Bibliothek des Eigentums Im Auftrag der Deutschen Stiftung Eigentum herausgegeben von Otto Depenheuer Band 6
Bibliothek des Eigentums T. von Danwitz, O. Depenheuer, Ch. Engel Bd. 1, Bericht zur Lage des Eigentums 2002, XII, 319 Seiten. 978-3-540-43266-1 O. Depenheuer (Hrsg.) Bd. 2, Eigentum 2005, IX, 167 Seiten. 978-3-540-23355-8 Schwäbisch Hall-Stiftung (Hrsg.) Bd. 3, Kultur des Eigentums 2006, XV, 640 Seiten. 978-3-540-33951-9 D. Blasberg Bd. 4, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen 2008, XII, 222 Seiten. 978-3-540-77738-0 O. Depenheuer, K.-N. Peifer (Hrsg.) Bd. 5, Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel? 2008, VIII, 224 Seiten. 978-3-540-77749-6 C. Roth Bd. 6, Eigentum an Körperteilen 2009, XVII, 207 Seiten. 978-3-540-88821-5
Carsten Roth
Eigentum an Körperteilen Rechtsfragen der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers
123
Dr. Carsten Roth Ursulastraße 12 50129 Bergheim
[email protected] ISBN 978-3-540-88821-5
e-ISBN 978-3-540-88822-2
DOI 10.1007/978-3-540-88822-2 Bibliothek des Eigentums ISSN 1613-8686 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2008 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Otto Depenheuer, der die Anregung zu diesem Thema gab und die Arbeit in die „Bibliothek des Eigentums“ aufgenommen hat. Mein Dank gilt außerdem Herrn Professor Dr. Bernhard Kempen für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und der Deutschen Stiftung Eigentum für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Danken möchte ich allen, die mich während der Erstellung der Arbeit begleitet haben, insbesondere meiner Familie, ohne die mein Weg bis hierhin nicht möglich gewesen wäre. Und Sebastian – danke für alles!
Köln, November 2008
Carsten Roth
Inhaltsverzeichnis
Einleitung............................................................................................................... 1 Teil 1: Der Körper des lebenden Menschen, seine ungetrennten und getrennten Bestandteile ........................................................................................ 7 A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?.......................... 9 I. Die hergebrachte Auffassung ..................................................................... 9 II. Das Überlagerungsmodell ........................................................................ 10 1. Der Gedankengang der Überlagerungsthese...................................... 12 a) Logische Trennbarkeit von Person und Körper .......................... 12 b) Atypisches Eigentum .................................................................. 12 c) Überlagerung als Erklärungsmuster bei Aufhebung der Synthese von Geist und Körper .................................................. 13 2. Kritik der Überlagerungsthese am Maßstab der Kompatibilität mit den Strukturelementen des Eigentums ........................................ 14 a) Die besondere Struktur des Eigentumsrechts.............................. 14 b) Anforderungen an die Qualifikation einer Rechtsposition als Eigentum und Folge für das ‚Eigentum‘ am eigenen Körper...... 16 c) Eigentum an einzelnen ungetrennten Körpersubstanzen – der menschliche Körper als Summe von Eigentumsgegenständen? ............................................................ 18 d) Fazit: fehlende Basis für eine Überlagerung ............................... 19 III. Art. 2 GG als Basis der Bestimmungsrechte am eigenen Körper............. 20 IV. Zusammenfassung .................................................................................... 22 B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten – Freiheitsausübung oder Verfassungsverstoß?.................. 23 I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG ..... 24 1. Einschlägige Äußerungen in Rechtsprechung, Entwurfsbegründungen und Literatur ................................................ 24 a) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.................................. 24 b) Entwurfsbegründungen zum TPG und TFG ............................... 24 c) Schrifttum ................................................................................... 25 d) Das ‚Bild des Grundgesetzes von der Würde und Selbstbestimmtheit des Menschen‘ ............................................. 26 2. Analyse .............................................................................................. 26 a) Autonomie der Entscheidung als Ausgangspunkt....................... 27
VIII
Inhaltsverzeichnis
b) Keine Begrenzung der Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung auf wertige Motivation ......................................... 30 aa) Beschränkungsversuche durch Rückgriff auf geistesgeschichtliche Vorläufer der verfassungsrechtlichen Würdegarantie................................ 31 bb) Grundrechte und ihre Schranken als Spiegel des Inhalts der Menschenwürde?............................................................ 38 c) Abstrakte Schutzdimension?....................................................... 40 aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts................. 41 bb) Zweideutigkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung .................................................................... 42 cc) Der Mangel an Belegen für einen abstrakten Schutzgehalt.. 44 d) Ergebnis: Keine Würdeverletzung durch Eigenkommerzialisierung bei autonom gebildetem Willen ........ 45 II. Eingeschränkte Bindungswirkung vertraglicher Hingabevereinbarungen............................................................................ 46 III. Überstrapazierung der guten Sitten als Kommerzialisierungsschranke.... 48 1. Die vorgeschlagenen Parameter......................................................... 49 2. Analyse .............................................................................................. 50 a) Ökonomisch unspezifische Kriterien .......................................... 50 aa) ‚Intensive personale Bindung‘.............................................. 50 bb) Auswirkungen auf die Gesundheit ....................................... 51 cc) Sittenwidrigkeit aufgrund § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 S. 2 TPG.............................................................. 52 b) Kriterien mit ökonomischem Bezug ........................................... 53 aa) Entgelthöhe .......................................................................... 53 bb) Zweck der Hingabe .............................................................. 54 c) Zwischenergebnis: begrenzte Bedeutung des § 138 BGB .......... 55 IV. Fazit.......................................................................................................... 55 C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen ..................................................... 57 I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen ................................. 57 1. Rein sachenrechtlicher Ansatz........................................................... 57 a) Analoge Anwendung von § 953 BGB ........................................ 58 b) Ausschließliches Aneignungsrecht gemäß § 958 Abs. 2 BGB ... 59 2. Persönlichkeitsrechtlicher Ansatz...................................................... 60 3. Fortentwickelter sachenrechtlicher Ansatz – Doppelregime ............. 61 4. Die Sicht des Bundesgerichtshofs: Endzweckbestimmung ............... 62 5. Kritik.................................................................................................. 63 a) Tatsächliche Gegebenheiten ....................................................... 64 b) Besondere Interessenlagen.......................................................... 64 c) Vorzüge des fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatzes......... 64 d) Fortbestehender persönlichkeitsrechtlicher Schutz bei Enteignung ............................................................................ 67 e) Fortbestehender persönlichkeitsrechtlicher Schutz bei zivilrechtlichem Eigentümerwechsel .................................... 68
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IX
aa) Konstellation 1: Gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten ......................................................... 68 bb) Konstellation 2: Erwerb vom mit dem ehemaligen Substanzinhaber nicht identischen Berechtigten .................. 69 f) Rechtstechnische Umsetzung des Eigentumserwerbs................. 70 6. Ergebnis ............................................................................................. 72 II. Sonderstatus von Keimzellen?.................................................................. 72 1. Meinungsstand................................................................................... 72 a) Gleichbehandlung mit sonstigen Substanzen.............................. 72 b) Sonderstatus von Keimzellen...................................................... 73 c) Die Sicht des Bundesgerichtshofs............................................... 75 2. Stellungnahme ................................................................................... 76 a) Enge Beziehung als untaugliches Kriterium ............................... 76 b) Kein Einwand aus Art. 1 Abs. 1 GG........................................... 77 c) Kein Einwand aus Art. 6 Abs. 2 GG........................................... 78 d) Kein Einwand aus Art. 14 Abs. 3 GG......................................... 78 e) Ergebnis: Gleichbehandlung mit sonstigen Substanzen.............. 79 III. Fazit.......................................................................................................... 80 D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung............................................................................. 81 I. Regelungsbereich des § 17 TPG............................................................... 81 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung...................................................... 85 1. Art. 2 Abs. 1 GG als Maßstabsgrundrecht......................................... 85 a) Verhältnismäßigkeit als herausragender Maßstab....................... 85 b) Verhältnismäßigkeit des Handelsverbots .................................... 86 2. Art. 14 GG als Maßstabsgrundrecht .................................................. 89 3. Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG................................................... 90 a) Vergleich mit Fällen des § 17 Abs. 1 S. 2 TPG .......................... 90 b) Vergleich mit § 10 Transfusionsgesetz ....................................... 91 c) Vergleich mit Handel außerhalb der Heilbehandlung................. 92 III. Fazit.......................................................................................................... 93 Teil 2: Auf dem Weg zum geborenen Menschen.............................................. 95 E. Vom Eigentum zum Lebensschutz............................................................... 97 I. Begriffsbestimmung und Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes..................................................................... 97 II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache? ............................................... 98 1. Eigentum bejahende Minderansicht im Zivil- und Strafrecht............ 98 2. Verfassungsrechtliche Eigentumsliteratur: Ende des Eigentums ab Konjugation .................................................................................. 98 3. Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes .......................... 99 a) Meinungsstand ............................................................................ 99 aa) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch .................................................. 100 bb) Lebensschutz ab Konjugation ............................................ 101
X
Inhaltsverzeichnis
cc) Lebensschutz ab Ende der zweiten Reifeteilung ................ 102 dd) Lebensschutz ab Nidation bzw. Individuation ................... 102 ee) Lebensschutz ab Geburt ..................................................... 105 b) Stellungnahme .......................................................................... 106 aa) Mindestbedingung: genetischer Bauplan plus Prozessbeginn..................................................................... 106 bb) Voraussetzungsarme Bestimmung des personalen Schutzbereiches.................................................................. 107 cc) Fazit: Lebensschutz ab Ende der zweiten Reifeteilung ...... 109 4. Folge: Ende der Eigentumsfähigkeit mit Abschluss der zweiten Reifeteilung ..................................................................................... 110 F. Kommerzialisierung des Keimlings ........................................................... 111 I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie ................................ 112 1. Zeitlicher Beginn des Würdeschutzes.............................................. 112 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts................ 112 b) Entkoppelungsthese in der Literatur ......................................... 113 aa) Ausschluss wegen Untauglichkeit der angebotenen Würdekonzepte .................................................................. 113 bb) Würde durch Erkennbarkeit ............................................... 114 cc) Würde durch Entwicklung als Mensch – Nidation als Brücke zum Menschsein ................................ 115 c) Kritik der Entkoppelungsthese.................................................. 115 aa) Zur fehlenden Einpassungsfähigkeit in unterschiedliche Würdekonzepte .................................................................. 116 bb) Zur Erkennbarkeitsthese..................................................... 117 cc) Zur Brückenkonstruktion ................................................... 117 dd) Fazit: Keine Entkoppelung................................................. 118 2. Konkretisierung des Würdeanspruchs ............................................. 119 a) Untauglichkeit der Objektformel .............................................. 119 b) Konkretisierung anhand anerkannter Gewährleistungskategorien....................................................... 119 aa) Achtung und Schutz der körperlichen Integrität ................ 119 bb) Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen.............. 119 cc) Achtung elementarer Rechtsgleichheit............................... 120 dd) Wahrung der personalen Identität ...................................... 121 II. Ergebnis.................................................................................................. 121 Teil 3: Postmortale körperliche Überreste .................................................... 123 G. Eigentum am Leichnam?............................................................................ 125 I. Der Leichnam als Sache oder als Persönlichkeitsrückstand? ................. 125 1. Der Leichnam als Rückstand der Persönlichkeit ............................. 125 2. Der Leichnam als Sache .................................................................. 127 II. Konstruktionsversuche eines Eigentumserwerbs der Erben und Kritik.. 128 1. § 1922 BGB ..................................................................................... 128 2. Analogien zum Erb- und Familienrecht........................................... 129
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XI
a) Analoge Anwendung von § 1922 BGB .................................... 129 aa) Die Argumentationslinie .................................................... 129 bb) Kritik .................................................................................. 129 b) Rechtsanalogie zu §§ 1922ff., 2303, 2194, 1698b, 1968 BGB . 130 aa) Die Argumentationslinie .................................................... 130 bb) Kritik .................................................................................. 132 III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams...................................................... 134 1. Meinungsstand................................................................................. 134 a) Leichnam als grundsätzlich nicht aneignungsfähige Sache ...... 134 b) Aneignungsfähigkeit bejahende Ansichten............................... 136 2. Verfassungsrechtliche Analyse........................................................ 137 a) Der Leichnam und die Garantie der Menschenwürde............... 137 aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum postmortalen Würdeschutz ................................................ 137 bb) Begründungsansätze in der Literatur.................................. 139 cc) Kritik .................................................................................. 140 b) Postmortaler Würdeschutz als Ergebnis verfassungsgerichtlicher Rechtsfortbildung.............................. 144 c) Auswirkungen des postmortalen Würdeschutzes auf die Eigentumsfähigkeit ................................................................... 145 aa) Der Grundfall: Keine Eigentumsfähigkeit.......................... 145 bb) Schließung dadurch entstehender Schutzlücken................. 147 cc) Eigentumsfähigkeit durch Überlassungsbestimmung zugunsten der Wissenschaft? ............................................. 149 dd) Der Diamant als neue Form der Totenehrung – Eigentumsfähigkeit durch Synthetisierung......................... 154 ee) Eigentumsfähigkeit durch Zeitablauf ................................. 156 ff) nahtlose Abfolge von pränatalem und postmortalem Würdeschutz – keine Eigentumsfähigkeit des pränatal verstorbenen Keimlings...................................................... 159 IV. Fazit........................................................................................................ 159 H. Teile des Leichnams .................................................................................... 161 I. Überblick über den Meinungsstand........................................................ 161 II. Analyse................................................................................................... 162 III. Folgerung: grundsätzliche Eigentumsunfähigkeit von Leichenteilen..... 163 I. Entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte über den eigenen Leichnam ........ 165 Ausblick ............................................................................................................. 167 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen ...................... 173 Literatur ............................................................................................................ 179 Stichwortverzeichnis......................................................................................... 203
Abkürzungsverzeichnis
a.A. a.a.O. a.E. a.F. Abl. L Abs. AcP AG Alt. AöR arg. e. contr. ARSP Art. ArztChr BayBestG BayOblG BayVBl. BayVerfGHE n.F. BayVGH BbgBestG Begr. BerlBestG BerlSektionsG BestattG LSA BestattG M-V BestG BW
anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Teil L (Rechtsvorschriften) Absatz Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Alternative Archiv für öffentliches Recht argumentum e contrario Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Arzt und Christ Bayerisches Bestattungsgesetz, in der Fassung der Änderung vom 20.12.2007 Bayerisches Oberstes Landgericht Bayerische Verwaltungsblätter Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, neue Folge Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg vom 07.11.2001 Begründer Berliner Gesetz über das Leichen- und Bestattungswesen, in der Fassung der Änderung vom 21.09.1995 Berliner Gesetz zur Regelung des Sektionswesens vom 18.06.1996 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt vom 05.02.2002 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 03.07.1998 Gesetz über das Friedhofs- und Leichenwesen (Bestattungsgesetz) Baden-Württemberg, in der Fassung der Änderung vom 07.02.1994
XIV
Abkürzungsverzeichnis
BestG NRW BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BremFriedhofsO BremLeichenG BSG BStBl. BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE d.h. DenkmalSchG LSA ders. dies. DÖV DVBl. DVO BerlBestG DVO Rh.-Pf.BestG
DWW ebda. EGBGB ESchG E-TPG EuGRZ F.A.Z. FamRZ
Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen NordrheinWestfalen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch, in der Fassung der Änderung vom 21.12.2007 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Friedhofsordnung für die stadteigenen Friedhöfe in Bremen vom 18. 12. 1990 Bremer Gesetz über das Leichenwesen, in der Fassung der Änderung vom 25.03.1997 Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts das heißt Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, in der Fassung der Änderung vom 20.12.2005 derselbe dieselbe(n) Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Verordnung zur Durchführung des Berliner Bestattungsgesetzes, in der Fassung der Änderung vom 24.03.1987 Landesverordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 20.6.1983, in der Fassung der Änderung vom 6.3.1996 Deutsche Wohnungswirtschaft ebenda Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, in der Fassung der Änderung vom 21.12.2007 Embryonenschutzgesetz, in der Fassung der Änderung vom 2310.2001 Entwurf des TPG Europäische Grundrechte-Zeitschrift Frankfurter Allgemeine Zeitung Zeitschrift für das gesamte Familienrecht
Abkürzungsverzeichnis FbG FG Fn. FS GA GewO GG GRUR
h.M. HambBestG
HambSektionsG HessFBG Hrsg. HS. HWG i.d.F. i.S.d. / i.S.v. i.V.m. JÖR n.F. JR Jura JuS JZ KritV KunstUrhG LG LS m.N. m.w.N. MDR MedR MMW n.F.
XV
Gesetz über die Feuerbestattung vom 15.05.1934 Festgabe Fußnote Festschrift Goldtammer‘s Archiv für Strafrecht Gewerbeordnung, in der Fassung der Änderung vom 21.12.2007 Grundgesetz in der Fassung der Änderung vom 28.08.2006 Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht: Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht herrschende Meinung Hamburgisches Gesetz über das Leichen-, Friedhofs- und Bestattungswesen in der Fassung der Änderung vom 11.07.2007 Hamburgisches Gesetz zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen vom 09.02.2000 Hessisches Friedhofs- und Bestattungsgesetz vom 05.07.2007 Herausgeber Halbsatz Heilmittelwerbegesetz, in der Fassung der Änderung vom 26.04.2006 in der Fassung im Sinne des/der / im Sinne von in Verbindung mit Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung – Zeitschrift für Studium und Ausbildung Juristenzeitung Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kunsturheberrechtsgesetz, in der Fassung der Änderung vom 16.02.2001 Landgericht Leitsatz mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Münchener Medizinische Wochenschrift neue Fassung
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Abkürzungsverzeichnis
NdsBestattG NJW NJW-RR Nr. NVwZ NVwZ-RR ÖJZ OLG ÖVerfGH OVG OVG NRW OVG Rh.-Pf. PharmR RGZ Rh.-Pf. BestG Rn. S. SaarBestG SächsBestG Scil. SGB V SHBestattG
SJZ st. Rspr. StGB StPO TFG ThürBestG ThürOLG TPG u.a. Ufita UrhG
Niedersächsisches Gesetz über das Leichen-, Friedhofs- und Bestattungswesen vom 08.12.2005 Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Verfassungsgerichtshof Österreich Oberverwaltungsgericht Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Pharmarecht. Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimittelrecht Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfälzisches Bestattungsgesetz vom 04.03.1983 Randnummer Seite Saarländisches Gesetz Nr. 1535 über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen vom 05.11.2003 Sächsisches Gesetz über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen vom 08.07.1994 scilicet Sozialgesetzbuch 5. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung, in der Fassung der Änderung vom 19.12.2007 Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (Bestattungsgesetz – BestattG) vom 25.02.2005 Schweizerische Juristen-Zeitung (Revue Suisse de Jurisprudence) ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch, in der Fassung der Änderung vom 21.12.2007 Strafprozessordnung, in der Fassung der Änderung vom 21.12.2007 Transfusionsgesetz, in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.08.2007 Thüringer Bestattungsgesetz vom 19.05.2004 Thüringer Oberlandesgericht Transplantationsgesetz, in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.09.2007 unter anderem/und andere Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Urheberrechtsgesetz, in der Fassung der Änderung vom 13.12.2007
Abkürzungsverzeichnis Urt. v. Var. VersR vgl. VR ZfmE ZRP ZUM
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Urteil von/vom/vor Variante Versicherungsrecht – Juristische Rundschau für die Individualversicherung vergleiche Verwaltungsrundschau Zeitschrift für medizinische Ethik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Einleitung
Einleitung
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„Es geht um das Eigentum an mir selbst, an meinem Körper. Und es geht dann dabei um eine völlig neue Form der ‚Sozialpflichtigkeit‘. Scharf formuliert: der berühmte Eigentumsartikel des Grundgesetzes könnte bei der nächsten Verfassungsreform folgendermaßen erweitert werden: Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet. In den Körper des Menschen kann eingegriffen werden, wenn es dem Wohle der Allgemeinheit dient. Das nähere bestimmen die Gesetze.“1
Diese bewusst überzogene These, die der speyerische Wissenschaftler Carl Böhret im Zusammenhang mit neuen Herausforderungen des Eigentums gewagt hat, mutet zunächst befremdlich an, gilt doch die Erkenntnis, dass am menschlichen Körper – zumindest am lebenden – keine Eigentumsrechte bestehen können, als juristisches Allgemeingut. Verlässt man jedoch die Perspektive der Eingriffsabwehr und wendet den Blick hin zur Funktion des Eigentums, seinem Inhaber einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen,2 stellt sich die Frage, inwieweit hergebrachte Auffassungen revidiert werden müssen. Denn es kann kein Zweifel daran bestehen, dass menschliche Körpersubstanzen einen Vermögenswert haben können, begreift man Vermögenswert als Resultat von Angebot und Nachfrage. So liegt allein der Bedarf an Gehörknöchelchen und Augenhornhäuten bei mehreren Tausend jährlich,3 von dem chronischen Mangel an verfügbaren klassischen Spenderorganen wie Niere, Leber etc. ganz zu schweigen.4 Zwar kann trotz verschiedener Medienberichte über den Organhandel5 nicht die Rede davon sein, in Deutschland bestehe ein florierender Organmarkt,6 jedoch sah der Gesetzgeber offenbar den Bedarf, den Organhandel durch §§ 17, 18 des Transplantationsgesetzes (TPG)7 unter Strafe zu stellen. Ganz allgemein lässt sich sagen: Wo die Nachfrage nach einem Gut besteht, das nicht ohne weiteres verfügbar ist, ist es alles andere als fernliegend, dass der Inhaber eines begehrten Guts nur gegen Hingabe einer ihm nützlichen Gegenleistung bereit ist, die Nachfrage zu befriedigen und umgekehrt, dass der Nachfragende bereit ist, sich die Befriedigung seines Interesses im wahrsten Sinne etwas kosten zu lassen. Aber auch in den Fällen, in denen der Interessent gerade nicht als Nachfragender gegenüber dem Substanzträger auftritt, sondern dessen heraus1 2 3 4 5
6 7
Böhret, DWW 1995, S. 330 (336). Grundlegend BVerfGE 24, 367 (369), zuletzt E 115, 97 (110); 104, 1 (8f.); 102, 1 (15f.) m.w.N. – st. Rspr. Kopp, MedR 1997, S. 544 (545), dort auch zur Strafbarkeit bei nicht konsentierter Entfernung aus einer Leiche. Siehe dazu den Zwischenbericht der Enquête-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, BT-Drs. 15/5050, S. 7. Vgl. König, Organhandel, S. 28ff. Der Wahrheitsgehalt entsprechender Presseberichte ist mitunter schwer einzuschätzen, immerhin haben derartige Vorgänge die Gerichte schon beschäftigt, vgl. BSG NJW 1997, S. 3114; LG München I, NJW 2002, S. 2655f. Anders etwa im nahen oder fernen Osten, vgl. König, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), HbMedStrafR, S. 409 m.w.N. Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.09.2007, BGBl. I S. 2206.
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Einleitung
gelöste Körpersubstanzen ohne Wissen des ehemaligen Substanzträgers verwendet, um damit seinerseits wirtschaftliche Gewinne zu erzielen, wird der faktische Vermögenswert sichtbar: Erinnert sei hier etwa an die in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts bekanntgewordenen Fälle der Verarbeitung menschlicher Plazenta in der Kosmetikindustrie,8 welche offenbar auch für fötale Zellen Verwendung zur so genannten Frischzellenbehandlung gefunden hat,9 oder an die berühmten Zellen des John Moore, die aufgrund einer genetischen Besonderheit die Entwicklung eines Medikaments ermöglichten, mit dem sich eine Milliardendollarsumme umsetzen ließ.10 Der Umstand, dass die Verwertung heimlich und ohne Zustimmung des ehemaligen Substanzinhabers erfolgte, lässt die Annahme eines Vermögenswerts nicht entfallen, im Gegenteil: ersparte es den ‚Erwerbern‘ doch lästige Vereinbarungen über eine Gewinnbeteiligung. Auf der Grenze zwischen Wissenschaft, Kunst und Kommerz11 bewegt sich das Interesse, welches der Heidelberger Plastinator Gunter von Hagens seit einigen Jahren an menschlichen Leichnamen hat, die er der Öffentlichkeit im Rahmen seiner bekannten und umstrittenen Körperweltenausstellung und anderer Veranstaltungen als Anschauungsmodelle zugänglich macht. Neben die „Faszination des Echten“12, die manchem schon Skandal genug ist, und neben die damit verbundene Kontroverse trat hier die zusätzliche Skandalierung durch Medienberichte, wonach von Hagens verschiedene Leichname verstorbener Ukrainer und Chinesen gegen Entgelt erhalten haben soll.13 Eine weitere Dimension eröffnet sich mit den in der Schweiz und den Niederlanden bereits eingesetzten technischen Verfahren, die es ermöglichen, die Asche Verstorbener zu einem synthetischen Diamanten zu verdichten, der beispielsweise in einen Ring oder einen Anhänger eingepasst werden kann. Gerade hier wird deutlich, dass neue Entwicklungen das Recht vor neue Herausforderungen stellen: Zwar ist die hinter diesem Verfahren stehende Idee vorrangig, einem Hinterbliebenen eine besondere Form des Andenkens an den Verstorbenen zu ermöglichen, wodurch ein entsprechendes Schmuckstück eine besondere persönliche Bedeutung erhält; doch stellt sich hier die Eigentumsfrage bereits deshalb mit aller Deutlichkeit, weil sich ein solches Andenken äußerlich nicht von sonstigen Schmuckstücken unterscheidet, jedenfalls für den Nichtexperten. All dies gibt Anlass genug, der Frage des Bestimmungsrechts über menschliche Körpersubstanzen in allen Phasen ihrer Existenz aus grundrechtlicher und insbesondere aus eigentumsrechtlicher Perspektive nachzugehen,14 wobei vor allem 8 9 10 11 12 13 14
Dazu Gropp, Plazenta, S. 299 (300f.). Harks, NJW 2002, S. 716 (716) m.w.N.; BT-Drs. 10/3758 S. 4. Dazu Taupitz, VersR 1991, S. 369ff. und ders., in: AcP 191 (1991), S. 202 (204ff.). So existiert ein Online-Shop, in dem neben Katalogen und DVDs auch T-Shirts und Rucksäcke zu erwerben sind, siehe https://ssl.koerperwelten.de/en/pages/shop.asp. So der Untertitel der Ausstellung, www.koerperwelten.de/de.html (letzter Abruf 15.01.2008). Vgl. den Artikel „Händler des Todes“ in: Spiegel, Ausgabe 04/2004, S. 36ff. Ausgeklammert bleiben dabei Fragen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes so genannter Bio-Patente, da dieser Themenkomplex aufgrund seines Umfangs eine eige ne Untersuchung erfordern und den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde.
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auch verfassungsrechtliche Fragen15 der Kommerzialisierung16 erläutert werden sollen. Dabei wird notwendigerweise auch zu untersuchen sein, welche Rolle der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Garantie der Menschenwürde zukommt. Denn da der Mensch als geistiges Wesen in erster Linie Rechtssubjekt ist, scheint der Konflikt vorprogrammiert: Gilt hier die Feststellung, dass es „die Garantie der Menschenwürde […] verletzt, wenn der Mensch bzw. seine sterblichen Reste zum Objekt finanzieller Interessen werden“?17 Oder liegen die Dinge eher so, dass ein „an sich nicht zu beanstandendes Verhalten […] nicht stets dann menschenunwürdig“ wird, „wenn es gegen Entgelt geschieht“?18 Die Untersuchung gliedert sich dabei in drei Hauptteile entsprechend den Phasen der körperlichen Existenz des Menschen: Im ersten Teil werden der Körper des lebenden geborenen Menschen sowie dessen ungetrennte und getrennte Bestandteile in den Blick genommen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem ungeborenen menschlichen Leben, der dritte Teil setzt sich mit postmortalen Fragen auseinander. Abschließend wird im Rahmen eines Ausblicks kurz auf einige Fragen eingegangen, die sich im Zusammenhang mit dem früher oder später zu erwartenden Inkrafttreten der EU-Grundrechtecharta stellen.
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Zu den im Zusammenhang mit dem Transplantationswesen für und gegen eine Kommerzialisierung angeführten Argumenten, die nicht die verfassungsrechtliche, sondern die ethische Seite betreffen, vgl. den Zwischenbericht der Enquête-Kommission Ethik und Recht der Medizin zur Organlebendspende, BT-Drs. 15/5050, S. 67ff. m.w.N.; außerdem den von Taupitz herausgegebenen interdisziplinären Tagungsband „Kommerzialisierung des menschlichen Körpers“. Der Begriff der Kommerzialisierung wird in der vorliegenden Arbeit in einem engen Sinne verstanden, nämlich bezogen auf den Erhalt einer direkten Gegenleistung in Geld für die Einräumung von Eigentum an menschlichen Körpersubstanzen oder die tatsächliche Überlassung von Bestandteilen des Körpers. BT-Drs. 13/4355, S. 29. Benda, Erprobung, S. 205 (221).
Teil 1: Der Körper des lebenden Menschen, seine ungetrennten und getrennten Bestandteile
A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
I. Die hergebrachte Auffassung Anders als in der verfassungsrechtlichen Lehre wird die Frage des Eigentums des Menschen an seinem eigenen Körper und dessen ungetrennten Bestandteilen vor allem in der zivilrechtlichen Literatur bereits seit längerem thematisiert.1 Dort herrscht ebenso wie im strafrechtlichen Schrifttum bis heute ein breiter Konsens, dass der Körper eines lebenden Menschen nicht in dessen Eigentum steht.2 Dieses Ergebnis wird – soweit es für erörterungsbedürftig gehalten wird – damit begründet, der Mensch sei Person im Rechtssinne, daher könne der menschliche Körper nicht als eigentumsfähige Sache angesehen werden.3 Dahinter steht der 1
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Für das 20. Jahrhundert grundlegend Gareis, in: FG Schirmer, S. 59 (61f.), der bereits auf den römischen Rechtsgelehrten Ulpian verweist, welcher schon seinerzeit formuliert hatte: „dominus membrorum suorum nemo videtur“ (Digesten 9, 2, 13pr). Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 18; Marly, in: Soergel, BGB, vor § 90 Rn. 2 i.V.m. 35 und § 90 Rn. 5; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 1, 2; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 5; Jauernig, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, Vor § 90 Rn. 9; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 20 Rn. 7; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 2; Hübner, BGB AT, Rn. 287; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (577); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 3; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 860; Lippert, MedR 2001, S. 406 (407); Schmitz, in: MüKo-StGB, § 242 Rn. 22; weitere Nachweise bei Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 69 m.w.N. Einen ausschließlich sachenrechtlichen Ansatz verfolgte in der Nachkriegszeit soweit ersichtlich nur Brunner, NJW 1953, S. 1173f., dessen Argumentation sich allerdings allein auf praktische Notwendigkeiten im Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung von Leichnamen in der Anatomie sowie auf den täglichen Sprachgebrauch (‚Mein‘ Arm etc.) beschränkte und daher zu Recht keine Anhängerschaft fand. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 18; Marly, in: Soergel, BGB, vor § 90 Rn. 2 i.V.m. 35 und § 90 Rn. 5; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 5; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 29; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 1, 2; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 20 Rn. 7; unter Rückgriff auf Wortlaut und Systematik des BGB sowie auf Art. 1 Abs. 1 GG auch Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 2; Hübner, BGB AT, Rn. 287; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (577); in der Sache auch Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 3; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 857; ohne nähere Begründung Jauernig, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, Vor § 90 Rn. 9; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 242 Rn. 22; Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 69.
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
Gedanke, der menschliche Körper sei die unmittelbare und gegenwärtige Erscheinung der Person selbst.4 Die verfassungsrechtliche Lehre befasst sich erst in jüngerer Zeit mit der Eigentumsfrage.5 Auch hier besteht im Ergebnis Einigkeit, dass das Eigentum in Bezug auf den lebenden menschlichen Körper und seine ungetrennten Bestandteile jedenfalls keine Rolle spielt.6 Zur Begründung wird auch hier der Unterschied zwischen Person und Sache betont, der die gesamte Rechtsordnung durchzieht.7 Zum anderen stehe Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG einer Einordnung des menschlichen Körpers als eigentums- und verkehrsfähigem Sachgegenstand entgegen und ziehe insoweit selbst für den Verfassungsgesetzgeber eine Tabugrenze.8 Dem ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als daran gedacht wäre, jemandem eine umfassende Herrschafts- und Verfügungsbefugnis am Körper eines anderen lebenden Menschen insgesamt einzuräumen. Denn dies würde unweigerlich dazu führen, eine moderne Form der nach allgemeiner Ansicht menschenwürdewidrigen Sklaverei zu etablieren.9 Noch nicht entschieden ist damit jedoch, ob nicht ein Eigentum des Menschen an seinem eigenen Körper denkbar ist.10 Damit ließe sich jedenfalls die überwiegend vertretene Ansicht erklären, wonach der Einzelne ohne weiteres Zutun Eigentümer der Substanzen wird, die aus seinem Körper herausgelöst werden.11 Denn wenn bereits die Rechtsmacht über den eigenen Körper als Eigentum qualifiziert werden könnte, wäre das Eigentum an herausgelösten Substanzen die logische Konsequenz.
II. Das Überlagerungsmodell Diesen Gedanken greift das so genannte Überlagerungsmodell auf. Sinn und Zweck dieses Modells ist es erklärtermaßen, die rechtlichen Verhältnisse an 4 5 6
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Larenz/Wolf, BGB-AT (8), § 20 Rn. 7. Soweit ersichtlich zuerst Brohm, JuS 1998, S. 197ff. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 144; Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 107ff.; Brohm, JuS 1998, S. 197 (198). Brohm, JuS 1998, S. 197 (198, insbes. Fn. 7); ebenso Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 98. Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 109; Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 68; Kaatsch, Rechtsmedizin 1994, S. 132 (133). Das Verbot der Sklaverei gehört zu den (wenigen) unstreitigen Garantiegehalten des Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. statt aller Enders, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKomm-GG, C Art. 1 Rn. 95 m.w.N.; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 33; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 59; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 EMRK. Schünemann, Rechte, S. 30; vgl. auch Andrews, My Body, My Property, in: Howell, J.H./Sale, W.F. (Eds.). Life Choices: a Hastings Center Introduction to Bioethics, Washington 1995, S. 389 (398), zitiert bei Heinrichs, in: ZfmE 50 (2004), S. 277 (282): „It is one thing for people to have the right to treat their own bodies as property, quite another to allow others to treat a person as property“. Dazu unten Kap. C.
II. Das Überlagerungsmodell
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herausgelösten Körpersubstanzen konsistent zu begründen.12 Dazu geht es als Denkmodell davon aus, dass am lebenden menschlichen Körper sowie dessen ungetrennten Körpersubstanzen sowohl Eigentum besteht als auch ein Persönlichkeitsrecht. Jedoch soll das Eigentum zu Lebzeiten und vor Herauslösung einzelner Substanzen vollständig durch das Persönlichkeitsrecht überlagert sein.13 Historischer Vorläufer, an den das Überlagerungsmodell anknüpft, ist die in der älteren Literatur entwickelte Vorstellung von einem „latenten Eigentum“14 am eigenen Körper. Da dieser Ansatz recht große Beachtung erfahren15 hat und kaum explizit abgelehnt wird,16 lohnt es sich, ihn genauer zu untersuchen. Sofern er im Grunde Zustimmung verdienen sollte, müsste die erste Folgerung sein, auch auf der verfassungsrechtlichen Ebene im Grundsatz Eigentum anzunehmen, da das Sacheigentum des BGB unstreitig den Schutz des Art. 14 GG genießt.17 In einem weiteren Schritt wäre dann zu untersuchen, ob auf der Ebene des Verfassungsrechts eine vollständige Überlagerung des Eigentums durch andere Grundrechtsgewährleistungen stattfindet, ob sich also die Gewährleistungsbereiche eines überlagernden Persönlichkeitsrechts und eines überlagerten Eigentums tatsächlich decken. Nur dann nämlich könnte von einer vollständigen Überlagerung die Rede sein; hingegen müsste das Eigentumsrecht bei einer lediglich partiellen Deckungsgleichheit zumindest teilweise eine eigenständige Bedeutung haben.
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Schünemann, Rechte, S. 89ff. Schünemann, Rechte, S. 86ff., insbes. 91ff., anknüpfend an Bekker, Grundbegriffe, S. 98. Bekker, Grundbegriffe, S. 98. Siehe Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 40ff.; Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1091); Britting, Postmortale Insemination, S. 26; Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 88ff.; Sasse, Veräußerung, S. 58ff.; siehe außerdem Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 20; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 20. Zustimmend Sasse, Veräußerung, S. 58ff.; offengelassen von Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1091); für die Rechtsverhältnisse am Leichnam auch Appel, Patentrecht, S. 126; siehe auch Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 81: „dogmatisch sauber“ (jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis ablehnend, S. 86). Insoweit herrscht Konsens unabhängig von sonstigen dogmatischen Differenzen, vgl. stellvertretend Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 33, der § 903 BGB als ‚magna charta‘ des Eigentums bezeichnet; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 13; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 8; das BVerfG nimmt in einer Reihe von Entscheidungen am Sacheigentum des BGB Maß für die Frage, ob eine Rechtsposition als Eigentum im Sinne von Art. 14 GG einzuordnen ist, indem es danach fragt, ob eine vermögenswerte Rechtsposition dem Berechtigten „wie Sacheigentum“ (BVerfGE 89, 1 (6)) bzw. „wie Eigentum an einer Sache“ zugeordnet ist (BVerfGE 89, 1 (6); 45, 142 (179); 78, 58 (71); 79, 174 (191); 83, 201 (208); 91, 207 (220)).
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
1. Der Gedankengang der Überlagerungsthese a) Logische Trennbarkeit von Person und Körper Die grundsätzliche Möglichkeit einer sachen- und damit eigentumsrechtlichen Einordnung des lebenden menschlichen Körpers ergibt sich nach der Überlagerungsthese aus folgenden Überlegungen: Zwar könne nicht daran gezweifelt werden, dass die Rechtsordnung durchgängig zwischen Personen als Rechtssubjekten einerseits und Sachen andererseits differenziere, die dem menschlichen Willen zu dienen hätten; insofern sei es zutreffend, dass keine Person Sache sein könne.18 Die eigentliche Frage sei jedoch, ob dies auch für den Körper des Menschen gelte, was nur dann anzunehmen sei, wenn eine juristische Unterscheidung zwischen Person und Körper unmöglich sei.19 Es spreche jedoch alles dafür, die Trennung logisch für möglich zuhalten. Andernfalls leugne man „eine der grundlegendsten Eigenschaften des Menschen: seine Fähigkeit, sich über seinen Körper zu erheben und dem Körper seinen Willen aufzuzwingen.“20 Aus diesem Grund könne der Körper nicht zwingend mit der Person gleichgesetzt werden.21 b) Atypisches Eigentum Allerdings sei eine eigentumsrechtliche Einordnung des Körpers mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden: So sei zwar eine logische, nicht aber eine reale Trennung von Person und Körper möglich, ohne die Person und damit das Rechtssubjekt zu zerstören.22 Hinzu komme, dass ein wesentliches Element des Eigentums seine Übertragbarkeit sei, so dass die Konsequenz eigentlich sein müsste, dass auch das Eigentum am eigenen Körper übertragbar sein müsse. Dies führe aufgrund der realen Untrennbarkeit von Person und Körper jedoch letztlich zur Sklaverei und sei daher mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, so dass die Übertragbarkeit des Eigentums am Körper als Ganzem ausgeschlossen werden müsse.23 Darüber hinaus müsse Eigentum am eigenen Körper wegen des Charakters als Herrschaftsrecht bei rein sachenrechtlicher Betrachtung konsequenterweise die Anerkennung eines Rechts zum Suizid zur Folge haben, was ebenfalls mit grundlegenden Rechtsprinzipien kollidiere, da das Grundgesetz ein Verfügungsrecht über das eigene Leben nicht anerkenne.24 Demzufolge müsse das Recht zu Vernichtung der Sache Körper ebenfalls ausgeschlossen sein.25 Mit diesen Einschränkungen sei die Qualifikation der Rechtsbeziehung des Menschen zu seinem Körper als Eigentum denkbar, bringe jedoch gegenüber einer persönlichkeitsrechtlichen Einordnung solange keine Vorteile, wie die Verbindung 18 19 20 21 22 23 24
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Schünemann, Rechte, S. 23f. A.a.O, Schünemann, Rechte, S. 25. A.a.O. Schünemann, Rechte, S. 34. Schünemann, Rechte, S. 34 i.V.m. S. 30. Schünemann, Rechte, S. 34f. unter Bezugnahme auf Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 12 (Stand 11/1982). Schünemann, Rechte, S. 34f.
II. Das Überlagerungsmodell
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einzelner Körpersubstanzen zum lebenden menschlichen Körper bestehe; denn insoweit zeitige eine persönlichkeitsrechtliche Betrachtung in Bezug auf Rechtsschutz und Verfügungsmöglichkeiten die gleichen Ergebnisse wie die Annahme von Eigentum, ohne ihrerseits auf atypische Einschränkungen angewiesen zu sein.26 c) Überlagerung als Erklärungsmuster bei Aufhebung der Synthese von Geist und Körper Relevant werde das Modell der Überlagerung jedoch, sobald einzelne Körpersubstanzen aus dem Körper herausgelöst würden: Denn die Vorstellung eines überlagerten Eigentums ermögliche eine rechtliche Betrachtung in Übereinstimmung mit dem „nach wie vor gültig[en]“ Grundgedanken, „dass die Trennung der Teile vom Körper nur bei Kontinuität der an ihnen bestehenden Rechte juristisch zutreffend behandelt werden kann.“27 Zudem überwinde die Überlagerungsthese das Axiom, der menschliche Körper könne nur entweder persönlichkeitsrechtlich oder sachenrechtlich betrachtet werden.28 Erforderlich sei diese Überwindung, weil dem menschlichen Körper die Eigenschaft zukomme, einerseits aus dem gleichen Stoff zu bestehen „wie die Körper der Tiere“29, andererseits aber auch die Hülle für den menschlichen Geist zu bilden.30 Der menschliche Körper lasse sich daher als stoffliche Verbindung beschreiben, die zeitweise, nämlich für die Dauer eines Menschenlebens, einem menschlichen Willen zugeordnet sei.31 Eine rein sachenrechtliche Theorie vernachlässige diese Besonderheit, indem sie allein auf die Materie abstelle, ein rein persönlichkeitsrechtlicher Ansatz hebe das Besondere auch dort hervor, wo es nicht mehr gegeben sei, weil die Synthese zwischen Körper und Geist nicht mehr bestehe, zum Beispiel nach Trennung einzelner Teile vom lebenden Körper oder nach dem Tod eines Menschen.32 Jeder der beiden Ansätze sei daher für sich betrachtet lediglich in der Lage, jeweils eine Seite des Problems zu erfassen.33 Das Überlagerungsmodell berücksichtige hingegen beide Aspekte, indem es auf einer ersten Stufe eine sachenrechtliche Einordnung des Körpers vornehme, welche aber während der Zeit der Zuordnung des Körpers zur Person von der zweiten, persönlichkeitsrechtlichen Stufe vollständig überlagert sei.34 Erst 26 27 28 29 30
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Schünemann, Rechte, S. 83. Schünemann, Rechte, S. 89. Schünemann, Rechte, S. 89. Schünemann, Rechte, S. 91. Schünemann, Rechte, S. 91; der Vergleich mit den „Körpern der Tiere“ erscheint aus heutiger Sicht problematisch, da der zeitlich nach der Entwicklung der Überlagerungsthese in das BGB eingefügte § 90a BGB mittlerweile bestimmt, dass Tiere keine Sachen sind, sondern die für Sachen geltenden Vorschriften (lediglich) entsprechend anzuwenden sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Insoweit läge es nahe, a fortiori auch den menschlichen Körper trotz seiner stofflichen Substanz formal nicht als Sache einordnen zu können. Schünemann, Rechte, S. 91f. Schünemann, Rechte, S. 92. Schünemann, Rechte, S. 91. Schünemann, Rechte, S. 92f.
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
dort, wo die persönlichkeitsrechtliche Überlagerung aufgehoben werde – nach dem Tod oder bei Trennung einzelner Körperteile –, trete die sachenrechtliche Ebene hervor und sei nun allein maßgeblich.35 Eine Überlagerung des Eigentums sei der Rechtsordnung auch keineswegs fremd, sondern etwa im Recht der öffentlichen Sachen anerkannt, wo davon ausgegangen werde, dass das Privateigentum von öffentlich-rechtlichen Zweckbindungen überlagert sein könne, so dass sich das Eigentum nur noch innerhalb dieser Zweckbindung entfalten könne.36 Zudem seien auch sonst zumindest Teilüberlagerungen des Eigentums bekannt, etwa im Bereich des Urheberpersönlichkeitsrechts. Das Überlagerungsmodell besitze somit anerkannte Vorbilder.37
2. Kritik der Überlagerungsthese am Maßstab der Kompatibilität mit den Strukturelementen des Eigentums Auf den ersten Blick scheint das Überlagerungsmodell bestechend, berücksichtigt es doch sowohl den allgemeinen Aspekt der stofflichen Materie des menschlichen Körpers als auch die Besonderheit der Synthese von Körper und Geist bzw. Bewusstsein. Insbesondere gibt es unter der Prämisse, dass eine schlüssige Erklärung der Rechte an herausgelösten Körpersubstanzen nur bei Kontinuität der rechtlichen Einordnung möglich ist, eine plausible Erklärung für einen automatischen Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzträgers, sobald einzelne Substanzen aus der körperlichen Einheit heraustreten. Zudem nimmt es das Spannungsfeld von sachenrechtlichen und personenbezogenen Regelungen auf und führt es einem Ausgleich zu. a) Die besondere Struktur des Eigentumsrechts So plausibel dieses Modell also zunächst scheint, muss es sich jedoch eine ganz grundlegende Frage gefallen lassen: Handelt es sich bei einem solchermaßen beschränkten ‚Eigentum‘ überhaupt um Eigentum? Oder liegen die Dinge nicht vielmehr so, dass die als ‚Eigentum‘ bezeichnete überlagerte Rechtsposition nicht ein atypisches38 sondern tatsächlich kein Eigentum ist? Hintergrund dieser Frage ist die besondere Struktur des Eigentums: Eigentum setzt Normen voraus.39 Im Gegensatz zur Freiheit der Person oder der Meinungsfreiheit, die auch ohne eine rechtliche Ordnung gedacht werden können, muss es durch gesetzliche Normierung erst geschaffen werden.40 Es kann nicht durch einen einseitigen Akt eines Einzelnen begründet werden, sondern wird erst dadurch zu 35
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Schünemann, Rechte, S. 93; zur Frage, ab welchem Zeitpunkt nach dem Tod die persönlichkeitsrechtliche Ebene wegfallen soll, siehe dens., a.a.O., S. 273ff. Schünemann, Rechte, S. 93ff. Schünemann, Rechte, S. 96. So Schünemann, Rechte, S. 83. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 21. Vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 29; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 21; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 120.
II. Das Überlagerungsmodell
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einer Rechtsposition, dass einem Rechtsträger ein Rechtsgut durch einen rechtlichen Akt zugeordnet wird.41 Eigentum besteht also immer nur als Ergebnis eines rechtlich strukturierten Zuordnungsvorgangs zwischen dem Einzelnen als Eigentümer und der Allgemeinheit,42 kurz: „ohne Gesetz kein Eigentum“.43 Nimmt man die Prämisse der Überlagerungsthese an, wonach der menschliche lebende Körper auf einer ersten Stufe aufgrund seiner Stofflichkeit als Sache eingeordnet werden kann, lässt sich als Zuordnungsnorm auf den ersten Blick auf § 90 S. 1 BGB verweisen.44 Danach kann der Eigentümer mit einer Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Daran anknüpfend ließe sich zugunsten des Überlagerungsmodells argumentieren: Soweit die Übertragungsbefugnis als Ausschnitt der Eigentümerstellung betroffen ist, ist § 138 Abs. 1 BGB ein entgegenstehendes Gesetz,45 weil aus der Ausstrahlungswirkung des Art. 1 Abs. 1 GG in das Zivilrecht46 folgt, dass ein dinglicher Vertrag über den Eigentumswechsel gegen die grundgesetzliche Wertordnung verstößt und damit sittenwidrig und nichtig sein muss. In der Folge hat der ‚Eigentümer‘ des eigenen Körpers diese Befugnis eben nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Befugnis zur Vernichtung ‚der Sache‘ Körper: Steht dieser Befugnis das Verfassungsrecht entgegen, entfällt auch diese. Übrig bleibt dann ein ‚Eigentum‘, das vor allem durch die negativ wirkende Ausschlussfunktion des § 903 S. 1, 2. HS BGB gekennzeichnet ist.47 Zur Stützung der These, dass es sich hierbei nach wie vor um Eigentum handelt, kann prima vista auf die allgemeine eigentumsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen werden: Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich 41 42
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 30. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 30; Berkemann, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 14 Rn. 133. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art., 14 Rn. 30. Dies setzt allerdings voraus, dass man den Gegenstandsbegriff, auf dem der Sachbegriff des § 90 BGB aufbaut, weitgehend inhaltsarm versteht; so z.B. Kregel, in: RGRKBGB, § 90 Rn. 7: „Für das BGB ist ‚Gegenstand‘ ein farbloser Begriff, der nicht mehr besagt als das Fremdwort ‚Objekt‘.“ Anders die Vertreter des sog. funktionellen Sachbegriffs, die die bereits bei der Bestimmung des Gegenstandsbegriffs wertend danach fragen, ob auf ein Objekt sachenrechtliche Regelungen anwendbar sind, so etwa Kießling, NJW 1969, S. 533 (534); Jansen, Die Blutspende aus zivilrechtlicher Sicht, S. 14ff.; Schäfer, Verpflanzung, S. 41f.; der Sache nach auch Larenz/Wolf, BGB-AT (8), § 20 Rn. 1: Dort wird differenziert zwischen Rechtsgegenständen erster und zweiter Ordnung. Rechtsgegenstände erster Ordnung seien solche, die Objekt eines Herrschafts- oder Nutzungsrechts sein könnten, wohingegen Rechtsgegenstände zweiter Ordnung solche seien, über die ein Rechtssubjekt durch Rechtsgeschäft verfügen könne. Gegenstände im Sinne von § 90 BGB seien dabei nur die Rechtsgegenstände erster Ordnung. Gemäß Art. 2 EGBGB ist Gesetz im Sinne des BGB jede Rechtsnorm. Grundlegend BVerfGE 7, 198 (LS 2 und S. 205ff.), aus jüngerer Zeit BVerfGE 97, 169 (178); siehe auch Stern, Menschenwürde, S. 219 (227). Zur negativen Wirkung des Eigentums siehe Bassenge, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 6.
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
danach „aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften. Ergibt sich hierbei, dass der Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht.“48 Danach scheinen auch keine Bedenken zu bestehen, das beschränkte Eigentum der Überlagerungsthese – in deren Diktion: auf einer ersten Stufe – als Sacheigentum im Sinne des § 903 BGB anzuerkennen. Und doch wäre dieser Schluss vorschnell: Denn die zentrale Frage lautet, ob die Befugnisse, die dem einzelnen im Hinblick auf seinen eigenen Körper auf der ersten Stufe verbleiben, noch die Rechtsstellung eines Eigentümers beschreiben, oder ob die notwendigen Einschränkungen dazu führen, dass die verbleibende Rechtsstellung mit Eigentum nicht viel mehr gemeinsam hat als den Namen. Die Antwort hierauf hängt davon ab, inwieweit dieses ‚Eigentum‘ diejenigen Merkmale aufweist, die es erlauben, eine Rechtsposition als Eigentum zu qualifizieren. b) Anforderungen an die Qualifikation einer Rechtsposition als Eigentum und Folge für das ‚Eigentum‘ am eigenen Körper Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich anknüpfend an den Wortlaut des § 903 S. 1 BGB bereits früh auf zwei wesentliche Strukturmerkmale des bürgerlich-rechtlichen Eigentums festgelegt: „Das Eigentum bürgerlichen Rechts ist durch seine Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit gekennzeichnet.“49 Daran hat das Gericht in der Sache in zahlreichen weiteren Entscheidungen festgehalten, in denen es zur Qualifizierung einer vermögenswerten privatrechtlichen Rechtsposition zu verfassungsrechtlich geschütztem Eigentum darauf abgestellt hat, ob sie dem Einzelnen wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist.50 Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, worin sich Privatnützigkeit und Verfügungsfähigkeit zeigen. Im Bereich des bürgerlich-rechtlichen Eigentums ist der Ansatzpunkt im Wortlaut des § 903 S. 1, 1. HS BGB zu suchen, wonach der „Eigentümer einer Sache […] mit der Sache nach Belieben verfahren“ kann. Dieses Eigentümerbelieben lässt sich in einen rechtlichen und einen tatsächlichen Bereich unterteilen: Rechtliche Ausprägungen des Eigentümerbeliebens werden vornehmlich in der Übertragung des Eigentums auf einen anderen Rechtsträger (§§ 929ff. BGB), in der Eigentumsaufgabe (§ 959 BGB) und in der Belastung mit beschränkt dinglichen Rechten (z.B. §§ 1030, 1204ff. BGB) sichtbar. Hierin zeigt sich die Verfügungsfähigkeit des Eigentums im rechtstechnischen Sinne, nämlich die Befugnis des Eigentümers, auf das Recht mit unmittelbarer Wirkung einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben.51 In einem weiteren Sinne kann hierzu auch die Vermietung oder Verpachtung des Eigentumsobjekts
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BVerfGE 58, 300 (336); vgl. bereits BVerfGE 20, 351 (356); 24, 367 (396): „Nur das durch die Gesetze ausgeformte Eigentum bildet den Gegenstand der Eigentumsgarantie und ist verfassungsrechtlich geschützt“. BVerfGE 24, 367 (390), seitdem st. Rspr., siehe E 101, 54 (74f.) m.w.N. BVerfGE 115, 97 (111); 78, 58 (71), jeweils m.w.N. – st. Rspr. Zu diesem im Zivilrecht geläufigen Verfügungsbegriff: BGHZ 101, 24 (26) m.w.N.
II. Das Überlagerungsmodell
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gerechnet werden.52 Das tatsächliche Eigentümerbelieben äußert sich etwa in Besitz, Benutzung oder Nichtbenutzung, Verbrauch, Veränderung oder Vernichtung des Eigentumsgegenstandes.53 Von all diesen typischen Ausprägungen der Eigentümerherrschaft müssten indes nicht nur – wie die Überlagerungsthese ausdrücklich annimmt – die Übertragung des Vollrechts und die Befugnis zur Vernichtung der ‚Sache Körper‘ ausgeschlossen sein. Vielmehr müsste aus dem Bereich des rechtlichen Eigentümerbeliebens ebenso die Möglichkeit zur Belastung mit beschränkt dinglichen Rechten ausgeschieden werden: Denn abgesehen davon, dass es sich bei diesen Rechten kaum um adäquate Kategorien im Zusammenhang mit der rechtlichen Erfassung des menschlichen lebenden Körpers handelt, ist sowohl zur Begründung eines Nießbrauchs als auch eines Pfandrechts an beweglichen Sachen eine Übergabe bzw. ein Übergabesurrogat erforderlich,54 dem Nießbraucher steht ein Besitzrecht (§ 1036 Abs. 1 BGB) zu, der Pfandrechtsinhaber hat sogar Eigentümerbefugnisse, soweit sein Pfandrecht vereitelt zu werden droht (§ 1227 BGB), von den Verwertungsbefugnissen des Pfandgläubigers (§ 1228 BGB) ganz zu schweigen. In letzter Konsequenz bedeutete beides wiederum Sklaverei oder mindestens Freiheitsberaubung. Auch eine weitere eigentumstypische Befugnis, das Dereliktionsrecht gemäß § 959 BGB, könnte – ungeachtet aller sonstigen Bedenken – bereits rein rechtstechnisch nicht zur Anwendung kommen, da die dazu notwendige Aufgabe des Besitzes am eigenen Körper nicht denkbar ist. Hinzu kommt, dass der Bereich, der als tatsächliches Eigentümerbelieben beschrieben wird, sich kaum sinnvoll auf ein Eigentum am eigenen Körper abbilden lässt. Dies gilt insbesondere für die im Belieben des Eigentümers stehende Nutzung oder Nichtnutzung des Eigentumsgegenstandes: Der Mensch hat nicht die Wahl, ob er seinen Körper benutzt oder nicht benutzt, da er ihn mit jedem Atemzug, mit jeder Bewegung bewusst oder unbewusst einsetzt und damit ‚benutzt‘; ein ‚Nichtbenutzen‘ des Körpers kommt damit von vornherein nicht in Betracht. Auch ein Verbrauch des eigenen Körpers als weitere Ausprägung des tatsächlichen Eigentümerbeliebens ist kaum sinnvoll vorstellbar. Damit zeigt sich, dass das ‚überlagerte Eigentum‘ am eigenen Körper tatsächlich nicht als Eigentum bezeichnet werden kann, da letztlich alle wesentlichen positiven Wirkungen des Eigentums ausgeschlossen sein müssten und lediglich die negativ wirkende Befugnis zum Ausschluss Dritter überhaupt zur Anwendung gelangen könnte. Zwar gehört diese Abwehrkomponente auch zum Inhalt des bürgerlich-rechtlichen Eigentums,55 als alleiniges Qualifizierungsmerkmal kann sie jedoch vor dem Hintergrund der Funktion des Eigentums nicht ausreichen: Eigentum hat zur Aufgabe, seinem Inhaber einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und sicherzustellen,56 es akzentuiert personale Freiheit 52
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Unter den engen Verfügungsbegriff lassen sich Vermietung und Verpachtung nicht fassen, da es sich hierbei lediglich um die schuldrechtliche Einräumung von Besitz- und Nutzungsrechten handelt, die die dingliche Rechtlage unberührt lässt. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 5. Vgl. für den Nießbrauch § 1032 BGB, für das Pfandrecht § 1205 BGB. Vgl. nur §§ 903 S. 1 a.E., 985, 1004, 823 BGB. St. Rspr. seit BVerfGE 24, 367 (389), zuletzt E 115, 97 (110); 104, 1 (8f.).
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
in vermögensrechtlicher Hinsicht,57 ist auf Verfügbarkeit ausgerichtet.58 Jedenfalls für den Bereich des bürgerlichen Rechts59 lässt sich damit sagen: Eine Rechtsposition, die diese Freiheit nicht enthält, ist kein Eigentum. c) Eigentum an einzelnen ungetrennten Körpersubstanzen – der menschliche Körper als Summe von Eigentumsgegenständen? Retten ließe sich der Überlagerungsgedanke allenfalls, indem man die Ausgangsbetrachtung modifiziert und auf der ersten Stufe nicht auf ein Eigentum am Körper insgesamt abstellt, sondern von vornherein jeweils Eigentum an einzelnen Körpersubstanzen vor deren Herauslösung annimmt. Dies hätte jedenfalls auf das Grundanliegen der Überlagerungsthese, die rechtliche Einordnung herausgelöster Substanzen schlüssig zu erklären, keinen nachteiligen Einfluss. Zudem stünde einer Übertragung des Eigentums an einzelnen Substanzen auch nicht a priori Art. 1 Abs. 1 GG entgegen: Denn im Grundfall der Eigentumsübertragung gemäß § 929 S. 1 BGB erfordert ein Eigentumswechsel neben einer rechtsgeschäftlichen Einigung eine Übergabe, also die Aufgabe jeglichen Eigenbesitzes des Veräußerers und die Besitzbegründung des Erwerbers. Der Eigentumserwerb könnte sich daher erst vollziehen, wenn eine einzelne Substanz aus dem Körper herausgelöst ist. Hierdurch erhielte der Erwerber keine weiterreichenden Herrschaftsmöglichkeiten über den Körper des Veräußerers und damit über den Menschen insgesamt. Insoweit ließe sich eine Übertragbarkeit des Eigentums bei ihrer Art oder ihrer Menge nach nicht lebenswichtigen Substanzen, wie Haaren oder einer verhältnismäßig geringen Menge Blut, noch ohne größere Probleme denken. Da eine Bindung an die Einigung vor Vollendung des Rechtserwerbs nicht eintritt,60 könnte der Substanzinhaber darüber hinaus auf dinglicher Ebene den Eigentumsverlust jederzeit verhindern, indem er den Vollzug der Einigung verweigerte.61 Der in § 930 BGB vorgesehene Eigentumserwerb durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts würde hingegen größere Schwierigkeiten aufwerfen. Zunächst einmal mutet die Vorstellung befremdlich an, jemand besitze einen Teil seines Körpers als Besitzmittler für jemand anderen, während die betreffende Substanz noch ein integraler Bestandteil der körperlichen Gesamtheit ist. Vor allem aber ergäben sich hier erhebliche Probleme, wenn der Substanzinhaber den zur Herauslösung erforderlichen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit verweigerte: Da 57
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Berkemann, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 14 Rn. 28; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 11: „Es ist die Wirklichkeit der Freiheit […]. Daher bleibt […] Eigentum ohne Freiheit sinn- und wertlos“. Berkemann, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 14 Rn. 30. Zum abweichenden Eigentumsansatz des BVerfG bei der Qualifizierung öffentlichrechtlicher Positionen zu Eigentum (Eigenleistung und Existenzsicherung) vgl. Appel, Entstehungsschwäche, S. 50ff. m.w.N. Arg. e contr. § 873 II BGB; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 929 Rn. 9; im Ergebnis auch BGH NJW 1979, S. 213 (214) m.w.N und NJW 1978, S. 696 (LS). Als Folgeproblem würde sich dann allerdings immer noch die Frage der Klagbarkeit eines schuldrechtlichen Übereignungsanspruchs bzw. einer Schadensersatzpflicht stellen, siehe dazu noch unten Kap. B. Abschn. II.
II. Das Überlagerungsmodell
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der Rechtserwerb gemäß § 930 BGB bereits mit Einigung und Vereinbarung eines hinreichend konkreten Besitzmittlungsverhältnisses vollendet ist, müsste dem Erwerber der aus § 985 BGB folgende Eigentumsherausgabeanspruch zustehen, soweit der Veräußerer ihm gegenüber kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB hat. Diesem Anspruch ist es aber als Ausfluss der Ausschlussfunktion des Eigentums (vgl. § 903 S. 1, 2. HS BGB) eigen, dass er gerichtlich geltend gemacht und aufgrund eines vollstreckbaren Titels auch durchgesetzt werden kann. Spätestens hier setzen dann auch die verfassungsrechtlichen Probleme ein, da eine Vollstreckung unmittelbar mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG kollidieren würde. Zwar kennt unsere Rechtsordnung auch staatliche Eingriffsbefugnisse für einen Eingriff in die körperliche Integrität (vgl. nur § 81a Abs. 1 S. 2 StPO), eine Vollstreckung könnte aber vor dem Hintergrund des durch Art. 2 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. GG garantierten Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit – wenn überhaupt – allenfalls in Substanzen erfolgen, deren Herauslösung weder mit einem erheblichen Risiko verbunden ist, noch zu einem gesundheitlichen Nachteil führt.62 Letztlich stünde der Annahme von Eigentum an einzelnen Körpersubstanzen vor deren Herauslösung aber bereits § 90 BGB selbst entgegen. Denn selbständige Eigentumsobjekte könnten einzelne Körpersubstanzen vor ihrer Herauslösung aus dem Körper nur dann sein, wenn sie jeweils als eigenständige Sachen im Sinne des § 90 BGB qualifiziert werden könnten. Selbst wenn man einen weitgehend voraussetzungslosen Sachbegriff bevorzugt, würde es jedoch arg gekünstelt anmuten, den menschlichen Körper, der als eine stoffliche Einheit sinnlich wahrnehmbar ist und dessen Bestandteile in vielfacher Wechselwirkung miteinander agieren und dabei auch voneinander abhängig sind, rechtlich als bloße Summe vieler Sachen einzuordnen, als Sachgesamtheit,63 die aus mehreren selbstständigen Sachen besteht. d) Fazit: fehlende Basis für eine Überlagerung Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass die Überlagerungsthese nur vordergründig in der Lage ist, eine Erklärung für einen automatischen Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzinhabers bei Herauslösung einzelner Körpersubstanzen zu geben. Zwar vermeidet sie dogmatische Unschärfen im Zeitpunkt der Herauslösung; die Schwachstelle liegt jedoch darin, die Strukturelemente des Eigentums zu vernachlässigen und dadurch nicht zu erkennen, dass die als ‚Eigentum‘ bezeichnete Rechtsposition nicht genügend Merkmale des bürgerlichrechtlichen Eigentums aufweist, die eine Qualifikation zu Eigentum erst ermöglichen. Kann aber die in Rede stehende Rechtsposition nicht als Eigentum bezeichnet werden, entfällt auch die Basis für eine Überlagerung. Auch der Vergleich mit Überlagerungsmodellen im Recht der öffentlichen Sachen und im Verhältnis von Eigentum und Urheberrecht trägt daher nicht. Denn bei der Rechtsposition, die dort überlagert wird, handelt es sich anders als beim ‚Eigentum am eigenen Körper‘ im Ausgangspunkt um vollwertiges Eigentum, das alle Strukturmerkmale 62 63
Vgl. BVerfGE 47, 239 (248) zu § 81 a StPO. Zum Begriff: Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 5.
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
erfüllt. Die Überlagerungsthese kann also keineswegs als „dogmatisch sauber“64 bezeichnet werden. Ob das primäre Ziel der Überlagerungsthese, eine stringente Erklärung für den Eigentumserwerb des Substanzinhabers bei Herauslösung einzelner Substanzen aus dem Körper zu finden, nicht auch auf einem anderen Weg erreicht werden kann und ob die These vom automatischen Eigentumserwerb überhaupt zutrifft, wird noch zu klären sein.65
III. Art. 2 GG als Basis der Bestimmungsrechte am eigenen Körper Die Bestimmungsrechte des Menschen in Bezug auf seinen eigenen Körper und dessen ungetrennte Bestandteile können somit grundrechtlich ausschließlich in Art. 2 GG verankert sein. Hier ergeben sich drei mögliche Ansatzpunkte, zum einen das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, zum anderen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und schließlich das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, das nach ganz herrschender Auffassung als Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit verstanden wird.66 Unproblematisch ist dabei die Zuordnung, soweit es um die Befugnis geht, unmittelbare Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit durch die öffentliche Gewalt abzuwehren. Der Schutz vor solchen Eingriffen gehört zum Kern des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als Abwehrrecht. Weitergehend ist anerkannt, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit auch das Recht beinhaltet, die körperliche Unversehrtheit wieder herzustellen, so dass zum Beispiel die gesetzliche Untersagung einer medizinisch möglichen Behandlung mittelbar in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eingreift.67 Darüber hinaus wird verschiedentlich angenommen, aus dem Charakter als Freiheitsrecht folge zugleich die Befugnis, über eigenes Körpermaterial zu disponieren.68 Der negativen Komponente des Grundrechts müsse als positive Komponente die Freiheit zur Verfügung über diese Unversehrtheit entsprechen, da nur so ein umfassender Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet sei.69 64 65 66
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So Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 81. Dazu unten Kap. C. St. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 6, 32 (36ff.); zuletzt BVerfGE 114, 371 (384f.); 108, 186 (234); 97, 332 (340); auch in der Literatur ganz herrschend, statt vieler Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKomm-GG, C Art. 2 Rn. 26ff.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 42ff.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 I Rn. 27ff. jeweils m.w.N. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1999, S. 3399 (3400). Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 77; Kübler, Organentnahme, S. 87f.; siehe auch Höfling/Rixen, Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin, S. 85f. m.w.N.; für das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 228. Kübler, a.a.O., S. 87; Wolffgang/Ugowski, JURA 1999, S. 593 (595).
III. Art. 2 GG als Basis der Bestimmungsrechte am eigenen Körper
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Dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG lässt sich eine positive Komponente indes nicht entnehmen, da er neben dem Recht auf körperliche Unversehrtheit gerade nicht die Ergänzung enthält, dass jeder auch das Recht auf körperliche Versehrtheit hat. Zwar ist mit der Gewährleistung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit keine Pflicht zur Erhaltung der körperlichen Unversehrtheit verbundenen. Daraus folgt aber nicht, dass Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zugleich die Rechtsmacht vermittelt, über die körperliche Unversehrtheit zu disponieren.70 Im Gegenteil würde die Verankerung einer solchen Dispositionsbefugnis in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Teleologie des Grundrechts gerade zuwiderlaufen, ähnlich als wollte man dem Recht auf Leben als spiegelbildliche Komponente das Recht auf Selbsttötung entnehmen, was jedoch zu Recht überwiegend abgelehnt wird.71 Rechtlich ist die Dispositionsbefugnis daher in der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu verorten. Erst Recht gilt dies für die Bestimmung darüber, was mit einer Körpersubstanz nach Abtrennung geschehen soll, also auch für die Spende zu Gunsten einer bestimmten Person.72 Das schließt zwar nicht aus, Dispositionsbefugnisse über den eigenen Körper zivilrechtlich als Teil eines umfassenden allgemeinen73 oder besonderen Persönlichkeitsrechts74 zu qualifizieren, da zivilrechtliches und verfassungsrechtliches Persönlichkeitsrecht nicht identisch sind75 und insbesondere der Schutz des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfassender ist als der des verfassungsrechtlichen, welches vornehmlich ein Abwehrrecht, nicht aber ein aktives Bestimmungsrecht verleiht.76 Die Bezeichnung als umfassendes zivilrechtliches Persönlichkeitsrecht darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dispositionsbefugnisse über eigene Körpersubstanzen vor Herauslösung aus dem Körper ihre verfassungsrechtliche Grundlage weder im Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG77 noch im verfassungsrechtlichen allgemeinen Per-
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Wie hier Schwabe, JZ 1998, S. 66 (69); Holznagel, DVBl. 2001, S. 1629 (1634); Lorenz, in: Isensse/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 62 a.E.; Merten, in: Merten/Papier (Hrsg.), HbGRe II, § 42 Rn. 14; Radau, Biomedizinkonvention, S. 120f.; vgl. auch Roellecke, in: Eser (Hrsg.), Suizid, S. 336 (338). Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 50 m.w.N. auch auf die Gegenauffassung.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 81; Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 62; Schwabe, JZ 1998, S. 66 (69); im Ergebnis auch Di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 47. Anders offenbar Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 109f. BGHZ 124, 52 (54); Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 33f. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 19; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 5; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 2; Jansen, Blutspende, S. 38; Forkel, JZ 1974, S. 593 (594); offengelassen von Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1091). Dazu Jarass, NJW 1989, S. 857ff.; BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2006, S. 3409 (3410). Höfling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKomm-GG, C Art. 2 Rn. 36f. m.w.N. So aber Jickeli/Stieper, a.a.O.: Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG – ohne nähere Begründung.
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A. Überlagertes Eigentum des Menschen an seinem Körper?
sönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG finden,78 sondern ausschließlich in der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.
IV. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die ganz überwiegende Auffassung, wonach der lebende menschliche Körper einer eigentumsrechtlichen Einordnung nicht zugänglich ist, verdient im Ergebnis Zustimmung. Das alternative Modell eines persönlichkeitsrechtlich überlagerten Eigentums lässt sich aufgrund der Normgeprägtheit des Eigentumsrechts nicht schlüssig rekonstruieren, da es letztlich alle wesentlichen positiven Wirkungen des Eigentums ausschließen muss, so dass lediglich die negativ wirkende Befugnis zur Abwehr unbefugter Eingriffe Dritter verbleibt. Vor dem Hintergrund der freiheitssichernden Funktion des Eigentums im vermögensrechtlichen Bereich kann die verbleibende Rechtsstellung daher nicht mehr als Eigentum bezeichnet werden. Anders als im Recht der öffentlichen Sachen entfällt damit auch die Basis für die Annahme einer Überlagerung. Ihre verfassungsrechtliche Grundlage finden die Bestimmungsrechte des Menschen über den eigenen Körper und seine ungetrennten Bestandteile zu Lebzeiten einzig in Art. 2 GG. Die Befugnis, über einzelne ungetrennte Bestandteile zu disponieren und zum Beispiel eine Spendeentscheidung zugunsten einer bestimmten Person zu treffen, ist dabei weder im Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG noch im verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu verorten, sondern ausschließlich in der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG.
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So aber Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 30 – ebenfalls ohne nähere Begründung.
B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten – Freiheitsausübung oder Verfassungsverstoß?
Die Ablehnung von Eigentum am eigenen Körper und dessen ungetrennten Bestandteilen hat zunächst lediglich zur Folge, dass der Substanzträger aufgrund des Numerus clausus möglicher Verfügungen1 nicht mit dinglicher Wirkung hierüber verfügen kann. Davon unberührt bleibt aber zunächst die Möglichkeit einer schuldrechtlichen Vereinbarung, sich gegen Zahlung eines Entgelts bestimmte Körpersubstanzen entfernen zu lassen und dem Vertragspartner zumindest den Besitz an der Substanz zu verschaffen.2 Ob eine solche Vereinbarung – ungeachtet der bereits angesprochenen vollstreckungsrechtlichen Probleme – verfassungsrechtlich im Prinzip zulässig sein kann, ist in erster Linie an der Garantie der Menschenwürde zu prüfen, da die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit nur soweit reichen kann, wie ein Rechtsgeschäft mit diesem tragenden Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes3 vereinbar ist. Im Falle einer Unvereinbarkeit stünde die Unwirksamkeit eines solchen Geschäfts von vornherein fest, da es wegen der Ausstrahlungswirkung der Verfassung ins Zivilrecht4 sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 138 BGB wäre. Bereichsspezifische Kommerzialisierungsverbote wie § 17 TPG bedürften dann keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, sondern wären als Wahrnehmung des aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG folgenden gesetzgeberischen Schutzauftrags zu verstehen.
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Vgl. Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. vor § 104 Rn. 16. Ob darüber hinaus auch eine Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung denkbar ist, hängt davon ab, ob mit der Herauslösung einzelner Substanzen ein Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzträgers eintritt, dazu unten Kap. C. BVerfGE 109, 279 (311), 133 (149): 96, 375 (398) m.w.N. – st. Rspr. seit BVerfGE 6, 32 (36). Grundlegend BVerfGE 7, 198 (LS 2 und S. 205ff.), aus jüngerer Zeit BVerfGE 97, 169 (178); siehe auch Stern, Menschenwürde, S. 219 (227).
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG 1. Einschlägige Äußerungen in Rechtsprechung, Entwurfsbegründungen und Literatur Betrachtet man die Äußerungen in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur zur Relevanz der Menschenwürdegarantie im Zusammenhang mit der Eigenkommerzialisierung von Körpersubstanzen, fällt auf, dass sie sich weithin darauf verlassen, die Einsicht in die Richtigkeit und Überzeugungskraft der jeweils vertretenen Auffassung werde sich von selbst einstellen. a) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts In der Rechtsprechung hatte sich das Bundessozialgericht in einem Verfahren mit der Frage zu befassen, ob dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch gegen seine Krankenkasse für eine in Bombay durchgeführte Nierentransplantation zustand.5 Die geltend gemachten Kosten beliefen sich auf 35.000 US-Dollar und beinhalteten zum einen die ärztlichen Behandlungskosten sowie die Krankenhausunterkunft, zum anderen die Vergütung, die der Kläger für den Erhalt der Niere gezahlt hatte. Das Bundessozialgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es sei mit der Wertordnung des Grundgesetzes und der Achtung vor der menschlichen Würde nicht vereinbar, wenn der Mensch bzw. seine sterblichen Überreste durch Organspenden gegen Entgelt zum Objekt finanzieller Interessen gemacht würden. Entsprechende Rechtsgeschäfte seien daher nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig, was einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen insgesamt entgegenstehe.6 b) Entwurfsbegründungen zum TPG und TFG Der Gedanke der Würdeverletzung findet sich auch in der Entwurfsbegründung zum Transplantationsgesetz (TPG). Dort heißt es: „Die Garantie der Menschenwürde wird verletzt, wenn der Mensch bzw. seine sterblichen Reste zum Objekt finanzieller Interessen werden. Sowohl der Verkauf von Organen als auch Organspenden gegen Entgelt sind daher mit der Schutzgarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar.“7
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BSG, NJW 1997, S. 3314ff. A.a.O.; scharf ablehnend Schröder, ZRP 1997, S. 265 (267), der dem Gericht ein „von der sozialen Wirklichkeit abgehobenes Hantieren mit abstrakten Idealen mit Tendenz zur Arroganz“ vorwirft; vorsichtiger Gutmann, MedR 1997, S. 147 (154), der die Frage aufwirft, ob sich die Garantie der Menschenwürde von den konkreten Interessen des Individuums abkoppeln lässt. BT-Drs. 13/4355, S. 29 hinzugefügt; ablehnend König, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), HbMedStrafR, S. 411.
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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Sollte es tatsächlich zutreffen, dass es mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar ist, wenn der Mensch – gemeint sind hier offenbar Teile des menschlichen Körpers, wie sich aus dem zweiten Satz des Zitats ergibt – zum Objekt finanzieller Interessen wird, läge es nahe anzunehmen, Art. 1 Abs. 1 GG stehe jeglicher entgeltlicher Vereinbarung über die Hingabe einzelner Substanzen entgegen, unabhängig davon, um welche Substanz es sich handelt und unabhängig von dem Verwendungszweck, den der Erwerber mit der Vereinbarung verfolgt. Gerade diese Konsequenz jedoch zieht die Entwurfsbegründung zum Transfusionsgesetz (TFG)8 nicht. Vielmehr heißt es dort lediglich: „Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spendeentnahme folgt vor allem Sicherheitserwägungen. Es sollen wegen des Anreizes keine unerwünschten Spendewilligen angelockt werden. Außerdem eignen sich der menschliche Körper und seine Bestandteile nicht als Handelsobjekte. Diese Auffassung folgt einem Grundsatz des Europarates und der Europäischen Union.“9
Von einem Verstoß gegen die Garantie der Menschenwürde ist in diesem Zusammenhang indes nicht die Rede. c) Schrifttum Auch im Schrifttum wird verschiedentlich ein ausdrücklicher Bezug der Kommerzialisierung von Körpersubstanzen zu Art. 1 Abs. 1 GG hergestellt. Hierbei wird zum Teil danach differenziert, welche Körpersubstanzen kommerziell verwertet werden sollen: Ein Verstoß gegen die Menschenwürde sei anzunehmen, wenn durch die Veräußerung menschlicher Körpersubstanzen der besondere ethische Wert des menschlichen Körpers ad absurdum geführt werde.10 Daher gerate zwar die kommerzielle Verwertung von Organen in Konflikt mit der Menschenwürdegarantie, nicht jedoch die wirtschaftliche Nutzbarmachung von Haaren, Nägeln, Blut, Sperma oder Abfallprodukten des Körpers.11 Teilweise wird eine Würdeverletzung auch von der Art und Weise der Kommerzialisierung abhängig gemacht: Während der unkontrollierte Organhandel wegen der damit verbundenen Gefahr der Ausbeutung sowohl des Spenders als auch des Empfängers eines Organs einen wesentlichen Eingriff in deren Würde markiere, lasse sich dies von einem durch öffentliche Einrichtungen kontrollierten Organhandel nicht ohne weiteres behaupten, bei dem ausschlaggebend sei, ob die Entscheidung zur Organspende in freier Einsicht und aufgeklärtem Zustand getroffen worden sei; von einer freien Entscheidung könne allerdings regelmäßig
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Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.08.2007 (BGBl. I, S. 2169). BT-Drs. 13/9594, S. 20. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 119. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 121; für Blut auch Maier, Verkauf, S. 17, 20 i.V.m. Fn. 49 – ohne nähere Begründung.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
nicht gesprochen werden, wenn der Betroffene aus einer sozialen oder finanziellen Notlage heraus gehandelt habe.12 d) Das ‚Bild des Grundgesetzes von der Würde und Selbstbestimmtheit des Menschen‘ Nicht unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 GG zurückgegriffen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem Nichtannahmebeschluss betreffend Verfassungsbeschwerden gegen die Beschränkung der Organlebendspende durch § 8 Abs. 1 S. 2 TPG auf einen begrenzten Spenderkreis.13 Einer der Beschwerdeführer, ein Transplantationschirurg, rügte eine Verletzung seiner Gewissensfreiheit durch die angegriffene Vorschrift. Im Zusammenhang hiermit führte die Kammer aus, die Ziele, denen § 8 Abs. 1 S. 2 TPG diene, fänden in der Verfassung selbst ihren Grund. Es entspreche – so die Kammer ohne weitere Ausführungen – „dem Bild des Grundgesetzes von der Würde und Selbstbestimmtheit des Menschen, dass eine so weit reichende Entscheidung wie die Spende eines Organs auf einem freiwilligen, von finanziellen Erwägungen unberührten Willensentschluss beruhen muss.“14
2. Analyse Mehr noch als die übrigen dargestellten Äußerungen lassen die Ausführungen der 1. Kammer des Ersten Senats den Leser im Dunkeln zurück. Zum einen will sich nämlich die Einsicht nicht recht einstellen, welches Bild das Grundgesetz von der Würde und Selbstbestimmung des Menschen überhaupt zeichnet und inwieweit daraus konkrete Folgerungen gezogen werden können.15 Zum anderen bleibt offen, wie sich Würde und Selbstbestimmung zueinander verhalten, und ob ein Willensentschluss nur dann ‚frei‘ soll sein können, wenn er unabhängig von finanziellen Erwägungen gefasst wurde,16 oder ob es auch eine freie Entscheidung geben kann, die wegen der finanziellen Erwägungen dennoch unbeachtlich sein kann. Weiter bleibt unklar, ob bei weniger weitreichenden Spendeentscheidungen, etwa bezogen auf bloßes Gewebe, etwas anderes gelten kann. Zu guter Letzt stellt sich auch die Frage, weshalb die Kammer nicht unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG abstellt. Unabhängig davon, ob man unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 GG zurückgreift oder auf ein eher diffuses Bild von der Würde und Selbstbestimmtheit, gilt es in jedem 12
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Schuster, in: Korff (Hrsg.), Lexikon der Bioethik, Bd. 2, Stichwort Organhandel, S. 807. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1999, S. 3399ff. A.a.O., S. 3403. Ob damit auf das in BVerfGE 4, 7 (15f.) erstmals formulierte ‚Menschenbild des Grundgesetzes‘ angespielt werden sollte, lässt sich nicht sicher sagen, da jedenfalls keine Verweisung hierauf erfolgte. Zu den unplausiblen Konsequenzen einer solchen Position siehe Kliemt, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 95 (100).
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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Fall zu klären, welche Vorgaben Art. 1 Abs. 1 GG für die Kommerzialisierung eigener Körpersubstanzen überhaupt zu entnehmen sind. Für den unmittelbaren Rekurs auf diese Norm versteht sich dies von selbst, aber auch wenn man wie die Kammer auf das Bild von der Würde des Menschen abhebt, gilt nichts anderes, da sich ein Würdebild nur aus dem Inhalt der Würdegarantie entwickeln lässt. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Rolle der Wille des Einzelnen, also des Würdesubjekts, für die Beurteilung der Würdewidrigkeit eines Verhaltens spielt. a) Autonomie der Entscheidung als Ausgangspunkt Natürlich scheint es sich auf den ersten Blick anzubieten, die Würdewidrigkeit kommerzieller Geschäfte des Substanzinhabers über eigene Körpersubstanzen mit der Objektivierung des Körpers zu begründen und sich damit an die maßgeblich von Dürig geprägte Objektformel anzulehnen, die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung17 herangezogen wird. Danach ist die Menschenwürde verletzt, wenn „der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird.“18 Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zu herkömmlichen Anwendungsfällen der Objektformel: Denn der Veräußerer einer Körpersubstanz handelt willentlich, also als Subjekt im Rechtsverkehr. Es liegt bei der Eigenkommerzialisierung also nicht der Fall vor, dass hier eine vom Willen des Kommerzialisierenden losgelöste Behandlung erduldet wird, also ein Anderer mit ihm als Objekt nach eigenem Gutdünken verfährt, wie es etwa in den klassischen Konstellationen der Sklaverei, Folter etc. der Fall ist. Vielmehr nutzt der Substanzinhaber selbst einen Teil seines eigenen Körpers zur Erreichung eines Ziels, welches sein eigener Wille gesetzt hat. Insoweit wird zwar der menschliche Körper in der Tat zum Objekt, allerdings dadurch, dass der konkrete Mensch selbst sich dazu entschließt. Es wird also nicht der konkrete Mensch zum Objekt gemacht, sondern der Mensch selbst macht einen Teil seiner physischen Gestalt zum Objekt eigener Interessen.19 Dadurch unterscheidet sich diese Konstellation fundamental von der allgemein und zurecht als menschenwürdeverletzend eingestuften Sklaverei,20 bei der einem Menschen gegen den Willen des Versklavten ein unbegrenztes Verfügungsrecht an diesem eingeräumt wird, so dass dieser in der Tat wie ein der Willensbildung nicht fähiger Gegenstand behandelt wird.
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Vgl. BVerfGE 115, 118 (153); 109, 133 (150); 72, 105 (116); 45, 187 (228) je m.w.N. Dürig, in: AöR 81 (1956), S. 117 (127), ders., in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., Art. 1 Abs. 1 Rn. 28; kritisch zur Objektformel Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 360: „zu unbestimmt“; kritisch zur Anwendung in der Rechtsprechung des BVerfG: Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 109. Was übrigens auch bei der altruistischen Spende der Fall ist, nur eben mit anderer Zwecksetzung. Dass gerade der „Spendecharakter der Gabe […] Ausfluss der NichtObjektivierung“ sein soll (so Ried, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 185 (190)), erschließt sich daher nicht. Zur Sklaverei als Würdeverletzung siehe nur Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG (Erstbearbeitung), Art. 1 Abs. 1 Rn. 30; siehe auch Art. 4 EMRK.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
Es kommt also darauf an, inwieweit der Wille des Würdeträgers zu berücksichtigen ist, wenn es um die Beurteilung geht, ob ein Sachverhalt eine Würdeverletzung beinhaltet. Nicht ausreichend ist hier jedenfalls die bloße Feststellung, die Würde des Menschen sei ein objektiver unverfügbarer Wert,21 auf dessen Beachtung der Einzelne nicht wirksam verzichten könne.22 Denn die vorgelagerte Frage ist, ob Art. 1 Abs. 1 GG überhaupt vor ‚selbstentwürdigendem‘ Verhalten schützt und sich damit auch gegen den Würdeträger selbst richten kann.23 Die Zweifelhaftigkeit einer solchen Annahme wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass Autonomie, also die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Verhalten, wesentlicher Bestandteil der verfassungsrechtlichen Würdegarantie ist;24 hierin zeigt sich gerade die Subjekthaftigkeit des Einzelnen. Dieser Konsens besteht in abstracto unabhängig davon, ob Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG als Grundrecht eingeordnet wird25 oder als bloß objektiver Verfassungsrechtssatz26. Ein Verhalten des Würdeträgers in Bezug auf sich selbst kann daher nur dann würdewidrig sein, wenn es entweder nicht Ausdruck der Fähigkeit zur Selbstbestimmung ist, oder wenn die autonome Entscheidung wegen ihres Inhalts gegen einen materiellen Würdegehalt verstoßen kann, der den einzelnen auch in Bezug auf sich selbst bindet, oder wenn der Garantie der Menschenwürde ein Gehalt immanent ist, der über den konkret betroffenen Würdeträger hinaus reicht. 21
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So aber BVerwGE 64, 274 (279) unter Bezugnahme auf BVerfGE 45, 187 (229). Der Verweis auf die bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung trägt indes nicht, da sich das Bundesverfassungsgericht dort gerade nicht mit einer ‚Verfügung‘ des Würdeträgers über seinen eigenen Würdeanspruch auseinanderzusetzen hatte, sondern mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine menschenwürdige Strafrechtspflege. BVerwG, a.a.O.; Redeker, BayVBl. 1985, S. 73 (77). Dezidiert ablehnend: Gusy, DVBl. 1982, S. 984 (986) gegen BVerwGE 64, 274ff. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 75; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 11; Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 22: konstituierend; ähnlich Stern, Staatsrecht III/1, S. 31: Autonomie als „Herzstück“ der Würdegarantie; Zippelius, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 39; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 40: Grundnorm personaler Autonomie; Gusy, DVBl. 1982, S. 984 (986): geradezu das Kriterium menschenwürdiger Entscheidung; Kramer, NVwZ 2004, S. 1083 (1084). Für Grundrechtsqualität in der Tendenz BVerfGE 72, 105 (115f.); 61, 126 (137); deutlich BerlVerfGH, NJW 1993, S. 515 (516); aus der Literatur etwa Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 5ff.; ders., JuS 1985, S. 857f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 28ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 27; Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 33; Podlech, in: Denninger (Hrsg.), u.a., AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 61; Stern, Staatsrecht III/1, S. 26f.; Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HbVerfR I, § 6 Rn. 7, 8; Nipperdey, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, S. 11; Pieroth/Schlink, Grundrechte Rn. 350; nachdrücklich Schmidt-Jortzig, in: FS Isensee, S. 491 (503ff.). Gegen Grundrechtsqualität Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG (Erstbearbeitung), Art. 1 Abs. 1 Rn. 4; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 124ff. m.w.N.; Enders, Menschenwürde, S. 92ff.; 377ff.; nachdrücklich Isensee, in: AöR 131 (2006), S. 173 (209ff.).
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Bevor auf die beiden letztgenannten Aspekte einzugehen ist, bedarf es zunächst der Klärung, wann eine Handlung autonom im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG ist, und wo die Grenze zur Fremdbestimmung (Heteronomie) überschritten wird. Die einschlägige Kommentarliteratur ergibt hier einen eher dünnen Befund. Es verbleibt in der Regel bei dem Hinweis, bisweilen liege Freiwilligkeit nur scheinbar vor,27 Grenzfälle seien etwa bei materieller Bedrängnis denkbar.28 Zum Teil werden recht vage „gewisse Tabuverletzungen“29 oder „extreme Auswüchse“30 als äußerste Grenze genannt. Will man sich nicht auf solch dehnbare Formeln zurückziehen und sich damit letztlich doch wieder auf Evidenzerlebnisse verlassen, kommt man nicht um den Versuch umhin, die Anforderungen zu konkretisieren, die erfüllt sein müssen, damit ein Verhalten selbstbestimmt oder autonom genannt werden kann. Zu weitgehend wäre es dabei, als autonom nur den in jeder Hinsicht freien Willen zu verstehen, der unberührt von jeglichem Antriebsmotiv ist. Denn irgendeine Motivation steht letzten Endes hinter jedem menschlichen Handeln, lediglich der dadurch erzeugte Entscheidungs- und Handlungsdruck kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein.31 Will man nicht mehr oder minder willkürlich wertend festlegen, welche Beweggründe die Freiwilligkeit a priori ausschließen, und wo die Grenze des noch tolerierbaren Drucks überschritten wird, kann Autonomie im Sinne eines selbstbestimmten Handelns nur bedeuten, in aufgeklärtem Zustand eine bewusste Entscheidung für oder gegen etwas treffen zu können, mit anderen Worten, die Möglichkeit zu haben, etwas zu tun oder es sein zu lassen,32 und zwar unabhängig von einer moralischen Bewertung der einschlägigen Beweggründe. Von einem selbstbestimmten Handeln kann daher erst dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine der in Betracht kommenden Handlungsoptionen einem so starken Handlungsdruck unterliegt, dass es unerträgliche Konsequenzen hätte, nicht diese sondern eine andere Option wahrzunehmen, sodass eine rationale Entscheidung nicht mehr möglich ist. Wann dies der Fall ist, lässt sich mit Blick auf die nahezu unendliche Vielfalt von Beweggründen menschlichen Handelns nicht allgemein sagen. In Bezug auf wirtschaftliche Aspekte kommt ein übermäßiger Handlungsdruck dann in Betracht, wenn andernfalls das materielle Existenzminimum nicht mehr gewährleistet wäre, oder wenn es – überspitzt ausgedrückt – um die ‚nackte 27 28 29 30
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Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 22. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 75. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 154. Stern, Menschenwürde, S. 219 (227f.); ähnlich Radau, Biomedizinkonvention, S. 164, die einen solchen Auswuchs verneint, sofern es sich um Dankbarkeitsgaben und Ausgleichszahlungen in einem angemessenen Rahmen handelt. Hier ergibt sich allerdings dass Problem, dass es keinerlei Anhaltspunkte gibt, anhand derer die Grenze zur Unangemessenheit gezogen werden könnte. Ähnlich Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 118f.; vgl. insoweit auch Ried, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 185 (192); zum Problem der Freiwilligkeit bei der unentgeltlichen Organlebendspende an nahestehende Personen siehe Radau, Biomedizinkonvention, S. 126ff. Vgl. Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 118: Autonomie als Möglichkeit des „Auch-anders-Könnens“.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
Existenz‘ ginge. In diesem Fall jedoch begründete bereits das Bestehen der Entscheidungssituation an sich eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG. Denn macht man ernst mit der überwiegenden Auffassung, Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip verpflichte den Staat, das materielle Existenzminimum zu gewährleisten,33 darf diese Situation im Geltungsbereich des Grundgesetzes gar nicht eintreten. Legt man die Annahme zugrunde, dass das geltende Sozialrecht diese Schutzpflicht hinreichend erfüllt oder sogar mehr gewährt, als durch Art. 1 Abs. 1 GG gefordert ist, kann die Konsequenz jedenfalls bei rein innerstaatlichen Rechtsgeschäften34 nur sein, dass eine finanzielle Drucksituation als solche nicht zum Ausschluss der Autonomie führt. Jenseits finanzieller Gegebenheiten können sicherlich andere Umstände dazu führen, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seine Entscheidung von rationalen Erwägungen abhängig zu machen.35 In diesen Fällen mag tatsächlich eine Verletzung der Menschenwürde drohen, wenn der Erwerber die fehlende Entscheidungsfreiheit des Veräußerers ausnutzt. Insoweit bedarf es einer Überprüfung der Umstände des Einzelfalls, um sicherzustellen, dass der Veräußerer sich nicht in einem die rationale Entscheidungsfähigkeit ausschließenden Zustand befindet. b) Keine Begrenzung der Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung auf wertige Motivation Hieran anschließend gilt es zu klären, ob die autonome Entscheidung unbedingte Maßgeblichkeit für die Beurteilung eines Verhaltens als würdewidrig besitzt, oder ob die Verfolgung bestimmter Zwecke trotz autonomer Entscheidung zu einer relevanten Selbstentwürdigung führen kann, die die staatliche Schutzpflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG aktiviert.36 In diesem Fall könnte gerade diejenige Substanzhingabe, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist, mit einem objektiven Wertgehalt der Menschenwürde unvereinbar sein. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich aus der Funktion der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Wert der Verfassung37 eine Missbilligung der Eigenkommerzialisierung von Teilen des Körpers ableiten ließe.
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Implizit bejaht von BVerfGE 99, 246 (259); 82, 60 (80, 85); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 158; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 41; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu (Hrsg.), u.a., GG, Art. 1 Rn. 40; Häberle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR I, § 20 Rn. 77; Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HbVerfR I, § 6 Rn. 18; zur Entwicklung der Rspr.: Neumann, NVwZ 1995, S. 426f. Etwas anderes mag bei grenzüberschreitenden Geschäften gelten, wenn in anderen Ländern kein vergleichbarer Schutzstandard gilt. Etwa Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 Nr. 2 BGB, vgl. dazu BayObLG, FamRZ 1991, S. 608 (609); zu denken ist weiter an Täuschung, Gewalt, Drohung mit Gewalt in gesteigerter Form. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Substanzträger an den Folgen seiner autonomen Entscheidung auch dann festgehalten werden kann, wenn sich bei ihm nach Vertragsschluss eine Willensänderung einstellt; dazu unten Kap. B Abschn. II. BVerfGE 109, 279 (311); 109, 133 (149); 87, 209 (228) m.w.N. – st. Rspr.
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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aa) Beschränkungsversuche durch Rückgriff auf geistesgeschichtliche Vorläufer der verfassungsrechtlichen Würdegarantie Eine Auffassung in der Literatur versucht genau dies anhand geistesgeschichtlicher Vorläufer der verfassungsrechtlichen Würdegarantie zu begründen, indem sie auf den christlich-theologischen sowie den kantischen Würdebegriff zurückgreift.38 Auf der Grundlage dieser beiden Konzepte folgert sie, dass auch nach dem grundgesetzlichen Würdebegriff die kommerzielle Verwertung des eigenen Körpers gegen die Garantie der Menschenwürde verstößt.39 (1) Die Argumentationslinie Dabei wird zunächst herausgestellt, dass der christlich-theologische Würdebegriff auf der Idee der Gottesebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei) und der Gotteskindschaft beruht und dass es sich hierbei um eine fremde, weil durch Gott verliehene Würde handelt (dignitas aliena). Infolge dessen sei diese Würde transzendent; sie übersteige die Verfügungsgewalt des einzelnen, und jede Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, die nicht dem Wohle des eigenen Körpers diene, sei als unerlaubte Selbstverstümmelung ein Eingriff in die gottgeschenkte Menschenwürde.40 Ausgenommen hiervon sei zum einen die Aufgabe der Gesundheit zugunsten höherer ideeller Werte, zum anderen die Verletzung des Körpers als Folge einer an sich sittlichen Handlung, etwa beim Verschenken eines Organs. Nach dem zweiten prägenden Vorläufer, der Philosophie Kants, sei wesentlicher Gehalt des Würdebegriffs, dass jeder Mensch unvertretbar und durch kein Preisäquivalent bewertbar sei. Daraus erkläre sich die Folgerung Kants, dass der Mensch keinen Teil des Körpers, nicht einmal einen Zahn, verschenken oder gar verkaufen dürfe.41 Aus diesen beiden Ansätzen ergebe sich die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Eigenkommerzialisierung: Zwar sei das Christentum weder alleiniger Grund der verfassungsrechtlichen Würdegarantie, noch sei die Gottesebenbildlichkeit des Menschen ausschlaggebend für ihre Herleitung, da neben dem Christentum auch andere Kräfte für die Ausgestaltung des Würdebegriffs maßgeblich gewesen seien. Dennoch sei die christliche Lehre nicht irrelevant für das Recht, vielmehr wirke „das christliche Menschenbild […] über die Vermittlung der Säkularisierung bis in die heutige Zeit weiter“42, wofür schon die Präambel des Grundgesetzes spreche, nach der sich das Deutsche Volk im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen das Grundgesetz gegeben habe.43 Jedenfalls aber treffe sich der Christ mit der Überzeugung von Menschen aus verschiedenen Denkrichtungen, wenn er sich zum absoluten Anspruch der Würde und des Wertes 38 39 40 41 42 43
Sasse, Veräußerung, S. 97ff. Sasse, Veräußerung, S. 100. Sasse, Veräußerung, S. 97f. Sasse, Veräußerung, S. 98f. Sasse, Veräußerung, S. 100. Sasse, Veräußerung, S. 100; in der Tendenz auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 5f.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
jedes einzelnen Menschen bekenne, der nie als Mittel zu welchen Zwecken auch immer gebraucht werden dürfe und sich damit selbst entfremde. Das Dogma eines der Verfügungsgewalt des Menschen entzogenen Gehaltes der Menschenwürde sei ein gemeinsamer Nenner, ein Fundamentalkonsens, der Garant einer freiheitlichen Gesellschaft sei und der nicht lediglich christlichen Ursprungs sondern vielmehr rational gefordert sei.44 Dieser Fundamentalkonsens werde verletzt, wenn Körperteile gegen Entgelt überlassen würden, da dadurch das Verbot berührt werde, den Körper für Zwecke zu nutzen, die außerhalb seiner selbst liegen.45 (2) Kritik Richtig ist, dass der Verfassungsbegriff der Menschenwürde eine Reihe geistesgeschichtlicher Vorläufer hat.46 Dies ändert aber nichts daran, dass es sich hierbei um einen Rechtsbegriff47 handelt. Ein Rückgriff auf die geistesgeschichtlichen Vorläufer der Garantie der Menschenwürde kann somit nur erfolgen, soweit sich aus der Verfassung selber durch Auslegung Hinweise auf eine (partielle) Kongruenz mit geistesgeschichtlichen Würdekonzepten und deren Folgerungen finden lassen. (a) Zur ‚christlichen Interpretation‘ des Würdebegriffs Der bloße Hinweis auf den Gottesbezug der Präambel gibt dabei keinen hinreichenden Aufschluss über eine partielle Kongruenz von christlichem und verfassungsrechtlichem Würdebegriff, da offen bleibt, welche rechtliche Bedeutung der Bezugnahme zukommt und in welchem Maß sie Direktivkraft für die Verfassungsauslegung haben kann. Für eine Berücksichtigung des Gottesbezugs bei der Auslegung der Verfassung streitet zwar auf den ersten Blick der Wortlaut der Präambel; zuzugeben ist in diesem Zusammenhang auch, dass es sich bei der Präambel grundsätzlich nicht lediglich um einen außerhalb der Geltung des Grundgesetzes stehenden pathetisch-moralischen Appell handelt,48 sondern vielmehr um ein Teil der Verfassung mit rechtlich erheblichem Charakter,49 was sich sowohl aus dem Wortlaut50 als auch aus der Entstehungsgeschichte51 ergibt. Zu beachten ist jedoch, dass die einzelnen Bestandteile der Präambel eine unter44 45 46
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Sasse, Veräußerung, S. 100. Sasse, Veräußerung, S. 100. Siehe dazu Kondylis, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Stichwort ‚Würde‘, S. 637. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 18; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 42 m.w.N. So aber die früher herrschende Literatur, Nachweise bei Häberle, in: FS Broermann, S. 211 (225). BVerfGE 77, 137 (149); 5, 85 (127f.); ebenso die ganz überwiegende Literatur, statt vieler Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 17; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 7; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Präambel, Rn. 30, jeweils m.w.N. Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 8: Satz 1 und 3 der Präambel sprechen „von ‚diesem’ Grundgesetz und nicht etwa von ‚folgendem’“. Dazu JöR n.F. 1 (1951), S. 1 (25).
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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schiedlich starke rechtliche Bindungswirkung erzeugen.52 Um die Relevanz des Gottesbezugs für die Interpretation von Art. 1 Abs. 1 GG zu ermessen, reicht es daher nicht aus, auf eine recht nebulöse Bedeutung des christlichen Menschenbildes „über die Säkularisierung bis in die heutige Zeit“53 hinzuweisen. Vielmehr ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine invocatio Dei,54 nicht um eine Anrufung Gottes im eigentlichen Sinne handelt. Gott wird also nicht als eine Art „Referenzautor“55 der Verfassung angesehen.56 Auch die historisch-genetische Interpretation spricht dagegen, den Gottesbezug als eine Art Leitfaden für eine religiös beeinflusste Verfassungsinterpretation zu verstehen.57 Ein Blick auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates zeigt, dass die Aufnahme der Verantwortung vor Gott in die Präambel vor allem im Zusammenhang mit den Erfahrungen des nationalsozialistischen Regimes zu sehen ist, von dessen Diktatur sich der Parlamentarische Rat ebenso absetzen wollte wie vom atheistischen Stalinismus.58 52
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Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 11ff.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 9. Sasse, Veräußerung, S. 100. Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 138 Rn. 81; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 14 m.w.N.; ähnlich Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Rn. 13; wenn in der Literatur der Begriff der Invocatio Dei verwendet wird, wird dabei offensichtlich ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt (vgl. etwa Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 38), der Sache nach besteht jedenfalls überwiegend Einigkeit, dass die Präambel dadurch keine (mittelbare) transzendente Legitimation für sich in Anspruch nimmt; anders z.B. die Präambel der Verfassung Irlands von 1937, wo es eingangs heißt: „Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Autorität kommt und auf die, als unserem letzten Ziel, alle Handlungen sowohl der Menschen wie der Staaten ausgerichtet sein müssen, anerkennen Wir, das Volk von Irland, in Demut alle unsere Verpflichtungen gegenüber unserem göttlichen Herrn, Jesus Christus […]“; zitiert nach Häberle, in: FS Zeidler, S. 1 (5), dort auch zu anderen europäischen Präambeln mit invocatio dei im strengen Sinne. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 14. Daher wird der Gottesbezug zum Teil allgemeiner als eine „Absage an jeden prometheischen Größenwahn und Mahnung zur Bescheidenheit“ (Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Präambel Rn. 37) bzw. als „Demutsformel“ (Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 28) verstanden. Für die verfassungspraktische Arbeit sind solche Formulierungen indes unergiebig, da sie offen lassen, worin sich Größenwahn, Bescheidenheit und Demut in concreto zeigen, und dadurch in der Gefahr stehen, beliebig eingesetzt zu werden, um ein gewünschtes Ergebnis mit der Aura verfassungsrechtlicher Notwendigkeit zu umhüllen. Vgl. auch Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 15: „schwerlich für die Beurteilung von Rechtsfragen nutzbar“. Soweit die „Demutsformel“ auf die Endlichkeit und Fehlbarkeit einer demokratischen Verfassungsordnung hinweisen soll (so Dreier, a.a.O.), mag dies zwar Zustimmung verdienen, dann allerdings handelt es sich eher um einen bloß warnenden Appell. Gerade Präambeln ist es immanent, die konkrete geschichtliche Situation der Entstehung einer Verfassung sowie die Beweggründe ihres Schöpfers in kurzer Form prägnant zu skizzieren, dazu: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 29. Ennuschat, NJW 1998, S. 953 (955); Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 15.
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Dadurch sollte in der historischen Situation vor allen Dingen jeglichem Totalitarismus und relativistischem Gesetzespositivismus eine Absage erteilt werden,59 ohne sich an bestimmte metaphysische, natur- oder vernunftrechtliche Inhalte binden zu wollen.60 Dass dies gerade durch die Aufnahme der Verantwortung vor Gott geschah, obwohl eine Distanzierung ebenso durch eine gottesunabhängige Wortwahl möglich gewesen wäre,61 mag als Reverenz an die christlichabendländische Kultur gedeutet werden können62 oder als rechtlich bedeutsames Zeichen einer „Unbefangenheit des Staates gegenüber Religion und Religionsgemeinschaften“63. Es lässt sich aber aus der historischen Situation, in der die ursprüngliche Fassung der Präambel verabschiedet wurde, nicht ableiten, dass sich die Verfassungsauslegung an bestimmten christlichen Dogmen zu orientieren hätte. Betrachtet man die Präambel zudem im Gesamtgefüge mit Art. 137 Abs. 1 WRV und Art. 140 GG sowie vor allem Art. 4 Abs. 1 GG, der die Freiheit jeglichen Glaubensbekenntnisses gewährleistet und sie nicht auf einen christlichen Glauben beschränkt, spricht dies ebenfalls dagegen, der christlichen Lehre verfassungsinterpretatorische Bedeutung zuzumessen.64 (b) Zur Berufung auf Kant Näherliegend scheint der Rückgriff auf das Gedankengut Kants. Zwar besteht einerseits in abstracto weitgehend Einigkeit, dass der verfassungsrechtliche Begriff der Menschenwürde nicht mit einer bestimmten philosophischen Richtung gleichzusetzen ist,65 andererseits aber ist die Objektformel, die die Auslegung der Menschenwürdegarantie in weiten Teilen bestimmt,66 an eine Formulierung des kategorischen Imperativs Immanuel Kants in dessen Grundlegung zur Metaphysik der Sitten angelehnt, wo es heißt:
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Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 39; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 15 m.w.N. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 15. Ennuschat, NJW 1998, S. 953 (955). So Huber, in: Sachs (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 39. Ennuschat, NJW 1998, S. 953 (955). Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 16; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Präambel Rn. 30ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Präambel Rn. 3 jeweils m.w.N.; anders: Hollerbach, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 138 Rn. 85. Deutlich Badura, JZ 1964, S. 337 (339f.); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 14 m.w.N.; Stern, Menschenwürde, S. 219 (223); anders: Schachtschneider, Res publica, S. 125 mit Querverweisen: Würde im Sinne von Art. 1 GG als Würde des kantischen „homo noumenon“; scharf ablehnend Gröschner, JZ 1996, S. 637 (639f.); starke Anlehnung an Kant auch bei Geddert-Steinacher, Menschenwürde, S. 34ff. Vgl. BVerfGE 115, 118 (153); 109, 133 (150); 72, 105 /116); 45, 187 (228) jeweils m.w.N., außerdem 2. Kammer des Zweiten Senats NJW 1993, S. 3315; einschränkend BVerfGE 30, 1 (25f.).
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„Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“67
Daher ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die in diesem Imperativ enthaltene Handlungsanweisung und die daraus von Kant gezogenen Schlussfolgerungen auch für die Konkretisierung der Objektformel Aufschlüsse geben können. Und so ist es natürlich verführerisch, die Ausführungen Kants über die Unzulässigkeit einer entgeltlichen Veräußerung von Teilen des eigenen Körpers ins Feld zu führen,68 in denen es heißt: „Der Mensch aber ist keine Sache, mithin nicht etwas, das bloß als Mittel gebraucht werden kann, sondern muss bei allen seinen Handlungen jederzeit als Zweck an sich selbst betrachtet werden. Also kann ich über den Menschen in meiner Person nichts disponieren, ihn zu verstümmeln.“69
In der Metaphysik der Sitten wird dieser Gedanke weiter ausgeführt: „Die wenngleich nicht vornehmste, doch erste Pflicht des Menschen gegen sich selbst, in der Qualität seiner Tierheit, ist die Selbsterhaltung in seiner animalischen Natur. Das Widerspiel derselben ist der willkürliche Physische Tod, welcher wiederum entweder als total oder bloß partial gedacht werden kann.70[…] Das Subjekt der Sittlichkeit in seiner eigenen Person zernichten, ist ebensoviel, als die Sittlichkeit selbst ihrer Existenz nach, soviel an ihm ist, aus der Welt zu vertilgen, welche doch Zweck an sich selbst ist; mithin über sich selbst als bloßes Mittel zu ihm (2. Aufl.: „einem“) beliebigen Zweck zu disponieren, heißt die Menschheit in seiner Person (homo noumenon) abwürdigen, der doch der Mensch (homo phaenomenon) zur Erhaltung anvertrauet war. Sich eines integrierenden Teils als Organs zu berauben (verstümmeln), z.B. einen Zahn zu verschenken oder zu verkaufen, um ihn in die Kinnlade eines anderen zu pflanzen […] gehört zum partialen Selbstmorde; aber nicht, ein abgestorbenes oder die Absterbung drohendes, und hiermit dem Leben nachteiliges Organ durch Amputation, oder, was zwar ein Teil, aber kein Organ des Körpers ist, z.E. die Haare, sich abnehmen zu lassen, kann zum Verbrechen an seiner eigenen Person nicht gerechnet werden; wiewohl der letztere Fall nicht ganz schuldfrei ist, wenn er zum äußeren Erwerb beabsichtigt wird.“71
Hier zeigt sich allerdings sich bereits eine Bruchstelle zwischen der kantischen Zweck-Mittel-Formel und der verfassungsrechtlichen Objektformel. Denn nach Kant müsste auch eine altruistische Spende von Körpersubstanzen als Verstoß gegen die Pflicht zur Selbsterhaltung qualifiziert werden, da er gerade nicht nach dem mit der der Spende verfolgten Zweck unterscheidet, wohingegen unter der Geltung des Grundgesetzes soweit ersichtlich nicht mehr vertreten wird, durch die 67 68
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Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VII, S. 61. Vgl. die Bezugnahme auf Kants Ausführungen zum Verbot, einen Zahn zu verschenken oder zu verkaufen bei Sasse, Veräußerung, S. 98f. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VII, S. 61. Kant, Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIII, S. 553. Kant, Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIII, S. 555.
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nichtkommerzielle Spende mache der Mensch sich selbst unzulässigerweise zum Objekt. Bereits dies weist darauf hin, dass Kants Ausführungen in diesem Zusammenhang nur mit äußerster Vorsicht übertragbar sind. Noch deutlicher wird der Bruch, wenn man sich vor Augen hält, weshalb der Mensch nach Kant in der Verfügung über seinen eigenen Körper beschränkt ist: weil er das Subjekt der Sittlichkeit ist und durch ihn die Sittlichkeit selbst erhalten bleibt. Und nur unter der Voraussetzung der Sittlichkeit und der Einhaltung des moralischen Gesetzes kann der Mensch Zweck an sich sein und Würde haben: „Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muss ihm heilig sein. In der ganzem Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch als bloßes Mittel gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie seiner Freiheit. Eben um dieser willen ist jeder Wille, selbst jeder Person ihr eigener, auf sie selbst gerichteter Wille, auf die Bedingung der Einstimmung mit der Autonomie des vernünftigen Wesens eingeschränkt, es nämlich keiner Absicht zu unterwerfen, die nicht nach einem Gesetze, welches aus dem Willen des leidenden Subjekts selbst entspringen könnte, möglich ist; also dieses niemals bloß als Mittel, sondern zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen. Diese Bedingung legen wir mit Recht sogar dem göttlichen Willen, in Ansehung der vernünftigen Wesen in der Welt, als seiner Geschöpfe, bei, indem sie auf der Persönlichkeit derselben beruht, dadurch sie allein Zwecke an sich selbst sind.“72
Dies lässt erkennen, dass die Selbstzweckhaftigkeit des Menschen und seine Würde letztlich entscheidend dadurch determiniert sind, dass durch ihn das moralische Gesetz bzw. die Sittlichkeit in der Welt verwirklicht werden kann. Denn der Mensch ist Zweck an sich, weil er zugleich Urheber und Adressat des moralischen Gesetzes ist: „Im Reich der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. […] was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde. […]; das aber was die Bedingung ausmacht unter der allein etwas Zweck an sich selbst sein kann, hat […] Würde. Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich selbst sein kann, weil nur durch sie es möglich ist ein gesetzgebendes Glied im Reich der Zwecke zu sein. Also ist Sittlichkeit und die Menschheit, sofern sie derselben fähig ist, dasjenige, was allein Würde hat.“73
Würde, oberste Wertigkeit und Selbstzweckhaftigkeit kommt damit also vor allem dem moralischen Gesetz zu, das allerdings in enger Verbindung mit dem Menschen als Teil der intelligiblen Welt, als noumenon, steht. Denn in dieser Welt trägt das Dasein des Menschen einen höchsten Zweck in sich selbst: einen Endzweck, der die ganze Bestimmung des Menschen ausmacht74 und dem eigen ist, 72 73 74
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Werkausgabe Bd. VII, S. 210. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VII, S. 68. Siehe Eisler, Kant Lexikon (1930), Stichwort „Endzweck“, S. 117.
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dass er keines anderen Zwecks als Bedingung seiner Möglichkeit bedarf.75 Dieser Endzweck im Reich der Zwecke ist der Mensch unter moralischen Gesetzen,76 „der Mensch nur als moralisches Wesen“,77 und nur insoweit ist er über allen Preis erhaben und hat eine Würde, nicht jedoch in seiner Eigenschaft als homo phaenomenon.78 Zum Endzweck wird der Mensch durch seinen guten Willen,79 durch das „sittlich-gesetzmäßigste Verhalten“80, dessen Notwendigkeit Kant ausschließlich aus der Vernunft ableitet. Zu diesem Endzweck zu gelangen, ist Pflicht eines jeden Menschen.81 Vor diesem Hintergrund lässt sich Kants ablehnende Haltung gegenüber Verfügungen über den eigenen Körper nachvollziehen: Wenn der Mensch über Teile seines Körpers verfügt, bedeutet dies einen Eingriff in die vitale Basis der Sittlichkeit. Denn die Sittlichkeit, das moralische Gesetz kann nur verwirklicht werden, soweit der Mensch physisch existiert. Ist aber die Befolgung und die Förderung des moralischen Gesetzes unbedingte Pflicht des homo noumenon, ist es nur konsequent, auch eine Pflicht anzunehmen, in der Eigenschaft als homo phaenomenon den Körper zu erhalten, um der Pflicht zur Befolgung des moralischen Gesetzes und zur Annäherung an den Endzweck als homo noumenon nachkommen zu können. Für den hier interessierenden Zusammenhang sollte damit hinreichend deutlich geworden sein, dass die oben zitierten Passagen, die sich mit Verfügungen über Teile des menschlichen Körpers beschäftigen, vor dem Hintergrund des kantischen Gesamtkonzepts betrachtet werden müssen und dass eine unbesehene Bezugnahme auf die Zweck-Formel zur Konkretisierung der Objektformel gerade im hier interessierenden Kontext höchst problematisch ist, da Kants Werke stark geprägt sind von den Begriffen der Sittlichkeit, der Moralität und der Pflicht.82 Will man also die kommerzielle Verwendung eigener Körpersubstanzen unter Berufung auf Kant als Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Menschenwürdegarantie einordnen, ist dies überhaupt nur dann möglich, wenn man das dem Verfügungsverbot zugrunde liegende moralphilosophische Gedankengebäude mitsamt seiner Pflichtendimension in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG hineinliest, da das Verfügungsverbot andernfalls ohne Fundament bleibt. Eine solche Übernahme ins Recht wäre jedoch zum einen gerade unkantisch, da der Pflichtgedanke der Würde bei Kant stets auf der moralischen Seite verbleibt und gerade nicht die rechtliche Seite betrifft.83 Zum anderen müsste die Übernahme des moralischen Gesamtkonzepts 75 76 77 78
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Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe Bd. X, S. 393. Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe Bd. X, S. 407. Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe Bd. X, S. 404. Kant, Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIII, S. 568f.; dazu auch Hruschka, in: ARSP 88 (2002), S. 463 (464, 478). Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe Bd. X, S. 404. Kant, Welches sind die wirklichen Fortschritte, die die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht hat?, Werkausgabe Bd. VI, S. 631. A.a.O.; siehe auch Kant, Kritik der Urteilskraft, Werkausgabe Bd. X, S. 408. Dazu insbesondere Fechner, JZ 1986, S. 653 (654); ausführlich Lorz, Grund- und Menschenrechtsverständnis, S. 108ff. m.N. Dazu Lorz, Grund- und Menschenrechtsverständnis, S. 284.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
mit der in ihm enthaltenen Pflicht zu sittlich-gesetzmäßigem Verhalten zu einem Freiheitsbegriff führen, der sich nicht in die grundgesetzliche Systematik einpassen ließe. Denn wenn Art. 1 Abs. 1 GG als Verfassungshöchstwert eine Pflicht zur Befolgung des moralischen Gesetzes immanent wäre, müssten aufgrund seiner Ausstrahlungswirkung in das übrige Verfassungsrecht auch die folgenden grundgesetzlichen Freiheitsverbürgungen unter den Vorbehalt der Übereinstimmung mit sittlich-moralischen Prinzipien gestellt werden. Damit würde grundrechtliche Freiheit insgesamt zu a priori pflichtgebundener Freiheit, die grundgesetzliche Schrankensystematik ad absurdum geführt. Denn da Freiheit dann lediglich die Freiheit zur Vornahme von Handlungen bedeutete, die mit den Postulaten von Sittlichkeit, Moralität und Pflichtbefolgung übereinstimmt, würde der Gesetzgeber weithin von Rechtfertigungslasten befreit, vielmehr müsste der Grundrechtsträger selbst den Nachweis erbringen, dass sein Verhalten in Einklang mit der Pflichtbindung steht, um überhaupt Freiheit für sich in Anspruch nehmen zu können. (c) Fazit: Mangelnde Steuerungskraft des christlichen und kantischen Würdebegriffs für ein verfassungsrechtliches Kommerzialisierungsverbot Damit hat sich gezeigt, dass ein Rückgriff auf die geistesgeschichtlichen Grundlagen der Menschenwürdegarantie letztlich nicht geeignet ist, die Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung für die Beurteilung eines Würdeverstoßes im Zusammenhang mit der Kommerzialisierung eigener Körpersubstanzen zurückzudrängen: Der Rekurs auf den Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes überbetont dessen Bedeutung, die Bezugnahme auf Kant übersieht, dass Kants Beispiel vom partialen Selbstmord vor dem Hintergrund seines Gesamtkonzepts gesehen werden muss, sich dieses aber nicht auf die verfassungsrechtliche Würdegarantie übertragen lässt. bb) Grundrechte und ihre Schranken als Spiegel des Inhalts der Menschenwürde? Ein anderer Ansatz versucht, den Wertgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG anhand des Zusammenspiels seines Wortlauts mit den nachfolgenden Grundrechten zu konkretisieren.84 (1) Die Argumentationslinie Bereits der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG deute darauf hin, dass durch die Garantie der Menschenwürde eine Wertentscheidung zugunsten bestimmter positiver Inhalte getroffen worden sei. Würde sei im allgemeinen Sprachgebrauch ein Synonym für einen besonderen, positiven Wert, was nahelege, dass nur sich von anderen (negativen) Werten abhebende, ‚erhabene’ positive Werte als mögliche Eigenschaften des Menschen zu schützen seien.85 Die Kombination der beiden Elemente ‚Würde’ und ‚Mensch’ weise darauf hin, dass diese zu wahrenden Eigenschaften bzw. Werte spezifisch menschliche Sondereigenschaften sein 84
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Gern, NJW 1983, S. 1582 (1588ff.) im Zusammenhang mit der Frage, ob eine so genannte Peepshow gegen die Menschenwürde verstößt. Gern, NJW 1983, S. 1582 (1588).
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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müssten,86 also solche, die in der Natur des Menschen angelegt seien. Spezifisch menschlich sei, dass der Mensch als einziges Lebewesen verständig und vernünftig handeln könne und in Freiheit, Selbst- und Fremdverantwortung sein Leben im Rahmen der natürlichen Determinanten bestimmen könne. Diese Sondereigenschaften machten zusammen mit der Basiseigenschaft ‚Lebewesen’ seine Subjektqualität aus. Die Elemente Leben, Vernunft und natürliche Freiheit bildeten den Schlüssel für die Wertentscheidung des Grundgesetzes. Indem es das Leben und den Gebrauch der Freiheit (Art. 2 GG), den Einsatz des Verstandes und der Vernunft (insbes. Art. 5 GG) sowie elementarer Triebstrukturen (Recht auf Leben, Ehe und Familie, Eigentum) normativ geordnet und bewertet habe, habe es zugleich „den Begriff der Menschenwürde, anknüpfend an das Sein des Menschen als ‚würdig sein sollen’ präzisiert“87. Die Art. 2ff. GG umschrieben durch “sekundär authentische Interpretation” die Würde des Menschen als Leitprinzip der Verfassung. Der positive Wert des Menschen, also seine Würde, existiere nach der Verfassung (nur) insoweit, als sich die Menschenwürde in den Grundrechten wiederspiegle. Ihren positiven Sinngehalt erhalte die Garantie der Menschenwürde aus diesen Grundrechen und ihren Schranken.88 Nicht eines Menschen würdig sei die Übertretung dieser Schranken. Immanente Schranken eines jeden Grundrechts seien die Rechte Dritter, der Schutz überragender Gemeinschaftsgüter und das Sittengesetz. Das Sittengesetz als mit den guten Sitten inhaltsgleiches Prinzip werde konkretisiert durch die sozialethischen Wertvorstellungen, die in einer Rechtsgemeinschaft als maßgebliche Ordnungsvorschriften anerkannt seien. Damit werde der Begriff der Menschenwürde der Wertvorstellung der Gesellschaft unterworfen.89 Zur Erforschung der in der Bevölkerung verwurzelten Wertentscheidungen könne die weltanschauliche Grundhaltung der Bevölkerung herangezogen werden, die sich in der Zugehörigkeit zur christlichen Religionsgemeinschaft wiederspiegle. Dasjenige, was den Grundprinzipien des christlichen Glaubens als Wertvorstellung entspreche, sei als Wertentscheidung der Rechtsgemeinschaft anzusehen. Diese Vorgehensweise finde ihre Rechtfertigung zum einen in der Tatsache, dass 95% aller Rechtsgenossen einer christlichen Kirche angehörten90 und zum anderen durch das Bekenntnis der Präambel zur Verantwortung vor Gott. Verantwortung vor Gott bedeute ‚Ablegen’ von ‚Rechenschaft’ im Hinblick auf das vom christlichen personalen Gott gesetzte Wertsystem. (2) Kritik Auch hier wird also letztlich versucht, den christlichen Würdebegriff in den verfassungsrechtlichen hinein zu interpretieren. Bedenklich an diesem Ansatz ist bereits, ob von dem prozentualen Anteil derer, die einer christlichen Glaubens86 87 88 89 90
Ähnlich bereits Wertenbruch, Menschenwürde, S. 24f. Gern, NJW 1983, S. 1582 (1588). Gern, NJW 1983, S. 1582 (1588). Gern, NJW 1983, S. 1582 (1589). Diese Zahlen dürften mittlerweile überholt sein, geändert haben dürfte sich allerdings nicht, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sich nach wie vor zum christlichen Glauben bekennt.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
gemeinschaft angehören, auf die Anschauung der Rechtsgemeinschaft geschlossen werden kann. Mag zwar innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaften als solchen ein gewisser Grundkonsens herrschen, so ist doch zumindest offen, welcher Anteil der Mitglieder die aus diesem Grundkonsens gezogenen ganz konkreten Folgerungen mitträgt. In rechtlicher Hinsicht bestehen zunächst die bereits oben dargelegten Einwände gegen eine Überbetonung des Gottesbezugs der Präambel des Grundgesetzes. Darüber hinaus kann aber auch die Bestimmung des Gehalts der Würdegarantie anhand des Sittengesetzes nicht überzeugen: Wenn die Schrankentrias den Inhalt des verfassungsrechtlichen Wertes des Menschen, mithin den positiven Inhalt seiner Würde bestimmte, müsste das Sittengesetz in letzter Konsequenz auch gleichzeitig Schranke der übrigen Grundrechte sein, da die Menschenwürde als oberstes Konstitutionsprinzip der Verfassung die Auslegung des übrigen Grundgesetzes steuert.91 Dies bedeutete aber eine Aushöhlung der differenzierten Schrankensystematik des Grundrechtsteils der Verfassung.92 Zu welchen Konsequenzen dies führen würde, zeigt sich wiederum insbesondere am Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG: Dieses schützt neben der inneren Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben, die äußere Freiheit, diese Überzeugungen bzw. Entscheidungen zu bekennen und zu verbreiten,93 und zwar unabhängig davon, ob sich der Glaube auf dem Boden gewisser sittlicher Grundanschauungen entwickelt hat94 oder dem christlichen Glauben entspringt. Stellt man diese Freiheitsgewährleistung über den Umweg des Art. 1 GG unter den Vorbehalt des Sittengesetzes und somit unter den Vorbehalt der Vereinbarkeit mit christlichen Wertentscheidungen, führt dies zwar zu einer Grundrechtsgewährleistung auch für nicht christliche Überzeugungen – aber nur soweit sie christlichen Überzeugungen entsprechen. Dass dies die Freiheit des (nicht-christlichen) Glaubens weitgehend auf ein bloßes Etikett reduziert und nicht Sinn der Gewährleistung sein kann, liegt auf der Hand. c) Abstrakte Schutzdimension? Eine Einschränkung der Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung kommt daher lediglich dann in Betracht, wenn der Garantie der Menschenwürde eine über den einzelnen Würdeträger hinausgehende Dimension immanent ist,95 wenn also auch eine „menschliche Würde als solche ohne Berücksichtigung der Einzelper-
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So in der Tat Gern, NJW 1983, S. 1583 (1588). Die h.M. lehnt eine Schrankenübertragung wegen der Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber speziellen Freiheitsrechten zu recht ab: BVerfGE 32, 98 (107) zu Art. 4 Abs. 1 GG; 67, 213 (228); 30, 173 (191f.) zu Art. 5 Abs. 3 GG; 36, 146 (161) zu Art. 6 Abs. 1 GG; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 47 m.w.N. BVerfGE 108, 282 (297) m.w.N.; grundlegend E 24, 236 (245). BVerfGE 41, 29 (50); anders noch BVerfGE 24, 236 (246); ebenso BVerwGE 94, 82 (87). So BVerwGE 64, 274 (280) unter Bezugnahme auf BGHZ 67, 119 (125).
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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son“96 zu schützen wäre bzw. auch der „strukturelle Schutz“97 der Menschenwürde zu gewährleisten wäre, deren Gehalt über den einzelnen hinausweist. Ob und mit welchen Auswirkungen eine solche Würdedimension existiert, ist allerdings alles andere als geklärt. aa) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich ein solcher Ansatz in der vielfach kritisierten so genannten ersten Peep-Show-Entscheidung.98 Dort hatte das Gericht zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer gewerblich veranstalteten Peep-Show auf die Gesamtumstände der geplanten Veranstaltung abgestellt und gefolgert, die Sittenwidrigkeit im Sinne von § 33 a Abs. 2 Nr. 1 GewO ergebe sich daraus, dass den auftretenden Frauen eine objekthafte Rolle zugewiesen werde.99 Unerheblich sei dabei, dass alle Beteiligten freiwillig handelten: Die Würde des Menschen sei ein objektiver unverfügbarer Wert, auf dessen Beachtung der Einzelne nicht wirksam verzichten könne. Wegen ihrer über den Einzelnen hinausreichenden Bedeutung müsse die Menschenwürde auch gegenüber der Absicht des Betroffenen verteidigt werden, seine vom objektiven Wert der Menschenwürde abweichenden subjektiven Vorstellungen durchzusetzen.100 In der so genannten ‚Laserdrome-Entscheidung‘101 wird dieser Gedanke zwar nicht ausdrücklich aufgriffen, jedoch zeigt sich auch hier eine deutliche Tendenz, den Würdeschutz vom konkreten Würdesubjekt abzukoppeln. Hier hatte das Gericht darüber zu befinden, ob die gewerbliche Veranstaltung von Unterhaltungsspielen, bei denen mit maschinenpistolenähnlichen Laserzielgeräten auf Mitspieler ‚geschossen‘ werden sollte, wegen Sittenwidrigkeit genehmigungsunfähig ist. Ausgehend von der Objektformel führt das Bundesverwaltungsgericht in diesem 96
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BayVerfGHE n.F. 2, 85 (91) m.w.N.; später aber nicht mehr aufgegriffen, vgl. E 11, 164 (181); 12, 168 (171); ähnlich Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (576): „abstrakte Menschenwürde“. Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 22 und Rn. 66: „Idee der Menschheit als solche[r]“; ähnlich Willems, VR 2001, S. 306 (310): „Verständnis der Menschenwürde als solcher, […] objektive Ordnungsfunktion“; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 62: „Schutz der Gattung vor den Selbstgefährdungen einer sittlich richtungslosen Freiheit“; Merkel, Forschungsobjekt Embryo, S. 40: „normativ-symbolisches Bild der Menschheit von sich selbst.“ BVerwGE 64, 274ff.; ablehnend Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HbVerfR I, § 6 Rn. 57; ders., NJW 2000, S. 1769 (1770); Höfling NJW 1983, S. 1582ff.; Olshausen, NJW 1982, S. 2221ff., zustimmend dagegen Gern a.a.O. BVerwG, a.a.O., S. 278; zustimmend Redeker, BayVBl. 1985, S. 73 (76). In der zweiten Entscheidung zur Sittenwidrigkeit von Peep-Shows griff das Bundesverwaltungsgericht diesen Gedanken hingegen nicht mehr auf, sondern rekurrierte zur Begründung der Sittenwidrigkeit auf die behördliche Praxis, die Rechtsprechung und die von ihnen ausgelösten Reaktionen der Öffentlichkeit, welche nach Ansicht des Gerichts Rückschlüsse auf die in der Allgemeinheit herrschenden sittlichen Überzeugungen zuließen, BVerwGE 84, 314 (318ff.). BVerwGE 115, 189ff.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
Zusammenhang aus, Menschenwürde sei nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern auch die Würde des Menschen als Gattungswesen.102 Daher könnten Unterhaltungsspiele auch dadurch gegen die Garantie der Menschenwürde verstoßen, dass beim Spielteilnehmer eine Einstellung erzeugt oder verstärkt werde, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugne, der jedem Menschen zukomme. Sei ein gewerbliches Unterhaltungsspiel auf die Identifikation der Spielteilnehmer mit der Gewaltausübung gegen Menschen ausgerichtet und solle ihnen die lustvolle Teilnahme an solchen – wenn auch nur fiktiven – Handlungen ermöglichen, sei dies mit der verfassungsrechtlichen Menschenwürdegarantie unvereinbar. Den Grund hierfür sieht das Gericht in der einem solchen Spiel „innewohnenden Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung der Gewalt und […] möglichen Auswirkungen einer solchen Tendenz auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft.“103 Zwar lasse eine Spielausgestaltung, bei der sich die Teilnehmer chancengleich gegenüberstünden, keine entwürdigende Behandlung eines Mitspielers erkennen,104 dies sei jedoch unerheblich, da die aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG herzuleitende Wertordnung der Verfassung nicht im Rahmen eines Unterhaltungsspiels zur Disposition stehe.105 bb) Zweideutigkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in dieser Hinsicht weniger eindeutig, was sich an einem Beschluss zur Auslegung des § 131 Abs. 1 StGB zeigt.106 Gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 4 StGB wird unter näher bezeichneten Modalitäten unter anderem bestraft, wer Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB herstellt, die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob das Tatbestandsmerkmal ‚in einer die Menschenwürde verletzenden Weise‘ dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügt. In diesem Zusammenhang führte das Gericht aus: „Darin [scil.: im Schutz vor der Verletzung der Würde konkreter Personen] erschöpft sich jedoch der erkennbare Sinn der Vorschrift [scil.: des § 131 StGB] nicht. Vielmehr ergibt sich aus deren Wortlaut und systematischem Zusammenhang, dass sie vor allem auch Fälle erfassen soll, in denen die Schilderung des Grausamen und Unmenschlichen eines Vorgangs darauf angelegt ist, beim Betrachter eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt. Das geschieht insbesondere dann, wenn 102 103 104 105 106
BVerwGE 115, 189 (199) – unter Bezugnahme auf BVerfGE 87, 209 (228). BVerwGE 115, 189 (200). BVerwGE 115, 189 (199). A.a.O., S. 202. BVerfGE 87, 209ff.; auf diese Entscheidung bezieht sich die angesprochene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in BVerwGE 115, 189ff. in großen Teilen.
I. Kein generelles Kommerzialisierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1 GG
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grausame oder sonstwie unmenschliche Vorgänge gezeigt werden, um beim Betrachter ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln, oder um Personen oder Gruppen als menschenunwert erscheinen zu lassen. Eine solche Tendenz schließt die Vorstellung von der Verfügbarkeit des Menschen als bloßes Objekt ein, mit dem nach Belieben verfahren werden kann. Deshalb kann auch eine menschenverachtende Darstellung rein fiktiver Vorgänge das Gebot zur Achtung der Würde des Menschen verletzen. Sie ist zudem geeignet, einer allgemeinen Verrohung Vorschub zu leisten, den Respekt vor der Würde des Mitmenschen beim Betrachter zu mindern und so auch die Gefahr konkreter Verletzungen dieses Rechtsguts zu erhöhen. Dass auch solche Darstellungen unter den Tatbestand fallen sollen, wird durch die Gesetzesmaterialien [scil.: zu § 131 StGB] bestätigt.“107
In der Literatur wird daraus zum Teil die Schlussfolgerung gezogen, das Bundesverfassungsgericht habe lediglich Aussagen zur Reichweite des strafrechtlichen Tatbestandes gemacht, jedoch nicht dazu Stellung genommen, ob auch der verfassungsrechtliche Würdebegriff einen abstrakten Rechtsgutsschutz enthalte.108 Tatsächlich ist die zitierte Passage aber weniger eindeutig: Einerseits nämlich geht es dort um Sinn und Zweck der Vorschrift des § 131 StGB, andererseits deutet jedoch die Wortwahl daraufhin, dass damit zugleich die Reichweite des verfassungsrechtlichen Würdeschutzes markiert wird. Denn zum einen differenziert das Gericht jedenfalls nicht ausdrücklich zwischen dem verfassungsrechtlichen und einem inhaltlich darüber hinausgehenden einfachgesetzlichen strafrechtlichen Würdeschutz. Zum anderen spricht das Gericht hier von dem „fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch […], der jedem Menschen zukommt“ und von der „Verfügbarkeit des Menschen als bloßes Objekt […] mit dem nach Belieben verfahren werden kann“. Diese Diktion entspricht der üblichen Umschreibung der durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde bzw. der Verletzung derselben. Daher ist auch die Deutung möglich, dass das Gericht jedenfalls bei der menschenverachtenden Darstellung fiktiver Vorgänge eine vom konkreten Würdeträger losgelöste Verletzung der verfassungsrechtlichen Würdegarantie für möglich hält.109 Eindeutig ist lediglich, dass das Gericht die verfassungsrechtlich gewährleistete Menschenwürde nicht bereits dadurch für betroffen hält, dass eine Darstellung geeignet ist, einer allgemeinen Verrohung Vorschub zu leisten, den Respekt vor der Würde des Mitmenschen beim Betrachter zu mindern und dadurch die Gefahr konkreter Würdeverletzungen zu erhöhen; denn hierbei handelt es sich lediglich um ein Überdies-Argument („Sie ist zudem geeignet…“), das nicht Element der Begründung der Würdeverletzung ist, sondern sich allein auf die Reichweite des Straftatbestands bezieht. Auf die Kommerzialisierung menschlicher Körpersubstanzen lässt sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht übertragen: Zum einen geht es hierbei nämlich nicht um Gewaltverherrlichung, sadistisches Vergnügen oder 107 108
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A.a.O., S. 228f. Aubel, in: Die Verwaltung 37 (2004), S. 229 (246); ebenso VG Dresden, NVwZ-RR 2003, S. 848 (851). So offenbar das Verständnis bei Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 37 und Enders, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKomm-GG, C Art. 1 Rn. 45.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten
Identifizierung mit oder Bagatellisierung von Gewalt; zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass die Vereinbarung einer entgeltlichen Überlassung von Körpersubstanzen allein wegen ihrer Entgeltlichkeit geeignet wäre, Personen oder Personengruppen als menschenunwert erscheinen zu lassen, oder als verfügbare Objekte, mit denen nach Belieben verfahren werden könnte. cc) Der Mangel an Belegen für einen abstrakten Schutzgehalt Eine Verletzung des Garantiegehalts des Art. 1 Abs. 1 GG käme daher nur in Betracht, wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht bereits allein die Gefahr negativer Auswirkungen auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft als Würdeverletzung qualifiziert. Denn es lässt sich zumindest nicht a priori ausschließen, dass die Anerkennung der Rechtswirksamkeit entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte über Körpersubstanzen abstrakt geeignet ist, die ethische Wertschätzung des menschlichen Körpers,110 wie auch immer sich diese konkretisieren lassen mag, zu mindern. Das fundamentale Problem eines derart ausufernden Garantieverständnisses liegt auf der Hand: Nicht nur, dass bereits die Feststellung und Konkretisierung allgemeiner Wertvorstellungen Schwierigkeiten aufwirft, es droht auch die völlige Konturenlosigkeit der Würdegarantie sowie ihre beliebige Einsetzbarkeit zur Begründung eines gewünschten Ergebnisses und zur Festschreibung eines vermeintlich allgemeinen, tatsächlich aber partikularen, stark subjektiv eingefärbten Moralstandards, der sich mittels Verankerung in Art. 1 Abs. 1 GG einer Diskussion weithin entzieht.111 Wenn bereits die abstrakte Gefährdung, die bloß vage Möglichkeit negativer Auswirkungen auf die Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft eine Würdeverletzung ist, werden Handlungen tabuisiert, die keinen Bezug zu einzelnen konkreten Würdeträgern haben.112 Mögen die damit verfolgten Ziele auch ehrenwert sein, so ist es doch bislang nicht gelungen, einen vom einzelnen Würdeträger losgelösten Schutzgehalt der Menschenwürde konsistent zu begründen.113 Weder der Wortlaut noch die historische Genese des Art. 1 Abs. 1 GG lassen auf einen abstrakten Schutzgehalt schließen: Garantiert wird die Würde des Menschen und nicht die menschliche Würde oder die Würde der Menschheit.114 Dass damit der einzelne Mensch gemeint war, zeigt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm.115 Auch aus der vom Bundesverfassungsgericht geprägten „Menschenbild“110 111 112
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Vgl. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 119. Ähnlich Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29. Kritisch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch VG Dresden, NVwZRR 2003, S. 848 (850); deutlich Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 119: „waghalsig und vollständig unabgedeckt“; ferner Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 56; Gröpl/Brandt, in: VerwArch 95 (2004), S. 223 (234ff.). Im Ergebnis wie hier Zippelius, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u 2 Rn. 55; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 116. Siehe zum einen Bergsträsser in der 4. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates vom 23.9.1948, Stenografischer Bericht, S. 16: „Es ist der einzelne Mensch, dessen Würde geschützt werden soll“; zum anderen Danckwerts im
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Formulierung lässt sich ein solcher Schutzgehalt nicht ableiten. Zwar ist danach das Menschenbild des Grundgesetzes nicht das eines isolierten souveränen Individuums, vielmehr habe das Grundgesetz die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten.116 Die Existenz einer abstrakten Würdedimension folgt daraus indes nicht: Die Menschenbildformel wurde ursprünglich im Zusammenhang mit der Frage der gesetzlichen Einschränkbarkeit des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG entwickelt.117 Damit wurde zunächst nicht mehr gesagt, als dass es innerhalb einer Gemeinschaft keine prinzipiell unbegrenzte Freiheit geben kann, sondern sich der Einzelne gesetzliche Beschränkungen seiner Handlungsfreiheit in zumutbarem Maß gefallen lassen muss.118 In späteren Entscheidungen findet sich die Menschenbildformulierung zwar innerhalb der Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1 GG, allerdings immer bezogen auf ein konkretes, von einer staatlichen Maßnahme betroffenes Subjekt.119 Auch auf die in anderem Zusammenhang getroffene Feststellung des Gerichts, Menschenwürde sei nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen,120 kann hier nicht zurückgegriffen werden. Denn diese Formulierung diente nicht der Anerkennung einer abstrakten Gattungswürde, sondern lediglich der Verdeutlichung, dass Würde nicht von Eigenschaften, Leistungen oder sozialem Status des Einzelnen abhängig ist.121 d) Ergebnis: Keine Würdeverletzung durch Eigenkommerzialisierung bei autonom gebildetem Willen Festzuhalten bleibt damit, dass die Kommerzialisierung eigener Körpersubstanzen nicht mit der Garantie der Menschenwürde in Konflikt gerät, solange ihr ein autonom gebildeter Wille zugrundeliegt.
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Unterausschuss I des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, 5. Sitzung vom 19.8.1948, Protokolle, S. 123: „[…]; gerade dem Kollektivismus der letzten Zeit wollen wir heute den Individualismus entgegenstellen.“ – Hervorhebungen hinzugefügt. BVerfGE 4, 7 (15f.); 45, 187 (227). BVerfGE 4, 7 (15f.); vgl. auch BVerfGE 30, 173 (193) in Bezug auf die Einschränkbarkeit der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. BVerfGE 4, 7 (16); 45, 187 (227f.). Siehe etwa BVerfGE 109, 133 (151f.); 50, 166 (175). BVerfGE 87, 209 (228); vgl. auch BVerfGE 115, 118 (152) m.w.N. BVerfG, a.a.O.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
II. Eingeschränkte Bindungswirkung vertraglicher Hingabevereinbarungen Allein der Umstand, dass Art. 1 Abs. 1 GG einer vertraglichen Vereinbarung über die entgeltliche Hingabe ungelöster Körpersubstanzen nicht generell entgegen steht, besagt noch nicht, dass eine dahingehende rechtsgeschäftliche Vereinbarung insgesamt unkritisch ist. Denn lässt man eine uneingeschränkte Hingabeverpflichtung zu, bedeutet dies konsequenterweise, dass der Vertragspartner die Herauslösung der betreffenden Substanz notfalls gegen den Willen des Substanzträgers erzwingen kann. Zwar ist es prinzipiell nichts Ungewöhnliches, dass sich eine Vertragspartei an ihrem erklärten Willen auch dann festhalten lassen muss, wenn nachträglich Umstände eintreten, die eine Willensänderung hervorrufen. Dennoch wird eine strikte Bindung des Substanzträgers an eine Hingabevereinbarung im Ergebnis einmütig abgelehnt.122 Den Hintergrund der Ablehnung bildet die Überlegung, dass die Erfüllung einer Herauslösungs- oder Abtrennungsverpflichtung mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einhergeht, also mit einer tatbestandlichen Körperverletzung gemäß §§ 223ff. StGB, deren Strafbarkeit zwar durch eine wirksame Einwilligung entfällt,123 allerdings nur, wenn die Einwilligung im Zeitpunkt des Eingriffs noch besteht, also nicht wirksam widerrufen wurde.124 Erforderlich ist demnach eine zeitliche Koinzidenz von Einwilligung und Eingriff. Dabei ist der Widerruf jederzeit möglich, solange der Fortgang des Eingriffs dies noch erlaubt.125 Mit diesen allgemein anerkannten Prinzipien würde eine vorbehaltlose Abtrennungsverpflichtung kollidieren. Zwar könnte der Substanzträger den Vollzug des Rechtsgeschäfts durch Widerruf der Einwilligung jederzeit verhindern, sähe sich dadurch aber auf der schuldrechtlichen Ebene dem Vorwurf der Pflichtverletzung ausgesetzt. Hierdurch käme es zumindest zu einem mittelbaren Erfüllungszwang durch drohende Schadensersatzansprüche. Ganz überwiegend wird daher gefordert, die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung müsse dem Substanzträger nicht nur formal erhalten bleiben, sondern an seine Ausübung dürften auch keine nachteiligen Folgen geknüpft werden. Demzufolge wird bereits bei der Ausgestaltung des Verpflichtungsgeschäfts angesetzt und zum Teil die Konsequenz gezogen, dem Substanzträger sei ein freies Widerrufsrecht auch auf schuldrechtlicher Ebene einzuräumen.126 Zum Teil wird die Verpflichtung zur Duldung der Herauslösung einer Körpersubstanz als lediglich unvollkommene Verbindlichkeit qualifi122
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124 125 126
Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 23; Forkel, JZ 1974, S. 593 (595); Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 82; Maier, Verkauf, S. 17; Schünemann, Rechte, S. 182; Jansen, Blutspende, S. 44f. § 228 StGB. Die weiteren Rechtfertigungsgründe, insbesondere §§ 227, 228 BGB sowie §§ 32, 34 StGB, spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Fischer, StGB, § 228 Rn. 18. Fischer, a.a.O., m.w.N.; explizite Normierung jetzt in § 8 Abs. 2 S. 5 TPG. Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 5; Schoeller, Organspende, S. 71f.; Schäfer, Verpflanzung, S. 54, der aber zugleich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für grundsätzlich zulässig hält (S. 58); dagegen Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 81f., 83.
II. Eingeschränkte Bindungswirkung vertraglicher Hingabevereinbarungen
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ziert, wodurch der Substanzträger zwar berechtigt sei, die Leistung zu erbringen, der Gläubiger die Leistung jedoch nicht fordern könne.127 Die Vereinbarung einer vorbehaltlosen Abtrennungsverpflichtung sei hingegen mit der Menschenwürde des Substanzträgers nicht zu vereinbaren, da er durch eine unwiderrufliche Abtrennungsverpflichtung zum bloßen Objekt erniedrigt werde.128 Gegenüber dem Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1 GG ist indes auch hier Skepsis angebracht. Denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass eine Würdeverletzung durch eine vorbehaltlose Abtrennungsverpflichtung alles andere als evident ist, vor allem wenn man an den Gesichtspunkt der Autonomie anknüpft. Aus der unbedingten Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung für die Beurteilung einer Würdeverletzung129 könnte gerade auch folgen, dass der Würdeträger für die Folgen seiner Entscheidung einzustehen hat. In diese Richtung deutet eine Entscheidung der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz von Wasserwerfern: Danach verstößt der Einsatz von Wasserwerfern gegen Störer jedenfalls dann nicht gegen die Garantie der Menschenwürde, wenn diesen zuvor die Gelegenheit gegeben wurde, sich freiwillig zu entfernen; in diesem Fall werden sie durch den Wasserwerfereinsatz nicht zu bloßen Objekten staatlichen Handelns gemacht.130 Der Grund hierfür kann nur darin liegen, dass sie damit lediglich die Konsequenzen ihrer autonom getroffenen Entscheidung zu tragen haben. Übertragen auf die Frage der Zulässigkeit einer vorbehaltlosen Abtrennungsverpflichtung könnte hier entsprechend argumentiert werden: Wenn der Substanzinhaber die Möglichkeit hatte, sich nach Maßgabe der für eine autonome Entscheidung relevanten Kriterien für oder gegen den Abschluss eines Vertrags zu entscheiden, kann nicht allein daraus, dass er nun die Konsequenzen dieser Entscheidung zu tragen hat, gefolgert werden, er würde in unzulässiger Weise zum Objekt des Handelns einer anderen Person gemacht. Eine unwiderrufliche Abtrennungsverpflichtung als generell unvereinbar mit der Garantie der Menschenwürde zu qualifizieren, ist auch vor dem Hintergrund der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 81 a StPO zweifelhaft. Danach verstößt es nicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG, wenn einem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gegen seinen Willen die Haare gekürzt werden und seine Barttracht verändert wird, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls hinzukommen.131 Auch wenn das Gericht hierbei unter anderem auf die relativ geringe Intensität des Eingriffs und die nur vorübergehende Veränderung abstellte, zeigt die Entscheidung doch immerhin, dass nicht jeder zwangsweise erfolgende Eingriff132 in die körperliche 127 128
129 130
131 132
Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 84. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 82 (allerdings offenbar mit Ausnahme von „geringfügigen Eingriffen [… ] wie beim Abschneiden von Haaren“); Maier, Verkauf, S. 17; Schoeller, Organspende, S. 71; Jansen, Blutspende, S. 51 (zur Unzulässigkeit einer Vertragsstrafe). Dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. 1. Nichtannahmebeschluss vom 07.12.1998 – 1 BvR 831/89, www.bverfg.de/entscheidungen/rk19981207_1bvr083189.html (letzter Abruf 15.01.2008). BVerfGE 47, 239 (247); vgl. auch BVerfGE 16, 194ff. Auf den eine unbedingte Abtrennungsverpflichtung im theoretischen Extremfall (Zwangsvollstreckung) hinausliefe.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
Unversehrtheit eine Verletzung der Menschenwürde bedeuten muss. Maßstab ist hier zu Recht primär Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. In der Sache verdient es aber dennoch Zustimmung, wenn die Möglichkeit einer unbedingten Verpflichtung abgelehnt wird, weil den Rechtsgütern Leben und körperliche Unversehrtheit ein besonderer Stellenwert innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt. Aus diesem besonderen Wert lässt sich das Erfordernis der zeitlichen Koinzidenz von Einwilligung und Eingriff verfassungsrechtlich ableiten. Die vertragliche Vereinbarung, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu dulden, kann daher nur dann Bestand haben, wenn bei Widerruf der Einwilligung kein mittelbarer Erfüllungszwang zu befürchten ist, da hierdurch die Gefahr bestünde, dass das Koinzidenzprinzip ausgehebelt wird. Der Substanzträger muss also die Möglichkeit haben, sich von der Vereinbarung ohne Nachteile zu lösen, insbesondere ohne sich der Gefahr einer Schadensersatzpflicht auszusetzen.133 Konstruktiv ergeben sich hier verschiedene Möglichkeiten, wobei der durch Auslegung der Vereinbarung zu ermittelnde erklärte Wille der Vertragspartner maßgeblich ist.134 Denkbar sind dabei beide vorgeschlagenen Wege, sowohl die gegebenenfalls konkludente Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts des Substanzträgers als auch die Ausgestaltung als unvollkommene Verbindlichkeit.
III. Überstrapazierung der guten Sitten als Kommerzialisierungsschranke Als weitere Begrenzung der grundrechtlichen Kommerzialisierungsbefugnis kommt § 138 BGB in Betracht, soweit eine entgeltliche Hingabevereinbarung, auch wenn sie den dargelegten Einschränkungen entspricht, gegen die guten Sitten verstößt und damit nichtig ist. Unabhängig von der Diskussion um Art. 1 Abs. 1 GG wird in diesem Zusammenhang im Schrifttum eine Reihe weiterer Kriterien genannt, anhand derer über einen Sittenverstoß zu befinden sein soll.135 133
134 135
Dabei geht es nicht um die Frage, ob aus Art. 2 Abs. 2 GG die staatliche Befugnis folgt, den Grundrechtsträger a priori gegen sich und seinen eigenen Willen zu schützen, da die vorliegend diskutierte Fallgestaltung sich dadurch auszeichnet, dass hier die Schutzrichtung des Art. 2 Abs. 2 GG und der Wille des Substanzträgers im Zeitpunkt des Widerrufs der Einwilligung nicht mehr gegenläufig sind. Bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses geht es also nicht um so genannten harten Paternalismus, sondern letztlich lediglich um Übereilungsschutz. Vgl. Schünemann, Rechte, S. 176ff.; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 80ff. je m.w.N. Der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB soll im Folgenden weitgehend außer Betracht bleiben, da er zum einen eine eher geringe praktische Relevanz hat und zum anderen nicht Schauplatz der spezifischen Diskussion ist. Ob das Sittengesetz als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG deckungsgleich mit dem Begriff der guten Sitten ist (so Dürig, in: Maunz/Dürig, GG (Erstbearbeitung), Art. 2 Abs. 1 Rn. 16; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 388), oder ob ihm keine eigenständige Funktion zukommt (so Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Art. 2 I Rn. 60; ähnlich Höf-
III. Überstrapazierung der guten Sitten als Kommerzialisierungsschranke
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1. Die vorgeschlagenen Parameter Als Parameter werden hier zum einen die Lokalisierung der Substanz am Körper sowie die Art der Trennung vom Körper vorgeschlagen. Danach soll ein entgeltliches Verpflichtungsgeschäft über die Veräußerung dann nicht zu beanstanden sein, wenn seine Durchführung keinen chirurgischen Eingriff erfordert wie etwa bei Haaren, Zehen- und Fingernägeln, oder wenn es sich um Substanzen handelt, die auf natürlichem Wege den Körper verlassen, vor allem also Abfallprodukte wie Kot, Urin, Plazenta, aber auch Speichel. In diesem Fall sei die entgeltliche Veräußerung nicht als sittenwidrig einzustufen, weil die Körpersubstanzen keine intensive Bindung an die Persönlichkeit aufwiesen und ihnen keine erhebliche Bedeutung für den Gesamtorganismus zukomme. Demgegenüber sollen funktionelle Einheiten, die eine spezielle Aufgabe erfüllen, aufgrund ihrer besonders engen Bindung an die menschliche Persönlichkeit nicht Gegenstand eines wirksamen entgeltlichen Verpflichtungsgeschäfts sein können.136 Zum anderen soll die Reproduzierbarkeit einer Körpersubstanz einen Anhaltspunkt dafür geben, ob eine entgeltliche Veräußerung als sittenwidrig einzustufen ist: Je weniger eine Substanz reproduzierbar ist, desto intensiver soll ihr personaler Bezug sein und umso eher soll eine entgeltliche Hingabevereinbarung sittenwidrig sein. Eine Verpflichtung zur entgeltlichen Hingabe nicht reproduzierbarer Substanzen soll danach nicht wirksam sein, weil der Substanzträger durch diesen Ausverkauf der eigenen Gesundheit seiner Bestimmung als Mensch zuwiderhandle.137 Etwas anderes soll vor allem für Blut gelten.138 In ähnlicher Weise wird verschiedentlich auf die Funktion einer Substanz für den Körper abgestellt, oder darauf, ob ihre Entfernung zu erheblichen Gesundheitsrisiken oder gar zum Tod führte.139 Teilweise wird die Frage der Sittenwidrigkeit auch von der Höhe des vereinbarten Entgelts abhängig gemacht.140 Desweiteren soll auch zu beachten sein, ob der Substanzinhaber neben dem finanziellen einen weiteren Zweck verfolgt, und ob die Durchführung des Geschäfts einen Nutzen für die Allgemeinheit haben kann, was im
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137
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ling, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BerlKomm-GG, C Art. 2 Rn. 37; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 46), kann hier dahingestellt bleiben, da § 138 BGB jedenfalls eine einfachgesetzliche Beschränkung beinhaltet, die Teil der verfassungsmäßigen Ordnung als weiterer Schranke des Art. 2 Abs. 1 GG ist. Siehe zum Vorstehenden die Darstellung bei Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 121 m.w.N. Schäfer, Verpflanzung, S. 61; im Ergebnis auch Schünemann, Rechte, S. 197 – ohne Begründung; aus ethischer Perspektive auch Heinrichs, in: ZfmE 50 (2004), S. 277 (286), der auf einen nicht näher konkretisierten ‚spezifischen Wert‘ abstellt, welcher bei regenerativen und nicht regenerativen Substanzen unterschiedlich ausfallen soll. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 121, der hierzu grundsätzlich auch Haut und Knochen zählen, jedoch aufgrund der eingeschränkten Reproduzierbarkeit eher Sittenwidrigkeit bejahen will. Schünemann, Rechte, S. 197; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 122. Schünemann, Rechte, S. 197, der jedoch hier die Frage der Sittenwidrigkeit mit rechtspolitischen Vorschlägen vermengt; ähnlich Carstens, Organtransplantation, S. 73.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
Zusammenhang mit der geplanten Verwendung durch den Erwerber zu sehen sein soll.141
2. Analyse a) Ökonomisch unspezifische Kriterien Die vorstehende Auflistung zeigt, dass viele der genannten Gesichtspunkte zwar im Zusammenhang mit der Sittenwidrigkeit entgeltlicher Verpflichtungsgeschäfte diskutiert werden, jedoch gar keinen spezifischen Bezug zur Entgeltlichkeit aufweisen, sondern ebenso auf unentgeltliche Vereinbarungen über die Hingabe bislang nicht getrennter Substanzen anwendbar sind. So kann es etwa für das Kriterium der ‚intensiven personalen Bindung‘ und der Gesundheitsgefährdung keinen Unterschied machen, ob die Vereinbarung altruistisch oder ökonomisch motiviert ist.142 Ob diese Kriterien allerdings überhaupt geeignet sind, als Faktoren für die Bewertung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts herangezogen zu werden, muss kritisch hinterfragt werden. Dabei ist von der in ständiger Rechtsprechung angewandten Formulierung auszugehen, dass ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.143 Damit wird auf die jeweils herrschende Rechts- und Sozialmoral Bezug genommen, also auf rechtliche und außerrechtliche Wertungen, denen ein „Sein-Sollen“ entnommen werden kann, wobei vor allem den rechtlichen Wertungen Bedeutung und im Zweifel auch Vorrang zukommt.144 Ob solche Wertungen existieren, gilt es herauszuarbeiten. aa) ‚Intensive personale Bindung‘ Soweit die ‚intensive personale Bindung‘ einer Substanz hervorgehoben wird, begegnet dies bereits deswegen Bedenken, weil der Substanzträger durch eine freiverantwortliche Hingabevereinbarung gerade den Willen zur Aufgabe der personalen Bindung kundtut.145 Vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um die privatautonome Ausübung des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts handelt, kann das Kriterium der personalen Bindung daher lediglich 141
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Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 116f., 118; für die nicht konsentierte Drittkommerzialisierung auch Taupitz, Kommerzialisierung, S. 67f., der hier die medizinische Forschung als sittlich hochstehend ansieht, wohingegen die Abgabe zum Zwecke der Verarbeitung zu Schönheitspräparaten anstößig sein soll. Konsequent Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 128, der diese unspezifischen Kriterien auch für Schenkungsverträge heranzieht. So bereits RGZ 80, 219 (221); aus der Rechtsprechung des BGH etwa NJW 2004, S. 2668 (2670); BGHZ 69, 295 (297); 10, 228 (232) – st. Rspr.; weitere Nachweise bei Sack, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 13. Ausführlich mit Nachweisen: Sack, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 37ff. Zum Problem der nachträglichen Willensänderung siehe Kap. B Abschn. II.; zu einem möglicherweise nach Herauslösung fortbestehenden persönlichkeitsrechtlich fundierten Interesse an der Nichtausforschung genetischer oder sonstiger in abgetrennten Substanzen enthaltenen Informationen siehe unten Kap. C Abschn. I. 3. und I. 5. c.
III. Überstrapazierung der guten Sitten als Kommerzialisierungsschranke
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dann von Bedeutung sein, wenn das Selbstbestimmungsrecht durch höherrangige Prinzipien verdrängt würde, die die Aufrechterhaltung der personalen Bindung fordern. Dass sich Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Teil der objektiven Wertordnung nicht gegen den autonom gefassten Entschluss des Substanzträgers richten kann, wurde bereits dargelegt.146 Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie eine besondere personale Bindung gegen den Willen des Substanzinhabers begründet werden könnte. Insbesondere kann hier nicht auf die „Bestimmung des Menschen“147 verwiesen werden, oder darauf, dass der Körper dem Menschen primär zur aktiven Lebensgestaltung verliehen worden sei.148 Denn dabei handelt es sich letztlich um im Glaubensbereich wurzelnde Sinnbekenntnisse, die keine Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können. bb) Auswirkungen auf die Gesundheit Anders liegen die Dinge hingegen, soweit eine Vereinbarung auf die Hingabe von Substanzen gerichtet ist, deren Entfernung aus dem Körper den Tod oder schwerwiegende Gesundheitsgefahren zur Folge hätte. Die Durchführung einer entsprechenden Vereinbarung würde den Straftatbestand der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB erfüllen, soweit lebensnotwendige Organe betroffen sind. Bereits die darauf gerichtete schuldrechtliche Vereinbarung läuft der in § 216 StGB enthaltenen Wertung zuwider. Daher muss die Rechtsfolge einer solchen Vereinbarung die Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB sein. Weniger eindeutig zu beurteilen sind hingegen Fälle, in denen es um die Vereinbarung einer Entnahme geht, deren Durchführung nicht zum Tod sondern ‚nur‘ zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit und eventuell zu einer notwendig werdenden Nachbehandlung führen würde. Denn hier ist der Wertung des § 228 StGB zu entnehmen, dass eine Körperverletzung grundsätzlich rechtlich toleriert wird, wenn der Verletzte zuvor wirksam eingewilligt hat.149 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Tat als solche trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.150 Ob dies der Fall ist, hängt maßgeblich vom Umfang der vom Opfer hingenommenen körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung und dem Grad der damit verbundenen Leibes- oder Lebensgefahr ab.151 Wo diese Grenze verläuft, ist bislang noch nicht im Einzelnen geklärt. Überschritten wird sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann, wenn das Opfer durch die Körperverletzung in die konkrete Gefahr des Todeseintritts gerät.152 Ob auch bereits unterhalb dieser Schwelle liegende Gefahren die Sittenwidrigkeit begründen können, hat das Gericht bislang 146 147 148 149
150
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Vgl. oben Kap. B Abschn. I. 2. So Schäfer, Verpflanzung, S. 61. So aber Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 119; Schäfer, Verpflanzung, S. 61. Zu den Anforderungen an eine die Strafbarkeit ausschließende wirksame Einwilligung vgl. Fischer, StGB, § 228 Rn. 5ff. Unerheblich ist hierbei, ob die Einwilligung selbst aus sittlich achtenswerten Motiven erfolgt, siehe Fischer, StGB, § 228 Rn. 8ff. m.w.N. auch auf abweichende Ansichten. BGHSt 49, 166 (169ff.); 49, 34 (43f.) m.w.N.; Fischer, StGB, § 228 Rn. 9a m.w.N. BGHSt 49, 166 (171f.); 49, 34 (44).
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
ausdrücklich offen gelassen.153 Angesichts der straf(mit)begründenden Funktion der Sittenwidrigkeit154 ist hier äußerste Zurückhaltung geboten, jedenfalls aber wäre im Einzelnen zu begründen, weshalb die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, die Einwilligung in Körperverletzungen unterhalb der genannten Schwelle für unbeachtlich zu halten und damit das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu beschneiden; denn immerhin geht es hier primär um den Individualrechtsgüterschutz und nicht um den Schutz kollektiver Rechtsgüter. Überzeugender ist hier, die Anforderungen an die für eine wirksame Einwilligung erforderliche Aufklärung umso höher anzusetzen, je schwerer die mit einem Eingriff verbundene gesundheitliche Beeinträchtigung ist. Damit kann die Entnahme einer Körpersubstanz unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in das Individualrechtsgut der körperlichen Unversehrtheit nur im engen Rahmen des § 216 StGB und bei konkreter Gefahr des Todeseintritts durch den Eingriff als sittenwidrig im Sinne von § 228 StGB qualifiziert werden. Hieraus folgt zugleich, dass § 228 StGB auch für den Bereich der zivilrechtlichen guten Sitten keine weitergehende gesetzliche Wertung entnommen werden kann. Im Zusammenhang mit dem Topos ‚Auswirkungen auf die Gesundheit‘ wäre unterhalb der Schwelle zur konkreten Todesgefahr allenfalls daran zu denken, die mit einer Hingabe von Körpersubstanzen möglicherweise verbundenen Folgekosten in die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Hingabevereinbarung einzubeziehen, so etwa, wenn ein für die Hingabe einer Substanz erforderlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit aufgrund von Komplikationen eine Nachbehandlung erforderlich machen kann. Hierin läge ein gemeinschädliches Element, soweit die Solidargemeinschaft durch die gesetzlichen Krankenkassen für die Folgen einer bewusst eingegangenen Gesundheitsbeeinträchtigung aufkommen müsste. Doch auch hieraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass eine Vereinbarung, die solche Folgekosten verursachen kann, sittenwidrig ist, da dem Interesse der Allgemeinheit, von diesen Kosten verschont zu bleiben, durch die Leistungsbeschränkung gemäß § 52 Abs. 2 SGB V bereits gesetzlich Rechnung getragen wird,155 so dass für einen zusätzlichen Rückgriff auf § 138 Abs. 1 BGB insoweit kein Raum verbleibt. cc) Sittenwidrigkeit aufgrund § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 S. 2 TPG Für den Bereich der Transplantation ergibt sich eine bereichsspezifisch begrenzte gesetzliche Wertung, die zur Sittenwidrigkeit einer rechtsgeschäftlichen Entnahmevereinbarung führt, aus § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 S. 2 TPG. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 TPG macht sich strafbar, wer entgegen § 8 Abs. 1 S. 2 TPG ein Organ entnimmt, wer also eine Niere, den Teil einer Leber oder andere nicht regenerierungsfähige Organe zum Zwecke der Transplantation entnimmt, ohne dass es 153 154 155
BGHSt 49, 166 (173). BGHSt 49, 34 (41). Gemäß § 52 Abs. 2 SGB V hat die Krankenkasse den Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten einer Heilbehandlung zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer der Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern, wenn sich der Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme zugezogen hat.
III. Überstrapazierung der guten Sitten als Kommerzialisierungsschranke
53
sich bei Spender und Empfänger um Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehende Personen handelt.156 Hieraus folgt, dass auch eine rechtsgeschäftliche unentgeltliche157 Entnahmevereinbarung gegen die guten Sitten verstößt, die lediglich eine bedingte oder widerrufliche Verpflichtung des Substanzträgers beinhaltet, die Entnahme einer Körpersubstanz zu dulden. Die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ergibt sich dabei daraus, dass die Durchführung der Vereinbarung zur Folge hätte, dass sich ein Dritter, nämlich der entnehmende Arzt, strafbar macht. Einer solchen Vereinbarung kann die Rechtsordnung die Rechtswirksamkeit nur versagen. b) Kriterien mit ökonomischem Bezug Einen spezifischen Bezug gerade zum ökonomischen Aspekt haben in der Sittenwidrigkeitsdiskussion die Kriterien der Entgelthöhe und des mit der Vereinbarung verfolgten weiteren Zwecks. aa) Entgelthöhe Dabei hat das Kriterium der Entgelthöhe durch die Regelungen der §§ 17, 18 TPG an Bedeutung eingebüßt.158 In die Diskussion wurde es vorwiegend im Zusammenhang mit der Befürchtung eingebracht, ein nach ökonomischen Grundsätzen funktionierender Organmarkt führe zu einer Organverteilung nach Finanzkraft statt nach medizinischen Gesichtspunkten.159 Aufgrund des expliziten gesetzlichen Handelsverbots des TPG spielt § 138 BGB insoweit aber mittlerweile gerade keine Rolle mehr. Im Bereich der medizinisch indizierten Substanzübertragung kann die Entgeltproblematik jedoch im Rahmen der Blutspende noch auftreten, da § 10 TFG kein vergleichbares Verbot enthält. Hier hat seit einigen Jahren die Entwicklung eingesetzt, dass neben den etablierten Blutspendeeinrichtungen auch private Anbieter aus kommerziellen Gründen und mit Gewinnerzielungsabsicht Blutprodukte anbieten.160 In diesem Bereich entwickelt sich also ein Wettbewerb,161 der es nicht ausgeschlossen erscheinen lässt, dass ein Kampf um die Marktführerschaft auch dazu führen kann, dass verstärkt versucht werden wird, 156
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Zur Verfassungsmäßigkeit von § 8 Abs. 1 S. 2 TPG siehe den Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11.08.1999, NJW 1999, S. 3399ff. Bei entgeltlicher Vereinbarung liegt verbotenes Handeltreiben nach § 17 TPG vor, dazu unten Kap. D Abschn. I. Zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 17, 18 TPG siehe unten Kap. D Abschn. II. So etwa bei Schünemann, Rechte, S. 197. Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Roten Kreuzes zur Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages am 20.10.2004, Ausschussdrucksache 0714 (3) vom 14.10.2004, 15. Wahlperiode. Vgl. ThürOLG, Urt. v. 09.08.2006 — 2 U 60/06, S. 4 des Urteils, abrufbar unter www.stkb.de/pdf/Urteil-OLG-Jena.pdf sowie den Bericht in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 10.10.2006 „Vom Gefühl zum Kalkül“, abrufbar unter www.stkb.de/pdf/SZ06102006VomGefuehlzumKalkuel.pdf (letzter Abruf jeweils 15.01.2008).
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
die ‚Spender‘ durch stärkere finanzielle Anreize anzuziehen.162 Mit dem Mittel der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB kann dem kaum entgegengetreten werden, da es an gesetzlichen Wertungen fehlt, die einer Preisbildung nach wirtschaftlichen Grundsätzen konkrete Grenzen setzen. Zwar lässt sich §§ 1, 3 Abs. 4 TFG und § 10 TFG die Wertung entnehmen, dass die Unentgeltlichkeit der Spende ein hohes Gut ist und der gezahlte Betrag keinen Vergütungscharakter haben soll, sondern lediglich der Entschädigung des individuellen Aufwands dienen soll. Hinzu kommt, dass es gemäß § 7 Abs. 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG)163 unzulässig ist, für die Entnahme von Blut-, Plasma-, oder Gewebespenden zur Anwendung beim Menschen zu werben. Allerdings hat es der Gesetzgeber auch bei Erlass des ersten Gesetzes zur Änderung des Transfusionsgesetzes und anderer arzneimittelrechtlicher Vorschriften164 im Jahre 2005 trotz anders lautender Forderungen165 gerade abgelehnt, ein ausdrückliches Verbot von Zahlungen jeglicher Art aufzustellen oder einen Höchstbetrag je nach Spendeart festzusetzen. Hintergrund dürfte unter anderem die Befürchtung gewesen sein, der Blutspendesektor würde andernfalls kurzfristig zusammenbrechen.166 Diese Entscheidung darf nicht durch die Hintertür des § 138 BGB ausgehebelt werden. Sittenwidrigkeit allein wegen der Entgeltvereinbarung kommt hier ebenso wie außerhalb des Heilbehandlungssektors nur unter den Voraussetzungen des Wuchers gemäß § 138 Abs. 2 BGB in Betracht. bb) Zweck der Hingabe Damit bleibt als mögliches Kriterium für die Sittenwidrigkeit einer entgeltlichen Hingabevereinbarung die Frage nach dem mit der Vereinbarung verfolgten weiteren Zweck. Wenn in diesem Zusammenhang angeführt wird, es sei zu beachten, welche weiteren Zwecke der Substanzinhaber verfolge, welche Verwendung der 162
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Derzeit liegen die gezahlten Beträge zwischen Null Euro beim Deutschen Roten Kreuz und bis zu 25 Euro bei staatlich-kommunalen Blutspendediensten (Nachweis: wie vor); zum Teil wird bereits ein über 50 Euro hinausgehender Betrag als angemessene Aufwandsentschädigung angesehen, so Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1708. Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3068), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. 04. 2006 (BGBl. I S. 984). BGBl. I, 2005, S. 234. Vgl. Stellungnahme des Deutschen Roten Kreuzes zur Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages am 20.10.2004, Ausschussdrucksache 0714 (3) vom 14.10.2004, 15. Wahlperiode; vgl. auch das Wortlautprotokoll der 80. Ausschusssitzung vom 20.10.2004, Protokoll Nr. 15/80, S. 6ff. Vgl. die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Ärzte staatlicher und kommunaler Bluttransfusionsdienste e.V. zur Anhörung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Deutschen Bundestages am 20.10.2004, Ausschussdrucksache 0714 (6) vom 19.10.2004, 15. Wahlperiode, unter Berufung auf eine Studie von Kretschmer et al., wonach 77% der aufwandsentschädigten Spender ohne Aufwandsentschädigung nicht mehr zur Spende gehen würden. Dass die Blutspende unter dem „Tabu der Unentgeltlichkeit“ stünde (so Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1708), ist daher mindestens zweifelhaft.
IV. Fazit
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Käufer beabsichtige und ob die Allgemeinheit einen Nutzen daraus ziehen könne,167 wird damit zunächst auf einen wichtigen Punkt hingewiesen, der häufig übersehen zu werden scheint, nämlich, dass in der Regel eine mehrschichtige Interessenlage besteht. Darüber hinaus ist jedoch zu betonen, dass eine Entgeltvereinbarung auch dann nicht per se verwerflich ist, wenn keine ‚anerkennenswerten‘ Interessen des Substanzträgers oder Vorteile für die Allgemeinheit erkennbar sind. Denn jenseits eines eventuellen nebulösen Gefühls einer gewissen Unanständigkeit fehlt eine überzeugende Begründung, weshalb gerade der finanzielle Aspekt dazu führen soll, einer Vereinbarung den Stempel der Verwerflichkeit aufzudrücken. Eine solche Begründung ist aber dort erforderlich, wo sich keine gesetzlichen Wertungen finden lassen168 und wie hier kein allgemeiner Konsens besteht.169 c) Zwischenergebnis: begrenzte Bedeutung des § 138 BGB Festzuhalten bleibt damit, dass § 138 BGB nach Einführung der §§ 17, 18 TPG noch immer einen eigenständigen Anwendungsbereich im Kontext der Kommerzialisierung von Körpersubstanzen hat, innerhalb dessen jedoch der Entgeltcharakter einer rechtsgeschäftlichen Hingabevereinbarung als solcher nicht zur Sittenwidrigkeit führt, solange nicht die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes gemäß § 138 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Auch das Fehlen eines über die Gewinnerzielung hinausgehenden Zwecks auf Seiten des Veräußerers begründet keine Sittenwidrigkeit. Sittenwidrig und damit nichtig ist eine Hingabevereinbarung – sei sie entgeltlich oder unentgeltlich – aber dann, wenn sie auf die Entnahme lebenswichtiger Organe oder auf einen konkret lebensbedrohlichen Eingriff gerichtet ist. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 S. 2 TPG ist darüber hinaus eine Vereinbarung sittenwidrig, die von Personen getroffen wird, die nicht in einem Näheverhältnis der dort bezeichneten Art zueinander stehen.
IV. Fazit An dieser Stelle lässt sich folgendes Fazit ziehen: Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen führt nicht generell wegen Unvereinbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde zur Nichtigkeit entsprechender Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB. Entscheidend ist vielmehr, ob die Voraussetzungen einer autonomen Entscheidung vorliegen. Die autonome Entscheidung schließt einen Verstoß gegen die Würde des Veräußernden aus. Dabei geht es nicht um die Frage der Verzichtbarkeit der Menschenwürde, 167 168
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Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 116f. Zur „Legitimation durch Begründung“ vgl. Sack, in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 55 m.w.N.; zur relativen Unbrauchbarkeit eines Rekurses auf Art. 1 Abs. 1 GG vgl. bereits oben Kap. B Abschn. I. Hinweis auf fehlenden Konsens auch bei Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 106.
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B. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Substanzen zu Lebzeiten
sondern um die vorgelagerte Frage der Bestimmung des Gewährleistungsbereichs von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. Autonomie bedeutet in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit zu haben, in aufgeklärtem Zustand eine abwägende Entscheidung treffen zu können. Lediglich soweit diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, wird die staatliche Schutzpflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG aktiviert, allerdings nicht deswegen, weil der menschliche Körper zum Objekt finanzieller Interessen gemacht wird, sondern weil dann der Substanzträger, also der konkrete Mensch insgesamt, als ein der autonomen Entscheidung nicht fähiges Objekt ausgenutzt wird. Eine Einschränkung der Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung ist nicht angezeigt. Denn aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG lässt sich weder das Verbot einer kommerziellen Zwecksetzung ableiten, noch ist die Existenz einer vom einzelnen Würdeträger abstrahierenden Dimension belegbar. Eine Vereinbarung über die Abtrennung von Körpersubstanzen erfordert in jedem Fall, dass sich der Substanzinhaber vor der Durchführung der Vereinbarung jederzeit folgenlos davon lösen kann; denkbar ist dabei sowohl die Vereinbarung eines freien Widerrufsvorbehalts des Substanzträgers als auch die Ausgestaltung als unvollkommene Verbindlichkeit. Auch soweit diese Vorgaben eingehalten sind, kann eine Kommerzialisierungsvereinbarung sittenwidrig und nichtig gemäß § 138 BGB sein. Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist zum einen zu bejahen, wenn die Vereinbarung auf die Entnahme lebenswichtiger Körpersubstanzen gerichtet ist, so dass die Durchführung den Tod des Substanzträgers zur Folge hätte, oder wenn der Substanzträger durch den Eingriff in die konkrete Gefahr des Todes geriete. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 S. 2 TPG ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zudem sittenwidrig, wenn sie von Personen getroffen wird, die nicht in einem Näheverhältnis der in § 8 Abs. 1 S. 2 TPG bezeichneten Art zueinander stehen, da die Vereinbarung dann objektiv darauf gerichtet ist, dass sich der entnehmende Arzt gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 TPG strafbar macht. In beiden Fällen folgt die Sittenwidrigkeit aus ökonomisch unspezifischen Gründen und betrifft daher auch unentgeltliche rechtsgeschäftliche Vereinbarungen. Demgegenüber lässt sich im gesetzlich nicht spezifisch geregelten Bereich ein Sittenverstoß weder aus dem Entgeltcharakter einer Vereinbarung noch allein aus der Höhe eines vereinbarten Entgelts ableiten, sofern nicht die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes gemäß § 138 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Auch das Fehlen eines über die Gewinnerzielung hinausgehenden Zwecks auf der Seite des Substanzträgers ist unschädlich.
C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
Die beinahe einhellige Auffassung im Verfassungs-, Zivil- und Strafrecht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Mensch weder an seinem Körper insgesamt Eigentum hat noch an einzelnen Körpersubstanzen vor Herauslösung aus dem Körper.1 Mit der Herauslösung einzelner Substanzen stellt sich die Eigentumsfrage jedoch neu, da sie dann gerade nicht mehr integraler Bestandteil des Körpers sind, so dass die zur Ablehnung des Eigentums am Körper führenden Einwände nicht übertragen werden können. Dementsprechend kann keine Rede davon sein, dass auch hinsichtlich herausgelöster Substanzen weitgehende Einmütigkeit bestünde, wie die Rechte an ihnen zu qualifizieren sind. Zwar herrscht insoweit Konsens, als alle vertretenen Ansätze in bestimmten Konstellationen ein Bedürfnis nach Anwendung sachenrechtlicher Regelungen anerkennen, umstritten ist allerdings, unter welchen Umständen dies der Fall ist und wie der Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzträgers erfolgen kann (dazu unter I.) Weiter besteht Uneinigkeit darüber, ob Keimzellen einen rechtlichen Sonderstatus haben müssen, oder ob sie im Hinblick auf die rechtliche Einordnung wie alle anderen Körpersubstanzen zu behandeln sind (dazu unter II.).
I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen Was die rechtliche Einordnung herausgelöster Substanzen betrifft, die nicht Keimzellen sind, lassen sich abgesehen von der bereits erörterten Überlagerungsthese vier Ansätze unterscheiden:
1. Rein sachenrechtlicher Ansatz Nach dem vor allem in der zivil- und strafrechtlichen Kommentarliteratur immer noch vertretenen rein sachenrechtlichen Ansatz werden Körperteile mit ihrer Abtrennung vom übrigen Körper zu Sachen im Sinne von § 90 BGB und damit eigentumsfähig.2 Zur Begründung wird angeführt, diese Betrachtung sei angemes1 2
Siehe oben Kap. A. Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 29; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 7; im Grundsatz auch Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 20; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 30; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 2, 4; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (577); Britting, Postmortale Insemination, S. 64f. (anders für Keimzellen,
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
sen, da das besondere Persönlichkeitsrecht am Körper mit dem menschlichen Wesen als solchem verknüpft sei und nicht an dessen verselbständigten Teilen fortgesetzt werden könne.3 Zudem bestehe ein praktisches Bedürfnis nach Anwendung eigentumsrechtlicher Regelungen.4 Umstritten ist innerhalb dieser Ansicht allerdings, ob der ehemalige Substanzträger ohne weiteres Eigentümer herausgelöster Substanzen wird, oder ob es dazu eines gesonderten Rechtsakts bedarf.5 a) Analoge Anwendung von § 953 BGB Überwiegend gehen die Vertreter des sachenrechtlichen Ansatzes von einem automatischen Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzinhabers analog § 953 BGB aus.6 Dahinter steht der Gedanke, dies sei als Fortsetzung des bisherigen Bestimmungsrechts7 logische Folge der intensiven Bindung des Körpers an die Persönlichkeit.8 Gerade weil der menschliche Körper zu Lebzeiten und vor Herauslösung einzelner Substanzen nicht Gegenstand des Eigentumsrechts sein könne, sondern einer persönlichkeitsrechtlichen Bindung unterliege, die stärker sei als jedes Herrschaftsrecht, müsse mit der Abtrennung einzelner Teile
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S. 70ff.); Gareis, in: FG Schirmer, S. 59 (90); Ruß, in: LK-StGB, § 242 Rn. 4; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 10, 20; Hoyer, in: SK-StGB, § 242 Rn. 4. Dilcher, in: Staudinger, BGB (12), § 90 Rn. 16; so auch die Neubearbeitung von Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 20, die nur in Ausnahmefällen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei abredewidriger Verwendung anerkennen wollen, im Übrigen aber vertragliche Ansprüche als ausreichend erachten. Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 20. Zum Sonderproblem des Eigentumserwerbs am Doppelorgan Plazenta siehe Gropp, Plazenta, S. 299 (307): Danach wird die Mutter Eigentümerin der mütterlichen Plazenta (Decidua basalis), das Kind Eigentümer der fetalen Plazenta (Choriondeckplatte mit Chorionzotten); zum Eigentum an pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen aus dem Nabelschnurblut eines neugeborenen Kindes siehe Hasskarl/Hasskarl/Ostertag, NJW 2002, S. 1772 (1772): Neugeborenes als Eigentümer; ebenso Dohmen, Neonatale Stammzellen, S. 99ff. BGH bei Dallinger, MDR 1958, S. 738 (739); eingeschränkt bestätigt durch BGHZ 124, 52ff., allerdings nimmt der BGH hier eine differenziertere Betrachtung vor, unter welchen Umständen mit der Abtrennung überhaupt eigentumsfähige Sachen entstehen sollen, dazu unten Kap. C Abschn. I. 4.; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 21; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 29; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 7 mit Ausnahme für Fälle der Eigentransplantation; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 4; Völzmann-Stickelbrock, in: PWW-BGB, § 90 Rn. 6; Bilsdorfer, MDR 1984, S. 803 (804); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 228 Fn. 38; Schäfer, Verpflanzung, S. 48ff.; weitere Nachweise bei Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 36 Fn. 12 und Schünemann, Rechte, S. 62; auch im Strafrecht ganz herrschende Lehre, siehe nur Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 20 und Fischer, StGB, § 242 Rn. 8 jeweils m.w.N.; für das österreichische Recht Schick, Aspekte, S. 183 (192f.). Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 7. Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1092).
I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen
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Eigentum angenommen werden,9 das die umfassendste Herrschaftsbefugnis über eine Sache vermittelt.10 Über das so entstandene Eigentum könne nach allgemeinen Regeln verfügt werden.11 Außerdem seien Persönlichkeitsrecht und Eigentum in ihrer Funktion vergleichbar, da beide absolute Rechte zum Schutz vor Beeinträchtigungen Dritter seien.12 Dem Gesichtspunkt, dass der ehemalige Inhaber einer Körpersubstanz auch nach der Abtrennung ein besonderes, über gewöhnliche Sachinteressen hinausgehendes Interesse an ihr haben könne, könne dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm im Einzelfall auch nach Eigentumsübertragung Einflussmöglichkeiten einzuräumen seien.13 b) Ausschließliches Aneignungsrecht gemäß § 958 Abs. 2 BGB Gegen die Annahme eines Eigentumserwerbs analog § 953 BGB wird vor allem eingewandt, es sei keine hinreichende dogmatische Begründung, allein die besondere Rechtsbeziehung des Menschen zu seinem Körper als Erklärung für eine Umwandlung von Persönlichkeitsrecht in Eigentum heranzuziehen;14 die Konstruktion einer Umwandlung sei irrational.15 Der Funktionsunterschied zwischen Persönlichkeitsrecht und Eigentum lasse auch nicht zu, von Eigentum als einer schwächeren Form des Persönlichkeitsrechts zu sprechen.16 Daraus wird verschiedentlich die Schlussfolgerung gezogen, abgetrennte Körperteile könnten zunächst nur als herrenlose Sachen eingeordnet werden, an denen dem ehemaligen Inhaber ein ausschließliches, aber übertragbares Aneignungsrecht als Nachwirkung des Rechts an der eigenen Person zustehe.17
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BGH bei Dallinger, MDR 1958, S. 738 (739f.) unter Bezugnahme auf Oertmann, LZ 1925, S. 511; Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1092) spricht hier von Abschwächung. Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 23: „das vollkommene dingliche Recht”. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 21. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 37; Schäfer, Verpflanzung, S. 49. In dem Bedürfnis nach der absoluten Schutzwirkung des Eigentums sieht Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 20 die Rechtfertigung des automatischen Eigentumserwerbs. Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 7, insbesondere gegen Forkel JZ 1974, S. 593 (595f.). Wie dies rechtstechnisch zu bewerkstelligen sein soll, bleibt allerdings offen. Schünemann, Rechte, S. 66; im Ergebnis auch Gareis, in: FG Schirmer, S. 59 (91). Ders., a.a.O., S. 86. Jansen, Blutspende, S. 118. So vor allem die ältere Literatur: Gareis, in: FG Schirmer, S. 59 (90f.); Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (577) unter Bezugnahme auf Coing, in: Staudinger (11), BGB, § 90 Rn. 4 aber ohne weitere Begründung; weitere Nachweise bei Schünemann, Rechte, S. 67ff.; dagegen: Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 29: „gekünstelt“; ablehnend auch Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 21 unter Hinweis darauf, entnommene Körpersubstanzen stellten häufig Sonderabfall dar, der vom Verantwortlichen entsorgt werden müsse und deshalb nicht einfach herrenlos werden dürfe.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
2. Persönlichkeitsrechtlicher Ansatz Nach anderer Auffassung wird die sachen- und damit eigentumsrechtliche Einordnung abgetrennter Körpersubstanzen den Interessen des ehemaligen Inhabers regelmäßig nicht gerecht.18 Eine sachgerechte rechtliche Einordnung müsse sich vielmehr daran orientieren, ob die schutzwürdigen Interessen des ehemaligen Inhabers eher eigentumsrechtlichen oder eher persönlichkeitsrechtlichen Charakter hätten. Dies lasse sich nicht mit dem Argument ablehnen, dass das Persönlichkeitsrecht mit dem Körper insgesamt verbunden sei und daher nicht für davon getrennte Teile gelten könne. Denn es gebe zahlreiche „Objektivierungen der Person“19, die persönlichkeitsrechtlich erfasst würden, wie etwa geistige Werke, Fotoaufnahmen einer Person, Tagebücher etc. Der Verfügung über Teile des Körpers liege häufig eine individuelle, persönliche und schutzwürdige Zweckbestimmung zugrunde, für die das Eigentum nicht die adäquate Rechtsform sei.20 Darüber hinaus könne auch ein Bedürfnis des ehemaligen Inhabers bestehen, die Substanz zurückzuerhalten, wenn der verfolgte Zweck, etwa bei Tod des Empfängers, nicht mehr erreicht werden könne oder wenn der Verfügende das Material unerwartet und dringend selber wieder benötige.21 Auch diesen Belangen könne nicht hinreichend Rechnung getragen werden, wenn etwa eine Klinik oder ein Empfänger nach Erhalt der Substanz damit nach Belieben im Sinne von § 903 BGB verfahren dürfe.22 Zudem zeige die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs gemäß §§ 932ff. BGB, dass das Eigentum die unpassende rechtliche Kategorie sei.23 Angemessener Schutz könne in diesen Konstellationen nur erreicht werden, wenn man auch nach der Abtrennung anstatt Eigentum eine persönlichkeitsrechtliche Bindung der Substanzen an den ehemaligen Träger anerkenne:24 Dann sei es möglich, dem Verwender ein den konkreten Zielen und Bedürfnissen genau angepasstes Recht einzuräumen, das an den Rechtsträger gebunden bleibe.25 Solchermaßen beschränkte Rechte seien im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und im Urheberrecht in Form von Lizenzen, Nutzungsoder Benutzungsrechten allgemein bekannt und müssten auch in einzelnen Berei18
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Forkel, JZ 1974, S. 593 (595): ausschließlich eigentumsrechtliche Einordnung als „Armutszeugnis“ der Juristen; ders., JURA 2001, S. 73 (74); ihm folgend Jansen, Blutspende, S. 82ff. Forkel, JZ 1974, S. 593 (595). Forkel, a.a.O.; vgl. auch BGHZ 124, 52 (54f.). Forkel, a.a.O.; Beispiel von Jansen, Blutspende, S. 81: Der Blutspender bedarf aufgrund eines Kreislaufzusammenbruchs einer sofortigen Retransfusion des gespendeten Blutes. Forkel, a.a.O., S.595f. Schnorbus, JuS 1994, S. 830 (832), mit der Tendenz zu einem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht überlagerten Eigentum, ebda. S. 833. Ausdrücklich Forkel, JZ 1974, S. 593 (596); im Ergebnis auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 857 für die Transplantation. So genannte gebundene Rechtsübertragung; grundsätzlich zur Übertragung dieses Gedankens auf Teilbereiche des Persönlichkeitsrechts Forkel, GRUR 1988, S. 491ff., speziell in Bezug auf Körperteile S. 498f.
I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen
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chen des Persönlichkeitsrechts anerkannt werden, soweit Persönlichkeitsgüter objektiviert würden.26 Sei das Eigentum nicht geeignet, den individuellen Belangen hinreichend Rechnung zutragen und bedürfe es seiner auch dazu nicht, sei es unrichtig, eine eigentumsrechtliche Einordnung vorzunehmen.27 Lediglich in wenigen Konstellationen erkennt dieser Ansatz ein Bedürfnis an, abgetrennte Substanzen eigentumsrechtlich zu erfassen. So soll der Persönlichkeitsschutz unter eingeschränkten Voraussetzungen preisgegeben werden können, wenn den ehemaligen Inhaber keine persönlichen Interessen mehr mit dem abgetrennten Körperteil verbinden. Dies sei etwa der Fall, wenn eine Blut- oder Hornhautspende nicht zur Heilung einer vom Spender individuell ausgesuchten Person erfolge, sondern an entsprechende Aufbewahrungseinrichtungen abgegeben werde.28 Dann sei es sachgerecht, von einer Aufgabe des Persönlichkeitsrechts auszugehen und diese für zulässig zu erachten, allerdings nur, soweit die Aufgabe des Persönlichkeitsrechts um wichtiger, rechtlich anzuerkennender Belange willen geschehe und die Einbuße, die die betroffene Person dadurch erleide, nicht übermäßig schwer wiege. Dann wandle sich das Persönlichkeitsrecht in ein Eigentumsrecht, das die nunmehr lediglich bestehenden Vermögensinteressen angemessen schütze und die rechtlich ungebundene Verfügbarkeit gewährleiste.29
3. Fortentwickelter sachenrechtlicher Ansatz – Doppelregime Nach einer neueren Literaturansicht schließen sich Eigentum und Persönlichkeitsrecht an abgetrennten Körpersubstanzen nicht gegenseitig aus, sondern können nebeneinander bestehen.30 Eine parallele Existenz von Eigentum und Persönlichkeitsrechten an ein und demselben Objekt sei dem deutschen Recht durchaus nicht fremd, wie etwa das Beispiel eines Briefes zeige, an dem der Empfänger Eigentum erworben haben könne, dessen Veröffentlichung der Verfasser jedoch aufgrund seines Persönlichkeitsrechts verhindern könne.31 Auch im Bereich des Urheberrechts sei anerkannt, dass der Künstler sich aufgrund seines Urheberpersönlichkeitsrechts gegen eine Umgestaltung des Kunstwerks durch den jetzigen Eigentü-
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Forkel, JZ 1974, S. 593 (596). Forkel, JZ 1974, S. 593 (596); für den Fall der Schädigung eines Transplantats innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen Explantation und Implantation auch Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (741), allerdings unter dem Gesichtspunkt der Körperverletzung. Forkel, JZ 1974, S. 593 (596). Forkel, JZ 1974, S. 593 (596). Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 42ff.; Taupitz, in: AcP 191 (1991), S. 201 (209f.); zustimmend Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rn. C 243; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 49ff.; Wicklein, Biobanken, S. 104f.; Freund/Weiss, MedR 2004, S. 315 (316); im Grundsatz auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 859ff., die aber für den Bereich der Transplantation von einer rein persönlichkeitsrechtlichen Einordnung ausgehen (Rn. 857); Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (742), allerdings mit Ausnahme der lediglich „kurzfristige[n] situationsbedingte[n] Entfernung“ (S. 741). Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 43f. m.N.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
mer wehren könne.32 Eine ähnliche Interessenlage könne an abgetrennten Körperteilen bestehen: So könne eine Analyse der vom Körper getrennten Substanzen ein Bild von der physischen, möglicherweise auch psychischen Verfassung des ehemaligen Trägers zeichnen; mithin seien Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse möglich, die den Bereich der Intimsphäre des ehemaligen Trägers betreffen könnten.33 Ebenso wie die Veröffentlichung nicht dazu bestimmter Gedanken oder die Umgestaltung eines Kunstwerks könne daher die Verwendung von Körpersubstanzen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirken.34 Diesen besonderen Belangen müsse durch eine Ausdehnung des Persönlichkeitsrechts auch dann Rechnung getragen werden können, wenn die sachenrechtliche Herrschaftsmacht, etwa über gespendetes Blut, auf einen anderen Rechtsträger übertragen worden sei.35 Daher sei jede Nutzung menschlicher Körpermaterialien darauf zu untersuchen, ob sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ehemaligen Substanzinhabers verletze.36
4. Die Sicht des Bundesgerichtshofs: Endzweckbestimmung Der Bundesgerichtshof hat sich anlässlich eines Schmerzensgeldprozesses wegen der Vernichtung konservierten Spermas in grundsätzlicher Weise zu einem Weg entschieden, der sich keinem der zuvor genannten Ansätze zuordnen lässt:37 Weder verfolgt er einen rein sachenrechtlichen Ansatz, noch geht er von einer generellen ausschließlich persönlichkeitsrechtlichen Bindung aller losgelösten Körperbestandteile aus, noch von einem prinzipiellen Doppelregime wie der fortentwickelte sachenrechtliche Ansatz. Entscheidend für die rechtliche Einordnung herausgelöster Substanzen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs vielmehr die Zweckbestimmung, die der Loslösung zugrunde liegt.38
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Taupitz, in: AcP 191 (1991), S. (201) 210. Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 44; Taupitz, in: AcP 191 (1991), S. 201 (210); Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (742). Schröder/Taupitz, Menschliches Blut, S. 44. Schöder/Taupitz, a.a.O., S. 44f.; Taupitz, in: AcP 191 (1991), S.201 (210). Taupitz, in: AcP 191 (1991), S. 201 (210); die Beantwortung der Frage hängt allerdings vom Ausgang einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung ab, da das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ein so genanntes Rahmenrecht ist, dazu allgemein: Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N. BGHZ 124, 52ff. An dieser Stelle der Untersuchung werden lediglich die Ausführungen behandelt, die allgemeine Aussagen über die rechtliche Einordnung herausgelöster Körpersubstanzen treffen. Diejenigen Urteilspassagen, welche speziell die Problematik der rechtlichen Einordnung von Keimzellen betreffen, werden wegen der darauf bezogenen besonderen wissenschaftlichen Diskussion in einem eigenen Abschnitt behandelt (unten Kap. C Abschn. II.). BGHZ 124, 52 (54ff.); ebenso Jauernig, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, vor § 90 Rn. 9; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 5; Schaub, in: PWW-BGB, § 823 Rn. 24; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 144; ablehnend z.B.:
I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen
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Hintergrund dieser Differenzierung ist die Annahme, Schutzgut des Körperverletzungstatbestands in § 823 Abs. 1 BGB sei nicht die Materie, sondern das „Seinsund Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert“39 sei. In dieser Sichtweise schützt § 823 Abs. 1 BGB als gesetzliche Ausprägung des allgemeinen (zivilrechtlichen) Persönlichkeitsrechts den Körper als Basis der Persönlichkeit.40 Danach soll wie folgt zu unterscheiden sein: Ist nach dem Willen des Rechtsträgers eine spätere Wiedereingliederung in den eigenen Körper vorgesehen, nimmt der aus dem Körper herausgelöste Bestandteil weiter am Schutz des durch § 823 Abs. 1, 2. Var. BGB ausgeformten Selbstbestimmungsrechts teil, da auch während der Phase der Trennung eine funktionale Einheit zwischen dem losgelösten Bestandteil und dem Körper im Übrigen bestehen soll.41 Ist hingegen keine Wiedereingliederung in den Körper vorgesehen, sollen abgetrennte Teile des Körpers zu Sachen im Rechtssinne werden, da der Gedanke der funktionalen Einheit in diesen Fällen nicht greift. Das nunmehr daran bestehende Sacheigentum soll jedoch insbesondere bei Organen und Blut zur Fremdspende vom Persönlichkeitsrecht überlagert sein.42 In diesem Fall könne eine Verwendung der Substanzen, die dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen des ehemaligen Substanzinhabers zuwiderläuft, das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges, gesetzlich nicht besonders ausgeformtes Recht gemäß § 823 Abs. 1, 6. Var. BGB verletzen.
5. Kritik Festhalten lässt sich, dass alle Ansätze Eigentum an Bestandteilen, die aus dem Körper herausgelöst wurden, nicht kategorisch ausschließen. Allerdings unterscheiden sie sich zum Teil erheblich, was die Umstände betrifft, unter denen herausgelöste Körpersubstanzen dem Eigentumsrecht unterliegen sollen. Welchem Ansatz der Vorzug zu geben ist, soll im Folgenden untersucht werden. Ausgangspunkt der Kritik sollen zwei Faktoren sein: zum einen die mit der Abtrennung einzelner Substanzen entstehenden tatsächlichen Gegebenheiten, zum anderen die denkbaren Interessen des ehemaligen Substanzinhabers.
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Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 22; Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (742)¸ Wicklein, Biobanken, S. 74ff. m.w.N. BGHZ 124, 52 (54) anknüpfend an Steffen, in: RGRK-BGB, § 823 Rn. 9. BGH, a.a.O. Ebenso Freund/Weiss, MedR 2004, S. 315 (316); zustimmend insoweit auch Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 8; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 20 Rn. 8; für den Fall einer kurzzeitigen Entnahme während einer Operation mit beabsichtigter unmittelbarer Rückführung in den Körper auch Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (741). BGH, a.a.O., S. 55; für eine Überlagerung des Sachenrechts durch das Persönlichkeitsrecht auch Laufs/Reiling, NJW 1994, S. 775 (776); Kaatsch, Rechtsmedizin 1994, S. 132 (134); zum Problem der rechtlichen Einordnung von Spermazellen siehe unten Kap. C Abschn. II.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
a) Tatsächliche Gegebenheiten Was die tatsächlichen Gegebenheiten betrifft, bietet es sich an, von einem Punkt auszugehen, den auch ein prinzipiell rein persönlichkeitsrechtlicher Ansatz nicht abstreiten kann: Aus dem Körper herausgelöste Substanzen sind sinnlich wahrnehmbare und räumlich abgegrenzte Objekte der Außenwelt.43 Und unabhängig von jeglicher Zweckbestimmung sind sie während der Trennung vom menschlichen Körper faktisch nicht mehr integraler Bestandteil der Funktionseinheit Körper,44 üben gerade keine Funktion für den Organismus aus. b) Besondere Interessenlagen Was die Interessenlage angeht, ist anzuerkennen, dass es Konstellationen geben kann, in denen sich das Interesse des ehemaligen Substanzinhabers von typischen Sachinteressen des Eigentümers unterscheidet und in denen daher eine rechtliche Beurteilung erforderlich ist, die über den traditionellen rein sachenrechtlichen Ansatz hinausgeht: Lässt sich jemand Blut abnehmen, das im Zuge einer anstehenden Operation zum Ausgleich des damit verbundenen Blutverlustes wieder in den eigenen Körper infundiert werden soll, hat er ein im wahrsten Sinne persönliches Interesse daran, dass die Blutkonserve nur dazu verwendet wird, seinem eigenen Körper wieder zugefügt zu werden, um eine Schädigung seines Körpers oder gar eine Lebensgefahr abzuwenden. Das geht weit über das Interesse hinaus, das der Eigentümer typischerweise an einer Sache hat. Ähnlich liegen die Dinge, wenn sich jemand eine Körpersubstanz entnehmen lässt, um sie in den Körper einer von ihm bestimmten anderen Person implantieren oder infundieren zu lassen: Hier wird für die Entscheidung, einem Eingriff in die körperliche Integrität zuzustimmen, in aller Regel die persönliche Beziehung zwischen Gebendem und Empfänger ausschlaggebend sein, sowie die Erwartung, dass die Verwendung der Substanz entsprechend dieser Zwecksetzung erfolgt. c) Vorzüge des fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatzes Damit stellt sich die Frage, wie die möglichen Interessen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten rechtlich sachgerecht erfasst werden können, insbesondere, ob eine beabsichtigte Reintegration in den eigenen Körper zu einer ausschließlich persönlichkeitsrechtlichen Betrachtung nötigt, wie der Bundesgerichtshof sie vornimmt.45 43
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Vgl. auch Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (742), der darauf hinweist, dass Körperteile in letzter Konsequenz chemisch gesehen aus Stoffen bestehen, wie sie auch Bausteine vielfältiger sonstiger (wörtlich: „toter“) Gegenstände sind. Vgl. auch Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (743), der auf die fehlende faktische Beherrschung durch den ehemaligen Substanzträger abstellt und daraus folgert, es bestehe keine körperliche, sondern eine psychisch-rechtliche Bindung. Kritisch zur Funktionslösung des BGH: Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (743). Taupitz, NJW 1995, S. 745 (748f.) und JR 1995, S. 22 (23) mutmaßt, der BGH habe mit dieser Differenzierung seine eigene Rechtsprechung zum Schmerzensgeld bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umgehen wollen: danach kommt bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Schmerzensgeld nur unter erschwerten
I. Die Eigentumsfähigkeit herausgelöster Substanzen
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Teilt man die Prämisse des Bundesgerichtshofs, dass das Tatbestandsmerkmal ‚Körper‘ in § 823 Abs. 1 BGB weit auszulegen ist und auch eine zur Reintegration bestimmte Substanz dazu zu rechnen ist, erscheint es zunächst konsequent, deren Eigentumsfähigkeit zu verneinen. Denn angesichts der herkömmlichen Gegenüberstellung von Person und Sache und angesichts des Umstandes, dass der Körper des lebenden Menschen gemeinhin zur Person gerechnet wird, gelangt man scheinbar zwanglos zu dem Schluss, dasjenige, was zum Körper des Menschen gehöre, könne nicht Sache sein und damit auch nicht eigentumsfähig. Berücksichtigt man jedoch, weshalb der menschliche Körper herkömmlich zur Person gerechnet wird, nämlich weil er die unmittelbare und gegenständliche Erscheinung der Person im Rechtssinne und damit des Rechtssubjekts ist, überzeugt dieser Schluss nicht: Denn während der Dauer der Trennung tritt in der Substanz gerade nicht die Person als solche unmittelbar und gegenständlich in Erscheinung, in ihr wird nicht das Rechtssubjekt sinnlich wahrnehmbar. Der übliche Dreischritt ‚Körper = untrennbarer Teil der Person ≠ Sache‘ greift daher nicht in den Fällen, in denen eine Substanz nicht organisch mit dem Gesamtorganismus verbunden ist, sondern lediglich über das Denkmodell der funktionalen Einheit. Dies führt zu der Feststellung, dass es sich bei der herausgelösten Substanz während der Trennung nicht um einen Teil der Person handelt, nicht um einen Teil des Rechtssubjekts. Wenn Sie aber nicht Teil eines Rechtssubjekts ist, kann sie nur eines sein: Rechtsobjekt. Körperliche Rechtsobjekte bezeichnet § 90 BGB als Sachen,46 und als verfassungsrechtliches Prinzip gilt: Sachen unterliegen der Eigentumsgarantie.47 Mit diesem Prinzip zu brechen und trotz des Charakters einer herausgelösten Substanz als räumlich abgrenzbares Rechtsobjekt die Sacheigenschaft und Eigentumsfähigkeit zu verneinen, kann nur dann überzeugen, wenn eine zumindest auch eigentumsrechtliche Einordnung zu sachwidrigen Ergebnissen führt. Als Alternative zu einer Entweder-oder-Lösung bietet sich der fortentwickelte sachenrechtliche Ansatz mit seinem Nebeneinander von eigentumsrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Erfassung an: Durch die eigentumsrechtliche Zuordnung trägt er der Tatsache Rechnung, dass es sich bei herausgelösten Körpersubstanzen um sinnlich wahrnehmbare Gegenstände der Außenwelt handelt, und berücksichtigt durch die persönlichkeitsrechtliche Komponente außerdem, dass der ehemalige Substanzträger besondere schutzwürdige Interessen in Bezug auf die Substanz haben kann. Damit lässt sich zum einen das Interesse an Schutz vor Ausforschung der genetischen oder sonstigen in einer Substanz enthaltenen Informationen erfassen. Dieser Bereich lässt sich einer klassischen Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuordnen, dem Recht auf informationelle
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Voraussetzungen, nämlich bei einer besonders schweren Verletzung in Betracht, wobei die Schwere u.a. vom Grad des Verschuldens des Schädigers abhängt. Diese Voraussetzungen hätten jedoch im zu entscheidenden Rechtsstreit offensichtlich nicht vorgelegen. Zur ergebnislos gebliebenen Diskussion um den Gegenstands- und Sachbegriff seit Anfang des 20. Jahrhunderts siehe den Überblick bei Th. Rüfner, in: HKK-BGB, §§ 90–103, Rn. 10ff. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, (1999), Art. 14 Rn. 147.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
Selbstbestimmung bzw. Recht der Selbstbewahrung.48 Geschützt wird damit „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen.“49 Dieser Schutz lässt sich damit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ableiten. Darüber hinaus lässt sich der fortentwickelte sachenrechtliche Ansatz aber auch mit dem Anliegen des Bundesgerichtshofs sowie des persönlichkeitsrechtlichen Ansatzes vereinbaren, die Beachtung des Verwendungswillens des ehemaligen Substanzinhabers50 zivilrechtlich persönlichkeitsrechtlich zu schützen. Denn der fortentwickelte sachenrechtliche Ansatz lässt es auch zu, neben die eigentumsrechtlichen Bestimmungsbefugnisse einen gesonderten, vom Eigentum unabhängigen Schutz der persönlich motivierten Bestimmungsbefugnis treten zu lassen. Verfassungsrechtlich spricht nichts gegen eine Erstreckung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Schutz der persönlich motivierten Bestimmungsbefugnis;51 zu beachten ist dabei lediglich, dass diese Bestimmungsbefugnis trotz ihrer Zuordnung zum zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht Ausfluss des verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist, sondern ihre verfassungsrechtliche Grundlage ausschließlich in der Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG findet.52 Der verfassungsrechtlichen Verortung dieser Bestimmungsbefugnis in Art. 2 Abs. 1 GG steht die prinzipielle Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber speziellen Freiheitsgrundrechten hier nicht entgegen, da Art. 14 GG den besonderen persönlichen Bezug nicht erfasst. Mit Hilfe des fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatzes lassen sich auch Konstellationen bewältigen, die mit der Funktionslösung des Bundesgerichtshofs kaum in den Griff zu bekommen sind: Was nämlich sollte danach gelten, wenn sich die ursprünglich auf eine Wiedereingliederung zielende Zweckbestimmung 48 49
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Begriff nach Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 375. Grundlegend BVerfGE 65, 1 (42 f.); zuletzt BVerfGE 115, 166 (188); BVerfG DVBl. 2007, S. 381 (382), sowie 1. Kammer des Ersten Senats, WUM 2007, S. 376 (377). Zu diesem und weiteren Kriterien für eine persönlichkeitsrechtliche Einordnung vgl. auch Nitz/Dierks, MedR 2002, S. 400 (402). Überzeugender als eine (ohne Not vorgenommene) Zuordnung zum Rechtsgut Körper ist es dabei, dieses Bestimmungsrecht auch im Falle der beabsichtigten Reintegration im nicht ausdrücklich normierten zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu verorten: Hierdurch lässt sich eine Verwischung der Konturen des Körperverletzungstatbestands vermeiden. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem, dass dadurch auch der Unsicherheit begegnet wird, wie sich eine extensive Auslegung des zivilrechtlichen Körperverletzungstatbestands in § 823 Abs. 1 BGB auf die strafrechtliche Beurteilung auswirkt; wie hier Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 22; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 858; Taupitz, NJW 1995, S. 745 (748ff.); ders., JR 1995, S. 22 (23); Rohe, JZ 1994, S. 465 (468). Zur Unterscheidung zwischen zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem allgemeinen Persönlichkeitsrecht siehe bereits oben Kap. A Abschn. III.
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nachträglich ändert? Es ist nur schwer vorstellbar, dass dann allein durch eine Willensänderung eine „sich gleichsam geräuschlos vollziehende Mutation“53 der Substanz zur eigentumsfähigen Sache erfolgen könnte – selbst wenn die Änderung der Zweckbestimmung objektiv erkennbar54 ist. Wie sollte der in der Literatur angedachte – angesichts § 17 Abs. 1 S. 3 TFG55 mittlerweile zugegeben sehr theoretische – Fall zu beurteilen sein, in denen die Entnahme von vornherein prophylaktisch für den Fall erfolgt, dass der ehemalige Inhaber die Substanz selbst benötigt, dies aber nicht sicher feststeht und andernfalls eine anderweitige Verwendung beabsichtigt wird?56 Diese Unwägbarkeiten lassen sich bei Anerkennung eines Nebeneinanders von Eigentum und Persönlichkeitsrecht vermeiden: Weist der neu gesetzte, von der ursprünglichen Intention abweichende Zweck keinen besonderen Persönlichkeitsbezug auf, kann eine stillschweigende Aufgabe der persönlichkeitsrechtlichen Bindung angenommen werden, ohne dass sich Probleme im Hinblick auf die Rechtsnatur entnommener Substanzen ergeben; sie bleiben, was sie vorher schon waren, nämlich eigentumsfähige Sachen.57 Wird von vornherein keine erkennbare persönliche Zweckbestimmung gesetzt, werden die Substanzen mit der Herauslösung aus dem Körper ebenfalls eigentumsfähige Sachen. Persönlichkeitsrechtlich relevant bleibt aber auch hier der Bereich der informationellen Selbstbestimmung. Spricht somit viel für den fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatz, darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass auch er – ebenso wie jeder andere sachenrechtliche Ansatz – mit einigen Einwänden konfrontiert ist, denen im Folgenden nachgegangen werden soll. d) Fortbestehender persönlichkeitsrechtlicher Schutz bei Enteignung Qualifiziert man vom Körper abgetrennte Substanzen als eigentumsfähige Sachen, folgt daraus nicht nur Eigentumsschutz, sondern auch eine spezifisch eigentumsrechtliche staatliche Zugriffsmöglichkeit auf das Eigentum, die als “deplatziert”58 empfunden wird, die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass diese spezifisch eigentumsrechtliche Zugriffsmöglichkeit nicht zu Unbehagen führen muss, wenn man 53 54
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Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (743). Worauf in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs allerdings nicht abgestellt wird, offenbar, weil die Erkennbarkeit im zu entscheidenden Fall ohne weiteres gegeben war. Danach dürfen nicht angewendete Blutentnahmen nicht an anderen Personen angewendet werden. Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (743); für die dogmatische Erfassung bleibt dieser Einwand auch nach Erlass des TFG von Bedeutung. Dabei ist entgegen Forkel, JZ 1974, S. 593 (596), nicht ersichtlich, weshalb eine Aufgabe des Persönlichkeitsrechts nur um wichtiger, anzuerkennender Belange möglich sein soll. Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 115, der daraus jedoch nicht die Konsequenz zieht, die Sacheigenschaft und die Eigentumsfähigkeit abgetrennter Körpersubstanzen abzulehnen; für Samenzellen auch Brohm, JuS 1998, S. 197 (201).
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
ein Nebeneinander von Eigentum und persönlichkeitsrechtlichem Schutz anerkennt. Denn „deplatziert“ wäre die Möglichkeit einer Enteignung lediglich dann, wenn die Gefahr bestünde, dass hierdurch die eventuell bestehenden besonderen, über typische Eigentümerinteressen hinausgehenden Interessen des ehemaligen Substanzinhabers schutzlos gestellt würden. Dies ist aber nicht der Fall: Denn der Verlust der Eigentümerstellung bedeutet weder den Verlust des Schutzes, den das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährt, noch den Verlust des Schutzes, den die persönlichkeitsspezifische Verwendungsabsicht durch Art. 2 Abs. 1 GG erfährt. Soll auch in diese Rechtspositionen eingegriffen werden, bedarf es vielmehr einer gesonderten Rechtfertigung am Maßstab von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, soweit es um den Schutz vor genetischer Ausforschung geht, bzw. an Art. 2 Abs. 1 GG, soweit in die persönlichkeitsspezifische Dispositionsbefugnis eingegriffen werden soll. Solange dieser Schutz gewährleistet ist, bestehen keine prinzipiellen Bedenken gegen die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 3 GG.59 e) Fortbestehender persönlichkeitsrechtlicher Schutz bei zivilrechtlichem Eigentümerwechsel Auch auf zivilrechtlicher Ebene ist ein Eigentumsverlust vorstellbar, und zwar zum einen durch eine vom ehemaligen Substanzinhaber selbst herbeigeführte Eigentumsübertragung, zum anderen aber auch durch einen Eigentumsübergang ohne sein Wissen. Ein Einwand gegen eine auch eigentumsrechtliche Erfassung herausgelöster Substanzen ließe sich jedoch auch hieraus nur dann ableiten, wenn dadurch zugleich ein unsachgemäßer Verlust des persönlichkeitsrechtlichen Schutzes eintreten könnte. Um beurteilen zu können, ob diese Gefahr besteht, sind zwei Konstellationen getrennt voneinander zu betrachten, die anhand des Beispiels einer Blutentnahme zum Zwecke einer künftigen Retransfusion in den eigenen Körper oder auch zur Verwendung zugunsten einer bestimmten Person erläutert werden sollen. aa) Konstellation 1: Gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten Wird das entnommene Blut in einer Aufbewahrungseinrichtung eingelagert, ist allein hierin in der Regel weder eine Dereliktion noch eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung an die aufbewahrende Einrichtung zu sehen, der ehemalige Substanzträger bleibt also Eigentümer.60 In diesem Fall ist ein Eigentumsverlust durch gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten gemäß §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB denkbar, weil die unkonsentierte Weitergabe durch die Aufbewahrungseinrichtung als Besitzmittlerin kein Abhandenkommen gemäß § 935 Abs. 1 59 60
Ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Enteignung in concreto gegeben sind, ist eine Einzelfallfrage, die nicht zur prinzipiellen Ablehnung des Eigentums führen kann. Zu Recht zurückhaltend gegenüber der voreiligen Annahme einer Dereliktion/Übereignung Freund/Weiss, MedR 2004, S. 315 (316); Lippert, MedR 1997, S. 457 (458) und MedR 2001, S. 406 (408); anders Nitz/Dierks, MedR 2002, S. 400 (401); bedenklich weit auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 861.
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S. 1 BGB begründet.61 Für einen gutgläubigen Wegerwerb der persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse mangelt es jedoch an einem Gutglaubenstatbestand, so dass diese erhalten bleiben. Der Vorrang der persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse gegenüber dem Eigentumsrecht des neuen Eigentümers braucht dabei nicht durch die wenig abgesicherte Konstruktion einer Überlagerung begründet zu werden. Denn das fortbestehende zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht lässt sich ohne weiteres als ein das Eigentum beschränkendes Recht im Sinne von § 903 S. 1 BGB verstehen.62 Eine unsachgemäße Benachteiligung des Substanzinhabers ist in dieser Konstellation also nicht zu befürchten. bb) Konstellation 2: Erwerb vom mit dem ehemaligen Substanzinhaber nicht identischen Berechtigten Findet mit der Überlassung an die Aufbewahrungseinrichtung zugleich eine Eigentumsübertragung statt, verbleiben die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse zunächst beim ehemaligen Substanzinhaber, sofern er nicht gleichzeitig auf seine Persönlichkeitsrechte daran verzichtet. Erwirbt nun ein Dritter das Eigentum von der Aufbewahrungseinrichtung,63 stellt sich die Frage, ob auch er lediglich ein durch persönlichkeitsrechtliche Bindungen beschränktes oder ein unbeschränktes Eigentum erhält. Denn in Zusammenhang mit diesem Erwerbsvorgang ist zunächst an § 936 BGB zu denken, wonach mit dem Erwerb des Eigentums das Recht eines Dritten erlischt, mit dem eine Sache belastet ist (Abs. 1 S. 1), es sei denn, der Erwerber ist im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in gutem Glauben (Abs. 2), weil ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist (vgl. § 932 Abs. 2 BGB), dass die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet ist. Wäre diese Vorschrift auch auf das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht als eigentumsbelastendes Recht anwendbar, bestünde für den ehemaligen Substanzinhaber die Gefahr, dass er bei Anerkennung eines Doppelregimes von Eigentum und Persönlichkeitsschutz schlechter stünde, als bei ausschließlich persönlichkeitsrechtlicher Einordnung. Aber auch hier gilt es, genauer hinzuschauen: Die Vorschrift des § 936 BGB ist auf Rechte an persönlichkeitsunspezifischen Sachen zugeschnitten, wenn man so will auf Rechte an ‚normalen‘ Sachen, die nicht persönlichkeitsrechtlich gebunden sind. Dementsprechend werden als Rechte, mit denen eine Sache belastet sein kann, Nießbrauch, Pfandrechte, Pfändungspfandrechte, Anwartschafts- und Aneignungsrechte genannt, also dingliche bzw. quasi-dingliche
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Arg. e. contr. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB (64), § 935 Rn. 7; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 929 Rn. 18 m.w.N.; im Ergebnis auch BGH NJW-RR 2005, S. 280 (281). Die Rechtsposition des Eigentümers ist hierbei nach wie vor eine eigentumsrechtliche: zwar bleibt ihm von der Bestimmungsbefugnis des Eigentümers wenig übrig, weil eine von der Zweckbestimmung des persönlichkeitsrechtlich Berechtigten abweichende Verwendung der Substanz in der Regel dessen Persönlichkeitsrecht verletzen würde, allerdings verbleiben ihm die eigentumsrechtlichen Abwehrbefugnisse gegenüber Dritten sowie die rechtliche Verfügungsbefugnis. Dass die Einrichtung hiermit unter Umständen gegenüber dem ehemaligen Substanzinhaber vertragsbrüchig wird, spielt für die sachenrechtliche Betrachtung keine Rolle.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
Rechte.64 Erfasst werden also Fälle, in denen typische wirtschaftliche Sach- und Verwertungsinteressen verschiedener Personen im Rechtsverkehr miteinander in Konflikt geraten, letzten Endes also gleichartige Interessen. Diesen Konflikt zugunsten des redlichen Erwerbers aufzulösen, ist Aufgabe des § 936 BGB. Der Konflikt zwischen Persönlichkeitsrecht und Eigentum hingegen betrifft das Aufeinandertreffen ungleichartiger Interessen. Die Lösung dieses Konflikts liegt jedoch nicht in der Teleologie der Vorschrift. § 936 BGB ist daher dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass er nicht anwendbar ist in Fällen, in denen Eigentums- und Persönlichkeitsrecht an einer dem Körper entnommenen Substanz miteinander kollidieren. Dadurch lässt sich auf der Grundlage des fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatzes sicherstellen, dass die persönlichkeitsrechtlich relevanten Belange des ehemaligen Substanzinhabers auch in dieser Konstellation gewahrt bleiben. f) Rechtstechnische Umsetzung des Eigentumserwerbs Einem letzten, allerdings nicht unerheblichen Einwand bleibt nachzugehen, nämlich der Frage, wie ein automatischer Eigentumserwerb des ehemaligen Substanzträgers bei Herauslösung einzelner Substanzen rechtstechnisch zu bewerkstelligen sein soll. Gegen einen solchen Erwerb analog § 953 BGB wird vor allem eingewandt, es fehle an einer hinreichenden dogmatischen Erklärung dafür, wie sich ein persönlichkeitsrechtliches Bestimmungsrecht durch Abtrennung in Eigentum umwandeln bzw. abschwächen solle.65 Die Vorstellung von einer kategorialen ‚Umwandlung‘ von Persönlichkeitsrecht in Eigentum geht jedoch bei genauerer Betrachtung am Kern der Sache vorbei. Wie dargelegt besteht das Recht am eigenen Körper aus grundrechtlicher Sicht aus dem Zusammenspiel der Gewährleistungen der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dabei ist die aktive Bestimmungsbefugnis über einzelne Bestandteile vor Abtrennung ausschließlich von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst.66 Soweit diese Befugnis einen besonderen persönlichen Bezug aufweist – Stichwort: Spende an eine nahestehende Person –, verbleibt sie auch nach der Abtrennung im Bereich des Art. 2 Abs. 1 GG und kann zivilrechtlich nach wie vor als eigenständiges Persönlichkeitsrecht begriffen werden; jedenfalls findet insoweit keine Umwandlung statt. Der Übergang derjenigen Befugnisse, die vor Abtrennung durch Art. 2 Abs. 1 GG erfasst waren und keinen besonderen Persönlichkeitsbezug aufweisen, hin zu Art. 14 GG ist aus grundrechtlicher Sicht keine Umwandlung von Persönlichkeitsrecht in engerem Sinne zu Eigentum, vielmehr findet lediglich eine Verschiebung der Gewährleistung von der allgemeinen Norm des Art. 2 Abs. 1 GG hin zur spezielleren Norm des Art. 14 GG statt, die die all-
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Bassenge, in: Palandt, BGB, § 936 Rn. 1. Genau diese Annahme bildet den eigentlichen Anlass für die hier abgelehnte Überlagerungsthese, vgl. oben Kap. A Abschn. II. Vgl. oben Kap. A Abschn. III.
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gemeine Handlungsfreiheit in einem spezifischen Bereich absichert.67 Insoweit handelt es sich also nicht um eine Umwandlung, sondern um eine Spezifikation: Einem Ausschnitt der allgemeinen Handlungsfreiheit wird ein auf die mit der Abtrennung entstehende Sacheigenschaft zugeschnittener Schutz beigelegt. Soweit das Interesse des Substanzinhabers vor der Abtrennung im verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert war, spricht nichts dagegen, diese besonderen Interessen auch nach der Entnahme einzelner Substanzen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu unterstellen; auch insoweit findet also keine Umwandlung statt. Auch im Hinblick auf den negativ wirkenden Eigentumsschutz vor unberechtigten Zugriffen Dritter auf die Sachsubstanz begegnet ein automatischer Eigentumserwerb keinen Bedenken, da auch insoweit die Vorstellung einer Umwandlung nicht zutrifft: Zwar besteht vor Abtrennung aus grundrechtlicher, aber auch aus zivilrechtlicher Perspektive kein spezifischer unmittelbarer Schutz vor unberechtigten Zugriffen auf einzelne Körpersubstanzen. Eines solchen spezifischen Schutzes bedarf es jedoch auch gar nicht, da er denknotwendig durch den in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. § 823 Abs. 1 BGB gewährleisteten Schutz der körperlichen Unversehrtheit gewährt wird. Denn wird die körperliche Unversehrtheit gewährleistet, wird damit zugleich der Schutz vor unberechtigtem Zugriff auf einzelne integrale Bestandteile des Körpers mittelbar abgesichert. Nach der Abtrennung ist dies hingegen nicht mehr umfassend möglich, da sich der Schutz der körperlichen Integrität nicht auf abgetrennte Substanzen erstreckt. Es handelt sich dabei also ebenfalls nicht um eine kategoriale Umwandlung, sondern um den unmittelbaren Anschluss des Eigentumsschutzes an den zu Ende gehenden Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, den Rechtsgedanken des § 953 BGB heranzuziehen. Dieser Rechtsgedanke lässt sich allgemein dahingehend beschreiben, dass derjenige, dem eine umfassende Berechtigung an einer rechtlichen Einheit zusteht, auch die umfassende Berechtigung an einzelnen, aus der Einheit herausgelösten Bestandteilen erhalten soll. Warum eine Übertragung dieses Gedanken auf die Abtrennung einzelner Körpersubstanzen nicht möglich sein sollte, ist nicht erkennbar. Wenn der Mensch vor der Abtrennung im Ergebnis das umfassende Recht an einzelnen Körpersubstanzen innehat, weil ihm das volle Bestimmungsrecht über seinen Körper zusteht, und wenn dieses Recht mittelbar auch den Schutz vor unberechtigten Zugriffen auf einzelne Substanzen umfasst, ist es nur konsequent und entspricht dem Gedanken des § 953 BGB, ihm auch nach der Abtrennung die im Ergebnis umfassende Berechtigung an den einzelnen Substanzen zuzusprechen.
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Zum Charakter der Eigentumsgewährleistung als Freiheitsabsicherung im vermögensrechtlichen Bereich siehe Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 12ff. m.w.N.
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6. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten: Mit der Herauslösung einzelner Teile aus dem lebenden menschlichen Körper erwirbt der ehemalige Träger nach dem Rechtsgedanken des § 953 BGB automatisch Eigentum hieran. An ihnen setzt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht – insbesondere in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG fort. Soweit der ehemalige Substanzinhaber erkennbar einen Verwendungszweck verfolgt, der Ausdruck eines besonderen persönlichen Interesses an der Substanz ist – etwa im Rahmen einer beabsichtigten Eigenblutspende oder der Spende zugunsten einer bestimmten anderen Person –, spricht nichts dagegen, dieses Interesse auch nach der Herauslösung zusätzlich persönlichkeitsrechtlich zu schützen. Verfassungsrechtlich ist dieser Schutz allein in Art. 2 Abs. 1 GG verankert. Die Subsidiarität der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber dem Eigentumsgrundrecht steht dem nicht entgegen, da Art. 14 GG diese besondere persönliche Komponente nicht spezifisch erfasst. Mit dieser Doppelkonstruktion lassen sich auch Konstellationen sachgerecht bewältigen, in denen der ehemalige Substanzinhaber das Eigentum durch Enteignung oder durch Rechtsgeschäft verliert.
II. Sonderstatus von Keimzellen? Neben der allgemeinen Diskussion zur rechtlichen Einordnung herausgelöster Körpersubstanzen ist außerdem umstritten, ob menschlichen Keimzellen eine rechtliche Sonderbehandlung zuteil werden muss. Hintergrund dieser gesonderten Kontroverse ist, dass diesen Zellen das Entwicklungspotential immanent ist, welches somatischen Zellen und daraus bestehenden Substanzen fehlt: das Potential zur Herausbildung neuen menschlichen Lebens.
1. Meinungsstand a) Gleichbehandlung mit sonstigen Substanzen Nach verbreiteter Ansicht sind Keimzellen nach ihrer Herauslösung aus dem menschlichen Körper ebenso eigentumsfähige Sachen wie sonstige Körpersubstanzen. Offenbar erscheint dies vielen so selbstverständlich, dass auf eine weitergehende Begründung verzichtet wird68 und Keimzellen schlicht in einem Atemzug mit 68
Ohne Begründung etwa Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 29; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 10; Steinberg-Lieben, JuS 1986, S. 671 (675); Bilsdorfer, MDR 1984, S. 803 (804); Deutsch, VersR 1985, S. 700 und S. 1002 (1004), der jedoch von einer persönlichkeitsrechtlichen Überlagerung des Eigentums ausgeht und daraus folgert, nach dem Tode des Rechtsträgers könnten Herausgabeansprüche gegen Samenbanken lediglich gemeinschaftlich durch Angehörige und Erben geltend gemacht werden; ders., NJW 1986, S. 1971 (1972) und MDR 1985, S. 177 (179).
II. Sonderstatus von Keimzellen?
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gespendetem Blut genannt werden.69 Andere begründen die eigentumsrechtliche Einordnung auch von Keimzellen mit dem Hinweis, das Eigentum gewährleiste einen angemessenen Schutz gegen einen eigenmächtigen Umgang Unbefugter mit den Gameten.70 Zudem handele es sich vor der Verschmelzung um Zellen, die sich isoliert betrachtet nicht sonderlich von sonstigen Zellen unterschieden, da sie die Potenz zur Entwicklung eines neuen Individuums je für sich nicht besäßen.71 Erst die Befruchtung stelle daher eine deutliche Zäsur dar.72 b) Sonderstatus von Keimzellen Demgegenüber kommt nach der Gegenauffassung bereits den Keimzellen ein rechtlicher Sonderstatus zu. Sowie der Mensch selber keine Sache sei, könnten auch die Substanzen, durch die der Mensch das Leben weitergebe, keine Sachen sein, solange sie diese Fähigkeiten besäßen.73 Keimzellen seien das maßgebende Element für die genetische und rechtliche Zusammengehörigkeit von Vater bzw. Mutter und Kind. Die ihnen innewohnende Entwicklungschance führe zu einer Höherwertigkeit gegenüber anderen Körperbestandteilen, bei denen diese Chance nicht mehr bestehe.74 Daher seien sie nicht mit sonstigen Körpersubstanzen vergleichbar.75 Zudem müsse derjenige, von dem die Keimzellen stammten, wissen, was mit ihnen geschehe; dieses Entscheidungspotential sei Teil der Selbstbestimmung des Menschen. Entstünden Keimlinge ohne Wissen und Wollen des Spenders, liege darin eine Verletzung der Menschenwürde.76 Bei einer eigentumsrechtlichen Einordnung bestehe bei der Überlassung von Keimzellen an Dritte keine Gewähr für eine dem Willen des Substanzträgers angepasste Verwendung. Ferner spreche gegen die Annahme von Eigentum die Gefahr der Dereliktion, wodurch die Gameten bis zur Aneignung durch einen Dritten herren- und damit wehrlos seien.77 Das Bestimmungsrecht über vom Körper gelöste Keimzellen sei vielmehr Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und als solches höchstpersönlich, nicht verkehrsfähig und zeitlich begrenzt durch den Tod des ehemaligen Trägers.78 69
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72 73
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Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 29; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 107; Schick, Humanreproduktion, S. 183 (192); wohl auch Schünemann, Rechte, S. 196. Koch, MedR 1986, S. 259 (262). Pap, Extrakorporale Befruchtung, S. 142; Wolf/Naujoks, Rechtsfähigkeit, S. 145; Becker, FamRZ 1968, S. 409 (411); ähnlich Köbl, Gentechnologie, in: FS Hubmann, S. 161 (176). Koch, a.a.O. Kaufmann, Der entfesselte Prometheus, S. 259 (264); undeutlich Bernat, Humanreproduktion, S. 125 (150); vgl. auch das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Creteil vom 01.08.1984 (4225/84), VersR 1985, S. 700. Britting, Postmortale Insemination, S. 67. Britting, a.a.O., im Ergebnis auch Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 31. Britting, a.a.O., S. 72 m.w.N. Britting, a.a.O., S. 73. Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 31 (31f. und 37f.); Laufs, JZ 1986, S. 769 (772); ähnlich Brohm, JuS 1998, S. 197 (201), der zusätzlich auf eine Vorwirkung des staatlichen Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 GG abstellt, aufgrund derer der Staat zu Regulierungen der heterologen Insemination berechtigt sein könne.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
Die mit einer Annahme von Eigentum verbundene freie Verfügungsmöglichkeit des Eigentümers habe zur Folge, dass er seine Keimzellen nach Belieben weiterveräußern könne, was in „krassem Widerspruch“79 zu der den Gameten immanenten Entwicklungschance zu neuem Leben stehe: „Von hier aus wäre es nur noch ein kleiner Schritt, ihnen einen Vermögenswert zuzusprechen. Die Kommerzialisierung wäre perfekt.“80
In diesem Zitat deutet sich eine Sichtweise an, die in der kommerziell motivierten Weitergabe von Keimzellen eine Degradierung der Keimzelle zur Handelsware sieht und damit einen Bezug zur Garantie der Menschenwürde nahelegt. Dieser Bezug wurde in jüngerer Zeit für die entgeltliche Samenspende ausdrücklich hergestellt: Die Kommerzialisierung der Keimzellspende bewirke eine Verdinglichung der Erzeugung menschlichen Lebens, nicht um der Person des Kindes, sondern um des wirtschaftlichen Vorteils des Spenders willen. Werde die Erzeugung des Kindes zum Handelsgeschäft und würden die daran beteiligten Gameten zur Handelsware, führe dies zu einer menschenwürdeverletzenden Degradierung des Kindes, dem ‚Produkt‘ dieses Geschäftes.81 In eine ähnliche Richtung gehen Überlegungen, den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 GG bereits auf den Zeitraum vor der (extrauterinen) Befruchtung auszudehnen, um im Hinblick auf das Kindeswohl staatliche Verfügungsbeschränkungen über Keimzellen zu rechtfertigen, wenn die potentiellen Eltern ihrer antizipierten Elternpflicht, zum Wohle des Kindes zu handeln, nicht nachkommen.82 Diese Überlegungen werden zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage der Eigentumsfähigkeit von Keimzellen angestellt, sprächen aber, so sie denn zutreffen sollten, ebenfalls gegen eine eigentumsrechtliche Erfassung.
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Britting, a.a.O., S. 70. Britting, a.a.O., S. 70. Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 272f.; ähnlich bereits Starck, Gutachten, S. A 7 (17) für Genmanipulationen an Gameten; in der Tendenz auch Brohm, JuS 1998, S. 197 (202) in Bezug auf die Zulässigkeit der heterologen Insemination: die vorwirkende Menschenwürde und damit zusammenhängend die elterliche Sorge gemäß Art. 6 Abs. 2 GG und das staatliche Wächteramt zum Wohle des Kindes beschränke die Verfügungsbefugnis über die Keimzellen; zurückhaltend Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 158ff. m.w.N.; Laufs, JZ 1986, S. 769 (772) m.w.N.; vorsichtiger Deutsch, NJW 1986, S. 1971 (1972); ders., VersR 1985, S. 1002 (1003): das Kind solle später nicht erfahren müssen, dass es seine Entstehung dem Gewinnstreben einer Person verdanke. Speziell im Hinblick auf die anonymisierte heterologe Insemination Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 54f.; vgl. auch Brohm, JuS 1998, S. 197 (201f.); Keller, in: FS Tröndle, S. 705 (714f.); im Hinblick auch auf die homologe Insemination mit dem Samen eines verstorbenen Ehemannes Laufs, JZ 1986, S. 769 (772); etwas abgeschwächt auch Deutsch, NJW 1986, S. 1971 (1973), der die postmortale Insemination für einen begrenzten Zeitraum nach dem Tod des Mannes für zulässig hält.
II. Sonderstatus von Keimzellen?
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Aus verfassungsrechtlicher Sicht wird zudem auch und gerade hier auf die besondere Struktur der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie verwiesen, die der Annahme sachenrechtlicher Bestimmungsbefugnisse entgegenstehe: Die umfassenden Herrschaftsrechte des Eigentümers seien nicht zu gewährleisten, wenn nicht zugleich die Möglichkeit der Enteignung bestehe; insofern korrespondierten Eigentum und Enteignung. Es leuchte aber ohne weiteres ein, dass Spermien vom Staat nicht etwa zur Reproduktion enteignet werden könnten, um eine verhängnisvolle Entwicklung der Alterspyramide zu korrigieren. Dem stehe das aus der Menschenwürde fließende Selbstbestimmungsrecht des Keimzellträgers entgegen. Schon daraus ergebe sich, dass Sperma nicht als eigentumsfähige Sache behandelt werden könne.83 c) Die Sicht des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof verfolgt in der bereits angesprochenen Entscheidung84 auch hier seinen funktionalen Ansatz und verneint die Eigentumsfähigkeit von Keimzellen, soweit sie der Erzeugung neuen menschlichen Lebens zu dienen bestimmt sind. Dabei hätte es nach der oben dargelegten Funktionslösung zunächst nahegelegen, die Eigentumsfähigkeit jedenfalls für Samenzellen zu bejahen. Denn soweit sie einer künstlichen Befruchtung zu dienen bestimmt sind, ist von vornherein nicht beabsichtigt, sie wieder in den Körper des ehemaligen Substanzträgers zu integrieren. Nach Auffassung des Gerichts ist indes bei beabsichtigter künstlicher Befruchtung darauf abzustellen, dass das Sperma dazu bestimmt ist, die körpertypische Funktion der Fortpflanzung zu erfüllen. Da konserviertes Sperma unter dem Gesichtspunkt der umfassend verstanden körperlichen Integrität im Sinne personaler Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung keine geringere Bedeutung habe als Eizellen, die nach der künstlichen Befruchtung wieder in den Körper eingesetzt werden sollen oder als sonstige zur Wiedereinfügung bestimmte Bestandteile, sei auch hier vom Fortbestand einer funktionalen Einheit auszugehen.85 In der Konsequenz nahm der Bundesgerichtshof an, die Vernichtung des Spermas bedeute eine Körperverletzung des ehemaligen Inhabers, jedenfalls aber seien die §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB (a.F.) entsprechend anzuwenden.86 83 84 85
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Brohm, JuS 1998, S. 197 (201). BGHZ 124, 52ff., dazu bereits oben Kap. C Abschn. I. 4. Kritisch zur Annahme einer funktionalen Einheit von Körper und entnommener Eizelle Laufs/Reiling, NJW 1994, S. 775 (775). BGHZ 124, 52 (56); im Wesentlichen zustimmend Freund/Heubel, MedR 1995, S. 194ff., die jedoch die Möglichkeit eines kumulativen Eigentumsschutzes dadurch nicht ausgeschlossen sehen (a.a.O., Fn. 22); zur Kritik Taupitz, JR 1995, S. 22ff. und NJW 1995, S. 745ff.; Laufs/Reiling, NJW 1994, S. 775f.; Rohe, JZ 1994, S. 465 (466ff.); ablehnend auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 858: „überzogene und in ihren Folgen schwer abschätzbare Erweiterung des Begriffs der Körperverletzung […] nicht notwendig“; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 30: „abwegig [...] Grenze zur Metaphysik überschritten“; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 22; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 8; Völzmann-Stickelbrock, in: PWW-BGB, § 90 Rn. 6: „konstruiert“; Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rn. 15a
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
2. Stellungnahme Dass der Gedanke der funktionalen Einheit die eigentumsrechtliche Einordnung nicht ausschließt, wurde bereits erörtert.87 Aber auch die in der Literatur erhobenen Einwände gegen die Eigentumsfähigkeit von Keimzellen führen nicht zum Ausschluss der Eigentumsfähigkeit, wie im Folgenden zu zeigen ist. a) Enge Beziehung als untaugliches Kriterium Fraglich ist bereits, ob ausnahmslos von einer besonders engen Persönlichkeitsbindung von Keimzellen ausgegangen werden kann. Allem medizinisch-sterilen Fortschritt bei der In-vitro-Fertilisation zum Trotz ist dies zwar für den Regelfall zu bejahen, da die Entscheidung für ein Kind eine Entscheidung ist, die aus der engsten persönlichen Lebenssphäre stammt.88 Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen ein Paar den gemeinsamen Kinderwunsch verwirklichen will, also für die so genannte homologe Insemination.89 Dass jedoch keineswegs immer der intensive Wunsch nach eigener Elternschaft vorhanden sein muss, zeigt die Konstellation der anonymen heterologen Insemination,90 also der künstlichen Befruchtung unter Verwendung des Samens eines Mannes, der außerhalb einer Partnerschaft steht und der Empfängerin nicht bekannt werden will. Wie auch immer man zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der heterologen Insemination generell stehen mag,91 ist doch eines gewiss: Wenn der ehemalige Substanzträger sein Keimgut einer Keimzellenbank zur anonymen künstlichen Befruchtung überlässt, manifestiert sich darin gerade die mangelnde persönliche Bindung.92 Denn er will gerade nicht wissen, wann, wo und welches menschliche Leben mit Hilfe seines Keimguts entsteht, will gerade keine persönliche und finanzielle Verantwortung übernehmen und keine Veränderung seiner persönlichen Lebensumstände herbeiführen. Das Bestimmungsrecht über die Verwendung von Keimzellen ausschließlich als höchstpersönliches, unübertragbares Persönlichkeitsrecht zu postulieren, das auch durch die Überlassung der Keimzellen an eine Samenbank nicht erlischt,93 geht daher an der Vielfalt der Realität vorbei. Ein Persönlichkeitsbezug besteht in den Fällen der Keimzellspende zur Durchführung einer anonymen heterologen Inse-
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m.w.N. Zu Folgeproblemen dieser Rechtsprechung siehe Voß, VersR 1999, S. 545 (549ff.). Siehe oben Kap. C Abschn. I. 5. Coester-Waltjen, Elternschaft, S. 158 (159); Püttner/Brühl, JZ 1987, S. 529 (532); vgl. auch Laufs, JZ 1986, S. 769 (772); der Bundesgerichtshof a.a.O., S. 56 spricht hier recht nüchtern von „körperlichen Funktionen zur Hervorbringung von Nachkommen“. Vgl. Anlage E zur Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte i.d.F. der Neufassung vom 18.11.2006 sub 1.5. Zum Begriff der heterologen Insemination ebda. Siehe dazu einerseits Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 94; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 93; Bernat, MedR 2000, S. 394 (396) – zugleich gegen ÖVerfGH, MedR 2000, S. 389 (394); andererseits Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 96 – jeweils m.w.N. Zutreffend Brückner, SJZ 1985, S. 381 (383f., Fn. 24). So etwa Brohm, JuS 1998, S. 197 (201).
II. Sonderstatus von Keimzellen?
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mination aus der Perspektive des ehemaligen Trägers lediglich begrenzt, nämlich soweit er ein allgemeines Interesse an der Nichtausforschung seines genetischen Materials hat. Im Übrigen jedoch ist sein Interesse an der Verwendung seiner Keimzellen ein typisch sachenrechtliches, insbesondere bei wirtschaftlicher Motivation. Dieses Interesse kann nicht von vornherein als unbeachtlich ausgeschieden werden, auch dann nicht, wenn die wirtschaftliche Motivation alleinige Antriebsfeder ist. Die gegenteilige Auffassung, die die kommerziell motivierte ‚Delegation der Fortpflanzungsfähigkeit‘ als Prostitution begreift und hierin eine relevante Nichtbeachtung der eigenen Würde durch den Substanzinhaber erblickt,94 kann bereits deshalb nicht überzeugen, weil sich hier der Würdeschutz gegen den Würdeträger richten würde.95 Um den denkbaren Interessenlagen umfassend Rechnung zu tragen, liegt es daher nahe, auch hier auf den fortentwickelten sachenrechtlichen Ansatz zurückzugreifen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die biologische Besonderheit von Keimzellen einer auch eigentumsrechtlichen Einordnung a priori entgegenstünde. Will man sich nicht vollends auf unsicheres Terrain begeben, indem man auf eine recht diffuse Höherwertigkeit der Keimzellen gegenüber anderen Körpersubstanzen abstellt, läuft letzten Endes alles auf die Frage zu, ob die auch eigentumsrechtliche Einordnung von Keimzellen mit der Verfassung vereinbar ist. b) Kein Einwand aus Art. 1 Abs. 1 GG Vor dem Hintergrund, dass Eigentum ein marktorientiertes Grundrecht und prinzipiell auf Handelbarkeit ausgerichtet ist, liegt es auf der Hand, dass eine eigentumsrechtliche Einordnung von Gameten nur dann möglich ist, wenn einer wirtschaftlich motivierten Rechtsübertragung nicht die Garantie der Menschenwürde generell entgegensteht. Nicht von der Hand zu weisen ist in diesem Zusammenhang zwar, dass es vermutlich für die Persönlichkeitsentwicklung des künftigen Kindes problematisch wäre, wenn es eines Tages erfahren müsste, dass es sein Leben einem wirtschaftlich motivierten Rechtsgeschäft zu verdanken hat. Aus diesem Gedanken heraus jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, eine Kommerzialisierung der Gameten degradiere das künftige Kind auf menschenwürdeverletzende Weise zu einer Handelsware,96 kann nicht überzeugen. Denn zum einen existiert im Zeitpunkt der vermeintlichen Würdeverletzung das zu schützende Würdesubjekt noch nicht.97 Zum anderen muss man sich vor Augen halten, dass genau dieses hypothetische Kind, um dessen Wohl hier gestritten wird, unter Umständen ohne eine entgeltliche Keimzellüberlassung gar nicht geboren worden wäre.98 Die Kommerzialisie94 95 96
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So generell für die anonyme Samenspende Püttner/Brühl, JZ 1986, S. 529 (533). Zur Ablehnung eines strukturellen Würdeschutzes vgl. oben Kap. B Abschn. I. 2. c. Vgl. auch OLG Hamm, JZ 1986, S. 441 (444) für einen entgeltlichen Leihmuttervertrag; zustimmend Kollhosser, JZ 1986, S. 446; konstruktiv anders Medicus, JURA 1986, S. 302ff. Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 158. Vgl. auch Medicus, JURA 1986, S. 302 (308) zum Würdeargument bei entgeltlichen ‚Leihmutterverträgen‘; zum ähnlich gelagerten Problem bei der nicht kommerziellen
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
rung von Keimzellen als unvereinbar mit der Menschenwürde des zu erzeugenden Kindes zu erklären, bedeutet also, sich im Extremfall auf den Standpunkt zu stellen, dass die vorwirkende Menschenwürde des zu erzeugenden Kindes seine Nichterzeugung verlangt: eine in sich widersprüchliche und daher abzulehnende Konstruktion. Da im Übrigen nach unbestrittener Ansicht der Keimzelle selber kein Menschenwürdeschutz zuteil wird,99 kann Art. 1 Abs. 1 GG nicht zur Verneinung der Eigentumsfähigkeit von Keimzellen herangezogen werden. c) Kein Einwand aus Art. 6 Abs. 2 GG Ähnlich verhält es sich mit dem Unternehmen, aus Art. 6 Abs. 2 GG Vorgaben für die (Un-)Zulässigkeit bestimmter Verwendungsformen von Keimzellen herzuleiten. Abgesehen davon, dass äußerst zweifelhaft ist, ob Art. 6 Abs. 2 GG pränatale Vorwirkungen bereits in Bezug auf Keimzellen entfaltet,100 zeitigt eine Beschränkung bestimmter Verwendungsformen das Ergebnis, dass diese am ‚Kindeswohl‘ orientierte Einschränkung der Verwendung der Gameten letztlich nicht zum Wohle des Kindes führt, sondern zu dessen Nichtexistenz.101 Mit dem Kindeswohl entfällt aber zugleich die Legitimationsgrundlage, um auf Art. 6 Abs. 2 GG zurückzugreifen.102 Die eigentlich brisante Frage, ob und unter welchen Umständen unsere staatlich verfasste Gemeinschaft potentiellem neuem Leben – zweifellos in guter Absicht – seine eigene Existenz ‚ersparen‘ darf, lässt sich anhand von Art. 6 Abs. 2 GG nicht beantworten. d) Kein Einwand aus Art. 14 Abs. 3 GG Auch der spezifisch eigentumsrechtliche Einwand, dass Eigentum stets auch mit der Möglichkeit der Enteignung verbunden ist, einem staatlichen Zugriff auf Keimzellen jedoch das Selbstbestimmungsrecht des Trägers entgegenstehe, hindert eine auch eigentumsrechtliche Einordnung herausgelöster Keimzellen nicht. Denn richtig ist zwar, dass die Entscheidung für oder gegen die Zeugung eines Kindes in aller Regel eine persönlichkeitsrechtlich geprägte Entscheidung ist. Gegenüber einem eigentumsspezifischen staatlichen Zugriff auf sein Keimgut bleibt der Berechtigte bei Zugrundelegung eines grundrechtlichen Doppelregimes aber gerade geschützt, soweit nach der Interessenlage auch persönlichkeitsrechtli-
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heterologen Insemination vgl. Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 46; dies., Elternschaft, S. 158; anders aber dies., a.a.O., S. 160 bezüglich der Frage der Kommerzialisierung der Fortpflanzungsfähigkeit: „sittenwidrig, wenn nicht sogar […] menschenunwürdig“. Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 71; deutlich Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 64: „absurd“; Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 156; Köbl, in: FS Hubmann, S. 161 (176). Dafür Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 55f. für die In-vitro-Fertilisation. Für die nicht kommerzielle heterologe Insemination wie hier: Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 46 und B 111; dies., in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 6 Rn. 32. Zum Kindeswohl als Richtpunkt für den staatlichen Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 2 GG siehe BVerfGE 75, 201 (218) m.w.N.; BVerfG, JZ 1999, S. 459 (460).
II. Sonderstatus von Keimzellen?
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che Aspekte eine Rolle spielen. Die Rechtmäßigkeit des Zugriffs ist dann nämlich parallel an beiden Grundrechten zu prüfen, so dass die staatliche Maßnahme sowohl vor dem Persönlichkeitsrecht als auch vor dem Eigentumsgrundrecht Bestand haben muss. Dieser doppelt angelegte Schutz entfällt nach hier vertretener Auffassung bei der Überlassung von Keimzellen an Keimzellbanken zur Durchführung einer anonymen heterologen Insemination jedenfalls, solange der ehemalige Substanzträger seine Entscheidung nicht revidiert.103 Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das Keimgut dem staatlichen Zugriff ungeschützt ausgesetzt wäre. Im Beispiel der beabsichtigten Einflussnahme auf die Entwicklung der Alterspyramide bleibt nämlich immer noch die Frage, ob der Staat überhaupt auf menschliche Keimzellen zugreifen darf, um durch staatlich gesteuerte Reproduktion die Altersentwicklung der Gesellschaft zu beeinflussen, ob also das Mittel als solches im modernen Verfassungsstaat überhaupt legitim ist, um den an sich legitimen Zweck zu fördern, die Altersstruktur der Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Dies ist schon deshalb zu verneinen, weil die Vorstellung, der Staat könne aktiv und unmittelbar die Gesellschaft erschaffen, durch die er selbst erst konstituiert wird, im modernen Verfassungsstaat indiskutabel ist. Sollte sich jedoch ein legitimer Zweck finden, zu dessen Erreichung der Eigentumsentzug adäquat ist, wie etwa die Verhinderung des Überspringens der Generationenschranke durch die Jahrzehnte lange Aufbewahrung kryokonservierten Keimguts,104 ist gegen die Möglichkeit der Enteignung in diesen Fällen nichts Prinzipielles einzuwenden. e) Ergebnis: Gleichbehandlung mit sonstigen Substanzen Daher bleibt festzuhalten, dass die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen eine auch eigentumsrechtliche Einordnung menschlicher Keimzellen nicht durchgreifen. Vielmehr gilt auch hier, dass eine grundrechtliche Doppelung von Eigentum und Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) den vielfältig denkbaren verschiedenen Interessen des ehemaligen Inhabers an seinen Keimzellen durch ein ‚Sowohl-als-auch-Prinzip‘ stärker Rechnung tragen kann als ein striktes ‚Entweder-oder-Prinzip‘.
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Das Interesse am Schutz vor Ausforschung gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bleibt allerdings auch hier geschützt. Zum Problem Benda, Menschenwürde, S. 205; Deutsch, VersR 1985, S. 1002; ders., NJW 1986, S. 1971 (1973); allerdings kann der Rückgriff auf den Schutz der Menschenwürde nach hier vertretener Ansicht nicht überzeugen, da ein struktureller Würdeschutz abzulehnen ist, dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. 2. c.
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C. Rechtsstatus herausgelöster Substanzen
III. Fazit Festzuhalten bleibt damit an dieser Stelle: Mit der Herauslösung einzelner Bestandteile aus dem lebenden menschlichen Körper erwirbt der ehemalige Substanzinhaber nach dem Rechtsgedanken des § 953 BGB automatisch Eigentum daran. An den herausgelösten Teilen setzt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) fort, so dass insbesondere der Schutz vor unbefugtem Zugriff Dritter auf die in den herausgelösten Bestandteilen enthaltenen Informationen gewährleistet wird. Hat der ehemalige Substanzinhaber erkennbar eine Disposition getroffen, die Ausdruck eines besonderen persönlichen Interesses ist, das über das typische Sachinteresse des Eigentümers hinausgeht, sind herausgelöste Bestandteile auch mit Blick auf diese Disposition nach der Herauslösung der Substanz weiter persönlichkeitsrechtlich gebunden, die getroffene Disposition wird durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit als Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die grundsätzliche Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber dem spezielleren Eigentumsgrundrecht steht dem nicht entgegen, da Art. 14 GG diesen besonderen persönlichen Bezug nicht spezifisch erfasst. Dieser in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte persönlichkeitsrechtliche Schutz geht auch bei enteignendem staatlichem Zugriff nicht verloren. Vielmehr bedarf ein Eingriff in die erkennbar ausgeübte persönlichkeitsrechtlich fundierte Dispositionsbefugnis einer gesonderten Rechtfertigung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG. Auf zivilrechtlicher Ebene bleibt der ehemalige Substanzinhaber auch bei einem rechtsgeschäftlichen Eigentumswechsel gegen einen ungewollten Verlust des Persönlichkeitsschutzes geschützt, da die persönlichkeitsrechtliche Rechtsstellung nicht gutgläubig wegerworben werden kann. Nichts anderes gilt auch für herausgelöste Keimzellen. Insbesondere lässt sich gegen deren auch eigentumsrechtliche Einordnung weder aus Art. 1 Abs. 1 GG, noch aus Art. 6 Abs. 2 GG, noch aus Art. 14 Abs. 3 GG ein durchgreifender Gegeneinwand herleiten.
D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
Eine spezialgesetzliche Schranke der Eigenkommerzialisierung von Körpersubstanzen wurde mit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes im Jahre 1998 durch das Handelsverbot des § 17 TPG errichtet, mit dem die Strafvorschrift des § 18 TPG einhergeht. Da die Kommerzialisierung eigener Körpersubstanzen nicht generell in Konflikt mit der Garantie der Menschenwürde gerät,1 sondern unter der Voraussetzung autonomer Entscheidung Ausübung grundrechtlicher Freiheit ist, stellt sich die Frage nach Reichweite und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung der Freiheitsbeschränkung, die dem Substanzinhaber durch §§ 17, 18 TPG auferlegt wird.
I. Regelungsbereich des § 17 TPG Das Handelsverbot des § 17 TPG gilt sowohl für den Zeitraum vor der Abtrennung einzelner Substanzen als auch für den Zeitraum nach Abtrennung. Das mit der Herauslösung einzelner Substanzen entstehende Eigentum2 ist also von vornherein mit den Beschränkungen des TPG belastet. Praktisch bedeutsam ist die Beschränkung der Kommerzialisierung allerdings vor allem für den Zeitraum vor der Herauslösung einzelner Substanzen, da kaum anzunehmen ist, eine entsprechende Vereinbarung werde erst nach der Herauslösung aus dem Körper getroffen. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 TPG ist es verboten, mit Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, Handel zu treiben.3 Ergänzt wird dieses Verbot durch die Strafvorschrift des § 18 TPG, die unter den dort genannten Voraussetzungen unter anderem das Handeltreiben mit einem Organ oder Geweben unter Strafe stellt. Handeltreiben meint dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Betäubungsmittelgesetz4 jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit, selbst 1 2 3
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Dazu bereits oben Kap. B. Dazu bereits oben Kap. C. § 17 Abs. 2 TPG spielt für die vorliegende Untersuchung keine Rolle, da er sich vor allem an Ärzte und Organempfänger richtet. Vgl. die Begründung zum TPG-Entwurf, BT-Drs. 13/4355, S. 29f.; Nickel/SchmidtPreisigke/Sengler, TPG, § 17 Rn. 4; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 18.
82
D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
wenn es sich dabei nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt.5 Dazu zählen vor allen Dingen auch bürgerlich-rechtliche Verpflichtungsgeschäfte, die auf Gewinnerzielung gerichtet sind.6 Diese sind wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB nichtig.7 Nicht unter die Verbotsvorschrift fällt jedoch der Ersatz der dem Spender unmittelbar durch die Spende entstehenden Aufwendungen wie Verdienstausfall oder Fahrt- und Unterbringungskosten. Hier fehlt es am Eigennutz, da der Spender hierdurch keinen wirtschaftlichen Vorteil erhält, sondern lediglich entstehende wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen werden.8 Der Anwendungsbereich des Handelsverbots wurde gegenüber der ursprünglichen Fassung des TPG durch das Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz)9 ausgeweitet, welches seinerseits auf die so genannte EU-Geweberichtlinie zurückgeht.10 Vor der Änderung durch das Gewebegesetz war der Regelungsbereich des Transplantationsgesetzes auf Organe, Organteile und Gewebe beschränkt (§ 1 Abs. 1 TPG a.F.), wobei der Gewebebegriff an das medizinische Verständnis angelehnt war. Damit wurde der Begriff des Gewebes definiert als jeder durch spezifische Leistungen gekennzeichnete Verband gleichartig differenzierter Zellen,11 wie etwa Augenhornhaut, harte Hirnhaut (dura mater) sowie Knochen, Knorpel und Sehnen,12 aber auch Haare13. Nicht erfasst vom Verbot des § 17 TPG waren einzelne Zellen, solange 5
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Für die Rechtsprechung des BGH zum BtMG grundlegend BGHSt 6, 246 (247) m.N. auf die Rspr. des RG; zuletzt BGH (GS) St 50, 252 (256) m.w.N. – st. Rspr. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, 17 Rn. 4; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 20; für § 29 BtMG zuletzt BGH (GS) St 50, 252 (256ff.), wonach es für ein vollendetes Handeltreiben ausreicht, dass der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt; kritisch zur Übernahme des betäubungsmittelrechtlichen Begriffs des Handelstreibens LSG NRW, NWVBl. 2001, S. 401 (408f.), das eine teleologische Reduktion der §§ 17, 18 TPG für Fälle der Lebendüberkreuzspende vornimmt; kritisch ferner Rixen, a.a.O., Rn. 9f. und Merkel, Sondervotum zum Zwischenbericht der Enquête-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, BT-Drs. 15/5050, S. 86ff. Hier letztlich nicht entscheidend ist, ob bereits § 17 TPG Verbotsgesetz in diesem Sinne ist oder erst § 18 TPG (so Sack, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 297; wohl auch Palm, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 97). Rixen, in: Höfling/Rixen (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 33; König, MedR 2005, S. 22 (24); BT-Drs. 13/4355, S. 30. BGBl. I 2007, S. 1574; zu den mit dem Gewebegesetz einhergehenden Änderungen bzgl. arzneimittelrechtlicher Genehmigungserfordernisse nach dem Arzneimittelgesetz siehe Th. Roth, PharmR 2008, S. 108ff. Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, Abl. L 102/48. Pschyrembel, S. 571 (Stichwort „Gewebe“). Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 17 Rn. 4. König, Organhandel, S. 148; ebenso Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 1 Rn. 16.
I. Regelungsbereich des § 17 TPG
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sie nicht als Teil eines Zellverbandes entnommen wurden.14 Dies galt auch für Eiund Samenzellen,15 sowie DNA-Teile und Gene,16 da diese als solche keinen Verband gleichartig differenzierter Zellen darstellen. Nach der Neufassung gilt das TPG auch für einzelne menschliche Zellen, da diese nunmehr ebenfalls unter den Gewebebegriff fallen (§ 1 a Nr. 4 TPG), also auch für Keimzellen und Stammzellen.17 Der Begriff des Organteils findet sich jetzt nicht mehr als eigenständiger Begriff, sondern geht im Organ- und im Gewebebegriff auf.18 Weiter wurde im Zuge der Richtlinienumsetzung auch der bisherige § 1 Abs. 2 TPG abgeändert, der vorsah, dass das Gesetz nicht für Blut und Knochenmark sowie embryonale und fetale Organe und Gewebe gilt. Nach der Neuregelung sind lediglich noch Blut und Blutbestandteile vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen.19 Ein zentraler Begriff der §§ 17, 18 TPG ist die Bestimmung zur Heilbehandlung; eine gesetzliche Definition hierzu existiert nicht. Der Entwurfsbegründung zum TPG lässt sich lediglich entnehmen, dass damit insbesondere die Entnahme von Organen zum Zwecke der Übertragung auf einen anderen Menschen erfasst sein soll.20 Darüber hinaus liegt eine Bestimmung, der Heilbehandlung zu dienen, auch dann vor, wenn menschliche Organe, Organteile und Gewebe an pharmazeutische Unternehmer zum Zweck der Herstellung von Arzneimitteln abgegeben werden.21 Knüpft man an den sonst in der Rechtsprechung verwendeten Heilbehandlungsbegriff an, werden dadurch alle Eingriffe und anderen Behandlungen umfasst, „die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern.“22 Hierdurch ergibt sich die kuriose Situation, dass das Handelsverbot des TPG den Handel mit männlichen Samenzellen so lange nicht unter Strafe stellt, wie eine einfache Insemination durch bloßes Verbringen in den Körper einer Frau zu einer Schwangerschaft führen kann, da Kinderlosigkeit als solche keine Krankheit darstellt. Hingegen ist der Handel mit Samenzellen dann strafbar, wenn hierdurch nicht lediglich eine Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, sondern 14 15
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Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 1 Rn. 1. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 1 Rn. 4; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 1 Rn. 15; König, Organhandel, S. 23; anders: Deutsch, NJW 1998, S. 777 (778) unter (schwer nachvollziehbarer) Berufung auf den Wortlaut von § 1 Abs. 1 a.F. TPG; im Ergebnis auch Kühn, MedR 1998, S. 455 (455). BT-Drs. 13/4355, S. 16, zustimmend Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 1 Rn. 15; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 1 Rn. 1. BT/Drs. 543/06, S. 45. Vgl. § 1 Nr. 1 und Nr. 4 TPG. Gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Geweberichtlinie gilt die Richtlinie nicht für Blut und Blutbestandteile im Sinne der Richtlinie 2002/98/EG. BT-Drs. 13/4355, S. 29. BT-Drs. 13/4355, S. 29; zustimmend Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 6. Beachte aber § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TPG. BFH, BStBl. 1999 II, S. 761; BFHE 149, S. 539 m.w.N.
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D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
durch eine besondere Methode der Befruchtung zugleich eine Fertilitätsstörung der Frau überwunden werden soll. Denn die Behebung einer Fertilitätsstörung ist in der Rechtsprechung als Heilbehandlung anerkannt.23 Nicht von § 17 TPG erfasst wird der Handel mit Körpersubstanzen, die zu kosmetischen Zwecken auf andere Menschen übertragen werden sollen,24 sowie die Abgabe zu anderen Zwecken, insbesondere zu Ausbildungs- und Forschungszwecken25; insoweit verweist die Entwurfsbegründung darauf, eine Verbotsregelung sei dem Landesrecht vorbehalten.26 Die Ausnahmen zum Handelsverbot regelt § 17 Abs. 1 S. 2 TPG. Danach gilt das Verbot nicht für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen, wie Konservierung, Aufbereitung Aufbewahrung und Transport der Organe oder Gewebe (Nr. 1) sowie für die Veräußerung von zugelassenen oder registrierten bzw. von Zulassung oder Registrierung freigestellten Arzneimitteln, die aus oder unter Verwendung von Organen hergestellt sind, oder Wirkstoffe im Sinne des § 4 Abs. 19 des Arzneimittelgesetzes, die aus oder unter Verwendung von Zellen hergestellt sind (Nr. 2). Beispielhaft seien hier Präparate aus harter Hornhaut, Oberflächenhaut, Faszien und Knochen genannt.27 In der Literatur werden die Ausnahmen damit gerechtfertigt, die begleitenden Tätigkeiten und Arzneiprodukte seien notwendig, um den Heilbehandlungserfolg erreichen zu können.28 Der hiermit verbundene Geldfluss sei eine „weithin übliche und nicht zu missbilligende Aufwandsentschädigung“,29 die nicht als Kaufpreis für eine Körpersubstanz verstanden werden könne.30 Daran ist richtig, dass es sich hierbei nicht um das Fordern eines Kaufpreises für die Substanz selbst handelt, da keine Gegenleistung für die Verschaffung von Eigentum und Besitz an der Kaufsache ‚Körpersubstanz‘ als solche in Rede steht. Unrichtig ist es jedoch, den Geldfluss für derartige Tätigkeiten oder für die entgeltliche Abgabe von Arzneimitteln, die auf der Verwendung von Organen basieren, als Aufwandsentschädigung zu bezeichnen: Denn der hierfür eingeforderte Betrag ist direkte Gegenleistung für die Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung bzw. direkte Gegenleistung für die Übereignung des Arzneimittels. Daher sollte man die Dinge beim Namen nennen, wie es § 17 TPG auch tut: Es handelt sich um eine Vergütung, ein Ent23 24
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Vgl. BVerwG, Urt. vom 27.11.2003 – 2 C 30.02. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 18 Rn. 2; zum Verbot der Verwendung von Substanzen menschlichen Ursprungs in kosmetischen Mitteln siehe Anhang II Nr. 416 der Richtlinie 78/768 EWG, ABl. L 262 vom 27.9.1976, S. 169 in der Fassung der Berichtigung durch die Richtlinie 2003/83/EG vom 26.02.2004, ABl. L 58, S. 28. Etwa im Rahmen eines nicht als Heilbehandlung anerkannten Heilversuchs oder eines Humanexperiments. Die Abgrenzung von Heilbehandlung und Heilversuch richtet sich nach dem Stand der Medizinwissenschaft im Zeitpunkt der Tat, vgl. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 5; siehe auch Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 130 Rn. 7. BT-Drs. 13/4355, S. 29; kritisch dazu Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 7. BT-Drs. 13/4355, S. 30; BT-Drs. 16/3146, S. 37. Taupitz, JuS 1997, S. 203 (208); Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, TPG, § 17 Rn. 6. Taupitz, a.a.O. Taupitz, a.a.O.; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, a.a.O.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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gelt.31 Dass sich dieses im Rahmen des Angemessenen halten muss,32 ändert am Entgeltcharakter nichts. Der einzige ‚Samariter‘33 ist also der Spender, obwohl der Heilbehandlungserfolg auch und gerade von ihm abhängt.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Art. 2 Abs. 1 GG als Maßstabsgrundrecht Als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Substanzträgers bedarf das Handelsverbot einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, soweit es auch Konstellationen erfasst, in denen die Unwirksamkeit eines Handelsgeschäfts nicht bereits aus Art. 1 Abs. 1 GG folgt.34 Das Verbot muss demzufolge Teil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG sein. a) Verhältnismäßigkeit als herausragender Maßstab Entsprechend dem ganz herrschenden weiten Tatbestandsverständnis des Art. 2 Abs. 1 GG ist mittlerweile als notwendiges Korrelat auch ein weites Verständnis der verfassungsmäßigen Ordnung als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht versteht unter verfassungsmäßiger Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung den Inbegriff aller formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtssätze.35 Diesem Verständnis hat sich die Literatur mittlerweile fast einhellig angeschlossen.36 Der Sache nach handelt es sich dabei um einen einfachen Gesetzesvorbehalt,37 so dass dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine herausragende Rolle zukommt.38
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Vgl. auch BT-Drs. 13/4355, S. 30 zu § 16 E-TPG. Dazu Rixen, in: Höfling (Hrsg.), TPG, § 17 Rn. 29; vertiefend König, Strafbarer Organhandel, S. 184ff. König, MedR 2005, S. 22 (24); ders., in: Roxin/Schroth (Hrsg.), HbMedStrafR, S. 419; Schroeder, ZRP 1997, S. 265 (265). Dazu bereits oben Kap. B. Abschn. I. 2. a; vgl. auch Taupitz, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 1 (2): Bei Kommerzialisierungsverboten ist „nicht primär zu fragen […]: ‚Was darf der Mensch?‘ sondern: ‚Was darf der Staat verbieten?‘“. Seit BVerfGE 6, 32 (38f.); z.B. BVerfGE 103, 197 (215); 97, 271 (286); 95, 267 (306); 90, 145 (171f.); 80, 137 (153). Statt vieler: Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 89; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 I Rn. 54 m.w.N. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 90, Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 I Rn. 54. Vgl. nur BVerfGE 103, 197 (215); 97, 271 (286) m.w.N.
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D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
Das Handelsverbot muss also einen legitimen Zweck verfolgen39 und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.40 b) Verhältnismäßigkeit des Handelsverbots Zunächst gilt es daher herauszuarbeiten, welche Zwecke das Handelsverbot verfolgt. Nach der Begründung des interfraktionellen Gesetzesentwurfs zum TPG dient es neben dem Schutz der Menschenwürde einer Reihe weiterer Ziele: So soll das Handelsverbot zu einen der Gefahr begegnen, dass potentielle Organgeber aus eigensüchtigen wirtschaftlichen Motiven die gesundheitliche Notlage lebensgefährlich Erkrankter in besonders verwerflicher Weise ausnutzen. Darüber hinaus soll in Bezug auf den potentiellen Organgeber auch die körperliche Integrität des Lebenden geschützt werden. Diese Zwecksetzung widerspricht auf den ersten Blick einem Grundanliegen des TPG, nämlich, die Spendebereitschaft in der Bevölkerung zu steigern.41 Denn auch die altruistische Spende von Organen, die ja gerade gefördert werden soll, ist mit einem Eingriff in die körperliche Integrität der Spender verbunden. Indes soll die Lebendspende nachrangig gegenüber der postmortalen Organspende sein,42 was darin zum Ausdruck kommt, dass § 8 TPG besondere Voraussetzungen für die Entnahme vom lebenden Spender normiert. Insoweit ist es also kein Widerspruch, wenn zwar zum einen die Spendebereitschaft der Bevölkerung gefördert werden soll, zum anderen aber der Schutz der körperlichen Integrität der Lebenden. Denn die beabsichtigte Förderung der Spendenbereitschaft bezieht sich primär auf die Bereitschaft zur postmortalen Organspende. Desweiteren dient das Handelsverbot der Integrität des Transplantationswesens, das vor dem Anschein sachfremder Erwägungen bewahrt werden soll.43 Darüber hinaus soll damit – wie mit dem TPG überhaupt – die Spendebereitschaft in der Bevölkerung gefördert werden, indem ein rechtlicher Rahmen für die Transplantation gesteckt wird, der zu mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten führen soll.44 Diese verfolgten Zwecke sind je für sich genommen sicherlich legitim, auch wenn ihre Häufung Zweifel aufkommen lässt, ob der Gesetzgeber sich sicher war, dass die einzelnen Zwecke je für sich eine Beschränkung grundrechtlicher Freiheit tragen. So lässt sich mit Fug bezweifeln, ob der Schutz der körperlichen Integrität 39
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Legitim ist jeder Zweck, der nicht durch die Verfassung verboten ist, dazu Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 21; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 20 Rn. 149 m.w.N. Vgl. BVerfGE 81, 156 (188ff.) m.w.N.; Roellecke, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 20 Rn. 103f. Vgl. BT-Drs. 13/4566, S. 12. BT-Drs. 13/4566, S. 20. Siehe BT-Drs. 13/4355, S. 15: Mit der Kommerzialisierung wachse die Gefahr, dass „die Verteilung lebenswichtiger Organe ungeachtet therapeutischer Dringlichkeit an die finanzielle Leistungsfähigkeit potentieller Empfänger geknüpft wird”; dazu auch König, Organhandel, S. 26. BT-Drs. 13/4355, S. 11.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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des Spenders ein Handelsverbot rechtfertigt, handelt es sich dabei doch um einen Schutz vor sich selbst, der keineswegs unproblematisch ist.45 Zweifelhaft ist ferner, ob die Verbotsregelung zum Schutz der Menschenwürde erforderlich und angemessen ist, da der Gesichtspunkt der Autonomie des Spenders keine Berücksichtigung findet. Erwägenswert wäre insofern jedenfalls gewesen, ob nicht eine Ausgestaltung als eine Art Wuchertatbestand ebenfalls ausgereicht hätte, der auf eine individuelle Schwächesituation beim Opfer abhebt.46 Soweit die Entwurfsbegründung darauf abstellt, es solle der Empfänger vor der wirtschaftlichen Ausbeutung seiner gesundheitlichen Notlage geschützt werden, wird ausgeblendet, dass die Alternative unter Umständen sein kann, überhaupt kein geeignetes Organ zu erhalten und dass nicht jede Form der Kommerzialisierung zu einer Ausbeutung der gesundheitlichen Notlage führen muss.47 Auch hier hätte eine Ausgestaltung als Wuchertatbestand nahegelegen. Der Rekurs auf das Pietätsempfinden der Allgemeinheit ist bereits deswegen problematisch, weil der Pietätsbegriff im Dunkeln bleibt. Hinsichtlich des Schutzes des sittlichen Empfindens der Bevölkerung ist fraglich, ob dadurch ein völliges Verbot zu rechtfertigen wäre und wie sich das sittliche Empfinden überhaupt ermitteln lässt. Eine stringente Rechtfertigung ergibt sich letztlich nur aus dem Gedanken der Integrität des Transplantationswesen und der Zielsetzung, zur Förderung der Spendebereitschaft bereits jeden Anschein zu vermeiden, die Organgewinnung und -verteilung hänge von sachfremden Erwägungen ab. Zu diesem Zweck ist ein Handelsverbot zweifellos geeignet. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums ist auch die Erforderlichkeit nicht zu bestreiten, auch wenn andere Regelungsmodelle denkbar wären: So ist nicht von vornherein auszuschließen, dass auch bei einer begrenzten Zulassung des Organhandels die Spendenbereitschaft gefördert und das Transplantationswesen vor dem Anschein sachfremder Erwägungen bewahrt werden könnte, solange die Kriterien klar definiert sind, die vor einer Transplantation erfüllt sein müssen, etwa Kompatibilität des gespendeten Organs, keine bessere Eignung eines anderen Empfängers oder auch die Einhaltung einer Warteliste. In diesem Fall wäre auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine weniger restriktive Regelung, die einen staatlich beaufsichtigten oder staatlich koordinierten Markt mit Preisfestsetzungen ermöglichte, ebenfalls zur Zielerreichung prinzipiell geeignet wäre. Im Ergebnis ändert sich hierdurch jedoch nichts an der Erforderlichkeit des Verbots in der geltenden Form. Denn wenn der Gesetzgeber allgemein über einen Einschätzungsspielraum in Bezug auf die Geeignetheit staatlicher Maßnahmen zur Zweckförderung verfügt, dann muss ihm auch hinsichtlich der Erforderlichkeit ein Spielraum zustehen. Denn alternative, das einzelne Grundrecht weniger stark einschränkende Maßnahmen lassen die Erforderlichkeit nur dann entfallen, wenn sie unter mehre45
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Anders ohne weitere Problematisierung die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG, NJW 1998, S. 3399 (3402). Zum Problem etwa: Schwabe, JZ 1998, S. 66ff. mit weiterführenden Nachweisen. Vgl. König, Strafbarer Organhandel, S. 240ff. Zu alternativen Modellen wie etwa einem Festpreissystem unter Kostenerstattung durch die Krankenkassen vgl. Parzeller/Bratzke, Rechtsmedizin 2003, S. 357 (361f.) m.w.N.; Kühn, MedR 1998, S. 455 (457).
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D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
ren gleich geeigneten Mitteln das relativ mildeste sind. Ob und inwieweit ein Mittel zur Zweckerreichung geeignet ist, unterliegt jedoch der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative. Soweit sich seine Einschätzung über die Geeignetheit eines Mittels im Rahmen dieser Prärogative hält, muss auch die Frage der gleichen Eignung von diesem Spielraum umfasst sein.48 Die Erforderlichkeit ist in diesem Fall nur dann zu verneinen, wenn bei dem als Alternative in Betracht kommenden Mittel in jeder Beziehung feststeht, dass es den verfolgten Zweck bei geringerem Grundrechtseingriff gleichwertig erreicht.49 Fraglich kann danach allenfalls sein, ob eine Erstreckung des Handelsverbots auch auf solche Konstellationen erforderlich ist, in denen eine Substanz nicht direkt zu einer Transplantation bestimmt ist, sondern einer sonstigen Heilbehandlung dienen soll. Insofern käme als milderes, das Grundrecht weniger stark einschränkendes Mittel eine Beschränkung des Verbots auf Organe und Gewebe in Betracht, die der Transplantation zu dienen bestimmt sind. Dabei wäre allerdings zweifelhaft, ob dieses Mittel zur Förderung der Spendenbereitschaft der Bevölkerung tatsächlich gleich geeignet wäre. Denn es wäre zumindest nicht auszuschließen, dass die beschränkte Zulassung des Handels mit Organen und Geweben außerhalb des Transplantationssektors, aber innerhalb des Heilbehandlungsbereichs Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft insgesamt hätte. Wenn sich nämlich in diesem Bereich eine Art Markt etablieren würde, bestünde die Gefahr, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nicht hinreichend zwischen dem Transplantationssektor und dem sonstigen Heilbehandlungssektor differenziert würde und somit der Eindruck entstünde, auch im Transplantationssektor werde generell Handel betrieben. Diese Einschätzung liegt vor allem auch deswegen innerhalb des Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers, weil es an Erfahrungswerten fehlt, durch die sichergestellt wäre, dass alternative Modelle in jeder Hinsicht gleich effizient sind. Bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vorzunehmenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass zwar die durch das Handelsverbot betroffene Vertragsfreiheit einen zentralen Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit ausmacht und das zentrale Mittel zur Gestaltung der Lebensverhältnisse des einzelnen ist. Somit kommt der Vertragsfreiheit prinzipiell eine hohe Bedeutung zu. Andererseits steht hinter dem Handelsverbot letztlich das Anliegen, hochrangige Verfassungswerte – Leben und Gesundheit – zu schützen und zu fördern. Zudem ist das Verbot zwar innerhalb seines Anwendungsbereichs recht umfassend ausgestaltet, beschränkt sich jedoch auf einen spezifischen Sachbereich. Es wird nicht generell in die Möglichkeit eingegriffen, die privaten Lebensverhältnisse nach eigenem Willen zu gestalten, sondern lediglich in Bezug auf bestimmte Objekte und bestimmte Verwendungsabsichten im Rahmen der Krankheitsbehandlung. Vergegenwärtigt man sich die kaum zu überschätzende Bedeutung der Transplantationsmedizin für die Heilung von Krankheiten und betrachtet dabei die nach wie vor bestehende große Lücke zwischen Bedarf an
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Grundsätzlich: Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 403. Vgl. BVerfGE 105, 17 (36); 81, 70 (90f.).
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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Transplantaten und deren Verfügbarkeit,50 wird deutlich, wie dringlich die Förderung der Spendenbereitschaft in der Bevölkerung ist. Daher steht die Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch § 17 TPG nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des mit dem Verbot verfolgten Zwecks und rechtfertigt damit den Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Strafbewehrung gemäß § 18 TPG bei Verstößen gegen dieses Verbot. Man mag die Übertragung des weiten Begriffs des Handeltreibens aus dem BtMG für unglücklich halten, unverhältnismäßig ist die abstrakte Strafbewehrung vor dem Hintergrund der Dringlichkeit der Organverfügbarkeit nicht. Allerdings ist bei der Anwendung der Strafvorschrift des § 18 TPG gerade in den durch das Gewebegesetz neu hinzugekommenen Fällen Zurückhaltung bei der Höhe des konkreten Strafmaßes angebracht, um dem Erfordernis des schuldangemessenen Strafens51 Rechnung zu tragen.
2. Art. 14 GG als Maßstabsgrundrecht Neben Art. 2 Abs. 1 GG kommt auch Art. 14 GG als grundrechtlicher Maßstab des Handelsverbots in Betracht, nämlich für die Fälle, in denen eine Kommerzialisierung erst zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem eine Trennung des Organs, Organteils oder Gewebes vom Körper des ehemaligen Trägers bereits stattgefunden hat, dieser also bereits Eigentum daran erworben hat. Dabei kommt Art. 14 GG in den Fällen der lebzeitigen Eigenkommerzialisierung allerdings eher eine theoretische Maßstabsfunktion zu: Denn es dürfte kaum vorkommen, dass eine Situation eintritt, in der einem Substanzträger ein Organ, Organteil oder Gewebe entnommen wird und dieser erst dann eine Entscheidung für eine kommerzielle Verwendung zur Heilbehandlung trifft. Soweit die Entnahme der Transplantation dient, ergibt sich dies bereits daraus, dass der Zeitraum zwischen Entnahme und Implantation bei einem anderen Menschen in aller Regel kurz ist. Jedenfalls ist das mit der Entnahme entstehende Eigentum von vornherein mit dem Handelsverbot als Inhaltsbestimmung belastet, was nach überwiegender Auffassung die Rechtfertigungsbedürftigkeit anhand von Art. 14 GG ausschließt, da hiernach der Schutz neuerworbenen Eigentums jeweils nur soweit reicht, wie der Gesetzgeber dem Eigentümer einfachrechtliche Befugnisse einräumt.52 Nach anderer Auffassung unterliegt der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch dann den Bindungen des Art. 14 GG, wenn das Eigentum bereits mit gesetzlichen Beschränkungen erworben wird, da auf einer logisch ersten Stufe Eigentum jeweils nur als prinzipiell umfassendes Recht begriffen und erst auf einer logisch zweiten Stufe beschränkt werden könne, so dass Beschränkungen auch insoweit gegenüber dem Eigentumsgrundrecht
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Siehe dazu den Zwischenbericht der Enquête-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin, BT-Drs. 15/5050, S. 7. § 46 StGB. Vgl. BVerfGE 58, 300 (336); Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 11; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 21; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 899.
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D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
rechtfertigungsbedürftig seien.53 Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Handelsverbots ergibt sich aber auch hieraus im Ergebnis nicht anderes: Der Zweck des Verbots, die Integrität des Transplantationswesens zu sichern und durch einen klaren Rechtsrahmen die Spendebereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, rechtfertigt das Handelsverbot auch vor Art. 14 GG. Denn soweit ein Organ, Organteil oder Gewebe einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt ist, tritt das durch die Abtrennung entstehende Eigentum aus der Zweierbeziehung zwischen Substanzinhaber und Abnehmer heraus in den größeren Zusammenhang des Gesundheitssektors. Dadurch entsteht insofern ein besonderer sozialer Bezug, als nicht auszuschließen ist, dass der kommerzielle Handel mit den Substanzen negative Auswirkungen auf die Spendebereitschaft insgesamt haben kann, wenn auch nicht zwingend haben muss. Die Beurteilung des Handels als sozialschädlich liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, der gemäß Art. 14 Abs. 2 GG dafür zu sorgen hat, dass der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dient.54 Dem Gesetzgeber ist es daher nicht verwehrt, sich darauf festzulegen, dass der Handel mit Organen, Organteilen und Geweben wegen der denkbaren negativen Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft dem Wohle der Allgemeinheit abträglich ist. Den kommerziellen Interessen des Substanzträgers kommt demgegenüber ein relativ geringes Gewicht zu, da die Kommerzialisierung der eigenen Körpersubstanzen nicht zum notwendigen Bereich freiheitlicher Lebensgestaltung gehört. Auch soweit man das Verbot an Art. 14 GG misst, beschränkt es also das mit der Abtrennung entstehende Eigentum in verhältnismäßiger Weise.
3. Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Über die Vereinbarkeit mit dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG und gegebenenfalls des Art. 14 Abs. 1 GG hinaus muss das Handelsverbot auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn wesentlich Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich behandelt wird.55 Wesentlich gleich sind Sachverhalte dabei, wenn sie einen gemeinsamen Bezugspunkt aufweisen, also unter einen gemeinsamen Oberbegriff subsumiert werden können.56 a) Vergleich mit Fällen des § 17 Abs. 1 S. 2 TPG Eine Ungleichbehandlung findet innerhalb des Heilbehandlungssektors zunächst zwischen dem Substanzinhaber und denjenigen Personen statt, die im weitesten Sinne Tätigkeiten ‚an der Substanz‘ verrichten, wie Aufbereitung, Konservierung, Lagerung und Transport, aber auch Weiterverarbeitung zu Arzneimitteln 53 54
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Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 46. Zum Charakter des Art. 14 Abs. 2 GG als Leitlinie für den Gesetzgeber Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 201f. m.w.N. BVerfGE 103, 242 (258); 97, 332 (344); 71, 255 (271) m.wN. – st. Rspr. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 431, 433.
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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(§ 17 Abs. 1 S. 2 TPG). Letzteren ist es anders als dem Substanzinhaber nicht verwehrt, eine Vergütung im Zusammenhang mit ihrer Mitwirkung an einer Heilbehandlung zu verlangen. Bezugspunkt des Vergleichs ist damit die Mitwirkung an einer Heilbehandlung. Die unterschiedliche rechtliche Behandlung ist jedoch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt: Während der Substanzinhaber unmittelbar durch die Substanz einen Gewinn erzielen will, basiert die Gewinnerzielung der anderen Gruppe auf einer eigenständigen Dienst- oder Werkleistung, die zum Teil hochspezialisiertes Wissen voraussetzt und durch die ein Mehrwert entsteht, der auch außerhalb des Heilbehandlungssektors nicht vergütungsfrei zu haben ist.57 b) Vergleich mit § 10 Transfusionsgesetz Eine Ungleichbehandlung liegt auch vor, wenn man diejenigen Substanzinhaber als Vergleichsgruppe heranzieht, die durch die Nutzbarmachung eigenen Blutes einen Gewinn erzielen wollen. Bezugspunkt ist hier also die Absicht der kommerziellen Verwertung eigener Körpersubstanzen. Anders als § 17 TPG verbietet § 10 TFG den Handel nicht, obwohl die Blutspende in aller Regel ebenfalls einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt ist. Betrachtet man allein die stoffliche Ebene, erschließt sich nicht, weshalb nach § 17 TPG der Handel auch mit einzelnen Zellen verboten ist, nicht jedoch der Handel mit Blut, das unter anderem auch aus Zellen besteht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spende in beiden Fällen der Steigerung der Qualität der Materialien dienen soll,58 ist zunächst nicht ersichtlich, weshalb in einem Fall ein Handelsverbot materiell erforderlich sein soll, im anderen Fall hingegen nicht. Mit den Vorgaben der zugrundeliegenden EU-Richtlinien lässt sich die Ungleichbehandlung jedenfalls nicht begründen. Zwar legt Art. 12 der Geweberichtlinie fest, dass die Mitgliedstaaten danach streben, freiwillige und unentgeltliche Spenden von Geweben und Zellen sicherzustellen, wohingegen Art. 20 der Blutrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden zu fördern, damit erreicht wird, dass Blut und Blutbestandteile soweit wie möglich aus solchen Spenden stammen. In dem einen wie in dem anderen Fall ist eine Verbotsregelung damit jedoch nicht zwingend vorgegeben, die Umsetzung der Geweberichtlinie hätte damit auch entsprechend der Regelungstechnik des TFG erfolgen können. Letztlich ist diese Ungleichbehandlung lediglich mit der gesetz57
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Anders: König, MedR 2005, S. 22 (23); kritisch auch Radau, Biomedizinkonvention, S. 165 im Rahmen der Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1 GG. Vgl. Erwägungsgrund (23) der Blutrichtlinie, ABl. L 33, S. 32 und die Entwurfsbegründung zu § 1 und § 10 TFG, BT-Drs. S. 15f. und 22, sowie Erwägungsgrund (19) der Geweberichtlinie, ABl. L 102, S. 49. Kritisch zum angenommenen Zusammenhang von Unentgeltlichkeit und Qualität der Blutspende: Stellungnahme der StKB zur öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Transfusionsgesetzes und arzneimittelrechtlicher Vorschriften“, Drucksache des Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherung 0714 (6) vom 19.10.2004, S. 2 m.w.N.
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D. Das Handelsverbot des TPG als Schranke der Eigenkommerzialisierung
geberischen Einschätzungsprärogative zu rechtfertigen, die es ihm erlaubt, die Zellspende als näher an der Gewebespende statt an der Blutspende einzuordnen und sie damit in den Regelungskomplex und das Regelungskonzept des TPG aufzunehmen, wo die Gewebespende bereits vor der Umsetzung der EUGeweberichtlinie geregelt war. Die Grenzen des Willkürverbots sind damit nicht überschritten, auch wenn die Ungleichbehandlung in der Sache nicht sonderlich überzeugt. c) Vergleich mit Handel außerhalb der Heilbehandlung Eine Ungleichbehandlung findet außerdem statt zwischen dem Handel mit Organen, Organteilen und Geweben im Sinne des TPG zum Zwecke der Heilbehandlung einerseits und dem Handel außerhalb des Heilbehandlungssektors andererseits. Hierzu weist die Entwurfsbegründung zum TPG darauf hin, dass entsprechende Verbotsregelungen dem Landesrecht vorbehalten seien.59 Das überzeugt als sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung kaum, da eine weitergehende Verbotsregelung kompetenzrechtlich Sache des Bundes wäre, weil es hierbei schwerpunktmäßig um Fragen des bürgerlichen Rechts und des Strafrechts nach Art. 74 Abs. 1 GG geht. Hieran zeigt sich zugleich, wie wenig überzeugend der Rückgriff auf den Schutz der Menschenwürde, den Schutz der körperlichen Integrität des Spenders und das Pietätsgefühl und die sittlichen Vorstellungen der Allgemeinheit ist: Hätte der Gesetzgeber ernst gemacht mit dem nach seiner Auffassung erforderlichen Schutz dieser Güter, wäre die strafrechtliche Erfassung auch außerhalb des Heilbehandlungssektors, wenn auch nicht verfassungsrechtlich geboten, so doch konsequent gewesen.60 Dennoch ist die Ungleichbehandlung nicht rational unerklärbar.61 Denn der sie tragende Grund ist auch hier das Anliegen, die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung zu steigern und damit verbunden die Einschätzung, die Spendebereitschaft werde nicht negativ beeinträchtigt, wenn das Verbot nicht alle Bereiche erfasst, sondern sich auf den Heilbehandlungssektor beschränkt.
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BT-Drs. 13/4355, S. 29. Kritisch auch König, in: S/K/G/O, TPG, Vor §§ 17, 18 Rn. 18; ders., in: Roxin/Schroth (Hrsg.), HbMedStrafR, S. 417. So aber König, in: S/K/G/O, TPG, Vor §§ 17, 18 Rn. 15; ders., MedR 2005, S. 22 (24); zurückhaltender ders., in: Roxin/Schroth, HbMedStrafR, S. 411.
III. Fazit
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III. Fazit Das Handelsverbot des § 17 TPG und die daran anschließende Strafvorschrift des § 18 TPG schränken die allgemeine Handlungsfreiheit des Substanzträgers somit in verfassungskonformer Weise ein. § 18 TPG ist durch die Gerichte allerdings restriktiv anzuwenden, soweit der Tatbestand auch den Handel mit Zellen erfasst. Soweit man auch Art. 14 GG als Maßstabsgrundrecht heranzieht, ist das Handelsverbot eine verfassungsmäßige Inhaltsbestimmung des Eigentums. Auch am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG gemessen ist das Handelsverbot nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz, dass § 17 TPG den Handel mit Organen und Geweben im Sinne des TPG, die einer Heilbehandlung zu dienen bestimmt sind, verbietet, wohingegen ein vergleichbares Verbot auf dem Transfusionssektor nicht besteht. Denn innerhalb der ihm zustehenden Einschätzungsprärogative ist der Gesetzgeber nicht gehindert, unterschiedliche Konzepte für unterschiedliche Regelungsbereiche zu verfolgen.
Teil 2: Auf dem Weg zum geborenen Menschen
E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
Nachdem sich der vorangegangene Teil der Untersuchung mit Eigentums- und Kommerzialisierungsfragen in Bezug auf den Körper des lebenden geborenen Menschen sowie dessen ungetrennte und getrennte Bestandteile befasst hat, sollen diese Probleme im folgenden Teil für den vorgeburtlichen Bereich beleuchtet werden. Ausgangspunkte sind dabei zum einen die auch eigentumsrechtliche Einordnung vom Körper getrennter menschlicher Keimzellen, zum anderen die Eigentumsunfähigkeit des Körpers des geborenen lebenden Menschen. Hier schließt sich notwendig die Folgefrage an, in welchem Zeitpunkt ein Wechsel des Rechtsregimes weg vom Eigentum und hin zum Lebensschutz stattfindet, wenn die Keimzellen zur Erzeugung neuen Lebens verwendet werden.
I. Begriffsbestimmung und Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes Der Begriff ‚Embryo‘ wird in der folgenden Erörterung bewusst vermieden, da die Medizin diesen Terminus herkömmlicherweise nur für die befruchtete Eizelle in vivo zwischen dem 16. und 60. Schwangerschaftstag nutzt.1 Demgegenüber gilt gemäß § 8 Abs. 1 ESchG als Embryo im Sinne des Gesetzes die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Um der Gefahr der Begriffsunklarheit aus dem Wege zu gehen, wird daher für den Zeitraum ab Beginn des Eindringens der Samenzelle in die Eizelle der Begriff ‚Keimling‘ als Oberbegriff verwendet. Was die Eigentumsfähigkeit des Keimlings angeht, ist im Rahmen der Untersuchung von vornherein eine Einschränkung auf den Keimling in vitro zu machen, da der Keimling im Mutterleib jedenfalls ab der Einnistung schon aufgrund seiner organischen Verbindung mit dem Körper der Mutter keine eigentumsfähige Sache sein kann. Soweit dem Keimling in vivo noch keine eigene Rechtsstellung zu1
Pschyrembel, Stichworte Embryo und Embryogenese, S. 478; in der allgemeinen wissenschaftlichen Diskussion wird dieser medizinische Sprachgebrauch jedoch zunehmend verlassen, was zu Verständigungsschwierigkeiten in der Diskussion führen kann; vgl. auch Keller, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, § 8 Rn. 3 und Kaiser, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, A II Rn. 32 a. E.
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
kommen sollte, könnten die Bestimmungsrechte daran jedenfalls keine anderen sein, als diejenigen, welche die Schwangere über sonstige ungetrennte Körperbestandteile innehat.
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache? 1. Eigentum bejahende Minderansicht im Zivil- und Strafrecht Aus zivil- und strafrechtlicher Perspektive bejaht eine zahlenmäßig geringe Ansicht das Eigentum an der befruchteten extrakorporalen Eizelle.2 Dabei wird der Vorgang der Befruchtung als Verbindung im Sinne von § 947 Abs. 1 BGB eingeordnet, so dass aus dem vormaligen Eigentum an der Ei- und der Samenzelle nunmehr Miteigentum der ehemaligen Substanzträger an der befruchteten Eizelle werden soll.3
2. Verfassungsrechtliche Eigentumsliteratur: Ende des Eigentums ab Konjugation In der verfassungsrechtlichen Literatur wird der rechtliche Status der Eizelle ab dem Zeitpunkt des Beginns der Imprägnation, also dem Beginn des Eindringens des Samenfadens in das reife Ei,4 kaum unter einer explizit eigentumsrechtlichen Fragestellung angesprochen. Diejenigen Autoren, die sich mit der Thematik befassen, verneinen einmütig die Eigentumsfähigkeit jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Konjugation, also dem Ende der Verschmelzung der Gameten,5 und stützen sich dabei auf die Dichotomie von Person und Sache: Die befruchtete Eizelle sei bereits Person und könne damit nicht mehr Sache im Rechtssinne sein.6 Zur Begründung des Personenstatus wird dabei zum Teil auf die Garantie der Menschenwürde zurückgegriffen,7 zum Teil wird angenommen, der menschliche Keimling sei bereits Träger des Lebensgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und könne deshalb nicht als eigentumsfähige Sache qualifiziert werden.8 Damit wird im Ansatz zu Recht ein kategorialer rechtlicher Unterschied betont: Mit dem Zeitpunkt, 2
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Bilsdorfer, MDR 1984, S. 803 (804); Spann, MMW 1983, S. 357 (360); in der Tendenz auch Koch, in: ArztChr, 1984, S. 212 (213). Bilsdorfer, MDR 1984, S. 803 (804); offenbar auch Spann, MMW, 1983, S. 357 (360). Pschyrembel, Stichwort Imprägnation. Brohm, JuS 1998, S. 197 (198); Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 103; Lorenz, in: FS Brohm, S. 441 (450); Starck, JZ 2002, S. 1065 (1067); im Ergebnis auch Kloepfer, JZ 2002, S. 417 (421); aus zivilrechtlicher Sicht auch Lanz-Zumstein, Rechtsstellung, S. 356. Brohm, JuS 1998, S. 197 (198); Lorenz, in FS Brohm, S. 441 (450) für die befruchtete Eizelle; so auch Vitzthum, JZ 1985, 201 (208): „tertium non datur“. Brohm, a.a.O.; offenbar auch Starck, a.a.O.,: „Personenwürde des Embryo“. Coester-Waltjen, a.a.O.; auf beide Gesichtspunkte abstellend Lorenz, a.a.O.
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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in dem die Kombination von Ei- und Samenzelle Schutzgegenstand der Menschenwürdegarantie oder des Grundrechts auf Leben wird, verbietet sich die Annahme von Eigentum, da dessen Grundprinzipien – Eigentümerwillkür und freie Verfügbarkeit – diametral dem von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geforderten Schutz des Schutzobjekts um seiner selbst willen zuwiderlaufen.9 Damit stellt sich die Frage, ab wann dieser kategoriale Unterschied zu machen ist, d.h. ab wann die Gameten ihre Eigentumsfähigkeit verlieren. Da soweit ersichtlich nirgends vertreten wird, der verfassungsrechtliche Würdeschutz setze vor dem verfassungsrechtlichen Lebensschutz ein, soll an dieser Stelle lediglich untersucht werden, ab wann Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG im pränatalen Stadium greift. Auf die Frage des Einsetzens des Würdeschutzes wird später zurückzukommen sein.
3. Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes a) Meinungsstand Gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG hat jeder das Recht auf Leben. Unstreitig gilt dies jedenfalls ab der Geburt.10 Ob dieser Schutz darüber hinaus bereits zu einem früheren Zeitpunkt beginnt und gegebenenfalls wann, ist noch nicht abschließend geklärt.11 Zwar besteht aus naturwissenschaftlicher Sicht Einigkeit, dass menschliches Leben im biologischen Sinne beginnt, wenn der genetische Code, der Voraussetzung für das Heranreifen eines Menschen ist, erstmals vollständig vorliegt.12 Mit der Feststellung des Lebensbeginns im biologischen Sinne ist jedoch nicht zwingend zugleich schon über den Zeitpunkt des Lebensbeginns im normativen Sinne entschieden, vielmehr kommt es darauf an, wie die Normen, welche das Schutzgut Leben zum Gegenstand haben, auszulegen sind.13 Da der Keimling nicht explizit in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erwähnt ist und auch die Entstehungsgeschichte keinen zuverlässigen Aufschluss darüber gibt, ob und falls ja, ab wann
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Vgl. Brohm, JuS 1998, S. 197 (198): „Als Verfügungsbefugnis über eine Sache kann Eigentum nicht Herrschaftsbefugnis über Menschen bedeuten.“ Zum dahinter stehenden Gedanken der Einheit der Verfassung vgl. Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 20, 71. Dies räumt sogar Hoerster, Ethik des Embryonenschutzes, S. 90ff. (insbes. S. 92) ein. Zum folgenden vgl. vor allem die Darstellung bei Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 62ff. und Isensee, Status, S. 37 (53ff.). Keller/Günther/Kaiser, ESchG, Anhang 2, S. 271. Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, V, § 128 Rn. 8; vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art 2 Abs. 2 Rn. 17; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 27 m.w.N.; siehe auch Limbach, Mensch ohne Makel, in: F.A.Z. vom 25.2.2002, S. 51: „Die Rechtswissenschaft ist nicht kompetent, die Frage zu beantworten, wann menschliches Leben beginnt […] die Naturwissenschaft ist aufgrund ihrer Erkenntnisse nicht in der Lage, die Frage zu beantworten, ab wann menschliches Leben unter den Schutz der Verfassung gestellt werden soll.“
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
er Grundrechtsschutz erfahren soll,14 kann bei erster Annäherung keine sichere Aussage über die Reichweite der Gewährleistung getroffen werden.15 Infolge dessen lassen sich neben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der deutschen Diskussion im Wesentlichen vier unterschiedliche Anknüpfungspunkte für den Beginn des Lebensschutzes ausmachen.16 aa) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch Das Bundesverfassungsgericht musste sich bislang nicht abschließend festlegen, ab wann der Lebensschutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG einsetzt. In seinen Urteilen zum Schwangerschaftsabbruch17 hat es jedoch entschieden, dass der verfassungsrechtliche Lebensschutz in vivo jedenfalls ab der Nidation einsetzt, also etwa vom 14. Tag der Empfängnis an. Denn spätestens ab dann sei der begonnene Entwicklungsprozess ein kontinuierlicher Vorgang, der eine genaue Scheidung einzelner Entwicklungsstufen nicht mehr zulasse. Zur Begründung führte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in der ersten Entscheidung aus, „die Sicherung der menschlichen Existenz wäre unvollständig, wenn sie nicht auch die Vorstufe des ‚fertigen Lebens’, das ungeborene Leben umfasste“18. Darüber hinaus spreche für eine extensive Auslegung des Schutzbereichs auch der Grundsatz, dass in Zweifelsfällen derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben sei, welche die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfalte.19 Dieser Argumentation hat sich auch der Zweite Senat im zweiten Schwangerschaftsabbruchsurteil im Wesentlichen angeschlossen: Jedenfalls ab der Nidation entwickle sich der Prozess des Wachsens nicht erst zum Leben, sondern bereits als Leben.20 Darüber hinaus ließ der Senat Sympathie dafür erkennen, dass der verfassungsrechtliche Lebensschutz noch früher anzusetzen sein könne. In einem obiter dictum wies er darauf hin, die Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie legten es nahe, dass menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne.21
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Vgl. Stern, Staatsrecht III/1, S. 1048ff.; Giwer, Präimplantationsdiagnotsik, S. 63f. m.w.N.; Spiekerkötter, Verfassungsfragen, S. 47ff. Anders: Weiß, JR 1992, S. 182 (183): Schon nach dem Wortlaut sei eindeutig auch das ungeborene Leben erfasst. Weitere denkbare Anknüpfungspunkte wie der Beginn des Hirnlebens, erste Kindesbewegungen oder extrauterine Lebensfähigkeit konnten sich zu recht nicht durchsetzen. Insoweit sei auf die Darstellung und Kritik bei Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 68ff. und Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik, S. 170ff. verwiesen. BVerfGE 39, 1ff. und BVerfGE 88, 203ff. BVerfGE 39, 1 (37). A.a.O., S. 38. BVerfGE 88, 203 (251f.). A.a.O., S. 251.
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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bb) Lebensschutz ab Konjugation Anknüpfend an dieses obiter dictum nimmt die herrschende Lehre an, der Lebensschutz gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG setze mit der Konjugation ein, also mit dem Abschluss der Befruchtung der Eizelle;22 zugleich wird überwiegend davon ausgegangen, der Eröffnung des Schutzbereichs korrespondiere die Grundrechtssubjektivität der konjugierten Eizelle.23 Ausgangspunkt dieser Ansicht ist, dass Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG jedenfalls das körperliche Dasein des Menschen im Sinne einer lebenden biologisch-physischen Existenz schützt.24 Diese Grundvoraussetzung erfülle auch vorgeburtliches menschliches Leben: Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle sei die genetische Identität bzw. Individualität der befruchteten Eizelle unveränderlich festgelegt.25 Darauf baue ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess auf,26 der darauf ausgerichtet sei, bei Schaffung und Aufrechterhaltung entsprechender äußerer Bedingungen allmählich menschliche Gestalt auszubilden.27 Daher sei jede spätere 22
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Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 29; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 49; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1057, 1061f. (1063); Lorenz, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 21; Steiner, Der Schutz des Lebens durch das Grundgesetz, S. 22; Höfling, Reprogenetik, S. 15ff. (20ff.); Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 129 Rn. 5 m.w.N.; Laufs, Fortpflanzungsmedizin, S. 43ff.; Brohm, JuS 1998, S. 197 (200f.); Fink, JURA 2000, S. 210 (214); Kloepfer, JZ 2002, S. 417 (420), der jedoch lediglich eine „Grundrechtsanwartschaft“ mit unterschiedlicher Schutzintensität annimmt, je nach Stand der Entwicklung und für das extrakorporal erzeugte menschliche Leben unter Umständen weniger ausgeprägt, als für die Zygote in vivo; im Ergebnis auch Spiekerkötter, Verfassungsfragen, S. 54, der jedoch auch eine abweichende Entscheidung des einfachen Gesetzgebers für zulässig hält; für eine von vornherein geminderte Schutzintensität für in vitro erzeugte Keimlinge im Vergleich zum Keimling in utero Losch, NJW 1992, S. 2926 (2930f.); dagegen etwa Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 29 m.w.N. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 29 i.V.m. 26; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 49; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1057, 1061f. (1063); Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 10 m.w.N.; Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 81 m.w.N.; Laufs, Fortpflanzungsmedizin, S. 48; Fink, JURA 2000, S. 210 (214); anders: Ipsen, JZ 2001, S. 989 (994), der lediglich eine objektivrechtliche staatliche Schutzpflicht annimmt; ähnlich Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 93ff.; für einen nur objektivrechtlichen (schwächer ausgeprägten) Schutz auch Dederer, in: AöR 127 (2002), S. 1 (20); dagegen Schmidt-Jortzig, DÖV 2001, S. 925 (928). Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 25; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 2 Rn. 192; Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 8 m.w.N.; Schwarz, in: KritV 84 (2001), S. 182 (194f.); siehe bereits Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., Art. 2 II Rn. 9. Höfling, Reprogenetik, S. 20f. Stern, Staatsrecht III/1, S. 1061f. (1063) m.w.N.; Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 21; Vitzthum, JZ 1985, S. 201 (208). Lorenz, in: FS Brohm, S. 441 (444); Schwarz, in: KritV 84 (2001), S. 182 (194) m.w.N.
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
Zäsur willkürlich und öffne der Gefahr der Manipulation des Grundrechts Tür und Tor.28 Darüber hinaus spreche auch der Grundsatz der Effektivität des Grundrechtsschutzes für eine grundsätzlich weite Tatbestandsauslegung.29 cc) Lebensschutz ab Ende der zweiten Reifeteilung Einer neueren Ansicht zufolge beginnt der verfassungsrechtliche Lebensschutz noch früher:30 Ausgangspunkt ist auch hier die Annahme, verfassungsrechtlicher Lebensschutz beginne, sobald der Prozess der Entwicklung ein Stadium erreicht habe, in dem der genetische Code unabänderlich festliege. Da dies jedoch bereits vor dem Abschluss der Vereinigung der Fall ist, nämlich nach Abschluss der zweiten Reifeteilung der Eizelle,31 müsse der verfassungsrechtliche Lebensschutz bereits zu diesem Zeitpunkt einsetzen und nicht erst mit der Verschmelzung der beiden Vorkerne.32 Das ist konsequent, wenn allein die Determination des genetischen Codes ausreicht, um den Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes zu begründen. dd) Lebensschutz ab Nidation bzw. Individuation Dass die Unabänderlichkeit des genetischen Codes hinreichende Bedingung für den Schutz durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ist, wird von Teilen der Literatur bestritten, die den Beginn des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes auf den Zeitpunkt der Nidation ansetzen, also auf die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter abstellen,33 bzw. auf die zeitlich hiermit in etwa zusammenfallende
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Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 29; Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 12 und 9f.; Fink, JURA 2000, S. 210 (214); Schwarz, in: KritV 84 (2001), S. 182 (195); Claassen, DVBl. 2002, S. 141 (143). Grundsätzlich Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 175ff.; mit Blick speziell auf die Biowissenschaften ders., in: FS Schiedermair, S. 363 (373f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 29; Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 78; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 290ff.; hinsichtlich der Bestimmung des Grundrechtsträgers eine weite Tatbestandstheorie ablehend: Merkel, Forschungsobjekt Embryo, S. 33f. Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 137f.; Sympathie für diesen Ansatz auch bei Höfling, Reprogenetik, S. 19f. mit Fn. 39; vgl. auch Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 78: „spätestens mit der Konjugation“. Zusammenfassend Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 128ff.; weitere Nachweise bei Heun, JZ 2002, S. 517 (519) und Faßbender, NJW 2001, S. 2745 (2749). Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 137f. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 145; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 24f.; im Anschluss daran auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 82; offenbar auch Denninger, in: KritV 86 (2003), S. 191 (205).
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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Individuation, ab der die Möglichkeit von Mehrlingsbildungen ausgeschlossen ist.34 (1) Teilungsargument Grundlage dieser Auffassung ist zum einen der Gedanke, der Begriff „menschliches Leben“ enthalte ein personales Element, gehe von einem Individuum aus. Da sich die befruchtete Keimzelle jedoch bis zur Individuation noch teilen kann und damit mehrere Keimlinge entstehen können, seien die Voraussetzungen für individuelles menschliches Leben erst ab dem Zeitpunkt erfüllt, ab dem eine Zwillingsbildung ausgeschlossen sei. Daher könne die befruchtete Eizelle erst ab der Individuation von der Gewährleistung des Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. GG erfasst sein.35 (2) Kontinuitätsargument Zum anderen wird auch hier auf die Kontinuität des Entwicklungsprozesses abgestellt, allerdings mit einem anderen Ergebnis: Von Kontinuität könne erst dann die Rede sein, wenn der Zeitpunkt erreicht sei, ab dem „das genetisch programmierte Selbstentfaltungsprogramm menschlichen Lebens so begonnen [hat], dass es nur noch gewalttätig oder durch Entzug der für den Stoffwechsel benötigten Ausgangsstoffe beendet werden“36 könne. Dies jedoch sei erst mit der Nidation der Fall bzw. bei extrakorporaler Befruchtung ab dem Zeitpunkt, in dem die befruchtete Eizelle in ein funktionelles Äquivalent der Gebärmutter verbracht werde, welches die Herausbildung zu einem voll ausgebildeten Menschen ermögliche.37 Eine Vorverlagerung des Lebensschutzes auf den Zeitpunkt der Befruchtung sei normativ kaum zu rechtfertigen. Andernfalls müsse „womöglich der in utero befindlichen befruchteten Eizelle von Rechts wegen von außen kommende Hilfe bei der Nidation geleistet werden.“38 Zudem sei naturwissenschaftlich alles andere als geklärt, ob Genom und Totipotenz allein ausreichten, um das vollständige Ent-
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Coester-Waltjen, FamRZ 1984, S. 230 (235); Heun, JZ 2002, S. 517 (522); Anderheiden, in: KritV 84 (2001), S. 353 (377ff.); Hofmann, JZ 1986, S. 253 (258f.) spricht nicht ganz korrekt von „Individuation durch Nidation“. Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 145a; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 82 i.V.m. Art. 1 Rn. 9; Coester-Waltjen, FamRZ 1984, S. 230 (235), die daher von latentem menschlichen Leben spricht, als einer Kategorie, die zwischen realem und potentiellem menschlichen Leben stehe und deren Schutz in der Mitte anzusiedeln sei, wobei jedoch Art. 1, 2 und 3 GG Richtschnur zu sein haben sollen. Dagegen: Fink, JURA 2000, S. 210 (215, Fn. 68). Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 24. Di Fabio, a.a.O.; nicht von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erfasst wird danach die lediglich konservierend aufbewahrte befruchtete Eizelle, ebensowenig die Zygote, deren Umgebungsmilieu lediglich ein ungelenkes Wachstum ermöglicht; ähnlich Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 145a f. Di Fabio, a.a.O.
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
wicklungsprogramm zu initiieren, oder ob es nicht spezifischer biochemischer Impulse aus der Umgebung bedürfe.39 (3) Rekonstruktionsargument Drittens wird ein Vergleich zwischen befruchteter Eizelle und in Nährlösung befindlichen somatischen Gewebekulturen gezogen: Wollte man die bloße Gattungsspezifität zur Grundlage des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes machen, müssten sämtliche Gewebeproben, welche aus somatischen Zellen bestehen, ebenfalls von der Gewährleistung erfasst sein. Denn es sei zumindest theoretisch nicht undenkbar, den Kern einer befruchteten Eizelle durch den einer somatischen Zelle zu ersetzen und diesen zur Rekonstruktion eines differenzierten Individuums anzuregen.40 Dass dies aber ersichtlich von niemandem vertreten werde, zeige die Notwendigkeit, ein weiteres Kriterium einzuführen. Zu fordern sei, dass der Entwicklungsprozess unter natürlichen Bedingungen möglich sein müsse. Dies wiederum bestätige die zentrale Bedeutung der Nidation.41 Vor diesem Zeitpunkt sei der [scil.: einfache] Gesetzgeber jedoch ermächtigt, möglicherweise sogar verpflichtet, die Lebensschutzbestimmungen etwa zu Lasten der Forschungsfreiheit ins Vorfeld der Nidation auszudehnen.42 (4) Potentialitätsargument Zum Teil wird speziell der Gedanke der Potentialität hervorgehoben, um zu begründen, dass der verfassungsrechtliche Lebensschutz erst mit der Nidation einsetzt. Ausgangspunkt ist dabei die These, Rechtsgut des Lebensschutzes in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sei der Mensch als psychophysische Einheit, bestehend aus „den drei Teilen physis, psyche und Selbstintegration“.43 Demgemäß lebe ein Mensch, wenn er eine selbstintegrierende psychophysische Einheit sei.44 Gattungsspezifisches Leben sei daher erst dann potentielles Leben im Sinne des Grundgesetzes, wenn es ohne weiteres menschliches Dazwischentreten im natürlichen Verlauf seiner Entwicklung liege, dass es zu einer selbstintegrierenden Einheit werde.45 Für den in vitro fertilisierten Keimling sei dies bereits deshalb zu verneinen, weil es eines menschlichen Dazwischentretens in Form der Implantierung in den Uterus einer Frau bedürfe.46 Für den Keimling in vivo bedürfe es zwar zur vollständigen Entwicklung keines derartigen Aktes, der natürliche Verlauf der Entwicklung 39
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A.a.O. unter Bezugnahme auf Nüsslein-Volhard, F.A.Z. vom 02.10.2001, S. 55. Unter Bezugnahme auf dies., bestreitet Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Art. 1 I Rn. 85, die Tauglichkeit des Kontinuitätsarguments zur Begründung eines Würdeschutzes pränidativer menschlicher Lebensformen; dort auch weitere Nachweise in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 GG. Hofmann, JZ 1986, S. 253 (259). Hofmann, a.a.O. Hofmann, a.a.O.; ähnlich Coester-Waltjen, FamRZ 1984, S. 230 (235). Anderheiden, in: KritV 84 (2001), S. 353 (363). Anderheiden, a.a.O., S. 378. Anderheiden, a.a.O., S. 378f. Anderheiden, a.a.O.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 145a.
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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beginne jedoch erst mit der Nidation: Als natürlicher Verlauf sei der Normalfall, der wahrscheinlichere Fall anzusehen – im Ergebnis die Mehrzahl der betrachteten Fälle. Zur Ausbildung einer psychosozialen Einheit komme es in der Mehrzahl der Fälle jedoch erst, wenn eine Nidation stattgefunden habe. Somit setze der Schutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erst zu diesem Zeitpunkt ein – unabhängig von der Form der Fertilisation.47 Die Frage, ob für den vorherigen Zeitraum überhaupt verfassungsrechtlicher Schutz besteht, bleibt dabei ausdrücklich offen.48 ee) Lebensschutz ab Geburt Nach der engsten Auffassung setzt das Recht auf Leben erst mit der Geburt ein.49 In Anlehnung an ein umstrittenes philosophisches Konzept50 und davon ausgehend, dass die Verfassung sowohl eine Bejahung als auch eine Verneinung eines eigenständigen Lebensrechts vorgeburtlichen menschlichen Lebens zulasse,51 sei aus rechtsethischer Perspektive eine Entscheidung für die zweite Alternative angemessen: Nicht die Gattungszugehörigkeit könne eine Zuschreibung von Rechten rechtfertigen, sondern lediglich die Eigenschaft, ein personales Wesen zu sein, also ein Wesen, das Ich-Bewusstsein und Rationalität besitze; welches nicht nur Vergangenheit und Zukunft besitze, sondern sich auch als Wesen mit Vergangenheit und Zukunft verstehe.52 Ein solches personales Wesen – und nur ein solches – könne unter der Vorstellung des Eintritts des eigenen Todes leiden, es habe also ein Interesse daran, nicht getötet zu werden. Dies sei der gute Grund, durch Aufstellung eines Tötungsverbots ein Recht auf Leben einzuräumen. Aktuelle Personalität in oben beschriebenem Sinne besitze jedoch nicht einmal ein Neugeborenes, erst recht also nicht die Vorstufe gattungsspezifischen menschlichen Lebens im biologischen Sinne.53 Die bloße Tatsache, dass vorgeburtlichem Leben potentielle Personalität innewohne, könne nicht zu der Annahme führen, dass ihm Rechte, die eine aktuelle Person hat, automatisch zuzuschreiben seien.54
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Anderheiden, a.a.O., S. 379f. unter Bezugnahme auf medizinische Statistiken. Anderheiden, a.a.O., S. 380f. Hoerster, JuS 1989, S. 172ff.; nach Ekardt/Kornack, in: KritV 89 (2006), S. 349 (364) soll im pränatalen Bereich lediglich eine „Vorwirkung des Rechts auf Leben und Gesundheit“ bestehen. Singer, Praktische Ethik, insbesondere S. 146ff.; vgl. dazu die übersichtliche Zusammenfassung von Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 71ff. Hoerster, JuS 1989, S. 172 (173); ders., Ethik des Embryonenschutzes, S. 30ff., 64. Hoerster, a.a.O., S. 175 – Hervorhebung im Original. Hoerster, a.a.O., S. 175; ein nicht personales Wesen werde demgegenüber nicht in seiner Lebensqualität beeinträchtigt, solange der Tod schmerzlos und unvorhergesehen eintrete; ausführlich ders., JZ 1992, S. 269ff. Hoerster, JuS 1989, S. 172 (176) nennt als Beispiele den Thronfolger, der zwar potentiell König sei, keineswegs jedoch deswegen bereits die Rechte des derzeitigen Königs innehabe, sowie den potentiell Wahlberechtigten, der deswegen noch kein aktuelles Wahlrecht genieße. Dieser Vergleich ist allerdings insofern schief, als die genannten Beispiele anders als das Recht auf Leben nicht an einen außerrechtlichen Tatbestand anknüpfen.
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
Dass Neugeborenen dennoch ein eigenständiges Lebensrecht einzuräumen ist, ist danach nicht mehr als eine Sicherheitsreserve bzw. ein der Praktikabilität dienendes Zugeständnis.55 b) Stellungnahme Ausgehend von der bereits mehrfach angesprochenen Dichotomie von Person und Sache ist es nur konsequent, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass im Ergebnis alles Sache und grundsätzlich eigentumsfähig ist, was nicht Person im Sinne eines Trägers subjektiver Rechte ist, oder was nicht zumindest objektivrechtlich von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützt ist.56 Je später der Lebensschutz einsetzt, umso länger besteht daher die Möglichkeit, dass die Personen, von denen die Gameten stammen, Miteigentümer sind, sobald die Imprägnation begonnen hat – mit weitreichenden Folgen insbesondere für die Zulässigkeit wissenschaftlicher Verwendung der imprägnierten Eizelle: Denn dann steht entsprechenden Absichten keine eigene abwägungsfähige verfassungsrechtliche Position des Keimlings entgegen. aa) Mindestbedingung: genetischer Bauplan plus Prozessbeginn Wann der Wechsel des Rechtsregimes vom Eigentum hin zu Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG stattfindet, sei es als Abwehrrecht oder in der objektivrechtlichen bzw. Schutzpflichten auslösenden Dimension, ist letzten Endes Ergebnis einer Interpretation, die in gewissem Maße angreifbar bleibt, egal, für welchen Zeitpunkt man sich entscheidet. Denn letztlich markiert jeder favorisierte Zeitpunkt ein Datum, das auf Wertungen aufbaut: Diejenigen, die allein auf das Vorliegen des für die genetische Selbstorganisation notwendigen molekularen Bausatzes abstellen, stehen vor dem Problem, dass nicht mit Sicherheit erwiesen ist, ob dieser schon ausreicht, um das Entwicklungsprogramm hin zu einem selbständig lebensfähigen Menschen zu initiieren und zu vollenden, oder ob es nicht einer spezifischen biochemischen Kommunikation mit der Umgebung bedarf.57 Diejenigen, die einen späteren Zeitpunkt als maßgeblich erachten, müssen sich eine gewisse Willkür vorwerfen lassen,58 da aus genetischer Perspektive keine neuen Bausteine mehr hinzukommen, sondern sich der Prozess aus einem bereits feststehenden genetischen Bauplan entwickelt, zu dessen Realisierung freilich noch von außen wirkende Komponenten (Nährstoffe, gegebenenfalls bestimmte biochemische Impulse, eine ‚entwicklungsfreundliche‘ Umgebung) notwendig sind. Ob die Unveränderlichkeit des genetischen Plans bereits conditio per quam für Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ist oder lediglich conditio sine qua non, hängt davon ab, ob die Kriterien, die zu einem zeitlich verschobenen Beginn des Lebensschutzes führen, überzeugen. Sicherlich kann nicht allein das Vorliegen eines vollständigen Chromosomensatzes ausreichen, um verfassungsrechtlichen Lebensschutz zu begründen, da nicht jeder diploiden Zelle die Fähigkeit innewohnt, sich aus sich 55 56
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Vgl. Hoerster, a.a.O., S. 178. Klar gesehen von Brohm, JuS 1998, S. 197 (200) in Bezug auf die Auswirkungen der Konzeption Singers und Hoersters. Insoweit zutreffend Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 25. Vgl. dazu Isensee, Status, S. 38 (61f.).
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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heraus so zu differenzieren, dass am Ende der Entwicklung ein vollständig ausgebildeter Mensch steht. Ein Lebensrecht oder auch nur ein objektiver verfassungsrechtlicher Lebensschutz für sämtliche Gewebekulturen wäre in der Tat absurd.59 Dies bestätigt aber nicht die ausschlaggebende Bedeutung der Nidation; dargetan ist damit lediglich, dass ein Unterschied zu machen ist zwischen zwei Arten von Zellen: auf der einen Seite Zellen, die unter entsprechenden Umgebungsbedingungen aus sich heraus das Potential haben, sich zu einem differenzierten Organismus zu teilen; auf der anderen Seite Zellen, die erst durch Zellkerntransfer in eine entkernte Eizelle die inneren Voraussetzungen erlangen, um überhaupt differenzierungsfähig zu sein. Aus dem Rekonstruktionsargument lässt sich also lediglich ableiten, dass der verfassungsrechtliche Lebensschutz neben dem Vorliegen des genetischen Bauplans zusätzlich voraussetzt, dass ein Prozess begonnen haben muss, der auf die Ausbildung eines ‚fertigen‘ Menschen gerichtet ist. Weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich daraus hingegen nicht ziehen. bb) Voraussetzungsarme Bestimmung des personalen Schutzbereiches Hat der Entwicklungsprozess das Stadium des feststehenden genetischen Codes erreicht, kann es nicht überzeugen, ihn aus anderen Gründen erst ab der Individuation oder der Nidation als verfassungsrechtlich relevant einzustufen. Richtig ist zwar, dass ab dem Zeitpunkt der Individuation im Ergebnis nur noch ein Mensch am Ende des Entwicklungsprozesses stehen kann und nicht mehrere. Die Frage ist allerdings, ob nicht eine Deutung des verfassungsrechtlichen Lebensbegriffs angemessener ist, die auf die genetische Determination statt auf die quantitative Singularität abstellt.60 Ähnliches gilt im Prinzip für das Abstellen auf die Nidation oder sonstige spätere Zeitpunkte. Auch hier läuft letzten Endes alles auf die Frage zu, ob diese Beschränkungen der Sachgeprägtheit des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gerecht werden: Der Schutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG knüpft an ein biologisches Faktum an; Leben kann anders als etwa Eigentum nicht erst durch rechtliche Anerkennung gedacht werden, sondern bezeichnet zunächst einen außerrechtlichen Befund, an den die Verfassungsrechtsordnung Rechtsfolgen anbindet. Das geschützte Rechtsgut ist also sachgeprägt und nicht normgeprägt. Daher liegt es nahe, den Schutzbereich entsprechend weit zu fassen und die Argumentationslast demjenigen aufzubürden, der den biologischen Befund nur unter Einschränkungen auf den Verfassungsbegriff des Lebens anwenden will.61 Dem entspricht es, wenn das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass im Zweifel diejenige Auslegung zu bevorzugen ist, die die Wirkkraft der Grundrechte am 59 60
61
Insoweit zutreffend Hofmann, JZ 1986, S. 253 (259). Vgl. Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 135f.; vgl. auch die Unterscheidung von genetischer Identität und Originalität bei Isensee, Status, S. 37 (58). Wie hier Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 78. Zur normativen Offenheit sachgeprägter Schutzbereiche siehe Höfling, Depossedierung, in: Taupitz (Hrsg.), Bedeutung der Philosophie, S. 38 (46ff.); Grundlegung: ders., Offene Grundrechtsinterpretation, S. 92ff.
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
stärksten zur Geltung bringt.62 Eine bereits am Schutzbereich ansetzende, einengende Interpretation müsste daher besondere rechtfertigende Gründe aufzeigen können. Die Individuation kann eine derartige Rechtfertigung nicht bieten, weil nicht plausibel ist, weshalb ein bis dahin bestehendes gattungsspezifisches, genetisch individuell kombiniertes menschliches Leben lediglich deshalb nicht geschützt werden soll, weil die Möglichkeit besteht, dass sich aus einem geringen63 Teil seiner Zellen ein weiteres Leben entwickeln kann.64 Ihrer Argumentationslast nicht gerecht wird auch die Ansicht, erst mit der Nidation beginne der verfassungsrechtliche Lebensschutz. Wenn naturwissenschaftlich nicht geklärt ist, ob allein vollständiges Genom und Totipotenz ausreichen, um das individuelle Lebensprogramm aus sich selbst heraus in Gang zu setzen, oder ob es nicht besonderer Anregung durch eine spezifisch kommunizierende Umgebung bedarf, ist im Zweifel so lange davon auszugehen, dass sie nicht erforderlich ist, bis das Gegenteil feststeht. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dann müsse möglicherweise der Eizelle in vivo von Rechts wegen Hilfe bei der Einnistung geleistet werden. Denn hierbei handelte es sich nicht um Schutz gegen Einwirkungen Dritter, sondern um Schutz gegen den natürlichen Vorgang eines Fehlschlags der Einnistung; die Natur aber ist kein geeigneter Auslöser grundrechtlicher Schutzpflichten.65 Ebensowenig überzeugt es, auf einen natürlichen Verlauf der Entwicklungschancen abzustellen und diesen mit der Mehrzahl der zur Geburt führenden Fälle gleichzusetzen: Die darin angelegte Relativierung übersieht zum einen, dass sich die Natur im Gegensatz zum Menschen nicht rechtfertigen muss, zum anderen liegt darin im Endeffekt eine unzulässige statistische Bewertung menschlichen Lebens. Erst Recht kann der verfassungsrechtliche Lebensschutz nicht von geistigen Fähigkeiten oder Interessen abhängig gemacht und der Lebensschutz für Neugeborene lediglich als Sicherheitsreserve einkalkuliert werden. Wenn auch das geschützte Gut ‚Leben‘ Basis aller weiteren grundrechtlich geschützten Freiheitsentfaltung ist,66 folgt daraus nicht, dass der Schutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erst mit der aktuellen Fähigkeit zur Freiheitsentfaltung einzusetzen hätte, oder vom Vorhandensein bestimmter Interessen abhängig wäre.67 Denn Leben wird von Verfassungs wegen nicht nur deshalb geschützt, weil es die Basis jeglicher Freiheitsentfaltung ist, sondern auch und gerade um seiner bloßen Existenz willen.68 Dass der 62 63 64
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68
BVerfGE 51, 97 (110); 39, 1 (38); 32, 54 (71); 6, 55 (72). Vgl. Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik, S. 176 m.w.N. Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 68 m.w.N.; Böckenförde-Wunderlich, a.a.O.; Geddert-Steinacher, Menschenwürde, S. 64; ähnlich Isensee, Status, S. 38 (59). Vgl. auch Isensee, Status, S. 37 (60). Siehe nur Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 9. Zu den Folgen eines derartigen Verständnisses vgl. Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 74f. Statt vieler: Lorenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR VI, § 128 Rn. 3; siehe auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 192; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 2 II Rn. 25.
II. Der Keimling als eigentumsfähige Sache?
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Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht von der aktuellen Fähigkeit geistiger Entfaltung abhängig sein kann, zeigt sich an folgendem Beispiel:69 Gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Würde man nun die aktuelle geistige Fähigkeit grundrechtlicher Entfaltungsfreiheit zur Voraussetzung des Lebensschutzes machen wollen, bedeutete dies konsequenterweise, schwerst geistig behindert geborenen Menschen, das Recht auf Leben abzusprechen. Darin läge jedoch eine rechtliche Benachteiligung aufgrund der Behinderung, was zu einem unhaltbaren Widerspruch zur Wertung des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG führen würde.70 Hieraus lässt sich zum einen ableiten, dass der postnatale grundrechtliche Lebensschutz nicht von aktuellen geistigen Fähigkeiten abhängig sein kann. Weitergehend zeigt das Beispiel aber zugleich, dass nicht einmal das konkret vorhandene Potential, geistige Fähigkeiten ausbilden zu können, entscheidend sein kann. Denn im Falle einer geistigen Schwerstbehinderung ist selbst dieses Entwicklungspotential unter Umständen nicht gegeben, ein verfassungsrechtliches Recht auf Leben kann nach oben Ausgeführtem dennoch nicht bestritten werden. Darüber hinaus würde eine derartige Auffassung auch im Gegensatz zur Entstehungsgeschichte des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG stehen, da dieser gerade im Hinblick auf die historischen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus einer qualitativen Bewertung menschlichen Lebens anhand geistiger Fähigkeiten entgegenwirken sollte.71 Kann aber der Lebensschutz beim geborenen Menschen nicht vom Vorhandensein der aktuellen oder potentiellen Fähigkeit zu aktiver Freiheitsentfaltung abhängig sein, so ist nicht einzusehen, warum dies im vorgeburtlichen Stadium anders sein sollte, zumal der Zeitpunkt der Geburt mittlerweile in nicht unerheblichem Maß steuerbar ist. Jeglichen Versuchen, das „Ob“ des Lebensschutzes von Fähigkeiten oder Interessen abhängig zu machen, ist daher ebenso eine Absage zu erteilen wie einer Zuschreibung für Neugeborene als Sicherheitsreserve.72 cc) Fazit: Lebensschutz ab Ende der zweiten Reifeteilung Damit verdient eine „inhaltsarm[e]“73 Definition des verfassungsrechtlichen Lebensbegriffs den Vorzug, die auf die endgültige Festlegung der genetischen Individualität (nicht: Singularität) abstellt, wobei zusätzlich zu fordern ist, dass ein Prozess in Gang gesetzt ist, der darauf gerichtet ist, in einen biologisch ausdiffe69 70
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Nach Giwer, Präimplantationsdiagnostik, S. 75. Giwer, a.a.O; vgl. auch Isensee, Status, S. 37 (76) in Bezug auf die Frage der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik. Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 9. Im Ergebnis wie hier: Höfling, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 52ff., dort auch insbesondere gegen die Verwendung des Ausdrucks der „Zuschreibung“ von Lebensrechten. Inwieweit Abstufungen im Hinblick auf die Intensität des Schutzanspruchs je nach Fortschritt der Entwicklung des Keimlings möglich sind (also die Frage nach dem „Wie“ bzw. „Wieviel“), kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter untersucht werden, ohne dass eigentliche Thema zu weit zu verlassen. Zum Problem siehe zum Beispiel: Kloepfer, JZ 2002, S. 417 (420ff.). Höfling, in: FS Schiedermair, S. 363 (372).
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E. Vom Eigentum zum Lebensschutz
renzierten menschlichen Organismus zu münden. Beide Voraussetzungen sind erfüllt, sobald die zweite Reifeteilung der imprägnierten Eizelle beendet ist.74 In diesem Zeitpunkt setzt der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. GG ein.
4. Folge: Ende der Eigentumsfähigkeit mit Abschluss der zweiten Reifeteilung Damit scheidet eine Einordnung des menschlichen Keimlings als Eigentum mit Ende der zweiten Reifeteilung aus. Offenbleiben kann dabei an dieser Stelle, ob damit – was naheliegt75 – bereits Grundrechtssubjektivität gegeben ist, oder ob lediglich die objektivrechtliche Dimension des Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. GG greift, da jedenfalls eine Verschiebung vom Regelungsbereich des Eigentums in den Regelungsbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG stattfindet. Im Zeitraum zwischen Beginn der Imprägnation und Abschluss der zweiten Reifeteilung hingegen führt der verfassungsrechtliche Lebensschutz nicht zu einem Ausschluss der Eigentumsfähigkeit. In diesem Zeitraum ist die imprägnierte Eizelle eine eigentumsfähige Sache, die im Miteigentum der ehemaligen Eigentümer der Gameten steht. An dieser setzt sich das persönlichkeitsrechtliche Bestimmungsrecht der ehemaligen Träger fort.
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Zutreffend daher Röger, Verfassungsrechtliche Probleme medizinischer Einflussnahme, S. 138. Denn wenn das sachliche Schutzgut Leben vorliegt und „jeder“ das Recht auf Leben hat, spricht dies dafür, immer dort, wo Leben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG existiert, dieses zugleich als „jeder“ zu betrachten, statt davon auszugehen, „jeder“ bezeichne alle Kandidaten einer bestimmten Menge, also diejenigen, die ein Recht auf Leben haben (so aber Spiekerkötter, Verfassungsfragen. S. 47; im Anschluss daran auch Rixen, Lebensschutz, S. 274 und Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 69). Denn dann wird die Gewährleistung zirkulär: Wenn „jeder“ derjenige ist, der ein Recht auf Leben hat, bedeutet dies im Ergebnis „Die Menge derer, die ein Recht auf Leben haben, hat ein Recht auf Leben.“
F. Kommerzialisierung des Keimlings
Auch wenn Bestimmungsbefugnisse über den Keimling ab dem Ende der zweiten Reifeteilung keinen eigentumsrechtlichen Charakter haben können,1 und selbst wenn – abgesehen von der prinzipiellen Entscheidungsbefugnis der Frau für oder gegen die Einpflanzung bzw. Austragung – überhaupt keine Befugnisse zur Disposition über ihn bestehen, ist allein dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Keimling Gegenstand eines gewinnorientierten Überlassungsgeschäfts wird, welches faktisch vollzogen werden kann. Dass der Gesetzgeber hier Regelungsbedarf gesehen hat, zeigt sich an § 2 Abs. 1, 1. Var. ESchG. Danach ist es bei Strafe verboten, einen extrakorporal erzeugten menschlichen Embryo im Sinne des § 8 Abs. 1 ESchG,2 sowie einen menschlichen Embryo, der einer Frau vor Abschluss seiner Einnistung in die Gebärmutter entnommen wurde, zu veräußern. Der Gesetzgeber hatte damit offenbar unter anderem Fälle im Auge, in denen trotz der Vorkehrungen in § 1 ESchG überzählige Embryonen entstehen, sei es weil eine Einpflanzung von vornherein nicht vorgesehen war, sei es, weil sie aus anderen Gründen nicht möglich ist.3 Anders als bei den übrigen Verbotstatbeständen des § 2 Abs. 1 EschG (Abgabe, Erwerb oder Verwendung) hängt die Strafbarkeit der Veräußerung nicht davon ab, ob sie der Erhaltung des Embryos dienen soll. In Abgrenzung zum Tatbestandsmerkmal der Abgabe meint Veräußerung dabei nur die entgeltliche Weitergabe.4 Der Entwurfsbegründung lässt sich hierzu entnehmen, menschliches Leben dürfe grundsätzlich nicht zum Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden. Dies müsse auch für menschliches Leben im frühesten Stadium seiner Entwicklung gelten.5 Diese Wortwahl deutet darauf hin, dass Schutzgut des § 2 Abs. 1, 1. Var. ESchG die Menschenwürde sein soll,6 so dass das Veräußerungsverbot als Wahrnehmung des aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG folgenden staatlichen Schutzauftrags zu verstehen sein könnte. Problematisch ist hieran zweierlei: Zum einen stellt sich 1 2
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Siehe oben Kap. E. Abschn. II. 4. Als Embryo im Sinne des Gesetzes „gilt bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag“. Günther, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, § 2 Rn. 7. Günther, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, § 2 Rn. 25. BT-Drs. 11/5460, S. 10. Günther, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, § 2 Rn. 5.
112
F. Kommerzialisierung des Keimlings
zunächst die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Keimling überhaupt in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG fällt (dazu unter I.), zum anderen bedarf es der Klärung, wie sich der Garantiegehalt der Menschenwürde im pränatalen Bereich überhaupt sinnvoll konkretisieren lässt (dazu unter II.).
I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie 1. Zeitlicher Beginn des Würdeschutzes Wann der Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG im vorgeburtlichen Bereich einsetzt, ist ähnlich umstritten wie das Einsetzen des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes. a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In der ersten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch stellte das Bundesverfassungsgericht für den Zeitraum nach der Nidation in aller Deutlichkeit aber ohne weitere Begründung fest: „Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewusst ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen.“7
In der zweiten Entscheidung heißt es daran anknüpfend: „Diese Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen.“8
Das Gericht geht also davon aus, dass das Bezugsobjekt der Gewährleistungen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG identisch ist, diese also beide einschlägig sind – jedenfalls ab der Nidation. Dabei sieht es den Grund für den staatlichen Schutzauftrag für das ungeborene Leben in Art. 1 Abs. 1 GG, der Gegenstand und von ihm her das Maß folge aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.9 Ähnlich wie im Bereich des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes hat sich auch in Bezug auf den Würdeschutz des vorgeburtlichen Lebens an dieser Rechtsprechung eine Diskussion entsponnen, in welchem Zeitpunkt der verfassungsrechtliche Schutz innerhalb des Entwicklungsprozesses menschlichen Lebens einsetzt. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob Lebens- und Würdeschutz in personeller Hinsicht von denselben Voraussetzungen abhängig sind und damit im selben Zeitpunkt einsetzen, oder ob Lebens- und Würdeschutz voneinander zu entkoppeln sind und somit der Würdeschutz später als der Lebensschutz beginnt. 7 8 9
BVerfGE 39, 1 (41); wiederholt von BVerfGE 88, 203 (252). BVerfGE 88, 203 (252). BVerfGE 88, 203 (252).
I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie
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Dies wiederum hängt davon ab, ob ‚Leben‘ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG einzige Bedingung des ‚Menschseins‘ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG ist. b) Entkoppelungsthese in der Literatur Der überwiegende Teil der verfassungsrechtlichen Literatur geht insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung davon aus, dass Würde- und Lebensschutz im selben Zeitpunkt einsetzen,10 wobei freilich je nach Auffassung über den Beginn verfassungsrechtlich geschützten Lebens unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, wann dies der Fall ist. Demgegenüber wird verschiedentlich die Entkoppelung von Lebens- und Würdeschutz im Hinblick auf die Anforderungen an den personellen Träger verlangt.11 Dem liegt der im Ansatz zutreffende Gedanke zugrunde, eine Beeinträchtigung des Rechts auf Leben müsse nicht notwendigerweise zugleich eine Verletzung der Menschenwürde bedeuten, ebenso, wie eine Verletzung der Menschenwürde nicht mit der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zusammenfallen müsse.12 Dies zeige schon der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG, der Eingriffe in das Recht auf Leben im Grundsatz ermögliche, wohingegen der Schutz der Menschenwürde absolut und ohne Möglichkeit der Abwägung gewährleistet sei.13 Demgemäß sei der Anwendungsbereich jeder Gewährleistung sowohl in sachlicher als auch in personeller Hinsicht gesondert zu bestimmen. aa) Ausschluss wegen Untauglichkeit der angebotenen Würdekonzepte Betrachte man die zur Garantie der Menschenwürde entwickelten Ansätze, zeige sich, dass eine Einbeziehung vorgeburtlichen Lebens kaum auf eines dieser Konzepte gestützt werden könne.14 Verstehe man Menschenwürde als Leistungsbegriff im Sinne einer gelungenen Selbstdarstellung, mangele es dem vorgeburtlichen Leben an allen Voraussetzungen dafür: Ich-Bewusstsein, Vernunft und Selbstbestimmung. Auch das Verständnis der Menschenwürde als Kommunikationsbegriff15 ergebe kein anderes Bild: Denn Schutzgut der Menschenwürde sei danach die mitmenschliche Solidarität in einer konkreten Anerkennungsgemeinschaft, an der das ungeborene Leben aber noch nicht teilhabe. Lege man dem verfassungsrechtlichen Würdebegriff eine Wert- bzw. Mitgifttheorie zugrunde, so könnten 10
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15
Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 54, 59; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 9 i.V.m. Art. 2 Rn. 82; Stern, Staatsrecht III/1, S. 1056ff.; Böckenförde, JZ 2003, S. 809 (811f.); Kloepfer, JZ 2002, S. 417 (420) m.w.N.; Benda, NJW 2001, S. 2147 (2148); Vitzthum, JZ 1985, S. 201 (208); Isensee, Status, S. 37 (63). Nachdrücklich gegen eine personelle Entkoppelung zuletzt Höfling, in: FS Isensee, S. 525 (528ff.). Dreier, DÖV 1995, S. 1036 (1037); Denninger, in: KritV 86 (2003), S. 191 (203f.); insoweit im Grundsatz auch Höfling, in: FS Isensee, S. 525 (528): „banale Erkenntnis“. Schmidt-Jortzig, DÖV 2001, S. 925 (926). Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Art. 1 I Rn.84; ders., DÖV 1995, S. 1036 (1038f.), dort auch jeweils zu den folgenden Ausführungen. Hofmann, in: AöR 118 (1993), S. 353 (364ff.).
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F. Kommerzialisierung des Keimlings
deren naturrechtlich-idealistische Varianten ebenfalls nicht zu einer Zuschreibung von Würde für das ungeborene Leben führen, da diese auf den menschlichen Selbstentwurf angelegt seien, dieses Entwurfsvermögen jedoch allenfalls potentiell vorhanden sei. Auf die bloße Potentialität abzustellen stehe jedoch im Widerspruch zur Entstehungsgeschichte des Art. 1 Abs. 1 GG, da dieser einen konkreten Schutz für konkrete Subjekte habe gewähren sollen.16 Einzig eine streng durchgehaltene imago-Dei-Lehre könne eine Einbeziehung pränatalen Lebens in den Gewährleistungsbereich begründen; diese zur Interpretationsgrundlage im weltanschaulich neutralen Staat zu machen, verbiete sich jedoch gerade in hochumstrittenen Fragen.17 Träger der Menschenwürde könne daher im Ergebnis erst der geborene Mensch sein.18 bb) Würde durch Erkennbarkeit Ein anderer Ansatz bezieht zwar auch vorgeburtliches menschliches Leben in den Gewährleistungsbereich des Art. 1 Abs. 1 GG ein, scheidet jedoch – ohne den genauen Beginn der Würdefähigkeit zu benennen – jedenfalls pränatale Stadien vor dem siebten Tag der Entwicklung aus.19 Hintergrund ist die Annahme, Menschenwürde sei ein Beobachtungsprädikat von Menschen über Menschen, das sich in dreifachem Wortsinn beschreiben lasse als erstens: sittlicher Anspruch, der für Tugend, Anstand und Ehrbarkeit stehe, zweitens: habituelles Wesen, Auftritt, Vornehmheit, Erhabenheit und drittens: die äußere Wirkung im Sinne von Ehrenhaftigkeit, Hochachtbarkeit, Vorbild – kurz: honestas, gravitas, auctoritas.20 Menschenwürde sei also ein Wertbegriff, dessen Ausfüllung von dritter Seite erfolgen müsse, was eine soziale Reflexion des in Augenschein genommenen verlange. Daher könne es nicht auf die bloße Gattungszugehörigkeit ankommen. Vielmehr setze der Begriff Mensch im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG voraus, dass das in Augenschein genommene als Mensch auszumachen sei.21 ‚Mensch‘ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG sei mehr als die Summe seiner Gene. Das spezifisch Menschliche liege in der einzigartigen Vernunftbegabung, der Gefühlsabhängigkeit, der Sozialität eines Geschöpfes. Der Mensch sei ein kulturelles Wesen mit Anlagen zu Musikalität und mit sprachlicher Artikulationsfähigkeit, „und alles ist auf Interaktion und Kommunikation mit seinesgleichen angelegt.“ Wann genau die Erkennbarkeit als Mensch beginne, lasse sich zwar 16 17
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Vgl. dazu auch Hofmann, in: AöR 118 (1993), S. 353 (361). Dreier, DÖV 1995, S. 1036 (1038) im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Podlech, in: Denninger (Hrsg.), u.a., AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 57; offenbar auch Dreier, in: Dreier, (Hrsg.), Art. 1 I Rn. 66, 83; Denninger, in: KritV 86 (2003), S. 191 (206f.), der allerdings eine Vorwirkung oder Vorstufe der Menschenwürde anerkennen will; nach Merkel, Forschungsobjekt Embryo, S. 110ff., lässt sich für den Zeitraum vor der Geburt lediglich eine ausschließlich objektivrechtliche Schutzpflicht aus der „Würde der Menschheit als Spezies“ (S. 113) begründen. Schmidt-Jortzig, DÖV 2001, S. 925 (927). Schmidt-Jortzig, a.a.O. Schmidt-Jortzig, a.a.O., S. 928f.
I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie
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schwerlich feststellen, jedenfalls vor dem siebten Tag der Entwicklung sei dies jedoch sicherlich nicht der Fall.22 Eine generelle Entscheidung darüber habe im Übrigen der Gesetzgeber zu treffen.23 cc) Würde durch Entwicklung als Mensch – Nidation als Brücke zum Menschsein Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach sich menschliches Leben jedenfalls ab der Nidation nicht zum Menschen, sondern bereits als Mensch entwickelt, wird zum Teil auch der Beginn des verfassungsrechtlichen Würdeschutzes auf die Nidation datiert.24 Da Art. 1 Abs. 1 GG nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und ratio dem Schutz des geborenen Menschen diene, bedürfe es einer konstruktivischen Brücke, um vorgeburtliches Leben überhaupt in den Gewährleistungsbereich einbeziehen zu können. Diese Brücke sei die Entwicklung ‚als Mensch‘: Ab der Nidation sei der Mensch dasselbe Individuum, über die Geburt hinweg bis zu seinem Tode.25 Zum organisch physischen Sachverhalt menschlichen Lebens ab der Befruchtung trete mit der Nidation der personale Tatbestand des Menschseins hinzu, der einen Status beinhalte, welcher dem Individuum die allgemeine Fähigkeit verleihe, Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten zu sein.26 Solange die Nidation noch nicht stattgefunden habe, entwickele sich das menschliche Leben demgegenüber nicht als Mensch sondern erst zum Menschen und sei daher nicht vom Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG erfasst.27 c) Kritik der Entkoppelungsthese Zuzugeben ist der Entkoppelungsthese, dass sie zu Recht darauf hinweist, zumindest der sachliche Gewährleistungsinhalt von Art. 2 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. GG und Art. 1 Abs. 1 GG könne nicht identisch sein, da andernfalls der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG überflüssig wäre.28 Angesprochen wird damit aber lediglich das Konkretisierungsproblem, wann Art. 1 Abs. 1 GG in sachlicher Hinsicht verletzt ist. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, wer Träger oder zumindest Schutzobjekt der Menschenwürde ist. 22
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Schmidt-Jortzig, a.a.O., S. 930; in Richtung „Wiedererkennungswert“ auch Dederer, in: AöR 127 (2002), S. 1 (10), der diesen jedoch erst ab der Nidation als sicher ausmachen zu können glaubt. Schmidt-Jortzig, a.a.O. Dederer, in: AöR 127 (2002), S. 1 (10ff.); Heun, JZ 2002, S. 517 (522f.) stellt auch hier auf die Individuation ab. Dederer, a.a.O, S. 14. Dederer, a.a.O., S. 13; im Ergebnis auch Spiekerkötter, Verfassungsfragen, S. 53 (bezogen auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Dederer, a.a.O., S. 12, mit der Konsequenz des fehlenden Würdeschutzes in vitro fertilisierter Eizellen vor der Implantation; sei von vornherein keine Implantation vorgesehen oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr, könne noch nicht einmal von einer Entwicklung zum Menschen die Rede sein; a.a.O., S. 15f. Zum Verhältnis der sachlichen Gewährleistungsbereiche von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG: Höfling, JuS 1995, S. 857 (861f.).
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F. Kommerzialisierung des Keimlings
aa) Zur fehlenden Einpassungsfähigkeit in unterschiedliche Würdekonzepte Richtig ist auch, dass die herkömmlichen Ansätze Schwierigkeiten bereiten, vorgeburtliches menschliches Leben als personellen Träger der Menschenwürde zu begreifen. Dies gilt zum einen für die Anwendung der Objektformel, da der Keimling vorgeburtlich gar nicht aktiv handelndes Rechtssubjekt sein kann, weil ihm aktuell die Voraussetzungen dafür fehlen. Dies ist allerdings auch bei Neugeborenen nicht anders, bei denen jedoch in der deutschen verfassungsrechtlichen Diskussion unbestritten ist, dass ihnen der Schutz der Menschenwürde zuteil wird. Derselbe Einwand ist zu erheben, soweit die fehlende Würdefähigkeit auf die mangelnde Kompatibilität mit Leistungs-, Anerkennungs-, oder vernunfttheoretischen Konzepten gestützt wird. Die aktuelle Unfähigkeit zur Erbringung von würdebegründenden Vorleistungen müsste konsequenterweise auch Auswirkungen auf die Würdefähigkeit Neugeborener haben, ebenso möglicherweise auf schwerst geistig Behinderte oder demente Menschen im fortgeschrittenen Stadium, denn wo sollte hier die aktuelle Leistung sein, wo die gegenseitige Anerkennung, wo der vernünftige Selbstentwurf? Diese Konsequenzen werden aber auch von Vertretern eines Leistungs- und Anerkennungsmodell gerade nicht gezogen: Nach dem Kommunikationsmodell verbietet es die gegenseitig versprochene Anerkennung, „unter uns“29 die Erniedrigung von Menschen zuzulassen. Dieses Versprechen müsse aber „demokratisch auch so gelesen werden, dass sich niemand von uns über andere prinzipiell erheben darf.“30 Damit werden also auch diejenigen geborenen Menschen, die ihren Anteil an der wechselseitigen Anerkennung nicht erbringen können, einbezogen, sozusagen als Drittbegünstigte. Abgesehen davon, dass der dahinter stehende Gedanke eines ständig sich erneuernden Gesellschaftsvertrags für die Verfassungswirklichkeit zweifelhaft ist,31 ist nicht einzusehen, warum diese Drittbegünstigung auf diejenigen beschränkt sein soll, die bereits das Licht der Welt erblickt haben, warum also nicht ebenfalls vorgeburtliches menschliches Leben Drittbegünstigter im oben genannten Sinne sein sollte: Denn es kann soviel und sowenig zu dieser Anerkennungsgemeinschaft beitragen wie das Neugeborene. Der einzige Unterschied besteht darin, dass mit der Geburt die enge Verbindung zum Körper der Mutter endet und das Neugeborene in die Welt tritt. Diejenigen, die selber kein Anerkennungsversprechen geben können, sind demnach bloß Mitglieder der Anerkennungsgemeinschaft und in diesem Sinne ‚unter uns‘, weil sie glücklich die Geburt überstanden haben. Ungeklärt bleibt dabei aber, warum ausgerechnet der mittlerweile weithin steuerbare biologische Vorgang der Geburt ausschlaggebend für die Anerkennung eines sozialen Achtungsanspruchs sein soll und nicht ein anderes biologisches Datum. Nichts anderes gilt, soweit sich die Kritik darauf stützt, pränatalem menschlichem Leben fehle es an Ich-Bewusstsein, Selbstbestimmung und Vernunft. Denn auch hier könnte die Konsequenz nur lauten, auch Neugeborenen etc. den Schutz der Menschenwürde zu versagen; dieser Schluss wird jedoch gerade nicht gezo29 30 31
Hofmann, in: AöR 118 (1993), S. 357 (376). A.a.O, S. 376. Dazu Isensee, Status, S. 37 (65f.).
I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie
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gen.32 Das Fehlen bestimmter Eigenschaften belegt für sich genommen damit nicht, dass vorgeburtliches menschliches Leben nicht Träger der Menschenwürde sein kann, sondern lediglich, dass qualitative Konzeptionen wenig geeignet sind, Grenzfragen plausibel zu beantworten. bb) Zur Erkennbarkeitsthese Auf die ‚Menschenähnlichkeit‘ bzw. ‚Erkennbarkeit als Mensch‘ abzustellen, kann ebenfalls nicht überzeugen. Zweifelhaft ist bereits, ob sich der verfassungsrechtliche Würdebegriff mit der Vorstellung von honestas, gravitas und auctoritas annähernd zutreffend umschreiben lässt, denn dies müsste in letzter Konsequenz darauf hinauslaufen, nur demjenigen, dem diese Attribute zugeschrieben werden, Würde zuzuerkennen, was mit der Intention des Art. 1 Abs. 1 GG, ein Differenzierungsverbot zu errichten,33 kaum zu vereinbaren wäre. Vor allen Dingen ist aber auch gegen diese Ansicht einzuwenden, dass sie einem Vergleich mit der Würde eines Neugeborenen nicht standhält. Denn auch bei dem Neugeborenen wird man nicht das von dieser Ansicht geforderte „spezifisch Menschliche, die einzigartige Vernunftbegabung, die Sozialität, und das kulturelle Wesen mit Anlagen zu Musikalität und mit sprachlicher Artikulationsfähigkeit“ und was sonst noch den Menschen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG ausmachen soll, feststellen können, sondern lediglich, dass es sich um ein lebendiges Exemplar der Gattung Mensch handelt, bei dem man gewisse Gefühlsregungen erkennen kann. Dann aber ist es lediglich eine Frage der Wahl des Mittels, mit dessen Hilfe das Betrachtungsobjekt in Augenschein genommen wird: Je präziser der Blick und je mehr Vorkenntnisse, desto eher wird man das Betrachtungsobjekt auch in früheren Stadien als Mensch erkennen. Darüber hinaus kann es auch nicht überzeugen, den Gesetzgeber für den Zeitpunkt des Einsetzens des Würdeschutzes für zuständig zu erklären: Der Begriff des Menschen im Sinne der Verfassung muss durch Verfassungsinterpretation gefunden werden; der Gesetzgeber kann durch gesetzliche Regelungen nur entweder den Verfassungsbegriff des Menschen nachzeichnen oder ihn verfehlen.34 cc) Zur Brückenkonstruktion Die Ansicht, welche für den vorgeburtlichen Menschenwürdeschutz eine ‚Brücke‘ für erforderlich hält, kann aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Zum einen überinterpretiert sie die Fristenlösungsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Die Rechtsprechung geht für den in den konkreten Entscheidungen erheblichen Zeiträumen davon aus, dass es sich jedenfalls ab der Nidation um „individuelles, in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegtes“35 Leben handelt, das nicht mehr teilbar ist und das „sich im Prozess des Wachsens und sich Entfaltens nicht erst 32 33 34
35
Siehe Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Art. 1 I Rn. 64. Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 54. Siehe Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 41; Höfling, in: FS Schiedermair, S. 363 (372); anders für Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG: Spiekerkötter, Verfassungsfragen, S. 53. BVerfGE 88, 203 (251f.).
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F. Kommerzialisierung des Keimlings
zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt.“36 Dass damit zum Ausdruck kommen sollte, pränidative Lebensphasen befänden sich erst in der Entwicklung zum Menschen, nicht aber in der Entwicklung als Mensch, ließe sich lediglich dann folgern, wenn die Nidation damit eindeutig zur conditio sine qua non des Menschseins im verfassungsrechtlichen Sinne erhoben worden wäre. Dass dies jedoch gerade nicht der Fall ist, zeigen andere Passagen derselben Entscheidung, in denen festgestellt wird, „wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu“37 und in denen es weiterhin heißt, die Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie legten es nahe, dass menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstehe. Hierin deutet sich eine prinzipielle Offenheit der Judikatur für eine Vorverlagerung des verfassungsrechtlichen Lebens- und damit auch Würdeschutzes an; jedenfalls aber zeigt sich, dass sich eine interpretatorische Überbetonung der Nidation nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen kann. Daher bleibt letztlich nur das Argument, erst die Leibesfrucht stelle „im Verhältnis zum geborenen Menschen nicht ein ‚aliud’ dar, sondern ein und dasselbe – identische – Individuum, nur in einem anderen Stadium des menschlichen Lebens“38. Diese Feststellung trifft aber auch auf das pränidative Stadium zu, denn von einem aliud kann bereits dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der genetische Bauplan unveränderlich feststeht: Bereits dann handelt es sich im Verhältnis zum geborenen Menschen um identisches – nicht notwendig singuläres – Leben, dessen genetische Ausstattung unabänderlich festgelegt ist. Ab der Nidation erhöhen sich zwar die Chancen, dass die Entwicklung nicht von Natur aus unterbrochen wird, eine qualitative Veränderung des ‚Bausatzes‘ findet jedoch nicht statt. Letzten Endes zeigt sich damit, dass der Einwand einer noch ausstehenden Nidation hier ebensowenig überzeugt wie bei der Diskussion um den verfassungsrechtlichen Lebensschutz gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. dd) Fazit: Keine Entkoppelung Als Fazit bleibt festzuhalten: Eine Entkoppelung von Lebens- und Würdeschutz in personeller Hinsicht lässt sich nicht überzeugend begründen. Unter Zugrundelegung des bereits oben bevorzugten weiten Tatbestandsverständnisses ist daher auch der Begriff des Menschen möglichst voraussetzungsarm zu bestimmen, so dass der Garantiebereich der Menschenwürde unter den gleichen Voraussetzungen einsetzt, wie der des verfassungsrechtlichen Lebensschutzes, nämlich mit der Festlegung der genetischen Identität in Kombination mit der Ausrichtung des begonnenen Prozesses auf die Ausbildung eines differenzierten Organismus.
36 37 38
A.a.O., 252. A.a.O. Dederer, in: AöR 127 (2002), S. 1 (9) – Hervorhebung im Original; der Begriff der Leibesfrucht wird von Dederer offensichtlich erst ab der Nidation verwendet, da er im Übrigen vom „Embryo in vivo“ bzw. „Embryo in vitro“ spricht.
I. Der Keimling als Schutzobjekt der Würdegarantie
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2. Konkretisierung des Würdeanspruchs Hieran anschließend gilt es nun, den Gehalt der pränatalen Würde zu konkretisieren, um ihn ins Verhältnis zur Kommerzialisierung des Keimlings zu setzen. a) Untauglichkeit der Objektformel Legt man die herkömmliche Objektformel zur Bestimmung einer Würdeverletzung zugrunde, scheint das Ergebnis klar auf der Hand zu liegen: Da der Keimling im Falle der Kommerzialisierung zum Objekt finanziellen Interesses wird und nicht handelndes Subjekt ist, steht die Unvereinbarkeit mit Art. 1 Abs. 1 GG fest. Dieser Schluss wäre indes vorschnell. Denn unabhängig davon, welche Handlung in Rede steht: Der Keimling kann aufgrund seines Entwicklungsstadiums gar nichts anderes sein als Objekt der Handlungen und Interessen anderer. Auch im Falle der Einpflanzung des extrakorporal erzeugten Keimlings in den Uterus der genetischen Mutter ist er insoweit lediglich Objekt des Handelns und der Interessen anderer. Anhand der Objektformel lässt sich also keine Erkenntnis darüber gewinnen, wann die Würde des Keimlings verletzt wird, weil hier die Perspektive der Autonomie gar nicht eingenommen werden kann. b) Konkretisierung anhand anerkannter Gewährleistungskategorien Daher kann die Feststellung einer Würdeverletzung nur durch Hinzuziehung anderer Kriterien erfolgen. Hierzu bietet sich die in der verfassungsrechtlichen Literatur vorgenommene Kategorisierung der Gewährleistungsdimensionen des Art. 1 Abs. 1 GG an:39 (1) Schutz der körperlichen Integrität, (2) Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen, (3) Achtung elementarer Rechtsgleichheit und (4) Wahrung der personalen Identität. aa) Achtung und Schutz der körperlichen Integrität Dass eine kommerzielle Komponente im Umgang mit dem menschlichen Keimling in keinem direkten kausalen Verhältnis zur Verletzung der körperlichen Integrität steht, versteht sich von selbst, da die kommerzielle Komponente als solche die körperliche Integrität nicht verletzt. bb) Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen Die Gewährleistungsdimension der Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen umfasst jedenfalls die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein.40 Dazu gehört zum einen ein materielles Existenzminimum, zum anderen die Gewährleistung gewisser ideeller Mindestanforderungen wie etwa ein angemessenes Schul- und Ausbildungssystem und nach verschiedentlich vertretener Auffassung auch ein ökologisches Existenzminimum im Sinne der Sicherung
39 40
Unterteilung in vier Kategorien nach Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 19. BVerfGE 89, 346 (353); 48, 346 (361); 40, 121 (133).
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F. Kommerzialisierung des Keimlings
unentbehrlicher natürlicher Lebensgrundlagen.41 Auch insoweit lässt sich also ein Menschenwürdeverstoß durch die Kommerzialisierung menschlicher Keimlinge nicht dartun. cc) Achtung elementarer Rechtsgleichheit Unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung elementarer Rechtsgleichheit verbietet Art. 1 Abs. 1 GG, dass einem Würdesubjekt ein Status zugewiesen wird, der eine rechtliche Abwertung beinhaltet.42 Eine kommerziell motivierte Abgabe des Keimlings kann eine solche Abwertung beinhalten, weil er dabei nicht nur notwendigerweise als Objekt behandelt, sondern gerade wie eine Sache zum Gegenstand eines Tauschhandels gemacht wird. Ließe die Rechtsordnung dies zu, läge hierin nicht nur eine faktische, sondern auch eine rechtliche Abwertung, durch die das Prinzip elementarer Rechtsgleichheit verletzt würde: Wer Würdeträger ist, hat Anspruch darauf, von anderen als Wert an sich geachtet und behandelt und nicht wie eine frei verfügbare Sache gehandelt zu werden. Fehlt es an der aktuellen Fähigkeit, eine autonome Entscheidung zu treffen, die den Würdeverstoß ausschließt,43 ist daher mit der kommerziellen Motivation Dritter in der Regel über die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Handels entschieden.44 Eine Ausnahme hierzu ist allerdings dann zu machen, wenn die kommerzielle Abgabe zum Zwecke der Übertragung auf eine Fremdmutter erfolgen soll. Hier ist zumindest theoretisch denkbar, dass gerade das Verbot der Vereinbarung eines Entgelts dazu führt, dass die Überlassung als solche nicht zustande kommt. Wollte man hier zur Rechtfertigung auf Art. 1 Abs. 1 GG zurückgreifen, hätte dies unter Umständen zur Folge, dass die Entwicklungschance des Keimlings zugunsten des Schutzes seiner Würde vernichtet würde – eine Konsequenz, die in sich nicht stimmig sein könnte, da sie den Würdeschutz vom konkreten Würdeträger löste und zu seinen Lasten abstrahierte.45 Andererseits folgt daraus aber nicht, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, eine kommerzielle Überlassung zuzulassen, da er im Rahmen seiner Schutzpflicht für das ungeborene Leben einen Gestaltungsspielraum hat, der ihn nicht zu einem absoluten Lebensschutz dergestalt verpflichtet, dass er jeden denkbaren Begleitumstand gutheißen müsste, solange dieser nur zur Geburt führt: „Anders als die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive Abwehrrechte 41
42 43 44
45
Vgl. Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 31 m.w.N.; enger Podlech, in: Denninger (Hrsg.), u.a., AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 23ff.: Beschränkung auf materielle Existenzbedingungen. Podlech, in: Denninger (Hrsg.), u.a., AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29. Dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. Es wäre konsequent gewesen, im Stammzellgesetz (StZG) auch den Handel mit embryonalen Stammzellen insoweit zu verbieten, als es um die Möglichkeit geht, einen Preis für die Stammzellen als solche zu vereinbaren, da die Stammzellgewinnung mit der Tötung des Keimlings einhergeht, vgl. näher Brewe, Embryonenschutz und Stammzellgesetz, S. 184ff. Zutreffend daher Fink, JURA 2000, S. 210 (216), wenn er – in anderem Zusammenhang – darauf hinweist, „dass die Idee des grundrechtlichen Schutzes niemals dazu legitimieren darf, den Weg der Menschwerdung selbst zu begrenzen“.
II. Ergebnis
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sind die sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte ergebenden staatlichen Schutzpflichten grundsätzlich unbestimmt. Wie die staatlichen Organe solchen Schutzpflichten nachkommen, ist von ihnen prinzipiell in eigener Verantwortung zu entscheiden. Das gilt auch für die Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens.“46 Das Veräußerungsverbot des § 2 Abs. 1, 1.Alt. ESchG ist somit zwar insoweit nicht verfassungsrechtlich gefordert, als es auch die Veräußerung zum Zwecke der Übertragung auf eine andere Frau unter Strafe stellt.47 Andererseits ist es unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers auch nicht zu beanstanden. Konsequent wäre es jedoch, den zeitlichen Anwendungsbereich auf den Zeitpunkt des Endes der zweiten Reifeteilung, den Zeitpunkt des Einsetzens des verfassungsrechtlichen Würdeschutzes, auszudehnen. dd) Wahrung der personalen Identität Die vierte Kategorie der Menschenwürdegewährleistung vermittelt im hier interessierenden Bereich keine selbständigen Erkenntnisse. Soweit die Garantie des Art. 1 Abs. 1 GG die Wahrung der personalen Identität schützt, wird diese durch den Umgang mit dem Keimling nicht bedroht, da es ihm noch an der Fähigkeit zum Innen- und Außenbezug, zur Selbstdarstellung und -entfaltung48 fehlt. Zu erwägen ist allenfalls, ob nicht im Falle einer kommerziell motivierten Erzeugung die spätere Kenntniserlangung von diesem Vorgang zu einer Verletzung der personalen Identität führen kann. Aber auch insoweit gilt, dass sich der Schutz der Menschenwürde nicht gegen das Leben richten darf.
II. Ergebnis Festzuhalten ist damit, dass der Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG zeitgleich mit dem verfassungsrechtlichen Lebensschutz einsetzt, nämlich mit dem Ende der zweiten Reifeteilung. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kommerzialisierung menschlicher Keimlinge grundsätzlich unvereinbar mit dem aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf Schutz und Beachtung elementarer Rechtsgleichheit und ist damit von Verfassungs wegen zu unterbinden; eine andere Beurteilung ist hingegen angezeigt, wenn sich dieser Anspruch im Ergebnis gegen das Leben selber richtete und sich damit zu Lasten des Schutzobjekts der Würdegarantie auswirkte. Soweit die Unterbindung der Kommerzialisierung den Keimling seiner Chance beraubt, sich als Mensch bis zur Geburt zu entwickeln, kann ein Verbot daher nicht auf Art. 1 Abs. 1 GG gestützt werden. Hier hat der Gesetzgeber jedoch einen Gestaltungsspielraum, wie er seine Schutzverpflichtung zugunsten des Lebens wahrnimmt, der ihm auch in diesem Fall ermöglicht, die Kommerzialisierung zu unter46 47
48
BVerfG, Urt. v. 15.02.2006 – 1 BvR 357/05 – Abs. 138. Die Embryonenspende als solche ist durch das ESchG nicht unter Strafe gestellt, siehe Keller, in: Keller/Günther/Kaiser, ESchG, § 1 I Nr. 1 Rn. 9: „bewusst offen gehaltene Strafbarkeitslücke“. Auch dazu Höfling, a.a.O., Rn. 29ff.; Podlech, a.a.O., Rn. 34ff.
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F. Kommerzialisierung des Keimlings
sagen. Das Veräußerungsverbot des § 2 Abs. 1, 1. Alt ESchG ist somit zwar insoweit nicht verfassungsrechtlich gefordert, als es auch die Veräußerung zum Zwecke der Übertragung auf eine andere Frau unter Strafe stellt. Andererseits ist es unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers auch nicht zu beanstanden. Konsequent wäre es jedoch, den zeitlichen Anwendungsbereich auf den Zeitpunkt des Endes der zweiten Reifeteilung auszudehnen.
Teil 3: Postmortale körperliche Überreste
G. Eigentum am Leichnam?
Mit dem Tod des Menschen tritt die einschneidendste Veränderung des Lebens ein – sein Ende.1 Da dieses Ende nicht nur das Ende der tatsächlichen Herrschaftsmöglichkeit eines Rechtssubjekts über seinen eigenen Körper mit sich bringt, sondern die Existenz des Zuordnungssubjekts von Rechten am eigenen Körper selbst endet,2 gilt es, für den Leichnam eine Neubestimmung der Rechtsverhältnisse vorzunehmen. Bestimmungsrechte über den Leichnam können notwendigerweise nur durch Dritte ausgeübt werden, womit die Frage aufgeworfen ist, welche rechtlichen Kategorien hier zur Anwendung kommen und welche Personen zum Kreis der Bestimmungsbefugten zu rechnen sind. Diese Fragen sind seit jeher umstritten.
I. Der Leichnam als Sache oder als Persönlichkeitsrückstand? Eine nach wie vor starke Strömung in der zivil- und strafrechtlichen Literatur verfolgt bei der rechtlichen Einordnung des Leichnams einen prinzipiell sachenrechtlichen Ansatz. Dem steht – ähnlich wie in der Diskussion um lebzeitig abgetrennte Körpersubstanzen – wiederum ein persönlichkeitsrechtlicher Ansatz gegenüber. Die Geister scheiden sich bereits bei der Einordnung des Leichnams als Sache.
1. Der Leichnam als Rückstand der Persönlichkeit Die Anhänger eines persönlichkeitsrechtlichen Ansatzes lehnen bereits die Einordnung des Leichnams als Sache im Rechtssinne ab. Vielmehr sei der Körper des 1
2
Zu der hier nicht näher zu verfolgenden Debatte um das Hirntodkonzept siehe statt vieler ausführlich Rixen, Lebensschutz, und Höfling/Rixen, Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin, S. 48ff. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 341; für Art. 2 Abs. 1 GG grundlegend BVerfGE 30, 173 (194). Vereinzelte Versuche, eine Rechtsfähigkeit des Verstorbenen zu begründen (Kießling, NJW 1969, S. 533 (536f.)), konnten sich nicht durchsetzen; pointierte Kritik bei Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 12f.; siehe auch Trockel, Sektionen, S. 41f.; andere Ansätze in dieser Richtung Hirsch, Ehre, S. 130f. Fn. 19; Schreuer, in: FS Bergbohm, S. 242 (265f.).
126
G. Eigentum am Leichnam?
toten Menschen Rückstand der Persönlichkeit,3 der Gegenstand der Totenehrung sei.4 Ähnlich wie bei der Bestimmung der Rechte zu Lebzeiten liegt dieser Auffassung auch hier zugrunde, der sachenrechtliche Ansatz könne die schutzwürdigen Persönlichkeitsbelange des Verstorbenen nicht angemessen sicherstellen.5 In letzter Konsequenz wird hier also der Gegensatz von Sache und Person in abgewandelter Form über den Tod hinaus ausgedehnt. Eine sachenrechtliche Betrachtung soll aber auch nach dieser Ansicht für Skelette gelten,6 da der Persönlichkeitsrückstand mit fortschreitender Zeit verblasse.7 Körperliche Überreste seien nur solange als Leiche und damit als Rückstand der Persönlichkeit zu qualifizieren, wie der Zusammenhang zwischen den einzelnen Körperteilen nicht durch den natürlichen Verwesungsprozess oder eine gleichzustellende Vernichtungsart wie etwa die Feuerbestattung aufgehoben sei. Dieser Zusammenhang bestehe nicht mehr, sobald von einer Leiche lediglich das Skelett übrig geblieben sei. Damit entwickle sich der Leichnam durch Verwesung zur Sache. Diese Sache sei nicht mit dem Leichnam identisch, vielmehr handele es sich hierbei um ein aliud.8 Im Ergebnis gelte dies auch für Mumien und Moorleichen, da der natürliche Verwesungsprozess bei ihnen durch Menschenhand verhindert worden oder aufgrund äußerer Einflüsse eine andere Art der Veränderung eingetreten sei.9
3
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RGZ 100, 171 (173), Leipold, in: MüKo-BGB, § 1922 Rn. 89; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 20 Rn. 9; Hübner, BGB AT, Rn. 289; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 857; Sengler/Schmidt, DÖV 1997, S. 718 (722); ähnlich Wolf/Naujoks, Rechtsfähigkeit, S. 238; Wieacker, in: AcP 148, S. 57 (66 in FN 11); ursprünglich geht der Begriff auf von Gierke, Deutsches Privatrecht, Band II, § 102 II, 35 zurück; zur Entwicklung bis dahin siehe überblickartig Th. Rüfner, in: HKK-BGB, §§ 90-103, Rn. 13ff. Weitere Nachweise bei Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 14; zum Aspekt der fortdauernden besonderen Wertschätzung siehe Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 26; Bieler, JR 1976, S. 224 (224). Siehe auch Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 60ff. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 857; Hübner, BGB AT, Rn. 289; K. Müller, Postmortaler Rechtsschutz, S. 117f. Hübner, BGB AT, Rn. 289. K. Müller, Postmortaler Rechtsschutz, S. 117. K. Müller, Postmortaler Rechtsschutz, S. 118.
I. Der Leichnam als Sache oder als Persönlichkeitsrückstand?
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2. Der Leichnam als Sache Die Gegenansicht10 weist demgegenüber zutreffend darauf hin, dass es sich beim Leichnam um einen räumlich abgegrenzten, unbelebten Gegenstand der Außenwelt handelt, also um Materie.11 Zudem entfällt durch den Verlust der Rechtssubjektivität der prägende Faktor, welcher die Rechtsverhältnisse am lebenden menschlichen Körper entscheidend determiniert und die Sacheigenschaft zu Lebzeiten ausgeschlossen hat.12 Der Leichnam kann also nur Rechtsobjekt sein.13 Anknüpfend an die räumlich abgegrenzte Stofflichkeit des Leichnams liegt die Bejahung der Sacheigenschaft damit jedenfalls nahe. Dass der Leichnam der stoffliche Überrest des einst lebenden Menschen, des früheren Rechtssubjekts ist, schließt die Einordnung als Sache nicht aus. Denn hierbei handelt es sich zunächst um nicht mehr als um eine wertfreie Zuordnung zu einer bestimmten Rechtskategorie.14 Entscheidend ist vielmehr, welche Rechtsfolgen an die Kategorienbildung anzuknüpfen sind, ob also die an den Sachbegriff typischerweise anknüpfende Kategorie Eigentum auch hier zur Anwendung gelangen kann. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Annahme der Sacheigenschaft zunächst ohne rechtliche Konsequenz,15 der Leichnam ist dann eine eigentumsunfähige Sache, deren rechtliche Behandlung anderen als eigentumsrechtlichen Grundsätzen folgt. Weshalb dies „nicht haltbar“ sein soll, und stattdessen, wie verschiedentlich gefordert, eine
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Nipperdey, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. 2, S. 4 Fn. 9; Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. vor § 90 Rn. 11; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 6; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 28; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 10; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32; Jauernig, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, Vor § 90 Rn. 9; Eichholz, NJW 1968, S. 2272 (2273); Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (155); Schäfer, Verpflanzung, S. 97; Maier, Verkauf, S. 35; Britting, Postmortale Insemination, S. 82; Bieler, JR 1976, S. 224 (225); Reimann, in: FS Küchenhoff 1972, S. 341 (346); Zimmermann, NJW 1979, S. 569 (570); auch in der strafrechtlichen Literatur ganz herrschend, siehe Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 21; Ruß, in: LK-StGB, § 242 Rn. 5 m.N. auf die Gegenansicht; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 242 Rn. 25 m.w.N.; Kopp, MedR 1997, S. 544 (546); Trockel, Sektionen, S. 40ff. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 28; Coester-Waltjen, Gutachten B, S. B 28 (B 31); Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (155); Britting, Postmortale Insemination, S. 82; Eichholz, NJW 1968, S. 2272 (2273). Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 10 m.w.N.; Eichholz, NJW 1968, S. 2272 (2273); Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 56. Jickeli/Stieper, in: Staudiger, BGB, § 90 Rn. 28; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 10 m.w.N.; Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1093). Vgl. Zimmermann, NJW 1979, S. 569 (570). Lediglich nach dem funktionellen Sachbegriff führt die Verneinung der Eigentumsfähigkeit zugleich zur Verneinung der Sacheigenschaft, so etwa bei Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 195f. m.w.N.; Kießling, NJW 1969, S. 533 (534); Jansen, Die Blutspende aus zivilrechtlicher Sicht, S. 14ff.; Schäfer, Verpflanzung, S. 41f.
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G. Eigentum am Leichnam?
dritte Kategorie zu bilden sein soll, wonach der Leichnam ein „anerkanntes Bezugs- und Schutzobjekt des Rechtssystems“16 sui generis ist, erschließt sich nicht. Gegen die Qualifikation des Leichnams als Sache wird außerdem die strafrechtliche Systematik angeführt: Ordne man den Leichnam als Sache ein, lasse sich kaum begründen, weshalb das Strafgesetzbuch zwischen dem Gewahrsam am Körper eines Verstorbenen (§ 168 Abs. 1 StGB) und dem Gewahrsam bzw. Eigentum an Sachen (§§ 242 Abs. 1, 246 Abs. 1, 303 Abs. 1 StGB) unterscheide.17 Dieser Einwand übersieht indes, dass § 168 Abs. 1 StGB ein anderes Rechtsgut schützt als die §§ 242, 246, 303 StGB. Durch § 168 Abs. 1 StGB wird nach ganz überwiegender Auffassung das allgemeine Pietätsempfinden bzw. das nachwirkende Persönlichkeitsrecht geschützt.18 Hingegen ist geschütztes Rechtsgut der §§ 242, 246, 303 StGB das Eigentum.19 In beiden Fällen ist also der Gewahrsam gar nicht das geschützte Rechtsgut. Im Übrigen unterscheiden sich die Tatbestände auch von ihren Voraussetzungen.20 Damit ist mit der überwiegenden Ansicht die Sacheigenschaft des Leichnams zu bejahen.
II. Konstruktionsversuche eines Eigentumserwerbs der Erben und Kritik Entgegen der bei streng sachenrechtlicher Betrachtung zu erwartenden Schlussfolgerung der Eigentumsfähigkeit als Korrelat der Sacheigenschaft ist jedoch nach wie vor umstritten, ob am menschlichen Leichnam Eigentumsrechte bestehen können. Von denjenigen Stimmen in der Literatur, die dies bejahen, sprechen einige den Erben des Verstorbenen in direkter oder analoger Anwendung von § 1922 BGB das Eigentum am Leichnam zu.
1. § 1922 BGB Eine direkte Anwendung von § 1922 BGB ist konsequent, sofern bereits zu Lebzeiten Eigentum des Menschen an seinem eigenen Körper bejaht wird.21 Dagegen spricht jedoch, dass am menschlichen Körper zu Lebzeiten kein Eigentum exis-
16
17 18 19 20 21
So Englert, Todesbegriff, S. 142, 144 im Anschluss an Hilchenbach, Transplantatentnahme S. 65ff. und Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 60ff.; im Ergebnis ebenso Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 202. Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 196. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 166ff. Rn. 2; Hörnle, in: MüKoStGB, § 168 Rn. 1f. (kritisch zum Pietätsgefühl der Allgemeinheit) jeweils m.w.N. Ganz h.M., vgl. nur Fischer, StGB, § 242 Rn. 2; § 246 Rn. 2; § 303 Rn. 4. m.w.N. Vgl. auch Peuster, Eigentumsverhältnisse, S. 105ff. m.w.N.; Schäfer, Verpflanzung, S. 102f. Brunner, NJW 1953, S. 1173; Nachweise auf ältere Literatur bei Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (152).
II. Konstruktionsversuche eines Eigentumserwerbs der Erben und Kritik
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tiert,22 welches mit dem Todesfall im Wege der Universalsukzession durch direkte Anwendung des § 1922 BGB auf die Erben übergehen könnte.
2. Analogien zum Erb- und Familienrecht Auch unter denjenigen, die ein lebzeitiges Eigentum des Menschen an seinem Körper verneinen, finden sich Stimmen, die sich für einen automatischen Eigentumserwerb der Erben am Leichnam des Verstorbenen aussprechen. a) Analoge Anwendung von § 1922 BGB aa) Die Argumentationslinie Zum Teil wird versucht, den Eigentumserwerb der Erben durch eine Einzelanalogie zu § 1922 BGB zu begründen. Zugrunde liegt dabei der Gedanke, die Rechtsbeziehung des Menschen zu seinem eigenen Körper sei zwar nicht als Eigentum zu qualifizieren, da der lebende menschliche Körper keine Sache sei; jedoch habe der einzelne grundsätzlich das Recht, mit seinem Körper nach Belieben zu verfahren und Dritte von unbefugten Einwirkungen auszuschließen. Dieses absolute Herrschaftsverhältnis sei unauflöslich mit der Existenz des jeweiligen Menschen verbunden und könne ihm nicht genommen werden. Da der Inhalt dieses Herrschaftsverhältnisses dem des Eigentumsrechts entspreche und es dem Berechtigten zu Lebzeiten darüber hinaus nicht genommen werden könne, stelle es ein Mehr, ein Plus zum bloßen Eigentum dar. Demzufolge sei § 1922 BGB im Todesfall analog heranzuziehen. Denn hätte der Mensch ‚nur‘ Eigentum an seinem Körper gehabt, wäre § 1922 BGB direkt anwendbar gewesen. Dann könne jedoch im Ergebnis nichts anderes gelten, wenn die Herrschaftsbefugnis nicht ‚nur‘ als Eigentum zu qualifizieren sei, sondern ein rechtliches Plus beinhalte.23 bb) Kritik Unabhängig von der Frage, ob verfassungsrechtlich überhaupt eine eigentumsrechtliche Qualifikation des Leichnams in Frage kommt, bestehen bereits gegen die Konstruktion eines Plus-Minus-Verhältnisses durchgreifende Bedenken: Denn Eigentum zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es von einer grundsätzlichen Verfügbarkeit gekennzeichnet ist, welche sich insbesondere in der Übertragbarkeit ausdrückt.24 Ein zentrales Element des Eigentumsrechts ist die Möglichkeit, dieses 22
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Dazu bereits oben Kap. A; im Ergebnis daher zutreffend Edenhofer, in: Palandt, BGB, § 1922 Rn. 37; Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 15; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 61; Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 25; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578). Zum kompletten Absatz: Peuster, Eigentumsverhältnisse, S. 72ff. (insbes. S. 78ff.); ebenfalls für einen automatischen Eigentumserwerb der Erben analog § 1922 BGB Schünemann, Rechte, S. 251ff., auf Grundlage der hier abgelehnten Überlagerungsthese: Danach soll das Erbeneigentum ohne Rechtswirkungen bleiben, bis die persönlichkeitsrechtliche Einbindung endet. Zur Ablehnung der Überlagerungsthese siehe oben Kap. A Abschn. II. 2. Vgl. dazu bereits oben Kap. A Abschn. II. 2. a.
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G. Eigentum am Leichnam?
auf einen anderen Inhaber zu übertragen und sich der mit dem Eigentum verbundenen Berechtigung komplett zu entledigen.25 Wenn man aber davon ausgeht, die Berechtigung am eigenen Körper könne zu Lebzeiten nicht übertragen werden, mangelt es diesem Herrschaftsverhältnis an einem zentralen Strukturelement des Eigentums. Somit kann die Berechtigung am eigenen Körper oder dessen ungetrennten Bestandteilen zu Lebzeiten nicht als Plus zum Eigentum eingeordnet werden.26 Daher kann ein Eigentumserwerb der Erben am Leichnam des Verstorbenen nicht durch eine Einzelanalogie zu § 1922 BGB begründet werden. b) Rechtsanalogie zu §§ 1922ff., 2303, 2194, 1698b, 1968 BGB Ein anderer erbrechtlicher Ansatz versucht, den automatischen Eigentumserwerb der Erben – genauer: desjenigen, der mit dem Sterbefall zunächst Erbe wird27 – durch eine Gesamtanalogie zu §§ 1922ff., 2303, 2194, 1698b, 1968 BGB zu begründen.28 aa) Die Argumentationslinie Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die Überlegung, dass Leichen dem Bestimmungsrecht lebender Personen unterliegen müssen,29 und dass dieses Bestimmungsrecht jedenfalls ein absolutes Abwehrrecht gegenüber jedermann30 sowie ein beschränktes Recht zur Einwirkung auf den Leichnam beinhaltet.31 Diese Rechtsstellung entstehe aber nicht mit dem Tode eines Menschen originär neu, sondern sei als Fortsetzung des einstmaligen Rechts des Verstorbenen am eigenen Körper anzusehen, da es „ziemlich genau“32 dasselbe negativ wirkende Nichtantastungsgebot gegenüber Dritten beinhalte. Aus diesem Grunde handele es sich bei dem Recht am eigenen Körper und dem Recht am Leichnam eigentlich um dasselbe subjektive Recht.33 Inhaber der Berechtigung am Leichnam sei derjenige, der zunächst Erbe geworden sei, auch wenn er die Erbschaft ausschlage. Zur Begründung der Erbenberechtigung wird dabei zunächst auf § 1922 BGB abgestellt: Dieser ordne zwar auf den ersten Blick lediglich die Nachfolge des Erben in das Vermögen des Erblassers an, der Erbe übernehme damit jedoch zugleich auch die Berechtigung an Gegenständen des Erblassers, zu welchen dieser ein besonderes Verhältnis gehabt habe. Damit werde der Erbe zugleich zum Hüter der Gegenstände und Beziehungen berufen, an die das Andenken an den Verstorbenen stets neu anknüpfe. Insbesondere in den Vorschriften über die Auflage 25 26 27 28 29 30 31
32 33
BVerfGE 101, 54 (75); 98, 17 (35); 84, 382 (384); 79, 292 (304). Im Ergebnis wie hier Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 16. Denn an der Eigentumsposition soll sich auch dann nichts ändern, wenn das Erbe ausgeschlagen wird; zu dieser Präzisierung siehe Schäfer, Verpflanzung, S. 105. Schäfer, Verpflanzung, S. 63ff., insbes. S. 76ff. Schäfer, Verpflanzung, S. 69ff. A.a.O., S. 71f. A.a.O., S. 72; als Beispiel wird dort angeführt, der Bestimmungsberechtigte dürfe dem Leichnam etwa eine Haarlocke als Andenken entnehmen; außerdem könne er wirksam in eine klinische Sektion einwilligen. A.a.O., S. 75. A.a.O., S. 76.
II. Konstruktionsversuche eines Eigentumserwerbs der Erben und Kritik
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komme die Stellung des Erben als ‚Vertreter‘ oder ‚Organ‘ des Erblassers zum Ausdruck: Wenn etwa der Erblasser die Pflege seines Tieres bis an dessen Lebensende, vor allem aber Art und Ort seiner eigenen Bestattung sowie Modalitäten der Grabpflege anordne, ohne zu bestimmen, wer diese Auflage zu vollziehen habe, sei gemäß §§ 2192, 2147 BGB der Erbe beschwert. Dabei könne ein auf den Pflichtteil beschränkter Angehöriger die Durchführung der Auflage nicht verlangen. Wenn aber der lediglich pflichtteilsberechtigte Angehörige nicht einmal dazu berufen sei, die Vollziehung einer vom Erblasser gemachten Auflage durchzusetzen, könne erst recht nicht angenommen werden, dass er selbständige Bestimmungen über den Leichnam solle treffen können. Daher könne nur aus der Erbenstellung, nicht jedoch aus der schlichten Angehörigeneigenschaft das Bestimmungsrecht über den Leichnam folgen.34 Darüber hinaus spreche auch § 1698b BGB für die Berechtigung des Erben am Leichnam. Danach sind die Eltern im Falle der Beendigung der elterlichen Sorge durch den Tod des Kindes verpflichtet, diejenigen Geschäfte zu besorgen, die nicht ohne Gefahr aufgeschoben werden können, bis der Erbe anderweitig Fürsorge treffen kann. Aus Wortlaut und systematischer Stellung im Gesetz ergebe sich, dass diese Vorschrift sich sowohl auf die Vermögens- als auch auf die Personensorge beziehe; Geschäfte aus dem Bereich der Personensorge könnten aber praktisch nur solche sein, die den Leichnam beträfen. Daraus lasse sich der Rechtsgedanke ableiten, dass die nächsten Angehörigen die Beerdigung [scil.: nur] besorgen dürften, solange der Erbe nicht bekannt sei. Schließlich begründe auch die Kostentragungsvorschrift des § 1968 BGB, wonach der Erbe die Kosten der Beerdigung zu tragen hat, eine Vermutung dafür, dass derjenige, der die finanziellen Lasten trage, auch Ort, Art und Zeitpunkt der Beerdigung bestimmen dürfe.35 Die Rechtsstellung, die mit dem Todesfall auf den Erben übergehen soll, hat nach dieser Ansicht eigentumsrechtliche Qualität: Sie vermittle ebenso wie das Recht des lebenden Menschen an seinem eigenen Körper ein umfassend geschütztes subjektives Recht gegenüber jedermann; gleichzeitig beziehe sie sich jedoch auf etwas Körperliches und außerhalb des Berechtigten Liegendes und basiere auch nicht auf höchstpersönlichen Äußerungen oder Leistungen. Daher könne das Recht des Erben nicht mehr als Persönlichkeitsrecht bezeichnet werden,36 vielmehr gleiche es den dinglichen Rechten, zumal es einen Zuweisungsgehalt habe. Da dem BGB der Grundsatz der geschlossenen Zahl der Zuordnungsrechte zu Eigen sei, komme letztlich nur die Annahme von Eigentum in Betracht.37 Das Fehlen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes hindere die Annahme eines automatischen Eigentumserwerbs nicht; denn wenn als gesichert gelten dürfe, dass mit dem Eintritt des Todes ein Bestimmungsrecht bezüglich des Leichnams bestehe und wenn dieses Recht in allen wesentlichen Punkten mit dem Inhalt des Eigentums übereinstimme und gezeigt worden sei, dass der Erbe Inhaber dieses Rechts sei, so sei der fehlende Erwerbstatbestand als echte Gesetzeslücke zu qualifizieren, welche durch eine umfassende Rechtsanalogie auf der Basis der §§ 1922ff., 2303, 34 35 36 37
Zum gesamten Absatz a.a.O., S. 83f. A.a.O., S. 85f. A.a.O., S. 96. A.a.O., S. 96f.
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G. Eigentum am Leichnam?
2194, 1698b, 1968 BGB durch den Rechtssatz aufzufüllen sei, „dass mit dem Sterbefall dem Erben das Eigentum am Leichnam zuwächst“38. Somit könne festgestellt werden, dass das subjektive Recht des Menschen an seinem Körper mit dem Sterbefall auf den Erben übergehe und sich dabei zu einem Eigentumsrecht abschwäche.39 Zum Nachlass gehöre der Leichnam jedoch nicht, da dazu nur diejenigen Positionen zu rechnen seien, die im Zeitpunkt des Todes zum Vermögen des Erblassers gehörten. Das Vermögen eines Menschen erfasse jedoch nicht dessen Leib.40 bb) Kritik Auch gegen diese Konstruktion bestehen Bedenken, die sich zum einen gegen die Herleitung der Berechtigung der Erben richten, zum anderen gegen die Annahme eines Rechtsübergangs unter Umwandlung der Rechtsqualität und schließlich gegen die Einordnung als Eigentum. Zuzugeben ist zwar, dass sich insbesondere im Falle der gewillkürten Erbfolge mittelbar die persönlichen Beziehungen des Erblassers zu den Erben und zu von der Erbfolge ausgeschlossenen Personen widerspiegeln können. Insoweit kann im Einzelfall eine testamentarische Anordnung dahingehend auszulegen sein, dass der Erblasser damit gleichzeitig bestimmte Personen von der Sorge um seinen Leichnam ausschließen wollte.41 Auf der anderen Seite ist jedoch auch denkbar, dass der Erblasser sich weniger von persönlichen Bindungen hat leiten lassen als vielmehr von dem Gedanken, welche der in Betracht kommenden Personen ihm in finanzieller Hinsicht am bedürftigsten erscheint. Insbesondere wenn eine Stiftung oder ein gemeinnütziger Verein als Erbe eingesetzt wird, wird deutlich, dass testamentarische Anordnungen nicht im Zusammenhang mit persönlichen, zwischenmenschlichen Bindungen stehen müssen. Bereits damit zeigt sich jedoch, dass es verfehlt ist, kategorisch von der Regelung des Nachlasses auf den Grad der persönlichen Bindung und die Berechtigung am Leichnam zu schließen. Darüber hinaus kann auch der Annahme nicht gefolgt werden, der Erbe werde mit dem Anfall der Erbschaft zum Hüter der Gegenstände, an die das Andenken an den Verstorbenen anknüpfe, er werde zu dessen ‚Vertreter‘ oder ‚Organ‘. All diese Begrifflichkeiten suggerieren, der Erbe rücke in eine Art Treuhandstellung ein, innerhalb derer ihm eine Pflicht zur Bewahrung und Ehrung, zur rücksichtsvollen Verwendung des Nachlasses im Sinne des Verstorbenen erwachse. Mag es auch unter sittlichen Gesichtspunkten wünschenswert sein, dass der Erbe den Nachlass im Sinne des Verstorbenen und in Aufrechterhaltung seines Andenkens bewahrt, eine Rechtspflicht dazu lässt sich als Prinzip nicht begründen, nicht einmal eine rechtliche Erwartung. Dies zeigt sich schon daran, dass der Erblasser dem Erben ein gewünschtes Verhalten gesondert durch eine Auflage oktroyieren muss. Eine rechtliche ‚Hütepflicht‘ in Bezug auf den Nachlass ist rechtlich daher die Ausnahme, nicht jedoch der Regelfall. Umso weniger lässt sich daraus auf eine 38 39 40 41
A.a.O., S. 101. A.a.O., S. 102. A.a.O., S. 104 Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 118.
II. Konstruktionsversuche eines Eigentumserwerbs der Erben und Kritik
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Berechtigung am Leichnam schließen. Daneben ist weiterhin zweifelhaft, ob § 1698b BGB als Analogiegrundlage taugt. Denn die ins Feld geführte, sozusagen durch die Ermittlung des Erben auflösend bedingte Berechtigung der Eltern, die unaufschiebbaren Geschäfte ihres verstorbenen Kindes vorzunehmen, lässt sich nur dann auch als Regelung in Bezug auf die Personensorge verstehen, wenn man die gerade kritisierte Ansicht vertritt, die Erbenstellung habe nicht nur vermögensrechtlichen Charakter, sondern lasse auch Rückschlüsse darauf zu, wem eine Berechtigung am Leichnam selbst zukommen solle. Umgekehrt liegt es näher, dass § 1698b BGB mit unaufschiebbaren Geschäften nur die Kategorie von Geschäften meint, die typischerweise vom Erben wahrzunehmen sind, nämlich Geschäfte mit Bezug zum Vermögen des verstorbenen Kindes. Auch der Versuch, aus der Kostentragungspflicht des Erben eine Berechtigung am Leichnam abzuleiten, kann nicht überzeugen. Denn § 1968 BGB liegt lediglich der Gedanke zugrunde, dass die Kosten der Beerdigung bei demjenigen anfallen sollen, der durch die Erbschaft – jedenfalls in der Regel – einen Vermögensvorteil erhält, nicht jedoch bei demjenigen, der die Kosten aus eigenen Mitteln aufbringen müsste, ohne dafür einen Vorteil zu erlangen. Selbst wenn sich die genannten Einwände überwinden ließen, könnte diese Ansicht aufgrund innerer Widersprüche keine Zustimmung beanspruchen: Denn wenn sich das Recht am eigenen Körper mit dem Eintritt des Todes zum Eigentum abschwächen soll, setzt dies voraus, dass zuvor ein wesensgleiches, stärkeres Recht, ein rechtliches Plus bestanden hat. Genau diese Wesensgleichheit wird jedoch von dieser Ansicht an anderer Stelle selbst bestritten, wenn es in Bezug auf das Recht des Menschen am eigenen Körper heißt, es sei „trotz vieler Gemeinsamkeiten wesentlich verschieden [scil.: vom Eigentum]“42 und „nicht mit einem Eigentumsrecht identisch“43, insbesondere weil unserer Rechtsordnung die Übertragung des Rechts am eigenen Körper auf eine andere Person fremd sei.44 Über diese selbsterrichtete Klippe jedoch kann die Abschwächungsthese nicht hinweg, auch nicht dadurch, dass – nach hier vertretener Ansicht ohnehin unzutreffend – erklärt wird, eine positive Einwirkungsberechtigung gehöre „nicht eigentlich zum Wesen des Eigentums“45.
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Schäfer, a.a.O., S. 43. Am Rande angemerkt sei, dass der dort behauptete Unterschied, „Eigentum haben zu können ist eine Rechtsgewährung, einen Körper zu haben nicht“, mißverständlich ist, da korrekterweise bei diesem Vergleich nicht vom Körper sondern vom Recht am Körper die Rede hätte sein müssen. Sollte damit gemeint sein, dass Eigentum nur als rechtlich normiertes Eigentum gedacht werden kann, könnte dem zugestimmt werden; dies wiederum wäre jedoch ein weiterer Unterschied, der gegen die Umwandlungsthese Schäfers spräche. A.a.O. A.a.O., S. 42. Schäfer, a.a.O., S. 99.
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G. Eigentum am Leichnam?
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams Auch wenn ein sich qua Erbgang vollziehender Eigentumserwerb abzulehnen ist, ist dadurch noch nicht ausgeschlossen, dass der Leichnam zumindest eigentumsfähig ist, also durch einen gesondert zu vollziehenden Akt Eigentum am Leichnam begründet werden kann. Denn wenn der Leichnam als Sache einzuordnen ist, die nicht automatisch ins Eigentum lebender Personen fällt, handelt es sich zunächst um eine herrenlose Sache. Als sachenrechtliches Prinzip gilt, dass solche Sachen gemäß § 958 BGB grundsätzlich der Aneignung unterliegen.
1. Meinungsstand a) Leichnam als grundsätzlich nicht aneignungsfähige Sache Das Prinzip der Aneignungsfähigkeit herrenloser Sachen wendet der überwiegende Teil der Literatur jedoch nicht auf den Leichnam an, sondern sieht in ihm eine grundsätzlich nicht aneignungsfähige Sache, eine res extra commercium.46 Soweit diese Annahme näher begründet wird,47 wird darauf verwiesen, der fortwirkende Schutz der Persönlichkeit nach dem Tode48 verbiete es, den Toten im Rahmen des § 903 BGB zum reinen Gegenstand fremder Zwecksetzung zu machen. Denn dadurch stünde allein die räumliche Materie und nicht mehr das, was der Körper zu Lebzeiten gewesen sei, im Vordergrund, was mit der Achtung der Menschenwürde des Verstorbenen nicht vereinbar sei.49 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, das Andenken an den Verstorbenen sei mehr durch eine geistige Beziehung zwischen dem Verstorbenen und den Überlebenden gekennzeichnet als durch ein sachenrechtliches Herrschaftsverhältnis; die Überlegung, dass der Eigentümer tatsächliche Gewalt über die Verstorbenen ausübe, erscheine daher 46
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Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 120; Nipperdey, in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. 2, S. 4 Fn. 9; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 29; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 6; Jauernig, in: Jauernig (Hrsg.), BGB, Vor § 90 Rn. 9; Kindl, in: Bamberger/Roth, BGB, § 958 Rn. 3; Reimann, in: FS Küchenhoff, S. 341 (346); Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578); undeutlich Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1093): „keine eigentumsfähige Sache; zumindest ist die sachenrechtliche Ebene ganz maßgeblich von einer persönlichkeitsrechtlichen überlagert“. Ohne Begründung: Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. vor § 90 Rn. 11; wenig hilfreich der Rückgriff auf „fundamental-sittliche Bedenken“ bei Dilcher, in: Staudinger, BGB (12), § 90 Rn. 22; Verweis auf die „Natur der Sache“ bei Marly, in: Soergel, BGB, vor § 90 Rn. 35. Der fortwirkende Persönlichkeitsschutz wurde vom BGH bereits früh anerkannt, siehe BGHZ 15, 249 (259); 50, 133 (136) m.w.N.; gebilligt von BVerfGE 30, 173 (194) mit der Maßgabe, dass die Fortwirkung des Persönlichkeitsschutzes nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt werden könne, sondern lediglich auf die objektivrechtlichen Gehalte der Menschenwürde; bestätigt durch BVerfG, NJW 2001, S. 594. Schünemann, Rechte, S. 229f.; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 62; im Ergebnis auch Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5.
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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befremdlich und stehe im Widerspruch zu den geltenden sittlichen und moralischen Vorstellungen.50 Verfügungen über den Leichnam seien daher auf wenige Maßnahmen im Rahmen der Totenehrung begrenzt, die sich an dem Gesichtspunkt der Pietät, den ethischen Vorstellungen und dem nachwirkenden Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen orientieren müssten.51 Aus der Abwehrperspektive bestehe zudem für einen deliktsrechtlichen Sachschutz kein Bedürfnis, da der Schutz, den das Totensorgerecht der Angehörigen als absolutes Recht gewähre, ausreiche.52 Allerdings schließen auch die Vertreter dieses Ansatzes nicht in allen Fällen die Eigentumsfähigkeit des Leichnams aus, sondern erkennen Sachverhalte an, in denen persönlichkeitsrechtliche Aspekte einer eigentumsrechtlichen Einordnung nicht (mehr) entgegenstehen sollen. Dies sei der Fall, sobald der Zeitraum der Totenehrung abgelaufen sei: Mumien, Jahrhunderte alte Skelette oder auch Moorleichen seien daher der Aneignung fähige Sachen.53 Wann dieser Zeitpunkt eintritt, wird allerdings uneinheitlich beurteilt.54 Uneinigkeit besteht darüber hinaus in der Frage, ob Leichname ausnahmsweise bereits vor Ablauf der Totenehrung eigentumsfähige Sachen sein können oder jedenfalls wie Sachen sachenrechtlichen Regelungen unterliegen,55 wenn und soweit sie in befugter Weise zu medizinischen oder sonstigen wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden.56 Zu der
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Britting, Postmortale Insemination, S. 86; Dilcher, in: Staudinger, BGB (12), § 90 Rn. 22. Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 12. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 62; anders: Maier, Verkauf, S. 42. Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 10f.; Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 11; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5; Stentenbach, Schutz der Leiche, S. 36. Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 12: „Frage des Einzelfalls“; ebenso Leipold, in: MüKo-BGB, § 1922 Rn. 86; Jickeli/Stieper, in Staudinger, BGB § 90 Rn. 40; K. Müller, Postmortaler Rechtsschutz, S. 72; ohne Festlegung Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 11. Nach Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 215 sind Tote im Normalfall mit Ablauf der 50 Jahresfrist des § 83 Abs. 3 a.F. UrhG (=§ 85 Abs. 3 n.F. UrhG) wie Sachen zu behandeln, sollen aber dennoch keine Sachen sein. Nach Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32 steht einer Einordnung als eigentumsfähige Sache der fortwirkende Persönlichkeitsschutz jedenfalls bis zum Ablauf der Mindestruhezeit entgegen, im Einzelfall könne die Totenehrung jedoch auch länger andauern, so etwa bei Gräbern unbekannter gefallener Soldaten oder den Gebeinen Friedrichs des Zweiten von Preußen; weitere Nachweise bei Zimmermann, NJW 1979, S. 569 (570 Fn. 12); Dauer der Totenehrung als Maßstab auch bei Stentenbach, Schutz der Leiche, S. 35f.; zur Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes über 30 Jahre hinaus siehe auch BGHZ 107, 384 (392f.); skurrile Differenzierung bei Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (153), der (nur) feindliche Soldaten, die im Kampf gefallen sind, unmittelbar nach deren Tod als eigentumsfähige Sachen einordnen will. So Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 196f. Bejahend u.a.: Hufen, DÖV 2004, S. 611 (613); Tag, Grenzüberschreitung, S. 143 (149ff.); Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 11; Michalski, in: Erman, BGB, § 90 Rn. 6; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 32; Tschichoflos, in: PWW-BGB, § 1922 Rn. 47; für die im Strafrecht herrschende Lehre vgl.
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G. Eigentum am Leichnam?
letzten Kategorie sollen nach neuerer Auffassung auch die Körper derjenigen Toten zu rechnen sein, welche mittels spezieller Plastinationstechniken dauerhaft konserviert wurden und seitdem Teil der Körperweltenausstellung sind.57 b) Aneignungsfähigkeit bejahende Ansichten Die Gegenauffassung58 bejaht hingegen die grundsätzliche Aneignungsfähigkeit des Leichnams: Zum einen sei nur so gewährleistet, dass Pietätsinteressen wirksam ausgeübt und Unbefugte von der Einwirkung auf den Leichnam ausgeschlossen werden könnten.59 Zum anderen sei die Ablehnung der Aneignungsfähigkeit kaum begründbar.60 Wem das Aneignungsrecht zustehen soll, wird innerhalb dieser Auffassung unterschiedlich beurteilt. Vereinzelt wird angenommen, prinzipiell könne sich jedermann den Leichnam aneignen, allerdings sei das Aneignungsrecht analog § 138 BGB durch die guten Sitten beschränkt, wobei die Sittenkonformität insbesondere im Hinblick auf den Zweck der Aneignung zu überprüfen sei.61 Überwiegend wird das Aneignungsrecht jedoch auf den engeren Verwandtenkreis beschränkt,62 und zwar in der Reihenfolge Ehe- bzw. Lebenspartner, Kinder, Eltern.63 Konstruktiv erfolgt dabei ein Rückgriff auf § 958 Abs. 2 BGB, wonach die
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nur Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 21 m.w.N.; Dippel, in: LK-StGB, § 168 Rn. 23 spricht hier von einer „Umwidmung der Leiche“. Verneinend: Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 11, 12; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 34; Forkel, JZ 1974, S. 593 (599). Insbesondere Tag, Grenzüberschreitung, S. 143ff.; im Ergebnis auch Hufen, DÖV 2004, S. 611 (613). Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 17f.; Henssler, in: Soergel, BGB, § 958 Rn. 2 m.w.N., der jedoch darauf hinweist, die Aneignungsfähigkeit des Leichnams werde durch den Persönlichkeitsschutz eingeschränkt; Eichholz, NJW 1968, S. 2272 (2274); Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578); Kohlhaas, NJW 1967, S. 1489 (1491); Maier, Verkauf, S. 41f.; Hoyer, in: SK-StGB, § 242 Rn. 14; eingeschränkt auch Edlbacher, ÖJZ 1965, S. 449 (451, 454): Aneignungsrecht anatomischer Institute bei Vorliegen entsprechender Verfügung; Nachweise auf ältere Literatur bei Schünemann, Rechte, S. 226ff.; im Grundsatz auch LG Mainz, MedR 1984, S. 199 (200), im entschiedenen Fall jedoch nicht entscheidungserheblich. So Kallmann, a.a.O.; ähnlich Maier, Verkauf. S. 42, der ein privilegiertes Aneignungsrecht der Angehörigen zum Schutz deren Totensorgerechts für erforderlich hält. Stein, a.a.O., Rn. 17. Eichholz, NJW 1968, S. 2272 (2275). Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 16; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578); Zimmermann, NJW 1979, S. 569 (571); Maier, Verkauf, S. 42; Kohlhaas, NJW 1967, S. 1489 (1491) spricht sich für ein ausschließliches Aneignungsrecht von Krankenhäusern und anatomischen Instituten aus, da nur diese sich den Leichnam oder Teile davon sinnvoll nutzbar machen könnten. Dogmatisch ist diese Begründung allerdings unhaltbar, da das geltende Recht keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Aneignung eine „sinnvolle“ Verwendungsmöglichkeit voraussetzt; gegen Kohlhaas auch Kießling, NJW 1969, S. 533 (534) und Peuster, Eigentumsverhältnisse, S. 61f. Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 16 (analog § 60 Abs. 2 UrhG, § 22 S. 3, 4 KUrhG); Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5; Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578).
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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Begründung von Eigenbesitz nicht zum Eigentumserwerb führt, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird.64
2. Verfassungsrechtliche Analyse Der Klärung einzelner Modalitäten eines eventuellen Aneignungsrechts am Leichnam muss die Erörterung vorgelagert sein, ob von Verfassungs wegen eine eigentumsrechtliche Einordnung überhaupt im Prinzip zulässig sein kann. a) Der Leichnam und die Garantie der Menschenwürde Da Art. 2 Abs. 2 GG nach ganz überwiegender Auffassung für den Zeitraum nach Eintritt des Todes keine Relevanz mehr hat,65 läuft die verfassungsrechtliche Betrachtung auf die Frage hinaus, ob der grundgesetzliche Schutz der Menschenwürde auch den Leichnam umfasst und ob eine Einordnung des Leichnams als eigentumsfähige Sache deshalb ausscheiden muss.66 Ob der Leichnam als solcher überhaupt vom Gewährleistungsbereich des Art. 1 Abs. 1 GG erfasst ist, und ob aufgrund dessen auch seiner rechtlichen und tatsächlichen Behandlung verfassungsrechtlich Grenzen gezogen sind, erschließt sich aufgrund der Zäsurwirkung des Todes allerdings nicht von selbst, sondern bedarf einer genaueren Betrachtung. aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum postmortalen Würdeschutz In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass der Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG nicht mit dem Tode endet, sondern auch über diesen Zeitpunkt hinaus Wirkkraft entfaltet. Eine überzeugende Begründung ist das Gericht jedoch bis heute schuldig geblieben. In der grundlegenden so genannten Mephisto-Entscheidung, auf die sich auch die neuere Rechtsprechung bis heute bezieht,67 beschränkte sich das Gericht auf die Feststellung:
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Kallmann, FamRZ 1969, S. 572 (578). Stern, Staatsrecht IV/1, S. 170; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 58 m.w.N.; Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 61; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 2, Rn. 195.; anders, aber wenig überzeugend Schachtschneider/Siebold, DÖV 2000, S. 129 (133f.). Vgl. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 62 m.w.N. Zum Beispiel BVerfG, DVBl. 2001, S. 985 (986); 1. Kammer des Ersten Senats, ZUM 2007, S. 380 (381).
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G. Eigentum am Leichnam?
„Es würde mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde, das allen Grundrechten zugrundeliegt, unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem Würde kraft seines Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch [...] nach seinem Tod herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte. Dementsprechend endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf die Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode.“68
Die Literatur ist dieser Rechtsprechung ganz überwiegend gefolgt und zieht sie auch heran, wenn es um die rechtliche Behandlung des Körpers Verstorbener geht.69 Bei genauerer Betrachtung trägt die hier in Auszügen zitierte Entscheidung aber zur Klärung wenig bei, da der ihr zugrunde liegende Sachverhalt nicht Einwirkungen auf den Körper des Verstorbenen zum Gegenstand hatte, sondern Fragen der verfälschenden Darstellung des Charakters und der Handlungen einer Person. Nichts desto trotz misst die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts unter Bezugnahme hierauf und auf die darauf folgende Rechtsprechung mittlerweile auch den Umgang mit dem Leichnam am Maßstab des Art. 1 Abs. 1 GG.70 Eine überzeugende Begründung fehlt indes auch hier. Problematisch an der Annahme, der Tote als solcher sei Schutzobjekt der Menschenwürdegarantie ist vor allem, wie man es sich vorzustellen haben soll, jemand könne nach seinem Tode in seinem allgemeinen Achtungsanspruch herabgewürdigt werden. Denn gemeinhin versteht man unter dem Begriff des Anspruchs das Recht, von jemand anderem ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können.71 Ein Recht zu haben setzt aber die Fähigkeit voraus, Träger von Rechten sein zu können, was jedoch bei dem Toten nicht der Fall ist. Denn was nach dem Todeseintritt bleibt, ist nurmehr die leblose Hülle, ein stofflicher Rückstand des Menschen, der nicht länger eine Einheit von Körper und Geist ist und keine Identität, Subjektivität und keine Möglichkeit zur Persönlichkeitsentfaltung mehr besitzt.72 Anders als im vorgeburtlichen Stadium ist er auch nicht prinzipiell darauf angelegt, diese Fähigkeiten zu entwickeln. Er kann daher durch keine Handlung mehr in seiner personalen Integrität verletzt werden, ist unempfindlich geworden gegenüber jeglicher Art von Behandlung.73 Ihm fehlen mithin diejenigen Eigenschaften, um die der Schutz des Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG zu Lebzeiten gerade kreist. 68 69
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BVerfGE 30, 173 (194). Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 1 I Rn. 73; Zippelius, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 53; Brohm, JuS 1998, S. 197 (200); Laufs, VersR 1972, S. 1 (8); Samson, NJW 1974, S. 2030; Fritz, Organentnahme, S. 164 m.w.N., Podlech, in: Denninger (Hrsg.), u.a., AK-GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 59; anders nunmehr Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 203ff.: keine Fortwirkung der Menschenwürde, der Leichnam unterliege vielmehr lediglich einem sich aus einer Zusammenschau des einfachen Rechts ergebenden „Gebot der sittlichen Behandlung“ (S. 213). BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, NJW 1994, S. 783 und S. 783 (784); daran anschließend auch BayVGH, NJW 2003, S. 1618 (1619). So die Legaldefinition in § 194 Abs. 1 BGB. Vgl. Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (156 und 159). Zutreffend Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150 (156); daran anschließend Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 203.
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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Daher ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass der Umgang mit dem Leichnam sowie seine rechtliche Einordnung überhaupt einen Bezug zu Art. 1 Abs. 1 GG aufweisen.74 bb) Begründungsansätze in der Literatur Nichts desto trotz ist die Annahme, der Tote selber sei Schutzobjekt der Menschenwürdegarantie, weit verbreitet, wobei auch hier festzustellen ist, dass in der Regel lediglich auf die oben zitierte Passage aus der Mephisto-Entscheidung Bezug genommen wird.75 Nur vereinzelt werden weitergehende Begründungsansätze aufgezeigt.76 Ausgangspunkt ist dabei der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 GG, der auch eine weite Auslegung zulasse,77 so dass er alles umfassen könne, was menschliche Gestalt habe, gehabt habe oder haben werde.78 Diese Auslegung sei zwar für sich genommen noch nicht ausreichend, um die postmortale Erstreckung der Würdegarantie zu begründen, werde jedoch durch den materiellen Gehalt des Art. 1 Abs. 1 GG gestützt. Dieser Gehalt erschließe sich zum einen aus der philosophischen Tradition des Menschenwürdebegriffs, insbesondere der christlichen Naturrechtslehre und der kantischen Aufklärungsphilosophie, vor deren Hintergrund der Parlamentarische Rat die Entscheidung getroffen habe, die Garantie der Menschenwürde in das Grundgesetz aufzunehmen. Zum anderen fänden sich im Grundgesetz selbst Hinweise auf überpositive Wurzeln des Rechts. Hierbei werden insbesondere das Bekenntnis zu der Unveräußerlichkeit und Unverletzlichkeit der Menschenrechte gemäß Art. 1 Abs. 2 GG, die Perpetuierung der Menschenwürdegarantie über Art. 79 Abs. 3 GG sowie der Gottesbezug der Präambel genannt; all dies weise letztlich auf eine metaphysische Grundlage der Menschenwürde hin.79 Damit sei es „nur folgerichtig, wenn man Menschenwürde als vorfindliche ontologische Grundgegebenheit, als einen jedem Menschen anhaftenden spezifischen Eigenwert, der durch die grundgesetzliche Garantie zum Verfassungswert erhoben worden ist, begreift, der dann notwendigerweise allen Menschen von ihrem Beginn an und über ihren Tod hinaus, unabhängig von einer bestimmten Würdeleistung, zusteht.“80 Diese Sichtweise sei vor dem Hintergrund, dass die Aufnahme der Menschenwürdegarantie in das Grundgesetz als Reaktion auf die nationalsozialistische Herrschaft erfolgt sei, geradezu zwingend“81, da in 74 75 76
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Insoweit zutreffend Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 203ff. im Anschluss an Wolpert, in: Ufita 34 (1961), S. 150ff. Statt vieler Robbers, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), MAK-GG, Art. 1 Rn. 21. Der umfangreichste Ansatz findet sich bei Klinge, Todesbegriff, S. 210ff., die die in der sonstigen Literatur vorgetragenen Argumente weitgehend zu einer Linie zusammenführt; daher wird im Folgenden vor allem auf diese Arbeit Bezug genommen. A.a.O., S. 211; im Ergebnis ebenso: Zippelius, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2, Rn. 53; ähnlich bereits Buschmann, NJW 1970, S. 2081 (2083). Klinge, Todesbegriff, S. 211; Buschmann, NJW 1980, S. 2081 (2083); kritisch zum Wortlautargument Kübler, Organentnahme, S. 68f. Klinge, Todesbegriff, S. 212. A.a.O. A.a.O.
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dieser Zeit Menschen „gerade auch im und nach dem Tode“ Würde abgesprochen worden sei.82 Darüber hinaus sei Menschenwürde „mehr und anderes als Leben“ und umfasse als über die Vitalsphäre hinausgehendes Phänomen vor allem auch die Geist-Seele-Natur des Menschen. Dies spreche ebenfalls „klar für ihre Geltung auch nach dem Tode“83. Die Garantie der Menschenwürde über den Tod hinaus sei dann zugleich Zugeständnis an die Unzulänglichkeit und Relativität jeder juristischen Definition des Menschen. Da sich der Mensch nicht abschließend erfassen lasse, müsse der Menschenwürdebegriff anders als der Lebensbegriff, der nach biologischen Kriterien definiert werden könne, notwendigerweise weit und unbestimmt sein; nur so könne auf neuartige Bedrohungen der Menschenwürde reagiert werden, wozu insbesondere die durch neue medizinische Techniken möglich gewordene Nutzung von Leichen zu zählen sei. Nicht überzeugen könne demgegenüber im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG eine Unterscheidung danach, ob ein Mensch zur (potentiellen) Selbstbestimmung fähig sei. Im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes sei damit die Einbeziehung des Toten in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG geboten und trage der Einsicht Rechnung, dass der Verstorbene einmal als Mensch gelebt habe und daher noch Träger des Menschenbildes sei, und dass es dem Staat an der Kompetenz fehle, Würde per definitionem zu versagen.84 Letztlich ergebe sich die Notwendigkeit der postmortalen Erstreckung der Würdegarantie auf den Verstorbenen auch daraus, dass die lebzeitige Gewährleistung der allgemeinen Handlungs- sowie der Testierfreiheit wertlos wäre, wenn Anordnungen, die der Mensch vor seinem Ableben für den Zeitraum nach seinem Tode treffe, nicht befolgt würden, sondern vielmehr der Leichnam der freien Verfügung aller an ihm Interessierten anheim gegeben sei. Daher sei auch und gerade zur effektiven Grundrechtsverwirklichung zu Lebzeiten zu fordern, dass der Verstorbene durch Art. 1 Abs. 1 GG weiterhin geschützt werde und der Leichnam dem Zugriff Dritter entzogen sei. Eine Ausklammerung des Verstorbenen aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 1 Abs. 1 GG hingegen bedeute eine nachträgliche partielle Negation des voraussetzungslosen Menschseins. Die Anerkennung einer Menschenwürde des Toten könne demgemäß auch als „Nachwirkung des Rechts auf Leben“85 verstanden werden. cc) Kritik Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. So lässt sich – überspitzt ausgedrückt – eine Kritik der vorgenannten Argumentation zusammenfassen. Denn weder wird damit „klar“ eine Fortwirkung der Würdegarantie nach dem Tode dargetan, noch weist sie „geradezu zwingend“ auf dieses Ergebnis hin.
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A.a.O. A.a.O., S. 213. A.a.O., S. 214; Münch, Menschenwürde S. 10. Klinge, Todesbegriff, S. 216 m.w.N.
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(1) Wortlautargument Dass die grammatische Auslegung von Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG den postmortalen Würdeschutz zulässt,86 mag richtig sein, unter Berücksichtigung der Systematik des ersten Abschnitts des Grundgesetzes lässt sich jedoch ebenso genau die entgegengesetzte Schlussfolgerung ziehen. Denn die nachfolgenden Grundrechte setzen alle die Existenz menschlichen Lebens voraus, so dass zumindest eine Vermutung dafür spricht, bei Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG verhalte es sich ebenso.87 Mensch in diesem Sinne könnte ebenso gut nur der lebende Mensch sein. Dass Menschenwürde und Existenz menschlichen Lebens nicht beziehungslos nebeneinander stehen, zeigt sich auch daran, dass das Bundesverfassungsgericht das Leben als „vitale Basis der Menschenwürde“88 ansieht. Dass die Garantie der Menschenwürde auch dort fortwirkt, wo das Leben nicht mehr existiert, versteht sich daher nicht von selbst. Gegenläufig ist jedoch zu berücksichtigen, dass die „vitale Basis der Menschenwürde“ jedenfalls einmal vorhanden gewesen ist, was unter Umständen bereits ausreichend sein könnte. (2) Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte des Art 1 Abs. 1 GG wird nicht nur von Befürwortern eines postmortalen Würdeschutzes, sondern auch von seinen Gegnern ins Feld geführt: Es habe keine Notwendigkeit bestanden, über Selbstverständliches zu reden, wobei das Selbstverständliche darin zu sehen sei, dass der Tote nicht mehr am Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG teilhabe, eben weil er tot sei.89 Zwingend ist weder die eine noch die andere Schlussfolgerung. Da in den Beratungen des Parlamentarischen Rates die Frage eines postmortalen Würdeschutzes nicht angesprochen wurde, ist die Entstehungsgeschichte insoweit schlicht nichtssagend. Von dem Ausgangspunkt, der parlamentarische Rat habe die Menschenwürdegarantie vor dem Hintergrund philosophischer Traditionen, insbesondere christlicher Naturrechtslehren und kantischer Aufklärungsphilosophie und als Reaktion auf das nationalsozialistische Gewaltregime ins Grundgesetz aufgenommen, auf einen postmortalen verfassungsrechtlichen Würdeschutz schließen zu wollen, geht ebenfalls zu weit: Zum einen wird nicht dargetan, ob und in wieweit ein solcher Schutz in den entsprechenden philosophischen Richtungen überhaupt einen Halt findet. Zum anderen ist zu beachten, dass Art. 1 Abs. 1 GG einen verfassungsrechtlichen Würdebegriff enthält, der nicht deckungsgleich mit einem philosophischen Würdekonzept ist,90 sondern vielmehr im Ge-
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Zippelius, in: Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK-GG, Art. 1 Abs. 1 u. 2 Rn. 53, ähnlich bereits Buschmann, NJW 1970, S. 2081 (2083). Vgl. Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 210f.; anders etwa Buschmann, NJW 1970, S. 2081 (2083): Zu den Regeln, die das Zusammenleben der Menschen ordneten, gehöre auch die Beobachtung der Pietät gegenüber den Verstorbenen; ähnlich KrügerNieland, GRUR 1968, S. 523 (524). Erstmals in BVerfGE 39, 1 (42); zuletzt E 115, 118 (152) m.w.N. Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 210. Insoweit ist auch der Hinweis auf die metaphysischen Wurzeln des Rechts nicht sonderlich hilfreich, zumal vor allem der Gottesbezug der Präambel nur mit äußerster
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samtgefüge der Verfassung gesehen werden muss,91 was wieder zu der Feststellung führt, dass die nachfolgenden Grundrechte die Existenz menschlichen Lebens voraussetzen. Die fehlende Auseinandersetzung mit der Frage des postmortalen Würdeschutzes im Parlamentarischen Rat führt darüber hinaus dazu, dass auch aus der historischen Situation heraus nicht begründet werden kann, dass der Menschenwürdeschutz als Reaktion auf die Herrschaft des Nationalsozialismus gerade auch nach dem Tode eines Menschen Geltung beanspruchen sollte. Dass der Tote – wie die Gegenauffassung annimmt – selbstverständlich nicht unter den Schutz habe fallen sollen, lässt sich hingegen ebensowenig belegen. (3) Gegenüberstellung von Leben und Würde Auch mit der Gegenüberstellung von Leben und Würde und der daraus folgenden Feststellung, Würde sei mehr und anderes als Leben, lässt sich die Fortgeltung von Art. 1 Abs. 1 GG nicht begründen. Richtig ist zwar, dass Lebensschutz und Würdeschutz angesichts der grundgesetzlichen Systematik nicht gleichgesetzt werden können, daraus folgt jedoch nicht notwendigerweise, dass der Würdeschutz unabhängig von der (Fort)Existenz menschlichen Lebens zu gewährleisten ist, da mit dem Tod das Leben als „vitale Basis der Menschenwürde“92 aufhört zu existieren und eine kapitale Zäsur eintritt. Dem entgeht man auch nicht durch den Hinweis auf die Geist-Seele-Natur des Menschen, da diese Einheit durch den Tod ebenfalls aufgebrochen wird und der Geist, wie wir ihn zu Lebzeiten kennen und erkennen können, ebenfalls endet. Weshalb die Geist-Seele-Natur des Menschen auch dort „klar“93 für eine Geltung der Menschenwürde sprechen soll, wo lediglich die stoffliche Hülle übrig ist, ist nicht nachvollziehbar. Ebensowenig einsichtig ist, weshalb der Umstand, dass der Tote noch „Träger des Menschenbildes“ sein soll, für eine Garantieerstreckung sprechen soll. Denn dabei bleibt bereits offen, was in diesem Zusammenhang mit Menschenbild gemeint sein soll. Soweit damit zum Ausdruck kommen soll, der Leichnam habe jedenfalls unmittelbar nach dem Tod noch ein Menschenantlitz, ist dem im Prinzip zuzustimmen, führt jedoch nicht weiter. Denn hieraus lässt sich lediglich ableiten, dass der Verstorbene, dessen gegenständlicher Überrest der Leichnam ist, einmal Mensch im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG war; das äußere Erscheinungsbild besagt jedoch nach Todeseintritt keineswegs, dass der Tote immer noch Mensch in diesem Sinne ist, gerade weil sein Leichnam nur das (Ab)Bild des früher lebenden Menschen ist und sich von diesem Bild mit fortschreitender Autolyse immer weiter entfernt. Soweit der Menschenbildbegriff auf die Menschenbildrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug nehmen soll, wäre diese Bezugnahme bereits deshalb unstimmig, weil die Situation eine völlig andere ist: Der
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Zurückhaltung argumentativ verwendet werden kann, dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. 2. b. aa. (2) (a). Hinzu kommt, dass ein postmortaler Würdeschutz in der kantischen Konzeption deplatziert wirken würde, weil ein Toter gerade nicht mehr in der Lage ist, moralisch zu handeln, was aber nach Kants Konzeption Würdebedingung ist, vgl. dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. 2. b. aa. (2) (b). BVerfGE 115, 118 (152) m.w.N.; grundlegend BVerfGE 39, 1 (42). Klinge, Todesbegriff, S. 213.
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Tote kann weder als „souveränes Individuum“94 betrachtet werden, noch verfügt er überhaupt über die Fähigkeit zur Entfaltung einer allgemeinen Handlungsfreiheit und kann somit in keinem „Spannungsverhältnis“95 zur Gemeinschaft stehen. (4) Bedrohungsargument Der Hinweis darauf, nur durch die Weite und Unbestimmtheit des Schutzbereichs der Menschenwürdegarantie könne auf neuartige Bedrohungen der Menschenwürde reagiert werden, führt ebenfalls nicht weiter. Denn eine Bedrohung der Menschenwürde impliziert, dass zuvor feststeht, dass der Gewährleistungsbereich der Würdegarantie überhaupt eröffnet ist. Anders ausgedrückt: Wenn der Leichnam kein Schutzobjekt der Menschenwürdegarantie ist, kann kein wie auch immer geartetes Interesse an der Verwendung oder Verwertung seines Leichnams, kann keine faktische Bedrohung der Leiche eine Bedrohung der Menschenwürde sein. (5) Effektivität des Grundrechtsschutzes Übrig bleibt damit die Frage, ob es aus Gründen des effektiven Grundrechtsschutzes geboten ist, einen über den Tod hinaus wirkenden Menschenwürdeschutz anzuerkennen. Richtig ist zwar der Gedanke, dass die grundrechtliche Gewährleistung, Anordnungen über die Zeit nach dem eigenen Tod in Bezug auf den eigenen Leichnam treffen zu können, wertlos wäre, wenn diese nach dem Eintritt des Todes ignoriert werden könnten und keine Verbindlichkeit für die Nachwelt begründeten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hierbei um Anordnungen handelt, die der einzelne zu Lebzeiten getroffen hat und die im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht dem Bereich des Art. 1 Abs. 1 GG zuzuordnen sind. Grundlage ist vielmehr lediglich Art. 2 Abs. 1 GG, soweit es um Anordnungen zum Beispiel bezüglich Art und Weise der Bestattung geht,96 sowie die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Testierfreiheit, soweit es um die Regelung der Vermögensangelegenheiten geht. Dann aber ist es nur konsequent, die grundrechtliche Verankerung derartiger Anordnungen auch nach Eintritt des Todes weiterhin ausschließlich in diesen Normen zu suchen. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, Art. 2 Abs. 1 GG sei auf aktive Entfaltung ausgerichtet und setze die Existenz einer handlungsfähigen Person voraus.97 Denn die im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG notwendige Aktivität wurde in diesem Fall bereits zu Lebzeiten durch eine handlungsfähige Person ausgeübt. Es geht also hierbei nicht um eine Aktivitätsentfaltung nach Todeseintritt, die naturgemäß nicht denkbar ist, sondern um die Sicherung des Ergebnisses lebzeitig ausgeübter Aktivitäten. Damit aber bereitet es keine Schwierigkeiten, Art. 2 Abs. 1 GG in der Weise fortzudenken, dass er nicht lediglich die Vornahme der Handlung schützt, sondern auch die Sicherung der effektiven Umsetzung. Eines Rückgriffs auf Art. 1 Abs. 1 GG bedarf es daher zur effektiven grundrechtlichen Sicherung der getroffenen Anordnungen nicht. Der Kernsatz zum verfas94 95 96 97
BVerfGE 45, 187 (227); 4, 7 (15f.). Wie vor. BVerfGE 50, 256 (262): Die Vorsorge des Lebenden für die Zeit nach dem Tod gehört zur allgemeinen Handlungsfreiheit des Menschen. Dazu BVerfGE 30, 173 (194).
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sungsrechtlichen Schutz von Anordnungen in Bezug auf den menschlichen Leichnam lässt sich vielmehr ohne Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1 GG wie folgt beschreiben: Es wäre mit der verfassungsrechtlich verbürgten Garantie der freien Entfaltung der Persönlichkeit unvereinbar, wenn die in Ausübung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG zu Lebzeiten wirksam getroffenen Anordnungen über die Behandlung des eigenen Leichnams nach Eintritt des Todes keine grundsätzliche Rechtsverbindlichkeit erzeugten. (6) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt daher, dass keineswegs zwingende Gründe dafür sprechen, einen postmortalen Würdeschutz anzuerkennen. b) Postmortaler Würdeschutz als Ergebnis verfassungsgerichtlicher Rechtsfortbildung In jedem Fall ist die Verankerung des postmortalen Schutzes in Art. 1 Abs. 1 GG zumindest ungewöhnlich, zumal der Schutz nach dem Tode mit fortschreitender Zeit abnehmen soll, da die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst.98 Hier wird ein Aspekt deutlich, um den es geht: um die Erinnerung der Lebenden an den Verstorbenen, wobei zunächst an das Andenken der nächsten Angehörigen zu denken wäre. Wäre dies allerdings der Grund für die Anerkennung eines postmortalen Schutzes, hätte es näher gelegen, auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angehörigen gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzustellen.99 Dass die Rechtsprechung eine von subjektiven Rechten der Angehörigen unabhängige verfassungsrechtliche Einordnung vornimmt, deutet daraufhin, dass es primär um etwas anderes geht: um Sicherheit für den einzelnen, dass das, was von ihm nach dem Tod übrig bleibt, nicht unmittelbar nach Eintritt des Todes der Vogelfreiheit anheim gegeben wird100 und damit zusammenhängend um ein Mindestmaß an Anstand und Respekt, das die Rechtsgemeinschaft glaubt, dem Verstorbenen schuldig zu sein, und zwar unabhängig davon, ob Angehörige existieren, deren Persönlichkeitsrechte verletzt sein könnten.101 Unter diesen Vorzeichen ist es nur konsequent, den postmortalen Schutz nicht nur auf die „geistigen Relikte“102 des Verstorbenen zu beziehen, sondern auch und gerade auf den Leichnam, in dessen Anblick der Verstorbene den Lebenden gegenwärtig ist. Der Weg über Art. 1 Abs. 1 GG ist dabei letztlich weniger Ergebnis der Auslegung, als vielmehr verfassungsgerichtliche Rechtsfortbildung: Denn die im Wege der Auslegung zu gewinnenden Hinweise auf einen postmortalen Gewährleistungsbereich des Art. 1 Abs. 1 GG sind wie gezeigt dürftig, und das Konstrukt 98 99 100 101
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BGHZ 107, 384 (392) m.w.N. Vgl. Enders, Menschenwürde, S. 470. Zimmermann, NJW 1979, S. 569 (575); Tag, MedR 1998, S. 387 (390); vgl. auch Schack, GRUR 1989, S. 609 (610). Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 15 spricht von einer verfassungsrechtlichen Überhöhung sozialer Anschauungen, die zum gemeinsamen Mindeststandard gehören. Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 203.
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lässt sich weder in die üblichen Kategorien des Würdeschutzes einpassen, noch mit der sonst überwiegend befürworteten Abwägungsresistenz des Art. 1 Abs. 1 GG in Einklang bringen. Mit Blick auf die Mephisto-Rechtsprechung soll nämlich offenbar eine begrenzte Abwägung mit anderen Rechtsgütern möglich sein.103 Letztlich ist damit ein Verfassungsinstitut sui generis kreiert worden,104 das trotz der aufgezeigten Begründungsschwierigkeiten nicht mehr sinnvoll zu bestreiten ist, zumal es sich hierbei um eine im Kern mittlerweile über 30 Jahre eingeübte Verfassungsrechtsprechungspraxis handelt. Dogmatische Einwände hiergegen105 erscheinen praktisch aussichtslos. c) Auswirkungen des postmortalen Würdeschutzes auf die Eigentumsfähigkeit Welche Auswirkungen die Anerkennung eines postmortalen Würdeschutzes auf die Eigentumsfähigkeit des Leichnams hat, hängt davon ab, ob sich die Strukturelemente des Eigentums mit dem fortwirkenden Würdeschutz in Einklang bringen lassen. aa) Der Grundfall: Keine Eigentumsfähigkeit Ob der postmortale Würdeschutz eine eigentumsrechtliche Einordnung des Leichnams im Regelfall106 zulässt oder ausschließt, lässt sich erst dann beantworten, wenn sein Schutzgehalt näher konkretisiert ist. Die Schwierigkeit besteht hierbei noch mehr als zu Lebzeiten in der Konkretisierung der Reichweite des Würdeschutzes und der Feststellung einer Verletzung. Auf die Objektformel kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht abgestellt werden, da der Leichnam aus der Natur der Sache heraus nur noch Objekt von Bestimmungsrechten Dritter sein kann. Eine Annäherung soll daher anhand der judizierten Fälle erfolgen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in diesem Zusammenhang wenig aufschlussreich. In zwei Kammerentscheidungen, die gerichtliche Anordnungen zur Leichenöffnung betrafen, stellte die 2. Kammer des Zweiten Senats lediglich fest, dass die Untersuchung nach § 87 StPO zur Feststellung der Todesursache oder der Todeszeit bei möglicherweise fremdverschuldetem Tod nicht die Menschenwürde des Verstorbenen verletzt, weil eine solche Untersuchung den Toten nicht in seinem allgemeinen Achtungsanspruch herabwürdigt.107 Unter welchen Voraussetzungen eine solche Herabwürdigung denkbar ist, bleibt dabei im Dunkeln. Die fachgerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konkretisiert den Schutzgehalt im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Leichenumbettungen dahingehend, dass der fortwirkende Würdeschutz auch den 103 104
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Siehe BVerfGE 30, 173 (196); anders die 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2957 (2958f.). Nach Enders, Menschenwürde, S. 471, handelt es sich um eine Rechtsposition eigener Art, die einen Mindestbestand an Errungenschaften abendländischer Kultur und rechtsstaatlicher Tradition auch rechtlich absichern soll. Statt vieler: Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Art. 1 I Rn. 74; Bizer, NVwZ 1993, S. 653 (654f.) m.w.N.; Benda, NJW 2000, S. 1769 (1771). Zu den ‚Sonderfällen‘ vgl. unten Kap. G Abschn. III. 2. c. cc. und ee. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, NJW 1994, S. 783 und S. 783f.
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Schutz der Totenruhe des Verstorbenen fordert,108 so dass die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche nur aus besonderen Gründen verlangt werden kann.109 In der Sache nehmen die Gerichte damit eine Abwägung vor, ob gegenläufige Interessen das Gebot der Wahrung der Totenruhe überwiegen.110 Nur soweit dies der Fall ist, verletzt eine Umbettung nicht die fortwirkende Würde des Verstorbenen.111 Dies liegt innerhalb der Logik der Mephisto-Rechtsprechung, in der Logik der 1. Kammer des Ersten Senats müsste bereits bei der vorgelagerten Frage angesetzt werden, ob die widerstreitenden Interessen geeignet sind, den Toten in seinem allgemeinen Achtungsanspruch herabzuwürdigen, da die Kammer betont hat, im Unterschied zum aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht sei der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende fortwirkende Würdeanspruch nicht abwägungsfähig, sondern mit der Feststellung eines Eingriffs stehe zugleich die Würdeverletzung fest.112 Versucht man den Schutzgehalt ausgehend von der Umbettungsrechtsprechung der Verwaltungsgerichte noch allgemeiner zu beschreiben, folgt aus dem Gebot der Wahrung der Totenruhe, dass der Leichnam eines Verstorbenen im wahrsten Sinne in Ruhe gelassen werden muss113 und ihm grundsätzlich lediglich die Behandlung zu Teil werden darf, die Ausdruck der überkommenen Sepulkralkultur ist. Gefordert ist danach im Grundsatz, dass keine Handlungen an ihm vorgenommen werden und keine Verfügungen über ihn getroffen werden, die nicht auf die Bestattung des Leichnams gerichtet sind oder zumindest damit zusammenhängen, es sei denn übergeordnete Interessen Einzelner oder der Allgemeinheit rechtfertigen eine Abweichung von diesem Grundsatz. Hieraus ergibt sich für die Eigentumsfähigkeit des Leichnams prinzipiell, dass Dritte – jedenfalls ohne dahingehende lebzeitige Willensbekundung des Verstorbenen – kein Eigentum am Leichnam begründen können, da die Eigentumsstrukturprinzipien der prinzipiellen Verfügbarkeit, der Privatnützigkeit und der Eigentümerwillkür generell quer liegen zum so verstandenen Gebot der Wahrung der Totenruhe, ebenso wie die Funktion des Eigentums, die persönliche Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich abzusichern. Demzufolge scheidet auch die Aneignungsfähigkeit des Leichnams grundsätzlich aus.
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BVerwGE 45, 224 (230); OVG NRW, NVwZ 2000, S. 217 (218); die Zivilgerichte verzichten in der Regel auf eine dogmatische Ableitung, siehe etwa OLG Zweibrücken, NJW-RR 1993, S. 148f.; OLG Oldenburg, FamRZ 1990, S. 1273f.; LG Gießen, NJWRR 1995, S. 264f.; anders OLG München, FamRZ 2001, S. 127 (127): Ausfluss des noch fortwirkenden Persönlichkeitsrechts. OVG NRW, NWVBl. 1992, S. 261 (262); HessVGH, DVBl. 1994, S. 218 (222), jeweils m.w.N. So ausdrücklich OVG NRW, NVwZ 2000, S. 217 (218); im Zusammenhang mit der Körperweltenausstellung auch BayVGH NJW 2003, S. 1618 (1620): Menschenwürde als „Gegenpol der Abwägung“ mit der Wissenschaftsfreiheit. OVG NRW, a.a.O. BVerfG, DVBl. 2001, S. 985 (986f.). Vgl. auch Laufs, VersR 1972, S. 6 (8): grundsätzliches Verbot, den Leichnam anzutasten.
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bb) Schließung dadurch entstehender Schutzlücken Mit der Anerkennung des postmortalen Würdeschutzes und der daraus folgenden prinzipiellen Eigentumsunfähigkeit des Leichnams sind allerdings zunächst auch Schutzlücken verbunden, weil mit der Ablehnung einer eigentumsrechtlichen Einordnung zugleich auch die Ausschlussfunktion des Eigentums entfällt und der Zugriff Dritter auf den Leichnam nicht gemäß §§ 985, 1004 BGB abgewehrt werden kann. Vor allen Dingen die Rechtsprechung hilft sich hier im Ergebnis befriedigend mit der Konstruktion eines Totensorgerechts der nächsten Angehörigen. Dogmatisch wird es als Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses gedeutet, das den Verstorbenen zu Lebzeiten mit den Angehörigen verbunden hat und über den Tod hinaus andauert.114 Mittlerweile ist es im Kern gewohnheitsrechtlich anerkannt.115 Inhaltlich verleiht es vor allen Dingen die Befugnis, für die Bestattung des Leichnams zu sorgen und Einwirkungen Unberechtigter abzuwehren,116 bindet den Totensorgeberechtigten allerdings an den geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen.117 Nur soweit sich der Wille des Verstorbenen nicht feststellen lässt, stehen dem Totensorgeberechtigten eigene Entscheidungsbefugnisse zu,118 wobei er jedoch auch dann auf Maßnahmen beschränkt bleibt, die auf die Bestattung gerichtet sind. Die Reihenfolge der Totensorgeberechtigten ergibt sich dabei nach herrschender Auffassung aus einer Analogie zu § 2 Feuerbestattungsgesetz (FBG);119 soweit der Verstorbene eine anderweitige Bestimmung getroffen hat, ist
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So bereits RGZ 154, 269 (271); BGHZ 61, 238; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1993, S. 1482 m.w.N.; Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 19 m.w.N.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 5 III 5 g, S. 105; Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 118 m.w.N.; Reimann, in: FS Küchenhoff, S. 341 (347) m.w.N. BGH, FamRZ 1978, S. 15 m.w.N; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1989, S. 1159 (1160); OLG Oldenburg, FamRZ 1990, S. 1273 (1274); OLG Zweibrücken, NJW-RR 1993, S. 1482; LG Bonn, FamRZ 1993, S. 1121 LS 1; NJW-RR 1994, S. 522; Stein, a.a.O.; Müller-Christmann, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1922 Rn. 26; Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 117. OLG Karlsruhe, NJW 2001, S. 2808; Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 120; Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 19; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 15, will zur Abwehr von Eingriffen Unbefugter §§ 985, 1004 BGB analog heranziehen. Vom Totensorgerecht zu unterscheiden ist die in den Bestattungsgesetzen der Länder geregelte öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung zu sorgen. BGH, FamRZ 1992, S. 657 (657); OLG Zweibrücken, NJW-RR 1993, S. 1482 m.w.N.; LG Gießen, NJW-RR 1995, S. 264 (265) m.w.N.; Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl. v. § 1922 Rn. 10 m.w.N.; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 33 m.w.N.; Stentenbach, Schutz der Leiche, S. 37f. Edenhofer, a.a.O. BGH, NJW-RR 1991, S. 982 (983) m.w.N.; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 5 III 5 g, S. 105f.; Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 12; Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 123f.; Reimann, in: FS Küchenhoff, S. 341 (347). Zu Recht kritisch zur Heranziehung dieser gefahrenabwehrrechtlichen Vorschrift Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 19. Seit Einführung des LPartDisBG ist bei eingetragenen Lebenspartnerschaften der Lebenspartner im Rang des Ehepartners zu berücksichtigen; vgl. Stein, a.a.O.
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diese maßgeblich.120 Gegenüber einem eigenen Persönlichkeitsrecht der Angehörigen in Bezug auf den postmortalen Schutz der geistigen Relikte und körperlichen Überreste des Verstorbenen ist die Rechtsprechung anders als Teile der Literatur121 zu Recht zurückhaltend, da eine Verletzung der fortwirkenden Würde des Verstorbenen nicht zugleich unmittelbar in die eigene Rechtssphäre der Angehörigen eingreift.122 Zudem bestünde die Gefahr, dass ein solches Recht als eigenständige, nicht aus den Beziehungen zum Verstorbenen abgeleitete Position gegen den erklärten Willen des Verstorbenen eingesetzt werden könnte, um dessen Anordnungen zu übergehen. Weniger befriedigend ausgeprägt ist demgegenüber der strafrechtliche Schutz des Leichnams durch § 168 StGB, der hinter dem Schutz der §§ 242, 246, 303 StGB zurückbleibt. Zwar ist die Wegnahme des Leichnams aus dem Gewahrsam des Berechtigten gemäß § 168 Abs. 1, 1. HS. StGB bereits für sich genommen strafbar, ohne dass es der Absicht rechtswidriger Zueignung wie bei § 242 Abs. 1 StGB bedürfte; gegen sonstige Zugriffe auf den Leichnam schützt das Strafrecht allerdings nur, soweit dadurch der Tatbestand des beschimpfenden Unfugs verwirklicht wird, § 168 Abs. 1, 2. HS. StGB. Anders als im Fall der Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB reicht dabei nicht bereits jede Substanzverletzung aus, vielmehr ist eine grob ungehörige und rohe Gesinnung zeigende Handlung erforderlich.123 Erst die an eine bloße Substanzverletzung anschließende Wegnahme einzelner Leichenteile führt wieder zu einer Strafbarkeit nach § 168 Abs. 1, 1. HS. StGB. Schutzlücken verbleiben aber auch hier, da die Wegnahmestrafbarkeit voraussetzt, dass der Leichnam oder Leichenteile aus dem Gewahrsam des Berechtigten entfernt werden. Insbesondere dann, wenn der Tod innerhalb einer Klinik eingetreten ist, entfällt daher die Strafbarkeit, wenn die Wegnahme auf Geheiß oder mit Billigung der Anstaltsleitung erfolgt ist,124 da diese den Gewahrsam bereits ausübt und ihn daher dem Berechtigten nicht entziehen kann.125 Eine bloße Verletzung des Totensorgerechts ohne Gewahrsamsbruch ist also außerhalb der Tatbestandsvariante des beschimpfenden Unfugs nicht straf120
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BGH, MDR 1992, S. 588 m.w.N; grundlegend RGZ 154, 269 (271f.); Brox/Walker, Erbrecht, Rn. 13; Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 123; kritisch hierzu und zur Bindung an den Willen des Verstorbenen: Schünemann, Rechte, S. 242ff. Stein, in: Soergel, BGB, § 1922 Rn. 26; Bizer NVwZ 1993, S. 653 (655); Laufs, VersR 1972, S. 1 (9); Westermann, FamRZ 1969, S. 561 (566ff.): eigenes Persönlichkeitsrecht mit Schutzpflichten zugunsten des Verstorbenen; Taupitz, JZ 1992, S. 1089 (1094); Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 266f. Siehe BGHZ 165, 203 (211f.). Fischer, StGB, § 168 Rn. 16. Nach Nixdorf, VersR 1995, S. 740 (744) und Samson, NJW 1974, S. 2230 (2231) handelt es sich dabei gar um den wohl einzigen praxisrelevanten Fall. Nach herrschender Meinung ist der Gewahrsam im Sinne eines Obhutsverhältnisses nicht rein normativ, sondern faktisch zu verstehen, vgl. SHOLG, Beschl. vom 13. März 2001 – 2 Ws 19/01 – (gebilligt von BVerfG, 4. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2001, S. 2861f.); OLG München, NJW 1976, S. 1805 (1805f.); Fischer, StGB, § 168 Rn. 8; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 168 Rn. 13f. m.w.N.; Geilen, JZ 1971, S. 41 (43f.); Berechtigter im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB ist der Totensorgeberechtigte, siehe Fischer, a.a.O. Rn. 9; Hörnle, a.a.O., Rn. 12.
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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bewehrt.126 Hierdurch verbleibende Schutzlücken127 kann nur der Gesetzgeber schließen. cc) Eigentumsfähigkeit durch Überlassungsbestimmung zugunsten der Wissenschaft? Ist der Leichnam eines Verstorbenen zwar Sache, aber im Grundsatz nicht eigentumsfähig, gilt es nunmehr zu klären, ob eine andere rechtliche Beurteilung geboten ist, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten bestimmt hat, dass sein Leichnam eine bestimmte Verwendung finden soll. Angesprochen sind damit zum einen die Fälle, in denen jemand beabsichtigt, seinen Leichnam für die klassische Anatomie zur Verfügung zu stellen, zum anderen der Fall der Zurverfügungstellung des Leichnams zum Zwecke der Plastination. Während an der Zulässigkeit der Überlassung an die klassische Anatomie soweit ersichtlich keine grundsätzlichen Zweifel gehegt werden, ist die Zulässigkeit der Plastination umstritten.128 Beiden Sachverhalten ist gemeinsam, dass die rechtliche Einordnung dieser Leichen nicht abschließend geklärt ist.129 Unklar ist insbesondere, ob durch eine dahingehende lebzeitige Bestimmung die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aneignung geschaffen werden können. Dem Gedanken, durch die Körperspendeverfügung werde ein Aneignungsrecht des Anatomieinstituts begründet,130 ist jedenfalls nicht beizutreten. In der Sache wird damit zwar zutreffend auf den Primat des geäußerten Willens des Verstorbenen hingewiesen. Ein Aneignungsrecht könnte jedoch als subjektives, Dritte ausschließendes und damit absolutes Recht ebenso wie Eigentum selbst nur durch gesetzliche Normierung entstehen, nicht aber durch bloße lebzeitige Anordnung des Verstorbenen. (1) Abhängigkeit des Eigentumserwerbs vom Inhalt der Überlassungsbestimmung Eine Lösung lässt sich aber auch auf einem anderen Weg denken, wenn man das Zusammenspiel von Sachenrecht und fortwirkendem Würdeschutz betrachtet: Der Aneignungsfähigkeit des Leichnams steht grundsätzlich der fortwirkende Schutz der Menschenwürde entgegen. Sachenrechtlich ist indes die Aneignungsfähigkeit herrenloser Sachen das Prinzip, die Aneignungsunfähigkeit die Ausnahme. Das sachenrechtliche Prinzip der Aneignungsfähigkeit kommt damit zur Anwendung, soweit nicht ein besonderer Grund eine Ausnahme gebietet. Tragender Grund für die Aneignungsunfähigkeit des Leichnams ist der aus dem fortwirkenden Würde126
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§ 189 StGB greift hier nicht, da diese Vorschrift zwar das Pietätsempfinden der Angehörigen schützt, allerdings nur bezogen auf die zu Lebzeiten erworbenen Leistungen, nicht hingegen bezogen auf die Unversehrtheit des Leichnams, Pluisch/Heifer, NJW 1994, S. 2377 (2379). Siehe dazu auch Taupitz, Recht im Tod, S. 10f. Vgl. einerseits Hufen, DÖV 2004, S. 611ff.; Bremer, NVwZ 2001, S. 167ff.; Tag, Grenzüberschreitung, S. 143ff., andererseits Willems, VR 2001, S. 306ff.; Benda, NJW 2000, S. 1769ff. So auch Bauer, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 281 (286). Tag, Grenzüberschreitung, S. 143 (150).
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G. Eigentum am Leichnam?
schutz folgende Schutzauftrag. Vergegenwärtigt man sich noch einmal, dass es bei diesem Schutz vornehmlich um die Anerkennung des Sicherheitsbedürfnisses des Lebenden in Bezug auf die Behandlung seines Leichnams nach Todeseintritt geht, also um den Schutz der individuellen Interessen des Einzelnen, dann spricht alles dafür, dass dieser Schutzauftrag nur insoweit greifen kann, als der Einzelne nicht wirksam sein mangelndes Schutzinteresse bekundet hat. Dies ist letztlich Folge der Verankerung des Schutzauftrags in Art. 1 Abs. 1 GG. Denn der Schutz des Art. 1 Abs. 1 GG darf sich wegen der unbedingten Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung nicht gegen die selbstbestimmt gefasste Willensentscheidung desjenigen richten, dessen Interessen gerade zu schützen sind.131 Dementsprechend kann der fortwirkende Würdeschutz hier auch nicht unter Hinweis auf den Respekt, den die Rechtsgemeinschaft glaubt, dem Verstorbenen zu schulden, begründet werden.132 Somit ist denkbar, dass der fortwirkende Würdeschutz zu Gunsten einer vom Verstorbenen zu Lebzeiten bestimmten Person entfällt, so dass zu ihren Gunsten das sachenrechtliche Prinzip der Aneignungsfähigkeit herrenloser Sachen wieder greift. In welchem Umfang der aus der fortwirkenden Würde resultierende Schutzauftrag entfällt, ist im Einzelfall herauszuarbeiten und hängt von der Reichweite des lebzeitig erklärten und nicht revidierten Willens ab. Nur soweit sich daraus ergibt, dass dem anatomischen Institut ermöglicht werden soll, eine rechtliche Stellung zu begründen, die den Strukturmerkmalen des Eigentums entspricht, kommt in Betracht, dass das Institut durch Begründung von Eigenbesitz eine Eigentümerstellung erwerben kann. Als praktisches Beispiel hierfür kann die so genannte ‚Körperspendeverfügung‘ herangezogen werden, die gegenüber dem Institut für Plastination e.K. (IfP) abgegeben wird. Bei der Plastination werden mit Hilfe eines aufwändigen Verfahrens im Körper des Verstorbenen vorhandenes Wasser und Fett durch einen Silikonkautschuk ersetzt, wodurch der Eintritt des Verwesungsprozesses verhindert wird.133 Der hierzu bereitgestellte ‚Verfügungsbogen‘ beinhaltet unter anderem das Einverständnis, dass die vom Körper gefertigten Präparate „zur Finanzierung des IfP an Lehreinrichtungen verkauft werden.“134 Hiermit soll dem IfP also die Möglichkeit gegeben werden, das Plastinat nach eigenem Ermessen an Dritte weiterzureichen und die daran bestehenden Rechte gegen Entgelt zu übertragen. Auch wenn dabei nicht das Präparat selbst in Rechnung gestellt wird, „sondern nur die Herstellungskosten“, soll dem IfP nach dem Willen des Verfügenden die Möglichkeit eingeräumt werden, nach eigener Entscheidung 131
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Vgl. dazu bereits oben Kap. B Abschn. I. 2. Auch hier ist allerdings zu beachten, dass ein freier Widerruf aufgrund des fundamentalen Charakters der Entscheidung jederzeit möglich sein muss. Anders offenbar VGH BW, VBlBW 2006, S. 186 (187), wonach der Schutzumfang des Art. 1 Abs. 1 GG nicht auf den verstorbenen Menschen begrenzt ist, sondern auf die lebenden Menschen zu erweitern sei, auf deren soziale Anschauungen folglich (scil.: im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 GG) Rücksicht zu nehmen sei. Zum Verfahren: Tiedemann, Möglichkeiten und Grenzen der Plastination, in: Wetz/Tag (Hrsg.), Schöne neue Körperwelten, S. 21ff. http://www.koerperwelten.de/Downloads/KSP_Verfueg_Juni06.pdf (letzter Abruf 15.01.08).
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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einen Vermögenswert zu realisieren und die Befugnis am Leichnam zu übertragen. Die mit der Inbesitznahme des Leichnams begründete Rechtsstellung beinhaltet damit wesentliche Strukturelemente des Eigentums. Zwar soll das IfP nicht in jeder Hinsicht in der Entscheidung über die Verwendung frei sein,135 so dass nicht in jeder Hinsicht auf den postmortalen Schutzanspruch verzichtet wird, jedoch reicht der jederzeit widerrufliche Verzicht soweit, dass die Inbesitznahme des Leichnams bereits als eigentumsbegründende Aneignung zu qualifizieren ist. Bedenken unter dem Gesichtspunkt des fortwirkenden Würdeschutzes ergeben sich hier entgegen Äußerungen in der Literatur nicht, insbesondere nicht deshalb, weil dem Plastinator ein „ungleich größerer Spielraum“ bei der Gestaltung der Präparate zukommt als klassischen anatomischen Instituten:136 Denn wer seinen Leichnam zur Plastination zur Verfügung stellen will, nimmt bewusst in seinen Willen auf, dass die körperlichen Überreste verfremdet werden. Außerhalb dieser besonderen Konstellation hingegen wird im Regelfall der anatomischen Verwendung lediglich beabsichtigt werden, einem Institut diejenige Rechtsstellung zu verschaffen, die erforderlich ist, um einen mehr oder weniger konkreten wissenschaftlichen Zweck zu verfolgen, ohne dass eine Übertragung der Position an Dritte zulässig sein soll. Hier scheidet die Möglichkeit einer rechtswirksamen Aneignung aus. Vielmehr handelt es sich dann lediglich um eine gegenständlich begrenzte Übertragung des Totensorgerechts auf Zeit, bei der dem Anatomieinstitut nur solche Befugnisse zustehen, die sich im Rahmen der vorgegebenen Zwecksetzung und Verwendungsmodalitäten halten.137 (2) Bestattungsrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums Ergibt die Auslegung einer lebzeitig verfügten Überlassungsbestimmung, dass der postmortale Würdeschutz soweit zurückgenommen ist, dass die Inbesitznahme zu einem Eigentumserwerb nach § 958 BGB führen kann, ist dieses Eigentum allerdings von vornherein mit weitreichenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen belastet, die sich aus dem jeweils einschlägigen Bestattungsrecht ergeben. Hierzu zählt in erster Linie der grundsätzliche Bestattungszwang.138 In Verbindung mit den Mindestruhezeiten139 folgt daraus zugleich, dass einmal bestattete menschliche
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Vgl. auch die weiteren Regelungen im „Meinungsblatt“, das dem Verfügungsbogen anliegt; wie vorherige Fußnote. So aber Willems, VR 2001, S. 306 (309); wie hier: Bremer, NVwZ 2001, S. 167 (169). Zutreffend Forkel, JZ 1974, S. 593 (599); Strätz, Rechtsstellung des Toten, S. 32f.; kritisch zum Eigentumserwerb durch anatomische Institute auch Schmitz, in: MüKoStGB, § 242 Rn. 31; anders: Ruß, in: LK-STGB, § 242 Rn. 10; Kopp, MedR 1997, S. 544 (546); Edlbacher, ÖJZ 1965, S. 449 (454). § 30 Abs. 1 BestG BW; Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayBestG; § 15 Abs. 1 BerlBestG; § 19 Abs. 1 S. 1 BbgBestG; § 10 Abs. 1 S. 1 HambBestG; § 4 Abs. 1 HessFBG; § 9 Abs. 1 S. 1 BestattG M-V; § 8 Abs. 1 S. 1 NdsBestattG; § 14 Abs. 1 BestG NRW; § 8 Abs. 2 S. 1 Rh-Pf. BestG; § 25 SaarBestG; § 14 Abs. 1 S. 1 BestattG LSA; § 18 Abs. 1 S. 1 SächsBestG; § 17 Abs. 1 S. 1 ThürBestG. § 6 BWBestG; § 11 Abs. 1 S. 1 BerlFriedhofsG; § 32 Abs. 1 S. 1 BbgBestG; § 4 Abs. 1 und 2 BremFriedhofsO; § 26 Abs. 1 S. 1 HambBestG; § 6 Abs. 2 HessFBG; § 15 S. 2 BestattG M-V (hier sind Ausnahmen durch das Gesundheitsamt möglich,
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G. Eigentum am Leichnam?
Überreste auch bestattet bleiben müssen. Diese auch sonst geltenden bestattungsrechtlichen Vorschriften stellen sich dann als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums dar, die sich aus dem Gedanken der Abwehr gesundheitlicher Gefahren140 auch dann rechtfertigen, wenn der postmortale Würdeschutz auf Grund der Anordnungen des Verstorbenen nicht greift. Auch soweit an einer Anatomieleiche ausnahmsweise Eigentum begründet wird, ist dieses prinzipiell mit dem Bestattungszwang als Inhalts- und Schrankenbestimmung belastet. Nach den Vorschriften einiger Bestattungsgesetze ist der Bestattungszwang hier allerdings so lange suspendiert, wie der Leichnam in rechtmäßiger Weise zu wissenschaftlichen Zwecken in wissenschaftlichen Einrichtungen verwendet wird;141 soweit keine Regelung getroffen wird, führt eine an Art. 5 Abs. 3 GG orientierte verfassungskonforme Auslegung letztlich zum selben Ergebnis.142 Konsequenz ist daher, dass der Bestattungszwang erst dann praktisch wirksam wird, wenn der Leichnam nicht mehr zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet wird. Ist aufgrund physikalischer oder chemischer Behandlung ausgeschlossen, dass von dem Leichnam Gesundheitsgefahren ausgehen können, wie es etwa nach erfolgter Plastination der Fall ist, kann die zeitliche Beschränkung des Eigentums durch den Bestattungszwang anders als im Regelfall nicht mit Hinweis auf drohende Gesundheitsgefahren gerechtfertigt werden. An der prinzipiellen Geltung des Bestattungszwangs ändert sich hierdurch jedoch nichts. Zwar wird in Bezug auf Plastinate zum Teil angenommen, die Regelungen über den Bestattungszwang seien bereits deshalb nicht anwendbar, weil durch die Plastination neue Objekte entstünden, die keine Leichen mehr seien, da sie entindividualisiert und entperso-
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S. 4); § 14 Abs. 1 S. 1 NdsBestattG; § 3 DVO Rh.-Pf.BestG; § 5 S. 3 SaarBestG; § 6 Abs. 2 SächsBestG; § 23 SHBestattG; § 31 Abs. 1 ThürBestG. Keine bestimmte Mindestruhezeit findet sich im BestG NRW, § 4 Abs. 2 ermächtigt jedoch den Friedhofsträger zur Festlegung von Mindestruhezeiten, die zumindest die sich aus den Bodenverhältnissen ergebende Verwesungsdauer umfassen müssen; ähnlich Art. 10 Abs. 1 BayBestG. Vgl. § 25 BestG BW; Art. 5 BayBestG; § 10 S. 1 DVO BerlBestG; § 1 Abs. 2 BbgBestG; § 9 HessFBG; § 7 Abs. 3 BestG NRW. § 42 Abs. 1 BWBestG; § 15 Abs. 1 BbgBestG; § 17 Abs. 4 BremBestG (nur mit schriftlicher Zustimmung des Verstorbenen); § 5 Abs. 3 BestattG M-V (nur mit schriftlicher Einwilligung des Verstorbenen); § 9 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 3 BestattG LSA; § 48f. SaarBestG; § 13 Abs. 1 ThürBestG; keine gesonderte Regelung für anatomische Sektion in NRW, allerdings dürfte auch diese von § 10 Abs. 3 BestG NRW (Leichenöffnung zu sonstigen wissenschaftlichen Zwecken) erfasst sein; für Berlin siehe §§ 7f. BerlSektionsG; für Hamburg §§ 12f. HambSektionsG und allgemeiner § 10 Abs. 3 HambBestG. Keine Regelung enthält wiederum das Bestattungsrecht in Bayern und Hessen, keine gesonderte Regelung der anatomischen Sektion enthält das SächsBestG; in Sachsen-Anhalt wird sie in § 9 BestattG LSA zusammen mit der klinischen Sektion geregelt. Zum wissenschaftlichen Charakter der Körperweltenausstellung vgl. VGHBW, VBlBW 2006, S. 186 (188f.); BayVGH, NJW 2003, S. 1618 (1619f.); Hufen, DÖV 2004, S. 611 (612); Bremer, NVwZ 2001, S. 167 (168); enger Thiele, NVwZ 2000, S. 405 (407).
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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nalisiert seien.143 Dagegen spricht jedoch, dass es sich auch nach erfolgter Plastination nicht um etwas gegenständlich anderes handelt, sondern nach wie vor um den Körper eines verstorbenen Menschen, dessen Aggregatzustand sich nicht verändert hat – darin liegt ja gerade die „Faszination des Echten“.144 Wenig überzeugend ist es auch, die Entindividualisierung und Entpersonalisierung zum Gradmesser für die Frage der Leichnamseigenschaft und daran anschließend für den Bestattungszwang zu machen. Denn dass das geltende Bestattungsrecht gerade nicht auf diese beiden Kriterien abstellt, zeigt sich insbesondere daran, dass auch die Asche, die bei der Verbrennung eines Leichnams entsteht und als solche keinerlei Rückschlüsse auf den früheren Menschen zulässt, bestattet werden muss.145 Eine apriorische Nichtgeltung des Bestattungszwangs für plastinierte Leichname ließe sich daher nur dann begründen, wenn allein der Aspekt des Pietätsempfindens oder der sittlichen Anschauung der Bevölkerung keine hinreichende Grundlage für die obligatorische Bestattung böte. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Gesetzgeber im Bereich des Bestattungsrechts aufgrund der Besonderheit der Materie und aufgrund ihres starken sozialen Bezugs einen weiten Gestaltungsspielraum hat,146 innerhalb dessen er das sittliche Gefühl weiter Bevölkerungskreise berücksichtigen darf. Zwar lässt sich angesichts des großen Besucherandrangs bei der Körperweltenausstellung eine gewisse Lockerung der Einstellungen in Bezug auf den Leichnam vermuten, allerdings kann allein daraus (noch?) nicht die Konsequenz gezogen werden, die geltenden bestattungsrechtlichen Regelungen hätten insoweit ihre Legitimation verloren, weil sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verengt hätte. In der Konsequenz dessen liegt es, dass sich auch das Eigentum am plastinierten Leichnam nur im Rahmen des geltenden Bestattungsrechts entfalten kann und bereits mit dieser Schwäche entsteht. Praktisch wirksam wird das Eigentum also nur solange, wie Freiheit von Forschung und Lehre den Bestattungszwang suspendieren, wobei dessen Aufschub je nach Länge der wissenschaftlichen Verwendung allerdings faktisch auch dauerhaft sein kann.147
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Hufen, DÖV 2004, S. 611 (614); im Ergebnis auch Körtner, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierug des menschlichen Körpers, S. 83 (91); Bauer, in: Taupitz (Hrsg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, S. 281 (283f.): Plastinat als „natürliches Strukturmodell der Leiche“. So der Titelzusatz der Ausstellung Körperwelten; im Ergebnis wie hier: VGH BW, VBlBW 2006, S. 186 f.; BayVGH, NJW 2003, S. 1618f.; Spranger, BestattG NRW, § 1 S. 26. Vgl. § 17 BerlBestG; § 21 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 BbgBestG; § 19 Abs. 1 S. 1 BremLeichenG; § 11 S. 1 HambBestG; § 10 Abs. 1 S. 1 BestattG M-V; § 12 Abs. 1 S. 1 BestG NRW; § 8 Abs. 4 Rh.-Pf. BestG; § 27 Abs. 1 SaarBestG; § 16 Abs. 1 BestattG LSA; § 18 Abs. 4 S. 1 und 2 SächsBestG; § 19 Abs. 1 ThürBestG. BVerfGE 50, 256 (262f.); siehe auch Roellecke, in: Eser (Hrsg.), Suizid, S. 336 (340): „Der Tod ist nicht nur ein individuelles, sondern vor allem ein soziales Ereignis […].“ Bremer, NVwZ 2001, S. 167 (168); Spranger, BestattG NRW, § 1 S. 26.
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G. Eigentum am Leichnam?
dd) Der Diamant als neue Form der Totenehrung – Eigentumsfähigkeit durch Synthetisierung Die technische Entwicklung stellt auch das Recht vor neue Herausforderungen. So werden in jüngster Zeit vor allem in der Schweiz und in den Niederlanden Verfahren angeboten, mittels derer aus Teilen der Asche Verstorbener synthetische Diamanten hergestellt werden können. Hiermit wird einerseits ein sehr persönliche Form der Erinnerung an den Verstorbenen ermöglicht, wie etwa die Einpassung in einen Ring oder den Anhänger einer Halskette, andererseits wirft das Verfahren sowohl die Frage nach der bestattungsrechtlichen Zulässigkeit als auch nach der Möglichkeit einer eigentumsrechtlichen Einordnung des dadurch hergestellten Diamanten auf, der sich für Nichtexperten praktisch nicht von sonstigen Diamanten unterscheiden lässt. Vereinfacht dargestellt gestaltet sich das Verfahren wie folgt: Als Ausgangsmaterial werden mindestens 500 Gramm Asche eines Verstorbenen benötigt, die zunächst physikalisch-chemisch analysiert wird, um anschließend eine chemische Trennung von organischen und anorganischen Substanzen durchzuführen. Der durch die Trennung gewonnene Kohlenstoff wird anschließend in einem mehrwöchigen Prozess unter extrem hohem Druck und hoher Temperatur verdichtet, so dass er eine oktagonale Struktur annimmt. In Abhängigkeit vom Bor-Gehalt der Asche weist der so entstehende Diamant, der anschließend geschliffen wird, eine weiße bis bläuliche Färbung auf. In jedem Fall bleibt Restasche übrig.148 Einer eventuellen eigentumsrechtlichen Einordnung vorgelagert ist die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der Synthetisierung überhaupt. Denn sofern und soweit die Synthetisierung als solche bereits unzulässig ist und behördlich verhindert werden muss, werden eigentumsrechtliche Fragestellungen bezogen auf das Produkt der Synthetisierung kaum auftreten. Bereits zivilrechtlich unzulässig ist die Synthetisierung jedenfalls dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich oder zum Beispiel durch die Wahl einer bestimmten anderen Bestattungsart zum Ausdruck gebracht hat, diese neue Form des Umgangs mit dem Leichnam nicht zu wollen. Hat der Verstorbene zu Lebzeiten hingegen bestimmt, mit seinem Leichnam solle nach dieser neuen Methode verfahren werden,149 stellt sich zunächst die Frage nach der Beachtlichkeit einer solchen Bestimmung. Gegen ihre Beachtlichkeit kann der fortwirkende Würdeschutz jedenfalls nicht ins Feld geführt werden, da er sich nicht gegen den lebzeitig zum Ausdruck kommenden, autonom gebildeten Willen des Würdeträgers richten darf. Problematisch bleibt aber die Vereinbarkeit mit bestattungsrechtlichen Vorschriften. Hier ist zu unterscheiden zwischen der soweit ersichtlich noch nicht praktizierten innerdeutschen Synthetisierung und der von ausländischen Unter148
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http://www.algordanza.at/Verfahren/Bestellung/tabid/272/Default.aspx. In Asien ist ein anderes Verfahren bereits länger bekannt, mit dessen Hilfe sich die körperlichen Überreste zu glaskugelartigen Gebilden einschmelzen lassen, siehe dazu http://www.todund-trauer.de/index.htm?http://www.tod-und-trauer.de/t-und-t/endeoffen/kult.htm (letzter Abruf jeweils 15.01.2008). Die Beweislast trägt nach AG Wiesbaden, NJW 2007, S. 2562f. im zivilgerichtlichen Verfahren derjenige, der sich darauf beruft, der Verstorbene habe die Diamantsynthese gewünscht.
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
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nehmen bereits angebotenen Verfahrensweise, den Leichnam oder dessen Asche aus dem Geltungsbereich deutscher Bestattungsvorschriften heraus zu verbringen und die Synthese im Ausland durchzuführen. Innerhalb des Geltungsbereichs deutschen Bestattungsrechts ist das Synthetisierungsverfahren derzeit nicht zulässig. Dies ergibt sich zum einen aus den Vorschriften über den Bestattungszwang, der auch für die Asche eines Leichnams gilt. Gerade in neueren Bestattungsgesetzen wie etwa dem des Landes NordrheinWestfalen wurde bewusst darauf verzichtet, den Bestattungszwang für die Asche des kremierten Leichnams aufzuheben; gelockert wurden lediglich die Vorschriften über die Urnenbeisetzung, so dass es gemäß § 15 Abs. 6 BestG NRW grundsätzlich möglich ist, die Asche des Leichnams auf einem dazu vom Friedhofsträger bereitgestellten Teil des Friedhofs oder auf einem Grundstück außerhalb des Friedhofs zu verstreuen. Am Bestattungszwang selbst hat sich dadurch jedoch nichts geändert, die ‚Urne auf dem Fernseher‘ sollte gerade nicht Realität werden können. Das Bestattungsrecht lässt also keine Wahl zwischen vollständiger Bestattung einerseits und nur partieller Bestattung andererseits, wie sie nach erfolgter Synthetisierung allenfalls vorgenommen werden soll. Zum anderen darf oder soll die Asche des Leichnams nach vielen bestattungsrechtlichen Vorschriften nur zum Zwecke der Bestattung und gegebenenfalls nach behördlicher Genehmigung an die Hinterbliebenen ausgehändigt werden.150 Auch hierin zeigt sich die derzeitige Resistenz des geltenden Bestattungsrechts gegen neuere Entwicklungen. Bereits die Synthetisierung ist daher de lege lata ordnungsbehördlich zu untersagen. Ob eine Lockerung ermöglicht werden sollte, um neue Formen der Bestimmung über den eigenen Leichnam sowie ungewöhnliche Arten der Trauerbewältigung und der Bewahrung des Andenkens an den Verstorbenen zu ermöglichen, liegt in der Hand des jeweiligen Landesgesetzgebers. Entschließt er sich dazu, führt kein Weg daran vorbei, den aus den Aschenteilen synthetisierten Diamanten sachen- und damit eigentumsrechtlichen Regelungen zu unterstellen. Der fortwirkende Würdeschutz des Verstorbenen und daraus folgend das Gebot der Wahrung der Totenruhe stünde hier nicht entgegen: Wenn dieses Verfahren für den eigenen Leichnam gewählt wird, geschieht dies in der Absicht, dass der spätere Diamant vom Berechtigten verwendet wird. Darüber hinaus ist für den Verfügenden erkennbar, dass sich das Endprodukt zumindest für Nichtexperten nicht von sonstigen Diamanten unterscheiden lässt und damit grundsätzlich geeignet ist, Gegenstand des Rechtsverkehrs zu werden. Wer sich dennoch für dieses Verfahren entscheidet, nimmt die Verkehrsfähigkeit damit zumindest in Kauf. Die Verbringung des Leichnams ins Ausland ist bereits nach dem geltenden Bestattungsrecht möglich, sofern die hierüber erlassenen Regelungen über den Leichenpass und die Transportmodalitäten eingehalten sind. Die Zulässigkeit des Synthetisierungsverfahrens richtet sich dann nach den jeweiligen Vorschriften des Landes, in das der Leichnam übergeführt wird. Nach den vorstehenden Ausfüh150
§ 15 Abs. 5 S. 2, 1. HS. BestG NRW; vgl. auch § 12 Abs. 6 BestattG M-V; enger § 9 Abs. 4 S. 2 DVO Rh.-Pf. BestG: Aushändigung an Angehörige nur, wenn eine Genehmigung zur Bestattung auf einem privaten Bestattungsplatz nach § 4 Abs. 2 Rh.Pf. BestG vorliegt; vgl. auch § 25 Abs. 3 und § 26 Abs. 2 DVO BerlBestG; § 21 Abs. 6 ThürBestG.
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rungen ist das Endprodukt eigentumsfähig und unterliegt nicht dem Bestattungszwang deutscher Landesgesetze, da es sich infolge der Synthetisierung – anders als im Fall der Plastination – um etwas gegenständlich anderes als die ursprüngliche Asche handelt. Von Totenasche im Rechtssinne kann damit nicht mehr gesprochen werden, ohne dem Begriff Gewalt anzutun. Soweit die bei der Synthetisierung übrig bleibende Restasche wieder in den Geltungsbereich deutscher Bestattungsgesetze gelangt, richtet sich ihr Schicksal nach den auch sonst für die Feuerbestattung geltenden Vorschriften. ee) Eigentumsfähigkeit durch Zeitablauf Nach der Konzeption des postmortalen Würdeschutzes, wie ihn die Rechtsprechung entwickelt hat, nimmt die Schutzbedürftigkeit mit voranschreitender Zeit ab und erlischt schließlich ganz, weil die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst.151 Auf die Eigentumsfähigkeit des Leichnams bezogen bedeutet dies, dass nach Erlöschen des postmortalen Würdeschutzes von Verfassungs wegen keine Bedenken gegen eine freie Aneignung solcher körperlicher Überreste eines Verstorbenen bestehen. Betroffen hiervon sind insbesondere, aber nicht ausschließlich, Mumien und sonstige einbalsamierte Körper, Jahrhunderte alte Moorleichen, oder durch Gletschereis konservierte altertümliche Leichenfunde. (1) Bestimmung des Endes des postmortalen Würdeschutzes Wann der Zeitpunkt erreicht wird, in dem der postmortale Würdeschutz endet, wird unterschiedlich beurteilt: In der Literatur wird verschiedentlich vorgeschlagen, sich an den Mindestruhefristen des Bestattungsrechts zu orientieren.152 Dieser Vorschlag überzeugt jedoch aus zwei Gründen nicht: Erstens können diese Fristen wegen des Charakters als Mindestruhefrist lediglich eine zeitliche Unter-, nicht jedoch eine Obergrenze markieren, und zweitens variieren selbst diese zwischen 15 und 25 Jahren für den Regelfall153 oder orientieren sich schlicht an der Verwesungsdauer154 bzw. differenzieren zusätzlich nach dem Alter im Zeitpunkt des Todeseintritts.155 Demnach ist der Zeitpunkt des Erlöschens des postmortalen Würdeschutzes außerhalb des Bestattungsrechts zu suchen. Ein anderer Ansatz sucht eine Lösung unter Heranziehung der immaterialgüterrechtlichen Vorschrift des § 85 Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG), wonach die Verwertungsrechte des Herstellers eines Tonträgers nach 50 Jahren erlöschen.156 Offen bleibt dabei jedoch, warum nicht die 70-jährige Frist des § 64 UrhG heranzuziehen sein soll, oder die nur 10-jährige Frist des § 22 Kunsturheberrechtsgesetzes (KUrhG). Vor allem aber handelt es sich diesen Fristen um spezielle Regelungen eines Aus151 152
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Siehe z.B. BGHZ 107, 384 (392) m.w.N. So etwa Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 23; Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32; Völzmann-Stickelbrock, in: PWW-BGB, § 90 Rn. 6; Schünemann, Rechte, S. 273, der einen darüber hinaus gehenden Schutz im Einzelfall für möglich hält. Vgl. nur einerseits § 5 S. 3 SaarBestG, andererseits § 26 Abs. 1 S. 1 HambBestG; dazwischen etwa § 14 Abs. 1 S. 1 NdsBestattG: 20 Jahre. Etwa Art. 10 Abs. 1 S. 2 BayBestG; § 23 Abs. 2 S. 1 SHBestattG. § 6 S. 2 und 3 BWBestG; § 4 Abs. 1 BremFriedhofsO. = § 83 Abs. 3 UrhG a.F.; Weck, Vom Mensch zur Sache?, S. 214f.
III. Aneignungsfähigkeit des Leichnams
157
schnitts des Persönlichkeitsschutzes, so dass bereits aus diesem Grund eine Verallgemeinerung nicht möglich ist. Die Rechtsprechung verfolgt einen pragmatischen Ansatz, indem sie darauf abstellt, dass eine gewisse zeitliche Begrenzung in der Praxis bereits in dem Umstand liegt, dass lediglich die engsten Angehörigen berechtigt sind, den fortwirkenden Würdeschutz geltend zu machen und auch nur, soweit sie ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis dartun können.157 Im Übrigen zieht sie die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls heran, so dass die Dauer des postmortalen Schutzes unterschiedlich lang sein kann.158 Das mag zwar in den regelmäßig zu entscheidenden Fällen, in denen es um Unterlassungsansprüche wegen Entstellung des Lebensbildes geht, zu praktisch befriedigenden Ergebnissen führen, hilft aber in Bezug auf die grundsätzlichere Frage der Eigentumsfähigkeit des Leichnams durch Zeitablauf nicht weiter. Vor dem Hintergrund der Verankerung des postmortalen Schutzes in Art. 1 Abs. 1 GG und vor dem Hintergrund, dass eines der Anliegen der Würdegarantie die Gewährleistung fundamentaler Basisgleichheit ist,159 bedarf es der Bestimmung einer einheitlichen Grenze, eines fixen Zeitpunkts. Unter Berücksichtigung der möglicherweise bestehenden persönlichen Erinnerungen der Angehörigen an den Verstorbenen liegt es nahe, auf den Zeitraum eines „Menschenalters“160 abzustellen. Solange dieser noch unbestimmte Zeitraum keine gesetzgeberische Konkretisierung erfährt, bietet sich als Ausgangspunkt die derzeitige durchschnittliche Lebenserwartung an, die für männliche Neugeborene 75,6 Jahre und für weibliche Neugeborene 81,3 Jahre beträgt.161 Rechnet man eine Sicherheitsreserve hinzu, erscheint ein Zeitrahmen von 100 Jahren angemessen. Hierbei handelt es sich zugegebenermaßen um eine wertende Festlegung, sie kann sich jedoch darauf stützen, dass nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen die durchschnittliche künftige Lebenserwartung weiter steigen wird und bereits für das Jahr 2050 ein Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung auf knapp unter 90 Jahre nicht auszuschließen ist,162 so dass der hier zugrundegelegte Rahmen jedenfalls nicht zu weit gefasst sein dürfte. Soweit die körperlichen Überreste eines Verstorbenen diesen Zeitraum überdauert haben, unterliegen sie damit der Aneignung.
157 158
159 160 161 162
OLG München, NJW-RR 1994, S. 925 (925f.). BGHZ 107, 384 (392f.); danach soll die Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes unter anderem von der „Bekanntheit und Bedeutung des durch das künstlerische Schaffen geprägten Persönlichkeitsbildes“ abhängen. Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 1 Rn. 33; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 124 Rn. 99. So der von Larenz hinsichtlich geistiger Relikte gemachte Vorschlag, Referat, S. D 25 (30). Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 17. 11. 2004. Vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, S. 41; abrufbar unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2006/Bevoelkerungsentwicklung/ bevoelkerungsprojektion2050,property=file.pdf (letzter Abruf 15.01.2008).
158
G. Eigentum am Leichnam?
(2) Beschränkung des Eigentums durch den Bestattungszwang Ob das durch eine Aneignung nach Ablauf des postmortalen Würdeschutzes entstehende Eigentum prinzipiell unbeschränkt ist, hängt davon ab, ob die Vorschriften über den Bestattungszwang auch für diese körperlichen Überreste greifen. Dies lässt sich jedenfalls nicht bereits mit dem Hinweis darauf verneinen, aufgrund des langen Zeitablaufs seit Eintritt des Todes seien sie einem Pietätsempfinden nicht mehr zugänglich. Maßgeblich ist vielmehr die Auslegung des jeweils einschlägigen Bestattungsrechts, wobei sich die Bestattungsgesetze der Länder insoweit zum Teil deutlich unterscheiden. So sieht das Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in § 2 Nr. 1 S. 3 BestattG LSA vor, dass Leiche im Sinne des Gesetzes auch das Skelett eines Menschen sowie die Einheit des skelettierten Kopfes und Rumpfes ist, sofern diese voneinander getrennt sind, es sei denn es handelt sich hierbei um Kulturdenkmäler gemäß § 2 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Sachsen-Anhalt (DenkmalSchG LSA). Dennoch ist die Bestattung solcher körperlicher Überreste regelmäßig nicht obligatorisch, da der Bestattungszwang gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 BestattG LSA nicht für Leichen gilt, deren Mindestruhezeit abgelaufen ist oder wäre. Da die Mindestruhezeit gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 BestattG LSA zwischen 10 und 15 Jahre beträgt, dürfte diese bei Skeletten in aller Regel bereits abgelaufen sein. Das schleswig-holsteinische Bestattungsgesetz sieht zwar keine vergleichbare Regelung vor, jedoch sollen nach der Entwurfsbegründung Skelette, Leichen oder sonstige Überreste menschlicher Körper nach Ablauf der Ruhezeit (§ 23 Abs. 1 SHBestattG) nicht mehr unter den Leichenbegriff fallen.163 Das Bestattungsrecht der übrigen Länder verhält sich demgegenüber nicht zur Frage des Bestattungszwangs für Leichen, bei denen der Tod bereits vor langer Zeit eingetreten ist. Entscheidend ist daher, ob die Teleologie des Bestattungszwangs diese Fälle noch erfasst. Jedenfalls soweit von dem Leichnam noch Gesundheitsgefahren ausgehen können, spricht alles dafür, die Vorschriften über den Bestattungszwang anzuwenden. Soweit keine Gesundheitsgefahren drohen, ist der Bestattungszwang ebenso wie in Fällen der geschilderten Anatomieleichen im engeren und weiteren Sinne aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls solange suspendiert, wie der Leichnam noch den Interessen von Forschung und Lehre dient, wozu auch die Ausstellung in einem Museum zu rechnen ist. Gleiches gilt im Ergebnis für körperliche Überreste, die als Reliquien religiös verehrt werden; hier folgt die Suspendierung des Bestattungszwangs aus Art. 4 Abs. 1 GG, der nicht nur das Bekenntnis zu einem Glauben, sondern auch dessen Praktizierung schützt. Außerhalb dieses Bereiches lassen sich hingegen keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür finden, dass es mit dem durch den Bestattungszwang auch geschützten Pietätsempfinden weiter Bevölkerungsteile zu vereinbaren wäre, diese körperlichen Überreste außerhalb der geschilderten Konstellationen dauerhaft einer Bestattung zu entziehen. Eine teleologische Reduktion der einschlägigen Vorschriften ist daher nicht geboten. Hier bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass Leichen zu bestatten sind, seien sie auch noch so alt.164
163 164
LT-Drs. 15/3531 S. 26. Für § 8 Rh.-Pf. BestG im Ergebnis wie hier OVG Rh.-Pf., DÖV 1987, S. 826.
IV. Fazit
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ff) Nahtlose Abfolge von pränatalem und postmortalem Würdeschutz – keine Eigentumsfähigkeit des pränatal verstorbenen Keimlings In der Phase zwischen dem Beginn des pränatalen Würdeschutzes und der Geburt kann es zu Situationen kommen, in denen das menschliche Leben endet, noch bevor es ‚richtig‘ begonnen hat, sei es infolge eines Schwangerschaftsabbruchs, infolge eines spontanen Abgangs der nicht selbständig überlebensfähigen Leibesfrucht, oder sei es, weil ein Embryo im Sinne des ESchG nicht in den Körper einer Frau eingesetzt wird. In der Konsequenz liegt es, dass pränataler und postmortaler Würdeschutz sich unmittelbar aneinanderreihen.165 Welchen Inhalt der Schutz der fortwirkenden Würde hat, lässt sich hier noch schwieriger abstecken als im sonstigen Bereich des postmortalen Würdeschutzes, da der Sicherheitsgedanke166 hier nicht greifen kann. Letztlich ist ein fortwirkender Würdeschutz hier nur über den Gedanken elementarer Basisgleichheit zu begründen, mit der Folge, dass auch der pränatal verstorbene Keimling im Grundsatz ebenso wie der ‚normale‘ Leichnam weder einer eigentumsrechtlichen Einordnung zugänglich ist, noch kommerziell motivierte Bestimmungen Dritter zulässig sind, da diese nicht über die Rechtsmacht verfügen, den Würdeschutz des verstorbenen Keimlings durch eine Verfügung zurückzunehmen.
IV. Fazit Als Fazit bleibt an dieser Stelle festzuhalten: Mit dem Tod des Menschen werden seine körperlichen Überreste zu Sachen im Rechtssinne. Ein automatischer Eigentumserwerb der Erben hieran scheidet bereits deshalb aus, weil er sich schon bei rein zivilrechtlicher Betrachtung nicht konstruieren lässt. Der Möglichkeit einer Aneignung des Leichnams steht prinzipiell der fortwirkende Schutz der Menschenwürde entgegen. Mit der Anerkennung eines postmortalen Würdeschutzes hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungsrechtliches Rechtsinstitut sui generis kreiert, welches angesichts der jahrzehntelangen gerichtlichen Bestätigung und der breiten Zustimmung in der Literatur nicht mehr sinnvoll zu bestreiten ist, obwohl es dogmatische Schwächen aufweist. Das aus dem postmortalen Würdeschutz fließende Gebot der Wahrung der Totenruhe schließt die Eigentumsfähigkeit und damit auch die Aneignungsfähigkeit des Leichnams in der Regel aus. Bestimmungen über den Leichnam können die nächsten Angehörigen oder der vom Verstorbenen Bestimmte in der Regel lediglich im engen Rahmen des gewohnheitsrechtlich anerkannten Totensorgerechts treffen. Der strafrechtliche Schutz des Leichnams ist infolge der Eigentumsunfähigkeit schwächer ausgeprägt als der Eigentumsschutz. Diese Schutzlücken kann nur der Gesetzgeber schließen. 165
166
Harks, NJW 2002, S. 716 (717); Spranger, BestattG NRW § 7 S. 121f.; ders., NVwZ 1999, S. 856ff., dort auch zu den Konsequenzen im Hinblick auf die ‚Entsorgung‘ dieser menschlichen Überreste. Vgl. oben Kap. G Abschn. III. 2. b.
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G. Eigentum am Leichnam?
Hat der Verstorbene zu Lebzeiten bestimmt, dass sein Leichnam Verwendung in der wissenschaftlichen Anatomie finden soll, erwirbt das anatomische Institut regelmäßig kein Eigentum am Leichnam, indem es ihn in Besitz nimmt. Denn bei der Überlassungsbestimmung handelt es sich grundsätzlich lediglich um eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Übertragung des Totensorgerechts. Etwas anderes gilt nur, soweit sich der Verstorbene zu Lebzeiten mit einer Übertragung der Berechtigung am Leichnam auf Dritte einverstanden erklärt hat. In diesem Fall ist der postmortale Würdeschutz soweit zurückgenommen, dass eine eigentumsrechtliche Einordnung des Leichnams möglich ist. Das mit der Inbesitznahme des Leichnams dann entstehende Eigentum ist allerdings von vornherein zeitlich begrenzt durch die bestattungsrechtlichen Regelungen der Länder; der Bestattungszwang ist jedoch suspendiert, solange der Leichnam Forschung und Wissenschaft zu dienen bestimmt ist. Dies gilt auch für Plastinate, da sie auch nach erfolgter Plastination Leichen im Sinne des Bestattungsrechts sind. Die Diamantsynthese als neue Form der Verwendung des Leichnams und als Teilsubstitution der Bestattung ist de lege lata in Deutschland unzulässig und behördlich zu untersagen. Über eine Lockerung der bestattungsrechtlichen Regelungen muss der jeweilige Landesgesetzgeber befinden. Entscheidet er sich für die Zulassung des Verfahrens, ist der synthetisierte Diamant eigentumsfähig und unterliegt nicht dem Bestattungszwang, da es sich hierbei nicht mehr um Totenasche im Rechtssinne handelt. Eine Überführung des Leichnams ins Ausland zum Zwecke der Synthetisierung ist nach allgemeinen bestattungsrechtlichen Regelungen zulässig. Der so nach den ausländischen Vorschriften rechtmäßig hergestellte Diamant ist aneignungsfähig. Die zeitliche Grenze des postmortalen Würdeschutzes ist einheitlich zu bestimmen. Vorzugswürdig gegenüber Konzepten, die Spezialregelungen aus dem Bereich des Immaterialgüterrechts heranziehen, ist die Zeitspanne eines ‚Menschenalters‘, welches unter Berücksichtigung der prognostizierten künftigen Lebenserwartung bei 100 Jahren angesetzt werden kann. Nach Ablauf dieser Spanne sind körperliche Überreste eigentumsfähig, unterliegen allerdings nach wie vor dem Bestattungszwang, soweit sie nicht durch das jeweils einschlägige Landesbestattungsrecht hiervon ausgenommen sind oder der Bestattungszwang aus wissenschaftlichen oder religiösen Gründen suspendiert ist. Auch der vorgeburtlich verstorbene Keimling ist einer eigentumsrechtlichen Einordnung unzugänglich. Hier schließt sich der postmortale Würdeschutz unmittelbar an den pränatalen an.
H. Teile des Leichnams
I. Überblick über den Meinungsstand Im Gegensatz zur prinzipiellen Eigentumsunfähigkeit des Leichnams als solchem bejaht die herrschende Lehre im Zivil- und Strafrecht1 die Aneignungsfähigkeit einzelner, dem Leichnam entnommener Teile, wobei überwiegend ein privilegiertes Aneignungsrecht der Totensorgeberechtigten angenommen wird.2 Zum Teil wird die Eigentumsfähigkeit davon abhängig gemacht, dass die Abtrennung selber rechtmäßig erfolgte,3 wobei in der Regel keine Kriterien für die Rechtmäßigkeit einer Abtrennung genannt werden. Andere verlangen, dass eine dahingehende Bestimmung durch den Verstorbenen zu Lebzeiten getroffen wurde.4 Verschiedentlich wird vertreten, die Rechtslage in Bezug auf Leichenteile richte sich nach den am Leichnam insgesamt bestehenden Rechten, wobei abhängig von der rechtlichen Einordnung des Leichnams als ganzem unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.5
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Für das Zivilrecht: Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 38; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 63f.; Sasse, Veräußerung, S. 71; Borowy, Organentnahme, S. 88f.; für das Strafrecht: Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 21; Ruß, in: LK-StGB, § 242 Rn. 10; undeutlich Fischer, StGB, § 242 Rn. 8. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 90 Rn. 38; Kregel, in: RGRK-BGB, § 90 Rn. 5; Sasse, Veräußerung, S. 71; Borowy, Organentnahme, S. 91. So Edenhofer, in: Palandt, BGB (64), § 1922 Rn. 44; Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 90 Rn. 11. Ebbing, in: Erman, BGB, § 958 Rn. 9 stellt für diese Frage auf die Gestattung des Verstorbenen oder dessen Angehörigen ab; ebenso Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 90 Rn. 33. Kaatsch, Rechtsmedizin 1994, S. 132 (134); Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 21; Ruß, in: LK-StGB, § 242 Rn. 10 mit der Einschränkung, dass kein Widerspruch der Angehörigen vorliegen dürfe. Holch, in: MüKo-BGB, § 90 Rn. 32 a.E.: keine Eigentumsfähigkeit – ohne Begründung; Marly, in: Soergel, BGB, § 90 Rn. 12: keine Eigentumsfähgkeit, solange Totenehrung andauert; in der Tendenz auch Henssler, in: Soergel, BGB, § 958 Rn. 2, wonach die Aneignungsfähigkeit von Leichenteilen durch den Persönlichkeitsschutz eingeschränkt wird. Im Ergebnis zu einem Aneignungsrecht kommt Eichholz, NJW 1968, S. 2272ff., der allerdings bereits die Aneignungsfähigkeit des Leichnams insgesamt bejaht. Im Grundsatz ebenfalls für eine parallele rechtliche Einordnung Forkel, JZ 1974, S. 593 (599): prinzipiell keine Eigentumsfähigkeit, anders hingegen für befugterweise angefertigte Präparate.
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H. Teile des Leichnams
II. Analyse Für eine vom Leichnam insgesamt abweichende Behandlung und damit für die Eigentumsfähigkeit von Leichenteilen wird vorgetragen, dass Leichenteile nicht ohne weiteres ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Leiche erkennen lassen6 und damit unter Umständen weder eine Zuordnung zu einem bestimmten Leichnam möglich ist, noch eine Abgrenzung von lebzeitig abgetrennten Körpersubstanzen.7 Weder der eine noch der andere Gesichtspunkt kann indes überzeugen: Richtig ist zwar, dass Probleme hinsichtlich der Zuordnung von Leichenteilen zu einer Leiche auftreten können, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Identifizierungsmöglichkeit Voraussetzung für den besonderen Schutz von Leichenteilen wäre. Zudem ist die Identifizierbarkeit in nicht unerheblichem Maße eine Frage der angewendeten Methoden: Wo der Augenschein versagt, kann zum Beispiel eine DNA-Analyse Aufschluss geben, so dass zusätzlich die Frage nach den Maßstäben der Identifizierbarkeit zu beantworten wäre. Richtig ist ferner, dass unter Umständen Schwierigkeiten bestehen nachzuweisen, ob eine Körpersubstanz vor oder nach Eintritt des Todes abgetrennt wurde. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine dogmatische Frage, sondern um eine Frage der praktischen Durchsetzung von Rechten im Streitfall und somit um ein Problem der Darlegungs- und Beweislast im Prozess. Zuzugeben ist zwar, dass lebzeitig abgetrennte Substanzen als Eigentum des ehemaligen Inhabers der Vererbung gemäß § 1922 BGB unterliegen,8 so dass im theoretischen Extremfall eine logische Sekunde über die Eigentumsfähigkeit entscheiden kann. Dies ist letztlich Folge dessen, dass der Eigentumserwerb bei lebzeitiger Abtrennung nicht von einer objektiv erkennbaren Zwecksetzung abhängt,9 rechtfertigt sich aber zum einen durch die kapitale Zäsurwirkung des Todes und zum anderen durch den Umstand, dass der ehemalige Substanzträger auch in diesem theoretischen Extremfall mindestens für eine logische Sekunde die volle Eigentümerstellung und die damit verbundenen Befugnisse innehatte. Praktisch dürften derlei Zuspitzungen ohnehin kaum relevant sein. Ein weiteres Argument für die Eigentumsfähigkeit von Leichenteilen knüpft an die räumliche Trennung vom Leichnam an: Durch die Abtrennung werde die unmittelbare Bindung der Leichenteile an das fortwirkende Persönlichkeitsrecht „in Gestalt der räumlich-gegenständlichen Eingliederung in den Leichnam”10 aufgehoben. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Zirkelschluss, denn die Frage ist ja gerade, ob die Aufhebung der Eingliederung in den Leichnam zum Erlöschen des postmortalen Schutzes führt. Überdies müsste konsequent zu Ende ge6 7 8
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Schünemann, Rechte, S. 281; zustimmend Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 63. Maier, Verkauf, S. 42; Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 64. Wobei vor allem für Samenzellen zu beachten ist, dass die Entscheidung über die Verwendung zur Fortpflanzung eine höchstpersönliche Entscheidung des Substanzträgers ist und daher nicht von den Eigentümerbefugnissen der Erben erfasst sein kann. Dazu bereits oben Kap. C Abschn. I. 5. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 64; ebenso Borowy, Organentnahme, S. 89f.; nach zulässiger Entnahme auch Kaatsch, Rechtsmedizin 1994, S. 132 (134).
III. Folgerung: grundsätzliche Eigentumsunfähigkeit von Leichenteilen
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dacht – so makaber dies klingen mag – der Leichnam nur weit genug in seine Einzelteile zerlegt werden, um ihn letztlich insgesamt, als Summe von Einzelteilen, eigentumsfähig zu machen.11 Ein dritter Gedanke betrifft den Vergleich zwischen lebzeitig abgetrennten Substanzen und abgetrennten Leichenteilen: Wenn bereits zu Lebzeiten vom Körper abgetrennte Substanzen zu Eigentum des ehemaligen Substanzträgers würden, müsse erst recht die Eigentumsfähigkeit von Leichenteilen bejaht werden, da “die Bindung an die Persönlichkeit beim lebenden Menschen wesentlich intensiver” sei “als der Bezug der abgetrennten Leichenteile zum fortwirkenden Persönlichkeitsrecht.”12 Hierbei wird jedoch übersehen, dass im ersten Fall der ehemalige Substanzträger selbst Eigentümer wird, während es hinsichtlich des Eigentums an Leichenteilen um die Frage geht, ob ein davon verschiedener Dritter Eigentum erwerben kann. Der Schluss müsste also korrekt lauten: Wenn schon der ehemalige Substanzinhaber Eigentum an lebzeitig abgetrennten Substanzen erwirbt, so muss erst recht ein Dritter nach dem Tod des Substanzträgers Eigentum an dessen Leichenteilen begründen können. Dieser Erst-recht-Schluss wäre jedoch unzulässig: Die Ratio, die hinter dem automatischen Eigentumserwerb des Substanzträgers bei lebzeitiger Abtrennung einzelner Substanzen steht, ist die Fortführung der umfassenden Bestimmungsbefugnisse, die am eigenen Körper bestehen.13 Solch umfassende Bestimmungsbefugnisse bestehen jedoch am Leichnam eines Verstorbenen grundsätzlich nicht, sofern nicht ausnahmsweise der Leichnam insgesamt bereits eigentumsfähig ist;14 insbesondere das Totensorgerecht der nächsten Angehörigen begründet keine derart umfassende Rechtsposition.15 Damit lassen sich die Eigentumsfähigkeit abgetrennter Leichenteile und der Eigentumserwerb hieran auch nicht als Fortsetzung umfassender Bestimmungsbefugnisse verstehen. Beide Situationen sind also nicht miteinander vergleichbar, so dass es an einer Grundlage für einen Erst-recht-Schluss fehlt.
III. Folgerung: grundsätzliche Eigentumsunfähigkeit von Leichenteilen Konsequent ist es daher, Leichenteile so zu behandeln wie den Leichnam im Ganzen, da nur so der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende Schutzauftrag effektiv verwirklicht werden kann. Das heißt in einem ersten Schritt, dass invasive Eingriffe in die Integrität des Leichnams nur insoweit zulässig sind, als sie dem erkennbaren Willen des Verstorbenen entsprechen oder sie aufgrund eines gesetzlichen Befugnissatzes erfolgen, dem eine fehlerfreie Abwägung der widerstreitenden Interessen 11 12 13 14 15
Als Problem erkannt bei Schünemann, Rechte, S. 283 unter dem Schlagwort “Leichenfledderei”. Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 64; ähnlich Borowy, Organentnahme, S. 89f. Dazu bereits oben Kap. C. Abschn. I. 5. f. Zur ausnahmsweise möglichen Eigentumsfähigkeit des Leichnams siehe bereits oben Kap. G Abschn. III. 2. c. cc. und ee. Dazu bereits oben Kap. G Abschn. III. 2. c. bb.
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H. Teile des Leichnams
zugrundeliegt. Ob die Inbesitznahme einzelner Teile in einem zweiten Schritt ausnahmsweise zu einem Eigentumserwerb durch Aneignung führt, richtet sich wie in Bezug auf den Leichnam insgesamt nach dem Umfang, in dem der Verstorbene zu Lebzeiten sein mangelndes Interesse an einem postmortalen Würdeschutz bekundet hat,16 bei gesetzlicher Regelung danach, ob die hierdurch eingeräumte Rechtsstellung mit den Strukturelementen des Eigentums kompatibel ist.
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Dazu oben Kap. G Abschn. III. 2. c. cc.
I. Entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte über den eigenen Leichnam
Im Kontext der hier behandelten Eigentums- und Kommerzialisierungsfragen rund um den Leichnam soll abschließend noch kurz der Frage nachgegangen werden, ob es möglich ist, sich bereits zu Lebzeiten gegen Entgelt dazu zu verpflichten, seinen Leichnam nach dem Tod einem anatomischen Institut zur Verfügung zu stellen. Denn ähnlich wie die bloße Eigentumsunfähigkeit ungetrennter Körpersubstanzen zu Lebzeiten nicht bereits ausschließt, sich zu verpflichten, einzelne Teile nach Herauslösung gegen Entgelt zu übereignen, ist es auch grundsätzlich denkbar, eine Überlassung des Leichnams an die Anatomie nicht nur einseitig zu verfügen, sondern bereits zu Lebzeiten – uno actu mit einer entsprechenden Verfügung – eine vertragliche Regelung dahingehend zu treffen, dass die gegenständlich beschränkte Übertragung des Totensorgerechts auf Zeit gegen Entgelt schuldrechtlich fixiert wird. Ob einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien überhaupt ein dahingehender Rechtsbindungswille entnommen werden kann, ist anhand der üblichen Auslegungskriterien im Einzelfall zu bestimmen. Soweit er bejaht werden kann, drängt sich auch hier das Problem auf, ob eine uneingeschränkte Verpflichtung möglich ist. Entgegen einer in der Literatur geäußerten Ansicht kann dies nicht bereits unter Hinweis darauf verneint werden, der Leichnam könne als res extra commercium nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein.1 Denn wenn eine wirksame Verfügung zugunsten der Überlassung an eine Anatomie möglich ist, was mittlerweile unstreitig ist, ist der Leichnam in gewisser Weise bereits Gegenstand des Rechtsverkehrs, wenn auch nicht des freien Warenverkehrs, sondern lediglich insoweit, als die Verfügung bestattungsrechtlich zulässig ist und der Berechtigte die Anordnungen des Verstorbenen zu befolgen hat. Weiter ist nicht die Entgeltvereinbarung als solche kritisch, insbesondere lässt sich hier eine Sittenwidrigkeit erst recht nicht aus dem Gedanken der Unvereinbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde begründen.2 Das Problem liegt hier vielmehr – ähnlich wie bei rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen über noch ungetrennte Substanzen zu Lebzeiten – darin, ob es einer Einschränkung dahingehend bedarf, dass eine erkennbare Willensänderung des ‚Überlassungsschuldners‘ vor Todeseintritt zu berücksichtigen 1
2
So aber Müller, Kommerzielle Nutzung, S. 88; insoweit wie hier offenbar Gaedke/Diefenbach, Bestattungsrecht, S. 122, die allerdings eine Bindung der Angehörigen an vertragliche Absprachen verneinen. Zur Vereinbarkeit der Kommerzialisierung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu Lebzeiten siehe oben Kap. B Abschn. I. 2.
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I. Entgeltliche Verpflichtungsgeschäfte über den eigenen Leichnam
ist. Verneint man dies, kommt es zu einer schuldvertraglichen mittelbaren Fixierung der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Leichnam, da eine Änderung des Willens dann einen Vertragsbruch darstellt. Gegen die unbedingte Möglichkeit einer solchen Fixierung spricht jedoch der Charakter des Selbstbestimmungsrechts über die Verwendung des eigenen Leichnams. Dieses Selbstbestimmungsrecht zur Regelung der letzten Dinge ist fundamentaler Natur, die prinzipielle Beachtlichkeit des zuletzt geäußerten Willens ein tragender Grundsatz des Bestattungsrechts. Damit lässt sich eine uneingeschränkte Bindungswirkung einer schuldrechtlichen Anatomievereinbarung nicht in Einklang bringen; vielmehr muss die Entscheidung für den sich zur Überlassung Verpflichtenden revidierbar sein, ohne sich dem Vorwurf der Vertragsverletzung ausgesetzt zu sehen. Mit dieser Einschränkung ist eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Überlassung des eigenen Leichnams und seiner Teile möglich, birgt aber für den Vertragspartner das Risiko, sich nicht auf die Durchführung des Vertrags verlassen zu können und gegebenenfalls bereits lebzeitig gezahlte Beträge von den Erben zurückzuerlangen.
Ausblick
Ausblick
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Im Zuge der Bemühungen um eine Fortschreibung der europäischen Integration wurde auf der Konferenz der Staats- und Regierungschefs in Nizza am 07. Dezember 2000 die Charta der Grundrechte der Europäischen Union feierlich proklamiert, die zuvor durch einen europäischen Konvent erarbeitet worden war. Ursprünglich sollte sie den zweiten Teil des am 29. Oktober 2004 unterzeichneten, letztlich aber gescheiterten so genannten EU-Verfassungsvertrags bilden. In einem neuen Anlauf sollte die Grundrechtecharta zwar nicht mehr unmittelbarer Bestandteil des nun geplanten Reformvertrags sein, jedoch sollte sie die Unterzeichnerstaaten – mit Ausnahme Großbritanniens und Polens1 – durch einen im Reformvertrag enthaltenen Verweis rechtlich binden. Nachdem sich die Staatsund Regierungschefs der Mitgliedsländer in der Nacht zum 19. Oktober 2007 auf den Vertragsinhalt geeinigt hatten, wurde das Werk am 13. Dezember 2007 als ‚Vertrag von Lissabon‘ unterzeichnet. Die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten sollte bis zu den Europawahlen 2009 erfolgen. Nach dem gescheiterten Referendum in Irland Mitte Juni 20082 ist die Zukunft des Vertrags und damit auch der Grundrechtecharta jedoch wieder ungewiss geworden.3 Ob und wann sie tatsächlich in Kraft tritt, bleibt abzuwarten. Daher beschränkt sich der Ausblick darauf, einige Fragen anzureißen, die sich im Bereich der Kommerzialisierung menschlicher Körpersubstanzen mit Inkrafttreten der Grundrechtecharta stellen dürften. Sollte die Grundrechtecharta rechtsverbindlich werden, wird für den hier interessierenden Kontext Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GRCharta relevant werden. Danach muss „im Rahmen der Medizin und der Biologie […] insbesondere […] beachtet werden: […] das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen“.4 Inspiriert ist dieses Verbot zum einen durch Art. 21 der so genannten Biomedizinkonvention des Europarates,5 zum anderen durch Art. 16.1 und 16.5 des französischen Code Civil.6 Die 1
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Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich (Protokoll Nr. 7), Abl. 2007/C306/01, abgedruckt in EuGRZ 2008, S. 339f. Vgl. den F.A.Z.-Bericht vom 14.06.2008, S. 1f.: „Iren sagen nein zum Vertrag von Lissabon“. Zwar soll der Ratifikationsprozess in den übrigen Ländern wohl fortgesetzt werden (F.A.Z.-Bericht vom 21.06.2008, S. 1: „Es geht weiter mit dem Lissaboner Vertrag“), allerdings hat der polnische Präsident bereits mitgeteilt, den Vertrag vorerst nicht unterzeichnen zu wollen (F.A.Z.-Bericht vom 02.07.2008, S. 1: „Kaczynski: Polen ratifiziert EU-Vertrag vorerst nicht“). Der deutsche Bundespräsident hat angekündigt, die Ratifikationsurkunde zum Vertrag auf Bitten des Bundesverfassungsgerichts wegen anhängiger Gerichtsverfahren bis zu entsprechenden Entscheidungen des Gerichts nicht zu unterzeichnen (F.A.Z.-Bericht vom 01.07.2008, S. 1: „Köhler will EU-Vertrag vorerst nicht ratifizieren“). Auch in Tschechien ist das Verfassungsgericht mit dem Vertragstext befasst (F.A.Z.-Bericht vom 21.0.2008, S. 2: „Nur Topolánek rannte raus“). Systematisch unglücklich ist das Gewinnerzielungsverbot im „Recht auf Unversehrtheit“ gemäß Art. 3 EU-GRCharta untergebracht. Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997. Gemäß dessen Art. 21 dürfen der menschliche
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Einschränkung, dass der menschliche Körper und seine Teile lediglich als solche nicht zur Gewinnerzielung genutzt werden dürfen, geht vor allem auf das Betreiben deutscher Delegierter des Europäischen Konvents zurück.7 Die Bestimmung wirft zahlreiche Fragen auf. Zunächst ist unklar, ob es sich hierbei um eine Bereichsausnahme für alle in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Grundrechte handelt, um kodifizierte Grundsätze oder um eine Schrankenregelung, die zugleich einen Konkretisierungsauftrag enthält.8 In der Tat fällt es schwer, die Bedeutung des Verbots und die Reichweite seiner einzelnen Merkmale aus sich heraus durch Auslegung zu konkretisieren. Dies gilt zum einen für den Begriff der ‚Teile des menschlichen Körpers‘. Hier bleibt unklar, ob damit jegliche menschliche Substanz im weitesten Sinne erfasst ist, oder ob ‚Teile‘ in diesem Sinne lediglich Organe sein sollen, was zunächst insofern naheliegt, als die Regelung vor allem den „verwerflichen Organhandel“9 unterbinden soll und im Hinblick auf den Verkauf von z.B. Haaren bereits eine restriktive Auslegung gefordert wird.10 Dem Wortlaut lässt sich eine solche Restriktion allerdings nicht entnehmen, und die Erläuterungen zu den Konventberatungen verweisen jeweils lediglich auf die Übereinstimmung mit der Biomedizinkonvention,11 die ihrerseits eine solche Restriktion nicht ausdrücklich enthält.12 Zum anderen ist fraglich, wem die Gewinnerzielung verboten sein soll, ob damit also auch und vor allem der Substanzträger gemeint ist, oder ob lediglich die Gewinnerzielung durch Dritte unterbunden werden soll. Denn die übrigen gemäß Art. 3 Abs. 2 EU-GRCharta zu beachtenden Punkte – informierte Einwilligung als Voraussetzung eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit, Verbot eugenischer Praktiken und Verbot reproduktiven Klonens von Menschen – betreffen vor allen Dingen das Handeln von Medizinern und Forschern, so dass es systematisch an sich naheläge, auch das Gewinnerzielungsverbot nur auf diese zu beziehen. Die Bezugnahme auf die Übereinstimmung mit der Biomedizinkonvention spricht indes für eine andere Auslegung, da gemäß Erwägungsgrund 132 des erläuternden
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Körper und Teile davon als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden; vgl. auch Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), GRCharta, Art. 3 Rn. 45; Radau, Biomedizinkonvention, S. 117ff. Art. 16.1 CC lautet: „Le corps humain, ses éléments et ses produits ne peuvent faire l‘objet d’un droit patrimonial.“, Art. 16.5 CC: „Les conventions ayant pour effet de conférer une valeur patrimoniale au corps humain, à ses éléments ou à ses produits sont nulles.“ Auch dazu Borowsky, a.a.O. Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), GRCharta, Art. 3 Rn. 29. Vgl. Höfling, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), KGK-GRCharta, Art. 3 Rn. 16; für Grundsatzcharakter Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), GRCharta, Art. 3 Rn. 32; für Schrankenregelung mit Konkretisierungsauftrag Rixen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hb. Europ. GRe, § 11 Rn. 30. Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), GRCharta, Art. 3 Rn. 45. Borowsky, a.a.O. Zum Verlauf der Beratungen und den jeweiligen Erläuterungen siehe Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), GRCharta, Art. 3 Rn. 6–25. Nach dem Erwägungsgrund 133 des erläuternden Berichts zur Biomedizinkonvention sollen Haare, Finger- und Fußnägel als abgestoßenes Gewebe einem Verkauf zugänglich sein.
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Berichts zur Biomedizinkonvention13 auch die Gewinnerzielung durch den Substanzträger selbst ausgeschlossen sein soll. Darüber hinaus erschließt sich nicht, wie weit oder eng die Begriffe ‚Medizin‘ und ‚Biologie‘ zu verstehen sind. Auch hier spricht der Blick auf den erläuternden Bericht zur Biomedizinkonvention für eine eher weite Auslegung, da nach dessen Erwägungsgrund 10 jede Anwendung von Medizin und Biologie auf menschliche Lebewesen erfasst sein soll, einschließlich der Anwendung für präventive, diagnostische und therapeutische Zwecke sowie Forschungszwecke. Andererseits ist der erläuternde Bericht bereits für die Auslegung der Biomedizinkonvention nicht verbindlich,14 so dass eine unbesehene Übertragung auf Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GRCharta erst recht nicht möglich ist. Zudem soll die Konvention selbst lediglich „Grundsätze“15 fixieren, deren Ergänzung und Detaillierung durch Protokolle vorgenommen werden sollen.16 All dies spricht dafür, in dem Verbot des Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GRCharta einen Konkretisierungsauftrag an die rechtssetzenden Institutionen zu sehen. Privatpersonen werden durch das Verbot jedenfalls nicht unmittelbar gebunden, was sich vor allem aus Art. 51 EU-GRCharta ergibt.17 Adressaten der Charta sind gemäß dessen Abs. 1 vielmehr ausschließlich die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie die Mitgliedstaaten, soweit sie das Recht der Union durchführen. Erfasst werden damit auf der Ebene des Handelns der Mitgliedstaaten vor allem die so genannten ‚Agency-Situationen‘,18 in denen die Mitgliedstaaten sozusagen im Auftrag und Interesse der Union tätig werden, wozu in erster Linie die Umsetzung europäischer Richtlinien zu rechnen ist. Versteht man das „abstrakt aufgestellte und insgesamt wenig operationabel formulierte“19 Verbot des Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GRCharta als Konkretisierungsauftrag an die rechtssetzenden Organe,20 hängt die Reichweite des Verbots für die Mitgliedstaaten je nach Regelungsbereich zunächst von den Vorgaben ab, die die jeweilige Richtlinie aufstellt. In der Konsequenz werden aufgrund der Grundrechtecharta im Bereich des Heilbehandlungssektors zunächst
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Abrufbar unter http://www.kritischebioethik.de/erlaeuternder-bericht-bek-295_German.pdf (letzter Abruf 15.01.2008). Gemäß seiner Eingangsbemerkung handelt es sich nicht um eine amtliche Interpretation. Erwägungsgrund 7 des erläuternden Berichts. Bislang existieren solche Protokolle für den Bereich der Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs, für die biomedizinische Forschung und für das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen. Ladenburger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), KGK-EuGRCharta, Art. 51 Rn. 11–13 m.w.N. Dazu Ladenburger, a.a.O., Rn. 26ff. Rixen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. Europ. GRe, § 11 Rn. 30 bezogen auf Art. 3 Abs. 2 EU-GRCharta insgesamt; zum Gewinnerzielungsverbot inhaltlich ablehnend König, MedR 2005, S. 22 (26): „wohlklingende und von hoher Warte aus gesprochene Monumentalsätze […], die in der Lebenswirklichkeit offensichtlich nicht einzuhalten sind“. So wohl Rixen, a.a.O.
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keine Änderungen in der deutschen Gesetzgebung erforderlich sein, da das Handelsverbot des TPG die Geweberichtlinie mehr als hinreichend umgesetzt hat und eine darüber hinausgehende Richtlinie für die Organtransplantation durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zwar intendiert aber bislang noch nicht konkret geworden ist.21 Änderungen des TFG werden zunächst ebenfalls nicht erforderlich, da die Blutrichtlinie kein striktes Gewinnerzielungsverbot fordert.22 Offen ist aber, ob eine restriktivere Ausgestaltung der Richtlinie selbst erforderlich ist, was letztlich davon abhängig, inwieweit den Gemeinschaftsorganen ein Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung des Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GRCharta verbleibt. Macht man ernst mit der Übereinstimmung mit der Biomedizinkonvention, wäre ein Verbot der Gewinnerzielung mit Blut konsequent, da auch diese durch Art. 21 Biomedizinkonvention erfasst sein soll.23 Eventuelle künftige Verbote außerhalb des Anwendungsbereichs der bisherigen Richtlinien wären vorbehaltlich weiterer europäischer Rechtssetzungsakte nach wie vor allein nach nationalem Recht zu beurteilen, da insoweit keine Durchführung des Rechts der Union im Sinne der Art. 51 Abs. 1 EU-GRCharta gegeben wäre. Auch das Gewinnerzielungsverbot in Art. 21 der Biomedizinkonvention des Europarats würde dabei keine verbindliche Rolle spielen, da die Bundesrepublik Deutschland die Konvention bislang nicht unterzeichnet hat. Für künftig denkbare Verbote, die nicht gemeinschaftsrechtlich veranlasst sind, bliebe zur Rechtfertigung daher im Wesentlichen lediglich der Rückgriff auf sittliche oder ethische Erwägungen. Hier wäre der Gesetzgeber gut beraten, sich nicht auf unkonkrete allgemeine ethische Prinzipien oder Pietätsvorstellungen zurückzuziehen. Jedenfalls sollte er dort, wo er über Gestaltungsspielräume verfügt, nicht in ein ‚Schwarz-Weiß-Denken‘ verfallen, sondern auch die dazwischen liegenden Grautöne berücksichtigen.
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Ein Vorschlag soll 2008 vorgelegt werden, Pressemitteilung IP 07/718 vom 30.05.2007, abrufbar unter www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference= IP/07/718&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en (letzter Abruf 15.01.2008); ablehnend dazu Pühler, u.a., MedR 2007, S. 584ff. Vgl. oben Kap. D Abschn. II. 3. b. Erwägungsgrund 132 des erläuternden Berichts.
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen
Zusammenfassung in Thesen
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1. Der lebende menschliche Körper ist einer eigentumsrechtlichen Einordnung nicht zugänglich. Das alternative Modell eines persönlichkeitsrechtlich überlagerten Eigentums lässt sich aufgrund der Normgeprägtheit des Eigentums und vor dem Hintergrund seiner freiheitssichernden Funktion nicht rekonstruieren. Ihre verfassungsrechtliche Grundlage finden die Rechte des Menschen am eigenen Körper und seinen ungetrennten Bestandteilen zu Lebzeiten einzig in Art. 2 GG. 2. Die Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen ist nicht generell mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar. Maßgeblich ist insoweit, ob die Voraussetzungen einer autonomen Entscheidung vorliegen. Autonomie bedeutet in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit zu haben, in aufgeklärtem Zustand eine abwägende Entscheidung treffen zu können. Eine Einschränkung der Maßgeblichkeit der autonomen Entscheidung ist nicht angezeigt. Denn aus Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG lässt sich weder das Verbot einer kommerziellen Zwecksetzung ableiten, noch ist die Existenz einer vom einzelnen Würdeträger abstrahierenden Dimension belegbar. 3. Eine Vereinbarung über die Abtrennung von Körpersubstanzen erfordert in jedem Fall, dass sich der Substanzinhaber vor der Durchführung der Vereinbarung jederzeit folgenlos davon lösen kann. Auch soweit dies der Fall ist, ist eine Kommerzialisierungsvereinbarung sittenwidrig und nichtig gemäß § 138 BGB, wenn sie auf die Entnahme lebenswichtiger Körpersubstanzen gerichtet ist, so dass die Durchführung den Tod des Substanzträgers zur Folge hätte, oder wenn der Substanzträger durch den Eingriff in die konkrete Gefahr des Todes geriete. Im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 S. 2 TPG ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zudem sittenwidrig, wenn sie von Personen getroffen wird, die nicht in einem Näheverhältnis der in § 8 Abs. 1 S. 2 TPG bezeichneten Art zueinander stehen. In beiden Fällen folgt die Sittenwidrigkeit aus ökonomisch unspezifischen Gründen und betrifft daher auch unentgeltliche rechtsgeschäftliche Vereinbarungen. Demgegenüber lässt sich im gesetzlich nicht spezifisch geregelten Bereich ein Sittenverstoß weder aus dem Entgeltcharakter einer Vereinbarung noch allein aus der Höhe eines vereinbarten Entgelts ableiten, sofern nicht die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes gemäß § 138 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Auch das Fehlen eines über die Gewinnerzielung hinausgehenden Zwecks auf der Seite des Substanzträgers ist unschädlich. 4. Mit der Herauslösung einzelner Bestandteile aus dem lebenden menschlichen Körper erwirbt der ehemalige Substanzinhaber nach dem Rechtsgedanken des § 953 BGB automatisch Eigentum daran. An den herausgelösten Teilen setzt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht fort, so dass insbesondere der Schutz vor unbefugtem Zugriff Dritter auf die in den herausgelösten Bestandteilen enthaltenen Informationen gewährleistet wird. Hat der ehemalige Substanzinhaber erkennbar eine Disposition getroffen, die Ausdruck eines besonderen persönlichen
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Zusammenfassung in Thesen
Interesses ist, das über das typische Sachinteresse des Eigentümers hinausgeht, sind herausgelöste Bestandteile auch mit Blick auf diese Disposition nach der Herauslösung der Substanz weiter persönlichkeitsrechtlich gebunden, die getroffene Disposition wird durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit als Gewährleistung allgemeiner Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 5. Der Rechtsstatus herausgelöster Keimzellen ist mit dem Status sonstiger herausgelöster Körperbestandteile identisch. Insbesondere lässt sich gegen die auch eigentumsrechtliche Einordnung weder aus Art. 1 Abs. 1 GG, noch aus Art. 6 Abs. 2 GG oder aus Art. 14 Abs. 3 GG ein durchgreifender Gegeneinwand herleiten. 6. Das Handelsverbot des § 17 TPG und die daran anschließende Strafvorschrift des § 18 TPG schränken grundrechtliche Freiheiten des Substanzträgers in verfassungskonformer Weise ein. § 18 TPG ist durch die Gerichte allerdings restriktiv anzuwenden, soweit der Tatbestand auch den Handel mit Zellen erfasst. 7. Mit dem Ende der zweiten Reifeteilung der imprägnierten Eizelle scheidet eine Einordnung des menschlichen Keimlings als Eigentum aus, da in diesem Zeitpunkt der verfassungsrechtliche Lebensschutz einsetzt. 8. Ab dem Ende der zweiten Reifeteilung ist die Kommerzialisierung menschlicher Keimlinge grundsätzlich unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 GG. Eine andere Beurteilung ist angezeigt, wenn sich der Würdeschutz im Ergebnis gegen das Leben selber richtete und sich damit zu Lasten des Schutzobjekts der Würdegarantie auswirkte. Soweit die Unterbindung der Kommerzialisierung den Keimling seiner Chance beraubt, sich als Mensch bis zur Geburt zu entwickeln, kann ein Verbot daher nicht auf Art. 1 Abs. 1 GG gestützt werden. Hier hat der Gesetzgeber jedoch einen Gestaltungsspielraum, wie er seine Schutzverpflichtung zugunsten des Lebens wahrnimmt, der ihm auch in diesem Fall ermöglicht, die Kommerzialisierung zu untersagen. 9. Mit dem Tod des Menschen werden seine körperlichen Überreste zu Sachen im Rechtssinne. Der Aneignung des Leichnams steht prinzipiell der fortwirkende Schutz der Menschenwürde entgegen. 10. Hat der Verstorbene zu Lebzeiten bestimmt, dass sein Leichnam Verwendung in der wissenschaftlichen Anatomie finden soll, erwirbt das anatomische Institut in der Regel kein Eigentum am Leichnam, indem es ihn in Besitz nimmt. Bei der
Zusammenfassung in Thesen
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Überlassungsbestimmung handelt es sich grundsätzlich lediglich um eine zeitlich und inhaltlich begrenzte Übertragung des Totensorgerechts. 11. Etwas anderes gilt nur, soweit sich der Verstorbene zu Lebzeiten mit einer Übertragung der Berechtigung am Leichnam auf Dritte einverstanden erklärt hat. In diesem Fall ist der postmortale Würdeschutz soweit zurückgenommen, dass eine eigentumsrechtliche Einordnung des Leichnams möglich ist. Das mit der Inbesitznahme des Leichnams entstehende Eigentum ist allerdings durch den Bestattungszwang grundsätzlich zeitlich begrenzt. Der Bestattungszwang ist jedoch suspendiert, solange der Leichnam Forschung und Wissenschaft zu dienen bestimmt ist. Dies gilt auch für Plastinate, da sie auch nach erfolgter Plastination Leichen im Sinne des Bestattungsrechts sind. 12. Die Diamantsynthese als neue Form der Verwendung des Leichnams und als Teilsubstitution der Bestattung ist de lege lata in Deutschland unzulässig. Eine Überführung des Leichnams ins Ausland zum Zwecke der Synthetisierung ist nach allgemeinen bestattungsrechtlichen Regelungen zulässig. Der so nach den ausländischen Vorschriften rechtmäßig hergestellte Diamant ist aneignungsfähig. 13. Die zeitliche Grenze des postmortalen Würdeschutzes ist einheitlich zu bestimmen. Vorzugswürdig gegenüber Konzepten, die Spezialregelungen aus dem Bereich des Immaterialgüterrechts heranziehen, ist die Zeitspanne eines ‚Menschenalters‘, welches unter Berücksichtigung der prognostizierten künftigen Lebenserwartung bei 100 Jahren angesetzt werden kann. Nach Ablauf dieser Spanne sind körperliche Überreste eigentumsfähig, unterliegen allerdings nach wie vor prinzipiell dem Bestattungszwang. 14. Leichenteile sind im Grundsatz ebensowenig eigentumsfähig wie der Leichnam im Ganzen. 15. Bei Inkrafttreten der EU-Grundrechtecharta wird im Hinblick auf das Gewinnerzielungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich EU-GrCharta zunächst keine Anpassung des TPG oder des TFG notwendig werden. Eventuelle künftige Verbote außerhalb des Anwendungsbereichs der bisher existierenden EU-Richtlinien wären vorbehaltlich weiterer europäischer Rechtssetzungsakte nach wie vor allein nach nationalem Recht zu beurteilen, da insoweit keine Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 Abs. 1 EU-GRCharta gegeben wäre.
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201
Stichwortverzeichnis
A Abfallprodukte des Körpers 25, 49 allgemeine Handlungsfreiheit 66, 70 – Beschränkung durch §§ 17, 18 TPG 85 – Subsidiarität 66 allgemeines Persönlichkeitsrecht – Keimzellen 73 – Recht auf informationelle Selbstbestimmung 65, 70 – verfassungsrechtliches 21, 66 – zivilrechtliches 21, 66 Anatomieleiche 149 – suspendierter Bestattungszwang 152 Anatomievertrag – schuldrechtlicher, entgeltlicher ~ 165 Aneignungsfähigkeit herrenloser Sachen – als sachenrechtliches Prinzip 149 – fortwirkender Würdeschutz als Ausnahme vom Prinzip 150 Ausschlussfunktion des Eigentums – siehe Eigentum, Ausschlussfunktion
B Beginn des Lebensschutzes – siehe Lebensschutz, Beginn Beginn des Würdeschutzes – siehe Würdeschutz, Beginn beschränkt dingliche Rechte 17, 69 Bestattungsrecht – Abwehr gesundheitlicher Gefahren 152, 158 – als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums 151 – Mindestruhezeit 151, 156 Bestattungszwang 151 – Asche 153 – dauerhafte Suspendierung 153
–
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 153 – nach Erlöschen des postmortalen Würdeschutzes 158 – Pietätsempfinden 158 – Plastinate 152 – suspendierter ~ 152, 158 – und Diamantsynthese 155 Bestimmungsrechte am eigenen Körper – allgemeine Handlungsfreiheit 20, 22 – allgemeines Persönlichkeitsrecht 20 – Recht auf körperliche Unversehrtheit 20, 70 Biomedizinkonvention 169 Blut 18, 25 D Dereliktionsrecht 17 Diamantsynthese 4, 154 – Eigentumsfähigkeit des Endprodukts 156 – Verkehrsfähigkeit des Endprodukts 155 – Zulässigkeit 154 Dichotomie von Person und Sache 98, 106
E Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen 23 – eingeschränkte Bindungswirkung 46 – freies Widerrufsrecht 46 – unvollkommene Verbindlichkeit 46 Eigentum – Ausschlussfunktion 15, 19, 147 – Funktion 3, 17
204
Stichwortverzeichnis
–
herausgelöste Körpersubstanzen siehe Körpersubstanzen, herausgelöste – Keimzellen 72 – latentes ~ 11 – Leichnam 125 – Normgeprägtheit 14, 22 – Privatnützigkeit 16 – Strukturelemente 16, 19, 146, 151 – überlagertes ~ 11, siehe auch Eigentum, überlagertes – ungetrennte Körpersubstanzen 18 – Verfügungsfähigkeit 16 Eigentum, überlagertes – Recht der öffentlichen Sachen 14, 19 – Urheberpersönlichkeitsrecht 14, 19 Eigentümerbelieben – rechtliche Ausprägungen 16f. – tatsächliche Ausprägungen 17 Eigentumsübertragung – Besitzkonstitut 18 – Bindung an die Einigung 18 Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 88, 92 Einwilligung 46 – Aufklärung 52 – Widerruf der Einwilligung 48 Embryo 97 Embryonenschutzgesetz 97, 111 – Veräußerungsverbot 111 Enteignung 78 – fortbestehender persönlichkeitsrechtlicher Schutz 67 – Keimzellen 78 EU-Blutrichtlinie 91, 172 EU-Geweberichtlinie 82, 91, 172 EU-Grundrechtecharta 169 – Adressaten 171 – Gewinnerzielungsverbot 169 F fortentwickelter sachenrechtlicher Ansatz 61, 77 – Keimzellen 77 – Vorzüge 64 Freiheit – pflichtgebundene Freiheit 38 Freiheit von Forschung und Lehre – Suspendierung des Bestattungszwangs 153, 158 funktionale Einheit 63, 75
G Glaubens- und Bekenntnisfreiheit 40 Grundrechte – immanente Schranken 39 gutgläubiger Erwerb 68
H Haare 18, 25, 49, 82, 170 herausgelöste Körpersubstanzen siehe Körpersubstanzen, herausgelöste
I Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums – Bestattungsrecht als ~ 151 Insemination – anonyme heterologe 76, 79 – homologe 76 K kategorischer Imperativ 34 Keimling 97 – als eigentumsfähige Sache 98 – als Person 98 – Ende der Eigentumsfähigkeit 110 – Kommerzialisierung 111 Keimzellen – Eigentum 72 – Enteignung 78 – fortentwickelter sachenrechtlicher Ansatz 77 – Gleichbehandlung mit sonstigen Substanzen 72, 79 – Sonderstatus 73 Keimzellspende – Kindeswohl 74, 77f. Kindeswohl siehe Keimzellspende Kommerzialisierung 5 – siehe auch Eigenkommerzialisierung ungetrennter Körpersubstanzen – siehe auch Anatomievertrag – siehe auch Keimling – siehe auch Menschenwürde – siehe auch Organ- und Gewebehandelsverbot – siehe auch Samenspende – siehe auch Sittenwidrigkeit – siehe auch Würdeschutz, Beginn
Stichwortverzeichnis Körpersubstanzen, herausgelöste – ausschließliches Aneignungsrecht gem. § 958 Abs. 2 BGB 59 – Eigentumserwerb analog § 953 BGB 58 – Erwerb von berechtigtem Dritten 69 – fortentwickelter sachenrechtlicher Ansatz 61, 64, 77 – funktionale Einheit 63, 75 – gutgläubiger Erwerb 60, 68 – persönliche Zweckbestimmung 66 – persönlichkeitsrechtlicher Ansatz 60 – rechtstechnische Umsetzung des Eigentumserwerbs 70 – sachenrechtlicher Ansatz 57 Körpersubstanzen, ungetrennte 18 Körperverletzung 46, 63, 75 Körperweltenausstellung 4, 136
L Laserdrome-Entscheidung 41 Lebensschutz, Beginn 99 – Ende der zweiten Reifeteilung 102, 109 – Geburt 105 – Individuation 102, 108 – Konjugation 101 – Mindestbedingung 106 – Nidation 102, 107f. – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 100 Leichenöffnung nach § 87 StPO 145 Leichenteile 161 – Eigentumsfähigkeit 162 – grundsätzliche Eigentumsunfähigkeit 163 Leichenumbettung 145 Leichnam – als aneignungsfähige Sache 136 – als Bezugs- und Schutzobjekt sui generis 128 – als nicht aneignungsfähige Sache 134 – als res extra commercium 134 – als Rückstand der Persönlichkeit 125 – als Sache 127 – Anatomieleiche 149 – Anatomievertrag 165 – Aneignungsfähigkeit durch Verfügung 150
– – – – – –
205
automatischer Eigentumserwerb der Erben 128 Diamantsynthese 4, 154 eigenes Persönlichkeitsrecht der Angehörigen 148 Eigentumsfähigkeit durch Zeitablauf 156 grundsätzliche Eigentumsunfähigkeit 145f. Plastination 136, 149, 152
M Menschenbild des Grundgesetzes 44f. Menschenwürde – abstrakte Schutzdimension 40 – als Beobachtungsprädikat 114, 117 – als Kommunikationsbegriff 116 – als Leistungsbegriff 113 – als objektiver Wert 28, 41 – als tragendes Konstitutionsprinzip 23, 30 – anerkannte Gewährleistungskategorien 119 – Autonomie 28 – Beginn siehe Würdeschutz, Beginn – bei Kant 34 – christlich-theologischer Würdebegriff 31 – Eigenkommerzialisierung von Körpersubstanzen 24 – elementare Rechtsgleichheit 120, 159 – Einsatz von Wasserwerfern 47 – geistesgeschichtliche Vorläufer 31f. – Kommerzialisierung der Keimzellspende 74 – materielles Existenzminimum 29 – menschliche Würde als solche 40 – Mitgifttheorie 113 – Objektformel 27, 34 – Schutz der körperlichen Integrität 119 – Schutz positiver Werte 38 – 'selbstentwürdigendes' Verhalten 28, 77 – Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen 119 – struktureller Schutz 41 – Wahrung der personalen Identität 121 – Würde des Menschen als Gattungswesen 42, 45
206
Stichwortverzeichnis
Mephisto-Entscheidung 137, 145 Moorleiche 135, 156 Mumie 126, 135, 156
N Nägel 25
O Objektformel 27, 34 – Untauglichkeit im postmortalen Bereich 145 – Untauglichkeit im pränatalen Bereich 119 Organ- und Gewebehandelsverbot – Auswirkungen der EUGrundrechtecharta 171 – Bestimmung zur Heilbehandlung 83 – Gewebe 82 – Handeltreiben 81 – Organteil 83 – Regelungsbereich 81 – Vereinbarkeit mit Art. 14 GG 85 – Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG 90 – Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG 90 – verfassungsrechtliche Rechtfertigung 85 Organhandel 3, 25, 170 – staatlich kontrollierter ~ 25, 87 P Peep-Show-Entscheidung 41 Person 9 Persönlichkeitsrecht – allgemeines siehe allgemeines Persönlichkeitsrecht – nachwirkendes ~ 135 Plastination siehe Leichnam postmortaler Würdeschutz siehe Würdeschutz, postmortaler Präambel des Grundgesetzes 31, 32, 39, 40
R Recht auf körperliche Unversehrtheit 20 – negative Komponente 21 – positive Komponente 21
Recht auf Leben – sachgeprägter Schutzbereich 107 S Sachbegriff 19 Sachgesamtheit 19 Samenspende – entgeltliche 74 SchwangerschaftsabbruchsEntscheidungen 112 Sittengesetz 39f. Sittenwidrigkeit – aufgrund §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 S. 2 TPG 52 – Ausverkauf der eigenen Gesundheit 49 – beschränkte Bedeutung des § 138 BGB 48 – Bindung einer Substanz an die Persönlichkeit 49, 50 – Entgelthöhe 49, 53 – Folgekosten eines Eingriffs 52 – konkrete Todesgefahr 51 – Lokalisierung der Substanz am Körper 49 – ökonomisch unspezifische Kriterien 50 – Reproduzierbarkeit als Parameter 49 – spezifisch ökonomische Kriterien 53 – Tötung auf Verlangen 51 – verfolgte Zwecke 49, 54 – Wuchertatbestand 55 Skelett 126, 135 Sperma 25, siehe auch Keimzellen Störung der Totenruhe 148
T Totensorgerecht 147, 163 – Übertragung auf anatomisches Institut 151 Transfusionsgesetz 54 – Entwurfsbegründung 25 Transplantationsgesetz 3 – Entwurfsbegründung 24 – Handelsverbot 81
Stichwortverzeichnis U Überlagerungsmodell 10 Umwandlung von Persönlichkeitsrecht zu Eigentum 70
V Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 85 Vertrag von Lissabon 169
W Wasserwerfer-Entscheidung 47 Würdeschutz, Beginn 112 – Entkoppelungsthese 113 – Konkretisierung des Würdeanspruchs 119 – Nidation als Brücke zum Menschsein 115, 117
–
207
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 112 – zeitgleich mit Beginn des Lebensschutzes 112, 113, 118 Würdeschutz, postmortaler – als Ergebnis verfassungsgerichtlicher Rechtsfortbildung 144 – begrenzte Abwägungsfähigkeit 145, 146 – Mephisto-Entscheidung 137 – pränatal verstorbener Keimling 159 – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 137 – Schutz der Totenruhe 146 – Schutzgehalt 146 – Wahrung der Totenruhe 155 – zeitliche Grenze 156