Jorg Sydow/Stephan Manning (Hrsg.) Netzwerke beraten
Jorg Sydow/Stephan Manning (Hrsg.)
Netzwerke beraten Uber Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detailllerte bibliografische Daten sind Im Internet uber abrufbar.
Dr. Jorg Sydow ist Professor fur Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmenskooperation, am Institut fur Management, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der Freien Universitat Berlin. Dipl.-Kfm. Stephan Manning ist wissenschaftlicher MItarbeiter am Institut fur Management, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, der Freien Universitat Berlin.
1. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike Lorcher / Katharina Harsdorf Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Buslness Media. www.gabler.de Das Werk einschlieRlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung aufterhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspelcherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. In diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0018-4 ISBN-13 978-3-8349-0018-0
IVorwort Consulting ist eine Dienstleistung, die typischerweise von Organisationen fiir Organisationen erbracht wird; nur im Ausnahmefall, so etwa beim Coaching, beraten Individuen andere Individuen. Die zentrale These des vorliegenden Bandes ist, dass es in Zukunft - mehr noch als in der Gegenwart - darum gehen wird, dass neben Individuen und Organisationen auch Netzwerke von Organisationen beraten werden. Organisations- und Netzwerkberatung wird zum anderen - und dies wohl ebenfalls in zunehmendem Mai^e - durch Beratungsnetzwerke erfolgen, also durch Netzwerke von Individuen und Organisationen, die gemeinsam Beratungsleistungen anbieten. Deshalb der doppeldeutige Titel dieses Bandes: „Netzwerke beraten''. Die Idee zu diesem Band entstand infolge langjahriger Beobachtung der Beratungsbranche durch die Herausgeber und aus Anlass der Suche nach einem aktuellen Thema fiir das „Netzwerk-Forum", das alle drei Semester am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universitat Berlin stattfindet. Im Rahmen dieser Veranstaltung halten ausgewiesene Praktiker Vortrage, die Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und anderer Facher einen vertieften Einblick in die Praxis der Netzwerkorganisation und des Netzwerkmanagements - und dieses Mai eben der Netzwerkberatung sowie des Managements von Beratungsnetzwerken - geben. Ziel der Veranstaltung in jenem Sommersemester war und Ziel dieses Bandes ist es, einen moglichst umfassenden Uberblick uber zum einen die unterschiedlichen Aufgaben, Ansatze und Instrumente der Netzwerkberatung und zum anderen die vielfaltigen Funktionen, Formen und Steuerungsanforderungen von Beratungsnetzwerken zu geben. Unser besonderer Anspruch dabei ist es, beispielhaft die Bandbreite an kleinen und grofien, privaten und (halb-)offentlichen Beratungsanbietem vorzustellen. Die Buchbeitrage der folgenden Autoren basieren auf Prasentationen im „NetzwerkForum'', das von den Herausgebern dieses Bandes veranstaltet wurde: Martin Dilrr, Vice President bei A.T. Kearney; Frank Mang, Geschaftsfuhrer im Bereich Financial Services bei Accenture; Jiirgen Howaldt, Direktor der Sozialforschungsstelle Dortmund; Ralyh Klocke von der PZN Kooperationsberatung, Bielefeld; Barbara Kozok und Jo Topfer von der berlin open space cooperative eg; Helmut Muller und Claudia Scholta vom RKW Sachsen sowie Roswita Konigswieser, Vorstand der Geschaftsfiihrung und Gesellschafterin von Konigswieser & Network, Wien. Ihnen alien sei an dieser Stelle nicht nur fiir ihr Engagement im „Netzwerk-Forum'', sondern auch fiir die Ausarbeitung ihrer Vortragsmanuskripte herzlich gedankt.
Vorwort
Neben den Vortragenden im „Netzwerk-Forum" wurden fur diesen Band weitere Praktiker und Wissenschaftler gewonnen, die sich mit Netzwerkberatimg und Beratungsnetzwerken befassen. Zu den Praktikem gehoren Bernhard Hausberg vom VDI Technologiezentrum in Diisseldorf; Andreas Heine, Carsten Liesener und Dierk Blechschmidt von der Siemens Management Consulting, Miinchen; Achim Loose, Gesellschafter der Kokon Consult, Koln; Marvin Weisbord und Sandra Janoff vom Future Search Network, Philadelphia. Zu den Wissenschaftlem gehoren Dietmar Fink und Christoph Wamser von der FH Bonn-Rhein-Sieg sowie GUnther Ortmann von der Helmut-Schmidt-Universitat Hamburg. Nicht nur diesen Autoren sei fiir ihr Engagement in diesem Band gedankt, sondem auch Irmgard Hoemke, die einmal mehr virtuos das druckreife Manuskript aufbereitet hat. Schliefilich - und nicht letztlich - sei all den Studierenden gedankt, die im Rahmen des „Netzwerk-Forums" nicht nur gute Fragen gestellt, sondem auch uns als Veranstalter und Herausgeber immer wieder gefordert haben, unsere Vorstellungen zu Gegenstand und Herausforderungen der Netzwerkberatung sowie zu Merkmalen und Managementanforderungen von Beratungsnetzwerken zu prazisieren.
Berlin-Dahlem im April 2006
VI
Jorg Sydow und Stephan Manning
I Inhaltsverzelctinis
Einfuhrung Von der Organisationsberatung zur Netzwerkberatung? - Vom Beratungsunternehmen zum Beratungsnetzwerk? Stephan Manning und ]drg Sydow
1
Organisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene Achim Loose
19
Zur Marktentwicklung der Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke Dietmar Fink und Christoph Wamser
37
Netzwerkberatung Netzwerkberatung - Aufgaben, Ansatze, Instrumente Jorg Sydow
57
Supply Chain Management: Gesamthafte Optimierung von Netzwerken durch innovative Beratungsansatze von A.T. Kearney Martin DUrr
85
Kooperationspotenziale nutzbar machen: Beratung und Entwicklung von Netzwerken kleiner und mittlerer Unternehmen Ralph Klocke 101 Beratung und Coaching von Netzwerken im Rahmen regionaler Verbundinitiativen: Der Ansatz des RKW Sachsen Helmut MUller und Claudia Scholta 115 Cluster und Kompetenznetze beraten - Erfahrungen des VDI Technologiezentrums Bernhard Hausberg 127 Systemische Netzwerkberatung bei IKEA- Oder: Umgestaltung einer globalen Wertschopfungskette in 18 Stunden Marvin Weisbord und Sandra Janojf
145
Inhaltsverzekhnis
Siemens Management Consulting - Inhouse Consulting im Netzwerk Andreas Heine, Carsten Liesener und Dierk Blechschmidt
153
Beratungsnetzwerke Beratungsnetzwerke - Funktionen, Formen, Steuerung Stephan Manning
^79
Die AUianz von Accenture und SAP: Qualitatssprung durch Teamwork bei der Beratung von Finanzdienstleistem Frank Mang
^oo
„Connectivity is King" - Zur RoUe von Beratungsnetzwerken bei der Entwicklung regionaler Intemetportale Stephan Manning 209 Boscop eg - eine Synapse im open space-Netzwerk Barbara Kozok und Jo Topfer Beratung im Netz - Neue Innovations- und Beratungsarrangements an der Schnittstelle von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik JUrgen Howaldt
227
247
Ausblick Kann man Netzwerke beraten? Roswita Konigswieser
271
Gemeinsame Sache? Netzwerkberatung, Beratungsnetzwerke, communities of change GUnther Ortmann 293
Autorenverzeichnis
I VIM
315
St^i^pliMn.
ZIHH
Veranderte Beratung — Netzwerke beraten Die Beratung von privaten und offentlichen Organisationen gilt seit Jahren als Wachstumsmarkt - auch in Deutschland (vgl. z.B. Kieser 1998; Armbriister/Kieser 2001; Faust 2002). Erst seit kurzem scheint das Wachstum - zumindest im privatwirtschaftlichen Bereich - abzuflauen; die ersten Jahre des neuen Jahrtausends gelten manchen in der Branche gar als Krisenjahre. Vieles spricht aber dafiir, dass dies nur ein voriibergehendes Phanomen ist und sich die Branche bald wieder erholt, stellt sie doch ein Symbol dar fur den gesellschaftlichen Umbau zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Die Art der Beratung scheint sich jedoch nachhaltiger zu verandern: So geht es angesichts des anhaltenden Trends zur Virtualisierung und Vernetzung von privaten und offentlichen Organisationen immer haufiger nicht mehr allein um die Beratung einer einzelnen Organisation im Sinne eines „island of planned coordination in a sea of market relations" (Richardson 1972, S. 883). Vielmehr steht immer haufiger die Beratung von Organisationen, die im Netzwerk kooperieren, bzw. die Beratung dieser Netzwerke oder Kooperationen selbst im Vordergrund. Diese firmieren unter Begriffen wie (strategische) Allianzen, Biindnisse, Joint Ventures, Partnerschaften, Arbeitsgemeinschaften oder Supply Chains, kommen manchmal aber auch als so genannte virtuelle Unternehmen daher. Tatsachlich zeigt fiir den privatwirtschaftlichen Bereich eine neuere Erhebung bei 223 europaischen Unternehmen, dass deren Management erwartet, dass diese Formen der Kooperation bis 2010 noch an Be-
Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler-Verlag • Wiesbaden 2006, S. 1-18
Stephan Mannins und Jorg Sydow
deutiing zunehmen werden (Pfohl et al. 2004). Aber auch Kooperationen zwischen offentlichen, halb-offentlichen und privaten Organisationen haben empirisch an Relevanz gewonnen (vgl. z.B. Budaus/Eichhom 1997). Entsprechend wird Vemetzung als Beratungsgegenstand zunehmend bedeutsam: Als Beispiele im privaten Sektor sei die - haufig offentlich geforderte - regionale Vemetzung mittelstandischer Untemehmen zur Btindelung ihrer Technologie- oder Vermarktungskompetenz oder die Entwicklung von Informations- und Logistiksystemen in Zuliefemetzwerken genannt. Im offentlichen Sektor sind typische Beispiele die Vemetzung von verschiedenen Stakeholdem einer Region zur konzertierten regionalen Entwicklung oder von Gebietskorperschaften, Ministerien und Privatuntemehmen zur koordinierten Bereitstellung offentlicher Leistungen in Stadten und Gemeinden. Aber auch eine zunehmende Vemetzung von Beratungsuntemehmen und einzelnen Beratem lasst sich beobachten (vgl. Konigswieser 1998; Loose 2001). Das heifit, Beratung selbst wird vermehrt netzwerkformig angeboten, wobei Beratungsnetzwerke verschiedene Auspragungen haben konnen: So gibt es dauerhafte (uber-)regionale Verbiinde von kleinen und mittelstandischen Beratungsuntemehmen; befristete oder langerfristige Konsortien von Beratungsuntemehmen, Forschungseinrichtimgen und anderen Organisationen zur Bewaltigung offentlicher Grofiauftrage; Kooperationen grofierer Beratungs- und IT-Untemehmen zur Vermarktung, Umsetzung und Pflege von komplexen IT-L6sungen. Griinde fiir den allgemeinen Trend in Richtung Vernetzung bestehen aus Sicht von Beratungsuntemehmen in der Moglichkeit, fiir zunehmend komplexe Beratungsaufgaben Kompetenzen zu biindeln, aber auch Kapazitaten auszulasten und gleichzeitig flexibel auf sich wandelnde Beratungsbedarfe zu reagieren; Beratungsnetzwerke helfen also einerseits komplexe Bedarfe zu bewaltigen, andererseits Auftragsrisiken abzufedem (Konigswieser 1998). Die spezielle Vernetzung von Beratungs- und IT-Untemehmen hangt wiederum mit dem Trend zusammen, dass Klienten bei der Einfuhrung und Pflege komplexer IT-Systeme vermehrt spezialisierte Beratung nachfragen. Schliefilich lasst sich in diesem Zusammenhang ein Trend beobachten, wonach IT-orientierte Beratungsuntemehmen spezialisierte Spin-Offs griinden, um gebiindelt IT-Services im Auftrag verschiedener Klientenuntemehmen zu iibemehmen (vgl. Kipping 2002). Insgesamt lasst sich diese Entwicklung auf die Kurzformel bringen: Netzwerke beraten. Diese Formel impliziert zunachst zweierlei: Beratung von Netzwerken und Beratung durch Netzwerke. Erweitert man die Formel, so gelangt man zu dem interessanten und nicht unwahrscheinlichen - Fall, dass zunehmend auch Netzwerke Netzwerke beraten, dass also Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke geleistet wird.
Von der Or2anisationsberatun2 zur Netzwerkberatuns?
Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke Die Beratung privater und offentlicher Organisationen ist sowohl in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre (z.B. Staehle 1991; Kieser 1998; Armbriister/Kieser 2001; Mohe 2004; Walger 2005) und Organisations- und Wirtschaftssoziologie (z.B. Deutschmann 1993; Faust 2002; Kiihl 2005) als auch in der angelsachsischen Managementlehre (z.B. Sturdy 1997; Fincham 1999; Clark/Fincham 2002; Werr/Styhre 2002; Heusinkveld/Benders 2005) schon seit geraumer Zeit zu einem Gegenstand emsthafter theoretischer wie empirischer Forschung geworden. Dennoch fehlt es bislang an einem breit akzeptierten Begriffsverstandnis.
2.1
Von der Organisationsberatung ...
Gemeinhin wird unter Unternehmens- oder Organisationsberatung eine Dienstleistung verstanden, die zum Ziel hat, Klientenorganisationen zu unterstiitzen, Probleme zu identifizieren und zu losen und damit die Leistungs- und Uberlebensfahigkeit dieser Organisationen zu sichern oder zu verbessern. Knapper formuliert: Beratung ist eine komplexe Hilfeleistung (Schein 2002), die traditionell von einzelnen Beratern und Beraterinnen bzw. kleinen oder grofieren Beratungsunternehmen erbracht wird. Diesen wird unterstellt, iiber Wissen und Kompetenzen zu verfiigen, die die Klientenorganisation benotigt und selbst nicht - ohne fremde Hilfe - aufbauen kann. Beratung hat hier primar die Funktion, Fakten, Methoden und Techniken, aber auch Werte und Normen an die Klientenorganisation zu vermitteln. Daneben stellen Beratungsunternehmen Kapazitaten fiir Leistungen, zum Beispiel Marktanalysen, bereit, fiir die Klientenorganisationen keine eigenen Ressourcen vorhalten mochten. Des Weiteren treten Beratungsunternehmen haufig als „neutraler" Beobachter auf, dessen Einbeziehung bei komplexen Fragen durch Stakeholder einer Organisation gewiinscht ist und der kraft seiner Expertenmacht die Durchsetzung von Entscheidungen erleichtem kann. Schliefilich iibernehmen Berater die Funktion eines „Sinnsti£ters'' in unsicheren und widerspriichlichen Situationen, treten zuweilen aber auch als wichtiger Koalitionspartner von Organisationsmitgliedern in mikropolitischen Prozessen auf (vgl. dazu genauer Kieser 1998). Diese Funktionen gilt es hinsichtlich ihrer Relevanz und spezifischen Auspragung bei der Netzwerkberatung zu iiberpriifen. Umgekehrt ist zu untersuchen, wie Beratungsnetzwerke - im Vergleich zu Beratungsunternehmen - in der Lage sind, diese verschiedenen Funktionen zu erfiillen. Organisationsberatung tritt des Weiteren ublicherweise in zwei grundlegend alternativen, jedoch in der Praxis zum Teil kombinierten Ansatzen auf: inhaltsorientiert (auch: fachlich oder strategisch) und prozessorientiert (auch: systemisch oder
Stephan Manning und Jorg Sydow
partizipativ) (vgl. z.B. Willke 1996; Moldaschl 2001). Inhaltsorientierte Beratung hat die direkte Vermittlung von Fachwissen, zum Beispiel so genannter Best Practices, zum Gegenstand und ist an die inhaltliche Expertise des Beraters gekniipft; aber auch an seine Fahigkeit, Probleme zu definieren, von deren expertengestiitzter Losbarkeit er den Klienten iiberzeugen kann. Prozessorientierte Beratung hat dagegen zum Ziel, den Klienten - meist mit Hilfe systemischer (Gro6-)Gruppenverfahren - zu befahigen, auf Basis seiner eigenen Ressourcen und Kompetenzen selbst Problemlosungen zu entwickeln. Hier besteht die Kompetenz des Beraters zum Beispiel in seiner Ausbildung und Erfahrung in systemischer Prozessmoderation. In jedem (!) Fall handelt es sich bei Beratung um einen eigend)mamischen und zugleich kontextuell eingebetteten Interaktionsprozess, der durch eine mehr oder minder starke Mitwirkung des Kunden im Sinne einer „Kundenintegration" gekennzeichnet ist (Kleinaltenkamp 1997). Der Unterschied zwischen den Ansatzen besteht jedoch in den RoUen, die Berater und Klienten zueinander einnehmen, und den Instrumenten und Techniken, die in den Ansatzen zur Anwendung kommen. Um Beratung in Netzwerkzusammenhangen zu verstehen, erscheint die Frage der Ausiibung von RoUen durch Berater und Klienten von besonderer Bedeutung; aber auch die Relevanz der beschriebenen Beratungsansatze ist zu iiberpriifen. Mit ihren verschiedenen Funktionen und Ansatzen kann Beratung schliel^lich mehr oder weniger professionell erfolgen. Haufig wird der Beratungsbranche unterstellt, zwar Professionalitat zu vermitteln, jedoch keinen wirklichen professionellen Normen zu unterliegen (vgl. Kuhl 2001; Alvesson/Johansson 2002); dies gilt umso mehr fiir die noch vergleichsweise junge Beratung in und von Netzwerken. Erwartungen einer Klientenorganisation an die Professionalitat von Beratungsanbietem speisen sich zumeist aus deren Reputation bzw. ausgewiesenem Erfolg sowie den gemeinsamen Erfahrungen zwischen Klienten und Berater. Wohl gemerkt stiitzt sich Beratung auf wissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel des „Scientific Management", der Kleingruppen- und Konfliktforschung oder des strategischen Managements (vgl. Staehle 1999), um „professionelle" Problemdiagnosen und -losungen zu vermitteln. Welchen „gesicherten Erkenntnissen" indes beispielsweise Netzwerkberatung unterliegt, ist eine interessante, nicht nur akademische Frage. In jedem Fall unterliegt Beratung einer eigenen „professionellen" Geschaftslogik, mit der Erkenntnisse und Erfahrungen auf praktische Erfordemisse angewandt werden, wobei es jedoch unmoglich zu sein scheint, Wirkungen von Beratungsleistungen hinreichend genau zu evaluieren (vgl. Kieser 1998, 2002); nicht zuletzt deshalb, weil Beratungsprozesse durch die Integration des Kunden eine Eigendynamik entfalten, die eine Standardisierung von Beratungsleistungen sowie eine „objektive" Bewertung ihrer Qualitat erschwert. Fragen nach Funktionen, Ansatzen und der Professionalitat von Beratung scheinen insbesondere relevant, wenn der Gegenstand von Beratung noch wenig erforscht ist bzw. geringe Erfahrungen mit Beratung in Bezug auf den Gegenstand bestehen. Diese Situation besteht in der im Folgenden vorgestellten Netzwerkberatung, die selbst von
Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
fiihrenden Branchenvertretern, wie Roswita Konigswieser, bis heute als „Lernfeld'' bezeichnet wird (vgl. auch Konigswieser in diesem Band).
2.2
... zur Netzwerkberatung ...
Um Funktionen und Ansatze der Netzwerkberatung einordnen und deren Professionalitat bewerten zu konnen (vgl. Sydow in diesem Band), bedarf es zunachst einer begrifflichen Klarung. So sollen unter Netzwerkberatung - im Unterschied zur Organisationsberatung - alle Beratungsaktivitaten subsumiert werden, die sich auf die Bildung, das Management, die (Weiter-)Entwicklung, aber auch die Beendigung von interorganisationalen Netzwerkbeziehungen richten. Die Adressaten von Netzwerkberatung sind - ebenfalls im Unterschied zur Organisationsberatung - mehrere rechtlich selbstandige Akteure, die in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Gleichwohl wird Netzwerkberatung haufig von einzelnen Netzwerkakteuren, etwa fokalen Unternehmungen, in Auftrag gegeben. Entscheidend ist jedoch, dass es sich bei den Klienten um Netzwerkakteuie handelt. Denkbar sind aber auch Situationen, in denen das gesamte Netzwerk als Klient auftritt, wenngleich „das Netzwerk'' in der Praxis typischerweise durch einzelne Akteure vertreten wird (s.o.). In alien Fallen karm Netzwerkberatung sowohl extern durch ein eigenstandiges Beratungsunternehmen (oder -netzwerk) als auch intern durch eine Beratungsabteilung oder eine Organisation im Netzwerk erfolgen. Bislang wurde Netzwerkberatung insbesondere im privatwirtschaftlichen Bereich kaum wissenschaftlich untersucht (vgl. aber Loose 2001). Im offentlichen Bereich gibt es dagegen eine Reihe von Studien insbesondere zur Beratung und Entwicklung regionaler Stakeholder-Netzwerke (vgl. z.B. Cummings 1984; Gray 1989). AUerdings mangelt es an Arbeiten, die sich mit Funktionen und Ansatzen, aber auch Anforderungen an die Professionalitat von Netzwerkberatung explizit auseinandersetzen. Kern dieser Auseinandersetzung sollte sein, wie Beratungsanbieter Klienten bei der Bildung, der Entwicklung, dem Management und der Beendigung von Netzwerkbeziehungen unterstiitzen konnen und welche Beratungsansatze sie auf welche Weise und in welcher Kombination anwenden. Da von ausgehend ware die Professionalitat von Netzwerkberatung vor allem daran zu messen, inwiefern Beratungsanbieter zum einen die verschiedenen - wermgleich haufig unterschiedlich machtvoUen - Netzwerkakteure in den Beratungsprozess einbeziehen bzw. deren Interessen und Ziele beriicksichtigen, zum anderen inwiefern sie die haufig diskutierten Spannungsverhaltnisse - zwischen Kooperation und Wettbewerb, Autonomie und Abhangigkeit, Vertrauen und KontroUe - unter denen Netzwerkakteure zusammenarbeiten, zum Thema machen bzw. mit diesen umgehen (vgl. im Detail Sydow in diesem Band).
Stephen Manning und Jorg Sydow
2.3
... und Beratungsnetzwerken
Ahnlich wie die Netzwerkberatung sind Beratungsnetzwerke bisher nur vereinzelt zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung geworden (vgl. aber bereits Krystek/Miiller 1992; Konigswieser 1998; Lenz/Schmidt 1999; Lilja/Poulfelt 2001). Unter Beratungsnetzwerken werden im Folgenden Untemehmungsnetzwerke verstanden, die von Beratungsuntemehmen oder einzelnen Beratem (Ein-Personen-Unternehmen) koordiniert werden und die primar auf die Erbringung von Beratungsleistungen ausgerichtet sind. AUgemein bezeichnen Untemehmungsnetzwerke „eine Organisationsform okonomischer Aktivitaten zwischen Markt und Hierarchie ..., die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbstandigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhangigen Untemehmungen [auch: Ein-Personen-Untemehmungen] auszeichnet" (Sydow 1992, S. 82). Im Unterschied zu Beratungsuntemehmen bieten in Beratungsnetzwerken daher stets mehrere rechtlich selbstandige Akteure Beratungsleistungen (arbeitsteilig) an und sind - mehr oder weniger stark - in Beratungsprozesse einbezogen. Gleichwohl konnen einzelne Netzwerkakteure als Auftragnehmer agieren. Inwiefem sich Beratungsnetzwerke fiir bestimmte Ansatze und Funktionen von Beratung besser eignen als Beratungsuntemehmen, ist eine offene Frage. Auch ist bislang unbeantwortet, ob Beratungsnetzwerke iiberhaupt so organisiert werden konnen, dass dauerhafte Wettbewerbsvorteile entstehen konnen, das heifit, ob sie gar Kandidat fiir die Ausbildung „kooperativer Kemkompetenzen" (Duschek 1998) sind. Ein wichtiger Faktor in Beratungsnetzwerken scheint in jedem Fall deren Wissensintensitat bzw. die Bedeutung von Wissen als Netzwerkressource zu sein, wodurch Lemen zwischen rechtlich unabhangigen Beratem stimuliert wird (vgl. auch Sydow/van Well 1996). AUerdings ist zu fragen, wie in Beratungsnetzwerken mit den bereits erwahnten Spannungsverhaltnissen - zwischen Kooperation und Wettbewerb, Vertrauen und KontroUe sowie Autonomie und Abhangigkeit - umgegangen wird. Analog zur Netzwerkberatung zeigt sich die Professionalitat von Beratungsnetzwerken daher zum einen darin, wie - vor dem Hintergmnd von Klientenanfordemngen - die Fahigkeiten und Kapazitaten von Netzwerkakteuren sinnvoU kombiniert werden, zum anderen, wie im Beratungsnetzwerk die genannten Spannungsverhaltnisse etwa bei der Ressourcenallokation gemanagt werden (vgl. hierzu die Einfiihrung von Manning in diesem Band). Nur ein professionelles Beratungsnetzwerk in diesem Sinne scheint schliefilich in der Lage, nicht nur Organisations- sondem auch Netzwerkberatung anzubieten und dabei professionelles Netzwerkmanagement zu vermitteln.
Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
2.4
Organisationsberatung trotz Netzwerkberatung — Beratungsunternehmen trotz Beratungsnetzwerken
Wenngleich der Fokus der folgenden Auseinandersetzung und des gesamten Bandes auf Netzwerken liegt, soil nicht suggeriert werden, dass Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke Organisationsberatung und Beratungsunternehmen obsolet machen. Im Gegenteil: So sind Netzwerke zum einen haufig Gegenstand von Organisationsberatung, wenn es etwa darum geht, Verwaltungen bei der Entwicklung regionaler Innovationsnetzwerke zu unterstiitzen oder Klientenorganisationen zu helfen, ihr Zuliefernetzwerk zu analysieren, wobei die Grenzen zur Netzwerkberatung im engeren Sinne (s.o.) fliefiend sind. Vor allem aber: Netzwerkbildung und -entwicklung induziert immer internen Organisationswandel, wodurch ein entsprechender organisationsbezogener Beratungsbedarf ausgelost wird. Umgekehrt kann Organisationsberatung mehr oder minder gtinstige Voraussetzungen fiir die Bildung externer Netzwerke schaffen. Beratungsnetzwerke bestehen ihrerseits stets aus einzelnen Beratungsunternehmen, die weiterhin auch autonom ihre Leistungen anbieten werden. Ebenso werden viele Klienten - insbesondere im offentlichen Bereich - weiterhin auf grolie Beratungsunternehmen setzen, die von ihrer Reputation profitieren und Netzwerke, zum Beispiel zu extemen Experten, hochstens „im eigenen Namen'' aufbauen. Damit ist jedoch angedeutet, dass auch die Ubergange vom Beratungsunternehmen zum Beratungsnetzwerk fliefiend sind und Netzwerkfragen allemal fiir Beratungsunternehmen relevant sind bzw. mehr derm je sein werden. Vor diesem Hintergrund wird im restlichen Teil dieses einleitenden Beitrags versucht, den Besonderheiten von Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerken gegeniiber Organisationsberatung und Beratungsunternehmen etwas naher zu kommen. Dabei riicken zwei Aspekte in den Mittelpunkt: Erstens die Organisation von Beratungsprojekten, zweitens das Management von Klientenbeziehungen - in und zwischen Organisationen und Netzwerken. Dabei wird auf eine dynamische Organisationsform aufmerksam gemacht, die verspricht, sowohl das Management von Beratungsprojekten als auch von Klientenbeziehungen in Netzwerken effektiv zu unterstiitzen: das Projektnetzwerk. Abschliefiend werden verschiedene Konstellationen der Beratung von und in Netzwerken diskutiert und eine Typologie von Netzwerken vorgestellt, die es erlaubt, Funktionen und Ansatze von (Netzwerk-)Beratung durch Beratungsunternehmen und -netzwerke zu kontextualisieren. Daraus lassen sich weitere Implikationen fiir den professionellen Einsatz von Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerken ableiten.
Stephan Manning und Jorg Sydow
3
Beratungsprojekte und Klientenbeziehungen In Netzwerken
Die Organisation von Beratungsprojekten und das Management von Klientenbeziehungen sind - neben Funktionen, Ansatzen und der Professionalitat von Beratung zentrale Gegenstande der Beratungsforschung (vgl. etwa EngwallAVestling 2004; Alvesson/Johansson 2002; Fincham 1999). Ahnlich wie im Fall der Beratungsfunktionen und -ansatze mangelt es jedoch an Studien, die sich mit Besonderheiten von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen in Netzwerken befassen (vgl. aber zu letzteren ansatzweise Loose 2001). Um aber sowohl die Potenziale und Risiken von Beratungsnetzwerken als auch die Eigenheiten von Netzwerkberatung zu verstehen, lohnt ein genauerer Blick auf diese Aspekte des Beratungsgeschafts.
3.1
Organisation von Beratungsprojekten in Netzwerken
Ein typisches Merkmal der meisten Beratungsleistungen ist deren Projektartigkeit. Wenngleich Beratung auch als kleinteilige Leistung, etwa in Form einzelner oder wiederholter Beratungsgesprache, zum Beispiel als „Coaching" (vgl. Sydow in diesem Band), vorkommt, ist fiir viele Beratungsleistungen eine komplex-arbeitsteilige Erstellung und eine partielle Einmaligkeit in ihrer Ziel- und Umsetzung sowie eine zeitliche Befristung kennzeichnend. In dem Fall weisen Beratungsleistungen typische Eigenschaften von Projekten auf (vgl. Griin 1992). Das Besondere bei Beratungsprojekten besteht jedoch in ihrem Dienstleistungscharakter, also ihrer Immaterialitat und der Einbeziehung des Klienten (vgl. Engelhardt et al. 1993) sowie der Wissensintensitat der erbrachten Leistung (Kieser 1998). Eine Hauptschwierigkeit, Projekte im AUgemeinen und Beratungsprojekte im Besonderen zu organisieren, besteht darin, dass Projekte einerseits eigenstandige Unternehmungen sind, andererseits als „temporare Systeme" in verschiedene „Umsysteme" - wie Organisationen und interorganisationale Netzwerke - eingebettet sind (vgl. z.B. Blomquist/Packendorf 1998; Scherf 2002; Czamiawska/Maza 2003). Im Besonderen haben Beratungsprojekte die Eigenschaft, dass sie Veranderungen in permanenten Klientenorganisationen oder -netzwerken herbeifiihren soUen (vgl. etwa Bosterling 1995), also - vielleicht starker als andere Projekte - direkt auf permanente Umsysteme einwirken. Welche Veranderungen genau durch Beratungsprojekte ausgelost werden, ist jedoch aufgrund der Immaterialitat und Eigendynamik von Beratungsleistungen weder leicht vorherzusagen noch im Nachhinein zu ermitteln (vgl. dazu Kieser 1998). Nicht zuletzt spielt der Klient fiir den Beratungserfolg eine wichtige Rolle, indem er -
Von der Organisationsberatung zur Netzwerkberatung?
neben seiner Integration in den Beratungsprozess - die Umsetzung von Beratungsergebnissen in hohem Mafie mit verantwortet. Daher ist die Aushandlung von Zielen, Interessen und Erwartungen in Beratungsprojekten ein machtvoUer und schwieriger Prozess (vgl. Alvesson/Johansson 2002), ganz gleich, ob es sich um Fach- oder Prozessberatung, strategische oder systemische Beratung handelt (vgl. Keil 2000). Haufig stellen sich Beratungsziele gar erst im Laufe des Beratungsprozesses heraus (vgl. Engwall/Westling 2004), was sowohl auf Seite der Klienten als auch der Berater eine hohe Unsicherheit begriinden kann (Sturdy 1997). In der Netzwerkberatung ist die Aushandlung von Zielen, Interessen und Erwartungen bei Beratungsprojekten sowie die Umsetzung von Beratungsergebnissen eine besondere Herausforderung, denn es besteht zunachst die Frage, wer eigentlich in den Beratungsprozess einbezogen werden soil und auf wen sich die Intervention auf welche Weise auswirkt. Selbst wenn es einen eindeutigen Klienten gibt, besteht das Problem, dass dieser Klient Veranderungen im Netzwerk aufgrund mangelnder Weisungsmacht schwieriger durchsetzen kann als in einer hierarchischen Organisation. Bei der Organisation von Netzwerkberatungsprojekten scheint es daher unter anderem wichtig zu sein, Promotoren im Netzwerk zu gewinnen, die jenseits formaler Autoritat dabei helfen, Veranderungen umzusetzen (vgl. auch Bosterling 1995). Beratungsnetzwerke haben wiederum das Potenzial, komplexe Beratungsprojekte durch flexiblen Einsatz von Netzwerkpartnem kostengiinstig durchzufiihren. AUerdings gibt es - ahnlich wie in Klientennetzwerken - in Beratungsnetzwerken ein Steuerungsdefizit, das aus der fehlenden einheitlichen Leitung resultiert. Umso wichtiger - auch vor dem Hintergrund der schwierigen Bewertung von Beratungsleistungen - scheint es daher, verbindliche Regeln der Allokation von Aufgaben und Ressourcen sowie der Zusammenarbeit in Beratungsteams im Netzwerk zu etablieren. Die Erfolgsaussicht von Beratungsprojekten (in Netzwerken) hangt jedoch auch von der Qualitat von Klientenbeziehungen ab. Gerade Netzwerkarrangements scheinen pradestiniert fiir ein flexibles und zugleich professionelles Beziehungsmanagement in Hinblick auf einzelne Beratungsprojekte und iiber diese hinaus zu sein. Inwieweit dem so ist, wird im Folgenden kurz diskutiert.
3.2
Management von Klientenbeziehungen in Netzwerken
Das Management von Klientenbeziehungen ist eine wesentliche Aufgabe im Beratungsgeschaft. Denn im Projektgeschaft allgemein besteht das systematische Problem, dass Projekte enden und Geschaftsbeziehungen diskontinuierlich sind (vgl. Hadjikhani 1996). Um ein langfristiges Projektgeschaft zu ermoglichen, ist es daher erforderlich, wichtige (potenzielle) Klienten dauerhaft zu binden. Dies gelingt in der
Stephan Mannins und Jorg Sydow
Beratung etwa dadurch, dass systematisch ein Folgeberatungsbedarf generiert wird (Emst/Kieser 2002). Voraussetzung dafiir ist jedoch die Schaffung von Vertrauen, etwa durch die erwartungsgemafie Erbringung von (Vor-)Leistungen, aber auch durch die glaubhafte Versicherung der Fahigkeit, bestimmte (Folge-)Leistungen zu erstellen. Neben Vertrauen wird in langerfristigen Klientenbeziehungen jedoch haufig auch ein- oder beidseitige - Abhangigkeit generiert, die die Anbahnung und Durchfiihrung von (aufeinander folgenden) Beratungsprojekten „unterstutzt" (vgl. auch Fincham 1999). Dabei andert sich zuweilen die RoUe des Beraters - etwa vom extemen Experten zum (quasi-intemen) Coach (vgl. auch Schein 2002). Gerade in der Netzwerkberatung kann es passieren, dass Beratungsanbieter liber die Zeit als „Netzwerkpartner" quasi-integriert werden, also vom „extemen" zum „internen" Berater oder Coach „wechseln". Damit kann jedoch - von Netzwerkteilnehmem - die „Objektivitat" und „Neutralitat" des Beraters in Frage gestellt werden (vgl. etwa Sturdy 1997; Fincham 1999). Ebenso denkbar ist jedoch, dass Beratimgsanbieter multiple Klientenbeziehungen in Netzwerken aufbauen. Dadurch besteht die Chance, mehrere Klienten zu bedienen, aber auch das Risiko, Interessenskonflikte und multiple Verpflichtungen einzugehen. Fine offene Frage ist, wie Beratungsanbieter mit Akteursfluktuationen im Netzwerk umgehen. Dabei bestiinde eine Strategie etwa im Aufbau kontroUiert redundanter Kontakte zu Netzwerkpartnem. Umgekehrt bieten sich Beratungsnetzwerke fiir das Management von Klientenbeziehungen (auch in Klientennetzwerken) dadurch an, dass einzelne Netzwerkpartner mehr oder weniger eigenstandig die Betreuung einzelner Klienten iibemehmen konnen. Entsprechend soUte sich auch die Selektion von Partnem im Beratungsnetzwerk unter anderem nach deren Klientenkontakten richten, sofem diese Kontakte als „Netzwerkressource" nutzbar sind. Dieses Potenzial stellt jedoch zugleich eine Managementherausforderung dar: So ist zum einen Klientenvertrauen eine schwer ubertragbare Ressource; zum anderen ist zu verhindem, dass Partner in Beratungsnetzwerken Klientenkontakte nur fur eigene Zwecke akquirieren. Die wechselseitige Dynamik von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen in Netzwerken lasst sich schliefilich gut mit dem Modell des „Projektnetzwerks" einfangen (vgl. SydowAVindeler 1999). Projektnetzwerke sind Netzwerke, deren Teilnehmer ihre Beziehungen zueinander vomehmlich iiber wiederkehrende Projektzusammenarbeit (re-)produzieren - wie die meisten Beratungsnetzwerke. Klienten sind „Teilnehmer" von Projektnetzwerken, sofem sie (potenziell) wiederholt Beratungsleistungen von Beratungsnetzwerken nachfragen. Durch Beratungsprojekte werden Klienten- und Dienstleisterbeziehungen im Netzwerk reproduziert, wobei durch erfolgreiche Teilnahme Netzwerkpartner ihre Netzwerkposition starken konnen. Wie Beratimgsnetzwerke als Projektnetzwerke gesteuert werden konnen, soil jedoch erst an spaterer Stelle interessieren (vgl. zu Beratungsnetzwerken Manning in diesem Band).
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Von der Orsanisationsberatung zur Netzwerkberatung?
Konstellatlonen der Beratung von und in Netzwerken Zusammenfassend soUen nun Funktionen und Ansatze der Beratung sowie Merkmale von Beratungsprojekten und Klientenbeziehungen noch einmal systematisch in Hinblick auf Netzwerkberatung und Beratungsnetzwerke zusammengetragen werden. Ziel soil es sein, verschiedene Beratungskonstellationen und deren Managementimplikationen zu identifizieren. Zunachst konnen vier verschiedene Grundkonstellationen der Beratung von und in Netzwerken unterschieden werden (s. Abb. 1):
Ahb. 1:
Konstellatlonen der Beratung von und in Netzwerken
Adr^mi
C^pKilsatton
ItetaMTtrk
Anbtetm* UnlBn^hiT^fi
(I) Organisationsberatung (II) Netzwerkberatung durch Beratungsunternehmen durch Beratungsunternehmen (III) Organisationsberatung durch Beratungsnetzwerke
(IV) Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke
In Fall (I) werden Organisationen durch Beratungsunternehmen beraten. Hier scheinen Netzwerke auf den ersten Blick iiberhaupt keine RoUe zu spielen. AUerdings ist Organisationsberatung denkbar, bei der Netzwerke zum Thema gemacht werden (z.B. bei der AUianzberatung) oder zumindest einen wichtigen Beratungskontext darstellen (z.B. bei der strategischen Beratung eines Herstellers, der von bestimmten Handlem abhangig ist). Auf der anderen Seite konnen autonom agierende Beratungsunternehmen Netzwerke informell als Ressource heranziehen, wenn sie zum Beispiel externe Experten projektbezogen engagieren. In Fall (II) werden Netzwerke, also Zusammenschliisse zwischen rechtlich selbstandigen, wirtschaftlich bzw. funktional jedoch meist abhangigen Akteuren, durch Beratungsunternehmen beraten. Hier sind Netzwerke nicht nur Gegenstand, sondem auch explizit Adressaten von Beratung. Das heifit, wenngleich haufig einzelne Akteure als Auftraggeber auftreten, handeln diese als mehr oder weniger machtvoUe Vertreter eines Klientennetzwerks, dessen Mitglieder in den Beratungsprozess mehr oder weniger explizit einbezogen oder zumindest beriicksichtigt werden. In Fall (III) werden Organisationen durch Netzwerke beraten, d.h. Klientenorganisationen greifen auf einen Zusammenschluss von rechtlich unabhangigen Beratern zu, die ihre Beratungsleistungen im Netzwerk koordinieren.
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Stephan Mannins und Jorg Sydow
In Fall (IV) werden schliefilich Netzwerke durch Netzwerke beraten, d.h. sowohl von Seiten des Beraters als auch des Klienten kommt es hier tendenziell zur Herausbildung multiple! Beratungskontakte und -beziehungen in den bereits genannten Spannungsverhaltnissen. Die jeweiligen Konstellationen konnen unterschiedliche Funktionen von Beratung implizieren. So werden Klientennetzwerke Beratung moglicherweise aus anderen Griinden nachfragen als einzelne Klientenorganisationen. Ebenso ist anzunehmen, dass viele Beratungsnetzwerke von anderen Klienten, zum Beispiel kleinen und mittelstandischen Untemehmen, beauftragt werden als (grofie) Beratungsuntemehmen. Hinsichtlich der Ansatze von Beratung ist vorstellbar, dass der Bedarf an inhalts- und prozessorientierter Beratung in Klientennetzwerken in anderen Kontexten auftritt als in Klientenorganisationen, zum Beispiel mag es vielen Klientennetzwerken - im Gegensatz zu Klientenorganisationen - an entsprechender (Netzwerk-)Managementerfahrung fehlen, so dass in diesem Fall eine Fachberatung nachgefragt wird. Wiederum ist denkbar, dass Beratungsnetzwerke eher die Fahigkeit haben, verschiedene Beratungsansatze zu kombinieren als einzelne Beratungsuntemehmen. Je nach Konstellation konnte sich wiederum die Art und Weise unterscheiden, wie Beratungsprojekte angebahnt und durchgefiihrt werden. So macht es einen Unterschied, ob Beratungsprojekte mit einzelnen Klientenorganisationen oder mit Klientennetzwerken geplant und umgesetzt werden. Umgekehrt erscheint die AUokation von Ressourcen fiir Beratungsprojekte in Beratungsnetzwerken anders abzulaufen als in Beratungsuntemehmen. Schliefilich mogen sich Klientenbeziehungen je nach Konstellation anders entwickeln. So wurde die Bedeutung potenziell multipler Klienten- und Beraterbeziehungen in Klienten- bzw. Beratemetzwerken bereits angesprochen. Eine noch differenziertere Betrachtung gelingt, wenn verschiedene Typen von Netzwerken unterschieden werden, die Beratung anbieten bzw. nachfragen. In der Netzwerkforschung gibt es zahlreiche Versuche, Netzwerktypen zu unterscheiden (vgl. im Uberblick Sydow et al. 2003). Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen starker hierarchischen und starker heterarchischen Netzwerken. Hierarchische Netzwerke sind durch eine strategische Steuerung, meist ausgehend von einem fokalen Unternehmen gekeruizeichnet. Heterarchische Netzwerke sind dagegen starker partizipativ angelegt und werden typischerweise durch koUektiv legitimierte Gremien gesteuert. Eine weitere Unterscheidung wird zwischen eher dynamischen und eher stabilen Netzwerken gemacht. Erstere verweisen auf Netzwerke mit haufig wechselnden Partnem sowie einer diskontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen ihnen. Letztere verweisen dagegen auf kontinuierliche und lang anhaltende Beziehimgen. Netzwerke, die beraten werden, lassen sich entlang dieser zwei Merkmalsdimensionen verorten. Die Frage ist, in welchem Zusammenhang der Netzwerktyp mit den Funktionen und Ansatzen der Beratung, der Anbahnung und dem Ablauf von Beratungsprojekten sowie dem Aufbau von Klientenbeziehungen steht. Beispielhaft lasst sich diese Uberlegung an hierarchisch-stabilen, so genannten „strategischen Netzwerken"
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(Sydow 1992) erlautern, die beraten werden soUen. So konnte eine zentrale Funktion von Netzwerkberatung in diesem Fall darin bestehen, Netzwerkbeziehungen auf das fokale Netzwerkunternehmen auszurichten, wobei Zieldivergenzen zwischen Netzwerkakteuren aufgrund der strategischen Steuerung weniger ins Gewicht fallen diirften. Je nach Beratungsgegenstand kdnnten inhalts- und prozessorientierte Beratungsansdtze kombiniert werden, wobei eine partizipative Einbeziehung der Netzwerkpartner insbesondere bei der Umsetzung von Beratungsergebnissen erforderlich erscheint. Dies hangt jedoch davon ab, wie Beratungsprojekte sich entwickeln, wobei davon auszugehen ist, dass das fokale Untemehmen eine zentrale RoUe als Promoter und Vermittler von Beratungsprozessen einnehmen wird. Das Management von Beratungsprojekten ist schliefilich vor dem Hintergrund einer eventuell langerfristigen Beziehung zwischen Berater und Netzwerkakteuren, insbesondere dem fokalen Unternehmen, zu betrachten, infolge derer sich Berater ggf. als „externe Netzwerkpartner'' etablieren und ein Projektmanagement im vertrauten Kontext ermoglichen. Aber auch Netzwerke, die beraten, lassen sich in ahnlicher Weise qualifizieren. Als Beispiel sei hier ein heterarchisch-dynamisches, projektformig organisiertes Beratungsnetzwerk genommen. Dessen Funktion kdnnte es primar sein, komplexe Interventionen - eher als kontinuierliches Coaching - klientenorientiert anzubieten, und dafiir jeweils geeignete Berater bereitzustellen. Ein derartiges Beratungsnetzwerk scheint sowohl fiir Ansatze der inhalts- als auch der prozessorientierten Beratung nicht zuletzt in Kombination - geeignet; es eroffnet jedoch gleichzeitig den einzelnen Mitgliedem die Moglichkeit - starker als in Hierarchien - neben Netzwerkprojekten auch eigene Beratungsprojekte abzuwickeln. Dabei erscheint es wichtig, Anreiz- und Kontrollmechanismen zu etablieren, um eine moglichst hohe und langfristige Leistungsfahigkeit des Beratungsnetzwerks sicherstellen. Die Teilautonomie der Partner im Netzwerk erlaubt es wiederum, multiple Beziehungen zu (potenziellen) Klienten aufzubauen. Dabei besteht jedoch - wie bereits beschrieben - die Schwierigkeit, diese Beziehungen im Netzwerkzusammenhang nutzbar zu machen. Ebenso entsteht die Frage, welche Anreize Netzwerkakteure haben, im Netzwerk zu verbleiben, wenn sie iiber genug eigene Kontakte verfiigen und wenige Griinde dafiir bestehen, diese dem Netzwerk zur Verfiigung zu stellen. Wichtig scheint in diesem Fall die Herausbildung einer Netzwerkidentitat und -kultur der gemeinschaftlichen Arbeit und Nutzung von Ressourcen im Beratungsgeschaft. Fragen nach der „netzwerktypgerechten'' Organisation von Beratungsprojekten und -beziehungen potenzieren sich in Konstellationen, in denen Netzwerke Netzwerke beraten. Zunachst besteht in diesem Fall - zumindest theoretisch - auf beiden Seiten die Schwierigkeit zu erkennen, wer als Partner oder Ansprechpartner im Netzwerk in Frage kommt. Dies wiederum richtet sich nach der Art und Weise, wie das jeweilige Netzwerk gemanagt wird b z w welchem Typ es zuzuordnen ist. Auch ist zu fragen, inwiefern sich Netzwerkakteure ihrer Einbettung im Netzwerk bzw. der Einbettung des Klienten im Netzwerk iiberhaupt gewahr sind, also inwiefern sich Berater und Klienten gegenseitig als Netzwerkakteure wahrnehmen. Des Weiteren ist von Inte-
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resse, ob sich die Klientennetzwerke und die Beratungsnetzwerke in ihrem Typus ahneln soUten, zum Beispiel beide als strategische Netzwerke ausgebildet sein soUten, und welche Bedeutung dies fiir Beratungsprozess und -ergebnis haben konnte. Oder sind strategische Netzwerke - der wohl haufigste Kliententyp - durchaus effektiv und effizient auch durch heterarchisch organisierte Beratungsnetzwerke zu bedienen? Dabei scheinen in jedem Fall Projektnetzwerke „zwischen" Berater- und Klientennetzwerken erforderlich zu sein, um gemeinsame Projekte - jeweils kontextspezifisch - zu organisieren (vgl. auch Loose 2001). Diese hohen - theoretischen - Anforderungen diirfen jedoch nicht dariiber hinwegtauschen, dass in der Praxis Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke in verschiedenen, mehr oder weniger ausgepragten Varianten, an Bedeutung zunehmen wird. So erscheint insbesondere eine zugleich distanziert-unabhangige und klientermah-kontextbezogene Beratung von Organisationen wie von Netzwerken den Einsatz von zumindest informellen - Beratungsnetzwerken bereits heutzutage zu erfordem. Derm es besteht die gangige Praxis, ehemalige BeraterkoUeglnnen beim Klientenunternehmen informell in die wiederholte Akquisition und Durchfiihrung von Beratungsprojekten einzubeziehen. Analog ist eine Praxis vorstellbar, wonach Partner eines Beratungsnetzwerkes in Klientennetzwerke integriert und so kontinuierlich Klientenbeziehungen in bzw. zwischen Netzwerken unterhalten werden. Eine wichtige Grundlage dafiir scheint ein professionelles Management von Beratungsprojekten und -beziehungen im Netzwerk auf beiden Seiten zu sein, wobei anzunehmen ist, dass langerfristig - bestimmte Vertreter des Klienten- und Beratemetzwerkes das Beziehungsmanagement gemeinsam iibemehmen konnen. Was eine solche professionelle Beratung in und von Netzwerken beinhalten bzw. wie diese aussehen kann, soil in diesem Band deutlich werden.
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OrpMitM^cw^n unci N#t2¥wke:
Netzwerkberatung praktizieren: Erfahrungen aus der Beratungspraxis Die Beratung von und in Netzwerken ist ein noch junges Betatigungsfeld fiir Berater. Netzwerkberatung ist jedoch bisher nicht als eigenstandiger und eintraglicher Wachstumsmarkt „entdeckt'' worden. So gibt es beispielsweise im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater bisher keine Arbeitsgruppe oder Sektion, die sich mit diesem Thema beschaftigt. Netzwerkberatung, als eine eigenstandige Beratungsform, scheint gegenwartig noch ein Schattendasein zu fiihren. Dies entweder, weil eine derart „eigenstandige" Beratungsform grundsatzlich als nicht erforderlich erscheint - alles Relevante zum Thema Netzwerkberatung kann auch mit den vorhandenen, traditionellen und modemen Erkenntnissen sowie Methoden der Organisationsberatung bearbeitet werden. Oder weil das Nachfragepotenzial den Aufwand derartiger Entwicklungsarbeit nicht rechtfertigen wiirde. Als Berater, der seit mehreren Jahren Netzwerke berat, Netzwerkorganisationen betreut und selbst in einem Beraternetzwerk aktiv tatig ist, mochte ich zunachst von meinen praktischen Erfahrungen bei der Beratung von und in Netzwerken berichten. Mit Blick auf die Beratung von und in Netzwerken ist meine Ausgangsperspektive diejenige einer eigenstandigen Beratungsunternehmung, die unter anderem Netzwerke kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) betreut. Konkret bedeutet dies, dass in der Kegel 5 bis 30 Unternehmen am Netzwerk teilnehmen und diese zwischen 1 und 100 Mitarbeiter haben. Im folgenden Abschnitt mochte ich unter anderem der Frage nachgehen, welche grundlegenden und praxisrelevanten Probleme in Netzwerken einer externen Beratung bediirfen. Darauf aufbauend mochte ich zweitens den Weg vom „Einzelkampfer" zum „Beratungsnetzwerk" kurz skizzieren und drittens nach den zentralen Unterschieden zwischen Organisations- und Netzwerkberatung Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler • Wiesbaden 2006, S. 19-36
Achim Loose
fragen und hierbei die Bedingungen ausloten, die diese Unterschiede auf die Beratung von und in Netzwerken haben konnen.
Netzwerkberatung dlfferenzieren: Wer berat eigentlich wen? Zum Einstieg in das Thema mochte ich - ebenso wie Manning/Sydow in der Einleitung zu diesem Band - vier grundlegende Konstellationen der Beratung unterscheiden, in der Beratende und Beratene aufeinander treffen konnen (vgl. Abb. 1).
Abb. 1:
Konstellationen der Beratung in und von Netzwerken („V' bzw. „n" stehen hierfiir die am Beratungsprozess jeweils beteiligten Unternehmungen aufBerater- undloder Klientenseite) Organisatioii
Unlemehineii
(1) Organisationsberatung durch Beratungsunternehmen:„klassische" Organisationsberatung (1:1)
l^tzwerk
(III) Organisationsberatung durch Beratungsnetzwerke: Beratung von Netzwerken (1:n)
Metzwerk
(II) Netzwerkberatung durch Beratungsunternehmen: Beratung In Netzwerken (n:1) (IV) Netzwerkberatung durch Beratungsnetzwerke: Beratung von und in Netzwerken (n:n)
Diese Unterscheidung von vier praxisrelevanten Beratungskonstellationen ist natiirlich nur eine analytische. In der Praxis der Netzwerkberatung kommen wiederkehrend Mischformen dieser idealtypischen Konstellationen vor, und im Verlauf eines Beratungsprozesses wird mitunter mehrmals die Ebene der Beratung gewechselt. Doch hierzu spater mehr. Betrachtet man die Veroffentlichungen zu diesen vier Beratungskonstellationen, so fallt auf, dass sich die seit iiber 30 Jahren publizierte und in Folge sehr umfangreiche Literatur zur Organisationsentwicklung und Untemehmensberatung fast ausschliefilich mit dem oberen linken Feld der Matrix - der „klassischen" Organisationsberatung (1:1) - beschaftigt (vgl. zu einem Literaturuberblick
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Orsanisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Loose 2006). Hierbei geht es ausschliefilich um die Beratung von Organisationen durch Organisationen sowie die hierbei entstehenden theoretischen, praktischen und methodischen Problemstellungen im Beratungsprozess. Die zentralen Leitbilder der „klassischen" und „modernen" Organisationsberatung, die hierbei Theorie und Praxis anleiten, sind Fremd-, Mit- und Selbstorganisation (vgl. Kieser 1996; Loose 2006). Eher unberiicksichtigt blieben bisher entsprechende Betrachtungen mit Blick auf die Beratung eines Netzwerkes durch eine einzelne (Beratungs-)Organisation (II), die Beratung einer einzelnen Organisation durch ein (Beratungs-)Netzwerk (III) sowie diejenige eines Netzwerkes durch ein (Beratungs-)Netzwerk (IV) (zu den Beratungskonstellationen II und IV vgl. Loose 2001). Auch ich kann mich an dieser Stelle nicht mit der erforderlichen Ausfiihrlichkeit alien vier Konstellationen widmen und mochte mich im Folgenden auf die Falle II und IV beschranken.i Zunachst aber ein kurzer Erfahrungsbericht aus unserer Beratungspraxis. Wer sich mit der Beratung von Netzwerken - als Einzelberater oder beratendes Netzwerk - befasst, steht am Beginn eines Beratungsprozesses in der Kegel vor einem Orientierungsproblem. Am Beginn eines Beratungsprozesses geht es immer um eine Klarung des Beratungsauftrages sowie eine erste „Ortsbestimmung'' des Rat suchenden Netzwerkes. Hierbei sind in der Kegel folgende Einstiegsfragen relevant: 1. Wer ist der oder wer sind die Auftraggeber und/oder Klienten? 2. Was soil Gegenstand der Beratung sein? Aus welchem Grund ist ein Berater oder ein Beratungsnetzwerk beauftragt worden? 3. Um welchen Typus von Netzwerk - soweit dieser bereits identifiziert wer den kann - handelt es sich? 4. In welcher Entwicklungsphase befindet sich das Kat suchende Netzwerk? Die ersten beiden Fragen gehoren zum unverzichtbaren Klarungsbedarf jeder (Organisations-)Beratung. Nicht nur systemische Berater sprechen mit Blick auf diese Einstiegsfragen von Auftrags- und Kontextklarung - und meinen damit vor allem die Schaffung einer gemeinsamen Ausgangsbasis, klarer gegenseitiger Erwartungen und von moglichst viel Anfangstransparenz (vgl. Simon/Kech-Simon 2001, S. 13 ff.; Kleve 2003). Uniibersichtlich wird es im spateren Verlauf eines Beratungsprozesses zumeist ohnehin. Auf das Thema der Auftrags- und Kontextklarung im Kahmen einer Netzwerkberatung und die hierbei relevanten Probleme mochte ich an dieser Stelle nicht naher eingehen. Diese Problematik ist im Besonderen von systemischen Organisationsberatern ausfiihrlich thematisiert worden, muss allerdings unter den besonderen Kahmenbedingungen der Netzwerkberatung neu geklart werden. Nicht immer sind hierbei Auftraggeber und Beratene identisch, die Beweggriinde der Beratung im Netzwerk bekannt und/oder einvernehmlich geklart oder die Erwartungen an den Berater bei alien Teilnehmern oder Betroffenen deckungsgleich. Es lassen sich also - so viel sei hier lediglich angemerkt - im Kahmen einer Netzwerkberatung auch diesem Thema neue Perspektiven abgewinnen und weitere Klarungsbedarfe identifizieren.
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Achim Loose
Ausfiihrlicher betrachten mochte ich hingegen die dritte und vierte Einstiegsfrage. Deren Beantwortung ermoglicht sowohl dem Berater als auch dem Klienten eine erste Verortung des jeweiligen Netzwerkes.
2.1
Netzwerktypen: Zur Einordnung des Rat suchenden Netzwerks (I)
Beginnen mochte ich mit der Frage nach dem Netzwerktyp. Hierzu kann das Rat suchende Netzwerk in einer Matrix verortet werden, die mit Blick auf die zeitlich begrenzte, projektformige, aber oftmals wiederkehrende Durchfiihrung der Zusammenarbeit, Eigenschaften wie stabil und dynamisch sowie hierarchisch und heterarchisch in das Zentrum der Typisierung stellt. Im Rahmen einer solchen Zuordnung lassen sich vier praxisrelevante Netzwerktypen lokalisieren: strategische Netzwerke, regionale Netzwerke, Projektnetzwerke und virtuelle Untemehmungen.
Abb. 2:
Praxisrelevante Netzwerktypen (vgl Sydow 1999)
hierarchisch
heterarchisch
Stabil Legende:
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SN = strategische Netzwerke PN = Projektnetzwerke RN = regionale Netzwerke VU = virtuelle Untemehmung
dynamisch
Orsanisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Welcher basale Informationsgewinn kann durch eine derartige Einordnung fiir Berater und Klient erreicht werden? Hauptmerkmal eines strategischen Netzwerkes ist die markt- und ressourcenorientierte Fiihrung durch eine - selten mehrere - fokale Unternehmung(en). Die im Zentrum der Zusammenarbeit stehende Untemehmung verfiigt in der Kegel liber grofie Handlungsspielraume, ist richtungsweisend fiir die Entwicklung des Netzwerkes und majSgeblich an der Ausgestaltung der - nicht nur okonomischen - Beziehungen zu netzwerkexternen (Markt-)Partnern beteiligt. Wettbewerbsvorteile der strategischen Netzwerkpartner konnen sich u.a. auf Innovations-, Zeit-, Qualitats- sowie Preis- und Kostenvorteile durch die unternehmungsiibergreifende Zusammenarbeit beziehen. Die strategische Fiihrung durch in der Kegel eine Unternehmung lasst hier eher hierarchisch organisierte Kommunikations- und Informationsprozesse sowie zentralisierte Entscheidungsverfahren erwarten. Zudem ist die wirtschaftliche Abhangigkeit der anderen Netzwerkpartner von dem strategischen Akteur zumeist grofier als in anderen Netzwerktypen. Daher sind die Autonomiespielraume der Partner geringer, die Notwendigkeit, der strategisch fiihrenden Unternehmung - wenn auch mitunter widerstrebend - zu folgen, grofier. Ein nicht unbedeutender Hintergrund bei der Beantwortung der ersten und zweiten Einstiegsfrage (Auftrags- und Kontextklarung) sowie fiir die weitere Dramaturgie des Beratungsprozesses. Dies im Besonderen immer dann, wenn die Einstellungen zur extemen Beratung sowie die Erwartungen an den Beratungsprozess im Netzwerk stark divergieren, gleichzeitig aber alle Partner von der Beratung mehr oder weniger betroffen sind und/oder ihre engagierte Beteiligung fiir einen Beratungserfolg unverzichtbar ist. Dann gilt es, ein Beratungsthema zu identifizieren oder ein Problem zu definieren, welches im Netzwerk mehrheitsfahig ist oder von (fast) alien Partnem geteilt wird. Regionale Netzwerke zeichnen sich demgegeniiber starker durch die raumliche Nahe der beteiligten - zumeist kleinen und mittleren - Untemehmungen aus. Die oftmals fehlende strategische Fiihrerschaft durch eine einzelne Untemehmung impliziert eine eher dezentrale und emergente Netzwerkentwicklung, die aufgrund der Polyzentriertheit dieser Netzwerkform in unterschiedlichsten Untemehmungen ihren Ausgangspunkt, in anderen ihre Fortsetzung finden kann. Ein Mehr an Heterarchie, der Wunsch nach Gleichberechtigung und gerechter Behandlung, geringere gegenseitige Abhangigkeiten - zumindest in der Griindungsphase eines Netzwerkes, grofiere Autonomiebediirfnisse, emst zu nehmende individuelle Be- und Empfindlichkeiten kennzeichnen diese regionalen Netzwerke. In den von uns zumeist betreuten Netzwerken sind die beteiligten Untemehmungen eher in Ausnahmefallen Neugrundungen (wie etwa in Griindungsnetzwerken), sondem zumeist gut am (regionalen) Markt eingefiihrte, oftmals in der zweiten oder dritten Generation erfolgreich gefiihrte Untemehmen mit einem soliden und treuen Kundenstamm. Die Untemehmer bzw. Geschaftsfiihrer sind selbstbewusst, fiihrungserfahren in KMU und verfugen in der Kegel iiber viel Know-how in ihrem Fachgebiet. Perspektivisch woUen sie die Zukunfts- und Wettbewerbsfahigkeit ihrer Untemehmen nachhaltig sichem und sehen in einer unternehmungsiibergreifenden Vernetzung eine entsprechende Option. Dies
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Achim Loose
sind Eigenschaften und Einstellungen, die fiir den Verlauf eines Beratungsprozesses im Besonderen, wenn es um eine Prozessmoderation geht - bedeutsam bis bestimmend werden konnen und von deren sensibler Beriicksichtigung oftmals der Beratungs- und ebenso der Netzwerkerfolg entscheidend abhangen. Projektnetzzverke sind Netzwerke, die sich primar iiber zeitlich begrenzte Formen der Zusammenarbeit (Projekte) reproduzieren. Die Beziehungen bleiben im Anschluss an die gemeinsame Durchfiihrung eines Kundenauftrags in der Kegel latent vorhanden und sind jederzeit wieder aktivierbar (vgl. SydowAVindeler 1999 sowie Manning in diesem Band). Das Projektmanagement in derartigen Projektnetzwerken ist oftmals an das klassische, eher hierarchische Management von Projekten angelehnt. In den von uns betreuten Beratungsprojekten ist das regionale Netzwerk oftmals Ausgangsbasis fiir derartige Projektnetzwerke. Das auf Dauer angelegte, stabile und zumeist mit eigener Rechtsform etablierte regionale Netzwerk bildet die Keimzelle fiir die zeitlich begrenzte „Ausgriindung" eines Projektnetzwerkes. In diesem werden dann ausgewahlte Partner des regionalen Netzwerkes mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen projektspezifisch aktiv. Und dies zumeist unter einer eher hierarchisch agierenden Projektleitung, die aus dem regionalen Netzwerk auf Zeit inthronisiert wird. Interessant ist hierbei erstens das wiederkehrende Zusammenspiel von regionalem und Projektnetzwerk mit wechselnden Zusammensetzungen. Zweitens die sowohl heterarchische als auch hierarchische Koordination der Akteure, die sowohl als gleichberechtigte Partner (im regionalen Netzwerk), als auch als weisungsberechtigte Projektleitung (im Projektnetzwerk) agieren konnen. Wichtig ist hierbei im Besonderen, dass jeder Partner in jeder RoUe kompetent agieren konnen muss. Zum einen ist er gleichberechtigtes Mitglied und gefragter Mitentwickler des regionalen Netzwerks, zum anderen projektleitende Fxihrungskraft mit exklusivem Kundenkontakt und hierarchischer Entscheidungsbefugnis. Diese unterschiedlichen RoUen mit den entsprechenden extemen Erwartungen und eigenen Selbstbeschreibungen sind oftmals problematisch imd konnen in einem gecoachten Prozess der RoUendefinition im Rahmen einer weitergehenden Netzwerkberatung geklart werden. Die virtuelle Unternehmung ist schlieiSlich eine Organisationsform okonomischer Aktivitaten, bei der der Einsatz interorganisationaler Informations- und Kommunikationssysteme eine grolSere RoUe spielt als bei den anderen drei Netzwerktypen. Im Extremfall existiert diese Unternehmung fiir den Kunden „nur ihrer Wirkung nach" (Sydow 2001) und konstituiert sich als d)niamisch-temporares Netzwerk funktional spezialisierter Untemehmungen auf Grundlage innovativer interorganisationaler Informationssysteme - und ist damit eine Sonderform des Projektnetzwerkes. In den von uns beratenen KMU-Netzwerken kommt dieser Form des Netzwerks nur eine untergeordnete RoUe zu. Informations- und Kommunikationstechnik sind hier zumeist mehr oder weniger widerstrebend akzeptierte Hilfsmittel der Vemetzung (z.B. Intranet). Die eigentliche Integration des Netzwerks sowie die erforderliche interne Kommunikation erfolgt in der Regel iiber andere Verfahren (Beziehungskapital, Vertrauen, personliche
24
Organisationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Treffen) und weniger liber interorganisational zum Einsatz kommende Informationssysteme.
2.2
Netzwerkentwicklung: Zur Einordnung des Rat suchenden Netzwerks (II)
Die vierte (Einstiegs-)Frage zielt auf den Stand der Entwicklung, die aktuelle Entwicklungsphase eines Rat suchenden Netzwerks. Ich mochte im Folgenden vier Phasen unterscheiden: Initiierungs- und Griindungsphase (1); Konsolidierungsphase (2); Ausbau- Oder Schrumpfungsphase (3); Beendigungs- oder Zerfallphase (4). Dariiber hinaus mochte ich - um den Blick auch auf das mogliche Tatigkeitsspektrum eines externen Netzwerkberaters weiter zu fokussieren - im Folgenden zwischen Each- und Prozessberatung differenzieren (vgl. hierzu auch Sydow in diesem Band) und phasenspezifische Fragen an exteme Berater hinsichtlich Each- und/oder Prozessberatung vorstellen. In der Initiierungs- und Griindungsphase geht es bei der Netzwerkberatung um die Kanalisierung einer oft noch unscharfen Kooperations- bzw. nebulosen Netzwerkidee. Mehr Kooperation, verstarkte Zusammenarbeit und reflexiv betriebene Vemetzung mit anderen Unternehmungen scheinen den „Netzwerkinitiatoren" die strategische Option zu sein, die zu entsprechenden ersten Umsetzungsschritten einer anfanglich wenig konkreten Idee fiihrt. Entsprechende Fragen an exteme Berater sind u.a. in Abbildung 3 dokumentiert. Die Konsolidierungsphase ist demgegeniiber von einer zunehmenden Organisiertheit bzw. reflexiven Strukturiertheit (vgl. Ortmann et al. 1997, S. 315 ff.) der Zusammenarbeit, einer Verbesserung oder Verfeinerung der Abstimmungs- und Austauschprozesse, von flexibler netzwerkinterner Spezialisierung sowie im Besonderen von der Entwicklung einer eigenen, Identitat stiftenden Netzwerkkultur gekennzeichnet. Und ebenso geht es jetzt um die „Anpassung'' der Netzwerkuntemehmungen an die Erfordernisse des Netzwerks sowie die „Feinabstimmung" des Netzwerks hinsichtlich der Erwartungen und Moglichkeiten der beteiligten Partner. Fragen, die in dieser Entwicklungsphase zumeist im Vordergrund stehen, sind in Abbildung 4 dokumentiert.
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Achim Loose
Abb. 3:
Fragestellungen
an und Themenbereiche fur externe
Fadiberatung Ehene 4m
Welche Aufbaukosten entstehen fiir die Untemehmungen eines Netzwerkes? Auf der Basis welcher Kalkulationsgrundlagen erstellen die beteiligten Unternehmen ihre Angebote bzw. ermitteln sie ihre projektspezifischen Preise? 1st hierbei eine Annaherung der Betriebe erforderlich? Muss fiir gemeinsame Projekte eine Deckungsbeitragsrechnung in den Betrieben eingefiihrt werden? Wie ist die Gewinnsituation in den Betrieben? Welche Gewinne werden mit welchen Projekten gemacht?
Ebene des Metzwerkes Wie wird das Projektgeschaft der Kooperation dauerhaft finanziert? Sollen Provisionen von den beteiligten Partnern an das Netzwerk gezahlt werden? Wie hoch sollte die Anzahl an Kooperationspartnem maximal sein?
Ff^zessberaliiiig Ebeiie der Untemelmiitiig Klarung der individuellen Voraussetzungen fiir Kooperation und Zusammenarbeit (Potenzialund Kooperationsfahigkeitscheck) Wie woUen wir uns mittel- bis langfristig in das Netzwerk einbringen?
Wie ist die Akzeptanz der Kunden auf das Angebot von „Leistungen Was erwarten wir von dem Netzaus einer Hand"? werk, von der Welche Rechtsformen Netzwerkfiihrung bieten sich fiir eine sowie unseren regional ausgerichtete Partnern im Kooperation an?2 Netzwerk? Wer iibernimmt die Gewahrleistung und Haftung? Wie haftet der Projektleiter, wenn dieser aus der Runde der kooperierenden Unternehmen kommt? Welche Vertrage sollten zwischen den Partnern abgeschlossen werden? Welche offentlichen Fordermoglichkeiten zum Aufbau bzw. zur Reorganisation von Netzwerken gibt es?
26
Netzwerkberater
Moderation eines ersten Erfahrungsaustausches Klarung der Erwartungen an sowie die Ziele des Netzwerks; Wofiir werden die Einnahmen des Netzwerkes verwendet? Welche finanziellen Anreize gibt es im Rahmen der Kooperation fiir die Partnerunternehmen? Wer iibernimmt die Leistungsfunktion (Projektmanagement) bei gemeinsamen Auftragen? Welche Leistungen konnen, sollen oder miissen durch die Kooperation grundsatzlich iibernommen werden?
Orgamsationen und Netzwerke: Beratende und Beratene
Abb. 4:
Fragestellungen an und Themenbereiche fur externe Netzwerkberater
Welche Qualifizierungsmafinahmen sind fiir Geschaftsfiihrer und Mitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit im Netzwerk relevant?
iiiii
Begleitende Steuerberatung sowie juristischer Rat in Rechtsfragen
Verkniipfung von Organisations- und Personalentwicklung auf betrieblicher Ebene mit Blick auf die Anforderungen des Netzwerks Andert sich die (eigene) Unternehmenskultur durch die Zusammenarbeit in einer Kooperation? (z.B. „vom Einzelkampfer zum Teamspieler'') 1st es sinnvoll, die Mitarbeiter von Anfang an in den Vernetzungs- und Kooperationsprozess einzubinden?
Prozessentwicklung „vom-Besten-lemen''; Wie kann sich Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen entwickeln? Welche Mafinahmen konnen einen Vertrauensbildungsprozess fordern? Konnen Verbande das Netzwerk aktiv unterstiitzen? Wer konnte zudem Multiplikator der Kooperationsidee sein? Mit welchen Marketinginstrumenten soil das Netzwerk arbeiten? Wie kann das aktive Engagement der Partner motiviert sowie (nicht nur finanziell) belohnt werden? Wie kann die Kooperation weitere „vertrauensvoile'' Partner finden? Welche Betriebe haben einen vergleichbaren Qualitatsstandard sowie vergleichbare Anspriiche an die eigenen Leistungen wie wir? Welche Betriebe haben vergleichbare Kundengruppen wie unsere Betriebe? Sollen weitere Partner an der Kooperation beteiligt werden?
27
Achim Loose
Abb. 5:
Fragestellungen an und Themenbereiche fiir externe Netzwerkberater
Fadtb^atiing
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' '^-^'-iUntamtlimiiiig Welche Qualifizierungsmafinahmen sind fiir Geschaftsfiihrer
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und Mitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit im Netzwerk relevant?
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96
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Vorteil
bewerbsvoiteils ^ Uhternehmens
Supply Chain Management
Ahh. 13:
Das strategische Schachbrett am Beispiel Gillette (Quelle: A.T. Kearney)
Konzept Nachfrageseite -ProdLkt: Sortimentsoptimierung/ Bnfuhrung neuer Produkte
(aalB) - Promotion: Optimierung Verkaufsforderung (z.B. Weihnachtsaktionen) - Prejs: Preispyramide und Pneisebenen - Ratziermq: Verkaufsflachenopti miemng und Prasentation der Waren Sukzessive Ausweitung auf die Angebotsseite und unterstutzende Funktionen - Automatisierte Bestellungen - Cross-Docking/EDI/EFT
Abb. 14:
Resultat • Absicherung der Marktfuhrerschaft im Kerngeschaft Rasierer/ -Wingen • Deutliche Starkung der Position gegenijber dem HandBl • Neue Formate ZLT Umsatzstagerung (,3hop-in-ShopRatziermgen")
Das strategische Schachbrett am Beispiel CPFR (Quelle: A.T. Kearney)
Konzept CPFR (..(Collaborative Ranning, Forecasting and Replenishment") ist das gemelnsame Management einer Kategorie durch Handel und Hersteller Ziel ist die gemeinsame Prozessoptimierung zur Reduktion von Schnittstellenkosten, z.B.: - Verbindung zv\^schen Absatzprognose und LagerbeNAflrtschaftung - Automatisches Lagermanagement und UmschI agopti mi erung - Abgleich der Informations-, Waren- und Rnanzmittelflusse
Resultate (Beispiele) Lieferfahiakeit: - Nabisco: von 93 auf 97% - Henkel: von 94 auf 98% Laqerbestande: -Nabisco: Minus 18%(=2,5Tage) Umsatzsteiaemna: (z.B. durch Vermeidung von Nichtverfugbarkelt) -Wmberly Clark:
14% LKWAuslastuno - Henkel: Erhohing auf 98%
97
Martin Durr
Aus diesem Grund muss Fingerhut danach trachten, diese Nachteile durch immaterielle Vorteile zu kompensieren. Fingerhut erreicht dies durch den Aufbau eines beispielhaften Systems zum Zielkundenmarketing und Customer Relationship Management. Fiir jeden Kunden werden aus unterschiedlichen Datenbasen Informationen zu Kaufverhalten (Orte, Artikel, Warenkorbe, etc.), demographische Informationen (FamilienstandZ-grofie, Kinder, Haushaltseinkommen, Schulbildimg, Wohnort, etc.) und Sonderinformationen (z.B. Vereinsmitgliedschaften) zusammengestellt und verknupft. Besitzt ein Kunde beispielsweise einen 7-jahrigen Sohn, so wird ihm einige Wochen vor dem 8. Geburtstag des Kindes ein Spezialkatalog zugesandt, der ausschliefilich Geschenke fiir 8-jahrige Jungen zusammenstellt. Die „Trefferwahrscheinlichkeit" eines solchen Angebotes ist dramatisch hoher als die iiblichen, unspezifischen Kataloge der grolSen Massenversender (s. hierzu auch die Abb. 15 und 16). In analoger Form stellen heute Fluggesellschaften Angebote fur bestimmte, haufig benutzte Flugstrecken oder Weinhandler Liebhabersortimente fiir bestimmte Zielgruppen zusammen. Die Beispiele zeigen deutlich, wie in einem stark vemetzten System Strategien zur Optimierung von Netzwerkverbindungen erarbeitet und operativ umgesetzt werden konnen. Zielsetzung ist dabei, die Komplexitat bei der Konzeption, dem Aufbau und dem Betrieb netzwerkorientierter Systeme zu reduzieren - und damit auch bei der eingangs vorgestellten hohen SCM-Komplexitat beherrschbar zu halten.
Abb. 15:
Das strategische Schachbrett am Beispiel Fingerhut I (Quelle: A.T. Kearney)
trntt itinierite/llNeiTiCMrt • EntwicKhirtgneuer M^rkta/Kategorien durch slarNe Iwa^d&onm • ObeHegone U^ertogist^ • Slrate^cNeBandBkiitg von Ge$chM$bereiohen
Uberiegenes KuRdenverstandnis/ Innovation Operative Exzellenz Beziehung Kunde/Uhternehmen
98
St ruktu roller Vorteil
Basis des Wettbewerbsvorteils des Uhternehmens
Supply Chain Management
Abb. 16:
Das strategische Schachbrett am Beispiel Fingerhut II (Quelle: A.T. Kearney)
Konzept Vor dem Kauf: • Sammlung demographischer Daten uber den Kaufer (Famil ienstandZ-mitglieder, Haushaltseinkommen, typische Bnkaufsstatten und -veitialten) • Versand von one-to-one-Spezialkatalogen ktrz vor wesentlichen Events (Geburtstag des Sohnes) Am POS/wahrend/nach dem Kaufs: • Weiterf uhrung der CRMDatenbasis mit Kaufverhaltensdaten Dritter
Resultat Z>Aeistelliges jahrliches Wachstumgegen den insgesamt rOcWaufigen Markttrend Hoherer Anteilvon aoss-selling- und Wiederholungskaufern CFBVI-Dstenbasis wird von anderen Untemehmen gegen Lizenzgebuhr genutzt
• Interaktion mrt dem Kunden/Feedback
Zusammenfassung Der vorliegende Artikel hat gezeigt, dass Supply Chain Management heute ein komplexes, netzwerkorientiertes Thema mit einer Vielzahl von Komplexitatstreibem ist. Die Entwicklungen in der heutigen Weltwirtschaft (Produktproliferation in gesattigten Markten, zunehmende Zahl von Untemehmensfusionen, etc.) tragen dazu bei, dass diese Komplexitat in der Zukunft eher zu- als abnehmen wird. Gleichzeitig unterliegt die logistische Leistungserbringung der Forderung nach kontinuierlicher Effizienzsteigerung und Kostensenkung; das Ganze vor dem Hintergrund einer heute nach wie vor nicht voUstandig zufrieden stellenden Servicequalitat aus Kundensicht. Zur Losung dieser „Quadratur des Kreises'' hat A.T. Kearney Best Practice-Beratungsansatze fiir Netzwerke entwickelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Optimierung der Verbindung unterschiedlicher Netzwerkelemente unter Zuhilfenahme des „strategischen Schachbretts". Anhand einer Vielzahl von Beispielen wurde illustriert, wie die beiden Dimensionen „Beziehungsachse'' und „Wettbewerbsachse" dazu genutzt werden konnen, Transaktionskosten zwischen Netzknoten zu senken und durch eine Optimierung der Schnittstellen Netzverbindungen nachhaltig zu etablieren.
99
Martin Durr
Literaturverzeichnis A.T. Kearney (2003): Supply chains in a vulnerable, volatile world. In: Executive Agenda VI (3), S. 5-15. http://www.atkeamey.com/shared_res/pdf/EA63_supply_chains_S-pdf (07.02.2006). A.T. Kearney (2004a): How many supply chains do you need? White paper http://www.atkeamey.de/content/misc/wrapper.php/id/49093/area/telekomm/name/ pdf_how_many_supply_chains_s_10802098329c87.pdf (07.02.2006). A.T. Kearney (2004b): The complexity challenge: A survey on complexity management across the supply chain. White paper. http://www.atkeamey.de/content/misc/wrapper.php/id/49230/area/retail/name/pdf_co mplexity_management_s_1096541460ee67.pdf (07.02.2006). BVL (2004): Differentiation for performance excellence in logistics 2004. Hamburg. Kriiger, R./Steven, M. (2000): Supply Chain Management im Spannungsfeld von Logistik und Management. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 29 (9), S. 501-507.
100
Rat|^ Klock#
Einleitung Im Fruhjahr 1996 stand ein junges Team, bestehend aus einem Padagogen, einem Volkswirt, einer kaufmannischen Angestellten und einem angehenden Psychologen, vor der Aufgabe, einen grofien Maschinenbauer und 24 seiner regionalen Zulieferer zu einem Netzwerk zusammenzuschweifien. Die Aufgabe wurde nicht erleichtert durch die Tatsache, dass eine schwere Krise das Maschinenbauuntemehmen an den Rand der Insolvenz gebracht hatte, eine Situation, unter der nicht zuletzt eben jene Zulieferer zu leiden hatten. Zudem ware es eine starke Untertreibung, die Gruppe der Zulieferunternehmen als eine heterogene zu beschreiben - vom Zwei-Mann-Betrieb bis zum lokalen Ableger weltweit agierender Konzerne war alles vertreten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir in unserem Team noch nicht viel iiber die Methoden der Kooperationsentwicklung. Auch die wissenschaftliche Literatur gab noch nicht viel her (im Gegenteil, im Laufe dieses Projektes wurde unser Vorgehen zum Gegenstand der Forschung). Mit dem heutigen Wissensstand hatten wir dieses Projekt vielleicht erst gar nicht begonnen. Ware das Projekt nicht trotz aller Hindernisse positiv verlaufen, konnte ich heute nicht die Beratung und Entwicklung von KMU-Netzwerken schildem. Dass es anders gekommen ist, verdanke ich der Chance, in diesem Projekt mit einem aufierst motivierten Team Instrumente entwickelt zu haben, die auch heute noch das Fundament der PZN Kooperationsberatung bilden.
Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler • Wiesbaden 2006, S. 101-114
Ralph Klocke
1•1
PZN Kooperationsberatung
Dass Kooperation und Konkurrenz nicht zwangslaufig im Widerspruch zueinander stehen, ist fast schon eine Binsenweisheit und sicher keine neue Erkenntnis. Dennoch gibt es Zeiten, zumal in einer okonomischen Rezession, in denen in einigen Branchen die friedliche und enge Zusammenarbeit zwischen Mitbewerbem schwer fallt. „Konkurrenz bis aufs Blut" herrsche in seiner Branche, beschrieb ein Mitglied des Zuliefemetzwerks Maschinenbau mir die Situation, um doch wenige Monate spater mit seinen engsten Rivalen an einem Tisch zu sitzen und sich begeistert iiber Kooperationsmoglichkeiten auszutauschen. An diesem Tisch herrschte der Geist der „Coopetition" (Nalebuff/Brandenburger 1996). Dieses Kunstwort versucht, unter Zuhilfenahme der Spieltheorie zu erklaren, wie die Vorteile von Konkurrenz und Kooperation verbunden werden konnen. Das pragmatische Ziel lautet, durch intelligente, aktive Gestaltung des strategischen Spiels einen Mehrwert zu schaffen, den die „Spieler" sich aufteilen konnen. Die PZN Kooperationsberatung (PZN stand fiir Projekt ZulieferNetzwerk) ist vor zehn Jahren mit der Zielsetzung angetreten, Untemehmen auf diesem Weg zu unterstiitzen.
1.2
Was verstehen wir unter „Kooperation"?
Das Wort Kooperation spielt die zentrale RoUe in unserem Selbstverstandnis. Wir haben unser Team bewusst nicht PZN Netzwerkberatung genannt, weil wir zu dem Zeitpunkt unserer Ausrichtung festgestellt haben, dass viele unserer Kunden mit dem Wort Netzwerk wenig anzufangen wussten oder an eine IT-Beratung dachten. Dem Begriff Kooperation haftete fiir viele zwar etwas an, was rucht der eigenen Erfahrung der Marktrealitat entsprach, aber er war relativ eindeutig. Um als Kooperationsberater nicht sofort in die Theoretiker-Schublade einsortiert zu werden, war es in der Anfangszeit unserer Tatigkeit aber entscheidend, einen marktnahen, pragmatischen Kooperationsbegriff zu entwickeln: •
Die verstarkte Zusammenarbeit von Untemehmen stellt eine grofie Produktivitatsreserve des Standorts Deutschland dar.
•
Kooperationen sind die Antwort des Mittelstands auf die Marktherausforderungen heute und in Zukunft.
•
Die beteiligten Partner nutzen die Wettbewerbsvorteile grofier Untemehmen und bleiben dabei eigenstandig und flexibel. Oder, wie es ein befreundeter Berater ausdriickt, wo „die Grol^en fusionieren, miissen die Kleinen kooperieren" (Becker et al. 2005, S. 3).
102
Kooperationspotenziale nutzbar machen
In der Literatur sind unzahlige Definitionen und Abgrenzungen der Begriffe Kooperation, Netzwerke usw. zu finden, die treffendste Begriffsbestimmung habe ich aber ausgerechnet in einem Kinderbuch gefunden. Eine kleine Bildergeschichte zeigt zwei Esel, die aneinander gekettet zwischen zwei Futterhaufen stehen und nicht beide gleichzeitig erreichen konnen. Sie zerren solange gegeneinander an der Kette, bis beiden die Luft ausgeht, sie entkraftet eine Pause einlegen miissen und zum Nachdenken kommen. Ihre simple und doch oft so schwer umsetzbare Entscheidung: Beide zusammen fressen zunachst den einen Futterhaufen um sich anschliefiend gemeinsam iiber den zweiten herzumachen. Ersetzen Sie die Esel durch Untemehmen und das Futter durch Markte und schon sind wir bei der Kooperation von Untemehmen.
1.3
Unsere Kunden
Der Titel dieses Aufsatzes verrat eigentlich schon alles: Wir beraten kleine und mittelstandische Untemehmen, die Kooperation als eine fiir sie interessante Strategiealternative verfolgen woUen und die erkannt haben, dass die Umsetzung mit Bordmitteln nicht ihren Anspriichen geniigen wird. Als KMU bezeichnen sich vermutlich 95 % aller Untemehmen, eine Eingrenzung auf bestimmte Branchen nehmen wir nicht vor, also scheint unsere Beratung sehr unspezifische Zielgruppen zu haben. Dem ist aber nicht so, es gibt einige Einschrankungen, die aber im Sinne des zielgerichteten Marketings nicht auf der Hand liegen. Das typische Kundenunternehmen hat zwischen 10 und 200 Mitarbeitem. Grofiere Untemehmen sind im Rahmen von Projekten zwar auch regelmaJSig beteiligt, weisen in ihrem Beratungs-Nachfrageverhalten aber einige Besonderheiten auf, aufgrund derer wir sie aus unserer Kernzielgruppe herauslassen. Zum Ersten lassen sich grofiere Untemehmen haufig geme von grofieren Beratungsuntemehmen beraten. Reputation, Prestige, Kapazitaten mogen eine RoUe spielen, aber auch die gemeinsame Sprache. Zudem verstehen grofiere Untemehmen unter Kooperation haufiger als kleinere Untemehmen etwas anderes als unseren Ansatz. Wenn sie ein Untemehmensnetzwerk initiieren, sehen sie sich geme im Zentrum desselben. Untemehmen mit weniger als zehn Mitarbeitem hingegen konnen zu einem Netzwerk nicht immer ausreichend beitragen, sei es, weil ihre Ressourcen nicht ausreichen oder well sie unter Management oft noch verstehen „der Chef macht alles selber". Die zweite Einschrankung ist weniger eindeutig, aber bedeutsamer: Untemehmen, die wir ansprechen woUen, miissen sich vom Thema Kooperation angesprochen fuhlen. Nur wer die Bereitschaft mitbringt, Entscheidungsfindungsprozesse zu teilen, Informationen und Gewinne, aber auch Riickschlage, zu teilen, ist in ein Netzwerk integrierbar.
103
Ralph Klocke
Die im Weiteren beschriebenen Vorgehensweisen unterliegen im Ubrigen keinen Einschrankungen hinsichtlich der Zielgruppen. Dass unsere Kooperationsberatung vor allem hinsichtlich der Branchenzugehorigkeit kaum differenzieren muss, haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt. Die wesentlichen Vorgehensweisen wurden im Projekt ZulieferNetzwerk mit Untemehmen des Maschinenbaus entwickelt. Die erste Ubertragung auf ein weiteres Projekt war der grolStmogliche Spnmg, derm das nachste begonne Projekt hatte den Aufbau eines regionalen Netzwerkes kleiner und mittelstandischer, eigentiimergefiihrter Einzelhandelsuntemehmen zum Inhalt. Von der Branchensituation und dem Untemehmertyp kann ich mir kaum grofiere Unterschiede vorstellen, aber die Methoden funktionierten auch in diesem Setting einwandfrei. Weitere Projekte mit Untemehmen aus dem Grofihandel, dem Handwerk und der Dienstleistungsbranche folgten und alle zeigten, dass die wesentlichen Elemente der Kooperationsberatung nach unserem Modell anwendbar waren.
1.4
Unser Beratungsansatz
Im Spannungsfeld von Prozess- und Fachberatung lasst unsere Herangehensweise keine eindeutige Trennung, aber eine Entwicklung erkennen (vgl. dazu auch den Beitrag von Sydow in diesem Band). Haben wir uns zu Beginn unserer Beratungstatigkeit fast ausschliefilich als Prozessmoderatoren verstanden, verantwortlich dafiir, dass eine zielgerichtete Kommunikation zwischen den Netzwerkpartnem entstand und aufrechterhalten wurde, so nahm der Fachberatungsanteil seitdem kontinuierlich zu. Inzwischen werden wir von Kunden, aber auch von Beratungspartnem anderer Ausrichtungen als Experten fiir das Thema Kooperationsentwicklung gesehen und gezielt fiir fachspezifische Fragen angesprochen. In komplexeren Beratungsprojekten, die den gesamten Aufbau eines Untemehmensnetzwerkes zum Ziel haben, miissen Kooperationsberater aber immer den Spagat zwischen Prozess- und Fachberatung schaffen. An Fahigkeiten sind vor allem Moderation auch grofierer Gruppen, Projektmanagement und Kommunikation gefragt. Psychologisches Verstandnis ist ebenso hilfreich, wie Kenntnisse betriebswirtschaftlicher Zusammenhange. Typischerweise nimmt der fachliche Beratungsanteil innerhalb eines Projektes im Zeitverlauf ab. In der Friihphase gilt es, den Kunden Sicherheit zu geben, indem der „Fachmann" zum einen den Projektverlauf transparent und nachvoUziehbar plant. Zum anderen hat der Berater die Aufgabe, mit Hilfe seines Kooperationsentwicklungs-Methodenkastens die Befiirchtungen zu zerstreuen, die jeder Untemehmer kennt, der sich mit einem Konkurrenten offen iiber sein Geschaft austauschen soil.
104
Kooperationspotenziale nutzbor machen
Dieses Umgehen mit Angsten veranschaulicht gut die unterschiedlichen Qualitaten eines guten Kooperationsberaters. In dieser Phase besteht seine Tatigkeit zu einem grofien Teil aus der Anwendung seines Know-how beziiglich Kooperationsentwicklung, aber auch aus Methodenwissen bei der Gestalhing der ersten Workshops sowie aus der Fahigkeit, als „Vertrauensmittler'' aufzutreten. Im weiteren Verlauf eines Projektes, nachdem die grofiten Vertrauenshiirden genommen wurden, spielt das Projektmanagement immer mehr die HauptroUe, zu der vor allem auch Bestandteile wie Moderation, Besprechungsleitung, Konfliktmanagement und Ziel- wie Budgetcontrolling zahlen. Um den beschriebenen RoUen-Spagat auch gegeniiber dem Kunden nachvoUziehbar zu vertreten, kann es sehr hilfreich sein, zwei oder mehr unterschiedliche Personen mit den RoUen des Fachberaters und des Prozessberaters zu beauftragen.
2
Die Grundlagen der Kooperationsberatung
2.1
Das Beratungs-Selbstverstandnis
Kooperation ist ein Weg zum Geschaftserfolg. Nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn wir uns auf das Thema Kooperationsberatung fokussiert haben und keine allgemeine Organisationsberatung anbieten, ist es fiir den Beratungserfolg im Sinne der Kundenziele wichtig, das Bewusstsein fiir andere Strategiealtemativen zu erhalten. Eine der wichtigsten Erfahrungen in Beratungsprojekten war die Tatsache, dass es unter bestimmten Voraussetzungen immer Untemehmen gibt, die sich an einem Kooperationsprojekt beteiligen, ohne wirklich mit den anderen zusammenarbeiten zu woUen. Eine dieser Voraussetzungen lag zum Beispiel im Projekt ZulieferNetzwerk vor - ein wichtiger, fiir viele Zulieferer der wichtigste Kunde nahm an dem Projekt nicht nur teil, er hatte es auch mitinitiiert. Natiirlich woUte in diesem Fall kein Untemehmen den Anschein erwecken, es stehe nicht hinter den Projektzielen. Aber in Gesprachen mit einigen Unternehmern kristallisierte sich immer wieder heraus, dass sie iiberhaupt nicht von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens iiberzeugt waren. Einige dieser Unternehmer wurden spater zu den aktivsten Teilnehmem an der Projektarbeit; sie hatten nur mehr Zeit und erste positive Kooperationserfahrungen benotigt. Andere hingegen erschienen bis zum Projektende immer nur dann, wenn auch der Kunde an einem Treffen teilnahm, oder aber, wenn es ein fast kostenloses Seminar gab.
105
Ralph Klocke
Damals entstand in unserem Team der Begriff „kooperationsresistent". Heute weifi ich, dass diese Untemehmen einfach eine andere Strategie verfolgten. Auch wenn es wohl meist keine Folge einer bewussten Strategieentscheidung war, setzten diese Untemehmen auf Autarkie im Wettbewerb und sie sind damit oft nicht schlecht gefahren. Entscheidend fur das Vorankommen in Kooperationsprojekten ist aber, diese Unternehmen zu erkennen und nicht endlos zu versuchen, sie doch in das Netzwerk einzubinden. Unsere Konsequenz aus dieser Erkenntnis war, dass wir ein Instrument entwickelt haben, das hilft, bereits in der Fruhphase der Kooperationsentwicklung einen ausreichenden Eindruck von der Kooperationsbereitschaft potenzieller Teilnehmer zu bekommen. Im Kapitel zur Kooperationsentwicklung wird dieses Instrument, das wir KooperationsCheck genannt haben, beschrieben.
2.2
Erfolgsfaktoren der Kooperationsberatung
Wenn man dieses Kapitel in zwei Satzen zusammenfassen will, dann machen diese beiden Faktoren den Erfolg von Kooperationen aus: (1) eine vertrauensbasierte, zielorientierte Kooperationsgrundlage, (2) kluge Geschaftspolitik des Untemehmensnetzwerks (wie jedes Einzelunternehmens). Die Aufgabe des Kooperationsberaters ist es, die erste Voraussetzung zu erfiillen, um die zweite zu ermoglichen. Das Ziel des Beraters, so wie ich seine RoUe in diesem Prozess interpretiere, muss es sein, eine funktionierende Kooperation zu schaffen. Immer wieder erlebt man, dass Kooperationen mit hochgesteckten Zielen starten, aber die Ziellinie (z.B. den gemeinsamen Marktauftritt) nie oder nur mit grofiter Miihe erreichen. Dies gilt nicht nur fiir explizit als Kooperation antretende Untemehmensnetzwerke, sondem auch auf dem Gebiet der Mergers & Acquisition, die in mancherlei Hinsicht nach ahnlichen Prinzipien funktionieren. Im Folgenden werde ich anhand der folgenden These herausarbeiten, wo die Unterschiede zwischen funktionierenden und gescheiterten Kooperationen zu finden sind: Synergien entstehen nur in Partnerschaften. Partnerschaft heruht auf (1,) einer funktionierenden Kommunikation, (2.) gemeinsamen Zielen und deren Erreichen sowie (3.) WohlfUhlen und Vertrauen.
Jede Kooperation (wie jede Fusion oder Ubemahme) strebt Synergieeffekte an. Die Potenziale solcher Synergien liegen oft auf der Hand, sei es im Bereich der gemeinsamen Vermarktung, des Betretens neuer Markte oder des gemeinsamen Einkaufs. Realisiert werden diese Potenziale selten im geplanten Umfang.
106
Kooperationspotenziale nutzbar machen
Zusammenarbeit von Unternehmen ist das ubliche Prinzip auf jedem Markt, nicht die Ausnahme. Jedes grofiere Unternehmen hat hunderte von Zulieferem, aber nur wenige dieser Beziehungen konnen emsthaft als Kooperation, geschweige denn als echte Partnerschaft verstanden werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen und einer Kooperation ist deren Organisationsprinzip. Kooperation ist eine Beziehungsform, die nicht oder nur sehr flach hierarchisch aufgebaut ist. In diesem Sinn ist Partnerschaft als eine im Idealfall gleichberechtigte Zusammenarbeit von Unternehmen zu verstehen, orientiert am Win-Win-Prinzip und an gemeinsamen Zielen. Diese beiden Prinzipien (Gleichberechtigung und Verzicht auf Ubervorteilung der Partner) bestimmen auch die fiir eine partnerschaftliche Beziehung notwendige funktionierende Kommunikation zwischen alien beteiligten Unternehmen. Entscheidend ist, dass alle Partner jederzeit davon iiberzeugt sind, dass sie von der Kooperation profitieren und dass kein Partner nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Wie diese Kommunikation erfolgt, scheint eher nebensachlich zu sein, vieles kann heute auf elektronischem Weg erfolgen, das Telefon spielt in Kooperationen ebenfalls eine grofie RoUe. AUerdings zeigen die Erfahrungen aus unseren Projekten, dass fiir mittelstandische Unternehmer das personliche Kermenlemen der Kooperationspartner unverzichtbar ist. Gerade in der Entwicklungsphase eines Untemehmensnetzwerkes bieten sich also gemeinsame Workshops an, auf denen die Basis der Zusammenarbeit gemeinsam erarbeitet wird. Wenn es um das Thema Kooperationsentwicklung geht, kommt die Rede immer auch auf die Bedeutung der so genannten weichen Faktoren. So auch hier, denn es gibt zwei Aspekte, die eher dem Gefiihls- als dem Geschaftsleben zugeschrieben werden, die aber eine auf keinen Fall zu unterschatzende RoUe spielen: Angste bzw. Selbstbewusstsein und Wohlfiihlen. Unerlasslich fiir den Schritt von der Konkurrenz zur Partnerschaft ist, dass die Kultur der beteiligten Unternehmen von Selbstbewusstsein gepragt ist. Damit ist kein „Wir sind die Grofiten''-Habitus gemeint, sondern das im Unternehmen verankerte Bewusstsein fiir die Starken und (Kem-)Kompetenzen. Nicht nur meine Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die sich ihrer Kompetenzen und Starken nicht sicher sind, immer befiirchten, durch Offenheit und Zusammenarbeit zu verlieren. Solche Unternehmen verhalten sich deshalb als Spielverderber, sie versuchen zwar durch die Nahe zu erfolgreichen und selbstbewussten Unternehmen hinter deren Geheimnis zu kommen, aber sie furchten sich so sehr vor deren scheinbarer Uberlegenheit, dass sie ihrerseits keine Einblicke zulassen. Dass auf diese Weise fiir keinen der Beteiligten eine zufriedenstellende Kooperation entsteht, liegt auf der Hand. Verlassen wir kurz die organisatorische Ebene, denn Partnerschaften beruhen immer auch auf personlichem Wohlfiihlen.
107
Ralph Klocke
Untemehmer, Manager sprechen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit selten iiber Gefiihle und mogen es normalerweise auch nicht, darauf angesprochen zu werden. In Kooperationsprojekten erleben wir aber immer wieder, wie wichtig diese Ebene ist. Zwei Beispiele aus der Praxis soUen das verdeutlichen: •
Im Jahr 2000 lief ein Projekt aus, das - anders als unsere iiblichen Auftrage - nicht darauf hinauslaufen sollte, ein dauerhaftes Netzwerk zu etablieren. Die in der Projektvereinbarung formulierten Ziele waren alle mehr oder weniger erreicht, ein Abschlussworkshop hatte stattgefunden, aber eine Teilgruppe von zwolf Unternehmen wollte die gemeinsame Zusammenarbeit fortsetzen. Leider brachten zwei so genannte Relaunch-Treffen aber nur das Ergebnis, dass alle Ziele, die den Aufwand rechtfertigen wiirden, nicht in dieser Konstellation zu erreichen sein wtirden. Dennoch stand am Ende der Beschluss, das Projekt fortzufuhren und uns als Prozessberater weiterhin zu bezahlen. Als Motivation stellte sich im Verlauf der folgenden Monate heraus, dass sich die Beteiligten in dieser Runde der Gleichgesinnten wohler fiihlten als in ihren Unternehmen, die von Konjunktur, Change Management und Lean Production gepragt waren. Es lag letztlich am Beraterteam, das Projekt zu beenden und alien Beteiligten weitere Frustration zu ersparen.
•
Das zweite Beispiel zeigt eine idealtypische Erscheinung im Verlauf der Kooperationsentwicklung: den Zeitpunkt, zu dem die Vertrauenshiirde iiberwunden wird. Selten ist das so spiirbar, wie in einem Projekt, das im Sommer 2001 begonnen hatte. Begriindet in der Teilnahme mehrerer Konkurrenten zog sich der Prozess des Vertrauensaufbaus langer als iiblich hin. Bis hierhin verliefen die Treffen eher sachlich, formlich, Skepsis war immer wieder spurbar. Doch im Januar, bei der ersten Sitzung nach den Weihnachtsferien, war eine Veranderung uniibersehbar. Alle anwesenden Untemehmensvertreter duzten sich, was zuvor nur einige getan hatten, und zu Beginn des Treffens wurde ausgiebig auf Kosten des Moderators gescherzt.
Von diesem Zeitpunkt an waren wir uns sicher, dass die Projektziele erreicht werden wiirden, eine Einschatzung, die sich in den folgenden Monaten mit der Griindung eines gemeinsamen Untemehmens bestatigen sollte. Letztlich laufen alle diese Faktoren auf eines hinaus, was zu Recht immer als die Grundvoraussetzung fiir gelingende Kooperationen bezeichnet wird: Vertrauen. Es ist eine Binsenweisheit, aber eben eine Weisheit, dass ohne Vertrauen keine Partnerschaft gedeihen kann. Dies gilt fiir die Zusammenarbeit iiber Untemehmensgrenzen hinweg genauso wie im privaten Bereich. Vertrauen als Basis und in der Folge Partnerschaft zu „produzieren" ist die Aufgabe, der sich ein Kooperationsberater verpflichtet fiihlen muss. Partnerschaft entsteht schliefilich nicht von alleine. Um ein partnerschaftliches Netzwerk entstehen lassen zu konnen, miissen Kooperationspotenziale vorhanden sein. Das ist am ehesten dann der Fall, wenn die beteiligten Unternehmen sich ihrer selbst
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Kooperationspotenziale nutzbar machen
bewusst sind, wenn es gleiche Zielgruppen, eine begrenzte Konkurrenz untereinander und gemeinsame strategische Ziele gibt. Diese Faktoren sind von einem Berater unbedingt zu Beginn zu beachten. Danach beginnt die Arbeit der gezielten Kooperationsentwicklung.
Kooperationsentwicklung - Instrumente und RoUenverstandnis Erfolgreiche, auf die Beratung von Netzwerken und Kooperationen spezialisierte Beratungsuntemehmen setzen bei deren Entwicklung ein Biindel von Mafinahmen und Tools ein, deren Bezeichnungen sich unterscheiden, die aber im Kern immer die gleichen Problemstellungen bearbeiten: •
Jeder Partner erkennt die Chancen und Risiken, die in der Zusammenarbeit liegen (wir nennen das eingesetzte Instrument Workshop KooperationsPotenziale).
•
Die Partner entwickeln eine gemeinsame Vision, gemeinsame Gesamtziele {Workshop KooperationsZiele, Leitbildentwicklung).
•
Die Partner passen in die Kooperation und die Strategie der Kooperation passt zu der Untemehmenskultur jedes Partners (KooperationsCheck).
•
Aus der Vision werden gemeinsame Plane (Workshop KooperationsStrategien).
M Die Gemeinschaft gibt sich eine Verfassung als verlassliche Basis (Workshop KooperationsRegeln, Rating von Fartnern). Die bisher genannten Mafinahmen dienen in ihrer Gesamtheit der Grundsteinlegung fur eine verlassliche Kooperation, fiir die Robustheit des Prozesses im Sinne von Axelrod (2000). Die Umsetzungsphase erfolgt auf dieser Basis: •
Die Plane werden umgesetzt, die Ziele erreicht.
Projektmanagement und Ziel-Controlling wahrend, aber auch nach Ablauf des Projektes bilden die Grundlage fiir die Umsetzungsphase der Kooperationsentwicklung. Manche Berater ubemehmen nach Abschluss des Aufbaus die Aufgabe des Netzwerkmanagements. Wir trennen diese Aufgaben in unserer Praxis voneinander und Ziehen uns aus der RoUe des aktiv am Prozess Beteiligten dann zuriick, wenn der Auftrag der Kooperations- bzw. Netzwerkentwicklung abgeschlossen ist. Ublicherweise ist das dann der Fall, wenn ein Untemehmensnetzwerk den Marktauftritt geschafft hat. Unsere Unterstiitzung der laufenden Netzwerkarbeit verrichten wir, wenn gewiinscht, von diesem Zeitpunkt an als Exteme in Form von Coaching der Netzwerkmanager und einer regelmafiigen Kooperations-Inspektion.
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Ralph Klocke
Weitere haufig von Kooperationsberatem eingesetzte Instrumente sind Schulungen fiir die Projektbeteiligten zum Einstieg in die Thematik oder zu Themen wie Moderation und Projektmanagement als Bausteinen fiir die Ausbildung von Netzwerkmanagern. Dariiber hinaus wird zur Auswahl der beteiligten Untemehmen in einigen Fallen ein Matchingverfahren eingesetzt, das dazu beitragen kann, sowohl vor dem eigentlichen Beginn als auch wahrend eines laufenden Projektes die passenden Kooperationspartner herauszufiltem. Wir geben zu diesem Zweck einem teilstrukturierten, fragebogengeleiteten Gesprach den Vorzug, andere Institutionen setzen auf intemetbasierte Datenbanklosungen.
Kooperati'onsbeJspiele aus der Beratungspraxis An anderer Stelle wurde bereits etwas iiber die Unabhangigkeit der eingesetzten Instrumente in Bezug auf die Branchen, die an einer Kooperation beteiligt werden soUen, ausgesagt. An dieser Stelle soUen nun einige konkrete Beispiele fiir Kooperations- und Netzwerkbildung mit den wesentlichen Eckdaten (insbes. Beratungsziele und -ergebnisse) angefiihrt werden, um einen kleinen Einblick in die Vielfaltigkeit solcher Ansatze zu geben und zur weiteren Recherche und neuen Ideen anzuregen. ZulieferNetzwerk Maschinenbau 25 beteiligte Untemehmen, Laufzeit des Projektes von 1996 bis 1999. Zielsetzung: Verstarkung der Bindungen von Produzenten und Zulieferem in der Region, regionales Insourcing als Gegengewicht zum Global Sourcing. Bleibende Ergebnisse: Starkung der selbstandigen Marktpositionierung kleinerer und mittelstandischer Zulieferer, Einfiihrung von Managementmethoden (z.B. das Ship-toLine-Prinzip aus dem Qualitatsmanagement) sowie die Cooperation Fertigungstechnik als virtuelles Joint Venture von fiinf Zulieferuntemehmen. karee GmbH - Kooperation im Regionalen Einzelhandel Neun beteiligte Untemehmen (eigentiimergefiihrter Facheinzelhandel aus dem Kreis Minden-Lubbecke); Laufzeit des Projektes von 1998 bis 2000. Zielsetzung: Starkung der Wettbewerbsposition in Abgrenzung zu Discountem und Grofiflachen; Herausstellen und Verstarken der Kunden- und Serviceorientiemng, Einsatz neuer Technologien, Kundenbindung.
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Kooperationspotenziale nutzbar machen
Bleibende Ergebnisse: Griindung der karee GmbH 1999 durch sechs Gesellschafter; Einbeziehung weiterer Unternehmen als gleichberechtigte Partner; gemeinsamer Marktauftritt durch Geschaftsausstattung, Teilnahme an Stadtfesten, Werbung, Sonderverkaufsaktionen und permanent unter www.karee.de.
Complex AG - Facility Management Kooperation Ostwestfalen-Lippe Zwolf beteiligte Unternehmen aus dem Handwerk und mit Gebauden befassten Dienstleistern; Laufzeit des Projektes von 2001 bis 2003. Zielsetzung: Facility Management ist ein Trend, der auf der Kundenseite zu den typischen „Alles-aus-einer-Hand"-Vorteilen fiihrt, auf der Anbieterseite aber Konzentrationsprozesse schafft, die fiir Handwerksbetriebe und regional agierende Dienstleister zu Renditeverringerungen fiihrt. Das Projekt hat den beteiligten Unternehmen ermoglicht, eigenstandig am wachsenden Markt fiir Gebaudedienstleistungen teilzuhaben. Bleibende Ergebnisse: Griindung einer kleinen Aktiengesellschaft durch acht der beteiligten Unternehmen und Einbindung weiterer Partner. Gemeinsames Angebot von Facility Management und weiteren Dienstleistungen rund um Gebaude seit 2003, nachzulesen unter www.complex-ag.de. network@work - IT und
Marketing
Drei beteiligte Unternehmen aus dem Bereich der IT- und Marketingberatung; Laufzeit des Projektes von 2004 bis 2005. Zielsetzung: Verbesserung der Moglichkeiten kleinerer Beratungsunternehmen, systematisch Akquise zu betreiben und iiber Kommunikation Kunden zu binden. Bleibende Ergebnisse: Neben diversen weiteren unterstiitzenden Mafinahmen (Kundendatenbank, Kundenfeedback) entstand eine gemeinsame Kundenzeitschrift, die in regelmafiigen Abstanden zur Kundeninformation mit begleitenden Akquisemafinahmen genutzt wird. In alien Fallen spielt der in diesen Branchen herrschende (Verdrangungs-)Wettbewerb eine RoUe bei der Entscheidung fiir die Kooperationsstrategie. Generell sind Markte im Wandel ein typisches Feld fiir Kooperationen, die es kleineren Unternehmen erlauben, neue oder sich erneuernde Markte zu besetzen. Anhand dieser kleinen Auswahl soil deutlich gemacht werden, wie vielfaltig die Moglichkeiten der Kooperationsentwicklung genutzt werden konnen und wie vielschichtig die Arbeit eines Kooperationsberaters sich gestaltet. Anhand der Projektinhalte ist eine weitere Anforderung an die Person eines solchen Beraters zu erkennen - jedes neue Projekt bedingt ein schnelles Eindenken in die spezielle Problematik der beratenen Branchen und ein Sichvertrautmachen mit den jeweiligen besonderen Projektaufgaben.
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I
Ralph Ktocke
Der Berater fiir kleine und mittelstandische Untemehmen muss sich neben seiner Prozesskompetenz und zusatzlich zu seinen Erfahrungen mit den besonderen Anforderungen von Kooperationsprojekten ebenfalls auskennen mit Themen wie z.B. Marketingkonzeption, Kundenorientierung, Qualitatsmanagement, Auftragsvergabeverfahren, Business-Plan-Erstellung, Personalentwicklung und Grundungsvorbereitung. Auch wenn sinnvoUerweise bei vielen dieser Aufgaben auf exteme Unterstutzung zuriickgegriffen werden soUte, ist der Projektmanager immer in der Mit-Verantwortung fiir die Vorbereitung dieser Schritte und fiir alle Entscheidungen, die zu fallen sind.
Die Zukunft der Kooperatlonsberatung Um einen Ausblick in die Zukunft der Kooperationsberatung zu wagen, ist es sinnvoU, zunachst einen kurzen Riickblick auf die Entwicklung der letzten Jahre zu werfen. Die berufliche Konzentration auf den Aufbau von Untemehmensnetzwerken erlaubt es mir, eine Einschatzung iiber die letzten zehn Jahre vorzunehmen. War in den ersten Jahren vor allem Uberzeugungsarbeit zu leisten, dass Kooperationen ein sinnvoUes Element der Untemehmensstrategie im sich verscharfenden Wettbewerb sein konnen, so anderte sich das nach meinem Empfinden spatestens um das Jahr 2000. Kooperation begann ein „Modethema" zu werden, Untemehmensnetzwerke entstanden auf breiter Front in nahezu alien Branchen. Und immer mehr Berater fiihlten sich berufen, mit Projekten zur Ausbreitung der Idee beizutragen. Wie bei alien Modethemen blieb auch bei Kooperationen der Riickschlag nicht aus. In den letzten Jahren konnte man immer haufiger mit Untemehmem sprechen, die Netzwerke urspriinglich fiir eine gute Idee hielten, mit der Umsetzung aber schlechte Erfahrungen gemacht batten. Enttauschung machte sich vielerorts breit, Synergiepotenziale wurden nicht ausgeschopft, viele Projekte scheiterten, bevor sie das Licht des Marktes erblickten. Gegen teilweise erschreckende handwerkliche Fehler beim Aufbau von Netzwerken hilft auch die beste Motivation der Beteiligten nicht. Kooperation als Modethema hat heute ausgedient, aber das Thema Kooperation als eine interessante Strategiealtemative fiir kleine und mittelstandische Untemehmen hat Bestand. Die Enttauschung hat eine gute Seite, derm Ent-Tauschung fiihrte zu Einsicht in die Notwendigkeit eines systematischen, professionellen Vorgehens bei der Kooperationsentwicklung, die „Selbermacher" werden weniger, semiprofessionelle beratende Institutionen beginnen sich zuruckzuziehen, sobald sich ein Kooperationsvorhaben auf ein gewisses Komplexitatsniveau begibt.
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Kooperationspotenziale nutzbar machen
Was sich mittelfristig abzuzeichnen scheint, kann man unter dem Titel Diversifizierung der Kooperationsberatung zusammenfassen: •
Neue Beratungsinhalte entstehen analog zur klassischen Organisationsberatung fiir Einzelunternehmen nach und nach fiir die bestehenden Kooperationen, welche sich erfolgreich am Markt behauptet haben. Bedarf besteht und wird zunehmend gedeckt werden vor allem in den Bereichen der Personalentwicklung, des Controlling, der Kommunikation und der Unternehmens- und Netzwerksteuerung. Ich gehe femer davon aus, dass Beratungsansatze aus der Kooperationsentwicklung zukiinftig auch bei Mergers & Acquisition, als Erganzung in Form von systemischer Fusionsberatung, zur Anwendung kommen. Die Notwendigkeit liegt auf der Hand, denn auch hier wird ein Grol^teil der Synergiepotenziale bisher liegen gelassen.
•
Neue Beratungsformen und -tools ergeben sich vor allem aus der Entwicklung von Kommunikationsplattformen und Instrumenten der Online-Beratung. Angestrebt werden effizientere Formen, die nicht nur in der Reduzierung von Reisetatigkeiten gerade bei iiberregionalen und intemationalen Netzwerken Vorteile versprechen. Beispiele fiir solche Ansatze sind bereits im Bereich des E-Leaming, der Sharepoints und der Social Networks (in Europa z.B. der Open Business Club, www.openbc.com) zu finden.
•
Bei den Anbietern von Kooperationsberatung deutet sich an, dass zunehmend klassische Organisationsberater Methoden der Netzwerkentwicklung adaptieren Oder mit Spezialisten auf diesem Feld zusammenarbeiten. Uberhaupt nimmt der Vemetzungsgrad der Berater hier weiterhin zu, die angesprochene Diversifizierung der Inhalte und Methoden sowie die steigende Anspruchshaltung der Kunden fordern diesen Prozess.
Auch die PZN Kooperationsberatung verandert sich. Nach einer ersten Phase mit einem halbdffentlichen, arbeitsmarktpolitischen Hintergrund erfolgte mit anderen Geschaftsbereichen die gemeinsame Griindung eines Beratungsuntemehmens fiir Unternehmen der Region. Seit 2006 steht die PZN Kooperationsberatung auf eigenen Beinen, um selbstandig, aber ebenfalls im Verbund mit vielfaltigen Spezialisten - als Beratungsnetzwerk - zu diversifizieren und neue bzw. veranderte Schwerpunkte und Zielgruppen anzugehen.
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Ralph Klocke
Literaturverzeichnis Axelrod, R. (2000): Die Evolution der Kooperation. 5. Aufl. Miinchen. Becker, T./Dammer, I./Howaldt, J./Killich, S.A^oose, A. (2005): Netzwerke - praktikabel und zukunftsfahig. In: Becker, T./Dammer, I./Howaldt, J./Killich, S./Loose, A. (Hrsg.): Netzwerkmanagement - Mit Kooperation zum Unternehmenserfolg. Berlin etc., S. 311. Nalebuff, B./Brandenburger, A.M. (1996): Coopetition - kooperativ konkurrieren. Mit der Spieltheorie zum Unternehmenserfolg. Frankfurt a.M. und New York.
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Netzwerke - Chance fur mittelstandische Untemehmen Der Mittelstand ist unbestritten die tragende Saule der deutschen Wirtschaft. In den neuen Bundeslandern weist der Mittelstand eine spezifische Grofienstruktur auf. Von den mehr als 132 000 Betrieben in Sachsen beschaftigen ca. 100 000 jeweils weniger als 10 Mitarbeiter und nur 800 Betriebe beschaftigen mehr als 200 Mitarbeiter (vgl. SMWA 2003). Insofem spielen die grofienbedingten Nachteile fiir die Wirtschaft in Sachsen eine besondere RoUe. Nicht zu leugnen ist aber in diesem Zusammenhang vor allem die enorme Innovationskraft dieser kleinen Einheiten. Ziel einer langfristig angelegten Wirtschaftsentwicklung muss es deshalb sein, Innovationen auch tatsachlich in serienfahige Produkte und Dienstleistungen zu uberfiihren und somit langfristig Wertschopfung in einer Region zu befordem. Als ein probates Mittel, um grofienbedingte Nachteile der mittleren Untemehmen auszugleichen, wird seit mehr als 20 Jahren sowohl von der Wissenschaft als auch von der Politik die Kooperation von Untemehmen betrachtet. Allein die wirtschaftliche Umsetzung der Konzeptionen und die Verankemng der Kooperationsbereitschaft in mittleren Untemehmen wurde bisher nur ansatzweise realisiert (vgl. aber den Beitrag von Klocke in diesem Band). Aus der Erfahrung von iiber 16 000 Beratungsauftragen im sachsischen Mittelstand seit 1990 wurde die Notwendigkeit zu einer starkeren und vor allem systematischen Vemetzung der kleinen Untemehmen deutlich. Dies veranlasste die Geschaftsfiihmng
Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler-Verlag • Wiesbaden 2006, S. 115-126
Helmut MuUer und Claudia Scholta
der RKW Sachsen GmbH 1997 im Sinne des Public Service erste Uberlegiingen zu einer integrativen Wirtschaftsforderung iiber Verbundinitiativen im Freistaat Sachsen anzustellen und mit alien Beteiligten zu diskutieren. Aus diesen ersten Ansatzen entstand 1999 die Verbundinitiative Automobilzulieferer Sachsen AMZ. Nach der erfolgreichen Implementierung dieses ersten Projektes folgten dann 2001 die Verbundinitiative Medizintechnik, 2004 die Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen VEMAS sowie das Netzwerk Mikro- und Biosensorische Messtechnik. Strategisch hat sich der Freistaat Sachsen auf eine konsequente, integrierte Forderung von Netzwerken ausgerichtet, so dass gegenwartig in zwei weiteren Kembranchen die Initiative Bahntechnik und die Initiative Technische Textilien gestartet werden. Dass die Vemetzung von mittelstandischen Untemehmen tatsachlich wirtschaftliche Chancen eroffnet, zeigt die Bilanz der Verbundinitiative AMZ, die seit ihrem Bestehen in zahlreichen Einzelprojekten 1,7 Mrd. € zusatzliches Umsatzvolumen generieren konnte.
AMZ - Strategisches Netzwerk im Autoland Sachsen Sachsen ist als „Autoland" in Deutschland etabliert. Die Zuliefererlandschaft mit mehr als 450 direkten Zulieferuntemehmen und ca. 65 000 Beschaftigten stellt fiir Sachsen einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Die Automobilzulieferindustrie ist eine der wichtigsten Zukunftsbranchen. Die Top 100 unter den Zulieferem werden 70 % des weltweit steigenden Zuliefervolumens realisieren (vgl. HypoVereinsbank/Mercer 2001). Vom Marktwachstum werden durch Konsolidierungen und Marktverschiebungen vor allem die global aufgestellten 1^*-Tier-Lieferanten mit eigener Entwicklungskompetenz profitieren. Sowohl Automobilhersteller (OEM) als auch die erste Lieferantenebene sind gegenwartig in ihren sachsischen Standorten fertigungsorientiert und haben kaum originare Aufgaben zur eigenstandigen Produktentwicklung. Gleiches gilt grundsatzlich fiir die breite Masse der sachsischen Automobilzulieferer der zweiten und aller weiteren Lieferantenebenen. Damit kiinftiges Wachstum nicht an Sachsen vorbeigeht, wurde 1999 durch das Sachsische Staatsministerium fiir Wirtschaft und Arbeit die Verbundinitiative Automobilzulieferer Sachsen AMZ gestartet. Projekttrager dieser Initiative ist nach europaweiter Ausschreibung die RKW Sachsen GmbH. In den fast fiinf Jahren der konkreten Arbeit wurden bis zum 30. Juni 2005 insgesamt 205 Projekte mit innovativen
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Beratung und Coachins von Netzwerken im Rahmen resionaler Verbundimtiativen
Losungen fiir die Automobilindustrie von der Idee bis zur Serienfertigung begleitet. Im Ergebnis entstanden mehrere hundert neue Arbeitsplatze bei den ca. 780 beteiligten Firmen der Teile- und Komponentenfertigung, des Engineering und des Maschinenund Anlagenbaus in Sachsen. Die Innovationsfahigkeit der sachsischen AMZUnternehmen konnte bei Produkt- und Prozessentwicklung erfolgreich unter Beweis gestellt werden. Unter dem Motto „Liefem in die erste Reihe" bietet die Initiative Unterstiitzung fiir die mittelstandische Zulieferindustrie in Sachsen (vgl. Abb. 1). Begriindet durch die Struktur der Zulieferindustrie mit vorrangig produktionsorientierten kleinen Einheiten liegt der Fokus der Initiative auf der Unterstutzung der Firmen der zweiten und dritten Lieferantenebene. Dabei gibt es folgende strategische Ansatzpunkte: •
Etablierung von Firmen innerhalb der Wertschopfungskette Automobil als neue Lieferanten;
•
Erweiterung des Kundenportfolios innerhalb der Wertschopfungskette (OEM, l^t-Tier);
•
Erweiterung des Produktspektrums durch innovative L5sungen auf der gleichen Lieferantenebene;
•
Erhohung der Produktkomplexitat und Entwicklung zum Komponenten oder Systemlieferanten.
Abb. 1:
Fokus der AMZ-Initiative
Erhohung der Wertschopfung und Innovationskraft der sachsischen Automobilzulieferindustrie
Syst9ifiil€f^NiHil / ModiiHisfBranI ^^— Nichtkommerzielle Moderation zwischen Marktteilnehmern
Entwicklung von Teilelieferanten zu Komponentenlieferanten
SchwBfpunkt
J
AMZ
TefieNeferant
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Helmut MuUer und Claudia Scholta
Ebenen der AMZ-Netzwerkarbeit Die Netzwerkarbeit gliedert sich in zwei Ebenen: die Projektebene und die Beziehungsebene (vgl. Abb. 2). Die Struktur der Verbundinitiative folgt insofem dem Konzept der Zwei-Ebenen-Kooperation von Enderlein (2003) bzw. dem Konzept der Projektnetzwerke nach SydowAVindeler (1999): Zur Abwicklung eines Projektes wird auf latente Beziehungen aus dem Netzwerk zuriickgegriffen und im Erfolgsfalle werden diese auch fiir weitere Projekte reproduziert (vgl. auch Manning in diesem Band). Die Aufgaben des Managementteams bestehen auf der Beziehungsebene - im Sinne eines Informationsbrokers - hauptsachlich in der Aufbereitung von Entwicklungstrends und der Analyse von allgemeinen Anforderungen an die Zulieferer. Die Bereitstellung dieser Informationen erfolgt iiber verschiedene Mafinahmen, wie z.B. Veranstaltungen, themenspezifische Arbeitskreise oder die Intemetplattform www.cametsachsen.de. Die Netzwerkuntemehmen nutzen die Initiative zunehmend auch zur Recherche und Kontaktherstellung zu anderen Zulieferuntemehmen und/oder zu potenziellen Zielkunden. Abb. 2:
Ebenen der Netzwerkarbeit Scholta/Faust (2005)
Verbuiidli^Mifie A M I S^i^iMiefi Aufgataen: ^ information
'^oon-pfofit
-• Vertrau^sWtching ^ Kooperatbn$f#^#d ^ Prqjeklgefief^iiing •^ Marketing
Aufgaben: -» Entwlcklung (Produkl^rozess) # kiirz> und m^^fr^tig «» Auftii^jsabwkJklung «* KompelenzenfeR^fcing
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Beratung und Coaching von Netzwerken im Rahmen regionaler Verbundinitiativen
Zweck der Beziehungsebene ist die Herstellung eines kooperationsfreundlichen Kommunikationsklimas zwischen den Zulieferuntemehmen und deren Kunden. Durch intensive Kontakte zu den Entscheidem der Automobilindustrie in den Bereichen Entwicklung und strategischer Einkauf gelingt es, fnihzeitig Themenstellungen fiir Innovationen der nachsten und iibemachsten Fahrzeuggeneration abzuleiten. Das Management der Initiative iibemimmt hier die RoUe eines nicht kommerziellen Moderators bei der Projektinitiierung. Als Beispiel fiir eine systematische Arbeit auf der Beziehungsebene soil hier das Konzept der AMZ-Lounges angefiihrt werden. In dieser Veranstaltungsreihe berichten hochrangige Vertreter der strategischen Entwicklungsabteilungen der OEM und 1^*-TierLieferanten iiber die Herausforderungen der nachsten 5 bis 10 Jahre exklusiv vor einem Kreis von 10 bis 15 Geschaftsfiihrem thematisch ausgewahlter Untemehmen. Der Bedeutung der Vortrage angemessen finden diese Veranstaltungen in einem besonderen Rahmen (z.B. im Automobilmuseum in Zwickau) statt. Der Referent ladt im Anschluss an den Fachbeitrag zum Strategiegesprach beim gemeinsamen Abendessen ein. Diese Gesprache bilden dann oftmals den Ausgangspunkt fiir eine konkrete Projektidee, die in der Folge von sachsischen Partnern gemeinsam mit ihrem Zielkunden umgesetzt werden kann. Auf der Projektebene werden aus den Anregungen der Beziehungsebene konkrete produkt- Oder technologieorientierte Kooperationsprojekte entwickelt. Die Initiative stellt hierbei vor allem Know-how zur strukturierten Projektentwicklung, zur Auswahl geeigneter Kooperationspartner und zum Aufbau der Kontakte zu den Zielkunden zur Verfiigung. Das Management der Initiative iibernimmt somit die RoUe eines auf Projektentwicklung spezialisierten Dienstleisters. Zweck dieser Ebene ist die Uberftihrung einer Projektidee in die Serienproduktion und somit die Gestaltung voUstandiger Wertschdpfungsketten. Dazu bedarf es in der Regel folgender Stufen: 1. 2. 3. 4. 5.
Projektentwicklung und Pilotkundensuche, Priifung technischer und kommerzieller Machbarkeit, Produkt- bzw. Prozessentwicklung, Erstellung von Prototypen und Entwicklung bis zur Serienreife, Produktionsvorbereitung und Herstellung der Serienfahigkeit.
Ein Kooperationsprojekt kann in Abhangigkeit vom Abarbeitungsstand der Idee in jeder dieser Stufen starten.
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Helmut MuUer und Claudia Scholta
Strategie der Projektentwicklung Die Situation der sachsischen Zulieferindustrie ist durch folgende Merkmale charakterisiert: •
Sachsen hat sich als „Autoland'' in Deutschland etabliert. Die Attraktivitat als Fertigungsstandort bestimmt die Zulieferstruktur.
n
Eigene Entwicklungskapazitaten sind im Vergleich zum Branchendurchschnitt signifikant unterentwickelt (vgl. BMBF 2002, S. 51).
•
Die entscheidenden Entwicklungszentren von OEM und 1^*-Tier-Lieferanten, genauso wie die Konzemzentralen forschungsintensiver Grofiunternehmen, sind nach wie vor aufierhalb Sachsens lokalisiert.
•
Immer grol^ere Entwicklungsumfange werden velagert vom OEM zum Lieferanten (vgl. Dudenhoffer 2002, S. 6 ff.).
•
Der schnelle Aufbau der Grofiserienfahigkeit innovativer kleinerer und mittlerer Untemehmen wird durch deren geringe Kapitaldecke und zu geringer globaler Prasenz behindert.
Ausgehend von den Erfahrungen der ersten Phase der Verbundinitiative, den aktuellen Entwicklungen in der Automobilindustrie sowie einer umfassenden Analyse der sachsischen Zulieferindustrie wurde ein strategisches Konzept entwickelt. Die Grundiiberlegung dieser Strategie besteht darin, ein Biindel von Entwicklungsund Lokalisierungsprojekten auf strategischen Entwicklungsfeldem zu etablieren und damit vorhandene Kompetenzen der sachsischen Zulieferindustrie auszubauen. Sachsen verfiigt gegenwartig iiber eine Reihe von spezifischen Kompetenzen im Automobilbau. Diese sind in unterschiedlicher Auspragung bezogen auf Entwicklungs- und Fertigungskompetenz zumeist lokal gebundelt (vgl. Abb. 3). Auf den strategischen Entwicklungsfeldem Fahrzeugsicherheit, Karosserie, Motor und Motorperipherie, Elektronik sowie innovative Werkstoffe werden vertikal orientierte Netzwerke nach dem in Abb. 4 dargestellten Prinzip aufgebaut. Dabei werden neben verschiedenen Lieferanten und Kunden auch Partner aus Forschung und Entwicklung aufgabenbezogen integriert. Das Projektmanagement iibemimmt ein extemer Netzwerkmanager (vgl. Abb. 5). Die Aufgaben des Netzwerkmanagers gliedem sich in die Telle: •
Beratung (fachliches und methodisches Know-how),
•
Coaching der Projektpartner im Sinne einer nachhaltigen Zusammenarbeit.
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Beratung und Coaching von Netzwerken m Rahmen regfonaler Verbundmltiatfven
Abb. 3:
Lokale Clusterbildting in Sachsen
Umd Sochsen-ftnhott
Poicn
EMctrofilk/it^rlk:
Endmofitage unci K»r^ui^e: l=ralsCQOt Sayan
Etterleln, Fr^beri^ D^Mn,. J(amen!.20D0 G i u n d f a g e : V U K 2 0 0 ; 0 1 ^ 1 9 9 8 - L V S N 2DD0
Dabei stehen beide Leistungsschwerpunkte generell gleichberechtigt nebeneinander. In Abhangigkeit von den Kompetenzen der einzelnen Firmen kann es eine Schwerpunktverlagerung hin zum Coaching geben. Insbesondere bei der Zielgmppe der kleineren und mittleren Untemehmen ist der Beratungsaspekt imter dem Gesichtspunkt Know-how und Technologietransfer ein entscheidendes Kriterium fur die Akzeptanz eines Netzwerkmanagers innerhalb der Kooperationsprojekte. Die Auswahl der Netzwerkmanager erfolgt durch die Kooperationspartner in Abstimmung mit dem Management der Initiative, die auf einen Pool erfahrener Fachleute zuriickgreifen kann. Die Lokalisierung von Leaduntemehmen ist eine wesentliche Aufgabe des Managements der Initiative. Leaduntemehmen entspredhen nach Sydow (1992) den fokalen Untemehmen, welche die Netzwerke mehr als andere Partner nach Art und Inhalt der strategischen Ausrichtung hinsichtlich Markt- und Interorganisationsbeziehungen bestimmen. Das Leaduntemehmen hat seinen Sitz in Sachsen und wird bestimmt durch:
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Helmut MuUer und Claudia Scholta
•
hohes Innovations- und Wachstumspotenzial,
•
Entwicklungskompetenzen,
•
hohe Eigenstandigkeit und Entscheidungsfreiheit,
•
finanzielle Stabilitat und solide Auftragslage,
•
klare Untemehmensstrategie fiir die nachsten Jahre mit eigener Produktkompetenz.
Abb. 4:
Netzwerkbildung entlang der Wertschopfungskette
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Fiir die Projektinitiierung hat sich nachstehende Vorgehensweise bewahrt (vgl. Abb. 5). Um insbesondere die Kontaktpflege zu den Zielkunden effektiv zu gestalten, arbeiten zusatzlich zu den sechs Mitarbeitem eine Reihe von Senior Experts mit langjahrigen Erfahrungen und einem branchen- und produktbezogenen Beziehungsnetzwerk im Auftrag der Initiative.
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Beratung und Coachins von Netzwerken im Rahmen resionaler Verbundinitiativen
Abb. 5:
Vorgehensweise bei der Projektinitiierung
Pr^^skfmmi Pt^o^^cimiiiM^^img I M ^ u ^ ^ ICi»
Utile Anderungen In Kopp^ung
Weil Untemehmensnetzwerke die Moglichkeit bieten, bestimmte Ressourcen (Arbeitskrafte, Kapital, Anlagen etc.) und Potenziale (Know-how, Wissen) gemeinsam zu nutzen, konnen sie auch die Wertschopfung der beteiligten Untemehmen steigem. Allerdings wird iiber diese Vorteile weit haufiger gesprochen, als iiber mogliche Nachteile (wie z.B. den erhohten Koordinationsaufwand) (vgl. Net's work 2004). Netzwerkartige Beziehungen zwischen Untemehmen konnen sowohl ganz locker sein, wenn es z.B. einmal im Jahr einen Erfahnmgsaustausch zu einem bestimmten Thema (z.B. Umgang mit Arbeitsplatzabbau) in der Region gibt. Die Beziehungen sind in diesem Fall durch lose Koppeiung und ein hohes Mafi an Selbststeuerung gekennzeichnet. Auch die Initiatoren sind nicht in der RoUe der Gesamtverantwortlichen. Auf der anderen Seite gibt es Beziehungen zwischen Untemehmen mit klar definierten Kooperationsvertragen oder Untemehmen mit einer Zentrale und dezentralen Einheiten. Zwischen diesen beiden Extremen finden wir jene Zusammenarbeitsform, die wir virtuelle Untemehmen oder „focale Organisationen mit Netzwerken" nennen. Sie weisen sowohl Selbst- als auch Fremdsteuerungselemente auf. Ihre Koppeiung ist lose und fest gleichzeitig, well sie kontextabhangig und dynamisch gestaltet wird.
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Kann man Netzwerke beraten?
(Konigswieser & Netzwerk z.B. ist in diesem Sinne ein „fokales'' Gebilde, d.h. ein strategisches Netzwerk; vgl. auch Sydow 1992). Projiziert man diese Unterscheidungskriterien auf die innerorganisatorische Ebene, ergibt sich folgendes Bild:
Abb. 3:
Netzwerke auf der innerorganisatorischen Ebene
Innerorganisatorische Ebene Selbststeueamg
lose Koppelur^
Fremdlsteuerur^
feste Koppefing
Auch innerhalb von Organisationen konnen sich unterschiedlichste Netzwerke bilden. Um diese zu orten und darzustellen verwendet man unterschiedliche Arten von Soziogrammen (vgl. Lindner/Hofstede 1970). So findet man z.B. ein Netzwerk der sportlich Interessierten, die sich in festeren oder loseren Gruppen organisieren: die Gewerkschaftsnahen, die mit dem Betriebsrat als Interessensvertretung arbeiten, Vertrauensleute heifien und als Gesinnungs-Netzwerk agieren, oder Netzwerke von allein erziehenden Miittern, die einander wechselseitig in der Kinderbetreuung unterstiitzen, oder untemehmensinteme Initiativen, die anlassbezogen rasch auf etablierte Beziehungen und Ressourcen zuriickgreifen konnen.
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Roswita Konigswieser
Die temporare Projektorganisation als Ansprechpartner fUr Beratung in Netzwerken Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob Netzwerke Gegenstand von Beratung sein konnen, ist es notig, noch einige wichtige Punkte zu klaren. Aus diesen Punkten ergibt sich dann die Begriindung fiir die Antwort, dass Netzwerke genau genommen nicht beraten werden konnen. Ich vertrete zunachst die These, dass die manifesten Aktivitaten von Netzwerken genau genommen Projektcharakter haben, also kiirzere oder langere „Projekte" sind, welche die Potenziale der Beziehungskapitalien anlassbezogen nutzen. Dies ist insbesondere in virtuellen Untemehmen und Projektnetzwerken der Fall (vgl. zu Letzteren SydowAVindeler 1999; aber auch Loose und Manning in diesem Band). Projekte haben einen Anlass, ein Anliegen und ein Ziel, das oftmals iiber „normale" Organisationsformen nicht prozessierbar ist. Projekte haben einen klar definierten Anfang und ein Ende. In dem Zeitfenster der gemeinsamen Aktivitat eines Projektes gibt es eine relativ klare Grenze des Dazugehorens und des Mittuns, also auch Ansprechpartner. Der Mechanismus, der projektartige Netzwerkaktivitaten organisiert, ist die prekare Balance von Selbstidentitat und Fremdbestimmung, Selbststeuerung und KontroUe (vgl. White 1992). Heterogene Elemente von Netzwerken (Personen, Gruppen, Unternehmen, Regionen, etc.) konnen dann ein mittelfristig funktionierendes Beziehungsgefiige bilden, wenn die Identitat jedes Einzelnen dieser Elemente zueinander passt, wenn sie „selbstahnlich" sind und ihr Verhaltnis zueinander dadurch bestimmt ist, dass jeder Akteur sich vertrauensvoU mal starker, mal schwacher von den anderen kontroUieren lasst (vgl. Fuchs 2001). Daher ist auch die Frage, was die Basis von Vertrauen sein kann, wie Vertrauen hergestellt und gesichert werden kann, eine permanente Herausforderung fiir alle Beteiligten. Sofem Netzwerke (iiber Projekte) keine langer dauemde, kontinuierliche (gemeinsame) Geschichte aufbauen konnen, muss bei jeder Aktivitat die Vertrauensfrage neu gestellt werden, was aber auch den Vorteil hat, dass die Akteure nicht an eine Geschichte gefesselt sind, wo Erwartung und Gegenerwartung auf das Vergangene bezogen sind. (Die Ausbildung einer gemeinsamen Geschichte kann auch als ein Grund fiir eine strukturelle Verhartung von Netzwerken angesehen werden.) Um einzelne Netzwerke in ihrer besonderen Dynamik verstehen zu konnen, ist je nach Situation zu beschreiben, welche Charakteristik die jeweilige Interaktionsform hat. Das netzwerkartige Beziehimgsgeflecht muss interpretiert werden als spezifisches Oszillieren zwischen Widerspruchspaaren. Fiir uns sind daher Netzwerkstrukturen
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Kann man Netzwerke beraten?
nicht das einfache Gegenteil zu Organisationen, sondern sind in dem Zeitfenster kurzerer oder langerer Kooperationen in ihren Merkmalen je nach Situation unterschiedlich ausgepragt. Unsere Beschreibungskategorien fokussieren daher nicht so sehr auf eine einheitliche Charakteristik von Netzwerken, sondern auf das je bestimmte Verhaltnis von gegensatzlichen Polen, zwischen denen netzwerkartige Interaktionsformen in unterschiedlicher Starke oszillieren (vgl. Littmann/Jansen 2000).
Abb. 4:
Widerspruchspole von Netzwerken
lose Koppelung
^
enge Koppelung
Selbstorganisationssteuerung
O
Fremdorganisationssteuerung
Vertrauen, Akzeptanz
O
Kontrolle, Sanktion
Gemeinsame Wertebasis
O
Wertevielfalt
virtuell
O
real
Im Umgang mit Widerspriichen schwach
O
Im Umgang mit Widerspriichen stark
Horizontale Beziehungen
O
Hierarchien
wechselseitige Abhangigkeit
O
einseitige Abhangigkeit
mehrere Machtzentren
O
ein Machtzentrum
Aushandeln, Kompromissbildung
O
Verordnungen, Urteile
Da sich Netzwerke nach unserem Verstandnis prinzipiell mehr auf der linken Seite der Pole bewegen, ist ihnen auch bei alien Unterschieden eine spezifische Kommunikationslogik eigen. Ihre Funktionsbedingung ist Vertrauen, ihr Funktionsprinzip Reziprozitat (vgl. Messner 1995). Gleichzeitig sind netzwerkartige Gebilde aber extrem fragil, schwer zu fassen und kaum zu steuern. Was nun die Frage betrifft, ob Netzwerke beraten werden kdnnen, muss man in Betracht Ziehen, dass Beratungsprojekte ein gewisses Zeitfenster der Mitgliedschaft von Akteuren des zu beratenden Klientensystems brauchen. Fiir eine tragfahige Beziehung zwischen Beratungs- und Klientensystem ist aber nicht nur ein Mindestmafi an Projektdauer erforderlich, innerhalb der Beratungsinterventionen sich wirksam entwickeln lassen, wichtig ist auch eine klare inhaltliche Grenzziehung des Auftrages und natiirlich, wenn es sich nicht um eine kostenlose Beratung handelt, ein fixes Budget.
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Roswita Konisswieser
Aus diesen Griinden ist verstandlich, warum Netzwerkberatung umso schwieriger durchzufiihren und umso unwahrscheinlicher ist, je mehr an Fluktuation, Unstetigkeit und situativer Selbstorganisation ein Netzwerk aufweist. Wenn zum Beispiel eine Person beraten wird, wie sie Netzwerke aufbauen oder beeinflussen kann, handelt es sich um individuelles Coaching, aber nicht um Beratung eines Netzwerkes (vgl. dazu Manning/Sydow und Sydow in diesem Band). Kommt ein Projekt zustande, arbeitet dabei ein Teil des Netzwerkes mit, selten alle. Daher sind mehrere Varianten denkbar, die fiir eine Beratungsanfrage in Betracht kommen: Entweder eine Gruppe (von bereits lose vemetzten Personen) beabsichtigt aus bestimmten Griinden ein Netzwerk zu initiieren und startet zu diesem Zweck zunachst ein klar definiertes Projekt, oder Mitglieder eines existierendes (Projekt-)Netzwerks entschliel^en sich zu einem temporaren Projekt, um bestimmte Probleme im Netzwerk zu losen (vgl. auch Weisbord/Janoff in diesem Band); moglich ware auch, dass ein Netzwerk in einem Projekt endet, weil das Anliegen damit erfiillt ist. Bei Beratung von projektartigen Netzwerkaktivitaten gilt, wie bei jeder professionellen Beratungsarbeit, dass die Zusammenkiinfte, seien es regionale Konferenzen, Tagungen, Versammlungen usw. nach bestimmten Qualitatskriterien gestaltet werden miissen, um erfolgreich zu sein. Dazu gehort ein klarer Kontrakt, eine sorgfaltige Vorbereitung mit Vertretern der relevanten Stromungen und des relevanten Machtgefiiges; dazu gehoren eingebaute Feed-back-Schleifen, die Einbettung in einen Entwicklungsprozess, das Aussprechen der Latenzen und Widerspriiche (vgl. Konigswieser/ Hillebrand 2004; Konigswieser/Exner 2004). So wie an anderer Stelle (vgl. Konigswieser/Keil 2003) bereits dargestellt, sind fiir uns jene Interventionsformen, die eine moglichst dichte, emotionale Kommunikation ermoglichen, am besten geeignet, die koUektive Intelligenz des Klientensystems zu mobilisieren, Systemlemen zu fordem und eine Starkung der Identitat - durch ein koUektives Erleben und das Schaffen einer gemeinsamen Wirklichkeit - zu bewirken (vgl. Weber 2002 sowie KozokA^opfer und Weisbord/Janoff in diesem Band)). Diese Form des Austausches, der feste Rahmen schafft, in denen lockere Kommunikation moglich ist, kommt der uns bekannten und beliebten Lebendigkeit von „Marktplatzen" nahe. Das Architekturelement „Gro6gruppenveranstaltung" zum Beispiel schafft vergleichbare, relative Sicherheit spendende Raume, in denen verhaltnismafiig freie Kommunikationsprozesse stattfinden konnen (vgl. auch Kozok/ Topfer in diesem Band). Genau diese scheinbare Paradoxie passt deshalb zu Netzwerk-Interaktionen besonders gut, weil sie die Spannung zwischen den genannten Widerspruchspolen aufnimmt. Dabei wird im Design und in der Projektarchitektur auf die drei oben genannten Merkmale von Netzwerken gebaut: auf die tragfahigen Beziehungen, auf den Anlass der Interaktionen und auf das gemeinsame, manifeste und latente Wissen, das es zu aktivieren gilt.
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Kann man Netzwerke beraten?
Grofigruppeninterventionen sind sehr wirkungsvoll, bediirfen aber auch spezieller Beraterkompetenzen. Diese fangen bei theoretischem Wissen liber das Wesen von Netzwerkdynamiken an, gehen iiber personliche Stabilitat und Professionalitat, bis hin zu Erfahrungen in Grofiveranstaltungen mit vielen Menschen. Unserer Erfahrung nach sind Beratungsprojekte fiir Netzwerke noch wesentlich anspruchsvoller als Entwicklungsprojekte innerhalb von Organisationen mit klaren Abgrenzungen. Das hohere Anspruchsniveau der Beratung hangt mit folgenden Faktoren zusammen (vgl. auch Sydow in diesem Band): H Die Grenze ist schwer zu ziehen. Wo fangt das zu beratende System an, wo hort es auf ? Wer gehort dazu, wer nicht? •
Die Komplexitat ist grofier. Es gibt eine Vielzahl von Substrukturen, die interdependent mitschwingen, Ereignisse finden gleichzeitig statt, Machtzentren sind diffuser.
•
Die Situationen sind meist durch noch mehr und tiefere Widerspriiche und Paradoxien charakterisiert. Sie sind daher diffuser, schwerer analysierbar und strukturbedingt oft konfliktgeladener.
In diesem Zusammenhang gibt es strukturbedingte Kernprobleme, mit denen wir es in Beratungsprojekten im Zusammenhang mit Netzwerken immer wieder zu tun haben: •
Machtdynamiken sind weniger iiber RoUen definiert als informell wirkungsvoll, daher ist es schwieriger und aufwendiger, die „richtigen Auftraggeber" zu finden, die auch iiber geniigend Einfluss und Finanzmittel verfiigen.
M Entscheidungen mlissen aufwendiger und langer prozessiert werden; VetoPositionen fiihren leicht zu Blockaden. •
Es gibt einen Trend zu Kompromissen, zur Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.
•
Die Koordination dauert langer und ist ebenfalls aufwendiger.
•
Man weifi oft nicht genau, wer gehort noch zum Netzwerk und wer nicht.
•
Das Problem der grofien Zahl, der flexiblen Grenze erschwert ein gemeinsames Agieren.
Meine Antwort auf die Leitfrage „Kann man Netzwerke beraten?'' fallt daher differenziert aus: NEIN, wenn es kein Projekt gibt, das iiberhaupt erst den Zutritt zu einem Interventionsraum ermoglicht; JA, wenn ein Projekt zustande kommt, das die RoUe der Beratererwartungen berlicksichtigt und dafiir Raum- und Zeitfenster offnet. Unsere Erfahrung lehrt, dass es in Netzwerken seltener zu Beratungsprojekten kommt, well die Voraussetzungen fiir Projektarbeit oft fehlen. Immer wieder werden klare Kooperationen zwischen Unternehmen mit engen Koppelungen und wenig Selbst-
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Roswita Konigswieser
organisation als Netzwerke bezeichnet. Hier sind Beratungen zwar auch komplex, aber wahrscheinlicher. Je loser aber die Koppelungen und je mehr Selbstorganisation in einem Interaktionssystem vorhanden sind, desto unwahrscheinlicher sind Projekte und damit auch die Beratungsmoglichkeit. Die haufigsten Anlasse fiir Beratungsprojekte scheinen in folgenden Erwartungen zu liegen: •
„Das Netzwerk soil effizienter werden" (Beispiel Automobilproduktion mit ihren Zuliefemetzwerken, vgl. auch Durr und Weisbord/Janoff in diesem Band).
•
„Das Netzwerk soil seine Synergiepotenziale heben" (Beispiel Pharmaindustrie mit For schungsnetz werken).
•
„Das Netzwerk soil intensiviert werden, um mehr Optionen zu haben" (Beispiel WHO-Netzwerke, Beratemetzwerke, regionale Netzwerke, vgl. auch Howaldt und Klocke in diesem Band).
Diese Anliegen konnen sich iiberschneiden und sind, wie alle Anfangsanliegen, einem dynamischen Wandel unterworfen, d.h. im Laufe der Beratung tauchen weitere bzw. veranderte Anliegen auf. Ein besonders interessantes Zusammenwirken zwischen Klienten- und Beratersystem ist zu beobachten, wenn Berater wie wir, die in Netzwerkstrukturen arbeiten, Netzwerke beraten (vgl. auch Loose in diesem Band). Das hat den Vorteil und den Charme, dass sich die Berater besonders gut in die Dynamiken, Chancen und Stolpersteine dieser Kooperationsform hineinversetzen konnen, die Resonanzen besonders deutlich im Beratersystem gespiirt werden, aber gleichzeitig auch besonders darauf geachtet werden muss, dem Klientensystem nicht eigene Problemlosungserfahrungen empfehlen zu woUen oder ungeloste Konflikte auszuagieren. Wir selbst zum Beispiel miissen darauf achten, unsere Erfahrungen nicht allzu stark zu generalisieren. Feststellungen wie „Statt schriftlicher Vertrage geniigen miindliche Handschlagsvertrage", oder „Feedback-Prozesse sind das zentrale Selbststeuerungsinstrument", oder „Gro6veranstaltungen sind die beste Kommunikationsform", oder „Das Dilemma zwischen Kooperation und Konkurrenz ist zentral", oder „Die Sehnsucht nach Heimat bei gleichzeitiger Freiheitsliebe ist unvermeidbar", soUten daher immer mit Vorsicht gemacht werden.
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Kann man Netzwerke beraten?
5
Beispiel eines Netzwerkberatungsprojektes
Das folgende, etwas verfremdete Beispiel soil die speziellen Herausforderungen eines Netzwerkberatungsprojektes, das der interorganisatorischen Ebene zuzuordnen ist und dabei eben durch die Charakteristik der losen Koppelung, bzw. der Selbststeuerung gekennzeichnet ist, exemplarisch illustrieren. Ich wahle bewusst nicht ein Beispiel, bei dem es ausschliefilich um festgekoppelte Kooperationen geht, wie zum Beispiel die Kooperation zwischen Automobilzulieferem und Automobilherstellem, weil ich den folgenden Fall besonders interessant und fiir uns Berater besonders herausfordernd fand. Das Beratungsprojekt hiefi: „Wien, die ideate Stadtfiir Senioren".
5.1
Ausgangssituation
Massive Missstande in Altenheimen, wie schlechte Versorgung, Biirokratie und sogar unnotige Todesfalle, sorgten fiir politische Skandale und offentliche Schuldzuweisungen. Es wurde eine Kommission eingesetzt, die die Aufgabe hatte, eine Vision fiir die Stadt Wien als ideale Stadt fiir Senioren zu erarbeiten und auch den Implementierungsprozess zu konzipieren. Spater ging es auch um die Konstituierung eines Netzwerkes in diesem Kontext. Die Kommission bestand aus 30 Vertretem aller vier Parteien und 30 Beamten, die die fachliche Expertise mit einbringen soUten. Wir wurden der Leiterin der Kommission als „gestandene'' Berater empfohlen, diese „schier unmogliche Aufgabe'' zu ubernehmen, Schon im ersten Klarungsgesprach stellte sich heraus, dass das ganze Thema nicht nur hochpolitisch war, sondern dass es viele Organisationen und Einrichtungen gab, die parallel iiberlappend und unkoordiniert Aufgaben erfiillten, und dass es neben einer Vision auch darum gehen miisste, die relevanten Schliisselgruppierungen als Netzwerk fiir Seniorendienstleistungen zu konstituieren. Wir wussten, worauf wir uns einliefien: Politiker, die inhaltlich von dem Thema noch weit entfernt waren, zu einer gemeinsamen Vision zu fiihren; und dies, obwohl sie grofiteils politische Gegner waren, in keinster Weise wertschatzend miteinander umgingen und gewohnt waren, selbstdarstellende Monologe zu fiihren. Wir ahnten auch, dass iiblicherweise die Handys in den Besprechungen standig klingelten, terminlich keine Verbindlichkeit zu erwarten war und dass es grofie Fluktuation geben wiirde. Mai wurden Stellvertreter geschickt, mal nicht. Wir mussten mit einem „Geranger' um Entscheidungen rechnen, zu deren Durchsetzung Experten zu Vortragen eingeladen werden wiirden, um die jeweils eigene Position zu untermauern.
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Roswita Konisswieser
Unsere systemischen Methoden der Beratung wiirden bei der nicht kleinen Projektgruppe von ca. 60 Personen sicher auf Skepsis stofien. Die Gefahr, dass wir als Projektionsscheibe fiir alle Konflikte verwendet werden, war nahe liegend. AUes in allem: Die Herausforderung war grofi!
5.2
Ziele und Vorgehensweise des Beratungsprojektes
Wir einigten uns auf folgende zwei Hauptziele: 1. Verabschiedung einer gemeinsamen Vision und Vorschlage zu deren Umsetzung (1. Phase). 2. Entwicklungsimpulse fiir ein Netzwerk, das einschlagige Organisationen und Initiativen zur Zusammenarbeit bringen und die den Koordinations- und Erfahrungsaustausch erleichtem soUte (2. Phase). Unsere Vorerfahrungen und Annahmen lielSen uns auf eine sehr sorgfaltige Vorbereihing und auf eine wohl iiberlegte Architektur achten, um moglichst gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine erfolgreiche erste Phase war die Voraussetzung fiir die zweite. 11 Wir fiihrten vorweg Gruppeninterviews mit dem Fokus: Was erwarten sie? Welche Chancen, Stolpersteine sind zu erwarten? Wer schaut uns bei dieser Arbeit uber die Schultem? Was kann mein Beitrag fiir ein erfolgreiches Projekt sein? (Diese Vorgesprache waren naturlich bereits eine Intervention). •
Wir bildeten als zentrales Architekturelement eine Kemgruppe, die aus Mitgliedem aller vier Parteien, zwei wichtigen Beamten und der Kommissionsleiterin bestand. Mit dieser Gruppe bereiteten wir die acht eintagigen Workshops vor und nach, gingen regelmal^ig die „Systemische Schleife"! durch und arbeiteten jeweils das Abschluss-Feedback der Workshops ein, um daraus immer wieder fiir die nachste Etappe zu lemen. Ohne diese Vorbereitungsgruppe ware der Prozess sicherlich gescheitert.
•
Wir bestanden darauf, dass fiir diese Arbeit keine Stellvertretungen geschickt werden durften und das Handyverbot akzeptiert wurde. Diese Regeln brachten Ruhe in die Arbeit.
•
Wir planten eintagige Workshops statt eines stundenweisen Arbeitens. Damit war eine konzentrierte Energie aufbaubar.
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Kann man Netzwerke beraten?
•
Es wurde ein strenges Verbot vereinbart, Journalisten bis zum Abschluss der Arbeit (nach acht Monaten) zu informieren; damit konnten Zwischenergebnisse nicht als Erfolg nur einer Partei ausgegeben werden.
Auf der Designebene gab es ebenfalls Prinzipien und Rahmenbedingungen, die die Arbeit iiberhaupt erst ermoglichten (vgl. ahnlich auch Weisbord/Janoff in diesem Band): •
Die 60 Menschen arbeiteten immer wieder in bunt gemischten Kleingruppen, wodurch die Vorurteile reduziert werden konnten.
•
In diesen Kleingruppen wurden neben der Fachdiskussion immer auch ganz personliche Fragestellungen ausgetauscht. Beispiele: Was wiinsche ich mir fiir meine Eltern? Was ist fiir mich selbst eine optimale Lebensqualitat im Alter? Was bedeutet fiir mich altern? Wo habe ich selbst positive Beispiele des Alterns, der Altenbetreuung erlebt? Durch das Miteinbeziehen der eigenen Betroffenheiten und die Bearbeitung der personlichen Angste und Hoffnungen wurden Schleusen fiir radikaleres Zukunftsdenken geoffnet. Die Gemeinsamkeiten auf dieser Ebene waren sehr grofi, wodurch die Konsensbildung jenseits der politischen Interessen sehr erleichtert wurde.
•
Die eingeladenen internationalen Expertenrollen wurden nach der Umfeldanalyse erweitert gesehen. Wir luden nicht nur die iiblichen Schliisselakteure der Pflegekette ein, um mit ihnen zu diskutieren, sondern auch angesehene Experten, die die demoskopische Entwicklung und ihre dramatischen Folgen der Uberalterung Europas bewusst machten, sowie kompetente Soziologen und Politologen, die iiber die Dynamik des Alterns selbst reflektierten: „Alte Leute heute und alte Leute morgen - das ist nicht zu vergleichen.'' Es wurden Szenarien in den Raum geholt, die die Vorstellungen wahrscheinlicher Zukunft erleichterten, den gesellschaftlichen Wandel ins Blickfeld riickten, wie z.B. veranderte Familienstrukturen, Entsolidarisierungstendenzen, eine veranderte RoUe des Staates, weniger offentliche Mittel, andere Beschaftigungsstrukturen usw. Englische Okonomen schilderten uns wahrscheinliche Umverteilungsdynamiken. Schwedische Architekten offneten den Blick fiir alternative Fordermafinahmen, um altersgerechtes Wohnen ohne grofien Aufwand so lange wie moglich in den eigenen vier Wanden und nicht im Heim zu ermoglichen, und sie zeigten uns voUig neue Konzepte fiir Altenheime. „Seniorenheime gehoren ins Zentrum des Lebens, nicht in Ghettos.'' Kritische, ganzheitlich denkende Arzte sprachen iiber die dysfunktionale, unnotig dominierende RoUe der Arzte fiir die Senioren und von der krankheitspraventiven Wirkung des Gebrauchtwerdens und der moglichst grofien Selbstverantwortung alter Menschen, die einen wesentlichen Beitrag zur grundsatzlichen Lebensqualitat darstellen. Eine finnische Heimleiterin schilderte, wie Pflegeketten anders strukturiert sein kdnnen und wie das Image von Alten-
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Roswita Konisswieser
betreuem in der Offentlichkeit gehoben werden kann, was die problematische Rekrutierung erleichtert. •
Wir erarbeiteten eine ehrliche, schonungslose 1st-Analyse. Danach entwarfen wir das visionare Zukunftsbild. In reflexiven Schleifen versuchten wir, dabei die unterschiedlichen, fachlichen Perspektiven mit den personlich-emotionalen Resonanzen und Zugangen zu verweben.
Auf der Ebene der Interventionstechnik waren wir bemiiht, einerseits den Blick fiir die ganze Komplexitat der interdependenten Zusammenhange zu offnen, andererseits die Komplexitat zu reduzieren, indem wir immer wieder die roten Faden der Resonanzen und Diskussionen von einem ProtokoUanten festhalten liefien, die sich dann wie von selbst zu einem Visionsteppich verkniipften und als Konzeptpapier schriftlich vorlagen. Im Ergebnis der Phase 1 gab es also ein gemeinsam getragenes Visionspapier (!) inklusive Umsetzungskonzept als Parlamentsvorlage. (AUerdings waren die iiblichen Entscheidungsprozeduren dann wie erwartet holprig und fiir die Kommission sehr enttauschend).
5.3
Ziel und Vorgehensweise bei derEntwicklung eines Netzwerks
Die Erfahrungen und Bewusstseinsprozesse der Phase 1 waren dennoch niitzliche Basis und Voraussetzung fur die erste Auftaktveranstaltung, die zur Netzwerkbildung fuhren sollte. Die Akteure dieser Phase bildeten als Initiatoren den Nukleus fiir die Phase 2: M Wieder war die Systemische Schleife der Hypothesenbildung der rote Faden unserer Beratung, die Umfeldanalyse der betroffenen Sc±diisselakteure die Basis dafiir. Es gab erschreckend viele „Koche", die in der Szene umriihrten, fiir die alteren (und jiingeren) Menschen ein undurchschaubares, iiberfordemdes Wirrwarr an Zustandigkeiten und Finanzierungsformen. •
Die Vorbereitungsgruppe wurde um Vertreter wichtiger Netzwerk-Akteure erweitert. Sie nutzte ihr personliches Beziehungskapital, um an alle relevanten Verbande, Organisationen und Schliisselakteure heranzukommen und sie in den nachsten Vorbereitungsprozess auch mit einzubeziehen.
•
Wir entschieden rasch, dass die Auftaktveranstaltung nur eine Grofiveranstaltung sein konnte. Die Zielgruppe der Senioren sollte natiirlich auch irgendwie vertreten sein. Wir soUten die 1,5-tagige Veranstaltung wieder konzipieren helfen und moderieren.
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Kann man Netzwerke beraten?
Auf der Architekturebene war Folgendes wichtig: •
Die Zusammensetzung der Vorbereitungsgruppe, die das Ziel verfolgte, am Weg zur Vision zuerst die Ist-Situation zu analysieren und selbst organisiert, moglichst rasch Verbesserungen zu erreichen. Es soUte eine mentale Offnung fiir neue Formen der Zusammenarbeit und fiir neue Rollen erreicht werden.
•
Es waren in den einzelnen Subsystemen schwierige, aufwendige Vorarbeiten, Aufklarung, Uberzeugungsarbeit und Bewusstseinsbildung n5tig, um eine fruchtbare Grofiveranstaltung gestalten zu konnen.
•
Die Situation, die Probleme und Wiinsche der heterogenen Gruppe der Senioren wurden in einem beriihrenden Videofilm, der Interviewausschnitte zeigte, in den Raum geholt.
•
Schon vorweg war von den Initiatoren ins Auge gefasst worden, dass diese Veranstaltung kein einmaliges Event sein, sondern als Projekt wenn mdglich jahrlich stattfinden sollte. Daflir war man allerdings auf die Bereitschaft aller und den Verlauf der Veranstaltung angewiesen.
Design der
Groflveranstaltung:
Ohne ins Detail zu gehen, soil der Ablauf und die Gestaltung in groben Ziigen dargestellt werden: Ort:
Die Glaspyramide in Wien, mit vielen Griinpflanzen
Teilnehmer:
ca. 300 Personen, Vorbereitungsgruppe, Gerontologische Kommission, Politiker, Stadtrate, Dienstleister der Pflegekette, Krankenkassen. Private Pflegedienste, Seniorenverbande, zwei Konigswieser & Networkberater (mit vier Co-Beratern aus unserem Netzwerk)
Zeit:
1. Tag 17.00 bis 21.00 Uhr/2. Tag 9.00 bis 17.00 Uhr
Ablauf erster Tag: •
Ankommen, BegrujSung durch den Stadtrat und die Leiterin der Kommission.
•
Aufzeigen der komplexen Akteurslandschaft und Zeigen des Videofilms mit den Seniorenintervie ws.
•
Die verschiedenen Berufsgruppen und Organisationen safien in unterschiedlich grofier Anzahl raumlich sichtbar zusammen und gaben Resonanzen zu dem Videofilm. Danach prasentierten sie ihr Leistungsspektrum, ihre Identitat und ihr Anliegen an die Veranstaltung. Die hohe Qualitat der Darstellungen ware ohne sorgfaltige Vorbereitung nicht moglich gewesen. In dieser Phase wurde die ganze Problemlandschaft des Themas deutlich. Die Motivation wuchs, einen Beitrag zur
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I
Roswita Konigswieser
Veranderung zu leisten, aber gleichzeitig brachen Konflikte und Turbulenzen aus. Eine Organisation drohte abzureisen. Es gab niemanden, der das verhindem hatte konnen. Es war extrem schwierig, die stark politisch gefarbten Interessen zuriickzustellen und das gemeinsame Anliegen im Blick zu behalten. •
Das gemeinsame Kochen und Essen als angenehmes Event fiihrten zu einem guten Ausklang des Tages.
Ablauf zweiter Tag: •
Gemeinsam mit der Vorbereitungs-Kemgruppe reflektierten wir auf der Biihne die Ist-Situation, die Stromungen im Raum. Es wurden danach von der Kommission die erarbeitete Vision und deren Umsetzungskonzept prasentiert und Einblicke in den bisherigen ungewohnlichen Erarbeitungsprozess gegeben.
•
Die Resonanzen auf die Prasentation waren geteilt. Einerseits kam inhaltlich viel Zustimmung, andererseits war grofie Skepsis bezuglich der Umsetzbarkeit der Vision zu spiiren. „Das ist Utopie. Die Organisationen werden sich nicht einigen."
•I Danach lief eine grofi angelegte mehrstiindige Open-Space-Einheit ab (vgl. zu diesem Verfahren auch Kozok/Topfer in diesem Band). Es kristallisierten sich dabei fiinf Kemthemen heraus, die Anhanger fanden und deren Thesen bzw. Ergebnisse dann im Plenum vermittelt wurden. •
Es wurden letztlich drei priorisierte Aktivitaten ins Leben gerufen, fiir die Energie vorhanden war und iiber deren Verlauf auf der nachstjahrigen Grofiveranstaltung mit mehr Leuten berichtet werden soUte. (Es ging um Callcenter als Auskunftszentralen, um die neue Qualitat von Koordination zwischen Einrichtungen und um eine intensive Offentlichkeitsarbeit).
Auf der interventionstechnischen Ebene nutzten wir die Moglichkeit von Grofigruppendesigns.
Lessons? Wir haben viel gelemt: Bestatigungen und Neues. Zunachst zu den Bestatigungen; •
Das Reflexionsinstrument der systemischen Schleife ist auch bei Beratungsprojekten in Netzwerken unverzichtbar, um mafigeschneiderte Prozesse gestalten, entsprechende Rahmenbedingungen (Kontextsteuerung) setzen zu konnen.
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Kann man Netzwerke beraten?
i i Es hat sich in der Zusammensetzung im Beratersystem auch in diesem Projekt bewahrt, eine Mischung aus Prozesserfahrung und einschlagiger Fachberatung zu wahlen (vgl. Mohe 2005). •
Gemeinsame Visionsarbeit ermoglicht fast immer unvergleichbare Energieschiibe. Das ist fiir Netzwerke besonders wichtig, um Identitatsdefizite zu kompensieren.
•
Die Machtdynamiken der Netzwerke mlissen so weit wie moglich im Vorbereitungsteam abgebildet sein, das erleichtert die Akzeptanz.
•
Grofiveranstaltungen, besonders Open-Space-Elemente, sind eine zielfiihrende Interventionsform fiir Netzwerkberatungsprojekte.
Neues: •
Eine gemeinsame Wertebasis kann helfen, parteipolitische Interessen zu relativieren.
•
Die Vorbereitungsphase dauert mindestens doppelt so lang wie in „normalen'' Beratungen, weil die Entscheidungsprozesse in Netzwerken langwierig und aufwendig sind.
•
Als Beratersystem braucht man viel, viel Geduld, um mit den notigen, fiir Netzwerke typischen Koordinationsprozessen mitgehen zu konnen.
•
Als Beratersystem muss man grolite Stabilitat haben, um mit der Vieldeutigkeit von Situationen, mit den starken Emotionen, mit den strukturell bedingten Paradoxien, Konflikten und der Fragilitat von Netzwerken umgehen zu konnen.
Anmerkungen 1
Bedeutung und Funktion der „systemischen Schleife" wurde in Konigswieser/Hillebrand (2004) ausfiihrlich beschrieben. Gemeint ist damit, dass bei Interventionen in komplexe Systeme nicht vorweg gesagt werden kann, wie sich Interventionen auswirken und wie sich das System verhalten wird. Daher ist ein schrittweises Vorgehen von „Informationen sammeln" liber „Hypothesen bilden" zu „Interventionen planen'', „Interventionen durchfiihren" und schliefilich wieder diesem Zirkel folgend zu „Auswirkungen beobachten und reflektieren" bzw. „Informationen sammein'' erforderlich.
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Qintl^r Ortmann
cormminitim of change
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Synoptisches Netzwerkmanagement?
Liegt es eigentlich in der Natur der Sache, dass Netzwerkforscher Unternehmungsnetzwerken ganz uberwiegend die positiven Aspekte abgewinnen und zu wenig iiber gravierende Probleme netzwerkformiger Koordination okonomischer Aktivitaten forschen? Es hat natiirlich seine Plausibilitat darin, dass es sich iiber Netzwerke doch wohl deswegen zu forschen lohnt, weil etwas fiir diese Art der Koordination spricht. Und warum auch sollten Untemehmungsnetzwerke sonst wie Pilze aus dem Boden schiefien? Doch Vorsicht. Aus starker Verbreitung folgt noch nicht uberlegene Effizienz, wie wir aus der Forschung zu organisationalen Isomorphismen wissen. Auch leidet die Prasentation von Erfolgsstories an dem Mangel aller Erfolgsfaktorenforschung: Es lasst sich leicht suggerieren, aber schwer beweisen, dass es wirklich der ins Feld gefiihrte Faktor war, der den Erfolg bewirkt hat (March/Sutton 1997; Nicolai/Kieser 2002). Leicht schleicht sich dann eine petitio principii ein, um diesem Mangel abzuhelfen: Das zu Beweisende wird in der Beweisfiihrung heimlich vorausgesetzt. Auch deshalb, aber schon aus Objektivitatserwagungen muss die Netzwerkforschung sich natiirlich hiiten, auf jene Weise gemeinsame Sache mit ihrem Gegenstand zu machen. Es gibt, und nun erst recht fiir Okonomen, noch eine ganze Reihe weiterer, nun inhaltlicher Griinde fiir Skepsis und Distanz, und der aus okonomischer Sicht erste dieser Griinde lasst sich als Frage formulieren: Warum sollten - zumal hoch integrierte Untemehmungsnetzwerke nicht all jene Nachteile aufweisen oder doch allmahlich entwickeln, die iiblicherweise Planwirtschaften attestiert werden - Ausschaltung des Preises als verdichtete Information iiber relative Knappheiten, mangelhafte Anreize fur eine effiziente Ressourcenallokation und fiir Effizienzsteigerungen, Begiinstigung Netzwerke beraten, hrsg. von J. Sydow und S. Manning Gabler • Wiesbaden 2006, S. 293-314
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Gunther Ortmann
von Trittbrettfahrerei, von Filz, Seilschaften und Cliquenbildung, mangelnde Transparenz mit der Folge allfalliger asymmetrischer Information, Starrheiten und Lock-InSituationen, resultierend aus exklusiven bilateralen Beziehungen und aus miihsam aufgebauten, aber eben deshalb schwer reversiblen Vertrauens- und Kooperationsverhaltnissen, ergo: mangelnde Flexibilitat angesichts einer schnell sich verandemden Umwelt? Uberhaupt ist Kooperation nicht per se erwunscht, jedenfalls nicht aus Sicht der iibrigen Welt. Auch Seilschaften und Cliquen sind (personale) Netzwerke. Auch Kartelle und Korruption sind Falle von Kooperation, wie auch Robert Axelrod (1997a, S. 15 f.) betont hat, um sein Lob der Kooperation angemessen zu begrenzen. Es gibt nicht nur Markt- und Organisations-, es gibt auch „Netzwerkversagen" (Messner 1995). Und es gibt jene „schone heile Netzwerkwelt", die zwar den Profittransfer zu den hoheren Ebenen von Netzwerkhierarchien, aber nicht unbedingt eine hohere Effizienz des Ganzen zur Folge hat (Gaitanides 1998). Um es deutlich zu sagen: Solche Fragen konnen nicht auf der Ebene allgemeiner theoretischer Uberlegungen, sondem nur auf der Ebene konkreter Koordination und Beratung pariert werden, so plausibel allgemeine Hinweise etwa auf hohe Transaktionskosten bei Nutzung des Marktes als Koordinationsform ihrerseits sein mogen - auf hohe Such-, Anlauf-, Qualitatssicherungs- und KontroUkosten bei standiger Bedrohung der Partner mit ihrer Austauschbarkeit, um nur diese Beispiele zu nennen. Emstzunehmende, weil theoretisch wie praktisch wohlinformierte Bedenken solcher Art hat jetzt Wolf-Rudiger Bretzke (2005) am Fall des Supply Chain Management vorgetragen. Er richtet sie gegen die im einschlagigen Diskurs hoch gehandelten Versionen starker Integration (vgl. als ein Beispiel den ebenso instruktiven wie suggestiven Beitrag von Diirr in diesem Band), deren Verfechtem ein iibergreifendes Gesamtoptimum fur die gesamte Lieferkette vorschwebt, das auf der Basis der Zuriickstellung von Partikularinteressen und dadurch ermoglichter Visibilitat erreichbar sein soil. Ich nehme Bretzkes Kritik dieser „logistischen Utopie" als exemplarisch fiir Untemehmungsnetzwerke uberhaupt, weil Wertschophxa^sketten sich bei naherem Hinsehen schnell als mehr oder minder komplexe Wertschophin^snetzwerke entpuppen (so auch Bretzke selbst 2005, S. 28), die in den hier zur Debatte stehenden Hinsichten durchaus typische Ziige aufweisen. Ein gewichtiges Argument Bretzkes, das bisher noch nicht erwahnt wurde, lautet: Das Referenzsystem der Optimierung - die Supply Chain, das Netzwerk - bietet sich den Managem und Forschem nicht etwa „in ahnlicher Weise dar wie eine Fruchtfliege dem Genforscher: als fest vorgeformtes, quasi naturgegebenes Gestaltungsobjekt" (2005, S. 24). Das Referenzsystem der „Optimierung" ist vielmehr Resultat eines Konstitutions- und Definitionsprozesses, in dem Machtdifferenziale eine ausschlaggebende RoUe spielen - mit den von Gaitanides (1998) benannten Konsequenzen, die ja die Gemeinsamkeit der gemeinsamen Sache durchaus beeintrachtigen. Das „Optimum" fiir die einen ist dann durchaus kein Optimum fiir die anderen, wie die bitteren Klagen vieler mittelstandischer Zulieferer seit vielen Jahren nachdriicklich
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bezeugt haben. Was sich aus der Perspektive Ersterer als Effizienzgewinn darstellt, ist zu einem betrachtlichen Teil nicht Effizienzzugewinn durch (netzwerkformige) Kooperation, sondern schlicht mit Macht durchgesetzte Umverteilung bei womoglich unveranderter Effizienz des gesamten Wertschopfungsprozesses. Dass da keine naturgegebenen Systeme vorzufinden seien, mag je nach theoretischen Vorlieben der Leserinnen und Leser auf vorschnelle Ablehnung oder auch auf vorschnelle Zustimmung stofien. Es lohnt sich daher, Bretzkes durch und durch praxisbezogene Erlauterung nachzuvoUziehen: „Die meisten Unternehmen sind gleichzeitig Teil mehrerer, oft ganz unterschiedlicher Lieferketten. Sie tragen insoweit den Charakter von Kreuzungen, durch die Wege von ganz unterschiedlichen Vorprodukten zu sehr verschiedenen Endprodukten fiihren. Was man sieht, wenn man sich vom Bild einer ,Supply Chain' lost, sind deshalb nicht isolierte Ketten, sondern sich iiberlappende, nicht konvergierende, polyzentrische Netze, die, selbst wenn man sie an den Randern scharf abgrenzen konnte, in Summe nicht iiber eigene Identitat verfiigen. Glasgarn etwa geht iiber Glasgewebe in Laminate ein und wird damit zu einem Grundprodukt fiir Leiterplatten, die sich dann u.a. in der Fahrzeugelektronik von Automobilen wiederfinden. Dieses Glasgarn wird nun innerhalb der E-Glasproduktion auf denselben Kapazitaten gefertigt wie Glasfaser, die sich ihrerseits spater unter anderem in Tapeten wiederfinden. Uber die mogliche Konkurrenz um knappe Kapazitaten sind damit zum Beispiel die Automobilproduktion mit der Tapetenindustrie und die Produktion von Mobiltelefonen mit der Vliesstoffindustrie verbunden. Versuche, iiber solche Abhangigkeiten, die in der Tiefe jederzeit weiter verzweigt werden konnen, das Netz einer ganzheitlichen Modellierung zu werfen, sind schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt" (Bretzke 2005, S. 24). Welche Fragen da offen bleiben und wie stark Antworten vom Einsatz meist sehr ungleich verteilter Machtressourcen abhangen, w^ird deutlich, wenn Bretzke fortfahrt: „Als problematisch erweist sich dabei nicht nur die Komplexitat der Beziehungsgeflechte, sondern auch der mangels klar ausgepragter Sekundarorganisation ins Leere greifende Fiihrungsanspruch. So verschwindet etwa die Frage im Nebel, wer liber die Aufnahme Oder den Ausschluss von Partnern entscheiden soil. Miissten Strafen verhangt werden, wenn ein Unternehmen dabei mehreren Supply Chains angehort und gelegentlich kapazitatswirksam ausschert? Wenn nein: wer ersetzt die Opportunitatskosten des Verzichts auf den Verkauf der eigenen Produkte zu besseren Marktkonditionen? Ebenso unklar sind Verteilungsprobleme der verschiedensten Art: wer soil etwa bei einem Bandstillstand die Kosten von Fehlentscheidungen tragen, welche (bestehende oder zusatzlich geschaffene) Organisationseinheit soil in der Lage sein, bei Kapazitatsknappheiten auf Zuliefererebene, die in mehrere OEMs (,Original Equipment Manufacturer') und/oder Absatzkanale ausstrahlen, ubergeordnet die resultierenden Zuteilungsprobleme zu losen, und wer soil den Mehrwert einer iiberbetrieblichen Prozessintegration mit anschliefiender ganzheitlicher Optimierung auf die betroffenen ,Spieler' verteilen?" (Ebd.)
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Daraus folgt, dass „so etwas wie eine ,Supply Chain' als Referenzsystem einer optimierenden Gestaltung zwangslaufig immer schon ein Konstrukt ist, das aus einer Vielzahl vorgelagerter Selektionen bzw. ,Entscheidungen' hervorgegangen sein iind auf einer nicht voUstandig auflistbaren Zahl expliziter und impliziter Annahmen basieren muss"' (Ebd., S. 15). Wenn eine synoptische, auf das ganze System bezogene Optimierung moglich ware sie ist es schon mangels mathematischer Modellierbarkeit nicht -, dann galte sie einem System, das auf der Grundlage abgekappter Interdependenzen, implizit bleibender Annahmen, ausgeklammerter Abhangigkeiten und asymmetrischer Marktmacht als solches, als Referenzsystem der Optimierung, etabliert ware. Es kann nicht deutlich genug betont werden, dass wir hier also nicht iiber Probleme blo6 definitorischer Art sprechen. Ob die Belieferung des Einzelhandels Aufgabe der Industrie oder der Handler ist, oder das Entladen von Schiffen Sache der Schifffahrtslinien oder der Hafenund Lagergesellschaften, das zum Beispiel entscheidet iiber die Frage, wer die zugehorigen Biindelungspotenziale inklusive Skalenertrage abschopfen kann. Fazit insoweit: Untemehmungsnetzwerke einer ganzheitlichen Optimierung oder, allgemeiner, interorganisationale Netzwerke einem synoptisch-optimierenden Management zu unterwerfen, in Bretzkes Terminologie: einer starken Integration, ist weder moglich noch wiinschenswert. Die Kritik am Ideal synoptischer Planung hat Georg Schreyogg schon 1984 zusammengefasst und spater (z.B. 1991) weiter ausgearbeitet. In der alten Planungsdiskussion hiefien die Gegenbegriffe: Inkrementalismus, muddling through. Das legte den Akzent auf die zeitliche Dimension, auf die Unmoglichkeit, gleichzeitig alles (oder auch nur das Notige) zu sehen und zu wissen. Heute gehen wir weiter, in der Einsicht, dass auch nacheinander niemand, auch keine zentrale Planungsinstanz, alles Notige wissen kann. Das fiihrt zu der Figur der Selbstorganisation oder -regulation als neuem Gegenbegriff. Diese Konsequenz zieht auch Bretzke. Visibilitat wird dann vom synoptischen Ideal zu einer hochst widerspruchsvoUen und immer nur partiell und selektiv erfiillbaren Aufgabe, ihre Herstellung zu einer miihsamen Arbeit: Wer muss was sehen konnen? Wie kann das gewahrleistet werden? Und: Was muss ein Partner nicht sehen, und was soUte oder muss gar unsichtbar bleiben?
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Der Sinn der Sache - Wider die direkte Sinnintention Fiir die Organisationsberatung folgt daraus eine Wamung vor dem, was Odo Marquard „direkte Sinnintention" genannt hat. Sinn, sagt Marquard, ist ein Deckname fiir Gliick, und Gliick, obwohl alle es woUen, ist nicht direkt intendierbar, ja, wir verfehlen es in dem Mal^e, wie wir es direkt intendieren. „Mit direkter Sinnintention meine ich ein Verhalten, das demjenigen gleicht, das Hegel - in anderem Zusammenhang - durch die kleine Geschichte illustriert hat von jenem Mann, der Obst wollte und darum Apfel, Bimen, Pflaumen, Kirschen und Quitten verschmahte, derm er wollte nicht Apfel, sondern Obst, und nicht Birnen, sondern Obst, und nicht Pflaumen, sondem Obst, und nicht Kirschen, sondern Obst, und nicht Quitten, sondern Obst: er wahlte also den einzigen mit Sicherheit erfolgreichen Weg, gerade das nicht zu bekommen, was er doch wollte: namlich Obst; derin Obst ist - jedenfalls fiir uns Menschen - nur in Gestalt von Apfeln oder Birnen oder Pflaumen oder Kirschen oder Quitten zu haben" (Marquard 1986, S. 42). Organisationsberatung muss sich hiiten, „Obst zu woUen", soil heifien: Outsourcing, „Quasi-Extemalisierung", „Quasi-Intemalisierung" (Sydow 1992) und Netzwerke schlechthin zu woUen, wie es aber im Zuge weitverbreiteten Me-Too-Verhaltens haufig vorkommt, weil diese Formen zu Managementmoden und womoglich institutionalisierten rationalisierten Mythen im Sinne Meyers und Rowans (1977) geronnen sind. Auch das Gliick der gemeinsamen Sache lasst sich nicht direkt intendieren. Ob Netzwerke der Sinn der Sache sein soUen, das schon muss a priori als offene Frage behandelt werden. Wenn, dann sind sie „nur in Gestalt von Apfeln oder Bimen oder Pflaumen oder Kirschen oder Quitten" zu haben, und das iibersetze ich so: nur in Gestalt der Wahrnehmung und Bearbeitung konkreter Probleme der Interaktion, Kooperation und Koordination. Da geht es dann (zunachst) nicht um Netzwerke, sondem bescheidener - ich bleibe mit dem Beispiel vorerst bei Supply Chains - um die „eine Feder ..., die als Teil einer Scheibenwaschanlage spater Teil eines Automobils wird" (Bretzke 2005, S. 26) und um die Frage, wie man das zwischen zwei, drei oder mehr Partnern hinbekommen kann. Es geht um die Herstellung von Erwartbarkeit, daher um belastbare Lieferzusagen und die Anpassung von Produktionsplanen, um Bestandsreichweiten und Lieferzeiten, um Teilefamilien und Teileverwendungsnachweise, mit einem Wort: um die Miihen der Ebene. Dort iibrigens stol^t man auf eine iiberreiche Vielfalt von Anlassen zu Fach- im Unterschied zu Prozessberatung (vgl. zu dieser Unterscheidung Sydow in diesem Band). Beide verhalten sich zueinander jedenfalls nicht immer substitutiv, sondem meist oder sogar immer komplementar, mit sehr variablen Anteilen und partiellen Substitutionsmoglichkeiten. Ich nehme Diirrs Beitrag in diesem Band als eindrucksvoUe Prasentation einer Fiille einschlagiger fachlicher, logistischer Probleme und A.T. Keamey-Kompetenzen, deren Relevanz
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man nicht verkleinert, wenn man gleichwohl den im Titel - nicht so sehr im Texti bemuhten Anspruch auf gesamthafte Optimierung bestreitet. Netzwerke sind insofem, als Ganzes, „Zustande, die wesentlich Nebenprodukt sind" (Elster 1987) Nebenprodukt jener Miihwaltung. Wohlgemerkt: Die Kritik direkter Sinnintention bestreitet nicht Sinnintention iiberhaupt. Die Kritik direkten Intendierens von Netzwerken bestreitet nicht, dass Netzwerke intendiert sind oder sein konnen (so, wie wir eben auch Gliick oder Obst woUen konnen). Gemeint ist lediglich: (1.) Netzwerke sind entweder (l.a) Mittel zum Zweck zum Zweck effizienter Koordination - oder (l.b) „Selbstzweck" (sofem vertrauensvoUe, faire und/oder demokratische Kooperation vorschwebt), aber ein Selbstzweck, dem es wesentlich ist, nur als Nebenprodukt erreichbar zu sein. (2.) Selbst wenn Netzwerke als Mittel, also als Unterziele des Oberziels Effizienz (oder Profit) angestrebt werden, wird man sinnvoUerweise ebenso wenig „Netzwerke entwickeln" wie man Obst zuchtet. Sondem man wird (2.a) fragen, ob Quasi-Extemalisierung oder Quasi-Intemalisierung von Funktionen oder Teilprozessen als zweckmafiige Mittel iiberhaupt in Betracht kommen, und (2.b) nicht an einem Netzwerk schlechthin bauen und basteln, sondem an konkreten Modi der Interaktion, Kooperation und Koordination, die dann moglicherweise zu einem Netzwerk werden, und dies (3.) nie als reine Verwirklichung einer auf Netzwerke gerichteten Intention, und nun schon gar nicht einer gesamthaften Optimierung, sondem immer mit einem mehr oder minder grofien Anteil an Emergenz. Es kann darm (4.) der reflexive Blick auf dieses so entstandene Ganze, das Netzwerk, fallen und es zum Gegenstand weiterer Intentionen machen, aber wiederum mit den Kautelen (1.) bis (3.). Etwas salopp lasst sich all dies (mit Bretzke 2005, S. 28) auch so formulieren: Der Goldtopf namens Netzwerk liegt am Ende, nicht am Anfang des Regenbogens. Fiir eine Netzwerkheratung hat das zwei gegensatzlich anmutende Implikationen. Es impliziert einerseits das Erfordemis der Behutsamkeit angesichts der Gefahr, Netzwerke direkt statt indirekt, als ein AUgemeines statt als ein Besonderes - statt als Biindel besonderer Antworten auf konkrete Fragen der Koordination - und/oder als Zweck statt als Mittel zu intendieren und auf diese Weisen einer Netzwerkideologie zu fronen. Die Gefahr ist, dass Netzwerke dann nicht gebildet werden, weil es Effizienzoder andere Kooperationsvorteile bietet, sondem weil es en vogue ist und gar einer institutionalisierten Erwartung entspricht. Es impliziert andererseits, in diesem Rahmen und unter dieser Einschrankung, eine selbstbewusstere Bestimmung dessen, was Netzwerkheratung heifien kann: nicht in erster Linie die Beratung von Netzwerken als Klienten oder Adressaten (das ist ein Sonderfall, wenn auch ein nahe liegender), sondem Beratung in Netzwerkfragen. Netzwerkberater sind dann Experten in Sachen netzwerkformiger Interaktion/Kooperation/Koordination, ob sie nun einzelne oder mehrere Unternehmen, ob sie Untemehmen oder Netzwerke, schliejSlich, ob sie nun Netzwerke oder nur deren strategische Fiihrer beraten. Diese Bestimmung wird wohl fast trivial erscheinen, und doch stellt sie die Weichen anders als Manning und Sydow
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und auch Loose (in diesem Band) es mit ihrem Gitter tun, mit dem sie die Konstellationen der Beratung in und von Netzwerken einfangen wollen. Das sieht man daran, dass nach meinem Vorschlag einerseits der Fall I (Untemehmen beraten einzelne Unternehmen/Organisationen) durchaus ein Fall von Netzwerkberatung sein kann - , wenn er namlich Fragen einer moglichen interorganisationalen Kooperation, der Quasi-Ex- Oder Internalisierung zum Gegenstand hat, wahrend es andererseits nach diesem Vorschlag auch vorkommen kann, dass Netzwerke zwar Klienten sind, die Beratung aber nicht Fragen interorganisationaler Interaktion, Kooperation und Koordination zum Gegenstand haben, sondern zum Beispiel Expertise in Sachen Biotechnik, EUDschungel oder Fordermittel gefragt ist. (Natiirlich kommt das alles in praxi meist zusammen. Wir reden hier von analytischen Unterscheidungen.) Man konnte dem Manning/Sydow/Loose'schen Gitter auch eine dritte Dimension hinzufiigen: „Beratungsthema: Netzwerke/andere Themen'', um zu vermeiden, dass diese Falle durch das Raster fallen. Dieser Vorschlag erlaubt, Netzwerkexpertise als die besondere Ressource der Netzwerkberatung herauszustellen, und zwar zum Teil durchaus im Sinne einer Fachberatung - wie sehr diese auch immer in eine Prozessberatung eingeht. Dort, wenn iiberhaupt, gibt es eine Marktliicke (vgl. zu dieser Frage auch FinkAVamser in diesem Band). Das wirft die Frage auf: Welche besondere fachliche Expertise kann das sein, durch die sich Netzwerkberatung auszeichnet? Auf diese Frage mochte ich eine zweigeteilte Antwort geben, die mit einer etwas ungewohnlich anmutenden Unterscheidung operiert. Es bedarf einer doppelten Expertise, betreffend erstens die (technischen, logistischen, organisatorischen etc.) Nwfzen-Interdependenzen, betreffend zweitens die - im weitesten Sinne - moralischen Interdependenzen bei der Interaktion und Kooperation. Was mit letzteren gemeint ist, erlautere ich im 5. und 6. Abschnitt. Fiir erstere biete ich jetzt, im 3. Abschnitt, noch einmal das Beispiel des Supply Chain Managements und das der Visibilitat in Kooperationszusammenhangen auf.
Synoptik versus Visibilitat Starke Integration verlangt (im Ideal) nach synoptischer Planung. Wenn Bretzke (2005, S. 26) die Chancen und Flemmnisse der Herstellung netzwerkweiter Visibilitat analysiert, dann „nicht als notwendige Bedingung stark integrierter Planung, sondern schlichter als Basis einer intelligenten Koordination.'' Es geht dann darum, Lieferketten iiberraschungs- und storungsarmer zu machen; Sicherheitsbestande, Uberkapazitaten und Durchlaufzeiten zu reduzieren; Standardlieferzeiten durch belastbare Lieferzeitzusagen zu ersetzen; in der Produktionsplanung der Lieferanten vom „un-
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constrained forecast" durch Beriicksichtigung prazisierter Versorgungsengpasse zum „ constrained (committed) forecast" zu kommen, in Abhangigkeit von ebenfalls Schritt fiir Schritt prazisierten Bedarfsanforderungen der Kunden; das exception management zu entlasten und zu verbessem; alle wichtigen Zulieferer in eine Visibilitats-Kaskade einzubeziehen. Es geht um die Beherrschung einer imter Umstanden enormen Produktkomplexitat und um viele andere Komplexitatstreiber (s. den Beitrag von Diirr in diesem Band). Gebraucht werden Planungssysteme, die „What-if-Situationen" durchfiihren konnen. Gefragt sind Kompatibilitat und Standardisierung. Aber: „Die Furcht, sich vor der Herausbildung eines Standards fiir das falsche System zu entscheiden, kann Investitionsentscheidungen ebenso blockieren wie die Angst, durch die Komplexitat einer parallelen Bedienung nicht standardisierter Kundensysteme alle moglichen Vorteile einer ,Supply Chain Collaboration' gleich wieder zu verlieren" (Bretzke 2005, S. 27).2 Es geht um den bullwhip-EHekt, um kritische Massen und um tausend andere Hemmnisse fur Visibilitat und Koordination, zu deren Uberwindung Fachberatung und logistische Expertise sehr gefragt und sehr niitzlich sein konnen. Netzwerkberatung hat es in betrachtlichem Mafie mit solchen kniffligen Detailfragen interaktiver Koordination von Interaktionen und, in diesem Zusammenhang, mit der punktuellen, spezifizierten, konkreten Herstellung von Visibilitat zu tun, einer Visibilitat, die das Resultat dieser Anstrengungen und nicht ihre idealistische, synoptische, abstrakte Voraussetzung ist. Bretzke (2005, S. 28) fiihrt noch ein letztes Problem an: mangelndes Vertrauen. Das zahle ich zu den moralischen Interdependenzen, die erst im 5. und 6. Abschnitt Thema sind. Schon hier aber darf es erwahnt werden, well ja ersichtlich Vertrauen, obwohl selbst nicht nutzenbasiert, nicht auf Nutzenkalkiile griindbar, erhebliche Nutzeniuirkungen haben kann. Visibilitat bedingt den Austausch sensibler Daten. Das dient der Effizienz des Ganzen, mindert aber vielleicht die Effizienz oder Profitabilitat des Einzelnen. Ohne Vertrauen wird es da schnell schwierig. Das (in Grenzen wirksame) funktionale Aquivalent ist auf Macht, Drohungen, KontroUe und Anreizen beruhende Notigung. Was iiberwiegt, ist eine empirische Frage. Einmal mehr zeigt sich, warum synoptische Planungsideale die raue Wirklichkeit verfehlen: well Sichtbarkeit immer selektiv ist - Sehen bedeutet denknotwendig Absehen-von - und die je besondere Selektivitat einer in Netzwerken hergestellten Transparenz immer Ausdruck der darin zur Geltung gebrachten Macht- und Interessenverhaltnisse ist. Bevor nun moralische Interdependenzen wie das Vertrauen Thema werden, sei noch eine Klarstellung in puncto (reiner) Selbstorganisation vorgenommen. Immer, so hatte ich mit Bretzke argumentiert, haben wir es mit Selbstorganisation zu tun. Heifit das, dass Intention, Planung und Steuerung fiir alle Netzwerke gleichermafien eine quantite negligeable sind?
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Relne Selbstorganisation?
Nun lautet Bretzkes Alternative zu einer starken nicht etwa gar keine, sondern schwache Integration, nicht etwa gar keine Planung, sondern Planung im Rahmen einer interaktiven Selbstregulation. Das ist auch gut so und gibt Anlass zu der Klarstellung, dass Selbstorganisation nicht mit frohlicher Anarchie und schon gar nicht damit in eins zu setzen ist, die Dinge einfach treiben zu lassen. Die Idee ist, „dass lose gekoppelte dezentral gesteuerte Regelkreise mit unvorhergesehenen Anderungen wesentlich besser fertig werden als jeder Versuch, auf Parametervariationen mit immer neuen Entwiirfen einer unternehmensiibergreifenden Gesamtplanung zu reagieren. Die Idee, lokale Probleme immer auf eine Zentralinstanz zu eskalieren, muss letztlich zu einem unbeweglichen btirokratischen Monster fiihren, das sich irgendwann mit seinen (Anpassung-)Zeitverlusten und seinen selbst produzierten Dominoeffekten eigenstandig lahm legt" (Bretzke 2005, S. 25 f.). Die Idee ist: offene, nicht konvergierende, sich mehrseitig iiberlappende, polyzentrische Netze (ebd., S. 26). Das klingt gut. Und doch bleibt angesichts dieser Idee ein Ungeniigen oder Unbehagen, das ich in die Frage kleiden mochte, wie wir in strategischer Absicht entstandene und entwickelte Netzwerke von nicht-strategischen dann noch unterscheiden konnen. Sind nicht nur die letzteren ein Fall reiner Selbstorganisation, wahrend erstere ihre Existenz eben doch einer auf Netzwerke gerichteten Intention (und womoglich Planung) verdanken? Fest steht jedenfalls, dass wir beide Falle miissen unterscheiden konnen. Aber wie? Dass hier das Gegensatzpaar Planung/Steuerung versus Selbstorganisation nicht genug Tiefenscharfe hat, um die Unterscheidung zu treffen, sieht man gut an dem letzten Bretzke-Zitat selbst. Dort ist, ganz zu Recht, die Rede von selbst produzierten Dominoeffekten und eigenst'andi^em Sich-selbst-Lahmlegen von „Zentralverwaltungen", mit anderen Worten: von Selbstorganisation. Schlagender lasst sich kaum demonstrieren, dass auch bei einer Zentralplanung Prozesse der Selbstorganisation ihre RoUe spielen, in Bretzkes Beispiel sogar eine verhangnisvolle, keineswegs eine Nebenrolle. Es fiihrt in eine Schieflage, auf diese Art Fremd- und Selbstorganisation zu unterscheiden. Wir tun besser daran, Selbstorganisation als den allgemeinen Fall aufzufassen und darunter mit zwei Fallen zu rechnen: solchen, in denen Intentionen, Planung und Steuerung eine RoUe spielen (wie bei strategischen Netzwerken) und solchen, bei denen das nicht der Fall ist (wie bei vielen regionalen Netzwerken, die ohne strategische, planerische Absicht entstanden sind). Strategische Netzwerke, um es pointiert zu sagen, sind dann Falle von Selbstorganisation mit intervenierender Intention/Planung/Steuerung.
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Eine solche theoretische Fassimg erfordert es dann allerdings, in diesen letzteren Fallen, und daher auch im Falle des Supply Chain Managements, das Verhaltnis von Selbstorganisation und intentionaler Steuerung genauer zu bestimmen, genauer auch, als die gelaufige Rede von Kontextsteuerung oder gelenkter Evolution es tut. Hier miissen wir meines Erachtens erstens mit Komplementaritat und Rekursivitat, aber auch mit Supplementaritat in einem gefahrlichen, dekonstruktiven Sinne rechnen: damit, dass intentionale Steuerung und Selbststeuerung einander erganzen und stiitzten, aber auch damit, dass sie einander gefahrden und ersetzen. (Bretzkes Selbstlahmung einer Zentralverwaltung ware ja ein Fall der Gefahrdung jedweder Selbstorganisation durch die zentrale Planung und der Konterkarierung der Zentralplanung durch Selbstorganisation.) Zweitens wird es notig sein, Ehenen des intentionalen Steuems und Uberwachens zu unterscheiden. Dass auf lokaler Ebene intentionale Steuerung moglich und sinnvoU ist und erfolgt, heifit nicht, dass sie auf (system-)globaler Ebene moglich und sinnvoU ist. Wenn sie aber auf globaler Ebene nicht moglich und sinnvoU ist, impliziert das nicht, dass auf dieser Ebene kein (selektives, partielles) monitoring moglich ist, und es impliziert auch lucht, dass von globaler Warte aus kein lokales Umsteuem moglich ist. Durchaus denkbar ist vielmehr, dass a) im Rahmen eines globalen monitoring gesehen wird, dass die Dinge aus dem Ruder laufen, und b) Kurskorrekturen vorgenommen werden, die dem abhelfen soUen und dazu allerdings auf lokaler Ebene greifen miissen (was wegen der Krafte der Selbstorganisation immer prekar bleibt). Reine Selbstorganisation im Sinne jedweden Fehlens einer auf das ganze Netzwerk gerichteten Intention ist dann ein besonderer Fall, und man muss sehen, dass dann Richtung und Resultate selbsttragender, selbststeuemder Prozesse auch voUstandig diesen Prozessen iiberlassen bleiben. Das kann in wiinschenswerte ebenso wie in ganz unerwiinschte Richtungen und Ergebnisse treiben, in effiziente wie in ineffiziente. Das Silicon Valley durfte davon profitiert haben, aber strukturschwache Regionen, Branchen oder Netzwerke konnen aufgrund selbsttragender, selbstverstarkender Abwanderungsprozesse zu Verlierem werden. Das Ruhrgebiet mag so erst gewonnen haben, um dann aber in ein komplexes Lock-In zu geraten (Grabber 1993). Diese Falle ungeplanter und (zumindest zunachst) ungesteuerter Entwicklung konnen nicht verallgemeinert und schon gar nicht zum Ideal erhoben werden. Angesichts dessen darf man die Idee der Selbstregulation und blofi lokaler Anpassung nicht iiberstrapazieren. Die vielen kleinen, lokalen Entscheidungen bieten nicht die Gewissheit, insgesamt in eine erwiinschte/effiziente Richtung zu treiben. Es gibt selbst auf Markten, aber auch in Untemehmen und innerhalb von Netzwerken, was als „the tyranny of small decisions" und als Widerspruch zwischen „micromotives and macrobehavior" in die Literatur Eingang gefunden hat (Kahn 1966; Schelling 1978). Intervention und auch Netzwerkberatung ist „mehr als Irritation" (Sydow in diesem Band). Schwache Integration, wie Bretzke sie vorschlagt, scheint mir insofem eine gute Idee, als damit klargestellt ist: nicht Null-Integration. Wenn er damit allerdings nur „die
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Herstellung einer unternehmungsubergreifenden Transparenz von Bedarfen, Bestanden, Kapazitaten und Prozesszustanden" meint (2005, S. 22), dann ware das eine sehr schwache, fiir viele empirische Falle der Untemehmungsvemetzung wohl allzu schwache Form der Integration, da sie auf jede Art intentionalen Eingreifens, die liber Transparenzsicherung hinausgeht, zu verzichten scheint. ,Selbstorganisation' heifit: Organisation ohne - oder jenseits von - Intention und Entwurf (Design). Der logische Gegenbegriff lautet also nicht etwa ,Fremdorganisation',3 sondern „wie-intendiert-realisierte (geformte) Organisation". AUes, was ich bisher zu dieser Unterscheidung gesagt habe, lauft darauf hinaus, dass Selbstorganisation eine Sache des Grades ist, mit dem Fall vollkommener Deckung von Entwurf und realisierter Organisation als allenfalls theoretisch vorstellbarem Extremfall und dem umgekehrten Fall reiner Selbstorganisation als anderem Extrem, das aber die Richtung und die Resultate von Prozessen ganz und gar sich selbst iiberlasst. Mit Blick auf Organisationen, sodann auf stark und schliefilich auf schwach integrierte interorganisationale Netzwerke kommen wir am besten zurecht, wenn wir von Selbstorganisation mit abnehmenden Graden an Intendiertheit (Geformtheit) ausgehen. (Nicht-strategische) regionale Netzwerke sensu Sydow (1992) kommen zu ihrer (sehr schwachen) Integration im Extrem ohne darauf gerichtete Intention, Planung und Steuerung. Das, so lasst sich von hier aus fortfahren, etabliert ein Steuerungsdilemma. Bretzkes Erinnerung an die Kritik zentralistischer Planung verweist auf das eine Horn des Dilemmas, die Unmoglichkeit, an einer (zentralen) Stelle iiber alles Notige informiert zu sein und dementsprechend „richtig" zu steuem. Das andere Horn aber wurde auch schon genannt: Reine Selbstorganisation impliziert den Verzicht auf Steuerung durch system- b z w ebenenfremde oder -eigenel - Akteure und iiberlasst alles den Kontingenzen der Pfadabhangigkeit. Ich mochte dieses Dilemma hier nicht allgemein erortem, sondern mit Blick auf das Thema dieses Bandes kurzerhand postulieren: Schon die Netzwerke selbst, dann aber auch die Task Force, Projektteams, Konferenzen, Stakeholder-Gruppen, Kommissionen, Planungsmeetings (Future Search u.a.), Grofiveranstaltungen (mit Kleingruppen), Open Spaces und ahnliche Formen der Organisation von Kommunikation und Steuerung, die in diesem Band vorgestellt werden, konnen im Lichte dieses Dilemmas als seine temporare, partielle Auflosung aufgefasst werden. Sie mildem betrachtlich das Informationsproblem der Steuerungsinstanz und lassen a) einer Selbststeuerung des Planungsprozesses - Open Spacel - und b) einer anschliefienden Selbstorganisation in der Realisationsphase geniigend Raum, ohne indes auf u.U. energische - Steuerung zu verzichten, ohne also sich mit blofier Irritation zu bescheiden. (Durchaus energisch war ja sowohl die von Weisbord und Janoff in diesem Band berichtete Umgestaltung der Wertschopfungskette bei IKEA als auch die von „Konigswieser & Network" begleitete Arbeit an „Wien als Stadt fiir Senioren".) Das Verhaltnis von Design und Selbstorganisation kann dabei recht gut mittels Roswita Konigswiesers Figur einer systemischen Schleife bedacht werden, die insofem eine allgemeinere Relevanz erhalt. Das ist geeignet, unfruchtbaren Entgegensetzungen zu
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entkommen. In rekursiven Schleifen wird man die Dinge der Selbstorganisation iiberlassen, die aber einem laufenden monitoring und bei Bedarf der Reflexion und eventuell einer Umsteuerung unterworfen wird.
Gemeinsame Sache I: Netzwerke Die Gemeinsamkeit der gemeinsamen Sache kann im Falle von Netzwerken wie in jeder Kooperation erstens in ihrem extrinsischen Nutzen fiir die Beteiligten, zweitens darin gesehen werden, dass es eine Menge gemeinsamer Einstellungen und intrinsic scher Werte gibt, die in der Kooperation realisiert werden konnen und sie auch jenseits extrinsischer Nutzen attraktiv erscheinen lassen - asthetische, kulturelle, professionelle und politische Werte, um Beispiele zu nennen. Solche Werte mag der Okonom noch zu den Nutzen im weiteren Sinne zahlen, obwohl sie Effizienz- und Profiterwagungen transzendieren. Nicht unter Nutzenkategorien zu subsumieren sind die am Ende des dritten Abschnitts erwahnten moralischen Interdependenzen, die jede Kooperation impliziert. Zwar haben die Arbeiten Robert Axelrods (1997a, b) nachdriicklich demonstriert, dass Kooperation, modelliert in Computerprogrammen, auch „ohne Freundschaft und ohne Voraussicht" auskommen und eine schier nutzenbasierte Gemeinsamkeit zwischen Kooperationspartnem stiften kann. Es lasst sich aber zeigen, und ist auch von Okonomen immer wieder einmal gezeigt worden (gezeigt und dann doch wieder vergessen oder ignoriert worden), dass jedwedes Wirtschaften, jedwedes Tauschen auf moralischen Voraussetzungen aufruht und moralische Ressourcen in Anspruch nimmt, die es aus sich selbst heraus nicht erzeugen kann. (Und selbst bei Axelrod 1997a, S. 77, spielen „moralisches Bedauem iiber einen Vertrauensbruch" und „eine durchschlagende Rache-Ethik" eine wichtige RoUe in Sachen Reziprozitat, sobald er auf Falle aus dem wirklichen Leben zu sprechen kommt, hier: auf das Leben-und-leben-lassen zwischen feindlichen Soldaten im Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges. Selbst die nutzenorientierte Einhaltung einer auf Gegenseitigkeit beruhenden Strategie „hing auch von der Frage ab, was moralisch geboten und angemessen war ...".) Loyalitat, Fairness, Vertrauen in die (moralische) Integritat von Partnem: das sind einige solcher moralischer Ressourcen, die nicht nur nicht im Wege des Tauschs gegeben und genommen werden konnen, sondem durch die einhergehenden Nutzenkalkiile geradezu unterminiert und gar zerstort wiirden. Wer Loyalitat, Fairness oder Vertrauen nur deshalb gewahrt, „weil es sich lohnt", weil er dafiir im Austausch Niitzliches zuriickerhalt, der gewahrt keine Loyalitat, keine Fairness, kein Vertrauen. Nun braucht es nur noch zwei Argumentationsschritte, um die Unhintergehbarkeit moralischer Interdependenzen in jedweder Kooperation, also auch innerhalb von inter-
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Gemeinsame Soche?
organisationalen Netzwerken zu zeigen. Erstens: Vertrauen, Loyalitat und Fairness sind, wie Okonomen von Kenneth Arrow (1974) iiber George Akerlof (1982) bis zu Dieter Sadowski (2002) gezeigt haben, Schmiermittel der Okonomie.^ Zweitens: Die Menschen bringen die erforderlichen moralischen Dispositionen von sich aus mit. Sie zeigen Sinn fiir Fairness, Loyalitat, Vertrauen (und Vertrauensmissbrauch!), und sie lassen sich die Einhaltung entsprechender reziproker Pflichten - und die Bestrafung einschlagiger Pflichtverletzungen! - etwas kosten, wie die im zuriickliegenden Jahrzehnt mit wachsender Aufmerksamkeit bedachte experimentelle Wirtschaftsforschung eindrucksvoU belegt hat.^ AUerdings ist die Einhaltung von Reziprozitatsnormen stark vom Verhalten der je anderen und von institutionellen Umstanden abhangig. Personelle und interorganisationale Netzwerke nun konnen sich zu institutionellen Arrangements entwickeln, innerhalb derer die Ausbildung solcher Reziprozitat stark begiinstigt wird. (Damit ist nicht gesagt, dass es nicht auch Netzwerke gibt, die kaum auf Vertrauen, Loyalitat und Fairness, dafiir aber umso mehr auf Macht und Abhangigkeit beruhen. Auch ist damit nicht gesagt, dass reziprozitatsnormbasierte Netzwerke per se effizienter sind. Vor diesem letzteren Kurzschluss wurde ja schon eingangs gewarnt.) Wenn man zu dieser Unterscheidung von Nutzen- und moralischen Interdependenzen noch die im vierten Abschnitt prazisierte Unterscheidung zwischen Selbstorganisation und geformter Organisation und das dort erlauterte Steuerungsdilemma hinzunimmt, kann man, beide zusammenfiihrend, sagen: Personate und interorganisationale Netzwerke sind die „geometrischen Orte" - soziale Orte -, an denen sich zugleich jenes Steuerungsdilemma und die allfdlligen Dilemmata zwischen Nutzen- und moralischer Orientierung wenn nicht beheben, so doch bearbeiten lassen, ohne sie nach der einen oder der anderen Seite hin aufzulosen. Das mochte ich anschliefiend mit Blick auf die moralischen Interdependenzen am Fall jener personalen (wenn auch u.U. organisationsiibergreifenden) Netzwerke noch etwas erlautern, die ich communities of change nenne.
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Gemeinsame Sache II: communities of change
Geplanter organisatorischer Wandel pflegt, wie jeder weifi, in Arbeitsgruppen, Teams, Meetings und anderen Formen der Interaktion und Kommunikation entworfen und vorangetrieben zu werden. Dafiir sprechen die bekannten Informations- und Motivationsvorteile, einschliefilich des Umgangs mit dem genannten Steuerungsdilemma. Sie sind so oft aufgezahlt worden, dass ich mich hier auf die in der Diskussion meist vernachlassigte moralische Dimension konzentrieren kann.
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Ich schlage zunachst vor, eine Teilklasse der von Wenger, Lave, Brown und Duguid beschriebenen communities of practice^ ins Auge zu fassen, die Teilklasse derjenigen namlich, die sich, und sei es zeitweise, fiir die Praxis des Wandels herausbilden und spezialisieren, und die ich daher communities of change nennen mochte. Die oben angefiihrten Organisationsformen, die nicht zuletzt auch im Falle der Netzwerkberatung eine erhebliche RoUe zu spielen scheinen. Task Forces, Projektteams, Grofiveranstaltungen, Planungsmeetings etc., verstehe ich als temporare Weisen der Organisation dieser communities, Formen, deren mit Abstand wichtigste Eigenschaft es ist, dass sie erlauben, dass etwas entsteht, das sich nicht direkt intendieren lasst und das daher ohne direkte Steuerung erreicht werden muss: Neues7 Die Kreation von Neuem bedeutet bekanntlich die Herabsetzung, wenn nicht Zerstorung des Alten, des bisher Geltenden. Sie erfordert daher erstens die Bereitschaft, sich uber das bisher Geltende - und dessen oft machtige mikropolitische Sachwalter! hinwegzusetzen, bis hin zur Regelverletzung und gar zu „brauchbarer lUegalitat" (Luhmann 1964). Sie erfordert zweitens: Wissenstransfer. Beides, das ist die These, auf die es mir hier ankommt, kann sich zwischen Interaktionspartnem nicht auf der viel zu fragilen Basis reiner Nutzenorientierung entwickeln. Man muss sich, damit die Schritte ins Neuland und das Fliefien, das - riskante! - Geben und Nehmen von Wissen und Konnen moglich werden, auf die anderen verlassen konnen, und dafiir reicht ein rein nutzenbasiertes, nur mit dem Nutzenkalkiil der anderen rechnendes Sichverlassen-auf nicht aus. Es braucht ein moralbasiertes Sich-verlassen-auf, und dafiir reserviere ich den Namen ,Vertrauen' (vgl. Ortmann 2003, S. 213 ff.) - Vertrauen im Sinne eines Glaubens an die Integritat, Loyalitat, Fairness, an den, horrihile dictu, Anstand des oder der anderen. Communities of practice und daher auch communities of change sind solche sozialen Orte, an denen sich diese Ressourcen, auf der Basis von Reziprozitat, aber nicht einer Tawsc/ireziprozitat, interaktiv entwickeln lassen - besser als auf Markten und in Hierarchien, und auch besser als im oft allzu grofien Rahmen von Netzwerken mit ihren u.U. grofien raumlichen, zeitlichen, sachlichen und sozialen Distanzen. Wer sie als Instrument des Wandels genutzt sehen und von aufien oder von oben installieren will, muss wissen, dass sie als solche nur in dem MajSe funktionieren werden, wie sich eine solche Reziprozitat jenseits von Oktrois und jenseits blofier Nutzenkalkule entwickeln kann. Das ist das Kunststiick jedweder Organisations-, erst recht aber der Netzwerkberatung. Es ist das Kunststiick der Inklusion dessen, was aufierhalb jener Nutzen- und Tauschorientierung liegt, die doch die raison d'etre des Organisierens, der Organisationen und auch vieler interorganisationaler Netzwerke ausmacht. Die grofie Bedeutung von Planungsgesprachen vor einem open space oder future search scheint mir ein Indiz fiir das Erfordemis einer extrem diffizilen Balance zu sein, die hier gefragt ist: der Balance zwischen Nutzeninterdependenzen einerseits und moralischen und emotionalen Interdependenzen andererseits. Die Planungsgesprache mussen gewahrleisten, dass die Moral und die Emotionen der Beteiligten nicht durch Planung und Instrumentalisierung erstickt werden.
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Gemeinsame Sache?
Wohlgemerkt: Diese moralischen Ressourcen postuliere ich meinerseits nicht aus moralischen Griinden. Sondem meine Behauptung ist: Sie sind Funktionsbedingungen von Organisationen und interorganisationalen Netzwerken und besonders jedweder Innovation - auch des organisatorischen Wandels - und des dort gefragten Wissenstransfers. Es gibt sie (wenn auch in sehr verschiedenen Graden, Formen und Inhalten), und ohne sie geht es nicht. (Sie von einem hoheren gesellschaftlichen Standpunkt moralisch zu postulieren, ware iibrigens schon deshalb abwegig, weil auch Ganovenehre, die Moral von Kartellschmieden oder die von Korrupteuren diese Funktion erfiillt. Auch sie kommen ohne eine einschlagige Moral nicht aus.) Communities of practice sind Erfahrungsgemeinschaften. Communities of change sind es, die der Besonderheit der Umstande, der Kontextualitat und situativen Einzigartigkeit von Reorganisationsvorhaben Rechnung tragen und dabei das kanonisierte Wissen einer Organisation oder auch eines interorganisationalen Netzwerkes transzendieren miissen und kdnnen. Gemeinsame Sache, das heifit fiir sie: (1.) ein gemeinsamer Erfahrungshintergrund in Sachen „Reorganisation", (2.) einschlagige soziale und Fachkompetenzen, einschliefilich kommunikativer Kompetenz und „mutual knowledge", des Wissens um das Wissen der anderen, (3.) Anerkennung untereinander als Praktiker und Mitglieder der community und (4.) geteilte Normen der Reziprozitat, betreffend das Geben und Nehmen von Wissen, gegenseitige Hilfe und besonders ein professionelles Einvemehmen in puncto nicht-kanonisierten, vom formalen Regelwerk nicht gedeckten Wissens, Konnens und Handelns. Reziprozitat nun ist nicht Sache einer kiihlen Vemunftmoral. Starke Emotionen vielmehr sind mit zugehorigen Reziprozitatserwartungen - und Erwartungsenttauschungen! - verbunden. Im positiven Falle resultieren Kooperations-, im negativen Falle Defektionsketten mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Das bringt mich in die Lage, mit der Moral und den Emotionen gleich zwei Dimensionen sozialer Interaktion in Anspruch zu nehmen und fiir hoch relevant zu erklaren, die vielen Sozialwissenschaftlern, und zumal Okonomen, eher suspekt sind. Statt fiir diese Theorieoption hier theoretisch zu argumentieren,^ verweise ich exemplarisch auf einschlagige Indizien in Fallstudien aus diesem Band. Wenn Roswita Konigswieser (S. 277 in diesem Band) Vertrauen als Funktionsbedingung fiir Netzwerke und Reziprozitat als ihr Funktionsprinzip anfiihrt, so scheint mir diese allgemeine Bestimmung nur insofern etwas zu stark formuliert, als sie eine „schone, heile Netzwerkwelt" zu suggerieren scheint - scheintl Konigswiesers eigene Fallstudie bietet ja genligend Gegenbeispiele. Dass es ganz ohne Vertrauen und Reziprozitatsnormen nicht geht, war aber auch mein Argument. Wenn Konigswieser femer „eine moglichst dichte, emotionale Kommunikation" (S. 278) als Bedingung fur ein Systemlemen des Klientensystems und eine Starkung seiner Identitat betont und Grofiveranstaltungen als eine Organisationsform dafiir empfiehlt, dann ist das in Einklang mit dem Pladoyer fiir die Relevanz von Emotionen. In Weisbords und Janoffs Analyse kommen eine ganze Reihe von Begriffen vor, die eine starke emotionale Di-
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mension haben: „starke Ablehnung" aus Sorge um den eigenen Einfluss; Einsicht, dass die Leute alle in derselben komplexen Welt leben; Unglaubigkeit oder Einverstandnis; lebhafte Diskussionen oder Stille; Begeisterung; Empfinden fiir kreative Moglichkeiten; Stolz; Bedauem; Angst um den Job; Commitment; hitzige Diskussionen wahrend der Pausen und des Essens; Energie der Manager; ihre Sorge und ihr Misstrauen; Bedrohung der Identitat; Spannung zwischen Selbst und System; Identifikation mit den Planen. „Wir konnen nicht sicher sagen, wie diese Prozesse funktionieren", sagen Weisbord und Janoff an einer Stelle iiber die erstaunlichen, erstaunlich schnellen, intensiven und wirksamen Vorgange bei der Restrukturierung der IKEA-Wertschopfungskette (S. 160 in diesem Band). Wir Aufienstehende, Leser ihrer Fallstudie, konnen es erst recht nicht. Aber wir konnen einer Intuition Raum lassen, die sich bei der Lektiire unweigerlich aufdrangt: dass der Schlussel zum Verstandnis nicht allein in der versammelten Kompetenz (Stichwort ,Steuerungsdilemma'), sondem vor allem auch in der Moralitat und Emotionalitat liegt, die sich in situ entwickeln konnte. (Und sie kormten sich entwickeln, weil ihnen dafiir ein Moglichkeitsraum gegeben wurde, und nicht etwa deswegen, weil es niitzlich war, dass sie sich entwickelten. Es war niitzlich, weil es vom Diktat des Nutzens befreit war.) Anwesenheit, nicht selbst Merkmal von communities of practice, scheint dafiir einmal mehr ihre immer wieder iiberraschende Wichtigkeit zu erweisen, nicht zuletzt, um Reziprozitat und Gemeinsamkeit - gemeinsame Begeisterung, gemeinsames Denken, gemeinsame Taten statt Worte - sichtbar werden zu lassen und Emotionen zu wecken, die ansteckend wirken. Man gibt dann nicht um der Gegengabe willen Hilfe und Wissen, aber in der Gewissheit, dass das eigene Geben keine Einbahnstrafie bleiben wird, einer Gewissheit, die durch Koprasenz augen- und sinnfallig und schnell bestatigt, sanktioniert und gefestigt werden kann. Auffallig jedenfalls ist die RoUe, die Anwesenheit in vielen Fallstudien spielt, wenn es gilt, aus communities of change zeitweise kommunikations-, begeisterungs- und entscheidungsfahige Einheiten-in-Vielfalt zu bilden. Niklas Luhmann hat die Indifferenz der (mit Geld abgefundenen und angereizten) Organisationsmitglieder gegenuber den Organisationszwecken als evolutionare Errungenschaft und Mobilitatsschub gefeiert. Heute scharfer als friiher sieht man, dass er sich zu friih gefreut hat. Uberall wird eben diese Indifferenz zum Problem. Viele nicht alle! - Fallstudien, die in diesem Band versammelt sind, handeln von dem handfesten, praktischen Desiderat, Indifferenz in Initiative zu iiberfiihren - Initiative fiir eine gemeinsame Sache. (Ein letztes Mai: Die gemeinsame Sache mag eine gute oder eine schlechte sein. Die Gemeinsamkeit mag viele oder wenige ausschliefien, und das zu Recht oder zu Unrecht.) Open Space und Future Search sind, als Metaphem genommen, sprechende Namen fiir die notwendige Offenheit der Suche nach Neuem dafiir, dass es hier um das Kunststiick der Organisation des Nichtorganisierbaren geht, ums Intendieren des Nichtintendierbaren, um die Inklusion des ausgeschlossenen nicht-kanonisierten Wissens, um Nutzen, der auf einer Moral aufruht, die mit Nutzenkalkiilen nichts zu schaffen hat.
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Gemeinsame Sache?
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Netzwerkberatung, Beratungsnetzwerke
Fiir die Netzwerkberatung im eingangs definierten Sinne der Beratung in Netzwerkfragen diirfte es wichtiger als fur thematisch anders gelagerte Beratungsaufgaben sein, Kompetenzen in der Handhabung dieser paradoxalen Anforderungen aufzubauen und einzubringen - ob nun im Wege einer Fach- oder einer Prozessberatung. Mir war besonders an den (moralischen) Reziprozitatserfordernissen und an der Einsicht gelegen, dass Vertrauen, Loyalitat und Fairness sich auf einem (inter-)organisationalen Humus entwickeln miissen - dass sie als (Inter-)Organisationskultur wachsen miissen und nicht als Mittel zur Erzielung von Effizienz oder Rentabilitatszwecken direkt intendiert werden konnen. Das heifit nicht, dass ihr Wachstum keine kompetenten Forderer, zum Beispiel Netzwerkberater, notig hatte oder gebrauchen konnte. Die Befolgung von Reziprozitatsnormen hangt vom Verhalten aller und von geeigneten institutionellen Arrangements ab. Die fallen nicht vom Himmel. Offene Raume, innerhalb derer man Kanonisiertes und Altes ebenso hinter sich lassen kann wie starre Regeln der Informationspreisgabe, sind ein Beispiel fiir solche Arrangements. Spielregeln, auch solche, die Sanktionen fiir das Verhalten in puncto Reziprozitat vorsehen und dadurch entsprechende Normen bewusst machen, symbolisch hoch- und in Erinnerung halten, miissen deshalb nicht liberfllissig sein. Fiir all das ist Netzwerkkompetenz vonndten. Moralitat und Emotionalitat sind aber Dimensionen der Interaktion, in denen mehr als anderswo praktische Erfahrung und situative Urteilskraft gefragt sind. Netzwerkberatung erfordert Reziprozitiitskompetenz, Kompetenz in der Handhabung von Nutzen-, dann aber besonders von moralischen Interdependenzen. Sie erfordert solche Kompetenz mehr als traditionelle Organisationsberatung, well und insofern sie es mit weniger hierarchischen Verhaltnissen zu tun hat, weniger mit Hierarchien, die eine Orientierung an Normen der Reziprozitat (nicht entbehrlich, aber) weniger dringlich und weniger moglich machen. Hierarchie ist ja in Grenzen ein funktionales Aquivalent fiir eine Reziprozitatsmoral. Netzwerkberatung hat es daher in zweierlei Hinsicht mit gesteigerter Komplexitat zu tun: erstens, weil zu den organisationsinternen Nutzeninterdependenzen die organisationsiibergreifenden hinzukommen (und ins Innere der Partnerorganisationen zuriickwirken), zweitens, weil insofern moralische Interdependenzen ein grofieres Gewicht haben und schwierige Fragen der Balance zwischen beiden Interdependenzarten aufwerfen. Moglich, dass Prozessberater und Beratungsnetzwerke einen Vorsprung in Sachen Reziprozitatskompetenz erlangen: erstere, weil es dabei mehr als in anderen Fragen auf den Prozess der „Kultivation" ankommt, letztere, weil sie von Haus aus starker mit einer nicht auf Tauschnutzen reduzierten Reziprozitat befasst sind und einen Teil der ndtigen Erfahrung „am eigenen Leibe" machen konnen (dazu auch Elsholz/Dehnhostel 2004). Moglich auch, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Beratungsnefzwerken bei Netzwerkthemen leichter als Mitglieder der einschlagigen community of change Anerkennung finden, was fiir jedwede Beratung eine wichtige Bedingung er-
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folgreicher Arbeit ist. Das waren offensiv zu nutzenden Vorteile, wahrend das - soweit ich sehe - dominante Motiv des Ressourcenpooling in dem Sinne defensiv bleibt, dass es bei Beratungsnetzwerken meistens um eine Antwort auf eine zu geringe Grofie und Starke der einzelnen Partner(-Untemehmen), um giinstige Ausschnittsbildung und vielleicht noch Spezialisierungs- und Komplementaritatsvorteile geht. AUe diese Vorteile, wenn sie derm realisiert werden konnen, mussen die Nachteile, die mit der mangelnden Grofie, Schlagkraft und Reputation der meist kleinen Partner verbunden sind, keineswegs aufwiegen. Der standige Wechsel von Partnem fur je spezifische Projekte/ Kundenauftrage bringt, auch wenn die Partner aus einem leidlich stabilen Netzwerkpool gewonnen werden konnen, ebenfalls nicht nur Vorteile mit sich. Warum Beratungsnetzwerke es zu mehr als einer Nischenexistenz bringen soUen, begiinstigt vielleicht durch eine Einzelkampfermentalitat so mancher Berater, die eine QuasiSelbstandigkeit in einem Netzwerk vorziehen, scheint mir, anders als es einige Autoren in diesem Band sehen, noch nicht (iberzeugend dargelegt zu sein. Man wiirde sich dazu auch mehr empirische Evidenz und theoretische Argumentation - sei sie produktions-, sei sie transaktionskostentheoretischer, sei sie anderer Art - wiinschen, warum die (z.B. von Howaldt oder Manning in diesem Band) postulierten Vorziige von Berahxn^snetzwerken tatsachlich komparative Vorteile gegeniiber Berahxngsunternehmen sein soUen. Zwei Nischen fur Beratungsnetzwerke zeichnen sich wohl ab: Projekte mit inhaltlich sehr weit auseinanderliegenden Kompetenzerfordemissen (zum Beispiel IT- und Fachexpertise) respektive Beteiligten (etwa aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kommunalverwaltungen, Gewerkschaften, Kammem und Verbanden) und/oder die Beratung kleiner und mittlerer Untemehmen oder anderer Organisationen mit geringer eigener Kompetenz und Finanzkraft, aber wiederum hochspezifischen, iiber einen breiten Kompetenzbereich streuenden Anforderungen, einschliefilich Beratungsbedarf in Sachen Netzwerkbildung und Reziprozitat, oft im Rahmen regionaler Vernetzung. Beides lasst sich, wie mir scheint, in recht guter Annaherung mit Hilfe der Interdependenztypen Thompsons (Poolinterdependenz, sequenzielle Interdependenz und reziproke Interdependenz; Thompson 1967) und der Theorie interorganisationaler Kooperation Richardsons erklaren: Interorganisationale Kooperation wird gebraucht, um streng-komplementare, aber ungleichartige Aktivitaten zu koordinieren (Richardson 1972). Im Ubrigen mag es in Zeiten, da Netzwerke en vogue sind, hilfreich sein, wenn auch Berater unter diesem Label auftreten, sei es in ihrer tatsachlichen Praxis, sei es im signalling dieser Praxis, sei es blofi in ihrem Firmennamen. Geplanter organisatorischer Wandel, auch der hin zu netzwerkartigen Strukturen, wird getragen von communities of change. Dass in solchen communities eine Reziprozitat des Gebens und Nehmens gefragt ist, die norm- und nicht nur nutzenbasiert ist, spricht nicht gleich fur Beratungsnetzwerke, weil eine zugehorige Moral in jeder, auch in jeder organisationsiibergreifenden community etabliert sein muss - auch in solchen, an denen nicht Beratungsnetzwerke, sondem allein arbeitende (u.U. grofie) Beratungsuntemehmen beteiligt sind. Deren Mitglieder mogen im Durchschnitt starker
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auf blofien Nutzen fokussiert sein. Auch sie aber bedurfen der Anerkennung (in) der community, und dazu miissen auch sie manchmal iiber ihren Schatten springen - iiber den Schatten eines eisernen dout des. Ohnehin haben communities of practice, und heutzutage auch communities of change, die Eigenart, iiber fdrmlich verfasste Organisationsgrenzen hinauszudrangen, wo eine professionelle Arbeit an der gemeinsamen Sache es erfordert. Sie haben damit eine Affinitat zu netzwerkformiger Kooperation, ob nun im Rahmen von Beratungsnetzwerken oder nicht. Die Mischung aus nutzen- und moralbasierter Reziprozitat ist dabei ihr taglich Brot.
Anmerkungen 1
Dort ist Diirr stark mit lokaler, partieller Optimierung befasst, etwa mit der „Verbindung zweier Netzwerkknoten", dyadischen Beziehungen, der „Optimierung der Verbindung unterschiedlicher Netzwerkelemente'' oder der Optimierung von Schnittstellen. Dass all das nicht ohne systematisches monitoring mit Blick auf das Ganze abgeht und dabei komplexeste logistische Zusammenhange bei Volkswagen, Tchibo oder Miiller-Milch zu bewaltigen sind, ist natiirlich ebenso wenig zu bestreiten wie die von Diirr namhaft gemachten Erfolge beim Management dieser weitverzweigten Beziehungen und ihres Zusammenhangs. Bretzkes Kritik, der ich mich anschliefie, gilt allerdings der Fiktion einer „gesamthaften Optimierung'' und einer starken Integration durch ein synoptisches Management - man konnte auch sagen: der Ausblendung von Selbstorganisation, die in Diirrs Bild einfach nicht vorkommt.
2
Das haben Farrell und Saloner (1987) als economics of penguins („see and wait"), economics of horses und economics of lemmings spieltheoretisch analysiert. Fremdbestimmung oder Fremdorganisation im Sinne des Partizipationsdiskurses oder autoritare und hierarchische Verhaltnisse sind daher keine Gegenstiicke zu Selbstorganisation im hier gemeinten Sinne einer Eigendynamik gegentiber dem Entwurf/der Intention. Diese Eigendynamik gibt es sowohl bei partizipativen als auch bei nicht-partizipativen Steuerungsversuchen.
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4
5 6
Eine starkere, (neo-)durkheimianische Version dieses Arguments lautet: Ohne diese moralischen Ressourcen geht es iiberhaupt nicht. Jeder Tausch hat nicht-kontraktuelle Voraussetzungen des Vertrages, etwa die Geltung des pacta sunt servanda, Voraussetzungen, ohne die Tauschsysteme niemals die Stabilitat gewinnen konnten, die sie erreicht haben. Vgl. zum Beispiel Fehr/Fischbacher (2002, 2005); fur einen tjberblick Gobel et al. (2006). Lave/Wenger (1991); Brown/Duguid (1991, 2001); Wenger (1998). Fiir eine Zusammenschau unter dem Gesichtspunkt eines nicht rein nutzenorientierten Gebens und Nehmens s. Ortmann (2006).
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Fiir dieses Argument - Neues als Zustand, das wesentlich Nebenprodukt ist - und den inharenten Rekurs auf das Platonische Suchparadox s. Ortmarm (1995, S. 393 ff.; 1999).
8
Das habe ich an anderer Stelle getan, mit Blick auf Emotionen in Ortmann (2001), betreffend eine Ethik der Gabe in Ortmann (2004, S. 128 ff., 161 ff.) und Gobel et al. (2006). In der Sozio-
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logie kommt ein neo-durkheimianischer Rekurs auf affektive Bande von Gesellschaften/ Gemeinschaften in Betracht, wie er besonders energisch von Randall Collins (z.B. 1984,1989, 1993, 2004) verfolgt wird; fiir einen Uberblick s. Rossel (1999).
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Autorenverzefchnis
Dr. Dierk Blechschmidt ist Projektleiter der Siemens Management Consulting. Adresse: Siemens Management Consulting, St.-Martin-StrajSe 76, 81541 Miinchen. Email:
[email protected] Web: http://www.smc.siemens.de Dr. Martin Durr ist Vice President der Beratungsgesellschaft A.T. Kearney GmbH. Adresse: A.T. Kearney GmbH, Lenbachplatz 5, 80333 Miinchen. Email:
[email protected] Web: http://www.atkearney.com Dr. Dietmar Fink ist Professor fiir Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Untemehmensberatung und -entwicklung, an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Adresse: FH Bonn-Rhein-Sieg, von-Liebig-Strafie 20, 53359 Rheinbach. Email:
[email protected] Web: http://www.wir.fh-bonn-rhein-sieg.de Dr Bernhard Hausberg ist Leiter der Abteilung Grundsatzfragen von Forschung, Technologie und Innovation, VDI Technologiezentrum GmbH. Adresse: VDI Technologiezentrum GmbH, Graf-Recke-Strafie 84, 40239 Diisseldorf. Email:
[email protected] Web: http://www.vditz.de Dr. Andreas Heine ist Leiter der Siemens Management Consulting. Adresse: Siemens Management Consulting, St.-Martin-Strafie 76, 81541 Miinchen. Email:
[email protected] Web: http://www.smc.siemens.de Dr. JUrgen Howaldt ist geschaftsftihrender Direktor des Landesinstituts Sozialforschungsstelle (SFS) Dortmund und Honorarprofessor an der Universitat Dortmund. Adresse: SFS Dortmund, Evinger Platz 17, 44339 Dortmund. Email:
[email protected] Web: http://www.sfs-dortmund.de Sandra Janojf ist langjahrige Beraterin von Organisationen und Communities sowie Co-Director von Future Search Network. Adresse: 9 Arthurs Round Table, Wynnewood PA 19096, USA. Email:
[email protected] Web: http://www.futuresearch.net
Autorenverzeichnis
Ralph Klocke ist selbstandiger Organisationsberater und Griinder der PZN Kooperationsberatung. Adresse: Poloweg 6, 33649 Bielefeld. Email:
[email protected] Web: http://www.pzn.de Dr. Roswita Konigszvieser ist Vorstand der Geschaftsfiihrung und Gesellschafterin von Konigswieser & Network, Systemische Beratung und Entwicklung GmbH. Adresse: Konigswieser & Network, Hofzeile 29, A-1190 Wien. Email:
[email protected] Web: http://www.koenigswieser.net Dr. Barbara Kozok ist Management Consultant sowie Griindungsmitglied und Aufsichtsrat der berlin open space cooperative (boscop) e.g. Adresse: Fuldastrafie 37,12045 Berlin. Email:
[email protected] Web: http://www.boscop.de Dr. Carsten Liesener ist Partner der Siemens Management Consulting. Adresse: Siemens Management Consulting, St.-Martin-Strafie 76, 81541 Miinchen. Email:
[email protected] Web: http://www.smc.siemens.de Dr. Achim Loose ist Gesellschafter des Beratimgsuntemehmens Kokon Consult. Adresse: Kokon Consult, Hebbelstrafie 12, 50968 Koln. Email:
[email protected] Web: http://www.kokonconsult.de Frank Mang ist Geschaftsfiihrer im Bereich Financial Services der Beratungsgesellschaft Accenture GmbH. Adresse: Accenture GmbH, MaximilianstraEe 35, 80539 Miinchen. Email:
[email protected] Web: http://www.accenture.com Stephan Manning ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fiir Management der Freien Universitat Berlin. Adresse: FU Berlin, FB Wirtschaftswissenschaft, Boltzmannstrafie 20,14195 Berlin. Email:
[email protected] Web: http://www.wiwiss.fu-berlin.de/w3/w3sydow/ Helmut Muller ist Geschaftsfuhrer der RKW Sachsen GmbH Dienstleistung und Beratung in Dresden. Adresse: RKW Sachsen GmbH, Freiberger Strafie 35, 01067 Dresden. Email:
[email protected] Web: http://www.rkw-sachsen.de
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Dr. Gunther Ortmann ist Professor fiir AUgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universitat Hamburg. Adresse: Helmut-Schmidt-Universitat, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg. Email:
[email protected] Web: http://www.hsu-hh.de/ortmann/ Dr. Claudia Scholia ist Projektkoordinatorin in der Verbundinitiative Automobilzulieferer Sachsen (AMZ) der RKW Sachsen GmbH Dienstleistung und Beratung in Dresden. Adresse: RKW Sachsen GmbH, Projektbiiro AMZ, Annaberger Strafie 240, 09125 Chemnitz. Email:
[email protected] Web: http://www.rkw-sachsen.de Dr. Jorg Sydoiv ist Professor fiir Betriebswirtschaftslehre und Leiter der Forschungsgruppe „Unternehmungsnetzwerke'' am Institut fiir Management der Freien Universitat Berlin. Adresse: FU Berlin, FB Wirtschaftswissenschaft, Boltzmannstrafie 20,14195 Berlin. Email:
[email protected] Web: http://www.wiwiss.fu-berlin.de/w3/w3sydow/ Jo Topfer ist selbstandiger Organisationsberater sowie Mit-Initiator und Aufsichtsrat der berlin open space cooperative (boscop) e.g. Adresse: Dolziger Strafie 40,10247 Berlin. Email:
[email protected] Web: http://www.boscop.de Dr. Christoph Wamser ist Professor fiir Betriebswirtschaftslehre, insbesondere E-Business, an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Adresse: FH Bonn-Rhein-Sieg, von-Liebig-Strafie 20, 53359 Rheinbach. Email:
[email protected] Web: http://www.wir.fh-bonn-rhein-sieg.de Marvin Weisbord ist langjahriger Berater von Organisationen und Communities sowie Co-Director von Future Search Network (FSN). Adresse: FSN, 4700 Wissahickon Avenue, Suite 126, Philadelphia, PA 19144. Email:
[email protected] Web: http://www.futuresearch.net, http://www.marvinweisbord.com
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