Alexander Calhoun
Mit einem Stiefel in der Hölle
Apache Cochise
Band Nr. 3
Version 1.0
Prolog
Als die weiße...
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Alexander Calhoun
Mit einem Stiefel in der Hölle
Apache Cochise
Band Nr. 3
Version 1.0
Prolog
Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat.
1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag
***
Tombstone war eine Welt für sich in einem Land, in dem es drunter und drüber ging, und das an allen Ecken und Kanten lichterloh brannte. In der berüchtigten Fremont Street, einer Parallelstraße der noch weitaus berüchtigteren Allen Street, lag gleich hinter dem Papago Cash Store das eingeschossige Gebäude der Butterfield Overland. Hier residierte Ron Ballard, seines Zeichens Manager sämtlicher Linien im Westen und Südwesten, seit zehn Jahren lebendes Faktotum der Gesellschaft. Unruhig stand Ballard von Zeit zu Zeit von seinem gepolsterten Stuhl auf und ging mit Trippelschritten in seinem Büro auf und ab. Ballard war sehr klein geraten, dafür unförmig dick. Seine Angestellten nannten ihn insgeheim Fatty. Andere hatten ihn mit dem Spitznamen »Karpfen« und »Mondgesicht« bedacht, weil er kahlköpfig war und Froschaugen mit wulstigen Tränensäcken hatte. Ballard führte die Linie mit eiserner Hand, ließ nichts durchgehen, kämpfte wie ein Tiger um jeden Cent, den er für die Gesellschaft herausholen konnte, dazu war er jähzornig, Abstinenzler und Nichtraucher. Ein Clerk klopfte, betrat Ballards Office, verbeugte sich und legte ein paar Schriftstücke auf den Schreibtisch. »Tichy, noch nichts von diesem Thomas Jeffords gesehen?« Ballards Stimme krächzte wie die eines Geiers, dabei ließ er die Augen rollen. »Nein, Sir, bis jetzt noch nichts.« »Wir schreiben den dreiundzwanzigsten Mai. Jeffords sollte sich heute bei mir vorstellen. Verdammt, Tichy, warum sind alle Menschen nur so unpünktlich?«
»Sir, wir haben Vormittag. Jeffords hat bis zum Abend Zeit. Vielleicht wurde er auch aufgehalten, wer weiß.« Ballard warf dem schmächtigen Buchhalter einen abwertenden Blick zu und wischte den Einwand mit der Hand beiseite. »Ist die neue Route von Nogales nach Patagonia ausgearbeitet worden? Wie viel Zeit braucht eine sechsspännige Concord, diese Strecke zurückzulegen?« »Wenn Bill Harper fährt, Sir, sechs Stunden. Maritoba Jones braucht sieben oder acht. Die Fahrpläne liegen übrigens vor Ihnen, Sir.« »Sechs Stunden? Hm, so lange? Bill ist unser bester Kutscher, Tichy. Sprachen Sie mit ihm über die Fahrzeit?« »Natürlich, Sir.« »Und?« »Wie bitte?« »Ich meine, hat er Ihnen gesagt, daß er sechs Stunden braucht?« »Ja, Sir. Ich würde es sonst nicht behaupten. Da kommt ein Reiter die Fremont Street herunter, Sir. Ich glaube, es ist Thomas Jeffords.« »Sie glauben? Was Sie schon glauben. Jeffords ist ein junger und gut aussehender Mann von zweiunddreißig Jahren. Wer da heranreitet, ist zwar schön, sonst doch ein Schlappschwanz.« »Aber Sir, wie können Sie das auf diese Entfernung sehen?« »Ich sehe alles, weiß alles und kann alles. Reden Sie mir nicht dauernd dazwischen! Zum Teufel, das ist dieser Jeffords nicht.« »Jawohl, Sir, er ist nicht Thomas Jeffords.« Tichy wollte das Büro des Chefs verlassen, sah aber durch das Fenster, wie der fremde Reiter den Hitchrail vor dem Haus ansteuerte. Genau an der Stelle, wo dreizehn Jahre später die berüchtigte Schießerei der Earp-Brüder mit den Clantons und den McLaurys am O.K. Corral stattfand, schwang sich der
hochgewachsene und gut aussehende Fremde aus dem Sattel. Ballards Froschaugen drohten aus den Höhlen zu fallen. Sollte dieser Gnom und Hungerleider von einem Buchhalter recht behalten? Es klopfte an der Außentür. Sie schlug auf. Ein Mann trat herein, der den staubigen Hut abnahm, sich mit der Hand über das helle Haar strich und dann seitlich der Tür stehenblieb. »Sie wünschen?« »Ich bin für heute angemeldet, Sir. Mein Name ist Thomas Jeffords.« Ron Ballard hatte sich geirrt. Ihn traf beinahe der Schlag. Ein Ron Ballard irrte nie. Er durfte einfach nicht irren. Er starrte Jeffords an. Sieht gut aus, der Kerl, dachte er. Richtiger Haudegen-Typ, sauber, prima gekleidet und gutes Benehmen. Mehr konnte er eigentlich nicht erwarten. »Kommen Sie näher«, sagte er mit seiner unangenehmen Quängelstimme. »Ich bin Ron Ballard. Wird höchste Zeit, daß Sie kommen, Mister. Überall ist der Teufel los, und ich kann schließlich nicht alles selber machen.« Thomas Jeffords lächelte nachsichtig. Er kannte diese Typen. Brauchbare Männer, die sich aus irgendeinem Grund eine Schale der Abwehr umgelegt hatten. »Sir, ich bin da«, stellte er schlicht fest. »Ja, ja, Sie sind da. Ich bin schließlich nicht blind. Setzen Sie sich doch, Jeffords. Tichy, bringen Sie mir die Flasche mit dem roten Etikett und zwei Gläser. Dalli!« Tichy brachte den Whisky, stellte die Gläser dazu und verdrückte sich. »Gute Reise gehabt, Jeffords?« »Es ging. Der alte Santa Fe-Trail ist auch nicht mehr das, was er einmal war.« »Wie meinen Sie das?« Thomas Jeffords lachte.
»Apachen, Kiowas und Quahadi-Comanchen sind nicht gerade dazu angetan, einem Weißen das Leben zu versüßen.« »Kennen Sie die Indianer? Haben Sie früher Umgang mit ihnen gehabt?« »Allerdings, Sir. Im Bürgerkrieg war ich Scout, danach Fahrer und jetzt…« Ron Ballard unterbrach ihn. »Was Sie jetzt werden wollen, weiß ich. Trauen Sie sich zu, mit Cochise zu verhandeln?« »Mit Cochise? Großer Gott, warum gerade mit dem?« »Weil er unser Kontrahent in diesem Land ist. Dieser rote Halunke macht uns allen das Leben schwer. Er raubt unsere Kutschen aus, verbrennt sie und stiehlt die Pferde. Sie wissen, wie schwer es ist, gute Pferde zu bekommen, die man vor eine Postkutsche spannen kann?« »Das ist mir bekannt. Soll ich den Häuptling etwa dazu überreden, unsere Kutschen in Ruhe zu lassen und in ein Kloster zu gehen?« Ballard fuhr hoch. »Reden Sie keinen Unsinn, Mann. Wenn sie dem so kommen, sind Sie Ihren Skalp schneller los als Sie denken.« Jeffords mumelte: »Sicher, sicher. Nun gut, Sir, wie stellen Sie sich meine Tätigkeit vor? In Dodge City wurde mir gesagt, daß ich als Postmeister eingestellt bin, gewissermaßen als Leiter der Sektion Südwest.« »Das sind Sie auch, wenn – wenn ich meinen Job niederlege. Zu alt, Jeffords, zu sehr verbraucht im Dienst der Overland Mail. Sie übernehmen meinen Platz, aber bevor es soweit ist, will ich mich erst davon überzeugen, daß Sie meinen Platz auch ausfüllen können.« Jeffords sagte: »Ich verstehe, Sir. Well, was soll ich unternehmen, und mit welchem Ziel soll ich's tun? Ich kann mir vorstellen, daß ganz bestimmte Dinge bereinigt werden sollen, nicht nur allgemeine?«
Jeffords nahm Ballards schroffen Ton nicht übel. Der Postmeister war im allgemeinen ein recht umgänglicher Mann, hatte aber nur wenig Freunde. »Der Gesellschaft geht es um eine Poststation am ApachePaß. David Slaughter hat sie mit drei Mann aufgebaut und als er sie in Betrieb nehmen wollte, kamen die Apachen und zerstörten sie.« »Wo ist dieser Slaughter jetzt?« »Im Himmel, was weiß ich, oder in der Hölle. Die Mimbrenjos brachten alles vier um. Sie brannten die Häuser und Stallungen nieder und trieben die Tiere fort. Ein schwerer Verlust für die Gesellschaft.« »Und ich soll Cochise bitten, die Station wieder aufbauen zu dürfen?« Ron Ballard nickte. »Das wird Ihre erste Aufgabe sein, Jeffords. Keine leichte, das weiß ich, aber irgendwie werden Sie's schon schaffen.« »Ist die Poststation dort oben so wichtig?« »Und ob. Gutes Gras für die Pferde, frisches, klares Wasser aus nie versiegenden Quellen, dann die strategisch günstige Lage des Paßattels. Alles in allem ein unschätzbarer Gewinn für die Gesellschaft, wenn's klappt. Und daß es klappt, dafür werden Sie sorgen.« »Danke für Ihre gute Meinung, Sir. Ich werde mein Bestes tun. Wo bleibe ich heute nacht?« »Tichy hat Ihnen ein Zimmer hier im Haus eingerichtet. Später können Sie in ein Hotel ziehen, wenn Sie wollen.« Thomas Jeffords stand auf und verabschiedete sich von Ballard. * John Haggerty und Curt Miller ritten etwa 300 Yards vor dem
Zug Dragoner her. Die Canyons wurden mit jedem Schritt
enger, ihre Wände höher und steiler. Hinter den beiden Scouts ritt Lieutenant George N. Bascom, ein junger Mann, der als Neuankömmling im Westen eifrig darauf bedacht war, sich einen Namen zu machen. Weitere 40 Yards hinter ihm ritten ein Sergeant mit einem Zug Dragoner. Dieser lange Reitertrupp war unterwegs in die hochgelegenen Täler der Dragoons, um im Namen General Howards Cochise einen Besuch abzustatten. Nicht alle sollten sie in jenes Tal reiten, das John Haggerty beinahe am Marterpfahl gesehen hätte. Gott bewahre. Cochise hätte die Anwesenheit der Pferdesoldaten als Kriegserklärung aufgefaßt, und gerade das wollte Howard unter allen Umständen vermeiden. Bascom war den beiden Scouts mitgegeben worden, um Cochise ein wenig zu blenden. Seine Späher würden die Soldaten sehen und es dem Häuptling melden. Zwei Tage später sollten die Scouts allein in das Tal reiten, während Lieutenant Bascom mit seinen Männern in einem abseits gelegenen Canyon auf die Rückkehr der Scouts wartete. Das mußte den Jefe zunächst verblüffen, ihn dann aber nachdenklich stimmen und sich fragen lassen, wo die Pferdesoldaten abgeblieben waren, ohne eine Antwort darauf zu finden. Sein angeborenes Mißtrauen mußte ihn dann veranlassen, die beiden Parlamentäre mit allerlei Geschwätz festzuhalten, bis seine Späher festgestellt hatten, was die Soldaten vorhatten. Wenn die Späher dann zurückkamen und berichteten, die Weißen hätten fünf Meilen entfernt in einem Canyon ihr Lager aufgeschlagen, würde dies den Jefe beruhigen, und Haggerty hätte die Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren und anders aufzutreten. »Wie weit noch?« fragte Miller, sein Freund. »Zwanzig Meilen, Curt. Morgen abend, keine Stunde früher.«
Den ganzen Vormittag schon waren die Pferde merkwürdig unruhig. John hatte es zuerst festgestellt, dann Miller, schließlich klagte auch Lieutenant Bascom. »Was die Viecher nur haben?« fragte er Haggerty bei der Mittagsrast. John grinste. »Sie wittern Rothäute.« Bascom sprang auf. »Allmächtiger, wo?« Johns Hand beschrieb einen Bogen um die halbe Himmelsrose. »Überall. Bleiben Sie nur sitzen, Lieutenant, die paar Apachen fressen Sie nicht gleich auf.« Miller lächelte spöttisch. Er konnte den jungen Offizier wegen seines großen Mundwerks nicht leiden und benutzte jede Gelegenheit, ihm eins auszuwischen. »Was tun sie in unserer Nähe? Wieviele sind es? Was fangen sie mit uns an, wenn sie uns überrumpeln?« Haggerty sah zu Curt. Der fuhr sich mit dem Zeigefinger quer über den sehnigen Hals. Bascoms Gesicht wurde blaß. »Das … Nein, das doch nicht?« Miller lächelte noch breiter. »Warum denn nicht? Ist doch die einfachste Sache der Welt. Tote Weiße sind gute Weiße. So denken die Apachen. Ein Schnitt durch die Kehle – aus!« »Mach ihn nicht ganz fertig«, murmelte John Haggerty und konnte ein Lachen kaum noch unterdrücken. »Wieviel Wasser haben wir noch?« George N. Bascom, vor einigen Monaten noch in West Point gewesen, zuckte mit den Achseln. »Lieutenant, ich habe Sie was gefragt.« »Wasser?« »Wasser«, bestätigte Haggerty. »Jeder Mann zwei Feldflaschen und für die Pferde einen Schlauch.« »Ich wollte wissen, wieviel Wasser wir noch haben, nicht wieviel wir hatten, als wir abritten. Die nächste Quelle ist zehn
Meilen entfernt. Bei dieser mühseligen Kletterei brauchen unsere Tiere mehr Feuchtigkeit, weil sie auch mehr schwitzen.« Bascom stand auf, hochrot im Gesicht. Er ging zu der lagernden Truppe, wandte sich an Sergeant Hurt Hartfield: »Stellen Sie fest, wieviel Wasser wir noch haben, Serge! Der Scout will's wissen.« Hartfield spuckte zur Seite, wandte sich an seine Leute: »Los, ihr Armleuchter, stellt fest, wieviel Wasser ihr noch bei euch habt.« Ein älterer Dragoner fragte: »Wozu will er das wissen? Welches Wasser meint er, das in den Schläuchen oder das in den Flaschen?« »Mensch, Mulford, doch nicht das Wasser in euren Köpfen. Los, Bewegung, Leute!« Die Soldaten spritzten auseinander, prüften ihre Behälter. Sie hatten noch mehr als die Hälfte. Bascom ging zurück, sagte es Haggerty. Miller grinste schon wieder. »Weshalb lachen Sie mich dauernd aus, Scout?« fragte der Offizier aufgebracht. »Aber, aber, Lieutenant, wie können Sie so was sagen: Ich lache Sie an.« »Und weshalb? Ich sehe keinen Grund dazu.« »Weil Sie mir gefallen, Lieutenant. Sie sind ein junger und guterzogener Mann aus einem noch besseren Haus, und das imponiert einem so alten Stachelschwein wir mir.« Bascom musterte Miller zweifelnd. John Haggerty strich sich das braune Haar aus der Stirn, das in langen Wellen seinen Schädel umfloß. Dann setzte er den Feldhut auf und rückte ihn zurecht. »Wenn du ihn weiterhin so verarschst, Curt, wird er dich eines Tages in die Mangel nehmen.« Der Scout sagte es so leise, daß Bascom ihn nicht verstehen konnte. Er beschäftigte sich mit einem silbernen Etui, nahm
eine Zigarette heraus und zündete sie an »Möchten Sie?« fragte er und hielt Haggerty das Etui hin. John bediente sich. »Weshalb haben Sie sich nach unseren Wasserbeständen erkundigt, Mr. Haggerty?« John deutete auf die langen Abhänge der Mogollon. »Nicht einen Tropfen Wasser gibt es da oben, Lieutenant. Deshalb. Bevor wir unser Ziel erreichen, finden wir nur noch eine einzige Quelle. Ich werde Sie bitten müssen, entsprechende Befehle zur Wasseraufnahme zu geben. Unter Umständen werden sie eine volle Woche oder mehr ohne trinkbares Wasser sein.« »So lange? Es war nur von zwei oder drei Tagen die Rede.« »Wenn's gutgeht, aber es geht nicht gut. Rings um uns lauern Chiricahuas. Cochise weiß längst, wer im Anzug ist. Hat er noch einen Funken Vertrauen zu uns – zu mir«, fügte er trocken hinzu, »dann geschieht nichts. Ist dieses Vertrauen aber verlorengegangen, Lieutenant, dann brauchen wir kein Wasser mehr.« »Wie meinen Sie das?« »Wie ich's sagte. Mann, sperren Sie doch Ihre Ohren auf.« Der Sergeant kam näher. »Was meinten Sie, Scout?« »Das geht Sie nichts an, Sergeant Hartfield.« »Sie wollen die Pferde töten lassen?« Haggerty glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Er ließ die Hand auf den Revolvergriff sinken. »Gott weiß, wir haben nicht genug Wasser für die Tiere, aber ich würde es nicht fertigbringen, Hand an auch nur eines der Pferde zu legen. Wir werden uns noch einige Tage gedulden müssen, bis wir wissen, was wir zu tun haben.« Hartfields Gestalt entspannte sich. »Töten Sie keines der Tiere«, sagte er leise. »Wenn's gar nicht anders geht, lassen wir sie laufen. Sie schlagen sich allein durch.«
Haggerty lächelte. »Alles wieder in bester Ordnung, Sergeant. – Lieutenant, lassen Sie aufsitzen und anreiten!« * Thomas Jeffords führte sein Pferd in den Stall hinten bei der Koppel, nahm die Deckenrolle und die Satteltaschen ab. Den schweren McClennan-Sattel hängte er über das Gatter und ließ sein Pferd frei. Mit dem schweren Gepäck ging er ins Haus und stieß dort auf Richard Tichy. Der dürre Mann mit dem ausgeprägten Adamsapfel erwartete ihn und zeigte ihm den Weg zu seinem Zimmer. »Schon lange bei der Butterfield?« »Zwölf Jahre, Mr. Jeffords. Eine lange Zeit, aber keine schöne Zeit.« »Warum denn nicht, Tichy?« Der Buchhalter wies mit dem Daumen über die Schulter. »Können Sie sich das nicht denken, Sir?« Jeffords klopfte ihm lachend auf den Oberarm. »Mann Gottes, lassen Sie nur den Sir zu Hause. Ich heiße Thomas.« Tichys Miene wurde um einige Grade heller. »Danke, Sir … Thomas. Ich heiße Richard. Meine Freunde nennen mich Rich.« Jeffords bezweifelte, daß Tichy Freunde in Tombstone hatte. Der Mann war ein Sonderling, aber bei weitem kein schlechter Mensch. Thomas betrat sein Zimmer. Es war nicht sehr groß, aber halbwegs gut eingerichtet. »Ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten«, sagte er zu Tichy. »Gibt es in der Nähe einen Store?« »Klar. Ganz Tombstone besteht nur aus Stores. Ein Stück weiter, hinter dem Bird Cage Theatre, ist Spangenbergs Store
and Hardware. Spangenberg ist Deutscher, bis unter die Haut ehrlich. Gegenüber dem Papago Cash Store ist der General Merchandise. Und wenn Sie nachts mal was brauchen, Thomas, gehen Sie einfach hinter das Haus. Flys Photo Atelier führt alles, was ein Mann in den Nachtstunden braucht.« »Danke«, sagte Jeffords und verließ das Zimmer wieder. »Ich werde mich draußen noch ein wenig umsehen. Wann kommt die nächste Kutsche und wer fährt sie?« »In einer halben Stunde. Diesmal ist Maritoba Jones am Zug. Er hat geschworen, die Zeit seines alten Widersachers Bill Harper zu unterbieten. Wenn er ein bißchen Glück hat, schafft er's.« »Rivalität? Oder wird der Drang zu Rekorden gefördert?« Tichy verstand. »Ganz bestimmt beides, Thomas. Sie müssen nur die Augen offenhalten, dann kriegen Sie alles mit, was hier so läuft.« »Verstehe. Fatty ist wohl mit der Gesellschaft verheiratet?« »Viel schlimmer. Er ist die Gesellschaft selbst – glaubt er.« »Glaube versetzt Berge«, bemerkte Jeffords und grinste. »Wo kann man ein gutes Glas Bier trinken?« »Bei Spangenberg. Er hat zwar keinen Ausschank, dafür aber prima deutschen Gerstensaft in Flaschen. Bier brauen, das verstehen die Germans.« »Ich weiß«, sagte Jeffords. »So long, Richard!« Es war früher Nachmittag. Die Tageshitze nahm Jeffords auf und fegte ihm puderfeinen Staub ins Gesicht. Er mußte niesen. Langsam spazierte er über den Stepwalk, um Tombstone genauer in Augenschein zu nehmen. Thomas Jeffords sah gut aus. Hochgewachsen, breitschultrig, blond und helläugig, wirkte er wie ein Mann, der wußte, was er wollte. Sein gelbes Seidenhemd mit der dunklen Schnürsenkelkrawatte glänzte unter dem Cord-Jackett wie das Gefieder eines Vogels. Seine schwarzen Tuchhosen steckten in hochschäftigen
Stiefeln. Aber wer die in diesem Land übliche Sporen bei ihm gesucht hätte, wäre enttäuscht gewesen. Jeffords war ein Tierfreund, und ihm genügte es, wenn ein Pferd unter ihm dahinzuckelte. Er hatte Zeit, somit das Pferd auch. Vor dem großen Store blieb er stehen. Männer, Frauen und Halbwüchsige gingen zum Einkauf hinein, kamen nach einer Weile wieder heraus. Der deutsche Kaufmann schien beliebt zu sein, nicht nur wegen seines gutes Bieres. Jeffords trat ein, wartete, bis sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, und ging dann bis zum dicht umdrängten Tresen. Ein Clerk mit dünnem Schnurrbart unter fleischiger Nase fragte ihn lächelnd: »Sir, was kann ich für Sie tun?« »Mich vor dem Tod des Verdurstens retten.« »Aha!« Der Clerk lächelte. »Dafür habe ich Verständnis, Sir.« Er ging etwas in die Knie, griff unter die Theke, kam wieder hoch und stellte eine eisgekühlte Flasche auf den Tisch. »Macht einen Quarter, Sir. Möchten Sie ein Glas?« »Ach was. Gleich aus der Partitur.« Jeffords ließ den Drahtverschluß aufschnalzen und blies den hervorquellenden Schaum von der Flaschenöffnung. Dann trank er. Schmatzend stellte er die Flasche auf das Blech und nickte. »Sagenhaft gut. Verstehen alle Deutschen ein so gutes Bier zu machen?« »Keine Ahnung, Sir. Ich komme aus Los Angeles. Mr. Spangenberg meint allerdings, daß in Old Germany schon die Säuglinge an der Bierflasche nuckeln. Ob's stimmt, kann ich nicht sagen.« Jeffords lachte. »Noch eine«, sagte er leutselig. »Sie auch?« Bedauernd schüttelte der junge Mann den Kopf. »Der Boß sieht's nicht gern, wenn wir während der Geschäftszeit trinken. Danke, Sir, war gut gemeint.« Thomas Jeffords legte einen halben Dollar auf den Tresen,
öffnete die Flasche und setzte sie an die Lippen. Ein Schatten tauchte neben ihm auf. Zuerst erhielt er einen Rippenstoß, dann griff eine behaarte Hand über seine Schulter und riß sie ihm so heftig aus der Hand, daß seine Zähne gegen das Glas schlugen. Mit einem Stirnrunzeln drehte er sich um. Zwei verkommen aussehende Typen standen hinter ihm. Sie feixten ihn an und schoben Jeffords einfach rüde zur Seite. »Laß uns mal, Kleiner. Wir zeigen dir jetzt, wie wirkliche Männer diese Schlangenspucke trinken, die der junge Honiglecker hinter der Theke Bier nennt. Zwei Pullen!« rief der Kerl, »'n bißchen dalli, Söhnchen!« Der Clerk warf einen warnenden Blick auf Jeffords und schüttelte leicht den Kopf. Er brachte zwei Flaschen zum Vorschein, stellte sie auf das Thekenblech und hielt die Hand auf. Der Kerl mit den faulen Zähnen spuckte ihm frech seinen Priem hinein und einen braunen Strahl Tabaksaft hinterher. Beide wollten sich Ausschütten vor Lachen. Gelassen nahm, der Clerk ein Tuch und wischte sich die Hände daran ab. Wieder ein warnender Blick zu Jeffords. Der fixierte die Kerle scharf. Tiefhängende Halfter, großkalibrige Revolver, staubbedeckte durchlöcherte Kleidung, Schmutz, wohin er sah. Sie sind auf Streit aus, dachte er. Gut, sie sollen ihn haben. Als einer der beiden Kerle einen Schritt rückwärts ging, trat er Jeffords auf den Fuß. Thomas gab ihm einen Stoß in den Rücken, daß er auf seinen Kumpel zuschoß und ihm förmlich in den Arm fiel. Wie eine stoßbereite Klapperschlange wirbelte er herum. Seine häßlichen Zähne fletschten Thomas Jeffords an. »Dich mache ich zur Schnecke, du Bastard!« Nach dem ersten Schritt auf Jeffords zu lief er in eine gestochene Gerade, die ihn von den Füßen hob. Der andere Rowdy griff in den Kampf ein und stürzte sich mit schwingenden Fäusten auf den Postmeister.
Aber Jeffords, im Faustkampf erfahren, verpaßte ihm einen gezielten Schwinger auf den Punkt, so daß der Kerl wie eine Mauerschwalbe durch den Raum segelte und an einem Gestell hängenblieb. »Du verdammter Hund! Das sollst du teuer bezahlen!« Er wollte zum Revolver greifen, unterließ es aber. Jeffords Schießeisen redete eine zu überzeugende Sprache. Thomas hatte blitzschnell gezogen, den Hahn gespannt und ließ die beiden Randalierer in die Mündung starren. Sofort wurden sie friedlicher. »Aufstehen!« herrschte Jeffords sie an. »Abschnallen und verschwinden!« Fluchend und zeternd rafften sie sich auf, schnallten die Gürtel auf und ließen sie fallen. »Raus! Eure Kanonen könnt ihr morgen beim Sheriff abholen«, sagte Jeffords und stieß einem der Kerle den Revolverlauf in den Rücken. »Warte, verdammter Angeber«, drohte der andere. »Ich kriege dich schon.« »Nichts dagegen. Verschwindet!« Sie verließen das Lokal, wenn auch Widerstrebend. Thomas drehte sich herum. »Ich bringe die beiden Schießeisen dem Sheriff«, sagte er. »Wo finde ich Ihn?« Der Clerk kam hinter dem Tresen hervor und grinste. »Das haben Sie prima gemacht, Sir. Die Kerle kommen fast jeden Tag und trinken Bier. Aber von Bezahlung kann keine Rede sein. Sie haben ja gesehen, wie sie mit mir umgingen. Der Sheriff? Drüben die zweite Querstraße rechts. Vielen Dank, Sir, daß Sie die beiden Rowdys auf ihre Größe zurechtstutzten.« »Gern geschehen. Wenn wieder mal Bedarf vorliegt, nur Bescheid geben«, antwortete Jeffords und ging. »Wo kann ich Sie finden, Sir?« rief ihm der Clerk nach. »Im Büro der Butterfield Overland.«
*
Der Canyon, der Bascombs Truppe für einige Tage Unterkunft bieten sollte, war trocken wie eine Säuferkehle und vegetationslos wie der Mond. Trotzdem . befahl Haggerty, hier Biwak aufzuschlagen. Ein Seil-Corral wurde gespannt, die Pferde wurden angebunden und gefüttert. Weil sie am nächsten Tag Ruhe hatten, bekamen sie kein Wasser. Plötzlich schrie ein Dragoner laut auf. Er schlug mit dem Gewehrkolben auf etwas ein, das am Boden lag. John Haggerty eilte hin. Zwischen den Steinen wand sich eine Klapperschlange mit drohend aufgestellter Rassel. Der Mann brüllte immer noch wie ein Comanche und drängte sich zwischen die Pferde. Die zerrten an den Seilen, als sie die Schlange witterten. Haggerty warf sich auf den Mann, schlug ihm ein paarmal mit der flachen Hand ins Gesicht und entriß ihm das Gewehr. »Lassen Sie die Schlange in Ruhe, Sie Idiot!« Einige Pferde wurden nervös, keilten aus und steilten. Der Seil-Corral riß. Ein zweiter Soldat verlor die Nerven. Er schrie gellend, schlug mit dem Hut auf die Tiere ein. Ein Fuchs riß sich los und stürmte in den Canyon hinein, ein paar andere folgten. Curt Miller warf sich den durchgehenden Pferden mit ausgebreiteten Armen entgegen und schrie erschrocken, als die Remuda auf ihn zuraste. Er wurde gegen die Felswand geschleudert und fiel zu Boden. Pferde prallten gegeneinander. Funken sprühten, als die Hufe gegen die Steine schlugen. Dann waren sie alle auf und davon. Lieutenant Georg N. Bascom rang die Hände und betete insgeheim, daß der Canyon in dieser Richtung keinen Ausgang hatte. John Haggerty rannte zu Miller, hob ihn auf. Curt blutete an der Stirn, aber es war nur ein Kratzer.
»Dieser Narr!« schimpfte er erbost. »Der Kerl sollte vor ein Kriegsgericht gestellt werden.« Haggerty sagte: »Die Klapperschlange machte ihn kopfscheu. Es geht vielen Menschen so, wenn sie eine Schlange sehen. Lassen wir die Dinge auf sich beruhen.« Bascom kam näher heran. Sein schmales Gesicht wurde vom Zorn entstellt. »Wer war das?« schrie er. »Verdammt, welcher hirnverbrannte Narr sah die Schlange zuerst?« Ein Soldat meldete sich. »Ich, Sir.« »Wie heißen Sie?« Sergeant Hartfield schob sich durch den Haufen und legte dem Dragoner eine Hand auf die Schulter. »Der Mann heißt Charles Greer, Sir. Soll ich ihn unter Arrest stellen?« John Haggerty paßte die ganze Situation nicht. Er wußte, daß scharfe Augen die Truppe im Canyon beobachteten. »Lieutenant«, sagte er, »geben Sie Befehl, die Pferde einzufangen. Lassen Sie den Mann in Ruhe, er kann nichts dafür, daß ihm die Nerven durchgingen.« Auch Miller kam näher, starrte den Lieutenant feindselig an. Bascom blickte fragend auf Hurt Hartfield. Der nickte. Der Offizier gab einigen Soldaten kurze Befehle. Sie verschwanden in Richtung Osten. Langsam legte sich die Hektik wieder. John Haggerty sah sich verstohlen um. Besonders die Canyonränder hatten es ihm angetan. Die untergehende Sonne ließ sein braunes Gesicht rot erscheinen. Miller trat an seine Seite und fragte: »Unruhig?« »Sie sind in der Nähe. Ausgerechnet jetzt machen die Kerle ein solches Theater. Es könnte einen Unterhäuptling reizen, ein paar Skalps zu nehmen.« »Ich glaube nicht, daß sie angreifen werden«, sagte Curt Miller. »Im Augenblick sind sie bestimmt hinter den Gäulen her. Verdammt und zugenäht, daß uns das passieren muß.«
»Kann übel ausgehen«, sagte Haggerty. Seine braunen Augen bewegten sich wieselflink. »Wenn die Suchkommandos auf Apachen stoßen, kann's zur Schießerei kommen. Übel, übel!« Bascom, der die letzten Worte gehört hatte, kam schnell heran. »Was soll ich tun?« fragte er unsicher. »Ohne Pferde sind wir aufgeschmissen.« »Vorher hätten Sie etwas tun sollen, General«, bemerkte Miller feixend. »Jammern hilft jetzt nicht mehr.« »Und was hätte ich vorher anordnen sollen?« schnappte Bascom. »Kann ich wissen, daß gerade dort eine Schlange ein Sonnenbad nimmt, wohin wir die Pferde stellten?« »Wissen nicht, aber vermuten, Lieutenant. Wir sind nicht mehr auf dem Exerzierplatz von West Point. Hier ist Apachenland, und das ist von Schlangen geradezu verseucht.« Wutschnaubend drehte sich Bascom um, schnauzte den Sergeanten an, danach zwei Trooper, die ihm im Weg standen. »Ganz schön in Fahrt, der Kleine«, Curt Miller grinste boshaft. »Na, das gibt sich schon, wenn er länger mit mir zusammen ist.« Haggerty wandte sich ihm zu. »Laßt ihn in Ruhe«, sagte er. »Uneinigkeit in der Truppe kann unser aller Untergang sein. Das schwerste Stück unserer Mission steht uns erst bevor.« Zwei Soldaten kamen aus dem Canyon zurück. Sie trieben acht Pferde vor sich her. Einer rief: »Wir kriegen sie alle, Sergeant! Der Canyon ist wie ein Kessel!« Hartfield brüllte Befehle. Ein Feuer wurde entzündet. Die Soldaten kamen zur Ruhe. Nach und nach brachte man die ausgerissenen Pferde ins Lager zurück. Die Sonne sank, Schatten krochen von den Canyonwänden zur Schluchtmitte. Bascom kam zu den beiden Scouts und stellte sich in Positur. »Wann verlassen Sie das Lager, Gentlemen?«
Haggerty antwortete: »Bei Tagesanbruch. So war es zwischen uns abgesprochen, Lieutenant.« Bascom nickte. »Richtig, Scout. Ich dachte nur, inzwischen hätte sich einiges geändert.« »Und was, wenn ich fragen darf?« »Die Sache mit der Schlange ist bestimmt von den Chiricahuas beobachtet worden…« »Worauf Sie sich verlassen können«, unterbrach Miller ihn mit einem todernsten Gesicht, aber Schalk in den Augen. »Laß ihn doch ausreden«, murmelte Haggerty. »Also, wir wurden beobachtet, davon bin ich fest überzeugt. Sollten Sie deshalb nicht ein paar Tage länger hier im Camp bleiben, falls die Indianer uns angreifen?« Haggerty winkte ab. »Ausgeschlossen, Lieutenant. Wir haben nicht genügend Wasser. Wenn wir in drei Tagen nicht zurück sind, müssen Sie versuchen, auf eigene Faust bis zu der letzten Quelle durchzubrechen. Dort warten Sie, bis wir uns melden.« Bascom furchte seine Stirn. »Gefällt mir nicht«, sagte er. »Die Leute sind unruhig. Bei einem Angriff 14 müssen wir uns nach zwei Fronten hin verteidigen.« »Sie werden noch vieles in diesem Land erleben, das Ihnen nicht gefällt, Bascom«, warf Miller ein und spitzte die Lippen. Bascom drehte sich zu ihm um. »Eines Tages, Scout, werde ich mit Ihnen abrechnen. Darauf können Sie sich verlassen.« »Soll das eine Drohung sein, Lieutenant?« Miller trat einen Schritt vor. Seine Rechte berührte den Revolverkolben. Haggerty trat schnell zwischen die beiden Hitzköpfe und trennte sie. Jeder in der Truppe hatte es gesehen. Sergeant Hurt Hartfield kam schnell herbei, um notfalls dem Offizier beizustehen. John Haggerty warf einen ernsten Blick auf ihn und
schüttelte den Kopf. Der Sergeant zog sich wieder zurück und kümmerte sich um seine Männer, die das Abendessen zubereiteten. * John Haggerty starrte aus der Felslücke, die wie ein Fenster aussah. Neben ihm kauerte Miller. Die Pferde hatten sie zwischen Klippen stehen. Der Mond tauchte den Canyon in ein silbernes Licht. Die Terrassen unter ihnen wirkten gespenstisch bleich. »Du mußt dich geirrt haben«, sagte Miller. »Ich kann sie riechen, so nahe sind sie«, sagte sein Freund. »Mein Gott, sie können sich doch nicht unsichtbar machen. Man müßte sie sehen, wenigstens einen Schatten.« »Du siehst sie nur, wenn sie gesehen werden wollen«, erklärte John. »Chiricahuas haben das Anschleichen mit der Muttermilch eingesogen, sie brauchen es nicht mehr zu lernen. Gib auf dich acht, Curt, und halte deinen Kopf fest, daß er dir nicht unversehens vor die Füße rollt.« »Mach keine faulen Witze, Mann.« Haggerty trat von dem Felsenfenster zurück. Ihm war es verdammt mulmig zumute. »Vorsicht! Sie sind ganz nahe!« Curt zog den Colt, spannte den Hahn. Er wollte an die Lücke, um einen Blick auf die Terrassen und das Vorfeld zu werfen. Haggertys Zischen hielt ihn zurück. »Mindestens zehn, Curt. Mimbrenjos oder Tontos. Ich konnte es nicht genau sehen. Du sicherst nach hinten, ich behalte die Terrassen im Auge. Wie ich die Rothäute kenne, ist das dort unten nur ein Ablenkungsmanöver.« Miller wandte sich in die andere Richtung. Ein sanfter Hang mit Steinen, Geröll und spärlicher Vegetation. »Ich sehe nichts. Glaubst du wirklich …«
Der klagende Ruf eines Lobos ließ ihn abbrechen. Haggerty trat an die Felsenöffnung, starrte auf die Terrassen. Bewegung, aber von ihrem Versteck weg. Noch einmal ließ der Bergwolf seine Stimme ertönen. Stille. Die Luft stand förmlich zwischen den Felsen. Haggerty war es, als wäre die Welt um ihn herum ausgestorben. Nur der Mond sandte sein fahles Licht zur Erde. »Siehst du noch was?« »Nein«, erwiderte John Haggerty. »Sie zogen sich zurück.« »He, wollten die uns nur Angst einjagen?« »Der Wolfsruf war es, Curt.« »Du meinst – Cochise?« »Mit Sicherheit kann ich's nicht behaupten, aber ich vermute es. Er will nicht, daß wir angegriffen werden.« »Sagtest du nicht, es waren Tontos und Mimbrenjos? Hat er denn Macht über sie?« »Er ist der Oberhäuptling aller Apachenstämme. Außerdem kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob es nicht doch Chiricahuas waren. Gefährlich sind sie alle. Gehen wir zurück.« »Wenn der Kleine nicht schon in die Hosen gemacht hat, als er merkte, daß wir auf und davon waren, wird er's jetzt tun, sobald er von den Apachen erfährt«, frotzelte Miller und sicherte wieder seinen Colt. »Zieh ihn doch nicht ständig auf«, mahnte Haggerty. »Das bringt Unruhe in unsere Reihen, die uns allen das Leben kosten kann.« »Ich mag ihn nun mal nicht. Sein dämliches Getue und seine Arroganz gehen mir auf die Nerven. Soldaten sind auch Menschen, man schindet sie nicht.« »Na, na, mal sachte. Bascom ist weiß Gott kein Leuteschinder. Er geht 'n bißchen scharf ran, stimmt, aber das ist was anderes. In West Point brachten sie ihm sicher bei, daß ein Offizier so etwas wie der liebe Gott ist.«
»Trotzdem, der Milchbart stinkt mir. Da lobe ich mir den Sergeant. Das ist ein Kerl. Front- und Indianererfahren, kaum aus der Ruhe zu bringen und fair den Leuten gegenüber.« »Gehen wir«, sagte John und starrte den Mond an. »Was glotzt du so zum Himmel?« fragte Curt. »Ich weiß es nicht. Nur so.« Er setzte sich in Bewegung, Curt folgte. Die beiden Scouts waren schon so lange beisammen, daß sie sich auch ohne viele Worte verstanden. Miller wußte, weshalb Haggerty den Mond anstarrte. Er hatte zum Himmel gesehen, um festzustellen, ob Jagdfalken unterwegs waren. Hier oben gab es eine Art, die während der Nacht Fledermäuse jagte. Flogen sie, gab es keine Apachen. Blieben sie unsichtbar, durfte man mit einiger Sicherheit annehmen, daß irgendwo eine Gefahr lauerte. Miller sah sie. Pfeilschnell schossen sie unter der Mondscheibe hinweg. Es ging abwärts. Haggerty machte lange Schritte. Irgend etwas versetzte ihn in Unruhe. Bald darauf waren sie im Canyon, gingen dem Lager entgegen. Das Feuer glühte nur noch. Sein rotes Auge stand dämonisch in der Mondnacht und schien hohnvoll zu lächeln. John und Curt gingen darauf zu und blieben abrupt stehen, als der Posten das Losungswort von ihnen verlangte. John Haggerty sagte es, klopfte dem Posten im Vorbeigehen auf die Schulter und setzte sich beim Feuer nieder. Miller nahm die Kaffeekanne von der Glut, schenkte sich eine Blechtasse voll ein und trank. John verzichtete auf das bittere Getränk. »Glaubst du, daß es noch eine Chance gibt?« fragte Miller. »Nein.« »Was, du gibst dich so leicht geschlagen?« Haggerty blickte über das Feuer hinweg. Bei der Felswand lag Lieutenant Bascom in seine Decken gewickelt. »Ich gebe mich nie geschlagen. Ich dachte, du redest von dem jungen Mann da drüben.« »Nun?« Miller hüstelte. »Der ist doch unwichtig.«
»Wenn uns Cochise morgen erledigt, haben einige von ihnen vielleicht das Glück, aus dem Gebirge herauszukommen. Hundert zu eins oder eins zu hundert, wie du willst.« Miller schüttelte sich unwillkürlich. Er hatte diesen Schicksalsglauben nicht bei Haggerty erwartet. John war ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. John fuhr fort: »Ich muß zugeben, daß unsere Lage sehr ungünstig aussieht. Aber sie könnte noch schlimmer sein. Ich bin deswegen so optimistisch, weil von irgendeiner Seite der Angriff der Mimbrenjos abgeblasen wurde. Niemand griff uns an. Wir haben genügend Proviant und etwas Wasser. Es müßte gehen.« »Aber wir beide reiten im Morgengrauen, John. Hast du daran gedacht?« »Bascom wird es schon schaffen. Ich traue ihm das zu.« »Welche Chancen räumst du ihm ein?« »Fünfzig zu fünfzig. Es liegt an uns, Curt. Nicht so sehr an ihm. Wenn wir mit Cochise handelseinig werden, geht alles gut.« »Dann verstehe ich nicht, wie du auf die fünfzig zu fünfzig kommst.« »Ich kalkuliere die Mimbrenjos und Tontos mit ein. Wenn sie nicht auf Cochise hören, werden wir einen schweren Stand haben.« »Verdammt sei Victorio und seine Sippe!« * Bei Sonnenaufgang erhob sich der kauernde Indianer. Er stand aufrecht, die Arme ausgebreitet, eine Minute lang und ließ sich von den ersten Strahlen des Himmelsgestirns umschmeicheln. Der Mann war groß, breitschultrig und gerade gewachsen. Eine mächtige Adlernase zierte sein braunes Gesicht. Als er die Arme wieder senkte, war es Tag geworden. Von hier oben aus hatte er eine weite Sicht.
Nebel quoll wie Watte aus den Canyons. Weit draußen über der Wüste bildeten sich schwarze Wolken, die sich aber mit der zunehmenden Tageswärme wieder verteilten. Bussarde zogen am Himmel ihre Kreise. Tief unter ihm lief ein Rudel Antilopen auf die Tränke im Tal zu. Um Cochise war eine tiefe Stille, die nur durch seine Atemzüge unterbrochen wurde. Als er sich nach links wandte, sah er sie. Rauch stieg aus ihrem Kochfeuer. Soldaten bewegten sich und taten dies und das. Seine scharfen Augen erkannten jede Einzelheit. Nach einer Weile trennten sich zwei Zivilisten von den Uniformierten, bestiegen ihre Pferde und ritten aus dem Canyon. Cochise verfolgte sie mit seinen Blicken. Er kannte sie beide. Miller war ihm gleichgültig. Aber mit John Haggerty verband ihn eine seltsame Haßliebe, die er sich nicht erklären konnte. Es war eine Mischung aus Dankbarkeit und zurückhaltender Mißachtung, die er nicht allen Weißen gegenüber empfand. Die beiden Scouts galoppierten durch einen Canyon, den Cochise von seinem Standort aus nicht einsehen konnte. Um so genauer konnte er die Soldaten beobachten. Sie machten keine Anstalten, den Scouts zu folgen. Cochise ahnte, daß dies eine Geste des guten Willens war. Miller und Haggerty ritten als Parlamentäre zu seiner Apacheria und erwarteten freies Geleit. Er war froh, den Angriff der Mimbrenjos auf das Soldatenlager während der Nacht zurückgehalten zu haben. Cochise blickte nach unten. An dem auslaufenden Gang kauerten seine Chiricahuas. Er brauchte nur den rechten Arm zu heben und zu winken, und der Angriff auf die Pferdesoldaten erfolgte schlagartig. Statt den Arm zu heben, streckte er ihn seitwärts aus. Ein Krieger erhob sich hinter ihm. Cochise gab ihm Befehle in seiner Sprache, kletterte von der Felsenkuppe und bestieg sein Pferd. Langsam ritt er nach Süden.
Mehr als 30 Chiricahuas folgten ihm auf ihren kleinen, zähen Pferden. Weit voraus sah er die Staubfahne der beiden Scouts. Wenn sie in dieser Richtung weiterritten, stießen sie auf das Tal hoch oben in den Dragoons, das den Chiricahuas als Zuflucht diente. Häuptling Cochise versuchte, ihre Absicht zu erraten. Weshalb kamen sie überhaupt? Es mußte einen zwingenden Grund für die Weißen geben, ihn aufzusuchen. Cochise tauchte in einen der verschlungenen Canyons ein und wählte eine Abkürzung zu seinem Lager, das die Weißen nicht kannten. Ihm folgte der Trupp der Apachen, der eine Menge Staub aufwirbelte. Wenn sich die beiden Scouts umdrehten, mußten sie ihn sehen. Die Stunden schleppten sich dahin. Die Hitze nahm zu. Eine unwirkliche Stille begleitete den Häuptling auf seinem Ritt. Nur noch kurze Zeit, und er mußte auf die windgefächelte Mesa gelangen, an deren Ende der Canyon steil in jene Tiefe fiel, in dem die Chiricahuas ihre Wickiups stehen hatten. Dort gab es Wasser, Gras und Kühle. Es wurde heller. Die Wände traten weiter zurück und wurden flacher. Vor Cochise lag die Ebene wie eine riesige Plattform vor dem eigentlichen Hochgebirge. Zwei Reiter hielten dort: Haggerty und Curt Miller. Als Haggerty den Häuptling entdeckte, hob er die rechte Hand. In der Sprache der Indianer hieß das Frieden, Freundschaft und Verhandlungsbereitschaft. Cochise zügelte sein Pony, wartete, erwiderte aber den Gruß Haggertys nicht. Ihn hatte es etwas überrascht, daß die beiden Weißen vor ihm da waren und nicht seitlich in einem Parallelcanyon der Mesa zustrebten. Kannten sie den geheimen Weg zur Apacheria, oder war es nur dem Zufall zu verdanken, daß er sie vor sich sah? Beide Parteien belauerten sich. Hinter Cochise rückten die Chiricahuas näher und zügelten ebenfalls ihre Pferde. Haggerty
saß ruhig im Sattel. Er wußte, wie er Indianer zu behandeln hatte. Gelassen wischte er sich den Schweiß aus den Augen. Schließlich wurde es Cochise zu dumm. Er trieb sein Pony ein paar Schritte vorwärts und fragte: »Was wollt ihr im Land der Chiricahuas?« »Wir wollen zu dir, Jefe. Haben wir als Parlamentäre des weißen Häuptlings freies Geleit?« »Ihr kommt von Howard?« »Ja.« Haggerty nickte, nahm den Feldhut ab und strich sich über das braune Haar. »Der General schickt uns, um dich wissen zu lassen, daß er dich nicht für schuldig hält, das Massaker beim Paß veranlaßt zu haben.« Cochise saß stolz auf seinem Pony. Kein Muskel zuckte in seinem bronzefarbenen Gesicht. »Es waren Apachen«, sagte er, »aber keine Chiricahuas. Ich breche keinen Vertrag, der durch Handschlag besiegelt ist. How!« »Wir wissen es.« Haggerty wischte sich noch einmal über das erhitzte Gesicht. »Ich war unfair zu dir, Jefe. Ich glaube, ich sagte dir Dinge, die ich nicht hätte sagen dürfen. Verstehe bitte, es ist nicht leicht für einen weißen Mann, wenn er zusehen muß, wie andere Weiße abgeschlachtet werden. Wir wollen uns jetzt nicht wieder gegenseitig vorwerfen, daß nicht nur die Indianer schuld an all den zahlreichen Massakern der letzten Jahre sind. Auch die Weißen haben viel dazu beigetragen, daß der schwelende Haß nicht mehr zur Ruhe kommt.« Cochises Miene blieb so unbewegt, als wäre sie aus braunem Stein gehauen. »Was wollen die Soldaten dort hinten im Canyon, Bleichgesicht?« »Sie sind nur zu meinem und dieses Mannes Schutz abkommandiert worden, Cochise.« Er nickte zu Miller hinüber, der seinem Pferd den Hals tätschelte. »Die Grenze ist unruhig
und voller Gefahren, die nicht nur von den Chiricahuas ausgehen.« Haggerty lächelte gewinnend. »Ich ließ sie zurück, weil ich nicht mißverstanden werden wollte. Übrigens, Jefe: vielen Dank, daß du die Mimbrenjos und Tontos in der Nacht von einem Angriff auf die Reitersoldaten abhieltest.« »Du hast es beobachtet?« »Ja. Ich hörte den Lobo schreien, und ich konnte mir denken, wer den Ruf ausstieß.« »Du und der andere Weiße, ihr seid mir willkommen. Die Pferdesoldaten dürfen das Lager der Chiricahuas nicht betreten. Kommt!« Das Klang hart und duldete keinen Widerspruch. Die beiden Scouts zogen ihre Pferde in die entgegengesetzte Richtung und nahmen den Häuptling in die Mitte. Cochise verstand die Höflichkeitsgeste. Nach einer Weile des Schweigens drehte John den Kopf nach hinten und warf einen Blick auf die Chiricahuas. Mehr als 30. Genug Krieger, um die Rekruten und Neulinge an der Indianerfront, die sich selbst stolz Dragoner nannten, binnen einer Stunde niederzumachen. Howard und Walmann hatten also doch recht gehabt mit ihrer Meinung, Cochise würde die Situation begreifen und sich zurückhalten. Ein geschickter Schachzug der Militärs. »Ich sehe Naiche nicht«, sagte Haggerty, um das lästige Schweigen zu überbrücken. »Mein Sohn ist bei seiner kranken Mutter.« »Woran ist Sho-shu-li erkrankt?« Cochise sah starr geradeaus und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Unsere Medizinmänner sind ratlos. Es geht ihr nicht gut. Wenn du nach Sho-shu-li sehen willst, ich habe nichts dagegen.« John Haggerty begriff. Cochise hatte ihn zu sich eingeladen, weil er einen besonderen Zweck damit verband. Er hatte Cochises Schwester geheilt, als sie von einem Skorpion
gebissen worden war, und nun hielt ihn der Jefe für einen Heilkundigen der Weißen. »Ich bin kein Arzt«, sagte John. »Wenn es etwas ist, was von innen kommt, kann ich ›Regenbogen‹ vermutlich nicht helfen.« »Leben, Gesundheit und Tod liegen in der Hand des Großen Geistes«, sagte Cochise leise. »Versuch dein Bestes, Bleichgesicht, ich werde dich belohnen.« * Beide Cowboys trieben ihre Pferde in den dichten Chaparral und schwangen die Lassoschlingen. Vor ihnen stürmten zwei Longhorns durch die Büsche und versuchten zu entkommen. Hin und wieder riefen sie sich Hinweise zu, wenn sie den Kühen den Weg abschnitten und sie zurückzutreiben versuchten. Ihre Chaparejos schrammten an fingerlangen Dornen entlang und streiften die Flanken der Pferde. »Die haben wohl Lookweed gefressen!« schrie Abel Fitzgerald erbost. »Wartet nur, ihr Biester, ich kriege euch schon!« Ben Mulford schnitt ihnen den Weg ab und trieb die Rinder zurück auf Abel zu. Fitzgerald warf die Schlinge. Das Longhorn trat hinein, wurde halb herumgerissen und stürzte. Wie der Blitz war der Cowboy aus dem Sattel und warf dem hilflos trampelnden Tier zwei Lassoschlingen um die Vorderbeine. Ben Mulford hatte sein Longhorn ebenfalls inzwischen mit dem Lasso eingefangen. Sein Pferd ging Schritt für Schritt rückwärts und zerrte das sich sträubende Rind aus dem verfilzten Dickicht. Es dauerte nicht mehr lange, bis beide Longhorns aus dem Chaparral heraus waren und mit hochgestellten Schwänzen und gesenkten Hörnern das Weite suchten. »Hast du noch welche entdeckt?« fragte Mulford seinen
Freund Fitzgerald. »Hier nicht. Vielleicht drüben bei dem breiten Canyon. Mensch, sieh mal da hin. Wenn das keine verdammte Rothaut ist, will ich von nun an nur noch klares Wasser trinken.« Ben Mulford zuckte sichtbar zusammen. Wenn das Wort Indianer oder Rothaut fiel, reagierte er jedesmal allergisch. In seiner Kindheit war er von Apachen geraubt worden, und das hatte er immer noch nicht vergessen. »Drei«, sagte er. »Das sind Pinals, Abel. Die beobachten schon seit 'ner ganzen Weile die Ranch. Wenn Ward den Balg nicht bald an die Apachen zurückgibt, handelt er sich Ärger ein.« Ein Reiter kam ihnen entgegen. Abel Fitzgerald winkte ihm. »He, Boß, schon die Rothäute gesehen? Sie beobachten die Ranch.« »Weiß ich«, sagte John Ward gleichgültig. »Wenn sie nicht bald verduften, mache ich ihnen Beine.« Mulford warf ihm einen schrägen Blick zu. »Wäre es nicht besser, Boß, den Jungen an die Indianer zurückzugeben. Wir wären die ständige Angst vor einem Überfall los und …« »Halt's Maul!« fuhr Ward ihn an. »Felix bleibt auf der Ranch, Jesusa will es so – basta!« Mit einem gehässigen Seitenblick auf den Cowboy fügte er hinzu: »Du kannst gehen, wenn dir was nicht paßt. Niemand hält dich.« Beide Cowboys schwiegen von nun an. Wohin hätten sie gehen sollen? Das Land war arm, von den ständigen Kämpfen mit den Apachen ausgebrannt. Die Ranch tauchte auf. Sie bestand aus einem Haupthaus mit spitzem Giebel, einer Scheune, Ställen und Bunkhouse für die beiden Cowboys. Alles wirkte schmutzig und verwahrlost. Auf der Terrasse stand eine junge Frau mit schwarzen Haaren und olivbrauner Haut: Jesusa Martinez. Die Mexikanerin war Wards Geliebte. Vor Jahren war sie bei
einem Überfall der Pinal-Apachen auf ihr Elternhaus entführt und von einem Krieger in seinen Jacale gezerrt worden. Ein Junge war dieser Gewaltehe entsprossen. Ward schwang sich von seinem Pferd und trieb es in die Koppel. Er sattelte ab, hängte den schweren Cowboysattel an einen Pfosten und ging zum Haus. »Sie sind wieder da«, rief er Jesusa zu. »Diesmal sogar drei.« Er hob drei Finger, wie um seine Worte zu bekräftigen. Die schwarzhaarige und glutäugige Frau warf einen funkelnden Blick auf die Hügel und ballte grimmig die Hände. »Felix ist mein Sohn und kein Apache. Er bleibt hier, und solange ich lebe, weicht Felix keinen Schritt von mir, darauf kannst du dich verlassen, John Ward.« Der zuckte mit den Achseln. »In der letzten Zeit interessieren sich zu viele Apachen für die Ranch«, sagte er und schlug seinen verschwitzten Stetson gegen den Oberschenkel, um den Staub abzuschütteln. »Vor gut einer Woche war dort oben auf dem Hügel ein einzelner Chiricahua, den ich für Cochise hielt. Heute drei Pinals, morgen zehn, und in der nächsten Woche sind es vielleicht zwanzig. Wenn sie die Ranch angreifen, haben wir keine Chancen.« Jesusa deutete mit ausgestrecktem Arm auf das Fort im Südwesten. Es klebte wie ein Schwalbennest an dem langen, steinigen Hang. »Fort Buchanan ist kaum eine halbe Meile entfernt«, sagte sie. »Wir liefern den Soldaten Fleisch, folglich haben sie auch unseren Schutz zu übernehmen.« »Darum geht es doch gar nicht. Selbstverständlich übernehmen die Soldaten unseren Schutz, wie das in diesem Territorium seit langem getan wird. Sie können aber nicht rechtzeitig hier sein, wenn die Indianer angreifen. Gib den Pinals den Jungen, Jesusa, und ich denke, wir werden von da an nicht mehr belästigt.«
»Nie!« »Weshalb hängst du so an dem verdammten Bastard?« »Er ist mein Kind. Ich habe es unter Schmerzen geboren, John, aber das kannst du nicht verstehen. Wenn sie mir Felix wegnehmen wollen, werde ich ihn mit Zähnen und Klauen verteidigen.« »Blödsinn! Ich bin für Ruhe und Sicherheit, außerdem muß ich an meine Ranch denken. Verdammt, soll ich wegen eines Indianerbastards denn alles verlieren?« Wütend ging Ward ins Haus und schmetterte die Tür hinter sich zu. Jesusa schaute lange zu den Hügeln hinüber, erkannte die Apachen, die in stoischer Ruhe wie eine lebendige Mahnung auf die Ranch starrten. »Nie!« murmelte sie wieder. »Niemals!« * Die Postkutsche kam am Nachmittag. Mit heftigem. Geschrei und nicht salonfähigen Flüchen jagte Maritoba Jones das Sechsergespann nach Tombstone hinein. Vor der Poststation zügelte er die Pferde in einer Wolke von Staub. Er zog die Bremse an, wandte sich grinsend an Len Lindforts, seinen Beifahrer: »Die Zeit, Len, los, sag' schon!« »Fünf Stunden und fünfundvierzig Minuten. Rekord!« Len ließ seine uralte Nickelstahluhr wieder verschwinden, reichte dem heraneilenden Tichy das Gewehr und sprang vom Bock. Mit steifen Schritten ging er zur Kutschentür, öffnete sie und zog die zweistufige Treppe an den Scharnieren hervor »Alles aussteigen, Herrschaften! Tombstone, Endstation!« Ein Major kletterte heraus, käsig im Gesicht und mit schwitzenden Händen. »Großer Gott, ich habe keinen heilen Knochen mehr im Leib.«
Ihm folgte ein dicker Mann mit geblümter Weste, Uhrkette und einem hellen Stetson mit breitem Rand. Auch ihm lief der Schweiß über die feisten Wangen. Der Dicke sah aus wie ein wohlhabender Viehzüchter, und so gebärdete er sich auch. Fluchend verschwand er im Stationsgebäude. Zuletzt stiegen zwei schlanke Männer aus und warfen einen langen Blick auf die Main Street von Tombstone. Sie trugen schwere McClennan-Sättel und wuchteten sie sich auf die Schultern. Der eine war blond, der andere schwarzhaarig. Beide Gesichter, schmal und angespannt, waren sonnengebräunt, von Bartstoppeln übersät. Der Blonde wandte sich an Maritoba Jones, der seine uralte Pfeife anzündete und beide Hände muschelförmig vor das Streichholz hielt. »He, Sie Höllenfahrer! Eine Auskunft bitte, wenn's beliebt?« Jones sah auf. »Beliebt immer. Was wollen Sie wissen?« »Wir suchen einen Mann namens Thomas Jeffords. Er ist bei der Butterfield angestellt und schmeißt den Kram. Wo finden wir ihn?« Maritoba Jones setzte sich in Positur. Seine Pfeife brannte, die Fahrzeit hatte er unterboten, und nun war er mit sich und der Welt zufrieden. »Kenne Jeffords, klar. Patenter Kerl. Aber noch schmeißt er hier nichts, sondern Ron Ballard. Spielt aber keine Rolle. Jeffords wird's schon schaffen. Gehen Sie nur ins Haus, Gentlemen. Jeffords können Sie gar nicht übersehen.« Die beiden bedankten sich und stießen die Tür auf. Angenehme Kühle schlug ihnen entgegen und – Kaffeeduft. Der Offizier und der Viehbaron saßen an einem länglichen Tisch und ließen sich von Tichy bedienen. Die zwei schlanken Männer setzten ihre Sättel auf dem Boden ab und zogen sich zwei Stühle heran. Tichy schenkte ihnen Kaffee in die bereitgestellten Tassen und stellte eine Platte mit belegten
Broten dazu. Bis die Pferde gewechselt waren und die Kutsche nach Benson weiterfuhr, gab es einen Aufenthalt von einer halben Stunde. In der Zwischenzeit wurden die Fahrgäste bewirtet. Richard Tichy wollte noch einmal nachfüllen, aber der Blonde wehrte ab. »Wir wollen zu Thomas Jeffords«, sagte er. »Alte Freunde aus Kansas City. Zufällig anwesend?« »Oh, Mr. Jeffords? Selbstverständlich. Wen darf ich melden?« »Larry und Buck. Er weiß schon, wer wir sind.« Tichy ging. Eine Minute später erschien Jeffords. Er breitete die Arme aus. »Mensch, Jungs! Wer hätte das gedacht? Wie war die Fahrt durch das Indianerland?« »Höllisch!« Der Schwarzhaarige grinste. »Der bärtige Affe auf dem Bock wollte sämtliche Geschwindigkeitsrekorde der Welt brechen. Und wie geht's dir, Thomas?« »Ganz gut. Kommt zu mir rüber.« Mit einem Blick auf die beiden Sättel, die aufeinandergetürmt an der Wand lehnten, fügte er hinzu: »Könnt ihr hierlassen, die nimmt euch keiner weg.« Sie gingen hinaus, verfolgt von den Blicken der beiden Fahrgäste. In Jeffords Büro nahm Thomas erst mal eine Whiskyflasche aus dem Wandschrank. Er füllte drei Gläser und prostete den beiden zu. »Cheers, ihr Halunken!« »Cheers, du Hundesohn!« Sie grinsten sich an und tranken. Thomas füllte die Gläser noch einmal und ließ die Flasche stehen. Buck Tinatra betrachtete den Büroraum und sagte: »Hier also verdienst du deine Kohlen. Mann, wie du das nur aushältst?« »Was soll's? Es ist gutes Geld, und nirgendwo verdiene ich's
leichter.« Osborne schaltete sich in das Gespräch. Er hatte den Hut abgenommen und strich sich über das helle Blondhaar. »Buck meint, ob du hier drin auch richtig atmen kannst, Thomas.« »Sicher.« »Tief? Ganz tief?« Thomas nickte. »Glaub ich nicht, Junge«, sagte Larry zweifelnd. »Du bist die Ebenen von Kansas gewöhnt, das Grasland, Rinder, die Kneipen und die schönen Mädchen. Du mußt doch hier eingehen wie ein Kaktus auf dem Nordpol.« Buck Tinatra nahm Tabakspäckchen und braunes Papier aus der Hemdtasche, drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. »Wie dem auch sei, Thomas, du hast uns ein Telegramm geschickt. Gibt's was für uns zu tun?« Jeffords setzte sich den beiden Freunden gegenüber. »Eine ganze Menge«, antwortete er. »Wie sieht's denn bei euch aus mit den Kanonen?« Buck grinste. »Das weißt du doch, Junge. Larry schießt 'ner Fliege ein Auge aus, und ich treffe zur Not noch ein Scheunentor. Also, das ist es …« »Nein«, unterbrach Jeffords ihn. »Viel schwieriger, gefährlicher, Bucky. Ich brauche Flankenschutz und zwei Paar scharfe Augen, die eine Rothaut von einem Weißen unterscheiden können. Rechtzeitig, bevor geschossen wird.« »Aha«, sagte Buck. »Aha!« sagte auch Larry. Dann schwiegen sie und starrten Jeffords mit großen, fragenden Augen an. »Die Gesellschaft zahlt euch hundert Dollar im Monat, freie Kost, dazu einen Bonus, wenn alles so klappt, wir wir uns das vorstellen.« »Well, wie hoch ist der Bonus?« »Noch mal einen Hunderter für jeden.«
Buck pfiff durch die Zähne. »Schönes Geld. Für was?« »Nur 'ne Kleinigkeit, Jungs, ihr sollt Begleitmänner spielen.« »Alle Wetter! Auf den Kutschen?« »Bei mir. Ich will mich ein bißchen in den Dragoons umsehen, und dazu, ihr Helden, brauche ich euch. Habt ihr Gewehre?« Buck und Larry schüttelten die Köpfe. »Im Pfandhaus von Kansas City«, sagte Larry und grinste über das ganze Gesicht. »Macht nichts, bekommt ihr von der Butterfield. Pferde auch.« Larry setzte sich in Positur, »Sag mal, Thomas, was in aller Welt willst du in den Dragoons? In diesem lausigen Gebirge gibt's doch für dich nicht das geringste zu beschicken.« »Ich will zu Cochise.« »Heiliger Pferdeapfel! Zu Cochise? Bist du des Teufels, Mann? Der frißt dich mit Haut und Haaren auf, und was dann noch von dir übriggeblieben ist, wirft er seinen Kriegern vor.« Thomas Jeffords lachte. »Wird schon nicht so schlimm werden, Jungs. Ich hätte mich an die Army wenden können. Die hätte mir bestimmt zwei weiße Scouts zur Verfügung gestellt. Aber Ron Ballard will nicht, daß General Howard etwas von unserer Absicht erfährt. Er hat's schwer genug, der arme Blaubauch.« »Blaubauch?« »Sagten die Rebellen zu den Unionstruppen im letzten Krieg. Die Indianer nennen sie Pferdesoldaten oder Langmesser. Also, wie ist's, soll ich mich an die Armee wenden?« »Bist du des Teufels? Wir sind deine Begleiter! Wann geht's los?« »Wir werden morgen alles eingehend mit Mr. Ballard besprechen, Larry. Jeder Schritt muß genau überlegt werden und noch genauer geplant. Ich habe euch zwei Zimmer im ›Bunten Luftballon‹ bestellt. Zweitklassiges Hotel, aber man hält's dort schon aus. Einverstanden?«
»Okay«, sagte Buck und nickte. Und »okay« sagte auch Larry. * Im Apachenlager hatte sich nichts verändert. Die Wickiups standen alle noch so, wie sie John Haggerty in Erinnerung hatte. Als sie hintereinander die Rampe herunter in das Tal ritten, sah John die Quelle. Sie sprudelte unter einem mächtigen geborstenen Felsen hervor und bildete einen Teich. Frauen standen dort und unterhielten sich. Kinder tummelten sich im Wasser, lachten und kicherten, wenn sie sich gegenseitig bespritzten. Im hinteren Canyonteil erkannte John Kulturpflanzen. Der Gebirgseinschnitt machte bei der Quelle eine Schwenkung nach Norden und ließ den Sonnenstrahlen ungehindert Zutritt. Mais wuchs hier oben in den Dragoons, dazu weitere, in Reihen ausgerichtete Gemüsepflanzen, die der Scout nicht kannte. Während er hinter Cochise herritt, machte er sich seine Gedanken. Er wußte, was den Häuptling bedrückte. Mit jedem Tag kamen mehr Weiße ins Land. Postkutschen der Overland Mail brachten sie heran, in Planwagen kamen sie, zu Pferde und, wenn es sein mußte, sogar zu Fuß. Der Ringwall tauchte auf, die Bresche. Dahinter die erkaltete Feuerstelle. Alles war wie damals. Sein streifender Blick glitt zu Cochises Jacale hinüber. Nichts rührte sich dort. Ein junger Krieger eilte herbei, hielt das Pferd des Häuptlings und brachte es fort, nachdem Cochise zu Boden gesprungen war. Ein paar herumstehende Krieger grüßten den Jefe, aber den beiden Weißen warfen sie feindselige Blicke zu. Cochise deutete auf das kleine Wickiup, das Hagerty und Miller schon einmal beherbergt hatte. »Ihr bekommt zu essen und Wasser, fühlt euch wohl. Wann willst du nach meiner Squaw sehen?«
»Sobald du möchtest, Jefe.« »Gut, dann komm mit. Das andere Bleichgesicht geht inzwischen in die Hütte.« Cochise drehte sich um und ging davon. John folgte. Sein Herz klopfte, wenn er an »Sanfter Wind« dachte. Wie würde sie ihn empfangen? Unbewußt griff seine Hand unter das Hemd, fühlte das Amulett. John zog sie wieder hervor und lächelte. Er hatte ihr damals versprochen, wiederzukommen. Er hielt sein Versprechen. Vor der indianischen Behausung blieb Cochise, stehen. Seine Stirn runzelte sich, als er John Haggerty ins Auge sah. »Auch Tla-ina ist krank«, sagte er und legte eine Hand auf sein Herz. »Nicht körperlich, sondern in der Seele.« Nach diesen Worten drehte er sich um und betrat den Jacale. John hinterher. Ein Feuer brannte in der Mitte. Im Hintergrund lag eine abgezehrte Frau auf einer fellbedeckten Lagerstatt. Dunkle Augen blickten ihm entgegen. Neben dem Lager kauerte ein junges Mädchen in leichter Leinenkleidung. John verharrte. Er hatte Naiche erwartet, sah sich aber getäuscht. Ein kleiner Junge saß auf einem Fell und spielte mit Kieselsteinen. Es war Nachise, Cochises später Nachkömmling. Die junge Frau sah auf, drehte den Kopf. Ihre Augen leuchteten. »Sanfter Wind« war noch schöner geworden, wenn das überhaupt möglich war. Sie erhob sich, trat auf John zu und reichte ihm nach Art der Weißen die kleine Hand. »Du hast Wort gehalten, ich freue mich«, sagte sie schlicht. »Ich freue mich auch«, sagte Haggerty. Schließlich spürte er den fragenden Blick des Häuptlings förmlich auf seiner Haut brennen. Er ließ die Hand des Mädchens los und ging zum Lager. Sho-shu-li versuchte ein Lächeln. Es mißlang. Schmerzen schienen sie zu peinigen, aber sie gab keinen Laut der Klage von sich. Haggerty beugte sich zu ihr. »Wo tut's dir weh?« fragte er.
Sie wies auf ihr Herz. »Hier.« John nahm ihre Hand, fühlte den Puls. Er war schwach, aber nicht unregelmäßig. »Wird Sho-shu-li wieder gesund?« fragte Cochises Schwester. Der Häuptling hielt sich zurück. Es war unter seiner Würde, mehr als Gleichgültigkeit für eine Squaw zu zeigen. »Ich weiß es nicht«, antwortete Haggerty. »Ich bin kein Arzt bei den Weißen und kann nur sagen, daß es Naiches Mutter am Herzen hat. Sie sollte in der frischen Luft liegen und nicht in diesem verräucherten Jacale. Gutes und leichtes Essen könnte ihr helfen. Großer Gott, wenn ich nur genau wüßte, woran ihr Herz erkrankt ist.« Cochise fragte: »Wer könnte es genau sagen?« »Ein Arzt der Weißen, Jefe. Aber hier ist keiner, weit und breit nicht. Wie ich sie kenne, würden sie nicht mal für einen Berg aus Gold in die Berge reiten.« »Warum nicht?« »Aus Angst vor den Chiricahuas.« Ein kaum wahrnehmbares stolzes Lächeln glitt über die maskenstarren Züge des Häuptlings. Die Weißen hatten Angst. Ja, sie hatten Angst vor den Apachen. »Wenn ich einem Arzt der Weißen freies Geleit verspreche, wird er dann kommen?« Haggerty wiegte seinen Kopf. Er kannte keinen. In Tombstone mochte es einen geben, aber der hätte sich lieber sämtliche Zähne einzeln ziehen lassen, bevor er einem Apachen traute. Der Militärarzt fiel ihm ein, Major Robert Twitschel. Der war gebürtiger Engländer und stets bereit, anderen zu helfen. »Die Army hat einen Arzt«, sagte er leise. »Wenn ich mit dem General spreche, schickt er Major Twitschel bestimmt in die Berge.« »Wie kann er feststellen, was Sho-shu-li fehlt?« »Mit einem Hörrohr, Jefe. Er hat auch die geeignete Medizin, die der Squaw helfen kann.«
»Gut, hole ihn! Kein Apache wird euch belästigen, wenn ihr in die Berge kommt. How!« Haggerty wußte, daß er von nun an so sicher war wie in Abrahams Schoß. »Das will ich gern tun, Cochise, und schnell. Denn hier ist Eile vonnöten. Aber ich habe eine Mission zu erfüllen. Der General will wissen, ob sich solche Überfälle wie am ApachePaß wiederholen?« »Wenn das einarmige Bleichgesicht den weißen Medizinmann schickt, werden alle Weißen für die Zukunft unangetastet bleiben. Ich verspreche es.« Die letzten Worte hatte Cochise erregt hervorgestoßen. Sein Gesicht blieb ausdruckslos. In seinen dunklen Augen glimmte ein verhaltener Funke. John wandte sich dem Ausgang zu »Wohin gehst du?« »Ich reite zu dem einarmigen General, Cochise«, antwortete Haggerty. »Der andere Scout soll die Pferdesoldaten in der Schlucht verständigen. Wenn ich nicht aufgehalten werde, bin ich in drei Tagen wieder zurück – mit dem weißen Medizinmann.« Cochise ging auf John zu, legte ihm kurz die rechte Hand auf die Schulter. »Warum tust du das? Weil sie meine Squaw ist?« »Nein, Jefe.« Haggerty schüttelte den Kopf. »Nicht deswegen. Sie ist ein Mensch und braucht Hilfe.« * Miller fühlte sich auf Schritt und Tritt beobachtet. Er ritt über die glutheiße Mesa, wich den Spalten aus und umging Inseln aus dornigen Sträuchern. John Haggerty war schon tags zuvor fortgerittten und hatte Miller Kurz von dem unterrichtet, was er beabsichtigte. Curt gefiel der einsame Ritt nicht. Er ahnte, daß Apachen in seiner Nähe waren und ihn nicht aus den Augen
ließen. Die Mesa fiel ab, spaltete sich in gewundene Schluchten. Dunst stieg aus ihnen empor und glänzte in der aufgehenden Sonne. Der frühe Morgen war die Zeit der Jäger. Ein Bussard stieß vom Himmel, schlug seine Klauen in eine Eidechse und trug das zappelnde Tier in seinen Horst. Hoch unter dem azurblauen Himmel zog; ein Adler seine Kreise. Ihm entging nichts. Miller ritt in den Canyon und hielt sich auf der Lichtseite. Es wurde brütend warm in der Felsschlucht. Gegen Mittag stieß er auf bekanntes Gelände. Ein Quercanyon, der in kurzen Windungen in die Berge schnitt. Er bog darin ein und stieß schließlich auf die Truppe. George Bascom kam ihm entgegen. Er machte ein saures Gesicht und schien ungehalten, weil nur Curt Miller kam. »Ist Mr. Haggerty etwas zugestoßen?« wollte der Lieutenant wissen. »Oder ist er gar geflüchtet?« »John ergreift nicht mal vor Ihnen die Flucht, Sie Indianerschreck. Wieviel Wasser hat die Truppe noch? Insgesamt, meine ich.« Bascom hätte dem Scout am liebsten eine gelangt, riß sich aber zusammen. »Für zwei Tage reicht's noch«, brummte er. »Ab sofort wird das Wasser rationiert. Pro Mann einen Becher am Tag, die Pferde erhalten die vierfache Ration. Lassen Sie das Lager abbrechen und aufsitzen, Lieutenant.« »Ich denke, Mr. Haggerty gibt hier die Befehle?« »Wenn er verhindert ist, gebe ich sie. Also, bis zum Abend müssen wir in der Ebene sein.« Miller ließ den Offizier stehen, ging zu seinem alten Lagerplatz und wühlte in den Steinen. »Was suchen Sie?« fragte Bascom, der ihm wie ein Hund nachlief. »Was glauben Sie wohl? Veilchen vielleicht?«
Bascom starrte ihn gehässig an. »Eines Tages werde ich …« »Gehen Sie mir aus dem Weg«, unterbrach Miller ihn grob. »Sie werden gar nichts, Sie Grünschnabel, dazu haben Sie gar nicht den Mut.« Der Scout stieß Bascom zur Seite, hielt Hurt Hartfield am Ärmel seines Hemdes fest. »Sergeant, als ich vorgestern wegritt, vergrub ich eine Feldflasche mit Wasser dort unter den Steinen. Sie ist weg. Vielleicht können Sie mir sagen, wo sie hingekommen ist?« »Wasser? Keine Ahnung, Scout. Ich weiß nichts von einer Feldflasche. Ist sie nicht mehr da?« »Dann würde ich Sie nicht fragen. Na gut, Eigentum der Armee. General Howard reißt mir nicht gleich den Kopf ab, wenn ich ihm den Diebstahl melde. Was meinen Sie, Lieutenant?« Bascom wandte sich wutschnaubend ab und gab Befehl, das Camp abzubrechen. Miller hatte wieder das Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden. Kurz darauf saßen die Soldaten auf ihren Pferden. Der Scout übernahm die Spitze und ritt an. Kurz vor Sonnenuntergang gelangten sie in den Canyon mit der Quelle. Die Soldaten hatten kein Wasser mehr. Entweder hatte Bascom den Rationierungsbefehl nicht durchgegeben, oder die Dragoner hielten sich nicht daran. Ein flüchtiges Nachtlager wurde aufgeschlagen. Die Nacht verlief ruhig, bis … … bis Lieutenant Bascom an Sergeant Hartfield geriet und in ein Gespräch verwickelt wurde, das Miller zufällig mit anhörte. Hartfield fragte: »Finden Sie es nicht seltsam, Sir, daß ausgerechnet Miller eine Flasche mit Wasser versteckt haben will? Was bezweckt er mit der Anschuldigung? Ich habe beinahe den Eindruck, daß er uns in die Pfanne hauen will.« »Seltsam? Nun ja, könnte doch so sein, nicht wahr? Oder was meinen Sie?«
Hartfield zuckte mit den Achseln. »Ich habe mit jedem einzelnen Mann der Truppe gesprochen, Sir. Niemand weiß etwas von einer versteckten Feldflasche.« »Mir ist nicht klar, worauf Sie hinauswollen, Sergeant.« »Haggerty ist nicht zurückgekommen. Wer kann uns mit Bestimmtheit sagen, ob er nicht gefangen genommen wurde oder freiwillig bei den Chiricahuas blieb?« »Mr. Miller hat doch … Nein, Hartfield, ich verstehe nicht, was Sie damit andeuten wollen.« Der Sergeant legte eine Kunstpause ein. Damit verschaffte er den folgenden Worten noch mehr Nachdruck. »Im Camp ging das Gerücht, daß sich Haggerty eine Squaw anlachte und jetzt nur gar zu gern in das Indianerlager zurückkehrt, um sich um sie zu kümmern.« »Sie meinen, er wird ein Squawmann?« »Könnte doch sein, oder?« Der Feldwebel sagte es ohne jeden Hintergedanken und ohne Spott. »Ich bin der Meinung, daß er an etwas ganz anderes denkt, als an die Truppe.« »Zum Beispiel?« »Vielleicht an einen hübschen Hintern, der ihm damals zugewackelt hat, als er sich in Cochises Gewalt befand.« Miller bewegte sich mit katzenhafter Geschwindigkeit. Er kam um den Felsen herum, hinter dem er auf seinen Decken gelegen hatte, packte den Sergeanten an der Hemdbrust, stieß ihn auf die Beine. Seine Rechte schlug klatschend zu, links, rechts, immer wieder, bis Hurt in seinem Griff schlapp wurde. Miller stieß den halb bewußtlosen Mann von sich, daß er nach hinten taumelte und über den Offizier fiel. Curt starrte auf das Blut, das dem Sergeanten aus der Nase rann. Bascom stand auf, als hätte ihn eine Tarantel in das Gesäß gebissen. »Was fällt Ihnen ein, einen Soldaten zu mißhandeln, Sie Rowdy?« »Halt's Maul, Greenhorn! Noch einen Ton, der mir nicht gefällt, und ich schlage dich zu Brei! So über John Haggerty zu
reden … Ihr beide solltet euch in Grund und Boden schämen.« »Ich stelle Sie vor ein Kriegsgericht!« drohte Bascom. »Du kannst mich mal, du eingebildeter Fatzke von einem leeren Strohkopf. Nur nicht pampig werden, sonst kannst du deine Truppe allein aus dem Gebirge führen. Vielleicht schaffst du es, Grünschnabel.« Hartfield rappelte sich hoch. Um die Gruppe fanden sich immer mehr Soldaten ein, die das Schauspiel sichtlich genossen. »Was ist in Sie gefahren, Mr. Miller? Das mit John Haggerty habe ich doch gar nicht so gemeint.« Miller machte einen Schritt auf ihn zu, die Hände geballt, ein harter Glanz in den Augen. »Halt deine große Klappe, Sergeant, sonst bringe ich dir mehr Anstand bei und bessere Manieren!« Corporal Jim Baker stand im Kreis der Zuschauer. »Meine Güte«, flüsterte er und starrte auf Hartfields zerschlagenes Gesicht. »Das war doch wirklich nicht nötig.« Millers kalte Wut war verraucht. Er drehte sich um und ging zu seinem Lager. * Der Mond färbte den Sand wie mit Quecksilber und die Schatten der Kakteen schwarz. John Haggerty ritt langsamer, als er das Camp sah. Ein Posten rief ihn an. John zügelte sein Pferd, richtete sich in den Steigbügeln auf und rief: »Ich bin Scout John Haggerty, Wache!« »Das mag sein. Kommen Sie langsam herangeritten, die Hände über dem Hut gefaltet!« John trieb sein Pferd mit einem Schenkeldruck vorwärts. Zwei Dragoner traten mit angeschlagenen Gewehren aus dem Dunkel. Einer näherte sich bis auf Sichtweite und musterte Johns Gesicht.
»Okay, Scout, ich kennen Sie. Sie können passieren.« »Danke«, sagte Haggerty und ließ sein Pferd traben. Er ritt bis zur Mitte der Zeltstadt, stieg beim Kommandeurzelt aus dem Sattel und halfterte seinen Braunen an den Hitchrail. Im Zelt war trotz der vorgerückten Stunde noch Licht. Schatten glitten über die Leinwand. Als er eintrat, empfing ihn eine Ordonanz. »Zu General Howard«, sagte der Scout. »Ich bin John Haggerty.« Der Lieutenant kam kurz darauf zurück und hielt einladend die Türplane hoch. John ging in den nächsten Raum und sah sich Howard und den beiden Colonels gegenüber. »Melde mich vom Unternehmen Cochise zurück, Sir.« Howard reichte ihm die gesunde Hand. »Alles gut verlaufen, Haggerty?« »Ich denke, Sir. Cochise fing uns unterwegs ab und geleitete Miller und mich in sein Lager …« »Und die Truppe, Mr. Haggerty? Warum brachten Sie die Soldaten nicht mit zurück? Sind Sie sicher, daß ein unerfahrener Lieutenant den Rückweg findet?« Haggerty hörte den Vorwurf aus Howards Stimme. Er drehte sich aber halb zu Colonel Walmann herum und wandte sich an beide. »Ich komme mit einer dringenden Bitte, Sir. Cochises Squaw ist erkrankt. Eine innere Krankheit, vermute ich. Der Häuptling bittet die Armee um die Entsendung eines Militärarztes.« »Unmöglich!« entfuhr es Walmann. »Ausgeschlossen!« sagte auch White. »Wir können Major Twitschel keine Sekunde im Lager entbehren. Sie wissen, daß wir das gelbe Fieber in unseren Reihen haben, Haggerty.« John konterte: »Colonel Richards ist wieder gesund, und weitere Fälle wurden nicht bekannt, Sir. Weshalb also unmöglich? Die Armee würde sich Cochise verpflichten, wenn unser Arzt seiner Squaw helfen könnte.«
Howard wechselte mit Haggerty einen Blick. Eine steile Falte stand auf der Nasenwurzel des Generals. »Es ist Ihre feste Meinung, Mr. Haggerty, daß uns das was einbringen wird?« »Ja, Sir. Wir dürfen Cochise nicht mit den üblichen Ellen messen, die wir bei Indianern anlegen. Er hat Herz und Seele, und er scheint an seiner Sippe zu hängen.« »Sagten Sie ihm, daß wir ihn für den Überfall auf die Poststation nicht für schuldig halten?« »Natürlich, Sir. Er nahm es zur Kenntnis. Ich hatte den Eindruck, daß er sich über Ihre Meinung freut.« Walmann und White wollten protestieren, aber Howard schnitt ihnen mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ordonanz!« Der Lieutenant schoß durch den Zelteingang und knallte die Hacken zusammen. »Sir?« »Sofort Doc Twitschel zu mir!« »Major Twitschel… sehr wohl, General … Sir.« Zehn Minuten später erschien der Arzt. Haggerty kannte ihn vom Sehen. General Howard machte Scout und Arzt miteinander bekannt. »Wie geht es Colonel Richards? Er war doch an Wüstenfieber erkrankt.« »Relativ gut, Sir. Alles überstanden. In zwei Wochen vermutlich wieder diensttauglich.« »Weitere Krankheitsfälle?« »Nein, Sir.« Haggerty musterte den Arzt. Er war ein schlanker Mann, nicht allzu groß, dunkelhaarig und ziemlich unsoldatisch in seinem Gebahren. Sein Spitzbart wirkte gepflegt und verlieh ihm ein aristokratisches Aussehen. Howard sagte: »Wir haben einen neuen Patienten, Major Twitschel.«
»Gelbfieber?« Twitschels Kopf ruckte in die Höhe. »Kein Fieber, eine andere Sache. Was meinen Sie, Mr. Haggerty, was es sein könnte?« Der Scout bewunderte das Verhandlungsgeschick des Generals. Er schob ihm nun bewußt die Verantwortung zu, Twitschels Bereitschaft für einen Ritt zu Cochise zu erkaufen. Walmann und White schwiegen aus Prinzip. »Ich denke, es ist das Herz, General … Sir.« Haggerty grinste innerlich, als er die Unmutsfalte auf Howards Stirn sah. Nun war er wieder am Zug. John war gespannt, wie sich der General diesmal aus der Schlinge ziehen würde. »Können Sie dem Arzt keine genaueren Anhaltspunkte für eine Diagnose bieten, Haggerty? Gewisse Krankheiten erkennt auch ein Laie an ganz bestimmten Symptomen.« Er ließ sich herbei, dem Scout ein wenig Schützenhilfe zu geben, die Twitschel aufhorchen ließ. »Hat die Squaw Atemnot? Ist sie blaß, oder was ist mit der Frau?« »Squaw?« wiederholte Twitschel gedehnt. John Haggerty lächelte breit und ein wenig niederträchtig. »Well, Major, Cochises Frau.« »Allmächtiger Himmel! Soll ich etwa in die Berge reiten, um eine Indianerin zu behandeln?« »Cochise wird Sie mit offenen Armen empfangen, Sir. Sie werden in seinem Jacale leben wie Gott in Frankreich.« »Unmöglich!« Da ritt Haggerty der Schalk. Er stierte auf den gepflegten Spitzbart des Arztes. »Keine Sorge, Sir, sie nehmen nur das Kopfhaar, wenn überhaupt. Mir ist kein Fall bekannt, daß Apachen ein Kinn skalpieren.« Twitschel warf ihm einen wütenden Blick zu. »Gehen Sie nur nicht zu weit, Mr. Haggerty!« Er wandte sich an General Howard. »Ich soll tatsächlich eine Indianerin
behandeln, Sir?« »Keine gewöhnliche, das wäre wirklich zu viel verlangt. Cochise dürfte ohne weiteres eine andere Meinung von der Armee erhalten, wenn ein Feldarzt seine Squaw behandelt. Sind Sie nicht auch der Meinung, Doc?« Twitschel warf einen hilflosen Blick auf Haggerty, der wieder ein ernstes Gesicht machte und nickte. »Wir reiten bei Sonnenaufgang, Major Twitschel. Irgendwelche Einwendungen?« Robert Twitschel schüttelte resigniert den Kopf. * Larry Osborne strich sich die langen, blonden Haare aus der Stirn und fächelte sich mit dem Hut Luft zu. Es war glühend heiß im Vorland der Dragoons. Hinter ihm ritt Buck Tinatra, ein ganzes Stück vor ihm Thomas Jeffords mit dem indianischen Scout. Die Sonne brannte vom Himmel, als wollte sie Menschen und Tiere braten. Am späten Nachmittag gelangten sie an eine Tinaja, die trotz der Hitze Wasser hatte. Der Scout hielt an, warf einen Blick zum Himmel, sah die Bussarde, deutete hinauf und sprang vom Pferd. Jeffords sah die kreisenden Vögel auch, dachte sich aber nichts dabei. Während der Yuma auf seinen hochschäftigen Wüstenmokassins zum Wasser glitt, beobachtete er die Bussarde. Er ging in die Hocke, schöpfte kühles Wasser mit der hohlen Hand und spritzte es sich ins erhitzte Gesicht. Er trank nicht, spülte sich nur den Mund aus und spie das Wasser zur Seite. »Kochen«, sagte er, als Haggerty neben ihn trat. Sein Finger zeigte auf dünne Fadenwürmer. Buck und Larry kamen näher und stellten sich neben
Jeffords. »Tolle Brühe«, bemerkte Larry verächtlich. »Sollen wir das etwa trinken?« »Wenn es abgekocht ist, schadet es nicht. Hier können wir lagern. Buck, du bist der bessere Koch von uns. Larry macht Feuer, und der Indianer und ich kochen Wasser. Sawy!« Sie machten sich an die Arbeit. Nach dem einfachen Essen, das aus Brot, geröstetem Fleisch und Kaffee bestand, tränkten sie die Tiere noch einmal und füllten das abgekochte, inzwischen erkaltete Wasser in ihre Feldflaschen. Jeffords suchte trockenes Holz, ging damit ein Stück abseits und zündete es an. Buck kam herüber und schaute ihm zu. »Wozu machst du das, Sonny?« »Es soll die Späher aufmerksam machen.« »Die sind doch schon aufmerksam genug, oder nicht? Den ganzen Tag lang sind sie in unserer Nähe und belauern uns.« »Gerade deswegen. Seit Urzeiten bedeutet Feuer Sicherheit und Geborgenheit. Sie werden es verstehen und Cochise berichten.« »Das hat dir wohl der Yuma verraten?« »Nein, Ron Ballard. Er weiß es von den Scouts.« Buck Tinatra machte ein zweifelndes Gesicht. »Wie oft willst du das am Tag machen? Hält uns ganz schön auf, was?« »Nicht am Tag, während der Nacht. Cochise wird das schon begreifen.« »Oder auch nicht. Vergangene Woche wurden wieder Siedlungen in Sonora angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht. Viel hat die Armee mit ihrem Palmenzweig nicht erreicht.« »Was in Mexiko geschieht, ist mexikanische Angelegenheit. Darum kann sich die Army nicht auch noch kümmern. Und die Belange der Butterfield Mail ist unsere Sache, Buck. Wir müssen zu Cochise, ob es uns nun paßt oder nicht. Komm, wir reiten.«
Sie bestiegen die inzwischen gesattelten Pferde und trabten nach Süden. Der Canyon wurde enger, ein Zeichen, daß die Hügelkette, die den Bergen vorgelagert war, in ein Gelände aus himmelansteigenden Felsen und jähen Abgründen überging. Der Yuma wird zusehends unsicherer. Häufig drehte er den Kopf und blickte über die Schulter zurück. Seine dunklen Augen fixierten die Schluchtränder, musterten jeden Stein, jeden Busch genau. Die Sonne wanderte weiter nach Westen. Schatten krochen über den felsigen Boden, begleiteten die Pferde bis zum vorgesehenen Lager. Sie schwangen sich aus den Sätteln, vertraten sich die Beine, sattelten die Tiere ab und halfterten sie an. Grünfutter gab es nicht. Diese Nacht mußten sie auch ohne frisches Wasser auskommen. Buck kochte ein mexikanisches Gericht: Chili con Carne. Weiße Bohnen mit Fleisch, dazu mit Cayennepfeffer scharf gewürzt, so scharf, daß ihnen beim Essen die Tränen in die Augen traten. »Ah«, sagte Larry nach der Mahlzeit, »jetzt brauche ich einen Eimer Wasser. Meine Kehle brennt wie Feuer.« »Der Kaffee ist gleich fertig«, sagte Buck. Die Dunkelheit kroch wie ein übergroßes Reptil in den Canyon und verzerrte Felsen und Vegetation. Thomas Jeffords stand auf, sammelte trockenes Holz und ging ein Stück weiter in den Canyon hinein. Dann zündete er die Zweige an. Ein Geräusch. Etwas bewegte sich in seiner Nähe. Er sah schärfer hin, konnte jedoch nichts erkennen. Da! Wieder das Geräusch. Steine rollten, dann knirschte es. Thomas ließ sich fallen, zog den Revolver. Hinter ihm ertönte ein angstvoller Schrei. Schnelle Schritte. Buck und Larry fluchten wie zwei Kutscher. Gleich darauf hörte man die Hufe eines sich entfernenden Pferdes. Jeffords konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Canyon vor sich. Zunächst war nichts zu sehen, dann jedoch eine
Gestalt. Sie tauchte vor dem liegenden Weißen auf, machte eine heftige Bewegung und kehrte um. Jeffords wartete Minuten. Als nichts weiter passierte, erhob er sich und ging ein Stück weiter. Eine Lanze steckte in einem Bodenspalt. An ihrem Schaft hingen drei rote Federn. Er zog sie aus dem Fels und nahm sie mit. »Was ist passiert?« fragte er Larry, der ihm seinen Revolver unter die Nase hielt. »Der Yuma ist abgehauen«, sagte der junge Mann. »Hat wohl genug von seinen roten Apachenfreunden.« Thomas warf die Lanze auf den Boden und deutete auf den Federkranz. »Weiß einer, was sie zu bedeuten haben?« Buck kam heran, starrte auf die Waffe und nickte. »Comanchensprache: bis hierhin und nicht weiter. Sie haben es wohl von den Comanchen abgeguckt.« »Ich hab's mir gedacht«, murmelte Jeffords. »Sie wollen erst Cochise verständigen, ehe sie uns in die Berge lassen.« »Eine kühne Behauptung.« Larry grinste. »Gibt es dort noch mehr, wo du diese her hast?« »Und ob«, antwortete Jeffords lächelnd. »Befestigen wir das Lager. Bin gespannt, welchen Brief wir erhalten, wenn wir weiterreiten dürfen.« »Brief? Bist du übergeschnappt? Von den roten Kerlen kann doch keiner schreiben.« »Ich meine Zeichen, du Schlaukopf. Irgendein Zeichen. Komm, suchen wir Steine und mauern eine Brustwehr.« * Er arbeitete sich langsam und fast lautlos zur Spitze vor. Das Gewissen plagte ihn. Er sah Curt Millers breiten Rücken gegen den Sonnenuntergang, hörte seine Stimme, die gar nicht mehr
abweisend klang. »Kommen Sie nur, Sergeant«, sagte er. »Tut mir leid, daß ich die Beherrschung verlor.« Hartfield zuckte zusammen. Kalter Schweiß tränkte sein schon stinkendes Hemd. Der Scout mußte Augen im Hinterkopf haben und Ohren wie ein Luchs. Hurt ritt neben den Scout. »Ich hätte Haggerty nicht beleidigen sollen«, sagte er. »Es war auch gar nicht so wörtlich gemeint.« »Schon vergessen.« »Manchmal quatschen Männer zuviel, ohne vorher nachzudenken.« »Es geht allen so, die in der Wüste leben.« »Klar. Sind wir bald aus diesem Gewirr von Schluchten heraus?« Curt Miller erwiderte: »Nicht mehr lange.« Hartfield sah den Scout von der Seite an. »Sprechen Sie Apache?« »Ein wenig.« »Sprechen sie alle die gleiche Sprache?« »Es gibt Dialektunterschiede, aber die Stämme können sich untereinander verständigen. Außerdem beherrscht jeder Indianer die Zeichensprache.« Hartfield ritt eine Weile stumm neben Miller her. Nach einer langen Pause drehte er sich im Sattel. Seine Stimme klang belegt. »Kein böses Blut zwischen uns, Scout?« »Keins.« »Auch keine Meldung beim Stab?« »Unsinn! Wenn John Haggerty erfährt, was man in der Truppe über ihn quatscht, wird er höchstens einmal mitleidig lächeln. Selbst wenn er für Cochises Schwester etwas empfindet, so ist das seine Sache.« »Allerdings. Es tut mir wirklich leid.«
»Vergessen Sie's.« »Sagen Sie, Scout, ist sie hübsch?« Miller grinste. »Sehr sogar.« Damit war für ihn das Thema erledigt. Er ritt etwas schärfer und brachte einen gewissen Abstand zwischen sich und den geschwätzigen Sergeant. Unvermittelt zügelte er sein Pferd. Etwas schnell Dahinhuschendes hatte ihn gewarnt. War es ein Tier gewesen? Ein Koyote vielleicht? Oder hatte er den flüchtigen Schatten eines Indianers gesehen? Die ganze Truppe ritt auf und hielt an. Die Stille einer Gruft legte sich über die lange Reihe der Dragoner. Sie stierten sich die Augen aus dem Kopf, entdeckten aber nichts, was nach einer unmittelbaren Gefahr aussah. Miller gab Lieutenant Bascom ein Zeichen, daß er allein weiterreiten wolle. Der Canyon hatte sich merklich verengt. Die steilen Wände schoben sich so nahe an die Truppe heran, daß ein Feind von oben den Durchgang mit herabgestoßenen Felsbrocken blockieren und die Pferdesoldaten von vier Seiten angreifen konnte. Sie hätten mit ihren Pferden und dem Troß von Packpferden hilflos in der Falle gesteckt. Miller ritt vorsichtig durch die Enge, hielt sich genau in der Wegmitte und beobachtete scharf die Canyonränder. Nichts geschah. Keine Bewegung dort oben. Er glaubte nicht daran, daß Cochise mit seinen Chiricahuas die Truppe angriff. Aber es konnten die kriegerischen Tontos oder die Mimbrenjos sein, die auf Skalps scharf waren, auf die Waffen der Weißen und ihre Pferde. Die Canyonwände traten wieder auseinander und bildeten ein großes V. Der Scout hielt an, streckte beide Hände in die Luft und spreizte die Finger. Bascom verstand. Zehn Soldaten gelangten unangefochten durch die Enge, saßen ab und behielten mit gespannten Gewehren die Schluchtränder im Auge. Die nächsten zehn folgten. Zuletzt kamen Lieutenant Bascom und der Rest der
Dragoner. Er ritt zu Miller, hob sich etwas in den Steigbügeln und fragte: »Was war los, Scout? Befürchteten Sie einen Angriff?« »Ich bemerkte einen Schatten und hielt es für richtig, Vorsicht walten zu lassen. Ob es Apachen sind, weiß ich nicht einmal, aber…« Er brach ab, starrte zu den Hängen hinauf. Miller mußte zweimal schlucken, bevor er seinen Schreck überwinden konnte. »Was haben Sie plötzlich?« fragte Bascom erstaunt. »Sehen Sie doch mal zurück.« Bascom tat es und erstarrte. »Großer Gott, warum läßt du nur so etwas zu?« Selbst die Soldaten saßen unbeweglich auf ihren Pferden und blickten mit bleichen Gesichtern zur Höhe hinauf. Einige fluchten, andere falteten die Hände und sprachen ein Gebet. Über den Hang verteilt standen mehr als 50 Apachen. Wie nebeneinander gereihte Statuen, wurden sie zu bewegungslosen Mahnmalen, von denen eine unausgesprochene Drohung ausging. Die Apachen allein entsetzten die Soldaten nicht so sehr, sondern die Toten, die sie an Stricken und von Pfeilen gespickt über den Canyonrand hängen ließen. Eine ganze Familie: Mann, Frau, drei Kinder. Weiße. Ohne Erbarmen waren sie hingemetzelt worden. Ein einzelner Indianer trat bis an den Rand des Abgrunds und schüttelte die geballten Hände. »Dieses Schwein«, sagte Bascom keuchend und rot im Gesicht vor Wut. »Mr. Miller, wer ist der Kerl?« »Sehen Sie ihn sich an. Lange Haare, von keinem Stirnband gehalten, asketisches Gesicht: Victorio! Können Sie den erbarmungslosen Haß in seinen Augen erkennen?« Bascom nickte leicht. Hartfield kam mit einem Corporal heran. Sein Pferd war nervös und gehorchte nur widerwillig dem scharfen Zügeldruck.
»Soll ich den Kerl herunterschießen, Lieutenant… Sir?« Miller wehrte entsetzt ab. »Nur das nicht. Gegen diesen Haufen Mimbrenjos haben unsere Soldaten nicht die geringste Chance.« »Wer können die Weißen sein, die er umgebracht hat?« fragte Bascom und mußte unwillkürlich würgen. »Es wäre gut, das zu wissen.« Curt Miller zuckte mit den Achseln und warf einen letzten Blick auf die Mimbrenjos. »Ein Rancher aus der südlichen Gila oder ein Farmer. Die arme Frau!« »Und die armen Kinder«, sagte der Sergeant voller Grimm. »Reiten wir«, ordnete Miller an. »Da oben können wir sowieso nichts tun. Los, Lieutenant, hauen wir ab!« Die Marschordnung wurde schnell wiederhergestellt. Der lange Zug der blaugekleideten Reiter mit den orangefarbenen Biesen an den Hosen bewegte sich wie ein langer Wurm aus dem Canyon und in einen nächsten. Miller hielt sich diesmal mehr nach Westen. Am Spätnachmittag ließen sie das Labyrinth von Schluchten hinter sich und ritten durch ein breites Tal nach Nordosten. Und erneut hielt der vorausreitende Scout den Trupp an. Eine Rauchfahne stieg weit vor ihm zum Himmel, breitete sich hoch oben wie ein Pilz aus und zerflatterte schließlich im Abendwind. Lieutenant Bascom, Sergeant Hurt Hartfield und zwei Corporale kamen nach vorn. Finster starrten sie auf das Rauchsignal. »Schon wieder Indianer?« fragte Bascom den Scout. »Glaube ich nicht. Die melden ihre Anwesenheit nicht erst an.« »Doch keine Weißen?« »Wie es aussieht, ja. Nur ein weißer Mann kann so dämlich sein und ein Feuer anzünden, das man meilenweit sieht.« »Vielleicht ist es Absicht?«
»Absicht oder nicht, sie stehen mit einem Stiefel in der Hölle.« * Drei Gruppen von Weißen bewegten sich in unterschiedlichen Richtungen durchs Gebirge. Zwei ritten in die Dragoons ein, eine verließ sie nordwärts. Haggerty und der Militärarzt ritten durch einen schmalen Schlauch und hielten sich immer nach Süden. Thomas Jeffords und seine Freunde hielten sich südwestlich und gerieten in ein Schluchtlabyrinth von tief eingeschnittenen Tälern und Canyons. Alle Gruppen hatten etwas Gemeinsames: ein unbehagliches Gefühl, eine nie gekannte nervöse Unruhe und Angst. Twitschel sah öfter über die Schultern als geradeaus. Selbst John Haggerty beobachtete unentwegt die Schluchtränder. Nichts entging seinen scharfen Augen. Aber wohin er auch sah: Felsen, Mesquite und Stechpalmen. Gras gab es nicht, dafür war es hier zu trocken. Dagegen war Thomas Jeffords zuversichtlich, wenn auch nicht frei von Angst und angespannter Erwartung. Seine beiden Freunde wirkten unverdrossen. Sie vertrauten ihren Waffen und ihrem Kampfgeist, der selbst in den schwierigsten Situationen nicht erlahmte. Jeden Abend brannte Jeffords ein Signalfeuer ab und wiederholte es am frühen Morgen. Es sollte Cochise auf seine freundlichen Absichten aufmerksam machen. Für ihn stand fest, daß seine Gruppe ständig beobachtet wurde. Beide Trupps drangen mit jeder Stunde tiefer in das wilde Gebirge ein. John Haggerty kannte den Weg, Thomas Jefford nicht. Sein Yuma-Scout hatte ihn wegen der drohenden Nähe der Apachen längst verlassen und war zurückgekehrt. Trotzdem gab der Posthalter nicht auf. Er mußte zu Cochise. Haggertys Wallach trottete leicht erschöpft vor dem
Sanitätsoffizier her. »Wann legen Sie eine Rast ein, Mr. Haggerty?« »Kurz nach Mittag, Sir. Wir stoßen um diese Zeit auf eine Quelle. Die Pferde brauchen Wasser und Ruhe.« »Ich auch«, lachte Twitschel. »Mein Podex fühlt sich wie rohes Fleisch an.« Er trieb sein Pferd neben Haggertys Dunkelbraunen. »Sie haben wirklich keine Angst, Haggerty?« »In gewisser Hinsicht schon. Und Sie?« »Na, es geht. Ganz traue ich auch diesem Cochise nicht. Wenn er dazu Lust verspürt, nagelt er uns an einen Pfosten und läßt uns foltern.« »So schlimm wird's nicht werden.« Haggerty grinste. »Außerdem ist Cochise ein Ehrenmann. Was er verspricht, hält er.« »Sie sind sein Freund?« »Das ist nicht das passende Wort, Sir. Es ist eine Art Haßliebe, was er für mich empfindet. Einerseits ist er mir Dank schuldig, andererseits wünscht er mich zum Teufel, weil er weiß, daß wir Scouts ihm und seinen Chiricahuas höllisch zu schaffen machen.« »Sie retteten seine Squaw nach einem Schlangenbiß, nicht wahr?« »Seine Schwester. Es war auch keine Schlange, sondern ein Skorpion.« »Aha! Wissen Sie, Haggerty, ich sehe überall Schatten, und schleichende Gestalten. Es ist zum Fürchten in diesem Land.« »Da ist auch viel Einbildung bei. Sie sind zwar in der Nähe, aber Sie werden sie erst sehen, wenn sie gesehen werden wollen.« Es war, als hätte der Scout ein Bajonett in seinen Körper getrieben. Major Twitschel zuckte zusammen wie unter einem scharfen Schmerz »Es ist etwas anderes, weiße Männer in einem Krieg zu bekämpfen, als sich gegen diese menschlichen
Bestien zu verteidigen. Ich habe gehört, wie sie ihre Gefangenen behandeln. Mir wird übel, wenn ich nur daran denke. So übel, daß ich nicht mehr klar denken kann. Aber glauben Sie mir, ich bin kein Feigling. Nehmen Sie mir das ab?« »Ja«, antworte John Haggerty. »Beruhigen Sie sich, Doc, es wird uns nichts geschehen.« Rein zufällig blickte er nach Westen. Die gen Himmel steigende Rauchsäule irritierte den erfahrenen Scout. Kein Indianer hätten jemals ein solches Feuer angezündet. Und die Weißen, die es taten, mußten entweder verrückt sein oder einen bestimmten Zweck verfolgen. Er parierte sein Pferd und ließ den Offizier aufschließen. Mit der Rechten deutete er auf die dunkle Rauchsäule, mit der Linken hielt er die Zügel. »Können Sie sich einen Reim darauf machen, Sir?« »Nein. Wissen Sie, was der Rauch bedeutet?« »Ja, natürlich. Er kommt von einem Feuer, aber warum ein so rauchstarkes angezündet wurde, ist mir nicht klar. Entweder ist es ein Signal, oder es wurde von einem Dummkopf angezündet, der absolut seinen Skalp verlieren will.« »Und wenn es ein Signal ist, wem gilt es?« »Das wissen nur die Götter.« »Vielleicht ein Hilferuf? Wie weit ist's bis dorthin?« »Fünf Meilen. Die klare Luft täuscht, Doc. Fünf Meilen, Luftlinie, selbstverständlich. Wenn wir den Canyons folgen, möglicherweise zwanzig und mehr.« »Ein Weißer kann in Not sein.« »Dann wird seine Not sehr schnell ein Ende haben.« »Wie meinen Sie das, Scout?« »Wie ich's sagte. Jeder Apache sieht den Rauch auf Meilen und Meilen. Ein Skalp ist für ihn so gut wie ein anderer.« »Lieber Himmel, hört dieses Morden in diesem Land nie auf?«
»Wenn alle Indianer tot sind. Sie fingen nicht mit dem Skalpieren an. Bevor die Weißen und Spanier in dieses Land kamen, kannten sie das nicht. Die Mexikaner begannen damit. Für jeden Apachenskalp eine Belohnung. Gewissenlose Skalpjäger, Mexikaner wie Weiße nutzten das Angebot grausam aus. Unter den abgegebenen Kopfhäuten befand sich mehr als einer, der von harmlosen Indianern, Mexikanern und schwarzhaarigen Weißen stammte.« Der Arzt sagte kein Wort mehr. Ihm lief trotz der erbarmungslosen Hitze eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Haggerty beobachtete aufmerksam die Höhenzüge. Vor ihm lichtete sich der Canyon. »Wir sind gleich bei der Quelle«, sagte er. »Dann können Sie Ihren geschundenen Podex kühlen.« Twitschel rang sich ein schwaches Lächeln ab und verfluchte sich im stillen, daß er sich bereit erklärt hatte, mit diesem verrückten Scout in die Berge zu reiten. Als die Quelle in Sicht kam, spitzten ihre Pferde die Ohren und sogen scharf den Wind ein, der aus dem Seitencanyon wehte. John ritt hin, warf flüchtige Blicke auf die Spuren, die die Truppe hinterlassen hatte. »Absteigen«, sagte er, »wir sind zu Hause.« »Wie bitte?« »Nun ja, Cochise wird uns hier treffen. Ist doch klar. Er weiß, was in seinen Bergen vorgeht. Wenn Sie ihm gefallen, Doc, wird er Sie für die Rettung seiner Squaw fürstlich belohnen. Mißfallen Sie ihm, werden Sie die Apacheria nie betreten.« »Oder er läßt mich durch seine Krieger niedermachen.« »Das glaube ich nicht. Wenn er das vorgehabt hätte, wäre es längst geschehen. Kühlen Sie Ihr Sitzfleisch, Sir. Wenn Cochise kommt, und Sie sitzen mit dem Hintern in der Badewanne, sind das ein paar Minuspunkte für Sie.«
»Hören Sie, Haggerty, können Sie das nicht etwas anders sagen? Nicht so spöttisch und drakonisch.« Haggerty lachte, nahm die Sättel ab und trieb die Tiere an das Wasserbecken. Als sie gesoffen hatte, rieb er sie ab und bürstete ihre Felle. Twitschel saß auf einem Stein und schaute zu. »Werden Sie denn nie müde, Haggerty?« »Doch, aber nicht in der Wildnis. Es könnte sonst die letzte Müdigkeit in meinem Leben sein … Bleiben Sie ruhig sitzen, Major, Cochise steht hinter Ihnen! Nicht umdrehen, gar nichts tun, nur abwarten.« * Santa Magdalena. Leise murmelte der San Pedro. In der Town ging es wie immer und jede Nacht hoch her. Die Minenleute warfen das schwerverdiente Geld mit vollen Händen hinaus. Alle Saloons waren randvoll mit schwitzenden, schimpfenden und fluchenden Männern angefüllt, die sich zu überschreien suchten. Dazwischen hämmerten Klavierspieler, klimperten Gitarren, girrten Tingeltangelmädchen mit geschminkten und gepuderten Gesichtern. Im Galiuro ging es ausnahmsweise einmal ruhiger zu. Man spielte an den Tischen Poker, und Pokerspieler konnten keinen Lärm vertragen, gleich welcher Art. Hank Doolin lehnte mit Elvis Wash, Fred Honda und Hugh McDonnel am Tresen und schüttete in sich hinein, was nur hineinging. Bier und Whisky, Baconora und Bier, zur Auffrischung mal einen Mescal oder einen Pulque. Honda drehte sich eine Zigarette aus schwarzem LoboNegro, brannte sie an und stieß genüßlich eine Rauchwolke zur Decke. »Endlich wieder mal Leben, Schnaps und Weiber. Jungs, wie lange haben wir das entbehrt?«
»Wie lange?« schnaufte Doolin und warf Honda einen bösen Blick zu. »Jedenfalls noch nicht lange genug, um euch vernünftig werden zu lassen. Eine Stunde in diesem Nest, und schon seid ihr blau und so wild wie junge Bisons.« »Davon kann doch keine Rede sein, Boß«, sagte Wash und blinzelte der Lokalschönen zu, was ihm ein verführerisches Lächeln einbrachte. »Wir sind gesunde Männer, die sich hin und wieder austoben müssen. Wie wär's denn mit einem kleinen Vorschuß auf die nächste Beute?« »Ausgeschlossen. Das würde gerade noch fehlen. Wir hatten vereinbart, still und unauffällig ein paar Drinks zu nehmen und danach zu verschwinden. Ebenso still und unauffällig. Haltet ihr so euer Versprechen?« »Bist du nicht übervorsichtig, Boß?« wollte Hugh McDonnel wissen. »Vor sechs Wochen hast du etwas von zwei Marshals erzählt. Wo sind sie, diese US-Deputys?« Doolin nahm sein Bierglas zwischen beide Hände, hob es an die Lippen und trank gemächlich, setzte es wieder ab und wandte sich Hugh zu. »Meine Informationen, die mich 'ne Stange Geld kosten, stimmen immer. Sie sind in Tombstone eingetroffen. Es besteht also kein Grund, meine Worte anzuzweifeln.« »Und was weiter?« »Nichts weiter. Wir verhalten uns ruhig, bis sie wieder abziehen.« »Boß, ich glaube, du hast die Hosen gestrichen voll«, sagte Wash gehässig. »Reiten wir doch einfach nach Tombstone und legen sie um. Aber auch das paßt nicht in deine Pläne, ich seh's dir am Gesicht an.« Doolin konterte: »Das paßt mir allerdings nicht. Wenn ihr nicht so hoffnungslos dämlich wäret, würdet ihr nicht solche saublöden Vorschläge machen. Was meint ihr, was passiert, wenn wir zwei Marshals über den Haufen schießen?« »Was schon«, brummte Fred Honda und nahm einen
kräftigen Schluck aus seinem Whiskyglas. »Eine Woche drauf sind zehn Deputys südlich des Gila. Zehn! Oder noch mehr. Sie werden uns durch die Gegend hetzen. Kein Versteck in den Bergen wäre mehr sicher, kein Land zu weit, wo wir uns verkriechen können. Narren!« »Sie würden gar nicht wissen, wer's getan hat«, sagte Wash krächzend. »Sollen wir uns denn alles gefallen lassen? Wir wollen endlich ins große Geschäft kommen, nachdem die …« »El, halt's Maul! Du bist so blöde, daß es einem geradezu weh tut. Nichts wissen … Mensch, jeder von denen hat mehr Grips in seinem Gehirnkasten als wir alle zusammen. Das sind Spezialisten, darauf gedrillt, Typen wie euch aufs Kreuz zu legen.« »Wir sind auch nicht gerade Schnecken mit 'nem Schießeisen«, warf McDonnel ein. »Okay, lassen wir das. Wo sind denn diese Wunderknaben jetzt?« »Mit dem zukünftigen Postmeister in die Berge geritten. Was dort vorgeht, weiß ich nicht, werde es aber noch erfahren.« McDonnel sagte: »Das wäre die beste Gelegenheit, die beiden mitsamt dem Butterfield-Mann ins Jenseits zu befördern. Ein paar Pfeilspitzen verteilt, ein bißchen Krimskram, wie wir es früher machten, und der Weg wäre für uns frei. Frei, ohne daß ein Verdacht auf uns fällt. Wieder mal die bösen Apachen, die braunen Mörder, die Bestien in Menschengestalt.« »Ich habe keine Ahnung, wo sie hingeritten sind. Willst du es allein versuchen, Hugh?« »Ich gehe mit ihm«, erbot sich Wash. Nach längerem Zögern entschied sich Doolin für den Vorschlag. »Wenn ihr heute nacht reitet, stoßt ihr bestimmt im Morgengrauen auf ihre Spur. Ich bin sicher, die würde ein blinder Indianer mit seinem Taststock finden.« »Okay, Boß. So long! In drei bis vier Tagen sind wir wieder
zurück.« »Vielleicht«, murmelte Doolin, »vielleicht auch nicht.« * Ein Schatten fiel über Major Twitschel. Er befolgte Haggertys Rat und drehte sich nicht um. Der Major sah nicht einmal auf, als der Schatten menschliche Umrisse annahm. Als Cochise beim Feuer stehenblieb, sah er nur Haggerty an. Der Scout hielt dem Blick dieser dunklen Augen stand, dabei straffte er seine Schultern wie im Trotz. »Du bist zurückgekehrt?« stellte der Häuptling mit seiner tiefen Stimme fest. »Du hast den weißen Medizinmann mitgebracht.« Der Scout wies mit einer flüchtigen Handbewegung auf Major Twitschel. »Er wird deiner Squaw helfen, wenn er kann. Das ist Major Robert Twitschel, Jefe.« Der Militärarzt hob den Kopf. Groß wie ein Baum stand der Chiricahua vor ihm. Nichts Erschreckendes war an ihm, eher etwas Aristokratisches. In einem braunen Gesicht standen die Wangenknochen wie Hügel in einer Wüstenlanschaft hervor, darüber ein paar harte braune Augen, eine hohe Stirn und eine scharfrückige Adlernase. Cochise trug sein weißes Stirntuch zusammengerollt, an der rechten Seite verknotet, die Enden herabhängend bis fast auf die Schulter. Alles in allem machte der Indianer einen günstigen Eindruck auf den Sanitätsoffizier. Plötzlich glaubte Twitschel nicht mehr an die vielen Berichte in der Armee, die Cochise als grausam und blutdürstig abstempelten. Der berühmte Häuptling musterte ihn lange und eindringlich. Er schien nichts Nachteiliges an dem Arzt zu finden. Der Weiße hatte helle Augen, ein ebenmäßiges Gesicht und ein gepflegtes Äußeres. Kein bißchen Falsch war an ihm.
Im gutturalen Tonfall sagte Cochise: »Wir reiten!« Das war die ganze Begrüßung. Weder Handschlag noch eine Bemerkung darüber, wie es seiner Squaw ging. Cochise stieß einen leisen Piff aus. Ein Pinto kam hinter der Kehre hervor herangetrabt. Er trug weder Sattel noch Steigbügel. Eine einfache Santillodecke genügte dem Jefe, das Tier zu reiten. Haggerty sattelte und führte die Pferde noch einmal an die Tränke. Dann stiegen beide auf und folgten dem Chiricahua. Als sie aus dem Seitencanyon ritten, sah John die ersten Apachen. Sechs standen hoch oben auf den Klippen und bewachten den unsichtbaren Weg im Canyon. Alle trugen sie moderne Gewehre. Es wurde später Nachmittag. Die Hitze nahm zu und wurde von den Felsen zurückgestrahlt. Haggerty und Twitschel schwitzten und tranken oft aus der Feldflasche. Cochise dagegen schien überhaupt keinen Durst zu haben. Unermüdlich ritt er im leichten Trab über die Mesa. So sehr sich Haggerty auch aufmerksam umsah, er entdeckte die Krieger nicht mehr, die ihren Weg bewacht hatten. Endlich sah er bekannte Landmarken vor sich. Die Felstrümmer kamen in Sicht, die ihm und Curt Miller Zuflucht vor den Chiricahuas geboten, hatten, während sie das Lager im Canyon beobachtet hatten. Cochise umritt sie. Vor der nach unten führenden Rampe hielt er kurz an. Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Eine Viertelstunde später waren sie unten. Dunkelheit lag in diesem Tal wie die drohende Faust eines unabwendbaren Schicksals. So kam es dem Militärarzt jedenfalls vor. In der Mitte des Steinwalls brannte ein großes Feuer, das den freien Platz hell beleuchtete. Sie stiegen ab. Indianer tauchten lautlos auf und führten die Tiere weg. Cochise deutete auf einen großen Jacale. Das Wickiup wirkte, gemessen an den anderen Unterkünften, geradezu
vornehm. Felle bedeckten die Außenhaut aus Zweigen und Laubwerk. Robert Twitschel hatte seinen Medizinkoffer mitgenommen, der so ziemlich alles beinhaltete, was ein Arzt benötigte. Hinter Cochise trat er in die indianische Behausung, Haggerty machte den Schluß. Naiche stand im Hintergrund, neben ihm ein kleiner Junge. Beider Ähnlichkeit mit Cochise war unverkennbar. Haggerty sah Naiche an, fand aber in dessen Augen weder Zustimmung noch Freundlichkeit. Der Kleine zeigte einen trotzigen Gesichtsausdruck. Neben Sho-shu-lis Lager kauerte Tla-ina, Cochises Schwester. Sie sah weder auf noch Haggerty an. Cochise sagte etwas in seiner Sprache. »Sanfter Wind« erhob sich und wartete in Naiches Nähe. Major Twitschel näherte sich dem Lager. Er sah das blasse Antlitz, die großen Augen, die tiefen Schatten darunter. Er sah die abgezehrten Hände, den mageren Körper unter der Calicokleidung. »Ich muß sie untersuchen«, sagte er, an Haggerty gewandt. »Erlaubt der Häuptling das?« Cochise nickte. »Ich verstehe die Sprache der Weißen. Mach alles, um sie zu retten.« Twitschel öffnete seinen Koffer, nahm das Stethoskop heraus, setzte das Hörrohr auf die Brust der etwa vierzigjährigen Frau und benahm sich nicht anders, als er sich im Armeelager benommen hätte. Stille. Es war, als wäre ein drohender Schatten durch das Wickiup geglitten. Als Twitschel das Hörrohr absetzte und aufsah, wirkte er irgendwie besorgt. Als Arzt wußte er stets von der Anwesenheit des Todes, wenn er sich zu einem schwerkranken Patienten begab. Er kannte seine Möglichkeiten, aber auch
seine Grenzen, dem Knochenmann ein ausersehenes Opfer abspenstig zu machen. Twitschel wechselte einen langen Blick mit dem Scout, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Als er schließlich sprach, meinte er nicht Cochise, sondern Haggerty. »Sie ist sehr krank«, sagte er. »Das Herz. Was wissen wir Ärzte schon über die Funktion des Herzens? Was sie zuerst braucht, ist frische Luft. Ich gebe ihr Tropfen, die der Kranken dreimal am Tag gereicht werden sollen. Dieses Fingerhutpräparat hat schon oft in solchen Fällen geholfen. Hat der Häuptling alles verstanden?« Cochise nickte. Er streckte die Hand aus. »Tropfen, was ist das?« »Medizin. Gute Medizin.« »Gib sie mir.« Major Twitschel kramte in seinem bauchigen Köfferchen, nahm eine kleine Flasche heraus und reichte sie dem Häuptling. Der öffnete sie, roch daran, hielt sie gegen das Feuerlicht und schüttelte sie. »Wieviel?« fragte er. Er hatte also begriffen. »Dreimal am Tag zwanzig Tropfen mit etwas Wasser. Die Kranke braucht zusätzlich viel frische Luft, Jefe. Man sollte ihr ein Lager an der Sonne bereiten.« »Gut. Du bist mein Gast«, sagte er. »Komm mit!« Er verließ das Wickiup. Twitschel und Haggerty folgten. Im Hinausgehen bemerkte John Tla-inas fragenden, forschenden, milden Blick. Er drehte sich herum. Sie lächelte. John lächelte zurück. Naiche runzelte die Stirn, kam auf Haggerty zu. »Wird der weiße Medizinmann meine Mutter retten?« »Wenn die Krankheit nicht zu weit vorgeschritten ist, ganz bestimmt, Naiche.« *
Hugh McDonnel und Elvis Wash drangen in das Gebirge vor. Sie benutzten die ausgetretenen Pfade, und sie hatten Glück. Gegen Abend stießen sie auf eine frische Fährte von beschlagenen Pferdehufen. Sie folgten der Spur bis zu jener Stelle, wo Thomas Jeffords während der Nacht zum erstenmal gelagert hatte. Sie stiegen ab, befreiten die Pferde von der Last des Sattels und breiteten im letzten Abendlicht ihre Deckenrollen aus. Die Einsamkeit des grandiosen Canyons bedrückte sie. Unheimlich wirkte das leise Raunen des Windes, der Sand und Tambleweed aus der Wüste herantrieb und in die Schluchten wehte. In diesem Augenblick ahnten die beiden Banditen, daß sie sich zuviel vorgenommen hatten und bereuten ihren Entschluß, ohne Hilfe das Problem der US-Deputys aus der Welt zu schaffen. Einmal sah Wash irgendwelche sich bewegenden Schatten, ein andermal McDonnel. Jedes Knistern in ihrer Umgebung schreckte sie auf, jeder Laut ließ kalte Schauer über ihre Rücken rieseln. Als dann später der Mond aufging, machte sein kaltes Licht alles noch viel schlimmer. McDonnel sagte nichts mehr. Sein sonst so geschwätziger Mund blieb wie in Angst gelähmt. Er starrte Wash über die Flammen hinweg an, aber auch Elvis schien aus Furcht vor der düsteren Umgebung wie versteinert. Da, wieder ein Geräusch! Es klang, als wäre ein dürrer Ast unter einem Mokassin gebrochen. McDonnel fuhr hoch, riß den Colt heraus und spannte den Hahn. Wash griff nach seinem Gewehr und hebelte eine Patrone in die Kammer. Der Laut ging in ein schabendes Knirschen über, das den beiden Banditen einen Schrecken einjagte. Ihre Hände zuckten, wurden feucht. Ihre flackernden Blicke flogen in alle Richtungen, aber sie sahen nichts außer Schatten und grellem Mondlicht.
Der ganze Canyon schien in Bewegung zu sein, eine unbarmherzige Jagd ohne Gnade. Auch andere Jäger waren unterwegs – unsichtbar, unhörbar. Keinen dürren Zweig hätten ihre Mokassins zertreten, keinen Stein ins Rollen gebracht. Sie waren die wahren Jäger, die den Tod mit sich führten, die blitzschnell zuschlugen und töteten, viel schneller, als es das bösartigste Raubtier mit Pranken und Zähnen vermocht hätte. Sie waren nur zu dritt. Trotz ihrer geringen Zahl hätten sie es mit fünf oder mehr Weißen aufgenommen. Hinter dem Lager ragte ein Fels wie eine Nase in den nächtlichen Himmel. McDonnels große Augen waren genau auf jenen Fels gerichtet. Er ging hin, weil er glaubte, daß die Geräusche von dort gekommen waren. Elvis Wash ging die paar Schritte mit, weil ihn einfach die Furcht dazu trieb. McDonnel hatte den Felsvorsprung schon fast umrundet, da erhob sich der Apache aus den Büschen, als hätten ihn Marionettenschnüre in die Höhe gezogen. Er war zehn Yards von McDonnel entfernt und rührte sich nicht, nur seine dunklen Augen beobachteten das Bleichgesicht. Hugh blieb wie angewurzelt stehen. Der Revolver hob sich, mit ihm die linke Handfläche, dem schweigenden Krieger zugekehrt. »Freund«, rief der Bandit. »Amigo.« Der Apache stand reglos dort, wie aus dem Felsen gemeißelt. McDonnel schluckte. In seinem Rücken zischelte Wash: »Leg ihn doch einfach um, Hugh.« Der Wind wehte um die Felsnase, trieb Staub zu ihnen her. »Wir – wir Freunde«, stotterte McDonnel hilflos. Den Colt in seiner Hand vergaß er. Es war, als hätten ihn die dunklen Augen hypnotisiert. Hinter den beiden Banditen huschte der Tod. Zwei Schüsse dröhnten. Hugh McDonnel und Elvis Wash waren tot, bevor sie ahnten, was sie umgebracht hatte.
Der Widerhall der Schüsse prallte von den Wänden ab und verklang weiter unten in der Schlucht. Die Apachen ließen die noch rauchenden Gewehre sinken und spuckten aus. * Doolin und Honda lümmelten an der Bar. Nachdem die beiden Outlaws gegangen waren, hatte Doolin sich Gedanken gemacht. US-Marshals waren schließlich nicht irgendwer und verstanden mit ihren Waffen mindestens ebensogut umzugehen wie Banditen. Lily McCable tänzelte durch den Saloon. Sie trug ein Kleid aus Seide. Es war am Hals geschlossen und hatte Puffärmel. Ihr Haar war rot und aus der Stirn zurückgekämmt. Die grünen Augen blitzten herausfordernd. Sie blieb stehen, als sie die zwei Männer sah, und ging dann langsam auf sie zu. »Da sind ja die beiden Kerle wieder, die ständig hier herumkrakeelen. Lange nicht mehr hier gewesen, was Dickerchen?« »He, Schwester, können wir nicht freundlich zueinander sein? Niemand krakeelt. Komm zur Bar und trink einen mit.« Ihre Augen funkelten im Zorn. »Nenn mich nicht Schwester, du fetter Affe. Und was das Anfreunden bei Bier und Whisky anbetrifft – so lange bleibst du gar nicht hier.« Hank Doolin verlor für einen Moment die Fassung. Nun, sie war ein Tingeltangelmädchen, aber sie hatte Grips im Kopf und eine scharfe Zunge. Doolin hatte seit langem ein halbes Auge auf sie geworfen und ihr Erscheinen diesmal war die beste Gelegenheit, mit ihr anzubändeln. Er streckte blitzschnell den langen Arm aus, umfaßte ihr Handgelenk und zog sie zu sich heran. »Ich hab's nicht gern, wenn man mir ständig sagt, was ich zu tun habe und was
nicht.« »Aha!« gab Lily höhnisch zurück. »Ein sehr großer, starker und tapferer Mann. Bist du zum Trinken hierhergekommen oder zum Raufen?« Trotz ihres schroffen Tons mußte Doolin lachen. »Hat dir schon mal jemand den Hintern versohlt, Schwester?« Der Saloon war um diese Stunde immer noch besetzt und die Stimmung auf dem Höhepunkt angelangt. Aller Augen richteten sich auf das Schauspiel bei dem Tresen. »Nein«, zischelte Lily und trat zu. Die Spitze ihres Schuhes traf Doolin am Schienbein. Eine empfindliche Stelle. Er zuckte zusammen und stöhnte. Wie ein Storch stand er auf einem Bein und hielt sich das andere. Mehr als 30 Männer stießen ein brüllendes Gelächter aus und sparten nicht mit anfeuernden Rufen. »Singen, Lily!« schrien ein paar Kerle, die nach Gebirge und Minenarbeitern aussahen. »Los, Lilly, sing uns was vor.« Sie trat noch einmal zu, weil Doolin schon wieder nach ihr grapschte, und zog sich dann zurück. Sie konnte singen, und nicht einmal schlecht. Und wenn sie bei wirklich guter Laune war, sang sie auch. Aber sie war als Animiermädchen eingestellt und nahm ihren Beruf sehr ernst. Wenn sie sich dazu herabließ, ein Lied zu singen, wollte sie dafür bezahlt werden. Das Leben war für eine Frau im Westen eine Realität, und sie selbst, das behauptete sie wenigstens, ein Stück davon. Doolin war dem zweiten Tritt ausgewichen, grinste, trat in seiner Aufgeregtheit Fred Honda auf die Zehen, bestellte noch einmal Bier und Whisky und trank der schönen, rothaarigen Frau zu. Sie beobachtete ihn nicht mehr, kannte sie ihn doch als Geizhals und Pfennigfuchser. Lily ging zu einem älteren Minenarbeiter, setzte sich auf dessen Schoß und kraulte seinen Bart. Er umfaßte mit seinen verarbeiteten Händen ihre Hüfte und zog sie an seine Brust.
Genau das hatte sie gewollt. »Schmeißt die beiden Kerle raus, Opa Bentley. Werft sie durch die Tür auf die Straße. Ich will sie hier nicht mehr sehen.« »Willst du einen Drink, Lily?« grölte ein anderer aus dem Minendistrikt, der am selben Tisch saß. »Ich will, daß ihr die beiden Typen rauswerft, den mit der geblümten Weste und den Froschäugigen.« Ein paar Köpfe drehten sich zu Doolin und Honda. »Weshalb?« fragte ein dritter Mann, der ebenfalls am Tisch saß. Surgest war ein guter Arbeiter, dem ein Zwölfstundentag nichts ausmachte, aber für eine Denkarbeit war er nicht geeignet. »Ich kann sie nicht leiden«, sagte das Mädchen. »Sie beleidigten mich, jedenfalls der Dicke. Tut ihr mir den Gefallen?« Der vierte Mann in der Runde, ein kleiner und drahtiger, stand auf und schlenderte zum Tresen. »He«, sagte er und tippte Doolin auf die Schulter, »habe ich dir nicht gesagt, du sollst nicht mehr hierherkommen? Ich werde dir Glasscherben in deinen Whisky tun und dein Bier vergiften. Verschwinde, du Blutsauger und Mädchenverführer! Was, du bist noch nicht weg?« Fred Honda stieß ihm in die Seite, so daß er hinfiel. Aber schnell war er wieder auf den Beinen und stürzte sich auf den Outlaw. Ein Handgemenge entstand, das von dem vorgestellten Bein Doolins entschieden wurde. Die anderen Männer wollten sich schon ducken, weil sie befürchteten, daß der Fremde seinen großen Revolver ziehen und den schreienden Zwerg erschießen würde. Aber Hondas Hand bewegte sich nicht. Mit einem Wutgebrüll sprangen die Miner auf, als sich der Kleine am Boden wälzte und nur mit Mühe einem Tritt des Banditen ausweichen konnte. In der nächsten Sekunde wurde es beim Tresen turbulent. Fäuste landeten in Gesichtern, Stühle
wurde geschwungen, zersplitterten auf Köpfen, die härter als Holz zu sein schienen. Etwas ging zu Bruch. Das Getöse hallte über die Main Street. Sosehr sich Doolin und Honda auch wehrten, sie wurden durch den Mittelgang zur Tür gedrängt und hinausgeworfen. * Der nächste Tag war für den ruhelosen John Haggerty kaum anders als der vorangegangene. Er aß, trank und genoß alles, was ihm die alte Squaw vorsetzte, aber er vermißte etwas: Tla ina, Cochises Schwester. Sie kam nicht, ließ ihm auch keine Nachricht zukommen. Und zu ihr in die Hütte zu gehen, wagte er nicht. Die Kranke hatte man draußen in die Sonne gebettet. Doc Twitschel besuchte sie regelmäßig, fühlte ihren Puls, hörte das Herz ab und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Sie lächelte nur mit großen Augen zu ihm auf, gab aber keine Antwort. Auch Cochise sah John an diesem Tag nicht. Gegen Abend sprang ein Späher vor der Häuptlingshütte vom Pferd. Er verschwand im Eingang und kam erst nach einer Weile zurück. Haggerty und Twitschel, die vor ihrer Hütte standen, erwarteten irgend etwas, doch weder Cochise ließ sich sehen noch sonstwer. Eine Stunde verging. Plötzlich traten Cochise und Naiche vor das Wickiup. Krieger brachten ihnen Pferde. Tla-ina folgte dem Häuptling, an der Hand Nachise, der sich loszureißen versuchte. John war es, als hätte Tla-ina leicht den Kopf geschüttelt, als ihr Blick in seine Richtung glitt. Cochise und Naiche stiegen auf ihre Ponys und ritten aus dem Tal. Dunkelheit brach herein, im Lager wurde es ruhig. Tla-ina verschwand wieder in der Hütte und zerrte den widerspenstigen Jungen hinter sich her. Es gab Geschrei und
dann ein klatschendes Geräusch. Anschließend Stille. John grinste in sich hinein. Bei den Indianern war es nicht anders als bei den Weißen. Eine Ohrfeige half immer, einem ungezogenen Jungen Manieren einzubleuen. »Was geht da eigentlich vor?« fragte der Offizier. »Keine Ahnung.« Haggerty zuckte mit den Achseln. »Der Späher brachte eine Nachricht, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.« »Und das trieb den Häuptling so schnell auf die Beine?« »Vielleicht war es eine schlechte Nachricht«, folgerte Haggerty und zog sich in das Innere des kleinen Wickiups zurück. Major Twitschel folgte ihm und ließ sich beim Feuer nieder. »Wie lange werden wir noch in diesem abscheulichen Loch verbringen müssen, Haggerty?« »Bis die Frau gesund ist oder stirbt«, antwortete John und drehte sich eine Zigarette. »Sie als Arzt können sich die weitere Frage selbst beantworten. Bleibt sie am Leben, oder stirbt sie?« »Ihre Widerstandskraft erlahmt. Sie wird die Woche nicht überleben, wenn kein Wunder geschieht.« »Glauben Sie an Wunder?« Twitschel schüttelte den Kopf. »Wie wird es Cochise auffassen?« fragte er besorgt. John verstand, was er meinte. »Wenn ich mich nicht irre, hat sich der Häuptling längst damit abgefunden. Ich sah, wie genau er Sie beobachtete.« »Am Ende wird er mir die Schuld am Tod seiner Frau geben und mich kreuzigen lassen.« Der Scout lächelte. »Kaum, Major. Cochise ist viel zu vernünftig, um Ihnen einen ärztlichen Fehlgriff zu unterstellen. Auf seine Art ist er ein ausgesprochener Gentleman.« »Wenigstens ein Trost«, seufzte Twitschel und blickte zum Eingang. Die zerschlissene Decke hob sich, und Tla-ina trat
ein. Wie ein schüchternes Reh blieb sie stehen und ließ keinen Blick von dem Scout. Haggerty ging ihr entgegen, nahm sie bei den Händen und führte sie zum Feuer. »Setz dich«, sagte er. »Ist es nicht zu gefährlich, wenn du hierherkommst?« »Sanfter Wind« sah zu ihm auf. In ihren dunklen Augen lag etwas, was ihn irritierte. »Du hast mein Amulett noch, Falke?« Bei dieser unverhofften Anrede zuckte John zusammen und warf einen verlegenen Seitenblick auf den Major. Er tastete unter sein Hemd, fühlte das Ledersäckchen und zog es ein Stück hervor. »Ja, hier. Es hat mir bisher Glück gebracht …« »Nicht dieses Glück soll es dir bringen, Falke«, unterbrach sie ihn leise. »Wenn du in Not gerätst, in eine große Gefahr, dann erst wird es seine Kraft entfalten.« Haggerty sagte: »Ich danke dir, Tla-ina, und ich werde es immer tragen. Aber wie kommst du auf den Namen Falke?« »Cochise nennt dich so.« »Was denkt der Jefe von mir?« »Er hält dich für einen aufrichtigen Weißen, Falke, aber er ist allen Hellhäutigen gegenüber zurückhaltend. Naiche denkt genauso.« John setzte sich neben sie, nahm Tabaksäckchen und Papier, drehte sich eine Zigarette und zündete sie an. Er hatte nicht die Absicht, Tla-ina auszufragen, aber es interessierte ihn, weshalb Cochise mit Naiche und zehn Kriegern so überhastet aufgebrochen war. »Der Jefe ist fortgeritten?« fragte er. »Er nahm Krieger mit. Gibt es Ärger?« »Drei weiße Männer sind in die Berge eingedrungen. Sie zündeten Signalfeuer an und nähern sich unserem Lager. An einer anderen Stelle wurde eine weiße Familie von den
Mimbrenjos getötet, zwei andere böse Männer wurden ebenfalls umgebracht. Das ist schlimm. Ich bin zu dir gekommen, weil du das wissen sollst. Nicht Cochise gab den Befehl zu den Morden, sondern Victorio.« Haggerty ahnte, was sich im Machtbereich Cochises abspielte. Victorio war jedes Mittel recht, die Chiricahuas wieder auf den Kriegspfad zu treiben. John fragte: »Und was hat es mit den drei Weißen auf sich, die Signalfeuer anzünden? Will Cochise sie töten?« »Nein. Er wird sie anhören und dann vertreiben. Er will nicht, daß Weiße zu tief in die Berge vorstoßen. Verstehst du das, Falke?« Haggerty nickte. Er war sich noch nicht darüber schlüssig geworden, wer so dreist war, seine Ankunft mit Feuer und Rauch zu signalisieren. Nur ein Landesunkundiger konnte so etwas tun. Er wechselte wieder einen Blick mit Twitschel und gab ihm durch ein Schulterzucken zu verstehen, daß er ahnungslos war. »Warum hast du mir das alles erzählt, Tla-ina?« »Du sollst dem weißen Häuptling sagen, daß Cochise an den Morden unschuldig ist. Die Chiricahuas wollen nicht auf den Kriegspfad gehen, sie möchten in Ruhe leben.« »Ich werde es ihm sagen. Wie geht es Sho-shu-li?« »Nicht gut. Sie stimmte den Gesang des Todes an. Wenn der weiße Medizinmann ihr nicht helfen kann, wird sie sterben. Sie weiß es, Cochise weiß es, und Naiche weiß es auch.« Twitschel schaltete sich nicht in das Gespräch ein, schüttelte nur hilflos den Kopf. Das Mädchen stand auf, gab John nach der Sitte der Weißen die Hand. »Ich muß gehen«, sagte sie. »Sho-shu-li soll jetzt nicht allein gelassen werden.« *
Thomas Jeffords und seine beiden Freunde hatten sich verirrt. Ihr Wasser ging zur Neige, die Pferde waren unruhig und widerspenstig, sie selbst fühlten sich unsicher und wie verloren in der grandiosen Bergwelt. Am Abend des vierten Tages zündeten sie mit dem wenigen Holz, das sie fanden, zum letzten Mal ein Feuer an, auf das sie grüne Blätter legten. Rauch quoll senkrecht zum Himmel. Rauch stieg auch dem Krieger in die Augen, der vom Schluchtrand aus jede Bewegung der weißen Männer verfolgte. Thomas Jeffords wischte sich ständig den rinnenden Schweiß aus dem Gesicht, während Buck Tinatra und Larry Osborne mit dem letzten Wasser die Pferde tränkten und das Abendessen zubereiteten. Das Feuer brannte nieder. Was zurückblieb, waren graue Asche und zitternde Angst. Um das starke Durstgefühl zu überbrücken, rollten sie sich frühzeitig in ihre Decken. Jeffords übernahm die erste Wache. Gegen Mitternacht weckte er Buck, der später Larry, zwei Stunden vor dem Morgengrauen. Es war eine seltsame Nacht. Buck Tinatra kam sich einsam vor unter Sternen und im Karussell seiner Gedanken, denn ihm wurde die Ausweglosigkeit ihrer Situation bewußt. Er kam zu der Einsicht, daß ihr Ritt in die Berge ein Fehler gewesen war. Von Cochise hatten sie nichts gesehen, aber sie waren auch nicht angegriffen worden, weder von Chiricahuas noch von anderen Stämmen. Buck Tinatra stand von dem Stein auf und weckte Larry Osborne. Der hatte Mühe, seine langen blonden Haare zu bändigen und sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Sie wechselten ein paar nichtssagende Worte, die sich auf die vergangene Wache und die Nacht bezogen, danach herrschte wieder absolute Ruhe in dem kleinen Lager. Larry ließ sich auf denselben Stein nieder, der schon Thomas Jeffords und Buck Tinatra als Sitz gedient hatte. Die Zeit verging, es wurde grau im Osten, dann hell. Die
ersten Lichtstrahlen zuckten über die Schlucht hinweg. Larry stand auf, weckte die beiden anderen. Kaum war Thomas Jeffords auf den Beinen, zischelte er: »Verdammt! Nicht bewegen, Jungs, greift bloß nicht zu den Waffen!« Sie drehten sich um. Fünf graue Gestalten, zerfließend in der Morgendämmerung, standen 20 Yards hinter ihnen mit angeschlagenen Gewehren. »Warum nicht wehren? Sollen wir uns abknallen lassen?« flüsterte Buck Tinatra. »Ruhe«, erwiderte Thomas Jeffords. »Wenn sie angreifen, wehren wir uns selbstverständlich. Ganz ruhig bleiben!« Als er zufällig einen Blick über die Schulter warf, zuckte er erneut zusammen. In seinem Rücken standen zwei hochgewachsene Indianer. Bei dem spärlichen Morgenlicht konnte er ihre Gesichter nicht genau erkennen. Er ahnte aber, daß sie in einer Falle saßen, die jederzeit zuschnappen konnte. Sie hatten Cochise gesucht und den Tod gefunden. Die fünf Krieger mit ihren ausdruckslosen Mienen und der einfachen Wüstenkleidung rührten sich nicht. Als Larry einen Schritt vortrat, um ihre Reaktion zu prüfen, hoben sie ruckartig die Gewehrläufe und legten die Finger an die Abzüge. Es war eine seltsame Situation. In einem Canyon standen sich Apache-Krieger und drei Weiße gegenüber, ohne daß es zu einer Kampfhandlung kam. Sie glotzten sich nur gegenseitig an, lauernd, prüfend und mit verhaltener Drohung. Licht fiel in den Canyon. Haggerty studierte die Gesichtszüge der beiden hochgewachsenen Indianer. Wie auf ein Kommando kamen sie näher. Der ältere der beiden hielt beide Hände mit den Handflächen nach außen in die Höhe und blieb drei Schritte vor Jeffords stehen. Thomas fielen die scharfen Linien von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln, die hohe Stirn und die Adlernase auf. Er ahnte, wen er vor sich
hatte. »Wer bist du, weißer Mann?« »Ich heiße Thomas Jeffords und bin bei der ButterfieldOverland angestellt.« »Im Gebirge gibt es keine Postkutschen.« »Darum geht es nicht, Häuptling. Ich nehme an, du bist Cochise?« Cochise neigte den Kopf, deutete auf den jungen Mann an seiner Seite. »Mein Sohn Naiche. Weshalb hast du Signalfeuer angezündet?« : »Weil du wissen solltest, daß ich unterwegs bin, um mit dir zu reden.« »Das war unklug, weißer Mann. Viele Apachen streifen in diesem Land umher, nicht nur Chiricahuas. Wer so etwas Törichtes tut, stirbt meist sehr schnell. Weshalb willst du mit mir reden?« »Mir geht es um die Station am Apache-Paß. Ich möchte sie wieder neu aufbauen und in Betrieb nehmen. Meine Gesellschaft wird für die Genehmigung selbstverständlich bezahlen.« »Was bezahlen?« Jeffords warf einen unsicheren Blick auf seine Begleiter. »Geld, meine ich. Für Geld kann man sich in den Städten alles kaufen, Jefe.« Cochise wehrte ab. »Apachen brauchen kein Geld.« Der Häuptling erkannte, daß er es nicht mit Unverschämtheit, sondern mit der Entschlossenheit eines Mannes zu tun hatte, der einen erstaunlichen Mut aufbrachte, um ein ernstgemeintes Anliegen in die Tat umzusetzen. Er beschloß, sich die Meinung des geduldigen Weißen anzuhören. »Du willst die Häuser wieder aufbauen, auch die Schmiede?« »Ja. Wenn du unseren Postkutschen sicheren Durchzug durch den Paß gewährst, Häuptling, muß ich die Schmiede wieder aufbauen.« »Postkutschen über den Paß?« Cochise schüttelte den Kopf.
»Sie befördern militärische Nachrichten und transportieren Soldaten. Das lasse ich nicht zu.« Thomas Jeffords wurde kühner. Er rang sich sogar ein Lächeln ab, obwohl ihm nicht danach zumute war. »Militärische Nachrichten, Häuptling, vertraut man keinen Leuten in Kutschen an. Sie werden ohne Ausnahme von Kurieren befördert. Ich werde mit dir verhandeln, aber wenn's geht, ohne die Gewehre hinter mir.« Nach längerem Überlegen kam Cochise zu der Überzeugung, daß ein so mutiger Mann wie Jeffords nur mit einer Zunge sprechen konnte, und so erklärte er sich bereit, den Weißen und dessen Begleiter mit in sein einsames Bergtal zunehmen, um ein ausgedehntes Palavei über die Sache abzuhalten. Keiner der beiden Männer wußte in diesem Augenblick, daß es der Anfang einer ungewöhnlichen und dauerhaften Freundschaft war. Noch einmal warf er einen langen Blick auf den blondhaarigen Weißen, dann besprach er sich mit seinem Sohn, bei dem er aber offenbar auf Ablehnung stieß. »Steigt auf eure Pferde«, sagte er zu Jeffords. »Wir reiten.« »Wohin?« fragte Thomas. »Kommt, euch wird kein Haar gekrümmt werden.« Thomas und seine beiden Freunde brachen das Lager ab und schwangen sich in die Sättel. Wie aus dem Nichts zauberten die Apachen stämmige Ponys herbei und schlossen sich dem Zug von Häuptlingen und Weißen an. »Wir haben kein Wasser mehr«, sagte Jeffords, der neben Cochise ritt. »Du wirst Wasser bekommen«, versprach der Häuptling. Er schlug den Weg nach Osten ein und ritt nur ein kurzes Stück durch den großen Canyon. Schon bald erreichten sie einen Seitencanyon, der so eng war, daß die Pferde nur hintereinander und unter großer Mühe die Enge passieren konnten. Kaum waren sie in die düstere Schlucht eingedrungen, ließen
die Pferde die Ohren spielen und schnaubten. Sie drängten förmlich vorwärts. Cochise hielt bei einem Felsvorsprung und deutete auf eine Quelle unter einer Steinplatte. Das klare Wasser füllte ein Pozito und versickerte schließlich einige Yards weiter in der Erde. Der Boden war weich und schlammig. »Trinkt«, sagte der Häuptling und warf Jeffords einen seltsamen Blick zu. Die drei Weißen stiegen aus den Sätteln und ließen ihren Pferden den Vortritt zum Wasser. Nach einer ganzen Weile, als das flache Felsbecken sich wieder gefüllt hatte, tranken sie selbst und füllten ihre Feldflaschen. »Warum haben die Bleichgesichter nicht zuerst getrunken?« wollte Cochise wissen. »Krieger sind genauso durstig Pferde.« Ahnungslos sagte Jeffords: »Zuerst die Pferde. Sie sind unsere Freunde, und wir müssen uns auf sie verlassen können.« Das feine Lächeln Cochises und das unmerkliche Kopfnicken sah er nicht. * Abel Fitzgerald zügelte sein Pferd und wartete, bis Ben Mulford heran war. Er deutete zum nahen Hügel hinauf und sagte: »Mindestens zehn heute. Das hat was zu bedeuten.« Mulford zählte die Apachen. Er kam auf 13. Sie trugen seltsame Rasseln in den Händen und bewegten sie unentwegt. Wenn die beiden Cowboys mehr Erfahrungen mit Indianern gehabt hätten, wären sie sicher schleunigst in irgendeiner Versenkung verschwunden. Aber sie hatten keine und blieben. Damit unterschrieben sie ihr eigenes Todesurteil. Wenige Minuten danach ritten die Rothäute brüllend, gröhlend und rasselnd vom Hügel und stürmten auf die Ranch zu. Fitzgerald und Mulford warfen ihre Pferde herum und
versuchten zu fliehen. Vergeblich. Drei oder vier Indianer schnitten ihnen den Weg ab und drängten sie weiter von der Ranch weg. »Verflucht und zugenäht!« schrie Ben Mulford zu Fitzgerald hinüber. »Hätte Ward nur auf uns gehört. Jetzt haben wir den Salat.« Aber Abel hörte gar nicht zu. Er hatte den Revolver gezogen und feuerte auf die Pinal-Apachen. Einer, der es besonders eilig hatte, zu einem Skalp zu kommen, fiel vom Pferd und überschlug sich. »Schieß doch, du Narr!« schrie Abel Fitzgerald. »Oder willst du dich bei lebendigem Leib skalpieren lassen?« Sie kamen näher. Drohend klapperten ihre Rasseln und ausgehöhlten Kürbisse, aber noch drohender und furchtbarer klang ihr Wutgebrüll. Beide Cowboys schossen, trafen aber nicht. Von der Seite her fuhr ein Pfeil auf Fitzgerald zu, traf ihn voll. Er stürzte vom Pferd und versuchte, den gefiederten Schaft aus der Wunde zu reißen. Sofort war ein Krieger bei ihm, schlug mit dem Kriegsbeil zu und skalpierte ihn. Triumphierend hielt er das Beutestück in die Höhe. Ben Mulford erreichte mit Mühe und Not den Rancheingang. Er glaubte sich schon in Sicherheit, als ihm die Salve aus vier oder fünf Gewehren traf, über den Pferdehals warf und ihn zu Boden riß. Er war tot, ehe er den festgetretenen Boden berührte. Aus dem Ranchhaus fiel ein einziger Schuß und tötete einen der Angreifer. Bevor John Ward die Tür mit dem Querbalken verriegeln konnte, waren sie schon im Haus. Auf der Diele vor dem Treppenhaus nach oben spielte Felix, der indianische Junge, dem sie ein sackähnliches Gebilde über den Kopf warfen und verschnürten. Das Gewebe war grob und ließ genügend Luft durch. Daß der Junge wie am Spieß schrie,
war kein Luftmangel, sondern Angst. Felix wurde von einem starken Krieger auf den Arm genommen und hinausgetragen. Noch einmal fiel ein Schuß aus dem Fenster des Wohnhauses. Aber er ging fehl. Die Apachen beachteten ihn nicht, sprangen auf ihre Ponys und ritten mit ihrer Beute und lautem Triumphgeschrei vom Ranchhof. Zwei Minuten später war die Horde wie ein Spuk verschwunden. Zurück blieben zwei Skalpierte, der wallende Staub und Jesusa Martinez' Jammern. John Ward kam mit einem rauchenden Gewehr aus dem Wohnzimmer und stieß die Außentür auf. Er kam zu spät. Die Pinals waren verschwunden, mit ihnen der Junge. »Du hättest auf mich hören sollen«, sagte Ward hämisch. »Er ist nun mal nichts anderes als ein Indianer und gehört nicht unter die Weißen.« »Er ist mein Sohn«, erwiderte Jesusa heftig. »Ich habe ihn geboren, nicht du.« »Er war dein Sohn«, bemerkte er. »Jetzt ist er wieder Indianer. Sie haben meine beiden Cowboys umgelegt, das ist für mich wichtiger.« Er schmetterte die Tür hinter sich zu und ging hinaus. Den beiden Weidereitern konnte er nicht mehr helfen. Ward, der weiß Gott nicht zimperlich war, mußte den Kopf wenden. Sein Magen revoltierte. Er ging in den Schuppen beim Stall, holte einen Spaten und eine Schaufel. Drüben hinter dem Corral hob er eine Grube aus und brachte die beiden Toten hinüber. Eine Stunde vor Sonnenuntergang schloß er das Grab, sprach ein kurzes Gebet und nahm sich vor, am nächsten Tag ein Holzkreuz zu zimmern und eine Tafel mit den Namen der Verstorbenen daran zu hängen. Müde von der Hitze und der schweren Arbeit ging er ins
Wohnhaus zurück. Jesusa empfing ihn mit verweinten Augen und Vorwürfen. Sie verlangte von ihm, sofort zum Fort zu reiten und zu veranlassen, daß die Indianer verfolgt wurden. »Morgen«, sagte er, »morgen, Jesusa. Heute geht sowieso keine Patrouille mehr nach draußen.« Ward nahm die Whiskyflasche, verließ das Zimmer und zog sich zurück. Dort betrank er sich sinnlos, um den Ekel hinunterzuspülen. * John Haggerty stand vor dem Jacale und bewunderte das Abendrot. Es war still im Lager. Major Twitschel schlief, Tla ina sah er nicht, und Cochise und Naiche waren am vorangegangenen Abend fortgeritten. Hinten im Tal sah er Kinder herumtollen. Sie spielten mit einem Ball, den sie aus trockenem Gras geformt und mit einer Tierhaut umgeben hatten. Hin und wieder ging eine Squaw zur Quelle, um in Tonkrügen Wasser zu holen. Krieger sah er nicht. Er wußte aber, daß mindestens 40 Chiricahuas anwesend waren. Gern wäre er zum Jacale des Häuptlings hinübergegangen, wagte es aber nicht. Twitschel war an diesem Tag zweimal bei der kranken Frau gewesen und wollte sie am Abend noch einmal besuchen. Seine Miene wirkte jedesmal einen Schein ernster, wenn er wieder zurückkam. Einmal hatte John den Major gefragt: »Sie machen ein so ernstes Gesicht, Sir, wie bei einem Leichengang. Ist was?« »Es wird noch in dieser Woche was sein – der Leichengang«, antwortete der Sanitätsoffizier düster. »Und dann binden sie uns an den Pfahl und lassen unsere Seelen mit der der Frau ins Jenseits wandern.« »Ganz so schlimm wird's nicht«, sagte Haggerty. »Cochise ist nicht so abergläubisch wie seine Krieger. Er weiß von
Krankheiten, bei denen keine Heilung möglich ist.« »Wenn ich an die finsteren Blicke des Medizinmannes denke, der ständig am Krankenlager sitzt und Beschwörungen murmelt, wird es mir angst und bange. Ich möchte weg, Haggerty, weg aus diesem schrecklichen Gebirge, überhaupt weg aus diesem Land.« John erwiderte nichts auf den Gefühlsausbruch des Offiziers. Was hätte er als Trost auch sagen sollen? Fort konnten sie nur, wenn Cochise sie ziehen ließ. Keinen Tag früher, aber auch keinen später. Schatten füllten den Canyon. Sie krochen wie Würmer von allen Seiten heran und rissen breite Lücken in die lichterfüllten Flächen. Von irgendwoher drang ein Laut in das Hochgebirgstal. Haggerty hörte das Geräusch, konnte es aber nicht bestimmen. Es wiederholte sich nicht mehr. Statt dessen erschienen oben am Schluchtrand Reiter. Indianer und drei Weiße. John ging in das Wickiup, weckte Twitschel. »Kommen Sie mit hinaus«, sagte er. »Wir kriegen Besuch. Möchte nur wissen, was die armen Teufel ausgefressen haben.« Ihm war klar geworden, daß Cochises hastiger Aufbruch mit diesen Weißen im Zusammenhang stehen mußte. Er blickte wieder hoch, erkannte Naiche. Cochise deutete mit der Hand nach unten und schien den Weißen etwas zu erklären. Als er den Scout erkannte, erklärte er dem Blondhaarigen an seiner Seite etwas. Der Mann sah auf Haggerty und winkte. John winkte zurück. Die Reiter zogen sich oben zurück. Kurze Zeit darauf hörte sie Haggerty über die Rampe poltern. Im Trab kamen sie durch das Tal und hielten im Lager an. Cochise ging auf Haggerty und Twitschel zu. »Wie geht es Sho-shu-li?« »Nicht besser, Jefe. Ich weiß nicht…« »Ich weiß es«, unterbrach Cochise den Major. »Jede Nacht
fliegt der Totenvogel durch das Tal. Du brauchst mir nichts zu sagen, weißer Mann.« Hinter Cochise warteten die drei Amerikaner. John warf einen Blick an dem Häuptling vorbei auf den hochgewachsenen Blondhaarigen und nickte ihm zu. Das Nicken wurde freundlich und ohne Angst erwidert. »Du wirst dich mit den Männern deines Volkes unterhalten wollen, Falke«, sagte Cochise, drehte sich um und ging in Richtung seiner Behausung. Falke! Es war das zweite Mal, daß John dieses Wort hörte. Zuerst hatte Tla-ina ihn so genannt, nun der Häuptling der Chiricahuas. Haggerty wußte von den anderen Scouts, daß Indianer hin und wieder einem Weißen einen indianischen Namen gaben, wenn er ihn verdient hatte. Aber war sein ganzer Verdienst darin zu sehen, daß er den Militärarzt in Cochises Lager gebracht hatte? Er beschloß Tla-ina danach zu fragen. Die drei schlanken Fremden kamen auf ihn zu und reichten ihm die Hände zum Gruß. »Ich heiße Thomas Jeffords, der neue Postmeister im Südwest-Territorium. Sie sind John Haggerty, der Scout. Ich kenne Sie zwar nicht, aber Cochise erzählte mir einiges über Sie.« »Doch bestimmt nichts Gutes.« John lachte und drückte Jeffords Hand. Jeffords wandte sich um: »Die beiden Revolverschwinger hinter mir sind Buck Tinatra und Larry Osborne. Ich habe sie aus Kansas City kommen lassen, damit sie mir hier etwas zur Hand gehen. Wissen Sie, Haggerty, ich will die Station am Apache-Paß wieder aufbauen und den Häuptling der Chiricahuas um Geleitschutz für die Postkutschen bitten. Es hat ihm zwar nicht so ganz geschmeckt, aber ich denke ihn noch umstimmen zu können.« »Das wird schwer sein«, sagte Haggerty mit einem
freundlichen Lächeln. Jeffords gefiel ihm. Es schien ein aufrichtiger Mann zu sein. »Jedenfalls wünsche ich Ihnen und der Overland viel Glück bei dem Unternehmen.« »Danke«, sagte Jeffords. »Darf ich fragen, was Sie in Cochise Lager machen?« John wies auf den Major. »Doc Twischel behandelt die Frau des Häuptlings. Sie leidet an einer Herzschwäche.« »Donnerwetter! Das hat der Jefe zugelassen?« »Ja.« »Wollen Sie nicht für einen Moment in unser Quartier kommen, Gentlemen?« fragte Haggerty. »Whisky können wir Ihnen leider nicht anbieten, auch kein Bier. Aber bei einer selbstgedrehten Zigarette läßt sich ganz gut reden.« Die Männer grinsten, traten in das Wickiup und sahen sich um. Jeffords sagte: »Viel Komfort haben die Rothäute ja nicht zu bieten. Kann man sich in einer solchen Laubhütte wohl fühlen?« »Das kommt darauf an, wie man die Sache sieht und welche Ansprüche man an das Leben stellt. Apachen führen ein hartes Leben, dazu gehört auch eine einfache Behausung, die ihrem Lebensstandard entspricht.« Sie setzten sich auf flache Steine, die rings um das erkaltete Feuer verteilt waren. Haggerty reichte Tabaksäckchen und braunes Papier herum. Sie drehten sich alle eine Zigarette, nur der Major lehnte ab. »Sie haben auch mal Arzt gespielt, Mr. Haggerty?« sagte Jeffords und stieß blauen Rauch durch die Nase. »Oder bin ich einem Gerücht aufgesessen?« John lachte. »Arzt wohl kaum, dazu verstehe ich zuwenig von der Medizin. Es ist richtig, daß ich Cochises Schwester nach einem Skorpionstich beistehen konnte.« Jeffords und die anderen in seiner Begleitung lächelten. Haggerty sah sie der Reihe nach an. Frische Jungens, stellte er fest. Leute, die in diesem harten Land ihren Mann standen. Er
erkannte es an ihren Gesichtszügen und an den tiefgeschnallten Revolvern. »Was gibt es zu lachen?« fragte er. »Kein besonderer Grund, Mr. Haggerty. Ich glaube, wir hatten alle den gleichen Gedanken: Sie mit einem Messer an der zarten Hand eines Indianermädchens.« Auch Robert Twitschel lächelte vor sich hin und sagte: »Nur der Erfolg zählt in einem solchen Augenblick, nicht das Medizinstudium. Ich habe Fallensteller gesehen, die sich in den Bergen ein Bein brachen, es schienten und auf zurechtgeschnittenen Krücken den langen Weg bis in die Zivilisation zurücklegten.« »Warum sind Sie dann überhaupt hier?« bemerkte Jeffords. »Ah. Ich habe die Hand des Mädchens zwar nicht gesehen, aber die Operation des Scouts muß erfolgreich gewesen sein, denn sie lebt noch.« Cochise trat ein. Sofort verstummte die Unterhaltung. Er machte ein ernstes Gesicht. »Sho-shu-li geht es nicht gut«, sagte er leise, für Haggerty Beweis, daß auch die Indianer Gefühle zeigten, wenn es um ihre nächsten Angehörigen ging. Der Major stand sofort auf, griff nach seinem Koffer und verließ hinter dem Jefe das Wickiup. Er kam schon nach einer halben Stunde zurück, schüttelte den Kopf und setzte sich auf seinen Stein. »Ist was?« fragte John ahnungsvoll. »Sie ist tot«, erklärte der Militärarzt. »An Herzversagen gestorben. Sie war schon tot, als ich die Hütte betrat.« »Dann war alles umsonst«, sagte Haggerty nachdenklich. »Wie faßte es der Häuptling auf?« Twitschel warf einen nachdenklichen Blick zu ihm herüber. »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Wer schaut schon in eine indianische Seele? Hätte ich ihm mein Beileid ausdrücken sollen?«
»Nein, die kennen so etwas nicht, nehmen den Tod als etwas Selbstverständliches hin. Sie werden jetzt Geduld aufbringen müssen, Mr. Jeffords.« »Daran habe ich mich bereits gewöhnt. Obwohl alles ein bißchen schneller gehen könnte, will ich Ihren Rat befolgen. Ich sehe ein, daß man Cochise in dieser Situation nicht mit solchen Dingen belästigen soll.« Kurz darauf wummerten draußen die großen Baumtrommeln. Jeffords sprang auf die Füße und drängte zum Ausgang. Haggerty sagte: »Bleiben Sie dort weg, Mr. Jeffords. Sie lieben es nicht, wenn ihnen Weiße bei ihren Zeremonien zusehen.« »Danke.« Der Postmeister setzte sich wieder. Lauter dröhnten die Trommeln. John hatte das Gefühl, daß die Steine unter seinem Sitz zitterten. Niemand sprach mehr. Sie lauschten den dumpfen Klängen und fragten sich besorgt, was weiter geschehen mochte – besonders mit ihnen. * Lily betrat ein Hinterzimmer. Sie schwang ihre Hüften wie ein Goldgräber seine Schüssel. Ein Mann in Lederkleidung, hellen Haaren und etwas abstehenden Ohren lächelte ihr zu. Curt Miller schenkte sich ein Glas aus der Flasche voll und trank vorsichtig. Der scharfe Baconora brannte in seinem Hals wie Schwefelsäure. »Sie sind verduftet, Honey?« »Bestimmt nicht weit«, erwiderte Lily und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Nebenan gibt es ebenfalls Brandy und Bier. Warum hast du das gemacht, Curt? Liegt dir so viel an diesem Doolin?« Miller nahm sein Glas, schwenkte den starken Schnaps und trank einen Schluck. »Ich will sie dort drüben haben und – nicht hier«, sagte er.
»Mir liegt etwas an dem miesen Kerl. Ich würde mir sonst kaum die Mühe machen.« Lily stellte keine Fragen mehr, nahm ein frisches Glas aus dem Regal und füllte es halbvoll. Sie hob es Miller entgegen und sagte: »Cheers, mein Lieber. Dreimal Prost auf die Army!« Sie tranken sich zu. Miller zog einen Stuhl neben sich unter dem Tisch hervor, klatschte mit der Hand auf die Sitzfläche. »Komm setz dich zu mir, Darling.« Sie nahm Platz, zog ihr Glas zu sich i heran und machte einen allerliebsten Schmollmund, »Du tust so geheimnisvoll, Curt. Bist du an eine Schweigepflicht gebunden?« Er lachte. »Das nicht gerade, aber es ist besser, wenn man unbelastet in das nächste Gefecht geht.« »Gefecht? Was meinst du damit?« »Sehr einfach. Ich meine, daß Doolin nicht weiß, wer seine Finger in der Sache hat. Im Gouadelupe wird er Gesinnungsgenossen treffen und ihnen sein Herz ausschütten.« »Und was bezweckst du damit?« »Ich werde versuchen, das Gespräch zu belauschen. Ich muß wissen, was dieser Outlaw in der nächsten Zeit plant. Diesem Schwein haben wir zum Teil die miesen Zustände an der Grenze zu verdanken. Es wird Zeit, ihm das Handwerk zu legen.« »Du allein?« Miller winkte ab. »Ich habe Freunde, Honey. Gute Freunde, Scouts wie ich. Gemeinsam werden wir's schon schaffen.« »Und wo sind diese Freunde?« »Zu den Chiricahuas geritten. Ich erwarte John Haggerty noch in dieser Woche zurück.« »Den siehst du nie wieder«, sagte Lily mit überzeugter Stimme: »Wer sich in die Löwenhöhle begibt, kommt darin um. Du glaubst doch nicht, daß die Chiricahuas jemals einen Weißen aus ihren Bergen lassen?«
»John schon, er hat sich ganz schön für sie eingesetzt. Ich gehe jetzt durch die Hintertür nach drüben. Hoffentlich sind sie nicht abgehauen.« »Ich dachte, Curt, wir gehen ein Stündchen nach oben? Wir waren schon lange nicht mehr zusammen. Ist dieser Doolin wichtiger als ich?« Miller stand auf, schob sein Glas und die Flasche zurück. »Wichtiger oder nicht, ich muß ihm das Handwerk legen. Wenn es ihm gelingt, seine alte Tätigkeit an der Grenze wieder aufzunehmen, wird es zu einem Flächenbrand kommen. Die Indianer lassen sich nicht das geringste mehr gefallen, mein Schatz. Und wenn es Cochise gelingen sollte, alle Stämme unter seinem Befehl zu vereinigen, dann gute Nacht, Amerika!« »Du kommst aber wieder zurück, oder nicht?« »Ich bleibe heute nacht bei dir, Feuerkopf«, versprach Curt Miller. »Warte auf mich. So long, Honey.« Er schlich aus dem Zimmer und durch die Hintertür. Die wenigen Yards bis zum nächsten Saloon legte er in kaum einer Minute zurück. Die Nacht war sternenklar und mild. Es gab keinen Schatten, in dem sich jemand verbergen konnte. Miller öffnete die Tür einen Spalt und äugte hindurch. Wie an jedem Tag war die Kneipe gerammelt voll. An einem seitlich gelegenen Hintertisch hockten Doolin, Honda mit zwei harten Typen, denen man auf zehn Meilen den Revolvermann ansah. Einer von beiden, ein schwarzhaariger Riese, trug eine breite Messernarbe im Gesicht. Miller kannte ihn. Er nannte sich Ben Todd, wurde aber nur Cuchillo – Messer – gerufen. Der andere hieß Walt Dunnigan. Beide kamen aus Texas und waren bekannte Revolverschwinger. Dunnigan sollte in Amarillo sogar einen Sheriff erschossen haben. Was daran war, wußte Miller nicht. Jedenfalls gehörten sie zum übelsten Grenzgelichter, das sich im SüdwestTerritorium ein Stelldichein gab.
Miller war unschlüssig. Belauschen konnte er sie nicht. Ihr Tisch stand zu nahe bei den anderen. Er beschränkte sich aufs Beobachten, sah, wie sie die Köpfe zusammensteckten und miteinander flüsterten. Doolin und Hogan hatten Blessuren im Gesicht und an den Händen. Lilys Freunde hatten ihren Auftrag zu wörtlich genommen und kräftig hingelangt. Beide hatten sich dazu nur oberflächlich reinigen können und sahen aus, als hätten sie mit ihren Kleidern ein Schlammbad genommen. Jemand kam auf die Tür zu, schwankend und fluchend, torkelte an Miller vorbei zur Toilette, ohne den Scout überhaupt zu bemerken. Curt ging wieder zum Türspalt spähte hindurch. In diesem Augenblick warf Doolin einen vorsichtigen Blick über die Schulter, sah Miller bei der Tür, sprang auf und streckte den Arm aus. »Hundert Dollar demjenigen, der mir diesen Mann bringt! Einhundert Dollar, Jungs!« Wenigstens zehn Leute sprangen auf und rannten zum Hinterausgang. Miller nahm seine Beine in die Hand. Aber das Schicksal wollte es, daß gerade in diesem Moment der Volltrunkene zurückkam. Miller stieß gegen ihn, rannte ihn um und stolperte über den Fluchenden. Curt begann den Mann zur Seite zu schieben. Hinter ihm knirschte der Boden. Er wurde herumgeschleudert, als eine mächtige Faust gegen sein Kinn schlug. Curt fiel zurück und prallte mit dem Kopf auf. Als er sich aufrichten wollte, trat Ben Todd mit dem schweren Stiefel zu. Miller stöhnte. Er rollte zur Seite und richtete sich auf, als der kräftige Mann wieder angriff. Doolin und die anderen Kerle bildeten einen Ring um die Kämpfenden. Todds Fäuste schlugen wie Hämmer zu, bis Curt an das freistehende Toilettenhäuschen getrieben wurde. Sein Rücken stieß gegen die Holzwand. Er hob die Fäuste, nahm
Boxerstellung ein und wich aus. Todd tänzelte auf kräftigen Beinen vor ihm herum. »Du Bastard!« zischelte er. »Du neugieriger Hundesohn, dich mach ich fertig!« Wieder schlug er zu. Curt fing die Schläge ab, schützte sein Gesicht mit Armen und Ellbogen. Todds Schwung riß ihn nach vorn. Seine gestochene Gerade traf Todd am Kinn. Ihr folgte ein Schwinger gegen den ungedeckten Magen. Todd grunzte. Er stolperte trotz der Anfeuerungsrufe der anderen, und Curt setzte sofort nach. Mindestens acht der Umstehenden wußten nicht, worum es eigentlich ging. Sie kannten Doolin zwar, weil er in dem Saloon verkehrte, aber sie wußten sonst nichts von ihm. Sie schrien aus Begeisterung einfach mit. Das Geheul pflanzte sich durch das nächtliche Santa Magdalena fort und lockte immer mehr Zuschauer herbei. Die Kneipen leerten sich. Todd taumelte, konterte, doch dabei vernachlässigte er seine Deckung. Curts wuchtiger Aufwärtshaken traf den kräftigen Mann erneut am Kinn. Gleich darauf setzte der Scout eine linke Gerade auf Todds Brust. Der Revolverheld fiel nach vorn in einen weiteren Aufwärtshaken. Er seufzte und legte sich auf die Bretter. Curt trat zurück. »Du verdammter Narr!« keuchte er und drehte sich zu Hank Doolin um. Der Mann mit der geblümten Weste und der dicken goldenen Uhrkette versteckte sich hinter den Rücken der Neugierigen. Curt ging zu der Gruppe hinüber, um sich Doolin als Anstifter der Schlägerei zu kaufen. Ein Geräusch in seinem Rücken ließ ihn sich wieder umdrehen. Todd fuhr sich mit der Hand über seinen zerschlagenen Mund und schmeckte Blut. Er schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Dann zuckte seine Rechte zum Revolver. Curts Linke krallte sich um Todds Handgelenk. Seine Rechte schlug zu. Der stinkende Atem des Mannes wehte ihm ins
Gesicht. Todd stöhnte. Curt entriß ihm den Colt und warf ihn achtlos beiseite. Dafür zog er seine eigene Waffe. »Du Mistkerl!« stieß er hervor. »Es wäre mir ein Vergnügen, dich in die Hölle zu schicken.« »Warum tust du's nicht, Bastard?« Miller zischelte wütend: »Bei passender Gelegenheit. Vergiß es nicht, Bandit!« Todds Kopf ruckte hoch. In diesem Augenblick ahnte er, daß es hier um mehr ging, als um eine private Fehde und um 100 Dollar. Der Kreis der Gaffer löste sich auf. Der Kampf war vorbei. Miller verschwand, tauchte in eine Seitengasse ein, beeilte sich, mehrere Straßenzüge hinter sich zu bringen und lief hinter den Häusern den Weg wieder zurück. Niemand hatte ihn gesehen. Er schlich durch die Hintertür des Saloons und ging die Treppe hinauf. Leise pochte er an Lilys Zimmertür. Das Mädchen öffnete und sah ihn entsetzt an. »Mein Gott, wie siehst du denn aus?« »Ich bin in den auskeilenden Huf eines Mulis gelaufen. Laß mich rein, Lily.« * Am frühen Morgen wurden die Weißen durch dumpfe Trommeltöne geweckt. Jeffords richtete sich von seinem Feilager auf und lauschte. Draußen war es noch dunkel. Der Postmeister erhob sich und schlich zum Eingang. Im Vorbeigehen bemerkte er die Blicke Haggertys. Der Scout war wach, blieb aber ruhig liegen. Thomas Jeffords spähte durch eines der vielen Löcher in der Decke, sah jedoch nichts. Es war stockfinster im Tal. »Lassen Sie sich nicht sehen«, flüsterte Haggerty. »Die wollen nicht, daß Weiße bei ihren Begräbnisritualen zuschauen.«
»Sie kennen das, Mr. Haggerty?« »Ich hab's einmal miterlebt. Vor Monaten begruben sie einen Halb-Yuma an der gleichen Stelle und mit den gleichen Zeremonien.« »Die Yumas sind doch ihre Feinde, oder irre ich mich?« »Das ist schon richtig, aber es betraf einen Scout, der bei einem Mimbrenjoangriff verwundet wurde. Ich brachte ihn hier herauf, entfernte den Pfeil, konnte ihm aber nicht das Leben retten.« Thomas Jeffords kam zurück. Nur verschwommen konnte er Haggertys Umrisse sehen. Die anderen Weißen schliefen noch. Man hörte ihre leisen Atemzüge und Twitschels verhaltenes Schnarchen. »Ich mache mir Sorgen«, raunte Jeffords und setzte sich beim erkalteten Feuer auf einen Stein. »Sagen Sie, nehmen auch andere Häuptlinge an den Beerdigungsfeierlichkeiten teil?« »Nicht bei einer Frau«, antwortete John. »Wenn ein Häuptling oder ein berühmter Krieger stirbt, kommen befreundete Häuptlinge anderer Stämme und Sippen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.« »Bei einer Squaw nicht?« »Bei allen Naturvölkern haben Frauen nur eine untergeordnete Bedeutung.« Jeffords fuhr herum, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige gegeben. »Ja, ja. Natürlich.« Er stocherte mit einem Stück Holz in der erkalteten Asche. »Was meinen Sie, Haggerty, haben wir Hoffnung, hier je wieder wegzukommen?« »Das nehme ich mit Sicherheit an.« »Falls nicht, werden Sie versuchen, Hilfe zu holen?« Der Scout seufzte. »Angenommen, Cochise plant Verrat, wird es schwer sein, diesen Canyon zu verlassen. Und wenn doch, würde es
tagelang dauern, bevor ich mit der Armee zurückkehren könnte. Wenn ich schließlich Hilfe brächte, was glauben Sie wohl, würden wir dann hier finden?« Jeffords nickte vor sich hin. »Ja«, sagte er leise. »Ich verstehe.« Er murmelte etwas, sah Haggerty noch einmal an. »Wissen Sie, wie ich mich in diesem Indianerlager fühle? Wie eine Ratte auf einem sinkenden Schiff.« »Kann ich mir vorstellen.« »Kein Apache wird mich so schnell zu meinen Ahnen befördern.« »Machen Sie keinen Unfug, verhalten Sie sich ruhig. Es wird schon nichts geschehen. Ich halte Cochise für einen Ehrenmann.« »Klar.« Jeffords lauschte weiter auf die dumpfen Töne draußen. Major Twitschel und Jeffords' Freunde erwachten und richteten sich auf. Die Trommelschläge wurden lauter. Schreie hallten in die frische Morgenluft. Schließlich klang Gesang durchs Tal. Es dauerte nicht lange und endete in einem Refrain. »Wie lange dauern solche Totenfeiern?« fragte der Major. Haggerty antwortete: »In der Regel ein paar Minuten, wenn es sich nicht um einen großen Häuptling handelt.« »Und bei einer Häuptlingsfrau?« »Keine Ahnung.« Wieder Stille im Wickiup. Die Männer hingen ihren Gedanken nach und schwiegen. Draußen knirschten Schritte, gingen vorbei. Jeder Laut erschreckte sie und zerrte an ihren Nerven. Es war, als ginge draußen das Unheil um und suchte nach Opfern. Wieder Schritte von dicksohligen Mokassins. Vorbei. »Mein Gott!« stöhnte Thomas Jeffords. »Sie wollen uns zermürben.« Buck Tinatra und Larry Osborne zogen ihre Revolver und prüften im Dunkeln die Patronen in der Trommel.
»Lassen Sie das sein«, herrschte Haggerty sie an. »Wenn Cochise zufällig hereinkommt, könnte er einen falschen Eindruck gewinnen. Stecken Sie die Schießeisen weg, es wird schon nichts passieren.« Schritte – vorbei. Wieder die knisternden und knirschenden Geräusche. Nun kroch auch dem abgebrühten Haggerty eine Gänsehaut über den Rücken. Er stand auf, ging zu dem Spalt in der hinteren Wand, durch den Tla-ina ihn und Miller in die Freiheit geschleust hatte. Er sah nichts als graue Dämmerung. In dieser Sekunde öffnete sich der Türvorhang. Die alte Squaw, die er schon kannte, kam mit einem Bündel Reisig herein und warf es beim Feuer nieder. Haggerty wechselte einen Blick mit Jeffords, und beide fühlten, wie sie von einer schweren Last befreit wurden. Als die Flammen knisterten, Wärme und Helligkeit verbreiteten, wichen die Alpträume der Dunkelheit. Die Alte schlurfte hinaus, kam kurz darauf mit ein Tongefäß und einer Schüssel Tortillas zurück. John kannte das alles schon. Er wußte auch, daß die Alte taub war und sprach sie deswegen nicht an. Die Männer erhoben sich von ihren Lagern und gruppierten sich um das Feuer. Sie hielten die Hände über die Glut und grinsten sich an. Nach dem Frühstück betrat Cochise die Unterkunft. Seine Miene wirkte ernst und verschlossen. »Ich schulde dir Dank, weißer Medizinmann«, sagte er. »Apachen besitzen nicht das, was sich Weiße als Belohnung wünschen. Genügt dir meine Freundschaft?« Major Twitschel strich sich über seinen Spitzbart. »Ich erwarte keinen Dank, Jefe. Leider konnte ich nicht viel für die Squaw des Häuptling tun. Manchmal ist der Tod stärker als die Kunst der Ärzte, Leben zu erhalten.« Cochise neigte den Kopf. »Ich weiß es«, sagte er. »Du und der Scout…« Er wurde von der Alten abgelenkt, die
hereinkam, um die Töpfe und Schüsseln zu entfernen. »Ich meine, ihre beide wollt sicher in die Ebene zurückreiten.« Haggerty kam es vor, als wäre der Häuptling seltsam bedrückt und ein wenig fahrig in seinen Antworten. »Wir brauchen Wasser und etwas Proviant, Jefe«, sagte er. »Wenn du erlaubst, reiten wir in einer Stunde.« Cochise musterte ihn eindringlich. »Ich erlaube es«, sagte er. »Und ich bin dankbar. Ihr werdet Fleisch und Wasser bekommen, soviel ihr braucht. Ich gebe euch Krieger mit, die euch vor den Angriffen anderer Stämme schützen. Wenn ihr noch etwas wollt, Falke, so sage es jetzt.« Wieder stutzte John Haggerry, als das Wort Falke fiel. Wollte der Häuptling sein Verhältnis zu ihm überprüfen? Haggerty erwiderte. »Wir nahmen deine Gastfreundschaft schon viel zu lange in Anspruch, Jefe. Nein, wir brauchen sonst nichts. Und vor Überfällen anderer Indianer fürchten wir uns nicht.« »Es ist gut«, sagte Cochise, drehte sich um und ging. Mit Jeffords wechselte er weder einen Blick, noch sprach er ihn an. * »Ich danke Ihnen, Gentlemen«, sagte Howard, reichte Major Twitschel die Hand und klopfte John Haggerty dankbar die Schulter. »Cochise wird unsere Geste zu würdigen wissen. Tragisch ist nur, daß die Frau doch noch sterben mußte. Ja, ja, Major, gegen den Tod ist noch kein Kraut gewachsen.« Twitschel gab keine Antwort, nickte nur. Er war müde und von der Tageshitze ausgelaugt. General Howard ging im Zelt auf und ab. Er fixierte Haggerty und sagte nach einer Weile: »Zwei Dinge sind nicht in Ordnung, Scout, und werden zu weiteren Verwicklungen führen. Das hat nichts mit diesem Thomas Jeffords in Cochises Lager zu tun, von dem Sie mir berichteten. Jeffords arbeitet für die Butterfield Overland und
muß nicht unbedingt in unseren Schutzbereich einbezogen werden. Worum es mir geht, ist eine ganz an dere Sache. Der Scout Curt Miller ist sei drei Tagen überfällig. In Mexiko wurden nomadisierende Apachen von Federales niedergemacht und an einem Scheiterhaufen verbrannt. Ich kann nicht sagen, was an den Meldungen wahr ist. Ich weiß nur, daß es die Chiricahuas wieder auf den Kriegspfad bringt, sollte auch nur etwas davon stimmen. Wir hatten die mexikanischen Behörden dringend gebeten, die Feindseligkeiten gegen streunende Apachenhorden einzustellen. Aber ich befürchte, ihr Haß gegen alles, was nach Holzfeuer riecht, ist derart groß, daß es an der Grenze nie Frieden geben wird.« »Sie erinnern sich an Los Malinos und können es nicht vergessen«, murmelte Haggerty. »Wo genau geschah das, General … Sir?« »In der Nähe von Agua Prieta. Ein kleines Dorf nahe der Grenze zu den Vereinigten Staaten.« »Ich kenne es«, sagte Haggerty und preßte die Lippen fest aufeinander. »Das gibt Krieg, General, einen neuen, blutigen Krieg, der sich bis weit nach Arizona hinein ausdehnen wird. Eine schlimme Sache.« »Darf ich fragen, wohin Curt Miller geritten ist und welche Mission er zu erfüllen hatte?« »Er wollte nach Santa Magdalena. Zu Colonel Walmann sagte er, daß Doolin, der Bandit, wieder aktiv wäre. Es gibt gewisse Zusammenhänge, die vermuten lassen, daß diese Outlaws wieder mobil sind, aber Beweise haben wir nicht. Vor ein paar Tagen wurde der Store in Los Animas, südlich des Chiricahua Peak, überfallen, der Besitzer getötet und der Laden ausgeraubt. Wieviel Geld die Banditen erbeuteten, steht nicht fest. Aber am Tag zuvor war Markt in der Town. Sie können sich vorstellen, daß die Kassen voll gewesen sind.« Haggerty hörte sich alles geduldig an. Miller in Santa Magdalena. Das bedeutete für den Scout Gefahr.
»Ich eile nach Santa Magdalena«, entschied Haggerty. »Darf ich mir ein frisches Pferd nehmen, General?« »Selbstverständlich. Das wissen Sie doch. Aber warum noch heute abend?« »Curt ist in Gefahr.« »Das sind Scouts immer.« »Aber nicht in einer Stadt, Sir. Mein Entschluß steht fest, ich reite.« Er und Twitschel verabschiedeten sich von dem Truppenführer und traten in den heraufziehenden Abend. Überall herrschte reges Leben. Soldaten empfingen ihre Rationen und zogen sich in die kühlen Zelte zurück. John ging einen anderen Weg als Major Twitschel, der seiner Unterkunft zustrebte. Als er den großen Seil-Corral erreichte, gab Haggerty dem wachhabenden Unteroffizier einen Wink. »Ich brauche ein schnelles Pferd, Corporal. Ist mein Dunkelbrauner gut versorgt worden?« »Mit allem, was er braucht, Scout. Haben Sie es eilig, oder benötigen Sie das Tier für einen Ritt in die Berge?« »Sehr eilig. Ich muß in zwei Stunden in Santa Magdalena sein. Geben Sie mir den schnellsten Renner, den die Armee hat.« »Zwei Minuten, Scout. Sie bekommen Swallow, einen rehfarbenen Hengst, der es mit jedem Pferd weit und breit aufnimmt« Er stieß einen schrillen Pfiff aus. Zwei Soldaten kamen aus einem Wachzelt und stürmten heran. »Swallow fertig machen, los, los, ihr lahmen Enten! Bewegung! In zwei Minuten steht der Hengst gesattelt und mit allem versehen vor mir! Dalli, ihr müden Krücken!« Sie schafften es nicht in zwei Minuten, aber in drei. Der Cop war zufrieden und grinste. »Manchmal muß man ihnen ein wenig Beine machen«, sagte
er zu dem Scout. »Wasser für zwei Tage, Proviant wie üblich.« »Danke«, sagte Haggerty und streichelte dem Tier die Nüstern. Mit einem Ruck schwang er sich in den Sattel und ritt an. Er benötigte keine zwei Stunden bis zur Town. Das Pferd war gut und streckte sich willig unter dem Reiter. Der Betrieb in Santa Magdalena hatte gerade angefangen. Männer schoben und drängten sich über die Gehsteige. Überall klang Musik aus den offenen Schwingtüren. John zügelte den Hengst und ließ ihn vor dem Galiuro austraben. Er kannte Curts Stammlokal, stieg vom Pferd, band es an und betrat den Saloon. Das übliche Bild bot sich ihm. Alle möglichen Typen standen verschwitzt und schmutzig an der Theke, saßen an Tischen und tranken, spielten oder plauderten. Nichts hatte sich geändert, seitdem er das letzte Mal hier war. John verließ den Saloon, ging über den dröhnenden Stepwalk zum nächsten, trat ein und ließ seinen Blick suchend durch den Raum wandern. Von Miller keine Spur. Es war schon dunkel, als John sämtliche Saloons und Cantinas nach dem Scout abgesucht hatte. Einer spontanen Idee folgend, ging er noch einmal ins Galiuro zurück. Er sah Lily am Tresen stehen. Sie unterhielt sich mit einem vierschrötigen Minenarbeiter, zu dem sich zwei andere gesellten. Das rothaarige Mädchen entdeckte den Scout sofort. Sie verabschiedete sich hastig von den Diggers und kam John entgegen. Haggerty wunderte sich ein wenig über ihren verstörten Gesichtsausdruck. Er sah auf sie herab, weil sie ungefähr einen Kopf kleiner als er war. Sie duftete nach einem feinen Parfüm. »John, er ist bei mir oben«, sagte sie. »Er hatte keine Chance. Sie suchen die ganze Stadt nach ihm ab.« »Wer?« »Banditen. Er hatte was mit ihnen und schlug einen zusammen. Selbstverständlich bekam er auch was ab. Müssen
Sie ihn unbedingt sprechen?« »Er ist überfällig«, antwortete Haggerty leise und legte zur Täuschung für Unberufene dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. Es sah aus, als verhandelte er wegen eines bestimmten Preises mit ihr. »Ich gehe durch die Hintertür hinauf.« »Ich kann Sie nicht abhalten, Hombre«, sagte sie. »Wollen Sie ihn aus der Stadt bringen?« »Das weiß ich noch nicht, Schwester«, erwiderte Haggerty, schüttelte wild den Kopf, als sagte ihm ihr Angebot nicht zu, und verließ den Saloon. Er umrundete das Haus, kam durch die Hintertür wieder herein und schlich das Treppenhaus hinauf. Auf dem Podest blieb er stehen und schaute sich in der Halbdämmerung um. Es gab mehrere Türen. Er wußte nicht, hinter welcher sich Miller versteckte und schalt sich einen Narren, weil er Lily nicht danach gefragt hatte. Lautlos schlich er sich über den läuferbedeckten Gang. Bei der zweiten Tür blieb er stehen und schnüffelte. Tabakrauch drang durch den Türspalt. John klopfte an. Nichts rührte sich. John klopfte noch einmal und flüsterte: »Ich bin's, Haggerty. Mach auf, alter Kampfhahn!« Schritte im Zimmer. Curts Stimme: »Wer ist da?« »Ich, John Haggerty. Mach schon auf!« Ein Revolverhahn knackte, ein Schlüssel wurde gedreht, dann ging die Tür unvermutet nach innen auf. John zuckte zurück, als er Curt sah. Dessen Gesicht war verschwollen und mit Hautabschürfungen bedeckt. »Hat dich ein Muli getreten?« »Nein, ein Elefant. Komm rein!« Miller grinste, obwohl jede Bewegung bei ihm Schmerzen auslöste. Haggerty setzte sich unaufgefordert und drehte sich eine Zigarette.
»Wie ist es passiert, Amigo?« Curt erzählte ihm die ganze Geschichte und sagte am Schluß: »Doolin läßt mich in der ganzen Stadt suchen. Seit gestern nacht sind seine Revolvermänner unterwegs, um mich abzuschießen. Was tun, John?« »Sehr einfach, verschwinden. Wir warten, bis es ganz dunkel geworden ist. Wo hast du dein Pferd?« »Im Mietstall, wo denn sonst?« »Okay. Eine Stunde nach Mitternacht verschwinden wir.« Haggerty warf einen verschmitzten Blick auf das ungemachte Bett. »Aha, deswegen war deine Schöne so sauer, als ich ihr sagte, daß ich dich aus der Stadt bringe.« »Weswegen?« fragte Curt unschuldig und ging zum Schrank hinüber, nahm eine Flasche Whisky und zwei Gläser heraus. Haggertys Zeigefinger stieß auf das zerwühlte Laken. »Deswegen«, wiederholte er. »Du bist also der Meinung, daß Doolin wieder aktiv wird? Mit wem hast du dich denn geprügelt?« »Er tat sich mit den Texanern Ben Todd und Walt Dunnigan zusammen. Von der alten Bande ist nur noch Fred Honda bei ihm.« »Meinst du Cuchillo, den Messerhelden?« »Genau den. Ich sage dir, das übelste Gespann im ganzen Westen.« Haggerty dachte kurz nach. »Kann es sein, daß er vor gut einer Woche einen Store in Agua Prieta ausgeraubt hat?« »Weshalb nicht? Dafür genügen zwei Mann. Wie hoch ist der Schaden?« »Der Besitzer weiß es nicht, genau. Es war Markttag, und die Umsätze waren gut, sagte er. In Sonora sind ein paar Schweinereien passiert, die sämtliche Rothäute in Südwesten auf den Kriegspfad bringen werden. Verdammt. Immer die Greaser, und wir baden es dann später aus. Also, Sonny, mit
wem hast du dich eingelassen?« »Mit Todd. Der Kerl hat Fäuste wie Schmiedehämmer.« John nickte, dachte über die Konsequenzen nach, die sich aus dem Zusammengehen der beiden Banden ergaben. Dunnigan war Dynamitspezialist. In Texas hatte er einige Banktresore gesprengt und deren Inhalte mitgehen lassen. Mehrere Steckbriefe liefen gegen die beiden Mexikaner, aber bisher war es keinem Sheriff gelungen, die beiden zu fassen. »Wir bleiben beide hier auf dem Zimmer. Wenn es auf den Straßen ruhig wird, verduften wir. Ich habe mein Pferd unten am Hitchrail stehen, und es tut mir leid, daß ich ihm nicht einmal Wasser geben kann.« »Das kann doch Lily machen«, sagte Miller schnell. »Sie gibt dem Stallmann, der jeden Abend hierher in die Kneipe kommt, einen Wink. Alles in bester Ordnung.« »Ich möchte mich nicht mehr im Saloon sehen lassen.« »Ist auch nicht nötig. Lily kommt alle zwei Stunden herauf. Ich werd's nicht vergessen, John.« * Cochise saß am Feuer und starrte in die Flammen. Zwei Krieger und sein Sohn Naiche saßen bei ihm. Es war heller Tag. Von Thomas Jeffords war weit und breit nichts zu sehen, von seinen Begleitern ebenfalls nicht. »Du willst dem Wiederaufbau der Post- und Kutschenstation zustimmen?« fragte Naiche. »Ich denke darüber nach, welche Nachteile sie für die Chiricahuas bringen kann«, erwiderte Cochise. »Ich sehe keine, nur Vorteile. Trotzdem, eine weitre Insel der Weißen so nahe bei unserem Lebensraum kann auf die Dauer nicht gut ausgehen. Sie sind zu verschieden von uns.« »Die Häuser sind nur von ein paar Weißen besetzt«, warf einer der Krieger ein. »Was Victorio gelang, können auch die
Chiricahuas.« Cochise nickte. »Ich weiß es, aber ich will nicht schon wieder Blutvergießen. Wenn ich dem weißen Mann die Erlaubnis erteile, soll sie für lange Zeit Gültigkeit haben.« »Gilt das auch für die Gelbhäutigen?« wollte der zweite Krieger wissen. »Nein«, antwortete Cochise. »Sie sind seit Jahrhunderten unsere Feinde. Wir bekämpfen sie weiter, sonst dringen sie von Süden her in unsere Jagdgründe ein und drängen uns nach Norden.« »Hast du noch einen weiteren Grund, Vater?« Naiches Stimme klang nicht sehr glücklich bei der Frage. Cochise hörte sie, ging aber nicht darauf ein. »Die Postkutschen bringen mehr und mehr Weiße in die Wüste. Ihre Ansiedlungen werden größer und mächtiger. Karawanen durchziehen das Land. Sie bringen Waren, damit die Weißen leben können. Kann man dem Helläugigen trauen, den du in unser Lager mitbrachtest?« murrte ein Krieger. »Er spricht nicht mit gespaltener Zunge«, sagte Naiche. »Gelbe Feder darf nicht den Fehler begehen, in allen Weißen Feinde der Apachen zu sehen.« Im hinteren Teil des Lagers entstand Bewegung, Schreie hallten herüber. Es kam aus der Nähe der Quelle. Die beiden Krieger am Feuer sprangen auf und eilten hin. Wenig später kamen sie schon zurück. Zwischen sich trugen sie einen älteren Apachen, der die beste Zeit seines Lebens gesehen hatte. Er blutete aus verschiedenen Wunden. Cochise kannte ihn. Der Mann war Sippenführer einer Gruppe von Chiricahuas, denen das Nomadenleben mehr als das Leben in einer sicheren Apacheria behagte. Langsam erhob sich Cochise von seinem Platz. Er sah sich den Alten genau an, der vor Erschöpfung kaum sprechen konnte. Er blutete aus mindestens fünf Wunden, doch keine war lebensbedrohend.
»Was ist geschehen?« »Meine Familie wurde bei El Fiero von mexikanischen Soldaten angegriffen und getötet. Ich bin der einzige, dem es gelang, sich zu verstecken und danach zu entkommen.« »Wieviel Gelbhäutige waren es?« Der Alte hob zehnmal eine Hand. »Sie töteten deine Sippe ohne Warnung? Ohne Aufforderung, anzuhalten und sich zu ergeben?« »Sie töteten sie, zündeten Holz an und verbrannten die Toten und die Lebenden. Meine Squaw war nicht tot, nur verwundet und ohne Bewußtsein. Sie schrie und bat um Gnade, als sie von den Flammen und der Hitze das Bewußtsein wiedererlangte. Aber die Soldaten lachten sie aus. Es war schrecklich, Jefe.« Der Häuptling stand vor der Dreiergruppe. Er hielt die Augen geschlossen. In ihm kochte der gerechte Zorn. Als er die Augen wieder öffnete, sagte er: »Bringt ihn fort! Er kann jetzt und später bei uns leben. Ruft die ältesten Krieger zusammen, und holt die drei Weißen zur Beratung.« Es dauerte keine halbe Stunde, bis alle versammelt waren. Noch stand die Sonne im Zenit, aber die Flammen schlugen hoch und prasselten. Denn was wäre ein Pow-Wow ohne Feuer? Thomas Jeffords, Buck und Larry setzten sich dem Häuptling gegenüber. Mehr als zehn ältere Krieger waren anwesend. Man sah es an ihren Gesichtsbemalungen, daß sie Rang und Einfluß hatten. Cochise eröffnete die Kriegsbesprechnung mit der Wiederholung der Worte des Alten. Als er geendet hatte, ging ein drohendes Murren durch die Reihe der Krieger. Jeffords warf besorgte Blicke in die Runde. Dieses mexikanische Massaker konnte alle seine Pläne über den Haufen werfen. Selbst seine beiden Freunde neben ihm wurden unruhig. Sie ahnten, was sich zusammenbraute. Larry wäre am liebsten
aufgestanden und davongerannt. Nur die Vernunft ließ ihn verharren. Und so ging es auch Buck. Cochise ergriff wieder das Wort. Er sagte: »Ich bitte die Krieger der Chiricahuas um Rat. Sollen wir die Sippe der ›Großen Schlange‹ rächen? Wir haben mit den Weißen im Norden ein Abkommen, keinen Krieg zu führen, aber nicht mit den Gelbhäuten im Süden. Krieg oder Untergang? Wofür stimmen die Chiricahuas?« »Krieg!« ertönte es im Chor. Schließlich rief jemand: »Zastee! Tötet!« Die ganze Runde fiel ein und schrie: »Zastee! Tötet!« Cochise stand auf, hob die rechte Hand. Es wurde still wie in einer Kathedrale. »So sei es«, verkündete er laut. »Ruft mit Rauchzeichen alle Krieger herbei! Sie sollen ihre Sippen in dieses Tal bringen. Wir haben Vorräte angelegt und Wasser genug. Also, ruft sie!« Die Versammlung löste sich auf. Man brachte grüne Blätter und Gras, warf beides aufs Feuer. Vier Krieger nahmen eine Decke und schwangen sie über dem aufsteigenden Rauch. Lange Rauchfahnen und runde Balle stiegen in einem bestimmten Rhythmus in die Höhe und weit hinaus über den Canyonrand. Thomas Jeffords hatte sich mit seinen Freunden bis zu ihrer Behausung zurückgezogen. Cochise kam, blieb vor Jeffords stehen. »Ich habe dich und die anderen Hellhäutigen an der Besprechung der Krieger teilnehmen lassen, weil du wissen sollst, was jetzt geschieht. Es ist Krieg, Nicht gegen die Weißen, sondern gegen die Gelbhäutigen, die ihr Mexikaner nennt. How!« Thomas Jeffords wollte den Häuptling bitten, seinen Entschluß rückgängig zu machen. Aber er brachte keinen Ton über die Lippen. Cochise und der Post-Agent sahen sich lange und
eindringlich an. Es hatte den Anschein, als wollte der Jefe Thomas ein letztes Mal prüfen. »Du wirst noch heute das Lager verlassen und zu dem Haus am Paß zurückkehren. Baue es auf und schütze es. Deine Postkutschen bleiben von den Chiricahuas unbehelligt. Für die Krieger anderer Stämme kann ich nicht sprechen. Geh jetzt!« Er drehte sich um, ging zu seinem Wickiup. Ein hochgewachsener stattlicher Mann mit breiten Schultern in der traditionellen Wüstenkleidung. Thomas starrte ihm nach. »Wehe den Mexikanern, die ihm in die Wände fallen.« Buck und Larry nickten. Sie gingen in die Hütte, rafften ihre Habseligkeiten zusammen und verpackten sie in die Satteltaschen. So beladen verließen sie das Wickiup. * Zwei Stunden nach Mitternacht. Unterdrückte Laute wurden auf der Straße laut. Sand knirschte unter Stiefelsohlen. Bretter der Gehsteige knarrten. John sah durchs Fenster. Hinter ihm kauerten Curt Miller und Lily. Irgendwo am Ende der Straße flackerten Flammen einer Fackel. Sie waren unterwegs, um noch einmal alle nur möglichen Verstecke in der Town abzusuchen. Doolin hatte ein Aufgebot von Männern zusammengetrommelt, die sich die Kopfprämie von 100 Dollar verdienen wollten. Der Lärm ließ nach. Fackeln und Lampen erloschen nach einer Weile. Doolin und seine neuen Freunde verstanden nicht, wie Miller hatte entkommen können. Gleich nach der Prügelei hatte Doolin den Befehl gegeben, Mietstall und Ausfallstraßen abzuriegeln. Millers Pferd stand im Stall und wurde allmählich fett. Er hatte es sich jeden Tag angesehen, aber er wußte nicht, wo der Scout sich verborgen hielt. Das Suchkommando zog sich in den Saloon zurück. John
wandte sich vom Fenster ab und nickte Curt zu. »Jetzt können wir es riskieren. Dank für alles, Lily.« »Keine Ursache«, sagte sie. »Seid leise, wenn ihr über die Treppe geht. Man muß nicht unbedingt wissen, daß Curt sich bei mir verkrochen hat. Adios, Curt. Adios John. Gebt auf euch acht!« John Haggerty machte den Anfang. Miller folgte ihm dichtauf. Die Treppen knarrten nicht einmal, als sie nach unten stiegen. Unbemerkt gelangten sie durch den Hinterausgang. Weit und breit war nichts zu sehen. Die Bürger hatten sich zur Ruhe begeben. Trotzdem traute Haggerty der Stille nicht. Ein unsicheres Gefühl warnte ihn. Er schlich weiter, auf den Mietstall zu. Dort warteten ihre Pferde. Auf Lily’s Geheiß hatte der Stallmann Johns Pferd am Mittag abgeholt und ein beachtliches Trinkgeld kassiert. Alles war in bester Ordnung. Dachten Miller und Haggerty. Die Stalltür knarrte leise in den Angeln, als John den Drücker bewegte und die Tür nach innen schwang. Mief und Ammoniakgeruch schlug ihnen entgegen. Eine Gestalt kam auf sie zu. Sie blieb im Boxengang stehen und versuchte etwas von den Eindringlingen zu erkennen. Es war Fred Baxter, der Stallhelp. »Pst! Sind Sie John Haggerty, der Scout?« »Ja, hier Haggerty und Miller. Sind Sie Baxter?« »Kommen Sie, Mr. Haggerty, die Luft ist rein! Ihre Pferde habe ich bereits gesattelt.« Haggerty ging hinter ihm her den Gang hinunter. Ungefähr zehn Pferde waren in der Nacht eingestellt worden. Zwei von ihnen trugen tatsächlich schon Sättel und waren gezäumt. John schüttelte den Kopf. Das war leichtsinnig von Baxter. Einer der Kerle hätte noch einmal hereinschauen und die reitfertigen Tiere sehen können. Er sagte es dem Stallmann. Baxter lachte. »Dieser fette Kerl mit der geblümten Weste kam zweimal am
Tag«, sagte er und kicherte ununterbrochen dabei. »Er wollte Mr. Millers Pferd sehen. Ich zeigte ihm jedesmal ein falsches. Wenn Sie weg sind, wird das Pferd immer noch in der Box stehen und auf Mr. Miller warten. Vergeblich, denn es gehört mir. Hahaha!« »Nicht so laut!« Sie zogen ihre Pferde aus den Boxen. John drehte den Docht der einzigen Stalllampe so tief wie möglich und wollte sich dem Haupttor zuwenden. Aber Baxter stellte sich ihm in den Weg. »Den Hinterausgang, Gentlemen. Sie sind gleich aus der Stadt und werden nicht gehen.« »Danke«, sagte Haggerty. »Das werde ich Ihnen nicht vergessen, Baxter.« Der krummbeinige Stallhelp öffnete das Tor und ließ es ein Stück zur Seite rollen. Es bewegte sich völlig geräuschlos in der Führungsschiene. Haggerty verließ den Stall, schwang sich in den Sattel und wartete auf Miller. Er kam, stieg auf und ritt zu Haggerty. Aus einer Baulücke blitzten Mündungsfeuer auf. Die Kugeln schlugen in das Unkraut um die Hufe der Pferde. Mindestens zwei schossen aus Gewehren. Haggerty duckte sich im Sattel und riß den Revolver heraus. »Curt, ich gebe dir Feuerschutz! Los, hau ab!« John nahm die, Straßenmündung unter Feuer und ballerte alle sechs Kugeln in den dunklen Schlund. Jemand schrie laut um Hilfe. »Es ist Miller!« rief ein Mann gellend. »Er geht stiften. Pferde her, damit wir ihn verfolgen können!« Auch Curt feuerte. Aber er war schon zu weit entfernt und traf nicht. Gehetzt starrte er über die Schulter zu John zurück. »Verdammt, komm schon!« Von allen Seiten wurde auf Haggerty geschossen. Kugeln umschwirrten ihn wie zornige Hornissen. Er gab seinem Pferd die Hacken zu fühlen und
preschte los. Ein Dickicht vor ihm. Trockenes Unkraut, das wie Pergament raschelte. Eine brennende Fackel kam geflogen, von Kugeln begleitet. Flammen prasselten, beleuchteten ein gespenstisches Bild. Curt Miller jagte mit seinem Pferd mitten durch die Feuerhölle und gelangte außer Sicht. John trieb den Hengst auf das brennende Gestrüpp zu. Das Tier scheute und wollte umkehren. Schüsse krachten auf der Straße, an der Rückfront der Häuser und beim Mietstall. John sprang aus dem Sattel, zerrte das Pferd am Zügel vorwärts. Flammen tanzten und warfen unheimliche Schatten. Es wurde fast so hell wie am Tag. John stolperte und fiel in das brennende Trockenzeug. Jemand schrie auf der Straße. Ein Triangel läutete Feueralarm. Mühsam raffte sich der Scout auf, machte ein paar lange Schritte, um aus den Flammen herauszukommen und zerrte den widerstrebenden Hengst hinter sich her. Es gelang. Nur weiter. John zog sich ächzend in den Sattel und ritt Miller entgegen, der umgekehrt war. Seine Hände und seine Beine waren verbrannt, aber er konnte die Zügel führen und reiten. »Schlimm?« fragte Curt, der die verkohlten Kleiderfetzen trotz der Dunkelheit erkannte. »Es geht, Amigo. Das war ein Streich, was? An den werden sie noch lange denken.« »Wir reiten ein Stück, dann halten wir an. Ich will…« »Wir halten nicht an«, unterbrach Haggerty. »Warum nicht?« »Wir reiten sofort zum Army-Camp, versorgen uns dort mit dem Notwendigsten und verschwinden wieder. Die paar Brandwunden heilen von selbst.« »Mensch, wo willst du in der Nacht noch hin?« »Zurück nach Sante Magdalena, Curt. Ich gehe jede Wette ein, daß sich Doolin nach unserer gelungenen Flucht schnellstens absetzen wird. Ich möchte wissen, wo er sein
Versteck hat.« »Du bist ein verrückter Hund!« stöhnte Miller. Noch vor Morgengrauen hatten sie das Army-Camp erreicht. Posten stoppten sie. John wußte die Losung nicht und sagte es. »Kommen Sie langsam näher!« befahl der Soldat. »Die Hände hoch über die Schulter! Ja, so ist's recht. Wenn ich Sie erkenne, können Sie passieren.« Zwei Uniformierte mit angeschlagenen Gewehren traten aus dem Schatten einiger Ocatillos. »Allmächtiger! Wie sehen Sie denn aus, Mr. Miller?« »Sie erkennen mich und Scout Miller«, fragte Haggerty. »Klar. Sie können passieren.« Beide ritten sie gleichzeitig an. Sie preschten direkt zur Unterkunft, einem langgezogenen Zelt für die weißen Scouts. »Gib die Pferde am Corral ab und laß zwei frische satteln. Wir reiten in einer halben Stunde den Weg zurück«, sagte Haggerty und betrat das Zelt. Er zog sich um, behandelte flüchtig die Brandblasen, streifte auch frische Stiefel über und warf die angesengten Hochschäfter in eine Ecke. Curt kam herein, blieb bei John stehen. »Hast du das wirklich ernsthaftig gemeint?« »Stehen die Pferde bereit?« »Ja, draußen.« »Okay, dann mach dich fertig, Curt.« Es war soweit. Sie verließen das Zelt und ritten aus dem Lager. Als die Sonne aufging, hielten Haggerty und Miller oberhalb eines Hohlweges, durch den sich die Straße nach Westen schlängelte. Wer in die Dragoons wollte, mußte diese Strecke benutzen, wenn er keinen Umweg machen wollte. Haggerty stieg aus dem Sattel und brachte seinen Fuchs in ein vor Blicken schützendes Dickicht. Miller folgte. Sie suchten sich anschließend einen Platz hinter einer Felsnase,
von wo aus sie den Weg nach Santa Magdalena weit zurückverfolgen konnten. Ihre Geduld wurde auf eine lange Probe gestellt. Gegen zehn Uhr vormittags, die Sonne prallte mit einer mörderischen Glut vom Himmel, sahen sie eine gelbe Staubwolke, lange bevor sie die Reiter erkennen konnten. Curt zählte sechs und sagte es laut. John nickte. »Sie haben Zuwachs bekommen. Es ist merkwürdig, daß sich Gesindel immer wieder zusammenfindet. Lassen wir sie vorbei und folgen ihnen, wenn sie weit genug entfernt sind.« »Das wird ein lustiges Treiben geben – bei dieser Hitze«, sagte Miller und lächelte säuerlich.
ENDE