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Alexander Böhne: Generierung von Identifikations- und Motivationspotentialen älterer Arbeitnehmer im Kontext eines professionellen Human Resource Management Hochschulschriften zum Personalwesen, hrsg. von Thomas R. Hummel, Heinz Knebel, Dieter Wagner, Ernst Zander, Band 39 ISBN 978-3-86618-193-9, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering, 2008, 253 S., € 27.80
Das Thema „Demografischer Wandel“ hat nichts von seiner Aktualität verloren. Vielmehr hat der bereits in einigen Bereichen spürbare Fachkräftemangel der Thematik neue Dynamik verliehen. Ausgehend von der (wissenschaftlich bereits verifizierten) Grundüberzeugung des Autors, dass die Arbeitnehmer eines Unternehmens dessen wichtigstes Kapital sind, ist es Ziel der Arbeit, ein professionelles und somit demografiefestes Human Resource Management zu gestalten, das den älteren Arbeitnehmer als ein betriebliches Erfolgspotential bewertet. Im Focus der Betrachtung steht insbesondere die Motivation (älterer) Arbeitnehmer, die bisher neben den Themen Gesundheit und Qualifikation eher wenig Beachtung fand. Die Arbeit geht daher der Frage nach, wie Motivation- und Identifikationspotentiale in den relevanten Handlungsfeldern „Arbeitszeit“, „Entgelt“, „Arbeitsgestaltung“ und „Personalentwicklung“ generiert werden können, um so genannte Altersrisiken zu minimieren oder ganz zu vermeiden mit dem Ziel einer demografiefesten Personalpolitik. Schlüsselwörter:
Professionelles Human Resource Management, alter(n)sgerechte Identifikation und Motivation, Demografischer Wandel, demografiefeste Personalpolitik, Managing Diversity
Hochschulschriften zum Personalwesen herausgegeben von Prof. Dr. Thomas R. Hummel, Fachhochschule Fulda Prof. Dr. Heinz Knebel, Universität Potsdam Prof. Dr. Dieter Wagner, Universität Potsdam Prof. Dr. Ernst Zander, Stiftungsvorsitz Universität Bochum
Band 39
Alexander Böhne
Generierung von Identifikations- und Motivationspotentialen älterer Arbeitnehmer im Kontext eines professionellen Human Resource Management
Rainer Hampp Verlag
München und Mering 2008
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-86618-193-9 DOI 10.1688/9783866181939 Hochschulschriften zum Personalwesen: ISSN 0179-325X 1. Auflage, 2008 © 2008
Rainer Hampp Verlag München und Mering Meringerzeller Str. 10 D – 86415 Mering www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme.
∞
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Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde 2006 von der Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Herrn Prof. Dr. Dieter Wagner möchte ich für seine umfassenden fachlichen Anregungen und persönliche Unterstützung bei der Erstellung der Arbeit danken. Danken möchte ich auch allen Interviewpartnern in den befragten Unternehmen, die mir einen informativen und umfangreichen Einblick in die betriebliche Praxis im Umgang mit älteren Arbeitnehmern gewährt haben. Für die Unterstützung möchte ich auch all jenen danken, die mich mit der Frage „Wann gibt’s Du ab?“ immer wieder genervt und somit auch angetrieben haben, dieses Projekt abzuschließen. Mein besonderer Dank gilt aber meinen Eltern, die durch ihre Zuneigung, Geduld und Aufmerksamkeit und nicht zuletzt durch ihre Expertise als erfahrende Unternehmer diese Arbeit erst ermöglicht und aufgewertet haben. Euch ist diese Arbeit gewidmet.
Vorwort der Herausgeber In der Reihe HOCHSCHULSCHRIFTEN ZUM PERSONALWESEN erscheinen Arbeiten, die im Wesentlichen aus hochschulbezogenen Forschungszusammenhängen entstanden sind. Charakteristisch für die Schriftenreihe ist, dass die einzelnen Bände praxisnah und wissenschaftlich fundiert einen Themenbereich aus dem Personalwesen und angrenzenden Gebieten wie der Organisationslehre behandeln. Sie wendet sich damit an Wissenschaftler und Studierende des Personalwesens sowie den interessierten Praktiker in Wirtschaft und Verwaltung. Angesichts gewaltiger demografischer Veränderungen in Deutschland und in vielen anderen Industriegesellschaften kann die Personalpolitik am Identifikations- und Motivationspotential älterer Arbeitnehmer nicht vorübergehen. Insofern ist das Thema sehr aktuell. Die Realität sieht allerdings anders aus. Vorruhestand wird immer noch von allen großen Unternehmen praktiziert. Und viele Arbeitnehmer möchten als „junge Alte“ die letzte Lebensphase nach der Erwerbsphase genießen. Alexander Böhne greift also eine wichtige Fragestellung auf, die in kürzester Zeit von dramatisch zunehmender Relevanz sein dürfte. Begriffliche Grundlagen werden vermittelt und relevante Theoriekonzepte vorgestellt. Dabei hat sich der Verfasser für die Disengagement-Theorie und die Kontinuitätstheorie entschieden. Die Ausführungen sind eingängig und instruktiv und zeigen, dass sich der Verfasser gründlich in die Thematik eingearbeitet hat. Dies gilt auch für den Handlungsrahmen eines professionellen Human Resource Management mit altersintegrativer Ausprägung. Dabei geht der Verfasser auf angloamerikanische Bezugsrahmen-Konzepte und ihre Weiterentwicklung zurück und beschreibt mit großer Sachkenntnis den äußeren Kontext, die relevanten Stakeholder-Einflüsse, den inneren Kontext und die Handlungsfelder des professionellen Personalmanagements. Diese sehr differenzierte und anschauliche Darstellung wird erweitert durch ein Plädoyer für eine altersintegrative Personalpolitik (Managing Age) auf Grundlage des Konzeptes „Managing Diversity“. Dabei greift der Autor Bezugsrahmen und Denkkonzepte auf, an deren Diskussion und Weiterentwicklung er selbst mitgewirkt hat. Insofern ist nun festzustellen, dass nunmehr systematische Einordnungen und Ausdifferenzierungen des Phänomens „Alter“ vorliegen, die es so seit längerer Zeit zumindest im deutschsprachigen Raum nicht mehr gegeben hat. Die Arbeit schließt mit dem Konzept einer altersintegrativen Identifikations- und Motivationspolitik im Kontext eines professionellen Human Resource Managements, bezugnehmend auf die Einsatzfelder „Arbeitszeit“, „Entgelt“, „Arbeitsgestaltung“, und „Personalentwicklung“.
Die vorliegende Arbeit besticht durch ihre einordnende Systematik. Es wird deutlich, dass der Verfasser zu den Experten in Deutschland gehört, die die relevante Literatur einschließlich der relevanten Untersuchungen genau kennen. Insofern sind vielfältige Anstöße vorhanden hinsichtlich der innovativen Weiterführung des Bestehenden und einer weiterführenden, empirischen Ausarbeitung. Leider ist festzustellen, dass eine altersintegrative Personalpolitik zur Zeit bei den großen Firmen so gut wie noch nicht vorliegt. Der Eintritt in den Ruhestand erfolgt faktisch bei vielen Fach- und Führungskräften nach wie vor mit 58 - 60 Jahren. Insgesamt liegt nun eine systematisch aufbereitete Darstellung vor, die nun hoffentlich zum Ausgangspunkt für weiterführende, empirische Überlegungen werden kann. Potsdam, im Mai 2007
Die Herausgeber
I
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung
1
1.1
Problemstellung
1
1.2
Ziel und Aufbau der Arbeit
3
1.3
Begriffliche Grundlagen
5
1.3.1
Ältere Arbeitnehmer – Begriffliche Einordnung
6
1.3.2
Altersgrenzen
11
1.3.3
Altersbegriffe
17
1.3.4
Alter und Altern in der Wissenschaft
22
1.3.5
Relevante Theoriekonzepte
22
1.3.5.1
Disengagement – Theorie oder „Theorie des sozialen Rückzugs“
23
1.3.5.2
Kontinuitätstheorie
24
2
Handlungsrahmen eines professionellen Human Resource Management mit altersintegrativer Ausprägung
26
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen des professionellen HRM
28
2.2
Äußerer Kontext
30
2.2.1
Demografie und Erwerbsarbeit
30
2.2.2
Politischer und rechtlicher Einfluss
38
2.3
Stakeholder Einflüsse
47
2.3.1
Management
47
2.3.2
Ältere Arbeitnehmer
55
2.3.2.1
Gesundheitsrisiko
57
2.3.2.2
Qualifikationsrisiko
60
2.3.2.3
Identifikations- und Motivationsrisiko
63
2.3.2.4
Sonstige Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer
66
2.3.3
Jüngere Arbeitnehmer
67
2.4
Innerer Kontext
70
2.4.1
Unternehmenskulturelle Einflüsse
71
2.4.2
Technologie
73
2.5
Handlungsfelder des professionellen HRM
77
2.5.1
Einordnung des HRM in den betrieblichen Kontext
78
2.5.2
Aktionsfeld Personalauswahl
87
2.5.3
Aktionsfeld Personaleinsatz
91
2.1
II
2.5.4
Aktionsfeld Personalentwicklung
94
2.5.5
Aktionsfeld Motivation
97
2.6
Strategiefelder
99
2.6.1
Marktorientierung
99
2.6.2
Ressourcenorientierung
101
2.6.3
Zwischenfazit
104
3
Plädoyer für eine altersintegrative Personalpolitik (Managing Age) auf Grundlage des Konzeptes „Managing Diversity“
106
3.1
Das Konzept Managing Diversity
107
3.1.1
Diversity
107
3.1.2
Managing Diversity
108
3.2
Alter als multiples Vielfaltkriterium
110
3.2.1
Alter als wahrnehmbarer Unterschied
111
3.2.2
Alter als kaum wahrnehmbarer Unterschied
111
3.2.2.1
Werte
112
3.2.2.2
Fähigkeiten und Wissen
117
3.3
Alter im Kontext verschiedener Managing Diversity Ansätze
119
3.3.1
Altersintegrative Personalpolitik aus der Diskriminierungs- und Fairnessperspektive
120
3.3.2
Altersintegrative Personalpolitik aus der Marktzutrittsperspektive
123
3.3.3
Altersintegrative Personalpolitik aus der Lern- und Effektivitätsperspektive
125
3.4
Ökonomische Relevanz des Vielfaltkriteriums Alter
126
3.4.1
Kosten
128
3.4.2
Marketing
129
3.4.3
Kreativität
130
3.4.4
Personalmarketing
131
3.4.5
Problemlösung
132
3.4.6
Flexibilität
134
3.4.7
Zwischenfazit:
134
4
Theoretische Grundlagen der Identifikation und Motivation
136
4.1
Identifikation und Identifikationspolitik
136
4.1.1
Der Begriff der Identifikation (Begriffe, Zielsetzung)
136
4.1.2
Strategische Identifikationspolitik
139
4.2
Motivation und Motivierung
143
4.2.1
Motive
145
III
4.2.2
Motivation
146
4.2.3
Volition
147
4.3
Motivationstheorien im Überblick
148
4.3.1
Inhaltstheorien
150
4.3.1.1
Das hierarchische Motivationsmodell von Maslow
150
4.3.1.2
Herzbergs Zwei – Faktoren – Theorie
154
4.3.2
Prozesstheorien der Motivation
155
4.3.2.1
Theorie der Leistungsmotivation von Atkinson
156
4.3.2.2
Intrinsische und extrinsische Motivation
158
4.3.2.3
Weiterführende Überlegungen
160
4.4
Motivationsinstrumente
164
4.4.1
Arbeitszeit
164
4.4.2
Entgelt
169
4.4.3
Arbeitsgestaltung
171
4.4.4
Personalentwicklung
175
4.5
Motive und Motivation im Wirkungsfeld nachberuflicher Tätigkeit
177
4.5.1
Motive der Weiterbeschäftigung über den Verrentungszeitpunkt hinaus aus der Arbeitnehmerperspektive
181
Motive der Weiterarbeit über den Verrentungszeitpunkt hinaus aus der Unternehmensperspektive
193
Konzept einer altersintegrativen Identifikations- und Motivationspolitik im Kontext des Professionellen HRM – Handlungsempfehlungen
195
5.1
Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Arbeitszeit
200
5.2
Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Entgelt
203
5.3
Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Arbeitsgestaltung
206
5.4
Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Personalentwicklung
209
6
Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick
217
4.5.2
5
Literaturverzeichnis
223
IV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Wie sehen sich jüngere und ältere Ingenieure?
21
Abbildung 2:
Modell des Human Resource Management von Hendry/Pettigrew
26
Abbildung 3:
Konfiguration eines professionellen Personalmanagements
29
Abbildung 4:
Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern
49
Abbildung 5:
Für die kommenden zwei Jahre erwartete Personalprobleme
82
Abbildung 6:
Problembewusstsein bei DAX-Unternehmen
83
Abbildung 7:
Personalpolitische Konsequenzen bei DAX-Unternehmen
86
Abbildung 8:
Altersbezogene Segmentierung
93
Abbildung 9:
Dimensionen und Indikatoren von drei unterschiedlichen Ansätzen
109
Abbildung 10: Taxonomie zur Beschreibung der Inhalte von Diversity
111
Abbildung 11: Zweidimensionales Wertekonzept nach Klages
113
Abbildung 12: Lebensorientierung der Deutschen
115
Abbildung 13: Hinweise zur Tendenz altersbedingter körperlicher Fähigkeiten und Eigenschaften im Arbeitsleben
117
Abbildung 14: Hinweise zur Tendenz altersbedingter geistiger Fähigkeiten und Eigenschaften im Arbeitsleben
118
Abbildung 15: Argumente für eine Verbesserung der Wettbewerbsposition nach Dimensionen in Anlehnung an Cox
127
Abbildung 16: Komparative Stärken älterer und jüngerer Mitarbeiter
133
Abbildung 17: Einbindungsstrategien
143
Abbildung 18: Bedingungen des Verhaltens
146
Abbildung 19: Bedürfnispyramide nach Maslow
151
Abbildung 20: Determinanten der Demotivation
160
Abbildung 21: Rollenspezifische Motivatoren – mögliche Komponenten und Inhalte
162
Abbildung 22: Flexible Arbeitszeitgestaltung
166
Abbildung 23: Motivation und Arbeitsleistung durch flexible Arbeitszeit
168
Abbildung 24: Neue Formen der Arbeitsorganisation
174
Abbildung 25: Individuelle Karrieremotive
177
Abbildung 26: Spektrum der Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer
180
Abbildung 27: Einscheidungsmatrix Weiter-/Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Pensionsgrenze
196
Abbildung 28: Einscheidungsmatrix Weiter-/Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer über die Pensionsgrenze hinaus
197
Abbildung 29: Faktoren des Arbeitsfähigkeitsindex
199
V
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
ABI
Arbeitsbewältigungsindex
Abs. ADEA ATZ ATZG Aufl. BetrVG BMBF
Absatz Age Discrimination in Employment Act Altersteilzeit Altersteilzeitgesetz Auflage Betriebsverfassungsgesetz Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMW
Bayrische Motoren Werke AG
bspw.
beispielweise
bzw. ca. d.h. DGFP ERG-Theorie
beziehungsweise circa dass heißt Deutsche Gesellschaft für Personal Existence-Relatedness-Growth-Theorie
erw.
erweiterte
etc.
et cetera
e.V.
eingetragener Verein
EU
Europäische Union
evtl.
eventuell
f.
folgende
ff.
fortfolgende
HR
Human Resources
VI
HRM
Human Resource Management
i.d.R.
in der Regel
IAB
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
IAO
Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation
IdW
Informationsdienst der deutschen Wirtschaft
INIFES insb. ISF
Internationales Institut für Empirische Sozialforschung insbesondere Institut für sozialwissenschaftliche Forschung
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
OECD
Organisation for Economic Co-opration and Development
PHRM
Professionelles Human Resource Management
S.
Seite
s.
siehe
s.o. SÖSTRA
siehe oben Institut für sozialökonomische Strukturanalysen e.V
Sp.
Spalte
Tab.
Tabelle
u.U
unter Umständen
vgl.
vergleiche
WSI
Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliches Institut
www
world wide web
1
1 Einleitung 1.1 Problemstellung Seit geraumer Zeit wird der demografische Wandel in der Bundesrepublik Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Standen zu Beginn arbeitsmarkt- und sozialpolitische Überlegungen im Fokus des Diskurses, so z.B. die Finanzierbarkeit der Sozialversicherungssysteme in der Zukunft, haben jüngere Veröffentlichungen vermehrt den Bezug zu privaten und öffentlichen Organisationen hergestellt und sich der Frage gewidmet, wie ein altersgerechter Umgang mit älteren Arbeitnehmern gestaltet werden muss. Dabei flossen Ergebnisse der psycho- und sozialgerontologischen Forschung bezüglich der körperlichen, geistigen und sozialen Auswirkungen des menschlichen Alterungsprozesses in die Überlegungen mit ein und beeinflussten personalpolitische Konzepte insbesondere in den Bereichen Personalentwicklung (Weiterbildung), Arbeitsplatz- (Ergonomie) und Arbeitszeitgestaltung. Dabei galt und gilt es, einen gesamtgesellschaftlich gültigen Widerspruch aufzulösen: unsere Gesellschaft altert, gleichwohl ist sie jugendzentriert. Die demografische Entwicklung konfrontiert die Unternehmen mit einem größer werden Anteil älterer Arbeitnehmer, dennoch werden ihre Potentiale noch überwiegend verkannt und bleiben daher meist ungenutzt (vgl. Puhlmann 2003, S. 26; vgl. Richenhagen 2004, S. 60). Relevante personalpolitische Fragestellungen in Diskurs und Praxis waren und sind die Sicherung der Innovationsfähigkeit, die Verbesserung der gesundheitlichen und qualifikatorischen Situation älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbs- bzw. Arbeitsfähigkeit („Employability“) sowie die Sicherstellung und Nutzung des Erfahrungswissen, um nur einige häufig diskutierte Problemfelder zu nennen. Illmarinen (1999, S. 12 f.) identifiziert in seiner „Ageing and the workorientation matrix“ auf Individueller Ebene u.a. Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Arbeitslosigkeit sowie Überforderung als relevante Probleme im Spannungsfeld von (individueller) Alterung und Arbeitswelt, auf Unternehmensebene stehen Fragen der Produktivität, der Wettbewerbsfähigkeit oder gesundheitsbedingte Fehlzeiten im Focus, auf gesellschaftlicher Ebene gilt es Fragen der Altersdiskriminierung, der Frühverrentung und dadurch entstehende Kosten zu lösen (vgl. ebenda, S. 13). Es bestehen deutliche Wechselbeziehungen zwischen den genannten Ebenen, so gefährden ge-
2
sundheitliche Probleme älterer Arbeitnehmer die Produktivität des Unternehmens, eine mangelhaftes Gesundheitsmanagement in den Unternehmen erhöht die gesamtgesellschaftlichen Kosten, da ältere Arbeitnehmer gesundheitsbedingt in den Vorruhestand treten müssen. Neben dieser ressourcenorientierten Betrachtung des älteren Arbeitnehmers als relevantem Erfolgsfaktor für Unternehmen (siehe hierzu u.a. Kayser/Uepping (Hrsg.) 1997; Bruggmann 2000; Menges 2000) haben marktorientierte Überlegungen dazu geführt, dass das Marketing die Älteren als wachsende und finanzkräftiges Klientel (vgl. Opaschowski 2001, S. 32) entdeckt hat und dementsprechend goutiert. Der Focus dieser Arbeit liegt allerdings auf der Überzeugung, dass ältere Arbeitnehmer eine wesentliche Humanressource sind, marktbezogene Betrachtungen werden nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die den älteren Arbeitnehmern anheftenden Altersrisiken der Gesundheit und der (De-)Qualifikation werden in wenigen Fällen um ein Motivationsrisiko ergänzt (vgl. Lau-Villinger/Seitz 2002, S. 3; vgl. Barkholdt 2001c, S. 26; vgl. Zimmermann 2003, S. 171), bisher jedoch schenkte die Forschung dem Einfluss von Alterungsprozessen auf die Motivation insgesamt nur wenig Beachtung (vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 440). Die explizit von Wunderer (2003, S. 103 ff.) propagierte strategische Identifikations- und Motivationspolitik aber ist grundlegend für ein professionelles Human Resource Management (HRM), dass die genannten Altersrisiken minimiert, um das Erfolgspotential „Älterer Arbeitnehmer“ generieren zu können. Empirisch lässt sich der Zusammenhang zwischen Motivation, Qualifikation und Gesundheit am Modell des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ von Ilmarinen belegen. Eine Langzeituntersuchung in Finnland, bei der über 6000 Personen während ihres Erwerbslebens beobachtet, befragt, untersucht und z.T. gefördert wurden, ergab das Bild vom „Haus der Arbeitsfähigkeit“ (Ilmarinen/Tempel 2003, S. 91 ff). Die grundlegende Basis des Hauses bildet dabei der erste Stock, der die Gesundheit darstellt. Der zweite Stock beherbergt, ganz bildlich gesprochen, fachliche und soziale Kompetenz, die über die Berufsbiografie hinweg eigenverantwortlich erhalten und erweitert werden muss. Der dritte Stock umfasst Einstellungen, Werte und Motive des Individuums, darauf aufbauend befinden sich im letzten Stockwerk alle genannten (physischen und psychischen) Aspekte der Arbeit, ergänzt um Aspekte der Arbeitsgestaltung, des Managements,
3
der Führung und Organisation (vgl. ebenda)1. In einer früheren Veröffentlichung sah Ilmarinen 1995; S. 18) die Arbeitsfähigkeit durch das Altern, die Lebensweise, den Gesundheitszustand und die Arbeit beeinflusst. Das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ stellt durch die Erweiterung der Wirkungsbeziehungen um motivationale Effekte somit eine sinnvolle Weiterentwicklung dar und unterstreicht den Ansatz dieser Arbeit, den bekannten Altersrisiken (De-)Qualifikation und Gesundheit ein Identifikations- und Motivationsrisiko hinzuzufügen. Grundlegend hier, „dass diese vier Stockwerke in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, und dass bei Problemen in jedem dieser Stockwerke nachgesehen und ggf. ´Ordnung` geschaffen werden muss2“ (ebenda S. 92). Eine Konzentration auf Qualifikations- und Gesundheitsrisiken3 greift demnach zu kurz, Fragen der Identifikation und Motivation müssen gleichrangig behandelt werden. Handlungsleitende Frage ist also: Wie muss eine altersintegrierende Identifikations- und Motivationspolitik ausgestaltet sein, um ältere Arbeitnehmer zu motivieren, leistungsorientiert bis zu ihrer Pensionierungsgrenze zu arbeiten bzw. darüber hinaus, wenn eine Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung betriebswirtschaftlich sinnvoll, der ältere Arbeitnehmer grundsätzlich leistungsfähig ist und eine Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung von diesem auch gewünscht wird?
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit Mit dieser Arbeit soll es gelingen, ein altersintegrierendes Identifikations- und Motivationskonzept zu entwerfen, welches intergenerative Unterschiede berücksichtigt und demzufolge Instrumente und Maßnahmen der Identifikation und Motivation ebenso altersdifferenzierend wie altersübergreifend ausgestaltet. Somit wird der Focus nicht allein auf der Gruppe der älteren Arbeitnehmer liegen, spiegelbildlich sind auch die Werthaltungen und Motive der jüngeren Mitarbeiter zu berücksichtigen. Die 1
Arbeitsfähigkeit umfasst daher „health and functional capacity, education and know – how, values and attitudes, as well as the content and the requirements of the work“ (Vinni 2002, S. 361).
2
Im Sinne einer „gleichberechtigten, interdisziplinären Zusammenarbeit“ (Ilmarinen/Tempel 2003, S. 93).
3
Und somit auf Fragen der Leistungsfähigkeit (vgl. Hentze 1994, S. 150).
4
Re(Motivierung) der einen Gruppe darf nicht zu einer Demotivation der anderen führen. Intergenerative Wirkungszusammenhänge sind zu berücksichtigen. Die demografischen Strukturen der Unternehmen aufgreifend, soll es mit den in Kapitel fünf entworfenen Handlungsempfehlungen gelingen, die Identifikation und Motivation aller Arbeitnehmer zu erhöhen, indem inter- aber auch intragenerative Unterschiedlichkeit analysiert und konzeptionell berücksichtigt werden. Nachdem nachstehend in Kapitel eins begriffliche Grundlagen gelegt sind, werden in Kapitel zwei bezugnehmend auf das Modell des professionellen HRM (PHRM) wesentliche Forschungsergebnisse des Themenfeldes „Älterer Arbeitnehmer“ aus den Bereichen Sozialgerontologie, Psychogerontologie und Betriebwirtschaft beleuchtet und in einen personalpolitischen Kontext gebracht. Im Sinne einer Ist – Analyse geschieht dies schon unter dem Aspekt der Identifikation und Motivation mit der Zielsetzung Barrieren der Identifikation und Motivation für ältere Arbeitnehmer zu identifizieren und bei der Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen zu berücksichtigen. Kapitel drei nimmt Bezug auf das Konzept „Managing Diversity“. Auf Basis sowohl ressourcen- als auch marktorientierter Überlegungen wird die ökonomische Relevanz des Unterschiedsmerkmals „Alter“ für die Unternehmen deutlich gemacht. Kapitel vier beschäftigt sich mit dem Themenfeld Identifikation und Motivation, nach der Darstellung begrifflicher und identifikations- und motivationstheoretischer Grundlagen sowie Gestaltungsfelder wird dann der Bezug zur nachberuflichen Tätigkeit Älterer hergestellt, um folgende Fragen klären zu können: -
„Was motiviert Ältere nach Erreichen der Pensionsaltergrenze, weiterhin erwerbstätig zu sein?“
-
„Was sind relevante Bedingungen dieser Erwerbstätigkeit?“ und
-
„Was sind relevante Motive der Unternehmen, Ruheständler einzustellen oder weiterzubeschäftigen?“
In nachfolgenden Kapitel 5 werden dann die Ergebnisse der Ist - Analyse der Kapitel zwei und vier in den personalpolitischen Zusammenhang der Identifikation und Motivation gestellt, um Handlungsempfehlungen im Umgang mit älteren Arbeitnehmern
5
generieren zu können. In Kapitel sechs folgen eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und ein Ausblick.
1.3 Begriffliche Grundlagen Das Alter als integraler Bestandteil des menschlichen Lebenslaufes (vgl. Schönholzer 1979, S. 31) ist gleichbedeutend mit physischen und psychischen Veränderungen im Zeitablauf. Der Prozess des Alterns ist unumgänglich, und beginnt, so definiert es der Begründer der deutschen medizinischen Gerontologie, Max Bürger, im biologischen Sinne mit dem Augenblick der Geburt (zitiert in Thomae/Lehr 1973, S. 1). Welche Veränderungen aber treten ein? Sind altersbedingte Veränderungsprozesse in physischen und psychischen Bereichen im Sinne einer Rückbildung zu interpretieren? Lassen sich mentale und körperliche Rückbildungsprozesse stoppen, verhindern bzw., ist gar eine Neubildung in bestimmten Bereichen möglich? Und welche Auswirkungen haben die neuen Koordinaten, die der individuelle Alterungsprozess setzt, auf das Individuum umgebende Umfeld: den privaten und den beruflichen Bereich? Welche Auswirkungen hat kollektives Altern auf die Gesellschaft und deren Teilbereiche, so insbesondere die Wirtschaft? Um einige der oben umrissenen Fragestellungen zu diskutieren, analysieren und letzthin Lösungen entwerfen zu können, beschäftigt der Themenbereich „Altern in der Erwerbswelt“ seit geraumer Zeit verschiedene Wissenschaften, u.a. die Wirtschaftswissenschaften (hier die Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre, letztere in der Teildisziplin des Human Resource Management (HRM) mit dem Themenschwerpunkt HRM und ältere Arbeitnehmer), die Sozialwissenschaften, Psychologie und Medizin, wobei sich laut Naegele (1992, S. 5) Sozialpolitikwissenschaften und Soziogerontologie (bzw. Soziale Gerontologie) auf die längste Tradition berufen können. Die „soziale Gerontologie“ ist dabei „ein Sammel- und Integrationsbereich von Fragestellungen und ´Forschungsprogrammen` (Lakatos 1974) aus verschiedenen Disziplinen der Human-, Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften“ (Rosenmayr 1991, S. 530).
6
Backes/Clemens (2003, S. 21) sehen die Gerontologie als „Querschnittwissenschaft“ (ebenda), die multidisziplinär und interdisziplinär ausgerichtet, anwendungsbezogen verschiedene Wissenschaften umfasst. Tews (1971, S. 1) verweist darauf, dass die Gleichung „Alterungsprozess“ biologische, soziologische und psychologischen Variablen beinhaltet und eine „angemessene“ Lösung nur gefunden werden kann, wenn eben diese Variablen in Beziehung zueinander gesetzt werden. Die Auswirkungen von Alterungsprozessen auf die Ökonomie (Stichworte: Entwicklung der Sozialsysteme, Entwicklung von Märkten) sowie auf öffentliche und insbesondere auf private Organisationen (Stichworte: betriebliche Altersstrukturen, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit etc.) haben die Gleichungen „individuelles und kollektives Altern“ um eine volks- sowie die betriebswirtschaftliche Variable erweitert.
1.3.1 Ältere Arbeitnehmer – Begriffliche Einordnung Betrachtet man die Literatur, so lässt sich feststellen, dass keineswegs Einigkeit darüber besteht, ab welchem Lebensjahr ein Arbeitnehmer als „älter“ bezeichnet werden kann (vgl. Rump 2004c, S. 51). Deutlich wird jedoch, dass die Mehrheit der Autoren eine Zuordnung zu diesem Belegschaftssegment allein aufgrund des kalendarischen bzw. chronologischen Alters für nicht ausreichend hält. Variablen wie Geschlecht, Familienstand, schulische und berufliche Qualifikation, Leistungsfähigkeit (Gesundheitszustand) und Leistungsbereitschaft (Motivation), Veränderungsbereitschaft in verschiedener Hinsicht, aber auch beruflicher Status, die ausgeübte Tätigkeit sowie damit verbundene Tätigkeitsanforderungen ebenso wie die Branchenzugehörigkeit (vgl. Naegele, 1981, S. 1; vgl. Pohlmann 2001, S. 110) deuten auf eine starke Heterogenität4 hin und „sollten zur altersmäßigen Einstufung von Arbeitnehmergruppen hinzugezogen werden“ (ebenda, S. 1; vgl. dazu auch Lehr/Niederfranke 1995, Sp. 3 f.). Schlussfolgernd darf die Aussage getroffen werden, dass der Prozess des Alterns
4
Ältere Arbeitnehmer sind bezogen auf ihre geistigen, körperliche und soziale Merkmale heterogener als jüngere Mitarbeiter (vgl. Hilb 1997, S. 29). Die Clusterung Älterer zu einer oder mehrer Altersgruppen ist aber nicht nur statistisch sinnvoll, ebenso können die Unterschiede zwischen den Altersgruppen größer sein als die innerhalb einer Altersgruppe (vgl. Pohlmann 2001, S. 111).
7
nicht einheitlich, vielmehr interindividuell invariant verläuft (vgl. Oswald, 2000, S. I/11). Mit zunehmendem Alter nehmen auch die Unterschiede zwischen den Personen zu (vgl. ebenda). Somit ist grundsätzlich festzustellen, dass es eine homogene Gruppe der älteren Arbeitnehmer nicht gibt und „Alter kein objektiver Begriff sein (kann, Anm. d. Verf.)“ (Ergenzinger 1993, S. 320). Schon 1974 schrieb Neugarten in ihrem Aufsatz von den „jungen“ und den „alten Alten“. Opaschowski (1998, S. 14) benennt einen möglichen Zeitraum von 30 bis zu 50 Jahren, der die „jungen“ von den „alten“ Alten trennen kann. Lehr (1995, S. 3 f.) setzt die Zuordnung zur Gruppe der „Älteren Arbeitnehmer“ in Zusammenhang mit beruflichen, tätigkeitsabhängigen, geschlechtlichen, betrieblichen, konjunkturellen und epochalen Spezifika. Die Wahrnehmung älterer Arbeitnehmer als homogene Gruppe in der Praxis beruht oft auf Vorurteilen und auf Unkenntnis, die ihren Ursprung insbesondere auch in der durch gerontologische Studien vielfach widerlegten Defizittheorie haben, nach der global mit zunehmendem Alter physische und psychische Fähigkeiten abnehmen und deren Abnahme Ursache sein sollen für die von Unternehmen gefürchteten Begleiterscheinungen alternder Belegschaften wie mangelnde Innovationsfähigkeit, steigende Kosten etc.. Das Defizitmodell kennzeichnet demnach Altern als „einen Prozess des Verlustes und als Abbau emotionaler und intellektueller Fähigkeiten...So wird häufig behauptet, ältere Personen könnten sich nur schwer auf Neues einstellen, sie hingen fast ausschließlich an Alterhergebrachtem“ (Oswald/Lehr 1991, S. 37). Im Folgenden soll ein Überblick gegeben werden über die in der Literatur besprochene Bandbreite der Definitionen von „älteren“ Mitarbeitern bzw. „älteren“ Arbeitnehmern. Im Anschluss daran gilt es, eine eigenständige Definition für die nachfolgenden Ausführungen festzulegen, die in engem Zusammenhang steht mit dem Ziel der Arbeit: der Untersuchung eines möglichen Zusammenhanges zwischen Motivation und Alter sowie daraus folgend einer altersgerechten und altersübergreifenden Gestaltung identifikationssteigernder und motivierender Instrumente des HRM , denn:
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„es (das Alter, Anmerkung des Autors) beeinflusst weitgehend seine Handlungsweise, es ist in hohem Maße verantwortlich für seine Motivation, ja es determiniert zum großen Teil seine Erwartungen (.....) Doch bleibt das Alter trotz seiner außergewöhnlichen Relevanz für jedes Individuum nur ein Faktor unter anderen, von denen sein Handeln und seine Stellung innerhalb der Gesellschaft bestimmt werden“ (Blume, 1974, S. 303). Wird in den weiteren Ausführungen von Arbeitnehmern gesprochen werden, sollen diese sowohl ausführende Angestellte als auch Arbeiter einschließen. Eine inhaltliche Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern kann notwendig sein, wenn z.B. im Hinblick auf eine unterschiedliche körperliche Belastung spezifische Schlussfolgerungen hinsichtlich der Gestaltung von Instrumenten und Maßnahmen des PHRM erörtert werden müssen. So treten nur 10,3 % aller Verwaltungsfachleute den vorzeitigen Ruhestand wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an, während es bei Arbeitern im Bergbau 97,8% sind (vgl. Morschhäuser 2003, S. 62). Hohe körperliche Arbeitsanforderungen und ein eher niedriges Qualifikationsniveau korrelieren mit der Erwerbsunfähigkeitsquote (vgl. ebenda). Die Gruppe der Arbeitnehmer soll des Weiteren auch leitende Angestellte, sowie Mitglieder des mittleren und des TopManagements umfassen, obwohl für Teile der vorgenannten Gruppen unterschiedliche Voraussetzungen z.B. im Arbeitsrecht gelten. Unterscheidungen diesbezüglich sind in dieser Arbeit jedoch von nachgelagerter Bedeutung und können infolgedessen vernachlässigt werden. Eine inhaltliche Differenzierung erfolgt ebenfalls nur dann, wenn aus gerontologischen Gesichtpunkten differierende Forschungsergebnisse vorliegen und diese besonders berücksichtigt werden müssen. Aus Gründen der Vereinfachung werden daher nachstehend alle Personen unterschiedlichster Hierarchieebenen als Arbeitnehmer bezeichnet. Nach Grauer (1998, S. 23 ff.) lassen sich ältere Arbeitnehmer sowohl auf einer individuellen (quantitative und qualitative Merkmale) als auch einer kollektiven Ebene (bezogen auf eine „gruppenspezifische Problematik“, ebenda, S. 28) identifizieren. Die Wahl einer individuellen bzw. kollektiven Betrachtungsperspektive in der Diskussion erscheint sinnvoll, denn, so werden die folgenden Ausführungen zeigen, bestehen einerseits erhebliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der älteren Arbeitnehmer, gleichwohl haben jugendzentrierte Maßnahmen der Personalpolitik Auswirkun-
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gen auf die gesamte Gruppe der älteren Arbeitnehmer, ungeachtet ihrer individuellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Individuell betrachtet ist eine Person dann der Gruppe der älteren Arbeitnehmer zuzurechnen, wenn diese sich, in Anlehnung an die sehr weite Definition der OECD, in der zweiten Hälfte seines Berufslebens befindet, gesund bzw. arbeitsfähig ist und noch nicht pensioniert wurde (Lehr/Wilbers 1992, S. 203; Naegele 1992, S. 10; vgl. Grauer, 1998, S. 3). Die OECD unterscheidet des weiteren zwischen alternden Arbeitnehmern, die zwischen 40 und 55 Jahren sind, und den älteren Arbeitnehmer, die sich zwischen dem 55. Lebensjahr und dem Zeitpunkt der Pensionierung befinden (vgl. Menges, 2000, S. 31). Um der Komplexität der Thematik annähernd gerecht zu werden, die über eine rein statistische Erfassung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer weit hinaus geht, muss eine inhaltliche Ergänzung der Definition vorgenommen werden. Auf der Basis personenbedingter sowie situationsbedingter Kriterien, die die Situation eines älteren Arbeitnehmers in der heutigen Arbeitswelt determinieren können, sind diejenigen ältere Arbeitnehmer, die „über 40 Jahre alt und noch nicht pensioniert sind und zusätzlich –objektiv oder subjektiv aus der Sicht der Beurteilenden- mindestens ein weiteres kennzeichnendes Kriterium erfüllen“ (Grauer, 1998, S. 24)5 6. In ähnlicher Art und Weise argumentiert George (2000), der die Definition der OECD für nicht ausreichend bei der Operationalisierung des Begriffes des älteren Arbeitnehmers hält (vgl. ebenda, S. 19). Dort wird auf Hofbauer (1982) verwiesen, der kritische Altersschwellen7
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von Arbeitslosen und Erwerbstätigen bei bestimmten Merkmalen ermittelt hat,
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Personenbedingte Kriterien sind nach Grauer (1998, S. 24 ff.) unter anderem eine geringe berufliche Mobilität, eine altersbedingte Leistungsminderung. Als situationsbedingte Kriterien werden z.B. durch das kalendarische Alter bedingt stark geminderte Beförderungschancen, geringe Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt sowie aufgrund der längeren Betriebszugehörigkeit und/oder des Lebensalters gewährte Schutzrechte oder Privilegien (vgl. ebenda).
6
Die Bundesanstalt für Arbeit bezeichnet einen Mitarbeiter dann als älteren Arbeitnehmer, wenn dieser ein Alter von 45 Jahren erreicht hat. Grundlage dieser Kategorisierung ist der Zusammenhang zwischen dem chronologischen Alter des Arbeitnehmers und den damit verbundenen Problemen bei der Platzierung auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Lehr/Wilbers 1992, Sp. 203; vgl. Menges, 2000, S. 31).
7
Hofbauers Definition des älteren Arbeitnehmers basiert auf sozialpolitischen Überlegungen und setzt die Zuordnung einen Arbeitnehmers zu der Gruppe der älteren Arbeitnehmer in Verbindung mit altersabhängigen Beschäftigungsrisiken (vgl. Naegele 1992, S. 10).
8
Weiterhin als kritische Alterschwellen werden u.a. von Hofbauer benannt (nicht abschließend aufgezählt): deutliches Absinken der innerbetrieblichen Mobilitätsbereitschaft ab 39 Jahre; geringere Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung ab 40 Jahre; gehäuftes Auftreten von Erwerbsminderungen ab dem 51. Lebensjahr und erste Vermittlungsschwierigkeiten
10
und so in Abhängigkeit zu den jeweiligen Merkmalen sehr verschiedene Altersgrenzen identifiziert. So sinken die beruflichen Aufstiegschancen von Erwerbstätigen schon ab dem 36. Lebensjahr, und somit bereits vor der Altersschwelle, die z.B. die OECD für alternde Mitarbeiter festgelegt hat (40 – 55 Jahre). Bruggmanns (2000, S. 6 ff.) Ansätze zur Abgrenzung älterer Arbeitnehmer umfassen u.a. neben dem chronologischen und dem biologischen Alter (diese Ansätze lassen sich nahezu in jeder Definition des älteren Arbeitnehmers finden) ebenfalls ein soziales, ein psychologisches, ein funktionales, ein subjektives sowie ein organisationales Alter. Bei der Untersuchung der Frage nach der Motivationsstruktur älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel einer altersgerechten Gestaltung motivationaler Personal- und Führungsinstrumente scheint es unerlässlich, neben dem in der Literatur angesprochenen vielfach diskutierten chronologischen und biologischen Alter ebenfalls darüber hinausgehende Ansätze (s.o.) zu betrachten. Ein generelles Problem bei der Definition des Begriffes „Älterer Arbeitnehmer“ sieht auch Deters (1998, S. 226 f.), der darauf verweist, dass sowohl Theorie und Praxis dem kalendarischen Alter eines Arbeitnehmers als Abgrenzungskriterium nur einen geringen Nutzen zusprechen9. Dennoch seien in den Betrieben „kritische Altersgrenzen“ festzustellen, die die (sinkenden) Chancen von Arbeitnehmern bezüglich einer Neueinstellung oder der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme kennzeichnen. Fritsch (1994, S. 93) bezeichnet dies als betrieblich relevante Altergrenze, mit der man die Gruppe der „älteren“ von der der „jüngeren“ Mitarbeiter abzugrenzen vermag. Hier werden im Zusammenhang mit betrieblicher Weiterbildung die für den Betrieb relevanten Altersgrenzen von 50 und 65 genannt (vgl. ebenda). In dieser Arbeit werden, in Anlehnung an die Definition der OECD, die Personen dem Kreis der alternden und älteren Arbeitnehmer10 zugerechnet, die über 40 Jahre alt und noch nicht pensioniert sind, bzw. nach der Pension im gleichen oder einem anderen Tätigkeitsfeld und in einem angestammten oder in einem neuen Betrieb erwerbtätig sind. Eine obere (kalendarische ) Altersgrenze wird damit nicht festgelegt, der Ausstieg aus dem Erwerbsleben sollte allein durch die Leistungsfähigkeit und Erwerbsminderungen ab dem 51. Lebensjahr und erste Vermittlungsschwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ab 40 Jahre (vgl. Naegele 1992 11 f.). 9
Naegele (1992, S. 8) sind dennoch kaum eine Möglichkeit im Rahmen empirischer Forschungsarbeiten auf das chronologische bzw. kalendarische Alter zu verzichten. Kalendarische Altersgrenzen seinen notwendig für Vergleiche unterschiedlicher Altersgruppen.
10
m Folgenden soll aus Vereinfachungsgründen immer von älteren Arbeitnehmern gesprochen werden, auch wenn sie der Gruppe der „alternden Arbeitnehmer“ zuzurechnen wären.
11
bereitschaft begrenzt sein (vgl. Tietz 1986, S. 320). Der am kalendarischen Alter ausgerichtete Definition soll eine weitere qualitative Ergänzung angefügt werden: ein Arbeitnehmer gilt dann als älter wenn er von einem der Altersrisiken (Krankheit, Dequalifizierung und Identifikation/Motivation) unmittelbar bedroht ist, bzw. genannte Risiken bereits wirksam geworden sind.
1.3.2 Altersgrenzen Der Begriff der Altersgrenze, das haben die Ausführungen bisher gezeigt, ist unmittelbar mit dem des älteren Arbeitnehmers verbunden. Überschreitet ein Arbeitnehmer eine bestimmte Altersgrenze, die durch verschiedene Einflussfaktoren determiniert sein kann, gilt er als „älter“. Nachstehende Ausführungen benennen relevante Altersgrenzen und skizzieren deren Bedeutung. Eine auf Altersgrenzen bezogene umfassende Diskussion soll hier allerdings nicht erfolgen, relevant sind allein Fragestellungen der Identifikation und Motivation, die durch das Setzen von bestimmten Altersgrenzen aufgeworfen werden bzw. tangiert werden. Ein Blick auf die unterschiedlichen Definitionen von älteren Arbeitnehmern macht deutlich, wie weit von einander entfernt die (Alters-)Grenzen liegen können, die einen jüngeren von einem „älteren“ Mitarbeiter trennen. So beginnt bereits für einen Mitarbeiter mit 36 Jahren das Alter als kritischer Faktor bei den Chancen für den beruflichen Aufstieg Bedeutung zu erlangen11. Weiterhin wechseln Erwerbstätige ab dem 39. Lebensjahr weitaus weniger den Arbeitsplatz12 (vgl. Hofbauer 1982, S. 101). Ein kalendarisches Alter von 50 Jahren verschlechtert in der Regel die Möglichkeiten der Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen. Ein Blick auf die (externe) Arbeitsmarktsituation älterer Erwerbsfähiger zeigt, dass ab dem 48. Lebensjahr die Dauer der Arbeitslosigkeit stark zu nimmt (vgl. ebenda). Ältere unterliegen somit einem hohen Verbleibesrisiko auf dem Arbeitsmarkt.
11
Die „kritische Altersgrenze“ für Berufseinsteiger, beispielsweise für Trainee - Programm in Unternehmen liegt noch deutlich darunter (28 - 30 Jahre als Obergrenze), so dass der Faktor Alter schon in einem sehr frühem Stadium des Berufslebens eine entscheidende Rolle für den Arbeitnehmer spielen kann.
12
Oder anders formuliert: es ist eine sinkende Arbeitsplatzmobilität zu verzeichnen.
12
„Aus diesen Ergebnissen zeigt sich, dass sich das Alter und die damit zusammenhängenden Tatbestände schon relativ früh auf den Berufsverlauf auszuwirken beginnen, überwiegend vor der Altersschwelle, von der ab man gewöhnlich von ´älteren Erwerbspersonen` spricht. Bei Fragestellungen, die vor allem für die Betrieb aus personalpolitischer Sicht von Bedeutung sind (Aufstiegschancen, Fluktuation, Weiterbildung) ist die ´kritische` Alterschwelle schon zwischen dem 30. Und 40. Lebensjahr anzusetzen. Bei eher arbeitsmarktpolitisch relevanten Merkmalen (Dauer der Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung) wurden Schwellen ermittelt, die um das 50. Lebensjahr herumliegen“ (ebenda). Damit ist der Zeitpunkt, an dem Arbeitnehmer mit altersbedingten Problemen konfrontiert werden, auf den internen Arbeitsmärkten teilweise um mehr als 10 Jahre vorgeschoben und somit noch wesentlich früher als auf externen Arbeitsmärkten. Eine immer frühere Zuordnung zur Gruppe der älteren Arbeitnehmer bei einer geplanten Verlängerung der Lebensarbeitszeit zur gleichen Zeit bedeutet für die Arbeitnehmer, dass sie mitunter mehr als die Hälfte ihres Erwerbslebens eben dieser Gruppe zugehörig sind (vgl. Lehr, 1995; S. 3). Eine letzte, finale Altergrenze stellt die Altergrenze des Ruhestandes dar, bei der „das Arbeitsverhältnis beim Erreichen der Rentengrenze durch tarifvertragliche Bestimmung automatisch beendet wird“ (Kohli, 2000, S. I/15). Backes/Clemens (2003, S. 14) sehen aufgrund von Vorruhestandsregelungen, Altersteilzeit und Altersarbeitslosigkeit eine zunehmende „Zerfaserung“ der beruflichen Altersgrenze13, unterstrichen werden damit die differenzierten Lebenslagen älterer Arbeitnehmer. Dies scheint dringend gegeben, denn: „Eine an ein fixiertes Lebensalter gebundene Verrentungsgrenze geht von einem generellen Altersabbau aus und entspricht dem von der Wissenschaft längst widerlegten Defizitmodell des Alterns“ (Lehr 1988; S. 29). So gibt es aus biologischer Sicht, dass ergab eine OECD – Studie, keinerlei Begründung dafür, nach dem 60. Lebensjahr aufzuhören zu arbeiten (vgl. Baldin 2004, S. 280).
13
Der Eintritt in den Ruhestand galt lange Zeit als Beginn der finalen Lebensphase „Alter“ (vgl. Backes/Clemens 2003, S. 14).
13
Die an ein (fremd-)bestimmtes Alter gekoppelte Verrentungsgrenze stellt einen erzwungenen Austritt aus dem Erwerbsleben auch für die älteren Arbeitnehmer dar, die aufgrund ihrer physischen und psychischen Disposition durchaus in der Lage wären, länger zu arbeiten. Mit diesem Zwangsaustritt verbunden ist für ältere Arbeitnehmer die Aufgabe der relevanten Rolle als Erwerbstätiger, Statusverlust und Demotivation (vgl. ebenda)14. Vorstehende (psychologische) Sichtweise auf die Fragestellung der Individualisierung und Flexibilisierung von Altersgrenzen (Altersgrenze meint in diesem Sinne die Altersgrenze, die den Austritt aus dem Erwerbsleben bestimmt) ist durch soziologische, volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Aspekte zu ergänzen (vgl. Tartler 1961, S. 127). Ein einheitliches Zielsystem bezüglich der Ausgestaltung von Altersgrenzen nach obigem Verständnis wird somit nahezu unmöglich, da verschiedene Anspruchsgruppen divergierende bzw. konfligierende Ziele haben können. So seien hier der Wunsch älterer Arbeitnehmer nach Weiterbeschäftigung und eine Verjüngung der Alterstruktur seitens der Unternehmen genannt. Renner (1994, S. 40) vergleicht ausgewählte Ruhestandsgrenzen, deutlich wird die erhebliche Bandbreite dieser Altersgrenze. Während ein Pilot eines Düsenjets bereits mit 41 Jahren in den Ruhestand tritt, ist ein Mitglied des Bundesrechnungshofes noch weitere 27 Jahre beruflich aktiv (Ruhestandsgrenze 68 Jahre, vgl. ebenda). Dies wirft die Frage auf, ob das Setzen von starren Altersgrenzen für die Unternehmen und für die Arbeitnehmer sinnvoll ist15
16
, da ein Vergleich von Arbeitnehmern
gleichen (chronologischen) Alters aufgrund der vielen intervenierenden Variablen ergeben kann, das sich die untersuchten Personen in ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, und damit den entscheidenden Kriterien z.B. für eine (Weiter-) 14
Eine Flexibilisierung der Altersgrenze (nach unten) zu Beginn der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts sollte den individuellen Charakter des Älterwerdens stärker berücksichtigen. Auf individueller Ebene wurde dem Arbeitnehmer mehr Freiraum gegeben, selbstbestimmt den letzten Lebensabschnitt zu gestalten. Gleichzeitig sollte der ältere Arbeitnehmer am Produktivitätsfortschritt durch vermehrte Freizeit partizipieren (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 66).
15
Zur Sinnhaftigkeit von Altersgrenzen siehe die Ausführungen von M. Kohli (2000): Altergrenzen als gesellschaftliches Regulativ individueller Lebenslaufgestaltung: ein Anachronismus? Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 33/1, S. I/15 – I/23.
14
Beschäftigung älterer Arbeitnehmer voneinander unterscheiden, sprich somit ein unterschiedliches funktionales Alter haben (vgl. Kohli, 1988, S. 41, vgl. Bruggmann, 2000, S. 8). Bäcker/Naegele (1989, S. 9) weisen ebenfalls darauf hin, dass soziale, gesundheitliche, psychische und ökonomische Faktoren den Alterungsprozess beeinflussen und somit eine starre Altersgrenze (z.B. die des Berufsaustritts) der Komplexität und Heterogenität von Altersvorgängen nicht entsprechen kann. Kohli (2000, S. I/16) ordnet der Altergrenze des Ruhestandes folgende für ihn wesentliche Funktionen zu: 1. Arbeitsmarktfunktion: Regelung des Austritts aus dem Erwerbsleben17 18 2. Sozialpolitische Funktion: Regelung der Partizipation an bestimmten Leistungen des Systems der sozialen Sicherung, bspw. Renten oder Pensionen 3. Kognitive Funktion: Orientierungshilfe für die subjektive Gliederung und Planung des Lebens19 4. Moralische Funktion: Kriterium für den rechtmäßigen und somit erfolgreichen Abschluss des Erwerbslebens Überprüft man die Altersgrenze des Ruhestandes hinsichtlich ihrer betriebswirtschaftlichen Funktion, so wirken Altergrenzen, die sich allein an dem chronologischen Alter einer Person orientieren, in betriebswirtschaftlichem Sinne eher kontraproduktiv. Nachstehend sollen kurz die Auswirkungen der Altersgrenze des Ruhestandes am Beispiel der personalwirtschaftlichen Funktion des Personaleinsatzes und der daraus abzuleitenden Forderung nach einer anforderungs- und anspruchsgerechten Ausgestaltung untersucht werden. Ein den Anforderungen des Unterneh16
Verschiedene Autoren verweisen darauf, dass Altergrenzen, die durch das kalendarische Alter bestimmt werden , notwendig sind, um statistische Daten miteinander vergleichbar zu machen. Siehe hierzu Naegele, 1992, S.8.
17
Regelungen zum Vorruhestand und zur Altersteilzeit haben die Altersgrenze in ihrer Arbeitsmarktfunktion beeinflusst (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 183)
18
Tews (1971, S. 47) bezeichnet dies auch als rechtliche Definition des Alters.
19
Wolf/Kohli (1988, S. 198 f.) bezeichnen die Altersgrenze in ihrer kognitiven Funktion auch als „Angelpunkt der individuellen Lebenskonstruktion“, der Austritt aus dem Erwerbsleben kommt nicht unerwartet, sondern ist dessen fester, da erwarteter Bestandteil. Die Altersgrenze hat somit eine Orientierungsfunktion.
15
mens entsprechender Personaleinsatz erfolgt unter qualitativen Gesichtpunkten durch eine weitgehende Minimierung der Differenz zwischen der tatsächlichen Eignung des Mitarbeiters sowie der tatsächlichen Anforderungen an den Arbeitsplatz. Der Personaleinsatz erfolgt bei Übereinstimmung von Anforderungs-, Fähigkeits- und Bedürfnisprofil (vgl. Jung, 1999, S. 183). Das chronologische Alter als Informationsgrundlage für den Personaleinsatz (die Personaleinsatzplanung) stellt wie oben hinreichend aufgeführt allein aber kein qualitatives Entscheidungskriterium dar. Dem notwendigen Bezug auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters im Rahmen eines bedürfnisorientierten Personaleinsatzes stehen verbindliche Altersgrenzen ebenso entgegen, da ältere Arbeitnehmer u.U. gegen ihren Willen zwangsverrentet werden. Dennoch und gerade deswegen wird von einem Bedeutungswandel der Altersgrenze gesprochen (vgl. Lehr, 1997, S. 71). Auch hier wird darauf hingewiesen, dass eine starre Altersgrenze des Ruhestandes (und nicht nur diese Altersgrenze) aus den Annahmen des Defizitmodells hergeleitet wurde, nämlich dem generellen Altersabbau. Eine schon begonnene Flexibilisierung der Altersgrenzen hat ihre Ursache nicht mehr (nur) in der Erkenntnis, dass ein individueller Alterungsprozess individuelle physische und psychische Leistungsfähigkeiten determiniert. Eine weitergehende Flexibilisierung und damit eine Individualisierung des Ausstiegs aus dem aktiven Berufsleben wird heutzutage vielmehr bestimmt von veränderten Einstellungen zu Arbeit (vermehrte Freizeitorientierung) und/oder der Situation auf dem Arbeitsmarkt (vgl. ebenda, S. 71 f.). In Anlehnung an Tartler (1961, S. 128), der wesentliche Argumente für bzw. gegen die Beibehaltung einer festen und allgemein bindenden Altersgrenze zusammengetragen hat, lauten diese: Argumente gegen eine Flexibilisierung und Individualisierung der Altersgrenze sind: -
Geringerer organisatorischer Aufwand
-
Sicherstellung des betrieblichen Friedens durch Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Abweichende Altersgrenzen könnten als Bevorzugung bzw. Benachteiligung ausgelegt werden
16
-
Im Sinne des Solidarprinzips ermöglicht das (erzwungene) Ausscheiden der Älteren den beruflichen Aufstieg der jüngeren Nachwuchskräfte20
-
Eine gesellschaftlich anerkannte, einheitlicher Altersruhegrenze erleichtert dem älteren Arbeitnehmer das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, da kein Erklärungsbedarf gegenüber Dritten entsteht und somit der innere Frieden gewahrt bleibt
-
Mangelnde betriebliche Fähigkeiten und Kapazitäten zur Erkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer mit der Folge von Fehlurteilen und daraus entstehenden Nachteilen für die Betroffenen
-
Erleichterung der materiellen und psychologische Vorbereitung der älteren Arbeitnehmer auf das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben durch die Unternehmen
-
Der gesellschaftliche Bedarf an lebens- und berufserfahrenen Personen in außerbetrieblichen Positionen kann gedeckt werden
-
Ältere Arbeitnehmer in altersgemischten Teams senken die Leistungsfähigkeit des gesamten Teams mit negativen Auswirkungen auf den Betriebsfrieden
-
Die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer ist betrieblich nicht zielführend, da bei steigenden Kosten die Erträge sinken
-
Dem älteren Arbeitnehmer wird eine ausreichend arbeits- und stressfreie Lebenszeit garantiert
Argumente für eine Flexibilisierung und Individualisierung der Altersgrenze sind: -
Das Ruhestandsbedürfnis ist gemäß differierender Altersprozesse individuell und muss dementsprechend berücksichtigt werden
-
Starre und flexible Altersgrenzen suggerieren einen Verlust an Fähigkeiten, Bedeutung, Status etc. ab einem bestimmten Alter und geben dem Alter daher einen negativen Charakter
-
Ein Mangel an Arbeitskräften macht die Ausschöpfung des Potentials an leistungsfähigen und leistungsbereiten älteren Arbeitnehmern notwendig21
20
In diesem Zusammenhang bewegt gegenwärtig Diskurs und Praxis vielmehr die Frage, ob in Zukunft aufgrund des tiefgreifenden demografischen Wandels noch genug Nachwuchskräfte vorhanden sein werden. Diese Fragestellung war zu Beginn der sechziger Jahre möglicherweise noch nicht so evident.
21
In den sechziger Jahren war ein Arbeitskräftemangel durch eine stark wachsende Volkswirtschaft bedingt, spricht man heute von einer Verknappung von Arbeitskräften in der Zukunft, so hat dies vielmehr demografische Gründe. Gleichwohl ist nicht von einer generellen Verknappung zu sprechen, sonder ist diese regional, branchen- und betriebsbedingt sehr unterschiedlich.
17
-
Der ältere Arbeitnehmer hat sich im Zeitablauf an seine berufliche Tätigkeit gewöhnt, eine erzwungene „Entwöhnung“ hat negative psychische Folgen
-
Eine nicht ausreichende materielle Versorgung im Rentenalter bedroht die Existenz als Rentner
-
Die Unternehmen verlieren durch die Zwangspensionierung fähige und produktive Mitarbeiter22
-
Die Zwangspensionierung entspricht nicht dem Wunsch Älterer, weiterhin gebraucht zu werden und nimmt ihnen ihre Würde
-
Die Zwangspensionierung abhängig Beschäftigter beeinflusst die Initiative und den Leistungswillen der Selbständigen, da diese sich im Vergleich zu Arbeitnehmern benachteiligt fühlen
-
Das Wissen um die Zwangspensionierung korreliert negativ mit dem Leistungswillen des älteren Arbeitnehmers, Höchstleistungen werden nicht mehr erbracht, da ein (erzwungenes) Ende der Erwerbstätigkeit bereits abzusehen ist.
An dieser Stelle soll nicht eingehend zu obenstehender Argumentation Stellung genommen werden. Viele der Argumente für bzw. gegen eine (weitere) Flexibilisierung und Individualisierung der Ruhestandsgrenzen werden jedoch im Kapitel zwei dieser Arbeit immer wieder in einem anderen Kontext aufgegriffen.
1.3.3 Altersbegriffe Neben dem unter Punkt 1.3.1 und Punkt 1.3.2 schon definierten Begriff des chronologischen bzw. kalendarische Alter kann Alter interpretiert werden als: Soziales Alter Der Begriff des „älteren Arbeitnehmers“ wird, betrachtet man das soziale Alter eines Menschen, geprägt von der sozialen Wahrnehmung innerhalb verschiedener Systeme. Entscheidend sind hier zum einen das Alter, ab dem die Gesellschaft eine Person als älter bezeichnet ebenso wie die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Älteren bzw. älteren Arbeitnehmern. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen,
22
In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Erfahrungswissen der älteren Arbeitnehmer im Fokus der Betrachtung.
18
dass die soziale Wahrnehmung von Älteren Einfluss nimmt auf die Art und Weise des Umgangs mit Arbeitnehmern, die als älter angesehen werden. Die soziale Wahrnehmung der Berufe und Tätigkeiten, die für ältere Arbeitnehmer als passend oder unpassend empfunden werden, definieren ebenfalls eine Grenze zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern. Im Kontext zu sozialem Alter steht auch das relative oder kontextuelle Alter. Das Alter einer Person wird hier im Verhältnis zur Gruppe wahrgenommen. Je jünger im Durchschnitt die Mitglieder der Gruppe sind, umso jünger sind auch die so genannten Älteren. Henner (1994, S. 151) zitiert die Untersuchung „Arbeitnehmer in der Spätphase der Erwerbstätigkeit“23, die ergab, dass die Altersgrenze umso niedriger festgelegt wurde, je jünger die Belegschaft insgesamt war. Ebenso spielen Altersnormen eine Rolle. Bewirbt sich ein über Dreißigjähriger für eine Trainee-Position in einem Untenehmen, so gilt er für entsprechende Tätigkeit als älter oder gar zu alt. Funktionales Alter Grundlage des funktionalen Alters24 bzw. des Modells des funktionalen Alters ist hier ein leistungsorientierter Ansatz. Das chronologische Alter vernachlässigend, steht die individuelle Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Mit steigendem chronologischem Alter ist eine durch Person und Situation bedingte Zunahme oder auch Abnahme physischer und psychischer Veränderungen zu vermerken, die zu einer substantiellen Variation in der Leistungsfähigkeit des Menschen führen (vgl. Bruggmann 2000, S. 9; vgl. Maintz 2003, S. 50). Dieses Begriffsverständnis ist in dieser Arbeit von besonderer Bedeutung, eine Beurteilung des Arbeitnehmers allein auf Basis seiner Leistungsfähigkeit und Leistungswillen fördert die individuelle Identifikation und Motivation. Psychologisches Alter Eine weitere Möglichkeit zur Abgrenzung älterer und jüngerer Arbeitnehmer ist die Betrachtung (veränderter) Bedürfnisse, Erwartungen und Verhalten als Ausdruck eines „geistig-seelischen Alterungsprozesses“ (vgl. Schoeller 1971, S. 42). Genannte Faktoren lassen sich noch durch die Alterung von Kompetenzen („skills obsolescen23
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.): Arbeitnehmer in der Spätphase ihrer Erwerbstätigkeit; Bonn 1983
19
ce“) als psychosoziales Abgrenzungskriterium erweitern (vgl. Bruggmann 2000, S. 9). Entscheidend für die psychische Verfassung der Älteren und Alten ist dabei die individuelle Verarbeitung des lebenslangen Alterungsprozesses und der daraus resultierenden Veränderungen und Tatbestände25, mit denen das Individuum dementsprechend fortwährend konfrontiert ist (vgl. Schoeller 1971, S. 45). Organisationales Alter Betriebszugehörigkeit (Seniorität) oder die Verweildauer in einer bestimmten Position („tenure“) bestimmen maßgebend das organisationale Alter eines Individuums, da diese ebenfalls in ihrem Unternehmen und in ihrer Position altern. Alters- und Dienstalterseffekte werden hierbei vermischt. Ergänzt wird das, was innerhalb einer Organisation als alt definiert wird, ebenfalls durch soziale Elemente wie in der Unternehmenskultur vorhandenen Altersnormen, nach denen Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Alters beurteilt werden (vgl. Schoeller 1971, S. 45). Subjektives Alter Das subjektive Alter basiert auf der Wahrnehmung des eigenen Alters. Eine zentrale Rolle hat hier also die Selbstwahrnehmung des Individuums aufgrund „subjektiver Altersymptome“ (Schoeller 1971, S. 47), nicht aber die Fremdwahrnehmung, wie es beim sozialen Alter der Fall ist. Im Zusammenhang mit der Diskussion der „neuen“ Alten wird auf die Ausweitung der Altersphase hingewiesen (vgl. Tews 1988, S. 127; Tews 1993. S. 16; vgl. Henner 1994, S. 151 ). Hier wird deutlich, dass ein bedeutender Unterschied besteht zwischen dem subjektiv empfundenen Alter und dem sozialen sowie dem organisationalen Alter. Die „älteren“ Arbeitnehmer26 sehen sich selber nicht als alt, ihr durch ihr chronologisches Alter festgelegter gesellschaftlicher und organisationaler Status zwingt sie jedoch zu einer Auseinandersetzung mit ihrem Alter (vgl. Tews 1988, S. 127). Dementsprechend gilt für das chronologische Alter:
24
Der Begriff des kalendarischen Alters verliert gegenüber dem funktionalen Alter in der wissenschaftlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung (vgl. Backes/Clemens 2003, S. 55).
25
So mit der „Unvollkommenheit“ und der „Endlichkeit“ des Daseins (vgl. Schoeller 1971, S. 45).
26
Tews (1988, S. 127) spricht in diesem Fall von Mitarbeitern über 45 Jahre.
20
„Dem chronologischen Alter ist nur wenig Bedeutung zuzumessen, da Alter erst gefühlt werden muss, bevor man wirklich alt ist“ (Tews 1971, S. 16). Diese Aussage unterstützt die These, dass das Selbstbild im Alter stabil bleibt (vgl. Jordan 1994, S. 50), erst fühlbare Einschnitte (s.u.) körperlicher oder mentaler Art scheinen dieses Selbstbild zu erschüttern. Die eigene Wahrnehmung, wann man sich selbst als „alt“ betrachtet, findet heute in einem höheren (kalendarischen) Alter statt (vgl. Tews 1993, S. 24). Backes/Clemens (2003, S. 23) greifen die Überlegungen von Tews hinsichtlich der „subjektiven Verjüngung des Alters“ (ebenda) auf und verweisen auf negative Aspekte der Verschiebung von Altersgrenzen, da die Diskrepanz zwischen eigener Wahrnehmung und der Wahrnehmung Dritter bezüglich des Alters und den damit verbundenen Leistungsattributen zunehmend differiert. Gleichwohl tendieren ältere Menschen dazu, altersbedingte Schwächen und Mängel zu „dissimulieren“ mit negativen Auswirkungen auf die betriebliche Zielerfüllung (vgl. Tartler 1961, S. 132). Ursache hierfür ist sicherlich die negative Belegung des Begriffes „Alter“: ältere Menschen tendieren daher dazu, sich einer jüngeren Gruppe zuzuordnen (vgl. Tews 1971, S. 15). Erst einschneidende Erlebnisse wie eine sich verschlechternde Gesundheit, Austritt aus dem Erwerbsleben oder eine Verschlechterung des gesellschaftlichen und finanziellen Status erhöht die Akzeptanz, die eigene Person mit dem Begriff „alt“ zu assoziieren (vgl. ebenda). Die wechselseitige Wahrnehmung älterer und jüngerer Arbeitnehmer bei einer Untersuchung der TU Hamburg – Harburg ergab folgendes Bild:
21
Sicht auf die Älteren Jüngere (n = 20) sehen Ältere durchaus als • weniger veränderungsbereit • selbstsicherer • erfahrener an. Ältere sehen sich außerdem in der Regel als • sehr viel erfahrener • aufgabenbezogener • aber auch als körperlich nicht so belastbar an
Sicht auf die Jüngeren Ältere (n = 20) sehen Jüngere durchaus als • risikobereiter • schneller • fehlerbehafteter an. Jüngere sehen sich außerdem in der Regel als • ohne sonstige differenzierte Ausprägung vorwiegend als risikobereiter an • Rückenbeschwerden stellen sie schon in jungen Jahren fest
Abbildung 1: Wie sehen sich jüngere und ältere Ingenieure? (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Buck et al 2002, S. 64) Biologisches Alter: Das biologische Alter umfasst die Zeitspanne von der Geburt des Organismus bis zu dessen Tod (vgl. Kohli 1998, S. 1). Die unter Punkt 3.2.2.2 dargelegten physischen und psychischen Veränderungen von Eigenschaften und Fähigkeiten korrespondieren mit dem biologischen Alter eines Individuums sprich dem „tatsächlichen Funktionsstand des Organismus (Jordan 1994, S. 37.), nicht aber mit dem kalendarischen Alter (vgl. ebenda).
1.3.4 Alter und Altern in der Wissenschaft Tartler (1961, S. 1) sieht bei der Erforschung des Alters und dem Prozess des Alterns27 die wissenschaftlichen Disziplinen Medizin28, Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Ethnologie, Bevölkerungswissenschaften und Volkswirtschaft29 gefordert,
27
Der Prozess des Altern umfasst dabei nicht nur die letzten Lebensjahre, sondern die Zeitspanne von Geburt bis zum Tod (Lebensspanne) (vgl. Schoeller 1971, S. 42).
28
Tartler (1961, S. 1) ordnet der medizinischen Ausrichtung der Altersforschung den Primat zu, da insbesondere die Gesundheitliche Verfassung eine überragende Rolle bei den älteren und alten Menschen spielt.
29
Die Beschäftigung mit der Fragestellung „Ältere Arbeitnehmer in Organisation“ hat die Fragestellung der Altersforschung um den betriebswirtschaftlichen Aspekt erweitert.
22
um komplexe Fragestellungen und Problemfelder des Altern und der Lebenssituation älterer und alter Menschen bearbeiten zu können. Die in den folgenden Kapiteln untersuchten Fragestellungen zur Identifikation und Motivation älterer Arbeitnehmer umfassen dabei, Tartler (1961, S. 2 ff) folgend, medizinische, psychologische und soziologische Aspekte. Genannte Teilbereiche der Altersforschung müssen zur Beantwortung genannter Fragestellung herangezogen werden, deutlich wird dies an den in Kapitel zwei dargestellten Risiken des Alters, die entsprechende Bereiche der Altersforschung umfassen. Ebenso können medizinische, psychologische und soziologische Aspekte des Alters und des Alterns nicht isoliert voneinander betrachtet werden, vielmehr bedingen und beeinflussen sie einander. Gleichwohl findet in dieser Arbeit eine Erweiterung der Fragestellung um einen volkswirtschaftlichen und einen betriebswirtschaftlichen Aspekt statt, wobei auf der Beantwortung der betriebswirtschaftlichen Fragestellung der Identifikation und Motivation älterer Arbeitnehmer in Unternehmen ein eindeutiger Fokus liegt. Relevante Forschungsergebnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen werden für die Lösung der Fragestellung im Sinne einer interdisziplinären Bearbeitung herangezogen, dennoch kann nicht jeder Aspekt der Altersforschung ausreichend gewürdigt werden, da dies den Rahmen der Arbeit überschreiten würde.
1.3.5 Relevante Theoriekonzepte Nachstehende Theoriekonzepte versuchen zu klären, welche Voraussetzungen oder Umstände dazu beitragen, ein Individuum „erfolgreich“ altern zu lassen. Von erfolgreichem Altern kann dann gesprochen werden, wenn das Individuum eine hohe innere Zufriedenheit mit der Vergangenheit und der Zukunft aufweist (vgl. Schoeller 1971, S. 48). Im Folgenden werden die Disengagement – und die Kontinuitätstheorie als vermeintlich gegensätzliche Theorien vorgestellt, die auf Überlegungen hinsichtlich der sozialen Anpassung des älter werdenden Menschen beruhen (vgl. ebenda). Weitere relevante Theoriekonzepte wie die schon erwähnten Defizit- und Disuse- Theorien werden im inhaltlichen Kontext der Kapitel zwei und drei ausführlich dargestellt.
23
1.3.5.1 Disengagement – Theorie oder „Theorie des sozialen Rückzugs“ Entwickelt von den Autoren Cummings/Henry (1961) zu Beginn der 1960er Jahre, basierend auf den Überlegungen des Defizitmodells und Beobachtungen des Verhaltens Älterer, definiert diese einflussreiche Theorie (vgl. Lang-von Wins et al. 2004, S. 1152) „Altsein als eine völlig neue Entwicklungsstufe im menschlichen Leben (...), in der gesellschaftlich und persönlich veränderte Zielsetzungen vorliegen. Das Alter wird nicht gemieden, sondern hat seinen eigenen Inhalt: die Vorbereitung auf den unvermeidbaren Tod“ (Backes/Clemens 2003, S. 128). Der ältere Mensch zieht sich mit zunehmendem Alter aus dem sozialen Leben zurück. Es finden ein Rollenwechsel und eine Aktivitätenverlagerung zwischen dem mittleren und dem höheren Alter statt. Das Individuum bemerkt einen Rückgang der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit, dies ist der Auslöser für den schrittweisen Rückzug aus dem aktiven (Erwerbs-)Leben, des „Disengagements“. Der Kompetenzverlust wird dabei als unabdingbar und als natürlich gesehen mit der daraus abgeleiteten und von Individuum und Gesellschaft gleichermaßen gewünschten Konsequenz des sich Zurückziehens aus aktiven Bereichen. Individuum und Gesellschaft gehen damit einen Konsens ein. Neben dem individuellen steht der kollektive Wunsch nach Rückzug, da sich die Gesellschaft durch den Ersatz leistungsgeminderter Älterer durch leistungsstarke Jüngere erneuern kann und selbst leistungsfähig bleibt. Das Disengagement ist dabei für den Älteren von besonderer Bedeutung, da Voraussetzung für ein „erfolgreiches“ Altwerden, denn „ bei jenen älteren Menschen, die zur Aktivität angehalten werden, ...es zu einem inneren Konflikt kommen (müsse, Anm. d. Verf.), da der Wunsch nach Ausdehnung des Lebensraums mit der unterschwelligen Auseinandersetzung mit dem Lebensende in Widerspruch stehe“ (Lehr 1991, S. 243). Soziale Anerkennung basiert nicht mehr auf der beruflichen Leistung, sondern auf in der Vergangenheit Geleistetem. Renten- oder Pensionszahlungen auf Grundlage des Solidarprinzips sind monetärer Ausdruck dieser Anerkennung. Diese gesellschaftliche Unterstützung fördert dabei den Wunsch nach Disengagement,
24
denn das dadurch befriedigte Sicherheitsbedürfnis der älteren Menschen macht eine Ablösung sozialer Bindungen möglich (vgl. Lehr 1991, S. 243). Die Disengagement - Theorie greift die Aussage des widerlegten Defizitmodells auf, das Menschen mit zunehmendem Alter zwangsweise geistige und körperliche Fähigkeiten abbauen bzw. verlieren. Gleichzeitig abstrahiert die Disengagement – Theorie von intragenerativen Differenzen. Individuellen Altersprozessen wird nicht Rechnung getragen. Schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde das Disengagement – Konzept empirisch widerlegt (vgl. Lehr 1991, S. 244), denn eine internationale Vergleichsstudie von Havighurst zeigte einen starken Zusammenhang zwischen hoher Aktivität und hoher Zufriedenheit, sowie geringer Aktivität und geringer Zufriedenheit im umgekehrten Fall (vgl. ebenda).
1.3.5.2 Kontinuitätstheorie Die Kontinuitätstheorie sieht die Kontinuität der Lebenssituation als relevant für eine erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Bewältigung des Älterwerdens. Verläuft somit der Übergang zwischen mittlerem und höherem Lebensalter diskontinuierlich, bedingt z.B. durch den Verlust von sozialen Kontakten, Rollen (berufliche Rolle, Mutterrolle etc.) oder mangelnden Freizeitaktivitäten, so gelingt der Übertritt in die nachfolgende Lebensphase nur unzureichend (vgl. Backes/Clemens 2003, S.) Der Eintritt in einhöheres Lebensalter ist demgegenüber als kontinuierlich zu bezeichnen, wenn durch den Wechsel hervorgerufene Veränderungen wenig bedeutend sind. Ähnlich argumentiert Tartler (1961, S. 118 f) im Rahmen seiner Aktivitätstheorie, der das Wort des Pensionierungsbankrotts zitiert und den abrupten Berufsaustieg, sprich das übergangslose Übertreten von der „Vollberufstätigkeit“ zur „Vollpensionierung“ als Kontinuitätsbruch sieht, der, biologisch unberechtigt, aber schädigend dem Älteren oftmals mehr abverlange als z.B. eine (modifizierte) Weiterbeschäftigung in gewohnter Funktion und Umwelt (vgl. ebenda; vgl. Peter 1971, S. 181 f.). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Pensionierungsschock. Eine aktive Person mittleren Alters ist also im Alter nur dann zufrieden, wenn das Aktivitätsniveau in höherem Alter dem des mittleren Alters entspricht. Entsprechendes gilt für eine eher inaktive Person im umgekehrten Fall. Dementsprechend versuchen die sich an das
25
Alter anpassende Personen, innere und äußere Strukturen zu verstetigen (vgl. Lehr 1991, S, 62). Kontinuität lässt sich infolgedessen in ihrer inneren und ihrer äußeren Ausprägung30 definieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass, entsprechend der großen intragenerationalen Individualität obenstehende Theorien nicht als absolut gegensätzlich, bzw. falsch oder richtig zu interpretieren sind, „sondern als zwei verschiedene Möglichkeiten der individuellen Altersbewältigung“ (Schoeller 1971, S. 50). Eine Anpassung an das Alter gelingt daher dann am ehesten, wenn das alternde Individuum weder zur Aktivität noch zum Rückzug gezwungen wird, sondern auf der Basis der Freiwilligkeit, selbstbestimmt einen individuellen Grad an Engagement bzw. Disengagement festlegt (vgl. ebenda). Dennoch gilt abschließend festzuhalten: „ Über welche körperlichen, geistigen, psychischen und sozialen Ressourcen, Kompetenzen, die produktiv einsetzbar sind, verfügt der alte Mensch? Die generelle Antwort ist, dass alte Menschen durchschnittlich viele Ressourcen (und Kompetenzen haben)“ (M.M. Baltes31 zitiert in Barkholdt 1999, S. 254).
30
Innere Kontinuität meint ein Kontinuum in Werten, Einstellungen, Ideen, Affinitäten etc. Äußere Kontinuität bezieht sich eher auf ein Leben und Erleben im vertrauten Umfeld oder auch die Interaktion mit einem vertrauten sozialen Umfeld etc. (vgl. Lehr 1991, S. 62).
31
Baltes, M.M. (1996): Produktives Leben im Alter: Die vielen Gesichter des Alters – Resümee und Perspektiven für die Zukunft, in: Baltes/Montada (Hrsg.): Produktives Leben im Alter, Ffm/NYC 1996
26
2 Handlungsrahmen eines professionellen Human Resource Management mit altersintegrativer Ausprägung Der Human Resource Management Ansatz definiert die Humanressourcen der Unternehmen als deren „wichtigsten Erfolgsfaktor“ (vgl. Berthel 2000, S. 229, vgl. Oechsler 2000, S. 20) im Wettbewerbsgeschehen. Davon ausgehend wurde an der Harvard Business School zu Beginn der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Problemlandkarte des HRM (Human Resource Management) entwickelt (vgl. ebenda), die die HRM – Politiken in ein Ursache – Wirkungsfeld einbetten. Human Resource Management umfasst dabei „all management decisions and actions that affect the nature of the relationship between the organisation and its employees - its human resources“ (Beer et al 1984, S. 1 zitiert in Schneck 2000, S. 56). Weitere Ansätze des Human Resource Management wurden an der Universität von Michigan („Michigan – Ansatz“), von Randall Schuler oder auch von Chris Hendry /Andrew Pettigrew entwickelt. Letztere entwarfen ein Modell mit empirisch-deskriptiver Ausrichtung und einem starken Focus auf situative Einflüsse:
Ä u ß e re r K o nte x t s o zio -ö k o n o m is c h tec h n is c h p o litis c h -rec h tlic h m a rk tlic h
In n e re r K o nte x t K u ltu r S tru k tu r F ü h ru n g /P o litik A u fg a b en t ec h n o lo g ie U N - L eis tu n g en
G e s c hä fts s tra teg ie ko n te x t Z iele P ro d u k tm a rk t P la n u n g s s y s t em
H R M K o n te x t
H R M In h a lt
R o lle D efin itio n O rg a n is a tio n H R - E r g eb n is s e
H R - F lü s s e A rb eits s y s t em e E n tlo h n u n g s s y s t em e M ita rb eiter b e zi eh u n g en
Abbildung 2:
Modell des Human Resource Management von Hendry/Pettigrew
(Quelle: Eigene Darstellung in Anl. an Schneck 2000, S. 76)
27
Das Konzept des professionellen Personalmanagement von Wagner et al. (1998; 15 ff.) stellt eine sinnvolle Erweiterung genannter Konzepte dar und definiert Personalmanagement als „unternehmensspezifischen Erfolgspotentialfaktor“ (vgl. DGFP e.V. 2004c, S. 11). Personalmanagement ist dann als professionell zu bezeichnen, wenn alle Personalmaßnahmen bestmöglichst realisiert und nachhaltig wirksam gestaltet werden, dies sowohl vom institutionellen Personalmanagement als auch von allen anderen Organisationsmitgliedern mit unternehmerischer Personalfunktion (vgl. DGFP e.V. 2004 d, S. 1). Der Zusammenhang zwischen Personalmanagement und Unternehmenserfolg ist im Übrigen vielfach untersucht worden. Fleer (2001, S. 15) trifft nach einer Bestandsaufnahme empirischer Untersuchungen zum Sachverhalt die Aussage, dass die dort ermittelten Ergebnisse auf einen sehr wahrscheinlichen Einfluss des Personalmanagements auf den Unternehmenserfolg schließen lassen. Im Folgenden wird anstelle des Begriffes „Professionelles Personalmanagement“ der Begriff „ Professionelles Human Resource Management“ verwendet. Dies geschieht unter dem Eindruck der besonderen Bedeutung strategisch und nachhaltig ausgerichteter personalpolitischer Konzepte zur Bewältigung demografischer Veränderungen, die für Teile öffentlicher und privater Organisationen erst langfristig wirksam werden. Weber/Kabst (1997, S. 21) stellen unterschiedliche, im HRM verwendete Strategiebegriffe gegenüber. Strategien können demnach Muster sein, die durch Handlungen der Beteiligten sichtbar gemacht werden. Sind Handlungen Ausdruck von Ganzheitlichkeit, Integration, Umweltbezogenheit, Langfristigkeit sowie Antizipation (vgl. ebenda) wird eine strategische Ausrichtung deutlich, die einen stark planungsbezogenen Charakter hat (vgl. ebenda). In dieser Arbeit soll diesem umfassenden Strategiebegriff gefolgt werden. Professionelles HRM muss aber nicht nur an der Unternehmensstrategie ausgerichtet sein, sondern auch wertorientiert ausgestaltet werden (vgl. Scholz 1999, S. VII). Die verhaltenswissenschaftliche Ausrichtung des HRM ist um eine ökonomische Ausrichtung zu ergänzen (vgl. Morick 2002, S. 34). Der Begriff „wertorientiert“ bezieht sich auf die Steigerung des (ökonomischen) Unternehmenswertes, als „grundlegendes Ziel von Unternehmen“ (DGFP e.V. 2004c, S. 11). Die Arbeitsergebnisse des
28
HRM gelten dann als strategische Erfolgsfaktoren, wenn sie „einen direkten Beitrag zur Unternehmensstrategie und zur Wertentwicklung des Unternehmens (leisten, Anm. d. Verf.)“ und ausschließlich vom HRM „erstellt und beeinflusst werden“ (ebenda, S. 25). Als strategische Erfolgsfaktoren werden benannt: a) Qualität und Verfügbarkeit von Arbeitnehmern; b) Effizienz und Effektivität der Personalprozesse; c) Innovative Organisation; d) Arbeitgeberattraktivität und e) Führungsqualität (vgl. ebenda, 31 ff). Die in Praxis und Diskurs präsenten Themenfelder wie „Arbeitskräfte- und Nachwuchsmangel“ oder „Erhaltung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen mit alternden Belegschaften“ als Folge demografischer Veränderungen machen deutlich, dass die umfassende Thematik „Ältere Arbeitnehmer“ erfolgsrelevante Strategiefelder der Unternehmen berührt.
2.1 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen des professionellen HRM Die mehrdimensionale Gestaltung eines professionellen Human Resource Management (HRM) beinhaltet sowohl eine holistische (wettbewerbs- und ressourcenorientiert) als auch eine voluntaristische Dimension (inter-, pro- und reaktiv) (vgl. Wagner et al. 1998, S. 18). In seiner holistischen Ausprägungen werden statische oder dynamische Umweltbedingungen als deterministisch interpretiert, dementsprechend ist es Aufgabe des professionellen HRM, auf (gegebene) äußere Einflüsse zu reagieren. Dem entgegen steht die voluntaristische Interpretation. Diese geht von der Annahme aus, dass die relevante Unternehmensumwelt durchaus beeinflussbar ist und somit Strategien gewählt und durchgesetzt werden können, die auf Grundlage einer Entscheidungsautonomie der Unternehmensführung getroffen wurden. Wesentlich für die Nutzung betrieblicher Potentiale im Rahmen einer voluntaristischen Konzeption ist die Beachtung relevanter strategischer Orientierungspunkte, welche an dem Ressourceneinsatz, den Kunden, den Konkurrenten, der generellen Umwelt als auch der Aufgabenumwelt auszurichten sind (vgl. ebenda). Aufgabe eines professionellen HRM ist es daher, nachhaltig wirksame unternehmerische Erfolgsvoraussetzungen zu kreieren, „indem es Erfolgspotentiale über eine outside-in-Orientierung generiert
29
(Identifikation, Aufbau, Pflege) und über eine inside-out-Orientierung Erfolgspotentialoptionen aufbaut“ (ebenda, S. 18 ff.). Nachstehende Grafik zeigt den strukturellen Zusammenhang in den das professionelle HRM einzuordnen ist.
INSIDE-OUT
OUTSIDE-IN
ÄUSSERER KONTEXT LANGFRISTIGE AUSWIRKUNGEN Gesellschaftliche Akzeptanz wirtschaftlicher Erfolg Arbeitszufriedenheit
Wirtschaftliche Einflüsse (Markt, Konkurrenten, Internationalisierung Politische/rechtliche Einflüsse Kulturelle Einflüsse Technologische Einflüsse
)
STAKEHOLDER INTERESSEN Regierung Gesellschaft Gewerkschaften Kapitalgeber ( shareholders Management Mitarbeitergruppen
VOLUNTARISTISCHE EINFLÜSSE engagierte Beteiligung Kompetenz Kongruenz Kosteneffektivität/effizienz
DETERMINISTISCHE EINFLÜSSE )
Einflüsse der relevanten Umwelt
INNERER KONTEXT Unternehmenskultur Unternehmensstruktur Unternehmenspolitik Technologischer Stand Leistungserstellung
STRATEGIE-FELDER Marktorientierung Ressourcenorientierung Unternehmensziele Unternehmensstrategien
PM KONTEXT Rollenverständnis Definition Organisation
PM AKTIONSFELDER Personalauswahl Personaleinsatz Personalentwicklung Führungssysteme Entgeltsysteme Industrial Relations
SPHÄRE DES PERSONALMANAGEMENTS
Abbildung 3:
Konfiguration eines professionellen Personalmanagements
(Quelle: Wagner et al. (1998), S. 19) Oechsler (2000, S. 6) sieht professionelle Personalarbeit im Spannungsfeld zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung. Die Personalabteilung u.a. hat zentrale Aufgaben in der Entwicklung und Konzeption von Human Resource Strategien und Instrumenten. Gemeinsam mit den Führungskräften bzw. Personalverantwortlichen der Linie werden Aufgaben z.B. der Personalbedarfsplanung oder der Entwicklung und Auswahl von Arbeitnehmern wahrgenommen. Der Führungskraft obliegt die „primäre personalwirtschaftliche Verantwortung“ (ebenda). Aufgabenstellung sind z.B. der Einsatz von Führungsinstrumenten wie dem Mitarbeitergespräch etc. Naegele (1994a, S. 16) verweist darauf, dass Human Resource Modelle in besonderer Weise die längerfristige Beschäftigungssicherung älterer Arbeitnehmer unterstützen, da eine Ausweitung der Alterserwerbsarbeit und die damit verbundene Notwen-
30
digkeit der längerfristig orientierten Erhaltung des Humankapitals einer strategischen Personalpolitik und Personalplanung bedürfen (vgl. ebenda). Die heute 30 – 40jährigen sind mittelfristig die älteren Arbeitnehmer von morgen. Die Unternehmen, die bereits heute Strategien erarbeiteten, um unten genannte Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer zu minimieren bzw. zu eliminieren und die den demografischen Wandel antizipieren, verschaffen sich eine bessere Wettbewerbsposition. Nachstehend werden ausgewählte Bestandteile der Modellvariablen „Äußerer Kontext“, „Stakeholder Interessen“, „Innerer Kontext“, „HRM Aktionsfelder“ sowie „HRM Aktionsfelder“ aus dem Blickwinkel demografischer Veränderungen untersucht und dargestellt. Die so erarbeitete Ist – Analyse zur außer- und innerbetrieblichen Situation älterer Arbeitnehmer ist dann Ansatzpunkt zur Konfiguration eines Identifikationsund Motivationsmodells für ältere Arbeitnehmer in privaten und öffentlichen Organisationen.
2.2 Äußerer Kontext 2.2.1 Demografie und Erwerbsarbeit Die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung stetig erhöht. Gleichzeitig sinken die Geburtenzahlen, so dass die Gesamtbevölkerung in Deutschland wie auch in anderen Industrienationen (betroffen sind aber in besonderem Maße neben Deutschland auch Italien und Japan32; vgl. Mosdorf 1993, S. 92; vgl. Weber 1998, S. 245; vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 9, vgl. Kistler/Hilbert 2001, S. 5; vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 440) in der Masse immer weniger und immer älter wird (vgl. Buck 2003, S. 5)33
34
. Man spricht in dieser Situation von einer inver-
32
In Japan spricht man in diesem Zusammenhang auch von der „Gesellschaft des langen Lebens“ (vgl. Opaschowski, 1998, S. 12).
33
Backes/Clemens (2003, S. 36) kennzeichnen den demografischen Wandel bzw. die „alternde Gesellschaft“ durch drei verschiedene Phänomene: 1. Die absolute Zahl älterer Menschen steigt zunehmend; 2. Das relative Wachstum des Anteils älterer und alter Menschen (im Verhältnis zu Kindern und Jugendlichen) verstärkt sich; 3. Zunahme alter und sehr alter Menschen (Hochaltrigkeit, damit werden Menschen gekennzeichnet, die über 80 Jahre alt sind).
34
Neben der Lebenserwartung sowie der Geburtenrate bestimmen Wanderungsbewegungen sowie die Sterblichkeit als zentrale Determinanten der Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungswachstum und -zusammensetzung (vgl. Tews 1971, S. 23).
31
sen Altersstruktur, d.h., es sind nicht mehr, wie bei einer kompakten Alterspyramide35 zu beobachten (vgl. Pack et al. 2000, S. 8), mehrheitlich junge Altersgruppen vertreten, sondern mittlere bzw. in der Zukunft die höheren Altersgruppen. Steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung36, so steigt zwangsläufig auch das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung37 (vgl. Naegele 1994b, S. 11, vgl. Sachverständigenkommission Dritter Altenbericht 2000, S. 190), wenn auch nicht in gleichem Maße, wie weiter unten erläutert. Die amtliche Statistik kennzeichnet die Altersgruppe der 15- bis 64jährigen Wohnbevölkerung als Erwerbspersonenpotential bzw. Erwerbsbevölkerung (vgl. Buck 2003, S. 5)38. Weiterhin wird das Erwerbspersonenpotential unterschieden in Erwerbspersonen und Nicht – Erwerbspersonen. Die Gruppe der Erwerbspersonen teilt sich auf in Erwerbstätige (alle die Personen, die zu einem bestimmten Befragungszeitpunkt angeben, einer sozialversicherungspflichtige oder einer sozialversicherungsfreien Beschäftigung nachzugehen, deren Art oder Dauer nicht relevant ist) und in Erwerbslose (alle die Personen, die zu einem bestimmten Befragungszeitpunkt angeben, keiner Beschäftigung nachzugehen, diese aber anstreben). Nichterwerbspersonen sind solche Personen, die keine auf Erwerb zielende Tätigkeit ausüben und diese zu einem bestimmten Befragungszeitpunkt auch nicht anstreben. Die Erwerbsquote spiegelt das Verhältnis von Erwerbspersonen zum Erwerbspersonenpotential wieder. Alterspezifische Erwerbsquoten beziehen sich dementsprechend auf die Bevölkerung in einer bestimmten Altersgruppe.
35
Eine kompakte Alterspyramide ist Resultat hoher Geburtenzahlen bei gleichzeitig rückläufiger Sterblichkeit (vgl. Pack et al 2000, S. 8)
36
Das Durchschnittsalter der einheimischen Bevölkerung ist hierzulande von 1960 (36 Jahre) bis 1996 (40 Jahre) um 4 Jahre gestiegen. Prognostiziert wird ein weiterer Anstieg um 6 Jahre bis zum Jahr 2030 (46 Jahre) (vgl. Wolf 2000, S. 29). Ein Einflussfaktor dabei ist die steigende Lebenserwartung, der andere - entscheidende – Faktor ist der relative und absolute Rückgang der Geburtenzahlen (vgl. ebenda).
37
Die Erwerbsbevölkerung ergibt sich aus der Wohnbevölkerung in erwerbstätigem Alter.
38
Der Autor verweist völlig zu Recht darauf, dass in der heutigen nur eine sehr geringe Zahl 15jähriger Personen bereits erwerbstätig ist, gleichwohl aber trotz des starken Trends zur Frühverrentung eine nicht unerheblich Zahl von Personen über 64 – Jahre weiterhin erwerbstätig (vgl. Buck et al. 2002, S. 13), und so soll hier angemerkt werden, auch erwerbsfähig ist.
32
Die Alterung der Erwerbsbevölkerung beeinflusst, zumindest mittel- und langfristig (s.u.), auch die Arbeitswelt39
40
(vgl. Kister/Hilpert 2001, S. 5), wenngleich auch die
Auswirkungen auf die einzelnen Unternehmen sehr unterschiedlich sein werden (vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 21). Die spezifische Alterstruktur der Belegschaft, der Grad der Antizipation demografischer Veränderungen durch Personalverantwortliche und sonstige situative Faktoren sind relevante Determinanten des personellen Alterungsprozess von Unternehmen (vgl. Morschhäuser 2000, S. 282). Im Folgenden sollen wesentliche Eckdaten der Erwerbsbevölkerungsentwicklung in Deutschland aufgeführt werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass jedwede Prognose mit Unsicherheitsfaktoren behaftet ist. Dennoch bleibt davon der grundlegende Trend der demografischen Über(Alterung) unberührt. Diskutiert wird vielmehr die Frage, wann und mit welchem Ausmaß die Erwerbsbevölkerungsentwicklung nachhaltig von demografischen Veränderungen betroffen sein wird. Die Erhöhung der Frauenerwerbsquote, eine verbesserte Produktivität und die vermehrte Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte seien hier kurz als relevante Stichpunkte der Debatte genannt. Die europäische Kommission ermittelte in diesem Zusammenhang bereits 1996 eine signifikante Änderung der Altersstruktur der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Verlauf der nächsten Dekade41 (vgl. Walker, 1997, S. 11). Dennoch ist bei der Betrachtung des Zusammenhangs zwischen alternder Gesamtbevölkerung und alternder Erwerbsbevölkerung keine einheitliche Aussage zu treffen. Untersuchungen des Institutes für sozialökonomische Strukturanalysen e.V. (SÖSTRA Berlin) relativieren oben genanntes Szenario und verdeutlichen unterschiedliche Auffassungen in der Literatur bezüglich der Dramatik des Einflusses einer alternden Gesamtbevölkerung auf die Alterstruktur der Erwerbsbevölkerung mit damit verbundenen Auswirkungen
39
Dies trifft für Deutschland im Vergleich zu Japan oder den USA in besonderem Masse zu, da in Deutschland im Vergleich zu genannten Ländern ein erheblicher geringerer Anteil von über 55jährigen an der Erwerbsbevölkerung festzustellen ist. Die gesamtwirtschaftliche Stützquote (makroökonomischer Indikator der Alterung, dieser bezeichnet die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter bezogen auf die Anzahl der Verbraucher, deren nachgefragte Produkte bzw. Dienstleistungen von den Erwerbstätigen zu produzieren sind ) gibt daher in Deutschland im Falle des prognostizierten Bevölkerungsrückganges stärker und schneller nach (vgl. Börsch-Supan et al. 2003, S. 9).
40
Lehr (1998, S. 7) benennt diese Phänomen eine „graying industrial world“.
41
Genannt wird häufig der Zeitraum 2010 bis 2015.
33
wie Arbeitskräftemangel, schwindende Innovationsfähigkeit bei sich verändernden innerbetrieblichen Alterstrukturen etc.. (vgl. dazu auch Kratzer et. al., 1998, S. 177). Naegele (2001, S. 3) relativiert die in früheren Publikationen beschriebenen Szenarien der „alternden Belegschaften“ ebenfalls42, da diesbezüglich eine hinreichend empirische Bestätigung des eindeutigen linearen Zusammenhangs „Alterung des Erwerbspersonenpotentials – Alterung der Beschäftigten“ fehle. Vielmehr gebe es ein bis ca. 2015 andauerndes Paradoxon: eine insgesamt alternde Gesellschaft, ein Teil diese Gesellschaft jedoch, nämlich die Arbeitswelt würde aufgrund von „neuen Frühverrentungsinstrumenten“ wie der Altersteilzeit immer jünger (vgl. ebenda)43. Das Institut für sozialökonomische Strukturanalysen e.V. geht davon aus, dass der demografische Faktor lediglich in abgeschwächter Form Ausdruck in betrieblichen Alterspyramiden finden wird (vgl. Wahse, 1998, S. 37). Basis dieser Grundannahme ist die Berücksichtigung kompensierender Effekte wie die prognostizierten Zunahme der Erwerbsquote der weiblichen Bevölkerung, einer verstärkten Zuwanderung, einer Produktivitätssteigerung durch Rationalisierungsschübe44, der zunehmenden Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland im Zuge der Globalisierung sowie einer sinkenden Bevölkerungszahl und dem damit verbundenen Nachfragerückgang von Produkten und Dienstleistungen als Faktoren zur Erhöhung bzw. Senkung der Arbeitskräftenachfrage (vgl. ebenda, 1998; S. 36 f.; vgl. Pack et al. 2000, S. 1045). Hier bleibt jedoch die Frage unbeantwortet, ob genannte Effekte ausreichend sind, um in Zukunft auftretende Lücken im Erwerbspersonenpotential tatsächlich schließen zu können, da lediglich Annahmen getroffen werden. Insbesondere die im Rahmen der EU – Osterweiterung getroffenen langjährigen Übergangsregelungen bezüglich des Zuzuges und der freien Arbeitsplatzwahl der in der Regel jüngeren Arbeitnehmer aus
42
In einer seiner früheren Publikationen befand Naegele (1994b, S. 11) noch, dass „in mittelfristiger Perspektive mit einem gravierenden Wandel der Alterstruktur der Erwerbspersonen gerechnet werden... (muss, Anm. d. Verf.)“.
43
Ein Blick auf die Altersstruktur der Stahlindustrie ergibt jedoch ein anderes Bild. Mogk (2000, S. 352) spricht von einer typischen Mittelbauchstruktur, also: „wenige junge Mitarbeiter unter 30, derzeit noch wenige ältere Arbeitnehmer über 55 und eine Belegschaft, die ganz überwiegend zwischen 30 und 55 Jahren alt ist...“ (ebenda).
44
Wachtler/Wagner benennen hier den „jobless growth“, das Wirtschaftswachstum ohne positive Beschäftigungseffekte.
45
Pack et al. (2000, S. 10) benennen als kompensierende bzw. gegenläufige Effekte auch noch eine rückläufige Beschäftigung im sekundären sowie in klassischen Bereichen des tertiären Sektor(s).
34
Osteuropa aufgrund der derzeitigen prekären Arbeitsmarktlage im Inland sprechen gegen eine mittelfristige Erhöhung und Verjüngung des inländischen Erwerbspersonenpotentials (vgl. dazu Naegele 1994b, S. 12, vgl. dazu Fuchs/Thon 1999). Neben restriktiven Zuwanderungsregeln erschweren ebenfalls Sprachbarrieren die ausreichende Anwerbung ausländischer Arbeitkräfte (vgl. Glaum et al., 2003, S. 843). Eine Befragung des Institutes für die Zukunft der Arbeit ergab, dass 89% der befragten Unternehmen glauben, dass eine restriktive Gesetzgebung im Aufenthalts- und Ausländerrecht Einstellungen blockieren (vgl. ebenda). Der Dritte Altenbericht der Bundesrepublik Deutschland (2000, S. 190) prognostiziert, dass ab dem Jahre 2010 der inländische Arbeitsmarkt von einem starken Rückgang des Angebotes insbesondere an jungen Arbeitskräften gekennzeichnet sein wird (vgl. dazu auch Rosenow/Naschold 1994, S. 24 f.; Thon 1995, S. 292 ff.; Behrend 2001, S. 63). Dieser Rückgang wird in den folgenden Jahren nach Überzeugung der Sachverständigenkommission (vgl. dazu auch Buck et al. 2002, S. 23) nicht durch die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer aus dem Ausland zu kompensieren sein (eben aufgrund sinkender Geburtsraten), sodass die Unternehmen die Strategie der Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials (Erhöhung gruppenspezifischer46 Beschäftigungsquoten) verfolgen müssen, was das Durchschnittalter der Erwerbstätigen mittel- und langfristig erhöhen wird (vgl. ebenda, S. 190)47. Pack et al. (2000, S. 11) sehen nicht den absoluten Rückgang an Erwerbstätigen als das eigentliche Problem, sondern vielmehr die Alterszusammensetzung der Erwerbsbevölkerung, bei der sich die absolute Zahl der älteren Arbeitnehmer zu Ungunsten jüngerer Nachwuchskräfte verschiebt. Während das Durchschnittsalter zwischen 1995 und 2040 voraussichtlich um ca. acht Jahre steigt, wächst das prognostizierte Durchschnittsalter der Erwerbstätigen (15 – 64 Jahre) um nur ca. 2 Jahre. Dies bedeutet aber einen im Vergleich zu den Jahren 1960 – 1994 (0,5 Jahre) vierfachen Anstieg (vgl. ebenda), sodass durchaus von einem signifikanten Anstieg zu sprechen ist (vgl. Wahse, 1998, S. 37). Davon
46
Geschlechter- und alterspezifische Erhöhung der Erwerbsquoten
47
Naegele (1994b, S. 12) sieht beschäftigungspolitische Maßnahmen wie die Förderung der Zuwanderung und die Erhöhung der Frauenerwerbsquote nicht als Alternativen, sondern als Ergänzung zur Erweiterung der Alterserwerbstätigkeit und fordert eine Interpretation als „beschäftigungspolitisches Gesamtpaket“ (ebenda).
35
abweichend ermittelte DaimlerChrysler für seine Belegschaft einen Anstieg des Durchschnittsalters der inländischen Mitarbeiter um fünf Jahre bis zum Jahr 2011, was den Anteil der Mitarbeiter unter 30 Jahre unter 10 % senken wird (vgl. o. Verf. 2003, S. Für Länder wie Japan oder die USA prognostiziert der Konzern vergleichbare Szenarien (vgl. ebenda). Tews (1990, S. 481 ff) sieht neben der oben beschriebenen Entberuflichung des Alters (abnehmende Erwerbsbeteiligung Älterer) weitere vier Kennzeichen einer alternden Gesellschaft: Hochaltrigkeit: mit steigender Lebenserwartung hat sich auch die Grenze der Hochaltrigkeit verschoben, galten früher 60 bis 70 – Jährige als Hochaltrige, ist es heute die Gruppe der 80 – Jährigen, die derartig bezeichnet wird, zukünftig wird sich die Grenze weiter verschieben Singularisierung: Mit steigendem Alter lebt die ältere Generation zunehmend allein. Verjüngung: Arbeitnehmer werden immer früher zu der Gruppe der älteren Arbeitnehmer gezählt und somit ebenfalls immer früher mit den damit zusammenhängenden Problemen konfrontiert. Feminisierung: Ältere Menschen über 60 Jahre sind aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen zu zwei Dritteln weiblich, dieser Anteil steigt noch bei den Hochaltrigen (vgl. Backes/Clemens 2003, S. 88). Aufgrund des niedrigeren Bildungs- und Einkommensniveau sind Frauen jedoch häufiger als Männer von Altersarmut48 bedroht (vgl. ebenda).
48
Feminisierung der Altersarmut (vgl. Backes/Clemens 2003, S. 91).
36
Ein Blick auf die Entwicklung altersspezifischer Erwerbsquoten (s.o.) macht deutlich, dass die Mehrheit der Erwerbstätigen vor dem 65. Lebensjahr (Regelaltersgrenze) aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Maßgeblich beeinflusst wird dieser Trend nach Naegele (1988; S. 207) insbesondere durch (Früh)Verrentungen wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, der Aufgabe der Erwerbstätigkeit aufgrund langjähriger, erfolgsloser Suche nach Arbeit sowie der Bestrebungen der Unternehmen, ältere Arbeitnehmer frühzeitig zu verrenten. Die anhaltend schlechte Situation auf den internen (Angst vor technologischem Wandel, Veränderungen am Arbeitsplatz, psychischer Belastung, Konkurrenz mit jüngeren Arbeitnehmern, Sozialstress) und externen Arbeitsmärkten (Konkurrenz mit jüngeren Arbeitnehmern, hohe Arbeitslosigkeit mit hoher Verweildauer Älterer auf dem Arbeitsmarkt) fördert zudem die Neigung der älterer Arbeitnehmer, „selbstbestimmt“ frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Anschaulich wird, dass insbesondere die Erwerbsbeteiligung der höheren Altersgruppen (55 – 64 Jahre) stetig rückläufig ist (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 1). Der Anteil der Erwerbstätigen über 55 Jahre sank in den letzten 30 Jahren von 50 Prozent auf 35 Prozent (vgl. Zander 2004, S. 1). Die Entwicklung sinkender Erwerbsquoten bei den über 50-Jährigen ist insbesondere vor dem Hintergrund zu betrachten, dass sich somit die dritte Lebensphase „Alter“ zu Ungunsten der Lebensphase der aktiven Erwerbsarbeit verschiebt (Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Entberuflichung des Alters“49 vgl. Wollert, 1997, S. 5; Barkholdt, 1998, S. 9), die aufgrund einer höheren Lebenserwartung und den damit verbundenen sozialen und betriebs- und volkswirtschaftlichen Folgen eine Neubewertung (Verlängerung) erfahren müsste. Der zunehmend frühere Austritt aus dem Erwerbsleben bei gleichzeitig zunehmender Lebenserwartung auf der einen Seite sowie zunehmend verbesserten Ausgangsbedingungen bei der Qualifikation und Gesundheit nachfolgender Generationen wird als „Arbeit/Alter-Paradoxon“ bezeichnet (vgl. Naegele 2000, S. 25). Bei der Analyse der Ursachen für den Rückgang der Erwerbsbeteiligung bei älteren Arbeitnehmern lassen sich zwei Cluster von Erklärungsansätzen erkennen:
49
Wachtler/Wagner (1997, S. 9) sprechen von einem „säkularen“ Trend zur Frühausgliederung aus dem Erwerbsleben.
37
1. Das ökonomische Cluster sieht vorrangig die sich seit 1973 verschlechternden Arbeitsbedingungen als bestimmenden wirtschaftlicher Einflussfaktor für den oben genannten Rückgang 2. Das politische Cluster erklärt die abnehmende Erwerbsbeteiligung in den höheren Altersgruppen mit der staatlichen Verrentungspolitik, den damit verbundenen institutionellen Rahmenbedingungen sowie mit grundsätzlichen sozialstaatlichen Prinzipien, auf denen die Verrentungspolitik basiert (vgl., von Rhein-Kress, 1996, S. 60). In diesem Zusammenhang spricht man auch von „push“- bzw. „pull“ – Effekten. Der push – Effekt wird wirksam, wenn ältere Arbeitnehmer in konjunkturell schwierigen Zeiten aus unterschiedlichen Gründen mit jüngeren Arbeitnehmern auf den Arbeitsmärkten nicht mehr konkurrieren können und somit verdrängt werden. Pull – Effekte treten dann ein, wenn für den (älteren) Arbeitnehmer günstige Möglichkeiten der Frühverrentung geschaffen werden oder bestehen, den Arbeitsmarkt vor Eintritt in das Pensionsalter zu verlassen (vgl. ebenda). Wolf/Kohli (1989, S. 36) sehen schlechte Bedingungen (z.B. dequalifizierende Umsetzungen, Statusverlust, Einkommenseinbußen, mangelnde Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten etc.; vgl. Backes/Clemens 2003, S. 66, vgl. Gatter/Hartmann 1995, S. 417) für ältere Arbeitnehmer auf den internen und externen Arbeitsmärkten als Push –Effekt für die Wahl eines frühen Ruhestandes. Pull - Effekte sind hier weniger institutionelle Determinanten (begünstigende Vorruhestandsregelungen), sondern vielmehr ein gewandeltes Ruhestandsbewusstsein, das die berufsfreie Zeit positiv interpretiert. Kohli et al. (1989, S. 11) stellen dazu fest: „Der Trend zu einem zunehmend früheren Übergang in den Ruhestand gehört zu den markantesten Veränderungen der Lebenslauforganisation in den letzten beiden Jahrzehnten. Hierbei handelt es sich keineswegs um einen deutschen Sonderweg, für den etwa die besonders großzügige Ausstattung des sozialen Sicherungssystems verantwortlich wäre, sondern um eine in allen Industrienationen zu beobachtende Entwicklung“ Behrend (2001, S. 16 ff) sieht den Wandel der Erwerbsarbeit neben dem alles überlagernden demografischen Wandel durch:
38
-
gesellschaftlichen Wandel (erhöhte Frauenerwerbstätigkeit und Teilzeitarbeit)
-
den Trend zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft (Zunahme des tertiären Sektors, insbesondere der anspruchsvollen Dienstleistungen von 26,3 % auf prognostizierte 31,6 % im Jahr 2010; vgl. Fuchs 2004, S. 13 ) und dem
-
Globalisierungstrend als die vier großen „Megatrends“ beeinflusst (vgl. ebenda, S. 16).
Genannte Trends, die den äußeren Kontext von Unternehmen wesentlich mitbestimmen, stehen dabei in enger gegenseitiger Abhängigkeit und Einflussnahme zueinander und müssen dementsprechend von den Unternehmen bei der Formulierung von HR - Strategien ausreichend berücksichtigt werden. So beeinflusst der gesellschaftliche Wandel als soziokultureller Einflussfaktor (Behrend nennt hier u.a. Teilzeitarbeit) die Gestaltung des Identifikations- und Motivationsinstrumentariums (vgl. hierzu u.a. Punkt 4.4.1), der fortschreitende Übergang zu einer wissensbasierten Informations- und Dienstleistungsgesellschaft und daraus resultierende technologische Einflüsse erhöhen die Anforderung an die inner- und außerbetriebliche Weiterbildung (vgl. hierzu u.a. Punkt 2.3.3.2)
2.2.2 Politischer und rechtlicher Einfluss Backes/Clemens (2003, S. 66) verweisen in Anlehnung an Rehfeld (1994)50 auf drei „Globalfaktoren“ die den Frühverrentungstrend beeinflussen. Neben der individuellen, gesundheitlichen Lage des Versicherten (vgl. dazu Punkt 2.3.2.1) und der konkreten Arbeitssituation mit den Variablen a) Arbeitsplatz, b) individuelles Arbeitsvermögen und c) Konjunktur und Unternehmen spielen ebenso rechtliche Gegebenheiten eine nicht unerhebliche Rolle. Gesetze und Vorschriften sind dabei „nichts anderes als Handlungsergebnisse oder konkreter, allgemeinverbindliche Willensbekundungen des politischen Systems“ (Macharzina 1999, S. 24) und dementsprechend „geronnene Politik“ (ebenda). Im folgenden wird der Einfluss der politischen, und
50
Rehfeld, U.(1994): Zur quantitativen Entwicklung des Frühberentungsgeschehens in der Bundesrepublik Deutschland; in: Behrend, Ch. (Hrsg.) (1994): Frühinvalidität ein Ventil des Arbeitsmarktes?; S. 19 – 48
39
daraus folgend, der rechtlichen Umwelt auf den alters(des)integrativen Umgang mit älteren Arbeitnehmern in Unternehmen dargestellt. Politische Einflüsse Der Trend zur „Entberuflichung des Alters“ war für lange Zeit aufgrund einer lang anhaltenden Massenarbeitslosigkeit sicherlich auch politisch gewollt51
52 53
. Dement-
sprechend wurden rechtliche Voraussetzungen geschaffen, die einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben ermöglichten. Vorruhestandsregelungen waren und sind, insbesondere für die Gewerkschaften (vgl. Jungjohann 2002, S. 5), ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, um das knappe Gut „Arbeit“ von den Älteren und Alten auf die Jungen zu verteilen (vgl. Wolf/Kohli, 1989, S. 21, vgl. Frerichs 2000, S. 19)54 55
und haben gleichzeitig den Unternehmen das passende Instrumentarium an die
Hand gegeben, um „ältere Beschäftigte, die sich dem Rentenalter nähern, als betriebliche Anpassungsressource bzw. Manövriermasse zu nutzen“ (Rosenow 1996, S. 36). Vorruhestandsregelungen mit ansprechender finanzieller Ausstattung machten einen vorzeitigen Austritt aus dem Erwerbsleben auch für eine große Anzahl von älteren Arbeitnehmern attraktiv (vgl. Maier 2000, S. 407). Deutlich wird, dass hinsichtlich der Frühverrentung über lange Zeit bei verschiedenen Anspruchgruppen56
57
Übereinstimmung darin bestand, die Verkürzung der Lebens-
arbeitszeit als probates Mittel zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit einzuset51
Wolf/Kohli (1988, S. 1) bezeichnen eine derart gestaltete Arbeitsmarktpolitik als „Politik der Altersgrenzen“, deren Wirkungsfeld hauptsächlich die „Ränder der Erwerbsphase sind“.
52
Frerichs (2000, S. 19) spricht von der „großen Koalition für die Frührente“ im Sinne eines „gesellschaftlichen Regulationsprinzip(s)“ (ebenda).
53
Femppel (1999, S. 12) sieht insbesondere gesetzliche Regelungen des Arbeits- und des Arbeitsschutzrecht mitausgelöst durch den großen Einfluss der Gewerkschaften.
54
Das Vorruhestandsgesetz vom 1. Mai 1984 sollte als „Beitrag zur Generationensolidarität“ (Fiedler 1988, S. 4) insbesondere die Kriegsgeneration durch die Möglichkeit eines früheren Ausscheidens aus dem Erwerbsleben für frühere Belastungen (Wiederaufbau etc.) entschädigen, gleichzeitig sollte das Gesetz die Arbeitsmarktsituation entspannen durch eine Umverteilung der durch die Frühverrentungen freigewordenen Arbeitsplätze auf jüngere, geburtenstarke Jahrgänge (vgl. ebenda).
55
Tendenziell ist aber die Arbeitslosenquote in den Ländern am niedrigsten, wo die Erwerbstätigenquote der 55 – 64jährigen besonders hoch ist (vgl. iwd 2002, S. 6).
56
Zur Thematik der Anspruchsgruppen bzw. der Stakeholder siehe ausführlich unter Punkt 2.3.
40
zen58. Frühverrentung galt59 und gilt weitestgehend als normal (vgl. Kohli 1993, S. 187). Ältere Arbeitnehmer werden als „personalwirtschaftliche Anpassungsressource“ definiert (vgl. Rosenow 1992, S. 151). Alterselektive Personalanpassungsmaßnahmen, möglich geworden eben aufgrund institutioneller Regelungen zur Frühverrentung, fanden starke individuelle und gesellschaftliche Anerkennung (vgl. Kratzer u.a., 1998, S. 197; vgl. Kistler/Hilpert 2001, S. 8). Dies galt von staatlicher Seite für den externen Arbeitsmarkt (Senkung der Arbeitslosenzahlen), für die Unternehmen für den internen Arbeitsmarkt (Kostensenkung durch Abbau von Arbeitsplätzen bei gleichzeitiger Verjüngung der Belegschaft)60. Politisch hat jedoch seit geraumer Zeit ein Paradigmenwechsel stattgefunden (vgl. Barkholdt 2001c, S. 7). Die Unternehmenspolitik verfolgt jedoch mehrheitlich noch Ausgliederungsstrategien. Mit Rücksichtnahme auf die sozialen Sicherungssysteme und deren Finanzierbarkeit (vgl. Rosenow/Naschold 1993, S. 146, vgl. Rürup 2000, S. 415)61
62
, haben sozialpo-
litische Konsolidierungsbemühungen von staatlicher Seite dazu geführt, dass die Möglichkeiten für ältere Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, eingeschränkt wurden, unter anderem mit dem Ziel, die sozialen Sicherungssys-
57
Rosenow (1996, S. 33) nennt in diesem Zusammenhang den Staat, die Unternehmen, Unternehmensverbände, Betriebsräte und Gewerkschaften. Zu ergänzen sind die (älteren) Arbeitnehmer selbst.
58
Verschiedene Instrumente zur Frühverrentung haben den Arbeitsmarkt zwar entlastet, neue Arbeitsplätze für nachrückende Kohorten sind aber nicht entstanden, da die Unternehmen die Frühverrentung vornehmlich als betriebliches Instrument zur Rationalisierung (Abbau von Personal) eingesetzt haben (vgl. Kistler/Hilpert 2001, S. 8). Aufgrund neuerer gesetzlicher Regelungen ist dies kaum mehr möglich (vgl. ebenda).
59
Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der vorzeitige Austritt aus dem Erwerbsleben wieder erschwert (vgl. Morschhäuser, M. 2003, S. 60).
60
Behrens (2001, S. 14) spricht von einem „historischen Bündnis“ zwischen Unternehmen, den Arbeitnehmervertretern und dem Staat.
61
Die Rentenversicherungsträger ermittelten in 1995 durch Beitragsaufälle, Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung und eine längere Rentenlaufzeit entstehende Mehrkosten in Höhe von ca. DM 130.000 im Falle einer vorzeitigen Altersrente ab 60 Jahre im Vergleich zu Kosten der Regelaltersrente (vgl. Jungjohann 2002, S. 4).
62
Die Anzahl der Rentner pro Erwerbstätigem steigt, der ökonomische Alterslastenquotient verschlechtert sich damit, da die Erwerbstätigen neben den eigenen Bedarfen an Konsum- und Investitionsgütern für immer mehr zusätzliche Personen produzieren müssen (vgl. Börsch-Supan et al. 2003, S. 12).
41
teme langfristig zu erhalten63 64 65 66. Die Rentenreformen der Jahre 199267 und 1999 sowie das Altersteilzeitgesetz belegen dies (vgl. Behrend 2000, S. 406; vgl. Backes/Clemens 2003, S. 43)68. Der Alterslast – Index69 aus dem Jahr 2003 ergab jedoch für Deutschland, dass es ein auf Dauer noch immer nicht tragfähiges Rentensystem hat (vgl. iwd 2003, S. 2) Mögliche Strategien, um die demografische Belastung insbesondere auf die Rentenversicherung abzuschwächen sind: -
Verlängerung der Lebensarbeitszeit70 71 72
-
Senkung des Rentenniveaus
63
George (2000, S. 11) weist darauf hin, dass politische Entscheidungen hinsichtlich der Frühverrentung „politischen Konjunkturzyklen“ unterworfen sind. Steigende Arbeitslosenzahlen einerseits, steigende Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung andererseits fördern bzw. hemmen den politischen Willen zur Förderung der (staatlich gesteuerten) Verkürzung des Erwerbslebens.
64
Wolf/Kohli (1988, S. 203) konstatierten bereits 1988, dass die Zukunft des Vorruhestandes auch „von der Arbeitsmarktentwicklung und den Finanzierungsproblemen des Sozialstaates“ (ebenda) bestimmt wird.
65
Marstedt/Müller (2003, S. 15) zitieren die Bundesregierung: „Dieser Zustand, dass die Sozialversicherung ganz überwiegend den Personalabbau oder die Verjüngung der Belegschaften finanziert, war nicht länger hinnehmbar“.
66
Naegele (1994a, S. 11) spricht von einer großen Rentenkoalition, mit der 1992 die Anhebung der Altersgrenze beschlossen wurde. Der Autor befürchtete in diesem Zusammenhang einen doppelten Alterungsprozess der Belegschaften, verursacht zum einen durch die demografische Entwicklung, zum anderen verstärkt durch eine neuausgerichtete Rentenpolitik (vgl. ebenda).
67
Mit der Rentenreform, so Backes/Clemens (2003, S. 67) habe eine Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik stattgefunden. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seien nunmehr daran interessiert, ältere Arbeitnehmer in das Erwerbsleben zu (re-)integrieren.
68
Zu den Änderungen bei rentenrechtlichen Regelungen vgl. Frerichs 2000, S. 20 ff..
69
Der CSIS Aging Vulnerability Index misst u.a. dass durch die Alterung der Gesellschaft bedingte öffentliche Ausgabenwachstum, den fiskalischen Spielraum des Landes, die Abhängigkeit der älteren Mitbürger von stattlichen Sozialleistungen um nur einige Indikatoren zu nennen (vgl. iwd 2003, S. 2).
70
Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit lässt sich einmal erreichen durch die spätere Beendigung der Erwerbstätigkeit oder durch den früheren Eintritt in das Erwerbsleben, z.B. durch die Verkürzung der Ausbildungszeiten. Statistische Erhebungen haben gezeigt, dass sich seit 1980 das Durchschnittsalter deutscher Hochschulabsolventen um zwei Jahre erhöht hat (1980 = 27 Jahre, Heute = 29 Jahre) (vgl. iwd, 2002, S. 6)
71
Die Anhebung der Renten- bzw. Pensionsgrenze als isolierte, rentenpolitisch motivierte Maßnahme sorgt laut Naegele (2001, S. 4) nicht für höhere Erwerbsquote Älterer, da der Bezug zum Arbeitsmarkt und den Betrieben vernachlässigt wird. Tatsächlich sollte die „tatsächliche Erreichbarkeit dieser Grenze“ durch personalpolitische Maßnahmen (altersspezifische Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen) realisiert werden (vgl. ebenda).
72
Morschhäuser (2003, S. 63) weist zurecht darauf hin, dass eine gesetzliche Anhebung der Rentenaltersgrenze eine Verbesserung der Erwerbsfähigkeit im Alter bedingt. Nach Auffassung des Autors dieser Arbeit sollte dies nicht aber nur gesundheitsbezogene, sondern auch qualifikatorische und motivationale Aspekte miteinbeziehen.
42
-
Erhöhung der Beitragssätze73
-
Erhöhung der Erwerbsquote (Verbesserung des Verhältnisses Beitragszahler und Rentenempfänger)
Die Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre, flankiert durch Veränderungen, die die Inanspruchnahme von Leistungen der Frühverrentung und der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit erschweren, weisen in eine mögliche Richtung, beschleunigen aber auch die Verschiebung der Altersstrukturen in den Unternehmen, da ältere Arbeitnehmer länger74, sprich über die „faktisch bestehende Altersgrenze von im Durchschnitt 59 Jahren“ (Zimmermann 2003, S. 168) hinaus in den Betrieben verbleiben. Gleichzeitig könnte dies aber kurzfristig der Zahl der jüngeren Arbeitslosen erhöhen mit sich in der Folge verschärfenden Verteilungskonflikten auf den internen und externen Arbeitsmärkten. Demografischer Wandel und der damit korrespondierende „Wandel der gesellschaftlichen Strukturen“ (Wachter/Wagner 1997, S. 7) konfrontiert private und öffentliche Organisationen mit konfligierenden Lösungsansätzen. Jungjohann (2002, S. 14) fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen: „Bekämpfung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit und Verlängerung der Lebensarbeitszeit sind .... (bei hoher Arbeitslosigkeit, Anm. d. Verf.) keine kongruenten sozialpolitischen Ziele. Die Zukunft des Vorruhestandes hängt wesentlich ab von der Zukunft der Arbeit“. Sowohl staatliche Stellen aber auch die Gewerkschaften75 sehen sich daher mit einem Entscheidungsdilemma konfrontiert: Fördert man altersgerechte und altersintegrative Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zum Pensionsalter und darüber hinaus, so entlastet man die Sozialkas-
73
Bomsdorf (196, S. 368) erachtet eine kontinuierliche Steigerung des Beitragssatzes für die Pflegeversicherung aufgrund der demografischen Veränderungen für erforderlich, wenn notwendige Leistungen erbracht werden sollen.
74
Zimmermann führt Ergebnisse des IAB – Betriebspanels 2000 heran, der ermittelte, dass in mehr als 50% aller Betriebe in Deutschland keine Arbeitnehmer über 50 Jahre beschäftigt werden. Die rentenrechtlichen Änderungen der letzten Jahre konnten die Erwerbsbeteiligung demnach nicht nachhaltig erhöhen (vgl. Zimmermann 2003, S. 168).
75
Die Flexibilisierung der Altersgrenze war zu Beginn der siebziger Jahre für die Gewerkschaften eher ein Etappenziel, vielmehr wurde angestrebt, die Altersgrenze generell zu senken, um die Lebensarbeitszeit nachhaltig zu verkürzen (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 71).
43
sen einerseits76 77und trägt den Ansprüchen der wachsenden (Anspruchs)Gruppe der „Älteren“ Rechnung, so diese denn länger arbeiten wollen. Gleichzeitig fördert man die Jugendarbeitslosigkeit, da für die Jüngeren ein beruflicher Einstieg, insbesondere in einem problematischen Arbeitsmarktumfeld, erschwert wird (vgl. Wollert 1997, S. 4). Die besondere Beachtung eines Teiles der Bevölkerung geschieht so unter (gewollter) Missachtung der Ansprüche des anderen Teiles. Dennoch gilt die „stillschweigende Übereinkunft“ mittlerweile als aufgekündigt (vgl. Barkholdt 2001c, S. 7), Veränderungen im kollektiven und individuellen Arbeitsrecht dokumentieren dies. Gleichwohl ist abschließend darauf hinzuweisen, das die Externalisierungs- und Ausgliederungsstrategien der Unternehmen durchaus auch die Bedürfnisse von älteren Arbeitnehmer bedienen (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 197, vgl. Gatter/Hartmann 1995, S. 417; Kohli/Wolf 1986, S. 102), die, bei nicht allzu großen finanziellen Einschnitten, eine Verkürzung der Erwerbstätigkeit durchaus selbstbestimmt anstreben. Umfragen diesbezüglich haben gezeigt, dass Ältere eine Verkürzung der (Lebens-)Arbeitszeit gerne durch eine Herabsetzung der Rentengrenze erreichen würden. Präferiert wird ein Austrittsalter von 60 Jahren (vgl. ebenda)78. Insbesondere die Gruppe der 40 – 50jährigen Arbeitnehmer, sprich der in Zukunft älteren Arbeitnehmer ist überwiegend nicht daran interessiert, auch im Alter noch erwerbstätig zu sein (vgl. Naegele 1994b, S. 14). An anderer Stelle wurde bereits von so genannten Pull – Effekten gesprochen. In diesem Zusammenhang weisen Kohli/Wolf (1988, S 3) darauf hin, dass „der Vorruhestand (...) den Trend zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit nicht geschaffen, wohl aber normalisiert und in akzeptable Formen gegossen“ (hat, Anm. d. Verf.). Wollen Unternehmen ältere Arbeitnehmer motivieren, über das Rentenalter hinaus zu arbei-
76
Aufgrund der höheren Lebenserwartung hat sich seit 1960 die durchschnittliche Rentenbezugsdauer bei den Männern um 4.5 Jahre, bei den Frauen im gleichen Zeitraum um 7,6 Jahre erhöht (vgl iwd, Jahrgang 26/47, Seite 8). Gleichzeitig ist eine geringere Dauer der Erwerbstätigkeit festzustellen (siehe hierzu auch Punkt).
77
Was auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen dürfte, denn die Senkung der Lohnnebenkosten führt zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im globalen Wettbewerb (vgl. Rosenow/Naschold 1993, S. 147).
78
Andere Studien hingegen zeigen, dass von den „frühverrenteten“ Mitarbeitern zwischen 25 – 40 % eher unfreiwillig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (vgl. Kistler/Hilpert 2001, S. 8). Wolf/Kohli (1988, S. 197) verweisen in diesem Zusammenhang auf eine unübersichtliche Datenlage sehen aber eine generelle Tendenz bei älteren Arbeitnehmern für eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit.
44
ten, muss analysiert werden, warum Ältere den Ruhestand gegenüber dem aktiven Arbeitsleben präferieren. Die unter Punkt 2.3.2 dargestellte interne Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer ist dabei ein wichtiger Einfluss- und Gestaltungsfaktor, um den durchaus vorhandenen individuellen Wunsch nach Verkürzung der Lebensarbeitszeit umkehren zu können. Rechtliche Einflüsse Rechtsnormen determinieren den Handlungsspiel des professionellen Handlungsspielraums und sind dementsprechend eine „formale Richtgröße“ (Morick 2002, S. 27) für den Umgang mit älteren Arbeitnehmern. Als Ausdruck des Paradigmenwechsel79 in der Politik, wurden in der Gesetzgebung und durch Umsetzung von arbeitspolitischen Maßnahmen politische Leitlinien der EU zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und Qualifikation älterer Arbeitskräfte realisiert (vgl. Barkholdt 2001c). Auf gesetzlicher Ebene waren dies insbesondere ein modifiziertes Altersteilzeitgesetz (2000) und das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ (vgl. ebenda). Beispielhaft soll hier kurz die Altersteilzeit als Instrument zur Flexibilisierung der Ruhestandsgrenze erläutert werden, insbesondere da arbeitszeitliche Regelungen bei der Motivierung von Arbeitnehmern eine wichtige Rolle spielen. Das Altersteilzeitgesetz bietet eine Möglichkeit zur Flexibilisierung der Arbeitszeit im Alter bzw. am Ende des Erwerbslebens (vgl. Zimmermann 2003, S. 169). Zielsetzung des Altersteilzeitgesetztes ist die Ermöglichung eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in die Altersrente. Begünstigt sind Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben (§ 2 ATG). Die Altersteilzeit (ATZ) kann dabei in zwei Varianten ausgestaltet werden. Variante 1: Hier teilen sich der ältere Arbeitnehmer und ein neu einzustellender Kollege einen Arbeitsplatz. Einzustellen sind nach § 3 Abs. 1 Ziffer 1 ein Arbeitssuchender oder ein Arbeitnehmer nach Abschluss von dessen Berufsausbildung. Vorteilhaft für die Unternehmen ist hier, dass staatliche Zuschüsse durch die Bundesanstalt für Arbeit
45
(Aufstockungsbeträge zum Lohn sowie Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung) aufgrund der Neueinstellung bereits zu Beginn der ATZ bezahlt werden, weiterhin bleibt das Erfahrungswissen des älteren Arbeitnehmers bis zu dessen endgültigen Ausscheiden erhalten (vgl. 2002, S. 2). Variante 2: Im Rahmen des Blockmodells wird der ältere Arbeitnehmer in der ersten Hälfte der ATZ voll beschäftigt, in der zweiten Hälfte geht der Betreffende dann in den vorzeitigen Ruhestand. Dementsprechend werden erst in der zweiten Hälfte der ATZ stattliche Zuschüsse gezahlt80, wenn eine Neueinstellung vorgenommen wurde. Das Erfahrungswissen geht dem Unternehmen frühzeitig verloren (vgl. ebenda). Wegen des veränderten Arbeitszeitrhythmus sowie des geringeren Status von Teilzeittätigkeiten gilt die Variante 1 der Altersteilzeit („Gleitender Ruhestand“) bei älteren Arbeitnehmern als nur bedingt attraktiv (vgl. Zimmermann 2003, S. 169). Eine häufigere Nutzung der Altersteilzeit im Blockmodell deutet darauf hin, dass mehrheitlich81 eine Verkürzung der Flexibilisierung vorgezogen wird (vgl. ebenda; vgl. Drumm 2004, S. 210). Obengenannte Vorteile bezüglich der Nutzung von Erfahrungswissen können dementsprechend nicht generiert werden. Organisatorische Probleme bei der Bereitstellung von Teilzeitarbeitsplätzen beeinflussen sicherlich ebenfalls die geringere Quote von Gleitzeitmodellen. Ältere Arbeitnehmer sind des weiteren häufig aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen besonders privilegiert, da an ein steigendes Lebensalter eine bessere Bezahlung (Senioritätsprinzip, siehe dazu u.a. auch Punkt 2.5.5), mehr Urlaubstage und Erleichterungen z.B. in der Schichtarbeit verknüpft sind (vgl. Lehr/Wilbers 1992, Sp.
79
Der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und an die Politik aus dem Jahr 2002 fordert schlussfolgernd ebenfalls einen Paradigmenwechsel in der betrieblichen Personalpolitik.
80
Die finanziellen „Nachteile“ des Blockmodells scheinen für Unternehmen weniger relevant zu sein, da ca. 95 % aller Unternehmen das Blockmodell anbieten. Darüber hinaus beantragen 25 % aller Unternehmen die ATZ anbieten, überhaupt keine Fördermittel. Doch nur die stattlichen geförderten Fälle der ATZ werden statistisch erfasst. Dementsprechend schätzt die Bundesanstalt für Arbeit die tatsächliche Zahl der ATZ um drei- bis viermal so hoch wie die offizielle Zahl (53.722 im September 2001) (vgl. iwd 2002, S. 2).
81
Lediglich 10% der Betroffenen präferieren eine tägliche Reduzierung der Arbeitszeit, wohingegen 90% eine geblockte Freizeit bis zum Beginn der eigentlichen Rente wählen (vgl. Drumm 2004, S. 207).
46
204). Ältere Arbeitnehmer profitieren ebenso in besonderem Maße von Regelungen (insbesondere die gesetzlich verlängerten Kündigungsfristen), die nicht in direktem Zusammenhang mit einem bestimmten Alter stehen, sondern, die sich nach der Betriebszugehörigkeit richten (vgl. ebenda). Ziel dieser Vereinbarungen und gesetzlichen Regelungen ist es sicherlich, ältere Arbeitnehmer in besonderer Weise zu schützen (ähnlich wie junge Auszubildende und werdende Mütter) und Benachteiligungen am Arbeitsplatz zu minimieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird aber damit die Einsatzfähigkeit älterer Arbeitnehmer eingeschränkt, oder anders formuliert: nicht die individuellen Fähigkeiten des älteren Arbeitnehmers determinieren die Beschäftigung, sondern die Zuordnung zu einer besonderen Gruppe aufgrund des kalendarischen Alters. Das Regelwerk, das für den älteren Arbeitnehmer geschaffen wurde, hat somit partiell eher kontraproduktive Wirkung und problematisiert die Gruppe der älteren Arbeitnehmer (Landwehrmann 1975, S. 252 ff.; vgl. Morick 2002, S. 24) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gesetzgebung einerseits die Weiterund Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer fördern soll (Altersteilzeit, Gewährung von Eingliederungszuschüssen; vgl. Barkholdt 2001c, S. 17) und somit der demografischen Entwicklung und den Bedürfnissen Älterer Rechnung trägt, andererseits aber durch inflexible Regelungen z.B. bezüglich des besonderen Kündigungsschutzes eine Weiterbeschäftigung bzw. eine Wiedereingliederung behindert. Gleiches gilt auch für tarifvertragliche Regelungen. So sind ältere Arbeitnehmer aufgrund ihres kalendarischen Alters und in Zusammenhang mit einer gewissen Anzahl von Jahren der Betriebszugehörigkeit durch gesetzliche/tarifvertragliche Regelunge in besonderer Weise vor Kündigungen geschützt. Somit ist weniger die Arbeitsplatzsicherheit der Älteren durch eine potentielle Entlassung gefährdet (wobei die Unternehmen nach wie vor bestrebt sind ältere Arbeitnehmer bevorzugt auszugliedern unter Ausnutzung gesetzlicher Regelungen sowie des unterentwickelten Bedürfnisse der Arbeitnehmer selber in höherem Alter weiterzuarbeiten), problematisch ist vielmehr nach einer tatsächlichen Arbeitslosigkeit wie-
47
der in das aktive Erwerbsleben eingegliedert zu werden (vgl. Naegele 1988, S. 212, vgl. Kistler/Hilpert 200182)
2.3 Stakeholder Einflüsse Der Stakeholder – Ansatz in seiner Interpretation als „interessenpluralistisch ausgerichtetes Koalitionsmodell“ (Macharzina 1999, S. 8) stellt neben die Interessen der Anteilseigner und die des Top – Managements die Interessen anderer Koalitionspartner wie die der Mitarbeiter, der Kunden, des Staates, der Gewerkschaften etc. (vgl. ebenda). Im folgenden soll explizit auf die Anspruchsgruppen „Management“ und „Arbeitnehmer“ eingegangen werden, wobei die Gruppe der Arbeitnehmer nach dem demografischen Merkmal „Alter“ in jüngere und ältere Arbeitnehmer aufgeteilt wurde, um spezifische Merkmale und (divergierende) Interessen beider Anspruchsgruppen besser herausarbeiten zu können. Interessen des Staates, politischer Interessensvertreter und der Gewerkschaften bezogen auf die Thematik der älteren Arbeitnehmer wurden bereits unter Punkt 2.2.2 aufgegriffen. Weitere Anspruchsgruppen werden in dieser Arbeit nicht gesondert betrachtet, werden aber im inhaltlichen Zusammenhang wiederholt aufgegriffen, so finden die typischen Interessen des Koalitionspartners „Kunde“ unter Punkt 3.4.2 Berücksichtigung. Hier wird die ökonomische Relevanz des Faktors „Alter“ näher beleuchtet, bei der Überlegungen hinsichtlich einer ergrauenden Konsumgesellschaft formuliert werden.
2.3.1 Management „Eine organisationale (Über-)Alterung kann, wenn nicht eine entsprechende HR - Politik proaktiv Veränderungen der organisationalen Demografie antizipiert, zu Qualifikations- und Qualifizierungsproblemen, Innovationsstau, mangelhafter Personalentwicklung und damit verbundenen Motivations-, Integrations- und Rekrutierungsproblemen führen“ (Weber 1990, S. 274).
82
In diesem Zusammenhang spricht man auch von Zugangs- und Verbleibesrisiko (vgl. Naegele 1988, S, 212; vgl. Frerichs 1996, S. 13).
48
Den Unternehmen und damit dem Management kommt daher bei der Beschäftigung mit der Problematik alternder Belegschaften eine besondere Rolle zu (vgl. Naegele 2001, S. 4). Naegele konstatiert: „Generell sind Betriebe die wichtigsten Adressaten. Hier werden die eigentlichen Grundlagen für eine freiwillige Weiterarbeit auch im höheren Lebensalter gelegt, z.B. bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Festlegung von Arbeitsanforderungen oder der Organisation von Belastungsstrukturen“ (Naegele, 1994b, S. 15). Folgt man der Argumentation der Psychogerontologie, so ist die relevante Determinante während des Prozesses der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Externalisierung bzw. Integration älterer Arbeitnehmer die Einstellung des Managements83 gegenüber dieser Arbeitnehmergruppe. (vgl. Kohli/Wolf 1986, S. 95). Nachstehend eine Übersicht über wesentliche der mit älteren Arbeitnehmern in Verbindung gebrachten Nachteile basierend auf dem Defizitmodell:
83
Naegele (1992, S. 12) benennt Befunde, die ergeben haben, dass „betriebliche Entscheidungsinstanzen“ Belegschaftsangehörige erst dann zu den älteren Arbeitnehmern zählen, wenn diese das 50. Lebensjahr überschritten hatten, also erfolgt eine Zuordnung zu dieser Gruppe „später“ als dies z.B. die Bundesanstalt für Arbeit tut.
49
Erwartete Handicaps bei der Physiologischen Leistung
Psychologischen Leistung
Qualifikation
Eingeschränkte Wahrnehmung
Resignation, Frustration
Veraltetes Wissen
Konservatives Denken (geistige Immobilität)
Unzureichende Lernmotivation
Starrheit
Unterentwickelte Teamfähigkeit
Verminderte Reaktionsfähigkeit Geringere Leistungsreserven Abnahme von Kraft und Beweglichkeit Körperlicher Verschleiß
Abbildung 4:
Geringere physische Belastbarkeit
Fehlende Weiterbildung
Gedächtniseinbußen Geringeres Wahrnehmungstempo
Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pack et al. 2000, S. 15) Das Bild des älteren Arbeitnehmers in der Praxis, so wird argumentiert84, ist durch die Annahme geprägt, das der Mensch mit zunehmendem Alter per se körperliche und geistige Fähigkeiten abbaut oder verliert. In diesem Zusammenhang spricht man vom Defizitmodell des Alterns. Interessant hierbei ist die Tatsache, das Angehörige des Managements sich selber nicht als ältere Arbeitnehmer sehen und sich somit von den mit dieser Gruppe assoziierten Negativattributen abgrenzen, bzw. nicht mit diesen belegt werden, aufgrund des z.B. durch eine gute formale Ausbildung erlangten Status in der Unternehmenshierarchie (vgl. Naegele 1992, S. 372). Das Defizitmodell dient als Argumentationshilfe für alterselektive Personalstrategien, denn: „Die Verantwortlichkeit für Beschäftigungsprobleme kann damit auf die Person des Betroffenen oder auf „Naturgesetzlichkeiten“ verlagert werden, was im Interesse all
50
derer liegen dürfte, denen an einer Diskussion gesellschaftlich historischer Verhältnisse und Ursachen bei der Analyse sozialer Probleme nicht gelegen sein kann“ (Bäcker 1981, S. 28 zitiert in Naegele 1992, S. 369). Das Defizitmodell85 und die darauf basierenden Forschungen besagen, dass mit steigendem (chronologischen) Alter, sprich altersbedingt physische (nachlassende Muskelkraft, Verschleißerscheinungen der Knochen etc.) und psychische Fähigkeiten sowie die Lernfähigkeit abnehmen. Forschungen unterschiedlicher Fachrichtungen (Gerontologie, Arbeitswissenschaften, Psychologie, Medizin) zeigen jedoch ein wesentlich differenzierteres Bild der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer: Die physische und psychische Leistungsfähigkeit nimmt altersbedingt nicht generell ab, sie unterliegt Veränderungen, bestimmte Fähigkeiten werden im Zeitablauf schwächer, einige bleiben auf konstantem Niveau, etliche Fähigkeiten nehmen sogar mit zunehmendem Alter noch zu. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem in der psycho- und soziogerontologischen Forschung hinreichend diskutierten „altersbedingten Leistungswandel“86
87
(vgl. Naegele 1994, S. 138) (siehe dazu auch
Punkt 3.2.2.2) Einen möglichen Erklärungsansatz für die verzerrte, wissenschaftlich nicht fundierte Wahrnehmung und Bewertung Älterer in Unternehmen liefern Lehr/Niederfranke (1995, Sp. 7): Die auf ältere Arbeitnehmer projizierten (negativen) Merkmale wie eben geminderte Leistungsfähigkeit, höherer Krankheitsstand, Veränderungsresistenz etc. werden diesen „lediglich aufgrund ihres Alters zugesprochen (...) und nicht auf der Basis empirisch nachgewiesener Verhaltens- und Einstellungsmerkmale“ (Lehr/Niederfranke 1995, p. 7). Ursache hierfür sind Altersstereotype (vgl. ebenda), die die innerbetrieb-
84
Kanfer/Ackermann (2004, S. 442) kommen für die USA zu ähnlichen Ergebnissen.
85
Naegele (1992, S. 368) spricht dem Defizitmodell eine aktuelle Bedeutung ab, da seit den 60er Jahren von der Psychogerontologie wiederlegt.
86
Kistler/Hilpert (2001, S. 12) sprechen von einer „gewandelten Leistungsfähigkeit“ und „Verschiebungen in den alterspezifischen Vorteilen“
87
Selbst- und Fremdeinschätzungsstudien der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer belegen den altersbedingten Lebenswandel ebenfalls (vgl. Naegele 1992, S. 26).
51
liche Situation älterer Arbeitnehmer negativ tangieren. In diesem Fall spricht man von einem Stigmatisierungsmodell (vgl. Naegele 1992, S. 372). Es antizipiert das Defizitmodell und ist für Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer ausschlaggebend (vgl. ebenda), so jedenfalls der Ansatz der psychologischen Gerontologie. So verweist Naegele (1996, S. 20) auf (allerdings nicht repräsentative) Befragungen von Personalleitern in 20 mittelständischen Betrieben, die älteren Arbeitnehmern mangelhaftes Arbeits- und Lernverhalten88 attestieren, welches den Einsatz Älterer in Unternehmen erschwere89. Analog zu möglichen Beurteilungsfehlern der Personalbeurteilung, werden ältere Arbeitnehmer von Vorgesetzten, die ebenfalls älter sind oder enge Kontakt zu Älteren haben, positiv beurteilt. Ist der Vorgesetzte jünger und hat weniger direkten Kontakt, so fällt die Beurteilung weniger positiv aus (vgl. Naegele 1992, S. 26, Lehr/Niederfranke 1995, Sp. 7; vgl. Naegele 1992, S. 26). Als problematisch erweist sich auch die Unterschätzung der Unterschiede zwischen Älteren bei gleichzeitiger Überschätzung der Unterschiede zwischen Jung und Alt (vgl. Staufer 1992, S. 15). Friedmann/Weimer (1982, S. 35) nehmen jedoch zu obenstehender Argumentationslinie wie folgt Stellung: „Die Psychologisierung der Beschäftigungsprobleme älterer Arbeitnehmer als bloßes Produkt von Stigmatisierungsprozessen geht an der Realität der Lebens- und Arbeitssituation älterer Arbeitnehmer vollkommen vorbei“, da, so zeigten die Untersuchungen, zunehmendes Alter tatsächlich mit einem Verschleiß der Arbeitskraft korrelieren würde und dies mit dem nach „kapitalistischen Verwertungsprinzipien“ gestalteten Personaleinsatz zu erklären sei (vgl. ebenda). Ähnlich argumentieren Wolf/Kohli (1986, S. 100 f), welche weniger generelle Altersstereotype als Ursache für die Externalisierung älterer Arbeitnehmer sehen, sondern 88
Genannt werden in diesem Zusammenhang u.a. mangelnde Flexibilität, größere Lernschwierigkeiten, Versagensängste aufgrund steigender Anforderungen und die Verweigerung sich diesen zu stellen (vgl. Frerichs 1996, S. 20).
52
„starke strukturelle Kräfte“ (ebenda, S. 101), so z.B. ausgehend von internen und externen Arbeitsmärkten (vgl. ebenda). Ursächlich für abnehmende Fähigkeiten, so zeigen die Forschungsergebnisse weiterhin, sind somit nicht primär biologische Determinanten, sondern vielmehr eine nicht alters- und alternsgerechte Arbeits- und Organisationsgestaltung. Qualifizierungsprobleme entstehen dementsprechend (siehe hierzu auch unter Punkt ) durch das Ausüben bestimmter Tätigkeiten über einen langen Zeitraum. Der Arbeitnehmer kann auf sein Erfahrungswissen zurückgreifen. Es besteht keine oder nur eine geringe Notwendigkeit zu lernen. Folge sind das Verlernen selten benötigter Fähigkeiten sowie das Verlernen des Lernens selbst. In diesem Fall spricht man von einem Disuse – Effekt (vgl. Dementsprechend widerlegen mehrere Untersuchungen zum Verhalten der (Personal-)Verantwortlichen gegenüber älteren Arbeitnehmern die Vermutung, dass ein defizitäres und somit stigmatisierendes Alters- und Alternsbild maßgeblich unternehmerische Entscheidungen beeinflusst. Eine Studie aus dem Jahr 1993 von Marek und Neumann (S. 185 ff). kommt vielmehr zu dem Ergebnis, das Verantwortliche des Personalmanagements in ihrer Leistungsbeurteilung individuell und nicht pauschal aufgrund z.B. des Merkmals „Alter“ vorgehen (vgl. ebenda). Eine Befragung betrieblicher Funktionsträger in der Papier- und Chemiebranche90 hinsichtlich der Bedeutung älterer Arbeitnehmer (vgl. Kohli et al. 1988, S. 30) ergab ebenfalls eine eher differenzierende Betrachtungsweise Älterer durch die Befragten. Von den Befragten wurde konstatiert, dass ältere Arbeitnehmer körperlich bedingt in ihrer Leistung eingeschränkt sind und technischen Veränderungen abwehrend gegenüber stehen, sich aber durch Arbeitsroutine in fachlicher und sozialer Hinsicht auszeichnen (vgl. ebenda).
89
Gleichwohl attestiert Naegele (1994a, S. 16) älteren Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Betrieben scheinbar bessere Beschäftigungschancen auch aufgrund einer „altersfreundlichereren Unternehmensphilosophie“ (ebenda).
90
Die Befragung fand im Rahmen einer umfassenden Untersuchung von Regelungen über Vorruhestand und Alters-Teilzeitarbeit in der chemischen und von Regelungen des Vorruhestandes in der Papierindustrie statt (Kohli et al 1988).
53
Im Rahmen einer Untersuchung zur Bedeutung des Alterns in gegenwärtigen Innovationsprozessen91 konnte ebenfalls festgestellt werden, dass in den Unternehmen entgegen vorheriger Annahmen durchaus ein differenzierteres Bild des „Älteren Arbeitnehmers“ entworfen wird. Die befragten betrieblichen Experten kennzeichnen die Gruppe der älteren Arbeitnehmer als durchaus heterogen. „..die interindividuellen Differenzen (sind, Anm. d. Verf.) von weitaus größerem Gewicht als die intergenerationellen. Arbeitseigenschaften und -haltungen werden mehr an die Person als an das Alter zurückgebunden“ (Köchling et al 2000, S. 272). Marstedt/Müller (2003, S. 27) machen aber auf den Umstand aufmerksam, dass ein positives Bild, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen von ihren älteren Arbeitnehmern zeichnen, sicherlich auch stark geprägt ist von sozial erwünschtem Antwortverhalten bei Befragungen zu diesem Thema. Dies belegen Zahlen zu tatsächlichen Umgang mit Älteren in den Unternehmen. U.a in den für ein altersintegratives HRM wichtigen Bereichen Weiterbildung (18%), Personalentwicklung (11%), Arbeitsanforderungen (18%) und Arbeitsplatzgestaltung (17%) sind nur wenige Unternehmen aktiv (vgl. ebenda). Zusammenfassend soll festgehalten werden: Grundlegend für Entscheidungen zur Selektion bzw. Integration älterer Arbeitnehmer durch die Entscheidungsträger in Unternehmen sind in der Regel Kosten- bzw. Effizienz- und Effektivitätskriterien. Der alterselektive Umgang mit den Älteren lässt sich nicht generell auf Vorurteile und fehlendes Wissen zurückführen, sondern hat klare betriebswirtschaftliche Gründe. Höhere Kosten, die ein älterer Arbeitnehmer im Vergleich zu seinem jüngeren Kollegen verursacht, führen zu Kostensenkungsmaßnahmen der Verantwortlichen zu Lasten der Älteren (vgl. Köchling et al. 2000, S. 273). Intervenierende Variablen sind Einstellungen zu und Erfahrungen mit älteren Arbeitnehmern als subjektive Komponenten92. Lau-Villinger/Seitz 2002, S.43) sprechen in
91
Im Rahmen des BMBF – Förderschwerpunktes „Demografischer Wandel und die Zukunft der Erwerbsarbeit - Alternde Belegschaften und betriebliche Innovationsfähigkeit“ wurden in einer Studie des ISO betriebliche Innovationsmilieus von 30 Unternehmen untersucht (Köchling et al., 2000, S. 265 ff).
92
Die Vertreter der Psychogerontologie sehen diese häufig als entscheidende Variable, s.u..
54
diesem Zusammenhang von „mentalen Modellen“ die den Umgang mit älteren Arbeitnehmern beeinflussen. Mentale Programme beeinflussen ebenfalls das Verhalten der älteren Arbeitnehmer, „die Annahme von Mitarbeitern über 45 Jahre (könnte, Anm. d. Verf.) sein, dass ihr Engagement sich nicht mehr auszahlt...Sie stellen sich schon früh auf die Verrentung ein“ (ebenda) oder Ältere versuchen Jugendlichkeit so lange wie möglich vorzutäuschen (vgl. Schönholzer 1979, S. 116). Die daraus resultierende unnatürliche oder zumindest gestörte Sicht auf das eigene Alter verhindert dementsprechend eine aktive und problemorientierte Beschäftigung mit Altersvorgängen. Dennoch gilt: trifft das Management nun Personalentscheidungen, die das Defizitmodell aufgreifen und auf stigmatisierenden Altersbildern beruhen oder sich an rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen orientieren, so hat die Gruppe der älteren Arbeitnehmer letztendlich dennoch überwiegend folgende Funktion: Ältere Arbeitnehmer dienen in den meisten Unternehmen als „Flexibilitäts- und Anpassungsreserve“ (Wollert 1997, S. 3) mit der Zielsetzung konjunkturell bedingten Absatzeinbußen entgegen zu wirken und notwendige Rationalisierungsmassnahmen zu realisieren (vgl. ebenda, S. 4). Die Widerlegung des Defizitmodells des Alters hat die interne und externe Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer in den Unternehmen daher bisher nicht merklich verbessert, auch weil sich „ökonomisch – betriebswirtschaftliche Zielgrößen“ gegenüber wissenschaftlichen Ergebnissen aus der psychogerontologischen Forschung nicht durchsetzen konnten (vgl. Naegele 1992, S. 22). In der Konsequenz ist es damit vorrangiges Ziel des Managements, eine Verjüngung der Alterstruktur des Unternehmens durch den Ersatz älterer Arbeitnehmer durch Jüngere zu erreichen. Die mit einer alternden Belegschaft verbundenen Problemfelder und die daraus resultierende Notwendigkeit zu handeln und demografisch bedingte Aufgaben zu lösen, wurde kurzfristig in die nahe Zukunft verschoben (vgl. Pack et al 2000, S. 13) und könnte erklären, warum sich viele Unternehmen gegenüber den in dieser Arbeit thematisierten Problematiken indifferent zeigen (vgl. ebenda).
55
Durch die Externalisierungsstrategien der Unternehmen gelingt ebenfalls die Auflösung eines Beförderungsstaus durch die Freisetzung älterer Arbeitnehmer und die Neubesetzung der Stellen durch Jüngere, somit wird vermieden das jüngere Arbeitnehmer mangels ausreichender Aufstiegschancen das Unternehmen verlassen. Es ist jedoch abschließend darauf hinzu weisen, dass neben dem Management andere Anspruchsgruppen (innerhalb des Betriebs die Arbeitnehmervertretung sowie insbesondere die Gruppen der jüngeren und der älteren Arbeitnehmer) ebenfalls auf betriebliche Entscheidungen bezüglich des Umganges mit älteren Arbeitnehmern Einfluss nehmen können (siehe hierzu Punkt 2.3.3 und 2.3.4). Somit ist die erfolgreiche Gestaltung eines professionellen HRM, welches den demografischen Faktor ausreichend berücksichtigt, abhängig von der Meinungsbildung aller internen Anspruchsgruppen. Dementsprechend werden nachstehend die Belegschaftssegmente „Ältere und jüngere Arbeitnehmer“ hinsichtlich ihrer Beschäftigungssituation und ihrer Interessen hinreichend dargestellt.
2.3.2 Ältere Arbeitnehmer Eine Betrachtung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer auf den internen93 und externen Arbeitsmärkten muss - soll die Frage nach einer möglichen (Wieder-)Eingliederung fundiert beantwortet werden – in der Literatur häufig diskutierte Fragestellungen der (Früh-)Verrentung (Motive des frühen Ausscheidens, soziale Bedingungen) etc. ebenso aufgreifen wie Untersuchungen der Psychogerontologie und Sozialgerontologie zu möglichen Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer. Eine ökonomische Entscheidung für bzw. gegen die Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer hängt ganz entscheidend davon ab, ob es gelingt, durch Maßnahmen des PHRM nachstehende Beschäftigungsrisiken zu minimieren. Innerbetriebliche Beschäftigungsrisiken bestehen vor der Arbeitslosigkeit und werden durch die Rekrutierungs- bzw. Entlassungspolitik der Unternehmen teilweise in den externen Arbeitsmarkt transportiert (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 25). Naegele
93
Als interne Arbeitsmärkte werden Orte innerhalb von Betrieben, Unternehmen oder Verwaltungen verstanden, an denen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage aufeinandertreffen (vgl. KleinSchneider 2002, S. 21).
56
(1992, S. 20) trifft hinsichtlich der Beschäftigungsrisiken für ältere Arbeitnehmer folgende Aussage: „Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Ausprägungen lassen sie (die „typischen“ Beschäftigungsrisiken, Anm. d. Verf.) sich im Grundsatz alle auf nur zwei Grundrisiken zurückführen: 1. Ein höheres Qualifikationsrisiko sowie 2. ein höheres Krankheitsrisiko“. Dem soll in dieser Arbeit widersprochen werden, denn: individuelle Fähigkeiten werden u.a. nur dann wirksam, wenn eine ausreichende Leistungsbereitschaft vorhanden ist. Das Identifikations- und Motivationsrisiko ist daher von absoluter Relevanz. Gleichwohl stehen alle drei Risikofelder in Zusammenhang und beeinflussen einander. Dies wird an einem Beispiel aus der Praxis deutlich. Die Analyse der Arbeitssituation älterer Arbeitnehmer im Maschinenbauunternehmen KSB ergab, das stetig steigender Leistungsdruck und, damit verbunden, zunehmender Stress, monotone Tätigkeiten über Jahre hinweg, fehlende materielle und immaterielle Anerkennung als auch das Fehlen alterspezifischer Weiterbildungsangebote die Gesundheit und Qualifikation gefährden, und nicht zuletzt die Motivation der Älteren, im Betrieb zu verbleiben (vgl. IAB 2003, S. 6). Erklärungsansätze aus der Organisationssoziologie setzen z.B. den Krankenstand und die Krankheitshäufigkeit in Zusammenhang mit der betrieblichen Arbeitssituation des älteren Arbeitnehmers. Die tätigkeitsbedingte und letzthin unbefriedigende Belastung des Älteren durch eine spezifische Arbeitssituation führt zur mangelnden Arbeitsmotivation bzw. fehlender Arbeitszufriedenheit. Ältere Arbeitnehmer meiden eben folglich diese Arbeitssituation und bleiben dem Unternehmen fern (vgl. Naegele 1992, S. 57). Demnach wäre der krankheitsbedingte Absentismus Ausdruck eines Protestverhaltens der Älteren aufgrund einer als unbefriedigend und belastend empfundenen Arbeitssituation. Naegele (1988, S. 212) fasst die Situation älterer Arbeitnehmer auf internen und externen Arbeitsmärkten wie folgt zusammen: „Insgesamt sprechen eine stark rückläufige Erwerbsbeteiligung, drastisch gesunkene Wiederbeschäftigungschancen, ein weit verbreiteter Wunsch nach möglichst frühem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sowie zunehmende Frühverrentungsquoten
57
wegen Schwerbehinderung, Frühinvalidität und Arbeitslosigkeit dafür, dass ältere Arbeitnehmer zu den wichtigsten Problemgruppen des Arbeitsmarktes zu zählen sind“. Genannte Tatbestände sind Ausdruck wirksamgewordener Beschäftigungsrisiken für ältere Arbeitnehmer. Nachstehend werden diese umfassend dargestellt.
2.3.2.1 Gesundheitsrisiko „Ein schlechter Gesundheitszustand ist der hauptsächliche Grund für das vorzeitige Ausscheiden aus der Arbeit oder für den Wunsch danach“ (Wolf/Kohli 1988, S. 4 f.; vgl. auch dazu auch Badura 2003, S. 41)94. Der Gesundheitszustand spielt somit sowohl bei der Entscheidung der Unternehmen, ältere Arbeitnehmer weiter- und wiederzubeschäftigen, als auch bei der Entscheidung der Betroffenen selbst, die berufliche Tätigkeit bis zur Ruhestandsgrenze und darüber hinaus fortzusetzen, neben anderen Determinanten wie der Einstellung zur Arbeit und der finanzielle Lage (vgl. Künemund, Voges 1989, S. 133), eine wesentliche Rolle, denn: Der Gesundheitszustand war in den neunzehnhundertachtziger Jahren bei mehr als 50% der arbeitslosen Älteren ursächlich für deren Arbeitslosigkeit (vgl. Naegele 1988, S. 212). Eine schlechte gesundheitliche Verfassung als Folge beruflicher Belastung war der Grund für eine Entlassung, Nichteinstellung, die eigene Kündigung95 oder die Selektionsentscheidung des Unternehmens (vgl. ebenda). Ältere Arbeitnehmer sind im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen zwar seltener krank gemeldet, doch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit nimmt mit steigendem Alter zu, so ist z.B. der Krankenfehlstand der Mitarbeiter über 50 Jahre bei DaimlerChrysler im Vergleich zu deren jüngeren Kollegen ungefähr doppelt so hoch (vgl. o. Verf. 2003, S. 3). Ebenso steigt bei älteren Arbeitnehmern das Risiko von Arbeitsunfällen mit tödlichem Ausgang (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 27; vgl. dazu umfassend Lehr 1991, S. 200 ff vgl. Maintz 2003, S. 45 f.). Ältere Arbeitnehmer sind dabei häufig von Muskel94
Wichtig sind in diesem Zusammenhang neben anderen Faktoren (z.B. die Veränderung des Einkommens) auch die private Lebenssituation (familiäre Situation, Interesse auch an außerberuflichen Aktivitäten).
95
Friedmann/Weimer (1982) sehen die Belastungen durch den Arbeitsplatz gar als eine der bedeutsamsten bei der Motivation und Bereitschaft, das Erwerbsleben zu verlassen.
58
und Skelett- sowie von Herz- und Kreislauferkrankungen betroffen (vgl. Morschhäuser 2000, S. 285). Körperliche Schwerarbeit, Umweltbelastungen wie Lärm und Verschmutzung, aber auch andauernde Mehrarbeit und ein kontinuierlich hohes Arbeitstempo beeinflussen die physische Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer negativ (vgl. Köchling et al. 2000, S. 10)96 97. Eine im Vergleich zu jüngeren Kollegen schlechtere gesundheitliche Gesamtsituation (vgl. Naegele 1992, S. 55 ff.)98
99
ist Folge einer oft jahrzehntelangen Belastung des
Körpers (Belastungsdauer und Belastungsintensität). Dies gilt in besonderem Maße für Arbeiter und Arbeitnehmer aus dem gewerblichen Bereich. Arbeitnehmer, die in geringerem Umfang oder keinen körperlichen Belastungen ausgesetzt wurden, haben dementsprechend weniger gesundheitliche Schäden100 (vgl. Künemund, /Voges 1989, S. 133, vgl. Frerichs/Naegele 2001, S. 88). Schlussfolgernd lässt sich daher sagen: „Hier zeigt sich, dass man nicht von der Problematik „des“ älteren Arbeitnehmers allgemein sprechen kann, sondern, dass hier erhebliche Differenzierungen in Abhängigkeit von den Arbeitsbedingungen notwendig sind“ (Friedmann/Weimer 1982, S. 27)101.
96
Köchling et al. (2000, S. 84 f.) sprechen an anderer Stelle von älterenkritischen Belastungen wie Nacht und Schichtarbeit. In diesem Zusammenhang werden auch „andauernde spezifische Überforderungskonstellationen mit unbegrenzter Arbeitszeit, hohem Termin- und Zeitdruck u.ä. genannt (vgl. ebenda).
97
Pack et al. (2000, S. 20) führen hier das Beispiel des Dachdeckers an . Bedingt durch die momentane Arbeits- und Organisationsgestaltung begrenzt der körperliche Verschließ die Ausübungsdauer dieses Berufes auf 20 – 30 Jahre. Diese Erkenntnisse beruhen auf Untersuchungsergebnissen des Forschungsverbundes „Zukunftsfähige Anforderungen und Strategien im Handwerk“ aus dem Jahr 1999.
98
In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sowohl bezüglich des Krankenstandes als auch der Krankheitshäufigkeit Parallelen zwischen der Gruppe der unter 30jährigen und der Gruppe der über 50jährigen festzustellen ist (vgl. Naegele 1992, S. 56), Naegele nennt dies eine Zweipoligkeit in der Altersverteilung (ebenda).
99
Lt. Naegele (1994b, S. 17) erreichen ca. 50% aller Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht die gesetzlichen Altersgrenzen.
100
Dennoch kamen neuere Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass auch ältere Arbeitnehmer in Dienstleistungsbereichen einer nicht geringen Belastung unterliegen, die im Vergleich zu den Belastungen der Erwerbsbevölkerung insgesamt höher ist (vgl. Frerichs/Naegele 2001, S. 88).
101
Lehr (1988, S. 30) spricht in einem anderen Zusammenhang von der Individualität der Alternsprozesse, denn „die Anzahl der Lebensjahre sagt äußerst wenig über Kräfte, Leistung, Fertigkeiten und Fähigkeiten, Erleben und Verhalten einen Menschen aus“ (ebenda).
59
Hurrelmann (1988, S. 83) differenziert ebenfalls hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit und der beruflichen Position: „Der wesentliche Grund für die höheren Krankheits- und Sterblichkeitsraten bei Angehörigen niedriger Berufsgruppen muss in signifikantem Zusammenhang zwischen der beruflichen Stellung nach Tätigkeit und Qualifikation und dem Ausmaß der Gesamtbelastung in der Arbeits- und den hiervon beeinflussten Lebensbedingungen gesehen werden“. Gleichwohl kann auch eine körperliche Unterforderung zu gesundheitlichen Schäden führen. Permanentes Sitzen am Arbeitsplatz kann z.B. mit Erkrankungen der Bandscheibe gleiche Folgen haben wie die physische Überlastung (vgl. Pack et al. 2000, S. 14). Weiterhin zeigen psycho- und medizingerontologische Forschungsergebnisse auch, dass die Tätigkeit mit dem physischen und psychischen Leistungsvermögen korreliert. Eine durch den Wegfall der Arbeit bedingte Inaktivität102 führt zu einer Rückbildung bestimmter physischer, psychischer und sozialer Fähigkeiten (vgl. Lehr 1988, S. 35). In diesem Zusammenhang spricht man von der, vielfach belegten, disuse – Hypothese (vgl. ebenda). Frese (1985, S. 227) stellt dementsprechend fest: „Die Forschung zum Zusammenhang von Arbeitstätigkeit und psychischer Gesundheit muss mit einem Paradoxon leben: Arbeit hat eine positive Funktion zur Aufrechterhaltung von psychischer Gesundheit, und gleichzeitig behauptet die Literatur zu Stress am Arbeitsplatz, dass Arbeitstätigkeit auch Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorbringt. Offensichtlich können einige Dimensionen der Arbeitstätigkeit psychische Gesundheit, andere hingegen Beeinträchtigung hervorbringen.“ Laut Friedmann/Weimer (1982, S. 26 ff) stellt sich die Korrelation zwischen Belastung und Alter als umgekehrte U – Kurve dar. Arbeitnehmer bis zum Alter von 30 bis
102
Der Mangel an Aktivität führt zur Verkümmerung physischer, psychischer und sozialer Fähigkeiten („Inaktivitätsathropie“), Arbeit hingegen ist als geroprophylaktisch anzusehen (vgl. Lehr 1988, S. 35).
60
40 Jahren sind den höchsten Belastungen103 ausgesetzt, erste Gesundheitsschäden treten auf, in späteren Jahren sinkt die Belastung104
105
. Dementsprechend werden
physische und psychische Defizite im Alter (vor-)produziert durch Belastungsdauer106 und Belastungsintensität107 in früheren Jahren und sind nicht bedingt durch eine vom biologischen Alter verursachte Leistungsminderung (vgl. ebenda, S. 27). Die individuelle gesundheitliche Verfassung dokumentiert daher nicht das kalendarische Alter, sondern vielmehr die Arbeitsbedingungen der Vergangenheit und wird durch diese bestimmt (vgl. Pack et al. 2000, S. 15). Relevant ist auch der Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und dem Verhältnis der älteren Arbeitnehmer zu Vorgesetzten und jüngeren Kollegen. Ein schlechter Gesundheitszustand und eine nachlassende Leistungsfähigkeit beeinflussen die Wahrnehmung von Vorgesetzten und jüngeren Kollegen negativ (vgl. Kaser 1966, S. 51 ff.). „ Es ist einleuchtend, dass Ältere, denen ihre Arbeit körperlich immer schwerer fällt, Rügen oder Beanstandungen...persönlicher nehmen oder eine Anerkennung mehr vermissen als gesunde Mitarbeiter“ (ebenda, S. 56). Das Gesundheitsrisiko stellt sich in dieser Hinsicht somit ebenfalls als Motivationsrisiko dar.
2.3.2.2 Qualifikationsrisiko Aus Unternehmenssicht wird der Einsatz älterer Arbeitnehmer dann problematisch, wenn arbeitsplatzbezogene Anforderungen an den Stelleninhaber und dessen Fähigkeiten eine nur noch geringe Schnittmenge bilden. Diese Schnittmenge wird im Zeitverlauf dann geringer, wenn technologischer Wandel (Veränderung der Anforde103
Jordan (2004) benennt hier als berufsbezogene Risikofaktoren u.a. schwere körperliche Arbeit, fehlende soziale Unterstützung und Anerkennung, mangelnde Aktivierung der Fähigkeiten und Qualifikationen oder auch die fehlende Stimulierung von Ideen.
104
Arbeitsplätze mit hohem Belastungsfaktor werden im Allgemeinen vor dem 40. Lebensjahr aufgenommen, mit steigendem Alter sinkt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer auf einen belastenden Arbeitsplatz wechselt (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 27).
105
Genannte Befunde unterstützen die Aussage von Naegele (1994a, S. 14), dass die Beschäftigungsrisiken sich längerfristig entwickeln, sie also bestimmt werden von „Karriereverläufen“ (ebenda).
106
Ein Arbeitnehmer über 40 Jahre, der über zehn Jahre lang einen belastenden Arbeitsplatz eingenommen hat, hat zwei- bis dreimal mehr arbeitsbedingte Krankheiten als ein Gleichaltriger ohne entsprechende Belastung (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 27).
107
Relevant für den späteren gesundheitlichen Zustand sind hier Einfach- oder Mehrfachbelastung (vgl. ebenda).
61
rungsprofile im Zeitablauf) auf statische Fähigkeitenprofile (bedingt durch veraltetes Fachwissen) bzw. sich verschlechternde Fähigkeitenprofile trifft (vgl. Naegele 1994, S. 138). Vorwegnehmend sei gesagt, dass oben dargestellter Sachverhalt auch für jüngere Arbeitnehmer relevant ist. Aus noch näher zu erläuternden Gründen werden ältere Arbeitnehmer aber vielfach bei der Qualifizierung benachteiligt (oder benachteiligen sich selbst), sodass es ihnen nicht gelingt, die Anforderunglücke durch Maßnahmen der Personalentwicklung zu schließen. Weiterbildung aber ist, insbesondere unter dem Druck hoher Innovationsdynamik, Vorraussetzung „für die bloße Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit“ (Barkholdt 2001c, S. 34). Naegele (1992, S. 35) fächert das Dequalifikationsrisiko, also das Risiko der „Entwertung vorhandener Qualifikation“ (ebenda) in drei Entwertungsrisiken (zur Veränderung des betrieblichen Qualifikationsbedarfs vgl. auch Barkholdt 2001c, S. 18 ff.) 1. Ein erlernter Beruf kann aufgrund tief greifenden Wandels komplett entfallen oder damit verbundene Tätigkeiten sich grundlegend verändern. 2. Produktionstechnischer und/oder organisatorischer Wandel kann zu einer Veränderung des Anforderungsprofils führen (Dequalifizierung)108. 3. Aufgrund der Ausübung gleicher Tätigkeiten über Jahre oder Jahrzehnte kann sich das Fähigkeitsprofilsprofil verengen, da erlernte oder angeborene Kompetenzen aufgrund mangelnder Notwenigkeit im Zeitablauf verkümmern (Dequalifikation)109. Im Folgenden soll allerdings allgemein von „Qualifikationsrisiko“ gesprochen werden. Das Qualifikationsrisiko umfasst zum einen das Dequalifikationsrisiko nach obigem Verständnis, als auch das Risiko des älteren Arbeitnehmers, entstandene Qualifikati108
Staudinger (2003, S. 65) dazu: „In den westlichen Industriegesellschaften ist eine zunehmend älter werdende Bevölkerung mit immer stärker beschleunigtem Technologie- und Wissenswandel konfrontiert. ...sie (das Individuum und die Gesellschaft, Anm. d. Verf.) müssen auch damit umgehen, dass Konzepte wie einmaliger Kompetenzerwerb ....der Vergangenheit angehören“:
109
Die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat zu einer höheren Nachfrage nach Management- und Führungsqualifikationen geführt. In gleichem Maße sind Forschung und Entwicklung, betreuende und beratende Dienstleistungen sowie die Wissensvermittlung in ihrer Bedeutung bei nachgefragten Qualifikationen gestiegen (vgl. Behrend 2000, S. 404). Die hat negative Auswirkungen auf die altersspezifische Beteiligung am Erwerbsleben, da ältere Arbeitnehmer aufgrund ihrer Qualifikation in den sogenannten Wachstumsbranchen aber eher unterrepräsentiert, in sekundären Sektor der Volkswirtschaft oder auch im öffentlichen Dienst überrepräsentiert sind. Eben diese Bereiche aber unterliegen aufgrund starken Umstrukturierungen eher Downsizing – Tendenzen (vgl. ebenda).
62
onslücken (s.o) nicht schließen zu können oder zu wollen. Qualifikationsrisiko ist somit ebenfalls ein Motivationsrisiko. Die Wiederherstellung einer annähernden Deckungsgleichheit von Anforderungsund Fähigkeitsprofil kann entweder durch den Ersatz eines älteren Arbeitnehmers durch einen Jüngeren geschehen, dessen Qualifikation den derzeitigen Arbeitsplatzanforderungen entspricht. Eine weitere Alternative ist die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Aktualisierung, Erweiterung und/oder Vertiefung vorhandenen Wissens. Letztgenannte Alternative wird seitens der Unternehmen aber auch seitens der älteren Arbeitnehmer nicht präferiert, da die Gruppe der älteren Arbeitnehmer bei der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen in Vergleich zu den jüngeren Arbeitnehmern unterrepräsentiert ist (vgl. Koller/Plath 2000, S. 114 ff,) Bei der Darstellung des HRM – Aktionsfeldes Personalentwicklung werden die Ursachen hierfür genauer analysiert. Betrachtet man das „formale berufliche Qualifikationsniveau“ (Koller/Plath 2000, S. 114), so wird die Annahme widerlegt, dass ältere Arbeitnehmer im Vergleich zu Jüngeren wesentlich niedriger qualifiziert sind110. Tatsächlich liegt das formale berufliche Qualifikationsniveau bei den Altersjahrgängen zwischen 30 und 50 Jahren relativ nah beieinander. Ein Qualitätsunterschied in der formalen beruflichen Ausbildung wird erst in der Altersgruppe der über 55jährigen deutlich. Hier gibt es im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern mehr Personen ohne Berufsausbildung und einen geringeren Anteil an Hochschulabsolventen (vgl. ebenda). Dennoch besteht ein qualitativer Unterschied zwischen den Altersgruppen. Berufseinsteiger verfügen naturgemäß über ein aktuelleres Niveau in ihrer Erstausbildung (Formalausbildung) (vgl. Naegele 1994, S. 140). Zugespitzt formuliert, trifft dies allerdings nicht nur auf die einzelnen Generationen zu, sondern, sicherlich mit geringeren Unterschieden, auch auf einzelne Jahrgänge. Darüber hinaus absolvieren Berufseinsteiger nicht zuletzt oftmals Trainee - Programme, um sie auf praxisbezogene,
110
Koller/Plath (2000, S. 114) beziehen sich auf die Gesamtbildungsrechnung des IAB aus dem Jahr 1995. Diese weist auf der Basis der durch den Mikrozensus erhobenen Qualifikationsstrukturen die Bevölkerung (Alte und Neue Bundesländer, Anm. d. Verf.) nach Alter, Erwerbsbeteiligung und Qualifikationsstruktur aus.
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unternehmensspezifische Arbeitsabläufe vorzubereiten. Insofern kann nicht grundsätzlich von einem Qualifikationsrisiko älterer Arbeitnehmer gesprochen werden. Barkholdt (2001a, S. 37) relativiert im Übrigen die Bedeutung intergenerativer Qualifikationsunterschiede. Die stetig sinkende Halbwertzeit des Wissen mache es altersübergreifend notwendig, Qualifikationen fortlaufend zu aktualisieren, dementsprechend gelte zunehmend, unabhängig vom Alter, eine Begrenzung der Dauer von Tätigkeiten (vgl. ebenda). Es ist zu unterscheiden zwischen der Erstausbildung und der Veränderung des Wissensbestandes (auf Basis der formalen beruflichen Qualifikation) im Zeitablauf111. Ein Qualifikationsrisiko entsteht mittel- und langfristig dann, wenn während der beruflichen Tätigkeit Wissen nicht in ausreichendem Masse aktualisiert und erweitert wird. Die Fähigkeit zum Lernen steht in Korrelation zur Motivation und Intelligenz der Lernenden, wobei der Intelligenz eine Innovationsdynamik innewohnt, die wiederum durch die Intensität der Lern(Motivation) beeinflusst wird (vgl. Rosenmayr 1988, S. 142).
2.3.2.3 Identifikations- und Motivationsrisiko Ist die Verrentung eines älteren Arbeitnehmers kurzfristig absehbar, so scheinen Unternehmen in der Mehrzahl notwendige Fragen der Identifikation und Motivation zu ignorieren, bzw. zu negieren. Für Ältere werden in den Betrieben Schonräume geschaffen, die sie entlasten sollen, aber gleichzeitig isolieren (vgl. Lau-Villinger/Seitz 2002, S. 4)112. Wie unter Punkt 2.3.3.4 in anderem Zusammenhang noch näher erläutert, ist ein Arbeitsplatzwechsel (z.B. auf einen „Schonarbeitsplatz“) für ältere Arbeitnehmer oft mit einer Herabstufung in der Unternehmenshierarchie verbunden. Statusverlust und Isolation fördern so den Demotivierungsprozess älterer Arbeitnehmer zusätzlich. Behrens (2001, S. 18) spricht in diesem Zusammenhang von „Entmu-
111
Barkholdt/Frerichs/Naegele (1996) verweisen in diesem Zusammenhang auf den Alterungsprozess formaler Ausbildungsabschlüsse, der eine Schwerpunkverlagerung auf Flexibilität und fachübergreifende Qualifikationen erfordert.
112
Henner (1994, S. 150) stellt aber auch fest, das ein großer Teil der älteren Arbeitnehmer schon frühzeitig beginnt, sich selber zu schonen, um im Hinblick auf den eigenen Ruhestand diesen geistig und körperlich ausreichend fit gestalten zu können. Auch hier ist Demotivation die Folge, denn „verringertes berufliches Engagement bringt weniger Erfolgserlebnisse und führt zu großer Unzufriedenheit“ (ebenda).
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tigung und Rufverlust“. Diese „bilden eine vom psychophysischen und moralischen Verschleiß von Qualifikationen unabhängige Dimension“ (ebenda). Lehr (1988, S. 35) verweist auf Untersuchungen, welche die Arbeit als Ursache für Wohlbefinden bei vielen Menschen, insbesondere bei Älteren, identifizieren. Die mit der Erwerbstätigkeit verbundene Wertigkeit der eigenen Person steht in engem Zusammenhang mit körperlichem und geistigem (Un-)Wohlsein im Falle einer (Nicht)Beschäftigung (vgl. ebenda). Wird also die Tätigkeit älterer Arbeitnehmer durch jugendzentrierte Maßnahmen des HRM entwertet, so ist dies gleichermaßen mit der Entwertung des Betroffenen gleichzusetzen. Die Untersuchung des Stellenwertes personalpolitischer Instrumente bei Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen113 (vgl. Hilb 1997, S. 34) ergab für Arbeitnehmer über 50 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt der Belegschaft eine hohe Wichtigkeit der Sozialleistungen, der Beschäftigungssicherheit sowie des Images der Organisation in der Öffentlichkeit. Signifikant unwichtig für die Gruppe der über 50jährigen waren hingegen die Weiterbildung, die Arbeitszeitregelung, Zeit für Privatleben und die Ferienregelung (vgl. ebenda). Für Unternehmen ist es deshalb wichtig zu erkennen, dass Instrumente der Identifikation und Motivation altersdifferenzierend ausgestaltet werden müssen. Der Zusammenhang zwischen Motivation und Lernen bzw. dem Lernerfolg wurde schon kurz angesprochen. Motivierende und unterstützende Maßnahmen für ältere Lernende seitens der Organisation, der Führungskraft und der (älteren und jüngeren Kollegen) haben kompensierende Effekte auf altersbedingte Veränderungen der fluiden Intelligenz (vgl. Rosenmayr 1988, S. 144). Ältere Arbeitnehmer zeichnen sich im Vergleich zu ihren jüngeren Kollegen aber dennoch insgesamt durch eine größere Arbeitsplatzzufriedenheit aus (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 199, vgl. Lehr 1987, S. 5 f.). Dies deutet auf eine hohe Übereinstimmung zwischen ihren Erwartungen und Werthaltungen einerseits und den 113
Die Veröffentlichung von Hilb (1995) zeigt das Wichtigkeitsprofil von Mitarbeitern über 50 Jahren im Vergleich zum Durchschnitt des Personals (N=3595) einer stattlichen Organisation. Die Mitarbeiter mussten auf einer Skala von 1 (wichtig) bis 6 (unwichtig) verschiedene personalwirtschaftli-
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Merkmalen ihrer Arbeitsplatzsituation hin (vgl. Wunderer 2003, S. 605). Oechsler (2000, S. 154) verweist aber auf den Unterschied zwischen Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit, ein Arbeitnehmer könne aufgrund seiner guten Bezahlung eine hohe Arbeitszufriedenheit haben, aber wegen mangelnder Möglichkeiten der Selbstverwirklichung nur gering motiviert sein114 (vgl. ebenda). Dieses Beispiel kann durchaus auf die Situation älterer Arbeitnehmer übertragen werden. Aufgrund des Senioritätsprinzips mögen sie besser verdienen als ihre jüngeren Kollegen. Intrinsische Motive hingegen werden nicht bedient. Folgende Faktoren wirken sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit älterer Arbeitnehmer aus: ein steigender Belastungsgrad, eine zunehmende altersspezifische Beanspruchung, ein sich verschlechterndes Arbeitsplatzprofil, ein sich verschlechternder Gesundheitszustand und eine verringerte Arbeitsplatzsicherheit. Faktoren für Unzufriedenheit sind weiterhin vermehrte Erfahrungen mit erzwungenen Arbeitsplatzwechseln, bedingt durch Rationalisierungsmaßnahmen und mit den Arbeitsplatzveränderungen, bedingt durch technologisch-organisatorischen Wandel115 (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 202). Lehr (1991, S. 185) weist allerdings darauf hin, dass Arbeitnehmer in ihrem dritten oder vierten Lebensjahrzehnt ebenfalls und im gleichen Umfang subjektiv empfundene Störfaktoren innerhalb des beruflichen Umfeldes wahrnehmen. Lediglich die Qualität ist altersabhängig. So spielen in jüngeren Jahren Probleme der Berufswahl oder der subjektiv empfundene Widerspruch zwischen Anspruch und Realität im Beruf eine starke Rolle. In den späteren Lebensjahren spielen eher Fragen des beruflichen Aufstiegs eine intervenierende Rolle (vgl. ebenda, S. 186). Das Identifikations- und Motivationsrisiko, das ältere Arbeitnehmer inner- und außerbetrieblich zu einer Problemgruppe machen kann, ist dementsprechend zu einem großen Teil auf externe Einflussfaktoren zurückzuführen. Eine mangelnde Identifikation und Demotivation dieser Arbeitnehmergruppe ist nicht zwingend eine natürliche Folge des Alterns. Ältere Arbeitnehmer verkörpern nicht unbedingt eine problematiche Instrumente (u.a. Zusammenarbeit, Kollegen, Selbständigkeit, Interne Information, Entwicklungsmöglichkeiten etc.) hinsichtlich ihres Stellenwertes einordnen. 114
Das Motiv der Selbstentfaltung kann nicht befriedigt werden (vgl. Oechsler 2000, S. 154).
115
Friedmann/Weimer (1982, S. 202) verweisen hier auf eine Tendenz.
66
sche Arbeitnehmergruppe. Eine unzureichende (strategische) HR – Politik macht sie vielmehr dazu (vgl. Landwehrmann 1975, S. 254). Ebenso, darauf so abschließend nochmals hingewiesen, bedarf es aber auch einer veränderten Einstellung der älteren Arbeitnehmer zu sich selbst und zur Arbeit als solcher. Eine frühzeitige und einseitige Fixierung auf die arbeitsfreie Zeit im Ruhestand verstärkt o.g. Demotivationsfaktoren zusätzlich.
2.3.2.4 Sonstige Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer Im Vergleich mit jüngeren Arbeitnehmern sind ältere Arbeitnehmer weniger mobil (vgl. Volkholz 1996, S, 46), wobei die geringere Mobilität sowohl eine physische als auch eine psychische Komponente beinhalten kann. Eine physisch bedingte, geringere Mobilität entsteht, wenn in einem fortgeschrittenen Alter langjährige soziale Bindungen (Familien und Freunde) sowie der Besitz von Immobilien den Bewegungsradius räumlich einschränken und somit einen räumlichen Arbeitsplatzwechsel erschweren oder unmöglich machen116. Die Mobilität älterer Arbeitnehmer ist dabei in den vier Dimension innerbetrieblich, zwischenbetrieblich, räumlich und (arbeits-)zeitlich eingeschränkt (vgl. Frerichs/Naegele 2001, S. 86). Ein inhaltlicher Arbeitsplatzwechsel, sprich die Veränderung der Tätigkeit, bedeutet für ältere Arbeitnehmer u.U. eine berufliche Abstufung (Statusverlust etc. und daraus resultierend Demotivation sind mögliche Konsequenzen). Wissend um die negativen Folgen einer für das Unternehmen möglicherweise notwendigen beruflichen Umbzw. Neuorientierung, stehen ältere Arbeitnehmer einem (inhaltlichen) Arbeitsplatzwechsel daher ablehnend gegenüber und sind somit psychisch immobil. Die unter Punkt 2.3.3.1 bis 2.3.3.3 skizzierten Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer führen indes häufig zu altersbedingten Umsetzungen117, einhergehend u.U. mit einer Dequalifizierung und Einkommensminderungen (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 32). Eine geringer werdende Aufstiegsorientierung älterer Arbeitnehmer wirkt eben-
116
Konstatiert wird eine abnehmende zwischenbetriebliche Mobilitätsbereitschaft ab dem 55. Lebensjahr (vgl. Jordan 1994, S. 43).
117
Häufig werden älterer Arbeitnehmer auf sogenannte „Schonarbeitsplätze“ umgesetzt (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 31). Diese „Tätigkeitsfelder mit reduzierten Arbeitsbelastungen“ (Morschhäuser 2003, S. 67) werden aber durch organisationale Konsolidierungsmaßnahmen zunehmend obsolet.
67
falls mobilitätshemmend. Die berufliche Mobilität geht insgesamt ab dem 35. Lebensjahr stark zurück und kommt, was einen Arbeitsplatzwechsel betrifft, ab dem 50. Lebensjahr beinahe zum Erliegen (vgl. Möckli 1999, S. 70). Der Mobilität kommt jedoch bei der beruflichen Weiterbildung eine besondere Rolle zu. Eine Befragung von Experten zu motivationalen Faktoren der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung ergab, dass Arbeitnehmer häufig Weiterbildungsangebote nicht in Anspruch nehmen, da aufgrund der Entfernung zum Standort oder zum Wohnort Mobilität erforderlich ist (vgl. Kuwan/Waschbüsch 1994, S. 51). Mobilitätsanforderungen können sich dabei nicht nur auf die Weiterbildung selbst beziehen, sondern auch auf den Umstand, dass der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung dahingehend geschult werden soll, im Anschluss neue Aufgaben an einem neuen Standort wahrnehmen zu können (vgl. ebenda). Wolf/Kohli (1986, S. 101) sehen die Ursache für die geringere Mobilitätsbereitschaft Älterer aber spiegelbildlich auch im Verhalten der Vorgesetzten begründet, da diese das Blockadeverhalten der Älteren mit z.B. deren spezifischer Lebenssituation rational erklären. Flexibilität und Mobilität werden so von einer Anforderung zu einer Zumutung umgedeutet.
2.3.3 Jüngere Arbeitnehmer Technologischer Wandel und die damit verbundenen Rationalisierungsmaßnahmen in den Unternehmen verstärken die Verteilungskämpfe um Einstiegs- und Aufstiegschancen zwischen den Jüngeren und Älteren auf den außer- und innerbetrieblichen Arbeitsmärkten (vgl. Henner 1994, S. 151). Am Beispiel der unter Punkt 2.4.4 in einem anderen Kontext beschriebene „Spezialisierungsfalle“ lässt sich dies gut verdeutlichen: Die aufgrund ihres Erfahrungswissens bei der Produktion eher älterer Produkt- oder Baureihen eingesetzten älteren Arbeitnehmer vermeiden den Wissenstransfer zu jüngeren Kollegen, um sich durch den Aufbau von Exklusivwissen relative Arbeitsplatzsicherheit zu schaffen. Wolf (2000, S. 35) benennt hier das Phänomen der „innerbetrieblichen Wissensblockaden“, die die Innovationsfähigkeit der Unternehmen
68
negativ tangieren. Vor diesem Hintergrund sind genannte Wissensblockaden sicherlich beidseitiger Natur. Entsprechend der Verweigerungshaltung älterer Arbeitnehmer bei Wissenstransferprozessen verschaffen sich auch jüngere Arbeitnehmer strategische Vorteile, indem Sie Monopole bei aktuellem Fachwissen aufbauen. Werden ältere Kollegen in Teams mit jüngerem Durchschnittsalter versetzt, so gibt es Akzeptanzprobleme seitens der Jüngeren, da die Älteren zwar ein veraltetes Fachwissen mitbringen, aufgrund des Senioritätsprinzips (siehe Punkt) aber besser entlohnt werden und eine, bedingt durch einseitige und erfahrungswissensbasierte Routinetätigkeiten, verminderte Flexibilität aufweisen, z.B. bei der Gestaltung der Arbeitszeiten (vgl. Pack et al. 2000, S. 24). Der Generationenkonflikt kann dabei negativ auf die Effizienz und Effektivität der Unternehmen wirken. Ursache sind eine problematische Entscheidungsfindung, alltägliche Konflikte am Arbeitsplatz, juristische Konflikte sowie negative Auswirkungen auf die Physis und Psyche der Arbeitnehmer (vgl. Rosenmayr 1988, S. 141). Lehr (1991, S. 187) verweist darauf, das ältere Arbeitnehmer die Konkurrenz mit jüngeren Kollegen als Störfaktor empfinden118. Die von den Älteren beneidete Jugendlichkeit verleitet die älteren Kollegen gleichermaßen dazu, aktuelleres Fachwissen wenig oder überhaupt nicht anzuerkennen, den jüngeren Kollegen begegnet man vielmehr mit Ablehnung und Misstrauen (vgl. ebenda, S. 187 f). Ebenso neigen ältere Arbeitnehmer aus Furcht vor dem Verlust der Leistungsfähigkeit und aufgrund der als Bedrohung empfundenen Leistungsstärke jüngerer Kollegen zu einer Selbstüberforderung, die sich gefährdend auf die eigene Gesundheit auswirkt (vgl. Kaser 1966, S. 51). Tritt ein tatsächlicher Leistungsverlust ein, so verschlechtert sich das Verhältnis der Älteren zu den Jüngeren. Den älteren Arbeitnehmern, die von einer nachlassenden Leistungsfähigkeit betroffen sind, fällt es zunehmend schwerer, die Leistung jüngerer Kollegen zu würdigen (vgl. ebenda, S. 52). Henner (1994, S. 151) verweist auf die Tatsache, dass immer häufiger jüngere Arbeitnehmer Führungsverantwortung gegenüber älteren Kollegen haben. Die Jüngeren assoziieren damit Führungsprobleme wie destruktives Verhalten und Beschwer-
118
Die Aussagen beruhen auf einer von Lehr im Jahr 1965 durchgeführten Analyse biografisch erfasster Konflikt- und Belastungssituationen bei 326 Personen zwischen 25 und 65 Jahren (vgl. Lehr 1991, S. 185).
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den der älteren Geführten ebenso wie Schwächen im eigenen Führungsverhalten und daraus resultierend eine mangelhafte Teamleistung (vgl. ebenda). Möckli (1999, S. 105) relativiert allerdings die Gefahr der Entstehung von innerbetrieblichen Verteilungskämpfen119, insbesondere die um Führungspositionen. Problematisch sei nicht das Alter der Führungskraft selbst, sondern die Dauer der Stellenbesetzung. Entschärfend wirke sich aus, dass in Zukunft weniger Jüngere in die Elite nachrücken würden (vgl. ebenda)120. Die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer, auch über die Pensionsgrenze hinaus, hängt letzthin dennoch in besonderem Maße auch von den jüngeren Arbeitnehmern ab. Eine Fluktuation aufgrund geringer Aufstiegschancen für Nachwuchskräfte muss im Interesse der Unternehmen vermieden werden. Eine Fluktuation jüngerer Arbeitskräfte wird dann entstehen, wenn die von Kohli/Wolf 1986 (S. 100) beschriebenen, „durch geschlossene Positionssysteme entstehenden Vakanzketten“ für Nachwuchskräfte an Kalkulierbarkeit verlieren. Dies geschieht teilweise durch eine Deregulierung von Altersgrenzen (zu Funktionen von Altersgrenzen siehe unter Punkt 1.3.2), da für den potentiellen Nachfolger unklar wird, wann sein Vorgänger die „Senioritätsposition“ (ebenda, S. 101) verlassen wird. Ilmarinen (1995, S. 29) verweist auf die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit durch das Fehlen beruflicher Perspektiven. Dies trifft für ältere Arbeitnehmer zu, denen eine beruflicher Aufstieg nicht mehr zugetraut wird, ebenso wie für deren jüngere Kollegen, die aufgrund bestehender Beförderungsregeln keine ausreichende Möglichkeit zur beruflichen Weiterentwicklung haben. Bei der Entwicklung eines altersgerechten Motivationsinstrumentariums gilt es, spiegelbildlich die Motivation jüngerer Arbeitnehmer nicht zu vernachlässigen, um Generationenkonflikte und damit verbundene Verteilungskämpfe121 zu verhindern. Mit an-
119
Kohli/Wolf (1986, S. 94) sehen die (schlechte) Arbeitsmarktsituation als Ursache für den Verdrängungswettbewerb.
120
Der Autor sieht vielmehr die Gefahr von Verteilungskämpfen um Positionen ohne Führungsverantwortung. Arbeitnehmer ab dem 40. Lebensjahr seien in Zukunft aufgrund demografischer Veränderungen dahingehend einem verstärkten Druck ausgesetzt (vgl. Möckli 1999, S. 105).
121
Backes/Clemens (2003, S. 53) relativieren die potentielle Gefahr von Verteilungskonflikten, da ausgeprägte Solidaritätsbeziehungen zwischen den Generationen einen neutralisierenden Effekt
70
deren Worten: Die Re(Motivation) älterer Arbeitnehmer darf nicht die Demotivation jüngerer Arbeitnehmer zur Folge haben (vgl. Lau-Villinger/Seitz 2002, S. 3). Lehr/Niederfranke (1995, Sp. 5) verweisen auf die Notwendigkeit eines Chancenmanagements, das sich, vertreten durch Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter, in Führungs- und Personalentwicklungskonzepten wieder finden muss (vgl. ebenda). Die von Kohli (1998, S. 10) benannten „starken Solidaritätsbeziehungen“122 zwischen den Generationen bezüglich des Generationenvertrages verringern nach dessen Auffassung das intergenerative Konfliktpotential. Wesentlich für die Gestaltung eines professionellen HRM, das den Faktor Alter antizipiert, ist es, diese Solidaritätsbeziehungen zu internalisieren oder neu aufzubauen.
2.4 Innerer Kontext Nachdem unter Punkt 2.2 der äußere Kontext mit den Schwerpunkten „Demografie und Erwerbsarbeit“ (Handlungsleitende Frage: „Wie beeinflussen demografische Veränderungen die Erwerbsarbeit heute und in der Zukunft?“) und „ Politische und Rechtliche Einflüsse“ (Handlungsleitende Frage: „Wie beeinflussen Politik und Recht den Umgang mit älteren Arbeitnehmern auf internen und externen Arbeitsmärkten?“) analysiert wurde, standen unter Punkt 2.3 wesentliche Anspruchsgruppen im Mittelpunkt der Diskussion. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Management und auf den Arbeitnehmergruppen „Ältere Arbeitnehmer“ und „Jüngere Arbeitnehmer“. Diese Anspruchsgruppen determinieren mit ihren expliziten Interessen nicht nur die Sphäre des professionellen HRM, gleichwohl sind sie auch Bestandteil eines inneren Kontextes. So ist die Unternehmenspolitik Ausdruck des unternehmenspolitischen Willens des Managements, die Unternehmenskultur hingegen ist sichtbarer und unsichtbarer Ausdruck gelebter Werte und Normen aller Unternehmensangehörigen. Im Folgenden werden wesentliche Koordinaten des inneren Kontextes dargestellt.
hätten. Insbesondere da produktive Leistungen Älterer materieller oder immaterieller Art mehrheitlich Jüngeren zufließen (vgl. Großjohann/Scholz 2003, S. 52). 122
Untersuchungen aus dem Jahre 1990 im Rahmen des „International Social Survey Programm“ haben ergeben, das in den befragten Ländern eine Mehrheit der Bevölkerung für eine Erhöhung der Ausgaben für Renten ist (wohlwissend um die Notwendigkeit der steigender eigener Belastungen), nur eine Minderheit ist gegen höhere Ausgaben für Renten (vgl. Kohli 1998, S. 10).
71
2.4.1 Unternehmenskulturelle Einflüsse Die Unternehmenskultur umfasst nach Macharzina (1999, S. 182 ff.) in Anlehnung an Schein123 die a) unsichtbare und unbewusste Ebene der Grundannahmen (z.B. über menschliches Handeln oder zwischenmenschliche Beziehungen), die b) teilweise sichtbare Ebene der Werte (Richtlinien, Ideologien, Vorschriften) als auch die c) sichtbare, aber zu interpretierende Ebene der Artefakte (z.B. sichtbare und hörbare Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder). Dabei lassen sich der Unternehmenskultur unterschiedliche Merkmale zuordnen124 (vgl. ebenda, S. 183). An dieser Stelle soll explizit darauf eingegangen werden, dass Unternehmenskulturen im Idealfall die Tatsache auszeichnet, dass die Mehrheit der Mitglieder Werte und Normen des Unternehmens125 teilen sollte (vgl. Staehle 1994, S. 486). Trifft dies nur auf eine Minderheit im Unternehmen zu, so ist die Unternehmenskultur als Subkultur zu bezeichnen (vgl. Macharzina 1999, S. 183). Gleichzeitig verliert die Unternehmenskultur damit auch ihre motivationsfördernde Wirkung, da ein „Wir – Gefühl und ein entsprechender Teamgeist (nicht, Anm. d. Verf.) entstehen“ (Macharzina 1999, S. 189). Rump (2004c, S. 57) sieht Leistungsbereitschaft und Lernwille (als Ausdruck der Motivation, Anm. d. Verf.) sowie die Loyalität (als Ausdruck der Identifikation, Anm. d. Verf.) nicht nur durch die in Kapitel 4.4 dieser Arbeit beschriebenen Motivationsinstrumente gefördert, sondern ebenfalls durch weiche Faktoren wie die Unternehmenskultur (vgl. ebenda). Rump (vgl. ebenda) schlussfolgert, dass eine Unternehmenskultur, die eine Wertschätzung (älterer) Arbeitnehmer impliziert, sogar „überdurchschnittliche Motivations- und Loyalitätseffekte hervorruft“ (ebenda). Köchling et al. (2000, S. 10) weisen ebenfalls auf die Gefahr hin, dass in den Unternehmen eine jugendzentrierte (bei stark alterselektiven Maßnahmen des Managements, Anm. d. Verf.), im Umkehrschluss aber auch eine altenzentrierte Kultur entstehen oder aktiv gefördert werden kann, die die positiven Effekte einer altershetero123
Schein, E.H. (1984) Coming to a New Awareness of Organisational Culture, in: Sloan Management Review, 25. Jahrgang, Heft 2, 1984; S. 3-16
124
Macharzina (1999, S. 183 f.) spricht neben dem obengenannten Merkmal darüber hinaus von der Unternehmenskultur als Ergebnis der Interaktion der Organisationsmitglieder mit überwiegend impliziten Charakter und affektiven Bezügen. Die Unternehmenskultur ist weiterhin organisationsspezifisch und daher einmalig, gleichzeitig erlernbar.
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genen Belegschaft (Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch etc.) verhindern126. Folge sind sinkende Zufriedenheit und Demotivation bei beiden Gruppen (vgl. ebenda). Als notwendig erachtet wird, dass, im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Altersgruppen der in der Belegschaft jeweils unterrepräsentierte Gruppe (seien es nun ältere oder jüngere Arbeitnehmer), die gleiche Wertschätzung wie der dominierenden Gruppe entgegengebracht wird, immer unter Berücksichtigung altersabhängiger Besonderheiten (vgl. Köchling et al. 2000, S. 86). Auf die identifikations- und motivationsstiftende Wirkung von Unternehmenskulturen in Zusammenhang von Werten und Normen wird unter den Punkten 4.1.1 und 4.1.2 noch näher einzugehen sein. Im Sinne einer Ist – Analyse von Unternehmenskulturen soll jedoch die Aussage gewagt werden, dass diese in der betrieblichen Praxis überwiegend jugendzentriert sind. Ursache hierfür ist sicherlich die Tatsache, dass die Gruppe der „Älteren Arbeitnehmer“ zum einen noch immer mit negativen Attributen belegt ist, die ihren Ursprung in einem defizitären Altersbild haben (vgl. Lehr, 1995, S. 2). Betriebwirtschaftliche Kosten-Nutzenüberlegungen, die ältere Arbeitnehmer, zu Recht oder zu Unrecht, als effizienz- und effektivitätshemmend einordnen, festigen eine Unternehmenskultur, in der Ältere entweder benachteiligt oder selektiert werden.
2.4.2 Technologie Unter dem Begriff der Technologie werden nachstehend, in Bezug auf ein professionelles HRM, die technologischen Einflüsse der externen Umwelt ebenso wie der technologische Stand des Unternehmens als auch die Art der innerbetrieblichen Leistungserstellung zusammengefasst. Eine getrennte Analyse genannter Faktoren erscheint nicht sinnvoll, da diese in Verbindung mit dem Themenfeld „Ältere Arbeitnehmer“ in einem engen Wirkungszusammenhang zueinander stehen. Technologische Einflüsse als Bestandteil der unternehmensrelevanten Umwelt beeinflussen sowohl den technologischen Stand im Unternehmen als auch die Art der innerbe125
Gleiche Sachverhalte gelten ebenso für öffentliche Organisationen, man kann also übergreifend auch von Organisationskulturen sprechen.
126
Siehe hierzu unter Kapitel 3.
73
trieblichen Leistungserstellung. Die Frage, die es zu klären gilt, lautet: „Kann es mit alternden Belegschaften bzw. mit älteren Arbeitnehmern gelingen, die durch technologischen Wandel bedingten Herausforderungen zu bewältigen und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten?“. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie konstatiert bezugnehmend auf technologische und wirtschaftliche Einflüsse: „Die veränderte Alterstruktur der Beschäftigten fällt zusammen mit Innovations- und Umgestaltungsprozessen in der Wirtschaft. Daraus resultieren neue Anforderungen an die Unternehmens- und Betriebsorganisation und die Qualifikation der Arbeitnehmer“ (BMFT 1996; S. 193 f.). Eine Mehrbelastung der Erwerbstätigen, insbesondere für die älteren Arbeitnehmer, entsteht dementsprechend dadurch, dass folgende Faktoren durch den technologisch-organisatorischen Wandel zunehmend an Bedeutung gewinnen: Die Lage und Dauer der Arbeitszeit, Monotonie, Intensität und Zersplitterung der Arbeit, sowie Vereinsamung und Sozialkonflikte am Arbeitsplatz (vgl. Jordan 1994, S. 3). Der Einsatz neuer Informationstechnologien z.B. führt nach Baethge/Overbeck (1986, S. 41) zu einem Bedeutungsverlust des Erfahrungswissens, also dessen, mit dem man in den Unternehmen ältere Arbeitnehmer positiv assoziiert. Leistungsmerkmale wie Kreativität, Flexibilität oder Lernbereitschaft hingegen, sprich Merkmale, die man eher Jüngeren zuschreibt, nehmen hingegen an Bedeutung zu (vgl. ebenda). Kohli (1998, S. 2 ff) hingegen sieht einen Perspektivenwechsel in der Debatte. Der in früheren Veröffentlichungen beschriebene Statusverlust der Älteren durch Modernisierungsprozesse tritt in den Hintergrund. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Altern von Gesellschaften zum einen ermöglicht wird durch Modernisierungsprozesse (z.B. bedingt die verbesserte medizinische Versorgung eine höhere Lebenserwartung), gleichzeitig aber wird die Gefahr beschrieben, dass eine (Über-)Alterung eben diese notwendigen Modernisierungsprozesse be- oder gar verhindert.
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„Die weitere Modernisierung dieser Gesellschaften wird deshalb nicht zuletzt davon abhängen, wie es ihnen gelingt, ihren Alternsprozess institutionell zu bewältigen und positiv zu nutzen“ (Kohli 1998, S. 2). Eine zentrale Fragestellung in Verbindung mit der zunehmenden Alterung der (Erwerbs-) Bevölkerung ist somit die Frage nach der langfristigen Bewältigung des ökonomischen Strukturwandels (Kayser/Uepping, 1997), insbesondere im Bereich des technologischen Wandels und der Innovation. Dennoch ist aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit der Bedeutung der Technologie im Rahmen des Alterungsprozesses der Berufswelt keine eindeutige Aussage zu treffen (vgl. Lehr 1995, S. 5). Technologischer Wandel kann den Alterungsprozess positiv als auch negativ beeinflussen, da neue Technologien den älteren Arbeitnehmer körperlich („muscle work“) entlasten, ihn aber auf geistiger Ebene („brain work“) stärker fordern (vgl. Naegele 1992, S. 67). Es kommt somit zu einer Entlastung im physischen Bereich, aber u.U. zu einer Mehrbelastung der Psyche, sodass sich die Gesamtbelastung des Arbeitnehmers nicht generell verbessert (vgl. ebenda). Analog zu altersbedingten Fähigkeitsveränderungen kommen somit neue Technologien älteren Arbeitnehmern grundsätzlich entgegen127, es sei denn, die veränderten Qualifikationsanforderungen werden nicht durch Personalentwicklungsmaßnahmen begleitet oder ältere Arbeitnehmer werden aufgrund falschen Annahmen vom technologischen Wandel ausgeschlossen (vgl. Lehr 1995, S. 5). Es besteht somit ein kausaler Zusammenhang zwischen der Bewältigung technologischen Wandels und dem Erhalt der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und dem Zugang aller Arbeitnehmer zu dazu notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen. Technologischer Wandel bedeutet für die älteren Arbeitnehmer eine Verlagerung der Schwerpunkte in den Tätigkeitsfeldern. Die physische Beanspruchung tritt in den Hintergrund. Eine Erhöhung der kognitiven Anforderungen gewinnt an Bedeutung (vgl. ebenda. S. 6).
127
Jordan (1994, S. 43) weist allerdings zu Recht darauf hin, dass aufgrund der starken Heterogenität innerhalb der Gruppe der älteren Arbeitnehmer nicht generalisiert werden darf. So kann der Einsatz neuer Technologien für ältere Arbeitnehmer eine Herausforderung aber auch eine Bedrohung
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Thomae/Lehr (1973, S. 77) sehen älterer Arbeitnehmer gar als besonders geeignet für den technologischen Wandel an, da veränderungsbedingt sich wandelnde Anforderungen an den Arbeitsplatz insbesondere höhere intellektuelle und extrafunktionale Kompetenzen bedürfen, die der Kompetenzverlagerung im Alter entgegenkommen. Gleichzeitig aber ist auf folgenden Tatbestand hinzuweisen: die in Personalauswahlinstrumenten wie dem Assessment – Center überprüften „Soft – Skills“ haben für eine Vielzahl von Unternehmen einen zunehmend höheren Stellenwert als entsprechende technisch – fachliche Qualifikation, denen eine (höhere) Erlernbarkeit attribuiert wird128, wenn nicht in gewünschtem Masse vorhanden (vgl. Hielscher 2002, S. 49). Höher bewertet wird indes die „Passung“ des neuen Arbeitnehmers in das Unternehmen (vgl. ebenda). Keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Alter und Innovationsfähigkeit sehen Buck et al. (2002, S. 61 ff.). Vielmehr stehe die Innovationsbereitschaft und -fähigkeit in Abhängigkeit zu den herrschenden Umfeldbedingungen. Demnach stimuliert oder unterdrückt vielmehr das Arbeitsumfeld Innovationsfähigkeit und -bereitschaft der älteren und jüngeren Arbeitnehmer. Der Wirkungszusammenhang zwischen Arbeitsumfeld und Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft wird bei älteren Arbeitnehmern besonders deutlich (vgl. ebenda). Dennoch reagieren Unternehmen auf die Herausforderungen technologischen Wandels mehrheitlich mit alterselektiven Personalstrategien, sprich der Ausgliederung älterer Arbeitnehmer (vgl. Bäcker/Naegele 1993; S. 39 f) in der Annahme, dass technologischer Fortschritt nur durch den Einsatz jüngerer Arbeitnehmer bewältigt werden kann. Pessimistisch betrachtet, beschleunigt somit eine „zunehmende Technologisierung der Arbeitswelt (...) die Exklusions- und Selektionsprozesse auf dem Arbeitsmarkt“ (Kistler/Hilpert 2001, S. 10), insbesondere für ältere Arbeitnehmer.
darstellen. Inwieweit der Ältere die neue Technologie als bedrohlich oder herausfordernd bewertet, wird mehrheitlich von Persönlichkeitsmerkmalen bestimmt (vgl. ebenda). 128
Gleichzeitig unterliegen technisch-fachliche Qualifikation verstärkt einer technologisch bedingten Veränderungsdynamik, sodass eine laufende Anpassung der Qualifikation an neue Standards ohnehin notwendig ist (vgl. Hielscher 2002, S. 49).
76
Rosenmayr (1988, S. 140) führt hier, in Anlehnung an Kern und Schumann129, die durch technologischen Wandel (mit-)verursachte Segmentierung der Arbeitswelt in die Gruppe der Rationalisierungsgewinner bzw. Rationalisierungsdulder bzw. Rationalisierungsverlierer an (vgl. ebenda)130. Aufgrund des in den Unternehmen vermuteten linearen Zusammenhangs zwischen (Über-)Alterung der Belegschaft und Verlust der Innovationskraft zählen ältere Arbeitnehmer doch eher zu den Rationalisierungsverlierern. Vorruhestandsregelungen, so haben Untersuchungen in der chemischen Industrie gezeigt131, wurden von den Unternehmen im Zuge notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen zielführend eingesetzt (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 190). Neben dem Personalabbau stand in den untersuchten Unternehmen die Höherqualifizierung der Arbeitnehmer im Mittelpunkt, dazu wurden für die jüngeren Arbeitnehmer innerbetriebliche Qualifizierungsprogramme aufgelegt (vgl. ebenda). Rationalisierungsverluste zeigten sich daher für ältere Arbeitnehmer neben dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes auch in Form des Verlustes an Weiterbildungsmöglichkeiten. Neben den in vielen Publikationen benannten technologischen Wandel sehen Köchling/Volkholz (1994, S. 22 f.) demografische Veränderungen in zeitlicher Nähe zu sozioökonomischen Veränderungen wie der Verschiebung von mehr produktionsorientierten hin zu stärker dienstleistungsorientierten Tätigkeiten132
133
bei gleichzeitiger
bzw. interdependenter Zunahme anspruchvollerer Tätigkeiten gegenüber eher einfachen Tätigkeiten, was gleichzeitig mehr höherwertige Bildungsabschlüsse verlangt (vgl. ebenda).
129
Kern, H. und Schumann, M. (1984): Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierung in der industriellen Produktion: Bestandsaufnahme, Trendbestimmung, München 1984
130
Neue Technologien machen Rationalisierungsmaßnahmen häufig erst möglich, der Ersatz von Arbeitskraft durch Maschinenkraft ist hierfür ein einleuchtendes Beispiel.
131
Untersucht wurden 1986 und 1987 fünf Großbetriebe in der chemischen Industrie u.a. hinsichtlich des Ausmaßes der Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelungen (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 186).
132
Zunahme des tertiären Sektors (Tertiarisierung) und Abnahme des sekundären Sektors.
133
Im tertiären Sektor gewinnen sekundäre Dienstleistungen (wissensbasierte Dienstleistungen) an Bedeutung ( vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 27).
77
Naegele (2003, S. 58) weist zu Recht darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Diskussion um demografischen Wandel und dessen volks- und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen eine eher negative Sichtweise dominiert, die, im Sinne eines „Belastungsdiskurses“, z.B. alternde Belegschaften in Verbindung mit Technologie oder technologischem Wandel eher als Innovationsbremse sehen denn als Chance für neue (Wachstums-)Impulse (vgl. ebenda). Abschließend sei gesagt, dass technologischer Wandel mit älteren Arbeitnehmern bewältigt werden kann. Ebenso stehen Innovationsfähigkeit und Alter nicht im Widerspruch zueinander. Das haben verschiedene Publikationen zeigen können (vgl. Köchling et al. 2000; Pack et al. 2000). Wesentlich aber ist, so sei hier im Vorgriff auf Kapitel fünf dieser Arbeit gesagt, die altersgerechte und -differenzierende Gestaltung wichtiger Handlungsfelder des HRM (insbesondere Personalentwicklung), um Potentiale älterer Arbeitnehmer für oben genannte Wandlungsprozesse generieren zu können.
2.5 Handlungsfelder des professionellen HRM Die Handlungsfelder des professionellen HRM werden sowohl beeinflusst von dem das HRM unmittelbar umgebenden Kontext als auch von sogenannten Strategiefeldern. Das von Wagner et al. (1998, S. 13.) konfigurierte professionelle Personalmanagement identifiziert für Letztere Unternehmensziele, Unternehmensstrategien, Unternehmenstaktiken sowie die Markt- bzw. Ressourcenorientierung als relevant. Die aus den Unternehmenszielen und -strategien abgeleitete HR – Strategie beeinflusst nicht zuletzt in ihrer altersdesintegrativen bzw. altersintegrativen Ausprägung die Ausgestaltung von Maßnahmen und Instrumenten des HRM. Bezüglich der HR Aktionsradius werden im folgenden die Handlungsfelder Personalauswahl, Personaleinsatz, Personalentwicklung sowie Motivation explizit analysiert. Die von Wagner et al. (1998, S. 13) zusätzlich benannten Bereiche Entgelt- und Führungssysteme und Arbeitszeitmodelle werden unter Punkt 4.4 („Motivationsinstrumente“) gesondert betrachtet. Rollenverständnis, Definition als auch Organisation hingegen sind Koordinaten des HR Kontextes (vgl. Wagner et al. 1998, S. 13). Im Vorgriff auf die Punkte 2.6.1 und 2.6.2, die den ressourcen- bzw. marktorientierten Ansatz beleuchten (s.o.), soll darauf hingewiesen werden, dass Rollenverständnis und Definition von Perso-
78
nalmanagement bzw. HRM im wesentlichen die Strategien im Umgang mit den Arbeitnehmern prägen. Weiter unten aufgeführte Strategien der Leistungsausschöpfung von Arbeitspotentials verdeutlichen dies.
2.5.1 Einordnung des HRM in den betrieblichen Kontext In Anlehnung an Wolf/Kohli 1988 (S. 194 ff) lassen sich so genannte „Extremtypen der Personalstrategien“ identifizieren, die den Alterungsprozess der Arbeitnehmer in negativer bzw. positiver Weise beeinflussen. Hier handelt es sich im Wesentlichen um Personaleinsatz- und Personalentwicklungsstrategien. Insbesondere die unter Punkt 2.5.3 aufgeführten Überlegungen zum Personaleinsatz greifen diese Strategien auf und reflektieren damit verbundene Altersrisiken. Die Strategie der „maximalen Leistungsausschöpfung des Arbeitspotentials“: Die mit dieser Strategie für den Arbeitnehmer verbundenen Risiken wie „abnehmendes Leistungspotential als Folge langfristiger Überforderung (und, Anm. d. Verf.) Qualifikationsverlust“ (ebenda, S. 195) werden für die Betroffenen erst in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens wirksam (also dann, wenn sie zur Gruppe der älteren Arbeitnehmer gerechnet werden) und müssen in der Konsequenz auch von ihnen selbst getragen werden. Es besteht ein Zusammenhang zum Angebot an Arbeitskräften auf dem externen Arbeitsmarkt, da der „Grad der Verfügbarkeit“ bzw. die Möglichkeit zur ausreichenden Deckung von Ersatzbedarf eine kontinuierliche Produktion und den Personaleinsatz unter der Maßgabe einer maximalen Leistungsausschöpfung determiniert. Der Grad der Verfügbarkeit an Arbeitskräftepotential korreliert mit Betriebsgröße und Branche134. Somit beeinflusst eine alternde Erwerbsbevölkerung (und damit der prognostizierte Rückgang an Nachwuchskräften) Unternehmen in unterschiedlicher Intensität (vgl. Frerichs 1996, S. 13).
134
Determinanten der Verfügbarkeit von Nachwuchskräften sind hier Wachstum, Stagnation oder SchRumpung der jeweiligen Branche (vgl. Pack et al. 2000, S. 11) sowie deren Attraktivität (vgl. ebenda).
79
So sehen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Handwerk ältere Arbeitnehmer aufgrund deren spezifischer Qualifikationen als betriebliches Erfolgspotential (vgl. Naegele 1988, S. 211) welches kaum oder überhaupt nicht ersetzt werden kann135. Größere Industriebetriebe hingegen haben eher eine problemorientierte Sichtweise auf die Gruppe der älteren Arbeitnehmer. Dementsprechend wird auf der Basis einer altersselektiven Unternehmenspolitik die Verjüngung und Neustrukturierung der Belegschaft betrieben, vorrangig unter Kosten – Nutzenaspekten136 (vgl. ebenda, vgl. Bäcker 1987, S. 9 f.). Die Unternehmen, die (noch) in ausreichendem Maße jüngere Arbeitnehmer auf den externen Arbeitsmärkten beschaffen können (wenn sie z.B. über eine entsprechende Attraktivität für die Zielgruppe „Nachwuchs“ verfügen), sind weit weniger gezwungen, mit personalpolitischen Maßnahmen demografische Entwicklungen zu antizipieren. Die Gestaltung einer den betrieblichen Anforderungen entsprechenden Alterstruktur bei den Beschäftigten können die Unternehmen dann durch die Rekrutierung jüngerer Arbeitnehmer erreichen, die gut ausgebildet, flexibel, motiviert und leistungsfähiger sind (vgl. Wahse 1998, S. 38). Die Anpassung mit dem Ziel einer altersgerechten Belegschaft gelingt (noch) relativ konfliktarm u.a. aufgrund bestehender Ruhestandregelungen (vgl. ebenda). Die Strategie der „langfristig – kontinuierlichen Leistungsausschöpfung des Arbeitspotentials“: Der Personaleinsatz wird hier durch „eine langfristige Werterhaltung und Nutzungsmöglichkeit“ des Humankapitals bestimmt. Eine kontinuierliche Produktion wird determiniert durch eine dem Unternehmen entsprechende Alterstruktur. Ältere Arbeitnehmer werden „kontrolliert“ und „kontinuierlich“ ersetzt, um der Gefahr des Verlustes an Erfahrungswissen entgegenzutreten. Altere Arbeitnehmer als Träger von „kulturellem Kapital“ wie Fachwissen und betriebsbezogenem Sozialwissen (vgl. ebenda)
135
Das kann allerdings auch mit der Verfügbarkeit jüngerer Arbeitnehmer für KMU´s auf externen Arbeitsmärkten in Zusammenhang stehen, da kleine und mittlere Unternehmen für Berufseinsteiger weniger attraktiv erscheinen.
136
Wesentliche Motive laut Naegele (1988, S. 211) sind neben der Verjüngung der Alterstruktur die Vermeidung der mit älteren Arbeitnehmern verbundenen Beschäftigungsrisiken wie mangelhaftes Leistungsvermögen, krankheitsbedingte Fehlzeiten, besondere gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen im Kündigungs- und Bestandsschutz etc..
80
sind dementsprechend allein aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit von relativer Bedeutung für die Unternehmen. Das Alter als Merkmal spielt keine Rolle. Frerichs (2002, S. 50 ff) stellt den Zusammenhang zwischen dem herrschenden Produktionsregime137 und den auftretenden Altersrisiken her. Er konstatiert: „Der Bereich der diversifizierten Qualitätsproduktion und -dienstleistung gilt gemeinhin quantitativ und qualitativ als der Bereich mit den besten Beschäftigungschancen Älterer“ (ebenda, S. 53), denn Fach- und Erfahrungswissen ist bei der Leistungserstellung im genannten Bereich von besonderer Bedeutung. Wolf/Kohli (1988, S. 195) verweisen darauf, dass in der Praxis Unternehmen altersintegrative und gleichzeitig ebenso altersdesintegrative Strategien verfolgen können. Dies führt zu einer Segmentierung des internen Arbeitsmarktes in eine Kernbelegschaft und in eine Randbelegschaft138. Risiken des Alters und des Alterns (Entlassung, „freiwillige Frühverrentung“, Verschleißerscheinungen, Dequalifizierung, hierarchische Herabstufung, Demotivation; vgl. hierzu Punkt 2.3.3) entstehen zu einem gewissen Grad in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Gruppe139. Segmentierungstendenzen lassen sich auch bei der Bewertung des „Erfolgsfaktors“ Erfahrungswissen beobachten. Die betriebswirtschaftliche Relevanz des Erfahrungswissens differiert in Abgängigkeit zum beruflichen Status. Während das Erfahrungswissen bei Führungskräften oder in spezifischen Qualifikationsfeldern als betrieblicher Erfolgsfaktor zu werten ist, gilt dies nicht für Tätigkeitsbereiche mit niedriger Qualifikation (vgl. Lau-Villinger 2002, S. 24). Als Beispiel für diese Segmentierung sei die Investition in die berufliche Weiterbildung der Arbeitnehmer genannt. Die Weiterbildung einer schon in hohem Maße qualifizierten Stammbelegschaft stellt eine mögliche Strategie zur Bewältigung des struk-
137
Genannt werden das tayloristische Produktionsregime und das Produktionsregime der diversifizierten Qualitätsproduktion und –-dienstleistung.
138
Der Segmentationsansatz (altersbezogene Belegschaftssegmentierung) ist ein von der Arbeitsmarkttheorie geleiteter Erklärungsansatz für die Probleme älterer Arbeitnehmer auf internen und externen Arbeitsmärkten (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 36).
139
Friedmann/Weimer (1982, S. 37 f.) sprechen von einem primären Segment, dass gekennzeichnet ist von guten Arbeitsbedingungen (stabiler Arbeitsplatz, gute Bezahlung etc.), während das sekundäre Segment geprägt ist von eher schlechten Arbeitsbedingungen (hohes Arbeitsplatzrisiko, schlechte Bezahlung und schlechte Wiederbeschäftigungsaussichten bei potentieller Arbeitslosigkeit).
81
turellen Wandels dar, von der ältere Arbeitnehmer mehrheitlich nicht partizipieren (vgl. Barkholdt/Frerichs/Naegele 1996, S. 63). Ausgehend von humankapitaltheoretischen Überlegungen, die eine Investition in das Humankapital nur dann gestatten, wenn die getätigte Investition aufgrund einer möglichst langen Nutzungsdauer des Humankapitals rentabel ist, werden ältere Arbeitnehmer von betrieblichen Qualifizierungsprozessen ausgeschlossen (vgl. Friedmann/Weimer 1982, S. 37). Behrend (2000, S. 404) sieht eine altersintegrative bzw. altersdesintegrative Personalstrategie insbesondere determiniert durch Wettbewerb und Konkurrenz (als Einflussfaktoren eines äußeren Kontextes, Anm. d. Verf.) sowie auch beeinflusst durch die Produktivitätsentwicklung des einzelnen Unternehmen (als internem Kontextfaktor). Bei der Befragung von Unternehmen im Rahmen des IAB – Betriebspanels von 1997, welche Personalprobleme sie in den nächsten zwei Jahren erwarten, wurde die potentielle Überalterung der Arbeitnehmer lediglich von 4% der Unternehmen in den neuen Bundesländern und nur von 3% der Unternehmen in den alten Bundesländern als Personalproblem identifiziert (Gesamtdeutschland: 4%). Im Jahr 2000 sahen ebenfalls nur 4% aller Unternehmen eine Überalterung als in der Zukunft problematisch an140. Somit sind unausgewogene Alterstrukturen im Vergleich zur Lohnkostenbelastung von eher nachgelagerter Bedeutung in der Arbeitswelt. Die demografische Entwicklung und daraus resultierende Auswirkungen auf die Unternehmen werden also scheinbar in Praxis anders gewertet als im wissenschaftlichen Diskurs. Dementsprechend greifen strategische Überlegungen der Unternehmen Fragen der Überalterung der Erwerbsbevölkerung bisher nur in geringen Umfang auf. Eine Befragung der Haygroup zum Thema „Demografischer Wandel und Personalmanagement“141 ergab, das von den befragten Unternehmen (n = 22) lediglich zwei ein oder mehrere spezielle Programme für ältere Arbeitnehmer in den Bereichen Gesundheit, Weiterbildung oder anderen Bereichen anbieten (vgl. Rump 2004b, S. 23).
140
Lau-Villinger/Seitz (2002, S. 23) stellten während ihres Modellversuches „Der Prozess des Älterwerdens in Unternehmen – Gestaltung altersheterogener Lern- und Arbeitsstrukturen“ ebenfalls fest, dass das Themenfeld „Ältere Arbeitnehmer“ für die teilnehmenden Unternehmen von nachgelagerter Bedeutung war.
141
Die befragten Unternehmen (Holding, Konzerne, Tochtergesellschaften und selbständige Einzelunternehmen) verteilten sich über fast alle Branchen und hatten eine Umsatzgröße von neun Mio. bis drei Mrd. Euro bei einer Arbeitnehmerzahl zwischen 200 und mehr als 10.000 Arbeitnehmern.
82
zu hoher Personalbestand
Überalterung
Weiterb. und PersonalQualifiziemangel rungsbedarf
Nachwuchsmangel
schwierige Fachkräftebeschaffung
hohe Lohnkostenbelastung
keine Personalprobleme
1997
7
3
7
4
5
16
34
48
1999
5
4
7
7
8
20
32
47
2000
4
4
6
9
9
22
26
51
Abbildung 5:
Für die kommenden zwei Jahre erwartete Personalprobleme
(Quelle: eigene Darstellung in Anl. an Buck et al. 2002, S. 37) Betrachtet man aber die Ergebnisse der Betriebsbefragung unter Berücksichtigung der Branche und der Betriebsgrößenklasse, ergibt sich jedoch ein differenziertes Bild der betriebswirtschaftlichen Relevanz der Problematik „Überalterung“: In den Neuen Bundesländern gibt es bestimmte Branchen (Bergbau/Energie/Wasser; Teile des verarbeitenden Gewerbes – Grundstoffverarbeitung- und Dienstleistungsbereiche Dienstleistungsbereiche – Bildungsstätten/Verlage/Kunst-), für die das Personalproblem „Überalterung“ von erheblich höherer Bedeutung (10 – 12%) ist, als im Durchschnitt der Befragung (vgl. IAB) Behr (2002, S. 9) skizziert die spezifische Situation in den Neuen Bundesländern wie folgt: „Richtig problematisch könnte die Situation für die Betriebe schon in wenigen Jahren werden, wenn sich nämlich die versäumte Auflockerung der Altersstruktur der Belegschaft rächen wird. Plötzlich verlassen innerhalb weniger Jahre erhebliche Teile der Belegschaft aus Altersgründen den Betrieb. Die Verrentungswelle ab 2006 fällt dann ausgerechnet mit jenem Zeitpunkt zusammen, an dem sich der rapide Geburtenrückgang in Ostdeutschland nach der Wende auswirkt Erst auf dem Ausbildungs-, später auch auf dem Arbeitsmarkt fällt die Nachfrage von einem Jahr auf das andere dramatisch ab..... Die gegenwärtige Problemlage könnte nun regelrecht auf den Kopf gestellt werden: Statt des heutigen Problems der Lehrstellenknappheit könnten wir morgen das der Lehrlingsknappheit haben, wenn die Zahl der Schulabgänger rapide zurückgeht.
83
Die „Überalterung“ als Personalproblem hat bei kleineren Betrieben kaum eine Bedeutung142 (vgl. dazu auch Müller 2003, S. 49), bei größeren Betrieben, insbesondere bei Betriebsgrößen über 500 Beschäftigten, wird die Überalterung der Arbeitnehmer als Problem erkannt. ( NBL = 21%, ABL = 17%). Insbesondere das Produzierende Gewerbe sieht mit 38% die Alterstruktur ihrer Betriebe als evident an. Zu nachstehenden Ergebnissen bezogen auf die altersintegrativen Aktivitäten kam der Autor dieser Arbeit im Rahmen einer telefonischen Befragung von Personalverantwortlichen der 30 größten DAX - notierten Unternehmen in Deutschland143. Befragt wurden diese, ob das Belegschaftssegment der älteren Arbeitnehmer bisher als personalpolitisch relevantes Thema identifiziert wurde, und, wenn ja, in welchen der altersrisikorelevanten Handlungsfeldern Arbeitszeit, Entgelt, Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung personalpolitisches Engagement zu verzeichnen ist. Die Befragung ergab folgendes Bild:
Haben Sie die Thematik „Ältere Arbeitnehmer“ für Ihr Unternehmen als personalpolitisches Problem identifiziert? Ja
14
Nein
5
Keine Antwort erhalten Abbildung 6:
11
Problembewusstsein bei DAX-Unternehmen
(Quelle: Eigene Darstellung)
142
Diese Erkenntnis steht nicht unbedingt im Widerspruch zu obenstehender Aussage, dass KMU´s im Handwerk ältere Arbeitnehmer als betriebliches Erfolgspotential einschätzen., da eben Ältere nicht aus einer problemorientierten Perspektive betrachtet werden.
143
Von den befragten Unternehmen antworteten 19. 11 Unternehmen antworteten nicht, mit Verweis auf mangelnde Zeit oder ohne nähere Angabe von Gründen. Fehlende Informationen wurden dementsprechend, soweit zugänglich, durch Veröffentlichungen der Unternehmen oder dritte Publikationen ergänzt.
84
Bei den Unternehmen, die das Themenfeld „Ältere Arbeitnehmer“ bisher für sich nicht als personalpolitisches Problem identifiziert haben, ließ sich folgendes feststellen: Unternehmen wie z.B. Adidas verweisen darauf, dass aufgrund des „niedrigen“ Altersdurchschnitts der Belegschaft von derzeit ca. 35 Jahren (im Vergleich dazu bspw. DaimlerChrysler AG 40 Jahre, Deutsche Bank AG 38 Jahre, Münchener Rück 40 Jahre) o.g. Thematik von eher nachgelagerter Bedeutung für das HRM ist. Ähnlich gelagert ist die Motivation der Fresenius AG. Bei einem Altersdurchschnitt zwischen 38 – 39 Jahren kam es in der Vergangenheit durch eine Expansion verstärkt zu einer Einstellung jüngerer Mitarbeiter und somit zu einer Verbesserung der Alterstruktur. Gleichwohl werden aber Fachkräfte (Ingenieure oder Vertriebsmitarbeiter) dazu ermuntert, bis zum Erreichen der Rentengrenze im Unternehmen zu verbleiben, um wichtiges Erfahrungswissen im Unternehmen zu erhalten. Der Mangel an auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Ingenieuren mag diesem Ansatz ebenfalls zuträglich sein (zur Entwicklung des Fachkräftemangels siehe unter Punkt). Weiterhin gibt es Unternehmen, die sich in einem Konsolidierungsprozess befinden und aufgrund dessen Personal abbauen. Dies geschieht hauptsächlich durch die Freisetzung älterer Arbeitnehmer. So bietet die Bayer AG insbesondere älteren Mitarbeitern Aufhebungsverträge, Altersteilzeit im Blockmodell oder den vorzeitigen Ruhestand an. In ähnlicher Weise verfuhr die RWE AG. Im Rahmen der 51er- Regelung wurden über 12.000 Stellen kostenbedingt abgebaut. Dabei wurden Mitarbeiter im Alter von erst 51 Jahren, also 14 Jahre vor der eigentlichen Verrentungsgrenze, in den Vorruhestand geschickt144. Somit gelang es dem Unternehmen, sich gleichzeitig zu verjüngen. Jedoch wurde der Verlust von Erfahrungswissen als problematisch identifiziert, dennoch gibt es aber bisher keine Strategien im Umgang mit älteren Arbeitnehmer in der Zukunft. Die Befragung ergab ebenfalls, dass über 90 % des infrage kommenden Beschäftigtensegments der RWE AG dieser Vorruhestandsregelung zustimmten. Bezugnehmend auf die Thematik dieser Arbeit wird somit nochmals deutlich, wie bedeutsam die Identifikations- und Motivationsproblematik bei der Wei-
144
Die Befragung ergab ebenfalls, dass über 90 % des infrage kommenden Beschäftigtensegments stimmten dieser Vorruhestandsregelung zu. Bezugnehmend auf die Thematik dieser Arbeit wird somit unterstrichen, wie bedeutsam die Identifikations- und Motivationsproblematik bei der Weiterund Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Ruhestandsgrenze und darüber hinaus ist.
85
ter- und Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Ruhestandsgrenze und darüber hinaus ist, wenn von den Unternehmen als wünschenswert erachtet. Ein Blick auf die Unternehmen, die sich in unterschiedlicher Intensität mit der Thematik „Ältere Arbeitnehmer“ beschäftigen und diese für sich als relevant erachten , ergab folgendes Ergebnis: Einige Unternehmen sind sich der strategischen Bedeutung des. o.g. Problemfeldes durchaus bewusst, haben aber noch keine oder eine nur teilweise dahingehend spezifische Gestaltung der HR – Bereiche Arbeitszeit, Entlohnung, Arbeitsgestaltung und Personalkentwicklung vorgenommen. So gibt es bei der Allianz Group bisher noch keine konzernübergreifenden Programme für ältere Arbeitnehmer, sondern lediglich Detail- und Pilotuntersuchungen in Tochtergesellschaften. Daraus werden derzeit Schlüsse für den Gesamtkonzern geschlossen. Ähnliche Sachverhalte bestimmen auch die Situation bei der Commerzbank AG, derzeit bestimmen noch Arbeitsplatzbau, Altersteilzeit und Vorruhestand den Umgang mit älteren Arbeitnehmern. Es gibt bisher noch keine speziellen personalpolitischen Instrumente für ältere Arbeitnehmer (insbesondere in den Bereichen Entlohnung, Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung), diese sind jedoch in der kurz- und mittelfristigen Planung. Mehrheitlich sind die sensibilisierten Unternehmen in Teilbereichen des HRM aktiv, aber nur wenige Unternehmen haben bisher ein übergreifend altersintegratives Konzept im Sinne eines PHRM etablieren können. Dazu gehören die Continental AG, die Deutsche Bank AG und die DaimlerChrysler AG: Letztere hat schon frühzeitig begonnen, das Problemfeld „Ältere Arbeitnehmer“ in das HRM zu integrieren und wird von anderen Personalverantwortlichen als „best practice“ interpretiert.Nachstehend ein kurzer Überblick über die Aktivitäten der Unternehmen in den genannten Bereichen. Eine weitergehende inhaltliche Untersuchung erfolgt in Kapitel fünf dieser Arbeit.
86
In welchen der nachstehenden Bereiche haben Sie für das Beschäftigtensegment der älteren Arbeitnehmer und der damit verbundenen Problematik personalpolitische Konsequenzen gezogen? Ja
Nein
Arbeitszeit
19
0
Entlohnung
9
10
Arbeitsgestaltung
9
10
Personalentwicklung
6
13
Abbildung 7:
Personalpolitische Konsequenzen bei DAX-Unternehmen
(Quelle: Eigene Darstellung) Die Handlungsfelder des HRM, das machte die Befragung ebenfalls deutlich, sind von der Thematik „Ältere Arbeitnehmer“ in unterschiedlichem Maße berührt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Gestaltung von Altersteilzeitmodellen. Diese werden von allen Unternehmen, die an der Befragung teilnehmen, in unterschiedlicher Form angeboten. Dabei haben die Altersteilzeitmodelle in der Regel jedoch eine altersdesintegrative Ausrichtung und werden zum Personalabbau und/oder zur Verjüngung der Alterstruktur verwendet (u.a. Bayer AG, Deutsche Telekom AG, Fresenius AG, . Auch die Unternehmen, die nicht an der Befragung teilnahmen, haben, dass ergaben weitere Recherchen, haben Altersteilzeitmodelle, sodass diese bei den 30 größten Unternehmen des DAX einen Verbreitungsgrad von 100 % erreicht haben. Insgesamt wird es für Unternehmen langfristig immer schwieriger, sich den Folgen von Alterung und Schrumpfung des Erwerbspersonenpotentiales zu entziehen. Die Untersuchung eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 1995 beauftragten Forschungsverbundes ergab, dass die Personalpolitik (und somit daraus resultierende Maßnahmen des Personalmanagements) zuwenig altersspezifisch ausgerichtet sind und die unter Punkt 2.3.3 dargelegten Altersrisiken verursachen. Die Ergebnisse der Erhebung im Rahmen dieser Arbeit zeigen, dass hier im-
87
mer noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Die Analyse untenstehender Aktionsfelder des HRM macht dies ebenfalls deutlich.
2.5.2 Aktionsfeld Personalauswahl Alterselektive Rekrutierungsstrategien stehen in unmittelbaren Zusammenhang zu betrieblichen Altersstrukturen, die in ihrer Homogenität bzw. Heterogenität die Dominanz des Auswahlkriteriums „Alter“ widerspiegeln (vgl. Buck et al. 2002, S. 49). Die Konzentration eines Unternehmens auf jüngere (jugendzentrierte Alterstruktur) bzw. ältere Arbeitnehmer (altenzentrierte Altersstruktur145) wirkt anziehend oder abstoßend auf die Altersgruppe, welche im Unternehmen nicht dominierend bzw. dominierend ist (vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 36; vgl. Köchling 2000, S. 90) und hat somit unmittelbar Einfluss auf die Rekrutierungsmöglichkeiten des Unternehmens auf dem externen Arbeitsmarkt. Die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Verpflichtung eines jüngeren oder eines älteren Arbeitnehmers146 ist in hohem Maße von Kosten - Nutzenüberlegungen getrieben. Ausgehend von den mit dem eigentlichen Rekrutierungsprozess verbundenen Kosten (verursacht durch Instrumente der Personalauswahl wie Auswahlgespräche, Tests, Assessment – Center etc.) sowie Folgekosten (Kosten der Einarbeitung) determiniert die Amortisationsdauer der entstehenden Kosten die Auswahlentscheidung. Gegen die Rekrutierung eines älteren Arbeitnehmers, wenn nicht faktisch verboten (vgl. Hilb 1997, S. 29), spricht eine unter Umständen kürzere Verweildauer im Unternehmen aufgrund eine größeren zeitlichen Nähe zur Pensionsgrenze (vgl. auch Frerichs 1996, S. 20). Mit ähnlichen Argumenten wird im übrigen älteren Arbeitnehmern häufig der Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen verwehrt. Die Ist – Analyse zum Themenfeld „Älterer Arbeitnehmer und Personalentwicklung“ unter Punkt 2.5.4 wird dies zeigen. Die Annahme einer Leistungsminderung mit zunehmendem Alter verringert die Einstellungschancen ebenfalls (vgl. Weuster 2004, S. 55).
145
Köchling/Volkholz (1994, S. 36) sprechen etwas despektierlich von einem „Graue – Panter – Regime“.
146
Bezogen auf das Lebensalter kann unter eignungsdiagnostischen Gesichtpunkten zwischen Höchstalter, Idealalter und Mindestalter unterschieden werden (vgl. Weuster 2004, S. 55).
88
Weuster (2004, S. 55) gibt an, dass 45,2 % von 157 befragten Großunternehmen147 das Lebensalter von Bewerbern als Auswahlkriterium definieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man auch bei der Befragung mittelständischer Unternehmen148, bei denen ein Wert von 33,33% ermittelt wurde (vgl. ebenda). Bezugnehmend auf eine Pilotstudie von Straka149 aus 1993, die untersucht, in welchem Umfang ältere Arbeitnehmer in Stellenanzeigen regionaler und überregionaler Tageszeitungen repräsentiert sind, verweist Frerichs (1996, S. 15) auf den Umstand, dass dort Arbeitnehmer in der zweiten Lebenshälfte (und damit laut Definition der OECD alternde und ältere Arbeitnehmer, siehe dazu unter Punkt 1.3.1) kaum mehr nachgefragt werden. Regional gab es kein Stellenangebot für 40jährige, überregional machten diese Stellenangebote lediglich 5 % des Gesamtangebotes aus (vgl. ebenda). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Schramhauser (1995, S. 124) der feststellt, dass Arbeitnehmer mit einem Höchstalter von 35-40 Jahren, oder von 30 – 40 Jahren oder gar nur bis 35 Jahre150 gesucht werden. Das Rekrutierungsverhalten vieler Unternehmen ist, dass zeigen die Untersuchungen, somit Ausdruck einer mehrheitlich „jugendzentrierten“ Einstellungspolitik (vgl. Volkholz 1996, S. 45)151 und dementsprechend altershomogen. Hilb (1997, S. 30) verweist im Zusammenhang mit der Personalauswahl auf den personalpolitischen Grundsatz, dass „die Personalauslese einzig auf der stellennotwendigen Persönlichkeits-, Fach-, Sozial- und Führungskompetenz und lediglich unter Berücksichtigung relevanter soziodemografischer Daten zu erfolgen hat“ (ebenda). Einstellungsgrenzen für ältere Arbeitnehmer152 korrelieren mit der Belastungsintensität und dem qualifikatorischen Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle. Sind Belastungsintensität und Qualifikationsanforderungen hoch, so ist die Grenze für das
147
Befragt wurden 157 deutsche Großunternehmen mit mind. 50 Mio. Euro Umsatz und mindestens 1000 Mitarbeitern (vgl. Weuster 2004, S. 55).
148
Befragt wurden mittelständische Unternehmen von 100 – 1.000 Mitarbeitern (vgl. ebenda).
149
Straka, G.A. (1993): Ältere Erwerbspersonen in Stellenanzeigen regionaler und überregionaler Tageszeitungen. Ergebnisse einer Pilotstudie, in: Zeitschrift für Gerontologie, 26, S. 339 – 343.
150
Das Höchstalter für akademische Führungsnachwuchskräfte liegt bei ca. 30 Jahren, Anwärter auf Trainee – Programme sollten gar ein bis zwei Jahre jünger sein (vgl. Weuster 2005, S. 55).
151
Möglich gemacht wird das Rekrutierungsverhalten der „jugendzentrierten“ Unternehmen durch eine konstant hohe Arbeitslosenquote (vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 29), immer in Abhängigkeit von regionalen und branchenbezogenen Besonderheiten.
152
Der § 75 BetrVG verbietet die Benachteiligung von Arbeitnehmern wegen Überschreitung spezifischer Altersstufen (vgl. Weuster 2004, S. 55).
89
Höchsteinstellungsalter153 niedrig (vgl. Frerichs 1996, S. 15). Gleichzeitig haben sich wegen der anhaltenden Arbeitsmarktkrise betriebliche Personalauswahlkriterien stark verschärft. Infolgedessen sank die Chance älterer Arbeitnehmer auf Wiedereinstellung nochmals (vgl. Frerichs/Naegele 1991, S. 83). Dennoch gibt es auch Unternehmen, die den „war for (young) talents“ vermeiden, und vielmehr auf die Rekrutierung älterer Arbeitnehmer setzen. So suchte die Fahrion Engineering GmbH154
155
be-
wusst Arbeitnehmer (Ingenieure, Techniker und Meister) bis 65 Jahre, um den Weggang erfahrener Arbeitnehmer mittleren Alters zu anderen Unternehmen kompensieren zu können (vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2003, S. 44 ff.). Maßgebend für das Selektionsverfahren war weniger das Potential der Bewerber, sondern vielmehr deren Fähigkeiten und Erfahrungen (Berufs- und Lebenserfahrung). Die in einigen Veröffentlichungen prognostizierte geringere Auswahl an Nachwuchskräften156 (vgl. Behr 2002, vgl. Jasper, G./Wählisch, B. 2004, vgl. Naegele 1994a, S. 11) führt zu einem „betrieblichen Dilemma des demografischen Wandels“ (Jasper, G./Wählisch, B. 2004, S. 19157): Die sinkende Anzahl potentieller Nachwuchskräfte mit mittleren und höheren Qualifikationen (vgl. Pack et al. 2000, S. 12) führt zu einer geringeren Auswahlmöglichkeit für die Personalauswahl der Unternehmen158. Davon insbesondere betroffen sind
153
Grenzen für ein Höchsteinstellungsalter existieren, werden aber kaum explizit ausgewiesen (vgl. Frerichs 1996, S. 15)
154
Die Fahrion Engineering GmbH beschäftigt sich mit der Produktion, Organisation, Logistik und Infrastruktur von Fabrikanlagen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2003, S. 44)
155
Weitere Unternehmen, die gezielt ältere Arbeitnehmer nachgefragt haben, waren u.a. Netto Supermarkt GmbH (Handel) und Brose Fahrzeugteile GmbH (Produktion) (vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2003, S. 42 f.).
156
Der Ausdruck Nachwuchskräfte bezieht sich nicht nur Berufseinsteiger, die eine Lehre oder ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, eine Nachwuchsmangel wird dementsprechend ebenfalls bei den Auszubildenden erwartet, mit den Folgen einer regionalen, nationalen und internationalen Konkurrenz um Jugend (vgl. Bucher 2003, S. 7).
157
Neben den Qualifikationsdilemma prognostizieren Jasper/Wählisch (2004, S. 19) ebenfalls ein Angebots – Nachrage - Dilemma (Überangebot an Lehrstellenbewerbern heute – Knappheit an Lernenden morgen) sowie ein Erfahrungswissensdilemma (mit dem Ausscheiden der Älteren geht Wissen verloren trotz steigender Wertschätzung des Wissens). Genannte betriebliche Dilemmata tangieren und determinieren dabei einander.
158
Derartige Ungleichgewichte bzw. Mismatches können gesamtwirtschaftliche Bedeutung haben (Arbeitskräftemangel in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts), aber auch einen regionalen, qualifikationsbezogenen (Engpässe bei Lehrern, Pflegekräften) etc. Charakter annehmen (vgl. Bosch et al. 2003, S. 1).
90
Branchen, die bei Jüngeren in besonderem Maße als unattraktiv gelten159 wie das Handwerk oder auch das Baugewerbe (vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 21). Das professionelle HRM interpretierend, bedeutet dies, dass die Arbeitsmarktsituation als externer Einflussfaktor die Ausgestaltung der Personalauswahl auf strategischer und operativer Ebene beeinflusst. Tendenziell müssen die Unternehmen aufgrund der prognostizierten Rekrutierungssituation in der Zukunft, um ihren Bedarf an Nachwuchskräften decken zu können, auch Bewerber in Betracht ziehen, deren Qualifikation nur bedingt den geforderten Anforderungen entspricht. Gleichzeitig steigen aber die Qualifikationsanforderungen. Die Verstetigung der „Wissensgesellschaft“ soll hier als ein Stichwort genügen. Letztendlich muss die unternehmerische Leistung bei steigenden Qualifikationsanforderungen mit Humankapital bewältigt werden, dass in der Summe eher geringer qualifiziert ist als Belegschaften früherer Jahre. Somit sehen sich die Unternehmer mit einem quantitativem und qualitativen Mismatch, sprich einer Deckungsungleichheit zwischen quantitativem und qualitativen Angebot einerseits, und quantitativer und qualitativer Nachfrage andererseits, konfrontiert. Die Studie von Hielscher160 aus dem Jahr 2002, die die Mismatch – Problematik aus der Nachfrageperspektive untersucht, wird in den befragten Unternehmen das Phänomen „Fachkräftemangel“ mit nachstehenden Folgeerscheinungen in Verbindung gebracht: -
sinkende Auswahl an Arbeitskräften
-
steigende Gehaltsforderungen, sinkende Mobilität
-
vermehrter Rekrutierungsaufwand
-
zeitliche Verzögerung bei der Stellenbesetzung
-
Behinderung geschäftlicher Aktivitäten
(vgl. Hielscher 2002, S. 30)161.
159
Köchling/Volkholz (1994, S. 21) sprechen hier auch von einer hohen Berufsfluchtrate.
160
Hielscher, H. (2002): Personalpolitik im Experten-Engpass; anhand betrieblicher Fallstudien wurde der Zusammenhang zwischen „Fachkräftemangel“ und personalpolitischen Handlungen untersucht.
161
Pack et al. (2000, S. 12) sahen noch 1999 keine ausreichende Vorbereitung der Unternehmen auf die Mismatch – Problematik, vielmehr wird ein Verdrängungsprozess bei den Unternehmen diagnostiziert.
91
Obengenannte Folgeerscheinungen können, ausgelöst durch demografische Veränderungen, einen branchenübergreifenden, überregionalen, von der Betriebsgrößenklasse unabhängigen Charakter annehmen162 und haben somit zukünftig potentielle Relevanz für eine Mehrzahl von Unternehmen. Deutlich wird: nicht jeder Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage ist allein demografisch bedingt (vgl. Puhlmann 2003, S. 20). Demografische Faktoren „können sich aber verschärfend oder dämpfend auswirken“ (Buck et al. 2002, S. 15). So macht Buck (2002, S. 14) deutlich, das die Nichtbesetzbarkeit einer Stelle neben demografischen Faktoren ebenfalls durch lokale Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt oder durch die (mangelnde) Attraktivität des Unternehmens bei potentiellen Bewerbern verursacht sein kann. Eine einseitig auf den demografischen Wandel bezogene Ursachenzuschreibung verhindert so unter Umständen, dass angemessene personalpolitische Entscheidungen getroffen werden. Die Nachwuchsproblematik bezieht sich im übrigen nicht nur auf abhängig Beschäftigte. Auch die Nachfolge kleiner und mittlerer Betriebe ist gefährdet (vgl. Puhlmann 2003, S. 21). Die Seniorinhaber sehen sich mit der Entscheidungsproblematik konfrontiert, bei Antritt des Ruhestandes den Geschäftbetrieb zu beenden, oder länger erwerbstätig zu sein, bis ein geeigneter Unternehmensnachfolger gefunden ist. Jordan (1994, S. 42) sieht zusammenfassend die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer durch die Faktoren Gesundheitszustand, Ersatzmöglichkeiten durch Frauen und ausländische Arbeitskräfte, Qualifikation, Alterstruktur der Belegschaft determiniert. Um die Auswahlsituation für ältere Arbeitnehmer zu verbessern, müssen also die Altersrisiken Gesundheit und Qualifikation minimiert werden. Die Arbeitsmarktsituation (Verfügbarkeit von Arbeitskräften in qualitativer und quantitativer Hinsicht), aber auch die Einstellung des Managements zu älteren Arbeitnehmern können als intervenierende Variablen gelten.
2.5.3 Aktionsfeld Personaleinsatz Unternehmen, die einer altersdesintegrativen Personalpolitik folgen, sind bestrebt, Probleme, die mit einer alternden Belegschaft verbunden sind, zu externalisieren. 162
Die Ausführungen zur Strategie der maximalen Leistungsausschöpfung des Arbeitskräftepotentials machten dies bereits deutlich.
92
Dementsprechend werden demografisch bedingte Probleme von internen Arbeitsmärkten auf die externen Arbeitsmärkte transferiert. Ein Transfer gelingt jedoch nur solange, wie rechtlich-politische, wirtschaftliche etc. Gegebenheiten derartige Externalisierungsstrategien ermöglichen. Ändern diese sich, bekommt der demografische Faktor zunehmend Problemrelevanz. Altersrisiken sind dementsprechend unternehmensintern zu bewältigen. Diese, so wurde bisher deutlich, haben ihre Ursache nicht im kalendarischen Alter des Arbeitnehmers, sondern werden in erheblichem Masse verursacht durch die individuelle Erwerbsbiografie. Sollen Altersrisiken nicht wirksam werden, müssen folgende Fragen des Personaleinsatzes beantwortet werden: Welche Tätigkeit wurde wie und wie lange ausgeführt? Welchen Belastungen war der Arbeitnehmer dabei ausgesetzt? Welche Unterstützung hat er dabei erfahren? Als problematisch im Rahmen des Personaleinsatzes erweist sich eine einseitige, psychische und physische Belastung des Arbeitnehmers. Dies führt zu frühzeitigem Verschleiß163, der darüber hinaus auch durch zu niedrige Qualifikationsanforderungen verursacht wird (vgl. Pack et al. 2000, S. 14). Der Einsatz älterer Arbeitnehmer bei der Produktion auslaufender Produkte und dementsprechend der Einsatz jüngerer Arbeitnehmer im Rahmen der Herstellung innovativer Produkte führt zu einer Aufteilung der Belegschaft in jung und alt analog des Produktlebenszyklus. Ausschlaggebend für diese Segmentierung ist die Zielsetzung des Managements, das Erfahrungswissen der älteren Arbeitnehmer optimal zu nutzen und gleichzeitig kostenintensive und zeitraubende Weiterbildungsmaßnahmen einzusparen. Gleichzeitig wird das aktuellere Fachwissen der jüngeren zielführend eingesetzt. Jüngere Arbeitnehmer werden also vorrangig dort eingesetzt, wo „neue Verfahren und Entwicklungen eine Rolle spielen“ (Morschhäuser 2000, S. 285; vgl. Behrens 2003, S. 121164). So ergab eine Ist – Analyse hinsichtlich der Arbeitsanforderungen und des Personaleinsatzes bei der Vetter Fördertechnik GmbH, dass ältere Arbeitnehmer stärker physisch belastet wurden als ihre jüngeren Kollegen. Letztgenannte wurden eher an arbeitserleichternden Maschinen und Robotern eingesetzt, da die Verantwortlichen annahmen, dass eine Einarbeitung älterer Arbeit163
Neben dem körperlichen Verscheiß sind das Burn-Out-Syndrom, sinkende mentale Flexibilität sowie das „Verlernen des Lernens“ Folgen dieses mangelhaften Personaleinsatzes (vgl. Pack et al. 2000, S. 14).
164
Behrens (2003, S. 121) identifiziert dies als strategische Fehlentscheidung.
93
nehmer an Maschinen mit neuer Technologie kaum mehr möglich sei (vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2003, S. 55 f.). Die Zuordnung „Ältere Arbeitnehmer – Ältere Produkte/Technologie“ und „Jüngere Arbeitnehmer - Neuere Produkte/Technologie“ wird als altersbezogene Segmentierung bezeichnet (vgl. Pack et al. 2000, S. 22).
Segmentierung
Bereich
Alte Produkte
Neue Produkte
Ältere Mitarbeiter
Jüngere Mitarbeiter
Montage
Traditionell arbeitteilige Arbeitsorganisation
Moderne Arbeitsorganisation
Softwareentwicklung
Ältere Programmiertools
Aktuelle Programmiertools
Abbildung 8:
Altersbezogene Segmentierung
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pack et al. 2000, S. 22) Die altersbezogene Segmentierung und die damit zwangläufig verbundene Spezialisierung auf ein Produkt oder eine Technologie und der Verlust einer ganzheitlichen Perspektive führt ältere ebenso wie jüngere Arbeitnehmer in eine Spezialisierungsoder Einseitigkeitsfalle (vgl. Wolff 2000, S. 43, vgl. Barkholdt 2001a, S. 26). Obengenante Strategie ist jedoch dann wirkungslos, wenn das Erfahrungswissen z.B. durch den Wegfall eines traditionellen Produktes nicht mehr benötigt wird oder aber ältere Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden, das Erfahrungswissen verfällt und jüngere Arbeitnehmer z.B. bei der Produktion schon bestehender Produktlinien neu geschult werden müssten. Mögliche Neu- oder Umschulungen fallen den Arbeitnehmern, unabhängig vom Alter, dann aber besonders schwer, da sie aufgrund einseitiger Arbeitsteilung stark veränderungsresistent und „lernungewohnt“ sind (vgl. Wolff 2000, S. 34, vgl. Pack et al 2000, S. 23). Deutlich wird hier der Zusammenhang zwischen dem Personaleinsatz und den „Altersrisiken“ Qualifizierung und Gesundheit:
94
Arbeitnehmer werden in der Regel langfristig auf der Position eingesetzt, wo sich ihr aktuelles Wissen im ökonomischen Sinne am besten umsetzten lässt. Die Spezialisierungsfalle macht aus aktuellem Wissen Erfahrungswissen. Bei mangelnder Personalentwicklung wird kein neues Wissen aufgebaut und bei physisch und psychisch belastenden und einseitigen Tätigkeiten kommt ein körperlicher Verschleiß hinzu. Dies führt dazu, dass der Personaleinsatz im Zeitablauf immer problematischer wird, da eine langfristige, strategische Ausrichtung vernachlässigt wurde. Die stark an der Aktualität des Wissens der betreffenden Arbeitnehmer ausgerichtete Arbeitsteilung hat gleichzeitig Einfluss auf die Motivation der Arbeitnehmer. Leistungsorientierte und intrinsisch motivierte Personen weisen verstärkt durch Krankheit bedingte Fehlzeiten auf oder verlieren das Interesse an ihrer Tätigkeit (vgl. Wolff 200, S. 34). Tätigkeiten, die über einen langen Zeitraum ausgeübt werden und bei denen der Arbeitnehmer nichts mehr erlernen kann, sind „die größte Leistungs- und Lernbarriere für Ältere (Koller/Plath 2000, S. 112)165.
2.5.4 Aktionsfeld Personalentwicklung Eine Untersuchung in der deutschen Versicherungswirtschaft aus dem Jahr 1995 hat gezeigt, dass sich die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen in den befragten Unternehmen ab dem 50. Lebensjahr166 stark verringert (vgl. Schmähl/Gatter, 1995; S. 30; vgl. Barkholdt 2001c, S. 24)167. Köchling/Volkholz (1994, S. 74) sehen die Auswahl von Teilnehmern der betrieblichen Fort- und Weiterbildung durch die Aufstellung „informeller Altersgrenzen“ (ebenda) reglementiert, so dass Arbeitnehmer ab
165
Zum „Disuse – Effekt“ vgl. auch Punkt 2.3.2 und 3.2.2.2.
166
Marstedt/Müller (2003, S. 20) differenzieren beim „Höchstalter“ für Weiterbildungsmaßnahmen zwischen der Gruppe der Hochqualifizierten (Arbeitnehmer mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss, Höchstalter ca. 54 Jahre), der mit mittlerer Qualifikation (Fachschule mit Meister-, Technikerausbildung, Höchstalter ca. 49 Jahre) und der Gruppe mit niedriger Qualifikation (Lehre, Beruffachschule, Höchstalter 44 Jahre).
167
Mogk (2000, S. 356 ff) kommt bei der Analyse der Weiterbildungsmaßnahmen in Stahlunternehmen zu einer anderen Aussage, in den untersuchten Unternehmen nehmen die über 50jährigen seltener an Bildungsmaßnahmen teil, vergleicht man jedoch ihren Belegschaftsanteil (17,6 %) mit ihrem Teilnehmeranteil an Schulungsaktivitäten (11 %), ergibt sich ein differenzierteres Bild. Der Autor sieht vielmehr einen Zusammenhang zwischen Status und der Teilnahme an Weiterbildungsaktivitäten (vgl. Mogk 2000, S. 366).
95
ca. 45 Jahren von derartigen Maßnahmen ausgeschlossen würden. Ridder (1999, S. 211) spricht in diesem Zusammenhang von irrationalen Regeln bei der Auswahl von Adressaten von Personalentwicklungsmaßnahmen: so verfährt die Personalentwicklungskonzeption, die den Adressatenkreis bezüglich des Alters segmentiert und beispielsweise keine älteren Arbeitnehmer entwickelt, nach dem Juvenilitätsprinzip (vgl. ebenda). Diese Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer bei der Personalentwicklung entspricht dem aus der Entgeltfindung bekannten Senioritätsprinzip (vgl. ebenda). Eher rationaler Natur sind die betriebswirtschaftlichen Überlegungen der Unternehmen168, die die Weiterbildungsinvestition in einen älteren Arbeitnehmer, der möglicherweise mittelfristig oder gar kurzfristig in den Vorruhestand geht, also eine „geringere Nutzungsdauer“ für das Unternehmen hat, als sunk costs betrachten (vgl. Wolf/Kohli 1988, S. 196, vgl. Naegele 1994, S. 138, vgl. Naegele/Frerichs 2001, S. 86). Eine Amortisation entstandener Weiterbildungskosten gelingt aufgrund der geringen Verbleibedauer im Unternehmen nicht. Ein mit der Weiterbildung älterer Arbeitnehmer verbundener erhöhter Aufwand an zusätzlicher Organisation und Planung (vgl. Marstedt/Müller 2003, S. 19), wenn die Weiterbildung altersgerecht und damit am Lernerfolg orientiert ausgestaltet werden soll, beeinflusst die unternehmerische Entscheidung169 für oder gegen Weiterbildungsmaßnahmen für Älterer ebenfalls. Ebenso rational entscheidet der Arbeitnehmer. Dieser hat ab dem 50. Lebensjahr kaum noch Aufstiegschancen. Dementsprechend sinkt proportional seine Bereitschaft, sich weiterzubilden (vgl. ebenda, S. 31.). Ähnliche Ergebnisse lassen sich auch finden bei Kuwan/Waschbüsch (1994, S. 48 ff.), die aufzeigen, dass 35% der über 50jährigen der Einschätzung sind, Weiterbildung sei für sie nicht mehr lohnend, während es in der Gruppe der unter 50jährigen lediglich 18 % sind. Weiterhin zeigt sich, dass Hochschulabsolventen diese Ansicht weitaus weniger teilen (9%) als die
168
Barkholdt/Frerichs/Naegele (1996, S. 63) benennen ein cost – benefit – Modell.
169
Entscheidend für oder gegen eine Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ist in der Regel das Votum des Vorgesetzten oder des Personalverantwortlichen (vgl. Kuwan/Waschbüsch 1994, S. 50). Hier besteht ein möglicher Zusammenhang zwischen Altersbild des Entscheiders und dem Zugang des älteren Arbeitnehmers zu Weiterbildungsmaßnahmen.
96
Befragten ohne beruflichen Abschluss (32%)170. Unterschiede lassen sich auch zwischen Ost und West feststellen. Befragte aus den Neuen Bundesländern sind häufiger der Meinung (28%), dass sich berufliche Weiterbildung ab dem 50. Lebensjahr nicht mehr lohnt, als ihre westlichen Kollegen (20%) (vgl. Behringer 2002, S. 101; vgl. Kuwan/Waschbüsch 2004, S. 49). Die Chance, durch die berufliche Weiterbildung die berufliche Situation zu verbessern, sehen insbesondere die Befragten unter 35 Jahren mit höherer Qualifikation (vgl. ebenda). Barkholdt (2001c, S. 25) führt Ergebnisse eines Forschungsprojektes an, die eine hohe Unzufriedenheit der Älteren mit Weiterbildungsangeboten belegen. Daher kann nicht generell von mangelnder Bereitschaft älterer Arbeitnehmer gesprochen werden, lebenslang zu lernen. Die in Kuwan/Waschbüsch (1994, S. 48 ff.) zitierte Untersuchung zeigte ebenfalls, dass Ältere eher eine fachbezogene Weiterbildung präferieren, wohingegen jüngere Arbeitnehmer die Vermittlung von soft skills (z.B. allgemeines Führungsverhalten) wünschen. Die im Rahmen des IAB – Betriebspanels 1997 befragten Personalverantwortlichen sahen kaum einen Zusammenhang zwischen Lernbereitschaft und dem Alter. Koller/Plath (2000, S. 116) unterscheiden zwischen der organisierten und formalisierten (beruflichen) Weiterbildung (bezogen auf innerbetriebliche Maßnahmen also Personalentwicklungsmaßnahmen) und der informellen beruflichen Weiterbildung. Genannt werden das Lesen berufsbezogener Fachzeitschriften oder das Selbstlernen durch Beobachtung und das Probieren am Arbeitsplatz oder während der Freizeit). Zieht man beide Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung in die Analyse mit ein, lassen sich kaum mehr Unterschiede bei den Weiterbildungsbemühungen älterer und jüngerer Arbeitnehmer feststellen. Die im Vergleich zu den jüngeren Belegschaftsmitgliedern geringere Teilnahme Älterer an Weiterbildungsveranstaltungen lässt sich zusammenfassen einmal als Ausdruck einer sinkenden Weiterbildungsbereitschaft seitens der älteren Arbeitnehmer, die sich mit der betrieblichen Ausgestaltung der Angebote unzufrieden zeigen. Ebenso aber auch als Ausdruck der geringen Bereitschaft der Unternehmen selbst, in die
170
Die Höhe der Qualifikation korreliert mit der Beteilung an Weiterbildungsmaßnahmen (vgl. Barkholdt 2001c, S. 25).
97
Weiterbildung der älteren Arbeitnehmer aufgrund einer geringeren Restwertnutzung zu investieren.
2.5.5 Aktionsfeld Motivation Motivationstheorien sind von grundlegender Bedeutung für das HRM, da die daraus gewonnen Erkenntnisse um die Motive und die Motivation der Arbeitnehmer, dieses oder jenes zu tun bzw. nicht zu tun, Grundlage ist für „Arbeitsgestaltung und organisation, die Führung, die Gestaltung von Anreizen etc.“ (Oechsler 2000, S. 165). Die in Kapitel 4.2 dargestellten Inhaltstheorien der Motivation von Maslow und Herzberg haben dabei bei der Gestaltung betrieblicher Motivationskonzepte trotz fundamentaler Kritik seitens der psychologischen Motivationsforschung wegen ihrer hohen Praktikabilität nachhaltig Anklang gefunden (vgl. Klimecki/Gmür 2001, S. 271). Ausführlich wird das Problemfeld „Identifikation und Motivation“ in Kapitel vier dieser Arbeit behandelt, hier soll nur explizit auf das Senioritätsprinzip eingegangen werden, da an diesem Prinzip die Notwenigkeit einer altersübergreifenden Motivationspolitik gespiegelt werden kann. Klimecki/Gmür (2001, S. 275) nennen neben der Anforderungs-, Markt- und Leistungsgerechtigkeit die Sozialgerechtigkeit als viertes Prinzip der Leistungsgerechtigkeit für die Gestaltung von Entgelt- und Anreizsystemen. Sozialgerechtigkeit bezieht sich auf das unternehmenspolitisches Engagement (z.B. als Betriebsrat), die Umverteilung zwischen Kapital und Arbeit, persönliche und familiäre Belastungen sowie das Alter. So werden Jugendliche in besonderer Art und Weise geschützt und auch entlohnt, ebenso aber auch die älteren Belegschaftsmitglieder. Das Senioritätsprinzip ist somit Ausdruck der Sozialgerechtigkeit gegenüber älteren Menschen. Eine Betriebsbefragung von über 100 Betrieben in Ostdeutschland und Ostberlin (Rössel, 1998, S. 47 ff) ergab, dass 58% der befragten Unternehmen alternde Belegschaften als hinderlich für die Zielerreichung „Kostensenkung“ ansehen. Hier wird ein negativer Zusammenhang zwischen dem Senioritätsprinzip und der Stabilisierung
98
der Kosten gesehen (Arbeitnehmer als Kostensenkungspotential), was den Einsatz älterer Arbeitnehmer erschwert oder verhindert (vgl. ebenda, S. 56)171. Senioritätsprivilegien sind gekennzeichnet durch ein steigendes Einkommen in Abhängigkeit von Alter und/oder Dauer der Betriebszugehörigkeit (vgl. iwd 2004, S. 4), unabhängig von Funktion, Leistung oder wirtschaftlicher Potenz des Unternehmens (vgl. Schmidt-Rudloff 2003, S. 63). In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen der Unternehmen zu sehen, durch eine im Vergleich zu jüngeren Arbeitnehmern verstärkte Freisetzung Älterer Kostensenkungspotentiale zu realisieren (vgl. Kratzer u.a., 1998; S. 196). Gleichzeitig erschweren oben dargestellten Senioritätsprivilegien die strukturelle Integrität von Teams, da Arbeitnehme,r die genannte Privilegien genießen, keine ausreichende Passung zum gegebenen Gehaltsgefüge aufweisen (vgl. Schmidt-Rudloff 2003, S. 63). Das Senioritätsprinzip findet nicht nur Anwendung in betrieblichen Entlohnungssystemen, sondern ebenfalls in der Laufbahn- und Nachfolgeplanung. Ausgehend vom Lebensalter und/oder der Betriebszugehörigkeit werden Arbeitnehmer versetzt, im Falle einer horizontalen Versetzung (Versetzung auf eine höhere Hierarchieebene) ist dies in der Regel der ältere Arbeitnehmer (vgl. Berthel 1992, Sp. 1209). Tarifliche Senioritätsregeln können für die Industrie, den Dienstleistungsbereich und das Handwerk eine Staffelung der Kündigungsfristen, einen besonderen Kündigungsschutz für Ältere, eine Verdienstsicherung, eine Lohnstaffelung und letztendlich eine Staffelung der Urlaubstage umfassen (vgl. iwd 2004, S. 5). Eine Berücksichtigung der Altersentwicklung ohne ausreichende Berücksichtigung der Qualifikationsentwicklung führt zur Fluktuation (jüngerer) leistungsorientierter Ar-
171
Bogai (2001, S. 49) verweist im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktsituation für ältere Arbeitnehmer auf eine ökonomische Sichtweise, die die auf Senioritätsprinzipien basierende Entgeltzahlung als beschäftigungshemmend ansieht.
99
beitnehmer und begünstigt sicherheitsorientierte Arbeitnehmer (vgl. ebenda)172. Gleichzeitig wird die Effizienz interner Arbeitsmärkte durch Senioritätsprinzipien erheblich eingeschränkt (vgl. Schmidt-Rudloff 2003, S. 63). Gleichzeitig geht die Motivationswirkung von Belohnungen und Privilegien weitestgehend verloren, da sie an demografische Faktoren gekoppelt ist, nicht aber an individuelle Faktoren wie der erbrachten Leistung (vgl. iwd 2004, S. 5).
2.6 Strategiefelder Die Bewertung älterer Arbeitnehmer als strategisch relevantes Erfolgspotential und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Gestaltung einer den vielschichtigen Faktor „Alter“ berücksichtigenden Identifikations- und Motivationspolitik hängt in besonderem Maße von der Interpretation der Bedeutung des (Erfolgs-)Faktors „Humanressourcen“ durch das Management ab. Ausschlaggebend für die Gewichtung sind u.a. sicherlich Denkansätze, die aus dem marktorientierten oder dem ressourcenorientierten Ansatz der Strategieforschung resultieren (vgl. Stührenberg 2004, S. 34). Benannte und wegweisende Ansätze versuchen zu erklären, welche Ursachen dem Unternehmenserfolg zuzuschreiben sind und wie dieser aufrechterhalten bzw. gesteigert werden kann (vgl. ebenda). Altersintegrative bzw. altersdesintegrative HR – Strategien sind somit ebenfalls Ausdruck unterschiedlicher Denkansätze hinsichtlich der Bedeutung des Humankapitals für den unternehmerischen Erfolg. Nachstehend werden die Strategieansätze kurz vorgestellt. 2.6.1 Marktorientierung Kernpunkt des „Market – based View of Strategy“ ist die Analyse der Markt- bzw. Wettbewerbstellung des Unternehmens auf relevanten Märkten und basiert im wesentlichen auf den Arbeiten von Michael E. Porter173. Grundannahme: Ein Unternehmen ist nur dann erfolgreich am Markt (performance), wenn es von diesem ausgehend agiert, oder anders formuliert: relevante Erfolgsfaktoren werden aus Marktund Umweltbedingungen (structure) abgeleitet. So ist eine im Vergleich zu den Wett172
Der Autor verweist in diesem Zusammenhang darauf, das bei Laufbahnentscheidungen häufig Kriterien wie der sozialer Hintergrund, Parteimitgliedschaften, Religionszugehörigkeit etc. determinieren, die in keinem Zusammenhang zum Senioritäts- und Leistungsprinzip stehen.
173
Porter, M.E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analysing Industries and Competitors, New York 1980
100
bewerbern bessere Kenntnis der Bedürfnisse der Abnehmer und daraus folgernde kundennähere Bedürfnisbefriedigung ein klarer Wettbewerbsvorteil und Grundlage für die Realisation höherer Renditen. Grundlegendes Ziel: Stärken des Wettbewerbsverhaltens sollen ausgebaut, Schwächen dementsprechend abgebaut. Nach Porter wird die Position, die ein Unternehmen neben Anderen im Wettbewerb einnehmen kann, beeinflusst durch fünf Kräfte des Wettbewerbs (vgl. Porter 1999a, S. 34 ff., vgl. Porter 1999b S. 29 ff, vgl. Schneck 2000 S. 151) Diese sind: 1. Lieferanten (Verhandlungsmacht der Lieferanten) 2. Abnehmer (Verhandlungsmacht der Lieferanten) 3. Potentielle neue Wettbewerber 4. Substitutionsprodukte 5. Wettbewerb im relevanten Markt (Branche) Intervenierende Variablen sind ökonomische, technologische, sozio-kulturelle und rechtlich-politische Umweltfaktoren (vgl. Porter 1999a S. 36 f.). Kostenstrategie (Kostenführerschaft), Differenzierung sowie Konzentration auf Gesamt- oder Teilmärkte sind Koordinaten bei der Entwicklung einer Marktstrategie bezogen auf die jetzige oder zukünftige Marktsituation ( Porter 1999 S 70 ff., vgl. Porter 1999 S. 37 ff.). Die strategische Ausrichtung des Unternehmens orientiert sich dabei in der Hauptsache an externen Gegebenheiten des Marktes (outside-in-Perspektive, vgl. Stührenberg 2004, S. 34), interne Faktoren spielen eine nachgelagerte Rolle. Dementsprechend gibt es keine Erklärungsansätze innerhalb des marktorientierten Ansatzes, die den Zusammenhang zwischen dem Humankapital als internem Faktor und dem Wettbewerbserfolg näher beleuchten. Porter definiert dementsprechend das Human Resource Management als indirekte Funktion (vgl. Schneck 2000, S. 153). Der marktorientierte Ansatz wird wegen seiner einseitigen und statischen Außenorientierung kritisiert. Vergleicht man zwei Unternehmen mit ähnlicher Marktposition und ähnlicher Größe, aber unterschiedlichen Renditen, verweisen diese auf eine höhere
101
interne Effizienz (vgl. ebenda). Effizienzunterschiede können aber auch durch die Fähigkeiten der Arbeitnehmer oder effizientere Organisationsstrukturen bedingt sein. Somit verkörpert die alleinige Marktorientierung eine zwar richtige, aber verkürzte Sichtweise. Der nachstehende Resource Based View konzentriert sich daran ansetzend auf interne Ressourcen und Fähigkeiten als entscheidende Erfolgsfaktoren.
2.6.2 Ressourcenorientierung Der Ressourcenorientierte Ansatz sieht Wettbewerbsvorteile durch die unterschiedliche Ausstattung, Kombination und Qualität interner Ressourcen begründet (vgl. Stührenberg 2004, S. 35). Grundlegende Überlegungen hierzu trafen im wesentlichen die Autoren Penrose174, Wernerfelt175 und Barney176, die als Gegensatz zur „ouside-in“ – Perspektive eine „inside-out“ – Perspektive etablierten. „Interne“ Wettbewerbsvorteile basieren dabei auf den Einsatzfaktoren oder Fähigkeiten („ Organizational Capabilities“) eines Unternehmens (vgl. Schneck 2000, S. 155; vgl. Stührenberg 2004, S. 35) und sind dementsprechend strategische Ressourcen für Unternehmen (vgl. Schneck 2000, S. 155). Handlungsleitende Frage ist: Wie werden interne Wettbewerbsvorteile verursacht und welche Wirkungszusammenhänge bestehen (vgl. ebenda)? Ziel ist der Aufbau fehlender sowie der Ausbau bestehender Ressourcen. Folgende Grundannahme des ressourcenorientierten Ansatzes sind festzustellen: Ressourcen sind heterogen, einzelne Ressourcen oder Ressourcenkombinationen sind ursächlich für Effizienzunterschiede zwischen Unternehmen (vgl. Barney 1991, S. 115; vgl. Schneck 2000, S. 155) Ein Unternehmen kann dann einen Wettbewerbsvorteil generieren, wenn unternehmensspezifische Ressourcen für Wettbewerber nicht imitierbar, nicht substituierbar und immobil sind (vgl. ebenda). Der ressourcenorientierte Ansatz war Ausgangspunkt für die (Weiter-)Entwicklung anderer Ansätze wie des „knowledge-based view“ oder des „competence.based view“ und die weitere 174
Penrose, E. (1959): The theory of the growth of the firm, Oxford 1959
175
Wernerfelt, B. (1984): A Resource based view of the firm, in: Strategic Management Journal, Vol. five, No. 1/1984, S. 171 - 180
102
Differenzierung des Begriffes Ressource (vgl. Wernerfelt 1995, S. 172)177. Subsummieren wir Wissen und Fähigkeiten älterer und jüngerer Arbeitnehmer unter dem Begriff Ressourcen, so lässt sich festhalten, dass „the essence of strategy formulation is to design a strategy that makes the most effective use of these core resources and capabilities“ (Grant 1991, S. 129). Reagieren Unternehmen auf die demografische Veränderung, so geschieht dies bisher in der Regel aus marktorientierter Sicht. Die Älteren als eigenes Marktsegment sind ein relevanter Wirtschaftsfaktor, denn ältere Menschen sind „mobiler, genussund ausgabefreudiger, informierter und sich seines gesellschaftlichen Gewichts bewusster geworden“ (ohne Verf. 1992, S. 1). Wichtige Branchen sind Tourismus, Medien und Gesundheit/Pflege (Produkte und Dienstleistungen) (vgl. ebenda, S. 15 ff). In diesem Sinne ist der Ältere ein Nutzenfaktor, bezogen auf die Arbeitswelt werden ältere Arbeitnehmer eher als Kostenfaktor interpretiert. Welche Bedeutung aber haben nun obengenannte Strategieansätze für die Konfiguration eines professionellen HRH, dass den demografischen Faktor „Alter“ einbezieht? Markt- und ressourcenorientierten Ansatz resümierend lässt sich festhalten, das Wettbewerbsvorteile sowohl durch interne Ressourcen als auch durch eine starke Marktorientierung generiert werden können (vgl. Barth 2002, S. 22). Schwerpunkt des Kapitels 2 dieser Arbeit war nach einführenden Überlegungen hinsichtlich eines professionellen HRM die Analyse der: a) Situation älterer Arbeitnehmer innerhalb des äußeren und inneren Kontextes eines professionellen HRM b) die Darstellung der Anspruchsgruppe „Ältere Arbeitnehmer“ (insbesondere in Zusammenhang mit den Altersrisiken Gesundheit, Qualifikation und Motivation) sowie die Position, die relevante Anspruchsgruppen gegenüber dieser Gruppe einnehmen c) Aktions- und Strategiefelder des professionellen HRM hinsichtlich ihrer altersintegrativen bzw. –desintegrativen Ausgestaltung.
176
Barney, J.B. (1991): Firm Resource and Sustained Competitive Advantage, in: Journal of Management, Vol. 17, No. 1/1991, S. 99-120
177
So wird die Unternehmenskultur ebenfalls als wettbewerbsrelevante Ressource interpretiert (vgl. Wernerfelt 1995, S. 172)
103
Auf Basis der Grundannahmen des ressourcenorientierten Ansatzes soll ein Identifikations- und Motivationskonzept entworfen werden, das, als Bestandteil des professionellen HRM die Weiter- und Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer als strategischen Wettbewerbsvorteil begreift. Steers et al. (2004, S. 383) zitieren in diesem Zusammenhang das MIT, das den Wettbewerb zwischen Unternehmen, aber auch zwischen Nationen, durch die Qualität der zur Verfügung stehenden Technik als auch durch die Qualität der Humanressourcen bestimmt sieht. Dementsprechend ist eine motivierte Belegschaft „a critical strategic asset in such competition“ (ebenda). Aktionsfelder des professionellen HRM mit identitätsstiftendem und motivationalem Charakter müssen dementsprechend gestaltet werden. Stührenberg (2004, S. 35) verweist darauf, das aktuelle ressourcenorientierte Ansätze insbesondere das Wissen als relevant für die Generierung von Wettbewerbsvorteilen erachten. Das Erfahrungswissen älterer Arbeitnehmer, folgt man diesen Ansätzen, gilt es also zu erhalten und effektiv zu nutzen. Nienhäuser (2002, S. 64) sieht dementsprechend in Unternehmen mit komplexen Produktionsprozessen und daraus resultierend, hohen Anforderungen an das Erfahrungswissen eine größere Chance für die Implementierung von HRM – Systemen mit altersintegrativer Ausrichtung, wohingegen bei eher einfachen Produktionsprozessen die körperliche Leistungsfähigkeit im Vordergrund steht, was eher zu einer altersselektiven Ausgestaltung personwirtschaftlicher Maßnahmen führt (vgl. ebenda). Dies aber ist nicht zwangsläufig gegeben, die Ausführungen zum Personaleinsatz, der den u.a. den Gesundheitszustand (älterer) Arbeitnehmer positiv oder negativ beeinflussen kann, haben gezeigt, das eine körperliche Leistungsfähigkeit auch im Alter erhalten werden kann, wenn Personaleinsatzstrategien das Faktor Alter antizipieren. Letztendlich ist festzuhalten: die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit als auch der Leistungswille von (älteren und jüngeren) Arbeitnehmern gilt es zu erhalten, sie bilden ganzheitlich das Humankapital und sind als solches von strategischer Bedeutung. Ebenso finden sich aber auch Überlegungen des marktorientierten Ansatzes wieder, insbesondere in Kapitel drei der Arbeit. Dort wird die ökonomische Relevanz des demografischen Merkmales Alter auch unter Marketingaspekten diskutiert. Die Inside – Out - Perspektive wird um die Outside – In – Perspektive ergänzt. Eine allein ressourcenorientierte Sicht darf als nicht sinnvoll gelten, da markt- und ressourcenorientierter Ansatz sich nicht ausschließen, sondern ergänzen, dementsprechend
104
müssen Maßnahmen und Instrumente des professionellen HRM so ausgestaltet sein, dass sie eine altersdiverse Belegschaft und deren Kompetenzen so fördern, dass auf Chancen und Risiken, die in durch demografische Veränderungen beeinflussten Absatzmärkten entstehen, markterfolgreich reagiert werden kann.
2.6.3
Zwischenfazit
Im vorangegangenen Kapitel zwei wurde der Handlungsrahmen eines professionellen Human Resource Management mit altersintegrativer Ausprägung umfassend analysiert. Ausgangspunkt war der demografische Trend der Überalterung der Gesellschaft. Ausgelöst durch eine zunehmend höhere Lebenserwartung einerseits und sinkende Geburtenzahlen andererseits, hat diese Entwicklung Einfluss auf viele Bereiche des gesamtgesellschaftlichen und somit auch des ökonomischen Lebens. Verallgemeinernd lassen sich ein steigendes Durchschnittalter bzw. ein sinkender Anteil Jüngerer innerhalb der Erwerbsbevölkerung feststellen. Bemerkenswert aber, dass ergab auch die eigene Befragung deutscher Unternehmen hinsichtlich deren Wahrnehmung zur Altersproblematik (siehe dazu ausführlich unter Punkt ), findet diese demografische Veränderung in den Unternehmen (noch) nicht statt. Der Anteil älterer Arbeitnehmer in den Belegschaften ist, sicherlich in Abhängigkeit von Branche, Betriebgröße und Region, eher klein. Möglichkeiten der Externalisierung älterer Arbeitnehmer wurden aber durch die Neuausrichtung der Rentengesetzgebung eingeschränkt (Erhöhung des formalen Renteneintrittsalters und Beschneidung der finanziellen Ausstattung bei Frühverrentung), nach langen Jahren des Konsens zwischen Politik, Gewerkschaften und den Unternehmen, ältere Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen aus der aktiven Erwerbstätigkeit zu entlassen. In Zukunft müssen sich die Unternehmen verstärkt mit dem Beschäftigungssegment der älteren Arbeitnehmer auseinandersetzen. Es gilt einen Entwurf für ein professionelles HRM mit altersintegrativer Ausrichtung zu entwickeln (siehe dazu Kapitel fünf), dass die Stärken älterer Arbeitnehmer unterstützt und gleichzeitig deren potentielle Schwächen operativ abbaut bzw. unter strategischen Gesichtpunkten Altersrisiken nicht entstehen lässt. Die ökonomische Relevanz einer altersintegrativer Gestaltung verschiedener Aktionsfelder eines PHRM wird in Kapitel drei dieser Arbeit unter Verwendung des Konzeptes des „Managing Diversity“ noch verstärkt heraus-
105
zuarbeiten sein. Die Vermeidung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer hat dabei verschiedene Gründe. Ein Gesundheitsrisiko in Form von Verschleißerscheinungen ist bei älteren Arbeitnehmern nach jahrelanger, insbesondere körperlicher Überlastung zu beobachten, die schon in jungen Jahren beginnt, gleichwohl sind Ältere im Vergleich zu jüngeren Kollegen nicht häufiger aber länger, da chronisch krank. Ein Qualifikationsrisiko, sprich ein sukzessives Veralten der Qualifikationsprofile entsteht u.a., da Ältere häufig bei Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen benachteiligt werden, bei einer immer kürzeren Halbwertzeit von Wissen und somit stetig steigenden Anforderungen an die Qualifikation. Ein Grund für den Ausschluss ist häufig die betriebwirtschaftliche Überlegung, das eine Investition in die Weiterqualifizierung eines Älteren nicht mehr ausreichend rentabel ist, da eine mittel- oder kurzfristig absehbare Pensionierung die Amortisationsperiode für entsprechende Aufwendungen verkürzt. Sowohl Gesundheits- als Qualifikationsrisiko werden verschärft durch bestehende Vorurteile gegenüber Leistungsfähigkeit und –willen älterer Arbeitnehmer. Neben dem Gesundheits- und dem Qualifikationsrisiko konnte aber in Kapitel zwei gezeigt werden, dass neben den erstgenannten Risikofeldern eine unzureichende Identifikation und Motivation älterer Arbeitnehmer deren Wieder- und Weiterbeschäftigung über nominale und faktische Rentengrenzen hinweg gefährden. Alle drei Risikofelder stehen in einem engen Wirkungszusammenhang, die Ergänzung der Bereiche Gesundheit und Qualifikation durch das Identifikations- und Motivationsrisiko beleuchtet einen wesentlichen Aspekt bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Können (Leistungsfähigkeit) wird durch ein Wollen (Leistungswillen) erst wirksam, dementsprechend sind Aspekte der Identifikation und Motivation bei der Gestaltung eines professionellen HRM mit altersintegrativer Ausrichtung erfolgswirksam. Anknüpfend an die Untersuchungsergebnisse dieses Kapitels und in Verbindung mit dem Konzept der Identifikation und Motivation werden in Kapitel fünf Handlungsempfehlungen in den Bereichen Arbeitszeit, Entgelt, Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung entwickelt mit dem Ziel der Weiter- und Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer .
106
3 Plädoyer für eine altersintegrative Personalpolitik (Managing Age) auf Grundlage des Konzeptes „Managing Diversity“ Nienhüser (2000, S. 55 ff) untersucht die personalwirtschaftlichen Auswirkungen unausgewogener betrieblicher Alterstrukturen, sprich Alterstrukturen, die nach Definition des Autors durch einen sehr hohen Anteil älterer Arbeitnehmer und/oder sehr große Altersunterschiede zwischen den Belegschaftsmitgliedern geprägt sein können. Das Konzept der Organisationsdemografie heranziehend, verursachen demnach unausgewogene Alterstrukturen insbesondere Verteilungskonflikte zwischen den Generationen, so bei Dominanz einer Alterskohorte. Senioritätsregeln festigen eine potentielle Dominanz älterer Arbeitnehmer zusätzlich. Gleichzeitig verringern bestehende Altersunterschiede die soziale Ähnlichkeit innerhalb der Belegschaft aufgrund generativ bedingt unterschiedlicher Werte und Interessen(vgl. ebenda, S. 59). Bei Dominanz älterer Arbeitnehmer kann dies für das Human Resource Management bedeuten, so Nienhäuser, dass eine notwendige personelle Erneuerung178 aufgrund eines Beförderungsstaus nicht stattfinden kann (vgl. ebenda, S. 66), Gleichzeitig behindern Altersunterschiede die Kommunikation zwischen den Gruppen. Die Folge sind Informationsblockaden und Demotivation (vgl. ebenda). Gleichwohl weist der Autor darauf hin, dass das völlige Fehlen von Altersunterschieden eine egozentrische Kultur entstehen lässt, die die Anpassungsfähigkeit der Organisation beeinträchtigt (vgl. ebenda). Diese Überlegung zu altershomogenen und –heterogenen Alterstrukturen sollen mit der anschließenden Diskussion des Managementkonzeptes „Managing Diversity“ aufgegriffen und vertieft werden. Durch die in der Praxis weit verbreitete „Jugendzentriertheit“ in der personalwirtschaftlichen Gestaltung sind in der Tat altershomogene Strukturen entstanden, die aus ressourcenorientierter Sicht die Nutzung des Erfolgspotentials „Ältere Arbeitnehmer“ verhindern. Nachstehend soll insbesondere die ökonomische Relevanz von „Diversity“ im Hinblick auf das Vielfalt – Kriterium Alter überprüft werden (siehe hierzu unter Punkt 3.4). Dies geschieht unter dem Eindruck, dass Entscheidungen des Managements hinsichtlich der Weiterund Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer überwiegend Kosten – Nutzen geleitet sind. Ethische Überlegungen, die ebenfalls Bestandteil von „Managing Diversity“, treten dementsprechend in den Hintergrund.
178
Der Autor interpretiert dementsprechend die Begriffe „Erneuerung“ und „Verjüngung“ äquivalent.
107
Grundlegend soll hier folgende Annahme getroffen werden: Durch Heterogenität können Erfolgspotentiale generiert werden. Alten- bzw. jugendzentrierte Maßnahmen schaffen altershomogene Strukturen, die, so die Protagonisten der Vielfalt, weniger effizient und effektiv sind, als heterogene Strukturen es ermöglichen, wenn Unterschiedlichkeit aktiv gestaltet wird. Diese Annahme soll in Kapitel drei untersucht werden.
3.1 Das Konzept Managing Diversity 3.1.1 Diversity Diversity meint die Vielfalt, die dadurch entsteht, dass Menschen sich in vielfacher Hinsicht unterscheiden und gleichzeitig auch Gemeinsamkeiten aufweisen können (vgl. Sepehri/Wagner 2002, S. 124)179. „Diversity refers to any mixture of items characterised by differences and similarities“ (vgl. Thomas 1996, S. 5). Eine Unterscheidung ist zum einen hinsichtlich äußerlich wahrnehmbarer Merkmale („observable differences“) zu treffen. Diese sind Rasse und ethnischer Hintergrund, Nationalität, Geschlecht, Alter oder körperliche Behinderung (vgl. Sepehri/Wagner 2002, S. 131 in Anlehnung an Milliken/Martins 1996180). Daneben ist eine Unterscheidung in kaum wahrnehmbare bzw. kaum sichtbare Merkmale möglich („unobservable differences“). Hierbei handelt es sich um Erziehung, Einstellungen, sexuelle Ausrichtung, Religion, Lebensstil, Werteverständnis etc., aber auch Unterschiede in Wissen und Fähigkeiten (vgl. ebenda). Beide Merkmalsarten sind aber miteinander verknüpft. So wird unter Punkt 3.2.2.1 der Einfluss des Alters auf bestimmte Wertemuster beleuchtet. Ebenso ist das Merkmal „Alter“ nicht allein ein äußerlich wahrnehmbarer Unterschied, sondern weist ebenso kaum wahrnehmbare bzw. sichtbare Merkmale auf und ist daher mehrdimensional. Die Ausführungen unter Punkt 3.2 machen dies deutlich.
179
Sepehri/Wagner (2002, S. 123 f.) weisen allerdings darauf hin, dass in Wissenschaft und Praxis kein einheitliches Verständnis von Diversity und Managing Diversity besteht und es letzthin keine allgemein gültige und standardisierte Definition der Begriffe geben kann. Vielmehr beeinflussen demografischer, kultureller und sozialökonomischer Hintergrund sowie geografische Herkunft und unternehmerische Tätigkeit Wahrnehmung und Verständnis von Diversity (vgl. ebenda).
180
Milliken, F.K./Martins, L.L. (1996): Searching for Common Threads, Understanding the Multiple Effects of Diversity in Organisational Groups, S. 402 – 433.
108
Dort dargelegte Erkenntnisse sind von wesentlicher Bedeutung für das Managing von Diversity, das eine ausreichende Balance zwischen organisationaler Integration und Differenzierung finden muss, um ökonomisch sinnvoll Erfolgspotentiale aus der Unterschiedlichkeit der Arbeitnehmer realisieren zu können.
3.1.2 Managing Diversity Managing Diversity basiert auf der Erkenntnis, dass eine mögliche Vielfalt bezüglich der o.g. Merkmale vorteilhaft für die Verwirklichung von Unternehmenszielen sein kann181. Diese gilt es zu maximieren. Potentielle Nachteile gilt es zu minimieren (vgl. Cox 1993, S. 11). Forschungsergebnisse zeigen, dass Vielfalt wertsteigernd ist und Wettbewerbsvorteile generiert, wenn unternehmensintern entsprechende Voraussetzungen geschaffen wurden, die den Prozess des Managing Diversity positiv unterstützen (vgl. Richard 2000, S. 164). Managing Diversity nimmt daher die Vielfalt aktiv an und realisiert durch unterschiedliche Maßnahmen Erfolgspotentiale. „Es (Anm. d. Verf.) besteht der Bedarf, die existierende Vielfältigkeit und die potentiellen Gemeinsamkeiten wahrzunehmen, zu verstehen, wertzuschätzen und nicht zuletzt optimal zu managen“ (Sepehri 2002, S. 93). Managing Diversity ist aber nicht gleichzusetzen mit differenzierendem HRM, was seit geraumer Zeit in deutschen Unternehmen für spezifische Arbeitnehmergruppen wie Frauen, Führungskräfte, Jugendliche oder ältere Arbeitnehmer praktiziert wird. Das Verständnis von Managing Diversity ist weiter gefasst. Die einzelnen Arbeitnehmergruppen werden nicht isoliert betrachtet, sondern es wird durch integrierte Maßnahmen auf Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Arbeitnehmern eingegangen. Am Beispiel der Entwicklung eines altersgerechten Identifikations- und Motivationskonzeptes für ältere Arbeitnehmer wird dies deutlich: eine einseitige Ausrichtung auf Motive und Werthaltungen der Älteren ohne die der Jüngeren bei der Konzeptionierung zu berücksichtigen und zu integrieren, ist nicht zielführend182. Als Beispiel sei hier die Karriereorientierung von Nachwuchskräften genannt, eine zu 181
Homogenität als auch Heterogenität umfassen Chancen und Risiken (vgl. Wagner/Voigt 2004, S. 119).
182
Gleiches gilt natürlich auch im Falle einer jugendzentrierten Personalpolitik.
109
starke Focussierung auf ältere Arbeitnehmer kann hier zu Fluktuation bei jüngeren Belegschaftsmitgliedern führen. Nur durch das aktive Management des Spannungsfeldes zwischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten kann es gelingen, positive Effekte für das Unternehmen zu nutzen (vgl. Wagner/Voigt 2003, S. 115). Untersucht man das Verständnis von Managing Diversity, so lassen sich drei Ansätze bzw. Dimensionen unterschieden: -
Diskriminierungs- und Fairnessansatz
-
(Markt-)Zutritts- und Legitimitätsansatz (Access and Legitimacy Approach)
-
Integrativer Ansatz (Learning and Effectiveness Approach)183 Dimensionen und Indikatoren von drei unterschiedlichen Ansätzen Dimensionen zum Verständnis von Diversity Fairness/ Diskriminierungsansatz
Diversity Perspektiven
Access & Legitimacy - Ansatz
Learning & Effectiveness - Ansatz
Abbildung 9:
Indikatoren •Assimilation/Comfomism •Reflection of the Society •Fairness •Regulatory •Discrimination •Morality •Market Entry •Motivation •Differentiation •Market Based •Short Term Orientation •Core Competence Argument •Learning Effect •New Perspectives •Integration Argument •Organisational Culture •Valuing Diversity •Resource Based
Dimensionen und Indikatoren von drei unterschiedlichen Ansätzen
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Cox/Blake 1991, S. 45)
183
Sepehri (2002, S. 103) verweist in Anlehnung an Dass, P./Parker, B. (1999): Strategies for Managing Human Resource Diversity; S. 68 – 80 und Thomas, D.A./Ely, J.E. (1996): Making Differences Matter, S. 79 – 90 auf eine weitere Perspektive: die Resistenzperspektive, die die Relevanz der Problematik negiert und das Ideal der homogenen Belegschaft propagiert.
110
Obenstehende Ansätze/Dimensionen werden unter Punkt 3.3 im Zusammenhang mit dem multiplen Vielfaltkriterium „Alter“ (s.u.) und unter Berücksichtigung der obengenannten Indikatoren umfassend dargestellt.
3.2 Alter als multiples Vielfaltkriterium Bei der Betrachtung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer ist festzustellen, dass Alter nicht allein als ein wahrnehmbares Merkmal zu identifizieren ist, sondern z.B. ein starker Zusammenhang zwischen Alter und bestimmten Einstellungen zu Werten wie Pflicht, Ordnung oder Disziplin besteht, die bei nachfolgenden Generationen im Zuge des Wertewandels eine Neubewertung erfahren haben (vgl. Menges, 2000, S. 340f.). Dies bedeutet, dass wahrnehmbare und kaum wahrnehmbare Merkmale der Unterschiedlichkeit gemeinsame Schnittmengen besitzen. Gleichzeitig ist innerhalb der Gruppe der älteren Arbeitnehmer eine Differenzierung notwendig, da diese nicht notwendigerweise eine homogene Gruppe bilden. Dies machen Untersuchungen deutlich, die die Gruppe der älteren Arbeitnehmer in relevanten Bereichen - körperlich, geistig und sozial – als im Vergleich zu den Jüngeren heterogener identifizieren (vgl. Hilb, 1997, S. 29). Krell (2002, S. 107) zitiert in diesem Zusammenhang Roosevelt Thomas184 der konstatiert, dass es „innerhalb einer demografischen Gruppe ebenso viel Diversity in Bezug auf deren Meinungen, Vorstellungen und Verhaltensweisen (gibt) wie zwischen verschiedenen demografischen Gruppen“. Im Folgenden soll jedoch eine Erweiterung der Einteilung der Merkmale in vier Dimensionen nach Jackson185 (vgl. Sackmann et al 2002, S. 46) vorgenommen werden, um die Mehrdimensionalität des Faktors Alter zu verdeutlichen:
184
Quelle: Thomas, R.R. (2001): Management of Diversity – Neue Personalstrategien für Unternehmen, Wiesbaden 2001, S. 40.
185
Quelle: Jackson, S.E. (1996): The consequences of diversity in multidisciplinary work teams, in: West, M.A. (Hrsg.): Handbook of work Group psychology, Chichester 1996, S. 53 - 75
111
Aufgabenbezogene Merkmale Offensichtliche • Abteilung • Dauer der Betriebszugehörigkeit Merkmale • Formale Zeugnisse und Titel • Mitgliedschaften in Berufsverbänden • etc. Weniger offensichtliche Merkmale
• Wissen und Expertise • Fertigkeiten • Physische Fähigkeiten • Aufgabenerfahrung • etc.
Beziehungsorientierte Merkmale • Geschlecht • Alter • Nationalität • Ethnische Zugehörigkeit • Physische Erscheinung • etc. • Sozialökonomischer Status • Einstellungen • Werte • Persönlichkeit • etc. l
Abbildung 10: Taxonomie zur Beschreibung der Inhalte von Diversity (Quelle: in Anlehnung an Sackmann et al., 2002, S. 46)
3.2.1 Alter als wahrnehmbarer Unterschied Sackmann (2002, S. 46) kategorisiert Alter lediglich als ein beziehungsorientiertes, sichtbares Merkmal. Schon erwähnt wurde aber der Zusammenhang zwischen dem Alter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ältere Arbeitnehmer wiesen in der Regel aufgrund ihres kalendarischen Alters auch eine hohe Dauer der Betriebszugehörigkeit auf („offensichtliches, aufgabenbezogenes Merkmal“) und partizipieren somit aufgrund verschiedener gesetzlicher und tarifvertraglicher Regelungen von besonderen Privilegien der Seniorität. Ein höheres Einkommen und höherer Status in Unternehmen können daher ebenfalls sichtbare Zeichen von Altersunterschieden sein.
3.2.2 Alter als kaum wahrnehmbarer Unterschied Weniger sichtbare, aufgabenbezogene Merkmale wie Wissen und Expertise, Fertigkeiten, physische Fähigkeiten und Aufgabenerfahrung sowie weniger sichtbare, beziehungsorientierte Merkmale (Einstellungen, Werte) stehen in starker Abhängigkeit zum Alter des Arbeitnehmers. Erinnern wir uns an die Beschäftigungsrisiken älterer Arbeitnehmer (Gesundheitsrisiko, Qualifizierungsrisiko und Motivationsrisiko), so sind einige der obenstehenden Merkmale in ihrer verschiedenen Ausprägung eben die Merkmale, mit denen man ältere Arbeitnehmer negativ und positiv attribuiert.
112
Alter ist somit nicht nur ein beziehungsorientiertes, sichtbares Merkmal, sondern umfasst alle vier genannten Dimensionen von Diversity. Komplexitätserhöhend wirken darüber hinaus die unterschiedlichen „Arten“ von Alter, genannt seien hier nochmals z.B. das organisationale Alter, das psychologische Alter etc.. Das tradierte Verständnis von Alter als offensichtlichem Merkmal entspricht daher auch eher der Definition des kalendarischen Alters, die, so zeigte bereits die begriffliche Einordnung des „älteren Arbeitsnehmers“(S. 6 ff.), die Komplexität des Alters und Alterns nur unzureichend widerspiegelt.
3.2.2.1 Werte Werte sind Auffassungen dessen, was ein Individuum oder eine Gruppe implizit oder explizit für Wünschenswert erachtet (vgl. Rosenstiel 1992, S. 48; Klages 1998; S. 698; vgl. Wunderer 2003, S. 177). Die Auswahl von zugänglichen Weisen, Mitteln und Zielen des Handels werden von eben diesen Werten beeinflusst (vgl. ebenda)186. Dennoch können Werthaltungen und Handlungen Diskrepanzen aufweisen, da das Verhalten auch durch andere Faktoren determiniert wird (vgl. Rosenstiel 1992, S. 48). In den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat ein Wertewandel bezüglich der abnehmenden Bedeutung von Pflicht- und Akzeptanzwerten (z.B. Gehorsam, Unterordnung, Fleiß) zu Gunsten von Selbstentfaltungs- und Individualisierungswerten (Selbstverwirklichung, Autonomie, Emanzipation etc.) stattgefunden187 (vgl. Rosenstiel 1992, S. 48, vgl. Klages 1998, S. 699; vgl. Wunderer 2003, S. 182). In den 1990er Jahren hat sich dieser Wertewandel fortgesetzt, Selbstentfaltungswerte haben weiter zugenommen, Pflicht- und Akzeptanzwerte hingegen traten ein Konservierungsstadium (vgl. Berthel 2000, S. 105). Neueste Untersuchungen zeigen allerdings, das traditionelle Werte (Pflicht- und Akzeptanzwerte) erstmals zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder an Bedeutung gewinnen (vgl. Deutsche Bank Research 2002, S. 16), man spricht auch von „Soft – Individualisten“, die Selbstverwirklichung und Kooperation zu kombinieren versuchen (vgl. ebenda). An186
Diese Definition entspricht dem empirisch – sozialwissenschaftlichen Verständnis (vgl. Klages 1998, S. 698).
187
Diese Auffassung wird von der Speyrer Werteforschung vertreten (vgl. Klages 1998, S. 699).
113
dere Werteforschungen sehen eine Verlagerung von materialistischen zu postmaterialistischen Werten188 (vgl. Klages 1998, S. 699; vgl. Deutsche Bank Research 2002, S. 16).
Bezug auf die Gesellschaft
Selbstzwang und -Kontrolle (Pflicht und Akzeptanz)
Selbstentfaltung
„Disziplin“
„Emanzipation“ (von Autoritäten)
„Gehorsam“
„Gleichbehandlung“
„Pflichterfüllung“
„Gleichheit“
„Treue“
„Demokratie“
„Unterordnung“
„Partizipation“
„Fleiß“
„Autonomie“ (des einzelnen)
„Bescheidenheit“ „Selbstbeherrschung“ „Pünktlichkeit“ „Anpassungsbereitschaft“ „Fügsamkeit“
Bezug auf das individuelle Selbst
„Enthaltsamkeit“
Idealistische Gesellschaftskritik
„Genuss“ „Abenteuer“ „Spannung“
Hedonismus
„Abwechslung“ „Ausleben emotionaler Bedürfnisse“ „Kreativität“ „Spontaneität“ „Selbstverwirklichung“
Individualismus
„Ungebundenheit“ Eigenständigkeit“
Abbildung 11: Zweidimensionales Wertekonzept nach Klages (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gebert 2002, S. 54) Die Entwicklung der Werte im Zeitablauf unterliegt dabei auch einem soziodemografischen Einflussfaktor. So sind jüngere Generationen stärker vom Wertewandel beeinflusst, obgleich, unabhängig vom Alter, alle Generationen von diesem beeinflusst werden. Intergenerative Unterschiede gibt es daher in der Intensität des Wandels (vgl. Klages 1998, S. 703). Werthaltungen können aufgrund von Heterogenität, Interindividualität und Gruppenspezifik (Alter, Bildungsstand, sozialer Status etc.) unterschiedlich ausgeprägt sein (vgl. Berthel 2000, S. 105, vgl. Wunderer 2003, S. 177). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Alter und Wertewandel spricht man in
188
Postuliert von Inglehart, R. (1977): The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles among Western Politics, Princeton 1977. Inglehart orientiert sich dabei stark an der Maslow´schen Bedürfnispyramide (vgl. Klages 1998, S. 699).
114
den Sozialwissenschaften von der Alterstrukturhypothese (vgl. Gebert 2002, S. 55). Wunderer (2003, S. 178) sieht das Alter als die „wichtigste Moderatorvariable der Werteentwicklung“. Differierende Wertemuster werden dementsprechend auch unterschiedlichen Alterskohorten wie der Silent Generation (1925-1942), der Baby Boomer (1943 – 1964), der Generation X (1965 – 1981) und der Generation Y (ab 1981) zugeschrieben (vgl. Morick 2002, S. 21). Zwar sind alle Generationen vom Phänomen des Wertewandels geprägt, doch verstärken sich die intergenerativen Unterschiede (vgl. Klages 1998, S. 703). Am Beispiel der Erziehungswerte „Selbständigkeit und freier Wille“ zeigt sich, dass die Werte der Älteren und Jüngeren zur Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts weit auseinander lagen, obwohl alle Altersgruppen gleichzeitig in den Wertewandel eingetreten sind (vgl. ebenda). Stengel (1997, S. 247) ordnet so postmaterialistische Werte eher jüngeren Menschen zu und erwartet bei einer Bevölkerungsstruktur mit einem Übergewicht an älteren Menschen eine Orientierung an materialistischen Werten. In die gleiche Richtung zeigen Ergebnisse einer Studie189, die Wunderer (2003, S. 178) zitiert, wobei die Bewertung des Lebens als Aufgabe mit zunehmendem Alter und mit steigender beruflicher Position zunimmt (vgl. dazu auch Rosenstiel 1992, S. 51). Abbildung 12 gibt eine Übersicht über die Lebensorientierung der Deutschen, unterschieden nach Alter und Berufsstand:
189
Noelle-Neumann, E./Köcher, R. (1997): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1993 – 1997, Band 10, München
115
Leben als Aufgabe
Leben genießen
Unentschieden
16 - 29 Jahre
34
46
20
30 - 44 Jahre
40
36
24
45 - 59 Jahre
45
38
17
60 Jahre +
59
24
17
angelernter Arbeiter
46
34
20
Facharbeiter
37
39
24
einfache Angestellte/Beamte
44
38
18
leitende Angestellte/Beamte
56
24
20
Selbständige/Freiberufler
54
30
16
Altersgruppen
Berufskreise
Abbildung 12: Lebensorientierung der Deutschen (Differenzierung nach Alter und Berufsgruppen) Stand September 2000 (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wunderer 2003, S. 179) Überspitzt kann man formulieren: „Was den Alten Angst macht, kann für die Jungen unwirklich werden, was die Alten erkämpft haben, ist für die Jungen selbstverständlich geworden, was die Sorgen und Nöte der Jugend prägt, haben die Alten möglicherweise nie erfahren und bleibt ihnen daher uneinfühlbar“ (Levy 1988, S. 53). Personen mit höherer Bildung sind insbesondere vom Wertewandel beeinflusst (vgl. Klages 1998, S. 704) und haben eine Multiplikatorfunktion190. In ihren meist leitenden Funktionen können sie eben auch die Werthaltungen jüngerer Menschen beeinflussen (vgl. ebenda, S. 248). Ältere geben so eigene Werthaltungen an Jüngere weiter. Gleichzeitig wäre die Hypothese zu überprüfen, ob jüngere Vorgesetzte mit gleicher Funktion Werthaltungen älterer Arbeitnehmer beeinflussen können oder ob die Werthaltungen sich mit zunehmenden Alter so verfestigen, dass Wandlungsprozesse nur noch marginale Veränderungen bewirken. Die Speyrer Werteforschung hat anhand der Dimensionen „Pflicht und Akzeptanz“, „hedonistisch – materialistische Selbstentfaltung“ und „“ fünf markante Wertetypen geprägt: 190
Klages greift mit dieser Argumentation Bildungs- und Multiplikatorenhypothese auf (vgl. Gebert 2002, S. 56).
116
1. Konventionalisten (hohe Ausprägung von Pflicht- und Akzeptanzwerten, niedrige Ausprägung der anderen Wertedimensionen). 2. Perspektivlose Resignierte (relativ niedrige Ausprägung aller drei Wertedimensionen) 3. Aktive Realisten (relativ hohe Ausprägung aller drei Wertedimensionen) 4. Hedonistische Materialisten (Hedonistisch – materialistische Selbstentfaltung stark ausgeprägt, niedrige Ausprägung der anderen Wertedimensionen) 5. Nonkonforme Idealisten (Idealistische Selbstentfaltung stark ausgeprägt, niedrige Ausprägung der anderen Wertedimensionen) (vgl. Klages 1998, S. 706 f.) Nach Alter differenziert, waren Ältere zum Zeitpunkt der Erhebung191 hauptsächlich in der Gruppe der Konventionalisten zu finden. Der Anteil der Konventionalisten an der Gesamtbevölkerung war dabei stark rückläufig, wohingegen die Gruppe der materialistischen Hedonistischen mit einem großen Anteil Jüngerer stark anwuchs. Aktive Realisten bildeten die größte Gruppe. Diese verzeichnete eine leichte Wachstumsrate. Perspektivlose Resignierte und Nonkonforme sind relativ gleich bleibende Gruppen. Dennoch sank der Anteil der Jüngeren an letztgenannter Bevölkerungsgruppe stark (vgl. ebenda). Hypothetisch lässt sich sagen, dass zu dem Zeitpunkt, an dem demografische Veränderungen in den Unternehmen wirksam werden und der Anteil der älteren Arbeitnehmer innerhalb der Belegschaft den der jüngeren Arbeitnehmer übertrifft, die Belegschaft bezüglich der Werthaltungen überwiegend durch aktive Realisten und hedonistische Materialisten geprägt sein wird. Deutsche Bank Research (2002, S. 17) verweist auf das Entstehen einer „Wertevielfalt“, bei der gerade Jüngere sich nach Bedarf und mehr eigenverantwortlich als sozialverantwortlich ihren eigene Wertewelt schaffen werden. Identifikations- und motivationspolitische Überlegungen müssen dies berücksichtigen, da gewandelte Werte durch die Arbeitnehmer in die Unternehmen transportiert werden.
191
Klages (998, S. 706) benennt Zahlen aus dem Jahr 1993 bezogen auf Westdeutschland.
117
3.2.2.2 Fähigkeiten und Wissen Leistungspotential, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit fächern die menschliche Leistung in mehrere Dimensionen auf (vgl. Jordan 1994, S. 19). Alter, Gesundheit, Arbeitsbedingungen, berufliche Bildung, die Art der Tätigkeit sind einige der Einflussfaktoren, die die Leistung in ihren genannten Dimensionen beeinflussen (vgl. ebenda, S. 20)192. Bei der Darstellung der Altersrisiken (Qualifizierung, Gesundheit und Motivation) in Kapitel zwei dieser Arbeit wurden einige der oben stehenden Wirkungszusammenhänge näher beleuchtet. Im Folgenden wird der Focus auf die Leistungsfähigkeit gerichtet. Unter Punkt 2.3.2 wurde bereits das Defizitmodell des Alters erwähnt. Die dort getroffenen Annahmen der umfassenden Abnahme der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter gelten als wissenschaftlich widerlegt. Tatsächlich nehmen einige physische und psychische Fähigkeiten und Eigenschaften im Alter ab, einige bleiben weitestgehend erhalten, andere hingegen verbessern sich sogar. Nachstehend ein Überblick bezüglich sich wandelnder Fähigkeiten und Eigenschaften im Alter: Mit steigendem Lebensalter erhöhen sich in der Regel folgende menschliche Fähigkeiten bis zu einem individuellen Maximum:
Bleiben folgende menschliche Fähigkeiten weitestgehend erhalten:
verringern sich folgende menschliche Fähigkeiten:
Körperliche Eigenschaften und Fähigkeiten Geübtheit (in Abhängigkeit von Art und Dauer der Tätigkeit)
Widerstandsfähigkeit gegen eine physische Dauerbelastung unterhalb der Belastungsgrenze
Muskelkraft Beweglichkeit Widerstandsfähigkeit gegen eine kurzzeitige physische Dauerbelastung oberhalb der Belastungsgrenze Vermögen zur Anpassung an klimatische Umweltbedingungen Sehvermögen Hörvermögen Tastsinn
Abbildung 13: Hinweise zur Tendenz altersbedingter körperlicher Fähigkeiten und Eigenschaften im Arbeitsleben (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jordan 1994, S. 36) 192
Zum Einfluss von Bildung, Gesundheit, Art der Tätigkeit und Arbeitsbedingungen auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit siehe auch Thomae/Lehr 1973, S. 13 ff.)
118
Mit steigendem Lebensalter erhöhen sich in der Regel Bleiben folgende menschliche folgende menschliche Fähigkeiten Fähigkeiten weitestgehend bis zu einem individuellen erhalten: Maximum:
verringern sich folgende menschliche Fähigkeiten:
Geistige Eigenschaften und Fähigkeiten Erfahrung Geübtheit (in Abhängigkeit von Art und Dauer der Tätigkeit) Urteilsvermögen, u.a. Treffsicherheit bei Zuordnungsu. Konstruktionsaufgaben Gesprächsfähigkeit (sprachliche Gewandtheit, Ausdrucksvermögen) Selbständigkeit Fähigkeit zum dispositiven Denken Genauigkeit bei Aufgaben mit geringem Komplexitätsgrad Fähigkeit zur menschlichen Zusammenarbeit Verantwortungsbewusstsein Zuverlässigkeit Ausgeglichenheit und Beständigkeit menschliche Reife positive Einstellung zur Arbeit Sicherheitsdenken
Allgemeinwissen Fähigkeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung Aufmerksamkeit Konzentrationsfähigkeit Merkfähigkeit (Langzeitgedächtnis) Widerstandsfähigkeit gegen eine im Arbeitsprozess übliche physische Belastung Lernfähigkeit (unter bestimmten didaktischen Voraussetzungen)
Geistige Beweglichkeit und Umstellungsfähigkeit Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung (Reaktionsvermögen) bei Aufgaben mit hohem Komplexitätsgrad Widerstandsfähigkeit gegen eine hohe physische Dauerbelastung Abstraktionsvermögen Risikobereitschaft Kurzzeitgedächtnis
Abbildung 14: Hinweise zur Tendenz altersbedingter geistiger Fähigkeiten und Eigenschaften im Arbeitsleben (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jordan 1994, S. 36) Uepping (2004, S. 260) sieht „erfahrungsbezogene Kompetenzgewinne“ u.a. in den Bereichen des strategischen Denkens und Handelns, der Markt- und Kundenorientierung und im betriebsspezifischen Wissen, wohingegen er bei der Risikobereitschaft, der Flexibilität als auch bei der Lernfähigkeit und -bereitschaft sowie der Arbeitnehmermotivation „alterssensible Kompetenzrisiken“ identifiziert. Anzumerken ist aber, das der dargestellte Wandel von Eigenschaften und Fähigkeiten nicht bei jedem Älteren mit gleicher Richtung und Intensität eintritt, denn „weiterhin machen die Studien deutlich, dass die Leistungsdifferenzen innerhalb einer Altersgruppe weitaus größer sind als jene zwischen den verschiedenen Altersgruppen“(Kruse 2000, S. 76 f.). Somit gibt es „große interindividuelle Streubreiten“ (Jordan 1994, S. 37). Der Verschlechterung von Muskelkraft oder Seh- und Hörvermö-
119
gen lässt sich durch eine physiologische Arbeitsplatzgestaltung193 (Beleuchtung, Lärmschutz etc.) (prophylaktisch) entgegenwirken (vgl. Berthel 2000, S. 338) und somit den Gesundheitsrisiken älterer Arbeitnehmern194, die vielfach eine Folge von Überlastung in jüngeren Jahren sind. Mit dem Verlust psychischer Fähigkeiten beschäftigt sich die „Disuse – Hypothese“195. Grundannahme dieser Hypothese ist: der Arbeitnehmer wird entsprechend seiner Ausgangsqualifikation im Produktionsprozess eingesetzt, bei fehlender Anpassungsqualifikation (Weiterbildung) altert bzw. veraltet diese und verliert an Wert (vgl. Barkholdt 2001a, S. 13), was „dazu führen (kann, Anm. d. Verf.), dass die ursprünglich vorhandene Qualifikationsbreite und Lernfähigkeit zum Teil erheblich beeinträchtigt wird (Frerichs/Naegele 1998, S. 240). Intelligenzleistungen, das zeigt auch Abb.11, nehmen nicht global ab (vgl. Jordan 1994, S. 50). Vielmehr wird die Abnahme bestimmter Intelligenzleistungen durch Erfahrungswissen ausgeglichen (vgl. ebenda). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von flüssiger Intelligenz196 und kristalliner Intelligenz197. Erstere nimmt mit zunehmendem Alter ab, letztere steigt an
3.3 Alter im Kontext verschiedener Managing Diversity Ansätze Die Entscheidung, ältere Arbeitnehmer wieder- bzw. gegebenenfalls über die Ruhestandsgrenze hinaus weiterzubeschäftigen, sprich zu (re-)integrieren, wird durch medizinische, psychologische, soziologische als auch durch volks- und betriebswirtschaftliche Kontextfaktoren beeinflusst. Die verschiedenen Ansätze des Managing Diversity greifen in ihrer Argumentation einiger dieser Kontextfaktoren auf, gewichten diese jedoch unterschiedlich stark. In Abhängigkeit davon, welcher Kontextfaktor bei 193
Als „Teildisziplin“ der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung (vgl. Berthel 2000, 337)
194
Besonders häufig treten Muskel-, Skelett- und Herz-Kreislauferkrankungen auf (vgl. Bertelsmannstiftung 2003, S. 33).
195
Siehe dazu unter Punkt 2.3.2.
196
Problemlösungsfähigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Informationsaufnahme und –abruf als Faktoren der Mechanik der Intelligenz (vgl. Jordan 1994, S. 51).
120
der Argumentation für die Relevanz von Managing Diversity in den Vordergrund tritt, sind nachstehende Ansätze entsprechend geprägt. Wagner (2004, S. 6) sieht demzufolge drei wesentliche Argumentationslinien bei der Befürwortung von mehr Diversität in Organisationen: 1.) ethische und rechtliche Überlegungen als auch Fragen der Legitimität im Rahmen einer Corporate Social Responsibility ; 2.) sich wandelnde Absatz- und Arbeitsmärkte und 3.) strategische Überlegungen zur Optimierung des Wettbewerbs und des Unternehmenswertes. Neben der überblicksartigen Darstellung der Diversity - Ansätze, sollen diesen Argumente für eine altersintegrative Personalpolitik aus Sicht der sozio- und psychogerontologischen als auch der volks- und betriebswirtschaftlichen Literatur zugeordnet werden.
3.3.1 Altersintegrative Personalpolitik aus der Diskriminierungs- und Fairnessperspektive Der Diskriminierungs- und Fairnessansatz ist gekennzeichnet durch die Auffassung, dass der bewusste Umgang mit Verschiedenartigkeit dazu beiträgt, unterschiedlichste Arbeitnehmer gleichberechtigt im Unternehmen zu integrieren. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass dem Verständnis von Diversity als Gleichberechtigungsinstrument speziell in den USA und Südafrika eine große Bedeutung beigemessen wird (vgl. Wagner/Voigt 2003, S. 113), da dort die rechtlichen Rahmenbedingungen Einstellungsquoten für benachteiligte Arbeitnehmergruppen und staatliche Regulierungsmaßnahmen vorsehen. So zielt z.B. der amerikanische „Age Discrimination in Employment Act“ (ADEA) aus dem Jahre 1976 darauf ab, Arbeitnehmer zwischen 40 und 70 Jahren vor einer altersbedingten Diskriminierung in den Bereichen Einstellung, Beförderung, Entlohnung etc. zu schützen (Carr- Ruffino 1998, S. 17; vgl. Menges, 2000, S. 319; vgl. Weuster 2004, S. 56)198
199
. In den USA haben eben diese
197
Sprache, soziale Intelligenz, berufsbezogenes Erfahrungswissen als Faktoren der Pragmatik der Intelligenz (vgl. ebenda).
198
In den USA ist ebenso der Zwang zum Ruhestand verfassungsrechtlich verboten (vgl. Kohli/Wolf 1986, S. 93).
199
Gleichwohl kommt Altersdiskriminierung auch dort vor, wo sie aufgrund der rechtlichen Situation eigentlich geächtet ist und erschwert die Weiter- und Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer (vgl. Dychtwald 1989, S. 174; vgl. Weuster 2004, S. 56).
121
gesetzlichen Regelungen neben anderen Faktoren200 zu einer Renaissance in der Einstellung der Unternehmen gegenüber der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer geführt (vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 440). Europaweit war Spanien lange das einzige Land, welches spezifische gesetzliche Regelungen gegen die Altersdiskriminierung in den Arbeitsgesetzen festgeschrieben hat (vgl. Drury, 1993, S. 10). Mittlerweise formuliert aus das Betriebsverfassungsgesetz im § 75 das Verbot der Benachteiligung von Arbeitnehmern bei Überschreiten bestimmter Altersgrenzen (vgl. Weuster 2004.S. 55). Ebenso plant der Europarat, die Erwerbsquote der 5564jährigen um bis zu 50% zu steigern, ebenfalls soll das reale Austrittsalter aus der Erwerbtätigkeit um fünf Jahre gesteigert werden (vgl. Reichenhagen 2004, S. 28). Schon aus rechtlich-politischen Überlegungen heraus wird daher die Notwendigkeit für deutsche Unternehmen deutlich, sich mit der Thematik des älteren Arbeitnehmers zu beschäftigen, da zumindest global agierende Unternehmen der unterschiedlichen Bedeutung des Alters in verschiedenen Nationen personalpolitisch begegnen muss („Regulatory“). Zielsetzung einer Personalpolitik, die die Unterschiedlichkeit von Arbeitnehmern als Chance begreift, ist es, dass sich zum einen demographische Gegebenheiten in der Bevölkerung auch in der Belegschaft widerspiegeln sollen, und das unterschiedliche Arbeitnehmer fair („Fairness“) behandelt werden müssen. Dieser Ansatz stellt dabei Fragen der Diskriminierung („Discrimination“) und moralische Begründungen in den Vordergrund („Moralty“) und ist dementsprechend personenbezogen und wertend (vgl. Wagner/Voigt 2003, S. 113), die ökonomische Relevanz spielt eine untergeordnete Rolle. Bezogen auf die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland würde dies bedeuten, das sich Unternehmen verstärkt um ältere Arbeitnehmer bemühen müssten, um der gesellschaftlichen Situation Rechnung zu tragen („Reflection of the society“).
200
Genannt werden auch wissenschaftliche Erkenntnisse zum Kompetenzwandel im Alter als auch der prognostizierte Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Zukunft (vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 440).
122
Aus der Fairness- und Diskriminierungsperspektive argumentieren viele Autoren die sich mit der Altersproblematik (sei es aus ökonomischer, soziologischer oder psychologischer Perspektive) beschäftigen: Rosenmayr (1978, S.) stellt hierzu fest, dass, wenn „einmal der circulus vitiosus verlassen wird, der hier in der globalen Auffassung besteht, dass Arbeit und Leistung dem Alter nicht gemäß seien, wird möglicherweise auch die Bereitschaft ansteigen, bei Fähigkeit und Freude daran auch länger im Beruf zu verbleiben.; damit würden die Pensionskassen auch wieder entlastet. Auch darf die hohe Arbeitsproduktivität hochqualifizierter Älterer nicht übersehen werden. Die Zuerkennung des Rechts auf Arbeit würde die Anerkennung der Vollwertigkeit des alten Menschen unterstützen und von menschenrechtlicher Seite her die Integration der alten Menschen in die Gesellschaft fördern, auch wenn vom Recht auf die Fortführung der beruflichen Tätigkeit nur eine winzige Minorität tatsächlich Gebrauch machen würde“. Naegele sieht bestimmte Arbeitnehmergruppen (eben auch ältere Arbeitnehmer) durch den härter werden Verteilungskampf um das (noch) knappe Gut Arbeit benachteiligt (vgl. Naegele 1994, S. 134) und damit das Gerechtigkeitspostulat verletzt, da das „Postulat des Rechts auf Arbeit, das auch prinzipiell für Ältere gilt, ist mit dem Prinzip der Wahlfreiheit so zu verknüpfen, dass sozial akzeptable wie gleichermaßen sozialpolitisch abgesicherte Optionen für unterschiedliche Bedarfs- und Lebenslagen älterer Arbeitnehmer möglich werden. Diese müssen eine frühe Berufsaufgabe (.....) ebenso zulassen wie die Weiterarbeit, aus welchen Gründen auch immer“ (Naegele, 1996, S. 28). Letzthin, so Wolf/Kohli (1988, S. 197) handelten die Betriebe doch eher egozentrisch und eigennützlich, denn „das heißt nicht, dass die Betriebe nicht auch moralisch handelten - ganz im Gegenteil, alle angeführten Überlegungen hinsichtlich der Nutzung und Schaffung von Altersgrenzen betreffen Fragen der Moralökonomie, aber eben diejenigen des Betriebs selber. Dies ist die Ebene, die in Verbindung mit derjenigen der Kosten im engeren Sinne die entscheidende ist“ (Wolf/Kohli 1988, S. 197). Die bewusste oder unbewusste Ausgrenzung älterer Arbeitnehmer, deren freiwilliger oder erzwungener Rückzug aus dem Erwerbsleben, führt zu einer „Entberuflichung
123
des Alters“ (Tews 1990, Naegele 1994, S. 323), und dies obwohl „immer mehr Menschen in das Alter einer natürlichen Sterblichkeit kommen“ (Cisek 2001, S. 46) und somit die Phase des Ruhestands zu einer „Phase beträchtlicher Länge und Arbeitskraft geworden ist“ (ebenda). Niederfranke/Lehr (1992, S. 87) sehen darin allerdings kein natürliches Phänomen, sondern vielmehr das Ergebnis eines sozialen Prozesses, der die Älteren von einem Teil des gesellschaftlichen Lebens isoliert. Cisek (2001, S. 46) konstatiert etwas polemisch, dass es grotesk und somit höchst ungerecht sei, dass die regierenden Greise (in Politik und Wirtschaft, Anm. d. Verf.) die Bürger bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze in den „Zwangsmüßiggang“ schicken würden (vgl. ebenda).
3.3.2 Altersintegrative Personalpolitik aus der Marktzutrittsperspektive Die Berücksichtigung von Unterschieden der Arbeitnehmer durch das HRM wird in diesem Fall201 als strategisches Instrument gesehen, um unterschiedliche Märkte möglichst effizient und effektiv bearbeiten zu können („Market Entry“). Annahme ist, dass eine heterogene Belegschaft in zunehmend heterogener werdenden Märkten erfolgreicher agieren kann, als dies einer homogenen Belegschaft gelingen mag. Beispielsweise wäre die Ausrichtung der Struktur von Kundenbetreuern nach unterschiedlichen Merkmalen (bspw. Alter, Geschlecht, Nationalität) ähnlich der Kundenstruktur und somit der Diversität des Absatzmarktes eine Möglichkeit, dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen („Differentiation“). Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, gelten als stark marktorientiert („Market based“)202 und offerieren ihren unterschiedlichen Arbeitnehmern entsprechende Karrieremöglichkeiten („Motivation“). Eine Focussierung auf den Marktzutritt bedeutet dementsprechend die Antizipation alterstruktureller Veränderungen auf den Absatzmärkten zur Sicherung des nachhaltigen unternehmerischen Erfolges. So ergab eine Untersuchung der Deutschen Bank hinsichtlich der Auswirkungen demografischer Veränderungen auf die Realwirtschaft203 einen prognostizierten Nachfrageausfall in der Zukunft aufgrund einer schrumpfenden Gesamtbevölkerung (vgl. Deutsche Bank Research 2002, S. 201
Fragen des Marktzutritts und Legitimität stehen insbesondere in Gr0ßbrittanien im Focus der Diskussion (vgl. Wagner/Voigt 2004, S. 122).
202
Zum Market Based View vgl. die Ausführungen unter Punkt 2.6.1.
124
31). Neben mengenbezogenen Veränderungen wird die Nachfrage auch durch Verschiebungen in der Alterstruktur qualitativ beeinflusst (vgl. ebenda, S. 31. ff). Von alterstrukturellen Veränderungen profitieren insbesondere die Branchen, deren Produkte oder Dienstleistungen von Älteren konsumiert werden oder in einem engen Zusammenhang mit dem Alterungsprozess stehen. Genannt werden insbesondere die Bereiche Gesundheit, Freizeit/Kultur oder spezielle Finanzdienstleistungen (Altersvorsorge). Eine ältere, aber zunehmend kaufkräftigere Konsumentenschicht ist insbesondere an „Produkten und Dienstleistungen mit hohem Convenience – Grad“204 (Möckli 1999, S. 72) sowie an Produkten der Tourismusindustrie interessiert (vgl. ebenda). Die Branchen jedoch, deren Angebot sich jedoch überwiegend an Jüngere und Familien richtet, sehen sich schrumpfenden Absatzmärkten gegenüber. Besonders betroffen ist hier die Baubranche205. Die Branchen, die alle Altersgruppen beliefern, müssen ihr Angebot qualitativ an eine alternde Gesellschaft und deren Bedürfnisse anpassen (Distribution, Produktdesign, Marketing), um die Nachfrage nach ihren Produkten langfristig zu sichern („Core Competence Argument“). Die Deutsche Bank AG identifizierte für das Kundensegment der vermögenden Privatkunden ein hohen Anteil von 60- bis 80Jährigen (vgl. Drewniak 2004, S. 3). Um deren Bedürfnis nach ausreichendem Vertrauen in das sie betreuende Geldinstitut zu befriedigen, bedarf es neben dem Aufbau langfristig konstanter Kundenbeziehungen auch die Betreuung durch Berater, die eine ähnliche Lebenserfahrung besitzen (vgl. ebenda). Weiterhin müssen Finanzprodukte, organisatorische Prozesse aber auch der Beratungsstil selbst den Bedürfnissen einer älteren bis hochaltrigen Kundschaft angepasst werden (vgl. ebenda). Bezugnehmend auf die Thematik, kann sicherlich festgestellt werden, dass sich Unternehmen insgesamt verstärkt um ältere Menschen als Käufer von Produkten bemühen. Eine Fokussierung auf eine „graue“ Käuferschicht geschieht bisher allerdings eher auf der Ebene des Marketing, wo mit älteren Gesichtern in der Werbung auf eine ältere Käuferschicht zugegangen wird. Ob die jeweiligen Marketingstrategien
203
Untersucht wurden die Bereiche Arbeitsmarkt, Produktivität, Wachstum, Pro-Kopf-Einkommen und Branchen (vgl. Deutsche Bank Research 2002, S. 4).
204
Möckli (1999, S. 72 nennt hier beispielhaft Lieferservice, einfach handhabbare Technik, Convenience – Food etc.).
205
Die Gruppe der 20 – 40jährigen, fragt am stärksten Wohnungen nach (vgl. Deutsche Bank Research 2002, S. 32).
125
auch von Arbeitnehmern entwickelt worden sind, die eine ähnliche Altersstruktur wie die anvisierte Käuferschicht aufweisen, ist jedoch zu bezweifeln.
3.3.3 Altersintegrative Personalpolitik aus der Lern- und Effektivitätsperspektive Der integrative Ansatz versteht Diversity als ein ganzheitliches Konzept. Dieses beinhaltet zum einen die ökonomische Sichtweise, zielt aber in gleichem Maße auf eine Motivation und Integration unterschiedlichster Arbeitnehmergruppen ab, um letztendlich ein „Lernen von der Vielfalt“ zu ermöglichen („Learning Effect“). Dies macht eine Anpassung der Unternehmenskultur („Organisational Culture“) an sich verändernde personalstrukturelle Rahmenbedingungen notwendig, die eine ausgewogene Balance zwischen Integration und Differenzierung finden muss. Vergleicht man den integrativen Ansatz mit dem Diskriminierungs- und Fairness – Ansatz, so steht bei dem erstgenannten Ansatz nicht die Assimilation im Vordergrund, sondern eine nachhaltige Integration, ohne bestehende Unterschiede egalisieren zu wollen. Diese wird als Ausgangspunkt für interkulturelle Lerneffekte gesehen, von denen das Unternehmen auf vielfältigste Weise profitieren kann. Bezogen auf die Gruppe der älteren Arbeitnehmer im Unternehmen würde dies eine Neuausrichtung einer bisher überwiegend desintegrativen Personalpolitik, gekennzeichnet hauptsächlich von Personalfreisetzungsmaßnahmen z.B. in Form von Frühverrentungen (vgl. Grauer 1998, S. 36 f. ), notwendig machen. Ein integrativer Ansatz der Personalpolitik hingegen zielt vielmehr darauf ab, dass ältere Arbeitnehmer z.B. von Maßnahmen der Personalentwicklung nicht länger ausgeschlossen werden, sondern entsprechend ihrer veränderten Fähigkeiten in ein nach unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen differenziertes Weiterbildungskonzept des Unternehmens eingebunden werden („Integration Argument“). Die Ausgestaltung der einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen orientiert sich in diesem Falle am Alter des Arbeitnehmer, was für ältere Arbeitnehmer u.a. eine intensivere Nutzung gewonnener Erfahrungen sowie die stärkere Einbeziehung spezifischer Bedürfnisse Älterer beinhalten kann (vgl. Uepping, 1997, S. 176 ff.) Weitere Maßnahmen des HRM zur Überwindung von Altersbarrieren in der Erwerbstätigkeit sind der gleichberechtigte Zugang ältere Arbeitnehmer zu Arbeitsplätzen (z.B. durch das Weglassen
126
von Altersgrenzen in Stellenanzeigen), eine höhere Arbeitszeitflexibilität (u.a. das gleitende Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess, flexible Regelungen zum Austrittsalter etc.), die Arbeitsplatzgestaltung ( präventive Maßnahmen in diesem Bereich können „altersbedingte“ Schwächen wie körperliche Verschleißerscheinungen verhindern oder kompensieren) und nicht zuletzt eine Veränderung der Werthaltung der Arbeitnehmer hinsichtlich des Merkmales „Alter“. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Verständnis von Diversity von eher moralisch getragenen Gesichtpunkten über marktorientierte Überlegungen zu einer eher ressourcenorientierten Sichtweise entwickelt hat. In dieser Arbeit soll diesem umfassenden Verständnis von Diversity gefolgt werden, Arbeitnehmer werden, unabhängig von ihrem Alter, als ökonomisch relevante Unternehmensressource definiert (vgl. Wagner 2004 S. 8), altersspezifische Unterschiedlichkeit wird jedoch dann zu einer Chance für den Unternehmenserfolg, wenn Altersrisiken minimiert werden. Kapitel fünf dieser Arbeit ist diesem Ziel gewidmet.
3.4 Ökonomische Relevanz des Vielfaltkriteriums Alter Befürworter von Managing Diversity versprechen sich durch den bewussten Umgang mit der Unterschiedlichkeit der Arbeitnehmer Wettbewerbsvorteile auf vielen Gebieten. In Anlehnung an Cox (1993) lässt sich durch Managing Diversity in den Bereichen •
Kosten
•
Marketing
•
Kreativität und Innovation
•
Personalmarketing
•
Problemlösungsqualität
•
Organisationale Flexibilität
eine verbesserte Wettbewerbsposition erzielen. Hypothesen zu den genannten Dimensionen der ökonomischen Relevanz sowie deren Indikatoren zeigt Abbildung 15.
127
Hypothesen und Indikatoren der ökonomischen Relevanz von Diversity Hypothesen zu Dimensionen der ökonomischen Relevanz -zentrale Argumente-
Kosten
Ökonomische Relevanz nach Cox
Indikatoren •Integration •Turnover •Absenteeism •Motivation •Job Satisfaction •Danger of Quitting •Career Growth •Productivity
Marketing
•Marketing & Customer Based •Working & Buying •Cultural Sensitivity
Kreativität
•Team Creativity/Innovation •New Perspectives •Cultural Diversity
Personalmarketing
Problemlösung
Flexibilität
•Reputation •Recruitment •Retainment •Decision Making •Experience •Critical Analysis •Team Flexibility •Cognitive Flexibility •Adaptability
Abbildung 15: Argumente für eine Verbesserung der Wettbewerbsposition nach Dimensionen in Anlehnung an Cox (1993): Cultural Diversity in Organizations: Theory, Research, and Practice, San Francisco , 1993
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für das Management von Diversity eine Reihe von Argumenten noch ungeklärt ist. So kann der bewusste Umgang mit Unterschiedlichkeit im Unternehmen sicherlich zu bestimmten Wettbewerbsvorteilen auf den genannten Gebieten führen. Mögliche negative Wirkungen müssen bei der Bewertung dieses Management – Konzeptes jedoch ebenfalls in Betracht gezogen werden. Bezugnehmend auf die Gruppe der älteren Arbeitnehmer im Unternehmen, gilt es nun zu überprüfen, inwieweit eine das Alter integrativ berücksichtigende Personalpolitik die oben genannten Wettbewerbsvorteile realisieren kann. Ein internationaler Vergleich zeigt jedoch, dass Unternehmen in anderen Ländern scheinbar bereits die Humanressource „Älterer Arbeitnehmer“ als Chance begriffen haben, Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Waren 1994 in Deutschland nur 35 Prozent der 60 – 65jährigen noch erwerbstätig, so waren es in Schweden 58 Prozent, in den USA 55 Prozent und in Japan gar 76 Prozent. Inwieweit z.B. in den U.S.A spezifische politisch - gesetzliche Rahmenbedingungen wie der ADEA oder ökonomische Einflüsse (geringe Arbeitslosenquote in den U.S.A mit Arbeitskräfte-
128
mangel in bestimmten Bereichen) verantwortlich sind für eine höhere Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer, gilt es jedoch zu berücksichtigen. Auch auf der Makroebene wird vermehrt versucht, die Altersbarrieren in der Erwerbstätigkeit zu bekämpfen. Standen vor kurzem noch Maßnahmen der Frühverrentung im Mittelpunkt der Diskussion um ältere Arbeitnehmer, so geben Länder wie Frankreich, Finnland oder Österreich deren Unterstützung mittlerweile auf (vgl. Walker, 1997, S. 11).
3.4.1 Kosten Es wird angenommen, dass eine verstärkte Integration verschiedenster Arbeitnehmergruppen dazu beitragen kann, Kostenvorteile zu erzielen. Eine stärkere Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit in der Personalpolitik ermöglicht es, Motivation und Arbeitszufriedenheit des Einzelnen zu erhöhen, was eine größere Produktivität zur Folge hat. Unternehmen hingegen, die keine bzw. eine schlechte Integration spezifischer Arbeitnehmergruppen betreiben, erzielen eine kostensteigernde Wirkung. Eine stärkere Integration der Gruppe der älteren Arbeitnehmer z.B. durch eine stärker altersorientierte Personalentwicklung deutet in mehrfacher Hinsicht positive Kostenwirkungen von Managing Diversity an. Uepping weist darauf hin, dass mit zunehmendem Alter steigende Personalkosten einer sinkenden Leistungskurve älterer Arbeitnehmer gegenüberstehen. Ältere Arbeitnehmer weisen daher aufgrund ihres durch die Unternehmen nur unzureichend oder nicht genutzten, altersbedingt veränderten Leistungspotentials zu einem bestimmten Zeitpunkt personalwirtschaftlich einen negativen Wertschöpfungsbeitrag auf (vgl. Uepping, 1997, S. 173). Ein integratives Personalmanagement für ältere Arbeitnehmer in Form einer altersgerechten Personalentwicklung kann diese Tendenz umkehren, indem gerontologische Erkenntnisse z.B. bezüglich des Kompetenzwechsels im Alter in Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen werden, so dass die im Alter zunehmenden Kompetenzen betriebswirtschaftlich stärker genutzt werden können. Die verstärkte Berücksichtigung des Alters in unterschiedlichen Bereichen des Personalmanagements so z.B. auch bei der Personalbeurteilung entfaltet darüber hinaus ebenso eine starke Motivationswirkung bei älteren Arbeitnehmern. Als Beispiel seien hier bessere Aufstiegsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer durch die stärkere Einbeziehung in betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen genannt, da permanentes (lebenslanges) Lernen in einer
129
sich stetig wandelnden Umwelt eine wesentliche Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg darstellt.
3.4.2 Marketing Eine vielfältig zusammengesetzte Arbeitnehmerschaft kann sich im Vergleich zu einer Organisation, deren Merkmal homogene Organisationsmitglieder sind, besser auf die Bedürfnisse und Wünsche des Marktes einstellen, der geprägt ist von zunehmender Unterschiedlichkeit. Wie schon in anderem Zusammenhang mehrfach erwähnt, ist die Population in Deutschland durch einen steigenden Anteil älterer und alter Menschen an der Gesamtbevölkerung gekennzeichnet. Wollen Unternehmen auch in der Zukunft erfolgreich sein, müssen Sie sich verstärkt dieser wachsenden Käuferschicht annehmen. So wie weibliche Arbeitnehmer in bestimmten Bereichen ein besseres Verständnis für spezifisch weibliche Thematiken aufbringen und sich somit mehr auf die weibliche Kundschaft beziehen, so mag dies für ältere Arbeitnehmer im Umgang mit Kunden ähnlichen Alters gelten. Dabei ist auch davon auszugehen, dass die ältere Käuferschicht es positiv bewertet, wenn das Unternehmen, deren Dienstleistung man beansprucht oder deren Produkte man konsumiert, ältere Arbeitnehmer wertschätzt und nicht als Problemgruppe stigmatisiert. Als Beispiel sie hier der Einzelhandel genannt, der, entsprechend der demographischen Gesamtentwicklung, mit einer im Durchschnitt ebenfalls alternden Kundschaft konfrontiert ist, die den Umgang mit älteren Arbeitnehmern z.B. im Verkauf als angenehm empfindet (vgl. Wollert, 1997, S. 9). Des Weiteren sind spezielles (Erfahrungs-)Wissen und ein altersspezifisches Auftreten älterer Arbeitnehmer notwendige Voraussetzungen bei der Distribution bestimmter Produkte (vgl. ebenda). Auch hier kann die altersbedingte Kompetenzveränderung von Vorteil für die Wettbewerbsposition des Unternehmens sein, da mit steigendem Alter die Markt- und Kundenorientierung zunehmen (vgl. Uepping, 1997, S. 174). Raabe et al. (2003, S. 147) greifen in diesem Zusammenhang das Beispiel der Firma B&Q (Garten- und Heimwerkerbedarf) auf, die bereits Ende der 80´er Jahre eine Fili-
130
ale eröffneten und dazu Arbeitnehmer einstellten, die alle über 50 Jahre waren. Hintergrund dieser Rekrutierungspolitik: Das Erfahrungswissen, welches die neuen Arbeitnehmer, in der Regel selbst Hausbzw. Wohnungsbesitzer (Erfahrung z.B. in der Durchführung von Reparaturen etc.), mitbrachten, konnte für die Kundschaft generiert werden. Auf den Kompetenzwechsel (Verringerung bestimmter physischer und psychischer Leistungen) im Alter wurde in besonderer Weise Rücksicht genommen, so z.B. bei der Schulung der älteren Arbeitnehmer (vgl. ebenda). Die „neuen“ Alten zeichnen sich auch durch ihre hohe Kaufkraft aus. Man spricht hier von WOOPIES („well-off older people“) oder dem „Silbermarkt“ (vgl. Möckli 1999, S. 72). Dieser Bevölkerungsgruppe kommt somit aus Makrosicht eine volkswirtschaftliche aber auch aus mikro- bzw. unternehmensindividueller Sicht eine besondere Bedeutung zu.
3.4.3 Kreativität Ausgehend von den Nachteilen stark monokulturell geprägter Organisationen, z.B. ein Denken in Stereotypen, die Vermeidung von alternativen Denkweisen oder ein „Kulturdenken“ als Folge erzwungener Konformität (vgl. Krell, 1996, S. 339), bedeutet im Umkehrschluss, das weniger Konformität und die mit einer diversen Arbeitnehmerschaft verbundene größere Perspektivenvielfalt ein kreativeres Denken der Gruppe bei Problemlösungsprozessen ermöglicht. Eine weit verbreitete Meinung in den Unternehmen ist, dass die Begriffe innovativ und jung gleichzusetzen seien. Angenommen wird, dass Innovationen den aktuellsten Wissensstand, z.B. vermittelt in einer gerade abgeschlossenen Ausbildung, Offenheit für Neues, Kreativität aber auch Belastbarkeit erfordern. Genannte Eigenschaften werden dabei eher mit jüngeren Arbeitnehmern in Verbindung gebracht. (Astor/Brasche/Stobernack, 1999, S. 8 f). Die Verschiebung des quantitativen Gewichtes der älteren Bevölkerungsgruppen zu ungunsten der Jüngeren wird in der Diskussion dabei vielfach als Gefahr für die In-
131
novationsfähigkeit einer Gesellschaft gesehen (vgl. Kohli 1998, S. 2). Das Altern der Gesellschaft stellt demnach angeblich einen Nachteil für das betroffene Land im internationalen Wettbewerb dar (vgl. ebenda), da scheinbar nur dort Modernisierungsprozesse gelingen, wo der Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung noch geringer ist. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Wettbewerbsfähigkeit und dem Durchschnittsalter der (Erwerbs-)Bevölkerung ist dennoch nicht eindeutig bewiesen (vgl. Möckli 1999, S. 70). Entscheidend ist vielmehr das Qualifikationsniveau als Determinante für Wettbewerb- und Innovationsfähigkeit (vgl. ebenda). Bei älteren Arbeitnehmern ist durchaus eine Verringerung psychischer Eigenschaften wie der geistigen Beweglichkeit und Umstellungsfähigkeit oder auch des Abstraktionsvermögen festzustellen (vgl. Haeberle, 1999, S. 593), was auf den kreativen Prozess im Unternehmen möglicherweise eine hemmende Wirkung hat. Demgegenüber stehen aber mit steigendem Alter zunehmende Kompetenzen wie Erfahrung, soziale Kompetenz oder Urteilsvermögen, die als Regulativ fungieren könnten, z.B. bei der Bewertung von Realisierungschancen neuer Produktideen oder bei der notwendigen Vermittlung zwischen Forschung und Entwicklung und der Fertigung als Voraussetzung für eine erfolgreiche Innovation (Astor/Brasche/Stobernack, 1999, S. 9).
3.4.4 Personalmarketing Diejenigen Unternehmen, die ihr Bemühen, eine vielfältige Arbeitnehmerschaft aufzubauen, in der Öffentlichkeit ausreichend kommunizieren, sind im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen erfolgreich. Managing Diversity erhöht somit nicht nur die Reputation des Unternehmens in der öffentlichen Wahrnehmung sowie bei potentiellen Arbeitnehmern, sondern auch innerhalb des Unternehmens. Köchling et al. (2000, S. 89 f.) meinen in diesem Zusammenhang: „Gleichstellungspolitik und -kultur sind gerade in Zeiten mit Mangel an jüngeren technischen Fachkräften für den Betrieb von hohem Nutzen. Sie ermöglichen kompensatorische Rekrutierungsstrategien und vergrößern die betrieblichen Rekrutierungsopti-
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onen. Gleichstellungspolitik und -kultur bringen erhebliche Erleichterungen für die betriebliche Bewältigung des demografischen Wandels.“ Eine eindeutige Bewertung der (Weiter-)Beschäftigung älterer Arbeitnehmer unter Personalmarketingaspekten ist nicht möglich. Eine altersselektive, sprich ältere Arbeitnehmer nicht integrierende, sondern desintegrierende Personalpolitik, und somit ein letztendlich das Alter und das Altern diskriminierender Umgang mit den betroffenen Arbeitnehmern trifft europaweit bisher in der Gesellschaft keineswegs auf starke Ablehnung. Vielmehr gilt es in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit durchaus als opportun, ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand zu schicken, damit auf die nicht immer freiwillig geräumten Arbeitsplatz, so die Annahme, Jüngere nachrücken können. Über einen Bewusstseinwandel auf staatlicher Seite in verschiedenen europäischen Ländern wurde bereits weiter oben berichtet. Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer in ihrer Personalpolitik ausreichend berücksichtigen, könnten im Wettbewerb um jüngere Arbeitnehmer sogar kurzfristig unterlegen sein, da potentielle Bewerber einen schnellen Aufstieg durch ältere Kollegen gefährdet sehen. Gleiches gilt für junge Arbeitnehmer, die bereits im Unternehmen tätig sind. Diese konkurrieren mit den älteren Arbeitnehmern um das knappe Gut Arbeit im Falle von Entlassungen oder sind aufgrund ihres ausgeprägten Aufstiegsstreben daran interessiert, dass ältere Arbeitnehmer möglichst früh aus dem Unternehmen ausscheiden, damit sie deren Nachfolge antreten können (vgl. Menges, 2000, S. 212). Greift man jedoch die Argumentation auf, dass mittel- und langfristig nicht ausreichend junge Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um den Bedarf zu decken, und die Unternehmen auf die Neu- und Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer angewiesen sein werden (neben der Förderung und Erhöhung der Frauenerwerbsquote sowie der Förderung der Ausländerbeschäftigung, so erscheint es strategisch durchaus sinnvoll, eine mehr integrative Personalpolitik zu praktizieren, um im zukünftigen internationalen Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte Vorteile erzielen zu können.
3.4.5 Problemlösung Durch Diversity in Entscheidungsgremien oder Teams, die mit den Problemlösungen betraut sind, erhöht sich durch die Perspektivenvielfalt und die unterschiedlichen Erfahrungswerte einzelner Arbeitnehmer die Qualität der Problemlösung. Bezüglich des
133
Alters heterogen zusammengesetzte Teams oder Arbeitsgruppen wird ein aufgrund altersbedingt unterschiedlich ausgeprägter Kompetenzen ganzheitlicher Lösungsprozess möglich, der gleichzeitig gegenseitige Lerneffekte realisiert (vgl. Hilb, 1997, S. 30). Nachstehende Grafik zeigt altersdifferierende Kompetenzen:
Komparative Stärken älterer und jüngerer Mitarbeiter Jüngere Mitarbeiter • Körperliche Leistungsfähigkeit
Ältere Mitarbeiter • Gelassenheit (Ausgeglichenheit)
• Merkfähigkeit • Kurzzeitgedächnis
• Übersicht (Erfassen von Sinnzusammenhängen)
• Fluide Intelligenz (Umstellungsfähigkeit, Wendigkeit)
• Lebenserfahrung (Geübtheit) • Kristallisierte Intelligenz (Urteils- u. Entscheidungsfähigkeit)
Abbildung 16: Komparative Stärken älterer und jüngerer Mitarbeiter (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hilb, 1997, S. 30) Die oben erwähnten spezifischen Kompetenzen älterer Arbeitnehmer sind somit Ausdruck der Know – How – Funktion dieser Beschäftigtengruppe als Träger von Wissen und Erfahrungen. Als Inhaber einer derartigen betrieblichen Schlüsselfunktion können ältere Arbeitnehmer eine große Bedeutung bei der Lösung betrieblicher Probleme haben (vgl. Menges, 2000, S. 134). Der Erhalt von Erfahrungswissen ist dabei insbesondere für kleine Unternehmen von Bedeutung, da das Know – How der älteren Arbeitnehmer wettbewerbsrelevant ist (Raabe et al, 2002, S. 138). Behrend (2002) verweist auf das Beispiel der diversifizierten Qualitätsproduktion und dienstleistung, wo das Fach- und Beratungswissen älterer Arbeitnehmer in altersheterogenen Teams Produktivitätsvorteile generiert, gleichzeitig gelingt es so, den Integrationsgrad der Gruppe der älteren Arbeitnehmer zu erhöhen (vgl. ebenda).
134
3.4.6 Flexibilität Die organisationale Flexibilität kann erhöht werden, indem die Veränderungsresistenz stark homogener geprägter Unternehmenskulturen durch eine stärkere Heterogenität aufgebrochen wird. Die ist für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, da der vielfach besprochene Wandel auf vielfältigen Gebieten nur dann bewältigt werden kann, wenn das Unternehmen in möglichst kurzer Zeit, flexibel auf Veränderungen reagieren kann. Geschwindigkeit ist in Zeiten der schnellen Veränderungen für eine Organisation überlebenswichtig.
3.4.7 Zwischenfazit: Aufgrund der in Kapitel zwei herausgestellten demografischen Veränderungen und den damit verbundenen gesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen (insbesondere personalwirtschaftlichen) Auswirkungen, stellen sich für die Unternehmen folgende Handlungsoptionen dar: Ausgehend von der Interpretation des älteren Arbeitnehmers als Kostenfaktor, sind die Unternehmen bemüht, ältere Arbeitnehmer freizusetzen und die Alterstruktur somit gleichzeitig zu verjüngen (bzw. auf das Alter bezogen homogen zu gestalten). Ursache für den altersdesintegrativen Umgang mit Älteren in der Arbeitswelt sind, auch dass wurde bereits in Kapitel zwei hinlänglich gezeigt, häufig Stereotype und Vorurteile, nicht aber wissenschaftliche Fakten, die die älteren Arbeitnehmer zu einer „Fremdgruppe“206 im Arbeitsalltag machen (vgl. Dietz/Petersen 2005, S. 258). Werden ältere Arbeitnehmer hingegen als Ressource interpretiert207, sind altersintegrative Strategien des PHRM zu entwickeln, um genannte Ressource für das Unternehmen zu nutzen. Dies führt zwangsläufig zu mehr (Alters)Diversität innerhalb der Belegschaft, da die in der Arbeitswelt teilweise nicht mehr vertretene Gruppe der älteren Arbeitnehmer eine Aufwertung erfährt. Das Konzept des Managing Diversity offeriert
uns
dementsprechend
Ansatzpunkte,
wie
der
Umgang
mit
dem
demografischen Merkmal „Alter“ (neben anderen Merkmalen wie Geschlecht, Rasse, 206
Weitere Fremdgruppen sind z.B. Arbeitnehmer mit besonderen körperlichen Merkmale, Frauen, homosexuelle Frauen und Männer, rassische, ethnische und nationale Minderheiten (vgl. Dietz/Petersen 2005, S. 258).
207
Und sei es nur deshalb, weil eine mehr oder weniger absehbare Arbeitskräfteknappheit die Unternehmen dazu zwingt, sich wieder verstärkt den älteren Arbeitnehmern zuzuwenden.
135
Merkmal „Alter“ (neben anderen Merkmalen wie Geschlecht, Rasse, Religion etc.) verbessert werden kann, um die mit einer multigenerativen Belegschaft verbundenen Nutzenpotentiale generieren zu können. Hierzu wurden Erklärungsansätze (siehe dazu Punkt 3.3) und Forschungsergebnisse zur ökonomischen Relevanz des demografischen Merkmals „Alter“ vorgestellt. Gezeigt wurde, dass das Vielfaltkriterium „Alter“ gekennzeichnet ist durch offensichtliche (i.d.R. physische Veränderungen) und weniger offensichtliche Merkmale. Die Ausführungen zu Werten und zu Fähigkeiten und Wissen als weniger offensichtliche Merkmale zeigten den generativen Einfluss des Alters. Weiterhin wurde deutlich, dass generative Vielfalt ebenso Chancen wie Risiken für das Unternehmen birgt. Anhand der Bereiche Kosten, Marketing, Kreativität, Personalmarketing, Problemlösung und Flexibilität konnte die Bedeutung des der älteren Arbeitnehmers als Ressource, bzw. dessen ökonomische Bedeutung bei der Verbesserung der Wettbewerbsposition der Unternehmen belegt werden. Eine multigenerative Belegschaft (bzw. die (Re-)Integration älterer Arbeitnehmer) ist gleichfalls mit Risiken behaftet, da der Umgang mit älteren Arbeitnehmern eine alters- und alternsgerechte Gestaltung des HRM erfordert. Management Diversity mit dem Focus auf Managing Age, wird hier abschließend verstanden als ein Plädoyer für die Nutzung der älteren Arbeitnehmer als strategische Ressource mit der Konsequenz der Verbesserung der Identifikation und Motivation Älterer und deren (Re-)Integration in eine multigenerative Belegschaft. Managing Diversity wird in dieser gleichwohl als bedarfs- und bedürfnisorientiert verstanden, und folgt dem integrativen Ansatz aus der Lern- und Effektivitätsperspektive, der als die modernste Art des Diversity Management verstanden wird. Fertigkeiten und Fähigkeiten einer diversifizierten Belegschaft sollen integriert werden, um die Effektivität des Unternehmens zu erhöhen.
136
4 Theoretische Grundlagen der Identifikation und Motivation 4.1 Identifikation und Identifikationspolitik 4.1.1 Der Begriff der Identifikation (Begriffe, Zielsetzung) Wunderer208 (2003, S. 105; vgl. dazu auch DGFP e.V. 2004a, S. 19) definiert die Identifikation209 als eine „frei gewählte Verankerung von Werten (Lebenswerten, Arbeits-, Berufs- und Organisationswerten) mit personellen oder sachlichen Objekten der Arbeitswelt (z.B. Vorgesetzte, Arbeitnehmer, Kollegen, Tätigkeit, Arbeitsplatz, Leistungsprogramm, Abteilungszeile, Unternehmen)“. Conrad (1992, Sp. 1045) beschreibt die Identifikation als emotionale Bindung eines Individuums an Objekte materiell-realer, sozialer und/oder ideeller Herkunft. Identifikation kann einmal einen Zustand (als Ergebnis einer identifikationspolitischen Maßnahme) beschreiben oder aber den Prozess selbst (vgl. ebenda). Ressourcenorientiert betrachtet, ist eine hohe Identifikation der Arbeitnehmer strategisch bedeutsam, da wertvolles Humankapital an das Unternehmen gebunden werden muss, sei es um den Wissensverlust bei Fluktuation (älterer und jüngerer Arbeitnehmer) zu vermeiden oder durch geringe Loyalität entstehende Friktionen um Unternehmen zu vermeiden (vgl. Knoblauch 2004, S. 103). Maßnahmen die auf die Bindung der Arbeitnehmer abzielen, sind Teil des Identifikations- oder auch Retentionmanagements. Nachstehend wird der Begriff Identifikationsmanagement verwendet. Die auf personelle und/oder sachliche Objekte des Unternehmens bezogene individuelle Identifikationsbereitschaft wird von den Werthaltungen und Einstellungen des Individuums determiniert (vgl. Wunderer 2003, S. 106) Eine Identifikation findet dann statt, wenn eigene Werthaltungen und Einstellungen mit denen der genannten Objekten identisch (Identität) oder ähnlich (Similarität) sind oder als erstrebenswert (Idealität) gelten (vgl. ebenda). Oder anders formuliert: wenn es den Arbeitnehmern gelingt, „eine Trennung organisationaler Zwecksetzung und individueller Bedürfnisbefriedi208
Wunderer beschäftigt sich im Rahmen der Münchener Wertestudien seit den 1980er Jahren mit der Frage, ob und welchem Ausmaß divergierende Wertevorstellungen des Individuums und der Organisation die Motivation der Arbeitnehmer (negativ) beeinflussen (vgl. Brandstätter/Frey 2004, S. 310).
137
gung affektiv und kognitiv zu bewältigen“ (Conrad 1992, Sp. 1043). Affektiv meint in diesem Zusammenhang eine „subjektiv empfundene, positive innere Zuwendung zu einer Organisation auf emotionaler Basis“ (DGFP e.V. 2004a, S 20). Dies bezüglich wird ein „psychologischer Vertrag“ zwischen Individuum und Organisation geschlossen (ebenda, S. 13) Ist dieser eher affektiver denn kognitiv-normativer Natur210 ist die Ausprägung von „Bleiben, Leisten und Loyalität“ besonders hoch. Der (affektive) Identifikation älterer Arbeitnehmer im „Pensionsalter“, deren Weiterbeschäftigung von strategischem Interesse für das Unternehmen sein kann, muss dementsprechend besondere Bedeutung zugemessen werden. Stengel (1997, S. 251, vgl. dazu auch Brandstätter/Frey 2004, S. 311)211 verweist auf eine steigende Diskrepanz, sprich eine sinkende Identität, Similarität oder Idealität zwischen den Ziel- und Wertesystemen der Organisation einerseits und denen der Arbeitnehmer andererseits. Insbesondere bei Führungskräften ist diese Diskrepanz besonders groß, eine hohe Identifikation dieses Belegschaftssegments mit den Unternehmenszielen aber ist wichtig, da Führungskräfte als „Multiplikatoren bzw. Distributoren von Werten“ (ebenda, S. 252; vgl. Conrad 1992, Sp. 1044) den beruflichen Sozialisationsprozess212 innerhalb des Unternehmens stören können (vgl. ebenda). Conrad (1992, Sp. 1043) aber sieht das Identifikationskonzept in einer „Schlüsselposition“ bei der Analyse des Wirkungszusammenhang zwischenbetriebliche Sozialisation und Leistung und Effizienz. Denn Identifikation „ist die Einstellung des Mitarbeiters zum Unternehmen, die sich in Bleiben, Leisten und Loyalität zeigt“ (DGFP e.V. 2004a, S. 14).
209
In der anglo- amerikanischen Literatur umschreibt der Begriff „Commitment“ gleiche Inhalte (vgl. DGFP e.v 2004a, S. 13 u. 19). Knoblauch (2004, S. 102) spricht auch von einem „psychologischem Band“ zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer.
210
Identifikation auf normativer Basis bezieht sich z.B. auf soziale Normen wie Pflichtbewusstsein (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 20), eine Identifikation auf kalkulativer Basis hingegen beruht auf Kosten – Nutzen - Überlegungen des Mitarbeiters z.B. hinsichtlich des Verbleibs im Unternehmen (vgl. ebenda).
211
Befragt wurden seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts u.a. Arbeitnehmer verschiedener Branchen, Altersgruppen und Positionen bezüglich dem, was ihre Organisation für relevant erachtet (Soll-Ziele) und welche Ziele Sie selbst verfolgen würden (Ist – Ziele). Die Abweichung zwischen Soll- und Ist-Zielen indiziert die Bereitschaft der Organisationsmitglieder, sich mit den Organisationszielen zu identifizieren. Eine geringe Abweichung (Similarität) steht für ein hohe Bereitschaft, eine große Abweichung entsprechend für eine geringe Bereitschaft (Stengel1997, S. 251).
212
Die sozialisierenden Einflüsse, denen ein Arbeitnehmer mit dem Eintritt in ein Unternehmen unterliegt, kann man, kumuliert betrachtet, als Unternehmenskultur betrachten (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 68).
138
Das Aufeinanderprallen gewandelter Werte des Individuums mit starren Werten der Organisation birgt hingegen betriebliches Konfliktpotential (vgl. Gebert 2002, S. 57). Da sich Unternehmen weniger rasch an gewandelte Werte anpassen (können)213, spiegeln die institutionalisierten Werthaltungen der Unternehmen das wieder, „was eine frühere Generation für wünschenswert hielt“ (ebenda) und sind dementsprechend Ausdruck „geronnener Werte“ (vgl. ebenda). Die Identifikationsforschung umfasst eine „personalistische“214, „situationistische“215 sowie eine „interaktionistische“216 Perspektive (vgl. Conrad 1992, Sp. 1048). Ähnliches ist aus der Motivations- oder Führungsforschung bekannt (siehe hierzu unter Punkt 4.2.2). So ergaben Forschungen zu vorberuflicher Sozialisation und Sozialisation beim Berufseintritt, dass Individuen, deren Väter oder Großväter eine höheren Bildungsstand hatten, eine größere Bereitschaft zeigen, sich mit den Zielen großer Unternehmen zu identifizieren (vgl. Stengel 1997, S. 341). Wunderer (2003, S. 107) definiert die Identifikation des Organisationsmitglieds als grundlegend für dessen Motivation (vgl. dazu DGFP e.V. 2004a, S. 13 f.; Brandstätter/Frey 2004, S. 312). Sind Unternehmensziele nicht (mehr) mit dem Wertesystem des Arbeitnehmers kompatibel, so verfehlen die an den Unternehmenszielen ausgerichteten Motivationskonzepte und daraus abgeleitete intrinsische und extrinsische Motivationsmaßnahmen ihre Wirkung (vgl. dazu auch unter Punkt 4.2). „Ein Mitarbeiter wird sich z.B. kaum für die zielorientierte Erledigung ´seiner` Aufgaben motivieren lassen, wenn er sich weder mit den Zielen noch mit den Aufgaben identifizieren kann“ (Wunderer/Mittmann, Sp. 1155). Gleiches gilt natürlich auch für das Produkt oder das Unternehmen als solches. Zwischen Identifikation und Motivation besteht somit folgender Zusammenhang: Extrinsisch motivierte Arbeitnehmer binden sich weniger auf affektiver Ebene an das Unternehmen als die eher intrinsisch motivierte 213
Unter dem Eindruck des Wertewandels führte BMW zu Beginn der 1990er Jahre eine „wertorientierte Personalpolitik“ ein, um die Identifikation der Arbeitnehmer mit der Organisation zu erhöhen (vgl. Brandstätter/Frey 2004, S. 312).
214
Die personalistische Forschungsrichtung untersucht Identifikation „in Abhängigkeit von vororganisational erworbenen individuellen Handlungsorientierungen im Zusammenhang mit soziodemografischen Einflussgrößen wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand....“ (Conrad 1992, Sp. 1048).
215
Mögliche Forschungsfrage hier: „Welchen Einfluss hat das Führungsverhalten auf die Identifikation?“ (vgl. ebenda).
216
Die interaktionistische Identifikationstheorie stellt die konzeptuelle und methodische Synthese aus personalistischer und situationistischer Forschung dar (vgl. ebenda).
139
Personen tun (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 21). Identifikations- und Motivationspolitik sind daher aufeinander abzustimmen (vgl. ebenda). Winterhoff-Spurk (2002, S. 69) verweist auf den Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur, Identifikation sowie Motivation. Stimmen individuelle Werte mit gelebten Werten des Unternehmens (Unternehmenskultur) überein, werden Identifikation und Motivation erhöht.
4.1.2 Strategische Identifikationspolitik Wunderer (2003, S. 109) formuliert folgende Ziele für eine strategische Identifikationspolitik: 1. „Identifikationsorientierte Auswahl von Arbeitnehmern“ : Bei der Personalauswahl217 ist demnach vorausschauend und systematisch zu überprüfen, wie groß die individuelle Bereitschaft ist, sich mit der Aufgabe und dem Arbeitsumfeld zu identifizieren (vgl. auch Conrad 1992; Sp. 1050). Wunderer/Mittmann (1995; Sp. 1157) halten es so z.B. für notwendig, während des Auswahlprozesses zu überprüfen, ob Entwicklungskonzepte des Unternehmens mit den Vorstellungen und Werthaltungen des Kandidaten zu vereinbaren sind. Nach Ansicht des Verfassers ist dies bereits bei der Rekrutierungsphase möglich, indem der unternehmensrelevante Werthaltungen und Einstellungen ausreichend kommuniziert werden, z.B. bei der Gestaltung von Personalmarketinginstrumenten. 2. „Frühzeitige qualitative Einbindung der Arbeitnehmer“: Obengenanntes Ziel bezieht sich insbesondere auf die „Einarbeitung (als, Anm. d. Verf.) einer der kritischsten Phase der Identifikationspolitik“ (Wunderer 2003, S. 109). Diese Eintrittsphase (oder Einarbeitungsphase, vgl. Conrad 1992, Sp. 1050), falls
217
Den Begriff der beruflichen Sozialisation aufgreifend, lässt sich dieser in ein Voreintritts-, Eintrittsund Metamorphosephase (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 69) einteilen. Im Sinne identifikationsorientierten Personalauswahlphase nach Wunderer ist somit die Voreintrittsphase identifikationsorientiert zu gestalten.
140
mangelhaft gestaltet, kann bei neuen Belegschaftsmitgliedern zu einem so genannten Praxisschock führen (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 70) mit negativen psychischen Reaktionen wie Entwurzelung, Erniedrigung, Verunsicherung und Destabilisierung (vgl. ebenda) als Ausdruck oder Folge mangelhafter Identifikation. 3. „Vermeidung/Abbau von Identifikationsbarrieren“: Ein präventiv ausgerichtetes Controlling durch den Vergleich der Soll – (Identifikationsbedarf) mit der Ist – Situation (Identifikationsbedürfnis) und daraus resultierende Instrumente und Maßnahmen der Identifikationspolitik verbessern die Identifikationsbedingungen (vgl. Wunderer 2003, S. 109). 4. „Bereitstellung und Kommunikation attraktiver Identifikationsangebote“ Die für die strategische Unternehmensentwicklung wichtigen Angebote der Identifikation müssen ebenfalls bedürfnisorientiert gestaltet werden (vgl. Wunderer 2003, S. 109). Identifikationsräume können geschaffen werden durch die Differenzierung unterschiedlicher Identifikationsmöglichkeiten für unterschiedliche Zielgruppen z.B. für jüngere und ältere Arbeitnehmer (vgl. Wunderer/Mittmann 1995, Sp. 1156). Möglichkeiten der Selbstkontrolle als Freiraum und damit verbundene Belohnungen führen zu erhöhter Identifikation (vgl. Conrad 1992, Sp. 1050). 5. „Positive Gestaltung wichtiger Einflussfaktoren auf die Identifikation“: Relevante Einflussfaktoren (Arbeit, Führung, Kooperation, Unternehmenskultur, Organisation, Personalentwicklung etc.) (vgl. Conrad 1992; Sp. 1043, vgl. Wunderer 2003, S. 110) müssen „identifikationsstiftend“ ausgestaltet sein. Relevante Bestimmungsgrößen der Identifikationspolitik sind nach Wunderer (2003, S. 110)
141
a) die Identifikationsbedürfnisse jetziger und zukünftiger Arbeitnehmer: Im Zentrum der Erhebung arbeitnehmerbezogener Identifikationsbedürfnisse stehen allgemeine Werthaltungen, die die Identifikation maßgebend determinieren (vgl. Wunderer 2003, S. 110). Eine Erhebung muss dabei die Diversität in Unternehmen berücksichtigen (vgl. Wunderer/Mittmann 1995, Sp. 1161), um zielgruppenspezifisch Identifikationsdefizite abbauen zu können. b) der Identifikationsbedarf des Unternehmens abgeleitet aus dem normativen und strategischen Gesamtkonzepts des Unternehmens: Handlungsleitende Frage hier: „In welchen Bereichen und in welchem Umfang bedarf es einer Identifikation?“ und wie ist die Passung mit anderen normativen oder strategischen Konzepten z.B. der HRM - Strategie (vgl. ebenda). c) Ermittlung und Bewertung von Identifikationsproblemen innerhalb des Unternehmens Forschungsergebnisse sehen einen starken Zusammenhang zwischen geringer Aufgabenidentifikation und der Reaktion des Arbeitnehmers häufiger an eine Kündigung zu denken bzw. diese tatsächlich zu realisieren218 (vgl. Conrad 1992, Sp. 1049). Häufig realisieren diese ehemaligen Arbeitnehmer dann eine Existenzgründung, bei der sie eigene (Wert-)Vorstellungen realisieren können und somit das Konfliktpotential minimieren (vgl. Gebert 2002, S. 57). Eine Identifikations- und Motivationspolitik, die „intrapreneurial“ oder „mitunternehmerisch“ gestaltet ist, vermeidet präventiv oben dargestelltes Konfliktfeld und bindet so das unternehmerische Potential der Nachwuchskraft für das eigene Unternehmen. Untersuchungen bezüglich des Zusammenhangs zwischen niedriger bzw. fehlender Identifikation und Absentismus (vgl. ebenda) verdeutlichen ebenfalls die Folgen eines durch unterschiedliche Werthaltungen bedingtes Konfliktpotential. Fehlendes Vertrauen in Vorgesetzte und deren Entscheidungen, mangelnde
218
Häufig realisieren diese ehemaligen Arbeitnehmer dann eine Existenzgründung
142
Kooperations- und Leistungsbereitschaft219 oder ein nur geringes Verantwortungsbewusstsein signalisieren ebenfalls einen Mangel an Identifikation (vgl. Wunderer 2003, S. 112). d) Ermittlung von Identifikationspotenzialen innerhalb des Unternehmens: „Identifikationspotentiale sind strategische Schlüsselfaktoren, die eine hohe Ausprägung der Identifikation signifikant unterstützen“ (Wunderer 2003; S. 114) e) Gestaltung einer identifikationspolitischen Strategie: Identifikationsstrategien können klassisch ausgestaltet sein, mit dem Ziel der umfassenden Identifikation mit dem Unternehmen (vgl. Wunderer 2003, S. 115). Neuere Strategien ermöglichen eine hohe Identifikation mit der Aufgabe, dem Unternehmen etc., gleichzeitig erlauben entsprechende Strategien eine Identifikation auch mit privaten Objekten (z.B. dem Hobby) (vgl. ebenda). Eine Rollenambiguität verursacht durch differierende Lebens- und Arbeitswerte (Freizeitorientierung vs. traditionelle Arbeitswerte) wird so vermieden. Eine Übersicht über verschiedene Identifikationsstrategien gibt Wunderer (2003, S. 116):
219
Interaktionistische Forschungsergebnisse ergaben einen im Vergleich zum Absentismus geringer ausgeprägten Zusammenhang zwischen Identifikationsdefizit und Leistung (vgl. Conrad 1992, Sp. 1049).
143
Marktstrategie
Teamstrategie
Zielstrategie
ProfessionalismusStrategie
Chancen/ Erfolg
Kooperation/ Unterstützung
attraktive Ziele
Selbststeuerung
Gewinn
Wechselseitigkeit
Engagement
Selbstentfaltung
Zentrale Identifikationsobjekte
Kunden Produkte Leistungen
Team Abteilung
Ziele Leistungsprogramm
Fachaufgaben regelgerechte Problemlösungen
Identifikationswirkung
eher mittel
groß
groß
sehr groß
mangelnde Firmenorientierung
mangelnde strategische Einbindung
mangelnde Selbständigkeit
Mangelnde Team/Kundenorientierung
Identifikationspotential
Zentraler Wert
Grenzen
Abbildung 17: Einbindungsstrategien (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wunderer 2003, S. 116 ) f) Einsatz eines identifikationsstiftenden Instrumentariums/Maßnahmenkatalogs g) Identifikationscontrolling
4.2 Motivation und Motivierung Steinmann/Schreyögg (2000, S. 483)220 kennzeichnen die Motivation der Arbeitnehmer als eine der wichtigsten Management – Aufgaben und im Zielsystem der Unternehmensführung fest verankert, da die Arbeitnehmermotivation von „herausragender Bedeutung für die Güte des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses und seiner Effektivität (ist, Anm. d. Verf.)“ (ebenda). Als Erklärungsansatz für Unterschiede in der qualitativen und quantitativen Arbeitsleistung von Individuen wird in erster Linie in der Praxis der Begriff der (Arbeits-)Motivation221 herangezogen, wobei ein (nonlinearer) Zusammenhang zwischen vorhandener Motivation und positiven Unternehmens- und Arbeitsergebnissen einerseits bzw. fehlender Motivation und entspre220
Vgl. dazu auch Steers et al. 2004, S. 379.
221
Aus Vereinfachungsgründen wird hier nicht zwischen Arbeitsmotivation und Motivation unterschieden. Im Folgenden soll Motivation immer im Zusammenhang mit arbeitsbezogenem Verhalten stehen (vgl. Gebert 2002, S. 43).
144
chenden Indikatoren wie Fehlzeiten, Fluktuation oder Ausschussquoten andererseits hergestellt wird. Weinert (1998, S. 141) weist allerdings darauf hin, dass trotz eines starken Zusammenhangs zwischen Arbeitsverhalten und Arbeitsleistung in Organisationen auf der einen und Motivationsprozessen auf der anderen Seite neben der Motivation als beeinflussender Determinante andere Variablen wie Werte, Fähigkeiten, Erwartungen etc. ebenfalls in die Gleichung Motivation = Verhalten und Arbeitsleistung aufgenommen werden müssen, wenn eine Motivationstheorie menschliches Verhalten in Organisation erklären will (vgl. auch Gebert 2002, S. 43). Dementsprechend sieht Wunderer (2003, S. 107) den Ursprung der Motivation einmal direkt verursacht durch „eine hohe ziel- und aufgabengerichtete bzw. – kompatible Identifikation mit Personen und sachlichen Objekten aus dem Arbeitsumfeld“ oder indirekt verursacht durch Motivierung (vgl. ebenda), sprich durch die vom Unternehmen durch den Einsatz intrinsischer oder extrinsischer initiierte Motivation. Der Überzeugung folgend, dass Identifikation direkter Motivation verursachen kann, ist Identifikation ein Führungssubstitut222 (vgl. Conrad 1992, Sp. 1044) oder bzw. Ergebnis einer symbolischen Führung (vgl. Rosenstiel 1992, S. 320). Neuberger (1978, S. 203) warnt allerdings davor, das Konstrukt Arbeitsmotivation als globalen Erklärungsansatz für zu viele Dinge heranzuziehen, denn eine inhaltliche Globalisierung des Begriffes (Arbeits-)Motivation führt dazu, das eben dieser seine erklärende Wirkung letztendlich einbüßt. Ein Blick auf die wissenschaftliche Diskussion zeigt ebenfalls, dass es viele alternative, oft unterschiedliche Ansätze gibt, Motivation theoretisch zu erklären. Somit ist vorab auch festzustellen, dass eine Aussage bezüglich einer alleingültigen Motivationstheorie kaum möglich ist. Ein möglicher Ansatzpunkt mit ordnendem Charakter in diesem umfangreichen Forschungsgebiet der menschlichen Motivation stellt die Einteilung von Heckhausen (1989; S. 2ff) dar. Heckhausen teilt die Motivationspsychologie in drei Problemfelder ein:
145
1. Die Frage nach den Motiven 2. Die Frage nach der Motivation 3. Die Frage nach der Volition Darauf aufbauend sollen im Folgenden wesentliche theoretische Grundlagen zu den Themenfeldern „Motiv“, „Motivation“ und „Volition“ skizziert werden:
4.2.1 Motive Neuberger (1974) versteht unter Motiven „...sehr abstrakte Inhaltsklassen von wertbeladenen Folgen eigenen Handelns“. Rosenstiel definiert den Begriff „Motiv“ als zeitlich relativ überdauernde psychische Disposition, die, entweder angeboren, nach einer für die Art des Motivs kennzeichnenden Gesetzlichkeit gereift oder aber entwickelt im Rahmen der Sozialisation einer Person, ein relativ stabiles, kognitives, affektives und wertgerichtetes Teilsystem dieser Person bilden (vgl. von Rosenstiel, 1992, S. 216). Motive sind dabei im Gegensatz zu Handlung nicht direkt beobachtbar und nicht direkt messbar (Neuberger 1974, 13 ff), sodass aufgrund einer bestimmten Handlung des Individuums auf ein verhaltensbestimmendes Motiv geschlossen werden muss (vgl. Oechsler 2000, S. 153). Thomae (1965) nennt einige Aspekte, die es ermöglichen, die Vielzahl der in der Literatur genannten Motive zu klassifizieren. Es sind dies: -
Genese (angeborene oder erlernte Motive)
-
Orientierung (inhaltliche Ausrichtung auf bestimmte Dinge wie Geld, Macht etc.)
-
Bewusstseingrad (bewusste oder unbewusste Motive)
-
Extensität (das gesamte Erleben erfüllend oder nicht)
-
Intensität (starke oder schwache Motive)
-
Verlauf (rhythmisch oder unregelmäßig)
-
Tiefe und Zentralität (für die Person bedeutsam oder nicht)
222
Motivation ist auch Führungsaufgabe (Steers et al. 2004, S. 379)
146
Die in dieser Arbeit insbesondere relevanten Arbeitsmotive lassen sich nach Rosenstiel (1992, S. 366 ff.) neben einer Vielzahl anderer Klassifikationsmöglichkeiten in extrinsische und intrinsische Arbeitsmotive kategorisieren. Extrinsische Arbeitsmotive können „durch die Folgen oder die Begleitumstände der Arbeit befriedigt werden“ (ebenda), intrinsische Arbeitsmotive hingegen „durch den Vollzug der Arbeitstätigkeit“ (ebenda).
4.2.2 Motivation Von grundlegender Bedeutung ist neben dem „Können des Individuum“ (Fähigkeiten und Fertigkeiten) und der Möglichkeiten dieses entsprechend anzuwenden, das „Wollen“ dies auch zu tun (vgl. Brandstätter 1999, S. 344; vgl. Knoblauch 2004, S. 104), dem Wollen zugrunde liegende Prozesse, werden unter dem Oberbegriff „Motivation“ subsumiert (vgl. Brandstätter 1999, S. 344).
persönliches Wollen
Individuelles Können
Verhalten
soziales Dürfen
situative Ermöglichung
Abbildung 18: Bedingungen des Verhaltens (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Rosenstiel 1992, S. 49)
147
Motivation als Begriff hat sowohl einen erklärenden als auch einen beschreibenden Charakter (vgl. Gebert, 2002, S. 43). In seiner erklärenden Funktion steht das hypothetische Konstrukt „Motivation“ vermittelnd zwischen situativen Bedingungen auf der einen und beobachtbaren Verhaltensweisen von Individuen auf der anderen Seite. Werden erlebnismäßige Korrelate der Motiviertheit betrachtet, so wird der Begriff Motivation beschreibend verwendet (vgl. ebenda). Wunderer (2000, S. 216) bezeichnet Motivation als einen Zustand des inneren Angetriebenseins einer Person . Dieser innere Antrieb entsteht dabei aus einer Interaktion zwischen Person und die sie umgebenden Situation (vgl. v. Rosenstiel 1992, S. 363, vgl.)223. Heckhausen (1989, S. 2 f.) beschreibt Motivation als eine „momentane Gerichtetheit auf ein bestimmtes Handlungsziel. Motivation entsteht aus dem Zusammenspiel zwischen anregenden Bedingungen einer bestimmten Situation, den dadurch in einer Person aktivierten Motive und dem daraus resultierenden Verhalten eben dieser (vgl. von Rosenstiel, 1002, S. 217). In Anlehnung an Campbell und Pritchard (1976)224 ermöglicht laut Gerbert (2002, S. 43) die Arbeitsmotivation die Erklärung der (1) inhaltlichen Ausrichtung des arbeitsbezogenen Verhaltens, der (2) Intensität des Verhaltens und (3) dessen zeitlicher Dauer (vgl. auch Oechsler 2000, S. 154; Steers et al. 2004, S. 379). Voraussetzung ist, dass Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einflüsse aus der objektiven Umgebung konstant gehalten.
4.2.3 Volition Volition beschreibt den für das HRM bedeutenden Prozess von der Motivation zu Handlung (Berthel 2000, S. 18). Gebert (2002, S. 66) benennt die Volition umgangssprachlich als Willen, der erforderlich ist, wenn sich der Handlung „innere Barrieren und Widerstände“ entgegenstellen (vgl. ebenda). Volition umfasst dabei die Intentionsbildung und die Handlungsinitiierung, die Motivation geht dementsprechend in eine konkrete Handlung über. Grundgedanke der Volition ist, dass bestimmte Motivationen nicht automatisch zu (erwünschten) Handlungen führen, sodass betriebliche Anstrengungen hinsichtlich der „Motivation“ der Arbeitnehmer die Frage der Volition 223
Merkmale der Arbeitssituation und persönliche Motive sind maßgebend für die Arbeitsmotivation des Mitarbeiters (vgl. Oechsler 2000, S. 154).
224
Campbell, J.P./Pritchard, R.D. (1976): Motivation theory in industrial and organisational psychologiy, in: Dunette, M.D. (Ed.): Handbook of industrial and organisational psychology, Chicago 1976, S. 63-130
148
als wesentlich ansehen sollten (vgl. Berthel 2000, S. 18). Heckhausen (zitiert in Gebert 2002, S. 66) konzipierte das Handlungsphasen- bzw. Rubikon – Modell, in diesem werden der Motivation die Aufgaben Wählen (prädezisional) und Bewerten (postaktional) und der Volition die Aufgaben Zielsetzung (präaktional) und Handelungsausführung (aktional) (vgl. ebenda). Ebenso wie die Leistungsmotivation lässt sich auch die Volition durch Training stärken, z.B. das Überwinden von inneren Handlungsbarrieren225, denn „Willenstärke muss.. das Erreichen eines gesetzten Zieles sichern“ (ebenda, S. 306).
4.3 Motivationstheorien im Überblick Die Einteilung der verschiedenen Theorien der Arbeitsmotivation226 in die Klasse der 1. Inhaltstheorien227 und die 2. Prozesstheorien ist eine in der Literatur häufig verwendete (vgl. z.B. Ridder 1999, S. 73). Diese Klassifizierung wurde auch in dieser Arbeit zugrundegelegt. Andere mögliche Klassifikationen zeigt nachstehende Übersicht relevanter Motivationstheorien: a)
nach Brandstätter (1999; S. 344)
aa)
Inhaltstheorien (z.B. Maslow´s Bedürfnistheorie, McClellands Motivtheorie, Job-Characteristics-Modell von Hackman/Oldham)
ab)
Kognitive Theorien der Zielwahl ( z.B. Atkinsons- Risiko-Wahl-Modell, Vrooms Erwartungs-Valenzmodell, Attributionstheoretisches Modell von Weiner)
ac)
Volitionale Theorien der Zielrealisierung (z.B. Handlungsphasenmodell von Heckhausen, Zieltheorie von Locke/Latham)
b)
nach Berthel (2000, S. 19 ff.)
ba)
Inhaltstheorien der Motivation (Maslow, Alderers ERG – Theorie, ZweiFaktoren-Theorie von Herzberg)
bb)
Prozesstheorien der Motivation (Vrooms Erwartungs-Valenzmodell, Modell von Porter/Lawler)
225
Der Autor nennt hier beispielhaft das Trainieren der öffentlichen Rede, wenn das Individuum eher öffentlichkeitsscheu ist (vgl. Gebert 2002, S. 306).
226
Bzw. der Arbeitszufriedenheit (vgl. Brandstätter 1999, S. 344, Winterhoff-Spurk 2002, S. 123)
227
Oder auch Ursachetheorien (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 125).
149
bc)
Theorien der Leistungsmotivation (McClellands Motivtheorie, Atkinsons- Risiko-Wahl-Modell, Attributionstheoretisches Modell von Weiner)
Es soll aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die motivationstheoretische Diskussion ihrer gesamten Brandbreite kaum wiedergegeben werden kann228. Die Darstellung motivationstheoretischer Grundlagen orientiert sich daher an in erster Linie an ihrer Bedeutung für die Motivationspraxis in den Unternehmen. Von praktischer Bedeutung sind insbesondere die Inhaltstheorien von Abraham H. Maslow und Frederick Herzberg (vgl. Ridder 1999, S. 417; vgl. Knoblauch 2004, S. 108) als auch die Theorie der Leistungsmotivation von Atkinson. Letztgenannte ist darüber hinaus von besonderem Interesse für diese Arbeit, da Gegenstand der psychogerontologischen Forschung hinsichtlich des Zusammenhang zwischen Gedächtnisleistungen Älterer und Motivation. Ebenso haben die Inhaltstheorien in jüngerer Zeit eine Aufwertung im Sinne einer Aktualisierung und einer stärker soziologischen Ausrichtung erfahren, bedingt durch die anhaltende Diskussion über den gesellschaftlichen Wertewandel (vgl. Gebert 2002, S. 52). Dennoch ist festzuhalten, dass die meisten Motivationstheorien auf Untersuchungsergebnissen mit jüngeren Probanden beruhen (vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 441). Eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf ältere Arbeitnehmer ist daher nur eingeschränkt möglich. Festzuhalten ist, dass: „aging and adult development represent important but largely unexplored influences on work motivation (ebenda). Genannte Tatbestände werden in dieser Arbeit kritisch gewürdigt, referierte Theorien der Motivation gilt es unter Berücksichtigung der intervenierenden Variable „Alter“ zu interpretieren. Ein weiterer Schwerpunkt muss auf die intrinsische als auch die extrinsische Motivation gelegt werden, die Weiter- und Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer, so zeigt Punkt 4.5, ist unter dem Gesichtpunkt der intrinsischen bzw. extrinsischen Motivation zu analysieren und zu bewerten.
228
Einen Überblick über die Entwicklungsgeschichte relevanter Theorien der Arbeitsmotivation sowie über neue Ansätze in der Motivationsforschung geben Steers et al 2004 in ihrem Artikel „The Future of Work Motivation“.
150
4.3.1 Inhaltstheorien Inhaltstheorien der Motivation versuchen zu erklären, welche Faktoren Individuen motivieren, also ein bestimmtes Verhalten erzeugen und aufrechterhalten (vgl. Steers et al. 2004, S. 381). Die Grundfrage lautet: „Was motiviert?“ (vgl. Wunderer 2003, S. 119). Im Folgenden werden das hierarchische Motivationsmodell von Maslow und die Zwei – Faktoren – Theorie von Herzberg näher erläutert.
4.3.1.1 Das hierarchische Motivationsmodell von Maslow Die von Maslow entwickelte Bedürfnishierarchie bzw. Bedürfnispyramide229 ist aus seiner Arbeit in der klinischen Psychologie entstanden (vgl. Brandstätter 1999, S. 345, vgl. Oechsler 2000, S. 155). Basis seiner Überlegungen ist die Annahme, dass ein Bedürfnis das menschliche Verhalten nur dann und so lange stimuliert, bis dieses Bedürfnis (umfassend) befriedigt ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Rangfolgethese, dem Hierarchieprinzip oder der Satisfactions – Progressions- Hypothese (vgl. Wunderer 2000, S. 229). Hat das Individuum ein niedrigeres Bedürfnis befriedigt, strebt es automatisch die Befriedigung des Nächsthöherliegenden an, so lange, bis auch die höchsten Ansprüche letztendlich erfüllt sind. Maslow unterscheidet dabei fünf unterschiedliche Bedürfnisklassen, die in hierarchischem Sinn aufeinander aufbauen. Dabei steht das menschliche Bedürfnis nach Selbstverwirklichung an der Spitze der Bedürfnishierarchie, ganz entsprechend der Humanistischen Psychologie, dessen positivem Menschenbild grundsätzlich ein Streben nach Wachstum oder Selbstverwirklichung inne wohnt.230 Maslow (1977, S. 89) definiert dabei den Begriff Selbstverwirklichung folgendermaßen: „Es bezieht sich auf das menschliche Verlangen nach Selbsterfüllung, also auf die Tendenz, das zu aktualisieren, was man an Möglichkeiten besitzt. Diese Neigung 229
Maslow, A.H. (1943): A Theory of Human Motivation; Maslow A.H. (1954): Motivation and Personality
151
kann als Verlangen formuliert werden, mehr zu dem zu werden, was man idiosynkratisch nennt, alles zu werden, was zu werden man fähig ist“. Dem Wachstumsmotiv der Selbstverwirklichung sind vier weitere Bedürfnisklassen gegenübergestellt, die so genannten Mangelbedürfnissen (oder auch Defizitbedürfnisse). Die Nichtbefriedigung der Defizitmotive führt zu Krankheit, deren Befriedigung aber zu Gesundheit beziehungsweise zur Genesung (vgl. von Rosenstiel, 1992, S. 368). Alle fünf Bedürfniskategorien umfassen eine Bedürfnispyramide und sind gekennzeichnet von einer hierarchischen Beziehung untereinander.
WachstumsMotive
Selbstverwirklichung
Ich - Motive
Soziale Motive DefizitMotive Sicherheitsmotive Physiologische Bedürfnisse
Abbildung 19: Bedürfnispyramide nach Maslow (Quelle: Eigene Darstellung)
230
Namhafte Vertreter der Humanistischen Psychologie sind Rogers, Goldstein, Fromm und Allport
152
Den einzelnen Bedürfnisklassen lassen sich folgende Charakteristika zuordnen: -
Physiologische Bedürfnisse: Hunger, Durst, Atmung, Schlaf
-
Sicherheitsbedürfnisse: Schutz, wirtschaftliche Sicherheit, Vorsorge, Angstfreiheit, sichere Lebensumstände
-
Soziale Bedürfnisse: Zugehörigkeit, Zuneigung, soziale Kontakte, Anerkennung, Freundschaft
-
Achtungsbedürfnisse: Status, Prestige, Selbstvertrauen Kompetenz, Unabhängigkeit
-
Selbstverwirklichung: anspruchsvolle Tätigkeit, Selbsterfüllung, eigene Möglichkeiten zu entwickeln und vollständig nutzen
Oechsler (2000, S. 155) bezeichnet die physiologischen Bedürfnisse als angeboren, alle anderen Bedürfnisse seien angelernt. Rosenstiel (1992, S. 370) hingegen erachtet alle Bedürfnisse als „im Wesen des Menschen begründet“ (ebenda), also angeboren und nicht als Ergebnis einer Sozialisation. Maslow selbst sieht die (Weiter)Entwicklung von Bedürfnissen gemäß dem Pyramidenmodell in einem Wirkungszusammenhang von Persönlichkeitsentwicklung und Erfahrung, das Alter als intervenierende Variable spielt eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch können Selbstverwirklichungsbedürfnisse eher einem höheren Erwachsenenalter zugeordnet werden, wohingegen vorgelagerte Bedürfnisse in einem früheren Erwachsenenalter eine größere Rolle spielen (vgl. Kanfer/Ackermann 2004, S. 445). Knoblauch (2004, S. 107 ) stellt den verschiedenen Bedürfnissen sowohl Erfüllungsmöglichkeiten durch das Unternehmen als auch durch den Vorgesetzten gegenüber. Physiologische Bedürfnisse lassen sich demnach durch Lohn- und Gehaltszahlungen befriedigen. Der Vorgesetzte entspricht dem Wunsch seines Arbeitnehmers nach Anerkennung und Wertschätzung durch kommunikative Elemente wie Kritik und Lob (vgl. ebenda) z.B. im Rahmen eines Beurteilungsgespräches. Bei den Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung hat das Unternehmen durch Arbeitszeit- und Arbeitsgestaltung (job enrichment und job enlargement; siehe hierzu auch Punkt 4.4.3) wie durch Maßnahmen der Weiterbildung Möglichkeiten der Erfüllung, die Schaffung eines ausreichenden Handlungsspielraums für den Arbeitnehmer durch den Vorgesetzten erfüllt ebenso Selbstverwirklichungsbedürfnisse (vgl. ebenda). Strukturelle
153
Motivationsinstrumente (z.B. Entlohnungssystematik und Arbeitsstrukturierung) als übergeordnete Regeln und personenbezogene Motivationsinstrumente (individuelle Maßnahmen der Personalentwicklung, individuelle Arbeitnehmerführung) lassen sich dementsprechend auf Basis der Bedürfnispyramide nach Maslow gestalten und einsetzen. Der Ansatz von Maslow hat prägend Eingang in nachfolgende theoretische231 und praktische232 Überlegungen (sowohl in der Psychologie als auch in den Wirtschaftwissenschaften) hinsichtlich der menschlichen Motivstruktur gefunden. Gleichzeitig wurde und wird vielfältig Kritik an dem hierarchischen Motivationsmodell von Maslow geübt (vgl. Ridder 1999, S. 417). Wesentliche Kritikpunkte sind: -
Die mangelnde Operationalisierbarkeit der von Maslow verwendeten Begrifflichkeiten, hervorgerufen durch eine fehlende Trennschärfe zwischen den einzelnen Motivklassen, so dass deren Hierarchisierung eine willkürliche Komponente verliehen wird. Insbesondere der Begriff der Selbstverwirklichung steht in der Kritik der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. Brandstätter 1999, S. 345), da er den Charakter einer Leerformel hat und somit wenig gehaltvoll in der inhaltlichen Aussage.
-
Es fehlt eine empirische Fundierung des Maslowschen Ansatzes hinsichtlich Inhalt und Abfolge einzelner Motivklassen (vgl. Brandstätter 1999, S. 345, vgl. Ridder 1999, S. 418, vgl. Oechsler 2000, S. 155). Gebert (2002, S. 48) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, das es zwar Untersuchungen, wenn auch nur wenige, gegeben hat, diese aber „die Maslowsche Zentralannahme der hierarchischen Motivaktivierung eher falsifizieren als bestätigen“ (ebenda, S. 48)233.
231
Alderfer (Alderfer, S.J: Existence, relatedness, and growth, New York 1972) adaptierte das Modell von Maslow, fasste aber die einzelnen Motive zu lediglich dreien zusammen: „existence“, „relatedness“ und „growth“.
232
Insbesondere wohl auch, weil die Maslowsche Bedürfnispyramide als „plausible, originelle und eingängige Heuristik (gilt, Anm. d. Verf.)“ (Ridder 1999, S. 417).
233
vgl. hierzu auch von Rosenstiel, 1992, S. 370
154
4.3.1.2 Herzbergs Zwei – Faktoren – Theorie Herzberg, in der Tradition der humanistischen Motivationstheorie stehend (vgl. Elias 2000, S. 17; vgl. Wunderer 2003, S. 123), glaubte aufgrund von empirischen Forschungen belegen zu können, dass Zufriedenheit durch „Satisfiers“ (Zufriedenheitsfaktoren) beeinflusst wird, wohingegen „Dissatisfiers“ (Unzufriedenheitsfaktoren, in der Positivausprägung Hygienefaktoren) bei Fehlen oder unzureichende Ausgestaltung Unzufriedenheit auslösen: Motivatoren234, Faktoren die Arbeitszufriedenheit schaffen, sind: -
der Arbeitsinhalt
-
Möglichkeiten des Leistungserfolgs
-
Möglichkeiten der Weiterentwicklung
-
Anerkennung (der Leistung)
-
Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs
-
Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen
Hygienefaktoren235, Faktoren die Arbeitsunzufriedenheit verhindern, sind: -
äußere Arbeitsbedingungen
-
soziale Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten
-
Unternehmenspolitik
-
Entlohnung
-
Arbeitsplatzsicherheit
-
Sozialer Status
(vgl. Ulich 1994, S. 43 f.; vgl. Elias 2000, S. 17 f.; vgl. Wunderer 2003, S. 122 f.) Werden die Hygienefaktoren genügend gestaltet, bedeutet dies dennoch nicht, dass Leistungsmotivation stimuliert wird. Lediglich die Motivatoren stehen in einem linearen Zusammenhang zur (Leistungs-)Motivation. Dementsprechend gilt es Hygiene-
234
Herzberg benennt diese Faktoren auch Kontentfaktoren, da sie in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsinhalt stehen (vgl. Ulich 1994, S. 43, Vgl. Wunderer 2003, S. 122).
235
Herzberg benennt diese Faktoren Kontextfaktoren, da dem Arbeitsumfeld zuzurechnen (vgl. ebenda)
155
faktoren und Motivatoren leistungsmotivierend zu kombinieren (vgl. Elias 2000, S. 17). Wunderer sieht eine wesentliche Leistung der Herzbergschen Theorie auf dem Gebiet der Vitalisierung einer inhaltsorientierten Gestaltung der Arbeit236 in den Untenehmen (vgl. Wunderer 2003, S. 123). Neuberger (1974, S. 133) fasst treffend die fundamentale Kritik an Herzbergs Theorie (u.a. mangelnde empirische Bestätigung, vgl. Ridder 1999, S. 420 f.) wie folgt zusammen: „Er hat im wirtschaftlichen Bereich keine einzige experimentelle Studie durchgeführt, um den Nachweis der von ihm behaupteten Kausalbeziehung anzutreten. Er muss erst noch zeigen, dass die Einführung eines Motivators zu Zufriedenheit führt (nicht dagegen die Einführung eines Hygienefaktors) und das die Wegnahme eines Hygienefaktors zu Unzufriedenheit führt (nicht aber die Wegnahme eines Motivators).“
4.3.2 Prozesstheorien der Motivation Ansetzend an der Kritik an obenstehenden Inhaltstheorien, die den motivationsstiftenden Kontext negieren, betrachten Prozesstheorien weniger Motivationsinhalte, sondern gehen der Frage nach, wie „Motivation ....situativ initiiert, erhalten und bewertet wird (vgl. Wunderer 2003, S. 126). Steers et al. (2004, S. 381 f.) bezeichnen den Zeitraum von Mitte der 1960 ´er bis zu beginn der 1970´er Jahre als das goldene Zeitalter der Motivationstheorien, da „never before and, some would argue, never since has made so much progress been made in explication the etiology of work motivation“ (ebenda). Relevante Vertreter sind neben Atkinson insbesondere Vroom (1964) mit seinem Erwartungs-Valenz-Modell, Porter/Lawler (1968) als auch die Zieltheorie („Goal Setting Theory“) nach Locke (1964).
236
Wunderer (2003, S. 123) nennt u.a. Job Design und Job Enrichment als motivierende Maßnahmen der Arbeitsgestaltung.
156
4.3.2.1 Theorie der Leistungsmotivation von Atkinson Nach Atkinson237 (1957) ist leistungsorientiertes Verhalten das Ergebnis „eines Konfliktes zwischen Annäherungs- und Vermeidungstendenzen“ (Weiner 1994, S. 152). Grundannahme: nimmt ein Individuum eine Leistungshandlung auf, so besteht für ihn die Möglichkeit erfolgreich zu sein oder aber zu scheitern. Erfolg und Scheitern sind dabei mit den Gefühlen Stolz und Scham oder Betroffenheit verbunden (vgl. Brandstätter 1999, S. 350). Der emotionale Konflikt „zwischen der Hoffnung auf Erfolg und der Furcht vor Misserfolg“ und die sich daraus ergebende Leistungsmotivation, ist entschieden, wenn das Individuum sich für die oder gegen die Aufnahme einer Leistungshandlung entscheidet. Ausschlaggebend für den Entscheidungsprozess: die Stärke der mit einer leistungsbezogenen Handlung antizipierten Gefühle „Stolz“ und „Scham“ (vgl. Weiner 1994, S. 152). Das Produkt aus den Faktoren: Leistungsmotiv, Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsanreiz ergibt die Tendenz Erfolg anzustreben (bzw. die Hoffnung auf Erfolg). Das Leistungsmotiv ist dabei die „Fähigkeit zum Erleben von Stolz über erbrachte Leistungen“ (Atkinson 1964, S. 214 zitiert in Weiner 1994, S. 153) und somit eine emotionale und überdauernde Disposition, den Erfolg anzustreben (vgl. ebenda). Die Erfolgswahrscheinlichkeit oder subjektive Wahrscheinlichkeit drückt die vom Individuum antizipierte Zielerwartung aus, sprich mit welcher Wahrscheinlichkeit erwartet ein Individuum, dass eine bestimmte Handlung erfolgreich sein wird. Der Erfolgsanreiz letztlich steigt mit sinkender Erfolgswahrscheinlichkeit, damit wird ausgedrückt, dass mit steigendem Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe immer größerer Stolz empfunden wird. Analog zur Hoffnung auf Erfolg kann auch die Furcht vor Misserfolg (bzw. die Tendenz, Misserfolg zu vermeiden) als Produkt der Determinanten
157
Motive des Vermeidens von Misserfolg Misserfolgswahrscheinlichkeit Negativer Anreiz von Misserfolg formuliert werden. Brandstätter (1999, S. 350) kritisiert das Risiko-Wahl-Modell von Atkinson hinsichtlich der Interpretation der Leistung als rein intrinsisch, extrinsische Belohnungen sind nicht Bestanteil der Überlegungen. Lehr (2003, S. 103) greift bei der Darstellung von Forschungsergebnissen, die sich mit den Auswirkungen emotionaler und motivationaler Prozesse auf die Gedächtnisleistungen älterer Personen beschäftigen, auch auf Ergebnisse von Atkinson zurück. Bei der Validierung der Modellannahme, dass Personen mit hoher Leistungsmotivation bei der Lösung Aufgaben mit mittlerem Schwierigkeitsgrad bessere Ergebnisse erzielen als weniger Leistungsmotivierte, konnte dies für Ältere bestätigt werden, für Jüngere jedoch nicht238. Andere Studien scheinen den Zusammenhang zwischen einer verbesserten Gedächtnisleistung und der Motivation ebenfalls zu bestätigen239, trotz Kritik methodischer Kritik am Untersuchungsdesign (vgl. ebenda). Bezüglich „altersbedingter“ Veränderungen der Leistungsmotivation siehe auch unter Punkt (). Wunderer (2003, S. 67) benennt Valenz, Instrumentalität und Erfolgserwartung als wesentliche Variablen kognitiver Prozesstheorien der Motivation. Ergänzend im Sinne einer mitunternehmerischen Gesamtmotivation werden neben die oben genannten Faktoren der situativen Motivation Identität, freiwilliges Engagement und Commitment/Einbindung als Faktoren einer unternehmerischen Grundmotivation gestellt.
237
Atkinson, J.W. (1957): Motivational determinants of risk-taking behaviour; in: Psychological Review, 64, S. 359-372.
238
Die gewählte Aufgabe war für die jüngere Unterstichprobe zu leicht (vgl. Lehr 2003, S. 103)
239
McClelland, D.C./Scioli, A./Weaver, S. (1998): The effect of implicit and explicit motivation on recall among old and young adults. International Journal of Aging and Human Development 46, S. 120.
158
Identität im Sinne einer unternehmerischen Grundmotivation ist das Selbstverständnis des Arbeitnehmers unternehmerische Werte240 als eigene Werte anzunehmen Freiwilliges Engagement im Sinne einer unternehmerischen Grundmotivation bezieht sich im Wesentlichen auf die Faktoren Eigenverantwortung, Risikobereitschaft, Innovation und Kooperativität (Kooperation). Genannte Faktoren erweitern somit das Spektrum dessen, was aufgrund der zugewiesenen Rolle als Arbeitnehmers formal erwartet wird. Commitment/Einbindung im Sinne einer unternehmerischen Grundmotivation erweitert die übliche, nämliche monetäre Einbindung von Arbeitnehmern um die Einbindung durch Werte, die dem Wertesystem des Unternehmens entsprechen. Über der operativen Ebene steht also die normative Ebene. Daraus folgernd können gemeinsame (mit)unternehmerische Ziele und Strategien entwickelt werden. Dem Ansatz einer mitunternehmerischen Identifikation und Motivation soll in dieser Arbeit gefolgt werden, die weiter unten dargestellten Untersuchungen der Motivation zur Weiterbeschäftigung von Selbständigen und abhängig Beschäftigten über Ruhestandsgrenzen hinweg (Arbeit im Ruhestand) belegen die Bedeutung des Themenkomplexes „Intrapreneurship“ im Zusammenhang mit der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer.
4.3.2.2 Intrinsische und extrinsische Motivation Obendargestellte Leistungsmotivation ist als intrinsisch zu definieren (Gebert 2002, S. 60). Von intrinsischer Motivation wird dann gesprochen, wenn eine (in der Regel komplexe) Handlung oder Tätigkeit selbst zur Bedürfnisbefriedigung führt (vgl. Knoblauch 2004, S. 109), bei der extrinsischen Motivation hingegen, ist das Verhalten des Arbeitnehmers Mittel zum Zweck, um belohnt zu werden (vgl. ebenda) nicht aber Selbstzweck (vgl. Gebert 2002, S. 60). Beispiele für extrinsische Motivation sind Geld, Macht, Prestige, Lob etc., eine Leistung aus Wissensdurst hingegen deutet auf eine intrinsische Motivation (vgl. Suter 2003, S. 134). Thom/Friedli (2002, S. 5) klassifizieren die extrinsische Motivation in materielle und immaterielle Anreize. Erstere umfassen finanzielle Anreize im weiteren Sinne (direkte und indirekte finanzielle An240
Wunderer (2003, S. 66) nennt u.a.. Kreativität und Selbständigkeit als (mit)unternehmerische Werte.
159
reize), letztere setzen sich aus sozialen Anreizen (z.B. Kommunikation) und aus organisatorischen Anreizen (Arbeitszeit, Personalentwicklung, Führungsstil etc.) zusammen. Gebert (202, S. 61) weist zusätzlich darauf hin, dass „ein intrinsisch motiviertes Handeln.... (da lustbetont und deswegen selbstkontrolliert) keiner Fremdkontrolle bedarf“. Suter (2003, S. 132) betont, dass ein bestimmtes Verhalten durch verschiedene Arten der Motivation bestimmt werden kann, konfligieren diese, kommt es zu keinem bestimmten Verhalten, das sich gegenläufige Motivationen behindern (vgl. ebenda). Schlussendlich besteht auch ein Zusammenhang zwischen Kreativität und intrinsischer Motivation. Kreativere Menschen gelten als eher intrinsisch motiviert (vgl. Steiger 2003, S. 422). Brandstätter/Frey (2004, S. 308 ff.) betonen die Bedeutung sozialer Einflüsse im Zusammenspiel mit extrinsischer Motivation. Die subjektiv empfundene Gerechtigkeit und Fairness bei der Entlohnung als Ergebnis eines sozialer Vergleichsprozesse beeinflusst den erbrachten Einsatz des Individuums. Eine ermittelte Unterbezahlung (ermittelt aus dem „wahrgenommenen Verhältnis zwischen eigenem Ertrag...und eigenem Einsatz...gegenüber dem anderer Personen“ ebenda, S. 308 f.) führt zu einer Leistungsminderung bezogen auf die Quantität und/oder die Qualität der erbrachten bzw. zu erbringenden Leistung241. Abschließend heben beide Autoren die zunehmende Bedeutung der Erforschung der Gerechtigkeit in Organisationen („wie gerecht sind Aufteilungsentscheidungen und wie kommen diese zustande?“) hervor und verweisen auf den Wirkungszusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Faktoren wie Arbeitszufriedenheit und Identifikation (vgl. Brandstätter/Frey 2004, S. 310). Die unter Punkt 2.3.3 skizzierten Generations- und Verteilungskonflikte zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern bedürfen dementsprechend einer Betrachtung unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit. Die Benachteiligung älterer Arbeitnehmer z.B. bei Personalentwicklungsmaßnahmen, aber auch deren Bevorzugung bei einer auf dem
241
Brandstätter/Frey (2004, S. 311) erkennen jedoch keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer subjektiv empfundenen Überbezahlung, diese ziehen nicht zwangsläufig eine Leistungssteigerung nach sich, vielmehr tendiert der „überbezahlte“ Arbeitnehmer dazu, sich Erklärungsmuster rechtgelegen, die die Überbezahlung als gerechtfertigt deuten, eine Leistungssteigerung wird somit obsolet.
160
Senioritätsprinzip basierenden Entlohnung gilt es bei der Gestaltung einer altersintegrativen Identifikations- und Motivationspolitik zu berücksichtigen. 4.3.2.3 Weiterführende Überlegungen Bezugnehmend auf einige der weiter oben kurz skizzierten Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation und daraus resultierenden Motivationsprogrammen benennt Wunderer (2003, S. 132 f.) vier fehlende Aspekte, die, obwohl von bedeutender praktischer Relevanz, nicht in die theoretischen Überlegungen eingeflossen sind. Nach Wunderer sind daher folgende „tote Winkel“ in motivationstheoretischen Ansätzen zu erkennen: a) Motivationsbarrieren bzw. Demotivatoren fehlen bei der Ausgestaltung von motivationspolitischen Konzepten. Demotivation ist in Anlehnung an Wunderer (2003, S. 138 ff.) multifaktoriell verursacht. Relevante Determinanten haben demnach gesellschaftlichen, organisationalen, interpersonellen oder individuellen Charakter
Organisationale Determinanten
Gesellschaftliche Determinanten
• Kultur • Strategie • Organisation
• Werte • Zeitgeist, • Zukunftsperspektiven
Demotivation
Individuelle Determinanten • Wahrnehmungs - und Interpretationsmuster • Persönlichkeitsmerkmale • Erfahrungen • Konflikte
Abbildung 20: Determinanten der Demotivation (Quelle: in Anlehnung an Wunderer 2003, S. 138)
Interpersonelle Determinanten • Vorgesetzte • Kollegen • Mitarbeiter • Kunden
161
Suter (2003, S. 133) beschreibt die Wirkungen der Demotivation als Vermeidungsverhalten, Kosten dieses Vermeidungsverhaltens lassen sich sehr wohl quantitativ beziffern. Lohaus/Habermann (2002,S. 24) berechnen für ein fiktives Unternehmen mit 400 Arbeitnehmern einen Leistungsverlust von 1.850.000 Euro, reduziert sich die Motivation der Arbeitnehmer um fünf Prozentpunkte242. Deutlich wird die ökonomische Relevanz, Demotivation zu beheben oder zu vermeiden. b) Die Motivstruktur des Führenden wird nicht betrachtet: Die isolierte Betrachtung der Motivation des Arbeitnehmers (Geführter) vernachlässigt die Bedeutung der Motivstruktur des Führenden sowie deren Kompatibilität mit der Motivstruktur des Geführten in der Praxis. Interdependenzen zwischen Vorgesetzten- und Arbeitnehmermotiven beeinflussen sowohl die Führungsbeziehung als auch die Arbeitnehmermotivation erheblich. Dennoch sind ähnliche Motivstrukturen nicht immer von Vorteil. Der beidseitige Wunsch nach Autonomie führt zu einer Motivationskonkurrenz, wenn hingegen ein ausgeprägter Wunsch nach Autonomie und die Neigung, Verantwortung und Entscheidungen zu meiden, aufeinander treffen, bilden sich Motivationskoalitionen. c) Die Wechselseitigkeit der Motivationsbeziehung zwischen Führendem und Geführten wird nicht betrachtet: In Anlehnung an Wunderers Verständnis von Führung als „wechselseitige soziale Einflussnahme“ bedeutet dies, so der Autor, nicht nur Führung von untern, sondern ebenfalls Motivation von unten, indem der Geführte „die Motivstruktur, Erwartungen und die dem Vorgesetzten zur Verfügung stehenden (und ebenso die nicht gegeben) Instrumente in der wechselseitigen Zusammenarbeit einzuschätzen (hat, Anm. d. Verf.)“ (Wunderer 2003, S. 133). Motivation ist dementsprechend ein beidseitiger Prozess mit den Determinanten Selbstmotivation, wechselseitiger aktiver Motivierung sowie direkter und indirekter Motivation. Entsprechend einer erweiterten Personalbeurteilung ist Motivierung somit kein top – down – Prozess sondern geschieht bottom – up ebenso wie vertikal als Kollegenmotivation.
242
Zur Berechnung der absoluten Kosten des Motivationsrückgangs siehe Lohaus/Habermann (2002) S. 23 - 26
162
d) Rollenspezifische Differenzierungen fehlen bei der Ausgestaltung von motivationspolitischen Konzepten: In Abhängigkeit von der eigenen Rolle im Unternehmen als Vorgesetzter, Arbeitnehmer oder Kollege werden die Rolleninhaber von unterschiedlichen und/oder gleichen, aber unterschiedlich gewichteten Motiven beeinflusst. Wunderer benennt für obenstehende Rollen spezifische Motivatoren:
Geführtenmotivation (durch Führenden)
Motivation des Führenden (durch Geführten)
Kollegenmotivation (durch Kollegen)
Vorbild des Vorgesetzten (m enschlich/fachlich)
Leistungsergebnis
Unterstützung der Arbeitsziele
Mitwirkung bzw. Selbstständigkeit
Leistungsverhalten
Offenheit für eigene Arbeitsproblem e
Persönliche und fachliche Komm unikation
Sozialverhalten
Zuverlässigkeit
Anerkennung und Förderung durch Vorgesetzte
Akzeptanz/Förderung persönlicher Ziele
aufwandsm inim ierende Kooperation
Abbildung 21: Rollenspezifische Motivatoren – mögliche Komponenten und Inhalte (Quelle: in Anlehnung an Wunderer 2003, S.134) Professionelle Motivation (Motivation durch Arbeit), Unternehmensmotivation (Motivation durch die Institution) und die private Motivation (Motivation durch berufliche Rollen komplettieren die Struktur der Gesamtmotivation (vgl. ebenda). Die von Wunderer skizzierten Defizite bedürfen einer Erweiterung um eine alterspezifische Differenzierung der Motivationskonzepte. Ältere Arbeitnehmer in ihrer potentiellen Rolle als Arbeitnehmer, Vorgesetzter und Kollege werden von anderen Motiven beeinflusst als jüngere Arbeitnehmer, die gleiche Rollen einnehmen. Motive unterliegen mit zunehmendem Alter einem Bedeutungswechsel, neue Motive können
163
entstehen, Motive gewinnen oder verlieren zunehmend an Bedeutung. Das Merkmal Alter überlagert und beeinflusst dabei alle oben genannten rollenspezifischen Motivatoren. In Kapitel 2 wurden bei der Analyse der Stakeholderinteressen sowie des inneren Kontextes im Zusammenhang mit dem professionellen HRM altersintegrative bzw. altersdesintegrative Maßnahmen der Personalpolitik dargestellt. Ebenso beeinflusst die Motivstruktur des älteren Arbeitnehmers die des jüngeren Arbeitnehmers. Sind Älterer und Jüngerer gleichermaßen status- und aufstiegsorientiert, intendiert dies einen Verteilungskampf um leitende Führungspositionen. Die Weitergabe von Erfahrungswissen des älteren Arbeitnehmers an den Nachfolger oder die Aktualisierung des Fachwissens der Älteren durch jüngere Kollegen lassen motivationale Koalitionen vermuten. Steers et al. (2004, S. 383 ff.) kommen bei der Analyse der Motivationsforschung der letzten Jahrzehnte zu ähnlichen Ergebnissen. Nachdem in den 1980ziger Jahren bestehende Motivationstheorien erweitert und verfeinert wurden, sehen die Autoren in den 1990zigern bis heute, gemessen zumindest an den Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Journalen, eine eher stagnierende theoretische Entwicklung, die mit der virulenten Forschung in anderen Bereichen des Managements wie Führung oder Organisationsgestaltung kaum Schritt halten könne (vgl. ebenda, S. 383, vgl. Brandstätter 2004, S. 332). Dies aber stehe aber im Gegensatz zum dramatischen Wandel, dem die Arbeitswelt unterworfen sei. Genannt werden die Informationstechnologie, neue Organisationsformen, Globalisierung und nicht zuletzt eine Belegschaft, die gekennzeichnet ist durch eine steigende „diversity with highly divergent needs an demands“ (ebenda). Die von Wunderer getroffenen Aussagen zu Defiziten in der Motivationsforschung sowie die daraus vom Autor dieser Arbeit abgeleitete Forderung nach einer Erweiterung um eine alterspezifische Differenzierung von Motivationskonzepten in der Praxis wird somit unterstrichen. Bestehende theoretische und praktische Überlegungen hinsichtlich der Motivation von Arbeitnehmern (Motivationstheorien und -instrumente) werden dementsprechend in dieser Arbeit adaptiert und weiterentwickelt um eine Anpassung an „realities of the changing contemporary workplace“ (ebenda, S. 384), insbesondere an demografische Veränderungen zu realisieren. Brandstätter/Frey (2004, S. 333) unterstreichen den dynamischen Faktor in der „Passung zwischen Motiv- und Fähigkeitsstruktur und der Struktur der Arbeits-
164
umgebung“ (ebenda). Das Alter des Individuums als dynamisierender Faktor im sich stetig verändernden Wirkungsdreieck Können – Wollen – Situation ist daher im Hinblick auf die Identifikation und Motivation älterer Arbeitnehmer von besonderer Bedeutung. Nachfolgend werden wesentliche Instrumente der Motivation bzw. Remotivierung dargestellt.
4.4 Motivationsinstrumente 4.4.1 Arbeitszeit Die Analyse motivationaler Wirkung bei der Gestaltung von Arbeitszeitregelungen muss hinreichend erfassen, wie (bestehende) Arbeitszeitmodelle auf den Arbeitnehmer wirken und welche (möglichen) Arbeitszeitmodelle von diesem präferiert werden (vgl. Stengel 1997, S. 268). Bei der (Neu-)Gestaltung von Arbeitszeitmodellen ist neben den Fragen „Wer ist der Adressat der Arbeitszeitregelung?“ und „Auf welcher Ebene wird die Arbeitszeit geregelt?“ (vgl. ebenda) aus motivationstheoretischer Sicht insbesondere die Frage nach Dauer und Lage der Arbeitszeit von besonderer Bedeutung. Die Dauer der Arbeitszeit (Chronometrie) lässt sich sowohl nach unten, als auch nach oben variieren. Waren tarifliche und politische Auseinandersetzungen lange Zeit ausschließlich von der Arbeitszeitverkürzung geprägt, ist die Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf staatlicher Ebene und die partielle Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf betrieblicher und tariflicher Ebene Ausdruck für einen, durch wirtschaftliche Stagnation und kollabierende Sozialsysteme quasi erzwungenen Richtungswechsel in der Diskussion. Die obere Arbeitszeitgrenze wird dabei von gesetzlichen/tariflichen sowie unternehmerischen, sozialen (vgl. Dingler 1997, S. 13) oder biologisch-medizinischen Begrenzungsfaktoren (vgl. Berthel 2000, S. 345) determiniert. Das persönliche Interesse des Arbeitnehmers (kritische Einkommensgrenze), sozialversicherungsrechtliche
165
Tatbestände ebenso wie unternehmerische Erwägungen begrenzen die Dauer der Arbeitszeit nach unten (vgl. Dingler 1997, S. 13). Die Lage und Verteilung der Arbeitszeit (Chronologie) bezieht sich auf die Verteilung eines bestimmten Arbeitszeitvolumens z.B. innerhalb eines Tages, einer Woche etc. und ist ebenso variabel. Maßnahmen der Arbeitszeitflexibilisierung sind als bezügliche Lage und/oder Dauer der Arbeitszeit möglich und ist „die betriebliche und individuelle variable, differenzierte Gestaltung der Lage und Dauer der Arbeitszeit (Arbeitszeitstrukturen) im Hinblick auf den betrieblichen, individuellen und gesellschaftlichen Nutzen (konsens- und komplementärorientierte variable Arbeitszeit), immer in Übereinstimmung mit den veränderten wirtschaftliche, technischen, sozialen/gesellschaftlichen und rechtlichen Anforderungen“ (Ergenzinger 1993, S. 185). Arbeitnehmerbezogene Gründe für Maßnahmen der Arbeitszeitflexibilisierung sind in Anlehnung an Ergenzinger243 (1993) wie folgt: -
Bedürfnis nach mehr Zeitsouveränität244
-
Bedürfnis nach mehr Handlungsautonomie (Schaffen von Entscheidungs- und Dispositionsspielräumen)
-
Wandel der Arbeitswerte (stärkere Freizeitorientierung, Postmaterialismus)
-
Steigende Frauenerwerbstätigkeit
-
Verbesserung des Arbeitsklimas
243
Der Autor nennt neben mitarbeiterbezogenen Gründen weiterhin politisch/volkswirtschaftliche Gründe, ökonomisch/betriebliche/unternehmenspolitische Gründe, beschäftigungspolitische und gesellschaftspolitische Gründe (vgl. Ergenzinger 1993, S. 178 ff).
244
Das Bedürfnis nach Zeitsouveränität steht „für das Bedürfnis nach Verfügbarkeit über größere Anteile der eigenen Lebenszeit“ (Ulich 1994, S. 462).
166
F le x ib le A r b e its z e itg e s ta ltu n g
D y n a m is c h e A r b e it s z e it e n ( C h r o n o m e tr is c h e F le x ib ilitä t )
G le ite n d e A r b e it s z e ite n ( C h r o n o lo g is c h e F le x ib ilit ä t )
V a r ia b le A r b e it s z e it e n ( M is c h fo r m e n )
• A r b e its z e itv e r k ü r z u n g • T e ilz e ita r b e it ( T a g , W o c h e e tc .)
• • • • • •
• G le itz e it • C a fe te r ia - M o d e ll
Z e ita r b e it J o b S h a r in g KAPO VAZ S c h ic h ta r b e it N a c h ta r b e it W o c h e n e n d a r b e it
Abbildung 22: Flexible Arbeitszeitgestaltung (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Oechsler, 2000, S. 283) Eine Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit, sprich über den gesamten Erwerbsverlauf ist bezüglich Dauer, Lage und der Autonomie bzw. Mitbestimmung bei flexiblen Arbeitszeitmodellen möglich und bezugnehmend der demografischen Entwicklung wäre es nach Frerichs/Naegele (1998, S. 249) notwendig, ein „über alle Altersphasen reichendes Gesamtkonzept zur Gestaltung von Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit geben“. Die Flexibilisierung der Ruhestandsgrenze (Vorruhestand) und die Altersteilzeit als gleitender Ausstieg aus dem Erwerbsleben sind Indizien für die zunehmende Perforierung starrer Altersgrenzen. Um den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand fließend zu gestalten, hat der Gesetzgeber mit der Teilrente und der Altersteilzeit verschiedene Formen des gleitenden Ausstiegs im Rentenrecht geschaffen (vgl. Dritter Altenbericht 2000, S. 216). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gelingt es mit einem „gleitenden Berufsausstieg“245 (Dingler 1997, S. 53) das Potential des Humankapitals zu erhöhen, Erfahrung und Wissen der älteren Arbeitnehmer bleiben erhalten, während gleichzeitig die Nachwuchskräfte mit ihrer neuen Aufgabe vertraut gemacht werden können (vgl. ebenda). Von Bedeutung für die positive Wirkung auf die Motivation der Arbeitnehmer ist der Grad der Mitbestimmung bei der Arbeitszeitgestaltung. Werden Arbeitszeitwünsche der Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, sondern allein betriebswirtschaftliche Ziele246 realisiert, gehen motivationale Effekte verloren. Dennoch sei erwähnt, dass flexible 245
Ebenso wie ein gleitender Berufseinstieg (vgl. Dingler 1997, S. 53).
246
Stengel (1997, S. 270) nennt hier die Funktion der Arbeitszeitflexibilisierung als „Rationalisierungsund Konjunkturpuffer“.
167
Arbeitszeitstrukturen auch Nachteile247 für Unternehmen und Arbeitnehmer schaffen (vgl. Berthel 2000, S. 347). Bei der Ausgestaltung von flexiblen Arbeitszeitmodellen muss dies antizipiert werden, eine mangelhafte Konzeption neutralisiert unter Umständen die gewünschten positiven Effekte. Die Erfahrungen mit der Teilrente oder der Altersteilzeit zeigen dies (vgl. Dritter Altenbericht 2000, S. 216). Für die Älteren mit der Altersteilzeit verbundene Nachteile finanzieller, innerbetrieblicher und sozialer Art haben die Inanspruchnahme genannter flexibler Übergangsformen eher blockiert (vgl. ebenda; vgl. Jungjohann 2002, S. 143; vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2003, S. 120)248. Sowohl ältere Arbeitnehmer als auch die Unternehmen begegnen den gesetzlichen Möglichkeiten der Flexibilisierung mit anhaltender Skepsis (vgl. Frerichs/Georg 1999, S. 50, Bertelsmann Stiftung et al 2003, S. 121). Altersteilzeitmodelle der Praxis sind mehrheitlich Blockmodelle (vgl. Jungjohann 2002, S. 143, vgl. Drumm 2004, S. 207) und entsprechen daher eher dem Modell der Frühverrentung bzw. dem Vorruhestand (vgl. Schmähl/Viebrock 2001, S. 105, vgl. Bertelsmann Stiftung 2003, S. 120). Bei der verblockten Altersteilzeit, oder auch „unechte Altersteilzeit“ (vgl. Barkholdt 2001c, S. 166), scheidet der ältere Arbeitnehmer nach der Hälfte der Altersteilzeit übergangslos aus dem Erwerbsleben aus. Von Arbeitnehmern bevorzugt werden flexible Altersgrenzen, gleitender Übergang in den Ruhestand (Altersteilzeit), Teilzeitarbeit oder Sabbatjahre („Sabbatical“) (vgl. Stengel 1997, S. 271). Schönholzer (1979, S. 136) erwähnt das besondere Instrument des „Preretirement – Sabbatical“ zur Vorbereitung auf das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, ältere Arbeitnehmer werden hier drei Jahre vor der Pensionierung einige Monate freigestellt, um sich mit dem Leben eines Pensionärs vertraut zu machen mit dem Ziel der Vermeidung eines möglichen Pensionierungsschocks (vgl. ebenda). Ebenfalls in der Praxis bewährt haben sich Gleitzeitmodelle (vgl. Winterhoff – Spurk 2002, S. 135). Eine erhöhte Zufriedenheit bei den Arbeitnehmern, bessere Arbeits-
247
Aus Arbeitnehmerperspektive seien hier beispielhaft der größere Zwang zur Selbstorganisation, oder die Gefahr des Verlustes von sozialen Kontakten im Betrieb genannt (vgl. Berthel 2000, S. 347).
248
Mit der Rentenreform von 2000 soll die Inanspruchnahme von Teilrenten und Altersteilzeit verbessert werden (vgl. Dritter Altenbericht 2000, S. 216).
168
leistungen bei weniger Fehlzeiten indizieren eine Erhöhung der Motivation durch Arbeitszeitflexibilisierung. Bezogen auf die Teilzeitarbeit, kann dieser Typus der flexiblen Arbeitszeit dann als motivationsfördernd angesehen werden, wenn ein hohes Bedürfnis an Autonomie und Selbstverwirklichung der Arbeitnehmern mit einer Erhöhung der individuellen Zeitautonomie durch Modelle der Teilzeitarbeit einhergeht (vgl. Vollmer 2001, S. 136). Andere Untersuchungen hingegen ergaben eher schwache Zusammenhänge zwischen der Arbeitszeitgestaltung und demotivational bedingter Fehlzeiten oder der Bleibeentscheidung von Arbeitnehmern (vgl. Dingler 1997, S. 73 f.). Der Zusammenhang zwischen Arbeitszeitflexibilisierung und Motivation wird in folgender Grafik verdeutlicht:
H a rm o n is ie ru n g v o n A rb e its z e it u n d P riv a tin te re s s e n (F re iz e it, F a m ilie ) /re d u z ie rte A rb e its b e la s tu n g
S o n s tig e m o tiv ie re n d e A rb e its b e d in g u n g e n
V e rb e s s e rte A rb e its le is tu n g V e rb e s s e rte A rb e its e rg e b n is s e Z e itlic h e r H a n d lu n g s s p ie lra u m a ls A n re iz
M o tiv a tio n S in k e n d e F e h lz e ite n / g e rin g e re F lu k tu a tio n
Z e itv e ra n tw o rtu n g / Z e ita u to n o m ie b e i d e r A rb e it
Abbildung 23: Motivation und Arbeitsleistung durch flexible Arbeitszeit (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vollmer 2001, S. 137)
169
4.4.2 Entgelt Die Höhe des Entgeltes249 wird bestimmt durch den mit dem Anforderungsprofil korrespondierenden Schwierigkeitsgrad einer Stelle (anforderungsorientiert) und durch die individuelle Leistung des Stelleninhabers (leistungsorientiert) (vgl. Oechsler 2000, S. 433). Mit dieser Grundannahme werden die bereits genannten Prinzipien der Anforderungs- und der Leistungsgerechtigkeit entsprechend umgesetzt. An dieser Stelle soll nicht auf verschiedene Verfahren der Arbeitsanalyse und Stellenbeschreibung eingegangen werden. Von Interesse sind vielmehr die durch den Stelleninhaber direkt beeinflussbaren Bestandteile des Entgeltes als Ausdruck der individuellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft und als Bindeglied zwischen Arbeitsmotivation des Arbeitnehmers und der Ausgestaltung entgeltlicher Motivationskonzepte. Klimecki/Gmür (2001, S. 281) weisen darauf hin, dass eine leistungsorientierte Anreizgestaltung, um motivationswirksam zu sein, mit der Motivations- bzw. Motivstruktur des Individuums korrespondieren muss. So ist Entlohnung im Rahmen von Akkordlohnmodellen nur sinnvoll, wenn eine hohe extrinsische Leistungsmotivation des Arbeitnehmers vorhanden ist (vgl. ebenda, S. 286). Anreize entfalten ebenfalls erst dann ihre Leistungswirksamkeit, wenn der Arbeitnehmer eine lineare Beziehung zwischen Entgelt und Leistung identifizieren kann (vgl. Berthel 2000, S. 38; vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 134). So zieht eine Lohnerhöhung bei konstanter Leistungserbringung nicht zwingend eine dementsprechende Leistungserhöhung nach sich. Auf diesen notwendigen Wirkungszusammenhang bezieht sich u.a. auch die Kritik an dem schon skizzierten Senioritätsprinzip. Ein mit zunehmendem Alter steigendes Entgelt erzielt keine leistungssteigernde Wirkung, da kein Zusammenhang zur erbrachten Leistung besteht, sondern allein das Prinzip der Sozialgerechtigkeit erfüllt wird. Arbeitsentgelte und tatsächliche Leistung älterer Arbeitnehmer werden nicht synchronisiert (vgl. Brouwer 2004, S. 10). Vielmehr lässt sich eine demotivationale Wirkung unterstellen, insbesondere bei jüngeren Arbeitnehmern in altersgemischten Teams, die für gleiche oder bessere Leistungen weniger erhalten. Die Altersdiskrimi-
249
Mit Entgelt werden im Folgenden Geldleistungen und geldwerte Leistungen bezeichnet (vgl. Oechsler 2000, S. 430).
170
nierung betrifft in diesem Fall die jüngeren Belegschaftsmitglieder. Gleichzeitig verringern sich die Chancen der älteren Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Blickle 2004, S. 218), da die Erhöhung des Entgeltes allein aufgrund des Alters als „soziale Lohnkomponente“ den älteren Arbeitnehmer im Vergleich zum jüngeren Wettbewerber (bei angenommener gleicher Produktivität) teuer werden lässt (vgl. ebenda). Von Bedeutung ist ebenfalls der Zusammenhang zwischen Werten und (monetärer) Anreizgestaltung. Analog zur Arbeitszeitgestaltung, die mit individualisierten und flexibilisierten Arbeitszeitmodellen sich wandelnden Werten trägt, muss die Entlohnung z.B. postmaterialistischen Wertvorstellungen angeglichen werden. So rücken materialistische (Arbeits-)Werte wie Einkommenserzielung oder eine ausgeprägte Belohnungsorientierung in den Hintergrund, postmaterialistische Werte die Selbstverwirklichung und eine stärkere Freizeitorientierung dominieren stärker (vgl. Kick 1992, S. 21). In Anlehnung an Maslow´s Bedürfnispyramide untersuchte Ronald Inglehart250
251
1977 den Wertewandel in verschiedenen westlichen Industrienation und ermittelte für jüngere Personengruppen eine eher postmaterielle, für ältere eher eine materielle Orientierung (vgl. Rosenstiel 1992, S. 374). Bezogen auf die unter Punkt 4.5.1 ermittelten Ergebnisse bezüglich der Motive Älterer auch im Rentenalter weiterhin erwerbtätig zu sein, lässt sich die oben dargestellte Aussage eines sich intergenerativ abzeichnenden Wertewandel nicht uneingeschränkt zustimmen. So sind Erwerbstätigkeiten Älterer sowohl im Sinne einer Selbstverwirklichung Ausdruck einer postmateriellen als auch im Sinne der Sicherheit (Existenzsicherung) einer (wenn auch mehrheitlich erzwungenen) materiellen Werthaltung. Berthel (2000, S. 28) verweist auch darauf, dass die Anreizwirkung von Geld in Wissenschaft und Praxis umstritten ist, so gebe es Untersuchungsergebnisse die für (vgl. dazu Winterhoff-Spurk 2002, S. 134) bzw. gegen die Bedeutung extrinsischer Motivation durch Geld sprächen.
250
Inglehart, R. (1977): The silent revolution. Changing values and political styles among western politics, Prineton 1977
251
Zur Kritik an Inglehart´s Forschungsergebnissen vgl. Rosenstiel 1992, S. 374 ff.
171
4.4.3 Arbeitsgestaltung Bei der Arbeitsgestaltung lassen sich korrektive, präventive und/oder prospektive Strategien unterscheiden (vgl. Ulich 1994, S. 146). Arbeitsgestaltung unter korrektiven Gesichtpunkten meint nachträgliche Anpassung z.B. von fehlerhaft geplanten Arbeitsabläufen252 an ergonomische, körperliche, geistige, sicherheitstechnische etc. Anforderungen. Als „alterskritische Arbeitsanforderungen“ (Morschhäuser 2003, S. 63) sind u.a. körperliche Fehlbeanspruchungen und Überlastungen, hohe/starre Leistungsvorgaben (z.B. Zeitdruck) und hohe mentale Belastungen (schlechtes Arbeitsklima, soziale Isolation etc.) über einen längeren Zeitraum zu nennen (vgl. ebenda; vgl. Ilmarinen/Tempel 2003, S. 85). Korrektive Arbeitsgestaltung wird dann obsolet, wenn bei planerischen Maßnahmen oben genannter Anforderungskatalog präventiv bei der Arbeitsgestaltung berücksichtigt wird, um potentielle negative Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer weitestgehend auszuschließen (vgl. ebenda). Die prospektive Arbeitsgestaltung253 bezieht sich auf die Persönlichkeitsentwicklung des Arbeitnehmers, die durch eine unter diesem Gesichtpunkt gestalteten Arbeitsaufgabe gefördert werden soll (vgl. ebenda). Bezugnehmend auf die in Kapitel 2 dargestellten Gesundheits-, (De-)Qualifikationsund Motivationsrisiken, wird die übergreifende Bedeutung der Arbeitsgestaltung bei der Minimierung genannter Risikofelder deutlich. So stehen präventive Maßnahmen der Arbeitsgestaltung in einem engen Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand der in Zukunft älteren Arbeitnehmer254. Die motivationale Wirkung prospektiver Arbeitsgestaltung kann altersbedingte Veränderungen der Persönlichkeit aufgreifen und eine hohe intrinsische Arbeitsmotivation über lange Zeiträume aufrechterhalten.
252
Zu möglichen Fehlerquellen bei der Planung von Arbeitsumwelten siehe auch Stengel (1997, S. 148 ff.).
253
Rosenstiel (1992, S. 72 ff.) benennt dies psychologische Arbeitsgestaltung.
254
In diesem Zusammenhang spricht man auch von der „These des Gesundheitsverschleiß“ (vgl. Behrend 1992, S. 124). Es wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen Frühinvalidität und Erwerbstätigkeit, nach diesem Erklärungsansatz sind die Ursachen für die Frühinvalidität in den betrieblichen Arbeitsbedingungen begründet (vgl. ebenda).
172
Ulich (1994, S. 161) benennt als entscheidende Gestaltungsmerkmale der Aufgabengestaltung mit intrinsischer Motivationswirkung: Ganzheitlichkeit, Anforderungsvielfalt, Möglichkeiten der sozialen Interaktion, Autonomie, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, Zeitelastizität/stressfreie Regulierbarkeit und Sinnhaftigkeit. Bei der Darstellung des Wirkungszusammenhangs zwischen Arbeitsmotivation bzw. Arbeitszufriedenheit einerseits und Arbeitsgestaltung anderseits wird von verschiedenen Autoren (vgl. Rosenstiel 1992, S. 74 ff.; Ulich 1994, S, 162 ff.) Herzbergs Zwei – Faktoren-Theorie als Erklärungsmuster herangezogen. Als Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen von Herzberg ergeben sich nach Rosenstiel (1992, S. 81) für die psychologische (bzw. die prospektive) Arbeitsgestaltung Handlungsempfehlungen bezüglich der Gestaltungsfelder Leistungsformulierung255, Leistungsbeurteilung, Verantwortung256, Aufstieg, Persönlichkeitswachstum257
258
so-
wie der Arbeit selbst (vgl. dazu auch Berthel 2000, S. 272) Im Folgenden sollen nur die Gestaltungsfelder näher beleuchtet werden, die in direktem Zusammenhang mit den Risiken bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer stehen. Bezogen auf das Qualifizierungsrisiko wären dies das Persönlichkeitswachstum und die Arbeit selbst259, da die horizontale und die vertikale Aufgabenerweiterung als arbeitsgestalterische Konzepte der Erweiterung ebenso Maßnahmen der
255
Leistungsformulierung meint hier die Formulierung von Aufgabenzielen nach bestimmten Kriterien (mittlerer Schwierigkeitsgrad, Eindeutigkeit, Glaubwürdigkeit) sowie die damit verbundene, zeitnahe Rückmeldung bezüglich der Zielerreichung (vgl. Rosenstiel 1992, S. 82).
256
Verantwortung meint hier die Delegation von Rechte und Verantwortung entsprechend dem Umfang der zu erledigenden Aufgabe (vgl. ebenda, S. 83).
257
Rosenstiel (1992, S. 83) bezeichnet dieses Gestaltungsfeld als Wachstum, der darauf bezogene wachsende Handlungsspielraum hat aber nicht nur eine aufgabenbezogene Dimension, sondern in noch stärkerem Maße eine persönlichkeitsbezogene Dimension (Wachstum der Persönlichkeit durch wachsende Verantwortung, Herausforderung etc.). Daher soll in dieser Arbeit der Begriff Persönlichkeitswachstum verwendet werden.
258
So sieht Berthel (2000, S. 279) die Aufgabenbereicherung (job enrichment) als dienlich für das Persönlichkeitswachstum durch Selbstverwirklichung an.
259
Beide Gestaltungsfelder stehen in unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Rosenstiel (1992, S. 82) fordert die Strukturierung der Arbeitsaufgabe nach der qualitativen und quantitativen Maßgabe, dass der Arbeitnehmer „das Gefühl gewinnt, dass die Arbeit von ihm jene Fähigkeiten fordert, die er zu besitzen glaubt und zugleich hoch bewertet“ (ebenda). Durch die Erweiterung des Handlungsspielraums (Konzepte der Aufgabenerweiterung) und dem damit einhergehenden aufgabenund persönlichkeitsbezogenen Wachstumsmöglichkeiten, kann dem Arbeitnehmer eben dieses Gefühl vermittelt werden (vgl. ebenda).
173
Personalentwicklung darstellen (vgl. Wunderer 2003, S. 363)260 und somit von besonderer Relevanz für die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer sind. Von Relevanz ist ebenfalls die Gestaltung von Aufstiegsmöglichkeiten261. Die innerbetriebliche Verteilungsproblematik zwischen Älteren und Jüngeren wurde schon diskutiert. Bei zunehmender Verflachung der Hierarchien in den Unternehmen werden Führungspositionen somit aus der Sicht der Arbeitnehmer zu Engpassfaktoren und
entsprechender
motivationaler
Auswirkung
auf
das
Bleibeverhalten
aufstiegsorientierter Nachwuchskräfte. Formen der quantitativen und qualitativen Arbeitsgestaltung sind: Job Rotation In Form eines geplanten Arbeitsplatzwechsels (Rosenstiel 1992, S. 106) können sich Aufgabe, Kompetenzen und die Verantwortung für den Stelleninhaber verändern (vgl. Berthel 2000, S. 274), im Allgemeinen ändert sich jedoch der Tätigkeitsspielraum, nicht aber der Entscheidungsspielraum (vgl. Rosenstiel 1992, S. 106). Der Arbeitnehmer wird durch in Zeitabständen variierende Aufgabenfelder verstärkt herausgefordert, die Unternehmen flexibilisieren gleichzeitig ihre Arbeitnehmer hinsichtlich einer größeren Einsatzfähigkeit (vgl. Winterhoff – Spurk 2002, S. 135) und schaffen sich somit eine „qualitative Personalreserve“ (vgl. Oechsler 2000, S. 344). Job Enlargement Eine horizontale Aufgabenerweiterung (auch Horizontal Job Loading, vgl. Berthel 2000, S. 277 f.) ergibt sich aus der Addition qualitativ ähnlicher Aufgaben mit dem Ergebnis von einem in der Summe quantitativ umfassenderem Aufgabenprofil (vgl. ebenda; vgl. Oechsler 2000, S. 343). Als Beispiel sei hier die Aneinanderreihung mehrerer Arbeitsgänge bei der Herstellung eines Produktes genannt (vgl. Winterhoff – Spurk 2002, S. 135). 260
Wunderer (2003, S. 363) klassifiziert job rotation, enlargement und enrichment als Instrumente der on-the-job – Personalentwicklung im Sinne einer „qualitätsfördernden Aufgabengestaltung“.
174
Job Enrichment Eine vertikale Aufgabenerweiterung (auch Aufgabenbereicherung, vgl. Rosenstiel 1992, S. 107) ergibt sich aus der Addition qualitativ unterschiedler Aufgaben mit dem Ergebnis von einem in der Summe qualitativ höherwertigen Aufgabenprofil. Eine Qualifizierung der Aufgabe findet durch eine Bereicherung des Aufgabenfeldes insbesondere durch Führungsaufgaben im Bereich Planung und/oder Kontrolle statt (vgl. Berthel 2000, S. 279). Berthel (2000, S. 278) verweist auf die im Vergleich zum job enlargement höhere Motivationswirkung, da job enlargement eher die Aufgabenmonotonie verringere, aber lediglich mit geringerer motivationaler Wirkung auf den Stelleninhaber (vgl. auch Weinert 1998, S. 185).
Job Enlargement
Job Rotation
Quantitative Arbeitserweiterung
Arbeitsplatzwechsel
Entscheidung
Job Enlargement
Qualitative Arbeitserweiterung
E
A
K
Ausführung Kontrolle
Abbildung 24: Neue Formen der Arbeitsorganisation (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Oechsler 2000, S. 343)
261
Rosenstiel (1992, S. 83) setzt mit Aufstieg eher intrinsische Anreize in Verbindung (veränderte Arbeitsinhalte, steigende Verantwortung) als extrinsische (steigende Bezüge, Statussymbole etc.).
175
4.4.4 Personalentwicklung Ridder (1999, S. 207) definiert Personalentwicklung als „die zielgerichtete Beeinflussung menschlichen Verhaltens, insbesondere um die Fundierung, Erweiterung oder Vertiefung bestehender und/oder Vermittlung neuer Qualifikationen“. Der Autor folgt damit der in der jüngeren Diskussion wieder verstärkt in den Mittelpunkt gerückten anforderungsorientierten Personalentwicklung, wohingegen in älteren Publikationen die Bedürfnisorientierung eine dominierende Rolle spielte (vgl. ebenda, S. 207). Dies ist sicherlich Ausdruck einer stärkeren Orientierung an ökonomischen Überlegungen unter dem Eindruck einer fehlenden Messgenauigkeit bezüglich der Ertragswirksamkeit von (immateriellen) Investitionen in das Humankapital (vgl. Oechsler 2000, S. 555). Greift man noch die Überlegung der Humankapitaltheorie auf (vgl. dazu auch S. 192), dass ein Arbeitnehmer nur für einen bestimmten Zeitraum beschäftigt wird, und dieser aufgrund des „fortgeschrittenen“ Alters eines Arbeitnehmers und der nach oben starr definierten Altersgrenzen sehr begrenzt ist, so kann die Weiterbildungsinvestition nicht mehr ausreichend Erträge abwerfen, mag der Wirkungszusammenhang auch noch so diffus sein. Dagegen ist anzuführen, dass auch eine Investition in die Aus- und Weiterbildung eines jüngeren Arbeitnehmers nicht zwangsläufig ertragreich sein muss, wenn nicht im Vorfeld die mittelfristige Bleibebereitschaft des Arbeitnehmers gesichert worden ist. Scheidet dieser kurzfristig aus, verpufft auch die Wirkung der Personalentwicklungsmaßnahme. Unter Einbeziehung der Motivation sollten Maßnahmen der Personalentwicklung ebenfalls bedarfsorientiert gestaltet sein (vgl. Berthel 2000, S. 222; vgl. Oechsler 2000, S. 559), insbesondere im Sinne eines selbstinitiierten Lernens (vgl. Oechsler 2000, S. 559) mit notwendiger hoher Eigenmotivation. Der Einsatz des im Rahmen einer Personalentwicklungsmaßnahme Erlernten als Ausdruck des Lernerfolges hängt entscheidend von der Motivation des Arbeitnehmers als relevantem Kontextfaktor ab (vgl. Rosenstiel 1992, S. 214; vgl. Berthel 2000, S. 222) Die individuelle Motivation beeinflusst dementsprechend nicht nur die Lernbereitschaft, sondern ebenfalls die Anwendungsbereitschaft.
176
Rosenstiel (1992, S. 202) sieht das Training motorischer und kognitiver Fähigkeiten in der traditionellen Form der Aus- und Weiterbildung sowie darüber hinaus das Training emotionaler, motivationaler und sozialer Fähigkeiten262 als die „Anpassung des Menschen an die Aufgabe bzw. an die Organisation durch Maßnahmen der Verhaltensmodifikation“ (ebenda) und damit im „umfassenden Kontext der Personalentwicklung zu sehen“ (ebenda). Neben der bildungsorientierten Personalentwicklung ist die Karriereplanung ein weiterer Bestandteil und bezieht sich auf den individuellen beruflichen Werdegang (vgl. Berthel (2000, S. 285). Damit eng verbunden ist die potentialorientierte Personalbeurteilung, die auf Basis retrospektiver Betrachtungen Potentiale des zu Beurteilenden einzuschätzen versucht. Karriere kann dabei den hierarchischen Aufstieg meinen (vertikale Versetzung), beinhaltet aber auch die Versetzung auf horizontaler Ebene (Spezialistenkarriere, Fachlaufbahn), bei der der Arbeitnehmer andere, auch höherwertige Aufgaben zugeteilt bekommt, dies aber nicht zwangsläufig eine Beförderung im klassisch – hierarchischen Sinne bedeutet (vgl. ebenda). Bewertet man die Karriereplanung unter identifikationalen und motivationalen Aspekten, müssen betriebliche Ziele und Möglichkeiten der Karriereplanung mit den Karrierezielen des Individuums übereinstimmen. Karriereplanung ist insbesondere dann motivierend, wenn aus Sicht des Arbeitnehmers ein Zusammenhang zwischen Maßnahmen der Karriereplanung (z.B. einer Beförderung) und der individuell erbrachten Leistung hergestellt werden kann (vgl. Berthel 2000, S. 289). Eine Beförderung Älterer auf Basis des Senioritätsprinzips wirkt dementsprechend demotivierend. Nachstehend eine Übersicht individueller Karrieremotive263:
262
Andere Typisierungen sind möglich. So spricht Berthel (2000, S. 223) von sensomotorischen, kognitiven und affektiv – motivationalen Elementen der Qualifikation.
263
Die genannten Karrieremotive sind Ergebnis einer Befragung von ca. 2500 Führungskräften (vgl. Oechsler 2000, S. 289).
177
Höheres Einkommen
42%
Mehr Kompetenz und Einfluss
38%
Größere Selbständigkeit
31%
Die Tätigkeit selbst
26%
Bessere Entwicklungsmöglichkeiten
23%
Höhere Arbeitsplatzsicherheit
11%
Abbildung 25: Individuelle Karrieremotive (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Oechsler 2000, S. 289) Jüngere Führungsnachwuchskräfte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Karriereorientierung „Der Aufstieg ist zentrales Lebensinteresse“ von älteren Führungskräften (vgl. Oechsler 2000, S. 289). Während die Jüngeren dieser Aufwärtsorientierung nur zu 23% zusprachen, galt dies immerhin für 50% der Älteren (vgl. ebenda).
4.5
Motive und Motivation im Wirkungsfeld nachberuflicher Tätigkeit
Der gesamte Anteil der Erwerbstätigen in der Gruppe der 55 bis 65 – Jährigen liegt bei ca. 40 % (vgl. Rump 2004c, S. 63)264. In der Gruppe der Menschen, die die Ruhestandsgrenze bereits überschritten haben, liegt der Prozentsatz derjenigen, die noch erwerbstätig (in der Regel nebenerwerblich) sind, noch weitaus niedriger. Was aber sind die Motive der älteren Menschen, die Erwerbsphase, wenn zum Teil auch in veränderter Form, zu verlängern und die Ruhestandsphase aufzuschieben und somit gleichzeitig zu verkürzen? Aktivitätsfelder von Rentnern und Senioren können, wenn diese nicht auf eine entgeltliche Erwerbstätigkeit ausgerichtet sind, in ihrer Bandbreite folgende Tätigkeiten umfassen:
264
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit z.B. hinter Schweden (68,3%), den USA (59,5%) und Großbritannien (53,3%) (vgl. Rump 2004c, S. 63).
178
Ältere sind aktiv bei ehrenamtlichen bzw. freiwilligen Tätigkeiten, sie engagieren sich politisch auf regionaler und kommunaler Ebenne, weitere Felder sind eine Mitgliedschaft in informellen Kreisen, die aktive Unterstützung im Rahmen von Familienbeziehungen (monetäre und/oder nicht-monetäre Unterstützungsleistungen) Unterstützungsleistungen in informellen Netzwerken, intergenerationale familiäre Transfers (in Geld, Immobilien)265, Pflegetätigkeiten und Kinderbetreuung, eine Partizipation im Bildungssektor (Seniorenstudium etc.), Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden. Beispielhaft sei hier die Initiative „Alt für Jung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend genannt. Die dort ausgebildeten Seniortrainer266 stellen ihr Erfahrungswissen für Jüngere u.a. in den Engagementbereichen Soziales (28%), Bildung (16%), Freizeit/Geselligkeit/Brauchtum (11%), Politik und Interessenvertretung (8,5%), Gesundheitsbereich (8,5%) und Schule/Kindergarten/Jugendarbeit (7%) verschiedenen Initiativen zur Verfügung (ohne Verf. 2004, S. 2). Insbesondere der Personenkreis, dem eine Fortsetzung von Erwerbstätigkeit im eigenen Beruf nach Erreichen der Pensionsgrenze aufgrund gesetzlicher Regelungen verwehrt wird, engagiert sich freiberuflich oder ehrenamtlich bzw. unentgeltlich (vgl. Tartler 1961, S. 102). Unentgeltliches bzw. ehrenamtliches Engagement und dessen besondere wirtschaftliche und soziale Bedeutung für die Gesellschaft können aber in dieser Arbeit nicht weitergehend diskutiert werden, da dies den Rahmen der Forschungsfrage überschreiten würde. Bezüglich der Motive für eine ehrenamtliche Tätigkeit kann jedoch gesagt werden, dass, natürlich abgesehen vom Motiv des Gelderwerbs, starke Parallelen hinsichtlich der Motive für eine hauptamtliche Tätigkeit bestehen (vgl. dazu unter Punkt 4.5.1). Genannt seien hier eine selbstbestimmte und flexible Tätigkeit, der Wunsch nach sozialen Kontakten und der Weitergabe des eigenen (Erfahrungs-)Wissens (vgl. Pohlmann 2001, S. 112). Nachfolgend werden einige Untersuchungen zur „nachberuflichen“ Erwerbstätigkeit analysiert. Der Begriff der Nachberuflichkeit ist hierbei inhaltlich etwas irreführend, 265
Besteht die Notwendigkeit, Familienangehörige finanziell zu unterstützen, ist der Prozentsatz derjenigen Älteren, die eine nachberufliche Aushilfstätigkeit ausüben, um ein vielfaches höher, als in den Fällen, wo eine wirtschaftliche Abhängigkeit seitens der Familienmitglieder nicht vorhanden ist (vgl. Kaser 1966, S. 108).
179
denn ein Teil der Erwerbstätigen, die über Pensionsgrenzen hinweg weiterhin tätig sind, setzen durchaus ihre Tätigkeit in den von ihnen erlernten Beruf fort, wohingegen ein anderer Teil eher klassische Rentnertätigkeiten mit geringerem zeitlichen Umfang („gezielte, nachberufliche Aushilfstätigkeiten“, Wachtler/Wagner 1996, S. 8) übernimmt. Eine weitere Unterteilung in weiterbeschäftigte „Normalarbeitnehmer“ und in „nebenerwerbstätige Rentner bzw. Pensionäre“ ist ebenfalls möglich. Baur (et al. 1996) sehen nachberufliche Tätigkeitsfelder in: a) „primären Bereichen“ (familiäre Hilfeleistungen z. durch die Betreuung von Kindern) b) „betrieblichen Tätigkeitsfeldern“267 (gemeint sind hier betriebliche Tätigkeiten in einem angestammten oder einem neuen Betrieb) c) „ehrenamtlichen Tätigkeitsfeldern“ (darunter werden freiwillige, unentgeltliche Tätigkeiten subsumiert) d) „Hobby – Bereichen“ e) Organisationen/Initiativen (umfasst den Zusammenschluss von Ruheständlern zum Zwecke nach außen gerichteter Tätigkeiten) Nachstehende Grafik zeigt das umfassende Spektrum der (Weiter- und Wieder)Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Sinne einer betrieblichen Tätigkeit:
266
25 % der Seniortrainer sind unter 60 Jahre alt, 50 % sind zwischen 60 und 64 Jahren alt und 25 % sind älter als 64 Jahre (vgl. o. Verf. 2004, S. 3).
267
Als ein für Ruheständler typischer Bereich des Arbeitsmarktes gilt private Sicherheitsdienste /vgl. Lang-von Wins et al. 2004, S. 1171).
180
Ältere Arbeitnehmer Beschäftigung über den Verrentungszeitpunkt hinaus
Weiterbeschäftigung
Wiederbeschäftigung (Neueinstieg)
Fortführung im erlernten Beruf Beschäftigung bis zum Verrentungszeitpunkt Nachberufliche Aushilfstätigkeit
Volle Erwerbstätigkeit als Normalarbeitnehmer
Nebenerwerbstätigkeit als Rentner/Pensionär
Abbildung 26: Spektrum der Erwerbstätigkeit älterer Arbeitnehmer (Quelle: Eigene Darstellung) Der Begriff der nachberuflichen Tätigkeit ist im Rahmen dieser Arbeit auch deswegen nicht zielführend, da der Focus auf der altersgerechten und -differenzierten Weiterund Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Pensionsgrenze und darüber hinaus liegen soll, um einen wesentlichen betrieblichen Erfolgsfaktor älterer Arbeitnehmer generieren zu können: deren betriebliches Erfahrungswissen. Dies soll im weiteren Verlauf höher bewertet werden als die Wieder- und Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer in so genannten Rentnertätigkeiten bzw. „Rentnerjobs“ (vgl. dazu Kohli et al. 1993), die in der Regel allein kosten- und kurzfristig orientiert ist. Gleichwohl ist die Erhöhung der Erwerbstätigkeit Älterer ein generelles Anliegen des Autors, unabhängig von Art und Umfang der Tätigkeit. In Anlehnung an Wachtler/Wagner (1996, S. 8) wird aber der Schwerpunkt auf „fortgeführte Berufstätigkeiten über den Verrentungszeitpunkt hinweg“ (ebenda) gelegt. Der Focus liegt dementsprechend auf der Alterserwerbstätigkeit in Organisationen. Bei der Analyse der Motive der Weiterarbeit, auf finanzieller Basis oder auch nicht, ist es dennoch relevant zu wissen, warum eine Tätigkeit, welcher Art auch immer, über
181
die Ruhestandsgrenze hinweg fortgesetzt oder neu aufgenommen werden. Die handlungsleitende Frage hier sollte sein: Wie muss ein betriebliches Motivationssystem ausgestaltet sein, um ältere Arbeitnehmer im Sinne einer Weiterbeschäftigung zu halten oder zu rekrutieren, wenn dies betriebswirtschaftlich sinnvoll ist?
4.5.1 Motive der Weiterbeschäftigung über den Verrentungszeitpunkt hinaus aus der Arbeitnehmerperspektive
Im Rahmen der Studie „Binnenstruktur der Langzeitarbeitslosigkeit Älterer in Westdeutschland“ aus dem Jahr 1994 ermittelte Bogai auf Basis der Analyse von Motiven bezüglich der Arbeitslosenmeldung vier Teilgruppen: -
43% der Befragten strebten eine Wiederbeschäftigung an
-
26% der Befragten betrachteten die Arbeitslosigkeit als Übergangsphase zum vorgezogenen Ruhestand
-
bei 13% der Befragten stand die Arbeitslosmeldung in Zusammenhang mit Vorschriften zur Erlangung von Sozialhilfe
-
19% der Befragten waren nicht eindeutig zuzuordnen
Behrend (2000a, S. 49) sieht den Übergang in das nachberufliche Leben „multifaktoriell“ determiniert (vgl. dazu auch Lang-von Wins et al. 2004, S. 1159). Entscheidend sind dementsprechend: 1. sozioökonomische Determinanten (Situation auf dem Arbeitsmarkt – tatsächliche oder drohende Arbeitslosigkeit, konjunkturelle Entwicklung, Ausmaß der Erwerbsbeteiligung im höheren Lebensalter, bestehende Erwerbsmöglichkeiten wie Nebenerwerb, Schwarzarbeit – zweiter Arbeitsmarkt) 2. sozialrechtliche Determinanten (Gesetze bestimmen die Anforderungen und Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sozialversicherungsleistungen, gesetzliche festgelegt Altersgrenze, entscheidend hier die finanzielle Ausgestaltung
182
– erwartete Rentenhöhe und die Dispositionsfreiheit bezüglich der Wahl des Zeitpunktes) 3. betriebliche Beschäftigungssituation (berufliche Anforderungen am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzsituation etc.) 4. subjektive Faktoren der Rentenentscheidung (individuelle Lebensplanung, familiärer und sozialer Kontext, z.B. die Einstellung des Partners, Arbeitszufriedenheit, subjektiver Gesundheitszustand, subjektive Erfahrungen bezüglich des Übergangs in den Ruhstand im sozialen Umfeld des Betroffenen – konnte der Lebensstandard gehalten werden, kann man sich auf ein geringeres Einkommen einstellen?). Schönholzer (1979, S. 147) verweist darauf, dass ein Teil der älteren Arbeitnehmer aus finanziellen und/oder psychologischen Gründen so lange wie möglich weiterarbeiten möchte. Erwerbtätige
und
nichterwerbstätige
Rentner
vergleichend,
belegen
Wacht-
ler/Wagner (1998), dass die über die Ruhestandsgrenze hinaus Erwerbstätigen ihre Gesundheit und ihren Allgemeinzustand, bezogen auf die Gruppe der Gleichaltrigen, als überproportional einschätzen (ebenda, S.11). Leistungsfähigkeit und Leistungswille, darauf wurde schon mehrfach hingewiesen, stehen in linearem Zusammenhang mit der Gesundheit des älteren Arbeitnehmers. Die Gestaltung eines altersdifferenzierenden Motivationskonzeptes muss daher mit diesem Umstand korrespondieren. „Die Entscheidung zur Beendigung des Erwerbslebens erfolgt sowohl retrospektiv, als Resultat der Erwerbsbiografie als auch als Antizipation künftiger Lebensbedingungen“ (Behrend 2000b, S. 51). Eine Fortsetzung des beruflichen Lebens über Pensionsgrenzen hinaus z.B. im Rahmen einer Nebenerwerbstätigkeit oder als Freiberufler kann als „ ein mehr oder weniger demonstratives Verhalten als Reaktion auf die angesonnene Altersrolle (sein, Anm. d. Verf.)“ (Tartler 1961, S. 94). Wachtler/Wagner (1997, S. 98) konstatieren bei einer Entkoppelung von nachberuflicher Erwerbstätigkeit und zwingender Existenzsicherung eine stärkere Gewichtung intrinsischer Motive der Arbeit wie „Auto-
183
nomie, Selbstbestimmung, soziale Kontakte und Anerkennung, Kommunikation, Arbeitszeitsouveränität“ usw. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Dytchwald (1989, S. 117), der anmerkt, dass „they (older people, Anm. d. Verf.) will work because they want to, because work gives them......... a useful place in society“. „Entscheidend für die Arbeitsmotivation ist weniger der zu erwartende Verdienst, als die Übernahme einer als sinnvoll interpretierbaren Tätigkeit und der soziale Kontakt“ (Wachtler/Wagner 1996, S. 19) Die Autoren sehen daraus folgernd in der (erneuten) Aufnahme einer nachberuflichen Erwerbstätigkeit den Wunsch, in der neuen Tätigkeit die subjektiv als relevant aber defizitär empfundenen Arbeitsplatzmerkmale nachträglich umzusetzen (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 98). Obengenannte Ergebnisse zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gesundheitszustand, das individuelle Verhältnis zur Arbeit sowie die Arbeitszufriedenheit, die Einstellung zum bzw. die Erwartung an den Ruhestand und nicht zuletzt die Verankerung in soziale Strukturen die Rückzugs- bzw. Verbleibeentscheidung beeinflussen (vgl. Lang-von Wins 2004, S. 1160). Ein nur kleiner Teil der Renten- und Pensionsbezieher geht nach dem Austritt aus dem Erwerbsleben einer Nebenerwerbstätigkeit nach (s.o.). Diese Nebenerwerbstätigkeiten umfassen mehrheitlich einfache Dienstleistungstätigkeiten mit niedrigem qualifikatorischen Anspruch (vgl. Studie Infratest Sozialforschung et al. 1991, S.27). Gründe für die Fortsetzung der nachberuflichen Erwerbstätigkeit sind zu geringe Renten- bzw. Pensionseinkommen, ebenso aber auch der Wunsch, (nach-)berufliche Aktivitäten über das Rentenalter hinweg fortzuführen und die Möglichkeit der Kommunikation z.B. mit Kollegen (vgl. ebenda). Tartler (1961, S. 102) ermittelte hingegen bei der Gruppe der Nichtselbständigen, die nach Erreichen der Ruhestandsgrenze noch ihre Berufstätigkeit fortsetzen, einen hohen Anteil von Personen, die in „nicht-manuellen“ oder „gehobenen Berufspositionen“ tätig waren. Dychtwald (1989, S. 174) nennt beispielhaft Richter, Politiker, Professoren, Musiker, Verleger, Reporter etc.. So wurde ermittelt, dass viermal so viele Professoren nach dem 65. Lebensjahr weiter arbeiten als dies im Vergleich dazu Ar-
184
beitnehmer aus der Mensa tun (vgl. ebenda, S. 175). In ähnlicher Weise argumentiert
Lehr
(2003,
S.
170).
Zitiert
werden
wiederum
amerikanische
Untersuchungsergebnisse268, die für die Gruppe ehemaliger Geschäftsmänner im Alter von 62 – 69 Jahre eine hohes Interesse an einer Erwerbstätigkeit in einer leitenden, eigenverantwortlichen und autonomen Position ermittelten. Selbst in der Gruppe ehemaliger Geschäftsmänner im Alter von 70 – 80 war dieses Interesse weiterhin
vorhanden,
allerdings
in
Abhängigkeit
von
Berufsgruppe
und
Einkommensstatus. Personen mit niedrigerem Einkommens- und Berufsstatus tendierten eher zu sozialen Tätigkeiten auch ohne Leistungsfunktion (vgl. ebenda). Die Autorin folgert daraus, dass nicht eine „altersbedingte“ Veränderung der Leistungsmotivation
vorliegt,
sondern
vielmehr
soziale
und
berufliche
Einflussfaktoren auf die Leistungsmotivation der Älteren wirken. Andere Untersuchungsergebnisse bestätigten dieses Zusammenhang (vgl. Lehr 2003, S. 170), bei einem Vergleich älterer Männer und Frauen im Alter von 60–65 Jahre bzw. 70–75 Jahren (je zwei Altersklassen für beide Geschlechter) mit Berufschülern (15-18 Jahre) ergab sich zwar eine höhere Gesamtleistungsmotivation269 bei den Jüngeren, die Gruppe der 60-65jährigen Männer unterschied sich bezüglich der zu messenden Gesamtleistungsmotivation allerdings nicht von den Männern der höheren Altersgruppe. Lediglich die Frauen im Alter von 70-75 Jahre unterschieden sich im Vergleich mit den jüngeren Frauen durch eine geringere Gesamtleistungsmotivation, ebenso korrelierte der subjektiv empfundene schlechtere Gesundheitszustand bei den Frauen stärker mit der Gesamtleistungsmotivation als dies bei den Männern der Fall war (vgl. ebenda). Finanzielle Interessen spielten bei oben genanntem Personenkreis im übrigen eine eher untergeordnete Rolle, denn ihr durch Renten- bzw. Pensionszahlungen gesicherter materieller Status ermöglicht auch die Ausübung einer eher schlechter bezahlten Erwerbstätigkeit (vgl. Wachtler/Wagner 1996, S. 9). Unterschiedliche Motive zur Fortführung bzw. Verlängerung der Erwerbstätigkeit weisen auf eine mögliche Erklärung für die abweichenden Ergebnisse hin: 268
Vogel, B.S./Schell, R.E. (1968): Vocational interest patterns in late maturity and retirement, in: Journal of Gerontology 23; S. 66-70.
269
Das Untersuchungsdesign erfasste Richtung und Stärke der Leistungsmotivation (vgl. Lerh2003, S. 170).
185
Ein Weiterarbeit in eher einfachen Tätigkeiten oder Berufen dient der Verbesserung der Einkommensverhältnisse und ist somit extrinsisch motiviert, die Fortführung anspruchvoller Tätigkeiten ist neben anderen Motiven insbesondere die Verstetigung der sozialen Rolle und Funktion und somit intrinsisch motiviert. Die Stärke der intrinsischen Motivation korreliert mit dem Wunsch nach der Fortsetzung der Arbeit nach Erreichen der Pensionierungsgrenze. Spiegelbildlich dazu ergeben sich dementsprechend unterschiedliche betriebliche Strategien bezüglich des Einsatzes dieses Belegschaftssegmentes in Unternehmen (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 127 f): Die Unternehmen rekrutieren ältere Arbeitnehmer als Neueinsteiger für Hilfstätigkeiten. Die älteren Neueinsteiger fungieren als Entlastungspotential für die Kernbelegschaft (Fachkräfte, Experten) bei qualitativ eher einfachen, aber zeitintensiven Arbeitsaufgaben. Konjunkturell oder saisonal bedingte Arbeitsüberlastungen können ebenso vermieden werden. Führen die Unternehmen die Beschäftigungsverhältnisse mit aus Altersgründen ausscheidenden Arbeitnehmern in veränderter Form weiter, sind dies eher ehemalige Fach- und Führungskräfte, von deren Erfahrungs- und Expertenwissen man weiterhin partizipieren will. Eine Untersuchung von Friedmann/Havinghurst270 aus dem Jahr 1954, basierend auf Meinungen von Arbeitnehmern verschiedener Bereiche, weisen in die gleiche Richtung. Die Autoren schlussfolgern: „Je höher wir auf den Stufen der Berufs- und Ausbildungsskala emporsteigen, desto mehr wurde die außerökonomische Bedeutung der Arbeit betont und desto größer wurde der Anteil der Männer, die nicht gewillt waren, mit Erreichen der ´normalen` Pensionierungsalters von 65 die Arbeit aufzugeben. Innerhalb jeder einzelnen der untersuchten Gruppen stellten wir fest, dass jene Arbeiter, die die außerökonomische Bedeutung der Arbeit unterstrichen, auch diejenigen waren, die am stärksten den Wunsch äußerten, ihre Arbeit über das 65. Lebensjahr fortzusetzen“ (Friedmann/Havighurst 1954, S. 69 zitiert in Tartler 1961, S. 113).
270
Friedmann, E./Havihurst, R. (1954): The Meaning of Work and Retirement, Chicago 1954
186
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Wachtler/Wagner (1997, S. 128): Ältere Arbeitnehmer mit mittlerer bis gehobener Position, die nach Erreichen des Rentenbzw. Pensionsalters weiter- oder wiederarbeiten, zeichnen sich durch eine ausreichende Flexibilität aus. Sie sind nicht mehr aufstiegsorientiert (vgl. auch Lang-von Wins et al 2004, S. 1158) und somit keine unmittelbare Bedrohung für jüngere Arbeitnehmer. Dieses Belegschaftssegment erfüllen Tätigkeiten auch unterhalb des eigentlichen Qualifikations- und Anforderungsniveaus, sicherlich darum wissend, dass ihr sozialer Status durch ihre frühere hierarchische Stellung begründet ist. Ein Zurücktreten in „die zweite Reihe“, für die Wahrung des betrieblichen Friedens im Zusammenspiel mit jüngeren Kräften von erheblicher Bedeutung, ist somit eher gewährleistet. Als problematisch für die Weiterbeschäftigung werden von den Autoren ehemalige Führungskräfte und Topmanager eingeschätzt, da ausgeprägtes Statusdenken unvermindert auch über die Pensionierungsgrenze hinaus einen hohen Stellenwert hat (vgl. ebenda). Dies kann zu innerbetrieblichen Verteilungskonflikten um Führungsund Spitzenpositionen mit aufstiegsorientierten Nachwuchskräften führen. Untersuchungen zum Selbstbild älterer Menschen haben ergeben, dass Angehörige der Mittel- und Oberschicht ein wesentlich positiveres Bild des eigenen Alters und des Gleichaltriger haben (vgl. Tews 1971, S. 16). Dementsprechend fehlen Unterlegenheitsgefühle gegenüber Jüngeren, man sieht sich selbst tendenziell jünger und tritt eher bewusst in Wettbewerb mit nachrückenden Kohorten. Hier gibt es evidente Parallelen zur Unternehmensnachfolge, bei der die Übergabe von Unternehmen von der älteren auf die jüngere Generation neben Bewertungsproblematiken etc. insbesondere durch personale Konflikte beeinträchtigt wird. Obengenannte Studie zur Lebenssituation Älterer zwischen 55 Jahren und 70 Jahren von Infratest Sozialforschung ermittelte relevante Lebensgüter (21 insgesamt) innerhalb des Wertesystems der Befragten. Bei den Lebensgütern erster Priorität (2/3 der Befragten befanden diese Lebensgüter für sehr wichtig) stand neben der körperlichen und geistigen Gesundheit (87%, Platz 1) ein gesichertes Einkommen (79%, Platz 2) im Zentrum der Wertorientierungen (vgl. Studie Infratest Sozialforschung et al. 1991, S. 29 ff.). Beide Lebensgüter stehen im engen Zusammenhang mit dem
187
Erwerbsleben. Retrospektiv ist die gesundheitliche Verfassung Ausdruck der Erwerbsbiografie und vorausblickend entscheidend für den Verbleib im Unternehmen bis zur Pensionsgrenze und darüber hinaus. Gleiches gilt für die finanzielle Situation, die die Entscheidung für oder wider eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit beeinflusst. Deutlich wird auch der Zusammenhang zur altersdifferenzierenden Ausgestaltung von Motivationsinstrumenten. Ältere Arbeitnehmer, die im Falle eines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ausreichend finanziell gesichert sind, sind eher intrinsisch zu motivieren. Spielen bei der Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit finanzielle Gründe eine dominierende Rolle, so hat die Motivation eine eher extrinsische Ausrichtung. Ebenfalls von hoher Relevanz für die Altersgruppe der 55 – 77Jährigen waren eine sinnvolle Beschäftigung (54% aller Befragten, Platz 10) und das Gefühl, gebraucht zu werden und sich nützlich machen zu können (49 %, Platz 11). Immerhin 43 % wünschten im Rahmen dieser Umfrage Kontakt mit jungen Menschen. Die Zusammensetzung altersgemischter Teams kann somit ein durchaus motivierender Faktor sein, dennoch sind die unter Punkt (2.3.3) beschriebenen intergenerativen Konflikte zu beachten und Vermeidungsstrategien zu entwickeln, um die Zusammenarbeit zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern effizient und effektiv gestalten zu können. Bei der Analyse von Motivstrukturen, Bedürfnissen sowie den Ängsten in der Gruppe der 55 – 70 – Jährigen zeigt sich ein intergeneratives Multiplum, analog zu anderen Altersgruppen (vgl. Studie Infratest Sozialforschung et al. 1991, S.34). Dies belegt die vielfach getroffene Aussage zur Diversität der Gruppe der Älteren. Die Einteilung in „junge“ und „alte“ Alte zeigt in eine ähnliche Richtung. Gleichwohl gibt es intergenerative Analogien. Motivstrukturen zwischen Älteren und Jüngeren gleichen sich mehr und mehr an, „junge“ bzw. „neue“ Werte wie Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung haben ihren Weg in die Motivstrukturen der „Älteren“ gefunden (vgl. ebenda).
188
Eine Studie aus dem Jahr 1997 von Wachtler/Wagner(1996)271 stellte als überragende Motive für die Weiterbeschäftigung finanzielle Gründe, den Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit sowie nach aushäusigen sozialen Kontakten fest (vgl. Wachtler/Wagner 197; S. 84). Genannte Grundmotive stehen nicht in hierarchischer Ordnung zueinander, sie überlappen sich vielmehr und sind in multipler Ausprägung ursächlich für den Wiedereinstieg bzw. für die Weiterbeschäftigung im Pensionsalter (vgl. ebenda). Die Autoren unterschieden bei Ihren Untersuchungen zum einen die Gruppe der Neueinsteiger. Diese sind mehrheitlich gesundheitsbedingt vorzeitig in den Ruhestand getreten und suchen als Rentner bzw. Pensionäre eine neue Erwerbstätigkeit, dies jedoch nicht vorrangig aus finanziellen Motiven, sondern eher um der sinnvollen Beschäftigung oder der Pflege sozialer Beziehungen willen (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 85 f.), oftmals unter Negierung der eigenen gesundheitlichen Konstitution: „Körperliche Beeinträchtigungen werden...gerade durch die Weiterführung einer Berufstätigkeit kompensiert (ebenda, S. 85). Interessant ist in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Tatsache, dass die Neigung, nochmals erwerbstätig zu sein, sinkt, wenn bereits eine Eingewöhnung an das Dasein eines Rentners statt gefunden hat (vgl. Kaser 1966, S. 111). Ältere Arbeitnehmer hingegen ziehen eine nachberufliche Tätigkeit eher in Betracht (vgl. ebenda). Dies bedeutet für die Unternehmen, dass die Motivation Älterer hinsichtlich einer Wiederbeschäftigung nach einer längeren Abwesenheit aus dem betrieblichen Umfeld wesentlich schwieriger ist als ältere Arbeitnehmer zu einer Weiterbeschäftigung über den Verrentungszeitpunkt hinaus zu motivieren. Entsprechende Motivationsmaßnahmen müssen o.g. Sachverhalt entsprechend berücksichtigen. Die Gruppe der Weiterbeschäftigten setzt nach ihrer Verrentung ihre Erwerbstätigkeit in ihrem angestammten Betrieb fort auf (vgl. Wachtler/Wagner 1997; S. 91 f.). Grundlage dieser Weiterbeschäftigung ist eine langjährige soziale Bindung zu Vorgesetzten
271
In einem multimethodischen Verfahren (standardisierte schriftliche Befragung von Älteren und Betrieben, Leitfadenstrukturierte Interviews von Älteren zwischen 60- und 80 Jahren sowie von Personalverantwortlichen) wurden relevante Bedingungen und Motive bezüglich der Arbeit im Ruhestand (Erwerbsarbeit von Altersruhegeldbeziehern) ermittelt (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 48 ff).
189
und Kollegen. Eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit im gleichen Unternehmen wird dabei von der individuellen Erwerbsbiografie sowie vom erreichten beruflichen Status determiniert (vgl. ebenda). Neben der Erzielung eines weiteren Einkommens prägen auch bei dieser Personengruppe die Erhaltung sozialer Bindungen und die Arbeitsaufgabe selbst die Entscheidung zur Weiterarbeit. Eine Studie von Tartler aus dem Jahre 1961, bei der 206 Personen zwischen 65 und 90 Jahren zu Familie, Freizeitverhalten und zur Bedeutung Arbeit und Beruf im Alter befragt wurden, ergab bei der Untersuchung des Zeitpunktes des Berufsaustrittes einen erheblichen Unterschied zwischen selbständigen und abhängig Beschäftigten (Tartler 1961, S. 92 f.)272. Wesentlichstes Unterscheidungsmerkmal: Freiberufler bzw. Selbständige haben im Gegensatz zur Nichtselbständigen keine (gesetzlich vorgeschriebene) Altersgrenze des Austritts aus dem Erwerbsleben (vgl. ebenda). Folglich pointiert Tartler (1961, S. 94) die Situation für beide Gruppen wie folgt: „Der Selbständige vollzieht die Funktionsabgabe nach wie vor in der seinem individuellen Leistungsstand entsprechenden Form und bleibt wenigstens teilweise in seinem alten Funktionszusammenhang; er gewinnt aber,...., keinen sozial definierten und eindeutigen Alterstatus. Demgegenüber ist der Unselbständige festgelegt; er hat einen eindeutigen sozialen Altersstatus, der durch ein plötzliches und völliges Ausscheiden aus dem Beruf, d.h. aus den wesentlichen Funktionszusammenhängen seines Lebens dokumentiert wird. Aber dieser Alterstatus ist heute bürokratisch geregelt und nicht mehr von seinem Kräfte- und Leistungsstand abhängig.“ Ergebnisse der Studie von Wachtler/Wagner273 (1996; S. 11) belegen einen im Vergleich zu Arbeitern, Angestellten und Beamten höheren Anteil von Selbständigen und Freiberuflern bei erwerbstätigen Rentnern. Zu gleichen Ergebnissen kommt die Arbeitsgruppe „Der ältere Mensch als Wirtschaftsfaktor“ (ohne Verf. 1992, S. 31 f.)274. Nach Aussagen des statistischen Bundesamtes ist dies eine Folge der mangelnden 272
Vom Autor auch als verschiedene „soziale Altersvorgänge“ benannt (vgl. Tartler 1961, S. 94).
273
Repräsentativbefragung von 60- bis 80jährigen Personen hinsichtlich ihrer Erwerbsarbeit. Ebenfalls befragt wurden Personalverantwortliche hinsichtlich betrieblicher Strategien der Verwertung verrenteter Arbeitskräfte (vgl. Wachtler/Wagner 1996, S. 9).
274
Genannt werden in dieser Studie insbesondere das Handwerk, die Medizin (Ärzte) sowie die Kunst, Wissenschaft und Politik als Bereiche mit einem hohen Anteil älterer Menschen die noch im Rentenalter berufstätig sind (o. Verf. 1992, S. 34 ff.).
190
Möglichkeiten für ehemals abhängig Beschäftigte, nach Erreichen der Altersgrenze weiterhin beruflich tätig zu sein, insbesondere in den Bereichen Handwerk, Kunst, Wissenschaft, Politik oder Medizin (vgl. ebenda). Kanfer/Ackermann (2004, S. 446) stellen den Zusammenhang zwischen fluider bzw. kristalliner Intelligenz einerseits und der ausgeübten Tätigkeit andererseits her. Tätigkeiten mit einem hohem Anspruch an die kristalline Intelligenz275 wirken sich positiv auf die psychische Verfassung des alternden Menschen aus. Ein Interesse an dem ausgeübten Beruf bleibt auch in höherem Alter bestehen, da dieser auch mit gewandelten Kompetenzen im Alter ausgeübt werden kann. Tätigkeiten, die einer hohen fluiden Intelligenz bedürfen, überbeanspruchen die sich wandelnden Fähigkeiten Älterer und werden dementsprechend im Ablauf der Erwerbsbiografie zunehmend gemieden (vgl. ebenda). Eine selbständige Tätigkeit bietet demnach bessere Möglichkeiten, auch in fortgeschrittenem Lebensalter beruflich aktiv zu bleiben. Aktuelle gesetzliche Regelungen zum Vorruhestand und Altersteilzeit haben sicherlich dazu beigetragen, den Austritt aus dem Erwerbsleben zu flexibilisieren und zu individualisieren. Insbesondere die Altersteilzeit unterstützt den Arbeitnehmer dabei, entsprechend seiner individuellen Leistungsfähigkeit seines Arbeitspensum zu reduzieren, sicherlich jedoch weitweniger flexibel als bei einem Selbständigen, der die Möglichkeit besitzt, sich seine Arbeit einzuteilen, längere Pausen einzulegen, sich somit den Arbeitsablauf gemäß veränderter Kompetenzen zu gestalten. Dennoch sind obenstehende Regelungen daran orientiert, Altersgrenzen bezüglich des Erwerbsaustrittes nach oben zu begrenzen oder nach unten zu flexibilisieren. Obwohl es doch etliche Berufsbilder gibt, die eine berufliche Tätigkeit über die Altersgrenzen hinaus erlauben würden, so z.B. bei beratenden, kreativen oder lehrenden Tätigkeitsfeldern. Dennoch darf die oben skizzierte Motivlage derjenigen, die nach dem Erreichen der Altergrenze noch erwerbstätig sind, nicht außer Acht gelassen werden. Existenzerhaltung und Vorsorge für spätere Jahre sind auch in höherem Alter relevante Motive der Erwerbstätigkeit. 275
Die psychometrische Strukturtheorie von Raymond B. Cattell und John L. Horn geht davon aus, dass sich die Intelligenz aus den Kompenenten „fluide Intelligenz“ und „kristalline Intelligenz“ zusammensetzt. Dieses multidimensionele Verständnis von Intelligenz nimmt weiterhin an, dass sich die fluide Intelligenz (z.B. Probelmlöseverhalten) mit dem Beginn des mittleren Lebensalters eher abbaut, wohingegen die kristalline Intelligenz (z.B. soziale Intelligenz) ab diesem Lebensalter eher noch zumimmt (vgl. Baltes 1990, S. 5; vgl. Baltes 1993; S. 582).
191
Tartlers Studie von 1961 (S. 108) ermittelte bei der Befragung von (ehemals) abhängig Beschäftigten bezüglich des Wunsches der Weiterführung der beruflichen Tätigkeit als Voraussetzung eine annähernde Deckungsgleichheit zwischen persönlichen Interessen276 und dem Beruf. Der Wunsch, weiterhin zu arbeiten, war bei den Personen am ausgeprägtesten, die sich persönlich stark mit dem Beruf identifizieren, wo demnach Berufsleben und Privatleben stark miteinander verwoben sind (vgl. ebenda). Eine herausragende Rolle spielt auch die Freiwilligkeit bei der Weiterbeschäftigung über das Renten- bzw. Pensionsalter hinweg (vgl. Tartler 1961, S. 109, vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 87; vgl. Lang-von Wins 2004, S. 1171). Freiwilligkeit bedeutet in diesem Zusammenhang partiell277 und auf „freiberuflicher Basis“ tätig zu sein. Ergänzend dazu tritt der individuelle Freiraum bei der Gestaltung des eigenen Arbeitsprozesses der somit dem eigenen, altersbedingten Arbeitsvermögen angepasst werden kann. Das Prinzip der Freiwilligkeit erklärt auch, warum erwerbtätige Rentner ihre Tätigkeit, obwohl bezahlt, als Freundschaftsdienst uminterpretieren (vgl. Wachtler/Wagner 1996, S. 19) und sich somit außerhalb des betrieblichen Geflechts von Herrschafts- und Abhängigkeitsbeziehungen (vgl. ebenda) sehen. Drei wesentliche Determinanten für eine Weiterarbeit über gesetzliche Altersgrenzen hinweg sind also eine ausreichende, alters- und alternsgerechte Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung, Freiwilligkeit bei der (Wieder-)Aufnahme der Tätigkeit und eine Arbeitsmotivation die stark intrinsisch geprägt. Interessant sind hier die starken Parallelen zur Situation von Freiberuflern und Unternehmern im Alter, welche i.d.R. in der Lage sind, sich selbst o.g. Bedingungen zu schaffen und dementsprechend im Vergleich zu abhängig Beschäftigten wesentlich länger beruflich aktiv sind. Ebenso evident sind Ähnlichkeiten zu Persönlichkeitsfak276
Persönliche Interessen umspannen dabei alle menschlichen Bedürfnisse, im Sinne der maslow´schen Bedürfnishierarchie ist jedoch bei denjenigen der Wunsch nach beruflicher Weiterarbeit am deutlichsten, die den Beruf als innere Berufung („vocatio“) und nicht als materielle Existenzsicherung interpretieren (vgl. Tartler 1961, S. 108).
192
toren eines erfolgreichen Unternehmensgründers bzw. Unternehmers. Hier gelten hohe Leistungsmotivation sowie Motive der Gründung wie Eigenverantwortlichkeit als wesentliche Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg. Gibt es somit Wirkungszusammenhänge zwischen Intrapreneurship, altersspezifischer Motivation und der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer gegebenenfalls über Altersgrenzen hinweg? „Mit dieser Einstellung eröffnen die weiterbeschäftigten RentnerInnen ihren Betrieben ungeahnte Flexibilisierungschancen. Je nach Arbeitsanfall stehen diese älteren Menschen den Betrieben zur Verfügung, ohne auf Feierabend und Überstunden, Wochenenden und Urlaubszeiten zu pochen. Die Erfordernisse technisch-organisatorischer Abläufe werden von den Beschäftigen stattdessen reibungslos in die eigenen Zeitverswendungsmuster integriert“ (Wachtler/Wagner 1997, S. 98). Opaschowski (1998, S. 18) bezeichnet die Gruppe der 50 – bis 65 – Jährigen als Jungsenioren, die zwar noch erwerbsfähig, aber zunehmend nicht mehr erwerbstätig seien. Diese befinden sich nach Abschluss der Haupterwerbsphase (25 – 49 Jahre) in einer Übergangsphase die mit dem Eintritt in den klassischen Ruhestand (65 – 79 Jahre) und die darauf folgende Phase des Alters (80 plus) endet (vgl. ebenda). Dies entspricht der sich zunehmend durchsetzenden Einteilung in ein drittes und viertes Lebensalter (vgl. Pohlmann 2003, S. 42). Das dritte Lebensalter umfasst die Gruppe der jungen Alten278 zwischen 60 und 79. Dementsprechend bezieht sich das vierte Lebensalter auf Ältere ab 80 Jahren (vgl. ebenda) Opaschowski (1998, S. 19) benennt zum einen den Autor McGoldrick (1982, S. 68 ff), der die Generation 50+ in die Gruppe der Volunteers (starkes ehrenamtliches Engagement), der Hobbyists (Interesse für neue Freizeitaktivitäten) und die der New Jobbers (Neuorientierung hinsichtlich einer neuen beruflichen Tätigkeit) einteilt. Ähnlich typologisieren Kahana/Kahana (1983, S. 220 zitiert in Opaschowski 1998, S. 19
277
Durch die Freiwilligkeit lösen sich die älteren Erwerbstätigen aus den „Zwängen der Zeitdisziplin“ (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 90).
278
Die Gruppe der „jungen“ Alten wird mit positiven Thematiken wie Produktivität oder Partizipation belegt. Die Gruppe der „alten“ Alten wird mit „abnehmender Autonomie“ oder Pflegebedürftigkeit in Verbindung gebracht (vgl. Pohlmann 2003, S. 42).
193
f.), die Explorers (Suche nach neuem Lebensstil und neuer Beschäftigung) und Helpers (soziales Engagement) in oben genannter Altersgruppe identifizieren.
4.5.2 Motive der Weiterarbeit über den Verrentungszeitpunkt hinaus aus der Unternehmensperspektive
Durch die Weiterbeschäftigung von (ehemaligen) Arbeitnehmern im Ruhestand erhalten sich die Unternehmen den Zugang zum Erfahrungswissen279 der älteren Arbeitnehmer (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 124 ff.). Dieses über Jahre aufgebaute Wissen über Arbeits- und Organisationsabläufe geht bei einem übergangslosen Eintritt von Erwerbstätigkeit zum Ruhestand vollständig verloren. Insbesondere bei einer fehlenden strategischen Personalplanung, gelingt es oftmals nicht einmal, Nachwuchskräfte in ausreichender Weise durch ausscheidende ältere Arbeitnehmer einarbeiten zulassen (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 124), um den Wissenstransfer zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern zu instrumentalisieren. Gleichzeitig dienen die wiedereingliederten älteren Arbeitnehmer als Flexibilitätsreserve für die Unternehmen, z.B. als Krankheitsvertretungen oder bei saisonalen Spitzen (vgl. Baur 1996, S. 35). Hier besteht eine Deckungsgleichheit zum Wunsch der älteren Arbeitnehmer, Arbeitszeitsouveränität und Freiwilligkeit ohne den Zwang eines normierten Arbeitszeitkorsetts. Verfügen die älteren Arbeitnehmer über ein Renteneinkommen, akzeptieren sie kaum abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse, die durch flexible, an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtete Arbeitszeiten gekennzeichnet sind (vgl. Wachtler/Wagner 1996, S. 19). Die Zielsysteme der Unternehmen und der älteren Arbeitnehmer zeichnen sich somit, trotz bestehender intragenerativer Komplexität, durch eine hohe Kompatibilität aus, da der sich aus Unternehmersicht ergebenden Möglichkeit der „kostengünstigen Verwertung von berufserfahrenen, zeitlich flexiblen, finanziell abgesicherten und gewerkschaftspolitisch abstinenten Arbeitskräften“ (Wachtler/Wagner 1996; S. 19) der Wunsch der nach Erreichen der Altersgrenze weiterhin Erwerbstätigen nach „der
279
Die Autoren machen aber auch deutlich dass Ruhestand und Wiederbeschäftigung zeitnah gestaltet werden muss, da auch Erfahrungswissen einer Halbwertzeit unterliege (vgl. Wachtler/Wagner 1997, S. 125). Eine zu lange Periode zwischen Ausstieg und Wiedereinstieg minimieren somit betriebliche und berufliche Erfahrungswerte.
194
fortgesetzten Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere der sozialen Dimension (ebenda)“ gegenübersteht. Baur et al. (1996, S. 34) sehen auch die Hypothese bestätigt280, dass die Chancen einer „nachberuflichen“ Tätigkeit für Rentner höher liegen, wenn die Belegschaft eines Unternehmens insgesamt älter ist. Ein Erklärungsgrund hierfür: das Unternehmen hat im weitesten Sinne eine Unternehmenskultur, die durch den (gewohnten) Umgang mit Älteren dementsprechend geprägt ist (vgl. ebenda). Für die Unternehmen ist die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer somit strategisch und operativ sinnvoll (Wissenstransfer, Generierung von Flexibilisierungspotentialen). Auf normativer Ebene fördert oder behindert die Unternehmenskultur die Nutzung des Potentiales älterer Arbeitnehmer in Abhängigkeit davon, ob die Unternehmenskultur eine stark altersintegrierende bzw. altersdiskriminierende Prägung aufweist.
280
Im Rahmen einer Studie wurden Betriebe und Rentner (Rentner, die sich schon in Vollrente befinden oder das 65. Lebensjahr schon überschritten haben) bezüglich „nachberuflicher Tätigkeiten“ in betrieblichen Tätigkeitsfeldern schriftlich und mündlich befragt (vgl. Baur 1996, S. 26).
195
5 Konzept einer altersintegrativen Identifikations- und Motivationspolitik im Kontext des Professionellen HRM – Handlungsempfehlungen Bei der Gestaltung eines altersdifferenzierenden und altersintegrierenden Identifikations- und Motivationskonzepts sind folgende Grundannahmen zur treffen: Bezugnehmend auf Abb. 18, die das menschliche Leistungsverhalten als das Ergebnis der individuellen Leistungsfähigkeit, einer situativen und sozialen Leistungsermöglichung und nicht zuletzt der individuellen Leistungsbereitschaft darstellt, sollen genannte Determinanten den Handlungsrahmen der Identifikation- und Motivationspolitik bilden281. Bezüglich der Zielgruppe soll unterschieden werden zwischen a) Älteren Arbeitnehmern, die bis zur Pensionierungsgrenze beschäftigt werden und b) Älteren Arbeitnehmern, die über die Pensionierungsgrenze hinaus weiter oder wiederbeschäftigt werden sollen Nachstehende Entscheidungsmatrizen verdeutlichen den Handlungsspielraum aus unternehmerischer Perspektive, aus denen sich verschiedene Handlungsalternativen ableiten lassen. Bezüglich des Leistungswillens lässt sich die aus der Anthropologie stammende Theorie der „Existenzanalyse der Arbeitshaltung“ (vgl. Karazmann 1995, S. 90 ff.) anführen. Arbeitswille ist in einem fortgeschrittenem Berufsalter dann vorhanden, wenn Arbeit einen Sinn und Zweck erfüllt („Arbeit birgt Werte“, ebenda; S. 94). Beinhaltet Arbeit nur Zweck („Arbeit ist ein Weg zu Werten“, ebenda) wird sie zum Zwang. Gefährdet Arbeit letztendlich sowohl Sinn als auch Zweck („Arbeit bedroht Werte“, ebenda), so entwickelt der ältere Arbeitnehmer sogar Widerwillen gegen die Arbeit (vgl. ebenda; S. 94f.). Eine ähnliche Argumentation kennen wir bereits
281
Das „Concept of Work Ability Promotion“ von Ilmarinen/Ratanen (1999, S. 22) greift ähnliche Inhalte auf (updating professional skills, adjustments of physical work environment, adjustment of psychosocial environment and health/lifestyle promotion), vernachlässigt aber Aspekte der Motivation.
196
aus den Überlegungen zum Identifikations- bzw. Retentionmanagement, wo auf die besondere Bedeutung von Werten hingewiesen wurde. So spielt z.B. der subjektiv empfundene Gesundheitszustand eine wesentliche Rolle im Konzept der Existenzanalyse. Der eigene Gesundheitszustand wird als Eigenwert interpretiert. Sieht das Individuum seine „gesundheitliche Integrität“ (Karazmann 1995, S. 97), gefährdet (Angst vor Invalidität oder Krankheit), bedroht Arbeit eben diesen Wert, so setzt sich eine „Abschiedsdynamik“ in Gang, die letztlich zu einem endgültigen Austritt aus dem Erwerbsleben führt. Deutlich wird hier der enge Zusammenhang zwischen Arbeitsfähigkeit und –willen. Die aus den Matrizen abgeleiteten Handlungsalternativen greifen diesen Tatbestand ebenfalls auf.
1. Gesundheitsrisiko Ältere Arbeitnehmer: Beschäftigung bis zur Pensionierungsgrenze
2. Qualifikationsrisiko
3. Motivationsrisiko
Leistungsvermögen vorhanden
Leistungswille vorhanden
Leistungswille nicht vorhanden
Leistungsvermögen nicht vorhanden
Beschäftigung ja
Beschäftigung möglich strategische Employability (Personaleinsatz und Personalentwicklung
Beschäftigung möglich (Re-)Motivierung
Beschäftigung u.U. notwendig (Re-)Motivierung strategische Employability
Abbildung 27: Einscheidungsmatrix Weiter-/Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bis zur Pensionsgrenze (Quelle: Eigene Darstellung)
197
1. Gesundheitsrisiko Ältere Arbeitnehmer: (Weiter-)Beschäftigung über die Pensionierungsgrenze hinaus
2. Qualifikationsrisiko
3. Motivationsrisiko
Leistungsvermögen vorhanden
Leistungsvermögen nicht vorhanden
Leistungswille vorhanden
(Weiter-)Beschäftigung ja
(Weiter-)Beschäftigung u.U. möglich (Personaleinsatz- und Personalentwicklung
Leistungswille nicht vorhanden
(Weiter-)Beschäftigung nein
(Weiter-)Beschäftigung nein
Abbildung 28: Einscheidungsmatrix Weiter-/Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer über die Pensionsgrenze hinaus (Quelle: Eigene Darstellung) Handlungsalternative 1: Ist ein älterer Arbeitnehmer aufgrund seiner Qualifikation und seines Gesundheitszustandes leistungsfähig und leistungsbereit, sollte eine Weiterbeschäftigung, wenn betriebswirtschaftlich sinnvoll, über die Pensionierungsgrenzen hinaus angestrebt werden. Altersrisiken sind dementsprechend noch nicht wirksam geworden. Soziales Dürfen, die situative Ermöglichung sowie individuelles Können als identifikations- und motivationspolitische Gestaltungselemente müssen das persönliche Wollen aufrechterhalten. Handlungsalternative 2: Ist ein älterer Arbeitnehmer leistungsbereit, beeinträchtigt seine Qualifikation jedoch die Leistungsfähigkeit, so ist durch Maßnahmen der Personalentwicklung (Weiterbildung) eine qualifikatorische Anpassung vorzunehmen, auch im Hinblick auf eine potentielle Weiterbeschäftigung des pensionsberechtigten Arbeitnehmers in der Zukunft. Eine hohe Leistungsbereitschaft, aber auftretende gesundheitliche Beeinträchtigungen erfordern Maßnahmen des Personaleinsatzes, die die individuelle Gesundheitssituation berücksichtigen (Anpassung der Tätigkeit). Genannte Maßnahmen sind
198
eher kurzfristig orientiert. Aus strategischer Sicht ist die qualifikatorische und gesundheitliche Beschäftigungsfähigkeit durch HRM - Maßnahmen des Personaleinsatzes, der Arbeitsplatzgestaltung, der Personalentwicklung etc. langfristig und nachhaltig zu erhalten. Handlungsalternative 3: Bei fehlendem persönlichem Willen, trotz individuellen Könnens, sind die Faktoren für eine nicht ausreichende Identifikation und Motivation des älteren Arbeitnehmers zu analysieren. Dementsprechend gilt es, identifikations- und motivationspolitische Maßnahmen zum Einsatz zu bringen, die das persönliche Wollen erhöhen. Hier ist allerdings zwischen den älteren Arbeitnehmern, die sich vor Erreichen der Pensionsgrenze befinden, und denen, die diese schon erreicht haben zu unterscheiden. Die Entscheidung der Weiterbeschäftigung ist in hohem Maße von Freiwilligkeit der Älteren beeinflusst. Eine Remotivierungsbemühung erscheint hier kaum sinnvoll, es sei denn, die Fortsetzung der Erwerbtätigkeit ist für das Unternehmen von strategischer Bedeutung, z.B. um Erfahrungswissen kurz- und mittelfristig zu nutzen und zu konservieren. Handlungsalternative 4: Fehlende Leistungsfähigkeit und fehlender Leistungswille kennzeichnen umfassend wirksam gewordene Altersrisiken und sind Ausdruck einer mangelhaften Anpassung des HRM an demografische Einflüsse. Können und Wollen sind daher nur kurzfristig bzw. „nachträglich im Sinne einer kompensatorischen Maßnahme“ (vgl. Barkholdt 2001a; S. 41) durch identifikations- und motivationspolitische Maßnahmen zu erhöhen mit unter Umständen geringer Wirkung. Denn die sich überlagernden und beeinflussenden Bedingungen menschlichen Verhaltens sind auch nicht beliebig beeinflussbar. So kann eine starke gesundheitliche Beeinträchtigung eine Beschäftigung unmöglich machen (vgl. Köchling 1992, S. 136). Lediglich qualifikatorische Mängel lassen sich auch kurzfristig beheben, wenn eine ausreichende Lernbereitschaft vorhanden ist. Gelingt keine Verbesserung von Leistungswillen und Leistungsfähigkeit, ist hier eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit bedarfs- und bedürfnisgerecht. Die Einschränkung von staatlicher Seite bezüglich der Verkürzung der Lebensarbeitszeit determinieren aber den Handlungsspielraum der Unternehmen, so dass eine Leis-
199
tungsunwilligkeit und Leistungsunfähigkeit älterer Arbeitnehmer zwingend verhindert werden muss. Eine Weiterbeschäftigung eines nicht leistungswilligen und –fähigen Arbeitnehmers über die Pensionierungsgrenze hinaus, ist für Unternehmen aus ökonomische Sicht nicht sinnvoll und soll hier nicht weiterverfolgt werden. Eine Einordnung der Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Leistungsvermögens bzw. ihrer Leistungsfähigkeit kann durch den Einsatz eines Arbeitsfähigkeitsindex282 gelingen. Nachstehend ein in Finnland schon langjährig mit Erfolg eingesetztes Modell (vgl. Ilmarinen 1995, S. 21).
1 . D ie d e r z e it ig e A r b e it s f ä h ig k e it z u r d e r b is h e r a m h ö c h s t e n e r r e ic h t e n
2 . A r b e it s f ä h ig k e it in R e la t io n z u d e n A r b e it s a n f o r d e r u n g e n
3 . A n z a h l d e r d e r z e it ig e n v o m A r z t d ia g n o s t iz ie r t e n K r a n k h e it e n ( in s g e s a m t 5 1 b e n a n n t e K r a n k h e it e n )
4 . K r a n k e n s t a n d im v e r g a n g e n e n J a h r
5 . G e s c h ä t z te B e e in t r ä c h tig u n g d e r A r b e its le is tu n g d u r c h K r a n k h e it e n
6 . V o r h e r s a g e d e r e ig e n e n A r b e it s f ä h ig k e it in d e n n ä c h s t e n z w e i J a h r e n
7 . P s y c h is c h e L e is t u n g s r e s e r v e n
Abbildung 29:
Faktoren des Arbeitsfähigkeitsindex
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ilmarinen 1995, S. 21)
282
Auch „Work Ability Idex“ oder „Arbeitsbewältigungsindex (ABI)“ (vgl. Geißler 1995, S. 175).
200
Der Autor weist darauf hin, dass neben der Fremdeinschätzung eine Selbsteinschätzung treten muss, um ein möglichst genaues Bild der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers zu erhalten (vgl. ebenda). Eben dieses leistet der Index, da es sich um eine Selbstbeurteilung handelt (vgl. Geißler 1995, S. 175). Der Arbeitsfähigkeitsindex sollte um einen Arbeitswilligkeitsindex erweitert werden, oder aber die Abfrage der psychischen Leistungsreserven muss auch motivationale Aspekte erfassen. Instrumente, die bisher bei der Personalauswahl eingesetzt werden, um die Leistungsmotivation des Bewerbers zu erfassen, können hier dementsprechend eingesetzt werden. Ebenso konzentriert sich der oben dargestellte Index stark auf das Gesundheitsrisiko, Arbeitnehmer sind aber nur dann voll arbeitsfähig, wenn neben der physischen und psychischen Gesundheit, der schon erwähne Leistungswille und eine qualifikatorische Arbeitsfähigkeit ermittelt werden, um das gesamte Spektrum der Altersrisiken präventiv, effizient und effektiv bekämpfen zu können.
5.1 Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Arbeitszeit Zunehmend längere Ausbildungszeiten und der dadurch später erfolgende Eintritt in das Erwerbsleben283 stehen einem (noch) relativ frühen Austritt aus dem Erwerbsleben bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung gegenüber (vgl. Zimmermann 2003, S. 168). Das Erwerbsleben verdichtet sich dementsprechend, die Ruhestandsphase verlängert sich (vgl. ebenda). Eine Synchronisierung des beruflichen mit dem privaten Leben wird erschwert, da in einer verdichteten Erwerbsphase berufliche Interessen (z.B. Karriereplanung) und Anforderungen (z.B. quantitative und qualitative Qualifikationsanforderungen) mit privaten Interessen (Familie, Freunde, Freizeitaktivitäten) kollidieren284 (vgl. Zimmermann 2003, S. 168 f.). Unternehmen gelingt es daher oftmals nicht, Arbeitneh-
283
Das durchschnittliche Arbeitsmarkt – Eintrittsalter betrug 1905 14,2 Jahre, 1984 betrug es bereits 18,5 Jahre (vgl. Ergenzinger 1993, S. 315). Eine höhere Studentenquote bei gleichzeitig längeren Studienzeiten lassen einen weiteren Anstieg des Eintrittsalters in den letzten 20 Jahren vermuten.
284
Böckly et al (2003, S. 13) verweisen auf den Umstand, dass Nachtschichten eher ältere Arbeitnehmer belasten, wohingegen Wochenenddienste im Vergleich belastender sind für Familienväter mit jüngeren Kindern. Die Autoren empfehlen daher, die Arbeitszeit entsprechend der spezifischen Lebenssituation stärker zu flexibilisieren und zu synchronisieren. Am Beispiel des Umbaus von Schichtplänen in der chemischen Industrie wurde dementsprechend gezeigt, dass eine Win-WinSituation für ältere und jüngere Kollegen geschaffen werden kann (vgl. ebenda).
201
mer in „Lebensphasen (mit, Anm. d. Verf.) eingeschränkter zeitlicher Verfügbarkeit285 (Dingler 1997, S. 54) im Unternehmen zu halten, da private und berufliche Interessen stark konfligieren, dementsprechend gehen Investitionen in das Humankapital bei Austritt aus dem Unternehmen verloren (vgl. ebenda). Aus oben dargestelltem Sachverhalt lässt sich folgende Forderung ableiten: Die Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit muss die Synchronisierung oben genannter Lebensbereiche ermöglichen. Auf ältere Arbeitnehmer bezogen bedeutet dies eine weitere und umfassendere Gestaltung von Altersteilzeitmöglichkeiten in Form von Gleitzeitmodellen (z.B. durch die sukzessive Verlängerung und flexiblere Dispositionierung von Urlaub). Denkbar wäre dies auch nach Erreichen der Pensionierungsgrenze, um auf Voll- oder Teilzeitbasis weiterhin für das Unternehmen tätig zu sein können. So könnte der ältere Arbeitnehmer als freier Mitarbeiter oder als interner Unternehmensberater tätig sein (vgl. Drumm 2004, S. 208). Hamel (1997, S. 10) sieht in dem Einsatz älterer Arbeitnehmer die Möglichkeit, Flexibilitätspotentiale aufzubauen, um z.B. die durch erweiterte Ladenöffnungszeiten entstehenden personalorganisatorischen Probleme zu bewältigen. Den Wünschen der Älteren nach einer sinnvollen Tätigkeit und Kommunikation im „Ruhestand“, jedoch ohne ein zu starres zeitliches Korsett, kann so entsprochen werden. Hamel weist jedoch völlig richtig darauf hin, dass dabei nicht der Eindruck entstehen darf, dass die flexibel eingesetzten Arbeitnehmer („Springer“) als Lückenbüßer gesehen werden (vgl. ebenda) oder lediglich Aushilfstätigkeiten (vgl. Drumm 2004, S. 208) übernehmen, dies hätte eine eindeutig demotivierende Wirkung. Ergenzinger (1993, S. 314) zitiert im Zusammenhang von Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit Rehn (1973) der konstatiert, dass „Menschen verschieden sind und unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeit in verschiedenen Perioden ihres Lebens haben; der Zugang zur Wahlfreiheit ist deshalb eine Bedingung für die effiziente Nutzung menschlicher Fähigkeiten“ (Rehn 1973, S. 327 zitiert in Ergenzinger 1993, S. 314“.) Die von einigen Autoren propagierte Wahlfreiheit bei der Entscheidung der Verlängerung der Lebensarbeitszeit gilt in diesem Falle für die gesamte Lebensarbeitszeit.
285
Familiengründung oder die Pflege von Familienmitgliedern wird hier beispielhaft als Ursache genannt (vgl. Dingler 1997, S. 53).
202
Flankierend dazu muss die Akzeptanz von Teilzeit erhöht werden, um einem damit verbundenen (vermeintlichen) Statusverlust sowie den Folgeeffekten der Motivation entgegenzuwirken. Altersteilzeitmodelle haben dann eine kompensatorischen Ausrichtung, wenn durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit individuelle Veränderungen der Leistungsfähigkeit alter- und altersgerecht antizipiert werden. Gleichzeitig ist jedoch auf die Gefahr der Verdichtung der Arbeit als Folge der Verkürzung der Arbeit hinzuweisen, eine übermäßige Verdichtung gilt es daher zu vermeiden, um genannte positive Effekte wirksam werden zu lassen. Dennoch hat sich auch gezeigt, dass die Arbeitsverdichtung seitens der Betroffenen nicht unbedingt als Belastung empfunden wird (vgl. Dingler 1997, S. 71). Eine Untersuchung der Technischen Hochschule Aachen von Teilzeitkräften mit einer Arbeitszeit von 20 bis 32 Stunden pro Woche ergab vielmehr, dass sich die Kompetenzen der Arbeitnehmer z.B. in den Bereichen der Selbstorganisation oder der Rationalisierung und Steuerung von Arbeitsprozessen verbessern und sich somit deren physische Leistungsbereitschaft (Motivation) (vgl. ebenda, SS, 70 f.). Maßnahmen der altersübergreifenden Arbeitszeitgestaltung, die sich somit über die gesamte der Erwerbsbiografie erstrecken, haben, bezogen auf das Gesundheitsrisiko einen präventiven Charakter, da Überlastungen in Form von Dauerbelastungen körperlicher und geistiger Art durch eine „Entdichtung“ der Lebensarbeitszeit abgebaut werden286, z.B. durch Schaffung von Freiräumen zur körperlichen und mentalen Regeneration (vgl. Kick 1992, S. 124). Gleichzeitig kann durch den Wechsel von Arbeitszeit und Lernzeit die Forderung nach lebenslangem Lernen erfüllt werden. Die unter Punkt 5.3 angeführte Humankapitaltheorie, nach der Arbeitnehmer in ihre berufliche Qualifikation investieren, um ein höheres Einkommen oder Statusgewinne zu erzielen, kann hier Anwendung finden. Wechseln sich Tätigkeitsphasen mit Qualifikationsphasen287 ab, werden „Handlungsspielräume für Aufstiegs- bzw. Neuqualifizierungen geschaffen“ (Zimmermann 2003, S. 171). Die schon erwähnten Sabbatjahre sind dabei eine mögliche Option288. Ne-
286
Die Anzahl chronischer Erkrankungen und Berufskrankheiten steigt zunehmend (vgl. Kick 1992, S. 123).
287
Ergenzinger (1993, S. 317) spricht hier von „Pausen im Erwerbsleben“ als Bedingung für ein lebenslanges Lernen.
288
Nicht jeder Arbeitsplatz erlaubt jedoch, ein Sabbatjahr einzulegen, insbesondere dann, wenn eine adäquate Vertretung zu finden ist (vgl. Helmold 1989, S. 25).
203
ben den „personel sabatiacals (im Mittelpunkt stehen die persönlichen Interessen des Mitarbeiters) und den „community sabbaticals“ (im Mittelpunkt steht die ehrenamtliche Arbeit für eine wohltätige Organisation) dienen insbesondere die „educational sabbaticals“ (im Mittelpunkt stehen der Weiterbildungsbedarf und -bedürfnisse des Arbeitnehmers) als Phase der Qualifikation. (vgl. Dychtwald 1989, S. 189 ff.). Die Deutsche Bank AG ermöglicht es ihren Arbeitnehmern, durch das Ansparen von Zeitguthaben, während oder zum Ende der Erwerbstätigkeit „selbstbestimmte“ Sabbaticals einzulegen (vgl. Drewniak 2004, S. 5). Zielsetzung auch hier der Erhalt der Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer (vgl. ebenda). Besteht hingegen nicht die Möglichkeit einer „anpassungs-, aufstiegs- und mobilitätsorientierter Weiterbildung“ (Zimmermann 2003, S. 176) erfolgt Demotivation. Insbesondere auch, weil Arbeitnehmer selbst längerfristige Maßnahmen der Qualifikation (1-3 Jahre) präferieren (vgl. Kick 1992, S. 124). Arbeitszeitmodelle, die oben genannte Bedingungen berücksichtigen, sind gleichermaßen gesundheits-, qualifikationsund nicht zuletzt identifikations- und motivationsorientiert (vgl. Drewniak 2004, S. 5) und an den Bedarfen der Organisation (Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit) und an individuellen Bedürfnissen gleichermaßen ausgerichtet. Bezogen auf die Individualisierung und Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit präferiert Ergenzinger (1993, S. 319) die „absolute flexible Pensionierung“. Gültig für die Phase zwischen dem 60. und dem 70. Lebensjahr wird die Ruhestandgrenze nach oben und nach unten flexibilisiert (vgl. ebenda). Individuelle Bedürfnisse der Verlängerung bzw. der Verkürzung der Erwerbstätigkeit (z.B. aufgrund der gesundheitlichen Gesamtsituation, vgl. Kick 1992, S. 123) können so berücksichtigt werden.
5.2 Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Entgelt Die ursprüngliche Absicht, mit Hilfe des Senioritätsprinzips Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen zu binden, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Vielmehr trennen sich Unternehmen eher von älteren Arbeitnehmern, da diesen, eben auch aufgrund des Entlohnungsgrundsatzes nach Seniorität, höhere Kosten zugesprochen werden (vgl. Böckly et al 2003, S. 12). Eine Entlohnung, die Leistung und Erfolg in den Mittelpunkt stellt, nicht aber demografische Faktoren, korrigiert diese einseitige Sicht auf
204
ältere Arbeitnehmer und stärkt somit deren Position auf internen und externen Arbeitsmärkten (vgl. ebenda). Gleichzeitig verstärkt eine leistungs- und erfolgsorientierte Entlohnung die Motivation, sich bis zum entgültigen Austritt aus dem Erwerbsleben zu qualifizieren, denn lediglich aktuelles Wissen und umfassende Fähigkeiten determinieren in diesem Entlohnungssystem ein adäquates Entgelt. Ebenso verbessert wird die Reputation der „Alten“ gegenüber den jüngeren Kollegen, transparente Entlohnungskriterien wie Leistung und Erfolg machen ältere und jüngere Arbeitnehmer direkt vergleichbar, gleichwohl unterscheiden sich augrund wandelnder Kompetenzen deren Wege effektiv und effizient zu arbeiten. Bezogen auf die Einstellung älterer Arbeitnehmer zur Erwerbstätigkeit (vgl. hierzu Punkt 4.5.1) stellen Lang-von Wins et al. (2004, S. 1158) fest, dass das Einkommen als auch der berufliche Aufstieg als Indikatoren für die Arbeitszufriedenheit Älterer an Bedeutung verlieren289. Betriebliche Anreizsysteme müssen altersbedingte Veränderungen der Arbeitsmotive antizipieren. Als Ansatz zur Individualisierung können Cafeteria – Modell dienen. Diese ermöglichen eine Flexibilisierung und Individualisierung betrieblicher Leistungen (vgl. Wagner 2004, Sp. 632). Der Arbeitnehmer hat die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Entgelt- und Sozialleistungsbestandteilen. Ausschlaggebend für die Wahl sind individuelle Bedürfnisse oder die finanzielle Situation (vgl. ebenda). Verallgemeinernd könnte dies für ältere Arbeitnehmer bedeuten, dass Gewinnbeteiligungen oder Tantiemen zeitverlagert zur Optimierung der Altersversorgung ausgezahlt werden (vgl. ebenda). Ebenso können im Rahmen eines Cafeteria – Modells Arbeitszeiten angespart oder Gehaltskomponenten in Zeitkomponenten getauscht werden, um in einem höheren Alter altersbedingte Leistungswandlungsprozesse besser kompensieren zu können (vgl. ebenda, Sp. 636). Die unter Punkt 5.1 generierten Handlungsempfehlungen im Einsatzfeld Arbeitszeit können innerhalb des Cafeteria – Modells dementsprechend umgesetzt werden. Die Volkswagen AG hat mit der Etablierung des Programms „VW Zeit-Wertpapier“ ein unternehmensspezifisches Lebensarbeitszeitmodell290 etabliert, dass sich an den
289
Sicherlich in Abhängigkeit vom beruflichen Status und dem daraus resultierenden Einkommen.
290
Wagner (2004, Sp. 638) verweist auf das hohe Anreizpotential bei der Koppelung von Arbeitszeit und Entgelt
205
Wahloptionen des oben skizzierten Cafeteria – Modells orientiert. So besteht die Option der Umwandlung von z.B. Überstunden oder Sonderurlaub in verzinste Zeitwertpapiere. Ebenso kann ein bestimmter Anteil des monatlichen Bruttoentgeltes oder auch einmalige Zahlungen durch o.g. Zeitwertpapiere ersetzt werden. Wird das ZeitWertpapier fällig, so besteht dann für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, seine Lebensarbeitszeit zu verkürzen (nach Vollendung des 55. Lebensjahres) oder aber Altersteilzeit zu beanspruchen. Eine Umwandlung in eine monatliche Rentenzahlung bei Erreichen der Normaltersgrenze ist ebenfalls möglich. Kritisch anzumerken ist der Schwerpunkt der Lebensarbeitszeitverkürzung, der das Modell des Zeitwert-Papiers prägt. Die unter Punkt 5.1 geforderte Synchronisierung privater und beruflicher Lebensbereiche z.B. durch sabbaticals oder verstärkte Teilzeitarbeit bedürfen einer verstärkten Berücksichtigung. Gleiches gilt für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer bis und über die Ruhestandgrenze hinaus. Einen ähnlichen Ansatz wie im Rahmen des „VW Zeit-Wert-Papiers“ bereits vorgestellt, verfolgt auch die Continental AG mit ihrem Langzeitkonten im Rahmen des Projektes „Sicherung der Beschäftigungsund Arbeitsfähigkeit in älteren Berufsjahren“291. Angesparte Zeitguthaben aus FlexiZeitkonten, Urlaubskonten oder auch Einmalzahlungen, Zulagen usw. können als Wertguthaben auf ein Langzeitkonto überführt werden. Die so entstehenden ZeitWertguthaben können dann alternativ zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit verwendet, in die betriebliche Altersversorgung übertragen oder bei Ausscheiden bzw. Tode des Arbeitnehmers in eine Auszahlung/Einmalzahlung umgewandelt werden. Auch hier ist zu kritisieren, dass der Möglichkeit der Lebensarbeitszeitverkürzung keine Konzepte zur freiwilligen Verlängerung der Lebensarbeitzeit gegenübergestellt wurden. Nochmals aufgegriffen werden soll der Begriff der Entlohnungsgerechtigkeit. Blickle (2004, S. 221 f.) unterscheidet hier Tauschgerechtigkeit („Ist der mit dem Individuum geschlossene Arbeitsvertrag gerecht im Sinne einer anforderungsgerechten Entlohnung?“), Verteilungsgerechtigkeit („Wie werden die Leistungsbeiträge des Individuums und des Kollektives beurteilt?“), Ordnungsgerechtigkeit („Sind die die Entgeltfindung betreffenden Regelungen gerecht, wie z.B. die Entlohnung nach Seniorität?“) sowie nach Verfahrensgerechtigkeit („Sind die die Entgeltfindung betreffenden Rege291
Auch die DaimlerChrysler AG verfolgt im Rahmen der Neugestaltung des Überganges von der Erwerbs- in die Ruhestandsphase Konzepte des gleitenden Ruhstandes und der Errichtung von
206
lungen gerecht ermittelt worden und werden sie im Einzelfall gerecht angewendet?“). Bezugnehmend auf den Begriff der Verteilungs- als auch Ordnungsgerechtigkeit muss die Sozialkomponente „Alter“ zu Gunsten der individuellen Leistungs- bzw. Beitragskomponente in den Hintergrund treten. Am Beispiel des Begriffes Erfahrung soll dies kurz verdeutlicht werden: Berufserfahrung als ein „Bündel von erworbenen ....Kompetenzen“ (Moser 2004, S. 544) und ein „Verhaltensrepertoire, mit dem .herausfordernde Situationen bewältigt werden können“ (ebenda), korreliert dann positiv mit der Arbeitsleistung, wenn der Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Arbeitsaufgaben konfrontiert wird. Der Zeitraum der Beschäftigung hingegen ist kein hinreichender Indikator für die Messung der Berufserfahrung (vgl. ebenda, S. 545). Das Senioritätsprinzip jedoch basiert auf der bloßen Dauer, obwohl weniger das „wie lange wurde etwas getan?“, sondern vielmehr das „was wurde wie getan? Von betriebswirtschaftlicher Relevanz ist“. Deutlich wird auch der Zusammenhang zu den untenstehenden Einsatzfeldern Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung. Die dort skizzierten Modelle der horizontalen und vertikalen Aufgabenerweiterung sind wesentlich für den Auf- und Ausbau von Berufserfahrung zur Verbesserung der beruflichen Leistung.
5.3 Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Arbeitsgestaltung Eine nicht ausreichende Passung zwischen den gewandelten Fähigkeiten des älteren Arbeitnehmers und den arbeitsplatzbezogenen Anforderungen stellt sich als vielschichtiges Problem dar (vgl. Barkholdt 2001c, S. 13). Betriebswirtschaftlich, da die Zielereichung des Unternehmens gefährdet ist292, und individuell, da der ältere Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeitssituation psychisch und/oder physisch über- oder unterfordert sein kann mit negativen Folgen insbesondere für die Gesundheit und somit auch für Identifikation und Motivation. Neben dem objektiven Status der Gesundheit ist die subjektive Wahrnehmung der gesundheitlichen Situation relevant, da sie die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft einer Person tangieren (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 17). Neben der altersgerechten Gestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen muss daher auch die Arbeitsplatzgestaltung als Bestandteil eines altersübergreifenden GesundLebensarbeitszeitkonten (vgl. o. Verf. 2003, S. 7).
207
heitsmanagements altersspezifischem Leistungswandel Rechnung tragen. Die Continental AG schlägt in diesem Zusammenhang ein Kataster für alle Arbeitsplätze vor.
Diese werden hinsichtlich der jeweiligen Arbeitsplatzanforderungen (so z.B. „Festlohn mit Leistungsvorgabe“, „Wechselschicht“, „Nachtschicht“, „ständige Aufmerksamkeit“, „hohe Anforderungen an die Sehkraft“ etc.) u.a. nach den Arbeitplatzmerkmalen „altersstabil“, „nicht altersstabil“ und „für Leistungsgeminderte/Schwerbehinderte geeignet“ unterschieden. Darauf aufbauend steht die Verbesserung der genannten Arbeitplatzmerkmale im Mittelpunkt eines umfassenden Maßnahmenkataloges, der u.a. die Gestaltung des Arbeitsplatzes nach ergonomischen Kriterien oder die Befragung der Mitarbeiter zu deren Belastungs- und Gesundheitssituation einschließt. Wandlungsprozesse unterliegen aber nicht nur Individuen selbst, sondern ebenfalls Arbeitsbedingungen oder auf übergeordneter Ebene die Organisation (vgl. Frieling 2003, S. 101). Eine altersdifferenzierende Arbeitsgestaltung muss daher auf die „Wechselwirkungen zwischen der Person und den Arbeitsbedingungen und zwischen den Personen“ (ebenda) fokussieren. Hier lassen sich Parallelen zu der von Wunderer (2003, S. 132) bei der Gestaltung von Motivationsprogrammen geforderten Berücksichtigung von Wechselwirkungen innerhalb der Motivationsbeziehungen (Vorgesetzte, Kollegen, Arbeitnehmer) herstellen. Die Interpretation der Arbeitsgestaltung als Motivationsinstrument legt dies nahe. Folgerichtig verbindet daher die DaimlerChrysler AG die Ausgestaltung des Handlungsfeldes „Personaleinsatz“ im Rahmen des Projektes „Aging Workforce“ mit der Zielsetzung, neben der Leistungsfähigkeit auch die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu erhöhen (vgl. o. Verf. 2003, S. 6). Die Wechselwirkungen zwischen Unternehmenserfolg und Gesundheit der Arbeitnehmer machen ein strategisches Gesundheitsmanagement erforderlich (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 15). Morschhäuser (2003, S. 67) empfiehlt unterschiedliche Maßnahmen des an der Erwerbsbiografie ausgerichteten Gesundheitsmanagements. Die Rückführung physisch und psychisch belastender Arbeitsanforderungen (z.B. durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Lichtbedarfe bei Älteren und Jüngeren; vgl.
292
Bezüglich der aufgrund von Krankheit und Unfall entstehenden Kosten siehe DGFP e.V (2004, S. 13 f.).
208
Frieling 2003; S. 107293) hat eine eher kurzfristige und kompensatorische Ausrichtung, aus strategischer Perspektive sind Maßnahmen der Arbeitszeitgestaltung mit denen der Arbeitsgestaltung zu synchronisieren. Ein geplanter, zeitlich begrenzter Arbeitsplatzwechsel („job rotation“) zur geplanten „Begrenzung der Verweildauer“ (ebenda) verbindet mehrere Zielsetzungen: belastende Tätigkeiten werden zeitlich begrenzt, vorbeugend wird eine Überlastung vermieden. Die Erweiterung des inhaltlichen Spektrums der Arbeit vermeidet die Dequalifikation durch Segmentierung. Neben die fachliche Weiterbildung tritt die Verbesserung der Veränderungskompetenz294 (vgl. Rump 2004c, S. 59). Die planmäßige Veränderung von Arbeitsinhalten, abläufen und -tätigkeiten verringert die Aversion älterer Arbeitnehmer gegenüber Veränderungen. Vielmehr schaffen Erfahrungen mit job rotation Zufriedenheit (vgl. ebenda). Anforderungen der Identifikations- und Motivationspolitik werden somit im Bereich des geplanten Tätigkeitswechsels aus verschiedenen Blickrichtungen erfüllt. Die Bedeutung eines endgültigen Tätigkeitswechsels als „altersadäquater Positionswechsel“ (Morschhäuser 2003, S. 67) im Rahmen der Karriereplanung wurde bereits angesprochen. Das mit identifikationsstrategischen Überlegungen in Zusammenhang stehende Konzept des Mitunternehmertums würde bezüglich oben dargestellter Strategien bedeuten, dass neben die Selbstmotivation das Selbstmanagement der Gesundheit tritt, Morschhäuser (2003, S. 66) nennt hier gesundheitsbewusste Einstellungen und Handlungsweisen, denn neben die innerbetrieblichen Determinanten auf den Gesundheitszustand295 treten außerbetriebliche Determinanten wie Ernährung (vgl. auch Mansla 2003, S. 13a)296, Freizeitverhalten etc. (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 20 f.). Schönholzer (1979, S. 115) sieht dementsprechend den Alterungsprozess auch durch das Individuum selbst beeinflussbar, da diese „ die notwendigen körperlichen 293
Mit steigendem Alter benötigt eine Person höhere Leuchtdichten, um eine im Vergleich zu Jüngeren vergleichbare Sehleistung zu erbringen (vgl. Frieling 2003, S. 107).
294
Gemeint ist die Kompetenz, sich selbst zu verändern als auch die Kompetenz, Umweltveränderungen erfolgreich zu bewältigen (vgl. Rump 2004c, S. 59).
295
Innerbetriebliche Determinanten sind bspw. Arbeitsorganisation und/oder Arbeitsgestaltung (s.o.) (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 20).
209
und geistigen Voraussetzungen schaffen (können, Anm. d. Verf.), die ihnen auch im Alter gestatten, ein befriedigendes, unabhängiges Leben zu führen“ (ebenda). Die Continental AG hat diesen Weg bereits beschritten, indem die Mitarbeiter Präventionsmaßnahmen wie eine Rückenschule gegen Muskel- und Skeletterkrankungen, nach einer entsprechenden Initiative durch das Unternehmen, „diese Gesundheitsmaßnahme – auch in finanzieller Hinsicht- allein fortsetzen (müssen, Anm. Verf.) (Mansla 2003, S. 13a). Ähnliche Maßnahmen werden auch von der DaimlerChrysler AG durchgeführt. Dort gibt es zum einen konzernübergreifende Programme des Gesundheitsmanagements wie z.B. ein Gesundheitstraining (Kuren), auf lokaler Ebene gibt es Angebote wie eine Wirbelsäulengymnastik, Rückenfit etc. (vgl. o. Verf. 2003, S. 7). Darüber hinaus in Planung oder bereits etabliert ein eher gesamtheitliches Gesundheitsmanagement mit einer stark präventiven Ausrichtung. Dazu gehören die Berücksichtigung gesundheitlicher Fragen schon bei der Planung, die Berücksichtigung ergonomischer Standards, Arbeitsplatzrotationen, die Einrichtung von Schonarbeitsplätzen297 oder die Videoanalyse von Arbeitsprozessen (vgl. ebenda, S. 8). Nicht zuletzt kann auch das Führungsverhalten den objektiven und subjektiven Gesundheitszustand negativ beeinflussen (vgl. DGFP e.V. 2004, S. 20 f.). Somit nehmen die Führungskräfte nicht nur die Position eines Promoters ein (Morschhäuser 2003, S. 70). Ein „gesundheitsgerechtes“ (DGFP e.V. 2004, S. 25) Führungsverhalten ist gesundheitsförderlich und daher mittelbar identifikations- und motivationsförderlich.
5.4 Gestaltungsempfehlungen zum Einsatzfeld Personalentwicklung Bezüglich des Zusammenhang zwischen dem HR – Einsatzfeld „Personalentwicklung“ und der Identifikation bzw. Motivation (älterer) Arbeitnehmer ist festzuhalten, dass der Erfolg von Maßnahmen der Personalentwicklung wie z.B. der Aus- und Weiterbildung (Lernerfolg) in hohem Maße von der Leistungsmotivation des Individuums abhängt298. In Vorgriff auf das Konzept des lebenslangen Lernens wird deut296
Die Continental AG empfiehlt Aufklärungskampagnen zur gesunden Ernährung und eine dementsprechende Versorgung der Mitarbeiter, z.B. in den Betriebskantinen. „Gesundheitszirkel“ und „Gesundheitsaktionen“ sollen die Mitarbeiter zusätzlich für die Thematik sensibilisieren.
297
Zur Motivationsproblematik von Schonarbeitsplätzen siehe unter Punkt. 2.3.3.4.
298
Dies gilt in gleichem Maße auch für jüngere Arbeitnehmer.
210
lich, dass dementsprechend eine über die gesamte Erwerbsbiografie hohe Identifikation und Motivation notwendig ist. Gleichzeitig beeinflusst der (häufig limitierte) Zugang älterer Arbeitnehmer zu Maßnahmen der Personalentwicklung deren Identifikation und Motivation. Behrend (1992, S. 37) dazu: „Die berufliche Qualifikation bzw. der berufliche Status .....ist ein wichtiger Einflussfaktor für dessen subjektive Arbeitszufriedenheit und Motivation“. Im Umkehrschluss bedeutet dies: eine altersselektive Weiterbildungspolitik lässt den Status des älteren Arbeitnehmers sinken. Arbeitzufriedenheit und Motivation und somit auch die Identifikation mit dem Unternehmen verschlechtern sich. Einen theoretischer Erklärungsansatz hierzu liefert die Humankapitaltheorie (vgl. Dietrich 2000, S. 160). Investiert299 der Arbeitnehmer in seine Weiterbildung, z.B. in Form entgangener Freizeit, kann er durch die Verbesserung seiner Qualifikation höhere Entgelte erwarten oder eine vertikale/horizontale Karrierebewegung mit daraus resultierenden Statusgewinnen. Altersselektive Personalstrategien verhindern gleiches für ältere Arbeitnehmer. Eine altersignorante300 Weiterbildungspolitik hingegen demotiviert ältere Arbeitnehmer durch eine nicht altersgerechte, bzw. nicht altersdifferenzierende Konzeption des Weiterbildungsangebotes. So sieht Barkholdt (2001a, S. 35) die geringere Teilnahmequote älterer Arbeitnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen durch fehlende Anreize seitens der Unternehmen mitverursacht301
302
. Ein Abbau von Motiva-
tionsbarrieren jedoch würde zu einer Erhöhung der Teilnahmebereitschaft führen (vgl. ebenda), z.B. durch die Gestaltung „motivierender Lern- und Arbeitsstrukturen“
299
Damit sind nicht in erster Linie Kapitalinvestitionen gemeint, sondern vielmehr Investitionen physischer und psychischer Art oder in Form entgangener Freizeit.
300
Altersignorant meint hier, den physischen und psychischen Leistungswandel, aber auch veränderte Werthaltungen ignorierend.
301
Neben den Kosten-Nutzen-Überlegungen in den Unternehmen (siehe auch unter Punkt).
302
Ca. 1/3 aller Arbeitnehmer über vierzig zeigen sich unzufrieden mit den betrieblichen Möglichkeiten der Weiterbildung (vgl. Puhlmann 2003, S. 26).
211
(Lau-Villinger/Seitz 2002, S. 3). Eine Forschungsstudie aus Graz/Österreich303 zeigte, dass lediglich 32% von sich aus Weiterbildungsmaßnahmen anstreben, aber 86% der Arbeitnehmer teilnehmen würden, wenn sie dazu vom Unternehmen motiviert würden (vgl. Heimgartner 1995, S. 138). Der Anteil der Nichtteilnehmer an beruflicher Weiterbildung sinkt dementsprechend von 75 % bei fehlender Weiterbildungsinformation auf 19% bei persönlicher Weiterbildungsinformation (vgl. ebenda). Bei der Verminderung von (De-)Qualifikationsrisiken ist somit die direkte Arbeitnehmerführung durch den Vorgesetzten bedeutend. Dennoch müssen nicht nur verstärkt Anreize zur Weiterbildung von Unternehmensseite geschaffen werden, Arbeitnehmer sollten aufgrund einer hohen Eigenmotivation Weiterbildungsmaßnahmen aktiv nachfragen. Soziales Dürfen (Aufhebung altersdiskriminierender Zugangsbeschränkungen) und situative Ermöglichung (altersübergreifende Lernkonzepte unter Berücksichtigung intergenerationeller Unterschiede) müssen dementsprechend ausgerichtet sein. Altersübergreifende Qualifizierung (in Form einer Anpassungsweiterbildung und/oder einer Aufstiegsfortbildung304; vgl. Berthel 2000, S. 259) orientiert sich an der gesamten Erwerbsbiografie (vgl. Barkholdt 2001a). Als „lebenslanges Lernen“ werden Qualifizierungsmaßnahmen zeitlich über die gesamte Erwerbsbiografie verteilt, und nicht, wie bisher eher üblich, gehäuft in der Umsetzungs- (Berufseinstieg) und der Etablierungsphase. Dies geschieht aufgrund der Erkenntnis, dass die jüngeren Arbeitnehmer die älteren Arbeitnehmer der Zukunft sein werden (vgl. Puhlmann 2003, S. 27). Angebote der Anpassungsweiterbildung zur Realisierung einer „horizontalen Karriere“ dienen der Motivierung älterer Arbeitnehmer, denen eine vertikale Karriere nicht (mehr) ermöglicht werden kann. Insofern werden die jüngeren Arbeitnehmer durch mangelnde innerbetriebliche Aufstiegchancen nicht demotiviert, ihre Bleibeentscheidung positiv beeinflusst.
303
Thema der Untersuchung war die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Befragt wurden dazu 242 Arbeitnehmer über 40 Jahre, darüber hinaus wurde in 33 mittleren und großen Betrieben in der Steiermark recherchiert und 359 Weiterbildungsveranstaltungen untersucht (vgl. Heimgartner 1995, S. 134).
304
Anpassende Weiterbildungsmaßnahmen erhalten dabei die horizontale Mobilität, aufstiegsorientierte Weiterbildungsmaßnahmen fördern hingegen die vertikale Mobilität (vgl. Berthel 2000, S. 259).
212
Bei der Konzeptionierung altersübergreifender Weiterbildungskonzepte müssen Überlegungen der Arbeitszeitgestaltung einbezogen werden. Das Konzept des lebenslangen Lernens erfordert eine Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeitszeit, um die von Barkholdt (2001a, S. 39) erhobene Forderung nach der „Möglichkeit zum eigenständigen Zielsetzen und Entscheiden in zeitlicher und inhaltlicher Sicht“ zu ermöglichen305. Greifen wir die Bedingungen auf, die ältere Arbeitnehmer an eine nachberufliche Erwerbstätigkeit stellen. Genügend Freiraum zu haben, den eigenen Arbeitsprozess den eigenen Bedürfnissen entsprechend gestalten zu können, war für viele Ältere von besonderer Bedeutung. Das Konzept des lebenslangen Lernens ermöglicht Flexibilität und Individualität bei der Gestaltung der Lernprozesse, da Eigenverantwortung zum „Grundprinzip des Lernens“ (Dybowski 2001, S. 23) wird und somit den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmer entgegenkommt, die ihre Erwerbstätigkeit verlängern wollen. Gleichzeitig werden „Selbstentfaltungswerte“ wie Autonomie und Emanzipation und somit auch Identifikationsbedürfnisse jüngerer Arbeitnehmer bedient. Ingesamt kann so von einer erhöhnten Weiterbildungsbereitschaft ausgegangen werden. Altersübergreifende Weiterbildung muss darüber hinaus auch einen intergenerativen Wissensaustausch ermöglichen (vgl. Rump 2004c, S. 58). Dieser kann jedoch durch intergenerative Konflikte erschwert werden (vgl. Lau-Villinger 2002, S. 23). Bezogen auf Trainingsmaßnahmen „off-the-job“ werden vielmehr altershomogene Lerngruppen empfohlen, da, bedingt durch altersdifferierende Lernmuster, die Gefahr einer subjektiv empfundenen Überforderung reduziert wird und gleichzeitig die Lernakzeptanz steigt (vgl. Rump 2004c, S. 59). Als besonders empfehlenswert für ältere Arbeitnehmer erscheint das Lernmedium des „e-learnings“306 zu sein, da der Lernende das Lerntempo und die Repetition der Lerninhalte selbstbestimmt steuern kann (vgl. ebenda, S. 60).
305
Zielsetzung ist der planmäßige Wechsel von Arbeits- und Lernphasen (vgl. Barkholdt 2001b, S. 40).
306
Es wird ebenfalls vermutet, dass ältere Arbeitnehmer, die eher eine Abneigung gegenüber dem elearning hegen, sich gerade deshalb mental besonders fordern (oder gefordert fühlen, Anm. d. Verf.) und den Lernerfolg dementsprechend erhöhen (vgl. Rump 2004c, S. 60), da „keine direkte Korrelation zwischen der Vorliebe für ein Lernmedium und der Bereitschaft (besteht, Anm. d. Verf.), sich beim Lernen mit diesem Medien anzustrengen“ (ebenda).
213
Instrumente wie Coaching, Mentoring, Tandem und altersgemischte Teamarbeit dienen der Gestaltung intergenerativer Lernprozesse (vgl. Lau-Villinger 2002, S. 25) insbesondere bei Trainingsmaßnahmen „on-the-job“. So bildet die Deutsche Bank AG innerhalb ihres Projektes „Experienced Professionals“ altersgemischte Teams („Intergenerational Teams“), bei denen ältere Arbeitnehmer im Rahmen eines „Experience Sharing“307 ihr Erfahrungswissen308 an jüngere Kollegen vermitteln oder aber selber Lernende sind (vgl. Bertelsmann Stiftung et al 2003, S. 59 ff). Die Deutsche Bank AG spricht auch von „Know-How – Tandems, bei der erfahrene Manager (z.T bereits pensioniert) mit Junior – Relationship – Managern bei der Betreuung (älterer Kunden) zusammenarbeiten (vgl. Drewniak 2004, S. 8). Diese „Ambassadore“ oder „Türöffner“ haben u.a. die Aufgabe, jüngeren Kollegen ein Entree in bestimmte Kundenkreise (z.B. vermögende Privatkunden) zu verschaffen sowie diese bei der Akquisition von Neukunden oder beim Aufbau vertrauensvoller Kundenbeziehungen im Rahmen eines intergenerativen Relationmanagements zu unterstützen (vgl. ebenda). Am Beispiel des Mentoring309 sollen die identifikations- und motivationsfördernden Prozesse näher erläutert werden. Mentoring:
In Anlehnung an Hilb (1997, S. 22), der eine Definition von Shea (1994)310 zugrunde legt, soll Mentoring verstanden werden als „a developmental , caring, sharing, and helping relationship where one person invests time, know – how, and effort in enhancing another persons growth, knowledge, and skills, and responds to critical needs in the life of that person in ways that prepare the individuals for greater productivity or achievement in the future“.
307
Die Deutsche Bank AG versteht unter der Weitergabe von Erfahrungswissen die „Weitergabe von personengebundenem Wissen und Erfahrung aus fachfremden Bereichen zur Ergänzung von Leistungsprofilen in Projekten“ (Drewniak 2004, S. 13).
308
Die Wissensvermittlung bezieht sich auch auf Erfahrungswissen im Bereich von soft skills wie die Zusammenarbeit in Projekten und virtuellen Teams oder die Gestaltung von Meetings und Präsentationen (vgl. Drewniak 2004, S. 8).
309
Mentoring, Coaching, Tandem- und Patenkonzepte weisen viele inhaltliche Ähnlichkeiten auf und sind daher nicht immer trennscharf abzugrenzen (vgl. Lau-Villinger 2002, S. 62). Daher soll an dieser Stelle nur auf ein Konzept explizit eingegangen werden, aufgrund der Ähnlichkeiten gelten entsprechen getroffene Aussagen zu Identifikation und Motivation konzeptübergreifend.
310
Shea, G. (1994): Mentoring – Helping Employees – Reach their full Potential; New York 1995
214
Mentoring hat einmal einen spontanen Charakter, darüber hinaus gibt es das institutionalisierte Mentoring (auch häufig strukturiertes oder gestütztes Mentoring genannt) - in der Regel in der Form von institutionalisierten Programmen. Ein bestimmter Grad an Institutionalisierung ist jedoch zielführend, denn eine fehlende Integration des Mentorensystems in den organisatorischen Kontext hat u.a. demotivierende Folgen bei denjenigen Arbeitnehmern, die nicht selbst von Mentoren profitieren (vgl. Wunderer 2003, S. 374). Eine Erhebung bei 1250 US - amerikanischen Topmanagern ermittelte, dass 64% der Befragten von Mentoren geleitet wurden. Bei 48% von ihnen war es dessen direkter Vorgesetzter, 54% gaben an, dass z.T. auch höhere Vorgesetzte eine Mentorenfunktion übernommen haben. Für 68% der Topmanager begannen derartige Mentorenbeziehungen innerhalb der ersten fünf Berufsjahre (vgl. Wunderer, 2003, S. 373). Neben den individuellen Zielsetzungen der Mentoren und insbesondere der Mentees (individuelle Karriereziele) im Zielsystem eines Mentorenprogramms dient Mentoring einer Organisation in vielerlei Hinsicht. Erwiesen ist die positive Wirkung des Mentoring auf die Zufriedenheit am Arbeitsplatz (job satisfaction). Appelbaum/Ritchie und Shapiro (1994, S. 6) stellen nach der Analyse verschiedener Untersuchungen zu den Effekten von Mentoring fest: „A relationship appears to exist between mentoring and job satisfaction in two distinct ways. First a positive correlation between mentoring and career commitment. Second, a negative correlation exists between mentoring and dissatisfaction manifested in absenteeism, turnover and plateauing. In other words, mentoring fosters less absenteeism, turnover and plateauing.“ Intergenerative Lernprozesse sollten einen wechselseitigen Austauschcharakter haben. Für das Mentoring bedeutet dies, dass der Mentor nicht zwangsläufig älter sein muss als sein Mentee. So hat die Lufthansa AG E-Business für sich als strategisch bedeutend identifiziert. Notwendig wurde die Verbesserung der IT – Kompetenzen des Managements. Das Potenzial jüngerer Arbeitnehmer wird durch den Einsatz entsprechender Web – Mentoren genutzt, die die Führungskräfte bei dem Kompetenzaufbau im IT – Bereich begleiten (vgl. Spieker/Selnick 2002, S. 24). Uepping (2004, S. 264) kennzeichnet diesen Vorgang innerhalb seines „Experience – Asset – Mo-
215
dell“ als „Experience-Exchange“ oder „Wissens-Tandem“, jüngere und ältere Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, ihre Kompetenzen generationenübergreifend zu erweitern. Altersgemischte Teams erzielen gleiche Effekte des intergenerativen Wissenstransfers. Vorraussetzung für eine effiziente und effektive Zusammenarbeit zwischen älteren und jüngeren Arbeitnehmern ist jedoch der „social fit“ zwischen den einzelnen Gruppen (vgl. Hamel 1997, S. 7). Sozial-kulturelle Übereinstimmungen in den Gruppenbeziehungen sind dementsprechend ebenso bedeutsam wie die fachlichen Qualifikationen (vgl. ebenda). Auf die hohe motivatorische Bedeutung eines kollegialen Umfeldes im Unternehmen verweist auch eine Studie der Gemini Consulting aus 1989, bei der 1007 Arbeitnehmer nach motivierenden Arbeitsbedingungen befragt wurden (vgl. Hegner 2002, S. 775). 54% der Befragten befanden ein kollegiales Umfeld im Unternehmen für sehr wichtig für ihre Arbeit (vgl. ebenda). Die das gesamte Arbeitsleben umfassende Karriereplanung (Hentze 1994, S. 155 f.)311 muss mit Maßnahmen der betrieblichen Weiterbildung (Qualifikation), des Arbeitseinsatzes (s.u.)und der Gestaltung der Lebensarbeitszeit (vgl. Kick 1992, S. 127) korrespondieren. Präventiv gilt es übermäßige, langfristige Belastungen zu vermeiden, um die Erwerbsfähigkeit bis zum Erreichen der Pensionsgrenze und darüber hinaus zu gewährleisten (vgl. Barkholdt 2001c, S. 41; vgl. Morschhäuser 2003, S. 67). Gleichzeitig muss lebenslanges Lernen, an den Bedarfen der (geplanten) Führungs- oder Fachlaufbahn ausgerichtet, eine zu jedem Zeitpunkt der Erwerbsbiografie ausreichende Qualifikation gewährleisten. Unternehmen wie Ford oder IBM haben dementsprechend Maßnahmen im Rahmen des sogenannten „life-span career planning“ etabliert (vgl. Dychtwald 1989, S. 187), die die Karrierewege des Arbeitnehmers über die gesamte innerbetriebliche „Lebensarbeitszeitspanne“ begleitet. Die Annahmen des ressourcenorientierten Ansatzes aufgreifend, wird die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht durch das Alter der Arbeitnehmer bestimmt, sondern vielmehr durch das ausgewogene Verhältnis von fluider und kristalliner Intelligenz (vgl. Rump 2004c, S. 57). Die Innovationskraft eines Unternehmens und damit seine Wettbewerbskraft kann durch den Erhalt kristalliner Intelligenz und den Aufbau fluider Intelligenz gestärkt werden (vgl. ebenda, S. 54). Letzteres gelingt,
311
oder „Laufbahnplanung“. Die Begriffe Laufbahn und Karriere sollen hier analog zu Berthel (1992, 285 ff.) synonym verwendet werden.
216
den Nachwuchskräftemangel berücksichtigend (Mangel an Versorgung mit fluider Intelligenz von außen), durch lebenslanges Lernen als „Erhalt des Spannungsbogens des Lernens bis ins hohe Alter“ (ebenda, S. 55). Anschließend lässt sich somit feststellen, dass obenstehende altersdifferenzierende und altersübergreifende Gestaltungsempfehlungen zum PHRM – Einsatzfeld „Personalentwicklung“ Personalentwicklungsbedarfe und -bedürfnisse gleichermaßen berücksichtigen und dementsprechend zum einer effizienteren und effektiveren Unternehmensperformance führen.
217
6 Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick Ein Blick auf die demografischen Entwicklungen im nächsten Jahrzehnt zeigt, dass sich die Alterstrukturen in den Unternehmen, in Abhängigkeit von Branchenzugehörigkeit, Betriebsgröße und Art der Tätigkeit, z.T. in erheblichem Maße verändern werden. Weniger jüngere Arbeitnehmer und eine steigende Zahl älterer Arbeitnehmer sind Ausdruck dieser alterstrukturellen Veränderung. Bisher aber agieren nur wenige Unternehmen zukunftsweisend und stellen sich auf alternde Belegschaften ein (vgl. Zander 2004, S. 1). Vielmehr gilt häufig: jüngere Arbeitnehmer sind der Maßstab, an dem letztendlich gemessen wird (vgl. Köchling/Volkholz 1994, S. 36). Sie gelten als innovationsfreudig, mobil, motiviert, kostengünstiger. Spiegelbildlich gelten ältere Arbeitnehmer als immobil, teuer, krankheitsanfällig und unfähig und unwillig, den wirtschaftstrukturellen Wandel zu bewältigen (vgl. Rump 2004a, S. 10). Eine jugendzentrierte bzw. altersselektive HR – Politik ist häufig Ausdruck eben dieses verschobenen Altersbildes, bedingt durch wissenschaftlich längst revidierte Überlegungen hinsichtlich einer globalen Leistungsminderung älterer Menschen oder aber allein orientiert an betriebwirtschaftlichen Kosten-Nutzen – Überlegungen. Ausgehend von der (wissenschaftlich bereits verifizierten) Grundüberzeugung des Autors, dass die Arbeitnehmer eines Unternehmens dessen wichtigstes Kapital sind, war es Ziel der Arbeit, ein professionelles Human Resource Management zu gestalten, dass den älteren Arbeitnehmer betriebliches Erfolgspotential bewertet. Thom/Friedli 2002, S. 39) weisen darauf hin, dass z.B. „High Potentials keine eng gezogene Altersgrenze (haben, Anm. d. Verf.)“. Zwar seien in dieser Gruppe mehr jüngere Personen zu finden, ausschlaggebend für die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe seien aber vielmehr Merkmale wie ein permanentes Weiterbildungsbedürfnis oder eine hohe Sozialkompetenz im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten (vgl. ebenda). Ansatzpunkt der folgenden Untersuchung war das Modell des professionellen Personalmanagements von Wagner. Dementsprechend galt es in einem ersten Schritt, im Hinblick auf die Altersproblematik Einflussfaktoren zu analysieren, die das professionelle HRM umgeben und determinieren. Im äußeren Kontext war dies neben der rechtlich-politischen Ausgangslage insbesondere der demografische Wandel selbst, den es darzustellen galt. Eine wesentliche Herausforderung für die Unternehmen in diesem Zusammenhang ist sicherlich die Frage, ob auch in Zukunft der
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Bedarf an Nachwuchskräften gedeckt werden kann, eine Überalterung der Belegschaft steht in direktem Zusammenhang mit dieser Problematik. Eine Externalisierung der Altersproblematik durch Frühverrentung älterer Arbeitnehmer und Neueinstellung Jüngerer ist bereits in einigen Bereichen der Wirtschaft nicht mehr möglich. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Darstellung relevanter Anspruchsgruppen lag neben dem Management als ein Entscheidungsträger bei der Gestaltung alterintegrativer bzw. altersdesintegrativer HR – Politik auf den älteren und jüngeren Arbeitnehmern. Es konnte eine wesentliche Kernaussage getroffen werden: eine Focussierung auf eine der beiden Belegschaftsgruppen ist nicht als sinnvoll zu erachten. Eine professionelle HR – Politik muss vielmehr altersdifferenzierende Akzente setzen. Die mehrheitlich auf eine Altersgruppe zentrierte Alterspolitik benachteiligt das jeweils nicht dominierende Belegschaftssegment mit negativen Auswirkungen (Demotivation und daraus folgend u.a. innere Kündigung oder tatsächliche Fluktuation) auf die unternehmerische Zielerreichung Bei der Betrachtung der Gruppe der älteren Arbeitnehmer wurde neben den bekannten Altersrisiken „Gesundheit“ und „Qualifikation“ das Identifikations- und Motivationsrisiko“ ermittelt. Die Erweiterung erstgenannter Altersrisiken um die Identifikations- und Motivationsproblematik kann als neu angesehen werden, da in Diskurs und Praxis deren besondere Bedeutung, insbesondere im Wirkungszusammenhang zu den bekannten Altersrisiken bisher nicht ausreichend betrachtet wurde. Die Risikofelder „Gesundheit“, „Qualifikation“ und „Identifikation/Motivation“ sind dabei nicht isoliert zu betrachten. Sie können einander bedingen und überlagern sich. Exemplarisch sei an dieser Stelle die „Personalentwicklung“ aufgeführt. Der Ausschluss älterer Arbeitnehmer von Maßnahmen der Weiterbildung aufgrund einer zu geringen „Restlaufzeit“ lässt deren Wissen zunehmend veralten, ein Prozess der Dequalifizierung setzt ein, der den betrieblichen Einsatzradius des Älteren beschränkt. Gleichwohl gelten Maßnahmen der Personalentwicklung als Motivationsinstrument, der oben beschriebene Verzicht auf dieses als auch die Dequalifikation als solche demotivieren die Betroffenen. Eine wichtige Erkenntnis bei der Untersuchung der Altersrisiken war: Altersrisiken treten nicht zwingend mit zunehmendem Alter ein. Vielmehr lassen sie sich durch
219
eine altersdifferenzierende und altersgerechte Gestaltung von Instrumenten und Maßnahmen des HRM reduzieren bzw. verhindern. Die Darstellung relevanter Handlungsfelder eines professionellen HRM untermauert dies. Punkt 2.5 war dementsprechend eine Ist – Analyse der gegenwärtigen HRM – Praxis bezüglich des Umgangs mit älteren Arbeitnehmern, die Gestaltung eines professionellen HRM auf Grundlage einer altersintegrativen und altersdifferenzierenden HR – Politik knüpfte in Kapitel fünf dieser Arbeit daran an. Die Bedeutung älterer Arbeitnehmer ist in vielen Veröffentlichungen der Sozio- und Psychogerontologie hinreichend dokumentiert, in den letzten Jahren zunehmend auch in der volks- und betriebswirtschaftlichen Literatur. Eine Einordnung der verschiedenen Ansätze gelang durch die Heranziehung des Management – Konzeptes „Managing Diversity“, das die Unterschiedlichkeit von Arbeitnehmern bezogen auf deren wahrnehmbaren und kaum wahrnehmbaren Merkmalen als Chance versteht. Das Merkmal „Alter“ ist dabei beiden Merkmalsgruppen zuzuordnen. Jüngere und Ältere sind durchaus nach wahrnehmbaren Merkmalen zu unterscheiden, differierende Wertevorstellungen und Motive aber sind von weitaus größerer Bedeutung für das professionelle HRM, der Wirkungszusammenhang zwischen Identifikation und Werten machte dies deutlich. Festzustellen war auch, dass intragenerationelle Unterschiede oftmals größer sind als die Unterschiede zwischen zwei verschiedenen Generation. Insbesondere der Einfluss der individuellen Erwerbsbiographie kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, der Vergleich eines älteren Managers mit einem gleichaltrigen Produktionsarbeiters macht dies deutlich, ersterer kann aufgrund geringerer Altersrisiken wesentlicher länger erwerbstätig sein. Die Interpretation einer altersintegrativen HR – Politik als bewusstem Umgang mit dem Unterscheidungsmerkmal „Alter“ kann durch eine Diskriminierungs- und Fairness-, Markt- oder Lern- und Effektivitätsorientierung geleitet sein, Köchling/Volkholz (1994, S. 74) sehen in diesem Zusammenhang die Erwerbsarbeit in einer alternden Gesellschaft in einem „Spannungsfeld von Innovationen und Solidarität“ (ebenda). Genannte Ansätze des Managing Diversity spiegeln dieses wieder. Der Focus dieser Arbeit lag dennoch auf der ökonomischen Relevanz des Merkmals „Alter“ für die Unternehmen, die Betrachtung der Sachverhalte geschah sowohl aus einer markt- und als insbesondere auch aus einer ressourcenorientierten Perspektive.
220
Voraussetzung für die Generierung von Identifikations- und Motivationspotentialen ist eine ausreichende Kenntnis der Identifikation und Motivation der Arbeitnehmer sowie relevanter Wirkungszusammenhänge und Prozesse. Kapitel vier stand daher zunächst unter dem Eindruck, wesentliche Grundlagen der Identifikation und Motivation darzustellen. Aufgrund der umfangreichen Veröffentlichungen zu Motivationstheorien, insbesondere natürlich in der psychologischen Forschung, wurden die Motivationstheorien ausgewählt, die, ungeachtet der Anerkennung, die sie im wissenschaftlichen Diskurs erfahren, eine hohe Verbreitung in der betrieblichen Praxis gefunden haben und einen starken Bezug zum Themenkomplex Alter aufweisen. Insbesondere die Leistungsmotivation, die als intrinsisch gelten kann, spielt bei der Motivation älterer Arbeitnehmer, bis zur Ruhestandgrenze oder darüber hinaus erwerbstätig zu sein, eine besondere Rolle. Die Analyse verschiedener Untersuchungen zur Motivation älterer Arbeitnehmer, aber auch älterer Unternehmer konnte dies belegen. Gleichwohl spielen auch extrinsische Motive eine Rolle, insbesondere die Wiederund Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer in Aushilfstätigkeiten steht in engem Zusammenhang mit wirtschaftlichen Überlegungen älterer Arbeitnehmer. Bei der Darstellung von relevanten Motivationsinstrumenten und deren Motivationswirkung wurde auf die Bereiche „Arbeitszeit“, „Entgelt“, „Arbeitsgestaltung“ und „Personalentwicklung“ zurückgegriffen. Genannte Motivationsinstrumente sind struktureller als auch personenbezogener Natur. Am Beispiel des Entlohnungssystems als übergeordneter Regelung und den individuellen Lohnbestandteilen als Bestandteil einer individuellen Motivation wird dies deutlich. Motivation ist übergeordnet Unternehmensaufgabe, auf personenbezogener Ebene aber Führungsaufgabe, das Mitarbeitergespräch als Motivationsinstrument zur Befriedigung der Kommunikationsbedürfnisses der Untergebenen soll hier beispielhaft genannt werden. Die Auswahl der Motivationsinstrumente war indes durch die genannten Altersrisiken geleitet. Durch eine altersgerechte und –differenzierende Gestaltung gilt es diese zu minimieren, es galt also die Motivationsinstrumente auszuwählen, die die Altersrisiken mehrheitlich tangieren. So hat die Flexibilisierung der Arbeitszeit sowohl eine motivatorische als auch eine gesundheitsfördernde Wirkung. Nicht explizit aufgeführte Motivationsinstrumente sind dennoch von Relevanz, lassen sich aber den oben dargestellten Instrumenten zuordnen. So wird Mentoring dem Motivationsfeld „Personalentwicklung zugeordnet, ein wichtiger Bestandteil des Mentoring ist aber auch die „Führung“
221
(wenn auch nicht im klassischen hierarchischen Sinne) als Instrument der personenbezogenen Motivation. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Betrachtung der Motive älterer Arbeitnehmer, über den Verrentungszeitpunkt hinaus weiterzuarbeiten, sei es in ihrem erlernten Beruf oder in einem anderem Tätigkeitsfeld. Aus Unternehmerperspektive wurden spiegelbildlich die Motive der Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer untersucht. Es wurde zwei Entscheidungsmatrizen konfiguriert, die als Entscheidungsdeterminanten das Leistungsvermögen (bestimmt durch die Gesundheit und die Qualifikation) und den Leistungswillen (bestimmt durch die Identifikation und die Motivation) beinhalten. Daraus ergaben sich mehrere handlungsalternativen für die Unternehmen. Lediglich eine Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bei fehlendem Leistungsvermögen und –willen ist im Sinne eines professionellen HRM nicht zielführend. Um Leistungswillen und Leistungsvermögen aller Arbeitnehmer nachhaltig erhalten zu können, wurden schlussendlich in Kapitel fünf Gestaltungsempfehlungen zu den Einsatzfeldern Arbeitszeit, Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung gegeben. Die einschlägige Literatur hat bisher sicherlich schon einen umfangreichen Beitrag hinsichtlich einer altersgerechten und –differenzierenden Gestaltung zu obengenannten Bereichen geleistet. Im Focus der Veröffentlichungen waren insbesondere die Altersteilzeit, Fragen der Weiterbildung und altersgemischter Teams. Fragen der notwendigen Identifikation und Motivation als relevanter Erfolgsfaktor standen dabei eher im Hintergrund. Die in dieser Arbeit ermittelten Gestaltungsempfehlungen basieren dementsprechend eher auf einem identifikations- und motivationsfördernden Schwerpunkt, um, unter Kenntnisnahme der vielfach diskutierten Altersrisiken Gesundheit und Qualifikation, die Beschäftigungsfähigkeit der älteren Arbeitnehmer zu erhalte, aber auch der jüngeren Arbeitnehmer, denn letztere sind die älteren Arbeitnehmer der Zukunft. Forschungsbedarf hinsichtlich der altersgerechten und –differierenden Gestaltung von Instrumenten des HRM besteht nach Ansicht des Autors insbesondere noch im Bereich „Personalbeurteilung“. Personalbeurteilung in seiner Form als retrospektive Leistungsbeurteilung bzw. zukunftsorientierter Potentialbeurteilung soll hier als Moti-
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vationsinstrument mit strukturellem und personenbezogenem Charakter verstanden werden und bedarf einer Untersuchung unter dem Blickwinkel altersbezogener Thematiken. Hier sollte analysiert werden, ob und in welchem Umfang Altersgrenzen bei der Personalbeurteilung bestehen und warum ältere Arbeitnehmer von der Personalbeurteilung ausgeschlossen werden. Interessant auch die Frage, ob Altersstereotypen die Beurteilung im Sinne eines Beurteilungsfehlers verzerren und ob Beurteilungssysteme Veränderungen im Alter (Stichwort: Kompetenzwechsel) berücksichtigen. Dies ist vor dem Hintergrund dessen, was z.B. Personalverantwortliche, berechtigt oder unberechtigt, über ältere Arbeitnehmer denken (vgl. Rump 2004a, S. 10 ff.) von Bedeutung, ebenso wie die Tatsache, das in Zukunft immer häufiger jüngere Führungskräfte Führungsverantwortung gegenüber Älteren haben werden. Letztendlich müssen Unternehmen, deren Personalverantwortliche aber auch die Arbeitnehmer selbst, dem Faktor „Alter“ eine größere Bedeutung zumessen, als dies bisher geschehen ist. Gleichwohl sollte der Blick auf das Alter dabei vielmehr chancengeleitet als problemorientiert sein.
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Auswahl weiterer Bände der
Hochschulschriften zum Personalwesen herausgegeben von
Prof. Dr. Thomas R. Hummel, Fachhochschule Fulda Prof. Dr. Heinz Knebel, Universität Potsdam Prof. Dr. Dieter Wagner, Universität Potsdam Prof. Dr. Ernst Zander, Stiftungsvorsitz Universität Bochum
Fritz Westermann Management Audit. Praxisvergleich und Optimierungsmöglichkeiten Band 38, ISBN 978-3-86618-159-5, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering, 2007, 262 S., € 27.80
Mladen Petkovic: Employer Branding. Ein markenpolitischer Ansatz zur Schaffung von Präferenzen bei der Arbeitgeberwahl Band 37, ISBN 978-3-86618-144-1, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering, 2007, 299 S., € 29.80
Peter-Roman Persch: Die Bewertung von Humankapital – eine kritische Analyse Band 36, ISBN 3-87988-780-2, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2003, vergriffen
Sascha Armutat: Kompetenzentwicklung im universitären Studienfach Personal für das Berufsfeld Personalmanagement Band 35, ISBN 3-87988-768-3, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2003, 340 S., € 29.80
Paivand Sepehri: Diversity und Managing Diversity in internationalen Organisationen. Wahrnehmungen zum Verständnis und ökonomischer Relevanz Band 34, ISBN 3-87988-699-7, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2002, 424 S., € 34.80
Christoph Barth: Einfluß der Organisationsstruktur auf den außerordentlich hohen und dauerhaften Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens Band 33, ISBN 3-87988-629-6, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2002, 258 S., € 24.80
Gerfried Josef Popp: Belegschaftsrechte ernstgenommen. Status quo und Perspektive der Demokratisierung am Arbeitsplatz Band 32, ISBN 3-87988-570-2, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering, 2001, 188 S., € 22.70
Thomas Doyé: Analyse und Bewertung von betrieblichen Zusatzleistungen Band 31, ISBN 3-87988-522-2, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2000, 384 S., € 32.80
Darius Zorrijassatein: Organisationsentwicklung als Lernkonzept zur Nutzung von Führungsinformationssystemen Band 30, ISBN 3-87988-472-2, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2000, 180 S., € 19.55
Werner Reichel: Kapital und Arbeit. Die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen personalwirtschaftlichen Handelns Band 29, ISBN 3-87988-463-3, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2000, 363 S., € 29.65
Kurt Femppel: Das Personalwesen in der deutschen Wirtschaft: Eine empirische Untersuchung Band 28, ISBN 3-87988-434-X, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2000, 253 S., € 24.80
Ralf Herrmann: Der Einfluß der Implementierung des werkvertraglichen Fremdpersonaleinsatzes auf personalwirtschaftliche Entscheidungen: Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz Band 27, ISBN 3-87988-431-5, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1999, 281 S., € 24.80
Heiner Langemeyer: Das Cafeteria-Verfahren. Ein flexibles, individuelles Anreizsystem betrachtet aus entscheidungstheoretischer Sicht Band 26, ISBN 3-87988-384-X, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1999, 320 S., € 27.20
Dianah Barqawi: Der Beitrag von Organisationskultur zur Verbesserung der Arbeitsbeziehungen. Dargestellt am Beispiel der Mitbestimmung des Betriebsrats bei grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation Band 25, ISBN 3-87988-367-X, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1999, 272 S., € 24.80
Wolfgang Fischer: Gesellschaftliche Öffnung des Unternehmens. Anforderungen an die gesellschaftspolitisch orientierte Führungskraft Band 24, ISBN 3-87988-359-9, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1999, 211 S., € 22.70
Stefan Huber: Strategisches Personalcontrolling als Unterstützungsfunktion des strategischen Personalmanagements Band 23, ISBN 3-87988-329-7, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1998, 284 S., € 29.71
Dieter Wagner, Heike Nolte (Hg.): Managementbildung. Grundlagen und Perspektiven Band 22, ISBN 3-87988-172-5, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 1996, 282 S., € 25.46
Burkhard Müller: Vermittlung von Methodenkompetenz für kaufmännischadministrative Tätigkeiten Band 21, ISBN 3-87988-140-5, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 1995, 229 S., € 21.88
Ulrich Krystek, Doris Becherer, Karl-Heinz Deichelmann: Innere Kündigung. Ursachen, Wirkungen und Lösungsansätze auf Basis einer empirischen Untersuchung Band 20, ISBN 3-87988-144-3, Rainer Hampp Verlag, 2., verb. u. erw. Aufl., München und Mering 1995, 240 S., € 20.35