Andreas Zick Psychologie der Akkulturation
Andreas Ziek
Psychologie der Akkulturation Neufassung eines Forsehungsber...
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Andreas Zick Psychologie der Akkulturation
Andreas Ziek
Psychologie der Akkulturation Neufassung eines Forsehungsbereiehes
III
VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Kea S. Brahms VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer sclence-susmess Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. DieWiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen. warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme. dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung. Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Rosch-Buch. Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16828-9
Inhalt
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Boxenverzeichnis
9 13 15
Vorwort
17
1. 1.1
1.2 2.
Es beginnt mit Wanderung - Einleitung, erste Perspektiven und Argumentationslinie Grundfragen und -ziele der Akkulturationsforschung Gliederung
Die Grundkonzepte Akkulturation, Adaptation, Assimilation und Kultur 2.1 Akkulturation 2.1.1 Konzeptualisierung in der Akkulturations- und Migrationsforschung 2.1.2 Kritik der bisherigen Konzeptualisierung und ein Refonnulierungsvorschlag 2.2 Assimilation, Integration und Akkulturation 2.2.1 Akkulturation und Assimilation 2.2.2 Akkulturation und Integration 2.3 Anpassung und Adaptation 2.3.1 Konzepte und Facetten der Adaptation 2.3.2 Einflussfaktoren und Konsequenzen der Adaptation 2.3.3 Neuformulierung des Adaptationskonzepts 2.3.4 Unterscheidung zwischen Adaptation und Akkulturation 2.4 Kultur 2.4.1 Kultur aus Sicht der Akkulturationsforschung 2.4.2 Ein Vorschlag für die (Neu)konzeptualisierung von Kultur 2.5 Zusammenfassende sozialpsychologische Konzeptualisierung von Akkulturation
3.
3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Theorien und Modelle der Akkulturation - eine erste Systematisierung. Ausgangsperspektive: emisch, umfassend, interdisziplinär Mega-Modelle zur Systematisierung (Einfache) Systematisierungsversuche von Forschungsansätzen Systematisierung der Forschung anhand von Übersichtsliteratur Kurzes Resümee zu den bestehenden Systematisierungsvorschlägen Eine neue Systematik der Akkulturationsforschung
19 24 28 31 33 34 .47 55 .56 62 64 64 71 72 74 75 76 85 88 95 95 98 105 113 114 116
5
3.6.1 3.6.2 3.6.3
4.
6
Kriterien zur Systematisierung der Forschung Einführung in eine Systematik der Akkulturationsforschung und erste Synthese in Grundannahmen Die neue Systematik der Akkulturationsforschung
116 120 124
Psychologie des Akkulturationsprozesses 135 4.1 Akkulturation als Entfremdung 138 4.2 Akkulturation als Identitätsprozess 145 4.2.1 Akkulturation als Einbindung in die dominante Mehrheitsgesellschaft - einfache Identitätsmodelle 147 4.2.2 Unidirektionale Entwicklungsmodelle der Ethnizität und Identität .154 4.2.3 Resümee zu den unidirektionalen Identitätsmodellen 159 4.2.4 Akkulturation als mehrdimensionaler Verortungsprozess 162 4.2.5 Dynamik von Identität und Akkulturation in den Prozessmodellen der Identität 168 4.3 Prozesse einer komplexen stufen- und phasenweisen Umweltaneignung..l77 4.3.1 Stufen und Phasenmodelle der Akkulturation 178 4.3.2 Resümee zu den mehrdimensionalen Stufen- und Phasenmodellen.186 188 4.4 Kultur-Schock und Akkulturation 4.5 Akkulturation als Prozess der Stressverarbeitung und -bewältigung 198 4.5.1 Komplexe Stressfaktorenmodelle - oder auch Rahmenmodelle der Akkulturationsanalyse 199 4.5.2 Resümee zu den komplexen Faktorenmodellen 225 4.5.3 Akkulturation als Bewältigung von Stress 229 4.5.4 Akkulturation als Prozess der Bewältigung von Angst/ Unsicherheit und Bedrohung 244 251 4.5.5 Adaptation und Kontrolle 4.5.6 Resümee zu den Schock- und Stresstheorien 253 4.6 Akkulturation als Lernprozess 256 4.6.1 Spezifische Lemmodelle 256 4.6.2 Resümee zu den Lemmodellen 258 4.7 Akkulturation als kommunikativer Aushandlungsprozess 262 4.7.1 Ausgewählte Kommunikationstheorie der Akkulturation 263 4.7.2 Resümee zu den Kommunikationstheorien 288 4.8 Akkulturation als Prozess der Herstellung von sozialen Netzen 291 4.8.1 Netzwerktheorien der Akkulturation 292 4.8.2 Resümee zu den Netzwerktheorien 295 4.9 Akkulturation als Gruppenprozess 297 4.9.1 Gruppentheorien der Akkulturation 298 4.9.2 Resümee zu den Gruppen-Modellen des Akkulturationsprozesses ..305 4.10 Der Prozess der Re-Akkulturation 306 4.10.1 Rückkehrmodelle der Akkulturation 309 4.10.2 Resümee zu den Rückkehr-Modellen 316 4.11 Resümee zur psychologischen Prozessforschung 318 4.11.1 Ein summarisches Bild über die Psychologie des Akkulturationsprozesses 318
4.11.2
Zur Methodologie (der psychologischen Prozessforschung)
327
5.
Sozialwissenschaftliche Theorien des Akkulturationsprozesses 333 5.1 Einleitung und Grundperspektiven 333 5.2 Fremdheit, Marginalität und Akkulturation - die frühen Ansätze 335 5.2.1 Frühe sozialwissenschaftliche Fremdheits- und Marginalisierungstheorien 336 5.2.2 Resümee zu den frühe sozialwissenschaftliche Prozesstheorien der Fremdheit und Marginalisierung 338 5.3 Akkulturation als stufenweiser Prozess der Assimilation an die dominante Mehrheitskultur 339 5.3.1 Frühe Stufenmodelle der Assimilation 340 5.3.2 Die deutschsprachige Migrationsforschung als Akkulturationsforschung 353 5.3.3 Zwischenresümee zu den Prozess-Stufen-Theorien der Assimilation 376 5.4 Identität 379 5.4.1 Sozialwissenschaftliche Prozessmodelle der Identität.. 379 5.4.2 Resümee zu den sozialwissenschaftlichen Prozessmodelle der Identität 381 5.5 Etablierte, Außenseiter, Akkulturation und Raum - der interaktionistische Ansatz von Elias und Scotson 381 5.6 Akkulturation, Sozialisation und Netzwerke 384 5.6.1 Akkulturationstheorien der Sozialisation in Netzwerken 384 5.6.2 Resümee zu den Prozesstheorien der Sozialisation und Netzwerke .385 5.7 Akkulturation als biographisches Konstruktionsphänomen 386 389 5.8 Akkulturation als Prozess der Integration und Desintegration 5.9 Resümee zu den sozialwissenschaftlichen Prozessmodellen .400 5.10 Von den Prozess- zu den Strukturtheorien .407
6.
Strukturtheorien der psychologischen Akkulturationsforschung 409 6.1 Die akkulturierende Persönlichkeit .410 6.2 Identität als struktureller Faktor und Akkulturation .418 6.2.1 Identifikation mit einer Kultur und Akkulturation .420 6.2.2 Bikulturelle und mehrdimensionale Identifikation und Akkulturation.427 6.2.3 Identität und kultureller Übergang .437 6.2.4 Kurzes Resümee zu den Strukturtheorien der Identität.. 442 6.3 Modelle der Akkulturationsorientierung 443 6.3.1 Theorien und Modelle der Akkulturationsorientierung 445 6.3.1.1 Mobilitätsmodell der Akkulturationsorientierung 446 6.3.1.2Berrys klassische Typologie der Akkulturationsorientierung 447 6.3.1.3Kritik des Berry-Ansatzes 545 6.3.2 Modifikationen und neuere Ansätze zur Differenzierung von Akkulturationsorientierungen .455 6.3.3 Bestandsaufnahme zur Empirie der Akkulturationsorientierung .476
7
6.3.4 Kritik der Forschung über Akkulturationsorientierungen, Forschungsannahrnen und Optionen für die zukünftige Forschung 6.4 Traditionalismus versus Modernismus und Adaptation 6.5 Kontakt und Akkulturation 6.6 Akkulturation und Raum - Regionale Identität.. 6.7 Resümee zu den psychologischen Strukturtheorien 7.
7.1 7.2 8.
Sozialwissenschaftliche Strukturtheorien Ausgewählte Sozialwissenschaftliche Strukturtheorien Resümee zu den Sozialwissenschaftlichen Strukturtheorien
484 501 505 513 518 521 522 529
Eine Theorie akkulturativerVerortung 531 Standort der Akkulturationsforschung 531 Vorraussetzungen und Annahmen der Theorie akkulturativer Verortung .533 8.3 Akkulturation als Prozess der Veränderung 535 8.3.1 Akkulturation als Veränderung von Kulturen, Individuen und Gruppen 536 8.3.2 Akkulturation als zeitlicher Prozess 541 8.3.3 Akkulturationsprozesse als synchron kausale Abfolgen 549 8.3.4 Akkulturation als Prozess der Veränderung 550 8.3.5 Akkulturation als Prozess der Verortung 552 8.4 Akkulturation als Prozess interkultureller Beziehungen 555 8.4.1 Akkulturation als Prozess interkultureller Differenz(ierung) 556 8.4.2 Akkulturation als Prozess interkultureller Kontakte 559 8.4.3 Akkulturation als Prozess der Aneignung und Ablehnung von Kultur. ...............................................................................................................560 8.5 Akkulturation als Verhandlung von Dominanz 564 8.5.1 Akkulturation als Prozess horizontaler und vertikaler Differenzierung 565 8.5.2 Akkulturation als Prozess der Statussicherung, -gewinnung und -bedrohung 566 8.5.3 Orientierungen zur Akkulturation und Dominanz 569 8.6 Balance und ihre Indikatoren 571 8.6.1 Akkulturative Balance 571 572 8.6.2 Indikatoren der Akkulturation 8.7 Akkulturation als soziales Phänomen 579 8.8 Forschungsperspektiven und methodologische Notwendigkeiten 581 8.9 Akkulturationsforschung in der Anwendung 586 8.1 8.2
Literatur
8
593
Abbildungsverzeichnis
Abb .l.l
Abb.2.1
Aktuelle Zahl der Migranten weltweit und in Europa nach Angaben der UN (online Daten: www.un.org)
20
Beziehung zwischen den Grundbegriffen zur Bestimmung interkultureller Ad aptation nach Kim (2002, Fig. 14.1, S. 261)
Abb .3.1
Generelles Rahmenmodell zur Analyse von Akkulturation nach
Abb.3.2
Ein Rahmenmodell für das Verständnis von Akkulturation nach Berry (2003, Fig. 1.1, S. 20)
Berry (1997, Fig. 2, S. 15)
59
98 100
Abb.3.3
Der Akkulturationsprozess nach Ward (1996, hier nach Ward, Bochner & Furnham, 2001, Fig. 2.1, S. 44)
102
Abb.3.4 Abb.3.5
ABC-Modell nach Ward, Bochner und Furnham (2001, Fig. 12.1, S. 274)
103
Rahmenmodell wesentlicher Akkulturationsvariablen nach Arends-Töth und van de Vijver (2006, Fig. 10.1, S. 1(3)
104
Abb .4.1
Das Akkulturations-Bikulturalismus-Modell nach Szapocznik, Kurtines und Femandez (1980)
182
Abb .4.2
Phasen- und Einstellungsmodell nach Berry und Kim (1988, S. 210)
184
Abb.4.3
Das ökologische Rahmenmodell nach Berry, Poortinga, Segall und Dasen (1992, Fig. 1-3, S. 12)
201
Abb .4.4
Grundmodell zur Analyse von Akkulturationsprozessen nach Berry (1995,1997, 2001, 2003)
207
Abb.4.5
Das Sozial-kognitive Akkulturationsmodell (SKAM) nach Florack (2000, Abb. 3.1: S. 53)
220
Abb.4.6
Der Akkulturationsprozess nach Ward (1996, hier nach Ward, Bochner & Furnham, 2001, Fig. 2.1, S. 44)
224
Abb.4.7
Das Stress Process Model of Acculturation nach Flakserud und Uman (1996)
231
9
Abb.4.8 Abb.4.9
Abb.4.10
Abb.4.11 Abb.4.12 Abb.4.13 Abb.4.14
Abb.4.15
Abb.4.16
Abb.4.17 Abb.4.18 Abb.4.19 Abb.4.20 Abb.4.21
Model of Migration Contingencies and Acculturative Stress nach Liebkind (1996a,Fig. 1, S. 162) Integr ated Model of Accu1turation and Intercultural Behavior Process nach Landis und Bhawuk (2004) Schematische Darstellung des Vncertainty Reduction Based Theory of Intercultural Adaptation nach Gudykunst und Hammer (1988, Fig. 5.1 S. 114) Adaptationsmuster nach Gudykunst und Hammer (1988, Fig. 5.2, S. 134) Die Integrated Threat Theory nach Stephan & Stephan (1985, 1992; hier nach Stephan, Stephan & Gudykunst, 1999, Fig. 6, S. 620) Communication Accomodation Theory nach Gallois, Giles, [ones, Cargile und Ota (1995) Schematische Dars tellung der Integrativen Kommunikationstheorie nach Kim (2001,S. 87) (IC = Interpersonal Communication / MC = Mass Communication) Zu- und Fortzüge über die Grenzen Deutschlands von 1990 bis 2003 (Quelle: Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2004, S.3) Fortzüge aus Deutschland im Jahr 2003 nach den zehn häufigsten Zielländern und -regionen; Quelle: Beauftrage der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2004, S. 6) Wechsel der kulturellen Identität durch die kulturelle Transition nach Sussman (2000, Fig. 1, S. 362) Subtraktive und additive Identitätswechsel durch kulturelle Transition nach Sussman (2000, Fig. 3, S. 366) Afirmativer Identitätswechsel nach Sussman (2000, Fig. 3, S. 367) Interkultureller Identitätswechsel nach Sussman (2000, Fig. 4, S. 367) Stufen der Ope rationalisierung in emischen und etischen Studien nach Berry (1990a, Fig. 6.1, S. 95)
234 237
245 247 248 265
284
307
308 131 314 315 315 331
Abb.5.1
Grundmodell der Assimilation nach Esser (1980, S. 213)
359
Abb.5.2 Abb.5.3
Das empirische Prüfmodell nach Zick und Six (1999a" Abb. 1, S. 310) Empirisches Modell zur Erklärung der Identifikativen Assimilation von Spätaussiedlern (Zick und Six, 1999a, Abb. 2, S. 318) Die Dimensionen der Integration nach Esser (2001, S. 16) Stufenmodelle der Assimilation nach Hoffmann-Nowotny (1973)und Esser (1980) (Quelle: Nauck, 1988, S. 26: Abb. 2) Erweiterung des Esser-Modells nach Trube (1984)
361
Abb.5.4 Abb.5.5 Abb.5.6
10
363 365 371 371
Abb.5.7
Abb.5.8
Das interaktionistische Grundmodell zur Übertragung von Desintegrationserfahrungen in fremdenabwehrende Einstellungen und Handlungen nach Anhut und Heitm eyer (2000, Abb. 3, S. 55) Das Mehrebenen-Analysemodell nach Anhut und Heitmeyer (2000, AbbA, S. 60)
394 395
Abb.6.1
Die Migranten-Persönlichkeit nach Boneva und Frieze (2001, Fig. 1,
Abb.6.2 Abb.6.3
Das kategoriale Akkulturationsmodell .429 Akkulturationsstrategien ethno-kultureller Gruppen und dominanter Mehrheitsgesellschaft nach Berry (2003, Fig. 1.2, S. 23) .430 Dynamisches Identitätsmodell nach Brewer (1991; vgl. Schönpflug, 2005, Abb. 1, S. 209) .438 Möglichkeiten der Identitätsbildung nach dem Optimal Distinctiveness Model von Brewer (1991,1999; Quelle: Brewer, 1999,S. 189, Fig. 1) .439 Modell der Zusammenhänge zwischen Immigrationspolitik und individueller kulturationsorientierung nach Bourhis et al. (1997a,Fig.1, S. 371) ....461 Das Relative Aeculturation Extended Model nach Navas, Gareia, Sanchez, .466 Rojas, Pumares und Fernandez (2005, Fig. 1, S. 27) Akkulturationsprozess von Immigranten als relative Adaptation zwischen den Bereichen der Herkunfts- und Aufnahme'kultur nach Navas, Garcia, .467 Sanchez, Rojas, Pumares und Fernandez (2005, Fig. 2, S. 28)
S. 479)
Abb.6.4 Abb.6.5 Abb.6.6 Abb.6.7 Abb.6.8
.416
I
Abb.7.1
Das Kontextsensitives Modell der Akkulturation nach Merkens, Reinders, Hupka, Schneewind, Karatas und Alizadeh (2001, Abb. 3: S. 44)
525
11
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1
Psychologisch relevante Kulturdefinitionen
Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3
Modelle zur Analyse der Dimensionen der Akkulturation. Systematik der Erklärungsansätze zur Akkulturation Systematik der Erklärungsansätze der Akkulturationsforschung
ll1 121 126
Tab. 4.1 Tab. 4.2
Prozessmodelle der psychologischen Akkulturationsforschung Zwei-Faktoren-Modell des Bikulturalismus nach Birrnan (1994a, Fig.12.1, S.270) Das differenzierte Modell der Akkulturation nach Birrnan (1994a, Fig. 12.2, S. 276) Eine Klassifikation von Akkulturationsmodellen nach Arends-Töth und van de Vijver (2004) Coping-Modelle zum Akkulturationsprozess Typologie der Einflussfaktoren auf die Akkulturation Beziehung zwischen Akkulturationsantezedentien und Akkulturationsstrategien nach Bhawuk, Landis und Lo (2006, Tab. 30.2, S. 515) Ein Rahmenkonzept interkultureller Kompetenz nach Thomas, Karnmhuber und Schmid (2005, Tab.I. S. 189) Modifizierte Systematik interkultureller Kompetenzen nach Leenen (2005)
136
Tab. 4.3 Tab. 4.4 Tab. 4.5 Tab. 4.6 Tab. 4.7 Tab. 4.8 Tab. 4.9
Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 5.3 Tab. 5.4 Tab. 5.5 Tab. 5.6
78
163 164 175 199 204 238 260 261
Prozessmodelle der sozialwissenschaftliehen Akkulturationsforschung..... 335 Variablen und Stadien der Assimilation nach Gordon (1986, S. 71, in Anlehnung an Essers, 1980, S. 69, Übersetzung mit Modifikationen) 349 357 Einzeldimensionen der Assimilation nach Esser (1980, S.221) 366 Klassifikation der Akkulturationstypen nach Esser (2001, S. 19) Integrationsdimensionen und Kriterien erfolgreicher sozialer Integration nach Anhut und Heitmeyer (2000, Abb . 1, S. 48) 391 Gesellschaftliche Entwicklungsrichtungen mit negativen Auswirkungen auf soziale Integration nach Anhut und Heitmeyer (2000, Abb. 2, S. 52).......392
13
Tab. 6.1
Verkürzte Systematik psychologisch orientierter Strukturtheorien der Akkulturationsforschung
.409
Tab. 6.2
Typologie der Wanderungen nach Petersen (1972) (in Anlehnung an Kröhnert, 2003, Abb.3)
.412
Tab. 6.3
Theorien der Akkulturation mit Fokus auf die Strukturkomponente Identität.
.419
Tab. 6.4
Kulturelle Adaptationsstile nach Hutnik (1991)
432
Tab. 6.5
Ein erweitertes Optimal-Disctinctiveness-Model nach Chiu und Hong (1999, S. 300: Fig. 1)
441
Tab. 6.6
Akkulturationsorientierungen nach Ward und Kennedey (1994)
.455
Tab. 6.7
Das zweidimensionale Modell der Akkulturationsorientierungen autochthoner und allochthoner Gruppen (in Anlehnung an Bourhis et al, 1997a/b) .457
Tab. 6.8
Das Interaktive Akkulturationsmodell (IAM) nach Bourhis et al. (1995, 1997a/b)
.457
Tab. 6.9
Concordance Model of Acculturation nach Piontkowski, Rohrnann und Florack (2002, Tab. I, S. 224)
463
Tab. 6.10
Klassifikation von Prozessvarianten der Akkulturationsorientierung (in Anlehnung an Zick und Six, 1995)
473
Tab. 6.11
Signifikante Korrelationen zwischen den Akkulturationsorientierungen (aus Zick, 2001, Tab. 13, S. 88)
.474
Tab. 6.12
Unterscheidung der Begriffe Akkulturationsorientierung, -einstellung, -strategie und -verhalten
.486
Hypothetischer Zusammenhang zwischen AkkuIturationsstrategien und Bindungsstilen nach Hofstra, van Oudenhoven und Buunk (20OS, Tab, I., S. 605)
.490
Tab. 6.14
Hauptdimensionen interkultureller Kontakte nach Bochner (1982, hier nach Ward, Bochner & Furnharn, 2001, Tab. 2.1, S. 26)
506
Tab. 6.15
Individuelle und gesellschaftliche Folgen des interkulturellen Kontaktes nach Bochner (1982, hier nach Ward, Bochner & Furnharn,2001, Tab. 2.3, S. 32)
507
Tab. 8.1
Idealtypische Chronik des Akkulturationsprozesses in Phasen
543
Tab. 8.2
Exemplarische Akkulturationsindikatoren
576
Tab. 6.13
14
Boxenverzeichnis
Box 2.1 Box 2.2 Box 2.3 Box 2.4
Box 2.5 Box 2.6 Box 2.7 Box 2.8
Box 4.1 Box 4.2 Box 4.3 Box 4.4 Box 4.5 Box 4.6 Box 4.7 Box 4.8 Box 4.9
Akkulturationsskala mit Fokus auf Lemerfolge: A Short Acculturation Scale for Hispanics (ASASH)nach Marin (1992) .40 Kurz-Skala zur Erfassung der Akkulturation anhand der sprachlichen Adaptation nach Schultz und Unipan (2000) .41 Skala zur Messung soziokultureller Adaptation: Acculturation Index von Ward und Rana-Deuba (1999) .41 Komplexe Skala zur Erfassung psychologischer Anpassung und soziokultureller Adaptation: Acculturation Scale for Mexican Americans (ARSMA)nach Cuellar, Harris und [asso (1980) .42 Skala zur Erfassung der Akkulturation durch Identität: Suinn-Lew Asian Self-Identity Acculturation Scale (SL-ASIA) nach Suinn (1998) .45 Skala soziokulturell psychologischer Adpatation : Psychological Accultura tion Scale (PAS) nach Tropp, Erkut, Coll, Alarcon und Garcia (1999) .46 Weitere Quellen für Behaviorale Akkulturationsskalen .46 (Behavior Acculturation Scales) Sociocultural Adaptation Scale (SCAS) nach Ward und Kennedy (1999/ vgL Tab. 1/ S. 663) 67 Skala zur Erfassung von Kulturellem Bewusstsein und Ethnischer Loyalität nach Keefe und Padilla (1987) Coping und Akkulturation Behavioral Acculturation Scale (BAS) nach Szapocznik, Scopetta, Aranalde und Kurtinez (1978) Annahmen und Grenzen der Social Identity Theory von Tajfel und Turner (1979/ 1986) Personal Dimensions ofDifference Scale nach Dunbar (1997) Social Support als wichtiger Einflussfaktor auf die Adaptation Exemplarische Skala zur Messung von sozialer Unterstützung Items des Index of Sojourner Social Support von Ong (2000; vgl. auch Ong & Ward, 2005) Items und Dimensionen der Acculturative Stress Scale for International Students nach Sandhu und Aspy (1997; vgl. auch Sandhu und Asrabadi, 1994)
150 152 165 169 176 209 209 212
213 15
Box 4.17
Items nach Lebensbereichen der Ecological Acculturative Hassels Inventory von Vinokur, Trickett und Birman (2002) Skizze des transaktionalen Stressmodells nach Lazarus (1999) Die Gruppe der Flüchtlinge Ähnlichkeit-Attraktionshypothese Messung von Kulturschock im Rahmen des ABC-Modells nach Bochner (2003, S. 6-7) Sprachaneignung und Adaptation Re-Entry-Training nach Isogai, Hayashi und Uno (1999) Werte bestimmen Akkulturation - oft postuliert, schwer nachzuweisen
241 286 311 321
Box 5.1
Politische Partizipation von Zuwanderern
369
Box 6.1
Box 6.5
Orthogonal Cultural Identification Scale (OCIS) nach Oetting und Beauvais (1990-1991) Deutschsprachige Skala zur Erfassung der Berry'schen Akkulturationsorientierungen nach van Dick, Wagner, Adams und Petzel (2001) Akkulturationsorientierungen, Gesundheit, Stress Indikatoren der Akkulturationsbereiche nach Navas et al (2005, S. 33ff., Appendix) Messung von Traditionalismus und Modernitätsorientierung
.468 502
Box 8.1
Wesentliche Annahmen der Akkulturationstheorien
550
Box 4.10 Box 4.11 Box 4.12 Box 4.13 Box 4.14 Box 4.15 Box 4.16
Box 6.2 Box 6.3 Box 6.4
16
216 229 232 240
.424 449 .453
Vorwort
Ich freue mich über alle, die bis hierher gelesen haben, und ich hoffe, sie lesen weiter. Wenn Sie das tun, dann erfahren Sie mehr über den Versuch, Antworten auf eine unglaublich interessante Frage zu finden: Wie eignen sich Menschen kulturelle Umwelten an? Da das keine einfache Frage ist und es viele Antworten gibt, ist das Buch dick und der Preis etwas höher geworden; dank des Verlages ist er aber fair, wie ich finde. Ich hoffe, die Lektüre lohnt sich, und ich biete für die Mühe des Lesens etwas an: An vielen Stellen des Buches finden sich ungelöste Fragen, die es erst noch genauer zu erforschen gilt. Der größte Erfolg des Buches könnte darin bestehen, dass diese Fragen in Angriff genommen werden, damit wir noch mehr darüber erfahren, wie der Prozess der Akkulturation zu verstehen ist. Das Buch versucht also, in einern bislang ungenau bestimmten Forschungsfeld eine Chance zu erwirtschaften: Forschung nicht nur zu dokumentieren, sondern sie zu initiieren. Dass sich diese Möglichkeit ergibt, ist aber nicht dem Autor alleine zu verdanken. Der Umfang hatte hohe zeitliche und soziale Kosten. Eine Reihe von Menschen hat das Projekt unterstützt und darunter (mit-)gelitten. Einige muss ich hervorheben, viele sind unbenannt. Prof. Dr. Bernd Six hat mich begleitet und nie aufgehört, daran zu glauben, dass "das Ding" fertig werden kann. Ich weiß nicht, ob ich selbst so viel Geduld mit der Betreuung gehabt hätte. Dr. Beate Küpper hat mich in der Spur gehalten, zurechtgerückt und viele Ideen erst zu solchen gemacht. Ich weiß nicht, ob das Projekt nicht ohne sie gescheitert wäre. Prof. Dr. Margarete Boas, Prof. Dr. Claudia Dalbert und PD Dr. Lars-Eric Petersen haben ihre Zeit über Gebühr für die Begutachtung geopfert. Samaneh Bahrami, Sigrid Ward und Michael Müller haben arn Ende fleißig und schnell geholfen. Kea Brahms hat dem Buch im Verlag den Weg geebnet. Natürlich hat so ein Buch auch hohe soziale Kosten. Ich habe viele Freunde verloren, weil ich sie vernachlässigt habe. Meine engste Verwandtschaft hat zu mir gehalten, auch wenn ich in den letzten Jahren mehr als Idee ("Er schreibt") anwesend war. Valentin und Elisabeth muss ich dabei besonders danken. Ich hoffe, ich habe meine Verantwortung nicht leichtfertig vernachlässigt. Ihnen allen und noch viel mehr Menschen sei das Buch gewidmet. Dazu gehören jetzt und in Zukunft auch all jene, die es in Ausschnitten oder ganz lesen oder lesen müssen. Danke! Bielefeld, im Oktober 2009
Andreas Zick
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1. Es beginnt mit Wanderung - Einleitung, erste Perspektiven und Argumentationslinie
Hintergrund, Perspektive, Ziel und Gliederung werden vorgestellt. Zunächst wird kurz auf das Phänomen der Wanderung eingegangen, denn es steht im Fokus der bisherigen Akkulturationsforschung. Es wird argumentiert, dass es sinnvoll ist, die Akkulturationsforschung systematisch neu aufzubereiten, da ihre Grundkonzepte und Theorien Schwächen aufweisen, ungeheuer vielfältig sind und der aktuelle Forschungsstand sehr unübersichtlich geworden ist. Zudem wird vorgeschlagen, eine eigenständige interdisziplinäre Forschungsperspektive zu entwickeln, die die Grundbegriffe neu definiert und eine neue theoretische Perspektive auf das Phänomen der Akkulturation wirft. Um sie zu konstituieren, ist es sinnvoll, eine breite Konzeption von Akkulturation einzunehmen, die sich nicht allein auf die Analyse der Migration beschränkt. Es wird argumentiert, dass die Akkulturation im Kontext der Konzepte der Identität, Differenz und interkulturellen Balance zu beschreiben ist. Das Ziel und die Argumentationslinie der Studie werden vorgestellt. Die Akkulturation von Individuen und Gruppen setzt ein, wenn Menschen Orte verlassen, eine neue kulturelle Umwelt aufsuchen, ihr begegnen und sich mit dieser neuen Welt auf der Grundlage ihrer Herkunft und den Herausforderungen der neuen Umwelt auseinandersetzen. " 00 ' acculturation refers sirnply to the degree to which people change when faced with the situation of living in a cultural context differing frorn their own. (00 ') How an individual adapts to a change in cultural context is a central question in the study of acculturation." (Chiriboga, 2004, 274 - 275)
Die Akkulturationsforschung beschreibt die Prozesse und Phänomene der Aneignung von kulturellen Umwelten und die Faktoren, die den Prozess beeinflussen. Sam und Berry (2006a, S. 1) definieren den Gegenstand relativ breit: "The meeting of cultures and the resulting changes are what collectively has come to be known as acculiuraiion;" Das Anliegen der Akkulturationsforschung ist also relativ komplex, bedenkt man welche Prozesse, Phänomene, Umwelten, Faktoren und Veränderungen denkbar sind. Die allgemeine Ausgangsfrage der bisherigen Akkulturationsforschung ist: Wie bewältigen es Menschen, in einem kulturellen System zu leben, das sich von ihrem gewohnten System, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, unterscheidet? Es liegt nahe, dass sich der wesentliche Teil der Forschung auf die Akkulturation im Zuge von Migrationsprozessen konzentriert. Andere Phänomene des Kulturwechsels, etwa der Wechsel von einem Unternehmen in eine andere Unternehmenskultur oder die Enkulturation in sozialen Milieus, werden bislang selten im Rahmen der Akkulturationsforschung
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untersucht. Migrationsprozesse stehen dagegen sowohl im primären Fokus der sozialwissenschaftlich orientierten Migrationsforschung als auch in dem der psychologischen Akkulturationsforschung.o Daher nimmt auch in der vorliegenden Studie der Psychologie der Akkulturation die Analyse von Akkulturationsphänomenen, -bedingungen und -konsequenzen, die durch Wanderungen hervorgerufen werden, einen breiten Raum ein. Sie muss sich umso mehr auf Wanderungsprozesse konzentrieren als die weltweite Migration zunimmt und umfassende Akkulturationsphänomene und -prozesse hervorruft. Die UN registriert seit 1960 eine wachsende Zahl von Wanderungen, deren Anzahl sich im Jahr 2005 auf weltweit 191 Millionen Immigranten summierte (vgL Abbildung 1.1). Damit ist eine von fünfunddreißig Personen, die auf der Welt lebt, Migrant. Weltweite M igrat ion 1 960 - 2005
Migranllnnen nach Region im Jahr2005 Z a h I an P er s 0 n e n in M io .
Zahlan Personen in Mio. 200 180 160 140
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1960 1965 1970 19751980 1985 1990 1995 2000 2005
Jahr
Europa
As ien
NordAmerika
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Afrika
Lateln-Australien Am erika
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Abb. 2.1
Aktuelle Zahl der Migranten weltweit und in Europa nach Angaben der UN (online Daten: www.un.org)
Immer mehr Menschen sind also davon betroffen, innerhalb und außerhalb ihrer kulturellen Systeme zu wandern. Sie sind mit neuen Umwelten konfrontiert, denen sie sich anpassen können, sie aneignen können, oder versuchen, zu ihnen Abstand zu halten, und sich letztlich entscheiden, in der neuen Welt zu bleiben, mit ihr zurecht zu kommen, oder diese wieder zu verlassen, soweit ihnen das möglich ist. Darüber hinaus bedeuten diese Wanderung im Zuge einer globalisierenden Gesellschaft auch neue Anforderungen für die in den Zuwanderungsgebieten bereits Ansässigen, und es ist anzunehmen, dass sich kulturelle Systeme verändern, wenn Menschen das System verlassen. Wanderungen und Aneignungen von neuen kulturellen Umgebungen prägen die Menschheitsgeschichte. Bade (2002, S. 21) stellt im Rahmen einer Aufarbeitung der historischen Migrationsforschung treffend fest:
24 Das soll nicht verhehlen, dass die Studie der Integration zunehmend und notwendigerweise ein Thema der Politikwissenschaften (Givens, 2007), der Anthropologie, Ethnologie, Pädagogik und anderer Disziplinen ist.
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"Migration ist ein Konstituens der Conditio humana wie Geburt, Vermehrung, Krankheit und Tod. Die Geschichte der Wanderungen ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. denn der Homo sapiens hat sich als Homo migrans über die Welt ausgebreitet."
Wanderungen lassen alte Kulturen untergehen, verändern diese und schaffen neue. Dass Menschen von Ort zu Ort, von Region zu Region und Land zu Land gewandert sind, neue Umwelten adaptiert haben. und sich diese durch den Prozess der Aneignung verändert haben, ist ein Charakteristikum aller Kulturen, sei es der Kultur von Stammesgesellschaften, klassischen Gesellschaften der Antike oder modemen Gesellschaften. Kulturen haben sich durch Prozesse der Aneignung kultureller Umwelten durch ihre Mitglieder und vielmehr noch durch die Zuwanderung von Individuen einer anderen Kultur und Prozesse der gegenseitigen kulturellen Aneignung durch Einheimische und Ansässige konstituiert, entwickelt und verändert. Die Geschichte der Veränderung von Kulturen durch Akkulturationsprozesse ist universal und kontinuierlich. Auch oder gerade moderne globalisierende Gesellschaften sind durch ähnliche Prozesse der Kulturveränderung durch Wanderung geprägt und die Akkulturation, zumindest jene, die durch Wanderung bestimmt ist, ist ein Charakteristikum moderner Gesellschaften. Wanderung ist zu einer ,normalen' Lebensform in globalisierenden Gesellschaften geworden, und nicht nur eine Folge, sondern Träger des Globalisierungsprozesses (vgl. auch Pries, 2001, 2007, für Deutschland und Europa vgl. MarshalI, 2002). Selbst eine globale ,Weltgesellschaft', die durch Aus- und Zuwanderung und kulturelle Unterschiedlichkeit geprägt wird, ist kein propagandistisches Horrorszenario oder Utopie mehr, sondern faktische Realität (Chryssochoou, 2004). Je offener die ökonomischen, rechtlichen und sozialen Grenzen zwischen Staaten werden, desto wahrscheinlicher sind die Prozesse der Wanderung, der Adaptation an neue kulturelle Umwelten und der Akkulturation in diesen Welten, die eine Veränderung von Kulturen und ihren Mitgliedern hervorrufen. Die weltweite Migration nimmt seit den 1980er Jahren exponentiell zu, sei es in Folge von Kriegsflucht, Umsiedlung, Arbeitsmigration oder Aussiedlung, weil die Grenzen zwischen Nationen offener geworden sind oder auch aufgrund vereinfachter verkehrstechnischer Bedingungen. Diese Entwicklungen scheinen sich, im Zuge offener und globalisierender Gesellschaften zu beschleunigen, in denen immer mehr Menschen aufgefordert sind, sich zwischen kulturellen Systemen zu bewegen. Allein die aktuellen Berichte über Bevölkerungs- und Migrationsindikatoren der United Nations (2003) zeigen im Vergleich zur Mitte der 1990er Jahre einen deutlichen Anstieg der Migration in allen Teilen der Welt (siehe oben). Hinzuzurechnen sind steigende Zahlen von Menschen, die sich zwischen Kulturen hin- und her bewegen und nicht in die klassischen Kategorien von Immigranten oder Emigranten fallen. 25 Hierzu zählen z.B. Austauschschüler, Auslandsstudierende und - zumeist westliche - Arbeitnehmer, die für eine begrenzte Zeit in einer ausländischen Tochterfirma ihres Unternehmens arbeiten (Sojourners und Expatriats; vgl. auch Ward, Bochner & Furnham, 2001, für eine Unterscheidung der verschiedenen Gruppen). Für eine Studie der Prozesse der Aneignung neuer kultureller Umwelten, die in einer europäischen Tradition der Analyse von Gruppenprozessen steht - wie später noch deutlich
25 Für spezifische Wanderungsbewegungen in Deutschland vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2004).
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wird -, sind Entwicklungen in Europa besonders interessant. Dabei ist zu beobachten, dass auch die europäischen Gesellschaften seit den späten 1980er Jahren in besonderer Weise durch Wanderung (vgl. Currie, 2004) und damit durch kulturelle Diversität (Chryssochoou, 2004) geprägt sind. Das junge und modeme Europa hat sich auch durch die intensive Diskussion von Wanderungsprozessen, Möglichkeiten ihrer Steuerung und der Veränderung nationaler und sozialer oder kultureller Identitäten verfasst (vgl. Martiniello, 1995; Noiriel, 1994). Europa versucht, im Vergleich zu früher mehr denn je, Immigration strukturell, ökonomisch und rechtlich zu reglementieren (zu den unterschiedlichen politischen Konzepten vgl. Givens, 2007). Auch wenn die europäische Union vielleicht weit davon entfernt ist, eine Kultur darzustellen, die eine europäische Identität verbindet, ist doch ihr vielleicht prägendstes Element, dass sie eine enorme Mobilitätsregion darstellt. Mit der Erweiterung der EU im Jahr 2004 ist diese Region größer denn je geworden und sie hat Wanderungen zwischen Grenzen und Kulturen erheblich erleichtert. Mittlerweile ist der so genannte .Ausländeranteil' in den einzelnen europäischen Ländern so hoch, dass man nicht mehr von homogenen ethnischen Gesellschaften reden kann (vgl. Zick, Pettigrew & Wagner, im Druck/a). Europa weist zudem seit der Mitte der 1990er Jahre Wanderungsbewegungen auf, die zum großen Teil über die Zahlen anderer Kontinente hinausgehen. Hohe Zuwanderungsquoten weisen auch längst nicht mehr nur die reicheren nord-west europäischen Ländern auf, sondern auch Süd- und Osteuropa (zur weiteren Übersicht vgl. Haug, 2002). Das heißt nicht, dass alle europäischen Ländern ähnliche Zuwanderungsquoten verzeichnen (vgl. Eurostat, 2003; sowie die zugänglichen Zahlen auf den Websites von OECD und Eurostat), aber das modeme Europa ist insgesamt kulturell durch die Wanderung von Menschen aus einern kulturellen System in ein anderes System geprägt und es ist erklärtes Ziel der Europäischen Union, dass die Wanderung innerhalb von Europa einfacher wird und zunimmt. Bereits jetzt ist eine von zwanzig Personen in einern europäischen Land nicht Bürger des Landes (Eurostat, 2003). Gleichzeitig aber soll auch die so genannte Armutswanderung aus Ländern, die nicht Mitglieder der EU sind, weiter erschwert werden. Als besonders kritisch gilt dabei zum Beispiel die Armutsmigration aus Afrika, die mit hohen persönlichen und finanziellen Risiken der Migranten verbunden sind. Aber nicht nur in Europa oder den klassischen Einwanderungsgesellschaften, sondern überall auf der Welt haben die Migrationsbewegungen, wie die Zuwanderung von ethnischen Gruppen im Zuge von Arbeitsmigration, Flucht oder Vertreibung, enorm zugenommen. Weltweit verzeichneten die Vereinten Nationen zum Ende des Jahres 2002, dass circa 175 Millionen Migranten (75 Millionen in 1960) sich in einern Land aufhalten, in dem sie nicht geboren sind. Davon leben die meisten in Europa (56 Millionen), Asien (SO Millionen) und Nordamerika (41 Millionen) (vgl. United Nations, 2002, 2003). Zu bedenken ist, dass überall auf der Welt zusätzlich Millionen von nicht offiziell gezählten illegalen Einwanderern, Touristenö, Geschäftsreisenden, Werksvertragsarbeiter, legale und illegale Saisonarbeiter und andere Gruppen über die Grenzen wandern. Würde man die Zahl aller Personen zusammenzählen, die, aus welchen Gründen auch immer, über einen längeren Zeitraum in ein Land einreisen, dort leben und versuchen, die neue kulturelle Umwelt anzueignen,
26 Allein 1989 gab es in Deutschland 34,5 Millionen Übernachtungen nicht deutscher Touristen (Quelle: www.auslaender-statistik.de).
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käme man auf eine beachtliche Anzahl von Menschen, die mehr oder weniger gezwungen sind, sich eine neue kulturelle Umwelt anzueignen, beziehungsweise interkulturelle Beziehungen zu den Mitgliedern anderer kultureller Umwelten einzugehen und so auch für eine Analyse von Prozessen der Akkulturation relevant sein könnten. Allerdings werden zum Beispiel Touristen in der öffentlichen Diskussion kaum als Personen wahrgenommen, von denen Akkulturationsprozesse erwartet werden, obgleich auch sie Akkulturationsanforderungen und -prozessen unterliegen (vgl. Ward, Bochner & Fumham, 2001). Eher noch erwartet man Akkulturationsprozesse von Geschäftsreisenden, die sich länger in einem Land aufhalten und für die es zum Teile ja auch im Ausland besondere kulturvorbereitende Programme zur Vorbereitung ihres Aufenthaltes gibt. Sobeeindruckend die Beobachtung solcher Migrationsbewegungen ist, so sehr Länder und überstaatliche Gemeinschaften sich darum bemühen, Grenzen offener zu machen, um den kulturellen und vor allem ökonomischen Austausch zu beschleunigen, und so attraktiv das Bild kultureller Diversität erscheint, läßt die Frage, wie solche Bewegungen verlaufen und wahrgenommen werden, also der Blick auf die Prozesse der Kulturaneignung, ebenso Probleme erahnen. Während die Mobilität und Freizügigkeit im ökonomischen Bereich, vor allem im Bereich der wirtschaftlichen Austauschprogramme zwischen Managern, positiv wahrgenommen und unterstützt wird, ist der Fall der klassischen Gruppe der Migranten oder Zuwanderer, die beabsichtigen, in einem fremden Land länger zu leben, ganz anders gelagert.F In der überwiegenden Mehrzahl kommen sie aus ärmeren in reichere Länder mit dem Ziel, ihre persönlichen Lebensumstände insbesondere durch bessere Verdienstmöglichkeiten zu verbessern. Sie werden in der gesellschaftlichen Diskussion als Problemfälle betrachtet, ihre Akkulturation wird besonders kritisch beäugt, und von ihnen werden besondere Akkulturationsleistungen, ebenso wie Anpassungs- oder Akkulturationsprobleme erwartet. Daher steht diese Gruppe auch im Zentrum der wissenschaftlichen Analyse, die sich mit der Akkulturation auseinandersetzt. Dies ist auch ein Grund dafür, dass die Sichtweise der Akkulturationsforschung und/oder der Migrationsforschung vor allem auch durch eine Problem- und Konfliktsicht geprägt ist, die sich eher mit Schwierigkeiten von Personen und Gruppen bei der Aneignung neuer kultureller Umwelten beschäftigt und interkulturelle Konflikte analysiert als mit den persönlichen Erfolgen, gesellschaftlichen Vorteilen und positiven Entwicklungen, die Wanderungen nach sich ziehen. Zum großen Teil resultiert diese Problemsicht daraus, dass der größte Teile der Migranten ethnischen Minderheiten angehören, deren Status und das damit verbundene Kapital (z.B. Bildung) geringer ist als jenes der Einheimischen und dass von statutsniedrigeren Gruppen eine Anpassung an die Mehrheitskultur erwartet wird. Die Akkulturation ist nicht allein durch die Fähigkeiten und Kompetenzen der Zuwanderer bestimmt, sondern in hohem Ausmaß auch durch die Zuschreibungen, Wahrnehmungen, Ideologien und Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft. Auch die Alteingesessenen bewegen sich in immer stärkerem Maße in Akkulturationsprozessen, denn jeder Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Systeme erfordert akkulturative Reaktionen von beiden Parteien. 27 Sauer (2002) hat in einer repräsentativen Umfrage unter türkischen Bürgern in Deutschland (n = 2.066) ermittelt, dass nur 23% der Befragten unentschlossen sind, ob sie in die Türkei zurückwandern möchten, 46% wünschen explizit keine Rückkehr. Je jünger die Befragten sind, desto augenfälliger schwindet der Rückkehrwunsch. 54% betrachten Deutschland als ihre Heimat, 40% die Türkei.
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"Indigenous national populations experience neo-colonization and demonstrate resistance, while new waves of immigrants, sojourners, and refugees flow from these economic and political changes, and large ethno-cultural populations become established in most countries. Of increasing concern is the acculturation that is taking place among the long-settled populations, as they strive to maintain their societies in the face of increasing cultural diversity in their midst. These two foci of interest (on the established as well as on the newer populations) represent the mutual or reciprocal nature of accuIturation: everyone is involved, and everyone is doing it," (Berry, 2005b, S. 700)
1.1.
Grundfragen und -ziele der Akkulturationsforschung
Die Akkulturationsforschung betrachtet bislang nicht primär die Beobachtung von Migrationsprozessen und die Auseinandersetzung um die Regulation oder die politischen Probleme der Migration, sondern die dahinter liegenden Prozesse der Aneignung kultureller Umwelten durch ,Neuankömmlinge' aus einer spezifischen Herkunftskultur, die in einer .neuen' Kultur ankommen. Zweitens sind für die Akkulturationsforschung die Reaktionen von ,Einheimischen' auf die Zuwanderung von Menschen einer anderen Herkunftskultur interessant. Der Kategorienbegriff Einheimische wird vorerst gewählt, um deutlich zu machen, dass hier die Mehrheitsgruppe der Etablierten im Sinne von Elias und Scotson (1994) gemeint ist, deren Heimat in einer spezifischen Kultur ist, die neu Hinzukommende adaptieren können, sollen oder müssen. Der Begriff bezeichnet autochthone oder kultur-einheimische Gruppen - kurz die Alteingesessenen. In der Akkulturationsforschung wird statt auf die Kategorie der Einheimischen eher auf die ,Aufnahrne-, Mainstrearn- oder dominante Kultur oder Mehrheitsgesellschaft' rekurriert, was aber vergleichsweise ungenaue und exklusive Begriffe sind. 28 Die Aufnahrnekultur macht Neue zu Gästen, was Mainstream ist, bleibt unklar, und in vielen Situationen ist die Dominanz ein ungenaues Kriterium der Gruppenunterscheidung. Der kategoriale Begriff der Neuankömmlinge, wie er hier verstanden wird, umfasst zunächst im weitesten Sinne alle Personen und Gruppen, die versuchen, sich eine differente oder eben fremde Kultur anzueignen. Mit Neuankömmlingen sind zunächst allochthone oder aus der Sicht einer dominanten Kultur ,kulturfremde' Personen und/oder Gruppen gemeint. Auch wenn sich die Migrations- und Akkulturationsforschung primär auf die Analyse der Adaptation neuer Umwelten durch Migranten, die zeitlich jüngst in ein anderes Land gewandert sind, konzentriert, fallen in der vorliegenden Forschungsübersicht Personen und Gruppen zunächst auch in die Kategorie der Neuankömmlinge, die schon lange in der ,fremden' Kultur leben; soweit das irreführend ist, werden die Kategorien anders gewählt; ist also von Immigranten, Minderheiten, Außenseitern etc. die Rede. Der Begriff grenzt die Forschung darüber hinaus nicht auf Immigranten oder ethnisch-kulturelle Minderheiten ein, auch wenn sie im Fokus der Forschung stehen. Zugleich umfasst er Personen und Gruppen, die im Hauptfokus der Forschung sind, eben jene, die neu in einer Kultur sind und versuchen, sich diese anzueignen. Der Vorteil des Begriffs ist seine Entlastung von 28 Nach dem Versuch, die verschiedensten Verfahren zur Messung psychologischer Akkulturation zusammenzustellen, kommt Matsudaira (2006)zu einem ähnlichen Resümee.
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anderen problematischen Kategorien - Labels wie Zuwanderer, Einwanderer, Migranten, Fremde usw. Der Nachteil ist seine relative Unbestimmtheit, da es schwer zu sagen ist, wann Personen oder Gruppen in die Kategorie von .neu angekommen' passen, beziehungsweise eben nicht mehr ,neu', sondern einheimisch oder etabliert sind. Insofern sind beide Kategorien-Label- Neuankömmlinge und Einheimische im Sinne von Etablierten nach Elias und Scotson (1994) - zunächst als weit offene Kategorien gefasst, um der Vielfalt der Personen und Gruppen gerecht zu werden, die im Fokus der Forschung stehen. Die Grundfrage der Akkulturationsforschung und damit auch die Grundfrage der vorliegenden Studie ist: Wie verläuft derProzess der Umweltaneignung, welche psychologischen Phäno-
mene treten in diesem Prozess auf, und welche Faktoren beeinflussen diesen Prozess und seine Folgen? Diese Frage soll aus einer neuen, primär sozialpsychologischen Perspektive beantwortet werden, die Forschungserkenntnisse der Akkulturationsforschung und benachbarter Disziplinen wie der Migrationsforschung reflektiert. Die Frage wird nicht auf Individuen und Gruppen beschränkt, die in Folge von Migration geographisch definierte Orte wechseln, sondern erweitert auf alle Individuen und Gruppen, die von einem kulturellen System in einen anderen kulturellen Kontext gelangen, und ebenfalls Individuen und Gruppen einschließen, in deren kulturelle Umwelt Menschen aus anderen Kulturen hinein gelangen. Aus psychologischer Sicht liegt die interessante These nahe, dass sich die grundlegenden Prozesse der Aneignung neuer Umwelten durch Individuen in der Modeme kaum von den psychologischen Grundprozessen unterscheiden, die die Aneignung in vormodernen Gesellschaften geprägt haben und dass bei jeder Wanderung - ganz gleich wo auf der Welt und unter welchen Umständen - grundsätzlich ähnliche psychologische Grundprozesse ablaufen. Das heißt nicht, dass Wanderung historisch, geographisch und gesellschaftlich nicht jeweils unterschiedlich beurteilt und behandelt wird, und diese Bewertung unterschiedliche Akkulturationsprozesse und -strategien erfordert, aber die grundlegenden psychologischen Dimensionen, die den Prozess steuern, können sehr ähnlich sein. Die Akkulturationsforschung kann einige der Grunddimensionen hervorheben, die die Arteignungsphänomene auf die Veränderung kultureller Systeme, ihre Bedingungen und Konsequenzen bestimmen. Die vorliegende Darstellung und Studie der Akkulturationsforschung wird den Versuch unternehmen, solche wesentlichen Prozesse und ihre Dimensionen zu identifizieren und zu systematisieren. Die Analyse kann dabei auf ein großes Repertoire an Konzepten, Theorien und Forschungsergebnissen der psychologischen Akkulturationsforschung und der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung zurückgreifen. Allerdings ist auch - wie die vorliegenden Studie zeigen wird - nachzuweisen, dass die Konzepte sehr undeutlich und uneinheitlich definiert sind, die Theorien äußerst vielfältig und divergent sind und die Forschungsergebnisse so unüberschaubar sind, dass kaum vergleichbare und wissenschaftlich verallgemeinerbare Antworten auf die Frage nach den Phänomenen und Prozessen der Umweltaneignung gegeben werden können. Eine einigermaßen zuverlässige Übersicht über Theorien und Modelle der Akkulturationsforschung liegt bislang nicht vor. Die jüngst von Sam und Berry (2006) vorgelegte erste Übersicht im Herausgeberband "Acculturation Psychology" versteht sich als Teilbereich der kulturvergleichenden Psychologie und bietet nur partielle Einsichten in eine integrative Sicht des Akkulturationsphänomens.
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Forschenden, die sich mit spezifischen Facetten von Akkulturation beschäftigen, mag das bislang kursierende lose Etikett Akkulturationsforschung genügen, aber die Vorteile einer genaueren Identifikation des Forschungsbereiches Akkulturation hat mehr Vor- als Nachteile. Meines Erachtens nach hat sich der Bereich der Akkulturationsforschung in der Vergangenheit enorm dadurch verwässert, dass ohne eine hinreichende Perspektive auf das, was Akkulturation ist, Wissensbestände aus anderen Forschungsbereichen ,auch noch' in den Bereich der Analyse von Wanderungs- und Zuwanderungsprozessen gelangt sind. Dadurch, dass niemand so recht weiß, was alles Akkulturationsforschung ist und was das zentrale Thema der Forschung ist, wird die Kommunikation und Interaktion der Forschung erheblich beeinträchtigt. Die Beobachtung, dass es trotz der enormen Wissensbestände noch kein eigenständiges Journal zur Akkulturationsforschung gibt, mag nur als ein Beispiel dienen. Zudem hat das pragmatische Konsequenzen. Forschungsdisziplinen sind von Ressourcen abhängig, aber diese versiegen, wenn von außen ein eigenständiger Bereich nicht erkennbar ist und damit auch nicht mehr deutlich wird, welche enorm relevanten Beiträge die Forschung zu der grundlegenden Frage der Aneignung neuer Umwelten leisten kann. Ich meine, dass in dieser Situation ein tabula rasa hilfreich ist. Das Forschungsfeld muss auf der Grundlage vorhandener Wissensbestände (Theorien und Forschungsergebnisse) grundlegend gesichtet und neu geordnet werden, damit eine Grundlage für die interdisziplinäre Forschung gefunden werden kann. Neue Konzepte und neue Antworten auf die Grundfrage nach der Aneignung neuer Umwelten müssen entwickelt werden und zum Teil, sind auch die Grundfragen für die Forschung neu zu bestimmen. Eine systematische Aufbereitung der Forschungslage ist notwendig und wird im vorliegenden Beitrag geleistet. An ihrem Ende können ein eigenständiges Forschungsfeld der Akkulturationsforschung und eine eigenständige interdisziplinäre Perspektive stehen. Damit wird ein ähnlicher Versuch unternommen, wie ihn Sam und Berry versuchen. Der Band dokumentiert aktuelle Befunde zu wesentlichen Themen der psychologischen Akkulturationsforschung, die meines Erachtens auch das Ziel verfolgen, ein einheitliches Forschungsfeld auszumachen. Im Gegensatz zur vorliegenden Schrift nehmen Berry und Sam jedoch eine Sammlung zu spezifischen Themen (Phänomene und Forschungsthemen wie Methodologie etc.) vor, und dies aus einer Perspektive der Kulturvergleichenden Psychologie. Eine systematische Aufarbeitung vorliegender Beiträge bietet die Möglichkeiten der Etablierung eines eigenständigen Forschungsfeldes der Akkulturationspsychologie. Die böte den Vorteil, gemeinsame Muster, Bedingungsfaktoren und Konsequenzen zu erkennen, anderes aber auch aus der Akkulturationsforschung auszuschließen. Dies wäre einer theoretischen Weiterentwicklung sehr dienlich, statt weiterhin zur Anhäufung eines Sammelsuriums von Beiträgen, die unter dem Label Akkulturation formieren, beizutragen. Umgekehrt haben durch die starke Fixierung auf Migration theoretische Überlegungen bislang nur einen sehr begrenzten Geltungsbereich. Die Etablierung eines umrissenen Forschungsfeldes verspricht mehr Aufmerksamkeit auch für andere Akkulturationsphänomene, wovon die theoretische Entwicklung profitieren würde. Betrachtet man den Gegenstand einer solchen Akkulturationsforschung, also genauer das Phänomen der Aneignung kultureller Systeme durch Individuen und Gruppen, dann kann man leicht ableiten, dass die Erkenntnisse, die dazu systematisch zusammengetragen werden, relevant für eine Reihe von Disziplinen sind, nicht nur für jene, aus denen sie ursprünglich stammen. Eine Vielfalt an Analysen von Phänomenen, die bislang nicht unter dem Etikett der Akkulturation firmieren,
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wie zum Beispiel die Sozialisation, Mitgliedschaft in Gruppen, Inklusion etc, kann von den Erkenntnissen profitieren. So etwa, wie es die Stereotypen- und Vorurteilsforschung geschafft hat, in den Kanon sozialpsychologischer Forschungsfelder aufgenommen zu werden, könnte auch die Akkulturationsforschung ein eigenes Forschungsfeld werden. Die vorliegende Aufarbeitung wird eine spezifische Sichtweise einnehmen, die grundlegend und anschlussfähig für die Studie von Akkulturationsphänomenen und -prozessen ist. Dazu wird eine sozialpsychologische Perspektive auf die Akkulturation von Individuen und Gruppen begründet und auf die vorhandene Forschung angelegt. Nicht zuletzt kann die gewählte Perspektive hilfreich sein, die bisherigen Probleme der Akkulturationsforschung zu lösen . Im Gegensatz zu Sam und Berry werden hier nicht Phänomene abgehandelt, sondern der Prozess der Akkulturation und die darin relevanten Phänomene.s? Diese Perspektive wird im Verlauf der Studie herausgearbeitet. Zur Einleitung sei nur soviel festgehalten, dass eine sozialpsychologische Perspektive auf das Phänomen der Akkulturation nahe liegt, weil sie nach der Interaktion zwischen Individuen, Gruppen und ihrem kulturellen Kontext fragt und davon ausgeht, dass die Akkulturation durch die Wechselwirkung individueller und kontextueller Faktoren bestimmt ist. Sie versteht dabei Individuen als Mitglieder kultureller Gruppen und Systeme, und sie fasst dabei psychologische Phänomene vornehmlich als Phänomene auf, die durch die Verortung von Individuen in (kulturellen) Gruppen, beziehungsweise in Differenz zu anderen, (kulturell) fremden Gruppen zustande kommen. Das akkulturierende Individuum wird auf der Grundlage der sozialen Bindungen an Gruppen und kulturellen Systemen verstanden und weniger als einzelnes Subjekt mit spezifischen Dispositionen, Affekten ete. Eine solche sozialpsychologische Perspektive auf die interkulturellen Beziehungen liegt im Besonderen bei der Analyse von Akkulturation nahe, denn die Frage nach der Aneignung neuer Umwelten durch Individuen ist hochgradig durch den kulturellen Kontext, aus dem akkulturierende Individuen stammen und den kulturellen Kontext, der angeeignet wird und sich durch die Wanderung verändert, bestimmt. Eine grundlegende These der vorliegenden Studie ist, dass Prozesse der Wanderung, Umweltaneignung und Kulturveränderung, also der Akkulturation, sich als Prozesse der Balancierung zwischen den Gruppen der Einheimischen und Neuankömmlinge oder kulturell als fremd wahrgenommenen Personen und Gruppen in Zeit und Raum beschreiben lassen, die durch die Einbindung im Sinne einer Verortung von Individuen und Gruppen in einer gemeinsamen kulturellen Umwelt bestimmt sind. Balance kann im weitesten als Konvergenz verstanden werden, der in einen Prozess der Verhandlung von Identitäten und interkulturellen Beziehungen eingebunden ist, der wiederum als Prozess der Einbindung verstanden wird. Dabei sind Optionen oder Gelegenheiten der Einbindung entscheidend. Diese sind wiederum abhängig von den Möglichkeiten für Neuankömmlinge, subjektiv und objektiv einen Platz in einer neuen kulturellen Umwelt
29 Zum Vergleich, seien hier die Themen der Kapitel bei Sam und Berry (2006) genannt: Konzeptueller Hintergrund, Kontext der Akkulturation, Stress-Perspektive, kultureller Lernansatz, ethnische Identität, Entwicklung, Persönlichkeit, Design von Studien, Assessment, Akkulturation spezifischer Gruppen (Immigranten, Flüchtlinge etc.), Darstellung der Akkulturation in bestimmten Ländern, Anwendung bei Kindern und Frauen, Schule, Arbeit, Gesundheitswesen, Alter, pluralen Gesellschaften, interkulturelles Training.
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zu finden. Dieser Platz kann aus einer mikro- und makro-sozialen Perspektive durch den sozialen Status definiert sein. Die sozialpsychologische Analyse der Akkulturation wird zeitliche Prozesse und zeitlich purtktuelle Differenzen betrachten, und ebenso auch nach der Bedeutung der räumlichen Einbindung fragen. Es wird die These herausgearbeitet und untermauert, dass Individuen auf räumliche Gegebenheiten mit interkulturellen Differenzierungsprozessen reagieren. Vier Aspekte der Akkulturation sollen vorläufig die Grundperspektive beschreiben: 1. Akkulturation wird als ein Phänomen beschrieben, dass die individuellen psychologischen und sozialen Prozesse und Phänomene auf die Bindungen von Individuen an die Gruppen der Neuankömmlinge und Einheimischen zuriickfiihrt; das kulturelle Individuum in interkulturellen Beziehungen steht im Vordergrund. 2. Akkulturation wird als Prozess der Verortung von Neuankömmlingen wie Ansässigen in einer gemeinsamen kulturellen Umwelt verstanden. Dieser Prozess ist eingebettet in einen Prozess der Ausbalancierung von Differenzen zwischen Individuen, Gruppen und kulturellen Systemen. Der Prozess erfolgt in Interaktion zwischen den Beteiligten des Akkulturationsprozesses und dem kulturellen Kontext. 3. Akkulturation findet also im Wechselspiel von drei wesentlichen Komponenten statt: der Balance von Differenz, Verortung und Einbindung in einen gemeinsamen kulturellen Kontext. 4. Akkulturation ist nicht nur ein Prozess der zeitlichen Verortung, sondern auch der räumlichen Verortung innerhalb eines kulturellen Kontextes.
1.2.
Gliederung
Die genannten Annahmen bieten eine erste Perspektive auf die Akkulturation. Diese ergibt sich aus den gegenwärtigen Theorien und Befunden der Akkulturationsforschung, wie noch genauer nachzuweisen ist . Um diese Thesen und die damit verbundene Perspektive genauer zu bestimmen und argumentativ zu stützen, empfiehlt es sich, sie in den Kontext der zentralen Themen und Befunde der Akkulturationsforschung zu stellen, beziehungsweise sie mit diesen abzugleichen. Insgesamt verfolgt die Studie die Entwicklung eines Ansatzes, der die wesentlichen Prädiktoren, Moderatoren, Mediatoren, Ausdrucksformen sowie Konsequenzen von Akkulturationsprozessen und -orientierungen von Gruppen in kulturellen Kontexten abbildet. Durch die Diskussion des Forschungsbestandes ist es unter Umständen möglich, die unübersichtlich gewordene Akkulturationsforschung gleichzeitig als eigenständiges Forschungsfeld darzustellen und sogar eine Synthese herzustellen und eine Theorie zu entwickeln. Dabei stellt sich die Frage, was überhaupt unter Akkulturation zu verstehen ist, beziehungsweise, von welchem Konzept von Akkulturation eine Analyse der Forschung ausgehen kann oder auszugehen hat. Bis hierher wurde Akkulturation sehr einfach als Aneignungsprozess verstanden. Im folgenden Kapitel soll eine genauere Antwort auf die Frage der Definition gegeben werden. Sie wird sich an gängigen, beziehungsweise in der Forschung weit verbreiteten Konzeptualisierungen ausrichten. Es ist aber teilweise auch eine neue Konzeptualisierungen wesentlicher Grundkonstrukte notwendig, weil bislang ver-
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wendete Begriffe unzureichend definiert oder ungenau sind. Das betrifft zum Beispiel das Konstrukt der Kultur in der Akkulturationsforschung. Es wird vorgeschlagen, zunächst von einer relativ allgemeinen und umfassenden Konzeptualisierung von Akkulturation auszugehen, um nicht vorschnell Phänomene aus dem Blick geraten zu lassen, die durch die gängigen Definitionen übersehen werden. In einem nächsten Schritt läßt sich dann der Blick auf das, was Akkulturation in seinem Grundkern eigentlich bedeutet, enger fassen . Ist das erfolgt, kann die Sichtweise an Erklärungsansätzen (Theorien, wenn möglich) ausgerichtet werden und näher bestimmt werden. Dabei gilt den Konstrukten der Balance, der interkulturellen Beziehung und Verortung ein besonderes Gewicht. Im Einzelnen sollen durch die systematische Aufarbeitung der Forschungserkenntnisse und die Herausarbeitung einer eigenständigen Perspektive wesentliche psychologische Determinanten, Vermittlungsfaktoren und Realisationen der Akkulturation benannt werden. Immer wieder wird dazu auch zwischen den Perspektiven der Gruppen, die am Akkulturationsprozess beteiligt sind, unterschieden. Es wird deutlich gemacht, dass grundsätzliche Divergenzen zwischen den am Akkulturationsprozess beteiligten Gruppen (Neuankömmlinge und Ansässige) vor allem in ihren Einstellungen dazu, wie die Akkulturation von Neuankömmlingen verlaufen sollte und/oder verläuft, bestehen. Ferner werden die Kontextfaktoren hervorgehoben, die die Bindung und Differenz in kulturelle Systeme bestimmen. Dazu werden in Übereinstimmung mit der Perspektive spezifische Theorien intergruppaler bzw. interkultureller Beziehungen herangezogen. In diesem Kontext wird die Akkulturation vor allem in Bezug zu den Status- und Dominanzbeziehungen der beteiligten Gruppen untersucht. Es wird deutlich werden, dass die Prozesse der Verortung und Differenzierung von Gruppen im Prozess der Akkulturation erheblich durch die Status- und Machtbeziehung der beteiligten Gruppen bestimmt sind sowie durch zeitliche und räumliche Verortungen. Aus der umfassenden Sichtung einer Reihe von Theorien, Modellen und empirischen Studien, die recherchiert wurden, können nicht nur wesentliche (offene) Forschungsfragen identifiziert werden - die Übersicht bietet vielfältige Möglichkeiten dazu -, sondern das Ziel ist es, Thesen zu entwickeln, die eine eigenständige Perspektive auf das Phänomen der Akkulturation prägen. Zudem werden eigene Studien zu den Prozessen und Einstellungen von ethnisch ansässigen (oder autochthonen) und kulturell neuen (oder allochthonen) Gruppen vorgestellt. Sie sind an einer sozialpsychologischen Perspektive auf den Prozess der Akkulturation orientiert, die hier entwickelt und durch die Diskussion der Forschungslage untermauert wird. Die Perspektive wird am Ende in Kapitel 8 zusammengefasst. Dabei werden während der Diskussion der Forschungslage und am Ende auch, Implikationen für die zukünftige Akkulturationsforschung zu diskutieren sein. Die Thesen die sind nicht explizit auf spezifische Akkulturationsphänomene von spezifischen Gruppen bezogen, sondern repräsentieren ein grundlagenwissenschaftliches idealtypisches Modell des Prozesses der Akkulturation. Diese Theorie der Akkulturation wird also Schritt für Schritt durch die Darstellung der Forschungserkenntnisse - Theorien und empirische Forschungsergebnisse - entwickelt. Um eine Perspektive zu entwickeln, müssen allerdings einige Grundprobleme der gegenwärtigen Akkulturationsforschung überwunden werden. Die Akkulturationsforschung lässt sich aktuell durch die Vielfalt und Unübersichtlichkeit ihrer Forschungserkenntnisse über
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Prozesse und Strukturen der Migration, allgemeinen Kulturaneignung, Enkulturation, kulturellen Sozialisation etc, der unterschiedlichsten Gruppen und zur Aneignung kultureller Umwelten in den unterschiedlichsten Kontexten und unter Berücksichtigung der vielfältigsten Bedingungsfaktoren, Phänomene und Konsequenzen kaum als eigenständiges Forschungsfeld ausmachen, selbst wenn das Etikett ,Akkulturationsforschung' weit verbreitet ist. Primär müssen die vielfältigen Konzeptualisierungen von Akkulturation diskutiert werden, und es muss eine alternative Konzeptualisierung angeboten werden, die möglichst nahe die Grunddimensionen akkulturativer Prozesse beschreibt. Dazu ist das Konzept der Akkulturation auch von ähnlichen, zum Teil alternativen und überschneidenden Konzepten, wie zum Beispiel das der Adaptation oder Assimilation, deutlicher abzugrenzen als die Forschung es bislang vollzogen hat. Zweitens müssen die die möglichen Erklärungsbeiträge für die Konzepte und die Forschungsergebnisse identifiziert und mit einer neuen Perspektive abgeglichen werden. Um das Forschungsfeld unter der Perspektive der Analyse des Akkulturationsprozesses aufzubereiten, verzichte ich bewusst auf eine dokumentarische oder lehrbuchartige Aufarbeitung. Eine solche hätte den Nachteil, dass eine Grundlegung der Akkulturationsforschung davon abhängig wird, dass ihre reine Berichterstattung davon überzeugt, ein eigenständiges Forschungsfeld zu sein. Sinnvoller erscheint es dagegen, anhand vorliegender Wissensbestände die Grundfragen zu bestimmen, die Grundkonzepte zu definieren und eine Perspektive zu entwickeln, die die Akkulturationsforschung von anderen Forschungsfeldern unterscheidet. Beginnen wird die Entwicklung der Perspektive mit einer Definition der wesentlichen Konstrukte, die im Fokus der Akkulturationsforschung stehen.
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2. Die Grundkonzepte Akkulturation, Adaptation, Assimilation und Kultur
Diskutiert werden die Grundkonzepte, die die Akkulturationsforschung bestimmen. Primäres Ziel ist es, ein Grundverständnis des Akkulturationskonzeptes zu gewinnen. Dazu wird das Konzept der Akkulturation von alternativen und konzeptnahen Begriffen unterschieden. Insbesondere werden die Unterschiede zu den Konzepten der Assimilation, Integration und Adaptation diskutiert, da sie zum Teil in der Forschung mit dem Begriff der Akkulturation gleichgesetzt werden. Es wird eine Konzeption entwickelt, die Akkulturation anhand der Grunddimensionen der Verortung, Differenzierung und Balancierung begreift. Bei der Vorstellung unterschiedlicher Definitionen werden eigene Thesen zum Begriffsverständnis entwickelt, die in einer (sozial-)psychologischen Definition von Akkulturation münden. Darüber hinaus wird kurz auf das Kulturkonzept eingegangen, da jede Definition von Akkulturation implizit auf einem Konzept von Kultur basiert bzw. meines Erachtens auf einem Kulturkonzept basieren sollte. Aus der konzeptuellen Diskussion ergeben sich Notwendigkeiten für die weitere theoretische Fundierung der Perspektive. Die wesentlichen Erkenntnisse werden in 30 Propositionen zu den Grundkonzepten festgehalten. Die Ausgangsfrage des vorliegenden Kapitels lautet: Was ist Akkulturation, und wie kann man Akkulturation von ähnlichen Konzepten wie zum Beispiel dem der Adaptation, Assimilation oder Kulturaneignung trennen? Diese Grundfrage der Akkulturationsforschung verlangt aus theoretischer Perspektive eine genaue Begriffsbestimmung. Dabei hat die Begriffsbestimmung von Akkulturation mit wesentlichen Problemen zu kämpfen, die einerseits jede Begriffsbestimmung hat, andererseits aber spezifisch sind für die Konzeptualisierung von Akkulturation. Drei primäre Probleme betreffen 1.) die Analyseebene, 2.) die Kontexteinbindung und 3.) die Definition des Konzeptes der Akkulturation durch andere Konzepte. 1.) Die Akkulturation kann auf sehr unterschiedlichen Analyse- und Erklärungsebenen untersucht werden, die den Blickwinkel auf das Phänomen festlegen und zugleich Facetten der Akkulturation kenntlich machen können. 3D Einerseits kann Akkulturation als ein individuelles Phänomen analysiert werden. Diesen Blickwinkel nimmt vor allem die psychologische Akkulturationsforschung ein; zum Beispiel dann, wenn Stress und andere gesundheitliche Begleiterscheinungen untersucht werden. Seit den 1980er Jahren hat sich ihr Blick aber auch zunehmend auf die gruppale beziehungsweise positionale oder Meso-Ebene ausgeweitet, auf der Akkulturationsprozesse als Gruppenphänomene analysiert werden. Akkultura-
30 Vgl. hierzu auch die Ebenen psychologischer Erklärungen nach Doise (1986).
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tion wird als Phänomen betrachtet, dass durch die Mitgliedschaft von Individuen in spezifischen kulturellen Gruppen bestimmt ist. Diese Gruppen können ihrerseits spezifisch (bestimmte Migrantengruppen oder ethnische Minderheiten, Einheimische etc.) oder eher universal (Zuwanderer, autochthone/allochthone Gruppen, Neuankömmlinge etc.) bestimmt werden. Ebenso wird dadurch ihre Statusposition mitbestimmt. Akkulturation kann zudem auch auf der Ebene der kulturellen Systeme bzw. als ein strukturelles Phänomen betrachtet werden, das nicht mehr auf individuelle, interpersonale oder gruppale Phänomene zurückzuführen ist. Weite Teile der Migrationsforschung legen Definitionen von Akkulturation vor, die das Konzept eher an strukturellen Merkmalen festmachen und dadurch zum Beispiel Akkulturation sehr nahe an das Konzept der Assimilation - eben der Assimilation an strukturelle Bedingungen - rücken. Kennzeichen der Analysen auf dieser Ebene ist, dass Akkulturationsphänomene auf Merkmale des Systems zurückgeführt werden, selbst wenn sie die individuelle Wahrnehmung oder das Handeln betreffen. 2.) Die Konzeptualisierung von Akkulturation und ihre Analyse können sich auf die unterschiedlichsten Kontexte in denen Akkulturationsprozesse stattfinden und Entitäten beziehen. Akkulturation wird zum Beispiel als Phänomen von Migration und Zuwanderung, als Phänomen der Persönlichkeitsänderung, als Konflikt zwischen kulturell divergenten Gruppen, aber auch als allgemeines Phänomen des Wertewandels von Kulturen oder ihrer Strukturen betrachtet. Eine Grundkonzeptualisierung sollte präzise Aussagen darüber enthalten, auf welchen Kontext und auf welche Entität (Individuum, Gruppe, Kultur) sich die Definition bezieht. 3.) Eine grundlegende Konzeptualisierung von Akkulturation muss bedenken, welche anderen Konzepte das Grundkonzept der Akkulturation definieren sollen, und wie dann wiederum diese zu verstehen sind. Das betrifft vor allem die Frage danach, welche soziale Repräsentationen und Dimensionen der Akkulturation das Konzept der Akkulturation beschreiben. Das ist insofern problematisch als dass zur Definition von Akkulturation zum Beispiel Konzepte wie die Adaptation und Assimilation herangezogen werden, die zugleich aber synonym mit dem Begriff der Akkulturation verwendet werden. Eine genaue Differenzierung von Explanandum und Explanans ist notwendig, wird aber in der Akkulturationsforschung leicht verwischt, wie sich zeigen wird. Begriffsbestimmungen sollten so präzise sein, dass deutlich wird, aus welcher Perspektive, das heißt auf welcher Ebene, zu welchem Phänomenbereich und unter Berücksichtigung welcher erklärenden Konzepte zur Bestimmung von Dimensionen und Repräsentationen das Phänomen betrachtet wird und sie damit der empirischen Analyse - zumindest in einer empirisch orientierten Psychologie - zugänglich sind. Das kann und sollte meines Erachtens nicht bedeuten, dass die Begriffsbestimmung und mit ihr die Konzeptualisierung so spezifisch sein muss, dass sie nur einen Bruchteil des Phänomens der Vmweltaneignung betrifft. Im Gegenteil kann eine Konzeptualisierung explizit so breit angelegt sein, dass sie viele Perspektiven-, Analyse- und Erklärungsebenen sowie Facetten der Akkulturation umfasst und für unterschiedlichste Kontexte begreifbar macht. Nur muss die Konzeptualisierung das auch explizit vorsehen. Es wird noch deutlich werden, dass die bestehenden Akkulturationsdefinitionen diese Präzision vermissen lassen, was zum großen Teil auch darauf zurückzuführen ist, dass zu viele divergente und eigenständige Grundkonzeptualisierungen von Akkulturation kursieren.
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Rudrnin (2003a) hat die derzeit umfassendste Aufstellung von Akkulturationsdefinitionen vorgelegt. Er nennt in seiner Taxonomie allein 126 divergente Grundkonzeptionen von Akkulturation, die zwischen den Jahren 1918 und 2003 publiziert wurden. Es ist nicht möglich, aus der Taxonomie eine konsensuale Definition herauszuarbeiten, da sich die Definitionen mit den Forschungsdisziplinen, die sich mit dem Phänomen der Akkulturation beschäftigen, erheblich unterscheiden, und mit ihnen die Begriffe, Perspektiven und Forschungsthemen. Es gibt mindestens eine psychologische, eine soziologische, eine sozialwissenschaftliehe. eine politologische, eine linguistische, eine kommunikationswissenschaftliche sowie eine anthropologische Akkulturationsforschung. die sich im weitesten Sinne als Forschung interkultureller Beziehungen versteht (vgl. auch Hart, 1999). Das Problem, eine nachvollziehbare Sichtweise auf das Konzept zu erhalten vervielfacht sich, wenn man bedenkt, dass zunehmend die Disziplinen nicht mehr genau voneinander abzugrenzen sind, und so auch nicht ihr Grundverständnis von Akkulturation. Viele Theorien machen Aussagen über strukturelle, psychologische und soziale Akkulturationsphänomene und lassen sich kaum mehr als genuin soziologisch, psychologisch etc. festmachen. Wie die Analyse und Diskussion der Theorien in den nachfolgenden Kapiteln deutlich machen wird, beinhalten zum Beispiel viele soziologische Theorien psychologische Annahmen. Andererseits sind die Theorienbildung. die Konzeptualisierung von Akkulturation sowie die Methodologie äußerst divergent zwischen und innerhalb der Forschungsrichtungen (vgl. Zick & Six, 1997b). Das Lamentieren über die Probleme der disziplinären Vielfalt und Unübersichtlichkeit hilft aber nicht. Es soll hier nur vorab genannt werden, um den Vorwurf zu mindern, dass auch die folgende Begriffsanalyse unter einer spezifischen Perspektive geschieht. Im Folgenden wird eine psychologische, genauer noch eine sozialpsychologische Konzeption von Akkulturation entwickelt. Diese Grundkonzeption begreift die Akkulturation von Individuen als Interaktion zwischen individuellen und kontextuellen Faktoren. Die Konzeption wird repräsentiert durch zentrale Annahmen, die die Konstrukte betreffen (sie werden herausgestellt). Die Grundlegung der Begriffe hat für die anschließende Diskussion theoretischer und empirischer Zugänge noch einen Seiteneffekt. Er ermöglicht auch eine Präzisierung der Repräsentation von Akkulturationsniveaus und Outcomes, das heißt Indikatoren .erfolgreieher' oder problematischer Akkulturation sowie der Folgen und Konsequenzen des Akkulturationsprozesses. Das wird besonders am Beispiel der Konstrukte der Adaptation, Integration und Assimilation deutlich.
2.1.
Akkulturation
Konzentriert man sich im ersten Schritt allein auf den Begriff der Akkulturation, mit dem die psychologische Forschung operiert, dann ist festzustellen, dass es auch hier zu einer immensen Begriffsvielfalt und (zumindest teilweise) Begriffsverwirrung gekommen ist, und die Psychologie Anleihen in der Soziologie und Anthropologie gemacht hat (zur genaueren Übersicht über die Begriffsgeschichte, auf die hier verzichtet wird, vgl. Berry, 2003, 2005a/b; Sam, 2006; Trimble, 2003).
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2.1.1.
Konzeptualisierung in der Akkulturations- und Migrationsforschung
Ursprünglich wurde der Begriff der Akkulturation 1880 durch amerikanische Anthropologen eingeführt, um den Prozess der Kulturveränderung durch den Kontakt zweier Kulturen zu beschreiben. Er wurde ähnlich verstanden wie die Begriffe Culture Change (Kulturveränderung), Transkulturation und Interpenetration. Dabei wurde Akkulturation als bidirektionaler Prozess verstanden, d.h. die damit beschriebenen Veränderungen betreffen alle Gruppen, die in Kontakt kommen (Thurnwald, 1932). Erst seit den 1930er Jahren wird das Phänomen der Akkulturation konsequent wissenschaftlich durch Anthropologen untersucht, auch wenn die Analyse der Adaptation neuer kultureller Umwelten bis weit in die griechische Philosophie reicht (Rudmin, 2003a/b). Auch die modeme Geographie und die Archäologie verwenden den Akkulturationsbegriff, um Phänomene der Kulturaneignung zu bezeichnen. Der Fokus wird dabei auf das kulturelle System und weniger auf die Individuen gerichtet. Es wurde angenommen, dass Individuen ihre Überzeugungen, Habits und Lebensstile kaum ändern, aber sich das kulturelle System verändert. Im Gegensatz zu einer sozialpsychologischen Sicht erhalten hier die kulturellen Gruppen als Entitäten wenig Aufmerksamkeit. Die frühen psychologischen Theorien der Akkulturation konzentrieren sich weniger auf eine genaue Konzeptualisierung von Akkulturation, die sich am Prozess der Umweltaneignung orientiert, sondern vielmehr auf die Identifikation von so genannten,Wanderertypen' im Sinne einer individualpsychologischen Charakterologie (vgl. Cropley & Lüthke, 1994; Cropley, Ruddat, Dehn & Lucassen, 1994;siehe unten, Kapitel 6.1). Petersen (1972)hat den Ansatz der mobilitätszentrierten Persönlichkeit vorgeschlagen, die disponiert ist, zwischen Räumen zu wandern und sich zu akkulturieren. Ähnliche Ansätze sind in der soziologischen Migrationsforschung zu finden, die unterschiedlichste Definitionen von Wanderung vorlegt und sich an der Klassifikation von Akkulturationstypen und -gruppen orientiert (vgl. Treibel, 1999, S. 18). Mit dieser Beschreibung von Wandertypen, oder der Klassifikation von Wanderungsgruppen wurde eine genauere Begriffsbestimmung von Akkulturation umgangen und die Definition auf eine intrapersonale Analyseebene eingeengt. Akkulturation ist nicht mehr als eine Disposition, die Individuen beschreibt, die mehr oder minder erfolgreich in einer anderen Kultur zurechtkommen, eben aufgrund ihrer persönlichen Kompetenzen, Motive und Charakterzüge. Die Klassifikation und Beschreibung von Typen versperrt zudem die Sicht auf das Akkulturationsphänomen selbst, also das Phänomen der Aneignung neuer Umwelten. Sie versperrt auch den Blick dafür, dass nicht die Person und ihre Wanderung die Akkulturation ausmacht, sondern der psychologische Prozess der Einbindung infolge von Wanderung. Akkulturation kann aber auch dann stattfinden, wenn Individuen nicht oder nicht mehr gewandert sind. Auch Einheimische oder autochthone Gruppen, in deren kulturelles System andere Individuen und Gruppen hineingelangen, unterlaufen einen Prozess der Akkulturation (Berry, 2003, 2007). In der modemen Akkulturationsforschung kursieren einerseits eine Reihe von Akkulturationsdefinitionen, die jeweils spezifische Bestimmungsmerkmale hervorheben und exklusiv geraten, andererseits kursieren Definitionen, die sehr breit angelegt sind und Akkulturation anhand von weiteren Konzepten, wie jenen der Enkulturation, Assimilation, Adaptation etc. definieren, die nicht klar voneinander differenziert werden. Simons (1990, S. 791) definiert Akkulturation zum Beispiel als
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" ... process of adjustment or accomodation which occurs between the members of two different races, if their contact is prolonged and if the necessary psychic conditions are present."
Eine solche Definition birgt nicht nur das Problem einer Fokussierung auf spezifische Gruppen (hier ,rassisch' definiert), sondern auch weiterer Begriffsverwirrung, weil Akkulturation mit Anpassung und Akkomodation gleich gesetzt wird, die dann wiederum ihrerseits genauer zu bestimmen und von Akkulturation zu unterscheiden ist. In den einschlägigen interdisziplinären Übersichtsarbeiten und vielen Studien werden traditionellerweise drei Definitionen von Akkulturation zitiert, wobei die dritte Definition auf den ersten beiden basiert und daher maßgeblich für die Forschung ist (vgl. vor allem Berry, 1997; Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 2002; Chun, Organista & Marin, 2003; Kim, 2002; Ward, Bochner & Fumham, 2001). (1.) Nach Redfield, Linton und Herskovits (1936, S. 149-152) umfasst Akkulturation jene Phänomene " ... which result when groups of individuals having different cultures come into continuous firsthand contact, with subsequent changes in the original culture patterns of either or both groups ... under this definition acculturation is to be distinguished from culture change, of which it is but one aspect, and assimilation, which is at times a phase of acculturation. It is also to be differentiated from diffusion, which while occurring in a11 instances of acculturation, is not only a phenomenon which frequently takes place without the occurrence of the types of contact between peoples specified in the definition above, but also constitutes only one aspect of the process of acculturation."
Die drei wesentlichen Dimensionen der psychologischen Akkulturationsforschung sind gemäß der Definition Kontakt (direkt, indirekt, in Interaktion und Kommunikation), reziproker Einfluss (inklusive der Beachtung von Dominanz-, Status- und Machtunterschieden) und Veränderung (als Prozess und Konsequenz oder Outcome). Damit wären zugleich Themen und Charakteristika eingegrenzt, die auf theoretischer und empirischer Ebene der genaueren Analyse bedürfen. Ferner muss die Akkulturation von den Konzepten der kulturellen Veränderung und der Assimilation unterschieden werden. Akkulturation ist nach dieser Definition ein Aspekt der kulturellen Veränderung und Assimilation ist eine Phase der Akkulturation. Damit liegt zugleich eine erste Unterscheidung von Akkulturation und Assimilation vor, wobei noch genauer definiert werden müsste, was Assimilation ist. Zusätzlich kann auf der Grundlage der zitierten Definition Akkulturation vom Konzept der Diffusion unterschieden werden. Diffusion ist der Definition zufolge nur ein Phänomen der Akkulturation. Ferner ist in der Definition impliziert, dass die Akzeptanz einer neuen Kultur mit der Aufgabe einer älteren Kultur einhergeht und Adaptation als Verbindung zweier Kulturen und Reaktionen aufgefasst wird, wobei darin contra-akkulturative Handlungen enthalten sind (Lessenger, 1997). Wesentlich ist erstens, dass Akkulturation resultiert, wenn ein interkultureller Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kultur zustande kommt. Damit ist eine wesentliche Dimension der Akkulturation bestimmt. Zweitens ist wesentlich, dass die Gruppen, die in Kontakt kommen, als eigenständige Entitäten aufzufassen sind. Man kann die Definitionen danach unterscheiden, wie stark sie die Perspektive und Bindung an die Minderheit
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und/oder Mehrheit als entscheidendes Merkmal hervorheben (Rudmin, 2003a, S. 4). Das legt zugleich die These nahe, dass kulturelle Differenz den Kontakt bestimmt, denn die Gruppen sind sozialpsychologisch betrachtet durch differente Merkmale definiert. Wesentlich ist drittens, dass diese Gruppen nicht nur ihre Mitglieder einbinden, sondern sich auch das jeweilige kulturelle System der Gruppen und das gemeinsame System beider Gruppen im Zuge der Akkulturation verändert. (2.) Die Differenzierung von Akkulturation und Ku1turveränderung (Culture Change) steht im Fokus der Definition des Social Science Research Council (1954). Akkulturation wird als Ku1turveränderung (Culture Change) und Adaptation gefasst, " ...that is initiated by the conjunction of two or more autonomous cultural systems. Acculturative change may be the consequence of direct cultural transmission; it may be derived from noncultural causes, such as ecological or demographie modification induced by an impinging culture; it may be delayed, as with internal adjustments following upon the acceptance of alien traits or patterns; or it may be a reactive adaptation of traditional modes of life. Its dynamics can be seen as the selective adaptation of value systems, the processes of integration and differentiation, the generation of developmental sequences, and the operation of role determinants and personality factors." (Social Science Research Council, 1954, S. 974)
Grundlegend wird hier zwischen der Ku1turveränderung auf der rnakro-sozialen Ebene und der Anpassung (Adjustrnent) und Adaptation auf der mikro-sozialen (psychologischen) Ebene unterschieden; wobei wiederum die Konzepte der Anpassung und Adaptation genauer zu definieren wären. Insbesondere die Differenz auf der mikro-sozialen Ebene und die Dimension von Integration versus Differenzierung sind maßgeblich für die Kulturveränderung, die sich aus Akkulturationsprozessen ergeben. Auch wenn sich wiederum die Dimensionen der Einbindung (Integration) und Differenz als zentrale sozialpsychologische Momente herauslesen lassen, wird in der Definition Akkulturation eher in Facetten beschrieben als eigenständig konzeptualisiert. (3.) Eine dritte, psychologisch genauere Definition hat Berry mit seinen Kollegen und Mitarbeitern in umfangreichen Forschungsarbeiten entwickelt (zur Übersicht vgl. Berry, 1997, 2003). Dabei verweisen Berry, Kim und Boski (1988) zunächst darauf, dass Akkulturationsphänomene durch Grunddimensionen bestimmt sind, die man zur Typologie von Akkulturationsphänomenen heranziehen kann: 1. Zeit (begrenzt/temporär vs. dauerhaft/permanent), 2. Umfang (Individuum, Gruppe, Masse), 3. Entscheidung/Ursache (freiwillig vs. Zwangsaustausch) und 4. Raum (Binnen-Akkulturation innerhalb eines kultureIlen Kontextes vs. externe Akkulturation). Berry (1990b, S. 63-64) schlägt vor, die Analyse der Akkulturation auf Ebene der Kultur von der psychologischen Analyse zu unterscheiden. Die psychologische Akkulturation definiert er als: " ... the process by which individuals change their psychologieal characteristics, change the surrounding context, or change the amount of contact in order to achieve a better fit (outcome) with other features of the system in which they carry out their life. These other features can be physical, cultural, or social in nature and constitute the adaptive context in which the person lives ..."
Akkulturation wird als Prozess der Änderung der Individuen, des Kontextes und der interkulturelIen Kontakte verstanden, um eine Passung mit Merkmalen des kulturellen Systems herzusteIlen. Obgleich diese Definition in der Akkulturationsforschung außerordentlich oft
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zitiert wird, ist sie meines Erachtens eher unpräzise, denn sie sagt ja nicht mehr aus als dass der Akkulturationsprozess ein Änderungsprozess ist. Zudem fallen alle Prozesse der Akkulturation, in denen Individuen trotz eines Kontaktes und/oder Lebens in einer fremden Kultur und trotz ihres Versuches, eine bessere Passung hinzubekommen, ,nichts ändern' zu leicht aus dem Blick. Padilla und Perez (2003, S. 35) definieren psychologische Akkulturation meines Erachtens genauer als : 11'" interal processes of change that irnrnigrants experience when they come into direct contact with members of the host cuIture". Damit grenzen sie psychologische Akkulturation implizit von einer soziokulturellen Akkulturation ab und auf die internalen eben psychologischen, dass heißt hier vor allem kognitiven und affektiven - Prozesse ein. Rudrnin (2003b) hat auf der Grundlage seiner Taxonomie von Akkulturationsdefinitionen eine einfache Definition von Akkulturation zur wissenschaftsöffentlichen Diskussion gestellt, die weitgehend auf den Konzeptualisierungsvorschlägen von Berry (1997, 2003, 2005a) basiert. "Acculturation refers to the processes by which we adapt or react to a foreign culture. Usually this entails the adoption of new cultural practices, for example, Americans learning to eat Japanese sushi, but it can also refer to the blending of cultures, for example, putting avocado into the sushi and calling it "Califomia roll". Thus, cultures change and evolve by acculturative processes, for example, "Califomia roll" is now common cuisine in sushi bars in Japan. Many aspects of mainstream US culture are products of such acculturation processes, for example, peanut butter, pizza, tacos, tobacco, coffee, wine, jazz, rock-n-roll, yoga, lacrosse, hockey, skiing, Boy Scouts, Thanksgiving turkey, Christmas trees, Easter eggs, and the world-wide-web. However, acculturation can also entail reactions against the new culture, for example, disliking foreign foods or feeling that foreign ways are dirty, immoral, or inferior. Acculturation is a universal human experience, as shown by archaeological evidence of prehistoric cultural diffusion." (Rudmin, 2003b, S. 1)
In dieser Definition wird die Veränderung, die aus der Akkulturation resultieren kann, in den Kontext von Adaptationsprozessen und Reaktionen gestellt. Das Phänomen Akkulturation ist aber auch in dieser Definition noch relativ unbestimmt. Es umfasst mehr oder minder alle Phänomene, die resultieren, wenn ein Individuum oder eine Gruppe auf eine fremde Kultur trifft, darauf reagiert und/oder versucht, diese zu adaptieren. Die Definition ist unpräzise, denn erstens wird nicht festgelegt, was sich spezifisch in Folge von Akkulturation verändert. Zweitens muss eine andere Kultur nicht unbedingt ,fremd' sein, zumindest muss bestimmbar sein, wie der Aspekt der ,Fremdheit' zu verstehen ist. Mir scheint das Konzept der kulturellen Differenz weitaus präziser zu sein. Drittens fehlt auch in dieser Definition eine Bestimmung von Akkulturation anhand zentraler Facetten und/oder Dimensionen der Akkulturation. Zick und Six (1997) haben alternativ versucht, eine sehr allgemeine sozialpsychologische Definition vorzulegen, die auf der Grundlage einer Sichtung von Akkulturations- und Migrationstheorien entwickelt wurde. Wir definieren Akkulturation als einen Prozess, in dem ein Individuum als Mitglied einer kulturellen Gruppe zeitlich und räumlich in eine neue Kultur hineinkommt. Damit wollten wir erstens hervorheben, dass eine sozialpsychologische Analyse nicht die Individuen als Personen beobachtet, sondern als Mitglieder von Kulturen. Zweitens verstehen wir unter dem ,Hineinkommen' die Verortung von Gruppen, ohne das Akkulturationskonzept auf die von Berry (1997) hervorgehobene Motivation der Passung abzuheben. Obgleich diese Definition den Vorteil hat, dass sie relativ breit angelegt ist und damit die divergentesten Phänomene und Prozesse umschließen kann, trifft sie aber
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nicht den zentralen Aspekt der Veränderung, der aus dem Versuch resultiert, kulturelle Umwelten zu adaptieren bzw. der Reaktion auf das Hineinkommen' einer kulturell neuen Gruppe. Berrys (1990b) Ausführungen zur Akkulturationsdefinition sind präziser. Er verweist darauf, dass die Akkulturation im Gegensatz zum Kulturwandel (Culture Change) eher ein ,Tagesgeschäft' sei, und damit hoch variabel ist . Eine stabile Veränderung entstehe nur, wenn das Verhalten in der Annahme eines Lebensstiles (z.B. dem einer dominanten Mehrheitskultur) mündet, also der Adaptation. Berry (1980) identifiziert die psychologischen Faktoren, die mit der kulturellen Veränderung beim Individuum vonstatten gehen: Einstellungen, Leistungsorientierungen und persönliche Eigenschaften, Konsequenzen (Outcomes, die Verhaltensänderungen gegenüber den neuen Normen festmachen) und akkulturativer Stress . Berry, Kim und Boski (1988) fassen in vier Grundannahmen zusammen, was aus psychologischer Sicht Akkulturation ist: Erstens sei Akkulturation ein soziales, d .h. ein gesellschaftliches (gruppales) und - wenn auch durch den sozialen Kontext weitgehend determiniert - ein personales Phänomen, das (immer) durch interkulturelle Kontakte verursacht sei. Zweitens könne sich die Akkulturation in sehr unterschiedlichen Formen der Anpassung oder Nicht-Anpassung zwischen zwei Gruppen äußern. Drittens verlangten spezifische Formen der Akkulturation spezifische Vorbedingungen und Konsequenzen von Veränderung. Viertens seien externale und internale Gründe für den Prozess der Änderung, der als Akkulturation begreifbar ist, verantwortlich. Diese Veränderung wird in der aktuellen Literatur vor allem als Konsequenz von Enkulturations- und Lernprozessen verstanden und der Akkulturationsprozess damit als ein kultureller Lernprozess aufgefasst (vgl. Rudmin, 2003a/b). Definiert man sehr allgemein Akkulturation als Kulturaneignung, dann liegt es nahe, das Konzept ähnlich zu verstehen wie die Konzepte der Sozialisation oder Enkulturation, die in der Literatur häufiger genannt werden. Akkulturationsprozesse sind in diesem Sinne Enkulturationsprozesse. Kim (2002, S. 47) hat eine einfache Definition von Enkulturation vorgeschlagen: "The process by which persons adapt to surrounding cultural forces throughout the years of socialization is commonly called enculiuration:" (Hervorhebung im Original)
Problematisch ist, dass diese Definition kaum von den Konzepten der Akkulturation und Adaptation zu trennen ist . [asinskaja-Lahti (2000) bezieht das Konzept der Enkulturation und Sozialisation stärker auf eine entwicklungspsychologische oder ontologische Dimension, die nicht eng an Prozesse der kulturellen Adaptation gebunden ist. Sie meint: .Enculturation or socialisation has been seen as lifelong processes of individual development, which involve changes and continuities of the human organism in interaction with the surrounding cultural environment (Kägitcibasi, 1988). The total cultural context affects these processes, resulting in the development of similarities within and variations between cultures in their socialisation patterns, and therefore also in the psychological characteristics of the representatives of these cultures (Berry, Poortinga, Segall, & Dasen, 1992). Given this relationship, cross-cultural research has increasingly investigated what happens to individuals who have developed in one cultural context while attempting to re-establish their lives or acculturate in another one (Berry, 1997a)." (lasinskeja-Lahti, 2000, S. 6)
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Trotzdem kann man die Begriffe der Enkulturation und Sozialisation noch am besten von denen der Assimilation, Adaptation und Akkulturation unterscheiden, geht man davon aus, dass die Begriffe der Sozialisation und Enkulturation, die immer noch in einigen Studien synonym zur Akkulturation verwendet werden, eher einen ontogenetisches Phänomen beschreiben bzw. einen Lernprozess, der notwendig ist (Child, 1954;Camilleri & MalewskaPyre, 1997). Das allerdings begreift noch nicht den Prozess der Kulturänderung. Eine Definition, die auf den Zusammenhang von Akkulturation und Lernen eingeht, schlagen Kim, Laroche und Tomiuk (2001, S. 613) vor: "We define acculturation narrowly as the learning or acquisition of cultural traits of the host society by minority or inunigrant group members (... )."
Diese Auffassung ist insofern problematisch, als Akkulturation auf Formen der Adaptation zurückgeführt wird und nicht bedacht ist, dass sich Akkulturationsprozesse auch auf die Veränderungen von Mehrheiten oder dominanten Kulturen auswirken können. In ähnlicher Weise nimmt auch Stephenson (2000) an, dass Akkulturation im Kontext eines umfassenden kulturellen Lernprozesses zu definieren ist, der durch den kontinuierlichen Kontakt zweier, kulturell differenter Gruppen zustande kommt. Sie definiert Akkulturation allgemein als IIdegree of immersion in dominant and ethnic societies" (Stephenson, 2000, S. 79). Die Definition über das Konzept der .Immersion' (Eintauchen) ist hilfreich, um zu verstehen, dass Akkulturation zu einer tief greifenden Veränderung von Kulturen führen kann und mehrdimensional zu bestimmen ist. Es bleibt allerdings unklar, worin die Vertiefung besteht oder bestehen kann, und das Konzept lässt sich nur schwer methodisch fassen. Letztendlich beschreibt Stephenson - wie die meisten Definitionen zuvor - Akkulturation als Anpassungs- und Adaptationsprozess. Auf eine weitere Differenzierung, die grundlegend unterschiedliche Forschungsperspektiven bedingt und/oder ermöglicht, verweisen [un und Gentry (1997). Sie geben zu bedenken, dass die Akkulturation - und auch die unterschiedlichen Formen der Adaptation - auf der Einstellungs- und Verhaltensebene zu unterscheiden ist (vgL auch Keefe & Padilla, 1987). In ähnlicher Weise unterscheiden Szapocznik und Kollegen zwischen einer behavioralen und wertorientierten Akkulturation (Szapocznik & Kurtines, 1980; Szapocznik, Scopetta, Kurtines & Arandale, 1978). Sie meinen, dass Individuen, die sich in einer Kultur akkulturieren wollen, zuerst Verhaltensweisen der neuen Kultur lernen müssten, um überleben zu können, bevor sie die Werte einer Mehrheitsgesellschaft übernehmen können.P Dabei wird bei Durchsicht solcher Konzeptualisierungsvorschläge immer wieder deutlich, dass die Definition von Akkulturation erheblich durch den theoretischen Fokus eingegrenzt wird. So schlagen Lern- oder Kommunikationstheorien vor, Akkulturation fast ausschließlich als Lern- oder eben Kommunikationsphänomene zu definieren (siehe Kapitel 4). Das hat zweitens erheblichen Einfluss auf die empirische Erfassung von Akkulturation, die in der Forschungsübersicht noch genauer anhand der Theorien diskutiert wird. Dennoch 31 Die beiden Dimensionen haben sie über die Messung von Akkulturationszuständen ermittelt. Die empirische Analyse zeigt aber eine geringere Reliabilität und Validität der Werte-Dimension der Akkulturation. Szapocznik, Scopetta, Kurtines und Aranalde (1978) meinen, dass unterstütze ihre These, dass die Akkulturation auf der Verhaltensebene primär und bedeutsamer sei; vgl. auch Kapitel 4.3.1, wo die Theorie der Autoren genauer vorgestellt wird.
39
kann hier schon festgehalten werden, dass in empirischen Studien als Akkulturation gemessen wird, was die Theorie als primären Ausdruck von Akkulturation festlegt. Exemplarisch ist in Box 2.1 Marins (1992) prominente Akkulturationsskala genannt, die das repräsentiert.P Marin geht davon aus, dass die Sprache und die ethnische Loyalität die Akkulturation prägen; die Theorie wird noch genauer dargestellt. Entsprechend misst die Akkulturationsskala nur beide Facetten. Eine extrem reduzierte Skala zur Erfassung der Akkulturation als sprachliche Adaption, die Schultz und Unipan (2000) vorschlagen, ist in Box 2.2 exemplarisch aufgeführt. Box 2.1
Akkulhuationsskala mit Fokus auf Lemerfolge: A Short Acculturation Scale for Hispanics (ASASH) nach Marin (1992)
Marin meint, dass Akkulturation im Wesentlichen auf Lernprozessen beruht (vgl. Kap. 4.6). Erlernt werden Einstellungen und Verhaltensweisen. Originalitems hier zitiert nach Cardona, Nicholson und Fox (2000) In general, what language(s) do you read and speak?
What was the language(s) you used as a child? What language(s) do you usually speak at horne? In which language(s) do you usually think? What language(s) do you usually speak with your friends? In what language(s) are the T.V. programs you usually watch? In what language(s) are the radio programs you usually listen to? In general, in what language(s) are the movies, T.V. and radio programs you prefer to watch and listen to. Your dose friends are: You prefer going to social gatherings/parties at which the people are: The person you visit or who visit you are: If you could choose your children's friends, you would want them to be: Rating: 5-stufig im Wortlaut je nach Item und Klammem; hier nach Marin, Sabogal, Marin, Otero-Sabogal und Perez-Stable (1987) zur Erfassung der Akkulturation von Hispanics in den USA: Only Spanish/all Latlnos-Hispanics, Spanish better than English (more Spanish than EnglishIMore Latinos than Americans), both equally/about half & half, English better than Spanish (or more English than Spanish)/more Americans than Spanish, Only English/al Americans. Erfasste Dimensionen: Sprachgebrauch, Ethnische Loyalität, Mediennutzung, kulturelle Einflüsse auf soziale Beziehungen. Studien zum Messinstrument, vgl.: Marin, Sabogal, Marin, Otero-Sabogal & Perez-Stable, 1987; Marin, 1992; Marin & Gamba, 1996; Marin & Marin, 1991; (vgl. auch Studien, die die Skala verwendet haben: Benner, 2001; Dilan, 2000; Enochs, 1997; Frailey, 1997; Gallagher-Thompson, Tazeau, Basilio, Hansen, Polich. Menendez & Villa, 1997;
32 Eine umfassende Übersicht über psychologische Verfahren zur Messung der Akkulturation, die von 1978 bis 2004 publiziert wurden, bietet Matsudaira (2006). Zane und Mak (2003) präsentieren ebenfalls ein gutes Review von Verfahren. Viele weitere Verfahren werden in der vorliegenden Arbeit aber immer wieder bei der Vorstellung der Theorien präsentiert.
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Hovey & King, 1996; Miller, Guamaccia & Fasina, 2002; Medina, 2000; Quinones, 1996; Saba, 1997; Schultz, Unipan & Gamba,2000; Shermack, 1996; Weiss, Goebel, Page, Wilson & Warda, 1999).
Box2.2
Kurz-Skala zur Erfassung der Akkulturation anhand der sprachlichen Adap tation nach Schultz und Unipan (2000)
Schultz und Unipan schlagen vor, Akkulturation sehr einfach durch den Faktor zu messen, der für die Integration laut vieler Studien am bedeutsamsten ist: Die Sprachkompetenz (vgl. dazu insbesondere Kap. 4.7). Iterns im Original für Zuwanderer spanisch sprechender Herkunft in den USA: In general, what language do you speak and read? What language do you usually speak at horne? How often do you think in English? and How often do you speak English with your friends? Rating: Spanish only, Spanish more than English, English and Spanish equally, English more than Spanish and English only
Es liegen aber auch Messverfahren vor, die weniger stark theoretisch fokussiert sind und daher zur Prüfung unterschiedlicher theoretischer Ansätze geeignet sind. Die prominentesten Verfahren, die in der Akkulturationsforschung häufiger zitiert werden, sind in den folgenden Kästen (Box 2.3 - 2.7) separat abgedruckt. Sie sind hier aufgeführt, um einen ersten Eindruck und ein erstes Verständnis dessen zu bekommen, was als Akkulturation und/oder Adaptation erfasst und verstanden wird, beziehungsweise wie sich letztendlich empirisch Akkulturation repräsentieren kann; eben Akkulturation oft das ist, was Skalen, die auf der Grundlage einer Theorie und bisweilen eine eher schwachen oder fehlenden theoretischen Grundlageentwickelt wurden, erfassen. Auf die Verfahren wird bei der Darstellung verschiedener Studien immer wieder rekurriert. Wissenschaftlich ist der enge theoretische Fokus nachvollziehbar und im Rahmen der Theorien sinnvoll. Er steht aber der Annahme im Wege, Akkulturation zunächst konsensual als ein Phänomen zu betrachten, das aus unterschiedlicher theoretischer Perspektive en schlüsselt werden kann. Daher ist eine konsensuale Rekonzeptualisierung von Akkulturation sinnvoll Box 2.3
Skala zur Messung soziokultureller Adaptation: Acculturation Index von Ward und Rana-Deuba (1999) Ward und Rana-Deuba beschreiben Akkulturation als soziokulturelle Adaptation der Alltagspraxis, Identität und Wertorientierung der Herkunfts- und neuen Kultur. Ihre Skala versucht, die Adaptation relativ breit zu erfassen. Original-Skala in der Version für australische Migranten und Vertragsarbeiter aus Singapur: Instruktion: "This seetion is concerned with how you seeyourselfin relation to other Singaporeans and Australians. You are asked to consider two questions aboutyour current life style. Are your experiences and behaviors similar to Singaporeans? Are your experiences and behaviors similar to Australians? Use thefollowing scale to indicate how similaryour various experiences of dailylifearecompared to Singaporeans andAustralions." 1-----2---3---4-----5--6-----7 not at allsimilar very similar
Enteryour response (1,2,3,4,5,6, or 7) in theparentheses. Please respond to allitems.
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Singaporeans Australians Clothing ( ) ( ) Pace of life ( ) ( ) General knowledge ( ) ( ) Food () () Religious beliefs ( ) ( ) Material comfort (standard of living) ( ) ( ) Recreational activities ( ) ( ) Self-identity ( ) ( ) Family life ( ) ( ) Accommodation/residence ( ) ( ) Values () () Friendships ( ) ( ) Communication styles ( ) ( ) Cultural activities ( ) ( ) Language ( ) ( ) Perceptions of co-nationals ( ) ( ) Perceptions of host nationals ( ) ( ) Political ideology ( ) ( ) World view ( ) ( ) Social customs ( ) ( ) Employment activities ( ) ( ) Erfasste Dimensionen: Akkulturationsniveau als Ausmaß erreichter Identität (in Bezug auf Herkunfts- und Aufnahmekultur). Siehe auch: http://www.vuw.ac.nz/psyc/staff/colleen-ward/files/acculturation_index.pdf
Box 2.4
Komplexe Skala zur Erfassung psychologischer Anpassung und soziokultureller Adaptation: Acculturation Scale for Mexican Americans (ARSMA) nach Cuellar, Harris und [asso (1980) In revidierter Form nach Cuellar, Amold und Maldonado (1995; zur Übersicht vgI. auch Cabasso, 2003). Die ARSMA ist die am häufigsten verwendete Akkulturationsskala. Angenommen wird, dass das damit erfasste Akkulturationsniveau eine Moderatorvariable der Effektivität von Gesundheitsprogrammenist. Die Skala wird in Englisch und Spanisch angeboten. Sie enthält 20 bis 24 Items, die auf 5-stufigen Skalen beantwortet werden sollen. Items und Antwortformate der urspriinglichen Skala: Welche Sprache sprechen Sie? (nur Spanisch - eher spanisch und etwas Englisch - Spanisch und Englisch in gleichem Maße - eher Englisch und etwas Spanisch - nur Englisch) Welche Sprache bevorzugen Sie? (wie 1) Wie identifizieren Sie sich selbst? (Mexican - Chicano - Mexican American - Spanish American, Latin American, Hispanic American, American - Anglo American or other) Welche ethnische Identifikation wählt Ihre Mutter? (wie 3) Welche ethnische Identifikation wählt Ihr Vater? (wie 3) Welche ethnische Herkunft hatten Ihre Freunde als sie 6 Jahre alt waren? (ausschließlich nur Mexican, Chicanos, Mexican American (La Raza) - eher Raza - etwa gleich Raza, Anglos oder andere Gruppe eher Anglos, Blacks oder andere ethnische Gruppen - fast ausschließlich Anglos, Blacks oder andere ethnische Gruppen) Welche Herkunft hatten ihre Freunde als sie zwischen 6 und 18 Jahre alt waren? (wie 6)
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Mit wem sind Sie heute außerhalb ihrer Gemeinschaft verbunden (wie 6) Welche Musik bevorzugen Sie? (nur Spanisch, eher Spanisch, Spanisch und Englisch gleich, eher Englisch, nur Englisch) Welche Fernsehprogramme sehen sie hauptsächlich? (nur Spanische etc. wie 9) Welche Kinofilme bevorzugen Sie (wie 10) a-g: Wo sind geboren: Sie? Ihr Vater? Ihre Mutter? Die Eltern der Eltern (einzeln abgefragt) Wo sind Sie aufgewachsen? (in Mexiko, mehr in Mexiko, in USA und Mexiko gleich, eher in USA, nur in USA) Welchen Kontakt hatten Sie zu Mexiko (1 Jahr aufgewachsen, weniger als 1 Jahr in Mexiko gelebt, besuche manchmal Mexiko, manchmal Konununikation (Briefe, Telefonanrufe etc.) mit Mexiko, kein Kontakt zu Mexiko) Welches Essen bevorzugen Sie? (ausschließlich mexikanisch, mehr mexikanisch als amerikanisch, gleich, eher amerikanisches Essen, ausschließlich amerikanisches Essen) In welcher Sprache denken Sie? (wie 9) Können Sie Spanisch lesen (ja, nein) Können Sie Englisch lesen? (ja, nein) Was können Sie besser lesen? (nur Spanisch, Spanisch besser als Englisch, beides gleich, Englisch besser als Spanisch, nur Englisch) wie 17 mit Bezug auf Englisch Wenn Sie sich selbst als Mexican, Chicano, Mexican American, Mitglied von La Raza verstehen oder sich mit diesen Gruppen identifizieren, wie stolz sind Sie darüber, dieser Gruppe anzugehören? (1 = äußerst stolz, 5 = kein Stolz und negative Gefühle gegenüber La Raza) Wie würden Sie sich selbst einschätzen? (sehr mexikanisch, eher mexikanisch, bikulturell, mehr angliziert, sehr angliziert) Rating: very Mexican, Mexican-Oriented Bicultural, True Bicultural, Anglo-Oriented Bicultural, very Anglicized Erfasste Dimensionen: Sprachgewohnheit, Sprachgebrauch und -präferenz, Ethnische Identifikation und Generation, Sprache lesen und schreiben, Ethnische Interaktion Revidierte Form (ARSMA-II) aus Oetting & Beauvais (1990-1991) und Mendoza und Martinez (1981) (Cuellar, Amold & Maldonado, 1995) (vgl. auch Lessenger, 1997; Vartan, 1997); Cuellar, Amold und Maldonado (1995) haben versucht, mit ihrer Ratings Scale for Mexican Americans (ARSMA-II) Akkulturation orthogonal zu messen, wie Berry es vorgeschlagen hat. ARSMA-II Originalversion (hier in Englisch, im Original in Englischer und Spanischer Sprache): Circle a number between 1-5 next to each item that best applies, I Speak Spanish I speak English I enjoy speaking Spanish I associate with Anglos I associate with Mexicans and/or Mexican Americans I enjoy listening to Spanish language music I enjoy listening to English language music I enjoy Spanish language TV I enjoy English language TV I enjoy English language I enjoy Spanish language movies I enjoy reading (e.g., books in Spanish) I enjoy reading (e.g., books in English) I write (e.g. letters in Spanish) I write (e.g., letters in English) My thinking is done in the English language 43
My thinking is done in the Spanish language My contact with Mexico has been My contact with the USA has been My father identifies or identified himself as .Mexicano' My mother identifies or identified herself as ,Mexicana' My friends, while I was growing up, were of Mexican origin My friends, while I was growing up, were of Anglo origin My family cooks Mexican foods My friends now are of Anglo origin My friends now are of Mexican origin I like to identify myself as an Anglo I like to identify myself as a Mexican American I like to identify myself as an American Rating: A - 1: Not at all B - 2: Very little or not very often C - 3: Moderately D - 4.: Much or very often E - 5: Extremely often or almost always (erscheint im Original:) SCALE2 [Use the scale below to answer questions 1-18 below.] 1. 2. 3. 4. 5. 6.
I have difficulty accepting some ideas held by Anglos I have difficulty accepting certain attitudes held by Anglos I have difficulty accepting some behaviors exhibited by Anglos. I have difficulty accepting some values held by some Anglos. I have difficulty accepting certain practices and customs commonIy found in some Anglos. I have, or think I would have, difficulty accepting Anglos as elose personal friends
1 - 6 repeated refering to Mexicanos 1 - 6 repeated refering to Mexican Americans Rating: A - 1: Not at all B - 2: Very little or not very often C - 3: Moderately D - 4.: Much or very often E - 5: Extremely often or almost always Cutting Scores for Determining Acculturation Level Using ARSMA-II Levels Description Score]"] Level I Level II
Very Mexican oriented Mexican oriented to approximately balanced bicultural Slightly Anglo oriented LevelIII bicultural Strongly Anglo oriented Level IV Very assimilated; Anglicized Level V
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< -1.33
>/= -1.33 and -.07 and < 1.19 >/= 1.19 and< 2.45 > 2.45
~ Raw score means were used to calculate the Acculturation Score. The choices selected for each item are added and divided by the number of items on the MOS and AOS scales separately to obtain the raw score mean for each scale. These means were used in the formula: Acculturation Score = AOS (Mean) - MOS (Mean).
Review: Rogler, Cortes und Malgady (1991) (Studien zum Messinstrument, vg1.: Bilbrey, 1997; Castro und Rodriguez, 1988; Dawson, Crano und Burgoon, 1996;, Gallagher-Thompson, Tazeau, Basilio, Hansen, Polich. Menendez und Villa, 1997;, Lee, Choe, Kim und Ngo, 2000; Pomales und Williams, 1989).
Box 2.5
Skala zur Erfassung der Akkulturation durch Identität: Suinn-Lew Asian Self-Identity Acculturation Scale (SL-ASIA) nach Suinn (1998)
(vgl. auch Suinn, Ahuna & Khoo, 1992; Suinn, Khoo & Akhuna, 1995; Suinn, Pickard-Figueroa, Lew & Vigil, 1985, 1987) basiert auf ARSMA 21 multiple Choke Items, die Gesamtscore der Akkulturation ergeben (1 = min. Akkulturation, 5 = max. Akkulturation), wobei der Mittelpunkt eine bikulturelle Identifikation repräsentieren soll Erfasste Dimensionen: multidimensional kognitive, affektive und behaviorale Dimension der Akkulturation. 5 Faktoren laut Suinn et al. (1992, 1995; vgl. auch Montgomery & Orozco, 1984): ReadinglWriting Cultural Preference, Ethnic Interaction, Affinity for Ethnic Pride/Generational Identity, Food Preference
Identity
and
Akkulturationstypen:
high Asian-identijied: Werte, Verhaltensweisen, Präferenzen und Einstellungen repräsentieren asiatischen Hintergrund. Z.B. in starker Familienorientierung, Respekt gegenüber Ältern, ausgeprägte Arbeitsethik, Teilnahme an asiatischen Kulturveranstaltungen. stärkere Präferenz für asiatische Sprache gegenüber Englisch, kollektive und gruppenorientierte Einstellungen
high "Western-identified": Werte, Verhaltensweisen, Präferenzen und Einstellungen repräsentieren westlichen Hintergrund), Z.B. eher selbstzentriert und unabhängig von elterlicher F ührung, desinteressiert an asiatischen kulturellen Veranstaltungen und Überzeugungen, Commitment zu englischer Sprache, eher verbunden mit westlich sozialisierten Euro-Amerikanern (Weiße) .bicultural": Adaptation von asiatischen und westlichen Werte, Verhaltensweisen, Präferenzen oder Einstellungen, Z.B. gleiche Präferenz für asiatische und englische Sprache und Kommunikation je nach Empfänger; Adaptation beider Wertorientierungen je nach Lebensbereich
(Studien zum Messinstrument vgl. auch Atkinson & Gim, 1989; Atkinson & Matsushita, 1991; Bang, 1998; Bogumill, 1999; Chao, 2001; Chin, 2001; Chen, 2001; Cheng, 2000; Choi, 2001; Choi & Harachi, 2002; Chung, Bemak & Wong, 2000; Dana, 1993; Davis & Katzman, 1999; Dimalanta, 1998; Gowri, 2000; Ha, 2000; Hardin, Leong & Osipow, 1996; Haudek, Rorty & Henker, 1999; Horn, 1998; Hsieh, 1996; Iwamasa, 1996; jo, 1999; [ohnson, Wall, Guanipa, Terry-Guyer & Velasquez, 2002; Kadoma & Canetto, 1995; Kim, O'Neill & Owen, 1996; Kim, Atkinson & Yang, 1999; Kodama & Canetto, 1995; W. Lee, 1996; Lee, 2000; Lee, Koeske & Sales, 2004; Lei, 1998; Leong & Chu, 1994; Lim, 2001; Liu, Pope-Davis, Nevitt & Toporek 1999; Lucas & Stone, 1994; Ma, 1996; Mao, 2000; Marczynski, 1998; McCarthy & Stadler, 2000; Moidee, 1996; Murphy, 1999; Nadle, 1999; D. Nguyen, 1996; T. S. T. Nguyen, 1996; Okuda, 1999; Ownbey & Horridge, 1997, 1998; Pak, 1999; Park & Harrison, 1995; Pomales & Williams, 1989; Ratanasiripong, 1997; Rosen, 1997; Schwartz, 1998;
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Smart, 1993; Tan, 1998; Telander, 1999; Tsai, 1997; Wickes, 1997; Wong, 1998; V. 1. Wong, 1998; weitere Studien und Dissertationen bis zum Jahr 1995 siehe Ponterotto, Baluch & Carielle, 1998). Für ein Review der Reliabili tät und Validi tät in 16 peer-reviewed Studien : Ponterotto, Baluch & Carielle, 1998; Rosmus, [ohnston, Chan-Ypi & Yang, 2000; Sheikh, 2001; Shih, 2001; Shih & Brown, 2000; Sherpa, 2001; Soledad Concha, 2001; To, 1999; Vu, 2001; Yoshimura, 1995; Zhang, 2000; Reliabiliät zwischen .68 und.91. Revisionen vgl.: Abe-Kim, Okazaki & Goto, 2001: multidimensionale Auswertung des SL-ASIA (vgl. Magana et aI., 1996; Mendoza, 1998) Bikulturalität ~ Zahl der Iterns, die ein Person als zutreffend für beide Kulturen wahrnimmt Also drei Skalen : kulturelle Orierung zur Aufnahmekultur, zur He rkunftskultur, zu beiden Kulturen.
Box 2.6
Skala soziokulturell psychologischer Adpatation : Psychological AccuIturation Scale (PAS) nach Tropp, Erkut, ColI, Alarcon und Garcia (1999) Skala in aktueller Adaptation für Personen marokkanischer Herkunft in den Niederlanden nach Stevens, PeIs, Vollebergh und Crijnen (2004) : DutchPAS Dutch people understand me . 1 understand Dutch people. 1feel comfortable with Dutch people 1have a lot in common with Dutch people. 1 feel proud to be apart of Dutch culture. 1 share most of my beliefs and values with Dutch people. M-PAS 1feel comfortable with Moroccan people. 1 understand Moroccan people. Moroccan people understand me. 1have a lot in common with Moroccan people. 1 share most of my beliefs and values with Moroccan people. 1feel proud to be apart of Moroccan culture. Reliabilität (Re-Test nach 10 Tagen): D-PAS: alpha: Erwachsene .85fJugendliche .76 Retest: Erwachsene .89fJugendliche .77 M-PAS: alpha: Erwachsene .73fJugendliche .75
Retest: Erwachsene .77flugendliche .87 Box 2.7
Weitere Quellen für Behaviorale Akkulturationsskalen (Behavior AccuIturation Scales) a) Sprachgebrauch, sozialer Kontakt, Mediennutzung, kulturelle Gewohnheiten unidimensional (Verlust der Herkunftsbindung: Faragallah, Schumm & Webb, 1997; Shen & Takeuchi, 2001; siehe auch SLASlA nach Suinn, Ahuna & Khoo, 1992, oben) bidimensional: (Birman & Trickett, 2001; Ghuman, 2000; Sodowsky & Plake, 1991; Stephenson, 2000). b) Einstellungen oder Präferenzen für Sprachgebrauch, soziale Aktivitäten, sozialen Kontakt, Musik, Ehe und kulturelle Traditionen (Ataca & Berry, 2002; Neto, 2002a; Pham & Harns, 2001; Roccas, Horenczyk & Schwartz, 2000; Sam & Berry, 1995; Szapocznik, Kurtines & Fernandez, 1980).
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c) Kulturelle Werte, wie z.B. Konformität zu Nonnen, emotionale Selbstkontrolle, Kollektivismus (Barry, Elliott, and Evans,2000; [asinskaja-Lahti & Liebkind, 2000; Kim, Atkinson & Yang, 1999) d) Psychologische Aspekte der Akkulturation, wie z.B. Affirmation und Beziehungen (belonging), emtionales Attachment, Stolz und Identität (Arcia, Skinner, Bailey & Correa , 2001; Barry, EIliott & Evans, 2000; Cameron, Sato, Lalonde & Lay, 1997; Meredith, Wenger, Liu, Harada & Kahn, 2000; Phinney, 1992; Roberts, Phinney, Masse, Chen, Roberts & Romero, 1999).
Wissenschaftlich ist der enge theoretische Fokus nachvollziehbar und im Rahmen der Theorien sinnvoll. Er steht aber der Annahme im Wege, Akkulturation zunächst konsensual als ein Phänomen zu betrachten, das aus unterschiedlicher theoretischer Perspektive entschlüsselt werden kann. Daher ist eine konsensuale Rekonzeptualisierung von Akkulturation sinnvolL
2.1.2.
Kritikder bisherigen Konzeptualisierung und ein Refonnulierungsvorschlag
Die bislang skizzierten Konzeptualisierungsvorschläge zur Akkulturation legen nahe, dass Akkulturation in ihrer allgemeinsten Form ein Prozess und ein Phänomen der Aneignung neuer Umwelten ist, die aus dem Kontakt zwischen kulturell divergenten Gruppen resultiert. Akkulturationsprozesse sind immer dann zu erwarten, wenn Gruppen beziehungsweise ihre Mitglieder in Kontakt kommen, die sich als kulturell different wahrnehmen und eine oder beide Gruppen versuchen, sichdenjeweils anderen oder gemeinsamen kulturellen Kontextanzueignen. Es stellt sich die Frage, welche Gruppen damit gemeint sind (Wer akkulturiert?). Die meisten Konzeptualisierungsvorschläge laufen darauf hinaus, Es ist nicht einfach, eine analytisch einwandfreie Bezeichnung für die Gruppen zu finden, die nicht den Fokus auf spezifische Gruppen einengt. Das kann im Kontext von Migration geschehen, der zuförderst untersucht wird, aber auch in Nachbarschaftskontakten, Betrieben, beim Ortswechsel, dem Schulwechsel usw. Diese Definition hat Konsequenzen für die Frage, welche Personen und Gruppen im Rahmen der Akkulturationsforschung (Entitäten) untersucht werden. Zunächst ist ein kategorialer Begriff für die Gruppen zu finden. Um den Fokus weit zu stellen, wurde und wird auf alle möglichen Akkulturationsphänomene und -prozesse im laufenden Text immer wieder von Allochthonen und ,Neuankömmlingen' gesprochen. Der erste Begriff ist etabliert, der Begriff der Neuankömmlinge muss erläutert werden. Er wird in der aktuellen angelsächsischen Literatur (Newcomer) immer häufiger gewählt. Das ist nicht glücklich, aber - wie bereits im ersten Kapitel geschildert - er ermöglicht es, die Kategorie so breit zu definieren, dass sie alle Personen und Gruppen umfasst, die versuchen, sich eine differente oder eben neue Kultur anzueignen; auch solche, die schon lange in einem fremden kulturellen System leben, ohne den Versuch der Aneignung unternommen zu haben, was selbst dominante Mehrheitskulturen zu ,neuen Kulturen' macht. Alternativ hätte auch die Kategorie der ,Fremden' gewählt werden können. Das kann jedoch normativ wirken oder einseitig eine ,Innenperspektive' der Fremden nahe legen (siehe dazu die Fremdheitstheorien in Kap. 4.1, 5.1). Übersehen wird dann leicht die Tatsache, dass Neuankömmlinge in einer Kultur von der kulturell differenten Gruppe nicht unbedingt als Fremde wahrgenommen werden.
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Die Kategorie ,Neuankömmlinge' ist auch insofern mehr oder minder passend, weil der Verlauf und Zustand der Akkulturation in hohem Ausmaß durch den interkulturellen Kontakt und die interkulturellen Beziehungen zwischen zwei kulturell divergenten Gruppen, die aus dem Kontakt entstehen, definiert und bestimmt ist. Akkulturation ist aber nicht auf Neuankömmlinge in einer Kultur beschränkt, sondern auch auf Einheimische und Ansässige oder Autochthone zu beziehen, und sie ist damit als Phänomen der Interaktion zwischen Allochthonen und Autochthonen in einern kulturellen System zu verstehen. Die Kategorien-Label Einheimische und Ansässige wird im Folgenden ähnlich verwendet. Der Begriff Einheimische legt den Akzent auf die Dimensionen der Identität und Verbundenheit, beides relevante Dimensionen der psychologischen Akkulturation, während der Kategorienbegriff der Ansässigen den Raum akzentuiert und auch die Dominanz über den sozialen Raum; was eine weitere wichtige Dimension ist, wie gezeigt werden wird. Beide Kategorienbezeichnungen werden in der Forschungsübersicht primär verwendet. Im Rekurs auf die psychologische Perspektive kann auch vorläufig festgehalten werden, dass die in der Forschung häufig verwendete Kategorie des ,akkulturierenden Individuums' bzw. der ,akkulturierenden Gruppe' irreführend ist. Kontakt zwischen kulturell divergenten Gruppen verlangt von allen beteiligten Gruppen Akkulturation. Diese Ansicht teilen die meisten Ansätze der Akkulturationsforschung. Allerdings kann meines Erachtens keiner der bislang präsentierten Konzeptualisierungsvorschläge als Grundlage einer interdisziplinären Perspektive hinreichen. Resümiert man die Definitionen der Akkulturation, dann lassen sich in sechs Punkten grundsätzliche Ungenauigkeiten der Grundkonzeptionalisierung festhalten: 1. Die Facetten, Dimensionen und Erklärungsebenen der Akkulturation sind ungenau benannt. 2. Die Richtung des Akkulturationsprozesses (Angleichung versus Abkehr von Umwelten) wird selten genauer bedacht. 3. Es fehlen oftmals Hinweise darauf, dass Akkulturation ein Phänomen von Allochthonen (Neuankömmlingen) und Autochthonen (Einheimischen und Ansässigen) ist. 4. Es wird ungenau zwischen Akkulturationsprozessen, Akkulturationsorientierungen oder -einstellungen und Akkulturationsstrategien unterschieden 5. Das Akkulturationskonzept wird definitorisch in vielen Konzeptualisierungsvorschlägen nur ungenau von konstruktnahen Konzepten differenziert. 6. Das Akkulturationskonzept bedarf eines Kulturkonzeptes. Im Folgenden werden die sechs Kritikpunkte genauer erläutert. Sie bieten Ansatzpunkte für eine grundlegende Neukonzeptualisierung von Akkulturation. Während der Diskussion dieser sechs Kritikpunkte werden eigene Thesen formuliert, die eine Präzisierung und eine neue Konzeptualisierung von Akkulturation darstellen.
1.) Ungenauigkeit der Facetten, Dimensionen und Erklärungsebenen: In der Forschung wird Akkulturation sehr allgemein und ungenau als ein Prozess der Umweltaneignung und einer daraus resultierenden Veränderung von Individuen und kulturellen Umwelten beschrieben. Facetten oder Ebenen dieser Umweltaneignung und Veränderung, wie sie eingangs angefordert wurden, werden kaum voneinander unterschieden. Eine Möglichkeit der Unter-
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scheidung von Ebenen der Akkulturation besteht in einer genauen Differenzierung von Analyse- und Erklärungsebenen psychologischer Phänomene. In Anlehnung an Doise (1986) und Zick (1997) können die Phänomene auf einer intrapersonalen Erklärungsebene anhand von intraindividuellen Faktoren erklärt wurden, die mit der individuellen Organisation der Erfahrungen der sozialen Umwelt zusammenhängen (z.B. kognitive Balance). Auf einer interpersonalen Ebene werden Phänomene durch die Interaktion und in bestimmten (eingegrenzten) Situationen erklärt, wobei positionale Faktoren, die außerhalb der Situation einwirken, nicht berücksichtigt werden. Das Objekt der Analyse ist die Dynamik der sozialen Beziehungen, die zu einern bestimmten Moment, durch bestimmte Individuen, in einer bestimmten Situation aufgenommen werden (z.B. Attribution). Auf einer positionalen oder besser intergruppalen (Zick, 1997) Erklärungsebene werden psychologische Phänomene aufgrund der Identifikation und Mitgliedschaft von Individuen zu Gruppen, die eine bestimmte Position bzw. einen bestimmten Status innerhalb eines Sozialgefüges einnehmen, erklärt (z.B. Macht, soziale Identität). Diese Ressourcen sind an Dominanz- und Statusdifferenzen gebunden, die das Ausmaß des sozialen Einflusses repräsentieren, den Individuen und Gruppen ausüben können. Statuspositionen weisen die Plätze und Ressourcen innerhalb eines kulturellen Systems zu. Bereits die eingangs zitierten Beispiele der Migration in Europa weisen darauf hin. Die Wanderung von Menschen aus einern kulturellen System, soweit sie nicht rein aus dem Motiv der körperlichen Unversehrtheit erfolgt, kann man auch als Versuch interpretieren, den Status zu verbessern oder einen weiteren Statusverlust und die mit ihm verbundenen Gefahren abzuwehren. Gleichzeitig geht Migration häufig auch zumindest zunächst mit einern Statusverlust einher. Erarbeitete Positionen und Fähigkeiten verlieren durch die Wanderung an Bedeutung. Umgekehrt weist die Gruppe der Ansässigen soweit es in ihrer Kraft liegt Neuankömmlingen generell vorzugsweise untere Statuspositionen zu und reklamieren für sich selbst die Vorrechte der Etablierten. Dies gilt urnso mehr im Falle von Neuankömmlingen, die ohnehin aus unteren sozialen Schichten und aus ärmeren Ländern kommen und die gegen eine Niedrigstufung wenig entgegenzusetzen haben. Die Regelung der europäischen Migration ist daher in weiten Teilen durch die Zuweisung von sozialen, rechtlichen und ökonomischen Ressourcen geprägt, die den Status definieren. Auch unabhängig von Einflüssen und Veränderungen durch die Akkulturation sind kulturelle Systeme durch Statuspositionen und Dorninanzverhältnisse geprägt. Kulturen definieren Statusverhältnisse, weil sie eben selbst durch sie definiert sind - dies gilt für Ansässige wie Neuankömmlinge gleichermaßen. Akkulturation neuer Gruppen beeinflusst die bestehenden Statusverhältnisse. Das bedeutet, Ansässige wie Neuankömmlingen verorten sich auch in Bezug auf ihren jeweiligen Status in der gemeinsamen kulturellen Umwelt. Mit neu hinzukommenden Gruppen geraten bestehende Statusverhältnisse in Unordnung und müssen zumindest in Teilen neu ausgehandelt werden. Auswanderer verändern ihre Statusposition auch innerhalb ihrer Referenzgruppe (Herkunftsgruppe), und zwar sowohl als Neuankömmlinge in der ethnisch-kulturellen Community innerhalb der .Aufnahmekultur' (z.B. innerhalb der türkischen Minderheit in Deutschland) als auch in Bezug auf die Daheimgebliebenen (z.B. als erfolgreiche Auswanderer). Auf einer ideologischen, oder besser gesellschaftlichen Erklärungsebene (vgl. Zick, 1997) werden psychologische Phänomene anhand Kontextfaktoren erklärt, die die Interaktion zwischen Individuen und ihrem sozialen Kontext bestimmen. Im Zentrum der Analyse
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steht die die Bedeutung genereller sozialer Überzeugungen und sozialer Beziehungen zwischen Gruppen, wobei strukturelle und - im Kontext der Akkulturationsforschung weitaus relevanter - kulturelle Faktoren darüber hinaus bedeutsam sind. (Proposition 1) Akkulturation kann alsein intrapersonales Phänomen (Akkulturation als Phänomender Umweltaneignung einerPerson auf der Grundlage ihrer Dispositionen, Präferenzen etc.), interpersonales Phänomen (Akkulturation als Phänomen der Umweltaneignung auf der Grundlage von Beziehungen, Interaktionen und Kommunikationen zwischen Individuen), intergruppales oder positionales Phänomen (Akkulturation als Gruppen- und Statusphänomen), oder strukturellgesellschaftliches oder kulturellen Phänomen (Akkulturation als Phänomen der Veränderung kultureller Systeme) definiert werden. Die Definition und Konzeptualisierung auf den unterschiedlichen Ebenen ist nicht exklusiv. Akkulturation spieltsichgewissermaßen auf allen Ebenen ab. Die Ebenen bieten aber analytische Perspektiven und zugleich Konzentrationspunkte. Eine alternative Differenzierung von Ebenen, die sich empfiehlt, kann in Unterscheidung von makro-, meso- und mikro-sozialen Bereichen erfolgen, in denen sich Akkulturation ereignet und in denen sie durch jeweils spezifische Faktoren beeinflusst wird. Im makro-sozialen Bereich kanndie Akkulturation alsAneignungvon gesellschaftlichen, vor allem politischen Strukturendefiniert werden (zum Beispiel durch politische Partizipation, Partizipation am Gesundheits- und Sozialsystem etc.). Im meso-sozialen Bereich kann Akkulturation alsVeränderung der Teilnahme an sozialen Gruppen (Vereine, Verbände, Hausgemeinschaften etc.) definiert werden, und im mikro-sozialen Bereich kann Akkulturation als Aneignung und Veränderung der Partizipation in interpersonalen Interaktionen (Freundschaften etc.) definiert werden. Nimmt man diese Sicht zur Grundlage ist davon auszugehen, dass Prozesse auf der interkulturellen Ebene (Gruppenebene), sowohl auf einer untergeordneten Ebene (Individual- oder Personenebene) individuelle psychologische Konsequenzen hat, als auch auf einer übergeordneten Ebene (Kultur- oder Systemebene) strukturelle Folgen hat. Zudem ist anzunehmen, dass sowohl individuelle als auch strukturelle oder kulturelle Bedingungen den Prozess der Akkulturation steuern. Darüber hinaus könnte die Akkulturation - wie aber auch die nachfolgend davon unterschiedenen Konzepte der Adaptation und Assimilation - deutlicher anhand von zentralen Dimensionen definiert werden. Zu diesen wesentlichen Dimensionen gehören meines Erachtens eine objektive und eine subjektive Dimension. Die Aneignung kultureller Systeme kann objektiv bestimmt werden und zugleich von einer subjektiven Dimension der Wahrnehmung von Partizipationsmöglichkeiten und kulturellen Strukturen, die mit den objektiven Gegebenheiten nicht übereinstimmen müssen, unterschieden werden. Nur wenige Theorien der Akkulturation, die später ausführlich beschrieben werden, gehen explizit auf die Differenzierung objektiver und subjektiver Dimensionen ein. Umso mehr empfiehlt es sich, die Akkulturation nach einer subjektiven und objektiven Dimension genauer zu definieren. Das kann darüber hinaus auch in Bezug auf die mit der Akkulturation verbundenen Konzepte, wie zum Beispiel die Adaptation oder Assimilation erfolgen (siehe unten). (Proposition 2) DieAspektederAkkulturation (und Adaptation) lassen sichin subjektive und objektive Dimensionen trennen, das heißt zum einen kann die Aneignung neuerUmwelten anhand von objektiv feststellbaren Indikatoren identifiziert werden, und zum anderen anhand dersubjektiven Wahrnehmung derbeteiligten Individuen und Gruppen. Es stellt sich die Frage, warum in der Forschung die beiden Dimensionen nicht eindeutiger getrennt werden. Ich bin der Meinung, dass dies vor allem auf die Forschungstraditio-
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nen der Disziplinen zurückzuführen ist. Die psychologische Akkulturationsforschung hat sich eher mit subjektiven Aspekten der Akkulturation und Adaptation beschäftigt, während die Migrationsforschung sich mit ihren Theorien eher auf objektiven Faktoren konzentriert hat. Das wird später noch viel deutlicher, wenn konkrete Theorien und Modelle skizziert werden. Für den Moment ist zunächst festzuhalten: (Proposition 3) Zur Konzeptualisierung von Akkulturation ist diedisziplinäre Trennung, wie
zum Beispiel jene in eine psychologische Akkulturationsforschung, die Akkulturation anhand der subjektiven Dimension definiert, und eine sozialwissenschajtliche Migrationsforschung, die Akkulturation anhand objektiver Dimensionen definiert, nichtsinnvoll. Diese .Aufieilung' magfür einzelne Theorien sinnvoll sein, für die Konzeptualisierung des Grundbegriffs eines Forschungsfeldes macht siekeinen Sinn. Darüber hinaus lassen sich einige weitere, zum Teil schon angesprochene Dimensionen, die die Aneignung neuer Umwelten beschreiben, aufführen. Dazu gehören laut den genannten Definitionen vor allem der interkulturelle Kontakt, die Einbindung und Verortung (Anpassung, Adaptation), die Assimilation, das Ausmaß kultureller Differenz, die Zeit, der Umfang und der Raum. Akkulturation ist aus dieser Sicht ein Prozess (Verlauf) oder Zustand (als Realisierung oder Outcome), der sich ergibt, wenn ein Mitglied einer kulturellen Gruppe oder eine Gruppe ihre Herkunftskultur verlässt, mit Mitgliedern einer anderen Kultur Kontakt aufnimmt und versucht, das andere kulturelles System zu adaptieren (hineinzukommen) und sich dort zeitlich, räumlich und sozial zu verorten. Die Verortung kann unterschiedliche Facetten einer Einbindung annehmen. Sie kann von der Verschmelzung mit der neuen Kultur bis zur Separation oder dem Versuch, das System zu verlassen, reichen. In Bezug zu den genannten Erklärungsebenen, die auch als phänomenale Ebenen von Akkulturationsprozessen verstanden werden können, ergeben sich Akkulturationsprozesse vor allem aus dem Versuch der Verortung der Beteiligten in kulturellen Systemen und Strukturen, Gruppen und Institutionen, interpersonalen Interaktions- und Kommunikationsprozessen und der Verortung des Selbstkonzeptes. Das Konzept der Adaptation ist ebenso wie das der Verortung oder Einbindung, noch genauer zu definieren, insbesondere in Bezug auf seine unterschiedlichen Facetten. Vorläufig kann es aus psychologischer Perspektive vor allem als Versuch verstanden werden, eine neue Identität zu finden und/oder eine herkömmliche Identität aufrechtzuerhalten oder ,abzulegen'. Wenn hier von Identität die Rede ist, dann primär von kultureller Identität, also der Bindung von Personen an spezifische Gruppen mit spezifischen kulturellen Normen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen (vgl. auch Bhugra, Bhui, Mallett, Desai, Singh & Leff, 2002;Oetting, Swairn & Chiarella, 1998, S. 132). Die Interaktion zwischen den kulturell divergenten Gruppen, die arn Akkulturationsprozess beteiligt sind, also die Neuankömmlinge und Ansässigen innerhalb eines kulturellen Systems, ist durch die Mitgliedschaft der Individuen zu kulturellen Gruppen bestimmt, also durch die Verortung ihres Selbsts. Die Identität oder Identitätsaspekte, die den Prozess der Akkulturation beeinflussen, sind primär an kulturellen (sozialen) Kategorien orientiert, die durch die neue Kultur bestimmt sind. (Proposition 4) Es wird versucht, die Verortung durch Adaptationsprozesse zu erreichen, und
siewirddurch Adaptationsoptionen seitens des kulturellen Systems bestimmt.
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Die kategoriale Verortung bzw. die identitätsbezogene Einbindung resultiert aus Prozessen der Wahrnehmung und Herstellung von starker oder schwacher Differenz (Nähe, Ähnlichkeit) zwischen den kulturell divergenten Gruppen, wobei die Prozesse der Einbindung und Differenz zu einer Veränderung der Individuen, Gruppen und kulturellen Systeme führen (Kulturänderung). In Bezug auf die Herstellung von Differenz kann angenommen werden, dass der Prozess der Einbindung mit einern Prozess der Differenzierung einhergeht. Das heißt es ist davon auszugehen, dass die Verortungsprozesse mit Prozessen der Grenzziehung - eben der Differenzierung - einhergehen: Eine neue Verortung von Individuen und Gruppen im Prozess der Akkulturation geschieht in Differenz, d.h. sie geht mit einer Differenzierung der Gruppen einher. (Proposition 5) Es ist ferner davon auszugehen, dass die Akkulturation durch die Differenz zwischen den kulturellen Gruppen, die in Kontakt kommen, bestimmt ist bzw. durch die Wahrnehmung und anschließende Bewertung der Differenz zwischen den Gruppen durch die Gruppenmitglieder beider Gruppen. (Proposition 6) Kommen Mitglieder unterschiedlicher Gruppen in Kontakt, dann sind Akkulturationsprozesse der einen oder beider Gruppen notwendig, je stärkerdie Differenz der kulturellen Merkmale ist und damit eine Passung zwischen den eigenen kulturellen Merkmalen und den Merkmalendes kulturellen Kontextes schwierig wird. Die kategoriale Verortung bzw. die identitätsbezogene Einbindung resultiert aus Prozessen der Wahrnehmung und Herstellung von starker oder schwacher Differenz (Nähe, Ähnlichkeit) zwischen den kulturell divergenten Gruppen, wobei die Prozesse der Einbindung und Differenz zu einer Veränderung der Individuen, Gruppen und kulturellen Systeme führen (Kulturänderung). In Bezug auf die Herstellung von Differenz kann angenommen werden, dass der Prozess der Einbindung mit einern Prozess der Differenzierung einhergeht. Das heißt es ist davon auszugehen, dass die Verortungsprozesse mit Prozessen der Grenzziehung - eben der Differenzierung - einhergehen: Eine neue Verortung von Individuen und Gruppen im Prozess der Akkulturation geschieht in Differenz, d.h. sie geht mit einer Differenzierung der Gruppen einher. Die kulturelle Differenz kann als Repräsentation, als abhängiger Faktor und als Einflussfaktor der interkulturellen Balance zwischen den kulturell divergenten Gruppen betrachtet werden. (Proposition 7) Akkulturation ist als ein Prozess der interkulturellen Balancierung zu verstehen. Das Konzept der interkulturellen Balance muss ebenfalls noch genauer ausgearbeitet werden. Für die Grundlegung des Akkulturationskonzeptes ist es aber zunächst hinreichend anzunehmen, dass die Balance interkultureller Beziehungen und kultureller Systeme einen Referenzpunkt für Akkulturationsprozesse bietet. Es ist anzunehmen, dass eine Reihe von Faktoren das Ausmaß der Akkulturationsoptionen und Balancierungsmöglichkeiten beeinflusst. Im Kontext der Balanceorientierung ist insbesondere anzunehmen, dass die Möglichkeiten der Gruppen, sich zu akkulturieren abhängig davon sind, welche Partizipations- und Einflussmöglichkeiten - mithin Machtverhältnisse - in dem gemeinsamen kulturellen Referenzrahmen vorgegeben sind.
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2.) Richtung des Akkulturationsprozesses: Die meisten Definitionen von Akkulturation unterscheiden nicht genau genug zwischen einem unidirektionalen und bidirektionalen Prozess der Akkulturation. Versteht man Akkulturation als einen Prozess der Einbindung, Differenzierung und interkulturellen Balancierungsprozess, dann ist anzunehmen, dass die Akkulturation kein unidirektionaler Prozess ist, bei dem sich eine Gruppe an eine andere Gruppe anpasst oder nicht (Montreuil & Bourhis, 2001). (Proposition 8) Akkulturation ist ein bidirektionaler Prozess sowohl in der Gruppe, die versucht, ein kulturelles System zu adaptieren, als auch in der Gruppe, die in Kontakt mit kulturell neuen Gruppen tritt. 3.) Multiperspektivität: Viele Akkulturationsdefinitionen sind einseitig auf die Akkulturation von Neuankömmlingen in einer Kultur konzentriert. Akkulturationsphänomene der Einheimischen bzw. von Mitgliedern der Kultur, in die Neuankömmlinge hineingelangen, geraten aus dem Blick. Die Entwicklung von Vorurteilen gegenüber Neuankömmlingen oder die Wahrnehmung einer Bedrohung ist eine häufige Reaktion. Aber selbst Zuwanderungsgesetze, die eine dominante Mehrheit erlassen, sind damit Ausdruck von Akkulturation. Zuwanderung ist kein Prozess, der je nach der Wahrnehmung und Kontrolle durch die Mehrheit verläuft, und er ist auch kein Prozess, der nur in Gruppen stattfindet, die in die Zuwanderungsstatistiken fallen. (Proposition 9) Aufdas ,Hineinkommen von Neuankömmlingen' in das kulturelle System der Ansässigen, reagieren nicht nur Neuankömmlinge, sondern auch Ansässige mit Akkulturationsprozessen. 4.) Prozess und Orientierung: Viele Grundkonzepte der Akkulturation unterscheiden nicht genau zwischen dem Prozess der Akkulturation, einer Orientierung und/oder Einstellung zur Akkulturation und Konsequenzen (Outcomes). Im idealtypischen Fall sollte sich die psychologische Akkulturationsforschung mit dem Prozess beschäftigen, der bei einem Kulturwechsel eines Individuums und/oder einer Gruppe in ein neues kulturelles System erfolgt. Der Prozess kann meines Erachtens als schrittweiser Kulturwandel in folgende Facetten zerlegt werden. 1.
2.
3. 4. 5.
Freiwillige oder unfreiwillige Entscheidung eines Individuums oder einer Gruppe, einen Raum zu verlassen, der durch ein kulturelles System bestimmt ist (Motiv und Entscheidung). Zeitlich gedehnte Auswanderung aus dem System, begleitet von Erfahrungen des Wanderns und des Neuen ("aha, wo anders ist es anders") und während der Wanderung (Gruppenkohäsion, Unsicherheit, Gefahr, Neuentdeckungen (Wanderungserfahrung)). ,Ankommen' in einem bestimmten kulturellen Raum (Zielerreichung und Erstkontakt). Kontakt mit Individuen und Gruppen des anderen Systems (interkultureller Kontakt). Wahrnehmung von Differenz.
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6.
Salienz und ggf. Relevanz der eigenen kulturellen Identität (man ist fremd/anders, für Fremde gelten andere Regeln als für Einheimische) in der Wahrnehmung von Differenz. 7. Versuch der Einbindung und Verortung der neuen Gruppe durch diese Gruppe und die Aufnahmegruppe (Identifikation und Niederlassung), Aushandeln eines neuen Statussystems und der jeweiligen Gruppenposition. 8. Prozessen der Annahme oder Zurückweisung der Herkunftskultur und Aufnahmekultur durch beide Gruppen (interkulturelle Differenzierung). 9. Etablierung oder Separation innerhalb des neuen kulturellen Systems, das sich durch Akkulturation verändern kann. 10. Ggf. Auswanderung aus der ,Aufnahmekultur' in ein anderes kulturelles System oder die Herkunftskultur (Abbruch der Akkulturation).
Damit ist ein analytisches Prozessmodell gezeichnet. Zu betonen ist, dass Phasen 3 bis 9 zum Teil parallel erfolgen können, zumindest aber mit dem Aufenthalt eines .Neuankömmlings' in einer neuen Kultur zunehmend interagieren. Zerlegt man allerdings analytisch den Prozess der Akkulturation einer Person auf die vorgeschlagene Weise, dann werden dabei die Grunddimensionen deutlich, die den Prozess bestimmen. Akkulturation ist weitgehend von den Dimensionen Zeit, Raum, Identität, Differenz und Verortung bestimmt, die umfassende psychologische und soziale Balancierungsprozesse bestimmen. Innerhalb des beschriebenen Akkulturationsprozesses spielen auch verwandte, aber nicht identische Phänomene, die vor allem auf Prozessen der Adaptation von kulturellen Umwelten (siehe unten) beruhen, eine Rolle. Deutlich von dem Akkulturationsprozess sind Akkulturationsorientierungen zu unterscheiden. Die Studie von Akkulturationsorientierungen ist ein dominantes Thema in der psychologischen Akkulturationsforschung.P Es ist dort das wahrscheinlich am besten und häufigsten untersuchte Konzept. Zum Teil werden sie fast synonym mit dem Konzept der Akkulturation selbst verwendet. Sie repräsentieren meines Erachtens jedoch zunächst gene-
ralisierte Einstellungen, die Neuankömmlinge in einer Kultur und Einheimische zu der Art und Weise der Umweltaneignung (Adaptation) durch die Neuankömmlinge oder aber auch durch Einheimische haben bzw. präferieren; obgleich letztere Facette kaum in der Forschung fokussiert wird. Bereits genannt wurde bei der Vorstellung der Akkulturationsdefinitionen zum Beispiel das Konzept der Separation. Separation im Sinne einer Akkulturationsorientierung repräsentiert die Einstellung und/oder Präferenz von Neuankömmlingen, dass eine Aneignung der neuen Umwelt am besten durch den Rückzug von der dominanten Mehrheitskultur der Einheimischen erfolgen kann oder sollte, je nachdem ob die Orientierung sich auf den ablaufenden Prozess richtet oder auf die Präferenz für die optimale Aneignung der Umwelt. Aus Sicht der Einheimischen kann zum Beispiel die Separation ebenfalls als Strategie des Rückzuges von den Neuankömmlingen oder als Einstellung dazu, wie Neuankömmlinge sich verhalten sollten, um in der Kultur zurechtzukommen, aufgefasst werden. Die Separation kann aber auch als Akkulturationsorientierung von Einheimischen verstanden werden, das heißt als
33 Vgl. dazu auch die Differenzierung von Orientierungen durch jene Akkulturationstheorien, die unterschiedliche Orientierungen vorschlagen in Kapitel 6.3.
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einstellungsbezogene Reaktion auf Adaptationsversuche durch Neuankömmlinge in einer Kultur, was in der Forschung allerdings bislang kaum oder gar nicht bedacht wurde und wird. Das Konzept der Akkulturationsorientierung wird noch ausführlich im Kontext jener Theorien diskutiert und ausgearbeitet, die zentrale Aussagen dazu machen. Für den Moment ist zunächst festzuhalten, dass solche Orientierungen den Prozess der Akkulturation erheblich beeinflussen, mit dem Prozess aber nicht gleichzusetzen sind. 5.) Abgrenzung von konstruktnahen Konzepten: Die Akkulturation wird in den meisten Defini-
tionen durch eine Reihe von weiteren Konzepten konzeptualisiert, die einerseits nicht näher definiert werden, wie zum Beispiel das zuvor genannte Kulturkonzept, und welche andererseits kaum unterscheidbar vom Akkulturationskonzept sind, wie vor allem die Konzepte der Assimilation, Integration und Adaptation. In vielen Outcome-Modellen der Akkulturation wird die Akkulturation als Oberbegriff von Assimilation, Integration oder Adaptation verhandelt und diese als Konsequenzen akkulturativer Strategien festgelegt, während in anderen Modellen die konstruktnahen Begriffe als Oberbegriff akkulturativer Handlungen aufgefasst werden (vgl. z.B. Kim, 2002; bzw. siehe unten, wo das Modell von Kim genauer diskutiert wird). Die bisher vorgeschlagene Neuformulierung des Akkulturationskonzeptes hat versucht, diese mangelnde Differenzierung zu vermeiden. Allerdings trifft auch sie die Kritik, dass sie eine Reihe von Konzepten verwendet, die noch genauer differenziert werden müssen. Es liegt nahe, zunächst solche Konzepte genauer zu definieren, die konstruktnah sind. 6.) Kultur und Akkulturation: Die meisten Definitionen von Akkulturation gehen implizit von
einem Grundverständnis von Kultur aus, ohne genauer zu definieren, was unter Kultur zu verstehen ist. Ist Kultur ein System objektiver Strukturen, oder ein System subjektiv wahrgenommener Symbole, oder gar eine gesellschaftliche Konstruktion? Das ist insofern relevant, als die Konzeptualisierung von Kultur bestimmt, woran sich Akkulturation ausrichtet. Wird Kultur nur über objektive Merkmale definiert, muss die Akkulturation an diesen Kriterien bemessen werden. Auch für die hier thesenhaft vorgeschlagene Konzeptualisierung von Akkulturation fehlt eine genauere Bestimmung von Kultur. Daher wird in den folgenden Abschnitten die Konzeptualisierung von Kultur diskutiert und auch hierzu ein Vorschlag unterbreitet (siehe unten).
2.2.
Assimilation, Integration und Akkulturation
Im Folgenden werden die Konzepte der Assimilation und Integration einerseits in den Kontext der Konzeptualisierung von Akkulturation gestellt und andererseits deutlicher als bislang davon unterschieden. In der Forschung werden beide Konzepte zum Teil synonym mit dem Konzept der Akkulturation gesetzt, teilweise als Konsequenzen der Akkulturation (Outcome), teilweise als Ausdruck von Akkulturation selbst (Facette der Adaptation) verstanden. Darüber hinaus wird einerseits Assimilation als (erwünschter) Endzustand der Akkulturation begriffen, andererseits die Integration als erfolgreicher Zielzustand der Akkulturation bestimmt. Assimilation wird von einigen Ansätzen als Gegenpol zur Integration
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verstanden und die beiden Konzepte werden im Sinne gesellschaftlicher Ideologien als widersprechende Möglichkeiten des Einschlusses von Minderheiten, Neuankömmlingen, autochthonen Gruppen oder ganz allgemein von Fremden betrachtet. Auch hier ist meines Erachtens eine Neukonzeptualisierung im Kontext der bislang skizzierten Reformulierung der Akkulturation notwendig. Zunächst wird das Konzept der Assimilation diskutiert, da es in den Ansätzen, die in den Bereich der Akkulturationsforschung fallen, häufiger und deutlicher genannt wird als das nachfolgend diskutierte Konzept der Integration.
2.2.1.
Akkulturation und Assimilation
Viele psychologische und sozialwissenschaftliche Ansätze begreifen die Akkulturation als einen Assimilationsprozess (vgl. Berry, Trimble & Olmedo, 1986; Rogler, Cortes & Malgady, 1991;Sayegh & Lasry, 1993). In der Britannica Concise Encyclopedia des Jahres 2004 wird eine einfache Unterscheidung von Akkulturation, Adaptation und Assimilation angeboten, die sich vor allem auf Forschungsergebnisse der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung beruft: "Accu1turation is the process of change in material culture, traditional practices, and beliefs that occurs when one group interferes in the cultural system of another, directly or indirectly challenging the latter to adapt to the ways of the former. Such change has characterized most political conquests and expansions over the centuries. Assimilation is the process whereby individuals or groups of differing ethnicity are absorbed into the dominant culture of a society - though not always completely. In the D.S. millions of European immigrants became assimilated within two or three generations; factors included the upheaval of overseas relocation, the influences of the public school system, and other forces in American life."
Das Assimilationskonzept basiert in weiten Teilen auf der skizzierten Idee der Absorption von Migranten in die dominante Mehrheitskultur. Man kann gleich einwenden, dass das Konzept der Assimilation, so wie es die Enzyklopädie definiert, methodologisch und theoretisch schwer zugänglich ist, denn man müsste eigentlich präziser festlegen, woran sich Absorption bemisst. Wesentlicher aber ist, dass im Gegensatz zum Konzept der Akkulturation das Konzept der Assimilation weitaus schwieriger zu definieren ist, da es ausgesprochen eng an Theorien gebunden ist und die Theorien zum großen Teil das Konzept auf spezifische Aspekte reduzieren. Die frühen soziologischen Migrationstheorien sind in der Regel Assimilationstheorien, die eigene Assimilationskonzepte entwickeln (vgl. Treibel, 1999, bzw. die ausführliche Darstellung der Theorien in Kapitel 5.3). Nichtsdestoweniger ist es für eine Grundbestimmung von Akkulturation sinnvoll, eine von möglichst vielen Forschungsansätzen geteilte Definition zu entwickeln. Einerseits kann nur so der Unterschied zu den Konzepten der Adaptation und Akkulturation deutlich werden und andererseits ließe sich sonst keine Perspektive auf die Akkulturation entwickeln. Die frühe sozialwissenschaftliche Forschung vertritt die Vorstellung, dass die Akkulturation letztendlich auf einer Assimilation in die kulturell dominante Gruppe (Mehrheitsgesellschaft) hinausläuft, auch wenn sich diese empirisch nicht nachweisen lässt (vgl. z.B. Berry, Trimble & Olmedo, 1986; Rogler, Cortes & Malgady, 1991; siehe Kapitel 3). Assimilation wird im allgemeinsten Sinne als Angleichung einer Gruppe von Zuwanderern oder Neuankömmlingen an die dominante Kultur von Mehrheitsgesellschaften verstanden. In einer der ersten Theorie der Assimilation nach Eisenstadt (1952,1954) wird Assimilation als 56
komplette Absorption der Minderheit in der Mehrheitskultur aufgefasst, ohne dass die Mehrheit davon beeinflusst wird. Der letzte Aspekt ist problematisch, denn damit wird das Konzept der Assimilation allein auf kulturelle Neulinge reduziert (Taft, 1953). Das heißt, assimilative Orientierungen und Verhaltensweisen von Mehrheitskulturen werden nicht erwartet. Das entspricht nicht dem Verständnis von Akkulturation, das hier zugrunde gelegt wurde (siehe oben). Allerdings wird diese einseitige Vorstellung der Absorption implizit auch heute in vielen Theorien und Studien weiter getragen. Das geschieht vor allem implizit alleine dadurch, dass in der Regel Anpassungsprozesse von Mehrheiten aus Assimilationsstudien einfach ausgeblendet werden.f In ihren berühmten Studien zur Assimilation von Zuwanderern in Chicago definieren Park und Burgess (1968, S. 438) Assimilation ohne den Rekurs auf eine einseitige Anpassung als: " ... a process of interpenetration and fusion in which persons or groups acquire the memories, sentiments, and attitudes of other persons or groups, and, by sharing their experience and his tory, are incorporated with them in a common cultural life."
Assimilation beschreibt damit die (einseitige) Anpassung an und Verschmelzung einer Gruppe von Neuankömmlingen mit einer ansässigen, dominanten Kultur, wobei sich der Prozess der Assimilation an letzterer orientiert. Auf der Grundlage dieser Definitionen kann Assimilation als eine Form der Akkulturation verstanden werden. Erstaunlicherweise wird in den sozialwissenschaftliehen Ansätzen das Konzept der Assimilation in den Vordergrund gestellt, und das Konzept der Akkulturation zur Beschreibung individueller oder psychologischer Prozesse verwendet (zur Übersicht vgL Treibel, 1999). In Gordons (1964) Stufentheorie der Assimilation in den USA, die später ausführlich vorgestellt wird, wird zum Beispiel die Akkulturation als erste Stufe des Assimilationsprozesses definiert. Das Verhältnis zwischen Akkulturation und Assimilation, wie es die psychologische Akkulturationsforschung beschreibt (Assimilation als ein Aspekt der Akkulturation), wird in diesem und vielen anderen sozialwissenschaftlichen Ansätzen umgedreht (vgl. Zick, 2001). Folgt man der Perspektive, dann handelt man sich das Problem ein, dass man die Assimilation in Mehrheitskulturen als finalen Eingliederungszustand normiert. Zudem wird das Konzept der Assimilation, so wie es bisher gefasst wurde, auf eine politische Ideologie oder eine gesellschaftliche Zielvorstellung reduziert, wie Bade und Bommes (2004) zur Diskussion des Assimilationskonzeptes in der Migrationsforschung treffend konstatieren. Das mag den gesellschaftlichen Normen entsprechen, muss aber nicht den realen Verhältnissen und schon gar nicht den subjektiven Orientierungen der Neuankömmlinge oder der Ansässigen entsprechen, wie zahlreichen Studien der Akkulturationsforschung, die noch genauer vorgestellt werden, zeigen. Die Begriffsdefinition der psychologischen Akkulturationsforschung, die davon ausgeht, dass Akkulturation als Oberbegriff betrachtet werden muss, hat dieses Problem nicht. Assimilation wird in dieser Forschungstradition am 34 Dass dies nicht der Fall ist, jedoch eine wichtige Rolle spielt, wird eine Reihe von Studien in der vorliegenden Arbeit zeigen. Allein die bekannten Identitätsstudien von Helms (1984) und Phinney (1990) zeigen, dass allein durch die Anwesenheit von Minderheiten die Identitäten von Mitgliedern dominanter Mehrheiten verändert werden.
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ehesten als eine gesellschaftliche Ideologie, als Akkulturationsorientierung oder als Akkulturationsstrategie oder -variante aufgefasst (Berry, 1997, 2003). Berry (1997) definiert die Assimilation einerseits als politische Zielvorstellung, die gewissermaßen das Multikulturalismuskonzept von Gesellschaften beschreibt. Diese Ideologie kann man zum Beispiel an der Zuwanderungspolitik und/oder Rechtssprechung oder Integrationsmaßnahmen festmachen. Andererseits ist die Assimilation - ähnlich wie andere Konzepte der Integration, Marginalisierung oder Separierung - eine Strategie der Akkulturation von Neuankömmlingen in einer Kultur. Es ist eine Strategie bei der Neuankömmlinge versuchen, enge Beziehungen zur dominanten Mehrheitskultur aufzubauen und ihre Bindung an die Herkunftskultur zurückzustellen bzw. aufzugeben. Gleichzeitig kann die Assimilation aus der Perspektive der dominanten Mehrheitskultur eine Orientierung und - betrachtet man nur die Einstellungsebene - Ideologie sein, die von Zuwanderern die Aufgabe ihrer Bindung an die Herkunftskultur und ihrer kulturellen Merkmale sowie die Annahme der Kultur der Mehrheitskultur fordert. Auch Neuankömmlinge selbst können die Ideologie vertreten, dass eine erfolgreiche Umweltaneignung nur durch die Anpassung an die dominante Mehrheitskultur gelingen kann. Konzeptualisiert man Assimilation auf diese Weise, dann wären weitere grundsätzliche Ideologien oder Orientierungen in Betracht zu ziehen, wie die Integration, Marginalisierung, Separation oder Individualisierung (siehe unten). Sie erhält ihren besonderen Stellenwert nur dadurch, dass die individuelle Ideologie der Ideologie der Mehrheitskultur besonders entspricht, denn unabhängig davon, wie man diese individuelle Ideologie bzw. Akkulturationsorientierung bewertet, entspricht sie durchaus den meisten politischen Zielvorstellungen von Zuwanderungsgesellschaften. Kaum bedacht sind in der Akkulturationsforschung dagegen Assimilationsstrategien von Mitgliedern dominanter Mehrheitskulturen, obgleich es vorstellbar ist, dass auch diese sich in bestimmten Lebensbereichen an kulturelle Minderheiten wie z.B. Zuwanderer assimilieren. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Mehrheitsmitglieder in ethnisch segregierten Stadtteilen leben, wo sie zwar auf der kulturellen Ebene die dominante Mehrheitskultur vertreten, in dem Stadtteil jedoch eine kulturelle Minderheit darstellen, oder die Minderheitenkultur dominant ist, wie das zum Beispiel beim Kolonialismus der Fall ist. Diese Beispiele machen deutlich, dass die Orientierung und Strategie der Assimilation in erheblichem Maße von Einflussmöglichkeiten und der Dominanz über die kulturellen Normen bestimmt ist, also dem Status, den Gruppen innerhalb eines kulturellen Systems haben. Ein alternativer Versuch, Assimilation zu bestimmen, ist es, sie als Konsequenz zweier gegensätzlicher Akkulturationsstrategien zu definieren. Kim (2002, S. 261) definiert Assimilation als internale Transformation im Prozess der Akkulturation in einer neuen Kultur und der Dekulturation von einer Herkunftskultur: "As the interplay of acculturation and deculturation continues, newcomers undergo an intemal transformation in the direction of assimilation, astate of the highest degree of acculturation and deculturation theoretically possible ... "
Im Kontext einer Analyse der Adaptation, unterscheidet Kirn - wie schon beschrieben zwischen der kulturellen Adaptation, die durch die Enkulturation oder Sozialisation innerhalb einer Kultur bzw. unterschiedlichen kulturellen Gruppen erfolgt, und der interkulturellen Adaptation, die die Akkulturation, die Dekulturation und die Assimilation als Zielzu58
stand umfasst. In Abbildung 2.1 sind die Konzepte in ihren Zusammenhängen unterschieden.
Dekulturation
I
Enkulturation
Assimilation
I
Akkulturation
\"
y
J
Kulturelle Adaptation
Abb.2.1
Interkulturelle Adaptation
Beziehung zwischen den Grundbegriffen zur Bestimmung interkultureller Adaptation nach Kim (2002, Fig. 14.1, S. 261)
Problematisch an der Konzeptualisierung ist, dass Assimilation hier als idealer Zielzustand per Definition festgelegt wird und andere Konsequenzen der Akkulturation, wie zum Beispiel Formen der Marginalisierung oder Separation im Konzept der Assimilation verborgen bleiben. Zudem generiert die Akkulturation vollständig zur Assimilation in dem Maße, in dem die Dekulturation von der Herkunftskultur und die Akkulturation im Sinne einer Adaptation an die ,Aufnahmekultur' zunehmen. Teske und Nelson (1974) haben die Beziehung zwischen Akkulturation und Assimilation noch enger gefasst. Beide bezeichneten den dynamischen Prozess, der innerhalb von Individuen oder Gruppen stattfindet, wenn Mitglieder zweier Kulturen in Kontakt miteinander kommen. Akkulturation sei ein reziproker Prozess, der keine Veränderung in den Werten erfordere, auch wenn sich die Werte ändern könnten. Er erfordere auch keine Änderung in den Referenzgruppen, keine internalen Änderungen oder die Akzeptanz von Fremdgruppen (Outgroups), wie zum Beispiel einer dominanten Gruppe, die die Mehrheitskultur repräsentiert. Assimilation sei dagegen unidirektional gegenüber der dominanten Gruppe (Mehrheit). Sie verlange eine Änderung in den Werten, Referenzgruppen, eine internale Veränderung der Identifikation und die Akzeptanz der jeweiligen Outgroup. Obg-
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leich mit diesem Vorschlag eine deutlichere Differenzierung der Konzepte der Akkulturation und Assimilation erreicht wird, ist aber auch dieser Vorschlag problematisch, denn er bedingt, dass das Konzept der Akkulturation schwerer zu bestimmen ist und fokussiert zur Differenzierung das Ausmaß an Veränderung. Es lässt sich jedoch reichlich schwer bestimmen, welche Veränderungen quasi der Akkulturation und welche der Assimilation zuzurechnen sind. Insgesamt ist festzustellen, dass erstens in der Forschung kein Konsens über die genaue Definition von Assimilation besteht. Im allgemeinen Sinne bezeichnet sie die einseitige Anpassung einer Minderheitenkultur an die Mehrheitskultur unter Aufgabe der Minderheltenkultur. In den sozialwissenschaftlichen Modellen, die sehr umfangreich später vorgestellt werden, wird die Assimilation noch eher als Zielzustand der Akkulturation definiert. Zweitens scheint die Differenzierung der Konzepte Akkulturation, Adaptation und Assimilation eher ungeklärt. Drittens muss, wie beim Konzept der Akkulturation, zwischen einer makrosozialen, meso-sozialen und mikro-sozialen Analyseebene unterschieden werden. Auf der makro-sozialen Ebene gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse entspricht die Assimilation eher einer generalisierten Ideologie über die Art und Weise, wie Neuankömmlinge in einer Kultur sich die Kultur aneignen ,dürfen und sollen', eben über die Übernahme der bedeutsamen Merkmale ihrer Mehrheitskultur. Auf der meso- und mikro-sozialen Ebene entspricht die Assimilation eher einer Orientierung auf der Einstellungsebene und einer Strategie auf der Verhaltensebene, die zwar primär die Neuankömmlinge betrifft, weil von ihnen gefordert, aber auch Orientierungen der Mitglieder dominanter Mehrheitskulturen beschreibt und - wenn auch in der Forschung nicht bedacht -, selbst ihre Verhaltensweisen. (Proposition 10) Assimilation beschreibt die einseitige Anpassung an Dominanzkulturen. As-
similation ist der Versuch sich zu akkulturieren, indem eine Gruppe sich einer anderen Kultur quasi ,unterwirft', um Teil der Kulturzu werden. Damitist das klassische Verständnis von Assimilation beschrieben. Wird nun allerdings Akkulturation als Balancierung verstanden, dann ist anzunehmen, dass Individuen und Gruppen sich an die Mehrheitskultur nur soweit assimilieren, dass die Balance zwischen ihren kulturellen Merkmalen und den Merkmalen der Mehrheitskultur harmoniert; Assimilation also ohne eine zwangsläufige Aufgabe zugunsten einer Kulturoder Absorption in einer Dominanzkultur erfolgen kann. (Proposition 11) Die Assimilation kann dabei sowohl eine spezifische Orientierung als auch eine Strategie im Prozess derAkkulturation sein, die durch einseitige und konformistische Adaptation der dominanten Kultur beschreibbar ist. Auf einer gesellschaftlichen Ebene ist die Assimilation eine Ideologie dominanter Kulturen. Löst man die Konzeptualisierung der Assimilation von spezifischen Aspekten und von der Vorstellung der klassischen Migrationsforschung, dass Assimilation der Endzustand der Akkulturation ist, dann fällt auf, dass alle Konzeptualisierungsvorschläge implizit Assimilation durch die Dimensionen der kulturellen Verortung und der Differenz sowie Aufgabe der ursprünglichen kulturellen Identität und Aneignung derkulturellen Identität der Ansässigenkultur definieren. Über diese Dimensionen werden Unterschiede zu den Konzepten der Akkulturation und Adaptation hergestellt. Zieht man die Dimensionen zur Definition explizit heran, kommt man zu einer präziseren Differenzierung. (Proposition 12) Assimilation ist in einem psychologischen Sinne eine Akkulturationsstrategie, die einerseits bestimmt ist durch die einseitige Identifikation mit der dominanten neuen Kultur 60
bzw. eine Verortung im System dieser Kultur, und anderseits bestimmt ist durch eine Auflösung von Differenzen, die dadurch zu erreichen versucht wird, indem die Neuankömmlinge oder allochthonen Gruppen ihre kulturellen Eigenschaften aufgeben und durch die Merkmale der ,Aufnahmekultur' ersetzen. Die ,Aufnahmekultur' erweist sich in diesem Sinne als tatsächlich aufnehmende Kulturund setztdie Kriterien dafür, was .richtig' ist. (Proposition 13) Wird die Akkulturation als mehroder minderbewusster Prozess der Aneignung von kulturellen Umwelten verstanden, derdurch mehr oder minder unbewusste Prozesse und Strategien der Adaptation gekennzeichnet ist (siehe These unten), dann kann die Assimilation alsder Versuch von Minderheiten verstanden werden, die dominante Mehrheitskultur unter Aufgabe der Merkmale der Herkunftskultur möglichst vollständig zu adaptieren. Aus der Perspektive der Mehrheit stellt sich die Assimilation als Akkulturationsforderung dar beziehungsweise als eine politische (Zuwanderungs-)Ideologie. (Proposition 14) Im Kontext interkultureller Balancierungsprozesse stelltdie Assimilation als Strategie und Ideologie den Versuch dar, die interkulturelle Differenz durch die einseitige Verortung von Minderheiten anhand der dominanten Merkmale (Normen, Werte, Bräuche, Sitten etc.) zu minimieren. Eine Alternative bieten andere gesellschaftliche Ideologien und Akkulturationsstrategien wie zum Beispiel die Amalgamation (Verschmelzung) oder Hybridisierung'e, Integration oder Marginalisierung die in der Forschung dem Konzept der Assimilation gegenübergestellt werden. Sind die Thesen zutreffend, dann bedeutet das auch, dass die Realisation der Assimilation in hohem Ausmaß von Status- und Dominanzverhältnissen abhängig ist, da die Orientierung der Akkulturationsprozesse und Adaptationsstrategien vollständig an der dominanten Mehrheitskultur ausgerichtet sind. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Assimilation eben nur eine Ideologie und Strategie der Akkulturation unter anderen beschreibt. Dass sie dermaßen im Vordergrund der Forschung steht, beruht - wie genannt - auf den klassischen Migrations- und Assimilationstheorien, die sie als Endzustand der Akkulturation oder Adaptation festlegen. Man sollte die Frage stellen, welche Alternative zur einseitigen Anpassung kultureller Minderheiten an dominante Mehrheiten besteht. Dabei ist zunehmend seit den 1980er Jahren das Konzept der Integration in den Vordergrund des Interesses gerückt. Das Konzept wird im Folgenden genauer in den Kontext der bisherigen konzeptuellen Diskussion gestellt. Da es als Alternative zur Assimilation zu verstehen ist und zugleich dazu keine .echte' Integrationstheorie vorliegt, kann die Diskussion des Integrationskonzeptes kürzer erfolgen.
35 "Amalgamation (or hybridization) occurs when a society becomes ethnically mixed in a way that represents a synthesis rather than the elimination or absorption of one group by another. In Mexico, for exarnple, Spanish and Indian cultures became increasingly amalgamated over centuries of contact." (Britannica Concise Encyclopedia, 2004) Das Konzept der Amalgamation oder Hybridisierung entspricht allerdings mehr einer gesellschaftlichen Ideologie als einer exakten Beschreibung eines bestimmten Status quo im Prozess der Adaptation durch die Interaktion zwischen zwei Gruppen, die kulturell divergent sind.
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2.2.2.
Akkulturation und Integration
Ähnlich wie die Assimilation wurde ihr ,Gegenpol', die Integration, in der psychologischen Forschung zum Teil mit dem Konzept der Akkulturation gleichgesetzt. Auch im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Migrationstheorien, die sparsamer mit dem Konstrukt der Akkulturation operiert, erscheint das Konzept aus psychologischer Sicht ähnlich wie das der Akkulturation. Das schafft aber mehr Verwirrung als Klarheit. Um das Konzept der Integration präziser zu bestimmen, wird zunächst nicht auf eine spezifische Integrationstheorie zurückgegriffen, obgleich einige wenige ,kleinere' Integrationstheorien in der Akkulturationsforschung und allgemeine sozialwissenschaftliche Theorien gesellschaftlicher Integration vorliegen (vgl. Imbusch & Rucht, 2005). Hier soll der Begriff eng auf den Bereich der interkulturellen Akkulturation eingegrenzt werden und im Kontext des Akkulturationskonzeptes diskutiert werden. Man kann die Integration sowohl als Prozess als auch als Zielzustand und sowohl auf der Einstellungs- als auch auf der Verhaltensebene definieren. Eine resümierende Definition, die auf den Prozess- und Zielcharakter eingeht, hat Schulte (2000, S. 36) vorgeschlagen: ",Integration' beinhaltete sowohl einen Prozess als auch einen (angestrebten) Zielzustand. Sie umfasst individuelle und kollektive Dimensionen und betrifft verschiedene Lebensbereiche; in struktureller Hinsicht gehören hierzu der rechtlich-politische Status sowie die soziale Lage (insbesondere in den Bereichen Erwerbstätigkeit, Wohnen sowie Bildung und Ausbildung), in kultureller Hinsicht insbesondere die Möglichkeiten der individuellen und kollektiven Entfaltung in Sprache, des Glaubens und Gewissens und sonstiger kultureller Einstellungen, Uberzeugungen und Verhaltensweisen. Integration bezieht sich darüber hinaus auch auf den Zusammenhalt der Gesellschaft insgesamt. Prozesse der Integration haben in Einwanderungsgesellschaften in der Regel keinen idyllischen und harmonischen Charakter, sondern gehen mit vielfältigen Problemen, Konflikten und Widersprüchen einher ... "
Damit ist eine allgemeine Differenzierung von Prozessen und Zielen vorgenommen, die sich an Lebensbereichen orientiert. Berry (1997, 2003) hat Integration im Kontext der Konzepte von Assimilation, Separierung und Marginalisierung, als akkulturative Orientierung und/oder Verhaltens- und Reaktionsstrategie definiert (in Kapitel 6.3 werden die Orientierungen ausführlich diskutiertj.P" Sie ist aus der Perspektive kultureller Minderheiten und/oder Neuankömmlinge definiert durch den Versuch bzw. die Orientierung, die eigenen kulturellen Merkmale zu erhalten und zugleich enge und stabile Beziehungen zu Mitgliedern der Mehrheitskultur herzustellen, aufrechtzuerhalten und zu intensivieren. Integration als eine Ideologie oder Orientierung der Mehrheit beschreibt den Anspruch an Minderheitenkulturen, ihre Merkmale aufrechtzuerhalten und Kontakte zur Mehrheitskultur aufzunehmen. Aus Sicht der Mehrheitskultur ist sie einerseits eine politische Ideologie und Strategie auf der makro-sozialen Ebene, andererseits eine Strategie und Orientierung auf der mesosozialen Ebene. Dabei ist hervorzuheben, dass die Forschung die Konstrukte der Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung sowie alternative Konstrukte vornehmlich als Orientierung oder Ideologie analysiert (Kap. 6.3). Sie - und eben auch und vor allem
36 In den folgenden Kapiteln wird diese Differenzierung aus theoretischer und empirischer Perspektive noch sehr ausführlich vorgestellt.
62
die Assimilation - sind aber auch als Verhaltensstrategien von Mehrheitsmitgliedern denkbar; was eben der Großteil der Forschung übersieht.F (Proposition 15) Die Integration ist eine - zur Assimilation - alternative Strategie und Orientierung im Kontext akkulturativer Prozesse, also dem Versuch, eine Passung zwischen den kulturel-
len Merkmalen zweier Gruppen innerhalb eines gemeinsamen kulturellen Systems herzustellen beziehungsweise .auszubalancieren'. Siestelltals Strategie und Ideologie derinterkulturellen Balancierung den Versuch dar, die interkulturelle Differenz durch die Aufrechterhaltung der kulturellen Merkmale und Bindungen der eigenen Referenzgruppe und die gleichzeitige Aufnahme von Beziehungen herzustellen. Im Gegensatz zur Assimilation ist die Integration keine einseitige Ausrichtung von Neuankömmlingen an den dominanten Merkmalen (Normen, Werte, Bräuche, Sitten etc.) einer ansässigen Kultur, sondern der Versuch, interkulturelle Balance durch die Akzeptanz kultureller Eigenständigkeit der am Prozess der Akkulturation beteiligten Gruppen zu gewinnen. Sie ist eine Orientierung, die auf einen Balancierungsprozess hinausläuft, der auf eine gemeinschaftlich orientierte soziale Kohäsion ausgerichtet ist (Ireland, 2004), das heißt eine gemeinschaftliche Orientierung und Strategie, die darauf abzielt, dass Neuankömmlinge integraler Bestandteil einer ,neuen' gemeinsamen Kultur werden. Damit wird auch deutlich, dass ähnlich wie die Assimilation auch die Integration in erheblichem Maße durch die Frage, welche Gruppe Einfluss auf die Normen und Werte bzw. die Frage, wie die Vmweltaneignung zu erfolgen hat, beeinflusst ist. Das heißt, auch die Integration ist durch Status- und Machtdifferenzen geprägt. Es ist anzunehmen, dass Integrationsorientierungen und -verhaltensweisen von subdominanten kulturellen Gruppen von der Akzeptanz der Merkmale ihrer Kultur durch die dominante Gruppen abhängen. Im Gegensatz zur Assimilation oder einer einseitigen Anpassung an Dorninanzkulturen scheint die Integration eine positivere Möglichkeit der interkulturellen Balancierung, da die Balance dadurch hergestellt wird, dass die am Akkulturationsprozess beteiligten Gruppen ihre Identitäten wahren können und Dekulturationsprozesse nicht notwendig sind. Tatsächlich zeigt Ward (1996), dass positive Aspekte der individuellen psychischen Anpassung und der sozialen Adaptation mit der Integrationsorientierung zusammenhängen und integrative Strategien zu besseren Adaptationsleistungen und/oder weniger Adaptationsproblemen führen. Diese empirischen Zusammenhänge, sowie die Zusammenhänge zwischen der Assimilation, der Integration und alternativen Akkulturationsstrategien und -orientierungen sind noch genauer zu verfolgen. Bevor die theoretische Fundierung durch unterschiedliche Modelle ausführlich vorgestellt werden, sind zwei weitere Grundkonzepte der Akkulturationsforschung genauer darzustellen und zu diskutieren. Ähnlich wie die Konzepte der Assimilation und Integration wird erstens auch das Konzept der Adaptation in vielen Ansätzen synonym mit dem Konzept der Akkulturation verwendet. Es kann und sollte jedoch genauer vorn Grundkonzept der Akkulturation unterschieden werden. Zweitens ist, wie bei der Diskussion des Akkulturationskonzeptes angemahnt, auch das Kulturkonzept genauer zu diskutieren.
37 Vgl. aber die Ausführungen zu den theoretischen Modellen der Akkulturationsforschung, die eine Analyse von Akkulturationsorientierungen in den Mittelpunkt stellen (Kap. 6.3).
63
2.3.
Anpassung und Adaptation
Bei der Entwicklung des neu formulierten Akkulturationskonzeptes in Abschnitt 2.1 wurde eine erste deutliche Unterscheidung zwischen Akkulturation und Adaptation vorgenommen, indem die Adaptation als Versuch der Umweltaneignung innerhalb des Akkulturationsprozesses definiert wurde. Zur Präzision muss meines Erachtens deutlich anhand von Analyseebenen, die Repräsentationen der Adaptation spiegeln können, sowie nach Facetten der Adaptation unterschieden werden. Im Folgenden werden grundlegende wissenschaftliche Konzeptualisierungen von Adaptation vorgestellt und diskutiert, und ein eigenständiges Konzept entwickelt.
2.3.1.
Konzepte und Facetten der Adaptation
Grundsätzlich wird in der Akkulturationsforschung das Konzept der Adaptation herangezogen, um entweder Prozesse der Akkulturation, Outcomes oder Facetten der Akkulturation zu beschreiben (Berry, 1991; Kim, 2001, S. 31). Sahlins (1964, S. 136) verweist darauf, dass der Begriff der Adaptation ursprünglich eingeführt wurde, um den Prozess der Akkulturation zu beschreiben. Adaptation beschreibe sr the dynamie process by whieh individuals, upon reloeating to an unfamiliar cultural environment, establish (or re-establish) and maintain relatively stable, reciprocal, and functional relationship with the environment. At the eore of this definition is the goal of achieving an overall person-environment .fit' for maximization of one's sociallife chanees. Adaptation, thus, is an aetivity that is .alrnost always a compromise, a vector in the internal structure of culture and the external pressure of environment'." » » »
Die Adaptation als Prozesskonzept ist dem Konzept der Akkulturation sehr ähnlich, wie es von der prominentesten Begriffsdefinition von Berry (1997, 2003) vorgeschlagen wird. Die Adaptation unterscheidet sich insofern, als sich Adaptation auf die Aktivität bezieht, die die Passung in kulturellen Kontexten beschreibt. Berry (2003, S. 32) definiert Adaptationen als " ... relatively stable changes that take place as an individual or group responds to external demands". Adaptation sei multi-dimensional und drücke nicht nur aus, dass ein Individuum der Umwelt ähnlicher wird, sie kann auch Widerstand gegen die soziale Umwelt umfassen. Die Definition und die darin verhandelten Konzepte, die die Definition bestimmen, sind allerdings noch sehr breit und abstrakt, und das Konzept der Adaptation ist viel zu ungenau, da nicht zwischen Anpassungsverhalten und Konsequenzen hinreichend unterschieden wird sowie unklar bleibt, ob nicht das Konzept der Adaptation hier das Konzept der Akkulturation ersetzt (vgl. dazu z.B. Anderson, 1994). Konkreter sind Definitionen, die die Adaptation als Konsequenz (Outcome) der Akkulturation verstehen und diese Konsequenzen beschreiben. Kim (2001) verweist darauf, dass in der Literatur unter Adaptation hauptsächlich eine Veränderung der Persönlichkeit bzw. die Internalisierung von neuen Persönlichkeitseigenschaften oder Werten einer Gesellschaft durch die Ersetzung alter Merkmale und Werte der ,Originalkultur' (Herkunftskultur) 64
durch solche der ,neuen Kultur' bezeichnet wird. Diese Einengung auf die Beobachtung von Persönlichkeitsveränderungen und Änderungen der Wertvorstellung ist allerdings sehr restriktiv und sie engt das Konzept der Adaptation so ein, dass sie kaum von der Akkulturation zu unterscheiden ist. Kim (2002, S. 261) schlägt vor, das Konzept der interkulturellen Adaptation (crosscultural adaptation) als übergeordnete Kategorie für die Adaptation einzuführen, und sie dadurch vom Konzept der Akkulturation zu unterscheiden: " ... cross-cultural adaptation is a phenomenon that occurs subsequent to the process of childhood
enculturation (or socialization) of individuals into recognizable members of a given cultural community. Second, all individuals entering a new and unfamiliar culture und ergo some degree of new culturalleaming, that is, the acquisition of the native cultural practices in wide-ranging areas, particularly in areas of direct relevance to the daily functioning of the resettlers - from attire and habits to behavioural norms and cultural values. The resocialization activities are the very essence of acculturation, consistent with the definition offered by Marden and Meyer (1968): ,the change in individuals whose prirnary learning has been in one culture and who take over traits from another culture' (p, 36). Acculturation, however, is not a process in which new cultural elements are simply added to prior internal conditions. As new learning occurs, deculturation (or unlearning) of some of the old cultural habits has to occur, at least in the sense that new responses are adopted in situations that previously would have evoked old ones."
Die Differenzierung zwischen Adaptation und Akkulturation wird in den Definitionen nach Kim (2001, 2002) durch das Konzept eines ,neuen Lernens', der Veränderung und implizit durch den Aspekt der bewusst motivierten und unbewussten, eher automatisierten Verhaltensübernahme - eben Adaptation - vorgenommen. Diese Differenzierung haben auch die vorgestellten Konzeptdefinitionen zuvor vorgenommen. Ein ,neues Lernen' ist aber schwerlich von mehr oder minder ,normalen' Lernprozessen abzugrenzen. Gemeint ist ein neues qualitatives Lernen, dass durch neue Reaktionsweisen (Responses) definiert ist. Weitaus genauer unterscheiden in Anlehnung an viele andere Studien der Akkulturationsforschung Ward, Fumham und Bochner (2001) drei Facetten der Adaptation, die man auch als Realisationen von Akkulturation verstehen kann: die psych!Jlogische Anpassung auf personaler Ebene (Psychological Adjustment), die soziokulturelle Adaptation (Sociocultural Adaptation) auf gruppaler Ebene und die ökonomische Akkulturation (Economic Acculturation) auf der strukturellen Ebene. Berry (1997) nennt zusätzlich die gesundheitliche Adaptation, obgleich er nicht näher ausführt, wie diese von den ersten beiden Facetten zu trennen ist. 38 Die ersten beiden Aspekte - die psychologische Anpassung und die soziokulturelle Adaptation - drücken sich in einer Veränderung des Denkens, Handelns und Verhaltens der Individuen als Mitglieder einer bestimmten Kultur aus (vgl. auch Ward, 1996). Die Akkulturationsforschung hat sich mehrheitlich auf die Unterscheidung dieser beiden Facetten der Adaptation konzentriert, und eine Reihe von Akkulturationsmodellen berücksichtigen sie als Konsequenzen der Akkulturation. Weniger deutlich erforscht ist das Konzept der ökonomischen Akkulturation. Psychologische Anpassung: Die psychologische Anpassung oder Adaptation beschreibt eher individualpsychologische Komponenten der Adaptation. Van de Vijver und Phalet
38 Hurth und Kim (1984) schlagen darüber hinaus das Konstrukt der adhäsiven Adaptation vor, dass jedoch in der Forschung nicht weiter verfolgt wurde.
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(2004) beschreiben sie simpel als ,Feeling weIl'. Sie drückt sich zum Beispiel aus in Stress und Bewältigungsstrategien, mentaler Gesundheit und Lebenszufriedenheit (vgl. Myers & Rodriguez, 2003; Organista, Organista & Kurasaki, 2003).39 Vedder und Vita (2005) meinen, dass psychologische Anpassung Gefühle des Wohlbefindens und der Zufriedenheit anspricht, während sich die soziokulturelle Adaptation auf die Fähigkeit bezieht, in das neue kulturelle System zu passen (fit in) bzw. sich diese anzueignen, oder wie van de Vijver und Phalet (2004) meinen, auf ein ,Performing weIl' . Ward (1996) meint, dass eine ,gu te' psychologische Adaptation durch Persönlichkeitsvariablen, Lebensereignisse und soziale Unterstützung vorhersagbar ist. In der Literatur wurde teilweise die psychologische Anpassung von der generellen Akkulturation unterschieden. Leider ist aber die Beziehung zwischen Akkulturation und Anpassung empirisch und theoretisch nicht eindeutig. Befunde zeigen eine positive Beziehung zwischen der generellen Akkulturation und der psychologischen Anpassung (Salgado de Snyder, 1987; Yu & Harburg, 1981), während anderen Studien negative Beziehungen finden (Burnham, Hough, Kamo, Escobar & Telles, 1987;Sorenson & Golding, 1988).Wiederum zeigen Studien eine kurvenlineare Beziehung zwischen Akkulturation und Anpassung (Berry, Kim, Minde & Mok, 1987; Wong-Rieger & Quintana, 1987), während anderen Studien gar keine Beziehungen finden (Srnither & Rodriquez-Giegling, 1979). Zum Teil sind die inkongruenten Befunde darauf zurückzuführen, dass die Messung der Akkulturation uneinheitlich und ungenau ist, wie im Verlauf der folgenden Kapitel durch die Darstellung von Messinstrumenten deutlich werden wird (vgl. zur Übersicht auch Keefe, 1980) und die unterschiedlichsten Stichproben untersucht wurden.w Soziokulturelle Adaptation: Die soziokulturelle Adaptation wurde vor allem als kulturelles Lernen und als erfolgreiche Partizipation in der ,Aufnahmegesellschaft' untersucht; oder eben das ,Performing weIl' (Van de Vijver & Phalet, 2004). Ward (1996) zeigt anhand ausgewählter Studien, dass die soziokulturelle Adaptation am besten kulturelles Wissen, das Ausmaß interkultureller Kontakte und positive intergruppale Einstellungen vorhersagt. Ward und Rana-Deuba (1999) meinen, die soziokulturelle Adaptation sei im Gegensatz zur psychologischen Adaptation durch Verhaltenskompetenz definiert. Sie werde durch Faktoren beeinflusst, die das Lernen und die Ausbildung kultureller Kompetenzen bestimmen. Dazu gehören die Aufenthaltslänge, das kulturelle Wissen, das Ausmaß der Interaktion und Identifikation mit der Aufnahmegesellschaft, kulturelle Distanz, Sprachfähigkeit und die Akkulturationsstrategie. Diese Faktoren sind je nach Theorie aber zugleich auch Dimensionen der soziokulturellen Adaptation. Im Gegensatz zur psychologischen Anpassung zeigen viele empirische Studien, dass sich ,im Trend' die soziokulturelle Adaptation linear mit der Zeit verbessert. Beziehungen zwischen psychologischer und soziokultureller Adaptation: Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass sich psychologische und soziokulturelle Adaptation konzeptuell unterscheiden lassen. In empirischen Studien zeigt sich, dass die psychologische Anpassung und die soziokulturelle Adaptation eng zusammenhängen (Korrelationsbereiehe zwischen r =.40 und r = .50; vgl. Berry, 2003).Ward und Kennedy (1999) haben ermittelt,
39 Vgl. Ramos (2006) für eine Kurzübersicht über verschiedene Facetten. 40 Eine entsprechende Metaanalyse liegt nicht vor.
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dass die Stärke des Zusammenhangs eine Funktion der kulturellen Distanz und des Ausmaßes der Integration in der neuen Kultur (Aufnahmegesellschaft) ist. Bei Individuen, die ein hohes Ausmaß kultureller Distanz wahrnehmen, sind die Zusanunenhänge zwischen Anpassung und Adaptation höher (vgl. auch Ward & Rana-Deuba, 1999). Dabei hängen solche Relationen wie bereits erwähnt auch von dem Messverfahren ab. Zur Erfassung der Adaptation und ihrer Facetten sind zahlreiche Messinstrumente entwickelt. Die bedeutsamsten Verfahren sind in Box 2.8 abgedruckt. Im Gegensatz zur Erfassung der Akkulturation sind sie weniger stark durch eine entsprechende Theorie der Adaptation geprägt, die zum Beispiel annimmt, dass sich die Adaptation in der Sprache, Identität oder sozialen Beziehungen ausdrückt. Box 208
Sodocultural Adaptation Scale (SCAS) nach Ward und Kennedy (1999, vgl. Tab. 1, S. 663) Originalskala mit 29 Hems: Making friends Finding food that you enjoy Following ruIes and regulations Dealing with people in authority Taking a _ _ (host country) perspective on the culture Using the transport system Dealing with bureaucracy Understanding the (host country) vaIue system Making yourself understood, Seeing things from a (host nationaI's) point of view Going shopping Dealing with someone who is unpIeasant Understanding jokes and humor Accommodation Going to social gatherings Dealing with peopIe staring at you Communicating with people of a different ethnic group Understanding ethnic or cuIturaI differences Dealing with unsatisfactory service Worshipping ReIating to members of the opposite sex Finding your way around Understanding the _ _ (hast country's) poIiticaI system Talking about yourself with others Dealing with the climate, Understanding the _ _ (host country's) worId view Family reIationships The pace of Iife Being able to see two sides of an intercuIturaI issue Langskala zur Identifikation von Faktoren und Kurzskalen: Making friends (CuIturaI Empathy and ReIatedness) Using the transport system Making yourself understood (CuIturaI Empathy and ReIatedness) Getting used to the pace of Iife (Impersonal Endeavors and PeriIs)
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Going shopping Going to social events/gatherings/functions Worshipping in your usual way Talking about yourself with others Understandingjokes and humor 1. Dealing with someone who is unpieasant/cross/aggressive (Impersonal Endeavors and Perils) 2. Getting used to the local food/finding food you enjoy (Impersonal Endeavors and Perils) 3. Following rules and regulations 4. Dealing with people in authority (Impersonal Endeavours and Perils) 5. Dealing with the bureaucracy (Impersonal Endeavours and Perils) 6. Adapting to local accommodation 7. Conununicating with people of a different ethnic group (Cultural Empathy and Relatedness) 8. Relating to members of the opposite sex (Impersonal Endeavours and Perils) 9. Dealing with unsatisfactory service (Impersonal Endeavours and Perils) 10. Finding your way around (Impersonal Endeavours and Perils) 11. Dealing with the climate 12. Dealing with people staring at you (Impersonal Endeavours and Perils) 13. Going to coffee shops/food stalls/restaurants/fast food outlets 14. Understanding the local accent/language 15. Living away from family members overseas/independently from your parents 16. Adapting to local etiquette 17. Getting used to the population density 18. Relating to older people 19. Dealing with people of higher status 20. Understanding what is required of you at university 21. Coping with academic work 22. Dealing with foreign staff at the university 23. Expressing your ideas in class 24. Living with your host family (Cultural Empathy and Relatedness) 25. Accepting/understanding the local political system (Impersonal Endeavors and Perils) 26. Understanding the locals' world view (Cultural Empathy and Relatedness) 27. Taking a local perspective on the culture (Cultural Empathy and Relatedness) 28. Understanding the local value system (Cultural Empathy and Relatedness) 29. Seeing things from the locals' point of view (Cultural Empathy and Relatedness) 30. Understanding cultural differences (Cultural Empathy and Relatedness) 31. Being able to see two sides of an intercultural issue (Cultural Empathy and Relatedness) Rating: 5-Punkte-Ratings: keine Schwierigkeit, geringe Schwierigkeiten, mäßige Schwierigkeiten, große Schwierigkeiten, extreme Schwierigkeiten Erfasste Dimensionen: Ausmaß an ,Schwierigkeiten', die Zuwanderer in verschiedenen Situationen wahrnehmen. Die Analyse der Faktorenstruktur ergibt zwei Faktoren und Sub-Faktoren: Behaviorale Adaptation und kognitive Adaptation mit den Subskalen: Cultural Empathy and Relatedness, Impersonal Endeavors and Perus (Zuordnung der Items in Klanunern). Die Skala wurde ursprünglich zur Messung interkultureller Kompetenz in verschiedenen Verhaltensbereichen (Items 1 bis 29 der Originalskala, oben) entwickelt, während die später verfassten Items eher kognitive Kompetenzen messen sollen (Item 35-41). Verwendet werden nicht immer alle ltems. Die reduzierte Version enthält nur die ersten 23 Items. In der vergleichenden Studie von Ward und Kennedy (1999) werden sogar nur die ersten 10 Items verwendet. Reliabilität: Alpha: 0.75 bis 0.91 (M = 0.85)
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Validität: 0.20 - 0.62; M = 0.38);insbesondere hohe Korrelation zu Zungs (1965) Self-Rating Depression Scale Studien zum Messinstrument: Geprüft in 16 kulturvergleichenden Studien, 4 Langzeitstudien und 1 Studie mit sesshaften und nichtsesshaften temporären Arbeitsemigranten (vgl. auch Ward, Okura, Kennedy & Rojima, 1998). Ward, Okura, Kennedy und Rojima (1998) verwenden zur Erfassung der beiden Dimensionen psychologische Adaptation und soziokulturelle Adaptation zwei Skalen: Soziokulturelle Anpassung: Socioeultural Adaptation Scale (SCAS) von Furnham und Bochner (1982). Erfasst werden Schwierigkeiten in verschiedenen Lebensbreiehen Psychologische Anpassung: SeH-Rating Depression Scale (ZSDS) von Zung (1965): 20 Statements zur Messung affektiver, physiologischer und psychologischer Komponenten der Depression Tayler und Lambert (1996) haben das einfachste I-Item-Verfahren zur Erfassung einer generalisierten Adaptation vorgeschlagen; hier in der niederländischen Fassung nach Verkuyten und Thijs (2002): Every ethnic minority group should adapt to (country of stay, e.g., Dutch) culture. 5-stufige Rating der Zustimmung Siehe auch : http:ILwww.vuw.ac.nz/psyclstafflcolleen-ward/files/soc adapt scale.pdf Weitere Verfahren siehe: http:ILwww.multiculturalcenter.org/informationontests.htm
Die Literatur zeigt, dass die psychologische und die soziokulturelle Adaptation unterschiedliche Verhaltensweisen vorhersagen (vgl. Ward & Rana-Deuba, 1999). Die psychologische Anpassung ist ein Prädiktor von Depressionen, Gemütszuständen, Persönlichkeitsfaktoren, Lebensänderungen und sozialer Unterstützung (Searle & Ward, 1990; Ward & Kennedy, 1992, 1993a, 1993b, Ward & Searle, 1991). Die soziokulturelle Adaptation kann die Erledigung von Alltagsaufgaben eher vorhersagen als die psychologische Adaptation. Das ist aber - wie schon beschrieben - abhängig von der Aufenthaltslänge, Sprachkompetenz, kultureller Distanz und der Quantität des Kontaktes zu Einheimischen (Searle & Ward, 1990; Ward & Kennedy, 1992,1993a/b). Berry (2003)verweist darauf, dass sich beide Formen der Adaptation nicht nur in zeitlicher Dimension unterscheiden, sondern auch durch unterschiedliche Prädiktoren beeinflusst werden. Eine ,gute' psychologische Adaptation werde durch Persönlichkeitsvariablen, kritische Lebensereignisse und soziale Unterstützung vorhergesagt, während die soziokulturelle Adaptation durch kulturelles Wissen, das Ausmaß der Kontakte und positive intergruppale Einstellungen am besten vorhergesagt werde (Ward, 1996). Dieses grobe Muster bestätigt sich in den folgenden zahlreichen Studien. Ward und Kennedy (1999) können zeigen, dass die psychologische Adaptation zeitlich variabler ist als die anderen Adaptationsforrnen. Sie nimmt zum Beispiel zu Beginn der Akkulturation (also mit der Einwanderung) drastisch zu und pendelt sich dann auf einem bestimmten Niveau ein (vgl. auch die Langzeitstudie von Ward, Okura, Kennedy & Kojirna, 1998). Ward (1996) verweist darauf, dass sich Neuankömmlinge in einer Kultur zu Beginn verstärkt um eine psychologische Anpassung bemühen und sich der Kulturwandel zu Beginn stärker im Niveau der psychischen Anpassung ausdrückt, dieser Trend aber mit intensiveren interkulturellen Kontakten im Zeitverlauf abnimmt und die soziokulturelle Adaptation an Gewicht gewinnt und sich mit der Länge des Aufenthaltes optimiert (Ward & Kennedy, 1996a/b; Ward, Okura, Kennedy & Kojirna, 1998). Ward, Fumham und Bochner (2001) berichten zusätzlich, dass die Beziehung zwischen psychologischer und soziokultureller Adaptation im Verlauf der Akkulturation variiert, so 69
dass keine Aussagen über lineare oder generelle Zusammenhänge sinnvoll sind. Es lässt sich lediglich anhand vorliegender empirischer Studien der Trend abzeichnen, dass die Beziehung der Adaptationsaspekte mit der Aufenthaltslänge enger wird, und dass dieses besonders auffällig ist bei Zuwanderern, die sich temporär im Gastland aufhalten.f Die Kausalität der beiden Adaptationsvarianten ist in der Forschung noch unbestimmt, doch spricht die Literatur insgesamt eher dafür, dass die soziokulturelle Adaptation, die die strukturelle Einbindung repräsentiert, individuelle Ausdrucksformen der Akkulturation, eben die psychologische Anpassung, bestimmt. Ait Ouarasse und van de Vijver (2004) haben in einer Studie mit 155 jugendlichen Marokkanern in den Niederlanden ermittelt, dass die soziokulturelle Adaptation - gemessen am Schulerfolg vor der Zuwanderung und sozialen Beziehungen - die psychische Anpassung - gemessen am gegenwärtigen Schulerfolg und mentaler Gesundheit - bestimmt. Beide Formen der Anpassung unterscheiden sich, was für ein zweidimensionales Modell der Akkulturation spricht (eine genauere Diskussion wird folgen, siehe unten). Ökonomische Adaptation: Die ökonomische Akkulturation zeigt sich nach Ward, Furnham und Bochner (2001) vor allem in den Beschäftigungsverhältnissen und dem damit verbundenen Status, kulturellen Netzwerken und dem materiellem Wohlergehen. In der psychologischen Akkulturationsforschung liegen dazu explizit nur wenige und kaum generalisierbare Forschungsergebnisse vor, die auch nicht konsequent in den Zusammenhang zur psychologischen Anpassung und soziokulturellen Adaptation gestellt werden. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass die ökonomische Akkulturation im Gegensatz zu den psychologisch orientierten Konzepten der Anpassung und Adaptation an ,harten' Fakten eben strukturellen Faktoren - ausgemacht wird. Für eine psychologische Analyse interessanter ist das von Aycan und Berry (1996) vorgeschlagene Konzept der ökonomischen Adaptation. Aycan und Berry machen die ökonomische Adaptation an Wanderungsmotiven, der Wahrnehmung Relativer Deprivation und dem wahrgenommenen Statusverlust von Zuwanderern fest. In diesem Sinne bezieht sich die Adaptation, die anhand ökonomischer und struktureller Faktoren festgemacht wird, eher auf die subjektive Wahrnehmung der strukturellen Positionierung. Eine solche KonzeptuaIisierung birgt allerdings auch die Gefahr, dass die ökonomische Adaptation mit der soziokulturellen Adaptation zusammenfällt, was wiederum dafür spricht, die dritte Dimension der Adaptation an harten Fakten festzumachen und die subjektive Wahrnehmung der strukturellen Gegebenheiten als Subdimension der soziokulturellen Adaptation zu betrachten. Obgleich das Konzept der ökonomischen Adaptation in vielen sozialwissenschaftlichen (vor allem soziologischen) Modellen nicht explizit genannt wird, konzentrieren sich viele
41 Ebenfalls zeigt die empirische Forschung, dass beide Formen der Adaptation mit generellen Orientierungen dazu, wie die Akkulturation verlaufen sollte, variiert, wie sie zum Beispiel mit einer Orientierung der zur Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung variiert. Ward und Kennedy (1994) zeigen in einer Studie mit Regierungsangestellten in Neuseeland, dass Personen, die sich mit dem Herkunfts- und Gastland identifizieren, weniger Stress zeigen. Personen, die stark mit dem Aufnahmeland identifiziert sind, haben weniger soziokulturelle Probleme. Personen, die sich integrieren (im Berry'schen Sinne), haben weniger Probleme der psychischen Adaptation als Personen, die sich assimilieren. Die Probleme der soziokulturellen Adaptation sind dagegen stärker bei ,Separieren'. Das Konzept der Akkulturationsorientierungen wird an anderer Stelle noch genauer diskutiert.
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Ansätze in hohem Maße an ökonomischen Aspekten der Adaptation von Migranten, und sie sehen in der ökonomischen Angleichung von Migranten an das Niveau der MehrheitsgeseIlschaft eine ,gelun gene' Integration. In der Soziologie wird die Adaptation zum Beispiel unter Schichtungsgesichtspunkten gesehen: Adaptation sei davon abhängig, wie ökonomische Ressourcen, die mit Partizipationsmöglichkeiten sowie Macht und Prestige verbunden sind, verteilt werden (Parrillo, 1966). Andere soziologische Studien verweisen darauf, dass die Adaptation davon abhängt, wie Zuwanderer in das ökonomische System strukturell eingebunden werden, das wiederum politische und soziale Teilnahme ermögliche (vgL Amersfoort, 1984; Marett & Leggon, 1982; Spiro, 1955, 1987). In vielen Modellen, die noch ausführlich erläutert werden, werden also Zuwanderergruppen und ihr Eingliederungsniveau nach dem Maßstab ihres ökonomischen Statuses kategorisiert. Berry (1997) hat in einem Rahmenmodell der Akkulturation (siehe Kap. 3.2, Abb. 3.1) eine weitere Dimension der Adaptation unterschieden, die oft der psychologischen und teilweise der soziokulturellen Adaptation untergeordnet wird. Er separiert die gesundheitliche Adaptation von den zuvor genannten Adaptationsformen, wobei er auch die soziale und kulturelle Adaptation unterscheidet, die im Konzept der soziokulturellen Adaptation zusammenfallen. Das ist insofern sinnvoll, als sich viele Akkulturationsstudien aus dem Bereich der Klinischen Psychologie, der Medizinsoziologie oder der Medizin direkt mit den Einflüssen und Folgen von physischen Phänomenen beschäftigen, die die Akkulturation beeinflussen, prägen oder aus ihr resultieren (zum Beispiel bis hin zu hormonellen Veränderungen). Diese Facette wird im Folgenden nicht mehr weiter separat diskutiert, wird aber im Verlauf der weiteren Studien an einigen Stellen noch zur Sprache kommen.
2.3.2.
Einflussfaktoren und Konsequenzen der Adaptation.
Grundsätzlich scheint auch die ökonomische Adaptation von ähnlichen Faktoren beeinflusst zu werden, wie die psychologische Anpassung und die soziokulturelle Adaptation, wie zum Beispiel der Aufenthaltslänge, der Intensität des interkulturellen Kontaktes etc. Allerdings wirken sich die Faktoren unterschiedlich auf die Adaptation aus, und es lassen sich kaum universale Gesetzmäßigkeiten - wie zum Beispiel, dass sich die ökonomische Adaptation mit der Aufenthaltslänge verbessert - ausmachen. Ward (1996) zeigt darüber hinaus, dass sowohl die psychologische Anpassung, als auch die soziokulturelle und ökonomische Adaptation von Migranten mit grundsätzlichen Orientierungen zur Akkulturation zusammenhängen. Das ist insofern besonders hervorzuheben, als sich an den Orientierungen zur Art und Weise, wie eine Veränderung stattfindet oder stattfinden soll, auch eine Differenzierung zwischen dem Prozess der Akkulturation und Formen der Adaptation herstellen lässt. Ward zeigt anhand von ausgewählten Studien, dass eine Integrationsorientierung sowohl mit der psychischen Anpassung, der soziokulturellen Adaptation als auch der ökonomischen Adaptation einhergeht, d.h. eine Integrationsorientierung zu besseren Adaptations1eistungen und/oder weniger Adaptationsproblemen führt. Eine Marginalisierungsorientierung korreliert dagegen negativ mit allen drei Adaptationsformen. Die Akkulturationsforschung hat die Adaptation primär als begleitende Prozesse der Akkulturation sowie als Konsequenzen des Akkulturationsprozesses betrachtet. Nur wenige Ansätze fragen nach den Konsequenzen der Adaptationen selbst (was nicht zuletzt durch
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die leichtfertige, synonyme Verwendung beider Begriffe begründet ist). Berry (1976) hat einen interessanten Vorschlag unterbreitet. Er unterscheidet drei wesentliche Konsequenzen (Outcomes) der Adaptation: Anpassung (Adjustment), Reaktion (Reaction) und Rückzug (Withdrawl). Anpassung wird als Veränderungen des Organismus in Richtung einer Reduktion des Konflikts bzw. der Kongruenz und Passung zwischen kulturell divergenten Umwelten verstanden, so dass sich eine Harmonie bzw. harmonische Passung ergibt. Die Reaktion versteht Berry als Versuch, Kongruenz und Passung herzustellen, der jedoch nicht zur Anpassung führt. Es resultierten Veränderungen der Umwelt, die jedoch erheblich von der politischen Macht abhängig seien. Rückzug beschreibt eine Reaktion zur Reduktion des Drucks der Umwelt, also einen Rückzug aus der ,adaptiven Arena', eine erzwungene Exklusion oder ein freiwilliger Rückzug, der nicht immer und unbedingt willentlich eingeschlagen werde. Diese Unterscheidung nach Berry, die in der Forschung leider bislang kaum berücksichtigt worden ist, erscheint nicht nur sinnvoll, sondern sie macht einen besonderen Aspekt deutlich, der in der folgenden These festgehalten wird: (Proposition 16) Adaptation beschreibt den Versuch von Gruppen, die am Prozess der Akkulturation beteiligt sind, eine Balance auszuhandeln, die einerseits interkulturelle Konflikte möglichst reduziert oder geringhält und andererseits den Gruppen die Möglichkeit eröffnet, einePassung ihrer kulturellen Merkmale, der kulturellen Merkmale ,kulturelldivergenter' Gruppen und deskulturellen Systemsherzustellen. Wie hier insgesamt nachgezeichnet wurde, fällt es bei der Vielfalt der Konzeptualisierungsvorschläge zur Akkulturation und Adaptation schwer, die Konzepte genau auseinander zu halten. Im nächsten Abschnitt werden eine Neuformulierung des Adaptationskonzeptes sowie ein Vorschlag zur Unterscheidung der beiden Konzepte der Akkulturation und Adaptation unterbreitet.
2.3.3.
Neuformulierung desAdaptationskonzepts
Insgesamt erscheint die Differenzierung der Adaptation in die drei wesentlichen Facetten der psychologischen Anpassung auf individueller Ebene, der soziokulturellen Adaptation auf intergruppaler Ebene sowie der ökonomischen Adaptation auf struktureller Ebene ausgesprochen sinnvoll, auch weil sie sich weitgehend empirisch vorfinden lässt. Allerdings sind die bislang präsentierten Konzeptualisierungen auch nicht ganz problemlos. Meines Erachtens ist es vor allem nicht hinreichend, die soziokulturelle Adaptation allein an beobachtbaren Verhaltensweisen festzumachen, wie das die Forschung weitgehend vornimmt. Die soziokulturelle Adaptation kann auch an der Übernahme (bzw. Ablehnung im Falle einer negativen Adaptation) von Symbolen, Werten, Normen und Statusmerkmalen festgemacht werden, die sich in Einstellungen und Lebensorientierungen zeigen können, unabhängig davon, ob diese in einem wie auch immer verlaufenden Lernprozess erworben werden und in welchen Verhaltensweisen sie sich ausdrücken. Zudem sollte sie meines Erachtens an Partizipationsmöglichkeiten und -optionen von Neuankömmlingen festgemacht werden. Im makro-sozialen Bereich drückt sich die Adaptation an der Teilnahme an gesellschaftlichen, vor allem politischen Strukturen aus (politische Partizipation, Partizipation am Ge-
72
sundheits- und Sozialsystem etc.). Auf dieser Ebene ist meines Erachtens insbesondere die ökonomische Adaptation relevant, allerdings nicht grundbestimrnend. Sie wirkt sich auf die weiteren Bereiche aus, wobei die gesellschaftliche Partizipation nicht allein durch ökonomische Ressourcen bestimmt ist. Im meso-sozialen Bereich drückt sich die Adaptation in der Teilnahme an sozialen Gruppen (Vereine, Verbände, Hausgemeinschaften etc.) aus. Auf dieser Ebene ist die soziokulturelle Adaptation relevant. Im mikro-sozialen Bereich drückt sich die Adaptation in der Partizipation an interpersonalen Interaktionen (Freundschaften etc.) aus. Die Adaptation in diesem Bereich ist meines Erachtens mehr psychologisch als ökonomisch oder soziokulturell, allerdings dient auch hier die Zuordnung der Adaptationsfacetten zu den Ebenen eher analytischen Zwecken, die die primären Dimensionen der Adaptation in den Bereichen hervorheben sollen . Eine geringe psychologische Anpassung wird sich auf alle Bereiche (makro, meso und mikro) auswirken. Darüber hinaus sollte in Bezug auf die Adaptationsfacetten - und das gilt insbesondere für die soziokulturelle und ökonomische Adaptation - deutlicher zwischen einer objektiven und subjektiven Dimension unterschieden werden. Nur wenige Theorien der Akkulturation, die später ausführlich beschrieben werden, gehen explizit auf die Differenzierung zwischen objektiven und subjektiven Dimensionen der Adaptation ein; was den Schluss nahe legt, die Grundkonzepte umso genauer zu definieren. Ein primärer Grund dafür mag wieder in der disziplinären Ausrichtung liegen; während sozialwissenschaftliche Ansätze primär die objektive Dimension fokussieren (oder subjektive Faktoren wie objektive behandeln), betrachten psychologische Ansätze primär die subjektive Dimension. Das wird in der Forschungsübersicht noch mehrfach diskutiert. (Proposition 17) Die Partizipation in gesellschaftlichen Strukturen (Makro-Bereich) kann ob-
jektiv (zum Beispiel durch die ökonomische Adaptation) bestimmt werden, aber sie umfasst auch die subjektive Wahrnehmung der Partizipationsmöglichkeiten und -optionen, die mit den objektiven Gegebenheiten nicht übereinstimmen müssen. Selbst die ökonomische Adaptation kann durch die objektiven harten Fakten und diesubjektive Einschätzung dieser harten Fakten bestimmt sein. Gleiches trifftaufdie soziokulturelle Adaptation und psychologische Anpassung zu. (Proposition 18) Die psychologische Anpassung kann an subjektiven individuellen Gefühlen, psychischen Problemen oder objektiven Persönlichkeitsveränderungen festgemacht werden. Diesoziokulturelle Adaptation kannzum Beispiel an objektiv beobachtbaren Verhaltensweisen der Partizipation in Gruppen oder subjektiven Gefühlen der Mitgliedschaft festgemacht werden und selbst eine Adaptation, die anhand von ökonomischen Kriterien bestimmt wird, wie zum Beispiel erreichten Ressourcen, Löhnen etc. kann an subjektiven Gefühlen des Mangels ökonomischer Ressourcen festgemacht werden. Während also die objektive Dimension der Adaptationsaspekte quasi von außen feststellbare Kriterien betrifft, beschreibt die subjektive Dimension die individuelle Wahrnehmung und Bewertung der Adaptation. Die objektive und die subjektive Dimension hängen nur moderat miteinander zusammen; wenn, dann sind vor allem in Bezug auf die ökonomische Adaptation enge Korrelationen zu erwarten. Auf der Grundlage dieser Differenzierungen kann nun ein Vorschlag zur Unterscheidung der beiden Grundkonzepte der Akkulturation und Adaptation entwickelt werden.
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2.3.4.
Unterscheidung zwischen Adaptation und Akkulturation
Die Refonnulierung der bisherigen Konzeptualisierungen von Akkulturation und Adaptation lassen sich in sechs zentralen Aspekten ausmachen, die einerseits die Diskussion zusammenfassen und die Begrifflichkeit so verallgemeinerbar festlegen, dass sie theoretisch aus unterschiedlichen Perspektiven erläutert werden können, und andererseits zu ersten Thesen über Prozesse der Akkulturation und Adaptation führen. Erstens ist Akkulturation primär definiert durch die Dimension der Veränderungen von Individuen, Gruppen und kulturellen Systemen. Diese Veränderung kommt zustande durch den Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten, der die Akkulturation umfasst. (Proposition 19) Akkulturation ist ein mehr oder minder bewusster Prozess der Aneignung von kulturellen Umwelten, der motiviert ist durch den Versuch, eine Passung zwischen individuellen, sozialen und strukturellen Merkmalen der kulturellen Umwelt zu erreichen (siehe oben Definition nach Berry, 1997). Ebenso wie die Adaptation kann die Akkulturation sich in drei wesentlichen Bereichen unterschiedlich realisieren: einem makro-sozialen Bereich, einem meso-sozialen Bereich und einemmikro-sozialen Bereich. Dagegen bezieht sich zweitens die Adaptation auf die Phänomene der Gewöhnung und Aneignung sowie der Realisationen von Akkulturation. Adaptation ist gekennzeichnet als mehr oder minder unbewusster Prozess der Aneignung von Verhaltensweisen, Habits, Gewohnheiten, Symbolen einerneuen Kultur. Adaptation kann als begleitender, paralleler Prozess der Akkulturationund alsKonsequenz (Outcome) derAkkulturationaufgefasst werden. Adaptation kann sichin mehroder minderoberflächlicher Verhaltensübernahme zeigen, wobei diese Übernahme nicht unbedingtauch mit einerbesseren Passung einhergehen muss. In diesem Sinne befördert dieAdaptation dieAkkulturation, aber sie ist nicht mir ihr identisch. Drittens ist Adaptation im Sinne einer Kulturaneignung nur eine Möglichkeit der Akkulturation in neue kulturelle Systeme. Die (psychologische) Zurückweisung kulturell neuer Kontexte ist eine Alternative, die hinter dem Konzept der Adaptation verschwindet, zumindest leicht aus dem Blick gerät (Berry, 2003). Akkulturation bedeutet nicht, dass die Annahme von kulturellen Systemen durch kulturell neue Gruppen die Regel ist, sondern maximal eine Orientierungsoption ist, die primär oder dominant sein kann. Die Zurückweisung einer neuen Kultur oder Ignoranz ihr gegenüber kann aus einer gescheiterten Adaptation folgen, oder sie kann bewusst erfolgen. Statushohe Gruppen bzw. deren Mitglieder, können z.B. viel leichter Adaptationen unterlaufen als statusniedrige Gruppen. Ebenso können zum Beispiel Touristen Akkulturationsprozesse in einer fremden Kultur initiieren, ohne sich adaptieren zu müssen, oder umgekehrt, vorübergehend einige kulturspezifische Verhaltensweisen wie etwa Höflichkeitsrituale adaptieren, ohne wirklich zu akkulturieren. (Proposition 20) Adaptation ist in diesem Sinne als Strategie zur Akkulturationaufzufassen, die im weitesten Sinne eineOrientierung der Anpassung und Gewöhnung innerhalb kulturelldominanterSystemebeschreibt. Die Adaptationsstrategien stehen in engem Zusammenhang zu den Grunddimensionen der Akkulturation Verortung und Differenz und zur interkulturellen Balancierung, die sich aus den Versuchen und Strategien der Verortung und interkulturellen Differenzierung ergeben.
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Akkulturation kann als bewusste, motivierte Veränderung im Zuge von Versuchen der Aneignung (veränderter) kultureller Umwelten verstanden werden, die durch die psychologische Anpassung, die soziokulturelle Adaptation und die ökonomische Adaptation hergestellt werden kann und sich in derHerstellung interkultureller Balance oder dem interkulturellen Ungleichgewicht manifestiert. Das Niveau der wahrgenommenen oder mehr oder minder objektivierbaren interkulturellen Differenz, die durch akkulturative Veränderungen hervorgerufen wird, erzeugt Adaptationsversuche von Individuen und Gruppen. Viertens ist es sinnvoll, die Aspekte der psychologischen Anpassung, soziokultureller Adaptation und ökonomischer Adaptation zu unterscheiden. Die psychologische Anpassung ist an Konsequenzen festzumachen, die durch Veränderungen der individuellen Merkmale einer Person, oder im klassischen Sinne, individualpsychologische Veränderungen (z.B. der Persönlichkeitsstruktur, individuellen Präferenzen, Motive, Emotionen etc.), repräsentiert sind. Die soziokulturelle Adaptation kann an Konsequenzen festgemacht werden, die durch die Adaptation und Veränderung intergruppaler Merkmale repräsentiert sind und die unabhängig von einer psychologischen Anpassung resultieren können. Die Adaptation der Werte, Normen, Symbole, Verhaltensweisen und Statuspositionen eines anderen kulturellen Systems durch Neuankömmlinge wären Beispiele. Die ökonomische Adaptation ist dagegen durch die Aneignung struktureller Ressourcen und Positionen gekennzeichnet und durch eher harte Fakten bestimmt. Die Auflösung solcher basalen Dimensionen der Akkulturation und Adaptation, wie zum Beispiel der subjektiven und objektiven Dimension, hat fünftens gravierende Konsequenzen für die Akkulturationsforschung, denn sie bedeutet, dass das Verständnis von Akkulturations- und Adaptationsprozessen nur erreicht werden kann, wenn die Konzepte aus dem Blickwinkel aller Disziplinen untersucht werden, die zur Analyse der Grunddimensionen beitragen. Anders formuliert: (Proposition 21) Akkulturation und Adaptation sind individuelle, soziale, kulturelle und
strukturelle Phänomene, die sich nur interdisziplinär erschließen lassen. Eine interdisziplinäre Sicht auf die Analyse der Grundkonzepte einzunehmen, bedeutet nicht, dass keine spezifische Perspektive eingenommen werden kann. Im Gegenteil kann eine spezifische Sichtweise, wie sie hier entwickelt wird, durch die Berücksichtigung der Wissensbestände anderer Disziplinen besonders gut fundiert werden. Aber auch das Konzept der Adaptation (wie die zuvor diskutierten und reformulierten Grundkonzepte der Akkulturationsforschung) kann und muss noch weiter anhand bestehender Theorien und Forschungsergebnisse ausgearbeitet werden. Bevor das jedoch erfolgt, wird als letztes Grundkonzept, mit dem die Akkulturationsforschung operiert, das der Kultur genauer ausgeführt.
2.4.
Kultur
Bis hierher wurde bei der Diskussion der Grundkonzepte immer wieder das Konzept der Kultur, bzw. Konzepte der kulturellen Gruppen oder des kulturellem Systems erwähnt, ohne es genauer zu definieren. Das entspricht der Tradition der Akkulturationsforschung,
75
die selten zunächst definiert, was Kultur ist, um davon ausgehend Akkulturation zu bestimmen. Der Akkulturationsforschung fehlt auch bislang ein ,gutes' Konzept von Kultur, bzw. hat sie es bislang vermieden, das Kulturkonzept enger an die Grundkonzeption von Akkulturation anzubinden. Kultur wurde vorraussetzungslos zur Beschreibung der Gruppen, die akkulturieren und/oder Systemen, in denen die Akkulturation verläuft, verwendet. Man kann von einem impliziten Verständnis dessen, was Kultur ist, einfach ausgehen, und nicht weiter danach fragen, was eigentlich mit Kultur oder kulturellem System gemeint ist. Tatsächlich werden in der Akkulturationsforschung von vielen Ansätzen oft nur Querverweise auf Übersichtsarbeiten zur Definition von Kultur angeboten, und die Ansätze selbst bieten kein explizites Kulturkonzept an (vgl. z.B. Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 2002). Ist ein Kulturkonzept überhaupt notwendig für die Akkulturationsforschung? Ich meine ja! Wenn zum Beispiel Segall, Dasen, Berry und Poortinga (1999, S. 23) in ihrer Forschungsübersicht hervorhoben, dass das zentrale Thema der Akkulturationsforschung und der Kulturvergleichenden Psychologie ist: "How human beings modify culture and how our cultures modify us ... ", dann überrascht die Ignoranz gegenüber einem genaueren Kulturkonzept. Nimmt man diesen .Vor-Satz' und das Thema Akkulturation ernst, dann lässt sich eine Diskussion über das Konzept der Kultur jedoch kaum vermeiden. Die psychologische Akkulturationsforschung bedarf zumindest einer minimalen Definition des Kulturkonzeptes oder eines Grundverständnisses von Kultur, um deutlich zu machen, ,wohin' sich Individuen und Gruppen überhaupt akkulturieren. Versteht man Kultur zum Beispiel als Satz ,symbolischer Verhaltensweisen' (White, 1947), dann bemisst sich die Akkulturation primär an der Aneignung von Symbolen. Versteht man hingegen Kultur als eine bestimmte Wertestruktur (Hofstede, 1980), dann bemessen sich die Akkulturation und auch die Adaptation vor allem an der Aneignung dieser Wertestruktur. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich eine psychologische Perspektive auf das Kulturkonzept ähnlich wie die psychologische Perspektive auf das Akkulturationskonzept grundlegend von einer Perspektive anderer Disziplinen unterscheidet, so dass ein einfacher Import des Kulturkonzeptes aus anderen Disziplinen zu Verzerrungen führen kann. Das heißt, jeder Ansatz müsste zunächst Kultur aus seiner jeweiligen Perspektive explizieren. Das simple ,Abgeben' oder vorschnelle Exportieren eines Kulturkonzepts wird auch allein deshalb schwer fallen, weil selbst in den Kulturwissenschaften keinesfalls klar und eindeutig ist, was unter Kultur zu verstehen ist. Zweitens muss eine empirisch orientierte Akkulturationsforschung bedenken, dass sie ein Kulturkonzept gewinnt, dass operationalisierbar ist, also Kultur als beobachtbares Konstrukt verstehen. Damit ist aber auch klar, dass die Theorie das Konstrukt bestimmt und nicht umgekehrt. Das Konzept der Kultur ist nicht selbstevident. Im Folgenden wird daher der Versuch unternommen, ein Grundverständnis von Kultur zu erzielen, das in Einklang mit den bisherigen Grundkonzepten der Akkulturation und Adaptation steht.
2.4.1.
Kultur aus Sicht der Akkulturationsforschung
Berry (2000, S. 200) hat eine Klassifikation von Forschungsansätzen der kulturvergleichenden Forschung (Anthropologie, Kulturvergleichende Psychologie, Kulturpsychologie) vor-
76
geschlagen, die darauf verweist, dass Kulturphänomene je nach ihrem Realitätsgrad (stark, mittelmäßig, niedrig) auf den phänomenalen Ebenen der Gruppe, der interpersonalen Beziehungen und der intraindividuellen Ebene untersucht werden können. Das Analyseschema kann man für eine erste Bestimmung des Kulturkonzeptes heranziehen. Eine starke Realität meint, es gibt reale Phänomene, die man (empirisch) beobachten kann. Gemeint sind damit konkrete Daten, über die verschiedene Beobachter Übereinstimmung finden können. Bestimmt man Kultur nach einern starken Realitätsgrad, entspricht die Kultur auf der gruppalen Ebene der GruppenkuItur, auf der interpersonalen Ebene dem Interaktionssystem und auf der intraindividuellen Ebene dem offenen, das heißt sichtbaren Verhalten und dem gemeinsam geteilten Wahrnehmungssystem einer Gruppe. Kultur wird an beobachtbaren Merkmalen, das heißt Sitten, Bräuchen, kulturell überformten Verhaltensweisen etc. festgemacht. Mittelmäßige Realität bezieht sich auf Einschätzungen aufgrund von Beobachtungen; damit sind die Prinzipien und Konstrukte gemeint, die Beobachter nutzen, um RegeIrnäßigkeiten in ihren Beobachtungen festzustellen. Bestimmt man Kultur auf der Grundlage eines mittelmäßigen Realitätsgrades, dann wird sie aufgrund abstrakter Merkmale abgeleitet, das heißt an der impliziten Kultur einer Gruppe, symbolischen Bedeutungen in interpersonalen Beziehungen und Traits und/oder Fähigkeiten auf der intrapersonalen Ebene. Eine niedrige Realität beinhaltet einen breiten interpretativen Referenzrahmen, der kognitiv konstruiert wird, und Beobachtern erlaubt, zu interpretieren und aus Beobachtungen Sinn abzuleiten. Bestimmt man Kultur auf der Grundlage eines niedrigen Realitätsgrades, dann entspricht die Kultur den kognizierten undIoder konstruierten Bedeutungen auf allen Ebenen. Kultur in diesem Sinne ist ein Referenzrahmen, der starke bis schwache Realitäten erzeugen kann, die intergruppale und interpersonale Beziehungen herstellen und das Denken über Wirklichkeit erzeugen und leiten kann In diesem Sinne ist Kultur als Realität unterschiedlicher Stärke sowohl ,außerhalb eines Individuums' in der Gruppe und in interpersonalen Beziehungen, als auch .innen', d.h. in den Köpfen von Individuen. Kultur als Realität resultiert aus individueller, interpersonaler und intergruppaler Aktivität und Kultur beeinflusst das Verhalten, ist Konsequenz und Antezedent. Allein der Kulturvergleichenden Psychologie liegen unzählige divergente Kulturdefinitionen vor (vgI. zur Übersicht Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 2002; Lonner, 1999; SegaII, Dasen, Berry & Poortinga, 1999). Diese Definitionen sind nicht unabhängig von den Disziplinen und Theorien, die ihnen zugrunde liegen. Konstruktivistische, interaktionistische, lerntheoretische oder evolutionäre Ansätze schlagen je spezifische Definitionen vor. In Tabelle 2.1 sind eine Reihe unterschiedlicher Kulturdefinitionen aufgelistet, die aus einer psychologischen Perspektive relevant sind. 42 Der Kern der jeweiligen Definition ist kursiv hervorgehoben.
42 Die Definitionen sind teilweise der Übersicht von Diehl (2002, Tab. 3-1, S. 50) entnommen. Nur teilweise werden die hier präsentierten Definitionen auch in der Akkulturationsforschung zitiert.
77
Tab. 2.1
Psychologisch relevante Kulturdefinitionen
Definition
Quelle
Kultur bezeichnet alle symbolischen Verhaltensweisen, vor allem sprachliche, die die Vermittlung von Weisheit über Generationen möglich macht durch Techniken der Bewältigung der Umweltanforderungen. Kultur ist der von Menschen gemachte Teil der
White (1947)
Moore und Lewis (1952)
kulturwissenschaftlich anthropologisch
Poster (1969)
anthropologisch
Kroeber und Kluckhohn (1952)
handlungsorientiert
Herskovits (1948)
Umwelt. Kultur ist alles, was Menschen voneinander lernen (Wissen, Fähigkeiten, Informationen). Kultur schafft die Grenzen für eine Gruppe von Menschen, die gemeinsame und geteilte Werte aufweisen, Bräuche, habitualisierte Verhaltensweisen und Rituale; Systeme der Etikettierung, Erklärung und Bewertung; soziale Regeln des Verhaltens; Wahrnehmungen bezüglich der Natur des Menschen. natürlicher Phänomene, interpersonaler Beziehungen, Zeit und Aktivität; Symbole, Kunst und Artefakte; und historische Entwicklungen. Die Kultur integriert die verschiedenen Lebensaspekte in ein logisches Ganzes, indem sie die Teile funktional aufeinander bezieht. Kultur besteht aus den expliziten und impliziten Mustern oon und für das Verhalten. Diese werden durch Symbole, die unterscheidbare Leistungen einer Gruppe spiegeln, geschaffen. Darin enthalten ist auch die Verkörperung von Artefakten. Das essentielle Herz der Kultur besteht aus traditionellen Ideen und vor allem dem Wert, der ihnen zugeschrieben wird. Kultur ist Produldelle
Bidimensionale Modelle
Fusionsmodelle
Neuankömmlinge adaptieren an Hauptkultur-
Migranten haben zwei Einstellungen: Erhalt der Herkunftskultur und Adaptation an die Aufnahmekultur Ähnlich wie oben, nun aber angewendet auf Lebensbereiche und Situationen
Eine neue Kultur entsteht
Bereichsspezifische Geschwindigkeit der Eine neue Kultur Modelle Adaptation variiert entsteht in einem über Bereiche und Lebensbereich Übergeordnete Ebene bzw. einer SituaSituationen (öffentlich vs. privat) tion Gleichgeordnete Ebene (mehr spezifische Lebensbereiche, z.B. Kindererziehung) Untergeordnete Ebene (spezifische Situationen wie z.B. Kindererziehung außerhalb von Zuhause) a Im Original ist von Immigranten und von der Mainstream-Kultur die Rede. Die Klassifikation zeigt, dass sich Akkulturationsprozesse und ihre Analyse nach aggregierten oder spezifischen Bereichen bzw. Situationen unterscheidet bzw. unterscheiden sollte sowie nach der Frage, ob Akkulturation als eindimensionaler, bidimensionaler Prozess oder grundsätzlich als Fusion verstanden wird.v Der Fokus auf unterschiedliche Bereiche der Akkulturation ist aber noch nicht hinreichend. Bedacht werden muss auch, dass Personen, die am Akkulturationsprozess beteiligt sind, sehr unterschiedliche, komplexe und vielfältige Bindungen an Gruppen haben. Dunbar (1997) hat dazu ein einfaches und zuverlässiges Messinstrument entwickelt, das in Box. 4.5 abgedruckt ist.
43 Inwieweit sich die psychologischen Akkulturationsprozesse nach Bereichen unterscheiden, lässt sich relativ einfach aus dem vierten Teil des Überblicks von Sam und Berry (2006) entnehmen.
175
Box 4.5
Personal Dimensions of Difference Scale nach Dunbar (1997)
Maß für multiple Gruppenidentität: Soziale Kategorien = Alter, ethnische Herkunft, Geschlecht, Rasse, Religion, sexuelle Orientierung, SES. Für jede Kategorie werden erfasst: a) die zugeschriebene Gruppenidentität (How strongly do you identify with this social group membership?), b) das Group Ernpowerment (How much do you derive a sense of personal power and energy due to this group mernbership?) und c) die wahrgenommene soziale Unterstützung (How much approval and support do you receive from society at large, due to this group membership?)
Instruktion: The following questions concem how you identify yourself in terms of various social group memberships. Please note the distinction that is rneant for the terms race and ethnicity. For the selfratings in this form , race is meant to refer to your skin color (that is, your genetic make-up) while ethnicity refers to your social group's national or regional heritage (for example, being Italian-American or Japanese-National). 1. My gender is: female _ male _ 2. My age is: _ 3. My race is: Black _ Asian _ White _ Multi-racial_ 4. The ethnic group I most identify with is: (Check one of the groups listed below) _ African-American _ American-Indian _ American/White _ Argentinian _ Armenian _ Asian-American _ Austrian _ Brazilian - British/English _ Burmese _ Carib-Black _ Carribean _ Central American _ Chicano _ Chinese _ Chinese-American _ Czechoslovakian _ Danish _ Dutch _ Dutch-American European_ Middle Eastem _ European-American _ Nigerian Filipino _ French-American _ Norwegian _ Persian/Iranian _ German-American _ Peruvian _ Hawaiian _ Polish Hispanic - Portuguese-Hungarian _ Puerto Rican Indian (sub-cant) _ Romanian _ Indonesian _ Russian _ Irish-American _ RussianAmerican _ Italian-American _ Scottish-American _ [apanese _ Slavic-American - Japanese-American_ Slavic/Eastem _ Jewish _ South African _ Korean Spanish-American _ Korean-American _ SwedishAmerican _ Latino/Latina _ Lithuanian _ Mexican _ Syrian _ Taiwanese _ Vietnamese _ Egyptian _ Mexican-American _ Other (specify) 5. My economic level is: upper-income _ upper-middle-income_ middle-income _lower-middle-income lower-income 6. My country of origin is: _ I have lived in the U.S. for _ years. The first generation of my family to come to the U.S. was: (checkone) _ myself (non-U.S.-bom) _ parents (1st generation U.S.-bom) _ grandparents (2nd generation U.S.-bom) _ great-grandparents (3rd generation U.S.-bom) _ before great-grandparents (4th or more generation U.S.-bom) My sexual orientation is: (check one) bisexual_ heterosexual_ homosexual My current religion is: (check one) no organized group organized group (specify):
_
Using the rating scale below, please describe how strongly you identify yourself as a member of each of the following social groups:
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age, ethnicity, gender, race, religion, sode-sexual , economic identity very identified (= 7) to not at all identified ( = 1) (Gruppen erscheinen nebeneinander, darunter Rating-Skala) Some persons feel that they are empowered or derive strength from belonging to their social groups. Below, please describe how much you derive a sense of personal power and energy by belonging to each of these social groups. age, ethnicity, gender, race, religion, socio-sexual, economic identity very identified (= 7) to not at all identified ( = 1) (Gruppen erscheinen nebeneinander, darunter Rating-Skala)
Societal Generalizations How much approval and support do you receive from society at large, due to these group memberships? Rating: positively affect me - negatively affect me The generalizations made by society at large about my : (Orcle one for each below) 1 2 3 4 5 6 7 Racial Group 1 2345 6 7 Religious Group 1234567 Ethnic Group 1 2 3 4 5 6 7 Age Group 1 2 3 4 5 6 7 Socioeconomic Group 1234567 Gender Group 1 2345 6 7 Sexual Identity Group
Berücksichtigt man neben den Modellen, die bislang dargestellt wurden, die empirischen Ergebnisse, die im Rahmen ihrer, wenn auch eher mageren, Prüfung vorliegen, und berücksichtigt man zusätzlich die zuvor genannten Modelle, die zur Systematisierung der Akkulturationsforschung zitiert wurden sowie die Grundbestimmung der Akkulturation, dann wird deutlich, dass Akkulturation ein komplexer Prozess ist, der durch viele Faktoren bestimmt ist, sich in vielen Facetten ausdrückt und mannigfaltige unterschiedliche Konsequenzen hat. Die Identität ist zweifelsohne zentral, aber daneben spielen viele weitere Faktoren eine Rolle, die in komplexen Wechselwirkungszusammenhängen stehen, wie die folgenden Theorien deutlich machen. Dieser Komplexität des Akkulturationsprozesses versuchen die nachfolgenden Modelle der komplexen Vmweltaneignung gerecht zu werden.
4.3
Prozesse einer komplexen stufen- und phasenweisen Umweltaneignung
In der psychologischen Akkulturationsforschung kursiert eine Reihe von komplexen Modellen, die den Prozess der Akkulturation ähnlich wie in den Modellen der Identitätsentwicklung in diachrone Phasen unterteilen und analysieren; man mag sie damit als im eigentlichen Sinne ,echte' Modelle des Prozesses beurteilen. Zwar gehen die frühen Stufenmodelle eher von unidirektionalen Akkulturationsprozessen aus, indem sie die Auffassung vertreten, dass die Akkulturation auf eine Übernahme der dominanten Mehrheitskultur hinausläuft; auf die späteren Modelle trifft das aber nicht mehr zu. Zum großen Teil stellen auch diese Stufen- und Phasenmodelle das Konzept der Identität in den Vordergrund, das heißt
177
sie vertreten die Annahme, dass der zentrale Prozess der Akkulturation in einer Transformation der Identität besteht.
4.3.1
Stufen- und Phasenmodelle der Akkulturation
Meines Erachtens lassen sich zwei Gruppen von Stufenmodellen unterscheiden: Die frühen Stufenmodelle der 1950er und 1960er Jahre und lineare Phasenmodelle, die in den 1980er Jahren die Stufenmodelle abgelöst haben und nicht mehr von rigiden Stufen ausgehen, die nacheinander folgen:
Stufenmodelle • 7 Stages Model of Assimilation von Taft (1957) • Theory of Acculturation von Dohrenwald und Smith (1962) Lineare Phasenmodelle • Theory of Linear Adaptation von Szapocznik, Scopetta, Kurtines und Aranalde (1978 • Acculturation Biculturalism Model von Szapocznik, Kurtines und Fernandez (1980) • Patterns of Acculturation nach Mendoza and Martinez (1981) • 4-Stufen Modell der Akkulturation von Flüchtlingen von Berry & Kirn (1988) • Akkulturation und soziokulturelle Variabilität nach Mendoza (1984) • Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DMIS) nach Bennett (1986) Die frühen Stufenmodelle von Taft (1957) und Dohrenwald und Smith (1962) zerlegen den Akkulturationsprozess in feste Stufen, die im Verlauf der Aneignung neuer kultureller Umwelten durchlaufen werden. Diese Modelle werden neben anderen auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung zitiert. Das Modell von Dohrenwald und Smith (1962) ist eine enge Theorie, die kaum Beachtung gefunden hat; daher wird sie nicht näher erörtert. Dagegen ist das 7-Stages Model of Assimilation von Taft (1957)sehr bekannt geworden. Es lässt sich explizit als interdisziplinäre Theorie verstehen, weil es sowohl soziologische als auch psychologische Konzepte verwendet und auf die Bedeutung von makro- und mikro-sozialen Einflussfaktoren für die Akkulturation verweist. Das Modell ist ein klassisches Assimilationsmodell, das auf der Annahme basiert, dass die Assimilation von Neuankömmlingen in einer Kultur der Zielzustand der Akkulturation ist. Die Assimilation ist Taft zufolge aber nicht auf Einwanderungssituationen beschränkt, sondern betrifft verschiedene menschliche Grundsituationen sozialer und räumlicher Mobilität, wie zum Beispiel der Mobilität zwischen sozialen und ökonomischen Schichten, religiöser Konversion, der Anpassung an Industrialisierungsprozesse, dem Wechsel des Familienstandes, oder der Sozialisation von Lehrern in Schulen (vgl. dazu auch die Studie von Coulter & Taft, 1973). Die soziale Assimilation sei der Prozess, in dem eine Person ihre Mitgliedschaft von einer Gruppe zu einer anderen transformiert, deren Normen mit denen der ersten Gruppe nicht übereinstimmen. Taft postuliert, dass die Assimilation, beziehungsweise die Aneignung kultureller Umwelten, wenn man das Modell auf die Akkulturation bezieht, in sieben Stufen verläuft:
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Auf der ersten Stufe findet das kulturelle Lernen statt sowie der Erwerb von Kenntnissen über die ,Aufnahrnegru ppe' und von Sprachkenntnissen, die nicht von interkulturellen Kontakten abhängig sind. Die zweite Stufe ist durch die Entwicklung positiver Einstellungen zur Herkunftsgruppe geprägt, die sich durch Interaktionen entwickeln und die Gefahr von Missverständnissen bergen. Auf der dritten Stufe nehmen die ablehnenden Einstellungen zur Herkunftsgruppe zunehmend ab. Die Stufe ist durch den Rückzug vom Gruppenleben, eine Annäherung an die Aufnahrnegruppe und durch die Unverträglichkeit der Normen der Gruppen geprägt. Auf der vierten Stufe findet eine Akkomodation statt, das heißt eine äußerliche Anpassung, die durch eine Rollenübernahrne geprägt ist, aber nicht mit einer Identifikation einhergeht. Sie birgt die Gefahr der Überanpassung an die Mehrheitskultur. Die fünfte Stufe ist durch die soziale Akzeptanz durch die Aufnahmegruppe und einen bestimmten Grad an Vertrautheit geprägt. Die Stufe ist dagegen durch die Identifikation geprägt, die mehr oder minder durch die formale Mitgliedschaft in der Aufnahrnegruppe bestimmt ist. Die siebte Stufe weist sich durch eine Überidentifikation der Normen des neuen Gruppenmitglieds mit den Normen der Aufnahrnegesellschaft aus, was ein soziales Problem sein kann
Taft (1986) hat später drei Assimilationsideologien unterschieden, die in Gesellschaften vorherrschen und die Minderheiten und Mehrheiten verfolgen können. Die monistische Assimilation ist geprägt von der Idee der vollständigen Anpassung an die dominante Mehrheitskultur und die Aufgabe der Zugehörigkeit auf Seiten der Minderheit. Die pluralistische Assimilation zeichnet sich durch die Akzeptanz von Unterschiedlichkeit bei Angleichung an die dominante Mehrheitskultur aus. Die interaktionistische Assimilation schließlich bedeutet eine Angleichung an die Mehrheitskultur, die so verläuft, dass Identitäten beibehalten werden können. Diese Differenzierung von Assimilationsideologien ist insofern relevant, als eine Nicht-Übereinstimmung zwischen Assinillationsbestrebungen von Minderheiten und Assimilationsanforderungen durch die Mehrheit Konflikte erzeugen kann, wie es bereits in einigen Modellen zuvor postuliert wurde. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Assimilation oder sogar Absorption von Mehrheitskulturen das wesentliche Kriterium für die Zielerreichung von kulturellen Aneignungsprozessen ist. Taft (1986a) vertritt die Auffassung, dass die Zufriedenheit in unterschiedlichen Lebensbereichen (Wohnen, Schule, Freizeit, Bildung etc.) ein primäres Akkulturationsziel sei. Diese könne sich eben durch Assimilationsprozesse verbessern. Eine Bewertung und Einschätzung der Annahmen von Taft fällt nicht einfach. Das Stufenmodell ist so, wie es konzipiert ist, empirisch nur in Ausschnitten belegt (vgl. zur Übersicht Treibel, 1999). Häberlin (1971) hat in Studien zur Eingliederung von Flüchtlingen in Deutschland teilweise Bestätigung für das Stufenmodell gefunden. Insbesondere beobachtet Häberlin bei jungen Flüchtlingen in den frühen Phasen ihrer Akkulturation nostalgische Einstellungen und Gefühle gegenüber der Herkunftsidentität. Insgesamt bleibt das Modell empirisch aber kaum nachvollziehbar. Insofern sollte es als normatives Modell beurteilt werden. Darüber hinaus hat Taft das Stufenmodell selbst auch nicht intensiv weiterverfolgt,
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und stattdessen als Grundlage weiterer Überlegungen zum Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten herangezogen. Taft (1977) hat zum einen zentrale gemeinsame Reaktionen auf Ortsverschiebung hervorgehoben, die als Indikatoren und Outcomes der Umweltaneignung zu verstehen sind. Danach sind Reaktionen auf die Wahrnehmung des kulturellen Schicksals relevant, die sich in Irritierbarkeit, Schlaflosigkeit und anderen psychosomatischen Beschwerden ausdrücken. Daneben sind Gefühl des Verlustes, die der Entwurzelung aus der gewohnten Umgebung entstammen, Gefühle der Zurückweisung durch Individuen der Aufnahmegesellschaft sowie Gefühle der Unfähigkeit signifikant, die daraus resultieren, dass man denkt, man käme nicht mit den Anforderungen der ungewohnten Umgebung zurecht. Leider sind diese Kategorien ohne Anbindung an das Stufenmodel1. Zum anderen hat Taft (1986, 1988) sich stärker auf die Grunddimensionen zur Analyse von Prozessen der Kulturaneignung konzentriert. Taft (1986) hebt hervor, dass die zentralen Konzepte zur Analyse der ,Resozialisation' von Immigranten infolge ihrer Aneignung neuer Umwelten Prozesse des Lernens, der Kompetenzen, Werte, Einstellungen und des Selbstkonzeptes sind. In einer Studie zur Immigration russischer Immigranten in den USA hebt Taft (1988) hervor, dass neben der nationalen und ethnischen Identität, wiederum die kulturellen Kompetenzen und die Aneignung von Rollen die wesentlichen internalen und externalen Aspekte der Absorption von Mehrheitskulturen sind, wobei dogmatische und autoritäre Einstellungen zu mehr Akkulturationsproblemen führten (vgl. auch Taft & Steinkalk, 1985). Im Zusammenhang zu dem frühen Modell der Stufen der Assimilation ist Taft auch in den nachfolgenden Analysen der Annahme verhaftet, dass die Aneignung neuer kultureller Umwelten im positiven Falle auf die Assimilation der dominanten Mehrheitskultur hinausläuft. Wie deutlich wird, stehen die Stufenfolge sowie die Konzepte der Aneignung kultureller Kompetenzen und Rollen (hier vor allem der Sprachkompetenz), der Identität und der Konformität mit sozialen Normen im Zentrum des Ansatzes von Taft. Die Konzepte der Konformität und sozialen Norm sind gewissermaßen neu im Kontext der bislang diskutierten Modelle. Das heißt, die Aneignung neuer kultureller Umwelten ist Taft zufolge abhängig von der Akzeptanz sozialer Regeln, und sie drückt sich in der Übernahme von kulturellen und sozialen Normen aus. Die Annahmen von Taft sind ausgesprochen sinnvoll, berücksichtigt man das zugrunde gelegte Konzept der Kultur im zweiten Kapitel, das durch kulturelle Normen und Werte definiert wurde. Neu im Vergleich zu den bislang diskutierten Modellen ist auch der Verweis darauf, dass die Aneignung kultureller Umwelten nicht auf die Wanderung beschränkt ist, sondern sich auf jede Form der Aneignung mikro- und makro-sozialer Umwelten bezieht. Das heißt auch, dass die sozialen und psychologischen Prozesse sehr unterschiedlicher Kulturaneignungen nach Taft (1957) vergleichbar sind. Auch diese Annahme stimmt mit dem Grundkonzept der Akkulturation überein, wie es im zweiten Kapitel vorgeschlagen wurde; es ist eben nicht auf die Wanderung über Landesgrenzen (Migration) beschränkt. Hervorzuheben ist ferner, dass Taft (1986a) die Lebenszujriedenheit als wichtigen Indikator der Aneignung definiert. Darüber hinaus kritisiert Taft (1953), dass die Assimilation nicht möglich sei, ohne die Veränderung von Mehrheiten. Nach Taft ist es schwer vorstellbar, dass eine Mehrheit oder Aufnahmegruppe von ,kulturellen Neulingen' sich nicht durch die ,Zuwanderung' im allgemeinsten Sinne verändert.
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Obgleich Taft (1986a, 1988) eine Reihe von wichtigen und zentralen Beobachtungen gemacht hat, ist sein ursprüngliches Stufenmodell (1957) unter anderem wegen der Rigidität der Stufenfolge kritisiert und zurückgewiesen worden; gleiches gilt im übrigen für die sozialwissenschaftlichen Stufenmodelle (siehe unten, bzw. Treibel, 1990). In den 1980er Jahren werden in der psychologischen Akkulturationsforschung Phasenmodelle entwickelt, die in der Annahme der unbedingten Stufenabfolge und in der Vorstellung, dass die Akkulturation letztendlich auf eine mehr oder minder komplette Übernahme der Mehrheitskultur hinauslaufen muss (Assimilationsideologie) weniger streng sind. Dabei heben die Phasenmodelle hervor, dass die soziokulturelle Adaptation kein gradliniger Prozess ist. Sie gehen zum Beispiel davon aus, dass Bikulturalismus und Identitätstransformationen am Ende der Akkulturationsphase die Individuen ausmachen. In dieser Annahme stimmen sie mit den modemen Bikulturalismus-Modellen überein (siehe oben). Im Folgenden sollen wesentliche Phasenmodelle, soweit sie in der Forschung Beachtung gefunden haben, kurz skizziert und diskutiert werden. Szapocznik, Scopetta, Kurtines und Arandale (1978) haben eine Theorie der Linearen Adaptation entwickelt und ein Messinstrument zur Erfassung von Akkulturation geprüft, das in der Akkulturationsforschung weit verbreitet ist (vgl Box 4.3). Sie gehen davon aus, dass die Akkulturation eine lineare Funktion der Zeit ist, in der eine Person mit der ,Aufnahmekultur' interagiert. Dabei unterscheiden sie zwischen der Akkulturation auf der Verhaltensebene (Annahme von Bräuchen, Lebensweisen, Habits) und der Werte, was im Grunde einer Einstellungsebene entspricht. In Phasen verliefe die Akkulturation von einer monokulturellen Orientierung zu einer bikulturellen Orientierung. In ihren bereits zuvor erwähnten Studien mit Amerikanern kubanischer und angelsächsischer Herkunft können sie zeigen, dass ein linearer Zusammenhang zwischen Akkulturation und Aufenthaltslänge besteht. Allerdings ergeben die Analysen auch, dass die Akkulturation negativ mit dem Alter korreliert - Jüngere akkulturieren sich schneller -, sowie signifikante Geschlechtsunterschiede festzustellen sind - Männer akkulturieren sich schneller als Frauen. Keefe (1980) zeigt darüber hinaus, dass amerikanische Familien mexikanischer Herkunft sich zwar linear akkulturieren, dabei aber starke ethnische Familienbindungen bestehen bleiben. Das lineare Modell wird also nur partiell bestätigt. Charakteristika der ethnischen Gruppe und demographische Aspekte beeinflussen den Akkulturationsprozess leider in einer Weise, die universale Zusammenhänge nicht feststellbar machen lässt. Szapocznik, Kurtinez und Femändez (1980) heben später hervor, dass ein lineares Modell wahrscheinlich nur in kulturellen Kontexten zutrifft, in denen eine Kultur dominant und maßgeblich ist; also in monokulturellen Kontexten. In bikulturellen Kulturen, die meines Erachtens multikulturellen Kulturen entsprechen, würden zwei Akkulturationsprozesse oder eben -phasen stattfinden: die Annahme der ,Aufnahmekultur' und der Herkunftskultur. Dieser Prozess würde zudem mit der Aufenthaltslänge zunehmen, das heißt, je länger Individuen und Gruppen in einer Kultur leben, desto stärker würden sie sich bikulturell orientieren. Der erste Prozess sei linear, der zweite Prozess hinge von den Eigenschaften der Herkunftskultur ab, wie zum Beispiel dem Grad sozialer Unterstützung durch die Bezugsgruppe (Community der Mitglieder einer Herkunftskultur) und der Involviertheit in der Herkunftskultur oder dominanten Mehrheitskultur. In Abbildung 4.1 ist das Acculturation Biculturalism Model wiedergegeben, das unterschiedliche Statuspositionen der Akkulturation kategorisiert und darin auch als Strukturmodell verstanden werden kann (Kap. 6).
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Kulturelles Involvement
Monokulttrelle I rrJividJen
Bikulttrell involviert e I räividuen
MonoKulturallsmus
Blkulturallsmus Stuk an AufnahmeKut t tr ort ent t oto I rrJividJen
MarginalisertelrrJividJen, die gleich involviert sind in beiden Kutteren
Marginalität
Abb.4.1
Das Akkulturations-Bikulturalismus-Modell nach Szapocznik, Kurtines und Fernandez (1980)
Demnach ist die Verortung von Individuen in einem spezifischen Akkulturationsstatus von der kulturellen Involviertheit versus Marginalität (Randständigkeit) und dem mono- versus bikulturellen Kontext abhängig, der sich durch eine monokulturalistische oder bikulturalistisehe Orientierung (Ideologien, Werte, Normen etc.) manifestiert. Ist das Involvement zu der einen oder anderen Kultur (Herkunftskultur oder neue Kultur) hoch und die Kultur monokulturalistisch orientiert, dann würden sich ,monokulturell orientierte Individuen' entwickeln. Ist das Involvement hoch und die Kultur bikulturell, würden sich entsprechend bikulturell orientierte Individuen entwickeln. Bikulturelle Orientierungen würden darüber hinaus mit der Aufenthaltslänge zunehmen. Im Falle einer marginalisierten Position der Individuen und Gruppen, die versuchen, sich eine kulturelle Umwelt anzueignen, verlange eine monokulturalistische Kultur Individuen, die sich stark an der Kultur orientieren, während bei einer bikulturalistischen Kultur marginalisierte Individuen anzutreffen wären, die in beiden Kulturen nicht involviert sind. Betrachtet man die Systematisierung im Zusammenhang mit den Marginal-ManAnsätzen, dann sind die Letzteren die ,typisch' marginalisierten Individuen, die ,zwischen den Kulturen' stehen und in keiner von beiden richtig verankert (involviert) sind. Zur Erfassung des Akkulturationsstatuses haben Szapocznik, Kurtinez und Femändez eine Bicultural Involvement Scale entwickelt, die 33 Items der Involviertheit von Kubanern in Amerika umfasst. In einer neueren Studie von Rivera-Sinclair (1997) mit 254 Amerikanern kubanischer Herkunft, in der die Skala verwendet wurde, bestätigt sich die Annahme, dass die Aufenthaltslänge und die soziale Unterstützung durch ethnische Herkunftsgruppen mit der bikulturellen Involviertheit einhergehen. Allerdings kann man an dem Modell kritisieren, dass der kulturelle Kontext zu stark auf die simple mono- versus bikulturelle Komposition von Gruppen reduziert wird, und der Prozess der Akkulturation in den Hintergrund der Erklärung tritt. Darüber hinaus hat die oben zitierte Studie von Birman und Tyler (1994), in der die Bicultural Involvement Scale von Szapocznik, Kurtinez und Fernändez (1980) erfasst
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wurde, gezeigt, dass sich systematische Muster zwischen der Involviertheit und der Akkulturation nicht einfach nachzeichnen lassen. Die Studie macht deutlich, dass der Bereich, auf den sich die Akkulturation oder die Involviertheit bezieht, entscheidend ist; also Akkulturation und kulturelles Involvement bereichsspezifisch (domain-specific) sind. Darüber hinaus wird wiederum in den Modellen deutlich, dass die Wahrnehmung von Differenz zwischen den Kulturen (aus Sicht der allochthonen Neuankömmlinge in einer Kultur) und die Verortung (Identitätsbildung) den Prozess ausmachen. Es deutet sich an, dass die Übereinstimmung zwischen der Akkulturationsorientierung der Neuankömmlinge, der Ansässigen und dem kulturellen System den Prozess der Akkulturation beeinflusst, wobei alle Modelle bislang offen lassen, wie und in welcher Weise das der Fall ist. Nicht näher ausgeführt ist von Szapocznik, Kurtines und Femändez (1980), dass die Frage der Involviertheit auch eine Frage von Dominanz und Macht ist. Monokulturelle und bikulturelle Kontexte, wie sie oben erwähnt sind, unterscheiden sich darin, dass in monokulturellen Kontexten eine kulturelle Gruppe (die Einheimischen, Ansässigen in der Regel) die beherrschende Gruppe ist. Mendoza und Martinez (1981)nehmen in ihrer (Mini-)Theorie an, dass es vier Typen der Akkulturation gibt: 1. die kulturelle Resistenz, die sich aktiv oder passiv gegen die Annahme alternativer Normen bei Aufrechterhaltung der Herkunftsgebräuche entwickeln kann, 2. den kulturellen Wechsel, der durch die Auswechselung von Herkunftsgebräuchen durch alternative kulturelle Bräuche repräsentiert ist, 3. die kulturelle Verbindung (Inkorporation), die in der Annahme von Gebräuchen der alternativen Kultur (z.B. dominante Kultur der Ansässigen) besteht, und 4. die kulturelle Umwandlung (Transrnutation), das heißt die Herausbildung einer einzigartigen subkulturellen Entität durch die Adaptation der Gebräuche aus beiden Kulturen. Diese Typen können zugleich Phasen der Akkulturation widerspiegeln. Interessant ist das Modell, weil dabei kulturelle Gebräuche eine wesentliche Rolle spielen, deren Annahme und Ausführung mit einer Übernahme von Normen einhergeht. Zweitens weisen Mendoza und Martinez darauf hin, dass der Akkulturationsprozess ein Umwandlungsprozess sein kann, der zur Herausbildung einzigartiger kultureller Gruppen führen kann. Die bis hierher diskutierten Modelle gehen dagegen von der simplen Annahme aus, dass der Akkulturationsprozess aus einer einfachen Übernahme der einen oder anderen Kultur besteht, nicht aber, dass er zu neuen Kulturen selbst führen kann. Wie das allerdings geschieht, lassen Mendoza und Martinez (1981) offen. Der Akkulturationsprozess selbst wird in der Theorie, die auch empirisch nicht geprüft wurde, wiederum auf eine Klassifikation von Akkulturationsvarianten reduziert. Berry und Kim (1988)haben die Forschungslage bis zur Mitte der 1980er Jahre zu Phasen und Stufen des Akkulturationsprozesses in einem sehr einfachen Stufenmodell zusammengefasst. Sie meinen, der Akkulturationsprozess würde aus einer 1. Vor-Kontakt-Stufe, 2. Kontaktstufe, 3. Konfliktstufe, 4. Krisenstufe und 5. einer Adaptationsstufe bestehen, wobei bei Flüchtlingen die erste Stufe von einer Traumaverarbeitung und Sprachaneignung geprägt sei. Den Phasen sind die klassischen Akkulturationsstrategien zugeordnet. Abbildung 4.2 zeigt das Prozessmodell schematisch. Das Modell reduziert den Akkulturationsprozess ideell (damit erheblich) und dient nur als gröbste Orientierung. Das macht es meines Erachtens wenig hilfreich für ein Verständnis des Akkulturationsprozesses. Allerdings macht das Modell noch einmal die Grunddynamik des Akkulturationsprozesses deutlich. Akkulturation basiert auf einer Auseinandersetzung
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um interkulturelle Differenzen und interkulturelle Konflikte. Die Reduktion von Differenz sowie die Bewältigung der Konflikte geht mit einer ,unproblematischen' Aneignung von Umwelten einher. Zwar wird mehr oder minder explizit wiederum die These vertreten, dass sich das Akkulturationsniveau an der Übernahme von Mehrheitskulturen bemisst, begutachtet man jedoch alternativ die Umweltaneignung an einer Reduktion von Differenzwahrnehmung und verminderten interkulturellen Konflikten bzw. deren Wahrnehmung, dann erscheint das Modell schlüssig.
Ausmaß des Verhaltenswandels
Assimilation
Marglnallslerung
Integration
Separation
Zeit pre-contact
Abb. 4.2
contact
conflict
crlses
adaptations
Phasen- und Einstellungsmodell nach Berry und Kim (1988, S. 210)
Auch Mendoza (1984) nimmt in seinem einfachen Transition Model oder Orthogonal Model of Ethnic Identity Ansatz an, dass Akkulturation ein linearer Prozess der Adaptation von Mehrheitsidentitäten ist. Im Gegensatz zu den anderen Stufen- und Phasenmodel1en nimmt er jedoch an, dass sich das Akkulturationsniveau primär an der sprachlichen Orientierung bemisst. Darin stimmt das Modell mit vielen anderen Theorien und Ansätzen überein, die die Auffassung vertreten, dass der Erwerb von Sprache der zentrale Prozess der kulturellen Umweltaneignung ist . Das Modell ist empirisch nie ordentlich geprüft worden, allerdings liegen im Rahmen der Kommunikationstheorien hinreichend Erkenntnisse darüber vor, wie bedeutsam Sprachniveau und Sprachkompetenzen sind. Darauf wird später noch genauer im Rahmen der Diskussion kommunikationstheoretischer Ansätze eingegangen (siehe unten). Für den Moment muss die These, dass die Sprache der wichtigste Prädiktor der Umweltaneignung ist, im Raum stehen bleiben. Ein etwas stärker ausdifferenziertes Modell hat Bennett (1986) zur Entwicklung interkultureller Sensitivität entwickelt - das Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DIMIS) - das zwar nicht primär die Akkulturation fokussiert, jedoch auf das Phänomen anwendbar ist und sich teilweise auf Akkulturationsforschung direkt bezieht (vgl. auch Bhawuk, Landis & Lo, 2006). Zentral ist in dem Modell die Entwicklung interkulturellen Wissens oder im weitesten Sinne Interkultureller Kompetenz. Bennett nimmt an, dass mit der kultu-
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rellen Sensitivität die Akzeptanz kultureller Differenz, die Fähigkeit kulturelle Differenzen wahrzunehmen und die Fähigkeit, die kulturelle Perspektive von anderen zu übernehmen, steigt. Um kulturelle Sensitivität zu gewinnen, müssten sechs Stufen durchlaufen werden, die mit spezifischen Einstellungen und Verhaltensweisen verbunden seien. Dabei müsse eine vorangehende Stufe überwunden werden, um die nächste Stufe zu erreichen. Die ersten drei Stufen werden als ethnozentrisch beschrieben, das heißt die eigene Kultur wird als zentrale Realität wahrgenommen. Würden andere Kulturen in Relation zur eigenen Kultur wahrgenommen, dann haben sie weniger Substanz und Signifikanz. Die letzten drei Stufen werden als ethnorelative Phasen definiert, in der die eigene Kultur als eine von vielen anderen, möglichen Weltsichten akzeptiert wird Die erste Stufe der Verneinung (Denial) sei dadurch geprägt, dass die Realität anderer Kulturen gar nicht wahrgenommen oder verneint würde, so dass sich eine psychologische und physikalische Kontaktbarriere entwickelte. Sie entspricht nach Bhawuk, Landis und Lo (2006) der Marginalisierung und/oder Separation. Die zweite Stufe der Verteidigung (Defence) sei dadurch geprägt, dass die kulturellen Differenzen mit Feindseligkeit wahrgenommen würden und die eigene Kultur verteidigt werde, zum Beispiel durch Abwertung im Vergleich zur eigenen Kultur. Ihr entspricht die Separation. Auf der Stufe der Minimierung (Minirnization) würden die kulturellen Werte als universal wahrgenommen und kulturelle Differenzen als oberflächliche Variationen eingestuft. Damit ist eine Phase der Assimilation beschrieben. Auf der vierten, ethnorelativen Stufe sei die Wahrnehmung durch Akzeptanz (Acceptance) und der Prozess durch Adaptation geprägt, das heißt andere Kulturen würden als komplexe, valide und alternative Wirklichkeitsrepräsentationen wahrgenommen. Dem entspricht nach Bhawuk, Landis und Lo eine Tendenz zur Integration. Die fünfte Stufe sei durch die Adaptation (Adaptation) geprägt. Individuen würden kulturelle Differenzen annehmen und adaptieren, sowie in ihren Sichtweisen zwischen alternativen Weltsichten wechseln. Die letzte Stufe sei durch die Integration (Integration) geprägt, die darin bestünde, dass die Selbsterfahrung andere Weltsichten - im Sinne einer dritten Kultur (Third Culture, Evanoff, 2005)- beinhalte. Bennett (1993) zufolge unterlaufen nicht alle Individuen einem erfolgreichen Übergang (Transition) multikultureller Perspektiven. Sie differenziert zwei Formen der Marginalität: Encapsulated und Constructive Marginality. Beide indizierten eine anomische Position außerhalb des kulturellen Systems. Die ,verkapselte Marginalität' (Encapsulated Marginality) markiert die psychologische Desintegration und sei nicht förderlich für die Adaptation eines kulturellen Systems. Die konstruktive Marginalität (Constructive Marginality) markiere dagegen eine höhere Form der Differenzierung und Integration, indem sie eine ,Leere' markiere, die gefüllt werden könne. Sie sei förderlich, denn sie bedeute, dass Personen wahrnehmen, dass es verschiedene Perspektiven für eine Situation gibt, und dass sie die persönliche Verantwortung in der Entscheidung übernehmen, welche Werte notwendig sind, um neue Werte zu entwickeln, wenn es erforderlich ist. Bennett und Hammer (1998) haben einen Intercultural Development Inventory (IDI) zur Operationalisierung der postulierten Stufen der DIMIS entwickelt. Sie besteht aus 60 psychometrischen Items, die auf einem siebenstufigen Rating nach Zustimmung und Ablehnung abgefragt werden. Die Studien zeigen, dass sich die Stufen reliabel und valide abbilden lassen (vgl. auch Westrick, 2004). Allerdings ist das Instrument vor allem für gut Englisch sprechende Befragte geeignet. Greenholtz (2005) hat eine japanische Übersetzung
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der IDI geprüft und dabei Probleme der Reliabilität und Validität nachgewiesen, wobei das Instrument in modifizierter Form dennoch auch in dieser Studie funktioniert. Greenholtz mahnt jedoch an, dass die ,Weltsichten' genauer untersucht werden müssten. Erst dann kann eigentlich eingeschätzt werden, ob die postulierten Stufen sich empirisch nachzeichnenlassen. Fasst man die Ansätze unspezifisch zusammen, dann ergibt sich folgendes Bild der Akkulturation.
Die Aneignung neuer Umwelten ist ein mikro- und makrosozialer Prozess, der in mehr oder minder festen Stufen bzw. mehr oder minder linear verläuft, die zentral auf die Assimilation der neuen kulturellen Umwelt hinauslaufen. Die Assimilation kann als Krmformität zu den zentralen Werten, Normen, Ideologien und Gebräuchen der dominanten Kultur verstanden werden, wofür Sprachkompetenzen zentral sind. Die Aneignung verläuft unproblematischer, wenn interkulturelle Differenzen und Konflikte erfolgreich bewältigt werden können. Zentral ist - wie in den Modellen zuvor - das Ausmaß der Verortung im Sinne eines Involvement. Es kann einseitig (unidirektional) oder mehrseitig (bikulturell) sein.
4.3.2
Resümee zu den mehrdimensionalen Stufen- und Phasenmodellen
Die skizzierten Stufen- und Phasenmodelle der psychologischen Akkulturationsforschung versuchen, analytisch den Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten in Abschnitte zu zerlegen. Das betrifft sowohl die mehrdimensionalen Modelle als auch die zuvor diskutierten eindimensionalen Modelle. Die Logik besteht darin, dass eine vorhergehende Stufe erfolgreich durchlaufen werden muss, damit eine nachfolgende Stufe erreicht werden kann. Damit folgen sowohl die eindimensionalen als auch die zuletzt diskutierten mehrdimensionalen Modelle der Logik klassischer Entwicklungsphasen, wie sie ähnlich in Sozialisationsoder Identitätsentwicklungstheorien postuliert werden (vgI. auch oben), und sie lehnen sich ja auch zum Teil direkt vor allem an Identitätsentwicklungsmodelle an. Der analytische Vorteil der Modelle besteht darin, dass sie den Prozess in Abschnitte zerlegen und darauf verweisen, dass jede Analyse von Akkulturationsprozessen nur einen Ausschnitt bzw. Abschnitt im Prozess der Umweltaneignung ,versteht' oder .verstehen kann'. Der Vorteil der mehrdimensionalen Modelle im Vergleich zu eindimensionalen Modellen besteht zweifelsfrei darin, dass sie weniger rigide sind und zum Beispiel davon ausgehen, dass eine erfolgreiche Akkulturation nicht nur in der Adaptation der Identität einer Mehrheitskultur (Absorption) zeitigen kann/muss, sondern viel eher als Entwicklung bikultureller Identitäten zu verstehen ist. Das entspricht - wie gezeigt - den Ergebnissen der meisten empirischen Studien. Aber auch die mehrdimensionalen Modelle, die von multiplen Verortungsprozessen in der subdominanten und dominanten Kultur ausgehen, fassen die Ausschnitte und Abschnitte des Aneignungsprozesses relativ grob. Die empirische Realität von Akkulturationsprozessen ist komplexer und weniger systematisch als es die Modelle vorgeben. Versteht man Akkulturationsprozesse als interkulturelle Einbindungs- und Differenzierungsprozesse in Zeit und Raum, wie es die mehrdimensionalen Stufen- und Phasenmodelle vorschlagen, dann könnte es sich alternativ empfehlen, die Unterteilung in Stufen und Phasen stärker an ein analytisches Modell über die Stufen des Wanderungsprozesses anzupassen; also zum Beispiel ein Modell, das die Akkulturation einteilt nach den Phasen der Aus-
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reise, der Ankunft und Einreise, der Adaptation sowie ggf. der Zurückweisung. Berry und Kims (1988) einfache Systematisierung, die sich am interkulturellen Kontakt orientiert, geht in die Richtung. Der Vorteil besteht darin, dass die Analyse stärker an dem Zeitverlauf orientiert werden kann und unterschiedliche Theorien ihren Beitrag zur Analyse der einzelnen Prozessphasen bieten können. Damit könnte auch ein großes Manko der Stufen- und Prozessmodelle, seien sie nun ein- oder mehrdimensional, überwunden werden. Sie sind als komplexe Modelle kaum oder gar nicht empirisch geprüft. Das kann daran liegen, dass sie, wie die bereits skizzierten Mega-Modelle (Kap. 3.2) kaum prüfbar sind, weil sich ihre Annahmen schlecht in operationale Termini fassen lassen und die propagierten Stufen sich empirisch nicht finden lassen . Ein weiteres Problem der skizzierten Modelle besteht darin, dass sie sich auf ein generalisiertes Akkulturationsphänomen konzentrieren und dabei außer Acht gerät, dass sich Akkulturationsprozesse in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich entwickeln können. Es ist anzunehmen, dass die Akkulturation zum Beispiel in den Lebensbereichen Arbeit und Freizeit in anderen Stufen verläuft. Das betrifft auch den Prozess derVerortung, der von den Modellen teils als Identifikation, teils als Statusübernahme, teils als Konformität oder Involvement verstanden wird. Berücksichtigt man die Annahmen der zuvor skizzierten Modelle, dann sprechen sie dafür, den Verortungsprozess als generellen Prozess der Identifikation zu verstehen. Um diesen Prozess genauer mit Bezug auf Lebensbereiche zu analysieren, müsste meines Erachtens das globale Konstrukt der Identität sowie die damit zusammenhängenden Prozesse der interkulturellen Identifikation genauer differenziert werden, und zwar in dem Sinne, dass die Identität enger an den zeitlichen, räumlichen und sozialen Kontext gebunden wird und nicht nur an Gruppen und soziale Kategorien. Zum Teil ist das in undirektionalen Modellen etwas genauer erfolgt, zum Beispiel durch die Adaptation von Identitätsentwicklungsmodellen (vgl. die Modelle von Helms, 1994, und Phinney, 1993;siehe oben). Im Kontext einer Analyse von Identifikationsprozessen könnte auch der Prozess der Adaptation, der in den Modellen beschrieben ist, genauer bestimmt werden. Das betrifft vor allem die Frage der Übernahme, das heißt welche zentralen Aspekte eines kulturellen Systems adaptiert werden. Dazu bedarf es meines Erachtens der Orientierung an einem Konzept von Kultur, wie es im zweiten Kapitel zugrunde gelegt wurde. Dort wurde Kultur als Referenzsystem definiert, dass Kategorien und Statusbeziehungen begrenzt, die Optionen der Adaptation bieten. Ferner wurde angenommen, dass ein kulturelles System nach Balance drängt, was für die Annahme spricht, dass Einbindungsprozesse als interkulturelle MatchingProzesse verstanden werden sollten (wie z.B. von Wong-Rieger, 1982, vorgeschlagen; siehe oben). Zentral ist die Einbindung im Sinne eines Einschlusses und Ausschlusses, der horizontal oder vertikal verlaufen kann. Ferner wäre vor dem Hintergrund der Kulturdefinition genauer zu bestimmen, wie in welchen Stufen des Adaptationsprozesses konsensuale und individuelle Kulturen angeeignet werden. Insgesamt bietet also eine genauere Konzeptualisierung von Kultur innerhalb der hier diskutierten Modelle - und das betrifft alle bislang skizzierten Ansätze - meines Erachtens eine genauere Orientierung. Legt man im Zusammenhang mit der Analyse der Annahme kultureller Systeme die Akkulturationsdefinition zugrunde, die im zweiten Kapitel vorgeschlagen wurde, dann sind die skizzierten Modelle - und auch das betrifft alle bislang skizzierten Modelle - auch insofern restriktiv, als sie einseitige die Akkulturation auf die Analysen der Adaptations-
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prozesse von Neuankömmlingen konzentriert und Adaptationsprozesse von Ansässigen außer Acht lässt. Veränderungen in der autochthonen Gesellschaft werden nicht bedacht, obgleich grundlegend davon auszugehen ist, dass jede Akkulturation eine Veränderung des gesamten kulturellen Systems zur Folge hat (vgl. Berry, 2003, 2006, bzw. die Mega-Modelle der Akkulturation in Kap . 2.3). Die Fokussierung der Forschung auf Prozesse der Aneignung von Neuankömmlingen und der Veränderungen innerhalb des kulturellen Herkunftssystems ist nachvollziehbar. Die ein- oder mehrdimensionalen Stufen- und Phasenmodelle postulieren ja nicht, dass sie Veränderungen in der ,Aufnahmekultur' analysieren. Versteht man aber die Akkulturation als Interaktionsphänomen, dann müsste die Akkulturation von Neuankömmlingen zumindest auch als Reaktion auf die (veränderten) Reaktionen von Ansässigen und deren (verändertes) kulturelles System analysiert werden. Die Frage, ob auch die Reaktionsweise der Ansässigen als Phasen oder Stufen darstellbar ist, ist bislang in den Modellen komplett offen. So kritikwürdig und restriktiv die mehrdimensionalen Stufen- und Phasenmodelle auch sind, sie machen eher als die zuvor diskutierten Modelle nachvollziehbar, dass der Prozess der Aneignung neuer Umwelten komplex ist. Die Einteilung von Stufen und Phasen ist insofern eine sinnvolle analytische Reduktion von Komplexität, auch wenn man sie als restriktiv beurteilen mag. Darin sind sie als notwendige und sinnvolle Weiterentwicklungen relevant. Solange sie allerdings empirisch nicht hinreichend geprüft sind, muss die Frage, ob die Akkulturation in bestimmten Stufen und Phasen verläuft, und wenn ja in welchen, zumindest offen bleiben. Die Modelle und ihre (wenigen) Prüfungen machen ferner deutlich, dass zahlreiche Faktoren den Prozess der Umweltaneignung beeinflussen können, wobei empirisch gezeigt wurde, dass vor allem externe (wie zum Beispiel soziodemographische) Faktoren die Art und Weise des Prozesses beeinflussen. Zahlreiche Einflussfaktoren, die die Wahrnehmung und Interpretation der sozialen Realität betreffen, wurden allerdings noch nicht hinreichend geprüft. Die folgenden komplexen Faktorenmodelle versuchen solche Faktoren und der damit verbundenen Komplexität ihrer Zusammenhänge gerecht zu werden, ohne auf feste Stufen und Phasen des Akkulturationsprozesses zurückzugreifen.
4.4
Kultur-Schock und Akkulturation
Zu den traditionellen Akkulturationsmodellen, die sich mit der Bewältigung von Fremdheit beschäftigen und mit den ersten Stufen und Phasen der Akkulturation, in denen die kulturelle Differenz besonders dramatisch ist, kann man die frühen Marginalisierungstheorien sowie die frühen Stufen- und Phasenmodelle der Akkulturationsforschung zählen. Sie gehen mehr oder minder explizit davon aus, dass die Akkulturation zunächst mit der Erfahrung oder Konfrontation mit tatsächlicher kultureller Unähnlichkeit und daraus resultierenden Problemen einhergeht. Zum Teil rekurrieren sie auf das Konstrukt des KulturSchocks, wie viele andere Theorien der Akkulturation auch. Das Konstrukt des KulturSchocks ist für die Akkulturationsforschung prägend. Dazu liegt eine Reihe von zentralen Theorien vor, die im Folgenden diskutiert werden. Man hätte sie auch früher diskutieren können, da die zentralen Theorien bereits in den 1960er und 1970er Jahren entwickelt wurden und einige der zuvor skizzierten Theorien beeinflusst haben, aber sie sind meines
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Erachtens Vorläufer der nachfolgenden Stresstheorien und dienen vor allen ihnen als Grundlage.
Traditionelle Kultur-Schock-Modelle • Culture Shock Theory von Oberg (1960) • Transition Shock nach Bennett (1970) • Transition Shock nach Adler (1987) • Self Shock Theory von Zaharna (1989) • Acculturative Stress Phases and Factors nach Smart und Smart (1995) Der Kultur-Schock wird grundsätzlich als vielfältige Erfahrung verstanden, die aus zahlreichen Stressoren bei den unterschiedlichsten Gruppen resultieren kann. Wie bereits genannt, geht Taft (1977) ja beispielsweise davon aus, dass die erste Reaktion auf eine Ortsverschiebung in Irritation, Verlustgefühlen, Gefühlen der Zurückweisung und mangelnder Kompetenz bestehen kann (siehe oben). Diese Symptome kann man als Schockerfahrung verstehen. Aus unterschiedlichen Definitionen des Culture Shock leitet Taft ab, dass dieser im weitesten Sinne ein Gefühl des Unvermögens beschreibt, das aus der Unfähigkeit resultiere mit der Umwelt zurechtzukommen, weil die kognitiven Aspekte/Herausforderungen und Fähigkeiten des Rollenhandelns unvertTaut seien. Ein klassisches Konzept des Culture Shock hat der Anthropologe Kalervo Oberg (1954, 1960) vorgelegt. Auf sein Konzept berufen sich die nachfolgenden Modelle. Oberg (1960, S. 177) definiert den Kulturschock als " ... anxiety that results from loosing all our familiar signs and symbols of social intercourse. These signs or cues include the thousand and one ways in which we orient ourselves to the situations of daily life."
Der Schock ist demnach eine Veränderung des emotionalen Systems, die durch eine negative Erfahrung, eben Angst, geprägt ist, nachdem eine Person in Kontakt mit einer neuen kulturellen Umgebung gekommen ist. Oberg nimmt an, dass diese Angst aus der Wahrnehmung des Verlustes gewohnter Zeichen und Symbole resultiert, die für die Kommunikation und Interaktion notwendig seien. Dabei bezieht er sich vor allem auf visuelle Aspekte der Kultur, wie dem Verhalten, der Sprache oder Gebräuchen, weil an ihnen die kulturelle Differenz (Unterähnlichkeit) salient wird. Die Angst entsteht also daraus, dass Menschen visuelle Aspekte wahrnehmen, die im Gegensatz zu ihren Standards stehen. Die zentrale Annahme ist, dass je höher die wahrgenommene Differenz zwischen der Herkunftskultur und der neuen Kultur ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Neuankömmlinge in einer Kultur Angst bekommen. Dabei erzeugt die kulturelle Differenz nicht unmittelbar bei Erstkontakt zu einer neuen kulturellen Umgebung Angst. Oberg (1954, 1960) postuliert ein einfaches Vier-Phasen-Modell der Akkulturation, das oftmals zitiert und trotz Revisionen (siehe unten) von vielen Autoren ähnlich vertreten wird. In einer ersten Phase, die Oberg als Honeymoon bezeichnet, seien Neuankömmlinge in einer Kultur euphorisch, bezaubert, fasziniert und enthusiastisch. Allerdings zeigen Studien, dass das mehr oder weniger auf spezifische Emigrationsformen beschränkt ist (Ward, Bochner & Furnham, 2001). Bei traumatisierten Immigranten in einer Kultur ist diese Phase weniger deutlich festzustellen. In einer zweiten Phase der Hostility and Emotional Stereotypes
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entwickelte sich eine Krise, die durch Gefühle der Unangemessenheit, Frustration, Angst und Ärger geprägt sei. Die Phase ist durch den ,eigentlichen' Kultur-Schock geprägt. Rhinesmith (1985) berichtet von typischen Reaktionen dieser Stufe, die durch Sensitivität, Argwohn oder zum Beispiel paranoide Furcht (zum Beispiel ausgeraubt oder überfallen zu werden) geprägt sind. Oberg (1960, S. 176) beschreibt die Symptome - also die Konsequenzen des Kultur-Schocks - sehr konkret und nachvollziehbar als: " (...) excessive washing of the hands; excessive concem over drinking water, food, dishes, and bedding; fear of physical contact with attendants or servants; the absent far-away stare; a feeling of helplessness and adesire for dependence on long-term residents of one 's nationality; fits of anger over delays and other minor frustrations; delay and outright refusal to leam the language of the host country; excessive fear of being cheated, robbed and injured; great concem over minor pains and eruptions of the skin; and finally that terrible longing to be back horne ..."
Präzise Vorhersagen, wann welches Symptom des Kultur-Schocks bei welcher Form der Migration, welchen Persönlichkeitsmerkmalen oder unter welchen Situationsbedingungen auftrilt, fehlen in dem Modell. Es sei vorweggenommen, dass das die Hypothesenbildung erheblich einschränkt. Zudem liegen nur wenig genaue Studien zu dieser Phase vor, lässt man Studien über Stresserfahrungen, die Auskunft geben könnten, zunächst außer Acht. Marx (1999) hat in einer Studie des Culture Shock von Geschäftsreisenden vor allem folgende primäre Konsequenzen des Schocks (Outcomes) nach sieben Wochen des Aufenthalts gefunden: Isolationsgefühle, Angst und Sorgen, Verminderung der Arbeitsleistung, starke Energieausprägung (nervöse Energie) und Gefühle der Hilflosigkeit. Wie sich der Schock ausprägt und welche Konsequenzen er hat, ist also nicht apriori und universal festzulegen, sondern immer an dem konkreten Fall der Adaptation in spezifischen kulturell neuen Kontexten empirisch auszumachen. Damit verlangt das Modell zunächst Deskription. Marx weist darauf hin, dass bei Flüchtlingen zum Beispiel ganz andere Repräsentationen und Konsequenzen des Schocks zu erwarten seien, die sich zum Beispiel viel deutlicher in physischen Symptomen äußern können (vgl. Furnham & Bochner, 1986, zur Differenzierung physischer, kognitiver und behavioraler Konsequenzen). Marx (1999) weist zudem darauf hin, dass der Culture Shock, wie Oberg (1960) das Konzept verstanden hat, nicht per se als Problem verstanden werden sollte, sondern als eine .normale' Reaktion auf den Versuch der Adaptation einer neuen kulturellen Umwelt. Wie auch immer sich der Schock repräsentiert, Oberg (1960) zufolge wird die SchockPhase von einer dritten Phase der Erholung (Recreation) abgelöst. Sie sei geprägt von einer Erholung, die sich in einer Krisenbewältigung und die Entwicklung kultureller Lernprozesse manifestiere. Diese Phase ist auch als Phase der psychologischen Anpassung und Reorientierung zu verstehen, die nicht mit einer Adaptation (siehe zur Begriffsdifferenzierung Kap. 2) einhergehen muss, wenn die ,Erholung von dem Kulturschock' in Flucht und Isolation mündet. In der abschließenden vierten Phase der Adaptation könne dann die Anpassung (Adjustment) erfolgen, die von einer ,Erholung' und der Entwicklung einer funktionalen Kompetenz in der neuen Umgebung geprägt sei. Andere Autoren haben die Phasen alternativeingeteilt: 1. Honeymoon oder touristische Phase, 2. Krise oder Kultur-Schock-Phase, 3. Anpassungs-, Reorientierungs- oder graduelle Erholungsphase, 4. Adaptations-, Lösungsoder Akkulturationsphase (vgl. Ferraro, 1990; Fumham & Bochner, 1986; Kohls, 1984; Preston, 1985). Die Phasen seien zyklisch und sequentiell, das heißt, der Wechsel von einer Stufe
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zur anderen kann wiederholt werden, wenn eine neue .Krise' entsteht, während die Phase der Adaptation permanent sein kann. Auch wenn eine Reihe von Studien zur Akkulturation den Ansatz von Oberg (1960) als Idealmodell zitieren, ist die Reihenfolge und Charakterisierung der Phasen empirisch, so wie postuliert, noch nicht überzeugend nachgewiesen worden. Er ist meines Erachtens auch zu abstrakt und universalistisch formuliert, weshalb er gerade darum häufig eher zur ideellen Orientierung über den Akkulturationsprozess zitiert wird. In dem Modell werden - im Gegensatz zu den zuvor genannten Theorien - Prädiktoren, Mediatoren oder Moderatoren, Dimensionen und Konsequenzen des Kulturschocks kaum differenziert. Damit bleibt unklar, welche primären makro-, meso- und mikro-sozialen Faktoren den Kulturschock bedingen und prägen. Auch differenziert Oberg (1960) nur unzureichend zwischen affektiven, kognitiven und behavioralen Dimensionen des Schocks. Allerdings verweist Oberg darauf, dass zu den affektiven Komponenten des Schocks die Phänomene der Konfusion, Angst, Desorientierung etc. gehörten. Eine negative Stresserfahrung resultiere aus der Konfrontation mit unbekannten Kulturen. Nach diesem Modell ist der Schock also zusammengefasst eine negative Stresserfahrung, die aus der Konfrontation mit unbekannten Kulturen resultiert. Damit wird etwas deutlicher, welche Ressourcen notwendig sind, tun den Stress zu bewältigen: Interkultureller Kontakt, interpersonale Ressourcen, Selbstwirksamkeit, emotionale Elastizität, interpersonale Kompetenzen sowie soziale Unterstützung. Sie sind auch notwendig, tun die dem Schock folgenden Phasen des Lernens (einer neuen kulturellen Umgebung) und der Kompetenzaneignung bewältigen zu können. Erkennbar wird nun auch, dass Oberg (1954, 1960) ein erstes Stressmodell der Bewältigung von Akkulturationsstress entwickelt hat, dessen Grundannahmen präzisierungsbedürftig sind. Gegen die Grundannahme des Modells lässt sich auch einwenden, dass der Kulturschock psychologisch nicht ,giftig' oder bedrohlich erfahren werden muss. Da aber weiterhin empirische Ergebnisse darauf verweisen, dass in der Regel die Adaptation schwierig und stressvoll sei, dient nach Ward, Bochner und Furnham (2001) das Obergsche Konzept des Schocks als grundlegendes Modell. Ward, Furnham und Bochner haben die Grundannahme, dass eine Ortsveränderung mit einem Kulturschock einhergeht, adaptiert und in ihrem Modell erweitert. Neben diesen Kritikpunkten kann man gegen das Konzept des Culture Shock nach Oberg (1954,1960) auch einwenden, dass es zu eng auf intrapersonale Störungen wie Angst etc. fokussiert ist. Dementsprechend werden in der Forschung auch Operationalisierungen des Culture Shock präsentiert, die klinische Symptome erfassen (vgl. z.B. Mumford, 1998). Weitaus erkenntnisreicher sind Ansätze und Studien, die den Schock enger an die Analyse sozialer Interaktionen binden, wie zum Beispiel familiäre Belastungen (vgl. Niephaus, 2000). Niephaus zeigt in ihrer Belastungsstudie mit 18 bis 25-jährigen Jugendlichen griechischer, italienischer, türkischer und vietnamesischer Herkunft in Deutschland, dass die Nähe zur Aufnahmegesellschaft den Stress erheblich mindert, insofern also die Wahrnehmung kultureller Differenz signifikant zum Schockerleben beiträgt. Weniger eng und mit engem Bezug auf die Kommunikation hat Argyle (1994) daher den Kultur-Schock als Folge von Problemen bei der Dekodierung der einzigartigen Signale und Hinweisreize einer neue Sprache definiert, was in einem Zusammenbruch der Kommunikation resultiert, der wiederum Missverständnisse, Unsicherheit und Feindseligkeit - eben einen Kultur-Schock - erzeugen könne. Argyle nennt zur Identifikation dieses Schock-
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Konzeptes eine Reihe empirischer Studien, die diesen kommunikations- und interaktionstheoretischen Ansatz stützen. Marx (1999) hat sehr verallgemeinernd den Culture Shock als Erfahrung der Fremdheit definiert, um dem Rechnung zu tragen, dass die meisten Definitionen auf der Annahme beruhen, dass der Kultur-Schock eine unangenehme Reaktion auf den Kontakt zu einer Kultur ist, die als fremd und unbekannt wahrgenommen wird; ihr Modelle wird gleich näher vorgestellt. Dabei teilen viele Ansätze die Auffassung, dass der Kontakt die Erfahrung eines Akkulturationsstresses auslöst, die in Erfahrungen eines Kulturschocks münden kann. Die Stressmodelle, die nachfolgend dargestellt werden, sind in diesem Sinne präziser als das frühe Modell von Oberg (1954,1960). Ein weiterer wichtiger empirischer Einwand gegen das Modell wird aus der Analyse der Linearität oder Nicht-Linearität des Akkulturationsprozesses vorgebracht und im Rahmen der Diskussion um die so genannte U-Kurven-Hypothese diskutiert. Oberg (1960) postuliert, dass die Adaptation einer U-Kurve folgt : Nach einer euphorischen Anfangsphase setze eine Krise ein, die eine Stimmungsreduktion erzeuge. Diese werde im besten Falle von einer linearen Erholung abgelöst. In der Systematik der Akkulturationsforschung (Tabelle 3.3) sind die U-Kurven-Hypothese und alternative Annahmen aber erst im Rahmen der psychologischen Prozessmodelle der Akkulturation, die das interkulturelle Lernen fokussieren, explizit aufgeführt (siehe unten). Die Auseinandersetzung mit dieser Hypothese betrifft aber nicht nur das Modell des Kulturschocks oder die Lemrnodelle, die sich explizit damit auseinandersetzen, sondern fundamental alle Modelle, die davon ausgehen, dass der Prozess der Akkulturation einer wie auch immer geformten linearen Entwicklung folgt. Einige lineare Modelle wurden bereits vorgestellt. Da die Auseinandersetzung über die Linearität des Akkulturationsprozesses viele Modelle berührt - auch die nachfolgenden Prozess- und Strukturmodelle - und der Unterschied zwischen linearen und nicht linearen Modellen fundamental ist, soll der Streit kurz skizziert werden. Lysgaard (1955) findet auf der Grundlage seiner Studien über die Stufen des Akkulturationsprozesses, dass Fulbright-Studenten aus Skandinavien in den USA zwischen dem sechsten und achtzehnten Monat ihres Aufenthaltes weniger angepasst sind als jene, die erst ein halbes Jahr in den USA leben. Er postuliert daher, dass der Akkulturationsprozess arn besten als eine U-Kurve abzubilden ist mit erhöhten Stresserfahrungen am Anfang und am Ende des Prozesses. Die U-Kurven-Hypothese postuliert, dass Zuwanderer in einer neuen Kultur zunächst mit Elan und Optimismus die Adaptation aufnehmen, dann einbrechen und sich wieder aufrichten (vgl. auch Fumham, 1988). Die empirische Befundlage zur U-Kurven-Annahrne ist sehr heterogen und eher dürftig, bedenkt man wie oft sie in Übersichtsbüchern ohne Verweis auf Befunde zitiert wird. Church (1982) hat schon zu Beginn der 1980er Jahre mehrere Studien zu den Phasen des Akkulturationsprozesses gesichtet und kommt zu der Einschätzung, dass die Evidenz für die U-Kurven-Hypothese schwach und übertrieben interpretiert sei. Insgesamt zeigten Studien, dass die Anpassung eher in einern moderaten Ausmaß des Disstress verläuft; in den ersten vier bis sechs Monaten weniger gut gelingt und sich dann auf einern höheren Niveau stabilisiert. Nach dem ersten halben Jahr haben ,nicht-kulturelle' Themen (Examen, Arbeitsdruck, Beziehungsprobleme etc.) einen größeren Einfluss (vgl. Westermeyer, Neider & Callies, 1989; Ward, Bochner & Fumham, 2001, S. 81ff.). Die Daten einer neueren Studie von Georgas und Papastylianou (1994), in der die Autoren die Entwicklung von Stereotypen
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junger griechischer Immigranten aus den USA, Kanada und Australien (11 bis 20 Jahre alt) untersucht haben, sprechen bedingt für eine U-Kurven-Hypothese. Die Studie ergibt, dass die Stereotypen über Griechen im Vergleich zu Stereotypen gegenüber der Herkunftsgruppe zu Beginn und am Ende einer fünfjährigen Beobachtungszeit negativer waren als in der Zwischenzeit (vgI. auch Onwwnechili, Nwosu, [ackson & [arnes, 2003, Bericht über ReAkkulturationsprozesse). Ward, Okura, Kennedey und Rojima (1998) wenden gegen die U-Kurven-Hypothese ein, dass sie, erstens, kaum in Langzeitstudien untersucht wurde, und, zweitens, kaum Studien vorliegen, die übereinstimmend zu einer gemeinsamen oder angemessenen Messung der kulturellen Anpassung (Adjustment) kommen. Sie meinen, dass erst eine angemessene Unterscheidung nach psychologischer Anpassung und soziokultureller Adaptation (siehe Kapitel 2) hinreichend Auskunft über die Zuverlässigkeit der U-Kurven-Hypothese geben könne. Die Autoren haben eine Langzeitstudie mit 35 japanischen Studenten in Neuseeland durchgeführt, in der die psychologische und soziokulturelle Adaptation gemessen wurde. Dazu erfassten sie die Adaptation in vier Zeitpunkten (nach Ankunft und 4, 6 und 12 Monate später). Sie ermitteln, dass die soziokulturelle Adaptation der U-Kurve folgt, nicht aber die Depressionsindikatoren. Eine Reihe weiterer Studien bestätigen die Beobachtung, dass erst eine sehr differenzierte Beobachtung von Akkulturationsdimensionen und -bereichen zuverlässige Aussagen über den Verlauf der Akkulturation zulässt. In Erweiterung zur U-Kurven-Hypothese wurde die W-Kurven-Hypothese formuliert (Brein & David, 1971;GulIahorn & Gullahorn, 1963;Trifonovitch, 1977).Sie stellt eine Erweiterung der U-Kurve um die Rückkehr von Migranten in ihre Heimat dar, die durch erneute negative Akkulturationserfahrungen geprägt sei. Allerdings ist die Befundlage zur W-Kurve noch begrenzter als zu ihrem Vorläufer, sodass keine zuverlässigen Aussagen über ihre Güte gemacht werden können (Fumham & Bochner, 1986; Anderson, 1994). Bezieht man allerdings Schockerfahrungen nach der Rückkehr von Individuen und Gruppen in die Herkunftskultur mit ein, sprechen Befunde für eine W-Kurve der Adaptation (vgI. z.B. Hertz, 1984). Insgesamt kann also nicht klar bestätigt werden, dass die Akkulturation nach einem spezifischen linearen oder nicht-linearen Trend verläuft. Um das einfach zu beschreiben: Es kommt darauf an, wer, woher, unter welchen Umständen, mit welchem Ziel, wohin, in welcher Zeit versucht, sich eine neue spezifische kulturelle Umwelt anzueignen. Das heißt nicht, dass es uninteressant ist, danach zu fragen, ob die Akkulturation nach einem bestimmten universalen Prinzip verläuft, oder auch so verläuft, dass sie in bestimmten Phasen und Stadien abgebildet werden kann Marx (1999) hat in der Auseinandersetzung mit der U-Kurven-Hypothese des Adaptationsprozesses nach Oberg (1960) ein alternatives Dynamic Culture Shock Model postuliert, wobei sie dieses insbesondere auf die Adaptation von Geschäftsreisenden in neuen Kulturen bezieht. Sie meint, dass nach der dritten Phase, die Oberg postuliert (Recovery), erneut ein Kulturschock folge, eine erneute Erholung einsetze, die wiederum von einem Kulturschock gefolgt würde, dessen Bewältigung schließlich von einem ,Durchbruchsprozess' (Breaking Through) abgelöst werden könne. Marx (1999) nimmt also ein alternierendes Modell zwischen Erholung und Phasen eines erneuten Kultur-Schocks an. Das Modell passt als Prozessmodell besser zu den empirischen Studien als das restriktivere Modell nach Oberg (1960).
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Abschließend muss festgestellt werden, dass die Befundlage und die Begutachtung der Kulturschock-Theorie von Oberg (1960) schwer einzuschätzen ist. Da Obergs Studie aber immer dann zitiert wird, wenn das Konzept des Culture Shock im Kontext von Stresstheorien referiert wird, kann die Schock-These auch im Anschluss an die Diskussion der weiteren Ansätze und Modelle erfolgen. Zudem ist nicht zu vergessen, dass die These, dass der erste Kontakt von Neuankömmlingen ein Schockerlebnis darstellt - zu bedenken ist, dass Obergs Konzept des Schocks weniger dramatischer ist als es klingen mag -, in vielen Studien bestätigt wird, die sich auf die anfänglichen Akkulturationserfahrungen beziehen. Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass die Kultur-Schock-These wichtige Beiträge zur Intervention geleistet hat (vgl. z.B. Winkelman, 1994). Eine Reihe von Anweisungen für Personen, wie zum Beispiel Geschäftsreisende, die fremde Kulturen kennen lernen, basieren auf den Überlegungen von Oberg (1954, 1960)(vgl. Ward, Bochner & Fumham, 2001). Ein Ansatz der Weiterentwicklung, neben der Diskussion über die grundsätzliche Ordnung der Phasen, bestand darin, Obergs Konzeptualisierung des Culture Shock, das eng (in Bezug auf Angstsymptome) und zugleich weit (die Angst hat viele Facetten) gefasst ist, genauer zu definieren. Bennett (1977) postuliert, dass der erste Kontakt durch einen Transition Schock (Übergangs-Schock) geprägt ist, der daraus resultiere, dass ein Individuum mit der Umwelt nicht interagieren kann. Ein Transition Shock sei universal und könne in unterschiedlichsten Lebenszusamrnenhängen auftreten, wie zum Beispiel bei dem Verlust eines Partners bei Tod oder Trennung, der Veränderung des Lebensstils im Verlauf von darauf bezogenen Lebenspassage, beim Verlust eines gewohnten Bezugsrahmens, bei der Veränderung von Werten, die mit schnellen sozialen Innovationen verbunden sind, oder eben bei interkulturellen Begegnungen entstehen. Im Vergleich zu Obergs (1960) Theorie kann man Bennetts (1977) Konzept als Präzisierung des Kulturschocks zu Beginn der Akkulturation beurteilen. Adler (1987) hat den Transition Shock als eine ,Krankheit für die die Adaptation die Heilung ist' bezeichnet. Sie sei im besten Sinne ein kulturvergleichender Lernprozess, Selbst-Verständnis und Veränderung. Der Cultur Shock sei " ... a profound learning experience that leads to a high degree of self-awareness and personal growth. Rather than being only a disease for which adaptation is the eure, eulture shock is likewise at the very heart of the cross-eultural learning experience. It is an experience in selfunderstanding and change." (Adler, 1987, S. 29)
Theoretisch noch konkreter fasst Zaharna (1989) das Konzept des Culture Shock. Zaharna postuliert, dass sich ein Culture Shock durch die Veränderungen von Identitäten und Selbstkonzepten, die primär für den Prozess der Akkulturation und Adaptation seien, ergibt (vgl. auch Smalley, 1963, der einen kommunikations- und identitätstheoretischen Ansatz vertritt und das Konzept des Sprach-Schocks/Language Shock postuliert). Zaharna postuliert, Culture Schock als Self Schock (Selbst-Schock) zu verstehen. Er resultiere aus der aus der Herausforderung einer Doppelbindung der Identität und/oder Identifikation mit der neuen und der Herkunftskultur. Insofern passt das Modell gut zu den bikulturellen Identitätsmodellen des Akkulturationsprozesses (siehe oben). Zaharna differenziert drei Dimensionen des Selbst-Schock: 1. der Verlust der kommunikativen Kompetenz vis-ä-vis des Selbst, 2. gestörte Selbstreflektionen in der Reaktionen auf andere und 3. Herausforderungen an identitätsgebundenes Verhalten. Damit wird das Konzept des Culture Shock für die oben skizzierten - und später noch häufiger dargestellten - Identitätstheorien der Akkultu194
ration anschlussfähig. Reflektiert man die vierte Phase der Akkulturation nach Oberg (1954, 1960) liegt es nahe, anzunehmen, dass diese Phase durch das, was die mehrdimensionalen Modelle der Identität als bikulturelle Identitäten definierten, geprägt ist. Es liegen weitere zentrale Differenzierungen von Schock-Typen vor. Zum einen kursiert in der Forschung das Konzept des Rollenschocks, das dem des Selbst-Schocks ähnlich ist, weil Rollen zentral für die Selbstkonzeptualisierung und Identität sind (Byrnes, 1966). Ein Rollenschock resultiere dabei zentral aus der Ambiguität der sozialen Position, dem Verlust normaler sozialer Beziehungen und Rollen und einer Inkonsistenz zwischen neuen Rollen und vorhergehenden Selbstkonzeptualisierungen. Ein weiterer Schock-Typ ist der Persönliche Schock (Personal Shock), der durch den Verlust persönlicher Intimität (Adelman, 1988) und den Verlust persönlicher Kontakte (Furnham & Bochner, 1986) geprägt ist. Der Verlust des kulturellen Systems könne zu einer Zerstörung des Wohlbefindens und pathologischen Symptomen führen, wie zum Beispiel einer ,Übergangs-Neurose', zeitlich emotionaler Instabilität oder Psychosen undIoder Neurosen (Rhinesmith, 1985). Kohls (1979) stellt fest, dass die hauptsächlichen persönlichen Symptome in Zurückzug, exzessivem Schlaf, Essstörungen, Irritierbarkeit und Feindseligkeit, familiären Konflikten, Arbeitsverlusten bzw. Arbeitsineffektivität und Weinkrämpfen auszumachen sind. Der persönliche Schock tauche vor allem auf, wenn die persönliche und kulturelle Überzeugung über moralische Grundsätze, Werte, Logiken und Überzeugungen über die Normalität und Zivilität angegriffen sind. Wertekonflikte unterstützten die Desorientierung und einen Realitätsverlust. Sowohl der Ansatz von Bennett (1977) als auch von Zaharna (1989) ist begrenzt als Prozessmodell zu beurteilen. Schon eher handelt es sich um Neukonzeptualisierungen des Schockkonzeptes. Leider fehlen in beiden Arbeiten auch konkretere Annahmen und die empirische Prüfung ist dürftig. Sie wurden hier jedoch aufgeführt, weil sie, erstens das Konzept des Schocks präzisieren und, zweitens, darauf verweisen, dass dieser Schock als Prozess des Übergangs und/oder der Selbstkonzeptualisierung zu verstehen sind und in diesem Sinne der Prozess der Akkulturation in der frühen Phase durch die Bewältigung von Übergangsprozessen und einer ,Identitätsfindung' gezeichnet werden kann. Damit sind die Konzepte kompatibel zu Selbst- und Identitätstheorien, die zentral für die Akkulturationsforschung sind. Bezieht man diese Feststellung zurück auf das Akkulturationskonzept, wie es im zweiten Kapitel zugrunde gelegt wurde, dann lässt sich der Kultur-
schock verstehen als eine negative psycho-soziale Erfahrung, die daraus resultiert, dass Personen und Gruppen, die Kontakt zu einer neue kulturellen Umgebung aufnehmen, feststellen, dass die neue Kultursodifferent ist, dass sieerhebliche Probleme bekommen, sich in ihrzu verorten. Es muss leider unklar bleiben, obauch die einheimischen Mitglieder der neuen Kulturaufdie Akkulturation von Neuankömmlingen mit einem Kultur-Schock reagieren (können). Legt man die genannte Konzeption des Kulturschocks zugrunde, dann ist es leicht vorstellbar, dass zum Beispiel Einheimische, die in einer segregierten Umwelt mit hohem Anteil von Menschen anderer Kultur leben, ebenso Symptome entwickeln, die man als Culture Schock bezeichnen kann. Darauf wird später noch genauer eingegangen, wenn zum Beispiel Theorien vorgestellt werden, die postulieren, dass Einwanderung mit der Wahrnehmung von Bedrohung einhergeht und diese von der wahrgenommenen kulturellen Differenz abhängt (siehe unten). Etwas genauere Annahmen zu den Phasen und Stufen des Akkulturationsprozesses schlagen Smart und Smart (1995) mit Bezug auf das Konzept des Culture Shock vor. Zur
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Diskussion von Interventionsmaßnahmen zur Unterstützung von Zuwanderern in den USA meinen sie, dass der Akkulturationsprozess in vier Phasen verlaufe: 1. einer Phase der Freude und des Glaubens an positive Entwicklungen und Erfahrungen (zum Beispiel an die Verbesserung der sozialen Lage etc.), 2. einer Phase der so genannten Nachentscheidungsreue, 3. einer Phase des Stresses mit ihren psychologischen Symptomen und 4. einer Phase der Akzeptanz, Anpassung und Reorganisation. Dabei heben Smart und Smart Bedingungsfaktoren für die Entstehung von Schockerfahrungen hervor. Dazu zählen ihrer Meinung nach vor allem einen Mangel an sozialer Unterstützung und Identität, aber auch problematische familiäre Verhältnisse, antizipierte Verluste, den Verlust an Information, Unklarheiten über die Umwelt (Ambiguität) und einen Mangel an Struktur. Teilweise decken sich diese Faktoren mit jenen, die nach Berry (2003) Stresserfahrungen beeinflussen (siehe oben), teilweise könnten sie die Liste der Determinanten des Akkulturationsstresses (Tabelle 4.6) erweitern; zum Beispiel in Bezug auf Ambiguitäten, Infonnationsverluste, antizipierte Verluste und einen Mangel an (kognitiver, emotionaler und behavioraler Struktur). Das Modell ist ideal und basiert einerseits auf Erfahrungen der Beratungsarbeit mit Zuwanderern und andererseits auf Beobachtungen aus empirischen Studien. Eine eigenständige Prüfung liegt nicht vor. 44 Wie deutlich wurde, ist in den Ansätzen von Bennett (1977), Zaharna (1989) und Smart und Smart (1995) das Konzept der Identität besonders relevant. Überträgt man verallgemeinernd die Ansätze auf das Akkulturationskonzept, wie es von mir im zweiten Kapitel vorgeschlagen wurde, dann wäre jetzt genauer zu postulieren, dass ein Culture Shock primär ein Übergangszustand ist, der als negativ erfahren wird und dadurch geprägt ist, dass Personen beim Kontakt mit einer neuen Kultur erleben, dass sie sich nicht verorten können, weil herkömmliche Zeichen und Symbole in der neuen Kultur verloren gehen, oder keinen Referenzrahmen für die Kommunikation und Interaktion bieten. Letztendlich basiert der Schock - wie mehrfach festgestellt - auf der Erfahrung und dem Erleben von kultureller Differenz bezie-
hungsweise Fremdheit im Sinne einer realen oder wahrgenommenen Unähnlichkeit von Gruppenmerkmalen, die als Bedrohung erfahren wird, auch weil für ihre Überbrückung keine kognitiven, affektiven und/oder behavioralen Wahrnehmungs- und Handlungsoptionen vorhanden sind. Ungenau bleibt, inwieweit die Erfahrung kultureller Differenz Prädiktor oder Symptom des Culture Shock ist. Von den drei skizzierten Prozesstheorien der Akkulturation bietet der Ansatz von Smart und Smart (1995) konkretere Annahmen dazu, was einen Culture Shock auslöst. In der neueren Migrations- und Akkulturationsforschung wurden eine Reihe weiterer SchockTheorien postuliert, die versuchen, genauere Annahmen über die primären Ursachen des Culture Shock zu machen und insofern als Modifikation des traditionellen Ansatzes betrachtet werden könne (vgl. Ward, Bochner & Furnharn, 2001). Sie wurden nicht explizit in die Systematik aufgenommen, weil sie zum einen keine Prozesstheorien darstellen oder zum anderen Reinterpretationen des Culture Shock Konzeptes sind aus der Sicht alternativer Theorien, die an anderer Stelle genauer ausgeführt werden. Am Rande sei bemerkt, dass aufgrund der dennaßen großen Breite und des hohen Abstraktionsgrades des Culture-Shock-Konzeptes eigentlich davon auszugehen ist, dass nahe-
44 Auch sind die Konsequenzen, die Smart und Smart (1995) für die Beratungsarbeit ziehen, teilweise eher unseriös, wie Quintana (1995) meint.
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zu jede Akkulturationstheorie, die Probleme oder Konflikte bei der Aneignung neuer kultureller Umwelten annimmt, behilflich sein kann, den Schocks zu erklären. Im Wesentlichen scheinen sechs Forschungsansätze zur weiteren Erklärung des Culture Shock beitragen zu können: Erstens die Annahme, dass der Schock aus mangelnden Kompetenzen, die erlernt werden können, resultiert (vgl. z.B. Adler, 1987, Original 1972). Im Rahmen der Diskussion der Lerntheorien wäre das genauer zu verfolgen (siehe unten bzw. Kap . 4.5.2). Zweitens, dass die Migration als Verlust, vor allem von Kontakt- und Beziehungsverlust erlebt wird, die einen Schock erzeugen kann, der ein generelles .jammern und Klagen' (Moaning and Mouming) zur Folge hat. Allerdings zeigen Studien, dass das nicht der Fall sein muss und die Vorhersage von Beschwerden, Problematisierungen etc. äußerst ungenau ist (Fennes & Hapgood, 1997). Ein dritter Ansatz postuliert, dass der Schock aufgrund fatalistischer Attributionen und/oder eines Kontrollverlustes zustande kommt. Dabei rekurriert dieser Ansatz auf die Attributionstheorie der Depression, wonach der Verlust externaler Kontrolle (negative Attributionen) Schockerfahrung erhöht. Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass Studien zeigen, dass Migranten einen viel stärkeren internalen Locus of Control aufweisen (Furnham & Bochner, 1986). Viertens wird angenommen, dass der Schock auf dem Prinzip natürlicher Selektion basiert, wonach jene Personen, die besser in eine neue Umgebung passen, einen weniger starken Kulturschock erfahren als jene, die nicht in eine neue kulturelle Umgebung passen. Dieser Ansatz ist meines Erachtens viel zu vage und ungenau, um ihn bewerten zu können (Corsini, 1994). Ein fünfter Ansatz bezieht sich auf einen erwartungstheoretischen Ansatz, wonach unangemessene Erwartungen zum Culture Shock führen. Zwar zeigen Studien, dass Erwartungsdiskrepanzen mit SchockSymptomen einhergehen, allerdings sprechen auch einige empirische Beobachtungen gegen diese These, Sie zeigen, dass viele Zuwanderer in einer neuen Kultur nur ungenaue Erwartungen an die neue Umwelt haben (Furnham & Bochner, 1986). Ein sechster Ansatz rekurriert auf das Konzept der Lebenserfahrungen (Furnham & Bochner, 1986), wonach negative Lebenserfahrungen, stressreiche Veränderungen, die psychologische und physische Krankheit erzeugen, oder die Konfrontation mit unterschiedlichen fundamentalen Werten sowie ein Verlust an sozialer Unterstützung (Fumham & Bochner, 1986) beziehungsweise ein Mangel an sozialen Fähigkeiten zur Schockerfahrung führen. Der Ansatz nimmt an, dass kulturelle Fähigkeiten mit geringeren Problemen im Umgang mit anderen Kulturen einhergehen. Ward (1996) beurteilt den interkulturellen Kontakt als das stressvollste Ereignis, dem sich Individuen im Akkulturationsprozess gegenüber sehen. Der Ansatz kann in Übereinstimmung mit Annahmen zur Kontakt-Hypothese gebracht werden (Nesdale & Todd, 2000), die postuliert, dass der interkulturelle Kontakt unter spezifischen Bedingungen zu einer Reduktion interkultureller Konflikte führen kann. Zu förderlichen Bedingungen gehören zum Beispiel die Legitimierung durch Autoritäten, der Kontakt auf vergleichbarer Statusposition, ein Kontakt, der nicht als bedrohlich wahrgenommen wird, oder ein Kontakt, der durch gemeinsame Interessen geprägt ist. Der .Kontakt-Ansatz' wird später noch aufgegriffen, weil er entscheidend zur Klärung beiträgt, worin die Qualität von Kontakt als wesentliche Dimension der Akkulturation sozialpsychologisch begründet ist (Kap. 6.5). Obgleich die genannten Ansätze versuchen, die Bedingungsfaktoren des Culture Shock genauer zu ergründen, sind sie (immer noch) nicht hinreichend und nicht präzise genug, um das Konzept des Schocks selbst genauer zu differenzieren. Weitaus wichtiger für die
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Forschung und für die genauere Analyse des Kulturschocks sind dagegen Theorien, die den Culture Shock als eine Stresserfahrung auffassen und den Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten als einen Prozess der Stressbewältigung verstehen. Sie werden im Folgenden näher ausgeführt und diskutiert. Die Ansätze verstehen das traditionelle Konzept des Culture Schock eher als ein Defizitkonzept (Bochner, 1986) oder eben als Stresswahrnehmung und -erfahrung,
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Akkulturation als Prozess der Stressverarbeitung und -bewältigung
Die Marginalisierungstheorien und die zuletzt diskutieren Kultur-Schock-Theorien haben bereits postuliert, dass die Aneignung kultureller Umwelten und die damit einhergehenden Veränderungen (Akkulturation) die Erfahrung eines kulturellen Schocks nach sich zieht, der in Marginalisierungsstrategien und -erfahrungen münden kann. Sie beziehen sich meist auf den ersten Kontakt von Personen und Gruppen mit einer ihnen fremden unterschiedlichen Kultur. Die nachfolgenden Modelle versuchen, die Analyse des Schocks zu präzisieren. Sie nehmen grundsätzlich an, dass der Kulturschock, der aus der ersten Erfahrung mit neuen Umwelten resultiert, als Stresserfahrung zu verstehen ist. Zweitens meinen sie, dass die konkreten Erfahrungen und kulturellen Anforderungen auf makro-, meso- oder mikrosozialer Ebene als Stressoren zu verstehen sind. Drittens fokussieren sie den umfassenden komplexen Akkulturationsprozess von prä-akkulturativen Phasen bis zu Konsequenzen (Outcomes) der Akkulturation. Viertens rekurrieren sie deutlicher als die Schock-Theorien auf die zuvor skizzierten Identitätstheorien und tragen damit zur Frage, wie Verortungen in neuen Kulturen infolge der Bewältigung von Problemen erfolgen, bei. Akkulturation wird explizit als Prozess der Stressauslösung, -bewertung, -verarbeitung und vor allem -bewältigung verstanden. Man könnte die Modelle auch im weitesten Sinne als .Problem- und Konfliktbewältigungsmodelle' verstehen, denn in ihrem Fokus liegt die Analyse der Frage, wie das Coping von Stresserfahrungen infolge von interkulturellen Begegnungen erfolgt. In Tabelle 4.5 sind diese ,Bewältigungsmodelle' der Gesamtsystematik noch einmal aufgeführt. Zu bedenken ist, dass hier explizit nur solche Theorien und Modelle aufgenommen sind, die den Prozess fokussieren. Im Rahmen der Strukturmodelle sind weitere Stress- und Bewältigungstheorien zu finden, die jedoch kaum über die Annahmen der hier verorteten Theorien hinausgehen, zumal sie sich mit spezifischen, ausgewählten Faktoren beschäftigen. Diskutiert werden im Folgenden wiederum die zentralen Modelle und dies mit einem Blick auf empirische Studien, die Auskunft darüber geben, inwieweit die Modelle und ihre Annahmen Unterstützung durch empirisch beobachtbare Akkulturationsprozesse und -phänomene finden lassen. Einen Überblick über Theorien und Modelle dieser Schock- und Stressforschung geben Bochner (2003) sowie Ward, Bochner und Fumham (2001). Die zuletzt genannten Autoren haben aus den Theorie- und Empiriebeständen ein eigenständiges Modell herausgearbeitet, das später genau vorgestellt wird. Bevor die wesentlichen Theorien erörtert werden, ist darauf hinzuweisen, dass sich traditionelle Stressmodelle grundsätzlich von modernen Bewältigungsmodellen unterscheiden. Darüber hinaus postuliert ein Modell, dass die Akkulturation primär durch die Verar-
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beitung von Bedrohungen geprägt ist. Die traditionellen Culture Shock Modelle verstehen die Wanderung als eine Erfahrung des Schocks, und die frühen Modelle differenzieren zunächst verschiedene Schock-Typen wie zwn Beispiel einen Übergangs-Schock, Selbstkonzept-Schock etc, sowie Stufen der Schock-Verarbeitung (siehe oben, vgL Ward, Bochner & Furnham, 2001). Einige Typen wurden bereits genannt. Die modemen Theorien sind dagegen komplexer und (leider auch) sehr viel abstrakter gefasst. In der Regel beinhalten sie auch Wissensbestände der in der Systematik nachfolgenden Lemtheorien.
Tab. 4 5
Copmg-Modelle zwn Akkulturationsprozess
Komplexe Stressfaktorenmodelle oder auch Rahmenmodelle
Komplexe modeme Schockund Stressmodelle
Bewältigung von Angst, Unsicherheit und Bedrohung Akkulturation und KontrolleEntscheidungs- und Aufgabenmodelle
4.5.1
Ökologisches Rahmenmodell der Adaptation von Berry, Poortinga, Segall und Dasen (1992) Rahmenmodell psychologischer Faktoren der Akkulturation auf Individual- und Populationsebene von Berry, Trimble und Olmedo (1986) Integratives Rahmenmodell der psychologischen Adaptation und des Akkulturationsstresses von Berry (1997,2001, 2003) Präzisierung im Modell der Rekonstruktion von Akkulturationseinstellungen im interkulturellen Kontakt von Horenczyk (1996, 1997) Präzisierung des Prozesses der Aktivierung von Akkulturationsstrategien nach Florack (2000) Cultural Transition Model von Ward (1996) Verhaltensoptionen und Coping nach Seelye (1996),Seelye und Wasilewski (1996) Stress Process Model of Acculturation von Flakserud und Uman (1996) Stressmodell der soziokulturellen Adaptation von Berry (1997) Model of Migration Contingencies and Acculturative Stress von Liebkind (1996a, in Anlehnung an Berry) Integrated Model of Acculturation and Intercultural Behavior Process von Landis und Bhawuk (2004, in Anlehnung an Berry) A(ffect)B(ehavior)C(ognition)-Modell der Akkulturation von Ward, Bochner und Furnham (2001) Anxiety/uncertainty management theory (AUM) (Gudykunst, 1995, 1998) Internales Modell der Auswanderungsentscheidung und Adaptation von Lüthke (1989;Lüthke & Cropley, 1989) Ökologisches Modell der Entwicklungsaufgaben und Kontrolle (Ak kulturation als Lernprozess) von Ruddat (1994;nach Bronfenbrenner, 1986)
Komplexe Stressjaktorenmodelle - oder auch Rahmenmodelle derAkkulturationsanalyse
Einige fundamentale Theorien, die hier den Stressmodellen zugeordnet wurden, sind nicht nur Stressmodelle, sondern bieten aufgrund ihrer Komplexität zugleich Rahmenmodelle für die Analyse von Akkulturationsprozessen, indem sie versuchen, möglichst viele Faktoren zu integrieren, die den psychologischen Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten erklären. Sie werden in der Forschung oft als Rahmenmodelle zitiert, ohne dass ein Verweis darauf erfolgt, dass sie auf Stresstheorien basieren, erfüllen also zwei Funktionen, die ihre
199
Systematisierung in den Kanon erschweren; was später zu diskutieren ist. Zunächst sollten noch einmal die Theorien genannt werden, die in der Systematik der Forschungsansätze als komplexe Modelle identifiziert wurden:
Komplexe Stressjaktorenmodelle oder auch Rahmenmodelle •
Ökologisches Rahmenmodell der Adaptation von Berry, Poortinga, Segall und Dasen (1992)
•
Rahmenmodell psychologischer Faktoren der Akkulturation auf Individual- und Populationsebene von Berry, Trimble und Olmedo (1986)
•
Integratives Rahmenmodell der psychologischen Adaptation und des Akkulturationsstresses von Berry (1997, 2001,2003)
•
Präzisierung des Prozesses der Aktivierung von Akkulturationsstrategien nach Florack (2000)
•
Cultural Transition Model von Ward (1996)
Die Modelle versuchen, eine Vielzahl von Bedingungen, Phänomenen und Konsequenzen der Akkulturation abzubilden. Daher konnten bereits Berrys (1997) Integratives Rahmenmodell und Wards (1996) Cultural Transition Model auch zur Systematisierung der Akkulturationsforschung herangezogen werden (Kap. 3.2). Insbesondere Berrys Modell (1997), auf das sich Ward (1996) bezieht, nimmt in der psychologischen Akkulturationsforschung eine herausragende Position ein. Es wird an vielen Stellen als allgemeines Rahmenmodell für diese Forschungsperspektive zitiert. Berry und Kollegen haben schon früh seine Analysen der Akkulturationsprozesse ethnischkulturell divergenter Gruppen in den Kontext einer umfassenden Analyse der ölrologischen Rahmenbedingungen gestellt, das sich auf jede Analyse kultureller Prozesse bezieht (vgl. auch Berry, 1993, 1996, 1997, 1997a). Das ökologische Modell kultureller Veränderungen von Berry, Poortinga, Segall und Dasen (1992) wird auffallend häufig zur Orientierung anderer Ansätze zitiert. Es verortet die Analyse der Akkulturation im Kontext der Cross-Cultural Psychology (Kulturvergleichenden Psychologie) und bietet damit einen Referenzrahmen für die Forschung. Kulturvergleichende Psychologie habe dabei die Aufgabe, die Ähnlichkeiten und Differenzen der individuellen psychologischen Funktionsweise verschiedener kultureller und ethnischer Gruppen zu untersuchen, sowie die Beziehungen zwischen den psychologischen, den soziokulturellen, den ökologischen und biologischen Variablen und die Veränderungen dieser Variablen (Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 1992). Berry et al. nehmen grundsätzlich an, dass einerseits jede Analyse kulturvergleichender Prozesse von dem ökologischen Gesamtsystem, in dem die Prozesse stattfinden, abhängt und daher der gesamte Rahmen und das Netzwerk psychologischer Funktionsprozesse zu untersuchen ist um interkulturelle Prozesse zu verstehen. the position is taken that human cognitive abilities develop in contexts that are both ecological and cultural. It is thus necessary to understand variations in these contexts if we are to arrive at a valid understanding of variations in cognitive development. This position has been referred to as the Law of Cultural Differentiation (Irvine & Berry, 1988), and is rooted in the early assertion by Ferguson (1956) that .cultural factors prescribe what shall be learned and at what age; conseu'"
200
quently different cu.ltural environments lead to the development of different patterns of ability' {So 12W (Berry,1996,S. 19)
Das gesamte Ökosystem von Individuen sei an der kulturellen Prägung beteiligt. Dazu gehöre die physikalische Umwelt, in der Menschen und Tiere in einem endlosen Prozess kultureller und biologischer Adaptation beteiligt sind, der Zustand von Nationen und Gesellschaften mit ihren umfassenden ökonomischen und politischen Institutionen, die ethnokulturellen Gruppen mit ihren kulturellen Traditionen, die über Generationen hinweg übermittelt werden und die Beziehungen, die sich in diesem System entwickeln (vgl. Berry, 1993, S. 361). In diesem Sinne prägt eben auch das gesamte Ökosystem den Prozess der Akkulturation und wäre zu ihrer Analyse zu beachten. Die Analyse der Akkulturation nimmt im Rahmen des ökologischen Modells einen besonderen Stellenwert ein. wie die Abbildung 4.3 des Rahmenmodells zeigt
ECO LC C lC h L C ONTEXT
JN F L U E N C E S
ADA PTATION
TRANSMISSIO N
C U L "T U RA L A DA P I A r l O N
TRANSMIS SION
SOCIOPOLITICAL CONTEXT
CULTuA AL
I
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~
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,ACCULTURATION
OBS E RVABL E aEHA,VIORS
rNFERRED CHARAC T ER·
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I P SYGHOLOCi I CAL OUTCO M ES
V AR l A B L E S
POPUL A TION LEVEL
Abb. 4.3
L
ECO L O G I CAL
INDIV1DUAL LEVEL
Das ökologische Rahmenmodell nach Berry, Poortinga, Segall und Oasen (1992, Fig. 1-3, S. 12)
Abbildung 4.3 macht deutlich, dass sowohl Prozesse auf der Populationsebene (Makro) als auch der individuellen Ebene (Mikro und Meso) zu bedenken sind. Diese Unterscheidung wurde bereits zur Bestimmung des Akkulturationskonzeptes in Kapitel 2 vorgenommen. Auf der Populationsebene wirken Hintergrund- und Prozessvariablen. Das individuelle Verhalten als auch die abgeleiteten psychologischen Charakteristika werden durch diese Faktoren bestimmt. Die distalen Faktoren des ökologischen und sozio-politischen Kontextes stehen in Wechselwirkung und beeinflussen die Mediatoren (Prozessvariablen). Sie könnten das Verhalten und die Eigenschaften von Individuen aber auch direkt bestimmen, wie das zum Beispiel bei einer Hungersnot der Fall sein kann" beziehungsweise im dem Fall, wenn die Ressourcen der Umwelt so gestaltet sind, dass sie sich direkt auf das Verhalten auswirken. Zur Vereinfachung sind zwei distale Einflussfaktoren des Kontextes bedacht: Einflüsse des ökologischen Kontextes und des sozio-politischen Kontextes. Der sozio-politische Kon201
text ist alles das, was der ökologische Kontext nicht ist. Unter dem ökologischen Kontext versteht Berry das Setting, in dem menschliche Organismen mit der physikalischen Umwelt interagieren. Der ökologische Kontext sei das natürlich-kulturelle Habitat (Brunswik, 1957). Er bestehe aus allen relativ permanenten Eigenschaften des kulturellen Systems, die die Grundlage für das menschliche Handeln schaffen. Darin eingebettet ist der Lebensrawn oder die psychologische Welt (Lewin, 1936). Der ökologische Kontext bestehe aus dem Lemkontext (Enkulturation, Sozialisation), dem situationalen Kontext (Bedingungen, die durch Raum und Zeit begrenzt sind und die Bühne für das situationale Verhalten bieten) und dem Einschätzungskontext (Assessment Context), der durch die Forschung gesetzt wird. Berry et al. (1992) verstehen darunter einen Satz von Beziehungen die Lebensmöglichkeiten für eine Population schaffen. Das Modell steht damit in deutlichem Gegensatz zu einem deterministischen Modell, das Umweltvariablen für alle individuellen Phänomene verantwortlich macht. Das Hauptmerkmal des ökologischen Kontextes ist die ökonomische Aktivität, die das Handeln von Individuen in Bezug auf ihre ökologische Umwelt beschreibt. Das Handeln nicht-industrieller kultureller Gruppen beschreibt Berry (1993) anhand der fünf ökonomischen Aktivitäten Jagen, Sammeln, Fischen, Hirten und Landwirtschaften. Dagegen wird das Handeln in industrialisierten Gruppen durch andere Dimensionen bestimmt wie zum Beispiel des sozioökonomisehen Status. Der Status beeinflusse in industrialisierten Gesellschaften die Adaptation eher als die ökonomischen Aktivitäten, und jede ökonomische Aktivität beinhalte eine andere Beziehung zwischen Individuwn und Habitat. Die Adaptation umfasst danach sowohl die biologische als auch die kulturelle Adaptation, die unter anderem die Akkulturation beeinflussen (zu den Grundkonzepten vgl. wieder Kap. 2.3). Sowohl die Art und Weise der biologischen als auch kulturellen Adaptation lenken das individuell sichtbare und ableitbare Verhalten. Die biologische Adaptation steuert primär die so genannte genetische Übertragung (Genetic Transmission), während die Kultur durch die Prozesse der Enkulturation und Sozialisation vermittelt werden, die durch die kulturelle Übertragung (Cultural Transmission) beschrieben ist. Akkulturation im Sinne Berrys (1997, 203; vgl. Kapitel 2) wird in dem Modell als Prozessmediator zwischen dem sozio-politischen Kontext (distal) und der kulturellen Adaptation (proximal) und dem sichtbaren Verhalten und feststellbaren kuhur-überformten Charakteristika einer Person verstanden. Die wesentlichen Faktoren der Akkulturation sind die Identität und der Kontakt beziehungsweise die Aspekte des Kulturerhaltes und/oder Kulturaufgabe, der Teilnahme und/oder Nicht-Teilnahme an den relevanten kulturellen Systemen (zum Beispiel Herkunfts- und Aufnahmesystem). Die Hintergrund- und Prozessvariablen beeinflussen wie genannt die Outcomes, die zur Vereinfachung als sichtbares Verhalten und (nicht sichtbare) abgeleitete Eigenschaften von Individuen subswniert werden. Zu den für die Analyse der Akkulturation wichtigsten Outcomes gehörten Berry et al. (1992) zufolge a) Bräuche (komplexe, anhaltende und geteilte Verhaltensmuster, die als Adaptation gelernt werden) und Verhaltensrepertoires (Handlungen, die gelernt werden; sie beinhalten Fähigkeiten, Traits und Einstellungen, die in Rollen erlernt werden oder formal und informell in einem Training bzw. einem Bildungsprozess erworben werden), b) konkrete Verhaltensweisen sowie c) Werte. Diese Indikatoren stimmen mit den meisten anderen Akkulturationsmodellen, die zuvor identifiziert worden sind, überein.
202
Das Modell umfasst äußerst komplexe Phänomene und kann mehr als die in der Abbildung eingezeichneten direkten Pfade und Feedback-Schleifen umfassen. Sowohl die Pfade als auch die Modellfaktoren können weitaus differenzierter ausgestaltet werden. Eine empirische Frage ist es, welche konkreten Faktoren letztlich tatsächlich zur Vorhersage von Akkulturation beitragen. Leider hat Berry (1993) das Modell nicht enger auf Akkulturation von Neuankömmlingen in einer Kultur bezogen und empirisch umfassend geprüft. Er hat das Modell aber zur Analyse kulturbedingter Kognition bei indigenen Völkern herangezogen und sich die Frage gestellt, wie Menschen im Alltag in nicht-formalen nichtakademischen Situationen denken. Dass das Modell nicht weiter ausformuliert und/oder geprüft wurde, ist auch dem Umstand geschuldet, dass Berry et al. es in einem umfassenderen Stressmodell eingebaut haben, das später vorgestellt wird. Insgesamt geht das ökologische Modell in engem Bezug auf die Analyse der Akkulturation kaum über die bisherigen Erkenntnisse hinaus. Akkulturation wird dabei nicht anders verstanden als es bereits dargestellt wurde (Kapitel 2). Es ordnet das Konzept der Akkulturation jedoch weitaus umfassender in den Rahmen einer kulturvergleichenden Analyse ein und fordert ein Verständnis von Prozessen der Akkulturation im Kontext interkultureller Prozesse ein. Das Konzept der Akkulturation ist aber noch zu unpräzise gefasst, um es mit den anderen Modellen zu vergleichen, daher ist das Rahmenmodell als Akkulturationstheorie wenig erkenntnisreich. Man könnte einwenden, dass das Modell über den eigentlichen Prozess der Aneignung kultureller Umwelten und deren Änderung selbst keine expliziten Aussagen macht. Es wurde dennoch als ein Prozessmodell der Akkulturation in die Systematik der Ansätze aufgenommen, weil es das Phänomen der Akkulturation deutlicher als alle anderen Modelle in einen umfassenderen Prozess einbettet. Akkulturation ist ein Prozess, der sich im Kontext mit anderen Prozessen abspielt, was gleichzeitig bedeutet, dass die Akkulturation mit den anderen Prozessen nicht verwechselt werden sollte, wie zum Beispiel dem Prozess der Sozialisation oder der Übertragung von Kulturen in andere Kulturen (Cultural Transmission). Auch wenn das Modell nicht empirisch geprüft worden ist und sich in seiner Komplexität vermutlich auch kaum prüfen lässt, setzt es einen Rahmen für die Forschung. Darüber hinaus ergibt sich sein Wert auch im Kontext der nachfolgenden Arbeiten von Berry, Kollegen und Mitarbeitern, die sich immer wieder auf das ökologische Rahmenmodell beziehen. Die nachfolgenden Modelle können daher aus als Präzisierungen des ökologischen Rahmenmodells betrachtet werden. Es wird gleich deutlich, wie diese Präzisierung aussieht. Zuvor kann aber festgehalten werden, dass Berry et al. (1992) zufolge alle Modelle der Akkulturation vor dem Hintergrund des ökologischen Rahmenmodells diskutiert werden sollten. Insofern bietet das Rahmenmodell gleichsam ein Forschungsparadigma für eine Akkulturationsforschung, die sich als eigenständige Disziplin versteht (siehe auch Kap. 1, 2 und 8). In der Akkulturationsforschung ist das Integrative Rahmenmodell der psychologischen Adaptation und des Akkulturationsstresses von Berry (1997, 2001, 2003) besonders bekannt geworden. Es beruht auf dem früheren Modell psychologischer Faktoren der Akkulturation von Berry, Trimble und Olmedo (1986) sowie der Typologie wesentlicher Einflussfaktoren auf die Akkulturation nach Berry und Sam (1997). Insbesondere diese Typologie bietet eine Präzisierung der sozio-politischen Faktoren, die im eben skizzierten Rahmenmodell genannt wurden.
203
t,ab46 ..
. d er Einfluss fak toren au f diie AkkulturatIon Trypoiogte
Faktoren Gruppen-Ebene
Merkmale
Beispiele
Herkunftsgesellschaft
Politischer Kontext ökonomische Situation demographische Faktoren Soziale Umwelt Immigrationspolitik Einstellungen zur Immigration Einstellungen gegenüber spezifischen Gruppen Ökonomische und soziale Umwelt
Krieg, Repression Armut Bevölkerungsexplosion
Vitalität Änderungen der ökonomischen, sozialen und kulturellen Merkmale
Status, Verteilung (ethnische Dichte) z.B. Sprache, Religion, Ernährung
Demographie kulturelle Faktoren personale Faktoren Auswanderungsmotivation Auswanderungsentscheidung Zweck der Emigration Vorheriges Wissen über oder Kontakt mit Aufnahmekultur Separation von sozialen Netzwerken Verlust signifikanter Anderer Akkulturationsstrategie Auswanderungswege Gefahren Länge der Wanderung Zweck der Immigration Kontakt/Teilnahme Ethnische Verdichtung in Wohnumfeld Kulturerhalt Vorurteile und Diskriminierung Status Alter Arbeitskompetenz Erwartungen Urbanisierurig
Alter, Geschlecht, Bildung, Religion Sozioökonomischer Status, Einkommen Sprache, Religion, kulturelle Distanz Gesundheit, Coping-Strategien Generationenstatus Verwandtschaftsstruktur
Aufnahmegesellschaft
Akkulturierende Gruppe
Pluralismus versus Ethnizismus Mainstream Akkulturationsstrategien Stereotype, Vorurteile, Diskriminierung
Individuelle Ebene Faktoren vor der Akkulturation
Faktoren während der Akkulturation
demographische Faktoren wie vor der Akkulturation
Castro (2003) und Cabassa (2003) haben die Systematisierung der Einflussfaktoren auf die Akkulturation jüngst revidiert. Dabei handelt es sich in den meisten Theorien um relevante Moderatoren und Mediatoren der von den Theorien als zentral erachteten Prädiktoren (z.B. Stress) der jeweiligen Adaptation. In Tabelle 4.6 ist eine Typologie aufgeführt, die die von
204
Berry (1997, 2003), Berry und Sam (1997), Castro (2003), Cabassa (2003), Mishra, Sinha und Berry (1996) sowie Sodowsky, Lai und Plake (1991) basiert. Die Autoren Berry und Sam (1997)sowie Cabasso (2003)und Castro (2003) differenzieren Faktoren, die den Akkulturationsprozess auf der Individual- und Gruppen- bzw. Populationsebene unterscheiden. Die individuelle Akkulturation wird dabei mehr oder minder explizit als Gruppenphänomen aufgefasst, zumindest resultiert sie daraus, dass ein Mitglied einer Gruppe versucht, eine neue kulturelle Umwelt anzueignen und dabei in einen intergruppalen oder eben interkulturellen Kontakt mit Mitgliedern einer anderen Kultur oder kultureIlen Gruppe tritt. Dabei hätten auf der Populations- oder Gruppenebene Merkmale der HerkunftsgeseIIschaft, der ,Aufnahmegesellschaft' sowie der akkulturierenden Gruppe einen Einfluss auf die individuelle Akkulturation. Zu den wichtigsten Merkmalen der Herkunftsgesellschaft gehörten der politische, ökonomische und demographische Kontext und die soziale Umwelt. Sie bedingten die Ausreise. Zu den wichtigsten Merkmalen des neuen kulturellen Systems auf das Neuankömmlinge dann treffen, gehörten die Zuwanderungspolitik, die Einstellungen zur Zuwanderung, die Einstellungen gegenüber spezifischen Gruppen (Stereotype, Vorurteile etc.) sowie wieder die ökonomische und soziale Umwelt. Diese stellten gewissermaßen die struktureIlen Bedingungen des neuen kultureIlen Systems dar. Dass Vorurteile, politische Rahmenbedingungen sowie die Einstellungen des kulturell dominanten Systems, wie sich Neuankömmlinge ,einzupassen haben', die akkulturativen Handlungen bestimmen, legen bereits die zuvor skizzierten ModeIIe und vor allem die empirischen Studien dazu nahe; in den Theorien wird das in der Regel übersehen. Als wesentliche Merkmale der akkulturierenden Gruppe nennt die Typologie die Merkmale der Vitalität und Änderungen der kulturellen, sozialen und ökonomischen Merkmale, die teilweise zuvor genannt wurden. Auf der individuellen Ebene werden Faktoren vor und während der Akkulturation differenziert. Diese prä-akkulturativen Faktoren beschreiben Faktoren, die vor dem Eintritt in eine neue Kultur die spätere Akkulturation beeinflussen. Dazu gehören die demographischen Merkmale, Auswanderungsmotive und -entscheidungen, kulturelles Wissen über die neue Kultur und Erfahrungen des interkulturelIen Kontaktes, die Separation von etablierten sozialen Netzwerken sowie den Verlust signifikanter anderer Personen im sozialen Umfeld. Zu den Determinanten, die während der Akkulturation einen Einfluss haben, zählen die spezifische Akkulturationsstrategie (also zum Beispiel eine integrative, assimilative oder separatistische Strategie), die zu überwindenden Wege und Gefahren der Auswanderung, die zeitliche Länge, der interkultureIle Kontakt bzw. die Kontaktoptionen, Motive und Möglichkeiten des Kulturerhaltes, Vorurteile und Diskriminierungen, der soziale und sozioökonomische Status der NeuankömmIinge, das Alter und die Erwartungen der Auswanderer. Damit bietet die Typologie eine hervorragende Übersicht über Determinanten des Prozesses und kann als Feindifferenzierung herangezogen werden. Wie die Faktoren wirken, wird nicht genauer beschrieben und ist - so die Autoren, die auf die Typologie verweisen eher eine empirische Frage der Analysen konkreter Akkulturationsphänomene. Insofern ist die Typologie zunächst hiIfreich, wenn es darum geht Akkulturationsprozesse zu untersuchen und Faktoren zu bedenken, die relevant sind. Sie wäre aber immer wieder anhand des aktuellen Forschungsstandes zu modifizieren, was bislang nur Cabassa (2003) und Castro (2003)in Anlehnung an ihre eigenen Studien getan haben.
205
Allerdings sollte man dem Verweis auf die empirische Realität - was wirkt, wird sich zeigenentschieden entgegenhalten, dass esdie Aufgabe der Theorien ist, die Faktoren und ihre Beziehungen zu benennen und prüjbare Annahmen vorzulegen! Auch ausdiesem Grunde ist die Theoriensichtung und -diskussion meines Erachtens dringend notwendig. Hilfreich und wichtig ist die Differenzierung zwischen den Einstellungen und/oder Ideologien der Neuankömmlinge und Ansässigen, die sich gegenseitig beeinflussen. Dabei wäre meines Erachtens auch noch genauer zu diskutieren, von welchem Adaptations-, Akkulturations- und Kulturkonzept man letztendlich ausgeht. Es ist zum Beispiel anzunehmen, dass die Faktoren unterschiedlichen Einfluss auf die genannten Facetten der Adaptation haben, und berücksichtigt man das Kulturkonzept, sollte es auffallen, dass die Konzepte des Wertes und der Normen gar nicht genannt sind, obgleich sie Kulturen definieren. Es stellt sich auch die zentrale Frage, in welchem Verhältnis individuelle und Gruppenfaktoren stehen. In dem Integrativen Rahmenmodell von Berry (1997) werden die genannten Faktoren in ein dynamisches Modell einbezogen. Das Modell ist außerordentlich bekannt und wird ebenso als Referenzmodell vieler Analysen zur Akkulturation zitiert (vgl. Sam & Berry, 2006; Ward, Bochner & Fumham, 2001; Chun, Organista & Marfn, 2003). Bedeutsam ist es, weil es viele Einflussfaktoren der Akkulturation unterscheidet und kausal anordnet. Damit schärft es noch einmal den Blick für die wesentlichen Faktoren der Akkulturation. Es ist meines Erachtens aber auch deshalb bedeutsam (und bekannt), weil Berry (1997) es durch eine Vielzahl an Verweisen auf empirische Studien stützt, auch wenn ich bis dato keine Studie finden konnte, die explizit einen Modelltest vorgenommen hat. Abbildung 4.4 zeigt das Modell im Überblick. Es ist deutlich erkennbar, dass es sich um ein Stressmodell der Akkulturation handelt; daher ist das Modell in der Systematik der Akkulturationstheorien auch in die Kategorie der Stressmodelle aufgenommen. Berry (1997, 2003) versteht Akkulturation grundsätzlich als einen Prozess der Stressbewältigung. Akkulturationserfahrungen könnten, je nachdem welche vorhergehenden und aktuellen Faktoren auf die Erfahrungen wirken, Stressoren erzeugen und hervorrufen, die je nach kognitiver Kontrolle und Problembewertung Stress erzeugten. Die konkrete psychologische, kulturelle, soziale und gesundheitliche Adaptation wäre eine Reaktion auf den erfahrenen Stress.
206
Obergeordnete Ebene
Individuelle Ebene Moderatoren vor der Akkulturation Aller , Cleschlecht , Bildung, Religion
Herkunft.gesellschaft PolitischerKontext Ökonomische Struktur Demographlacha Faktoren
Akkulturatlon.erfahrung Kontakt PartizIpation Probleme
Gesundheit. Sprache , Statue
PrA-akkulturatlve Wanderungsmotivation (push/pull) Migrationsafahrungen Kulturelle Dlctanz
I:~. , ~
\ t
Angst
Depression
...•.
'
...
...
Abb.4.4
str ••• Psychosomatisch Psychologisch
Kognitive Kontrolle Problembewertung
.•.....
Neue Geaellachaft Politischer Kontext Ökonomische Struktur Demographische Faktoren
\
1
Adaptation
Psychologisch Kulturell Sozial
Gesundheitlich
!
!
!
:
Moderatoren wlhrend der Akkulturation Kontroll-Diskrepanz Soziale Unterstatzung: Bewertung & Gebrauch Gesellschaftliche Einstellungen: Bewertung & Reaktion Coplng: Strategien & Ressourcen AkkulturatIonsstrategien: Einstellungen & Ressourcen
Grundmodell zur Analyse von Akkulturationsprozessen nach Berry (1995/ 1997/ 2001/2003)
Zunächst postuliert das Modell in Referenz auf die genannte Typologie von Berry, Trimb1e und Olmedo (1986)/ dass auf einer übergeordneten Ebene (Gross Level) sowohl Kontextfaktoren der Herkunfts- als auch der Aufnahmekultur die psychologischen Prozesse beeinflussen würden. Der politische, ökonomische und demographische Kontext der Herkunftskultur beeinflusse die Akkulturationserfahrungen der Neuankömmlinge. Berry nennt in seinen Publikationen (vgl. zur Übersicht z.B., 1997/ 2003) unzählige Studien, die das hinreichend nachweisen und auch die vorliegende Arbeit hat bereits viele Studien zitiert, die auf den Einfluss von Kontextvariablen verweisen. Der Kontext beeinflusst Berry zufolge insbesondere die Akkulturationserfahrungen, die zur Ausbildung von Stressoren führen können, die zunächst in solche kognitiver Kontrolle und solche der Problembewertung unterschieden werden. Faktoren auf der individuellen Ebene moderieren nach Berry die Verarbeitung dieser Stressoren. Dabei unterscheidet er zwischen Faktoren, die die Neuankömmlinge gewissermaßen ,mitgebracht' haben und Faktoren, die während der Verarbeitung wirksam werden. Zu diesen mitgebrachten Faktoren zählen demographische Hintergrundsvariablen sowie die Sprachkompetenzen, das Befinden, Ausreisegründe, spezifische Migrationserfahrungen und die kulturelle Distanz. Man könnte weitere Faktoren aus der oben genannten Typologie hinzufügen und umgekehrt Faktoren, die hier genannt sind und nicht in der Typologie auftauchen, dort entsprechend. ergänzen. Unter den Moderatoren des Akkulturationsverlaufes, also jenen Faktoren, die sich im Laufe der Annahme einer neuer Kultur ergeben bzw. bedeutsam werden, führt Berry Kontrolldiskrepanzen, die Bewertung und den Gebrauch sozialer Unterstützung, die Bewertung
207
und Reaktion auf gesellschaftliche Einstellungen (der Aufnahrnegesellschaft), Bewältigungsstrategien und -ressourcen sowie Akkulturationseinstellungen. Berücksichtigt man diese Faktoren wird deutlich, worin sich das Akkulturationsmodell von einem Stressmodell im engeren Sinne unterscheidet. Die interkulturellen Einstellungen der Mitglieder der akkulturierenden Gruppe und des neuen kulturellen Systems beeinflussen den Akkulturationsprozess. Besondere Bedeutung haben in Berrys Arbeiten insbesondere die Akkulturationsstrategien. Auch in den zuvor genannten Identitätsmodellen der Akkulturation wurden einige Strategien als Verhaltensweisen der Adaptation bereits differenziert. Die Strategien werden umständlich auf der Einstellungsebene als Orientierungen verstanden und auf der Verhaltensebene als Ressourcen (siehe Kap. 2, sowie Kap . 6.3); Berry (1997) rekurriert bei der Modellbeschreibung auf seine bekannte Differenzierung von Akkulturationsstrategien, die er anhand der Dimensionen des Identitätserhalts (wollen Neuankömmlinge in einem neuen kulturellen System ihre Herkunftsidentität erhalten und/oder die Identität der neuen Kultur adaptieren?) und des interkulturellen Kontaktes beziehungsweise der Partizipation (wird Kontakt zu den Mitgliedern der neuen Kultur gesucht oder nicht?) unterscheidet in die Integration (Erhaltung von Herkunftsidentität und Kontakt zur neuen Kultur), Assimilation (Aufgabe der Herkunftsidentität und Kontakt zur neuen Kultur), Separation (Erhalt der Herkunftsidentität und kein Kontakt) und Mtlrginalisierung (Aufgabe der Herkunftsidentität und kein Kontakt). Stimmen die Strategien der akkulturierenden und der ,aufnehmenden' Gruppe (dominante Mehrheitsgesellschaft) nicht überein, dann kann das Berry zufolge Stress bei den Neuankömmlingen erzeugen, oder direkt die Adaptation beeinflussen. Präferiert also zum Beispiel die akkulturierende Gruppe Assimilation als Orientierung und verhält sich danach und verlangt die kulturell ansässige oder dominante Kultur eine Separation, dann erzeugt dies je nach Bewertung der Diskrepanz und den Kompetenzen der akkulturierenden Gruppe diese Diskrepanz zu bewältigen, Stresserfahrungen, Stressoren und Stress. Für die Akkulturationsforschung. die sich in vielen Studien auf die Systematisierung und Identifikation von Akkulturationsorientierungen konzentriert hat, ist das besonders relevant. Strukturmodelle, die solche Konstellationen von Orientierungen analysieren, lassen jedoch den konkreten Bezug zu einem Stressmodell vermissen; sie werden in Kapitel 6.3 ausführlich diskutiert. Bei der Präsentation der Akkulturationstheorien, insbesondere der Strukturtheorien, werden noch eine Vielzahl von Systematisierungen der Akkulturationsstrategien vorgestellt und Ergebnisse zum Einfluss solcher Strategien auf die Akkulturation und Adaptation berichtet. Zur Beurteilung des Prozessmodelles ist zunächst festzuhalten, dass viele empirische Studien zeigen, dass Akkulturationsorientierungen akkulturative Prozesse beeinflussen (Berry, 2003). In Übereinstimmung mit klassischen Stressmodellen der Akkulturation (siehe unten) nimmt Berry (1997) an, dass vor allem das Unterstützungssystem der Aufnahrnegesellschaft und herkunftshomogener Gruppen sowie generalisierte Einstellungen (Ideologien) gegenüber Multikulturalität (bzw. Eingliederungsideologien) und der Aktivitäten der ethnischen Zugehörigkeitsgruppe die Akkulturationserfahrungen, Stressoren und Stresssymptome beeinflussen. In diesem Punkt vereinfacht das Modell die genannten Faktoren der oben genannten Typologie von Einflussfaktoren, geht aber mit dem expliziten Verweis auf Unterstützungssysteme, die in der oben genannten Typologie der Einflussfaktoren als Netzwerke erscheinen, ein Stück darüber hinaus. Die Annahme, dass soziale Netzwerke die
208
Akkulturation maßgeblich beeinflussen, wurde auch in einigen der zuvor skizzierten Modelle gemacht. Insbesondere Theorien des Kulturschocks sowie die Netzwerktheorien der Akkulturation, die noch genauer erläutert werden, teilen die Annahme. Da das Konstrukt sozialer Unterstützung für viele Theorien relevant ist, ist der Zusammenhang zur Adaptation in Box getrennt diskutiert. Zur Frage, wie es sich empirisch ausdrückt, sind in Box 4.6 eine reliable und valide Skala zur Erfassung von Social Support wiedergegeben. Box 4.6
Social Support als wichtiger Einflussfaktor auf die Adaptation
Soziale Unterstützung kann definiert werden als " ... an individual's perception that he or she is cared for, esteemed, and valued by people in bis or her social network, that enhances personal functioning, assists in coping adequately with stressors, and may buffer hirn or her from adverse outcomes ... " (Demaray, Malecki, Davidson, Hodgson & Rebus, 2005, 691). Ganz unabhängig von spezifischen Phänomenen, wie eben das der Akkulturation, hat die soziale Unterstützung vier Funktionen als Mittel zur Reduktion der ,verletzenden' Effekte des Stresses (House, 1981): Sie kann a) Akzeptanz und Selbst-Wert schaffen (emotionale Unterstützung), b) Affiliation und Kontakt zu anderen herstellen (soziale Gesellschaft), c) konkrete Hilfe, materielle Ressourcen und finanzielle Hilfe bieten (instrumentelle Unterstützung) oder d) Informationen bereitstellen, die zum Verständnis und zur Bewältigung von potenziell stressvollen Ereignissen beitragen (informationale Unterstützung). Alle vier Formen der Unterstützung tragen zur sekundären Einschätzung (Secondary Appraisal) bei, also der Wahrnehmung der eigenen Fähigkeit, den Stress zu bewältigen. Allerdings trägt die informationale Unterstützung auch zur primären Einschätzung (Primary Appraisal) bei, also der Einschätzung, in welchem Ausmaß ein spezifischer Stressor eine Bedrohung des Selbst darstellt. Für die Aneignung neuer kultureller Umwelten ist die informationale Unterstützung besonders relevant, denn sie basiert auf dem Austausch an Informationen mit anderen; eben z.B. der interkulturellen Kommunikation und Interaktion. Man kann davon ausgehen, dass insbesondere in den ersten Phasen der Aneignung einer neuen kulturellen Umwelt, Informationen über die Kultur relevant sind.. Die informationale Unterstützung stattet Individuen mit der Möglichkeit aus, die eigenen Reaktionen mit anderen zu vergleichen, Situationen zu verstehen und die Angemessenheit der emotionalen Reaktion einzuschätzen. Der Austausch von Informationen mit anderen kann neue Interpretationen schaffen und zur Klärung des Verständnisses über potenziell bedrohliche Situationen beitragen. Die stresstheoretische Forschung geht davon aus, dass der soziale Kontext, in dem sich Individuen befinden, einen signifikanten Einfluss auf die Reaktion auf stressvolle Ereignisse hat. Allerdings ist die Forschung über Kontexteinflüsse äußerst dürftig. Daher hat Haslam (2004) auf der Grundlage des Social Identity Approach ein komplexes Modell der Stressbewertung und -konsequenzen entwickelt, das davon ausgeht, dass die Bewertung und Konsequenzen von der Gruppenmitgliedschaft von Individuen abhängen. Die Grundannahme des Modells ist, dass ein Sinn für eine geteilte Identität (Sense of shared identity) Grundlage für das Geben und Nehmen der sozialen Unterstützung ist. Die Reaktionsweise von Mitgliedern unterer Statusgruppen hängt demnach z.B. besonders stark von dem Ausmaß ab, indem sie sich mit der Statusgruppe identifizieren können. Die Identifikation und SelbstKategorisierung sei also ein ,Pu ffer' (bzw. Moderator) für die Bewertung des Stresses und für die Entwicklung von Bewältigungsstrategien (vgl. auch Haslam, O'Brien, Jetten, Vormedal & Penna, 2005).
Box 4.7
Exemplarische Skala zur Messung von sozialer Unterstützung
Eine reliable und valide Skala zur Messung von sozialer Unterstützung von Kindern und Jugendlichen ist zum Beispiel die "Child and Adolescent Social Support Scale" (CASSS) nach Malecki und Demaray (2002; für Grundschul-Kinder erstes Item, für Jugendliche zweites Item in Zeile)
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My parent(s) . .. 1. express pride in me 2. help me practice things 3. make suggestions ... . 4. help me make decisions 5. give me good advice 6. help me make up my mind 7. help me find answers 8. praise me when I do .... 9. politely point out my mistakes 10. tell me how weIl I do on tasks
listen to me when I'm mad express pride in me help me practice things make suggestions .... help me make decisions give me good advice help me find answers praise me when I do . reward me when . tell me how weIl I do on tasks
My teacher(s) ... 11. listens if I'm upset .... 12. cares about me 13. is fair to me 14. understands me 15. explains things when .... 16. shows me how to ... 17. gives good advice 18. helps me when I want to ... 19. helps me solve problems by . 20. praises me when I've tried .
cares about me isfair to me understands me tries to answer questions explains things when .... gives good advice makes it okay to helps me when I .... helps me solve problems.. praises me when I've tried ...
My dassmates ... 21. act nice to me 22. ask me to join activities 23. do nice things for me 24. spend time doing things 25. help me with projects . 26. make suggestions when . 27. treat me with respect 28. tell me how to do new . 29. say nice things to me . 30. give me positive attention
ask me to join activities do nice things for me spend time doing things help me with projects . make suggestions when . treat me with respect ask me for suggestions say nice things to me ... notice my efforts give me positive ....
My dose friend ... 31. understands my feelings 32. makes me feel better when ... 33. helps me solve my ... 34. shows me how to do new ... 35. sticks up for me when ... 36. spends time with me when .... 37. helps me when I need it 38. asks if I need help 39. teIls me he or she likes . 40. accepts me when I make .
understands my feelings makes me feel better ... spends time with me helps me solve my ... spends time with me shares his or her things helps me when I need it gives me advice explains things when . calrns me down when .
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Viele empirische Studien, die Berry zitiert oder in anderem Kontext erwähnt werden (vgL Ward, Fumharn & Bochner, 2001), zeigen, dass mangelnde oder brüchige soziale Unterstützungssysteme Stress erzeugen und in besonderem Maße Einfluss auf Probleme der soziokulturellen Adaptation4S und der psychischen Anpassung46, insbesondere der gesundheitlichen Adaptation47 haben. 48 Dagegen präzisieren andere Studien den Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung und Akkulturation. So stellen Lee, Koeske und Sales (2004) in einer neueren Studie von 74 koreanischen Studierenden in Pittsburgh fest, dass die soziale Unterstützung nur auf die mentale Gesundheit bei hohem Akkulturationsniveau und starken interpersonalen Beziehungen wirkt. Solche Befunde sind aber vermutlich abhängig von den Gruppen, die untersucht werden, und sie stellen die These, dass sich soziale Unterstützungssyteme auf die Akkulturation auswirken, nur begrenzt in Frage. Eine aktuelle, zuverlässige Skala zur Erfassung sozialer Unterstützung hat Ong (2000)entwickelt. Die Items der Skala sind in Box 4.8 abgedruckt. Andere Ansätze und Studien - wie zum Beispiel zum Einfluss familiärer Netzwerke auf die Akkulturation (vgl. zur Übersicht Fuhrer & Uslucan, 2005; Nauck & Kohlmann, 1998; Nauck, Kohlmann & Diefenbach, 1997) - und im Besonderen die später noch vorzustellenden Netzwerktheorien der Akkulturation, setzen ihren primären Fokus auf die Analyse von Akkulturationsproblemen und -erfolgen in Abhängigkeit von sozialen Netzwerken und Unterstützungssystemen.
45 Vgl. Adelman, 1988; Amason & Holmes, 1999; Flakserud & Uman, 1996; Fontaine, 1986; Forgas & Innes, 1989; Griffith & Villavicencio, 1985; Horgan, 2000; Kovacev & Shute, 2004; Lubben & Becerra, 1987; Mena, Padilla & Maldonado, 1987; Orshan, 1996; Sanchez & Viscarra, 1995; Tata & Leong, 1994; Zuniga, 1992. 46 Vgl. Chataway & Berry, 1989; De Almeida-Filho, 1987; de Snyder, 1987; Jasinskaja-Lahti, Liebkind, Horenczyk & Schmitz, 2003; Kimbrough., Molock & Walton, 1996; Ong & Ward, 2005; Sasao & Chun, 1994; Schwarzer & Hahn, 1995; Shisana & Celentano, 1985; Solberg. Valdez & Villarreal, 1994; Solberg & Villarreal, 1997; Streltzer, Rezentes & Arakaki. 1996; Streber, 1994; Van Seim, Sam & Van Oudenhoven, 1997; Ward & Kennedey, 1993b. 47 Vgl. Almeida-Filho, 1985; Balcazar, Peterson & Cobas, 1996; Ceballos-Capitaine, Szapocznik, Blaney & Morgan, 1990; Garcia, Cartwright & Glenn, 1997; Hosch, Barrientos, Fierro & Rarnirez, 1995; Hovey, 2000; Hovey & King, 1996; Kagawa, Wellisch & Durvasula, 1997; Keefe, 1982; Kolody, Vega & Finch, 2001; Lam, Pacala & Smith, 1997; Lee, Koeske & Sales, 2004; Lee, Crittenden & Yu, 1996; Lin, Mazuda & Tazuma, 1982; Terrell, 1997; Spasojevic, Heffer & Snyder, 2000. 48 Vgl. aber die Studie von Sen (1993), die zeigt, dass neben demographischen Faktoren, weder akkulturativer Stress noch soziale Unterstützung, wohl aber eine negative Selbstbewertung einen Einfluss auf depressive Symptome von 262 Amerikanerinnen aus Korea hat. Die Studien werden hier ausführlich genannt, da sie in der Übersichtsliteratur oder von Berry selbst nicht genannt werden.
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Box 4.8
Items des Index of Sojoumer Soda! Support von Ong (2000; vgl, auch Ong & Ward, 2005)
Die Probanden werden gebeten, anzugeben, ob sie mit jemanden regelmäßigen Kontakt haben, der die unten aufgeführten Verhaltensweisen zeigt. Die Reaktion wird auf einem 5-stufigen Rating festgehalten: niemand würde das tun, jemand würde das tun, wenige würden das tun, einige würden das tun, viele würden das tun. Erfasst wird also die Erreichbarkeit sozialer Unterstützung. Ong und Ward (2005) können faktorenanalytisch 2 Dimensionen differenzieren, die hoch reliable und valide sind : sozio-emotionale Unterstützung (Itemkennung ,,5") und instrumentelle Unterstützung (I). 1. Listen and talk with you whenever you feel lonely or depressed. (5) 2. Give you tangible assistance in dealing with any communication or language problems that you might face. (I) 3. ExpIain things to make your situation clearer and easier to understand. (I) 4. 5pend some quiet time with you whenever you do not feel like going out. (5) 5. ExpIain and help you understand the local culture and language. (I) 6. Accompany you somewhere even if he/she doesn't have to. (5) 7. Share your good times and bad times. (5) 8. Help you deal with some local institutions, official rules and regulations. (I) 9. Accompany you to do things whenever you need someone for company. (5) 10. Provide necessary Information to help orient you to your new surroundings. (I) 11. Comfort you when you feel homesick. (5) 12. Help you interpret things that you don't really understand. (I) 13. Tell you what can and cannot be done in __ (the country's name). (I) 14. Visit you to see how you are doing. (5) 15. Tell you about available choices and options. (I) 16. 5pend time chatting with you whenever you are bored. (5) 17. Reassure you that you are loved, supported and cared for, (5) 18. Show you how to do something that you didn't know how to do. (I)
5iehe auch: http:Uwww.vuw.ac.nzlpsyclstaff/colleen-ward/files/isss.pdf
Die in der Literatur zitierten Studien zeigen, dass soziale Unterstützungssysteme und Netzwerke akkulturativen Stress mindern (vgl. auch Ward, Furnham & Bochner, 201). Zur Erfassung des Akkulturationsstresses liegen eine Reihe von Skalen vor (Suarez-Morales, DilIon & Szapocznik, 200749) , und in einer Reihe von Akkulturationsskalen, die nicht primär Stressoren oder Stresserfahrungen erfassen, werden diese im Kontext anderer Items dennoch erfasst (vgl. Berry, 2003). Darüber hinaus werden in vielen Instrumenten zur Erfassung des Akkulturations- oder Adaptationsniveaus explizit Stressoren und Stresserfahrungen als Indikatoren gemessen (vgl. Cawte, Biachni & Kiloh, 1968; Matsumoto, LeRoux, Ratzlaff, Tatani, Uchida, Kim & Araki, 2001; Matsumoto, leRoux, Iwamoto, Rogers, Tatani & Uchida, 2003; Padilla, Wagatsuma & Lindholm, 1985; Searle & Ward, 1990; Vasilescu, 2001). Sandhu und Aspy (1997) haben zum Beispiel eine Skala des Akkulturationsstresses für Auslandsstudierende entwickelt, die zur Veranschaulichung in Box 4.9 abgedruckt ist (vgl. auch Sandhu & Asrabadi, 1994). 49 Die Autoren legen eine gute Übersicht vor und stellen eine eigene 5tress-5kala für Kinder vor.
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Box4.9
Items und Dimensionen der Acculturative Stress Scale for International Students nach Sandhu und Aspy (1997; vgl. auch Sandhu und Asrabadi, 1994)
1. Wahrgenommene Diskriminierung Many opportunities are denied to me. I am treated differently in social situations. Other are biased to me . I feel that I receive unequal treatment. I am denied what I deserve. I feel that my people are discriminated against. I am treated differently because of my race . I am treated differently because of my color. 2. Heimweh I feel sad leaving my relatives behind. Homesickness bothers me. I feel sad living in unfamiliar surroundings, I miss the people and country of my origin.
2. Wahrgenommener Hass/Zurückweisung People show hatred toward me nonverbally. People show hatred toward me verbally. People show hatred toward me through actions. Others are sarcastic toward my cultural values. Others don't appreciate my cultural values. 3. Furcht I fear for my personal safety because of my different cultural background. I generally keep a low profile due to fear. I feel insecure here. I frequently relocate for fear of others 4. Stress, derauf den Kulturschock zurückzuführen ist
I feel uncomfortable to adjust to new foods, Multiple pressures are placed on me after migration. I feel uncomfortable to adjust to new cultural values.
5. Schuld I feel guilty to leave my family and friends behind. I feel guilty that I am living in a different lifestyle here. Antwortkategorien: jeweils 5-stufiges Rating: 1 "stimme zu" bis 5 "stimme überhaupt nicht zu".
Liest man die Items der exemplarischen Skala oder die Ausführungen zur sozialen Unterstützung für sich, dann fällt auf, dass die soziale Unterstützung auch sehr generell zum sozialen Kapital beiträgt und praktische Hilfe bietet. Sie ist nicht allein der Stressreduktion dienlich. Das wird im nächsten Kapitel im Rahmen einer sozial wissenschaftlichen Sichtweise auf Netzwerke und Unterstützungssysteme deutlich hervorgehoben (Kap. 5.6).
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Während in dem Modell von Berry (1997; Abbildung 3.1) der Stress ein Prädiktor der Adaptation ist, werden in der Forschung auch mangelnde soziale Unterstützung und/oder geringe Netzwerke als Indikator für Adaptations- und Akkulturationsprobleme selbst betrachtet. Das trifft auch auf die anderen Faktoren zu, die Berry zufolge während der Akkulturation die Erfahrungen beeinflussen, also die Kontrolldiskrepanzen, sozialen Einstellungen, Coping-Strategien und -ressourcen und Akkulturationsstrategien, die in eine Einstellungs- und Ressourcendimension unterschieden werden. Vielfach werden zum Beispiel Skalen, die diese Faktoren erfassen wie Verfahren zur Erfassung des Akkulturationsniveaus eingesetzt. Dabei müsste man dem Modell zufolge die Adaptation als Indikator des Akkulturationsniveaus gesondert messen. Insgesamt bietet das Rahrnenmodell von Berry eine gute Orientierung für die Forschung und andere Ansätze können darin verortet werden. Allerdings hat der hohe Abstraktionsgrad solcher Modelle auch enorme Nachteile, die teilweise auch bei der Diskussion der Mega-Modelle deutlich wurden (Kap. 3.2). An vielen Stellen fehlt es an Präzision, die nicht zuletzt notwendig ist, um das Modell theoretisch und empirisch zugänglich zu machen. Selbst die explizit genannten Determinanten, Moderatoren und Konsequenzen sind relativ breit und ungenau formuliert. Schließlich kann man allein zu den im Modell genannten Einstellungen alles Mögliche rechnen. Darüber hinaus lassen sich weitere Kritikpunkte nennen: Erstens bezieht Berry das Modell fast ausschließlich auf Migranten, die über nationale Grenzen wandern. Allerdings kann es auf viele Formen der Akkulturation kultureller Umwelten durch kulturfremde Individuen und Gruppen, die hier als Neuankömmlinge bezeichnet wurden, übertragen werden. Die Akkulturationserfahrungen der Neuankömmlinge sind zunächst durch den interkulturellen Kontakt, die Partizipation an Aktivitäten und wahrgenommene oder erfahrende Probleme geprägt. In Abbildung 3.3 wird nicht deutlich, dass Berry (1997) dabei primär Neuankömmlinge nicht als Individuen sondern als Mitglieder spezifischer ethnisch-kultureller Gruppen versteht, und der intergruppale Kontakt, der durch die Mitgliedschaft zu Gruppen definiert ist, relevant ist. Betrachtet man nur die Anzahl an Faktoren, die auf den Einfluss von sozialen Zugehörigkeiten akkulturierender Individuen verweisen, wird deutlich, wie bedeutsam gruppale Beziehungen und Difjerenzierungsprozesse für die individuelle Stressverarbeitung sind. Man kann gegen Berrys Modellierung einwenden, dass Gruppenfaktoren, die das kenntlich und deutlich machen, im Modell explizit nicht genannt werden, sieht man von den strukturellen Faktoren ab. So fehlen zum Beispiel Faktoren der intergruppalen Verortung oder Identität und der intergruppalen/kulturellen Differenzierung oder Differenz. Sie verstecken sich gewissermaßen hinter den Moderatoren, wie das zum Beispiel bei den Akkulturationsorientierungen, die gruppenbezogen verstanden werden, der Fall ist. Das ist meines Erachtens nicht sinnvoll. Zumindest müssten in dem Modell Faktoren erwähnt werden, die für die Transformation von individuellem Verhalten und individuellen Wahrnehmungen in intergruppales Verhalten und intergruppale Wahrnehmungen verantwortlich sind. Alternativ hätte Berry (1997) erläutern müssen, welche Faktoren individuell und welche intergruppal zu bestimmen sind. Das trifft insbesondere auf das Konstrukt der Akkulturation selbst zu, das in Erfahrungen, Kontakt, Partizipation und Probleme unterteilt wird. Das Konstrukt könnte explizit als Gruppenphänomen verstanden werden, während die
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Konstrukte der Stressoren und des Stresses eher individuelle Verarbeitungen der Akkulturation auf der Gruppenebene darstellen könnten. Analog zur vorgeschlagenen Konzeptualisierung von Akkulturation im zweiten Kapitel hätte das Modell auch stärker die Erklärungsebenen, zumindest eine interpersonale und intergruppa1e Ebene, differenzieren können (Kap. 2.1). Berry (1997, 2001, 2003) hat also insgesamt den ,Gru ppenaspekt' nicht genauer herausgearbeitet. Stattdessen hat er in seinen Modellbeschreibungen darauf verwiesen, dass Intergruppentheorien das erläutern und erklären könnten. Davon kann man aber nicht ausgehen, da die Intergruppentheorien noch nicht hinreichend auf das Phänomen der Akkulturation herunter dekliniert wurden. Man kann schon hier festhalten, dass sich auch die nachfolgenden Theorien, die sich mit intergruppalen Differenzierungsprozessen beschäftigen, ähnlich verhalten. Immer, wenn sie auf den Einfluss von Gruppenbindungen und Differenzierungsprozesse verweisen, zitieren sie häufig Intergruppentheorien - vor allem die Theorien des Social Identity Approach (vgl. Wagner & Zick, 1990;Zick, 2002) - ohne diese jedoch explizit auf die Akkulturation anzuwenden. Eine sozialpsychologische Theorie der Akkulturation kann diese Lücke füllen. Bevor dieser Versuch jedoch unternommen wird, sollen zunächst weitere Forschungsstrategien anhand der Systematik sozialpsychologisch diskutiert werden. Zweitens fällt auf, dass auch dieses Modell meines Erachtens durch zwei wesentliche Faktoren gesteuert ist: das Ausmaß der Erfahrung kultureller Differenz und den Versuch der Einbindung des Individuums in ein neues kulturelles System. Das hätte im Modell - wie bereits bemerkt - explizit gemacht werden können. Der Stress, den Individuen während der Akkulturation erfahren und verarbeiten müssen, ergibt sich aus dem Kontakt mit einem fremdkulturellen System beziehungsweise dessen Mitgliedern und aus dem Versuch, einen Ort innerhalb des Systems zu finden, der psychische, soziale, gesundheitliche und kulturelle Zufriedenheit beziehungsweise Balance ermöglicht. Drittens ist in dem Modell von Berry (1997) nicht hinreichend bedacht, dass der Akkulturationsprozess sich in verschiedenen Lebensbereichen unterscheiden kann. Es wurde bereits darauf verwiesen, dass sich die Akkulturationsorientierungen in den Lebensbereichen erheblich unterscheiden können. Das gilt auch für die anderen Modellfaktoren, insbesondere Stressoren und Stresserfahrungen. Vinokur, Trickett und Birman (2002) schlagen daher vor, nicht generelle Stresserfahrungen bei der Analyse spezifischer Akkulturationsprozesse zu berücksichtigen, sondern Daily Hassless, also alltägliche Stresserfahrungen. Dazu haben sie eine Skala in einer Studie mit 146 amerikanischen Jugendlichen russischer Herkunft entwickelt (Box 4.10). Die Skala erfasst die Lebensbereiche Schule, Familie, Peers und Sprache (vgl. auch eine reduzierte Skala zur Erfassung von Hassless vietnamesischer Flüchtlinge in Maryland, USA, bei Trickett, Birman & Persky, 2003).
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Box4.10
Items nach Lebensbereichen der Ecological Acculturative Hasseis Inventory von Vinokur, Trickett und Birman (2002)
Discrimination at School You heard people saying bad things or making jokes about Russians. A teacher told YOll that you shouldn't speak Russian in dass or in the school. You saw another Russian student treated badly or discriminated against. You were bored in dass because you already studied the material in Russia. Someone put you down for not speaking English correctly, for example, your accent. American students rejected YOll in some way. A teacher treated you unfairly because you are Russian. An American student treated you badly because you are Russian. Someone made fun of you because you did not look "American" (dothing, hairstyle, and so on) . A school administrator treated YOll unfairly because you are Russian. You got in trouble in school because you did not understand how the school rules work.
Peers You tried to make friends with an American student. You tried to make friends with a Russian student. You tried to get a date with an American guy/girl. You had an argument or fight with a Russian friend. You tried to get a date with a Russian guy/girl. You had an argument or fight with an American friend. You went out with your American boy/girlfriend along with a group of Russian friends. You had to choose whether to socialize with an American or a Russian group of friends. You had a misunderstanding on a date because of cultural differences.
English language You couldn't express a thought you had in English. Someone said something to you in English that you couldn't understand. You could not understand something that you read in a book or newspaper because it was in English. You could not understand something that a teacher said in dass because of English. You could not understand something on TV, because it was in English.
Family You had to translate for other family members: phone calls, mail, bills, TV. You had to accompany family members to appointments, to translate. You could not explain something to your parents, because they don't understand American culture. Your parents told you to speak, read, or write in Russian. You had to explain American culture to parents. You had a problem that parents could not help you with, because they do not understand the American school system. Your parents did something that embarrassed you, because they did not act like Americans. Your parents told you to speak, read, or write in English. Your parents told you that they prefer that you date a Russian. Your parents criticized you, because they think that you are becoming too American. Your parents told you that you should spend more time with Russians. People in your family accused you of not being proud of your Russian heritage. Your parents told you that they prefer that you date an American. Your parents told you that you should spend more time with Americans.
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Viertens fällt auf, dass in dem Modell Faktoren nicht speziell genannt werden, die in den Modellen zuvor salient waren. Zum einen ist die Identifikation nicht aufgeführt bzw. die Bindung der akkulturierenden Individuen. Sie ist hinter den Faktoren versteckt, die den Einfluss der sozialen Unterstützungssysteme spiegeln. Kim, Laroche und Tomiuk (2001, S. 613) verweisen in ihrem Assimilationsmodell explizit darauf: "In contrast to acculturation, ethnic identification is conceived as force that binds individuals to their old cultural roots ." Das Modell selbst ist weniger genau als das Berry-Modell und es fasst auch die Assimilation als letzte Stufe der soziokulturellen Adaptation auf, aber zurecht sagen die Autoren, dass die Adaptation durch die soziale Identifikation der Neuankömmlinge Prozesse der Akkulturation (zur) und Dekulturation (von der ,Aufnahrnekultur' ) steuert (vgl. dazu auch die integrative Theorie der Kommunikation und kulturvergleichenden Adaptation von Y. Y. Kim, 2001,siehe unten Kap . 4.5.4). Im Modell von Berry ist auch die geographische Herkunft als psychologischer Faktor bedacht. Viele Wanderungen sind durch geographische Gegebenheiten in Gang gesetzt (Naturkatastrophen, Landflucht etc.). Es ist davon auszugehen, dass Individuen, die kulturelle Differenzen wahrnehmen und daher mehr oder minder Stress erfahren, auch geographische Differenzen wahrnehmen, die mehr oder minder als kulturelle Differenzen verstanden werden. Leider ist damit die Gültigkeit des Modells auf geographische Wanderungen beschränkt. Fünftens ist das Rahmenmodell von Berry in Bezug auf die Konzeptualisierung der Akkulturationsstrategien, die eine dominante Position in Berrys Studien einnehmen, zu hinterfragen. Meines Erachtens ist die Differenzierung von Strategien, Orientierungen und Ressourcen, so wie im Modell vorgeschlagen, nicht hinreichend gelungen. Berry (1997, 2003) fasst in seiner Erläuterung des Stressmodells die Akkulturationsstrategien auf der einen Seite als Ressourcen auf der anderen Seite als Einstellungen oder Orientierungen auf. Als Strategien im eigentlichen Sinne müssten sie weitaus genauer von der Adaptation - also dem Outcome des Akkulturationsprozesses - unterschieden werden. Dabei ist auch zu bedenken, dass viele Verfahren zur Erfassung der Adaptation nicht genau zwischen den Konstrukten der Akkulturation und Adaptation trennen, wie Chun und Akutsu (2003) in ihrem Review der Verfahren zur Erfassung der Adaptation zu Recht feststellen. Die Strategie Akkulturation und Adaptation identisch zu behandeln, wie Ward und Rana-Deuba (1999) es vorschlagen, ist für die Analyse des hier diskutierten Modells von Berry (1997) wenig hilfreich. Ebenso ist der Zusammenhang zwischen den Strategien und dem erfahrenen Stress oder der Herausbildung von Stressoren noch genauer zu klären. Auf der Grundlage des Rahrnenmodells kann man annehmen, dass eine bikulturelle Akkulturationsstrategie mit weniger Stress einhergeht. Dagegen sprechen Befunde, wie sie zum Beispiel jüngst Suzuki-Crumly und Hyers (2004) vorgelegt haben. Sie zeigen in einer Studie mit 66 Black/White und Asian/White Probanden in den USA, dass eine ,biracial Identity' mit geringem psychischen Wohlergehen und geringerer intergruppaler Kompetenz zusammenhängen kann. Im Zusammenhang der Diskussion um das Konzept der Akkulturationsstrategien ist der Versuch von Horencyk (1996) interessant, das Modell von Berry durch ein revidiertes dynamisches Prozessmodell zu präzisieren. Horencyk hat Studien mit russischen Einwanderern in Israel durchgeführt. Sie hat israelische und russische Jugendliche nach ihrer Akkulturationseinstellung und der vermuteten Akkulturationseinstellung der jeweils anderen
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Gruppe befragt. Die Integration wurde von allen präferiert und die Daten zeigen Differenzen (Spannungen) in Bezug auf das Assimilationskonzept. Die Zuwanderer wollten sich weniger assimilieren, vermuteten aber die Einheimischen verlangen das von ihnen, was auch der Fall war: Die Einheimischen hatten stärkere Präferenzen für die Assimilation als die Zuwanderer, zugleich nahmen sie an, dass auch die Einwanderer diese Präferenz teilen. In einer Reihe von Studien konnten Horenczyk und Kollegen ermitteln, dass MehrheitsgeseIlschaften dazu neigen, von Einwanderern eine assimilative Akkulturationsstrategie zu verfolgen, während die Einwanderer selbst eher eine Präferenz für die Integration haben (Horenczyk, 1996/2000; Roccas, Horenczyk & Schwartz, 2000). Horenczyk vennutet, dass diese Nicht-Passung (Mismatch) der Akkulturationseinstellungen zu Konflikten führt. In einer neueren Studie mit 526 russischen Immigranten in Israel konnten Ben-Shalom und Horenczyk (2003) auf der Grundlage der Facet Theory (Facettentheorie) zeigen, dass sich, erstens, empirisch die Akkulturationsvarianten nach Berry (1997) unterscheiden lassen, zweitens, die Varianten nach positiven und negativen Einstellungen unterschieden werden können und sich, drittens, die eigene und vermutete Perspektive semantisch differenzieren lässt. Ähnlich argumentieren Strukturrnodelle der Psychologie, die sich explizit mit Differenzen der Akkulturationseinstellungen von Minderheiten und Mehrheiten beschäftigen; vor allem das Interactive Acculturation Model (!AM) von Bourhis, Möise, Perreault und Senecal (1997); allerdings differenzieren die Autoren dort nicht in Bezug auf die wahrgenommene Sicht der Minderheiten (vgl. Kap. 6.3). Die Befunde stimmen auch mit Studien überein, die zeigen, dass wahrgenommene Vorurteile - hier als Indikatoren der Differenzwahrnehmung - zu einer verstärkten ethnischen Loyalität (Padilla, 1995)/ Widerstand gegen die Assimilation (Mainous, 1989)/ Akkulturationskonflikten (Vega, Khoury, Zirnrnennan & GiI/1995) sowie Vorurteilen gegenüber anderen Minderheiten (Zick & Six, 1999b) führen. Die Vorurteile werden auch stärker von Personen wahrgenommen, die eine Separations- statt einer Assimilations-Einstellung haben (LaFromboise, Colernan & Gerton, 1993). Horenczyk (1996) betont, dass das Ausmaß der kulturellen Differenzen die Einstellungen erheblich beeinflusst (vgl. auch Horenczyk, 2000). Menschen, die starke kulturelle Differenzen feststellen und aufweisen, haben geringere Möglichkeiten der Adaptation des neuen kulturellen Kontextes und ihrer Wahl einer Akkulturationsstrategie. Das stimmt mit Berrys Grundthesen überein (vgl. auch Berry, 1997/1997a), aber der hätte den Faktor der wahrgenommenen kulturellen Differenz weitaus stärker in sein Rahmenmodell integrieren können. Im Gegensatz zu Berry, der meint, dass die Akkulturationsstrategien durch die Dimension des interkulturellen Kontaktes und der Identität bestimmt sind, meint Horenczyk, dass allein die Einstellung zur Identität (ist sie positiv oder negativ gegenüber der alten und der neuen Identität) die Akkulturationsstrategie bestimmt; die genaue Differenzierung wird noch im Rahmen der Strukturmodelle vorgestellt. Horenczyk nimmt an, dass der Prozess der Akkulturation mit einer ständigen Rekonstruktion von Sub-Identitäten verbunden ist (vgl. auch Ben-Shalom & Horenczyk, 2003). Dieser Prozess sei eingebettet in einen Prozess intragruppaler und intergruppaler Beziehungen/ der zur Rekonstruktion sozialer Identitäten diene. .Jdentity reconstruction during cultural transition is conceived as a complex process involving intricate communicational transactions, in which immigrants calibrate their identities in an attempt to make sense of what they expect and what is expected form them in their new setting." (BenShalom & Horenczyk, 2003, S. 177)
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Das heißt nicht nur, dass die Identitätsorientierungen der Neuankömmlinge, die sich in Akkulturationsorientierungen manifestieren, den Akkulturationsprozess beeinflussen, sondern auch die Wahmehrnung, welche Form oder Strategie der Akkulturation wahrscheinlich die Mehrheit von ihnen erwartet. Insgesamt erscheint mir das Konzept der Einstellung zur Akkulturation, die als Strategie aufgefasst wird, unpräzise, denn im Rahmenmodell von Berry (1997) als auch in dem Modell von Horenczyk (1996) verbergen sich dahinter sowohl generalisierte Einstellungen als auch Handlungen (Verhaltensstrategien) und Outcomes. Übersetzt man dagegen die Einstellungen zunächst mit Orientierungen, dann wird viel deutlicher, dass generalisierte Einstellungen zur Akkulturation, die Individuen selbst wahrnehmen, eine Orientierungsfunktion übernehmen, die für den Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen und fremden Kultur verantwortlich ist, das heißt also für die interkulturelle Differenzierung, die den Prozess der Akkulturation ausmacht. Florack (2000) hat in Referenz zu Berrys Studien ein Sozial-Kognitives Akkulturationsmodell (SKAM;s. Abbildung 4.5) entwickelt und in Experimenten geprüft. Man kann das Modell meines Erachtens als Prozessmodell der Akkulturation heranziehen. Es trägt insbesondere zu einer Präzisierung kognitiver und affektiver Prozesse der Entwicklung und Aktivierung von Akkulturationsstrategien bei Das Modell ist an theoretische Konzeptionen von Smith und Kollegen (1993, 1999; Smith & Ho, 2002) angelehnt, die ihrerseits auf den Social Identity Approach rekurrieren. Florack (2000) versucht, den Zusammenhang zwischen Kognitionen, dem Affekt und der Aktivierung von Akkulturationsstrategien zu erklären. Im Gegensatz zu dem Modell von Smith et al. (1993, 1999)ist das Modell allerdings an zwei Stellen erweitert: Die Schnittstelle zwischen Affekt und Handlungstendenz sowie die Schnittstelle zwischen Handlungstendenz und Handlung. Wie erwähnt konzentriert sich Florack (2000) auf die Aktivierung von Akkulturationsstrategien. "In Übereinstimmung zu dem Modell von Smith basiert es auf der Annahme, daß der Aktivierung einer Handlungstendenz eine kognitive Einschätzung der Fremdgruppe vorausgeht, die vermittelt über einen resultierenden Affekt die Qualität der Handlungstendenz bestimmt" (Florack, 2000, S. 52).
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bei erhöhter Aufmerksamkeit und Motivation .---------------------------------------,
nein
nein
!
bei erhöhter Aufmerksamkeit und Motivation
Abb.4.5
I
ja
Das Sozial-kognitive Akkulturationsmodell (SKAM) nach Florack (2000, Abb. 3.1: S. 53)
Florack postuliert in vier Annahmen, dass es im ersten und zweiten Schritt der Aktivierung einer Akkulturationsstrategie der Fall sein kann, dass in einem bestimmten Kontext eine fremde kulturelle Gruppe salient wird. Er meint, dass dann eine kognitive Bewertung der Gruppe vorgenommen wird. Die Bewertung sei darauf konzentriert, ob die Outgroup (,fremde Gruppe') bedrohlich oder hinderlich für das Selbst einer Person sei. Die Bewertung sollte unmittelbar mit einem Affekt gegenüber der Outgroup verbunden sein . Die Einschätzung der Outgroup basiere dabei auf Informationen, die durch die Salienz der Outgroup aktiviert werde. Die Informationen schlössen chronisch und temporär verfügbare Informationen ein. "ANNAHME 1: Der Affekt gegenüber einer Fremdgruppe variiert in Abhängigkeit verfügbarer Informationen. Die Art des Affekts basiert dabei auf der kognitiven Bewertung der verfügbaren Informationen. Bei positiver Bewertung sollte ein positiver Affekt, bei negativer Bewertung ein negativer Affekt resultieren." (Florack, 2000, S. 57)
Im dritten Schritt werde dann eine spezifische Akkulturationsstrategie aktiviert. Gemeint
sind die Strategien, die Berry (1997) identifiziert, also die Befürwortung von Integration, Assimilation, Separation oder Marginalisierung. Der Prozess ist in zwei Annahmen zusammengefasst. "ANNAHME 2: Bestehen keine Bedingungen, die dem Individuum eine Prüfung des aktivierten Affekts anzeigen, folgt aus dem Affekt unmittelbar eine Akkulturationsstrategie. Positiver Affekt geht dabei mit Akzeptanz und eigener Anpassung (Integration), negativer Affekt mit einer forcierten Anpassung der Umwelt (Assimilation, Segregation, Exklusion) einher." (Florack, 2000, 5.58) "ANNAHME 3: Wenn bestimmte Informationen dem Individuum anze igen, daß der Affekt gegenüber einer Gruppe nicht auf repräsentativen Aspekten der Fremdgruppe basiert und wenn nach
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einer subjektiven Theorie des Individuums der Affekt die eigene Handlungstendenz determiniert, dann resultiert eine Handlungstendenz, die auf einer korrigierten Bewertung der Fremdgruppe beruht." (Florack, 2000, S. 59)
Im vierten Schritt werde Florack zufolge dann eine Handlung erfolgen. "ANNAHME 4: Ist eine aktivierte Akkulturationsstrategie mit einer salienten Verhaltensnorm nicht vereinbar, wird sie anhand der Norm adjustiert, und es resultiert eine Handlung, die im Einklang zu der Norm steht." (Florack, 2000, S. 61)
Die Präferenz für eine Akkulturationsstrategie werde in Handlungen überführt, die mit der Strategie verbunden ist, zum Beispiel der Unterstützung einer Partei mit einem bestimmten Zuwanderungskonzept. Parallel zur Handlungstendenz werde eine Verhaltensnorm abgeleitet, die auf situationalen Gegebenheiten und persönlichen Standards beruhe. Die Einbindung der Standards in das Modell funktioniere nach dem Prinzip der Dissonanztheorie nach Festinger (1957).Zusätzlich geht Florack (2000) davon aus, dass zwischen der kognitiven Bewertung, dem Affekt, der Aktivierung einer Akkulturationsstrategie und der Handlung ,Korrekturen' möglich sind. Florack hat das Modell in vier Experimenten geprüft und Bestätigung für die Annahmen gefunden. Das Modell ist für die Akkulturationsforschung auch deshalb hilfreich, weil es darauf hinweist, dass Akkulturationsstrategien keine stabilen Überzeugungen sind, sondern mit affektiven Bewertungen variieren. Dabei ist die Beziehung zwischen Affekt und Akkulturationsstrategie nicht linear. In neueren experimentellen Studien können Florack, Bless und Piontkowski (2003) nachweisen, dass saliente Affekte auch das Ausmaß interkultureller Kompetenz, hier gemessen an Cultural Diversity, bestimmen. Allerdings verwendet Florack das Konzept der Akkulturationsstrategie nur im klassischen Sinne, das heißt als Präferenz für die Art und Weise, wie Einwanderer sich an die kulturelle Umgebung (in seinen Studien Deutschland) adaptieren sollten. Geprüft werden Akkulturationsorientierungen. Eine akkulturative Handlungsstrategie ist mit dem Modell nicht vorhersehbar. Diese Kritik trifft auch auf die zuvor skizzierten Modelle, die sich auf das Rahmenmodell von Berry (1997) und insbesondere seiner Differenzierung von Akkulturationsorientierungen beziehen, zu (siehe oben). Wie die Präzisierung durch Florack (2000) zeigt, bietet das Integrative Rahmenmodell nach Berry trotz der genannten Kritikpunkte eine durchaus gute Grundlage für einen sozialpsychologischen Blick auf den Verlauf der Akkulturation, zumal man es als Prozess- und Strukturmodell lesen kann. Wie die Diskussion der Faktoren der sozialen Unterstützung, aber insbesondere der Akkulturationsstrategien zeigt, lässt sich das Modell präzisieren. Kein anderes Modell ist so umfassend wie das Stressmodell und viele der nachfolgenden Theorien beziehen sich auf das Modell. Kein anderes Modell legt den Eindruck so nahe, dass der Akkulturationsprozess ein Prozess der Verarbeitung von Differenz ist, der aus dem Kontakt eines Mitgliedes einer kulturellen Gruppe mit Mitgliedern einer neuen Kultur resultiert. Leider wird empirisch nur eklektisch durch den Verweis auf viele Studien, die sich mit einzelnen Beziehungen zwischen den Modellfaktoren beschäftigen gestützt (vgl. Berry, 1997,2003). Castro (2003) hat erstmalig die wesentlichsten Annahmen des Berry-Modells auf der Grundlage eines eigenen gruppenbezogenen Modells der Akkulturation geprüft. Castro identifiziert auf der Grundlage des Modells, des Social Identity Approach sowie Modellen der ethnischen Identität und des Selbstwertes wesentliche Faktoren der Akkulturation und
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psychologischen Adaptation. Sie hat in ihrer Studie 1.174 Schüler in Costa Rica untersucht, die zwischen 13 und 22 Jahre alt waren. Darunter waren 408 Afro-Kariben und 766 "Weiße". Sie hat sämtliche Modellfaktoren nach Berry (1997) operationalisiert und in den beiden Untersuchungsgruppen die Passung des Modells geprüft. Die Ergebnisse sind äußerst komplex und es ergeben sich sehr gruppenspezifische Modelle. Allerdings zeigt sich auch, dass die ethnische Identifikation der stärkste Einflussfaktor auf den personalen Selbstwert der Befragten ist. Zudem zeigt sich, dass die Mitglieder ethnischer Minderheiten (AfroKariben) im Vergleich zu den Mitgliedern der Mehrheitskultur eine stärkere ethnische Diskriminierung erfahren, einen geringeren sozialen Status wahrnehmen, stärker interethnische Kontakte aufweisen und ihrer ethnischen Herkunft mehr Bedeutung für ihr Leben zumessen. Castro weist darauf hin, dass die wahrgenommene Diskriminierung und der geringe Ingroup-Status eine wesentliche Quelle der Bedrohung des Selbstwertes, eines geringen Commitment zu ethnischen Bezugsgruppen und negativen Einstellungen gegenüber Mitgliedern der ethnischen Ingroup darstellen. Der interethnische Kontakt erweist sich dagegen als Prädiktor positiver interethnischer Einstellungen und einer positiven ethnischen Identität. Diese Zusammenhänge unterscheiden allerdings die befragten Gruppen. So hängt zum Beispiel das Commitment zur eigenen Gruppe bei den Befragten der Mehrheitskultur eher vom relativen Ingroup-Status und weniger von der wahrgenommenen Diskriminierung ab, während in der Gruppe der schwarzen Schüler die wahrgenommen Diskriminierung und nicht der Ingroup-Status ein signifikanter Prädiktor der ethnischen Identität ist. Der interethnische Kontakt, die wahrgenommene Diskriminierung und der wahrgenommene Ingroup-Status sind - wie Berry (1997) postuliert - die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Akkulturationsstrategie. Schwarze Befragte mit positiven interethnischen Kontakten präferieren die Integration und Assimilation als Akkulturationsstrategie, während die wahrgenommene Diskriminierung eher mit einer Separationsstrategie einhergeht. Befragte der dominanten Mehrheit präferieren ebenso bei positiven interethnischen Kontakte die Integration und Assimilation von Minderheiten, während jene, die ihren sicheren Ingroup-Status bedroht sehen, eher eine Separationsstrategie und bei unsicherem Status eine Marginalisierung von Minderheiten präferieren. Alter, sozioökonomischer Status und Geschlecht haben nur einen moderaten Einfluss auf die nachfolgenden Faktoren im Modell. Es lässt sich vor allem feststellen, dass weibliche Befragte positivere interethnische Einstellungen aufweisen als männliche Befragte. Castro kann darüber hinaus zeigen, dass die Ethnizität bedeutsamer ist bei Befragten, die in lokalen Räumen mit höherem Anteil ethnischer Gruppen leben. Die ethnische Identität ist stärker mit Gefühlen der Selbstachtung verbunden. Allerdings scheinen die interethnischen Einstellungen weniger von dem personalen Selbstwert abzuhängen. Die Präferenz einer Integrationsstrategie hängt mit psychischem Wohlbefinden zusammen. Insgesamt zeigen die empirischen Analysen von Castro, dass zwei wesentliche entgegen gesetzte Faktoren die Akkulturation und Adaptation in pluralen Gesellschaften beeinflussen: Bedrohungsquellen und der interethnische Kontakt. Im Gegensatz zu den Annahmen von Berry (1997) haben vornehmlich der Kontakt und weniger die ethnische Identifikation einen Einfluss auf die Adaptation. Deutlich sind dagegen die Bedrohungseffekte, die für eine intergruppale Perspektive auf das Phänomen der Akkulturation sprechen. Die Bedrohung bezieht sich dabei vor allem auf die Bedrohung des relativen bzw. subjektiv wahrgenommenen Statuses. Der Statusfaktor hat damit mehr Bedeutung als die Akkulturations-
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theorien ihm weithin zumessen. Castro unternimmt keine Modifikation des Rahmenmodells nach Berry. Die folgenden Ansätze sehen das jedoch explizit vor . Kritisch anzumerken ist auch, dass Castro - wie fast alle Studien, die im Kontext der Prüfung der Annalunen von Berry (1997, 2003) zitiert werden, den Akkulturationsprozess nicht untersucht hat. Das liegt auch daran, dass die meisten Studien zum Modell Querschnittstudien sind. Es fehlt schlichtweg eine Analyse, wie der Prozess genau verläuft. Ebenso ist es überhaupt fraglich, inwieweit die Studie von Castro eigentlich eine Studie zur Akkulturation ist, da beide untersuchten Gruppen Einwanderergruppen sind und die Einwanderung beider Gruppen bereits historisch ist. Die Studie berührt kaum das Phänomen der Akkulturation, so wie es im 2. Kapitel definiert ist. Insgesamt kann das skizzierte Modell von Berry auch als Grundlage für die in der Systematik nachfolgende Klasse der Stress-Modelle zugrunde gelegt werden (bei Liebkind, 1996a/b, ist es explizit zugrunde gelegt und um Faktoren erweitert, die bei Flüchtlingen eine besondere Rolle spielen wie zum Beispiel traumatische Kriegserfahrungen). Sie basieren auf ähnlichen Annahmen und Prozessvorstellungen (eben der Differenzierung in Stressoren, Stress und Coping-Strategien) und unterscheiden sich deutlich von den danach folgenden Lernmodellen, Kommunikationstheorien, den Netzwerk-Theorien und den Theorien, die stärker die Gruppenbeziehungen zur Erklärung von Akkulturationsphänomenen in den Vordergrund stellen. Ward (1996) hat ein alternatives Rahmenmodell zu dem diskutierten Modell von Berry (1997) entwickelt. Das Cultural Transition Model stimmt in den zentralen Aspekten und Annahmen weitenteils mit dem Modell nach Berry überein. Abbildung 4.6 zeigt das Modell im Überblick. Die Übereinstimmungen zum Modell nach Berry (1997) sind auffällig, auch wenn die Modellfaktoren teilweise anders geordnet sind. Im Gegensatz zu Berry (1997) differenziert Ward (1996) jedoch explizit auf der Ebene der individuellen Faktoren, die den kulturellen Übergangsprozess (bzw. den AkkuIturationsprozess) moderieren, zwischen Eigenschaften der Person und der Situation. Ferner postuliert Ward (1996) im Gegensatz zu Berry (1997), dass der interkulturelle Übergang ein signifikantes Lebensereignis (Critical Life-Event) ist, das ungewohnte Veränderungen und neue Formen des interkulturellen Kontaktes umfasst. Obgleich der Prozess als stimulierend, herausfordernd, verwirrend oder desorientierend wahrgenommen werden kann, seien Individuen vor allem in der frühen Phase der Aneignung von Kulturen, selten hinreichend ausgerüstet, mit den Anforderungen der neuen, herausfordernden Situation und den neuen, ungewöhnlichen sozialen Interaktionsmustern umzugehen. Das könne, wie bei Berry (1997) postuliert, zu Stress, aber auch zu (wahrgenommenen und objektiven) Fähigkeitsdefiziten führen. Unabhängig von dem Stressausmaß und den Defiziten verlangten personale und situationale Faktoren eine Bewertung und Handlung. Diese könne in kognitiven, behavioralen und affektiven Reaktionen des Stressmanangements und der Aneignung kulturspezifischer Fähigkeiten bestehen.
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SOCIETY OF SETTLEMENT • Social factors • Political factors • Economic factors • Cultural factors
SOCIETY OF ORIGIN • Social factors • Political factors • Economic factors • Cultural factors
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CROSS-CULTURAL TRANSITION • Life changes • Intercultural contact
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SOCIETAL LEVEL VARIABLES
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Abb.4.6
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829 deutsche Befragte und n> 797 türkische Befragte, Interviews mit n = 1.790 deutschen Jugendlichen, n = 407 türkischen Jugendlichen und n = 265 Aussiedlerjugendlichen; Befragung von n = 4.906 deutschen Schülern und n = 1.078 türkischen Schülern) haben Heitmeyer und Kollegen die Formen der (Des)Integration, ihre Moderatoren und Folgen empirisch ermittelt (Heitmeyer & Anhut, 2000). Die Ergebnisse der vielen Teilprojekte lassen sich leider nicht einfach zu einem gemeinsamen Bild zusammenfassen, die für die direkte Theorienprüfung notwendig wäre; allerdings sprechen die Teilergebnisse für viele der Annahmen von Anhut und Heitmeyer. Darüber hinaus sind die Studien nicht explizit zu einer Analyse des Akkulturationsprozesses durchgeführt worden, daher können die Ergebnisse nur in Teilen auf den Prozess übertragen werden. Es ist aber auch zu beachten, dass Anhut und Heitmeyer (2000a) selbst darauf verweisen, dass "einfache Deutungsmuster" der Ergebnisse der Analysen sowie Strategieannahmen nicht auszumachen sind und die Gefahr der Reduktion von komplexen Sachverhalten besteht. Das ist dennoch eher unbefriedigend, als die Theorie Komplexität eigentlich reduzieren sollte oder man die Aussage auch als Widerlegung der Thesen deuten kann oder sogar sollte, solange keine plausiblen alternativen Erklärungen vorliegen.
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Insgesamt zeigt sich aber deutlich, dass bei Kindern und Jugendlichen, die in Schulklassen untersucht wurden, die Integration mehr durch die mikro-soziale Umwelt als durch meso- oder makro-soziale Strukturen beeinflusst wird. Die Schiller unterschiedlicher kultureller Herkunft werden sich im Entwicklungsverlauf in ihren Einstellungen und sozialen Beziehungen immer ähnlicher. Die schulische Gemeinschaft und Identität entwickelte sich unabhängig von der kulturellen Herkunft, dabei lassen sich mehr Konflikte und Abgrenzungen in binationalen Klassen finden als in multikulturelIen Klassen (vgl. Dollase, Bieler, Ridder, Köhnemann & Woitowitz, 2000). Anhut und Heitmeyer (2000a, S. 553-554) fassen die Befunde wie folgt zusammen: "Nicht die faktische wirtschaftliche Benachteiligung von Ausländer/innen behindert von deren Seite die Kontaktintegration. sondern - wie bei der deutschen Wohnbevölkerung - die Angst vor Identitätsverlust. tr
Der Befund stimmt mit vielen der zuvor skizzierten psychologischen Akkulturationstheorien überein, die das Konstrukt der Identität als primär akkulturationsrelevant betrachten. Bei den befragten Jugendlichen Deutschen, Türken und Aussiedlern erweist sich, dass unabhängig von ihrer kultureIlen Herkunft, eine problematische individueII-funktionale Systemintegration mit Konfliktbereitschaften und Gewalt gegen Personen anderer kultureller Herkunft zusammenhängt (Müller, 2000). Es soIIte jedoch bedacht werden, dass unklar ist, ob dabei Bildungseinflüsse kontrolliert wurden. Dabei zeigt sich auch, dass die Gewaltbereitschaft nicht auf den Faktor Kultur zurückzuführen ist und der Anteil ethnischer Minderheiten keinen unmittelbaren Zusammenhang zum Ausmaß ethnisch-kultureIIer Konflikte oder Gewaltbereitschaften hat. Unter den befragten deutschen und türkischen Erwachsenen lassen sich erhebliche interethnische Konflikte feststeIlen (Schröder, Conrads, Testrot & Ulbrich-Herrmann, 2000). Dabei kommen gleichermaßen Schuldzuschreibungen, Forderungen nach Ungleichbehandlung und Regelkonflikte vor. Bei den befragten Deutschen beeinflussen vor allem Etabliertenvorrechte die Ethnisierung sozialer Probleme und das Gefühl der Beeinträchtigung durch die Anwesenheit von türkisch-islamischen Gruppen. Schröder, Conrads, Testrot und Ulbrich-Herrmann (2000) haben unter anderem Einwohner in Duisburg, Wuppertal und Münster danach befragt, ob sich .Ausländer' in ihre Sprache, Lebensweise und Kultur an die deutsche Gesellschaft anpassen sollten. Ihre Analyse zeigt, dass der AssimiIationsdruck in Duisburg, einer Stadt mit höherem Zuwandereranteil und höherer Arbeitslosigkeit, signifikant stärker ausgeprägt ist als in Wuppertal und Münster; was meines Erachtens auf kulturelle oder emisehe Differenzen hinweist, und es spiegelt die von Elias und Scotson (1994) entworfene Etablierten-Außenseiter-Beziehung in der Befragung zu sozialen Problemen wider. Es zeigt sich zudem, dass das formale Bildungsniveau, die Wahrnehmung der Sinnlosigkeit politischer Teilnahme, negative Einstellungen zum inter-ethnischen Zusammenleben und die Angst vor Kriminalität den Rückgriff auf Etabliertenvorrechte signifikant beeinflussen (vgl. Sehröder et al., 2000 S. 184ff.). Die Projekte machen auch deutlich, dass die sogenannten bewegenden Themen in den untersuchten Stadtteilen die Wahrnehmung von Integrationsproblemen und inter-ethnischen Konflikten erheblich beeinflussen (Tezcan, 2000). Sehr öder et al. (2000)weisen dabei ausdrücklich darauf hin, dass die Asymmetrie in den M1lchtstrukturen von Minderheiten und Mehrheiten einen erheblichen Einfluss auf die
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Wahrnehmung von Konflikten und die Abwertung von ethnischen Gruppen hat . Sie resümieren ihre Analyse wie folgt: "Auf beiden Seiten - sowohl in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als auch in der türkischen Minderheit - münden Prozesse wechselseitiger Nichtanerkennung oder verzerrter Fremdwahrnehmung nicht selten in Prozesse der Abgrenzung. Auch Prozesse der Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit auf deutscher Seite einerseits, die Abwertung anderer Minderheiten und der Mehrheitsbevölkerung sowie eine ethnisch-kulturelle Selbstaufwertung und Abschottung auf türkischer Seite andererseits müssen in diesem Zusanunenhang genannt werden. Ähnlich wie bei Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft zeigen sich bei Teilen der türkischen Minderheit die Muster der Ethnisierung und auch der Ausgrenzung anderer Minderheiten." (Schröder et al.,2000, S. 192)
In den Studien findet sich das aus der Sozialpsychologie bekannte Phänomen der horizontalen Diskriminierung (White & Langer, 1999) wieder. Wenn sich Minderheiten als Sündenböcke wahrnehmen, dann geben sie diese Erfahrung an andere statusniedrigere Außenseiter wie zum Beispiel Asylbewerber und/oder Spätaussiedler weiter. Insgesamt zeigt sich, dass interethnische Konfliktpotenziale und Integrationserfahrungen in beiden Gruppen - der statushöheren autochthonen Mehrheitsgruppe und den statusniedrigen allochthonen Minderheitengruppen - eng zusammenhängen. Das ist meines Erachtens ein wichtiger Hinweis für die sozialpsychologische Analyse von Akkulturationsprozessen. Es zeigt sich zum einen, dass Integrations- und damit Akkulturationsprozesse nicht auf eine Gruppe beschränkt sind. Zum anderen weisen die Studien darauf hin, dass die sozialpsychologischen Prozesse, die die Integration fördern, für alle Gruppen ähnlich sind. Die ethnische Bindung oder kulturelle Herkunft hat einen Einfluss auf die soziale Integration, wie alle zuvor skizzierten Modelle annehmen, aber sie zeitigt diesen Einfluss eben nicht in jedem Bereich gleichermaßen. Die Ethnisierung von Konflikten, die Desintegrationserfahrungen in den unterschiedlichen Bereichen möglich macht, ist nicht auf eine Gruppe beschränkt, sondern sowohl in Mehrheits- als auch in Minderheitengruppen vorzufinden. Drittens zeigt der Ansatz, dass zwischen der Mikro-, Meso- und Makro-Ebene Verbindungen und Wechselwirkungen bestehen. Das kann man an den bewegenden Themen deutlich machen. Sie werden auf allen Ebenen (Makro-, Mikro- und Meso-Ebene) diskutiert, ethnisiert und zu Konfliktfällen stilisiert. Die von Heitmeyer und Mitarbeitern vorgestellten Studien zeigen, auch wenn das meines Erachtens weder theoretisch noch empirisch hinreichend genug explizit gemacht wurde, dass Integrationsprozesse dadurch behindert werden, dass auf der Makro-Ebene (zum Beispiel im politischen Raum) Themen polarisiert werden, die über die Meso-Ebene (ethnische Gruppen) an die Mikro-Ebene (Individuen) vermittelt werden, sodass von den (am Akkulturationsprozess) beteiligten Individuen Konflikte wahrgenommen werden, die ihrerseits die Grundlage von Abwertungs- und intergruppalen Differenzierungsprozessen bilden. Die Debatte zum Islamismus, der über muslimische, christliche und viele andere Gruppen gerichtet wird und dort als Gruppenkonflikt an die Indivdiuen vermittelt wird, wäre ein Beispiel dafür. Insgesamt bietet der Ansatz damit eine relevante Grundlage, die im Gegensatz zu den psychologischen Akkulturationsmodellen und den zuvor vorgestellten AssimiIationsmodellen, die Adaptation neuer kultureller Umwelten nicht auf Probleme im Sinne von Krisen, Stresserfahrungen etc. der beteiligten Minderheiten reduziert. Wesentlich sollte für die Akkulturationsforschung die Differenzierung der Integrationsebenen sein. Die These liegt nahe, dass Akkulturation auf den drei wesentlichen Integra397
tionsebenen unterschiedlich verläuft oder ausgeprägt sein kann. Die Differenzierung der Beurteilungsdimensionen der Integration ist dabei besonders interessant, weil sie als Kriterien der psychologischen Anpassung und soziokulturellen Adaptation herangezogen werden können. Nur muss die Theorie dann eben auch auf die Frage nach den Aneignungsprozessen und im Kontext der bestehenden, hier vorgestellten Theorien diskutiert werden. Allerdings muss in Bezug auf die Desintegrationstheorie, soll sie auch als Akkulturationstheorie ernst genommen werden, auf weitere Schwachstellen aufmerksam gemacht werden (neben den problematischen, da nicht theoriekonformen oder unerwarteten empirischen Befunde, die für einfachere Theorien sprechen). Erstens ist kritisch zu bemerken, dass der Ansatz bislang auf der empirischen Ebene noch zu sehr durch eklektische Ergebnisse aus vielen eigenen Studien der Vertreter der Desintegrationstheorie gestützt wird. Zweitens ist die Trennung in objektive und subjektive Indikatoren der Desintegration noch nicht hinreichend gut differenziert. Drittens stellt sich die Frage, ob modernisierungstheoretische Annahmen für den Ansatz notwendig sind. Die beschriebenen Dynamiken sind nicht allein modeme Phänomene. Ich vermute, dass einige der beschriebenen Zusammenhänge deutlicher durch traditionelle Bildungs- und damit verbundene Statusunterschiede als durch Desintegrationsindikatoren erklärt werden können. Die Prüfung einer solchen These wäre dringend erforderlich, um die Desintegrationstheorie zu verteidigen. Viertens sollten die Indikatoren der Integration und Desintegration klarer definiert werden. Das gilt für die soziologischen als auch psychologischen Dimensionen, die die Theorie anspricht. Aus psychologischer Sicht kommt es dabei entscheidend darauf an, den Zusammenhang von Desintegration und Anerkennung genauer zu bestimmen. Anerkennung ist ein relevantes psychologisches Konstrukt, aber das muss präzise gefasst sein. Bisweilen wird die Anerkennung als Dimension der Integration, bisweilen als eigenständiges Konstrukt gehandelt. In der Forschung zum Konzept des Ostracism liegen meines Erachtens interessante Ansätze vor, die die psychologischen Facetten der Desintegration genauer beschreiben könnten (vgl. zum Beispiel die neuere Studie von Maner, DeWall, Baumeister & SchaUer,2007). Dabei sollte auch empirisch geklärt werden, ob Desintegration tatsächlich negative psychologische Effekte hat, und welche konkreten akkulturativen Handlungen nahe liegen. Gegenwärtig fokussiert die Theorie gewissermaßen als Kriteriumsvariable desintegrativer Prozesse intergruppale Konflikte, Vorurteile und rechtsextreme Orientierungen beziehungsweise Gewaltneigungen von Individuen und Gruppen. Selbst zu diesen Aspekten fehlt noch eine genauere theoretisch fundierte Analyse darüber, wie und unter welchen Umständen Desintegrationserfahrungen in der Bereitschaft zu intergruppalen Differenzierungsprozessen münden. Dazu müsste die Theorie weitaus expliziter als sie das bislang tut, alternative Theorie diskutieren und deren Annahmen in das Modell aufnehmen. Das ist ein entscheidender Aspekt, der sich für die Akkulturationsforschung um ein weiteres Problem ergänzt. Die Vertreter der Theorie präsentieren noch keine expliziten Annahmen dazu, wie Individuen und Gruppen sich ihrer Meinung nach kulturelle Systeme aneignen. Das ist nicht ihr Fokus, wäre aber notwendig, wenn die Theorievertreter meinen, sie könnten auch die Aneignung von gesellschaftlichen Systemen erklären; das sie das meinen, deutet sich unter anderem im Fokus auf die Migrantenstudien an.
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Fünftens stellt sich die Frage, inwieweit nicht letztendlich das Modell auf einer klassischen Statustheorie sozialer Ungleichheit beruht, Integration und Desintegration also letztendlich Folge von intergruppalen Statuskonflikten sind. Auch hierzu ist ein vergleichender Theorientest notwendig, der bislang ausbleibt. Übersieht man die einzelnen Befunde, die von der Theorie präsentiert werden - im Rahmen der Akkulturationsanalyse sind vor allem die Studien über Minderheiten- und Mehrheitenbeziehungen relevant -, dann sind viele Befunde mit bestehenden Theorien konform. Es stellt sich die Frage, ob die Desintegrationstheorie letztendlich nicht auf eine erkenntnisreiche Systematik von Phänomenen und Ebenen integrativer Prozesse reduziert werden kann, ihren Status als Theorie damit aber verspielt. Um dem vorzubeugen, wäre es notwendig, dass die Theorie sich deutlicher von anderen Theorien abgrenzt und wirklich präzise Vorhersagen macht. Sechstens bietet die Theorie mehr als viele andere Modelle der Sozialwissenschaften, Ansatzpunkte den Prozess der Integration und Desintegration zu verstehen. Sie versteht explizit die Integration von Minderheiten - empirisch konzentriert sie sich auf die Beziehungen von autochthonen Mehrheiten (Einheimischen) und Minderheiten mit Zuwanderungshintergrund - im Rahmen eines Prozesses. Desintegration lässt sich nicht als Momentaufnahme hinreichend repräsentieren. Wäre es möglich, Akkulturationsphänomene, also Phänomene der Kulturaneignung, stärker in den Fokus der Theorie zu rücken, dann böte die Theorie ein echtes Prozessmodell. Dazu müsste sie sich aber von einem Fokus auf die Desintegration als Konsequenz (Outcome) gesellschaftlicher Prozesse lösen. Siebtens räumt die Theorie, wie der Ansatz von Elias und Scotson (1965) dem Raum, beziehungsweise den räumlich-strukturellen Gegebenheiten, einen besonderen Stellenwert ein, indem sie in ihrer umfassendsten Studie Stadtgesellschaften und ethnische Beziehungen fokussiert. Achtens fokussiert bei allem die Theorie meines Erachtens noch zu sehr die Perspektive der Beziehung von Mehrheiten und Minderheiten und weniger Interaktions- und Kommunikationsmuster von dominanten und sub-dominanten einheimischen Gruppen; zumindest in den empirischen Studien zu den Stadtgesellschaften drängt sich dieser Eindruck auf. Damit wird ein sehr wesentlicher und besonderer Aspekt der Theorie gemindert, der in den Studien über Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Gewalt stärker zum Ausdruck kommt (vg1. dazu Heitmeyer, 2002-2007). Integrations- und Desintegrationsprozesse finden in allen gesellschaftlichen Gruppen statt, also auch in Subgruppen einer dominanten Mehrheitsgesellschaft. Die These liegt nahe, dass Subgruppen der Mehrheitsgesellschaft, die auf den zentralen Integrationsebenen Desintegration erfahren, genauso wie Migranten, die neu in einer Mehrheitskultur sind, dieselben sozialen und psychologischen Aufgaben zu bewältigen haben und ähnliche Erfahrungen machen. Nimmt man diese Kritikpunkte ernst und versucht, sie durch TheorieReformulierungen und empirische Studien so zu wenden, dass sie auch eine Akkulturationstheorie generiert, dann ist die Theorie jenem Theorieverständnis sehr nahe, das in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen wird. Integration und Desintegration können als zwei Pole eines Kontinuums der Interaktion von Einheimischen und Gruppen mit differentem kulturellem Hintergrund verstanden werden und Bindungen, sind nach der Theorie und meinem Grundverständnis als intergruppale Beziehungen zu kennzeichnen, die durch Differenzierungsprozesse gekennzeichnet sind.
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5.9
Resümee zu den sozialwissenschaftlichen ProzessmodelIen
Die Vorstellung und Diskussion der Ansätze und Annahmen der sozialwissenschaftlichen Prozessmodelle machen deutlich, dass die Modelle an eine sozialpsychologische Sicht direkt oder mittelbar anschlussfähig sind. Die frühen Modelle sind dies, denn sie sind in beiden Disziplinen - Psychologie und Sozialwissenschaft - explizit verortet. Sowohl die psychologischen Akkulturationstheorien als auch die sozialwissenschaftlichen Migrationstheorien, die sich mit Akkulturation beschäftigen, fokussieren den Akkulturationsprozess als einen Prozess, der durch Fremdheit, Marginalität und Assimilation infolge eines Kulturschocks bestimmt wird. Die neueren sozialwissenschaftlichen Modelle seit den 1990er Jahren sind mittelbar anschlussfähig. insbesondere in ihrer Fokussierung auf das Konstrukt der Identität und dessen Zusammenhang zur Assimilation sowie der Diskussion des Prozesses der Integration. Im Folgenden werden einige Hauptannahmen der sozialwissenschaftlichen Prozessmodelle so zusammengefasst, dass sie psychologisch verständlich und explizierbar werden. Die sozialwissenschaftlichen Prozessmodelle unterscheiden sich grundsätzlich von den psychologischen darin, dass sie, erstens, auf das Konzept der Assimilation und später auch der Integration fokussiert sind. Die psychologische Akkulturationsforschung hat demgegenüber die Konstrukte der Integration und Adaptation in den Vordergrund gestellt sowie dem Konstrukt der Akkulturation einen eigenständigen Status beigemessen. Eine explizite sozialwissenschaftliche Akkulturationsforschung ist meines Erachtens nicht erkennbar. Die sozialwissenschaftliche Analyse der Akkulturation bewegt sich weiterhin primär im Rahmen der Migrationsforschung. Zweitens fokussieren die sozialwissenschaftlichen Modelle stärker auf Statusdifjerenzen zwischen Neuankömmlingen in einer Kultur in Folge von Migration und Einheimischen. Der Status ist dabei in vielen Theorien durch strukturelle Ressourcen definiert. Die frühen Prozessmodelle sind im ursprünglichen Sinne Kulturschock-Modelle, wie sie im 4. Kapitel ausführlich vorgestellt und diskutiert wurden. Wesentlich anders sind alle Modelle in ihrem Fokus auf den Einfluss von strukturellen Bedingungen der Akkulturation, was der disziplinären Sicht genuin ist. Die frühen Modelle - insbesondere der Chicago School und des Race Relation Cycle - weisen darüber hinaus deutlicher als die psychologischen Modelle auf den Raumbezug von Akkulturation hin. Wie genannt, unterliegt den Studien der Chicago School die Annahme, dass der Raum Akkulturationsprozesse ermöglicht
oder behindert, zum Beispiel indem er mit Handlungsmäglichkeiten verbunden ist, und in derräumlichen Verortung Statusunterschiede manifestiert sind. Nach dem Race Relations Cycle finden in dem Raum, in dem Einwanderer sich ansiedeln, Kontakt und Wettbewerb statt, mithin ein Prozess der intergruppalen Differenzierung im sozialpsychologischen Sinne. Nach einer einfachen Kontakthypothese (Allport, 1954)ist der Kontakt Vorbedingung der ethnischen Identifikation und setzt die Assimilation an die Mehrheitskultur in Gang (vgl. dazu auch Kap. 6.5). Zwar wurde angezweifelt, dass die Assimilation notwendige Folge spezifischer Intergruppenprozesse ist, sie also ausbleiben kann, nicht aber, dass der Kontakt zwischen Gruppen die Akkulturation im Besonderen beeinflusst. Dabei ist noch einmal hervorzuheben, dass einige Ansätze zu einer konträren
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Kontakt-Hypothese kommen, indem sie postulieren, dass der interkulturelle Kontakt zumindest zu Beginn einer Interaktion zu Konflikten und Wettbewerb führen kann.ö Das unterstützt die These, dass der Prozess der Akkulturation ein Prozess des Aushandelns ist, also ein Prozess interkultureller Balancierung, wobei diese wiederum durch die Balancierung von sozialen und ökonomischen Lebensbedingungen bestimmt sei, so jedenfalls die vielen Modellen unterliegende Grundannahme. Dabei fällt auch auf, dass dem Einfluss von Stereotypen und Vorurteilen in vielen Modellen erhebliches Gewicht zugemessen wird. Diese Zusammenhänge werden auch in den späteren Ansätzen zur Etablierten-Außenseiter-Beziehung und in der Desintegrationstheorie besonders hervorgehoben. Zudem betonen viele Ansätze, vor allem die klassischen Ansätze von Eisenstadt (1954), Richardson (1957), Gordon (1986) und Esser (1980), dass Identifikationen im Sinne von ZugehörigkeitsgefühIen den Akkulturationsprozess bestimmen. Implizit tun das fast alle Ansätze der Sozialwissenschaften. Besonders deutlich wird das in Essers (1980) Rational Choke Modell. Esser hat auf der Grundlage der bis dahin bestehenden Theorien den meines Erachtens umfassendsten Integrationsversuch gemacht. Dabei hat er vor allem das Assimilationskonzept genauer bestimmt. In gewissem Sinne ist das Modell ein sozialpsychologisches Konsistenzmodell. Assimilation ist als finaler Zustand ein Zustand der rationalen Konsistenz. Dabei sind neben den strukturellen Ressourcen (Sprache, ökonomisches Kapital etc.) die psychologischen Motive und Handlungen entscheidend. Die daraus folgenden Modelle fokussieren darüber hinaus die Entwicklung subkultureller Phänomene, wie zum Beispiel die Bildung ethnischer Kolonien oder einer Binnen-Integration in ethnisch homogenen Gemeinschaften. Insgesamt bieten die soziaIwissenschaftlichen Prozessmodelle eine Reihe von Anknüpfungspunkten für die psychologische Forschung, wobei die zentralen Konstrukte mit denen die Forschung operiert in eine gruppenpsychologische Perspektive zu übertragen ist. Anders: Die sozialwissenschaftliehen Modelle können sozialpsychologisch rekonstruiert werden (wie das weitenteils in der Darstellung erfolgt ist) und ergänzen damit die psychologischen Prozesstheorien vor allem bei der Analyse des Konstruktes der Assimilation. Genau das Konstrukt der Assimilation ist aber noch einmal zu hinterfragen. Zwar trägt die Differenzierung der neueren Forschung erheblich zur Präzisierung bei - insbesondere die Ausführungen von Esser (1980) und Alba und Nee (2003) -, aber dem oftmals assimiIationistischen Dogma, das Akkulturation als Assimilationsprozess beschreibt, sind einer Reihe von Fragen entgegenzuhalten. Erstens, ist zu fragen, inwieweit die Modelle tatsächlich den Prozess der Assimilation hinreichend beschreiben. Die frühen Assimilationsmodelle kommen einer Prozessbeschreibung am nächsten, indem sie Stufen und Phasen der Akkulturation beschreiben. Die späteren Modelle und Theorien lösen sich in der Kritik an starren Stufenmodellen, die empirisch nicht nachweisbar sind, von einer genaueren Prozessbeschreibung, und konzentrieren sich eher auf die Analyse von intergruppalen (bzw. interkulturellen) und individuellen Prozessen und der Frage, inwieweit sie letztendlich im Prozess zur Assimilation beitragen bezie-
Indirekt spricht auch der empirisch zuverlässig ermittelte überraschende Befund von Putnam (2007), dass Diversity Solidarität soziales Kapital reduziert, dafür.
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hungsweise den Prozess beeinflussen. Das, was Prozessmodelle ausmacht, nämlich die genauere Beschreibung von Kausalitäten zwischen den relevanten Konstrukten wird in den meisten modemen Modellen auf die Studie der kausalen Relationen von mikro-sozialen Phänomenen reduziert. Der Wanderungsprozess, mit dem die Forschung begann, gerät dabei in den Hintergrund. Dieses Schicksal teilt die sozialwissenschaftliche Prozessanalyse mit der psychologischen Analyse von akkulturativen Prozessen. Die Theorien bieten eher Einsichten und Annahmen über Prozesse mit ungenauer zeitlicher Verortung. Diese Kritik mag aber zugleich überzogen erscheinen, da sich viele der postulierten Mikro-Prozesse zeitlich gar nicht genau beschreiben lassen und eher eine zeitlich unbestimmte Dynamik widerspiegeln. Zu denken wäre hier etwa an die kausale Klassifikation der Assirnilationsvarianten in den diversen Modellen oder die Facetten der Integration in der Desintegrationstheorie. Aber die Dynamik selbst wäre in einigen Modellen genauer zu bestimmen, um sie einer empirischen Analyse zugänglich zu machen. Zu fragen wäre zum Beispiel: Was sind die genauen Moderatoren und Mediatoren zwischen den kausal verorteten Varianten der Assimilation? Diese Kritik meint dabei nicht, dass die Modelle fragwürdig sind, nur eben an vielen Stellen einer Präzisierung bedürfen. Dazu konnten einige sozialpsychologische Anschlüsse entwickelt werden. wie etwa die gruppenpsychologische Perspektive, die unter Berücksichtigung von Vermittlungsfaktoren den Zusammenhang von Prädiktoren und Ausdrucksformen der Assimilation erklären kann. Zweitens wäre aus einer sozialpsychologischen Perspektive der Akkulturationsforschung an die gesamte Assimilationsforschung zu fragen, warum sie die Assimilation auf die Zuwanderer in einem kulturellen System fokussiert. Deutlich erkennbar ist dabei auch die Gleichsetzung von Assimilation und Aufwärts-Mobilität, die sich im Wesentlichen in der Annahme ausdrückt, wer sich assimiliert steigt sozial und ökonomisch auf (zur Kritik vgl. Gans, 2007, bzw. s.o.), Im Gegensatz dazu wird in der Psychologie das Assimilationskonstrukt auch anders betrachtet. Erstens hat die psychologische Forschung das Phänomen der Assimilation nicht nur als Adaptationszustand betrachtet, sondern auch als Orientierung im Sinne einer generalisierten Einstellung oder eines intendierten Zielzustandes (mehr dazu auch in Kap. 6.3). In einer Reihe von empirischen Studien zeigt sich, dass Mehrheitsmitglieder die Assimilation quasi als normative Ideologie für die Neuankömmlinge (im Kontext der sozialwissenschaftliehen Forschung die Migranten) präferieren, aber nicht unbedingt die Zuwanderer selbst (vgl. Aycan & Kanungo, 1998; Ben-Shalom & Horenczyk, 2003; Zick et al., 2001; sowie die Diskussion in Kapitel 4). Dabei ist, drittens, zu bedenken, dass in der Regel die Assimilation unvollständig ist, was die neueren Prozessmodelle der Sozialwissenschaften durchaus berücksichtigen. Brown und Bean (2006) zeigen zum Beispiel, dass das vor allem auf die zweiten und dritten Generationen von Immigranten zutrifft, die im Vergleich zur ersten Generation höhere Assimilationsniveaus erreichen. Empirische Studien zeigen, dass selbst spätere Generationen ein geringeres Bildungsniveau, geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und eine geringere ökonomische Mobilität aufweisen als Einheimische. Die Assimilation sei verzögert und unvollständig. Eine wesentliche Frage wäre dann, welche Faktoren die Verzögerung erzeugen und nicht primär, welche Faktoren die Assimilation fördern oder behindern. Brown und Bean sehen vor allem anhaltende Diskriminierungen als Verzögerungsfaktor. Damit rückt die Reaktion von dominanten Mehrheiten - eben statushöheren Einheimischen - in
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den Vordergrund der Analyse. Esser (1980) hat das zwar in seiner Theorie angedeutet, aber auch noch nicht hinreichend genau in Annahmen dargelegt. Viertens fällt in diesem Kontext auf, dass klassische Assimilationstheorien - zumindest jene, die sich auf den US-amerikanischen Kontext beziehen - die Annahme vertreten, dass Migranten als ethnische und rassische soziale Gruppen zu verstehen sind. "Oassic, racial/ethnic disadvantage, and segrnented assimilation theories were constructed in the context of black-white models of racial/ethnic relations that apply much less forcefully to new arrivals from Latin America and Asia, whose histories and contemporary experiences differ considerably from those of both blacks and European immigrants. Racial/ethnic disadvantage perspectives and segrnented assimilation tend to perceive the new immigrant groups as nonwhite minorities subject to discrimination in the manner of African Americans. Classic assimilation tends to emphasize that the new immigrants are non-black. Therefore, classic assimilation envisions newcomers gradually becoming accepted and integrated into American society across time and generations." (Brown & Bean, 2006, S. 72)
Damit lassen sie sich zwar einfach bestimmen, aber das ist meines Erachtens nicht hinreichend. Im Sinne einer Akkulturationsforschung müssten sich die vorgestellten Modelle sämtlich daran messen, inwieweit sie zur Erklärung der Akkulturation von Neuankömmlingen in einem neuen, ihnen kulturell differentem System beitragen. Das mag als Anspruch überzogen sein, aber im vorliegenden Kontext ist das ein wesentliches Kriterium zur Aufnahme von Theorien und Modellen in dem Kanon einer Akkulturationsforschung und daher relevant. Der Rekurs auf die Analyse von Assimilationsprozessen ist in diesem Zusammenhang auch nicht hinreichend. Bean und Stevens (2003) und Lee und Bean (2004) meinen in ihrem Model oj Changing Identiftcational Assimilation, dass die Assimilation auf der Ebene der Identifikation betrachtet werden muss; ähnlich könnte man mit Esser (1980) argumentieren, der das Konstrukt der Identifikativen Assimilation vorschlägt. Dabei verweisen Bean et al. auf den empirischen Befund, dass sich in den USA Immigranten aus höheren und niedrigeren Statusgruppen besonders stark mit ihrer ethnischen Gruppe identifizieren im Vergleich zur Identifikation als Amerikaner. Die starke ethnische Identifikation im Zuge des Assimilationsprozesses könne reaktiv (downward assimilation aufgrund von Diskriminierungserfahrungen), selektiv (aufgrund des Versuches, ökonomische Vorteile zu erarbeiten), oder symbolisch (aus dem Motiv des Erfolgsstrebens, z.B. in höhere Statusgruppen zu gelangen) interpretiert werden. Fünftens wäre in diesem Zusammenhang die Relation struktureller, sozialer und psychologischer Faktoren noch genauer zu bestimmen. Die meisten sozialwissenschaftlichen Prozessmodelle messen den strukturellen Faktoren eine primäre Bedeutung zu. Es wäre aber zu bedenken, dass sich das Konstrukt der Identifikation oder präziser der Identität, das ja von vielen Prozessmodellen als primär betrachtet wird, von der ökonomischen Entwicklung entkoppeln kann (Waters, 1990). Das heißt aber auch, dass ökonomische Faktoren keine hinreichende Grundlage als Indikatoren einer Assimilation bieten, die eo ipso durch die Identifikation geprägt ist. Leider konnte keine überzeugende sozialwissenschaftliche Prozesstheorie ausgemacht werden (siehe oben), und auch die neueren Modelle wie die Desintegrationstheorie, diskutieren meines Erachtens den Zusammenhang von Modernisierungsund Integrationsprozessen und Prozessen der Identifikation nicht hinreichend genau. Als Zwischenresürnee muss aber auch noch betont werden, dass der besondere Beitrag der sozial wissenschaftlichen Ansätze meines Erachtens weiterhin darin besteht, dass sie im 403
Gegensatz zu den psychologischen Theorien gesellschaftliche Prozesse in die Analyse der Akkulturation mit einbeziehen. Selbst wenn sie hier oft so erscheinen, als wenn auch sie den Fokus auf individuelle Faktoren richten, kann ihre Stärke im Rahmen der Akkulturationsforschung darin bestehen, genauere theoretische Auskünfte und empirische Methoden darüber bereit zu stellen, wie gesellschaftliche Strukturen auf den Prozess wirken und diese wiederum durch den Akkulturationsprozess verändert werden können. Die psychologischen Ansätze betonen immer wieder die Relevanz dieser Faktoren für den Prozess der Akkulturation, können selbst aufgrund ihres begrenzten theoretischen Fokus eine hinreichende Gesellschaftsanalyse aber nicht vorlegen. Wenn sie zum Beispiel betonen, dass Schichten und Statusdifferenzen den Prozess beeinflussen, dann sollten die sozialwissenschaftliehen Ansätze durch ihre Theorien sozialer Ungleichheit wertvolle Beiträge dazu leisten können. Auch für die psychologische Akkulturationsforschung (zumal jene die postuliert, dass gesellschaftliche Prozesse mit psychologischen Prozessen einhergehen) ist die Diskussion über den Zusammenhang von Modernisierungsprozessen und Akkulturation wichtig und meines Erachtens erst noch ausführlich zu führen. Viele Anknüpfungspunkte zwischen psychologischer und sozialwissenschaftlicher Forschung wurden genannt. Hilfreich ist meines Erachtens auch die Diskussion der psychologischen Implikationen über die Thesen gesellschaftlicher Bewegungen und Ungleichheiten. Treibel (1990) hat ihre Übersicht und Diskussion der sozialwissenschaftliehen Theorien und die Beobachtung gesellschaftlicher Veränderungen durch Migration in drei Thesen zusammengefasst, die ich explizit befürworte und die hervorragend sozialpsychologisch interpretiert werden können. "These 1 Moderne Gesellschaften sind keine spannungsfreien Gebilde. Die Einheimischen geben die Spannungen, denen sie als Mitglieder moderner, differenzierter Gesellschaften ausgesetzt sind, an die Zugewanderten weiter. Sie setzen diese einem Modernisierungsdruck aus und schließen gleichzeitig die Reihen gegen sie. These 2 Der Mobilitäts- und Modernisierungsvorsprung, den die Wandernden im Moment der (Aus-)Wanderung haben, schrumpft, je mehr sie sich vom Herkunftskontext lösen und je mehr sie ihre Normen aus der Aufnahme- bzw. Einwanderungsgesellschaft beziehen. Die Einkommensund Statusverbesserung, die ihnen im Vergleich zur Herkunftsgesellschaft in der Regel gelungen ist, wird durch die Randlage (Marginalität) in der Aufnahmegesellschaft beeinträchtigt. Gleichgültig, wie sehr sich die Zugewanderten eingegliedert haben, in Krisensituationen können sie wieder als nicht-dazugehörig definiert und marginalisiert werden. These 3 Aufgrund von Kriterien wie Langansässigkeit, Unauffälligkeit, Homogenität und programmatischen Konzepten wie ,Integration oder Rückkehr' gibt man den Zuwanderern und Zuwanderinnen den Status von Nicht-Gesellschaftsmitgliedern. Im Umgang mit Zuwanderinnen und Zuwanderern sind die Menschen in modernen Gesellschaften noch relativ traditionell." (Treibel, 1990, S. 168-169)
Die erste These begründet Treibel mit der Beobachtung vieler Theorien und Studien, dass modeme Gesellschaften soziostrukturell differenzierter sind als traditionelle Gesellschaften, ihre Mitglieder sozial und räumlich mobiler, schulisch und beruflich besser ausgebildet, von Verwandtschaftsbeziehungen weniger abhängig und weniger einer sozialen Kontrolle unterworfen sind. Dadurch entstünde weniger ein Fremdzwang als viel mehr ein Selbstzwang (Elias & Scotson, 1965). Es ergäbe sich ein Zwang zur Statussicherung, Oberflächlichkeit, Lieblosigkeit etc. (Lerner, 1969). Aus dem Wohlstandsgefälle resultiere Migration, die, so wäre meines Erachtens zu ergänzen, Akkulturationsprozesse in Gang setzt. Wiederum spielen hier M11cht- und Statusunterschiede eine Rolle, denn Treibel verweist darauf, dass modeme Gesellschaften auf eine Verringerung von Machtunterschieden drängen, was mehr
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Konflikte zur Folge habe. Interkulturelle Konflikte, die im Fokus einer sozialpsychologischen Analysestehen, sind also durch Modernisierungsprozesse erzeugt. Treibel führt fort, dass die Reaktionen der Zugewanderten auf wahrgenommene Ungleichheiten Konflikte schaffen, insbesondere dann, wenn sie ein Wir-Gefühl - eine soziale Identität meines Erachtens - entwickelten, das die Hierarchie der Einheimischen stört. Die sozialpsychologischen Ursachen, die durch strukturelle gesellschaftliche Entwicklungen erzeugt werden, entsprechen in weiten Teilen jenen Ursachen, die auch die Social Dominance Theory von Sidanius & Pratto (1999) für intergruppale Konflikte identifiziert und verantwortlich macht. Die Theorie postuliert, dass Mitglieder von Gesellschaften, die die soziale Hierarchie der Gesellschaft - zum Beispiel jene zwischen Migranten und Einheimischen präferieren, motiviert sind diese durch so genannte hierarchie-legitimierende Mythen aufrechtzuerhalten, die letztendlich die Diskriminierung legitimieren. Die Reaktion von Einheimischen auf die Akkulturationsbemühungen von Neuankömmlingen in ,ihrer Kultur' ist konfliktär, das heißt sozial distanzierend, diskriminierend und/oder differenzierend, wenn sie wahrnehmen, dass die soziale Hierarchie durch die Einwanderung in Gefahr gerät. Modernisierungsprozesse, so wie sie beschrieben werden, bergen also die Gefahr oder Notwendigkeit intergruppaler Differenzierungsprozesse, wenn sie traditionelle Statussysteme verändern. Der gesellschaftlichen Entwicklung entspricht eine sozialpsychologische Dynamik. Treibel (1990)führt weiter zur ersten These aus, dass informelle interethnische Kontakte Vorraussetzungen für den Eingliederungsprozess seien, wie viele interaktionistischen Assimilationstheorien meinen (siehe oben). Das wiederum stimmt mit den Annahmen der Kontakthypothese im Rahmen der psychologischen Akkulturationsforschung überein (vgl. Bochner, 1982a). Sie stellt der Kontakt-These aber die These gegenüber, dass in modemen Gesellschaften die Assimilation oder Eingliederung - damit meint sie aus psychologischer Sicht die Integration - nicht mehr von Kontakten abhinge, sondern von dem Interesse am öffentlichen Leben (Lerner, 1969). Damit markiert sie eine psychologisch interessante Gegenthese zur Kontakt-Hypothese: Nicht ein mangelnder Kontakt in einer individualisierten mobilen modemen Gesellschaft erzeugt den Konflikt zwischen Gruppen, sondern mangelndes gesellschaftliches Interesse und, so sollte man in Anlehnung an die Desintegrationstheorie nach Anhut und Heitmeyer (2000) präzisieren, mangelnde Partizipationsmöglichkeiten, Teilhabechancen, Möglichkeiten der Identitätskonstruktion etc., wobei sie meines Erachtens eher einen passiven Begriff von Partizipation verwenden, indem sie weniger auf aktive Partizipation als auf Partizipationsmöglichkeiten verweisen. Legt man diese Kriterien an modeme Gesellschaften an und beobachte die Mentalitäten der Einheimischen, dann seien modeme Gesellschaften, so Treibel (1990), aber auch überraschend traditionell. Auch in modemen Gesellschaften hätten Eltern- oder Prirnärbeziehung weiterhin immense Bedeutung, das Recht auf Privatleben hätte absolute Priorität und Gruppenbeziehungen seien sehr rigide. Ein weiterer Grund für Spannungen könne darin bestehen, dass die Anwesenheit weniger konformer, mobiler Menschen den Einheimischen den unbewältigten sozialen Wandel vor Augen führt. Vor allem Einheimischen, deren eigener Aufstieg und eigene Mobilität noch nicht gesichert sind, oder die - so meine These neidisch im Sinne eines sozialen Vergleichsprozesses sind, ist daran gelegen, die Zugewanderten auszugrenzen (neofeudale Absetzung). Eine mögliche Reaktion der Aufrechterhaltung der sozialen Hierarchie und Ordnung kann die Etablierung der Unterschichtung sein. Im Bereich persönlicher Beziehungen schließt man die Reihen gegen die Neuankömmlinge und
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gibt den Modemisierungsdruck an die Zugewanderten weiter. Der Kontakt allein sei also keine Gewähr für spannungsfreie Zustände. Nimmt man die These ernst, dann würde das auch bedeuten, dass der Kontakt, der neben der Identität alsdie wesentliche Dimension von Akkulturationsorientierungen und -strategien betrachtet wird (vgl. die Theorien in Kapitel 4) weniger bedeutsam zur Erklärung interkultureller Differenzierungsprozesse ist. Damit markiert Treibel (1990)meines Erachtens die Ambivalenz interkultureller Kontakte: Kontakte erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung von Ähnlichkeiten aber auch von Wettbewerb, die beide aber als Bedrohung der Ordnung, Gruppenmerkmale, Identitäten etc. wahrgenommen werden können. Die zweite These knüpft hier an. Treibel nimmt an, dass der Mobilitäts- und Modernisierungsvorsprung, den dieWandernden haben, schrumpft, je mehr sie sich vom Herkunftskontext lösen, und je mehr sie ihre Normen aus der neuen Kultur schöpfen. Möglichkeiten der Statusverbesserung seien durch Marginalisierung behindert, und unabhängig von ihrem Eingliederungsniveau können Zugewanderte in Krisensituationen wieder als nichtdazugehörigdefiniert und ausgegrenzt (marginalisiert nach Treibel) werden. Treibel meint, dass der Prozess durch die Demographie von Wanderern getragen wird. Sie seien räumlich, psychologisch und sozial mobiler, jünger und gesünder. Im Verlauf der Akkulturation verliert Wanderung den Charakter eines ökonomischen Projekts und da aufgrund der Gegenreaktion der Einheimischen (siehe oben) eine identifikative Assimilation (Esser, 1980, siehe oben) oft nicht erreicht werde, gewinnt die Ethnizität und Ethnic Community an Bedeutung. Differenzen in ethnischen Kategorien werden in Krisenzeiten reaktiviert. Nach der dritten These würde der Prozess der Ausgrenzung und Distanzierung in modemen Gesellschaften wiederum durch Kriterien wie Langansässigkeit, Unauffälligkeit, Homogenität und programmatische Konzepte wie ,Integration oder Rückkehr' getragen. Sie konsolidieren den Status von Nicht-Gesellschaftsmitgliedem. Damit reagierten Einheimische traditionell. "Nach unserer Auffassung zeigt der Umgang mit Zuwanderinnen und Zuwanderern, daß die Flexibilität und Modernisierungskapazität moderner Gesellschaften nicht ausreicht. (... )Mit Hoffmann-Nowotny (1973) vertreten wir die Auffassung, ,daß es nicht sosehr darum geht, ob die aufnehmende Gesellschaft die kulturellen Unterschiede akzeptiert, sondern ob sie die zentralen Statuslinien für die Einwanderer öffnet oder sie weitgehend geschlossen hält' (a.a.O.: 172)." (Treibel, 1990, S. 178-179)
Damit schließt Treibel ihre Theorienübersicht und Darstellung empirischer Migrationsstudien bis Ende der 1980er Jahre mit der Einsicht, dass die Akkulturation sich letztendlich nach Statuskriterien bemisst. Die Thesen hält Treibel (2003) aufrecht. Das bedeutet nicht, dass die in den im vorliegenden Kapiteln diskutierten Prozesse und Faktoren, die nicht direkt den Status betreffen, irrelevant sind. Es bedeutet, dass die Frage der Aufrechterhaltung und Veränderung sozialer Ordnung, die durch die Identität (Gemeinschaftsbildung) und den sozialen Status definiert ist, für den Prozess der Akkulturation aus soziologischer beziehungsweise sozialwissenschaftlicher Sicht, primär ist. Auch aus sozialpsychologischer Sicht empfiehlt sich demnach eine Analyse der Akkulturation als intergruppale Differenzierungsprozesse zwischen Zugewanderten in einem System und Einheimischen oder Etablierten auf der Grundlage der Statusdynamik. Es liegt nahe, Akkulturation im Ralunen der 406
Social Identity Theory und Social Dominance Theory genauer zu verstehen, wie es Padilla und Perez (2003) vorschlagen (Kapitel 4).
5.10
Von den Prozess- zu den Strukturtheorien
Nachdem in den vorausgegangen beiden Kapiteln Theorien vorgestellt und diskutiert wurden, die auf die Analyse des Prozesses der Akkulturation konzentriert sind beziehungsweise vorgeben, den Prozess zu beschreiben, werden in den folgenden beiden Kapiteln Theorien und Modelle vorgestellt, die einzelne oder mehrere Faktoren, die in dem Prozess relevant sind, im Zusammenhang mit der Akkulturation analysieren. Exemplarisch seien Theorien genannt, die das Konstrukt der Identität, das in den allermeisten Prozesstheorien als Explans oder Explanandum von Akkulturation hervorgehoben wird, explizieren und in Zusammenhang mit der Akkulturation bringen. Die Trennung zwischen Prozess und Strukturtheorien ist analytisch, und man mag meinen, überflüssig, denn jede gute Prozesstheorie sollte die Faktoren, die sie benennt, hinreichend gut darlegen. Der einfache Fall liegt aber nicht vor. Es ist komplizierter, und die analytische Trennung wird das nicht nur deutlich machen, sondern soll helfen, die bisherigen Forschungsdefizite kenntlich und überwindbar zu machen. Eine Reihe von theoretischen Äquivalenzverzerrungen könnte so besser als bislang gelöst werden. Erstens ist festzuhalten, dass sich selbstverständlich bisweilen Prozess- und Strukturtheorien, wie bereits deutlich wurde, überschneiden. Einige Prozesstheorien konnten sogar als Strukturtheorien identifiziert werden, weil sie ihrem Anspruch nicht gerecht wurden. Das kann im Übrigen auch der umgekehrte Fall sein: Strukturtheorien können sich als Prozesstheorien entpuppen. Zweitens müssen Prozesstheorien nicht den Anspruch erfüllen, die Faktoren theoretisch neu zu begründen; eo ipso Strukturtheorien nicht den Prozess genau erläutern. Sie können auf die Strukturtheorien zurückgreifen, und dann ist es eben wichtig, diesen genauer nachzugehen. Das ist bei vielen Prozesstheorien explizit der Fall, wenn zu spezifischen Konstrukten auf bestehende Grundlagentheorien rekurriert wird. Als Beispiel für die psychologische Forschung sei hier die mehrheitliche Referenz auf den Social Identity Approach (zur Übersicht vgl. Wagner & Zick, 1995;Zick, 2005) genannt, immer dann, wenn von sozialer Identität die Rede ist. Ausgeblendet wird dabei die Frage, ob der Ansatz das Konstrukt der Identität überhaupt hinreichend gut beschreibt, eben für eine Analyse von Akkulturation, das heißt einer Identität von Neuankömmlingen in einem neuen kulturellen System, die sich im Prozess der Aneignung der neuen Kultur verändert. Die theoretische Transformation kann, muss aber nicht gelingen, weil sich das Konzept nicht äquivalent auf das Phänomen, was es zu erklären vorgibt, übertragen lässt. Drittens ist festzustellen, dass die Faktoren, die ein Prozessmodell nennt, bei der genaueren Definition und Analyse facettenreicher, multidimensionaler, multifaktorieller, strukturell differenzierter etc. sein können als die Theorien es beschreiben oder beanspruchen oder können. Die Forschung über einzelne Faktoren in den beschriebenen Modellen ist intensiver und genauer. Zudem - darauf wurde bei der Grundlegung der neuen Systematik hingewiesen - hat sich die Forschung über den Prozess und über die Faktoren, die im Prozess eine Rolle spielen, auseinander entwickelt. Wiederum am Beispiel der Identitätstheo-
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rien kann das verdeutlicht werden. Während viele Assimilationstheorien, wie sie im Kapitel zuvor beschrieben wurden, noch von eindimensionalen Identitäts- und Identifikationskonstrukten ausgehen, hat die Akkulturationsforschung in Bezug auf mehrdimensionale Identitätsstrukturen erheblich kompliziertere Modelle vorgeschlagen. Das wird später noch mehr als deutlich. Viertens lassen Prozesstheorien - zum Teil notwendigerweise - Lücken oder machen diese erst deutlich. Das zeigt sich sehr einfach auf der Ebene weiterer möglicher Mediatoren und Moderatoren zwischen den in einer Theorie postulierten Prädiktoren und dem Phänomen der Akkulturation. Nimmt man zum Beispiel Essers (1980) Theorie, die zuletzt ausführlicher vorgestellt wurde, und gleicht sie mit dem Wissen aus den psychologischen Prozesstheorien ab, dann können viele Annahmen über Vermittlungsfaktoren etwa zwischen kognitiver und identifikativer Assimilation, dem Essersehen Ansatz hinzugefügt werden. Ferner wurde anhand der Assimilationsanalyse nach Alba (2005) deutlich, dass Konstrukte, wie eben jenes der Gruppengrenzen, eine wesentlich Erweiterung der Theorie bedeuten können. Insgesamt also lassen sich Prozesstheorien durch Theorien über einzelne Strukturen und Faktoren vertiefen, ergänzen und erweitern. Das ist meines Erachtens der wesentliche Gewinn. Schließlich ist es auch auf der Grundlage einer weiteren Ausdifferenzierung zentraler Faktoren und Vermittlungsprozesse wahrscheinlich, eine neue interdisziplinäre theoretische Sicht zu entwickeln. Die Grundfrage der Strukturtheorien, die in den folgenden beiden Kapiteln vorgestellt und diskutiert werden, lautet: Welche wesentlichen psychnlogischen Faktoren und Kausalbeziehungen zwischenden Faktoren (also den Strukturen) erklären das Phänomen derAkkulturation? Die Systematik der Akkulturationsforschung (Tabelle 3.3) führt die meines Erachtens wesentlichen Theorien auf, die Annahmen dazu vorlegen. Wieder wird zwischen psychologischen und sozialwissenschaftliehen Modellen unterschieden. Dabei wird den psychologischen Theorien mehr Raum zugemessen, was sich in der Systematik durch den Umfang an identifizierten Theorien niederschlägt.
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6.
Strukturtheorien der psychologischen Akkulturationsforschung
Im folgenden Kapitel werden die psychologischen Strukturtheorien vorgestellt und diskutiert. Die Grundfrage dieser Theorien lautet: Welche wesentlichen psycholDgischen Faktoren und Kausalbeziehungen zwischen ihnen - Strukturen - erklären wesentliche Aspekte der Akkulturation? Im Zentrum der Theorien steht also nicht die Beschreibung und Analyse des Prozesses, sondern spezifische so genannte Strukturkomponenten, die für den Prozess der Arteignung relevant sind. Dazu gehören vor allem die Persönlichkeit, Identität, Adaptation, Akkulturationsorientierung, der Kontakt und die räumliche Bindung. Zwar werden sie von den Prozesstheorien genannt, aber nicht explizit in den Mittelpunkt gestellt. Das vorliegende Kapitel stellt Theorien zu den Komponenten genauer dar und ermittelt die empirische Befundlage. Insbesondere wird das Konstrukt der Regionalen Identität entwickelt. Dabei werden weitere Thesen zur Akkulturation formuliert und eine Reihe von Forschungsfragen aufgeworfen. Prozessmodelle versuchen den Prozess der Akkulturation unter Berücksichtigung einer Reihe von Komponenten (Faktoren) zu erklären. Im folgenden und anschließenden Kapitel werden weitere Theorien und Modelle genannt, die sich auf bestimmte Faktoren konzentrieren. Das vorliegende Kapitel ist psychologischen Ansätzen gewidmet, das anschließende Kapitel sozialwissenschaftlichen Ansätzen. Die Systematik der Akkulturationsforschung führt die wesentlichen psychologischen Strukturtheorien auf. In Tabelle 6.1 ist eine verkürzte Übersicht wiedergegeben.
Tab. 6.1
Verkürzte Systematik psychologisch orientierter Strukturtheorien der Akkultura tions fors ch tulg
Faktor (Konstrukt)
Thema
Persönlichkeit
Migranten-Typologien Migranten-Persönlichkeit Dispositionen und Akkulturation Identität als orthogonal unabhängige Dimensionen Kategoriale Bikulturalismus-Modelle Cultural Transition Anpassungsleistung Einstellungen zur Akkulturation Divergenz traditionalistischer und modernistischer Orientierurigen und Facetten der Adaptation Bedingungen, Formen des interkulturellen Kontaktes Regionale Identität
Identität
Adaptation Akkulturationsorientierung Traditionalismus-Modernismus und Adaptation Kontakt Raum
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Sie macht deutlich, dass fünf zentrale Strukturfaktoren in der Forschung fokussiert werden. Demnach sind für die Analyse von Akkulturation die Faktoren (Struktunnerkmale im Prozess) der Persönlichkeit, Identität, Adaptation, Orientierung zur Akkulturation und des interkulturellen Kontaktes relevant. Dass die genannten Faktoren besonders relevant sind, war zu erwarten, denn sie stehen auch im Mittelpunkt vieler Prozesstheorien. Das heißt auch, es ist zu erwarten, dass die folgenden Theorien und Modelle noch genaueren Aufschluss über jene Faktoren geben, die im Zentrum vieler Prozesstheorien stehen. Das sollte insbesondere für die Faktoren Identität und Kontakt gelten, die in den Prozesstheorien besonders hervorgehoben werden. Berry (1997) und viele andere Forscher sind der Meinung, dass sich grundsätzliche Akkulturationsorientierungen, die handlungsleitend sind, aus diesen beiden Faktoren ergeben.
6.1
Die akkulturierende Persönlichkeit
Eine wesentliche Frage der frühen psychologischen Forschung, die spezifische Strukturen der Akkulturation untersucht, ist: Wie ist eine Person ausgestattet, die ein neues kulturelles System adaptiert, und welchen Einfluss hat die Akkulturation auf diese Person. Im Zentrum steht die Frage: Welche Persönlichkeitsfaktoren (Traits, Dispositionen) beeinflussen die Akkulturation? Damit ist eine genuine Frage der Individualpsychologie angesprochen. Zieht man die publizierten Studien zur Akkulturation heran, ist es jedoch kaum möglich, eine Übersicht über relevante Persönlichkeitsfaktoren zu gewinnen. In unzähligen Studien werden Dispositionen, Emotionen, Einstellungen, Motive etc. erhoben und ihr Einfluss neben vielen anderen Faktoren auf die Adaptation und psychologische Anpassung untersucht; manchmal als Kontrollfaktoren, manchmal als Mediatoren oder Moderatoren oder direkte Prädiktoren der Adaptation. Das trifft vor allem auf den Bereich der Forschung zu, die sich mit gesundheitlichen Folgen der Akkulturation beschäftigt. Eine Meta-Analyse über Dispositionen fehlt allerdings bislang, was meines Erachtens darauf zurückzuführen ist, dass komplexere Theorien oder Modelle, die eine genaue Konzeptualisierung von Persönlichkeit vornehmen und Annahmen zum Verhältnis von Persönlichkeit und Akkulturation vorschlagen, fehlen. Genau solche, die das tun, haben Eingang in die Systematik der Forschung gefunden. Die folgende Liste führt die Theorien unter dem ihnen jeweils gemeinsamen Konstrukt noch einmal auf.
Akkulturations- oder MigrantentyrPs • Innovations- versus Konservationstypen nach Petersen (1958) • Wanderertypen nach Äkennan (1978) • Mobilitätszentrierte Persönlichkeit nach [ennings (1970) • Theorie der chronisch mobilen Menschen von Morrison und Wheeler (1978) • The Migrant-Personality nach Boneva und Frieze (2001)
75 Die Bezeichnung Migrantentyp passt besser, weil mit den Theorien und den verbundenen Studien vor allem Migration erklärt werden soll.
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Persönlichkeit • Kontrolltheoretischer Ansatz (leamed helplessness, dissonance, loss of control) von Masumbuku (1985) • Psychologie der Auswanderung (Lüthke, 1989) • Modell der auswanderungsbereiten Persönlichkeit von Cropley und Lüthke (1994) • Ökologisches Modell der Entwicklungsaufgaben von Ruddat (1994) Dispositionen • Extraversion und Sensitivität (Gardner, 1962) • Personal Space (Roger & Mjoli, 1976) • Locus of Control (V'J ard & Kennedey, 1992) • Need for Cognitive Closure (Kosic, 2002) • Basic Soda! Skills (Hammer, 1987;Argyle, 1969;Fumham, 1979) • Psychological Differentiation (V'Jitkin & Berry, 1975) • Persönliche Flexibilität, Ambiguitätstoleranz Hardiness, Mastery, Self-Efficacy, Self-Monitoring (vgl. Kim, 2001;Ward, Bochner & Furnham, 2001) • Big Five (Neuroticism, Extraversion, Openness, Agreeableness & Conscientiousness) (Leong, Ward & Low, 2000) • Attributionale Komplexität (Brislin, 1981;Stephan & Stephan, 1992) • Autoritarismus, Rigidität, Ethnozentrismus (Locke & Feinsod, 1982);Autoritarismus und Dogmatismus (Taft & Steinkalk, 1985) • Cultural Fit Hypothesis (of Personality and Adaptation) von Searle und Ward (1990; Ward & Kennedey, 1993b;Ward & Chang, 1997) Die Theorien und Modelle sind zunächst chronologisch geordnet, um erkennbar zu machen, wie die Forschungsentwicklung und der Erkenntnisgewinn verlaufen ist. Die frühen Ansätze versuchen spezifische Akkulturations- bzw. Migranten-Typen zu identifizieren und über die Typologie Akkulturationsphänomene und -prozesse zu erklären, die späteren Theorien fokussieren stärker die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit und Umwelt auf die Akkulturation. In der Systematik der Akkulturationsansätze sind zuerst solche Theorien aufgeführt, die versuchen Akkulturationstypen zu identifizieren. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf dispositionale Unterschiede in den Motiven von Individuen, auszuwandern. [ennings (1970) hat zum Beispiel versucht, die mobilitätszentrierte Persönlichkeit ausfindig zu machen, und Akerman (1978) hat Wanderertypen unterschieden, um die wanderungswillige Persönlichkeit ausmachen zu können. Beide Typen lassen sich empirisch nicht finden. Petersen (1958, 1972)hat einen Innovations- uersus Konservationstyp unterschieden. Er unterscheidet dazu die Ursachen und Ziele einer Wanderung. Konservative Migranten würden emigrieren, um den Status quo zu erhalten, wenn sich die Bedingungen änderten (z.B. bei der Auswanderung von deutschen Bauern in die USA). Innovative Wanderer würden wandern, um Neues kennen zu lernen. Tabelle 6.2 führt die Typen nach Petersen auf.
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Tab. 6.2
Typologie der Wanderungen nach Petersen (1972) (in Anlehnung an Kröhnert, 2003, Abb.3)
Wanderun~sursache
TlfP nach Ursache
TlfP nach Ziel Konservativ
Innovativ
Ökologischer Druck
Ursprüngliche Wanderung Gewaltsame Wanderung Zwangsweise Wanderung Freiwillige Wanderung Massenhafte Wanderung
Nomadenwanderung
Landflucht
Umsiedlung
Sklavenhandel
Flucht
Kuli-Handel
Gruppenwanderung
Pionierwanderung
Besiedlung
Land-StadtWanderung
Physische Gewalt Nötigung Höhere Ansprüche Soziale Verhältnisse
Die Typologie ist insofern an die Akkulturationsforschung anschlussfähig, als wesentliche Ursachen der Wanderung genannt werden und implizit die Annahme vertreten wird, dass sich die Akkulturation und damit der Prozess der Adaptation nach den Ursachen unterscheiden lässt. Allerdings ist, erstens, fragwürdig, ob die Typen richtig zugeordnet sind. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob die Klassifikation des Sklavenhandels hier nicht verwirrend und falsch ist. Zweitens ist die Klassifikation nicht hinreichend, um auf den Kern der Fragestellung zu kommen: Lassen sich Typen im Sinne von dispositionalen Orientierungen unterscheiden? Kröhnert (2003) wendet entsprechend ein, dass die Typologie primär einer Klassifikation von Wanderungsgriinden dient und sich nicht alle Typen zweifelsfrei finden lassen. Die Typologie lässt keine Rückschlüsse über die beteiligten psychischen und sozialen Prozesse sowie über die Ergebnisse (Outcomes) der Akkulturation zu. Das trifft auch auf Morrison und Wheelers (1978) Theorie der chronisch mobilen Menschen zu. Sie schlagen vor, Individuen danach zu unterscheiden, ob sie eine Mobilitätsdispostion aufweisen oder nicht. Empirisch können sie dazu allerdings nur begrenzte Evidenz vorlegen und der Ansatz wurde auch nicht weiter vertieft. Die Ansätze werden hier im Einzelnen nicht weiter erläutert, weil all diesen Theorien und Unterscheidungen gemeinsam ist, dass sie empirisch nichtbestätigt sind und Akkulturation auf eine intra-personale Disposition zur Emigration und Wanderung reduzieren. Cropley und Lüthke (1994) haben hinreichend deutlich gemacht, wie gering die Validität solcher Differenzierungen ist . Kröhnert (2003) weist darüber hinaus darauf hin, dass eine FeinTypisierung derzeit nicht vorliegt und letztendlich immer die Schwierigkeit habe, die Komplexität der Prozesse der Wanderung zu repräsentieren. Die frühen Modelle zur Struktur der Akkulturations- oder Migranten-Typen, die bislang genannt wurden, sind meines Erachtens Modelle zur Disposition der Auswanderungsentscheidung. Sie können auch zur Klassifikation von Auswanderungsentscheidungen und Auswanderungsgriinden herangezogen werden. Sie eignen sich aber weniger zur Darstellung und Identifikation der Disposition. Das trifft in weiten Teilen auch auf die in Tabelle 6.2 genannten Theorien zur Migranten-Persönlichkeit zu, die bereits in Kapitel 4.4.5 unter den Prozessmodellen diskutiert wurden (Kontrolltheoretischer Ansatz nach Masumbuku, 1985; Psychologie der Auswanderung nach Lüthke, 1989; Modell der auswanderungsberei412
ten Persönlichkeit nach Cropley & Lüthke, 1994, Ökologisches Modell der Entwicklungsaufgaben nach Ruddat, 1994). Zur Unterscheidung von Persönlichkeitstypen referieren zwn Beispiel Lüthke und Cropley das Modell der auswanderungswilligen Persönlichkeit nach Balint (1972). Balint hat das Konzept des Philobatismus und der Oknophilie konzipiert. Menschen mit ausgeprägtem Philobatismus hätten eine Vorliebe für ,Weites und Fernes' und Herausforderungen, die darin bestünden, Sicherheiten aufzugeben und wiederzuerlangen. Oknophilie ist gekennzeichnet durch die Tendenz, sich am liebsten .an etwas Festes zu klammem', wenn die Sicherheit in Gefahr ist. Die oknophile Welt bestünde aus furchterregenden Leeräumen, während die philobatische Welt aus freundlichen Weiten bestünde. Lüthke und Cropley (1989) haben beide Traits im Längs- und Querschnitt mit 700 deutschen Befragten geprüft, die nach Australien ausgewandert sind. Thre Ergebnisse zeigen, dass der Wunsch auszuwandern, tatsächlich stärker von Persönlichkeiten gesteuert ist als von strukturellen Determinanten. Zusätzlich ergeben die Analysen, dass die Zufriedenheit in Australien sich aus den Traits besser vorhersagen lässt als aus den strukturellen Faktoren. Allerdings kann man methodisch einwenden, dass die Operationalisierung von Philobatismus und der Oknophilie eher eine Messung von Akkulturationsorientierungen auf einem sehr abstrakten Niveau ist und die allgemeine Neugier eine Wanderungsdiposition erfasst. Weniger restriktiv in Hinsicht auf dispositionalen Annahmen (Adaptationsleistungen sind primär dispositional zu erklären) sind jüngere Forschungsansätze, die spezifische Dispositionen hervorheben, wie zum Beispiel der kontrolltheoretische Ansatz zur Analyse von psychischen Problemen der Migration von Masumbuku (1985). Masumbuku analysiert psychische Probleme als Phänomen der erlernten Hilflosigkeit, der kognitiven Dissonanz und des Kontrollverlustes. Masumbuku hat die Zuwanderung polnischer Bürger in die BRD in den 1980er Jahren untersucht. Dabei kann er vor allem feststellen, dass die Dissonanz, die durch die Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der Wahrnehmung der Realität entsteht sowie den Versuch ökonomische Ziele zu erreichen und dabei die kulturelle Identität zu wahren, zu individuellen psychischen Problemen führt. Leider basiert der Ansatz nicht auf einer gruppenspezifischen Sicht, die berücksichtigt, dass die Migration weitgehend ein soziales Phänomen darstellt. Allerdings finden sich in der psychologischen Literatur zur Akkulturation ebenfalls Querverweise darauf, die auf einer intra-individuellen Erklärungsebene Prozesse der Dissonanzreduktion und des Kontrollverlustes einige der Wahrnehmungen und Verhaltensweisen von Einwanderern erklären (vgl. z.B. die Integration in einem Culture Shock Model nach Ward, Bochner & Furnham, 2001). Sie müssten meines Erachtens nur deutlicher in ein eigenständiges Theoriegebäude eingebunden werden, das die Prozesse aus einer kulturellen Perspektive beleuchtet beziehungsweise sie als Reaktionen auf die Wahrnehmung kultureller Differenz versteht. Die Culture-Shock Theorien sind in diesem Aspekt genauer. Besser nachgewiesen ist der Einfluss spezifischer Dispositionen auf die psychische und soziokulturelle Adaptation. In Tabelle 1 zur Systematik der Ansätze sind unter den Struktunnodellen Faktoren aufgeführt, die auf konzeptuellen Arbeiten beruhen und empirisch den Nachweis erbracht haben, dass die entsprechende Disposition den Akkulturationsprozess beeinflusst. Unter anderem finden sich Einflüsse der Extraversion und Sensitivität (Gardner, 1962), des Personal Space (Roger & Mjoli, 1976), des Locus oJControl (Ward & Kennedey, 1992), des Need Jor Cognitive Closure (Kosic, 2002), den Basic Social Skills (Hammer, 1987;
413
Argyle, 1979; Furnharn, 1989), der Psychological Differentiation (Witkin & Berry, 1975), der persönlichen Flexibilität, Ambiguitätstoleranz, Hardiness, Mastery, Self-Efficacy und SelfMonitoring (vgl. Kim, 2001;Ward, Bochner & Furnharn, 2001), der attributionalen Komplexität (Brislin, 1981;Stephan & Stephan, 1992), des Autoritarismus, der Rigidität und des Eihnozenirismus (Locke & Feinsod, 1982) sowie Dogmatismus (Taft & Steinkalk, 1985) und schließlich der Big Five (Neurotizismus, Extraversion, Openness, Aggreableness & Conscientiousness) (Leong, Ward & Low, 2000). Vor allem haben diese Dispositionen einen Einfluss auf die psychische Anpassung. Allerdings zeigen die Arbeiten, die eine spezifische Wirkung einzelner Dispositionen nachweisen, dass die Einbettung der Wirkung solcher Faktoren in ein theoretisches Modell der Akkulturation letztendlich sinnvoller ist. Ward, Bochner und Furnham (2001) haben das überzeugend in ihrem Culture-Shock-Modell aufgezeigt (siehe oben) und auch die genannten Prozessmodelle übersehen nicht die Wirkung von Dispositionen, aber sie sind empirisch den sozialen und strukturellen Faktoren nachgeordnet. Kosic (2002) weist darauf hin, dass Migranten stärker als andere Gruppen mit neuen und unvorhersehbaren Situationen zu tun haben (für die sie, psychologisch gesprochen, keine Verhaltensskripts haben, auf die sie zurückgreifen könnten), daher wirkten sich Dispositionen, die ,mitgebracht' werden, weitaus stärker aus, als das bei autochthonen Individuen in ähnlichen Situationen der Fall ist. Auch diese Befunde sprechen für die Cultural Fit Hypothese nach Ward und Kennedey (1993b), die situative Einflüsse auf die Wirkung von Dispositionen annimmt. Kosic (2006) führt in ihrem Review zum Zusammenhang von Persönlichkeit, individuellen Faktoren und Akkulturation Studien zum Einfluss folgender Faktoren auf. Als wesentliche Risikofaktoren und protektive Faktoren erwiesen sich SelbstOrientierung (Selbstaufmerksamkeit erhöht Akkulturationsstress), Selbst-Wert, Motivation (Bedürfnisbefriedigung), Coping-Strategien, Angst, Need for cognitive closure», Locus of Control, psychological Differentiation, Other-Orientation, Self-Monitoring, Extraversion und die Big Five. Ihr Einfluss ist dabei nicht universal und nicht einfach in Bezug auf Adaptationserfolge oder -misserfolge zu schreiben. Zudem zeigen die zu den Faktoren zitierten Studien, dass die genannten Persönlichkeitsfaktoren mit Kontextfaktoren interagieren. Bereits Ward und Searle (1990)und Ward und Chang (1997)haben zeigen können, dass der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren kaum einzuschätzen ist. Die Studien, in denen Persönlichkeitsfaktoren erfasst sind, verwenden zu unterschiedliche Indikatoren, die vorhergesagt werden sollen (Gesundheit, Interaktionen mit Aufnahmekultur, Leistung, Akzeptanz etc.), Darüber hinaus werden sie der Interaktion von Persönlichkeits- und Situationsfaktoren nicht gerecht. Die Persönlichkeitsfaktoren werden ohne den kulturellen Hintergrund der Probanden erfasst. Ward et al. rekurrieren in ihren Analysen zum Einfluss von Dispositionen auf die Adaptation auf eine sehr allgemeine Annahme des Cultural Fit. Dieser kulturelle Fit bezieht sich auf die Passung zwischen dem internalisierten kulturellen Rahmen (Persönlichkeit,
76 Kosic (2002) zeigt in einer Studie mit 172 kroatischen und 179 polnischen Einwanderern in Italien, dass Migranten mit einem hohen Bedürfnis nach ,cognitiv closure' (gemessen mit einer Skala nach Webster & Kruglanski, 1994) signifikant stärkere emotionale Probleme und psychosomatische Symptome aufweisen. Allerdings weist sie auch darauf hin, dass die besondere Situation Migranten eher in einen Zustand eines situativen Stresses versetzt, der das Motiv nach .Closure' anregt.
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Affekt, Kognition und Verhalten) und den kulturellen Normen und Praktiken eines kulturellen Systems (Searle & Ward, 1990; Ward & Chang, 1997; Ward & Kennedey, 1993a/b; Ward, Leong & Low, 2004). Nach der Cultural Fit Hypothesis ist der Einfluss von Dispositionen auf die Akkulturation dann zu erwarten, wenn es zu einer Passung zwischen Disposition und Situation kommt, wenn also zwn Beispiel das Ausmaß der Extraversion von Neuankömmlingen in einer Kultur zu einem extrovertierten kulturellem System passt (siehe unten). Auf der Grundlage dieser einfachen aber relevanten Annahme haben Ward und Chang (1997) die beiden zentralen Formen der Adaptation unterschieden: die psychologische (Stress und Coping) und die soziokulturelle Adaptation (sozialer Lernprozess) (vgl. Kapitel 2.3). Ihrer Meinung nach bestimmt die Persönlichkeit eher die psychologische Adaptation als die soziokulturelle Adaptation. Sie verweisen auf unterschiedliche Studien, die zeigen, dass Extraversion von Neuankömmlingen in einer wesentlich industrialisierten Kultur (zum Beispiel ausländische Studierende in den USA) mit psychischem Wohlbefinden zusammenhängt. Sie korreliert hoch mit Depression, Frustration, Langeweile, schlechtem Gesundheitszustand, was die Autoren auf die individualistische Kultur zurückführen. Aber nicht die Extraversion per se bestimmt die Adaptation, sondern ihr Einfluss wird durch den situativen Kontext vermittelt. In ihrer eigenen Studie haben Ward und Chang (1997) drei Annahmen geprüft: Erstens, hängt Extraversion nicht mit der psychologischen und soziokulturellen Anpassung von temporären Zuwanderern zusammen. Zweitens sind die Diskrepanzen der Extraversison zwischen Zuwanderern und Normen der Aufnahmekultur mit einem stärkeren Ausmaß an Stress verbunden, aber diese Diskrepanzen erzeugen keine soziokulturellen Schwierigkeiten. Drittens sind psychologische und soziokulturelle Anpassung signifikant korreliert. Alle drei Annahmen finden in einer Stichprobe von 139 U5-Bürgern in Singapur Bestätigung. Das heißt, dass sich der Einfluss von Dispositionen zumindest in den beiden zentralen Facetten der Adaptation unterscheidet und Diskrepanzen sich zwischen dispositionaler Orientierung und dem neuen kulturellem System - hier repräsentiert durch Normen - auf die Beziehung zwischen Disposition und Adaptation auswirken. Leider wurde der notwendige Vergleich einer Gruppe von Extrovertierten in zwei verschiedenen Kulturen nicht durchgeführt. Yang, Noels und Saumure (2006) verweisen in der Auseinandersetzung mit der Cultural Fit Hypothese zu Recht darauf, dass der Fit zwischen Persönlichkeitsstruktur und dem normativ kulturellem System nur ein Prädiktor soziokultureller Adaptation ist. insbesondere verweisen sie auf den Einfluss von abhängigen versus unabhängigen Selbstkonzeptionen (Singelis, 1994),Sprachkompetenz und interkulturellem Kontakt, die die psychologische Anpassung und soziokulturelle Adaptation beeinflussen. Es wurden hinreichend Studien zitiert, die die Annahme stützen, dass insbesondere die Sprachkompetenz die Akkulturation signifikant beeinflusst. Yang, Noels und Saumure haben eine Studie mit ausländischen Studierenden einer kanadischen Universität (n = 81), die aus kollektivistischen Kulturen stammen, und in Kanada geborenen Studierenden (n = 135) durchgeführt. Sie zeigen, dass unabhängige Selbstkonzeptionen der ausländischen Studierenden einen direkten Einfluss auf die psychologische Anpassung haben, aber der Einfluss auch durch die Sprachkompetenz moderiert wird. Der Einfluss des interkulturellen Kontaktes zu einheimischen Studierenden auf die psychologische Anpassung und die soziokulturelle Adaptation wird dagegen vollstän-
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dig durch die Sprackkompetenz mediiert. Leider wurden in der Studie keine Dispositionen erhoben, sodass eine Einschätzung zum Fit von Dispositionen, Selbstkonzeption und kulturellem System auf der Grundlage empirischer Ergebnisse nicht möglich ist. Es wäre wesentlich zu wissen, ob der Persönlichkeits-Kontext-Fit durch den Fit zwischen Selbstkonzept und Kontext erklärt oder sogar aufgelöst werden kann. Einen neueren und engeren Versuch das Konzept der Migranten-Persönlichkeit in Bezug auf die Analyse von Ausreisewünschen zu identifizieren, haben Boneva und Frieze (2001) unternommen, Ihr Modell ist in Abbildung 6.1 repräsentiert. Persönlichkeitsfaktoren Motive
andere psychologische Faktoren I
I I
I Werte
, ,, Traits (z.B. Offenheit für Erfahrung)
Abb.6.1
,
, ,,
,
, ,,
+ Ausreisewunsch I
I
~
Umweltfaktoren In Entsende- und Aufnahmeland
Möglichkeiten um auszureisen und einzureisen
Die Migranten-Persönlichkeit nach Boneva und Frieze (2001, Fig. 1, S. 479)
Im Fokus des Modells stehen primär Motive und Werte. Persönlichkeitsfaktoren (Traits) sind als dritte Prädiktorengruppe des Einreisewunsches bedacht. Boneva und Frieze legen zwar keinen eigenständigen empirischen Modelltest vor, präsentieren aber eine Reihe von ausgewählten Studien, die das Modell summativ stützen. Der Vorteil dieses neueren Modells besteht darin, dass andere (nicht persönlichkeitsspezifische) psychologische Faktoren und Umweltfaktoren - eben solche, wie sie die vielen psychologischen Akkulturationsmodelle vorschlagen - explizit bedacht werden und die dispositionalen Faktoren auf jene fokussiert werden, die in der Forschung als signifikante Persönlichkeitsfaktoren untersucht werden. Die Autoren argumentieren, dass viele Akkulturationsmodelle nicht hinreichend alle Einflüsse auf die Einwanderungserfahrungen und -erfolge erklären können. Anschlussfähig an viele Arbeiten scheint mir besonders die Differenzierung der Motive, wobei meines Erachtens andere soziale Motive eine weitaus zentralere Rolle spielen, wie etwa das der Kontrolle, der Selbstwerterhalttrng (Self Enhancement) etc., auf der Ebene der Traits ist das Modell darüber hinaus tulgenau und nicht weiter differenziert.
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Zu bedenken ist bei der Diskussion über den Einfluss der Persönlichkeit auf die Akkulturation auch, dass die Beziehung zwischen Persönlichkeit und Akkulturation nicht monokausal ist. Akkulturationsprozesse sind Prozesse der Veränderung von Individuen und können damit zumindest hypothetisch die Persönlichkeit beeinflussen (vgl. auch Berry, 1986; Berry et al., 2002; Boski, Callan, Callois, Mills Evers, Rosenthal, Thomas, Trimble, Myambo & Tyson, 1989). Benet-Martinez und Karakitapoglu-Ayguen (2003) können in einer US-amerikanischen Studie mit 321 männlichen Immigranten aus Asien und Europa zeigen, dass die Adaptation die Persönlichkeit, hier erfasst über die Big 5, beeinflussen und nicht umgekehrt. Darüber hinaus zeigen sie, dass die Selbstbewertung in der ethnischen Identität die subjektive Zufriedenheit der Immigranten stärker beeinflusst als strukturelle oder dispositionale Faktoren. Das weist darauf hin, dass Identität der relevante Prädiktor ist und nicht die Disposition. Auch andere Studien zeigen, dass sich im Verlauf der Akkulturation Dispositionen verändern (Adrados, 1979). Geringere Effekte der Disposition im Vergleich zu anderen Faktoren zeigen sich in vielen Studien (Ward, Bochner & Furnham, 2001). So zeigt zum Beispiel eine Reihe von Studien, dass Erwartungen einen stärkeren Effekt auf positive Integrationserfahrungen haben als Dispositionen (vgl. z.B. Bürkner, Heller & Unrau, 1987; Chius, Morris, Hong & Menson, 2000; Schwarzer & Hahn, 1995). Insgesamt kann ein Resümee der Persönlichkeitstheorien der Akkulturation also nur vorläufig sein. Es fehlt einerseits weiterhin an genaueren Modellen, die Einflüsse von Dispositionen auf die Akkulturation und Rückwirkungen von Akkulturationsprozessen auf die Dispositionen berücksichtigen. Es fehlen Modelle, die deutlicher die Wechselwirkung individueller und sozialer (gruppaler) Merkmale theoretisch beschreiben, um sie empirisch prüfbar zu machen. Es fehlen angemessene Methoden. So weist Dana (1988) auf erhebliche methodische Defizite hin. Seiner Meinung nach sind die Auswertungen von Persönlichkeitsdaten signifikant kulturell beeinflusst. An Interpretationen von MMPI-Ergebnissen von Afroamerikanern in den USA kann er das empirisch zeigen. Die Auswertungen sind von einem erheblichen kulturellen Bias (Ethnozentrismus; etische Perspektive) beeinflusst. Ähnliche Ergebnisse stellt er in Bezug auf die Intelligenzmessung fest (Dana, 1993).Der Standard der Interpretation sind Vergleichsdaten der Mehrheitsgesellschaft, die Sprache der Tests ist kulturspezifisch und die Konstrukte, die erfasst werden, sind kulturell blind. Das Resümee, dass Dispositionen keine Rolle spielen, wäre aber vollkommen lUlangemessen. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, wie bessere emische und etische Theorien und Messverfahren entwickelt werden können, um das Konstrukt der Persönlichkeit im Prozess der Akkulturation besser zu verstehen. Berry (1969) hat das schon relativ früh durch die WeiterentwickllUlg des Konstruktes der Intelligenz und Feldabhängigkeit versucht (vgl. auch die späteren Studien zur kognitiven Kompetenz, 1988, 1996a; Berry & Benett, 1992; oder zum Konzept der ,indigenous cognition', 1993; Berry, Irvine & Hunt, 1988). Dabei schlägt er ein dreistufiges Verfahren vor: 1. Prüfung der funktionalen Äquivalenz beobachtbarer Verhaltensweisen in unterschiedlichen Settings; 2. bei Feststellung der Äquivalenz, Entwicklung eines vergleichenden beschreibenden Rahmenmodells; 3. erst dann Konstruktion eines Vergleichsinstruments. Obgleich die Forschungsidee in den 1960er Jahren zugrunde gelegt wurde, ist sie meines Erachtens in Bezug auf die Identifikation von Dispositionen noch nicht hinreichend gelungen.
417
6.2
Identität als struktureller Faktor und Akkulturation
Die zweite Gruppe von Strukturtheorien beschäftigt sich mit dem wohl wichtigsten Konstrukt psychologischer aber auch sozialwissenschaftlicher Akkulturationstheorien und -modelle, indem sie das Konstrukt der Identität fokussiert. Bereits im vorausgehenden 4. Kapitel wurde das hinreichend deutlich. Die Identität wird in den meisten Forschungsansätzen als das primäre Konstrukt betrachtet, das den Prozess der Akkulturation bestimmt und beeinflusst. Die Identifikation und Identität von Neuankömmlingen in einem kulturellen System und den dort Einheimischen wird als Prädiktor, Mediator, Moderator, Indikator und Outcome der Akkulturation betrachtet. Akkulturation wird verstanden als Gewinn, Verlust und als Veränderung von einfachen und multiplen Identitäten. Dabei sollten folgende Fragen zentral sein: Was ist kulturelle Identität? Was ist Identifikationim Prozess der Akkulturation, und wie bestimmt sieden Prozess? Die Fragen wurden in weiten Teilen bereits im Rahmen der Prozesstheorien beantwortet. Das Konstrukt der Identität wird von einigen Modellen explizit ins Zentrum der Prozessanalyse gestellt. Vorgestellt und diskutiert wurden bereits unipolare, bikulturelle, ein- und mehrdimensionale Phasenmodelle (Kap. 4.2), das heißt Modelle, die sich mit der Frage beschäftigen, ob der Akkulturationsprozess dadurch geprägt ist, dass eine Identität (oft als Herkunftsidentität oder Identität der Aufnahmegesellschaft bezeichnet) dominiert, oder Neuankömmlinge in einer Kultur zwei oder mehrere Identitäten und Identifikationen ausbilden können und sich die Identifikationen darüber hinaus in verschiedenen Lebensbereichen und Aspekten (mehrdimensionale Modelle) unterscheiden können. Festgehalten wurde ebenso, dass in den komplexen Faktorenmodelle Identität das zentrale Konstrukt der Analyse ist: Akkulturation ist Identitätsänderung. Implizit steht aber auch in den klassischen Entfremdungsmodellen die Identität im Zentrum des Verständnisses von Akkulturation. Die nun folgenden Strukturtheorien der Identität unterscheiden sich von den Prozessmodellen primär dadurch, dass sie vornehmlich auf das Konstrukt der Identität eingehen, den Akkulturationsprozess nicht beschreiben möchten und andere Faktoren nur insofern beachten, als dass identitätsrelevant sind. Alle Identitäts-Struktur-Modelle gehen von der weit geteilten Annahme aus, dass die Identität und/oder das Selbstkonzept von akkulturierenden Individuen der maßgebliche Faktor ist, der die Akkulturation beeinflusst bzw. sie sogar definiert und aus der Akkulturation resultiert. Einige der Modelle sind als Prozessmodelle zu verstehen, wenn man dazu die Identitätsbildung zur Analyse der Akkulturation adaptiert. Das wurde bei der Darstellung der Prozessmodelle deutlich (vgl. v.a. Kap. 4.2-4.3). Meines Erachtens entwerfen die hier zu diskutierenden Modelle jedoch keine expliziten Ansätze zum Prozess. Zudem konzentrieren sie sich auf die Konstellation von Identitäten, die an der Herkunfts- und Aufnahmekultur orientiert sind. Sie gehen davon aus, dass sich die Varianten der Akkulturation aus der Kombination oder der Stärke der Identifikationen mit kulturellen Systemen ergeben. Wie bereits in Kap. 4.2 genannt, lassen sich in der psychologischen Forschung zwei grundsätzliche Modelle oder Paradigmen der Akkulturationsforschung ausmachen, die sich insbesondere an den Strukturmodellen der Identität herauskristallisieren. Zum einen postuliert das assimilativ-bipolare Modell, dass Akkulturation ein Prozess der Assimilation oder
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Nicht-Assimilation an die dominante Mehrheitskultur ist (Franco, 1983). Studien zu diesem Modell operieren in der Regel mit einer Klassifikation von Probanden in stark und schwach Adaptierten. Stark oder hoch adaptierte Individuen sind in der Mehrheitsgesellschaft assimiliert, während gering adaptierte Individuen ihre ethnische Identität beibehalten. Diesem assimilativen Modell entsprechen Identitätsmodelle, die als orthogonal beschrieben werden können. Sie gehen davon aus, dass Individuen und Gruppen ihre Identität im Prozess der Akkulturation primär an einer Kultur ausrichten (Einheimische versus Herkunftsgruppe dominiert). Bi- oder mehrdimensionale Modelle nehmen dagegen an, dass das kulturelle Involvement in einer Kultur nicht mit einer Entbindung von der anderen Kultur einhergehen muss. Das Involvement zu unterschiedlichen Kulturen kann gleichzeitig und unterschiedlich ausgeprägt und auch getrennt erfasst werden (Dona & Berry, 1994; Hutnik, 1991; Oetting & Beauvais, 1990-91; Sanchez & Fernandez, 1993; bzw. die Modelle unten). Im zweidimensionalen Modell sind mehrere Typen der Akkulturation denkbar, und es gibt kein Idealmodell der Assimilation. In der Systematik der Forschung finden beide Ansätze auch auf der Ebene der Strukturtheorien Beachtung. Zum einen werden dort Modelle aufgeführt, die Identitäten als orthogonal unabhängige Dimensionen betrachten. Dagegen postulieren die forschungsgeschichtlich neueren kategorialen Bikulturalismusmodelle, dass sich im Verlauf der Akkulturation mehrere Identitäten ausbilden können. Ähnlich argumentiert eine dritte Gruppe, die jedoch stärker Identitäten im Prozess von Umbrüchen, die mit der Akkulturation einhergehen, betrachtet. Teilweise gehen sie forschungsgeschichtlich aus den Bikulturalismusmodellenhervor. In Tabelle 6.3 ist jener Ausschnitt aus der Gesamtsystematik aufgeführt, der die Strukturtheorien der Identität umfasst. Drei Theoriengruppen werden unterschieden. T,a. b
63
Theonen d er Akku ltu ra ti on rru.t F0 kus auf di e Struktur komponente Id en tität
Identitätalsorthogonal unabhängige Dimension
Kategoriale Bikulturalismus- und mehrdimensionale Modelle
Bicultural Involvement Model von Szapocznik, Scopetta, Kurtines und Arandale (1978) Modell der Persistenz ethnischer Identität von Keefe und Padilla (1987) Orthogonale Kulturelle Identifikationstheorie von Oetting und Beauvais (1990-1991) Multifaceted Model of Ethnic Identity von Bemal, Knight, Garza, Ocampo and Coxta (1990; Bemal & Knight, 1993) Orientierungs- und Akzeptanz-Typologie nach Montgomery (1992) Orthogonales Identitätsmodell von Cortes, Rogler und Malgady (1994) Modell der Bikulturellen Identitätsstruktur von Zak (1973) Orthogonales Modell der Akkulturation (Bikulturelle Identität mit Herkunfts- und/oder Aufnahmekultur) von Las-
77 Dabei wird in den Publikation meisten nicht genau unterschieden zwischen den Termini adaptiert und akkulturiert. Der Betriff der Adaptation, wie er in Kapitel 2 von anderen Termini unterschieden, wird ist eigentlich der angemessene Begriff.
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Cultural Transition Modelle
6.2.1
ry & Sayegh (1992;Sayegh & Lasry, 1993; in Anlehnung an Zak, 1973) Identitätsbasierte Varianten der Akkulturation nach Berry (1974a, 1984a, 1994b) Chinese American Identity Model von Sue und Sue (1973) Modell der zwei Identitäten von Der-Karabetian (1980) Bikulturelles Identifikationsmodell von Bochner (1982) BiculturaIism-Multiculturalism-Model von Ramirez (1984) Muster Ethnischer Minderheiten-Identifikation von H utnik (1986) Bikulturelles Modell der McGiII-Gruppe Bicultural Identity Model nach La Fromboise, Coleman und Gerton (1993) Differenziertes Modell der Akkulturationsvarianten nach Birman (1994a) Bereichsspezifisches Modell der Akkulturationsvarianten nach Arends-T6th und van de Vijver (2003,2004) Theory of Optimal Distinctiveness and Multiple Identities in Cultural Transition von Brewer (1999) Socially Constructed World View Model von Chiu und Hong(1999)
Identifikation mit einer Kultur und Akkulturation
So genannte orthogonale Modelle sind bereits bekannt und bestimmen insbesondere die Assimilationstheorien (wie z.B. Gordon, 1964; vgl. Kap. 4.2.1-4.2.2). Sie fallen teilweise auch in die Kategorie der unidimensionalen Modelle. Unter den Prozesstheorien wurde zum Beispiel Mendozas (1984) Orthogonal Model of Ethnic Identity vorgestellt, dass die Grundthese aller orthogonalen Modelle teilt: Akkulturation ist ein Prozess, der unproblematisch ist, wenn sich Neuankömmlinge in einer Kultur mit der Mehrheitskultur identifizieren. Wesentlich für orthogonale Modelle ist, dass die Identität mit der Herkunftskultur und der neuen Kultur, die zu adaptieren ist, eben orthogonal ist, was zugleich bedeutet, dass die Annahme der einen Identität mit einer Schwächung der anderen verbunden ist. Die späteren Bikulturalismus-Modelle, die auch als mehrdimensionale Modelle der Identität zu versehen sind, werden behaupten, dass Orthogonalität unwahrscheinlich ist. Dass die Frage der Orthogonalität äußerst relevant ist, sollte nicht zuletzt aus der Diskussion der Assimilationsansätze hinreichend deutlich werden, die wenigstens implizit von der Orthogonalität der Identitäten ausgehen. Besonders häufig in der Literatur wird das Bicultural Involvement Model von Szapocznik, Kurtinez und Femändez (1980) und Szapocznik, Scopetta, Kurtines und Arandale (1978)zitiert. Es unterscheidet sich in den Grundannahmen kaum von dem einem kategorialen Grundmodell, das annimmt, dass Akkulturation sich daran bemisst, wie stark oder schwach die Identifikation mit der Mehrheitskultur ist. Es geht aber zusätzlich davon aus, dass die behaviorale Akkulturation schneller erfolgt als die Akkulturation auf der WertEbene (eben identifikative Assimilation). Die Autoren postulieren, dass allochthone Individuen das kulturelle Verhalten der dominanten autochthonen Gruppe schneller annehmen als dessen Werte, um ökonomisch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu überleben. Das 420
Bedürfnis müsse eben nicht mit einer Adoption der dominanten kulturellen Werte einhergehen. Berühmt geworden ist das Modell durch die Messverfahren zur Erfassung bikultureller Akkulturation, die in vielen Studien verwendet werden (vgl. Rivera-SincIair, 1997). Szapocznik, Kurtinez und Fernändez (1980) haben die Bicultural Involvement Scale zur Erfassung der Akkulturation von Hispanics in den USA entwickelt. Die 33 Items der Skala erfassen fünf Subdimensionen: Level of Acculturation, Involvement, Degree of Comfort in Anglo-American or Cuban Culture. Die Skala reicht vom Mono-Kulturalismus (Cubanism oder Americanism) bis zum Bi-Kulturalismus beziehungsweise dem Ausmaß, in dem sich Personen in spanischer Kultur wohlfühlen, versus einem Involvement in die amerikanische KuItur. Der Bikulturalismuswert errechnet sich aus der Differenz der aufsummierten Items, die sich aus dem Involvement in die Mehrheitskultur (Americanism) und die MinderheitenkuItur (Cubanism) ergibt. Szapocznik, Scopetta, Aranalde und Kurtines (1978) haben zudem die weithin verwendete Behavioral AccuIturation Scale (BAS) entwickelt (vgl. auch CasaresWebber, 2000;Celano & Tyler, 1991;Spasojevic, Heffer & Snyder, 2000;Vergara, 2000). PadiIIa (1980a/b, 1982) sowie Keefe and PadiIIa (1987) legen ein Modell der Persistenz ethnischer Identität vor, das von der These ausgeht, dass Neuankömmlinge in einer Kultur danach drängen, ihre Herkunftsidentität zu wahren. Sie haben in ihren Studien zur Akkulturation und Ethnizität von Chicanos, die in den USA leben, eine Reihe von Ethnizitäts- und Identitätsskalen geprüft. Dabei haben sie, erstens, festgestellt, dass sich Einstellungen und Verhaltensweisen kaum trennen lassen, was allerdings gegen neuere und methodisch genauere Analysen von Arends-T6th, van de Vijver und Poortinga (2006) spricht. Zweitens haben sie festgestellt, dass sich die Ethnizität empirisch am besten anhand von zwei Faktoren bestimmen lässt: die ethnische Loyalität (Ethnic Loyalty) und das kulturelle Bewusstsein (Cultural Awareness). Dabei weisen Einstellungen und Verhaltensweisen gleichermaßen Anteile an den genannten Faktoren auf. Die von Keefe und PadiIIa (1987) entwickelte Skala zum ethnischen Bewusstsein und Loyalität wurde in Kapitel 4 bereits vorgestellt (vgI. Kap. 4.2).
Die Autoren stellen fest, dass für die Akkulturation die kulturelle Orientierung entscheiden sei. Sie sei bestimmt durch das Ausmaß, in dem die Migranten in ihrer Gruppe bleiben wollen, oder in die dominante Kultur assimilieren wollen. Das kulturelle Bewusstsein sei bestimmt durch die kulturelle Herkunft der Eltern, die kulturelle Identifikation und Präferenz der Herkunftskultur, sowie die ethnische Sprachpräferenz und der Sprachgebrauch sowie die wahrgenommene Diskriminierung. Das kulturelle Bewusstsein beinhalte das Wissen über die Herkunftskultur und die dominante Kultur (z.B. Werte, Sprache, Lebensweisen). Es sei kognitiv bestimmt. Die ethnische Loyalität sei definiert durch den kulturellen Stolz beziehungsweise die Affiliation, die kulturelle Identifikation und Präferenz, sowie die soziale Verhaltensorientierung (z.B. Präferenz für Gebrauchsgüter aus der kulturellen Ingroup). Die ethnische Loyalität sei also insgesamt durch die Präferenz für die Herkunfts- oder Aufnahmekultur definiert. Diese Dimension sei eher affektiv bestimmt. Keefe (1992)hat auf der Grundlage des Modells von Keefe und Padilla (1987) die Identität und Akkulturation von Chicanos und Appalachians in den USA untersucht und vorgeschlagen, dass deren Ethnizität die Dimensionen ethnische Kultur (Muster von Verhaltensweisen und Überzeugungen), ethnische Gruppenmitgliedschaft und ethnische Identität umfasst. Keefe findet die beiden Faktoren der ethnischen Loyalität und des kulturellen Bewusstseins. Darüber hinaus kann sie nachweisen, dass die ethnische Identität auf der
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Wahrnehmung persönlicher Bindung an die ethnische Gruppe und Kultur, die insbesondere auf der Wahrnehmung von Differenz zwischen ethnischen Gruppen, dem Gefühl der Bindung (Attachment), dem Stolz auf die ethnische Gruppe, der Wahrnehmung von Vorurteilen gegenüber der ethnischen Ingroup und der Diskriminierung der Gruppe basiert. Arbona und Flores (1995) haben das Modell von Keefe und Padilla in einer Stichprobe mit Studierenden mexikanischer Herkunft in den USA untersucht.» Sie können mittels einer hierarchischen Faktorenanalyse die beiden Dimensionen Bewusstsein und Loyalität unterscheiden. In einer Studie mit Latino-Studierenden einer südwestlichen Universität der USA hat Saldana (1988, 1994) ebenfalls einen reliablen Faktor ethnischer Loyalität gefunden, der sich von der Verhaltenspräferenz und Gruppenteilnahme unterscheidet. Dabei weisen Keefe und Padilla (1987) auf einen weiteren wichtigen Faktor hin. Die ethnische Loyalität und das kulturelle Bewusstsein unterschieden sich zwischen den Generationen. Sie postulieren, dass der Prozess der Übertragung der Kultur einen starken Einfluss auf die Entwicklung und Erhaltung der kulturellen Identität in nachfolgend Generationen hat. Die Verbundenheit der Eltern mit ihrer ethnischen Gemeinschaft und die Wahrnehmung ihrer Einstellungen beeinflusst signifikant die ethnische Identität und Akkulturationsstrategie ihrer Kinder (Rosenthal & Chicello, 1986; Sam, 1995). Obgleich der Einfluss relativ groß ist, zeigen eine Reihe von Studien Veränderungen der ethnischen Identität in der zweiten und dritten Generation, die eine Loslösung von der ethnischen Herkunftskultur bedeutet (Mavreas, Bebbington & Der, 1989;Keefe & Padilla, 1987;Atkinson, Morten & Sue, 1983). Das Konzept der (ethnischen) Identität von Keefe und Padilla ist im Vergleich zu vielen anderen Modellen der Identität anspruchsvoller, berücksichtigt man, das es zwei Dimensionen hat - Loyalität und Bewusstsein -, im Kontext des intergenerationalen Transfers relevant ist und in den Kontext von Attachment-Theorien diskutiert wird. Interessant ist, dass es weniger von anderen Identiätsmodellen berücksichtigt wird, wohl aber im Kontext von Studien zur sogenannten Chicano Identity von Zuwanderern in den USA. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass in der Forschung weniger die Theorie als vielmehr die von Keefe und Padilla (1987) entwickelte Skala (Box 4.1, Kapitel 4) berücksichtigt wird. Diese erfasst explizit die Einstellungen von Adoleszenten und dabei vor allem die Sprachkompetenz, die meines Erachtens nicht hinreichend das ethnische Bewusstsein, so wie es die Theorie versteht, repräsentiert. Es spricht auch vieles, ohne dass diese Diskussion bislang geführt wurde, dafür, dass das Konstrukt des ethnischen Bewusstseins eher die Kulturkompetenz widerspiegelt, während die Dimension der Loyalität die Identität repräsentiert; kulturelle Kompetenz und Identität also die beiden zentralen Konstrukte sind. Das wird meines Erachtens durch eine genauere Betrachtung der Items der Skala unterstützt. Die Items der Awareness-Subskala fragen nach Sprachkompetenz, die Items der Loyalität-Subskala fragen nach Stolz und sozialer Anerkennung. Es wäre meines Erachtens durchaus sinnvoll, den Konstrukten der Loyalität und des Bewusstseins genauer nachzugehen. Da die meisten Ansätze die Annahme teilen, dass Identi-
78 Vgl. auch die Studie von Wall, Power und Arbona (1993) zum anti-sozialen Verhalten von Jugendlichen mexikanischer Herkunft in den USA.
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tät ein Gruppenkonzept ist und Gruppenbindungen relevant sein sollten, scheint insbesondere eine Analyse der Loyalität zur Studie des Einflusses von Identitäten auf Akkulturationsprozesse interessant. Ich schlage vor, das Konzept der Loyalität als einen Gruppenfaktor zu verstehen, das heißt als eine soziale Kraft, die von Gruppen ausgeht. Es kann zum Beispiel der Fall vorliegen, dass Mitglieder kultureller Gruppen durchaus gewillt und motiviert sind, sich dominanten Mehrheiten im Sinne einer Assimilation anzupassen, die Gruppen, denen sie angehören, jedoch Loyalitäten einfordern beziehungsweise die Gruppenmitglieder selbst Loyalität von sich selbst einfordern. Loyalität in diesem Sinne wäre dann als k0häsive Kraft der Gruppe zu verstehen, zum Beispiel im Sinne einer Forderung zur Einhaltung von Normen und Werten (,auch wenn man sich eigentlich gar nicht mehr als Türke fühlt, ist demonstrative Loyalität gefragt'). Akkulturationsprozesse erfordern in gewissem Ausmaß Loyalitätsbrüche seitens der Neuankömmlinge und zwar in beide Richtungen! Zum einen gegenüber der Herkunftskultur aufgrund von Forderungen der neuen, dominanten Kultur, die Loyalität gegenüber ihren Regeln und Werten verlangt, zum anderen gegenüber der neuen Kultur aufgrund von Forderungen traditionalistisch orientierter Mitglieder der Herkunftskultur, die ihrerseits Loyalität gegenüber der alten Herkunftskultur einfordern. Studien zum intergenerationalen Konflikt und seine Auswirkung auf die Akkulturation (siehe oben) weisen auf die Bedeutung der normativen Loyalitätskräfte hin. Dass solche Kräfte wirken, wird aber auch an Einstellungen gegenüber Minderheiten deutlich erkennbar. In einer Reihe von Umfragen in Europa zeigt sich, dass die Meinung, dass Juden loyaler gegenüber Israel als gegenüber dem Land, in dem sie leben, sind, verbreitet ist (Zick & Küpper, 2007a). In diesem ,separationistischen Antisemitismus', der Juden als nicht einheimische Gruppe kategorisiert, kommt implizit auch die Loyalitätsforderung der Mehrheit zum Ausdruck. Loyalität, sei es als Identitätsdimension oder als Ausdruck normativer Forderungen im Sinne sozialer Kohäsionskräfte - das wäre theoretisch erst noch genauer zu differenzieren - ist also ein relevantes Konstrukt, das in der Akkulturationsforschung mehr Beachtung finden sollte. Dem Einfluss intergenerationaler Unterschiede geht auch der Ansatz von Oetting und Beauvais (1990-1991) nach. Sie haben in ihrer Orthogonal Kulturellen ldentifilaltionstheorie den politischen Kontext und den damit verbundenen Generationenwandel explizit bedacht. Dabei gehen die Autoren zunächst davon aus, dass die Identifikation mit einer Kultur mit einem Nachlassen der Identifikation mit einer anderen Kultur einhergeht (vgl. auch Oetting, Swaim & Chiarella, 1998).Wie die Autoren jedoch später selbst in Studien erfahren, ist diese einfache Linearitätsannahrne zurückzuweisen, sodass Oetting und Beauvais auch von bikulturellen Identitäten schreiben. Dabei basiere die kulturelle Identifikation auf einem lang anhaltendem sozialen Lernprozess. Sie verändere und entwickelte sich über die ganze Lebensspanne hinweg (Oetting, 1993). Während sich die frühe Identifikation aus der Familie entwickle, leiteten Erwachsene die Identifikation aus unterschiedlichen kulturellen Quellen ab (Bildung, Arbeit, Heirat, Sozial1eben etc.). Adoleszente Jugendliche würden ihre Identität gerade im Gegensatz zur Familie definieren. Oetting und Beauvais (1990-1991) orientieren sich dabei an den ethnozentrischen Schulprogrammen der amerikanischen Gesellschaft. Sie stellen fest, dass früher zum Beispiel Schüler aus indischen Familien in amerikanischen Schulen gezwungen wurden, ihre Sprache, Traditionen und Gebräuche aufzugeben. Das hatte zwangsläufig die Konsequenz, dass die Aufgabe einer kulturellen Identifikation mit einer stärkeren Einbindung in die
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Mehrheitskultur einhergeht. Sie weisen darauf hin, dass es natürlich empirische Studien gibt, die zeigen, dass die Identifikation einer Person mit einer Kultur A mit einer geringeren Identifikation mit Kultur B zusammenhängt, vice versa, allerdings gibt es auch Fälle, in denen beide Identifikationen hoch oder beide niedrig sein können. Die Autoren haben in ihrem Studienprogramm eine "Orthogonal Cultural Identification Scale" entwickelt, die ,kulturfrei' sein soll und die Einstellungen als auch Verhaltensweisen erfassen soll (vgl. auch [ohnson, Wall, Guanipa, Terry-Guyer & Velasquez, 2002). In Box 6.1 ist die Skala beschrieben . Box 6.1
Orthogonal Cultural Identification Scale (OCIS) nach Oetting und Beauvais (1990-1991)
Die Original-Skala misst die Identifikation von Zuwanderern in den USA mit verschiedenen kulturellen Gruppe (in der Originalfassung Anglo-American, Mexican American, Black American, Asian American, oder American Indian). Darüber hinaus geben die Autoren vor, dass die Skala Einstellungen und Verhaltensweisen erfasst. Eine (neuere) Skala enthält 6 Kernitems die drei Itemtypen umfassen: a) Identifikation mit einem bestimmten Lebensstil oder einer Kultur, b) wahrgenommener Erfolg in der Kultur und c) Involviertheit in den kulturellen Aktivitäten und Traditionen. Jeder Itemtyp hat zwei Formen: erstere fragt nach der Person, zweitere nach der Familie, jeweils mit dem Rating: White American way of life - Anglo way of life - an American Indian way of life Mexican American way of life: 1. Do you live by or foLlow the ... way life? 2. Does your family live by or follow ? 3. When you are an adult, will you be a success in ... ? 4. Is your family a success in ... ? In einer neueren Version werden zusätzlich die Fragen gestellt: 5. Some families have special activities or traditions that take place every year at particular times (such as holiday parties, special meals, religious activities, trips, or visits). How many of these special activities or traditions did your family have when you were growing up that are based on (White American or Anglo culture - Mexican American culture - American Indian culture). 6. When your are an adult and have your own family, will you do special things together or have special traditions that are based on (White American or Anglo culture - Mexican American culture American Indian culture)? Zu jeder kulturellen Gruppe wird ein Rating (a lot, some, not much, or not at all) vorgelegt. Mit der Skala soll es möglich sein, alle Identifikationsausprägungen zu erfassen: highly bicultural people, unicultural identification, high identification with one culture and medium identification with another, or even low identification with either culture. Die Reliabilitäten und Validitäten sind nach Oetting, Swaim und Chiarella (1989) in einer Stichprobe mit Mexican und Indian Americans zufriedenstellend (zwischen .80 und .89). Felix-Ortiz, Newcomb und Myers (1994) kritisieren jedoch, dass die Items semantisch uneindeutig oder unklar sind. [ohnson, Wall, Guanipa, Terry-Guyer & Velasquez (2002) finden hohe Korrelationen mit der gut geprüften Suinn-Lew Asian Self-Identity Acculturation Scale, allerdings scheinen beide Skalen zumindest in einer Stichprobe mit Asian American Studierenden unterschiedliche Konstrukte zu erfassen. Lessenger (1997) kann darüber hinaus zeigen, dass die Identifikationsdimensionen besser durch die Rating Scale for Mexican Americans (ARSMA-II) von Cuellar, Arnold und Maldonado (1995) erfasst werden können (vgI. auch Felix-Ortiz, Newcomb & Myers, 1994, die die Skala zuerst entwickelt haben). Diese Skala besteht aus zwei Subskalen: Erstens der Orientierungsskala (Mexican Orientation scale (17
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Items) und Anglo Orientation scale (13 Items). Die Items fragen nach der Sprachverwendung beim Fernsehen, im Kontakt mit Freunden, beim Schriftverkehr etc.. Zweitens der Marginalization Scale, die die Akkulturation und Marginalisierung erfasst. Die Skala besteht wiedenun aus drei Sub-Skalen : ANGMAR (Anglo Marginality), MEXMAR (Mexican Marginality) und (Mexican American Marginality). Die Fragen erfassen die Schwierigkeiten bei der Akzeptanz von Ideen, Werten, Verhaltensweisen, Gebräuchen oder von Personen aus der ethnischen Gruppe als Freunde. Dabei lassen sich die Akkulturationsformen analog zu Berrys (1980) Differenzierung von Akkulturationstendenzen in vier Aspekte fassen (integriert, marginalisiert, separiert und assimiliert), sowie nach einer traditionell mexikanischen Lebensorientierung.
Eine wesentliche und wichtige These, die Oetting und Beauvais (1990-1991) entwickeln, ist die, dass sichIdentitäten im Verlaufder Akkulturation ständigverändern und zudem mehrdimensional sind, weil sie sich je nach Lebensbereichen unterscheiden können. Allerdings legen sie kein genaues Modell der Identitätsentwicklung und -veränderung im Verlauf eines möglicherweise,lebenslangen Lernprozesses vor. Mit der These, dass sich Identifikationen nach Lebensbereichen unterscheiden setzen Oetting und Beauvais (1990-1991) eine These, die später von Arends-T6th und van de Vijver (vgl. z.B. 2004) empirisch bestätigt wird. In Kapitel 4 wurden die Arbeiten der letzteren Autoren vorgestellt. Insgesamt gewinnt also auch dieser Ansatz in der Forschung insbesondere an Bedeutung, weil die Autoren eine Skala der Identifikation von Jugendlichen entwickelt haben, die sehr zuverlässig scheint (vgl. Box 6.1). Betrachtet man diese Skala genauer, wird deutlich, dass neben der Identifikation mit einem bestimmten Lebensstil oder einer Kultur auch der wahrgenommene Erfolg in der Kultur und die Involviertheit in den kulturellen Aktivitäten und Traditionen bedacht werden. Damit legen die Autoren drei interessante Dimensionen vor. Dass die Identifikation relevant ist, ist offensichtlich und das teilt der Ansatz mit nahezu allen anderen Ansätzen. Dass aber der Erfolg und die Involviertheit relevant sind, ist ein Postulat, dass wesentlich ist, aber nicht weiter ausgeführt ist. Ähnlich wie bei dem Ansatz von Keefe und Padilla (1987) zuvor, bei dem am Ende das Konzept der Loyalität hervorgehoben wurde, könnte man die Konzepte des Erfolges und des Involvement weitaus genauer auf einer gruppalen Ebene der Analyse näher bestimmen, das heißt sie dadurch zu erklären, wie Indivdiuen sich mit Gruppen identifizieren und welche Folgen das hat. Bereits die Lerntheorien, die in Kapitel 4 vorgestellt wurden, verweisen darauf, dass für Individuen, die versuchen, eine neue Kultur zu adaptieren, Erfolge, die sie auf ihre Gruppenzugehörigkeit zurückführen können, wesentliche Lemerfahrungen sind. Ebenso wurde in verschiedenen Ansätzen die Bedeutung der Involviertheit in die Herkunftskultur oder in eine neue Kultur hervorgehoben (vgl. z.B. Birman, 1994a; insbesondere aber die BAS nach Szapocznik, Kurtinez und Fernandez, 1980; siehe auch Kapitel 4). Dabei konzentrieren sich meines Erachtens Oetting und Beauvais (1990-1991) zu sehr auf eine einfache soziale Kategorisierung von Individuen: eben eine Identifikation, einen Lernerfolg und/oder das Involvement mit der Herkunftsgruppe versus der Gruppe der Mehrheit; wie auch die ltems ihrer Skala zur orthogonalen Identifikation deutlich machen. Das ist ein viel zu grobe Differenzierung, die dem Ansatz nicht gerecht wird. Ein Großteil der Kritik an dieser simplen Dichotomisierung trifft auch auf den folgenden Ansatz zu. Bemal, Knight, Garza, Ocampo and Cota (1990) haben ein Multifaceted Model of Ethnic Identity vorgestellt (vgI. auch Bemal & Knight, 1993;Quintana & Very, 1999a). Sie definieren ethnische Identität als multidimensionales Konstrukt, das sich aus ethnischer Identifikation,
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ethnischem Verhalten, ethnischem Wissen und ethnischen Gefühlen bzw. Präferenzen zusammensetzt. Die ethnische Identität erkläre sowohl spezifische Entwicklungsverläufe als auch die Akkulturation. Dabei seien die ethnische Identifikation und das ethnische Wissen und weniger die ethnische Präferenz und das Verhalten mit dem biographischchronologischen Alter verbunden (Bemal et al., 1990; Bemal & Knight, 1993). Bemal et al. (1990) zeigen in ihren empirischen Studien mit amerikanischen Kindern mexikanischer Herkunft (Mexican Americans), dass die ethnische Identität durch die Sozialisation bestimmt ist. Dabei sind vor allem das ethnische Wissen und das ethnische Verhalten mit der elterlichen Sozialisation und mit Akkulturationsvariablen verbunden, wie zum Beispiel dem Sprachgebrauch der Eltern. Zudem finden sie, dass die ethnische Identität mit der Präferenz für eine kooperative versus individualistische Ressourcenaufteilung zusammenhängt, und sie können zeigen, dass bei Mexican American Kindern ethnisches Wissen das Verständnis für ethnische Vorurteile erklärt, während das ethnische Verhalten kein Erklärungsfaktor ist. Die Differenzierung in ethnische Identijikiltion, Verhalten, Wissen und Gefühle erscheint sinnvoll, aber darüber reicht meines Erachtens das Modell nicht hinaus. Wiederum sind die genauen Zusammenhänge zur Akkulturation nicht hinreichend präzise in eine Theorie eingefasst. Dass alle Faktoren eine Rolle spielen, bestätigen viele Studien und das wird von vielen bereits skizzierten Theorien mehr oder weniger ähnlich hervorgehoben, aber die kausalen Zusammenhänge der Konstrukte und ihre möglichen Subdimensionen zu unterschiedlichen Facetten der Adaptation bleibt theoretisch ungenau. Interessant ist dagegen die These, dass die ethnische Identität ein stabiler Faktor der Akkulturation ist. Eine noch einfachere Klassifikation von Identitätstypen hat Montgomery (1992) in einer Orientierungs- und Akzeptanz-Typologie vorgenommen. Montgomery wählt eine einfache bidimensionale Unterteilung, indern er Personen (hier Mexican Americans) danach klassifiziert hat, ob sie einer und/oder einer anderen Kultur angehören und wie sich diese in Bezug auf spezifische Dimensionen wie zum Beispiel das Level of Comfort oder die Gesundheit unterscheiden. Daraus ergeben sich Typen: Orientierung zur dominanten Kultur, Orientierung zur Herkunftskultur, Akzeptanz beider Kulturen und Zurückweisung beider Kulturen. Die Identifikation wird hier ersetzt durch das einfache Konstrukt einer kulturellen Orientierung, wobei die Orientierung zur Ursprungskultur und zur dominanten Einheimischenkultur wiederum orthogonal verstanden wird. Der Ansatz wird zwar an verschiedenen Stellen zitiert, hat jedoch die Forschung nicht wesentlich beeinflusst. Dennoch bleibt auch dieser Ansatz hinter seinem Anspruch zurück, oder anders ausgedrückt: Er bietet eine nicht uninteressante Perspektive, nimmt man ihn besonders ernst und diskutiert die Idee, das Konstrukt der Identität durch das Konstrukt einer allgemeinen Orientierung zu ersetzen. Dann würde sich die interessante Frage stellen: Was macht eine kulturelle Orientierung aus? Man könnte meinen, weit mehr als das, was unter dem Identitätskonstrukt bislang diskutiert wurde. Das Konstrukt der Orientierung wäre im allgemeinsten Sinne eine kulturell geprägte Perspektive auf die Welt (WeItsicht). Führt man den Ansatz von Montgomery strikt weiter, dann könnte man die Annahme ausarbeiten, dass diese Perspektive durch eine Kultur bestimmt ist, das heißt die Wahrnehmung von Ereignissen, Selbstkonzepten, Gefühlen etc. wäre kulturell geprägt, und diese Prägung schafft eine andere Wirklichkeitswahmehmung und -suche, eben Orientierung.
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Resümiert man die bislang skizzierten orthogonalen Modelle, dann verdichtet sich ihre generelle Grundannahme in dem Orthogonalen Identitätsmodell von Cortes, Rogler und Malgady (1994). Sie nehmen an, dass Individuen, die stark ethnisch identifiziert sind, in der dominanten Mehrheitsgesellschaft nicht involviert sein können. Das allerdings stimmt mit der Empirie, die die Studien zu den Modellen selbst vorlegen, kaum überein. Sie zeigen, dass bikulturelle Identitäten nicht nur möglich, sondern auch weit verbreitet sind. Neuankömmlinge in einem kulturellen System entwickeln Identifikationen mit beiden Kulturen, dem Herkunftssystem und dem neuen kulturellen System. Bezieht man darüber hinaus die Überlegung mit ein, dass Identitäten sich nach relevanten Lebensbereichen unterscheiden, dann ist von mehrdimensionalen Identifikationen und Identitäten auszugehen, die den Prozess der Akkulturation beziehungsweise das Phänomen der Adaptation der kulturellen Umwelt beeinflussen. Was allerdings die orthogonalen Modelle konsistent dabei annehmen, ist, dass die Identitäten orthogonal und das heißt letztendlich in gewissem Ausmaß unvereinbar sind . Dem widersprechen die folgenden Identitätsmodelle vehement.
6.2.2
Bikulturelle und mehrdimensionale Identifikation und Akkulturation
Wie genannt steht im Zentrum der frühen psychologischen Identitätsstrukturmodelle der Akkulturation die Frage, wie sich aus der Konstellation der Identifikation mit der Herkunfts- oder Aufnahmekultur unterschiedliche Akkulturationsvarianten ergeben. Kategoriale Bikulturalismus-Modelle postulieren im Gegensatz zu den orthogonalen Modellen, dass die Identifikation mit Herkunftskultur und neuer Kultur nicht orthogonal sein muss. Zweitens postulieren nahezu alle Bikulturalismus-Modelle, dass sich aus der Kombination einer starken oder schwachen Identifikation mit der Herkunfts- und Aufnahmekultur unterschiedliche Varianten der Akkulturation im Sinne eines Akkulturationsergebnisses ergeben. Im Rahmen dieser Ansätze ist also die These zentral, dass sich aus der Identifikation mit einer sozialen Kategorie, die durch Herkunfts- oder Aufnahmegruppe bestimmt ist, unterschiedliche Orientierungen zur Akkulturation (so genannte Akkulturationsvarianten) ergeben. Cultural Transition Modelle, die anschließend vorgestellt werden, postulieren dagegen, dass im Verlauf der Akkulturation andere Identitäten entstehen. Dabei ist zu beachten, dass sich ein Großteil der Forschung zu den bikulturellen Modellen auf den Zusammenhang von Identifikationen und Einstellungen zur Akkulturation (Akkulturationsorientienmgen) konzentriert (siehe Kap. 2 zur Bestimmung der Grundkonzepte, sowie Kap. 4 und 6.3). Das ist insofern eigentümlich als die Frage, wie Identitäten und Identifikationen mit Einstellungen zur Akkulturation zusammenhängen, nicht zwingend ist und das primäre Interesse der Mehrdimensionalität von Identitäten gelten sollte. Das Modell der Bikulturellen Identitätsstruktur nach Zak (1973) ist eines der ersten psychologischen Identitätsansätze, das auf die Identitätsstruktur eingeht. Zak hat die Prüfung eines zweidimensionalen Modells der Identität gegen ein bipolares Modell unternommen. Dabei untersuchte er in einer Reihe von Faktorenanalysen mit vier unterschiedlichen Gruppen amerikanischer Juden beide Modelle. Er fand, dass zweifaktorielle Lösungen (Identifikation mit Aufnahme- bzw. Herkunftskultur) die Identifikation am besten beschreiben, wobei die Faktoren gering miteinander korrelierten. Zak stellt fest, dass die ethnische Identi-
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tät nicht bipolar ist, sondern ihre Dimensionen dual oder orthogonal sind (vgl. auch Zak, 1976). Ähnliches finden Laroche, Kim, Hui und Ioy (1996)in ihren Studien zur Akkulturation unterschiedlicher Gruppen in Kanada, dass das zweidimensionale Modell ihre Daten besser vorhersagte als ein bipolares Modell. Dabei finden sie eine zweidimensionale Lösung aus ethnischer Affiliation und akkulturativer assimilativer Tendenz. Allerdings verwenden auch Laroche et a1. in ihren Studien stets bipolare Itemformulierungen, sodass eine faktorielle Lösung auch aus methodischen Gründen nahe liegt (vg1. auch Laroche, Kim, & Hui, 1997; Laroche, Kim, Hui & Tomiuk, 1998).Dabei ist zu erinnern, dass grundsätzlich bei der empirischen Analysen von Identitätsstrukturen der Akkulturation ein bipolares Testmodell weiter verbreitet ist als bipolare Theorien (Nguyen & von Eye, 2002). Lasry und Sayegh (1992) haben ein orthogonales Modell der Akkulturation nach Zaks (1973) Ansatz zur bikulturellen Identifikation und den vier wesentlichen Akkulturationsvarianten nach Berry (1997a/b), also der Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung, entwickelt (vg1. auch Sayegh & Lasry, 1993).79 Dabei unterscheiden sie Varianten der Akkulturation danach, wie stark (hoch vs, niedrig) sich akkulturierende Individuen mit der Herkunfts- oder Aufnahmekultur identifizieren. Ist die Identifikation mit der Herkunftskultur gering, aber mit der Aufnahmekultur stark, liegt eine assimilative Strategie nahe. Sind beide Identifikationen stark ausgeprägt, kann eine Integrationsstrategie festgestellt werden. Das entspricht dem Konzept von Berry (1997a/b), wobei hier nur die Dimension der Identität und nicht jene der Partizipation relevant ist. Sind dagegen die Identifikationen mit beiden Gruppen schwach, liegt eine Mtlrginalisierung nahe. Von Ethnozentrismus ist nach Lasry und Sayegh die Rede, wenn die Identifikation mit der Herkunftskultur stark ist, mit der Aufnahmekultur jedoch gering. In späteren Modellen taucht das Konzept des Ethnozentrismus nicht mehr auf. Stattdessen ist von Separation oder Individualisierung die Rede (Kap. 6.3). Die Erfassung der Identifikation ist dabei relativ einfach. In ihren Studien stellen Lasry und Sayegh (1992) einfach zwei Fragen: 1. "Do you feel completely or not at all (country of origin)?" 2. "Do you feel completely or not at a11 (country of admission)?" Sie können nachweisen, dass sich mit den beiden Fragen die Varianten der Akkulturation gut unterscheiden lassen. Das Modell ist einfach und stimmt mit vielen anderen Ansätzen überein, die sehr ähnliche Unterteilungen vornehmen und daher nicht näher vorgestellt werden (Bochner, 1982; Ramirez, 1984;Hutnik, 1991; Der-Karbetian, 1980; LaFromboise, Coleman & Gerton, 1993). Man kann diese Modelle meines Erachtens in einem einfachen kategorialen Akkulturationsmodell zusammenfassen, das in Abbildung 6.2 dargestellt ist.
79 Wie in Kap . 4 dargestellt werden unter Varianten Einstellungen zur Akkulturation (Akkulturationsorientierungen) und geplante Verhaltensweisen der Adaptation (Akkulturationsstrategien) verstanden.
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Identifikation mit Herkunft.kultur
(Separation) (Integration) Id an t1f1k.tlo n mit Aufnahmakultur
I niedrig I
(M arglnallslerung)
(Asslm lIatlon)
I niedrig I
Abb.6.2
Das kategoriale Akkulturationsmodell
Dieses von mir verallgemeinernde Modell kategorisiert das Ausmaß der Identifikation mit der Herkunftskultur und der Aufnahmekultur und weist den Kategorien Akkulturationsstrategien zu, die hier in Klammem durch die wesentlichen Konstrukte der Separation, Integration, Marginalisierung und Assimilation angedeutet sind. Unterschiedlich zu den Modellen, wie zum Beispiel dem Ansatz von Lasry und Sayegh (1992) ist lediglich die Bezeichnung für die Strategie, die aus einer niedrigen Identifikation mit der Herkunfts- als auch Aufnahmekultur resultiert. In dem abgedruckten allgemeinen Modell ist zum Beispiel der etablierte Begriff der Marginalisierung aufgeführt, den Lasry und Sayegh nicht verwenden. Wesentlich im Rahmen von Identitätsmodellen ist zunächst nur, dass die Identifikationsstärke entscheidend ist, wobei Identifikationen mit unterschiedlichen kulturellen Gruppen nicht orthogonal sein müssen, was durch die Kreisform angedeutet wird. Als allgemeine Grundannahme der Modelle lässt sich zusammenfassen: Aus Identifikationen ergeben sich Adaptationsprozesse. Im Gegensatz dazu steht die bekannte und sehr weit verbreitete identitätsbasierte Klassifikaiion von Akkulturationsorientierungen nach Berry (1984, 1997, 2001, 2003). Später werden die Varianten noch genauer differenziert und ihre empirische Güte diskutiert (Kap. 6.3). Im vorliegenden Rahmen ist zunächst der Fokus auf die Identität gerichtet. In der klassischen Klassifikation differenziert Berry (1997) die Orientierungen explizit anhand des Identitätskonstruktes; das wurde im zweiten Kapitel schon beschrieben (siehe unten). Berry zufolge ergeben sich Orientierungen (Einstellungen) und Strategien (Adaptationshandlungen) aus der unterschiedlichen und nicht unbedingt orthogonalen Stärke der Identifikation mit Gruppen. Orthogonalität kann empirisch der Fall sein, muss es aber nicht sein. Damit hat er den wohl bedeutsamsten Beitrag zur Differenzierung von Akkulturationsorientierungen anhand eines zweidimensionalen Modells vorgeschlagen. Diese Klassifikation ergänzt sein skizziertes Prozessmodell der Akkulturation. Auf die Klassifikation beziehen sich viele der nachfolgenden Modelle immer wieder, ergänzen sie, modifizieren sie oder kritisieren sie. Berry (2001) differenziert dazu die Akkulturationsstrategien allochthoner und autochthoner Gruppen. Beide seien bestimmt durch die Dimensionen: Identität und Kontakt (Beziehun429
gen), die sich wechselseitig bestimmten. Abbildung 6.3 zeigt Berrys jüngste Darstellung der Differenzierung von Akkulturationsorientierungen. Th8ma 1 Erhaltung der Her1o+ 2 Klassifikation nach Berry (1980) der Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung verwendet werden können. Damit wird auch deutlich, dass primär das Kriterium des Kulturerhaltes, also der Identität, für die Feststellung der Akkulturationsorientierungen und/oder -strategien herangezogen wird. Warum das der Fall ist, diskutieren Navas et al. (2005) leider nicht. Nicht bedacht sind hier, wie in den Modellen zuvor auch, die Einstellungen von Einheimischen zur Akkulturation ihrer eigenen Ingroup, sowie die Einstellungen von Neuankömmlingen dazu, wie sich Einheimische orientieren, realer- oder ideelerweise. Sie ließen sich relativ leicht erheben.
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Insofern bietet das RAEM zunächst nur eine Orientierung. Die Theorie, sofern man schon von einer Theorie sprechen kann, muss ausformuliert werden und seine Annahmen explizieren. Der wesentliche Erkenntnisgewinn besteht darin, dass das Modell, erstens, die Klassifikation der Akkulturationsorientierungen um die Differenz realer und ideeller Orientierungen erweitert und, zweitens, die Lebensbereiche auf die sich Orientierungen beziehen nach problematischen und weniger problematischen Bereichen ordnet. Problematisch sind Bereiche in Bezug auf ihre Stabilität, das heißt relative Unveränderbarkeit und Resistenz, sowie das damit verbundene Ausmaß interkultureller Differenz und Konflikte. Leider eher ungenau ist das Modell in Bezug auf die Differenzierung zwischen Akkulturationsorientierungen - das wird letztendlich operationalisiert in den Studien von Navas et al. - und Akkulturationsstrategien, die Navas et al. eigentlich fokussieren. Man könnte das Modell auch als eine Theorie über Akkulturationsprozesse verstehen, da es Konflikte und Probleme der Interaktion ethnisch-divergenter Gruppen analysiert. Ich bin der Meinung, dass das Modell eben zur Klassifikation von Orientierungen dienen kann, weniger zur Analyse von Strategien, die sich in einem adaptiven Verhalten äußern (vgl. Grundbegriff in Kap. 2); daher passt es auch in den Rahmen der Strukturtheorien über Akkulturationsorientierungen. Das Modell stellt den Fokus auf Akkulturationsorientierungen enger. Dabei verweist es zu Recht und überzeugend darauf, dass solche Orientierungen gruppal sind, das heißt Ideologien darüber sind, wie eine Aufnahme- und/oder Herkunftskultur real oder ideell sich kulturelle Systeme aneignen soll oder möchte. Wittig und Molina (2000) und Molina, Wittig und Giang (2004) haben eine Mutual Acculturation Theory entwickelt, die als Adaptation und Weiterentwicklung der BAT von Berry beziehungsweise seiner Klassifikation der Akkulturationsvarianten (1980b, 1997, 2003) für den Bereich der Intergruppenbeziehungen betrachtet werden kann, wobei ein besonderer Fokus auf intergruppalen Vorurteilen liegt. Sie wollen mit der Theorie erklären, wann interkultureller Kontakt Vorurteile reduzieren kann; insbesondere solche Vorurteile, die das interkulturelle Klima in Bildungseinrichtungen repräsentieren. In Anlehnung an Berry et al. (1986) postulieren sie, dass eine Outgroup-Orientierung - also nach Berry das Ausmaß, indem positive interkulturelle Beziehungen zu einer Outgroup erwünscht sind - und das Ausmaß ethnischer Identifikation den Einfluss des Kontaktes mediieren. Eine Integrationsorientierung entspreche einer hohen Outgroup-Orientierung, die mit einer hohen ethnischen Identifikation verbunden ist. Assimilation entspreche einer Outgroup-Orientierung und niedrigen Identifikation, Separation einer geringen Outgroup-orientierung und einer starken ethnischen Identifikation und Marginalisierung einer geringen OutgroupOrientierung und geringen ethnischen Identität. Die Wahrnehmung des interkulturellen Klimas sei am überzeugendsten durch die klassischen Kontaktbedingungen nach Allport (1954) repräsentiert, also die Wahrnehmung eines gleichen Status der involvierten Gruppen, die Aufgabeninterdependenz, die die Gruppen auf ein gemeinsames Ziel ausrichten, die Wahrnehmung institutioneller Unterstützung sowie die wahrgenommene Assoziation, die durch gemeinsame Anerkennung repräsentiert ist (vgl. auch Kap. 6.5, unten). Ihr Einfluss auf die gegenseitige Akkulturation (Mutual Acculturation), die durch Outgroup-Orientierung und ethnische Identität definiert sei, würde durch affektive Verzerrungen der intergruppalen Wahrnehmung mediiert. In einer Serie von Studien unter amerikanischen Studierenden unterschiedlicher ethnischer Bindung, die an einem Programm zur Verbesserung der multikulturellen Bildung
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(Racial Attitudes Program) teilnahmen, finden sie Unterstützung für ihr Modell. Es zeigt sich aber auch, dass die Outgroup-Orientierung ein besserer Mediator als die ethnische Identifikation ist. Ferner zeigen die Studien, dass die soziale Kategorisierung der Gruppen kaum oder gar nicht die postulierten Beziehungen der Konstrukte mediiert. In einer modifizierten Version der Theorie haben Rabinowitz, Wittig, von Braun, Franke und Zander-Music (2005)die Theorie tun die Komponente Egalitarismus erweitert, die sie aus der Social Dominance Theory von Sidanius und Pratto (1999) ableiten. Sie sind der Meinung, dass die Theorie zu Recht darauf verweist, dass eine egalitäre Orientierung im Vergleich zu einer anti-egalitären sozialen Dominanzorientierung die Vorurteilsneigung erklärt, wobei die Indikatoren der gegenseitigen Akkulturation - eben Outgroup-orientierung und ethnische Identifikation - den Effekt mediieren. Die Autoren sind der Meinung, dass egalitäre Überzeugungen relevanter sind als die individuelle Wahrnehmung des kulturellen Klimas (hier durch Kontaktbedingungen operationalisiert, weil sie präskriptiv und nicht deskriptiv sind). Ferner schlagen Rabinowitz et al. (2005)in Anlehnung an die Social Dominance Theory vor, die Outgroup-Orientierung als hierarchie-schwächende und die ethnische Identifikation als hierarchie-stärkende legitimierende Mythen zu verstehen. Das heißt, die Akkulturationsorientierung wird hier als eine status-legitimierende Ideologie verstanden, die auf einer generellen Überzeugung der Gleichwertigkeit beruht (vgl. auch Zick & Küpper, 2007; sowie zur Theorie der sozialen Dominanz Küpper & Zick, 2005; Zick & Küpper, 2006). Das Modell ist sehr überzeugend, betrachtet man Vorurteile als Indikatoren der Adaptation und des Akkulturationsniveaus, mindestens aber als Barrieren der Adaptation; was Zick und Six (1999a/b) in Studien mit Aussiedlern in Deutschland belegen können. Das Argument der Mutual Acculturation Theory besteht darin, dass eine gegenseitige Akkulturation angenommen wird und die Perspektiven aller beteiligten Gruppen in einer interkulturellen Interaktions- und Kommunikationssituation direkt betrachtet wird. Nicht die normative oder adaptive Orientierung einer Gruppe ist relevant, sondern die Akkulturation ergibt sich aus der Konstellation der Orientierungen beider Gruppen, die durch die grundsätzliche Akzeptanz einer Ideologie der Gleichwertigkeit beeinflusst werden. Ist sie negativ, dann bilden sich ,negative' oder separatistische und marginalisierende Orientierungen aus. Das Modell ist gewissermaßen eine kleine Theorie gegenseitiger Akkulturation und sollte noch enger an die zuvor genannten Theorien angebunden werden. Es sollte aber auch für diese bedeutsam sein. So könnte man zum Beispiel annehmen, dass anti-egalitäre politische Ideologien, die grundsätzlich von einer Ungleichwertigkeit zwischen Gruppen ausgehen (vgl. Zick et al., in press), die von Berry (2003) und Bourhis et al. (1997a) identifizierten Akkulturationsorientierungen maßgeblich prägen. Aber nicht nur das. Anti-egalitäre Ideologien können das Fundament für anti-egalitäre Strukturen sein, das sich in struktureller Segregation manifestiert (de Vos, 1990).Inwieweit anti-egalitäre Einstellungen den Kern von spezifischen Akkulturationsorientierungen bilden, ist weiter zu prüfen. In der zusammenfassenden Diskussion wird der Gedanke noch einmal aufgegriffen und als mögliche Forschungslinie identifiziert. Zuvor soll noch ein Ansatz zur Differenzierung von Akkulturationsorientierungen kurz vorgestellt werden, der nicht etabliert ist, aber eine weitere Facette kenntlich macht. Zick und Six (1995) haben im Rahmen der Langzeitstudie "Erfolg und Verlauf der Aneignung
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neuer Umwelten durch Aussiedler" vorgeschlagen, die Wahrnehmung des Akkulturations- und Adaptationsprozesses durch Immigranten und Einheimische bei der Differenzierung von Orientierungen zu beachten.v Der Ansatz bietet eine kleine Theorie, die noch keinen Eingang in die etablierte Forschung gefunden hat, auch weil er sich in der Vergangenheit an der Frage der Operationalisierung von Akkulturationsorientierungen ausgerichtet hat. Insofern hätte man ihn hier ignorieren können. Ich bin aber der Meinung, dass er unter Berücksichtigung weiterer theoretischer Argumente durchaus relevant sein kann und nutze den Vorteil der Entwicklung einer neuen Systematik, um ihn dort zu verorten. Im Folgenden wird er also mit Modifikationen vorgeschlagen. Die Grundidee von Zick und Six ist relativ einfach. Sie gehen davon aus, dass Neuankömmlinge in einer Kultur und Einheimische den Prozess der Kulturaneignung durch sich selbst oder andere, zum Beispiel Immigranten, wahrnelunen und dazu eine Orientierung entwickeln. Akkulturationsorientierungen sind mehr implizite als explizite Raum-ZeitOrientierungen von Individuen a) über die Einbindung von Gruppen in ein System - wie von den Modellen zuvor beschrieben - und b) über den kulturellen Einbindungsverlauf. Während des Akkulturationsprozesses entwickeln Neuankömmlinge erst eine Orientierung! Das ist ein Aspekt, den die anderen Theorien nicht hinreichend beachten. Einen ersten Vorschlag zur theoretischen Systematisierung von Prozessvarianten der Akkulturation haben Zick (2001) und Zick und Six (1995) vorgeschlagen. Dabei nehmen sie an, dass soziale Vergleichsprozesse zwischen Neuankömmlingen und Einheimischen für die Ausbildung von Orientierungen entscheidend sind. Generalisierte Einstellungen, wie sie Akkulturationsorientierungen darstellen, würden durch den Vergleich von Individuen als Mitglieder spezifischer kultureller Gruppen im Vergleich zu anderen kulturellen Gruppen entwickelt. Entsprechend der Social Comparison Theory nach Festinger (1954) wird angenommen, dass soziale Vergleichsprozesse insbesondere dann vorgenommen werden, wenn sich Individuen und Gruppen unsicher sind. Die Akkulturationsforschung bietet hinreichend Hinweise, dass zum Beispiel Immigranten insbesondere, wenn sie neu in einer Kultur ankommen und versuchen diese in ihren Elementen zu verstehen und zu adaptieren, unsicher sind. Die Culture Shock Theorien, die die psychologische Forschung dominieren (siehe Kapitel 4.4 bis 4.5), legen eine Vielzahl von empirischen Faktoren vor, die das bestätigen. Zick und Six postulieren, dass Orientierungen auf zwei zusammenhängenden Dimensionen beruhen: dem Ausmaß, in dem im Prozess die Ähnlichkeit zwischen NeuAnkömmlingen und autochthoner Gruppe festgestellt wird und dem Ausmaß der sozialen Vergleiche, die gemacht werden. Kulturell divergente Gruppen können sich im sozialen Vergleichsprozess als ähnlich oder sehr unähnlich (distinkt) wahrnehmen, also Differenz wahrnehmen, und der soziale Vergleich könne je nach Unsicherheit - oder eben dem Ausmaß des Kulturschocks etc. - stark oder schwach sein. Aus den beiden Dimensionen werden vier Prozessvarianten der Akkulturationsorientierung unterschieden, die - und das ist zu bedenken - als Ergänzung zu den Bourhis et al. (1997) vorgeschlagenen Orientierungen verstanden werden. In Tabelle 6.10 ist die Klassifikation wiedergegeben.
87 Das Projekt hat in den 1990er Jahren 484 Spätaussiedler im Längsschnitt interviewt. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. Silbereisen (Universität Jena) und Prof. Dr. Lanterrnann (Universität Kassel).
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Tab. 6.10
Klassifikation von Prozessvarianten der Akkulturationsorientierung (in An Iehn un~an Z'd< I un d S'IX, 1995)
Wahrgenommene Ähnlichkeitzwischen Neuankommlingen und Einheimischen
Sozialer Ver~leich , der ocrgenommen wird
kaum Hoch
niedrig
intensiv
Automatismus
Austausch
Die Minderheit ist ähnlich zur Mehrheit, so dass beide Gruppen ohne Probleme zusammenleben
Wahrnehmung von Differenz und Austausch kultureller Merkmale, so dass Gruppen sich ähnlich werden
Anpassung:
Differenz
Neuankömmlinge sehen Differenz zu dominanten Ansässigen und gleichen sich an
Neuankömmlinge und Ansässige nehmen Differenzen wahr und bleiben so
Demnach können Mitglieder von Gruppen, die eine neue, dominante Mehrheitskultur aneignen möchten, sowie die Einheimischen, die die Kultur repräsentieren, der Auffassung sein, dass die Akkulturation im Sinne einer Aneignung neuer Umwelten a) automatisch verlaufen kann (schwacher sozialer Vergleich und Wahrnehmung vieler Ähnlichkeiten zwischen Kulturen), oder b) dass die Angleichung ein Produkt gemeinsamer Austauschprozesse ist (hohe Ähnlichkeit, intensiver Vergleich), oder c) nur in Folge einer Anpassung der Minderheiten an die Mehrheiten funktionieren kann (niedrige Ähnlichkeit, schwacher Vergleich) oder d) ein Prozess ist, bei dem Minderheit und Mehrheit different bleiben (niedrige Ähnlichkeit, intensiver Vergleich). Es fällt auf, dass die Orientierung der Anpassung der Assimilation und der Automatismus der Integration ähnlich sind. Daher sollten sich zwischen ihnen empirisch entsprechende Korrelationen zeigen. Allerdings wäre nach Zick und Six die Orientierung darüber, wie Aneignungsprozesse verlaufen (automatisch, im gegenseitigen Austausch, als einseitige Anpassung oder in Differenz), nicht mit den klassischen Orientierurigen wie sie oben vorgestellt wurden, zu verwechseln. Selbstkritisch ist aber auch zu erwähnen, dass die theoretische Fundierung durch die Social Comparison Theory nicht gänzlich überzeugend ist. Das betrifft insbesondere die Herleitung der Dimensionen Ähnlichkeit und Intensität sozialer Vergleiche. Nach Festinger (1954) müsste sich die zweite Dimension aus der ersten ergeben, daher sind sie nicht unabhängig, wie es hier postuliert wird. Interessant sollten die Varianten dennoch sein, denn sie entsprechen meines Erachtens dem, was empirisch in der Forschung festgestellt wird. Die Anpassung zeigt sich in den Assimilationstheorien und -befunden, Die Differenz zeigt sich in Befunden, die immer wieder feststellen, dass Akkulturation ein Prozess intergruppaler Differenzierung ist. Der Austausch zeigt sich in den Befunden, die die Rational Choice Theorien (Kap. 5.3) postulieren. Der Automatismus ist neu und ein Sonderfall. Ich gehe davon aus, dass Neuankömmlinge und Einheimische auch meinen können, die Eingliederung verlaufe automatisch, weil viele Ähnlichkeiten vorliegen und keine intergruppalen Probleme wahrgenommen werden. Damit wird auch klar, dass in der Orientierung direkt jene interkulturellen Beziehungskonstellationen (Konflikt, Probleme etc.) angesprochen
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werden, die zum Beispiel Bourhis et al. (1997), Piontkowski, Rohmann und Florack (2002), Horenczyk (2000) oder Birman (1994) identifizieren. Ob also ein Konflikt, Differenz, ,Probleme' etc, wahrgenommen werden, kann direkt durch die Orientierung repräsentiert sein und ist eo ipso prägend für eine Orientierung. Damit wird auch davon ausgegangen, dass eine Konfliktorientierung, oder eine intergruppale Differenz-Orientierung, Dabei ist zu bedenken, dass das Ausmaß des sozialen Vergleiches davon abh ängt, zwischen welchen Gruppen Vergleiche gezogen werden. Zweitens ist anzunehmen, dass soziale Vergleiche durch die Stärke der Identifikation mit Gruppen beeinflusst werden. Diese Faktoren moderieren den Einfluss der Prozessvarianten. Zick und Six (1997a) haben vorgeschlagen, die vier Varianten durch eine J-ItemMessung (6-stufiges Rating mit den Polen "stimme überhaupt nicht ZU" und "stimme voll und ganz zu") zu erheben, jeweils für Immigranten und deutsche Befragte formuliert. Automatismus: "Die Herkunftsgruppe/Ausländer sind den Deutschen so ähnlich, dass das Zusammenleben mit den Deutschen ganz von alleine klappt. 11 Anpassung: "Die Herkunftsgruppe/Ausländer müssen sich in bestimmten Lebensbereichen den Deutschen anpassen. 11 Austausch: "Deutsche und Herkunftsgruppe/Ausländer unterscheiden sich. Damit das Zusammenleben klappt, müssen beide Gruppen ihre Eigenschaften austauschen. 11 Differenz: "Herkunftsgruppe/Ausländer und Deutsche werden sich immer unterscheiden." Zick (2001) hat die Items in einer Studie mit 172 deutschen und nicht deutschen Bewohnern eines ethnisch divergenten Stadtteils von Wuppertal geprüft. Es zeigt sich, dass die Varianten teilweise korrelieren. Zusätzlich wurden die Korrelationen zu den Orientierungen nach Berry (2003) und Bourhis et al. (1997) erfasst. Tabelle 6.11 zeigt alle signifikanten Korrelationen im Überblick. Fehlende Korrelationswerte sind nicht signifikant.
Tab. 6.11
Signifikante Korrelationen zwischen den Akkulturationsorientierungen (aus Zick, 2001, Tab. 13, S. 88) Assimilation
Segregation
-.37""
-.34"" .79""
Separation
Marginalis.
Individualis
Automatis.
Anpassung
Austausch
Diffe fe-
renz Integration Assimilation Segregation Separation Marginalis. Individualis. Automat. Anpassung
.26""
.34"" .36""
.27"" .39"" .32"" .41""
.33"" -.27"" .30"" -.24"" -.lS" .33""
Wie sich zeigt, korreliert eine Automatismus-Orientierung nur negativ mit der Differenz, die Anpassung dagegen positiv mit der Differenz, während die Austauschorientierung positiv mit der Integrationsorientierung und negativ mit Assimilation und einer Individualismusorientierung korreliert,» Die Differenzorientierung korreliert zudem signifikant posiSS Zur Messung der Berry-Varianten wurde die deutschsprachige Skala von van Dick et aI. (2001) herangezogen. Der Individualismus nach Bourhis et aI. (1997) wurde mit zwei Items jeweils für Immigran-
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tiv mit der Separationsorientierung. Die Korrelationen weisen daraufhin, dass es systematische und sinnvolle Zusammenhänge zu den klassischen Orientierungen nach Berry und Bourhis et al. gibt, die Prozessvarianten sich davon aber unterscheiden. Wie erwartet korrelieren Anpassung und Differenz, da beide die Unähnlichkeit betonen. Gegen die Erwartungen korrelieren die Austausch- und Automatismusorientierung jedoch nicht. Dabei unterscheiden sich die befragten Gruppen zum Teil erheblich. Befragte mit türkischem und griechischem Pass sowie deutsche Befragte äußern die geringste Automatismus-Orientierung und die stärkste Differenzorientierung. Das sind zugleich die größten ethnischen Gruppen, die im Stadtteil leben. Ferner zeigt sich, dass insbesondere jene nicht deutschen Befragten eine Automatismusorientierung aufweisen, die nur gering mit ihrer Herkunftsgruppe identifiziert sind, was umgekehrt heißt, das Befragte mit starker ethnischkultureller Bindung nicht von einer automatischen Aneignung der Kultur ausgehen. Die Austauschorientierung hängt dagegen signifikant positiv mit einer starken Bindung an das Wohnquartier (Stadtteil) zusammen, unabhängig vom kulturellen Hintergrund der Befragten. Dabei stellt sich auch heraus, dass diese regionale Bindung mit geringeren interkulturellen Differenzierungen zusammenhängt. Interethnische Vorurteile als Indikatoren eines Ungleichgewichtes (siehe oben) korrelieren dagegen deutlich mit einer Differenzorientierung,» Das Ausmaß der wahrgenommenen Diskriminierung unter nicht deutschen Befragten korreliert negativ mit einer Automatismusorientierung, aber positiv mit einer Austauschorientierung. Obgleich eine Austauschorientierung also eng mit einer regionalen Bindung verknüpft ist, die das Integrationsniveau positiv beeinflusst, erhöht sie auch die Diskriminierungswahmehmung oder Sensibilität für interkulturelle Probleme und Konflikte. Die Dominanzorientierung, die in der Modifikation der Mutual Acculturation Theory hervorgehoben wurde (siehe oben), korreliert dagegen nur mit einer Automatismusorientierung und mit keiner anderen Prozessvariante. Schließlich sind die Zusammenhänge der Prozessorientierungen zum Integrationsniveau uneinheitlich; was allerdings auch auf die klassischen Orientierungen nach Berry (2003) und Bourhis et al. (1997) zutrifft. Insgesamt zeigt diese erste Studie, in der die Prozessvarianten untersucht wurden, dass sie relevant sind und differentielle Zusammenhänge zu den Indikatoren interkultureller Balance haben. Was allerdings fehlt ist eine systematische Analyse im Längsschnitt. Das wäre nötig, um zu prüfen, ob sich die Varianten im Prozess verändern, und wie sie den Prozess der Aneignung beeinflussen. Wie in den Modellen zuvor geht Zick (2001) davon aus, dass die Prozessvarianten der Akkulturationsorientierung gruppenbasiert sind. Nicht bedacht sind intragruppale Vergleiche, die Akkulturationsorientierungen erzeugen. Es ist anzunehmen, dass sich eine Akkul-
ten und deutsche Befragte erfasst: ,,1. Das Verhältnis zwischen Deutschen und (Herkunftsgruppe, Ausländer) interessiert mich nicht. 2. Hier muss jeder sein eigenes Glück suchen und versuchen, alleine zurechtzukommen." Die Skala Segregation umfasst drei Items: "Wenn Herkunftsgruppe/Ausländer ihre Kultur beibehalten möchten, sollten sie unter sich bleiben. Die Herkunftsgruppe/Deutschen sollten in allen Lebensbereichen von anderen kulturellen Gruppen getrennt leben, um Probleme zwischen den Gruppen zu vermeiden. Kinder verschiedener kultureller Gruppen (wie z.B. Kinder von Griechen oder Türken) sollten in eigene Schulen gehen." 89 In der Studie wurden unterschiedliche offene und subtile Vorurteilsindikatoren gemessen. Die Zusammenhänge treffen auf nahezu alle Vorurteilsvarianten zu.
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turationsorientierung aus dem sozialen Vergleich zu anderen Personen der ethnischkulturellen Gruppe ergeben. Die Annahme liegt nahe, dass sich Akkulturationsorientierungen aus einem Meta-Kontrast ergeben, der aus der Akkulturationsorientierung von Individuen im Vergleich zur Ingroup (Neuankömmlinge, Einheimische) und im Vergleich zur kulturell divergenten Gruppe sowie zwischen der Ingroup und der kulturell divergenten anderen Gruppew zustande kommt. Damit ist bereits ein theoretisches Defizit angesprochen, das auf fast alle Theorien über das Strukturelement Akkulturationsorientierung zutrifft. Bevor weitere grundsätzliche Erwägungen zum Konstrukt der Akkulturationsorientierungen beleuchtet werden, soll zunächst noch ein Review empirischer Befunde zu den Orientierungen erfolgen.
6.3.3
Bestandsaufnahme zur Empirie der Akkulturationsorientierung
Wie (empirisch) zuverlässig sind die Differenzierungen der Akkulturationsvarianten? Wie hängen dieOrientierungen mit anderen Akkulturationsfaktoren und vor allem Konsequenzen für den Akkulturationsprozess zusammen? Grundsätzlich zeigt die empirische Forschung zu den Akkulturationsorientierungen, dass, erstens, die Orientierungen insgesamt als wichtige Faktoren zu
beurteilen sind, die den Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten durch Neuankömmlinge in einer Kultur sowie die Reaktionen und Wahrnehmungen der Einheimischen auf diesen Prozess beeinflussen (vgl. z.B. die Reviews von Berry, 2003; Ward, Bochner & Furnham, 2001; Arends-T6th & van de Vijver, 2006). Akkulturationsorientierungen beeinflussen Akkulturationsstrategien und die Adaptation neuer kultureller Umwelten. Dabei konzentrierte sich die Forschung zunächst auf die Orientierungen der Neuankömmlinge und erst später auf die Orientierungen der Einheimischen gegenüber Gruppen, die in ihr kulturell hergebrachtes System einwandern. Hierbei wiederum konzentriert sich die Forschung auf solche Akkulturationsorientierungen Einheimischer, die man als normative Anforderung auffassen kann: Differenziert und analysiert wird die Frage, was Einheimische von Zuwanderern in ihr System erwarten oder fordern. Weniger klar wird untersucht, welche Orientierung Einheimische gegenüber ihrer Ingroup haben. Es ist relativ schwierig, empirisch festzustellen, in welchem Ausmaß in unterschiedlichen Kulturen, mit Bezug auf welche Lebensbereiche, mit welcher Qualität, welche Akkulturationsorientierung präferiert wird (siehe auch unten die grundlegenden Forschungsfragen). Eine Meinung, die zum Beispiel behauptet, dass Integration per se positiv sei, eine Assimilationsorientierung hilfreich sei, und/oder eine Separationsorientierung oder gar eine Marginalisierungsorientierung grundsätzlich problematisch seien, muss also in Frage gestellt werden. Im Folgenden soll eine kurze resümierende Bestandsaufnahme zu den Einflüssen und Zusammenhängen der wichtigsten Akkulturationsorientierungen erfolgen. Dabei ist die
90 Eine kulturell divergent andere Gruppe wäre in Termini des Social Identity Approach eine Outgroup. Der Terminus der Outgroup wird hier aber zunächst nicht herangezogen, weil im Kontext des Ansatzes damit Gruppen gemeint sind, von denen sich Ingroup-Mitglieder differenzieren. Im Kontext einer Akkulturationsstudie ist zunächst die Divergenz relevant, die nicht per se mit Differenz einhergehenmuss.
476
Übersicht an den maßgeblichen Typen nach Berry (1997a/b) ausgerichtet, weil seine Unterscheidurig in die Orientierung der Integration, Assimilation, Separation und Marginalisiertmg maßgeblich für die gesamte Forschung ist. Integration. Tatsächlich zeigt eine Reihe von Studien, dass Minderheitengruppen die Strategie der Integration bevorzugen (vgl. zur Übersicht vor allem Berry, Kim, Power, Yotulg & Bujaki, 1989; Berry & Sam, 1997; Bierbrauer & Klinger, 2005; Bochner, 1982; Nesdale, 2002; Van Oudenhoven, Prins & Buunk, 1998).91 Auch die politikwissenschaftliche Studie von Klausen (1995) mit 300 meinungsführenden Muslimen in Dänemark, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden zeigt, dass Muslime, trotz der weit verbreiteten Annahme, dass sie nicht integrierbar sind, die Integration präferieren. Ward und Kennedey (1994) berichten, dass bei Arbeitsmigranten in Neuseeland die Einstellung zur Integration die effizienteste Strategie zur Erreichung eines höheren Niveaus soziokultureller Adaptation ist. Jene, die Integration wünschen, unterscheiden sich signifikant von denen, die Assimilation, Separation und Marginalisierung bevorzugen, und die dann eher Schwierigkeiten mit der soziokulturellen Adaptation haben. Das stimmt mit Studien überein, die zeigen, dass Einwanderer, die die Integration bevorzugen (Berry, 1997;Berry, Kim, Minde & Mok, 1987;Ward, 1996;Phinney, Horenczyk, Liebkind & Vedder, 2001), weniger akkulturativen Stress aufweisen (Berry, 1997, 1997a;Zheng & Berry, 1991), auch gemessen an psychologischen und psychosomatischen Symptomen, also in Bezug auf die psychologische Anpasstulg (Berry, 1997;Kosic, 2002;Zheng & Berry, 1991).,Integrierer' zeigen größere Flexibilität in sozialen Beziehungen und Bräuchen, ein ausgewogeneres Gleichgewicht zwischen alten und neuen Werten und weniger Akkulturationsstress (Kosic, 2002). [asinskaja-Lahti (2000) findet bei jugendlichen russischen Zuwanderern nach Finnland, dass sie eine geringe Integrationsorientierung aufweisen, viel stärker sind Assimilationsund Marginalisierungsorientierungen ausgeprägt (siehe die Zusammenfassung der Ergebnisse oben). [asinskaja-Lahti, Liebkind, Horenczyk und Schmitz (2003) geben ferner zu bedenken, dass die Integration als Akkulturationsorientierung normativ überformt ist, das heißt, diese von Zuwanderern aufgrund einer politisch korrekten Ideologie der Mehrheitsgesellschaft eingefordert wird, die Integration zu präferieren. Die Integrationsorientierung sei in diesem Sinne ein Lippenbekenntnis, das von machtvollen Mehrheiten gefordert wird, selbst dann, wenn unterschwellig eine Assimilationsideologie verfolgt wird. Die Autoren sind der Meinung, dass die subjektive Wahmehmtulg dessen, was die Mehrheit von den Zuwanderern fordert, einen signifikanten Einfluss auf das Wohlbefinden dieser hat. Sie haben in einer Studie mit Auswanderern aus der ehemaligen Sowjetunion nach Finnland (n = 170), Deutschland (n = 102) und Israel (n = 298) empirisch eine einfache Weiterentwicklung des Berry-Schemas der Akkulturationsorientierung vorgelegt und empirisch gestützt. Sie haben die Immigranten nach ihrer ersten und zweiten Präferenz für eine Akkulturationsorientierung mit einer modifizierten Version der Akkulturationsskala nach Berry et al. (1989) gefragt. Dabei können sie empirisch sechs Kategorien ermitteln, die sich ergeben, wenn die Probanden als erste Präferenz die Integration angeben und als zweite Präferenz eine andere Akkulturationsorientierung, oder die erste Präferenz nicht der Integ-
91 Das scheint auch auf den Arbeitskontext zuzutreffen, wie Luijters, van der Zee und Otten (2006) zeigen.
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ration entsprach. Die sechs Kategorien sind: Integration-Assimilation, IntegrationSeparation, Integration-Marginalisation, Assimilation, Separation und Marginalisation. Die Untersuchung zeigt, dass alle Gruppen signifikant eine Integrations-SeparationsOrientierung eher präferieren als alle anderen (gesamt 42,9% der Probanden). Das bedeutet, dass die Kombination von Akkulturationsorientierungen deutlicher tatsächliche Präferenzen beschreibt, als die separate Kategorisierung in eine der vier Grundorientierungen nach Berry . Zusätzlich haben die Autoren ermittelt, dass im Gegensatz zu Immigranten die Mitglieder der Aufnahmegesellschaft eher eine einfache Akkulturationsorientierung (in Finnland und Israel Integration, in Deutschland Assimilation) präferieren. Allerdings lässt sich empirisch über alle Akkulturationsorientierungen zeigen, dass die Akkulturationsorientierungen von Einheimischen und Neuankömmlingen in Deutschland und Israel eher konkordant sind, während sie in Finnland stärker diskordant sind und nach Bourhis et al. (1997) eigentlich als problematisch bezeichnet werden müssten. Dagegen spricht, dass insbesondere Immigranten nach Israel die stärkste Diskriminierung und den stärksten Stress empfinden. Unabhängig davon ermitteln Zick et al. (2001) anhand von Eurobarometer-Daten und einer Stadtteilstudie, sowie Zick und Küpper (2007) anhand von repräsentativen Daten der Umfrage Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit'J2 aus dem Jahr 2006 allerdings auch, dass eine Integrationsorientierung der Einheimischen - in diesem Fall deutsche Befragte mit geringerer Fremdenfeindlichkeit zusammenhängt. Geht man davon aus, dass Vorurteile der Einheimischen Stressfaktoren oder Barrieren für nicht-dominante Minderheiten darstellen - so nehmen Berry (2003) und viele andere jedenfalls an -, dann greift die Annahme, dass Integrationsorientierungen lediglich Lippenbekenntnisse sein können zu kurz. Selbst wenn sie es sind, müsste eine Integrationsorientierung die Akkulturation erleichtern beziehungsweise weniger stark hemmen als Orientierungen, die stärker mit Vorurteilen einhergehen. Die Befunde von [asinskaja-Lahti et al. (2003) sowie die Befunde von Zick et al. (2001) sprechen aber auch für das Interactive Acculturation Model (IAM) von Bourhis et al. (1997) und seine Modifikation durch Piontkowski, Rohmann und Florack (2002), die postulieren, dass sich Akkulturationsprobleme im Sinne interkultureller Konflikte aus der NichtÜbereinstimmung der Akkulturationsorientierung der Einheimischen und der Neuankömmlinge ergeben. Ähnlich weist Horenczyk (1996) darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen den Akkulturationseinstellungen von Migranten und ihrer Annahme, wie die Akkulturationseinstellung beziehungsweise -ideologie der dominanten Mehrheit ist, zu subjektivem Gefühlen des Unwohlseins (discomfort) führen kann. Das heißt, dass nach diesen Ansätzen Diskordanzen zwischen den tatsächlichen und vermuteten Orientierungen von Neuankömmlingen und Einheimischen personale und gruppale Konfliktlagen erzeugt werden. Assimilation. Im Gegensatz zu einigen sozialwissenschaftliehen Prozesstheorien (Kap. 5) wurde in vielen psychologisch orientierten Studien die Assimilationsorientierung ähnlich
92 Das Projekt wird von Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, geleitet und erhebt seit 2002 jährlich eine repräsentative Umfrage zu Vorurteilen und Diskriminierungsintentionen in Deutschland. Begleitet wird es von einer Panel-Studie. Gefördert wird das Projekt federführend von der Volkswagen-Stiftung, sowie der Freudenberg Stiftung und Möllgaard Stiftung. Die Ergebnisse werden jährlich in der Reihe "Deutsche Zustände" (hrsg. von W. Heitmeyer), edition suhrkamp, veröffentlicht.
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wie die Separation oder Marginalisierung als Problem erkannt, selbst dann, wenn die Prozesstheorien die Assimilation als wesentlichen und zum Teil sogar notwendigen Endzustand der Akkulturation betrachten. Bereits Lambert (1979) zeigt, dass Menschen, die die Assimilation zu einer Gruppe suchen, ihre Distinktheit verlieren können, was zur Anomie und einem geringen Selbstwert führen kann. In der Forschung zu Akkulturationsorientienmgen, aber auch in den Theorien zur Akkulturation ist die Differenz zwischen Integration und Assimilation sei es als Orientierung oder Adaptationsstrategie ein prominentes Thema. Leitende Fragen sind dabei: Was unterscheidet Integration und Assimilation? Was trägt mehr oder minder zur Adaptation bei: Assimilation oder Integration? Welche Faktoren bestimmen, ob Personen und/oder Gruppen Assimilation suchen im Gegensatz zur Integration? Welche unterscheidbaren Konsequenzen haben Assimilation und Integration? Grundsätzlich - wenn auch vorbehaltlich, da keine empirischen Reviews (z.B. MetaAnalysen) vorliegen - kann man festhalten, dass die Mehrzahl der Studien dafür spricht, dass Assimilationsorientierungen von Neuankömmlingen in einer Kultur geringer verbreitet sind und zugleich stärker als Integrationsorientienmgen mit einem geringeren Adaptationsniveau beziehungsweise höherem Akkulturationsstress einhergehen (Berry, 1997, 2003; Nesdale, 2002). Anders scheinen Präferenzen der Einheimischen. Hofstra, van Oudenhoven und Buunk (2005) weisen darauf hin, dass zumindest in den Niederlanden Mehrheiten die Assimilation der Zuwanderer statt eine Integration bevorzugen. Ähnliches weisen Zick et a1. (2001) und Zick und Küpper (2007)für die Bundesrepublik Deutschland nach. Shamai und Ilatov (2005) finden vergleichbare Präferenzen für die Assimilation russischer Immigranten in Israel durch israelische Befragte. Allerdings zeigen Hofstra, van Oudenhoven und Buunk (2005) auch, dass verglichen zu früheren holländischen Befunden in neueren Studien (vgl. etwa Oudenhoven et a1., 1989; Verkuyten & Thijs, 1999) sich die Einstellungen ändern. In neuerer Zeit wird von Mehrheitsangehörigen die Integration mehrheitlich präferiert, wobei es auf die Gruppe ankommt, gegenüber der die Akkulturationsorientierung erhoben wird. Das bedeutet, dass die Einstellung adressatenspezifisch ist. Gegenüber Muslimen sind Einheimische assimilativ orientiert, während sie gegenüber Surinamesen integrativ eingestellt sind. Dabei hängt die Assimilationsorientierung mit vielen anderen Faktoren und Akkulturationsorientienmgen zusammen und sie scheint spezifische Folgen zu haben. Kosic (2002) ermittelt, dass Assimilierte ein mittleres Niveau akkulturativen Stresses aufweisen. Sie zeigt, dass die Präferenz für die Assimilation mit den geringsten Anpassungsproblemen einhergeht. Das führt sie darauf zurück, dass unter anderem die sozialen Kompetenzen des Einwanderungslandes durch Assimilationsorientierte schneller erreicht werden (vgl. auch Ward & Kennedy, 1993a, 1994). Nesdale (2002) ermittelt in einer Studie mit 143 männlichen und 138 australischen Zuwanderern aus Neuseeland, Hongkong und Vietnam, dass jene Befragten die Assimilation eher als eine Integration favorisieren, starke Ähnlichkeiten zwischen ihrer Herkunftskultur und der australischen Kultur sehen. Der Faktor wahrgenommene Ähnlichkeit ist, wie genannt, in den Ansätzen zur Differenzierung von Akkulturationsorientienmgen nicht hinreichend beachtet worden. Folgt man der Similarity Attraction Hypothesis (Box 4.13 in Kap. 4.5.3), dann macht die wahrgenommene Ähnlichkeit erst einmal zufrieden und lässt andere sympathisch erscheinen. Sie müss-
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te im Verlauf der Akkulturation tatsächlich wichtig für das langfristige konfliktfreie Zusammenleben sein, folgt man den Befunden aus der Forschung zur interpersonalen Attraktions- und Beziehungsforschung. Relevant ist dabei auch die Frage des Zusammenhangs von tatsächlicher Ähnlichkeit und Assimilation. Van Oudenhoven, Willemsma und Prins (1996) zeigen in einer aktuellen Studie mit Mitgliedern ethnischer Minderheiten in den Niederlanden allerdings, dass a) Minderheiten-Angehörige, die der Mehrheitsgesellschaft ähnlich sind, eher Assimilation präferieren und b) das die Präferenz für die Assimilation mit einem hohen Selbstwert verbunden ist. Darüber hinaus zeigen einige Studien Geschlechterunterschiede. Frauen präferieren als Neuankömmlinge eher Assimilation als Integration, wobei sie grundsätzlich stärker mit der Herkunftskultur identifiziert seien als Männer (Harris & Verven, 1996; Liebkind, 1996;TingToomey, 1981). Zur Erklärung wird dabei auf das traditionelle Rollenverständnis von Frauen zurückgegriffen. Frauen sind eher sozial isoliert, leben stärker mit dem Risiko mangelnder Sprachkompetenz und nehmen eher die Rolle ein, ihren Kindern und Enkeln die ethnischen Gebräuche und Traditionen der Herkunftskultur beizubringen (vgl. z.B. Yee, 1992). Unabhängig von den Differenzen zwischen einer Integrations- und Assimilationsorientierung ermitteln Unger, Gallagher, Shakib, Ritt-Olson, Palmer und [ohnson (2002) in einer Studie mit jugendlichen vietnamesischen Immigranten nach Australien, dass nur die beiden Dimensionen Integration und Assimilation die Akkulturationsorientierung beschreiben. Integration sei aber mehr vorhanden als die Opposition gegenüber Assimilation. Sie indiziere Bikulturalismus. Beide Einstellungen blieben zudem hoch und konsistent über Generationen. Das führen die Autoren auf den Prozess der Ethnogenesis zurück, das heißt aus den Orientierungen bildete sich eine neue Kultur. Im Vergleich zur Assimilation könne sich ferner der Bikulturalismus - quasi als generalisierte Integrationsorientierung und -strategie - entwickeln, es kam aber auch zu Identitätskonfusionen kommen, wenn die Coping-Strategien, die daraus resultieren, riskant sind (wie etwa durch Tabakkonsum nach Unger, Palmer, Dent, Rohrbach & [ohnson, 2000). Die Meinung, dass eine Integrationsorientierung per se sinnvoller, erfolgreicher, adaptiver etc. ist, ist also insgesamt problematisch, selbst dann, wenn sie als politische Ideologie einer Mehrheitsgesellschaft positiv angesehen ist und eher dazu motiviert, die Adaptation des gesellschaftlichen Systems zu erleichtern. Als politische Ideologie betrachtet, darf die Analyse von Akkulturationsorientierungen auch nicht das vergessen, was die so genannten Rahmen- oder Mega-Modelle, aber auch viele Theorien zumindest theoretisch postulieren: Die Orientierungen werden von den Rahmenideologien der Politik beeinflusst. Dabei ist es umstritten, welche politischen Konzepte überhaupt vertreten werden: Integration oder Assimilation, Multikulturalismus etc.. Brubaker (2001) und Ireland (2004) zeigen im Widerspruch zu anderen Politologen, dass die Politik in den USA und europäischen Ländern, wie zum Beispiel den Niederlanden oder Schweden, assimilationistisch und weniger liberal multikulturalistisch ist. Separation. Im Gegensatz zu den teilweise divergenten Annahmen und Ergebnissen zu Integrations- und Assirnilationsorientierungen und ihrer Divergenz, scheinen die Befunde zur Separationsorientierung eindeutiger. Empirische Studien zeigen, dass eine Präferenz für eine Separation mit kulturellem Widerstand gegen Werte, Bräuche, Verhaltensweisen etc. der Mehrheitsgesellschaft (Mendoza & Martinez, 1981) und damit verbundenem akkulturativem
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Stress zusammenhängt (vgl. z.B. Berry, Kim, Minde & Mok, 1987; Krishnan & Berry, 1992; Neto, 2002; Phinney, 1990; Wong-Rieger & Quintana, 1987; Jang, Kim, Chirboga & KingKallimanis, 2007). Ward und Kennedey (1984) zeigen zum Beispiel in einer Studie mit 98 Saisonarbeitern beziehungsweise ihren Angehörigen in Neuseeland, dass Separationserientierungen signifikant mit einer Reihe von Indikatoren der soziokulturellen Adaptation, also Interaktions- und Kommunikationsproblemen in der neuen Kultur, verbunden sind. Die Zusammenhänge zwischen der soziokulturellen Adaptation sind sogar noch enger als zu einer Marginalisierungsorientierung. Ebenso stützen die bereits skizzierten Theorien und ihre Empirie, insbesondere jene der sozialwissenschaftlichen Prozessanalyse, dass Separation interkulturelle Konflikte indizieren. Diese manifestieren sich in einem Rückzug jener Gruppen aus der Mehrheitsgesellschaft, die Adaptationsprobleme aufweisen. Dabei ist die kausale Beziehung zwischen dem Rückzug und den Adaptionsproblemen allerdings noch nicht geklärt. Die Meinung, dass separatistische Orientierungen, insbesondere von Neuankömmlingen in einer Kultur, insgesamt problematisch sind, kann aber nicht einfach konstatiert werden. Snauwaert, Soenens und Vanbeseleare (2003) haben in zwei Studien mit 290 Mitgliedern ethnischer (marokkanischer, türkischer) Minderheiten in Belgien die Differenzierung der Akkulturationsorientierungen nach Berry (1980), Bourhis et al. (1997a) und Hutnik (1986,1991) empirisch verglichen. Dabei ermitteln sie, dass die Integrationsorientierung am populärsten war, wenn man sie an den Einstellungen zum interkulturellen Kontakt bemisst. Die Separationsorientierung nach Berry wurde am stärksten präferiert, wenn man die Adaptation und Identifikation als Kriterium heranzieht. Separation geht als mit einer hohen Selbstbewertung derethnisch-kulturellen Identität und mit einem höheren Empfinden von Adaptation einher, was eben darauf zurückzuführen ist, dass die Separierung von der MehrheitsgeseIlschaft als Akkulturationsvorteil erlebt wird. Das kann auch bedeuten, dass die Dimensionen der Identifikation und der Beziehung, die Berry (1980) zur Differenzierung der Akkulturationsorientierungen heranzieht, zeitlich unabhängig sein können. Das heißt die Identifikation hat Folgen für die Präferenz interkultureller Beziehungen! Das stimmt mit einer weiteren Beobachtung überein. Einige der bereits genannten Akkulturationstheorien verweisen darauf, dass die Separation mit einem Motiv, die Selbstbewertung in der sozialen Identität zu wahren, zusammenhängt, also funktional für die soziale Identität ist (Hewstone & Brown, 1986; Phinney, 1990; Tajfel & Turner, 1979, 1986), was ihr einen psychologischen Vorteil bringt. In einer neueren Studie mit 113 1O-12jährigen holländischen Schülern holländischer und türkischer Herkunft zeigt Verkuyten (2007), dass die Differenzierung von der jeweiligen Outgroup (,Holländer versus Türken und Türken versus Holländer') den kollektiven Selbstwert, der mit der sozialen (Herkunfts-) Identität verbunden ist, erhöht, also die interkulturelle Differenz, die auf Separationspräferenzen hinweist, psychologisch funktional ist. Einen weiteren psychologischen Vorteil, der mit weniger Problemen der Adaptation einhergehen sollte, bietet die Separation als Akkulturationsorientierung im Prozess der Binnenintegration (Elwert, 1982), wie er im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Prozesstheorien beschrieben wurde (Kap. 5.3.2). Das deutet sich auch in den oben genannten Studien an, die zeigen, dass Immigranten in Bezug auf die Einbindung in die gesamtgesell-
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schaftliehe Kultur eine Integrationsorientienmg präferieren, in Bezug auf das Privatleben, aber separatistisch orientiert sind (vgl. dazu Arends-T6th & van de Vijver, 2003,2004). Mehr oder minder indirekte Befunde zum Zusammenhang von Separationsorientienmg und Adaptation finden sich auch in der Studie von Zick (2001a). In der Studie wurden 172 Bürger eines Stadtteiles mit unterschiedlichster ethnischer Bindung befragt. Es zeigt sich, dass die Separationsorientienmg - erfasst über Kurzskalen nach Berry et al. (1987) mit keiner anderen Akkulturationsorientienmg, wohl aber mit einer Segregationstendenz signifikant korreliert (r = .26). Allerdings zeigt sich auch, dass die Segregationstendenz höher mit einer Assimilationsorientienmg zusammenhängt (r = .72).93 Das deutet darauf hin, dass Segregation von einigen Befragten nicht negativ bewertet wird. Insbesondere präferieren Befragte griechischer Herkunft und Spätaussiedler die Segregation, gleichzeitig weisen sie ein hohes Maß identifikativer Assimilation auf. Ferner zeigt die Studie, dass Immigranten, die mehr als 10 Jahre in Deutschland leben, signifikant weniger eine Separation präferieren. Die Orientienmg verändert sich also mit dem Akkulturationsprozess, was im Übrigen auch auf alle anderen Akkulturationsorientienmgen zutrifft. Allerdings fehlen Studien, die explizit zeigen, dass die Binnenintegration, wie sie in Kap. 5.3.2 beschrieben wurde, mit einer Separations- oder sogar Marginalisienmgsorientienmg einhergeht; sofern wäre erst genauer zu untersuchen, wie Separationsorientienmgen mit Adaptationsvorteilen einhergehen. Aber selbst, wenn der Fall konstatiert wird, dass eine Separationsorientienmg mit Adaptationsproblemen auf der Gruppenebene und Vorteilen auf der privaten Ebene einhergeht, stellt sich dann die Frage, wie Separation genauer zu bestimmen ist und worauf sie beruht. Mit Fokus auf Mehrheiten, die in Bezug auf Neuankömmlinge in ,ihrer' Kultur Separation präferieren, liegt es auch nahe, Separationsorientienmgen eng im Kontext von Diskriminierungs- und Vorurteilsphänomenen zu analysieren. Zick et al. (2001) haben gezeigt, dass Separationsorientienmgen von Mehrheiten in Bezug auf Immigranten signifikant mit offenen und subtilen Vorurteilen einhergehen. Gänzlich unerschlossen scheint mir eine explizite Analyse von Separationsorientierungen der Mitglieder einer Mehrheitskultur (Einheimische) in Bezug auf ihre eigene Gruppe. Das heißt, eine Analyse der Frage, ob Mitglieder der dominanten Mehrheitsgesellschaft es präferieren, ihre herkömmliche Identität und Kultur zu wahren und/oder Beziehungen zu Mitgliedern anderer Gruppen, auch ethnisch-kultureller Minderheiten, präferieren oder nicht. In der absoluten Mehrzahl empirischer Studien wird die Separationsorientienmg von Einheimischen als normatives Modell für Neuankömmlinge beobachtet. Separationspräferenzen und -tendenzen von Mehrheiten sind weltweit zu finden, etwa in den Segregationstendenzen Weißer in den USA, oder in Gated Communities, in denen sich vermögende Mitglieder einer Gesellschaft von sozialen Minderheiten (vor allem ethnischen Minderheiten) abschotten. Hinweise auf den Zusammenhang solcher Separationsorientienmgen und intergruppa-
93 Die Segregationstendenz wurde durch drei Items für Immigranten und deutsche Befragte erfasst: "Wenn Herkunftsgruppe/Ausländer ihre Kultur beibehalten möchten, sollten sie unter sich bleiben." "Die Herkunftsgruppe/Deutschen sollten in allen Lebensbereichen von anderen kulturellen Gruppen getrennt leben, um Probleme zwischen den Gruppen zu vermeiden." "Kinder verschiedener kultureller Gruppen (wie z.B. Kinder von Griechen oder Türken) sollten in eigene Schulen gehen." Die Zuverlässigkeit der Skala ist mit Alpha = .72 zufriedenstellend.
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le Differenzen geben die Studien zur Mutual Acculturation Theory, die unten vorgestellt werden. Bei der Bewertung von Separationsorientierungen - und auch einer Marginalisierungsorientierung (siehe gleich) - ist an einen weiteren relevanten Einflussfaktor zu denken, auf den Cuellar, Arnold und Maldonado (1995) verwiesen haben. Sie meinen, dass bei der Analyse zu unterscheiden ist, ob die dominante oder sub-dominante Gruppe eine Situation kontrolliert. Je nachdem erwachse daraus Separation oder Segregation. Separation sei dabei nicht nur eine Orientierung, sondern auch eine Konsequenz, die als kultureller Widerstand (Cultural Resistance) beschreibbar ist. Unter Umständen sei jedoch gar keine andere Wahl gegeben, wenn die Aufrechterhaltung einer dualen kulturellen Orientierung, wie sie die Integration beschreibt, schwierig ist. Ho (1995) hat zum Beispiel ermittelt, dass Zuwanderer aus Hongkong, die nach Neuseeland auswandern, ihre Akkulturationsorientierung wechseln. Sie wechseln von einer ursprünglichen Separationsorientierung zu einer Integrationsorientierung. Ho verweist darauf, dass individuelle Faktoren, wie sie zum Beispiel in Kapitel 4.5.1 und 6.1 systematisiert werden, die Präferenzen eines Wechsels beeinflussen. Auch das betrifft dann alle Akkulturationsorientierungen und wäre eine wichtige Forschungsfrage. Wann werden Akkulturationsorientierungen warum gewechselt? Mllrginalisierung. Überblickt man die empirische Analyse der Akkulturationsorientierung zur Marginalisierung, dann scheinen die Befunde eindeutig, zumindest in Bezug auf den Zusammenhang zwischen dieser Orientierung bei Neuankömmlingen und andere Konstrukten. Marginalisierungsorientierte Immigranten zeigen ein hohes Ausmaß an Angst, Entfremdungsgefühlen und Identitätsverlust (Berry, 1970; Berry & Annis, 1974; Berry et a1., 1987,1989; de Almeida-Filho, 1987; Donä & Berry, 1994; Eldering & Knorth, 1997; Inoue & Ito, 1997; Krishnan & Berry, 1992;Neto, 2002;Pham & Harris, 2002; Ross-Sheriff 1992;Sam & Berry, 1995; Sands & Berry, 1993; Schmitz, 1992; Unger et a1., 2002). Weitere Unterstützung für die Zusammenhänge bieten die Arbeiten zu den Marginalisierungstheorien (siehe oben Kap. 6.1; insbesondere aber Stonequist, 1937,1964). Auch Kosic (2002) zeigt in einer neueren Studie mit polnischen und kroatischen Migranten in Italien, dass die Präferenz für Marginalisierung mit der Erfahrung von Entfremdungsgefühlen, Angst und sozialen Problemen einhergeht. Ward und Kennedey (1994) finden jedoch in ihrer oben skizzierten Studie, dass eine Marginalisierungsorientierung im Vergleich zu einer Separationsorientierung mit geringeren negativen Werten der soziokulturellen Adaptation einhergeht. Bourhis, Moise, Perreault und Senecal (1997a) stellen allerdings zu Recht die Frage, ob Marginalisierung überhaupt eine sinnvolle Orientierung sein kann. Es scheint fraglich, ob sich Neuankömmlinge in einer Kultur weder mit ihrer Herkunftskultur, noch mit der neuen Kultur identifizieren und keine Beziehungen zu Einheimischen wünschen, sich also eine marginale Position im kulturellen System wünschen. Selbst bei Mehrheiten ist eine solche Orientierung hinsichtlich der Akkulturation von Neuankömmlingen kaum oder gar nicht vorhanden (van Dick et al., 2001; Zick & Küpper, 2007). Empirisch, weil kaum zugänglich, sind dabei aber wahrscheinlich Phänomene wie Marginalisierungen von Sekten, individuelle Versuche, eigenbrötlerisch in einer neuen Kultur zurecht zu kommen usw. übersehen. Marginalisierung ist wenn, dann als Zustand denkbar und selbst dieser ist in der Forschung äußerst unscharf definiert, wie die Theorienskizze bislang gezeigt hat (vg1. auch DeI Pilar & Udasco, 2004b). Kaum aber als Orientierung, denn sie ist dysfunktional und wider-
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spricht Grundmotiven, wie jener nach einer positiven Selbstbewertung. Berrys (2003) Argument, dass Marginalisierung aus vergeblichen Assimilationsversuchen, Diskriminierungserfahrungen oder Praktiken der dominanten Mehrheit (Segregationspolitik etc.) resultieren kann, ist überzeugend, nicht aber das Konstrukt der Marginalisierungsorientierung. Hier sei auch an Treibels (1999, S. 106) zusammenfassende Definition von Marginalität erinnert, die unter Randständigkeit oder Marginalität die relativ dauerhafte, krisenhafte Randlage zwischen zwei Kulturen bzw. Gruppen versteht, wobei die Gruppenzugehörigkeit ungeklärt sei (siehe oben). Eine ungeklärte Gruppenzugehörigkeit kann vorliegen, ist aber als Orientierung schwer nachzuvollziehen. Dagegen ist das, was Berry unter Marginalisierung versteht, im Sinne von Bourhis et al. (1997) aus der Perspektive der Einheimischen Exklusion und Individualisierung, aus Perspektive der Neuankömmlinge Anomie oder Individualisierung. Diese Etikettierung scheint überzeugender, allerdings ist auch hier zu fragen, inwieweit es sich um Orientierungen oder Zustände handelt. Anomie beschreibt explizit Orientierungsiosigkeit und Individualisierung ist eher eine Reaktion als eine Orientierung.
6.3.4
KritikderForschung überAkkulturationsorientierungen, Forschungsannahmen und Optionen für diezukünftige Forschung
Nachdem die Forschungslage über das bedeutsame und in der psychologischen Forschung oft zitierte Konstrukt der Akkulturationsorientierung dargestellt wurde, sollen im Folgenden zentrale Kritikpunkte gebündelt genannt werden. Dabei gilt der Blick vor allem Forschungslücken, und damit Forschungsfragen und Thesen. Das erscheint notwendig, weil einerseits das Konstrukt eine herausragende Bedeutung in der psychologischen Akkulturationsforschung hat, andererseits aber die Forschungslage theoretisch und empirisch relativ inkonsistent ist. Dabei gehe ich auf sechs Aspekte ein, die zu einer verbesserten Analyse von Akkulturationsorientierungen dienen sollen: 1. die Definition und Unterscheidung der relevanten Konstrukte der Akkulturationsorientierung, -einstellung, -strategie und des -verhaltens, 2. den angemessenen empirischen Zugang zum Konstrukt, 3. weitere relevante Dimensionen zur Unterscheidung von Orientierungen, 4. die Identifikation weiterer Orientierungsorientierungen, 5. Prädiktoren von Akkulturationsorientierungen und 6. die Praxisrelevanz.
1. Orientierung, Einstellung, Strategie, Verhalten Bevor genauer auf das Konstrukt der Orientierung eingegangen wird, ist eine grundsätzliche Unterscheidung zu nahe liegenden Konstrukten notwendig. So vielfach Akkulturationsorientierungen untersucht wurden, so sehr mangelt es bislang an einer klaren Definition der Begriffe und damit verknüpft, einer sauberen Trennung und Verwendung der verschiedenen Konzepte. Diese Kritik gilt für die Begriffe der Akkulturationsorientierung, -einstellung, -strategie, -verhalten oder schlicht -varianten, wie von Berry (zuletzt 2003), aber auch den anderen oben genannten Autoren zum Teil verwendet. Bisher ist in den meisten Untersuchungen völlig unklar, welches Konzept untersucht wird oder werden soll: implizi-
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te Grundhaltungen. explizite Forderungen oder Wünsche an andere oder sich selbst oder Verhaltensintentionen bzw. tatsächliches Verhalten. In anderen Worten: Den Ist- oder Sollzustand, das Vorhaben etwas zu tun oder das tatsächliche Tun. Dies erschließt sich in der Regel allein durch die Operationalisierung. Umso verwirrender ist es, wenn dann sogar bei der geplanten Erfassung ein und desselben Konstrukts zwei so unterschiedliche Dinge wie Einstellung und Erleben angesprochen werden, wie beispielsweise in der Instruktion an die Befragten der Akkulturationsskala von van Dick et al. (2001; siehe Box 6.2) geschehen . Die unklare Trennung von Konzepten ist umso gravierender, als dass es durchaus denkbar ist, dass explizite Einstellung, implizite Orientierung, gezielte Strategie und tatsächliches Verhalten nicht immer übereinstimmen müssen, sondern voneinander abweichen können. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn explizit die Integration von Immigranten gefordert wird, die sich jedoch implizit sich eher als Assimilationsvorstellungen entpuppt und das gezeigte Verhalten eher separativ ist. Abweichungen könnten sowohl zum gleichen Zeitpunkt als auch zu verschiedenen Zeitpunkten im Akkulturationsprozess variieren. So können etwa Immigranten vor ihrer Einwanderung die Einstellung und den Wunsch haben, dass es gut ist an der neuen Gesellschaft zu partizipieren und Teilnahme wünschen (dies z.B. anderen erzählen), wenn sie im Aufnahmeland sind zunächst auch eine integrative Akkulturationsstrategie verfolgen (etwa durch die Anmeldung in einem Sportverein), später jedoch trotz gegenteiliger expliziter Einstellung implizit eher eine assimilative Akkulturationsorientierung haben (sich etwa kaum noch mit der Herkunftskultur identifizieren), sich jedoch separativ verhalten, sei es aus Unvermögen, mangelnden Angeboten seitens der Aufnahmekultur oder schlichtweg mangelnden Gelegenheiten (weil beispielsweise in dem Sportverein in der Wohngegend zufälligerweise gar keine Angehörigen der Einheimischenkultur sind). Abweichungen zwischen den Konzepten können den Akteuren mehr oder weniger bewusst sein. Die auch in der Wissenschaft unsauber verwendeten Begriffe können zur Verwechslung, unabsichtlichen oder auch absichtlichen Missverständnissen bei der Begriffsverwendung führen, wenn beispielsweise von Integration gesprochen, aber Assimilation gemeint ist und zugleich Bedingungen geschaffen werden, die Integration erschweren. Ich halte es sowohl für die Rückschau und Einordnung bisheriger Forschungsergebnisse als auch für zukünftige Fragestellungen dringend geboten, die folgenden Konzepte der Akkulturation konzeptuell und begrifflich zu unterscheiden: • •
• •
implizite, automatisierte Grundhaltungen, für die ich den Begriff Akkulturationsorientierung reservieren würde explizite, bewusste Forderungen an andere welche Art und Weise der Akkulturation angemessen oder gewünscht wird bzw. welche Art und Weise der Akkulturation Menschen von sich selbst fordern oder wünschen, die ich als Akkulturationseinstellungen kennzeichnen würde geplante, zielgerichtete Verhaltensintentionen, die am besten als Akkulturationsstrategien bezeichnet werden sollten tatsächliches Verhalten, für das allein dann auch der Begriff Akkulturationsverhalten verwendet werden sollte. Da diese Differenzierung grundlegend ist,werden in Tabelle 6.12 die wichtigsten Unterschiede noch einmal aufgeführt und Messbeispiele genannt.
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Tab. 6.12
Unterscheidung der Begriffe Akkulturationsorientierung, -einstellung, -strategie un d -ver h aIten.
Bewiff Akkulturationsorientierung Akkulturationseinstellung
Konstrukt implizite, automatisierte Grundhaltungen explizite, bewusste Forderungen oder Wunsch an andere bzw. sich selbst, welehe Art und Weise der Akkulturation angemessen ist oder gewünscht wird
Akkulturationsstrategie
geplante, zielgerichtete Verhaltensintentionen
Akkulturationsverhalten
tatsächliches Verhalten
ltembeispiel Ich habe deutsche Freunde und Bekannte. Ich finde es gut, wenn Einwanderer viele deutsche Freunde und Bekannte haben. Einwanderer sollten auch deutsche Freunde und Bekannte haben. Ich versuche deutsche Freunde und Bekannte zu gewinnen,
Nicht-reaktive Erfassung von Partizipation (z.B. Anzahl von Einwanderern in öffentlichen Ämtern; Beteiligung an Wahlen etc.)
Auf der Grundlage dieses Begriffsverständnisses sind die weiteren Diskussionen der Akkulturationsorientierungen nachzuvollziehen. 94 Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass sich bei aller hier geübten Kritik an dem Konstrukt der Akkulturationsorientierung, seiner theoretischen Herleitung, Messung und der Vielfalt an sich überlappenden, unscharf differenzierten oder gegensätzlichen Klassifikationen, die Akkulturationsorientierung ein wesentliches Konstrukt ist, das den Akkulturationsprozess begleitet und Prädiktor wieKonsequenz des Akkulturationsprozesses sein kann. Die Empirie zeigt deutlich, dass unterschiedliche Akkulturationsorientierungen die Wahrnehmung und das Handeln im Akkulturationsprozess beeinflussen. Fast man die unterschiedlichen Ansätze zusammen, dann spricht Vieles für die folgende Definition von Akkulturationsorientierungen: Akkulturationsorientierungen manifestieren
sich als implizite gruppenbezogene Grundhaltungen, die sich in generalisierten oder expliziten Einstellungen eines Individuums manifestieren. Sie sind Präferenzen für grundsätzliche Strategien der Aneignungkultureller Umwelten, diedurch Interaktionen mit anderen Gruppen und deren Mitglieder definiert sind. Die Forschung zeigt, dass sich aus der Perspektive der autochthonen etablierten Gruppen Akkulturationsorientierungen eher als generalisierte Einstellungen zur subjektiv normativ richtigen Art und Weise der Eingliederung einer neuen Gruppe im autochthonen kulturel94 Die folgenden Kritikpunkte und Forschungsoptionen beziehen sich vornehmlich auf das Konstrukt der Akkulturationsorientierungen. Es liegt nahe, einige der genannten Kritikpunkte und Forschungsfragen auch auf das Konstrukt der Akkulturationsstrategien zu beziehen.
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len System ausdrücken. Im Falle einer kulturell neuen, allochthonen Gruppe (Neuankömmlinge) drücken sich Akkulturationsorientierungen in generalisierten Einstellungen zur subjektiv normativ angemessenen Art und Weise der Eingliederung der Ingroup in den neuen kulturellen Kontext aus . Akkulturationsorientierung sind empirisch betrachtet generalisierte Einstellungen. Obgleich die Forschung das bislang kaum bedacht hat, können sich Akkulturationsorientierungen Einheimischer aber auch auf die eigene Aneignung neuer, sich verändernder kultureller Umwelten beziehen (siehe unten). Folgt man den prominentesten Theorien, dann beziehen sich die Orientierungen primär auf
die Verortung und intergruppale Beziehung einer Gruppe zu relevanten Interaktionspartnern im Prozess der Akkulturation; also die Identität, diedurch die kulturelle Herkunft geprägt ist, und den intergruppalen Kontakt, der durch Partizipation im kulturellen System geprägt ist. Das heißt nicht, dass Akkulturationsorientierungen nicht auch nach individuellen, intergruppalen und gesellschajtspolitischen Ideologien und Zustandsbeschreibung des Status definiert und systematisiert werden können. Die Analyseebenen sollten aber nicht verwechselt werden, und die intergruppalen Orientierungen sind gewissermaßen Basisorientierungen, geht man davon aus, dass die Gruppenzugehörigkeiten primär den Akkulturationsprozess prägen. Im Kontext einer sozialpsychologischen Analyse sollte demnach das Konstrukt der Akkulturationsorientierung für gruppenbezogene Einstellungen zu den Ist-Zuständen, Zielzuständen und zum Prozess der Adaptation reserviert werden. Dabei können sich die Orientierungen in ihren Ausdrucksformen etc. zwischen den Gruppen erheblich bis gar nicht unterscheiden (siehe auch unten). Für eine Perspektive aufdie Akkulturation als intergruppaler Differenzierungsprozess, wie sie in der vorliegenden Arbeit herausgearbeitet wird, erscheinen vor allem die Passungsmodelle theoretisch angemessen zu sein. Passungsmodelle betrachten die Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung (Konkordanz, Diskordanz, Fit) zwischen den Akkulturationsorientierungen der Neuankömmlinge und Einheimischen als maßgeblich für den Akkulturationsprozess, die Interaktion und Kommunikation. Sie liefern Annahmen dazu, wie aus der Konstellation der Akkulturationsorientierungen kulturell divergenter Gruppen intergruppale Ivmflikte hervorgehen können, die sich in Vorurteilen und Diskriminierungen zeigen. Sie stehen zudem auf einer soliden theoretischen Grundlage, auch wenn sie viele der nachfolgend vorgebrachten Aspekte und Forschungsideen nicht beachten und keine direkte Sicht auf den Prozess der Akkulturation und Adaptation neuer Umwelten bieten. Für eine angemessene Analyse der Wirkungen von Akkulturationsorientierungen wäre die gleichzeitige Analyse der Orientierungen aller in einem kulturellen System interagierenden Gruppen zu bedenken und deren Passung und/oder Nicht-Passung theoretisch und empirisch zu bestimmen. Wie genannt lassen sich (erst) aus der Analyse der Konkordanzen und Diskordanzen zwischen den Akkulturationsorientierungen intergruppale oder interkulturelle Konflikte vorhersagen. Ebenso überzeugend ist die These von Molina, Wittig und Giang (2004), die davon ausgehen, dass eine gemeinsame passende Akkulturationsorientierung (Identität und Outgroup-Orientierung) Konflikte zwischen Gruppen reduzieren kann; selbst dann wenn beide Gruppen eine Separationsorientierung haben. Der Konflikt entsteht dann erst, wenn das zum Beispiel mit den Ideologien des übergeordneten kulturellen Systems nicht übereinstimmt, oder eine Gruppe die Orientierung der anderen Gruppe nicht toleriert.
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In Übereinstimmung mit der grundlegenden Perspektive auf den Akkulturationsprozess, die im 2. Kapitel beschrieben wurde, kann man davon ausgehen, dass passende und
nicht passende gemeinsame Akkulturationsorientierungen das Ausmaß der interkulturellen Balance bestimmen, das sich vor allem in interkulturellen Konflikten manifestiert. Konflikte können zum Beispiel durch das Ausmaß an gegenseitigen Vorurteilen bestimmt werden (Molina, Wittig & Giang, 2004). Sie können aber ebenso durch viele andere Indikatoren bestimmt werden, die zum Beispiel die Prozesstheorien der Akkulturation vorschlagen, wie zum Beispiel begrenzte Ressourcen, Stress, Statusungleichheiten usw.. Dazu muss die Akkulturationsforschung aber auf die Konflikt- und Gewaltforschung zurückgreifen, denn sie hat selbst kein Konzept von Gruppenkonflikten. Akkulturationsorientierungen können Akkulturationsstrategien nahe legen. Es lässt sich vermuten, dass eine spezifische Orientierung eine ihr entsprechende Strategie nahe legt; etwa eine Integrationsorientierung den Versuch integrativer Handlungen. Es empfiehlt sich aber beide Konstrukte theoretisch und empirisch getrennt zu betrachten.
2. Empirischer Zugang Ein wesentliches Problem der empirischen Analyse von Akkulturationsorientierungen ist und bleibt deren valide und reliable Operationalisierung, Identifikation und empirische Klassifikation, die auf einer theoretischen Grundlage erfolgen sollte (Arends-Töth & van de Vijver, 2007). Es ist von den Autoren der verschiedenen Modelle zur Klassifikation von Orientierungen gegenseitig Kritik an der Messung geübt worden, vor allem mit dem Hinweis darauf, dass Akkulturationsorientierungen hoch korreliert sind, sie oft schief verteilt sind, und viele Skalen letztendlich zu lang sind oder aufgrund des Theoriegebäudes, auf dem sie beruhen, zu lang sein müssen (zur Generalkritik vgl. Rudmin, 1996; 2003/a). Die methodischen Probleme scheinen ernster genommen werden zu müssen als das bislang der Fall war. Es fällt auf, dass in der empirischen Forschung nur in wenigen Studien mit denselben Skalen operiert wird. So gibt es zwar eine Vielzahl von Studien, jedoch verwenden sie unterschiedliche Skalen, so dass ihre Ergebnisse nur schwer vergleichbar sind. Die Skala von Berry, Kalin und Taylors (1977) wird noch am häufigsten identisch verwendet. Zum Teil liegt das daran, dass die Skalen an die Stichproben angepasst wurden. Bei aller Notwendigkeit, die emische Perspektive zu berücksichtigen, ist meines Erachtens die Frage, ob spezifische Items oder Dimensionen über Kulturen hinweg entwickelt werden können, weiterhin notwendig. Alternativ und ergänzend empfiehlt sich meines Erachtens die Prüfungen verwendeter Skalen gegen Alternativskalen vorzunehmen. Arends-Töth und van de Vijver (2007) haben zum Beispiel in zwei Studien mit türkischen Migranten in den Niederlanden geprüft, wie viele Items pro Skala hinreichend sind, um die Akkulturationsorientierungen nach Berry (1997) zuverlässig zu erfassen. Zusätzlich haben sie geprüft, ob Ratings mit oder ohne neutralen Mittelpunkt sinnvoll sind. Solche Prüfungen können innerhalb bereits existierender Untersuchungen vorgenommen werden. Dabei sollte auch das Problem des Bias und der Äquivalenz bedacht werden, wenn die Orientierungen im Kulturvergleich geprüft werden. In vielen Studien werden die Orientierungen von Immigranten und Einheimischen untersucht, aber es sind kaum Informationen
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oder detaillierte Diskussionen über die Prüfung und den Ausschluss von Biases und Äquiva-
lenzproblemen enthalten (van de Vijver & Leung, 1997, 2000).95 Die Orientierungen werden in der Regel als unabhängig voneinander betrachtet. Die Empirie zeigt dagegen, dass sie oft signifikant korreliert sind. Dass sie das sind, ist meines Erachtens nicht das primäre Problem, wenn die Konstruktvalidität hinreichend nachgewiesen ist. Problematisch ist die enge Korrelation aus methodischer Sicht, wenn sich die Konstrukte messmethodisch nicht trennen lassen, wie das leider oft der Fall ist (Rudrnin, 2003/a). Aus theoretischer Sicht sollten Akkulturationsorientierungen verbunden sein, und es wäre zu überlegen, inwieweit sie nichtsogar in Kombination vorkommen, also Orientierungen existieren, die zum Beispiel integrative und assimilative Elemente umfassen. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich Orientierungen in ambivalenten und diffusen Einstellungen ausdrücken können. Es ist anzunehmen, dass ambivalente und diffuse Orientierungen den Akkulturationsprozess ebenso beeinflussen wie nicht ambivalente Orientierungen. Es ist zum Beispiel durchaus interessant zu analysieren, welche Akkulturationsstrategien Gruppen wählen, die ambivalente Einstellungen haben. Ein anderes Beispiel: Auf der Grundlage der Schock- und Stresstheorien (Kap. 4.4-4.5) könnte man annehmen, dass diffuse oder ambivalente Orientierungen den Stress erhöhen. Das ist bislang aber überhaupt noch nicht untersucht worden. Diffuse oder ambivalente Orientierungen werden eher aus der Analyse ausgeschlossen, als dort zum Thema gemacht.
3. Relevante Differenzierungsdimensionen Weitere Fragen und Anforderungen an die adäquate Messung sind eng mit Fragen der Differenzierung von Orientierungen verbunden. Dabei zeigt zunächst die neure Forschung, dass eine Differenzierung der Akkulturationsorientierungen nach Lebensbereichen, und eben eine entsprechende Messung, sinnvoll und notwendig ist (vgl. vor allem Arends-Toth, 2003; Arends-Töth & van de Vijver, 2003, 2006; Phalet & Swyngedouw, 2003; Phalet, Van Lotringen & Entzinger, 2000). Eine spezifische Akkulturationsorientierung in einem relevanten Lebensbereich wie zum Beispiel der Familie kann in einem anderen Lebensbereich nicht relevant, das heißt wahrnehmungs- und handlungsleitend sein Das bedeutet, die Erfassung der Akkulturationsorientierung (und -einstellungen) sollten bereichsspezifisch erfolgen und konkret die Lebensbereiche nennen, auf die sie sich bezieht. Diskordanzen oder Konkordanzen sollten dann ebenfalls in spezifischen Lebensbereichen festgestellt werden. Dabei ist auch daran zu denken, dass sich die Akkulturationsorientierungen auf individuelle Lebensbereiche, gruppenspezifische Lebensbereiche (Vereine, soziale Verbände, Cliquen etc.) sowie die allgemeine Positionierung in einem kulturell-gesellschaftlichen System beziehen können (also in Bezug auf Statuspositionen unterscheiden können), und es zwischen den Ebenen zu einer Passung und Nicht-Passung kommen kann (vgl. dazu auch Lee, Sobal & Frongillo, 2003). Das entspricht einer Differenzierung in makro-, meso- und mikro-soziale Le-
bensbereiche. Eine interessante Differenzierung von Orientierungen im mikro-sozialen Bereich nehmen Hofstra, van Oudenhoven und Buunk (2005) vor. Sie haben darauf hingewiesen, dass 95 Mit Bias werden alle Störfaktoren bezeichnet, die die Validität interkultureller Vergleiche beeinträchtigen. Äquivalenz bezieht sich auf die Vergleichbarkeit von Ergebnissen in verschiedenen kulturellen Gruppen.
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Bindungsstile (Attachrnent 5tyles) mit Akkulturationsorientierungen einhergehen, weil sie stabile Interaktionstendenzen repräsentieren. Die Autoren zeigen anhand von anderen Quellen, dass Bindungsstile eine Reihe von Aspekten des Zusammenlebens beeinflussen, wie zum Beispiel die soziale Unterstützung, soziale Kompetenzen, die Qualitäten von Beziehungen und die Art und Weise, wie Menschen mit anderen zusammenleben. Auf der Grundlage der Differenzierung von Bindungsstilen nach Bartholomew und Horowitz (1991) setzen sie Akkulturationsorientierungen in Beziehung zu den Akkulturationsorientierungen. Tabelle 6.13 zeigt die 5ystematisierung. Tab.6.13
Hypothetischer Zusammenhang zwischen Akkulturationsstrategien und Bindungsstilen nach Hofstra, van Oudenhoven und Buunk (2005/ Tab, 1./ 5.605)
Bindungsstil sicher (secure) ängstlich (fearful) ablehnend (dismissive) erfiillt(preoccupied)
Akkulturationsorientierung Integration Assimilation Positiv Negativ Negativ
Positiv
Positiv Positiv
Separation Positiv Negativ
Negativ
Positiv
Positiv
Negativ
In ihrer ersten Studie haben die Autoren 170 holländische Studierende der Universität Groningen zu zwei Messzeitpunkten untersucht. Zum Messzeitpunkt 1 wurden die Bindung, der Selbstwert und das interpersonale Vertrauen erfasst. Zum Zeitpunkt 2 die Akkulturationsorientierungen mit einer Skala aus 21 Statements darüber, wie man sich als Immigrant verhalten würde. Es zeigt sich, dass ein ängstlicher Bindungsstil mit einer Assimilationsorientierung und ein ablehnender Stil mit einer Integrationsorientierung signifikant positiv korrelieren. In einer zweiten Studie mit 182 Eltern von Studierenden mit einer besseren Operationalisierung der Akkulturationsorientierung durch fiktive Zeitungsnachrichten, stellen sie fest, dass der sichere Stil signifikant positiv und der ängstliche Stil signifikant negativ mit einer Integrationsorientierung korrelieren. Trotzdem sich die Ergebnisse widersprechen/ sind die Zusammenhänge von Bindungsstilen und Akkulturationsorientierungen evident, sodass sich weitere Analysen empfehlen würden. Noch wesentlicher für eine Konzeptualisierung von Akkulturationsorientierungen ist jedoch meines Erachtens der Blick auf makro-soziale Zusammenhänge. Eine interessante Variante zur empirischen Differenzierung von Orientierungen könnte sich in diesem Zusammenhang aus einer engeren Diskussion sozialwissenschaft1icher Theorien ergeben (wie in Kap. 5 dargestellt). Es wäre zum Beispiel interessant, Differenzierung nach den Bereichen der Systemintegration nach Anhut und Heitmeyer (2000) zu erörtern, oder aber Orientierungen nach den Stufen der Assimilation, wie sie die sozialwissenschaftliche Forschung vorschlägt, zu unterscheiden. Dazu bieten auch die zahlreichen Informationen über soziodemographische Unterschiede in den Orientierungen, die die Studien bieten, eine erste Grundlage. Die interdisziplinäre Analyse des Konstruktes könnte wichtigere Beiträge ermöglichen als sie es bislang tut. Wie einige Studien deutlich machen und eine Analyse der Konfliktlagen es auch notwendig machen würde, liegt es darüber hinaus nahe, die Akkulturationsorientierungen und deren Passung zudem adressatenspezijisch zu messen und zu analysieren. Die Orientierungen 490
gegenüber einer Gruppe können sich von der Orientierung gegenüber einer anderen Gruppe erheblich unterscheiden und damit können sich die Passungen und damit einhergehende Konfliktlagen erheblich verschieben (vgl. zum Beispiel Hofstra, van Oudenhoven & Buunk, 2005; Zick, 2001). Die meisten Skalen zur Erfassung von Akkulturationsorientierungen ermöglichen das, allerdings wird in vielen Stellen zum Beispiel immer noch die generelle Orientierung gegenüber der relativ diffusen oder juzzy Kategorie der Immigranten erhoben. Das macht nur dann Sinn, wenn die Theorie annimmt, dass Akkulturationsorientierungen nicht adressatenspezifisch sind und das begründet, und darüber hinaus empirisch gezeigt wird, dass relativ breite Kategorien wie Immigranten, Ausländer etc. relevante Kategorien sind. In vielen Ansätzen und Studien fehlt genau diese Begründung bzw. der empirische Nachweis zur
Relevanz dieser sozialen Kategorien. Auf der Grundlage der Differenzierung der Begriffe der Orientierung, Einstellung, Strategie und des Verhalten empfiehlt es sich weiterhin auf der Ebene der Messung deutlicher zwischen Einstellungen als Präferenzen von Zielzuständen, wahrgenommene, realen und idealen Optionen sowie Kompetenzen zu differenzieren. Dabei fällt auf, dass die Akkulturationsorientierungen einer kulturell neuen Gruppe in den bislang dargestellten Modellen so gefasst sind, als wenn die Minderheit die Wahl zwischen den Strategien hat. Es werden in der Regel also Präferenzen erfasst. Das ist aber nicht unbedingt der Fall. In der Regel hat die über den referentiell übergeordneten kulturellen Kontext dominierende Gruppe (Mehrheit) Akkulturationsanforderungen an die Minderheit, auch wenn dies nicht immer so klar formuliert wird oder implizit anderes gewünscht als explizit vorgetragen wird.
4. Unterscheidungen von Orientierungen Die Forschung ist durch die Unterscheidung der Akkulturationsorientierungen nach Berry (zuletzt 2003) dominiert, also der Differenzierung von Orientierungen zur Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung. Forschungspolitisch sind sie als Ausgangspunkt der Analysen tonangebend, was den Vorteil hat, dass sie eine grobe Orientierung für die Forschung selbst bieten. Empirisch zeigen sich aber weitere Orientierungen in den hier diskutierten Modellen und den dazugehörigen Studien.w Für die Differenzierung herkömmlicher und alternativer Orientierungen ist zunächst die theoretische Herleitung relevant. Übersieht man die empirischen Studien, dann drängt sich bisweilen der Eindruck auf, dass die Orientierungen aus der Beobachtung von Einstellungsmustern deduziert und erst später in eine Theorie eingebettet werden. Oft wird dabei vergessen und/oder nicht deutlich genug klargemacht, ob die empirisch identifizierten Dimensionen nicht apriori auf einer theoretischen Perspektive beruhen. Zur Identifikation weiterer Akkulturationsorientierungen, bietet es sich an, auch jene
Theorien zu diskutieren, die sich mit einer Differenzierung von Strategien und adaptiven Verhal96 Berry, Phinney, Sam und Vedder (2006) haben selbst in jüngerer Zeit wenigstens indirekt die Differenzierung modifiziert. Sie haben eine Studie mit n = 5.366 Teenagern und jungen Erwachsenen (zwischen 13 und 18 Jahre alt) mit Migrationshintergrund und 2.631 Einheimischen desselben Altersbereichs in 13 Ländern durchgeführt. Dort ermitteln sie Adaptationsprofile, die mit Akkulturationseinstellungen einhergehen und sich daher auch zur Differenzierung von Orientierungen meines Erachtens eignen. Sie benennen die Profile Integration, ethnisch, national und diffus. Insbesondere das ,d iffu se Profil' ist interessant, weil eine ,diffuse' Akkulturationsorientierung in den vorliegenden Klassifikationen von Orientierungen lediglich implizit vorkommt (vgl. die Aufstellung nach Rudmin, 2003a).
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tensweisen beschäftigen, auch wenn es zwei unterschiedliche Konstrukte sind. Das soll am Beispiel des Ansatzes von Birman (1994/a) deutlich gemacht werden. Sie hat Strategien und Akkulturationsstile differenziert, die man danach prüfen könnte, ob sie Orientierungen entsprechen (siehe Kapitel 4.2). Birman meint, dass sich aus dem Involvement von Neuankömmlingen in ihrer Herkunftskultur und/oder der Kultur, in die sie gelangen, "Varianten" ergeben. Darunter findet sich der Bikulturalismus, den man als Akkulturationsorientierung verstehen kann, die nicht der Integration entspricht. Darüber hinaus differenziert Birman nach identifikativer und behavioraler Akkulturation. Legt man die Theorie zugrunde und beurteilt das Involvement als kritische Größe der Differenzierung von Orientierungen, kommt man zu weiteren Orientierungen, die über die klassische Typologie von Berry (2003) hinausgeht. Das wiederum ließe sich auch aus sozialwissenschaftlichen Prozesstheorien, wie etwa dem Ansatz nach Esser (1980) herleiten (vgl. Kap. 5.3.1). Im Kontext der Bikulturalismusansätze wird auch das Konstrukt des Multikulturalismus häufig zitiert, das zumindest teilweise auch als eine Akkulturationsorientierung verstanden wird, mehr aber als politische Ideologie oder Beschreibung des Zustandes der Beziehungen zwischen kulturell divergenten Gruppen (vgl. z.B. Bond, 1999), die in Folge von Migrationsund Akkulturationsprozessen entstehen. Es wird zitiert um Systeme zu markieren, die gewissermaßen maximal integrativ sind und die Akzeptanz kultureller Diversität einschließen. In einer aktuellen Studie ermitteln zum Beispiel Verkuyten und Martinovic (2006), dass man Multikulturalismus auch als separate Akkulturationsorientierung verstehen kann. Sie finden in einer Studie mit holländischen Befragten mit türkischem Migrationshintergrund, dass Items unterschiedlicher Akkulturationsorientierungen Faktor Multikulturalismus bilden. Das Konstrukt des Multikulturalismus wird auch deshalb hervorgehoben, weil es einer gesellschaftlichen und politischen Ideologie entspricht (vgl. dazu die Analyse von Modood, 2007). Ferner kann es auf einer makro-sozialen Ebene den strukturellen Gegebenheiten, also einer Zustandsbeschreibung von Gesellschaften, entsprechen. Viele der skizzierten Theorien postulieren zum Beispiel, dass bestimmte Länder - zum Beispiel Kanada, Australien, Israel - multikulturell organisiert sind (vgl. auch [oppke, 2004).Dabei scheint die Frage wichtig, wie gut die Orientierungen als mikro- und meso-soziale Phänomene (individuelle und gruppale Orientierungen) einer gesellschaftlichen Strukturund Organisation entsprechen. Hierzu könnte es sich für die psychologische Forschung empfehlen, stärker mikro- und makro-soziologische Theorien über die Verfasstheit von Gesellschaften in die Analyse und empirische Forschung einzubeziehen. Es ist überaus erkenntnisreich und relevant, politische Ideologien und die politisch ethnisch-kulturelle Struktur von Gesellschaften im Zusammenhang zu den gruppalen und individuellen Orientierungen zu diskutieren (vgl. dazu Givens, 2007, p. 75ft). Ferner meine ich, dass es nicht reicht, in psychologischen Rahmenmodellen (siehe v.a. Kap. 3.2 und Kap. 4.5.1) darauf zu verweisen, dass strukturelle Faktoren Orientierungen beeinflussen und dabei einige Faktoren selektiv zu benennen. Auch und gerade eine sozial-psychologische Analyse muss konkrete Thesen zur Struktur von Gesellschaften und ihrer Kultur bieten. Das ist nicht allein für eine interdisziplinäre Diskussion relevant. Es kann sein, dass eine psychologische Theorie postuliert, bestimmte gesellschaftliche Faktoren würden sich auf die Entwicklung von Akkulturationsorientierungen auswirken und dabei von einem nicht angemessenen Gesellschaftsbild ausgeht.
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Darüber hinaus muss die Frage geklärt werden, wie Akkulturationsorientierungen Strukturen verändern und gesellschaftlich-kulturelle Veränderungsprozesse mit Akkulturationsorientierungen zusammenhängen; schließlich geht es in der Akkulturationsforschung primär um die Frage nach Veränderung. Auch diese Diskussion verlangt meines Erachtens eine interdisziplinäre Analyse. Betrachtet man Akkulturation als einen Prozess oder als Interaktionsphänomen zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen, dann könnte man auch annehmen, dass aus
der Präferenz einer Akkulturationsorientierung die Präferenz für eine andere Orientierung erwachsen kann (siehe oben, bzw. vgl. Cuellar, Amold & Maldonado, 1995). Es liegt zum Beispiel nahe, dass Neuankömmlinge, die eine Assimilation in der Mehrheitskultur suchen, diese aber nicht realisieren können, ihre Orientierung wechseln. Einige sozial wissenschaftliche Prozesstheorien gehen implizit von einem Wechsel der Einstellungen zwischen den Stufen und Phasen des Assimilationsprozesses aus. Ein Wechsel zwischen Orientierungen, seine Bedingungen und Folgen, sind in der Forschung bislang nicht hinreichend erklärt und untersucht. Der Wechsel von Orientierungen ist auch an für sich genommen interessant (s.o.). Colic-Peisker und Walker (2003) zeigen in einer längsschnittlichen Interviewstudie mit bosnisehen Kriegsflüchtlingen in Australien, dass vor allem hoch gebildete Migranten integrationsorientiert sind. Dabei werden allerdings jene Befragten später marginalisiert, deren Integrationsorientierung zu hoch ist. Andere Flüchtlinge wechseln ihre Orientierung von lntegration hin zu einer Familienorientierung und primär hin auf den Erhalt der Herkunftsidentität. Dazu gehören vor allem Migranten, deren Kinder in Australien eine Mittelschichtskarriere durchlaufen. Eine zweite Gruppe lässt sich darin unterscheiden, dass sie starke und kontinuierliche Identitätsbedrohungen wahrnimmt. Diese Bedrohung resultiert aus einer starken Bindung an die Gemeinschaft (Community) während des Krieges, die in Australien in Ethnizität rekonstruiert wird. Die Gruppe verhält sich loyal zur Ingroup und separiert sich von der neuen Mehrheitskultur. Die Bindung an die Familie und das Kollektiv wird dabei primär durch die urbane Subkultur beeinflusst. Vor allem bei Flüchtlingen aus Städten hat die Gemeinschaft, das heißt die Familie und Bindungen an Herkunftsgruppen, aber auch die Religion eine besondere Bedeutung. Städtische Flüchtlinge, die einen Ausstieg ("Exit") aus ihrer ethnischen Gruppe versuchen, waren besser gebildet, verfügen also wie Schönpflug (2002) es postuliert, über eine ausgeprägte ethnische Identität bei zugleich hohem Ausmaß an Ressourcen, ähnlich einem Humankapital. Im Zusammenhang mit möglichen Veränderungen erscheint mir zudem die Überlegung interessant, Akkulturationsorientierung entlang eines Verhaltenskontinuums anzuordnen und damit stärker Übergänge und Differenzen in den Orientierungen zu fokussieren sowie den Prozesscharakter von Akkulturation verstehbar zu machen. Guhman (1989) schlägt ein Kontinuum von Assimilation - Integration - Separation vor. Van de Vijver, Helms und Feltzer (1999) schlagen nach Ergebnissen einer Studie mit 118 holländischen Migrantenkindem vor, Integrations' als einen Pol und Assimilation, Separation und Marginalisierung als den entgegen gesetzten Pol zu verstehen.w Der Vorteil, die Variation von Orientierungen 97 Integration ist hier eng mit kognitiven Kompetenzen verbunden. 98 Einen ähnlichen Vorschlag unterbreiten Garrett und Pichette (2000) allerdings für die Gruppe der so genannten nativen Americans. Ein/e native American ist nach dem United States Bureau of Indian
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entlang eines Kontinuums anzuordnen, bestünde auch darin, das Ausmaß interkultureller Konflikte genauer verorten zu können. Es könnte sein, dass Konflikte parallel zu diesem Kontinuum variieren. Dabei könnten dann eventuell auch spezifische Orientierungen besser verstanden werden. Es liegt zum Beispiel nahe, die Separationsorientierung als Indikator einer Orientierung zur Binnenintegration (Kap. Kap. 5.3.2, bzw. Elwert, 1982) zu verstehen, die sich in einem Zwischenzustand des Gesamtadaptationsprozesses entwickelt. Mit Blick auf den Wechsel von Orientierungen und Verhaltenskontinua ist daran zu erinnern, dass Akkulturationsorientierungen grundsätzlich stärker im Prozess der Akkulturation untersucht werden sollten; eine Forderung, die viele Autoren immer wieder postulieren, aber selbst nicht einlösen. Akkulturationsorientierungen verändern sich im Akkulturationsprozess. Das zeigt zum Beispiel eine Studie von Hetts, Kuwano und Pelham (in press), die auch auf den interessanten Unterschied expliziter und impliziter Orientierungen verweisen. Sie finden eine starke Diskrepanz impliziter und expliziter Selbstbewertung bei Emigranten aus Asiaten. Sie sind in einer kollektivistischen Kultur aufgewachsen und in eine westliche Kultur ausgewandert. Hetts, Kuwano und Pelham nehmen an, dass die Akkulturation dieser Gruppe zunächst auf einer bewussten und expliziten Ebene verläuft, dann aber immer stärker implizit und habituell wird. Eine radikale Position zum Prozess vertritt Kim (2001). Kim meint, dass die Frage, ob assimilationistische oder pluralistische Modelle als Orientierung, Strategien oder Ideologien ,richtig' im Sinne von angemessen sind, überflüssig ist. Zuwanderer könnten sich einer Adaptation überhaupt nicht entziehen, solange sie von der Mainstream-Kultur abhängen sein. Genauso könnten Zuwanderer Assimilation nie erreichen; zumindest nicht jene Assimilation, die theoretisch postuliert wird. Die Vielzahl empirischer Studien über die Wanderung zeigte sehr eindrucksvoll, dass Individuen mit einem Minderheiten-Kulturhintergrund sich über die Zeit und über Generationen hinweg adaptiv verändern. Sie durchlaufen neue Lern-, Akkomodations- und Internalisierungsprozesse, ob sie das wollen oder nicht. Ob empirisch dieser hier postulierte Automatismus feststellbar ist, bleibt ungeklärt. Die Vielzahl an Studien der Akkulturationsforschung hat sich auf die psychologische Akkulturation beziehungsweise die individuellen Folgen beschäftigt. Dabei wird deutlich, dass in derfrühen Akkulturationsphase Veränderungen eher leicht und sanftwahrgenommen werden. Der anfängliche Prozess ist laut Berry (1992) klassifizierbar in Cultural Shedding (kulturelle Verbreitung), Culture Leaming und Culture Conflict (Berry, 1992).Die ersten beiden Prozesse markieren den wohl überlegten Verlust des Verhaltens und den Ersatz des Verhaltens durch Verhaltensweisen, die besser in die Aufnahmegesellschaft passen. Dieser Prozess kann als Anpassung (Adjustment) bezeichnet werden (Ward & Kennedy, 1993a), weil nahezu alle Veränderungen bei der Immigrantengruppe und nur wenige Änderungen bei der Aufnahmegesellschaft stattfinden. Allerdings können Probleme oder Konflikte im Prozess der Anpassung stattfinden, weil die Aufnahmegesellschaft ein anderes Verhalten verlangt. Dann liegt die Präferenz für eine Assimilationsstrategie nahe. Wenn sich größere Konflikte entwickeln und die Erfahrungen als problematisch, aber lösbar und überwindbar beurteilt Affairs definiert als, "a person who is an enrolled or registered member of a tribe or whose blood quantum is one fourth or more genealogically derived from Native American ancestry." Garrett und Pichette differenzieren ein Akkulturationskontinuum zwischen traditional, marginal, bicultural, assirnilated und pantraditional. Die Typen ließen sich auch als Orientierungen verstehen.
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werden, dann ist nach Berry (2003) das Stress-Modell der Akkulturation angemessen (Berry, Kim, Minde & Mok, 1987). Dabei bemerken die Zuwanderer, dass sie Probleme mit dem interkulturellen Kontakt haben, die nicht einfach dadurch gelöst werden, dass die Wanderer sich anpassen oder assimilieren. Berry et al. (1987) haben aus diesem Grund das StressmodelI adaptiert (Kap. 4.5). In dem Modele ist der Akkulturationsstress eine Reaktion auf herausfordernde Lebensereignisse, die in der Akkulturationserfahrung verwurzelt sind. Solche Stressmodelle sind für die Analyse der psychologischen Anpassung relevant, sie sind jedoch individualistisch, werden sie einfach auf die soziokulturelle Adaptation übertragen. Dabei wären Gruppenphänomene zu fokussieren und zu erklären. Bevor jedoch eine Erweiterung der Bandbreite an Orientierungen sowie eine weitere Ausweitung der Forschungsperspektive in Aussicht gestellt wird, müssen viele Theorien über Akkulturationsorientierungen grundsätzlich theoretisch offene Fragen genauer angehen. Dabei muss noch einmal betont werden, dass die Dimensionen, die zur Differenzierung
von Orientierungen zitiertwerden, in vielen Fällen eine genauere Fundierung notwendig machen. Das wird sehr deutlich in Bezug auf das zentrale Konstrukt der Identität, das in fast allen Theorien dazu herangezogen wird, um Orientierungen zu differenzieren. Wie erwähnt, bedarf es einer noch genaueren theoretischen Fundierung. Dabei könnte dann auch deutlicher zwischen personaler und sozialer Identität getrennt werden. Akkulturationsorientierungen sollen in den meisten Theorien, die hier vorgestellt wurden, gruppale Orientierungen von Individuen als Mitglieder kultureller Gruppen beschreiben. Dabei gehen die Ansätze relativ selten auf eine Unterscheidung zu personalen Orientierungen ein, obgleich die Orientierungen individuell beobachtet (gemessen) werden. Dass zwischen personaler und sozialer Identität ein Unterschied im Zusammenhang zu Akkulturationsorientierungen besteht, deutet sich in einer Studie von Nesdale und Mak (2003) an. Sie stellen in einer Studie mit 150 Immigranten in Australien einen negativen Einfluss ethnischer Identifikation auf den persönlichen Selbstwert (personal self-esteem), nicht aber auf den ethnischen oder kollektiven Selbstwert fest. In der Forschung wird angenommen, dass die Strategie der Integration - Wunsch nach Standards und Werten der Aufnahme- und Herkunftskultur zu leben (Nesale & Mak, 2000) - besonders förderlich für die Adaptation ist. Die Ergebnisse der Studie von Nesdale und Mak zeigen dagegen, dass diese Strategie nicht unbedingt hilfreich ist, weil sie einen negativen Einfluss auf die Entwicklung eines personalen Selbstwertes hat. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass Konkordanzen und Diskordanzen personaler und sozialer Orientierungen für den Akkulturationsprozess und damit verbundene Adaptationsstrategien relevant sind. Es ist anzunehmen, dass Individuen gefordert sind, die eigene, personale Orientierung mit der vorherrschenden Orientierung der Herkunftsgruppe abzustimmen. Dies kann bei Übereinstimmung der individuellen und gruppalen Akkulturationsorientierung problemlos sein, aber bei Nicht-Übereinstimmung einen Spagat bedeuten und zu Konflikten führen. So wäre bei einem Verständnis von Akkulturation als Veränderung über die Zeit und Generationen hinweg vor allem divergente Orientierungen zwischen Jüngeren, vielleicht bereits im Aufnahmeland geborenen Neuankömmlingen und älteren, eher noch in der Herkunftskultur verhafteten Gruppenmitgliedern, zu erwarten. Versucht man den Zusammenhang von Akkulturationsorientierungen und -sirategien oder -verhaltensweisen genauer zu analysieren, sind weitere Differenzierungen des Orientierungskonzeptes, die aus der Einstellungs-Verhaltens-Forschung adaptiert werden können, sinn-
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voll, um bessere Verhaltensprognosen machen zu können. So ist es zum Beispiel zur Analyse der Verhaltensrelevanz die Orientierungen nach den Aspekten der Handlung (auf welches Verhalten bezieht sich die Orientierung?), des Zieles (auf welches Ziel richten sich die Orientierungen?) und des Kontextes (auf welchen Kontext richten sich die Orientierungen?) zu unterscheiden (vgl. zur Übersicht über die Forschung Eagly & Chaiken, 1993).Viele weitere Differenzierungen des Einstellungskonzeptes könnte man alternativ auf das Konstrukt der Orientierung übertragen. Zum Kontextaspekt gehört meines Erachtens auch der Raum, mit dem sich Individuen verbunden fühlen können und auf den sich Orientierungen richten (Zick, 2001). Im zweiten und vierten Kapitel wurde darauf verwiesen. Die räumliche Dimension ist bislang bei der Analyse von Akkulturationsorientierungen kaum berücksichtigt worden. Dagegen werden andere Kontextfaktoren mittlerweile immer stärker mit einbezogen, indem zumindest auf der Ebene der Messung Akkulturationsorientierungen nach Lebensbereichen unterschieden werden. Ein empirisch gut geprüfter Vorschlag stammt von Arends-Töth und van de Vijver (2003, 2004). Sie unterscheiden drei Ebenen der Bereichsspezifität: Die übergeordnete Ebene wird durch zwei Bereiche bestimmt: den öffentlichen (funktionalen, utilitaristischen) und den privaten (sozial-emotional und wertorientieren) Bereich, die wiederum nach spezifischen Lebensbereichen betrachtet werden können, wie zum Beispiel Bildung und Sprache, die zum öffentlichen Bereich gehören, und Kindererziehung und Heirat, die zum privaten Bereich zählen. Auf einer untergeordneten Ebene individueller Präferenzen seien spezifische Situationen zu bedenken, das heißt Präferenz für die Adaptation und Erhaltung, die in spezifischen Situationen variieren können. Diese Unterteilung wird zugleich einem besseren Verständnis der Integrationsorientierung gerecht, also jener Akkulturationsorientierung, die am stärksten präferiert wird. Integration als allgemeiner Begriff kann sich auf jedwede (positive) Kombination von Adaptation und Kulturerhaltung (Cultural Maintenance) beziehen, das heißt integrativ orientierte Neuankömmlinge in einer Kultur weisen einige Aspekte beider Kulturen auf. Es kann sich auf eine gleiche Kombination von Kulturerhalt und Adaptation neuer Kulturen beziehen (50-50Verteilung), und Integration kann sich darauf beziehen, dass Individuen zwischen Kultursystemen wechseln abhängig von dem Kontext des Lebensbereiches. Zum Beispiel zeigen LaFromboise et al. (1993), dass dual-moriokulturelle Individuen zwischen Kulturerhalt und Adaptation außerhalb ihres engen Sozialbereiches wechseln (siehe oben). Integration kann nach Coleman (1995) langfristig auch bedeuten, dass Individuen Kulturen verschmelzen und eine neue Kultur kreieren. Die empirische Forschung zeigt, dass die Integration als Akkulturationsorientierung bei ethnisch-kulturellen Immigranten immer noch an erster Stelle steht (Georgas & Papastylianou, 1994; Ward, Bochner & Fumham, 2001; Zick, Wagner, van Dick & Petzel, 2001). Dabei bleibt aber vielfach unklar, ob Immigranten die Integration als Wunsch-Konzept (Norm) oder als tatsächlich wahrgenommene Akkulturationsstrategie auffassen, die den Prozess bestimmt. Wie in der Diskussion der Orientierungsansätze auch deutlich wurde, wäre es sinnvoll, das Ausmaß intergruppaler Konflikte und Probleme (interkultureller Balance) als Kriterium der Differenzierung von Orientierungen heranzuziehen. Noch umfassender wäre ein Ansatz, der versucht aus Intergruppen-Strategien Orientierungen herauszuarbeiten, das heißt Strategien wie sozialer Protest, individuelle und soziale Mobilität etc. könnten Orientierungen prägen.
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Bei all dem ist darauf zu achten, dass Akkulturationsorientierungen sich nicht nur explizit in Einstellungen, sondern implizit sind. Das wird an der Zuwanderungsdebatte in Deutschland sehr deutlich (vgl. Gieler & Ehlers, 2002). Was dort als Integration postuliert wird, entpuppt sich als Assimilationskonzept. Aus psychologischer Perspektive wird das noch deutlicher. Viele Studien ergeben, dass sich zwar operational Akkulturationseinstellungen erfassen lassen (vgl. Zick, Wagner, van Dick & Petzel, 2001) - etwa so, wie Berry (1970) und Sommerlad und Berry (1970) differenziert haben (siehe oben) -, aber die Forschung zeigt auch, dass Präferenzen für Akkulturationsstrategien nicht mit der Wahrnehmung darüber übereinstimmen, wie die Akkulturation verläuft. Zweitens ist grundsätzlich zu bedenken, dass Akkulturationsorientierungen nicht stabil sein müssen. Sie sind weder in allochthonen Gruppen (vgl. Zick & Six, 1999a) noch in autochthonen Gruppen stabil. Dass Mehrheiten ihre Akkulturationsorientierungen gegenüber Immigranten ändern zeigt sich historisch in der Einwanderungspolitik. Ein eindrucksvolles aktuelles Beispiel für die Veränderung der Akkulturationsorientierung dominanter Mehrheiten zeigen die Reaktionen auf den Anschlag auf das World Trade Centre am 11. September 2001 (vgl. Esses, Dovidio & Hodson, 2001). Zick und Küpper (2007) finden im Längsschnitt von 2003 bis 2006 mit über 1.000 deutschen Befragten aus einer repräsentativen Stichprobe ebenfalls einen Rückgang der Bereitschaft der deutschen Mehrheitsbevölkerung Einwanderer zu integrieren, wobei insbesondere die (ohnehin geringe) Zustimmung zum Kulturerhalt von Immigranten nachlässt, während die hohe Bereitschaft zur Partizipation nahezu unverändert bleibt. Nach der Berryschen Typologie verschiebt sich damit die Akkulturationsorientierung der Deutschen von einer größeren Integrationsbereitschaft hin zu einer stärkeren Assimilationsforderung. Das weist, drittens, darauf hin, dass die Akkulturationsorientierungen nur erklärbar sind, wenn man den Kontext, in dem sie entwickelt werden, in Betracht zieht. Eine sozialpsychologische Konzeptualisierung des Akkulturationsprozesses als intergruppaler Differenzierungsprozess geht explizit davon aus, dass die Orientierungen nicht stabil sind, sondern Akkulturationsorientierungen dynamisch die Interaktion der Gruppen mit ihren kulturellen Kontexten steuern und sich die Orientierungen ihrerseits durch die Wahrnehmung und Herstellung von Differenz ergeben und verändern. Akkulturationsorientierungen, die aus Veränderungen resultieren, könnten kulturell transmutierte Orientierungen sein. Sie sind noch nicht explizit bedacht, obgleich sie sich aus der anthropologischen Beobachtung von Adaptationsprozessen herauslesen lassen und Cultural Transrnutation dort als möglicher Outcome postuliert wird (Cheney, 1969;Cuellar, Arnold & Maldonado, 1995;Mendoza, 1989).Kulturelle Transrnutation bezeichnet das Phänomen einer neuen (sub-)kulturellen Identität, die sich zum Beispiel aus intergruppalen Konflikten ergeben und beispielsweise in Gangformationen jugendlicher Immigranten manifestieren. Cuellar, Arnold und Maldonado (1995) meinen, dass Gangs zwar wie eine Repräsentation von Separationsorientierungen erscheinen, aber die Separation ungenau ist, weil man es mit einer neuen Orientierung zu tun hat, also einer aus der Separation entstandenen veränderten Orientierung. Wie transmutierte Akkulturationsorientierungen repräsentiert sind, muss erst noch untersucht werden. Bei aller Diskussion über Instabilitäten ist jedoch auch zu bedenken, dass trotz einer zeitlichen Instabilität von Orientierungen, das Konstrukt selbst weiter als stabile generalisierte Einstellung verstanden und operationalisiert werden sollte (wie oben definiert). Aber eben
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als Orientierungen, die sensitiv für Kontexteinflüsse sind, indem sie zum Beispiel eng auf Lebenskontexte bezogen sind, wie Navas et al. (2005) vorschlagen.
5. Prädiktoren von Akkulturationsorientierungen Eine überzeugende Theorie der Orientierungen sollte meines Erachtens auch Annahmen über Prädiktoren vorlegen. Die Theorien der Akkulturationsorientierung, die hier vorgestellt wurden, konzentrieren sich auf die kulturelle Identität und interkulturelle Beziehungen als Grunddimensionen, auf Zusammenhänge zwischen den Orientierungen sowie auf Konsequenzen für den Akkulturationsprozess, insbesondere die psychischen Anpassung und soziokulturelle Adaptation. Weitere Prädiktoren, die die Entwicklung und Salienz von Orientierungen bestimmen, wären zu überlegen. Ein wesentlicher Ansatz wäre dabei meines Erachtens, Machtunterschiede deutlicher in die Analyse aufzunehmen, wie Rabinowitz, Wittig, von Braun, Franke und Zander-Music (2005) überzeugend darlegen. Meines Erachtens haben Statusdijferenzen einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Akkulturationsorientierungen sich ausbilden und welche Orientierungen zu Konflikten führen. In Rekurs auf die Social Dominance Theory (Sidanius & Pratto, 1999) lässt sich annehmen, dass alle Akkulturationsorientierungen, die den Status einer anderen Gruppe und damit die Hierarchie des Statussystems gefährden, beziehungsweise als Gefahr subjektiv wahrgenommen werden, zu interkulturellen Konf1ikten führen kann, wenn das Motiv der Aufrechterhaltung der Hierarchie (Dominanz) damit erfüllt wird. Eine Integrationsorientierung von Minderheiten kann trotz ihrer potenziellen Vorteile für die Aneignung der Kultur der Mehrheitsgruppe zum Konflikt mit Mehrheiten führen, wenn sie deren Dominanz real oder vermeintlich in Frage stellt. Die in vielen Gesellschaften festgestellte Präferenz von Einheimischen für die Assimilation von Neuankömmlingen (siehe oben Forschungsübersicht) ließe sich so erklären. Das heißt, hinter der Zurückweisung des Bemühens von Neuankömmlingen, ihre Herkunftskultur aufrechtzuerhalten, steckt eventuell die wahrgenommene Bedrohung des Status und weniger die Zurückweisung kultureller Eigenständigkeit. Die Integrated Threat Theory nach Stephan, Stephan und Gudykunst (1999) legt dazu explizit Thesen vor, die allerdings um die Frage der Statusdifferenzen und Dominanzverhältnisse zu erweitern wäre (Kap. 4.5.4). Indirekte Hinweise auf die Relevanz geben Studien über den Zusammenhang von Vorurteilen und Akkulturationsorientierungen. Erneut sei auf die oben zitierte Studien von Zick und Küpper (2007) verwiesen, die in einer Längsschnittbefragung der deutschen Mehrheitsbevölkerung zeigen, dass fremdenfeindliche, abweisende Einstellungen in 2003 zu einer geringeren Integrationsbereitschaft in 2006 führen; sowohl Partizipation als auch Kulturerhalt von Immigranten werden stärker abgelehnt. In vielen weiteren Analysen mit denselben Daten zeigt sich, dass die Vorurteile wiederum durch die soziale Dominanzorientierung bestimmt sind (vgl. dazu auch Küpper & Zick, 2005). Weitere Studien in demselben Band zeigen, dass Vorurteile durch Statusdifferenzen und -aspirationen beeinflusst sind (vgl. Heitmeyer, 2002 - 2007).99 Das wiederum legt nahe, den Fokus enger auf das Statuskonzept zu legen, wie es schon mehrfach in den Prozesstheorien angesprochen wurde. Dazu sollte man meines Erachtens
99 Siehe Beschreibung des Projektes "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" oben.
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aus sozialpsychologischer Sicht die klassische Differenzierung relevanter Statusdimensionen nach Tajfel (1978) in die Analyse aufnehmen. Demnach wäre eine Akkulturationsorientierung eng verbunden mit der Frage, ob der Status der Ingroup als legitim, stabil und permeabel wahrgenommen wird (vgl. auch Box 4.4 in Kap. 4.2.5). Die Frage, ob Neuankömmlinge sich in einer Kultur assimilieren, integrieren oder separieren möchten, müsste nach Annahmen der Social Identity Theory davon abhängen, ob sie den Status ihrer Gruppe und der Gruppe, zu der sie Beziehungen haben möchten oder mit der sie Identitätsmerkmale teilen wollen, als legitim oder illegitim, stabil oder instabil wahrnehmen und die Gruppengrenzen als permeabel oder undurchlässig wahrnehmen. Eine Separationsorientierung könnte Ausdruck der Wahrnehmung einer stabilen aber illegitim wahrgenommenen Unterschichtung bei als undurchlässig wahrgenommenen Grenzen zwischen den Gruppen sein (vgl. dazu auch Kap. 5). Zu den relevanten Prädiktoren der Orientierungen gehören immer auch soziodemographisehe Faktoren, zu deren Einfluss viele Faktoren vorliegen. So fällt zum Beispiel auf, dass zahlreiche Studien signifikante Generationenunterschiede feststellen; die Orientierungen jüngerer Immigranten sind anders als jene von Älteren. So zeigen zum Beispiel Jang, Kim, Chirboga und King-Kallimanis (2007) in einer aktuellen Studie mit älteren USamerikanischen Zuwanderern aus Korea, dass in dieser Gruppe nicht alle Varianten nach Berry (1997) eine Rolle spielen, sondern lediglich Integrations- und Separationsorientierungen. Das heißt, ältere Immigranten erhalten ihre eigene Kultur in jedem Fall, sie unterscheiden sich jedoch in ihrem Wunsch, an der neuen Kultur des Einwanderungslandes zu partizipieren oder nicht. Solche Generationenunterschiede sollten noch genauer analysiert werden unter Einbeziehung von theoretisch expliziten Annahmen (vgl. dazu Suarez-Orozo & Suarez-Orozo, 2000).100 Auch Gruppenfaktoren beeinflussen die Wahl der Strategie. So werden etwa bei Freiwilligkeit des interkulturellen Kontakts eher Assimilation und Integration präferiert, das heißt also auf jeden Fall eher einer Partizipation an der Aufnahmekultur zugestimmt. Gruppen, deren Kontakt zur Aufnahmegesellschaft unfreiwillig ist, wie das zum Beispiel oft bei Flüchtlingen der Fall ist, wählen andere Strategien (Williams & Berry, 1991). Gruppen, deren äußeres Erscheinungsbild sie als unterschiedlich erscheinen lässt, suchen weniger Assimilation, erkennen und bekommen vermutlich vor allem weniger Partizipationsmöglichkeiten, da sie eher mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert werden (Kim & Berry, 1986). Ein weiterer Faktor ist die Ökologie und Vitalität der Gruppen, die in interkulturellen Kontakt kommen (wie z.B. die Anzahl der Mitglieder). So finden Moise und Bourhis (1997), die eine Vielzahl der genannten Faktoren systematisch untersucht haben, dass Merkmale der Kontaktsituation (vor allem Einstellungen, die die Beteiligten erfahren, wie Vorurteile, Akzeptanz, Diskriminierungen etc.) sowie die Vitalität der kulturellen Ingroup die wichtigsten Prädiktoren der Wahl einer Akkulturationsstrategie sind. Zum Beispiel führt die Vitalität der Ingroup mit der Erfahrung minimaler Diskriminierung am stärksten zur Präferenz der Integration. Dagegen führt die Wahrnehmung geringer kollektiver Selbstwirksamkeit
100 Dabei ist natürlich auch die Frage der Entwicklung altersgemäßer Instrumente zur Erfassung von Akkulturationsorientierungen entscheidend (vgl. dazu die interessanten Ansätze von Berry, Phinney, Sam & Vedder, 2006, sowie Unger, Gallagher, Shakib, Ritt-Olson, Palmer & [ohnson, 2002).
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(Efficacy) und ein schwaches soziales Netz der Ingroup eher zur Präferenz für die Assimilation. Der Wunsch nach Kulturerhalt ist in diesem Fall vermutlich schwächer. Eine starke Orientierung auf eine ethnische oder kulturelle Identität führt eher zu einer Präferenz für Separation (Berry & Sabatier, 1996; Moise & Bourhis, 1997; Piontkowski et al., 2000). Eine starke nationale Identifikation erklärt die Präferenz für Assimilation, und eine Kombination beider Identitäten (wie z.B. eine bikulturelle Identität wie Greek-Canadian) erklärt die Integration und eine unklare Identität sagt Marginalisierung vorher. Hier wurden nur jene Prädiktoren genannt, die in den Theorien über die Akkulturationsorientierungen nicht gesondert oder primär aufgeführt wurden und/oder weitere Forschungsperspektiven bieten. Viele andere Prädiktoren sind aus den Theoriedarstellungen oben abzuleiten.
6. Praxisrelevanz Akkulturationsorientierungen sind auch für die Angewandte Forschung beziehungsweise die Praxis der Integration und die Beratung von Neuankömmlingen in einer Kultur relevant. So weist zum Beispiel Coleman (1995,1997) in seinen Arbeiten zur Beratung von Immigranten darauf hin, dass sie bei Immigranten und Einheimischen die Wahrnehmung und den Umgang mit kultureller Diversität beeinflussen und trainierbar und/oder erlernbar sind. Mit Blick auf Immigranten seien sie wichtige Strategien im Umgang mit (neuen) kulturell divergenten Situationen (vgl. dazu auch die Studie von Leong, Wagner & Kim, 1995).101 Eine Reihe von Praxisprojekten gegen Vorurteile zur Integration von Zuzüglern in einer Kultur etc. arbeiten meines Erachtens bereits implizit mit spezifischen Akkulturationsorientierungen, könnten dies aber noch gezielter tun. Ebenso operiert die Politik mit Ideologien über die Art und Weise, wie Minderheiten die Mehrheitskultur adaptieren sollen. Berry (2003) und Bourhis et al. (1997a/b) weisen das am Beispiel der kanadischen Immigrationspolitik überzeugend nach. Viele politikwissenschaftlichen und soziologischen Analysen zeigen, dass nationale Politikvorstellungen von Akkulturationsideologien geprägt sind, wie etwa die Assimilationsideologie in Deutschland (vgl. z.B. Gieler & EWers, 2001; Zick et al., 2001). Die Akkulturationsorientierung auf der politischen Ebene - also die Akkulturationsideologie - hat dabei signifikante Auswirkungen auf die konkrete Politik der Integration und Diskriminierung, wie bei der Diskussion der Theorien zur Akkulturationsorientierung mehrfach deutlich wurde. Ebenso sendet die Politik damit gezielte oder unerwünschte Signale an die Neuankömmlinge, etwa in wieweit sie willkommen und eingeladen sind zu partizipieren. Die wissenschaftlich fundierte Diskussion von Orientierungen auf der individuellen, gesellschaftlichen und politischen Ebene sollte also auch eine Reihe von Implikationen für das so genannte Policy Making haben. Darauf wird in der folgenden Diskussion noch häufiger eingegangen.
101 Vgl. auch Choi (2001) zum Konzept der Marginalisierung im Rahmen der klinischen Beratungsarbeit.
500
6.4
Traditionalismus versus Modernismus und Adaptation
In der Systematik der Akkulturationsforschung konnte eine kleine Gruppe von Modellen und Theorien, die sich auf die Konzepte von Traditionalismus und Modernismus beziehen, identifiziert werden.
Traditionalismus/Modernismus Ansätze • Factors of Psychological Adjustment and Sociocultural Adaptation nach Ward und Kennedey (1994)
•
Modernismus-versus-Traditionalismus-These von Berry (1980a) und Dawson, Crano
• •
und Burgoon (1996) und anderen Model of Psychological and Sociocultural Adaptation von Leung (2001) Five Level Model of the Acculturation of Native Americans von Garrett und Pichette (2000)
Zwei zentrale Themen werden von den Theorien behandelt. Zum einen die Differenzierung von Facetten der Adaptation, zum anderen wird die Frage behandelt, welchen Einfluss traditionalistische versus modernistische Orientierungen auf die Adaptation haben. Das wissenschaftlich wie politische äußerst relevante Thema .Traditionalismus versus Modernismus' ist noch nicht ausführlich behandelt worden. Daher steht es im Mittelpunkt der folgenden Diskussion. Berry (1980a) und Dawson, Crano und Burgoon (1996) haben sich mit der Strukturkomponente der Modernismus-versus-Traditionalismus-Orientierung beschäftigt. Wesentlich ist an deren These, dass traditionell orientierte Neuankömmlinge in einer modemen Kultur anders die Kultur aneignen als jene, die modernistisch orientiert sind. Das Postulat einer grundsätzlichen Differenz zwischen Modernismus und Traditionalismus wurde bereits unter den einfachen Systematisierungen der Akkulturationsforschung vorgetragen (vgl. Kapitel 3.3). Dort wurde darauf verwiesen, dass Berry (1980a) vermutet, dass erstens Individuen sich grundsätzlich in einer Traditionalismus- und Modernismus-Orientierung unterscheiden, und zweitens eine Divergenz zwischen kultureller Entwicklung und individueller Orientierung zu Akkulturationskonflikten führt. Berry, Trimble und Olmedo (1986) haben später die Modernitäts- und/oder Traditionalismus-Grientierungen der am Akkulturationsprozess beteiligten Gruppen als eigenständige Theoriengruppe identifiziert. Berry 1974a hat sie bereits als zentrale Einflussfaktoren der Akkulturation bezeichnet. Unter Traditionalismus versteht er das Verhaftetsein in traditionellen Wert- und Normvorstellungen. Er meint, dass Neuankömmlinge in einer modernisierten Gesellschaft (Kultur), die eine traditionalistische Orientierung aufweisen, in Konflikte geraten. Versteht man unter einer modemen Kultur eine individualistische Kultur, dann wäre hier die gerade erwähnte Unterscheidung von personalen und sozialen Akkulturationsorientierungen relevant, geht man davon aus, dass modeme Orientierungen personal und traditionelle Orientierungen eher kollektiv sind. Birman (1994a) hat den Traditionalismus durch ein hohes Involvement in Identität und Verhalten in einer Kultur und ein geringes Involvement in beiden Aspekten (Identität und Verhalten) zur Mehrheitskultur gekennzeichnet und als separate Orientierung markiert (siehe oben). Auch Hutnik (1991) vertritt die These, dass eine Modernismus-Orientierung
501
einer traditionalistischen Orientierung gegenübersteht (siehe oben sowie Kap. 4.1). Viele der oben skizzierten Ansätze zur Differenzierung der Akkulturationsorientienmg gehen mehr oder minder implizit ebenfalls von einer gnmdsätzlichen Differenz zwischen traditionellen und modemen Orientienmgen aus, die sich in Werten, Normen, Bräuchen, Verhaltensweisen etc, zeigen. Zentral ist die Analyse der Divergenzen zwischen traditionalistisch orientierten Zuwanderern und modernisierten Immigrationsgesellschaften auch in vielen sozialwissenschaftlichen Prozesstheorien (Kapitel 5). Wie dort zu lesen ist, geht zum Beispiel Diehl (1997a) davon aus, dass ethnische Organisationen vormoderne Vergemeinschaftungen seien, und Desintegration da entstünde, wo diese den Zugang zu spezifischen Gütern und Ressourcen behinderten. Inkeles und Smith (1974) haben die These von der Modernitätsdifjerenz explizit postuliert. Und nicht zuletzt ist selbst in der klassischen Definition von Akkulturation der Traditionalismus implizit als eine mögliche (reaktive) Akkulturationsform genannt (Social Sdence Research Council, 1954,S. 974, siehe Kapitel 2). Resümiert man diese Theorien und die dazugehörigen, empirischen Studien, dann spricht vieles für die These, dass eine Orientierung zum Kulturerhalt letztendlich eine traditionalistische Orientierung markiert. Tatsächlich scheinen sich die beiden Orientierungs-Pole auch empirisch trennen zu lassen. Die empirische Forschung hat sich vor allem dabei auf die Unterscheidung von Wertorientienmgen und Gesch1echtsorientienmgen konzentriert, wie die Messverfahren in Box 6.5 zeigen. Box 6.5 Messung von Traditionalismus und Modernitätsorientierung Zur Erfassung von Traditionalismus und Modernität liegt eine Reihe von Messinstrumenten vor, die heute kaum noch verwendet werden (Berry, Trimble & Olmedo, 1986). Inkeles und Smith (1974) haben mit der Overall Modernity Scale ein bekannteres Verfahren entwickelt. Die Skale umfasst 24 Themen (z.B. aktive öffentliche Teilnahme, Berufs- und Bildungsambitionen, Restriktive Familiengröße, Verwandtschafts-Verpflichtungen, Arbeits-Commitment, Frauenrechte). Die Skalen von Dawson (1967, 1969; et al., 1972) basieren auf der Annahme, dass der finale Zustand der Akkulturation die Modernität ist. In operationalen Termini: die Ablehnung von Statements, die traditionelle Einstellungen erfassen, wie Hexerei, Arbeitsteilung nach Geschlechtsgruppen, Verantwortung der Verwandtschaft ete. Die Skala erfasst vier Dimensionen, die durch jeweils vier (aus heutiger Sicht eher veraltete) Statements erfasst werden: a) traditionell (z.B: "Es ist wichtig, dass Männer die Verantwortung haben."), b) semi-traditionell ("Es ist wichtig für einen Mann nach seiner Frau und den Kindern zu sehen."), c) semi-modern ("Auch wenn ein Mann Onkel und Tanten hat, sollte er immer zuerst nach seiner Frau und seinen Kindern gucken.") und d) modern ("Ein Mann sollte sein Geld der Frau und den Kindern geben und nicht alles an die Onkel und Cousinen verteilen."), In einer Studie mit 145 griechischen Schülerinnen eines griechischen Lyzeums haben Zick, Eder und Psaltou (letztere im Rahmen ihrer Diplomarbeiten) eine Kurzskala des Traditionalismus nach Dawson et al. (1972) entwickelt (Eder, 1996; Psaltou, 1997). Die Skala umfasst zwei Items, die auf einem 5-stufigen Rating (trifft völlig zu, trifft eher zu, teils/teils, trifft eher nicht zu, trifft gar nicht zu) beurteilt werden sollten: "Es ist wichtig, daß ein Mann seine Verantwortung erfüllt, indem er sich sowohl um seine Familie als auch um alle seine anderen Verwandten kümmert." "Es ist wichtig für einen Mann, daß er sich um seine Familie und um seine engen Verwandten kümmert." Die Reliabilität ist mit Alpha = .82 zufrieden stellend. Allerdings zeigt der Traditionalismus keinen Signifikanten Einfluss auf das Ausmaß der ethnischen Identifikation, die als Maßstab für das Akkulturationsniveau herangezogen wurde. Dagegen korreliert er signifikant (r = .23) mit der Wahrnehmung kultureller Differenz und der Bindung an die griechische Kultur (r = .18). Anders als Dawson schlagen Berry, Wintrob, SindeIl und Mahwhinney (1982) vor, Modernität nicht als Endpunkt oder Gradmesser heranzuziehen, sondern den Traditionalismus kulturspezifisch zu
502
erfassen und sich an den Dimensionen Continuity, Change und Synthesis zu orientieren; etwa indern man Einstellungen zur Technologie, zu sozialen Beziehungen, medizinischer Versorgung etc. durch einzelne Statements erhebt. Die Birrnan-Zea Multicultural Acculturation Scale erfasst zwei Dimensionen: zum einen Akkulturationseinstellungen und zum anderen Traditionalismus (vgl, Zea, Anscr-Self Birrnan & Buki, 2003). Sie wurde vor allem in Studien mit Immigranten in den USA geprüft. Die Skala umfasst 32 Items. Der Traditionalismus-Faktor umfasst nach Faktorenanalysen die Iterns (hier mit Referenz auf Zuwanderer aus Asien): "I would rather eat Asian food all the time. We should always try to fulfil our parents' wishes. We are better off living with people from our own cornrnunity. A woman's place is in the horne (house). Only Asian doctors can understand our illnesses. We should learn to write our own language. I would only like to make friends with young people from our own cornrnunity. I would prefer to live in an area where there are families from our own cornrnunity. Asian films are more entertaining than English language films. I feel very uneasy with the English. Men should make all the decisions about the affairs of the family. I would not like our women to behave like English women. Marriage should be arranged by the family. The interest of the family should come before the individual." Weiss (2006) kann in einer österreichischen Studie mit 1.000 Jugendlichen mit und ohne Zuwanderungsgrund eine Traditionalismus-Skala identifizieren, die auf den Dimensionen Geschlechtsrolle und Sitten basiert: Geschlechtsrolle: "Es ist Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen, die Frau soll sich um Haushalt und Familie kümmern. Mädchen sollten frühzeitig auf die Aufgaben vorbereitet werden, die sie später in der Familie zu erfüllen haben. Sitten: Frauen und Männer gehen in unserer Gesellschaft miteinander zu freizügig um. Den Jugendlichen werden zu wenig die traditionellen Werte vermittelt. Bei wichtigen Entscheidungen sollten ältere Familienangehörige mehr zu sagen haben als die jüngeren Erwachsenen. rr
Resümiert man die Messverfahren fällt auf, dass in der Regel Traditionalismus und Familialismus zwei wesentliche Dimensionen darstellen, die eng verbunden (korreliert) sind und ein Gegensatzpaar zum Individualismus darstellen (vgl. Messverfahren in Box 6.5; sowie Boos-Nünning & Karakasoglu, 2005; Weiss, 2006; Eder, 1996). Das deutet auch darauf hin, dass der Traditionalismus als eine Form des Kultur-Konservatismus verstanden werden kann. Viele andere Studien zeigen, dass traditionalistisch orientierte Zuwanderer in modemen (oder modernistischen) Gesellschaften eine Reihe von sozialen Belastungen aufweisen (vgl. Kapitel 3.3, Fußnote 23). Allerdings zeigen die Studien von Dawson (1967, 1969, Dawson et al., 1972) auch, dass der Zusammenhang der Orientierungen nicht linear ist. Er findet, dass Einwanderer, die hohe Traditionalismus-Werte und hohe Modernitäts-Werte zugleich aufweisen, die stärksten Einstellungskonflikte haben. Eine Studie von Zick, Eder und Psaltou zur Identifikation griechischer Schüler in Deutschland zeigt, dass eine traditionelle Orientierung an der griechischen Kultur nicht direkt mit einer ethnischen Identifikation einhergeht, wohl aber mit der Wahrnehmung kultureller Differenzen (vgl. Eder, 1996). Dabei ist es keineswegs der Fall, dass eine traditionelle Orientierung interkulturelle Kontakte behindert. In der Studie zeigt sich, dass der Traditionalismus positiv mit dem Ausmaß an Kontakten zu deutschen Schülern einhergeht (r = .21, p s .01, n = 145). Apitzsch (1995, 2001) stellt in ihren biographischen Analysen fest, dass viele ihrer Befragten Immigranten in Deutschland nicht traditionell im Sinne einer Rückständigkeit seien. Zur Einschätzung des Einflusses der Konstrukte auf die Akkulturation ist auch von Bedeutung, dass sie - so wie auch der Individualismus, Kollektivismus etc. - durch Werte gekennzeichnet sind oder ihnen sogar entsprechen (Marin & Gamba, 2003). Diese Werte
503
können sich im Akkulturationsprozess verändern, sie sollten es sogar tun eine Aneignung im Sinne einer Veränderung zu repräsentieren. Ferner sind sie durch die Zugehörigkeit zu Kohorten und Geschlechtsgruppen beeinflusst (Marin & Gamba, 2003), was auch heißt, dass ihre Ausprägung nicht als einfacher Indikator für das Ausmaß an Integration, Assimilation etc. herangezogen werden kann. Studien von Marin (1992) und Sabogal, Sabogal, Marin, Otero-Sabogal, VanOss Marin und Perez-Stable (1987) zeigen, dass sich die Einstellungskomponente des Familialismus im Verlauf der Akkulturation ändert, nicht aber unbedingt die Verhaltenskomponenten.i« Solche Verlaufsmuster können auf eine Veränderung der Werte im Akkulturationsprozess zurückgeführt werden. Berry (1997) weist daher darauf hin, dass tiefere und oberflächlichere Veränderungen in Einstellungen zu berücksichtigen sind, tun zu erklären, wie die hier diskutierten Orientierungen den Akkulturationsprozess beeinflussen. Resümiert man die skizzierten Ansätze und Befunde, dann sprechen sie trotz aller Kritik an der Divergenz-Annahme meines Erachtens für die These, dass traditionalistische Orientierungen nicht inter-kulturelle Kontakte verhindern, sie müssen nicht automatisch Belastungen für die Aneignung einer neuen Kultur sein und sie sollten nicht normativ per se als Indikatoren einer ,Rückständigkeit' betrachtet werden. Siegehen primär mit einerintra-familiären Orientierung an die ethnisch definierte Familie einher. Diese Familienorientierung muss der Aneignung einer anderen Kultur nicht im Wege stehen. Ich meine, dass das eine interessante Beobachtung ist, denn bereits in Kapitel 3.3 wurde auf die These verwiesen, dass eine Divergenz zwischen traditionalistischen Orientierungen und modem orientierten Kulturen äußerst relevant ist, auch und insbesondere aus einer interdisziplinären Sicht, denn sie konzentriert sich auf die Divergenz individueller Orientierungen und dem sozialen Wandel in modemen Gesellschaften und die daraus resultierenden Akkulturationsphänomen (siehe dazu auch Kap. 5). Die Frage, welchen Einfluss traditionelle Orientierungen oder gesellschaftlich modeme Orientierungen auf die Aneignung neuer kultureller Umwelten haben, ist äußerst relevant und wird in der Politik - auch den so genannten Integrationsdebatten - immer wieder gestellt. Dabei wird implizit davon ausgegangen, dass traditionelle Orientierungen von Zuwanderern in westlichen Kulturen die Integration hemmen, und bisweilen wird an der Differenz dieser Orientierungen eine Clash of Civilization festgemacht (Huntington, 1996). Im Gegenteil weisen aber die empirischen Befunde eher darauf hin, dass die verlässliche Einbindung in eine Familie für eine gelungene Integration eher positiv ist, was im Übrigen auch die Sozialisationsforschung bei NichtImmigranten im Allgemeinen feststellt. Zu beachten ist, erstens, dass die Unterstellung eines Traditionalismus bei Minderheiten in vielen Fällen eine Facette von Vorurteilen und Diskriminierungen ist. Hagendoorn und Kleinpenning (1991) zeigen zum Beispiel in einer Studie mit 1.694 holländischen Schülern im Alter von 12 bis 17 Jahren, dass Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten durch drei Faktoren bestimmt sind: Kultureller Traditionalismus, der wahrgenommene kulturelle
102 Dabei ist zu bedenken, dass der Familialismus unterschiedliche Facetten haben kann. Rodriquez, Mira, Paez und Myers (2007) zeigen drei Facetten: Relevanz der Familie, familäre Unterstützung und familiäre Konflikte. In einer Studie mit n = 248 amerikanischen Heranwachsenden mexikanischer Herkunft zeigten sie, dass das Ausmaß familiärer Konflikte keinen Einfluss auf die psychologische Anpassung hat, wohl aber die familiäre Unterstützung.
504
Differenzen akzentuiert, die Unterstellung sozialer Devianz im Sinne wahrgenommener normativer Differenzen und ein geringes Bildungsniveau. Die Studie ergibt, dass ethnische Minderheiten im Nachbarschaftskontext als traditionsgebundener und devianter wahrgenommen werden als in den anderen Kontexten. Die genannten Faktoren lassen sich nach den Kontextsituationen ordnen: Distanz ist der beste Prädiktor für Ablehnungen im Kontext der Arbeit und Nachbarschaft, Traditionalismus ist der beste Prädiktor für Diskriminierungen im Bereich der Schille und das Bildungsniveau ist der beste Prädiktor einer Diskriminierung im Bereich der Partnerschaft. Zweitens ist für die weitere Diskussion auch zu beachten, dass der Modernismus in der Regel schlecht oder gar nicht definiert ist. Der Modernismus wird an den Orientierungen jener Kultur ausgerichtet, die als modem definiert wird. Oft wird zum Beispiel leichtfertig und ohne empirische Prüfung davon ausgegangen, dass die Einheimischen modem orientiert sind, oder technischer Wandel, ökonomischer Fortschritt etc. Hinweise auf Modernisierung sind. Das kann der Fall sein, muss es aber nicht wie Gille et al. (2000) feststellen. Die empirische Frage, wie Modernisierungsprozesse wie sie etwa die Soziale Desintegrationstheorie nach Anhut und Heitmeyer (2000) beschreiben (Kap. 5.8), sich in Orientierungen manifestieren oder alternativ in anderen Dimensionen wie zum Beispiel im Habitus nach Heß-Meining (1999)steht aus. Ebenso steht eine umfangreiche Analyse zu Unterschieden zu anderen Konstrukten aus. Insbesondere wäre hier an die oben diskutierten Akkulturationsorientierungen zu denken, sowie die Konstrukte des Konservatismus und der Anomie. Insgesamt besteht also meines Erachtens mehr Forschungsbedarf zur TraditionalismusModernismus-Divergenz-Annahme.
6.5
Kontakt und Akkulturation
Weitaus genauer in der theoretischen Fundierung und empirischen Analyse ist die Strukturkomponente des interkulturellen Kontaktes in der Akkulturationsforschung analysiert worden. Schon Mendoza (1989) verweist darauf, dass die Loslösung von einer Herkunftskultur allein durch die Aufenthaltslänge in einer neuen Kultur und den ihn begleitenden Kontakt von Statten geht (vgl. auch Cortes et al., 1994; Castro, 2003, Ward, Fumham & Bochner, 2001). Dass der Kontakt in einer Vielzahl an Modellen an zentraler Stelle steht, verwundert insofern nicht, als den Kontakt ein primäres Kennzeichen von Akkulturation ist. Akkulturation ist Kontakt (Herskovits, 1938; siehe auch Kap. 2 und die Forschungsübersichten von Sam & Berry, 2006; Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 2002; Chun, Organista & Marfn, 2003; Ward, Fumham & Bochner, 2001). Eine Vielzahl der bereits diskutierten Modelle benennt den Kontakt als einen Schlüsselfaktor des Prozesses der Aneignung von Kulturen. Er gehört als Manifestation von interkulturellen Beziehungen neben dem Faktor Identität (bzw. Kulturerhalt) zu den beiden wesentlichen Prädiktoren, Facetten und Konsequenzen des Akkulturationsprozesses (Berry, 2003) und definiert in etlichen Konzepten die Akkulturationsorientierung im Wesentlichen mit. Hier sollen nicht noch einmal alle Theorien und Studien aufgeführt werden, die den Einfluss interkultureller Kontakte nennen und analysieren. Im Rahmen der vorliegenden
505
Diskussion sollen nur jene Ansätze angesprochen werden, die sich mit dem Kontakt als Strukturkomponente im Akkulturationsprozess explizit beschäftigen. Bislang noch nicht genannt wurde zum Beispiel Bochners (1982) Systematik des interkulturellen Kontaktes im Rahmen der Akkulturationsforschung, die eine hilfreiche Grundlage für die Analyse bietet. In Tabelle 6.14 sind zunächst die primären Dimensionen interkultureller Kontakte aufgeführt, die nach Bochner (1982) die Adaptation beeinflussen können. Tab.6.14
Hauptdimensionen interkultureller Kontakte nach Bochner (1982, hier nach Ward, Bochner & Furnham, 2001, Tab. 2.1, S. 26) Bet ween members 0/ different societies
Types 0/ crosscultural contact and examples
Between members 0/ the same society
Contact variables
Type
Example
Type
Example
Time-span
Long term
Subcultures in multicultural societies
Short term Medium term
Touri sts Overseas students lmm igrant s
Long term Purpose
Make a life in
Subcultures
Make a profit Recreate
Immig rants Overseas students Traders Touri sts lmmigrant s Traders Experts Tou rists Missionari es Diplomats
Make a life in Study in
Type of involvement
Participate in society
Subcultures
Partic ipate Exploit Contribute Observe Convert Serve as a link
Summary concept
Majority Min ority
White and black American s
Ho st sojourners Overseas students
Bochner unterscheidet den Kontakt zwischen Mitgliedern derselben und von unterschiedlichen Gesellschaften. Die wesentlichen Kontakt-Variablen sind: Zeitspanne (kurz, mittel, lang), Zweck des Kontaktes (Lebensgestaltung in Subkultur oder Mehrheitsgesellschaft, Profit, Erholung) und Typ der Involviertheit (Teilnahme, Ausbeutung, Beitrag, Beobachtung, Konvertierung, Vernetzung). Implikationen für Akkulturationsprozesse sind nicht genannt, sind aber zu erwarten. Die drei Kontakt-Variablen sind in vielen Akkulturationstheorien ebenfalls wesentliche Variablen, nur eben mit Bezug auf die Aneignung von Kultur. Weitere Dimensionen des Kontakts schlagen zum Beispiel Halualani, Chitgopekar, Huynh, Morrison und Dodge (2004) vor. Sie ermitteln in einer Studie unter multikulturellen Studierenden, dass der interkulturelle Kontakt durch die spezifische Gruppenzugehörigkeit (welche Gruppe hat Kontakt zu welcher Gruppe), die Lokation, das Thema und die sozioökonomisehen Klasse (statusgleiche Gruppen haben eher Kontakt) beeinflusst ist. Bochner (1982) zufolge hat der interkulturelle Kontakt Folgen für Gruppen und Individuen. So genannte Gruppen-Outcomes sind die Assimilation, Integration oder Segregation, im Extremfall aber auch der Genozid. Die individuellen Folgen, die sich aus dem Kontakt 506
von Personen, die einer Kultur angehören (Culture I, z.B. im Sinne einer Herkunftskultur), mit Personen und Gruppen einer anderen Kultur (Culture H, z.B. im Sinne einer neuen Kultur, die Zuwanderer aneignen möchten/müssen) sind in Tabelle 6.15 systematisiert.
Tab. 6.15
Indi viduelle und gesellschaftliche Folgen des interkulturellen Kontaktes nach Bochner (1982, hier nach Ward, Bochner & Furnham, 2001, Tab. 2.3, S. 32) Response
Type
' Passing' Reject culture of origin, embrace secon d culture
Multiple-group membership affiliation
Effect on individual
Effect on society
Culture I norms lose salience Culture II norms become salient
Loss of eth nic iden tity Selfdenigration
Assimilatio n Cultura l erosio n
Reject second culture, exaggera te first culture
Cha uvinistic
Culture I norms increase in salience Culture II norm s decrease in salience
Na tiona lism Racism
Int ergroup friction
Vacillate
Marginal
Norms ofboth cultu res salient but perceived as mutually incompa tible
Conflict Identit y confusion Overcomp ensation
Reform Social chang e
Mediating
Norms of both cultures salient and perceived as capable of being integra ted
Person al growth
In tergroup harm ony Pluralistic societies Cultura l preservation
between the two cultu res
Synthesise both cultur es
Demnach sind vier Folgen möglich und wesentlich. 1. Passing, das heißt die Annahme der Kultur der Aufnahmekultur und Aufgabe der Herkunftskultur, wie sie Stonequist (1937) bereits beschrieben hat. Der Prozess mache die Normen unterschiedlich salient und könne einen Verlust ethnischer Identität und Selbst-Abwertung zur Folge haben. Gesellschaftlich hätte er Assimilation und kulturelle Erosion zur Folge. 2. Der chauvinistische Typ weist den Einfluss einer zweiten Kultur als fremd zurück, was einen militanten, nationalistischen und chauvinistischen Rückzug in die Herkunftskultur zur Folge hat und gesellschaftlich zu einer Spaltung beitragen könne. 3. Ein Marginalitätstyp sei dadurch geprägt, dass Personen zwischen den Kulturen wandern und in der Aufnahmekultur nicht zu Hause sind, so wie es Park (1928) beschrieben hat. Der individuelle Effekt sei ein Konflikt, Identitätskonfusionen oder Überkompensationen. Gesellschaftlich könnten so Reformen und sozialer Wandel entstehen. 4. Die mediierende Person (mediating person) versuche dagegen eine Synthese zwischen den Kulturen zu schaffen. Der individuelle Effekt wäre ein Persönlichkeitswachstum, gesellschaftlich könne intergruppale Harmonie, Pluralismus und Kulturerhalt resultieren. Die Klassifikation stützt sich auf Theorien und Befunde und bietet eine gute Orientierung. Sie ist zunächst deskriptiv, aber sie geht impl izit auch von einem Match zwischen
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gruppalen Faktoren - Salienz von Normen und Gruppenmitgliedschaften - und personalen Konsequenzen aus . Die Reaktionen ergeben sich dem Ansatz zufolge also aus der Frage, ob spezifisch kulturell geprägte Normen salient sind, wobei die Salienz durch Kontextfaktoren erzeugt werden könne. Bochner (1982) und die meisten Akkulturationsmodelle, die den Kontakt als wesentlich herausstellen, konzentrieren sich auf die Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen von Neuankömmlingen in einer Kultur (vgl. auch die Mega-Modelle in Kap. 3.2). Nicht bedacht in dem Ansatz sind jedoch leider die Reaktionen der Einheimischen (Kultur 11), die in den neueren psychologischen Prozessmodellen, vor allem den etablierten Modellen nach Berry (2003) oder Bourhis et al. (1997a/b), herausgestellt werden. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass der hier als sehr positiv identifizierte Mediations-Typ dann kein Persönlichkeitswachstum zur Folge hat und sich gesellschaftlich auf die Entwicklung pluraler Strukturen auswirkt, wenn dominante Mehrheitsgruppen negativ auf Integrationsbemühungen reagieren. Dass der Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen grundsätzlich signifikante Auswirkungen auf die Balance oder Differenzen zwischen Gruppen hat, wird theoretisch und empirisch nicht angezweifelt. Der Kontakt ist Prädiktor, Ausdrucksjorm und Konsequenz der Adaptation, und in jeder Phase des Akkulturationsprozesses relevant (Oasen, Ward, Fumharn & Bochner, 2001). Dass der interkulturelle Kontakt die Adaptation wenigstens indirekt beeinflusst, ist allein aus der empirischen Tatsache abzuleiten, dass Kontakte intergruppale Differenzierungsprozesse (Vorurteile, Stereotype etc.) beeinflussen, die die Adaptation behindern und/oder befördern können (vgl. insbesondere die Ergebnisse bei Pettigrew & Tropp, 2006;Tropp & Pettigrew, 2005). Die Akkulturationsforschung nutzt derzeit aber noch nicht ausreichend die Befundlage zum Kontakt (Katy & Brown, 2005); und, wie sich ergänzen lässt, gilt dies umgekehrt auch für die Kontaktforschung. Die Kontaktforschung ist mittlerweile umfangreich und weit. Das heißt, sie bietet einen Fundus an Faktoren, die den Kontakt begünstigen oder behindern. Ward, Fumharn und Bochner (2001) rekurrieren in ihrer Übersicht über die Akkulturationsforschung auf jene Faktoren, die Stephan (1987) zur Förderung interkultureller Kontakte und ihre positiven Effekte auf die Reduktion intergruppaler Differenzen aufführt: Die Ko-Operation innerhalb der Gruppen sollte maximiert und der Wettbewerb zwischen den Gruppen minimiert werden. 2. Mitglieder der Ingroup und der Outgroup sollten den gleichen Status in und außerhalb der Kontaktsituation einnehmen. 3. Ähnlichkeit der Gruppenmitglieder in Dimensionen, die nicht mit dem Status zusammenhängen (Überzeugungen, Werte etc.), sind wünschenswert. 4. Kompetenzunterschiede sollten vermieden werden. 5. Der Outcome der Interaktion sollte positiv sein. 6. Der Kontakt sollte in besonderem Maße normativ und institutionell unterstützt werden. 7. Der intergruppale Kontakt sollte in Situationen außerhalb der konkreten Interaktion genutzt werden können. 8. Die Individuation von Gruppenmitgliedern sollte unterstützt werden. 9. Tiefere Kontakte (z.B. Austausch privater Informationen) sollten unterstützt werden. 10. Der Kontakt sollte freiwillig stattfinden. 1.
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11. Der Kontakt sollte langfristig angelegt sein. 12. Der Kontakt sollte in den verschiedensten Situationen unter Einbeziehung derverschiedensten Gruppenmitglieder stattfinden. 13. Die Anzahl der Ingroup- und Outgroup-Mitglieder sollte gleich sein. Einige Bedingungen wären für die Akkulturationsforschung noch genauer zu präzisieren, wie etwa Bedingung fünf, in der die Qualität des Outcomes angesprochen wird. Unsere eigenen Studien mit griechischen Schiilerinnen zeigen zum Beispiel, dass nicht der Kontakt alleine, sondern eine positive Kontaktwahrnehmung mit der Identifikativen Assimilation zusammenhängt (Eder, 1996). Auch nicht alle Bedingungen lassen sich auf den Akkulturationsprozess übertragen (etwa Bedingung 2,3 und 13), aber es wäre meines Erachtens erkenntnisreich, eine Transformation zu versuchen. Viele der skizzierten Akkulturationstheorien haben Annahmen vorgeschlagen, die zeigen, dass einige der Kontaktbedingungen auch förderlich für die Adaption sind. Wenn etwa Theorien annehmen, dass die Adaptation besser gelingt, wenn eine Zuwanderungsgruppe an gesellschaftlichen Strukturen partizipieren kann, oder erst die Erreichung gleicher Statuspositionen mit erfolgreicher Adaptation einhergeht, dann stimmt das mit den Annahmen überein. Umgekehrt wird so auch deutlich, warum Adaption manchmal nicht gut gelingt und die Integration von Einwanderern problematisch ist. Einige andere Studien haben expliziter den Zusammenhang von Akkulturation und den Bedingungen interkultureller Kontakte untersucht. Sie zeigen dabei, dass die kulturelle Ähnlichkeit, beziehungsweise deren subjektive Wahrnehmung, dass eine andere Kultur und/oder deren Mitglieder ähnlich sind, die Wirkung der Kontakte beeinflusst; was konkordant zu Bedingung 3 ist (Lalonde & Cameron, 1993; Richman, Gaviria, Flaherty & Birz, 1987). Über die in der oben genannten Liste hinaus scheinen weitere Bedingungen und damit verknüpfte Forschungsfragen für den Akkulturationsprozess relevant. So wäre meines Erachtens auch zu fragen, zu wem welcher interkulturelle Kontakt stattfindet. Schon früh hat Bruner (1956) in seinen anthropologischen Studien in einem Reservat amerikanischer Ureinwohner festgestellt, dass für die Akkulturation jugendlicher Indianer nicht alle interkulturellen Kontakte (zwischen Familien, zu Älteren anderer Kultur etc.), sondern vor allem Peergroup-Kontakte relevant sind. Zweitens wäre in diesem Kontext zu fragen, ob Kontakte in bestimmten Akkulturationsbereichen (siehe oben) relevanter sind als in anderen. Sind private interkulturelle Kontakte förderlicher für die Aneignung einer neuen Kultur als stellvertretende mediale Kontakte? Drittens, wäre der Zusammenhang zwischen Akkulturationsorientierungen, wie sie oben differenziert wurden, und interkulturellen Kontakten genauer zu analysieren. Einige Studien zeigen zum Beispiel einen positiven Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen interkulturellem Kontakt und Integrationsorientierungen und -strategien (siehe oben sowie Greenland & Brown, 2006; Katy & Brown, 2005; Stierle, van Dick & Wagner, 2002). Das verwundert aber nicht sehr, weil der Kontakt als Dimension der Integrationsorientierung zugrunde gelegt wird. Viele Skalen zur Messung der Akkulturationsorientierung erfragen auch Einstellungen zum Kontakt. Viertens, könnte eine weitere Bedingung sein, dass der Kontakt auf allen Ebenen, der Mnkro-, Meso- und Mikro-Ebene, gefOrdert und legitimiert sein muss, um Akkulturationsprozes-
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se im Sinne einer interkulturell balancierten oder nicht konfliktäre Adaptation zu erleichtern. Das heißt auch, dass neben den psychologischen Bedingungen der gesellschaftliche Rahmen im Sinne eines Matches abgestimmt sein muss. Zu den primären gesellschaftlichen Bedingungen gehört eine politische Legitimation von interkulturellen Kontakten (Ward, Fumham und Bochner, 2001). Zumindest stellt sich auch die Frage, welche Politik den interkulturellen Kontakt stützt. Berry (1997) und Sam (1995) heben hervor, dass multikulturelle Gesellschaften die Politik des kulturellen Pluralismus eher als assimilationistische Gesellschaften verteidigen und der Pluralismus wesentlich bestimmt ist durch interkulturelle Kontakte. Triandis (1997) ergänzt, dass offene Gesellschaften Vielfalt eher als geschlossene Gesellschaften tolerieren. Fünftens wäre bei der Analyse der Zusammenhänge zwischen Kontakt und Akkulturation auch die Art und Bedingungen der Wanderung zu beriicksichtigen. Es macht einen Unterschied, ob Individuen oder Gruppen als "Gastarbeiter" wandern und annehmen, dass sie nicht lange im Aufnahmeland leben, oder ob sie der Meinung sind, die Kulturen längerfristig oder endgültig zu wechseln (Mendoza, 1989; Ward & Kennedey, 1993c). Auf die Bedeutung der Kontaktlänge hat auch Bochner (1982, s.o.) hingewiesen; hier wird dariiber hinaus die Erwartungen an die Kontaktlänge betont. Hinzuzufügen sei, dass dabei nicht nur die Erwartung der Immigranten, sondern ebenso die der Aufnahmekultur wesentlich sind, weil davon nicht zuletzt die Einwanderungspolitik, Strukturen und Institutionen betroffen sind. Ebenso ist anzunehmen, dass interkulturelle Kontakte und ihr Zusammenhang zur Akkulturation stärker ausgeprägt sind, wenn die Wanderung durch Push-Faktoren geprägt ist (Wong-Rieger & Quintana, 1987). Sechstens differenzieren die Bedingungen, aber auch die Studien zum Zusammenhang von Kontakt und Akkulturation noch nicht hinreichend zwischen verschiedenem Erleben des Kontaktes. Ein interkultureller Kontakt kann real (von außen beobachtbar), wahrgenommenen, stellvertretend, oder ideal sein. Viele der oben genannten Studien erfassen den interkulturellen Kontakt über retrospektive Selbstberichte, die verzerrt sein können. Auf der anderen Seite können ebenso Kontaktwünsche, wie sie in der Differenzierung der Akkulturationsorientierungen (siehe oben) angesprochen werden, Einfluss auf die Akkulturation haben. In einer Studie des Zentrums für Türkeistudien aus dem Jahr 2000 geht hervor, dass die Mehrheit der 1.000 repräsentativ Befragten türkischer Herkunft über Kontakte zu Einheimischen verfügt, aber ein Drittel sich mehr Kontakte wünscht. Das kann ein Indikator für die Akkulturation sein. In einer Studie, die wir mit 144 Kriegsflüchtlingen aus Bosnien im Jahr 1998 durchgeführt haben, wird deutlich, dass der Wunsch der Flüchtlinge nach Kontakten zu Deutschen signifikant mit der psychischen Balance (r = .19, P :s; .05), nicht aber mit dem Bleibewunsch (r = .12) zusammenhängt.vo Allerdings erklären bei männlichen Flüchtlingen berichtete Kontakte deutlich den Bleibewunsch, während bei weiblichen Flüchtlingen allein wahrgenommene Verbesserungen der ökonomischen und sozialen Lage den Bleibewunsch erklären. Solche differenziellen Effekte unterschiedlicher Kontaktfacetten sind genauer aufzuklären. Der Kontaktwunsch von Zuwanderern wird auch von Einheimischen wahrgenommen und/oder unterstellt, was wiederum einen Einfluss auf die Akkulturationseinstellungen hat.
103 Die Ergebnisse hat Beckmann (1998) in ihrer Diplomarbeit zusammengefasst.
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Das zeigt sich in einer aktuellen Studie von Zagefka, Brown, Broquard und Martin (2007) mit 106 Belgiern. Die Autoren belegen, dass der wahrgenommene Kontaktwunsch von Immigranten durch Einheimische negativ mit Vorurteilen gegenüber den Zuwanderern zusammenhängt, die ihrerseits den Effekt des wahrgenommenen Kontaktwunsches auf eine Präferenz für eine Integrationsorientierung mediiert. Der gleiche Effekt findet sich in einer Stichprobe mit 93 Türken. Das heißt, lediglich wahrgenommene Kontaktwünsche von Zuwanderern können negative Einstellungen Einheimischer reduzieren, was einen positiven Effekt auf die Akkulturationsorientierung hat. So wie die Aufuahmegesellschaft Signale der Partizipationsoption an die Einwanderer aussendet, geschieht dies eben auch umgekehrt. Dabei ist wiederum die Frage nach dem Zusammenhang von Kontaktmotivation und intergruppalen Einstellungen weitaus genauer zu analysieren. Sie ist für die Akkulturationsforschung besonders relevant. Wie sich gezeigt hat, nehmen viele Ansätze an, dass positive Einstellungen zu Outgroups den Kontakt erleichtern. Lambert, Mermigis und Taylor (1986) haben Kanadier griechischer Herkunft gefragt, wie sie ethnische Gruppen auf den Dimensionen Intelligenz, Aufrichtigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Freundlichkeit beurteilen, also wie ihre Stereotype sind. Dann wurden sie gefragt, wie sie sich fühlen würden, wenn Mitglieder dieser Minderheiten ihnen als Mitarbeiter, Freunde, Nachbarn oder Partner nahe wären. Die Ergebnisse weisen auf nicht erwartete Zusammenhänge hin, denn die positive Einstellung zu den Minderheiten korrespondiert nicht mit der Motivation, mit Mitgliedern dieser Gruppen zu interagieren und die Präferenz für Aspekte einer fremden Kultur korrespondiert nicht mit der Motivation, sich nach dem Verhalten der anderen Kultur zu richten. Solche Ergebnisse werfen die Frage nach Kontaktmotivationen und --erwartungen auf. Im Kontext der Diskussion weiterer Bedingungen und Fragen an den Zusammenhang von Akkulturation und Kontakt ist ein weiterer Faktor relevant. Viele Theorien postulieren, dass Kontakt- und Kommunikationsmuster auch die Identität beeinflussen (siehe oben, sowie Kapitel 4). Bereits Cuellar und Arnold (1988) haben gezeigt, dass die Assimilation langsamer vonstatten geht, wenn sich ethnische Enklaven ausbilden (vgl. auch das Konzept der ethnischen Kolonie in Kap. 5.2.1), und andere Studien zeigen, dass intra-ethnische Interaktionen in ethno-kulturellen Organisationen die Herkunftsidentität verstärken (Altrocchi & Altrocchi, 1995). Mit einem starken intragruppalen Kontakt geht bei fremdsprachlichen Neuankömmlingen häufig die Verwendung und Präferenz für die Herkunftssprache einher, was die Aneignung einer neuen Kultur behindern kann (Berry et al., 1989; Lanca, Alksnis, Roese & Gardner, 1994; Montgomery, 1992). Wie die Kommunikationstheorien deutlich gemacht haben, ist Sprache ein Weg der Kulturaneignung und selbst Identifikationsmerkmal, und bietet die Möglichkeit positive Distinktheit auszudrücken. Allerdings muss der Kontakt nicht unmittelbar mit der Identität zusammenhängen. In unseren Studien mit griechischen Schülern (siehe oben) zeigt sich, dass zum Beispiel der intragruppale Kontakt keinen direkten Einfluss auf die Identifikation als Deutsche hat, sondern dieser über die kulturelle Bindungen an die Herkunftskultur vermittelt wird (Eder, 1996). Es fehlt meines Erachtens eine gute Kontakt-Theorie der Akkulturation. Ward, Furnham und Bochner (2001) nennen eine Reihe von wesentlichen Kontakt-Theorien, die für die Akkulturationsforschung relevant sind, ohne jedoch genau hervorzuheben, wie sie Aneignungsprozesse erklären. Die Theorien sind in der Diskussion der Akkulturationsforschung schon genannt worden, sollen jedoch noch einmal explizit aufgeführt und mit einer mögli-
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chen These zur Akkulturation versehen werden. Dabei wird kenntlich, zu welchen unterschiedlichen Vorhersagen für den Akkulturationsprozess sie kommen: 1.
2.
3.
4.
5.
6.
Similarity Attraction Hypothesis (nach Byrne, 1971, z.B. vertreten von Bochner, 1982): Der interkulturelle Kontakt macht deutlich, in welchen Aspekten sich Zuwanderer von anderen unterscheiden (Salienz der Kategorie wird deutlich) und die Wahrnehmung von kulturellen Ähnlichkeiten befördert die gegenseitige Aneignung von Kultur. Umgekehrt bedeutet dass aber auch, dass bei wahrgenommener oder vermuteter Unähnlichkeit weniger Kontakt gesucht wird (vgl. auch Box 4.13, Kap. 4.5.2). Culture Disiance Hypothesis (z.B. vertreten von Hofstede, 1980): Je stärker der kulturelle Spalt zwischen Teilnehmern am Kontakt ist, desto mehr problematische Erfahrungen (Konflikte mit anderen Gruppen etc.) werden gemacht und desto problematischer wird die Aneignung einer Kultur durch Neuankömmlinge. Soziale Kategorisierung (z.B. vertreten von Padilla & Perez, 2003): Kontakt führt zu Differenzierung, wenn die sozialen Kategorien (Gruppenmitgliedschaften) salient werden. Die Differenzierung blockiert interkulturelle Aneignungsprozesse, wenn sie mit gegenseitigen Abgrenzungen einhergeht. Primäre Sozialisationsthese (z.B. nach Deaux, 2000): Angenommen wird, dass die primäre Sozialisation dazu führt, dass unterschiedliche Wert- und Normsysteme im späteren Lebenslauf zum Tragen kommen, und es zu Konflikten zwischen den erlernten und neuen kulturellen Normen kommt. Die Kontakte in der primären Sozialisation prägen dabei auch Kontaktpräferenzen, -kompetenzen etc.. Kulturelle Syndrom-Annahme (z.B. nach Triandis, 1994): Kulturelle Muster von Einstellungen, Verhaltensweisen, Normen, Bräuchen etc. unterscheiden Kulturen und die Enge und Weite des Kontaktes innerhalb von Gruppen mit derselben Kultur und zwischen kulturell divergenten Gruppen. Individualismus-Kollektivismus-These (z.B. Tata & Leong, 1994): Individualistische und kollektivistische Orientierungen, die mit entsprechenden Kulturen verknüpft sind, beeinflussen den Kontakt, wobei in kollektivistischen Kulturen interkulturelle Kontakte bedeutsamer sind als in individualistischen Kulturen, und Kontakte zu Mitgliedern mit ähnlichem kulturellen Hintergrund wahrscheinlicher sind.
Es scheinen sich zwei Paradigmen gegenüberzustehen. Der Kontakt basiert auf sozialen Kategorisierungsprozessen und/oder Ähnlichkeiten in kulturellen Merkmalen bestimmen den Kontakt. Die empirischen Befunde der Akkulturationsforschung zeigen, dass alle Thesen je nach Kontaktsituation relevant sein können. Das erübrigt aber nicht die Notwendigkeit, eine Theorie über den Zusammenhang zwischen Kontakt und Akkulturation zu entwickeln. Dabei wäre zu beachten, dass einige Studien ergeben, dass der interkulturelle Kontakt als Prädiktor für die Akkulturation nicht so bedeutsam ist wie andere Faktoren (Chia. & Costigan, 2006; vgl. auch Treibel, 1999,2003; ihre Thesen werden im nächsten Kapitel noch vorgestellt). Hier können auch Studien zitiert werden, die sich mit der für den Akkulturationsprozess relevanten Beziehung von Vorurteilen und Kontakt beschäftigen. So ermitteln zum Beispiel Fuchs und Lamnek (1992) in einer Telefonumfrage in einer bayerischen Kleinstadt (n = 178), dass der persönliche Kontakt der Befragten zu Ausländern nur geringen Einfluss
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auf die Einstellungen gegenüber Ausländern hatte. Umgekehrt fand die oben zitierte Studie von Lambert, Mermigis und Taylor (1986) ebenso keinen Zusammenhang zwischen Einstellungen und Kontaktwünschen. Vor der Entwicklung spezifischer Kontaktannahmen scheint zunächst eine Meta-Analyse über die bestehenden Studien sinnvoll.
6.6
Akkulturation und Raum - Regionale Identität
Die Diskussion der unterschiedlichen Akkulturationstheorien hat gezeigt, dass der Raum eine zentrale Dimension für akkulturative Prozesse ist, eben ein zentraler Strukturfaktor in Termini der hier verfolgten Systematik der Ansätze. Der Raum ist der Ort an dem interkulturelle Kontakte stattfinden und wo sie gestaltet werden. Dies wird in der eben diskutierten Kontaktforschung nur mittelbar deutlich. Akkulturation ist Kulturaneignung in Zeit und Raum, und der Raum gehört nach Berry, Kim und Boski (1988) neben der Zeit, dem Umfang und der Ursache zu den Grunddimensionen. Im Prozess der Akkulturation variiert die Bedeutung des Raumes, er wird von den Akteuren unterschiedlich genutzt und hat unterschiedlichen Einfluss auf sie. In der Migrationssoziologie hat der Raum (die Stadt, Gemeinde etc.) als besonderer Ort der Interaktion zwischen allochthonen und autochthonen Gruppen historische und aktuelle Bedeutung (siehe oben sozialwissenschaftliche Prozessmodelle in Kap. 5). Dabei weisen die modeme Stadtforschung und die Migrationsforschung starke Überschneidungen auf. Das wird bereits in dem Akkulturationsmodell der Chicago School und insbesonderen den empirisch orientierten Studien von Robert Ezra Park deutlich (Kap. 5.2.1). Park versteht die Großstadt als einen Raum, in dem sich Migranten von traditionellen Bindungen lösen. Auch Thomas und Znaniecki verweisen in ihrer Studie über den Polish Peasant in Europe and America (1958) auf die Bedeutung der Großstadt im Vergleich zum ländlichen Raum hin. Viele Anschlüsse bietet auch der Ansatz von Elias und Scotson (1965), der ebenso als Sozialraumanalyse gelesen werden kann und zeigt, wie relevant Räume für die Differenzen zwischen Neuankömmlingen in einer Kultur und Zuzüglern sind. Die interkulturellen Spannungen und Probleme der Aneignung der dominanten Mehrheitskultur fangen in der Studie dort an, wo Zuzügler in einem Raum vor der Kemstadt angesiedelt werden und damit sichtbar abgegrenzt sind. May (2001) zeigt in seiner daran angelehnten Studie im Quartier Nordstadt der Stadt Dortmund, dass die reine Zugehörigkeit von Migranten zur Gruppe der Nicht-Deutschen in dem Quartier, Differenzen und Ungleichbehandlungen zwischen Deutschen und Ausländern (Menschen ohne deutschen Pass) erzeugt. Obgleich die Mehrheit der Bewohner des sozial schwachen Stadtquartiers sich nicht mehr in ihren sozialen und personalen Ressourcen (Bildungskompetenz, Schichtung, ökonomischer Status etc.) unterscheiden, werden Ausländer als Außenseiter behandelt. In vielen anderen Studien zeigt sich, dass die Zugehörigkeit zu einer Migrantengruppe, die darüber kategorisiert wird, dass sie in einer bestimmten Region lebt, Einstellungen, wie zum Beispiel Vorurteile, Stereotype, Diskriminierungsintentionen etc. erklärt (vgl. z.B. Hill, 1984; Hoffmeyer-Zlotnik, 2000). Die Räume markieren Identitäten, wie es im umweltpsychologischen Konzept der Place Identity beschrieben wird (zur Übersicht vgl. Dixon & Durrheim, 2000; Hague & [enkins, 2005; Proshansky, Fabian & Kaminoff, 1983), und sie setzen Grenzen, die es für Neuankömmlinge zu überwinden gilt, die aber zum Teil unüberwindbar sind. Die Grenzen k ön-
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nen explizit gesteckt sein, zum Beispiel über das Verbot für Asylsuchende, den Ort an dem sie gemeldet sind, zu verlassen, oder auch implizit sein, besonders krasses Beispiel sind hier die so genannten No Go Areas, in denen Menschen mit fremden Aussehen bedroht werden. Diese Themen wurden in der aktuellen Migrationsforschung und der Analyse residentieller Segregation (Dixon, 2001) intensiv wieder aufgenommen. Viele Studien zur sozialen und ökonomischen Lage der Zuwanderern beschäftigen sich mit den räumlichen Bedingungen, etwa der Unterschichtung, großstädtischen Gettoisierung oder Kolonisierung und ihrem Verhältnis zur Adaptation; entsprechende Ansätze wurden bereits in Kapitel 5 genannt.i« Die Studien und Theorien untermauern die These, dass die Adaptation kultureller Umwelten
im Raumstattfindet und durch den Raumbegrenzt wiemöglich ist. Relevante Beiträge zu einem präziseren psychologischen Verständnis vom Verhältnis von Raum und Akkulturation hat auch die Sozialgeographie geliefert. Pohl (1993) hat in seiner theoretischen Übersicht über das Konzept des Regionalbewusstseins und seinen empirischen Studien (Regionalanalyse in Friaul) sehr ausführlich gezeigt, wie bedeutsam das Konzept des Regionalbewusstseins ist. Pohl (1993, S. 26-27) ist der Meinung, dass gerade gegenüber a-räumlichen und funktionalen Strukturen, "... bei denen der Raum allenfalls als ,Administrativraum' des politischen Systems oder als zu überwindende Zeit, Kosten und Mühe verursachende Distanz der ökonomischen Sphäre eine nachgeordnete Bedeutung hat, eine zunehmend größere Rolle (spielt, A.Z.). 2. Es gibt eine grundlegende Besinnung darauf, daß die lebensweltliche Erfahrung im gemeinsamen Horizont für den Menschen primär ist. Aus den Erfahrungen entstehen Orientierungsmuster, individuelle und kollektive Identität. Umgekehrt sind dem Individuum die Strukturen und Regeln seiner Lebenswelt vorgegeben. 3. Trennlinien werden nicht mehr allein zwischen Schichten, Klassen oder Wertvorstellungen ausgemacht, sondern zwischen Gruppen mit verschiedenen Horizonten und unterschiedlichen ,Mitgliedsräumen'. Zumindest bilden sich Interessen leichter aufgrund von Gemeinsamkeiten der Lebenswelt. 4. Regionalbewusstsein ist einzuordnen in eine umfassendere Entwicklung in Richtung auf eine .Re-Vergemeinschaftung' ...."
Pohl setzt den Begriff der sozialen Identität in den Zusammenhang von Regionalbewusstsein, Gemeinschaft und Kultur und verweist auf die Labilität kollektiver Identitäten, die sich über Regionen definieren. Um kollektive Identitäten an Regionen zu binden, sei eine zeitliche längerfristige Bindung an die Region notwendig. Zum Zusammenhang regionaler und ethnischer Identität ist Pohl durchaus der Meinung, dass die regionale Identität die ethnische Bindung überlagern kann. Region könne die Funktion der Vergemeinschaftung erfüllen, aber mit Identitätsbildungsprozessen sind auch Prozesse der Exklusion beziehungsweise der intergruppalen Differenzierung verbunden. Der Raum oder die Region kann markieren, wer Ingroup und wer Outgroup ist und bietet damit Bezugspunkte für die Schließung. Aber auch innerhalb von Regionen finden territoriale Differenzierungsprozesse statt. 1OS Der Ansatz lässt auch eine Reihe von Annahmen über den Prozess der Reduktion von Vorurteilen zu. Will man Vorurteile und Differenzierungen zwischen Gruppen minimieren, dann stellt sich die Frage, ob man Identitäten betont (die sozialen Kategorien salient macht),
104 Vgl. auch Massey und Dentons (1993) Studie zur räumlichen Segregation und sozialen Unterschich-
tung, die darauf hinweist, wie Segregation Unterschichtung erzeugt, die ihrerseits die Adaptation von Mehrheitskulturen (und Statuspositionen) strukturell verhindert. 105 Zu den Mechanismen der Schließung vgl. v.a. Pieper (1989), zum Konzept raumbezogener Identität vgl. Weichhart (1993).
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Überschneidungen zwischen den Gruppen deutlich macht, oder versucht, die Identifikation von den Gruppen abzulenken und auf die personalen Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Gruppen hinzuweisen. Die Forschung hat keine Patentrezept, zeigt aber eindeutig, dass eine Reduktion von Vorurteilen nicht mit einer Bedrohung von ldentitäten (allein auf der Wahrnehmungsebene) einhergehen kann. Dabei kommt dem zweiten Faktor für die Identifikation von Akkulturationsideologien, den interkulturellen Kontakten, große Relevanz zu . Der Ansatz postuliert eine KontaktHypothese, wonach Kontakte zwischen Gruppen förderlich für gegenseitige Sympathie und Annäherung sind. In der Forschung liegen unterschiedliche Modelle dazu vor, ob in intergruppalen Kontaktsituationen eine Betonung von Identitäten für die Annäherung sinnvoll ist, oder eine Betonung gemeinsamer Überschneidungen zwischen den Gruppen. Man weiß aber, dass Kontakte zwischen Gruppen nicht selbstwertbedrohlich sein dürfen. Gaertner et al. (1993) nehmen an, dass der Kontakt zwischen zwei Gruppen eher zu einer Reduktion gegenseitiger Vorurteile führt, wenn die Mitglieder der Gruppe eine positive Einstellung gegenüber ihrer Gruppe haben, denn diese stabilisiert die soziale Identität. Sie sind sogar der Meinung, dass die positive Ingroup-Einstellung einen stärkeren Einfluss auf die Reduktion von Vorurteilen durch den Kontakt hat als positive Outgroup-Einstellungen. Solche positiven Ingroup-Einstellungen, die mit geringen Differenzen zu anderen Gruppen einhergehen, können vielleicht durch die Förderung von regionalen Identitäten gefördert werden. Identifizierung mit einer Region ist nicht zu verwechseln mit der chauvinistischen Variante des Nationalstolzes. Dangschat (1998, S. 21) postuliert aus der sozialgeographischen Perspektive darüber hinaus einen engen Zusammenhang von räumlicher Bindung und ethnisch-kulturellen und rassistischen Konflikte. Er meint, in Räumen fänden Konkurrenzen um die kulturelle Hegemonie statt. Zur Analyse der Dynamik von Konflikten in Räumen schlägt er einen Mehrebenen-Ansatz vor. Auf der Meso-Ebene könne residentielle Segregation auf spezifischen Vorstellungen über soziale Ungleichheit und Formen der Raumaneignung im Wettbewerb zwischen sozialen Gruppen basieren. Auf der Mikro-Ebene, die meines Erachtens der sozialpsychologische Ebene entspricht, können sich Identifikationen entwickeln. die Einstellungen und Vorbehalte gegenüber anderen Ethnien im räumlichen Verhalten und in sozialräumlicher Schließung und Ausgrenzung verursachen. Insgesamt sprechen die Befunde für zwei Grundannahmen: Erstens ist der Raum, in dem Akkulturationsprozesse stattfinden, auch als sozialpsychologisches Konstrukt sinnvoll. Der Raum, den Individuen wahrnehmen ist psychisch repräsentiert, und diese Repräsentation muss nicht mit den tatsächlichen strukturellen Gegebenheiten übereinstimmen. Zweitens unterstützen die Befunde der Migrations- und Stadtforschung, dass es erhebliche Unterschiede in den Einstellungen und Handlungsweisen von Gruppen gibt, die in unterschiedlichen Räumen leben. Kulturelle Konflikte finden auch in Bezug auf den Raum statt. Insgesamt zeigt sich: 1. Der Raum ist eine fundamentale Referenzgröße für Identifikationen, Statusunterschiede etc. bei der Wanderung von einem in einen anderen Raum, wo häufig bereits andere wohnen, ihn definieren, verteidigen usw.. 2. Der Raum ist dabei oft Streitpunkt zwischen denen, die schon da sind und Einwanderern, wobei hierzulande eher die Sorge vorherrscht, dass Einwanderer Raum weg nehmen und sich dort breit machen, weniger die Hoffnung, dass sie den Raum bereichern. 3. Der Raum beeinflusst die Akkulturation, behindert und befördert den Prozess 4. Der Raum ist Konsequenz der Akkulturation,
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wie das zum Beispiel bei der Segregation der Fall ist. 5. Der Raum ist identitätsstiftend, wie etwa bei der regionalen Identität. 6. Sozialpsychologisch ist der Raum als eine relevante soziale Kategorie zu verstehen, die Grundlage für Identitäten ist, oder eben ein Bereich auf den sich Identitäten beziehen können und damit eine Verortung ermöglichen (vgl. auch Buß,2002) . Regionale Identitäten sind in der stadtsoziologischen Forschung immer bedeutsamer geworden, weil sichtbar wird, dass Stadtbezirke und Quartiere nicht nur Konfliktfelder interethnischer Auseinandersetzungen sind, sondern auch Identifikationsmöglichkeiten darstellen. Auf der Grundlage der skizzierten Theorie der Sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979, 1986)ist die regionale Identität jener Identitätsaspekt, der durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region bestimmt ist. Sie wird durch die Selbstbewertung, die Individuen aus dieser Zugehörigkeit ableiten können, getragen, Eine konkrete regionale Identität kann dabei die Identifikation mit dem Land, Landesteilen, einer Region (z.B. Ruhrgebiet, Sächsische Schweiz ete.), einer Stadt, einem Stadtteil, einem Quartier, Viertel oder der Wohnumgebung sein. Es ist davon auszugehen, dass die Identitäten, die auf mehreren Ebenen verortet sind, ineinander übergreifen bzw. eng zusammenhängen. Für die konkrete (empirische) Analyse der Zusammenhänge von Raum(bindungen) und Akkulturation ist natürlich die Frage relevant, auf welchen Raum sich Identitäten beziehen, oder beziehen können. Dabei habe ich mich in meinen eigenen Studien auf Quartiere als soziale Kategorien konzentriert. Rellstab (1997, S. 11-12)versteht unter Quartieren "... jene Größe, jener Rahmen, in dem das erhalten werden oder wieder entstehen kann, was wir mit Verwurzelung, Heimat, Geborgenheit umschreiben. (...) Das Quartier ist also nicht jene genau definierte Einheit, wie wir oft annehmen. (...) Quartierbewusstsein ist wichtig, Quartierstolz soll gefördert, Quartieregoismus nicht unterdrückt, nur in Zaum gehalten werden. Die Erfahrungen lassen vermuten, dass die Größe ,Quartier' gute Voraussetzungen für das Bilden einer sozialen Identität anbietet, und diese dürfte wiederum eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass eine persönliche Identität entstehen kann."
Quartierkultur macht Identifikation und Integration zugleich möglich. Quartiere sind Sozialräume, in denen die Individuen auf der Grundlage ihrer Identitäten miteinander interagieren. Eine relevante Frage für die Akkulturationsforschung ist, ob Individuen neben ihrer ethnischen, kulturellen und/oder nationalen Identität eine regionale Identität (überhaupt) ausbilden, und in welchem Verhältnis diese zu Akkulturation und interkulturellen Differenzierungsprozessen steht. Im Rahmen der Akkulturationsforschung habe ich eine erste Analyse des Zusammenhangs von Quartiersidentität (Regionale Identität) mit relevanten Faktoren der Akkulturation wie vor allem den interkulturellen Kontakten und Akkulturationsorientierungen sowie Indikatoren interkultureller Konflikte - hier Vorurteile gegenüber ethnischen Gruppen, Diskriminierungen sowie Aggressionen gegenüber Outgroups - unternommen (Zick 2001). Die Studie wurde mit 172 Bürgern der Wuppertaler Nordstadt durchgeführt, einem Quartier, dass einen hohen Prozentsatz Einwanderer aufweist (30,9% nach der letzten Statistik von 1997).Die Mehrzahl der Befragten hatte die deutsche Staatsangehörigkeit. Zunächst lag keine konkrete Skala vor, die Regionale Identität, so wie sie hier theoretisch zugrunde gelegt wird, misst. Doch in einer Reihe von Studien wurden bereits die Bin-
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dung an den Raum (attachrnent), das Commitment, oder das Zugehörigkeitsgefühl mit Ländern, Städten etc, erfasst.i« Sie wurden in der Studie geprüft und zur Entwicklung einer Skala herangezogen. Die zuverlässigste Skala (Alpha = .77) bestand aus den folgenden fünf Items, die auf 6-stufigen Ratings (1 = trifft überhaupt nicht zu, 6 = trifft voll und ganz zu) beurteilt wurden: "I. Ich fühle mich dem Stadtbezirk zugehörig. 2. Ich fühle mich dem Stadtteil zugehörig. 3. In meinem Stadtbezirk fühle ich mich wohl. 4. In meiner Wohnumgebung fühle ich mich wohl. 5. Ich fühle mich meiner Wohnumgebung sehr verbunden." Entsprechende Interviews zeigen, dass die Befragten mit dem Stadtbezirk, Stadtteil und der Wohnumgebung das Quartier Nordstadt assoziierten. Die Ergebnisse, die ausführlich bei Zick (2001)107 dokumentiert sind, zeigen zunächst, dass sich die Identifikation mit dem Quartier - hier nach Voranalysen in der Skala als Stadtbezirk, Stadtteil und Wohnumgebung bezeichnet -, faktorenanalytisch von Skalen zur Erfassung der nationalen und ethnisch-kulturellen Identität trennen lässt. Sie zeigen in Bezug auf die relevanten Faktoren zur Analyse von Akkulturationsphänomenen ferner, •
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dass Befragte mit starker Quartiersidentität eher eine Akkulturationsorientierung der Integration (im Berryschen Sinne) vertreten als jene mit geringer Bindung an das Quartier; die Korrelationen zu den Orientierungen der Assimilation, Separation. Segregation und Individualisierung (Bourhis et al., 1997) sind sämtlich signifikant negativ; wobei allerdings die nicht deutschen Befragten, die sich mit der Nordstadt identifizieren, meinen, dass die interkulturellen Differenzen im Stadtteil steigen, insofern die Identifikation mit dem Quartier mit einer Sensibilität für Differenzen einhergeht; dass Befragte mit starker Quartiersidentität ein höheres Integrationsniveau aufweisen (zu der Skala, die das Integrationsniveau erfasst siehe Kapitel 5.3.2); der Zusammenhang zwischen Quartiersidentität und Integrationsniveau kaum von der Akkulturationsorientierung beeinflusst wird; eine starke Bindung an das Quartier mit einer Befürwortung der Selbstorganisation 108 einhergeht, wobei deutsche Befragte befürworten, dass .die Ausländer' sich selbst organisieren und .alleine zurecht kommen' und eingebürgerte Deutsche mit geringer Quartiersbindung die Selbstorganisation am stärksten befürworten und sich weniger fremd fühlen als jene mit hoher Quartiersbindung; die Quartiersidentität bei deutschen Befragten Vorurteile gegenüber .Ausländern' erklärt, während sie in der Gruppe der Befragten mit Migrationshintergrund die
106 Auch im Eurobarometer Survey wird seit 1971 zum Beispiel die Regionale Identität durch die Bindung (attachment) erfasst. Das geschieht z.B. über folgende Items: "People may feel different degrees of attachment to their town or village, to their region, to their country, [Eurobarometer 36: to the European Community; Eurobarometer 43.1: to the European Union] or to Europe ras a whole]. Please tell me how attached you feel to ...?" very attached, fairly attached, not very attached or not at all attached. 107 Bericht als download: www.uni-bielefeld.de/ikg/zick/INDC2000.pdf. 108 Items der entsprechenden Kursskala: 1. "Die (Herkunftsgruppe) kommen besser allein zurecht ohne die Unterstützung von Deutschen oder anderen Ausländern. 2. Die (Herkunftsgruppe) in diesem Stadtteil sind gut organisiert. 3. Wir (,Die Ausländer' bei deutschen Befragten) müssen sehen, dass wir alleine zurechtkommen. Von den Deutschen ist keine Hilfe zu erwarten."
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Vorurteile gegenüber Deutschen oder anderen ethnischen Gruppen nicht erklärt; Analysen unter Kontrolle von Akkulturationsorientierungen und interkulturellen Kontakten; die Quartiersidentität signifikant mit einer geringeren Wahrnehmung von Benachteiligung und Diskriminierung der Gruppe korreliert.
Eine pfadanalytische Analyse der Zusammenhänge zeigt, dass die Regionale Identität keinen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung von interkulturellen Konflikten hat, aber einen indirekten Effekt, der über das Akkulturationsniveau vermittelt wird. Sie ist zudem relevanter als die ethnisch-kulturelle Identität und auch als die nationale Identität. Die Ergebnisse unterstützen empirisch die These, dass die Regionale Identität ein wesentlicher Prädiktor des Akkulturationsniveaus ist, also den Prozess der Aneignung neuer kultureller Umwelten mit hoher Wahrscheinlichkeit beeinflusst. Viele andere Faktoren, wie sie die Theorien zuvor vorschlagen, sind in der Studie nicht berücksichtigt. Die Studie ist eine erste Studie mit begrenzter Aussagekraft für andere Räume, Gruppen, Akkulturationsphänomene etc.. Sie weist aber deutlich auf den Zusammenhang von Akkulturation und Regionaler Identität hin. Das Konstrukt der Regionalen Identität scheint vielversprechend zu sein und sollte meines Erachtens weiter verfolgt werden. Das Konstrukt ist auch deshalb relevant, weil eine Reihe von politischen Anstrengungen in Europa unternommen werden, um die Integration von Zuwanderern durch Regionalprogramme zu fördern (wie zum Beispiel im Rahmen des deutschen Programms Soziale Stadt). Auch Berry und Kalin (2000)sind der Meinung, dass der Multikulturalismus durch Bindungen an die übergeordnete Gesellschaft gefördert werden kann. Anhand einer Re-Analyse des National Survey 1991 in Kanada zeigen die Autoren, dass neben der ethnischen Identifikation auch und gerade die Identifikation mit Räumen (hier Provinzen), die nicht geographisch zu bestimmen sind, ein wichtiger Prädiktor der Toleranz und Unterstützung multikultureller Einstellungen ist.
6.7
Resümee zu den psychologischen Strukturtheorien
Die im vorliegenden Kapitel diskutierten Theorien fokussieren im Vergleich zu den Prozesstheorien spezifische Komponenten der Akkulturation, also spezifische Prädiktoren, Ausdrucksformen und Konsequenzen. Ein Resümee, das Gemeinsamkeiten und Divergenzen der vorgestellten Ansätze herausstellt, fällt schwer, da unterschiedliche Strukturkomponenten fokussiert werden. Auffällig sind dennoch zwei Aspekte. Erstens ergänzen die expliziten Strukturtheorien die Prozesstheorien, indem sie einzelne Komponenten genauer theoretisch fundieren. Zweitens wird deutlich, dass die Strukturtheorien der Psychologie sich mit jenen Komponenten beschäftigen, die auch in den Prozesstheorien als besonders wichtige Konstrukte zur Analyse von Akkulturationsprozessen betont wurden. Die Persönlichkeit von Individuen, die sich eine neue Kultur aneignen, hat einen Einfluss, allerdings muss weiterhin weitgehend offen bleiben, was eine akkulturierende und akkulturierte Persönlichkeit ist. Es scheint keine Wanderungstypen zu geben, allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass Traits den Akkulturationsprozess beeinflussen und
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Persönlichkeit durch Akkulturation geprägt ist. Dabei wird die Zukunft der Forschung dazu in der Analyse der Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit und Umwelt liegen. Die Identität ist zweifellos das prominenteste Konstrukt der psychologischen und in weiten Teilen meines Erachtens auch der sozialwissenschaftliehen Forschung. Akkulturation heißt Veränderung von Identitäten, das haben schon die Prozesstheorien hervorgehoben. Dabei haben sich Theorien durchgesetzt, die die Identität im Akkulturationsprozess als mehrdimensionales Konstrukt auffassen, und nicht als ein- oder zweidimensionales Konstrukt. Dariiber hinaus haben sich Theorien durchgesetzt, die annehmen, dass vor allem soziale Identitäten, die durch die Mitgliedschaft in kulturellen Gruppen und Kontexten geprägt sind, für die Akkulturation maßgeblich sind. Akkulturation aus ihrer Sicht bedeutet, Aneignung neuer sozialer Identitäten. Trotz der ungeheuren Befundlage sowohl der Prozess- als auch der Strukturtheorien der Identität, besteht aber immer noch Forschungsbedarf zum Konstrukt selbst. Das betrifft vor allem die Frage der Dynamik von Identitätsveränderungen. Wie verändern sich nach welchen Regeln und Gesetzen welche Aspekte der Identität im Prozess der Akkulturation, und welchen Einfluss hat dabei der soziale Kontext? Dabei ist auch davon auszugehen, dass Persönlichkeit und Identität eng zusammenhängen, etwa in dem Sinne, dass Identitäten Persönlichkeit prägen. Identitäten sind auch der Maßstab für die Entwicklung von Akkulturationsorientierungen. Neben der Analyse von Identitäten sind sie meines Erachtens das zweite Top-Thema der psychologischen Akkulturationsforschung. Eine immense Menge an empirischer Forschung fokussiert sie, und die Frage, welche Effekte welche Akkulturationsorientierungen haben. Mit Blick auf die gängigsten Messverfahren sind sie als implizite Grundhaltungen im Sinne generalisierte Einstellungen zu verstehen. Dabei hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die Diskordanzen (Nicht-Passung) von Akkulturationsorientierungen kulturell divergenter Gruppen interkulturelle Konflikte erzeugen. Obgleich die Akkulturationsorientierungen relativ gut erforscht sind, bleiben dennoch viele Fragen offen auf die oben verwiesen wurden. Vor allem fällt auf, dass in vielen Arbeiten Orientierungen und (Verhaltens-) Strategien nicht unterschieden werden. Davon abgesetzt wurde die TraditionalismusModernismus-These, obgleich man sowohl den Traditionalismus als auch Modernismus als Ideologien oder eben Akkulturationsorientierungen verstehen könnte. Sie umfasst aber mehr und fokussiert auch die Frage nach dem Zusammenhang von kulturell geprägten Normen und Werten in Beziehung zum gesellschaftlichen Wandel. Die These, dass Akkulturationsprobleme vor allem entstehen, wenn die Modernitätsdifferenz zwischen traditionell orientierten Immigranten und Einheimischen zu groß ist, scheint empirisch kaum prüfbar, veraltet und wenig erkenntnisreich, obgleich sie aktuell wieder im politischen Diskurs hervorgeholt wird. Sie ist zu einfach, zu stark werden die Pole der Modernität und Tradition voneinander abgesetzt und zu sehr impliziert die These eine Unvereinbarkeit traditioneller und moderner Orientierungen. In der folgenden Darstellung der sozialwissenschaftlichen Strukturtheorien werde ich noch einmal darauf eingehen, weil die sozialwissenschaftliehen Ansätze bessere Analysen gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse bieten als es die Psychologie vermag. Ein weiteres zentrales Thema der Akkulturation ist die Frage, ob, welche und wie viele Beziehungen Menschen aus einer Kultur zu den Mitgliedern einer neuen Kultur aufnehmen möchten oder sollen. Das Konstrukt des interkulturelle Kontakts wird ähnlich wie die Identität von fast allen Prozess- und Strukturtheorien besonders hervorgehoben; das trifft auch
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auf die nachfolgend vorzustellenden sozialwissenschaftlichen Strukturtheorien zu. Zentral ist die Kontakt-Hypothese, die im Rahmen der Akkulturationsforschung besagt, dass interkulturelle Kontakte den Prozess der Akkulturation erleichtern. Zudem wird der Kontakt neben der Identität als zentrale Dimension zur Bestimmung von Akkulturationsorientierungen herangezogen. Kritisch anzumerken ist, dass interkultureller Kontakt und Partizipation an der Mehrheitsgesellschaft leichfertig gleichgesetzt werden. Ebenso kritisch muss vermerkt werden, dass es zur Beziehung von Kontakt und Akkulturation keine überzeugende Theorie gibt und die empirischen Befunde so divergent sind, dass eine Einschätzung schwer fällt. Daher wurde für die Entwicklung einer Kontakttheorie der Akkulturation plädiert, die klar den Kontakt als Dimension von Akkulturationsorientierungen und als Outcome solcher Orientierungen unterscheidet. Ein weniger zentrales Thema ist die Analyse regionaler Identität und im weitesten Sinne des Einflusses der Bindung an Räume auf die Akkulturation. Hierzu wurde ein erster Vorschlag zur Konzeptualisierung des Konstruktes auf der Grundlage des Social Identity Approach vorgenommen. Meines Erachtens liegt mit den oben präsentierten Ausführungen ein theoretisch fundiertes Konzept und in den Studien von Zick (2001) ein zuverlässiges Messinstrwnent vor. Damit sind auch genauere Analysen zu den Konstrukten der Gemeinschaftsbildung (ethnische Kolonie, ethnische Gemeinschaft etc.) und des interkulturellen Kontakts möglich. Es könnte der äußerst wichtigen Frage nachgegangen werden, wie die Bindung an spezifische Räume welche Aspekte der Adaptation befördern oder hemmen. Dabei bedarf es bei allen hier avisierten Themen aus psychologischer Sicht noch einer viel genaueren Perspektive auf das, was Gesellschaft ausmacht. Die sozialwissenschaftlichen Strukturtheorien können dazu einen weiteren Beitrag leisten.
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Sozialwissenschaftliehe Strukturtheorien
7.
In den Sozialwissenschaften liegt eine Reihe von Migrationstheorien vor, die sich mit spezifischen Strukturkomponenten des Akkulturationsprozesses beschäftigen, die psychologisch interessant sind . Dabei dominieren auch hier Assimilationstheorien, das heißt Modelle, die erklären, welche Faktoren die Assimilation im Sinne einer Aneignung der dominanten Mehrheitskultur erklären. Es werden zwei Ansätze besonders herausgestellt, da sie zwei Strukturfaktoren genauer erläutern, die bislang nicht hinreichend genau analysiert wurden, für eine sozialpsychologische Perspektive aber äußerst relevant scheinen. Zum einen wird der Zusammenhang sozialer Ungleichheit und Gemeinschaftsbildung diskutiert, und zum anderen der Zusammenhang von Sozialisationsbedingungen, sozialem Kapital und Akkulturationsstrategien.
Theorien, die als Strukturtheorien der Sozialwissenschaften identifiziert wurden, stellen eine Restkategorie dar, denn die Sozialwissenschaften sind viel deutlicher als die Psychologie bestimmt durch Prozesstheorien, die in Kapitel 5 vorgestellt werden. Nur wenige Ansätze konzentrieren sich explizit auf spezifische Strukturkomponenten, die den Prozess beeinflussen. In der Theoriensystematik wurden folgende Theorien als Strukturtheorien definiert, dabei sind die Strukturkomponenten, zu denen die Theorien Konstrukte und Thesen vorschlagen kursiv hervorgehoben:
Sozialwissenschaftliche Strukturtheorien derAkkulturation • Assimilation, Akkulturation und Wertewandel nach Teske und Nelson (1974) • Assimilationsmodell von Kremer und Sprangenberg (1980) • These der Sozialen Ungleichheit und Migration nach Heckmann (1981, 1983) • Sozialisationsmodell von Bender-Szymanski und Hesse (1987) • Context Sensitive Model of Acculturation nach Merkens, Reinders, Hupka, •
Schneewind, Karatas und Alizadeh (2001) Konzept sozialer Produktionsjaktoren von Kalter und Granato (2001)
Im Folgenden werden jene Theorien und ihre zentralen Annahmen skizziert und diskutiert, die fiir das Verständnis von Akkulturation beitragen und neue Aspekte, die bislang nicht bedacht wurden, setzen. Wesentlich sind die drei Ansätze von Heckmann (1981), Merkens et al. (2001) und Kalter und Granato (2001). Diese Ansätze bieten meines Erachtens eine Präzisierung der Konstrukte der sozialen Ungleichheit, der Gemeinschaft und ihres Einflusses auf die Akkulturation. Das heißt im Umkehrschluss, dass die anderen Ansätze hier keiner Darstellung und Diskussion bedürfen, weil sie nichts beitragen, was nicht schon bekannt ist, schon erläutert wurden (wie z.B. Teske & Nelson, 1974;Kremer & Sprangenberg, 1980), oder
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ihre Annahmen in umfassendere Theorien eingegangen sind (z.B, Bender-Szymanski & Hesse, 1987). Treibel (1990) bietet nicht nur zu diesen Ansätzen eine hervorragende Übersicht aus einer soziologischen Perspektive. Thre Thesen zur Migration leisten selbst einen wichtigen Beitrag und werden abschließend diskutiert.
7.1
Ausgewählte Sozialwissenschaftliche Strukturtheorien
Heckmann (1981, 1983) hat einen wichtigen Beitrag zu zwei Strukturfaktoren präsentiert: der sozialen Ungleichheit und der Gemeinschajtsbildung von Zuwanderern. Er verweist zunächst darauf, dass insbesondere die Akkulturation der ersten Generation von Zuwanderern in der ethnischen Gemeinschaft (Community) verläuft, die nicht einfach das Abbild der Herkunftsgesellschaft sei. Damit folgt er Gordons (1964) Ansatz, der schon skizziert wurde (Kap. 5.3.1). Heckmann entwirft das Konstrukt der ethnischen Kolonie, die als von der ethnischen Gruppe dominiertes Wohnviertel zu verstehen ist. Sie ist meines Erachtens ein entscheidendes StrukturmerkmaI, weshalb Heckmanns Ansatz auch in die Gruppe der Strukturtheorien eingeordnet wurde. Wenn nach Heckmann von einem Einwanderungsland die Rede ist, dann bedeutet das implizit, dass Nonnen und Werte der Herkunftsgesellschaft und des so genannten Ziellandes unverträglich sind. Die ethnische Kolonie ist ein Ort, indem Akkulturation stattfände. Damit wird das Marginalitätskonzept zugleich revidiert: "Für die Marginalitätstheorie bedeutet die Existenz der Kolonie: die Mitglieder der (intakten) Kolonie als Einwanderenninorität befinden sich weder in einer Referenzgruppensituation mit ungeklärter Zugehörigkeit noch leide sie unter Identitätsunsicherheiten; sie leben in einem relativ stabilen, relativ eigenständigen soziokulturellen und zum Teil auch ökonomischen Subsystem, das relativ stabile Zugehörigkeitsgefühle vermittelt, keineswegs in einer marginalen Situation." (Heckmann, 1981, S.132)
Ethnische Gemeinschaften böten einen Identitätsanker, zugleich spiegelten sie Akkulturationsprozesse wider, die wesentlich durch Schichtungsdifferenzen definiert sind. "Die Analyse der Wohnviertel wird hier also zum Spiegel von Assimilations- und Mobilitätsprozessen, damit auch der Schichtung der Einwanderergruppen; da diese gleichzeitig gemeinsamer nationaler Herkunft sind, zeigt das Prestige der Wohnviertel gleichzeitig die Schichtung der verschiedenen Einwanderernationalitäten." (Heckmann, 1981, S. 45)
Eine Reihe von Studien bestätigt die Bedeutung von ethnischen Communities für die Akkulturation, gerade in der ersten Phase des Prozesses, die im Race Relation Cycle als Kontakt etikettiert wurde (Esser, 2001; Treibel, 1990; bzw. Kap. 5.3.1). Allerdings bezweifelt Treibel mit Hinweis auf weitere Kritiker Heckmanns (1981) Unterschichtungsthese, die behauptet, dass es in Deutschland (auf das sich seine Analyse bezieht) höchsten Eth-classes gäbe, also Klassen, die sich primär ethnisch und weniger in anderen Dimensionen unterscheiden. Vielmehr gäbe es deutliche Hinweise, dass es eine ethnische Schichtung gäbe, die soziale Ungleichheit bei bestimmten ethnischen Gruppen verfestige. Esser (2001) kommt zu einem ähnlichen Resümee und diskutiert den Zusammenhang von der ethnischen Kolonie und Schichtung (vgl. auch Esser, 2004). Er stellt sie sinnvollerweise in den Zusammenhang von räumlicher Segregation und kultureller Segmentation, die sich gegenseitig verstärken könn-
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ten. Dadurch wird auch klarer, wie der Zusanunenhang von Bindung an ethnische Kolonien und Unterschichtung beziehungsweise sozialer Ungleichheit sein kann: "Segregationen fördern über die strukturell erzeugte Kontaktdichte der Akteure kulturelle Segmentationen, und die kulturellen Segmentationen verstärken wiederum die räumlichen Segregationen. Besonders bei zahlenmäßig großen Gruppen von Migranten wird es auf dieser Grundlage dann auch wahrscheinlich, dass sich eine mehr oder weniger ausgebaute und vollständige ethnische Gemeinde (bzw. ethnische Kolonie) institutionalisiert. Der kanadische Soziologe Raymond Breton (1962, AZ) spricht in diesem Zusammenhang auch von der ,institutionellen Vollständigkeit' der ethnischen Gemeinden. Oft werden solche ethnischen Gemeinden oder Kolonien zu ethnischen Sub-Gesellschaften mit eigenen funktionalen Bereichen und einem eigenen Schichtungssystem ausgebaut. Zur Aufnahme sozialer Kontakte, zur Abwicklung der alltäglichen Angelegenheiten und sogar für einen gewissen sozialen Aufstieg kann der individuelle Migrant damit gänzlich innerhalb der ethnischen Sphäre verbleiben. Im Extremfall entwickelt sich so eine komplette Segmentation von zwei oder mehr eigenständig bestehenden Gesellschaften innerhalb eines (National-)Staates, wobei die ethnische Gemeinde als Sub-Gesellschaft der Immigranten die Gesellschaft der Einheimischen unterschichtet und sich auf diese Weise ein System der ethnischen Schichtung etabliert. (.. .) Ethnische Gemeinden und Kolonien entstehen zunächst meist als eine Art von Notgemeinschaft von Personen mit einem gemeinsamen Schicksal und zur Bewältigung der gravierendsten Probleme in der Phase des ersten Aufenthalts. Sie haben damit durchaus eine Art von Schutzfunktion und könnten dadurch auch den weiteren Prozess der Ein~liederungin die Aufnahmegesellschaft fördern. Georg Elwert (1982, AZ) hat diese Funktion als Binnenintegration bezeichnet. Nach dieser Konzeption verlassen die Migranten die ethnische Gemeinde jedoch, sobald der erste (Kultur-) Schock überwunden ist und sich assimilative Alternativen der Lebensführung aufgetan haben. Empirisch findet dies jedoch kaum statt. Es ist eher so, dass mit der Etablierung einer ethnischen Gemeinde oder Kolonie die Tendenzen zur kulturellen und strukturellen Assimilation auch bei solchen Akteuren deutlich absinken, die alle Voraussetzungen dazu hätten, insbesondere weil der Verbleib in der ethnischen Gemeinde einen, wenngleich nicht sonderlich hohen, aber sicheren ,Gewinn' verspricht, während das Verlassen der ethnischen Gemeinde und der Versuch einer assimilativen Mobilität mit hohen (subjektiven) Risiken und einem höchst ungewissen Ausgang verbunden werden. Kurz: Die .Binnenintegration' in die ethnische Gemeinde verhindert meist die Sozialintegration in die AufnahmegeselIschaft, gerade auch für die Folgegenerationen. Sie ist einer der wirksamsten Mechanismen zur Etablierung ethnischer Schichtungen." (Esser, 2001, S. 40-41)
Unabhängig von der Diskussion um die Schichtung und soziale Ungleichheit ist, wie Esser deutlich macht, Heckm.anns (1981) besonderer Beitrag in dem Fokus auf die ethnische Gemeinschaft und die Ausbildung ethnischer Kolonien relevant und sinnvoll. Damit unterstreicht Heckmann das, was die von mir vorgeschlagene sozialpsychologische Perspektive betont hat: Zumindest ein wesentlicher Teil der Akkulturation, insbesondere der frühen Akkulturation, findet in und durch Referenzgruppen (communities) in einem bestimmten Raum (Kolonien oder auch Assoziationen (vgl. Kastoryano, 2002» leben statt. Das stimmt mit einer Reihe von anderen Thesen zu Binnenmigration und -integration überein und es ist konkordant zu dem zuletzt diskutierten Konstrukt der Räumlichen Identität (Kap. 6.6). Leider sind die Merkmale ethnischer Communities und Kolonien bislang nicht eindeutig beschrieben und empirisch erforscht. Zwar wird das Konstrukt der ethnischen Kolonie in vielen Berichten zitiert, selbst in politischen Berichten zur Lage von Zuwanderern (vgl. z.B. Bade, Bommes & Münz, 2004), es stellt sich aber aufgrund der unscharfen Festlegung von Kriterien zur Feststellung, wann es ethnische Kolonien gibt, auch die Frage, ob der Terminus der Kolonie relevant ist. Ich meine, dass er dies aus sozialpsychologischer Perspektive durchaus ist, weil er einen empirischen Fakt beschreibt und theoretisch sinnvoll ist: Die Referenzgruppen insbesondere für Migranten, die neu in ein Land einwandern, stellen andere Neuankömmlinge in der Kultur dar, die durch das gemeinsame Leben in einem Wohnviertel und dabei durch ethnische Kategorien definiert sind. Dies bestätigt sich empi-
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risch (vgl. Heitmeyer & Anhut, 2000). In der Studie von Zick (2000) zeigt sich deutlich, dass Menschen mit Zuwanderungshintergrund, die in einem Stadtviertel leben, mehr Kontakt zu Landsleuten haben und innerhalb des Wohnviertels engere Kontakte organisieren, als zu Menschen anderer Herkunft oder Einheimischen. Das Postulat eines Konstruktes ethnischer Kolonien sollte dabei aber nicht bedeuten, dass die Bindung an ethnische Herkunftsgruppen in einem bestimmten Wohnviertel zwangsläufig ist. Ist es aber der Fall, sollte das die Akkulturation beeinflussen, weil über die Kolonie die Akkulturation wesentlich verläuft. Adaptiert man das Konstrukt der ethnischen Kolonie, dann ist eine Frage für die sozialpsychologische Akkulturationsforschung von besonderer Bedeutung: Befördert die Bindung an ethnische Kolonien die Adaptation neuer kultureller Umwelten, weil sie, wie Heckmann (1981) postuliert, eine Reihe von psychologischen Funktionen erfüllen, oder behindert sie die Adaptation und fördert Segregation, Vorurteile, interkulturelle Differenzen und Spannungen? Folgt man der soziologischen Sicht, dann muss die Frage offen bleiben, respektiert man den Prozess der Binnen-Integration: Sie ist Ausdruck ethnischer Unterschichtung, aber sie kann eben auch im Sinne von Heckmann (1981)die Akkulturation in der frühen Phase insofern erleichtern, als sie Zuwanderern in die Kolonie, soziale Unterstützung bietet (vgl. Kap. 5.3.2). In Auseinandersetzung mit verschiedenen sozialwissenschaftlichen Assimilationsentwicklung (siehe Prozessmodelle in Kap. 5) haben Merkens, Reinders, Hupka, Schneewind, Karatas und Alizadeh (2001) im Rahmen eines Forschungsprojektes ein interessantes Kontextsensitives Modell der Akkulturation vorgeschlagen und auf die Akkulturation türkischer Jugendlicher bezogen. Das Modell (s. Abbildung 7.1) versucht den Zusammenhang von Identifikation, des sozialen Kontexts und Ressourcen klarer zu erklären. Damit steht es den psychologischen Akkulturationstheorien sehr nahe. Das Modell basiert auf Annahmen des Symbolischen Interaktionismus (Mead, 1975/1913), der Theorie der Sozialen Identität von Tajfel und Turner (1979, 1986) und dem Social Capital Ansatz (Putnam, 2000). Ziel ist es, die Wahl von Akkulturations- orientierungen und -strategien bei Jugendlichen zu erklären.P? Wesentlich ist, und das teilt das Modell mit neueren Erkenntnissen der psychologischen Akkulturationsforschung (siehe Kapitel 4), dass die Prognose und Erklärung der Akkulturationsstrategien sich auf spezifische Kontexte richten muss, beziehungsweise sich Strategien nach Kontexten unterscheiden können (vgl. insbesondere Kap. 4.2.5). "Kontextsensitiv bedeutet, dass der Heranwachsende seine Akkulturationsstrategie im Wechselspiel von kontextspeziIischer Handlungsmotivation und sozialer Identität wählt und dabei auf die je unterschiedlichen Bedingungen und Ressourcen dieser Kontexte rekurriert... " (Merkens et al., 2001, S. 41)
109 Zu Akkulturationsorientierungen von Jugendlichen vgl. auch Berry, Poortinga, Segall und Dasen (1992).
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Kont.xtspezlflsehe Akkutturatlonsr • strategie l{onI~'9PCliß9Che So zialllltlft~it.d
Abb.7.1
Das Kontextsensitives Modell der Akkulturation nach Merkens, Reinders, Hupka, Schneewind, Karatas und Alizadeh (2001,Abb. 3: S. 44)
Das Modell versucht zu erklären, auf welche Ressourcen sich Jugendliche beziehen können, um sich in der deutschen Mehrheitsbevölkerung einzubringen. Wie die Abbildung zeigt, werden die kontextspezifischen Akkulturationsstrategien durch drei Prädiktoren erklärt: Peer-Group, Familie und Schule, die nach Bedingungen und Ressourcen, die damit einhergehen sollten, differenziert werden. Die kontextspezifische Handlungsmotivation und soziale Identität medüert den Einfluss der Kontextbedingungen. Die Akkulturationsstrategien werden dabei als Selbstbilder verstanden. In vier Hypothesen fassen Merkens et al. (2001, S. 46-47) ihre Annahmen zusammen: "Hl: Die Genese der sozialen Identität im Spannungsfe1d von Assimilation und Segregation erfolgt bei den Jugendlichen unter Rückgriff auf unterschiedliche Ressourcen in den Bereichen Familie, Schule, Frei2eitgruppe. H2: Es lassen sich bezüglich der Ausbildung der sozialen Identität im Spannungsfeld zwischen türkischer und deutscher Identität Einflussfaktoren von Familie, Schule, Freizeitgruppe bestimmen . H3: Die Ausbildung von sozialer Identität in den Relationen zu tiirkischer bzw. deutscher Nationalität vollzieht sich in den nach BERRY/KIM (1988) gebildeten Subgruppen - assimiliert, segregiert, integriert, diffus-orienti.ert - unterschiedlich, wenn man Ressourcen und Einflussfaktoren betrachtet. H4: Die Zuordnung zu den verschiedenen Typen zwischen Assimilation und diffuser Orientierung erfolgt stabil. H
Merkens et al. haben die Annahmen in einer groß angelegten Studie mit deutschen und türkischen Schülern die erst in der 8., dann in der 9. Schulklasse waren, sowie einer Befra525
gung von deren Eltern und Lehrer geprüft und deren Gültigkeit nachgewiesen. Allerdings können die Autoren auch feststellen, dass für die türkischen Jugendlichen die Bedeutung der Familie für die ethnische Identität im Verlauf eines Jahres eher zu- als abnimmt. "Zumindest, was die ethnische Orientierung angeht, nimmt die Bedeutung der Familie im Jugendalter offensichtlich zu . Es gibt keinen verstärkten Ablöseprozess der Jugendlichen in Richtung deutsche Majorität. Demgegenüber konnten für .Schule', ,deutsche peer-group' oder die ,Gruppe der deutschen Abgelehnten' keine Effekte nachgewiesen werden, die darauf schließen lassen , dass es sich um eine Ressource handelt, die in Richtung Assimilation an oder Integration in die deutsche Gesellschaft schließen lassen. (... ) Bei der Wahl oder Ablehnung von deutschen Jugendlichen als Freunde/Freundinnen scheinen ethnische Kategorisierungen keine Rolle zu spielen. Wir haben weder auf Seiten der türkischen Jugendlichen noch bei deutschen Jugendlichen hinreichende Hinweise dafür gefunden, dass dies ein wesentlicher Faktor sein könnte. Vielmehr scheinen, weil andere Erklärungsgründe nicht gefunden werden konnten, persönliche Empathie oder Sympathie einen Grund darzustellen. Dies spricht dafür, dass ethnische Orientierungen bei türkischen Jugendlichen im sozialen Miteinander keine so große Rolle spielen wie öfter angenonunen wird. (...) Türkische Jugendliche zeigen eine große Integrationsbereitschaft in das Bildungssystem, auch wenn sie eine ethnisch orientierte soziale Identität entwickeln. Die Integration in Bildungs- und Beschäftigungssystem der deutschen Gesellschaft wird offensichtlich aus Sicht der türkischen Jugendlichen nicht durch das Eingebundenfühlen in die Eigengruppe behindert. Damit korrespondiert, zumindest für die deutschen Jugendlichen, die wir befragt haben, eine Toleranzbereitschaft gegenüber der eigenethnisch-orientierten sozialen Identität türkischer Jugendlicher. Für die befragten deutschen Jugendlichen ergibt sich damit eine Ressource, was bei AntragsteIlung nicht erwartet worden ist. Wir hatten angenonunen, dass es gegenüber der Eigengruppe der türkischen Jugendlichen zumindest bei einern Teil der deutschen Jugendlichen erhebliche Ressentiments geben würde und haben bestätigen können, dass es in den entsprechenden Klassen eine Gruppe gibt, die konstant von den türkischen Jugendlichen abgelehnt wird. Die vermuteten Ressentiments jedoch haben wir nicht entdecken können." (Merkens et al., 2001, S. 183-184)
Das Modell von Merkens et al. ist, trotz vieler Mängel im Bericht, sozialpsychologisch interessant und für die psychologische Forschung ansch1ussfähig. Das trifft insbesondere auf die Analyse der Wahl von Akkulturationsstrategien durch Jugendliche zu. Besonders relevant erscheint dabei die Berücksichtigung des Ansatzes des sozialen Kapitals, der sozialen Identität und der Präferenz für Strategien, die nach meinem Begriffsverständnis (Kap. 6.3) Akkulturationsorientierungen sind. Empirisch ist es noch nicht weiter verfolgt worden und auch als Theorie noch nicht intensiver diskutiert worden; soweit ich das recherchieren konnte. Eine vergleichende Diskussion mit anderen Theorien wäre dringend notwendig, weil sich theoretisch Divergenzen zwischen dem Kapital-Ansatz und anderen Theorien, etwa der Desintegrationstheorie nach Anhut und Heitmeyer (2000) oder dem Ansatz von Esser (1980) ergeben (Kap. 5.8). Empirisch ist die Beobachtung der geringen Einflüsse ethnischer sozialer Identitäten relevant. Leider fehlt meines Erachtens in dem Modell auch eine genauere Analyse von Sozialisationsprozessen. Insofern bietet der Ansatz zum gegenwärtigen Stand eine wichtige, aber notwendigerweise zu ergänzende Perspektive. Kalter und Granato (2001) haben sich mit den klassischen Assimilationsmodellen der sozialwissenschaftliehen Forschung auseinandergesetzt (Kap. 5) und meines Erachtens ein genaueres Modell des Kapitals für die Akkulturationsforschung zugänglich gemacht. Zugleich trägt die Perspektive zum besseren ökonomisch basierten Verständnis von ethnischen Kolonien bei. Kalter und Granato sind der Auffassung, dass diese nicht hinreichend Assimilationszustände erklären können, zumal die empirischen Befunde dazu ein ambivalentes Bild ergeben. Sie haben zur Analyse der Assimilation die Idee der sozialen Produktionsfunktionen (social production functions) der Rational Choice Theorien nach Lancester (1966) und Becker (vgl. Becker, 1976, 1981; Michael & Becker, 1973; Stigler & Becker, 1977) adap-
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tiert. Das Modell geht von der Annahme aus, dass individuelle Akteure sich so verhalten, als wenn sie ihren Nutzen maximieren möchten. Demnach leiten Individuen Nutzen aus dem Verbrauch von Waren ab, die oft nicht einfach angeschafft werden könnten, sondern durch Haushalte produziert werden müssten. Die Inputs der Produktion seien dabei marktgerechte Güter und Faktoren wie Zeit, ökonomisches, humanes, kulturelles und soziales Kapital etc. Nach Becker (1976,1981) sei der Output von Waren für einen gegebenen Input durch die so genannte Haushalts-Produktions-Funktion bestimmt. Waren könnten als Input für Waren oder Ziele auf höherer Ebene eingesetzt werden. Nach Lindenberg (1986, 1989) könnten soziale Zustimmung und physisches Wohlergeben als die wesentlichen Ziele in der Zielhierarchie beurteilt werden. Lindenberg schlägt den Begriff der sozialen Produktionsfunktionen vor, um die Idee der Warenproduktion auf soziale Phänomene außerhalb des familiären Verhaltens zu übertragen. Kulturen könnten so interpretiert werden, dass sie soziale Produktionsfunktionen für verschiedene soziale Positionen in verschiedenen sozialen Situationen hätten. Kalter und Granato (2001) leiten daraus drei Konsequenzen ab: Erstens könnten damit grobe Lebensumstände als Investitionsstrategien im Produktionsprozess verstanden werden. Präferenzen für bestimmte Berufe und Beschäftigungstypen, der Eifer zu heiraten und Kinder zu bekommen, oder die Bevorzugung von städtischen Nachbarschaften sind demnach keine exogenen Präferenzen, sondern Ergebnisse der instrumentellen Bevorzugung höherrangiger Ziele. Zweitens, Migranten werden in der Aufnahmekultur häufig mit sozialen Produktionsjunktionen konfrontiert die gültig sind und zugleich unterschiedlich von denen, die in der Herkunftskultur relevant waren. Um höhere Produktionsfunktionen zu erzeugen, müssten Migranten den gleichen Input erzeugen, wie Ansässige. Wenn sie sich also ähnlich für physisches Wohlergehen und soziale Zustimmung interessieren, dann müssen sie ähnliche Investitionsstrategien in Bezug auf niedrigere Ziele entwickeln. Drittens gäbe es aber auch alternative Modi der Produktion, wie zum Beispiel die Entwicklung ethnischer Enklaven, die sich jedoch in Bezug auf höhere Ebenen der gesellschaftlichen Hierarchie als MobilitätsfaZZen (Wiley, 1970) entpuppen. Nichtsdestoweniger bieten sie Alternativen, wenn die Aufnahmegesellschaft bestimmte Produktionsmodi behindert; zum Beispiel durch institutionelle und behaviorale Diskriminierung, oder Immigranten Input-Ressourcen (zum Beispiel Sprachfähigkeiten, kulturelles Wissen, formales Bildungsniveau fehlen, um relevante Waren zu erzeugen). Dieses Problem stellt sich nach Meinung von Kalter und Granato (2001)weniger für die zweite als für die erste Generation. In ihren empirischen Analysen haben sich Kalter und Granato auf drei Dimensionen der Assimilation konzentriert: a) die ökonomische Assimilation (Status, Prestige und Arbeitsqualität als menschliches Kapital), die die weiteren Assimilationsdimensionen grundlegend bestimmten (siehe dazu die Dimensionen nach Esser, 1980; Kap. 5.3.2), b) die Assimilation im familiären Verhalten (Heirat, Scheidung, Familienstatus) und c) die räumliche Assimilation (residentielle Segregation, Nachbarschaften). In allen drei Dimensionen könnten Individuen Kapital investieren und erwirtschaften, die ihnen den Zugang zu höherwertigen Waren (soziale Zustimmung und physisches Wohlergehen) ermöglichten. Ferner nehmen Kalter und Granato an, dass die Bildung einen signifikanten Einfluss auf alle drei Dimensionen der Assimilation hat. Empirisch haben Kalter und Granato Indikatoren der Assimilation in den drei Bereichen anhand der Daten der Volkszählung 1970 und dem Mikrozensus der Jahre 1989 und
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1996 ermittelt. Als Indikator der Assimilation entwickelten sie einen Index der Unähnlichkeit (Index of Dissimilarity), der das Verhältnis von Mitgliedern zweier Kategorien (hier Zuwanderer und Einheimische) ausdrückt, und die sich in eine andere Kategorie bewegen müssen, um eine gleiche Verteilung beider Gruppen über alle Kategorien zu erreichen (Duncan & Duncan, 1955). Der Index drückt im allgemeinsten Sinne und in Bezug auf das Verhältnis von Zuwanderern und Einheimischen das Ausmaß der Ähnlichkeit und Unähnlichkeit der Verteilung der Mitglieder zweier Gruppen in Bezug auf die jeweilige Dimension der Assimilation aus. Kalter und Granato berechnen den Index für die klassischen Gruppen der Arbeitsmigranten sowohl der ersten als auch der zweiten Generation, Zuwanderer mit doppelter Staatsbürgerschaft und alle anderen Immigranten. Sie zeigen, dass in Bezug auf die Bildung Arbeitsmigranten einen Zuwachs verzeichnen, aber auf einem niedrigeren Niveau. Das Bildungsniveau Einheimischer und Zuwanderer konvergiert zwischen den Generationen, divergiert aber immer stärker über die Zeit. Im beruflichen und familiären Bereich sind Assimilationstrends zu verzeichnen, wobei jedoch die Geschwindigkeit der Assimilation immer geringer wird. Die Differenz in allen Bereichen wird deutlicher und dies besonders in der Gruppe der Zuwanderer aus der Türkei, wenn bei der Berechnung des Unähnlichkeitsindex das Alter und die Bildung kontrolliert werden. Insgesamt bietet die Analyse im Gegensatz zu den klassischen Assimilationsstudien eine neue Perspektive, die deutlicher theoretisch so angelegt ist, dass empirische Analysen mit klaren und prüfbaren Operationalisierungen möglich sind. Allerdings wird die Empirie den theoretischen Annahmen in vielen Teilen nicht gerecht, da letztendlich nicht das wesentliche Kriterium der Assimilation von Zuwanderern ermittelt wird. Darüber hinaus bleibt die Theorie sozialer Produktionsfunktionen eine Antwort darauf schuldig, wie die Werte, Inputs und Outputs zu bewerten sind, das heißt wer auf welche Weise wie die Standards für sozialkapitalbildende Waren setzt. Sie läuft Gefahr, alles Mögliche und vieles Andere eben nicht als Kapital zu beurteilen ohne Kriterien dafür vorzugeben, wann ein Gut mit welchem Wert was für ein Kapital (ökonomisch, sozial etc.) darstellt.P? Ein weiteres Problem für eine psychologische Bewertung ergibt sich daraus, dass nur objektive Faktoren der Assimilation theoretisch und empirisch analysiert werden. Die zuvor skizzierte Darstellung der psychologischen Forschung hat deutlich gemacht, dass die subjektive Interpretation objektiver Faktoren, oder Waren im Sinne des Ansatzes sozialer Produktionsfunktionen, die Assimilationsstrategien beeinflusst. Ferner sollte noch viel genauer diskutiert werden, warum die Bildung ein entscheidender Faktor ist, der Zugänge zur Angleichung von Lebensstandards beeinflusst. Das gilt aber auch für viele andere Theorien und Studien, die in der Forschungsübersicht präsentiert und diskutiert wurden.
110 Ein genaueren Beschreibung des Human Capital Ansatzes im Vergleich zu anderen Theorien und mit Blick auf die ökonomische Integration von Immigranten bieten meines Erachtens Van Turbergen, Maas und Flap (2004).
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7.2
Resümee zu den Sozialwissenschaftlichen Strukturtheorien
Resümiert man die hier exklusiv diskutierten Strukturtheorien der Sozialwissenschaften exklusiv in dem Sinne, dass die Prozesstheorien in ihren Teilen immer auch Strukturtheorien darstellen - dann bleiben am Ende für die sozialpsychologische Analyse mehr Fragen offen als beantwortet werden. Die wesentliche Frage ist, wie psychologische Faktoren, das heißt zum Beispiel individuelle Bewertungen, intergruppale Differenzierungen oder Identitäten und Identifikationen, in die Analysen auf der Theorieebene inkorporiert werden können. Positiv ist aber hervorzuheben, dass die Ansätze eine Reihe von Aspekten deutlicher und genauer als die Theorien zuvor fassen. Erstens wird die Frage nach dem Stellenwert der sozialen Ungleichheit deutlicher thematisiert. Soziale Ungleichheit ist ein zentrales Phänomen, das sich in Akkulturationsprozessen ergibt. Empirisch sind zwnindest in den ökonomischen Dimensionen Ungleichheiten zwischen Neuankömmlingen in einer Kultur und einheimischen Gruppen trotz der Assimilationsbemühungen relativ stabil. Die Theorien versuchen genauer der Frage nachzugehen, wie soziale Ungleichwertigkeit, die Akkulturationsprozesse behindern, reproduziert wird. Dazu adaptieren sie zweitens das Konzept des sozialen Kapitals. Dieses scheint sich für die Analyse von Akkulturationsprozessen anzubieten, wäre meines Erachtens aber genauer auszuformulieren. In diesem Zusammenhang wird, drittens, die Frage nach der Bedeutung von Communities oder Gemeinschaftsbildungen (Kolonie, Enklaven im Sinne eines sozialen Kapitals etc.) gestellt. Inwiefern behindern oder fördern sie die Assimilation? Dabei wird, viertens, genauer als in den Ansätzen zuvor und mit aktuellen Daten die Frage nach den Generationenunterschieden aufgeworfen, das heißt nach den Akkulturationsprozessen in der ersten und nachfolgenden Generationen. Die Daten zeigen deutliche Unterschiede, die theoretisch noch genauer zu klären sind. Das impliziert, dass die Prozesse der Akkulturation zwischen den Generationen unterschiedlich sind, was auf Differenzen im sozialen und ökonomischen Kapital zurückgeführt wird. Dabei kommt, wie viele Studien zuvor gezeigt haben und einige Ansätze es deutlich postuliert haben, der Bildung als soziales Kapital ein besonderer Stellenwert zu. Ein alleiniger Rekurs auf den Sozialkapital-Ansatz ist meines Erachtens aber nicht hinreichend, berücksichtigt man zum Beispiel, dass Generationen sehr unterschiedliche Aufgaben und Funktionen für die Akkulturation übernehmen können oder müssen.u' Eine sozialpsychologische Perspektive auf Akkulturation, wie sie im nächsten Kapitel zusammengefasst wird, fokussiert keine sozialisationstheoretische oder entwicklungspsychologische Analyse von Akkulturationsprozessen, sondern geht implizit davon aus, dass die relevanten Konstrukte zunächst generationenunabängig sind, sich aber empirisch generationsspezifisch auswirken. Das heißt nicht, dass Generationenunterschiede im Prozess negiert werden. Mir ist nur bislang keine Studie bekannt, die theoretisch abgeleitete Prozessmodelle über die Akkulturation von unterschiedlichen Generationen geprüft hat, das heißt ein Modell über die Differenzen in den Prozessen entwickelt hat. In der Regel sind die 111 Vergleiche z.B. die Studie von [ones und Trickett (2005), die zeigt, dass Jugendliche Immigrantenhier russische Aussiedler in den USA - eine wesentliche ,cultural broker' Funktion für ihre älteren Verwandten übernehmen müssen. Das lässt sich mit den hier skizzierten Ansätzen nicht einfach erklären.
529
Studien generationsspezifisch angelegt, oder es werden vergleichende Studien zu singulären Konstrukten (Identitäten, Sprachaneignung, Entwicklungsaufgaben etc.) durchgeführt. Damit wurde bislang in der Forschung eine Tradition etabliert, die entwicklungspsychologische oder sozialisationstheoretische Analysen von anderen separiert. Differenzen in den Akkulturationsprozessen der ersten und nachfolgenden Generationen sind dabei ein besonderes Thema in der Akkulturationsforschung. Einige Modelle der psychologischen Forschung gehen explizit darauf ein, indem sie entwicklungspsychologische Aspekte berücksichtigen (vgl. v.a. die psychologischen Identitätsmodelle in Kap. 4.2; vgl. aber auch Oppedal, 2006). Auf Studien, die Generationenunterschiede deutlich machen, wurde in der vorliegenden Studie an vielen Stellen eingegangen. Was aber - das sei hier wiederholt - immer noch fehlt ist eine Theorie der Generationenunterschiede selbst. Auch die hier skizzierten Strukturtheorien bieten dazu nur erste Ansätze.
530
8.
Eine Theorie akkulturativer Verortung
Zum Abschluss wird ein resümierender Blick auf das Phänomen und den Prozess der Akkulturation geworfen. Dabei werden wesentliche Erkenntnisse aus der Forschungsübersicht zu einer Theorie zusammengeführt. Diese ist insofern interdisziplinär, als sie sich aus den diskutierten psychologischen und sozialwissenschaftliehen Erkenntnissen begründet. Sie trägt dabei eine deutlich sozialpsychologische Prägung, was zunächst bedeutet, dass sie die Aneignung neuer kultureller Umwelten und die Veränderungen, die daraus resultieren, als Phänomene individueller, gruppaler und kontextueller Verortungen betrachtet und Akkulturation als eine Veränderung interkultureller Beziehungen verstanden wird. In fünf aufeinander aufbauenden Annahmen wird die Theorie umrissen. Diese werden ausführlich erläutert und um weitere Annahmen ergänzt. Dabei wird zugleich eine Reihe von zukünftigen Forschungsfragen aufgeworfen. Am Ende werden forschungspolitische Gesichtspunkte, Fragen der Methodologie sowie Interventionsaspekte und gesellschaftspolitische Fragen gestellt.
8.1
Standort der Akkulturationsforschung " ... acculturation refers sirnply to the degree to which people change when faced with the situation of living in a cultural context differing frorn their own. (... ) How an individual adapts to a change in cultural context is a central question in the study of acculturation..." (Chiriboga, 2004, S. 274-275),
so lautete die einführende Definition der Akkulturation von Chiriboga (2004), mit der die Übersicht und Begründung der Akkulturationsforschung eingeleitet wurde. Die Definition macht deutlich, dass das Phänomen der Akkulturation für jeden Menschen und für die Gruppen, in die sie eingebunden sind, zentraler Bestandteil der Geschichte ist. Menschen wechseln ständig kulturelle Kontexte, versuchen neue kulturelle Systeme anzueignen und sind damit in Akkulturationsprozesse involviert. Sie reichen von der Aneignung einer Familien- oder Freizeitkultur bis zur Adaptation vollkommen neuer, fremder Kulturen in Folge unfreiwilliger Flucht und Vertreibung oder der Invasion durch Fremde. Dabei finden sich in modemen Gesellschaften Akkulturations- und Mobilitätsprozesse, die bislang vornehmlich bei Migranten festgestellt wurden, zunehmend in ähnlicher Weise bei Mitgliedern autochthoner Cruppen.!" Akkulturation ist eine conditio humana. Mit Blick auf die wirtschaftliche Globalisierung, weltweite kriegerische Auseinandersetzungen, die zunehmende Mobilität und den rapiden Wandel von Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten mag sie 112 Vgl. dazu auch die Thesen von Gans (2007).
531
aktuell die Lebenswirklichkeit von Menschen mehr prägen denn je. Der wiederholte Blick auf Wanderungsbewegungen, mit denen die Übersicht begann und die nach Forschungslage im Zentrum der Akkulturationsforschung liegen, zeigt wie bedeutsam das Phänomen der Akkulturation ist. Nach Analysen des UN-Bevölkerungsfonds und der International Organization of Migration lebten Ende des 20. Jahrhunderts 120 Millionen Menschen außerhalb ihres Geburtslandes. Noch größer wird die Zahl derjenigen geschätzt, die innerhalb ihres eigenen Landes vor Unterdrückung und gewalttätigen Auseinandersetzungen geflüchtet sind, oder auf der Suche nach Arbeit wandern und in neuen Umwelten akkulturieren (vgl. Angenendt, 2005,bzw. Einleitung). Die Analyse der Akkulturation sollte allein deshalb zentraler Bestandteil der verhaltens- und sozialwissenschaftliehen Forschung sein. Sie ist es aber nicht, trotz der enorm vielen Theorien und Studien, die ausgemacht werden konnten. Das liegt meines Erachtens vor allem daran, dass die Akkulturationsforschung ein äußerst disparates Forschungsfeld ist. Von einem systematischen Forschungsfeld konnte man bislang nicht reden. Zudem weist die Akkulturationsforschung Defizite auf. Santisteban und Mitrani kritisieren noch im Jahr 2003 das, was sich als psychologische Akkulturationsforschung versteht, in acht schwerwiegenden Punkten: 113 1. Akkulturation werde primär als unidimensionales und statisches Konzept untersucht. 2. die Messinstrumente seien nicht hinreichend und ungenügend. 3. die meisten Forschungsarbeiten der Akkulturationsforschung ignorierten makrosoziale Einflüsse. 4. Akkulturation werde primär als Phänomen nach der Immigration betrachtet, womit der Erkenntnisbereich erheblich eingeschränkt wird. 5. Akkulturationserfahrungen von Kohorten werden als monolithisch und uniform betrachtet. 6. ethnische Minderheitenfamilien würden als passive Rezipienten ihrer Umwelt betrachtet. 7. transnationale Erfahrungen und Identitäten würden übersehen. 8. die Forschungsthemen werden in der Regel auf einzelne oder wenige zumeist ethnische Gruppen eingeschränkt. Letzteres hat meines Erachtens die Forschung zu einem Aggregat an Einzelfallanalysen verkümmern lassen. Ähnliche Kritik findet sich auch innerhalb der sozialwissenschaftliehen Migrationsforschung (TreibeI, 2003). Die Beschreibung dieser Zersplitterung der Forschung erhärtet den Argwohn, dass es so etwas wie eine Akkulturationsforschung nicht gibt oder geben kann. Mit der vorliegenden Übersicht wurde daher als Minimalziel versucht, den Forschungsbereich zu bestimmen. Das Maximalziel bestand darin, das Phänomen der Akkulturation, seine Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen zu verstehen. Um beides zu erreichen war es notwendig, eine systematische und vollständig neue Aufarbeitung des Forschungsfeldes durchzuführen. Das konnte in vier Arbeitsschritten erreicht werden: 1. die Entwicklung einer genauen Begrifflichkeit jener Konstrukte, die im Zentrum der Forschung stehen, und die explizite Nennung der Propositionen über die Begriffe (Kap. 2). 2. die Recherche wesentlicher Theorien in verschiedenen Disziplinen, denn nur sie leiten Annahmen ab, die empirisch qualitativ oder quantitativ prüfbar sind. 3. die Differenzierung von Prozesstheorien (Kap. 4 und 5), die primär sind, weil Akkulturation als Prozess definiert ist, und Strukturtheorien (Kap. 6 und 7), die spezifische Faktoren, die auf den Prozess wirken, berücksichtigen. 4. die
113 Dabei werfen sie einem besonderen Blick auf die Sozialisation in Familien, der hier jedoch zurückgestellt wird.
532
umfangreiche Diskussion der Theorien mit Bezug auf empirische Belege und Widersprüche sowie mit Blick auf haltbare Annahmen. Auf der Grundlage dieser interdisziplinären Sichtung der Wissensbestände konnte eine neue Perspektive erarbeitet werden, die jetzt zu einer Theorie formuliert werden kann. Diese Theorie akkulturativer Verortung ist gekennzeichnet durch fünf zentrale Annahmen, die auf der Forschungsübersicht basieren. Sie löst deutlicher als bisher ein viel beschworenes interdisziplinäres Verständnis von Akkulturationsprozessen ein. 114 Die Theorie stellt nicht das Individuum und seine Dispositionen in den Vordergrund und auch nicht die makro-sozialen Veränderungen kultureller Systeme, sondern die Wechselwirkung von Individuum, Gruppe und Kultur mit einem besonderen Fokus auf interkulturelle Beziehungen. Im Folgenden wird die Theorie durch die Erörterung der zentralen Annahmen entwickelt, und es werden Aufgaben und Strategien der Akkulturationsforschung formuliert. Zunächst erfolgen jedoch eine Standortbestimmung der Akkulturationsforschung und eine Begrenzung dessen, was sie überhaupt leisten kann.
8.2
Vorraussetzungen und Annahmen der Theorie akkulturativer Verortung
Die Perspektive auf den Prozess der Akkulturation, die hier begründet wird, hat drei Vorrausetzungen, die Grenzen des (von mir) Erkennbaren setzen: Sie ist wenigstens in den Grundalgen (eher) sozialpsychologisch, etisch und empirisch. Meines Erachtens bietet die sozialpsychologische Perspektive einen konstrukt-adäquaten und zugleich interdisziplinär konsensfähigen Zugang zum Phänomen der Akkulturation. Nicht nur der Erkenntnisgegenstand ist primär sozialpsychologisch, sondern es hat sich auch gezeigt, dass im Zentrum der meisten Theorien, egal welcher Provenienz und Disziplin/ Fragen, Annahmen und Konstrukte stehen, die nicht allein aber doch hauptsächlich sozialpsychologisch sind. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Konzentration der Mehrheit der Ansätze auf das Konstrukt der Identität. Daraus folgt aber nicht, dass Akkulturationsforschung ein Teilbereich der Sozialpsychologie ist. Die Sozialpsychologie der Akkulturation bildet gewissermaßen den Ausgangspunkt der Analyse, weil sie genauer als andere Disziplinen Akkulturation als Einbindung von Menschen mit ihrer spezifischen sozialen Konstitution (soziale Motive, Einstellungen, Dispositionen etc.) in den kulturellen Kontext (anderer Gruppen, Werte, Normen) versteht. Sie ist aber nicht hinreichend, weil sie spezifische Phänomene (Konstrukte) und ihre Beziehungen außer Acht lässt. Dazu gehören zum Beispiel Lernprozesse, die interkulturelle Kommunikation, Stressphänomene, oder der Einfluss gesellschaftlicher Strukturen. Dabei fragt eine sozialpsychologische Perspektive auf theoretischer Ebene zunächst nach Universalien, das heißt nach universalen, von einer spezifischen Kultur unabhängigen Gesetzmäßigkeiten der Prozesse und Strukturen. Ihr Ausgangsstandpunkt ist etisch, das heißt sie fragt zunächst ohne Blick auf kulturelle Besonderheiten .von außen/ nach beobachtbaren, regelmäßigen Ursachen, Akkulturationsphänomenen und -folgen, die dann in je spezifische kulturelle Kontexte transformiert und emisch beobachtet und interpretiert werden können (vgl. Kap. 4.11.2). Nimmt man diese Perspektive ein, sind konkrete interessie-
114 Was Berry, Kim und Boski (1988) bereits sehr früh eingefordert haben.
533
rende Akkulturationsphänomene auf der Grundlage von kontextunspezifischen universalen Konstrukten und deren Relation zu erklären. Auf diese Weise werden sozialpsychologische Gesetzmäßigkeiten und Einflussfaktoren des Prozesses der Aneignung kultureller Umwelten bestimmt. Mit einer universalen Perspektive ist also explizit die Annahme verbunden, dass Akkulturationsprozesse trotz der unterschiedlichsten Formen der Aneignung von kulturellen Umwelten durch verschiedene Gruppen und ihre Mitglieder ähnlich sind. Bei allen Spezifika, die zum Beispiel eine ethnisch-kulturell geprägte Migration hat, können die psychologischen Bedingungen der Kulturaneignung von Migranten und so genannten Einheimischen ähnlich sein. Zum Beispiel können sich Identitätskonstruktionen aufgrund veränderter Umwelten nach ähnlichen Prinzipien entwickeln, verlaufen und auswirken. Kulturrelativistische Positionen nehmen eine radikal andere Position ein (siehe Kap. 2). Zum Teil unterscheidet sich diese Grundperspektive auch von sozialwissenschaftlich geprägten Migrationsstudien, in deren Fokus spezifische Migrationsphänomene und kulturelle Charakteristika stehen (Kap. 5 und 7). Aus Sicht der Kulturvergleichenden Psychologie (Berry et al., 2002) ist die Suche nach Universalien mit dem Hinweis heftig kritisiert worden, dass Akkulturationsphänomene quasi nur von innen, das heißt aus dem Kontext heraus mit Bezug auf konkrete Zeiten und Räume, sowie der der Sichtweise der Akkulturierenden verständlich sein können. Das muss sich aber nicht ausschließen. Das etische Erkenntnisinteresse ist Ausgangspunkt und Ziel, was aber nicht heißt, dass emische Analysen überflüssig sind. Im Gegenteil, es muss jeweils geprüft werden, inwieweit grundlagenwissenschaftliche sozialpsychologische Theorien etwa über Gruppenprozesse, sozial kognitive Prozesse etc., auf die Analyse des kulturellen Phänomens der Akkulturation übertragen werden können oder Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Eng damit verbunden ist eine zweite Vorrausetzung oder Begrenzung des Dargestellten und Erkennbaren, die jedoch die Restriktion einer etischen Sicht überwindet: Die Perspektive ist empirisch. Das heißt die Zuverlässigkeit von theoretischen Annahmen, werden nach Maßstäben der empirischen Forschung bemessen. Auf dieser empirischen Ebene zeigen sich dann auch die spezifischen emischen Phänomene und Prozesse. Die empirische Perspektive impliziert keine Gewichtung von qualitativen oder quantitativen, experimentellen oder nicht experimentellen Methoden, oder eine Präferenz für spezifische Erhebungsmethoden.!" Von diesem Standort aus, ist auf der Grundlage der Forschungsübersicht die Bestimmung einer Theorie der akkulturativen Verortung möglich. Diese basiert auf fünf Grundannahmen: 1. Akkulturation ist ein Prozess der Veränderung von Individuen, Gruppen und/oder kulturellen Systemen, die dadurch zustande kommt, dass Mitglieder einer Gruppe versuchen, sich in der kulturellen Umwelt einer anderen Gruppe zu verorten, indem sie versuchen, diese anzueignen. 2. Der (sozialpsychologische) Prozess ist geprägt durch interkulturelle Beziehungen, das heißt Gruppenwahmehmungen, Kontakte zwischen Gruppen, Interaktionen und Kommunikation. In dem Prozess kommen kulturell differente Gruppen bezie115 Die Methodologie der Akkulturationsforschung entspricht mit all ihren gegenwärtigen Unzulänglichkeiten von denen noch die Rede sein wird, vor allem der Methodologie der Kulturvergleichenden Psychologie (siehe unten, oder vgl. Berry, Poortinga, Segall & Dasen, 2002, Kap. 11).
534
3.
4. 5.
hungsweise deren Mitglieder in Kontakt, und es werden Prozesse der Aneignung oder Ablehnung kultureller Systemen in Gang gesetzt. Der Akkulturationsprozess ist dadurch geprägt, dass in der Regel Mitglieder einer kulturell neuen (fremden) Gruppe versuchen, den kulturellen Kontext einer etablierten Gruppe anzueignen beziehungsweise zu adaptieren, wobei die Mitglieder etablierter Gruppen darauf reagieren. Akkulturation ist ein Prozess, der durch die Balancierung von Beziehungen, Differenz und Verortung geprägt ist. Phänomene, die den Prozess der Akkulturation beobachtbar prägen, sind aus der Interaktion individueller und Umweltfaktoren zu erklären.
Im Folgenden werden die Annahmen Schritt für Schritt erörtert und die darin erwähnten Konstrukte und deren Relation präzisiert. Dabei bauen die Annahmen aufeinander auf und sie greifen ineinander über. Zugleich werden im Rekurs auf die vorangehenden Erkenntnisse Forschungslücken und Fragen für die zukünftige Forschung aufgeworfen.
8.3
Akkulturation als Prozess der Veränderung
Die erste Annahme ist die umfassendste Annahme, und sie stimmt weitgehend mit der grundlegenden Definition von Akkulturation überein, wie sie in vielen Ansätzen verwendet wird (Kap. 2). Sie besagt, dass Akkulturation ein Prozess der Veränderung von Individuen, Gruppen und/oder kulturellen Systemen ist, die dadurch zustande kommt, dass Mitglieder einer Gruppe versuchen, sich in der kulturellen Umwelt einer anderen Gruppe zu verorten, indem sie versuchen, diese anzueignen.
Wie die Forschungsübersicht zeigt, analysiert die Akkulturationspsychologie, welche psychologischen und sozialen Prozesse stattfinden, wenn Mitglieder einer kulturellen Gruppe in Kontakt mit den Mitgliedern einer Gruppe kommen, die sie als kulturell different wahrnehmen, und eine Gruppe versucht, die Kultur der anderen Gruppe anzueignen, das heißt zu adaptieren (Kap. 2.1.2). Ich bin der Meinung, dass sich die in der vorliegenden Arbeit identifizierten Theorien und Modelle, die die Akkulturationsforschung ausmachen, unter dieser grundlegenden Annahme einbinden lassen. Zweitens können auf der Grundlage dieser Annahme divergente Theorien gegenübergestellt werden, die unterschiedliche Annahmen dazu haben, welche Veränderungen sich bei Individuen, Gruppen und Kulturen - den drei zentralen Entitäten - ergeben, welche Faktoren für sie verantwortlich sind und wie Prozesse der Aneignung verlaufen. Drittens fällt auf, dass die Grundfrage der Forschung sozialpsychologisch ist. Die umfassende Annahme 1 wird nun genauer begründet und ihre Konstrukte werden näher bestimmt. Dazu empfiehlt es sich, zunächst die genannten Entitäten, die den Prozess konstituieren, zu bestimmen, denn ihre Definition hat Folgen für die gesamte weitere Diskussion.
535
8.3.1
Akkulturation als Veränderung von Kulturen, Individuen und Gruppen
Die erste Entität des Akkulturationsprozesses sind die Individuen. Sie stehen im Zentrum vieler Analysen der psychologischen Akkulturationsforschung, die nach der psychologischen Anpassung fragen (zum Konstrukt der psychologischen Anpassung Kap. 2.3.1). Im Gegensatz zu einer engen individualpsychologischen Sicht ist das Individuum auf der Grundlage der kulturellen Einbindung zu verstehen. Das heißt: Individuen, die im Akkulturationsprozess sind, werden beeinflusst von der Zugehörigkeit zu einer Kultur, selbst dann, wenn sie kulturell extrem marginalisiert sind. Darauf hat bereits die Migrationsforschung der 1930er Jahre verwiesen (Kap. 5.1). Wesentlich zur Bestimmung der Individuen tragen die Ansätze und Studien zum Zusammenhang von Persönlichkeit und Akkulturation bei (Kap. 6.1) sowie Culture Shock Theorien (Oberg, 1960; ABC-Modell nach Ward, Bochner & Furnham, 2001; Wachstumsmodell nach Kim, 2001, 2005), aber auch viele Studien und Ansätze zu gesundheitlichen Folgen von Wanderung (vgl. auch die Diskussion persönlichkeitspsychologischer Ansätze bei Sam und Berry, 2006). Erstaunlicherweise konzentrieren sich aber auch viele sozialwissenschaftliche Migrationstheorien auf psychologische Phänomene bei Indivdiuen, wie zum Beispiel die Erfahrung des Kulturschocks, individuelle Assimilation usw. (Kap. 5). Viele sozialwissenschaftliche Theorien entwickeln geradezu individualpsychologische Thesen, auch wenn sie nicht explizit auf psychologisches Wissen zurückgreifenY6 Nimmt man eine radikale Position ein, dann könnten die Veränderungen der Entität Individuum, aber auch die individuellen Bedingungen für die Akkulturation oder Folgen für das Individuum, durch das Konstrukt der Persönlichkeit bestimmt werden. Die Diskussion der Frage, welche spezifischen Persönlichkeitsfaktoren für die Akkulturation maßgeblich sind, ist aber ernüchternd. Empirische Studien zeigen immer wieder, dass Dispositionen im Sinne von Traits oder States kaum eine Rolle spielen und schon gar nicht systematische Zusammenhänge zwischen bestimmten Dispositionen und Adaptation identifiziert werden können (vgl. v.a. Kap. 6.1). Zusätzlich liegen kaum Theorien der Akkulturation von Persönlichkeit vor. Das nehmen viele Ansätze zum Anlass, personalen Faktoren keine Bedeutung beizumessen, weshalb sie in empirischen Studien nicht analysiert oder kontrolliert werden; auch wenn das angesichts der unklaren empirischen Lage vorschnell erscheint. Und jene Theorien, die etwa durch Mega- oder Rahmenmodelle (Kap. 3.2, 4.5.1) Dispositionen aufführen, tun das ohne theoretisch gut begründete Thesen über die kausalen Beziehungen zu anderen Faktoren, Ausdrucksformen der Adaptation oder Outcomes. Als maßgeblich wird dagegen von den allermeisten Theorien das Individuum in seinen sozialen Bezügen gesehen. Dabei wird die soziale Identität als Schlüsselphänomen betrachtet, das die Entität Individuwn phänomenal repräsentiert; auch deshalb werden das Konstrukt und seine Bezüge im vorliegenden Kapitel ausführlich bestimmt. Berücksichtigt man diese Erkenntnis und den Ansatz der Akkulturationsforschung, den Zusammenhang von Individuum, Gruppe und Kultur und die Veränderung zu analysieren, dann liegt das nahe, was modeme Netzwerktheorien und Identitätstheorien mehr oder weniger explizit postulieren 116 Auch damit markiert die Forschungsübersicht ein Problem, das hiermit überwunden werden sollte. Sozialwissenschaftliche Theorien könnten über die vorliegende Arbeit ihre Thesen genauer theoretisch und empirisch untermauern.
536
(Kap. 4, insbesondere Kap. 4.2 und 4.8): Die Differenz der Entitäten Individuum und Gruppe löst sich auf, wenn beide Entitäten durch die Entität des .Individuums-in-seinensozialen-Beziehungen' repräsentiert sind. Das ist der Fall, wenn Individuen auf der Grundlage ihrer Mitgliedschaften zu kulturellen Gruppen bestimmt werden. Auch die intensive und umfangreiche Forschung über Akkulturationsorientierungen spricht theoretisch und empirisch, zwn Beispiel durch die Differenzierung von öffentlicher und privater Sphäre, dafür, Individuen nicht nach Dispositionen sondern nach ihren sozialen Bezügen zu betrachten (siehe Kap. 6.3). Die relevante mikro-soziale Analyseebene einer sozialpsychologisch orientierten Akkulturationsforschung entspricht daher einer Ebene, auf der weniger intra-personale als vielmehr interpersonale oder intergruppale Beziehungen von Individuen und deren Repräsentation untersucht werden (zu den Analyseebenen vgl. Kap. 2.1.2). Zu diesen wesentlichen Repräsentationen gehören nach der Theoriediskussion das Selbstkonzept und - wie genannt - die Identität, personale soziale Beziehungen und Netzwerke im Nahraum, interpersonale und intergruppale Kontakte sowie kognitive und affektive Prozesse, die durch die kulturelle Umwelt inklusive der Gruppen geprägt sind.
Die zweite Entität des Akkulturationsprozesses ist die Gruppe. Als meso-soziale Analyseeinheit stellen sie nach Diskussion der Theorien die wohl wichtigste Entität dar, weil vielfach postuliert wird, dass Akkulturation ein Gruppenphänomen ist; wie zuvor bemerkt. Das besondere Merkmal der Akkulturationsforschung ist, dass sie interkulturelle Beziehungen fokussiert, in denen eine oder mehrere Gruppen versuchen, die Kultur einer anderen Gruppe zu adaptieren, und es so zu Veränderungen auf beiden Seiten kommt. Wie oben ausgeführt, ist das wichtigste soziale Merkmal, dass Akkulturation in Gang gesetzt wird, wenn sich kulturell differente Gruppen begegnen. Akkulturationsprozesse sind notwendig, weil sich die Mitglieder kultureller Kategorien und Gruppen unterscheiden und dadurch Akkulturationsprozesse im Sinne wechselseitiger Adaptationsprozesse notwendig sind. Sie sind vor allem deshalb notwendig, wenn und weil sich die Mitglieder allochthoner und autochthoner Gruppen auf der Grundlage ihrer Mitgliedschaft zu bestimmten Kulturen definieren oder auf der Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu sozialen Kategorien definiert werden. Das hat die Forschungsübersicht vielfach bestätigt. 117 Die Forschungsübersicht bestätigt, dass Ansätze der Intergruppenforschung, und hier besonders der Sodal Identity Approach (Kap. 4.2.5) und mit ihr verbundene Theorien wie die Integrated Threat Theory (Kap. 4.5.3), oder alternative Gruppentheorien wie die Social Dominance Theory (Sidanius & Pratto, 1999) und Theorien über Vorurteilen und Diskrimi-
117 Eine radikale Gruppenperspektive würde die Akkulturation exklusiv als Gruppenphänomen betrachten und annehmen, dass die Entität Individuum keine Rolle spielt. Gruppen sind ihr zufolge mehr als Aggregate, die aus Individuen bestehen, die bestimmte Merkmale teilen, wie zum Beispiel die ethnische Herkunft. Die radikale Sicht erfordert aber, dass in der Akkulturationsforschung Gruppenphänomene auch als solche analysiert werden. Ein radikaler Ansatz würde Gruppenphänomene und die Gruppendynamik in den Mittelpunkt stellen. Erstaunlicherweise werden etablierte gruppendynamische Prozesse (Group Mind, Deindividuation, Gruppenkommunikation etc.; vgl. Brown, 1988) in der Forschung relativ selten explizit angewendet. Netzwerkanalysen kommen einer gruppendynamischen Sicht noch am nächsten, ihnen fehlt jedoch eine explizite Analyse von Akkulturationsphänomen, das heißt sie lassen offen, wie Kultur durch Netzwerke angeeignet wird (Kap. 4.8).
537
nierung - mithin Theorien des Gruppenkonfliktes - überzeugende Zugänge zur Entität Gruppe bieten (vgl. auch Wagner & Zick, 1990 zur Übersicht). Vor allen anderen Theorien bietet meines Erachtens dabei die Social Identity Theory von Tajfel und Turner (1979, 1986) den überzeugendsten Zugang, das Konstrukt der sozialen Identität, das die Entität der Gruppe repräsentiert, im Akkulturationsprozess genauer zu verstehen. Eine Gruppe in Sinne der Theorie ist eine sinnvolle soziale Kategorie, die eine Selbstbewertung ermöglicht und damit zu einem Teil des Selbstkonzeptes wird. Dabei sind zwei für die Akkulturationsforschung prägende Merkmale der Entität Gruppe relevant, die auch später für die Entität Kultur charakteristisch sind.l" Erstens sind in der Akkulturationsforschung die interkulturellen Beziehungen zunächst so definiert, dass eine Gruppe oder deren Mitglieder, die in den friihen Ansätzen als fremd klassifiziert wurden (siehe Kap. 4.1, 5.1, 5.2., 5.3), versuchen eine dominante Kultur zu adaptieren, und es daher zu Akkulturationsprozessen kommt (siehe oben). Damit steht in der Akkulturationsforschung per definitionem (Annahme 1) eine Veränderung der interkulturellen Beziehungen aller Gruppen eines kulturellen Systems sowie des kulturellen Systems selbst im Vordergrund (Kap. 2, siehe unten zum Aspekt der Veränderung). Eine entscheidende Frage ist meines Erachtens, wie Dominanzoerhiiltnisse, die durch das kulturelle System geprägt sind, durch Gruppenbeziehungen aber auch Individuen repräsentiert sind und reproduziert werden. In Annahme 3 wird das genauer erläutert. Zweitens sind interkulturelle Differenzen zwischen Gruppen maßgeblich für die Akkulturation. Das Merkmal verbindet die Entität des Individuums mit jener der Kultur und Gruppe, insbesondere aber die Gruppe mit der folgenden Entität; auch diese Annahme wird im Anschluss an die Bestimmung der Entitäten genauer erläutert.
Die dritte Entität, die Akkulturationsprozesse prägt und ihnen unterliegt, ist die Kultur oder das kulturelle System. Diese Entität musste vor der Forschungsübersicht genauer definiert werden (Kap. 2). In vielen Theorien und Studien der Forschungsübersicht hat sich gezeigt, dass diese Verweise auf Kultur machen und scheinbar davon ausgeht, dass klar ist, was Kultur ist. Das ist oft der Fall, wenn etwa von kulturellen Gruppen, interkulturellen Beziehungen etc. die Rede ist. Es fällt auch auf, dass häufig in empirischen Studien die Entität Kultur mit einer Gesellschaft oder Nation gleichgesetzt wird, was unproblematisch ist, wenn das begründet wird. Ähnliches gilt für Verweise auf soziale Kategorien, wie Ethnizität oder Rasse, die als kulturelle Konstrukte aufgefasst werden. Da aber oft die genaue Definition fehlt und keinesfalls klar und Konsens ist, was Kultur ist, wurde gleich zu Beginn im zweiten Kapitel die Entität Kultur genauer definiert (Proposition 22 bis 30). Die Diskussion ergab, dass auf der Grundlage des Kulturkonzeptes vier Merkmale für die Bestimmung interkultureller Beziehungen maßgeblich sind: Kultur als Referenzrahmen, Kontakte und Differenzen, Dominanzoerhdlinisseund Balance. Erstens, stellt Kultur für Indivdiuen und Gruppen einen Referenzrahmen durch einen Satz an Werten, Normen, Verhaltensweisen, Statusbeziehungen und Symbolen bereit, der Individuen und Gruppen einbindet und sie unterscheidet. Sie bieten Optionen der Adaptation, Orientierung und 118 In diesem Sinne verstehen auch Schwartz, Montgomery und Briones (2006) das Konstrukt der Identität. Allerdings wird hier eine einfache Adaptation der Social Identity Theory zur Bestimmung des Konstrukts der Identität als nicht hinreichend betrachtet (vgl. Box 4.4 in Kap . 4.2.5).
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Verortungen. Dieser Referenzrahmen mag fuzzy, implizit, variable oder konstruiert sein (Kap. 2.4.1)/ aber er ist aus empirischer Perspektive zumindest in Aspekten bestinunbar, eben als Gefüge sozialer Kategorien, das durch Nonnen, Werte, Verhaltensregeln, Symbole Statusbeziehungen, Raum- und Zeitaspekten geprägt ist. Diese Elemente dienen der Orientierung und Verortung im Sinne einer Identifikation, die kulturelle Identität herstellt. Akkulturation umfasst damit (auch und zentral) die Veränderung dieses Systems und der darin enthaltenen Elemente . Damit sind interkulturelle Beziehungen möglich und sinnvoll und die Frage der Adaptation wird relevant. Die in Annahme 1 postulierte Verortung, die gleich genauer bestimmt wird, ist möglich, weil Kulturen ein System zur Kategorisierung sozialer Gruppen bestimmen. Das kulturelle System drängt dabei nach einer Balance (Harmonie), die verhindert, dass die interkulturellen Differenzen zwischen Gruppen innerhalb eines gemeinsamen kulturellen Systems so geschaffen sind, dass sie nicht das gemeinsame kulturelle Referenzsystem gefährden. Dabei schließen sie - wie genannt - Individuen und Gruppen ein und aus (horizontale Differenzierung) und sie ordnen Individuen und Gruppen entlang eines Status-Kontinuums von .unten' und ,oben' an (vertikale Differenzierung); auch das wird noch genauer erläutert. So einfach das zunächst klingt, aber für die Analyse von Akkulturationsprozessen ist zu beachten, dass a) Kultur eine Entität ist, die Grenzen setzt, indem sie Nonnen, Werte, Gesetze markiert, in deren Grenzen akkulturative Aneignung stattfinden kann. b) Individuen und Gruppen Kultur aneignen, ablehnen oder zu verändern suchen und c) sich im Akkulturationsprozess auch die Entität Kultur verändert. Meines Erachtens stimmt diese Sicht auch mit einer sozialwissenschaftliehen Sicht überein, die stärker die Frage der strukturellen Bedingungen von Kultur in den Vordergrund rückt (Kap. 5 und 7). Modeme Migrationstheorien, die für die Akkulturationsforschung relevant sind, basieren auf einem vergleichbaren Verständnis von Kultur als Referenzsystem. Zweitens sind Akkulturationsprozesse bestimmt durch den realen oder auch nur imaginierten Kontakt der Mitglieder unterschiedlicher Kulturen und dieser ist bestimmt durch die genannten Merkmale der Differenz zwischen kulturellen Systemen (Kap. 6.5). Einige Theorien der Akkulturation rekurrieren auf diese Cultural Difference Annahme in unterschiedlicher Weise, wesentlich ist aber zunächst, dass die Differenz zwischen Kulturen Akkulturation notwendig macht, und das heißt interkulturelle Kontakt erzwingt. Dabei sind zwei Differenzen maßgeblich, wie die Übersicht zeigt. In formalisierter Ausdrucksweise geht es tun die Differenz zwischen Kultur X von Neuankömmlingen und Kultur Y von Einheimischen, sowie die Differenz von X und Y zu einer gemeinsamen übergeordneten Kultur Z. Es wird mehr oder minder explizit auch von den Rahmentheorien (v.a. Berry, 1997a/b, 2003) und Cultural Fit und/oder Cultural Match Theorien, die sich mit dem Einfluss von kulturellen Differenzen genauer befassen (v.a. Searle & Ward, 1990;Ward & Kennedey, 1993b;Ward & Chang, 1997; Wong-Rieger, 1982/1984)/ postuliert. Im Kontext der Bestinunung sozialer Beziehungen und Akkulturation ist ein drittes Merkmal relevant. Kulturals Entitätbeeinflusst Akkulturation durch diesie bestimmenden Statusund Dominanzunterschiede zwischen Gruppen. Da in der Regel Akkulturationsprozesse einsetzen/ wenn Neue, also Mitglieder einer differenten Kultur die Mainstreamkultur Einheimischer adaptieren oder zurückweisen, wird die Kultur der Einheimischen und ihre Merkmale zum Maßstab, in dem Maße wie Kultur als Entität ihre Mitglieder mit Status und Macht, also Einfluss ausstattet. Dieses Verhältnis prägt die Forschung, wird aber erst hier explizit gemacht, weil es durch die Diskussionen der Theorien und Studien nahegelegt wird. Am
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deutlichsten wird dies noch in Gruppenkonflikttheorien kenntlich (Kap. 4.5.3). Wie gezeigt werden konnte, bieten die Integrated Threat Theory von Stephan und Stephan (1985, 1992), die Sodal Dominance Theory von Sidanius und Pratto (1999), Gordons (1975) Assimilationstheorie sowie Albas (2005) Revision des Assimilationsmodells Möglichkeiten einer theoretischen Fundierung des Zusammenhangs von Kultur und Dominanz. Ohne explizite Aussagen zur Entität der Kultur zu machen, zeigen sie, dass Machtdifferenzen (hier zwischen kulturellen Systemen gedacht) die Affekte (z.B. Bedrohungsgefühle), Kognitionen (z.B. Einstellungen) und Verhaltensweisen (z.B. Diskriminierungen), die Grenzen zwischen sozialen Kategorien (Alba, 2005) und Identitäten bestimmen, sowie maßgeblich Einfluss auf die Ausbildung und Aktivierung von Ideologie ihrer Mitglieder zur Akkulturation prägen (z.B. Akkulturationsorientierungen) (vgl. Kap. 4.9, 5.4, 6.3.1). Ein viertes (sozialpsychologisches) Merkmal von Kultur als Entität, das auch die interkulturellen Beziehungen von Gruppen bestimmt, besteht darin, dass kulturelle Systeme nach Balance streben. Mit der Balance ist zunächst gemeint, dass die definierenden Elemente von Kultur (Werte, Normen, Gruppenbeziehungen) nicht so konfliktär sind, dass sie die Kultur gefährden. Viele Theorien und Studie der Psychologie und Sozialwissenschaften basieren implizit auf der Annahme, dass Kulturen mehr oder minder harmonische, das heißt widerspruchfreie Systeme sind, die durch die Differenz zu anderen kulturellen Systemen gefährdet werden können. Deutlich wird das zum Beispiel durch die derzeitige heftige Diskussion um die Toleranz gegenüber dem als fremd definierten Islam in westeuropäischen Gesellschaften. Akkulturationsprozesse sind geprägt von und beeinflusst durch Konflikte zwischen kulturell differenten Gruppen, die sich negativ auf die individuelle Adaptation auswirken. Meine These ist, dass das übergeordnete kulturelle System dann reagiert, wenn die negativen Auswirkungen das System gefährden, also die Merkmale des Referenzrahmens in Frage stellen. Die Merkmale der Kultur setzen dabei Grenzen für die Entitäten Individuum und Gruppe, indem sie markieren, was zur Kultur gehört oder nicht (2.1.1). Im Zusammenhang zum gerade erwähnten Beispiel wird das deutlich durch den Verweis europäischer Kulturen auf christliche oder demokratische Werte und Normen, die Grenzen für Neuankömmlinge anderer kultureller Systeme setzen und zugleich die Differenz zwischen Kulturen kenntlich machen. Auf dieser Grundlage der Bestimmung der Entitäten, kann die Verbindung zwischen den Entitäten verstanden werden. Entsprechend den Annahmen besteht Kultur aus sozialen Kategorien und bietet sie an, wobei die Kategorien mit Symbolen, Normen, Werten, Handlungsweisen etc. - eben den definitorischen Merkmalen von Kultur - verbunden sind. Identifizieren sich Individuen mit den kulturell relevanten Kategorien, werden zwei Prozesse in Gang gesetzt: Der entscheidende sozialpsychologische Prozess besteht darin, dass Individuen einen Teil des Selbst anhand der Merkmale von Kulturen und Gruppen definieren und so eine kulturell determinierte Identitäten ausbilden, die den Akkulturationsprozess prägen. Auf diese Weise wird die Kultur an Gruppen und an Individuen vermittelt. Die Identitätsentwicklungsmodelle zeigen wie Transformationen und Transmissionen biographisch verlaufen (Kap. 4.2; zur Transmission vgl. auch Schönpflug, 2009). Einige wenige modeme Theorien haben den Transformationsprozess auf der Ebene individueller Informationsverarbeitung etwas genauer beschrieben (vgl. v.a. Florack, 2000; Ward, 1996). Auch sozialwissenschaftliche Modelle, wie jenes von Esser (1980), leisten wichtige Beiträge zur der Frage
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der Transmission zwischen den Entitäten. Diese Prozesse beschreiben den wesentlichen Aspekt des Phänomens der Verortung von Individuen in Kulturen, das genauer erläutert wird, nachdem geklärt ist, was mit der Akkulturation als Prozess der Veränderung gemeint ist. Zuvor gilt das Interesse jedoch einem anderen Aspekte der Annahme 1. Nachdem die Entitäten bestimmt sind, kann geklärt werden, was mit dem Prozess der Veränderung gemeint ist. Die Theoriendiskussion hat deutlich gemacht, dass in der wissenschaftlichen Pr äzisierung dessen, wie der Veränderungsprozess zu bestimmen ist, sich erhebliche Differenzen zwischen den Theorien ergeben. Es erstaunt umso mehr, dass sich trotz der vielfältigen Prozesstheorien, eine genaue Präzisierung dessen, was damit gemeint ist, fehlt. Die Annahme, dass Akkulturation ein Prozess der Veränderung ist, ist nach der Theorie akkulturativer Verortung mit drei spezifischen Aspekten verbunden: einer diachron zeitlichen Prozessvorstellung, einer synchron kausalen Prozessvorstellung und den besonderen Merkmalen der Veränderung. Diese Aspekte werden in den folgenden drei Abschnitten erläutert.
8.3.2
Akkulturation als zeitlicher Prozess
Eine Variante, den Veränderungsprozess zu verstehen, besteht darin, ihn diachron zeitlich zu bestimmen. Insbesondere die Prozesstheorien (Kap. 4 und 5), die qua definitionem auf der Grundlage ihres prozessoralen Charakters von Strukturtheorien (Kap. 6 und 7) unterschieden wurden, schlagen explizit unterschiedliche Modelle über die chronologische Abfolge von Prozessen der Akkulturation vor. Die prominentesten Modelle postulieren bestimmte Phasen, Stufen und Abfolgen von Akkulturationsschritten (Kap. 4.3, Kap. 5.2). Maßgeblich sind hier die sozialwissenschaftlichen Stufenmodelle der Assimilation (Kap. 5.2), die auch in der Psychologie (Kap. 4.3) referiert und zugrunde gelegt werden. Auf einer mikro-sozialen Ebene schlagen darüber hinaus Identitätsentwicklungsmodelle (Kap. 4.2) Stufen- und Phasen der Ontogenese der Akkulturation und Enkulturation vor. Akkulturation wird von ihnen auf der Grundlage von Identitätsentwicklungen verstanden. Allerdings hat die Diskussion der Modelle ergeben, dass die Vorstellung von chronologisch relativ starren, nicht synchronen, linearen Akkulturationsstufen oder -phasen weder theoretisch noch empirisch haltbar ist. Einige neuere Prozesstheorien verfolgen gar nicht mehr die Idee, dass der Akkulturationspozesses in bestimmten Phasen verläuft. So hat Kim (2001, 2005) mit Bezug auf den Kommunikationsprozess ein dynamisches Wachstumsmodell vorgeschlagen, in dem Adaptationsprozesse nicht linear, sondern mit Vor- und Rückwärtsbewegungen einhergehen (Kap. 4.7). Allerdings hat die Zurückhaltung, den Akkulturationsprozess in Phasen oder Stadien zu denken, auch dazu geführt, dass die empirische Zuordnung analysierter Phänomene in der Chronik ungenau ist. Eine minimale Überlegung dazu, welche Phase eine Theorie erklärt oder eine Studie empirisch fokussiert, wäre zur Beurteilung einiger Befunde wissenschaftlich hilfreich. Die Theorie akkulturativer Verortung postuliert, dass Akkulturationsprozesse nach Stadien der Akkulturation, in denen sich Personen und Gruppen befinden können, differenziert werden. Das bietet eine wichtige Orientierung und ermöglicht zum Beispiel spezifische Theorien und empirische Phänomene danach zu unterscheiden, auf welche Phase des Akkulturationsprozesses sie sich beziehen. Das zeigt sich deutlich in der Entwick-
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lung von Theorien der Rückkehr (so genannte Re-Entry-Modelle (Kap. 4.10), oder spezifisch zum Beispiel in Horenzyks (1996) Adaptation des Modells nach Berry (1986) für Flüchtlinge . Auch hat sich mehrfach der Befund gezeigt, dass die Aujenthaltslänge, wenn sie erfasst wird, einen erheblichen Einfluss auf die Adaptation hat. Der Faktor Aufenthaltslänge wird in den meisten Analysen jedoch kaum theoretisch hergeleitet, und er wird in den Interpretationen empirischer Befunde nicht als Hinweis auf bestimmte Phasen oder Stadien des Akkulturationsprozesses interpretiert, die einer gewissen Regel unterlaufen. Meines Erachtens ist es aber hilfreich für die Bestimmung des Veränderungsprozesses anzunehmen, dass Effekte der Aufenthaltslänge auf unterschiedliche Phasen und Stadien zurückgehen, die für die Wahrnehmung, Interaktion und Kommunikation relevant sind. Das heißt zum Beispiel auch, dass sich im diachronen Prozess Akkulturationsorientierungen unterscheiden und, wie Zick und Six (1997a/b, bzw. Kap. 6.3.1) zeigen, Individuen ein Bewusstsein des Prozesses haben, der sich in der Akkulturationsorientierung ausdrückt. Auch in Bezug auf gesundheitliche Phänomene und Folgen, also die psychologische Anpassung, wurde gezeigt, dass das Stadium der Adaptation relevant ist für die Analyse und Erklärung. Ebenso zeigt sich im Rahmen der Diskussion sozialwissenschaftlicher Prozessmodelle, dass der Race Relation Cycle (Kap. 5.3) durchaus Prozessstufen gut beschreibt, damit eine Orientierung bietet und sich das Grundmuster an Stadien der Adaptation empirisch durchaus finden lässt. Indirekt wird meines Erachtens ein chronologisches Prozessverständnis auch von Rahmenmodellen der Akkulturation vertreten, etwa wenn sie grob Einflussfaktoren vor und während der Emigration unterscheiden; ohne aber genau diese Ordnung zu bestimmen (Kap. 3.2, 4.5.1). Das wird auch postuliert, wenn angenommen wird, dass die Zeit einen Einfluss auf die Qualität und Quantität interkultureller Kontakte hat (Kap. 6.5). Und dennoch fehlt heute, wohl angesichts der empirisch unklaren Lage und der überzeugenden Kritik an den theoretisch starren Stufen- und Prozessmodellen (Kap. 4.3.1), ein idealtypisches chronologisches Modell der Akkulturation, das weniger als die frühen Stufenmodelle auf spezifischen Theorien basiert und dadurch eingeengt ist. Bei aller Kritik ist aber eine Phänomenologie wesentlicher Phasen des Prozesses nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil anhand eines Zeitrasters Interpretationsfehler vermieden werden können. Wird die in den genannten Ansätzen postulierte Meinung geteilt, dass Akkulturationsphänomene sich in frühen und späten Stadien der interkulturellen Begegnung unterscheiden und dies einen Einfluss auf nachfolgende Phänomene hat, dann wäre es relevant zu wissen, auf welche zeitliche Phase sich Annahmen beziehen oder empirische Prüfungen richten. Daher wurde bereits zu Beginn in Kapitel 2 ein idealtypischer Zeitrahmen des Akkulturationsprozesses vorgeschlagen, der nicht wie die Phasen- oder Stufenmodelle einen expliziten theoretischen Fokus hat (Kap. 4.3.1 und 5.3). Er soll helfen, den Prozesscharakter von Akkulturation genauer zu verstehen, indem er zeitlich fixiert wird und so Forschungsthemen, -perspektiven und empirische Phänomene chronologisch genauer bestimmt werden können. Es wird angenommen, dass sich neun Phasen des Akkulturationsprozesses unterteilen lassen, die phänomenal beschrieben werden als Kündigen, Gehen, Ankommen, Hineinkommen, Verorten, Differenzieren, Etablieren und das eventuelle Zurückgehen. Sie sind in Tabelle 8.1 aufgeführt. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf verwiesen, dass diese Chronik idealtypisch ist und eine Arbeitsgrundlage bietet. Man könnte die gesamte Akkulturationsforschung einer solchen Chronik zuordnen, aber das wiederum würde zuvor einer Diskussion chronologischer Systematiken bedürfen, und dabei ist eben zu be-
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denken, dass insbesondere die Kommunikations- und Interaktionstheorien (Kap. 4.7) einer chronologischen Kausallogik widersprechen, und nur äußerst wenige empirische Studien definitive Phasen empirisch zeigen (siehe Kap. 4.3.2).
Tab. 8.1
Idealtypische Chronik des Akkulturationsprozesses in Phasen
Phase 1. Un-/freiwillige Entscheidung zu Gehen 2. Prozess der Auswanderung 3. Erstkontakt 4. Intensiver interkultureller Kontakt 5. Adaptation (1) 6. Adaptation (2) 7. Integration/Separation [8. Auswanderung 9. Re-Akkulturation
Dimension Prozessphänomen prä-akkulturativ Kündigen Übergang Gehen Kontakt Ankommen Interaktion Hineinkommen Ein/Entbindung Verorten Annahme/Zurückweisung Differenzieren Balancierung Etablieren Übergang Zurückgehen post-akkulturativ Re-Etablieren]
Die Phasen, die man auch als Schritte bezeichnen kann, sind durch die spezifischen Dimensionen geprägt, die dem im zweiten Kapitel zugrunde gelegten Akkulturationskonzept entsprechen, sowie durch eine weitere Differenzierung nach dem allgemeinen Prozessphänomen. Sie sind zunächst nur aus Sicht einer Gruppe verfasst, die versucht, eine neue Kultur zu adaptieren, also einer allochthonen Gruppe; das entspricht auch dem Hauptfokus der Forschung. Akkulturationsphasen autochthoner Gruppen werden anschließend bedacht.!" Der Chronik zufolge beginnt (idealtypisch) der Akkulturationsprozess mit der freiwilligen und/oder unfreiwilligen Entscheidung einer Person oder Gruppe, ihre Herkunftskultur zu verlassen. Phänomenal psychologisch wird der Prozess als Kündigen im Sinne der freiwilligen oder unfreiwilligen Kündigung des psychologischen Vertrages mit der so genannten Herkunftskultur initiiert. Das ist insofern ein neuer Gedanke, als dass das Konzept der inneren Kündigung in den Akkulturationstheorien bislang nicht herangezogen worden ist. Auch ist der Begriff des Kündigens relativ stark, denkt man daran, dass auch Individuen, die zum kurzfristigen Arbeitsaufenthalt in einer anderen Kultur (Gesellschaft) ihre herkömmliche Kultur verlassen. In gewissem Sinne kündigen aber auch sie die Regel, sich eng in der gewohnten Kultur aufzuhalten und dort ihr Leben zu organisieren. Evidenz zu der Phase ist in der Forschung zu den Push- und Pull-Faktoren (Kap. 5) sowie in der Forschung über Flüchtlinge, die unfreiwillig ein Land verlassen, zu finden (Ward, Furnham & Bochner, 2001). Prä-akkulturative Faktoren, wie zum Beispiel traumatische Kriegserfahrungen bei Flüchtlingen, Deprivationserfahrungen, Akkulturationsorientierungen etc., sind hier bedeutsam, die sich auf den nachfolgenden Prozess auswirken können, indem sie zum Beispiel Erwartungen an die Erfahrungen in einer neuen Kultur prägen (Sicherheiten, Realisierung von Wünschen, sozialer Aufstieg etc.). Die Rahmenmodelle haben einige präakkulturative Faktoren differenziert (Kap. 3.2, Kap. 4.5.1), auch wenn die Differenzierung
119 Es muss nicht noch einmal gesondert betont werden, dass sie leider kaum Gegenstand der Forschung sind.
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bislang nicht explizit in Theorien eingebettet ist. Theoretisch gut begründete Annahmen über prä-akkulturative Faktoren gibt es bislang kawn, entsprechend rar sind empirische Studien. Prä-akkulturative Faktoren werden zudem in der Regel retrospektiv durch Selbstberichte nach dem Kulturwechsel erhoben und nicht synchron zwn Zeitpunkt der Entscheidung, ein Land zu verlassen und/oder eine Kultur zu wechseln oder sogar aufzugeben; eben des zum Zeitpunkt des Kiindigens. Ansätze der Migrationsforschung, die Push- und PullFaktoren in Migrationsländern untersuchen, sind genauer. Sie haben in der Regel aber noch keine hinreichende Anbindung an die Akkulturationsforschung. An dieser Stelle muss auch noch einmal ausdrücklich betont werden, dass leider bislang kaum Langzeitstudien vorliegen, die vor der Emigration beginnen und die Akkulturation in an ihren Phasen verfolgt und mehr Auskunft über prä-akkulturative Prozesse geben können. Als zweite Phase folgt der Prozess der (Aus-)Wanderung, also des Gehens von der einen in die andere Kultur. Einige Transitionsmodelle haben das im Blick, beziehen sich aber nicht auf die eigentliche Phase des Übergangs, wie zum Beispiel die Phase der Flucht, Wanderung etc. (vgl. Kap. 4, dort besonders Cross, 1971; Olmedo und Padilla, 1978; Padilla, 1980). Auch die diskutierten Klassifikationen von Wanderungstypen sind relativ nahe an dieser Phase orientiert, sind aber nicht überzeugend (Kap. 6.1). Dabei liegen etwa im Rahmen des Social Identity Approach (Kap. 4.5.2) Modelle vor, die man auf diese phänomenale Phase des Übergangs anwenden könnte (z.B. Deaux, 1996). Der wesentliche Charakter dieses Stadiums ergibt sich aus der Differenz zur nachfolgenden Phase. Es ist anzunehmen, dass Übergangsphasen Ausnahmezustände sind, weil nicht die Frage der Ablegung von Herkunftskulturen oder der Adaptation neuer Kulturen im Vordergrund steht, sondern die Erfahrung der Übergangsphase selbst. 120 Es lässt sich darüber hinaus annehmen, dass Individuen und Gruppen für den Übergang spezifische Akkulturationsstrategien entwickeln, insbesondere dann, wenn Übergangsprozesse klar definiert sind, wie zum Beispiel im Fall befristeter und mehrmaliger Aufenthalte in einer Kultur (Gastarbeit etc.), Während die ersten beiden phänomenalen Phasen wissenschaftlich unterbeleuchtet und kaum Gegenstand der empirischen Akkulturationsforschung sind, sind die nachfolgenden Phasen, mit Ausnahme der neunten Phase der Re-Akkulturation, primärer Gegenstand der Akkulturations- und Migrationsforschung. Erweitert man den Gedanken einer idealtypischen Phasenfolge, ist es vorstellbar, dass die folgenden Phasen bis zur neunten Phase aufeinander aufbauen, das heißt der Abbruch einer Phase dazu führt, dass die zuvor genannte Phase wieder durchlaufen wird. Die dritte Phase ist phänomenal als Ankommen beschrieben. Sie ist geprägt durch den Erstkontakt der Mitglieder einer Kultur mit den Mitgliedern einer neuen Kultur und wngekehrt. Diese Stufe ist der klassischen Definition von Akkulturation als Veränderung nahe, die sich aus dem Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen ergibt (Kap. 2), und sie sollte deshalb Hauptgegenstand empirischer Analysen sein. Das ist aber nicht der Fall, wie gezeigt wurde (vgl. v.a. Kap. 6.5). Auch hier könnten spezifische Bedingungsfakteren die Akkulturation beeinflussen, die nur in diesem Stadium eine Rolle spielen. Die Prozessmodelle beziehen ihre Thesen und Studien meines Erachtens, wenn auch in der Regel 120 In Anlehnung an die Identitätstheorie nach Erikson (1969, 1968) könnte man die Phase als Moratorium bezeichnen, was aber auch nicht ganz zutreffend ist, weil im Moratorium spezifische Identitäten und nicht die Erfahrung des Moratoriums im Vordergrund steht.
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nicht differenziert genug, auf diese Phase des Ankommens bis zur achten Phase. Insbesondere Schock-Modelle (Kap. 4.4) und Marginalisierungstheorien (Kap. 5.1) legen Annahmen zu dieser Prozessphase nahe. 121 Die Diskussion der Schock-Theorien zeigt, dass der Erstkontakt mit Stresserfahrungen einhergehen kann und dabei vor allem Unsicherheit und Angst erzeugt. Die frühen sozialwissenschaftliehen Modelle postulieren darüber hinaus, dass in frühen Akkulturationsphasen Marginalisierungsphänomene auftreten, die dazu führen können, dass Neuankömmlinge in diesem Stadium verharren können (Kap. 5.1). Aber auch die Analysen zur Kontakthypothese könnten einen Beitrag zum Verständnis dieser Phase leisten (Kap. 6.5). Sie zeigen insbesondere welche Kontextbedingungen gegeben sein müssen, damit interkulturelle Kontakte positiv verlaufen. Dabei ist meines Erachtens der Kontakt eng im Zusammenhang mit Kategorisierungsprozessen zu analysieren. Wie in Kapitel 6.5 und an vielen Stellen in Kapitel 4 gezeigt, führen Kontakte zur sozialen Kategorisierung des Selbst und anderer, und diese Kategorisierung beeinflusst die nachfolgenden Phasen. Das ist auch insofern relevant, als Individuen psychologisch trotz eines zeitlich ausgedehnten Aufenthaltes in einer ihnen fremden Kultur lange in der Phase des Ankommens verharren können, die dann zu den von den Sozialwissenschaften gut beschriebenen Separations- und Segregationsphänomenen führen können (Kap. 5 und 7). Eine wesentliche Ursache dafür könnte darin bestehen, dass sie sich und andere nicht angemessen kategorisieren können. Das ist jedoch eine These, die zwar logisch aus den psychologischen Theorien hervorgeht, empirisch aber erst zu untersuchen ist. Dass die Erfahrungen in der Stufe des ersten Kontaktes besonders sind und sich spezifische Einstellungs-, Wahmehmung- und Erfahrungsmuster ergeben, zeigt sich auch in den Studien, die sich auf das frühe Stadium der Adaptation konzentriert haben (siehe v.a. Kap. 4.4; zu eigenen Studien zum Erstkontakt Driller & Hoffmann, 2002). Insgesamt liegt aber verhältnismäßig wenig Wissen zu dieser ersten Phase des Kontaktes in einer neuen Kultur vor. Forschungspolitische Gründe (Finanzierung von aufwendigen Studien vor der Ausreise) und methodologische Gründe (Problem der Stichprobenziehung, Sprachprobleme etc.) scheinen dafür verantwortlich. Sie wären eher zu überwinden, wenn theoretisch überzeugende Konzeptionen zu dieser und den vorangehenden Phasen vorlägen. Die Überwindung einer Phase des Ankommens führt von einem ersten sicheren Ort, der sich durch die Findung von selbstwertdienlichen Kategorien ergibt, zu einem intensiveren interkulturellen Kontakt, der deutlicher durch die Interaktion und Kommunikation, also durch die Beziehungen zwischen kulturell differenten Gruppen, geprägt ist. Phänomenal kann aus der Sicht kulturell allochthoner Gruppen zunächst eine Phase des Hereinkommens in die Mehrheitskultur beschrieben werden. Diese vierte Phase wird meines Erachtens von den meisten Prozesstheorien beschrieben, denn sie konzentrieren sich auf Akkulturationsphänomene während des interkulturellen Kontaktes, die in der Interaktion von Neuankömmlingen in einer Kultur (Migranten etc.) entstehen. Primäres Ziel ist die Aneignung, die voraussetzt, dass Neuankömmlinge überhaupt in eine andere Kultur hineinkommen. Dazu müssen die Strukturen identifiziert werden, das heißt die kulturelle Umwelt muss verstanden werden, um handeln zu können. Von den Sozialwissenschaften wird die Phase mehr121 Eine Reihe anderer Ansätze nehmen weniger explizit an, dass die anfänglichen Kontakte (Erstkontakte) besonders prägend für die Wahl von Adaptationsstrategien sind (vgl. Kap. 6.5 sowie Aponte & Barnes,1995).
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heitlich als erste Stufe der Assimilation verstanden. Viele Stufen- und Phasenmodelle wären hier anschlussfähig (Kap. 5.2). Zu dieser Phase des intensiven Austausches legen insbesondere Interaktions- und Kommunikationstheorien sowie Theorien sozialer Netzwerke wichtige Annahmen vor (vgl. Kap. 4.7 und 4.8). Sie verstehen die Phase als einen Prozess der Aushandlung und der Etablierung von sozialen Netzen und Unterstützungssystemen. Davon abgesetzt sind die Phasen 5 und 6, die jedoch auch zeitlich parallel zur Phase des Hereinkommens verlaufen können, daher ist ihre Abgrenzung nicht einfach. Sie dient zunächst analytischen Zwecken der Zuordnung von Theorien und Befunden und eines besseren Prozessverständnisses. Mit dem Hineinkommen in eine Kultur setzen idealtypisch Phasen der Adaptation ein. Dabei unterscheide ich die erste und zweite Adaptation. Im ersten Schritt erfolgt eine erste Verortung, die auf der Einbindung in ein neues kulturelles System und/oder eine Entbindung von herkömmlichen oder neuen Kulturen basiert. Sie ist als Konstituierung einer neuen mehr oder minder definiten, konsistenten und kongruenten kulturell geprägten sozialen Identität zu verstehen, die auf den in der vorherigen Stufe gefundenen Kategorien basiert. Ich unterstelle, dass die meisten Akkulturationstheorien damit übereinstimmen (Kap. 4). Der Gewinn von sozialen Identitäten ist Grundlage für die Frage der Einbindurig und Entbindung der Merkmale der Entität Kultur, sei es der so genannten Herkunfts- oder Aufnahmekultur sowie der Identitäten, die im sechsten Schritt maßgeblich für den Akkulturationsprozess sein können; die Konstrukte der Einbindung und Entbindung werden gleich genauer bestimmt. Dabei orientiert sich ein Großteil der Forschung auf Fragen der Einbindung in Mehrheitskulturen und der Entbindung von Herkunftskulturen, vor allem bei Migranten. Die Sozialwissenschaften diskutieren dagegen viel stärker die Einbindung in ethnisch-kulturell homogene Herktmftsgruppen in einer neuen Kultur (Communities, Enklaven etc.; vgl. Kap. 5). Fast überhaupt nichts ist dagegen bekannt über Einbindungen und Entbindungen von Kulturen auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft, die zum Beispiel durch die Zuwanderung kulturell differenter Gruppen in Nachbarschaften ausgelöst werden können. Auch durch Zuwanderungen anderer und die damit entstehende soziale Heterogenität können sich bei ihnen herkömmliche Kategorisierungen ändern, sich soziale Identitäten verschieben, sich Kontakte und Beziehungen ändern. Auf der Grundlage einer Einbindung von Individuen in Kulturen und Gruppen kann in Phase 6 eine Adaptation erfolgen, die sich aus der Annahme und/oder Zurückweisung von Kulturen und Gruppen erweist. Sie ist deutlicher als die Phase der Verortung. also der Konstituierung von Identität, von der Frage der Annahme oder Zurückweisung geprägt, also von interkulturellen Differenzierungsprozessen, die durch die sozialen Identitäten motiviert sind (Kap. 4.2). Die Feststellung und Bewertung von kultureller Differenz zu anderen Gruppen eines neuen oder tradierten kulturellen Systems prägen den Akkulturationsprozess in dieser Phase. Viele Theorien operieren mit dem Konstrukt der kulturellen Differenz und lassen sich hier anschließen (Kap. 4 und 5). Folgt man der Forschtmgsübersicht, liegt die Annahme nahe, dass in der Phase der Differenzierung Vorurteile, Diskriminierungen und anderen Indikatoren kultureller Differenzen eine besondere Rolle spielen und die Akkulturation bestimmen, indem sie Adaptationsprozesse beeinflussen. Das heißt auf der Crundlage von Identitäten ergeben sich Differenzen und für Neuankömmlinge stellt sich zunehmend die Frage der Annahme und/oder Zurückweisung von Kulturen bzw. deren Merkmalen. Erst auf der Grundlage der zuvor beschriebenen Prozesse ist meines Erachtens eine Etablierung möglich. Im siebten Schritt ergibt sich die Frage der Integration oder Separation,
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die als Pole eines Kontinuums zu verstehen sind. Jetzt kann eine mehr oder minder starke Integration in kulturelle Systeme erfolgen, oder sich Separation verfestigen. Beide erweisen sich der Forschungsübersicht zufolge auch in der Erreichung von Einfluss und Status. Die Integration entspricht dabei der Statuserreichung im dominanten Mehrheitssystem, aber auch die Separation, die Integration in die Mehrheitsgesellschaft behindert, erm öglicht Status, der jedoch eher innerhalb von Minderheitengruppen möglich ist. Auch der Aspekt der Statusdifferenzierung wird in den nachfolgenden Annahmen noch genauer bestimmt. Zudem ist festzustellen, dass sich die Prozess- und Strukturtheorien in dem unterscheiden, was sie als wesentliche Indikatoren von Akkulturationsergebnissen betrachten. Die frühen sozialwissenschaftlichen Modelle machen dazu klare Aussagen, in dem sie Annahmen über finale Zustände postulieren, wie eben die Assimilation oder Integration (Kap. 5). Psychologische Theorien sind zurückhaltender in Aussagen zu der Frage, wann Gruppen in einer neuen Kultur etabliert sind oder nicht. Sie teilen aber die Annahme, dass wesentliche Indikatoren der Adaptation, die man gut anhand der Adaptationsskalen (Kap. 2 bis 4) identifizieren kann, Resultate sind. Diese müssen nach Maßgabe der Theorien immer wieder von neuem erworben werden. Allerdings ist auch festzustellen, dass die Frage, welche Indikatoren Outcomes wie Integration, Separation etc. am besten beschreiben und repräsentieren, offen ist. Ein Vorschlag zu Integrationsindikatoren wird später präsentiert. Folgt man dem Modell und berücksichtigt die vorauslaufenden Dimensionen, dann könnte die relevante Dimension zur Differenzierung, wo Indivdiuen und Gruppen auf dem Kontinuum von Integration und Separation zu verorten sind, in der Balancierung von Identitäten und Differenzen bestehen. In Kapitel 4 und 5 konnte an vielen Stellen gezeigt werden, dass relevante und empirisch gut erforschte Prozesstheorien mit der Annahme übereinstimmen, dass die Harmonie interkultureller Beziehungen ein Indikator für eine erfolgreiche und unproblematische Adaptation ist. Die Balance ist noch genauer zu bestimmen. Erfolge oder das Ausmaß an Problemen wird durch die Theorie unterschiedlich bestimmt. Primär werden in der psychologischen Akkulturationsforschung Erfolge und Probleme durch die Stärke von Identitäten, das Ausmaß des Stresses und der interkulturellen Konflikte bestimmt. Das wird später aber noch genauer diskutiert. Zunächst reicht es festzuhalten, dass in der 7. Phase die Balance als Match oder Fit von Kulturen das Kriterium von Integration und Separation zu verstehen ist, wie viele Theorien postulieren (vg1. Kap. 4). Die achte und neunte Phase des idealtypischen Modells betrachten nur wenige Akkulturationstheorien und empirische Studien. Ein Teil der (ehemaligen) Neuankömmlinge in einer Kultur, aber auch der Einheimischen, entscheidet sich aufgrund akkulturativer Veränderungen, die durch die beschriebenen Prozesse zustande kommen, auszuwandern, sei es als Rückkehr, also zurückzugehen, oder als Wegzug in eine erneut fremde Kultur. Das idealtypische Modell postuliert, dass zunächst wieder eine Phase des Übergangs erfolgt, wie sie auch zu Beginn der Akkulturation durchlaufen wird. Auswanderer, die ehemals zugewandert sind, bewegen sich zwischen kulturellen Verortungen. Dass es den Übergang gibt, lässt sich aus den Übergangsmodellen ableiten. Allerdings ist über die hier postulierte Phase nichts bekannt. Dabei ist meines Erachtens gerade hier auch die Perspektive der Einheimischen oder besser Ansässigen zu bedenken, beziehungsweise die Perspektive von Mitgliedern eines kulturellen Systems aus dem andere Indivdiuen und/oder Gruppen auswandern. Eine wichtige Frage, die bislang ignoriert wurde, ist zum Beispiel: Was verändert sich bei Einheimischen und/oder ihrem kulturellen System, wenn Zugewanderte oder aber auch Ein-
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heimische gehen? Zurückgelassene kulturelle Systeme können bei starker Abwanderung zu gravierenden Problemen führen, weil häufig die besonders Motivierten und Besserausgebildeten eine Kultur (Land, Gegend) verlassen. Jüngst wurde dies auch für die Abwanderung aus den ostdeutschen Bundesländern in einer Studie unter dem Titel "Not am Mann" festgestellt (Kröhnert & Klingholz, 2007). Das Verlassen kultureller Systeme durch bestimmte Gruppen - im Falle Ostdeutschlands durch jüngere gebildete Frauen - führt zu massiven demographischen und sozialen Veränderungen. Ähnliche Bewegungen sind seit Jahren in anderen Ländern zu beobachten. Die Globalisierung der Märkte führt immer stärker zu neuen Akkulturationsprozessen und -phänomenen, wie in Kapitel 4.10 kenntlich gemacht wurde. Zu wichtigen Phänomenen gehören etwa ein Brain Drain, der die Abwanderung der Gutgebildeten und das Zurückbleiben der weniger gut Gebildeten und Leistungsschwächeren beschreibt, aber auch die Phänomene, die unter dem neuen Begriff des Trafficking summiert werden. Damit ist die illegale oder halblegale Einwanderung in ungesicherte, rechtlose, abhängige, ausnutzende Billigjobs umschrieben, zu den typischerweise die Prostitution, Haushilfe, Landarbeit oder die Arbeit auf dem Bau zählen (Adams, 1986). Das führt in der Kultur derjenigen, die die Orte nicht verlassen, zu Adapatationsanforderungen an eine veränderte kulturelle Umwelt. Akkulturationsforschung sollte über die klassische Analyse von Migrationsprozessen hinausgehen und Veränderungen gewissermaßen auf allen Seiten der an Wanderungsprozessen beteiligten Gruppen zum Gegenstand haben. 122 In der neunten Phase, die nach dem Weggehen einsetzt, sind re-akkulturative Prozesse notwendig und wahrscheinlich. Je nachdem, wie man die idealtypischen Prozessschritte auffasst, könnte man hier auch die zuvor erwähnten Reaktionen Einheimischer auf die Abwanderung ansetzen. Die Forschungsübersicht konnte in der Psychologie und den Sozialwissenschaften einige wenige Re-Entry-Theorien identifizieren, die sich mit dem neunten Schritt befassen (Kap. 4.10). Re-Akkulturationsprozesse sind jedoch bislang sehr selektiv untersucht worden sind (vgI. z.B. zur Rückkehr-Migration von türkischen Migranten aus Deutschland Bürkner, Heller & Unrau, 1987; Firat, 1990; Tufan, 1998; griechische ReMigration aus Deutschland Hatzichristou & Hopf, 1995; Kilzer, 1984; sowie Hertz, 1985).123 Die mangelnde Beachtung erstaunt insofern, als die Migrationsforschung schon zu Beginn der 1990er Jahre auf die Zunahme von Re-Migrationsprozessen südeuropäischer Migranten hingewiesen hat (z.B. King, 1993). Sie waren zu erwarten, denn die Anwerbung von Arbeitskräften in den 1960er Jahren war mit der Vorstellung verbunden, dass die "Gastarbeiter" re-migrieren. Staatliche Verbote der längeren Beschäftigung und später umfangreiche Rückkehrerprogramme, die mit finanzieller Unterstützung lockten, sollten die Re-Migration fördern. Wenn auch nicht im erwarteten Umfang war die AnzahI allein dieser Re-Migranten nicht gering, wie in Kapitel 4.10 berichtet. In einigen Übersichten, in denen die ReAkkulturation, Re-Integration etc. erwähnt sind, wird davon ausgegangen, dass ReAkkulturationsprozesse mit denselben Modellen wie die Adaptation an neue kulturelle Umwelten zu erklären sind. Insofern müsste man hier die oben genarmten Prozesse, die die
122 Dugan (2007) kritisiert in ihrem Review zu dem Handbuch von Sam und Berry (2006) in ähnlicher Weise die Konzentration der Akkulturationsforschung auf klassische Migrationsphänomene. Neuere Phänomene wie das"Trafficking" würden ignoriert. 123 Vergleiche auch Informationen der EU zum European Reintegration Networking (http://www.reintegration.net/).
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Aneignung einer neuen Kultur erklären, erwarten. Es ist meines Erachtens aber in der Regel nicht der Fall, geht man davon aus, dass die Wiedereingliederung mit spezifischen Anforderungen und Veränderungen verbunden ist, und die gesammelten Erfahrungen der ersten Auswanderung und die alten Erfahrungen mit der Herkunftskultur wesentlich sein dürften. Vorliegende empirische Studien unterstützen das Erkenntnisinteresse für den Schritt der ReAkkulturation eigenständige Modelle zu entwickeln. Das betrifft gleichermaßen Prozessund Strukturmodelle. Die Studien zur Ermittlung von Akkulturationsorientierungen legen zum Beispiel die Vermutung nahe, dass sich die Orientierungen je nach der Phase der Adaptation unterscheiden. 124 Die Skizze der Phasen und Prozesse, die Schritt für Schritt noch genauer beschrieben werden, zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Wissensbestände der Akkulturationsforschung anhand eines diachronen Phasenmodells zusammenzubringen. Der idealtypische Prozess wird dabei linear verstanden, was angesichts der modemen Theorien der Akkulturationsforschung, die einem linearen Prozessverständnis verhalten gegenüberstehen nicht unproblematisch ist (siehe oben). Modelle, die explizit eine zeitliche Einteilung von Akkulturationsprozessen zurückweisen, bilden den Prozess eher auf der Grundlage des folgenden Prozessverständnisses ab.
8.3.3
Akkulturationsprozesse als syru:hronkausale Abfolgen
Der Prozess der Akkulturation ist alternativ zum zuvor genannten zeitlichen Prozessverständnis auch als Abfolge von Ursachen und Folgen charakterisierbar. Der Prozess wird dabei synchron kausal verstanden. Die absolute Mehrheit der Theorien basiert auf diesem Paradigma und postuliert
damit ein spezifisches Prozessmodell. Das geschieht oft ohne jede weitere Erwähnung und notwendige Diskussion der prozessoral angeordneten Klassifikation von Faktoren im Zusammenhang zu einer zeitlichen Abfolge von Akkulturationsprozessen, also einem diachronen Verständnis. Prozesstheorien nehmen dabei stärker als Strukturtheorien an, dass bestimmte Ursachen, die von den Theorien unterschiedlich identifiziert werden, zeitlich nachgeordnete spezifische Folgen haben (Kap. 4). Besonders deutlich wird das in den MegaModellen der Akkulturation (Kap. 3.2), die versuchen eine abstrakte, umfassende und hoch inklusive Grundlage für Erkenntnisse der Akkulturationsforschung zu bieten. Methodisch ist dabei zu beachten, dass kausale Zusammenhänge zwar empirisch-phänomenal synchron vorkommen und analysiert, im Rahmen der Akkulturationsforschung aber oft diachron konzipiert werden, wie gerade genannt. Zum Beispiel geht Berry (1997, Kap. 4.5.1) in seinem viel zitierten Rahmenmodell davon aus, dass Faktoren vor der Emigration sich auf aktuelle Akkulturationserfahrungen auswirken, die dann Stress erzeugen, der dann bei diesem und jenem Einfluss von Moderatoren verarbeitet wird und daraufhin bestimmte adaptive Verhaltensweisen zur Folge hat. Das hat methodologische Folgen. Diachron kausale Theorien erfordern andere Designs und Methoden, wie zum Beispiel Längsschnittstudien (vgl. Berry,
124 Zumindest zeigt sich in einigen Studien, dass die Aufenthaltsdauer einen Signifikanten Einfluss auf die Wahl einer Orientierung hat (Kap. 6.3.2).
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2006) als synchron kausal modulierte Prozessmodelle. Synchron kausale Annahmen können aber auch mit experimentellen und quasi-experimentellen Methoden geprüft werden. Dabei könnten Akkulturationsprozesse und -phänomene, wie sie hier postuliert werden, weitaus besser und öfter als bislang simuliert werden. Erstaunlicherweise werden in der Akkulturationsforschung trotz der vielen Kausalannahmen der vorliegenden Theorien wenige Experimente durchgeführt (siehe unten zur Methodologie).
8.3.4
Akkulturationals Prozess der Veränderung
Eng mit den zuvor erläuterten Merkmalen ist ein drittes Merkmal des Prozesses verbunden, das alle Theorien hervorheben, weil es für die Akkulturationsdefinition in Annahme 1 festgeschrieben ist: Akkulturation ist ein Prozess der Veränderung. Akkulturationsprozesse, die durch die gegenseitige Aneignung von kulturellen Umwelten durch Personen und Gruppen geprägt sind, gehen mit Veränderungen von Individuen, Gruppen und kulturellen Systemen einher (siehe oben und Kap. 2). Veränderung ist in der psychologischen Akkulturationsforschung das maßgebliche Kriterium (Berry, 2003; Padilla & Perez, 2003). Akkulturation ist dabei von komplexen und variablen Veränderungen geprägt, die Individuen, Gruppen und Kulturen in spezifischen Zeiten und Räumen erfahren, beziehungsweise denen sie unterliegen. Die Sch1üsselfrage, die die Theorien zu klären suchen, ist: Was verändert sich im Akkulturationsprozess? Die Theorien sind gekennzeichnet durch Postulate darüber, welche Konstrukte sich durch Akkulturationsprozesse verändern (sollten) und die Änderung erzeugen (sollten). Zum Beispiel wird ersichtlich, dass sich aus psychologischer Perspektive vor allem Identitäten, Gruppenzugehörigkeiten und soziale Netze, Kontakte, Wahmehmungsmuster, Formen der Werte und Normen, Stressverarbeitung, Einstellungen, Motive, Persönlichkeitsmerkmale und Kommunikationsmuster verändern und dies zentrale Folgen hat. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht verändern sich nach Maßgabe der überzeugendsten Theorien zum Beispiel Statuspositionen, Netzwerke und Kommunikationsmuster, politische Einstellungen, das Maß der Integration und Partizipationen in Institutionen. Weitere Aspekte der Veränderung sind in den Diskussionen der entsprechenden Theorien festgehalten. In Box 8.1 sind separat wesentliche Annahmen, die in den Diskussionen der Theorien (Kap. 4 bis 7) resümiert wurden, zur Übersicht über zentrale Konstrukte, die sich ändern sollten, noch einmal abgedruckt. Die sozialpsychologisch bedeutsamsten Konstrukte der Annahmen in Box 8.1 sind kursiv hervorgehoben. Sie sollten sich ändern! Box 8.1 Wesentliche Annahmen der Akkulturationstheorien Akkulturation erzeugt Fremdheit und Marginalität. Eine ,gelungene' Akkulturation ist durch die Anpassung der kulturellen Identität der Neuankömmlinge an die Mehrheitskultur der Ansässigen (unidirektionaler Prozess) oder Balancierung der Herkunfts- und Aufnahme-Identitäten (bidirektionaler Prozess) gekennzeichnet. Die Aneignung neuer Umwelten verläuft in bestimmten Stufen, Phasen und Entwicklungsprozessen. Akkulturationsprozesse sind durch die Konstellation vielfältiger personaler und gruppaler Faktoren zu erklären (vor allem aber die Faktoren Kontakt, Identität, Stress). Der interkulturelle Kontakt muss als Schock verstanden werden und die Akkulturation als Prozess und Folge der Stressbewältigung.
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Die Adaptation neuer Umwelten ist als (Kultur-)Lernprozess und Erreichen von kulturellen Lernzielen zu verstehen. Die Adaptation erfolgt primär durch die interkulturelle Kommunikation. Die Adaptation ist von der sozialen Unterstützung beziehungsweise die Entwicklung sozialer Unterstützungsnetzwerke abhängig. Fremdheit, Entwurzelung und Randständigkeit sind zentrale Folgen der Aneignung. Die Adaptation ist Ausdruck und Folge spezifischer lnteraktionsprozesse. Adaptation ist zu verstehen als die Entwicklung sozialer Beziehungen. Akkulturation ist ein Phänomen individueller, biographischer Verortung und Aneignung und sozialer Konstruktion. Akkulturation ist eine Frage der Integration und Desintegration von Indivdiuen und Gruppen in einer Gesellschaft. Die Adaptation ist ein Identitätsphänomen, das durch den Identitätserhalt, -wechsel und -gewinn zu erklären ist. Die Akkulturation ist ein Phänomen der Adjustierung von Kulturorientierungen. Die Akkulturation ist Folge und Ausdruck generalisierter Akkulturationsorientierungen. Die Adaptation ist auf der Grundlage von interkulturellen Kontakten oder Kontaktkonstellationen zu verstehen. Die Rückkehr ist eine besondere Form der Akkulturation, die durch die spezifische Konstellation von Faktoren zu erklären ist . Die Akkulturation und Adaptation sind durch die Konstellation spezifischer soziokultureller und soziostruktureller (Kontext- )Faktoren zu erklären.
Um die Übersicht wahren zu können, das heißt Theorien und empirische Befunde besser nachvollziehen zu können und eine Perspektive zu gewinnen, wurde zu Beginn der Theoriendiskussion vorgeschlagen, Akkulturation und die den Prozess bestimmenden und veränderlichen Faktoren auf einer intra-personalen, interpersonalen, intergruppalen oder positionalen Erklärungsebene sowie als strukturell-gesellschaftliches oder kulturelles Phänomen zu verstehen ist (Kap. 2.1.2). Resümiert man die Theorien und Befunde und nimmt den Versuch ernst, die Prozesse und Strukturen, die Akkulturation bestimmen, integrativ zu analysieren, dann liegt die Annahme der hier postulierten Theorie akkulturativer Verortung nahe, dass Akkulturation ein Phänomen ist, das auf einem Reaktionskontinuum mit den Polen interpersonal und kulturell variiert. Das heißt zugleich, dass nach Forschungslage eine Reduktion der Analyse von Akkulturationsphänomenen auf individuelle Faktoren oder allein auf Kontextfaktoren nicht als sinnvoll beurteilt wird. Es heißt, zweitens, dass Akkulturation nicht intra-personal, sondern maximal inter-personal bestimmt ist. Drittens bedeutet das Postulat eines Kontinuums, dass die harte Trennung der Ebenen, selbst dann, wenn sie analytisch interessant ist, nicht sinnvoll ist . Es ist davon auszugehen, dass die Reaktionen, also die Affekte, Kognitionen, Verhaltensweisen, Identitäten etc., die die Theorien hervorheben oder sich empirisch zeigen, an den Extremenpolen inter-personaler Determination oder vollständig kultureller Bestimmtheit variieren. Dass eine Reduktion der Erklärung von Akkulturationsprozessen auf individuelle (eben intra-personale) Einflussfaktoren nicht sinnvoll ist, zeigt erstens die Diskussion der psychologischen Prozesstheorien, die das Konstrukt der Identität betonen (Kap. 4.2). Sie zeigen, dass Akkulturationsprozesse durch die Identifikationen mit Gruppen geprägt werden und zur Adaptation oder Zurückweisung von sozialen, das heißt im Kontext der Akkulturationsforschung kulturellen Identitäten führen. Zweitens zeigt die Diskussion jener Struktur-
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theorien, die den Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren in den Mittelpunkt stellen, dass zumindest die Forschung noch nicht so weit ist, nachzuweisen, dass spezifische Dispositionen mehr als andere Faktoren Akkulturationsphänomene erklären (Kapitel 6.1). Gegen die alternative Annahme, dass primär Kontextfaktoren, also zum Beispiel strukturelle Bedingungen die Akkulturation prägen, sprechen die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Forschung (Kap. 5 und 7). Sie zeigen, dass strukturelle Faktoren, wie zum Beispiel eine ungleiche Verteilung ökonomischer Ressourcen, Unterstützungen durch Bildungsinstitutionen etc., zwar Akkulturationsprozesse erleichtern, aber auch die soziologische Analyse solcher Faktoren nicht ohne eine Beachtung psychologischer Prozesse auskommt. Es konnte zum Beispiel festgestellt werden, dass objektive ökonomische Ressourcen Akkulturationsprozesse erleichtern, wenn sie als solche wahrgenommen und positiv interpretiert werden. Die klassische Trennung subjektiver und objektiver Faktoren nach psychologischen und soziologischen Ansätzen der Akkulturationsforschung ist mit der vorliegenden Forschungsübersicht empirisch notwendig und forschungspolitisch interessant, aber in Bezug auf die Analyse von Akkulturation ist die Konzentration auf objektive oder subjektive Faktoren obsolet. Keine überzeugende psychologische Theorie, die versucht, Akkulturationsprozesse oder spezifische Einflussfaktoren zu erklären, verweist nicht auf objektive strukturelle Bedingungen und keine überzeugende soziologische Theorie verweist nicht auf die Bedeutung psychologischer Faktoren. Folgt man der Forschungsübersicht, dann kann ferner die Annahme generiert werden, dass sich Akkulturation vor allem in einerVeränderung der interkulturellen Beziehungen zwischen Gruppen mit all ihren Aspektenmanifestiert, das heißt sie geht mit einerVeränderung von Identitäten, Interaktions- und Kommunikationsformen, Kontakten und der Wahrnehmung kultureller Ähnlichkeiten und Differenzen einher. Sie geht auchmit einerVeränderung der Entität Individuum und Kultur einher, die jedoch nach Lage der Forschung eher eine Konsequenz der Veränderungen auf der Gruppenebene sind, alsdas umgekehrt derFall ist.12S
8.3.5
Akkulturationals Prozess der Verortung
Im Gegensatz zu der herkömmlichen und etablierten Bestimmung von Akkulturation (Kap. 2) wurde durch die Forschungsübersicht die Annahme entwickelt, dass die Aneignung als ein Prozess der Verortung zu verstehen ist. Der Begriff ist in der Forschung nicht etabliert, kennzeichnet aber meines Erachtens ein interdisziplinär sinnvolles Konstrukt, das den Kern der Akkulturation zumindest aus psychologischer Perspektive erfasst. Verortung beschreibt
125 Die Feststellung, dass Akkulturation als Veränderung zu verstehen ist, hat - wie alle anderen Annahmen - wiederum Konsequenzen auf der methodischen Ebene, die noch genauer formuliert werden. Die empirischen Studien, die die Veränderungsannahmen einer Theorie prüfen, sollten Veränderung auch nachzeichnen. In den meisten Prozesstheorien werden zum Beispiel Stressverarbeitungs- und Identitätsänderungsprozesse postuliert, die mit problematischen und erfolgreichen Adaptationsstrategien zusammenhängen sollen. Bei dem Postulat bleibt es aber meist. Zusätzlich ist festzustellen, dass viele Prozesstheorien keine hinreichend genauen Veränderungsannahmen postulieren (siehe v.a. Abschlussdiskussionen in Kap. 4 und 5). Das hatte an vielen Stellen der Forschungsübersicht zur Folge, dass Forschungslücken oder Modifikationen von Theorien vorgeschlagen wurden. Methodische Probleme werden noch einmal separat in 8.3 aufgegriffen.
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einen Prozess, der nicht einfach auf alternative Konstrukte - vor allem jenes der Identifikation - reduziert werden kann. Was unter der Verortung zu verstehen ist, wurde zwar in den vorangehenden Kapiteln diskutiert und bei der Darstellung des idealtypischen diachronen Verlaufsmodells der Akkulturation skizziert und kann jetzt genauer bestimmt werden. Auf einem zunächst höheren Abstraktionsniveau spricht die empirische Evidenz für die Annahme: Wenn Veränderungen im Fokus stehen, werden sie als Folge eines Versuches von Individuen und/oder Gruppen einen Ort in der EntitätKultur zu finden, verstanden. Der Ort kann wie in den meisten sozialwissenschaftliehen Modellen (Kap. 5 und 6) strukturell verstanden werden, etwa als Position in einem sozialen Raum, die durch Arbeit, Wohnen, kulturelle Gemeinschaft etc. definiert ist. Psychologisch wird der Ort primär als soziale Kategorie verstanden, die mit einer Selbstbewertung von Indivdiuen verbunden ist, das heißt die Verortung kann als kategoriale und identitätsbezogene Verortung verstanden werden (Kap 2.1.2, 4). Akkulturation dient der Verortung in kulturellen Systemen und Strukturen, Gruppen und Institutionen, Interaktions- und Kommunikationsprozessen sowie einer Verortung des Selbstkonzeptes. Annahme 1 besagt, dass die Verortung durch Adaptationsprozesse erfolgt, die sich vor allem in psychologischer Anpassung, soziokultureller Adaptation und strukturell-ökonomischer Integration/Desintegration ausdrücken. Die Forschung konzentriert sich auf die Frage, wie sich Neuankömmlinge in einer fremden Kultur verorten, obgleich die Frage der Verortung auch unter dem Fokus der Einbindung von Mitgliedern autochthoner Gruppen gestellt werden muss, denn ihr kultureller Kontext ändert sich in Folge der Akkulturation auch. Ein wesentliches Merkmal der Verortung ergibt sich aus der Frage, durch welche Dimensionen die so verstandene Verortung geprägt ist. Zum einen erfolgt sie nach der
Annahmederhierpostulierten Theorie akkulturativer Verortung über dieMitgliedschaft zu Gruppen und die horizontale und vertikale Verortung in einem kulturellen System. Die horizontale Dimension beschreibt dabei die Integration oder Desintegration in den kulturellen Lebenskontext, die vertikale Dimension beschreibt die Einbindung in die soziale Hierarchie, die insbesondere über Statuspositionen definiert wird. Die Mitgliedschaft in Gruppen ist dann relevant, wenn sie die Grundlage für eine Selbstbewertung und damit eine soziale Identität bildet. Die Forschungslage zeigt, dass die Einbindung in Kultur primär über die Entwicklung, Annahme oder Ablegung von Identitäten, die mit Kultur verbunden sind, erfolgt (Kap. 4.1 - 4.3). Konzentriert man sich auf die Entität Individuum, dann erfolgt die Verortung im Akkulturationsprozess über die SelbstKaiegorisierung. Sie variieren dabei von unidimensionalen Selbst-Kategorisierungen und Identitäten bis hin zu multiplen komplexen, das heißt verschachtelten, Übergangsidentitäten (Kap. 4.3), die sich wiederum an verschiedenen Aspekten von Kulturen (Lebensbereiche, Sprachkulturen, Milieus etc.) und Realitätsebenen (Kap. 4.11.2) unterscheiden können (siehe oben zur Entität Kultur). Die späteren Identitätstheorien der Akkulturation bestätigen dabei das frühe Akkulturationsmodell der Marginalisierungstheorien: Selbst-Kategorisierungen von Indivdiuen schaffen die Grundlage für Identitäten von Gruppen, die durch Mitgliedschaften konstituiert werden. Mit Blick auf Entität Gruppe kann das Phänomen der Verortung psychologisch als Prozess der Identitätserhaltung und/oder -gewinnungl26 verstanden 126 Ting-Toomey (1993, 1999, bzw. Kap. 4.7) beschreibt Akkulturation aus einer kommunikationstheoretischen Sicht als einen Prozess des Identitätsmanagements. Das entspricht dem Verständnis hier, ist aber enger auf das Management sozialer Identitäten bezogen.
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werden, der auf akkulturationsrelevante Konflikte, die sich aus interkultureIlen Beziehungen ergeben, reagiert oder diese erzeugt. 127 Konflikte und Varianten einer Verortung (Identität), ergeben sich dabei aus den kulturellen Differenzen zwischen Gruppen (siehe oben bzw. Kap. 4.2.4)sowie einer Passung zwischen Identität und Kontext (Kap. 4.4.2). Die Akkulturationstheorien schlagen unterschiedliche Konstrukte vor, wie über Identitäten Verortungen stattfinden. Aus psychologischer Sicht wird primär vermutet, dass die identitätsbezogene Verortung über die Erfahrung kultureller Differenz, die mit Stresswahrnehmungen und -erfahrungen einhergeht (Schock), den Prozess des Lernen und der interkulturellen Kommunikation (Interaktion, Kommunikation und Sprache) sowie der gegenseitigen sozialen Unterstützung und sozialen Netzwerke erfolgt. Aus soziologischer Perspektive wird primär vermutet, dass die Einbindung über die Partizipation an Strukturen, vor allem Statuspositionen, und die Frage der Grenz-Ziehung zwischen Gruppen erfolgt (Kap. 5.3), wobei in dieser Forschungstradition deutlicher postuliert wird, dass die Verortung durch die Assimilation dominanter Mehrheitskulturen definiert ist. Das wurde zurückgewiesen und vielmehr festgestellt, dass die Kriterien der Verortung an Integrationsindikatoren festzumachen sind (Kap. 5.2 - 5.4, 7); konkrete Indikatoren werden später noch diskutiert. Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der vor allem in Kapitel 6.6 herausgearbeitet wurde, ist die Verortung über die Dimension des Raumes. Da die Dimension des Raumes neben der Dimension der Zeit zu den fundamentalen Dimensionen der Prozessbestimmung gehört, soll auf die Verortung im Raum kurz ausführlicher eingegangen werden. Nur in wenigen Theorien wurde die Bedeutung des Raumes zur Analyse interkultureIIer Differenzierung hervorgehoben. Stärker noch erscheinen der Raum und seine Bedingungen als Einflussfaktoren der Akkulturation in den sozialwissenschaftIichen Analysen, etwa zur residentieIIen Segregation, die mit sozialer Ungleichheit einhergeht (Kap. 5.3). Die geringe Beachtung räumlicher Verortungen mag darauf zurückzuführen sein, dass zum Beispiel die Identität, die über den Raum definiert wird, kaum theoretisch und empirisch beachtet wurde. Das mag damit zusammenhängen, dass diese regionale Identität weniger durch soziale Vergleichs- und Differenzierungsprozesse, die viele Identitätstheorien als konstitutiv für Identität betrachten, gekennzeichnet ist als andere Identitäten, wie die etwa die nationale oder ethnisch-kulturelle Identifikation. Gerade das macht aber den Raum als Bezugsgröße für die Theorie akkulturativer Verortung interessant. Die mangelnde Berücksichtigung räumlicher Einbindung erstaunt darüber hinaus aus einer empirischen Sicht. In neueren sozialwissenschaftliehen Studien zum interkulturellen Zusammenleben in Städten wird eindrucksvoll gezeigt, dass Akkulturationsprozesse von sozialräumlichen Bedingungen abhängen. Sie stützen Parks (1928) These, dass Akkulturation ein Prozess der ,Findung eines Platzes' ist (Kap. 4.1). Viele andere Theorien haben kenntlich gemacht, dass der Raum als Unterscheidungs127 Nicht jeder intergruppale Konflikt ist relevant für den Akkulturationsprozess, anders: Konflikte zwischen Gruppen müssen keinen Einfluss auf die Aneignung kultureller Umwelten für einen Konfliktpartner haben und sie müssen nicht zu einer Veränderung führen. Die Relevanz interkultureller Konflikte ist an der Definition von Akkulturation zu bemessen. So muss zum Beispiel der aktuelle oft beschworene interreligiöse Konflikt zwischen Muslimen und Christen in Europa überhaupt nicht mit Prozessen der Integration oder Assimilation zusammenhängen. Zumindest ist für die Akkulturationsforschung eine Theorie relevant, die dazu Thesen ableitet, die empirisch priifbar sind, um das zu beurteilen.
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merkmal von Gruppen herangezogen wird, und der Raum Gruppen dazu dient, andere (Outgroups) als Außenseiter oder Fremde zu kategorisieren, weil sie in den Raum einer Ingroup eindringen (Kap. 4.1; vgl. auch Hoffmeyer-Zlotnik, 2002, S. 195) und so Integrationsprozesse über den Raum verlaufen (Bremer, 1999; Gersting, Glasauer, Hannemann, Petrowsky & Pohlan, 2001). Aus psychologischer Perspektive verläuft die räumliche Verortung allochthoner und autochthoner Gruppen durch die räumliche Bindung von Individuen und Gruppen und diese Bindung hat einen Einfluss auf die interkulturelle Wahrnehmung und Differenzierung.
8.4
Akkulturation als Prozess interkultureller Beziehungen
Die zweite Grundannahme der Theorie akkulturativer Verortung ergänzt Annahme I, indem sie einen engeren Fokus auf die in Annahme 1 erörterten interkulturellen Beziehungen legt. Sie besagt, dass der gerade beschriebene und näher bestimmte Prozess der Akkulturation durch interkulturelle Beziehungen geprägt ist, das heißt Gruppenwahrnehmungen, Kontakte zwischen Gruppen, Interaktionen und Kommunikation. In dem Prozess kommen kulturell differente Gruppen bzw. deren Mitglieder in Kontakt, und es werden Prozesseder Aneignung oder Ablehnung kultureller Systemen in Gang gesetzt.
Die Annahme ergibt sich zunächst aus der Beobachtung, dass nahezu alle Theorien, Modelle und Ansätze interkulturelle Beziehungen, und damit konkret die meso-soziale Ebene ansprechen (vgl. auch Kap. 2.1.2). In Übereinstimmung mit Annahme 1 liegt sie zwischen dem interpersonalen und kulturellen Pol des Reaktionskontinuums. Aus Annahme 1 geht hervor, dass das selbst Theorien und Studien betrifft, die versuchen individualpsychologische (Persönlichkeit, kognitive und affektive Prozesse etc.) oder makro-soziale Phänomene (strukturelle Veränderungen etc.) zu erklären und zu beschreiben. Annahme 2 ist dadurch begründet, dass die Analyse interkultureller Beziehungen, die durch Kultur geprägt sind, nicht nur im Fokus einer sozialpsychologischen Perspektive, sondern der gesamten Akkulturationsforschung steht, wie die Diskussion des Wissensbestandes ergeben hat. Annahme 2 verlangt eine Antwort auf die Frage, wie interkulturelle Beziehungen im Rahmen der Akkulturationsforschung genauer zu verstehen sind. Eine erste Präzision erfolgt durch den Verweis auf die Phänomene der Gruppenwahrnehmungen, des Kontakts zwischen Gruppen, Interaktionen und Kommunikation. Die erwähnten Konstrukte haben sich in der Theorienübersicht als besonders relevante Merkmale interkultureller Beziehungen im Akkulturationsprozess erwiesen (wie auch die Box 8.1 zu den Annahmen der Ansätze dokumentiert, siehe oben). Der Verweis darauf, dass interkulturelle Beziehungen zentral für die Akkulturationsforschung sind, ist in alternativen Übersichtsdarstellungen der Forschung und von vielen Akkulturationstheorien selten explizit angesprochen worden. Das ist insofern nachvollziehbar, weil das Konstrukt relativ global ist und Akkulturationsforschung nicht identisch mit einer Psychologie interkultureller Beziehungen ist. 128 Um eine genauere Bestimmung interkultureller Beziehungen vorzunehmen, kann wieder auf die Entitäten, die die Beziehung ausmachen, rekurriert werden. Nach Annahme 1 sind Akkulturationsprozes-
128 Wie sie zum Beispiel von Wagner und Küpper (2007) dargestellt wird.
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se durch die interkulturellen Beziehungen der drei Entitäten, Kultur, Individuen und Gruppen, geprägt. Sie bilden ein System der Beziehungen, indem sie aufeinander reagieren und diese Reaktionen das bestimmen, was interkulturelle Beziehungen ausmacht. Das heißt, die Beziehungen zwischen Indivdiuen und Gruppen, Individuen und kulturellem System und Gruppen und kulturellem System sind alsinterkulturelle Beziehungen zu beschreiben. Dabei werden nach Annahme 1 die interkulturellen Beziehungen durch drei Phänomene geprägt; die der Forschungssystematik zufolge auch als Strukturfaktoren klassifiziert werden können. Erstens sind sie durch Gruppenwahrnehmungen geprägt. In Übereinstimmung zu Annahme 1 sind - zumindest psychologisch betrachtet - die Beziehungen durch die gegenseitige Wahrnehmung der Indivdiuen als Mitglieder von kulturellen Gruppen und Systemen geprägt, die auf sozialen Identifikations- und Differenzierungsprozessen basieren. Wesentliche Gruppenwahrnehmungen äußern sich nach Forschungslage besonders in allgemeinen Einstellungen zur Akkulturation, die Akkulturationsorientierungen folgen (Kap. 6.3), Stereotypen, Vorurteilen und AttTibutionen (vgl. dazu auch Kap. 4.9, wo der Akkulturationsprozess als Gruppenprozess diskutiert wird) . Zweitens sind die interkulturellen Beziehungen durch den interkulturellen Kontakt wie er in den Kapiteln 2 bis 7, vor allem aber in Kapitel 6.5 bestimmt wurde, geprägt. Drittens sind interkulturelle Beziehungen durch Interaktions- und Kommunikationsmuster und -prozesse zwischen Individuen und Gruppen geprägt, insbesondere jene, die in Kapitel 4.7 bis 4.8 beschrieben sind. Erweitert wird die zweite Annahme durch die Hypothese, dass im Akkulturationsprozess kulturell differente Gruppen, beziehungsweise deren Mitglieder in Kontakt kommen und Prozesse der Aneignung oder Ablehnung kultureller Systemen in Gang gesetzt werden. Die Annahme umfasst drei wesentliche Aspekte, oder Sub-Annahmen. Erstens wird gesetzt, dass kulturelle Differenz den Akkulturationsprozess bestimmt. Zweitens, dass der Kontakt Prozesse in Gang setzt. Drittens, dass damit Prozesse der Aneignung oder Ablehnung in Gang gesetzt werden. Die Aspekte werden in den folgenden drei Abschnitten erläutert.
8.4.1
Akkulturation alsProzess interkultureller Differenz(ierung)
Kulturelle Differenz zwischen Gruppen beeinflusst den Prozess derAkkulturation. Kulturelle Differenz markiert Gruppen, wie aus der Definition der Entität Gruppe hervorgeht (siehe oben), und sie bestimmt Akkulturationsprozesse, weil Individuen und Gruppen die Entität Kultur, die sie wahrnehmen und zu der sie sich zuordnen, als different zu einer anderen Entität Kultur wahrnehmen. Diekulturelle Differenz ist durch zwei Dimensionen bestimmbar: einer objektiven Dimension, die das Ausmaß kultureller Differenzen in Normen, Werten, Habitus etc. umschreibtv», sowie einer subjektiven Dimension, diedieWahrnehmung und Einstellung zur Differenz umschreibt, also Differenz markiert, auch wenn sieobjektiv nicht vorliegen muss. Beide Dimensionen der Differenz beeinflussen Akkulturationsprozesse.
129 Hier ist objektiv im Sinne einer wissenschaftlich inter-subjektiven Übereinstimmung über Differenzen, die sich nicht durch subjektive Interpretationsunterschiede erfassen lassen, gemeint.
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Eine Annahme kultureller Differenz (Cultural Difference Assumption) wird von mehreren Theorien vertreten, mal mehr, mal weniger explizit. Einige Prozesstheorien der Psychologie betonen die Bedeutung der Annahme. Phinney (2003) definiert ethnische Identität auf der Basis kultureller Differenz (Kap. 4.2.2). Binnan (2002) meint, die Wahrnehmtmg kultureller Differenz erzeuge alltägliche Stresserfahrung (Kap. 4.2). Berry (2003) vertritt ähnlich wie Ward, Bochner und Furnham (2001; Kap. 4.5.2) und Nesdale (2002; Kap . 4.9) eine Culture Distance Hypothesis. Unter den sozialwissenschaftliehen Prozesstheorien basieren die frühen Fremdheits-Ansätze und Marginalitäts-Theorien (Kap. 5.1) sowie viele Assimilationstheorien (Kap. 5.2 ff.) auf der Differenz-Annahme, wenn auch weniger explizit als die psychologischen Erklärungsansätze (Alba, 2005). Zahlreiche Studien, die hier nicht noch einmal aufgeführt werden müssen, zeigen, dass die objektive und/oder subjektive Differenz Einstellungen, Wahrnehmtmgen, Emotionen, Verhaltensweisen ete. beeinflussen. Diese Forschung unterstützt die Annahme, dass Akkulturation durch die kulturelle Differenz und das Aushandeln von Differenz geprägt ist. Die Differenz-Annahme ist mit zwei Richtungsannahmen verbunden, Die erste Annahme besagt, dass die Wahrnehmtmg von Differenz zwischen Kulturen Differenzierungsprozesse zwischen ihnen erzeugt, aber auch die Wahrnehmtmg von fehlender Differenz dies tut. Insbesondere die psychologischen Theorien versuchen, wie in Kapitel 4 gezeigt, den Zusammenhang zu erklären. So wird zum Beispiel die erste Zusammenhangsrichtung Differenz erzeugt Differenzierung - dadurch erklärt, dass Differenz Stress erzeugt, schockierend ist (Kap. 4.4, 4.5.2), verunsichert und als bedrohlich bewertet und/oder erfahren wird (Kap. 4.5.3). Die zweite Richtungsannahrne postuliert, dass kulturelle Ähnlichkeit zwischen Gruppen Differenzierung erzeugt. Dies wird insbesondere von sozialen Identitätstheorien postuliert (Kap. 4.2). Sie verweisen darauf, dass eine geringe Differenz zur Bedrohung von Identität werden kann, die durch kulturelle Eigenständigkeit definiert ist. Die sozialwissenschaftliehen Modelle (Kap. 5 und 7) ergänzen meines Erachtens die Erklärungen der Differenz-Annahme um die Frage, inwieweit kulturelle Differenzen durch die makro-soziale soziostrukturelle Differenzierung (Unterschichtung, Diskriminierung etc.) erzeugt werden. Damit wird auch der Zusammenhang zwischen objektiver und subjektiver Differenz und objektiver und subjektiver Differenzierung gestellt. Die Erklärungen für beide Kausalrichtungen, sei es aus psychologischer oder sozialwissenschaftlicher Sicht, basieren meines Erachtens auf der grundlegenden Idee, dass Gruppen qua ihrer Verhaftung in der Entität Kultur selbst und nicht nur ihre Mitglieder Identitäten aufweisen, die sie definieren und die Mitglieder an sie binden (aus psychologischer Perspektive) beziehungsweise durch die sie definierbar sind auf der Grundlage der Bestimmung der Entität Kultur (aus soziologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive) (siehe oben Annahme 1). Die Identitätsforschung legt es nahe, kulturelle Differenzen auf der Grundlage einer Identitätskonzeption zu verstehen (Kap. 4.9). Geht man einen Schritt hinter die spezifische Konzeption sozialer Identitäten zurück, weil sich in der Akkulturation alle Aspekte von Identität verändern können, dann ist es sinnvoll, das Konstrukt der Identität auf der Grundlage einzigartiger, konsistenter und (zu anderen Gruppen) differenter Merkmale, die durch andere
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Gruppen erkannt werden können, zu definleren.!" So kann die Differenz-Annahme durch das Konstrukt der Identität präzisiert werden. Die Differenz der Identitätsaspekte und im Besonderen der Aspekt der sozialen Identität beeinflussen die Prozesse der Aneignung anderer und gemeinsamer kultureller Systeme . Diese Identität wäre damit nicht nur durch
subjektive Wahrnehmungen - im Sinne einer kognitio-motioaiionalen Forschungstradition - geprägt, sondern auch durch institutionalisierte und habitualisierte Gruppenstrukturen und Verhaltensweisen. Kulturelle Differenz, die nach Annahme 2 Akkulturationsprozesse setzt, steuert und beeinflusst, ist damit auf der Grundlage eines interdisziplinären Verständnisses von Identität zu bestimmen; einfacher ausgedrückt: Identität markiert Differenz. Damit sind weitere Aspekte der Identität verbunden, wie die Theorienübersicht gezeigt hat. Erstens ist wesentlich, dass Identitäten komplex und mehrdimensional sein können (Kap. 4.2). Akkulturation ist ein Prozess, der durch Identifikationen mit mehreren kulturellen Entitäten geprägt ist. Die frühen unidimensionalen Identitätsmodelle werden in der modernen Forschung immer stärker durch mehrdimensionale Identitätsmodelle abgelöst, weil sich empirisch zeigt, dass sich Individuen im Akkulturationsprozess nicht allein mit einer, sondern mehreren Gruppen identifizieren. Empirisch zeigt sich das vor allem in bikulturellen und multi-kulturellen Identifikationen von Migranten (Kap. 4.2.4 - 4.2.5; Kap. 6.2.2). Diese multiplen Identifikationen können sich darüber hinaus nach Lebensbereichen unterscheiden, die als kulturelle Mikro-Milieus zu betrachten wären. Der zweite wesentliche Aspektvon Identität ist, dass siesich entwickeln und je nach Kontext salient werden können oder nicht. Padilla und Perez (2003) haben dazu erste explizite Annahmen entwickelt. Wie in Kapitel 4.9 ausführlich dargestellt, verbinden sie die Social Identity Theory von Tajfel und Turner (1986), die Self-Categorization Theory von Turner et al. (1987) und die Optimal Distinctiveness Theory von Brewer (1991). Sie postulieren, dass insbesondere die Self-Categorization Theory überzeugende Annahmen dazu macht, wann Identitäten und damit verbundene Selbst-Stereotypisierungen salient werden. Nach Annahmen der Theorie werden Kategorien salient, wenn sie ein bestimmtes Maß an normativer und komparativer Passung in einer spezifischen Situation haben (vgl. Kap. 6.2.2). Es ist anzunehmen, dass die Passung eng mit der Wahrnehmtmg von Differenz zusammenhängt.l" Auf dieser Grundlage wird auch der Zusammenhang von Identität und dem in der psychologischen Akkulturationsforschung wohl am häufigsten untersuchten Konstrukt der Akkulturationsorientierungen klarer (Kap. 6.3). Wird die Annahme geteilt, dass Orientierungen auf Identitätskonstruktionen basieren, dann findet die Annahme, dass Identitäten in dem Maße salient und einstellungs- und handlungsleitend werden, wie Differenzen zwischen dem in den Orientierungen ausgedrückten Motiv des Kulturerhaltes und der Partizipation an der Mehrheitskultur aus der Sicht von Neuankömmlingen, die die Mehrheitskultur adaptieren wollen, oder der Akzeptanz von Kulturerhalt und Partizipation durch eine
130 Zur Übersicht über die Selbstkonzeptforschung, die die Merkmale hervorhebt, vgl. z.B. Sedikides und Brewer (2001). Für die Akkulturationsforschung sind insbesondere Ansätze zum soziokulturellen Selbst relevant, die in Kapitel 4 vorgestellt wurden (vgl. zur Übersicht aber auch Markus & Herzog, 1995). 131 Allerdings ist, wie gezeigt, die Selbst-Kategorisierungstheorie noch nicht hinreichend mit Bezug zum Phänomen der Akkulturation diskutiert und untersucht worden, auch wenn sie viel zitiert wird. Der Ansatz von Florack (2000), der in Kapitel 4.4.1 diskutiert wurde, bietet dazu eine erste Grundlage.
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bestimmende Mehrheit, wahrgenommen werden. Die Diskordanz der Orientierungen macht Identitäten salient (vgl. besonders Kap. 6.3.1.3). Ein dritter Aspekt der Identität besteht darin, dass sie nicht nur den Prozess der Aneignung einer Kultur prägt, sondern Identitäten auch Resultat von Akkulturationsprozessen (Outcomes) sind. Wie bereits oben genannt, sind Identifikationen auch Indikatoren der Integration. Bei einigen der in den Kästen vorgestellten Messverfahren wird das leicht nachvollziehbar. Das wird aber auch in der modemen sozialwissenschaftlichen Forschung diskutiert, nachdem zum Beispiel Esser (1980) das Konstrukt der Identifikativen Assimilation eingeführt hat. Viertens sind Identitäten mit Akkulturationsstrategien verbunden (Kap. 6.3). Viele der Identitätstheorien postulieren, dass mit bestimmten Identitäten bestimmte Adaptationsformen verbunden sind. Dabei zeigt allerdings die empirische Forschung, dass regelmäßige universale Beziehungen zwischen einer Identität und einer Strategie der Aneignung von Kultur nicht erkennbar sind, beziehungsweise die Zusammenhänge, die zu konstatieren sind, eher einfach sind. Es spricht Vieles für die These, dass unidimensionale Identitäten, die durch tradierte Kulturen (so genannte Herkunftskulturen) definiert sind, eher mit separativem oder individualisiertem Verhalten in neuen Kulturen zusammenhängen, während bikulturelle Identitäten eher mit integrativen, aber auch assimilativen Adaptationsstrategien einhergehen (Kap. 4). Allerdings sind die Zusammenhänge hochgradig komplex, wenn Kontextfaktoren bedacht werden, die sie präjudizieren, mediieren und moderieren (vgl. Kap. 4 und Kap. 6.3, insbesondere die Forschungsfragen am Ende).
8.4.2
Akkulturation als Prozess interkultureller Kontakte
Auf der Grundlage des Verständnisses zur Differenz kann der zweite und dritte Aspekt von Annahme 2 präzisiert werden. Es ist anzunehmen, dass derKontakt zwischen kulturell differenten
Gruppen und Individuen, die sich als Mitglieder von Gruppen verstehen oder als solche behandelt werden, die Aneignung oder Ablehnung kultureller Systeme erzeugt. Der Kontakt umfasst nach Forschungslage nicht nur jene Aspekte und Faktoren, die zum Strukturfaktor Kontakt diskutiert wurden (Kap. 6.5), sondern auch unterschiedliche Formen der interaktiven und kommunikativen Aushandlung (Kap. 4.7). Das ist insofern bedeutsam, als sich erstens zeigt, dass der Kontakt nicht nur die persönliche direkte oder indirekte Begegnung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen umfasst, sondern auch Diskurse, symbolische Interaktionen etc., wie sie die Sprach- und Kommunikationstheorien untersuchen und für die Akkulturation maßgeblich halten. Zweitens ist eine breite Definition des interkulturellen Kontaktes unter Einschluss von unterschiedlichen Kommunikations- und Interaktionsformen relevant, weil sich empirisch zeigt, dass der direkte Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen nicht immer direkte oder indirekte Effekte auf die Adaptation oder im extremen Falle Marginalisierung hat (Kap. 4.7). In diesem Sinne ist Kontakt alsAustausch von Information zu verstehen, wie es auch nach dem ökologischen Rahmenmodell von Berry (2003) nahe gelegt wird (Kap. 4.4.1). Damit wird eine Integration weiterer Ansätze der Akkulturationsforschung ermöglicht. Erstens ist eine Integration von Lemansätzen im Kontext von interkulturellen Kontakten möglich, weil sie postulieren, dass der Informationsaustausch möglich wird durch das Lernen kultureller Codes, der Sprache, kultureller Habits
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etc, (Kap. 4.6). Kontakte in diesem Sinne unterliegen Lernprozessen und Lernerfolgen. Das ist in dieser Weise von den Kontakttheorien noch nicht ausformuliert worden. Zweitens wird eine Integration von Bezugsgruppentheorien zur sozialen Unterstützung möglich (Kap. 4.3.1). Sie postulieren, dass Gruppen soziale Unterstützung durch Informationsvermittlung bieten. Die These liegt nahe, dass interkulturelle Kontakte und Beziehungen davon beeinflusst werden, wie die intra- und intergruppale Informationsvermittlung verläuft. Und auch hier ist zu bedenken, dass der Informationsaustausch eng mit sozialen Einflussmöglichkeiten, also der Frage von Milcht und Dominanz, verbunden ist, wie in Annahme 3 näher erläutert wird. Ebenso besteht die Möglichkeit, die Netzwerktheorien und -analysen - inklusive ihrer Methodologie - einzubinden. Netzwerke sind dabei nicht nur als Kontaktindikatoren zu verstehen, sondern sie liefern Merkmale von Netzwerken, die den Kontakt bestimmen, wie zum Beispiel die Heterogenität, Bindungsstärke etc. (Kap. 4.8). Nicht zuletzt ist auch eine Integration der Assimilationstheorien sozialwissenschaftlicher Provenienz möglich, insbesondere der interaktionistischen Modelle (Kap. 5.1). Sie berücksichtigen eine wichtige Facette, indem sie die Bedeutung von strukturellen Möglichkeiten des Kontaktes und der Partizipation betonen. In Bezug auf den Stellenwert des interkulturellen Kontaktes im Prozess der Akkulturation, wie er in den Annahmen 1 und 2 bislang betrachtet wird, ergibt sich allerdings auch eine Differenz zu der Mehrzahl der diskutierten Akkulturationstheorien, vor allem jener psychologischer Provenienz. Sie betrachten und untersuchen interkulturelle Kontakte vor allem als Indikatoren des Outcomes von Akkulturationsprozessen, aber nicht als Ausgangsbedingung oder Initialisierung für folgende Prozesse. Die intensive Forschungsübersicht und diskussion legt aber nahe, dass interkulturelle Kontakte Akkulturationsprozesse initiieren und im Prozess dann auch Outcomes sind. Um die kausale Beziehung zwischen dem Kontakt - hier als konstituierendes Element interkultureller Beziehungen - und weiteren Phänomenen des Prozesses zu verstehen, wie zum Beispiel Konflikte, Kommunikationsmuster etc., hilft es wiederum den Prozess diachron zeitlich zu verstehen und genau zu verorten, wann der Kontakt Prädiktor, wann Mediator oder Moderator und wann Folge von spezifischen Faktoren ist.
8.4.3
Akkulturation als Prozess der Aneignungund Ablehnung von Kultur
Der dritte Aspekt interkultureller Beziehungen ist die Aneignung oder Ablehnung von kulturellen Merkmalen und Gruppen. Aus Annahme 2 folgt, dass auf der Grundlage von Diffe-
renzen und interkulturellen Kontakten Prozesse der Aneignung oder Ablehnung in Gang gesetzt werden. Damit wird eine primäre Reaktion der interkulturellen Beziehung gesetzt, die durch drei Aspekte charakterisiert ist. Die Forschungslage ergibt erstens, dass der Akkulturationsprozess, der auf Kontakten zwischen Gruppen basiert, Versuche der Aneignung der Entität Kultur (siehe oben) in Gang setzt, die wiederum Beziehungen, Kontakte, Identitäten etc. umfasst. Wie in Annahme 1 formuliert, wird die Aneignung am besten durch das Konstrukt der Adaptation mit all ihren Facetten, wie sie im 2. Kapitel genannt sind, beschrieben. Zweitens kann die Reaktion der Aneignung/Ablehnung den Akkulturationsprozess selbst beschreiben. Formen der Aneignung, die als Adaptation zu verstehen sind (Kap. 2), sind Indikatoren des Prozesses selbst. Die Reaktion der Adaptation kann aber auch als eine Resultat (Outco-
560
me) des Prozesses sein. Die Forschungsübersicht macht deutlich, dass die beiden Aspekte untersucht werden, bisweilen aber nicht explizit von Theorien auseinander gehalten werden. Drittens impliziert die Annahme, dass Reaktionen, die die Prozessmodelle zu erklären versuchen, wie zum Beispiel Stressreaktionen, Abwertungen, Separationen etc., nach den zwei Grundkategorien der Aneignung und Ablehnung als Ablehnungs- oder Vermeidungsreaktionen klassifiziert werden können. Ich bin der Meinung, dass sich die in der Forschung beobachteten Akkulturationsreaktionen auf einem Verhaltenskontinuwns, das durch die Extrempole der Aneignung oder Ablehnung beschrieben wird, bewegen beziehungsweise klassifiziert werden können. Resümiert man die Prozessmodelle, dann zeigen die Diskussionen, dass viele Theorien auf einem Modell der Annäherung und Ablehnung basieren.132 Die Annäherung/Ablehnung wird dabei von einer Gruppe x mit einer Kultur A gegenüber einer Gruppe y mit einer Kultur B geäußert. Die Entität Kultur stellt in diesem Sinne eine Affordanz dar, an das sich Indivdiuen und Gruppen durch die Entwicklung und Qualität interkultureller Beziehungen annähern, oder diese im Extremfall vermeiden oder zurückweisen.l" Die Theorien beschreiben die Pole unterschiedlich. Psychologische Modelle beschreiben Annäherung als Adaptation, Assimilation, Integration, Immersion, Annahme kultureller Identität etc. (Kap. 4). Sozialwissenschaftliche Modelle neigen eher dazu, extreme Formen der Annäherung als Absorption oder Assimilation zu beschreiben (Kap. 5 und 7). Der Pol der Ablehnung wird von beiden Modellen ähnlich als Marginalisierung oder Separation und Segregation beschrieben. Dabei ist zu beachten, dass das Kontinuum nicht nur die Reaktionsweisen jener beschreibt, die eine dominante Mehrheitskultur aneignen oder sie ablehnen, sondern auch jener, die darauf reagieren; in der Forschung eben Einheimische oder Majoritäten. Auch ihre Reaktion kann eine Annäherung an die Neuankömmlinge bedeuten oder eine extreme Form der Ablehnung, wie zum Beispiel die Ausweisung oder räumliche Segregation. Auf der Grundlage von Annahme 1 ist die Beziehung zwischen den Gruppen bestimmt durch gegenseitige Annäherungs- und Vermeidungsstrategien, und ebenso ist die Adaptation eines kulturellen Systems (Mehrheitskultur etc.), das sich durch den Kontakt verändert, auf einem Kontinuum der Annäherung und Vermeidung zu verstehen. Legt man diese Differenzierung auf die Analyse von Akkulturationsprozessen an, dann ergeben sich potenziell mögliche Reaktionsformen, die die Akkulturationsforschung weitgehend übersehen hat. Vorstellbar ist, dass Neuankömmlinge in einer Kultur, wie zum Beispiel Migranten, sich an die Gruppe der Einheimischen annähern und diese das ebenso tun, das heißt sie enge kulturelle Beziehungen aufbauen, aber sie die definierenden Merkmale der Entität Kultur der Einheimischen, die die Beziehungen gewissermaßen einrahmen, ablehnen; was davon abhängt, dass sie zwischen den interkulturellen Beziehungen und der Kultur trennen. Das kann zum Beispiel der Fall bei Westeuropäern und Muslimen mit Migrationshintergrund der Fall sein, die enge interkulturelle Beziehungen aufbauen, aber
132 Die Ablehnung könnte man auch allgemein als Vermeidung (im Sinne eines Avoidance Approach Ansatzes) bezeichnen, resümiert man die Indikatoren der Ablehnung und versteht man Akkulturation als Prozess der Aneignung kultureller Umwelten. Allerdings sind die Extreme der Marginalisierung und Separation oder Segregation durch das Label "Vermeidung" zu schwach beschrieben. 133 Vgl. dazu insbesondere das ökologische Rahmenmodell nach Berry (1997; Kap. 4.5.1).
561
Merkmale der jeweils anderen Kultur ablehnen. In dem Fall sind die Differenzen zwischen Annäherungen und Vermeidungen auf der Beziehungsebene anders als die Differenzen auf der Ebene der Wahrnehmung der Kultur. Konflikte interkultureller Beziehungen sind dann weniger wahrscheinlich, wenn die Differenzen in Bezug auf die Entität Kultur nicht salient sind. Auf der anderen Seite können objektive oder subjektive Differenzen zwischen Kulturen fälschlich als Konflikte interkultureller Beziehungen interpretiert werden. Der Vorteil der bislang vorgenommenen analytischen Trennung von Dimensionen und Entitäten besteht darin, dass die Ursachen von interkulturellen Konflikten genauer recherchiert werden können. Das ist, wie genannt, zunächst eine analytische Trennung, und die Vorurteilsforschung zeigt, dass Beziehungen eng mit Stereotypen und Einstellungen zu Merkmalen von Gruppen verbunden sind. Das neue Element ist, dass nicht, wie zuvörderst in der Akkulturationsforschung, die Frage des Kulturerhaltes und der Identität (wohl aber der Beziehungen, siehe oben) das Kriterium für die Erklärung von Verhaltensweisen im Akkulturationsprozess ist, sondern die Frage der Annäherung und oder Ablehnung kultureller Entitäten, die damit verbunden ist. Dabei ist auch zu beachten, dass sich Annäherungen und Ablehnungen in unterschiedlichen Lebensbereichen in Bezug auf die Mainstream-Kultur etc. unterscheiden (Kap. 6.3). Eine drängende Frage wäre auch, wie sich Gruppen in Bezug auf eine veränderte Kultur verhalten, die sich durch die Akkulturation, also den Prozess des Kontaktes ergeben (Kap. 3.2, bzw. Berry, 2003).Das wird betont, weil die empirische Forschung mehrheitlich Einstellungen in Bezug auf eine tradierte Mainstream-Kultur untersucht, die implizit als gegeben gesetzt wird und nicht explizit (zum Beispiel durch Migration) veränderte Kulturen definiert und untersucht. Die Entität Kultur wird in der Forschung in der Regel als statisch definiert, was aus Sicht der Theorie akkulturativer Verortung irrefiihrend ist; zumindest verlangt sie ein Unterscheidung statischer und variabler Elemente. Adaptiert man die Konzeption eines Kontinuums der Aneignung und Ablehnung, kann darüber hinaus die These ergänzt werden, dass Individuen und Gruppen Konflikte erfahren, wenn sie sich an einem der Extrempole orientieren und verhalten. Das kann in Stress oder Differenzierungsprozessen der Abwertung und Diskriminierung etc. münden. Aus einer soziologisch orientierten Perspektive, also einer Perspektive, die die Aneignung und Ablehnung von Individuen und Gruppen auf einer makro-sozialen Erklärungsebene anhand der gesellschaftlichen Strukturen fokussiert, entspricht Akkulturation der Frage der Integration und Desintegration (Kap. 5.8). Diese Perspektive ist relevant, als sie primär die Frage der strukturellen oder objektiven Möglichkeiten zur Realisation der Präferenzen, die sich in Aneignungen und Ablehnungen manifestieren, stellt. Es gehtaus Sichtder
Theorie akkulturativer Verortung bei derAnalyse derAkkulturation um dieFrage der Intensität und Qualität von Integration und Desintegration derbeteiligten Indivdiuen und Gruppen in ein gemeinsames kulturell-gesellschaftliches System. Dabei nennen die sozialwissenschaftlichen Prozessund Strukturtheorien eine Reihe von Kriterien zur Identifikation der Bedingungen und integrativen wie desintegrativen Verhaltensweisen (vgl. Kap. 5 und 7). Dazu gehören vor allem die Kriterien der Partizipation, des sozialen Kapitals beziehungsweise der sozialen Unterstützungssysteme, aber auch der Realisationsmöglichkeiten von Selbstkonzeptualisierungen, sowie der Verhinderung von Integration durch Vorurteile und Diskriminierungen.
562
Die Forschungsübersicht hat gezeigt, dass sich die relevanten Konstrukte zur Analyse integrativer und desintegrativer Prozesse von einer sozialpsychologischen Analyse nicht so sehr unterscheiden, wie es zunächst scheint (Kap. 5.8). Wohl aber kann und sollte sich aus forschungsstrategischen Gründen der Analyse und des Erkenntnisgewinnes, also der Theorie und der Methodologie, die Perspektive psychologischer und sozialwissenschaftlicher Ansätze unterscheiden. Die sozialwissenschajtliche Sicht auf Prozesse von Aneignung und Ablehnung erfolgt über die gesellschaftlichen Prozesse und Strukturen, die Aneignung und Ablehnung indizieren. Die psychologische Sicht erfolgt über die Verhaltensweisen und Mentalitäten von Individuen und Gruppen die Strukturen schaffen oder durch sie begrenzt werden. Das heißt im günstigsten Falle operieren beide Sichtweisen mit denselben Konstrukten, beschreiben aber unterschiedliche Mechanismen, die vergleichend geprüft und zusammengebracht werden.P' Im Zusammenhang mit der Frage nach den Bedingungen und Ausdrucksformen von Aneignungs- und Ablehnungsprozessen ist hier auch noch einmal an den besonderen Stellenwert von Vorurteilen und Diskriminierungen zu erinnern. Vorurteile und Diskriminierungen sind besondere Ausdrucksformen kultureller Differenz (siehe oben); das zeigen schon die frühen Entfremdungstheorien (Kap. 4.1). Beide Phänomene haben nach Diskussion der Theorien und empirischen Studien einen besonders starken Einfluss auf Akkulturationsprozesse, was sich in Studien zur Adaptation manifestiert. So haben Zick und Küpper (2007) zum Beispiel erstmals anhand von Längsschnittdaten gezeigt, dass Integrationsbereitschaften der deutschen Mehrheitsbevö1kerung durch Vorurteile erklärt werden können. Zugleich sind Vorurteile und Diskriminierungen aber auch Indikatoren von Aneignung und Ablehnung im Sinne einer intergruppalen Differenzierung (siehe oben) beziehungsweise als Reaktion Einheimischer auf Motive und Handlungen von Neuankömmlingen, die als Adaptation wahrgenommen werden. Das haben bereits die frühen Akkulturationsmodelle und die Stufenmodelle der Assimilation betont (vgl. Kap. 5.1 - 5.2). Gordon (1981) hat zum Beispiel das Fehlen von Vorurteilen und das Fehlen von Diskriminierungen als separate und späte Stufen der Assimilation postuliert (Kap. 5.2); wobei wiederum zwischen der subjektiven Wahrnehmung (psychologische These) und/oder dem objektiven Ausbleiben (soziologische These) zu unterscheiden wäre. Konsens aber ist, dass insbesondere Vorurteile und Diskriminierungen Konflikte und Stressquellen (im Sinne der Culture Shock Modelle) repräsentieren, die Akkulturationsprozesse prägen. Das wird hier betont, weil, erstens, Vorurteile und Diskriminierungen die Reaktionen der Aneignung und Ablehnung von Kultur steuern und, zweitens, Hinweise auf die mikro- und makro-soziale Qualität von Akkulturationsprozessen geben. Damit können sie auch Akkulturationsindikatoren im Sinne von Outcomes sein (siehe unten), das heißt, zweitens, es wäre erkenntnisreich für die Akkulturationsforschung, Vorurteilstheorien enger an die Frage der Adaptation kultureller Umwelten zu binden. Das geschieht in Ansätzen im Rahmen der psychologischen Prozessmodelle, die auf Theorien und Modelle der Intergruppenforschung rekurrieren und die gegenseitige Einstellungen und Emotionen von Gruppen fokussieren (Kap. 4.5.3).
134 Das würde meines Erachtens auch die immer stärker betonte Divergenz zwischen einem strukturindividualistischem und einem psychologischen Ansatz mindern, der vielfach die grundlegendere Differenzierung objektiver und subjektiver Dimensionen überlagert.
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Auf der Grundlage der Ausarbeitung von Annahme 2 wird nun auch genauer eine wesentliche und immer wieder zitierte zentrale Annahme der psychologischen Akkulturationsforschung verständlich, die Berry (1980) früh formuliert hat: Akkulturationsprozesse, diesich in Strategien und Orientierungen manifestieren, basieren auf den Dimensionen des Kulturerhaltes und der intergruppalen Beziehung.135 Das heißt, ob, in welchem Ausmaß und wie es zu spezifischen Aneignungen von Kultur kommt, ist eine Frage, ob Individuen, Gruppen und Kulturen nach Erhaltung ihrer Identität beziehungsweise identitätsstiftenden Merkmale streben und wie stark sie Beziehungen, die sich in Kontakt, Kommunikation und Interaktion sowie Partizipation manifestieren beziehungsweise die Integration in ein anderes kulturelles System suchen. Zugleich ergibt sich aber auch hier wieder die Frage, welche Kultur und mit ihr welche Gruppe (siehe oben) für die Akkulturation von Gruppen maßgeblich ist und in welchem Ausmaß die Frage eine Analyse von Macht- und Statusdifferenzen und -differenzierungen ist. An verschiedenen Stellen der Forschungsübersicht wurde betont, dass Akkulturation auf Dominanzverhältnissen basiert. Es ist folgerichtig anzunehmen, dass insbesondere die Aneignung oder Vermeidung als eine Frage von Erhaltung von Einfluss zu betrachten ist. Annahme 3 präzisiert das.
8.5
Akkulturation als Verhandlung von Dominanz
Grundannahme 3 ergänzt die vorangehenden Annahmen, indem sie postuliert, dass der Akkulturationsprozess dadurch geprägt ist, dass in der Regel Mitglieder einer kulturell neuen Gruppe versuchen, den kulturellen Kontext einer etablierten Gruppe anzueignen beziehungsweise zu adaptieren, wobei die Mitglieder etablierter Gruppen daraufreagieren. Die Annahme schränkt aber zugleich Annahme 1 und 2 ein, denn sie behauptet, dass primär die Neuankömmlinge in einer Kultur versuchen, die Kultur der Einheimischen zu adaptieren und nicht umgekehrt. Das ist insofern relevant, als die allgemeine Definition von Akkulturation (Annahme 1) nahe legt, dass alle im Akkulturationsprozess involvierten Gruppen versuchen, eine sich durch den Kontakt veränderte Kultur zu adaptieren. Annahme 3 schränkt das ein, indem sie einen ersten Schritt durch die Neuankömmlinge postuliert und Akkulturation damit zumindest zu Beginn, folgt man dem idealtypischen Akkulturationsverlauf (oben), ein unidirektionaler Prozess in Bezug auf die Adaptation veränderter Umwelten ist. Die Annahme leitet sich aus der Forschungsübersicht ab, denn sie entspricht dem primären Fokus vieler Theorien und der meisten empirischen Studien. Die absolute Mehrzahl der Theorien stellt Annahmen dazu auf, wie Indivdiuen und Gruppen, die neu sind in einer Kultur, sich diese Kultur durch die Etablierung von Beziehungen, Identitätskonstruktionen, Verhaltens- und Einstellungsänderungen versuchen anzueignen. Wenige Theorien, hier vor allem jene, die Interaktionen oder Konflikte fokussieren, liefern Annahmen über adaptive Einstellungen und Verhaltensweisen der Mehrheit; schon eher über Reaktionen gegenüber den Verhaltensweisen, Einstellungen und Ansprüchen von Neuankömmlingen. Es erscheint plausibel, dass die Akkulturationsforschung diesen Fokus hat, weil Neuankömmlinge wie zum Beispiel Migranten eben neu sind und stärkere Adaptati-
135 Vgl. auch die zusammenfassende Darstellung bei Berry (2003), bzw. Kapitel 2 und 4.
564
onsleistungen erbringen müssen, oder weil sie mit Mitgliedern anderer Kulturen Beziehungen aufnehmen ohne dass diese meinen, sie müssten sich die durch Migration veränderte Umwelt aneignen. Trotzdem muss die Annahme begründet werden, warum der Aneignungsprozess zunächst unidirektional ist. Der Verweis darauf, dass anderes nicht erforscht wird, ist nicht plausibel. Aus Sicht einer Forschungsperspektive, die Reaktionen aller Gruppen auf die Veränderung von kulturellen Umwelten infolge intergruppaler Kontakte fokussiert, sollte das Ungieichgewicht beantwortet werden, beziehungsweise das postulierte Reaktionsverhalten begründet werden.l" Dieses Ungleichgewicht wird aus der vertikalen und horizontalen Struktur der Entität der Kultur zurückgeführt, die im Akkulturationsprozess angeeignet wird.
8.5.1
Akkulturationals Prozess horizontaler und vertikaler Differenzierung
Auf der Grundlage der Forschungsübersicht lässt sich Annahme 3 damit begründen, dass Akkulturation in der Regel in kulturellen Systemen erfolgt, die horizontal und vertikal nach Statuspositionen differenziert sind; wie oben erläutert. Das wirkt sich auf die Frage nach der Adaptation aus. Eine Differenzierung findet sich sowohl auf einer makro-, meso- als auch mikrosozialen Ebene; also gewissermaßen in Kulturen oder Gesellschaften, zwischen Gruppen und in interpersonalen Beziehungen zwischen Individuen, wobei insbesondere industrialisierte Kulturen in Bezug auf die Statusdifferenzen zwischen ihren Mitgliedern mehr oder minder stark differenziert sein können (vgl. dazu Berry, 1993, bzw. Berrys ökologisches Rahmenmodell Kap. 4.4.1). Wie gezeigt, weisen in Bezug auf kulturelle Differenzen zum Beispiel multikulturalistische Gesellschaften (auch Mikro-gesellschaftliche Systeme wie Nachbarschaften) geringere horizontale und vertikale Differenzen als assimilationistische Gesellschaften auf (Kap. 6.3). Die Differenzierung beeinflusst also die Reaktionen und erzeugt die unidirektionale Richtung, die sich in einer Adaptationsforderung an Neuankömmlinge erweist. Zu diskutieren ist dennoch, ob die Differenzierung auch mit einer spezifischen Reaktion Einheimischer einhergeht. Dabei kommt meines Erachtens Ideologien über die Art und Weise der Adaptation, also Akkulturationsorientierungen, eine besondere Bedeutung zu . Im Folgenden werden die Merkmale horizontaler und vertikaler Differenzen und Differenzierungen aus einer sozialpsychologischen Perspektive genauer erläutert. Horizontale Differenzen bestimmen den Versuch von Individuen und Gruppen, eine Kultur so anzueignen, dass Individuen und Gruppen innerhalb des kulturellen Systems 136 Expliziter als im Bereich der Migration, die die Akkulturationsforschung dominiert, sind dabei Modelle der Organisationspsychologie, die sich mit der Frage der Enkulturation oder Sozialisation von Neuankömmlingen (Newcomer) in Organisationen (vgl. z.B. Bin Sayeed, 2000; Cox, 1993, bzw. Kap. 6.3.1; Elsass & Veiga, 1994; McEntire & Bentley, 1996; Morrison, 1993; Triandis & Bhawuk, 1997, vgl. insbesondere Bauer, Bodner, Tucker, Erdogan & Truxillo, 2007) beziehungsweise dem Konstrukt der organisationalen Identität beschäftigen (Haslam, 2004). Das bietet sich an, weil gerade Organisationen über klare beobachtbare Statussysteme verfügen. Dabei zeigt sich nicht nur, dass die Frage der horizontalen Verortung von Neuankömmlingen in Systeme eine Frage der Identität ist, die mit normativem, affektivem und zeitlichem Bindungs-Commitment verbunden ist (hier böte sich auch zukünftig eine Diskussion der Theorie von Allen & Meyer, 1996, für die Frage des akkulturativen Commitments an), sondern auch eine Frage des Erlernens von Statussystemen (das deutet sich in der Meta-Analyse zur Sozialisation in Organisationen von Bauer et al., 2007, an).
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eingebunden sind, oder eine Position am Rande oder sogar außerhalb des System einnehmen; also ein Differenz darin besteht, wer ,drinnen und dabei' und wer ,draußen und nicht dabei' ist. In Kategorien von Elias und Scotson (1965) wird angenommen, dass die interkulturelle Beziehung von einer Etablierten- und Außenseiter-Positionierung geprägt ist (Kap. 5.5, bzw. siehe oben). Die an der horizontalen Dimension ausgerichtete Adaptationsreaktion ist also eine Frage der Verortung in der neuen Kultur. In Kategorien von Integrationsansätzen der Sozialwissenschaften (Kap. 5) ist die Adaptation eine Frage von Einschluss und Ausschluss, beziehungsweise der Integration und Desintegration im sozialwissenschaftliehen Sinne (Kap. 5.8).137
Vertikale Differenzen bestimmen den Versuch von Individuen und Gruppen, eine Position in einem vertikalen sozialen Hierarchiesystem einzunehmen. Die Frage der Aneignung von kulturellen Systemen und die Reaktionen darauf ist nicht nur durch den Versuch in Systeme hineinzukommen und sich dort zu verorten, sondern auch in der sozialen Hierarchie .oben' oder .unien' zu sein, geprägt. Das wiederum geht mit Reaktionen von etablierten Gruppen, die in Bezug auf Aneignungsreaktionen tolerant oder ablehnend reagieren können. Orbe (1998a/b) hat intensiver als andere in der psychologischen Akkulturationsforschung darauf verwiesen, dass in jeder Gesellschaft soziale Hierarchien herrschen, die eine Gruppe mit mehr Privilegien versieht als andere Gruppen und die Positionen steuern, wie Individuen die Welt interpretieren (vgl. die Darstellung in Kap. 4.7). Viele andere Theorien und empirische Studien gehen von ähnlichen Annahmen aus, wie die Forschungsübersicht deutlich gemacht hat. Die empirische Evidenz der Migrationsforschung bestätigt die Annahme, dass eine Aneignungsreaktion von Neuankömmlingen auch dadurch qualifiziert wird, dass Neuankömmlinge zunächst auf unteren Statuspositionen landen; was der gerade genannten Unterschichtung gleichkommt. Akkulturation ist damit eine Frage der Dominanz und Unterordnungs» Im Folgenden wird die Bedeutung des Status für den Akkulturationsprozess genauer gefasst. Im Anschluss wird das Konstrukt der Akkulturationsorientierung in die Diskussion aufgenommen, nicht nur weil es in der Forschung so intensiv untersucht wird. Annahme 3 hat Implikationen für die Konzeptualisierung von Akkulturationsorientierungen.
8.5.2
Akkulturation als Prozess der Statussicherung, -geunnnung und -bedrohung
Die Forschungsdiskussion unterstützt die Annahme, dass der Einschluss/Ausschluss und die Dominanz/Unterordnung wesentlich an Statuspositionen zu bemessen ist. Viele Akkulturationstheorien teilen die Ansicht, dass Statuspositionen und -unterschiede äußerst relevant sind, und viele empirische Befunde zeigen den Einfluss von Statusdifferenzen auf die psychologische Anpassung (Kap. 4). Das wird bereits in der Diskussion der frühen Marginalisierungstheorien deutlich (Kap. 4.1), und wird selbst von den Sprach- und Kommunikationstheorien unterstützt, indem diese darauf verweisen, dass interkulturelle Kommunikation durch Sta-
137 Der Begriff der Inklusion wird hier vermieden, weil er durch eine systemtheoretische Perspektive verengt wird. Das ist bedauerlich, aber angesichts der in der Forschung damit präjudizierten Debatte nicht zu vermeiden. 138 Was in einzelnen Fällen, wie etwa bei der zeitweiligen Migration von Spitzenkräften der Wirtschaft, nicht die Regel sein muss.
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tusdifferenzen geprägt ist und horizontale Differenzierungen prägt; salopp formuliert: Sprache schließt aus oder ein und indiziert, wer drinnen und wer draußen ist (Kap. 4.7). Allerdings können die Identitätstheorien der psychologischen Forschung expliziter als andere Theorien zur Klärung des Zusammenhangs von Status und Akkulturation beitragen, auch wenn sie meines Erachtens den Zusammenhang von Identität und Integration in horizontal und vertikal differenzierte Systeme noch nicht hinreichend überzeugend genug beschreiben. Den Thesen der vorliegenden Arbeit folgend, hängt die Frage der Identität mit der Frage des Status zusammen. Eine äußerst relevante Frage ist, wie sich in Identifikationsprozessen horizontale und vertikale Differenzierungen niederschlagen und wie Identifikationsprozesse sich auf die horizontale und vertikale Differenzierung der Aneignung und/oder Zurückweisung von Kultur auswirken (Kap. 4.2).139 Insbesondere soziale Identifikationsprozesse, die maßgeblich für die Akkulturation sind (siehe oben), sind abhängig von Statusposition oder der sozial-strukturellen Position, die Gruppen in Kulturen einnehmen. Wiederum bietet der Social Identity Approach dazu wichtige Hinweise. Dem Ansatz zufolge hängen Differenzierungsprozesse, die sich in sozialen Distanzierungen, Abwertungen, Diskriminierungen etc. zeigen, im Kontext der Akkulturation erheblich von dem Status der Gruppen ab, mit denen sich Individuen identifizieren, beziehungsweise dem Status der den Mitgliedern von Gruppen zugewiesen wird. Der Status ist psychologisch besonders relevant, weil er Gruppen in (kulturelle) Systemen positioniert und ihnen Einflussmöglichkeiten, Handlungsoptionen und Rollenerwartungen zuweist. Die Akkulturationsforschung zeigt deutlich, dass Mitglieder dominanter Gruppen einer Kultur ethnische Minderheiten, die versuchen sich an eine neue kulturelle Umwelt zu adaptieren, ablehnen, weil sie eine Identitätsbedrohung darstellen (Zick, Wagner, van Dick & Petzel, 2001). Die Bedrohung ist aber nicht nur identitätsbasiert, sondern resultiert auch und gerade aus der Wahrnehmung von Statusunterschieden und -bedrohungen. Eine Statusbedrohung, die mit der Akkulturation
verbunden ist, kann sich aufobjektive Faktoren (Immigranten nehmen zum Teil tatsächlich niedrigere Statuspositionen ein, die ihnen die aufnehmende Gesellschaft zuordnet) oder den subjektiv wahrgenommenen Status beziehen. Die Social Identity Theory von Tajfel und Turner (1979, 1986; vgl. Box 4.4 in Kap. 4) postuliert, dass Identitäten und intergruppale Differenzierungsprozesse, die in übertragendem Sinne von Akzeptanz bis zur Vernichtung von Outgroups reichen, von Statuspositionen und deren Wahrnehmung abhängen. Der Status als sozialpsychologisches Konstrukt ist nach Annahmen der Theorie mit der Wahrnehmung der Legitimität, Stabilität und Permeabilität des Status verbunden (vgl. auch Ellemers, 1993).Die genannten Dimensionen beeinflussen die Einstellungen und Handlungen im intergruppalen interkulturellen Kontext. Allerdings vernachlässigt die Theorie die Frage, welchen Einfluss der Status in Bezug auf die Erhaltung von sozialen (hier kulturellen) Systemen hat. Aus sozialpsychologischer Perspektive bietet sich zur Klärung der Frage nach dem Motiv der Erhaltung von Statuspositionen und Statussystemen eine stärkere Diskussion der Konstrukte der Unterstützungssyteme, Loyalität, des Commitment oder der gruppalen Bedrohung an (vgl. Kap. 4.3.1, 4.3.2, 4.1, 4.4.3, 4.7). Das heißt, die Frage, ob jene Gruppen, die über die Definiti139 Auch der Streit um uni- und multidimensionale Identitätstheorien, beziehungsweise die Frage, wann sich welche Identitäten ausbilden, kann auf der Grundlage der Frage nach dem Zusammenhang zur horizontalen Integration in mikro- und makro-soziale Strukturen diskutiert werden (Kap 4.2.2 4.3).
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onsmacht über Statuspositionen verfügen, den Versuch der Aneigmmg ihres Systems durch Außenseiter akzeptieren oder zurückweisen, ist nicht nur eine Frage der Identifikation, sondern auch der Strukturen sozialer Unterstützungssysteme und Netzwerke und der gezeigten Loyalität und des Commitment der Außenseiter. Identitätskonstruktionen und Commitment sind dabei eng verbunden. Sozialwissenschaftliche Theorien können die horizontale Einbindung (bzw. Aneignung versus Ablehnung) meines Erachtens gut auf der Grundlage von lntegrations- versus Desintegrationsprozessen und des sozialen Kapitals beschreiben (Kap. 5.8). Dabei liefern die sozialwissenschaftlichen Theorien Indikatoren für horizontale Statusindikatoren (sozioökonomischer Status, Indikatoren für die Segregation, Ungleichheit, Unterschichtung etc.) auf einer makro-sozialen Ebene. 14O Horizontale Akkulturation bemisst sich, wie eine vertikaIe Differenzierung, an Statuspositionen. Assimilation kann mit dem Erreichen einer Statusposition einhergehen, aber das muss nicht der Fall sein. Damit wäre auch erklärbar, warum Assimilation an Mehrheitskulturen mit Phänomenen der Unterschichtung einhergeht (vgI. Kap. 5.3). Allerdings vernachlässigen der Social Identity Approach als auch die Integrationstheorien noch zu sehr die Frage, wie gesellschaftliche Strukturen durch intergruppale und interpersonale Prozesse aufrechterhalten werden. Akkulturationsprozesse finden nicht in Strukturen oder in kognitiven Prozessen statt. Sie sind in interkulturelle Differenzierungsprozesse eingebunden, die die Individuen und Gruppen in einem Statussystem verorten (siehe oben). An vielen Stellen der Theoriendiskussion wurde auf den fundamentalen Einfluss von Macht- und Dominanzunterschieden auf den Prozess der Akkulturation hingewiesen. Im Verlauf der Diskussion der Theorien wurde vorgeschlagen, die Social Dominance Theory (SDT) von Sidanius und Pratto (1999) für die Analyse von Akkulturationseinstellungen und -prozessen heranzuziehen (vgI. v.a. Kap. 4.9). Auf der Grundlage der SDT können explizit Annahmen darüber gemacht werden, wie die vertikale Differenzierung von kulturellen Systemen und die soziale Identität von Individuen mit dem Motiv, das kulturelle System beizubehalten oder zu verändern, zusammenhängen. Dabei ist die Theorie geeignet, sowohl Einstellungs- und Verhaltensreaktionen von Neuankömmlingen in einem kulturellen System, als auch die Gegenreaktionen etablierter Gruppen auf die Aneignungsversuche durch Neuankömmlinge zu erklären. Solche Gegenreaktionen sind meines Erachtens zunächst Abwehrreaktionen gegen die Versuche von Neuankömmlingen, eine höhere vertikale Statusposition zu erreichen, wenn etablierte Gruppen wahrnehmen, dass dadurch das vertikale Statusgefüge beziehungsweise ihre Dominanz in Gefahr gerät. Aus psychologischer Sicht bietet die SDT eine Möglichkeit, den Zusammenhang von Statuswahmehmungen, Akkulturations- und Differenzierungsprozessen zu erklären und damit auch die Annahmen, die hier resümierend entwickelt werden, genauer zu verstehen. Die SDT postuliert, ähnlich wie Orbe (1998a/b) und viele andere Akkulturationstheorien, dass zumindest industrialisierte Gesellschaften durch hierarchische Stratifikationen, eben Dominanzverhältnisse, gekennzeichnet sind. Auf dieser Hypothese basiert auch die Annahme 3. Die Theorie geht aber darüber hinaus und postuliert, dass Gesellschaften auf der Ebene von Individuen soziale Dominanzorientierungen prägen; also die Struktur der Entität Kultur/Gesellschaft über die Gruppen 140 Bevor hier einfache Anleihen gemacht werden, muss jedoch intensiver diskutiert werden, inwieweit Assimilation, die im Zentrum der Erklärungen steht, identisch oder unterscheidbar von einer horizontalen Akkulturationsdimension ist (vgl. Kap. 5).
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die vertikale Differenzierung in einer Orientierung der Entität Individuum befördert. Das erfolgt zum Beispiel über Statuszuweisungen, die Sozialisation oder Identifikationsprozesse. Die Dominanzorientierung repräsentiert das Motiv, das gesellschaftliche System als hierarchisch oder egalitär wahrzunehmen. Sie entspricht einer Adaptation und Befürwortung einer Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit, die für die Frage der Akkulturation relevant sein sollte. Individuen mit einer hohen Dominanzorientierung unterstützen bestehende gesellschaftliche Hierarchien auf der Einstellungs- und Verhaltensebene, indem sie legitimierende Mythen adaptieren, die der Diskriminierung und intergruppalen Gewaltbilligung und -akzeptanz dienen und somit das Statusgefälle aufrechterhalten (Küpper & Zick, 2008). Was die SDT dagegen kaum leistet, ist eine Erklärung der (Gegen-)Reaktionen etablierter Gruppen auf Versuche der horizontalen Aneignung durch Außenseiter. Dafür eignen sich, wie eben genannt, Erklärungsmodelle des Social Identity Approach und der sozialwissenschaftliehen Integrationstheorien. Sie legen den Fokus auf die Frage der Partizipation und Mitgliedschaft in (Status-)Gruppen. Insofern hilft die Unterscheidung von vertikaler und horizontaler Differenzierung der Theorienintegration.
8.5.3
Orientierungen zur Akkulturation und Dominanz
Auf dieser Grundlage können Differenzen in Einstellungen, Wahrnehmungsmustern und Verhaltensweisen von Neuankömmlingen und Einheimischen, die im Akkulturationsprozess interagieren, erklärt werden. Deutlich wird das am Beispiel von Akkulturationsorientierungen bzw. -ideologien (Kap. 6.3). Sie sind, ähnlich wie Dominanzorientierungen, generalisierte Einstellungen zur Verortung von Gruppen im kulturellen System. Qua ihres Status ist anzunehmen, dass Mitglieder von Mehrheitsgesellschaften höhere Dominanzorientierungen als
Neuankömmlinge aufweisen und Ideologien entwickeln, falls ihr Status und die soziale Hierarchie gefiihrdet sind. Individuen mit einer hohen Dominanzorientierung und einer spezifischen Akkulturationsideologie, wie zum Beispiel der Separation von Neuankömmlingen, werden legitimierende Mythen (Vorurteile, Ideologien der Leistungsgesellschaft etc.) adaptieren, um Gruppen so zu diskriminieren, dass der Status quo des ethnischen Statussystems erhalten bleibt. Eine Reihe von Studien, die in den vorherigen Kapiteln skizziert wurden, zeigen, dass besonders Personen mit hoher sozialer Dominanzorientierung Immigration als eine stärkere Bedrohung ihres sozialen Status wahrnehmen als jene mit niedriger sozialer Dominanzorientierung. Die Orientierung motiviert, eine assirnilationistische oder separatistische Akkulturationsorientierung zu präferieren.!" Die Studien unterstützen die These, dass
141 Zick und Jörges (2003) haben anhand der Daten des Euro-Barometer 47.1 aus dem Jahr 2000 den Zusammenhang zwischen der sozialen Dominanzorientierung, einer Präferenz für die Integration von ethnischen Gruppen, dem Vorurteil von Europäern gegenüber Immigranten und der Identifikation mit dem Land (Nationalstolz) untersucht. In allen Ländern der Europäischen Union zeigt sich, dass die Dominanzorientierung mit einer Ablehnung der Integration von Immigranten einhergeht. Esses, Dovidio, [ackson und Armstrong (2001) haben auf der Grundlage ihres Instrumental Model of Group Conflict (Esses, [ackson & Armstrong, 1998) den Zusammenhang zwischen Dominanzorientierungen und Einstellungen zur Akkulturation von Immigranten in den USA und Kanada untersucht. Die Theorie postuliert, dass der Konflikt um Ressourcen (Ressource Stress) und die Salienz kompetitiver Ingroup-
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Bedrohungen der Identität und des Status einer Gruppe mit der Adaptation spezifischer Akkulturationsorientierungen und ablehnenden oder toleranten Reaktionen einhergeht.l'" Akkulturationsorientierungen nehmen im Kontext von Statusdifferenzierungen eine interessante Funktion im Akkulturationsprozess ein, die sich jetzt ergibt und die über ihre Funktion als legitimierende Mythen hinausgeht: Akkulturationsorientierungen indizieren nicht nur statusbezogene Ideologien, sondern auch implizite Strukturvorstellungen über vertikale und horizontale Differenzen, diedie Entwicklung und Annahme legitimierender Mythen nach sichziehen können. Sie können als Ideologien über die Aneignung von Kulturen und damit interkulturelle Differenzen und die wahrgenommene, verlangte oder ideelle Verortung von Gruppen im kulturellen System definiert werden (Kap. 6.3). Akkulturationsorientierungen zeigen nicht nur an, wie Gruppen zur Frage der Statusbeziehungen zwischen Gruppen eingestellt sind (Befiirwortung der Hierarchie oder nicht), sondern auch, wo und wie sich Gruppen im Statusgefiige zu verorten haben (drinnen-draußen/oben-unten). Zweitens lassen sie sich in diesem Kontext nicht nur als Einflussfaktoren der Akkulturation oder als Wahrnehmungsoptionen verstehen, wie die Mehrheit der Theorien das tut, sondern eben auch als Legitimationen der horizontalen und vertikalen Diskriminierung von Gruppen im ethnischkulturellen System. Auf der Grundlage der Dominanzperspektive lassen sich drei Annahmen über den Zusammenhang von Statuswahrnehmung und DWerenz-Herstellung im Prozess der Akkulturation ableiten. Erstens ist anzunehmen, dass die Motivation zur Erhaltung sozialer Dominanz, also das Motiv vertikaler Differenzierung des kulturellen Statussystems von Gruppen, Unterschiede in den Akkulturationsorientierungen und dendaraus resultierenden legitimierenden Mythen erklärt. Es ist anzunehmen, dass Mitglieder dominanter Gruppen (der viel zitierten Aufnahmegesellschaft) sich mit einer solchen Gruppe identifizieren und Dominanzorientierungen ausbilden, und das erklärt, warum sie zum Beispiel segregative und/oder assimilationistische Akkulturationsorientierungen entwickeln und äußern. Zweitens ist davon auszugehen, dass auch Mitglieder akkulturierender, im Status niedriger Gruppen Dominanzorieniierungen ausbilden. Diese haben Einfluss auf das Ausmaß horizontaler Differenzierung zwischen status-
Outgroup-Beziehungen dazu führt, dass Gruppen um Ressourcen eifern. Dabei wird der Konflikt um die Ressourcen als realistischer Gruppenkonflikt wahrgenommen. Der Wettbewerb um Ressourcen bezieht sich dabei auf die Wahrnehmung, dass der Zugang zu ökonomischen, sozialen und politischen Ressourcen innerhalb einer Gesellschaft begrenzt ist. Mitglieder autochthoner Mehrheiten könnten den Konflikt um Ressourcen dadurch begrenzen, dass sie gegenüber allochthonen Personen und Gruppen mit Abwertung, Diskriminierung und Kontaktvermeidung reagieren. In ihren experimentellen Studien können die Autoren zeigen, dass die Dominanzorientierung ein signifikanter Prädiktor der Diskriminierung ist. Dabei zeigt sich auch, dass hoch dominanzorientierte Versuchspersonen nicht grundsätzlich negative Akkulturationsideologien (Präferenz von Separation etc.) äußern. Sie äußern positive Einstellungen, wenn ihnen experimentell eine gemeinsame Identität und ihnen ethnisch-kulturelle Gemeinsamkeiten suggeriert werden. Pratto und Lemieux (2001) zeigen in ihren experimentellen Studien, dass hoch sozial dominanzorientierte Versuchspersonen anfällig sind für hierarchie-verstärkende Immigrationspolitiken; ähnliche Befunde finden Bourhis und Dayan (2004), Zick und Jörges (2003), Zick, Wagner, van Dick und Petzel (2001), sowie Chambon (2005, hier mit Bezug auf die Integrationsorientierungen gegenüber älteren Menschen). 142 Vgl. zum Einfluss der Bedrohung von Gruppen und zu den Einstellungen von Europäern zur Immigrationspolitik auch [ackson, Brown, Brown und Marks (2001). Der hier genannte Zusammenhang wurde vor allem bei der Darstellung der Anxiety-Uncertainty-Management Theory deutlich (Kap . 4.5.3). Aber auch in dem allgemeinen Rahrnenmodell von Berry (1997) ist die Bedrohung als ein wesentlicher Faktor, der die Akkulturation beeinflusst, bedacht (Kap . 4.4).
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ähnlichen Gruppen. Drittens ist anzunehmen, dass spezifische Akkulturationsorientierungen ihrerseits die Annahme von Ideologien hervorrufen, die zur Diskriminierung von Outgroups dienen. Zu den einflussreichen hierarchie-legitimierenden Mythen gehören im Akkulturationsprozess auch Vorurteile und Ideologien, die die Ablehnung und Ausgrenzung von Neuankömmlingen rechtfertigen (z.B.Gewaltideologien, Etabliertenvorrechte etc.), also jene Faktoren, die nach Annahme 2 als Gruppenwahrnehmungen interkulturelle Beziehungen prägen. Sie dienen der sozialen Differenzierung. Den Grundannahmen zufolge ist diese Differenzierung allerdings begrenzt durch das Ausmaß, in dem die Balance des kulturellen Systems gefährdet ist. Zu dieser Balance, die oft erwähnt wurde, ist die folgende Annahme formuliert.
8.6
Balance und ihre Indikatoren
Grundannahme 4 erweitert die Perspektive auf die Akkulturation, indem sie besagt, dass
Akkulturation ein Prozess ist, der durch die Balancierung von Beziehungen, Differenz und Verortung geprägt ist.143 Die Annahme basiert auf den Erkenntnissen der Forschungsübersicht, die in den Erläuterungen der vorherigen Annahmen zusammengefasst wurden. Aus den Erläuterungen geht hervor, dass der Prozess der Akkulturation ein Prozess ist, der durch eine Aushandlung von kulturellen Differenzen, interkulturellen Beziehungen, Identitäten und Positionen geprägt ist. Das Konstrukt der Balance kann jetzt näher bestimmt werden. Im Anschluss an die Präzisierung sind auch noch einmal Indikatoren der Akkulturation zu diskutieren, denn sie kennzeichnen die Balance.
8.6.1
Akkulturative Balance
Von interkultureller Balance ist die Rede, wenn die Differenzen zwischen Gruppen von den Gruppenmitgliedern nichtalsbedrohlich beurteilt werden und- aussozialwissenschaftlicher Sicht- strukturell nicht problematisch im Sinne einer konfliktären Gleichwertigkeit sind; die Adaptation veränderter kultureller Umwelten also nicht problematisch ist oder blockiert wird. l44 Diese sozialpsychologisch bestimmte Balance steuert akkulturative Prozesse.
143 Die Annahme erscheint aus psychologischer Sicht zunächst wie eine konsistenztheoretische Perspektive, die in der Forschungsübersicht nicht vorkommt. Aus einer konsistenztheoretischen Perspektive besagt sie, dass Individuen, Gruppen oder sogar kulturelle Systeme motiviert sind, Konsistenz in Einstellungen, Affekten, Verhaltensweisen etc. herzustellen. Tatsächlich ließen sich viele zumindest psychologische Theorien einem solchen konsistenztheoretischen Paradigma zuordnen. Diese Position wird hier aber nicht vertreten. 144 Berry (2005b) hat in ähnlicher Weise vorgeschlagen, Akkulturation als ein Phänomen der Psychologie der Gruppenbeziehungen zu verstehen und es abgegrenzt vom Phänomen ethnischer Beziehungen. Der Outcome beider Phänomene seien Phänomene (Einstellungen, Verhaltensweisen etc.), die auf einem Kontinuum verortet werden könnten, das durch die Extrempole Harmonie und Effektivität versus Konflikt und Stress beschrieben wird. Balance in diesem Sinne ist das Ausbleiben von interkulturellen Konflikten und die Herstellung effektiver Aneignung von veränderten kulturellen Bedingungen im Prozess der Akkulturation. Allerdings ist die Differenz zwischen einer Akkulturationsforschung und einer Forschung über ethnische Beziehungen im Rahmen einer Psychologie der Gruppe analytisch
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Das kann im extremen Fall auch in einer akzeptierenden Differenz zwischen Gruppen realisiert werden, wie es durch Marginalisierung oder Segregation indiziert wird. Den vorherigen Annahmen zufolge wird die Art und Weise wie die Balance hergestellt wird, durch die politischen, strukturellen, sozialen und dispositionalen zeitlichen und räwnlichen Bedingungen determiniert. Balance kann selbst durch eine Marginalisierung oder Separation von Gruppen, die Assimilation und Unterordnung einer Gruppe unter andere Gruppen, oder durch Integration kulturell differenter Gruppen in einem gemeinsamen kulturell veränderten System erreicht werden (vgl. Kap. 4.11.1). Interkulturelle Balance ist relativ. Sie kann
nicht absolut gesetzt werden, sondern hängt von dem Ausmaß an Konflikten zwischen Gruppen ab und der Bewertung durch die Mitglieder der Kultur, ob die Entität Kultur mit ihren Merkmalen (siehe oben), zu der auch das Statussystem und die Bewertung von Gruppen, die Teil der Kultur sind, gehört, balanciert ist, oder nicht. Die Theorien der Akkulturation machen weitere Vorschläge, wie Balance zu verstehen ist. Die frühen Fremdheitskonzepte postulieren zum Beispiel, dass Akkulturation geprägt ist von einer Balance zwischen Kontinuität und Veränderung (Kap. 4.1). Nach Annahmen einiger Identitätsmodelle ist die Balance zwischen Normen und Werten, Selbstkonzepten, Identitäten und Gruppenbindungen, Rollen, Einstellungen, Eigenschaften und Fähigkeiten etc. (Kap. 4.2.1) maßgeblich, also einer Balance zwischen den definierenden Merkmalen differenter Entitäten (siehe oben). Immer wieder besonders hervorgehoben wird dabei die Balance der Normen und Werte zweier differenter Gruppen eines kulturellen Systems. Dabei nehmen wesentliche Theorien an, dass sich die Balance aus der Differenz solcher Merkmale zwischen den unterschiedlichen Kulturen, mit denen Menschen im Akkulturationsprozess konfrontiert sind, resultiert (Matching-Hypothese) (vgl. Kap. 4.2,4.5.2). Kongruent zu den Annahmen zuvor kann die Balance hier als Gleichgewicht zwischen Aneignung und Ablehnung von Kultur und ihren Merkmalen, Strukturen und Mitgliedern beschrieben werden. Eine BalanceAnnahme wird explizit durch die Cultural FitHypothesis von Searle und Ward (1990) präsentiert. Sie richtet sich allerdings zu stark auf die Balance von Persönlichkeitsmerkmalen (der Entität Individuum) und ihren Einfluss auf die Adaptation (Kap. 6.1). Eine Balanee-These, die mit anderen Vorzeichen einer klassischen Konflikt-These entspricht, wird auch durch die neueren Theorien der Akkulturationsorientierung vertreten (Kap. 6.3). Sie postulieren, dass eine Diskordanz spezifischer Akkulturationsorientierungen Konflikte zwischen allochthonen und autochthonen Gruppen erzeugen. Empirisch weisen sie zumindest in einigen Studien nach, dass eine Diskordanz der Orientierungen mit Konfliktwahrnehmungen und intentionen einhergeht. Alle diese Ansätze unterstützen die Balance-Annahme.
8.6.2
Indikatoren derAkkulturation
Um den Zusammenhang von Balance und Akkulturation und den Einfluss von Faktoren auf die interkulturelle Balance und/oder Konflikten zu analysieren, ist auch die Frage nach den Kriterien der Akkulturation beziehungsweise den Resultaten (Outcomes) von Akkulturati-
zwar interessant, nach der Forschungsübersicht aber auch irreführend. Ethnische Beziehungen sind in der vorliegenden Perspektive Bestandteil einer Akkulturationsforschung.
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onsprozessen zu stellen. Sie bestimmen die Balance.l" Die Frage stellt sich für alle Theorien und Studien, die erklären, welche Konsequenzen diese für die Aneignung von veränderten neuen kulturellen Umwelten haben. Die Frage wird grundlagenwissenschaftlich, sowie aus präventiver und interventionsorientierter Perspektive.146 Selbst aus fachpolitischer Sicht ist sie relevant, wie sich zum Beispiel in Diskussionen zur Position der Psychologie zur Realität ethnisch-kulturell diverser Umwelten zeigt.147 Die Frage nach disziplinär und theoretisch konsensualen und zuverlässigen (reliablen und validen) Akkulturationsindikatoren im Sinne von Ergebnissen der Kulturaneignung ist kritisch, weil sie in der Theoriendiskussion weniger explizit gestellt wird, als man das erwarten könnte. Das geschieht selbst nicht in Prozesstheorien, die ein Ende der Adaptation im Sinne eines (vorläufigen) finalen Zustandes der Adaptation postulieren und eine Reihe von Kriterien (abhängigen Variablen von Akkulturationsprozessen) postulieren. Stufen- und Phasenmodelle (Kap. 4.2, 5.3) sind zwar eindeutiger, weil sie in der Regel eine finale Stufe der Akkulturation und damit Kriterien einer endgültigen Anpassung vorschlagen, sie sind aber wenig zuverlässig, weil die Phasen empirisch kaum nachzuweisen sind. Die Frage nach Akkulturationsindikatoren ist aber auch nicht einfach, weil es aus einer etischen Sicht wünschenswert wäre, wenn für die Gruppen- und Kulturvergleiche relativ zuverlässige und äquivalente Kriterien der Akkulturation vorlägen; das wäre auch für empirische Vergleichsstudien, Meta-Analysen etc. relevant. Aktuelle Reviews zu Messinstrumenten teilen die Meinung, dass normierte und konsensual relativ verbindliche Indikatoren für die Forschung relevant wären, und dass die gegenwärtigen Instrumente viele Mängel aufwetsen.!"
145 Man kann die Frage zurückweisen und postulieren, dass Akkulturation ein Prozess ständiger Veränderung ist und sich solche Kriterien nicht festlegen lassen. Das Argument greift nicht, weil dann wenigstens Zwischenzustände zu markieren sind. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es auch kaum zu begründen, dass die Frage nach den Indikatoren und Kriterien der Akkulturation eine gesellschaftspolitisch relevante Frage ist. Integrationstests, Kriterien für Einbürgerungsverfahren, Regeln zur Einbürgerung etc., wie sie etwa in Deutschland seit wenigen Jahren auf oberster politischer Ebene diskutiert werden, sind sichtbarer Ausdruck dessen. Noch deutlicher wird das in dem kürzlich veröffentlichten Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2007). Die so genannten Integrationsdebatten, die insbesondere nach dem Terroranschlägen durch Mitglieder ethnisch-kulturell differenter Gruppen eingesetzt haben, sind meines Erachtens Debatten um die Frage, was überhaupt Akkulturation ist und wie sie gelingen kann; auch wenn das politische Etikett der Integration und nicht der angemessene Terminus der Akkulturation verwendet wird (vgl. z.B. Direction de la population et des migrations, 2006; Givens, 2007). Viele Länder erstatten dabei Bericht über die Lage von Zuwanderern, die die Frage nach den Erfolgen und Misserfolgen der Akkulturation stellen und Integrationskriterien vorschlagen (vgl. für die europäische Integrationspolitik z.B. Carrera, 2006; Niessen, Schibel & Thompson, 2005). Dabei sollte aus wissenschaftlicher Sicht nicht vergessen werden, dass solche Diskurse und politische Maßnahmen auf den Akkulturationsprozess zurückwirken. Das hat sich vor allem in der Diskussion um die Akkulturationsorientierungen deutlich gezeigt (Kap. 6.3). Mehrere Autoren betonen den Einfluss politischer Ideologien und Strategien auf die Akkulturation. Zudem taucht der Einfluss der Politik auf die Akkulturation in einigen der Mega-Modelle der Akkulturation (Kap. 3.2) sowie in den komplexen Faktorenmodellen (Kap. 4.4) auf. Dabei, das sei am Rande bemerkt, fehlen allerdings überzeugende empirische Analysen dazu, wie Politiken (Policies) Akkulturation beeinflussen. An späterer Stelle wird darauf noch genauer eingegangen. 146 Hier sei daran erinnert, dass viele der in der Forschungsübersicht präsentierten Akkulturationsskalen in Klinischen Studien verwendet werden. 147 Vgl. zum Beispiel die von Fowers und Davidov (2006) initiierte Diskussion über die Relevanz des Multikulturalismus-Konzeptes. 148 Vgl. auch neuere Literatur z.B. von Bornstein und Cote (2006), Cabassa (2003), Chun & Akutsu (2003), Kang (2006), Trimble (1998) und Zane und Mak (2003).
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Ein großer Teil der gegenwärtigen Indikatoren sind in der Regel zielgruppenspezifisch, das heißt sie erfassen Indikatoren der Akkulturation spezifischer Zuwanderergruppen von denen man nicht weiß, wie gut sie auch die Akkulturation anderer Gruppen repräsentieren (Äquivalenzproblem). Sie werden dabei zusätzlich von Sprachkompetenzen der Befragten erheblich beeinflusst (Kang, 2006). Sodowsky, Lai und Plake (1991) merken schon recht früh an, dass drei weitere wesentliche Probleme vorliegen, die zumindest die Messung der soziokulturellen Akkulturation bestimmen. Viele Stichproben erfassten nur das extreme Niveau der Akkulturation. Oft werde Akkulturation nur durch ein einziges Maß in einer sehr spezifischen (Sub-)Gruppe gemessen und eben nicht durch unterschiedliche Maße, die Validitäts- und Reliabilitätsprüfungen zulassen. Häufig seien die psychometrischen Informationen zu den Messinstrumenten vollkommen unzureichend; zumindest in den Publikationen (siehe auch die Kästen zu einigen Skalen, zu weiteren Problemen). Viele andere Kritikpunkte an den Indikatoren und ihrer Messung decken sich auch mit jenen Kritikpunkten, die zu den Akkulturationsorientierungen vorgebracht wurden, zumal diese oft als Indikatoren herangezogen werden (Kap. 6.3). Die meines Erachtens primäre Kritik besteht jedoch darin, dass viele Messinstrumente nicht anhand einer ihnen zugrunde liegenden Theorie entwickelt werden, die operationalisierbare Kriterien definiert. Trotz aller Kritik ließen sich in der Forschungsübersicht aber einige reliable und valide Skalen ausmachen und es lassen sich neue Indikatoren auf der Grundlage der hier vorgeschlagenen Perspektive entwickeln. In der psychologischen Forschung dominiert die Fokussierung auf unterschiedliche Ausdrucksformen der Adaptation, die in Übereinstimmung mit Annahme 5 gleichsam Indikatoren der Balance oder Konflikte darstellen. Akkulturationsergebnisse manifestieren sich demnach in den unterschiedlichen Formen der psychologischen, soziokulturellen, ökonomischen und gesundheitlichen Adaptation (Kap. 2.3.1). Zu ihrer Operationalisierung wurden verschiedene Messverfahren im Verlauf der Forschungsübersicht vorgestellt. Die meisten Indikatoren der Adaptation erfassen einerseits psychischgesundheitliche Probleme sowie interkulturelle Kompetenzen auf Seiten von Neuankömmlingen (v.a. Sprachkompetenzen), die Kultur der Mehrheitsgesellschaft zu beherrschen; sind also streng genommen Indikatoren der Assimilation an die Mehrheitskultur beziehungsweise deren normativer Merkmale wie eben Sprache, Brauchtum, Mediennutzung etc. (vgl. dazu auch die Definition von Assimilation in Kap. 2). Zum anderen werden jene Kriterien als Indikatoren der Akkulturation hervorgehoben, die von Theorien als wesentliche Bedingungsfaktoren (Ursachen) identifiziert und geprüft werden, also zum Beispiel Identifikationen und interkulturelle Kontakte. Es wird postuliert, dass Identifikationen und/oder interkulturelle Beziehungen zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen die Akkulturation bestimmen und demnach wird die Veränderung von Identitäten und/oder Kontakten als Kriterium gelungener oder konfliktärer Akkulturation betrachtet. Dabei ergibt eine genauere Ansicht der unterschiedlichen Adaptationsformen und ihrer Messung jedoch, dass Ungleichgewichte und/oder Konflikte, die interkulturelle Beziehungen beschreiben, eher selten als Kriterium der Adaptation definiert werden; das sollte aber nach den vorangehenden Thesen besonders relevant sein. Am ehesten wird es noch durch die Konzeption der soziokulturellen
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Adaptation erreicht. 149 In den Sozialwissenschaften scheint der Fall etwas anders gelagert zu sein, obgleich auch sie die Frage nach einer gelungenen oder fehlgeschlagenen Akkulturation selten explizit stellt. Hier steht zum Beispiel die Assimilation in ihren theoretisch unterschiedlich postulierten Facetten (Kap. 5 und 7), insbesondere aber Schichtungsindikatoren, als Kriterium für eine gelungene Akkulturation deutlicher im Vordergrund, und wenn Indikatoren diskutiert werden, sind sie deutlicher auf Kriterien der interkulturellen Balance ausgerichtet. Allerdings schlägt sie in weitaus geringerem Umfang zuverlässige Messinstrumente vor, schon gar nicht solche, die in unterschiedlichen Kontexten und an unterschiedlichen Stichproben geprüft worden sind oder werden können.P" Ihr Blick ist immer noch eng auf die Assimilation von Migranten in einem spezifischen nationalen Kontext gerichtet. Es wird nicht gelingen, einen interdisziplinär relevanten Indikator oder eine hinreichende Indikatorenliste der Akkulturation zu präsentieren, an dem sich das Ausmaß der postulierten Balance bemessen lässt und an dem sich dann auch notwendige empirische Theorienvergleiche durchführen Iassen.!" Das verlangt eine eigenständige und umfassende Forschungsarbeit auf der Grundlage intensiver Literatur- und Datenrecherchen, einer Prüfung der Datenqualität sowie der Durchführung einer Meta-Analyse. Wohl aber lassen sich aus der Forschungsübersicht einige wesentliche Akkulturationsindikatoren identifizieren, die empirisch erfasst werden können. Bhugra, Bhui, Mallett, Desai, Singh und Leff (1999) definieren (mit Blick auf Asien) sechs zentrale Merkmale l S2: 1) ethnische Identität, 2) Religion, Vorschriften und Vorstellungen über Riten und Entwicklungspassagen, 3) Sprache, 4) Ernährung, 5) Freizeit und 6) die sozialen und kulturellen Qualitäten, beziehungsweise Einstellungen dazu. Die Messung sollte mehrdimensional über die Erfassung von Schemata, sozialen Netzwerken und Gefühlen erfolgen, und die Instrumente sollten für zeitliche Veränderungen sensibel sein. Dem sind, der bisherigen Diskussion zufolge, zwei weitere Komponenten hinzuzufügen: 7) die Wahrnehmung des Akkulturationsprozesses durch die am Prozess Beteiligten. Das geht durch Erfassung der Akkulturationsstrategien oder -orientierungen (vgl. Kap. 6.3). Qualitativ ist es möglich, die kulturell-ethnische Sichtweise durch die Konstrukte kulturelle Identität, ethnische Loyalität und kulturelles Bewusstsein zu erheben (vgl. insbesondere Kap. 4.2.1). Die Sichtweisen können dann auf konkrete Verhaltensweisen hin geprüft werden. Etwas problematischer ist die Erfassung des politischen und kulturellen Kontextes des Akkulturationsprozesses. Dabei ist es auch bedeutsam, die Sicht der Mehrheit zu erfassen. 8) Zusätzlich können Assimilation oder Separation in kleinere Einheiten heruntergebrochen werden, sodass die verschiedenen Ebenen der Identifikation deutlich werden. Solche Einheiten können zum Beispiel durch den Lebensbereich oder Integrationsbereiche (Kap. 5.8) definiert sein. Es können also durchaus nach Lage der Forschung relevante Indikatoren identifiziert werden, die zu der hier entwickelten theoretischen Perspektive passen. Entsprechend den 149 Das derzeit bekannteste Instrument ist die Sociocu1tural Adaptation Scale Ward und Kennedey (1999), die im Kapitel 2 in Box 2.8 abgedruckt ist. 150 Das Äquivalenzproblem ist in den sozialwissenschaftlichen Akkulturationsstudien meines Erachtens auch deshalb größer, weil diese sich stärker auf nationale Kontexte konzentrieren und eher nicht kulturvergleichend ausgerichtet sind. 151 Zum Theorienvergleich siehe z.B. Opp und Wippler (1989). 152 Die mit entsprechenden Akkulturationsskalen erfasst werden sollten.
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hier entwickelten Annahmen sollten die Akkulturationsindikatoren die interkulturelle Balance zwischen beteiligten Gruppen des Akkulturationsprozesses erfassen, die sich vor allem in den Beziehungen, Identitäten, Aneignungs- und Abwehrreaktionen und horizontalen und vertikalen Differenzierungsprozessen erweisen und beachten, dass die Dimensionen der Zeit und des Raumes sowie personale, gruppale, strukturelle und gesellschaftlich politisch kulturelle (also rnikro-, meso-, makro- und kulturelle) Faktoren die Akkulturation bestimmen, die sich nach Lebensbereichen von Individuen und Gruppen unterscheiden können. 153 Mit Tabelle 8.2 wird ein erster Versuch der Klassifikation wesentlicher Indikatoren präsentiert. Es werden vier Dimensionen unterschieden, denen Adaptationsdimensionen zugeordnet werden. Die Dimensionen gruppieren personale, intergruppale, soziostrukturelle und kulturelle oder gesellschaftspolitische Indikatoren. Die Adaptationsdimensionen sind grob in jene unterteilt, die Dispositionen, soziale oder interkulturelle Beziehungen sowie die Beziehung zwischen kulturellen Systemen und Personen oder Gruppen betreffen; also einer mikro-, meso- und makro-sozialen Ebene. Dass die in Tab. 8.2 genannten Indikatoren relevant sind, wird durch die Verweise auf die Referenzkapitel kenntlich gemacht. Für die Analyse solcher Indikatoren reicht allerdings die Auflistung nicht aus. (Mindestens) Die folgenden Aspekte, die zur Differenzierung der Dimensionen herangezogen werden sollten, sind zu bedenken, soll aus den Indikatoren ein Akkulturationsniveau erschlossen werden.
. dikatoren I . ehe Akkulturationsm Exempians Dimension Adpatations- Indikatoren dimension individuell Gesundheit, psychisches Wohlerpersonal gehen (Disposition) personale Identität, Selbstwert Krisen, Stress, Coping kommunikative und interkulturelle Kompetenz; v.a.Sprachkompetenzen (situationsvariable) Traits(z.B. kognitive Komplexität) privateAkkulturationsorientierungen sozio-kulturel/ intergruppal Werte, Normen(einstellungs-, (soziale verhaltens-, identitätsbezogen) Beziehungen) T,a. b
B2
soziale Identitätin Bezug auf Herkunfts- und neue Kultur) und
Referenzkapitel 4.2.1, 4.4.1 4.2, 4.3, 6.2, 5.3 6.6 4.5,4.6.1,4.7
6.1 6.3 4.2.1,4.2.3,4.3,4.5.1, 4.6.1,4.7.1,4.9.1, 4.10,5.3.2,5,5,6.3, 6.5,7 4.2,4.8
153 Eine Alternative hätte darin bestanden, Indikatoren allein aus Mega-Modellen (Kap. 3.2) oder komplexen Faktorenmodellen (Kap. 4.4) abzuleiten, aber das wäre nichthinreichend und würde theoretisch und empirischwenigergesichert sein.
576
damit verbundene pos./neg. SelbstbeV{ertung (Inter)kulturelle Referenzgruppen und Netzwerke, soziale Unterstüt-
4.8,7
zung
sozio-strukturell
systemstrukturell
gesellschaftspolitischideologisch
kulturell ideologisch
Binnenintegration, Bindung an Conununities Interkulturelle Kontakte wahrgenommene, tatsächliche interkulturelle Konflikte, Vorurteile, Diskriminierung Relative Deprivation, Unsicherheit und Bedrohung durch kulturell differente Vergleichsgruppetn) Dominanzorientierungen und Motive zum Statuserhalt und -aufbesserung Intergruppale Akkulturationsorientierungen Einkommen Lebensverhältnisse Schichtungsindikatoren Partizipations- und Mobilitätsoptionen ete.; rechtliche Rahmenbedingurigen (Systemintegration) pluralistische, multikulturalistisehe, assimilative Ideologien (Akkulturationsideologien) politische Konzepte und Rahmenbedingungen (auch Recht)
7 5.9,6.5 4.9, 6.3., 6.4
4.5.3,4.9
4,6
6.3 5.3,5.8 5 5.2,5.3 5.3,7
6.3
5,7
1. Die Indikatoren sollten nach der zeitlichen Dimension unterschieden werden (siehe idealtypischer Zeitrahmen oben). Indikatoren verändern sich mit dem Verlauf der Akkulturation, wie zum. Beispiel die Identitäten, und nicht jeder Indikator spielt in jeder Phase der Akkulturation eine Rolle. 2. Die Indikatoren sollten mit Bezug zu unterschiedlichen Räumen und Lebensbereichen analysiert werden. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass bestimmte Akkulturationsorientienmgen sich nach privatem und öffentlichem Bereich unterscheiden (Kap. 6.3). Eine separatistische Orientienmg einer Gruppe im privaten Lebensbereich muss die Adaptation öffentlicher Werte und Normen nicht unbedingt behindern. Dabei sind sozialpsychologisch Lebensbereiche relevant, die einen Einfluss auf interkulturelle Beziehungen haben. Friesen (1985) weist darauf hin, dass Konfliktbereiche mit einer erhöhten Motivation und Bedeutung/Sinn kollektiver Anstrengungen, Organisationsprozessen für die Anstrengung, Annahmen von Macht und Zielerreichung, der Entwicklung von Konfliktaktivitäten und dem Auftreten kritischer Ereignisse einhergehen. 3. Die Stabilität der Indikatoren ist relevant. Es sollten jene Faktoren, die ein veränderungsresistentes Verhalten und/oder ändenmgsresistente Einstellungen, Ideologien, Strukturen etc. indizieren, den Akkulturationsprozess mehr behindern, als solche die flexibel 577
und/oder veränderbar sind. Das insbesondere dann, wenn die Differenzen der Akkulturationsindikatoren zwischen Gruppen, die eine gemeinsame Aneignung von veränderten kulturellen Umwelten suchen, in den Faktoren besonders groß sind. Die Logik ergibt sich aus der Definition der Akkulturation als Veränderung (Annahme 1). Die Forschungsübersicht hat gezeigt, dass zum Beispiel relativ stabile und änderungsresistente Bildungs- und Schichtdifferenzen oder traditionell nationale Identifikationen Akkulturationsprozesse mehr hemmen als veränderliche sozioökonomische Faktoren und transformierbare Identitäten (Kap. 4). Damit sind zugleich jene Indikatoren für die Akkulturation besonders relevant, die nicht finale oder nicht mehr weiter zu verändernde Zustände repräsentieren, sondern variable (Übergangs-)Zustände beschreiben, da Akkulturationsprozesse als Abfolge sich gegenseitig bedingender Transformationsprozesse zu verstehen sind, eben multi-direktional und multi-dimensional. 4. Es ist relevant, ob die Indikatoren spezifisch oder global sind . Einkommensindikatoren sind relativ spezifisch, während Indikatoren der Identität im Vergleich dazu global sind. Will man akkulturatives Verhalten aus den Indikatoren vorhersagen, ist die Korrespondenz des Spezifikationsniveaus zu bedenken und zu ermitteln. 5. Gemäß den Annahmen sind vor allem Indikatoren für das Ausmaß der Balance der interkulturellen Beziehungen maßgeblich. Mit dem Fokus auf die interkulturellen Beziehungen sind die soziokulturellen Indikatoren besonders wichtig und die anderen Indikatoren wären in Bezug auf ihren Einfluss auf interkulturelle Beziehungen zu sichten. Das heißt, es sind vor allem personale, soziokulturelle, soziostrukturelle und kulturell-ideologische Indikatoren relevant, die a) auf die Zugehörigkeit zu Gruppen zurückzuführen sind und b) die Beziehungen zwischen den am Akkulturationsprozess beteiligten Gruppen definieren. Krisen- und Stresserfahrungen von Individuen sind demnach dann relevant, wenn sie einen Einfluss auf die Beziehung zwischen den Gruppen haben. Das ist insofern relevant, als zum Beispiel gesundheitliche Probleme von Neuankömmlingen aus sozialpsychologischer Sicht nicht unbedingt die interkulturellen Beziehungen beeinflussen müssen. Gleiches gilt für politische Ideologien, oder soziostrukturelle Faktoren. wie zum Beispiel ökonomische Ressourcen usw.; sie können, müssen aber nicht die Akkulturation beeinflussen. Zumindest aber muss aus der hier vorliegenden Perspektive schlüssig angenommen und nachgewiesen werden, warum welcher Indikator wie den Prozess der Akkulturation beeinflusst. Die vorliegenden Theorien tun das nur in sehr begrenztem Maße; die Theorienübersicht sollte helfen, Indikatoren auch daraufhin zu diskutieren. 6. Die Indikatoren der Akkulturation sind daran zu bemessen, wie sie die Balance des übergeordneten kulturellen Systems beeinflussen. das heißt der Entität Kultur, die zum Beispiel durch eine Gesellschaft definiert ist. Dabei spielen Konkordanzen und Diskordanzen, oder einfach Differenzen der Akkulturationsindikatoren zwischen kulturell differenten Gruppen in den vier Dimensionen eine Rolle. Das Ausmaß der Akkulturation bemisst sich an dem Vergleich zwischen Gruppen und ihren Mitgliedern, also zum Beispiel zwischen Migranten und Einheimischen. Viele Akkulturationstheorien machen sehr deutlich, dass es wenig hilft, wenn eine Gruppe von Neuankömmlingen alle Kompetenzen zur Erreichung eines Integrationsstatus aufweisen, die Mehrheitsgesellschaft aber die Gruppen nicht integrieren möchte, selbst keine Integrationskompetenzen hat, oder die Indikatoren anders interpretiert. Anhand jeder der in Tabelle 8.2 genannten Dimensionen können sich Differenzen ergeben, die anzeigen, ob ein Ungleichgewicht oder eine Balance besteht. Dabei können sich a) Differen-
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zen auf der Ebene der intra- und interpersonaler Wahrnehmungen, Affekte, Einstellungen (z.B. Indikatoren Stress- und Krisen) etc, ergeben. Ebenso ergeben sich b) subjektive und objektive Differenzen und Passungen auf der Ebene der interkulturellen (gruppalen) Beziehungen zwischen den am Akkulturationsprozess beteiligten Gruppen, sowie c) soziostrukturelle Differenzen zwischen Gruppen (z.B. in Statuspositionen, objektiven Desintegrationsindikatoren und Hindernissen für Gruppen) und d) Differenzen in gesellschaftspolitischen Ideologien zum kulturellen System oder zwischen Gruppen. IS4 Die Balance des Gesamtsystems erschließt sich aus der Bilanz der Differenzen (Konkordanz/Diskordanz) der Akkulturationsindikatoren in den Dimensionsbereichen. Dabei wäre zukünftig genau zu analysieren, wie der Einfluss der einzelnen Indikatoren und ihrer Differenzen gewichtet ist, will man das Gesamtniveau für einen Akkulturationskontext bestimmen. Es wird eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben sein, zuverlässige Akkulturationsindikatoren zu ermitteln, die sich auf der Grundlage der vorliegenden Forschungsübersicht genauer bestimmen lassen, als das bisher der Fall ist. Auch oder gerade aus gesellschaftspolitischer Sicht ist die Frage nach Akkulturationsindikatoren und ihren Wechselwirkungen auf die interkulturelle Balance wichtig und bedarf wissenschaftlicher Fundierung. Die gesellschaftspolitische Diskussion kann durchaus mit einem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse korrespondieren. Auch für sie sollte eines der primärsten zukünftigen Ziele sein, empirisch operationalisierbare Akkulturationsindikatoren zu ermitteln. ISS Es kann gelingen, zumindest für viele der in der Tabelle genannten Kriterien, relativ zuverlässige und verbindliche Indikatoren auf der Grundlage der Theorien, die in den Referenzkapiteln zu Tabelle 8.2 genannt sind sowie der in diesem Kapitel vorgestellten gemeinsamen Perspektive konkrete Indikatoren und Annahmen zu entwickeln, die empirisch geprüft werden können. Dazu müssten konkret a) Theorien geprüft, b) Indikatoren entlang ihrer Annahmen identifiziert, c) empirische Studien ermittelt und d) vorhandene Daten (Surveys, Studien, Bevölkerungsstatistiken etc.) gesichtet werden.
8.7
Akkulturation als soziales Phänomen
Grundannahme 5 besagt, dass Phänomene, dieden Prozess derAkkulturation beobachtbar (empirisch) prägen, aus der Interaktion von Personen- und Umweltfaktoren zu erklären sind. Mit der Annahme wird explizit die Frage nach dem Verhältnis subjektiver oder psychologischer und struktureller Faktoren aufgeworfen.!" Damit ist die Beziehung zwischen mikro-, mesound makro-sozialen Faktoren des Akkulturationsprozesses angesprochen, die an vielen Stellen der Forschungsübersicht diskutiert wurde und die Fundierung der hier skizzierten
154 Für die Balance der übergeordneten Entität Kultur ist dagegen nicht das Akkulturationsniveau von Indivdiuen oder Gruppen, sondern das Gesamtniveau bestimmend, das sich durch alle Individuen Gruppen eines kulturellen Systems konstituiert. 155 Im politischen Diskurs ist von Integrationsindikatoren die Rede . Das ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit in der Regel viel zu unpräzise. 156 Strukturelle Faktoren werden in der Akkulturationsforschung bisweilen als soziologische Faktoren benannt, weil die Soziologie sich eher mit sozi-strukturellen Faktoren beschäftigt. Diese Unterscheidung hilft eher, Differenzen der Forschungsdisziplinen zu verfestigen, als das gemeinsame Erkenntnisinteresse weiter zu ermöglichen.
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Perspektive geprägt hat. Es wurde sichtbar, dass die Differenz rnikro-, meso- und makrosozialer Erklärungsansätze, wie sie bereits in Kapitel 2.1.2 erläutert wurde, immer noch groß ist. Das manifestiert sich in der bislang dominierenden disziplinären Trennung einer psychologischen Akkulturationsforschung und einer sozialwissenschaftliehen Forschung. Das manifestiert sich auch innerhalb der Disziplinen und zwischen den Prozess- und Strukturtheorien und ihren empirischen Zugängen. So wird zum Beispiel in der psychologischen Akkulturationsforschung in vielen Publikationen zu einzelnen mikro- und/oder mesosozialen Phänomenen oft auf Mega-Modelle (Kap. 3.2) und komplexen Faktorenmodelle der Akkulturation (Kap. 4.4) rekurriert, um auf die Bedeutung makro-sozialer Faktoren und die Komplexität der Bedingungskonstellationen von Akkulturationsprozessen hinzuweisen. Die dazu notwendige Analyse der Beziehung zwischen den Faktoren und deren Bedeutung für den Akkulturationsprozess bleibt aber vielfach aus. Einerseits werden die komplexen Modelle nicht geprüft und andererseits werden Person-Umwelt-Wechselwirkungen unzureichend analysiert. Vielfach bleibt die psychologische Forschung auf der Ebene der Analyse von mikro-sozialen Faktoren und Prozessen stehen (vgl. auch Chun & Akutsu, 2003). Deutlich wird das etwa bei der Analyse der Akkulturationsorientierungen (6.3), die als mesound makro-sozial determiniert verstanden werden, aber als solche bislang selten geprüft werden. Um die Personen-Umfeld-Wechselwirkungen zu analysieren, reichen die Designs der Studien oft nicht, wie in der Forschungsübersicht deutlich geworden sein sollte (vgl. auch Berry, 2006). Ähnliche Probleme der Mikro-Makro-Analyse finden sich auch in den sozialwissenschaftliehen Ansätzen, die zumeist von einer makro-sozialen Perspektive aus Annahmen über meso- und mikro-soziale Prozesse entwickeln. Die Diskussion des MikroMeso-Makro-Problems (siehe oben, Kap. 2.1.2) ist dabei eng mit einer Reihe von wissenschaftstheoretischen und methodischen Fragen verbunden. Wissenschaftstheoretische Differenzen wurden genannt. Sie manifestieren sich in der disziplinären Trennung erkenntnistheoretisch unterschiedlichen Positionen (vgl. auch Kap. 2.5). In der psychologischen Forschung wird die Mikro-Meso-Makro-Problematik einerseits auf der Grundlage erkenntniswissenschaftlicher Diskussionen über die Differenz relativistischer und rationalistischer Positionen diskutiert. Wesentlich relevanter aus empirischer Perspektive sind aber die Diskussionen um die Frage des Einflusses individualpsychologischer Faktoren versus gruppaler (meso) und/oder kultureller (im Sinne von makro-sozialen) Faktoren (Berry, 2006).Auch in den Sozialwissenschaften reichen die Diskurse auf erkenntnistheoretisch grundlegende Divergenzen zurück, wie die jüngere Debatte um mechanismische Ansätze des methodologischen Individualismus und holistische Paradigmen zeigt (vgl. Albert, 2007). Die vorliegende Übersicht kann helfen, einige der Divergenzen durch die Diskussion der Phänomene zu überbrücken. Dazu betont Annahme 5 noch einmal die Notwendigkeit einer sozialpsychologischen Perspektive auf Akkulturation. Die Perspektive beschreibt die Aneignung von kulturellen Kontexten als Prozess zwischen Personen, die in kulturelle Gruppen eingebunden sind. Laut einiger Theorien kann die Akkulturation dabei allein auf die Charakteristika der beteiligten Personen zurückgeführt werden. Sie kann entgegengesetzt als Prozess verstanden werden, der vollständig durch die Charakteristika von Kulturen bestimmt ist, also unabhängig von Personen und Gruppen. So behaupten zum Beispiel einige Theorien, dass Differenzen zwischen den Charakteristika von Kulturen, also Werten, Normen, Bräuche etc., die Aneignung der Kultur durch Individuen und Gruppen beeinflussen. Die Nicht-Passung
580
zwischen Kulturen (als Entitäten) erzeugt und bestimmt im extremen Fall den Akkulturationsprozess und nicht primär die interpersonalen Beziehungen (siehe oben). Dabei zeigt die Forschung aber, dass diese radikale Annahme, dass allein die Differenz Akkulturation erzeugt, nicht reicht. Entscheidend ist, ob die Differenz subjektiv (psychologisch) relevant ist für die interkulturellen Beziehungen und wie sie sich in der Umwelt manifestiert; so wie zu Beginn in Proposition 28 angenommen (Kap. 2.4.2). Auf der Grundlage der hier entwickelten Annahmen bedeutet die sozialpsychologische Perspektive, dass Akkulturation ein Prozess der Aneignung von kulturellen Umwelten und damit Veränderungen ist, die durch zeitlich-räumliche Verortungen von Individuen und Gruppen zustande
kommen und über die Konstitution vonintergruppalen Beziehungen verläuft.
8.8
Forschungsperspektiven und methodologische Notwendigkeiten
Durch die Forschungsübersicht wurde eine Theorie entwickelt, die durch die fünf Grundannahmen und eine Vielzahl an weiterführenden Annahmen repräsentiert ist. Sie beruhen auf theoretisch und empirisch belastbarer Evidenz. Im Verlauf der Diskussion wurden jedoch auch eine Reihe von offenen Forschungsfragen und methodologischen Aspekten diskutiert, die die zukünftige Forschung prägen können. Die drängenden offenen Fragen sollen nicht noch einmal im Detail aufgeführt werden, zumal sie zum Teil spezifische Theorien und die Methodik ihrer empirischen Prüfung betreffen. Es sollen aber wesentlichste Perspektiven und methodische Fragen auf der Grundlage der zuvor erörterten Annahmen festgehalten werden. Die Forschungsperspektiven und die Methodologie der Akkulturationsforschung ist geprägt von der Notwendigkeit einer adäquaten theoretischen Analyse und empirischen Prüfung der beiden wesentlichen zusammenhängenden Phänomene, mit denen sich die Forschung beschäftigt: Der Analyse von Prozessen der Veränderung, die sich aus dem Kontakt zwischen Individuen und Gruppen unterschiedlicher kultureller Herkunft - also ihrer interkulturellen Beziehung - ergeben, sowie der Analyse der daraufhin erfolgenden Prozesse der Aneignung von kulturellen Umwelten. Die hier genannten Annahmen bieten Differenzierungen, die einen Ausgangspunkt für die Forschung bieten. Die Frage, welche Faktoren den Prozess der Veränderung und Aneignung von Kultur durch Individuen, die Mitglieder unterschiedlicher Kulturen sind, beeinflussen (Ursache), wie sich Veränderungen und Aneignungsprozesse empirisch äußern (Phänomen) und welche Folgen sie haben (Konsequenzen), ist die wesentliche Forschungsfrage. Die Prozesse und Mechanismen der Aneignung neuer kultureller Umwelten, die Hinweise auf Veränderungen, aber auch Stabilitäten, Konsistenzen und Kongruenzen in den interkulturellen Beziehungen, den Einstellungen, Wahrnehmungen, Affekten und Verhaltensweisen von Individuen und Gruppen sowie der Veränderung von makro-sozialen Strukturen und kulturellen Systemen hat, sind nachweislich genauer zu beschreiben. Auf der Grundlage der Annahmen dieses Kapitels können sie bestimmt werden. Dazu liegen viele Prozess- und Strukturtheorien vor, die noch weitaus genauer und in einem interdisziplinären Forschungskontext zusammengebracht werden können. Die hier entwickelte Perspektive kann einen Rahmen bieten. Dabei wurde explizit auf die Entwicklung eines neuen komplexen Rahmen- oder Faktorenmodells verzichtet und stattdessen aus einer Grundperspektive der Bestimmung der Basiskonzepte
581
der Forschung und der Sichtung der Wissensbestände wenige Annahmen entwickelt, die eine interdisziplinäre Diskussion vereinfachen können, ohne dass die Disziplinen ihre Eigenständigkeit verlieren. Wichtig erscheint mir dabei, dass die Forschung sich über die relevanten Akkulturationsphänomene besser als bislang verständigen muss und ihre diversen Erkenntnisinteressen deutlicher als bislang kenntlich machen sollte . Der Rekurs auf MegaModelle mit komplexen Kausalannahmen, die durch Wirkungspfeile angedeutet werden, ist nicht hilfreich und erscheint bisweilen willkürlich (Kap. 3.2). Mehrfach hat die Übersicht zum Beispiel die Frage aufgeworfen: Wie beeinflussen Identifikationen, interkulturelle Kontakte oder Akkulturationsorientierungen die Aneignung von welchen kulturellen Umwelten? Dass die Faktoren theoretisch nach wissenschaftlichen Prinzipien abgeleitet werden und bedeutsam sind, steht nicht in Frage, aber oft werden von den Theorien nur schwache Antworten zum Prozess der Aneignung gegeben, die sich dann auf die Empirie auswirken, wenn in den dazugehörigen Studien mögliche Einflussfaktoren des Akkulturationsprozesses, die sich empirisch zeigen, theoretisch stringent nicht abzuleiten, oder erst gar nicht explizit postuliert worden sind. In der psychologischen Akkulturationsforschung macht sich das zum Beispiel dadurch bemerkbar, dass in einigen Studien soziodemographische Variablen, die den sozioökonomischen Status operationalisieren, als Kontrollvariablen geprüft werden, obgleich ihre Wirkung durch Diskussion von Gesellschaftstheorien genauer vorhergesagt werden könnte. Dabei werden einige soziodemographische Variable, wie zum Beispiel das Alter und Geschlecht, bislang nicht hinreichend in Theorien, zum Beispiel der Entwicklung und Geschlechtsrollendifferenzierung, eingebunden (vgl. Kap. 4). Erkenntnisreich wäre hierbei zum Beispiel eine interdisziplinäre Entwicklung psychologischer, insbesondere intergruppaler Theorien und integrationstheoretischer Ansätze der Sozialwissenschaften. Die selbstverständliche wissenschaftliche Frage, was mit welchem Interesse erklärt werden soll, erscheint bisweilen ungenau beantwortet, bemisst man die Theorien an der Art und Weise, wie sie empirisch geprüft werden. Am Beispiel der immer wieder und kurz zuvor diskutierten Mikro-Meso-Makro-Problematik wurde das sehr deutlich. Die Differenzierung von Prozess- und Strukturtheorien der eher mikro- und meso-sozial orientierten psychologischen Forschung und der eher makro-sozial orientierten sozialwissenschaftliehen Forschung war hilfreich, sie ist meines Erachtens aber nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Entwicklung genauerer Modelle. Bevor aber weitere komplexe Kausalmodelle auf der Basis einer interdisziplinär orientierten Theorienintegration folgen, wäre meines Erachtens erst einige zentrale Anforderungen an Empirie und Methodowgie einzulösen. 1. Eine Reihe der vorgestellten Theorien legen Thesen vor, die überhaupt erst einmal genauer empirisch zu prüfen wären. Andere Theorien und Modelle basieren auf einer relativ schmalen empirischen Basis und wurden nur durch Analysen der Adaptationsprozesse spezifischer Gruppen (Stichproben) in spezifischen Kontexten zu einer spezifischen Zeit geprüft. Ihre Annahmen wären in weiteren Studien unter Berücksichtigung anderer Gruppen und Kontexte zu prüfen, um sie im Kanon der Forschung besser einschätzen zu können. 2. Immer wieder stellt sich dabei die Frage der Äquivalenz (Berry, 1969;Olmedo, 1979; van de Vijver & Leung, 1997; van de Vijver & Tanzer, 1997). Sie ist aber auch abhängig von den (kulturell determinierten) Konstrukten und Annahmen der Theorien über Vergleichs-
582
kontexte. Theorien müssen genau sein in den Annahmen dazu, welche Äquivalenz sie annehmen. 3. Es fehlen empirische Theorienvergleiche in der Akkulturationsforschung. Wie deutlich wurde, empfehlen sich Theorienvergleiche innerhalb der verschiedenen Theoriengruppen der Systematik der Akkulturationsforschung (Tab. 3.3, Kap . 3.6). 4. An vielen Stellen wurde hervorgehoben, dass die Empirie, aber auch die dazu notwendige Theorie, mehr und eindeutigere Analysen zur Divergenz der Akkulturationsprozesse von Neuankömmlingen und Einheimischen in einem kulturellen System vorlegen müssen. Akkulturationsphänomene, wie die Adaptation veränderter kultureller Umwelten durch Einheimische, sind nahezu gar nicht untersucht. Diese spezifischen Anforderungen sind eng mit methodologischen Fragen verbunden. Die theorienbasierte Forschungsübersicht hat viele methodische Probleme und Unzulänglichkeiten kenntlich gemacht. Auch hier sei abschließend nur auf wesentliche Aspekte hingewiesen. 5. Akkulturationsforschung bedarf keiner eigenständigen Methodologie. Sie kann vor allem auf ein Repertoire von qualitativen und quantitativen kulturvergleichenden Verfahren für Surveys, Experimente, Feldstudien, Sprachanalysen, Text- und Inhaltsanalysen, Netzwerkanalysen und Beobachtungsstudien zurückgreifen, die mit den unterschiedlichsten statistischen Verfahren ausgewertet werden können (vgl. z.B. Alasuutari, 1995; Berry, Dasen & Saraswathi, 1997a/b; Berry et al., 1992,2002; Bouvy et al., 1994; Chun, Organista & Marin, 2003; Harkness, van de Vijver & Mohler, 2003; Kleiner & Okeke, 1991; Lonner & Berry, 1986; Sam & Berry, 2006; Segall et al., 1999; Van de Vijver & Leung, 1997; Ward, Bochner & Furnham, 2001). Sie kann darüber hinaus auf ein modemes und genaueres Repertoire an statistischen Verfahren zurückgreifen, die es auch ermöglichen einige Modelle in Reanalysen genauer zu testen. Für die Mikro-, Meso- und Makro-Analyse im Rahmen der Person-UmweltFit-Diskussion oder Culture-Matching-Hypothesen (siehe oben), bieten sich zum Beispiel Mehrebenenanalysen an, die vor einigen Jahren kaum entwickelt waren. Für die Analyse komplexerer Modelle, Biases und Äquivalenztests liegen modeme Verfahren zur Prüfung von Strukturgleichungsmodellen vor. 6. Akkulturationsstudien müssen dabei nicht unbedingt mit neuen Datenerhebungen einhergehen. Es liegen viele Datensätze vor, die durch die modemen statistischen Verfahren für Re-Analysen geeignet sind. Das bietet sich zum Beispiel für die empirische Analyse der oben diskutierten Akkulturationsindikatoren an, oder zum Beispiel für die viel diskutierte Frage, welche Form der Adaptation mit uni-, bi- oder multidimensionalen Identitäten einhergeht. Dazu wäre dann selbstverständlich eine dringend notwendige Datenbestandsanalyse notwendig. Es ist zum Beispiel relativ schwierig, im Kulturvergleich hinreichend zuverlässige Makro-Daten zu erhalten. 7. An vielen Stellen der Theorieübersicht wurden Meta-Analysen eingeklagt. Sie sind in der Akkulturationsforschung relativ selten, obgleich sie wesentliche Erkenntnisse für die Theorienentwicklung liefern. Ein einfaches Beispiel kann das demonstrieren. Moyennann und Ferman (1992) haben eine Meta-Analyse zum Zusammenhang von Akkulturation und psychologischer Anpassung (Adjustment) durchgeführt und zeigen, dass die Zusammenhänge nicht eine Theorie, sondern die Integration von Coping-, Stress- und Ungleichheitstheorien die Ergebnisse unterstützen.
583
8. Ganz ohne Frage sind für die Akkulturationsforschung Längsschnittstudien (weiterhin) eine optimale Forschungsstrategie. Das wurde vor allem in der Diskussion der Prozesstheorien immer wieder festgestellt. Trotzdem alle einschlägigen Lehrbücher das postulieren, gibt es relativ wenige Längsschnittstudien. IS7 Nur wenige Studien, wie zum Beispiel die Children of Immigrants Longitudinal Study, verfügen über Mittel und Techniken über längere Zeiträume Akkulturationsprozesse zu beobachten.P'' Der altemativlose Vorteil von Längsschnittstudien erweist sich vor allem dann, wenn die Forschung Adaptationsprozesse über längere Zeiträume, wie sie oben durch die Stufen des Prozesses repräsentiert sind, nachgehen will. Längsschnittdesigns sind allerdings keine conditio sine qua non für Akkulturationsanalysen, selbst nicht für komplexe Fragestellungen. Um zum Beispiel die oft postulierte Wirkung makro-, meso- und makro-soziale Faktoren im Akkulturationsprozess nachzuzeichnen, müssen nicht immer Langzeitstudien mit einem Längsschnittdesign durchgeführt werden. Das zeigen zum Beispiel De Graaf, Niewbeerta und Heath (1995) sehr überzeugend in einer Akkulturationsstudie zur Schichtmobilität und politischen Präferenz. Gegenwärtig liegen weit aus mehr Quer- als Längsschnittstudien vor, sodass kausale Annahmen der Theorien zum Teil nur kausal synchron (siehe oben) geprüft werden können. Daneben werden auch experimentelle Designs selten zugrunde gelegt, obgleich sie sich bei vielen Fragen eigenen würde; am Beispiel der Studien zur Aktivierung von Akkulturationsstrategien wurde das sehr deutlich (Kap. 4.4). Auch relativ selten sind Studien, die einen Methoden-Mix zugrunde legen. Ich selbst habe in Studien zur regionalen Identität einen relativ breiten Methoden-Mix aus quantitativen Befragungen, halbstandardisierten Interviews/ Experteninterviews, Versuchsleiterbefragungen, ethnographischen und photographischen Methoden herangezogen (Zick, 2001). Das ist sinnvoll, wenn die Stichproben klein sind und/oder wenn Probanden sprachliche und kognitive Probleme mit traditionellen Verfahren haben. In der Akkulturationsforschung sind solche Probleme sehr wahrscheinlich/ weil die Forschung oft durch Einheimische mit Immigranten durchgeführt wird. 9. Bei der Wahl der Methodik stellt sich das Emik-Etik-Problem (Kap. 4.11.2). Selten werden Studien nach den Regeln eines optimalen Emik-Etik-Prozederes durchgeführt, wie sie zum Beispiel Berry (1990a, 1999) vorschlägt. Selten werden Ergebnisse zu den Problemen während der Forschungsphasen publiziert, was für andere Projekte, aber auch für die Analyse des Akkulturationsprozesses selbst informativ wäre. IS9 10. Das betrifft auch die Methoden zur Erfassung der Explanandi von Akkulturationsprozessen. Veränderungsprozesse stehen im Mittelpunkt der Akkulturationsforschung. Sie sind schwer zu beobachten, wenn Messinstrumente herangezogen werden, die relativ stabile Konstrukte erfassen (siehe oben). Das trifft zum Beispiel auf einige Identitätsskalen zu/ die einen generalisierten Selbstwert messen, sowie bei Skalen zur Erfassung globaler Akkulturationsorientierungen, die dazu herangezogen werden, Akkulturationsstrategien zu operationalisieren (siehe die entsprechenden Boxen in Kap. 2 und 3). Auch Skalen zur Erfas-
157 Eine Recherche der Literaturdatenbank PSYCINFO zu den Stichworten "acculturation" und "longitudinal" ergibt Ende Juli 2007 lediglich 126 Einträge, wobei viele der Quellen auf dieselbe Studie rekurrieren und die meisten Arbeiten unveröffentlichte Dissertationen sind. 158 Zur Studie vgl. z.B. Portes, Fernandez-Kelly und Haller (2005) oder Rumbaut (2005). 159 Wie aber auch in anderen Forschungsbereichen selten gescheiterte empirische Studien publiziert werden, von denen viel zu lernen wäre.
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sung des sozialen Status oder des Sprachniveaus, die auf kaum variablen Indikatoren basieren (Einkommen, letzter Schulabschluss, Testergebnisse aus globalen Sprachtests) etc., sind per definitionem kaum veränderlich. Es trifft weniger zu, wenn Akkulturationsänderungen nach Annahmen einer Theorie durch interindividuelle Veränderungen, oder durch Vergleiche von Gruppen beobachtet werden; also zum Beispiel Veränderungen des Status von Migranten durch Vergleiche von Migrantenpopulationen über die Zeit geprüft werden. Die Frage der Erfassung von Indikatoren und Vorschläge dazu, wurden oben vorgelegt. 11. Häufig wird unsauber getrennt zwischen Einstellungen und Verhaltensweisen, wie sie sich in der Forschung über Akkulturationsorientierungen und -strategien zeigt (Kap. 6.3). Wie an vielen Stellen gezeigt wurde, kann die Akkulturationsforschung erheblich mehr von den Erkenntnissen der Einstellungsforschung profitieren. 12. Sehr unterschiedlich werden spezifische Zusammenhänge von Akkulturationsindikatoren und Kontextjaktoren interpretiert, wie zum Beispiel im Fall der vielfach festgestellten Geschlechts- und Schichtunterschiede. Im Bereich der psychologischen Akkulturationsforschung sind soziodemographische Faktoren und Kontextjaktoren weitaus präziser theoretisch zu definieren und empirisch zu erfassen, als das bislang der Fall ist. Dazu kann die Psychologie stärker auf die sozialwissenschaftliehen Theorien zurückgreifen. 13. Auf der Ebene der Kontextfaktoren ist die Bedeutung des geographischen Raumes als Akkulturationskontext stärker zu beachten (siehe oben). Die klassischen Migrationsstudien der 1930er Jahre, die in der Psychologie und den Sozialwissenschaften eine große Bedeutung haben, zeigen, dass sich Migrationsprozesse, aber auch Prozesse der Integration und Desintegration in spezifischen Räumen kristallisieren. Sie zeigen auch, dass Urbanisierungsprozesse im Kontext von Modernisierungsbewegungen eine Akkulturation aller Mitglieder gesellschaftlicher Gruppen betreffen; der Akkulturationsdruck lastet nicht nur auf klassischen Gruppen von Migranten, sondern auf allen Gruppen, die unter dem Druck einer Flexibilisierung und Mobilisierung stehen. In vielen Fällen würden sich Lokalanalysen in psychologisch relevanten sozialen Räumen anbieten, um den Einfluss kontextueller und individueller Faktoren und Prozesse genauer zu analysieren. Viele der in der Forschungsübersicht eröffneten Perspektiven und Fragen lassen sich nicht realisieren oder beantworten, weil jorschungs- und gesellschajtspolitische Einflüsse sie behindern. Primäre Fragen der Akkulturationsforschung sind vor allem im Bereich der Analyse von Migrationsprozessen eng an gesellschaftspolitische Diskussionen gebunden. Die zum Zeitpunkt dieser Übersicht im Sommer 2007 intensive Migrations- und Integrationsdebatte in Europa wird die Forschung beeinflussen, aber eben auch Akkulturationsprozesse selbst; was auch noch genauer empirisch zu zeigen wäre. Es spricht nichts dagegen, dass die Forschung weitaus genauer als bislang die forschungs- und gesellschaftspolitischen Barrieren benennt, diskutiert und an die verantwortlichen Stellen vermittelt. Unabhängig davon könnte in positiver Hinsicht die Akkulturationsforschung aber auch eine Reihe von wichtigen Hinweisen für Fragen der Prävention, Intervention und Politikgestaltung haben, wenn ihre Befunde ernst genommen werden. Das soll im Folgenden letzten Abschnitt kurz erläutert werden.
585
8.9
Akkulturationsforschung in der Anwendung
Domino und Acosta (1987) entwerfen Ende der 1980er Jahre ein positives Bild von der Relevanz der Akkulturationsforschung, das ich, trotz aller aufgezeigten Defizite und aller dem Versuch einer Neuorientierung, teile: "The study of acculturation from a psychological point of view, is thus not simply of academic interest but is highly relevant to the study of human adaptation and adjustment." (Domino & Acosta, 1987, S. 132)
Akkulturationsforschung beschäftigt sich mit einem Grundphänomen sozialer Existenz, das in kaum einer anderen Disziplin so explizit verfolgt wird. Die Frage, wie Menschen Umwelten aneignen, ist dabei mehr als von grundlagenwissenschaftlichem Interesse. Sie kann der Prävention und Intervention im Sinne einer Angewandten Akkulturationsforschung dienen, und sie offeriert wichtige Beiträge für die Gesellschaftspolitik, die sie auch selbst zum Gegenstand machen kann, wenn sie Akkulturationsprozesse beeinflusst. Die Akkulturationsforschung leistet relevante Beiträge für die Prävention und Intervention insbesondere im Bereich der Migration, aber auch in Bereichen der Flüchtlingshilfe, oder der Einführung von neuen Mitarbeitern in Organisationen. Eine anwendungsorientierte Akkulturationsforschung wird zumindest in Ländern, die Wert auf kulturelle Diversität legen und sie befürworten, intensiv im Bereich der Klinischen Forschung sowie im Rahmen der Beratung von Zuwanderern vorgenommen; das wurde an verschiedenen Stellen der Forschungsübersicht deutlich (vgl. aber auch explizit z.B. Coleman, 1995, 1997; Huber, 1994; Lee & Richardson, 1991; McFadden, 1993; Pedersen, Draguns, Lonner & Trimble, 1989; Lonner & Ibrahim, 1996; Ponterotto et aL, 1995; Sue & Sue, 1990; Vacc, DeVaney & Wittmer, 1995; zur Rehabilitationsforschung vgL Smart & Smart, 1993).160 Die Grundlagenwissenschaften stellen zur Prävention und Intervention ein wichtiges Repertoire an Theorien und Instrumenten zur Erfassung von Akkulturationsphänomenen zur Verfügung. Sie liefert darüber hinaus Theorien und Befunde, die Alltagsannahmen korrigieren können und so zu einer Verbesserung interkultureller Beziehungen beitragen; und damit letztendlich auch zu einer Unterstützung der Adaptation von Neuankömmlingen (siehe oben). Sie kann zum Beispiel die vermeintliche Differenz zwischen dem, was eine Öffentlichkeit und Politik von kulturell sub-dominanten Minderheiten einfordert und wie diese sich verhalten oder einstellen, als Fehlschluss entmystifizieren. Ein kurzes Beispiel aus der eigenen Forschung kann das erläutern. Beachtet man die Ergebnisse der empirischen Studien zur Akkulturation der Spätaussiedler, dann wird man feststellen, dass die politisch nicht gewollte Akkulturationsorientierung der Separation in bestimmten Phasen der Akkulturation hilfreich für die Einbindung von Spätaussiedlern in das kulturelle System ist, und eine Abwertung oder Korrektur der Orientierung die Akkulturation eher behindern kann als fördern (Zick & Six, 1999a/b). Man wird ferner feststellen, dass die Einstellungen zur Eingliederung variieren und dass die Variabilität psychologisch funktional ist. Man wird feststellen können, dass individuelle Handlungsstra-
160 Vergleiche auch immer wieder aktuelle Beiträge zu Ergebnissen der Akkulturationsforschung und ihre Bedeutung für die Beratung in den Journals Multicultural Counseling and Development, Counseling Psychology Quarterly, Measurement & Evaluation in Counseling & Development, oder im Journal of Counseling & Development.
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tegien größtenteils weniger bedeutsam sind als gruppale oder kollektive Handlungsstrategien. Damit lässt sich hinterfragen, ob zum Beispiel eine Eingliedenmgspraxis ein normativ gewolltes Modell der Eingliederung zugrunde legt, das auf die individuelle Unterstützung fokussiert ist. Aber die Akkulturationsforschung bietet mehr als eine Korrektur von Alltagswissen. Sie hat direkten Einfluss auf die Prävention und Intervention. Viele der in der Forschungsübersicht präsentierten Verfahren zur Erfassung der Adaptation und Akkulturation werden in Klinischen Studien geprüft und erprobt, und sie werden zur Beratung, Prävention und Intervention herangezogen.!" In Europa ist die Begleitung von Präventions-, Interventionsund Beratungsansätzen im Rahmen der Akkulturationsforschung noch unterentwickelt (vgl. aber für die BRD z.B. Deutsches Jugendinstitut, 1988; Köpp & Rohner, 1993; Lajos, 1993; Nestmann & Niepel, 1993; Treuheit & Otten, 1986). Das erstaunt zunächst, weil die in der Beratung, Betreuung und Therapie von Migranten diskutierten Konzepte auch zentrale Konstrukte der Akkulturationsforschung sind. Es erstaunt nicht, wenn man beachtet, dass sich in Europa die Akkulturationsforschung bislang nicht als eigenständige Forschungsdisziplin etablieren konnte. Ein weiterer wesentlicher Grund besteht aber auch darin, dass in Europa andere Gesellschaftsvorstellungen vorliegen, was im Folgenden genauer erläutert wird. Bedeutung hat die Akkulturationsforschung auch für Fragen der Steuerung von Eingliedenmgsmaßnahmen und Migrationsbewegungen, sowie für Fragen zur Bedeutung des politischen und öffentlichen Diskurses über Zuwanderung und die Spannungen, die darin zum Vorschein kommen. An dieser Stelle wird kein politischer Diskurs über Zuwanderung und deren Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung geführt werden, zurnal ich ihn nicht kompetent genug führen kann. Die Soziologie, Politikwissenschaften, Geschichtswissensehaften und andere nicht psychologische Disziplinen haben sich bereits intensiv mit den gesellschaftlich und politisch relevanten Fragen beschäftigt, die mit der Zuwanderung zusammenhängen (vgl. dazu auch Kap. 5 und 7). Dennoch ist meines Erachtens evident, dass über Zuwanderung nicht ohne die Beteiligung bemerkenswerter psychologischer Phänomene gesprochen wird und man selbst in der Migrations- und Integrationsdebatte sowie der Steuerungskonzepte regelrecht von einer Psychologie der Zuwandenmgsregelung sprechen kann. An zentraler Stelle der politischen Debatte ist von Identitätswahrungen, Bedrohungen und Belastungen, Stressfaktoren, Unterschichtungen, Parallelgesellschaften, Bildungsdeprivationen usw. die Rede. Solche Sprachregelungen und die mit ihnen verbundenen Diskurse über Interventionsstrategien finden Eingang in rechtliche Bestimmungen und Programme, die die Kriterien erfolgreicher Adaptation setzen. Zu diesen Konstrukten kann die Akkulturationsforschung fundiertes Wissen und präzisere Annahmen beisteuern. Die Akkulturationsforschung kann eine wissenschaftliche Grundlage für die Steuerung der gesellschaftlichen Diskussion sowie der Entwicklung von Programmen bieten. 162 161 Vgl. hierzu die Referenzen zu den Theorien und zur Übersicht Adamoupulos und Kahisma (1999), Aheam und Athey (1991), Aponte, Young Rivers und Wohl (1995), Miller (2007), Noack, Hofer und Youniss (1994), Vargas und Koss-Chioino (1992); sowie vgl. die Referenzquellen zu den jeweiligen Instrumenten, die in den Boxen abgedruckt sind. 162 Exemplarisch wird das sichtbar in den Kernfragen, die der Wirtschaftswissenschaftler Burda (2001, S. 213) an die Migrationsforschung stellt: ,,1. Welche ökonomischen Folgen hat die Einwanderung für die einheimischen Wirtschaftssubjekte? 2. Was versteht man unter Integration bzw. Assimilierung von
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Sie kann darüber hinaus Rahmenvorstellungen der interkulturellen Beziehungen, die eine Gesellschaft prägen, präzise fassen . Die politische und wissenschaftliche Debatte zum Thema Multikulturalismus wird kontrovers und in weiten Teilen ideologisch geprägt geführt. Spätestens nach dem 11.9.2001 und den Terroranschlägen in Europa, die eng mit Migrations- und Integrationsfragen verbunden wurden, nehmen die Kontroversen zu . Die Akkulturationsforschung kann die verschiedenen, in der politischen Diskussion oft unklar oder gar nicht definierten und ideologisch geprägten Konzepte klarstellen. Sie hat zum Beispiel im Vergleich zum politischen Diskurs präzisere Konzepte der Assimilation und Integration, und würde begründen können, warum die in Deutschland geführte Integrationsdebatte eine Assimilationsdebatte ist; mit all den Vor- und Nachteilen der Assimilation (Kap. 2 und 5). Die Akkulturationsforschung kann Vorurteile gegenüber Zuwanderern von Integrationsorientierungen trennen und vieles mehr. Sie verfügt auch über das Wissen, warum Multikulturalismus als Akkulturationsorientierung und Verfasstheit von Gesellschaften Konflikte zwischen Gruppen reduzieren kann. Vermeulen und Slijper (2003)nehmen auf der Grundlage einer intensiven Literaturübersicht an, dass drei Aspekte multikulturelle Ideologien bestimmen: Der Wert kultureller Unterschiedlichkeit und kultureller Anerkennung, soziale Gleichheit und Chancengleichheit, sowie soziale Kohäsion und staatliche Einheit. Das sind zentrale Konstrukte, die empirisch gut geprüft sind und der im vorliegenden Kapitel entwickelten Perspektive entsprechen. Die Akkulturationsforschung bietet fundierte Argumente zur Unterstützung multikultureller Orientierungen von Individuen und Gesellschaft sowie der Kriterien zur Feststellung von Multikulturalismus (vgl. Kap. 6.2.2). Berry (1984)macht aus einer psychologischen Perspektive die Bedeutung einer multikulturellen Politik am Beispiel der kanadischen Sozialpolitik deutlich (vgl. auch Berry & Kalin, 2000). Er identifiziert vier zentrale Elemente der kanadischen Politik, die auch in Europa diskutiert werden könnten. Erstens versucht die Politik, das Konzept der Assimilation zu vermeiden. Das geschieht durch eine Aufrechterhaltung der ethnischen Gruppen und die Unterstützung ihrer Entwicklung als distinkte Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Zweitens werde versucht, die Harmonie zwischen Gruppen zu unterstützen und die gemeinsame Akzeptanz aller Gruppen zu fördern, die die Harmonie aufrechterhalten; diskriminierende Einstellungen und kulturelle Eifersüchte werden durchbrochen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Drittens verfolgt die Politik die Idee, dass die Gruppenentwicklung nicht allein hilft, die Akzeptanz zu fördern, daher seien intergruppale Kontakte und Austauschprozesse notwendig. Viertens geht die Politik davon aus, dass die Teilnahme an dem Prozess nicht gelingen kann, wenn nicht eine gemeinsame Sprache maßgeblich ist, daher ist die Förderung einer/der offiziellen Sprache notwendig. Zwischen den Elementen sind Beziehungen relevant, die empirisch nachgewiesen wurden. Die multikulturelle Annahme postuliert dabei, dass das Vertrauen in die eigene Identität die Basis der Toleranz ist. Die Kontakt-Annahme behauptet, dass der Kontakt und der Austausch der Toleranz dienen. Für die Forschung seien Berry zufolge Analysen gegenseitiger Einstellungen, also der Akkulturationsorientierungen, wichtig. Ebenso ist die Analyse der Identität und der Bindung an die Gesellschaft Einwanderern? 3. Ist die in 2. definierte Integration aus ökonomischer Sicht überhaupt erstrebenswert? 4. Wie findet diese Integration bzw. Assimilierung statt? Meines Erachtens wird jede wirksame, gut durchdachte Migrations- und Integrationspolitik zwangsläufig die Antworten auf diese vier Fragen parat halten müssen."
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sowie zur eigenen Gruppe oder Religion bedeutsam. Zu diesen zentralen Konstrukten, die auch für die Entwicklung politischer Konzepte maßgeblich sind, liegt Forschung vor und sie ist gut eingebettet in die im vorliegenden Kapitel entwickelte Perspektive. Wenn die Annahmen zutreffen, dann folgern Berry und Kalin (2000), dass, erstens, eine allgemeine Unterstützung für den Multikulturalismus, der die Akzeptanz von verschiedenen Aspekten und Konsequenzen der Politik beinhaltet und die kulturelle Diversität als wertvolle Ressource beurteilt, notwendig ist . Zweitens sollte ein geringes Niveau der Intoleranz und Vorurteile in der Bevölkerung erreicht werden. Drittens sollten die gegenseitigen Einstellungen der Gruppen positiv sein. Viertens bedarf es einer breiten Bindung an die übergeordnete Gesellschaft (vgl. auch Berry & Kalin, 1995). Die spezifische Analyse der Einstellungen und Identifikationsprozesse der verschiedenen ethnischen und kulturellen Gruppen in Kanada zeigt, dass neben der ethnischen Identifikation auch und gerade die Identifikation mit geographischen Räumen ein wichtiger Prädiktor der Toleranz und Unterstützung multikultureller Einstellungen ist. Dabei beobachten die Autoren auch, dass eine Politik, die die Rhetorik der Bedrohung durch bestimmte ethnische Gruppen propagiert, die Zusammenhänge zwischen Identifikation und Toleranz behindern. Zudem bedarf es einer noch größeren Unterstützung von Kontaktprogrammen, die das gegenseitige Verständnis der Gruppen stützen. Sie müssen freiwillig und horizontal (gleicher Status) sein (siehe dazu Kap. 6.5). Die von Berry und Kalin zitierten Befunde stimmen mit vielen anderen Befunden, die in der Forschungsübersicht geboten wurden, überein und sie sind kongruent zu der Perspektive, die im vorliegenden Kapitel entwickelt wurde. Diese Perspektive schafft eine Grundlage der Integration von Theorien, die Perspektiven für die Integrationspolitik bieten. Die positiven Effekte einer multikulturellen Integrationsorientierung sind nicht allein psychologisch relevant. Eine Nicht-Integration hat negative soziale und ökonomische Effekte. Der Wirtschaftswissenschaftler Loeffelholz (2001) hat sehr eindringlich die ökonomischen Folgen einer Nicht-Integration deutlich gemacht. Er entgegnet allen Modellen, die den Eindruck erwecken, dass der Zuzug von Migranten gravierende Ungleichgewichte auf dem heimischen Arbeitsmarkt erzeugt, soziale Probleme verschärft und ungebührliche Anpassungsleistungen und Sozialleistungen von der einheimischen Bevölkerung verlangt. Er geht davon aus, dass gerade die Nichtintegration von Zuwanderern langfristige Konsequenzen erzeugt, die nicht notwendig sind. Unabhängig davon, ob eine multikulturelle Konstruktion gesellschaftlicher Verhältnisse als Ideologie diskreditiert wird oder deren ökonomischer Gewinn vorteilhaft ist, der psychologische Effekt ist bedeutsam. Studien zeigen, dass Angehörige von Minderheiten, die sich mit ihrer ethnischen Gruppe identifizieren, eher positive personale Selbstbewertungen vornehmen als Angehörige ethnischer Minderheiten, die einer Ideologie der Irrelevanz ethnischer Gruppen (Colour Blindness) oder einer einheitlichen nationalen Zugehörigkeit (Common Group Identity) folgen (vgI. Kap. 4 zum Common Ingroup Identity Modell, oder vgI. Gaertner, Anastasio, Bachman & Rust, 1993). Dabei weist Kim (2001) überzeugend darauf hin, dass die Frage, ob das assimilationistische oder das pluralistische multikulturelle Modell richtig ist, wenig Sinn macht (vgl. auch Berry, 1974b). Zuwanderer könnten sich einer Adaptation überhaupt nicht entziehen, solange sie von der Mainstream-Kultur abhängen. Genauso könnten Zuwanderer eine Assimilation nie erreichen. Die Vielzahl empirischer Studien über die WanderlUlg zeigen sehr eindrucksvoll, dass Individuen mit einem Minderheiten-Kulturhintergrund adaptiven Veränderungen über die
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Zeit und über Generationen hinweg unterlaufen. Sie unterlaufen neuen Lernprozessen, Akkomodationsprozessen und Internalisierungsprozessen, ob sie das wollen oder nicht. Ferner ist zu bedenken, dass die Art und Weise, wie in der Gesellschaft über die Akkulturation unterschiedlicher Gruppen verhandelt, aber auch geforscht wird, selbst ein Ausdruck von psychologischen Akkulturationsprozessen ist; vor allem seitens der MehrheitsgeseIlschaften, die auf den Kontakt zu Mitgliedern anderer Kultur reagieren. Der Theorie akkulturativer Verortung zufolge sind die Debatten, Einstellungen, Regelungskonzepte, Studien etc. selbst adaptive Prozesse, die aus veränderten kulturellen Umwelten reagieren. Zudem ist die Debatte über die Akkulturation, die als Zuwanderung beschrieben wird, das heißt darüber, wie sie abläuft, wer davon betroffen ist, welche Konsequenzen sie hat und vor allem welche Probleme damit verbunden sind, eine Debatte über Konzepte, die einer psychologischen Dynamik unterläuft. Die Akkulturation ist kein physikalischer Prozess, den man genau bestimmen kann. sondern es ist ein Prozess, der beobachtet wird aus der Perspektive von Individuen. die Wertvorstellungen haben, Normen heranziehen und Motive mit der Beobachtung verbinden. Sie reagieren auf den Akkulturationsprozess und seine Bewertung. Wenn zum Beispiel Zuwanderung als Bedrohung betrachtet wird, kann das eine objektive Belastung indizieren, aber auch sie ist eine soziale Konstruktion eines Prozesses, die Werthaltungen ausdrückt. In der Debatte über Zuwanderung wird zwar über objektive Daten debattiert, allerdings ist zum Beispiel die Interpretation der Zuwanderungszahlen von Einstellungen überlagert, die Werthaltungen ausdrücken und in denen Legitimationen für spezifische politische Positionen aktiviert werden (siehe oben). Der europäische Diskurs über die Begrenzung von Zuwanderung zeigt das mehr als deutlich. Dabei gerät (mehr oder minder bewusst motiviert) aus dem Blick, dass die Frage, ob ein bestimmter Prozentsatz an Zuwanderern hoch oder niedrig ist, selten an objektiven Daten und Kriterien bemessen werden kann, selbst wenn wirtschaftswissenschaftliche und demographische Expertisen versuchen, das zu tun. Auch diese bieten nur Annäherungen an Realitäten, die sich durch neue Wanderungen schnell verändern können. Die Beteiligten an der Diskussion äußern ihre Einstellungen zum Thema, die durch evaluative, kognitive und verhaltensbasierte Prozesse beeinflusst sind. Dabei kommt der ansässigen und dominanten Mehrheitsgesellschaft eine besondere Rolle zu. Die Analyse der öffentlichen Debatte ist charakterisiert durch die Meinungen von Mitgliedern der Mehrheit, die sich vor allem in sozialen Distanzen und Bedrohungswahrnehmungen deutlich machen, wie viele aktuelle Studien zeigen (vg!. Zick, Pettigrew & Wagner, im Druck/a).l63 Die Akkulturationsforschung, wie sie im vorliegenden Kapitel entwickelt wurde, wirft bei Beobachtung von Prozessen der sozialen Distanzierung, also der Differenzierung von Einheimischen (ansässigen Mehrheiten) gegenüber Neuankömmlingen, die sich zum Beispiel in Vorurteilen äußern, ein anderes Bild als die Vorurteilsforschung. Sie versteht soziale Differenzierungen als Phänomene eines Akkulturationsprozesses, in dem Neuankömmlinge in das kulturelle System der Ansässigen gelangen und versuchen sich in Interaktion mit den Ansässigen diese Kultur anzueignen, oder einen Ort innerhalb der Kultur zu finden. Vorurteile gegenüber Neuankömmlingen können dabei zum Beispiel als Konsequenzen des Ver163 Wir haben selbst in einer Reihe von Studien ermittelt, dass Einstellungen dazu, wie die Eingliederung von Zuwanderern aus Sicht von Mitgliedern der autochthonen deutschen Mehrheit verlaufen sollte, eng mit Vorurteilen zusammenhängen (vgl. Kap . 6.3, oder Zick et al., 2001; Zick & Küpper, 2007).
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suches von Neuankömmlingen, sich in einer dominanten Kultur zu verorten oder diese ganz im Gegenteil abzulehnen und sich zu separieren, verstanden werden. Die Akkulturationsforschung bietet eine Reihe von praktischen Konsequenzen, wenn es um die Frage geht, wie die Aneignung neuer kultureller Umwelten weniger problematisch erfolgen kann, oder wie Probleme, die sich in Vorurteilen, Diskriminierungen und psychischen Problemen zeigen, vorgebeugt werden können. Sie bietet auch Antworten auf die Frage, wie kulturell diverse Gesellschaften, Organisationen, Umwelten weniger problematisch funktionieren können. Sie bietet eine Korrektur von Alltagswissen und eine wissenschaftliche Begleitung für gesellschaftliche Debatten. Sie kann dazu einen eigenständigen Ort in den Grundlagenwissenschaften etablieren, der interdisziplinär ist, und der für viele andere Grundlagenwissenschaften Anschluss an die gemeinsame Analyse einer existenziellen Aufgabe von Individuen, Gruppen und Kulturen bietet: der Akkulturation.
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