Frank Callahan
Geistertanz im Cheyenne-Lager Apache Cochise Band Nr. 32
Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner und...
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Frank Callahan
Geistertanz im Cheyenne-Lager Apache Cochise Band Nr. 32
Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner und Amerikaner eindrangen. Das Land ihrer Väter. Karstig und elend, wasserarm und unfruchtbar schmorte es unter heißer Arizonasonne. Wüste, bizarre Klippen, himmelansteigende Berge und Giftschlangen. Trotzdem verteidigten sie es mit der Stärke ihrer Seele und dem wilden Schlag ihrer Herzen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie längst keine Athapasken mehr, sondern deren Nachfahren: Apachen. Sie selbst nannten sich T'Inde – Volk, auch Naizhan – Unsere Rasse. Und sie besiedelten ein Land so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. In diesen ihren Jagdgründen leisteten sie Eindringlingen Widerstand und verteidigten jeden Fußbreit Boden mit ihrem Herzblut. Zur Zeit der Handlung unserer Geschichte APACHE COCHISE lebten 6000-7000 Apachen, die in Arizona und Neumexiko Angst und Schrecken verbreiteten, besonders im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet und weit in Sonora, bis hinunter zur Sierra Madre Occidental. Ihren Haß gegen die Nachfahren der Spanier und den Erzfeind, die Comanchen, übertrugen sie auf ihre neuen Unterdrücker. Von ihnen ist die Rede in unserer Serie. Sie ist die historiengetreue Basis der Thematik APACHE COCHISE.
*** Ein Pfeil sirrte heran, traf die Brust des Mannes und setzte seinem Leben ein Ende. Der Getroffene sackte in sich zusammen. Die Zügel rutschten aus den sich öffnenden Händen. Der Beifahrer auf dem Kutschbock des Ranchwagens starrte auf den wippenden Pfeilschaft und wirkte für Sekundenbruchteile wie gelähmt. Er wollte seine Parker Gun hochreißen und auf die huschenden Schatten feuern, die aus dem Boden zu wachsen schienen, doch er schaffte es nicht. Zwei weitere Pfeile zischten heran und bohrten sich in den Körper des noch jungen Mannes. Sein gellender Aufschrei verwehte. Er stürzte vom Kutschbock. Staub wölkte auf. Sechs Männer glitten näher. Ihre Gesichter waren mit grellen Farben bemalt. Büffelmesser blitzten im ersten Licht des beginnenden Morgens. Die langen Haare wurden von Schweißtüchern gebändigt, die an dünngewickelte Turbane erinnerten. Die Indianer rissen den toten Fahrer vom Kutschbock. Andere kümmerten sich um den am Boden liegenden jungen Mann, dessen Mund zu einem lautlosen Schrei geöffnet war. Ein Tomahawk zuckte hernieder. Der Weißhäutige fiel auf den Rücken und hauchte sein Leben aus. Sekunden später schwenkten die Rothäute die Skalps der Toten. Zwei von ihnen lösten die Pferde aus dem Geschirr und trieben sie davon. Die anderen Indianer verschwanden zwischen Mesquitebüschen, Kakteen und Felsbrocken, als habe es sie nie gegeben. Die Toten und der Ranchwagen blieben zurück. Erste Lichtexplosionen im Osten kündigten den Sonnenaufgang an. Das schmutzige Grau des Himmels wurde heller, wandelte sich langsam in ein intensives Blau.
Kleine dunkle Punkte zeigten sich in der Bläue, näherten sich rasch und kreisten über dem Ort des Überfalls. Geier! Ihr Gekrächze schallte durch den jungen Morgen. Vorsichtig senkten sich die Aasfresser nieder. Die nackten Köpfe reckten sich, starrten kaltäugig auf die willkommene Beute, die sich nicht regte. Die Geier hüpften näher. * Der einsame Reiter zügelte sein Pferd und richtete seinen Oberkörper kerzengerade auf. Der Mann wirkte großgewachsen, hatte breite Schultern und eine schlanke Taille. Braune, gewellte Haare umsäumten ein schmales, bartloses Gesicht in dem zwei energisch blickende Augen funkelten. Der staubige Stetson hing von der Fangschnur gehalten auf dem Rücken. John Haggerty, der ehemalige Chiefscout von General Oliver O. Howard, wischte sich über die Stirn, auf der feine Schweißperlen schimmerten. Obwohl es noch früh am Tag war, meinte es die Sonne bereits zu gut. Wie eine glühende Fackel stand sie am Himmel, um Mensch und Tier das Mark aus den Knochen zu saugen. Eine Klapperschlange kroch aus ihrem Erdloch. Ihr warnendes Rasseln durchdrang die Stille. Haggerty griff fester in die Zügel und beruhigte sein schnaubendes Pferd. »Vorwärts, Alter«, murmelte der großgewachsene Westmann. »Bis nach Tres Alamos sind es nur noch wenige Meilen. Dort werden wir beide eine längere Ruhepause einlegen, die wir uns verdient haben. Außerdem freue ich mich, meinen alten Freund Nat Baxter wieder einmal zu sehen. Wir haben uns seit langer Zeit aus den Augen verloren. Ich bin gespannt, ob er noch
immer das Gesetz in Tres Alamos vertritt.« Der Rapphengst hob und senkte den Kopf, als habe er die Worte seines Herrn verstanden. Es war aber nur die sanfte Stimme von John Haggerty, die das Tier beruhigt hatte. Der ehemalige Chiefscout, der offiziell nicht mehr der Armee angehörte, aber im Sonderauftrag von General Howard durch den Südwesten trailte, um Frieden zwischen Weiß und Rot zu stiften und um größere Konflikte zu verhindern, ritt schneller. Vor einigen Stunden hatte er den San Pedro River durchfurtet. Zu seiner Linken lagen die Santa Catarina Mountains. Wenn er seinen Blick nach Rechts wandte, konnte Haggerty in der Ferne die Ausläufer der Dragoon Mountains erkennen. John parierte seinen Rapphengst, als er dunkle Punkte am Himmel sah. Er erkannte auch einen dunklen Gegenstand, der dicht in der Nähe einer Buschinsel verhielt. John Haggertys Interesse wurde schlagartig geweckt. Die Vögel konnten nur Geier sein. Und wenn die Aasfresser auftauchten, bedeutete das meistens, daß der Tod in irgendeiner Form bei Mensch oder Tier zugeschlagen hatte. Er zog seine Winchester aus dem Scabbard und sah sich nach allen Seiten um, obwohl er so dicht vor Tres Alamos nicht mit einem Angriff der Apachen rechnete. Außerdem wußten die Chiricahuas und Mimbrenjos, daß Haggerty ein Freund Cochises war. Einige Minuten später näherte sich der einsame Reiter einem Ranchwagen, der ohne Pferde halb aus einer Senke hervorragte. Haggertys Blicke wurden noch wachsamer. Er glitt aus dem Sattel und schlich vorsichtig näher. Die Aasfresser krächzten wütend, schwangen sich in die Lüfte, um einige Pferdelängen entfernt wieder zu Boden zu schweben. John Haggerty biß sich auf die Unterlippe, als er die beiden Toten fand. Sie sahen nicht schön aus, denn die Geier hatten mit ihrer grausigen Mahlzeit bereits begonnen. Der ehemalige Armee-Scout starrte auf die skalpierten
Männer und sah die Pfeilschäfte, die noch in den Körpern der Toten steckten. Ein Schauer durchlief den harten Mann, obwohl er schon so oft in seinem ereignisreichen Leben mit dem Tod konfrontiert worden war. Er fand auf dem Ranchwagen einige Decken, in die er die Toten einwickelte und zur Ladefläche des Wagens brachte. Immer wieder sah sich Haggerty um. Natürlich wußte er, daß der Überfall noch nicht lange zurücklag. Er suchte nach Spuren und stellte schnell fest, daß es sechs oder sieben Rothäute gewesen waren, die aus dem Hinterhalt die beiden Bleichgesichter überfallen hatten. Den Weißen schien keine Chance geblieben zu sein, um sich gegen die Angreifer zu wehren. John Haggerty trat zu seinem Rapphengst und tätschelte ihm sanft den schlanken Hals. Das Tier rieb die Nüstern an den Schultern des großgewachsenen Mannes. »Ich werde dich vor den Wagen spannen müssen, mein Guter«, murmelte John Haggerty. »Es ist die einzige Möglichkeit, um die Toten mit nach Tres Alamos zu nehmen. Ihr Trail führte in diese Richtung. Und ich hoffe, mein Guter, daß du da mitspielst, denn ich kann den Ranchwagen nicht ziehen.« Kurze Zeit darauf saß der ehemalige Scout auf dem Kutschbock und trieb sein Pferd an, das auch willig antrabte. Der Ort des Überfalls blieb zurück. Die Geier kreisten noch einige Zeit, verfolgten den Wagen, ehe sie davonflogen, irgendeiner neuen Beute entgegen. * Cochise zügelte seinen Mustang. Wie versteinert saß er auf dem Pinto. Nur der mächtige Brustkorb des großgewachsenen und breitschultrigen Indianers bewegte sich. Die dunklen Augen blickten über das vor ihm
liegende Land, das wild, einsam und zerklüftet vor dem Häuptling der Apachen lag. Kakteen, Mesquitebüsche und verkrüppelte Bäume glichen Farbtupfern in der wüstenähnlichen Einöde. Eine Eidechse schob sich zwischen zwei Felsbrocken hervor und huschte schnell davon. Neben dem Jefe der Chiricahuas hielt ein weiterer Reiter seinen Mustang an. Der Mann war jünger, gerade dem Knabenalter entwachsen und ähnelte Cochise sehr. Es war sein Zweitältester Sohn Naiche, der den Chief forschend ansah. »Woran denkst du, Vater?« fragte er. Es war ein wissendes Lächeln, das die Lippen des Indianer-Häuptlings teilte. Er, wie auch sein Sohn, waren mit grauen Calicohemden, wollenen Hosen und kniehohen Wüstenmokassins bekleidet. Farbige Schweißtücher wanden sich um die Stirn und bändigten die langen schwarzen Haare der beiden Apachen. »Wir reiten nun seit Tagen durch unser Land, mein Sohn. Ich frage mich, ob die Gerüchte stimmen, daß Apachen hier in dieser Gegend die Weißhäutigen erschlagen, wo immer sie diesen begegnen. Wir haben nichts entdecken können, was diesen Verdacht erhärtet.« Naiche nickte zögernd. »Wir können nicht überall sein, Vater. Wir wissen genau, daß es keine Krieger der Chiricahuas sind, die Tod und Verderben bringen. Aber es gibt noch andere Stämme, die daran interessiert sind, die Auseinandersetzung zwischen den Apachen und den Weißhäutigen zu schüren.« Nun nickte auch der Häuptling der Apachen. »Du denkst an Victorio und seine Mimbrenjos. Er soll sich aber viel weiter westlich mit seinen Kriegern aufhalten. Laß uns weiterreiten. Vielleicht ist es auch nur eine zusammengewürfelte Kriegerschar, die nur auf Beute aus ist und
gar nicht weiß, was sie mit den Überfällen heraufbeschwört. Die Weißen werden nicht stillhalten, sondern sich wehren und auf jeden roten Krieger die Jagd eröffnen. Sie fordern Blauröcke an. Der einarmige General wird sich dann nicht mehr an den Vertrag mit uns halten und glauben, daß wir ihn wissentlich gebrochen haben.« Cochise ließ seinen Pinto angehen. Naiches Mustang folgte sofort. Die beiden Apachen ritten Seite an Seite. Seit Tagen durchkämmten sie das Land östlich der Galiuro Mountains, ohne auch nur einem Indianer zu begegnen. Hin und wieder sahen sie Bleichgesichter, vor denen sie sich aber geschickt verbargen. Cochise wollte aber noch nicht aufgeben. Wieder einmal stand der Ungewisse Frieden auf dem Spiel. Der Häuptling der Chiricahuas hatte davon gehört, daß eine Indianerbande alle Weißen überfiel und niedermetzelte. Und er mußte diese Krieger finden und zur Rechenschaft ziehen, um einen neuen Krieg mit den Bleichgesichtern zu verhindern. * Tres Alamos war eine kleine Ansiedlung in der Nähe des Ewells Passes am San Pedro River gelegen. Weiter östlich reckten sich die Berggipfel der Limestone Mountains in den blauen Himmel. John Haggerty erreichte auf seinem schwankenden Gefährt die ersten Häuser von Tres Alamos. Sein Rapphengst hatte die ungewohnte Aufgabe gut gelöst. Einige Bürger der Stadt blieben stehen, als sie den Wagen und den fremden Kutscher sahen. Sie erkannten auch die in den Decken eingehüllten Körper, deren Umrisse sich deutlich abzeichneten. So war es nicht verwunderlich, daß sich eine Menschenmenge ansammelte, als John Haggerty den Ranchwagen vor dem
Sheriff-Office anhielt. Er kletterte vom Kutschbock. Ein untersetzter Mann, mit breitflächigem Gesicht und einer roten Knollennase, schob sich zwischen den Menschen hindurch und blieb vor Haggerty stehen. Er deutete auf den Wagen. »Was ist geschehen?« fragte er ruhig. »Das ist der Ranchwagen von Burt Taylor und seinem Sohn Jesse.« John Haggerty berichtete mit wenigen Worten, wo er die Toten gefunden hatte. Er sah die Abscheu und auch die Empörung in den Gesichtern der umstehenden Menschen. Eine schon ältere Frau bekreuzigte sich. Einer anderen rannen Tränen über die bleichen Wangen. Der Knollennasige zupfte an seinem Gesichtserker und wandte sich an John Haggerty, nachdem er einigen umstehenden Männern die Anweisung gegeben hatte, die Toten zum Sargmacher zu bringen. »Wir haben schon mehr als zehn Tote zu beklagen«, sagte er schrill. »Dazu kommen noch über ein Dutzend Verwundete. Die Apachen töten jeden Weißen, dem sie begegnen. Bald ist es soweit, daß wir Tres Alamos nicht mehr verlassen können, ohne in Gefahr zu geraten, umgebracht zu werden.« Der untersetzte Mann schneuzte sich und blickte Haggerty aus funkelnden Augen an. »Natürlich haben wir schon Jagd auf die verdammten Rothäute gemacht, doch wir hatten keinen Erfolg. Sobald mehr als zehn bewaffnete Männer die Stadt verlassen, sind diese roten Teufel spurlos verschwunden. Wir wissen uns nicht mehr zu helfen.« Ein schlanker Mann, der schon fast dürr wirkte, schob sich neben den Knollennasigen. »Hör zu, Harper«, zischelte er. »Das Maß ist voll. Wir müssen unbedingt Militär nach Tres Alamos holen, damit diese verdammten Bestien ein für allemal zum Teufel gejagt werden.
Du bist unser Bürgermeister. Warum unternimmst du nichts? Sollen wir erst alle massakriert werden, ehe du die Blaubäuche verständigst?« Der Dürre blickte John Haggerty finster an, als träfe ihn die Schuld an dem grauenhaften Geschehen. »Wer sind Sie, Mister?« fragte er barsch. John wollte keinen Streit, daher sagte er freundlich: »Mein Name ist John Haggerty. Ich will hier in Tres Alamos für einige Tage eine Ruhepause einlegen.« John ließ die beiden Männer stehen und stieg die Stufen zum Sidewalk hinauf. Er klopfte gegen die Tür des Sheriff-Offices. Der dürre Bursche rief: »Das Hotel ist auf der anderen Straßenseite, Mister.« Nun reichte es John Haggerty. Sein Körper straffte sich, als er sich dem unfreundlichen Zeitgenossen zuwandte. »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Mist, Mister. Und wenn Sie Ärger suchen, können Sie ihn haben!« Der dürre Mann wandte sich ab und stiefelte davon. Der Knollennasige trat zu Haggerty. »Richy Valentine meint es nicht so, Mr. Haggerty. Er ist gegen jeden Fremden. Wenn Sie zum Sheriff wollen, dann haben Sie Pech. Nat Baxter liegt drüben beim Doc. Er wurde aus dem Hinterhalt schwer angeschossen. Er kämpft gegen den Sensenmann an. Und es ist noch nicht sicher, wer diesen Kampf gewinnen wird.« John Haggerty erschrak, als er das hörte. »Nat ist ein guter Freund von mir. Ich verdanke ihm viel. Wir haben uns aber in den letzten Jahren aus den Augen verloren. Natürlich wußte ich, daß er hier Sheriff ist. Ich besuche ihn.« »Dort drüben das kleine Haus. Vielleicht wird Ihnen der Doc erlauben, mit Nat zu sprechen.« *
»Der Sheriff ist bei Bewußtsein, Mr. Haggerty, doch es geht ihm noch sehr schlecht. Er braucht viel Ruhe und wird noch einige Wochen auf der Nase liegen. Sie können mit ihm sprechen, aber bitte nicht zu lange.« Der ehemalige Armee-Scout nickte dem kleinwüchsigen Doc zu, der seine Nickelbrille auf der kurzen Nase zurechtrückte und freundlich lächelte. »Besuch für dich, Nat«, sagte Doc George Henderson später. Der Arzt nickte John aufmunternd zu und verließ geräuschlos das abgedunkelte Krankenzimmer. John Haggerty blickte auf das bleiche Gesicht seines Freundes, das sich kaum von dem weißen Bettlaken abhob. Nat Baxters Wangen wirkten eingefallen. Die Augen blickten trübe und lagen tief in den Höhlen. »Ich bin es, Nat, dein alter Freund John Haggerty. Erkennst du mich?« Der Sheriff von Tres Alamos blickte John starr an, ehe ein leichtes Lächeln seine Lippen teilte. Eine magere Hand kroch unter dem Laken hervor, die John leicht drückte. Er zog sich einen Stuhl herbei. »Unser Wiedersehen habe ich mir aber ganz anders vorgestellt, Nat«, sagte John ernst. »Dir geht es nicht besonders gut, alter Junge. Kann ich etwas für dich tun?« Der Sheriff räusperte sich. Seine Stimme klang knarrend wie eine verrostete Tür, die schon seit Hunderten von Jahren nicht mehr geöffnet worden war. »Schön, dich zu sehen«, flüsterte Nat Baxter. »Irgendein Hundesohn jagte mir eine Kugel in den Rücken. Ich hatte keine Chance. Beinahe wäre ich draußen in der Wildnis elend verreckt.« Nat Baxter atmete schwer. Seine Wangen röteten sich leicht. Er tastete mit seiner Hand nach Johns Arm. »Es gehen schlimme Dinge in Tres Alamos und in der näheren Gegend vor. Es sieht so aus, als wollten die Apachen uns alle
umbringen. Die Überfälle dauern schon Wochen. Und nun bin auch ich noch ausgefallen. Es …« Seine Stimme verstummte. Baxter schloß die Augen. John glaubte schon, daß sein Freund eingeschlafen war, als der verwundete Sheriff wieder die Augen öffnete. »Ich falle noch einige Wochen, vielleicht Monate aus, John. Willst du mir wirklich helfen?« »Wenn es in meiner Macht steht, Nat, will ich alles für dich tun. Du hast mir vor Jahren einmal das Leben gerettet. Wie könnte ich das je vergessen.« Der Verwundete versuchte seinen Oberkörper aufzurichten, doch er schaffte es nicht. Schwer atmend fiel er auf das Kissen zurück. Das Laken verschob sich dabei. John sah den breiten Verband, der sich um die Brust des Sheriffs schlang. »Übernimm meinen Job, John. Du sollst mein Stellvertreter werden, bis ich wieder auf den Beinen stehe. Moment, laß mich ausreden. Der Stadtrat wird zustimmen, denn es findet sich niemand, der meinen Posten übernehmen will. Jeder fürchtet sich davor, ebenfalls eine Kugel aus dem Hinterhalt abzubekommen.« John Haggertys Gesicht wirkte für einige Sekunden verkniffen. Er dachte daran, daß er auf dem Weg zu Cochise war, um mit ihm über die Ereignisse der letzten Wochen zu sprechen. John dachte auch daran, daß er sich auf ein Wiedersehen mit Tla-ina, Cochises Schwester, sehr freute. »Ich kann dich nicht dazu zwingen, John«, fuhr Nat Baxter leise und mit schwacher Stimme fort. »Wenn du ablehnst, bin ich dir auf keinen Fall böse. Du wirst deine Gründe dafür haben. Nur, du würdest nicht nur mir einen Gefallen erweisen, sondern auch allen – fast allen – Bürgern dieser kleinen Stadt. Du bist schon immer ein Mann gewesen, der mit den Indianern zu sprechen verstand. Ich glaube nicht einmal daran, daß es Chiricahuas oder Mimbrenjos sind, die immer wieder gnadenlos
zuschlagen. Ich kenne des Rätsels Lösung nicht. Aber es muß mehr dahinterstecken.« John Haggerty ergriff die bleiche Hand des Freundes. Sie fühlte sich kalt an. »Ich überlege es mir, Nat. Ruhe dich erst mal aus. Ich melde mich später wieder. Einverstanden, alter Freund?« Der einstige Chiefscout lächelte herzlich. Nat Baxter schloß die Augen. Das lange Gespräch hatte viel von seinen Kräften verbraucht. John verließ das Zimmer und stand kurze Zeit darauf Doc Henderson gegenüber, der ihm einen Drink anbot. »Sie sind ein Freund von Nat?« fragte der Arzt. »Ein guter Freund«, erwiderte Haggerty. »Uns beide verbindet sehr viel. Ich sorge mich sehr um ihn. Bitte sagen Sie mir ehrlich, ob er es schaffen wird.« »Ich bin zuversichtlich, Mr. Haggerty. Es ist schließlich nicht das erste Blei, daß Nat schlucken mußte. Ich bringe ihn schon wieder auf die Beine. Es braucht aber seine Zeit.« John Haggerty leerte sein Glas und stellte es auf den Tisch zurück. Er erhob sich und nickte dem Doc zu. »Danke für den Drink, Doc. Wo finde ich den Bürgermeister von Tres Alamos?« »Sein Haus befindet sich neben dem Saloon. Sein Name ist Clark Harper.« »Aha, seine Knollennase ist nicht zu übersehen, nicht wahr?« »Sie kennen Harper?« »Yeah, Doc, ich habe ihn vorhin getroffen, als ich die beiden Toten in die Stadt brachte. Vielen Dank für das Gespräch und natürlich auch für den Drink.« * »Wir wollen eine Rast einlegen, mein Sohn«, sagte Cochise und sah sich um. »Dort drüben scheint eine Quelle zu sein, denn der
Pflanzenwuchs ist üppig. Unser Ritt ist umsonst gewesen. Wir müssen umkehren. Dort hinter den Hügeln liegen die Wicki-ups der Weißhäutigen. Sie nennen die Stadt Tres Alamos.« Cochise und Naiche sahen sich um. Die Sonne stand wie ein gefräßiges Untier am Himmel und sengte heiß hernieder. Die fernen Hügel flimmerten messingfarben. Weit und breit war weder Mensch noch Tier zu sehen. Alles Leben verkroch sich bei dieser Hitze, bis auf einige Klapperschlangen, die sich auf großen Felsbrocken sonnten und gar nicht genug von der Hitze bekommen konnten. Cochise und Naiche trieben ihre Mustangs an. Schnell näherten sie sich einer Waldinsel, die aus verkrüppelten Kiefern bestand. Farne und niedrige Büsche wuchsen im weiten Rund. Cochise parierte plötzlich seinen Pinto. Das gefleckte Tier spitzte die Ohren. Es schien, als witterten der Häuptling der Chiricahuas und das Tier die drohende Gefahr. Doch es war bereits zu spät. Acht Männer schoben sich hinter Büschen, Bäumen und Felsbrocken hervor. Gewehre und Revolver richteten sich auf die beiden Apachen, die regungslos in den Sätteln saßen. Naiches Hand tastete zum Gewehr, das über seinen Knien lag. Cochise schüttelte den Kopf. Er sah ein, daß Gegenwehr nur den sicheren Tod bedeuten würde. Sie steckten in einer tödlichen Falle, aus der es kein Entkommen mehr gab. »Wir ergeben uns«, bestimmte Cochise. »Ich versuche mit den Weißen zu verhandeln. Wenn Sie uns töten wollten, hätten sie es bereits getan. Laß mich sprechen, Sohn!« Die acht Männer schoben sich näher. Es waren harte Burschen, stoppelbärtig und mit brutalen und verschlagenen Gesichtern. Nach wie vor waren ihre Waffen auf die beiden Indianer gerichtet. »Wenn ihr auch nur eine falsche Bewegung macht, füllen wir euch mit Blei«, stieß ein breitschultriger Mann hervor. Er schob
seinen Stetson lässig in den Nacken und wippte auf den Zehenspitzen. »Endlich haben wir zwei von euch Hundesöhnen erwischt, die seit Wochen hier die Umgebung unsicher machen.« Er wandte sich an seine grinsenden Gefährten. »Das sind bestimmt Kundschafter, die einen neuen Überfall austüfteln sollen. Wir fesseln die roten Bastarde und nehmen sie mit nach Tres Alamos. Hey, das wird ein Fest geben, wenn wir diese Halunken anschleppen. Dann wird auch der letzte Schwachkopf davon überzeugt sein, daß es wirklich rote Bastarde sind, die seit Wochen das Land in Angst und Schrecken versetzen.« »Wir haben mit den Überfällen nichts zu tun«, sagte Cochise in gut verständlichem Englisch. »Mein Sohn und ich haben davon gehört und suchen die Männer, die für diese Untaten verantwortlich sind.« Der breitschultrige Mann lächelte spöttisch. Cochise mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Er warf seinem Sohn einen kurzen Blick zu. Naiche war zum Kampf bereit, auch wenn er wußte, daß es keine Möglichkeit gab, ihn zu gewinnen. In seinen Augen brannte das ungestüme Feuer der Jugend. »Ihr seid festgenommen, ihr roten Teufel. Wir bringen euch in die Stadt. Dort wandert ihr erst mal ins Jail. Natürlich werdet ihr dort nicht lange bleiben. Ich bin sicher, daß ihr bald baumelt. Daran geht kein Weg vorbei. Und nun laßt die Gewehre fallen, sonst wird es hart für euch!« Niemand sollte es dem Häuptling der Apachen als Feigheit auslegen, als er sein Gewehr zu Boden fallen ließ. Es gab keine Chance, sich zur Wehr zu setzen. Es hätte den sicheren Tod bedeutet. Cochise nickte seinem Sohn zu. Auch Naiches Gewehr polterte zu Boden. Die acht Weißen grinsten zufrieden. Einer hob die Gewehre
auf und hängte sie sich über die Schulter. »Runter von den Gäulen!« schnarrte die Stimme des Breitschultrigen. »Wir wollen euch fesseln.« Naiche war es, der alles auf eine Karte setzte. Er trieb seinen Mustang an, der auf die Männer zupreschte. Zwei der Weißhäutigen sprangen zur Seite, einer wurde umgeritten, während einer der Burschen blitzschnell handelte. Er warf sich nach vorn und erwischte Naiches Bein. Der Sohn des Apachenhäuptlings wurde vom Pferderücken gerissen. Er landete hart am Boden, überschlug sich, denn sein Gegner hatte den Fuß losgelassen, und sprang wie ein Puma wieder auf die Beine. »Nicht schießen«, bellte die Stimme des breitschultrigen Mannes. »Wir brauchen die Bastarde lebend.« Das war das Zeichen für Cochise mitzumischen. Er sprang auf zwei der Weißen zu und knallte deren Köpfe gegeneinander, daß die Kerle bestimmt die Engel im Himmel singen hörten. Obwohl sich die beiden Apachen wie die Teufel wehrten, sie schafften es nicht, sich gegen die Überzahl der weißen Männer durchzusetzen. Naiche erhielt einen Revolverlauf über den Schädel gezogen, während drei Bleichgesichter den Apachenhäuptling unter sich begruben und gnadenlos auf ihn einschlugen. Als sie schließlich von den Chiricahuas abließen, blieben Cochise und Naiche bewußtlos am Boden liegen. »Das wäre beinahe schiefgegangen«, murrte Sam Crown, der breitschultrige Bursche. »Der junge Apache hat eine ganze Menge Mut bewiesen.« »Er war ein Narr«, sagte einer der anderen Männer. »Normalerweise hätte ich ihn wie einen räudigen Hundebastard abgeknallt. Die beiden hatten keine Chance. Der ältere Indianer hat das erkannt. Erst als er hörte, daß wir sie lebend wollen, griff er in den Kampf ein.« Sam Crown nickte mehrmals.
»Unsere Aufgabe ist erfüllt, Jungs. Wir haben zwei der Hundesöhne erwischt und bringen sie nach Tres Alamos. Sie werden hängen. Vielleicht gibt das den anderen Rothäuten zu denken.« Er schmunzelte, während seine sieben Partner in rauhes Gelächter ausbrachen. »Bindet die Hundesöhne quer über die Pferderücken. Los, Jungs, wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren.« Einige Minuten später setzte sich der Reitertrupp in Bewegung und hielt auf Tres Alamos zu. Cochise und Naiche waren noch immer bewußtlos. Der Trail führte einem Ungewissen und vielleicht tödlichen Ziel entgegen. * »Nachdem Sie den Eid geschworen haben, Mr. Haggerty, sind Sie nun Deputy Sheriff von Tres Alamos. Stecken Sie sich den Stern an Ihre Jacke. Ich hoffe, daß Sie die große Gefahr, in der wir alle schweben, abwenden werden.« Der knollennasige Clark Harper streckte John Haggerty seine Rechte entgegen, die dieser ergriff. Der Händedruck zwischen den beiden so ungleichen Männern war fest und herzlich. »Ich danke Ihnen für das Vertrauen, Mr. Harper«, entgegnete John Haggerty. Der Bürgermeister von Tres Alamos lächelte. »Warum so förmlich? Nennen Sie mich Clark. Und ich würde mich freuen, wenn ich John zu Ihnen sagen dürfte.« »Einverstanden.« »Das müssen wir begießen, John«, erwiderte Clark Harper. »Nat Baxter hält sehr viel von Ihnen. Sie sollen ihn gegen Abend nochmals aufsuchen. Er möchte mit Ihnen sprechen.« Die beiden Männer prosteten sich zu. John Haggerty befestigte den Sheriffstern an seiner Jacke. Irgendwie beschlich
ihn ein komisches Gefühl. Zum erstenmal in seinem Leben trug er den Stern eines Gesetzeshüters. Und er nahm sich in diesen Sekunden vor, Nat Baxter gut zu vertreten und Unheil von Tres Alamos abzuwenden. John wandte sich an Clark Harper, der zum Fenster hinausspähte. Auf der Main Street war kaum Betrieb. Noch immer brütete die Sonne heiß hernieder. »Sind es wirklich nur die Indianer, die der Stadt so zu schaffen machen?« wollte Haggerty wissen. Eine tiefe Falte kerbte Clark Harpers Stirn genau über der Nasenwurzel. »Sie kennen Land und Leute, John. Es gibt immer verschiedene Strömungen und Interessengemeinschaften. So auch hier in Tres Alamos und in der näheren Umgebung. Ich weiß nicht, warum die Apachen plötzlich über uns herfallen, denn sie haben uns in den letzten Jahren toleriert, im großen und ganzen in Ruhe gelassen. Natürlich betrachten sie uns als Eindringlinge in das Land ihrer Ahnen, um es einmal so auszudrücken. Finden Sie den Grund, warum die Rothäute verrückt spielen. Dann sind Sie des Rätsels Lösung sehr nahe.« John Haggerty wirkte ein wenig enttäuscht. Er hatte gehofft, nähere Einzelheiten von Clark Harper zu erfahren. Der neue Sheriff von Tres Alamos erhob sich. »Ich spreche nochmals mit Nat Baxter. Vielleicht weiß er mehr. Es muß einige Gents geben, denen er im Weg war. Bestimmt haben die Apachen mit dem heimtückischen Schuß aus dem Hinterhalt nichts zu tun. Sie hätten Nat getötet und sich seinen Skalp geholt.« Der Bürgermeister nickte. »Das sind auch meine Überlegungen, John. Achten Sie gut auf sich. Niemand ist gegen eine Kugel gefeit und schon gar nicht, wenn sie aus sicherer Deckung abgefeuert wird.« John Haggerty verließ gemeinsam mit Clark Harper sein Office. Draußen wehte ihm der heiße Atem des Tages entgegen.
Kein Wölkchen zeigte sich am Himmel. Die Straßen und Gassen von Tres Alamos wirkten wie ausgestorben. Nur ein Hund von undefinierbarer Rasse schleppte schwer an einem Knochen und verkroch sich unter dem Sidewalk. Doc Henderson lächelte freundlich, als er den Besucher erkannte. Sein Blick zeigte Überraschung, als er den Sheriffstern auf Haggertys Jacke sah. »Ich möchte nochmals mit Nat sprechen, wenn es irgendwie möglich ist, Doc. Es ist sehr wichtig.« »Kommen Sie, Sheriff. Nat ist aufgelebt, seitdem er Sie in der Stadt weiß. Sie wirken auf ihn, als wären Sie eine ausgezeichnete Medizin. Ich glaube nicht, daß Ihr Besuch ihm schaden wird.« Nat Baxter winkte John zu, während sich ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel legte. »Du hast den Stern genommen, Freund John«, sagte er leise. »Ich danke dir. Das vergesse ich dir nie. Nun weiß ich Tres Alamos in guten Händen.« Der Verwundete schloß für einen Moment die Augen. Das Sprechen strengte Nat Baxter sehr an. Trotzdem redete er wenige Sekunden später weiter. »Hör gut zu, John. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Angriffe der Indianer von irgendwelchen weißen Hundesöhnen in Szene gesetzt werden. Das sind weder Chiricahuas, noch Mimbrenjos, die alle Bleichgesichter totschlagen.« »Du glaubst an irgendwelche roten Banditen, an Ausgestoßene der verschiedenen Stämme, die auf eigene Rechnung morden, nur um große Beute zu machen?« »So ähnlich, John. Es ist nur ein Verdacht, den ich ausspreche und den ich auch nicht beweisen kann: Ich werde den Eindruck nicht los, daß Weiße dahinterstehen.« John Haggerty setzte sich auf einen Stuhl und stützte den Kopf in beide Hände. Sein Blick war auf den grauen Fußboden
gerichtet. »Das ist wirklich ein übler Verdacht, Nat. Dafür müßte es aber einen Grund und ein Motiv geben. Welche Interessen könnten unsere eigenen Landsleute verfolgen, wenn sie die Indianer aufwiegeln, so gegen alle Weiße in der Umgebung von Tres Alamos vorzugehen?« »Ich habe darüber lange nachgedacht, John. Die Indianer sind uns Eindringlingen ein Dorn im Auge. Das ist klar. Wir drängen die Rothäute immer mehr zurück. Hier in der Nähe von Tres Alamos wurde vor über einem Jahr Gold gefunden. Die Indianer erfuhren das sehr rasch und schlugen gnadenlos zu. Sie wissen, daß sofort Hunderte und noch mehr Bleichgesichter wie ein Heuschreckenschwarm in ihr Land einfallen würden, um nach dem gelben Metall zu suchen. Es gab nur einen oder zwei Überlebende. Diese Goldmine soll dreißig Meilen von hier entfernt sein. Niemand kennt die genaue Lage.« Nat Baxter blickte seinen alten Freund fest an. »Nehmen wir aber mal an, daß jemand weiß, wo die Mine liegt. Es ist ihm unmöglich an das Gold heranzukommen, da es die Apachen nicht dulden würden. Dieser Unbekannte bringt ein Spiel in Gang, so wie es momentan hier läuft. Er spekuliert darauf, daß bald die Armee hier auftaucht und mit eisernem Besen kehrt. Die Blaubäuche jagen die Indianer weiter nach Norden. Dann wird der Weg zum Gold frei. Das sind meine Überlegungen, John. Wie gesagt, es gibt keine Beweise dafür. Vielleicht liege ich auch völlig falsch.« »Interessant, Nat«, sagte John Haggerty. »Du hast mir sehr geholfen. Nun tappe ich nicht mehr so sehr im dunklen. Wer könnte dahinterstecken?« »Achte auf Richy Valentine, John. Es ist ein baumlanger und meist sehr unfreundlicher Bursche. Ihm gehören der Saloon und auch der General Store. Er hat viel zu sagen und gehört auch dem Stadtrat an. Er will, daß die Armee alles in die Hände nimmt. Es ist aber nur ein Verdacht, der durch nichts zu
beweisen ist.« John Haggerty dachte an den langen Mann, der ihn bei der Ankunft in Tres Alamos so unfreundlich behandelt hatte. Der ehemalige Chiefscout erhob sich. »Ich melde mich hin und wieder bei dir, Nat. Du hast mir wirklich sehr geholfen. Ich will alles tun, damit in Tres Alamos und in der näheren Umgebung wieder Frieden einkehrt. Vielleicht gelingt es mir, Cochise eine Nachricht zukommen zu lassen.« »Du kennst den Häuptling der Chiricahuas?« fragte Nat Baxter erstaunt. »Cochise und ich sind gute Freunde. Wir sind oft Seite an Seite geritten und haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt. Ich war auf dem Weg zu ihm, wollte ja hier in Tres-Alamos nur eine kurze Stippvisite machen, um mich auszuruhen und um dich zu besuchen.« »Ausgezeichnet, John. Cochise soll ein gerechter und fairer Gentleman sein, wie ich hörte. Er wird wissen, was in seinem Land vor sich geht. Ich drücke dir die Daumen, daß es dir gelingt, den Apachenhäuptling zu sprechen. Dann wirst du klarer sehen.« Nat Baxters Stimme war in den letzten Minuten immer leiser geworden. Die Unterredung hatte zuviel Kraft gekostet. »Ruhe dich aus, alter Freund«, sagte John Haggerty. »Wir sehen uns später.« * Die Hitze ließ nach, denn die Sonne näherte sich bereits den Gipfeln der Sierra Colorado im Westen und würde dort in weniger als einer Stunde in einem flammenden Feuermeer versinken. John Haggerty erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Mißmutig starrte er auf einen Papierberg, der sich dort
angesammelt hatte. Er war kein Freund von Schreibarbeiten, obwohl dies natürlich auch zum Job eines Sheriffs gehörte. Der einstige Chiefscout trat vor sein Office und blinzelte in die tiefstehende Sonne. Die Main Street füllte sich mit Leben. Frauen kauften ein. Kinder tollten herum und jagten eine Katze, die miauend das Weite suchte. John blickte zum Ortsrand und erkannte eine Staubwolke, die sich langsam näherte. Haggerty rückte seinen Revolvergürtel zurecht. Instinktiv fühlte der großgewachsene Mann, daß es nichts Erfreuliches war, was sich der Stadt näherte. Zuerst dachte Haggerty an Indianer, verwarf aber diesen Gedanken. Dazu waren es zu wenige Reiter, die auf Tres Alamos zuritten. Und er glaubte auch nicht, daß es die Apachen wagen würden, die Stadt am hellichten Tag anzugreifen. John Haggerty wartete geduldig, bis der Reitertrupp die ersten Häuser der Stadt erreichte. Es waren zehn Reiter, zwei von ihnen Indianer. Den Gefangenen waren die Hände auf den Rücken und die Beine unter dem Pferdebauch zusammengebunden. Um ihren Hals lagen Lassoschlingen, die an den Sattelhörnern von zwei Pferden verknotet waren. John hatte das Gefühl, als greife eine eiskalte Hand nach seinem Herzen und wolle es ihm aus der Brust reißen. Einen Moment lang schloß er die Augen. Als er sie wieder öffnete, war der Spuk nicht vorbei. Es gab keine Zweifel, die beiden gefangenen Indianer waren Cochise und sein Sohn Naiche. Das mußte der neue Sheriff von Tres Alamos erst einmal verdauen. Dumpf hämmerten die Hufschläge der Pferde, die sich langsam dem Office näherten. Menschen rannten aus den Häusern. Eine immer größere Menschenmenge sammelte sich, die schweigend den Reitern folgte. John trat dem Reitertrupp in den Weg. Er sah es in Cochises
Augen kurz aufblitzen, ehe das Gesicht des Häuptlings der Chiricahuas wieder wie versteinert wirkte. Naiche öffnete den Mund. Ein Blick seines Vaters gebot ihm, zu schweigen. Der Reitertrupp kam zum Stehen. John musterte die acht Männer, die alle einen sehr harten Eindruck machten. Einige grinsten, andere blickten John Haggerty nicht besonders freundlich an. Ein breitschultriger Mann schwang sich von einem starkknochigen Rappwallach und blieb vor Haggerty stehen. »Gehen Sie aus dem Weg, Mister!« fauchte er. »Wer, gibt Ihnen das Recht, uns aufzuhalten?« John tippte gegen seinen Blechstern. »Das ist wohl ein einleuchtender Grund, Mister?« sagte John zu Sam Crown. »Ich bin der neue Sheriff dieser Stadt. Und nun möchte ich erfahren, warum Sie diese beiden Indianer wie gefangene Tiere in die Stadt schleppen?« Der bullig wirkende Crown lachte brüllend los. Seine Begleiter stimmten in dieses rauhe Gelächter mit ein. Crown schlug sich sogar auf die Oberschenkel. »Okay, Sternträger, Sie scheinen nicht so richtig informiert zu sein, was hier in der Umgebung läuft. Ich will Sie aufklären und Ihnen einen Vortrag halten. Es…« »Schon gut, Mister. Ich bin über alles im Bilde. Was haben Sie diesen Indianern vorzuwerfen?« Cochise saß noch immer wie versteinert auf dem Rücken seines Pintos. Er und Naiche ließen keinen Blick von John Haggerty. »Sie gehören zu der verdammten Indianerbrut, die jeden Weißen totschlagen«, schrie Crown. »Wir haben die Kerle vor der Stadt gestellt. Es sind Späher oder Kundschafter, die alles für einen neuen Überfall vorbereiten sollen. Wir taten nur unsere Pflicht und werden herausfinden, was die roten Bastarde vorhaben.«
Die Menschenmauer um den Reitertrupp und um den neuen Sheriff von Tres Alamos wurde immer größer. Unwilliges Gemurmel erfüllte die Stille. Haßerfüllte Blicke trafen Cochise und Naiche, die stolz auf den Pferderücken saßen, so weit es ihre Fesseln zuließen. »Hängt die Hundesöhne auf!« schrie ein Mann. Er schwang seine Faust drohend in Richtung der Apachen. »Diese roten Bestien haben den Tod verdient!« Andere Männer brüllten mit. Die Menschenmauer rückte näher. John sah das zufriedene Grinsen von Sam Crown. Haggerty wußte, daß er schnell und vor allem überzeugend handeln mußte, sonst würden Naiche und Cochise hängen. Und daß wollte John Haggerty auf keinen Fall zulassen. * »Nehmt die Hände von den Indianern«, brüllte Haggerty los, als einige Männer die beiden Apachen von den Pferderücken holen wollten. »Was geschieht, bestimme ich als euer Sheriff!« John Haggertys Stimme klang so hart und klirrend, daß die Männer erschrocken zurückwichen. »Auf welcher Seite stehen Sie überhaupt, Sheriff?« fragte Sam Crown. »Sind Sie vielleicht ein Indianerfreund, Mister?« »Ich bin der Sheriff dieser Stadt und Vertrete das Gesetz. Damit ist wohl alles gesagt. Ich lasse nicht zu, daß in dieser Stadt jemand gelyncht wird. Ob derjenige von roter oder weißer Hautfarbe ist, spielt keine Rolle.« Clark Harper schob sich durch die Menschenmenge und trat neben John Haggerty. Er warf dem Sternträger einen undefinierbaren Blick zu und hob beide Hände. »Beruhigt euch, Leute«, sagte er beruhigend. »Wir sperren die Rothäute erst einmal in eine Zelle. Dann überlegen wir, was mit ihnen geschehen soll. Ich finde, das ist ein vernünftiger Vorschlag.«
Er nickte dem Sheriff zu. »Das übernehmen Sie, John.« Haggety wollte zu Cochise und Naiche treten, Sam Crown versperrte ihm den Weg. Der schwergewichtige Bulle stemmte beide Hände in die Hüften und wirkte unüberwindlich wie ein Felsbrocken, der den Weg versperrt. »Gehen Sie zur Seite, Mister!« befahl Haggerty. »Wenn Sie noch länger den wilden Mann spielen, verhafte ich Sie.« Sam Crown staunte, daß ihm die Augen aus den Höhlen zu quellen schienen. Sein Mund öffnete sich weit. Nikotingelbe Zähne waren zu bewundern. »Was?« keuchte er. »Sie wollen einen ehrenwerten Bürger dieser Stadt einsperren? Sie sind ja total übergeschnappt, Sheriff. Bei Ihnen fehlen einige Latten im Zaun. Sie setzen mich auf eine Stufe mit diesem verdammten Indianerpack?« »Zur Seite«, donnerte Haggertys Stimme. Sam Crown ballte seine Hände zu Fäusten und hob sie an. Sie befanden sich nun dicht vor Haggertys Gesicht, der ahnte, daß der Bulle nicht aufgeben wollte. John Haggerty zog seinen Revolver. Und er tat es so blitzschnell, daß er Crown völlig überraschte. Ehe das Schwergewicht zuschlagen konnte, rammte ihm der Sheriff den Revolverlauf mit Wucht in den Magen. »Noch eine Bewegung und ich drücke ab!« bluffte Haggerty. »Mir reicht's, Mister. Los, verschwinden Sie. Wenn ich noch ein falsches Wort höre, wandern Sie ins Jail!« Das unwillige Gemurmel der vielen Bürger von Tres Alamos wurde lauter. Die meisten waren mit der Handlungsweise des neuen Sternträgers nicht einverstanden. Es war wieder Clark Harper, der die angespannte Situation rettete. Er rief: »Hör schon auf, Crown. Es nimmt alles seinen richtigen Verlauf. Ich danke dir in meiner Eigenschaft als Bürgermeister dieser Stadt, daß du die Rothäute gefangen hast.
Wir werden eine Lösung finden. Das verspreche ich dir und auch allen Mitbürgern. Wir sollten aber nicht wie Wilde über die beiden Gefangenen herfallen. Wollen wir uns wirklich auf die gleiche Stufe wie diese blutgierigen Gesellen stellen?« »Hängt die Bastarde auf«, schrie jemand. John Haggerty erkannte den dürren und baumlangen Rufer, der die meisten Männer um Kopfeslänge überragte. Es handelte sich um Richy Valentine. Sam Crown stand noch immer regungslos. Der Revolverlauf in seiner Magengegend behagte ihm nicht. John Haggerty las funkelnden Haß in den Augen des Mannes. Er hatte nun einen Todfeind. Das wußte der ehemalige Chiefscout genau. John trat zurück und halfterte seinen Colt. Für einen Moment trafen sich Cochises Blick und der von Haggerty. In den dunklen Augen des Häuptlings der Apachen stand Anerkennung. Sam Crown trat nun zur Seite. Seine sieben Gefährten rutschten aus den Sätteln. Sie griffen ihre Pferde an den Zügeln und führten sie durch eine sich öffnende Gasse in der Menschenmauer. Sie stiefelten auf den Mietstall zu. Crown folgte seinen Partnern, nicht ohne Haggerty noch einen bösen Blick zuzuwerfen. Haggerty nahm den Indianern die Lassoschlingen vom Kopf und löste Hand- und Fußfesseln. Die Menschen wichen zurück, als sich Cochise und Naiche von den Rücken ihrer Mustangs schwangen. Haggerty zog seinen Revolver. Er mußte dies tun, denn niemand sollte wenigstens vorerst erfahren, daß er und der Häuptling der Chiricahuas befreundet waren. Cochise und Naiche liefen auch willig vor Haggerty her, der die beiden Apachen in den Zellentrakt führte und in zwei Gitterkäfige sperrte. »Wir sprechen uns später, Cochise«, sagte John. Er sah, wie übel Cochise und Naiche von den Fäusten der Weißhäutigen
zugerichtet worden waren. »Bitte vertraue mir.« Cochise nickte nur. »Mein weißer Bruder wird Cochise nicht im Stich lassen«, antwortete der Apachenhäuptling. »Ich versichere ihm, daß Cochise und sein Sohn Naiche und auch die Chiricahuas nichts mit den Überfällen zu tun haben. Der Falke hat mein Wort.« John Haggerty, der von den Apachen Falke genannt wurde, lächelte seinem Freund zu. »Bis später, Jefe.« John Haggerty verließ Zellentrakt und Office und sah sich einer großen Menschenmenge gegenüber. Nun schien ganz Tres Alamos auf den Beinen zu sein. John Haggerty ahnte, daß es nicht leicht sein würde, Cochise und Naiche vor dem Hängen zu bewahren. * »Die Vorstellung ist beendet, Leute«, rief der neue Sheriff von Tres Alamos. »Geht wieder heim. Ich werde die Gefangenen verhören und herausfinden, ob sie mit den Überfällen etwas zu tun haben.« Richy Valentine löste sich aus einer Gruppe lautstark diskutierender Männer und marschierte auf John Haggerty zu. Sein hageres Gesicht wirkte verkniffen. Der Saloon- und Storebesitzer stülpte seine Unterlippe nach vorn. Er blieb vor Sheriff Haggerty stehen, wippte auf den Zehenspitzen und grinste wölfisch. »Die Vernehmung übernehmen ich und einige Bürger der Stadt«, sagte er gefährlich leise. »Ihnen trauen wir nicht über den Weg, denn wir kennen Sie nicht. Vielleicht sind Sie ein Indianerfreund und lassen diese Bastarde wieder laufen.« Seine Stimme triefte bei den letzten Worten vor Spott. »Mann, hauen Sie ab«, sagte John Haggerty knurrend. Es klang, als habe man einem Tiger auf den Schwanz getreten. »Ich
bin der Sheriff dieser Stadt, und Sie finden sich damit ab, basta. Nun verschwinden Sie, Mr. Valentine, ehe ich die Geduld verliere!« Richy Valentines Lächeln verlor sich. »Sie sollten verschwinden, Mr. Haggerty, sonst bedauern Sie es vielleicht. Dann aber könnte es zu spät sein.« »Das ist wohl eine Drohung, oder?« fragte John Haggerty. »Soll ich auch durch eine Kugel aus dem Hinterhalt abgeknallt werden, so wie es bei Nat Baxter geschehen ist?« Richy Valentines Gesicht nahm die Farbe einer Tomate an. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, als der hagere Mann schluckte. »Was wollen Sie damit sagen?« keuchte er. »Ich wiederhole nur Ihre Drohung, Mr. Valentine. Und nun sollten Sie wirklich verschwinden, ehe ich Sie einsperre.« Richy Valentine wich zurück. Er starrte John Haggerty fassungslos an, als könne er nicht glauben, was dieser gesagt hatte. Der hagere Mann schluckte erneut, ehe er sich abrupt umwandte und davonstakte. Einige Männer schlossen sich dem Saloonbesitzer an. Die Menschenmenge zerstreute sich langsam. Haggerty ahnte aber, daß die Gefahr für die beiden Apachen noch längst nicht vorüber war. Die Bürger von Tres Alamos haßten die Rothäute wie nichts sonst auf dieser Welt. Zu viele ihrer Landsleute waren in den letzten Wochen gestorben. Und John konnte sich gut vorstellen, was in den Leuten vor sich ging: Sie wollten ihre Rache. Clark Harper trat zu John Haggerty. Er bearbeitete seine Knollennase und machte ein mürrisches Gesicht. »Wir sollten ins Office gehen, John. Ich habe mit Ihnen zu reden. Es ist sehr wichtig.« Haggerty setzte sich hinter den altersschwachen Schreibtisch. Clark Harper zog sich einen Stuhl herbei und hockte sich
rittlings darauf. Er legte sein Kinn auf die Stuhllehne und blickte den Sheriff von Tres Alamos aus zusammengekniffenen Augen an. »Das gibt Ärger«, nörgelte er. »Gut, Sie können diesen Richy Valentine nicht ausstehen. Ich gebe zu, daß er sehr schwierig ist und sich gern als Boß dieser Stadt aufspielt. Sie müssen aber mit ihm auskommen, denn wir ziehen alle an einem Strang. Ist Ihnen das klar, Sheriff Haggerty?« John nickte. »Gewiß, Clark, ich werde mir aber derartige Drohungen nicht gefallen lassen. Sie stimmen mir sicher zu. Ich kann nun mal Lynchjustiz nicht ausstehen, obwohl ich weiß, daß man mit Indianern überall kurzen Prozeß macht. Die Rothäute werden ohne Gerichtsverhandlung schon für die geringsten Delikte umgebracht. Man behandelt sie schlimmer als Vieh. Und damit bin ich nicht einverstanden. Es ist nicht erwiesen, daß diese beiden gefangenen Indianer etwas mit den Überfällen zu tun haben.« Clark Harper wischte sich über sein Kinn. Noch immer starrte er John Haggerty nicht gerade freundlich an. »Sind Sie ein Indianerfreund, John? Es hört sich so an. Ich möchte eine klare Antwort.« »Ich bin ein Mensch, der Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit haßt und bekämpft, wo immer es nur geht, Clark. So sollten Sie es sehen. Und ob diese Halunken roter oder weißer Hautfarbe sind, ist mir völlig egal.« Clark Harper schüttelte leicht den Kopf. »Damit ist meine Frage nicht hundertprozentig beantwortet. Wissen Sie, John, ich bin ein aufmerksamer Beobachter und hatte den Eindruck, daß Sie die beiden Apachen kennen.« John Haggerty blickte sein Gegenüber erstaunt an, ehe er langsam nickte. »Richtig, Clark. Ich kenne die beiden Chiricahuas. Jeder, der sich mit den Apachen beschäftigt, müßte sie kennen.« »Spucken Sie es aus, John. Um wen handelt es sich?«
»Cochise und sein Sohn Naiche.« * Einige Stunden vor diesem Gespräch zügelte ein Apachen-Krieger seinen Mustang auf einem Hügel, der mit Büschen und verkrüppelten Bäumen bedeckt war. Sie boten dem Reiter gute Deckung. Der Chiricahua spähte über das öde Land und duckte sich ein wenig, als er den Reitertrupp erkannte, der hinter einer Bodenwelle auftauchte und sich langsam näherte. Das breitflächige Gesicht des noch jungen Apachen verfinsterte sich, als er die beiden Gefangenen erkannte. Der Späher nahm seinen Kriegsbogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Dann aber wurde er sich seiner Hilflosigkeit bewußt. Ein Angriff auf die acht Bleichgesichter konnte nur seinen Tod bedeuten. Ohne eine Feuerwaffe hatte er keine Chance gegen diese rauhe Mannschaft, der es gelungen war, Cochise und Naiche in die Gewalt zu bekommen. Tatenlos mußte der Krieger ansehen, wie die Reiter in einer Entfernung von drei oder vier Steinwurfweiten vorbeizogen. Er folgte ihnen in sicherem Abstand. Schon bald wurde dem jungen Apachen klar, daß die Weißhäutigen auf die kleine Stadt zuritten, die dort zwischen den Hügeln lag. Er zügelte seinen Mustang. In seinem Gesicht arbeitete es. Es wirkte unentschlossen und auch ein wenig beschämt, seinem Jefe und dessen Sohn nicht geholfen zu haben. Schneller Hirsch, so hieß der junge Krieger, faßte einen Entschluß. Er mußte Hilfe holen. Die übrigen Chiricahuas mußten wissen, was geschehen war. Wenn sie erst vor der Stadt der Bleichgesichter auftauchten und die Weißhäutigen in Angst und Schrecken versetzten, mußten Cochise und Naiche wieder freikommen. Das waren die Überlegungen des Kriegers, der seinen Mustang antrieb und losritt. Bald war Schneller Hirsch zwischen den sanft geschwungenen Hügeln verschwunden. Und er wußte, daß er seine Vettern schnell erreichen mußte, um
großes Unheil zu verhindern. * »Cochise?« fragte Clark Harper sichtlich erschüttert. »Sind Sie sicher, daß es sich wirklich um den schon fast legendären Häuptling der Apachen handelt?« »So ist es, Clark. Ich bin völlig sicher, daß es Cochise und sein Sohn Naiche sind. Gut, nun wissen Sie Bescheid. Wir sollten mit den beiden sprechen. Es wird sich einiges aufklären.« John Haggerty erhob sich hinter seinem Schreibtisch und nickte dem Bürgermeister von Tres Alamos zu, der sichtlich erschüttert auf dem Stuhl saß und erst einmal verdauen mußte, welch prominente Gefangenen sie beherbergten. John trat ans Fenster und spähte durch die schmutzigen Scheiben auf die Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite standen drei Männer, die das Office nicht aus den Augen ließen. Sie gehörten zu dem Reitertrupp, der die beiden Apachen in der Nähe von Tres Alamos gefangen hatte. Der frühere Armee-Scout war sicher, daß auch hinter dem Office einige Männer lauerten, damit es für die Gefangenen kein Entkommen geben konnte. John wandte sich an den Town Mayor von Tres Alamos, der aufstand und Haggerty fragend anblickte. »Das Jail wird bewacht, Clark. Man scheint mir nicht zu trauen. Bestimmt glauben noch andere Gents, in mir einen verdammten Indianerfreund zu sehen.« »Gehen wir«, wich Harper aus. »Wir sprechen mit den beiden Apachen. Vielleicht sehen wir dann wirklich klarer.« Cochise und Naiche saßen auf den harten Pritschen, als die beiden Männer den Zellentrakt betraten. »Ich grüße dich, Cochise und auch dich, Naiche«, sagte John Haggerty freundlich. »Mein Begleiter ist der Chief dieser Stadt. Wir möchten mit euch sprechen.«
Cochise senkte den Kopf zur Begrüßung und erhob sich. Naiche tat so, als gäbe es die beiden Bleichgesichter nicht. In seinem jungen Gesicht stand Ablehnung und Haß. John nahm den Schlüsselbund vom Haken und öffnete den Zellenkäfig, in dem sich Cochise aufhielt. Clark Harper wich zurück. Er war unbewaffnet. »Wollen Sie ihn einfach rauslassen, Haggerty?« fragte er mit krächzender Stimme. Er blickte den Häuptling der Apachen an, als habe er ein wildes Raubtier vor sich. Unwillkürlich wich Harper noch einige Schritte zurück. »Warum hast du Angst vor mir?« fragte Cochise. »Habe ich dir etwas getan? Ängstigst du dich nur, weil ich ein Apache bin, Bleichgesicht? Du vergißt, daß wir die Herren dieses Landes sind, das uns seit Jahrhunderten gehört. Ich bin nicht das wilde Tier, für das du mich hältst. Wir sprechen gemeinsam über alles und finden eine Lösung.« Clark Harper schloß den Mund. Das Flackern in seinen Augen erlosch. Wieder einmal zupfte er an seiner Knollennase, als wolle er sie abreißen. Cochise nickte John Haggerty zu und reichte ihm die Hand nach Art der Bleichgesichter. Ein Funkeln in seinen Augenwinkeln gab Haggerty zu denken. »Cochise grüßt den Falken. Und er fragt sich, was den Falken in diese Stadt geführt hat, und warum er dieses Abzeichen trägt?« »Wir gehen ins Office, Cochise, und unterhalten uns dort in aller Ruhe.« * Richy Valentine leerte sein Whiskyglas und stellte es klirrend auf den Tisch zurück. Er starrte Sam Crown an. Der untersetzte Mann grinste hämisch. »Wir haben es geschafft, Richy«, sagte Crown. »Endlich
konnten wir zwei Rothäute in unsere Gewalt bringen. Wir hängen die roten Halunken auf. Das genügt, damit die Apachen durchdrehen und über alle Weißen herfallen. Dann bleibt Harper wirklich nichts anderes übrig, als die Armee anzufordern. Die Blauröcke räumen schnell mit der roten Brut auf. Das Land wird frei für uns und unsere Pläne.« Der dürre Valentine schenkte sich sein Glas nochmals voll und schob die Flasche zu Crown hinüber. »Darauf sollten wir trinken, Sam«, sagte der Saloonbesitzer. »Es ist wirklich an der Zeit, daß das Land frei wird. Dann können wir die Goldmine in Ruhe ausbeuten, ohne von den Rothäuten abgeschlachtet zu werden. Nur …«, Valentine zögerte, »…nur dieser neue Sheriff bereitet mir Kummer. Wir kriegen ihn niemals auf unsere Seite, so wie es uns auch bei Nat Baxter nicht gelungen ist. Wir müssen diesen Haggerty ausschalten und zwar sehr rasch.« Sam Crown grinste tückisch. »Das übernehme ich, Boß. Nur dieses Mal schieße ich noch genauer, als bei Baxter. Ich lege diesen Haggerty um. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.« »Einverstanden«, erwiderte Richy Valentine zufrieden. »Unterschätze aber den neuen Sheriff nicht. Es könnte tödlich für dich sein. Das ist ein verdammt harter Brocken. Wenigstens schätze ich ihn so ein. Der Bursche hat es faustdick hinter den Ohren und ist ein Mann, der sich durchzusetzen versteht.« »Kleine Fische«, winkte Crown ab. »Das erledige ich schnell, Richy. Wir müssen nur einen Vorwand finden, um diesen Haggerty aus der Stadt zu locken. Da wird uns aber etwas einfallen. Heute nacht lynchen wir die Rothäute. Es genügen einige Freirunden Whisky und eine zündende Rede, um die Bürger von Tres Alamos auf Vordermann zu bringen. Meine Leute erledigen das. Du mußt nur den Whisky opfern.« »In Ordnung, Sam. Daran soll es nicht scheitern. Die beiden Apachen müssen sterben. Wenn diese Kunde erst zu den
Rothäuten gelangt, tauchen sie vor der Stadt auf. Hier sind genügend kampferprobte Männer, um einen Angriff abzuwehren. Ich werde Harper dazu bringen, einen Boten nach Fort Bowie zu schicken, damit die Armee darüber informiert wird, was in Tres Alamos geschieht. Und deine Leute sollten vorerst keine Überfälle mehr ausführen.« Sam Crown grinste überheblich. »Das hat doch alles wunderbar geklappt, Richy. Jedermann glaubt, daß es wirklich Apachen waren, die immer wieder so gnadenlos zugeschlagen haben.« Crown erhob sich und nickte seinem Boß zu. »Bis später, Richy. Ich kontrolliere unsere Leute vor und hinter dem Office. Ich traue diesem Haggerty nicht. Vielleicht kommt er auf die Idee, die Gefangenen frei zu lassen. Ich werde es verhindern. Darauf kannst du dich verlassen.« Der untersetzte Outlaw verließ das Nebenzimmer des Saloons, in dem er sich mit Richy Valentine zu dieser Besprechung getroffen hatte. Sein Boß blickte ihm zufrieden nach. * »Die Krieger der Chiricahuas und auch meine Vettern von den anderen Stämmen haben mit den Überfällen nichts zu tun«, beharrte Cochise sehr bestimmt. »Mein Sohn Naiche und ich durchstreifen seit vielen Tagen das Land. Es gab keine Anzeichen, daß meine Blutsbrüder hinter diesem Terror stehen. Ich erfuhr von meinen Spähern davon, als sie skalpierte Tote und niedergebrannte Wagen fanden. Das alles ist nicht das Werk der Apachen.« Der Häuptling der Chiricahuas schwieg. Sein forschender Blick ruhte auf dem Falken, ehe er zu Clark Harper weiterwanderte, der von den Worten des Apachen nicht überzeugt schien.
Harper sagte zu John Haggerty: »Ich möchte Cochise nicht beleidigen, doch er wäre dumm, wenn er uns eine andere Geschichte erzählt hätte. So kommen wir nicht weiter. Das überzeugt niemanden in dieser Stadt. Zuviel Blut ist geflossen. Es gab fast ein Dutzend Tote und Verwundete. Die Toten fanden wir skalpiert und mit Pfeilen gespickt. Alles wies auf Indianer hin. Das sollten Sie nicht vergessen, John.« »Das ist richtig, Clark. Ich habe selbst zwei ermordete Bürger von Alamos gerunden. Ihre Worte sind nicht zu leugnen. Aber ich kenne Cochise schon sehr lange. Er hat mich noch nie belogen, mag er auch sonst ein Fuchs sein, der zupackt, wenn er eine günstige Chance wittert.« Clark Harper blieb skeptisch. »Das mag ja alles so sein, John. Ich bin auch bereit, Ihnen und Cochise zu glauben. Ihr Wort genügt aber nicht, um die Bürger von Tres Alamos, umzustimmen. Diese Leute wollen ihre Rache, was man ihnen nicht einmal verdenken kann.« »Was wird der Falke unternehmen?« fragte Cochise. »Wird er Cochise und Naiche noch länger in diesen Käfig sperren?« Das war eine klare Frage, die einer klaren Antwort bedurfte. »Du mußt noch bleiben, Häuptling«, antwortete John Haggerty. »Ich kann und darf dich nicht freilassen. Du mußt mir vertrauen. Ich will alles tun, um deine Unschuld und die deines Sohnes zu beweisen.« Der Häuptling der Apachen nickte bedächtig. »Cochise vertraut dir, denn er weiß, daß der Falke die Wahrheit spricht.« John Haggerty brachte den Apachen-Chief in die Zelle zurück. Naiche musterte den ehemaligen Army-Scout forschend. John lächelte dem jungen Krieger zu, dessen Gesichtsausdruck unbewegt blieb. »So läuft das Spielchen nicht«, sagte Clark Harper kurze Zeit darauf. »Sie können die Indianer auf keinen Fall auf freien Fuß setzen, auch wenn Sie mit ihnen befreundet sind. Das verbietet
Ihnen die Pflicht als Sheriff dieser Stadt. Die Apachen werden beschuldigt, weiße Bürger dieser Stadt ermordet zu haben. So einfach löst sich dieses Problem nicht.« Das alles war John Haggerty klar. »Okay, Clark, lassen Sie uns den Faden aber einmal weiterspinnen. Es gibt hier einige Gents in der Stadt, die alles daransetzen, damit die beiden Gefangenen gehängt werden. Was wird dann geschehen? Die Stadt wird von einigen hundert Indianern umzingelt und vielleicht dem Erdboden gleichgemacht. Sie vergessen ganz, daß Sie nicht irgendeinen Apachen in der Zelle sitzen haben, sondern den obersten Häuptling der Apachen. Die Indianer werden alles tun, um Cochise und seinen Sohn zu befreien. Und sollte man die Gefangenen lynchen, dann kann keine Macht der Welt Tres Alamos noch retten. Das sollten Sie bedenken.« Clark Harper blickte Haggerty ängstlich an. »John, Sie scheinen nicht zu glauben, daß die Überfälle von den Apachen verübt wurden. Das verstehe ich nicht ganz. Sie können mich nur überzeugen, wenn Sie mir die Leute bringen, die dann Ihrer Meinung nach die Schuldigen sind.« »Auch Nat Baxter glaubt nicht an die Indianer, Bürgermeister. Und er wurde nicht von einem Pfeil, sondern von einer Kugel aus dem Hinterhalt getroffen. Okay, okay, Clark, Sie werden jetzt behaupten, daß auch Apachen Gewehre haben. Das ist richtig. Sie hatten aber den so schwer verwundeten Sheriff nicht am Leben gelassen. Das war ein Fehler unserer Gegner. Verlassen Sie sich darauf.« »Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr, Sheriff«, gestand Clark Harper. »Wollen Sie damit sagen, daß es Mitbürger dieser Stadt sind, die hinter den Überfällen stehen?« »Ich habe keinerlei Beweise, Harper, doch ich werde sie bringen. Irgendwann erinnere ich Sie an meine Worte. Dann aber…« John Haggerty schwieg und blickte zur Officetür, die
aufgerissen wurde. Ein bärtiger Mann taumelte herein. Sein Hemd und seine Jacke waren blutverschmiert. Auch an den Händen und im Gesicht erkannte John Blutspritzer. Der Verwundete schwankte auf den Schreibtisch zu und stützte sich schwer atmend darauf. Das Gesicht glich einer verzerrten Fratze. Seine Augen glühten in einem verzehrenden Feuer. * John Haggerty sprang auf und stützte den schwankenden Mann, der den Halt verlor. Der Sheriff schleppte ihn zu einem alten Sofa. Aufstöhnend setzte sich der Verletzte. »Indianer«, keuchte er. »Apachen, dicht vor der Stadt. Sie überfielen mich aus einem Hinterhalt. Ich konnte in letzter Sekunde entkommen.« So stammelte der Verwundete mit letzter Kraft. Blut tropfte auf den Boden. »Da haben Sie es, Sheriff«, rief Harper. »Los, reiten Sie. Vielleicht erwischen Sie noch diese Hundesöhne. Stellen Sie wenigstens fest, ob es auch wirklich Rothäute sind. Ich kümmere mich um den Verletzten und bringe ihn zum Doc.« John Haggerty nickte, rückte den Revolvergurt zurecht und nahm seine Winchester aus dem Wandschrank, Dann eilte er los, als wäre die Hölle hinter ihm. »Was ist los?« fragte ein Mann, als John sein Pferd aus dem Mietstall holte. »Ist das nicht Poul Dragger gewesen, der so übel zugerichtet aussah?« »Ich kenne den Mann nicht. Woher kam er geritten?« Der Fremde zeigte John Haggerty die Richtung, der seinen Rapphengst antrieb. Bald lagen die letzten Häuser von Tres Alamos hinter dem Sheriff der kleinen Stadt. Da Johns Pferd ausgeruht war, legte das Tier rasch einige Meilen zurück. Haggerty sah sich um. Weit und breit waren
keine Indianer zu sehen. Er zügelte den Rappen, während ein schlimmer Verdacht wie schleichendes Gift in ihm hochkroch. War das vielleicht ein Trick, nur um ihn aus Tres Alamos fortzulocken? John gestand sich ein, daß er versäumt hatte, nach den Wunden des Verletzten zu sehen. Der Verdacht, hereingelegt worden zu sein, setzte sich immer stärker in dem großgewachsenen Mann fest. Mit Tierblut konnte man leicht eine schwere Verwundung vortäuschen. Und während seiner Abwesenheit war es nicht schwer, Cochise und Naiche zu lynchen. John Haggerty zog sein Pferd herum. Vielleicht verfehlte ihn dadurch die ihm zugedachte Kugel, die aber dafür in den Kopf seines treuen Gefährten schlug. Das Tier tat noch einen kraftlosen Satz, ehe es wie vom Blitz gefällt zusammenbrach. In letzter Sekunde konnte John Haggerty aus dem Sattel springen. Er landete hinter dem toten Rapphengst. Zum Glück war das Tier so gefallen, daß John die Winchester aus dem Scabbard ziehen konnte. Neue Geschosse sirrten heran und schlugen klatschend in den Kadaver des Tieres. Für einen Moment wünschte der frühere Armee-Scout sich in einem Mauseloch verkriechen zu können, so haarscharf zischte das heiße Blei an ihm vorbei und über ihn hinweg. John Haggerty wußte, daß seine Deckung nicht ausreichte, um längere Zeit Sicherheit zu bieten. Der erfahrene Kämpfer setzte alles auf eine Karte. Er spurtete los und überraschte damit seinen Gegner, der mit diesem Ausbruchversuch nicht gerechnet hatte. Der Sheriff von Tres Alamos rannte im Zick-Zack auf einen Cottonwood zu, hinter dem er in Deckung gehen wollte. Links und rechts von dem um sein Leben rennenden Mann furchten
die Kugeln den Boden. Mit einem letzten, verzweifelten Satz warf sich John Haggerty hinter dem Baumstamm in Deckung. Geschosse fetzten Späne aus dem Stamm, die ihm um die Ohren flogen. John Haggerty spähte hinter dem Cottonwood hervor und sah es hundert Yards entfernt aufblitzen. Dort ragten einige Felsblöcke wie angefaulte Zähne aus dem Boden. Dazwischen steckte der Hundesohn, der Haggertys Leben auslöschen wollte. John atmete mehrmals tief durch, ehe er die Winchester an Schulter und Wange preßte. Er fühlte heiße Wut in sich aufsteigen. Er war nun hundertprozentig davon überzeugt, in eine Falle gelockt worden zu sein. Haggerty feuerte. Er deckte den Halunken zwischen den Felsen mit so viel heißem Blei ein, daß diesem keine andere Wahl blieb, als das Feuer einzustellen und selbst in Deckung zu gehen. Natürlich war der erfahrene Kämpfer damit nicht zufrieden. Er verließ den Cottonwood mit einem mächtigen Satz und rannte auf eine Bodenmulde zu, die von Büschen gesäumt wurde. Es wurde sehr knapp für den mutigen Mann. Eine Kugel zupfte an seiner Schulterspitze und nahm nicht nur Stoffetzen mit. Ein anderes Geschoß streifte seinen Stiefelschaft und brachte John Haggerty beinahe zu Fall. Aufatmend landete der ehemalige Scout in der Vertiefung und schrammte sich seinen linken Ellenbogen an einem Stein auf. John Haggerty ignorierte den aufzuckenden Schmerz. Auch die Streifschußverletzung an seiner Schulterspitze machte sich bemerkbar. Feucht rann es über Johns Rücken. Der Bandit schoß erneut. Die Geschosse fetzten in das Blattwerk der Büsche. Blätter und Zweige rieselten auf Haggerty hernieder. Er saß in der Klemme und zwar bis über beide Ohren. Und John dachte daran, daß Cochise und Naiche nun eine leichte
Beute für eine gewissenlose Banditenbande in Tres Alamos werden könnte. * »Es geht schon«, stöhnte Poul Dragger, der noch immer auf dem Sofa im Sheriff-Office lag. Er wandte dem Bürgermeister von Tres Alamos das blutbesudelte Gesicht zu. Vorsichtig schob der angeblich Verwundete beide Beine über die Sofakante und stand langsam auf. »Danke, Mr. Harper, ich schaffe es schon allein bis zum Doc. Ich fühle mich ein wenig besser. Hoffentlich erwischt der Sheriff diese roten Bastarde.« Clark Harper sah den Verletzten ein wenig mißtrauisch an, als der Mann sich schwankend in Bewegung setzte. Poul Dragger lehnte weitere Hilfe ab und verließ das Office. Er taumelte auf das Haus des Arztes zu, bog aber vorher in eine Seitengasse. Der Bandit lief ganz normal weiter. Nichts mehr war von seiner vorgetäuschten Verletzung zu bemerken. Am Ende der Gasse wurde er von Ritchy Valentine erwartet, der seinem Kumpanen zugrinste und ihm auf die Schulter klopfte. »Ausgezeichnet gemacht, Poul, du hast deine Rolle mächtig gut gespielt. Dafür gibt es eine Extraprämie. Auch dieser Haggerty ist auf unseren Trick hereingefallen. Bestimmt hat ihn Sam Crown schon über den Jordan geschickt. Auf Sam ist Verlaß.« Der dürre Bandenboß lachte meckernd und hätte damit bestimmt jeden Ziegenbock verschreckt. »Wir warten noch eine Stunde, Jungs. Es wird bereits langsam dunkel. Vorher spendiere ich Freiwhisky, bis er allen wieder aus den Ohren herausläuft. Dann holen wir uns die beiden Apachen und hängen sie auf. Du solltest dich unsichtbar machen, Poul, damit nicht Harper Verdacht schöpft. Zieh dir andere Klamotten
an und laß dir den Arm verbinden. Es muß alles ein wenig echt aussehen.« Poul Dragger nickte grinsend. »Das wird ein Riesenfest, Boß«, freute er sich. »Ich kann es kaum erwarten, daß diese beiden roten Halunken baumeln. Es läuft alles nach Plan. Hast du schon einen unserer Jungs in Richtung Fort Bowie losgeschickt?« »Natürlich, Poul, in spätestens acht Tagen wimmelt es hier von Blauröcken, die ein Preisschießen auf die Rothäute veranstalten. Und in drei oder vier Wochen ist auch der letzte Apache aus diesem Gebiet verschwunden.« Der dürre Halunke rieb sich die Hände. Richy Valentine glaubte sich schon am Ziel seiner Wünsche. * Der Heckenschütze feuerte noch immer auf John Haggerty, der sich in der Bodenmulde mächtig klein machen mußte, um nichts von dem bleihaltigen Segen abzubekommen. Dich kriege ich, Freundchen, dachte Haggerty. So geht das nicht. Mich knallst du nicht wie einen Präriehasen ab. Der Bandit stellte nun das Feuer ein. Anscheinend hatte er das Magazin seiner Winchester leergeschossen. John Haggerty mußte nochmals alles auf eine Karte setzen. Er sprang auf, brach wie ein Büffelbulle durch die Büsche und lief los. Die ersten Yards klappte alles auch wie am Schnürchen, ehe das gegnerische Gewehr erneut zu hämmern begann. John Haggerty war nur noch wenige Schritte von einem Felsbrocken entfernt, der ihm als Deckung dienen sollte, als er einen grellen Schmerz an seinem Kopf spürte, der gleich darauf sein Bewußtsein von einer Sekunde zur anderen auslöschte. Der neue Sheriff von Tres Alamos brach zusammen, wurde aber vom eigenen Schwung nach vorn gerissen, als er stürzte. So rollte er hinter die Deckung, obwohl er bereits bewußtlos war.
John Haggerty blieb reglos liegen. Aus einer tiefen Schramme an seiner Stirn quoll Blut hervor und lief dem Bewußtlosen in den Hemdkragen. Die Winchester lag einige Yards entfernt. John Haggertys Gegner stellte das Feuer ein. Sam Crown war sich nicht sicher, ob er den Sheriff getroffen hatte, oder ob dieser nur bluffte. Der Bandit blieb noch einige Zeit hinter seiner Deckung geduckt stehen und überlegte, was er unternehmen sollte. Dann schlich er langsam los, schlug einen Bogen, um in Haggertys Rücken zu gelangen. Der Outlaw wollte unbedingt als Sieger den Ort des Kampfgeschehens verlassen. * John Haggertys Mund öffnete sich plötzlich. Ein heiseres Stöhnen brach von seinen Lippen. Sein Körper zuckte mehrmals, ehe der Sheriff von Tres Alamos die Augen aufschlug. Er hatte das Gefühl, sein Schädel würde jeden Augenblick auseinanderplatzen. Irgendein unsichtbarer Halunke mußte ihm mit einem Hammer alle Sekunde auf den Schädel schlagen. Der einstige Armee-Scout richtete sich nach Luft schnappend auf. Übelkeit kroch in seine Kehle. Haggerty mußte sich würgend übergeben. Nur langsam wurde es in seinem Kopf wieder klarer. John tastete mit der flachen Hand über die Streifschußwunde, die höllisch schmerzte und noch immer blutete. Der eisenharte Scout schüttelte benommen den Kopf. Er dachte an seinen Gegner und fühlte es heiß in sich aufsteigen. Bestimmt hatte der Halunke bemerkt, daß er von einer Kugel getroffen worden war. Und nun würde sich dieser verdammte Bastard bestimmt anschleichen, um ihm den Rest zu geben.
John Haggerty zog seinen Revolver. Er versuchte, den Schmerz zu verdrängen und wieder Herr seiner klaren Überlegungen zu werden. Er kroch zwischen die Felsen und lauschte. Irgendwo steckte der Heckenschütze. Bestimmt war er nicht geflohen, sondern schlich lautlos heran. Haggerty blickte verlangend auf seine Winchester, die jedoch unerreichbar für ihn war. Das Risiko, seine Deckung zu verlassen, konnte er nicht eingehen. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig auf den hinterhältigen Halunken zu lauern. John Haggerty streifte immer mehr seine Benommenheit ab. Er war nun einmal ein harter Mann, der schon einen Streifschuß wegstecken konnte. Trotzdem summte es noch immer in seinem Schädel, als habe sich ein Hornissenschwarm angesiedelt. Blut sickerte nach wie vor aus der Streifschußwunde. John Haggerty vernahm plötzlich schleichende Schritte, die hinter einigen Büschen erklangen. Er hielt seinen Revolver so fest, daß die Knöchel hell schimmerten. Er sah die Umrisse eines Mannes, der sich geduckt zwischen den Zweigen eines Manzanlitastrauches hervorschob. Für einen Moment starrten sich die beiden Gegner in die Augen. Sie feuerten fast gleichzeitig. Dicht neben Haggertys Kopf prallte die Kugel gegen den Felsen. Steinsplitter spritzten ihm ins Gesicht. Haggertys Kugel traf den Outlaw, der aufstöhnte und in das Dickicht zurückfiel. John quälte sich auf die Beine und schlich geduckt näher. Er vernahm das Brechen von dürren Ästen und die hastenden Schritte, die sich rasch entfernten. Der Sheriff von Tres Alamos lief so schnell er konnte, doch erst jetzt merkte er, wie ausgelaugt sein Körper war. Die Streifschußverletzung hatte doch mehr von seiner Substanz verbraucht, als Haggerty gedacht hatte.
Er sah den Banditen mit schwankenden Schritten hinter den Felsen verschwinden. Gleich darauf erklangen Hufschläge, die rasch leiser wurden. John Haggerty blieb mit keuchendem Atem stehen. Der Bandit war entwischt. John setzte sich, denn er fühlte, wie seine Knie nachgaben. Einige Minuten später zwang sich der eisenharte Kämpfer wieder auf die Beine. Er lief zu seinem Pferd, das in einer großen Blutlache lag. John zerrte Verbandszeug aus der Satteltasche und legte sich einen Notverband an. Heiß sengte die Sonne hernieder. Sie würde erst in wenigen Minuten hinter den Berggipfeln untergehen. John Haggerty starrte verbissen auf das Pferd. Seine Gedanken überschlugen sich. Er wußte nun endgültig, daß man ihm eine Falle gestellt hatte, um ihn auszuschalten. Nicht die Apachen waren die hundsgemeinen Verbrecher, sondern die Gefahr kam von einigen weißen Halunken, die in Tres Alamos zu Hause waren. Diese Erkenntnis nutzte dem einstigen Scout hier nicht viel. Er mußte unbedingt zurück. Cochises und Naiches Leben schwebten in tödlicher Gefahr. Die Outlaws würden nicht mehr zögern, die beiden Apachen aufzuhängen. John Haggertys Körper straffte sich. Er mußte nach Tres Alamos zurück. Vielleicht konnte er die Stadt noch rechtzeitig erreichen, um das schreckliche Geschehen zu verhindern. Haggerty marschierte los. Und ihm war jetzt schon klar, daß ein Höllenmarsch vor ihm lag. * Die Abenddämmerung senkte sich immer mehr auf Tres Alamos hernieder. Die Sonne war vor wenigen Minuten in einem feurigen Flammenmeer untergegangen.
In den beiden Saloons der Stadt ging es hoch her. Alkohol floß in Strömen. Kaum einer der Männer sagte nein, da es sich um Freiwhisky handelte. Richy Valentines Leute hetzten die Bürger der kleinen Town auf. Ihre Haßtiraden galten den beiden Indianern, die nur wenige Yards entfernt im Gefängnis saßen. Valentine sah immer zufriedener aus, je mehr die Zeiger der Uhr vorrückten. Er wußte, daß spätestens in einer halben Stunde die Männer den Punkt erreicht hatten, wo sie wie Wachs in seinen Händen waren. Poul Dragger schob sich neben seinen Boß und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Stimmenlärm im Saloon war so laut, daß man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Der Banditenboß nickte und folgte Dragger in einen angrenzenden Raum, wo der Lärm erträglicher war. »Sam Crown will dich sprechen, Boß. Er wartet im Hinterzimmer.« »Und?« Dragger zuckte mit den Achseln. »Sam ist verwundet, hat eine Kugel im linken Oberarm erwischt. Sonst scheint aber alles in Ordnung zu sein.« Richy Valentine wischte sich über die faltige Stirn, auf der sich Schweißperlen gebildet hatten. Er folgte seinem Banditenfreund. Dann stand er vor Sam Crown, der auf einem Stuhl saß und die rechte Hand auf die Schußverletzung preßte. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. Am Boden hatte sich eine Blutlache gebildet. »Hol Verbandszeug«, befahl Valentine. Poul Dragger verließ sporenklirrend das Hinterzimmer des Saloons. »Halb so schlimm, Boß«, seufzte Crown. »Es ist ein glatter Durchschuß. Ich habe nur viel Blut verloren.« Er lächelte, doch es wurde nur eine verzerrte Grimasse daraus. »Was ist mit diesem Haggerty?« fragte Richy Valentine. »Hast du den Kerl umgelegt?«
»Er ist ebenfalls verwundet, Boß. Ich glaubte, schon gesiegt zu haben, als er zurückschoß. Ich habe aber sein Pferd erwischt. Es wird Stunden dauern, bis er die Stadt erreicht. Dieser Haggerty ist angeschlagen und außerdem zu Fuß. Er wird uns vorläufig nicht stören. Außerdem kannst du ihm ja einige unserer Jungs entgegenschicken, die ihm den Rest geben. Ich bin abgehauen, weil ich heißes Blei eingefangen hatte. So sieht es aus, Boß.« Der dürre Banditenboß nickte mehrmals. »Okay, Sam«, sagte er. »Lieber wäre es mir natürlich gewesen, wenn dieser Haggerty über den Jordan gegangen wäre, doch das werden zwei meiner Jungs besorgen. Poul wird deine Wunde verbinden. Du solltest dich ausruhen. Wenn ich dich brauche, melde ich mich wieder.« Richy Valentine klopfte Sam Crown auf die Schulter und verließ das Nebenzimmer. Im Saloon ging es noch schlimmer zu. Viele der Bürger von Tres Alamos hatten inzwischen dem Alkohol so stark zugesprochen, daß sie schon sehr angetrunken wirkten. Einer von Valentines Leuten kletterte, auf ein Zeichen seines Bosses hin, auf einen Stuhl. Er benötigte einige Zeit, um sich gegen den Stimmenlärm durchzusetzen. Dann brüllte der Outlaw los: »Hört zu, Jungs. Wir holen uns nun diese beiden verdammten Bastarde und hängen sie auf. Das sind wir uns schuldig. Diese roten Halunken haben genug Blut über uns alle gebracht. Das Maß ist voll. Wir wollen unsere Rache. Folgt mir, Leute.« Er sprang vom Stuhl und nahm zwei Lassos von einem Tisch, die er triumphierend hochschwang. »Die Kerle sollen baumeln. Es wird zur Abschreckung dieser verdammten Apachenbrut geschehen. Dann sind wir die Indianer für immer los. Folgt mir, Freunde. Der Sheriff ist nicht in der Stadt und kann uns nicht aufhalten!« Der Outlaw lief los. Immer mehr Männer schlossen sich ihm
an und drängten lärmend auf die Straße. »Na also«, murmelte Valentine. »Das läuft alles nach Plan. Und nun schicke ich diesem Haggerty zwei meiner Leute entgegen, falls er wirklich noch in der Lage ist, in Richtung Tres Alamos zu marschieren. Ich habe alles im Griff. Nichts kann mehr schieflaufen.« * John Haggerty stapfte durch das öde und wüstenähnliche Land. Die Dunkelheit war angebrochen und erschwerte sein Vorwärtskommen. Fern funkelten die ersten Sterne. Die Mondscheibe hing wie ein Golddollar am nächtlichen Firmament und verbreitete milchigen Lichtschein. Ein Nachtfalke schoß wie ein Pfeil über Johns Kopf hinweg und verschwand in der Dunkelheit. Der Sheriff von Tres Alamos fühlte sich müde und ausgelaugt. Der Fußmarsch setzte ihm mehr zu, als er angenommen hatte. Noch immer schmerzte die Streifschußwunde höllisch. Tres Alamos mochte vielleicht noch zwei oder auch drei Meilen entfernt sein. John wußte es nicht genau. Er lief weiter, setzte Fuß vor Fuß und hatte das Gefühl, nicht vorwärtszukommen. Immer wieder dachte er an Cochise und Naiche und schimpfte sich selbst einen Narren, auf den hinterhältigen Trick des angeblich verwundeten Poul Dragger hereingefallen zu sein. John marschierte schneller. Seine Fußsohlen brannten. Die Reitstiefel mit den hohen Absätzen waren kaum dazu geeignet, einen längeren Fußmarsch zurückzulegen. Ein Absatz wackelte schon bedenklich und würde sich bestimmt bald ganz lösen. John Haggerty gab nicht auf. Er war nun einmal ein Mann, der sich erst mit dem letzten Atemzug geschlagen geben würde. Die Angst um seine beiden Apachenfreunde trieb den
großgewachsenen Kämpfer vorwärts. Nach einer weiteren Meile legte John eine Pause ein. Die Kopfschmerzen waren wieder stärker geworden. Der Stiefelabsatz wackelte inzwischen wie ein loser Zahn. John riß ihn ab und auch den Absatz des anderen Stiefels, ehe er seinen Trail fortsetzte. Er vernahm plötzlich Hufschläge, die Laut durch die Nacht hallten. Zwei Reiter näherten sich langsam. Mondlicht wurde auf den Läufen ihrer Gewehre reflektiert. John Haggerty duckte sich und beobachtete die beiden Männer, die gebeugt in den Sätteln saßen, die Tiere nun noch langsamer gehen ließen und sich immer wieder nach allen Seiten umsahen. Die Kerle suchen mich, dachte John Haggerty. Bestimmt ist der Outlaw, der aus dem Hinterhalt auf mich schoß, inzwischen in Tres Alamos angelangt und hat seinem Boß alles berichtet. Nun sollen diese beiden Burschen mir den Rest geben. John lächelte grimmig und zog seinen Revolver aus dem Halfter. Fest lag die Waffe in seiner Hand, während er sich noch tiefer hinter einem Salbeibusch duckte. Die beiden Banditen zügelten ihre Pferde. Wieder sahen sie sich um, konnten natürlich John Haggerty nicht entdecken, der hoffte, daß er sich in seinen Vermutungen nicht irrte. John brauchte aber ein Pferd, um so schnell wie möglich die Stadt zu erreichen. Langsam schlich er auf die beiden Reiter zu, die noch immer unschlüssig über das nächtliche Land blickten. * Der Stimmenlärm vor dem Gefängnis wurde immer lauter. Mehrere Dutzend Männer schrien sich die Kehlen heiser und verlangten den Tod der beiden Apachen. Steine flogen gegen die Seitenwand des Jails, wo sich die
Zellen befanden. Ein Steinbrocken segelte durch das vergitterte Fenster und verfehlte Cochises Kopf nur knapp. Naiche wandte sich mit blitzenden Augen an seinen Vater. »Du hast umsonst dem Falken vertraut«, klagte er. »Die Weißhäutigen werden uns töten, Vater.« Cochises Gesicht war ernst wie selten. Er war ein Mann, der seine Chancen immer richtig einschätzte. Und der Häuptling der Chiricahuas mußte sich eingestehen, daß sein Leben und auch das seines Sohnes nur noch an einem dünnen Faden hing. Noch lauter wurden die grölenden Stimmen. Eine Whiskyflasche zerbarst klirrend an der Hausmauer. »Der Falke wird uns nicht im Stich lassen, mein Sohn«, sagte der Häuptling der Apachen. »Ich habe sein Wort.« »Pah«, stieß Naiche hervor. »Auch der Falke ist nur ein Bleichgesicht, Vater. Er wird sich nicht gegen seine eigenen Rassegenossen stellen. Was will er allein gegen diese Vielzahl von Weißhäutigen unternehmen? Wir müssen sterben.« Cochise trat zu den Gitterstäben, die ihn von seinem Sohn trennten. Er sah Naiche lange an. »Wir müssen irgendwann alle einmal sterben, mein Sohn. Den einen trifft es früher, den anderen später. Diese Stadt und alle ihre Einwohner sind zum Tode verurteilt, wenn uns auch nur ein Haar gekrümmt wird. Unsere Stammesbrüder erfahren sehr rasch, was geschehen ist. Gut, mein Sohn, dann ist es für uns zu spät. Das willst du mir mit deinem Blick sagen. Ich vertraue aber fest auf den Falken. Er ist mein Freund. Wir haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt und oft Seite an Seite gekämpft. Das zählt und sonst nichts.« Cochise schwieg. Seine Worte sollten Naiche trösten, der nun langsam nickte. »Unsere Leben liegen in den Händen des Großen Geistes. Wenn er will, daß wir in die Ewigen Jagdgründe einkehren müssen, dann soll es geschehen.« Ehe Cochise etwas entgegnen konnte, wurde die Zellentür
aufgerissen. Clark Harper stolperte herein. Er hielt eine Parker Gun, eine Schrotflinte, in den Händen. Seine Nase wirkte noch röter als sonst. Die auf einem Stuhl stehende Kerosinlampe zauberte bizarre Flecken auf sein ansonsten bleiches Gesicht. Er blieb vor den Gitterstäben stehen. Rasselnd ging sein Atem. Der Bürgermeister von Tres Alamos bebte am ganzen Körper. Es dauerte einige Sekunden bis er verständliche Worte hervorbrachte. »Ihr sollt aufgehängt werden, Cochise. Ich kann es nicht verhindern, denn dann müßte ich auf meine eigenen Landsleute schießen. Das wirst du doch verstehen, Häuptling?« »Wo ist der Falke, den ihr Haggerty nennt?« Clark Harper zögerte. Angst funkelte in seinen Augen. Er preßte die Lippen so fest zusammen, daß sie an eine schlecht verheilte Narbe erinnerten. »Er ist fortgeritten«, quetschte er mühsam hervor. Cochise blickte das Bleichgesicht erstaunt an, zeigte aber sonst nichts von seinen Empfindungen, die durch seinen großgewachsenen Körper pulsierten. »Ist er vor dieser bösen Horde dort draußen geflohen?« gellte Naiches Stimme in die eingetretene Stille. Clark Harper schüttelte brummend den Kopf. »Nein, er ist hinter einigen Indianern her, die einen unserer Leute übel zugerichtet haben.« »Er ist geflohen«, schrie Naiche. »Beruhige dich, mein Sohn«, sagte Cochise gelassen. »Der Falke wird rechtzeitig zurückkehren.« Naiche senkte den Kopf. Er hatte die Zurechtweisung seines Vaters verstanden. An und für sich war es nicht Naiches Art, sich gehen zu lassen und Gefühle zu zeigen. Sonst war er ein mehr verschlossener junger Mann, der stets die Nerven behielt. Brettharte Schritte ertönten aus dem Office. Irgendein Gegenstand polterte zu Boden und zerbrach klirrend. Die
Schritte näherten sich rasch. Dann wurde die Tür zum Zellentrakt aufgerissen. Drei Männer versuchten gleichzeitig einzudringen und behinderten sich gegenseitig. Hinter ihnen drängten andere Männer nach, die losfluchten, als es ihnen nicht schnell genug vorwärtsging. Clark Harper hob seine Schrotflinte an und richtete sie auf die Männer, die erschrocken stehenblieben. Es nützte ihnen aber nichts, denn andere drängten nach. »Zurück, oder ich schieße«, brüllte der Bürgermeister von Tres Alamos mit sich überschlagender Stimme. »Zurück, sonst gibt es ein Blutbad. Die Parker Gun ist geladen!« Langsam legte sich der Stimmenlärm. Das Geschubse und das Gedränge hörte auf. Einer der Burschen trat einen Schritt auf Clark Harper zu. Das Gesicht des Town Mayors war schweißüberströmt. Seine Nase zuckte, als wäre sie zu einem eigenständigen Wesen geworden. Der Gewehrlauf bewegte sich hin und her. »Hör zu, Harper«, sagte der bärtige Mann, der zu Richy Valentines Leuten gehörte. »Nimm sofort die Bleispritze weg, sonst nehmen wir dich auseinander, daß du hinterher in keinen Kindersarg mehr paßt. Das geht dich überhaupt nichts an, Harper. Du bist nicht der Sheriff. Und mit diesem Haggerty wären wir auch zu Rande gekommen. Mach den Weg frei, sonst wird es ungemütlich.« Clark Harper gab auf. Er war noch nie ein mutiger Mann gewesen. Und gegen diese drohende Übermacht rechnete er sich keine Chance aus. Das verhängnisvolle Geschehen nahm seinen Lauf. * Victorio, der Häuptling der Mimbrenjo-Apachen, zügelte seinen Mustang. Die ihm folgenden Krieger, etwa fünfzig an der Zahl, folgten dem Beispiel ihres Chiefs.
Der ungefähr vierzigjährige Victorio blickte seine Krieger an und nickte dann. »Wir warten hier auf die tapferen Krieger der Chiricahuas. Gemeinsam wird es uns gelingen, Cochise und seinen Sohn aus den Händen der Weißhäutigen zu befreien.« Loco, einer der Unterhäuptlinge der Mimbrenjos, ritt zu Victorio und sagte: »Wollen wir nicht sofort weiterreiten? Wenn wir noch mehr Zeit verlieren, dann kann es für Cochise zu spät sein. Die Bleichgesichter kennen keine Gnade. Sie werden den Häuptling der Chiricahuas töten.« Victorio sah seinen Gefährten nachdenklich an. »Wir können die Wigwams der Hellhäutigen nicht vor dem Morgengrauen erreichen. Und dann müssen wir viele Krieger sein, um den Bleichgesichtern unsere geballte Macht zu zeigen. Nur so können wir sie einschüchtern und dazu zwingen, Cochise und Naiche freizulassen. Wir müssen drohen. Es nützt uns nichts, anzugreifen, denn sie würden Cochise töten, ehe wir ihn befreien könnten.« Locos breitflächiges Gesicht verzog sich mürrisch. Als er den abweisenden Blick seines Jefes sah, schwieg er. Bleiches Mondlicht sickerte vom Himmel. Irgendwo in der Ferne heulte ein Wüstenwolf. Ein anderer antwortete. Eine halbe Stunde später ertönten Hufschläge. Ein großer Reitertrupp schälte sich aus der Dunkelheit hervor. Es waren die Chiricahuas, auf die Victorio gewartet hatte. Auch sie hatten sich zu einer Streitmacht von über fünfzig Kriegern zusammengefunden. Ulzana, ebenfalls ein Unterhäuptling und als Weißenhasser bekannt, führte die Krieger an. Victorio und Ulzana begrüßten sich. Der Chiricahua-Apache sagte: »Ich grüße dich, Victorio, und danke dir, daß du mit deinen tapferen Kriegern meinem Ruf gefolgt bist. Laß uns weiterreiten bis zu den Häusern aus Stein, die von den Bleichgesichtern Tres Alamos genannt werden.« Befehle erklangen. Die Krieger der beiden Apachen-Stämme
ritten los. Eine gewaltige Staubwolke hing über den Reitern und zerfaserte nur träge im leichten Wind. Das Ziel der Apachen war Tres Alamos. Nach den Geschehnissen aber, die dort abliefen, würde jede rechtzeitige Hilfe zu spät kommen. * John Haggerty näherte sich den beiden Reitern bis auf wenige Schritte. Die beiden Banditen bemerkten die Anwesenheit des großgewachsenen Mannes nicht, obwohl sie sich immer wieder umsahen und nach ihm Ausschau hielten. Natürlich hatten die beiden Pferde die Witterung von John Haggerty aufgenommen. Sie spitzten die Ohren und schnaubten, doch ihre Reiter achteten nicht darauf. John Haggerty atmete mehrmals tief durch. Er fühlte sich noch lange nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Der Schmerz in seinem Schädel hämmerte noch immer. Die Übelkeit, die nach wie vor durch seinen Körper pulsierte, hatte ein wenig abgenommen. Der einstige Armee-Scout mußte alles auf eine Karte setzen. Ihm blieb keine andere Wahl. Geräuschlos huschte er hinter dem Salbeibusch hervor und richtete den Revolverlauf auf die beiden Reiter. »Hier bin ich, Jungs«, klang seine kalte Stimme auf. »Nun liegt es an euch, wie ihr es haben wollt!« Die beiden Outlaws erschraken. Für einen Moment starrten sie auf John Haggerty, als wäre ihnen ein Gespenst erschienen. Dann zuckten ihre Hände zu den Revolvergriffen. John schoß noch nicht, hoffte, daß die beiden Banditen Vernunft annehmen würden. Endlich wurden sich die Outlaws ihres Handelns bewußt. Sie ließen die Griffe der Colts los, als wären diese glühend heiß. Einer der Kerle stöhnte.
»Greift schon zu den Sternen, Leute. Und wenn ihr nochmals eine unvorsichtige Bewegung riskiert, pumpe ich euch mit heißem Blei voll. Mein Wort darauf!« Die Hände der beiden Männer glitten in Schulterhöhe. John Haggerty sah sich die beiden Halunken genau an. Es waren Männer, die bei dem Reitertrupp gewesen waren, die Cochise und Naiche in die Stadt geschleppt hatten. »Öffnet die Revolvergürtel, Jungs.« Die Banditen gehorchten. »So, und nun runter von den Pferden. Ich nehme die Tiere mit. Wenn ich euch einen guten Rat geben darf, dann laßt euch nicht mehr in Tres Alamos blicken, denn sonst wandert ihr ins Jail. Ihr habt großes Glück, daß ich keine Zeit habe, mich noch länger mit euch zu beschäftigen. Seid nur so klug und beherzigt meine Warnung.« Die Outlaws schwangen sich von den Pferderücken. Ihre finsteren Gesichter sprachen Bände. »Ab mit euch, Jungs. Marschiert mal schön dort auf die Felsen zu. Los, keine Müdigkeit vortäuschen.« Die beiden Kerle stiefelten los. John Haggerty hob die beiden Revolvergürtel auf und steckte sie in eine Satteltasche. Einen Colt schob er in den Hosenbund und zog sich in den Sattel. Er nahm das zweite Pferd am Zügel, blickte sich nochmals nach den Outlaws um und ritt los. Er vernahm nicht die Flüche der Halunken, die hinter ihm her schallten. * Clark Harper wankte zur Seite. Einer der lynchwütigen Männer entriß ihm die Schrotflinte. Von einem anderen erhielt er einen harten Rempler, der den Bürgermeister von Tres Alamos recht unsanft auf sein Sitzleder beförderte. Innerhalb von Sekunden war der Zellentrakt mit schreienden
und johlenden Männern überfüllt. Sie behinderten sich gegenseitig und drängten zu den Gitterkäfigen. Cochises und Naiches Gesichter wirkten wie versteinert. Ihre Augen waren verächtlich auf den kreischenden Mob gerichtet, der meilenweit gegen den Wind nach Whisky stank. »Die Schlüssel, verdammt, wo sind die Zellenschlüssel?« kreischte einer der Kerle. Seine Blicke suchten den Bürgermeister, der auf allen vieren in Richtung Officetür kroch und zu entkommen versuchte. Schließlich entdeckte ihn einer der Männer, packte den aufschreienden Mann am Jackenkragen und riß ihn hoch. Harper händigte die Schlüssel aus und verließ zitternd den Ort seiner Niederlage. Sekunden später sprangen die Gittertüren auf. Je zwei Männer drangen in eine Zelle ein. Obwohl Cochise und Naiche sich keine Chancen ausrechneten, gegen die aufgebrachten Bürger von Tres Alamos bestehen zu können, setzten sie sich zur Wehr. Die beiden Apachen kämpften wie wütende Pumas, die ihre Jungen verteidigten. Sie schickten einige der Bleichgesichter zu Boden, ehe sie selbst niedergekämpft wurden. Cochise und Naiche wurden brutal die Hände auf den Rücken gefesselt. Sie mußten eine Menge Hiebe einstecken, denn die Weißen gerieten immer mehr außer Rand und Band. Mit Triumphgeheul schleppte man die beiden Gefangenen ins Freie. Draußen vor dem Office brannten zwei Teerfässer. Der flackernde Lichtschein erhellte gespenstisch die Szenerie. Wütendes Gebrüll empfing die Apachen. Cochise und Naiche trugen die Köpfe stolz emporgereckt. Niemand ahnte, was in ihnen vorging. Langsam legte sich der Lärm. Sogar einige Frauen konnte man nun zwischen den angetrunkenen Männern sehen. Auch sie wollten sich das bevorstehende Schauspiel nicht entgehen lassen. Eine Gasse öffnete sich zwischen den vielen Menschen. Richy
Valentine stakte heran. Es war sein großer Auftritt, und es war genauso, wie es der hinterhältige Halunke geplant hatte. Er trat vor die Indianer und blickte ihnen höhnisch in die starren Gesichter. Dann hob Valentine beide Arme in die Höhe. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis eine fast unheimlich wirkende Stille eintrat. Er wandte sich der Mauer aus Körpern und Gesichtern zu. Er sah weit aufgerissene Augenpaare und geöffnete Münder. »Männer von Tres Alamos«, rief Richy Valentine pathetisch. Noch immer hielt er beide Arme wie ein Prediger nach oben gereckt. »Hört mir zu, meine Freunde.« Valentine senkte langsam die Arme und stemmte sie herausfordernd in die Hüften. »Der Tag der Rache ist gekommen. Viele unserer Mitbürger mußten unter dem Terror der Apachen leiden. Einige starben, andere wurden schwer verwundet. Nun ist die Stunde der Abrechnung für uns da. Diese beiden roten Bastarde konnten wir gefangennehmen. Und sie werden stellvertretend für die anderen roten Teufel büßen müssen. Wir hängen sie auf. Seid ihr alle damit einverstanden?« Die Menschenmenge stimmte begeistert zu. Wieder tobte ein ohrenbetörender Lärm los. Es gab keinen Zweifel, die Bürger von Tres Alamos wollten den Tod der beiden Indianer, von denen sie glaubten, daß sie an dem Terror der letzten Tage und Wochen beteiligt waren. Richy Valentine wandte sich zufrieden lächelnd den Apachen zu, die unbeweglich wie Statuen dastanden. Sie wurden von einigen grimmig blickenden Mannen flankiert, die zu Valentines rauher Horde gehören, Revolver und Gewehre waren auf Cochise und Naiche gerichtet. Nun glaubte sogar Cochise, daß es keinen Ausweg mehr aus dieser bedrohlichen Lage geben konnte. »Ihr habt das Urteil des weißen Mannes gehört, Apachen«,
rief Richy Valentine, nachdem sich der Lärm ein wenig gelegt hatte. »Es gibt keine Gnade für euch Bestien, denn auch ihr kanntet keine Gnade, als ihr unsere Mitbürger gnadenlos umgebracht habt.« Cochise schien aus seiner Erstarrung zu erwachen. Fest blickte er den dürren Mann an, ehe er fast traurig den Kopf schüttelte. »Du irrst, weißer Mann, der du dich zum Sprecher dieser Bleichgesichter gemacht hast. Es waren nicht die Apachen, die deine weißen Vettern getötet haben. Ich muß es wissen, denn ich bin Cochise, der Häuptling der Apachen!« Nun herrschte wieder diese erdrückende Stille. Die Bürger von Tres Alamos schwiegen und starrten Cochise wie ein Wundertier an. Natürlich hatten sie schon alle von dem legendären Indianerhäuptling gehört. Sein Name war in aller Munde. Und es waren nicht gerade »Gutenachtgeschichten«, die man sich von ihm erzählte. Richy Valentine blickte den Apachen-Chief ebenso staunend an, ehe er noch spöttischer zu grinsen begann. »Cochise«, murmelte er. »Den großen Häuptling der Apachen haben meine Leute geschnappt.« Sein Lächeln verstärkte sich. Besser kann es überhaupt nicht klappen, dachte der Banditenboß. Wenn Cochise stirbt, wird das Land in Aufruhr geraten. Die Armee muß eingreifen. Sie hat keine andere Wahl. Und die Blaubäuche jagen die Rothäute weit nach Norden. Valentine drehte sich seinen Mitbürgern zu. Wieder breitete er beide Arme aus. »Dieser Mann behauptet, Cochise zu sein, Männer und Frauen von Tres Alamos. Das sind große Worte. Ich kenne den Apachen-King nicht persönlich. Hat schon jemand von euch seine Bekanntschaft gemacht?« Richy Valentines Blick glitt über die vielen Frauen und
Männer. Die meisten von ihnen schüttelten die Köpfe. Der dürre Banditenboß fuhr fort: »Dieser Mann lügt, Leute. Er gibt sich als Cochise aus, nur damit wir davor zurückschrecken, ihn aufzuhängen. Wir fallen aber nicht auf diesen Bluff herein. Sollte es aber wirklich Cochise sein, dann trifft unsere Rache genau den Richtigen. Cochise ist es, der die Befehle gab, unsere Mitbürger zu töten.« Das Stimmengemurmel schwoll wieder an. Bald erfüllte tosender Lärm die Main Street. Cochise sah ein, daß auch sein letzter Trumpf nicht gestochen hatte. Diese aufgewiegelte Menschenmenge wollte ihre Rache. Nichts konnte sie davon abbringen. »Bringt die beiden Bastarde rüber zur alten Eiche. Die beiden Lassos baumelten schon. Wir vollstrecken das Urteil, das die Bürger von Tres Alamos gefällt haben!« So rief Richy Valentine und blickte dabei die beiden Apachen voller Spott an. * John Haggerty atmete auf, als er die ersten Lichter von Tres Alamos in der Ferne sah. Er trieb nochmals sein Pferd an. Das andere Tier hatte er längst freigelassen. Bestimmt würde es den Weg zum heimischen Stall allein finden. Der frühere Armee-Scout ließ es langsamer angehen, als er sich den Häusern der Stadt bis auf eine Steinwurfweite genähert hatte. Immerhin bestand die Möglichkeit, daß noch einige Burschen aus Richy Valentines rauhem Rudel vor der Stadt lauerten. John sprang aus dem Sattel und ließ sein Pferd hinter einigen Büschen zurück. Bald erreichte er die ersten Häuser. Er lauschte und vernahm brodelnden Stimmenlärm, Schreie und Rufe. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein. Das aber konnte nur bedeuten, daß Cochise und Naiche in diesen Minuten
hängen sollten. Haggerty fühlte Erleichterung durch seinen Körper pulsieren. Es sah so aus, als wäre er nicht zu spät angelangt, um seine Freunde retten zu können. Er schlich weiter auf den Lärm zu, der immer stärker wurde, je mehr John Haggerty sich dem kleinen Marktplatz der Stadt näherte. Der neue Sheriff von Tres Alamos zuckte zusammen, als er plötzlich einen dunklen Schatten aus einer Seitengasse auftauchen sah. Haggerty riß seinen Revolver hoch. Im letzten Moment erkannte er Clark Harper, der erschrocken beide Arme in die Höhe riß. Der Bürgermeister von Tres Alamos lehnte sich zitternd gegen die Hauswand. John trat zu ihm. »Endlich, Haggerty«, krächzte Harper. »Endlich. Ich habe hier auf Sie gewartet, denn ich konnte mich nicht behaupten. Die ganze Stadt war gegen mich. Sie haben die beiden Apachen aus den Zellenkäfigen geholt, um sie aufzuhängen. Noch ist es nicht zu spät, John. Es kann aber Ihr Leben kosten, denn die Bürger von Tres Alamos wissen nicht mehr was sie tun. So habe ich die Leute noch nie gesehen. Sie gleichen reißenden Bestien, die Blut sehen wollen.« Clark Harper atmete tief durch. Sein Gesicht erinnerte an einen hellen Fleck in der Dunkelheit. Der Town Mayor griff neben sich und packte eine Schrotflinte, die er dem Sheriff reichte. »Nehmen Sie, John. Vielleicht gelingt es Ihnen, sich mit der Parker Gun durchzusetzen. Ich komme mit, obwohl ich Angst habe. Das ist die Wahrheit. Dieser Tag ist der schrecklichste in meinem Leben. Ich besitze ebenfalls eine Schrotflinte. Vielleicht gelingt es uns, Valentine aufzuhalten. Er ist der Anführer der Lyncher.« Diese Worte sprudelten immer schneller aus dem Mund von Clark Harper hervor. Er bückte sich und hob eine weitere Parker
Gun auf. »Es war nichts anderes als eine Falle, Clark«, sagte John Haggerty. »Dragger lockte mich von Tres Alamos fort und ein anderer Halunke legte mir einen Hinterhalt. Nur mit viel Glück und Zufall bin ich dem Sensenmann entgangen.« John Haggerty tastete über seinen durchbluteten Kopfverband. Er fühlte die Schmerzen, zwang sich aber dazu, sie einfach zu ignorieren. Er sah Clark Harper nicken. »Dieser Poul Dragger war überhaupt nicht verletzt, John. Ich wollte ihn zum Doc bringen, doch er ließ es nicht zu. Der Halunke ist nicht bei George Henderson gewesen. Nun glaube ich auch daran, daß Valentine hinter allem steckt. Wir müssen ihn aufhalten!« John Haggerty lächelte verbissen. »Das habe ich vor, Clark, und wenn es mich mein eigenes Leben kostet. Ich muß Cochise und Naiche vor dem Hängen retten!« * Auch neben einer mächtigen, alten Eiche brannten zwei Teerfässer. Ihr Lichtschein geisterte über die versammelte Menschenmenge, die den Baum umringte. Zwei Lassos hingen von einem starken Ast herunter und pendelten im leichten Wind hin und her. Valentine-Männer hoben Cochise und Naiche in die Sättel zweier Pferde. Über ein Dutzend Revolver waren auf die beiden Chiricahua-Apachen gerichtet, die nun alles in stoischer Ruhe über sich ergehen ließen, als ginge sie das alles nichts an. Valentine führte die beiden Pferde persönlich unter die baumelnden Lassos. Einer seiner Männer streifte dem Apachen-Häuptling und Naiche die Schlingen über die Köpfe. Nun genügte ein einziger Schlag auf die Hinterhand der Pferde, um das Lynchurteil zu vollstrecken.
Richy Valentine trat zurück. »Es ist soweit, Leute«, verkündete er »Wir hängen diese beiden Bastarde, damit die Indianer zur Räson gebracht werden und uns in Zukunft in Frieden leben lassen.« Er starrte zu Cochise und Naiche hinüber, die regungslos auf den Pferderücken saßen. Die Tiere schnaubten, wieherten und tänzelten. Die vielen Menschen machten sie nervös. Die Lassoschlingen zogen sich immer mehr zusammen. Die beiden Chiricahua-Apachen rangen nach Luft. Ihre Gesichter verzerrten sich immer mehr. Richy Valentine nickte zweien seiner Männer zu, die zu den Pferden traten, dabei grinsten, als wäre es ein riesiger Spaß, zwei Menschen vom Leben zum Tod zu befördern. »Stopp!« Die harte Stimme peitschte durch die Stille. Ein Mann bahnte sich ohne jegliche Rücksicht einen Weg durch die Menschenmenge. Ein zweiter folgte ihm. Richy Valentines Augenlider begannen zu zucken. Ein verkniffener Zug legte sich um seine Mundwinkel. Er nickte seinen beiden Männern zu, die aber zum Glück nicht reagierten, sondern auf den Sheriff blickten, der nun die letzten Bürger von Tres Alamos zur Seite gestoßen hatte. John Haggerty richtete die Läufe seiner zweischüssigen Schrotflinte auf Valentine, der erschrocken einen Schritt zurückwich und den Sternträger wie ein Gespenst anstarrte. Der Banditenboß hatte mit allem gerechnet, nur nicht John Haggerty zu sehen. »Wenn du dich bewegst, Valentine, schieß ich dich in zwei Stücke«, stieß John Haggerty klirrend hervor. »Das gilt auch für alle anderen. Die Schrotflinten sind geladen. Harper und ich werden noch immer abdrücken können. Was dann geschieht, könnt ihr euch leicht ausrechnen. Also bleibt friedlich, Leute!« Valentine steckte den ersten Schock schnell weg. Er schüttelte den Kopf.
»Sie sollten verschwinden, Haggerty«, rief er. »Das hier ist die Angelegenheit der Bürger von Tres Alamos und geht Sie nicht die Bohne etwas an.« »Ich bin der Sheriff dieser Stadt und lasse es nicht zu, daß diese beiden Unschuldigen gehängt werden. Wißt ihr überhaupt, wer die Apachen sind?« Cochise blickte zu seinem Freund herüber. John erkannte die Erleichterung in den Augen des Apachen-Kings, der vor wenigen Sekunden bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte. »Das sind Cochise und sein Sohn Naiche, Leute«, setzte der Sheriff seine Rede fort. »Wißt ihr was es bedeutet, diese beiden Indianer zu töten? Anscheinend nicht, sonst würdet ihr nicht so handeln. Die Apachen würden diese Stadt dem Erdboden gleichmachen. Keiner von euch könnte diesem Massaker entkommen. Was seid ihr alle nur für hirnlose Dummköpfe, um auf einen solch schmutzigen Plan hereinzufallen, den dieser Halunke von Valentine ausgebrütet hat.« Der Banditenboß lief einige Schritte rückwärts. John richtete die Parker Gun auf den Outlaw, der sofort stehenblieb. »Hört nicht auf diesen Verrückten, Leute«, schrie Richy Valentine. Seine Stimme überschlug sich. »Er will nur diese beiden roten Verbrecher retten, denn er ist nichts anderes als ein verdammter Indianerfreund.« »Du bist verhaftet, Valentine. Und deine Leute hole ich mir anschließend.« John nickte Harper zu. »Löse die Stricke von Cochise und Naiche. Und ihr solltet ganz schnell verschwinden, sonst wird das alles noch ein mächtig schlimmes Nachspiel haben. Was seid ihr nur für Narren. Ein wenig Whisky genügt wohl, um aus ehrbaren Bürgern reißende Bestien zu machen!« Einige Männer blickten schuldbewußt zu Boden, andere starrten den neuen Sheriff abweisend an. Harper nahm Cochise und Naiche die Schlingen ab. Die
beiden Kerle, die neben den Pferden gestanden hatten, verschwanden in der Menschenmenge, die sich immer mehr auflöste. Die meisten Männer und Frauen strebten zu ihren Behausungen, andere stiefelten zu den Saloons, um sich erst einmal einen Drink durch die Kehle zu jagen. Clark Harper blickte John Haggerty ungläubig an. Ihm wollte nicht in den Kopf, daß diesem das gelungen war, woran er noch vor einer halben Stunde gescheitert war. »Hiergeblieben, Valentine«, schnappte Haggertys Stimme, als der dürre Halunke abhauen wollte. »Wie ich schon sagte, du bist verhaftet. Ich bin schneller hinter deine Schliche gekommen, als du ahnen konntest. Dein teuflisches Spiel ist vorbei!« Richy Valentine blieb stehen. »Das wirst du büßen, Haggerty«, drohte er. »Warum nimmst du mich fest? Ich bin nicht der einzige Bürger der Stadt gewesen, der die Rothäute hängen wollte.« »Das stimmt, Valentine, doch du hast alles in Gang gebracht. Dein Plan ist gescheitert. Ihr solltet von den Pferden steigen«, sagte John zu Cochise und Naiche. »Ihr folgt mir ins Office. Und du auch«, fauchte er Valentine an, der sich immer wieder umsah, und auf eine Chance hoffte, Haggerty entwischen zu können. * Der Überfall, nur wenige Schritte vom Sheriff-Office entfernt, überraschte John Haggerty und Clark Harper. Drei Männer sprangen aus einer dunklen Seitengasse hervor, stürzten sich auf Haggerty und Clark Harper und brachten diese zu Fall. Die Schrotflinten polterten zu Boden, noch ehe John und der Bürgermeister schießen konnten. Es ging alles sehr rasch. Als sich Haggerty und Harper erhoben, waren die drei
Angreifer und natürlich auch Valentine verschwunden. Die hämmernden Schritte verklangen. Harper fluchte, während der einstige Chiefscout ein düsteres Gesicht zog. Die Streifschußverletzung am Kopf schmerzte wieder stärker. Ein flaues Gefühl in den Beinen ließ den ansonsten so harten Mann leicht einknicken. »Wir konnten nicht eingreifen, denn unsere Hände sind noch immer gefesselt«, sagte Cochise leise. »Schon gut«, Haggerty winkte ab. »Dieser Valentine wird mir nicht entwischen. Ich kaufe mir den Burschen und auch sein rauhes Rudel. Zuerst aber muß der Doc nach meiner Verletzung sehen und mir irgendein Mittel geben, damit ich mich wieder fit fühle.« Sie betraten das Office. Während Harper den Arzt holte, löste John die Handfesseln von Cochise und Naiche. »Ich danke dir, Falke«, sagte der Häuptling der Chiricahua-Apachen. »Cochise und Naiche stehen tief in deiner Schuld. Wir werden deine mutige Tat niemals vergessen.« Naiche blickte John Haggerty lange an. Alle Zweifel waren aus seinen Augen verschwunden. »Auch Naiche dankt dir, Falke. Er wird sein Leben für das deine geben, sollte es nötig sein.« John Haggerty lächelte sanft, obwohl die Schmerzen in seinem Kopf schlimm wüteten. »Ich tat nur meine Pflicht, meine Freunde. Diese Bleichgesichter dort draußen waren verblendet und standen unter dem Einfluß eines bösen Mannes.« Cochise stimmte zu. Er sagte: »Dieses dürre Bleichgesicht muß selbst hinter den Überfällen stecken. Kein Apache hat es getan. Wir respektierten seit langer Zeit die Bewohner dieser Stadt, da sie uns nicht feindselig gesinnt waren. Kannst du mir sagen, was dieser dürre Weißhäutige mit allem bezweckt?« »Eine gute Frage, Cochise. Ich möchte dir aber auch eine Frage stellen: Gibt es in der Nähe von Tres Alamos eine
Goldmine, die vor Jahren von weißen Männern entdeckt wurde? Die Bleichgesichter wurden von den Apachen bis auf wenige getötet.« »So ist es, Falke. Es gibt diese Mine. Dort ist ein heiliger Ort der Indianer. Nicht nur für Apachen, sondern auch für andere Stämme. Keiner der Hellhäutigen darf ihn betreten.« In Cochises Gesicht arbeitete es. Und es erstaunte John Haggrety doch ein wenig, wie haarscharf der Häuptling der Apachen die Zusammenhänge erkannte. »Nun verstehe ich, Falke. Dieser dürre Mann ließ von eigenen Leuten die Überfälle ausführen. Er will, daß die Blauröcke kommen und die Apachen für etwas bestrafen, was sie nicht getan haben. Das aber würde einen neuen Krieg zwischen den Weißhäutigen und dem roten Mann auslösen. Dieses dürre Bleichgesicht rechnet damit, daß alle Indianer vertrieben werden, und er in Ruhe das Gold abbauen kann.« »Du hast es richtig erkannt, Cochise.« John blickte auf, als sich die Tür zum Office öffnete. Er senkte den Lauf der Parker Gun, als er Clark Harper und den kleingewachsenen Arzt George Henderson erkannte, der schwer an einer schwarzen Tasche schleppte. Doc Henderson warf einen scheuen Blick auf die beiden Apachen und trat zu dem verwundeten John Haggerty. Der Bürgermeister von Tres Alamos fragte: »Warum haben Sie die Indianer nicht wieder eingesperrt?« »Es wird nicht mehr nötig sein, Clark. Wenn ich Ihnen die Zusammenhänge später erkläre, bleibt Ihnen keine andere Wahl, als mir zuzustimmen.« »Okay, John, Sie haben mein vollstes Vertrauen. Ich will mal drüben im Restaurant nachsehen, ob ich etwas zu essen auftreibe. Wir alle haben Hunger, nicht wahr?« Er blickte die beiden Apachen forschend an, die seit ihrer Gefangenschaft nichts zu essen erhalten hatten. »Bringen Sie nur reichlich mit, Clark, auch Cochise und
Naiche werden tüchtig zulangen.« »Nun halten Sie doch endlich mal still«, brummte der Doc. »Ich will mir die Streifschußwunde ansehen.« John Haggerty ergab sich in sein Schicksal und zuckte mit keiner Wimper, als Doc Henderson den blutigen Verband löste. Der Arzt sagte kopfschüttelnd: »Sie haben einen Eisenschädel, Mr. Haggerty. Eigentlich müßten Sie längst flach liegen. Bestimmt haben Sie eine Gehirnerschütterung.« John Haggerty lächelte nur. »Ich wüßte nicht, was es bei mir zu erschüttern gäbe«, antwortete er scherzend. * »So ist die Lage der Dinge, Clark. Die Apachen sind unschuldig. Cochise und Naiche hielten sich nur in der Nähe von Tres Alamos auf, da sie von den Überfällen gehört hatten und die wahren Täter finden wollten.« Der Bürgermeister blickte sichtlich erschüttert zu Boden. Nun begriff auch er das höllische Spiel, das Richy Valentine mit seinen Spießgesellen seit Wochen inszenierte. John Haggerty stülpte sich seinen Stetson auf den bandagierten Schädel und verzog das Gesicht. Er griff die Parker Gun und nickte Clark Harper zu. »Ich versuche Richy Valentine zu finden. Und natürlich auch diesen Poul Dragger und den anderen Halunken namens Sam Crown. Vielleicht sind die Kerle irgendwo untergekrochen.« »Soll ich Sie begleiten?« fragte der Bürgermeister halbherzig. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, wünschte er sich alles andere, als mit John die Stadt nach den Banditen abzusuchen. »Natürlich nicht, Clark. Sie bleiben hier bei Cochise und Naiche und leisten ihnen Gesellschaft. Es ist meine Pflicht und Aufgabe als Sheriff dieser Stadt für Recht und Ordnung zu
sorgen.« John Haggerty trat ans Fenster. Dunkelheit lag über Tres Alamos. Im Osten aber zeigten sich schon die ersten hellen Schimmer des neuen Tages. Die Main Street lag wie ausgestorben vor John, als er das Office verließ. Sein erstes Ziel war Valentines Saloon. Alle Türen waren verschlossen. Dem Sheriff blieb keine andere Wahl, als sich mit Gewalt Einlaß zu verschaffen, da auf sein Klopfen niemand öffnete. Der Saloon war menschenleer, auch in den anderen Räumen war von Valentine und seinen Kumpanen nichts zu sehen. Irgendwie hatte John Haggerty auch nicht damit gerechnet, den Banditenboß hier zu finden. Im General Store, der auch Richy Valentine gehörte, sah es nicht anders aus. Johns nächster Weg führte zu Doc Henderson und dem verwundeten und bettlägrigen Nat Baxter. Der kranke Gesetzeshüter mußte von dem Arzt alles erfahren haben, denn er gratulierte dem früheren Chiefscout zu seinem Erfolg. »Gut, dich zu sehen, John«, fuhr er fort. »Du suchst bestimmt Valentine wie eine Stecknadel. Ich will dir einen Tip geben, alter Junge. Eine Meile von hier entfernt, und zwar in nördlicher Richtung, liegt ein kleines Tal mit einer Blockhütte. Ich habe es durch Zufall entdeckt. Kaum jemand weiß, daß die Hütte Valentine gehört. Er wird sich dorthin zurückgezogen haben. Ich beschreibe dir genau den Weg. Vielleicht kannst du den Burschen dort aufstöbern.« Das war mehr, als John zu erhoffen gewagt hatte. Nachdem er den genauen Weg erfahren hatte, verließ er das Haus des Arztes und stiefelte zum Office hinüber. John berichtete von dem kleinen Tal. Clark Harper hatte davon noch nichts gehört. »Ich reite hin«, sagte Haggerty. Sein Blick suchte den von Cochise, der seinem Freund zunickte.
»Cochise und Naiche begleiten dich, Falke. Wir wollen dieses dürre Bleichgesicht einfangen, das so viel Unglück über die Apachen brachte. Du darfst die Bitte von Cochise nicht abschlagen.« »Einverstanden, Cochise. Ich kann zwei mutige und tapfere Männer an meiner Seite gebrauchen.« Draußen wurde es immer heller. Erste Lichtexplosionen im Osten zauberten Flammenzeichen in das Grau des Himmels. Hastende Schritte hämmerten auf der Straße. Schreie ertönten, die von panischer Angst zeugten. John Haggerty und Clark Harper verließen das Office. Cochise und Naiche folgten ihnen. Zwei Männer rannten aufgeregt gestikulierend näher. Sie schrien aus Leibeskräften. Fenster öffneten sich. Verschlafen wirkende Gesichter spähten ins Freie. »Indianer«, schrie einer der Männer. »Dort drüben. Es sind mehr als hundert. Sie wollen die Stadt angreifen. Wir sind verloren.« * Es war ein beeindruckendes Bild, das sich John Haggerty und den Bürgern von Tres Alamos bot. Die meisten Einwohner waren nur notdürftig bekleidet, doch fast alle hielten Gewehre oder Revolver in den Händen. Sie blickten auf einen Hügel dicht vor der Stadt, auf dem sich über hundert Reiter zu einer Schützenkette formiert hatten. Apachen! Bunter Zierat flatterte im Wind. In heidnischer Pracht saßen die Indianer auf ihren ungesattelten Mustangs. Sie hielten Speere und Tomahawks in den Händen. Viele Rothäute verfügten über moderne Gewehre, deren Läufe unter den Strahlen der aufgehenden Sonne funkelten. Stille herrschte im weiten Rund.
Angst fraß sich in die Gesichter der Menschen. Eine schon ältere Frau drückte ein kleines Mädchen fest an sich. Ein Kind weinte und wurde von der zittrigen Stimme der Mutter beruhigt. Einige Männer fluchten, versuchten so, ihre Nervosität und Angst abzureagieren. »Sie werden über uns herfallen und uns alle töten«, stöhnte einer der Männer. »Nun ist es soweit.« Die Einwohner von Tres Alamos blickten John Haggerty ängstlich an. »Das wäre geschehen, wenn ihr Cochise und seinen Sohn Naiche aufgehängt hättet«, sagte Haggerty ernst. »So aber wird der Häuptling der Apachen mit den Kriegern reden und um Gnade für uns alle bitten.« Cochise trat neben Haggerty. Sein Blick war voller Stolz auf seine Krieger gerichtet, die noch immer unbeweglich auf den Pferderücken verharrten. Der Häuptling sagte nichts. Er blickte nur die Bürger und Bürgerinnen von Tres Alamos ernst an. Viele von ihnen senkten die Köpfe, konnten dem Blick des Indianer-Chiefs nicht standhalten. Es war Clark Harper, der zu Cochise lief und vor ihm stehenblieb. Der Bürgermeister räusperte sich. Ein dicker Kloß schien in seiner Kehle zu stecken. »Werden Sie uns helfen, Häuptling?« fragte er heiser. »Sie und Ihr Sohn sind inzwischen wieder frei. Niemand hält Sie hier zurück. Bitte, zeigen Sie Nachsicht mit uns. Das Blutbad würde zu groß werden, wenn die Krieger angreifen. Das muß verhindert werden.« Harper schwieg und zupfte an seiner Nase, die wieder einmal an eine prächtige Erdbeere erinnerte. Er blickte den Häuptling der Apachen beschwörend an. »Vergeben Sie den Bürgern dieser Stadt, Cochise. Die meisten von ihnen waren verblendet und bereuen längst, sich so …«
Der Bürgermeister suchte nach Worten und atmete auf, als Cochise abwinkte. »Ich werde mit den Häuptlingen der Krieger sprechen, weißer Mann«, sagte Cochise. »Meine Leute sind nur gekommen, um mich und meinen Sohn zu befreien. Es soll euch allen eine Warnung sein. Viel Zwietracht wurde in alle Herzen gesät. Cochise hofft, daß der Frieden wieder in dieses Land einkehrt.« Clark Harper atmete auf, nicht nur er, sondern auch viele andere Weißen, die sich um den Indianer-Chief drängten. Cochise fuhr fort: »Was geschehen ist, läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Dieser tapfere Mann, den wir den Falken nennen und den ihr Haggerty nennt, hat durch sein mutiges Eingreifen diese Stadt vor der Vernichtung bewahrt. Ihr Bleichgesichter solltet in Zukunft nicht zu voreilig handeln, denn der Haß dieser Stadt auf die Apachen ist groß, obwohl sich kein Chiricahua oder Mimbrenjo je feindlich den Bürgern dieser Stadt genähert hat. Cochise und der Falke werden die weißen Männer zur Rechenschaft ziehen, die die Herzen ihrer weißen Vettern vergiftet haben.« Clark Harper wischte sich über sein schweißglänzendes Gesicht. Nicht nur in seinen Augen zeigte sich Erleichterung. Die meisten Männer entspannten sich und senkten die Läufe ihrer Gewehre. Cochise nickte seinem Sohn zu. »Laß uns gehen, Sohn, wir wollen mit unseren tapferen Kriegern reden, damit dieses Unheil nicht über den weißen Mann hereinbricht. Die weißen Banditen hätten dann ihr Ziel erreicht, und die Pferdesoldaten würden über die Apachen herfallen.« Naiche trat zu seinem Vater, der sich nochmals zu John Haggerty umwandte. »Cochise und Naiche kehren zu dir zurück. Wir wollen gemeinsam dieses dürre Bleichgesicht fangen.« Der einstige Scout nickte lächelnd.
»Ich werde alles vorbereiten, Häuptling. Sprich du mit deinen Kriegern und schicke sie zu ihren Apacherias zurück. Wir werden Richy Valentine und seine Leute finden und zur Rechenschaft ziehen. Sie werden für ihre Taten büßen müssen.« Cochise und Naiche setzten sich in Bewegung und liefen auf die Indianer zu, die noch immer ihre Pferde verhielten und wie eine unheilvolle Drohung im Dämmerlicht des beginnenden Tages wirkten. Zwei Reiter lösten sich aus der Phalanx der Apachen und ritten auf Cochise und Naiche zu. Es handelte sich um Victorio und Ulzana, die wenige Yards vor dem Häuptling und seinem Sohn ihre Mustangs zügelten und von den Pferderücken glitten. Cochise sah Erleichterung auf den Gesichtern der beiden Häuptlinge, die vor ihm stehenblieben und ihm die Innenseiten der Hände zur Begrüßung zeigten. »Cochise und Naiche danken den tapferen und mutigen Kriegern der Chiricahuas und der Mimbrenjos. Sie sind schnell wie der Wind zur Stelle gewesen. Sie konnten nicht ahnen, daß Cochise und sein Sohn inzwischen wieder frei sind. Die Bleichgesichter haben den Irrtum eingesehen und inzwischen zugegeben, einen Fehler gemacht zu haben. Cochise bittet die Krieger zu ihren Apacherias zurückzukehren. Er selbst hat mit dem weißhäutigen Freund, den er den Falken nennt, noch eine Aufgabe zu erledigen.« Damit war alles gesagt. * »Nimm die Hände hoch, sonst drücke ich ab!« fauchte eine Stimme hinter einem Felsbrocken hervor. »Bleib ganz ruhig im Sattel sitzen, damit ich dich näher ansehen kann.« Jeff Rider blieb regungslos im Sattel sitzen, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er rief: »Stell dich nur nicht so an, Poul. Ich bin es und komme
direkt aus Tres Alamos, weil ich den Boß sprechen und warnen will. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.« Poul Dragger schob sich zwischen den Felsen hervor, senkte den Lauf seiner Winchester und nickte dem Gefährten zu. »Okay, Jeff«, brummte er. »Ich habe dich längst erkannt, wollte aber nur sehen, ob du auch wirklich allein bist. Reite weiter, du kennst dich ja aus.« »Niemand verfolgt mich«, antwortete der bärtige Outlaw. »Paß trotzdem gut auf, daß wir im Tal nicht überrascht werden.« Jeff Rider trieb sein Pferd an und verschwand in dem schmalen Durchlaß, der den Taleingang bildete. Terrassenförmig stiegen die Hänge des Valleys an. Durch das Tal schlängelte sich ein kleiner Bach, der silbern schimmerte. Der Outlaw ritt auf eine Blockhütte zu, die verdeckt unter einigen Bäumen stand. In einem Corral weideten zwei Pferde. Sie wieherten, als sie die Witterung des Reiters aufnahmen. Richy Valentine und Sam Crown traten aus der Blockhütte und richteten ihre Waffen auf den Näherreitenden. Jeff Rider winkte zu ihnen hinüber und sprang wenige Sekunden später vor seinem Boß aus dem Sattel. »Was gibt's, Jeff?« fragte der dürre Richy Valentine. »Du solltest doch nur hierherkommen, wenn wirklich Gefahr droht.« »Genau aus diesem Grund bin ich hier, Boß. Laß uns in die Hütte gehen. Der Ritt hat mich angestrengt. Außerdem würde mir ein Whisky ganz gut schmecken.« Wenige Minuten später schilderte Rider alles, was sich in Tres Alamos abgespielt hatte. »Die Rothäute sind wieder abgezogen, Richy. Du hast mit verdammt hohem Einsatz gespielt. Das waren mehr als hundert Apachen. Sie hätten die Stadt überrannt, wenn wir diesen Cochise gehängt hätten. Die beiden Gefangenen sind frei. Sie und der Sheriff sind dicht hinter mir. Jemand muß das Tal kennen. Aus diesem Grund bin ich auch wie der Teufel geritten, um dich zu warnen.«
Sam Crown fluchte los. Sein bandagierter Arm, den John Haggertys Kugel getroffen harte, ruhte in einer Schlinge vor seiner Brust. Richy Valentine war blaß geworden. Er nagte an seiner Unterlippe und blickte erschrocken zum Taleingang, als könnten dort die drei Verfolger jeden Moment auftauchen. »Wir müssen verschwinden, Boß«, drängte Sam Crown. »Ich verständige Poul.« Valentin schüttelte den Kopf, während ein hämisches Grinsen seine Lippen teilte. »Wir verschwinden ohne ihn, Jungs. Poul Dragger soll die Burschen aufhalten. So gewinnen wir ein wenig Zeit. Dann wird unser Vorsprung ausreichen. Wir haben das Spiel verloren. Uns nützt nur noch eine schnelle Flucht. Gegen diesen Haggerty und den Häuptling der Apachen sind wir einige Nummern zu klein.« Richy Valentine rieb seine dürren Hände ineinander. Langsam gewann er seine Fassung wieder. »Wohin reiten wir?« fragte Jeff Rider nervös. Ihm wollte der Whisky auf einmal nicht mehr schmecken. »Zur Goldmine«, entschied Valentine. »Wir müssen es riskieren, sonst ist alles umsonst gewesen. Wir füllen uns wenigstens die Satteltaschen mit dem gelben Metall. Wir brauchen das Gold nur aus den Wänden zu brechen. Das geht alles sehr rasch, und wir verschwinden wieder, ehe eine Rothaut etwas bemerkt. Vielleicht ergibt sich später noch einmal die Chance, zurückzukehren. Im Moment haben wir das Spiel verloren.« Sam Crown und Jeff Rider nickten begeistert. »Sollen wir wirklich Poul seinem Schicksal überlassen?« fragte Jeff, dem diese Lösung nicht gefiel. »Wir müssen einen großen Vorsprung herausholen, Jeff«, erklärte Richy Valentine. »Poul hilft uns dabei, indem er die Verfolger aufhält. Vielleicht erwischt er sogar einen der Bastarde.«
Jeff Rider nickte, obwohl ihm die Handlungsweise seines Bosses noch immer nicht schmeckte. Die drei Outlaws verließen die Blockhütte, zogen sich in die Sättel und ritten auf den Talausgang zu. Bald lag das Valley hinter ihnen. Die rauhe Bergwildnis der Limestone Mountains nahm die Reiter auf. Immer wieder sah sich das Halunken-Trio in den Sätteln um, ohne Verfolger zu entdecken. * John Haggerty parierte sein Pferd und deutete mit einer Hand auf eine Lücke, die wie von einer Axt geschlagen einen Bergrücken teilte. »Dort muß das Tal sein, Cochise«, sagte der einstige Chiefscout General Howards. »Bestimmt sind Wachposten aufgestellt. Wir müssen vorsichtig sein und die Wächter ausschalten.« Cochise und Naiche nickten. »Wir werden sie überrumpeln, Falke«, versicherte der Häuptling der Apachen. »Gib uns einen Vorsprung von einer Frist, die ihr Bleichgesichter eine Stunde nennt. Cochise und Naiche schleichen sich an den Taleingang heran. Ehe die weißen Hundesöhne auf dich schießen können, schalten wir sie aus.« John Haggerty war einverstanden. Nach Cochises Plan sollte er in einer halben Stunde losreiten und sich dem Taleingang nähern, so als rechne er mit keiner Gefahr und keinem Wächter. Natürlich bestand die Gefahr, von einem zielsicheren Schützen aus dem Sattel geschossen zu werden. Die beiden Apachen glitten von den Rücken ihrer Mustangs und verschwanden im Gewirr der Felsen, Büsche und Bäume. Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren sie John Haggertys Blicken entschwunden. Er konnte die beiden Chiricahuas auch später nicht mehr entdecken, so sehr er sich bemühte.
Träge verging die Zeit. Ungefähr nach einer halben Stunde ließ John sein Pferd mit einem Zungenschnalzen angehen. Er ritt auf den Taleingang zu. Nat Baxter hatte das Tal und den Zugang genau beschrieben. Der neue Sheriff von Tres Alamos war davon überzeugt, sich nicht zu täuschen und das richtige Valley vor sich zu haben. Dumpf hämmerten die Hufe seines Pferdes auf dem steinigen Untergrund. John Haggerty saß geduckt im Sattel und hielt seine Winchester schußbereit. Nichts regte sich im weiten Rund. Nur ein großer Vogel, vermutlich ein Adler, zog seine Kreise in großer Höhe und verlor sich bald in der seidigen Bläue des Himmels. John Haggerty näherte sich rasch dem Taleingang. Die Distanz betrug kurze Zeit darauf höchstens noch fünfzig Yards. Nur noch seine Stiefelspitzen steckten in den Steigbügeln, damit er sofort vom Pferderücken hechten konnte, sollte auf ihn geschossen werden. Haggerty mußte darauf vertrauen, daß Cochise und Naiche sich unbemerkt einem Wächter näherten und ihn ausschalteten, ehe dieser auf ihn feuerte. * Die beiden Chiricahuas näherten sich dem Taleingang. Wie lautlose Phantome schlichen sie dahin und nutzten jede Deckungsmöglichkeit aus. Und Apachen waren Meister im Anschleichen. Nicht umsonst erzählte man sich unter den Weißen, daß man einen Apachen erst sah, wenn dieser gesehen werden wollte. Dann aber war es für den Gegner meist zu spät. Cochise verhielt plötzlich. Naiche folgte dem Blick seines Vaters und erkannte einen Mann, der im Schatten eines Felsklotzes kauerte und auf das vor ihm liegende Gelände blickte.
Der Weißhäutige zuckte plötzlich zusammen. Auch Cochise und Naiche sahen den Reiter, der sich langsam dem Taleingang näherte. Es handelte sich um John Haggerty. Es schien, als reite der Sheriff von Tres Alamos ahnungslos in sein Verderben. Der Wachposten am Taleingang hatte nun nur noch Augen für den Reiter. Die beiden Apachen schlugen einen Bogen und schlichen von der Seite auf den weißhäutigen Banditen zu. Der Outlaw preßte seine Winchester gegen Schulter und Wange und nahm John Haggerty ins Visier. Er mußte den Sternträger erkannt haben. Den Chiricahuas blieb nicht mehr viel Zeit, wollten sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Cochise erkannte, daß es ihnen nicht mehr gelingen würde, den Banditen unblutig auszuschalten. Sie hatten zuviel Zeit verbraucht. Der Häuptling preßte seine Winchester gegen die Schulter, zielte kurz und drückte ab. Donnernd brach sich der Schuß zwischen den Felsen. Das Bleichgesicht wuchs hinter seiner Deckung in die Höhe, drehte sich um die eigene Achse, stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden und blieb regungslos liegen. Naiche und Cochise erreichten den Getroffenen innerhalb kürzester Zeit und konnten nur noch seinen Tod feststellen. Der Apachen-Häuptling winkte zu John Haggerty hinüber, der sein Pferd antrieb und nach kurzer Zeit vor Cochise aus dem Sattel sprang. Naiche war schon unterwegs, um die beiden Mustangs zu holen, die von beiden Chiricahuas zurückgelassen worden waren. »Er ist tot«, sagte Cochise. »Ich hatte keine andere Wahl, Falke, sonst hätte das Bleichgesicht auf dich geschossen.« John Haggerty nickte nur, wälzte den Toten auf den Rücken und starrte in das wächserne Gesicht von Poul Dragger. Er drückte ihm die Augenlider zu. »Wir sollten ihn mit Steinbrocken zudecken, damit er keine Beute von Geiern und anderen Aasfressern wird«, sagte John
Haggerty. »Das könntest du und dein Sohn übernehmen, Cochise. Ich reite ins Tal hinein. Es besteht die Möglichkeit, daß Valentine und seine Kumpane den Schuß gehört haben und entweder den Taleingang besetzen oder zu fliehen versuchen.« Der Apachen-King nickte sofort. »Cochise und Naiche folgen dir später.« John Haggerty ritt los, näherte sich rasch dem Bergeinschnitt und hob den Lauf seines Gewehres an. Er rechnete mit weiteren Banditen. Natürlich konnte John nicht ahnen, daß Valentine und seine Halunkenbrut bereits das Valley auf der anderen Seite verlassen hatten. Bald lag das Tal vor dem einstigen Chiefscout. Er entdeckte die Blockhütte, die verlassen vor seinen Blicken lag. John Haggerty ahnte, daß die Outlaws geflohen waren. Er stellte es wenige Minuten später an den Hufspuren der Pferde fest. Nun blieb John nichts anderes übrig, als auf Cochise und Naiche zu warten, die bald das Tal erreichten. Der Falke und seine beiden Apachenfreunde nahmen die Verfolgung der geflüchteten Banditen auf. * »Nichts zu sehen«, murmelte Richy Valentine und blickte wieder nach vorn. »Vielleicht hält Poul Dragger die Verfolger auf.« »Wie weit ist es noch bis zur Mine?« fragte Sam Crown, denn nur der Banditenboß kannte die genaue Lage der Goldmine. »Drei oder auch vier Meilen«, sagte Richy Valentine. »Ich hoffe nur, daß wir keinen Rothäuten begegnen.« Das hofften Sam Crown und Jeff Rider ebenfalls. Sie folgten ihrem Boß, der vor ihnen ritt und die Führung übernahm. »Haltet eure Waffen bereit«, befahl Valentine nach einigen Minuten. »Ich traue dem Frieden nicht. Sollten Indianer in der Nähe sein, dann haben sie uns längst bemerkt. Vielleicht müssen
wir um das Gold kämpfen.« Wie recht Ricky Valentine behalten sollte, wurde den drei Reitern kurze Zeit darauf klar, als sie vier Indianer sahen, die vor ihnen im Gewirr der Felsen auftauchten. Valentine zügelte sein Pferd hinter einer Felsschroffe. »Runter von den Pferden, Jungs«, stieß der Banditenboß heiser hervor. »Die roten Bastarde haben uns noch nicht entdeckt. Sie reiten in unsere Richtung. Mit ein wenig Glück können wir sie ausschalten.« Sam Crown und Jeff Rider nickten Richy Valentine zu. Während der Banditenboß und Rider ihre Gewehre in Anschlag brachten, zog Crown seinen Revolver aus dem Halfter. Mit seinem verwundeten Arm konnte der Outlaw nicht mit der Winchester schießen. Die Indianer ritten ahnungslos näher. »Das sind keine Apachen«, murmelte Valentine plötzlich. »Es könnten Cheyennes sein«, flüsterte Sam Crown. »Ich bin schon einmal mit Kriegern dieses Stammes zusammengeraten. Ich verstehe nur nicht, was die hier im Land der Apachen zu suchen haben.« Richy Valentine und Jeff Rider zuckten mit den Achseln. Es war ihnen völlig egal, um was für Krieger es sich handelte. Es galt, die vier Rothäute auszuschalten. Noch mehr näherten sich die Cheyenne-Krieger, die nichts von der tödlichen Gefahr ahnten, die auf sie wartete. »Wir warten ab, Jungs«, befahl Valentine leise. »Je näher die Bastarde kommen, um so sicherer treffen wir.« Dann war es soweit. Schüsse peitschten in rascher Folge. Die vier Chenyennes hatten nicht den Hauch einer Chance. Sie wurden vom heißen Blei getroffen und aus den Sätteln katapultiert. Die Mustangs ergriffen laut wiehernd die Flucht und verschwanden zwischen den Felsen. Mit noch rauchenden Gewehren und Colts schritten die drei Mörder auf die am Boden
liegenden Indianer zu. »Sie sind alle tot«, sagte Sam Crown, nachdem er die regungslosen Körper untersucht hatte. »Was machen wir mit ihnen?« Richy Valentine sah sich um und erkannte einige dunkle Punkte am blauen Himmel. »Die Geier nehmen uns die Arbeit ab«, verkündete er. »Wir reiten weiter. Hoffentlich treibt sich nicht noch mehr von diesem roten Gesindel in der Nähe herum.« Ungerührt starrte er auf die vier toten Indianer, die in ihrem Blut lagen. Die drei Outlaws kletterten in die Sättel ihrer Pferde und ritten weiter. Hin und wieder hielten sie an, um sich umzusehen. Einmal rechneten sie mit den Verfolgern aus Tres Alamos, zum anderen wollten sie nicht einem anderen Indianertrupp in die Arme reiten. Es blieb aber alles ruhig im weiten Rund, als schien es nur die drei Männer zu geben, die ihren Trail durch die Wildnis zogen. Die Aufmerksamkeit der Outlaws ließ einige Meilen weiter nach. Die Sonne sengte heiß hernieder. Jeff Rider und Sam Crown schwitzten sich die Seele aus dem Leib. Nur der dürre Richy Valentine litt kaum unter der starken Hitze. Die Reiter näherten sich einem Canyon, der ihnen dunkel und breit wie das Maul eines vorsintflutlichen Ungeheuers entgegengähnte. Sam Crown spürte Unbehagen in sich aufsteigen. Er blickte zu Richy Valentine hinüber, der in Gedanken versunken im Sattel saß. »Mir gefällt der Canyon nicht«, klagte Crown. »Wenn dort Rothäute stecken, kämpfen sie uns innerhalb kürzester Zeit nieder. Wir sollten vorsichtig sein.« Valentine schreckte aus seinen Gedanken und hob den Kopf. Er schien erst jetzt die dunkle Öffnung entdeckt zu haben. »Vielleicht hast du recht, Sam«, murmelte er. »Wir schleichen
uns erst mal an und sehen nach, ob der Canyon auch wirklich frei ist. So haben wir eine größere Chance.« Doch es war bereits zu spät. Die drei weißen Mörder saßen bereits in einer Falle. Sie sahen es, als ein Dutzend Indianer hinter den verschiedenartigsten Deckungen auftaucht. Gewehre richteten sich auf die Outlaws. Pfeile und Speere zeigten in ihre Richtung. Grimmige Gesichter mit haßerfüllten Augenpaaren waren auf die Banditen gerichtet. Regungslos standen die Indianer neben den Deckungen. Der Hauch des Todes legte sich über diesen Ort in der rauhen Bergwildnis der Limestone Mountains. Sam Crown stieß einen heiseren Schrei aus und griff nach seinem Revolver. Es gelang ihm nicht, den Lauf des Colts hochzuschwingen. Ein Pfeil traf seine Brust und riß den Desperado aus dem Sattel. Auch Jeff Rider versuchte sich zu wehren. Er gab sogar einen Schuß ab. Die Kugel verfehlte einen der Indianer, der sich duckte und seinen Tomahawk warf. Das Kriegsbeil traf präzise den Kopf des Bleichgesichtes und brachte den Tod. Auch Jeff Rider stürzte aus dem Sattel und schlug schwer am Boden auf. Richy Valentine saß wie erstarrt auf dem Pferderücken. Sein Gesicht war bleich wie ein frischgewaschenes Laken. Er reckte beide Arme in die Höhe und erinnerte an eine Marionette, so ruckartig waren seine Bewegungen. Der Banditenboß erwartete jeden Augenblick, von einer Kugel, einem Pfeil oder von einem Schädelbrecher getroffen zu werden. Nichts dergleichen geschah. Die Indianer rückten langsam näher und hielten ihre Waffen bereit. Eine panische Angst pulsierte immer stärker durch den Körper des Outlaws. Er sah, daß es sich nicht um Apachen handelte, sondern vermutlich um Cheyenne-Krieger, die wohl zum gleichen Stamm gehörten, wie die vier Rothäute, die von ihm und seinen Gefährten vor einiger Zeit aus dem Hinterhalt getötet worden
waren. Valentine blickte in die verzerrten Gesichter der Cheyennes und las den Tod in ihren Augen. »Nicht schießen«, heulte der Banditenboß wie ein hungriger Wolf. »Ich bin unschuldig.« Die Indianer blickten den wimmernden Weißhäutigen nur verächtlich an. Noch immer schwiegen sie. Hufschläge wurden laut. Valentine sah einen Reitertrupp hinter einer Felsgruppe auftauchen. Zwei Krieger führten vier Mustangs an den Hügeln heran. Über den Pferderücken lagen die leblosen Körper der ermordeten Indianer. Nun wußte Richy Valentine, was die Stunde geschlagen hatte. Die Cheyenne-Krieger hatten den Reitertrupp der beiden Bleichgesichter schon länger beobachtet und hier eine Falle gestellt. Sie mußten gesehen haben, wie ihre vier Vettern wie räudige Wölfe abgeknallt worden waren. »Deine beiden Freunde mußten sterben, weißhäutiger Bastard«, sagte einer der Krieger mit guttural klingender Stimme. »Auch du wirst ihnen in das Reich der Toten folgen, denn dein Leben ist verwirkt, Bleichgesicht. Du hast vier unserer Blutsbrüder ermordet, obwohl sie dir kein Leid angetan haben und sich nicht feindselig benahmen. Meine Krieger fesseln dich. Wenn du dich wehrst, wirst du sofort sterben!« Richy Valentine ergab sich in sein Schicksal. Und er ahnte, dieses Spiel endgültig verloren zu haben. * »Zu den Männern in der Schlucht ist ein weiterer Reiter gekommen und hat sie gewarnt«, sagte Cochise. »Ich habe es aus den Spuren im Tal gelesen. Die drei Bleichgesichter sind sofort geflohen, ohne ihren Gefährten vor dem Tal zu benachrichtigen.«
John Haggerty hatte etwas ähnliches vermutet. Er nickte dem Häuptling der Chiricahuas zu. »Mein Freund Cochise ist ein großer Fährtenleser. Keiner außer ihm hätte dies alles aus den Spuren lesen können.« Der Chiricahua lächelte sanft. Spott funkelte in seinen dunklen Augen. »Der Falke braucht Cochise nicht zu schmeicheln«, antwortete er noch immer lächelnd. »Was schlägt mein weißer Bruder vor?« »Wir folgen den Fährten, Häuptling. Die drei weißen Verbrecher entwischen uns nicht.« John Haggerty, Cochise und Naiche nahmen die Verfolgung auf. Bald lag das Tal hinter ihnen. Auch als das Gelände steiniger und der Boden härter wurde, folgte Cochise den Spuren der Banditenpferde mit traumwandlerischer Sicherheit. Obwohl auch John ein ausgezeichneter Scout war, mußte er neidlos eingestehen, daß Cochise noch besser war. »Dort drüben hatten sich die Banditen verborgen«, sagte Cochise plötzlich. Er glitt vom Pferderücken und winkte schon bald John und Naiche zu sich heran. »Hier sind Blutspuren, Falke«, sagte der Häuptling der Chiricahuas und deutete auf eine sandige Stelle, die rostrot schimmerte. »Entweder wurde einer der Banditen verwundet, oder sie haben auf Menschen oder auch auf ein Tier geschossen.« Naiche rief: »Hier sind Hufabdrücke zu sehen, Vater. Es sind unbeschlagene Hufe, vermutlich von unseren Vettern.« Cochise sah es sich an und nickte mehrmals. »So ist es, mein Sohn. Die Fährte vereinigt sich aber hier wieder mit der Fährte der Bleichgesichter.« »Dann werden Valentine und seine beiden Kumpane von Apachen verfolgt?« fragte John Haggerty. »Es sieht so aus, Falke. Wir folgen den Fährten. Sie bringen uns zu meinen Stammesbrüdern und bestimmt auch zu den drei
Weißhäutigen.« »Warum sind die Burschen immer tiefer in die Wildnis geflohen?« fragte Haggerty. »Das verstehe ich nicht. Ich an Valentines Stelle würde alles versuchen, mich zu einer Ortschaft der Weißen durchzuschlagen.« Cochise nickte ernst und blickte seinen weißhäutigen Gefährten nachdenklich an. »Die weißen Bastarde reiten in Richtung dieser Goldmine, die nicht mehr weit von hier entfernt ist. Und es sieht so aus, als wären sie meinen Stammesfreunden in die Hände gefallen. Wie ich dir bereits sagte, ist dieser Ort tabu für alle Weißen. Dort befinden sich die Gräber unserer Vorfähren, die uns heilig sind. Dir das alles näher zu erklären, würde zu weit führen, Falke. Wir sollten weiterreiten.« »Auch ich bin ein weißer Mann«, erwiderte John Haggerty. »Werde nicht auch ich euer Heiligtum entweihen, wenn ich mitreite?« »Du bist mein Gast, Falke. Cochise erlaubt dir, diesen Ort mit ihm und seinem Sohn zu besuchen. Niemand wird es wagen, die Hand gegen dich zu erheben. Ich weiß auch, daß es nicht Feigheit ist, die dich zu diesen Worten veranlaßt hat. Du willst unsere alten Bräuche respektieren.« »So ist es, Cochise. Wenn du mir erlaubst, den heiligen Ort deiner Vorfahren zu sehen, dann danke ich dir.« Cochise, Naiche und John Haggerty setzten ihren Ritt fort. Bald tauchte der Reitertrupp in dem unwegsamen Gelände unter. Träge zerfaserte der von den Pferdehufen aufgewirbelte Staub. * Richy Valentine saß zusammengekrümmt im Sattel. Die Hände waren dem dürren Mann auf den Rücken gebunden worden. Er ritt inmitten des Cheyennerudels. Eine Aussicht auf Flucht gab
es nicht. Die Gesichter der Indianer verhießen nichts Gutes. Valentine überlegte fieberhaft, wie er einem tödlichen Schicksal entkommen konnte. Seine Gedanken überschlugen sich. Die verrücktesten Ideen schossen dem Banditenboß durch den Kopf, die er aber alle wieder verwarf. Sein Gesicht glühte, während er verzweifelte Blicke um sich warf, die aber keinen der Krieger rührten. Der Ritt dauerte zwei Stunden. Richy Valentine staunte nicht schlecht, als er das Ziel der Cheyenne erkannte. Es war das Tal, in dem sich die Goldmine befand. Der Outlaw war vor Monaten schon einmal hier gewesen, ohne auf Rothäute zu treffen. Er hatte sich die Mine angesehen, sich mit dem glitzernden Segen versorgt und das Gold in Tucson gegen harte Dollars umgetauscht. Danach zog er nach Tres Alamos und kaufte sich den Saloon und den General Store und brachte sein teuflisches Spiel in Gang, um die Apachen zu vertreiben und die Mine irgendwann abbauen zu können. Sein Pläne waren gescheitert, und nun sah es so aus, als würde er dieses Tal niemals wieder lebend verlassen. Der Trupp ritt an dem Stolleneingang vorbei, der durch Felsbrocken getarnt war. In der Mitte des Tales standen einige Wigwams. Krieger traten den Reitern entgegen. Richy Valentine konnte weder Squaws noch Kinder sehen. Es schien sich also um einen Kriegstrupp der Cheyennes zu handeln. Die Indianer banden Valentine an einem Pfahl inmitten des Lagers fest. Der Verbrecher war schonungslos den sengenden Sonnenstrahlen ausgesetzt. Schon bald jammerte der Outlaw nach Wasser, denn er verspürte höllischen Durst, der in seiner Kehle brannte. Die Cheyennes achteten nicht auf sein Klagen. Stunden vergingen. Valentines Körper war in sich zusammengesunken, wurde nur
noch von den Stricken gehalten. Hin und wieder stöhnte der Bandit. Insekten peinigten ihn, die ihn manchmal wie eine auf und ab wogende Wolke umhüllten. Die Lippen platzten auf, die Zunge erinnerte den Banditen an einen breitgetretenen Wurm. Valentine fühlte sich so elend wie nie zuvor in seinem Leben. Er hob den Kopf, als er Schritte vernahm, die wenige Yards vor ihm verhielten. Der Anführer der Cheyenne-Krieger verkündete: »Du wirst sterben, Bleichgesicht, denn du hast den Tod verdient. Bald ist es soweit. Zuvor tanzen meine Krieger den Tanz um die Geister wohlgefällig zu stimmen, damit sie die vier tapferen Männer, die du und deine Leute ermordet haben, in die Ewigen Jagdgründe aufnehmen.« Der Chief wandte sich ab und marschierte auf über ein Dutzend Krieger zu, deren Gesichter mit Farbe bemalt waren. Einige hatten Wolfs- oder Pumafelle umgehängt. Ihr Anblick trieb dem Banditenboß den letzten Rest Blut aus den Wangen. Fassungslos stierte er auf die Krieger, die sich näherten und den Pfahl umringten, an dem er festgebunden war. Andere Krieger bearbeiteten Trommeln mit den flachen Händen. Das Tam-Tam schallte schaurig in den Ohren des Gefangenen. Dann begannen die Cheyennes zu tanzen. Sie wogten um den Gefangenen herum und schwangen ihre Waffen. Richy Valentine schloß die Augen. Er wußte, daß er am Ende des Rituals nur noch den Tod erwarten konnte. * »Die Fährten führen zum heiligen Ort«, sagte Cochise. Er zügelte plötzlich seinen Mustang und deutete zu zwei Cottonwoods hinüber, die ein wenig erhöht auf einem Hügel standen.
John Haggerty kniff die Augen zusammen. Er hatte schon oft in seinem ereignisreichen Leben Tote gesehen, doch die beiden Banditen, die dort an die Baumstämme gebunden waren, boten wirklich einen furchtbaren Anblick. Cochise, Naiche und John Haggerty ritten langsam näher. John erkannte Sam Crown und einen anderen Mann, den er schon in Tres Alamos gesehen hatte. Beide Bleichgesichter waren tot. Sie waren trotzdem gefoltert worden. Cochises und Naiches Gesichter blieben unbewegt. John Haggerty biß sich auf die Unterlippe. Er sah sich nach Richy Valentine um, konnte aber den Banditenboß nirgends entdecken. »Deine Krieger haben schnell gehandelt«, sagte John dumpf. Er blickte Cochise an. »Ich bin nicht sicher, ob es Apachen gewesen sind«, sagte der Häuptling der Apachen. Er schwang sich vom Rücken seines Pintos und trat zu den Toten. »Das sind Cheyenne-Pfeile, Falke. Diese beiden Männer wurden von Cheyenne-Kriegern getötet.« »Cheyenne?« John Haggerty blickte die beiden Apachen fragend an. »Sie werden den Heiligen Ort besuchen, Falke. Wie ich dir sagte, liegt dieser Ort zwar im Gebiet der Chiricahuas, doch er ist allen unseren Vettern von den anderen Stämmen offen, solange sie nicht in kriegerischer Absicht in unser Land einfallen.« »Was wollen sie dort?« fragte der ehemalige Armee-Scout. »Kannst du mir nicht ein wenig auf die Sprünge helfen? Ich meine, alles näher erklären«, fügte John hinzu, als er erkannte, daß Cochise seine erste Frage nicht verstanden hatte. Cochise zögerte. »Hier sollen Gräber unserer Ahnen sein, die vor vielen, vielen Jahren aus dem Norden gekommen sind. Und die Indianer
erflehen sich an dieser Stätte den Segen Manitus für das Gelingen ihrer Pläne. Sie bitten um gute Jagd, um Siege gegen ihre Feinde und darum, als tapfere Krieger in die Ewigen Jagdgründe einzugehen. Hast du in etwa verstanden, was ich dir sagen will, Falke?« John Haggerty nickte dem Häuptling der Chiricahuas zu. »Ich danke dir, Cochise, für deine offenen Worte. Ich habe schon davon gehört, daß es einige dieser heiligen Orte geben soll. Daß man aber gerade in diesem Tal Gold gefunden hat, wird wohl nur ein Zufall sein.« »Genauso ist es, Falke. Wenn die Kunde von dem Goldfund aber erst einmal unter den Weißhäutigen die Runde macht, dann werden sie wie Maulwürfe in den Berghängen nach Gold graben und alles verwüsten. Dieser Ort wird dann für die Apachen und auch für alle meine indianischen Freunde verloren sein.« »Die Cheyennes haben diese beiden getöteten Weißen zur Abschreckung an die Bäume gebunden«, sagte Naiche. »Sollen sie dort bleiben, oder will der Falke sie nach Sitte der Weißen begraben?« »Ich will ihnen die letzte Ehre erweisen, Naiche, obwohl es Verbrecher waren, denen ein Menschenleben nichts bedeutete. Ich erledige das. Ihr solltet euch in der Zwischenzeit ausruhen.« »Naiche wird dem Falken helfen«, antwortete der Sohn des Apachenhäuptlings bestimmt. John Haggerty war damit einverstanden, daß er Hilfe bei dieser wirklich nicht angenehmen Arbeit erhielt. * Das Tam-Tam der Felltrommeln hallte schaurig von den Talhängen zurück. Der ohrenbetäubende Lärm steigerte sich immer mehr. Die Cheyenne-Krieger umkreisten noch immer den Pfahl, an den Richy Valentine gefesselt war. Ihre Bewegungen wurden immer ekstatischer, die Schreie und
Ausrufe nahmen an Lautstärke zu. Richy Valentine war fast halbtot vor Angst. Er hing nur noch in den Stricken, die tief in seinen Körper einschnitten. Längst waren ihm die Knie weich wie Pudding. Durst brannte in seiner Kehle. Staub wirbelte unter den Mokassins der tanzenden Krieger auf. Valentine spürte Sand in seinem Mund und schluckte krampfhaft. Seine Lippen öffneten sich weit, erinnerten an einen Fisch, der an Land gespült nach Luft schnappt. Die Trommeln, von brettharten Händen geschlagen, verstummten plötzlich von einer Sekunde zur anderen. Die Krieger sanken zur Erde und blieben wie tot liegen. Schweißüberströmt waren ihre nackten Oberkörper. Hin und wieder zuckte ein Arm oder ein Fuß. Richy Valentine richtete sich auf. Die Angst fraß noch tiefere Furchen in sein Gesicht, als er den Häuptling der Cheyennes auf sich zukommen sah. Der Chief blieb stehen und musterte den Banditenboß wie ein seltenes Insekt. Valentine konnte fast körperlich die Verachtung spüren, die von dem Indianer ausging. »Du wirst sterben, wenn meine Krieger wieder zu Kräften gelangt sind«, sagte der Cheyenne-Häuptling drohend. »Hast du noch einen letzten Wunsch, bleichgesichtiger Bastard?« »Wasser – Wasser«, quetschte Valentine mühsam hervor. Sein hagerer Körper zuckte noch stärker. Wieder sah es aus, als wollten ihm die Augen aus den Höhlen fallen. Der Chief lächelte. Der Haß aus seinen Augen verschwand nicht. Dann nickte der Jefe der Cheyennes, wandte sich um und trat zu einem Krieger, der bis vor wenigen Minuten eine der Felltrommeln bearbeitet hatte. Richy Valentine erhielt zu trinken und fühlte sich bald wohler, obwohl er ahnte, daß es kein Entkommen aus dieser verteufelten Lage geben konnte.
Die Cheyenne-Krieger, die vorher getanzt hatten, erhoben sich nacheinander vom Boden und trotteten zu ihren Wigwams. Stille herrschte im weiten Rund des Lagers. Nicht ein einziger Indianer war mehr zu sehen. Valentine richtete sich kerzengerade auf und begann verzweifelt, an seinen Fesseln zu zerren. Schon bald sah er ein, daß er sich nicht von den strammsitzenden Stricken befreien konnte, die immer tiefer ins Fleisch schnitten und die Blutzirkulation unterbrachen. Aus Valentines panischer Angst wurde nach und nach eine ohnmächtige Wut, die Besitz von seinem Denken ergriff. Nochmals bäumte er sich in den Fesseln auf. Es war vergebens. Eine halbe Stunde verging. Noch immer regte sich im Lager der Cheyennes nichts. Zwei Steinwurfweiten entfernt weideten die Mustangs der Indianer. Valentine warf einen verlangenden Blick hinüber und wünschte sich, auf einen der Pferderücken klettern und verschwinden zu können. Er wußte aber zu gut, daß dies nur Wunschträume waren, die sich nicht realisieren ließen. * »Wir nahem uns dem heiligen Ort«, sagte Cochise. »Ich weiß nicht, ob der dürre Mann noch lebt. Seine beiden Freunde sind tot. Sie müssen alle etwas getan haben, was den Zorn und den Haß der Cheyennes entfachte.« John Haggerty war zu ähnlichen Überlegungen gelangt. Es war aber müßig, sich noch länger den Kopf zu zerbrechen, denn bald würden er, Cochise und Naiche alles erfahren. Der Jefe parierte den Mustang. Seine beiden Begleiter folgten dem Beispiel. »Hört ihr das Tam-Tam der Trommeln?« fragte der Häuptling der Chiricahuas.
Auch John Haggerty und Naiche vernahmen das dumpfe Pochen der Felltrommeln, das dumpf an ihre Ohren klang. Der ehemalige Armee-Scout warf Cochise einen fragenden Blick zu. »Meine Vettern tanzen und bitten den Großen Geist, ihre Wünsche zu erfüllen.« Er lauschte erneut. »Krieger der Cheyennes mußten sterben. Die Trommeln verkünden ihren Tod. Bleichgesichter waren die Mörder. Der Tod eines Weißen ist eine beschlossene Sache.« John Haggerty staunte. »Kannst du alles aus dem Tam-Tam der Trommeln heraushören?« fragte der Scout. Cochise stimmte lächelnd zu. »So ist es, Falke. Die Sprache der Trommel ist für einen Eingeweihten gut zu verstehen. Bei dem Weißen kann es sich nur um den dürren Mann handeln, den du Valentine nennst.« »Dann ist unser Ritt sinnlos geworden«, sagte Haggerty. »Valentines Leben ist verwirkt. Wenn er und seine Leute wirklich einige Krieger des Cheyenne-Stammes ermordet haben, kann ihn keine Macht der Welt mehr retten.« Cochise nickte düster und trieb seinen gefleckten Mustang wieder an. Gedankenversunken ritt der Häuptling der Apachen dahin. In Naiches Augen funkelte es. Er wünschte dem Bleichgesicht nichts anderes als einen grausamen Tod. »Du wolltest den dürren Indianerhasser verhaften und nach den Gesetzen der Weißen verurteilen lassen«, sagte der Apachenchief nach einigen zurückgelegten Yards. »Das wird nicht mehr gehen. Wir sollten aber erst einmal abwarten, was sich in diesem Tal tut, das alle Indianer als einen heiligen Ort betrachten.« Der Häuptling trieb seinen Pinto noch mehr an. Die drei Reiter näherten sich einem Bergeinschnitt. John Haggerty ahnte, daß dahinter das Tal liegen mußte, das Ziel ihres Rittes. Cochise ließ es langsamer angehen. Wachsam äugte er nach
allen Seiten, als wollte er einer drohenden Gefahr begegnen. »Die Apachen hegen keinen Groll gegen die Krieger der Cheyennes«, erklärte der Jefe, als er Johns fragenden Blick bemerkte. »Es könnte aber sein, daß wir als Störenfriede empfangen werden. Außerdem bist du ein Bleichgesicht. Die Cheyennes können nicht wissen, daß du in deinem Herzen ein Freund des roten Mannes bist.« Eine Steinwurfweite vor dem Taleingang wuchsen plötzlich drei Indianer hinter einem Felsbrocken auf. Drohend hielten sie Gewehre auf die Ankömmlinge gerichtet. Cochise redete die Cheyenne-Krieger in einer Sprache an, die John Haggerty nicht verstand. Die Mienen der Indianer blieben ausdruckslos. Schließlich senkten sie die Läufe der Gewehre und traten zur Seite. Der Häuptling der Chiricahuas nickte zufrieden und trieb seinen Mustang sofort an. »Sie gestatten uns, ins Tal zu reiten, Falke. Wir müssen aber abwarten und dürfen den Geistertanz im Cheyennelager nicht stören.« Bald lag der Taleingang hinter den drei Reitern. Sie zügelten auf einem Hügel ihre Pferde. Von dort aus hatten Cochise, Naiche und John Haggerty einen guten Überblick auf das gesamte Tal. Sie sahen die Wigwams und die tanzenden Krieger. Natürlich entdeckten sie auch den Pfahl, an dem eine zusammengesunkene Gestalt hing. »Das ist Valentine«, murmelte Haggerty. »Er scheint schon halb verrückt vor Angst zu sein.« Die drei Reiter beobachteten weiter. Irgendwann verstummten die Trommeln. Die Cheyennes sanken zu Boden. Die eintretende Stille legte sich lähmend auf Haggerty. »Wir warten noch einige Minuten«, flüsterte Cochise. *
Richy Valentines Augen verengten sich, als er die sich nähernden Hufschläge vernahm. Für einen Moment glaubte er, Hilfe zu erhalten. Als er aber die beiden Apachen erkannte, die durch seine schmutzigen Machenschaften in Tres Alamos beinahe aufgehängt worden wären, erlosch die aufsteigende Hoffnung. Er erkannte auch den Sheriff der Stadt und wußte, daß die drei Reiter die Fährten nicht verloren hatten. Cochise, Naiche und der Falke blieben auf den Rücken der Pferde sitzen und blickten auf einen schon älteren Cheyenne-Krieger, der sich gemessen Schrittes näherte. Cochise senkte den Kopf und hob beide Hände zum Zeichen der Freundschaft und des Friedens. Dann sagte der Chief: »Ich bin Cochise, der Häuptling der Apachen. Wir verfolgten dieses Bleichgesicht, das mein Vetter gefangen hatte. Der Weißhäutige hat große Schuld auf sich geladen.« »Du sprichst die Wahrheit, Cochise«, erwiderte der Cheyenne. »Ich bin Donnernder Büffel, ein Häuptling der Cheyennes. Wir besuchen den heiligen Ort, um den Großen Geist gnädig für die Jagd zu stimmen. Die Büffelherden sind seltener geworden, und unsere Frauen, Alten und Kinder leiden große Not.« Donnernder Büffel schwieg. Forschend blickte er Cochise an, ehe er fortfuhr: »Der Häuptling der Apachen sei uns willkommen. Auch seine Begleiter. Das Bleichgesicht muß sterben. Zwei seiner Freunde mußten wir töten, als sie sich wehrten. Die Weißhäutigen ermordeten vier meiner Krieger aus dem Hinterhalt, obwohl diese sich friedlich verhalten hatten. Das Leben des weißen Mannes ist verwirkt.« Cochise neigte leicht den Kopf. »Der Häuptling der Apachen will sich dem nicht widersetzen, Donnernder Büffel, obwohl Cochise die älteren Rechte auf das Bleichgesicht besitzt.«
Der Apachen-King deutete auf den Falken. »Dieser Mann vertritt das Gesetz des weißen Mannes und wollte das Bleichgesicht einfangen.« Donnernder Büffel blickte John Haggerty wachsam und sehr mißtrauisch an. »Nun gilt das Gesetz der Cheyennes, weißer Mann. Du mußt es respektieren.« »Ich werde es respektieren«, antwortete John Haggerty und nickte dem Cheyenne-Chief zu. »Dann sitzt ab und geht zum Beratungsfeuer. Wir werden die Pfeife des Friedens rauchen.« John warf einen Blick zu Richy Valentine hinüber, der herüberstarrte und wohl erwartete, von dem Sheriff angesprochen zu werden. Haggerty wußte aber, daß er sich den Gesetzen der Indianer zu unterwerfen hatte. Ihm blieb keine andere Wahl, als zu gehorchen, um sich nicht den Zorn der Cheyennes und auch den seiner beiden Apachenfreunde zuzuziehen. Sie setzten sich ans Feuer und rauchten die Friedenspfeife. Die Sonne verglühte hinter den Talrändern und erinnerte an ein loderndes Flammenmeer. Langsam krochen die Schatten der Nacht aus den Senken und Mulden hervor. Das Lagerfeuer warf bizarre Schatten, die über die Gesichter der vier Männer geisterten. »Wann werden uns die Krieger der Apachen und das Bleichgesicht wieder verlassen?« fragte Donnernder Büffel, nachdem alle lange geschwiegen hatten. John verzog das Gesicht, Gewählter hätte Donnernder Büffel diesen Rauswurf nicht formulieren können. Cochise antwortete: »Wenn Donnernder Büffel will, daß Cochise und seine beiden Begleiter reiten sollen, dann wird es geschehen.« Er erhob sich. Naiche folgte sofort dem Beispiel seines Vaters. Nun blieb auch John Haggerty keine andere Wahl, als
aufzustehen. Und er fragte sich, ob er wirklich Richy Valentine einem grausamen Tod überlassen durfte. Natürlich hatte der Banditenboß sein Leben verwirkt. Jeder Richter würde ihn zum Tod durch den Strang verurteilen. John Haggerty wußte aber auch, daß er die ungeschriebenen Gesetze der Indianer nicht brechen durfte. Er nickte Cochise zu, der den weißen Freund fragend angesehen hatte. »Wir reiten, Cochise«, sagte John. * Die drei Männer traten zu ihren Pferden und wollten sich in die Sättel ziehen, als die ersten Schüsse aufpeitschten. Zwei Krieger brachen am Lagerfeuer zusammen. Andere flohen in die Dunkelheit. Ein heißes Bleigewitter brach über die Cheyennes herein. Die Indianer hatten kaum etwas dagegen zu setzen, so überraschte sie dieser Angriff. Cochise, Naiche und John Haggerty griffen ihre Gewehre und zogen sich hinter Büsche zurück. Sie wußten nicht, wer die Angreifer waren. Sicher war, daß der Angriff nur einen Zweck hatte, Richy Valentine zu befreien. Es mußten viele Gegner sein, denn immer wieder spuckten Gewehre von einem nahen Hügel ihre tödliche Saat in das Lager der Cheyenne-Krieger. Viele von ihnen lagen regungslos am Boden oder krochen verwundet hinter Deckungen. Pausenlos peitschten die Schüsse. Ein Zelt stürzte in sich zusammen. Funken erfaßten ein anderes Wigwam, das wenige Sekunden später lichterloh brannte. John Haggerty sah einige huschende Gestalten, die sich ohne zu schießen, näherten. Es waren Weiße. Cochise handelte sofort. Sein Gewehr donnerte. Einer der
Angreifer blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Sein gellender Aufschrei übertönte das Gewehrfeuer. Der Weiße brach zusammen und blieb regungslos liegen. Sofort konzentrierte sich das Gewehrfeuer auf Cochise. Er, Naiche und John Haggerty suchten sich eine andere Deckung und eröffneten das Feuer auf die Männer auf dem Hügel. Nun schossen auch Cheyennes. Sie schienen aber nur über sehr wenige Donnerrohre zu verfügen, wie sie die Gewehre nannten. Außerdem waren es veraltete Vorderlader, die nach jedem Schuß umständlich geladen werden mußten, Natürlich war John Haggerty klar, daß sich die Cheyennes an den Hügel heranschleichen würden, um im Kampf Mann gegen Mann die weißen Angreifer niederzuringen. Cochise drehte sich plötzlich um und schlich davon, während Naiche und John Haggerty noch immer zu dem Hügel hinüberschossen. Krachend stürzte das brennende Zelt in sich zusammen. John sah, daß die Angreifer Richy Valentine befreit hatten. Plötzlich verstummte das Feuer vom Hügel. Gellendes Kriegsgeschrei tobte durch die Nacht. Die Cheyennes kämpften dort verbissen gegen die drohende Niederlage an. Wo aber war Cochise? * Der Häuptling der Chiricahuas schlich auf den Hügel zu. Rechts von sich sah er einen Weißhäutigen auftauchen. Er erkannte ihn an der Kopfbedeckung. Das Bleichgesicht feuerte aus nächster Distanz auf einen Indianer, der ihn mit vorgestrecktem Messer anspringen wollte. Der Cheyenne brach aufschreiend zusammen. Cochise schoß. Seine Kugel warf den Hellhäutigen zu Boden. Der Apachen-Chief war sicher, daß dieses Bleichgesicht niemals wieder aufstand.
Das Feuer auf dem Hügel verstummte. Gellendes Kriegsgeschrei der anstürmenden Cheyenne-Krieger durchschnitt die Stille. Auf dem Hügel kämpften Indianer und Weiße gegeneinander. Cochise sah drei huschende Gestalten, die auf den Talausgang zuliefen. Gleich darauf ertönten Hufschläge. Die drei Weißen ergriffen die Flucht. Und Cochise ahnte, daß dieses dürre Bleichgesicht dabei war. Ihm wurde klar, daß es nur Leute aus Valentines Bande sein konnten, die ihrem Boß von Tres Alamos bis hierher gefolgt waren, schon längere Zeit irgendwo gelauert hatten und erst jetzt in das tödliche Spiel eingriffen, um ihren Boß zu retten. Der Chiricahua-Häuptling eilte zu Naiche und John Haggerty zurück. Ohne eine Erklärung abzugeben, sprang Cochise auf sein Pferd und trieb den Pinto an. Er folgte den drei fliehenden Banditen, mit dem Ziel, sie nicht entkommen zu lassen. Cochise sah huschende Schatten rechts vor sich. Es waren Cheyenne-Krieger, die aber den Apachen rechtzeitig erkannten und nicht auf ihn feuerten. Der Chiricahua trieb seinen Pinto hart an. Der Mustang streckte sich willig und zeigte, was in ihm steckte. Schnell näherte sich der Apachen-Häuptling dem Talausgang. Feiner Staub hing in der Luft, der von den Hufen der Banditenpferde aufgewirbelt worden war. Cochise schmeckte ihn auf der Zunge. Der Ausgang des Valleys war erreicht. Der Apachen-Chief duckte sich noch tiefer über den Hals seines gefleckten Pferdes. Es sah so aus, als ahne der Mustang, daß es nun aufs Ganze ging. Er wurde nochmals schneller. Cochise hoffte, daß keiner der Banditen den Talausgang absicherte. Dann bestand die Gefahr, in eine höllische Bleisaat zu reiten und das Rennen zu verlieren. Nichts geschah. Sekunden später lag das Valley hinter dem Häuptling der
Chiricahua-Apachen. Milchiges Mondlicht erhellte das wildromantische Gelände. Felsschroffen hoben sich dunkel gegen das hellere Firmament ab. Cochise folgte den drei flüchtenden Outlaws. Und der Chief konnte sich gut vorstellen, wie erleichtert das dürre Bleichgesicht war, dem so sicheren Tod in letzter Sekunde entronnen zu sein. Vor dem Chiricahua wichen die Felsen zurück. Eine Ebene lag vor ihm. In der Ferne sah er die drei Reiter, die auf schnellen Hufen das Weite suchten. Der drahtige und zähe Mustang des Chiefs holte auf. Es dauerte nicht lange, bis die Outlaws bemerkten, daß sie verfolgt wurden. Noch stärker trieben sie ihre Pferde an. Für einige Minuten blieb der Abstand gleich, dann setzten sich die größeren Kraftreserven von Cochises Pinto erneut durch. Die drei Halunken wandten sich immer öfter im Sattel um. Es war aber zu dunkel, um die Gesichter der Kerle sehen zu können. Plötzlich zügelten die Banditen ihre Pferde, trieben die Tiere hinter ein Gebüsch und duckten sich selbst hinter einige Felsbrocken. Cochise wußte, was das zu bedeuten hatte. Er sprang vom Rücken des Pintos und verschwand im Gelände. Die heranzischenden Geschosse gingen fehl. Der Mustang lief einige Yards weiter und verhielt hinter einer Dornenhecke. Cochise nutzte jede Deckungsmöglichkeit aus und näherte sich immer mehr den drei Banditen, die ihn inzwischen aus den Augen verloren hatten. Die Halunken schossen nicht mehr, sondern lauerten in die Nacht und hofften, den Verfolger zu erspähen. Cochises Sorge war, daß die weißen Bastarde die Flucht ergriffen, ehe er sich an sie heranschleichen konnte.
* Der Häuptling der Chiricahuas preßte sein Gewehr an die Schulter. Er lauerte zu den Felsen hinüber, die höchstens fünfzehn Pferdelängen vor ihm aus dem steinigen Boden ragten. Er sah einen dunklen Oberkörper, der sich hinter der Deckung hervorwagte und krümmte den Zeigefinger. Der Schuß peitschte auf. Die Kugel traf den Outlaw in die Brust und warf ihn auf den Rücken. Der gellende Schrei verhallte. Sofort wechselte Cochise seine Position, denn die beiden anderen Banditen feuerten nun zu der Stelle, wo Cochise noch vor wenigen Augenblicken sein Gewehr abgeschossen hatte. Wirkungslos verpuffte das heiße Blei, wirbelte nur einige Sandfontänen auf. Cochise schoß erneut. Dieses Mal fehlten seine Kugeln, denn die beiden Banditen gingen vorher in Deckung. Der Apachen-King schlich weiter, schlug einen Bogen, um seinen Gegnern in den Rücken zu fallen. Die Halunken durchschauten aber den Plan des Chiefs und wechselten ebenfalls ihre Positionen. Cochise schlug eine heiße Bleisaat entgegen. Die Geschosse zischten haarscharf an seinem Kopf vorbei. Nur durch Glück wurde der Häuptling der Apachen nicht getroffen. Danach erlosch das Gewehrfeuer von einer Sekunde zur anderen. Cochise ahnte, was seine Gegner vorhatten. Sie wollten sich in die Sättel ziehen, um die Flucht fortzusetzen. Und das wollte der Chiricahua-Chief unter allen Umständen verhindern. Cochise setzte alles auf eine Karte und spurtete los. Er umlief die Felsen und sah die beiden Reiter, die ihre Pferde antrieben und dabei fluchten und schrien. Einer wandte sich im Sattel um und schoß sofort auf Cochise, dessen Silhouette sich deutlich gegen das hellere Firmament
abhob. Die Kugel zischte dicht an Cochises Ohr vorbei. Er fühlte den heißen Atem des Todes. Der Apachenhäuptling kannte keine Schrecksekunde, sondern feuerte aus der Hüfte. Der Bandit wurde regelrecht aus dem Sattel gerissen und blieb liegen. Der andere Bursche hatte inzwischen die Flucht fortgesetzt und nicht auf seinen Partner gewartet oder ebenfalls auf den Gegner geschossen. Dumpf verklangen die Hufschläge. Cochise lief zu dem Niedergeschossenen und konnte nur noch seinen Tod feststellen. So war es auch bei dem anderen Outlaw, den das gleiche Schicksal einige Minuten zuvor ereilt hatte. Cochise kannte die Bleichgesichter nicht. Bei dem erneut Geflüchteten mußte es sich um den dürren Mann handeln, der von seinen Partnern in letzter Sekunde im Cheyenne-Lager befreit worden war. Richy Valentine befand sich noch in Freiheit. Cochise eilte zu seinem Pinto und nahm die Verfolgung auf. * »Mein Vater wird es allein schaffen«, rief Naiche, als sich John Haggerty in den Sattel ziehen und dem Häuptling der Chiricahuas folgen wollte. John zögerte einen Moment, ehe er nickte. »In Ordnung, Naiche, wir sollten uns um die Cheyennes kümmern. Ich schätze, daß die Krieger einiges abbekommen haben.« So war es auch. Der hinterhältige Anschlag der Bleichgesichter hatte drei Tote und fünf Verwundete gekostet. Der Häuptling der Cheyennes war ebenfalls verletzt. Bekümmert starrte er erst Naiche und dann den großgewachsenen Weißen an. »Der Große Geist hat unser Flehen nicht erhört«, rief Donnernder Büffel verzweifelt. »Die tapferen Krieger der
Gheyennes mußten eine schmerzliche Niederlage einstecken.« Donnernder Büffel deutete zu dem Pfahl hinüber, an den Valentine gebunden gewesen war. »Er ist uns entkommen. Dieser weißhäutige Coyote wurde von seinen Freunden befreit. Wir haben nicht damit gerechnet.« »Niemand rechnete damit«, sagte John Haggerty. »Auch wir hatten keine Ahnung, daß uns weiße Banditen folgten. Es ist für uns alle sehr überraschend gekommen. Cochise folgt den drei Weißen, die geflohen sind. Er wird sie töten und die Ehre der Cheyenne-Krieger wieder herstellen.« Donnernder Büffel konnten diese Worte nicht überzeugen. Er zog ein griesgrämiges Gesicht und murmelte einige unverständliche Worte. Dann sagte der Cheyenne: »Drei angreifende Bleichgesichter wurden von meinen tapferen Kriegern getötet. Vielleicht gelingt es dem Häuptling der Apachen, die drei entflohenen Bleichgesichter zu töten.« »Es wird meinem Vater gelingen«, rief Naiche überzeugt. »Er tritt die Weißhäutigen in den Boden!« John Haggerty sagte nichts zu diesen Worten. Seine Gedanken waren bei Cochise. Und der einstige Armee-Scout fragte sich, ob er nicht doch noch dem Apachen-King folgen sollte. * Cochise holte schnell auf. Er erkannte Valentine, denn der dürre Kerl hockte wie ein Fragezeichen im Sattel. Immer wieder sah sich der Banditenboß um. Er schien längst erkannt zu haben, wer ihm wie ein hungriger Wolf folgte und nicht aufgab. Cochise zügelte seinen Pinto, als er bis auf Schußweite herangekommen war. Er hob sein Gewehr, zielte gelassen und schoß. Richy Valentine hatte Glück. Die Kugel, die ihm gegolten
hatte, verfehlte den Bandenboß nur knapp und schlug in den Kopf seines Pferdes. Das Tier strauchelte nach wenigen Schritten und stürzte aufwiehernd zu Boden. Es gelang Valentine, in letzter Sekunde die Stiefel aus den Steigbügeln zu ziehen und sicher am Boden zu landen. Wieder fühlte der Outlaw die panische Angst in sich aufsteigen, die ihn schon vorher im Lager der Cheyennes in den Krallen gehalten hatte. Und dabei hatte Valentine schon geglaubt, dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen zu haben. Er wankte hinter einen Felsbrocken und hielt nach seinem Gegner Ausschau, den er aber nirgends entdecken konnte. Einsam und verlassen stand der Mustang des Indianers mit gesenktem Kopf in der Nähe einiger Felsen. »Er schleicht sich an, dieser verdammte rote Bastard«, murmelte Richy Valentine und biß die Zähne aufeinander. »Bestimmt ist es Cochise selbst, der mich zur Hölle schicken will.« Valentine wußte, ihm blieb keine andere Wahl als zu kämpfen. Und das wollte er auch. Inzwischen schlich Cochise näher. Sein Gesicht wirkte wie versteinert. Der Häuptling unterschätzte seinen Gegner nicht. Als ein Kind dieses rauhen Landes wußte er, daß der kleinste Fehler den Tod bedeuten konnte. Cochise spähte hinter seiner Deckung hervor und sah den Outlaw, der zu ihm herüberspähte und ihn wohl auch in der gleichen Sekunde erkannte. Valentine und Cochise schossen fast gleichzeitig. Die Schüsse klangen wie ein einziger. Richy Valentine brach zusammen, denn Cochises Kugel hatte ihn mitten in die Stirn getroffen. Seelenlose Augen starrten an dem Apachen-Häuptling vorbei, als er sich kurze Zeit später über den Toten beugte und nur noch seinen Tod feststellen
konnte. Einige Minuten danach ritt Cochise in Richtung des Cheyenne-Lagers zurück. * »Na endlich«, seufzte John Haggerty, als er den Häuptling der Apachen heranreiten sah. Cochise sprang geschmeidig vom Pferde rücken, nickte Haggerty und Naiche kurz zu und schritt auf Häuptling Donnernder Büffel zu. Die beiden unterhielten sich kurz. Cochise reichte dem Cheyenne etwas, was John Haggerty nicht genau erkennen konnte. »Das ist der Skalp des dürren Bleichgesichts«, erklärte Naiche und lächelte, als er Johns entsetztes Gesicht sah. »Du vergißt, Falke, daß es nicht die Apachen gewesen waren, die mit dem Skalpieren begonnen haben. Die Bleichgesichter führten es ein, um sich mit den Skalps der Indianer zu brüsten. Sehr oft wurde auch Geld für einen Apachenskalp bezahlt.« »Das weiß ich alles, trotzdem finde ich es furchtbar, einen besiegten Gegner derart zuzurichten.« Cochise trat zu seinem Sohn und dem weißen Freund. »Unsere Mission ist beendet, Falke«, sagte er zu Haggerty. »Die drei Banditen sind tot. Darunter auch dieses dürre Bleichgesicht, das an allem die größte Schuld trug. Wir sollten reiten und diesen Ort verlassen. Bei meinen Vettern vom Stamm der Cheyenne herrscht große Trauer. Wir wollen sie nicht stören.« John fragte nicht, ob es wirklich Valentines Skalp gewesen war, den der Chief Donnernder Büffel überreicht hatte. Die Hauptsache war, daß Valentine nicht entkommen war und vielleicht an einem anderen Ort ein ähnlich teuflisches Spiel erneut in Gang brachte. Wenige Minuten später verließen Cochise, Naiche und John
Haggerty das Tal. Hinter ihnen erklangen die Felltrommeln der Cheyennes. Dieses Mal dröhnten sie dumpf und traurig. * »Hier trennen sich die Wege von Cochise und dem Falken. Wird dich der Häuptling der Apachen bald wiedersehen?« »Ich reite zuerst nach Tres Alamos, um dort zu berichten, was geschehen ist«, antwortete John Haggerty. »Ich war auf dem Weg zu deiner Apacheria, Cochise. Vielleicht muß ich noch einige Tage in der Stadt der Bleichgesichter bleiben, um meinen kranken Freund Nat Baxter zu vertreten. Dann aber führt mich mein erster Weg zu dir und zu Tla-ina. Ich freue mich sehr.« Cochise lächelte. »Auch Tla-ina freut sich, wenn ich ihr von dir berichte, Falke. Ich frage mich nur, ob es richtig ist, daß du das Herz meiner Schwester in Brand gesetzt hast?« John Haggertys Blick wurde traurig. »Wer weiß, was uns das Schicksal noch alles bringt«, sagte er ausweichend. Cochise legte John Haggerty eine Hand auf die Schulter, während Naiche John kurz zunickte und seinen Mustang antrieb. »Cochise freut sich, dich schon bald in seiner Apacheria zu sehen. Und komm schnell, denn Cochise kann die traurigen Augen von Tla-ina nicht lange ertragen.« Der Häuptling der Chiricahuas zog sich auf den Rücken seines Pintos, winkte John Haggerty zu und ritt los, dem beginnenden Tag im Osten entgegen. John Haggerty blickte Cochise und Naiche nach, bis sie in der Morgendämmerung nicht mehr zu sehen waren. Er dachte dabei an Tla-ina, die er von ganzem Herzen liebte und die ebenso heftig seine Gefühle erwiderte. Und der harte Kämpfer freute sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit Cochises schöner Schwester.
Zuvor wartete aber noch sein Job als Sheriff von Tres Alamos auf ihn. John Haggerty war nun einmal ein Mann, der nicht aus einer gestellten Aufgabe ausstieg, sondern alles zu einem guten Ende brachte. John zog sich auf den Pferderücken und trieb das Tier an. Der Trail führte in Richtung Tres Alamos. * Die Sonne stand hoch am Himmel, als John Haggerty die kleine Stadt am San Pedro River erreichte. Er fühlte sich müde und ausgelaugt und sehnte sich nach einem Steak, nach einem Whisky und vor allen Dingen nach einem Bett, um sich wieder einmal richtig auszuschlafen. Sein erster Weg führte ihn zu seinem Office, nachdem er das Pferd im Mietstall untergestellt hatte. Er wurde von Clark Harper empfangen, der hinter dem Schreibtisch saß. Der Bürgermeister von Tres Alamos seufzte zufrieden, erhob sich und streckte dem Sternträger die Hand entgegen. Seine Knollennase rötete sich langsam aber sicher. »Endlich sind Sie zurück, John. Ist alles gut ausgegangen? Haben Sie Valentine und seine Spießgesellen erwischt?« John Haggerty setzte sich auf einen Stuhl, streckte die staubigen Stiefel von sich und deutete auf die Whiskyflasche auf dem Schreibtisch. Harper schenkte John einen Drink ein, der den Whisky in seine staubige Kehle kippte und dann zu erzählen begann. Bald wußte der Town Mayor von Tres Alamos, was sich draußen in der Wildnis ereignet hatte. »Ausgezeichnet, John«, lobte er. »Das hätte kein anderer als Sie geschafft. Mann, o Mann, ich bin wirklich mächtig froh, daß Sie der Sheriff dieser Stadt geworden sind.« John Haggerty lächelte und mußte dann gähnen. Erschrocken hielt er sich eine Hand vor den Mund.
»Ohne Cochise wäre alles nicht so klar ausgegangen«, bekannte der einstige Chiefscout General Howards. »Ich gehe nun zu Nat Baxter und sehe nach ihm. Anschließend horche ich an meiner Matratze. Ich hoffe, daß sich in der Stadt nichts besonderes ereignet hat.« »Hier ist alles in bester Ordnung, Sheriff. Seit Valentine mit seinem rauhen Rudel verschwunden ist, gibt es keinerlei Klagen. Ruhen Sie sich aus, denn Sie haben es verdient. Ich bleibe solange hier im Office und übernehme die Amtsgeschäfte.« John Haggerty verließ das Office und betrat wenige Minuten später mit Doc Henderson das Krankenzimmer seines Freundes Nat Baxter. »Mir geht es bereits besser, John. In einigen Tagen bin ich wieder auf den Beinen. Bestimmt möchtest du bald weiterreiten?« John nickte. »Du hast es erfaßt, Nat. Ich bleibe natürlich so lange, bis du wieder einigermaßen deinen Posten ausfüllen kannst.« »Das wird schon noch acht oder vierzehn Tage dauern, bis Baxter wieder auf den Beinen ist, Mr. Haggerty«, sagte der kleinwüchsige Arzt. »Er ist auf jeden Fall über den Berg. Und das ist die Hauptsache.« Der Doc verließ das Krankenzimmer. John berichtete ausführlich von der Verfolgungsjagd auf Richy Valentine und dessen Tod. Er merkte, daß ihm die Augen brannten, und er sie vor Müdigkeit kaum noch offen halten konnte. John Haggerty erhob sich gähnend, verabschiedete sich von Nat Baxter und lag einige Minuten später in einem Bett. Innerhalb von Sekunden war der harte Kämpfer eingeschlafen. * Acht Tage waren vergangen.
John hatte sich in dieser Zeit gut erholt. Sein Amt als Sheriff nahm ihn in dieser Zeit kaum in Anspruch. Die Bürger von Tres Alamos verhielten sich friedlich, und die wenigen Fremden versuchten erst gar nicht, sich mit dem großgewachsenen Mann anzulegen. Nat Baxters Verwundung heilte schneller, als sogar Doc Henderson angenommen hatte. John Haggerty nahm das Sheriffsabzeichen von seiner Jacke und reichte es seinem alten Freund Nat, der es nachdenklich in der Hand wog und dann auf den Schreibtisch legte. »Niemand hätte mich besser vertreten können als du, alter Junge«, sagte Baxter. »Ich danke dir von ganzem Herzen. Du hast viel für Tres Alamos und seine Bürger getan.« Clark Harper räusperte sich. »Schon gut, Clark«, erwiderte John Haggerty schmunzelnd. »Noch eine solche Lobeshymne überlebe ich nicht. Wir sollten darauf anstoßen, daß alles wieder in den richtigen Bahnen läuft. Und in Zukunft überlege ich es mir reiflicher, ehe ich mir wieder einen Blechstern an die Jacke stecke.« Er reichte zuerst Nat Baxter und dann dem Bürgermeister von Tres Alamos die Hand. »Laß dich wieder einmal sehen, alter Haudegen«, rief Baxter dem Freund nach, als der die Main Street überquerte, um im Mietstall sein Pferd zu holen. »Das geht in Ordnung, Nat«, antwortete John Haggerty, ohne sich umzuwenden. Fünf Minuten später lag die kleine Stadt hinter dem einstigen Armee-Scout, in der er ein heißes Abenteuer erlebte und in der beinahe Cochise und sein Sohn Naiche ums Leben gekommen waren. John ließ sich den Reitwind um die Nase wehen. Sein Pferd griff tüchtig aus. Der Falke dachte an Cochise und Tla-ina, und er freute sich auf das bevorstehende Wiedersehen.
Wie hätte John Haggerty in diesen Sekunden auch ahnen können, daß ein weiteres Abenteuer auf ihn und Cochise wartete. Ein Abenteuer, das den beiden so tapferen Männern alles abverlangen würde.
ENDE