Thomas Morawski · Martin Weiss Trainingsbuch Fernsehreportage
Thomas Morawski Martin Weiss
Trainingsbuch Fernsehrepo...
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Thomas Morawski · Martin Weiss Trainingsbuch Fernsehreportage
Thomas Morawski Martin Weiss
Trainingsbuch Fernsehreportage Reporterglück und wie man es macht – Regeln, Tipps und Tricks. Mit Sonderteil Kriegsund Krisenreportage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Natonalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2007 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Barbara Emig-Roller Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15250-9
Inhalt 1.1 Inhalt Vorwort.............................................................................................................. 11 1 Die Renaissance der Reportage .................................................................... 13 2 Die Fernsehreportage: Was ist das?............................................................. 15 Definitionen ........................................................................................................ 17 Der Plot-point ................................................................................................. 19 Reportage als Denkansatz................................................................................... 19 Gedankliche und dramaturgische Grundmuster.................................................. 22 Die so genannten Zufälle ................................................................................ 22 Spannungsbögen und Dramaturgie ................................................................. 23 Die Erwartungs-Spannung.............................................................................. 24 Die Struktur der Reportage ................................................................................. 26 Opening – Story – Ende.................................................................................. 27 Die Zeitlichkeit der Reportage............................................................................ 29 Das „Roadmovie“ ............................................................................................... 35 Die Stärken der Reportage.................................................................................. 37 Reportage-Ansätze in Dokumentationen ........................................................ 37 Reportage-Ansätze in Reality-Formaten......................................................... 38 Reportage-Ansätze in Unterhaltungsformaten................................................ 39 Die Schwächen der Reportage ............................................................................ 41 Die Rolle des Reporters ...................................................................................... 41 Reale Figuren statt Funktionsträger .................................................................... 42 Reale Geschichten .......................................................................................... 44 Psychologisches: Der Jagdeifer ...................................................................... 45 Die Gefahr der Freak-Show ............................................................................ 47 Kommunikationswissenschaftliches für Reporter............................................... 48 3 Die Fernsehreportage: Der journalistische Alltag ...................................... 52 Die aktuelle Reportage in den Nachrichten ........................................................ 53 Die aktuelle Reportage im Nachrichtenmagazin ................................................ 55 Die Reportage im Magazin ................................................................................. 63
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Inhalt
Die lange, „große“ Reportage............................................................................. 65 Die „Schnellschuss“-Reportage .......................................................................... 65 4 Die Fernsehreportage: Die Vorbereitung .................................................... 67 Inhaltsrecherche.................................................................................................. 67 „Google“ und Co ............................................................................................ 68 Zeitungsarchiv ................................................................................................ 68 Produktionsrecherche ......................................................................................... 70 Die Protagonisten................................................................................................ 71 Drehplan und Kalkulation................................................................................... 76 Eine Gesamtkalkulation.................................................................................. 77 Vorabsprachen mit dem Team............................................................................ 78 5 Die Fernsehreportage: Der Dreh.................................................................. 82 Die Kameraarbeit................................................................................................ 82 Die Formatfrage: 4:3 oder 16:9?..................................................................... 82 Gefahr Bildteppich.......................................................................................... 85 Übergänge, Zäsuren, Anschlüsse.................................................................... 85 Der O-Ton........................................................................................................... 86 Gespräche statt Interviews .............................................................................. 87 Originaltöne und wie man sie kriegt............................................................... 87 Künstlerische Gestaltung .................................................................................... 92 Drehprotokoll/Tagebuch..................................................................................... 94 6 Exkurs: Video-Journalismus in der Reportage........................................... 97 Einsatzmöglichkeiten in der Reportage .............................................................. 97 Einfache Technik und ihre Tücken ................................................................. 98 Die „digitale Revolution“ ............................................................................. 101 7 Die Fernsehreportage: Die Nachbearbeitung............................................ 102 Das Sichten ....................................................................................................... 102 Der Einstieg ...................................................................................................... 106 Formen des Einstiegs .................................................................................... 107
Inhalt
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Besondere Probleme des Einstiegs ............................................................... 111 Die Sende- oder Filmtitel.................................................................................. 113 Der Schnitt........................................................................................................ 114 Die Musik ......................................................................................................... 115 Archivmaterial .................................................................................................. 116 Künstlerische Gestaltung: Tricks, Blenden etc. ................................................ 117 8 Die Fernsehreportage: Der Text................................................................. 118 Wann texten? .................................................................................................... 119 Textbeispiele, wie man reportagig textet und personalisiert…......................... 120 Plattitüden......................................................................................................... 122 Reportagen ohne Text....................................................................................... 124 Voice-over oder Untertitel? .............................................................................. 125 Bauchbinden oder Inserts.................................................................................. 126 9 Wir „machen“ eine Reportage.................................................................... 128 Eine Planungsliste............................................................................................. 128 Ein Werkstattbericht: „Das Ascot der kleinen Leute“ und wie der Film entstand............................................................................................................. 130 Zockerlatein und Quoten .............................................................................. 135 „Reporterglück“............................................................................................ 136 Protagonisten und Roter Faden..................................................................... 139 Sichten .......................................................................................................... 143 10 Praktische Tipps und Tricks: Reporter-Glück und wie man es macht.......................................................................................................... 153 Vom abstrakten Thema zur Reportage ............................................................. 153 Beispiele von Reportage-Ansätzen:.............................................................. 153 Das Wie, nicht das Was – Die Meta-Ebene ...................................................... 154 Thema: Recherche ........................................................................................ 155 Thema: Vor-Ort-Sein, rechtzeitiges Dasein.................................................. 156 Thema: Umfassende Absprache mit dem Team ........................................... 156 Thema: Flexible technische Ausstattung ...................................................... 156 Thema: Neugier, „mentaler Zündfunke“ ...................................................... 156
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Inhalt
11 Gefahren des Misslingens.......................................................................... 157 Die Vollständigkeit........................................................................................... 157 Das Portrait ....................................................................................................... 158 Der Bericht ....................................................................................................... 160 12 Die Fernsehreportage: Besondere Formen.............................................. 167 Die ON-Reportage ............................................................................................ 167 Die „Presenter“-Reportage ............................................................................... 169 Vom authentischen Reporter zum inszenierten Presenter…......................... 169 Der Reporter als authentischer Akteur.......................................................... 170 Der „Anchorman“ als Akteur ....................................................................... 171 Reporter-Staffeln .............................................................................................. 176 Die Event-Reportage ........................................................................................ 178 13 Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen ................................................... 181 Die Symbiose von Krieg und Medien............................................................... 182 Krieg als „Transmissionsriemen“ ..................................................................... 182 Die heutigen Kriege.......................................................................................... 183 Rahmenbedingungen und Realitäten ................................................................ 184 Stufen und Formen der Krisenberichterstattung ............................................... 185 Definitionen ...................................................................................................... 190 Die Ware Krieg................................................................................................. 190 Rahmenbedingung Wettbewerb........................................................................ 191 Mediale Aufbereitung ................................................................................... 192 Technologien ................................................................................................ 193 „Kriegsberichterstatter“ ................................................................................ 193 Checkliste Anreise- und Arbeitsbedingungen............................................... 197 Checkliste Persönliche Ausrüstung............................................................... 199 Checkliste Sicherheit und Ausrüstung .......................................................... 201 Propaganda ....................................................................................................... 202 Handwerkliche Konsequenzen...................................................................... 205
Inhalt
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14 Ethik für Reporter ..................................................................................... 206 Subjektivität und Objektivität........................................................................... 206 Die Auswahl ..................................................................................................... 207 Publikumsinteresse contra Reporterinteresse.................................................... 207 Moral ................................................................................................................ 208 Von Rechten und Pflichten ............................................................................... 209 Presserecht für Reporter................................................................................ 209 Problem Auskunftsrecht ............................................................................... 210 Problem Hausrecht........................................................................................ 210 Problem Persönlichkeitsrecht ....................................................................... 211 Versteckte Kamera........................................................................................ 212 Authentisch Pixeln? ...................................................................................... 213 Problemfall Prominenz ................................................................................. 214 Vom Umgang mit Straftaten......................................................................... 216 Checkliste Persönlichkeitsrecht .................................................................... 221 15 Anhang........................................................................................................ 223 Glossar .............................................................................................................. 223 Fach-Englisch für Reporter............................................................................... 231 Die Autoren ...................................................................................................... 240 Filmographien................................................................................................... 241
Vorwort Dieses Buch soll diejenigen neugierig und handlungsfähig machen, die glauben, Reportage sei einerseits zu einfach, andererseits zu schwierig. Dieses Buch soll mit der Mär aufräumen, eine gute Reportage sei einfach Glück, so wie es angeblich eine reine Talentfrage sei, ob jemand ein guter Journalist ist oder nicht. Talent hin oder her, ohne geht es sicher nicht, aber der Journalismus - wie die Reportage als eine seiner reinsten Formen - unterliegt gewissen Regeln, wie jedes Handwerk seine aus Erfahrung, Erprobung und ständiger Verbesserung gewachsenen Regeln hat. Dieses Buch soll handwerkliche Hinweise erschließen, wie man das viel beschworene Reporterglück ganz praktisch herausfordert, wie man es einfach „macht“. Mit ein wenig Theorie und möglichst viel Praxis. Es soll Missverständnisse ausräumen helfen gerade zwischen Reportern und Feature-Machern. Und wir möchten natürlich dazu ermutigen, auch in schwierigen Situationen die Reportage zu erproben, und wir wollen werben dafür, wie viel Spaß es machen kann, neue Erkenntnisse und Erfahrungen vor laufender Kamera zu machen. Was das Kennenlernen der eigenen Grenzen einschließt. Dieses Buch soll den Machern, den Reportern und solchen, die es werden wollen, Spaß vermitteln. Nichts ist unmöglich. Fast nichts. Dank sei gesagt unserem Kollegen Ralph Gladitz für die Idee zu diesem Buch. Dank auch an unsere journalistischen Vorbilder wie Friedhelm Brebeck oder Peter Miroschnikoff sowie Marius Morawski als „Help-desk“ am PC. Thomas Morawski, Martin Weiss München, Mainz Juni 2007
1 Die Renaissance der Reportage 1.1 Die Renaissance der Reportage „19. August 1878 Nun begann die eigentliche Vorrückung: Zwei Kompagnien Jäger rückten nach rechts in der Richtung auf die Stadt vor, die 4. Kompagnie blieb Vorhut, hinter ihr die 3., wir – die 2. Kompagnien Nr. 52 – folgten in Masse formiert nach. Auf dem Sattel – etwa um 5 Uhr – stieß die Vorhut auf den Feind, hier fielen die ersten Schüsse. Hauptmann Steiner vertrieb die etwa 70-80 Mann starken Insurgenten, und die Vorrückung ging flott von sich, bis dieselbe am östlichen Abhange des Berges zum Stehen kam – etwa um 6 oder ¼ 7 Uhr – und sich ein intensives Feuergefecht entwickelte...“ (aus „Das zerrissene Herz“, Reisen durch Bosnien-Herzegowina 1530-1993, Beck’sche Reihe, München 1994) Knapp dreißig Jahre nach der Eroberung Sarajevos und der Besetzung des Landes erschienen 1907 die Kriegserinnerungen des ehemaligen k.u.k. Obersten Georg Freiherr vom Holtz, Von Brod bis Sarajevo, in der Reihe Unsere Truppen in Bosnien und der Herzegowina 1878. Sein – hier stark gekürzter – Bericht über die Einnahme der von den Bergen aus angegriffenen Stadt im Talkessel bildet eine erschütternde Parallele zu den Kriegsberichten von 1993. Die Reportage als Genre, als journalistische Form, ist wesentlich älter als die „Fernsehreportage“ und entspricht dem menschlichen, auch dem allzu menschlichen Kommunikationsverhalten: man erzählt gerne, man ist neugierig, man ist gerne bei etwas Wichtigem oder als wichtig Erachtetem dabei und man teilt das gerne mit. „Weißt du schon, was ich weiß, erlebt habe…“. Die Reportage bedient natürlich auch andere menschliche Instinkte, so die Neugier in ihrer schlimmeren Form als Voyeurismus; sie ist tief im normalen Leben verwurzelt, sie ist demokratisch. Für die journalistische Auseinandersetzung mit diesen eminent menschlichen Bedürfnissen und ihren ebenso eminenten medienpolitischen und kommerziellen Implikationen heißt das: Reportage ist den Menschen wichtig als eigener Erlebnisraum, mit dem Wunsch nach Nähe, nach Tabu-Bruch, nach verbotenen Blicken, nach ungestörter, unbeeinflusster Meinungsbildung. Es könnte widersprüchlicher kaum sein, und dennoch haben alle Reportagen etwas Gemeinsames: Wir lernen Menschen mehr oder minder gut kennen, denen wir auch im realen Leben begegnen könnten. Wir lauschen ihren Gesprächen, schauen ihnen zu bei ihren alltäglichen Verrichtungen, ihren Konflikten, ihren
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Die Renaissance der Reportage
Emotionen. Das echte Leben, unverfälscht, nicht gestellt, unvollkommen womöglich, kurz: wie das Leben eben ist. Es werden uns Geschichten erzählt von diesen Menschen, wir erleben mit, wir leiden mit, wir lachen mit. Das Geschehen läuft real ab, und wir sind dabei. Dies gilt aber nicht nur für die journalistischen Reportagen, auch in nichtjournalistischen Formaten treten Reportage-Elemente auf, so in der Werbung, die sich längst von der plumpen Produkt-Propaganda zur Erzählform gewandelt hat. Reale Typen erleben die Vorteile und semantischen Trauminhalte eines Produktes, und wir erleben und träumen – und kaufen – mit. So in den Fernseh-Magazinen, in den Nachrichtensendungen sowieso, gestellte Geschichten verböten sich hier. Die tatsächliche unverfälschte Abbildung ist selbstverständlich. Ebenso in der Live-Sendung mit Reporter vor Ort, die im Bild und um sich herum die Situationen schildert. Auch der Spielfilm bedient sich zunehmend der Reportageform. Die Kameraarbeit folgt den ästhetischen Kriterien der Reportage: Handkamera, Reißschwenks inmitten der (inszenierten) Aktion. Echte, identifikationsstarke Typen statt Kunstmenschen. Umgangssprachliche Dialoge statt durchgestylter Sätze, Dialekt statt Hochsprache. Reale Drehbedingungen statt Studiolicht. Die Geschichte geht unter die Haut, nicht nur im Kriminalfilm. In der Unterhaltung, Quiz, Show, erleben wir, wie reale Menschen in reale (komische, spannende) Situationen hinein geschoben werden und dem Publikum die Lacher bescheren. Beispiel: die Container-Shows, die Sendungen mit der versteckten Kamera, die Wetten. Wenn man ehrlich ist, alles das ist eigentlich Reportage. Jüngste Erscheinungsform der Renaissance der Reportage ist die DokuSoap. Oft auch als Mehrteiler verfolgen sie reale Menschen in Konflikt- oder sonstwie spannenden Situationen. Mischformen sind noch gar nicht berücksichtigt. Schaut man genauer hin, entdeckt man jede Woche ca. zwanzig Neuproduktionen von längeren Reportagen allein im deutschsprachigen Fernsehen. Nicht mitgezählt die als Dokumentation und Dokumentarfilme angekündigten Sendungen, die in Wahrheit Reportagen sind, die Magazine mit den Reportagen oder wenigstens ReportageElementen. Die pure Uraltform des Journalismus ist so aktuell wie noch nie.
2 Die Fernsehreportage: Was ist das? 2.1 Die Fernsehreportage: Was ist das? Redet man mit Programmverantwortlichen und Machern, trifft man nach wie vor auf Definitionsprobleme, die dem Zuschauer zunächst egal sein können; es sind aber Missverständnisse, die sich im Endprodukt wiederfinden, die den Zuschauer irritieren können. Und die sich nicht zuletzt für die Autoren als Verkäufer einer Programmidee als folgenschweres Hindernis darstellen. Bei Programm-Messen ergibt sich selbst unter oft altgedienten Machern immer wieder und noch immer eine fast schon babylonisch anmutende Sprachverwirrung, was die journalistischen Formen angeht. Alle wollen die Reportage, aber im Gepäck ist oft etwas anderes. Viele behelfen sich mit minimalen Kriterien: Reportage ist kürzer, billiger, aktueller, kaum gestaltet, ohne den Anspruch auf all zuviel Aussage, sie ist im Zweifel nur unterhaltend. Sie gilt manchen als Leichtgewicht und unseriös. Sie ist aktuell und deswegen nicht oder selten für Wiederholungen geeignet. Und dadurch womöglich wieder zu teuer. Das Feature ist lang, ist teuer von Anfang an, ist zeitlos (was gut ist für Wiederholungen auch in Spartenkanälen und gut für den Verkauf ins Ausland, dadurch auch wieder billiger), es ist durchgestaltet, ist anspruchsvoll und gehört deshalb ins Spätabend-Programm, oft der Höhepunkte jahrelangen Schaffens. Der Frust der Macher über zu geringe Quoten und mangelnde Resonanz liegt auf der Hand. Eine Übersicht über die gängigen Missverständnisse: x x x x x x x
Die Länge ist mehr als eine Formatfrage, sie bestimmt auch die Form, erst recht damit den Inhalt Das Feature erhebt einen Anspruch und braucht Zeit, also ein langes Format Die Reportage ist ein seichtes Format ohne größere Ansprüche, weil auch in der Regel ein kurzes Format Die Reportage ist ereignisnah ohne Zeit zur Reflexion, damit ist sie inhaltsleer Filmschaffen steht im Übrigen gegen Journalismus Der TV-Journalismus wie in der Reportage gilt als minderwertiges filmisches Schaffen Die Ergebnisoffenheit erscheint als ein Mangel an festen Überzeugungen und Zielen.
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Die Fernsehreportage: Was ist das?
Dies sind keine Übertreibungen, es ist die Essenz aus zahllosen Gesprächen mit Redakteuren, die eigentlich wissen sollten, was sie da im Programm machen oder vertreten. Es empfiehlt sich dringend, einmal mit zukünftigen Auftraggebern den Bewusstseinsstand die Reportage-Definition betreffend zu klären! Ja, die Reportage kann unterhaltend sein, sie transportiert auch Emotionen, sie ist kaum ein intellektueller Höhenflug. Sie ist „nah dran“, sie handelt von dir und mir, sie ist vergänglich. Sie ist Journalismus. Warum ist aber eines so schwierig, warum gilt es als unmöglich, eine anspruchsvolle Reportage zu produzieren, warum schließen lockere Form und gehaltvolle Inhalte einander angeblich aus? Wer sagt eigentlich, dass ein längeres Format auch ein informativeres ist? Warum soll die reduzierte Form der Reportage nicht gerade wegen der Reduktion und Übersichtlichkeit eine sehr didaktische Form sein? Warum vertrauen wir so wenig auf die Urteilskraft des Publikums? Es verwundert eigentlich, dass die Reportage sich trotz ihres offenkundigen Erfolges immer noch rechtfertigen muss. Alle wesentlichen und erfolgreichen Formen im Fernsehen haben die gleichen Kriterien zu erfüllen, die Reportage betont sie allerdings: x x x x x x
Sie müssen und wollen eine Geschichte erzählen, nicht nur ein Thema abhandeln. Sie wollen den Zuschauer und seine Gedanken und Gefühle mit einbeziehen. Sie lösen Themen in Geschichten, in Stories auf und Stories in Situationen. Sie erzählen Geschichten von echten Menschen. Sie haben klar definierte Protagonisten. Sie sind eindeutig in der Führung durch Ort und Zeit. Sie führen durch die Geschichte vor allem mit dem Mittel des Dialogs, durch den Original-Ton.
So doch auch beim Spielfilm, beim „echten“ Kinofilm. Warum das schlechte Gewissen? Erstens stellen wir fest: Reportage ist nicht zufällig, es gibt Regeln! Daraus ergibt sich ein erster Überblick über die Kriterien einer Reportage. Die Kriterien der Reportage: x x x x x x
Einheit von Ort und Zeit Nah dran, miterleben, live-nah Chronologisches Vorgehen Klare Handlungs- und Zeitstränge Transparenz, Klarheit Erzählen mit Szenen
Die Fernsehreportage: Was ist das?
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Definitionen Die Reportage ist eine reduzierte, „reine“ Form des Journalismus. Sie verzichtet auf den schnöden Schein, auf selbstverliebte Mätzchen und auf vorgefertigte Meinungen und Muster. Sie gibt dem Zuschauer eine Chance auf ein eigenes Erleben, auf eine eigene Meinung. Sie ist durchgängig und damit einfach konzipiert, sie ist konsumierbar; sie ist nicht primär künstlerisch/ästhetisch, aber dafür auch im didaktischen Sinne miterlebbar, merkbar. Sie löst das Grundproblem des Journalismus (besonders in den elektronischen Medien) von Verständlichkeit, Ablenkung und Merkbarkeit. Die Reportage führt die Zuschauer zu Menschen und ihren Problemen, in die Bereiche des Lebens und der Gesellschaft, zu denen man normalerweise keinen Zugang hat. Sie kann durch Blicke hinter reale Kulissen gesellschaftliche Hintergründe zeigen. Sie ist damit alles andere als unpolitisch. Regel: Im Mittelpunkt der Reportage stehen das Zuschauen, das Zuhören, das Miterleben. Der Zuschauer denkt nicht allumfassend, nicht vollständig wie ein Lexikon. Sein Leben besteht aus momentanen Eindrücken, aus reduzierten Zugängen zum Thema. Die Übersicht ergibt sich durch die Addition und Verknüpfung durch den Reporter. Das heißt: Die Reporter suchen die lebensnahen Geschichten hinter den globalen Themen, die Story hinter der Story, das Sichtbare des Gedachten, Geplanten, Beabsichtigten. Die Reportage stellt auch das Gesagte auf den Prüfstand der sichtbaren Realität. Sie fragt auch nach dem Handeln, nicht nur nach dem Reden, dem Wünschen, dem Möglichen. Sie ist damit investigativ, sie liefert Beweise, nicht nur Behauptungen. Regel: Reportagen reduzieren das Lexikalische auf das Naheliegende, das Menschliche. Reportagen erzählen Geschichten über Menschen, ihre Fragen und Probleme. Der Mensch ist der Souverän, aber auch Opfer und Betroffener (und Gebührenzahler, oder der Werbung zahlende Markenartikel-Konsument). Die Fragen der Menschen und ihre Probleme müssen ernst genommen werden. Ihr (geringer)
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Die Fernsehreportage: Was ist das?
Kenntnisstand ist – scheinbar – der unsrige. Ihre Erwartungen lenken die Themensuche. Die Gefahr, sie zu verwirren oder missverständlich zu informieren, lenkt die dramaturgischen Überlegungen: Entwirren, Klären, Ordnen. Im Zweifel gilt der kleinste gemeinsame Nenner an Vor-Information. Filmische Ästhetik gewinnt ihren Reiz durch handwerkliche Kniffe und Kompositionen, die Imagination möglich machen, bildhafte Vorstellungen dessen, was gar nicht real, nicht zu sehen ist, aber zu fühlen ist. Im „großen“ Kino lebt das Spiel mit den Gefühlen von dem Spiel mit den Andeutungen: Ängste, Hoffnungen, Erwartungen und Enttäuschungen, Sentimentalität und andere pure Emotionen werden erzeugt durch Bildgestaltung, durch Einstellungsgrößen, Kamerabewegungen und Schnittfolgen, Mimiken bei den Darstellern. Daraus entwickelt sich je nach Sujet eine bestimmte, typische Bildsprache, eine eigene Ästhetik. Liebesfilme sehen anders aus als Krimis. Eines ist ihnen gemeinsam, die Emotionen sind erfunden, wurden erzeugt mit rein filmischen Mitteln. Da im Dokumentarfilm und vor allem in der Reportage das abgebildete Handeln und Fühlen echt ist und nicht erst erzeugt werden muss, entwickelt sich ebenfalls eine andere, eigene Ästhetik, die durch den logischen weitgehenden Verzicht auf die nötigen Tricks, Kniffe und (im besten Sinne) Manipulationen auszeichnet. Die Reportage zeigt echte Emotionen und Handlungen, Fakten, wenn man so will. Sie muss sie nicht erst erzeugen. Der Verzicht auf weitgehende, vordergründige künstlerische und filmische Gestaltung soll kein Selbstzweck sein, sondern weil es im Falle der Reportage im Gegenteil das Authentische, das Echte durch übertriebene Gestaltung und Nachbearbeitung verwässern würde. Wo die Kamera dem Geschehen und seinem Tempo folgt, folgen auch die Schnitte und ihr Tempo. Wo die Kamera vorhandene Interaktionen zwischen den Menschen protokolliert und durch Mitschwenken auflöst, erübrigen sich sogar die Schnitte. Wo Emotionen einfach da sind, in Bild und in O-Ton, da erübrigt sich auch die suggestive Nachhilfe wie den Zufahrten auf Gesichter musikalische Dramen über Landschaftsschwenks, die gar nicht dramatisch sind, es erübrigen sich in der konkreten, detaillierten Bildsprache der Reportage überhaupt die Totalen. Die Totale, im Kinofilm eine der tragenden Säulen vor allem in der Exposition einer Szene, ist abstrakt und spielt in der konkreten Reportage so gut wie keine Rolle. Wir sehen, die Reportage verzichtet auf große Teile der filmischen Möglichkeiten der Imagination, sie entwickelt im Verzicht aber ihre eigene Ästhetik. Nur „schöne“ Bilder genügen nicht mehr. Natürlich haben gut gemachte Perspektiven ihren Platz, Nahaufnahmen von emotionsgeladenen Gesichtern etwa, subjektive Fahrten, vielleicht sogar Verfolgungsjagden, aber sie sind nicht inszeniert, sie finden statt und werden, gerade in Nutzung der Kinofilmsprache, nicht
Die Fernsehreportage: Was ist das?
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inszeniert. Die Bildsprache setzt reales Empfinden um: Neugier wird zu Annäherung durch Hinzutreten oder Hinfahren, Hinzoomen. Interaktionen werden zu Schwenks. Interesse wird zu Nachfragen in Gesprächen und Interviews. Reportage, hier einmal als Kommunikationsform betrachtet, folgt der alltäglichen Kommunikation zwischen normalen Menschen. Die Reportage bezieht ihre gesamte eigene Ästhetik aus dem normalen menschlichen Kommunikationsverhalten sowie seinen Regeln. Das wird besonders deutlich bei der Frage des Aufbaus einer Reportage, der Frage nach der Dramaturgie. Der Plot-point Die Reportage unterscheidet sich von Dokumentarfilm und Feature trotz vieler Gemeinsamkeiten vor allem durch den Umgang mit Höhepunkten. Der Höhepunkt, der Plot-point, der Moment, wo alles klar wird, wo sich alles zusammenreimt und auflöst, der Augenblick, auf den die Geschichte zugelaufen ist, wo Erwartungen erfüllt oder enttäuscht werden, wo es „ Klick“ macht beim Aufbau und Dreh eines Filmes, es ist der entscheidende Moment, der die gesamte Story trägt, das gesamte Zuschauen lohnt. Es ist der Moment des intensivsten Erlebens, es ist der Teil eines Filmes, den man am besten im Gedächtnis behält, der Teil der Story, dem man Freunden erzählen möchte und es auch tut: „Stell dir vor, was ich gesehen habe…“. Es ist der Augenblick, den man vorausdenken kann und planen muss!
Reportage als Denkansatz Zur Vorgehensweise, zum eigentlichen Handwerk der Reporter soll hier etwas ausführlicher festgehalten werden: Reportage kann man denken, sie vorausdenken, die vermeintlichen Zufälle planen. Nicht voraus Bedachtes kann kaum in der realen Drehsituation nachgeholt werden. Rechtzeitig bedenken, durchdenken, vorausdenken ist das Geheimnis einer gelungenen Reportage. Zum Durchdenken gehört auch das Bedenken von Alternativen, das fantasievolle Planen eines „Worst-case-Szenarios“. Reportage-Denken bedeutet auch schnelles Reagieren auf neue Situationen. Bei rechtzeitig und fantasievoll durchdachten Alternativen – und bei genauer Recherche! – kann dann nicht mehr so viel überraschen. Und man ist dennoch offen für Überraschungen. Das nennt man dann Reporterglück. Schon bei der Recherche kann man merken: Es liegen die Stories auf der Straße, es kommt auf die eigene Perspektive an, die eigene Neugier. Keine Neugier heißt: keine Story!
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Die Fernsehreportage: Was ist das? Regel: x x x x x x x
Die Reportage ist ergebnisoffen Sie protokolliert vorgefundene Szenen und Situationen, Entwicklungen, Ereignisse. Sie kommentiert den Hergang der Dinge möglichst nicht (oder möglichst wenig). Die Recherche geschieht oft bei laufender Kamera. Die Perspektive der Reporter ist die des interessierten Zaungastes. Die Dinge würden auch ohne das Zutun und das Dabeisein der Reporter geschehen. Reportage ist ein journalistischer Ansatz, kein filmischer, er ist ein RechercheAnsatz
Es gibt ein globales Thema, darin den Ansatz zu einer Story, einem kleinen Ausschnitt, einem singulären Ansatz. Die Story bleibt immer unter dem – unsichtbaren – Dach des globalen Themas. Für eine Reportage genügt es daher meist, eine Grundidee, eine Ahnung, eine Arbeitshypothese zu haben, kein fertiges Drehbuch, kein Treatment, aber eine Richtung. Wird die Arbeitshypothese im Lauf der Recherche falsifiziert, weicht man aus, variiert, folgt der aktualisierten oder einer neuen Arbeitshypothese. Das grundsätzliche, übergreifende Thema wird dabei übrigens meist beibehalten. Beispiel: Das abstrakte Thema lautet „Kinderarmut“. Die Story ist: wir suchen ein Beispiel, ein besonders schlimmes oder ein Positivbeispiel des Überwindens der Armut. Wir suchen Vorher-Nachher-Effekte, um einen Spannungsbogen zu haben. Stellt sich in der Recherche und/oder beim Dreh heraus, dass etwa die Positiv-Variante den gesellschaftlichen Realitäten nicht annähernd entspricht, weichen wir auf die gängige Version der allgemeinen Armut aus, am Beispiel der Kinder. Die Richtung bleibt. In Reportagen denken heißt: in jetzt (oder demnächst) ablaufenden, passierenden Stories zu denken.
Die Fernsehreportage: Was ist das?
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Fortsetzung des obigen Beispiels: Wir recherchieren ein Umfeld, in dem die sonst versteckte Armut sichtbar wird, etwa den nächsten Schuljahresbeginn, wenn Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft aufeinander treffen. Wir werden am ersten Schultag dabei sein. Wird es Streit geben um die schickste Kleidung, um die neuesten Handys? Wie werden sich die Kinder verhalten, mit wem werden sie Freundschaft schließen, neben wem wollen sie sitzen? Reportage als Denkansatz bedeutet: x neugierig auf etwas sein, nicht schon alle Antworten wissen, sondern Fragen zu stellen, Antworten zu suchen x Reportage heißt: Miterleben statt Nacherzählen x Reportage ist nicht unbedingt eine Frage des Sendeformates, sondern eine Frage der Vorgehensweise, die in viele Formate passt und dort ihre Stärken zeigt x Der Vorteil der Reportage ist: Authentisches Miterleben, hohe Glaubwürdigkeit, hohe Nachvollziehbarkeit, hohe Merkbarkeit, damit große didaktische Wirksamkeit x Reportage entspricht dem wissenschaftlichen Vorgehen einer teilnehmenden Beobachtung x Reportage hat sehr wohl ein Ziel, sie ist nicht inhaltsleer oder belanglos. Reportage ist nicht: x x x
Vorgefertigte Filmideen durch Bebildern, Nacherzählen, Nachstellen, Inszenieren, „Faken“ darzustellen Verzicht auf Gestaltung, die Gestaltungsmittel sind nur journalistischer, weniger filmischer Art Oberflächlich abbilden, sondern menschennah und verständlich argumentieren.
Ein Feature automatisch für tiefgründiger zu halten wäre ein grundlegendes Missverständnis. Die Reportage arbeitet lediglich mit allen verfügbaren Sinnen und beschränkt sich nicht nur auf den Intellekt.
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Die Fernsehreportage: Was ist das?
Gedankliche und dramaturgische Grundmuster Es erscheint wie ein Widerspruch: Die Reportage ist spontan, bildet die tatsächlich vorhandenen Geschichten ab und kann – und muss - dennoch geplant sein. Die Reportage lebt vom Zufall, aber wie der Zufall eingeplant wird, dass er überhaupt berücksichtigt wird, scheint das Geheimnis der Reportage zu sein. Wir wollen hier zeigen, wie. Zufälle sind in der Reportage selten Zufälle, sondern Beispiele eines intelligenten Einsatzes von geplanten – im Sinne von vorhersehbareren – Aktionen, Interaktionen, Konfrontationen, auch angestoßenen Begegnungen. Zufälle, auch gerne „Reporterglück“ genannt, sind in Wahrheit oft vorausbedachte Ereignisse und Alternativen zu geplantem Geschehen, sie sind abhängig von geplanten Schauplätzen, von geplanten Anwesenheiten des Teams an einem interessanten Ort, von geplanter Aufmerksamkeit hinsichtlich eines zu erwartenden und damit planbaren Ereignisses. Die Reportage verläuft nicht rein zufällig ohne jede Struktur, sie folgt konkreten Zielen. Ziele wollen ins Visier genommen werden, wollen konsequent bedacht sein. Das Handwerkszeug dazu ist die Dramaturgie. Die Dramaturgie der Reportage bedeutet: mit bewusstem Einsatz der Instrumente der Reportage einen gewollten Weg hin zum Recherche-Ziel zu beschreiten. Die Dramaturgie eröffnet erst die didaktischen Stärken der Reportage. Die so genannten Zufälle Reportage ist der Weg zum Ziel, eingeplante „Zufälle“ sind der Treibstoff. Die scheinbar überraschenden Momente treiben die Story voran: die bekannten Protagonisten in einer für sie neuen Situation. Oder: Eine bekannte Location mit überraschenden neuen Protagonisten (das was das antike Drama „deus ex machina“ nannte, den gewollten Einsatz eines Unbekannten, der dem Geschehen eine plötzliche Wendung verleiht). Für die Zwecke der Reportage genügt aber zunächst, sich der Regelhaftigkeit der Reportage bewusst zu sein, ihre Regelhaftigkeit zu nutzen und sich der anschließenden Suche nach einem offenen Ergebnis zu widmen. Ohne zielgerichtetes Interesse endet die Beobachtung eines Vorganges, eines Schicksals, eines Ereignisses im simplen Betrachten, in nutzlosem DraufBlicken ohne eine Möglichkeit, die inneren Beweggründe, Emotionen und Dynamiken kennen zu lernen - der Film würde vorbei rauschen. Trotz der reduzierten Form der Reportage verzichtet sie nicht auf dramaturgische Grundmuster. Im Gegenteil: sie ist sich der dramaturgischen und didakti-
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schen Probleme besonders bewusst. Sie antwortet auf die Fragen nur formal simpel und eindringlich. Die Reportage bildet in der Regel vorgefundene Geschehnisse ab, d.h. sie arbeitet in der Regel chronologisch, sie sucht sich nicht – wie im „gebauten“ Magazinbeitrag – nach inhaltlichen Kriterien die Versatzstücke unabhängig von ihrem zeitlichen Ablauf zusammen, um sie nach inhaltlichen Kriterien, der reinen Kausalität, aneinander zu montieren. Die Reportage hat sehr wohl einen bewussten Aufbau. Dieser Aufbau hilft dem Zuschauer, die Story zu verarbeiten, der Argumentation zu folgen, sie nachzuvollziehen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Spannungsbögen und Dramaturgie Es ist wie bei den Gebrüdern Grimm. „Es war einmal…“, die klassische Eingangsformel der Märchen, in der Reportage stimmt allenfalls die Vergangenheitsform nicht. Die anderen bekannten Regeln der Erzählung bleiben. Nichts ist letztlich Zufall, sondern gestalterische Absicht. Das Material, die eigentliche Geschichte, ist real und wird nicht manipuliert. Und wenn manipuliert, also bearbeitet wird, wird gesagt, warum (z.B. Rückblenden…). Jede Geschichte verlangt nach einem Aufbau, der das Publikum schnell bindet, der schnell klar macht, worum es geht, warum man als Zuschauer weiter dabei bleiben soll. Dazu baut man Spannungsbögen auf. Spannungsbögen bestehen aus dem Aufbau von Erwartungen („Erwartungs-Spannung“), einem motivierten Anstieg der Spannung, über einen – erahnbaren – Höhepunkt, bis hin zum Abklingen der Spannung. Reportage erzählt also Geschichten. Geschichten bestehen aus EinzelGeschichten, die gesamte Story hat Sub-Strukturen, die wie die ganze Geschichte strukturiert sind. Die einzelne Teil-Geschichte hat wieder einen Anfang und ein Ende mit einem klar definierbaren Höhepunkt, sie wird gefolgt von einer weiteren Story, die denselben Regeln unterliegt. Diese Teil-Geschichten nennen wir Sequenzen. Eine aufregende Sequenz kann die ganze Story darstellen, meist brauchen wir jedoch eine Abfolge von Sequenzen für eine interessante Reportage. Jede dieser Sequenzen bietet entsprechende Chancen für einen Reporter einzugreifen, die Story zu steuern, den Fortgang der Story zu thematisieren, den Fortgang voranzutreiben. Ein Voranschreiten der ursprünglichen Story ist unumgänglich, sonst wäre die ganze Story eine teilnahmslose Beobachtung, die als Dokumentarfilm Sinn haben könnte, die aber mit dem gegenwärtigen Geschehen und den heutigen Befindlichkeiten wohl nur wenig zu tun haben dürfte.
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Die Erwartungs-Spannung Reportage spielt im Jetzt, die Recherche bei laufender Kamera geht von der Gegenwart aus weiter, das Spannende ist die unbekannte Zukunft. Was ist Spannung? Das Überraschende, Unerwartete, das Unbekannte, nicht zuletzt die Erwartung des Unbekannten, Bedrohlichen, des Neuen. Spannung als dramaturgisches Element in der Reportage heißt also, mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen, ihnen einen kleinen Gedanken lang einen Ausblick zu geben, was auf sie zukommt, Fragen aufzuwerfen, deren Beantwortung versprochen wird. Beispiel: Mit der Bergwacht im Taunus (HR 15.2.2006) Es ist Wochenende, der erste Schnee, die Pisten sind eisig, der Tag erwacht, der erste Verletzte ist schon in Behandlung, es wird nicht der letzte bleiben. Die Helfer frühstücken, wann sie wieder etwas essen können, ist ungewiss… Der Nachmittag ist die gefährlichste Zeit, die Ermüdung, der Alkohol, die Selbstüberschätzung… Wieder ein Skifahrer, der sich überschätzt hat, Beinbruch! Auch Taunus-Pisten können gefährlich sein, vor allem, wenn der Schnee tagsüber ein bisschen taut und es dann nachts wieder knackig kalt wird. Da wird mancher Hang zum Eisbrett und mancher Weg zur Rutschbahn… Es gibt die entscheidenden Momente im Leben und die Möglichkeit der liveartigen Abbildung des Zeitpunktes, wenn etwas auf der Kippe steht, wenn man nicht weiß, wie es weitergehen wird. Dies ist der Augenblick der höchsten Erwartungs-Spannung. Hier entscheidet sich logischerweise, ob und wie die Zuschauer weiter mitgehen wollen. Hier muss im besten Sinne manipuliert werden, um klar zu machen, wohin die Reise geht, warum unter den erkennbaren Vorbedingungen, was das Ziel ist, und dass die Reise eine unter vielen denkbaren ist. An diesem Punkt hat die Dramaturgie der Reportage ihren wichtigsten Einsatz! Vor allem an den entscheidenden Schlüsselmomenten muss klar werden, wie die Story weitergehen wird. Dazu sind an solchen „plot-points“ eigentlich nur Blicke in die Zukunft erlaubt, allenfalls Blicke in die Gegenwart, sicher nicht in die Vergangenheit, da sonst die Perspektive der Nacherzählung eröffnet würde. Man fordert das Interesse ein wenig heraus, gibt das Ergebnis der Geschichte noch nicht preis, gibt aber womöglich einen kleinen Ausblick, gibt Tipps, was
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daraus werden könnte. Man macht neugierig, gibt den Kurs vor, ohne das Ziel zu deutlich werden zu lassen. Wenn es gelingt, macht man süchtig auf das Ende. Es ist wieder diese Regelhaftigkeit, die das Geheimnis der guten Reportage ist. Eines der Grundmuster ergibt sich aus dem normalen Kommunikationsverhalten: am Anfang steht eine Frage, eine Erwartung, am Ende steht die Beantwortung der Frage, die Erfüllung – oder Enttäuschung – der Hoffnungen. Das dramaturgische Modell dafür heißt: eine eröffnende Situation wird abgerundet durch eine entsprechende Szene am selben Ort, mit denselben Protagonisten am Ende eines Films, das ist der Handlungsrahmen! Diese Grundkonstruktion der Klammer – alles andere als genial – funktioniert immer wieder. Es ist das aus dem Kriminalfilm bekannte Prinzip der Rückkehr des Täters an den Tatort. Es lohnt sich, an dieser Stelle einen Blick auf unser normales Kommunikationsverhalten zu werfen. Was machen wir, wenn wir etwas Interessantes erlebt haben und es unseren Freunden mitteilen wollen? Wir analysieren zunächst nicht, wir erzählen: „Ich muss dir unbedingt erzählen, wie…“ „Es war einmal, und ich erzähle dir, was ich wirklich erlebt habe…“ „Da sagt mein Nachbar doch…“ Wir wecken Interesse durch die Form der Erzählung, etwa durch einen Überraschungsmoment, durch offene Fragen. Wir machen neugierig. „Du glaubst nicht, was ich gestern erlebt habe…“. „Ich sage es nur dir ganz im Vertrauen…“, „Ich kann es selber noch nicht glauben, aber…“. Das bedeutet: wir haben einen klar definierten Kommunikationspartner, nämlich den Zuschauer, niemanden sonst. Er ist quasi unser Freund, dem wir vertraulich etwas zu berichten haben. Mit ihm reden wir, ihn ziehen wir ins Vertrauen, wir setzen uns mit seiner Neugier, seinen Erwartungen, seiner Skepsis, seinen Hoffnungen, seinen Ressentiments auseinander. Seine Unkenntnis ist eher eine Motivation, genauer zu berichten, als es sein zu lassen. Wir reden miteinander wie am Familientisch, wie an der Biertheke. Das Gespräch unter Freunden kennt kein Wissens-Gefälle. Man redet auf gleicher Augenhöhe. Man tauscht sich aus. Man kennt keine Geheimnisse mehr. Dies ist die Arbeitsperspektive der Reportage: „Alles bleibt unter uns…“ „Ich sage, wie es wirklich war. Ich war ja dabei…“
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Die „Kunst“ der Reportage ist es, das professionelle mediale Verhalten wieder auf eine normale zwischenmenschliche Ebene zu bringen. Die professionelle Ebene, das Vorwissen, bleibt unsichtbar, wird primär nicht kommuniziert, ist aber gleichwohl vorhanden, ist unersetzbar, bleibt Reserve-Wissen. Es geht um die Abstraktion vom eigenen Wissen.
Wie unter der Lupe erscheinen unter dem gesamten Spannungsbogen Unterstrukturen Jede Story hat ihre gedankliche Gliederung. Jede Story hat daher auch ihre eigene Dramaturgie, einen begründeten und ersichtlichen Aufbau. Jede Gesamtstruktur, nicht nur in der Reportage, besteht aus Unterstrukturen, die wiederum aus Spannungsbögen bestehen. Es ist das normale Auf und Ab aus Anspannung und Entspannung.
Die Struktur der Reportage Die Reportage will nicht unbedingt belehren, sie arbeitet aber gleichwohl und besonders nach den didaktischen Gesichtspunkten, nämlich denen der Merkbarkeit, der Nachvollziehbarkeit, der Transparenz, dem Angebot zum Weiterdenken, zur eigenen Meinungsbildung, der Vermeidung von ablenkenden Faktoren sowie der Klarheit. Sie ist eine Erzählform, sie will Neugier erzeugen, Spannung halten, auf den Punkt kommen. x x x
Jede Geschichte hat einen Anfang und ein Ende (und sei es, ein offenes). Viele Geschichten haben ein Vorspiel und ein Nachspiel. Viele Geschichten haben einen Hintergrund.
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Geschichten bestehen aus Beispielen, die das Allgemeine erklären. Beispiele leiten zum Allgemeinen. Das Allgemeine führt zum Beispiel. Viele Beispiele zeigen den umstrittenen Charakter einer Sache. Ist etwas nicht umstritten, reduziert sich die Zahl der Beispiele und Protagonisten auf ein Minimum. Viele Geschichten bestehen aus einzelnen Teil-Geschichten, jede mit einer eigenen Dramaturgie, eigener Spannung Teilgeschichten reihen sich aneinander wie Perlen auf einer Kette.
Daraus ergibt sich ein Grundmodell, das nicht nur für die Reportage variiert wird, das sich überlappt, ergänzt, sich hochschaukelt: Opening – Story – Ende Wir werden in eine Situation hineingeworfen, erleben einen ganzen Vorgang, der schließlich zu einem Ende kommt. Eine simple, abgeschlossene Reportage über eine Handlung, die einen vollständigen Eindruck vermittelt. Action - Story - Action . . . Ein Ereignis geschieht, wir schildern den abstrakten Hintergrund hinter der konkreten Geschichte, die sich dann weiterentwickelt in einem weiteren, typischen, aktuellen Geschehen. Frage – Diskussion - Antwort Eine Frage wird aufgeworfen, sie wird anschließend diskutiert, es ergibt sich eine Antwort, ein rundes Bild. Hochspannung – Entspannung - Hochspannung Eine Story beginnt mit höchster Spannung, bindet den Zuschauer sofort, dann folgt die eigentliche Geschichte, lädt ein zum Zuschauen, Zuhören, man hat Zeit zum Luft holen, man entspannt sich wieder, bis sich die Schilderung der Story zu einem neuen, abschließenden Höhepunkt entwickelt. Problem – Thema - Lösung Ein Problem wird erläutert, es wird thematisiert, es wird Interesse an der Fragestellung geweckt, das Thema dahinter wird deutlich, man arbeitet sich hindurch und kommt schließlich zur Lösung der Frage.
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Aktualität – Thema - Aktualität Ein Ereignis passiert, dahinter steckt ein abstraktes Thema, das erklärt wird, am Ende wird die Aktualität unter dem neuen Blickwinkel noch einmal betrachtet. Heute – gestern - morgen Gerade passiert etwas, was ging dem voraus? Wie geht es weiter? Fall - Weiterleitung - Überleitung . . . Ein interessanter Einzelfall, der für ein ganz bestimmtes Gesamtthema steht, das geschildert wird, der Fall erschließt eine ganz neue Szenerie. Beispiel – Allgemeines - Beispiel Ein typisches Beispiel unter vielen, ein allgemeines Problem, das es wert ist, beleuchtet zu werden, das Beispiel wird abschließend unter den neuen Hintergründen analysiert. Blick – Rückblick – Ausblick Wir erleben etwas Interessantes, es liegt ein Blick auf die Vorgeschichte nahe, und wir wollen natürlich wissen, wie es sich vielleicht weiterentwickelt. Aktion – Akteur - Aktion Es passiert etwas Neues. Nichts passiert von selber, Menschen stecken dahinter, wer sind sie, wir verfolge sie weiter mitten im Geschehen… Vorstellung – Stellungnahme - Bewertung Ein Thema wird geschildert, verschiedene Meinungen werden dazu eingeholt und abschließend neutral oder auch engagiert bewertet.
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Die Zeitlichkeit der Reportage Die Reportage geht vom Jetzt in die Zukunft. Der dramaturgische GesamtAufbau ist also der Zeitverlauf, die sogenannte Zeitlichkeit:
Linearer Aufbau einer Reportage, auf einer Zeitachse zulaufend auf einen Höhepunkt Das Grundmodell einer linearen, chronologischen Struktur, sachlich richtig, eingängig, aber womöglich zu langweilig, eignet sich wenig für die Reportage; denn zuviel Zeit vergeht bis der Höhepunkt der Geschichte erzählt werden kann. Die lineare Form ist bei Langzeitbeobachtungen und eher im Dokumentarfilm zu finden. Beispiele: Das 1-Sterne-Hotel. Letzte Zuflucht M nnerwohnheim, SWR 2006 Handlungsstrang: linear, Konfrontation mit Wohnungsgesellschaft, Beobachtung des Alltags im Heim Herr Augenreich braucht nicht viel: 10 Quadratmeter reichen zum Wohnen. Hauptsache, man hat nette Nachbarn, grade über den Flur. Mit denen wird er gleich frühstücken. Und danach den Tag in Angriff nehmen. Am Vormittag werden sie sich gemeinsam auf die Suche nach Pfandflaschen machen, die andere achtlos wegwerfen… Der studierte Volljurist hat sich in dem Männerwohnheim das Leben perfekt eingerichtet. Hier kann er mit wenig Geld frei und einigermaßen zufrieden le-
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Die Fernsehreportage: Was ist das? ben. Doch da kommt die Kündigung der Wohnungsgesellschaft, sie will das Heim abreißen, Teile stehen leer, teure Renovierungen sind nötig, das Heim ist nicht mehr rentabel… Seither ist Krieg zwischen der Wohnungsgesellschaft und Herrn Augenreich. Er und seine Mitstreiter wollen den Abriss nicht hinnehmen. Denn das Männerheim ist längst mehr als nur eine Unterkunft, es ist ihre Lebensform… Suff oder Job Karstens letzte Chance, NDR 2006 Handlungsstrang: linear, begleitend, Grundproblem als Einstieg, dann Rückblende Karsten ist erwischt worden mit zuviel Promille am Arbeitsplatz. Karsten ist Kranführer im Hamburger Hafen, ein gefährlicher Job, erst recht, wenn man zuviel trinkt. Tonnenschwere Container schweben an seinem Kran, nicht auszudenken, wenn sie hinunter stürzen würden. Nach drei entsprechenden Abmahnungen ist eigentlich die Kündigung fällig. Karsten bekommt eine letzte Chance, seinen Arbeitsplatz zu behalten: absolute Trockenheit, eine Therapie, Mitmachen in einer Selbsthilfegruppe. Zwei Monate lang begleitet ein Team Karstens Kampf gegen die Sucht… SOS K stenwache Einsatz auf der Ostsee (NDR 27.9.2006) Leinen los, der Tag beginnt an Bord, Begrüßung, Einweisung, Auftrag, Vermisste zu suchen, Einsatz, Stakkato der Befehlskette, Suche nach Vermissten, Spuren der Vermissten tauchen auf, verstärkte Suche, kein Ergebnis, Zwischenbilanz des Tages, Dienst geht weiter… Der Tage endet mit einer Bilanz, und morgen geht es weiter an Bord…
Die Reportage wählt eher und bewusst das Wellenmodell aus Spannung und Entspannung, auflaufend auf den Höhepunkt der Geschichte und folgt dabei dem vorgefundenen, tatsächlichen Zeitrahmen.
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Der wellenförmige Aufbau einer Reportage, immer noch auf der realen Zeitachse auf einen endgültigen Höhepunkt zulaufend Der dargestellte Aufbau bietet sich an bei Geschichten, die vom Auf und Ab einer Sache handeln. Das kann vor allem bei Investigativ-Reportagen angebracht sein, wo es um die Suche von etwas geht, wo Erfolg und Scheitern für eine ständige Spannung sorgen, und wo ein Höhepunkt, nämlich das Ergebnis der Suche zwingend ist. Beispiel: Wieso, Sie leben ja noch . Ein Stasi-Opfer k mpft um sein Recht, BR 1997 Vorstellung des Opfers in Anflughalle mit Koffer voller Akten. Er sollte von der Stasi umgebracht werden, steht darin, mit Name und Dienststelle. Erwartungs-Interview am Flughafen vor Abflug: „Sie werden Leute treffen, die Sie bespitzelt haben, wollen Sie die wirklich sehen…?“ Grundidee: Suche nach den Verantwortlichen für eine beabsichtigte Tötung eines mutmaßlichen Regimekritikers, Konfrontation, Opfer soll selber suchen, Kamera soll ihn dabei begleiten Handlungsstrang 1: Aktenfunde, aufgezeichnete Drohungen am Telefon, alte Fotos von vermeintlichen Freunden Gespräch über Umfang und Inhalt der bisher geheimen Akten, Psycho-Terror. Handlungsstrang 2: Spurensuche in Berlin, Suche nach den namentlich bekannten Verantwortlichen für die beabsichtigte Liquidation, Konfrontation beabsichtigt, scheitert an einer Mauer des Schweigens. Handlungsstrang 3: Suche nach dem Mann im Hintergrund, einem ehemaligen Freund in Italien, Konfrontation mit Aktenfunden.
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Eine Parallel-Montage zweier gleichzeitig laufender Entwicklungen erzeugt schon mehr Spannung, Beispiel, wie zwei unterschiedliche Menschen die gleiche Situation unterschiedlich erleben und meistern.
Der parallele Aufbau einer Reportage, wiederum auf der realen Zeitachse, ein Höhepunkt ist nicht zwangsläufig definiert Beispiel: Leben f r 8 Cent. Flaschensammler in Deutschland. WDR 2006 Handlungsstränge: Fallstudien, linear, beobachtend Monika ist seit neun Uhr auf den Beinen, wie jeden Morgen, da macht man den besten Schnitt. Das lassen ihre Tüten und Taschen erkennen. Die meiste Zeit verbringt sie am Wuppertaler Hauptbahnhof. Hier findet Monika die meisten Flaschen, achtlos weggeworfen von Reisenden. Ihr Nebenverdienst beläuft sich auf vier Euro am Tag, die sie zum Leben dringend braucht. Die Hartz-VierEmpfängerin war zweimal verheiratet und hat zwei Kinder… Andrzej ist eigentlich Diplompsychologe, geschieden und seit Jahren arbeitslos. Er hat das Flaschensammeln professionalisiert… Um eine solche Struktur sinnvoll und spannend zu machen, bietet sich das Winner-Loser-Modell an: Zwei Menschen auf demselben Weg, einer schafft das Ziel, einer schafft es nicht.
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Noch eindrücklicher ist eine Abwandlung, in der sich parallel entwickelnde Geschichten einander annähern, sich am Ende überkreuzen, sich begegnen (Schnittpunkt-Modell).
Parallel-Aufbau einer Reportage mit zwei sich kreuzenden Wegen. Der Kreuzungspunkt stellt den Höhepunkt der Story dar. Beispiel: Fett weg! Mit 14 in die Abspeckklinik, HR 2006 Handlungsstränge: Beobachten, linear begleiten, ein Protagonist schafft es, einer nicht, roter Faden ist die wöchentliche Gewichtskontrolle. Für vier Wochen kommen übergewichtige Kinder und Jugendliche wie Steven, Christine, Tamara und Stephanie in die Spessart-Klinik nach Bad Orb. Hier wollen sie mit viel Sport und geregeltem Essen unter Anleitung abnehmen. Ihr Tagesablauf ist streng geregelt. Werden sie durchhalten? Nach der ersten Woche hat Steven neun Kilo verloren, 20 will er schaffen… Eine allgemein taugliche Dramaturgie ist die Abwandlung des Grundmodells: Ein spannender Moment wird nach vorne gestellt (etwa eine Aktion, ein besonderer programmatischer O-Ton, ein Ausblick auf die Geschichte). Um die Story selber nicht schon ganz zu erzählen, um nicht die Spannung herauszunehmen, ist es besser, den zweitspannendsten Moment an den Anfang zu stellen, dann erst erfolgt die Erzählung der eigentlichen Geschichte, beginnend womöglich mit einer Rückblende (wie es dazu kam...). Dies bietet sich an bei Geschichten, deren (überraschender) Verlauf das eigentliche Thema ist.
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Linearer Aufbau einer Reportage mit einem vorweg genommenen zweiten Höhepunkt am Anfang der Geschichte. Der eigentliche Höhepunkt folgt am Ende der Reportage. Beispiel: Ein Tod in Texas , Reportage vom WDR Die Story 2006 Handlungsstränge: aktueller Einstieg, Hinrichtung, Rückblick auf ein Leben, Nebenprotagonisten wie den Henker, der Pfarrer u.a., linearer Aufbau, mit OTönen der Delinquentin OT Gefängnissprecherin: Die Rechtsmittel sind ausgeschöpft, die Verurteilte hat auf die ihr zustehende letzte Mahlzeit verzichtet und auch ihr letztes Statement nicht in Anspruch genommen… Der Hinrichtung steht nichts mehr im Wege. Es ist 18 Uhr 7. Einige wenige Demonstranten rufen noch nach der Delinquentin, die Reporter stellen sich vor das Gefängnis, um in Aufsagern den bevorstehenden Tod zu vermelden. Rückblende: Frau Newton im Gefängnis berichtet über die Umstände des Mordes an ihrem Mann… Die Chronologie einer Hinrichtung…
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Die Förderkorb-Struktur, eine Geschichte mit kurzen Nebengeschichten auf dem Weg zum Ende der Story, eine Dramaturgie des Dokumentarfilms Interessant ist auch die „Förderkorb“-Struktur. Wie in einem Förderkorb im Bergbau gleitet ein Protagonist durch verschiedene Etagen der Geschichte, wirft einen Blick hinein, um dann weiterzufahren, weiter zu suchen. Hier werden scheinbar nebenher interessante Seiten-Geschichten entdeckt und erzählt. Beispiel: Hotel zur lockeren Schraube. WDR 2006 Handlungsstränge: linear, beobachtend, begleitend, rein situativ, ein Protagonist führt durch das Haus und stellt seine Freunde vor. „Willkommen im Hotel zur lockeren Schraube“ sagt der Mann am Eingang und hält lachend die Tür auf. Er ist einer von neun Bewohnern der Wohnverbundes, einer einzigartigen Einrichtung in NRW. Ein Hotel ist es zwar nicht, aber tatsächlich sind alle, die hier leben, ganz schön seltsam. In den Worten der Alltagssprache sind sie wahnsinnig, irre, verrückt… Alle waren vorher Dauerpatienten in geschlossenen Anstalten. Unter medizinischer Kontrolle und unter Anleitung von Betreuern sollen sie hier jedoch ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen, mit eigenem Zimmer, Taschengeld und Ausgang… Eine Woche zwischen Wahn und Wirklichkeit.
Das „Roadmovie“ Ein scheinbar anderes Modell zum Aufbau einer Reportage kennen wir alle, ohne uns dessen ganz bewusst zu sein. Wir alle kennen aber das „Funktionieren“, das Spannende daran, es ist ganz einfach und wurde oft probiert, weil es immer gut funktioniert. Es ist die Rede vom Roadmovie. Ein Protagonist bewegt sich auf einer linearen Zeitachse durch die Welt, fährt von A nach B, blickt nach links und rechts, entdeckt Interessantes, hält inne für einen Moment, schaut vielleicht
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genauer hin, widmet sich für ein paar Augenblicke den interessanten Randgeschichten und geht dann weiter. Es ist auch eine Art Förderkorb-Modell. Ein simples Durch-die-Welt-Fahren wäre wahrscheinlich langweilig. Durch die Seitenblicke aber und das kurze Hineinleuchten in unbekannte Neben-Welten wird die Story interessant. Man kann so etwas gezielt als Dramaturgie einsetzen, der Spielfilm macht es vor, eigentlich macht er die Reportage nach (z. B. „Paris – Texas“, „Asphalt-Propheten“, im Original noch deutlicher: „Roadside Prophets“, „Auf der Suche nach dem kleinen Glück“ oder auch gleich „Auf und davon“)! Der Protagonist wird gar zum Helden, Fahren oft zum Selbstzweck, die Suche nach Freiheit das Thema („Easy Rider“). In der Reportage wäre es eher der Zuschauer, der durch die Reporter, durch den Film selber an die Schauplätze geleitet wird und selber seine neugierigen Blicke in die Welt wirft. Es muss ja nicht immer gleich ein richtiger Held sein. Es setzt aber eines voraus: Die Schauplatzwechsel müssen ausgiebig gedreht werden, sie sind ja scheinbar die eigentliche Story im Roadmovie, also das Losfahren, das Fahren, das Ankommen, auch an den Zwischenstationen. Die Fahrt selber ist Gelegenheit für Reflexionen darüber, was man gerade am verlassenen Schauplatz erlebt hat, wie es weitergeht, was der Protagonist für Erwartungen hat an den nächsten Schauplatz. Die Fahrt von A nach B ist daher auch einer der wenigen Momente, wo man Vergangenheit oder sonst wie Unsichtbares thematisieren kann im Gespräch. (Beispiel: Wie ist das denn sonst? Wie war das denn früher, war das anders als eben erlebt? Was war daran jetzt so besonders? Was war daran enttäuschend? Warum hat der Protagonist so wenig oder so viel Emotionen gezeigt? Wird es beim nächsten Mal wieder so sein? Hat der Protagonist Angst vor dem Erwartetet? Gibt es Vorfreude?) Die Förderkorb-Dramaturgie des Roadmovies ist ein oft funktionierender Trick, in eine Vielzahl von unzusammenhängenden Episoden eine Linie zu bekommen. Man braucht lediglich einen Akteur im Vordergrund, der sich durch die infrage kommenden Schauplätze bewegt, sie verbindet und quasi als Moderator verbindet. Die Zahl der Wechsel an Schauplätzen und Personen, der Schwingungen im Modell, hängt wie immer von der zur Verfügung stehenden Zeit ab. Es verlangt auch eine gewisse Mindest-Länge. In einer 1’30-Story wird man kaum Zeit haben, das Förderkorb-Modell anzuwenden, eine Struktur mit einer Rückblende dagegen schon. Das lineare Modell taugt sicherlich für die meisten Fälle und Sendelängen. Grundsätzlich gelten diese Muster aber für jede Form und Länge der Reportage.
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Die Stärken der Reportage Kein Wunder, denn die Stärke der Reportage sind x x x x x x x x
ihre Entsprechung der normalen Kommunikation ihre darin begründete hohe Glaubwürdigkeit die wiederum bedingt ist durch die Nachvollziehbarkeit nicht zuletzt durch ihre Transparenz ihre Unterhaltsamkeit die unaufdringliche Didaktik die Schnelligkeit in der Produktion und nicht zuletzt deutliche Kostenvorteile.
Die Stärken der Reportage werden in vielen anderen Formen und Formaten des Fernsehens genutzt. Durch den Einsatz von Reportage-Elementen und Ansätzen ergeben sich zahllose Mischformen. Reportage-Ansätze in Dokumentationen Der Vorteil der Dokumentation, ihre Zeitlosigkeit, ihre typische Fähigkeit, Vergangenes zu thematisieren, wenn auch nicht sichtbar zu machen, wird schnell zur Schwäche. Vergangene Akteure stehen meist nicht mehr zur Verfügung, vielfach steht gar kein Dokumentationsmaterial bereit. Bei zeitgeschichtlichen Themen ist die Lösung – mit Hilfe von Reportageansätzen – noch relativ einfach: Man suche sich Zeitzeugen, gehe mit ihnen an die entsprechenden Schauplätze und befrage sie dort nach der Vergangenheit. Das gleiche Modell funktioniert auch bei Gegenwartsthemen, deren Geschehen gerade eben vergangen und damit nicht mehr sichtbar ist. Betroffene können an den entscheidenden Schauplatz des Geschehens gebracht werden, um sie dort mit der eigentlichen Story zu konfrontieren und um dort Emotionen abzuholen. Faktisch, historisch mag das womöglich weniger ergiebig werden, die Didaktik der Reportage dürfte aber auch in diesen Fälle gut tun, vielleicht zu gut, über den historisch, inhaltlich verantwortbaren Rahmen hinaus. So die Gefahr irrelevanter Zeitzeugen mit ihrer ganz eigenen Dynamik („Ich war Hitlers Zahnbürste…“). Die andere Möglichkeit: Reporter machen sich auf die Suche nach historischen Spuren an einem Ort oder in einem Archiv. Irgendwann wird aber auch diese Suche mit all ihren faktischen Beschränkungen langweilig oder unfreiwillig komisch wirken. Ein Einstieg in eine Dokumentation ist es allemal.
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Beispiel: Tod im Vorbeifahren, WDR 2006 Handlungsstrang: kausal, dokumentarisch, gemischt mit Reportage-Elementen an den Unfallschauplätzen Ein Auto fährt durch die Nacht, Mutter liest aus den Ermittlungsakten, Unfallfotos, Unfallhergang, Mutter liest unter Tränen, gestellte Autofahrt. OT Zeuge, „ein Anruf um diese Zeit ist nie was Gutes…“, Mutter am Schauplatz des Unfalls, sie pflegt das Kreuz. Das Holzkreuz von Melli ist gut zu sehen, mitten in der Öffentlichkeit, direkt vor der Wellblechfassade eines Baumarktes. Melli war 15 Jahre alt, als sie an dieser Stelle von einem Betrunkenen mit dem Auto überfahren wurde. Für ihre Mutter ist sie seither zum Engel geworden, deswegen auch hat das Kreuz die stilisierte Form eines Engels bekommen. Die Unfallstelle wird wie ein Grab gepflegt, Vorbeifahrende sollen an die Tragödie erinnert werden. (Mutter bereitet den Blumenschmuck vor, O-Töne am Kreuz, es folgt ein Blick auf das kurze Leben des Mädchens, Fortsetzung der Dokumentation) Reportage-Ansätze in Reality-Formaten Die Reportage findet sich auch in den Reality-Formaten wieder, die seit Beginn der 90er Jahre vor allem über das Privatfernsehen auch in alle anderen Kanäle fanden, ob sie nun „Big Brother“, „Deutschland sucht den Superstar“ oder sonst eine der sogenannten Container- und Casting-Shows sind. Das Grundmuster ist klassisch reportagig: ein (inszenierter) Ablauf einer Geschichte mit klarer eigener Zeitlichkeit (etwa: vorher – nachher), eine distanzierte Beobachtung, wie die Geschichte unter den neuen (inszenierten) Bedingungen weitergeht. Die Geschichte lebt in diesem Genre, das der Unterhaltung zuzuordnen ist, besonders von der Fallhöhe zwischen den Protagonisten. Deswegen wird hier auch eine besondere Auswahl getroffen, um über die Vielfalt an Typen eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für Gefälle und damit Spannung zu garantieren. Dies ist das eigentliche Geheimnis von Casting.
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Beispiel: K chentr ume, K chentr ume, RBB 2006 Handlungsstränge: klassische Dokumentation über die Geschichte der Küche, darin enthalten sind Reality-Elemente in Form einer Zeitreise. Ausgangspunkt ist eine alte Mühle in der Uckermark. Hier wagt die Familie Schulenburg ein Experiment. Oma, Opa, Sohn, Schwiegertochter und der Enkelsohn werden am eigenen Leib erfahren, wie es früher in der Mühlen-Küche zuging. In historischer Umgebung, ohne Strom und fließendes Wasser, ohne jedes moderne Hilfsmittel kochen sie, mit Originalzutaten und Haushaltsrezepten von vor 150 Jahren… Reportage-Ansätze in Unterhaltungsformaten Bei der Schilderung der Stärken der Reportage haben wir bereits geschildert, dass diese Form besonders geeignet ist, das Problem der Flüchtigkeit, der Ablenkung, der Formattreue und Zuschauerbindung zu begrenzen und vielleicht sogar zu lösen. Dies erschließt auch Bereiche im Fernsehen, die bislang der „seriösen“ Information verschlossen waren, d.h. die Grenzen verschwimmen. So spielen auch Unterhaltungssendungen, die sogenannten Reality-Formate, oder Saal- und Außenreporter bei „Wetten-dass“ längst mit den Stärken eines Live-Formates, mit dem Prinzip der Fallhöhe, mit den vorab bedachten Überraschungen. Dass Unterhaltungsformate der ständigen Zuschauerkontrolle (und Einschaltquoten-Macht) besonders unterliegen, wenn es um Spaß, Dynamik, Überraschung, Hintersinn und Emotion geht, liegt auf der Hand. Deshalb wird in vielen Unterhaltungssendungen mit der Fernsehform experimentiert, die Emotion und authentische Überraschungen garantiert: Der Reportage, auch wenn sie in diesem Zusammenhang kaum genannt werden wird. Für journalistische Macher mag es eine schlimme Vorstellung sein, aber die Container-Shows à la „Big Brother“ sind streng genommen Reportage pur. Verwandlungs-Shows à la: Hässliches Entlein wird Superstar, sind Reportage. Die Grundidee ist natürlich hochgradig inszeniert, die Personen allesamt gecastet, aber der Ablauf mit offenem Ende, der Wettbewerb vor laufenden Kameras, die Emotionen, alles Reportage! Die Beschäftigung mit der Planung einer solchen Unterhaltungssendung oder auch nur Infotainment-Shows soll aber nicht Gegenstand dieses Buches sein. Die folgenden Beispiele sollen einfach nur sensibilisieren für die Stärken und Wirkungsmechanismen, denen man selber beim täglichen Fernsehkonsum unterliegt!
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Beispiel: Einsatz in vier W nden (RTL 2006 ff) Eine Familie ist unzufrieden mit dem Aussehen ihres Hauses, ihrer Wohnung. Sie führen durch das unvollkommene Ambiente. Als "Reporterin" fungiert eine schrille Kunst- und Showfigur in Gestalt einer Moderatorin, die die Wünsche einsammelt und Vorschläge zur Umgestaltung unterbreitet. Die Familie wird ausquartiert, das Haus völlig umgebaut, die Familie wird im Unklaren gelassen, wird immer wieder abgefragt über ihre Hoffnungen und Ängste, schließlich zieht sie wieder ein, die Überraschung ist perfekt. Die spannenden Momente und Effekte sind weitgehend echt und in Realzeit dokumentiert. Ein guter Reportage-Einsatz! Beispiel: "Iam I am" (MTV 2007): Schwererziehbare soll/will eine Lady werden. Ihr bisheriges Leben ist gekennzeichnet durch Verweigerung. Sich nicht zu duschen, auf die Straße zu spucken, nur mit den Fingern zu essen, permanent zu fluchen. Sie lebt in der Scheinwelt der WG, kleidet sich schlecht, läuft in einer entsprechenden Verweigererhaltung durch das Leben. Ein Coach soll sie davon überzeugen, dass sie eine Lady werden soll, was im Übrigen auch ihrem Selbstbewusstsein förderlich sei. Das wird im Lauf des Films als Hauptproblem herausgearbeitet. Die Zusammenarbeit mit dem Coach (objektiv eine Reporter-Rolle) ist typischerweise außerordentlich schwierig. Es kommt zu zahllosen Überraschungsmomenten, (die erste Dusche) mehreren Rückschlägen und zu guter Letzt zum Erfolg: das Mädchen ist jetzt gestylt wie eine Lady, lädt Freundinnen und Verwandte ein, hält auch die verhasste kleine Ansprache und kann plötzlich mit Messer und Gabel essen. Eine Alltagsgeschichte eigentlich, deren Spannung allein durch das offene Ende geleistet wird. Man fiebert mit, wechselt in seiner Sympathie durchaus mehrfach die Seiten und Perspektiven: einmal nervt das Mädchen in seiner Verweigerung, dann tut sie einem wieder leid. Mal nervt der (die) Coach, mal leidet man mit ihr und will mit ihr alle Bemühungen aufgeben. Zwei Kameras liefern ständig beide Protagonistinnen in gleichwertiger Weise. Gutes Reportage-Konzept.
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Die Schwächen der Reportage Alle Wirkungsweisen, alle Stärken, sind andererseits auch Schwächen, und umgekehrt, in der Reportage wie auch in anderen Formaten. Keine Aktionen, keine Interaktion, heißt zunächst jedenfalls: keine Reportage! Außer man schiebt sie an, provoziert sie (siehe unten!). Die Stärken überwiegen eindeutig die Schwächen der Form: Was einmal vergangen ist, taugt nicht mehr als Thema. Alles nicht Sichtbare entfällt, scheinbar. Die Reportage tut sich logischerweise schwer mit den rein intellektuellen Inhalten, den rein disputierenden Themen. Hier wird aber die These vertreten, dass viele Themen auch zur Reportage taugen, wenn man sich darum bemüht. Es ist eine Frage des Denkansatzes. Es ist die Frage, ob man Geschichten sieht oder nur Themen abgehandelt haben möchte. Ob man „nur“ das Hirn beschäftigt wissen will oder auch den Bauch. Ob man das breite Publikum gewinnen will oder nur die vorinformierte und vorinteressierte Elite. Reportage ist nicht elitär, außerdem demokratisch, bietet jedem eine Chance zur eigenständigen Meinungsbildung. Ihre indirekte Wirksamkeit ist jeden Versuch wert. Sie verlangt vom Zuschauer nicht mehr, als sich zu öffnen und sich eine eigene Meinungsbildung zu erlauben. Seicht muss sie jedenfalls nicht sein. Dass die Renaissance der Reportage auch zur Verdrängung von „schweren“ Inhalten geführt hat, soll hier nicht bestritten werden. Dass die früheren schweren Formen wie Feature und Dokumentation ihren in den Rundfunkgesetzen beschriebenen Bildungsauftrag für das breite Publikum geleistet haben, wird hier gleichwohl in Frage gestellt. Es kommt eben darauf an, was man daraus macht.
Die Rolle des Reporters Die Rolle des Reporters ist direkt an die Frage nach der Dramaturgie einer Reportage gebunden. Sichtbar wie unsichtbar. Logisch: Keine Reportage ohne Reporter. Meist sieht man sie – aus gutem Grunde – nicht. Wie sichtbar sie werden, oder sogar werden müssen, ist wieder eine Frage des Denkansatzes. Welche Rolle hat der Reporter in der geplanten Reportage zu spielen, welches dramaturgische Grundmuster wird wahrscheinlich das tragende werden? Wird es eine Reportage sein, die quasi (d.h. gut geplant und gut vorausgedacht) „von selber läuft“? Dann ist der Reporter wahrscheinlich eher eine unsichtbare Figur, vielleicht noch hörbar als Fragensteller im OFF.
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Oder greift die gegenteilige Dramaturgie der Reportage: Läuft gar nichts von selber, bleibt das Entscheidende verborgen, will es entdeckt, gesucht werden? Wer wird die suchende Figur sein? Wird es ein Protagonist mit „TüröffnerFunktion“ sein, der allenfalls vom Reporter immer wieder angeschoben, motiviert, vielleicht auch provoziert wird, weiter zu suchen oder der Reporter als suchender Mensch selber? Wenn niemand sucht, sucht womöglich allein der Reporter? Daraus ergeben sich abgestufte Vorgehensweisen mit ebenso abgestufter Sichtbarkeit der Reporterfigur. Es sind Reportagen denkbar, in denen gar kein Reporter sichtbar ist, oder im anderen Extrem dauernd sichtbar, agierend, weil er durch die eigene Suche zum Protagonisten geworden ist. Es gibt logischerweise je nach Situation eine Unzahl von Zwischenstufen des Hineinziehens der Reporter in die Story, man sollte sie nur vorausdenken. Alle sind gleich tauglich für eine gute Reportage, wenn sie gewollt sind. icht zu vergessen: Gibt es von Seiten des Senders Vorgaben? Hat „man“ im Bild zu sein? Ist das reportagehaftige Vorgehen, das – angeblich - Investigative gar die Grundidee einer Sendung? Dann sollte man entweder die Diskussion offensiv nach Regelhaftigkeit abklopfen, oder es einfach als gegeben hinnehmen. Was bleibt ist die klassische Rolle. Die Reporter sind quasi die Stellvertreter der Zuschauer. Für sie werfen sie die Blicke hinter die Kulissen, für sie stellen sie die naheliegenden Fragen, die berechtigte wie auch naive Fragen sind. Für sie mischen sie sich ein in die Situationen, für sie distanzieren sie sich auch wieder von den Menschen. Der Reporter ist Handlungsbevollmächtigter der Zuschauer. Er tritt in Aktion (manchmal, wenn subjektiv agierend) auch im Bild. Dies kann bis zur Fallstudie oder dem Selbstversuch gehen. Aus Themen werden dadurch Erlebnisse von und mit Menschen, samt ihren Emotionen. Diese in der Reportage vorgestellten Menschen werden zu Mitmenschen durch das gemeinsame Erleben.
Reale Figuren statt Funktionsträger Wir haben es beim Reporter wie bei den Protagonisten mit „echtem“, lebenden Menschen zu tun. Sie leben in ihrem ureigensten Zusammenhang, auch der Reporter. Die echte Neugier wirkt sich dabei informativer und investigativer aus als jeder akademische Ansatz. Der Zuschauer lernt die „Helden“ der Story im szenischen Zusammenhang kennen, als glaubhafte Akteure, nicht als Funktionsträger. Im Idealfall erübrigt sich die „Bauchbinde“, das „Insert“ mit Funktionsbezeichnung und erst recht sonstigen Erläuterungen wie „ ... ärgert sich immer über
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seine Frau“. Entweder er ärgert sich und man sieht es, oder es bleibt eine Behauptung, die man nicht unbedingt glauben muss. Die Reportage nimmt ihre Protagonisten ernst, stellt sich auf ihre Seite, ohne sich zu verbrüdern. Der Reporter geht geduldig mit seinen Akteuren um, er führt sie, aber er führt sie nicht vor. Sind die abzubildenden Situationen um die Akteure herum zu erlebnisarm, können Konfrontationen und Begegnungen erzeugt werden, die dann zur Plattform des Miterlebens werden. Ganze Storys können auf dieser Hilfskonstruktion aufgebaut werden. An der Ausgangslage ändert das aber nichts: auch auf der einmal erzeugten Plattform bleibt der Reporter wieder der distanzierte Beobachter. Der Reporter ist so neugierig wie der Zuschauer es gerne wäre. Er scheut vor keinem Menschen zurück, auch nicht vor denen, die er attackiert und kritisiert. Auch Kritikwürdiges muss erst einmal dargestellt werden. Psychologische und faktische Hemmschwellen können thematisiert werden. Jedes Schaffen von Transparenz ist auch Information. Womöglich wird das „Wie“ der Interaktion zum eigentlichen Thema. Beispiel: Wie jemand um Worte ringt, wie jemand nichts sagt, welches Gesicht er während einer Erklärung, eines O-Tones macht, wie jemand die Recherche verhindert. Die Reportage nimmt sich dramaturgisch zurück. Sie ist ein journalistisches Produkt mit überschaubarer Halbwertszeit, kein künstlerisches Werk. Aber auch eine ehrliche, zeitgerechte Bestandsaufnahme kann zeitlos sein. Die Dramaturgie der Reportage ist bestimmt durch x Lebendigkeit x Miterlebbarkeit x Übersichtlichkeit Tipp: Der entscheidende psychologische Zugang zu Menschen ist die ehrliche Neugier, das ehrliche Interesse an ihrer Geschichte, die ehrlichen Nachfragen. Die Kommunikation verläuft damit auf gleicher Augenhöhe.
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Daraus ergibt sich: die Reportage hat Stärken und Schwächen, wie jede andere Form im Fernsehen auch. Es gilt, die Stärken auszunutzen und entsprechend in die Planung einer Sendung einzubringen. Die Reportage eignet sich besonders für Inhalte, in denen es auf die didaktische Dimension von Information besonders ankommt, in denen es um investigative, konkrete Inhalte gehen, in denen es um den Bezug zu Menschen geht. Die Grundidee ist immer dieselbe: x x x x
Echte Menschen erleben etwas Neues. Es gibt einen neutralen Beobachter für das zu erwartende Erlebnis, dies hat eine gewisse Relevanz, einen ungewissen Ausgang. Begegnungen finden statt, die sonst nicht stattfinden würden. Konfrontationen, Wiederverreinigungen finden statt, die Höhepunkte einer Geschichte werden hervorgehoben.
Reale Geschichten Reale Geschichten zwischen Menschen verlaufen wie das wahre Leben. Sie beginnen, sie laufen auf Höhepunkte zu, sie enden, sie sind womöglich auch gar nicht auf den ersten Blick sichtbar, sie sind zwischenmenschlich interessant. Verborgene Geschichten sichtbar zu machen, ist aber journalistisches Gebot. Allerdings: Reportagen als Geschichten, die das Leben schreibt, verlangen nach ebenso echten Grundbedingungen: sie sollen echt, also authentisch sein, nicht manipuliert, auf einen inhaltlichen Zweck zugerichtet. Die Reportage soll eine klare, nachvollziehbare Position beziehen zwischen den Grundanforderungen vollständiger Berichterstattung und unterhaltenden Elementen, auf die die Zuschauer auch Anspruch haben. Dies hat Folgen für das alltägliche Handwerk. Eine ehrliche Recherche war immer schon ergebnisoffen. Eine ergebnisoffene Recherche setzt offene Interviewformen voraus; offene Ergebnisse erfordern offene Schauplatzkonzepte; eine offene Dramaturgie sucht nach flexiblen Aufnahmetechniken, die bis zuletzt nicht geplante Ergebnisse ermöglichen. Offene Recherche braucht maximal flexible Technik, braucht rechtzeitiges Vorausdenken vor allem der technischen Dimension von Fernsehinformation. Geschichten über Menschen zu erzählen heißt, lebendige Portraits zu zeichnen. Menschen in Situationen zu bewerten, sich zu distanzieren, sie zu kritisieren oder sie hervorzuheben, heißt ausreichend „Fleisch“ zu sammeln. Hierfür braucht man möglichst themennahe, beziehungsreiche (Schnitt-) Bilder.
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Am besten sind die realen vorgefundenen Situationen, weil vor allem sie den echten Rahmen bilden, in dem sich die Protagonisten ungehemmt und ungebremst entwickeln, öffnen, sogar entlarven können. Psychologisches: Der Jagdeifer Das vielleicht schwierigste Problem für Reporter ist gar kein journalistisches, sondern ein psychologisches: Der Jagdeifer, den Reporter nicht immer, aber doch häufiger entwickeln müssen als man meint. Man könnte es auch die angeborene Neugier bezeichnen, die ein Reporter haben sollte. Hat man das nicht, sollte man es entwickeln, auch das geht. Ein zweites Problem: Die eigene Nähe zu den Inhalten der Story, das Sich-der-Wirklichkeit-Aussetzen. Dies ist Chance und Belastung zugleich. Die Forderung an Reporter, sich selber ein Bild von den Dingen zu machen, führt zu zahllosen Begegnungen mit Menschen, die man sonst nie kennen gelernt hätte. Das ist meist eine ausgesprochene Bereicherung und Lebenserfahrung. Allerdings, man muss es mögen, Menschen nahe zu kommen, ihnen offen zu begegnen, sie auch zu kritisieren, direkt anzugehen, auch den Preis zu zahlen in Form von gehasst werden, verjagt werden, vielleicht auch verprügelt werden. Alles Belastungen, die man möglicherweise und je nach Intensität ein Reporterleben lang wird mit sich herumtragen muss. Wie oft hat man Erwartungen geweckt oder es wurden Erwartungen in uns gesetzt, die wir schließlich nicht einlösen können, wo wir Menschen enttäuschen müssen. Das muss man aushalten können. Sich interessanten, auch ausgesprochen schwierigen Situationen auszusetzen, womöglich Länder kennen zu lernen, wie sie kein Tourist jemals sehen wird, das ist ein erhebliches Stück Lebenserfahrung, für das man in anderen Berufen einiges geben würde und auch in Form von Erlebnis-Events gibt. Selbst in Krise, Krieg und Katastrophe kann es bereichernd sein, mit existenziell bedeutenden Problemen persönlich konfrontiert zu sein: Mit Krankheit und Tod, Bedrohung, menschlichen Abgründen, Lügengebäuden und Tricks, jeder Art von Leid und Not, Hilflosigkeit auch bei uns selber. Auch wir selber können schnell einmal bedroht sein in unserer Integrität. Aber wir werden auch Menschen begegnen, die über sich hinaus wachsen und wir als Reporter vielleicht ein kleines Stück mit ihnen. Wo erlebt man so etwas in der Wohlstandsgesellschaft mit ihren angeblichen Problemen sonst noch? Aber, wie gesagt, man muss das mögen! Der Reporter muss Menschen aus naheliegenden journalistischen Gründen nahe kommen, sie zum journalistische Zwecke als Informationsquellen erschließen und öffnen, ihr Vertrauen gewinnen, im schlimmsten Falle auch erschleichen. Der Zweck, der vor allem investigativen Reportage, heiligt sicherlich nicht alle Mittel, aber es gibt Grenzbereiche. Der Zweck ordnet sich aber sicherlich
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dem Ziel einer gelungenen Reportage unter. Dazu braucht man einen gewissen Jagdeifer. Als Reporter muss man sich darüber ganz im Klaren sein. Wer mit halbwegs intaktem moralischem Gerüst im Berufsleben steht, dürfte damit kein größeres Problem haben, aber die Rückwirkungen auf die Reporter-Seele selber werden oft unterschätzt. Für anhaltende Traumata werden heute speziell für Journalisten professionelle Beratungen angeboten. Sollen unhaltbare Zustände etwa in einem Schlachthof entlarvt werden, muss man sich vom Leid der Tiere in ihren letzten Sekunden ein Bild machen, selber! Soll ein untergetauchter Krimineller aufgedeckt werden, muss man womöglich seine Nähe suchen, Vertrauen finden, und dieses Vertrauen wieder unter Gefahr brechen. Wer soziale Probleme aufdecken und anprangern will, muss sie kennen, selber sehen, womöglich sich selber ihnen aussetzen. Ein Reporter muss Menschen auch klar machen können, dass es nicht geht, wenn sie unsere journalistischen Interessen für ihre eigenen anderweitigen, persönlichen, materiellen Interessen missbrauchen wollen. Wir müssen Einhalt gebieten, wenn uns nahe gelegt wird, es nicht so genau zu nehmen, und ihren Interessen zu folgen. Für den Umgang mit solchen Konfliktsituationen kann es kein Patentrezept geben. Es gilt wieder einmal die Zauberformel „Es kommt drauf an…“ Oft wird die rechtzeitige Überlegung, ob der aufzudeckende Sachverhalt rein privater oder öffentlicher Natur ist, vor schlimmsten Seelenschäden bewahren. Der Maßstab kann nur der der relevanten Information, des gesellschaftlich relevanten Informationsbedürfnisses sein, nicht der der gelungenen medialen Effekte. Im Idealfall muss man den Menschen, die man vor eine Kamera geholt hat, wieder in die Augen schauen können nach der Sendung. Aber es gibt nicht nur Idealfälle, und oft lebt eine gute investigative Story natürlich auch von Effekten. Der einzige Rat, der hier gegeben werden kann, ist: Solche Effekte um des Effektes willen vorauszudenken, um sie zu vermeiden. Sind sie nicht auszuschließen, kann man sie immerhin noch thematisieren, sich in der Story selber damit auseinandersetzen. Man kann sie im kontroversen Gespräch mit den Protagonisten thematisieren („Das kommt jetzt aber vielleicht bei unseren Zuschauern etwas komisch an…“). Ganz ohne Jagdeifer oder wie auch immer man das Dilemma nennen will, kommt wohl kein Reporter aus, mache sagen, Jagdeifer sei sogar Grundvoraussetzung für einen guten Reporter. Und jeder, der sich Reporter nennt, sollte sich diesen Grundsatz bewusst machen, rechtzeitig.
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Die Gefahr der Freak-Show Die Reportage entwickelt sich über normale Typen in ungewohnten Situationen oder ungewöhnliche Typen in normalen Situationen am besten. Wenn man die Vorgabe des menschenwürdigen Umgangs mit solchen Typen und Momenten vernachlässigt, entsteht die Freak-Show, das Vorführen seltsamer Spezies, die Jahrmarktsbude mit seltsamen Monstern, mit Nicht-Menschen. Diese Gefahr für eine faire Berichterstattung besteht insbesondere bei Themen, bei denen die Reporter meinen zu wissen, wo die ethischen Grenzlinien verlaufen, wo ein moralisch höherwertiges Thema das Vorführen der vermeintlich minderwertigen Verantwortlichen und Verursacher rechtfertigt. Die Lacher hätte man sicher auf seiner Seite, ob auch die journalistische Ethik, ist eine andere Frage. Ganze Sendereihen leben davon, dass auf den ersten Blick sich selbst entlarvende Typen einen Einblick in moralisch verwerfliche Welten ermöglichen. Ganze Sendetypen, ja sich Reportagen nennende Formate führen Typen vor um des reinen Effektes willen. Womöglich besteht das Unmoralische eines solchen „Reportage“-Ansatzes gerade in der scheinbaren Distanziertheit, in dem verborgenen moralisierenden Ansatz. Die Freak-Show will gründlich bedacht sein. Die Reportage ermöglicht mehr als andere TV-Formen die Missachtung von Menschen und genauso ermöglicht sie den Respekt vor der Vielfalt der menschlichen Typen, sie lebt gerade zu davon und darf sie deshalb nicht desavouieren. Die Reportage personifiziert allgemeine Fragen und Probleme auf konkrete Fragen und Probleme konkreter Menschen. Sie hat klar identifizierbare Hauptpersonen, Protagonisten. Je weniger, desto besser. Regel: Menschen müssen vorgestellt werden. Menschen müssen begleitet, miterlebbar werden. Dazu braucht man sie in lebendigen, in echten Situationen agierend. Menschen sollen womöglich bewertet werden. Dazu braucht man ausleitende, überleitende Situationsstudien. Die strikte Personifizierung birgt natürlich auch inhaltliche Probleme. Politischhistorisch mag es schwierig sein, alle Fakten an eine kleine, jedenfalls übersichtliche Zahl von Protagonisten zu binden. Abstrakte Interessen und Verantwort-
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lichkeiten lassen sich nicht – jedenfalls nicht unter dem Aspekt der nachprüfbaren, journalistischen Recherche – zuweisen an Einzelpersonen. Institutionelle Interessenlagen sind schwierig darzustellen, auch in der Reportage. Die Funktions- und Wirkungsweise der Reportageform gestattet es aber auch unter politischen Gesichtspunkten, die programm-politischen in den Vordergrund zu stellen. Das Bemühen um Aufmerksamkeit, um Resonanz, auch um Quote bei den Zuschauern sollte nur aus dem jeweiligen Programmauftrag heraus begründbar sein.
Kommunikationswissenschaftliches für Reporter Fernsehinformation ist eine äußerst flüchtige Information. In der Regel hat man nur einmal die Gelegenheit, sich mit der Information auseinanderzusetzen. Oder man hat keine Lust oder Zeit, die Information in gespeicherter Form, sei es als Download oder als Video noch einmal zu sehen. Zumal die Menge des gesendeten und gespeicherten Angebotes jeden Tag ins Unermessliche wächst, nur unsere Zeit nicht. Die Zeitknappheit ist das eine Problem, das zum Zwang zur Auswahl führt. Die begrenzten kognitiven Fähigkeiten jedes Publikums und unsere Unkenntnis über seine Möglichkeiten, Fähigkeiten und sonstigen individuellen Profile sind das andere große Problem. Es gibt unzählige empirische Untersuchungen darüber, was Menschen wahrnehmen und vor allem im Gedächtnis behalten. Oder, um die Ergebnisse vorwegzunehmen, was sie nicht behalten. Nur ein Bruchteil der angebotenen Informationen bleibt hängen, jedenfalls beim nicht vorinformierten und vorher bereits interessierten Publikum. Ein Massenmedium macht sein Programm aber für alle, und vor allem für diejenigen, die eben noch nicht vorinformiert und vorinteressiert sind. Wir reden von Massenmedien, die ein nur in Ansätzen und in allgemeiner Form bekanntes Publikum mit Angeboten versorgen. Unsere Information ist eine Einbahnstrasse. Wir können kaum beeinflussen, ob unsere Zuschauer uns überhaupt sehen, und wir können vor allem kaum beeinflussen, wie sie uns sehen. Die Zuschauer sehen etwas, verarbeiten die Information in ganz eigener Weise, wenn sie es denn überhaupt tun. Dabei spielt eine Rolle, wie Information als solche erkennbar oder verpackt wurde. Das Gesehene wird in der verarbeiteten Version gespeichert, oder auch gar nicht. Schon einfache Nachfragen auf Wissensebene, nicht einmal auf Verständnisebene, haben ernüchternde Ergebnisse. Der reine Lerneffekt ist denkbar gering. Es sei denn, jemand wollte etwas lernen, aber das ist nicht der Alltag. Oft können Zuschauer nicht einmal genau benennen, welche Sendung sie auf welchem Kanal gesehen haben, sie können allenfalls Geschichten oder Teile davon nacherzählen, wenn es denn Geschichten
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waren. Was in der Regel aber wieder abrufbar ist, sind Geschichten und Erlebnisse mit Menschen. Je näher man sie erlebt hat in einer Sendung, je sympathischer, bekannter, normaler, aber auch prominenter, je geeigneter sie erscheinen als Projektionsfläche für die Hoffnungen, Erwartungen und Träume des Zuschauers, desto besser bleiben sie im Gedächtnis haften. Die Werbung hat längst darauf Rücksicht genommen: Es werden kleine Geschichten erzählt, am besten in der Form von Menschen, die echte Autoritätspersonen für uns sein könnten, am besten Freunde, Bekannte und Familie, auch echte Autoritäten wie Ärzte oder einfach Sympathieträger jeder Art, Leute wie wir (oder wie wir sein möchten). Nur dann sind wir bereit, zuzuschauen und Glauben zu schenken. Das sind Fakten, die Medienmacher gerne übersehen und vernachlässigen, aber es bleiben Fakten. Die Oberflächlichkeit ist ein Faktum, kein Vorwurf an das Publikum. Es ist ein Auftrag an die Macher, die geeignete Form zu finden und den Bedürfnissen der Zuschauer entgegen zu kommen. Schon die Situation, in der man fernsieht, bestimmt mit, wie intensiv Fernsehinformation aufgenommen wird. Ist man allein oder in Gesellschaft, ist man konzentriert oder abgelenkt, sieht man nur fern oder hat man eine Nebenbeschäftigung, ist womöglich das Fernsehen die Nebenbeschäftigung? Je nachdem ist die Rezeption intensiver oder oberflächlicher. Die eigentliche Botschaft, die Fernsehinformation kann auch zum simplen Impulsgeber werden für eine andere, von uns als Machern nicht geahnte und unbekannte sekundäre Kommunikation der Menschen miteinander oder auch mit sich selber, dem Weg in ganz andere Gedankenwelten und Träume. Es ist das Gespräch über das gerade Gesehene, während die von uns angebotene Information wohlgemerkt weiterläuft, am Zuschauer vorbei. Das kann ein Problem sein bei ausgesprochen abstrakten Inhalten, komprimierten Informationen, das ist gar kein Problem bei vordergründigen Dingen wie Fußballsendungen. Information bleibt ein Einbahnstraßen-Angebot. Was die Zuschauer daraus machen, ob sie etwas daraus machen, das ist eine ganz andere Frage. Womöglich ist die sekundäre Kommunikation viel interessanter als die primäre. Wobei die Kommunikation zwischen Menschen allgemein als die interessantere betrachtet wird. Im Zweifel bauen sich die Zuschauer ihre ganz eigene Sendung im Kopf zusammen, je nachdem, welche Impulse geboten wurden. Dabei spielen ablenkende Faktoren, die aus der Sendung selber stammen, eine große Rolle, wir können sie beeinflussen, wenn wir uns dessen bewusst sind. Über die Möglichkeiten, abgelenkt zu werden, lohnt es sich nachzudenken, es sind die Momente, in denen Zuschauer abschalten, geistig oder tatsächlich mit
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der Fernbedienung in der Hand. Es sind entscheidende Faktoren für den Erfolg von Medienangeboten. Ablenkende Faktoren sind begründet im Gefälle zwischen dem Sender und dem Empfänger einer Medienbotschaft. Objektive Faktoren sind: x x x x x x x
Unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Vorerfahrungen Unterschiedliche Sprache, unterschiedliches Sprachniveau Unterschiedliche Perspektiven zum Thema Chancen zur Überprüfbarkeit des Angebotes Nachvollziehbare Diskussion Unterschiedlicher Positionen Glaubwürdigkeit der Aussender
Subjektive Faktoren: x x x x x
Typ und Äußeres des Absenders (Beispiel: Aufsager), Reporter, Sendung, Sendeplatz, Programmkanal Grad der Zuwendung ans Publikum Glaubwürdigkeit der Protagonisten eines Filmes Klarheit über das Zielpublikum insgesamt Ablenkende Faktoren beim Absender selber (Reporterfigur, sitzt die Krawatte schief!?)
Die Verweildauer bei einem Medium ist kurz. Kaum jemand liest eine Zeitung ganz durch, selten sieht jemand eine ganze Sendung, die er vorher nicht kannte, oder dessen Thema ihm nicht relevant und bekannt einsichtig schien. Niklas Luhmanns „kognitive Dissonanz“ ist eine der nachvollziehbarsten Wirkungsweisen der Medien, weil sie die Nichtwirkung analysiert. Hier hat auch das bei Fernsehmachern gefürchtete „Zappen“ seinen Ursprung. Die Verweildauer bei einem Medium wird außerdem kürzer, auch wenn der Gesamtkonsum von Fernsehinformation zunimmt. Fernsehen wird inzwischen auch und vor allem als Unterhaltung gesehen, auch Informationsprogramme; Stichwort Infotainment! Als Information wird alles das angesehen, was nicht ganz inszeniert ist. Es wird mehr gesehen und schneller umgeschaltet und abgeschaltet. Das ist das Feld, in dem sich auch die Fernsehreportage bewegt. Darum auch legen wir hier eine besondere Betonung auf die Bedeutung der didaktischen Wirkungsmöglichkeiten und Wirkungsrisiken sowie auf die Möglichkeiten, die die Reportageform bietet:
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Zuschauernahe Perspektive Glaubwürdigkeit durch Transparenz Nachvollziehbarkeit Minimum an Ablenkung Maximum an Identifikationsmöglichkeiten Merkbarkeit durch Miterleben
Wieweit neue, internet-gestützte Speicher- und Kommunikationswege langfristig etwas an diesem Zuschauerverhalten ändern, bleibt abzuwarten. Auch die neuen Wege wie Online-Speichermedien und Offline-Speichermedien wie Podcast, ändern nichts an den grundsätzlichen Problemen für Fernsehmacher: Der eher größer werdenden Knappheit an Zeit, die Flüchtigkeit der Information, die Zunahme an Medienangeboten insgesamt, die zunehmende Anspannung der Zuschauer, um nicht zu sagen, Überforderung. Das tägliche, ja permanente Rennen um die Aufmerksamkeit macht diejenige Form, die Information am nachhaltigsten transportiert, die den einzelnen Zuschauer am umfassendsten anspricht. In den folgenden Kapiteln versuchen wir die Stärken der Reportage herauszuarbeiten. An konkreten Beispielen soll aufgezeigt werden, wie man Themen finden, sich Themen nähert, sie recherchiert, dreht und stilgerecht umsetzt und mit einem passenden Text versieht. Praxisnah und immer wieder mit Querverweisen versehen geht erst einmal darum, in welchen konkreten täglichen Sendungen Reportagen eingesetzt werden können.
3 Die Fernsehreportage: Der journalistische Alltag 3.1 Die Fernsehreportage: Der journalistische Alltag Die Reportageform eignet sich für – fast – alle Längen an Fernsehformaten. Wie gezeigt, spielt das Ausreizen einer vorgefundenen Situation, die Geduld mit den Protagonisten eine gewisse Rolle, vor allem das Ausredenlassen bei interessanten O-Tönen, das Zuschauen bei zeitlich nicht beeinflussbaren Ereignissen. Dies verlangt sicherlich auch eine gewisse Mindestlänge an Sendezeit. Je länger ein Format, desto besser eignet sich auch die Reportageform. Ausgeschlossen sind die kürzeren Formate damit aber nicht. Die Werbung macht es wieder einmal vor. Heutzutage werden immer mehr kleine Geschichtchen erzählt, kaum mehr als 20 Sekunden lang – und sie „funktionieren“. Dennoch: in einem Nachrichtenbeitrag von einer Minute oder 1’10 dürfte bei den meisten Themen nicht genug Zeit sein, die Stärken der Reportage auszuspielen. Dazu sind z.B. die meisten authentischen O-Töne dann doch zu unartikuliert, zu breit, eben echt menschlich. Reportage mit ihrem hohen Anspruch an die Authentizität der O-Töne ermöglicht auch „unprofessionelle“ O-Töne von echten Menschen, die sich auch einmal nicht kurz fassen können, O-Töne von fremdsprachigen Menschen, die wir beim Dreh nicht immer auf die erforderliche Schnittlänge bringen können, weil wir sie einfach nicht gleich verstehen; Sprachen unterscheiden sich übrigens sehr in der Vielzahl der Silben bei der Beschreibung desselben Sachverhaltes. Aber, diese These sei hier aufgestellt, ab einer Sendelänge von zwei Minuten aufwärts sollte immer eine Reportage möglich sein, wenn man die Prinzipien und Regeln beherzigt, wie die Reduktion abstrakter, großer Themen auf kleine, typische Stories, strikte Auswahl der Protagonisten, enger zeitlicher und räumlicher Rahmen usw. Der folgende Abschnitt will die Möglichkeiten und Chancen beschreiben für die drei Formen von Reportagen im journalistischen Alltag: x x x
Die aktuelle Reportage in den News Reportage im Magazin Die lange/“große“ Reportage
Als Themenspektrum ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten aus den Stärken der Reportage: x
Die chronologische Begleitung eines Vorganges (aktuelle NachrichtenGeschehnisse, Events, auch Unterhaltungsthemen)
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Das dokumentarische, chronologische Protokoll an einem interessanten Schauplatz (Ein Tag in…, auch „Blaulicht-Reportagen“) Die Dokumentation eines Entwicklungsgefälles (vorher – nachher) Das Sichtbarmachen von vergangenen, unsichtbaren Themen Fallstudien, Selbstversuche Investigativ-Themen (Gesucht wird…; Auf den Spuren von…)
Die aktuelle Reportage in den Nachrichten „Mach uns doch mal eine Geschichte mit einigen Reportageelementen, oder eine Story, die ‚reportagig’ beginnt.“ Diesen oder ähnliche Sätze hört man immer häufiger, auch oder gerade in aktuellen Redaktionen. Selbst Nachrichtensendungen und sind sie auch noch so kurz, versuchen mit kleinen Geschichten die Zuschauer davon abzuhalten, mit der Fernbedienung zu spielen. Denn bricht man ein großes politisches Problem auf den „kleinen Mann“ herunter, kann sich der Zuschauer identifizieren, dem Vorgang folgen und im Idealfall sagen: Ah, so ist das! oder Das hab ich nicht gewusst! Beispiel aus dem Alltag ist der Mann, der seit einem Jahr Hartz IV – Empfänger ist, der Arbeitslose, der nicht bei der Spargelernte helfen will, die alleinerziehende Mutter, die mit ihren zwei Kindern nicht arbeiten kann, aber auch mit der Unterstützung nicht auskommt oder der Student, der arbeiten muss, um sein Studium zu finanzieren, das dadurch länger wird. Beispiele dieser Art ließen sich zahlreiche finden. Die „politischen Oberbegriffe“ oder warum diese Stories bestellt werden heißen dann: -
Diskussion im Bundestag zu Hartz IV (Kürzung) Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen Debatte um das Familiengeld, Kindergeld und Ähnliches
Bei Sendelängen von 1.10 – 1.30 Minuten lassen sich natürlich keine vollständigen Reportagen, sprich Geschichten erzählen, denn man hat ja als Autor auch noch die Aufgabe, die News, den Stand der Debatte, diesen oder jenen Politiker O-Ton mit einzubauen. Je nach Bestelllage der Redaktion. Aber dennoch sollte man versuchen, den Anfang authentisch zu gestalten.
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Tipp: Keine abstrakten Themenbilder verwenden. Zum Beispiel keine allgemeinen Kindergarten-bilder aus dem Archiv! Lieber einen Nachmittag lang recherchieren, hingehen, mit den Müttern sprechen, wenn sie ihre Kinder abholen. Die eine oder andere wird schon bereit sein, ein Statement abzugeben, vielleicht auch zuhause mit sich drehen zu lassen. Wer hingeht und mit den Menschen spricht, hat nicht nur die besseren Bilder, sondern er weiß auch, was die Betroffenen denken. Das ist später ganz entscheidend für den Text. Denn Miterleben ist besser als nur Agenturenlesen! Und außerdem hört und sieht man Sachen, die man nie erfahren hätte, wenn man nur am Schreibtisch sitzt. So einfach dieser Satz auch klingen mag, so zutreffend ist er. Wer am Anfang etwas Scheu hat, irgendwo bei Firmen, Ämtern, Institutionen und Einrichtungen auf fremde Menschen zuzugehen, der sollte im Bekanntenkreis fragen. Oftmals reicht schon das, um für ein kleines Beispiel eine Person zu finden. Vielleicht kennen ja Freunde und Bekannte jemanden, der in dem kurzen Nachrichtenfilm auftreten will. Gerade für Berufseinsteiger ist das eine gute Übung, um sich langsam an die große Reportage heranzutasten. Beginne mit dem reportagigen Einstieg, der bei längeren Formaten, wie zum Beispiel bei den Nachrichtenmagazinen zur „Klammer“ werden kann. Einstieg und Ende personalisiert – dazwischen die Fakten und unvermeidliche Politiker-O-Töne. Tipp: Wer einen authentischen Einstieg in eine Geschichte hat, öffnet das Thema auch für die Menschen, die bislang darüber nichts wussten. Mit einem authentischen Einstieg hat man fast immer die besser Story.
Als gute Übung für das Finden von guten, authentischen Beispielen kann man sich eine Tabelle anlegen. Links stehen die „politischen Oberbegriffe“, die großen Themen: Gesundheitsreform, Arbeitslosenversicherung, Familiengeld und Ähnliches, und rechts die dazugehörigen Protagonisten, oder die Orte, an denen man die findet. Wenn man solch eine selbstgefertigte „Recherchetabelle“ dabei hat, fällt es leichter, schnell zu reagieren. Lobt eine Redaktion ein Thema aus, kann ich schon mit Beispielen kommen, die man bisher vielleicht noch nicht, oder noch nicht so oft gesehen hat.
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Die aktuelle Reportage im Nachrichtenmagazin Unter Nachrichtenmagazinen verstehen wir Formate wie die Tagesthemen in der ARD, das heute-journal im ZDF, das Nachtjournal bei RTL und andere. Auch in diesen Magazinen gibt es kurze und lange Beiträge. Aber die Art der Informationsvermittlung ist eine andere. „Ein Journalbeitrag hat zwischen einer und sechs Minuten.“ Diesen Satz sagte Claus Kleber, Chef des heute-journals kurz nach seinem Dienstantritt. Auf die Länge kommt es eben doch nicht an. Nachrichtenmagazine leben vom Tempo in der Sendung: Lange und kurze Geschichten müssen sich abwechseln, wie inhaltsschwere (meist bildarme) Kost mit leichten Happen (oft bildstark). Nur so wird die gesamte Sendung leicht verdaulich bleiben. Und das ist die Chance für die Reportage in der kurzen, kompakten Form. Eine Debatte über ein neues Gesetz ist, bildlich gesehen, eine langweilige Veranstaltung. Erst im Zusammenhang mit einer kurzen Reportage, aus Sicht eines oder einer Betroffenen vermittelt sich das eigentliche Problem: Geschichten über Menschen. Deutsche Soldaten in fremden Ländern. Helfer in Katastrophengebieten. Überlebende einer Überschwemmung. Portraits von Politikern können ebenfalls Reportagen sein. Ergebnisoffen herangehen, die Kamera laufen lassen und die Fragen aus der Situation heraus stellen. Ein Tag im Leben des Politikers X, der aus dem Westen kommt und für einen Tag im Osten unterwegs ist, kann mehr über einen Menschen aussagen als ein gebauter Beitrag mit dem Griff in die Archivkiste. Wichtig ist: Einen wirklich interessanten Tag aussuchen, mit Gegensätzen, mit schönen Drehorten, interessanten Gesprächsrunden. Nichts von der Pressestelle vorschreiben lassen! Produktionsvorteil: Der Aufwand ist überschaubar, ein, maximal zwei Drehtage, einen halben Schnitttag und fertig ist die aktuelle Reportage. Tipp: Bundestags-, Gerichts-, und sonstigen Termine für die kommenden Wochen genau durchforsten und prüfen, welche „Entscheidungen“, Debatten oder auch Jahrestage eignen sich für Reportagen. Beispiel: In zwei Wochen wird über die Gesundheitsreform debattiert, die Ärzte demonstrieren schon seit Wochen auf der Straße usw. Reporter sollte schon mal einen Arzt, Krankenschwester, Station im Krankenhaus suchen und besuchen, mit den Verantwortlichen sprechen, dass man im Falle einer Storyzusage sofort drehen kann.
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Ende September 2005 war die Diskussion um eine aktive Sterbehilfe neu entbrannt. Die Meinungen gingen quer durch alle Parteien und quer durch alle Ansichten. Beispiel: In W rde sterben ...Die Gründung einer Art Dependance des Schweizer Sterbehilfevereins Dignitas in Hannover hat seit Ende September eine vehemente Diskussion über den ärztlich assistierten Suizid und die aktive Sterbehilfe ausgelöst. Bundespolitiker wie die Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) betonten, dass Tötung auf Verlangen verboten bleibe. Der Hamburger Justizminister Roger Kusch (CDU) dagegen forderte die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, ebenso einige Mitglieder der Liberalen. Die FDP-Wähler allerdings folgten ihren Politikern nicht, im Gegenteil: 67 Prozent sprachen sich für Palliativmedizin aus. Die meisten Befürworter der aktiven Sterbehilfe finden sich nach der Emnid-Umfrage in der Links-Partei (53 Prozent) und in den rechten Parteien wie in der DVU (95 Prozent)… (Auszug aus der Süddeutschen Zeitung vom 21.10.2005)
In der Redaktion des heute-journals überlegte man, wie kann man diesem Thema gerecht werden, denn am 20.10. spitzte sich die Diskussion auch im politischen Berlin zu. Natürlich kam man auf die Idee einen „politischen Beitrag“ zu machen, einen Bericht, der sachlich und ausgewogen die Diskussion wieder spiegelt. Doch kann man so auch den Zuschauer begeistern? Wohl eher nicht. So entschloss sich die Redaktion eine Reportage zu diesem Thema zu senden. Und zwar nicht irgendwo in der Sendung sondern als Aufmacher! Erst den Zuschauern zeigen, worum es eigentlich geht, und dann als zweiten Beitrag, die politische Diskussion darüber. Situationen wie diese gibt es viele im Nachrichtenalltag. Das ist die Chance für Reporter, die im Vorfeld von „globalen Ereignissen“ ein kleines aber konkretes Thema recherchiert haben. Eine Berliner Autorin hatte ein Pärchen in einem Hospiz gefunden. Seit 46 Jahren leben sie zusammen. Die beiden sind in einem Berliner Hospiz und die Frau hat einen Gehirntumor. Ihr Mann lebt bei ihr im Ricamhospiz. Sie beide wissen, dass sie nicht mehr lange leben wird. Die Heimleiterin ist der generalisierende Pol. Auch ihre Meinung ist differenziert, deshalb hat sie das Hospiz gegründet. Herr und Frau Obst halten einander fest. So beginnt und endet die Reportage über das Hospiz – als Klammer. Doch das Festhalten wird nicht ewig währen, egal welche Meinung man hat.
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Text- und O-Tonauszüge aus der Reportage: Herr und Frau Obst halten einander fest – seit 46 Jahren. Sie haben viel gelacht und gestritten, sich aber niemals im Stich gelassen. Auch jetzt im Hospiz, mit der Diagnose, dass Frau Ost bald sterben muss, hat sich nichts daran geändert.
„Wir sind eigentlich noch mehr zusammen gewachsen, ich hätte nie gedacht, dass es so intensiv sein kann, weil ich ihr in jeder Lebenslage beistehe, beistehen muss und will.“
Frau Obst hat einen Gehirntumor- inoperabel. Eine Chemotherapie, eine Operation half nicht. Von Tag zu Tag geht es ihr schlechter. Seit zwei Wochen lebt sie nun im Ricam-Hospiz. Hier wird sie rundum medizinisch versorgt. Am liebsten gehen die beiden raus – Leben tanken.
Im OFF: Meine Frau genießt den Tag, genießt jede Blume, jeden Sonnenstrahl und freut sich, wenn wir runter gehen können. Wenn schönes Wetter ist.
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Laufen kann die 66jährige nicht mehr und auch das Sprechen fällt ihr schwer. Ihren Mann schmerzt es, sie so zu sehen. Weiteres Leiden würde er ihr gerne ersparen, doch für Frau Obst ist Sterbehilfe kein Thema.
Wir haben darüber gesprochen, so wie wir über alles gesprochen haben, was uns widerfahren ist. Meine Frau ist strikt dagegen, sie sagt ich steh das durch. Ich bin da anderer Meinung, aber sie sagt nein. FRAU Obst: Es gibt für mich auch noch Dinge, die angenehm sind. Und warum soll ich… ich weiß es ist ganz schwierig. Im Hospiz erleben sie den Kampf um einen würdevollen Tod jeden Tag. Dorothea Becker gründete das Zentrum auch aus diesem Grund: Sie lehnt Sterbehilfe ab! Mit einer Todespille oder –spritze, so sagt sie, nehme man den Menschen etwas vom Leben.
O-Ton: Herr Obst: Dass Du einen friedlichen Tod hast….
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O-Ton: Frau Obst. Es wäre schön, wenn meine Freunde auch dabei wären - Das wäre doch ganz nett.
Meint sie und lacht. Wohl auch dafür liebt er sie.
Kurze, klare Sätze, die weiterreichende Informationen zum Bild geben und die nächste Szene, den nächsten Gedanken einleiten. Nach 17 Sekunden kommt der erste emotionale O-Ton. Die Reportage ist 3 Minuten 16 Sekunden lang und zeigt an einem eindringlichen Beispiel, wie kontrovers selbst in einer betroffenen Familie über das Thema diskutiert wird. Das Beispiel blieb hängen und vielen blieb die Luft weg, bevor der Moderator zum Beitrag über die allgemeine politische Diskussion überleitete: „Zum Glück habe ich den Film schon vor der Sendung gesehen, es ist gar nicht einfach, da weiterzumachen.“ Außergewöhnliche Ideen erhöhen die Chancen für den Nachwuchsreporter, bei der Themenvergabe zum Zuge zu kommen. Vielleicht kommt man auch über Freunde und Bekannte an interessante Menschen heran, die man bei einem Thema als Reportageelement drehen kann, zum Beispiel interessante Ausländer zum Thema Integration, Bergwerksarbeiter zum Thema Subventionsabbau, Sportler zum Thema Doping. Der außergewöhnliche, authentische Zugang zu einer Story macht es. Auch Mischformen sind erlaubt! Der Bericht mit Reportageelementen.
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Beispiel: Am 20.02.2006 hält Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Rede: Neues Grundsatzprogramm: CDU und Arbeitswelt. Die Kanzlerin rief die CDU zu einer programmatischen Erneuerung auf. Auf dem kleinen Parteitag wurde Ronald Profalla zum 11. Generalsekretär der CDU gewählt. Natürlich konnte man einen klassischen Beitrag (Bericht) beim zuständigen Studio in Berlin bestellen. Die Redaktion des heute-journals entschied sich aber für eine andere Lösung. Keine klassische Reportage, sondern eine „moderne“ Mischform. Ein Autor sollte sich im Frau Merkel kümmern, bei ihr nahe dran sein, eine Kollegin in eine Fabrik gehen und Arbeiter begleiten, die an einem Fernseher die Rede von Frau Merkel mit anhören und kommentieren. Der Firmenchef hatte dafür eine extra Pause eingeräumt. Klar - und das war später auch die Kritik an dem Beitrag - der Fernseher in der Werkshalle war inszeniert und keine Reportage. Die Reaktionen der Arbeiter waren aber umso authentischer wie sie sonst nicht zu bekommen sind. Regel: Die Einzelbeispiele müssen eine gewisse Relevanz haben, eine Allgemeingültigkeit aufweisen. Vom Kleinen zum Großen schließen. Nur des schönen Beispiels wegen sollte man kein Reportageelement in eine Story einfließen lassen. In der folgenden Story „Die Kanzlerin und die Arbeiter“ wurden Bilder wurden im Wechsel montiert. Sie redet, die Arbeiter in der Werkshalle reagieren. Zwei parallele Handlungsstränge, die mit einander verwoben wurden.
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Frau Merkel kommt um ihre Grundsatzrede zu halten. Weicher Kurs für harte Zeiten.
Der Chef geht in die Fabrik, um seinen Arbeitern zu sagen, dass sie heute Frau Merkel lauschen sollen.
Normalerweise hören ihr Delegierte zu, selten die Betroffen. Es soll ein neuer Kurs eingeschlagen werden: Wenn es meinem Betrieb gut geht, geht es auch mir als Arbeitnehmer gut. Das ist schon lange nicht mehr wahr.
In der Firma für Gehäuse schauen Chef und Arbeiter gespannt der Übertragung zu. Die Forderung, dass man sich nicht mit fünf Millionen Arbeitslosen abgeben darf, kommt an.
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Von Visionen spricht die Kanzlerin und davon, dass noch immer jeder zweite über 55 keinen Job hat. Der neue Generalsekretär bekommt einen Blumenstrauß, und die Kanzlerin wirkt gelöst.
Wie war die Rede, wie kommt sie an? Reaktionen, direkt und spontan. In Deutschland wird in Konferenzen viel gesprochen und nicht gehandelt, sagen manche.
Die Rede zur Lage in der Werkstatt Deutschland…
… und die Reaktionen des Chefs.
Merkel verlässt die Bühne.
Die Arbeiter arbeiten weiter.
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Auch im Ausland werden Korrespondenten immer häufiger gebeten, Einzelschicksale zu beleuchten, zu erzählen und nicht „allgemein“ zu berichten. In der jüngsten Vergangenheit haben sich die Sender bei Kriegen, Katastrophen, Überschwemmungen, Erdbeben, Tsunami etc. geradezu einen Wettlauf geliefert, wer am schnellsten die besten Stories hat. Für viele junge Kollegen ist es die Chance ihr Können zu zeigen, wenn sie plötzlich „nominiert“ werden, das Team im Ausland zu unterstützen. Mehr dazu im Kapitel Krisen- und Kriegsreportagen.
Die Reportage im Magazin Fernsehmagazine sind das tägliche Brot der Fernsehmacher. Der „gebaute Beitrag“ füllt Stunden des täglichen Programms, die Machart ist Routine, Überdruss ist programmiert, allemal ein Grund, über die Formen in den Magazinen nachzudenken. Gerade im Magazin, von den tagesaktuellen Magazinen wie Tagesthemen oder Heute-Journal, bis hin zu den Meinungs- und Unterhaltungsmagazinen bietet sich die Reportage an, wenigstens als eines von mehreren Elementen. Ein „reportagiger“, also ein reportage-artiger Einstieg, eine typische Beobachtung, ein nachdenklich machender Eindruck aus dem wahren Leben dürften für bleibende Eindrücke auch in einem Magazinstück sorgen. In den politischen Magazinen, die sich als kritisch-analytisch verstehen, wird sicherlich seltener eine ergebnisoffene Recherche erwartet als vielmehr ein thesenartiges Vorgehen nötig sein. Im Magazin dürfte die Recherche wesentlich stärker am Recherche-Ziel orientiert sein. Der Zusammenhang von Erkenntnis und Interesse ist in diesen Magazinen essentiell. Eine Recherche mit laufender Kamera ist daher eher selten. Die O-Töne dürften hier eher Verlautbarungs-Charakter, Nachrichten-Charakter haben. Protagonisten sind eher gesellschaftlich bedeutende, politische Akteure und Funktionsträger, weil die Aufgabe solcher Sendungen ja ist, gesellschaftliches und politisches Handeln zu begleiten. Gerade dieser meinungsbildende Charakter erfordert eigentlich ein besonderes didaktisches Vorgehen, ruft nach der lebensnahen Reportage. Der zeitliche Rahmen ist aber ebenso wie bei jeder Reportage ein vorgefundenes, nicht beeinflussbares Geschehen. Gleichwohl kann es hier nötig sein, mit Live-Effekten die Grundthese zu untermauern. Beispiel: In einer investigativen Story versucht jemand, einen zu kritisierenden Sachverhalt zu verschleiern. Die Reportage sucht die Konfrontation, das Live-Gespräch vor der Tür, den „Überraschungsangriff“, das Ertappen auf frischer Tat. Oder als weiteres Beispiel die immer interessanten – und politischanalytisch bedeutenden - Geschichten über Betroffene, bei Themen wie Flüchtlingselend, sozialen Problemen in einer Gesellschaft oder Opfern aller Art. Je-
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weils natürlich anhand von typischen Einzelfällen aufgezeigt, wenn es geht, im themen-bezogenen Umfeld, „reportagig“ eben. Auch bei den in Magazinen üblichen Portraits interessanter Akteure bietet es sich an, den Blick auf scheinbar unbedeutende, aber typische Randbedingungen, Randfiguren zu richten, die die große Story einrahmen können. Es lohnt sich auch hier der Blick hinter die Kulissen, das Vorher oder das Nachher eines ansonsten bekannten Events. Es lohnt sich die ungewöhnliche Frage auf gleicher Augenhöhe, die zu ungewöhnlichen und damit neuen Antworten selbst bei bekannten Stars führen dürfte. Gern praktiziert im „gebauten“ Beitrag in Magazinen sind reportageähnliche Einstellungen, deren Inszenierung aber schnell ermüdend, klischeehaft und damit abstoßend wirken. Beispiel: Der Politiker geht einen Gang im Parlament entlang, geht die Treppe nach oben (!) und äußert sich anschließend über seinen Aufstieg. Echte Live-Effekte sind im Magazinbereich und dem ihm eigenen aktuellen Zeitdruck sicherlich kaum per Recherche vorzubreiten, kaum per Absprache mit dem Team vorauszudenken; es kommt um so mehr darauf an, mit optimaler Neugier und Aufmerksamkeit zu arbeiten und dem Kamera-Team mit den eigenen Beobachtungen und Hinweisen zu helfen. Kommunikation ist auch hier wieder einmal alles, nur muss diese Kommunikation eben live während des Drehs passieren. In den politischen Meinungsmagazinen, die gerne etwas thesenartig beweisen wollen, dürften die Reportageelemente die schlagkräftigsten Beweise sein, weil die Zuschauer bei der Beweisführung live dabei sind. Das Gleiche gilt für die Fallstudien, auch sie ein beliebtes Element der Magazin-Story. Das abstrakte Thema verlangt nach einem Beweis, in Form eines typischen Beispiels, am besten eines „echten“ Menschen, Betroffenen, nicht eines Funktionsträgers. Die Vorbereitung, die Suche nach diesen Beispielen entspricht dem reportagehaftigen Vorgehen bei der Suche nach den Hauptprotagonisten. Hierbei dürfte allerdings der Inhalt einer zu erwartenden Aussage wichtiger sein als die reine Form und Emotionalität der Aussage, des O-Tons selber. Aber wer sagt, dass ein emotionaler O-Ton nicht auch in einem Meinungsmagazin eine starke Stelle ist. In Unterhaltungsmagazinen ist durchaus vorstellbar, dass es ein Highlight in einem Bericht über einen Prominenten sein könnte, ihn zu zeigen, wie man ihn nicht kennt; an Orten, die ungewöhnlich sind; dass interessant sein könnte, live jemanden zu erleben statt nur Klischees zu wiederholen; nah dran zu sein an jemandem, an den man sonst nicht herankommt.
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Die lange, „große“ Reportage Am Anfang einer journalistischen Laufbahn wird man unter normalen Umständen eher selten in die Lage kommen, eine längere Reportage zu produzieren, allenfalls in Ausnahmefällen wie in besonderen, etwa krisenhaften Entwicklungen (siehe unten). Reportermagazine werden immer wieder neu erfunden, sie sind eine typische Form in den Privatsendern, die sich damit eine für sie wichtige Plattform im Bereich Infotainment sichern. Es sind Beiträge mittlerer Länge zwischen zehn und fünfzehn Minuten, gekoppelt durch Moderationen vor Ort oder aus einem Studio. Die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen längst nach. Hier ergibt sich schneller einmal die Gelegenheit, mit einer live-artigen Story ins Programm zu kommen. Manchmal gibt es auch einfach Lücken im Sendeablauf, die mit monothematischen Reportagen gefüllt werden, oftmals aus dem aktuellen Themenbereich, sendenah. Eine schöne Chance auch für Newcomer im Journalismus. Ein anderer Alltagsfall ist die sogenannte Reporter-Staffel oder in Kollegenkreisen gerne als „Rudelreportage“ bezeichnet (siehe unten). Mehrere Reporter berichten zu einem Thema von verschiedenen Schauplätzen, geben sich womöglich im ON die Stafette in die Hand und reichen den Zuschauer durch die Gesamtsendung. Auch in diese Lage kann man sehr schnell kommen, gerade unter dem Vorzeichen der Aktualisierung auch der längeren Formate, die in sehr kurzer Zeit und erst kurz vor der Sendung erstellt werden. Schnelles Reagieren, eine gehörige Portion Neugier sowie live-artiges Recherchieren bei laufender Kamera sind dabei unersetzbar. Es lohnt sich also auch wieder hier, sich mit den Regeln der Reportage zu befassen. Der längere Film, die in Einzel-Autorenschaft produzierte Reportage, bleibt sicherlich die nicht ganz alltägliche „Königsform“ des puren Journalismus.
Die „Schnellschuss“-Reportage Es ist sicherlich nicht der Traum eines gründlich recherchierenden Journalisten, aber es ist einfach Realität, und zwar eine, die sogar noch Spaß machen kann: Der journalistische „Schnellschuss“, eine Reportage, die vermutlich extrem aktuell sein wird, bei der kaum Zeit ist für die eigentliche Recherche, bei der vielleicht nur ein Minimum an Vorarbeit möglich ist. Es wird sich um Vorbereitungen handeln, die zwangsläufig eher den technisch-organisatorischen Problemen in der Fernsehwelt gelten werden als der inhaltlich umfassenden Vorab-Klärung eines Themas.
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Die Themen, in denen schnell geschossen werden muss, weil der aktuelle Anspruch es verlangt, sind so zahlreich, so alltäglich, dass man nur einige wenige Beispiele vorstellen kann. Dazu zählen sicherlich Katastrophen, die als Sujet auf riesiges Interesse beim Publikum zählen können und die keinen Aufschub bis zur Sendung einer nach „normalen“ Zeitvorstellungen recherchierten Sendung dulden. Es muss berichtet werden, und zwar so schnell wie möglich! Keine Frage, es bleibt kein anderes Instrument übrig: Die am besten funktionierende Recherche in solchen Fällen bleibt die mit laufender Kamera. Plötzlicher Schneeeinbruch, die Redaktion beschießt eine Reportage. Dann heißt es: Los geht’s. Kamerateam besorgen, zwei Telefonate mit den Streudiensten, Feuerwehr, THW und Drehbeginn. Die Story wird sich entwickeln. Zur journalistischen Ehrenrettung sei aber gesagt, dass die üblichen professionellen Standards wie der Double-Check der Recherche hier keine derartige Rolle spielen wie in einer Investigativ-Reportage. Entweder es liegen fünf Autos im Straßengraben oder nicht, man sieht es, man filmt es, die Zuschauer sehen es auch – quasi mit eigenen Augen. Die Ursachenforschung bei den kleinen Katastrophen dürfte im allerersten Moment noch keine herausragende Rolle spielen. Aller Erfahrung nach kommt diese Phase an zweiter Stelle, vielleicht am nächsten Tag erst, und man hat die Zeit für die nötige Recherche. Die Berichterstattung über solche kleineren oder größeren Katastrophen wie Massenkarambolagen auf der Autobahn, Ölkatastrophen, Schneelawinen, Zug-unglücke, Überschwemmungen, Waldbrände, folgt übrigens dem Schema der Krisen- und Kriegsberichterstattung (siehe unten)! Gerade unter dem extremen Zeitdruck eines Schnell-Schusses macht es sich bezahlt, wenn die Autoren sich der Planbarkeit von Reportagen bewusst sind. Nachdenken kann man auch ohne Handwerkszeug wie dem Telefon. Diskutieren kann man mit dem Team auch während der Fahrt zum Einsatzort. Der Rest an Erfolgsvoraussetzung beruht auf dem Denkansatz der Reportage: Offen sein für alles, was sowieso gerade geschehen ist oder noch geschehen wird!
4 Die Fernsehreportage: Die Vorbereitung 4.1 Die Fernsehreportage: Die Vorbereitung Folgende Überlegungen zu Recherche, Drehplan und Kalkulation treffen nicht für die kleine, Einsdreissig- oder Drei-Minuten-Reportage zu. Erst bei Reportagen, die eine mehrtägige Vorbereitung beanspruchen und mehrtägige Drehs erfordern, muss detailliert kalkuliert werden.
Inhaltsrecherche Die offene Form der Reportage erfordert einen anderen Recherchenplan als der Magazinbeitrag oder sein großer Bruder, das Feature. Das Rechercheziel soll geprägt sein durch x x x
Originalität (neu oder neue Perspektive) Authentizität (echtes Geschehen und Erleben in vorhersehbarem, planbarem Zeitrahmen) Ereignisbindung (eigene Zeitlichkeit mit Anfang, Höhepunkt und Ende)
Die Recherche hat auch die Aufgabe, zu klären, ob der beabsichtigte Themenbereich überhaupt reportagetauglich ist, ob nicht andere Formen besser wären und damit andere Sendeplätze. Sie ist dadurch ein ständiges Sich-Infrage-Stellen. Die Hauptdenkarbeit, Reportage ist schließlich auch ein Denkansatz, betrifft das „Reportagig-Machen“, das Herunterbrechen von Mammut-Themen auf eine kleine Story, das Transportieren von Inhalten über agierende oder interagierende Personen. (Siehe auch das Kapitel „Reporterglück und wie man es macht“). Die Recherchen gliedern sich typischerweise in zwei Bereiche: die inhaltliche Recherche und die organisatorische, produktionstechnische Recherche. Beide Bereiche sind wiederum überlagert durch die Frage, wo spielt sich eine Geschichte ab? Die situative Recherche ist nicht zu unterschätzen. Sie bedingt, ob eine Story inhaltlich funktioniert und ob die beabsichtigte Story in einen Ortund Zeitrahmen zu bringen ist. Je nach Art und Schwierigkeitsgrad der Reportage muss ich entsprechend viel Recherche-Aufwand in die Geschichte investieren. Es kann nicht sein, dass ich einer der Hauptpersonen gegenüberstehe und mir die Fragen ausgehen oder ich keine „Wissensmunition“ mehr habe, um nachzufragen. Antworten des Reporters „aha“ und „ist ja auch interessant“, gehen überhaupt nicht. Das zeigt nur, ich habe mich unzureichend vorbereitet.
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Tipp: Alles aufsaugen, was Zeitungen und Internet hergeben, daraus ein Dossier machen, damit man möglichst viel über den oder die Interviewpartner in der Tasche hat. Pro und Contra Liste anlegen. „Google“ und Co Die Internet-Recherche ist vorzüglich geeignet zum ersten Aufarbeiten schwieriger, auch wissenschaftlicher Themenbereiche, zum ersten Überblick über das abstrakte Thema im Hintergrund, z.B. was sich anderswo, etwa im Ausland abspielt. Wir wussten noch nie so viel wie heute, die nicht im Internet vorhandenen Dinge einmal ausgenommen. Wissenschaft einmal ausgenommen: Die InternetPräsenz, darauf sei besonders hingewiesen, dient meist der simplen Selbstdarstellung, auch der Wichtigtuerei, dem Werbeauftritt, Propaganda-zwecken und nicht unbedingt der Wahrheitsfindung. Das Hinterfragen, das Abklopfen der Seriosität der Webauftritte unterliegt weiterhin der eigenen Recherche, dem Double-Check. Ausschließliche Recherche in netzgestützten Suchmaschinen generiert schnell nur Mainstream-Themen. Neue Ansätze sind hier unwahrscheinlich, da das Internet nur gewesene Ansätze protokolliert – und das auch nur in schwer zu verifizierender Weise ausschnitthaft. Vorsicht vor offenen Blogs mit ungeklärtem Hintergrund, Vorsicht auch vor der oft fehlerbehafteten Wikipedia. Man findet für die Reportage sehr schnell Themen wie die Tierklinik, den Pannendienst, die Selbsthilfegruppen für bestimmte soziale Fragen. Oftmals sind diese Partner schon in verschiedenen Medien präsent gewesen und womöglich verbraucht. Bei zu medienerfahrenen Partnern besteht auch die Gefahr, dass diese die Regie übernehmen und den Gang der Recherche bestimmen wollen. Klar ist: je naiver, desto besser (siehe unten)! Zeitungsarchiv Die Arbeit im Archiv erfordert Zeit, bringt aber in den Ansätzen womöglich eigene Ansätze. Vorhandene Stories und ihre Protagonisten zu recyceln, vorhandene Kontakte nachzustrapazieren verbietet sich eigentlich für Reporter. Ganz vergessen sollte man diesen Weg aber auch nicht. Interessante Reportageansätze und Themen ergeben sich bei der Lektüre im Kleingedruckten regionaler Zeitungen und ihrer Kleinanzeigen: Abstruses, Personen und spleenige Ideen, seltsame Geschäfte, Kriminelles, Gesucht und gefun-
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den – die Rubriken, die in der Regel nicht in den Web-Sites der Zeitungen stehen. Also gilt es immer noch, das Papier in die Hand zu nehmen. Veranstaltungs- und Terminkalender – auch im Internet – können Themen („Hinter den Kulissen von…“), Ideen und Schauplätze hervorbringen. Und sie haben den Vorteil, dass die Events erst noch stattfinden, also planbar sind und damit reportagetauglich. Protagonisten finden sich immer über Selbsthilfegruppen bei gesellschaftlichen Konflikten und Randgruppen. Hier kann man relativ leicht an Akteure, Opfer und Aktivisten herankommen. Leider sind deren Aktionen oftmals bilduntauglich und handlungsarm. Hinzu kommt die naheliegende Erwartung solcher Gruppen und ihrer Führungspersonen, dass sie im „normalen“ Interview befragt werden und ihr Projekt fördern können, aber genau das genau kann und will eine Reportage ja nicht leisten. Hier hilft nur psychologisches und ÜberredungsGeschick. Nicht zu vergessen sind persönliche Kontakte und Ideen, die man findet, indem man selber wach durch das Leben geht. Eine Schwierigkeit der Recherche in der Reportage ist, dass man all das gesammelte Wissen im Kopf haben muss, um sich gleichzeitig davon distanzieren zu können. Gesammeltes Fachwissen muss während der Arbeit wieder auf zwischenmenschliches Normalmaß reduziert werden. Das Fachwissen ist dazu da, den eigenen Recherchen bei laufender Kamera die richtige Richtung zu geben, die richtigen, scheinbar „dummen“ Fragen stellen zu können. Bei der intensiven Vorbereitung zu einem Thema zeigt sich auch, ob die Geschichte für eine Reportage geeignet ist, oder ob man doch nicht lieber einen Bericht, ein Feature machen soll. Kann ich in der Geschichte alles erklären, vermitteln sich die Inhalte? Fragen, die sich vor allem Anfänger stellen. Aber keine Angst, mit guten Protagonisten, einer guten Idee und einem guten Kameramann sollte man auf alle Fälle loslegen. Ist man sich inhaltlich im Klaren, hat alle Informationen beisammen, einen geeigneten Protagonisten gefunden, beginnt eine zweite Recherche, die besonders bei Reportagen zum Tragen kommt und die ist nicht zu unterschätzen: die Produktionsrecherche.
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Produktionsrecherche Um das gewollte, flexible Reagieren zu ermöglichen, sollten möglichst umfassend die äußeren Rahmenbedingungen der beabsichtigten Drehs bekannt sein, also x x x x x
Zeitlicher Ablauf der zu erwartenden Ereignisse, Aktionen, Interaktionen; Übereinstimmung mit den zur Verfügung stehenden Drehtagen und Kapazitäten Protagonisten finden (auch „Reservisten“), um flexibel entscheiden zu können, um Alternativen im Schnitt zu haben) „Plan B“: Alternativen bedenken, ebenfalls produktionstechnisch planen örtliche Licht – und Tonverhältnisse, Entfernungen zwischen Drehorten reportagebezogene dramaturgische Erfordernisse
Beispiel: Es nützt nichts, wenn man in der Kneipe gleich gegenüber dem Tor einer Haftanstalt eine Drehgenehmigung hat für den Moment, wo frisch Entlassene vorbeikommen (der Moment einer guten Story), man muss auch sicher sein, dass ein Mindestmaß an Licht verfügbar ist im entscheidenden Moment; dass die laute Musik heute etwas leise ist – wegen der O-Töne. Eine die Reportage begleitende Recherche muss sich darüber im klaren sein, wieweit sie vorauseilen will, wieweit die Rechercheergebnisse den emotionalen Weitergang der Story nicht behindern, oder sogar beenden – und damit die ganze Story beenden, weil einfach die Überraschungsmomente totrecherchiert wurden. Wir wollen nicht vergessen: auch ein offenes Ende einer Reportage ist ein gutes Ende! Die Recherche sollte sich selber ein Rest-Reservoir an echter Neugier und Unwissenheit vorbehalten, um echt zu reagieren und ein echtes Ergebnis vor der laufenden Kamera möglich zu machen. Die Alternative wäre nur noch eine den meisten Menschen nicht mögliche Portion von Kaltschnäuzigkeit, die die meisten Reporter wohl und hoffentlich vor ethische Probleme stellen würde. Aber auch Kaltschnäuzigkeit sollte kein absolutes Tabu bedeuten.
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Beispiel: Du hast mich nie gesucht, Dad (BR) Eine Reportage über die sogenannten Besatzungskinder, Kinder aus gemischten Ehen zwischen alliierten Besatzungssoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg und ihren deutschen Frauen; die Verbindungen wurden typischerweise vielfach abgebrochen und gingen im Vergessen unter. Ein genialer Reportage-Stoff: Protagonist (Kind) sucht verschwundenen Vater, Ergebnis ungewiss, emotionaler Höhepunkt wäre das Wiedersehen, besser: das Kennenlernen der beiden, oder auch: das Nichtfinden, allenfalls das Auffinden von ein paar Spuren oder das Ende der Story in Form eines Grabsteines. Die Recherche ergab, dass der Soldaten-Vater längst gestorben ist, die Reportage also in einer Sackgasse steckt. Wir werden aber weitersuchen nach Spuren. Eine Reportage, die mindestens genauso spannend ist wie das geplante simple Wiedersehen ("Du hast mich nie gesucht, Dad", BR 1996). Die Recherche steuert natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt ein Ergebnis geben wird. Die Recherche kann einen Schritt voraus sein, ihr Ergebnis sollte aber auf keinen Fall verraten werden, weil die Story zum Stillstand käme.
Die Protagonisten Keine Story ohne Helden, keine Reportage ohne Hauptprotagonist. Das Thema Auswahl der Protagonisten für eine Reportage wird gerne unterschätzt, tangiert es doch ethische wie ganz praktische produktionstechnische Aspekte der Dreharbeiten, nicht zuletzt die Dauer der Dreharbeiten und damit die Kosten der Produktion. Schneller als uns lieb sein kann, bewegen wir uns mit der Planung einer Reportage in vielerlei Grenzbereichen. Kurz: was ist ein „guter“ Protagonist? Es ist es auf jeden Fall wert, ein paar Augenblicke darüber nachzudenken. Die Auswahl der „richtigen“ Protagonisten ist eine Gratwanderung zwischen der Glaubwürdigkeit und Praktikabilität. Jede Auswahl der an prominenter Stelle im Film handelnden Personen muss dem höheren Ziel der Gesamtaussage des Films, dem Funktionieren der Reportage dienen. Im Sinne einer authentischen Wiedergabe eines Themas sollten die Hauptprotagonisten gewisse Kriterien erfüllen: 1.
Das der buchstäblichen Verständlichkeit, im akustischen wie im inhaltlichen Sinne, die Artikulationsfähigkeit.
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2.
Das Kriterium der Glaubwürdigkeit, der Authentizität: nur echte Menschen werden echte Emotionen und echte Informationen liefern. Glaubwürdigkeit entsteht durch die Kompetenz des eigenen Erlebens und Handelns, nicht durch die Kompetenz des Wissens und noch so interessanten Reflektierens. Das Kriterium der inhaltlichen Stimmigkeit, es muss jemand wirklich das Thema tragen, und zwar am relevanten Ort und Schauplatz, zur richtigen Zeit des Ereignisses sowieso.
3.
Bei Privatsendern kommt häufig ein Kriterium hinzu, das man vordergründig verachten mag: Das Kriterium des guten Aussehens. Unter dem Aspekt der Funktionalität von Dramaturgie ist es doch für einen Moment ernsthaft zu bedenken. Die Gesichter sollten zur Story passen. Ein zu gut aussehender Obdachloser wird wahrscheinlich unglaubwürdig erscheinen. Ein zu schlecht wirkender Prominenter, der über Glück redet, wahrscheinlich auch. Hier zeigt sich, wie wichtig wahrscheinlich die Anbindung von diesen konkreten Menschen an eine echte Situation sein wird. In echten Situationen sich zu verstellen, dürfte kaum gelingen, wäre allenfalls eine schöne Gelegenheit für eine Reporter-Nachfrage im richtigen Moment. Die gelungene Personalauswahl ist der eigentliche Schlüssel zu Erfolg und Misserfolg einer Reportage. Meist ist es eine recht einfache Entscheidung, auf wen sich die Reportage konzentrieren wird, speziell beim linearen, chronologischen Modell: Jemand macht etwas oder er macht es eben nicht, er/sie ist Hauptakteur. Zunächst sollten wir uns darüber bewusst werden: Jede Auswahl der handelnden Personen stellt eine subjektive Wahl dar, es ist Manipulation im besten Sinne. Hoffentlich eine gemäß ethischen, journalistischen Kriterien nachvollziehbare und begründbare. Begründbar erscheint eine Auswahl, wenn die ausgewählte Person glaubwürdig etwas erlebt und im entscheidenden Moment darüber reden kann. Wer nicht reden will oder kann, ist ein Problem in der so O-Tonabhängigen Form der Reportage. Profilsüchtige Schwätzer und SelbstInszenierer sind eine ebenso große Garantie für ein Misslingen. Ein weiteres Kriterium für den Erfolg einer Auswahl von Hauptpersonen der Reportage ist die Tauglichkeit für emotionsbeladene Konfliktsituationen. "Coole" Typen, die nichts aus der Fassung bringen kann, helfen dem Zuschauer nicht weiter. Es müssen auch die Momente definiert werden, wo eine Hauptperson vielleicht das Handtuch werfen könnte und die Mitwirkung in der Reportage einstellt. In echten Ereignis-Situationen dürfte das Problem wesentlich geringer sein, dort haben die Betroffenen geradezu ein Interesse daran, ihr Schicksal zu offenbaren, und damit zu Protagonisten zu werden.
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Wir bewegen uns mitten in der Grundthematik der Reportage: Wie kann man ein Thema möglichst echt darstellen, in möglichst echten Situationen, so dass es möglichst viele Zuschauer – unabhängig von ihrem eigenen Hintergrund und ohne Rücksicht auf ihre eigene Sozialisation, d.h. gesellschaftliche Bindung – nachvollziehen und miterleben können und mögen? Alles sollte passen und das noch möglichst echt. Nennen wir es ruhig Casting. Das, was sich hinter dem so attraktiv-mysteriös klingenden Kürzel „Casting“ verbirgt, ist auch eine Reporter-Aufgabe. Das Casting hat natürlich und vor allem die geplante Dramaturgie der Story zu berücksichtigen. Ganz klar bei dem Modell: Winner – Loser. Wenn beide gewinnen, ist die Story eine andere oder gleich ganz passé. Wenn beide verlieren, wahrscheinlich genauso. Dies ist eine sehr wichtige Planungsaufgabe bei Themen, in denen es um etwas Wichtiges geht, bei denen etwas auf der Kippe steht. Der wichtigere Part ist sicherlich der Loser, das mögliche Scheitern ist der spannendere Teil der Story. Nicht auszudenken, wenn gerade hier ein Protagonist die Mitwirkung versagt. Der reine Gewinner-Part dürfte vorhersehbar und damit eher langweilig werden. Der Spannungsbogen will bedacht sein. Weniger die interessanten wahrscheinlichen Aussagen sind entscheidend, sondern ihre dramaturgische Funktionalität. Die Reportage verlangt nach einer gewissen Fallhöhe: Der Superstar, der verliert; der Unbekannte, der groß herauskommt; "kleine Leute" und ihre großen Themen. Das sind Stoffe für Reportagen - das sind Protagonisten. Die Protagonisten sollten sich nicht zu weit von allgemeinen Erwartungen und Grundvorstellungen entfernen, ohne gleich primitive Klischees zu bedienen. Werden allerdings Klischees auf eklatante Weise durchbrochen, kann dies eine Geschichte sein. Beispiel: wie sehen Langzeitarbeitslose aus? Ist der heruntergekommene Alkoholiker der beste Protagonist oder der scheinbar wie aus dem Ei gepellte Anzugträger, der morgens das Haus verlässt, als würde er zur Arbeit gehen, dem Absturz entgegen? Der Bruch im letzten Beispiel liefert vermutlich die bessere Geschichte. Andererseits: Der allzu unauffällige Typ liefert keine Brüche und bedient auch keine Erwartungen und Klischees. Auch bei der Auswahl der Protagonisten gilt: Die Reportage sucht die Brüche, das Unerwartete, auch das Negative, das überraschend eintritt und zu Herausforderungen führt. Nur die Menschen werden die letztlich didaktische Dienstleistung der Reportage liefern können, die ein Minimum an ablenkenden Faktoren mitbringen. Was aber ablenkend wirken könnte auf das zu erwartende Publikum, ist eine Wissenschaft für sich, eine Frage der Zielgruppendefinition eines Senders oder einer einzelnen Sendereihe – und damit eine Frage der journalistischen Ethik. Je spezifischer jedenfalls ein Zielpublikum und das Profil einer Sendereihe, desto spezifischer auch die Auswahlkriterien.
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Beispiel: Der Mensch, der die interessantesten Dinge aufregend formulieren kann, aber schielt oder stottert, mindert objektiv die Wirksamkeit seiner eigenen Aussage. Oftmals reicht auch schon ein falsches Symbol in der Kleidung, um die Glaubwürdigkeit zu vermindern. Eine tolle inhaltliche Aussage, aber eine schiefe Krawatte, und man kann die Szene vermutlich vergessen. Ein schwarzer Anarchisten-Stern auf dem T-Shirt in einem ansonsten neutralen wissen-schaftlichen Statement für ein eher konservatives TV-Magazin, keine Frage. Die äußere Stimmigkeit ist ein unterschätztes Problem. Auch die Frage der geplanten Rollenverteilung, speziell bei dem Modell: Good boy–bad boy verlangt auch B-Pläne für die Auswahl und den weiteren Umgang mit den Protagonisten, die ihnen in ihrer vermutlichen Vielfalt auch gerecht werden. Jedes Verhalten hat seine Gründe, wir müssen sie nicht gutheißen, wir müssen sie aber verstehen, erklären und transportieren können. Noch ein Alltagsproblem bei der Auswahl der Protagonisten: Die hierarchische Struktur vieler gesellschaftlicher Ebenen. Beispiel: Ein Feuerwehreinsatz. Die Feuerwehrmannschaft wird womöglich selber vorschlagen, dass der Hauptmann der geeignete Protagonist sei. Er selber mag es auch so empfinden, schließlich hat er diese wichtige Funktion inne. Die Reportage aber sucht ja eher die Brüche, die Überraschungen, die der Hauptmann womöglich nicht bieten kann. Die Story über einen kleinen, neuen, unerfahrenen Feuerwächter, der eine unvorhergesehene Situation meistert oder auch nicht, sein erster Einsatz ist wahrscheinlich der bessere Ansatz, die bessere Reportage. Manchmal können auch ganz praktische Erwägungen die Wahl der Protagonisten beeinflussen, so etwa der tatsächliche Zugang zu einem Thema, einer Region, einem Konflikt. In Krisen- und Katastrophensituationen, in denen das Erreichen eines Schauplatzes schwierig oder unmöglich ist, wird man – im tatsächlichen Sinne – Türöffner suchen, z.B. humanitär tätige Organisationen, die Zugang haben. Natürlich werden diese Organisationen annehmen, dass man mit seiner Reportage Stimmung und Webung für sie macht, dass ihre Funktionäre und Aktivisten zu Protagonisten einer Reportage werden, ohne Rücksicht auf journalistische und erst recht Reportage-relevante Erwägungen. Man kann sich darauf einlassen, muss sich womöglich gar darauf einlassen. Die Grenzen weist die Ethik. Die gebotene Neutralität der Reporter lässt sich nur wahren, wenn man entweder die schwierige Auswahlsituation und die Motivationen thematisiert (das ist immer der beste, auch praktikabelste Weg), oder man fährt gleichzeitig Plan A und Plan B, wobei ersterer ehrlicherweise zur Schau erfüllt wird und um die
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praktischen Probleme zu lösen, und letzterer von Anfang an das Ziel darstellt, Probleme mit den Zukurzgekommenen nach Ausstrahlung der Sendung sind anzunehmen, auch auszuhalten. Plan A wäre der Chef der Organisation, der sich in Szene setzt (und den man nicht braucht, weil es unspannend ist), Plan B wäre der Helfer in seinem ersten Einsatz unter schwierigen Bedingungen. Nur letzterer dürfte noch echte Emotionen und nicht coole Routine zeigen. Dieses zu antizipieren – und Alternativen aufzubauen, ist ein gehöriges Stück Diplomatie. Ein Ausweg ist immer da. Sich des Problems bewusst zu sein, als Plan B den Häuptling und den Neuling zu begleiten, am Schneidetisch zu entscheiden, welches Modell das bessere war, und dann beherzt das ungeeignete Material zu entsorgen – und dem „Unterlegenen“ vor der Sendung klarzumachen, warum man diese Entscheidung getroffen hat. Ausreden sind natürlich erlaubt an solcher für die Dramaturgie und das Funktionieren der Reportage so wichtigen Stelle, wie etwa Materialfehler, in Bild oder Ton. Eine Kassette verschwunden - das ist noch nie passiert. Die Frage ist, wie weit soll man den Hauptpersonen die ihnen zugedachte Rolle, Gewinner oder Verlierer, bekanntmachen? Das Prinzip des offenen Rechercheansatzes gibt die Antwort: Niemandem, denn es kann ja auch anders ausgehen. Der Planungsansatz für eine Reportage ist überhaupt eine Erwägung, die nur den engsten Kreis des Produktionsteams etwas angeht. Dies ist der wichtigste Teil der Vorabsprache mit dem Team, da hier bereits die Akzente der Aufmerksamkeit verteilt werden. Und damit die Kamera- und Gesprächsperspektiven. Beispiel: Schuften f r Olympia (BR) Die Olympia-Anwärter, zwei Zwillingsschwestern, kämpfen um die Teilnahme an den Spielen. Eine ist etwas besser, die andere ungewiss in ihren Erwartungen, eine ideale Kombination für eine Reportage. Die Trainer reden gut über die eine, schlecht über die andere, sie selber relativieren das Gerede kaum. Die Reportage – d.h. die Kamera – muss beide gleichgewichtig beobachten, um später eine faire Schilderung ihrer Kämpfe zu garantieren. Eine Rollenverteilung zuzuweisen und damit das ganze sportliche Ereignis natürlich zu beeinflussen, verbietet die journalistische Ethik. Vielleicht bringen aber auch zwei Kameras die Lösung, zur Not mit einer „Kleinen“, einer Videokamera als Reserve.
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Drehplan und Kalkulation Die auftraggebenden Redaktionen wollen natürlich wissen: Was kostet die Reportage? x x x x x x
Wie lange dauern die Vorarbeiten/Recherche? Wie viele Drehtage sind angesetzt? Wie viele Reisetage fallen an? Kommen zusätzliche Kosten für Visa sonstige Einreisekosten? Wird am Drehort ein Dolmetscher, ein Stringer/Producer gebraucht? Braucht man Mietwagen oder tut es ein Taxi?
All das muss der Reporter bei Abgabe des Themas schon „im Griff“ haben, bzw. zum Großteil wissen, welche Kosten insgesamt entstehen werden. Wer ein gutes Thema verkaufen will, sollte sich im Klaren darüber sein, welche Kosten entstehen. Oftmals haben Redaktionen ein Standardbudget und gar keinen Spielraum nach oben. Denn die Redaktion kalkuliert: x x x
Honorar plus Drehkosten, plus Kosten für die Nachbearbeitung, Schnitt und Vertonung nicht zu vergessen die Frage, ob die Story überhaupt funktioniert, wie sicher ein Ergebnis ist und wie sicher seine Folgekosten.
Je nach Art der Reportage kann man sie gut oder weniger gut vorbereiten. Sicher hat eine Eventreportage, die über Wochenende gedreht werden kann, oder die Arbeit der Skiwacht beim Ski-Opening (ein Drehtag) auch überschaubare Kosten, weil der Ablauf relativ geregelt ist, schon allein durch die Zeit in der Aufgabenstellung begrenzt sind. Schwieriger sind die Kosten eines Drehs zu beurteilen, bei dem parallel recherchiert wird. Zum Beispiel auf der Suche nach dem „Messias“ – das Thema: Sekten erobern den Osten Deutschlands. Bei der Reportage „Invasion der Seelenfänger“, (BR 1994), ging es darum, die „Missionsarbeit“ von Sekten aufzuzeigen. Es war unmöglich, jeden Drehort, mit Drehbeginn und Drehende, vorher zu bestimmen. Recherche oft mit laufender Kamera, bspw. mit der Information: „Am Abend sollen die Werber im Ort X oder in der Stadt Y zugange sein...“. Zusätzliche Übernachtungen werden benötigt. Dann erklärt sich eine Aussteigerin bereit, die Reporter zu begleiten. Jedoch möchte sie ein kleines Honorar, eine
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Aufwandsentschädigung, denn der Zeitaufwand beträgt doch mindestens zwei Tage. Ein zweites Beispiel: „UN-Embargo mit Löchern – Verschlungene Pfade nach Serbien“ von Martin Weiss und Arndt Wittenberg, (ARD 1993). Wie der Titel schon verrät, ging es darum, eine Reportage rund um die Grenze zu Serbien zu drehen und dabei Embargobrecher zu finden, Methoden aufzuzeigen, wie das Embargo, das die UN verhängt hatte, umgangen wird, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die Dreharbeiten an der Grenze aus ungarischer, rumänischer, bulgarischer und mazedonischer Sicht, jeweils mit den Zollbehörden und den internationalen Zöllnern, die für diese Aufgabe aus ganz Europa abgestellt waren. Es galt Zollpapiere aus dem Russischen, Griechischen und Türkischen zu übersetzten. An den Grenzen wird ungarisch, rumänisch, serbisch, mazedonisch, bulgarisch gesprochen – und ab und zu ein bisschen englisch! Wer kann all diese Sprachen? Wer kennt all die Besonderheiten der Länder? Also klar: Man braucht einen Stringer/Producer/Fixer. Egal wie man die gute Fee auch nennt. Pro Tag entstehen Kosten. Und nicht nur bei Drehbeginn, denn der Producer muss im Vorfeld des Drehs schon die Drehgenehmigungen besorgen, eventuell ein Auto oder sonstige Ausrüstung. Er ist immer dabei, muss übernachten, bekommt Spesen etc. So sind während der gesamten Drehzeit zusätzliche Kosten von ein paar Hundert Euro mit einzurechnen. Alle Eventualitäten kann man mit Sicherheit nicht kalkulieren. Man sollte sich jedoch schon beizeiten um die möglichen Kosten kümmern. Klar, wer die Enthüllungsstory um einen Politiker, einen Promi oder die Wahnsinnsstory hat findet auch einen Sender, eine Redaktion, die alle Kosten bezahlt. Aber das ist die Ausnahme. In der Regel will die Redaktion, nachdem sie die Story „gekauft“ hat wissen, in welchem Kostenrahmen sich der Einkauf bewegt. So kann eine Kalkulation wie folgt aussehen. Eine Gesamtkalkulation Kamerahonorare: - Was kosten Kameramann, Assistent, incl. Ausrüstung? - Kosten für zusätzliche Objektive, Tonausrüstung, Minikameras (vorher mit einem erfahrenen Reportagekameramann unterhalten)
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Reisekosten: - Flug, Bahn, Mietwagen - Hotelkosten - Visakosten - Nebenkosten, wie „Informationshonorare“, Aufwandsentschädigung etc. - Essenseinladungen Schnittplatzkosten: - Kosten pro Tag - Plus Cutterhonorar Vertonungskosten: - Kosten für eine Schicht/Stundensatz - Toningenieurhonorar - Ggf. Sprechergagen für OFF-Sprecher Autoren-Honorar: - Recherchetage - Drehtage - Nachbearbeitungstage, incl. Sichten, Texten, Vertonen - Tagessatz mal Tage.
Vorabsprachen mit dem Team Es ist dringend zu empfehlen, mit dem Team alle wesentlichen inhaltlichen und produktionsrelevanten Planungen abzusprechen. Das ganze Team muss wissen, worum es geht, was die Grundperspektive der Story ist und wie das Ganze umgesetzt werden soll, einschließlich Ersatzplänen. Die setzt eine sehr aktive Rolle jener Menschen voraus, die Kamera und Ton bedienen. Sie sind Mitautoren. Sie auf Befehlsempfänger zu reduzieren, wäre nicht nur moralisch problematisch, sondern auch tragisch für das Gelingen einer Reportage. Nun sollte man berücksichtigen, dass sich viele der Menschen an der Kamera und am Mischpult als Techniker verstehen und eine entsprechende Ausbildung mitbringen, mehr meist nicht. Zudem unterliegen sie womöglich betriebsinternen Zwängen, möglichst effektiv zu arbeiten nach Gesichtspunkten, die mit der Reportage wahrscheinlich wenig zu tun haben, die rein bürokratischer Natur sind wie z.B. dem Drehverhältnis.
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Deshalb – auch das kann nicht oft genug wiederholt werden – sollte möglichst frühzeitig ein umfassendes Vorgespräch mit dem gesamten Team stattfinden, in dem über Absicht, Vorgehensweise und die gemeinsame Philosophie der Reportage abgeglichen werden muss. Im Zweifel geht es darum, diese Philosophie erst einmal herzustellen. Kameraleute werden oft die Schwierigkeit haben, sich in dieser aktiven Rolle zurechtzufinden. Deshalb wäre auch eine Diskussion über die Berufsbilder nicht uninteressant und dürfte manche Probleme beim Dreh im Vorwege aus der Welt schaffen. Die Fragen sind klar: Will ich „nur“ schöne Bilder machen in einem von einem Regisseur vorgegebenen Rahmen, oder will ich mich aktiv einbringen in ein journalistisches Produkt? Möchte ich es verantworten, wenn im Sinne des Gelingens eines journalistischen Produktes auch einmal die ästhetischen Regeln nicht gänzlich erfüllt werden? Oft lohnt sich auch ein Gespräch über die berufliche Vergangenheit, die ursprünglichen Vorstellungen über die Arbeit beim Fernsehen, war es eher journalistisch oder eher filmisch gemeint gewesen? Was sind die Träume: Eher aktiv etwas erleben oder eher passiv gestalterisch? Wer als Kameramann immer schon einmal groß herauskommen wollte durch den Einsatz eines Kamerakrans, der entsprechende Aufmerksamkeit erregt, wer ungestört inmitten eines von Aufnahmeleitern gesperrten Bereichs sich austoben wollte, dürfte für die lebensnahe Reportage ein Problem darstellen. Wer sich hierarchisch als Leiter eines echten, „großen“ Kino-Teams inszenieren wollte, dürfte anfangs mit einem „kleinen“ Reporter-Vorhaben Probleme bekommen. So sehr sich in Wahrheit Spielfilm und Reportage im Endprodukt ähneln, so unterschiedlich sind sie in ihrer Entstehungsgeschichte. Über die Frage des „großen“ Lichteinsatzes etwa kommen Autoren und Teams sehr schnell zueinander oder geraten aneinander. Bei den rein technischen Fragen dürfte die Aufgabenverteilung klar sein, so dass es keine Überschneidungen und damit Kompetenzfragen geben sollte. Wenn ja, sind sie Gegenstand dringenden Gesprächsbedarfs! Das geplante, aber dennoch flexible, spontane Vorgehen wird kaum zu einem exakten Drehplan führen, wie Filmleute ihn kennen. Das Klima in einem heterogenen Team kann aber leicht dadurch entspannt werden, wenn wenigstens der Versuch gemacht wird, die geplanten Drehs auf dem Papier oder als ständig aktualisiertes E-Mail-Log allen Team-Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Hier zeigt sich die Qualität der Vorbereitung, das Funktionieren der ReportageDenke. Dazu gehört das gesamte Wissen über produktionstechnische und organisatorische Recherchen:
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Die Fernsehreportage: Die Vorbereitung Minimaler Abriss der Story, kein Drehbuch (gut bei etwaigem Personalwechsel im Team) Drehbeginn, genauer Drehort, Reise- und Transportbedingungen, Flugnummern Leihwagenabsprachen, im Ausland Visa- und Passbedingungen, Name und Funktion der Protagonisten, Kontakt-Telefon-Nummer, Hinweise auf besondere Drehbedingungen, Sicherheitshinweise, Ergebnis der Drehortbesichtigung, Kontaktnummern für Hilfspersonen, z.B. Hausmeister o.ä.,
Kurz: Wie beim „richtigen“ Film, nur mit der Einschränkung, dass eben alles wieder zur Disposition gestellt werden kann. Beispiel: Die Tierklinik (BAF 2006) Einen Tag lang soll hinter die Kulissen einer Tierambulanz geblickt werden. Der Schauplatz garantiert Live-Effekte: Heilungen, Tod, Überraschungen, Emotionen der Tierbesitzer. In Wahrheit soll es eine Geschichte werden über die Menschen, nicht die Tiere. Daraus ergibt sich die Ordnung der Kameraperspektiven: im Vordergrund steht – scheinbar – das kranke Tier, im Fokus ist aber das "Herrchen" oder "Frauchen", das dem Tier in diesem schwierigen Moment beisteht. Im wichtigsten Moment (Heilung, Operation oder Einschläferung des Tiers) konzentriert sich die Kamera vor allem auf das Gesicht des Menschen. Ein Fokussieren auf das Gesicht des Tieres würde die Story völlig entwerten. Die Absprachen mit dem Team beinhalten die Möglichkeiten, sich im OP frei zu bewegen oder nur in bestimmten verabredeten Bereichen; die Ausstattung der Protagonisten mit geeigneten Mikrophonen, der Umgang mit den Protagonisten vor und nach dem wahrscheinlichen Höhepunkt der Story (wann einschalten, wann abschalten, wie nach herangehen, wann soll der Reporter in die Situation gehen und nachfragen?) Ein oder zwei Treffen mit dem Kameramann und dem Assistenten sind extrem wichtig, um das Vorhaben genau zu besprechen. Alle sind im Team, alle sind das Team und alle sind für das Gelingen verantwortlich.
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Muss ich mit versteckter Kamera drehen? Welche ist die geeignetste? Brauch ich Vorsatzlinsen, bestimmte Objektive etc.?
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Gibt es Besonderheiten beim Ton? Richtmikrofon oder Handmikrofon für den Reporter, Ansteckmikrofone etc.
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Erwarte ich schwierige Gesprächspartner, ist ein Handmikrofon sinnvoll? Denn dadurch habe ich als Reporter die „Macht“ über das Wort. Durch das Wegziehen des Mikrophons hören die meisten Gesprächspartner zu reden auf.
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Wie sind die Lichtverhältnisse, wie die Feuchtigkeit, ist mit extremer Kälte zu rechnen?
Extreme Temperaturschwankungen machen es oft erforderlich bis zu eine Stunde und mehr zu warten, bis wieder gedreht werden kann. Zum Beispiel: Nach einem Vormittag auf der Skipiste rein in die Hütte. Sofort beschlagen Objektiv und Köpfe der Kamera. Drehen ist nicht möglich! Man sollte sich vorher darüber beraten, ob vielleicht in diesem Fall eine zweite Kamera in der Hütte zu deponieren ist, damit diese sich an die Hitze „ gewöhnt“ hat. In allen Bereichen können Kameraleute und Assistenten ihren Teil dazu beitragen, dass die Reportage ein Erfolg wird.
5 Die Fernsehreportage: Der Dreh 5.1 Die Fernsehreportage: Der Dreh
Die Kameraarbeit Auf die Bedeutung der Kameraarbeit in der Reportage wurde bereits mehrfach hingewiesen, es kann gar nicht oft genug wiederholt werden: Die Kamera erst liefert die Grundlage für eine gelungene Beobachtung des Geschehens. Was sie nicht sieht, sieht niemand, das wird später auch der Text nicht retten können, auch nicht der Schnitt. Die Aufmerksamkeit der Kamera – und die Aufmerksamkeit der Tonaufnahme – erst geben die Basis ab für eine Chance für die Zuschauer, sich selber ein Bild zu machen. Der Text ist eine Art Ergänzung, oft auch eine Notlösung, manchmal- aber nur manchmal – überflüssig, er kann nicht sagen, was man nicht sieht und nicht hört. Etwas Konkretes passiert, ich will es sehen, also muss die Kamera möglichst nah heran-, also hingehen. Ich will es genauer wissen, mich auf einen typischen oder wesentlichen Punkt konzentrieren, also muss die Kamera ins Geschehen hineinzoomen; ich will etwas anderes, wichtigeres sehen, etwas Neues hören, also muss die Kamera vom Unwichtigen zum Wichtigeren hinüber schwenken, beobachten. Hat die Geschichte einen noch ungewissen Ausgang, muss die Kamera – und der Ton! – also: dranbleiben, Geduld haben. Die Bildachse der OTöne ist die Achse der miteinander agierenden Akteure. Die Formatfrage: 4:3 oder 16:9? Diese Frage ist in den technischen Planungen der Sender weitgehend entschieden, in der tatsächlichen Umsetzung der Bildgestaltung aber immer noch in Vorbereitung: Das von der europäischen Industrie geförderte Format 16:9, als quasi Kinoformat wird die Zukunft bestimmen. Für die Bildgestaltung ergeben sich daraus einige Fragen, da hier der jahrhundertelang gültige „goldene Schnitt“ aufgehoben wird: Die Wertigkeit von Vordergrund und Hintergrund im Bild ist anders. Der Umgang mit engen Räumen ist anders. Der Umgang mit Nahaufnahmen, besonders von menschlichen Gesichtern ist anders. Kurz gesagt, das neue Format verlangt nach einer neuen Kadrierung der Bildfläche. Gleichzeitig eröffnet das neue Format Blicke in die Tiefe, im wahrsten Sinne des Wortes Hintergrund – und in die weitwinklige Breite. Diese Perspektiven wollen nur gesehen werden. Es ergeben sich andere Möglichkeiten für die Bildung von – beziehungsreichen – Perspektiven. Inhaltliche Bezüge lassen sich durch geeignete Perspektiven besser in Bildsprache übersetzen, Bedeutungen
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von vorhandenen Personen in ihrer Gewichtung optisch staffeln: der wichtigste nach vorne, der unwichtigste nach hinten, und Platz ist genug für Mittelwichtige im bildlichen Mittelfeld. Persönliche Beziehungen lassen sich eher ins Bild setzen, Abgründe entdecken, das, was die Reportage ja womöglich will. In der Reportage ist Teamwork selbstverständlich und dringend geboten. Vor allem der Kameramann muss sich als quasi Ko-Autor mit in das Entstehen einer Story einbringen. Nur mit seiner Hilfe lassen sich wirklich „live-haftige“ Eindrücke und Beobachtungen einfangen. Kameraleute, die auf RegieAnweisungen warten und nicht selber in die Welt sehen, sind für Reportagen nicht geeignet. Was die Psychologie einer Reportage (Neugier usw.) angeht, gilt für sie dasselbe wie für den eigentlichen Reporter. Die Kamera folgt den journalistischen Grundüberlegungen der Reportage, nicht den filmischen. Sie reagiert im Idealfall und agiert nicht selber. Ihre Eigenbewegungen müssen motiviert sein und den vorhandenen tatsächlichen oder gedanklichen Bewegungen folgen. Die Kamera ist nicht künstlich, sie ist Teil der Story, kann unter Umständen sogar mit einer zweiten Kamera beobachtet werden, um das Geschehen rund um das Reportieren mit einzubeziehen. Ohne Interaktion keine Reportage, haben wir schon gesehen. Daraus folgen auch die Regeln für die Reportage-Kamera: Die Kamera soll der vorgefundenen Interaktion folgen. In der Praxis bedeutet dies eine erhöhte Beweglichkeit der Kamera, sie wird Teil der Interaktion, sie lebt mit („living camera“). Die Kamera folgt dem Interesse, der Neugier an der Interaktion. Beispiel: Der Musterfall von Interaktion: Zwei Menschen streiten miteinander. Sie diskutieren, fallen einander ins Wort, zeigen immer wieder auf den Gegenstand des Streites, der vielleicht im Hintergrund oder zwischen ihnen sichtbar ist. Das Streitgespräch dauert länger, es muss also wahrscheinlich gekürzt und geschnitten werden. Das Geschehen ist im Gange. Wir interessieren uns dafür, wir gehen also mit der Kamera hin, kommen näher, hören zu als Zaungast. Die Kamera folgt nun dem Geschehen: Wer fängt an mit dem Streit? Der wird groß abgebildet. Er streitet mit einem gegenüber. Das wird abgebildet, auch in der Zweier-Situation. Das Gegenüber antwortet, wird damit zum zentralen Bildgegenstand. Der andere fällt ins Wort. Die Kamera schwenkt zurück zu ihm. Der Streit wird heftiger, die Kamera zoomt auf die Gesichter zu. Es wird der Hintergrund thematisiert, jemand zeigt darauf, die Kamera schwenkt auf diesen Hintergrund, zunächst den Akteur noch angeschnitten im Vordergrund. Der Streit geht weiter ins Persönliche, die Kamera
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Die Fernsehreportage: Der Dreh geht wieder auf die Personen. Die Streithähne gehen auseinander, die Kamera lässt sie gehen und zeigt das Ende, wie sie auseinander gehen in die Totale.
Durch das Annähern hat man immer einen Einstieg in die Szene, durch das Auslaufenlassen hat man auf jeden Fall ein Ende. Durch den permanenten Perspektiven-Wechsel wird es immer Schnittmöglichkeiten geben, hier nachgedrehte Zwischenschnitte zu setzen, wäre absurd. Sie wären einfach nicht authentisch, nicht wahr. Durch das bildliche Wahrnehmen des Hintergrundes des Streitgespräches wird man immer den authentischen Bezug haben – und wiederum eine Schnitt- und Kürzungsmöglichkeit. Der Perspektiven-Wechsel dürfte bei einer solchen Arbeitsweise automatisch dem tatsächlichen Wechsel an HandlungsSchwerpunkten folgen, sich also auch dem Tempo des Wechsels unterordnen, damit automatisch das authentische Tempo abbilden. Für den Schnitt sollte es dann kein Thema mehr sein, einer lahmen Story das richtige Tempo beizubringen. Die Kamera wird all das natürlich nur sehen, wenn der Mensch (!) hinter der Kamera sich für die Interaktion interessiert, sonst kann er den Streit nicht verstehen. Wenn er sich aber zum Beispiel die Frage stellt: Und was sagt jetzt der andere dazu? Dann ergibt sich automatisch der Zwang, die Kamera auf den anderen zu richten, wir würden uns als Zuschauer ohne Kamera ja auch so verhalten. Auch wir würden einen Seitenblick werfen auf das, worüber die Streitenden gerade reden, und wenn sie weiter streiten, würden wir uns ihnen wieder zuwenden. So auch die Kamera. Die einzige Kunst besteht also darin, die Perspektive der ganz normalen Kommunikation und Neugier als KameraPerspektive zu halten. Das ist wieder einmal Reportage als Denkansatz! Für die Kamera ist es völlig überflüssig, Unmengen an Schnittmaterial zu sammeln, Futter für Textpassagen, die eher Bildteppiche werden, irgendwelches Futter für mögliche Zwischenschnitte. Allein dieser Verzicht auf meist nicht benötigte Bilder erspart dem Team Unmengen Zeit, schafft Reserven für Recherchen mit laufender Kamera. Wie viel Zeit haben Fernsehmacher schon vergeudet, indem sie mit dem ganzen Team auf das passende, natürlich schöne, Wetter warteten, um eine Totale von einem Ort zu drehen, die man mit großer Wahrscheinlichkeit kaum brauchte. Wie viele „Klappen“ hat man geduldig oder ungeduldig darauf gewartet, bis ein Protagonist sich kamera- und storygerecht verhalten und bewegt hat. Wie viel sinnloses Material wurde dabei vergeudet, wie viel Zeit? Da das Erzählen einer Story die Konzentration auf Details erfordert, kann auch auf jedes allgemeine, abstrakte Bild verzichtet werden, Orts-Totalen etwa, um eine angebliche Geschichte zu etablieren. Das kann es nur geben, wenn der Ort die Story ist, was aber unwahrscheinlich sein dürfte, da wir in der Reportage
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ja Geschichten über Menschen erzählen. Die Kamera muss allerdings sehr bewusst mit der offenen Form umgehen, muss vor allem darauf achten, dass für mögliche Zäsuren, Ortswechsel, Schauplatzwechsel, Einführung von Protagonisten, ausreichend authentisches Material zur Verfügung steht, besonders was Szenen-Übergänge betrifft. Gefahr Bildteppich Als Gegenbeispiel zum reportagigen Arbeiten soll nur daran erinnert werden, was im Fernsehalltag üblich ist, jedenfalls oft zu sehen ist: Der Bildteppich. Der Text „steht“, d.h. ist schon gedanklich oder tatsächlich verfertigt, es gibt einen abstrakten Bildkatalog, den die Kamera (oder gleich das Archiv) zu liefern hat. Es handelt sich um feature-artige Bilder, die immer und überall zu verwenden sind wie: Irgendwelche Kinder in irgendwelchen Familien, irgendwelche Arbeitslose auf irgendwelchen Gängen, irgendeine Masse Mensch in irgendeiner Fußgängerzone, irgendwelche Auspuffrohre an irgendwelchen Autos in irgendeiner Stadt, usw. Man nimmt die Bilder bei Bedarf aus dem Archiv und montiert sie nach Textvorgabe. Bild und Text passen in der Regel wunderbar zusammen. Zur Not wird der Text noch abstrakter gehalten, er passt dann hundertprozentig. Im amerikanischen Fernsehen heißt dieses Prinzip „say cow, see cow“, der weit verbreiteten Methode folgend, dass z.B. bei CNN die Texte vorab gefertigt und abgenommen werden, anschließend oftmals fern vom Korrespondenten in der Senderzentrale bebildert werden aus irgendwelchen Quellen; wenn es von der Länge her nicht reicht, wird das identische Bild ungeniert wiederholt. Eine irgendwie vertretbare Nachrichtenstory, vielleicht sogar ein guter Magazinbeitrag, sicher aber keine Reportage. Der Bildteppich ist das klare Gegenteil einer authentischen Reportage-Story. Übergänge, Zäsuren, Anschlüsse Die Hauptprobleme des gestalteten Kunstfilms, die Frage der Kontinuität, der Anschlüsse, wie überhaupt der Filmteile zwischen den wesentlichen Bestandteilen einer – gestellten – Szene sollten unter Reportagebedingungen kaum vorkommen. Zäsuren zwischen tragenden Teilen der Geschichte, zwischen einzelnen Episoden, sind mehr als Bildtrenner, sie werden selber zur Story, Beispiel: Schauplatzwechsel. Eine Zäsur kann zum verbindenden Element werden, zum Übergang, zum Anschluss. Sie kann sogar zum tragenden Element werden (siehe Roadmovie). Da Handlungsstränge mehr oder minder durchgehend verfolgt werden, sollte es auch keine größeren Anschlussprobleme geben, wie z.B. durch
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unterschiedliche Kleidung an unterschiedlichen Drehtagen oder durch unterschiedlichen Licht-Charakter zwischen den Drehs. Fehlt ein Anschluss, weil einfach eine neue Episode begonnen hat, so ist das logischerweise zu thematisieren, notfalls im Text zu begründen, wenn es wichtig und typisch erscheint. Die Kamera reagiert auch auf technisch ungenügende Situationen und in ihnen, weil es authentisch ist. Kameratechnisch, vor allem lichttechnisch unbefriedigende Drehbedingungen sind kein Grund, nicht zu drehen, den Dreh zu wiederholen, eine bessere Situation zu inszenieren, abzubrechen oder den reportierten Handlungsablauf zu unterbrechen. Am Kunstfilm orientierte Qualitätsmaßstäbe können eine Reportage in ihrer Substanz gefährden! Der Reporter dirigiert nicht die Handlung, sondern die Kamera. Tipp: Zu viel Regie kann die komplette Situation, sprich die ganze Szene, verderben. Jedes Intervenieren stört den authentischen Ablauf des Geschehens! Es verbieten sich die üblichen Regie-Kommandos „und bitte…“, oder „action!“. Entscheidend für den Erfolg ist eine präzise Absprache mit dem gesamten Team. Alle sind Ko-Autoren. Alle müssen die Zielrichtung kennen, alle müssen wissen, worauf es ankommt, besonders was die O-Töne betrifft. Alle müssen auf demselben Kenntnisstand sein. Alle müssen wissen und verabreden, wie sie bei unvorhergesehenen Ereignissen reagieren sollen. Auf jeden Fall muss verabredet werden, wie man bei laufender Kamera miteinander kommuniziert (Antippen, Flüstern, Position vom Reporter neben der Kamera).
Der O-Ton Der offene Rechercheansatz der Reportage erfordert ein spezifisches Vorgehen beim Einsammeln von Originaltönen, kurz: „O-Tönen“. Die O-Töne sind das Skelett einer guten Reportage. Vorgefertigte, erwartbare O-Töne behindern logischerweise ein unerwartetes Ergebnis der Recherche. Die Frage ist: Wo und wie kann man informative, lebensnahe O-Töne abholen und einsammeln? Dies ist Teil der situativen Recherche. Ein relevanter O-Ton-Schauplatz ist immer reine Planungs-Sache: Wann überhaupt kann ich in einer real ablaufenden Situation im entscheidenden Moment die entscheidenden O-Töne abfragen? Die Fragen und mehr noch die richtigen Momente, wann diese Fragen gestellt werden, alles das will vorausbedacht werden. Wann soll die einzige wichtige Frage im Ablauf des
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Geschehens gestellt werden, wann in der zu erwartenden Sequenz? Das Interview der Reportage ist eben nicht zeitlos, sondern an den richtigen Moment gebunden. Die richtige Frage zum falschen Zeitpunkt oder die falsche Frage zum richtigen Zeitpunkt, beides schadet einer guten, nachvollziehbaren Story. Wie im richtigen Leben. Und das allein ist der Maßstab der Reportage. Wieder einmal sei erinnert an das Prinzip der Reportage, das ein Denkansatz ist! Nichts ist „echter“ als eine eingefangene O-Ton-Situation: Echte Menschen unterhalten sich, sitzen miteinander zusammen und reden. Nichts ist tödlicher als sprechende Köpfe („talking heads“), irgendwelche Gesichter von Menschen, die man im Film nicht kennenlernt, die sich zu irgendeiner Meinung oder einem Sachverhalt äußern, zusammengeschnitten nach kausalen Gesichtspunkten, die man als Zuschauer versteht oder – wahrscheinlicher – nicht versteht. Aus dem hohen Stellenwert des Menschlichen in der Reportage ergibt sich: Ein wesentliches Kriterium für eine gelungene Reportage ist die Qualität der OTöne. Sie sollten nicht gestellt sein (oder so wirken), sondern quasi live. Durch möglichst viele und vielfältige O-Töne formt sich eine Reportage, d.h. es verbieten sich gestellte Gespräche. Gespräche statt Interviews Da die Reportage vorgefundene Situationen abbildet, werden idealerweise auch nur vorgefundene, tatsächlich ablaufende Gespräche „belauscht“. Finden diese aus irgendwelchen Gründen nicht oder jetzt nicht statt, werden sie vom Reporter angeschoben. Gibt es keine interagierenden Gesprächspartner, wird der Reporter selber zum Gesprächsteilnehmer, zum Akteur. Aber nur dann! Die Interviews sollten möglichst aus einer Situation heraus entstehen, lebensnahe, nicht abgehobene Gespräche zwischen Menschen sein, von denen einer der Reporter ist. Die spontan entstehenden Gespräche sind mit einiger Sicherheit die emotionaleren, und genau die brauchen wir! Die Einschätzung, wann genügend Vertrauen besteht für den Beginn des entscheidenden Gesprächs, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Personenführung während der gesamten Reportage. Originaltöne und wie man sie kriegt Geht man von einer reportagehaftigen Dramaturgie aus, so lässt sich jeder Vorgang, jedes Geschehnis in einer Sequenz beschreiben, einem Bogen. Entsprechend gibt es verschiedene Möglichkeiten und Notwendigkeiten, in einem ablaufenden Bogen von Aktionen und Interaktionen den richtigen Moment für gute, nämlich die richtigen, O-Töne zu definieren.
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Der gute O-Ton für eine Reportage ist zunächst der vorhandene, das Gespräch zwischen ohnehin anwesenden Menschen, die sich auch ohne unser Zutun gerade austauschen wollten.
AntippInterview ProvokationsInterview
InterventionsInterview
Abholendes Interview
ErwartungsInterview
Vorlauf
Aktion/ Interaktion der Sequenz
Nachlauf
Interview-Möglichkeiten im Laufe einer Sequenz Die Leistung des Reporters besteht darin, den Moment des Gespräches zu ermitteln und als Zaungast dabei zu sein. x
Das Erwartungs-Interview (spekulativ am Beginn einer Aktion) Beispiel: „Gleich werden wir vielleicht sehen, wie… Und Sie sind immer noch so cool?“
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Das Provokations-Interview (zum Beginn einer Interaktion) Beispiel: „Sagen Sie mal, jetzt geht es gleich los, und Sie tun so also ob Sie nichts damit zu tun haben?“
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Das Antipp-Interview (mitten in der Aktion) Beispiel: „Ich sehe gerade, wie Sie so etwas Verrücktes kaufen. Wofür ist das gut?“
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x
Das Interventions-Interview (mitten in der Aktion an einem Schlüsselpunkt) Beispiel: „Eine Möglichkeit noch. Jetzt geht’s ums Ganze, oder?“ auch (und nur hier!): „Wie fühlen Sie sich gerade dabei?“
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Das Interventions-Interview (zu einem relevanten Zwischenpunkt, das beiläufige Resümee) Beispiel: „Das ist jetzt schief gegangen, gibt es noch Chancen auf einen Erfolg?“
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Das abholende Interview nach Abschluss einer relevanten Aktion Beispiel: „So, jetzt haben wir das Schlimmste hinter uns, würdest Du das unter normalen Umständen noch einmal machen?“
Die Frage ist, ob und wie ein Vorgespräch die erforderlichen psychologischen Grundbedingungen schafft, die man als Reporter benötigt für die erwünschten OTöne. Bei schwierigen Themen ist es sicherlich unvermeidbar, überhaupt erst Vertrauen zu schaffen bei den Protagonisten. Wer will schon einem unbekannten Reporter sofort seine tiefsten Befindlichkeiten mitteilen? Das Vorgespräch kann außer der inhaltlichen Klärung auch die entscheidenden Fragen in einer Reportage beantworten: x x x x
Wird es verbale Interaktionen geben, wenn ja zwischen wem? Wo werden die Interaktionen stattfinden, mit welchem zeitlichen Raster, wo lassen sich die beabsichtigten Fragen stellen? Was sind die Tabus, welche sind für die Reportage wichtig, wann und unter welchen Umständen kann man dennoch darüber reden? Wie schnell kommt ein Protagonist ins Reden? Ist es womöglich sinnvoll, einen fließenden Übergang zwischen Vorgespräch und dem eigentlichen Interview zu beachten, d.h. das Kamerateam müsste von Anfang an dabei sein beim Vorgespräch und die Kamera einschalten, wenn sich spontan ein entscheidendes Gespräch ergibt.
Entscheidend für die Qualität eines O-Tones sind: Der Moment, die Relevanz, die Kompetenz, in dem dies kulminiert, die (Teil-) Frage im entscheidenden Moment an der richtigen Location. Es ist sinnlos, einen Menschen an irgendeinem Schauplatz zu irgendeinem Zusammenhang zu befragen. Die Frage schon müsste allgemein sein, die Antwort wird es auch sein. Der relevante Schauplatz wird erst die Voraussetzungen schaffen für eine ortsbezogene, themenbezogene Antwort.
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Der Idealfall ist die relevante Person (der Protagonist) an einem aktuell relevanten Schauplatz, ersatzweise an einem ehemaligen Schauplatz von Relevanz, befragt zu einem hier – und nur hier – relevanten Thema. Will sich jemand nicht äußern, kann dies ein wichtiger, besonders eindringlicher Teil der Story sein! Auch ein „verfehlter“ O-Ton, ein Abbrechen, ein Nichts-Sagen kann ein entscheidender O-Ton sein. Dann wird das Wie des Nichtssagens zur eigentlichen Information (siehe: Die Meta-Ebene). Tipp: In Vorgesprächen möglichst wenig über das detaillierte Vorhaben reden, nicht schon „die Luft rauslassen“. Dreharbeiten nur produktionstechnisch vorbereiten, nach realen Vorhaben der Protagonisten fragen („was machen Sie gerade, was würden Sie machen, wenn das Fernsehteam nicht gekommen wäre“), zum Weitermachen des ohnehin Geplanten animieren. Kamera dabei laufen lassen. In die normale Aktion mit Fragen hineingehen. Beispiel: Die Animateure Wie Urlauber in Schwung gebracht werden (ARTE 1995) Eine Animateurin in einem Ferienclub wird einen ganzen Tag lang beobachtet. Spätabends noch muss sie noch die Gäste zum Tanzen animieren, sie antreiben, ihre Passivität aufzugeben. Nebenher räumt sie noch auf. Der Reporter tritt hinzu, resümiert mit der einzigen, zentralen Frage "Ein Knochenjob, oder?" Sie antwortet "Ja, Knochenjob und Traumjob!", die zentrale Aussage des Films. Dann arbeitet sie weiter, geht wieder zu den Gästen, die die ganze Zeit im Hintergrund weitergetanzt haben, auch die Musik lief ununterbrochen, ungeschnitten weiter. Der Text leitet über zur nächsten Situation. Dies ist eine Szene, die den geforderten Vorlauf hat (zur Vorstellung, Bewertung der Person und ihrer Aktivitäten), es folgt ein aus der Situation geborener OTon, der abgeschlossen wird von einer ausleitenden Sequenz, über die wir im Text wiederum Bewertungen vornehmen, Ausblick und Übergang herstellen können zur folgenden neuen Sequenz. Am besten ist also ein „Antipp“-Interview: der Reporter tippt seinem Protagonisten auf die Schulter, während der gerade etwas Typisches/ Wichtiges/ Interessantes tut, spricht ihn mit einer Frage an. Der wird sich wahrscheinlich umsehen zum Fragenden, damit zur Kamera wenden und antworten; durch ein Zeichen oder eine Bemerkung („ach so, alles klar, vielen Dank“ etc.) wird klargemacht,
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dass das Gespräch beendet ist; abschließend wendet er sich vermutlich wieder ganz seinem Tun zu, die Kamera läuft weiter. Damit hat man alle Reportage-Elemente vereint: x x x
eine einführende Aktion, ein live-artiges Gespräch über eine sichtbare Aktion, eine bildliche Ausleitung.
Das alles kann ganz ohne Zwischenschnitte funktionieren, in einem Guss, eben wie eine Live-Sendung. Tipp: Die O-Töne einer guten Reportage ergeben sich aus Gesprächen, nicht aus Interviews, eher beiläufig als konfrontativ, geplant. Je spontaner das Gespräch, desto besser, natürlicher. Je „unsichtbarer“, je losgelöster der Reporter, das Mikro, desto besser der O-Ton. Die Reportage will den Gesprächspartner als Menschen kennen lernen, woraus sich interessante Fragen ergeben. Daneben erfahren wir Dinge, die für die Einordnung einer Person und seiner Lebens-, Alltags- oder Berufssituation wichtig sind. Experten und politische Akteure kommen eher am Rande vor, als Begleitpersonen oder Kommentatoren. Sie alle aber sollten auch leben, agieren. Womöglich wird die „unwichtige“ Randfigur zum entscheidenden Protagonisten. Ziel ist es, Experten und Politiker in die themenbezogene Situation bringen, sie zur Konfrontation mit dem Thema oder dem Problem zu zwingen. Offizielle Statements vermeiden! Lässt sich das aus etwa programm-politischen Gründen nicht vermeiden, sollte man versuchen, das Interview soweit möglich reportagig zu gestalten. Um Menschen zu porträtieren hilft es, wenn sie sich erst einmal selber vorstellen, sich in einer realen Situation darstellen. Dadurch fühlen sie sich ernst genommen und lockern sich eher. Daneben sollten Interviewpartner nie in ihrer Kompetenz überfordert werden. Jeder spricht nur zu dem Thema, das er genau und selber kennt. Meinungsbefragungen, allgemeine Fragen überfordern oft, führen zu Verkrampfungen und haben meist einen bescheidenen Informationsgehalt.
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Die Bildachse folgt der Achse zwischen den Gesprächspartnern. Der Zuschauer ist einer davon, die O-Töne richten sich also in der Regel in die Kamera, zum Reporter hin.
Künstlerische Gestaltung Die Reportage ist gestalterisch eine besonders simple Form. Ihre Stärke ist nicht die Ästhetik, sondern die Didaktik. Sie kann den Ehrgeiz, Filme (!) zu machen, sicher nicht befriedigen. Dafür ist sie in ihrer Wirksamkeit und Merkbarkeit besonders intensiv, zu direkt, nicht manipulierbar. Ist der Reporter auch Regisseur oder nicht? Diese Frage stellen sich viele Reporter, die erstmals eine meist lange Reportage machen. Aber: Die Absprache mit dem Kameramann sollte vor dem Dreh ausführlich erfolgen (siehe Kapitel Vorabsprachen mit dem Team). Was ist wichtig? Welche der zu erwartende Szenen können zu Schlüsselszenen werden? Beim Dreh selber sollte so wenig wie möglich dem Kameramann ins Handwerk „gepfuscht“ werden. Jede Unterbrechung des Drehs einer Szene kann diese sofort ganz zerstören. Auch bei langen Geschichten, die mehrerer Tage Recherche bedürfen und etliche Drehtage beinhalten, kann es sein, dass die entscheidenden Szenen innerhalb nur einer Stunde gedreht werden. Beispiel: Kindersoldaten (ARD 1995) Beim Dreh zu einer Reportage über Kindersoldaten in Afrika/Liberia, war das Team tagelang unterwegs, um mehr oder weniger zufällig zu einem Camp zu kommen, dass ein Hauptquartier war, eines der sechs rivalisierenden Rebellengruppen im Bürgerkrieg. Kindersoldaten, die gerade von einem Kampfeinsatz zurückkamen, berichteten über ihre Erlebnisse. All das musste schnell gedreht werden (wie sich erst im Nachhinein herausstellte), weil kurz darauf einer der „Generäle“ (ein Erwachsener) kam und die Gruppe auflöste. Wer jetzt als Reporter glaubt, er müsse dem Kameramann noch Tipps geben, vielleicht ein bisschen mehr nach links, da ein Bild mit der Fahne im Anschnitt oder dem vorbeifahrenden Jeep, verpasst die wichtigen Szenen. Die Aussagen der Kinder allein zählten! Nicht lange diskutieren, sondern drehen, war angesagt. Investigative Stories haben den Zweck, etwas aufzudecken, etwas Unbekanntes oder Verbotenes ans Tageslicht zu bringen.
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Beispiel: ARD-Ratgeber Geld: Das Team macht sich auf die Suche nach einem „Hintermann/Drahtzieher“, der unlautere Gewinnspiele betreibt. Er bringt Menschen dazu, bevor sie den Hauptgewinn einer Verlosung bekommen, eine Bearbeitungsgebühr von sagen wir 20 Euro zu bezahlen. Kern der Geschichte: Den Hauptgewinn gab es nicht und eine Gewinnbenachrichtigung, dass jemand den Hauptpreis (ein Auto) gewonnen hat, wurde 50 000 Mal!!! verschickt. Die Absicht der Betrüger ist klar. Möglichst viele sollen die Bearbeitungsgebühr zuschicken, der Hauptpreis wurde nie ausgegeben. Der Initiator des Spiels sitzt in Holland. Das Team recherchiert bei der Kripo in Amsterdam, bekommt die Adresse des Initiators heraus und steht vor dessen Tür. Jetzt kommt die Schlüsselszene der ganzen Story. Ganz wichtig: Vorher mit dem Kameramann alle Eventualitäten besprechen, damit sich beim Dreh jeder auf den anderen verlassen kann und jeder sich auf sein Spezialgebiet konzentrieren kann. In diesem Beispiel ging das Team mit laufender Kamera auf das Haus zu, Klingelknopf drücken, reingehen, begrüßen und die ersten Fragen stellen. Der Mann sieht die Kamera, weiß also, dass gedreht wird. Zwei, drei Fragen, er bestreitet alles, knallt die Türe zu. Jeder hat das getan, was er am besten kann. Der Kameramann hat gedreht, auch noch hinten rein in die Lagerhalle. Dort lagen sogenannte zweite Preise, die im Notfall auch verschickt wurden, aber deren Wert weit unter 20 Euro lag. Der Reporter hat die Fragen gestellt und versucht, den Mann inhaltlich in die Enge zu treiben. Der Dreh dauerte weniger als drei Minuten – zwei davon waren aber wesentlicher Bestandteil der Story. Vorbereitungszeit für die Szene: Recherche von mehreren Tagen. Erst später in der Redaktion kann man klären, welche Persönlichkeitsrechte der Gedrehte hat. Liegt öffentliches Interesse vor dem Schutz der Persönlichkeit? Dazu siehe auch Kapitel Ethik für Reporter sowie Presserecht. Regel: Der Reporter ist mehr Rechercheur als Redakteur, mehr Sammler als Gestalter. Bei der Reportage kommt es auf ein eingespieltes Team an - mehr als in anderen Genres der Film- und Fernsehindustrie. Wer glaubt, durch Gestaltung und Regieanweisung eine Reportage „runder“ zu machen, ist auf dem falschen Weg. Halte dem Kameramann den Rücken frei, damit er in Ruhe seine Bilder machen kann. Greife nur in Ausnahmefällen ein, wenn wirklich etwas außerhalb des Suchers der Kamera geschieht.
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Bei normalen Geschichten, also nicht investigativen Stories, ist die „künstlerische, regiemäßige Aktivität“ des Reporters nicht ganz so streng zu sehen. Wenn ich zum Beispiel eine Geschichte über die Bergwacht mache, kann ich schon einzelne Einstellungen wiederholen lassen, damit der Kameramann die Gelegenheit hat, von ein und derselben Szene verschiedene Einstellungsgrößen zu drehen. Das erleichtert die Arbeit beim Schnitt wesentlich. Zum Beispiel: Beim Skianziehen, Ausrüstung zusammenpacken, verschiedene Einstellungen beim gehen oder beim Klettern am Berg. Immer unter der Voraussetzung, dass ich den Gang der Geschichte nicht manipuliere. Will man situative O-Töne einfangen, wird man aber wieder mit echten Momenten arbeiten müssen. Beispiele für Wiederholungen, weil ich Details und das Ganze sehen muss, sind: Ein Schiff fährt durch eine Schleuse, Zöller bei der Passkontrolle, Metzger im Schlachthof, Polizeikontrollen auf der Autobahn, Straßenwacht bei der Arbeit usw. Entscheidend ist es, den Denkansatz der Reportage nicht außer acht zu lassen. Nahe dran bleiben, Interesse zeigen, neugierig sein und mit den Menschen reden.
Drehprotokoll/Tagebuch Der Drehtag ist vorbei. Anstrengung total nach 13 Stunden Arbeit. Schnell essen und ins Bett, denn morgen wird es vielleicht noch anstrengender. Doch eines sollte man nicht vergessen, denn der Tag ist noch nicht vorbei. Der Kameramann bzw. der Assistent bringen die Ausrüstung auf Vordermann. Sie checken die Kabel und Verbindungen, laden die Akkus, bringen Ordnung in das gedrehte Material. Meist macht das ja der Assistent, nummeriert und beschriftet die Kassetten. Und für den Reporter beginnt jetzt die lästige aber sehr sinnvolle Tätigkeit des Protokollierens, des Tagebuchschreibens. Viele Eindrücke des Tages sollte man unbedingt aufschreiben, viele Gefühle, die man beim Drehen, bei den Interviews hatte oder Informationen, die man vom Nachbarn bekommen hat, während der Kameramann noch ein paar Einstellungen gedreht hat. Bei langen Drehs über einige Tage, bei sogenannten Recherchedrehs, kann man sich nicht alles merken, was man über die Tage aufgesogen hat. Vielen Anfängern passiert es, dass sie sich nichts aufschreiben. „Das kann ich mir doch merken, das ist so interessant für die Story, das vergesse ich nicht“, so die Argumente. Aber weit gefehlt. Den meisten Anfängern passiert es doch, dass sie wichtige Informationen doch vergessen, und sie ärgern sich dann, wenn beim Schneiden oder Texten die Frage auftaucht: Was soll ich denn zu diesem Bild, zu jener Szene erzählen? Es sind die vielen kleinen Informationen, die der aufmerksame Reporter sammelt, die später zu einem guten Text beitragen.
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Tipp: Legen Sie sich ein Tagebuch zu. Am besten mit einem festen Deckel und festem Karton als Rücken als gleichzeitige Schreibunterlage im Stehen. Ein Plastiküberzug schützt vor Nässe. Wenn möglich nummerierte Seiten. Keine Seiten herausreißen! Ganz vorne kann man sich die wichtigen Kontaktnummern und -Daten aufschreiben, Adresse etc. und dann in Stichworten das Wichtigste. Am Abend wirklich alles notieren, was einem den ganzen Tag durch den Kopf gegangen ist. Manchmal hat man auch schon Textideen, besonders originelle Sätze, die einem während des Drehs durch den Kopf geistern. Natürlich kann man das Tagebuch auch elektronisch führen, wenn man will. Nachteil: Man braucht Strom. Die kleinen Palms und anderen Geräte sind nicht ganz so robust und außerdem ziehen sie neugierige Blicke auf sich, sprich: sind oft im Focus von Dieben, je nach Region, in der man sich befindet. Wer klaut schon ein Notizbuch aus Papier? Überhaupt ist das Tagebuch/Drehprotokoll/Logbuch, egal wie man es nennt, die beste Art, am Ende des Tages seine Gedanken zu sortieren, den Tag abzuschließen und sich für den kommenden Drehtag vorzubereiten. Oder die Fragen zu beantworten: was hab ich vergessen, muss ich morgen nochmals irgendetwas klären, und mit wem? Je schneller ich Unklarheiten beseitige, desto besser ist es. Zwischen Dreh und Texten liegen bei längeren Reportagen in der Regel Wochen. Wer kann sich da noch an kleine Details erinnern. Für das Texten ist das Drehprotokoll/Tagebuch hilfreicher Ideengeber für kleine, nicht uninteressante Details, die den guten Text ausmachen. Checkliste für die Tagesaufzeichnungen: x
Wo wurde gedreht? Ort, Adressen aufschreiben.
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Wer wurde gedreht? Namen !!! (ganz wichtig für die beabsichtigte Personalisierung von Themen). Die genaue Schreibweise benötige ich später für die Inserts/Bauchbinden.
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Was wurde gedreht? Geräte, Anlagen, Baujahr, Details notieren!
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Von wem habe ich diese Zusatz- oder Geheiminfos bekommen?
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Habe ich neue Adressen bekommen, Telefon-Nummern?
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Diese Nummern und Adressen am Abend von irgendwelchen kleinen Zetteln in irgendwelchen Taschen ins Tagebuch übertragen, sonst verschwinden diese auf „seltsame“ Weise. Glauben Sie das!
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Eine minimale, aber sehr hilfreiche Voraussetzung zur Bewertung, manchmal auch zur Rekonstruierung der Dreharbeiten ist das simple Beschriften des Drehmaterials, der Kassetten und Disks. Der genaue Name des Drehortes (in der korrekten Schreibweise, wie man sie am besten gleich vor Ort erfragt), die Protagonisten (ebenfalls korrekt beschrieben), ergänzt durch einige Zusatzinformationen, je mehr, desto besser. Allein diese wenigen Basis-Infos können einen Text retten. Liegt zwischen dem Dreh und der Bearbeitung eine längere Zeit, sind Hilfsmittel wie dieser unverzichtbar. Zur Not hilft auch das rechtzeitige Notieren der Telefonnummer des Teams, um gemeinsam die vergessenen Fakten zu rekonstruieren, brauchen werden wir sie auf jeden Fall. Auch eine sofortige LogListe hilft gegen das Vergessen, und damit gegen Text-Blockaden! Das präzise Vorbereiten des Materials ist der beste Trick überhaupt.
6 Exkurs: Video-Journalismus in der Reportage 6.1 Exkurs: Video-Journalismus in der Reportage Reportage ist Teamwork. Teamwork ist für manchen eine schwierige Sache: die Kommunikation im Team klappt nicht immer, jeder weiß alles besser, oder alle wissen nichts. Mancher mag ein Problem haben mit der Nähe zu den Protagonisten oder Schwierigkeiten mit dem Thema, oder die Planung geht schief. Oder der Zeitrahmen passt nicht, der Dreh ufert aus, die Kosten laufen davon, oder vieles mehr. Nicht zuletzt widerstrebende Ansichten mit dem Cutter, was eine Reportage ist, und wie schnell so etwas geschnitten und produziert werden kann. Oft genug wünscht man sich eine weniger umfangreiche Technik, weniger Teammitglieder und einen geringeren organisatorischen Aufwand. Die Videokamera verspricht hier eine bessere, wenigstens einfachere Umgangsweise als im normalen Team. Und der selber angefertigte Schnitt am Laptop, wenigstens Rohschnitt, erspart zeitraubende Diskussionen mit einem Cutter über Sinn und Unsinn einer Story.
Einsatzmöglichkeiten in der Reportage Hinreichende bildliche wie journalistische Qualität ist im Prinzip auch mit der abgespeckten Technik machbar, viele Bilder aus dem internationalen Nachrichtenaustausch (etwa Euronews) sind qualitativ schlechter und werden auch gesendet. Die Frage ist, ob schlechtere technische Qualität – und damit geringere Professionalität - nur hingenommen wird oder als zukünftiger Standard gesetzt wird? Und in Bezug auf welches Medium? Der Videojournalismus macht sich aus diversen Gründen breit, wird als Zukunft für alle, gar als Revolution bezeichnet: Weniger Personal, womöglich im Ein-Mann-Team, weniger Technik, einfachere Technik allemal, geringere Kosten, dafür mehr Transparenz, mehr Themen, andere Themen, ja sogar mehr Demokratie. Die Diskussion ist in einer Vielzahl von Texten nachzulesen. Überfrachtet wird die Entwicklung mit geradezu euphorischen Versprechen, wie die ZEIT entdeckte: „den starken Autor aus dem Direct Cinema, die Selbstermächtigung des Filmemachers aus der Videoladenbewegung, den Materialbegriff aus der Videokunst. Die Prinzipen des ambitionierten Dokumentarfilms sollen das Regionalfernsehen ..., auf jeden Fall die Massen erobern“. (Die Zeit, 12/2005) Tatsächlich schrumpfe das VJ-Einsatzgebiet bei genauerem Hinsehen auf überschaubare Größe. Hier sollen nur kurz die Möglichkeiten und Chancen abgewogen werden, und zwar unter dem Gesichtspunkt: Was bringt der Videojournalismus für das authentische Arbeiten?
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Klar, ein Ein-Mann-Team kennt keine Kommunikationsprobleme, die Absprache mit sich selber ist denkbar einfach – wenn man sich über die verschiedenen Rollen im Klaren ist, die man selber zeitgleich auszuüben hat. Einfache Technik und ihre Tücken Die Technik ist schnell erlernbar und beherrschbar, in der Regel auch sendefähig, wenn auch hier bestritten wird, dass die technischen Parameter im Vergleich mit der „großen“ Kamera nicht auffallen. Verschiedenes Material gemischt geschnitten fällt immer noch auf, kann im Extremfall ablenken, wenn etwa hochgesättigte Blau- oder Rottöne im Bild sind, deren Ränder unscharf erscheinen. Aber im durchgängig auf Video gedrehten und geschnittenen Material beschränken sich solche irritierenden Momente auf den Anfang und das Ende eines Beitrages. Die Erfahrungen in den Sendern sind zwiespältig: von Euphorie (vor allem bei kleinen, lokalen, Privatprogrammen) über Wohlwollen (Experimente beim HR, BR, WDR) bis zu professionell begründeter Skepsis, so Hans-Albrecht Lusznat: „Nie wieder DV...“ (in: Film & TV Kameramann, 10/2002). Wer schon einmal eine ganze Story mit einer Videokamera selbst gedreht hat, kennt aber auch die Grenzen: x
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Überlastung in einer der Rollen allein beim Dreh, die zeitgleich gewahrt werden wollen: Bild, Ton (!), schnelles Reagieren als Interviewer in emotionalen Situationen, Denken in Schnitten, An- und Abfahrt als Selbstfahrer, von der unter Zeitdruck normalen parallelen Vorbereitung des nächsten Drehs und anderer Recherche ganz zu schweigen. Mehr Stress Mangelnde Tonqualität bei mehr als einer Tonquelle (und das kann schon ein Zwiegespräch mit dem Reporter sein) Leichtfertiges Vertrauen auf die diversen Automatik-Schaltungen Vernachlässigen der Situation um den Drehort herum, mangelnde Reaktion auf unvorhersehbare Veränderungen, Vernachlässigen der eigenen Sicherheit bei Gefährdung.
Oft genug erweist sich, dass das Ein-Mann-Team nicht wesentlich schneller ist, gerade wenn es auch gute technische Ergebnisse erzielen will. Der Zeitvorsprung durch die Konzentration auf einen einzigen Produzenten ist oft schnell dahin. Für manche heißt die Konsequenz sowieso: ein Videoteam kann ohne allzu große Erfolgserwartungen und ohne erhöhtes Kosten-Risiko länger an einem Drehort bleiben als sonst möglich, und damit könnten andere Themen anders erschlossen werden. Das Argument von Sendern mit ausreichenden Erfahrungen in diesem
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Bereich, dass viele Themen, vor allem regionale, sonst nicht ins Programm kommen würden, bestätigt dies. Das Argument Geschwindigkeit hat bereits an Bedeutung eingebüßt. Es geht ums Billigermachen. Das Argument der besseren Herstellung von Nähe zu den Protagonisten scheint nicht zu tragen; denn bei einer entsprechenden technischen und mentalen Vorbereitung eines Teams sollte dies kein Problem mehr sein. Für vollständige Geschichten mit einer entsprechenden Bild- und Tonqualität (und entsprechend zusätzlicher Technik wie Zusatzobjektiv, Zusatzmikros) verbraucht sich das Argument der Unsichtbarkeit eines VJ-Teams ebenfalls schnell. Das Argument des unbefangenen, unbemerkten Drehs ist riskant: es fordert auf zu unberechtigtem Dreh einer Person. Sie wird womöglich gar nicht wissen, dass es sich um „offizielle“ Dreharbeiten handelt, dass sie gar nicht einverstanden ist, im Fernsehen zu erscheinen. Dass heimliches Drehen auch als Vertrauensbruch, sogar als Spionage gewertet werden kann, mit ungewissem persönlichen oder materiellem, wenigstens Produktionsrisiko, ist ein weiterer, oft vergessener Aspekt. Bei den technischen Problemen zeigen sich – abhängig vom Kameratyp regelmäßig dieselben Schwierigkeiten: x x x x x x x x x x
Anzahl unzureichender Toneingänge untaugliche eingebaute Mikros Vollautomatik mit begrenzter Möglichkeit der manuellen Steuerung (besonders im Ton) Endlos-Einstellringe für Zoom und Schärfe (macht manuelle Führung schwierig) Wackeln der Aufnahmen wegen geringen Gewichtes der Kamera und schlechtem Gewichtsausgleich trotz Steady-shot Einstellung, Zwang zum Einsatz von Stativen Nutzlose Ausklapp-Monitore bei hellem Tageslicht Zu große Zahl von Kontroll-Parametern auf dem Monitor Insgesamt schwache Monitor- und Objektiv-Qualität Erhebliche Zusatzausstattung für professionelle Bilder Schrumpfender Kostenvorteil bei besser ausgestatteten Kameras, Verlust der „Unauffälligkeit“ (z.B. Richtmikrophon, Kopflicht).
Videobilder haben – aus journalistischen Gründen – ihre eindeutige Berechtigung in folgenden Fällen:
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Exkurs: Video-Journalismus in der Reportage Drehen ohne Drehgenehmigung (heimliche Kamera, als Tourist getarnt in schwierigen Einsatzgebieten) Ein-Mann-Situationen, in denen der Zugang faktisch beschränkt ist (Enge eines Drehortes, Beschränkung von Mitfahrgelegenheiten bei einer Pressefahrt o.ä.) Minimierung eines Risikos auf möglichst wenige Personen Schnelle Nachrichtenbilder, zufälliges Mitdrehen, Rohbilder Schnelles Produzieren von Nachrichtenfilmen (NIF) vor Ort unter einfachen Rahmenbedingungen fernab von anderen Strukturen
Daraus wird deutlich: beim Sammeln von Bildern hat die kleine Kamera im Mini-Team Vorteile, das Reportieren von ganzen Stories, das Erzählen von Geschichten mit – auch technisch – guten O-Tönen ist womöglich etwas ganz Anderes. In Sachen Authentizität hat die kleine Kamera sicher einige Vorteile, wenn sie vom Überraschungsmoment lebt, wenn Menschen sich schneller an die Anwesenheit einer Kamera gewöhnen sollen. Der Videojournalismus hat sich deshalb etabliert in den Bereichen: x x x x x x x x x
Einfache Themen (z.B. Wetterbilder, Pressekonferenzen) Lokale Themen in lokalen Stationen unter hohem Kostendruck Die Beschränkung auf „irgendwelche“ Bilder statt gar keiner Bilder (z.B. Bilder von Polizei-Einsätzen) Exklusiver Zugang zu sonst verschlossenem Geschehen (Undercover, investigative Einsätze) Kostengünstiges Vorhalten von Produktionsstrukturen in der Fläche für den seltenen Fall der Fälle (überschaubare Katastrophen wie Autobahn-Unfälle) Auslastung von mehr oder minder fest stationierten Reportern oder Korrespondenten anderer Medien weitab von der Station (O-Ton-Statements, Lieferung von Rohbildern) Langzeitbeobachtungen ohne besondere dramaturgische Ansprüche (oder auch vorsätzlich als Low-Quality in Dogma-Ästhetik) Einsatz im semi- oder nichtprofessionellen Bereich (Stadtfernsehen, BürgerTV, Jugendgruppen, Minderheiten-Fenster-Programme) Mehrmediale Nutzung von einmal aufgenommenem Material.
Voraussetzung im professionellen Bereich von Reportern ist sicherlich eine intensive Ausbildung an der Technik, oder bei Technikern eine intensive Beschäftigung mit Dramaturgie und dem Verfassen von Texten. Hier hat sich eine Viel-
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zahl von Institutionen etabliert, in deren Kursen man aber immer wieder an die bekannten Grenzen stößt. Nicht jeder ist ein Multi-Talent, oft aber ein Genie in nur einer der Rollen in einem Reportage-Team. Die „digitale Revolution“ Beobachtet wurde, wie sehr das Video-Format die journalistische Zugangsweise und Qualität bestimmt: von betörender Harmlosigkeit ist die Rede, Bilder als bloßer Beleg des Dabeigewesenseins, verliebt in die Oberfläche, gefühlte Belanglosigkeiten (ZEIT 12/05). Das muss nicht unbedingt so sein, der Gefahr der Entprofessionalisierung sollte man sich aber bewusst sein. Es gibt ein paar Fragen, die hier nicht diskutiert, aber angerissen werden sollen. Die Frage, ob alleine Rationalisierungs- und Kostengründe den Videoeinsatz rechtfertigen. Ebenso die von Gewerkschaften und Berufsverbänden diskutierte Frage: Werden mit den inhaltlichen Standards nicht ganze Berufsbilder ausgehöhlt oder wenigstens in ihrer materiellen Bewertung herabgestuft, Billigfernsehen statt Qualitätsmedien? Wird nicht das Produktionsrisiko alleine auf die Produzenten abgewälzt, die auf Verdacht an einen Ort geschickt werden? Selbstausbeutung statt hochwertigem Handwerk, Schnellschuss statt Kunst? Sind nicht vielmehr die – vorausgesetzt hoch-qualifizierten – multi-medialen EinMann-Teams unterbezahlt? Ist nicht die vorgebliche Freiheit, länger auf Vorrat zu drehen, die angebliche Freiheit, Fehler zu machen, ein teurer Trugschluss? Wird technische Innovation mit Kreativität verwechselt? Führt die Vereinzelung der Produzenten zu verminderter Diskussion und Reflexion des eigenen Handelns? Und nicht zuletzt die Frage, ob im Dilemma zwischen Zeitdruck, Kostendruck und Qualitätsanspruch letzterer entfällt. Aber das sind Fragen, die die Medienpolitik oder der Markt beantworten müssen. Immerhin, so eine Analyse des Frankfurter Filmhauses, könne der Videojournalismus, wenn er richtig eingesetzt würde, das Programmangebot komplettieren, wenn er eben seine Vorteile ausspielen könne. Das kann insbesondere für die Reportageform gelten. Neu ist es letztlich nicht. So wie die Reportage leichtere Themen leichter produzierbar macht, aber nicht zwangsläufig schwerere Themen ausschließt, so muss auch Videojournalismus nicht zwangsläufig zur anspruchslosen TV-Produktion führen. Es kommt wieder einmal drauf an…
7 Die Fernsehreportage: Die Nachbearbeitung 7.1 Die Fernsehreportage: Die Nachberarbeitung Man kommt vom Drehen zurück und hat eine Menge Kassetten dabei. Nun beginnt für manche das Spannendste: zu sehen, wie die Aufnahmen geworden sind. Bei wichtigen Szenen, beziehungsweise bei Schlüsselszenen, wie dem Einstieg oder dem Höhepunkt der Story, wird man das schon direkt nach dem Dreh, am Abend im Hotelzimmer gemacht haben.
Das Sichten Grundsätzlich gilt: Der Reporter kennt das Material, bevor er in den Schnitt geht. Nur in den seltensten Fällen – das wäre zwar ideal – ist der Cutter beim Sichten mit dabei. Die Produktionskapazitäten sind beschränkt, so werden die Schnitttage immer knapper kalkuliert. Umso logischer ist es, das schnelle Finden der besten Szenen zu ermöglichen, das Finden des besten O-Tons setzt genaues Sichten und exakte Time-Code-Listen voraus. Nur so kann der Reporter sich schon grundsätzliche Gedanken über den „Lauf“ der Story machen. Ist alles so, wie ich es geplant hatte oder ist es nicht besser, anders anzufangen oder einen neuen Handlungsstrang stärker zu betonen als bisher geplant? Eine sehr rechercheintensive Reportage, die zum Teil von den Reporten selbst gedreht wurde. Recherche und Dreh dauerten mehr als sechs Wochen. Drehorte waren: Rund um Serbien, Zollstationen an Straßen, Bahnhöfen und auf der Donau. Der Alltag: Warten an den Grenzübergängen, bis Zollbrecher gestellt wurden; Warten bei Hafenbehörden, bis Schiffe die Donau aufwärts kamen - mit geschmuggelter Ware. Warten auf Drehgenehmigungen, die nicht schon vor Drehbeginn geklärt werden konnten. Selbstverständlich wurden die Kassetten schon während des Drehs nummeriert. Aber selbst wenn dies vergessen wurde (das sollte zwar nicht sein, denn nur so merkt man schon während des Drehs, ob eine fehlt!!!) kann man das beim Sichten nachholen. So ist jeder im Team auf gleichem Informationsstand. Zum Beispiel: Kassette 5 oder 7b, Timecode 22.30 identifiziert jede Szene genau. Dass die Kassetten während des Drehs nummeriert wurden, sollte vorausgesetzt werden. Jeder wird seine eigene Arbeitsweise finden müssen, eine TimeCode-Liste kann praktischerweise aussehen wie auf der folgenden Seite.
Die Fernsehreportage: Die Nachberarbeitung Beginn der Szene
Inhaltsbeschreibung
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Kassette 2 (Zollamt, serbisch-ungar. Grenze)
0:55 4:00 5:30 6:48 7:40 8:50 9.42 11.20 11.40 12.30 13.30 16.15 17.30 20.30 21.38 23.34 26.40 27.28 28.37 29.03 29.13 29.36 30.07 30.57 36.01 38.12 38.32 39.34 40.13 41.30
Fahrer, aus Ingolst. LKW mit Schwenk re/li u.u. Dämmerung, LKW kommen zum Häuschen Passkontrolle Fahrer, Diskussion Bei 6:10 Guter O-Ton Zöllner nah Fahrradfahrer fährt über die Grenze Schwenk LKW auf F-Fahrer li/re PKW-Kontrolle im Sonnenuntergang Zollhäuschen im Sonnenuntergang Fahrer warten auf Papiere Gute Zwischnis PKW fahren li. Und re. Vorbei PKW Kontrolle mit O-Ton ungar. Zöllner Umschnitt Schwenk bei Fahrzeugkontrolle / Pass re-li u.u. Flüchtiger Blick in Kofferraum Totale und Schild Röszke Totale Raffinerie in Algö Unscharf “ gut bei 27.10 Flammen halbnah Gasbehälter Raff. Halbnah mit Baum Kessel nah Zwei Flammen und Totale Gaskessel event. Mit Schwenk re/li Totale Raffinerie Fahraufnahme subjektiv Fahraufnahme, Rad groß Guuuut.!!! Topa, Grenze mit dem letzten Tropfen nach Ungarn !!!!!!!!!! Britischer Zöllner Ankunft SAM Team Interview. Jim William (Teamchef in Ungarn)
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Die Fernsehreportage: Die Nachbearbeitung
47.18 51.17 52.07 54.40
LKW-Fahrer Statement 21.30 Uhr, LKW gesehen über Mazedonische Grenze Fährt mit seinen Kollegen weg Gefälschte Stempel, mit O-Ton .... Stempel Gutes Detail bei sind aus Sarajevo 52.34 ....Umschnitt
(Auszug aus der Original-Timecode-Liste Kassette 2 (von insgesamt 25 Kassetten) der Reportage „UN-Embargo mit Löchern – Verschlungene Pfade nach Serbien“ von Martin Weiss und Arndt Wittenberg, ARD, 1993) Beim Sichten haben der Autor, respektive die Autoren, schon die Möglichkeit, die Bilder zu bewerten. Deshalb empfiehlt sich die Timecode-Liste dreispaltig zu gestalten. x x x
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Links die Zeit. In der Mitte die Beschreibung. Rechts Bemerkung, Bewertung. Als Zeitangabe kann man den Beginn einer Szene notieren und deren Länge. 00.30 Minuten/Sekunden. Framegenau bringt nichts. Man kann die besten Sequenzen separat markieren. In der Bildbeschreibungsspalte braucht man keine Romane zu verfassen. Die Beschreibung sollte eindeutig die Szene festgehalten. Idealerweise noch versehen mit der Einteilung Totale, Halbtotale, Nahe etc. Die Schwenkrichtung immer kurz mit li-re oder re-li kennzeichnen. Tag- / Nachtangaben sind ebenso wichtig wie extreme Wetterereignisse. In der Spalte Bemerkung, kann ich mir schon gute O-Töne kennzeichnen, dass ich nicht noch einmal ganze Interviews durchhören muss, kann mir die schönsten Einstellungen markieren.
Tipp: Ist der Cutter nicht beim Sichten dabei, ist er der erste Zuschauer später beim Schnitt. Soll heißen: Wenn ich mich beim Dreh in einen Situation „verliebt“ habe, muss das noch lange nicht heißen, dass sie auch anderen gefällt, die nicht dabei waren. Und andersrum: Der Cutter als „Erstzuseher“ kann sagen: „Das ist aber ein tolles Bild“ - und ich als Reporter hatte das schon abgetan oder als untauglich abgestempelt. Also: Immer offen sein für die Meinung des Cutters!
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Wenn die Reportage-Denke von Anfang an gestimmt, die Planung funktioniert hat, dürfte die Nachbearbeitung ein eher kleines Problem sein. Auch die Zeit ist eher knapp bemessen. Wurde früher locker drei Wochen an einer Reportage geschnitten, so stehen heutzutage höchstens noch sieben Tage zu Verfügung. Tendenz sinkend. Sie ist sicherlich nicht - wie früher - eine beschauliche, kreative Phase des Schaffens. Auch für den Schnitt am Avid gelten obengenannte Regeln. Allerdings ist es in den meisten Fällen so, dass der Cutter beim Loggen dabei ist. (Tendenz aber auch dahingehend, dass der Reporter die Bilder alleine einloggt). Wichtig auch hier: Beim Beschriften der einzelnen Szenen muss eindeutig festgehalten werden, welche von den zahlreichen „ähnlichen“ Szenen gemeint ist. ... Autos fahren über die Grenze. Diese Beschreibung ist bei einer Grenzreportage zu ungenau. Der Schnitt ist vor allem Aussortieren, Aneinanderreihen, Kürzen. Große Umstellungen, Gegenmontagen, Tricks usw. sollten nicht vorgenommen werden. Das stundenlange Durchhören von auf Vorrat aufgenommenen Interviews entfällt, denn die besten Interviewaussagen habe ich bereits in meiner Time-codeListe vermerkt. Die Aufarbeitung mit Musiken, das Schneiden nach eben diesen Musiken sollte kaum stattfinden. Die Tonebenen sollten überschaubar bleiben, ein zeitaufwändiges Vormischen ist unwahrscheinlich, das Ordnen in eine ausgefeilte Dramaturgie dürfte kaum eine Rolle spielen: die Reportage ist einfach und sie ist deshalb schnell. Eine Hauptrolle spielt die Entscheidung für eine bestimmte Dramaturgie, einen bestimmten Aufbau. Der Rest ist ein beherztes Kürzen. Auch der Text, so weit sei schon vorweg gegriffen, erfordert keine länger dauernden Dichter-Sitzungen, er wird sich aus dem Bild ergeben. Hier zeigt sich: eine rechtzeitige und flexible Planung des „Reporterglücks“ hat die meisten bekannten Probleme der Fernsehautoren bereits gelöst. Selbst geringe technische Mängel des gedrehten Materials sind kein Grund mehr für eine grundsätzliche Entscheidung gegen dieses Material. Die Nachbearbeitung heißt nur noch: Dem Reporterglück durch eine gezielte Akzentuierung zum Durchbruch, sprich zur Wahrnehmung zu verhelfen, ablenkende, unwichtige Faktoren und Situationen auszuschalten.
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Die Fernsehreportage: Die Nachbearbeitung
Der Einstieg Es ist der schwierigste Teil einer Reportage und will deshalb in Ruhe und rechtzeitig bedacht sein. Nach Untersuchungen entscheiden die meisten Leute in der ersten Minute, ob sie einen längeren Film, eine Reportage, zu Ende anschauen werden oder nicht. Wird es ein Krimi, eine Enthüllungsgeschichte? Wird es eine berührende Emotionsstory, oder eine Abenteuerreportage? Mit dem Einstieg lege ich schon die Richtung fest, „wohin die Reise geht.“ Die eröffnende Szene dürfte jedenfalls die entscheidende sein, wenn es gilt, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu wecken und zu binden. Der Einstieg entscheidet über den Erfolg der ganzen Reportage. Mit der Geduld der Zuschauer sollte man heute nicht rechnen. Die Zuschauer sind ungeduldig, der Griff zur Fernbedienung ist schnell getan. Tipp: Der Einstieg soll neugierig machen, aber nicht zu viel vorweg nehmen. Er soll typisch sein, aber nicht nur den Intellekt ansprechen. Der Einstieg soll aber keine Inhaltsübersicht bieten, erst recht keine vollständige Inhaltsangabe bieten. Das würde jede Spannung verhindern. Ein guter Einstieg kann sich durch Zufall beim Dreh ergeben, er kann und sollte aber regelrecht geplant werden, ein Einstieg muss so gedreht werden, dass er auch eine gewisse Zeit trägt, also auch einen Bildteppich abgibt für eventuelle Titeleinblendungen, Autorennamen (Haupttitel, Untertitel, eine Reportage von…). Ein guter Einstieg ist aber kein Zufall, er unterliegt Regeln. Auch der Einstieg ist ein Stück planbares Reporterglück. Regel: Für den Einstieg gilt in konzentrierter Form, was für die gesamte Reportage gilt: x x x x x x
klar identifizierbare Protagonisten klar identifizierbarer Schauplatz emotionsträchtige O-Töne echte, typische Situationen möglichst wenig Text vorhandene, gerade „live“ passierende Aktionen, Interaktionen.
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Formen des Einstiegs „Sarajevo, ein Kanten Brot und davon sollst Du eine Woche leben...“ (F. Brebeck) Allgemein sind die folgenden Möglichkeiten für den Beginn eines Films denkbar; es gilt, diese Möglichkeiten auf ihre schnelle Bindungsfähigkeit hin zu untersuchen. x
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Der epische Einstieg: Ruhige Bilder, schlaue, sibyllinische Texte, die auf eine intellektuell interessante Geschichte hinweisen. Ein Einstieg für Cineasten – und für geeignete Themen, etwa die Zerstörung einer schönen Landschaft. Der reportagehaftig orientierte Texteinstieg, bemüht, Action vorzugeben, ohne sie wirklich zu zeigen. Er entspricht dem Lead-Satz im BoulevardJournalismus. Dies ist oftmals im News-Bereich der alltägliche Kompromiss. Ein Buhlen um die intellektuelle Einsicht, ein Buhlen vielleicht auch um die moralische Betroffenheit hinsichtlich eines beklagenswerten Zustandes. Ein Einstieg für Vor-Informierte. Der Text-Lead im Fernsehen ist riskant, die entscheidende Information bleibt die Bildinformation. Gleichwohl: Ein guter Lead ist reportagehaft, weil er neugierig macht.
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Als Gegenpol die reine Action: Etwas passiert unkommentiert. Ein Einstieg, der darauf verzichtet, mit dem didaktischen Pfund der Reportage gleich zu Anfang zu wuchern.
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Dazwischen die sachlich orientierten Möglichkeiten: Sach- oder Fachstatements, die Thesen und Antithesen zu einem Sachverhalt liefern. Dabei wird das Thema angerissen, aber nicht erklärt. Womöglich stehen hier provokante Thesen oder bewertende Statements zu den in der Folge gezeigten Situationen oder Personen.
Letztere Möglichkeit erfordert eine gewisse Geduld oder ein gewisses Grundinteresse des Publikums am angerissenen Thema. Eine Gewissensfrage, für wen wir Fernsehen machen… Der Einstieg gibt idealerweise einen typischen Eindruck der Dramaturgie, also z.B. darüber, wie emotional eine Story ist, wie aufregend, wie spannend. Der Einstieg informiert über die zentrale Fragestellung der Geschichte, er macht neugierig. Er kann Erwartungen und Hoffnungen wecken, die allerdings auch erfüllt werden müssen.
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Nähe heißt Emotion, Nähe heißt O-Ton. Emotionen ereignen sich nicht im Text, sondern in Bild und Ton. Je weniger Text, desto besser, der O-Ton ist der Beweis. Der beste Einstieg ist eine typische, reale Situation mitsamt ihren Emotionen und O-Tönen, und zwar in der richtigen chronologischen Folge. Diese typische Situation sollte dann aber nicht später (an der „richtigen“ Stelle) wiederholt werden. Das alles sollte auch noch in kürzester Zeit geschehen. Die Frage ist, welche Art von Szene dies am besten lösen kann. Beantworten wir die Frage zunächst negativ: Welche Art von Szene kann das wohl am wenigsten? Das sind Bildtotalen, versehen mit länglichen Text-Informationen. Nichtssagende, emotionslose, menschenleere Bildinhalte. "Schöne" Landschaften erschöpfen sich schneller als man meint, wenn in dieser Landschaft nicht schnell etwas passiert. Auch länger dauernde Vorbereitungen für eine sich anbahnende Aktion eignen sich selten als Einstieg. Wenn die Vorbereitungen wichtig werden sollten, empfiehlt sich die Dramaturgie der Rückblende (siehe dort). Dagegen kann eine typische, spannende, neugierig machende, live-artige Szene, eben eine echte Situation mit echten Menschen, mit echten Emotionen, die genannten Forderungen leicht erfüllen. Wahrscheinlich ist der authentische, situative O-Ton das beste Mittel, eine Reportage zu beginnen. Und zwar O-Töne der entscheidenden handelnden Personen der Story. Die adäquate Bildgröße ist die Naheinstellung, maximal eine Halbtotale. O-Töne in Form eines "aufgestellten" Interview-Teils mit einer programmatischen These dürften zu emotionslos sein. Wird der Reporter als einer der Interaktions-Partner im Film eine Rolle spielen (z.B. in einer investigativen Reportage), könnte das auch schon im Einstieg deutlich werden. Ein "Aufsager"-O-Ton eines Reporters dürfte eher unglücklich wirken, er kommt allenfalls im angloamerikanischen News-Bereich vor. Reporter-Aufsager spielen sonst in den Reporter-Staffeln noch eine Rolle, um die einzelnen Episoden voneinander zu trennen. Tatsache bleibt aber ein wichtigtuerischer Eindruck (siehe auch "Rolle des Reporters"). Wenn es gelingt (durch geschickte Auswahl am Schneidetisch), einen OTon zu finden, der die Zuschauer direkt anspricht, oder wenigstens den Reporter direkt, wird ein Maximum an Neugier geweckt. Auch die direkte Ansprache eines O-Tones in Ich- oder in Du-Form ist gut, weil sie zur Identifikation und Bindung einlädt.
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Beispiel: "Das muss ich dir dringend zeigen…", "Du kannst dir nicht vorstellen, was ich da gefunden habe…" Auch humorvolle O-Töne stellen eine taugliche Emotionalität dar. Gut funktionieren O-Töne in Frageform, die sich die Zuschauer zu Eigen machen können. Beispiel: "Mein Sohn, wo ist nur mein Sohn…?", "Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll…" Der Text sollte sich weitgehend zurückhalten, die ersten Informationen qua Text sollten erst später (nicht zu spät natürlich) einsetzen, sehr knapp ausfallen, nur die für den Moment nötigsten Fakten liefern. Das sind Ort, Zeit, Namen der sichtbaren Protagonisten, der offenkundige Grund für die emotionale Szene, die Aufregung. Und er sollte nicht zuletzt das zu erwartende Problem, die zentrale Frage anreißen und damit die Reportage erst richtig in Gang bringen. Auch ganz einfach Ort, Zeit und Namen eines in der ersten Szene sichtbaren Menschen sind als Einstieg denkbar, oft aber nicht so aufregend. Beispiel: "Hauptbahnhof Mainz, kurz vor fünf Uhr morgens. Für Peter beginnt ein Tag wie jeder andere, für uns eine Zeitreise…" (Dann sollte aber auch bald ein O-Ton folgen, der die Story weiter in Gang bringt). Die Bildgestaltung eines Einstiegs folgt dem Grundgedanken der Reportage: Unwiederholbares authentisch abbilden und dem normalen KommunikationsVerhalten entsprechend darstellen. Bei längeren Reportagen, die aus einer Vielzahl von Episoden bestehen, so auch bei der Doku-Soap, wird man eine ebenso große Zahl von Einstiegen für die jeweiligen Episoden brauchen. Erst recht gilt hier: Das muss geplant sein. So viele Zufälle dürfte auch der beste Reporter nicht erleben. Entscheidend sind das rechtzeitige Dabeisein und das Geduld-Haben!
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Beispiel: Vergiss mein Herz nicht, wenn du gehst (BAF 2003) Mann mit Koffer geht in ein Hotel – Basis-Info im Text (Name. Ort, Zeit), Kamera folgt. Mann klingelt in der leeren Rezeption zweimal, singt vor sich hin (spätere Titelmelodie!), niemand kommt, Kamera läuft weiter. Rezeptionistin kommt endlich. O-Ton Sebastian: Ich bin Peter Sebastian, sie fragt, Peter wer? O-Ton Sebastian an Rezeption: Man hat für mich gebucht. Ich bin hier wegen der volkstümlichen Hitparade… Erster Schnitt. Geht in sein Zimmer, singt wieder die Melodie… Umstritten unter Reportern ist der Einstieg in Form eines Clips, einer Inhaltsübersicht, eines Zusammenschnittes typischer Szenen aus dem folgenden Film. Tatsache ist, dass hier womöglich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden, die spätere Wiederholung der Einstellung an der eigentlich richtigen Stelle des Films als langweilig empfunden werden kann ("hab ich doch schon gesehen…"). Ein Clip verbraucht relativ viel Sendezeit ohne die Geschichte wirklich voran zu bringen. Er ist kein wirklicher Anfang. Im Privatfernsehen mag er Sinn haben als Teaser, dem eine Werbeeinschaltung folgt, nach der dann erst der eigentliche Film beginnt. Es bleibt aber eine riskante Spekulation auf die Geduld der Zuschauer. Fortsetzung Beispiel: Man stelle sich vor, im Clip würde Peter Sebastian in verschiedenen Situationen vorgestellt worden, vor allem als Star auf der Show-Bühne der Volkstümlichen Hitparade, die Spannung wäre sofort verschenkt, die Gegner solcher Musik hätten sich sicherlich nicht mit der Reportage befassen wollen; die Fans hätten ohnehin Bekanntes gesehen und sich gelangweilt. Der oben geschilderte Reportage-Einstieg lockt beide. Nebenher etabliert sich der Song zum Leitmotiv und wird logischerweise auch zum Haupttitel in Form eines Zitates: „Vergiss mein Herz nicht, wenn Du gehst“. Manche Sender experimentieren mit gleich zu Beginn eingeblendeten Titeln. Das setzt erstens sehr gute Titelinhalte voraus (was oft nicht der Fall ist), geht in der Bildaufteilung eher in totaleren Bildgrößen (distanziert sich dadurch aber vom Geschehen, was man eigentlich nicht will). Die beste Einstellung, den besten O-Ton gleich am Anfang zu verbrauchen, geht wohl nur in kürzeren News-Stories. Bei längeren Formaten wäre wohl die
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zweitbeste Szene für den Einstieg geeignet, um später den wirklich spannendsten Moment, den eigentlichen Höhepunkt, noch in Reserve zu haben. Ein Grundmuster: 0'00 0'10 0'20 0'30 0'45
Aktion/ Interaktion emotionaler, situativer O-Ton eines der Hauptprotagonisten aus der Aktion heraus knappe Text-Infos über Ort, Zeit, Grund der Emotion Titel, Untertitel, Autoren Weitergang der Story, ggf. Rückblende, eigentlicher Beginn
Im Spielfilm gilt deshalb: „Beginne mit einem Feuerwerk und versuche dann, dich zu steigern!“ Am besten ist es, eine Geschichte und ihren Anfang einfach erst einmal passieren zu lassen. Mitten hinein in die Geschichte bleibt die spannendste Form eines Einstiegs. Besondere Probleme des Einstiegs Natürlich hängt die Form des Einstiegs von formalen Vorgaben der Sender oder einer Sendereihe ab. Grundsätzlich ändert das nichts an den genannten Regeln. Im Gegenteil: der Aufreger gehört nach vorne. Vor allem bei der Doku-Soap gilt es allerdings, besonders den Spannungsverlauf zu beachten, darauf zu achten, dass es einen ausreichend großen Vorrat an interessanten Szenen und Situationen gibt. Bei Werbeunterbrechungen oder gar dem Zerschneiden der Gesamt-Story zu einzelnen Folgen muss man auf die „Cliffhanger“ achten, Spannungshöhepunkte der zweiten Ordnung, die die Spannung halten, den weiteren Verlauf aber noch nicht verraten, also die Zuschauer bei der Stange halten, wie ein Mensch im Spielfilm, der am Abgrund hängt, die Unterbrechung kommt und man wissen will: stürzt er jetzt ab oder nicht. Cliffhanger sind spannende Teile, aber nicht der spannendste. Hier wird die Fortsetzung aufgehängt, hier kann wieder neu begonnen werden. Für den Einstieg bedeutet das: Gegebenenfalls eine Zusammenfassung als Clip an den Anfang stellen (mit den genannten Risiken). Den eigentlichen (Neu)Anfang nach den bekannten dramaturgischen Regeln aufbauen, den vorläufigen Höhepunkt ans Ende setzen, dann weiter nach demselben Schema verfahren.
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Folge 1
Folge 2 Folge 3 Folge 4…
Der Spannungsbogen geht auf und ab, bewegt sich aber im Trend immer weiter nach oben in Richtung des absoluten Höhepunktes der Story, der Folge. Das bei den Privaten übliche Schema sieht dann so aus: x x x x x x
Clip/ Zusammenfassung Titel Cliffhanger Unterbrechung Beginn der eigentlichen Story usf.
Das heißt: die eigentliche Geschichte beginnt womöglich erst nach ca. 10 Minuten nach dem eigentlich angekündigten Start, wie er etwa in den TVZeitschriften steht. Dies verführt geradezu, um nicht zu sagen: erfordert es, die ganze Story vorab anzukündigen, das Pulver zu verschießen, die Überraschungen anzukündigen, ja anzureißen. All dies stellt ein großes Risiko für den Erfolg der eigentlichen Story dar. Ein anderes Risiko für die Aufmerksamkeit ist natürlich jede Art von storyfremden Einblendungen wie etwa Hinweise auf andere Sendungen, WerbeCrawls etc.
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Die Sende- oder Filmtitel Bei längeren Reportagen, die zuvor in Programmhinweisen und Zeitschriften abgedruckt oder ins Internet gestellt werden, empfiehlt sich eine gründliche Formulierung des Titels und ggf. eines Untertitels. In der Regel ist dies Aufgabe einer Redaktion und Programmplanung, weniger die von Autoren. Für gute Vorschläge ist jede Redaktion aber sicher dankbar. Ein frühzeitig gefundener Titel kann ein entscheidendes Verkaufsargument für die ganze Story sein! Wieder gilt: Der Titel soll neugierig machen, soll Identifikation ermöglichen, soll ansatzweise darüber informieren, was kommt. Ersteres macht der Haupttitel, letzteres der Untertitel. Beispiel: Im Haupttitel kann auch deutlich gemacht werden, dass es eine Reportage ist: "Ein Tag im Leben von…", "Schauplatz Hauptbahnhof…", "Auf der Suche nach dem Vater" usw. Erlaubt ist auch Plakatives als Emotionsersatz: "Pulverfass Nahost", "Am Abgrund…", "Das Chaos mit der…". Es funktioniert auch ein Zitat aus dem Film (vielleicht leicht bearbeitet, flüssiger gemacht, gekürzt, sinngemäß zitiert) als quasi Ersatz für einen O-Ton: "Am schlimmsten sind die mit Hut" (über Autofahrer); Identifikation stiftend sind Zitate in Ich- oder Wir-Form: "Ich habe dich schon lange gesucht" (über zerrissene Familien). Vorsicht vor unverständlichem Humor, vor Ironie und vor Insider-Sprache! Der Untertitel sollte schlicht das eigentliche Thema benennen: "Drogenfahnder im Einsatz", "Unterhaltsflüchtigen auf der Spur", "Ein Tag mit der Autobahnpolizei". Und dann: "Eine Reportage von…", damit schließlich noch einmal auf den besonderen Charakter des folgenden Filmes hingewiesen wird. Länge der Titel jeweils etwa fünf Sekunden. Zu berücksichtigen ist auch, wie die Reportage in den Sendeablauf eingebunden ist: ob durch Ansage/Anmoderation, Sendetitel, Trailer einer Sendereihe o.ä. Wann beginnt die Story wirklich, was hat man bis dahin bereits erfahren über das zu Erwartende? Manche Sendungen haben in Wahrheit vier oder fünf Anfänge, bevor die Story ins Laufen kommt, was die Zuschauer zum Abschalten veranlasst. Für die eigentliche Story bedeutet das: So schnell wie möglich beginnen mit dem Interessanten.
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Geschickt ist der Aufbau einer Klammer: Situationen, die am Anfang und am Ende stehen. Es entsteht der Eindruck einer geschlossenen Geschichte, die alle eingangs gestellten Fragen am Ende beantwortet hat. Das will wieder einmal rechtzeitig bedacht und geplant sein!
Der Schnitt Der Schnitt fasst wie in jedem Fernsehbeitrag das Geschehene, das Gesehene zusammen, arbeitet das Wichtigste heraus, setzt Akzente. Er rafft längere Abläufe, er stellt Zusammenhänge her, er schafft dramaturgische Linien. Der Schnitt treibt besonders in den Erzählformen des Fernsehens die Story voran (wiederum vom Spielfilm abgeschaut: „AIP – action in progress“). Jede Story hat ihren eigenen Rhythmus x x x x
zwischen Spannung und Entspannung zwischen O-Ton und Bild zwischen aufgeworfenen Fragen und Antworten zwischen Problemen und Lösungsvorschlägen
Für den Schnitt gelten in der Reportage ähnlich begrenzte kreative Möglichkeiten, wie für den authentischen Dreh. Der Schnitt einer chronologischen Beobachtung ist vorwiegend ein Kürzen der O-Töne und Bewegungsabläufe, nicht zu vergessen das Herstellen einer eingängigen Dramaturgie. Es verbieten sich Montagen im Sinne von Clips. Musiken - außer O-TonMusiken - entspringen nicht dem abgebildeten Leben. Schnitte nach dem Rhythmus der Musik sind zu künstlich, verlassen den realen Rahmen und lenken von der Realität ab, sie sind oftmals gestalterischer Selbstzweck. Grafiken und Karten sollten in einer Reportage nur im äußersten Notfall genutzt werden, wenn unumgängliche Basisinformationen vermittelt werden müssen. Beispiel: Orientierungshilfen sollten rechtzeitig bedacht und szenisch als Aktion aufgelöst werden oder als Gespräch aus einer Aktion heraus umgesetzt werden! Das Minimum: Subjektive Fahrtszene drehen, an Orientierungsschildern anhalten, oder jemanden fragen, wohin, wie weit etc. Karten zeigen lassen, den Weg diskutieren.
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Der Schnittrhythmus folgt den realen und abgebildeten Gegebenheiten. Schauplatz- und Personenwechsel, die zwar der gedanklichen Logik folgen, aber nicht der Logik der Ereignisse, des Miterlebens, führen zur Ablenkung, zum Durchbrechen oder Abbrechen der Reportage. Tipp: Material lieber rechtzeitig kontrollieren und sichten, als im Schnitt zu versuchen, Misslungenes durch elektronische Tricks zu retten! Wenn die Reportage-“Denke“ nicht stimmte, ist die Story verloren.
Die Musik Musik macht einerseits die Emotionalität eindeutiger, intensiver – in der Theorie. Andererseits abstrahiert sie und schafft sich eine eigene Erlebniswelt, die sich von der Story entfernen kann. Die Reportage spielt aber im sichtbaren Heute. Der Reporter geht ins volle Leben, nicht ins Archiv. Der Einsatz von KonservenMusik ist unter Reportern umstritten; Puristen verzichten im Zweifelsfall auf Musik. Eine reine Konserven-Musik ist oftmals ein Hilfsmittel, wenn Emotionen gar nicht oder zu schwach eingefangen wurden. Achtung! Besonders bei Musiken mit Liedtexten, auch noch in Englisch, die Musik-Kenntnis und das Sprachvermögen des Zuschauers nicht überschätzen! Nicht jeder kennt jede Musik; geplante Aha-Effekte, das Wiedererkennen, die Assoziationen bleiben reine Spekulation. Nicht jeder kennt fremdsprachliche Liedtexte, nicht jeder weiß, moderne, aktuelle Musik zu schätzen. Vorsicht auch vor zu bekannten Musiken, Texten und Interpreten. Wer mitsingt, passt nicht mehr auf. Das geistige und tatsächliche Abschalten liegt hier besonders nahe. Auf keinen Fall abgedroschene Lieder verwenden wie „Money“ von Pink Floyd, es ist ein NO GO, wenn es um Geld geht! Oft ist Musik daher ein Anzeichen von Spannungs-Mängeln in der Reportage; denn das musikalische Erleben der Zuschauer lässt sich schwer vorhersagen: Was ist für wen eine spannende, oder was eine lustige Musik, was eine Musik, die auf die Nerven geht, was eine ablenkende Musik? Sie würde die erlebte
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Handlungsebene verlassen, eine neue virtuelle Ebene eröffnen, zur Ablenkung einladen und das didaktische Prinzip der Reportage behindern. Authentische Musik, die Teil des reportierten Geschehens ist, kann selbstverständlich Teil der Reportage sein (sogenannte O-Ton-Musik). Hier ist sie ein belebendes Element, unterhaltend und bindet damit die Zuschauer, nah an die Akteure bindend. Dabei muss die Kamera versuchen, die Verbindung auch bildlich herzustellen (Protagonist im Hintergrund der Musiker, Protagonist im Vordergrund, Schwenk auf zuhörenden Protagonisten). Statt durchkomponierter Musik hilft oft spezielle Filmmusik, die eher aus Ton-Effekten besteht, aus Klängen statt Kompositionen. Filmmusikberater haben ein ganzes Arsenal an speziellen Musiken im Archiv, die als Spannungsverstärker und Emotionsersatz dienen sollen, und gelegentlich auch dienen können. Tipp: Bei Musik-Konserven hilft man sich mit folgender „Inszenierung“: Eine CD wird ins Autoradio eingeworfen, Musik erklingt, der Blick geht erst jetzt nach draußen, Fahrt durch Landschaft innen, außen. Oder der Protagonist legt in seiner Wohnung seine Lieblingsmusik auf, die mit der Story zu tun hat. Ein Kompromiss ist auch, O-Ton-Musik zum Leitmotiv zu machen und diese Musik als Quasi-Erinnerung wiederkehren zu lassen. Dies kann Sinn machen bei Roadmovies, in denen der Schauplatzwechsel, das Fahren von A nach B und weiter nach C zum Leitmotiv der gesamten Story wird. Dann kann entweder immer dasselbe Musikmotiv kommen oder aber die Musik entwickelt sich ebenso von A nach B und weiter nach C aus einem Stück.
Archivmaterial Ähnliches lässt sich zur Verwendung von nicht aus dem ablaufenden Geschehen stammenden Bildmaterial sagen. Es ist banal, dennoch: Foto-Inserts, Dokumente, mehr oder minder historisches Doku-Film-Material können keinen Platz in einer live-artigen Reportage haben. Ist der Einsatz von Archivmaterial aus inhaltlichen Gründen unvermeidlich, muss dies szenisch eingebunden werden, was rechtzeitig bedacht sein will. Archivmaterial tritt in einer realen Szene in den Hintergrund, wird allenfalls zum Anstoß für ein Gespräch oder eine reale Interaktion. Allerdings liegen gerade hierin große Chancen für das Einholen, sogar Erzeugen von Emotionalität. Dann jedenfalls, wenn z.B. Erinnerungen wachwerden, während jemand ein Fotoalbum durchblättert.
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Beispiel: Ein Archivfilm wird von einem Protagonisten eingelegt, eine Videokassette wird eingelegt, eine Schallplatte aufgelegt, Reporter und Protagonist besprechen dabei das Material, bereden eventuelle Erinnerungen, die durch das Material wachgerufen werden, Karten oder Fotos zeigen lassen). Es entsteht dabei eine eigene Szene mit einer eigenen dramaturgischen Begründung und Dichte.
Künstlerische Gestaltung: Tricks, Blenden etc. Jeder gestalterische Eingriff in das vorhandene Geschehen muss journalistisch verantwortbar und sinnvoll sein. Die modernen Schnittsteuer-Einheiten bieten eine Fülle von Tricks, vor allem Trickblenden an. Blenden eröffnen aber eigentlich eine neue Zeitebene. Sie kennzeichnen einen Orts- und Zeitwechsel, einen Zeit- bzw. Gedankensprung, Reflexionen, Erinnerungen an früher, Spekulationen über Erwartetes, Erhofftes. Sie sind nicht reale Handlung und damit nicht tauglich für die durchgängigen Handlungsstränge der Reportage. Blenden helfen allenfalls über fehlende Zwischenschnitte hinweg. Häufig unterliegen Tricks auch Moden, die sich schnell verbrauchen. Oft handelt es sich aber um reine Spielerei aufgrund der neuesten Angebote der Software-Industrie. So ästhetisch gelungen Tricks auch sein mögen, die oft nur sehr kurze Dauer des Effektes nimmt der Zuschauer nicht oder nur als Störung wahr. Die didaktische Wirkung ist zweifelhaft. In der Reportage sind Blenden jeder Art meistens überflüssig, kosten Geld und Zeit. Tricks können eine misslungene Story nicht besser machen, nicht „aufmotzen“. Tricks können keine Handlung vortäuschen, nur Bewegung.
8 Die Fernsehreportage: Der Text 8.1 Die Fernsehreportage: Der Text Auch die Rolle des Textes in einer Reportage ist sehr reduziert. Der Text hat eine dienende Funktion. Er ordnet sich dem Geschehen und den O-Tönen unter. Der Reportage-Text hat vor allem die Funktion, die Dramaturgie aufrecht zu erhalten, vor allem die Achse der Zeitlichkeit als wesentlichem Kriterium für das Weitergehen, die Spannung in einer Story. Falsch wäre es, das ohnehin sichtbare Geschehen zu beschreiben, im Tonfall eines Märchenerzählers ein banales Geschehen zu kommentieren, vor allem nicht mit hörbarer inhaltlicher Distanz die Zuschauer ebenfalls zu Distanz einzuladen. Ein Reportage-Manuskript sollte ohne den Film unverständlich sein! Umgekehrt: ein Reportage-Manuskript, das man lesen kann wie ein Buch, lässt auf eine schlechte, unspannende, unemotionale Reportage schließen. (Vorsicht vor reinen Manuskript-Abnahmen!) Off-Text beantwortet Fragen, die durch den Film aufgeworfen und nicht durch das Geschehen und nicht die O-Töne beantwortet werden. Reportage-Text sagt also nur das, was das Bild nicht sagen kann. Der Text ergänzt, erläutert nur. Denkbar sind Reportagen ohne jeden Text, erfordern aber erstklassige, unmissverständliche O-Töne. Zuviel Off-Text kennzeichnet das Misslingen einer Reportage: Ereignisse, Situationen und Akteure haben nicht ausreichend funktioniert, waren nicht ausreichend recherchiert und vorbereitet. Daher verbietet sich selbstverständlich die Arbeitsweise mit bereits vorgefertigten Texten. Die Erzählebene ist die neutrale, faktische, die Erzählform ist gegebenenfalls die Ich- oder die Wir-Form. Dies unterstreicht auch das subjektive Erleben. Eine dritte Person („der Reporter“) verbietet sich als Distanz schaffende, altbackene Zeitungsformel. Die Zeit ist Präsens, was den Live-Charakter verstärkt, auch bei der Schilderung von Vergangenem (historisches Präsenz). Spannung wird erzeugt, indem Erwartetes, Erhofftes und Geplantes im Futur erzählt wird. Ebenso ein dezenter Ausblick auf Unerwartetes, Überraschendes („gleich wird aber...“, „er wird sich noch wundern...“), ein Hinweis auf den zeitlichen Zusammenhang („nur noch vier Tage bis...“) Der Text kann auch die Motivation des Reporters beschreiben, warum diese Story so, hier und nicht anders gemacht wird. Dazu zählt auch die Schilderung der Behinderungen, Möglichkeiten und Grundbedingungen der Dreharbeiten. Die Transparenz ist nicht nur ein fairer Service für die Zuschauer, sondern schafft auch Spannung. Die Bilder und O-Töne sollen für sich sprechen. Hineintexten von nicht sichtbaren Emotionen, Motivationen und Stimmungen sind fragwürdig. („er
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denkt sich...“, „ freut sich schon“). Häme, Süffisanz, Moralisieren, Schadenfreude verbieten sich. Bis zu einer gewissen Grenze kann man auch aus nicht reportagig gedrehtem Material eine lebhafte Story produzieren, womöglich sogar aus AgenturMaterial. Die Agenturen geben im Log-Sheet immer ein paar Informationen zur „Story“, die sich verwenden lassen. Oft lässt sich auch feststellen, wer genau das Material gedreht hat, dieser Mensch lässt sich vielleicht anrufen, um sich noch ein paar kleine, scheinbar unwichtige Infos entlocken zu lassen.
Wann texten? Wir reden ja nicht über Radio mit Bild-Teppich. Also: Beim Feature, beim Bericht ist es völlig klar, man schneidet, montiert den Film nach sachlichen Gesichtspunkten, schreibt sich anschließend die Timecodes auf und geht texten. Und wundert sich bei der Abnahme über Bild-Text-Scheren, Zeitprobleme (Lücken, Text-Überlängen), so auch in der Reportage, jedenfalls bei diesem Modell. Der Text reift, wird Mal um Mal überarbeitet, man hat alle Zeit der Welt. Jeden Respekt für diese Methode, aber sie ist heute der reine Luxus. Tatort ist der Schreibtisch, denn der Schnitttermin ist knapp, Betrachtungsplätze ebenso, eine Überspielmöglichkeit auf Video für zuhause auch. Aber natürlich geht auch das: Überspielen mit Timecode im Bild. Und im nötigen – und möglichen – Abstand noch einmal gegenlesen. Klar bleibt die Prämisse: Text folgt Bild! Wenigstens einen Versuch und ein bisschen Ausdauer wäre dieser Weg wert: gleich beim Schnitt mittexten. Man kann damit Längen unter Kontrolle halten, Informationslastigkeit feststellen, Bildschwächen – und damit den Zwang zum Texten – bemerken. Bild-Text-Scheren sowieso. Reporter, die beim Dreh aktiv und natürlich dabei waren, haben etwas miterlebt, so wie später auch der Zuschauer. Warum also nicht bei mehrtägigen Drehs folgendes probieren: gleich am Ende eines Drehtages eine Art Tagebuch schreiben, zumindest Drehprotokolle. Womöglich schon angereichert um eine etwas konkretisierte Ahnung davon, wie lange das Erlebte wohl im geschnittene Film interessieren wird. Die tägliche Materialkontrolle, ob die Erwartungen auch erfüllt wurden, ist sowieso zu empfehlen. Man entwickelt dabei ein sicheres Gespür für den Fortgang der Story, ihre Schwächen und ihre Zielrichtung, ebenso für die noch nötige Weiterarbeit.
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Warum nicht das Tagebuch (übrigens ein schöner Reportage-Trick für ein Text- und Dramaturgiemodell, geliehen beim Dokumentarfilm) gleich zum Rohtext werden lassen? Wenn möglich schon vor-getimet, beim Preview laut mitlesen, Schnitt. Und die Kontrolle bei der eigentlich rein schnitt-technischen Kontrolle wird zur ersten eigenen Textabnahme. Und die Cutterin hört mit und hat vielleicht noch eine Alternative anzubieten. Jetzt weiß man ja, worum es wirklich geht. Und man kann selber Alternativen probieren, etwa das dem Bild folgende Hin-Texten, das In-den-Mund-legen von Textinformation, das nachträgliche Personalisieren, das weitere, nötige Reduzieren von lexikalischer Information. Es ist eine der schnellsten und bildnächsten Methoden, Text für die Reportage zu verfassen.
Textbeispiele, wie man reportagig textet und personalisiert… Im Nachrichtenbereich kommt es ja vor, dass man mit Fremdmaterial arbeiten muss, Agenturmaterial oder sonstiges Drehmaterial, auf das man – etwa wegen Abwesenheit – bezüglich der Reportagetauglichkeit keinen Einfluss nehmen konnte. Bestes Beispiel sind die sogenannten „Euros“, der News-Feed der Agenturen und Sender überall in der Welt. Will man aber die Vorteile der Reportage nutzen, gibt es noch die Möglichkeit, aus dem Material wenigstens verbal eine Reportage zu machen, sie zu er-texten. Regel: -
Handelnde Personen im Bild haben Namen und Alter, Erfahrungen, Berufe etc. Die sachliche Information wird konkretisiert, personalisiert, subjektiviert, übersetzt, verdichtet! Funktionen werden mit Leben gefüllt. Sachzusammenhänge bekommen ein Gesicht. Jedes „…ung“-Wort braucht einen Namen. Verboten ist daher „man“! Wer ist es wirklich? Nicht Sichtbares verbalisieren, fühlbar machen (Temperaturen, Gerüche) Schweigen, wenn die Bilder eindeutig genug sind.
Einige Standardformulierungen und Beispiele, wie man sie umformulieren könnte, um sie erlebbar zu machen:
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Man kritisiert, dass der Fraktionsvorstand überaltert ist…
„Gudrun Büchner führt die Fraktion schon seit vierzehn Jahren…“
Die Vereinsführung arbeitet zurzeit intensiv an dem Reformprojekt.
„Bernd Wuttke hat gar keine Zeit mehr für andere Dinge. Die VereinsVerjüngung ist sein Thema. Zur Not 24 Stunden am Tag.“
Peter Meier, 56, Facharbeiter, sagt über seine Erfahrungen…
„Peter Meier schuftet seit 25 Jahren an dieser Werkbank…“
Viele ältere Facharbeiter kritisieren die Zukunftsperspektiven.
„Fritz Schulz will hier eigentlich noch drei Monate weitermachen, aber…“
Seit 1969 beobachtet die Umweltbeauftragte die Hygiene-Bedingungen in ihrer Heimat.
„Maria Werder war erst 13, als sie zum ersten Male merkte, wie das Wasser hier immer schmutziger wurde.“
Die Armeeführung besuchte den Krisenschauplatz, der aber von extremistischen militanten Gruppen geprägt war.
„General Burgers Gesicht ist noch ganz fröhlich, der Waffenstillstand ist auch sein Sieg; das ändert sich gleich; denn die Bewaffneten hinter ihm scheren sich keinen Deut um seine Befehle.“
Der Bundeskanzler wollte keine weitere Stellung nehmen.
„Schröder ließ die Journalisten sichtlich genervt stehen.“
Die Umweltbelastung in der betroffenen Region ist weit über den Grenzwerten.
„Ganz Dasing stinkt penetrant nach Schwefel, nur ein Beispiel…“
Die Verkehrsbelastung auf dem Stadtring gilt als nicht mehr hinnehmbar.
„Wer wie Herbert an diesem Tag hier schnell durchkommen will, muss warten können.“
Die Schäden sind erheblich.
Sie trauen ihren Augen nicht: alles kaputt.
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Die Fernsehreportage: Der Text
Die Einwohner sind betroffen.
In der großen Kurve war der Wagen nicht mehr zu halten. Sie trafen den Baum, mähten ihn um, die Türen flogen auf, die Verletzten waren kaum aus den Trümmern zu bergen, es war ein Bild des Schreckens.
Die Menschen sind fassungslos.
Hans und seine Familie können nicht mehr, er will einfach aufgeben.
Der Wagen war bei dem Tempo nicht mehr zu halten. Den Rest erzählen diese Bilder.
Willy Meier kann es nicht glauben. Nicht nur er.
Plattitüden Wenn Reporterherzen höher schlagen, wenn man besonders „live“ sein möchte, wenn man es doch so oft gehört hat, können sie nicht so schlimm sein, die TextKlischees. Oder? Filmzeit will gefüllt sein, die Gefühle der Reporter gerade in besonderen Momenten wollen beschrieben sein, und schließlich, der Beitrag soll irgendwie wichtig wirken. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, denn sonst kommt jede Hilfe zu spät. Hatte der Sturm doch die Strommasten wie Streichhölzer geknickt, hinterließ nebenbei eine Schneise der Verwüstung - während die Mannen der Feuerwehr pausenlos im Einsatz waren...“ Was sagen solche Sätze, solche Floskeln aus? Wenn wir fragen, was genau hinter vielen dieser Plattitüden steckt, ist das nichts. Eigentlich sollten abstrakte oder Hintergrund-Informationen in den Text finden, Dinge die man nicht sieht: Wie lange genau ist denn die Feuerwehr im Einsatz, seit wann, mit wie vielen Leuten. Wie viele Strommasten sind wirklich umgeknickt, wie stark war der Sturm, wie gefährlich ist so etwas? Wann wird alles repariert sein? Der Reporter kann mit dem Stromversorger reden, wann mit der Reparatur zu rechnen ist. Es gibt zu solchen Ereignissen viele Informationen, die man an Stelle der Plattitüden verwenden kann. Doch nicht nur bekannte„Satzbausteine“ werden immer wieder verwendet, auch einzelne „Worthülsen“ hört man jeden Tag im Fernsehen.
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Beispiel: Die Wetter- und Naturthemen: Kaiserwetter, die weiße Pracht, Land unter, Petrus hat ein Einsehen, Rutschpartie, Väterchen Frost, Ski und Rodel gut, Wetterkapriolen, es gießt aus Kübeln, das kühle Nass und so weiter. Das Themenspektrum ist weit: Sie kämpfen ums nackte Überleben. Da stellt sich die Frage: Wie sieht denn das angezogene Überleben aus? Die Redaktion von „Hallo Deutschland“ des ZDF hat in einer Liste einmal zusammengefasst, was so täglich an Blödsinn, Unüberlegtem und Plattheiten über den Sender geht. „Mit 99 Plattitüden durch die Aktualität“ ist es überschrieben. Nun ist „Hallo Deutschland“ ein tägliches Boulevard-Magazin, das dem täglichen Produktionsdruck ausgesetzt ist. Menschliche Schicksale, am Morgen passiert, am Abend auf Sendung. Da kann einem schon mal eine Plattitüde durchrutschen, wenn kaum mehr Zeit zum Texten bleibt. Grausiger Fund im Morgengrauen, dann rollt die Blechlawine Richtung Süden, bevor er das Licht der Welt erblickte in der Frankenmetropole, dem Elbflorenz, dem Florenz des Ostens. War es Kommissar Zufall, der ihn auf die Spur brachte? Das Leben führte er ohnehin auf der Überholspur, er, eine Kämpfernatur, ein Tausendsassa, ein alter Hase, eine lebende Legende, ein Star ohne Allüren, aber immer auf dem Teppich geblieben, ein Altrocker und ewig Junggebliebener zugleich, dann das Bad in der Menge... Die Liste ließe sich fast endlos fortsetzen und auf viele Themenbereiche übertragen. Wenn der Reporter unter Zeitdruck einmal auf die eine oder andere nichtssagende, aber gut klingende Floskel zurückgreift, ist da nichts zu sagen. Jeder, der schon unter Zeitdruck gearbeitet hat, kann „ein Lied davon singen“, oben gezeigte Floskeln und Plattitüden sind auch in Reportagen zu hören, bei denen bestimmt genug Zeit war, zu texten. Wer ein paar Tage für seinen Text hat, sollte wirklich ohne abgedroschene Klischees auskommen. Es kann einem schon einmal durchrutschen, sollte es aber nicht. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Floskeln werfen.“
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Reportagen ohne Text Hierbei handelt es sich um eine ausgesprochene Kunstform, die die praktische Begleitwirkung hat, keinen Text schreiben zu müssen, keine Bild-Text-Schere zu kennen. Es ist außerordentlich schwierig und erfordert umfassende Regieerfahrungen, diese Form zu realisieren. Es handelt sich letztlich um eine filmische, hochgradig inszenierte Variante. In der reinen O-Ton-Reportage – und darum handelt es sich schließlich – haben allein das Bild und die O-Töne die tragende Funktion. Es gibt keine unterstützende Ebene mehr wie beim Text. Die Relevanz des Themas zu begründen, muss allein mit den Mitteln Bild und Ton geschehen. Das setzt voraus: völlige Stimmigkeit in der Bildsprache. Nur das Bild kann Zusammenhänge darstellen. Daneben – und vor allem – völlige Stimmigkeit und Montierbarkeit der Originaltöne. Sind diese essentiellen Bedingungen erfüllt und haben sich authentische Szenen ergeben, kann diese Form sehr beeindruckend und auch unterhaltend sein. Vor Nachahmung seien vor allem jene gewarnt, die noch nicht über ausreichend Erfahrungen verfügen. Das Grundproblem sind die Fragen: Wie kann man die, auch im Dokumentarfilm, notwendige Orientierung über Ort und Zeit umsetzen? Wie kann man den Fortgang der Zeit ins Bild setzen? Wie kann man den Fortgang der Geschichte selber reflektieren? Durch Fragen nach Ort, Zeit und Absicht der Person lassen sich neue Schauplätze, Zeiten, Personen und Umstände einführen, unter denen dann die Story vorangetrieben wird. Beispiele: „Morgen, wenn ich erst im Früh-Zug nach Darmstadt sitze....“ „Meine Großmutter hat mir immer vom Dritten Reich erzählt und wie die Gestapo das Haus nach Juden durchforstet hat...“ „Ich hab mich nie richtig wohlgefühlt, wenn ich die alten Gefängnismauern betreten musste, auch nicht nach all den Jahren...“ In diesem Zusammenhang stimmige O-Töne zu bekommen, setzt eine sehr gezielte Form der Gesprächsführung voraus. Die Frage ist, ob die Protagonisten dann noch die Chance zur Authentizität haben, ob sie noch ernst genommen werden oder nicht vielmehr Gegenstand einer künstlerischen Dramaturgie sind, in Wahrheit zu Statisten werden. Die andere Möglichkeit wäre, Unmengen von Originaltönen aufzunehmen und am Schneidetisch eine entsprechende Auswahl zu treffen. Es ist generell die
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Frage, ob das Festhalten an dieser Kunstform einen solchen Aufwand rechtfertigt. Gelingt es, liegt sicherlich ein Produkt vor, das sich bereits vom rein journalistischen Format Reportage entfernt hat und sich dem Dokumentarfilm nähert. Im journalistischen Bereich ist aber eher von misslungenen oder nicht ausgereiften Ergebnissen zu berichten, die sich allenfalls mit Hilfskonstruktionen an der ursprünglichen Absicht festhalten. Es gibt gleichwohl Kunstgriffe, die Kunstform informativ zu gestalten. Etwa durch das Führen eines Tagebuches, das als O-Ton-Situation umgesetzt wird. Oder durch Insert-Einblendungen, die wenigstens Ort und Zeit, vor allem den Fortgang der Zeit, vermerken. Eine andere Methode ist der Einsatz von Off-Ton, also anderweitig, auf Vorrat aufgenommenem O-Ton, meist als GrundsatzInterview, das bei passender Gelegenheit über das Bild gesetzt wird. Auf die Gefahr der oft nicht ausreichend passenden Bild-Text-Verbindung wird im entsprechenden Kapitel hingewiesen. Ein anderes Risiko ist es, nach dem Dreh aufgekommene ZusatzInformationen einzubauen, das Konzept zu aktualisieren. Wahrscheinlich müsste auf eine solche Aktualisierung ganz verzichtet werden. Schlecht für ein journalistisches Format. Die Reportage ohne Text kann funktionieren bei unbedeutender Aktualität, bei zeitlosen Themen, bei unwichtigem Zeitbezug.
Voice-over oder Untertitel? Bei fremdsprachlichen oder Dialekt-O-Tönen gilt es, den am wenigsten störenden Kompromiss zu finden. O-Töne können möglichst wörtlich und sinngemäß übersetzt und von verschiedenen Sprechern und Sprecherinnen in der richtigen Verteilung synchronisiert werden. Dies ist aufwändig, aber wirkungsvoll. Untertitel sind im Ausland allgemein üblich, lenken aber sehr vom Bildgeschehen ab. Bei wenig Geschehen entsprechend weniger. Die wenigen zur Verfügung stehenden Zeilen eines Untertitels, die Lesbarkeit und Schnittwechsel im Bild dahinter stellen allerdings einen engen Rahmen dar. Die Übersetzung muss sich im Zweifel eher an der Zahl der Anschläge pro Zeile als am authentischen Wortlaut orientieren. Die Bearbeitung von unverständlichen Dialekten ist für die betroffenen Protagonisten kaum nachzuvollziehen und wird eher als Kommentar oder Persiflage wahrgenommen.
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Tipp: Eine indirekte Übersetzung, die die Reporter-Stimme vorliest, ist eine Hilfskonstruktion aus der Welt der Fernsehnachrichten. Auch hier gilt es, auf eine richtige Verteilung der männlichen und weiblichen Stimmen zu achten. Es wirkt unfreiwillig komisch, wenn etwa eine weinende Frau von einer männlichen Reporterstimme gedoubelt wird! Besser: Text auf die faktische Ebene verlegen („sie ist außer sich, sie hat ihre Kinder schon ewig nicht mehr gesehen...“). Teile vom O-Ton am besten freistehen lassen, damit die Emotion auch so wirken kann. Bei einer direkten oder viel mehr noch bei einer indirekten, zusammenfassenden, interpretierenden Übersetzung im Reportage-Text kann es bei vielsilbigen Sprachen im Vergleich zum Deutschen zu einem erheblichen Überhang an freistehendem O-Ton kommen. Das ist eigentlich im Sinne eines authentischen Berichtes. Hat man diese Zeit aber nicht, greifen manche zu folgendem Trick: Man lässt am Anfang des O-Tones ein Stück frei stehen, und legt dann die Länge der deutschen Übersetzung ans Ende an. Der hart abgeschnittene O-Ton wird dann von der Voice-over überdeckt, und man merkt den Eingriff nicht so stark. Oder umgekehrt: vorne hart hineinschneiden - natürlich nie mitten im Wort, man lässt hinten den O-Ton frei stehen. Gut ist es, wenn aus der Originalsprache ein verständlicher Teil oder ein wieder erkennbarer Teil gut zu hören ist (bekannte Wörter, ähnlich klingende Fremdwörter, Namen…). Dies führt zum erwünschten Aha-Effekt.
Bauchbinden oder Inserts „Bauchbinden“ oder neutraler formuliert: Die Inserts, die eingeblendeten TextZusatzinformationen wie vor allem der Name und die Funktion des redenden Menschen, sind generell wichtige Informationen, gerade bei personalisierenden Formaten wie der Reportage. Es gibt zur Frage, ob und wie handelnde Personen auch namentlich erwähnt werden sollen in einer Sendung einerseits redaktionelle (Format-) Vorgaben, andererseits ist es wieder einmal die Frage nach der entscheidenden Funktionalität der Reportageform. Die Antwort lautet – wieder einmal: Es kommt darauf an… Es kommt darauf an, ob und wie eine handelnde Person bildlich und im Text eingeführt wurde, hoffentlich möglichst persönlich, da wir ja mit der Reportage konkrete Menschen und ihre Schicksale vorstellen wollen. Ist dies – hoffentlich – geschehen, sollten wir als Zuschauer die Person bereits einigermaßen
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gut kennen, bevor sie sich auch in einem O-Ton äußert. Eine „Bauchbinde“ sollte dann über-flüssig sein, viele Redaktionen gehen auch davon aus, dass dies so ist. Spricht ein Funktionsträger qua Funktion und ist er bis dato unbekannt geblieben im Film, stimmt etwas nicht mit dem Grundverständnis über Reportagen. Auch Funktionsträger sind Menschen, auch sie sollten in der Reportage vorgestellt werden, nicht erst mit einer Bauchbinde, wenn es längst zu spät ist. Reine Fach-Statements (der Experte kommentiert) oder O-Töne qua Funktion (der Bürgermeister) sollten in einer guten Reportage eigentlich nicht mehr vorkommen. Oftmals erfüllen solche Statements von Bürgermeistern oder Arbeitsamts-Leitern die Funktion, Vollständigkeit zu versuchen (siehe unten: Gefahren des Misslingens) oder unvollständig erscheinende Recherchen abzufangen, zu ergänzen, womöglich zu ersetzen. Dadurch ergibt sich ein featurehaftiger Blick von oben auf die Story, nicht von innen aus der Story, dem Miterleben heraus. Kompetent ist man in der Reportage durch sein vor der Kamera gelebtes Leben und Handeln, nicht durch eine artifizielle Funktion für ein abstraktes Über-Ich. Wenn die Funktion eines handelnden Protagonisten noch durch ein entsprechendes Insert deutlich wird, hat der Vorlauf, die Etablierung dieses Akteurs nicht wirklich stattgefunden. Eine Bauchbinde kann all das nicht mehr retten, wenn es bis dahin nicht geklappt hat. Tipp: Die Lösung ist wieder einmal die szenische Etablierung eines Menschen in seinem normalen Handlungsrahmen, die Herstellung seiner Kompetenz und Funktionalität durch die Chance für die Zuschauer, selber darüber zu entscheiden. Der Bürgermeister, der im Geschehen eine Rolle spielt, gehört samt O-Ton hinein in die Story. Der Mann, der – ohne weiteren Zusammenhang, zufällig – Bürgermeister ist in einer Stadt, in der etwas passiert, hat keine Rolle in der Story und ist verzichtbar.
9 Wir „machen“ eine Reportage 9.1 Wir „machen“ eine Reportage
Eine Planungsliste Schritt 1: Die Reportage-Denke Das abstrakte Thema reduzieren Die Suche nach der Story dahinter… Recherche in der Zukunft… Dabeisein: Alltagsdramen Datei-Sein: Events Suche nach… Das „Wie“, nicht das „Was“? – Die Meta-Ebene Schritt 2: Die Suche nach den Protagonisten Wer treibt die Story voran, wer ist Akteur? Gibt es eine Hauptperson? Wer schiebt an? Wer ist der Türöffner? Emotionalität der Situation? Rolle des Reporters: Schiebt der Reporter an? Fallstudie, Selbstversuch, offen oder undercover? Schritt 3: Die Suche nach dem Spannungsbogen Um was wird es gehen? Was wird es Neues geben? Gibt es ein Spannungsgefälle? Gibt es Vorher-Nachher-Effekte? Gibt es Brüche, Konfliktlinien? Schritt 4: Die Suche nach Ort und Zeit Auswahl der Schauplätze, Reduzierung auf ein Minimum Chronologie? Ortswechsel? Anteil vergangener Themenanteile, Umsetzung ins Heute? Schritt 5: Dramaturgisches Grundmuster? Linear chronologisch? Linear mit Rückblenden? Parallel mit offenem Ende? Parallel und Überkreuzen am Höhepunkt?
Wir „machen“ eine Reportage Schritt 6: Produktionstechnische Vorbereitungen Laut – leise/ hell – dunkel? Maximale Flexibilität! Aktive Reporter? Echte Locations Offener, flexibler Drehplan Zwischenbilanz: Vorsicht vor… (Was „sieht“ die Kamera wirklich?) Interessante Berufe! Interessante technische Abläufe! Interessant redende Menschen! (Portrait!?) Interessante nicht agierende Menschen (z.B. am Computer sitzend)! Interessante vergangene Aktionen! Langweilige Protagonisten! Selbst-inszenierende Protagonisten! Schritt 7: Alternativen Umsteuern am Drehort: dieselbe Story, andere Protagonisten Dieselbe Story, andere Dramaturgie, anderer Aufbau Reportagig machen: Unsichtbares sichtbar! Vergangenes in die Gegenwart! Plan B, weiter siehe Anfang! Plan C: Umarbeiten Linear umschneiden, Zeitsprünge entwirren! Schauplätze und Protagonisten reduzieren! Reportagig texten!
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Ein Werkstattbericht: „Das Ascot der kleinen Leute“ und wie der Film entstand Das ist der offizielle Titel einer 30 Minuten – Reportage, die am 14. September 1997 im Bayerischen Fernsehen auf dem Sendeplatz der Reihe „Reportage am Sonntag“, 21.30 Uhr gesendet wurde. Sie soll als ein Beispiel dienen, wie man sich an eine große Reportage heranmacht. Für viele mag der Titel etwas verwirrend klingen. Ascot ist das nicht in England? Finden dort nicht Pferderennen statt? Trabrennen, ist das nicht mit einem Wagen? Alle Fragen kann man mit Ja beantworten und dennoch steckt eine Logik im Titel: Das erste Trabrennen fand 1847 in München auf dem Oktoberfest statt und es handelte sich um ein Trabreiten. Trabrennen mit Wagen – oder Sulky, wie das im Fachjargon heißt - kamen erst einige Jahre später auf. So ist München die Wiege des deutschen Trabrennsports. Ascot steht für Chic, Millionen, Adel, Promis, Champagner und mehr. Auch München hat eine Pferderennbahn, die natürlich nicht mit Ascot vergleichbar ist und bei den Trabern nebenan geht alles ein bisschen gemütlicher zu. Kordhosen und Jeans, die Rente, die schon mal verzockt wird, ein paar Promis gibt es, aber das Hauptgetränk ist und bleibt Bier. Und das ist München-Daglfing. Familiennachmittag bei Kaffee und Kuchen, Weißbier und Brezn und ein bisschen wetten, das kleine Geld eben. In Zeiten von Internet und Sportwettbüros, die weltweit über Satellit vernetzt sind, merken die Betreiber, dass immer mehr Zuschauer ausbleiben. Die echten Zocker kommen nicht mehr so häufig. Sie sitzen zuhause am PC oder in Wettbüros in Berlin, Hamburg oder Düsseldorf. In den vergangenen Jahren sank die Zahl der Zuschauer und der Wettumsätze kontinuierlich. Die Zeitungen berichteten in Schlagzeilen: „Schicksalsjahr für Daglfing“, „Der Fiskus bedroht den Trabrennsport“, „In immer mehr Rennen wird weniger gewettet“, „Trabrennvereine vor dem finanziellen Kollaps“. In dieser Situation erschien auch eine große, sechsseitige „Stern“-Geschichte. „Verprügelt, verschnürt, verheizt.“ „Auf deutschen Trabrennbahnen haben Tierschinder freie Hand. Sie stecken den Pferden scharfkantige Metallgebisse ins Maul, zurren die Zunge fest und drücken ihnen Gummistöpsel in die Ohren. Ziel der Tortur: das große Geld.“ (Stern, 7. Mai 1997)
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Darin enthalten waren auch Vorwürfe, dass ähnliches auch in Daglfing passiert. Auf diesen Artikel gab es „natürlich“ eine riesige Anzahl von Leserbriefen. Für den Münchner Trabrenn- u. Zuchtverein e.V. eine Katastrophe. Kurz vor dem finanziellen Ruin und nun noch die Tierschützer gegen die Traber. Das waren die Rahmenbedingungen zu denen der Autor der Redaktion das Angebot machte, über diesen „Zirkus“ eine Reportage zu machen. Es gab viele Ansatzpunkte, bei oben geschilderten Sachverhalten. Wo ist der rote Faden, der durch die Geschichte führen soll und den Zuschauer davon abhalten soll, die Fernbedienung zu benutzen? Wie funktioniert das Wetten/Zocken überhaupt? Wer könnte die Hauptperson, der Protagonist sein? Oder gibt es mehrere? Als erstes erfolgt der Anruf beim Münchner Trabrenn- und Zuchtverein. Gibt es eine Drehgenehmigung, ist eine Story gewünscht, werden wirklich alle Stalltüren geöffnet? Welche Personen eignen sich zum drehen? Trainer, Fahrer, Pferdebesitzer, Angestellte der Rennbahn. Wo sind Tierärzte, die über die „Foltermethoden“ an Rennpferden berichten können? Welche Besucher kommen da sonntags hin? Tipp: Beim Schreiben des Exposés bereits folgende Fragen stellen und beantworten: In welche Sendung passt mein Thema? Ist es ein schönes Sommer-/Winterthema? Könnten die Drehtage/Kosten aus dem Ruder laufen? Um überhaupt ein Exposé schreiben zu können, war es unerlässlich, sich selbst mal einen oder zwei Sonntag auf der Rennbahn rumzutreiben. Zu spüren, wie ist denn so die Stimmung beim Publikum. Was wird so geredet? Große Ohren bringen einen auf neue Ideen. Am Anfang seiner journalistischen Laufbahn empfiehlt es sich, lieber auf Nummer Sicher zu gehen und die Schritte nach und nach auszuführen. Also entschloss sich der Autor auf die Rennbahn zu gehen und einfach mal zu kucken, was so passiert. Mit Wettprofis zu reden, wenn’s geht mit Pferdebesitzern, und natürlich mit der Geschäftsführung der Rennbahn. Zwei Rennsonntage später ließ sich bereits ein Exposé verfassen, dass sowohl Atmosphäre (Erlebtes) als auch Hintergründiges/Inhaltliches (Angelesenes) zu bieten hatte. Der Titel war noch nicht gefunden, dass das Thema eher Allgemein angeboten wurde. Etwa fünf Wochen nach Einreichen des Exposés hatte der Autor seinen Auftrag. (Unter Umständen kann es wesentlich länger dauern, bis sich Redaktio-
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nen entscheiden, ein Thema zu machen oder nicht. Denn es reden manchmal auch noch Abteilungsleiter und Chefredakteure mit.) Also nicht verzagen, wenn es länger dauert. Je klarer das Exposé, je spannender die Schilderung, desto schneller die Antwort. Auch Hierarchen sind Zuschauer, die sich eine Story vor ihrem geistigen Auge vorstellen. Exposé : Zocken um den Großen Preis Hintergründe zu dem Skandal um Münchens Trabrennbahn 150 Jahre ist es her, dass das erste urkundlich erwähnte Trabrennen auf dem Münchener Oktoberfest lief. Von Anfang an war es die besondere Attraktion des Trabrennsports, die ein ganz eigenes Publikum anzog – bis zum heutigen Tag nach Daglfing. Dort in den Katakomben der Tribünen werden noch echte Träume geträumt: Von Millionen, die in Windeseile die Taschen füllen, von Alpträumen, dass sie genau so schnell wieder verloren sind. Und sie alle habe es schon mindestens einmal erlebt. Aber die Leidenschaft… Daglfing ist eher das Acsot der kleinen Leute. Es ging den Trabern schon einmal besser: Ein gewaltiger Schuldenberg ist abzutragen, die Umsatz-Euphorien haben sich allzu oft nicht erfüllt. Wenn Ende Juni in Daglfing der Endlauf zur Weltmeisterschaft der Trabrennfahrer das Oval beherrscht, wird einen kurzen Moment lang aber wieder der ganz große Traum geträumt, vom Ascot der Bayern, das weltweit Schlagzeilen macht. Mit dem Stilmittel der Reportage soll versucht werden, den Zuschauer miterleben zu lassen, was sich hinter den Kulissen tut, bevor es heißt: Start frei zum nächsten Rennen. Sowohl Trainer als auch Pferdebesitzer haben sich bereiterklärt vor der Kamera zu erzählen, was sie am Trabsport reizt, was den Kick ausmacht. Ein Tierarzt wird zeigen, mit welchen unfairen und fairen Mitteln die Tiere zu Höchstleistungen gebracht werden. Und auch die Zocker sollen zu Wort kommen. Wie funktioniert eigentlich das Wetten auf Pferde? Auf der Rennbahn gibt es jeden Sonntag „Originale“ die schon seit Jahrzehnten auf die Rennbahn kommen, es gibt Neulinge die das Zocken reizt. Renntage sind der Mittwoch, der Samstag und der Sonntag. Da quasi alle Dreharbeiten auf dem Gelände der Trabrennbahn spielen, müsste die Reportage mit acht bis neun Drehtagen zu fertigen sein. Ein bis zwei Drehtage könnten auch im Münchner Umland stattfinden, da einige Pferdebesitzer ihre Ställe nicht direkt in Daglfing haben.
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Am Ende des Exposés kann man noch kurz oder länger auf dem Produktionsumstände eingehen, die den Redaktionen zeigen, wie kompliziert ein Thema umzusetzen ist, ob es bei der Umsetzung eventuell Schwierigkeiten geben könnte. Wird es teurer? Nach dem Okay der Redaktion geht es an die Drehvorbereitung: Kalkuliert wird mit neun Drehtagen. Das ist die Standardvorgabe und da die Drehorte (nach jetziger Planung) alle im Großraum München liegen, kommen auch keine extra Reisetage hinzu. Das müsste reichen, wenn nichts dazwischen kommt! Deshalb nie alle Tage verplanen. Reserven lassen, denn es kommt immer irgendwas dazwischen. Um das Thema umzusetzen, muss an verschiedenen Orten gedreht werden. Im Laufe der Jahre – im Laufe der Reportagen - bekommt man ein Gefühl, wie lange etwas dauert. Welche Wartezeiten können entstehen? Brauche ich für einen Drehtag eventuell eine zweite Kamera? Doch wo anfangen? Am besten, man macht mal Termine aus, die noch nicht feststehen. Mittwoch, Samstag und Sonntag sind Renntage. Da kann/muss man an der Rennbahn treffen. Wann hat der Tierarzt Zeit? Welcher Trainer lässt schon mit einem Tierarzt „Misshandlungen“ drehen? An welchem Tag ist es sinnvoll, bei einem Pferdebesitzer zu drehen? Beim Pferdeverladen vielleicht? Alle Termine sind fest, doch noch ist kein „roter Faden“ in Sicht. Ein etwas mulmiges Gefühl vor dem ersten Dreh ist ganz normal. Ähnlich wie das Lampenfieber bei Schauspielern und Sängern, bevor es auf die Bühne geht. Doch endlich: Der erste Drehtag – es geht los. Aber der Kameramann ist motiviert und beruhigt den Autor. Schon bei der Anmeldung der Produktion in der Kameradispo sollte man das Thema schildern und genau beschreiben, welche Ansprüche man an den Kameramann hat. Das trifft natürlich auch in gewissem Umfang auf den Assistenten zu. Bei einem Skifilm macht es keinen Sinn, einen Kameramann/Assistenten mitzunehmen, der nicht sehr gut Ski fährt. Zum Glück hatte in diesem Beispiel der Kameramann selbst ein Pferd zuhause und betreibt als Hobby sogar noch das Kutschefahren. Er ist mit Pferden aufgewachsen und hat deshalb keine Angst vor ihnen, selbst wenn es mal eng und rabiat wird in einem Stall, in dem gerade gedreht wird. Ein Vorgespräch hat bereits stattgefunden. Die Absicht der Geschichte ist erklärt.
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Original-Drehplan zur Reportage „Das Ascot der kleinen Leute“, Bayerisches Fernsehen 14.09.1997: Dabei wurden zwei Reservetage eingeplant.
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Das Wetter ist schön Mitte August, und es sind eine Menge Menschen zum Rennen gekommen. Schließlich geht es um das „Deutsche Traberchampionat“ und um viel Geld, sowohl Preisgelder für die Sieger und viel Geld für die Zocker. Also erst mal auf die Zocker stürzen: Eine Gruppe von vier Männern sitzt zusammen, ist lustig und füllt Tippzettel aus. Man lässt sich erklären, wie das geht, man ist sich sympathisch und die Vier stimmen zu, dass mit ihnen heute gedreht werden kann. Seit 30 Jahren kommen sie auf die Rennbahn: Herbert, Reinhold, Erich und Walter. Einer hat eine Versicherungsagentur, einer ist Ausbilder in einer Kfz-Werkstatt, ein anderer arbeitet in einem Reifenhandel. Und Walter, der jüngste, ist selbständig und stellt Grabschmuck her. Alles einfache Leute, eben die „kleinen Leute“, die es ins bayerische Ascot zieht. Wie andere auf den Fußballplatz gehen, gehen sie auf die Trabrennbahn. Oft auch am Mittwoch, aber sonntags immer. Zockerlatein und Quoten „Nimm den 8er, 2, 3 Herbert“, sagt Walter. Die Sprache der Wetter ist auf Anhieb nicht leicht zu verstehen. Der Autor fragt nach, lässt sich erklären, um was es da genau geht. Die Kamera ist an! Also, wird dem Laien erklärt: Das Pferd mit der Startnummer 8 muss zweiter oder dritter werden. Man spielt die Zweierund die Dreierwette. Nicht nur wer den Sieger richtig tippt, gewinnt; auch der zweite und dritte Platz müssen stimmen. Dann gibt es einen höheren Gewinn. Und wer kombiniert hat höhere Chancen, bezahlt aber auch mehr Wetteinsatz. Und am Tag des „Deutschen Traberchampionats“ gibt es noch mal Extrageld; die so genannte V6-Wette. Wer in den heutigen acht Rennen vom 3. bis zum 8. Rennen alle sechs Sieger richtig tippt, bekommt den Jackpot von 50.000 DM. Aber, so versichern es die „Wettbrüder“ des Stammtisches, das haben sie in dreißig Jahren nicht geschafft. Der erste Drehtag, so der Plan, soll sich also um die Wetter kümmern, um die Zocker. Der Stammtisch ist im Kasten, wie sie dasitzen, diskutieren, losgehen, die Wettscheine abgeben, Bier trinken und die Welt erklären. Das Team dreht schöne Bilder von Menschen in ausgeflippten Klamotten und schrägen Aufmachungen. Ascot ist es nicht, die Hüte fehlen, aber es hat seinen eigenen Charme. Es gibt schöne Szenen: Gewinner und Verlierer. Unser Stammtisch ist frohen Mutes. Auch im vierten Rennen haben sie zwar noch nichts gewonnen, aber: Den Sieger haben sie bislang immer richtig getippt. Autor und Kameramann beschließen weiter mit dem Stammtisch zu drehen. Auch im fünften Rennen tippen sie den Sieger richtig! Einer von ihnen kennt den Pferdebesitzer, Hans Pallauf. Er ist ein Original, kommt vom Chiemsee, hat fast immer Lederhosen an, hat mehrere Pferde, einen Bauernhof und das Gasthaus
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zur Post. Deshalb haben alle seine Pferde den Zusatz Post im Namen. Und Postblitz, sein bestes Pferd im Stall, hat schon oft gewonnen. Er könnte einer der Pferdebesitzer werden. Er ist ein Typ, hat Charisma und ganz wichtig: Er kann vor der Kamera erzählen. Auf die Frage, ob man mit Pferden ein kleines Vermögen machen kann, antwortet er: „Man kann schon ein kleines Vermögen mit Pferden machen, wenn man ein großes Vermögen hat.“ Das achte Rennen naht und Herbert, Reinhold, Erich und Walter sind noch immer mit im Rennen um den großen Jackpot. Im achten Rennen, da sind sich Autor und Kameramann einig: Volle Konzentration auf den Stammtisch. Denn mit dem Dreh im zweiten und im fünften Rennen und jetzt im finalen achten Rennen ergibt das eine schöne runde kleine Geschichte in der Reportage. Eine Stadionkamera filmt ohnehin das komplette Rennen mit. Längst werden die Rennen via Satellit in alle Welt übertragen. Das man von überall wetten kann ist ja mit ein Grund, warum die Trabrennbahn seit Jahren unter Besucherschwund leidet. Also die Bilder vom Rennen gibt es, jetzt also auf den Stammtisch konzentrieren. Regieanweisung an den Kameramann: Egal was jetzt passiert, nimm alles mit, aber bleib mit der Kamera auf der Gruppe! Viele unerfahrene Kameraleute wollen in spannenden Situationen möglichst alles einfangen und verpassen dann das Wesentliche. Noch dreißig Sekunden bis zum Start. Die Nerven liegen blank. Start frei zum achten Rennen…. Den Stammtisch hält es jetzt nicht mehr auf den Bänken. Sie drängen zur Rennbahn… alles geht so schnell, Minuten, Sekunden, Einlauf und dann: Tränen, Geschrei, Umarmung. Unglaubliche Emotionen. „Reporterglück“ Der Stammtisch hatte es in der Tat geschafft, hat seine V6-Wette gewonnen. Acht Rennen und vom 3. bis zum 8. Rennen sechsmal den Sieger richtig getippt. Noch während sie sich in den Armen liegen, ein Moment der Unsicherheit. Haben wir wirklich gewonnen? Und wie viele haben richtig getippt, haben ebenfalls die acht Sieger getippt. Und dann ist es amtlich: Sie sind die einzigen. Herbert geht zum Wettschalter und kommt mit einem Bündel Geld zurück. Es wird gefeiert, Prosecco fließt und auch einige Tränen. „Meine Tochter heiratet am Freitag, und jetzt ist alles bezahlt“, sagt Reinhard, der glückliche Brautvater. Für den ersten Drehtag ist das eine optimale Ausbeute. Eigentlich unglaublich: 30 Jahre lang hat der Stammtisch keine große Wette gewonnen und dann ist die Kamera dabei und sie räumen den Jackpot ab. Das war in der Tat riesiges Glück für beide Seiten. Für den Stammtisch zum einen und eigentlich noch mehr für den Reporter. Doch was macht man jetzt mit dem riesigen Drehglück? Mit dem Stammtisch ist eine optimale Geschichte gelungen und mit Hans ein bayeri-
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scher Pferdebesitzer gefunden, der sich gerne drehen lässt und der quasi ein Prototyp an bayerischem Pferdebesitzer darstellt. Am zweiten Drehtag, am Sonntag darauf, wird alles „überschattet“ vom Gewinn des Stammtisches. Das Thema „Wetten“ steht im Mittelpunkt. Langjährige Mitarbeiter an den Wettschaltern erklären das Geschäft. Viele, die reich werden wollten, sind abgestürzt, waren jahrelang auf der Rennbahn und sind jetzt verschwunden. Man sagt, es gebe auch einige, die Haus und Hof verspielt haben. Dreh in den Katakomben der Zuschauertribünen. Computer ermitteln die Quoten in rasend schneller Geschwindigkeit. Früher dauerte es oft eine halbe Stunde, bis klar war, wie hoch die Gewinne sind, heute sind es Sekunden. Ebenso bei den Zielfotos. Rasend schnell und ganz genau lässt sich sehen, welches Pferd eine Nüster vorn hat. Hans Pallauf, der Pferdebesitzer ist auch wieder da. Diesmal mit seinen Söhnen. Sein Pferd „Postblitz“ hat wieder mal ein Rennen gewonnen. Ein Sohn darf mit auf die Ehrenrunde. Viele Besucher kennen ihn, holen im Vorbeigehen noch Tipps ab. Mit Hans macht der Reporter den Dreh für Ende August fest. Dann, so sagt er, sind auch seine Galloway-Rinder mit auf der Weide, das ergäbe ein schönes Bild, im Hintergrund die Berge. Eigentlich ist das sehr gefährlich, wenn sich Beteiligte zu sehr einmischen, wenn aus Protagonisten Darsteller werden und die Authentizität der Geschichte weg ist. Aber: Bei dem Bayer Hans kein Problem. So natürlich und spontan wie der ist, muss man darauf achten, sein Drehpensum zu schaffen. Tag drei, während der Woche. Erfolgstrainer Gerd Biendl hat sich bereiterklärt, dass das Team ihn einen oder zwei Tage begleiten kann. Morgens, im Stall, beim Training auf dem eigenen Gelände. Er beschäftigt acht Angestellte (Pferdewirtschaftsmeister, Trainer, Pfleger, Stallhelfer) Er hat 32 Pferde, pro Pferd bekommt er monatlich 1300 D-Mark; Vollpension und Training inklusive. Gedreht wird auch auf dem Sulky, auf dem Trainigssulky kann der Reporter mitfahren; das Kamerateam fährt parallel auf der Innenbahn, wo sonst die Kampfrichter fahren. Drehtag vier: Zwei Männer mähen Gras in der Nähe von Daglfing. Georg Erhart. Hat bisher 99 Rennen gewonnen. Doch im Vergleich zu dem Erfolgstrainer Biendl ist das nichts. Max Retzer mit der Sense ist 91 Jahre alt und seit 1920 auf der Rennbahn. Er ist der älteste Trainer in Deutschland, aber nicht mehr aktiv, hilft seinem Freund Georg. Früher gab es 30 Trainer, heute sind es 60 Trainer, die sich um die immer kleineren Preisgelder raufen. Die beiden mähen das Gras, um Futter für ihre Pferde zu haben. Erhart hat keine fremden Pferde mehr. Eine Stute und einen Hengst nennt er sein eigen. Gedreht wird im Stall. Er erzählt herrlich. Einen Tag vor Drehbeginn: „Macht kein Parfum oder Rasierwasser am morgen drauf. Das kann der Hengst nicht riechen. Neulich kam eine
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Einparfümierte aus der Stadt, die ist dann in hohem Bogen durch den Stall geflogen.“ Am Nachmittag Dreh in der Tierarztpraxis von Dr. Große-Lembeck. Sedierung eines Pferdes, Rasieren, Desinfizieren, Ankleiden, Mantel, Handschuhe , Mundschutz, Sonde ins Kniegelenk und OP. Spätnachmittag wieder Dreh bei Erhard zuhause. Er wohnt in der Nähe der Rennbahn, Retzer kommt zu Besuch. Sie schauen alte Fotos an. Erhard als Lehrjunge. Erhard malt gerne Bilder, auch das wird gedreht; Motive sind natürlich aus der Pferdewelt. Drehtag fünf: Mittwochs ist ebenfalls Renntag. Eigentlich sollte am Nachmittag mit dem Tierarzt gedreht werden aber überraschend ist am Nachmittag eine Vorstandssitzung anberaumt. Gedreht werden die so genannten Zusammentrittsbilder. Das ist üblich. Denn wer möchte sich schon bei einer nichtöffentlichen Sitzung, bei der Zukunft des Vereins beredet wird, gerne drehen lassen. Das Interview wird aber nicht innen gedreht, sondern außen. Der Präsident geht über das Gelände schaut nach dem Rechten und überlegt, wie schon so oft zuvor, welche Teile wirklich nicht mehr gebraucht werden, was kann versilbert werden, um den riesigen Schuldenberg abzutragen. Später am Nachmittag, Erfolgstrainer Biendl geht auch an den Start am zweiten Rennen. Mit dem Tierarzt soll geklärt werden, wie die Pferde angeschirrt werden, die Ohrenstöpsel, stören die wirklich die Pferde nicht. Das Interview wird interaktiv gedreht. Biendl spannt an, legt Zaumzeug an, die Kamera dicht mit dabei. Frage an Biendl und Frage an den Tierarzt. Living Kamera, der Kameramann wurde genau informiert, wo die Knackpunkte liegen, auf welche Kleinigkeiten er achten muss. In diesem Fall ein Riesenvorteil: Der Kameramann ist Pferdefreund, hat eigene Kutschenpferde. Schnell zurück zum Rennen. Biendl gewinnt. Max Retzer mit Freunden auf der Tribüne. Später gehen sie nach unten, da sitzt der „Mittwochsstammstisch“ um den „Kutscher“, wie sie ihn hier nennen. Jeder kennt jeden, so scheint es. Die Traberfreunde sind wie eine große Familie. Günter Noack ist 71 und über dreißig Jahre lang im englischen Garten mit dem Fiaker gefahren. „Pferde sind meine Frauen“, sagt er. Das sind natürlich witzige O-Töne, die spontan kommen. Das kann keiner spielen. Sie alle hier sind irgendwie Pferdenarren, aber ein Wagen (Sulky) muss immer dabei sein. Ob Kutsche fahren, Fiaker oder Sulky, egal. Es geht aufs Land! Der sechste Drehtag führt das Team in die Chiemgauer Berge. Bilderbuchwetter Ende August. Hans Pallauf ein Original. In Törwang führt er die Post. Seit 1825 ist die frühere Posthalterei in Familienbesitz. Pferde spielten dabei immer eine große Rolle. Und die Namen seiner Pferde zeugen davon. Postab, Postblitz und Postfräulein. Hans kann gut mit den Gästen. Längst führen die Kinder die Wirtschaft, er ist nur noch zum Spaß da, ein bisserl reden mit den Gästen. Reitet mit Postblitz vor das Gasthaus. Im alten Käfer Cabrio
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geht’s zur Weide, zu den Ställen. Neben den Pferden sind auch Rinder, sog. Galloways, mit auf der Koppel. Drehmotive: Schöne Landschaft mit Gasthof, der Pferdebesitzer privat. Auf der Weide, Umgang mit Tieren, Natur. Training mit Sulky in der freien Natur. Und immer wieder: Aus der Situation heraus emotionale Interviews führen, keine sachlichen. In der Postkartenidylle kommen Fragen nach Tierquälerei besonders kontrastartig. Aber er redet darüber! Die Informationen kann man gut auf den Bildern transportieren, die Gefühle oft nicht. Bei den Fragen ist oft nicht das Was entscheidend sondern das Warum, die Motivation. Am siebten Drehtag - eigentlich als Reservetag geplant - geht es wieder zurück aufs Gelände der Trabrennbahn. Tolle Bilder in der Schmiede: Pferde beschlagen. Dicker Qualm, wenn die heißen Hufeisen angebracht werden. Wie war es früher, wie ist es heute? Situative Interviews mit dem Schmied beim Beschlagen. Anbringen von orthopädischen Hufeisen. Tierarzt schaut vorbei, prüft den Gang des Pferdes, vor und nach dem Beschlagen. Später Dreh in der Sattlerei. Nähmaschinen, verschiedene Gerätschaften. Auflagen werden genäht für die Sulkybefestigung. Paradedecken für den kommenden Sonntag fehlen. Hier arbeiten viele aus den früheren Ostblockstaaten, weil sich für den Lehrberuf des Sattlers kaum ein Deutscher findet. Drehtag Nr. acht, als Reservetag geplant, wurde nicht benötigt. Letzter Drehtag (eigentlich der achte): Ein Sonntag, Hauptrenntag, Bayernpokal. Jetzt muss alles gedreht werden, was bislang fehlte. Bilder des Startautos, Rennleitung, Interview zum Thema Disqualifizierung. Wer entscheidet wann ein Pferd zu galoppieren anfängt. Am Monitor den Rennverlauf beobachten. Anzeigetafel, Schiedsgericht. Klassisch schöne Bilder, sogenannte „beauty shots“: Typen, Biertrinken, Essen, schöne Menschen, schöne Motive für die Schlusseinstellung. Für den Abspann mindestens schöne 30 Sekunden einplanen. Möglichst still, weil ohnehin Buchstaben durchs Bild laufen. Nach circa einer Woche Recherche, verteilt über zwei Monate, Vorbesichtigung inklusive, Drehgenehmigungen besorgen, Vorabsprachen mit dem Team, Suche nach Protagonisten, Termine koordinieren, Drehplan erstellen, acht Drehtagen und 19 Kassetten zu 30 Minuten war die Geschichte im Kasten. Doch welche Geschichte? Ist die Story rund? Sind wirklich alle Aspekte abgedeckt, die man sich so vorgenommen hat? Gleich nach Drehende beschleichen einen vielleicht wieder Zweifel, ob man alles richtig im Kasten hat. Protagonisten und Roter Faden Gleich nach dem ersten Drehtag war eines klar: Der Stammtisch mit dem Riesenjackpot wird der rote Faden werden, oder besser gesagt ein roter Faden von
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vielleicht mehreren. Zocken oder Wetten ist ein Hauptvergnügungspunkt auf der Rennbahn, mit ein Grund, warum es überhaupt Rennen gibt. Und die Typen vom Stammtisch sind so klasse, die Gestik, die Mimik, die O-Töne. Da zwischen dem ersten Drehtag und dem zweiten eine Woche lag, konnte der Autor das Material sichten und sich schon einmal Gedanken machen, ob die ersten beiden Kassetten das Zeug hatten, einen Handlungsstrang zu tragen. Nach Rücksprache (kleine Rückversicherung) mit der Redaktion war klar: Das wird eine spannende Geschichte, wenn der zweite, dritte Handlungsstrang auch gut wird. Neben den Zockern, dazu fehlte noch die Veranstalterseite, sprich die Menschen am Wettschalter, die Quotenermittler, die Technik im Hintergrund. Ein zweiter Handlungsstrang: Die Trainer, die Pferdebesitzer, die Pferde. Dazwischen: Der Tierarzt - zwischen Tierschutz und Tierquälerei für eine hohe Siegprämie. Schönes Beiwerk: Die „normalen“ Besucher, die Exoten unter den Besuchern, die Sattlereien und die Hufschmiede und: Der Verein, der durch ein Missmanagement und durch falsche kaufmännische Entscheidungen in eine finanzielle, existenzielle Misere geraten war. Was sich nach acht Dreh- und zahlreichen Recherchetagen als riesengroßer Vorteil herausstellt, ist das Tagebuch oder Drehprotokoll. Viele kleine Details, Informationen, Hintergründiges, was man sich so nebenbei notiert hat, kann man am Abend schnell auf dem Laptop zusammenschreiben und bekommt den Überblick. Tipp: Wenn sich das Dreh-Ende absehen lässt, bereits mit der Dispo telefonieren und einen Termin für einen Sichtraum besorgen. Faustregel: Pro Dreißigminutenkassette gut eine Stunde einplanen. So hat man genügend Zeit, um die schönsten Szenen mehrmals anzuschauen. Gedreht wurde alles, was sich der Autor so ausgedacht hatte. – Aber passt das alles zusammen, und wie? Diese Frage kann man erst beantworten, wenn man das Drehmaterial gesichtet hat und eine Logliste angefertigt hat.
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Die folgenden beiden Seiten sind ein Auszug aus dem Original-Drehprotokoll, das zuerst auf Zetteln, dann auf dem Laptop aufbereitet wurde, damit es später als Texthilfe verwendet werden konnte.
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Sichten Mit dem Laptop geht’s am einfachsten, aber auch von Hand geschrieben sollte die Liste zwei Spalten haben. Links die Zeit, der Timecode, rechts die Beschreibung der Szene. Pro Kassette eine DIN-A 4 Seite. Das lässt noch Platz für spätere handschriftliche Eintragungen. Welche Szenen sind besonders gut? Welche Szenen sind gar nicht so wie, wie man noch beim Dreh dachte? – Weil die Kamera in diesem Moment gerade unscharf war, die Blende nicht stimmte oder im falschen Moment zu einem Ausschnitt geschwenkt hat, der dann doch nicht so gut ist. Man kann nichts nachdrehen! Allein die Szene mit dem Stammtisch der eben seinen größten Gewinn bekommen hat. Da kann man nicht mehr sagen: Bitte freut euch noch mal! Einmal gedreht und fertig. Bei solchen „Schlüsselszenen“ muss man in Kauf nehmen, dass sie trotz möglicher Fehler (hell, dunkel, Unschärfe, Tonaussetzer etc.) verwendet wird. Die Überlegungen sind hier wie folgt: Die Geschichte spielt dann auf einer anderen Ebene, als auf der des perfekten Bildes. Bei solchen Szenen stehen eindeutig die Emotionen und menschlichen Gefühlausbrüche im Vordergrund. Gerade nicht so erfahrene Kameraleute haben Angst, mal ein unscharfes oder verwackeltes Bild zu drehen und schalten deshalb die Kamera zu spät ein, weil erst noch mal alles gecheckt werden muss. Die einmalige Szene ist dann aber unwiederbringlich vorbei. Ist man sich nicht sicher, ob man trotz Bildfehler die Szene nehmen soll oder nicht, sollte man frühzeitig mit dem Cutter und dem zuständigen Redakteur sprechen. Erstens lässt sich mit dem Cutter klären, ob man da technisch noch was machen kann, wie Farbkorrektur, Kontrast, Chroma etc. Mit dem Redakteur kann man klären, dass man trotz der „Bildfehler“ die Szene braucht und dass man sie so wie sie ist akzeptiert. Was man beim Sichten auch noch feststellen kann ist: Sollte man die Geschichte nicht lieber doch umbauen? Oder sollte man sich nicht von der einen oder anderen Szene ganz verabschieden. Das ist schwer: Der Autor hat viel Herzblut in den Dreh gelegt, hat viel erlebt und möchte dem Zuschauer auch möglichst alles zeigen. Das ist verständlich, man sollte aber auch bedenken: Sind alle Szenen, die ich gedreht habe notwendig, um die Geschichte interessant und spannend zu erzählen? Wenn man die ersten langen Reportagen macht, unterliegt man oft der Versuchung nach Vollständigkeit. Alles, was ich erlebt habe, möchte ich auch erzählen. Das Weglassen einige Szenen hat aber manchmal auch Vorteile: Der Zuschauer war nicht dabei, kennt nicht alles und wird auch nichts vermissen. Der Zuschauer möchte eine spannende, gut erzählte und verständliche Geschichte bekommen. Nicht mehr und nicht weniger. Und daran sollte sich der Reporter orientieren, wenn er sich an die Planung des Schnittes macht.
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Benötigtes Drehmaterial für die Reportage „Ascot“ war: Am ersten Drehtag, dem Glückstag für Reporter und Stammtisch 2 Kassetten ! An den darauf folgenden sieben Drehtagen 17 Kassetten! Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten um sagen zu können, wo die Schlüsselszenen drauf waren. Aber der Reihe nach. Denn nach dem Sichten stellt sich die Frage: Wo sind die Handlungsstränge und was eignet sich als roter Faden? Der Stammtisch
Kann mehrfach verwendet werden, Diskussionen, Erklärungen, Rennbahnphilosophie, und natürlich den Gewinn abräumen
Der Pferdebesitzer
Beim Rennen, beschwert sich bei der Rennleitung, als Zuschauer, Zuhause in den Bergen, im Gasthaus, auf der Koppel
Der Erfolgstrainer
Zuhause, im Stall, beim Training, beim Zurechtmachen vor dem Rennen, Besuch des Tierarztes
Die alten Trainer
Erzählen von früher, alte Wagen, alles gemütlicher, ältester Trainer Deutschlands
Die Rennbahn
Dreh mit dem Vorstand, dem Schiedsgericht, der Wettannahme, der Auswertung des Zielfotos, Operator am Quotencomputer, beim Tierarzt, Operation eines Pferdes, in der Sattelkammer und beim Hufschmied.
Die Bilanz der Arbeitstage: 8 Tage Recherche 8 Tage Dreharbeiten weitere 9 Tage Sichten, Schnitt, Texten und Vertonung. Die Liste auf der nächsten Seite ist nur sehr grob geschrieben, man hätte es genauer aufschreiben müssen, mit einzelnen O-Tönen. Deshalb musste diese „wichtigste“ Kassette immer wieder angeschaut werden, zigmal vor- und zurückgespult werden, kostbare Zeit, die man hat oder auch nicht.
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Beispiel aus der TC-Liste der Kassette 01, am ersten Tag gedreht.
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Original-Sichtliste von Kassette 02 des ersten Drehtages mit dem Hauptgewinn !
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Zur Story: Der Autor entschied sich für drei Handlungsstränge; für drei rote Fäden, zumindest wollte er immer hin und her wechseln, so die Idee um Geschwindigkeit rein zubringen und Abwechslung. Erstens: Der Stammtisch. Er vertritt die Rolle der Besucher auf der Rennbahn. Damit kann man sich identifizieren. Das kann ich auch haben, wenn ich nächsten Sonntag auf die Rennbahn gehe. Zweitens: Der Trainer. Er vertritt die Rolle des Schuldigen. Trainer „quälen“ Pferde, bringen sie zu Höchstleistungen mit unlauteren Mitteln, so die Kritiker. Vielleicht werden sie auch von den Pferdebesitzern angehalten alles einzusetzen, was das Pferd schneller macht. Um jeden Preis ? Drittens: Der Pferdebesitzer und -züchter. Er, der Bayer, der Exot in Lederhose vertritt den reichen Pferdebesitzer, der im Hintergrund die Zügel in der Hand hält. Der Gast- und Landwirt. Was motiviert ihn Traber zu züchten? Er hat doch alles. Geld kann nicht die Motivation sein. Als Füllelemente bleiben: x x x x
Der Vorstand Das Schiedsgericht Die Wettannahme Der Tierarzt
Außen vor blieben die Elemente: Das alte Trainergespann, Sattelkammer, Schmied und beim Tierarzt die Operation. Schweren Herzens trennt sich der Reporter von den Bildern, aber die Reportage hat nur 29.30 Minuten. Noch steht das Konzept nicht endgültig: Bei näherem Betrachten der Übergänge und Aufkleben der einzelnen Kurzszenen auf Post-it-Zettel und nach Diskussionen mit Redaktion und Cutterin, kam der Autor zu der Überzeugung, dass ein zu häufiges Hin-und-Her-Springen zwischen den Handlungssträngen zu kompliziert werden würde. Klar und für den Zuschauer nachvollziehbar soll das Endprodukt sein. So sah dann der endgültige Schnittplan der einzelnen Szenen (24-25) aus:
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Trailer und Opening (1:00Min): Montage aus: Start frei, Zocker, Pferdebesitzer (Hans Pallauf), WettStammtisch (Herbert, Reinhold, Erich und Walter). Titel: „Das Ascot der kleinen Leute - Pferdebesitzer erlebt Sieg seines Pferdes POSTBILZ - Siegerehrung und Ehrenrunde, redet über das reich werden. - Stammtisch, erklären das Wettgeschäft - Allgemeine Bilder Daglfing, warum kommen immer weniger Leute - Tribüne, Umsatzeuphorie des Exvorstandes. - Interview vor Ställen mit neuem Vorstand zu Sanierungsprogramm, Ställe können verkauft werden. - Ranch des Erfolgstrainers Gerd Biendl, Frau ist mit im Geschäft, organisiert den Familienbetrieb - Training auf der Bahn in Daglfing, im Sulky Interview zu: Werden Trainer unter Druck gesetzt? - Stall, fertig machen der Pferde mit Trensen, Ohrenstöpsel und Zungenband. Mit dabei der Tierarzt - Living Interview, während Pferd für das Rennen präpariert wird - Rennen, Biendl gewinnt wieder. Der Champ hat in diesem Jahr über 2 Mio. gewonnen. - Frau am Wettschalter über Wetter, die abgestürzt sind, Haus und Hof verloren haben. - Stammtisch kann das nicht passieren - Pferdebesitzer Pallauf am Chiemsee, Gasthaus Post, fährt mit Käfer Cabrio auf die Koppel - Mittwoch Abend, Amateurfahren, Pallauf fährt mit, Pferd galoppiert, spricht von Schiebung - Schiedsgericht, Stadionsprecher, Quotencomputer: Amateurrennen sind nicht berechenbar, deshalb verhasst und beliebt zugleich bei den Zockern. - Pallauf beschwert sich bei Rennleitung, Rennleitung zu: Warum er disqualifiziert wurde - Analyse nach dem Rennen, Wettschalter machen wieder auf, vom Stammtisch gibt Herbert die neue Wette ab - Noch drei Minuten bis zum Start. V6 Wette steht noch aus. Quoten ändern sich. Noch 30 Sekunden. - Das Rennen, Emotionen pur, Geschrei Freudentränen, Sieg. Geld abholen feiern. Abspann: Nachtaufnahme, letztes Rennen, Totale. Der Sprecher ist zu hören: „Start frei...
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Der Plot-point: Einer aus der Zocker-Stammtischrunde hat das Gewinngeld abgeholt und in seinem offenen Hemd den anderen mitgebracht. Alle sind außer sich. Das Reporterglück, diesen Moment zu erwischen, gelang nur, weil sich die Reportage nicht damit aufhielt, das Pferderennen insgesamt oder das mehr oder minder glamouröse Drumherum zu filmen, sondern sie blieb als roter Faden bei dieser Runde von einfachen Männern und ihren hochfliegenden Träumen. Auf den folgenden Seiten stehen die Originaltexte. Die Art und Weise, wie die Textseite aufgebaut ist, hat sich in vielen Jahren des Reportage-„Machens“ als sinnvoll und sehr praktisch erwiesen. Links jeweils der Timecode. Je nach Sender beginnt er bei 00:01:00 oder bei 00:02:00 oder bei 10:00:00. Der Vorteil, wenn man den Timecode mit aufschreibt, ist, dass jeder Beteiligte (Tonmeister, Sprecher etc.) weiß, wie lange die einzelnen Sequenzen andauern. Zuhause beim Texten kann man mit Stoppuhr schon mal feststellen, ob man zuviel oder zuwenig Text für die Szene hat. Stichwort Szene: In der zweiten Spalte sollte dann die Szene kurz beschrieben werden, oder wer gerade einen O-Ton abgibt. Mit vollem Namen und Funktion. Und in der rechten Spalte steht dann der Sprechertext, der etwa zwei Drittel des Platzes einnimmt.
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Original Textseite aus: „Das Ascot der kleinen Leute“. Reportage am Sonntag Bayerischer Rundfunk vom 14. September 1997
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Original Textseite aus: „Das Ascot der kleinen Leute“. Reportage am Sonntag Bayerischer Rundfunk vom 14. September 1997
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Original Textseite aus: „Das Ascot der kleinen Leute“. Reportage am Sonntag Bayerischer Rundfunk vom 14. September 1997
10 Praktische Tipps und Tricks: Reporter-Glück und wie man es macht 10 Praktische Tipps und Tricks: Reporter-Glück und wie man es macht 10.1 Praktische Tipps und Tricks: Reporter-Glück und wie man es macht
Vom abstrakten Thema zur Reportage Entscheidend ist die „Denke“. Also nicht in abstrakten Themen denken („man müsste mal wieder etwas machen über Armut...“), sondern in Geschichten denken („hundert Kinder in München sind obdachlos, eines davon begleiten wir“). Welche auf den ersten Blick unbedeutenden Vordergründe können den wichtigen Hintergrund eröffnen, welche „Türöffner“ gibt es? Als nächstes ist die Personalisierung zu entscheiden, die Frage der Perspektive. Welche Personen bewegen sich in dem thematischen Umfeld, wer ist Betroffener, wer ist Opfer, wer ist „Täter“, wer ist die entscheidende, erste Kontaktperson und kann die Szenerie für uns erschließen? Es gilt, publizierte Erklärungen, Statistiken und Meldungen auf ihre Fallbeispiele hin durchzusehen. Sind Beweise zu erwarten, zu suchen? Wer sucht sonst solche Beweise? Wie verlaufen die inhaltlichen Grenzlinien, wie umstritten ist das Thema? Was bedeutet das für die Anzahl der nötigen Protagonisten? Gibt es das WinnerLoser-Modell? Welche Dramaturgie ergibt sich aus dem Thema? Gibt es einen klar definierbaren, zu erwartenden Höhepunkt, ein Ereignis? Und was immer funktioniert: Im Bekannten das Unbekannte suchen, etwa „Hinter den Kulissen von…“ Im Normalen das Unbekannte, das Unnormale im Hintergrund suchen Das Typische für ein allgemeines Phänomen, „Einer von…“ Große Themen/Schauplätze, „kleine Leute“ („die Oper und ihre Klofrau“) Beispiele von Reportage-Ansätzen: x x x
Jemand sucht etwas Verborgenes. Der Reporter begleitet ihn. Die Suche, nicht unbedingt das Finden ist die Story. Jemand wird vom Reporter vorgeschoben, um zu suchen („Türöffner“Modell). Ist kein Protagonist zu finden, sucht an seiner Stelle der Reporter.
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Das Wie, nicht das Was – Die Meta-Ebene Eine der besten Möglichkeiten, eine schwierige Reportage zu realisieren – und zu retten, ist diese Schwierigkeiten zu thematisieren, wenn sie typisch sind, wenn sie Teil der Story sind, wenn sie vielleicht sogar der wesentliche Teil einer Story sind, wenn nicht sogar die eigentliche Story. Wir befinden uns auf der sogenannten Meta-Ebene. Wir zeigen nicht nur eine Geschichte, sondern wir zeigen, wie sie zustande kommt, wie sie unter – typischen - Schwierigkeiten zustande kommt, wie wir als Macher darauf reagieren, wie sich die wichtige, schwierige Geschichte dennoch fortentwickelt. Die Bewegung auf der Meta-Ebene ist erlaubt, wenn nicht sogar erforderlich, wenn x x x x x
Geschichten nicht sichtbar sind sie nicht sichtbar sein sollen sie vergangen sind unvorhergesehene Schwierigkeiten und Behinderungen beim Dreh entstehen die Reporter stellvertretend als Akteur tätig werden (Fallstudie)
Die Reportageform erlaubt Vorgehensweisen, die in anderen Formen der Fernsehinformation nicht zulässig wären. Beispiel: Wieso, Sie leben ja noch 1997)
Ein Stasi-Opfer k mpft um Gerechtigkeit (BR
Gegenstand der Reportage ist eine Geschichte, die niemand aus politischen und juristischen Gründen veröffentlicht haben will. Ein Mann sollte von der Stasi umgebracht werden, was dieser Mann aus entsprechenden Aktenfunden erfahren hat. Er weiß nicht warum. Er will die heute namentlich Verantwortlichen suchen, die niemand sonst sucht. Er will sie mit der Frage nach Gerechtigkeit konfrontieren. Der Ansatz ist der rein investigativ, journalistisch, ja moralisch. Dass eine konkret nachweisbare Tötungsabsicht juristisch nicht mehr verfolgt wird, ist kritikwürdig. Die gewählte Dramaturgie ist simpel: der Mann wird dazu gebracht, sich
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auf die tatsächliche Suche vor Ort zu begeben, wir begleiten ihn dabei. Die Reportage protokolliert die Suche, beobachtet die Fortschritte und Probleme. Da sich schnell herausstellt, dass es nur Probleme gibt, handelt die Story von diesen Problemen, die Gespräche mit dem Protagonisten kreisen schließlich nur noch um die enttäuschte Hoffnung auf Aufklärung und Gerechtigkeit. Wie er behindert wird, wie auch das Team behindert und ausgetrickst wird, das wird zur eigentlichen Geschichte, mit erheblicher Spannung, auch wenn das Ende schließlich völlig unbefriedigend ist: Es gibt nur Spuren, es gibt nur Indizien, Absagen, Ärger, jedenfalls kein konkretes Ergebnis, erst recht keine Gerechtigkeit im Sinne des moralischen Ansatzes. Als Dokumentation wäre das Thema gar nicht machbar, weil die Dokumente geheim sind, also nicht abgefilmt werden können. Augenzeugen und Verantwortliche wollen typischerweise nicht mitwirken, sondern die Sache unter den Teppich kehren. Das Thema aber gar nicht zu behandeln, würde ja den Intentionen jener entsprechen, die es aus naheliegenden Gründen nicht behandelt sehen wollen. Das wäre politisch und journalistisch kaum erträglich. Die Reportage bietet aber durch die Möglichkeit der Meta-Ebene eine adäquate Form der Umsetzung. Dazu gehören auch die Fragen der Reporter, die womöglich die wesentlichen Informationen enthalten, wenn keine Antworten kommen. Die Art, wie nicht geantwortet wird, wird zum Beweis. Die Meta-Ebene ist die klassische Form des Plan B-Vorgehens. Wenn eine Story feststeckt, sollte man überlegen, ob diese Schwierigkeiten nicht typisch und entlarvend sind, und deshalb thematisiert gehören. Wenn sich niemand findet, der als Akteur zur Verfügung steht, schlägt die Stunde der Reporter, sich selber auf die Suche zu machen, in einer Fallstudie, in einem Selbstversuch sogar die Dinge sichtbar machen, die nicht sichtbar wurden. Ohne eine gehörige Portion "Jagdeifer" wäre dieses Thema wahrscheinlich völlig "gestorben". Je weniger vorhandene Protagonisten zur Verfügung stehen, desto aktiver werden sich Reporter einzumischen haben, desto aktiver werden sie auf die Meta-Ebene ausweichen und womöglich selber zu Akteuren werden. Viel zitiert, erstaunlich oft erlebt und dennoch selten reflektiert: Das Reporter-Glück. Es ist aber möglich durch einige wiederum banale Voraussetzungen. Thema: Recherche Wissen, was einen wo genau, in welcher Reihenfolge erwartet. Mit welchen produktionstechnischen Bedingungen ist zu rechnen, ist es laut oder leise, hell oder dunkel, eng oder geräumig? Was oder wie etwas passiert, kann dann egal
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sein, man ist vorbereitet und kann sich damit bei laufender Kamera live auseinandersetzen. Thema: Vor-Ort-Sein, rechtzeitiges Dasein Keine Reportage ohne Reporter! Dabei sein ist wirklich alles. Wer sonst sollte gegebenenfalls in Interaktionen eingreifen, nachfragen, Aktionen anschieben. Ein Kamerateam allein ist damit selbstverständlich überfordert. Die Arbeit überlasteter Auslandskorrespondenten hat allerdings den Sündenfall alltäglich werden lassen. Deshalb ist die Qualität oft auch so unterschiedlich. Rechtzeitig vor Ort sein, womöglich ist das Vorher schon eine Story oder ein wichtiger Teil davon! Rechtzeitig die Kamera und den Ton einschalten! Thema: Umfassende Absprache mit dem Team Mit dem Team detailliert den Recherchestand austauschen, verschiedene Szenarien durchspielen, damit man flexibel reagieren kann. Notfall-Szenarien bedenken. Auch einmal Grundsatz-Debatten über das Wesen der Reportage führen, Missverständnisse rechtzeitig ausräumen. Auch über Unangenehmes rechtzeitig Absprachen treffen: Einsatzdauer, Pausen, Essenszeiten, Gefahren, weitere Zeitpläne. Gute Absprachen dauern lange! Thema: Flexible technische Ausstattung Dazu zählt auch die technische Vorbereitung des Teams: genug Bänder, Batterien, das richtige Mikro, das richtige Licht, Reserven aller Art (Ersatzbirnen bis hin zu Verpflegung oder Benzin für den Teamwagen). Reserven in unmittelbarer Nähe bereithalten, Auto nicht zu weit entfernt parken, sonst Fahrer disponieren, nachkommen, mitfahren lassen bei Eigenbewegung des Teams im Geschehen. Thema: Neugier, „mentaler Zündfunke“ Offenes, unvoreingenommenes Hineingehen ins Geschehen, aktiv kommunizieren, Augen und Ohren offen halten, auch für scheinbare Nebensächlichkeiten, gleich in Gespräche umsetzen, den Gesprächspartnern ein ehrliches Gefühl des Interesses an ihnen übermitteln, ein Gefühl dafür entwickeln, wann die Story ihrem Höhepunkt zusteuert, sodass es „klick“ macht im Kopf des Reporters und er entsprechend kommunikativ reagieren kann. Wer sich nicht interessiert, stellt falsche Fragen und bekommt nichtsagende Antworten.
11 Gefahren des Misslingens 11.1 Gefahren des Misslingens
Die Vollständigkeit Einer der Hauptgründe für misslungene Reportagen bleibt der in anderen Formaten erlernte Anspruch auf Vollständigkeit. Vollständigkeit gilt oftmals als die Garantie für Ausgewogenheit, Objektivität sogar. Es ist müßig, an dieser Stelle die Frage nach Sinn und Unsinn von Objektivitäts-Anspruch und Subjektivität grundsätzlich neu zu beleben. Sie soll hier nur festgehalten werden. Es gibt Sendungen, die sich aus übergeordneten, ethischen Gründen dem Anspruch auf Objektivität besonders stellen müssen. Eingelöst werden wird er nie, das wissen ernsthafte Zeitgenossen. Der Schlüssel zur Lösung dieses Problems heißt: Anerkennen, dass es keine Objektivität geben kann, nur den Versuch, Objektivität durch Neutralität zu erreichen, durch das Sichtbarmachen der Interessengebundenheit inhaltlicher Positionen, durch Transparenz in der Machart, durch eine Begründung der gewählten Argumente und O-Töne. Jede mediale Tätigkeit besteht per se in der Auswahl und Gewichtung der Inhalte nach Kriterien, nach Aktualität und Wichtigkeit, auch nach inhaltlichen Kriterien wie politischer Bedeutung, also politisch begründeter Gewichtung. Jede mediale Tätigkeit ist – banal und oft wiederholt – Bearbeitung, sprich: Manipulation. Fernsehen als besonders auswählendes Medium ist daher besonders manipulativ. Es kommt aber darauf an, den subjektiven Zugang zu einem Thema zu benennen, ja zum Handlungsprinzip zu erheben. Richtig: wir sind wieder mitten in der Reportage! Im Klartext: Fernsehen kann durch seine Begrenzung der Sendezeiten keinen all umfassenden Anspruch auf Vollständigkeit erheben, wie andere Medien übrigens auch nicht. Sie unterliegen nur anderen Zeitrahmen. Beispiel: Schauplatz Gro stadt: Der Mann hinter dem Sarg (BR 1993) Grundidee war, einen Armenpfarrer zu begleiten und über ihn hinter die Kulissen der Stadt München zu blicken und dort die weit verbreitete Armut mitten im Reichtum zu entdecken. Der Mann war bereits in Pension und hatte ehrenamtlich die Aufgabe übernommen, sich um Sozialbegräbnisse zu kümmern, was sonst niemand gerne tut. Der „Türöffner“ war also klar definiert. Ausgangspunkt der Reportage sollten jeweils mehrere Beispiele von aktuellen Begräbnissen sein. Der Reporter wartete also auf entsprechende Todesfälle, um sie mit – und ohne den Ar-
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Gefahren des Misslingens menpfarrer – zu recherchieren und Angehörige zu suchen, die sich vor dem Begräbnis gedrückt hatten, eine klare investigative Reportagelinie. Diese sollte auch gelingen. Ein spannender Film, der auf den diversen Schauplätzen eine Fülle von interessanten Menschen entdeckte, die man so nie sieht; eine Fülle auch von makabren Situationen, die kaum planbar waren, außer durch die Recherchearbeit mit laufender Kamera. Durch die Gewohnheit des Feature-Machers und durch die Sorge um Unvollständigkeit wurden zusätzlich gedreht und gesendet: Ein Interview mit dem städtischen Bestattungsamt, das die Vielfalt der Sozialsarg-Modelle vorstellte und zum Problem der Armut in der Stadt Stellung nahm. Ein Beamter vom Sozialamt, der allgemein über die Ursachen von Armut in der Großstadt sprach. Eine eigene Reportage in der Reportage über einen Nachlassverwalter, der die Wohnungen von verstorbenen Armen ohne Verwandtschaft auflöst und auswertet, eine ganz eigene Story, nicht weniger spannend und makaber. Ein Portrait eines Schreinermeisters in einer Hinterhofwerkstatt, der Grabkreuze von Sozialgräbern recycelt, schön und makaber zugleich, symbolhaft allemal, nur nicht reportagig. Die stärksten Momente aber blieben eindeutig die Rechercheaufnahmen mit den überraschten Verwandten und sonstigen angeblichen Freunden der Verstorbenen, die sich vor der Verantwortung und der Beerdigung gedrückt hatten. Alles andere war eigentlich überflüssiges Beiwerk.
Das Portrait Der Protagonist findet partout kein Gegenüber, der Reporter hält sich aus irgendwelchen Gründen zurück, der Protagonist inszeniert sich selber, übernimmt die Regie, erzählt an ihm vertrauten Orten über Grundsätzliches. Interaktionen, gar Konfrontationen, in denen der Protagonist seine Ansichten beweisen muss, sie der Realität gegenüberstellen muss, fehlen logischerweise. Keine Chance für eine gelungene Reportage aus dem wirklichen Leben. Das Portrait installiert sich selber. Das Problem ist, dass noch so interessante Menschen sich nicht automatisch durch ihre womöglich interessanten Hintergedanken und vergangenen Erlebnisse mitteilen. „So-what?“ – der gefürchtete Effekt auf der Zuschauerseite. Es passiert oft, dass eine gut gemeinte Idee am Schneidetisch als Portrait daherkommt. Der Protagonist lebt nicht, sondern beschränkt sich aufs Sprechen, auf das Reflektieren nicht gezeigter Dinge, über Vergangenes, Mögliches, Denkbares. Typischerweise fehlt oft eine chronologische Struktur, sie wird durch eine sachorientierte Struktur ersetzt. Dieses mag intellektuell befriedigend sein, fesseln tut das selten. Oft finden sich hier Inszenierungen und Selbstinszenierungen.
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Diese Gefahr ist dann besonders groß, wenn die Reporter sich nicht trauen, die sanfte, aber zielgerichtete Führung der Person zu übernehmen. Der Protagonist übernimmt dann die Regie nach den Regeln, die er zu kennen meint und nachahmt. Zu sagen, dass es sich um eine Reportage handelt und darauf zu vertrauen, er weiß, was damit gemeint ist, ist kühn, bedenkt man, dass schon viele Redaktionen davon ein sehr unterschiedliches Verständnis haben! Wenn der Protagonist sich nicht bewegt, nicht agiert, aber die Kamera versucht, durch Eigenbewegungen den Eindruck von Aktion zu vermitteln, ist es ebenfalls zu spät. Stagniert eine Reportage beim Dreh, liegt das oft an der zu passiven Rolle des Reporters. Das Rezept heißt dann: einmischen, in Aktion versetzen, nach echter Handlung suchen! Wohlgemerkt: Portraits sind eine ehrenwerte Liga im Fernsehen. Allerdings eher für einen vorinformierten und vorinteressierten Teil des Publikums geeignet. Die Reportage will dieses Interesse aber erst für die vielen anderen herstellen. Ebenso groß ist die Gefahr eines Berufsportraits, wenn es aber eigentlich um die Person und ihre Emotionen geht. Dann, wenn Menschen sich überfordert fühlen vom Interviewer, wenn sie nicht wissen, wohin die Reise geht, wenn das Thema, die Fragen zu abstrakt werden. Dann halten sie sich an Vertrautem fest, dem standardisierten Treiben im Beruf oder im Haushalt. All zu oft folgen die Kameras dem – möglicherweise optisch interessantem, weil bewegtem Spiel eines technischen Ablaufes. Schöne technische Abläufe verlangen eine ruhige Kamera, alle Möglichkeiten der bildlichen Gestaltung bieten sich an: Schärfenverlagerungen, schönes Licht, Schwenks, Zwischenschnitte… Solche technischen Verführungen sind zahlreich! Besonders hier empfiehlt es sich, neben der Kamera zu stehen und sie gegebenenfalls zu dirigieren. Worstcase: Die Kamera verselbständigt sich, die Story geht verloren, der Text soll dann die Rettung bringen. Beispiel: Der Mann hinter dem Sarg (s.o.) Der Reporter war von der Motivation des pensionierten Pfarrers und seiner Persönlichkeit derartig eingenommen, dass er ihm breiten Raum ließ, um seine Motivation zu formulieren. Dies geschah in seiner Dienstwohnung am Esstisch sitzend, allerlei religiöse Kunst im Hintergrund, ein „schönes“ Bild. Ergänzt wurden diese Bilder durch allerlei nachgedrehte Einstellungen, wie sie üblich sind: subjektive Fahrten durch den Gemeindebezirk, ein Gang durch die leere Kirche, Gänge über den Friedhof, Grabkreuze, eine Fahrt mit dem Bus vom Friedhof zu-
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Gefahren des Misslingens rück. Diese Einstellungen wurde genutzt, um lange O-Töne ins OFF zu legen, womit ein ausführliches Portrait eines sicherlich herausragenden Menschen entstand, das aber nicht lebte, sondern eine rein intellektuelle Darstellung bot, die allerdings, da teilweise im OFF nicht erlebbar war. Ein Portrait eben.
Der Bericht Für manches Misslingen einer Reportage ist der gewohnte Bericht zuständig, ist er doch das sichere Schiff des Reporters, gestützt auf oft viele Jahre der sachlichen, ausgewogenen, lexikalisch einwandfreien Berichterstattung. Es beginnt ganz korrekt mit dem Wichtigsten, dann folgt die Analyse des Hintergrundes, schließlich und nur vielleicht ein abschließender Ausblick auf den Fortgang. Dem Bericht entspricht, als quasi „Großer Bruder“, das Feature, die Dokumentation: Strukturiert nach rein sachlichen, inhaltlichen, kausalen Zusammenhängen, Standpunkte in Form von „aufgesagten“ O-Tönen, also Fach- und SachStatements, die der inneren Kausalität folgend wie eine Podiumsdiskussion munter gegen einander geschnitten werden. Wo sich O-Töne inhaltlich ergänzen wenn man bereit ist, der Kausalität zu folgen, wo Meinungen im Vordergrund stehen, nicht Emotionen. Wo Experten ihre Ansichten äußern, ebenso Politiker in all ihrer Subjektivität, die, dem Anspruch auf Neutralität folgend, zumindest durch andere subjektive Statements ergänzt und gegenübergestellt werden, in der Hoffnung, es entstünde ein objektives Bild der insgesamt vorhandenen Meinungen zu einem Thema. Im Bericht sieht die aufnehmende Kamera meist „talking heads“, wie es im anglo-amerikanischen Journalismus so schön enthüllend genannt wird, redende Köpfe, irgendetwas redende Köpfe an Schreibtischen, vor Blumentöpfen, an Eingangstüren, aufgesagt, wie eingeübt. Emotionslos, oft auch der eigenen, politischen Sicherheit geschuldet, nichtssagend. Funktionsinhaber, Meinungsinhaber und ihre Meinungen. Funktionäre im besten Sinne ihre Funktionen wahrend, und nicht Menschen. Vor allem der Bericht und seine üblichen, nichtssagenden O-Töne ziehen seit Jahren die hauptsächliche Kritik am Medium Fernsehen insgesamt auf sich. Auch der Bericht ist natürlich ein mehr als ehrenwertes Genre, vor allem in den Nachrichten und den Nachrichtenmagazinen. Er hat seine Berechtigung, weil er ausgewogen und emotionslos ist, sachlich und unpersönlich – und er hat dadurch auch seine Schwächen, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt.
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Beispiele: "R ckkehrer nach Kiryatschmona" (aus ARD-Morgenmagazin 2006) Reportage-Version
Berichts-Version
An diesem Tag sind die Finanzbeamten der Gemeinde gekommen, den Schaden zu schätzen. Sie kennen das: scheinbar kleine Schäden, die Splitterlöcher, die Fensterscheiben, die Dächer. Alles nichts Weltbewegendes, aber unter dem Strich doch richtig teuer.
Am schlimmsten betroffen durch den wochenlangen Raketenbeschuss ist die Stadt Kiraytschmona an der libanesischen Grenze. Die Stadt hat rund 50.000 Einwohner, sie erstreckt sich über 80 Quadratkilometer, so nah an der Grenze zum Libanon ein leichtes Ziel. Die Stadt liegt seit Jahren im Bereich der Reichweite der so genannten KatyushaRaketen, die rund 20 Kilometer weit geschossen werden können. Schon vor dem Krieg hatte Kiryatschmona immer wieder Einschläge zu verzeichnen. Dabei kamen in den vergangenen Jahren auch immer wieder Menschen ums Leben.
Der israelische Staat hat Hilfen zugesagt, gezahlt wird irgendwann, dazu ist die Waffenruhe noch viel zu jung und viel zu brüchig.
Der Familienvater ist gelernter Bauingenieur, er weiß, mit welchen Schäden er es zu tun hat, er macht sich nichts vor.
Viele Menschen sind verzweifelt. Die Schäden müssen überdies schnell repariert werden, da im nördlichen Israel bereits im November die Regenperiode beginnt.
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Fotos werden gemacht, man weiß ja nicht, ob gezahlt wird. Derzeit sind die Politiker voller Versprechen, die Sanierungsarbeiten im Norden sind das Topthema der Innenpolitik in Israel.
Es ist nur ein Katzensprung von Kiryatschmona bis zur Grenze. Kiriyatschmona, das kennt man aus den Nachrichten. Da oben die Berge, dort ist schon Libanon.
Viele machen es wie Schragar: eine Art Vorhut kontrolliert, ob noch alles in Ordnung ist, oft ist es das nicht. Der Rest der Familie bleibt da, wohin sie geflohen waren Mitte Juli, als der Raketen-Terror begann.
Langsam, ganz langsam kommt sie wieder in Bewegung:
Gefahren des Misslingens
Die Betroffenen befürchten Organisations-Probleme, da die Behörden bisher über Beihilfen nur vage Angaben machen konnten.
Die jetzt fälligen Sanierungsarbeiten im Norden sind seit Tagen das Hauptthema der Innenpolitik in Israel. Der Staat steht vor schweren finanz-politischen Belastungen durch die Kriegsfolgen. Der Finanzminister hat bereits einen Nachtragshaushalt vorgelegt.
Viele der Betroffenen dokumentieren deshalb Umfang und Art der Schäden.
Die vorausgesagte Rückkehrerwelle hat noch nicht eingesetzt.
Gefahren des Misslingens Eine Lawine ist die Rückkehr in die nördlichen Orte Israels wahrlich noch nicht. Dazu ist zuviel kaputt geschossen worden.
An diesem Abend kommt Ilana, die Frau. Es ist ein Schock. Bei ihnen hat es das Haus in Kiryatschmona nicht einmal direkt getroffen, der Treffer ging nur in den Garten.
Eine von vielleicht viertausend der so genannten Katyusha-Raketen der Hisbollah aus dem benachbarten Libanon. Die Häuser sind leicht gebaut, da sind sie auch leicht Totalschaden.
„Ihr habt Glück, dankt Gott, dass es euch nicht erwischt hat. Ihr könnt nicht weg, ihr müsst es wiederaufbauen!“
163 Die Verkehrsbehörden rechnen mit anhaltenden Stauungen auf den Autobahnen Richtung Norden. Bereits zu Beginn der Massenflucht hatten zigtausende von Fahrzeugen den Straßenverkehr zum Erliegen gebracht.
An den Schauplätzen der Raketeneinschläge untersucht die Polizei die Überreste eingehend, um Bauart und Ursprung der Geschosse festzustellen.
Etwa viertausend der so genannten Katyusha-Raketen der Hisbollah waren in vier Wochen aus dem benachbarten Libanon abgefeuert worden. Informationen aus Sicherheitskreisen besagen, die libanesischen Milizen verfügen auch nach vier Wochen Krieg immer noch über rund zehntausend Raketen unterschiedlicher Bauweise und Reichweite.
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Eigentlich waren sie nur mit kleinem Gepäck auf einer Hochzeit in der Gegend von Haifa, da kamen der Krieg und die Raketen und sie konnten nicht zurück, sie wollten nicht zurück. Sie blieben bei der Schwester.
„Ich will nicht mehr. Ich fühle mich so elend. Wer sagt, dass wir hier leben müssen, ich mag nicht mehr. Du kommst doch aus Rumänien, ruft die Frau ihrem Mann zu, lass uns nach dort zurückgehen. Was ist, wenn der Krieg weitergeht?“
Noch ist Sommer, aber bald kommen Herbst und Winter, auch hier eine eher ungemütliche Zeit für sie.
Gefahren des Misslingens
Die Raketen haben nach Informationen der Polizei um die 20 Kilogramm Sprengstoff geladen. Die eigentliche Wirkung liegt aber im Splitterbereich und im psychologischen Bereich.
Psychologen der Post-TraumaZentren in Israel rechnen mit Tausenden Opfern, die auf längere Zeit hinaus unter psycho-somatischen Problemen zu leiden haben.
Inzwischen sind die Finanzbeamten der Gemeinden im Krisengebiet unterwegs, um die Schaden zu schätzen. Der Staat Israel rechnet mit umgerechnet über eine Milliarde Euro Sanierungskosten.
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Reporter gehen in die Falle, einen solchen Bericht zu liefern, wenn sie sich nicht genügend Neugier zumuten, Angst haben, zu widersprechen, nachzufragen, sich beeindrucken lassen von angeblichen Autoritäten, sich aufs Glatteis führen lassen, die Kontrolle verlieren, (siehe oben). Zuwenig echte Handlung, zuviel an Information, vor allem im Text, O-Töne womöglich von Funktionsträgern abgesondert und nicht von betroffenen Akteuren. Ein korrekter Bericht wird wahrscheinlich eine schlechte Reportage sein, und eine gute Reportage wahrscheinlich ein schlechter Bericht! Die Antwort der Reportage ist: Interaktion herstellen, auch Konfrontation, am besten zwischen vorhandenen Akteuren, ansonsten zwischen Reporter und Protagonisten! Tipp: Man geht nicht in die Berichts-Falle, wenn man folgende praktische Tricks versucht: 1. Die beabsichtigte Story jemandem in Form einer alltäglichen Geschichte erzählen (Dies ist übrigens auch eine taugliche Methode, Reportagen an eine Redaktion zu verkaufen): „Wie ich gesehen habe, wie…“ „Wie XY dem anderen tatsächlich dazu gebracht hat, …“ „Wie zwei Typen doch überraschenderweise…“ „Folgendes passiert genau in dem Moment, wo wir filmen…“ 2. In Bezug auf die gesamte Story und auch in Bezug auf einzelne Sequenzen überlegen und diskutieren, was der Kameramann in diesem entscheidenden Moment im Sucher sieht: einen redenden Kopf oder ein Geschehen? Wenn sich jemand in seinem Büro (auf Regieanweisung hin) ein Buch aus dem Regal holt, sich hinsetzt und liest, um anschließend einen verabredeten O-Ton abzugeben, ist das kein Geschehen. Die Kamera (und der Zuschauer) sieht einen gestellten Vorgang, der so wahrscheinlich nicht von selber passiert wäre. Es passiert ja auch nichts. Der Fußballtrainer, der mit verzerrtem Gesicht von der Bank aufspringt und schreit, tut das wahrscheinlich genauso immer wieder in einem bestimmten Moment. Der Zirkusclown, der völlig erschöpft aus der Manege zurückkommt und dann hinter den Kulissen befragt wird, liefert wahrscheinlich ein völlig anderes Bild als der Clown, der vor dem Auftritt vor dem Spiegel beim Schminken dar-
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Gefahren des Misslingens
über befragt wird, wie das Zirkusleben denn so allgemein ist. Das erstere wird eine Reportage, das letztere ein Bericht.
12 Die Fernsehreportage: Besondere Formen 12.1 Die Fernsehreportage: Besondere Formen
Die ON-Reportage Generell sollte der Reporter im ON nicht verteufelt werden, solange nicht er oder sie im Mittelpunkt stehen, sondern die Geschichte, die Anderen. Der Reporter im ON kann uns (den Zuschauer) mitnehmen an Orte, an die der sogenannte Normalbürger nicht hinkommt. Der Reporter lässt den Zuschauer teilhaben an seinen Erlebnissen, stellt stellvertretend die für das Publikum relevanten Fragen. Beispiel: Im Dezember 2005 feierte Las Vegas seinen Geburtstag. Anlass für das ARDMorgenmagazin aus Köln, die seltsame, verruchte, aber so attraktive Stadt vorzustellen in einer Serie über mehrere Tage mit jeweils mehreren Live-Schalten zur Korrespondentin Christine Adelhardt mit fallweisen Zuspielungen von vorproduzierten Fließ-Mazen. Sie begrüßte die Zuschauer vor Ort und gab auch wieder live zurück nach Köln. Die Aufnahmen entstanden mit zwei Live-Kameras, die teils auch bildlich thematisiert wurden. Die Reporterin führte also nicht nur von einer Live-Schalte zur nächsten innerhalb der mehrstündigen Sendung, sondern auch innerhalb der Live-Schalten von einem Schauplatz zum nächsten, von einem Interviewpartner zum nächsten. Besonders unterhaltsam wurde die Sendung dadurch, dass sie sich im Selbstversuch als Spieler übte. Die Reporterin hatte also mehrere aktive Rollen inne: Moderatorin, Reporterin/Interviewerin, Kommentatorin (über die zugespielten Bildsequenzen) und Reporterin im Selbstversuch (Protagonistin). „Guten Morgen hier aus dem Casino „Belaggio“. Hier geht es ums Spielen. Und ich habe mir gedacht, einen Dollar kann ich auch mal riskieren… Hat aber nicht geklappt. Macht nichts. Den Traum kann ich ja weiterträumen, den träumen hier alle. Eine Kellnerin hat neulich den Jackpot geknackt: 35 Millionen Dollar!“
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„Um das Geld auszugeben, gibt es hier reichlich Gelegenheiten, denn da hinten ist gleich eine riesige Shopping-Mall…“
„Die Einkaufpassagen in Las Vegas sind nichts für den kleinen Geldbeutel… In den edlen Geschäften ist Geld definitiv schneller ausgegeben als vorher im Casino gewonnen…“
„Ich bin hier im Club privée, einem der kleinen privaten Loungen im Bellagio, hier kommen die wirklich viel Geld haben…
„Die sogenannten High-Roller spielen hier Blackjack oder 17 und 4, denen es auf zehn-, oder zwanzig- oder sogar auf hunderttausend Dollar nicht ankommt…“
„Die die hier die Oberaufsicht hat, ist Frau Polzer, was ist ihre Aufgabe hier im Club?“
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„Am Black-Jack-Tisch ist Maurice, hallo! Wo sind meine Chips, mit denen ich spielen kann? 25.000 Dollar ist der höchste Chip, 25.000 Dollar könnte ich also in einem einzigen Spiel verlieren…“
„Die Spielregel habe ich nicht ganz verstanden, Wie geht das mit dem ‚Cutten’…? Wie kann ich Glück haben?“ „Soll ich es Ihnen einmal zeigen?“ „Ich setze mal 2000 Dollar, jetzt kommt es darauf an, dass ich möglichst nahe an die 21 setze…“ So einfach ist das, man muss nur richtig cutten können…“.
Die „Presenter“-Reportage Vom authentischen Reporter zum inszenierten Presenter… Wie oben und im Abschnitt über die Rolle der Reporter bereits dargestellt, kann ein Reporter eine sehr aktive Rolle, auch vor der Kamera übernehmen, manchmal muss er es geradezu, oftmals wird erst durch sein Eingreifen, durch sein Nachfragen, durch sein sichtbares Vorantreiben oder durch seine Niederlagen die Story erst zur Story. Der Reporter im ON ist immer wieder diskutiert, ja umstritten, der Show-Effekte verdächtigt. Aber auch hier gibt es Ansätze von Regeln. Die wichtigste dürfte bekannt klingen: Es kommt drauf an…
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Die Fernsehreportage: Besondere Formen
Der Reporter als authentischer Akteur In all den folgenden Fällen ist ein Auftritt des Reporters wohl geboten, es ist das Erfordernis der Transparenz. Die sichtbare Reporter-Rolle ist authentisch und hat damit eine tragende Funktion in der Reportage. Reporter sollten aus der Unsichtbarkeit heraustreten, wenn x x x x x x
sie zum investigativ handelnden Akteur werden niemand sonst sucht (anwaltschaftliche Recherche) die Suche nach etwas erst durch die Reportage angeschoben wird sich keine Gesprächspartner für Interviews finden in Gesprächen/Interviews die entscheidenden Informationen in der Frage liegen, weniger in der Antwort, oder wenn es gar keine Antworten gibt sich bei Interaktionen, Streitgesprächen der Reporter selber engagiert oder verwickelt (wird).
Ähnlich verhält es sich bei der Form des Selbstversuches, in dem Reporter sich zum Gegenstand eines Geschehens machen. Selbstverständlich beinhaltet dies Auftritte im ON. Ein von selber ablaufendes Geschehen braucht zwar einen neutralen Beobachter, aber nicht zwingend einen eigentlich unbeteiligten Moderator im ON. Presenter-Reportagen bemühen sich immer mehr darum, mit bekannten, echten Gesichtern, einem ansonsten durchschnittlich interessanten Thema mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Es handelt sich also um die Herstellung eines Markenartikels („Branding“). Das Modell wird vielfach angewandt bei Reiseberichten, auch über Länder, die man eigentlich kennt. Durch das bekannte Gesicht soll der Eindruck erzeugt werden, man könnte Bekanntes mit neuen Augen sehen. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit, nach dem Überraschenden lässt sich wohl nur im Einzelfall beantworten. Es kann funktionieren, es kann nicht gutgehen, es kommt wieder einmal darauf an… Der Reporter mit einem der großen Namen, er geht irgendwo entlang, spricht mit den Leuten über irgendetwas. Oftmals scheint es egal zu sein, wie das Thema heißt: Ich war da, ich der große Reporter, der ungeheuerlich mutige usw. Da sitzen die Großen des Reporter-Journalismus an Lagerfeuern und sinnieren über Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit eines vergessenen Landstriches oder auch über das Leben an einem bekannten Schauplatz, Hauptsache: Er ist dort. „Aufsager“ im Gehen gehören dazu, lange Zwischenschnitte auf den geduldig zuhörenden Menschen aus dem mutigen Sender in Deutschland, der seine Leute ans Feuer schickt. Eine Masche, eine Mode. Es soll HochglanzJournalismus sein (deshalb die großen Namen), es soll Handschrift-Fernsehen
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sein (deshalb oft die kauzigen Texte, die das Individuelle betonen, gerne auch individuell, ja selbst vernuschelt gesprochen), seltsame O-Töne im ON. Dies ist die eine Art der Reportage, über die man sich wundern oder manchmal auch lustig machen kann. Es kann aber auch Sinn machen. Im heutigen TV-Geschehen werden zusehends Rollen vermischt, um der gleichzeitigen Vermischung von Formaten zu entsprechen: Der Vermischung von Information (mit relativ klaren Regeln wie oben geschildert) und Unterhaltung, in der fast alles erlaubt ist, sowie dem Zwischenbereich des „Infotainment“. Eine Rollentrennung wird überwunden. Nicht immer stehen journalistische, um nicht zu sagen aufklärerische Absichten im Vordergrund. Es geht eher um Fragen der Formatpflege, des Bemühens um Kundenbindung, um „Branding“, der Wiedererkennbarkeit. Der „Anchorman“ als Akteur Nun weiß jeder Fernsehmacher, dass die geforderte regelmäßige Präsenz eines Reporters mit einer jeweils neuen Story, womöglich im Wochentakt, völlig unmöglich ist. Deshalb werden Kunstfiguren erprobt: Der immer präsente Reporter, der aber immer mehr zum Aufsager-Macher wird, und der eigentliche Macher, der das Filmmaterial herbeischafft, der im Hintergrund steht und zum simplen Producer wird. Die echte oder unechte Moderation vor Ort oder nicht vor Ort macht dann der angebliche Reporter. Im angloamerikanischen Medienbetrieb hat sich dafür die Bezeichnung „Anchorman“ eingebürgert. Formate wie „60-Minutes“ beim US-Sender ABC haben zum Teil Kultstatus. Reporter, die dort arbeiten, gelten zum Teil als lebende Legenden, zumindest unter den Journalistenkollegen. Auch die britische BBC glänzt mit Reportermagazinen. In diesen Formaten stellt der „echte“ Reporter seine eigene Geschichte vor, führt den Zuschauer durch das Geschehen, bis zum bitteren Ende. Und das Ende ist zu Beginn der Story immer offen. Man denke nur an Michael Moores „Bowling for Columbine“ und „Fahrenheit 9/11“. In Bowling for Columbine, erschienen 2002, nimmt der Autor das Massaker an der Columbine Highschool in Littleton zum Anlass, den Gründen für Gewalttaten und für die Waffen-Kultur in den USA nachzugehen. Kernfrage: Warum sterben in den USA so viele Menschen durch Schusswaffen? Der Film besteht vor allem aus Recherchen, quasi immer mit laufender Kamera. In „Fahrenheit 9/11“, erschienen 2004, beleuchtet Moore die Beziehungen zwischen der Präsidentenfamilie und der Familie von Osama bin Laden und die politische Entwicklung im Land nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Beide Filme sind freilich keine „reinrassigen“ Reportagen, haben aber viele Elemente
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der Reportage als Stilmittel übernommen. Beide Filme erhielten weltweit hohe Anerkennung, obwohl Wahrheitsgehalt und polemische Machart immer wieder Diskussionsgegenstand waren und sind. Hier soll nicht von richtig oder falsch geredet werden, sondern wieder die Formel bemüht werden vom „es kommt darauf an…“. Die reine Presenter-Reportage geht einen Schritt weiter: Die sichtbare journalistische Kompetenz wird aus dem Bild gedrängt durch eine darstellerische Kompetenz, die womöglich journalistische Kompetenz nur spielt und vortäuscht. Derzeit sind zwei synchrone und scheinbar gegenläufige Trends in der Reportage sichtbar. Erstens: Der Reporter macht sich zusätzlich zum „Presenter“, zum Moderator. Das mag vor Ort gelingen, eingebettet in die ohnehin gerade entstehende Story. Redaktionelle und inhaltliche Korrekturen - und ihre finanziellen Folgen werden aber dann zum Problem, Hier steht journalistische Kompetenz womöglich gegen „schauspielerische“ Inkompetenz. In der Praxis scheint es kaum machbar, Reporter-Kompetenz mit schauspielerischem Talent auf optimale Weise zu verbinden, Kompromisse sind unvermeidbar – in der schauspielerischen Kompetenz der Reporter-Protagonisten und in der journalistischen Kompetenz. Von der kurzen „Schlagzahl“ weniger Reporter-Gesichter in häufigen, regelmäßigen Serien oder Sendereihen ganz zu schweigen. Allerdings: hierbei könnten authentische Reporter noch eine Rolle spielen. Zweitens: Die Reportage leistet sich ein „neutrales“ Gesicht, einen gecasteten Schauspieler, einen Journalisten-Darsteller, der an die bereits abgedrehten Schauplätze geht und die passenden Moderationen aufnimmt. Dieses Modell hat den Charme eines regelmäßigen Gesichtes, der sich dem stressigen ReportageBetrieb entziehen kann. Der zwangsläufig hohe Grad an Inszenierung erfordert allerdings auch einen erheblichen Produktionsaufwand. Wieweit eine perfekte schauspielerische Leistung noch dem Publikum in Sachen Glaubwürdigkeit entgegenkommt, soll dahingestellt sein. Als Beispiel einer gelungenen Presenter-Reportage dient eine Geschichte, die Marietta Slomka für das Heute-Journal vom 21.April 2004 fertigte. Am ersten Mai 2004 traten zehn neue Länder der Europäischen Union bei. Die Redaktion nahm sich vor, die Länder in einer Reportagereihe „Unterwegs nach Europa“ vorzustellen. Kein Anspruch auf Vollständigkeit. Das ist auch in 5 Minuten und 25 Sekunden nicht möglich. Aber die Reportage zeigt bestimmte Eigenheiten und Einblicke in ein Land, Menschen und ihre Geschichten, die oft mehr aussagen, als der analytische Blick von oben auf das Land. Marietta Slomka ist zwar Moderatorin, aber auch authentische Reporterin, die am Ort recherchiert hat und jetzt den Zuschauer mitnimmt in bislang weitgehend unbekannte Länder.
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Nicht die Reporterin steht dabei im Vordergrund (obwohl sie bewusst im On zu sehen ist), sondern die Menschen und deren interessante Geschichten. Vielleicht ist es die Küstenlage, oder der raue Wind, der den Esten seit Jahrhunderten ins Gesicht bläst. Vielleicht ist dieses kleine baltische Volk deshalb so ungewöhnlich anpassungsfähig und weltoffen. Malerisch und gemütlich präsentiert sich die Hauptstadt Tallin, doch der Eindruck täuscht. Die erste Überraschung erleben wir, als wir mit Reet Roos durch Tallin fahren. Sie ist Parlamentsabgeordnete, 29 Jahre, hat nebenher noch eine Firma und studiert Geschichte. Beim Einparken zückt sie auf einmal ihr Handy: Parktickets kauft man hier per SMS. Ganz normal, findet das Reet Roos. Und da fühlen wir uns plötzlich ein bisschen alt, im neuen Europa. Ganz normal auch, dass Reets Stammcafé kabellosen Internetzugang bietet. Als kostenloser Service, (versteht sich). Wireless-Lan, bei uns auf der Cebit angepriesen, ist überall in Tallin längst eine Selbstverständlichkeit.
O-Ton Reet Roos, Parlamentsabgeordnete in Estland: „Das wird unsere Stärke sein in der Europäischen Union. Vor zehn Jahren hatten wir ja noch nichts. Und mussten deshalb auch nichts aufgeben. Wir konnten bei Null anfangen und uns mit der allermodernsten Technik ausstatten. Wir sind direkt voll durchgestartet in die Zukunft, ohne das Alte erst loswerden zu müssen.“
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Musik frei stehen lassen! Tigersprung nennt die estische Regierung ihre Technologie-Offensive. Die Katze des Ministerpräsidenten auf ihrem Lieblingsspielplatz: dem definitiv coolsten Hightech-Kabinettsaal der Welt. Stolz erklärt er uns, wie sein Labtop-Kabinett online chattet und jedes Jahr 200.000 Euro Papierkosten spart. O-Ton Juhan Parts, Ministerpräsident Estland: „Wir wollen in allen Bereichen des Lebens neueste Technologien anwenden, das ist ein nationales Programm, das Tigersprung-Programm. Das fängt unten in den Schulen an, und endet dann hier in diesem hypermodernen Kabinettsaal und der Art wie wir als Regierung vernetzt arbeiten.“ Die modernste und die jüngste Regierung Europas. Die Hälfte der Minister ist unter 40, ein Drittel sogar unter 30. Eine ganz neue politische Klasse, die auf eine kompromisslos harte Reformpolitik setzt.. Wenig Steuern, wenig Schulden, wenig Sozialausgaben. Marktwirtschaft pur. Samtpfoten hat hier nur Miso, die erste Katze des Landes. Jenseits der Hauptstadt ist das Leben anders. Hier wird das neue Estland von seiner Vergangenheit eingeholt. Unter der sowjetischen Knute hat der kleine Baltenstaat bitter gelitten. Das Blatt hat sich gewendet, jetzt geben die Esten wieder den Ton an, doch nach wie vor ist ein Drittel der Bevölkerung russisch.
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„Moskaus fünfte Kolonne“, sagen viele Esten. Wir sind nach Narva gefahren. In der drittgrößten Stadt des Landes leben fast nur Russen.. Und hier wohnt seit 30 Jahren auch Sophia Ots mit ihrer Familie. (Musik frei)
Sie hat zwar einen estischen Pass, aber ihre Seele ist russisch. Sie ist mit einem Esten verheiratet, doch seine Sprache versteht sie nicht.
Bei den Ots zu Hause wird ausschließlich russisch gesprochen. So ist das bei allen Familien in Nava. Tochter Ingrid formuliert es so: „Wir sind die Überbleibsel der Sowjetunion“. 16 ist sie. Sophia Ots, Russin in Estland: „Es geht es uns nicht gut hier, die Arbeitslosigkeit ist sehr, sehr hoch, da hilft es auch überhaupt nicht, als Russe einen estischen Pass zu haben. Sehen, Sie, hier in Nava investiert die Regierung ja überhaupt nichts. Die lassen uns einfach links liegen. Und was denkt Familie Ots über Europa? Ingrid Ots, Tochter, halb Russin-halb Estin: „Es ist gut dass wir in die EU gehen, das ist doch irgendwie eine Garantie, dass Estland die nationalen Minderheiten achten muss. Da gibt es doch Gesetze.“
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Mit Ingrid und ihren Freundinnen spazieren wir zum Fluss Nava und blicken hinüber nach Russland. Hier verläuft ab ersten Mai die Außengrenze der Europäischen Union. Ingrid wird dann EU-Bürgerin sein, dank ihrem estischen Pass. Ihre Schulfreundin Katja hingegen bleibt russische Staatsbürgerin. Sie hält nichts vom EU-Beitritt, besser wäre es, wenn Estland ein unabhängiger Staat bliebe. Katja Pervushina, Russin in Estland: „Erst wollte man unbedingt raus aus der Sowjetunion. Und jetzt geht Estland schon wieder in eine Union rein, in die europäische. Da wiederholt sich doch die Geschichte.“
Die jahrhundertelange Feindschaft zweier Länder, in Stein gemeißelt. Auf der estischen Seite der trutzige Hermannsturm. Gegenüber die mächtige Burg von Zar Ivan. Ob die Festung Europa das kleine Estland dauerhaft vor dem gefürchteten Nachbar schützen wird? Das ist die bange Frage, die sich alle Baltenstaaten stellen. Und diese Angst bringen sie mit, in unser neues Europa.
Reporter-Staffeln Die andere Art von Reportagen mit erkennbaren Reportern im ON ist die Staffel (oder wie sie in Kollegenkreisen gerne genannt wird: die Rudelreportage). Wie bei einem Staffel-Lauf geben sich sichtbare Menschen die Story in die Hand, reichen sie weiter, wenn sie ihre eigene Geschichte zu Ende erzählt haben, wenn der andere oder der nächste an einem anderen themenbezogenen Schauplatz weiter machen, weitersuchen, die Story weiter voran treiben. Durch den munteren Wechsel von Reporter, Schauplatz und Sprache kann dies recht unterhaltsam und locker wirken. Es muss nur sinnvoll sein. Journalistische Kompetenz geht hier im Zweifel vor schauspielerischer Darstellung.
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Die Reporter-Staffel kann journalistisch sinnvoll sein bei x x x x x
Parallel verlaufenden Geschehnissen Parallel sich entwickelnden Persönlichkeiten der Protagonisten Unterschiedlich sich entwickelnden Teilen derselben Story Unterschiedlichen Schauplätzen derselben Story Aufeinander zu laufenden Entwicklungen mit einem abschließenden Kreuzungspunkt.
Die Reporter-Staffel erfordert ein besonderes Maß an Vorbereitung und Absprache, vor und während des Drehs. Selten wird man die Gelegenheit haben und die Auftritte im ON nachträglich auf einer gesonderten Anreise nachzudrehen und sie quasi nach Drehbuch schnittgerecht einzupassen. Wenn man sich (oder vielmehr eine Redaktion) zur Staffel entscheidet, sollten sich die beteiligten Reporter des immensen Kommunikationsbedarfs bewusst sein. Spätestens bei einem Übergang von einer Teilstory zur anderen, von einem Reporter zum anderen, zeigt sich glasklar, wie gut oder schlecht die Absprache funktioniert hat. Gibt es Wiederholungen? Gibt es Widersprüche zwischen den verschiedenen Linien? Werden die Widersprüche aufgelöst oder thematisiert und fortgeführt? Die Entscheidung für eine Staffel führt zu einem relativ starren Vorgehen, der nötigen Flexibilität sind Grenzen gesetzt. Nur ein Stimmwechsel im OFF-Text macht noch keine gute Staffel aus. Man sollte sich absprechen vor allem über x x x x x x x x x
den Rhythmus des Wechsels, d.h. die Dauer einer Teilstory die unterschiedlichen Vorgehensweisen am gleichen Thema die unterschiedliche Umgangsweise mit Protagonisten und ihre Anzahl den unterschiedlichen Sprachduktus die Frage über Aufsager im ON, an welchen Stellen mit welcher Begründung die Dramaturgie der Aufsager die Adressaten der ON-Szenen (in die Kamera quasi nebenbei monologisierend, an einem mit im Bild befindlichen Co-Protagonisten gesprochen oder direkt an die Zuschauer gerichtet) die Dramaturgie der Übergabe-Bilder (siehe die Bemerkungen über Schlusseinstellungen, sie müssen gedreht werden und ergeben sich kaum von selber) trennende oder vielmehr verbindende Teile bei Schauplatzwechseln, etwaige Roadmovie-Szenen
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Die Fernsehreportage: Besondere Formen den Sinn von informierenden Zwischensetzern wie Karten über die diversen Schauplätze die Dramaturgie der Texte, den Grad an persönlichem Charakter der Texte und Auftritte das äußerliches Auftreten der Reporter, Kleidung, Stil, Subjektivität.
Übrigens auch bei Live-Reportagen wird man sich oftmals der Staffel bedienen, hier ist zusätzlich die eher mangelnde Beweglichkeit angesichts der LiveTechnik zu beachten. Auf simple Aufsager-Staffeln reduzierte Sendungen zeigen eher die missratene Version eines solchen Versuches. In Nachrichten haben sie ihre Berechtigung, in längeren Formaten sonst wohl eher nicht.
Die Event-Reportage Events lassen Journalistenherzen höher schlagen: Alles ist organisiert, alles liegt noch vor einem, alles läuft chronologisch vorhersehbar ab, alles ist planbar. Es ist hier nicht die Rede von Großdemonstrationen oder anderen Ereignissen mit einem eigenen Ablauf. Es soll hier nachgedacht werden über scheinbar einfache, bei näherem Hinsehen aber schwierig zu gestaltende Reportage-Themen, die auf organisierten Veranstaltungen beruhen. Ein naheliegender Themenbereich – gerade für jüngere Reporter - sind die diversen Events, vom Open-Air-Konzert bis hin zu kommerziellen Veranstaltungen wie Marathon-Läufen, Schützenfesten und Volksfesten jeder Art. Eigentlich ein ideales Terrain für eine Reportage: Festgelegte Handlungsabläufe, unzählige spontane Momente, Menschen en masse, Emotionen, Zwischen-menschliches. Kulissen, hinter die sich zu blicken lohnt, weil man immer schon einmal sehen wollte, wie… Der eigene Spaß ist garantiert. Ein klassisches Reportage-Feld. Das Problem sei vorab beschrieben: Wie soll man authentisch ein völlig durchinszeniertes Ereignis ohne weitere Überraschungen abbilden? Was ist, wenn die Suche nach authentischen Eindrücken den Intentionen des Veranstalters widerspricht; wenn authentisches Miterleben an allgemein interessierenden Plätzen (Fußballstadien etwa) generell den Vermarktungskonzepten von Urheberrechten widerstrebt? Was ist, wenn wohlmeinende oder aber besonders eifrige PR-Betreuer sich als Plage erweisen? Wenn sich gutgemeinte Tipps als gerissenes PR-Konzept erweisen, beim Dreh, wenn alles zu spät ist? Was ist, wenn es regelrechte Auflagen gibt, Drehverbote oder auch nur massivere Empfehlungen? Die Tücke kann im Detail liegen. Jedes Genre im Fernsehen hat seine spezifischen Hürden, dieses hat aller Erfahrung nach besonders hohe.
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Öffentliche und private Veranstalter haben das Hausrecht am Veranstaltungsgelände oder Gebäude inne. Daraus leiten viele auch ein inhaltliches Mitsprache-recht ab. Gerade in diesem Zusammenhang zeigt sich, wie wichtig eine rechtzeitige produktionstechnische Recherche ist. Sie ist nämlich in diesem Fall vor allem eine juristische Recherche. Es gilt zu klären: x x x
Zugangsrechte, vor allem für Bühnen Urheberrechte an Auftritten, an Musik Klärung der tatsächlichen Inhaber der Rechte oder Rechtsanteile (Agenturen, Veranstalter, Plattenfirmen, Sponsoren)
Teile des Veranstaltungsortes können für Dreharbeiten gesperrt sein aus nachvollziehbaren oder auch nicht nachvollziehbaren Gründen. Gerade der Zugang zu den Kulissen - für eine Reportage zweifellos eine der attraktivsten Drehorte, weil hier die Vorher-Nachher-Geschichten spielen – ist selten. Sind bestimmte Rechte berührt, z.B. Urheberrechte einer Musikgruppe und einem Musikstück, die man nicht erwerben, die man nicht zeigen kann, dann ist die Frage: wie kann ich meine Story retten, kann ich wenigstens den Event als Hintergrundszene zeigen? Typisch das Beispiel der Fußballfans, die ein Spiel erleben, wobei die Übertragungsrechte aus dem Stadion aber nicht erworben werden können. Das Volksfest mit privaten Sponsoren, die sich alles andere wünschen als betrunkene Gäste im Bierzelt. Der Veranstalter, der – weil selber Hobbyfilmer – genau weiß, wie man eine fetzige Story dreht, die den erwünschten Werbeeffekt garantiert. Ganz nebenbei sollte geklärt werden, welche Vorstellungen diese de-factoProduktionspartner von Reportagen haben. Sie müssen wissen, dass die Story nicht unbedingt ein Werbefilm für sie wird, wenigstens nicht in formaler Hinsicht. Auch Tauschgeschäfte, wie die Übergabe von gedrehtem Material zur kommerziellen Weiterverwendung, sind problematisch, oft auch vom eigenen Sender verboten. Sind die Bild- und Urheberrechte geklärt, sind immer noch Detailfragen offen: manchmal werden die Größen der Bildausschnitte festgelegt, es sind vertragliche Vereinbarungen zu unterschreiben über Auflagen solcher Art, womöglich wird eine Bildabnahme verlangt. Die Übernahme von Fremdmaterial wie Bühnen-Kameras o.ä. kann als Kompromiss angeboten werden, zu klären sind die Kosten, die erheblich sein können; zu klären ist die bildliche und inhaltliche, sprich: die Reportage-Qualität. Wenn die Vorstellungen der Reporter, der Redaktion und den Veranstaltern hinsichtlich Gebühren, Urheberrechtsablöse oder Gestaltung zu weit auseinander
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liegen, sollte ehrlich Zwischenbilanz gezogen werden. Es ist leider an dieser Stelle festzuhalten, dass sich hier oft Hindernisse ergeben, die den Reporter verzweifeln lassen. Manche Reportage ist in diesem Stadium, bei diesen Events einfach nicht machbar. Von heimlichen Dreharbeiten ist hier abzuraten. Die Kosten entsprechender rechtlicher Auseinandersetzungen wären sicher immens.
13 Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen 13.1 Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen Dieser Teil will auf einen scheinbar exotischen Bereich der Berichterstattung aufmerksam machen, dem gerade junge Journalisten in ihrem beruflichen Leben schneller und häufiger ausgesetzt sein werden als sie glauben. Es sind gerade die jungen, die hungrigen Reporter und die Unerfahrenen, die hinausgeschickt werden, um sich in besonderen Situationen zu bewähren. Oftmals alleine auf sich gestellt, mit unzureichenden technischen Mitteln ausgestattet, in der Regel aufgrund der realen Bedingungen vor Ort von echten Informationen abgeschnitten. Gerade in solchen Situationen ist oft nur die Reportage möglich, Archiv und Hintergründe fehlen, ebenso Agentur-Zugang. Von der Zeit, sich einzuarbeiten, einmal ganz zu schweigen. Was zählt, sind die eigenen Eindrücke, der sichere Instinkt, die Neugier, die Stimmungsbilder, die Bilder von Opfern, von betroffenen No-Names, die aber einen wichtigen Teil des Geschehens transportieren. Es sind aber längst nicht nur die kriegerischen Situationen, die eine besondere Herausforderung darstellen, sondern insgesamt besondere Nachrichtenlagen, die eine Berichterstattung vor Ort notwendig machen: Katastrophen unterschiedlicher Art, Großunfälle, krisenhafte Zuspitzungen in Konfliktregionen, und natürlich auch Krieg oder zumindest Krise. Deshalb soll hier das Thema Kriegsberichterstattung auch etwas ausgeweitet werden. Denn der Wettbewerb der Medien untereinander findet heute sehr stark auf dem Gebiet der „drei K’S“ statt: Krise, Krieg und Katastrophe oder einer Mischung aus allen Dreien. Und jeder Verlag, jeder Sender will dabei sein. „Journalismus im Ausnahmezustand“ resümierte die Tutzinger Akademie für Politische Bildung auf einer Tagung 2006 die Begleit- und Produktionsumstände. So alltäglich also eine solche berufliche Situation werden kann, so wenig wird darüber öffentlich und systematisch nachgedacht. Zeit, es hier zu tun. Die Bilanzen und Zwischen-Bilanzen aktiver Journalisten im Bereich Krisen- und Kriegsberichterstattung fallen vielfach kritisch, zumindest zwiespältig aus. Sie alle wollen aus der Geschichte gelernt haben, stehen aber jedes Mal wieder vor unlösbaren Aufgaben, neuen, in der Regel schwierigeren Rahmenbedingungen, stehen also jedes Mal wieder vor einem Vakuum. Auf der anderen Seite lassen sich erstaunliche Widersprüche erkennen: Noch nie war es so leicht, „vor Ort“ zu sein. Es ist aber gleichzeitig der Platz, an dem man nur über ein Minimum an Informationen verfügt, nirgends ist man so weit weg von verlässlichen Informationen wie vor Ort. Nach jedem größeren Konflikt herrscht jedenfalls Katerstimmung. Kaum jemand ist zufrieden, die Defizite sind offenkundig. „Neue Schlachtfelder – alter Journalismus?“ fragt Martin Löffelholz, Journalismus-Forscher an der Universität Ilmenau.
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
Und nicht zuletzt sind die ethischen Fragen ungeklärt oder sie sind Gegenstand sehr persönlicher und selten professioneller Überlegungen. Journalisten konnten noch keine Massaker, etwa in Bosnien, verhindern, schon gar keinen Krieg. In manchen Ländern formiert sich ein „peace journalism“, der einen Kontrapunkt darstellen will zur bisherigen militärisch-technokratischen Betrachtung der Konflikte. Die Frage ist, ob die unterstellte Analyse überhaupt richtig ist, und es ist auch die Frage, ob Journalisten das können und ob sie das überhaupt sollen? Journalismus kann und muss Öffentlichkeit herstellen. Dies kann allerdings bereits ein gewollt-ungewollter Beitrag sein für eine unkriegerische Lösung eines sozialen oder ethnischen Problems. An dieser Stelle soll versucht werden, über die zentralen Aspekte des Themas Kriegs- und Krisenberichterstattung Ordnung oder wenigstens eine Übersicht zu schaffen.
Die Symbiose von Krieg und Medien Politik und Medien leben in der offenen Informationsgesellschaft in einer Symbiose miteinander, Krieg als Faktor der Politik auch. Ohne Medien ist kaum ein Krieg denkbar oder für längere Zeit politisch verantwortbar, finanzierbar und führbar. In modernen, offenen Gesellschaften ist der Begründungszwang für politisches Handeln gewachsen, die Begründungspflicht für kriegerisches Handeln ebenso. Dies geschieht hauptsächlich über die Medien. Das hat Folgen für das journalistische Arbeiten in diesem Bereich. Man sollte wissen, welche Probleme und Zwänge die eigene Reporterarbeit tangieren werden. Das staatliche Handeln in Konfliktsituationen unterliegt damit einer gewachsenen Kontrolle durch die Medien. Dies ist durch die staatlichen, internationalen Akteure erkannt und sie handeln entsprechend, um das mediale Klima zu beeinflussen. Es ist ganz deutlich eine Renaissance propagandistischer Einflüsse eingetreten.
Krieg als „Transmissionsriemen“ Politische Akteure profilieren sich zunehmend auch als Akteure in Sondersituationen (z.B. Ministerbesuche bei der Truppe, am besten zu Weihnachten, der Bundeskanzler in Gummistiefeln im Hochwasser). Politischer Rechtfertigungsdruck bedeutet für die Medienmacher erhöhten Produktionsdruck. Politische und gesellschaftliche Kompetenz bildet sich infolge dessen bei
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Katastrophen-Hilfe (Beispiel: Unfälle in Alpen-Tunnels, Schiffs-Katastrophen) Krisen-Management und Prävention (Beispiel: 9/11) Kriegs-Intervention (Beispiel: Kosovo)
Es entscheiden die Medien - wer sonst, auch sie sind zunehmend globale Akteure - ob ein Konflikt wahrgenommen wird oder nicht, ob er regional bleibt oder nicht, indem sie ihn thematisieren oder nicht. Es gibt nach einer Zählung Hamburger Friedensforscher ständig 50 bis 60 gewaltsame Konflikte in der Welt. Wir nehmen nur einen Bruchteil davon wahr. „Was wir über Krieg wissen, basiert zunehmend, oft sogar ausschließlich darauf, wie der Krieg von Medien als Institutionen und von Journalisten als Individuen recherchiert, selektiert, und präsentiert wird...“. Und: „Die Spielregeln der Mediengesellschaft prägen nicht nur unser Bild vom Krieg, sondern auch den Krieg selbst.“* Dies gilt als auch für alle anderen Situationen der besonderen Berichterstattung. Die Medien prägen den Grad und die Dauer der Wahrnehmung eines krisenhaften oder katastrophalen Ereignisses. Hinsichtlich der Berichterstattung über Katastrophen wurde bereits die Grenze zwischen Journalismus und Entertainment überschritten; dann nämlich, wenn die Medien selber zum Akteur in Sachen humanitärer Hilfe werden, wenn die Medien sich zumindest als Spendensammler betätigen, wenn sie für die Aufrechterhaltung der Unterhaltungs- und Spendenmaschine ständig neues „Futter“ für die Begründung solcher Aktivitäten brauchen. Hier werden journalistische Regeln häufig hintangestellt. Es gelten vielmehr die Regeln der Dramaturgie der Unterhaltung.
Die heutigen Kriege Die scheinbar attraktive Tätigkeit als Reporter in schwierigen Situationen erfordert ein kühles Beschäftigen mit den Realitäten. Die klassischen sogenannten symmetrischen Kriege zwischen ähnlich organisierten Konflikt-Parteien sind abgelöst worden durch eine Vielzahl von Formen asymmetrischer Konflikte: Ungleiche Partner mit ungleichen, keiner Kontrolle unterliegenden Kampfmitteln, auch mit terroristischen Formen. Asymmetrische Kriege zeichnen sich aus durch unklaren Frontverlauf, mit unklarer moralischer Zuordnung, unübersichtlich, schnell wechselnd, wenig kalkulierbar. Re*
Martin Löffelholz: Neue Schlachtfelder – alter Journalismus? in: „Sagt uns die Wahrheit: Die bringen uns um!“, DW Bd. 3, 2001
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
porter treten immer häufiger bewaffneten Gangs entgegen statt mit geordneten Armeen konfrontiert zu sein. Manchmal verbringt der Reporter mehr Zeit an irgendwelchen Kontrollpunkten als im Schneideraum. Die asymmetrischen Formen der gewaltsamen Konflikte werden inzwischen auch von regulären Konfliktparteien genutzt: x x x
Sondereinheiten informelle Einheiten, Todesschwadronen bewaffnete Einheiten von Geheimdiensten.
Für die Berichterstattung bedeutet das: x x x x x x
Große Unübersichtlichkeit des Geschehens, hohe Geheimhaltungspotenziale hohe persönliche Gefährdung, unkalkulierbarer Zeitrahmen des Einsatzes hohe Abhängigkeit von offiziösen Quellen Zwang zu eigener Recherche.
Rahmenbedingungen und Realitäten Es lastet jedenfalls eine große Verantwortung auf den journalistischen Akteuren in einem Krisen- oder Kriegsgeschehen. Und die Realität? Journalistische Einsätze in Krise, Krieg und Katastrophe zeichnen sich aus durch sehr detaillierte und alltägliche Probleme: 4.
Kriegsgebiete sind in der Regel Sperrgebiete. Sich frei und sozusagen privat, und das noch auf allen Seiten einer Front zu bewegen, ist selten möglich. Die Gefahr setzt weitere Grenzen. Zugang ist oft nur in Begleitung von Hilfskonvois oder militärischen Transporten möglich. Auf jeden Fall ist man damit an eine Seite gebunden, auf sie angewiesen. Auf jeden Fall sind damit die Möglichkeiten eng begrenzt, sich selber einen umfassenden Überblick zu
5.
verschaffen. In Naturkatastrophen bildet das Geschehen selber Hindernisse, in der Regel sind es Probleme der Erreichbarkeit.
6.
Die Ferne, das Fehlen oder die Funktionsuntüchtigkeit von technischen Infrastrukturen, der Mangel an Logistik und Versorgung. Vielfach muss der
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
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Journalist eigene Infrastrukturen mitnehmen, aufbauen, oft ist er mehr Einsatzleiter, Organisator als Reporter. Oft begrenzt die Lösung logistischer Probleme den Zeitrahmen für Recherche ganz deutlich. 7.
Die eigentliche Gefahr durch Kriegsgeschehen, Naturgeschehen, soziale Unruhen.
8.
Der mangelnde Zugang zu unabhängigen Informationen und Medien oder deren vollständiges Fehlen.
9.
Der Mangel an geeignetem Personal für journalistische Kriseneinsätze, auch ein Übermaß an ungeeignetem Personal. Festzustellen ist auch der Mangel an geeigneten Zuarbeitern, lokalen Mitarbeitern, Übersetzern, Fachkräften.
10. Kosten setzen weitere Grenzen.
Stufen und Formen der Krisenberichterstattung Unter diesen Bedingungen erscheint es erstaunlich, dass es immer noch und immer wieder halbwegs vertretbare Berichte in den Medien gibt. Glanzstücke sind aber selten darunter. Oftmals verschleiern die Quote oder das angestrebte Wachstum der Auflagen den ungenügenden Charakter der journalistischen Produkte. Oft genügt das „Covern“, das alleinige Haben und Abdecken eines Themas. Zumindest gilt das zu Beginn eines Konfliktgeschehens, später steigen die Bedürfnisse nach umfangreicherer Berichterstattung, allein schon aus dem späteren Überdruss bei den Mediennutzern an immer denselben aktuellen Bildern. Die Berichterstattung folgt weitgehend folgendem Schema: 1.
Ereignis, Entsetzen, Betroffenheit, primäre Zeugen, Augenzeugen, ZeugenVideos, Agenturen, Berichte aus Fremdmaterial, evtl. Hintergründe, Vorgeschichte, Archivbeiträge
2.
Eigene Recherche: Kommentare „vor Ort“ (wo auch immer das ist, oft werden die Zuschauer über die wirkliche Nähe zum Geschehen getäuscht), deutsche Opfer, sekundäre Zeugen: Rückkehrer nach Deutschland, Angehörige in Deutschland, deutsche Helfer oder Einsatztruppen („Unsre Jungs in ...“), gemeinsame Anstrengungen
186 3. 4.
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen Medien-Hype: eigene Betroffenheit, eigene Beiträge, „unser Mann in...“, die Story hinter der Story/ „making of...“ Überlebens-Stories „amazing survival stories“ (so CNN bei der TsunamiBerichterstattung)
5.
Humanitäre Hilfe, Spenden-Aktionen, vom Reporter zum Spendensammler
6.
“Aftermath”, Suche nach Schuldigen, Hineintragen eines außenpolitischen Konfliktes in die Innenpolitik
7.
Themenwechsel (mit möglicherweise gleichen politischen und/oder journalistischen Akteuren). Schaffung einer medialen Kontinuität.
Die „normale“ Krise oder Katastrophe - und nicht der Krieg - sind Einsatzgebiete bei denen sich auch Anfänger beweisen können. Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Schifffahrtsunglücke, wie Tankerunglücke oder Unfälle auf großen Wasserstraßen oder Schneekatastrophen und ähnliches. Solche Ereignisse wie der Tsunami Ende 2004, mit rund 200 000 Toten, bilden eher die Ausnahme, folgen aber genau dem üblichen Schema. Eine fast klassische Reportage des Heute-Journals vom 29.12.2004 soll zeigen, wie die Stufen und Mechanismen der Krisenberichterstattung funktionieren. Beispiel: Das Ereignis, die Tsunamiwelle, fand drei Tage zuvor statt, am 26. Dezember. An diesem Tag werden Berichte aus der Zentrale gefertigt, Zusammenfassungen aus Euromaterial. O-Töne weitgehend von Überlebenden am Telefon. Die ersten Meldungen sprachen von 50 Toten, nach ein paar Stunden waren es 500, dann 5000 Tote. Erst als die ersten Berichte aus Indonesien und aus Sri Lanka kamen, wurde das wahre Ausmaß bekannt. Die Sender schickten am Anfang zuwenig Teams los. Einen Tag später, die ersten Teams sind am Ort der Katastrophe eingetroffen, sind es vor allem Schaltgespräche, die die Reporter etablieren sollen. Wir sind da! Dann beginnen die Dreharbeiten. Alles wird gedreht, was vor die Kamera kommt. In diesem Fall von Vorteil, weil die Zeitverschiebung im Krisengebiet im Schnitt sechs Stunden betrug. Am Tag zwei und drei wird das wahre Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Keiner konnte das von Anfang an einschätzen. Die Suche nach Beispielen beginnt, nach Betroffenen, nach Helfern, nach Einheimischen. Erst danach kommen die Stories über den THW-Helfer,
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
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den man einen Tag begleitet, die Hundesuchstaffel, die Mitarbeiter vom Roten Kreuz usw. Die Beispielreportage entstand am Tag drei der Katastrophe: Evakuierung von Phuket und Fahrt nach Kao Lak, als sich abzeichnete, dass dort besonders viele Menschen verletzt oder tot waren. Zu zehnt ist die Großfamilie in den Urlaub gefahren. Jetzt wartet sie auf den Rückflug, zu DRITT. - Nein über ihre Erlebnisse wollen sie nicht mehr reden - was gibt es da auch noch zu sagen.
Viele, die heute morgen im Flughafengebäude in Phuket sind, irren seit drei Tagen umher, haben eine Odyssee hinter sich, eine ganz eigene Geschichte.
Familie Dechert aus Worms war gerade auf dem Boot, als die große Welle kam. Heute sind sie froh, dass sie weg kommen, der Ärger über die Behörden bleibt.
O-Töne: Thomas Dechert Migdalek Dechert
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
Mangelhafte Information und spätes Handeln der Behörden. Das beklagen viele, doch Hauptsache, es geht zurück. 3000 Urlauber haben Phuket heute verlassen, etwa die Hälfe nach Deutschland.
O-TON: Raymond Honings LTU Asia
Die Chartermaschine der Bundesregierung nimmt jeden mit, egal ob er ein Ticket hat oder nicht. Das Flugzeug bringt auch Rettungspsychologen mit, die traumatisierte Urlauber betreuen sollen, oder Menschen, die nach Angehörigen suchen. Dazu ein Trupp vom technischen Hilfswerk, der bei Bergung helfen soll. Wir fahren Richtung Kao Lak und plötzlich ist Stau. Alle wollen hin – wenigstens ein bisschen helfen. Privatpersonen mit Lebensmitteln, Trinkwasser, gebrauchten Kleidern und Decken für die Nacht.
O-Ton: Jess Calvo „Oh ja jeder will helfen, aber wenn einer jetzt Wasser spenden will, will er das schnell tun und überholt. Nur aus gutem Willen eben aber alle überholen alle, nur um zu RETTEN und organisieren die Hilfe nicht - das verursacht das Problem.“
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Viele Thailänder wollen auch ihren Leuten helfen, denn die Zahl der Toten und Verletzten unter den Einheimischen ist hier besonders hoch.
Kao Lak am Tag drei nach der Katastrophe. Erst langsam rollt Hilfe mit schwerem Gerät an. Ein ganzer Landstrich, noch immer ein Trümmerfeld. Das Bergungsteam vom THW ist unterwegs. Ziel das Sofitel, das am Sonntag fast völlig zerstört wurde. O-Ton: Hans-Georg Wulff, Arzt beim THW
Trotzdem geht das Team mit Hundestaffel morgen bei Tagesanbruch noch mal an die Arbeit. Die Chance, dass sie fündig werden, ist gering.
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Definitionen Dabei zeigen sich unterschiedliche Formen der Berichterstattung, je nach den aktuellen Möglichkeiten, je nach medienpolitischer, wirtschaftlicher Ausgangslage. x
Das einfachste und unbefriedigendste ist der reine Kriegsbericht im Sinne eines Kriegsverlaufs-Berichtes, der sich der militärischen Bewertung widmet, gestaltet aus der Perspektive der militärischen Akteure.
x
Das schwierigste, aber für Nachrichten wertvollste ist der Krisenbericht im Sinne der Berichterstattung über Hintergründe, Vorlauf, Nachlauf. Es ist dies eine Kriegsfolgen-Berichterstattung, eher gestaltet aus der Opferperspektive. Dies ist die Stunde der Reporter.
Der Reporter und sein Medium müssen sich dabei unter der Berücksichtigung der oben geschilderten Realitäten und Probleme entscheiden zwischen kontinuierlicher oder Episoden-Berichterstattung.
Die Ware Krieg Krise, Krieg und Katastrophen haben einen hohen Nachrichtenwert durch die Summierung entscheidender Nachrichten-Faktoren (was ist wichtig, was regt auf?): x
Konflikt, Negativität, Voyeurismus, Schaden, Leid, Schadenfreude, Moral (gut und böse), Wettbewerbsdenken (Sieg oder Niederlage)
x
Direkte, eigene Betroffenheit des Publikums, je nach geographischer Nähe, und nach indirekter Betroffenheit (Europa, Urlaubsgebiete, Länder mit deutscher Minderheit/Bevölkerungsanteilen, deutschen Opfern), deutsche Konfliktbeteiligung.
Durch die weitgehende Kommerzialisierung der Medien, auch längst im öffentlich-rechtlichen Bereich, wird Krieg zur Ware. Berichterstattung über die „drei K’s“ lohnt sich für die Medien. Man macht Quote und Auflage durch Krise, Krieg und Katastrophen:
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen x
x x
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Sie schärfen das mediale Profil – wenigstens zeitweise, so beim Umschaltverhalten im Fernsehen beobachtet: die Primärinformation wird im zufällig gerade eingeschalteten Programm wahrgenommen (meistens privat), dann wird umgeschaltet für weitergehende Informationen in das Programm mit der höheren Glaubwürdigkeit (meistens öffentlich-rechtlich) Sie eröffnen oder festigen dadurch Marktanteile Der Medienerfolg durch Krisenberichte ist messbar: TV + 37%, Print + 15% (aus: Media Perspektiven 3/2003).
Durch Kriegs- und Sonderberichte erreichen die Medien mehr Publikum als sonst, die politischen Akteure erreichen ihre Adressaten und Wähler leichter. Dies gilt es festzuhalten und zu entwickeln. Dadurch entsteht meist der Zwang zu immer häufigeren Berichten. Ein Beispiel aus der eigenen Arbeit aus der Zeit der Kosovo-Krise 1999. Noch als das Kosovo schon aus militärischen Gründen nicht mehr für Journalisten zugänglich war, forderte die ARD-Tageschau täglich bis zu fünfzehn Berichte an, ergänzt jeweils durch Live-Kommentare des Korrespondenten. Hinzu kamen Berichte für die Dritten Programme sowie HörfunkKommentare. Damit sollte, so die Erwartung der Redaktionen, manchmal alle halbe Stunde ein neues Nachrichtenstück gefertigt sein. Die normale, rein technische Produktionszeit dürfte allein schon bei ca. 30 Minuten liegen. Die Priorität liegt damit bei der aktuellen Kurzberichterstattung, Hintergrundberichterstattung findet im Schatten der großen Coups statt, und nur wenn es finanziell darstellbar erscheint.
Rahmenbedingung Wettbewerb Der Wettbewerb unter den Medien im dualen, weitgehend durchkommerzialisierten Mediensystem orientiert sich bekanntlich an folgenden Zielen: x x x x x x
Erwerb/ Festigung von Kompetenzen („der Informationskanal...“) Exklusivität, Präsenz („unser Mann in...“) Schnelligkeit (Sondersendungen) Quantität („bleiben Sie dran...“) Stellenwert im Mediensystem (Gebühren-Rechtfertigung für ÖffentlichRechtliche, Werbe- und Kredit-Rechtfertigung für Private) Qualität?
Es entsteht - aus kommerziellen Überlegungen - eine eigene Faktizität des Krieges (und anderer Sondersituationen) in den Medien. Das Geschehen ist dort, wo
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
die Korrespondenten sind, oder sein können, nicht umgekehrt. Damit finden wir Über- und Unterbewertungen faktischer und regionaler Art, die vergessenen Kriege, jedenfalls selten Produkte, die den eigentlichen Anforderungen gerecht werden wie umfassende Information, Objektivität, wenigstens Neutralität, Professionalität, Glaubwürdigkeit. Mediale Aufbereitung Gerade in Sondersituationen sollte sich der Journalismus eigentlich besonders auf seine Ethik, seine Regeln berufen, die daraus folgen: x x
Pflicht zum Double-Check Neutralität und Zurückhaltung
Zu Recht setzen das schon die Leser, Hörer, Zuschauer voraus. Die publizistische Qualität, festgehalten z.B. in den Kriterien des Presse-Kodex, steht aber in ständigem Widerspruch zu den faktischen Möglichkeiten, die durch Militärs und ihre eigenen „Produktions“-Zwänge bedingt sind und den eigenen produktionsund medienpolitischen Zwängen. Jedes mediale Produkt unterliegt spezifischen Zwängen der Präsentation. Jedes Produkt ist ein Produkt, das in einem Prozess geprägt wird durch Gestaltung, Manipulation, Etikettierung, Verpackung, Werbung. Die Zwänge sind: x Interne Rahmenfaktoren: Schnelligkeit, Häufigkeit, Zwang zu Visualisierung und Personalisierung, Dramatisierung, Verdrängung anderer Themen. x Externe Rahmenfaktoren: Instrumentalisierung und Propaganda. Der Produktionsdruck zwingt unter dem Aspekt der schnellen, auch sicheren Einsatzbereitschaft oft zu Zweck-Partnerschaften mit den zivilen und militärischen Akteuren, deren Interessen nicht zwangsläufig mit den journalistischen Interessen identisch sind. Folgen sind: x x x x x
Abhängigkeit von fremden Infrastrukturen, Sicherheits-Strukturen, Konvois Beschränkung der Bewegungsfreiheit Beschränkung der Berichterstattungsfreiheit (restricted areas, restricted objects) Selbstzensur Aufgabe der Neutralität
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Technologien Die Geschichte zeigt, dass die Entstehung und Verbreitung von Medien durch Krieg begünstigt wird. Die Symbiose zwischen Medien und Militär zeigt sich besonders deutlich in der Technik. Technischer medialer Fortschritt wird durch Krieg erleichtert oder leichter finanzierbar und begründbar: mobile Übertragungs-Anlagen, Videophone, passive Sicherheit wie Panzerwesten oder gepanzerte Fahrzeuge, auch Aus- und Fortbildung (Vorbereitung auf Kriegseinsätze). Viele dieser Technologien werden für das Militär erfunden, im benachbarten zivilen-humanitären Sektor erprobt (Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, humanitäre Organisationen, die „NGO’s“) und später auch für journalistische Reporter-Einsätze übernommen. Hierbei verschwimmen die Grenzen zwischen militä-rischer und ziviler Nutzung. Mit der Nutzung derartiger Technik verschwimmt auch die Grenze zwischen journalistischem und militärischem Handeln. Dabei entsteht die Fiktion, dass Berichterstattung unter allen, auch gefährlichen Umständen möglich ist, aber es wird nicht die Frage gestellt, ob sie auch möglich sein muss, wenn ja, hinsichtlich welchen Zieles. Zum Beispiel wurden vor dem Irak-Krieg 2003 und den damals noch erwarteten Massenvernichtungswaffen im Irak Hunderte von Journalisten in Bundeswehr-Seminaren in ABC-Selbstschutz unterrichtet, wurden Hunderte von Gasmasken-Sets angeschafft, aber keine Schutzanzüge oder Gegengift-Spritzen, Behelfsbunker wurden in der Region aktiviert - eine unzureichende Vorbereitung, wie selbst Militärs konstatierten. Zumal auch sie der Meinung waren, dass in giftverseuchten Gebieten niemand, auch kein normaler Soldat, etwas verloren hätten, abgesehen von entsprechend ausgerüsteten Spezialkommandos. Erst recht keine Journalisten. Soweit die Theorie. Die neuen Medientechnologien und die weit fortgeschrittene Kommerzialisierung im Rundfunksektor haben zwar neue Möglichkeiten geschaffen, haben aber auch die alten professionellen Probleme verschärft. Das zeigt sich besonders im personellen Bereich. „Kriegsberichterstatter“ Der Wettbewerb mit den „drei K’s“, Krise, Krieg und Katastrophe, hat zu einer Renaissance einer ausgestorbenen Spezies geführt. Das im Zweiten Weltkrieg weitgehend desavouierte Berufsbild des Kriegsberichterstatters lebt auf. Ein nicht unwichtiger Anteil an der Renaissance der Reporter im Allgemeinen. Der einstige Vorwurf an Kriegsberichterstatter, sie seien Propaganda-Instrumente,
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
scheint heute an Bedeutung verloren zu haben. Das Prinzip „unser (!) Mann in...“, zumal in heiklen Situationen, hat in einem härter gewordenen Wettbewerbsfeld das Prinzip der Seriosität überwunden. Um so mehr kommt es auf die Individuen an. Die Personalauswahl ist gerade in Kriegssituationen höchst problematisch: es gilt allgemein das Prinzip der Freiwilligkeit. Kriegsberichterstatter wird also, wer, aus welchen Gründen auch immer, sich dazu bereit erklärt. Finanzielle Gründe kommen vor. Ob es jemand auch kann, spielt kaum eine Rolle. Die (positiv wie negativ zu bewertende) Frage militärischer Vorerfahrungen und Nähe ist völlig ungeklärt. Allgemein wird angenommen, dass die Rolle eines Kriegsberichterstatters ein Karriere-Sprungbrett darstellt, in jüngster Zeit viel von Frauen. Viele journalistische Biographien stehen dem aber entgegen. Es scheint stimmig zu sein für journalistische Quereinsteiger, für „One-Man-Shows“, Hasardeure, für die sonst in Hierarchien keine Aufstiegsmöglichkeit besteht. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass es im modernen Mediensystem zwar eine höhere Mobilität für Aufsteiger gibt, aber auch eine ausgesprochene Kurzlebigkeit von Medienprominenz. Die Zahl der – karrieremäßig gesehen – Kriegsgewinnler ist kurz, die Liste jener ist lang, die wegen angeblicher Aufstiegs-Chancen ihr Leben riskierten und es auch verloren. Für einen Verlag oder einen Sender ist es relativ schwierig, eine sachgerechte Auswahl zu treffen und geeignetes Personal vorzuhalten; denn welchem Kriterium soll Priorität gegeben werden: Der Vermittlungskompetenz oder der Sachkompetenz? Braucht man journalistische Allzweck-Waffen ohne spezifische Fachkenntnisse außer der Vermittlungs-Kompetenz? Also eher wenige Personen von hoher Mobilität, aber bei hohem inhaltlichem Qualitätsrisiko? Oder braucht man Fachleute für zahllose Länder und Regionen? Was kostet das, wie oft braucht man das? Was macht man in Zeiten ohne besondere Krisensituationen mit diesen Personen? Welche Perspektiven und Motivation kann oder muss man bieten? Und: Wie viel ist einem Medium die Unabhängigkeit der Berichterstattung wirklich wert? Hat man überhaupt ein geeignetes personelles Reservoir? Nicht zuletzt die Frage: Wie ehrlich ist das Medium in der Vorinformation seiner Reporter über die Größe möglicher Gefahren und den Umfang der erwarteten Berichterstattung? Die Antwort liegt im Kompromiss. Folgende Typen von Kriegsberichterstattern besiedeln die Szene und konkurrieren oder kooperieren mit einem. Sie beeinflussen die Maßstäbe der Auftraggeber und den Output aus einem Einsatzgebiet, ob es einem passt oder nicht: 1.
Die „Frontliner“, (von uns so genannt nach einer Bildagentur „frontline“) oft militärisch vorgebildete Nicht-Journalisten; Abenteurer, die eine Ein-
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
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kommensquelle gefunden haben; sie sind eher kurzfristig im Einsatz, wechseln aber quer durch alle Kriegsgebiete. In der Regel liefern sie nur Material und keine kompletten Berichte. Der kommerzielle Druck, möglichst sensationelles Material zu liefern, ist nicht von der Hand zu weisen. Oftmals ist dies auch örtliches Personal. 2.
Die Unerfahrenen, die Neulinge, zufällig Ausgewählten, oft in Kombination mit ebenso zufällig ausgewählten lokalen Journalisten; eine Gruppe mit hohem Überlebensrisiko. Unter ihnen finden sich die meisten Opfer.
3.
Die herkömmlichen Kriegsberichterstatter, die sich mit der Truppe auf einer Seite der Front bewegen. „Embedded“ begleiten sie vor allem das militärische Geschehen. Vor allem im amerikanischen Journalismus sind diese zu finden. Oftmals finden sich hier die prominenten Namen, regelrechte Aushängeschilder ihrer Medien, in denen das Gesicht, der Name zum Markenartikel wurde.
4.
Die journalistischen Allzweckwaffen mit hoher Vermittlungskompetenz und Medienerfahrung; wie eine mediale Feuerwehr wechseln sie quer durch alle Einsatzgebiete. Sie sind aber auf vorhandene mediale Infrastrukturen angewiesen. Eigene Fachkompetenz ist für sie ein Problem, für ihre Medien vielfach keines.
5.
Die regionalen Fachleute, die sich in Land, Leute, Sprache und Politik einer Region auskennen, und die konsequenterweise auch über die Konflikte berichten. Meist verfügen sie über eigene Informantennetze. Leider richten sich Krise, Krieg und Katastrophe oft nicht nach vorhandenen Korrespondenten-Netzen. Ihre Stärke ist eher die Hintergrundberichterstattung.
6.
Mischformen, die Erfahrung im Aufbau journalistischer Infrastrukturen und Erfahrungen aus der wiederholten Berichterstattung aus einer bestimmten Region mitbringen, worin eine Chance auf ein wenig Spezialisierung liegt.
Die Übersicht zeigt, dass gezielte Planung selten ist und eher der Zufall die journalistische Qualität bestimmt. Und das in einem Bereich, von dem das Publikum höchste Kompetenz erwarten darf. Es empfiehlt sich dringend, die eigene Position und Erfahrung selbstkritisch zu definieren, es ist überlebens-wichtig. Und es gibt wahrscheinlich auch die Möglichkeit, nein zum Einsatz zu sagen. Angst ist immer das beste Argument.
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Gerade in besonderen Situationen zeigt es sich, wie sehr der Erfolg einer Reportage von den produktionstechnischen Recherchen abhängt. Jeder, der nicht alleine fährt, neben dem Kameramann zusätzlich einen Producer mitbekommt, ist im Vorteil, weil sich der Producer um Vieles kümmert. Dennoch ist es auch sinnvoll, wenn der Reporter um die Tücken einer Reise und die besondere Arbeitsweise im Krisen- und Kriegsgebiet Bescheid weiß. Denn wie bei einer Urlaubsreise kann man auch solch eine Reise planen. Freilich: Einen Reiseführer in Kriegsgebiete gibt es nicht, noch nicht. Wer aber die richtigen Fragen stellt und möglichst viele vor Reisebeginn beantwortet, wird besser präpariert ankommen und sicherer arbeiten. Folgende Checklisten sollen dabei helfen.
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Checkliste - Anreise- und Arbeitsbedingungen x
Wie komme ich an den Einsatzort? Wie dicht sind die Grenzen? Oder wie komme ich wenigstens in die Nähe?
x
Gibt es (noch) reguläre Flüge, gibt es nur noch teure Restplätze, zahlt der Sender diese auch? Wenn ja, hat Business Class den Vorteil, dass man leichter umbuchen kann und mehr Gepäck mitnehmen darf.
x
Gibt es alternative Möglichkeiten, mit NGO-Lieferungen, mit Hilfsflügen (deren Hilfe wir in dem Moment natürlich behindern würden), mit Militärflügen?
x
Wer ist bereits vor Ort? Wer will auch dorthin gehen, wer ist Konkurrenz, mit wem kann man eventuell die Anreise gemeinsam organisieren? Gibt es im eigenen System vorhandene Strukturen, die man nutzen kann?
x
Gibt es womöglich Einreise- und Zollbeschränkungen für die Einfuhr von Technik, wie lange dauert das Procedere?
x
Schmiergeld: Wie viel Schmiergeld/Bakschisch ist nötig, in welcher Währung, in welcher Stückelung? Wo gibt es die Währung auf die Schnelle? Zu Bargeld siehe persönliche Ausrüstung.
x
Gibt es – wenigstens rudimentäre - mediale Strukturen am Einsatzort? Lokale Medien mit welcher Verlässlichkeit?
x
In welchen Sprachen wird am Einsatzort kommuniziert?
x
Wer kann als „journalistischer“ Helfer/Producer rekrutiert werden und wo? Sprechen die vielleicht sogar deutsch? (Goethe-Institute, Deutsch-Lehrer, Familienangehörige, deutsche Unternehmensvertreter, Akademiker mit Ausbildung in Deutschland), wenn ja, wie lange ist das her, wie gut sind die Sprachkenntnisse wirklich?
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
x
Wer kann gedrehte Kassetten beschriften, um sie schnell dem Schnitt zur Verfügung zu stellen? Wer kann Log-Listen schreiben in einer allgemein verständlichen Sprache und Schrift?
x
Gibt es schnelle und dennoch zuverlässige Taxifahrer, denen man den Produktionsdruck vermitteln kann, ohne dass sie die Produktion durch Risiko gefährden? Braucht man bei unübersehbaren Straßenverhältnissen Kuriere, gegebenenfalls mit Motorrad, die schneller oder über Gelände durchkommen?
x
Wie schwierig werden die Produktionsverhältnisse sein. Braucht man eine Versicherung für die Technik, für das mitgeführte Bargeld? Womöglich hilft nur eine einseitige Erklärung des Arbeits- oder Auftraggebers, im Fall der Fälle mit einer gewissen Summe für seine Verantwortung einzutreten.
x
Gibt es Überspielmöglichkeiten für die Sendungen oder für wenigstens Rohmaterial (Sender oder auch Postämter mit Video-Anschluss)?
x
Wie viel Produktionstechnik brauche ich wirklich? Mit welchem Standard wird vor Ort produziert? (Der einfachste ist eher der sicherste). In welchem technischen Standard kann Video-Material abgespielt werden (Vorsicht: in Schwellenländern wird neueste Technik verkauft, die viele nicht beherrschen, die Übergabe- und Schnitt-Stellen sind ein Abenteuer!)?
x
Wie viel Technik kann man anmieten, zu welchem Preis? Entsprechen die vor Ort üblichen Produktions-Standards den unseren, vor allem unter dem Zeitaspekt?
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
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Checkliste Persönliche Ausrüstung x
Reisepass: Wenn möglich zwei Reisepässe besorgen. Besonders, wenn dieser eine schon voll mit irgendwelchen Visastempeln ist. Mit einem Schreiben des Senders ist dies über die entsprechenden städtischen Stellen schnell und unproblematisch möglich. Es reicht eine Begründung, warum der Kollege xy einen zweiten Ausweis braucht. Beispielsweise die Einreisesituation in Israel und den angrenzenden Nachbarstaaten.
x
Personalausweis: In Krisen- und Kriegssituationen kann er die Funktion der Reisepässe übernehmen. Beispiel: Illegale Checkpoints fordern Papiere als Pfand ein. So kann man ein offizielles Dokument abgeben, auf das man im Notfall verzichten kann. (Man hat ja noch die Reisepässe!)
x
Presseausweis: Wenn möglich einen internationalen Presseausweis.
x
Kopien machen von allen Ausweisen, die man mitführt.
x
Impfpass: Gerade in Unwettergebieten, nach Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Tsunamis drohen oft Seuchen. Da zeigt der Impfpass dem Arzt schnell, was er spritzen muss. Einige Sender schicken ihre potentiellen Reporter regelmäßig zu Auffrischungen. Dringend empfohlen Tetanus, Hepatitis A/B, Tollwut und Gelbfieber (in Afrika oft Pflicht bei der Einreise), Malariaprophylaxen.
x
Passfotos: Oft vergessen, aber immer gebraucht!
x
Visitenkarten: Signalisiert eine gewisse Professionalität! Sichert Erreichbarkeit und macht bekannt. Auf Sprache achten! Zur Not selber am PC drucken.
x
Aufkleber: Hat jeder, will jeder, kann die Präsenz erhöhen. Sie markieren auch das Eigentum.
x
Schreibutensilien: Blöcke, Kugelschreiber (falls der Laptop versagt) „Post it“-Blöcke.
200
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen x
Werbeartikel / „Give-aways“: Kleine Geschenke. Nicht so unwichtig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Manchmal auch einfache, aber vor Ort schwer zu beschaffende Genussmittel (europäische oder amerikanische Zigaretten, Whiskey; Nescafé), Medikamente (z.B. Aspirin).
x
Alukoffer (Zargesbox) mit Schloss: Hat den Vorteil, dass man viel und sicher transportieren kann und am Ort gleichzeitig einen „Safe“ für Wertsachen hat.
x
Welche Kleidung? Bequem, der Wettersituation und den Ländergepflogenheiten angepasst. Keine militärische Jacken und Hosen! In arabischen Ländern besonders für Frauen: Keine provokante Kleidung, sondern Kopftuch mitnehmen. Kein Schmuck, keine teuer aussehende Uhr.
x
Radio: Trotz Internet als Informationsquelle ist das gute alte Kurzwellenradio (meist ja auch mit UKW und Mittelwelle ausgestattet) ein guter Reisebegleiter in Kriegs- und Krisengebieten. Auf die Schnelle und ohne großen Aufwand kann man sowohl lokale Nachrichten verfolgen als auch über Kurzwelle deutsche Sender hören und damit die heimatliche Einschätzung der Nachrichtenlage (und den Berichterstattungsbedarf!) überprüfen. Und alles unabhängig von einer Stromversorgung.
x
Bargeld: In Krisengebieten meist, in Kriegsgebieten immer - Bargeld ist für fast alles unentbehrlich. Die Kalkulation der Menge hängt von vielen Faktoren ab, neben Dauer und Anreise: Hotel, Wohnung, Verpflegung, evtl. auch für Mitarbeiter. Trinkgelder („Bestechungsgelder“) Gebühren für Akkreditierungen (in Kriegsgebiet gerne Phantasiepreise) Honorare (für Mitwirkung im Bild bspw.). Mit Dollar oder Euro kommt man überall durch. Mit dem Sender klären: Ist das Geld versichert?! Bei Dollars prüfen, welche Scheine vor Ort gerade nicht genommen werden (wegen der angeblichen Fälschungsmöglichkeiten; die Angaben ändern sich oft!)
x
Praktisches: Taschenmesser, „Leatherman“, Taschenlampe und Reservebatterien, starkes Klebeband, Gaffatape genannt, Landkarten (Vorsicht aber vor militärischen Karten; sie sind sehr gut, aber machen verdächtig), Sprachführer.
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen
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Checkliste Sicherheit und Ausrüstung x
Wie gefährlich ist es im Einsatzgebiet? Einschätzungen gibt es über die Homepage des Auswärtigen Amtes, einer ersten Adresse. Doch Vorsicht! Die Einschätzungen sind immer übervorsichtig an „normale“ Menschen wie Touristen und Arbeiter in dem Land gerichtet. Wenn die letzten gehen, reisen Journalisten oft erst ein. Sichere Kontakte vor Ort nutzen. Botschaft anrufen, einheimische Medien kontaktieren oder Hilfsorganisationen.
x
Benötige ich kugelsichere Weste und Helm? (Versicherungen machen das unter bestimmten Bedingungen zur Pflicht. Sonst bezahlen sie nicht! Dringend vor Abfahrt klären!)
x
Versicherungsschutz mit dem Arbeitgeber klären. Vor der Abreise!
x
Kommunikation: Gibt es Mobilfunknetze? Klären, welche Netze für welche Mobilfunk-Anbieter funktionieren. Wenn diese ausfallen, damit ist oft in Kriegssituationen zu rechnen, Plan B: Satellitentelefon oder Thuraya-Phone (Satelliten-Handy) mitnehmen (teuer, aber zuverlässig).
x
Gibt es Reserven für die Handy-Batterien, braucht man bei Überlastung der Netze (normal in besonderen Situationen) lokale SIM-Cards oder Satellitentelefone, braucht man dafür lokale Genehmigungen? Als Reserven zum Nachladen Autoadapter mitnehmen und Solar- oder Kurbelgeräte erwägen, Handys sind in Notsituationen schnell leer telefoniert, besonders wenn sie noch als Ton-Rückkanal genutzt werden für Live-Schaltungen!
x
Braucht man ein Notstromaggregat? Gibt es dafür Diesel/Benzin?
x
Akkreditierungen: Welche benötigt man? UNO, Militär, humanitäre Hilfsorganisation etc. Keine Akkreditierung: Wie weit kommt man ohne? Wo bekommt man neue her? Wie lange dauert das?
x
Notfallausweis: Besonders für Diabetiker, Allergiker und Menschen die regelmäßig Medikamente nehmen müssen. Wichtige Informationen über Blutgruppe und regelmäßige Medikamenteneinnahme
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen können das Leben des Reporters vor Strafverfolgung schützen, denn nicht überall sind alle Medikamente erlaubt! x
Medikamente für alle: Gegen Durchfall und Verstopfung, lokale Bakterienstämme beachten, die gegen unsere Mittel längst immun sind! Eventuell wasserentkeimende Tabletten, Desinfektionsspray und einen gängigen Bindensatz. (Kleiner Notfallkoffer oder KfzVerbandskasten) Einwegspritzen und Einmalhandschuhe, für einen selber oder die Helfer vor Ort; sie sind auch ein schönes Geschenk. Zum Beispiel: Bei der Einreise in den Irak wird/wurde ein Aidstest verlangt!
x
Stempel und offizielles Briefpapier: Oftmals muss man für lokale Mitarbeiter einen Antrag auf eine Akkreditierung stellen. Da geht in einigen Ländern nichts ohne einen Stempel und ein offizielles Schreiben oder zumindest eines, das den offiziellen Charakter vermittelt. Zur Not Blanko-Briefpapier des Senders mitnehmen mit BlankoUnterschriften und Stempel.
x
Aufkleber für das Auto: Einige große Aufkleber mit beispielsweise ARD oder ZDF oder RTL, besser allgemein: German Television oder Radio, oder ganz einfach PRESS, oder noch einfacher: TV (lässt sich auch mit einfachen Klebestreifen machen).
Propaganda Besonders für die Journalisten mit noch wenig ausgebildeter Professionalität, aber nicht nur für sie, erweisen sich hier die Fragen nach der Neutralität ihrer Position und ihrer Kritikfähigkeit als entscheidend. Denn die Wege von vorsätzlicher Propaganda und objektiver, direkter und indirekter Beeinflussung sind sehr breit. Oftmals sind diese Einflüsse kaum spürbar. Für einen verantwortlichen Journalismus aus Kriegs- und Krisengebieten ist es jedoch unverzichtbar, sich dessen bewusst zu sein. Ein Großteil der folgenden Systematisierung von objektiv propagandistischen Einflüssen basiert auf einem Papier der Bundeswehr (Reader Sicherheitspolitik 7/2002). Klassische Propaganda, also die Beeinflussung der Berichterstattung mit allen Mitteln, Einschaltung von offiziösen und Regierungs-Medien:
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen x x x x x x x x x
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Agenda-Setting: Thematisieren, Nicht-thematisieren, Verstärken, Abschwächen Framing: Lieferung einer Werte-Skala („Krieg gegen den Terror“, „nationales Interesse“, „Gefährdung abendländischer Werte“, „deutsche WirtschaftsInteressen“) Etikettierung („enduring freedom“, „Kollateralschäden“) Desinformation, Lügen, Psychologische Kriegsführung über die Medien, Instrumentalisierung, Missbrauch der Medien für eigene Zwecke Offene Militärzensur Offener Druck, Drohungen Aufpasser, Begleiter Positive Beeinflussung, Vergünstigungen (Konvoibildung, Pressezentren, Pressefahrten, Hintergrundgespräche, Produktionskostenzuschüsse) „PsyOps“, psychologische Operationen, nachrichtendienstliche Kriegsführung
Neuere Propaganda-Einflüsse: x x x x x x x x x x
Einschaltung von PR-Agenturen für die gesamten Kommunikationsaufgaben militärische Angriffe, Sabotage, (Frequence-kidnapping“), elektronischer Krieg im Cyberspace Begrenzung der technischen Möglichkeiten (Abschalten von Mobilnetzen oder Internet-Zugängen, Begrenzung und Gewährung von Sendelizenzen, Begrenzung von Abspielmöglichkeiten) „embedded journalists“, Kombattanten-Status für Journalisten Behinderung, Beschwerde, Informationsverweigerung, Ausschluss von Information, Verhaftung, Geiselnahme, Ausweisung Schmiergeld, Abzocken, Erpressung, Beschlagnahme Instrumentalisierung faktischer Zwänge Begrenzung und Zulassung der Korrespondenten, Akkreditierungen Begrenzung des Zugangs zum eigentlichen Kriegsgebiet, beschränkte Reisemöglichkeiten, ausgewählte Verfügbarkeit von Sicherheitsausrüstung Begrenzung der Möglichkeiten zur Verifizierung von Informationen
Informationsmanagement im Krieg: x x
PR-Management, Medienkampagnen, Verlautbarungen Aufbau von Feindbildern, von Positiv-Bildern („Militainment“)
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Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen Stereotypisierung Erfolgskontrolle, Sanktionen, Medien-Monitoring Dokumentation für die Nachwelt Pool-Material des Militärs, der Regierungen Genehmigtes Material nach Sichtung/ Zensur
Interne Faktoren mit objektiver Propaganda-Wirkung: x x
Agenturmaterial, lokales Material Selbstzensur und Eigeninteresse lokaler Mitarbeiter (Scheuklappen, Angst, Geheimdienste)
Besonders der Bereich des Informations-Managements – früher hätte man gesagt, der Manipulation der Medien – ist ein umfangreiches Betätigungs- und Verdienstfeld geworden. Zusammengefasst ist die Kriegsberichterstattung gekennzeichnet durch: x x x x
Ungenügende faktische Rahmenbedingungen Greifbare Gefahren Erhöhter Wettbewerbs- und Produktionsdruck Erhöhter politischer und Propaganda-Druck.
Wie unter diesem Druck die angestrebten oder verpflichtenden publizistischen Standards aufrechterhalten werden können, ist die Frage, ist das Hauptproblem. Abschließend soll hier angesichts schwieriger Rahmenbedingungen keine Entschuldigung für ungenügende journalistische Qualität gegeben werden, es steht hier im Gegenteil die Forderung nach Selbstbewusstsein, Selbstkritik und die Forderung nach Verbesserung. Es gibt keinen Königsweg, dieses Dilemma zu umgehen. Es helfen jedoch Überlegungen, die diese Zwänge zur Kenntnis nehmen und sie beim eigenen Einsatz berücksichtigen, z.B. x x x x x
durch eine restriktivere Programmplanung (gegen den „Overkill“); durch eine Kennzeichnung von zensierten Beiträgen; durch eine transparente Nachrichtengebung generell Zugang zu allen Seiten einer Front (trotz Sicherheitsproblemen und der Gefahr des Spionagevorwurfs) durch ein möglichst engmaschiges Informanten- und Reporter-Netz an Einsatzorten in und um ein Krisengebiet („Fleckerlteppich“-Pluralität)
Exkurs: Krisen- und Kriegsreportagen x x x x x
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langfristige Qualitäts-Philosophien: schneller da sein, besser berichten, länger bleiben Entkoppelung von kommerziellen Zwängen Stärkung der Hintergrundberichterstattung, mehr erklärende Passagen in Einzelberichten Breitere Opfer-Perspektive, Zurückhaltung bei Berichten über sich selber Verzicht auf Glorifizierung der Militär-Technologie, technologischer Erfolge
Auch wenn es angesichts der geschilderten Marktmechanismen, auch und gerade im journalistischen Ausnahmefall, naiv erscheinen mag, besonders unter den Bedingungen der drei K’s gilt es, konkrete und langfristige Forderungen an die Auftraggeber zu stellen. Handwerkliche Konsequenzen x x x x
Stärkung der Berichterstattung vor Ort mit eigenen Strukturen, eigenen Standards Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen und Ausstattung Verbesserung der Ausbildung nach journalistischen/zivilen/ethischen Kriterien Koppelung von Fachwissen mit Kommunikations-Kompetenz.
Wissen, Ausbildung, Fortbildung sind Faktoren der ganz persönlichen Sicherheit, die man in der Hand hat. Nur einen Teil dieser Forderungen aber kann ein Reporter wirklich selber beeinflussen, man sollte seinen Auftraggeber jedoch klar machen, dass man nicht naiv ist, sich der Gefahren bewusst ist, und dies auch von der anderen Seite verlangt. Man sollte unbedingt darauf dringen, dass das Prinzip der absoluten Freiwilligkeit für derartige Einsätze eingehalten wird. Versprechungen für den Tag danach sollten, wenn man überhaupt darauf eingehen will, schriftlich festgehalten werden. Apropos: Fachinformationsdienste empfehlen dringend, vor einem gefährlichen Einsatz - ebenfalls schriftlich – „die letzten Dinge“ zu klären, sprich, ein Testament zu verfassen.
14 Ethik für Reporter 14.1 Ethik für Reporter „Mach Dich nie mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer Guten.“ Diesen Satz sagte der Journalist und Moderator Hajo Friedrichs. Aus dem viel zitierten Motto kann man vieles ableiten - oder auch nichts. Es gibt Journalisten, die sich mit einer Sache gemein machten, weil sie so davon überzeugt waren, das Richtige zu tun, dass sie niemand davon abbringen konnte , und es wurden hervorragende Reportagen daraus. Die einen sind bei dem Gemeinnützigen, Guten geblieben, die anderen haben die gute Sache missbraucht, um vielleicht selbst in die Schlagzeilen zu kommen, die gute Absicht hat womöglich die handwerklichen Regeln außer Kraft gesetzt. Was ist bei Protagonisten, die einem zu Recht leidtun, deren Anliegen berechtigt ist? Es kommt eben immer darauf an... Jedenfalls kommt es für einen Journalisten nicht nur darauf an, sein Handwerk zu beherrschen, er muss auch in der Lage sein, sein Tun abzuschätzen. Die Frage von gut und schlecht ist dabei genauso zu entscheiden wie die Fragen: Welche Konsequenzen hat meine Story für andere? Welche Wirkungen löse ich damit aus? Der Mensch an sich ist ethikfähig, ein Journalist sollte es umso mehr sein. Die Sensationslust, den Voyeurismus in der heutigen Zeit zu bedienen, kann eine verständliche Aufgabe und Anforderung an den Reporter sein - im Konkurrenzdruck der Medienunternehmen. Noch näher dran, noch dichter an die Schicksale! Das ist ein Trend, der sich bei einigen Magazinsendungen zeigt. Wie weit soll der ethische Reporter da mitmachen und mitgehen? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten.
Subjektivität und Objektivität Reportage ist subjektiv, jedes Medienprodukt ist ein Ergebnis von Subjektivitäten, die in ihrer Summe aber der Wahrheit nahekommen. Objektivität ist ein ethischer Anspruch, ein Fall für Philosophen. Die Reportage bekennt sich aber zur Subjektivität, sie macht die Auswahl transparent und kann sie sogar thematisieren. Die Reportage verspricht nur Typisches, Echtes, nicht Wahrheiten. Die Reportage liefert Indizien, weniger Beweise; sie bietet Bild- und OriginaltonFakten; textliche Orientierungs-Hinweise, keine Gesetzmäßigkeiten. Über wahr und unwahr entscheidet der Zuschauer selber.
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Die Auswahl Vor allem in Diskussionen mit Nicht-Journalisten (oder Noch-nicht-Journalisten) kann es gar nicht oft genug gesagt werden: Jedes Medienprodukt stellt eine inhaltliche und personelle Auswahl dar. Wir manipulieren eine authentische Geschichte. Welches Thema aufgenommen wird, ist subjektive Auswahl, in welchem Umfang es wo platziert wird, ist Auswahl; welche Protagonisten erscheinen, ist Auswahl; was von ihren gesamten Aussagen den Weg ins Medium, in die Story findet, ist Auswahl. Inhaltlich ist dies erforderlich, weil in der Regel die zur Verfügung stehende Sendezeit zu knapp ist, jedenfalls mit anderen Publikums-Interessen kollidiert; weil auch aus Gründen externer, inhaltlicher (letztlich politischer) Faktoren zwischen wichtig und unwichtig gewichtet werden muss. Unwichtiges interessiert nicht. Die Reportage reduziert, sie lässt Unwichtiges, Unspannendes aus. Es gibt aber Unwichtiges, was mehr Bedeutung verdient hätte – aus politischen, moralischen oder sonstigen Gründen. So wie die Medien Unbekanntes bekannt oder bekannter machen, was von ihnen erwartet wird und ihre ureigenste Aufgabe ist, gilt: Die Reportage kann scheinbar Unwichtiges wichtiger machen wenn es nachvollziehbar ist. Sie kann scheinbar Unspannendes spannender machen – wenn sie es entsprechend aufarbeitet. Dies ist eine Dienstleistung für das zahlende Publikum. Natürlich sind alle auftretenden Personen, die Protagonisten, für sich genommen subjektiv. Aber auch eine Unzahl von zusätzlichen Protagonisten im Film macht den Film nicht unbedingt objektiver, nur unverständlicher. Auswahl bleibt Auswahl. Deshalb soll hier dafür plädiert werden, möglichst gründlich und nachvollziehbar sowie transparent auszuwählen, zu reduzieren und damit ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zu erreichen. Es muss ausgewählt und akzentuiert werden, weil das Publikum ungeduldig ist. Es ist flüchtig, will seine Zeit nicht mit Belanglosigkeiten vergeuden, und es hat recht damit. Das Publikum hat auch ein Recht darauf, gut unterhalten zu werden. Was aber nicht heißen muss, dass Information und Unterhaltung strikt getrennt sein müssen. Die Reportage erlaubt und eröffnet Grenzüberschreitungen, die Information unterhaltsam und Unterhaltung informativ machen können. Es liegt allein am Geschick der Reporter, dies zu versuchen.
Publikumsinteresse contra Reporterinteresse Massenmedien haben ein Massenpublikum, das massenhaft Geld dafür ausgibt. Die Massenmedien haben sich auch mit den Erwartungen der Masse zu beschäf-
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tigen. Ohne nachvollziehbare Begründung gegen das Publikum zu agitieren, dürfte von bescheidener Effizienz sein. Ein Massenmedium kann sich sein Publikum nicht aussuchen, es kann nur auf vermutete oder bekannte Faktoren reagieren, z.B. Vorkenntnisse, Vorinformationen. Für ein unbekanntes Massenpublikum gilt der kleinste gemeinsame Nenner an Vorinformiertheit, d.h. meist: gar keine Vorinformation. Es hat ein Recht darauf, die Dinge klar und nachvollziehbar dargestellt zu bekommen. Dies ist die Begründung für sorgfältiges Auswählen und Aufbereiten einer Story. Das Erfordernis der Klarheit verlangt vom Reporter ein zielstrebiges Vorgehen; im ausgewogenen Ungefähren, Allgemeingültigen zu verharren, erfüllt nicht die didaktischen Ziele der Reportage. Die Reportage soll einen konkreten Nutzwert liefern, und sei es den Wert der informativen Unterhaltung. Auf die Reporter-Person bezogen bedeutet das: es gibt natürlich ein Reporter-Interesse an seiner Story, dem Ziel seiner Recherche, nennen wir es ruhig einen gewissen „Jagdeifer“. So bei der Suche nach geeigneten Protagonisten, geeigneten Schauplätzen, dramaturgischen Höhepunkten, die Emotionen befördern; Zuspitzungen, die Spannung schaffen; Zuspitzungen, die erst durch das Vorgehen oder Anstoßen durch die Reporter entstehen, die Suche nach Brüchen, Fallhöhen, die Verborgenes zum Aufbrechen bringen. Die Taktik der verbrannten Erde sollte man nicht verfolgen, auch spätere Reporter wollen noch ihr Stories drehen, womöglich mit denselben Protagonisten. Auch wir sollten unseren „Helden“ wieder begegnen können, oder wenigstens nicht von ihnen zur Recht verklagt werden. Protagonisten müssen vom Reporter dazu gebracht werden, sich auf Unbekanntes einzulassen, sich Emotionalität zu leisten, sich überhaupt als auch privater Mensch zu offenbaren (was damit auch für die Reporter-Person selber gilt, er ist ja Teil der Interaktion). Das muss man mögen.
Moral Natürlich gibt es Grenzen, die Persönlichkeitsrecht, Anstand und Pietät heißen, auch Grenzen, die durch Presse- und Rundfunkgesetze sowie einschlägige Urteile beschrieben sind. „Sargöffner“ und „Witwenschüttler“ sind allzu bekannte Phänomene der Journaille. Journalistischen Jagdeifer kann man moralisch kritisieren, Reporter sollten sich mit dem Thema aber auseinandersetzen. Wenn man aber Reporter-Sein nicht als zweifelhafte Charaktereigenschaft, sondern als bewusstes professionelles Vorgehen begreift, dann wird man die so schwierig erscheinende Gratwanderung zwischen Wollen (auch Müssen) einerseits und Dürfen andererseits mit Leichtigkeit bestehen. Der in diesem Buch vorliegende Ansatz lautet: Die nachweisbare Didaktik der Reportage erlaubt es, erfordert es womöglich, komplizierte Sachverhalte
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punktuell, aber typisch abzubilden. Typisches abbilden bedeutet reduzieren auf das Wichtige, Eingängige. Neben dem Intellekt wird dabei auch und vor allem die Emotion als menschliche Dimension angesprochen. Die Reportage versagt sich die anmaßende Unterscheidung zwischen dem Intellekt als besserem und der Emotion als moralisch schlechterem Informationsträger. Die Ethik der Reportage orientiert sich am Zuschauer als Teil eines Massenpublikums. Daraus allein werden die handwerklichen Mittel des Reportage-Journalismus abgeleitet. Auch das kann man trainieren.
Von Rechten und Pflichten Presserecht für Reporter Es ist Zeit, über Grenzen zu reden, juristische Grenzen. Wer live, spontan, authentisch und mutig arbeitet, wer sich seines journalistischen Spürsinns wie auch Jagdeifers bewusst ist, stößt schneller an juristische Grenzen als ihm lieb sein kann. Deswegen sollen hier ein paar Hinweise mit auf den Weg gegeben werden, die großen Ärger ersparen können. Einfach so irgendwo hingehen, Kamera draufhalten, authentisch abbilden, was wer gerade tut und sagt, authentisch allemal. Wenn da nicht die Grenzen wären, die aus mehr oder weniger guten Gründen das Presserecht vorgibt. Ein paar relevante Urteile sollte man kennen. Im Satelliten- und Internetvideo-Zeitalter sollte man übrigens nicht mehr darauf vertrauen, dass die meisten Sendungen nur im beabsichtigten Sendegebiet gesehen werden. Das globale Fernsehen hat auch die juristischen Probleme zu globalen werden lassen. Rechtsanwälte haben dieses Feld längst für sich entdeckt. Gerichtsort ist außerdem immer der Ort des Senders, Gerichtsort für erhebliche Schadensersatzansprüche kann schnell ganz woanders sein. Es kommt drauf an, die alte Reporter-Regel haben auch die Juristen für sich entdeckt. Im Zeitalter expandierender Medien ist das Recht mit expandiert. Und die Schadensersatzgelder. Wir haben in der schönen, einfachen Form der Reportage einfach mehr juristische Probleme zu beachten als in anderen journalistischen Darstellungsformen. Hier zeigt sich wieder einmal, welch hohe Ansprüche die Reportage an ihre Macher stellt. Es sollen hier keine illegalen Tricks diskutiert werden, aber aus der Erfahrung dargestellt werden, wie schwammig die Grenzen zum Illegalen sind, wie groß womöglich aber auch die Spielräume dafür, journalistisches Interesse und das Recht am eigenen Bild zu vereinbaren. Der gültige Maßstab dafür ist das öffentliche Interesse.
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Problem Auskunftsrecht Natürlich gibt es ein verbrieftes Auskunftsrecht öffentlicher Institutionen. Ob daraus auch ein Recht der Journalisten abzuleiten ist, in dem für sie adäquaten Medium (Informationen ja, Fernsehen nein) und in der für sie wichtigen medialen Weise (Reportage oder nur verabredeten O-Ton) zu berichten, ist eine ganz andere Frage. Das Auskunftsrecht einer Behörde heißt nicht unbedingt, mit laufender Kamera in ihren Gängen investigative Hetzjagden zu filmen. Hinter den Kulissen eines Amtes, eine außerordentlich attraktive Idee, aber auch eine Behörde hat einen Hausherren und ein Hausrecht, zumindest in Gestalt eines Hausmeisters. Man sollte Freundschaft mit ihm schließen…Wieweit solche Vorhaben mit dem Hausherren abgestimmt werden können, ja müssen, konterkariert schnell eine noch so schöne Reportage-Idee, es konterkariert auf jeden Fall sehr schnell ein spontanes Reagieren der Reporter. Derzeit sind Bemühungen bei verschiedenen Gerichten anhängig, das Auskunftsrecht auch auf Unternehmen auszudehnen, zumindest auf Unternehmen, die von öffentlichem Belang sind oder für öffentliche Institutionen arbeiten. Eine schöne Vorstellung, die Urteile sind abzuwarten – und leider zu befolgen. Der Widerstand der Industrieverbände ist angemeldet – und womöglich auch nachzuvollziehen. Viele schöne Themen ergeben sich gerade aus der Tatsache, dass jemand eben keine Auskunft geben will, der ganze Bereich der InvestigativReportage vor allem. Problem Hausrecht Wo immer wir auf privatem oder öffentlichem Grund filmen wollen, ist ein Einvernehmen herzustellen darüber, wieweit das Hausrecht berührt ist. Das ist einfach, wo man zum Dreh eingeladen ist, womöglich noch eine Pressekonferenz geboten wird. Dann ist man immerhin schon einmal an einem themenrelevanten Ort. Hier wiederum eine Hinter-den-Kulissen-Reportage zu drehen, ist eine ganz andere Frage. Das Hausrecht beginnt am Eingang, eigentlich bereits an der Linie, die gedanklich und oft auch tatsächlich den öffentlichen Straßenbereich von dem Privatgrundstück trennt. Das kann erkennbar sein an der Art, wie die Pflastersteine gelegt sind. Hausmeister wissen das ganz genau! Die Polizei übrigens auch. Das ist relevant beim Dreh von Außeneinstellungen. Einer noch so begründeten Absicht, eine schönere Einstellung der Fassade zu bekommen, hilft es nicht, wenn jemand nicht will, dass wir den Grund betreten. Bei Dreharbeiten in Privathäusern ist es nicht einfacher. Im Einfamilienhaus hat man bei einem Vorhaben wahrscheinlich den Besitzer vorher gefragt. Ist er aber Gegenstand der Story, womöglich einer investigativen, ist die Phantasie zu bemühen: wie schaffe
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ich es, den Besitzer vor die Kamera zu bekommen? Wer nicht will, will nicht, siehe „Problem Persönlichkeitsrecht“. Auch bei Einverständnis eines Privatbesitzers hat man noch keinen Freibrief, alle Gemächer eines Hauses spontan abzufilmen. Wenn man allerdings die Maßgabe der Reportage befolgt, dem Protagonisten zu folgen, dürfte man keine großen Probleme damit haben, seine Story auch ins Bild setzen zu können. Ein Privathaus von außen zu filmen, ist unstrittig, wieweit man dazu für den Besitzer negative Informationen en detail preisgeben darf, ist schon wieder strittig. Bei Fabrikgebäuden von außen (hinter dem Zaun!) ist das bei investigativen Geschichten sicherlich kein Problem. Für alle Menschen, die sich auf einem solchen Gelände befinden, gilt selbstverständlich das Persönlichkeitsrecht, jedenfalls soweit sie eindeutig zu erkennen sind. Über das Eindeutig hat vermutlich jeder seine eigenen Vorstellungen. Darauf hoffen, dass man nicht erwischt wird, sollte man heute nicht mehr tun. Satellit und Internet-Archive bereiten ungeahnte Möglichkeiten für viel Ärger. Es wurden schon Videokassetten an Betroffene verkauft, die heimlich gefilmt wurden, und zwar fern von Europa. Die Welt des Persönlichkeitsrechtes ist klein geworden, und teuer. Problem Persönlichkeitsrecht Ob jemand zu erkennen ist, egal ob in positiven oder negativen Zusammenhang, er hat ein Recht am eigenen Bild. Das ist, zur Not schriftlich, vorab zu klären, wer nicht will, will nicht. Und wir können unverrichteter Dinge wieder abziehen. Das Verfahren ist natürlich auf größeren Plätzen völlig undurchführbar. Deshalb hat die Rechtssprechung sich auf die Realität ein wenig eingelassen. Wo ein deutlich zu sehendes Kamerateam offen (!) tätig ist, für jedermann sichtbar, kann unterstellt werden, dass sich diejenigen, die nicht im Bild sein wollen, dies dem Team sagen. Eine ausgesprochene Widerspruchs-Pflicht resultiert aber nicht daraus. Oft geschieht das ja auch. Bei besonders totalen Einstellungsgrößen entfällt das Problem ohnehin, die Reportage allerdings will ja nicht total sein, sondern nah am Objekt. Wir stehen mitten im Feld von „Trial and Error“. Nur dass der Versuch allein schnell zu erheblichen Problemen führen kann. Was ist, wenn jemand nicht gedreht werden will und dies dadurch dokumentiert, dass er die Hand vor die Kameralinse hält, und man ihn womöglich durch die Finger hindurch noch gut erkennen kann? Kann man das Material nutzen bis zu diesem letzten Moment? Oder gar nicht? Die Rechtssprechung kann sehr unterschiedlich sein, zumindest in der ersten Instanz. Ein Gang zum Hausjuristen ist in solchen Fällen dringend zu empfehlen.
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Nah dran am Menschen bedeutet: Volles Einverständnis, im Zweifelsfall schriftlich, herbeiführen! Solche Einverständniserklärungen kann man vorbereiten und unterschreiben lassen. Tipp: Ein noch vergleichsweise einfacher Trick, das Einverständnis von bereits gedrehten Personen zu dokumentieren, ist, ihnen ein kleines Honorar für „Mitwirkung im Bild“ zu geben, und sei es in die Kaffeekasse. Eine Quittung mit vollem Namen ist selbstverständlich. Ein wichtiges Dokument, falls es später Ärger geben sollte. Detailfragen gibt es ohne Zahl. Beispiel Schule: Die Kinder können einverstanden sein, mangels Volljährigkeit haben aber die Eltern das Sagen. Ganz zu schwiegen von den Lehrern im Bild, von der Schulleitung, der Schulbehörde, dem Ministerium! Der Alptraum eines Reporters ist der Dreh in einer Schulklasse, bei der alle minderjährigen Schüler im Bild sein sollen, um dann spontane Gespräche zu führen… Es gibt auch Menschen, die unter Vormundschaft stehen, ohne dass man davon weiß oder es ihnen ansieht. Entmündigt hieß das früher. Die Vormundschaft wird gerne von Rechtsanwälten wahrgenommen. Vorsicht also bei spontanen Drehs in Altersheimen oder mit Behinderten! Die Ahnungslosigkeit eines Reporters ist schwer zu beweisen, Schadensersatz ist teuer. Versteckte Kamera Bei der beliebten Arbeit mit versteckter Kamera verhält es sich ähnlich. In einer solchen Drehsituation kann von einem allgemeinen Einverständnis nicht ausgegangen werden. Das Persönlichkeitsrecht gilt uneingeschränkt, wird in der Rechtssprechung allerdings relativiert, wenn es sich um relevante Fragen, also Themen handelt, die von erheblichem öffentlichem Belang sind, öffentliche Skandale etwa. Dann kann unterstellt werden, dass sich ein Reportage-Team auf die Aufgabe der „Vierten Gewalt“ im Staate berufen kann, selber also gerade eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, etwa die Aufdeckung eines Skandals berichtet. Es kommt aber immer auf die individuelle Güterabwägung durch einen Richter an. Der kann aber ganz eigene Vorstellungen haben. Und bis zum Weg durch alle Instanzen ist ein Sendetermin längst vorbei. Große Künstler an der investigativen Kamera wissen noch ein paar Tricks, die Gebote von sichtbarer Kameraarbeit und versteckter Absicht mit einander in Einklang zu bringen. Eine Kamera muss ja manchmal kontrolliert werden… Man kann die Kamera auch
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umgehängt an der Seite baumeln lassen (Achtung auf waagrechte Haltung!), kein Blick geht in den Sucher. Aber illegal bleibt illegal. Bei dieser Gelegenheit sei auf ein naheliegendes Problem hingewiesen, das erheblichen Ärger bereiten kann: Das heimliche Aufnehmen von Tönen. Jede heimliche Aufnahme von Tönen ist verboten. Beispiel: Der Reporter ruft jemanden bei laufender Kamera an, will die Antwort protokollieren, das Telefon wird auf Lautsprecherbetrieb geschaltet, man hört die Antworten deutlich. Oder die Kamera bleibt in der Totalen, der Ton soll aber ganz deutlich sein, er ist wichtig. Ein Sender-Mikro wird aus Gründen der optischen Ästhetik unsichtbar installiert. Für einen Juristen ist das vorsätzliches und auf jeden Fall illegales Abhören. Schon der Versuch, also die technische Vorbereitung wie das versteckte Anbringen von Mikrophonen, ist strafbar. Es ist nicht ganz unwichtig, hatten wir doch festgestellt, dass in bestimmten, schwierigen Situationen wenigstens der Ton einigermaßen gelungen sein sollte. Hier ist es umgekehrt. Eine versteckte Kamera kann unter Umständen vor Gericht toleriert werden, ein verstecktes Mikrophon sicherlich nicht. Dies ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, die Rechtssprechung wurde nicht angepasst, was uns aber nichts nützt. Bei investigativen Berichten wird in solchen Situationen tief in die Trickkiste gegriffen. Von – angeblich – nachgesprochenen Originaltönen ist dann die Rede. Oder im Bild von angeblich nachgestellten Szenen. Auch die Behauptung, es handele sich um zugespieltes Videomaterial, lässt einen erfahrenen Reporter aufhorchen. Die meisten dieser angeblichen Kunstgriffe, eine Story zu retten, erfüllen aber sowieso nicht die Handlungsweise der Reportage. Authentisch ist das alles nicht. In solch schwierigen Fällen ist dringend zu raten, sehr früh über Alternativen zum Vorgehen nachzudenken, der berühmte „Plan B“ ist gefragt. Tipp: Nah dran am Menschen bedeutet: Volles Einverständnis – im Zweifelsfall schriftlich herbeiführen! Solche Einverständniserklärungen kann man vorbereiten und quasi nebenbei unterschreiben lassen. Authentisch Pixeln? In vielen Sendungen, vor allem aber im Magazinbereich, hat sich das Verfremden von Gesichtern oder O-Tönen als halbwegs taugliches Mittel durchgesetzt, Persönlichkeitsrecht und Medieninteresse ein Einklang zu bringen. Bildfelder werden künstlich verdunkelt, oder sie werden „gepixelt“, d.h. mit einem mehr
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oder minder groben Bildraster überdeckt. O-Töne werden durch einen AudioFilter geschickt, der die Stimmhöhe und Resonanz der Stimme verändert. Aber digitale Effekte können auch digital umgekehrt werden, und die StimmCharakteristik verändert keine Maschine. Piepser können einzelne Wörter überdecken, wenn es wenige sind, kann dies durchaus den investigativen Charakter einer Geschichte zusätzliche Spannung geben. Auf Dauer aber wird es auf die Nerven gehen. Klar bleibt unsere Reporter-Absicht, eine interessante Story auch authentisch abzubilden. Dies schließt eigentlich alle Distanzierungen aus, jede Verfremdung ist eine solche Distanzierung. Wir sollten also vermeiden, in diese Lage zu kommen. Wieder ist Plan B oder die Meta-Ebene unsere Lösung. Problemfall Prominenz Von einem Spezialproblem im Umgang mit Personen der Zeitgeschichte soll am Ende dieses Abschnittes die Rede sein. Solche Personen von größerem öffentlichem Interesse haben de-facto ein eingeschränktes Persönlichkeitsrecht. Das ergibt sich aus einen öffentlichen Amt, aus einer größeren zeitgeschichtlichen Bedeutung, das ergibt sich auch aus einem In-die-Öffentlichkeit-Drängen von eigentlich nicht so wichtigen Persönlichkeiten, der sogenannten Prominenz. Die hat aber oft gute Anwälte, die Rechtssprechung ist hier in großer Bewegung, siehe das sogenannte „Caroline-Urteil“. Im Bereich der Kriminalität kann bei erheblicher krimineller Energie und entsprechendem Schaden von einem Interesse des Staates ausgegangen werden, solche Taten publik zu machen. Der Täter hat bei größeren Tatbeständen ein eingeschränktes Persönlichkeitsrecht zu erwarten. Bei verurteilten Tätern, jedenfalls nach Verbüßung der Strafe und nach Ablauf einer gewissen Frist, hat man nach Ansicht der Gerichte als rehabilitiert zu gelten. Auch der größte Gangster hat ein Recht darauf, nach einer bestimmten Zeit von den Medien in Ruhe gelassen zu werden. Wann, ist Ansichtssache der Richter. Grundlage ist hier das sogenannte Lebach-Urteil, bekannt und bei Journalisten gefürchtet, weil es so manche gute Story unmöglich gemacht hat. Das Grundsätzliche am Lebach-Urteil ist: Rundfunkfreiheit steht gegen Persönlichkeitsrecht. Beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 5. Juni 1973 ging es um den sogenannten „Soldatenmord in Landsweiler“. 1969 waren bei einem Überfall auf ein Munitionslager vier Soldaten getötet worden. Die Haupttäter wurden 1970 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, ein Mittäter wegen Beihilfe zum Mord zu sechs Jahren Haft. 1972 plante das ZDF ein Fernsehspiel. Das Dokumentarspiel sollte zwar mit Schauspielern das Geschehen nachstellen, als Opening aber die tatsächlich Beteiligten inklusive Namen zeigen. Einer der
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Mittäter klagte beim Landgericht in Mainz und beim Oberlandesgericht in Koblenz. Seinem Antrag auf einstweilige Verfügung wurde nicht stattgegeben und er legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht erließ dann eine einstweilige Anordnung, in der die Ausstrahlung verboten wurde. Die Richter argumentierten, dass wohl zum Zeitpunkt des Geschehens ein öffentliches Interesse bestand, Jahre später aber das Persönlichkeitsrecht des Täters stärker wiegt als das öffentliche Interesse, insbesondere dann, wenn eine erneute Berichterstattung zum Beispiel der Resozialisierung der Täter schaden würde. Beispiel: Der bereits mehrfach angesprochene Themenbereich Stasi-Unrecht: Ein Mann sollte von der ostdeutschen Staatssicherheit umgebracht werden, wie lange nach der Wende aufgetauchte Dokumente beweisen. Die in Frage kommenden Täter sind bereits in anderen Fällen rechtskräftig verurteilt. In dem neuen Fall lehnt die Staatsanwaltschaft eine Neuauflage der Verfahren ab. Das kann man kritisieren, z.B. mit einer schönen Reportage, die die Täter aufsucht und sie mit den neuen Vorwürfen und Dokumenten konfrontiert. Das ging im konkreten Fall nicht, weil die Täter ja verurteilt sind und jetzt das Recht auf Rehabilitation genießen. Keine Bilder, keinen Namen, nichts, keine Reportage übrigens auch! Der Fall war zu eindeutig, persönlichkeitsrechtlich wohlgemerkt! Juristisch ist das sicherlich in Ordnung, es gibt aber im investigativen Bereich durchaus Themen, die am Lebach-Urteil an zu hohe Hürden stoßen. Was ist z.B. mit berechtigter Justizkritik? Ein Urteil erweist sich nach einiger Zeit als völlig unzureichend, weil von falschen Voraussetzungen ausgehend. Neue Beweise sind aufgetaucht. Der Staatsanwalt will aber nicht neu eröffnen. Ein klassischer Fall für die Journalisten. Den Täter, obwohl verurteilt, kann man kaum mit Namen nennen, erst recht nicht die Person in Bild und Ton zeigen. Die moralische Entrüstung sollte ein Reporter nicht dazu veranlassen, sich über handwerkliche und juristische Regeln hinwegzusetzen. Der sicherlich vorhandenen journalistischen Trickkiste steht im Normalfall nicht eine entsprechende Kasse zur Verfügung, um erhebliche Schadensersatzzahlungen zu ermöglichen. Auch Rechtsschutzversicherungen zahlen übrigens keine Strafen! Vor den Richter kommen die direkt Verantwortlichen, selten der Leiter einer Redaktion. Die Lösung heißt auch hier: Plan B, oder wirklich einmal eine andere Form als die der Reportage wählen. Es ist dies einer der wenigen Fälle, wo man es mit Themen zu tun hat, die einfach nicht mit der Reportage anzuhandeln sind.
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Vom Umgang mit Straftaten Das Illegale ist immer ein schönes Thema für eine Reportage. Es eröffnet gesellschaftliche Bereiche, die sonst verschlossen sind, die dadurch hochinteressant sind für jeden Zuschauer. Es eröffnet Jagdszenen, die das Herz höher schlagen lassen; das Illegale vermittelt dem Zuschauer das wohlige Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, sich moralisch abzugrenzen und doch bei etwas Anrüchigem dabei zu sein, wie im Kriminalfilm. Dazu gibt es zwei denkbare Zugänge: Die Täter und die Verfolger. Das Sujet der „Blaulicht“-Reportagen hat hier seine Wurzeln. Es wird aber immer eine primär anrüchige Perspektive sein: Einmal die der Strafverfolgungsbehörden mit wahrscheinlich eigenen kriminalpolitischen Interessen an der Story (sonst würden wir kaum eine Drehgenehmigung bekommen), oder: Wir stoßen sehr schnell an die Grenzen, die das Persönlichkeitsrecht auch von Tätern darstellt. Strafverfolger haben außerdem immer weniger Interesse daran, den eigentlichen Sachverhalt zusätzlich zu komplizieren, indem ein fremder, nämlich journalistischer Fall hinein gewoben wird und die Polizisten vor Ort sich mehr um die Realisierung einer Fernsehsendung kümmern müssen als um die eigentliche Aufgabe, die Aufklärung des Falls. Manche Innenministerien haben es deshalb ganz aufgegeben, Drehgenehmigungen für das Begleiten von Polizeistreifen zu erteilen. Zu oft hatte es Probleme gegeben im Dickicht von Sicherheits- und Reporterinteressen. Der zweite Zugang: Es handelt sich um die Perspektive der Straftäter selber, die aus grundsätzlichen Erwägungen kaum in Frage kommen dürfte. Wollen wir authentisch reportieren, haben wir Grenzen zu respektieren. Beispiel Warum gibt es eigentlich so wenige gute Reportagen über das Alltagsphänomen der Graffitti-Sprüher? Die Antwort lautet: Weil es eine Straftat ist. Illegales Besprühen mit noch so kunstvollen Graffittis bleibt illegal, solange der Inhaber des besprühten Objektes damit nicht einverstanden ist. Ist er natürlich selten. Das mag man kritisieren, wenn es sich um öffentliche Bereiche handelt, gerade damit ist es ein besonders schönes Reportage-Thema. Aber es ändert nichts, wer als Reporter „live“ dabei wäre, wie jemand nachts S-Bahnzüge „verschönert“, würde sich der Beihilfe zu einer Straftat schuldig machen. Eigentlich müsste man den Täter sogar an der Tat hindern oder wenigstens anzeigen. Das ist schwer vorstellbar unter dem journalistischen Ethos des Zeugenschutzes. Wir stehen noch schneller selber vor dem Richter, wenn wir uns, was eigentlich in der Planung einer Geschichte selbstverständlich ist, mit einem
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Sprayer verabreden, Ort, Zeit, in der Absicht, das Entstehen eines illegalen Graffitis zu dokumentieren, sind wir bereits Mittäter. Stellen wir uns auch den „Plan B“ vor zum selben Thema. Er ist juristisch unproblematisch, moralisch aber eben so fragwürdig. Wir begleiten eine Polizeistreife der Bahn, die sich auf die Verfolgung von illegalen Sprayern spezialisiert hat. Natürlich haben wir mit dem berüchtigten Vorführeffekt zu tun: Immer wenn man Zeit, Drehgenehmigung der Polizei und Gelegenheit hat für den Dreh, ist nichts los. Ein legales Sprühen zum illegalen zu stempeln, wäre ein Betrug am Zuschauer. Wir spekulieren mit „Plan C“: Natürlich haben wir Kontakt in die SpayerSzene hinein, das gebietet uns schon die offene Recherche. Wir kennen die Experten, die Jugendarbeiter und die anderen, die wissen, wann wo was geplant ist. Es wäre ein Leichtes, dieser Aktion die Polizei hinterher zu schicken. Wir wären „zufällig“ dabei und hätten eine hervorragende Reportage. In der entsprechenden Sprayerszene dürften wir uns sicherlich nicht mehr blicken lassen, zu recht: Verbrannte Erde. Juristisch hätten wir völlig korrekt gehandelt. Das Dilemma ist für Reporter kaum lösbar. Besonders in der Alternativund Jugendkulturszene gibt es zahlreiche Beispiele dafür. Auswege und Tricks gibt es nicht sehr viele, das Problem zu lösen. Sich thematisch auf die abstrakte Ebene zurückzuziehen, sprich mit Experten oder Künstlern darüber zu reden, wie es wäre, wenn…, das ist unter dem Reportage-Ansatz völlig unbefriedigend. Auch die legale Version kommt der Forderung nach Spannung nicht nach. Ein anderer, sicherlich nicht ganz befriedigender Ausweg ist es, die geschehene Tat, nachzuempfinden, etwa mit Tatzeugen am Originalschauplatz, am konkreten Objekt, mit der authentischen Emotion der Betroffenen. Nachstellen und „Faken“ verbieten sich aus unterschiedlichen Gründen. Immerhin könnte man eine szenische Auflösung eines ansonsten statischen Vorgangs versuchen mit Gesprächssituationen zu drehen. Etwa so: „Wie macht man das denn normalerweise…?“, Zeigen Sie uns doch einmal, wie das geschah und wie es aussah…!“ Es ist das Spiel, Unsichtbares, Vergangenes wieder sichtbar, fühlbar zu machen. Wahrscheinlich ist diese Methode immer noch besser als eine Geschichte über abstrakte, symbolhafte Bilder aufzulösen und nachzuerzählen. Eine gründliche Recherche ist immer Voraussetzung für eine gute Story. Wie gut die Story dann letztendlich wird, hängt zum großen Teil von der Arbeit des Kameramanns ab. Wie reagiert er in den entscheidenden Situationen? Stimmen Recherche und Vorabsprachen, kann es losgehen.
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Tipp: Ein Weg wäre, und er wurde auch in einer Produktion beschritten, nach Filmmaterial in der Szene Ausschau zu halten. Vielleicht hat ja beim obigen Beispiel jemand unter den Sprayern eine Vorstellung von unserem Dilemma und hat „zufällig“ eine Videokamera. Das Drehmaterial könnte er uns ja zuspielen. Liveartige Gespräche während der Aktion kommen so zwar nicht zustande, auch keine kritischen. Der Reporter hat aber immerhin authentische Bilder. Aber Vorsicht mit Honorarzahlungen! Würde ein Ermittler herausfinden, dass es vor einer beabsichtigten illegalen Aktion konkrete Verabredungen über Honorar und Materialablöse gab, hätten wir als Reporter wieder ein Problem. Auch das nachträgliche Umarbeiten und Umformatieren professionellen Materials zum quasi privaten Video (mit einem roten Live-Recording-Licht im „Sucher“ und ähnlichen Gimmicks, die die Video-Software-Industrie anbietet) hat juristisch seine Tücken. Die Tricks sind bekannt und man hat sich dem Vorwurf der Verschleierung einer Straftat auszusetzen.
Solch eine ähnliche Situation soll in folgendem Beispiel geschildert werden. Der Autor drehte für den ARD „Ratgeber Geld“ Anfang der 90er Jahre ein Geschichte über das Thema „Glücksspiel“ - verbotene Geldspiele, Pilotenspiele, Pyramide, Admiralsspiel oder wie auch immer diese Spiele heißen. Das Prinzip ist immer das gleiche. Beispiel: Von einem Mitspieler wird verlangt, dass er einen bestimmten Geldbetrag in ein Spiel einbringt, bezahlt. Davon werden dann die „über ihm stehenden“ Mitspieler bezahlt und er hat dann die Aufgabe, wieder neue Mitspieler heranzuschaffen. Wenn er eine bestimmte Zahl neuer Mitspieler hat (meist acht), rückt er eine Stufe auf. Und so weiter. Rein rechnerisch kann so ein Spiel nie funktionieren, weil nach ganz wenigen Runden die ganze deutsche Bevölkerung mitspielen müsste. Aber immer wieder wurden und werden solche Spiele aufgezogen, bei denen dann meist nur die Initiatoren oder einige Wenige profitieren. Die Masse der Mitspieler bezahlt drauf. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung waren viele Menschen in den neuen Bundesländern zu „naiv“ und glaubten den Versprechungen der so genannten „Finanzberater“ aus dem Westen; denn die kamen ja aus dem Kapitalismus, mussten ja wissen, wie man zu Geld kommt. Um ein Spiel, als Beispiel, zu drehen, stürmte das Team in einen Veranstaltungssaal. Ohne Drehgenehmigung und ohne vorheriges Anmelden. Der Dreh war in fünf Minuten vorbei und das Team wurde aus dem Saal gebeten.
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Auf der folgenden Seite ist ein Zeitungsauszug der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 9.1.1991. Damals konnten alle Beteiligen mit Namen genannt werden, wie auch im Fernsehbericht. Das öffentliche Interesse stand über dem Schutz des Persönlichkeitsrechts. Damals. Heute, Jahre später, greift das „Lebach-Urteil“ (siehe weiter oben) und alle Namen müssen geschwärzt werden. Die Beteiligten befinden sich in Rehabilitation und genießen den Schutz des Persönlichkeitsrechts.
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Checkliste Persönlichkeitsrecht Ist die Person ins Blickfeld der Öffentlichkeit getreten? Handelt es sich um eine „absolute Person der Zeitgeschichte“? Ist die Person durch Geburt, Stellung in der Gesellschaft, besondere Leistungen, Taten oder Untaten außergewöhnlich aus dem Kreis der Mitmenschen hervorgehoben wie z.B. Politiker, Schauspieler oder Sportler? Bei regionaler Berichterstattung sind auch nur regional bekannte Politiker oder Sportler (wie z.B. Kapitän der örtlichen Fußballmannschaft) Personen der Zeitgeschichte. Falls nein: Handelt es sich um eine „relative Person der Zeitgeschichte“? Ist die Person durch ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Person in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten? (z.B. Begleitpersonen von absoluten Personen der Zeitgeschichte oder verdächtigte Personen, denen eine besonders schwere Tat zur Last gelegt wird? Spielt sich die Szene in der Öffentlichkeit ab? Und kann die Person der Zeitgeschichte von jedermann gesehen werden? Nicht öffentlich sind Privatbereiche, für die ein Dritter das Hausrecht ausüben kann. Gibt es „widersprechende berechtigte Interessen des Abgebildeten“? Geschützt sind Intimsphäre, besondere Bereiche der Privatsphäre, besondere Sozialbindungen. Verletzt das Bild die „geschützte Intimsphäre“? Sie schützt den engsten unantastbaren Raum der Persönlichkeit eines Menschen insbesondere den sexuellen Bereich, Krankheit, körperliche Gebrechen etc. Je konkreter und detaillierter die Darstellung ist, um so eher gehört sie in diese Tabuzone. Hat jedoch jemand sein Intimleben selbst öffentlich gemacht, dann ist er allerdings nicht mehr schützenswert. Oder verletzt das Bild die „geschützte Privatsphäre“? Hierzu zählt vor allem der familiär-häusliche Bereich, der ohne Einwilligung des Abgebildeten nicht zugänglich ist. Es gibt aber auch örtlich abgeschiedene Bereiche in der Öffentlichkeit (z.B. das Hinterzimmer eines Lokals).
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Sind „geschützte Sozialbeziehungen“ tangiert? Z.B. wenn sich die Mutter ihrem Kleinkind zuwendet. Dient die Darstellung dem öffentlichen Interesse? Die Darstellung darf nicht nur der Befriedigung der privaten Neugier dienen. Hat die Darstellung einen Informationswert für die Allgemeinheit? Je geringer dieser ist, desto schwerer wiegt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Der Informationswert sollte bereits in der begleitenden Information, wie dem Text oder Einblendungen deutlich gemacht werden.
15 Anhang 15.1 Anhang
Glossar Achsensprung, Montage- und (richtiger) Drehfehler. Wenn sich zwei Menschen gegenübersitzen, bilden sie eine Achse. Wird ein Interview mit zwei Kameras aufgenommen, sollten beide Kameras auf derselben Seite der Achse stehen. Schneidet man die Bilder gegeneinander, schauen sich die beiden Personen an. Der eine links-rechts, der andere rechts-links. Geht eine Kamera über diese „Achse“, spricht man von einem Achsensprung. Das Gesetz von der einen Achse gilt nicht nur für Interviews, sondern auch für Handlungen. Manchmal wird bewusst ein Achsensprung in Kauf genommen, aber rein aus künstlerischen Überlegungen, nicht aus denen der Reportage. Bei der Arbeit mit einer Kamera und bei dem reportageüblichen Verzicht auf nachgestellte Reporterfragen oder Reporterzwischenschnitte, sowie bei rein situativer Kamerabewegung dürfte die Gefahr eines Achsensprunges aber gering sein. Anschluss, im Englischen Continuity. Eine Szene ist gedreht, die nächste muss widerspruchslos daran passen. Hält der Protagonist beim Ablegen der Akten den Kugelschreiber in der rechten Hand, sollte er das auch tun, wenn die Szene aus einer anderen Perspektive noch einmal gedreht wird. In der Abbildung authentischer Handlungsabläufe besteht eine geringe Gefahr von Anschlussfehlern, sie treten eher in der fahrlässigen regiehaften Gestaltung eines Beitrages auf. Gefährliche Situationen für Anschlussfehler sind Menschen, die eine Brille aufhaben oder rauchen. Aufsager, Journalisten-Jargon für Reporter-Statement im ĺ ON AVID, eine 1987 in den USA gegründete Firma, die sich mit Video, Audio, Games, 3D-Effekten und Streaming beschäftigt. Die Firma hat auch eine maßgebliche Standardtechnik (Hardware und Software) geschaffen, um digital Filme zu bearbeiten, zu schneiden, den sogenannten nonlinearen Schnitt: Media- und Film-Composer. Der AVID ist Synonym für den Schnittplatz allgemein geworden. B-Roll, von Firmen (oder in ihrem Auftrag von Produktionsfirmen) selber gedrehtes, meist sehr gutes Rohmaterial, das den Medien zur Verfügung gestellt wird, um entweder einen großen Medienansturm zu unterbinden, besonders in empfindlichen Firmenbereichen, oder um sich selber besser darzustellen. B. ist
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ein gutes Angebot für Nachrichtenfilme, Hintergrundinfos, für recherchierte, gar investigative Reportagen taugt es nicht. B. beinhaltet in der Regel auch keine OTöne, wenn, dann Statements der Geschäftsleitung. Cliffhanger, aus dem Fernsehdrama entliehene Formulierung: jemand hängt an den Klippen kurz vor dem (erwarteten) Absturz, dann unterbricht der Film (für Werbung), die Spannung wird gehalten. Clips, Video-Clips, kurzgeschnittene Bildmontagen, häufig als Inhaltsübersicht am Anfang längerer Reportagen gebraucht, vor allem als ĺ Cliffhanger und Reminder vor bzw. nach einer Werbeunterbrechung. Cutter, Fachkraft für den Filmschnitt, d.h. zum Auswerten, Auswählen und Zusammenstellen des Rohmaterials nach dramaturgischen und technischen Gesichtspunkten, zuständig auch für die Nachbearbeitung (Schnitt der Töne, Hinzufügen von Musik, Einblenden von Titeln, Bearbeitung von Blenden aller Art). Im realen zelluloidgestützten Film wird noch mit einem Schneidegerät abgeschnitten, im elektronischen Schnitt werden die nach ĺ Timecodes ausgewählten Sequenzen auf einen anderen Träger überspielt/kopiert. Rechnergestützte Schnittsysteme reihen die definierten Sequenzen in Realzeit aneinander bei der Ausspielung/Sendung. Dogma-Film, benannt nach der Gruppe „Dogma 95“ skandinavischer Filmemacher, die den Regeln der Reportage folgend authentische Szenen im Spielfilm gestalten. Dokumentarfilm, sachliches Abbilden einer Handlung oder eines Schauplatzes, in der Regel ohne sicht- und hörbares Eingreifen von Reportern oder Autoren, Aufbau meist linear, chronologisch. Dokumentation, sachliche und umfassende Darstellung eines Sachverhaltes, gegliedert nach kausalen Kriterien, sie kann allerdings mit Reportage-Elementen gebaut sein, z.B. der Fallstudie oder Gesprächen an inhaltlich bezogenen Schauplätzen. Dramaturgie, dem Theater entliehene gewollte Struktur eines Filmes nach inhaltlichen oder Spannungs-Kriterien. EBU, European Broadcasting Union, (Europäische Rundfunkunion) Zusammenschluss von über 70 Fernsehgesellschaften, die untereinander alle Program-
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me und News austauschen. Das bekannteste Gemeinschaftsprogramm ist, neben Sportveranstaltungen, der Eurovision Song Contest. Oft sind EBU- Techniker die ersten, die in Krisengebiete fahren und Überspielungen von Fernsehbeiträgen organisieren. Auch Nichtmitglieder können den Dienst gegen eine Gebühr nutzen. In Deutschland sind die ARD und das ZDF Mitglied in der Schweiz SRG/SSR und in Österreich der ORF. Die EBU verstärkt oder ersetzt feste Strukturen, falls nötig. Echtzeit, (realtime) Timecode-Einstellung der Kamera auf die normale Uhrzeit. So kann sich der Reporter beim Dreh um 15.23.15 Uhr eine Notiz machen, wenn zum Beispiel ein Redeausschnitt besonders gefallen hat. Um 15 Uhr 23 Minuten und 15 Sekunden beginnt der Satz; vorausgesetzt, Kamera-Uhr und die Uhr des Reporters sind vorher synchronisiert worden. Ein einfacher Trick, mit großen Mengen Redematerial schnell fertig zu werden. Editing by camera, Bildangebot durch Kameramann/frau, das es ermöglicht, ohne weitere Umstellungen live-artig die gedrehten Einstellungen aneinander zu montieren, E. spielt eine Rolle bei Produktionen, die ein Ereignis linear abbilden oder sonst wie unter großem Zeitdruck stehen. Establishing shot, Einführungs-Szene, hinführende Einstellung oder Vorlauf in einer ungeschnittenen Szene hin zu einem Höhepunkt, einem O-Ton, typisch sind Gänge zur Kamera, Arbeiten am Arbeitsplatz. In der Reportage ist besser: authentische Szene mit dem Protagonisten, Interview in der vorhandenen echten Szenerie. Feature, sachlich aufgebauter Bericht mit Anspruch auf Vollständigkeit und Ausgewogenheit, geordnet nach inhaltlichen, kausalen Kriterien; entspricht dem Magazinbericht und der reinen Nachricht. Fließ-MAZ, ein live eingespielter, vorproduzierter Beitrag, der fließend in eine laufende Live-Sendung, ON-Reportage eingebracht wird. Kann fertig betext und gemischt sein, kann aber auch live betextet werden. Wird entweder auf verabredetes Stichwort des Reporters hin oder an einer verabredeten Stelle abgerufen. Förderkorb-Modell, lineare, dynamische Dramaturgie, bei der wie in einem Bergwerk und seinen Förderkörben abseits der Haupthandlung Nebenstränge und Nebenprotagonisten entdeckt werden. Siehe auch Roadmovie!
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Format-TV, nach Marketing-Gesichtspunkten strukturiertes Programmangebot mit relativ strengen äußerlichen vorgaben für die Dramaturgie. Frames, frame-genau, bildfeld-genau, präzise Montage von Bild und Ton je nach den Bildfeldern, im TV 25 Bilder pro Sekunde. GMT (Greenwich Mean Time), UTC (Universal Time Coordinated) oder Zulu Time oder Zero Time, die Abkürzungen stehen für eine Zeit, nämlich die Weltzeit, die im britischen Greenwich gemessen wird. Danach richten sich die Zeitzonen. Deutschland hat UTC +1 Stunde. Im militärischen oder weltraumtechnischen Bereich spricht man auch von Zulu oder Zero (null) Zeit. Bei Satellitenüberspielungen ist es unerlässlich, die Zeitzone der gebuchten Abspielorte zu überprüfen. Besondere Vorsicht in der Phase der Umstellung von Winter- und Sommerzeit, nicht alle Länder schalten gleichzeitig um! Inserts, grafische Text- oder Bildvorlagen, z.B. Dokumente, Buchzitate, Zeitungsausschnitte. Investigativ-Reportage, Enthüllungsgeschichte, das klassische Genre der Reportage. Ein Reporter enthüllt unbekannte, überraschende Sachverhalte, auch nicht sichtbare Geschichten können mit der Reportage visualisiert werden, indem die Suche nach dem Sachverhalt thematisiert wird. Kadrierung, nach dramaturgischen und wahrnehmungs-psychologischen Gesichtspunkten gewollte Bildgestaltung und Bildaufteilung zwischen Vorder- und Hintergrund, zwischen Wichtigem und Unwichtigem, zwischen oben und unten; dazu gehört auch der nötige Freiraum oberhalb eines sprechenden Akteurs („headroom“). Die K. wird erleichtert durch einblendbare (einsetzbare Gitternetze im Sucher. Klappe, umgangssprachlich für „neue Aufnahme-Version“, neuer Versuch einer Einstellung, eines O-Ton-Statements; entlehnt dem Spielfilm, wo auf dem Set mit einer Holzklappe das Synchron-Signal für – den getrennten - Bild und Ton gesetzt wird, verbunden mit den Notizen für die Nummer der entsprechenden Szene. Mehrere Klappen für eine Einstellung in der Reportage verbieten sich, da nicht authentisch. Lead-Satz, von to lead = anführen, der Satz, der einen Bericht eröffnet und den Tenor und die Richtung vorgibt. Im Boulevard-Journalismus der wichtigste Satz.
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Logging-Listen (Log-Listen), Notizen mit den Grundinformationen des gesichteten Materials, wie Timcode, Bildinhalt, Eignung, Länge der Szene u.a. Log-Sheet, schriftliche Übersicht über die gedrehten Aufnahmen, geordnet und kurz beschrieben nach ĺ Timcodes, Bildinhalt, verwendbarer Länge und Qualität. Das L. entsteht beim Loggen, dem Sichten des Rohmaterials. Das L. kann die Schnittzeit erheblich reduzieren, ebenso die Schnittkosten. Das Loggen unterstützt sehr die Findung der Dramaturgie der Reportage sowie dem Erstellen eines Rohtextes. Moderation, Einleitung eines Sprechers oder Reporter im Studio oder an Originalschauplätzen, immer im ĺ ON. OFF, eigentlich Off-the-screen: Reporter oder Protagonist sprechen unsichtbar für die Kamera bzw. unterschnitten mit inhaltlich bezogenen Bildern. ON, eigentlich On-the-screen: Reporter oder Gesprächspartner sprechen in die Kamera Parallel-Montage, zwei oder mehrere Handlungsstränge laufen neben einander her, verlaufen auf demselben Wege ohne sich zwangsläufig überkreuzen zu müssen. Eine Dramaturgie, die bei verschiedenen Möglichkeiten von anlaufenden Entwicklungen angewendet wird. Plot-point, der Höhepunkt eines Filmes, der Ort, wo die eigentliche Geschichte ihren Höhepunkt hat. Presenter, Moderator oder Reporter im ĺ ON. Protagonist, Hauptperson in einem Film, die über die gesamte Laufzeit eine Handlung als Akteur voranbringt oder eine durchgehende Geschichte erleidet Reality-TV, Format, das mit den Mittel der Reportage auch gestellte Situationen nutzt (z.B. Prominente auf einer einsamen Insel), real sind die ablaufenden Aktionen und Interaktionen, der Handlungsrahmen ist aber oftmals künstlich. Reißschwenk, unwillkürlicher oder inszenierter willkürlicher Schwenk, der einer plötzlichen Verlagerung des Handlungsschwerpunktes folgt. „reportagig“, umgangssprachlich für reportagehaft, reportagegemäß.
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Reporter-Staffel, Reporter teilen sich eine Gesamt-Geschichte z.B. nach Schauplätzen auf, oder teilen sich die Berichterstattung über eine zeitgleich ablaufende Geschichte, oftmals mit Aufsagern am Anfang und/oder Ende, um den Handlungsstrang wie eine Stafette an den nächsten zu übergeben. Reminder, Gedächtnisstütze, Zusammenfassung der bis zur Unterbrechung durch ĺ Cliffhanger gezeigten Story oder der letzten Folge einer mehrteiligen Serie. Review, wiederholtes Abspielen der geschnittenen Sequenzen zur technischen und redaktionellen Kontrolle. Kann auch zum Gegenlesen eines vorbereiteten (Roh-) Textes genutzt werden. Roadmovie, Film-Genre mit der Betonung der Schauplatzwechsel, des Fahrens als Sinnbild des Suchens. Schärfenverlagerung, ausdrucksstarkes Stilmittel der Bildgestaltung, Verlegung der Kameraschärfe auf einen weiter vorne oder weiter hinten sichtbaren Bildschwerpunkt Schnittpunkt-Modell, mindestens zwei Handlungsstränge laufen parallel oder sternförmig auf einen gemeinsamen Höhepunkt zu; ein dramaturgisches Modell mit hoher Spannung und großem Unterhaltungswert. Statements, ĺ O-Töne mit sachlichem Inhalt; Antworten, denen natürlich eine Frage voraus ging, auf die aber auch verzichtet werden kann, wenn es nur auf die Antwort ankommt, so im Magazinbeitrag. Steady-Shot, technische Vorrichtung zur Stabilisierung des Kamerabildes bei der Aufnahme auf unruhigen Boden oder beim Gehen (subjektive Gänge). In kleinen Video-Kameras auch auf elektronischem Wege erzeugt, bei größeren professionellen Kameras durch Gegengewichte und Kreiselstabilisatoren, ergänzt durch einen Monitor. Der S. garantiert ein gutes, ruhiges Bild auch ohne Stativ. Die Stabilisatoren sind allerdings sehr schwer und sind nicht zu übersehen, eine unauffällige Arbeit ist mit ihnen nicht möglich. Zusätzlich muss zur Führung des Kameramannes ein Assistent eingesetzt werden. Professionelles Arbeiten mit dem S. erfordert ein langes, auch körperliches Training. Talking heads, redende Köpfe, Slang für mehr oder minder inhaltsleere Statements von Funktionsträgern, die nicht in authentische Situationen eingebunden
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sind, sondern extra für dieses Statement „aufgestellt“ wurden. In der Reportage haben sie keinen Platz, da nicht Funktionen und ihre Fachauskünfte eine Rolle spielen, sondern O-Töne echter Menschen, die nicht unbedingt eine wichtige Funktion innehaben müssen. Teaser, Appetitmacher, eine Zusammenfassung interessanter Szenen des kommenden Beitrages. Auch als Programmhinweis-Trailer gebräuchlich. Textperson, die Perspektive eines Textes; denkbar sind „ich“, „wir“, „unser Team“, „der Reporter“, oder aber die Textperson bleibt unsichtbar, der Text bewegt sich auf der subjektiven beobachtenden Ebene des Erzählers. Timecode, elektronisches Zeit-Signal, das parallel zu Bild und Ton auf dem Träger aufgezeichnet wird: Stunde, Minute, Sekunde, Bildfeld („Frame“) sowie in neuerer Technik in Sub-Frames. Die gesamte elektronische Produktion wird über den Timecode gesteuert. Im Schnitt wird deshalb der Anfangs- und der Endpunkt einer zu schneidenden, also zu überspielenden, Sequenz über die markierten Timecodes definiert. Übergang, die Gestaltung von einer Szene in die nächste. Normalerweise durch Schnitt, Blende und Schwenk durch die Kamera. Für einen geschickten Ü. kann die Kamera Vorarbeit leisten, durch ein entsprechendes neutrales, unbewegtes Bild, durch ein Zufahren auf eine neutrale Einstellung. Übergänge zu drehen ist eine wichtige Aufgabe der Reportage-Kamera, die dadurch ĺ „Editing by camera“ ermöglicht. Beim Ü. ist der ĺ Anschluss besonders zu beachten. Videophone, Übertragung digitalisierter Video-Daten per (Satelliten-)Telefon. Die Übertragungsgeschwindigkeit ist abhängig von der Datenrate, d.h. der Auflösung. Je besser die Auflösung, desto länger dauert die Übertragung. Bewegte Bilder bedingen einen erhöhten Rechenbedarf, statische Einstellungen gehen schneller. Dies kann beim Dreh bereits berücksichtigt werden, wenn die beabsichtigte Übertragung schnell gehen soll, ggf. ist die Story auf einen Aufsager zu reduzieren, der vor ruhigem Bildhintergrund stattfindet. Voice-over, mehr oder minder wörtliche Übersetzung eines fremdsprachlichen ĺ O-Tones durch eine deutsche Stimme; macht eine längere Reportage lebendiger. Weißabgleich, Kamerajustierung auf einen neutralen Weißwert. Tageslicht neigt dazu, ins „Bläuliche“ zu gehen, Kunstlicht, normale Glühbirne, tendiert zu
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„Gelb“. Damit weiß auch weiß ist, muss die Kamera eingestellt werden. Semiprofessionelle Videokameras gleichen automatisch ab. Professionelle Kameras haben außerdem Voreinstellungen, Presets, die man auch gestalterisch einsetzen kann, um etwa Kunstlicht kälter erscheinen zu lassen oder, beim Blick vom kalten Außen nach innen, wärmer. Zäsur, Unterbrechung des Handlungsflusses, Ende eines Handlungsstranges, Beginn eines neuen Kapitels. Am reportagigsten ist es, die Z. zu thematisieren, sie sichtbar, spürbar zu machen, z.B. durch Bebilderung des Ortswechsels, Visualisierung des Zeitabschnittes (oder Thematisierung im O-Ton oder Text). Zwischenschnitt, eine Einstellung, um bei einem Zusammenschnitt eines Statements den Bildsprung zu vermeiden, künstlicher Eingriff, der den Handlungsablauf stört, Verlegenheitslösung.
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Fach-Englisch für Reporter abgedreht abgleichen abklammern Abspann Absperrband abspielen abstellen, ausschalten (Gerät) abwarten Achsensprung Achtung Aufnahme! Akkreditierung Akkreditierungsausweis Akku aktualisieren Aktuelles, die Aktualität Allwetterschutz amtlich Anfangstitel Anforderung Anlass Anmeldefrist Anmeldeverfahren Anpassung Anschluss Anschlussszene anstellen, einschalten (Gerät) Antenne antackern Anzeichen Arbeitstag Arbeitstitel Arbeitsverhältnis Arbeitszeit Archivmaterial (-bilder) Aufhänger
dead to adjust, to tune, to match paper up, rush copy credits blocking tape to play, play back turning off, switching off, cutting out to wait (for) reverse angle stand by! accreditation credential rechargeable battery accumulator to update current affairs all-weather protection official opening title requirement occasion, event registration period registration procedure adaption, matching continuity connecting scene turn on antenna to staple indication working day working title terms of employment working hours library material ( pictures) news peg
232 aufmachen mit Aufnahme Aufnahmebericht (Timecode-Liste) Aufsager Aushilfen Ausgang Auslandskorrespondent Außenaufnahme Außenpolitik Autor Ball, am ... sein Band bespieltes B. unbespieltes B. Batterie (-betrieb) Bauchbinde Bearbeiter(Text) (Musik) Bedarf beenden Begleitton Beitrag Beleuchtung beobachten beraten Berichte, aktuelle berichten Bestätigung bewegte Bilder Bild ohne Einblendung (wie Insert, Senderkennung etc.) Bildarchiv Bildformat Bildinhalt Bildschirm Bildwinkel Birne Blitzmeldung, Blitznachrichten
Anhang lead with, open with shot, take, picture dope-sheet stand up runner, supernumerary exit (elekr.- outlet) foreign correspondent exterior shot, ext. shooting diplomatic desk, foreign desk writer, author to be on a story tape recorded unrecorded, virgin tape battery (- operation) insert adaptor arranger requirement, need end, terminate ambient sound story, piece, report, item lighting to observe to advise news coverage, topical reports to report, to cover confirmation moving pictures clean feed picture library image size, frame size, picture ratio, picture shape picture content screen, monitor shooting angle, angle of image light –bulb, bulb news flash, news snap, flash news (pl.)
Anhang buchstabieren Chefredakteur Chef vom Dienst (C.v.D) Datenbank Datenschutzgesetz (das deutsche) Dauer Disponent Dokumentarfilm Dokumentation Dolmetscher Drahtloses Mikrophon drehbar drehen, filmen Dreh Drehgenehmigung Drehort Drehplan Durchwahl EBU Eurovision Echtzeit Einstellung (Kamera), Blickwinkel Endfassung Entschädigung Ersatz Erzähler Exposé Farbbalken Fehler Ferngespräch feste Einstellung Filmarchiv Freiberuflich, Freiberufler Fremdrechte Froschperspektive Funkamateur
233 to spell editor in chief, editor in charge senior duty editor, editor for the day database, data bank Ferderal German Data Protection Act Data Surveillance Act (brit.) Federal Privacy Act (us.) duration, running time booker documentary film; fact film (us.) documentary, documentation interpreter wireless microphone, - micro oder “mike” suitable for filming to shoot shooting shooting permission set shooting plan oder schedule extension European Broadcasting Union Eurovision (kurz: Euro) realtime angle final version compensation replacement narrator synopsis colour bars error, (tech.) fault, failure long distance call fixed angle film library, film archives free-lance external rights tilt shot oder low angle shooting radio amateur
234 Funkanlage Gage ganz groß (Einstellung) groß (Einstellung) Gegenschuß Genehmigung Gleichstrom halbnah (Einstellung) Halbnahe (Einstellung) Halbtotale Handkamera Handy Hauptmoderator Helligkeit Hintergrund Hintersetzer Inhalt Innenaufnahme Intendant Internationale Rücktonleitung Internationaler Ton Internationale Tonleitung Kalkulation Kamera Kanal Kaution Kommentar Kommentator Konkurrent Konto Kopfhörer Kopfhörer mit Mikrophone Kopie kopieren eines Bandes/Kassette Korrespondent Kostenaufstellung Kostenvoranschlag
Anhang radio system fee big close-up close-up oder close shot shot and counter-shot (reverse-shot) permission DC (direct current) semi close-up, close medium shot medium close-up edium long shot, full length shot portable camera, hand – held camera cell phone, cellular, mobile anchorman brightness background back drop content interior shooting chairman of the TV/Radio company IFB, Int. feed back IT, international sound, ambient sound international sound circuit calculation camera channel deposit commentary commentator competitor account headphones headset blueprint, copy, duplicate, dub to make a dub, to dub correspondent cost breakdown, …listing, …report, statement of costs cost estimate, calculation, budget
Anhang kostenlos Kunstlicht Kurzschluss Ladegerät laden Lageplan Lager Länge (zeitlich) Laufzeit Lassoband Lautsprecher Lautstärke Leitung Leitung einrichten Licht Lieferbedingungen live Live auf Band Lizenz löschen (ein Band) Luftaufnahme Mannschaft, Mitarbeitet MAZ (Magnetische Aufzeichnung) Mikrofon Mitautor Moderator moderieren Hauptmoderator (Nachrichten) Nachrichten Nachtaufnahme Nahe (Einstellung) Netz (Strom, Elektrizität) Notstrom Notausgang Objektiv Objektivdeckel Öffentlich-rechtlicher Sender
235 free of charge, for free artifical light, tungsten light short circuit charger to charge site plan, layout plan, mounting diagram depot, stores duration gaffer tape loudspeaker, speaker Sound, volume level, sound level, loudness line, circuit to set up a circuit lighting conditions of delivery (supply), terms of delivery live live to tape license to erase aerial shot crew, staff VTR (Video Tape Recording) microphone, mike co-author moderator, host, presenter present anchor news night shot close up main supply, power backup powert emergency exit lens lens cap public broadcasting station
236 Off-Kommentar Optik Originalband Ortszeit O-Ton Perspektive (Ausblick) (Blickwinkel) Preisnachlass Pressemitteilung Presseempfang Pressestelle Private Sendeanstalt Probe Probelauf Produktion Produktionsfirma Produktionsleiter Produktionssekretärin Produzent Publikum Quelle (Informations-) Recherche Rechteübertragung Redakteur Redaktion Redaktionsleiter Regiepult Regie (-raum) Regiezentrale Regler Reisekosten Richtmirkophon Rolltitel Rotlicht (auf der Kamera) Rückkoppelung Ruhe bitte! Rundfunk Anstalt (Sender) Satellit
Anhang voice-over optics, optical sytem master tape local times talking head outlook perspective discount press reception press release information office private broadcasting station rehearsal test run production prooducion company production manager production secretary producer audience, (auch: the public) source research transfer of rights editor editorial staff senior editor, head of desk master control control room video control room master control room fader travel expenses directional microphone crawl title tally feed back quiet please! broadcasting station satellite
Anhang Scheinwerfer Sendeablauf sendebereit Sendezentrum Schärfe Scheinwerfer Schiebetrick Schnappschuss schneiden Schnittabnahme Schnittbilder (Zwischenschnitte) Schnittliste Schnittraum Schriftgenerator Schulterstativ Schwarzbild Schwenk Schwenk horizontal Schwenk vertikal schwenken schwenken, nach oben schwenken, nach unten Sicherheit (-sdienst) Sicherheitshinweise Sicherheitsvorschriften Sicherung (techn.) Sichten von Material Sondersendungen Sperrfrist gesperrt bis Spesen Spiegel Sprachaufnahme Sprecher Stab Standbild Stativ Steckdose
237 lamp, reflector, spotlight air schedule oder: run down RTS ready to send broadcasting center transmission center focus reflector, spot(-light) wipe snap shot editing, cuting editing acceptance cut aways cut sheet (dope sheet) edit suite character generator shoulder pod black frame pan shot pan tilt to pan to tilt up to tilt down security security instructions security regulations fuse screening specials, current event shows embargo embargoed till allowences, expenses mirror voice over, sound recording speaker, commentator, newscaster staff freeze tripod wall outlet, power outlet
238 Stecker Störung (technisch) Strom Stromausfall Stück (Beitrag) Tagesdisposition Tageslicht Tagesschau (ARD) Taschenlampe Team technische Daten Technischer Leiter Teleprompter Termin Testbild Tiefenschärfe Titel Titeleinblendung Ton Tonarm (Mikroarm) Toneffekte Toningenieur Tonmeister Tonmischer Tonregie Tontechniker Totale (Einstellung) Treatment Unterhaltung Unterkunft Unterschrift Untertitel überblenden Übertragungsrechte Überspielung (Beitrag) überspielen Umgebung
Anhang plug interference, jamming power, current, electricity power cut oder power breakdown piece story call sheet daylight daily TV news transmission torch, flashlight, pocket lamp crew specifications, technical details technical coordinator telepromter, auto cue appointment, date test pattern depht of field (depth of focus) titles caption sound boom arm sound effects sound engineer recording supervisor sound mixer sound control room sound technician long-shot, -distance shot, vista shot, wide shot draft script, treatment entertainment accommodation signatur subtitles crossfade transmission rights feed to feed, to transmit environment, surroundings, setting
Anhang Veranstaltung Veranstaltungsort Vereinbarung Verpflichtung Versicherung Verspätung Verstärker verstärken Vertrag Verwaltung Vorbesichtigung vorbesprechen vorgestellt durch Vor(ab)klärung Vorsicht! Vorspann Vorwahl (national) Vorwahl (international) wählen (Telefon) Wecker Weißabgleich Wechselstrom Wiederholung (Überspielung) Wiederholen (etwas) Windschutz für Mikrophon Zugang Zahlung Zahlungsanweisung Zeitlupe Zeitplan Zeitrahmen Zeitverzögerung Zoomen (ein- und aus-) zurückrufen (Telefon) Zusammenarbeit Zustimmung Zwischenschuss
239 event, show venue, location agreement liability, obligation insurance delay amp, amplifier, booster to amplify, to boost, to enforce contract administration site survey, venue survey discuss in advance presented by pre-clarification caution, care front credits, opening aerea code country code to dial alarm bell, alarm clock white balance alternating current (AC) rerun repeat wind shield oder wind bag access payment payment order slow motion schedule time frame time delay, time lag to zoom , in und out to call back cooperation, teamwork acceptance, accordance cut away shot
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Die Autoren Thomas Morawski, geboren 1951 in der Nähe von Hamburg, arbeitet seit seinem sechzehnten Lebensjahr als Reporter, zunächst für Tageszeitungen, dann für das Fernsehen des Bayerischen Rundfunks, wo er seit 1981 als Redakteur festangestellt ist. Nach der Arbeit in der Magazinredaktion sowie vielen Dokumentationen zog es ihn in die Feature-Redaktion, wo er gemeinsam mit Peter Miroschnikoff die Reportageform weiterentwickelte. Zugleich ist er seit Mitte der 80er Jahre als Sonderkorrespondent im Einsatz mit dem Schwerpunkt der aktuellen Nachrichtenreportage. Einsatzgebiete sind Südosteuropa sowie der Nahe Osten. Er lehrte an den Universitäten München und Bamberg Fernsehjournalismus, ist als Kursleiter für Reportage in der BR-internen Ausbildung tätig, betreute Reportagekurse in der Akademie der Bayerischen Presse, ist langjähriger Dozent der Bayerischen Akademie für Fernsehen (BAF), wird immer wieder zu Vorträgen eingeladen, um über seine Reportereinsätze zu referieren. Er ist auch als Referent gefragt bei der Ausbildung von Nato-Presseoffizieren und an der VNAusbildungsstelle der Bundeswehr in Hammelburg. Im südlichen Afrika half er Anfang der 90er Jahre mit, das bis dato staatlich-sozialistische Fernsehen in Sambia auf eine demokratische Basis zu stellen. Er ist Vorstandsmitglied des Bayerischen Journalisten Verbandes (BJV) sowie dessen Bildungs- und Sozialwerkes, er ist Beiratsmitglied der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Martin Weiss, geboren 1959 in Crailsheim, ist Schlussredakteur und Reporter beim ZDF in der Redaktion Heute-Journal. In zahlreichen Auslandseinsätzen ist er immer wieder in Krisengebieten als Reporter unterwegs, nach dem 11.September 2001 in New York, 2004 in Bagdad und 2006 im Libanon. Nach BWL-Studium und Besuch der Deutschen Journalistenschule in München arbeitete er in verschiedenen Redaktionen des Bayerischen Fernsehens (1988-2001). Neben der Aktuellen Redaktion und der Wirtschafts- und Auslandsredaktion arbeitete er auch in der neuen Redaktion Reportage. Für diese fertigte er zahlreiche Reportagen, viele auch unter Extremsituationen gedreht: Aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem Bürgerkrieg in Liberia. Als Vorläufer der heutigen „VJ-Generation“ drehte er mit eigener Kamera die ARDReportage „UN-Embargo mit Löchern – Verschlungene Pfade nach Serbien“. Seine Reportage „Neulich im Kosovo“ wurde für den Grimme Preis nominiert. Sein Wissen und seine Erfahrung sind gefragt bei Journalistenschulen, Verbänden und Fortbildungseinrichtungen. Für den Einsatz in der Berichterstattung aus dem Kosovo bekamen Morawski und Weiss mit anderen den bayerischen Fernsehpreis 1999.
Filmographien 15.2 Filmographien Filme von Thomas Morawski (es sind jeweils nur die längeren Produktionen aufgeführt und nach Aktualität geordnet) Reise durchs Katjuscha-Land. Raketen-Angst in Israel, mit Richard Schneider, 30’, BFS und ARD 2006 Israel zwischen Geiseln und Raketen, mit Richard Schneider, 15’, ARD 2006 Wahnsinn Freiheit - 15 Jahre nach dem Eisernen Vorhang, 30’, BR 2004 Ein unmöglicher Dialog. Versuch einer israelisch-palästinensischen Begegnung. BFS und ARD, 30’ und 60’, 2004; (unterstützt von UNESCO), als englischsprachige Version „The Road to Peace“ in zahlreichen Ländern ausgestrahlt Reise ins neue Europa, Die neuen EU-Mitglieder im Süden und Südosten, 30’ und 45’, BR und ARD 2003, 2004 Angst in Israel. Vor dem Irakkrieg, 30’, BR 2003 Blutspur auf den Balkan. Die Befehlskette Milosevics, 30’, mit Ralph Gladitz ARD 2002 Jamaika – eine Insel lebt für die Musik, 30’, BR 2002 Der Schlosser war besser. 20 Jahre nach Titos Tod, 30’, BR 2000 Fernweh: Pilgerreise durchs Heilige Land, 30’, BR 2000 Verlorene Erde. Das Amselfeld und die Serben, 15’, mit Martin Weiss, ARD 1999 Kosovo: Von der Krise zum Krieg – Die Geschichte des Kosovo-Konfliktes, mit Friedhelm Brebeck und Detlef Kleinert, 45’, ARTE und ARD 1999 Riskanter Einsatz Kosovo, 30’, mit Martin Weiss, BR 1999
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Filmographien Fernweh: Mauritius, 30’, BR 1999 Das Ende der Geduld. Die Rückkehr der Bosnien-Flüchtlinge, mit Martin Weiss, 45’, BR 1999 „Du sollst keinen Frieden zerstören“. Wie der Rabbi Arik Aschermann für die Palästinenser kämpft, 30’, BR 1998 Die Sterne von Oprtalj. Ein Waisenheim in Istrien, 30’, mit Martin Weiss, BR 1997 Angst in Assisi. Nach dem Erdbeben in Umbrien, mit Dieter Sinnhuber und Michael Mandlik, 30’, BR 1997 Sobrevivir heißt überleben. Solidarität in einem spanischen Dorf, 30’, ARTE und BR 1997 Friede über Massengräbern, Reise durch das geschundene Bosnien, 45’, m.a., ARD 1996 Abgetaucht. Deutsche Aussteiger in der Karibik, 45’, BR 1995 Winterbeben. Reise durch den geschundenen Balkan, 45’, m.a., ARD Paradies der flüchtigen Väter, 30’, ARD 1995 Hoffnung für Aphrodite? Zypern vor den Wahlen, 25’, BR 1995 Hitlers Alpenblick, 15’, ARD 1995 Wem gehört der Obersalzberg? 45’, BR 1995 Der Skizirkus, 45’, BR 1995 Kämpfen – und dann? Soldatenleben auf dem Balkan, 45’, m.a., ARD 1994 Einmal Kosmos und zurück. Die russische Raumfahrt-Industrie im Wandel, 30’ und 45’, ARTE und BR 1995 und 1994
Filmographien
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Schauplatz Zypern, Die Mauer zwischen Griechen und Türken, 45’, BR 1994 Nachbarschaft der Träume. Ein Dorf in Athen, 30’, BR 1994 Am neuen Schlagbaum, Die Grenze zwischen Slowaken und Tschechen, 45’ BR 1994 Kinder des Krieges. Die Balkankrieg und die Zukunft, 45’, m.a., ARD 1993 Der Mann hinter dem Sarg, Armenpfarrer in München, 45’, BR1993 Schauplatz Alpenwälder. Die Wildnis kehrt zurück, 45’, BR 1993 Schauplatz Gaza, Pulverfass Nahost, 45’, BR 1993 Schauplatz Wiener Opernball: Der letzte Walzer, 45’, m.a., BR 1993 Verbotene Notwehr, Delphinfang im Schwarzen Meer, 30’, BFS und ARTE 1993 Schauplatz Kurdistan, Verjagt und Vergessen. Der Bürgerkrieg im Land ohne Namen, 45’, BR 1993 Geburt eines sanften Riesen. Der Bau des Flughafens München II, 45’, BR 1992 Muskelspiele am Bosporus. Neue Ordnungsmacht Türkei, 30’, ARD 1991 Wunderbare Jahre? Rainer Kunze kehrt zurück, 30’, ARD 1990 Der deutsche Weg ins All. Die D-1-Mission. 17’, BR 1985 Die Oberbürgermeisterin, Beobachtungen über den einzigen weiblichen Stadt-Chef, 45’, BR 1984 Der vergessene Widerstand. Die Linke im Dritten Reich. 30’ und 45’, ARD und BFS 1980 Sozialismus ohne Marx. Die verdrängten Ideen des Revisionisten Eduard Bernstein, 45’, BR 1979
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Filmographien
Filme von Martin Weiss Fernweh: Teneriffa – Alte Hirtenpfade, bunte Blumenpracht, 30’, BR 2001 Glasklar: Kämpfe in Mazedonien, 25’, BR 2001 Aldi gegen Walmart, 30’, BR 2000 Neulich im Kosovo, 30’, BR 2000 Hass ohne Ende, 30’, BR 2000 Gebühren für Qualität und Quote, 30’, BR 2000 Kriegsschäden und Flüchtlinge, arte 1999 Verlorene Erde. Das Amselfeld und die Serben, 15’, m. Th. Morawski, ARD 1999 Kosovo - Riskanter Einsatz, 30’, m. Th. Morawski, BR 1999 Fernweh: Zypern, 30’, BR 1999 Montenegro in der Zerreißprobe, 30’, BR 1999 Schmutzige Kriege, arte 1999 Das Ende der Geduld. Die Rückkehr der Bosnien-Flüchtlinge, 45’, m. Th. Morawski, BR 1999 Die Stadt der Kinder, 30’, auch VJ-Kamera, BR 1998 Im Slalom durch den Sommer, 30’, BR 1998 Die Sterne von Opertalj. Ein Waisenheim in Istrien, 30’, m. Th. Morawski BR 1997 Profile - 150 Jahre Siemens, 30’, BR 1997 Das Ascot der kleinen Leute, 30’, BR/HR 1997
Filmographien
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Friede über Massengräbern, Reise durch das geschundene Bosnien, 45’, m.a., ARD 1996 Urnengang nach Massenmord, 30’, ARD 1996 Unter Strom – Das Bayernwerk, 30’, BR 1996 Rückkehr in Ruinen, 45, BR 1996 Im Schatten des Krieges, 45’, BR/3Sat 1995 Kinder in Uniform, m.a., auch VJ-Kamera, 45’, BR/SFB/ORB 1995 Mit Vollgas zwischen den Fronten, 30’, BR 1995 Meine Harley Davidson, 45’, BR/NDR/Phoenix 1994 Das Vukovar-Syndrom, 25’, BR 1994 Invasion der Seelenfänger, 45’, auch VJ-Kamera, BR/MDR 1994 UN-Embargo mit Löchern, 45’, m. Arndt Wittenberg, auch VJ-Kamera, ARD 1993 Heiße Fracht nach Serbien, m. a., 45’, auch VJ-Kamera, BR 1993