am häufigsten sind iatrogene Veränderungen nach Geburten, Operationen, Strahlentherapie oder als Komplikation einer Pharmakotherapie, aber auch spezifische und unspezifischentzündlich reaktive Veränderungen im kleinen Becken. Psychosexuelle oder funktionell bedingte Störungen führen über eine Anspannung der Levatormuskulatur oder eine mangelhafte Relaxation des Beckenbodens bei zumeist fehlender oder mangelhafter Lubrikation zu Beschwerden. Narbige Kontrakturen nach plastischen Rekonstruktionen und Defektheilungen bzw. Penetrationen von alloplastischem Material sind zusammen mit den Symptomen des urogenitalen Alterns und der Atrophie im klinischen Alltag häufigste Ursache von Beschwerden.
Einteilung Die Dyspareunie lässt sich gemäß ihrer Ätiologie einteilen in (s. tabellarischer Überblick auf S. 453): 왘 organisch bedingte Störungen, 왘 psychisch bedingte Störungen.
Urologische Erkrankungen der Frau
Basisdiagnostik und diagnostisches Vorgehen
13
Schaffung eines Vertrauensverhältnisses unbedingte Voraussetzung für die Erhebung der psychosozialen und sexuellen Anamnese.
Anamnese: Voraussetzung ist zunächst die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses, welches die Erhebung der psychosozialen Anamnese, sexuellen Erfahrungen, Orgasmusfähigkeit und näheren Angaben zu den Charakteristika des koitalen Schmerzes erlaubt. Die geburtshilfliche und gynäkologische Anamnese ermöglicht Hinweise zu organischen Ursachen der Algopareunie. Bei der ersten Begegnung mit der Patientin gibt es häufig keine Auskunft über diese heiklen Themen. Angaben zu Phobien, sexuellen Aversionen, Konversionen und besonders traumatisierenden sexuellen Erlebnissen der Patientin (z. B. Vergewaltigung oder Inzest) werden häufig erst nach Schaffung einer Vertrauensbasis und mehreren Gesprächen angegeben. Patientinnen, deren Dyspareunie auf psychischen Ursachen beruht, beschreiben die Beschwerden eher vage und können keine exakte Lokalisation angeben. Die Untersuchung ist dann ohne Befund, lediglich eine ablehnende Haltung der Patientin ist zu spüren. Körperliche Untersuchung: 왘 Inspektion: Die Inspektion des äußeren Genitales erlaubt die Erkennung schwerer Entzündungen und dystropher Veränderungen der Haut. Gelegentlich verhindert ein Spasmus der perinealen Muskulatur und des Levator ani das Einführen des Spekulums in die Vagina (Vaginismus), welches bei sonst fehlenden Befunden ein Hinweis für eine psychosomatische Ursache wäre. Die Untersuchung als solche kann dazu dienen, der Patientin die anatomische Normalität zu erläutern und sie von ihrer Fähigkeit zu überzeugen, ein Objekt intravaginal aufzunehmen. Eine solche Untersuchung bietet die Gelegenheit, die Patientin über Techniken zur Korrektur ihrer sexuellen Dysfunktion aufzuklären, z. B. die Benutzung eines Gleitmittels, eine Muskelrelaxation und die Erweiterung der Va-
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
왘
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gina. Bei der Inspektion ist auf lokalisierte Infektionen, eine Kolpitis, Abszedierung der Bartholin-Drüsen, aber auch Veränderungen im Bereich des Meatus urethrae externus zu achten. Ein hoch aufgebauter Damm oder ein sehr straffer Hymenalring mit feinsten Rhagaden oder Ulzera können ebenso Ursache der Beschwerden sein wie die typischen östrogenmangelbedingten Atrophien in der Postmenopause. Palpation: Beim Einführen des Spekulums bzw. der bimanuellen Palpation muss eine gezielte Lokalisation der Beschwerden vorgenommen werden; Strikturen, Tumoren oder anatomische Normvarianten lassen sich dabei erkennen. Nach Implantation alloplastischer Bänder und Netze muss auf Defektheilungen geachtet werden; häufig sind nur durch sorgfältige Tastuntersuchung kleinste „Borsten“ fühlbar, die durch die Vaginalhaut penetrieren. Die zunehmend benutzten transobturatorischen Netze perforieren weit lateral in den Sulci der Scheidenaufhängung das Epithel und können nur bei sorgfältiger Entfaltung der Scheide erkannt werden.
Eine tiefe Dyspareunie ist meistens organisch bedingt, es ist auf einen Schiebeschmerz der Portio, die Mobilität der Organe des kleinen Beckens und eventuelle Strukturen im Douglas-Raum zu achten. Häufigste Ursachen sind eine Retroflexio uteri (evtl. fixata) und eine Endometriose.
Sonographie: Eine orientierende abdominale bzw. transvaginale Sonographie erlaubt die Beurteilung von Größe und Lage der Organe des kleinen Beckens sowie die Darstellung eventueller Raumforderungen des inneren Genitales. So lassen sich dabei Myomknoten, Endometrioseknoten, aber auch Lageveränderungen erkennen. Laparoskopie/Pelviskopie: Eine Sicherung der Diagnose lässt sich häufig durch eine laparoskopische Abklärung durchführen. Neben häufigen Adhäsionen nach wiederholten Entzündungen des kleinen Beckens oder Voroperationen (z. B. Sectio) lassen sich vor allem Stadium und Lokalisation einer Endometriose genau beschreiben. Geringe Befunde können pelviskopisch operativ beseitigt werden (z. B. Adhäsiolyse, Ausschälen einer Endometriosezyste, falls notwendig Adnexektomie). Das differenzialdiagnostische Vorgehen bei Dyspareunie ist auch in Abb. 13.3 dargestellt.
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Lokalisation
Erkrankung
13
1. Organische Ursachen 1.1 Vulva
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
Urologische Erkrankungen der Frau
Nativpräparat: Zum Ausschluss einer entzündlichen Genese empfehlen sich Nativabstriche aus Scheide und Urethra, welche neben der Beurteilung der Hormonsättigung (z. B. karyopyknotischer Index) eine grobe Orientierung über mögliche Erreger und Verschiebung der Vaginalflora ermöglichen. Bei fehlender Döderlein-Flora kann die Messung des pH-Wertes mit entsprechenden Teststreifen sinnvoll sein.
Vulvitis Soor Trichomonaden Erythrasma Herpes genitalis Atrophie der Vulva Lichen sclerosus et atrophicus Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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13.2 Dyspareunie
Urologische Erkrankungen der Frau
Abb. 13.3 Flussdiagramm zum differenzialdiagnostischen Vorgehen bei Dyspareunie.
13
Lokalisation
Erkrankung
1. Organische Ursachen 1.2 Introitus
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Bartholinitis Bartholin-Abszess Bartholin-Zyste urethrale und suburethrale Tumoren Entzündungen und Skene-Gänge Urethritis Paraurethralzyste Divertikel Hymen septus oder persistens rigides Hymen Vaginalaplasie Introitusstenose nach Operationen Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
Lokalisation
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Erkrankung
1. Organische Ursachen (Fortsetzung) 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
쐌
1.4 Uterus und Bandapparat
쐌 쐌 쐌 쐌
Soor- und Trichomonadenkolpitis Koli- und Enterokokkenkolpitis unspezifische Kolpitis Östrogenmangelkolpitis urogenitale Atrophie Vaginaltumor (z. B. spitze Kondylome) Vaginalseptum iatrogene Stenosen und Narbenbildungen bzw. Penetration von alloplastischem Material nach Plastiken und Scheidenverletzungen sub partu angeborene partielle oder totale Vaginalatresie bzw. -obliterationen Kohabitationsverletzungen Retroflexio uteri Allen-Masters-Syndrom Parametritis
1.5 Adnexe und Peritonealraum
쐌 Varicosis muljebris bzw. Varikozelen des kleinen Beckens 쐌 akute Adnexitis 쐌 chronische Adnexitis mit Adhäsionen 쐌 Adhäsionen nach Entzündungen und Operationen 쐌 Ovarialtumoren und Douglas-Tumoren
1.6 Blasen und Darmerkrankungen
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
1.7 Endometriose
쐌 eine Lokalisation ist möglich in Vulva, Introitus, Vagina, im Halteapparat des Uterus, in den Adnexen und in der Peritonealhöhle, insbesondere Lokalisation in den Sakrouterinligamenten, im hinteren Scheidengewölbe und im DouglasRaum
Zystitis (S. 32) Urethritis (S. 249) Blasensteine (S. 47) Darmtumoren Rektumkarzinom Perisigmoiditis Divertikulitis (S. 16)
2. Psychogene Ursachen 쐌 ausbleibende Lubrikation − Hemmungen oder Ängste blockieren die sexuelle Erregung 쐌 Anspannungen der Levatormuskulatur aufgrund von Ängsten und Hemmungen 쐌 mangelnde oder fehlende sexuelle Erregung mit mangelnder Füllung der venösen Schwellkörper
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Urologische Erkrankungen der Frau
1.3 Vagina
13
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13.2 Dyspareunie
Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbildern Kongenitale Fehlbildungen (Hymen, Vaginalsepten) Die komplexe Embryologie des weiblichen Urogenitalsystems erklärt die Vielfalt der möglichen Hemmungsmissbildungen, wobei bei fehlender Kanalisation des embryonalen Sinus urogenitalis ein Hymen imperforatus resultieren kann. Bei vollständig oder teilweise fehlender Kanalisation und Verbindung der Müller-Gänge mit dem Sinus urogenitalis entstehen Vaginalfehlbildungen im Sinne von Vaginalsepten bis hin zur Vaginalatresie. Während bei der Hymenalatresie bzw. transversen Vaginalsepten bei primärer Amenorrhö eine Kohabitation unmöglich ist, bestehen bei hoch aufgebautem Damm und sehr dicker Hymenalplatte oder bei einer Vagina duplex oder Vagina subsepta häufig Schmerzen bei der Kohabitation. Diese sind entweder durch das direkte Gewebetrauma erklärt, oder aber, z. B. bei der Vagina duplex, durch die fehlende Kapazität des Scheidenlumens verursacht. Therapie: Mechanische Obstruktionen im Bereich des Hymens sind in den meisten Fällen durch einfache Längsspaltung und quere Naht zu versorgen, Vaginalsepten müssen bei reproduzierbarer Schmerzhaftigkeit vollständig reseziert werden.
Urologische Erkrankungen der Frau
Entzündungen
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Eine Entzündung der kleinen und großen Labien (Vulvitis) und eine Entzündung der Scheide (Kolpitis) führen neben den ausgeprägten Schmerzen über einen häufig quälenden Pruritus zu erheblicher Schmerzhaftigkeit der Kohabitation. Neben exogenen Ursachen (Mikroorganismen, Traumen, chemisch-thermische Ursachen) kommen endogene Ursachen (vor allem Östrogenmangel, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Nieren- und Lebererkrankungen), typische dermatologische Erkrankungen (Psoriasis, Lichen ruber planus, Ekzeme), aber auch spezifische Infektionskrankheiten (Viruserkrankungen, typische Geschlechtskrankheiten) infrage. Bei chronischem Fluor und Kolpitis sind Infektionen der Nachbarorgane bzw. der Adnexe typisch, neben der Bartholinitis bzw. dem Bartholin-Empyem durch eine Aszension, häufig bei der Menstruationsblutung, die Endometritis und Adnexitis. Therapie: Für die Therapie steht im Vordergrund immer die Suche nach der Ursache, welche in Einzelfällen schwierig sein kann.
Tumoren Maligne Tumoren im Bereich des äußeren Genitales der Frau sind sehr selten, zumeist auf das hohe Alter begrenzt. Im Bereich der Vulva entstehen sie auf dem Boden eines Lichen sclerosus et atrophicus (Kraurosis), der häufig schon viele Jahre vorher besteht. Im Bereich der Vagina können im Rahmen von viralen Kolpitiden spitze Kondylome Ursache einer Dyspareunie sein, Myome und Fibrome sind eine Seltenheit. Die aus den embryonalen Restanlagen entstehenden Gartner-Gangzysten liegen in der seitlichen Vaginalwand vom Introitus bis zum Vaginalgewölbe hinauf und sind aufgrund ihrer meist schlaffen Konsistenz nur selten Ursache von Kohabitationsbeschwerden. Epitheleinschlusszysten und Atherome sind zumeist Folge von Geburtstraumen und bereiten aufgrund des sie umgebenden Narbengewebes Schmerzen. Urethraldivertikel bereiten nur in seltensten Fällen direkte Beschwerden, sind über die Exprimation des infizierten Sekrets aber gelegentlich Ursache eines postkoitalen Urethralsyndroms oder dysurischer Beschwerden.
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Kurzdarstellung wichtiger Krankheitsbildern
Iatrogene Störungen Eine der häufigsten Gründe für eine Dyspareunie sind ausgedehnte immobile Narben, die nach traumatischen vaginalen Geburten, schlecht versorgten Episiotomien, vor allem aber nach operativen Eingriffen des kleinen Beckens auftreten können. Dabei ist zwischen direkten Narben im Bereich des Introitus, der Vaginalwand und narbigen Fixierungen des Scheidengrundes bzw. der Organe des kleinen Beckens auch nach urologischen und chirurgischen Eingriffen zu unterscheiden. Bougierungs- und Dehnungsbehandlungen (bei postmenopausalen Frauen immer simultan mit einer lokalen Östrogenisierung) können wesentliche Besserung bereiten, isolierte Narbenspangen müssen zumeist chirurgisch angegangen werden. Ein Problem stellen Defektheilungen und Penetrationen alloplastischer Materialien nach Korrektur von Harninkontinenz und Deszensus dar. Freiliegende Bänder müssen bis 2−3 mm im eingeheilten Bereich vollständig reseziert werden. Der Versuch einer konservativen Behandlung mit Salben und Cremes oder auch eine plastische Deckung solcher Defekte ist wegen der bakteriellen Kontamination wenig erfolgreich. Wesentlich schwieriger ist die Versorgung großflächiger Penetrationen im Bereich der vorderen und hinteren Scheidenwand nach Verwendung großflächiger Netze zur Prolapskorrektur. Hier muss häufig mehrzeitig versucht werden, Teile der Netze zu exstirpieren, wobei in beiden Kompartimenten ein hohes Perforationsrisiko in Urethra, Harnblase und Rektum besteht. Definitive Harnableitungen und Kolostomien sind ebenso beschrieben, wie eine permanente Kohabitationsunmöglichkeit, entweder wegen der verbliebenen Netzanteile oder aber einer extremen Narbenkontraktur nach Revisionsoperationen.
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Bei postmenopausalen Frauen Bougierungs- und Dehnungsbehandlungen immer mit lokaler Östrogenisierung verbinden.
Funktionelle Sexualstörungen treten häufig bei organischen Erkrankungen, aber auch einem psychischen Konflikt und einer psychischen Ursache auf. Eine Algopareunie kann jedoch bei primär organischer Erkrankung nach deren Abheilung aus psychologischen Gründen weiter fortbestehen. Werden die Schmerzen vornehmlich verursacht durch Verkrampfungen (z. B. aus Angst vor Schmerzen bei der Kohabitation), können psychotherapeutische Maßnahmen (z. B. systematische Desensibilisierung) notwendig sein. Steht eine Orgasmusstörung oder ein sexueller Appetenzmangel im Vordergrund, der durch das Ausbleiben der Lubrikation zu Schmerzen führt, muss der jeweiligen Symptomatik entsprechend behandelt werden.
Pathologika des kleinen Beckens Häufigste Ursachen von Schmerzen bei der Kohabitation sind Erkrankungen bzw. deren Folgezustände im kleinen Becken. Typischerweise ist die Immissio ohne Schwierigkeiten möglich, bei tiefer Penetration kommt es jedoch zu ausgeprägten Schmerzen, die sich auf den gesamten Bauchraum ausdehnen können. Neben anatomischen Lagevarianten (Retroflexio uteri) kommen vor allem entzündliche Veränderungen im Bereich der Parametrien und Adnexe, eine Endometriose und Verwachsungen nach Operationen im kleinen Becken infrage. Eine tiefe Dyspareunie ist selten psychisch verursacht. Ist ein korrekturwürdiger pathologischer Befund nicht zu erheben und erweist die Laparoskopie keinen therapeutischen Ansatz, so ist häufig der einzig gangbare Weg die Vermeidung von Positionen, in denen eine tiefe Penetration möglich ist. Der Leidensdruck der Patientinnen ist gelegentlich so groß, dass sie sich wiederholten Laparotomien mit Adhäsiolyse und Exstirpation von Organen unterziehen, ohne eine wirkliche Besserung zu erreichen.
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Urologische Erkrankungen der Frau
Psychogene Ursachen
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13.3 Deszensus/Prolaps
13.3
Deszensus/Prolaps H. Kölbl
Urologische Erkrankungen der Frau
Grundlagen
13
Definitionen: Das Tiefertreten des Uterus und/oder der Vagina im kleinen Becken wird als Deszensus bezeichnet. Fallen die Genitalorgane ganz oder teilweise vor den Hiatus genitalis, spricht man von einem Prolaps. Eine Zystozele ist die hernienartige Vorwölbung der vorderen Vaginalwand unter Einbeziehung der Blase. Bei der Rektozele wird die Vorwölbung der hinteren Vaginalwand durch einen Vorfall des Rektums verursacht. Die engen topographischen Beziehungen zwischen ableitenden Harnwegen und Reproduktionsorganen im kleinen Becken der Frau implizieren eine Vielzahl nosologischer Interferenzen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die alterierte Statik der Beckenorgane im Sinne eins Genitaldeszensus. Je nach Lokalisation und Grad der Senkung sowie abhängig von der Einbeziehung der urethrovesikalen Einheit resultieren Miktions- und Kontinenzstörungen, Genitalbeschwerden, bis hin zu koloproktologischen Funktionsstörungen. So reicht das Spektrum der Symptome vom gesteigerten Harndrang und Harnverhalt bei großer Zystozele bis zur Verschlussinsuffizienz der Urethra im Sinne einer Stressinkontinenz und/oder Mischformen. Selbst Harnverhalt und unwillkürlicher Harnabgang unter Stress können nebeneinander existieren (larvierte Inkontinenz bei Quetschhahnmechanismus). Sie sind letztlich „unterschiedliche Auswirkungen ein- und derselben pathologisch-anatomisch und pathophysiologischen Noxe, nicht aber Erscheinungen einer einander ausschließenden Gegensätzlichkeit“ (Richter 1988). In fast 90 % der Fälle ist Stressinkontinenz mit einem Deszensus des Urogenitales assoziiert. Diesem Umstand muss bei der Therapieplanung Rechnung getragen werden. Es ist falsch, die Stressinkontinenz als ein reines „Schließmuskelproblem“ zu betrachten, der betroffenen Frau beispielsweise eine Kolposuspension anzubieten und dabei den Subtotalprolaps des Uterus mit Beckenbodeninsuffizienz unberücksichtigt zu lassen. Gleiches gilt für Störungen im mittleren und hinteren Kompartiment des Beckenbodens. Nur die komplexe Sanierung von urethraler Verschlussinsuffizienz und derangiertem Genitale ist als rationale Therapie anzusehen. Anatomie: Die Stabilität des weiblichen Urogenitales wird im Wesentlichen durch 3 unterschiedliche Strukturen gesichert. Im funktionellen Sinne bilden sie eine Einheit. 왘 Parametraner Halteapparat: Darunter versteht man im pelvinen Subperitonealraum fest vernetzte, strukturierte Bindegewebezüge. Im Hauptteil ziehen sie als Lig. cardinale vom Gebärmutterhals fächerförmig zur Beckenwand. Weitere Bindegewebezüge umfassen als Ligg. vesicouterina die Blase und setzen sich als Ligg. pubovesicalia et pubourethralia zum Schambein fort. Nach dorsal laufende Bindegewebezüge, die zangenförmig den Mastdarm umgreifen, werden als Ligg. sacrouterina bezeichnet. An der Hinterwand des Rektums sind sie innig mit der Fascia recti verbunden. 왘 Muskulärer Beckenboden: Den Hauptanteil bildet das Diaphragma pelvis mit dem trichterförmigen M. levator ani. Im ventralen Bereich verläuft kulissenartig das Diaphragma urogenitale mit dem M. transversus perinei profondus als wichtigstem Muskel. Eine äußere, oberflächliche Schließmuskelschicht besteht aus dem M. bulbocavernosus, dem M. sphincter ani externus sowie den unbedeutenden Mm. transversi perinei superficiales und Mm. ischiocavernosi. Symphysenwärts befindet sich der sog. Levatorspalt zum Durchtritt von Harnröhre und Scheide. Es ist eine natürliche „Bruchpforte“ bei der Frau. Die Beckenbodenmuskulatur wird durch den N. pudendus versorgt. Hinsichtlich der Kontraktilität werden langsam kontrahierende („slow twitch“) und schnell kontrahierende („fast twitch“) Muskelfasern unterschieden. Diese Zweiteilung muskulärer Aktivität spielt bei Kontinenzsicherung eine große Rolle.
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Grundlagen 왘
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Abdominopelvine Balance der Eingeweide: Die Beckenbodenmuskulatur ist mit der vorderen Bauchwand sowie dem Zwerchfell synergistisch innerviert. Während der Atmung wird der Inhalt der Leibeshöhle durch Kohäsionkräfte in der „Schwebe“ gehalten. Das betrifft auch Uterus, Adnexe, Harnblase sowie Vagina, Rektum und Urethra. Durch den „Sog“ der Zwerchfellkuppel und das Tonus-Turgor-Spiel des Eingeweidepaketes wird der Beckenboden entlastet. Bei physischem Stress, z. B. Heben von Lasten, Husten und Niesen, kontrahiert sich der intakte Beckenboden und verhindert ein Ausweichen des Eingeweidepaketes nach kaudal.
Die Beschwerden sind abhängig von Art und Ausmaß der Genitalsenkung. Sie können einzeln oder kombiniert auftreten: 왘 Druck nach unten, „als ob etwas herausfällt“, 왘 ziehende Schmerzen in den Leisten und/oder in der Kreuzbeinhöhle sowie an der seitlichen Bauchwand. Die Schmerzen nehmen im Laufe des Tages zu und bessern sich in Ruhelage, 왘 Blasensymptome: − Harndrang und Pollakisurie, ausgelöst durch den Zug an der Blasenhinterwand über einen spinalen Reflexbogen. Bei ausgeprägten Zystozelen auch durch Restharn mit Infektion, − Harnweginfektionen, besonders bei langjährigem Prolaps, bis zur Nierenschädigung, − Harnstauung durch Abknickung der Ureteren bei Totalprolaps, − Stressinkontinenz, unkontrollierter Harnabgang bei Husten, Pressen, Niesen; entsteht durch Einbeziehung der urethrovesikalen Verschlusszone in die Dislokation. Erschwerte Miktion bei großer Zystozele bzw. schwerem Uterovaginalprolaps durch Abknickung der fixierten Urethra (sogen. Quetschhahnmechanismus), 왘 erschwerte Defäkation: Die Kotsäule staut sich in der Rektozele (Koprostase). Eine Lösung des Stuhls ist oftmals nur durch manuelle Kompression der Rektozele seitens der Patientin möglich, 왘 Ausfluss (Fluor): Der ungenügende Scheidenschluss und die chronische Dehnung begünstigen Entzündungen besonders bei der postmenopausalen Frau, 왘 Geschwüre an Portio und Vagina bei hochgradigem Prolaps, sog. Dehnungsulzera, entstehen durch Zug am Gewebe und Kontakt mit der Wäsche. Es muss immer eine Probeexzision zum Ausschluss von Bösartigkeit vorgenommen werden. Ursachen: Als auslösend oder begünstigend für die Entstehung von Genitaldeszensus und Stressinkontinenz gelten: 왘 Schwangerschaft, 왘 Geburten, insbesondere Zangengeburten, 왘 schwere körperliche Belastung, 왘 konstitutionelle Faktoren, 왘 chronische Bronchitis, 왘 klimakterische Involution, 왘 Übergewicht und Bindegewebeschwäche. Selten wirkt ein Faktor allein, meist ist es die Interferenz mehrerer Faktoren, die zur Manifestation von Senkung bzw. Stressinkontinenz führt.
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Urologische Erkrankungen der Frau
Leitsymptome: 쐌 Druck nach unten, 쐌 ziehende Schmerzen, 쐌 Blasensymptome, 쐌 erschwerte Defäkation, 쐌 Ausfluss, 쐌 ggf. Geschwüre an Portio und Vagina.
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Urologische Erkrankungen der Frau
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13.3 Deszensus/Prolaps Vaginale Geburten, insbesondere schwere Geburtsverläufe im Rahmen der Erstgeburt (verlängerte Austreibungsperiode), gelten als Hauptursache der Senkungen. Sie führen zu einer starken Beanspruchung des bindegewebigen Halteapparates. Der muskuläre Beckenboden ist im Durchtritt des kindlichen Kopfes bzw. der gesamten Fruchtwalze einer extremen Belastung ausgesetzt. Das betrifft vor allem den am weitesten kaudal und medial gelegenen Anteil des M. levator ani, auch M. pubococcygeus genannt. Es resultieren Einrisse, die später narbig ausheilen sowie mikrostrukturelle Defekte durch Überdehnung der gesamten Levatorplatte. Die Folge sind Störungen der neuromuskulären Konnexion. Frauen mit Beckenbodenschwäche und/oder Stressinkontinenz zeigen häufig eine Abnahme der Nervenleitgeschwindigkeit mit reduzierter Reflexaktivität im Pudendusbereich und pathologischen Mustern im Elektromyogramm. Konstitutionelle Faktoren sind Teil einer genetischen Disposition zur Bindegewebeschwäche. Ursache sind offenbar molekularbiologische Defekte im Kollagen und ein gestörter Aufbau elastischer Fasern. Sie erklären die seltenen Fälle von Senkungszuständen bei Nulliparae. Man beobachtet sie bei asthenischen Frauen mit infantilem Körperbau. Die Kombination mit mehreren Geburten führt meist zu eindrucksvollen Senkungszuständen. Der allgemeine Östrogenmangel im Klimakterium geht mit reduzierter Fibroblasten-, Kollagen-, und Elastinsynthese und einer Abnahme der Durchblutung am Urogenitale einher. In Kombination mit anderen Faktoren können sich dadurch in der Postmenopause Genitalsenkungen manifestieren. Die kontinuierliche Abnahme des Urethraruhedruckes jenseits der Menopause ist urodynamisch belegt. Schwere körperliche Belastung besonders mit ruckartigem Aufheben von Lasten (z. B. Warenbewegung, Haushaltsarbeit, Pflegeberufe, Landwirtschaft), aber auch sportliche Betätigung (Springen, Hüpfen), kann Deszensus und Stressinkontinenz induzieren. Chronische Bronchitis mit Hustenattacken belastet in fataler Weise die bindegewebigen und muskulären Strukturen des Beckenbodens. Hustenstöße können bei intrarektaler Messung Druckwerte über 200 cm H2O erreichen. Das Eingeweidepaket wird explosionsartig in das kleine Becken gedrückt. Wenn die Levatorplatte durch andere Faktoren geschädigt ist (Geburt!), kann die Stabilität der Beckenorgane nicht mehr gesichert werden. Die Wirkung von Hustenstößen ist auch exemplarisch für den Nachweis des Harnabgangs inkontinenter Frauen. Übergewicht und Stammverfettung, verbunden mit körperlicher Inaktivität führen − besonders wenn weitere Faktoren wirksam sind − zur allgemeinen Beckenboden- und Bauchdeckeninsuffizienz. Pathophysiologie: Die Senkung des Urogenitales entwickelt sich aus dem Versagen der stabilisierenden Strukturen, d. h. im Einzelnen: 왘 Verlust der elastischen Aufhängung und Überdehnung des parametranen Halteapparates, 왘 morphologische und funktionelle Defekte im Beckenboden, 왘 Auflösung des dynamischen Gleichgewichts im Bauchraum: abdominopelvine Imbalance. Welches der klinischen Erscheinungsbilder eines Genitaldeszensus sich manifestiert, hängt vom Ausmaß und Sitz der Läsion im stabilisierenden System ab. So ist z. B. beim isolierten Descensus uteri nur der parametrane Halteapparat defekt. Der Uterus verlässt dabei seine typische Anteflexio-Anteversio-Position, gleichzeitig verlagert sich die Cervix uteri nach ventrokaudal. Damit gelangt die Gebärmutter in den Bruchpfortenbereich des Hiatus genitalis. Doch ist der alleinige Uterusdeszensus eher selten. Meist sind durch komplexe Läsionen Bestandteile des vorderen, mittleren und hinteren Beckenbodenanteils betroffen.
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Einteilung
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Einteilung Prolaps Wenn die Genitalorgane ganz oder teilweise vor den Hiatus genitalis fallen, spricht man von Prolaps. Je nach Grad des Vorfalles unterscheidet man: 왘 Partial- oder Subtotalprolaps, wenn die Portio vaginalis in der Vulva sichtbar wird, 왘 Totalprolaps, wenn das ganze Scheidenrohr ausgestülpt ist und den Uterus wie einen Sack umschließt.
Hernienartige Vorwölbungen Eine hernienartige Wölbung der vorderen Vaginalwand unter Einbeziehung der Blase nennt man Zystozele, ist die Harnröhre einbezogen spricht man von Urethrozystozele. Je nach Ursache unterscheidet man in: 왘 Distensions- oder Pulsationszystozele (zentraler vorderer Defekt), 왘 Dislokations- oder Traktionszystozele (paravaginaler vorderer Defekt) (Abb. 13.4).
Urologische Erkrankungen der Frau
Korrespondierend dazu kann sich an der hinteren Vaginalwand eine Rektozele (Defekt im hinteren Beckenbodenanteil) und bei bruchsackartiger Vorwölbung der Excavatio rectouterina eine Enterozele (Defekt im mittleren Beckenbodenkompartiment, Abb. 13.5) entwickeln. Die Enterozele tritt sowohl isoliert als auch kombiniert mit den anderen Senkungszuständen des Genitale auf. Eine besondere Situation ist der Scheidenblindsackprolaps, der in etwa 1 % der Fälle nach vaginaler oder abdominaler Hysterektomie entstehen kann.
Abb. 13.4 a u. b Defekte im Bereich des vorderen Kompartimentes des Beckenbodens. a Zentraler Defekt (Distensionszystozele). Oben: Schematische Darstellung der intakten lateralen Aufhängung der vorderen Scheidenwand am Arcus tendineus der endopelvinen Faszie. Unten: Klinisches Bild. Aufgehobene Rugae. b Paravaginaler Defekt (Traktionszystozele). Oben: Schematische Darstellung der fehlenden Aufhängung der vorderen Scheidenwand am Arcus tendineus der endopelvinen Faszie. Unten: klinisches Bild. Erhaltene Rugae.
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13.3 Deszensus/Prolaps
Abb. 13.5 a−c Defekte des mittleren Kompartimentes des Beckenbodens. a Deszensus der Cervix uteri. b Partialprolaps des Scheidenblindsackes. c Kombinierter Zervixdeszensus mit posteriorer Enterozele.
Basisdiagnostik Anamnese: Gynäkologische und Geburtsanamnese, 왘 Funktionsstörungen der Beckenorgane, 왘 Leidensdruck 왘
Urologische Erkrankungen der Frau
Der Senkleib mit Bauchdeckeninsuffizienz und kompensatorischer Hyperlordose ist ein äußerer Hinweis auf die gestörte abdominopelvine Balance.
13
Viele Frauen mit Genitalsenkung haben es verlernt, ihre Beckenbodenmuskeln willkürlich zu betätigen. Das Wiedererlernen der Muskelfunktion im Levatorbereich ist Teil des sog. „Pelvic-Floor-Reeducation-Programs“.
Körperliche Untersuchung: 왘 Inspektion der stehenden Patientin: Senkleib durch muskuläre Bauchdeckeninsuffizienz? Kompensatorische Hyperlordose? 왘 Inspektion des äußeren Genitales: Einen Totalprolaps bzw. eine prolabierende Zysto- oder Rektozele sieht man sofort. Beurteilt werden: Weite des Hiatus, Zustand des Damms, Beschaffenheit der Haut (Entzündung, Mazerationen durch Urin?) 왘 Spiegeluntersuchung: Beurteilung der vorderen Scheidenwand, Größe der Zystozele. Sind die Querfalten (Rugae vaginales) über der Zystozele verstrichen, liegt ein Fasziendefekt vor und man spricht von einer Distensions- oder Pulsationszystozele. Wenn die Querfalten erhalten, die lateralen Längsfurchen dagegen verstrichen sind, ist die Ursache ein paravaginaler Aufhängedefekt. Diese Form wird als Dislokations- oder Traktionszystozle bezeichnet. Sie geht häufig mit Inkontinenz einher. Dann zieht man die Spiegel langsam zurück, lässt die Patientin pressen und beurteilt die hintere Vaginalwand, d. h. das Ausmaß der Rekto- bzw. Enterozele. Gleichzeitig orientiert man sich über den Stand der Portio vaginalis im Scheidenrohr. Oftmals besteht beim Descensus uteri eine Ausziehung des Gebärmutterhalses, Elongatio colli genannt. Zur Prüfung des Blasenverschlusses lässt man die Frau mehrmals husten und beobachtet den Meatus externus urethrae auf Harnabgang. Bei prolabierender Zystozele muss das Hustenmanöver nach vorsichtiger Reposition wiederholt werden. 왘 Palpation: Beurteilt werden Weite, Östrogenisierungsgrad und Elastizität des Scheidenrohrs, weiterhin Stellung, Kippung, Beugung, Größe und Beweglichkeit des Uterus. Dann wird die Funktion des Beckenbodens überprüft. Die meist dehiszenten Levatorschenkel findet man am Übergang vom mittleren zum unteren Scheidendrittel. Während man sie zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger fasst, wird die Patientin aufgefordert, den Muskel anzuspannen. Nicht selten bedarf das mehrerer Versuche. 왘 Rektale Untersuchung: Zunächst orientiert man sich über die Kompetenz des M. sphincter ani externus (Hustenstoß bei eingeführtem Zeigefinger). Dann werden Damm und hintere Vaginalwand durch hakenfärmige Krümmung des eingeführten Fingers nach ventral gestülpt, um das Ausmaß der Rektozele und ihre Abgrenzung zur Enterozele zu markieren.
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Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen
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Bildgebende Verfahren: 왘 Urethrozystographie, 왘 Zystorektokolpographie, 왘 Beckenbodenultraschall: − Introitussonographie (Sektorscanner, 5−7,5 MHz), − Perinealsonographie (Curved-array 3,5−5 MHz), 왘 Kernspintomographie (statisch, dynamisch). Bildgebende Verfahren ergänzen die klinische Diagnostik beim Genitaldeszensus. Man unterscheidet konventionelle röntgenologische Verfahren wie Urethrozystographe oder Zystorektokolpographie Diese verlieren zunehmend an Bedeutung und werden durch die Sonographie (Perinealsonographie, Introitussonographie) ersetzt. Mit der MRT lassen sich in ausgewählten Fällen Defekte im Halteapperat und am Beckenboden sehr gut darstellen. Bei jedem langdauernden und ausgeprägten Genitaldesezensus müssen Stauungen der oberen Harnwege durch Nephrosonographie ausgeschlossen werden. Alle bildgebenden Verfahren sind in der Primärdiagnostik nicht unbedingt erforderlich, sondern können insbesondere bei komplexem Zustandsbild und in der Rezidivdiagnostik hilfreich sein (ICI 2005). Elektromyogramm: Das Elektromyogramm (EMG) registriert die Muskelaktivität des Beckenbodens, Oberflächenelektroden werden hierzu bevorzugt gegenüber Nadelelektroden eingesetzt. Auch das EMG ergänzt die Diagnostik. Auch das EMG ist in der Primärdiagnostik der Beckenbodendiagnostik nicht obligat, ist aber bei komplexen Funktionsstörungen oder aber auch bei neurologischen Funktionsstörungen überaus hilfreich.
Nach subtiler Anamnese und Erhebung der Symptome, die durch einen Deszensus oder Prolaps bedingt sind, erfolgt eine Stufendiagnostik. Die klinische Untersuchung der 3 Beckenkompartimente ist das A und O. Sie hilft auch zusätzlich, je nach Pathomorphologie, nach Beschwerden zu fragen. Besondere Bedeutung kommt dem sog. „Quetschhahnphänomen“ zu, da dies einen asymptomatischen Zustand, Okklusion der Urethra durch eine Deszensus der vorderen Vaginalwand, darstellt. Der „Repositionstest“, bei dem die vordere deszendierte Vaginalwand bei voller Blase (300 ml) reponiert wird und man die Patientin husten lässt, hilft, eine okkulte Verschlussinsuffizienz der Urethra (maskierte Belastungsinkontinenz) zu erkennen. Auch im Rahmen der Harnröhrendruckprofilmessung sollte dieser Repositionstest erfolgen, da er die eigentlichen intraurethralen Druckverhältnisse misst. Relevant wird dieser Funktionstest vor rekonstruktiven Eingriffen in Hinblick auf Aufklärung über das mögliche postoperative Auftreten einer Belastungsinkontinenz oder zur Durchführung eines Kombinationseingriffes (Inkontinenz- und Prolapsoperation). Defekte im vorderen Kompartiment sollten klinisch und urodynamisch abgeklärt werden. Auch können Defekte im mittleren Beckenbodenabschnitt durch Kompression einer Enterozele auf die Urethra eine Belastungsinkontinenz maskieren; ebenso sind ausgeprägte Rektozelen hierzu fähig. Der Repositionstest ist folglich auch hier indiziert.
Zum Ausschluss einer larvierten Harninkontinenz ist ein Repositionstest erforderlich.
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Urologische Erkrankungen der Frau
Diagnostisches Vorgehen
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13.3 Deszensus/Prolaps
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Diagnose
Symptome
1. Zystozele
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
„Druck nach unten“ Dyspareunie Scheuern Scheidenulcera Fluor vaginalis vaginale Blutungen Harndrangbeschwerden Dranginkontinenz Belastungsinkontinenz Blasenentleerungsstörungen Harnwegsinfekte Nierenkoliken
Diagnostik: Obligat: 쐌 Klinische Untersuchung (erhaltene Rugae = paravaginaler Defekt, aufgehobene Rugae = zentraler Defekt), 쐌 Repositionstest, 쐌 Infektanalytik (Urinstix, Kultur), 쐌 Restharnbestimmung, 쐌 Nephrosonographie.
Urologische Erkrankungen der Frau
Fakultativ: 쐌 Urodynamik, 쐌 Ultraschall (Perineal-, Introitussonographie), 쐌 Pad-Test, 쐌 Belastungstest.
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2. Enterozele
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
„Druck nach unten“ Dyspareunie Scheuern Scheidenulzera Fluor vaginalis vaginale Blutungen
Diagnostik: Obligat: 쐌 Klinische Untersuchung: Spiegeluntersuchung, bidigitale, rektovaginale Untersuchung. Fakultativ: 쐌 Kolporektozystographie, 쐌 Ultraschall (Perineal-, Introitussonographie), 쐌 Beckenboden-MRT.
Fortsetzung „Tabellarischer Überblick“ 컄
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Grundlagen
Diagnose
Symptome
3. Rektozele
쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌
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„Druck nach unten“ Dyspareunie Scheuern Scheidenulzera Fluor vaginalis vaginale Blutungen Obstipation Defäkationsprobleme Flatulenz
Diagnostik: Obligat: 쐌 Klinische Untersuchung: Spiegeluntersuchung, bidigitale rektovaginale Untersuchung. Fakultativ: 쐌 Kolporektozystographie, 쐌 Ultraschall (Perineal-, Introitussonographie), 쐌 Beckenboden-MRT, 쐌 Endoanalsonographie.
4. Partial-/Totalprolaps
쐌 alle o.g. Symptome möglich
13.4
Urologische Erkrankungen der Frau
Diagnostik: Zur Diagnostik des Partial-/Totalprolapses werden alle o.g. Untersuchungsmethoden angewandt.
Harntraktveränderungen in der Schwangerschaft P. H. Walz
Grundlagen Harnbereitung: Die hormonelle Umstellung während einer Schwangerschaft und die zunehmende Elongation des Uterus bedingen funktionelle und morphologische Veränderungen, die als weitgehend physiologisch angesehen werden müssen. Das in der Schwangerschaft erhöhte Herzminutenvolumen führt zu einer verbesserten Nierendurchblutung und dadurch zu einer um 30 % erhöhten glomerulären Filtration mit vermehrter Diurese. Gleichzeitig werden verschiedene Substanzen vermehrt ausgeschieden, z. B. Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff, Glucose, Aminosäuren, Proteine. Als Konsequenz ist die Serumkonzentration dieser Stoffe vermindert. Der Normalbereich für das Serumkreatinin in der Schwangerschaft liegt bei etwa 0,5−0,7 mg/100 ml, somit ist ein üblicherweise normaler Kreatininwert von 0,9− 1 mg/100 ml bereits pathologisch. Harntransport: Bei etwa der Hälfte aller Schwangeren wird in der 2. Schwangerschaftshälfte eine Dilatation des Harntraktes gefunden, meist als Zufallsbefund bei der Sonographie. Dieser ist weitestgehend physiologisch. Die Ursachen sind hormoneller (Progesteron) und mechanischer (Kompression durch Uterus) Natur. Meist ist die Dilatation nur rechts nachweisbar oder zumindest hier stärker ausgeprägt als
Der Normalwert des Serumkreatinins ist während der Schwangerschaft erniedrigt. Die Dilatation des oberen Harntrakts (meist rechts, gelegentlich beidseits) in der 2. Schwangerschaftshälfte ist ein „Normalbefund“.
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13.4 Harntraktveränderungen in der Schwangerschaft links (dort wirkt das Sigma als Druckpolster), sie variiert mit Diurese, Blasenfüllung und Körperhaltung. Wird sie symptomatisch durch dumpfe Flankenschmerzen, so ist die Lagerung auf die nicht oder weniger gestaute Seite angebracht. Aufsteigende Harnwegsinfekte werden durch die Dilatation begünstigt, daher ist bei Nachweis einer Bakteriurie auch ohne Symptome eine Antibiotikatherapie erforderlich. In weniger als 10 % ist die Harnstauung höhergradig und muss als pathologisch gewertet werden, oft ist sie dann auch beidseitig nachweisbar. Überdurchschnittlich häufig finden sich bei diesen Patientinnen vorzeitige Wehen, Fieber oder eine Gestose. Nur in seltenen Fällen ist ein invasives Eingreifen notwendig (Ureterkatheter, perkutane Nephrostomie oder JJ-Schiene). Die Dilatation ist noch Tage bis Wochen nach der Entbindung nachzuweisen. Harnsteinerkrankung: Konkremente können die Symptome einer schwangerschaftsbedingten Dilatation verursachen und sind differenzialdiagnostisch dadurch schwer zu interpretieren. Die Inzidenz liegt bei 0,1 %. Charakteristisch ist die plötzlich einsetzende Symptomatik. Eine Mikrohämaturie ohne gleichzeitige Infektion deutet ebenfalls auf das Vorliegen einer Steinerkrankung hin. Aufgrund der Dilatation des Hohlsystems ist ein Spontanabgang möglich bei wesentlich größerem Durchmesser als normal. Bei komplizierendem Infekt ist die Antibiotikagabe und ggf. die Urinableitung durch Ureterkatheter, perkutane Nephrostomie oder JJ-Schiene erforderlich.
Bei Bakteriurie, gleichgültig ob symptomatisch oder nicht, ist eine antibiogrammgerechte Therapie obligat!
Entzündungen: Aufsteigende Harnwegsinfekte werden durch die Dilatation des oberen Harntraktes begünstigt und erfordern eine Antibiotikatherapie. Ein chronischer Harnwegsinfekt begünstigt eine vorzeitige Wehentätigkeit mit erhöhter Rate an Früh- und Mangelgeburten. Umgekehrt begünstigt eine tokolytische Behandlung die Infektbereitschaft.
Urologische Erkrankungen der Frau
Cave: Die asymptomatische Bakteriurie führt unbehandelt in 25 % zur Pyelonephritis, behandelt in 쏝 2 %.
Erfolgt 6−8 h nach der Entbindung noch keine Spontanmiktion, wird die Blase über Einmalkatheter entleert.
Besonderheiten Entbindung und Wochenbett: Zur Vermeidung von Blasenverletzungen sollte unmittelbar vor der Austreibungsperiode eine vollständige Entleerung der Blase durch Einmalkatheter erfolgen. Bei wiederholter Sectio caesarea ist wegen Verwachsungen die Separation der Harnblase mitunter schwierig. Bei nichterkannter Läsion kann es zur Ausbildung einer Blasen-Zervix-Fistel kommen. Verletzungen der Nieren und ableitenden Harnwege unter der Entbindung sind heute sehr selten. Hämatom- und Ödembildung können zum postpartalen Harnverhalt führen. Ist 6−8 h nach der Niederkunft noch keine Spontanmiktion erfolgt, wird die Blase mittels Einmalkatheter entleert. Auch eine Harninkontinenz kann im Wochenbett auftreten. Ursachen sind die Gewebeauflockerung und die während der Geburt erfolgte Beckenbodenüberdehnung. Differenzialdiagnostisch muss eine Überlaufinkontinenz oder eine Restharnbildung ausgeschlossen werden.
Diagnostik
13 Die Strahlenbelastung ist bei kurzer Durchleuchtungsdauer und optimaler Einblendung wesentlich geringer als bei konventionellen Röntgenaufnahmen.
Labor: 왘 Urinstatus, 왘 Urinkultur, 왘 harnpflichtige Substanzen im Urin. Bildgebende Verfahren: 왘 Sonographie, 왘 Röntgen (nur bei dringlicher Indikation): Das höchste teratogene Risiko beim Einsatz ionisierender Strahlen liegt im ersten Trimenon (Ausbildung der Neurone). Durch die Ultraschalldiagnostik ist die Anwendung strahlenbelastender
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Diagnostik
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Verfahren während der Schwangerschaft heute auf wenige Ausnahmen beschränkt: − 1. Schwangerschaftshälfte (2.−20. Woche): Anwendung von Röntgenstrahlen nur bei vitaler Indikation (Abszedierung, Urosepsis, schwere Nierenverletzung), − 2. Schwangerschaftshälfte: Röntgenaufnahmen sind vertretbar bei komplizierter fieberhafter Harnstauung (Beurteilung der Abflussverhältnisse, Ausschluss einer Steinerkrankung). Die Strahlenexposition muss auf ein Minimum beschränkt werden (Einblendung und kurze Durchleuchtungskontrollen über Röntgenbildwandler). Sofern zur Abwendung einer Urosepsis eine externe oder interne Urinableitung erforderlich wird, ist die Anwendung der Röntgendurchleuchtung zur Minimierung der Komplikationsrate und zur richtigen Positionierung der Katheter obligat (Abb. 13.6).
Tabellarischer Überblick der Differenzialdiagnosen Ätiologie 1. idiopathisch schwangerschaftsbedingt (Abb. 13.6) 2. Ureterstein 3. vorbestehende Veränderungen (u. U. dekompensiert)
Erkrankung
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subpelvine Stenose Megaureter vesikoureteraler Reflux Hufeisenniere narbige Stenose (postoperativ) (Abb. 13.7)
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Urologische Erkrankungen der Frau
Abb. 13.6 a u. b 19-jährige Patientin, 33. SSW, Harnwegsinfekt (E. coli) mit septischen Temperaturen und Harnstauungsniere rechts. a Retrograde Darstellung während der Platzierung eines Ureterkatheters. b Nach Entfieberung 3 Tage später Einwechslung eines JJ-Katheters, der postpartal entfernt wurde. (Die grobkörnige schlechte Bildqualität kommt daher, dass keine konventionellen Röntgenaufnahmen angefertigt wurden, sondern aus Gründen des Strahlenschutzes die Durchleuchtungsbilder gespeichert wurden.).
13
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13.4 Harntraktveränderungen in der Schwangerschaft
Urologische Erkrankungen der Frau
Abb. 13.7 a u. b 18-jährige Patientin mit Ureterosigmoidostomie. a Urogramm 1 Jahr vor der Schwangerschaft, oberer Harntrakt beidseits mäßig dilatiert. b In der 37. SSW massive Ektasie beider Hohlsysteme und flaue Kontrastmittelausscheidung links.
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) (hypertensive Schwangerschaftserkrankung) Ätiologie: Sowohl eine Verschlechterung der Uterusperfusion als auch eine Verminderung der physiologischerweise in der Schwangerschaft erhöhten Prostaglandinsynthese (beide Faktoren bedingen sich gegenseitig) führen zu einer Stimulation des Renin-Angiotensin-Systems. Daraus resultieren: 왘 Vasokonstriktion mit den Folgen: − Hypertonie mit Ödembildung, − Gefäßwandschäden und Nierenfunktionsstörungen (Proteinurie mit Hypalbuminämie und Ödembildung, Verringerung der Harnsäureclearance, Serumharnsäure erhöht), − Verschlechterung der Mikrozirkulation. 왘 Überstimulation und Erschöpfung der Aldosteronproduktion mit resultierendem Salz- und Wasserverlust mit den Folgen: − Hypovolämie, − Hämokonzentration. Sowohl Vasokonstriktion als auch Hämokonzentration führen zu einer Verschlechterung der Uterusperfusion und Verminderung der Prostaglandinsynthese (siehe oben). Der Hochdruck führt am Glomerulus zur Zunahme des Gefäßwiderstandes infolge des gestörten Prostaglandinstoffwechsels (Circulus vitiosus).
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Kurzdarstellungen wichtiger Krankheitsbilder
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Diagnostik Minimaldiagnostik: 쐌 Anamnese, 쐌 klinischer Befund (Gewicht, Ödeme, Blutdruck!), 쐌 Urinstatus (Sediment, Eiweiß, Urinkultur), 쐌 Kreatinin i. S., 쐌 Harnstoff i. S., 쐌 Harnsäure i. S., 쐌 Hämatokrit.
Urologische Erkrankungen der Frau
Erweiterte Diagnostik: 쐌 Bestimmung der Serumproteine, 쐌 Bestimmung der Serumelektrolyte, 쐌 quantitative Proteinbestimmung im 24-h-Urin, 쐌 endogene Kreatininclearance, 쐌 Kontrolle des Augenhintergrundes.
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Urologische Erkrankungen der Frau
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14 Glossar Akuter Harnverhalt
Beschreibt den schmerzhaften Zustand einer übervollen Blase, die der Patient nicht entleeren kann. Die gefüllte Blase kann perkussiert oder palpiert werden.
Algurie
Schmerzen beim Miktionsvorgang.
Anorchie
Ein- oder beidseitiges Fehlen von Hodengewebe bei genetisch männlichen Individuen. Die Anorchie kann mit dem HCG-Test von dem Maldescensus testis abgegrenzt werden.
Anurie
Harnausscheidung von weniger als 100 ml/24 Stunden.
Aspermie
Fehlender Samenerguss bei erhaltenem Orgasmusgefühl. Tritt bei neurofunktionellen oder organischen Störungen, z. B. nach Beeinträchtigung der sympathischen Innervation der Genitalorgane durch radikale Tumorchirurgie im kleinen Becken, oder bei retrograder Ejakulation auf.
Asthenozoospermie
Herabgesetzte Beweglichkeit der Spermien im Spermiogramm.
Azidose
Abfall des arteriellen pH-Wertes unter 7,36.
Azoospermie
Komplettes Fehlen von Spermatozoen im Ejakulat.
Bakteriurie
Anwesenheit von Bakterien im Urin. Kann symptomatisch oder asymptomatisch verlaufen.
Belastungsinkontinenz
Unwillkürlicher Harnabgang unter körperlicher Belastung aufgrund einer urethralen Sphinkterinsuffizienz. Wichtig ist, die Belastungsinkontinenz als Anamnese von der Belastungsinkontinenz als Diagnose zu unterscheiden.
Blasenschmerz
Wird suprapubisch oder retropubisch, gewöhnlich mit steigender Blasenfüllung, gefühlt und kann postmiktionell anhalten.
Blasentamponade
Partielle oder komplette Ausfüllung der Harnblase mit koaguliertem Blut.
BOO (Bladder Outlet Obstruction)
Erhöhter Widerstand des Blasenauslasses. Er wird durch eine anatomische oder funktionelle subvesikale Obstruktion hervorgerufen.
BPE (Benign prostatic Enlargement)
Benigne Prostatavergrößerung, in der Regel durch eine BPH. Die Abkürzung BPE sollte bis zum definitiven histologischen Nachweis einer BPH verwendet werden.
BPH (benigne Prostatahyperplasie)
Ausschließlich reserviert für den typischen pathohistologischen Befund einer BPH.
Glossar
F. Schmidt
BPO (Benign prostatic Obstruction)
Von einer BPO spricht man, wenn der Grund für einen erhöhten infravesikalen Widerstand in einer vergrößerten Prostata, beispielsweise im Rahmen der BPH, liegt.
14
Diaphanoskopie
Durchleuchtung eines Körperteils mit einer Lichtquelle zur Beurteilung der Transparenz (z. B. des Skrotums bei der Diagnostik einer Hydrozele).
Dyspareunie
Schmerzen bei der Kohabitation. Im Gegensatz zum Vaginismus wird der Geschlechtsverkehr vollzogen. Semantisch genauer wäre der Begriff „Algopareunie“.
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Glossar
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Glossar
Dysurie
Als allgemeines urologisches Symptom jede für den Patienten als unangenehm empfundene Miktion.
Enuresis
Alleiniges Einnässen im Schlaf an mindestens 2 Nächten pro Monat nach dem 5. Lebensjahr, ohne Tagessymptomatik oder Harnwegsinfekt.
Epispadie
Spaltbildung des unteren Harntraktes, bei der die Urethra ektop auf der Dorsalseite des Penis mündet oder als Urethralrinne den beiden Schwellkörpern aufliegt.
Erektile Dysfunktion
Chronisches Krankheitsbild von mindestens 6-monatiger Dauer, bei dem mindestens 70 % der Versuche, einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, erfolglos sind.
Fäkalurie
Stuhlbeimengung im Urin, meist aufgrund einer vesikointestinalen Fistel.
Fieber
Erhöhung der Körpertemperatur auf über 38 °C. Bei (rektal gemessenen) Temperaturen unter 38 °C spricht man von subfebrilen Temperaturen.
Gleithoden
Ektop gelegener Hoden, der unter Spannung in das Skrotum verlagert werden kann. Da der Funiculus spermaticus zu kurz ist, nimmt er seine präskrotale Ausgangsposition aber unmittelbar wieder ein.
Gynäkomastie
Ein- oder beidseitige Vergrößerung der männlichen Brust.
Hämaturie
Blutbeimengung des Urins. Wird in Makro- und Mikrohämaturie unterteilt (siehe dort).
Hämospermie
Jede makro- oder mikroskopisch sichtbare Blutbeimengung der Samenflüssigkeit.
Hirsutismus
Eine dem männlichen Behaarungsmuster entsprechende Körper- und Sexualbehaarung der Frau.
Hodenagenesie
In der Fetalentwicklung nichtangelegter Hoden, siehe auch Anorchie.
Hodenatrophie
Schwund von Keimgewebe bei primär angelegtem Hoden. Beispielsweise in Folge von Orchitiden oder Hodentorsionen. Führt bei beidseitigem Befund zur Infertilität.
Hodenektopie
Abnorme Verlagerung eines oder beider Hoden infolge eines fehlgeleiteten Hodenabstiegs. Im Gegensatz zum Hodenhochstand infolge eines vorzeitigen Wanderungsstopps kommt es zu einer Störung der Wanderungsrichtung und der Hoden kommt außerhalb der physiologischen Wanderbahn zu liegen (z. B. epifaszial-inguinal, penil, skrotal, femoral, krural).
Hodendystopie
Synonym für Hodenhochstand, Maldescensuns testis oder Kryptorchismus. Gestörter Deszensus eines oder beider Hoden. Als Hodendystopie werden sämtliche Formen nichtintraskrotal liegender Hoden bezeichnet.
Hodenhochstand
Siehe Hodendystopie.
Hyperspermie
Zu viel Sperma (쏜 6 ml).
Hypertrichose
Griechisch „Überbehaarung“. Vermehrung der Primärbehaarung, die am ganzen Körper oder begrenzt („Hypertrichosis circumscripta“) auftreten kann. Abzugrenzen ist der Hirsutismus.
Hypogonadismus
Unterfunktion der Keimdrüsen (Gonaden).
Hypospadie
Hemmungsfehlbildung mit unvollständigem Verschluss der Urethra und des Corpus spongiosum während der fetalen Entwicklung. Der Meatus urethrae externus liegt dystop auf der ventralen Seite des Penis zwischen Glans und Perineum.
Hypospermie
Zu wenig Sperma (쏝 2 ml).
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Imperativer Harndrang
Siehe Urgency/Urge-Inkontinenz.
Impotenz
Siehe erektile Dysfunktion.
Infertilität
Unfruchtbarkeit eines Einzelnen. Ein Mann ist unfruchtbar, wenn er trotz normaler sexueller Aktivität bei einer gesunden Partnerin unfähig ist, ein Kind zu zeugen. Besteht der Zustand länger als ein Jahr, ist eine diagnostische Abklärung indiziert. Unterscheidung in primäre und sekundäre Infertilität.
Inkontinenz
Jeder ungewollte Urinverlust, der für den Patienten ein hygienisches oder soziales Problem darstellt.
Intermittierender Harnstrahl
Urinfluss, der während der Miktion ein oder mehrmals stoppt und wieder einsetzt.
Ischuria paradoxa
Siehe Überlaufinkontinenz.
Kolik
Akut auftretende, heftigste krampfartige viszerale Schmerzen, meist verursacht durch eine Obstruktion von Hohlorganen.
Kremasterreflex
Leichtes Streichen über die Medialseite des Oberschenkels beim Mann bewirkt ein ipsilaterales Heben des Hodens.
Kryptorchismus
Siehe Hodendystopie.
Leukozyturie
Nachweis von mehr als 10 000 Leukozyten/ml im nichtzentrifugierten Urin bzw. 쏜 5 Leukozyten/Gesichtsfeld im Urinsediment.
LUTS
Lower urinary Tract Symptoms.
Makrohämaturie
Mit dem bloßen Auge sichtbare Blutbeimengung im Urin.
Maldescensus testis
Siehe Hodendystopie.
Mikrohämaturie
Auch als Erythrozyturie bezeichnet. Mit dem bloßen Auge nichtsichtbare Blutbeimengung im Urin.
Nekrozoospermie
Nur tote Spermatozoen.
Nykturie
Beschreibt, wie häufig ein Patient nachts aufwacht, um Wasser zu lassen. Definitionsgemäß zählt die letzte Miktion vor dem Schlafengehen nicht zur Nykturie, hingegen wird die erste Miktion am Morgen mitgezählt.
OAT-Syndrom
Oligoasthenoteratozoospermie-Syndrom.
Oligurie
Urinausscheidung von weniger als 500 ml/ 24 h.
Oligospermie
Zu wenig Spermatozoen/ ml (쏝 20 Mio. Sp./ml).
Pendelhoden
Der Pendelhoden hat eine variable Position. Da der Funiculus spermaticus lang genug ist, ist eine spannungsfreie Verlagerung nach intraskrotal möglich und der Hoden retrahiert sich erst nach Aktivierung des M. cremaster.
Phimose
Missverhältnis zwischen der Größe der Glans und der Weite des Präputiums. Die Vorhaut kann nicht oder nur unter Schwierigkeiten hinter den Sulcus coronarius zurückgezogen werden.
Pneumaturie
Luftbeimengung im Urin, meist Zeichen einer vesikointestinalen Fistel.
Pollakisurie
Vermehrtes Wasserlassen (쏜 8-mal/d) bei verminderter Blasenfüllung und somit Auftreten des maximalen Harndrangs vor Erreichen einer adäquaten Blasenkapazität.
Polyurie
Urinausscheidung von mehr als 4000 ml/ 24 h.
Polyzoospermie
Zu viele Spermatozoen/ ml (쏜250 Mio. Sp./ml).
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Glossar
Glossar
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Glossar
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Glossar
Priapismus
Meist mit Schmerzen einhergehende, nichtunterbrechbare Dauererektion ohne fortbestehende sexuelle Stimulation, Ejakulation oder Orgasmus.
Pseudohermaphoditismus masculinus
Männlicher Karyotyp (46, XY) mit männlichen Gonaden (Testes) bei weiblicher Phänotypisierung und sekundären Geschlechtsmerkmalen.
Pseudohermaphroditismus femininus
Weiblicher Karyotyp (46, XX) mit weiblichen Gonaden (Ovar) bei männlicher Phänotypisierung und sekundären Geschlechtsmerkmalen.
Pubertas praecox
Vorzeitiges Auftreten sekundärer Geschlechtsmerkmale (Mädchen vor dem 8., Jungen vor dem 9. Lebensjahr).
Pyurie
Eiterbeimischung zum Harn bei massiver Ausscheidung von Leukozyten im Urin.
Reithosenanästhesie
Sensibilitätsstörungen im Bereich der spinalen Segmente S1−S5 bei Schädigung von Conus medullaris oder Cauda equina.
Restharn
Urinvolumen, das nach einer repräsentativen Blasenentleerung in der Blase zurückbleibt.
Sepsis
Von einer Sepsis spricht man, wenn mindestens 2 SIRS-Kriterien (siehe dort) erfüllt sind und ein infektiöser Herd als Ursache existiert. Eine Sepsis ist nicht an bestimmte Erreger gebunden und kann durch Bakterien, Pilze oder Protozoen hervorgerufen werden. Liegt der Infektionsherd im Bereich der urologischen Organe, spricht man von einer Urosepsis.
SIRS
Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom, bezeichnet eine entzündliche Abwehrreaktion des Gesamtkörpers auf immunologische bzw. chemische (z. B. Pankreatitis) Prozesse, Schock, Verbrennung, große Operationen, schwere Traumata oder allgemein schwere Erkrankungen (wie z. B. nekrotisierende Pankreatitis), wobei 2 der folgenden Kriterien erfüllt sein müssen: 쐌 Körpertemperatur 쏜38 °C oder 쏝 36 °C, 쐌 Herzfrequenz 쏜 90/min, 쐌 Tachypnoe: Atemfrequenz 쏜 20/min oder Hyperventilation mit pCO2 쏝 33 mmHg, 쐌 Leukozytose (쏜 12 000/μl) oder Leukopenie (쏝 4000/μl) oder Linksverschiebung im Differenzialblutbild.
Startverzögerung
Erschwerter Beginn der Miktion.
Sterilität
Unfruchtbarkeit eines Paares.
Stressinkontinenz
Siehe Belastungsinkontinenz.
Teratozoospermie
Mehr als 50 % abnorm geformte Spermatozoen.
terminales Tröpfeln/Nachtröpfeln
Verlängerte Schlussphase der Miktion. Der Harnstrahl verkümmert zu einem Tröpfeln.
Überlaufinkontinenz
Unwillkürlicher Harnverlust bei Blasenüberfüllung bzw. Überdehnung, wobei das Restharnvolumen die maximale Blasenkapazität übersteigt.
Urämie
Vergiftung des Körpers durch harnpflichtige Substanzen bei terminaler Niereninsuffizienz.
Urgency/Urge-Inkontinenz
Plötzlich einsetzendes Verlangen, Urin zu lassen, das schwer hinausgezögert werden kann. Eine Urgency kann mit oder ohne Inkontinenz auftreten. Bei begleitender Inkontinenz spricht man von einer Urge-Inkontinenz.
Urinom
Extravasation von Urin.
Urosepsis
Siehe Sepsis.
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Sachverzeichnis A Abdomen – akutes 6 – – gefäßbedingtes 15 f – – Rhabdomyosarkom 284 – – stummes Intervall 15 – geblähtes 6 Abdomenübersichtsaufnahme 22 – bei Hämaturie 89 f – bei Tuberkulose 180 – Verkalkungsdarstellung 173, 175 f Abdominaloperation, Voroperation 19 Abdominalschmerzen 1 ff – Diagnostik 7 – differenzialdiagnostische Fragen 5 f – Differenzierung 7 – Erregungsleitung 1 – Fehldiagnose 18 f – Häufigkeitsregel 7 – im Kindesalter 255 ff – – akute 256 ff – – chronisch-rezidivierende 256 ff – – Diagnostik 258 – – funktionelle 256 – Lokalisation 4, 7 – Perzeption 1 – somatische 2 – stummes Intervall 15 – tumorbedingte 5 – Verlauf 5 – viszerale 1 ff Abdominaltumor – Differenzialdiagnose 288 ff – Fehldiagnose 288 ff – im Kindesalter 273 ff – – Diagnostik 275 ff – – – bildgebende 276 ff, 279 f – – – immunologische 281 – – – nuklearmedizinische 279 f – palpabler 283, 286 Abszess 81 – perinealer 49, 52 – perinephritischer 82 ff, 159 – – Computertomogramm 83 f – – Untersuchungsbefunde 83 – periurethraler 49 – skrotaler 39 Abwehrspannung, abdominale 2, 21 – lokale 16 – Ursache 21 ACE-Hemmer 243 ACTH-Produktion, ektope 168 ACTH-Überproduktion 71, 168 ADH-Mangel im Kindesalter 267 ADH-Profilometrie 267 ADH-Resistenz 331 ADH-Sekretion, Suppression, alkoholbedingte 235 ADH-Spiegel, fehlender nächtlicher Anstieg 261, 267 Adipositas – Striae 63 – Ursache 64 Adrenalektomie bei Nierenzellkarzinom-Operation 162 Adrenogenitales Syndrom 69 f, 339, 345 f, 450 f – Hormonuntersuchung 345, 361 – kongenitales 450 f – postpuberales 451 AFP s. Alphafetoprotein
AGS s. Adrenogenitales Syndrom Akroosteolyse, essenzielle 337 Akut-Phase-Reaktion 77 Albuminausscheidung im Urin, Verhältnis zur Kreatininausscheidung 120 Albuminurie 106, 108 Aldosteronaktivität im Plasma 169 – Bestimmung im Nebennierenvenenblut 169 Aldosteronmetaboliten im Urin 169 Aldosteronrezeptordefekt, tubulärer 334 Algopareunie s. Dyspareunie Algurie 53 f, 207, 471 Alkalose – metabolische, Bartter-Syndrom 333 – Urin-pH-Wert 109 f Alken-Einteilung, benigne Prostatahyperplasie 199 Alkoholismus 231 f Alphafetoprotein 281, 287 – Hodentumor 118, 428 Alport-Syndrom 337 Amenorrhö – Cushing-Syndrom 71 – primäre – – adrenogenitales Syndrom 70, 451 – – Differenzialdiagnose 449 – – Hormondiagnostik 446 Aminotransferasen 117 Ammoniumchlorid-Belastungstest 111 Anaerobierinfektion, FournierGangrän 419 f Analatresie 343 Analfissur 52 Analgetika 243 Analgetikanephropathie 26 Analreflex 212 Analregion, Inspektion 402 Anämie 128 ff, 335 – Definition 128 – Erythrozytenmorphologie 129 – Regenerativität der Erythrozytopoese 129 Anästhetika 243 Anastomoseninsuffizienz 19 Andogenrezeptordefekt 69 Androgene – exogene, in der Schwangerschaft 346, 451 – testikuläre, präpubertärer Mangel 68 Androgenmangel 68, 388 Androgenresistenz 450 Androgenrezeptorbindungskapazität 446 Androgenrezeptordefekt 73, 348, 362 – Befundkonstellation 339 – partieller 362 Androgensynthesedefekt 339, 346 f, 362 Anfall, epileptischer, Einnässen 231 Angina abdominalis 16 Angiomyolipom 157 Aniridie 73 Anorchie 387 f, 471 Anosmie 391 Antibiotika 244 Antigen, prostataspezifisches s. PSA
Antimykotika 244 Antirheumatika, nichtsteroidale 243 Antituberkulotika 244 Anurie – akute 236 f – Definition 235 – Sepsis 19 Aorta abdominalis – Aneurysma 17 f – Verkalkung 172 Aortenaneurysma 243 AP s. Phosphatase, alkalische Apoplexie – bei benigner Prostatahyperplasie 232 – intestinale 15 Apparat, juxtaglomerulärer, Hyperplasie 333 Appendix 40 Appendizitis 39 – akute 45 – retrozökale, perforierende 21 Arteria – mesenterica – – inferior, Verschluss 15 – – superior, Verschluss 15 – renalis 135 – testicularis, Verschluss 43 Arthrogryposis multiplex congenita 392 Aspermie 387, 400 f, 471 – iatrogene 393 Asthenozoospermie 387, 471 Asthenurie 235 Atherom, vaginales 456 Ausfluss – urethraler 45, 249 ff – – blutiger 49 – – Diagnostik 250 f – – Differenzialdiagnose 251 f – – morgendlicher 54 – vaginaler – – chronischer 456 – – bei Deszensus 459 Ausgusszylinder, hyaline, tubuläre 111 Ausscheidungsurographie s. Pyelographie, intravenöse Azidose 471 – metabolische – – hyperchlorämische 111, 127 – – – Diagnostik 127 – renal-tubuläre 110 f, 127 – – distale 110, 331 – – im Kindesalter 331 f – – Labordiagnostik 331 – – primäre 331 f – – proximale 110 f, 331 – – sekundäre 111 – – Symptomatik 331 – – Typ I 110, 331 – – Typ II 110 f, 331 – – Typ III 111 – – Typ IV 111 – Urin-pH-Wert 109 f Azoospermie 387, 400, 471 – Diagnostik 400 Azotämie 121, 123
B Bakterienkultur 101 Bakterienzylinder 113 Bakteriurie 21, 471 – Niereninsuffizienz, akute 237 – signifikante 100
Balanitis 47, 355, 430 – chronische, bei Phimose 434 – mykotische 47 – xerotica obliterans 48, 357 f, 433 Balanoposthitis 47, 355, 430 – bei Peniskarzinom 434 Bartholin-Empyem 456 Bartholinitis 456 Bartter-Syndrom 235 – im Kindesalter 333 f Basenabweichung 128 Bauchscherzen s. Abdominalschmerzen Bauchwandmuskelschwäche 321 Beckenboden, muskulärer 458 Beckenbodenelektromyographie 463 Beckenbodenkompartiment 461 f Beckenbodenschwäche 215, 224 Beckenfraktur 44 Beckentrauma 99 f Begleithydrozele 421 Behaarungsanomalie 64 ff – adrenogenitales Syndrom 69 – feminisierende 64 f – virilisierende 64 f Belastungsinkontinenz 206 f, 214, 223 ff, 474 – bei Deszensus 458 f – Diagnostik 211, 224 – Differenzialdiagnose 215 – Provokationstest 211, 224 – Schweregrade 224 – Symptomkonstellation 207 – Urethradruckprofil 224 – Zystomanometrie 224 Bence-Jones-Protein 106 f Benign prostatic Enlargement 198 ff, 471 Benign prostatic Obstruction 198 ff, 471 Bewusstseinsstörung 19 Bicarbonatkonzentration im Blut 128 Bicarbonatresorption, renale 109 ff – gesteigerte 111 – gestörte 110 f Bilharziose s. Schistosomiasis Bladder Outlet Obstruktion 471 Blase – fetale, fehlende 366 – Füllungszustand 30 – hyperaktive 33 – – kindliche 267 f – hypersensitive 206, 214 f – hyposensitive 225 f – – Differenzialdiagnose 216 – – Zystomanometrie-Befund 226 – kleinkapazitäre, hyperbare 206 – neurogene 209 – – Diagnostik, uroneurologische 212 – – Differenzialdiagnose 216 – – nichtneurogene 234 – schlaffe 226 f – Schmerzausstrahlung 3 – zerebral enthemmte 209, 223 Blasenauslasswiderlager, mangelhaftes 224 Blasenbiopsie 59, 219 Blasendysfunktion – neurogene, beim Kind 270 f – okkult-neurogene, beim Kind 271 – postoperative 193 – psychogene 268
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Sachverzeichnis
Blasenekstrophie (s. auch Ekstrophie) 365 f Blasenentleerung s. auch Miktion – unvollständige 198 – unwillkürliche, beim Lachen 268 Blasenentleerungsstörung (s. auch Miktionsbeschwerden) 191 ff, 243 – chronische 34 – bei Deszensus 458 – Diagnostik 193 ff – – Flussdiagramm 195 – Differenzialdiagnose 196 f – Leitsymptome 191 – beim Mann 32 f – neurologisch bedingte 223 – Nierenversagen, akutes 242 – Prostatahyperplasie, benigne 198 f – psychogene 234 Blasenfüllungsgefühl – fehlendes 206 f – Verlust beim Kind 270 Blasenhalsobstruktion 203 Blasenhalssklerose 203, 243 – bei der Frau 193 Blasenhalsstriktur 234 Blaseninnervation, autonome, periphere, Läsion 209 f Blasenirritation im Kindesalter, Differenzialdiagnose 266 Blasenkapazität – funktionelle 58 – – eingeschränkte 225 – maximale, beim Kind 265 – mittlere 262 Blasenkarzinom 89, 97, 243 – Diagnostik 97 – Hämaturie 93 – Karzinogen 97 Blasenregion, Schmerz 11 ff Blasenruptur 34, 94 f – Diagnostik 95 – extraperitoneale 94 f – intraperitoneale 94 f – spontane 30, 34 – Symptomatik 95 Blasen-Scheiden-Fistel 212 f, 228, 230 f Blasenschleimhautblutungen, petechiale 219 f Blasenschmerzen 32 f, 471 – interstitielle Zystitis 33 – mit Mikrohämaturie 33 Blasensensibilitätsverlust 223 Blasensfüllungsgefühl, fehlendes 225 Blasenstein 243 Blasentamponade 33, 243, 471 – postoperative 33 Blasentenesmen 53 – infektbedingte 30 Blasentuberkulose 179 Blasenverkalkung 176 Blasenverletzung 34, 94 f Blasenwandbiopsat, Mastzellengehalt 219 Blasenwandhypertrophie 145 Blasenwandverkalkung 181 Blue Dot Sign 37, 40, 425 f Blut, kavernöses, Analyse 408 f Blutabgang, analer 52 Blutabsonderungen, schlierenartige, vesikale 59 Blutbild, kleines 130 Blutgasanalyse bei Harnableitung 128 Blutkoagula – Harnwegsobstruktion 26 – intravesikale 33 Blutlabor 22
Blutung, urethrale 50 Blutungsanämie, akute 129 Bosniak-Einteilung, renale zystische Raumforderung 159 Bourneville-Pringle-Krankheit 157 Bowen, Morbus 434 BPE (Benign prostatic Enlargement) 198 ff, 471 BPH s. Prostatahyperplasie, benigne BOO (Bladder Outlet Obstruction) 471 BPO (Benign prostatic Obstruction) 198 ff, 471 Bronchitis, chronische, Beckenbodenbelastung 460 Bulbokavernosusreflex 212 – verlängerte Latenz 197 Buried-Penis 357, 430 Buschke-Löwenstein-Tumor 432 – Differenzialdiagnose 435
C Calciumabsorptionstest 123 f Calciumausscheidung im Urin, Harnsteindiathese 124 Calcium-Kreatinin-Quotient im Urin 124 Calciumoxalatstein 92 Calciumphosphatstein 92 Carbacholtest 197 Carboanhydrase-II-Mangel 111 Carcinoma in situ 55 – Harnblase 33 – Penis 434 Castillo-Syndrom 388, 400 CC-ENG (Corpora-cavernosaElektromyographie) 381, 385 Cervix-uteri-Deszensus 462 Chemikalienexposition, akutes Nierenversagen 241 Chlamydia trachomatis 251 Chloridkanaldefekt, tubulärer 333 Chlorkonzentration im Serum, erhöhte 331 Cholestase, Labordiagnostik 117 Chorda, Penisdeviation 437 f Choriongonadotropin, humanes s. hCG Choriongonadotropin-Stimulationstest 352 f Christbaumblase 233 f Chromosomenanalyse bei Geschlechtsdifferenzierungsstörung 446 Chromosomenanomalie – autosomale 390 – Eunuchismus 69 – Gedeihstörung 329 – Genitale, intersexuelles 343 f – Gynäkomastie 61 – Infertilität 390, 398 – Wachstumsstörung 329 – Wilms-Tumor-Risiko 275 Chronic pelvic Pain Syndrome 35, 42 f, 52, 217 – Diagnostik 43 – entzündliches 42 Citratausscheidung im Urin, Harnsteindiathese 124 Claudicatio intestinalis 16 Clearance, renale 119, 122 f – Bestimmung 136 Clitoris bifida 363 Cockroft-Gault-Formel 122 Colles-Faszie, Hämatomausbreitung 52 Collins-Zeichen 30
Computertomographie 22 – bei Hämaturie 90 – stumme Niere s. Niere, radiologisch stumme – Verkalkungsdarstellung 173 Condylomata – acuminata – – Differenzialdiagnose 435 – – Sulcus coronarius 432 – – urethrale 372 – – vaginale 456 – gigantea 432 – – Differenzialdiagnose 435 – lata 432 – syphilitica 432 Conn-Syndrom 72, 140, 166 – diagnostisches Vorgehen 169 Corpora – amylacea, transrektale Sonographie 404 – cavernosa – – Elektromyographie 381, 385 – – Ruptur s. Penisfraktur – – Verhärtung 438 Corpus – alienum s. Fremdkörper – spongiosum – – Ruptur 52 – – Priapismus, isolierter 405 Cortisol, freies, im Urin 168 Cortisolsynthese, Enzymdefekt 69 Cortisol-Tagesprofil 168 CPPS s. Chronic pelvic Pain Syndrom Crush-Niere 241 Curshman-Batten-Steinert-Syndrom 391 Cushing-Syndrom 71 f, 139 f, 166 – Bestätigungsdiagnostik 140 – Diagnostik 72, 139 f – diagnostisches Vorgehen 168 – Lokalisationsdiagnostik 140 – Striae 63 – Symptome 71, 139 – Ursache 168 Cyanid-Nitroprussid-Schnelltest 127
D Darmatonie 15 Darmgeräusche 6 Darmischämie s. Ischämie, intestinale Darmkrämpfe 15 Dauererektion s. Priapismus Dauerkatheter, Epididymitis 422 DDAVP (synthetisches Vasopressin) 331 Defäkation – Anamnese 30 – schmerzhafte 50 Defäkationsbeschwerden 52 – Rektozele 459 Défense musculaire s. Abwehrspannung Deferentitis 422 Dehnungsulkus 459 Dehydratation, Bartter-Syndrom 333 Denervierung-Hypersensibilitätstest 232 Denis-Drash-Syndrom 274 f Dermatom 2 ff, 20 Descensus uteri (s. auch Deszensus) 461 f Desmin 284 20,22-Desmolase-Mangel 347 Deszensus, genitaler 224 f, 458 ff – begünstigende Faktoren 459 f
– Diagnostik 462 f – bildgebende 463 – Differenzialdiagnose 464 f – konstitutionelle Faktoren 460 – Palpation 462 – rektale Untersuchung 462 – Repositionstest 463 – Schweregrade 224 f – Spiegeluntersuchung 462 – Symptome 459 De-Tonie-Debré-Fanconi-Syndrom 329 f Detrusor – akontraktiler 192 – areflexiver 226 f – – postoperativer 227 – – Ursache 227 – dezentralisierter 192 – hyperbarer 208, 214 – hyperreflexiver 208 f, 214 – hyporeflexiver, Rückenmarkläsion 209 – instabiler 208 Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination – im Kindesalter 269 – Zystomanometrie 204 Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie 203, 233 f Detrusor-Compliance – beim Kind 265 – verminderte 192, 206 Detrusordekompensation 192 Detrusordruckanstieg bei Denervierung-Hypersensibilitätstest 232 Detrusorhyperaktivität 192, 206, 208, 215, 223 – mit infravesikaler Obstruktion 232 – Inkontinenz nach TURP 192 – beim Kind 265 – nichtneurogene, beim Kind 267 f – Rückenmarkläsion 209 – bei Überlaufinkontinenz 225 Detrusorhypertrophie 192, 203 Detrusorhypoaktivität 192, 232 – Diagnose 195 – Differenzialdiagnose 197, 216 – Harnflusskurve 194 – medikamentös bedingte 197 – myogene 192, 197 – neurogene 192, 197 – postoperative, bei der Frau 193 – postpartale 193 – Rückenmarkläsion 210 – Urodynamik 197 Detrusorhypokontraktilität beim Kind 265 Detrusorkontraktion, ungehemmte 223 Detrusor-Leak-Point-Pressure 265 Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination 192, 203 f – beim Kind 265 – im Kindesalter 269 Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie 192, 203 f, 223 – Diagnose 195 – Harnflusskurve 194 – im Kindesalter 269 f – Rückenmarkläsion 209 – Zystomanometrie 205 Dexamethason-Kurztest 139 Dexamethason-Langtest 140 Dexamethasontest, hochdosierter 168 Diabetes – insipidus 235 – – renalis im Kindesalter 330 f – mellitus 235 – – Balanitis 47 – – erektile Dysfunktion 378
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Sachverzeichnis Dialyse, chronische 338 Diaphanoskopie 421, 471 Diaphragma urogenitale 458 Dickdarmverschluss 6 Differenzierungsstörung s. auch Geschlechtsdifferenzierungsstörung – intersexuelle, Verdacht 340 – kloakale 340 – somatosexuelle 338 Digital rectal Examination s. Untersuchung, digitale rektale Diskusprolaps L4/L5 226 Dislokationszystozele 461 f Distensionszystozele 461 f Diuretika 244 Diurese, osmotische 235 – neonatale 144 Diuresevolumen, nächtliches 262 Divertikel, vesikourachales 294 Divertikelblase 233 ff Divertikulitis 16 Divertikulose 16 Doppelballonkatheter 184 – Urethrographie 55, 184 – – Urethraldivertikeldarstellung 221 Doppelniere 228 f, 272, 300, 307 ff – Diagnostik 308 – funktionsloser Anteil 308 – Ureterfehlbildung 307 ff Doppler-Sonographie 23 – farbcodierte – – Hoden 38 f – – bei Nierentransplantatversagen 247 – – Wilms-Tumor 277 – bei pathologisch veränderter Urinproduktion 239 Dranginkontinenz 199, 206, 214, 222, 474 – kindliche 267 f – – Differenzialdiagnose 266 – motorische 206 f, 222 – neurogene 207 – psychosomatisch bedingte 222 – sensorische 222 – – Diagnostik 211 – – Symptomkonstellation 207 – Stufendiagnostik 211, 222 DRE (Digital rectal Examination) s. Untersuchung, digitale rektale Drogenabusus 231 f – erektile Dysfunktion 377 – Priapismus 406, 412 Dropping Flower Sign 298 Druck, intravesikaler, beim Kind 265 Drucksteigerung, intravesikale 225 Ductus-Bellini-Karzinom 160 Duplexsonographie – Arteria renalis 135 – farbcodierte – – bei Priapismus 408 f – – bei SKAT-Test 381 – – Varikozele 443 Dupuytren-Kontraktur 440 Durchfallerkrankung, chronische, Urat-Nephrolithiasis 126 Durchwanderungsperitonitis 15 Dysfunktion – endotheliale 375 – erektile 374 ff, 472 – – Altersabhängigkeit 375 – – Definition 374 – – Diagnostik – – – invasive 382 – – – neurophysiologische 381 f – – – nichtinvasive 379 ff
– – – – – – – – – – – –
– – – – – – – – – – – –
– semiinvasive 381 f – Stufenschema 382 drogenbedingte 377 endokrin bedingte 377 medikamentös bedingte 377 neurogene 377, 384 f Pathophysiologie 375 Prävalenz 375 primäre 376 psychogene 377, 385 Risikofaktoren 379 Schwellkörperveränderung 377 – – sekundäre 376 – – Symptome 374 – – Ursache 376 f – – vaskulär bedingte 377, 383 f Dysgerminom 345 Dyslipoproteinämie 121 Dyspareunie 451 ff, 471 – Anamnese 452 – Ätiologie 451 – diagnostisches Vorgehen 454 – Differenzialdiagnose 453 ff – iatrogene 451, 457 – Inspektion 452 f – Palpation 453 – psychogene 455, 457 – Symptomatik 451 f – tiefe 452 f, 457 Dyssynergie, autonome 233 Dysurie 30, 53, 206 f, 472 – Prostatitis, bakterielle, akute 84 – Zystitis 32 f – – bakterielle 217
E Echinokokkuszyste 176, 178 Einnässen s. auch Enuresis – bei Harnwegsinfekt 269 Eiterherd 18 Eiweißverlust 105 Ejakulat – Analyse 395 ff – Kultur 370 – leukozytenhaltiges 42 f Ejakulation, retrograde 400 Ekstrophie 363, 365 ff – kloakale 366 f – beim männlichen Geschlecht 365 – beim weiblichen Geschlecht 365 Elongatio colli uteri 462 Endokrine Erkrankung, Wachstumsstörung 328 Endometriose – Dyspareunie 455, 457 – Hämaturie 96 – Lokalisation 455 – Schmerzen 30 – ureterale 153 f Endometriumkarzinom 344 Endoplastitis 18 Endotoxin 18 Endotoxinschock 18 Endoxanzystitis 60 Enkopresis 234, 268 Entbindung 466 Enterozele 461 f, 464 Entlastungspolyurie 235 Entwicklungsverzögerung, konstitutionelle 326 Enuresis (s. auch Einnässen) 260 ff, 472 – adulte 262 – Definition 260 – Diagnostik 262 ff – – unter Narkose 264
– Differenzialdiagnose 266 – Miktionszystourethrogramm 264 – neurologischer Status 263 – nocturna 207 – Pathophysiologie 261 – primäre 262 – psychischer Einfluss 261 – psychogene 268 – sekundäre 262, 268 – Sonographie 264 – Urodynamik 264 – Uroflowmetrie 264 Epididymitis 37, 39 ff, 422 f – abszedierende 422 – akute 85 – – Befund 85 – Diagnostik 41, 423 – Differenzialdiagnose 418, 423 f – Infertilität 393 – Sonographie 41, 423 – Symptome 423 – tuberkulöse 422 – bei Urethrastriktur 202 Epididymoorchitis 423, 426 f – rezidivierende, beim Knaben 228 Epilepsie 231 Epiphysenfugenschluss, vorzeitiger 70 Epispadie 363 f, 472 – komplette 365 – penopubische 364 – weibliche 363 f Epitheleinschlusszyste, vaginale 456 Epithelzylinder 112 f Erbrechen 6 – Sepsis 19 Erektion 375 f – Induktion 375 – pharmakologisch induzierte 414 – prolongierte 405, 409, 414 – spontane 376, 378 Erektionsgrad 378 Erektionsmuster 376 Erektionsstörung s. Dysfunktion, erektile Erststrahlurin 54 Erythroplasie Queyrat 48, 434 Erythropoetin 130 Erythropoetinmangel 335 Erythrozytenmasse 128 f Erythrozytenmorphologie, Anämie 129 f Erythrozytopoese, Regenerativität, Anämie 129 Erythrozyturie 87 – familiäre, benigne 96 Eunuch 68 – fertiler 69 Eunuchismus – postpubertärer 68 – präpubertärer 68 f Eupareunie 451 Exsikkose – De-Tonie-Debré-FanconiSyndrom 330 – Diabetes insipidus renalis 331 – Pseudohypoaldosteronismus 334
F Facies – abdominalis 6 – hippocratica 6 Fäkalurie 102 f, 472 Fanconi-Syndrom 392 Fascia recti 458
477
Fasziitis, nekrotisierende 42 Fehlbildung, kongenitale, Dyspareunie 456 Feigwarzen s. Condylomata acuminata Feminisierung – Bahaarungsanomalie 64 f – testikuläre 61, 73, 348, 362, 450 – Testosteronsynthesestörung 72 Ferritinbestimmung 130 Fertilitätsstörung s. auch Infertilität – Varikozele 442 Fertilitätstest 397 – immunologischer 397 Fettzylinder 113 Fibrosarkom, retroperitoneales 164 Fibrose, retroperitoneale 144, 153, 243 Fieber 77 ff, 472 – Diagnostik 78 f – Differenzialdiagnose 79 f – intermittierendes 19, 78 – periodisches 78 – remittierendes 78 – unklarer Genese 78 Fieberdelir 77 Fieberkrampf 77 Filtermembran, glomeruläre 105 Filtrationsrate, glomeruläre 119 ff – Berechnung 122 – Kreatininkonzentration im Serum 120 f – Niereninsuffizienz, chronische 121 – Normwerte 236 – reduzierte 120, 238 FISH-Technik (Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung) 361 Fistel, enterovesikale 102 f Flankenschmerz 2, 20 ff, 44, 97, 236 – akuter 292 – beidseitiger 25 – Computertomographie 22 – Diagnostik 21 f – – Vorgehen 23 – Differenzialdiagnose 24 f – dumpfer, chronischer 27 – einseitiger, chronischer 25 – linksseitiger, akuter 24 f – Nierentumor 154 – rechtsseitiger, akuter 24 – scharfer, plötzlicher 28 – somatischer 20 – Verlauf 21 – viszeraler 20 – zyklusabhängiger 153 Fluor s. Ausfluss Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung 361 Flush 73 Flüssigkeitsansammlung, intestinale 6 Fornixruptur 26 f Fournier-Gangrän 42, 419 ff Fremdkörper 182 – Inkorporation 55 – intravesikaler 243 – Leukozyturie 100 – urethraler 49, 243 Frenulum breve 357 Frequency-Urgency-Syndrom 206 Furosemidauswaschtest 127, 314 – Neugeborenes 299 Furunkel, skrotaler 42 Fußrückenlymphödem, neonatales 447
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Sachverzeichnis
G Gallenkolik 5, 21 Gallenwegverkalkung 171 Ganglion pelvicum, Läsion 209 Ganglioneuroblastom 167 Ganglionitis, hämorrhagisch-nekrotisierende 226 Gartner-Gang-Zyste 456 Gasser-Syndrom s. Hämolytischurämisches Syndrom Gastritis, akute 5 Gastrointestinale Erkrankung, Wachstumsstörung 328 Geburt, vaginale, Deszensusbegünstigung 460 Gedeihstörung 323 ff – chronische extrarenale Erkrankung 328 f – exogene 327 – Ursache 323 f – Zystinose 337 Gefäß, aberrierendes, Ureterkompression 313 Gefäßverkalkung 170 Genetisches Syndrom mit genitaler Beteiligung 391, 398 Genitale – abnormes – – diagnostisches Vorgehen 448 – – bei normalen Ovarien 450 f – – bei normalen Testes 450 – intersexuelles 338 ff – – Chromosomenanalyse 446 – – Diagnostik 341 f, 446 ff – – Differenzialdiagnose 343 – – endokrinologische Parameter 446 – – Labordiagnostik 446 – – Stadieneinteilung 446 – männliches, feminisiertes 339 – weibliches – – bei fehlender Scheide 343 – – virilisiertes 339 Genitalentwicklungsstörung 340, 445 ff Genitalspaltenverschluss, fehlender 392, 398 Genitalstatus 341 Genitogramm 342, 361 Germinalzellaplasie 388, 400 Gesamt-AP 117 Gesamtproteinausscheidung im Urin 107 Gesamt-PSA 115 f Geschlechtsdifferenzierungsstörung (s. auch Differenzierungsstörung) – beim Kind 340 – bei der Frau 445 ff Geschlechtsmerkmale, sekundäre, fehlende 68 f Geschlechtszuweisung 341, 348 Gesichtsödem 67 Gewichtskurve 325 GFR s. Filtrationsrate, glomeruläre Gicht 126 Giggle-Inkontinenz 231, 268 Giraldis-Hydatide 40 Gitelman-Syndrom 333 Glans-penis-Gangrän 431 Glans-penis-Priapismus, isolierter 405 4-Gläser-Probe 54, 251, 370 Gleithoden 259, 472 Globozoospermie 387 Glomerulationen, vesikale 59, 219 f Glomerulushyperplasie 157 Glucocorticoidspiegel, erhöhter 64 Glucocorticoidüberproduktion 71
Glukosurie 235 – De-Tonie-Debré-Fanconi-Syndrom 330 Gonadale Störung, intersexuelles Genitale 344 f Gonade – abnorme 447, 449 – männliche, bei weiblichem Phänotyp 450 Gonadektomie bei testikulärer Feminisierung 450 Gonadendysgenesie 69, 445 – gemischte 339, 344 f, 362 – reine 339, 344 f – Testosteronsynthesestörung 72 Gonadoblastom 344 f Gonadotropinmangel 339, 346, 362 Gonadotropinspiegelbestimmung bei Infertilität 395 f Gonorrhö 252 f Guerin-Syndrom 392 Guillain-Barré-Syndrom 226 Gynäkomastie 61 f, 472 – falsche 61 f – Klinefelter-Syndrom 61, 69 – Leydig-Zell-Tumor 427
H Haemophilus ducreyi 433 Haemospermia s. auch Hämospermie – spuria 370 – vera 370 Hairless-Women-Syndrom s. Feminisierung, testikuläre Halteapparat, parametraner 458 Hämatokolpos 259, 450 Hämatologische Erkrankung – Hämaturie 94 – Priapismus 409, 412 f Hämatom – peritestikuläres 428 – retroperitoneales 243 Hämatometra 450 Hämatosalpinx 450 Hämatozele 39, 44, 428 Hämaturie 87 ff, 472 – diagnostisches Vorgehen 89 f – Differenzialdiagnose 91 – Endoskopie 89 f – hämatologische Erkrankung 94 – Harnuntersuchung 90 – Infektzeichen 87, 91 – Labordiagnostik 90 – Markschwammniere 305 – medikamentös bedingte 96 – Nierenbeckenkarzinom 163 – Niereninsuffizienz, akute 237 – Nierentumor 154 – perinatale 144 – Polytrauma 99 – postrenale 108 – Prostatakarzinom 201 – schmerzhafte 87 f, 92 – schmerzlose 93 f, 97 – Trauma 88 f, 94 f – Ureterkarzinom 163 – Urolithiasis 87 f – Urozystitis 54 – vaskulär bedingte 95 f Hämoglobinkonzentration 129 Hämoglobinurie 106 Hämoglobinzylinder 113 Hämokonzentration, Hypertonie, schwangerschaftsinduzierte 468 Hämolyse 241 Hämolytisch-urämisches Syndrom 241
Hämophilie 96 Hämorrhoidalthrombose 49 Hämospermie (s. auch Haemospermia) 54, 369 f, 387, 472 – Diagnostik 370 f – Differenzialdiagnose 372 – Prostatakarzinom 201, 372 f – posttraumatische 374 – Ursache 369 f Handrückenlymphödem, neonatales 447 Hanhard-Syndrom 392 Harn s. Urin Harnableitung – Basenabweichung 128 – suprapubische, postoperative 193 – supravesikale 292 Harnbereitung, schwangerschaftsbedingte Veränderung 465 Harnblase s. Blase Harndrang – bei Belastungsinkontinenz 224 – erster beim Kind 265 – imperativer 2, 199, 205 ff, 222, 473 – – Zystitis, bakterielle 217 Harnentleerungsstörung s. Blasenentleerungsstörung Harnfluss, maximaler 194, 196 – beim Kind 265 Harnflusskurve 194 Harnflussmessung 59 Harninkontinenz 205 ff, 473 – Alkoholismus 231 – Deszensus 224, 458 – Differenzialdiagnose 214 – Drogenabusus 231 f – Epispadie 363 – extraurethrale 206 f, 214, 227 f – – Ätiologie 227 f – – Diagnostik 211 f – – Differenzialdiagnose 217 – – Symptomkonstellation 207 – kindliche 260 ff, 267 – kombinierte 211 – larvierte, Quetschhahnphänomen 458, 463 – neurogene 206 – permanente, beim Mädchen 228 – postpartale 466 – psychogene 234 – Therapie, symptomatische 207 – unbemerkte 223 – Vorlagentest 207 Harnleiter s. Ureter Harnpflichtige Substanzen 132 – Ausscheidung 238 – – eingeschränkte 235 – Retention – – dekompensierte 238 – – kompensierte 238 Harnretention, stille, mit Überlaufinkontinenz 225 Harnröhre s. Urethra Harnsäureausscheidung im Urin 124 ff Harnsäurekristalle 103 f Harnsäurestein 92 Harnspeicherstörung 205 ff – blasenbedingte 208 – Diagnostik 210 ff – Differenzialdiagnose 214 – urethrale Sphinkterinsuffizienz 208 Harnstauung – akute 26 – – Palpationsbefund 21 – beidseitige 151 – chronische 27
– einseitige 150 f – schwangerschaftsbedingte 466 Harnstauungsniere 142, 144 ff – beidseitige, fetale 189 – Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie 233 – Differenzialdiagnose 150 f – Emmet-Klassifikation 146 f – extrinsische Störung 145 – Infusionspyelogramm 147 f – intrinsische Störung 145 – Leitsymptome 144 f – Schweregrade 146 f – Sonographie 146 – Ursache 145 Harnsteindiathese, Ausscheidungen im 24-h-Sammelurin 124 Harnstoffclearance 119 Harnstoffkonzentration im Serum 122 f, 236 – Niereninsuffizienz, chronische 238 – Referenzbereich 122 Harnstoff-Kreatinin-Quotient im Serum 122 f Harnstrahl – aufgeteilter 202 – intermittierender 473 – rotierender 202 – nach unten gerichteter, beim Knaben 358 – unterbrochener 191 Harnstrahlabschwächung 191 – beim Jugendlichen 233 – beim Mann 54, 198 – plateauförmige 202 – postoperative 193 Harnstrahlmessung 194 ff Harntrakt s. auch Harnweg – Dilatation, schwangerschaftsbedingte 465 – oberer – – Dilatation – – – Differenzialdiagnose 300 ff – – – im Kindesalter 295 ff – – Stauung 233 – Spaltbildung 358, 363, 365 – Tumorinfiltration aus Nachbarorganen 93 – unterer – – Entzündung 54 – – Funktionsstörung 191 ff – – Obstruktion 54 f – – – bei der Frau 55 – – – beim Mann 54 f Harntraktveränderung, schwangerschaftsbedingte 465 ff Harntransport, schwangerschaftsbedingte Veränderung 465 Harntransportstörung 144 ff, 291 – Diagnostik 290 – Differenzialdiagnose 289 – Schweregrade 146 Harnverhalt 30, 191, 198 – akuter 237, 471 – – bei benigner Prostatahyperplasie 199 – – beim Mann 29 – postoperativer 193 – postpartaler 466 – schmerzhafter 225 Harnverlust – dranghafter s. Dranginkontinenz – unwillkürlicher s. Harninkontinenz – aus dem Ureter 212 Harnweg s. auch Harntrakt Harnwegsentzündung, abakterielle 100
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Sachverzeichnis Harnwegsinfektion 101 – aszendierende 51, 145 – – bei Schwangerschaft 466 – Bakteriurie 100 – Einnässen 269 – bei Epididymitis 423 – bei Prolaps 459 – Reinfekt 33 – rezidivierende 33, 90, 179 – – beim Knaben 228 Harnwegsobstruktion 144 – akutes Nierenversagen 237 – infravesikale 54, 191 f, 301 – – anatomische 191, 196 – – mit Detrusorhyperaktivität 232 – – Differenzialdiagnose 216 – – bei der Frau 193 – – funktionelle 192, 196 – – – im Kindesalter 269 – – beim Kind 193, 269 f – – – Differenzialdiagnose 266 – – beim Mann 193 – – Quetschhahnphänomen 193 – Nierenversagen, akutes 199, 242 – Phimose 355 – postrenale, Ursache 243 – steinbedingte 26 – stumme Niere 142 – tumorbedingte 55 Harnwegsverkalkung 171 H+-Ausscheidung, renale, erhöhte 126 Hautkolorit – bräunlich-graues 73 – gelblich-graues 73 β-hCG (β-Untereinheit des humanen Choriongonadotropins) 281 – Hodentumor 118 f, 428 hCG-Test (ChoriongonadotropinStimulationstest) 352 f Head-Zone 2 ff Hemihypertrophie 73 Hermaphroditismus – Hormondiagnostik 446 – verus 339 f, 344, 362 Hernia uteri inguinalis 339, 348, 353 f, 362 Hernie 16 f – Inkarzeration 17 – innere 19 – parastomale 19 Herpes zoster 226 Herzinsuffizienz 235 High-Flow-Priapismus 405 ff – Differenzierung vom LowFlow-Priapismus 411 – idiopathischer 411 – Symptome 407 Hinman-Syndrom 234 Hippel-Lindau-Syndrom 160 f – Nierenzellkarzinom 160 f Hirnsklerose, tuberöse 157 Hirsutismus 64, 472 Hochdruckreflux 187 Hochwuchs – adrenogenitales Syndrom 70 – eunuchoider 68, 398 – jugendlicher 70 – Klinefelter-Syndrom 69 Hoden – Doppler-Sonographie, farbcodierte 38 f – fehlende 387 f, 471 – kleine 387 – nicht palpabler 340, 343 Hodenabszess 41 Hodenagenesie 353, 472 Hodenanlage 351 Hodenaplasie 353
Hodenatrophie 472 Hodendegeneration, zystische 388 Hodendeszensus 351 Hodendystopie (s. auch Kryptorchismus) 351 ff, 389, 399, 472 – Diagnostik 352 f Hodenektopie 351 f, 389, 472 Hodenfreilegung, diagnostische 38, 85 Hodenhochstand 30, 472 – sekundärer 351 Hodenhypoplasie, kongenitale 451 Hodeninfarkt 43 Hodenparenchymentzündung s. Orchitis Hodenretention 351 f, 389 Hodenruptur 44 Hodenschädigung, fetale 69, 72 Hodenschmerz, Ureterstein 44 Hodentorsion 37, 40, 85, 418, 423 ff – Differenzialdiagnose 423 f – extravaginale 40, 423, 425 – Infertilität 389 – intravaginale 40, 423, 425 – mesorchiale 40, 423 – Palpationsbefund 424 – Symptomatik 423 Hodentrauma 418, 428 – Diagnostik 428 – Infertilität 389 – Symptomatik 428 Hodentumor 39, 43 f, 418, 427 f – Alphafetoprotein-positiver 118 – Diagnostik 428 – Feminisierung 64 – Gynäkomastie 62 – Marker 118 f – nichtseminomatöser 118 – Tumormarker 428 Hodgkin-Lymphom 287 Honeymoon-Zystitis 32, 54 Hormondiagnostik bei Geschlechtsdifferenzierungsstörung 446 HOS-Test (hypoosmotischer Schwelltest) 397 H+-Sekretion, renale 109 – gestörte 110 f Hufeisenniere 259 – Hämaturie 96 Hunner-Ulkus 59, 219 f HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom) 241 Hutchinson-Gilford-Syndrom 392 Hydatidentorsion 40 f, 37, 418, 425 f Hydrometrokolpos 293 f – Diagnostik 291, 294 – Differenzialdiagnose 289 Hydronephrose 291 – Diagnostik 290 – Differenzialdiagnose 289 – im Kindesalter 259 21-Hydroxylase-Mangel 345 17α-Hydroxylase-Mangel 347 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Defekt 347 17-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Mangel 347 Hydrozele 39, 418, 421 – entzündlich-symptomatische 423 – funiculi spermatici 421 – idiopathische 421 – sekundäre 421 – testis 421 Hymen imperforatus 456 Hypalbuminämie 105
Hyperaldosteronismus – Bartter-Syndrom 333 – Laborbefund 72 – primärer 72, 140, 169 – sekundärer 169 Hyperalgesie 50 Hyperaminazidurie 330 Hyperbilirubinurie 171 Hyperkaliämie 111 Hyperkalzämiesyndrom 235 Hyperkalzurie 110, 123 f – absorptive 123 f – mit Hypernatriurie 124 – renale 124 – resorptive 124 Hyperkoagulabilität 28 Hyperkortisolismus (s. auch Cushing-Syndrom) 63 f – Symptome 71 Hypernatriurie mit Hyperkalzurie 124 Hypernephrom 160 Hyperoxalurie 125 Hyperparathyreoidismus, sekundärer 110, 121 Hyperperistaltik 6 Hyperreninämie 333 Hyperspermie 387, 472 Hypertonie – Conn-Syndrom 140 – Cushing-Syndrom 71, 139 f – Differenzialdiagnose 137 f – endokrine 137 – Hyperaldosteronismus 72 – kardiovaskuläre 137 – medikamenteninduzierte 137 – Nierentumor, juxtaglomerulärer, reninproduzierender 154, 158 – Phäochromozytom 139, 288 – postnatale 144 – renale 131 ff – renoparenchymatöse 131 ff – renovaskuläre 133 ff – schwangerschaftsinduzierte 468 f Hypertrichosis 64, 472 – circumscripta 64 – sacralis 64 Hyperurikämie 245 Hyperurikosurie 125 f Hyperzitraturie 110 Hypogenitalismus mit fehlendem Genitalspaltenverschluss 392, 398 Hypogonadismus 472 – Cushing-Syndrom 71 – hypogonadotroper, idiopathischer 69, 391 Hypokaliämie 110 – Bartter-Syndrom 333 – Nierentumor, juxtaglomerulärer, reninproduzierender 158 – Ursache 334 Hypokalzämie 110 Hyponatriämie 334 Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, präpubertäre 69 Hypospadia sine hypospadia 360, 437 f Hypospadie 338 ff, 357 ff, 472 – Chromosomenanalyse 361 – ohne Defektnachweis 349 – Diagnostik 360 f – Differenzialdiagnose 343 – distale 350, 360 – Hormonuntersuchung 361 – Meatusposition 349 f, 360 – mittlere 349, 360 – Penisschaftverkrümmung 350, 358, 437 f
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– perineoskrotale, pseudovaginale 73 – bei Phimose 357 – proximale 349, 360 – – Fehldeutung 340 – Pseudohermaphroditismus, männlicher 346 f – skrotale 361 – – bei beidseits retinierten Hoden 350 – skrotal-perineale 343 – weibliche 360 Hypospermie 387, 472 Hyposthenurie 237 Hypozitraturie 110
I IC s. Zystitis, interstitielle ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion) 397 123I-Hippuran, Nierenfunktionsszintigraphie, Neugeborenes 299 Ileus – mechanischer 6 – paralytischer 6, 15 131I-Metajodbenzyl-GuanidinSzintigraphie s. MIBG-Scan Immunglobulin-Ausscheidung im Urin 106 Immunsuppressiva 244 Impotenz 374 ff, 473 – Definition 374 – Pharmakotherapie, Priapismus 409, 411 f – primäre 376 – sekundäre 376 Indigokarminlösung, Instillation, intravesikale 230 Indinavirkristalle 104 f Induratio penis plastica 48, 377, 415, 440 – Penisdeviation 438, 440 – nach Penisfraktur 439 Infantilismus, sexueller 344 Infektion, Ausfluss, urethraler 249, 251 f Infektparameter 403 Infektstein 88, 91 – im Kindesalter 321 Infertilität (s. auch Fertilitätsstörung) 386 ff, 473 – Anamnese 394 – chemikalienbedingte 394 – Chromosomenanomalie 390, 398 – Hormondiagnostik 395 f – idiopathische 386 f – männliche 386 ff – – vorgetäuschte 401 – medikamentös bedingte 394 – primäre 386 ff – – Differenzialdiagnose 388 f, 397 – sekundäre 386 f – – Differenzialdiagnose 393, 398 – Ursache 386 – weibliche 401 Infundibulumstein, blockierender 152 Infusionskavernosographie 382 Infusionskavernosometrie, dynamische 382 Injektionstherapie, intrakavernöse s. auch SKAT – Priapismus, sekundärer 406 Internationaler Prostata-Symptomen-Score 199 f Intersex 338
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Sachverzeichnis
Intersexualität (s. auch Genitale, intersexuelles) 338 f, 445 ff Introitus vaginae – ventral verlagerter 363, 365 – Veränderung, Dyspareunie 454 Introitussonographie bei Genitaldeszensus 463 Inzidentalom, adrenales 169 IPP s. Induratio penis plastica IPSS (Internationaler ProstataSymptomen-Score) 199 f Ischämie, intestinale – chronische 16 – Schmerzlokalisation 15 Ischämieschmerz 2 Ischuria paradoxa s. Überlaufinkontinenz Isosthenurie 237 Isotopennephrographie 136 f, 264 – bei Tuberkulose 180 – Tumordiagnostik 279 IVP (intravenöse Pyelographie) 23
K Kaliumlösungsinstillation, intravesikale 59 Kallmann-Syndrom 69, 391 Karbunkel 81 Karyotyp-Bestimmung 361 Karzinogen 97 Katecholaminkonzentration – im Serum, Neuroblastom 287 – im Urin 167 – – Phäochromozytom 288 Kaudaläsion 226 f Kavathrombose 67 Kavernosographie 49 – bei Penisfrakturverdacht 415 – bei Priapismus 406 Kavernosometrie 382 Keimaszension, urethrale 54 Keimzelltumor 427 – extragonadaler 287 – Marker 118 f – Palpationsbefund 427 Kernspintomographie s. Magnetresonanztomographie 17-Ketosteroide im Urin 446 Kittniere 179 Klinefelter-Syndrom 61, 69, 343, 390, 398 – Erscheinungsbild 398 – Symptomatik 343 Klitoris – Hypertrophie 451 f – Spaltbildung 363, 365 Kloakalanomalie 348 Knochen-AP 117 Knochenmetastasen, osteoblastische 117 Knochenszintigraphie – bei Neuroblastom 286 – Tumordiagnostik 279 Kobrakopfphänomen, pyelographisches 318 Kochsalzzufuhr, Hyperkalzurie 124 Kohabitation, schmerzhafte s. Dyspareunie Kohlendioxidpartialdruck 128 Kolik 2, 6, 20, 26, 473 Kollagenose, Niereninsuffizienz, chronische 245 Kolon-Kontrasteinlauf bei Verdacht auf enterovesikale Fistel 103 Koloskopie bei Verdacht auf enterovesikale Fistel 103 Kolpitis 456
Kondomzystoskopie 213 Kondylome, spitze s. Condylomata acuminata Kontinuafieber 78 Konus-Kauda-Syndrom 227 Körperproportion, eunuchoide 68 ff Körpertemperatur – Hormoneinfluss 78 – Menstruationszyklus 78 – physiologischer Verlauf 77 – subfebrile 78 Körpertemperaturabfall 77 Körpertemperaturanstieg 77 Kost, purinreiche 126 Krampfaderbruch s. Varikozele Kranzfurchenlymphangitis 47 Kreatinin 120 Kreatininclearance 119 f, 122 Kreatininkonzentration – im Harn 120 – im Serum 120 f, 193, 236 – – Niereninsuffizienz, chronische 238 Kremasterreflex 473 Kristalle – briefkuvertförmige 104 – hexagonale 104 – nadelförmige 104 f – rhombenförmige 104 – sargdeckelförmige 104 Kristallurie 103 f Kryptorchismus (s. auch Hodendystopie) 43, 351, 389, 399, 473 – bilateraler 321, 347 – – Chromosomenanalyse 361 f Kryptozoospermie 387 Kwashiorkor 323 – marasmischer 323
L Laktatdehydrogenase – Hodentumor 118 f – Seminomverlaufskontrolle 428 Lanugobehaarung, neu auftretende 64 Laparoskopie – bei Dyspareunie 453 – bei Geschlechtsdifferenzierungsstörung 446 Late-onset-AGS 451 Lauenstein-Lage 186 Lawrence-Moon-Bardet-BiedlSyndrom 391 Lazy-Bladder-Syndrom 270 LDH s. Laktatdehydrogenase Lebererkrankung, alkalische Phosphatase 117 Leberzirrhose, Gynäkomastie 62 Leckage, venöse, erektile Dysfunktion 384 Leiomyosarkom, paratestikuläres 429 Leistenhernie 16 f, 340, 343, 418 – irreponible 17 Leistenhoden 259 Leistenschmerz, Differenzialdiagnose 12 f Leucinkristalle 104 Leukämie, akute 287 Leukozyten – im Ejakulat 42 f – Urinsediment 101 Leukozytenzylinder 112 f – Urinsediment 101 Leukozyturie 21, 87, 100 f, 473 – Differenzialdiagnose 101 – Nachweis 101 – Niereninsuffizienz, akute 237
– sterile 100 – Ursache 100 Levatorspalt 458 Leydig-Zell-Dysgenesie 72 Leydig-Zell-Tumor 62, 427 – präpubertärer 64 f Lichen sclerosus et atrophicus 357, 433 Lidödem 67 Ligamentum – cardinale 458 – pubourethrale 458 – pubovesicale 458 – sacrouterinum 458 – vesicouterinum 458 Linksappendizitis 16 Lipodystrophie, partielle, mit membranoproliferativer Glomerulonephritis 337 Lipom, lumbosakrales 73 f Low-Compliance-Blase 215, 219 Lower urinary Tract Symptoms 191 ff, 473 Lowe-Syndrom 330 Low-Flow-Priapismus 405 ff – Differenzierung vom Hig-FlowPriapismus 411 – idiopathischer 411 – Symptome 406 Lues 226 Luftabgang, transurethraler 102 f, 473 Luftansammlung, intestinale 6 LUTS (Lower urinary Tract Symptoms) 191 ff, 473 Lymphknotenverkalkung 182 Lymphödem 67 Lymphom, retroperitoneales 243 Lymphozele 30
M Magnesiumammoniumphosphatkristalle 104 Magnesiumausscheidung im Urin, Harnsteindiathese 124 Magnetresonanztomographie – bei Hämaturie 90 – bei intersexuellem Genitale 342 – Tumordiagnostik 276 – Verkalkungsdarstellung 173 α2-Makroglobulin-Ausscheidung im Urin 108 Makrohämaturie (s. auch Hämaturie) 87, 473 – Blasenruptur 34 – Blasentamponade 33 – Nierenbeckenkarzinom 163 – Nierentumor 154 – Rhabdomyosarkom 284 – Ureterkarzinom 163 Maldescensus testis s. Hodendystopie Malnutrition 323 Mamillen, überzählige 73 f Marasmus 323 Marion’s disease 203, 233 f Markerproteine 105 Markschwammniere 176 f, 305 f, 336 – Differenzialdiagnose 306 – Pyelographiebefund 306 – renal-tubuläre Azidose 110 Maskulinisierung genetisch weiblicher Individuen 447 Masturbationshilfe, Penistrauma 436 f Mastzellengehalt im Blasenwandbiopsat 219 Material, alloplastisches, Penetration 457
Maturationshemmung 261 Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom 450 McKenzie-Zone 2 ff MCU s. Miktionszystourethrogramm 183 MDRD (Modification of Diet in renal Disease) 122 Meatus, epispader 363 Meatusenge 54 Meatusposition bei Hypospadie 349 f, 360 Meatusstenose 243, 269 – angeborene 202 – erworbene, der Frau 202 – bei der Frau 193 – bei Hypospadie 358 – Urethrasteinretention 47 Meckel-Gruber-Syndrom 391 Medikamente – Infertilität 394 – Nierenversagen, akutes, prärenales 243 ff – Priapismus 406, 409, 412 Megaureter – ektop mündender, bei Doppelniere 307, 309 ff – im Kindesalter 259 – primärer 315 f – – bei Doppelniere 307, 312 – refluxiver, bei Doppelniere 311 Menstruation durch die Blase 230 Menstruationszyklus, Körpertemperatur 78 MESA (mikrochirurgische extratestikuläre Spermatozoenaspiration) 397 Mesenterialarterienverschluss, akuter 15 Mesenterialinfarkt 15 Mesenteriallymphknoten, verkalkte 170 f Mesenterialvenenthrombose 15 f Metastase – peritoneale, verkalkte 182 – retroperitoneales 164 Meyer-Weigert-Regel 308 MIBG-Scan (131I-MetajodbenzylGuanidin-Szintigraphie) 286 f – Tumordiagnostik 279, 286 ff Mikroabszesse, multiple, renale 159 Mikroalbuminurie – Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin 120 – Nachweisgrenze für Urinstix 107 α1-Mikroglobulin-Ausscheidung im Urin 106, 108 β2-Mikroglobulin-Ausscheidung im Urin 106 f Mikrohämaturie (s. auch Hämaturie) 21, 87 – asymptomatische 96 ff – mit Blasenschmerzen 33 – Nierentumor 154 – mit Pollakisurie 33 Mikropenis 340, 343 Miktion s. auch Blasenentleerung – mit Bauchpresse 191 – – Harnflusskurve 194 – Nachtröpfeln 191, 198, 202, 474 – Präputiumballonierung 431 – schmerzhafte 50, 53 ff – – diagnostischer Algorithmus 56 – – Differenzialdiagnose 55, 57 – – bei der Frau 55 – – beim Mann 54 f – – Ursache 53 f – – Zystitis, interstitielle 57 – Startverzögerung 191, 198, 474
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Sachverzeichnis Miktionsanamnese 21, 30 Miktionsbeschwerden s. auch Blasenentleerungsstörung – irritative 199, 218 – obstruktive 198, 218 – – beim Jugendlichen 233 – Prostatahyperplasie, benigne 198 f – Prostatakarzinom 201 – Prostatitissyndrom 218 Miktionsdruck beim Kind 265 Miktionsfrequenz, erhöhte s. Pollakisurie Miktionsintervall, vergrößertes 225 f Miktionsprotokoll, Zystitis, interstitielle 58 Miktionsreflex, durch Lachen evozierter 231 Miktionstagebuch 262 f Miktionsvermeidung beim Kind 268, 270 Miktionsvolumen, Uroflowmetrie 194 Miktionszeit, verlängerte 198 Miktionszystourethrogramm 85, 183, 186 ff – bei Detrusor-BlasenhalsDyskoordination 203 – bei Enuresis 264 – bei Epispadie 364 – bei Hämaturie 90 – Indikation 187 – Kontrastmittelaussparung 188 – Kontrastmittelextravasat 188 – Neugeborenes 298 f – bei subvesikaler Obstruktion 270 – Übersichtsaufnahme 187 – bei Urethrastriktur 203 Mindergröße, familiäre 326 Minderwuchs 323 – Bartter-Syndrom 333 – De-Tonie-Debré-FanconiSyndrom 330 – intrauteriner 329 – Pseudo-Hypoparathyreoidismus 333 – Rachitis, hypophosphatämische, familiäre 332 Mischproteinurie 108 Missbildung, kongenitale 300 f Missbildungssyndrom, WilmsTumor 274 Mittelschmerz 30 Mittelstrahlurin 54 Modification of Diet in renal Disease 122 Morgagni-Hydatide 40 Mörtelniere 179 Mosaik, chromosomales, Infertilität 390 MR-Angiographie, Arteria renalis 135 MR-Urographie, ektop mündender Megaureter bei Doppelniere 310 Mukosa-Cracking 59 Müller-Gang-Zyste 373 Multiple Sklerose, spinale 227 Mumpsorchitis 427 Musculus – bulbocavernosus 458 – levator ani 458 – sphincter ani externus 458 – transversus perinei profundus 458 Myelodysplasie 270 Myelomeningozele, lumbosakrale 227 Myoglobinurie 106
N Nabel – chronisch entzündeter 73, 75 – chronisch nässender 73, 75 Nabelkolik 144, 256, 260 Nabelregion, Schmerz, Differenzialdiagnose 14 f Nahrungsmittel, oxalatreiche 125 Nail-Patella-Syndrom 337 Narbe, Dyspareunie 457 Natriumkonzentration im Serum – erhöhte 110, 331 – Harnsteindiathese 124 Nebenhodenentzündung s. Epididymitis Nebenhodeninfektion, aszendierende 41 Nebenhodentumor 39, 418, 429 Nebennierenabszess – Diagnostik 290, 293 – Differenzialdiagnose 289 – Sedimentationsphänomen 293 Nebennierenblutung 166 – Diagnostik 290, 293 – Differenzialdiagnose 289 – neonatale 293 Nebenniereninzidentalom 169 Nebennierenneuroblastom 278 Nebennierenphäochromozytom 279 Nebennierenrindenadenom, Aldosteron produzierendes 140, 169 Nebennierenrindenhyperplasie 451 – bilaterale 140 – kongenitale 446 – mikronoduläre 168 Nebennierenrindenkarzinom 288 – Diagnostik 280 – Differenzialdiagnose 282 Nebennierenrindentumor – Aldosteron produzierender 72 – Androgen produzierender 64 ff Nebennierentumor 166 ff – Metastasierung 166 – Therapie 170 Nebennierenvenenblut, Aldosteronbestimmung 169 Neisseria gonorrhoeae 251 f Nekrosefistel 230 – extraurethrale Harninkontinenz 228 – radiogene 228 Nekrozoospermie 387, 473 Neoblase, Schleimverhalt 19 Neoplasie – lymphoretikuläre 287 – – Diagnostik 280 – – Differenzialdiagnose 281 f – testikuläre 274, 287 – – Diagnostik 287 – – – bildgebende 280 – – Differenzialdiagnose 281 Nephrektomie – bei Nierenzellkarzinom 162 – notfallmäßige 160 Nephroblastomatose 278 Nephrokalzinose 110 – Azidose, renal-tubuläre 331 Nephrolithiasis s. auch Urolithiasis – Azidose, renal-tubuläre 331 Nephrom, zystisches 159 Nephronophthise 336 Nephropathie – entzündliche, Nierenversagen, akutes 241 – vaskuläre – – Hämaturie 95 – – Nierenversagen, akutes 241
Nephrostomie, perkutane 160, 292 Nephrotisches Syndrom – kongenitales 337 – mikrozystisches, kongenitales 302 – Nierenvenenthrombose 29 Nervenleitgeschwindigkeit, afferente 212 Nervus pudendus 458 Nervus-pudendus-Läsion 209 Neuroblastom 273 f, 278, 285 f – Diagnostik, bildgebende 280 – Differenzialdiagnose 281 – Lokalisation 285 – Metastasierung 285 f – Stadieneinteilung 286 Neurologische Erkrankung – im Kindesalter 266 – Priapismus 406, 410, 413 Neurologische Läsion – autonome, motorische 226 – infrapontine 215 – suprapontine 209, 215, 223 – suprasakrale 209, 215, 223 Neuropathie – alkoholbedingte 231 – autonome 225 f – – diabetische 232 – diabetische 227 Niederdruckreflux 187 Niere – aufgehobene Atemverschieblichkeit 83 – dystope 259 – polyzystische, adulte 304 f – radiologisch stumme 141 ff – – akute Erkrankung 143 – – asymptomatische 142 – – chronische Erkrankung 143 – – generalisierte Erkrankung 144 – – postrenal bedingte 142 f – – prärenal bedingte 141, 143 – – renal bedingte 141, 143 – – symptomatische 142 – Schmerzausstrahlung 4 – Ultraschalluntersuchung 23 – urographisch stumme 28 – vergrößerte 29 Nierenabszess 81 f, 154, 159 f – Computertomogramm 81 Nierenadenom 156 f Nierenadenomatose 157 Nierenarterie s. Arteria renalis Nierenarterienabriss 141 Nierenarterienaneurysma 180 Nierenarterienangiographie, selektive, DSA-Technik 136 Nierenarterienembolie 28 Nierenarterienstenose 133 ff, 141 – arteriosklerotisch bedingte 133 – Duplexsonographie 135 – hämodynamische Relevanz 137 – MR-Angiographie 135 – Stenteinlage 136 – Subtraktionsangiographie, digitale 136 Nierenarterienthrombose 28 Nierenarterienverkalkung 180 f Nierenatrophie 146 Nierenbeckenerweiterung, Computertomogramm 22 Nierenbeckenkarzinom 93, 97, 163 f – Diagnostik 97 Nierenbeckenkelchsystem, Dilatation 27 – Differenzialdiagnose 300 f – im Kindesalter 295 ff – sekundäre 301 Nierenbeckenstein 97
481
– Diagnostik 97 – eingekeilter 152 Nierenbeckentumor 89, 243 Nierendegeneration, polyzystische 301 Nierendysplasie 302 f Nierenerkrankung – Hypertonie 132 – multizystische 291 – – Diagnostik 290 – – Differenzialdiagnose 289 – – Potter-Typ 303 f – – Sonogramm 303 f – parenchymatöse 105 – – stumme Niere 141 – polyzystische 291, 335 f – – adulte 291 – – autosomal dominante 335 – – autosomal rezessive 335 – – Diagnostik 290, 336 – – Differenzialdiagnose 289, 336 – – infantile 291 – – juvenile 291 – im Transplantat rekurrierende 247 – zystische 158 ff – – Diagnostik 303 ff – – Differenzialdiagnose 301 f – – Potter-Typ – – – I 335 – – – II 335 – – – IIa 303 f – – – III 304 f, 335 Nierenfunktion, Untersuchung 119 ff Nierenfunktionsszintigraphie – bei Doppelniere 308 – bei Hämaturie 90 – Neugeborenes 298 Nierengröße, seitendifferente 132 Nierenhohlsystemdilatation 145 – Schweregrade 146 Nierenhypoplasie 300 Niereninfarkt 28 Niereninsuffizienz 235 – akute s. Nierenversagen, akutes – chronische 237 f – – Diagnostik 121, 239 f – – Differenzialdiagnose 245 – – Gedeihstörung 327 – – im Kindesalter 334 ff – – Retention – – – dekompensierte 238 – – – kompensierte 238 – – Stadien 121, 238 – – Ursache 327 – terminale 121 Nierenkarbunkel 81 f, 154, 159 f Nierenkelchstein, nichtobstruierender 27 f Nierenlymphom, malignes 156 Nierenmetastase 156 Nierenmissbildung 302 – kongenitale 300 Nierenparenchymentzündung 80 Nierenrindeninfarkt 28 Nierenrindenzyste 302, 306 f – Sonogramm 306 f Nierenschädigung, entzündlichobstruktive, Smellie-Schweregrade 148 Nierenstein, nichtobstruierender 27 f Nierenszintigraphie, Tumordiagnostik 279 Nierentransplantat, rekurrierende Nierenerkrankung 247 Nierentransplantatabstoßung 246 f Nierentransplantation 338 Nierentransplantatversagen 246 f – Diagnostik 247
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Sachverzeichnis
Nierentuberkulose 178 ff – offene 179 Nierentumor 93, 154 ff – benigner 155 f – computertomographische Dichte 157 – juxtaglomerulärer, reninproduzierender 154, 158 – maligner 155 f – mesenchymaler, maligner 156, 163 – Radspeichenphänomen 158 – Symptomatik 154 – Varikozele 441 f – verkalkter 172 Nierenunterpolzyste 149 Nierenvenenblutentnahme, seitengetrennte, Reninaktivitätsbestimmung 137 Nierenvenenthrombose 28 f, 141, 292 f – Diagnostik 29, 290, 293 – Differenzialdiagnose 289 – Hämaturie 95 – perinatale 144 Nierenverkalkung, spezifische 178 ff Nierenverkleinerung, zunehmende 336 Nierenverletzung 88, 94 – Diagnostik 94 – Polytrauma 99 – Symptomatik 94 Nierenversagen, akutes 236 f – Diagnostik 239 f – Harnstoff-Kreatinin-Quotient im Serum 123 – im Kindesalter 241 – postrenales 199, 237 – – Ursache 242 f – prärenales 236 – – medikamentenbedingtes 243 ff – – Ursache 240 f – renales 236 f – – Ursache 241 – durch Röntgenkontrastmittel 244, 246 – Stadieneinteilung 237 – toxisch bedingtes 241 – tubulär bedingtes 241 – zirkulatorisch-ischämisch bedingtes 240 Nierenzellkarzinom 97 f, 155 f, 160 ff – chromophobes 160 – Diagnostik 98, 162 – endokrine Effekte 162 – familiäres 160 – klarzelliges 160 – Leberveneninvasion 161 – medulläres 160 – Metastasierung 161 – multizentrisches 160 – Operation 162 f – – organerhaltende 163 – papilläres 160 – Prognose 161 – sarkomatöse Variante 160 – Staging 161 – Symptome 161 – Therapie 162 f – toxisch-systemische Effekte 162 – Veneninvasion 160 – Vorhofinvasion 161 – zystisches 159 Nierenzelltumor, maligner, Symptomatik 156 Nierenzyste 157 – extraparenchymatöse 302 – Hämaturie 96 – kortikale s. Nierenrindenzyste
– medulläre 302 – parapelvine 307 – solitäre 158 f – verkalkte 176 f Non-Hodgkin-Lymphom 287 Nonne-Milroy-Meige-Syndrom 391 Noonan-Syndrom 392 Nykturie 199, 206, 235 f, 473 – Prostatitis, bakterielle, akute 84 – Überlaufinkontinenz 225 – Zystitis – – bakterielle 217 – – interstitielle 57
O OAB s. Overactive bladder OAB-dry (Frequency-UrgencySyndrom) 206, 214 OAB-wet s. Dranginkontinenz OAT-Syndrom s. Oligoasthenoteratozoospermie-Syndrom Oberbauchschmerz – linksseitiger 9 f – rechtsseitiger 8 f Obstruktion s. Harnwegsobstruktion Ödem 66 f, 236 – eiweißverlustbedingtes 105 – generalisiertes 67 – Ursache 67 17-OH-Progesteron-Spiegel beim Neugeborenen 345 Ohrfehlbildung 73 Okulozerebrorenales Syndrom 330 Oligoanurie 164 OligoasthenoteratozoospermieSyndrom 387, 397, 399 f, 473 – Diagnostik 400 – idiopathisches 400 Oligohydramnion 189, 335 Oligospermie 387, 473 Oligurie 236 f, 473 – Definition 235 – funktionelle 246 – Sepsis 19 – Urat-Nephrolithiasis 126 Onkozytom 157 f Onychoosteodysplasie 337 Orchitis 37, 41 f, 389, 426 f – Diagnostik 42 – bei Epididymitis 423, 426 – granulomatöse 427 – isolierte 426 – Symptomatik 427 Ortner-Syndrom 16 Osteopetrose 111 Osteoporose 71 Ostitis pubis 30 Östrogenmangel – Belastungsinkontinenz 224 – Meatusstenose, erworbene 202 – postmenopausaler, Deszensus 460 Östrogenspiegel, erhöhter, beim Mann 61 f Ovarialtumor, androgenproduzierender 64 f Ovarienhypoplasie, kongenitale 451 Overactive bladder 206 – Diagnostik 210 ff – Differenzialdiagnose 215 – Symptomkonstellation 207 Overflow-Proteinurie 106, 109 Oviduktpersistenz 353 f, 450 Oxalatabsorption, enterale, erhöhte 125
Oxalatausscheidung im Urin 125 – Harnsteindiathese 124 Oxalatkristalle 103 f
P Painfull Bladder Syndrome s. Zystitis, interstitielle Palpation – rektale s. Untersuchung, digitale rektale – skrotale 37 – vaginale 30 Pankreatitis, akute 5 Papillennekrose – Harnwegsobstruktion 26 – Ursache 26 Papillomavirusinfektion 372, 434 Paralyse, progressive 226 Paraneoplastisches Syndrom 161 f – Behaarungsanomalie 64 Paraphimose 48, 355, 358, 431 Parathormonresistenz 333 Parenchymschmerz 2 Parkinson, Morbus 232 Partialprolaps 461, 465 Pasqualini-Syndrom 69 PBS (Painfull Bladder Syndrome) s. Zystitis, interstitielle Pelviskopie – bei Dyspareunie 453 – bei Geschlechtsdifferenzierungsstörung 446 Pendelhoden 259, 473 Penis – Fremdsubstanzinjektion 435 f – vergrabener 357, 430 Penisarterien-Angiographie, superselektive 382 Penisdeviation 45, 437 ff – nach dorsal 48, 438 – bei Epispadie 363 – bei Hypospadie 350, 358, 437 f – kongenitale 437 f Penisfraktur 49, 415, 436, 439 f – latente 439 – traumatische 438 Penishämatom 45, 415 Penishypertrophie – adrenogenitales Syndrom 69 – Leydig-Zell-Tumor 65 – Nebennierenrindentumor 66 Peniskarzinom 48 f, 415, 434 f – Differenzialdiagnose 49, 435 f – Infektion 434 f Penisödem, postoperatives 67 Penispenetration, tiefe, schmerzhafte 452 f, 457 Penisruptur 439 f Penisschaftverkrümmung s. Penisdeviation Penisschmerz s. Schmerz, peniler Penisschwellung 45 Penistorquierung bei Hypospadie 358 f Penistrauma 47, 436 f Penistumor 47 Penisverkrümmung s. Penisdeviation Penoid 343, 348 Perinealabszess 52 Perinealsonographie bei Genitaldeszensus 463 Peritonitis, Hodenhochstand 30 Periurethralabszess 49 Perlman-Syndrom 274 Peyronie-Krankheit s. Induratio penis plastica Phäochromozytom 139, 166 f, 288
– Diagnostik 167, 288 – – bildgebende 280 – Differenzialdiagnose 167, 282 – kindliches 274 f, 279 – Sonogramm 279 – Symptome 288 Pharmakokavernosographie 382 ff Pharmakokavernosometrie 382 ff Phimose 243, 355 f, 430 f, 473 – absolute 356 – angeborene 356 – assoziierte Hypospadie 357 – Balanitis, chronische 434 – behandlungsbedürftige 356 – entzündlich bedingte 47 – erworbene 356 – narbige 355 f, 430 – physiologische 356 f, 430 – Ursache 355 f, 430 f Phlebographie, retrograde, Vena spermatica 443 Phlebolithen 170 Phosphatase, alkalische 117 – erhöhte, Differenzialdiagnose 117 – plazentare 428 – Zuverlässigkeit als StagingMarker 117 Phosphatdiabetes 332 Phosphatrückresorption, tubuläre, gestörte 332 Phosphodiesterase-5-Inhibitoren 378 pH-Wert – Gewebe 127 – Urin 109 ff Placenta-Aromatase-Deficit-Syndrom, Hormonuntersuchung 361 PLAP (plazentare alkalische Phosphatase) 428 Plasmozytom 245 Plattenepithelkarzinom – Penis (s. auch Peniskarzinom) 434 – Skrotalhaut 418 Platzbauch 19 Plexus – pampiniformis – – Thrombose 43, 418 – – varizenartige Erweiterung s. Varikozele – pelvicus, operationsbedingte Schädigung 193 Pneumaturie 102 f, 473 Pollakisurie 2, 30, 199, 205 ff, 473 – Belastungsinkontinenz 224 – bei Deszensus 459 – Dranginkontinenz 222 – Harnblasenkarzinom 97 – mit Mikrohämaturie 33 – Prostatitis, bakterielle, akute 84 – Überlaufinkontinenz 225 – Zystitis 32, 54 – – bakterielle 217 – – interstitielle 33, 57 Polydipsie 235 – Bartter-Syndrom 333 – De-Tonie-Debré-FanconiSyndrom 330 – Diabetes insipidus renalis 331 Polythelie 73 f Polytrauma – Hämaturie 99 – Harnorganverletzung 88, 99 – Nierenverletzung 94, 99 Polyurie 473 – Azidose, renal-tubuläre 331 – Bartter-Syndrom 333
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Sachverzeichnis – Definition 235 – De-Tonie-Debré-FanconiSyndrom 330 – Diabetes insipidus renalis 331 – Ursache 235 Polyzoospermie 387, 401, 473 Porphobilinogen im Urin 22 Portioschiebeschmerz 30 Posthitis 47, 355 Potter-Syndrom 73 Prader-Labhard-Willi-Syndrom 392 Prader-Stadieneinteilung, intersexuelles Genitale 341 Präkanzerose 433 f Präputiumballonierung bei ktion 431 Präputiumulzeration 431 Prehn-Zeichen 37 Priapismus 405 ff, 474 – arteriell bedingter s. HighFlow-Priapismus – Diagnostik 408 f – idiopathischer 405, 410 f – ischämischer s. Low-FlowPriapismus – klitoraler 405 – Kofaktoren 409 f – medikamentös induzierter 406, 409, 412 – nichtischämischer s. HighFlow-Priapismus – partieller, Differenzialdiagnose 415 – schmerzfreier s. High-FlowPriapismus – schmerzhafter s. Low-FlowPriapismus – bei Schwellkörperautoinjektionstherapie 407, 409, 411 – sekundärer, Ursache 406 – veno-okklusiv bedingter s. Low-Flow-Priapismus Primäraffekt, syphilitischer 432 – Differenzialdiagnose 435 Primärbehaarung, Anomalie 64 Pringle-Syndrom 157 Progerie 392 Proktitis 52 Prolaktinom 62, 380 Prolaktinspiegelbestimmung – Indikation bei erektiler Dysfunktion 380 – bei Infertilität 395 f Prolaps, genitaler 458, 461 ff Prostaglandin-E1-Injektion, Penisarterien-Angiographie, superselektive 382 Prostata – Fluktuation 84 f, 405 – Konsistenz 402 f – – prallelastische 402 ff – – teigige 404 f – Sonographie, transrektale 85 – unbeweglich fixierte 402 Prostataabszess 404 Prostataadenom, Harnflusskurve 194 Prostatabiopsie, Indikation 116 Prostataexprimat 52, 54 Prostatahyperplasie, benigne 193, 198 ff, 243 – Diagnostik 195, 201 – Harnfluss, maximaler 195 – Palpationsbefund 403 – Sonographie, transrektale 404 – Stadieneinteilung 199 – stille 199 – Symptomatik 402 – Symptomen-Score 199 f – urethrale submuköse Venenektasie 373 Prostatakarzinom 193, 201 f, 243
– – – – –
Diagnostik 195 – präoperative 202 Hämaturie 93 Hämospermie 372 f Knochen-AP-Zuverlässigkeit als Staging-Marker 117 – Metastasierung 201 – ossär metastasiertes 117, 201 – Östrogentherapie, Nebenwirkung 61 – Palpationsbefund 402 – Skelettmetastasen 201 – Sonographie, transrektale 403 f – Symptomatik 402 – t-PSA-Zuverlässigkeit als Staging-Marker 117 – Vorsorge 115 f Prostataknoten, Differenzialdiagnose 403 Prostata-Massage-Urin 54 Prostataobstruktion, benigne 198 ff, 471 Prostatapalpation, schmerzhafte 51 Prostataresektion, transurethrale, Epididymitis 422 Prostatastanzbiopsie 202 Prostatavarizen, Hämaturie 96 Prostatavergrößerung, gutartige 54, 198 Prostataverhärtung – flächige 403 – palpable 402 ff – – Differenzialdiagnose 404 f Prostataverkalkung 176 – spezifische 178 ff Prostatitis – afebrile, rezidivierende 52 – akute 51 – – Palpationsbefund 403 – – Symptomatik 402 – asymptomatische 217 – bakterielle – – akute 42, 84 f, 217 – – chronische 42, 217 – chronische 30, 54, 217, 243 – – Schmerzcharakter 49 – – Sonographie, transrektale 404 – Infertilität 393 – bei Urethrastriktur 202 Prostatitissyndrom 217 f – Diagnostik 218 – NIH-Klassifikation 217 – Pathogenese 218 Prostatovesikulitis, chronische s. Chronic pelvic Pain Syndrom Protein, c-reaktives 130 Proteinkonzentration/Kreatininkonzentration-Quotient im Spontanurin 107 Proteinurie 22, 105 ff – Analyse 107 – benigne 106 f – De-Tonie-Debré-Fanconi-Syndrom 330 – Diagnostik 107 f – Differenzialdiagnose 109 – glomeruläre 106 – – selektive 106, 108 f – – unselektive 106, 108 – konstitutionelle, juvenile 107 – Niereninsuffizienz, akute 237 – postrenale 106, 108 f – prärenale 106, 108 f – Proteinmuster 107 – renale 106 – tubuläre 106, 108 f Provokationsschmerz, abdominaler 1 Prune-Belly-Syndrom 321, 353 Pruritus 236
– Niereninsuffizienz, chronische 238 – vulvärer 456 PSA (prostataspezifisches Antigen) 115 f, 194, 201 f – freies 403 – komplexiertes 403 – totales (Gesamt-PSA) 115 f – – Zuverlässigkeit als StagingMarker 117 PSA-Density 403 PSA-Quotient 116 PSA-Velozität 403 PSA-Wert – Anstiegsgeschwindigkeit 116 – Bestimmung bei palpabler Prostataverhärtung 403 – erhöhter 403 – Grenzwerte 115 – Verdopplungszeit 116, 403 Pseudo-Bartter-Syndrom 235 Pseudohermaphroditismus – Diagnostik 446 – femininus 68, 70, 345 f, 354 f, 447, 451, 474 – – Differenzialdiagnose 362 – masculinus 68, 346 ff, 447, 474 – – Differenzialdiagnose 362 Pseudohypoaldosteronismus im Kindesalter 334 Pseudo-Hypoparathyreoidismus im Kindesalter 332 f Pseudopubertas praecox beim Knaben 451 Pseudo-Thalidomid-Syndrom 391 Psoasrandschatten, verstrichener 83 Pubertas praecox 474 – adrenogenitales Syndrom 69 – Leydig-Zell-Tumor 64 f , 427 Pubertätsentwicklung, ausbleibende 447 Pudendus-SEP 197 Puffer, physiologischer 128 Pufferung 127 f Pulsatilitätsindex, Arteria renalis 135 Pulsationszystozele 461 f Purinmetabolismusstörung 126 Pyelographie, intravenöse 23, 81 – Befund bei Harnstauungsniere 147 f – Doppelnierennachweis 308 – Kobrakopfphänomen 318 – Neugeborenes 298 – Septation Sign 303 – Spätaufnahme 142 – stumme Niere s. Niere, radiologisch stumme – bei Tuberkulose 180 – vorbereitende Diagnostik 142 Pyelokutaneostomie 292 Pyelonephritis – abszedierende 159 – akute 80 f – – Diagnostik 81 – – im Kindesalter 259 – – Symptomatik 81 – obstruktive 26 – xanthogranulomatöse 154 Pyonephrose 159 f Pyospermie 387 Pyrogen 77 f Pyurie 100 f, 474 – Differenzialdiagnose 101 – Nachweis 101
483
Q Quetschhahnphänomen – infravesikale Obstruktion 193 – larvierte Harninkontinenz 458, 463
R Rachitis – hypophosphatämische, familiäre 332 – Vitamin-D-resistente 332 Radspeichenphänomen 158 Rahmentympanie 6 Raumforderung – renale 154 ff – – Diagnostik 162, 155 – – zystische – – – Bosniak-Einteilung 159 – – – Malignitätsverdacht 159 – skrotale 39 5α-Reduktase 446 5α-Reduktase-Defekt 73 5α-Reduktase-Mangel 339, 347 f, 362 Referred Pain 2 ff, 20 Reflexblase, spinale 209, 223 – Symptomtrias 223 Reflexinkontinenz 206, 214, 223 – Diagnostik 211 – Differenzialdiagnose 215 – Symptomkonstellation 207 – Videourodynamik 223 Reflux – intrarenaler 311 – vesikorenaler 32, 145, 301 – – Diagnostik 320 – – im Kindesalter 259 – – Miktionszystourethrogramm 187, 320 – – primärer 319 f – – Sonogramm 320 – vesikoureteraler 233 – – bei Ureterektopie 228 Refluxzystogramm 183 Reifenstein-Syndrom 362 Reiter, Morbus 250 Reithosenanästhesie 212, 474 Reizzustand, peritonealer 6, 15 Rektozele 458, 461, 465 – Diagnostik 465 Rektumkarzinom 52 Rektumschleimhaut, fehlende Verschieblichkeit 402 Rektusscheidenhämatom – akutes 30, 34 – Computertomogramm 35 Reninaktivität im Plasma 136, 169 – Bestimmung, Nierenvenenblutentnahme, seitengetrennte 137, 158 – erniedrigte 140 Renin-Angiotensin-AldosteronSystem, Aktivierung 110, 134 Repositionstest bei Genitaldeszensus 463 Resistance-Index, Arteria renalis 135 Restharn 474 – Blase, hyposensitive 225 f – Hinman-Syndrom 234 – beim Kind 265 – Reflexblase 223 – Überlaufinkontinenz 225 f – Zunahme 199 Restharngefühl 198 Retardierung, geistige 111 Retentio testis, einseitige 348
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484
Sachverzeichnis
Retikulozyten-Indizes 130 Retikulozytenzahl 130 Retikulozytopenie 129 Retikulozytose 129 Retroflexio uteri 453 – Dyspareunie 457 Retroperitonealprozess 45 – Nierenversagen, akutes 242 Rhabdomyolyse 241 Rhabdomyosarkom 274 f, 283 ff – Diagnostik, bildgebende 280 – Differenzialdiagnose 281 – Fernmetastasen 283 – paratestikuläres 429 – Stadieneinteilung 285 Rhagade, anale 52 Rigidität, penile, nächtliche Messung 381 Rippenknorpelverknöcherung 172 Roberts-Syndrom 391 Röntgenkontrastmittel 244, 246 Röntgenuntersuchung in der Schwangerschaft 466 f Rotationsanomalie 300 Rothmund-Thomson-Syndrom 391 RTA s. Azidose, renal-tubuläre Rückenmarkläsion – Harntraktfunktionsstörung 208 ff – infrapontine 215 – sakrale 209 – suprasakrale 209, 215, 223 RUG s. Urethrographie, retrograde Russel-Syndrom 392
S Sackniere, hydronephrotische 146 Salzverlustsyndrom 340, 346, 451 Samenblasenamyloidose 373 Samenblasenentzündung, rezidivierende 52 Samenblasentumor 373 Samenblasenverkalkung 176 Samenblasenzystadenom 373 Samenstrangentzündung 422 Samenstrangtumor 429 Samenwege, Tuberkulose 179 Sauerstoffpartialdruck 128 Sauerstoffsättigung 128 Säure-Basen-Gleichgewicht 127 f Schanker – harter 432 – weicher 433 Scheide s. Vagina Scheidenblindsackprolaps 461 f Schistosoma haematobium 181 Schistosomiasis 181 Schleimverhalt in der Neoblase 19 Schleudertrauma 88 Schmerz 1 ff – Blasenregion 12 ff – epigastrischer 7 f – fortgeleiteter 2 ff, 20 – genitaler 35 ff – – Entzündung 36 – – beim Mann 35 – – tumorbedingter 36 – intraskrotaler, akuter 423 – Nabelregion 14 f – peniler 45 ff – – akuter 46 – – chronischer 46 – – Diagnostik 46 – – Differenzialdiagnose 47
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
penil-perinealer 53 penoskrotaler 53 perinealer 49 ff – akuter 49 – diagnostisches Vorgehen 51 – Differenzialdiagnose 51 – perakuter 49 skrotaler 36 ff, 418 – Begleitsymptome 37 – Diagnostik 37 f – Differenzialdiagnose 39 f – einseitiger, akuter 37 – Entzündung 39 – plötzlicher 37 – traumabedingter 40 – tumorbedingter 40 – Vorgehen 38 f skrotal-perinealer 53 somatischer 2, 20 – Ausstrahlung 2 f – Leitung 2 – Lokalisation 2 f suprapubischer 29 ff, 206 – akuter 32, 34 – chronischer 32 – Diagnostik 31 – Differenzialdiagnose 32 – mit Harnverhalt 33 – in Relation zur Blasenfüllung 57 – – Zystitis, interstitielle 219 – viszeraler 1 ff, 20, 256 – – Ausstrahlung 2 ff – – Charakter 1 – – Leitung 1 – – segmentale Lokalisation 3 – – vegetative Symptome 1 Schmerzausstrahlung 2 ff – dorsale 2, 4, 21 – ventrale 2 f Schmerzdifferenzierung 7 Schmerzempfindung 256 Schmerzlokalisation 2 ff Schmerzperzeption 1 Schmerzsyndrom des Beckens, chronisches 35, 42 f, 52, 217 – Diagnostik 43 – entzündliches 217 Schmetterlingshämatom, perineales 44 Schock, septischer 18 Schockniere 240 Schornsteinfegerkrebs 418 Schrumpfblase 32 Schrumpfniere 148 Schwangerschaft – Androgenzufuhr 346 – Harntraktveränderung 465 ff – Röntgenuntersuchung 466 f Schwellkörper, venöse Leckage 384 Schwellkörperarterialisation, unilaterale, kongenitale 383 Schwellkörperautoinjektions-Test 381 Schwellkörperautoinjektionstherapie s. SKAT Schwellkörperfibrosierung 407, 415 Schwellkörperinduration 415 Schwellkörperminderperfusion, arterielle 383 – Priapismus 406 Schwellkörperthrombose 410, 413 Schwellkörperveränderung 377 Schwellkörperverhärtung 415 Schwelltest, hypoosmotischer 397 Schwellung – inguinale 17 – penoskrotale 417 ff – – Differenzialdiagnose 418 f
Schwimmhaut, penoskrotale 429 SDS-PAGE (SodiumdodecylsulfatPolyacrylamidelektrophorese) 107 Sedimentationsphänomen im Sonogramm 293 Sekundärbehaarung – Anomalie 64 – fehlende 73 Seminom 428 – Tumormarker 118 Senior-Løken-Syndrom 336 Sepsis 18 f, 474 – gramnegative 18 – grampositive 18 – Labordiagnostik 19 – Symptome 19 Septation Sign, pyelographisches 303 Sertoli-Cell-only-Syndrom 388, 400 Sertoli-Zell-Tumor 427 Sexualanamnese 379 f, 394 Short urethra 360, 437 f Sichelzellanämie, Priapismus 406 Sigmadivertikulitis 16 Sigmaperforation 16 Sinus urogenitalis 70, 273, 348 Sipple-Syndrom 274 SIRS (systemisches inflammatorisches Response-Syndrom) 474 SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie) 381 – Priapismus 407, 409, 411 Skeletterkrankung, alkalische Phosphatase 117 Skelettmetastasen, osteoblastische 201 Skrotalgangrän 420 Skrotalhämatom 44 Skrotalhautentzündung, bakterielle 418 Skrotalhautnekrose 42 Skrotalhautödem 417 Skrotalhaut-Plattenepithelkarzinom 418 Skrotalhautreaktion, allergische 418 Skrotalhernie 39, 68 Skrotalinhaltschwellung 418 Skrotalödem 67 – postoperatives 67 Skrotalphlegmone 418 Skrotalschmerz s. Schmerz, skrotaler Skrotalschwellung 30, 417 ff – Differenzialdiagnose 418 f – Hämatom 44 – Hodenruptur 44 Skrotaltrauma 44 Skrotum – akutes 38, 418 – – Symptomatik 418 – leeres 387 – Palpation 37 Skrotumschwellung – Epididymitis 41 – Hodenabszess 41 – Orchitis 42 – Vena-testicularis-Thrombose 43 Smegma, infantiles 355 Smegmaretention 355, 434 Sonographie – bei Bauchschmerzen im Kindesalter 258 – bei Blasenentleerungsstörung 194 – Doppelnierennachweis 308 – bei Dyspareunie 453 – bei Enuresis 264 – Flankenregion 23 – bei pathologisch veränderter Urinproduktion 239
– postnatale 298 – pränatale 298, 366 – suprapubische 30 – transrektale 85, 403 f – bei Tuberkulose 180 – Tumordiagnostik 276 ff – Verkalkungsdarstellung 173 Soto-Syndrom 274 Spanischer Kragen 355, 358, 431 Spasmus, viszeraler 2 Sperma, Albumingehalt 107 Spermaseparierung 397 Spermatogenesestopp 387, 400 Spermatozele 39, 418, 422 – gekammerte 422 Spermieninjektion, intrazytoplasmatische 397 Spermienmorphologie 395, 397 Spermienmotilität 395 f Spermienpenetrationstest 397 Spermienvitalität 395, 397 Spermiogramm 370, 395 ff Sphinkter – areflexiver, hypotoner 226 – Auslasswiderstand 226 – hyporeaktiver 215 – hypotoner 215, 224 – nichtrelaxierender 226, 234 Sphinkterhypotonie 209 Sphinkterinsuffizienz, urethrale 208, 211, 214, 223 f Spina bifida occulta 73 f Spinalnervenläsion 226 Spiral-CT-Angiographie, Arteria renalis 135 Spontanurin, Proteinkonzentration/KreatininkonzentrationQuotient 107 Stammfettsucht 71 – Beckenbodenbelastung 460 Standardbicarbonatkonzentration im Blut 128 Status, urologisch-neurologischer 193 Stenoseperistaltik 6 Sterilität 474 Steroiddiabetes 71 Stickoxyd 375 Stickoxydsynthase 380 Straddle-Verletzung 52, 415 Strangurie 53 Streak-Gonaden 344 f, 449 Stressinkontinenz s. Belastungsinkontinenz Striae 63 f – Cushing-Syndrom 71 Strichkürettage bei primärer Amenorrhö 447 Stromatumor, gonadaler 427 Stuhl im Urin s. Fäkalurie Stuhlverhaltung, schmerzhafte 52 Sturge-Weber-Syndrom 274 Subpelvinstenose 145, 243 – idiopathische 313 Subtotalprolaps 461 Subtraktionsangiographie, digitale, Nierenarterienangiographie, selektive 136 Sulcus coronarius, Lymphgefäßverdickung 47 Suprapontine Läsion 209, 215, 223 Swyer-Syndrom 344 Syndrom des fertilen Eunuchen 69 Syphilis 432 Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom 474
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Thüroff, J. W.: Urologische Differenzialdiagnose (ISBN 9783131010629) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart
Sachverzeichnis T Tabes dorsalis 226 Tamm-Horsfall-Protein 106, 111 Tarsal-Metakarpal-Osteolyse 337 99 mTc-DSMA, postnatale Nierenfunktionsszintigraphie 299 99 mTc-DTPA, postnatale Nierenfunktionsszintigraphie 299 99 mTc-MAG3, postnatale Nierenfunktionsszintigraphie 298 Teratozoospermie 387, 474 TESE (testikuläre Spermienextraktion) 397 Test, neurophysiologischer 212 Testosteronspiegelbestimmung bei Infertilität 395 f Testosteronsynthesestörung 69, 72 Testosteronutilisationsstörung 73 Thermoregulation 77 TLR (Toll-like-Rezeptoren) 78 Totalprolaps 461, 465 Totenstille, intraabdominale 6 Toxin, Nierenversagen, akutes 241 t-PSA (totales PSA, Gesamt-PSA) 115 f – Zuverlässigkeit als StagingMarker 117 Trabekelblase 233 f Traktionszystozele 461 f Transferrinausscheidung im Urin 106 Transferrinrezeptor, löslicher 130 Transportstörung, tubuläre 329 f Transposition, penoskrotale 361 Trauma – peniles 47, 436 f – Priapismus 406, 410 – skrotales 44 Trinktagebuch 262 f Tripelphosphatkristalle 104 Trisomie 18, 274 – Infertilität 390 Truncus coeliacus, Verschluss 15 TRUS (transrektaler Ultraschall) s. Sonographie, transrektale Tuberkulom 176, 179 Tuberkulose – Diagnostik 180 – Epididymitis 422 – Therapie 180 Tubuläre Störung, Gedeihstörung 327 Tubulus, proximaler, Schädigung 329 Tubulushyperplasie 157 Tumeszenz, penile, nächtliche Messung 381 Tumor – abdominaler s. Abdominaltumor – ACTH-bildender 71 – androgenbildender 451 – intraskrotaler, Differenzialdiagnose 424 – maligner, bei der Frau, Dyspareunie 456 – paratestikulärer 429 – primär retroperitonealer 164 f – – benigner 165 – – maligner 165 – retroperitonealer, Varikozele 442 Tumoranämie 130 Tumormarker 281 – Hodentumor 118 f, 428 Tumornephrektomie 162 f Tunica albuginea – Einriss 439 – Vernarbung 438, 440
Turner-Syndrom 344, 447, 449 – männliches 392 – Symptome 449 TURP (transurethrale Prostataresektion) 192 Tympanie, perkutorische, abdominale 6 Tyrosinkristalle 105
U Übergewicht, Beckenbodenbelastung 460 Überlaufinkontinenz 206, 214, 225, 474 – akute 225 – Diagnostik 211 f, 225 – myogene 225 – neurogene 225 – Symptomkonstellation 207 Ulcus – durum 432 – molle 433 – ventriculi 5 Ulkus, peniles 48 Ultraschalluntersuchung s. Sonographie Unterbauchschmerz – linksseitiger 12 – rechtssseitiger 11 f – suprapubischer s. Schmerz, suprapubischer Untergewicht 323 Untersuchung – digitale rektale 30 – – Befund 402 f – – bei Deszensus 462 – – Durchführung 402 – – schmerzhafte 52, 403 – urodynamische 192, 194 ff – videourodynamische 186 Urachusanomalie 294 – Diagnostik 291 – Differenzialdiagnose 289 Urachuspersistenz 73, 75, 294 Urachussinus 73, 75, 294 Urachuszyste 294 Urämie 238 f, 474 – Symptome 238 Urämisches Syndrom 238 Urate, amorphe, im Urin 104 Uratmetabolismusstörung, monogene 126 Urat-Nephrolithiasis 126 Uratstein 125 f Ureter – Adhärenzen mit unterem Nierenpol 313 – atretischer 302 – duplex 228 f, 308 – – Meyer-Weigert-Regel 308 – Harnverlust 212 – retrokavaler 318 f – – Diagnostik 319 – Schmerzausstrahlung 3 Ureterabgang, hoher 313 Ureterabgangsstenose 300 – bilaterale 315 – kongenitale 313 ff – – Differenzialdiagnose 315 – Nierenfunktionsszintigraphie 314 – Sonogramm 314 f Ureterdilatation – Differenzialdiagnose 300 f – im Kindesalter 295 ff – sekundäre 301 Ureterdystopie 302 Ureterektopie 227 f, 271 – Diagnostik 272 – Doppelniere 309 ff
– beim Knaben 228, 271 f – beim Mädchen 228, 271 f Ureterendometriose 153 f Ureterfehlbildung bei Doppelniere 307 ff Ureteritis, tuberkulöse 179 Ureterkarzinom 93, 163 f Ureterkompression 149 Ureterläsion – intraoperative 229 – Prädilektionsstellen 229 Uretermissbildung, kongenitale 301 Uretermündung, ektope s. Ureterektopie Uretermündungsstenose 316 f Ureternekrose, ischämische 229 Ureterobstruktion – akute 26 f – Schmerzausstrahlung 21 – im Kindesalter 259 Ureterokutaneostomie 292 Ureteropyelographie, retrograde 23 – bei Tuberkulose 180 Ureteropyeloskopie 89 f – bei Tuberkulose 180 Ureterovaginalfistel 228 ff – Symptomatik 230 Ureterovesikaler Übergang, Obstruktion 145 Ureterozele 243, 301, 312, 317 f – Diagnostik 318 – bei Doppelniere 307 – ektope, bei Doppelniere 312 f Uretersegment, terminales, adynames 315, 317 Ureterstein 20 f, 39, 97, 243 – Computertomogramm 22 – Diagnostik 97 – Schmerz 2, 44 Uretersteinkolik 20 Ureterstenose, subpelvine 145, 243, 313 Uretertumor 89, 152, 243 Ureterverkalkung – spezifische 178 ff – Tuberkulose 179 Ureterverletzung, iatrogene 243 Ureterverschlussdruck, erhöhter 315 Urethra – duplex 188, 364 – Entwicklung 358 f – hyperreaktive 214 – hypotone 214 – instabile 214 – Kalibrierung 203 – Kinking 193 – prostatische, Venenektasie 373 Urethraabstrich 250 Urethraanomalie, Ausfluss 250, 252 Urethradivertikel 55, 220 f, 456 – Darstellung 184 – Doppelballonkatheter-Urethrographie 221 – Palpationsbefund 221 Urethradruckprofil 211, 224 – Neugeborenes 299 Urethrakarunkel 55 Urethrakarzinom 49, 93 Urethraklappe 54, 243, 269, 292 – Diagnostik 290, 292 – Differenzialdiagnose 289 – Harnableitung 292 – posteriore, angeborene, des Knaben 189 Urethrakontusion 95 Urethraläsion, intrinsische 215 Urethralrinne 358 f, 363, 365
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Urethralsekretuntersuchung 250 Urethralsyndrom, postkoitales 456 Urethraperforation, instrumentell bedingte 49 Urethraprolaps 55 Urethraruptur 44 – bulbäre 52 – extrapelvine 49 – infradiaphragmale 95 – – Beckentrauma 99 f – supradiaphragmale 95 Urethrastein 45, 47 Urethrastriktur 54, 183, 193, 202 f, 243, 250 – angeborene 202 – bulbäre 185, 189 – – Diagnostik 189 – – Symptome 189 – Diagnose 195 – erworbene 54, 202 – Harnflusskurve 194 – Urethrasteinretention 47 – Urethrographie, retrograde 203 – Urodynamik 203 Urethratrauma 95, 243 Urethratumor, bulbärer 186 Urethraverengung, urodynamisch wirksame 202 Urethritis – Ausfluss 249, 251 f – Chlamydieninfektion 251 f – Gonorrhö 54, 252 – beim Mann 45 – Morbus Reiter 250 – posterior 372 Urethrographie, retrograde 49, 183 ff – Kontrastmittelaussparung 185 – Kontrastmittelextravasat 185 – bei Tuberkulose 180 – bei Urethrastriktur 203 Urethrovaginalfistel 231 Urethrozystoskopie 85, 89 f, 361 – bei Doppelniere 308 – Ureterozelennachweis 318 – bei Verdacht auf enterovesikale Fistel 103 Urethrozystozele 461 Urge-Inkontinenz s. Dranginkontinenz Urikosurische Substanz 126 Urin s. auch Harn – alkalischer – – Kristalle 103 – – Proteinnachweis 107 – – Untersuchungsergebnisse 109 – Alkalisierung 110 – – bei Zystinurie 126 – kontinuierlich saurer 125 f – pH-Wert 109 ff – Proteinkonzentration/Kreatininkonzentration-Quotient 107 – Rotfärbung 97 – saurer, Kristalle 103 – schaumiger 105 – spezifisches Gewicht 267 – Untersuchung bei Hämaturie 90 Urinabgang – bei epileptischem Anfall 231 – permanenter 271 – unwillkürlicher s. auch Harninkontinenz – – beim Lachen 268 Urinom 292, 474 – Diagnostik 290, 292 – Differenzialdiagnose 289 – bei Verletzungsfistel 228 Urinosmolalität 267 – verminderte 331 Urinprobe – Bakterienkultur 101 – Entnahme bei der Frau 100
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Sachverzeichnis
Urinproduktionsveränderung – pathologische 235 ff – – Diagnostik 239 f – – Differenzialdiagnose 240 ff – qualitative 235 – quantitative 235 f Urinreflux beim Mann 202 Urinsediment 111, 250 – Kristalle 103 f – Leukozyten 101 – Leukozytenzylinder 101 – Zylinder 111 ff – Zystinkristalle 103 Urinstatus 21 f, 194 – bei pathologisch veränderter Urinproduktion 239 Urinstix – Leukozytennachweis 101 – pH-Wert-Bestimmung 110 – Proteinnachweis 107 – – Diagnostik 108 Urintröpfeln, terminales 474 Urinzylinder s. Zylinder Urodynamik 192, 194 ff – Enuresis 264 – Neugeborenes 299 – Normalwerte beim Kind 265 Uroflow 194 Uroflowmetrie – bei Enuresis 264 – Neugeborenes 299 Urogenitale, weibliches, Stabilität 458 f Urogenitaltuberkulose 178 ff Urographie bei Hämaturie 90 Urolithiasis – Azidose, renal-tubuläre 331 – Hämaturie 87 – Harnstauung, chronische 27 – Harnwegsobstruktion, akute 26 – im Kindesalter 321 f – – Differenzialdiagnose 322 – Labordiagnostik 123 ff – bei Markschwammniere 305 – Schmerzverlauf 5 – bei Schwangerschaft 466 Urosepsis 18, 26, 82, 87 – neonatale 189 Urothelkarzinom 93 – Nierenbecken 156, 163 f – Ureter 163 f Urotheltumor, ureteraler 152 Urozystitis s. Zystitis Uterusveränderung, Dyspareunie 455 Utrikuluszyste 373
V Vagina – blind endende 347, 450 – duplex 456 – fehlende 450 Vaginalaplasie bei normalen Ovarien 450 Vaginalfehlbildung, Dyspareunie 456 Vaginalpolyp, Rhabdomyosarkom 284 Vaginalseptum 456
Vaginaveränderung, Dyspareunie 455 Vaginismus 451 f Varikozele 399, 418, 441 ff – B-Bild-Sonographie 443 – Diagnostik 399, 443 – Duplexsonographie 443 – Infertilität 393, 399 – linksseitige 442 – bei Nierentumor 161 – Palpation 399, 442 – primäre 442 – Schweregrade 442 – sekundäre 441 f Vaskuläre Erkrankung, Priapismus 410, 413 f Vaskulitis, Niereninsuffizienz, chronische 245 Vasokonstriktion, Hypertonie, schwangerschaftsinduzierte 468 Vasopressin-Resistenz 331 Vena – cava inferior – – Kompression 442 – – Tumorthrombus 67 – renalis sinistra, Kompression 442 – spermatica, retrograde Phlebographie 443 – testicularis, Thrombose 43 Venenektasie, prostatische Urethra 373 f Verhaltensstörung 234 Verkalkung – abdominale 170 ff – – asymptomatische 170 – – diagnostisches Vorgehen 174 – – Differenzialdiagnose 175 f – – symptomatische 171 – pararenale 176 – renale 176 – – parenchymatöse 176 ff – retroperitoneale 170 ff – – diagnostisches Vorgehen 174 Verletzungsfistel 230 – extraurethrale Harninkontinenz 227 f Verschlussmechanismus, ureterovesikaler 319 Verschmelzungsanomalie 300 Verwachsungen im kleinen Becken, Dyspareunie 457 Vesikovaginalfistel 212 f, 228, 230 f – Diagnostik 230 Vesikozervikalfistel 230 Videourodynamik 186 – Reflexinkontinenznachweis 223 Virilisierung 70, 347 f – Behaarungsanomalie 64 f – diaplazentare 451 e – fetale, durch exogene Androgene 346 – gestörte, genetisch männlicher Individuen 447 – Hormondiagnostik 446 Virustatika 244 Vollmondgesicht 71 Vorderwurzelläsion 226
Vorhaut, verengte 54 Vorhautschürze – dorsale 358 f – ventrale 363 Vorhautverklebung 356 Voroperation, abdominale 19 Vulvaveränderung, Dyspareunie 453 Vulvitis 456
W Wachstumskurve 325 Wachstumsstörung 323 ff – chronische extrarenale Erkrankung 328 f – exogene 327 – Niereninsuffizienz, chronische 335 – Ursache 323 f – Zystinose 337 Wachszylinder 112 f WAGR-Syndrom 274 f Werner-Syndrom 391 Widerstand, infravesikaler, erhöhter 191 – Differenzialdiagnose 196 – Urodynamik 196 Wiedemann-Beckwith-Syndrom 274 f Wilms-Tumor 73, 163, 259, 274, 282 f – Diagnostik, bildgebende 279 – Differenzialdiagnose 281 – familiärer 274 – Magnetresonanztomogramm 283 – Metastasennachweis 277, 283 – Sonogramm 276 f – Stadieneinteilung 282 – Symptome 283 Wilms-Tumor-Gene 273 Winkel, kostovertebraler, Dauerschmerz 20 Wochenbett 466
X X-Aneuploidie 445 X0-Gonadendysgenesie 447, 449 – Symptome 449 45,X0-Karyotyp 447 XX-Mann-Syndrom 61, 344, 390 47,XXY-Trisomie 69, 390, 398 XYY-Syndrom 390
Y Youssef-Syndrom 230
Z Zwergwuchs, rezessiver 392 Zylinder im Urinsediment 22, 111 ff – granulierte 112 f – hyaline 112 f
– zellfreie 111, 113 – zellhaltige 111, 113 Zylindrurie 237 Zystadenom, Samenblase 373 Zyste, paraurethrale 55 Zystektomie, Ödem, postoperatives 67 Zystenniere 301 – Hämaturie 96 Zystinausscheidung im Urin, Harnsteindiathese 124 Zystinkristalle 103 f Zystinose 330, 337 f – Differenzialdiagnose 338 – Symptomatik 337 Zystinresorption, renal-tubuläre, verminderte 127 Zystinstein 92, 126 Zystinurie 103, 126 f Zystitis 30, 54 – akute 32 f – – im Kindesalter 259 – bakterielle 217 – – chronisch-rezidivierende 32 – chemische 60 – chronische 32 f – Diagnostik 33 – Endoxanzystitis 60 – hämorrhagische 54, 99 – – Diagnostik 99 – interstitielle 32, 57 ff, 206, 219 f – – assoziierte Erkrankungen 57 – – Ätiologie 57 – – Ausschlussdiagnostik 219 f – – Biopsie 59 – – Diagnostik 58, 219 f – – Einschlusskriterien 219 f – – Harnflussmessung 59 – – Miktionsprotokoll 58 – – NIH-Forschungskriterien 57 f – – pathogenetische Theorien 57 f, 219 – – Symptome 219 – – Zystoskopie 59 – postmenopausale 54 – radiogene 60 – Reinfekt 33 – Rezidiv 33 Zystomanometrie – Blase, hyposensitive 226 – Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination 204 – Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie 205 – bei Harnspeicherstörung 210 Zystometrie – Neugeborenes 299 – unauffällige, bei Inkontinenz beim Kind 265 Zystoskopie – notfallmäßige 33 – Zystitis, interstitielle 59 Zystostomie, suprapubische 292 Zystozele 193, 458, 464 – Diagnostik 464 – prolabierende 462 Zytokine, Fieber 78 Zytostatika 244
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