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MARTIN HEIDEGGER
GESAMTAUSGABE H. ABTEILUNG: VORLESUNGEN 1919-1944 BAND 36/37 SEIN UND WAHRHEIT
11011 VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT AM MAIN
MARTI
HEIDEGGER
SEIN UND WAHRHEIT 1.
DIE GRU DFRAGE DER PHILOSOPHIE 2. VOM WESEN DER WAHRHEIT
= 11011 VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT AM MAIN
Freiburger Vorlesungen Sommersemester 1933 und Wintersemester 1933/34 herausgegeben von Hartrnut Tietjen
© Vittorio Klostermann GmbH· Frankfurt am Main . 2001 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Satz: bLoch Verlag, Frankfurt am Main Druck: Hubert & Co., Gättingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier @IS09706 . Printed in Germany ISBN 3-465-03153-9 kt . ISBN 3-465-03154-7 Ln
INHALT
DIE GRUNDFRAGE DER PHILOSOPHIE Sommersemester 1933 EINLEITUNG Die Grundfrage der Philosophie und das Grundgeschehen unserer Geschichte
§ 1. Der geistig-politische Auftrag als Entscheidung zur Grundfrage ........................................... 3
§ 2. Das dichtend-denkende Fragen der Griechen und der Anfang der Philosophie. Philosophie als der unausgesetzte geschichtliche fragende Kampf um das Wesen und Sein des Seienden. . .. 6
§ 3. Was Philosophie nicht ist. Abwehr unangemessener Bestimmungsversuche ..................................... 8
§ 4. Die Grundfrage der Philosophie und die Auseinandersetzung mit der abendländischen Geistesgeschichte in ihrer Hauptstellung: Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13
HAUPTTEIL Grundfrage und Metaphysik. Vorbereitung einer Auseinandersetzung mit Hegel
Erstes Kapitel Ausbildung, Wandlung und christliche Prägung der überliiferten Metaphysik
§ 5. Hinweise zur Auseinandersetzung mit Hegel . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 § 6. Der Begriff der Metaphysik und seine Wandlung bis zur klassischen Metaphysik der Neuzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 20
VI
Inhalt a) Die Entstehung des Metaphysikbegriffs als buchtechnischer Ordnungstitel für bestimmte Aristotelische Schriften (IlEta ta !pUerschriften stammen größtenteils vom Herausgeber. Sie wurden in enger Anlehnung an Formulierungen des Textes gewählt. Eine Ausnahme bildet in der Vorlesung vom Sommersemester 1933 die Auseinandersetzung mit Descartes, die Heidegger am Rand des Haupttextes mit kurzen titelartigen Notizen versehen hatte, die als Überschriften übernommen wurden. Die höherstufigen Überschriften der Teile und Kapitel stammen überwiegend von Heidegger bzw. sind den entsprechenden Dispositionen im Text
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entnommen. Sie wurden in einigen wenigen Fällen aus Formulierungen des Textes ergänzt. Die Hervorhebungen im Text durch Kursivsatz folgen zwar allgemein den Unterstreichungen Heideggers in den Manuskripten, jedoch sind reine Lese- bzw. Betonungsunterstreichungen nicht übernommen worden. In einigen Fällen wurden Kernsätze und -formulierungen vom Herausgeber durch Kursivsatz hervorgehoben. Eckige Klammern in Zitaten bezeichnen Zusätze und Erläuterungen Heideggers, außerhalb von Zitaten Konjekturen des Herausgebers. Anmerkungen des Herausgebers sind durch einen entsprechenden abgekürzten Hinweis gekennzeichnet. Auf nicht entzifferbare Worte wird in gesonderten, mit Sternchen versehenen Fußnoten hingewiesen, fragliche Lesarten sind mit einem in eckige Klammern gesetzten Fragezeichen versehen.
* Die Vorlesung Die Grundfrage der Philosophie aus dem Sommersemester 1933 entfaltet die Seinsfrage in einem ersten Schritt in der Abhebung gegen die Verklammerung von christlicher Bestimmung und mathematisch-logischem Begründungsgedanken in den metaphysischen Systemen des 18. Jahrhunderts (Wolff, Baumgarten). Diese Entwicklung erreicht ihre »Vollendung« in Hegels Metaphysik als Theo-Logik, in der die Logik der reinen Wesenheiten die Wahrheit (das Sichselbstwissen) der Vernunft als absoluten Geist begreift. Die eigentliche Metaphysik als höhere Logik erscheint als System des absoluten Selbstbewußtseins Gottes. Die Fragwürdigkeit dieser Vollendung der Metaphysik als Theo-Logik zeigt sich darin, daß die im Anfang der abendländischen Philosophie herrschende tiefste Not der Fragwürdigkeit im Kampf mit den unbeherrschten Mächten der Wahrheit und der Irre der höchsten Seligkeit der Aufhebung aller Gegensätze weicht. In der Ohnmacht bloßer Begriffsgegensätze versagt und
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erstirbt alles echte Fragen in der leeren Ewigkeit des Entscheidungslosen. Die Vorlesung Vom Wesen der Wahrheit aus dem Wintersemester 1933/34 wiederholt die gleichnamige Vorlesung aus dem Wintersemester 1931/32 (vgl. GA 34) in mehrfach veränderter Gestalt. Die Vorlesung fragt nach dem frühen und tieferen Grund für den geschichtlichen Wandel des Wesens der Wahrheit von der Unverborgenheit (a-Ai)SEta) zur Richtigkeit (der Aussage). Wohl ist bei Platon die höchste Idee, die Idee des Guten, als Joch des Lichtes von Sehen und Sichtbarem angelegt und damit als Ermächtigung des Seins und der Unverborgenheit, doch bleibt sie als das ermächtigende Höhere hinsichtlich ihres eigenen Seins im wesentlichen unbefragt. Das Ausbleiben der Frage nach dem Wesen der Verborgenheit, der Unverborgenes abgerungen werden kann, führt schließlich in den geschichtlichen Wesenswandel von Wahrheit und Unwahrheit als der Geschichte des Menschen.
* Zwar zeigen beide Vorlesungen eine Annäherung an die zeitgenössische politische Diktion, doch bleibt die Kluft zwischen Heideggers denkerischer Grundstellung und der nationalsozialistischen Ideologie unüberbrückbar. Beide Vorlesungen hätten ihrer rein philosophischen Grundaussage nach auch in einer anderen Situation gehalten werden können. Heideggers Einstimmung in das Pathos des Auf-und Umbruchs steht unüberhörbar die eindringliche Warnung gegenüber, daß sich dieser auf der Grundlage eines verkehrten Menschen- und Weltbildes vollziehe, das dem Schattenreich der Höhlenbewohner im Platonischen Gleichnis entspreche. Die Weltanschauung des Nationalsozialismus, das macht die Kritik Heideggers an dem Vortrag Kolbenheyers (vgl. S. 209 ff.) sichtbar, ist für Heidegger ein zusammengeraffter Auswurf der neuzeitlichen Metaphysik und der in ihrer Folge aufkommenden Wissenschaften. Das Dilemma für Heidegger ergab
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sich daraus, daß es die Stimmung des Auf- und Umbruchs für die von ihm für notwendig gehaltene geistig-politische Umwälzung am Ende (d.h. in der fragwürdigen »Vollendung«) der Metaphysik im Sinne ihrer Überwindung und eines »anderen Anfangs« zu erhalten, zu befördern und zu vertiefen galt, die Kritik am unsäglichen Menschen- und Weltbild des Nationalsozialismus aber nicht mehr offen geäußert werden konnte - jedenfalls dann nicht, wenn man sich nicht völlig der Wirkungsmöglichkeit (durch die akademische Lehre) berauben wollte. Die Ablösung der revolutionären Stimmung vom weltanschaulich-politischen Gehalt der nationalsozialistischen Ideologie wurde allerdings nicht nur durch die Notwendigkeit einer verdeckten Redeweise erschwert, sondern auch dadurch, daß sich Heideggers Denken selbst in einem Umbruch befand. Mit der Betonung der Unabdingbarkeit und Notwendigkeit eines ursprünglicheren und grundlegenderen Fragens (nach dem Sein und seiner Wahrheit) ließen sich die simplen, mit ungeheurem propagandistischem Aufwand verbreiteten und gestützten Antworten der NS-Ideologie nicht mehr aus den Angeln heben. Die Wiederholung der gleichnamigen Vorlesung vom Wintersemester 1931/32 in der zweiten Hälfte des Rektoratsjahres gibt der zentralen Auslegung von Platons Höhlenmythos eine Richtung ins Weltanschaulich-Politische. Der Philosoph weiß um die Anziehungskraft der Schattenbilder in der Höhle und das Widerstreben der Höhlenbewohner, sich von ihnen zu lösen. Der in die Höhle als Befreier zurückkehrende Philosoph weiß darüber hinaus um seine Gefährdung: nämlich verlacht, mißverstanden, ignoriert oder gar angefeindet und mit dem Tode bedroht zu werden »durch die in der Höhle mächtigen und maßgebenden Höhlenbewohner« (S. 182), ob seiner befremdlichen Sicht der Dinge. Aus seiner »Einsamkeit heraus spricht er in dem entscheidenden Augenblick. Er spricht mit der Gefahr, daß unversehens das Gesagte in das Umgekehrte umschlägt« (S. 183). Aber der Philosoph gibt nicht auf. Wenn es ihm nicht gelingt, alle Gefangenen aus der Höhle zu führen, so wird er versuchen,
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»diesen oder jenen, den er [als ansprechbar und aufgeschlossen)' erkannt zu haben glaubt, zu ergreifen und auf dem steilen Weg hinauszuführen, nicht durch einen einmaligen Akt, sondern durch das Geschehen der Geschichte selbst«. (Ebd.) So spiegelt sich in Auslegung des als Befreier in die Höhle zurückkehrenden Philosophen und seiner Absicht und Gefährdung das Selbstverständnis Heideggers in seinem »politischen« Eingreifen des Rektoratsjahres und der nachfolgenden akademischen Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus. In den Nietzsehe-Auslegungen in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre gelingt Heidegger die wesentliche Demaskierung der NS-Ideologie als bloßem Mittel der Machtergreifung, Machterhaltung und Machtsteigerung.
* Für die gewissenhafte Kollationierung des Satztyposkripts mit der Handschrift bin ich vor allem Frau Jutta Heidegger sowie Herrn Dr. Hermann Heidegger und Herrn Dr. Peter von Ruckteschell zu großem Dank verpflichtet. Für die Hilfe bei der Entzifferung von Fehlstellen und fraglichen Lesarten danke ich Herrn Prof. Dr. F.- W. von Herrmann und wiederum Herrn Dr. Hermann Heidegger. Dank schulde ich den Herren Dr. Robin Rollinger und Dr. Thomas Vongehr vom Husserl-Archiv der Universität Freiburg für die Entzifferung von drei stenographischen Einfügungen. Für die sorgsame Korrektur des Drucktextes gilt mein Dank den Herren Dr. Peter von Ruckteschell und Dr. Ino Augsberg sowie wiederum insbesondere Herrn Dr. Hermann Heidegger. Freiburg i. Br., im September 2001
• Konjektur des Herausgebers.
Hartrnut Tietjen