NEUKIRCHENER
Gerhard Barth
Die Taufe in frühchristlicher Zeit
2., verbesserte Auflage 2002
N eukirchener
© 1981-...
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NEUKIRCHENER
Gerhard Barth
Die Taufe in frühchristlicher Zeit
2., verbesserte Auflage 2002
N eukirchener
© 1981-2., verbesserte Auflage 2002 Neukirebener Verlag Verlagsgesellschaft des Erziehungsvereins mbH, Neukirchen-Vluyn Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Hartmut Narnislow Gesamtherstellung: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG Printed in Gerrnany ISBN 3-7887-1840-4
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Barth, Gerhard: Die Taufe in frühchristlicher Zeit I Gerhard Barth. 2., verb. Aufl. - Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2002 ISBN 3-7887-1840-4
Inhalt
Einführung
7
1 Der Ursprung der christlichen Taufe
9
1.1
Der Taufbefehl des Auferstandenen
11
1.2 Die Taufe Jesu
15
1.3 Die Johannestaufe 1.3.1 Der Befund 1.3.2 Der religionsgeschichtliche Hintergrund 1.3.3 Folgerungen für die Johannestaufe
20 21 25
30
1.4 Die Entstehung der christlichen Taufe
33
2 Die Christusbezogenheit der Taufe
40
3 Taufe und Geist
55
4
Interpretationen der Taufe
67
4.1
Taufe als Übereignung und Siegel
68
6
4.2 Sakramentalistisches Taufverständnis in hellenistischen Gemeinden
Inhalt
74
4.3 Die Integration der Taufe in Rechtfertigungsbotschaft und theologia crucis bei Paulus ...............................................
85
4.4 Taufe und Wiedergeburt
99
4.5 Taufe als Bitte um ein gutes Gewissen in 1Petr 3,21
103
5 Tauferinnerung und Ermahnung
109
6
Taufvollzug und Taufordnung
117
7 Die Frage nach der Taufe von Kindern in neutestamentlicher Zeit . .. .. .. .. .. .. . ... . ... .. .. .. .. .. .. ... . ... .. .. .. ... .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. ..
12 8
Literatur (Auswahl)
139
Bibelstellen (Auswahl)
143
Einführung
Die Welle der Taufdiskussion in den fünfzig er und sechziger J ahren ist inzwischen merklich verebbt. Nicht, daß sie zu einhelligen und überzeugenden Klärungen geführt hätte; von einigen mageren Änderungen da und dort in Taufordnungen abgesehen, hat sich nicht viel geändert. Die Stille ist eher eine Folge der Ermüdung und des Vordringens anderer Fragen. Dennoch kommt die Tauffrage nicht zur Ruhe. Das Ungenügen an der Säuglingstaufe stößt immer wieder auf. Und wer mit Jugendlichen und namentlich Studenten darüber diskutiert, merkt schnell, wie ungeklärt und verworren weithin die Vorstellungen sind. So bleibt die Bemühung um ein angemessenes Verständnis der Taufe weiterhin der Theologie aufgetragen. Hinzu kommt, daß die exegetische Arbeit seitdem nicht stehengeblieben ist, sondern zu Einsichten und Ergebnissen geführt hat, die nicht nur unser Bild von den Anfängen modifizieren, sondern vielleicht auch da und dort weiterhelfen können. Aus diesen Gründen hatte ich die Anregung meines Kollegen Ferdinand Hahn gerne aufgegriffen, und meine bisherige Beschäftigung mit diesem Thema in einem kleinen Taufbüchlein zusammengefaßt Da dieses inzwischen längst vergriffen war, von Studierenden, Pfarrerinnen und Pfarrern aber immer wieder danach gefragt wird, will ich nun eine zweite, verbesserte Auflage erscheinen lassen. Das Buch will Studierende, Theologinnen und Theologen darüber informieren, was sich derzeit über Entstehung, Entwicklung und Verständnis der Taufe in neutestamentlicher Zeit sagen läßt. Da es sich um exegetisch-historische Information handelt, kann die dogmatische und praktisch-theologische Diskussion hier nicht ausführlich aufgezeigt werden. Daß diese dennoch nie aus dem Blick verloren wird, die verschiedenen exegetisch-historischen Feststellungen vielmehr durchaus auch für unsere gegenwärtigen Fragen Relevanz haben, wird der Leser leicht merken. Das Büchlein ist in der Weise aufgebaut, daß die einzelnen neutestamentlichen Textstellen nicht - wie das häufig geschieht - ihrer kanonischen Reihenfolge nach exegesiert werden, sondern unter thematischen Gesichtspunkten geordnet untersucht und dargelegt werden. Das hat zwar den Nachteil, daß sich Überschneidungen
8
1
Einführung
nicht immer vermeiden lassen, bringt aber den Vorteil, daß die entscheidenden Fragestellungen, Entwicklungen, Tendenzen und Gewichtungen im Neuen Testament besser zu Gesicht kommen. Daß vom Umfang des Büchleins her auf Vollständigkeit in der literarischen Auseinandersetzung verzichtet werden muß, ist selbstredend. Ich hoffe dennoch, nichts Entscheidendes übersehen zu haben. Wuppertal, Februar 2002
Gerhard B arth
1 Der Ursprung der christlichen Taufe.
Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments hat die Christenheit offenbar von Anfang an getauft. Wer sich dem neuen Glauben zuwandte, wurde durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen. So fordert nach der Apostelgeschichte der Pfingstprediger Petrus seine fragend gewordenen Zuhörer wie selbstverständlich zur Taufe auf: »Bekehrt euch, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden ... « (2,38). Und anschließend wird dann festgestellt: »Jene nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und an diesem Tag wurden ihrer Zahl etwa dreitausend hinzugefügt« (2,41). Entsprechend führt die Mission des Philippus in Samarien zur Taufe (8,12). Der Kämmerer aus Äthiopien (8,38) und der Hauptmann Kornelius (10,48), Saulus (9,18), Lydia (16,15) und der Kerkermeister in Philippi (16,38) werden nach ihrer Bekehrung getauft, und der Missionserfolg des Paulus in Karinth zeigt sich nach 18,8 daran, daß »viele gläubig wurden und sich taufen ließen« 1. Überall ist vorausgesetzt, Das schließt nicht aus, daß es auch Ausnahmen gegeben haben mag. Wenn es in Apg 18,25 von Apollos heißt, daß er nur die Taufe des Johannes kannte, dann scheint er die christliche Taufe nicht empfangen zu haben. Daß dies aber als Ausnahme zu verstehen ist, zeigt der nachfolgende Abschnitt 19,1-7 von den Johannesjüngem, die allesamt auf den Namen Jesu getauft werden müssen, um in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Wenn bei anderen summarischen Angaben über den Missionserfolg die Taufe nicht erwähnt wird (Apg 5,14; 11,21; 13,43ff; 14,1; 17,4.12), sondern nur davon gesprochen wird, daß viele >>gläubig wurdenzum Herrn geführt wurdensich überzeugen ließen>westlichenzur Vergebung der Sündenden Täufer anerkennende Jesus>der höhere und endgültige Gottesbote ist«. In diesem judenchristliehen Bedürfnis der Abgrenzung gegen die Johannesjünger sieht er den eigentlichen Grund zur Bildung der Taufperikope. Doch frage ich mich, ob man die Voranstellung des >>du bist« so stark betonen darf. Vögtles Deutung ist nur sinnvoll unter der Voraussetzung, daß der Gottessohn-Titel auch für Johannes reklamiert wurde, so daß die Christen nun im Gegenzug betonten: Nicht Johannes, sondern Jesus ist der >>Sohn Gottes«. Aber dafür, daß dem Täufer der Titel >>Sohn Gottes« beigelegt wurde, gibt es keine Hinweise (aus Joh 1,20 könnte man allenfalls Xptcr'to>nach Tugend zu streben« und >>Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu übenwie« Feuer weiß, sondern vor allem daran, daß Lukas selbst die >>Feuertaufe« (Lk 3,16) nach Ausweis von Apg 1,5; 11,16 nicht auf die feurigen Zungen der Pfingstgeschichte bezogen hat. Fragen mag man, ob auch in Mt 3,11 I Lk 3,16 die Worte 1tVEUJ..lU'tt ayi.C(l bereits als christlicher Einschub zu verstehen sind. Hält man sie für ursprünglich, so muß man entweder in der doppelten Bezeichnung der Taufe als durch heiligen Geist und durch Feuer geschehend eine Andeutung auf den doppelten Ausgang des Gerichts sehen (Geistmitteilung = Gnade, Feuer = Strafgericht), oder man muß 7tVE'ÜJ..lU als Wind verstehen und mit >>Feuer>feurigen HauchEcrtv tffiv OJ.Lapn&v); sie eignet dem Täufling die Vergebung der Sünden zu, wie wiederum schon in der Pfingstpredigt des Petrus programmatisch erklärt wird (Apg 2,38). Sie ist deshalb to ßanttc1Jla to tpov äE>MoseTaufe auf Christus>Taufe auf Mose>im Namen« auch bei den Taufstellen jeweils durch sorgfältige Untersuchung des Kontextes zu erheben sucht. Der Vorwurf, den Hartman gegen Delling erhebt, trifft eher seine eigene Untersuchung, in der auf eine Analyse der neutestamentlichen Taufstellen weithin verzichtet wird und die für I' schem eruierte Bedeutung einfach auf die Taufformel übertragen wird. Diese Vernachlässigung des Kontextes der Taufformel führt dann dazu, daß Hartman die dadurch ausgedrückte >>fundamental reference« inhaltlich durch die Verkündigung des irdischen Jesus zu füllen sucht (StTh 3lff).
2
Die Christusbezogenheil der Taufe
53
bar die gleiche gefüllte Bedeutung hat, die der Name Christi auch sonst im Neuen Testament erkennen läßt. Diese Spannung ließ ja Delling vor der Ableitung von l'schem zurückschrecken 133 . Doch muß man fragen, ob diese Spannung wirklich so schwerwiegend ist. Auch sonst trifft es sich ja verschiedentlich, daß Begriffe und Wendungen im Zuge ihrer Tradierung und ihres theologischen oder gottesdienstlichen Gebrauchs ihre Bedeutung geändert und neue Inhalte in sich aufgenommen haben 134 • So wäre es durchaus denkbar, daß die Wendung »taufen auf den Namen ... « im Zuge ihres gottesdienstlichen Gebrauchs den Bedeutungsumfang in sich aufgenommen hat, den der Name Jesu sonst im Neuen Testament hat, eine Bedeutung, die das ursprüngliche ze schem noch nicht hatte, die sich aber notwendig einstellen mußte, wenn die Frühchristenheit das in Jesus Ereignis gewordene Heilshandeln Gottes mit dem Namen Jesu zusarnmenfaßte.
Sowohl Dellings wie Hartmans Untersuchung führen also zu dem Ergebnis, daß die Formel »auf den Namen Jesu« dasjenige Element ist, das die Taufhandlung erst zu einer christlichen Taufe macht und von anderen Waschungen abhebt. Dann kann man aber in der Zufügung der Taufformel nicht ein zweites »Motiv« sehen, das zu dem primären Motiv der Sündenabwaschung später erst hinzugefügt wurde. Die Taufformel »auf den Namen ... « fügt nicht ein sekundäres Motiv, einen zweiten Gedanken zu dem ursprünglichen, durch die Handlung ausgedrückten Motiv der Abwaschung, so daß sie ein mit dem »Tauchbad konkurrierendes selbständiges Sakrament« wäre 135 , sondern sie interpretiert die Waschung, indem sie sie auf das an den Nameri Jesu gebundene Heilsgeschehen bezieht. Hier ist noch einmal zu beachten, daß es ja im wesentlichen der Ritus der Johannestaufe ist, den die Urgemeinde aufgenommen hat. Versprach die Johannestaufe in eschatologischer Stunde dem umkehrenden Sünder die Vergebung seiner Sünden und damit die Rettung im Jüngsten Gericht, so griff die Urgemeinde diesen Ritus auf, vollzog ihn aber nun »auf den Namen Jesu Christi hin«, d.h. aufgrund des Heilshandeins Gottes, das an diesen Namen gebunden ist. Damit wird einerseits gesagt, inwiefern dieser Ritus wirklich Vergebung der Sünden zueignen kann, andererseits wird dadurch der von Johannes übernommene Taufritus zu einem Mittel, um das auszusagen, was das an den Namen Jesu gebundene Geschehen für den Umkehrenden bedeutet. Durch die Taufformel »auf den Namen Jesu Christi« wird also einerseits klargestellt, daß 13 3 Delling, a.a.O. 38. 134 Man denke nur etwa an den Bedeutungswandel, den der Hosanna-Ruf erfahren hat (vgl. R. Pesch, Markusevangelium 11, 183; T. Lohmann, Art. Hosianna, BHH II, Göttingen 1964, 752), oder an die christologischen Titel »Herr>Sohn GottesDie christliche Taufe ist das Menschenwerk des grundlegenden Bekenntnisses, in welchem sich die christliche Gemeinde mit den neu zu ihr Hinzutretenden und in welchem sich diese mit ihr zusammenfinden>Die Taufe ist dem Apostel eine symbolische Darstellung des Übertritts zum Christentum und bringt insbesondere zum Ausdruck, daß der Übertretende verpflichtet und gewillt ist, die Sünde in ihm selber unerbittlich zu bekämpfen.>Die christliche Wassertaufe ist Bekenntnisakt, von Gott befohlenes Bestätigungszeichen, Zeugnis der Umkehr für jeden einzelnen.
schon in wenigen Tagen« in 1,5.
3
Taufe und Geist
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»Kehrt um, und ein jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen«. Der Empfang des heiligen Geistes wird hier als eine Folge von Umkehr und Taufe verheißen146, gewiß nicht als eine automatische Folge, aber doch so, daß das eine wie das andere normalerweise zusammengehören. Dabei wird in 2,39 ausdrücklich auf das zurückverwiesen, was zuvor in 2,16ff über die Geistausgießung gesagt worden war. Wurde dort die Geistausgießung als Erfüllung der Joel-Verheißung und damit als Zeichen eschatologischer Heilsnähe ausgegeben, so heißt es nun in 2,39, daß diese Verheißung den Hörern und ihren Kindern und allen Fernen und Nahen gelte. Der Empfang des Geistes bedeutet die Begabung mit einer göttlichen Kraft, die den Empfänger zu besonderen Taten wie Glossolalie und Prophetie befähigt, und ist damit Zeichen des Eschatons. Noch deutlicher ist die Verbindung von Taufe und Geistempfang in Apg 19,1-6. Paulus begegnet da einigen »Jüngern« - was immer damit gemeint sein mag 147 - und fragt sie, ob sie den heiligen Geist empfangen hätten, als sie zum Glauben kamen. Auf ihre verneinende Antwort hin fragt er weiter, »worauf« (Eie; 'tt) sie denn getauft worden seien. Schon hier ist vorausgesetzt, daß sie bei entsprechender richtiger Taufe den Geist empfangen haben müßten. AJs sie daher antworten, nur die Johannestaufe empfangen zu haben, werden sie noch einmal getauft, nunmehr »auf den Namen des Herrn Jesus«. Daraufhin heißt es in 19,6: »Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der heilige Geist auf sie, und sie redeten in Zungen und prophezeiten.« Neben der Feststellung, daß wieder 146 Kat ATU.l\j!E0"9E 'tTJV öoopE>Zauberei höherer Ordnung>Gefäß des Geistes« bezeichnet werden. Herrn sim IX,l3 legt in breiter Allegorese dar, daß es Bedingung zur Erlangung des Heils ist, von den zwölf Jungfrauen bekleidet zu werden, die als >>heilige Geister« und >>Kräfte des Sohnes Gottes« gedeutet werden. Wer nur den Namen des Sohnes Gottes trägt, seine Kraft aber nicht hat, gewinnt nicht das Heil. Ohne Bild gesprochen: Taufe ohne Geistempfang nützt nichts. Wieder wird deutlich, daß Taufe und Geist zusammengehören, zugleich aber auch, daß der Vollzug der Taufhandlung nicht per se den Empfang des Geistes garantiert. Schließlich ist auf !Kor 6,11 zu verweisen, wo das >>ihr wurdet abgewaschen« zweifellos an die Taufe denkt. Diese Abwaschung wird dann erläutert einmal mit der Wendung >>im Namen des Herrn Jesus Christus«, zum anderen mit >>und durch den Geist unseres GottesNamen des Herrn Jesus Christus>Geistroncr116~) genannt wurde (Apol. I,61,12; vgl. auch 65,1; Dial. 122,5), eine Bezeichnung, die im Neuen Testament für die Taufe noch nicht begegnet 169 •
Da das Aufkommen und Sichdurchsetzen neuer Bezeichnungen und Umschreibungen für die Taufe oft Hand in Hand geht mit einem besonderen Verständnis der Taufe, müssen wir uns zwei Begriffen besonders zuwenden, einmal der Bezeichnung der Taufe als »Siegel« und zum anderen als »Wiedergeburt«. Weiter ist zu beachten, daß neue Interpretationen keineswegs nur an neue Benennungen gebunden sind. Sie können sich auch ebenso an alte Begriffe anschließen, diese aber in einer neuen Umwelt neu und anders interpretieren. Bezeichnend ist hier, wie die enthusiasti~ sehen Pneumatiker in Korinth die Taufe und das Herrenmahl verstehen, und auf welche Weise Paulus auf deren Sakramentsverständnis antwortet. 4.1 Taufe als Übereignung und Siegel Heitmüller und Bietenhard hatten seinerzeit die Taufe als Übereignung des Täuflings an seinen Herrn Jesus Christus verstanden und 167 Vgl. K.H. Schelkle, Die Petrusbriefe, der Judasbrief (HThKXIII,2), Freiburg/Basel/Wien 3 1970, 191; W. Grundmann, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus (ThHK XV) Berlin 1974, 74; H. Windisch I H. Preisker, Die katholischen Briefe, Tübingen 3 1951, 87. 168 Sicher ist, daß mit dem xp'icrjla, das die Leser empfangen haben, der Geist gemeint ist, der ja nach allgemein christlicher Vorstellung bei der Taufe empfangen wurde. Fraglich aber ist, weshalb dafür der ungewöhnliche Ausdruck xp'icrlla (= Salböl oder Salbung) gebraucht ist. Ist damit nur eine allgemeine bildhafte Umschreibung des Geistes gebraucht (so Wengst, z.St.; W. Grundmann, Art. xpiro KtA.., ThWNT IX, 568), oder ist dieser Ausdruck im Blick auf ein Concretum gewählt, also im Blick auf die Taufe (so R. Bultmann, Die drei Johannesbriefe [KEK XIV], Göttingen 1967, 42; Schnackenburg, Johannesbriefe 153) oder gar im Blick auf eine zur Taufe gehörende Ölsalbung (so Nauck, a.a.O. 94f.147ff)? Dinkler, Taufterminologie 180ff sieht auch in dem xpicra~ il!lti~ 2Kor 1,21 einen Ausdruck für die Taufe. 169 Vgl. H. Conzelmann, Art. lj>cö~ KtA.., ThWNT IX, 349. Doch beschränkt sich die Bezeichnung der Taufe als >>Erleuchtung« keineswegs auf Justin und seinen Umkreis. Wie sich aus Clemens, Paedag. I,26.30 ergibt, handelt es sich um eine im 2. Jahrhundert verbreitete Bezeichnung.
4
Interpretationen der Taufe
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dieses Taufverständnis an der Taufformel »taufen auf den Namen ... « festgemacht. Die Forschung danach hatte zwar gezeigt, daß sich der Übereignungsgedanke nicht aus der Wendung »taufen auf den Namen ... « entnehmen läßt, diese Formel vielmehr das Taufgeschehen in Beziehung zu dem Heilsgeschehen setzt, das an den Namen Jesu gebunden ist. Gleichwohl hatten jene Forscher doch nicht so ganz unrecht, wenn sie die Taufe als Übereignung verstanden. Denn in der Tat findet sich eine Reihe von Stellen, an denen die Taufe so verstanden ist, daß in ihr der Täufling Jesus Christus als seinem neuen Herrn übereignet wird, sich seiner Herrschaft unterstellt und fortan als Eigentum Jesu Christi unter seinem Schutz und in seinem Dienst steht. Nur ist dieser Übereignungsgedanke nicht aus der Taufformel zu entnehmen, sondern eine sekundäre Interpretation, die die Taufe schon sehr früh an sich gezogen hat. Schon in lKor 1,12ff begegnet dieser Übereignungsgedanke bei der Taufe. Wenn die in Parteien sich spaltenden Korinther sagen »ich gehöre zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu Kephas« (1,12) und Paulus dem entgegnet, daß ja nicht Paulus für sie gekreuzigt wurde und sie nicht »auf den Namen des Paulus« getauft wurden, so heißt das doch, daß der Kreuzestod als Heilsgeschehen ebenso wie die Taufe als dessen Zueignung eine Zugehörigkeit begründen. Wären sie auf den Namen des Paulus getauft worden, so könnten sie mit Recht behaupten, zu Paulus zu gehören. Da sie aber auf den Namen Christi getauft wurden, gehören sie nur und ausschließlich Christus. Ihre ganze Freiheit, die sie als Christen haben, gründet in dieser Bindung: »Alles ist euer, es sei Paulus oder Apollos oder Kephas oder die Welt, es sei Leben oder Tod, Gegenwärtiges oder Zukünftiges: Alles ist euer, ihr aber gehört Christus ... « (lKor 3,22f). Daß die Taufe für Paulus die Zugehörigkeit zu Christus begründet, zeigt auch Gal 3,27. Im Zuge seiner Darlegung, daß die das Heil bringende Abrahamskindschaft für die Heidenchristen nicht durch Gesetz und Beschneidung, sondern durch den Glauben gewonnen wird, verweist Paulus in 3,27 auf die Taufe: » ... denn alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.« Daraus wird zunächst entnommen, daß hier »in Christus« die Unterschiede zwischen Juden und Griechen usw. aufgehoben sind (3,28), und dann die Schlußfolgerung gezogen: » ... wenn ihr aber Christus gehört, dann seid ihr auch Nachkommen Abrahams und Erben entsprechend der Verheißung« (3,29). Einzelheiten dieses hochinteressanten Textes können wir hier beiseite lassen, da wir uns ihm ohnehin noch weiter zuwenden müssen. Es genügt hier zu beachten, daß sich für Paulus die Aussage »ihr gehört Christus« (3,29) aus der Taufe (3,27) ergibt.
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4
Interpretationen der Taufe
Zum Verständnis dieses Gedankens, daß der Täufling Jesus Christus als seinem neuen Herrn übereignet wird, dessen Eigentum er fortan ist, muß man sich vor Augen halten, daß das dem Glaubenden gewährte Heilsgut im Neuen Testament ja weithin als Herrschaftswechsel verstanden ist. Der gekreuzigte Jesus von Nazareth wurde durch die Auferstehung zum Herrn über alle Mächte und Gewalten erhöht (Mt 28,18; Phil 2,9f; Hebr 1,3f; 1Petr 3,22), die ihm daher schon jetzt unterworfen sind (Eph 1,2lf; Kol 2,10) oder doch in Kürze unterworfen sein werden (lKor 15,24). Wie die himmlischen, irdischen und unterirdischen Mächte huldigend vor ihm die Knie beugen und ihn als ihren Herrn anerkennen müssen (Phil 2,10f), so bekennt auch die Gemeinde in ihren Gottesdiensten das »Herr ist Jesus« (Kupto~ 'I11crou~ Röm 10,9; 1Kor 12,3) und unterstellt sich mit diesem Akklamationsruf dem, dem alle Mächte unterworfen sind 170 . Entsprechend ist auch das Heilsgut als Herrschaftswechsel verstanden. Die Gemeinde preist Gott, »der uns erlöst hat von der Renschaft der Finsternis und versetzt hat in das Reich seines geliebten Sohnes« (Kol 1,13). Die Christen waren einst tot unter den Mächten dieser Welt (Eph 2,lff), sie waren einst in der Finsternis, sind nun aber von Gott zum Licht berufen und zum Volk seines Eigentums gemacht worden (1Petr 2,9f). Die Glaubenden sind ja der Herrschaft der Sünde (Röm 6,6ff), des Todes (Röm 5,14), der »Vergänglichkeit« (<j>Sopci Röm 8,21; 2Petr 2,19), der Finsternis (Eph 5,8), der »Weltelemente« (Gal 4,3.9) und der »Götter, die in Wirklichkeit keine sind« (<j>ucrEt llft ÖV'tE~ 8t::oi Gal 4,8), entnommen und nun zur Freiheit berufen (Gal 5, 1.13). Diese Freiheit gibt es für sie aber nur in der Unterstellung unter ihren neuen Herrn, im Dienst für Christus (Röm 6,12ff, vgl. auch Mt 12,43ff). Darum sind sie nun »Knechte Christi« (oouA.ot Xptcrwu 1Kor 7,22; Eph 6,6) bzw. »Knechte Gottes« (oouA.ot 8t::ou 1Petr 2,16; 2Clem 20,1; Herrn mand V,2,1; VI,2,4; VIII,10). Bezeichnend ist, daß von dieser Heilserfahrung mit den Bildern und in der Terminologie des Sklavenloskaufs gesprochen wird: »Ihr wurdet teuer erkauft; werdet nicht wieder Sklaven der Menschen«(lKor 7,23)l7l. Waren sie einst Sklaven der Mächte, der 170 Zur Akklamation >>Kyrios Jesus« vgl. H. Conzelmann, Was glaubte die frühe Christenheit 112; Kramer, a.a.O. 62; Wengst, Christologische Formeln 132. 171 Vgl. ferner !Kor 6,20; lPetr 1,18; 2Petr 2,1; Offb 5,9; 14,3f. Zum Loskaufgedanken vgl. W. Eiert, Redemptio ab hostibus, ThLZ 72 (1947) 265-270; E. Pax, Der Loskauf. Zur Geschichte eines neutestamentlichen Begriffes, Antonianum 37 ( 1962) 239-278; G. Barth, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 1992, 71ff.
4
Interpretationen der Taufe
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Sünde und des Todes, so sind sie nun von dieser Sklaverei frei geworden und gehören dem Herrn, der sie durch seinen eigenen Tod losgekauft und sich zum Eigentum erworben hat (Tit 2,14). Schon Israel verstand sich ja als das Volk, das Jahwe zu seinem Eigentum erwählt hat (Ex 19,5; Dtn 7,6; Ps 135,4), dessen Heil und Zukunft darin besteht, dem Herrn zu gehören 172 ; und die junge Christenheit hat diese ekklesiologischen Ehrentitel Israels bewußt aufgegriffen und sich selbst nun als das Volk verstanden, das Gott sich durch Christus zum Eigentum erworben hat (Tit 2,14; 1Petr 2,9; Eph 1,14). Diese Wende aber, in der ein Mensch von der Herrschaft der Sünde und des Todes befreit und unter die Herrschaft Christi versetzt wird, manifestiert sich im Leben des einzelnen konkret in der Taufe, durch die er in das eschatologische Heilsvolk aufgenommen wird. In der Taufe wird das befreiende Werk Christi dem Glaubenden zugesprochen, und dieser erkennt Christus als seinen Herrn an. Es konnte daher gar nicht ausbleiben, daß die Taufe nun auch als eine Übereignung des Täuflings an Christus als seinen Herrn verstanden wurde. So bedeutet für Justin die Taufe, daß »wir nicht Kinder des Verhängnisses (der avciyKTJ) und der Unwissenheit bleiben, sondern Kinder der freien Wahl und der Einsicht ... werden« (Apo I. I,61, 10). Die avciyKTJ bezeichnet dabei jene Schicksalsmächte, denen der Mensch mit »Notwendigkeit« versklavt ist. Von ihrer Herrschaft wird er befreit und gehört einem neuen Herrn. Nun wurde schon im Alten Testament die Ausrufung des Namens über einer Person oder einer Sache als ein Rechtsakt verstanden, durch den diese zum Eigentum dessen erklärt wurde, der seinen Namen über ihr ausrufen ließ 173 . Durch die Taufformel »auf den Namen Christi«, die die Taufe auf das Heilsgeschehen bezieht, wird aber der Name Christi über dem Täufling ausgerufen. Es kann daher nicht verwundern, daß dies nun auch als ein Rechtsakt verstanden werden konnte, durch den das Eigentums- und Herrschaftsrecht Christi über dem Täufling ausgerufen und also der Täufling Christus übereignet wurde - obwohl dies nicht der ursprüngliche Sinn der Taufformel war. Die Getauften »tragen« deshalb den Namen des Gottessohnes (Herrn sim IX,16,3), sie sind die, über denen der »gute Name ausgerufen« wurde (Jak 2,7; Herrn sim VIII,6,4), 172 Vgl. Jes 44,5: >>Da wird der eine sprechen: >ich bin des Herrn< ... und wieder einer schreibt auf seine Hand: >dem Herrn eigen< ... >Wer einen Namen über eine eroberte Stadt (2Sam 12,28) oder über Länder (Ps 49,12) ausruft, macht sein Eigentumsrecht über sie geltendSiegel des Wortes« genannt wird, und erklärt: >>Denn wir haben dich sagen hören, daß der Gott, den du predigst, seine Schafe an seinem Siegel erkenne.« Der Apostel erteilt ihm das Siegel, das offensichtlich die mit Ölsalbung und Eucharistie verbundene Taufe ist. Danach wird aber in 27 von einer zusätzlichen Versiegelung des Siegels (etttcr>Paulus sagt nicht, daß das Sakrament erst durch den Gehorsam wirksam werde, sondern im Gegenteil, daß das wirksame Sakrament zum Gericht genossen wird, wenn man es durch Ungehorsam mißbrauchtcipllaKOV a8avacriw;, avttÖOV'tEI; tOÜ llTJ ano8avdv, eine Arznei der Unsterblichkeit, ein Gegengift gegen das Sterben (lgn Eph 20,2), nannte. Ignatius war mit diesem Eucharistieverständnis durchaus kein Einzelfall 190, und daher läßt sich verschiedentlich auch für die Taufe ein analoges oder ähnliches Verständnis finden. So heißt es von der Taufe bei dem Gnostiker Menander: resurrectionem enim per id, quod est in eum baptisma, accipere eius discipulos, et ultra non posse mori, sed perseverare non senescentes et imc mortales (lrenäus adv. haer. 1,23,5). Verleiht hier die Taufe dem Täufling die Unsterblichkeit 191 , so ist das damit zu vergleichen, daß die Korinther meinen, rinth [FRLANT 66], Göttingen 3 1969, 239ft), sondern ein massiver Sakramentalismus, für den die Gemeinschaft mit dem Bruder und seinen leiblichen Bedürfnissen irrelevant geworden ist. Vgl. Bornkamm, Herrenmahl 143.175f. 190 So spricht ActThom 135 von der >>Arznei des LebensArznei des Lebens>Stirb und Werde>Fröschen>Dann wird dich süßer Flötenhauch umwehn und schönstes Sonnenlicht, wie hier, und Haine von Myrten, wo in sel'gen Scharen Frauen und Männer ziehn mit Sang und Händeklatschen>Das sind die Eingeweihten ... > ... geh nach Kekropia hin und sieh dort die Nächte der großen heiligen Demeter dir an, wenn man die Weihen begeht, Weihen, die hier schon im Leben von Leid dich erlösen und später auch im Totenreich sorglos dir stimmen das Herz>Von einer sittlichen Wirkung kann kaum zu reden sein; die Alten selbst, bei aller Überschwenglichkeit im Preise der Mysterien und ihres Wertes, wissen davon so gut wie nichts>Als die Athener ihn (Diogenes) aufforderten, sich den heiligen Weihen zu unterziehen, und sagten, im Hades hätten die Geweihten den Vorrang, erwiderte er: >Das wäre doch lächerlich, wenn ein Agelsilaos und Epameinondas sich im Pfuhle herumtreiben, dagegen nichtige Gesellen, nur weil sie die Weihe empfingen, auf den Inseln der Seligen wohnen>er hat uns mit Christus auferweckt und uns mit ihm einen Platz im Himmel gegeben«. Vgl. ferner das >>Tauflied« Eph 5,14 und Irenäus, adv. haer. 1,23,5 (Text oben Anm. 190). Nach Irenäus, epid. 3 ist die Taufe das Siegel des ewigen Lebens, und selbst in Herrn sim IX, 16,2ff ist die Wirkung der Taufe primär die Überwindung des Todes und Gabe des Lebens. 222 Vgl. 1Kor 4,8ff; 15,23ff; 2Kor 4,10ff; 5,4ff; Phi! 3,10ff.
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Interpretationen der Taufe
es einst in der Auferstehung an den Tag kommen wird. Durch diese leichte Korrektur wird aber nicht nur einem Mißverständnis gewehrt, es wird dadurch zugleich eine bestehende Tauftradition hellenistischer Gemeinden 223 in die paulinische theologia crucis 223 Von hellenistischen Gemeinden ist hier nicht nur deshalb zu sprechen, weil dieses Taufverständnis uns, wie die Paulusbriefe zeigen, primär in hellenistischen Christengemeinden begegnet, sondern auch, weil es nur auf hellenistischem Hintergrund verständlich wird. Es ist hier von dem religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Vorstellung vom sakramental vermittelten Mitsterben und Mitauferstehen zu sprechen, ein Hintergrund, den man doch wohl in der Gedankenwelt der sogenannten Mysterienreligionen zu suchen haben wird. So u.a. Bornkamm, Taufe und neues Leben 37 Anm. 5; Bultmann, Theologie 142f; Conzelmann, Theologie 66; Dinkler, Taufaussagen 72, Anm. 41; G. Friedrich, Art. Römerbrief, RGG3 V, 1141; Gäumann, a.a.O. 37ff; Käsemann, Römerbrief 151ff; W.G. Kümmel, Die Theologie des Neuen Testaments nach ihren Hauptzeugen, Göttingen 1969, 190; Kuss, Römerbrief, 344ff.377f; Lohse, Theologie 67; Oepke, ThWNT I, 539; Roloff, a.a.O. 241; Wengst, Christologische Formeln 39f. Anfängliche starke Überschätzung eines Einflusses der Mysterienreligionen führte nicht nur zu Ernüchterung, sondern auch zu Gegenreaktionen und heftiger Ablehnung. Einen solchen Einfluß verneinen u.a. Althaus, Römerbrief 56ff; M. Barth, Taufe 187ff; Beasley-Murray, a.a.O. 170; Frankemölle, a.a.O. 100; E. Larsson, Christus als Vorbild, Lund 1962, 22f; H. W. Schmidt, Der Brief des Paulus an die Römer (ThHK VI), Berlin 1962, 105ff; Schnackenburg, Heilsgeschehen 192ff; G. Wagner, Das religionsgeschichtliche Problem von Röm 6,1-11 (AThANT 39), Zürich 1962, 281ff; U. Wilckens, Zu Römer 6, in: Theologisches Gespräch 1-2, Kassel 1979, 11-22. Man betont einerseits, daß die Parallelen zwischen Röm 6 und den Begehungen der Mysterienreligionen so eng nicht seien (so Wagner, a.a.O. passim), und hebt andererseits die Unterschiede zwischen paulinischer Theologie und Mysteriendenken hervor (so etwa Althaus, a.a.O. 56ff). Nun sind diese Unterschiede überhaupt nicht zu bestreiten. Was Paulus verkündigt, unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht ganz eindeutig von der Gedankenwelt der Mysterien. Gleichwohl kann man über allen Unterschieden doch nicht übersehen, was beide verbindet. Nicht ohne Grund haben die Kirchenväter diese Beziehung gesehen und deshalb von einer teuflischen Nachäffung der christlichen Sakramente in den Mysterienreligionen gesprochen (so Justin, Apo!. I,62; Tertullian, de bapt. 5; de praescript. 40; Firmicius Maternus, de errore prof. rel. 18, I; 22,1 ff). Es geht hier vor allem um die Grundvorstellung, daß der Kultteilnehmer durch eine kultische Handlung Anteil an dem Geschick der Gottheit erhält. Ein solcher Gedanke ist für das Israel des Alten Testaments und auch für das Judentum schlechterdings unmöglich. Jahwe hat kein Geschick, an dem der Israelit Anteil durch kultische Handlungen erhielte. Auch der Verweis auf die Anschauung von der corporate personality (Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 378 mit Bezug auf H. W. Robinson, The Hebrew Conception of Corporate Personality, in: Werden und Wachsen des Alten Testaments [BZA W 66], Berlin 1936, 49-66) kann den fehlenden alttestamentlichen Hintergrund nicht ersetzen. Zwar repräsentiert dort der Patriarch das von ihm abstammende Volk; aber gerade der entscheidende Punkt fehlt, nämlich daß der Fromme durch eine kultisch-sakramentale Handlung Anteil an dem Geschick des Patriarchen erhält - ganz abgesehen davon, daß für die hellenistischen Christengemeinden Christus nicht bloß ein Patriarch, sondern ein göttliches Wesen ist. Ebenso unzureichend ist der Ver-
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einbezogen und von ihr her interpretiert: Es ist das Kreuz Christi, an dem der Glaubende Anteil empfängt und d~s seine Gegenwart bestimmt. Doch sind wir damit bereits mitten in das Zentrum dieses vielbesprochenen und problemgeladenen Textes geraten. Paulus sucht darzulegen, inwiefern die durch Gottes Heilshandeln in Christus Gerechtfertigten (5,1) nun auch von der Macht der Sünde frei sind. Der Einwand, mit dem Röm 6 beginnt, greift dabei deutlich den Schluß von Röm 5 auf: Wenn das gilt, was 5,20 behauptet, dann brauche man ja nur kräftig weiter zu sündigen, um der Gnade um so mehr Gelegenheit zum Erweis ihrer Größe zu bieten. Möglicherweise handelt es sich hier um einen Einwand, der Paulus tatsächlich von gegnerischer Seite gemacht wurde 224 . Paulus weist den Einwand strikt ab: Wer für die Sünde gestorben ist, kann nicht mehr für sie leben (6,2). Eben diese These wird nun mit dem Hinweis auf die Taufe begründet: »Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft wurden?« Wahrscheinlich ist dabei das Eit; Xpunov E.ßmt'ttcr8TU.J.EV als eine abkürzende Anspielung auf die Taufformel (taufen auf den Namen Christi) zu verstehen225. Nur dann wird nämlich die Argumentation für den Leser stringent; such von Wilckens, a.a.O. 21, den religionsgeschichtlichen Hintergrund in den Nachfolgeworten Jesu zu suchen, die ja von einer Schicksalsgemeinschaft des Jüngers mit seinem Herrn sprechen. Wieder ist der entscheidende Punkt übersehen: Nirgends geht es in diesen Sprüchen um eine kultisch-sakramental vermittelte Teilhabe an Jesu Tod und Auferstehung. Eben dieser Gedanke aber, daß der Gewinn des Heils von einer kultisch-sakramental vermittelten Teilhabe des Frommen am Geschick seiner Gottheit abhänge, findet sich, bei allen Differenzen im Einzelnen, doch bei verschiedenen hellenistischen Mysterienreligionen (vgl. Cumont, a.a.O. 46.55.64.9lf.201; Plutarch, Über Isis und Osiris I. Text, Übersetzung und Kommentar v. Th. Hopfner, Darmstadt 1967, 70; Haufe, Mysterien 103ff). Daß die hellenistischen Christengemeinden bei der Entwicklung des Gedankens, daß die Taufe Anteil an Christi Tod und Auferstehung gebe, von dieser in der hellenistischen Umwelt virulenten Vorstellung nicht mitbeeinflußt worden sein sollten, ist schwer vorstellbar. Unbestritten bleibt, daß deshalb das hellenistisch-christliche Taufverständnis nicht einfach mit Mysteriendenken gleichgesetzt werden darf, schon deshalb nicht, weil die Taufe nicht am Geschick einer zeitlosen Naturgottheit, sondern an dem eines geschichtlichen Menschen Anteil gibt. Gerade auf dem Hintergrund einer gemeinsamen Grundvorstellung werden die Unterschiede um so deutlicher. Aber es wird hier eine Vorstellung aufgegriffen, die der hellenistische Hörer kennt und verstehen kann und die geeignet ist, in überraschend neuer Weise zu sagen, was die Taufe bedeutet und was christliche Existenz heißt. Um so bezeichnender ist es, daß Paulus noch ein weiteres Mal dieses hellenistische Taufverständnis korrigiert und weiterbildet. 224 Dafür spricht vor allem Röm 3,8; vgl. auch Käsemann, Römerbrief z.St. 225 So Delling, Zueignung 73; Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 374; Gäumann, a.a.O. 74; Frankemölle, a.a.O. 43ff.
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denn daß die Taufe nach dem Ausweis der Taufformel »auf Christus« geschah, kann niemand bestreiten. Die Fortsetzung Eie; tov 8avatov autou €~mtticr8ruu:.v interpretiert diese Taufformel: Wir sind in seinen Tod getauft. Wie dieses »in« (Eie;) zu verstehen sei, ist freilich unter den Auslegern umstritten. Nach Ausweis der folgenden Verse bedeutet es, daß wir nun mit Christus gekreuzigt (6,6), gestorben (6,8), ja, mit Christus begraben (6,4) sind. Es umschließt also ein volles Mithineingenommensein in seinen Tod. Manche Ausleger schlossen daraus, daß schon die Taufformel dc; Xptcrtov (6,3) eine Übereignung an Christus beinhalte. Doch zeigte sich uns oben (S. 45ff), daß die Taufformel von Haus aus diesen Sinn nicht hat. Delling 226 zog daraus die Folgerung, daß wir, wie die Taufformel besagt, »auf das Christusgeschehen hin« getauft wurden, und daß so auch hier das dc; tov 8avatov autou meine, daß wir auf seinen Tod hin getauft wurden. Das ist wohl sachlich zutreffend, doch fragt sich, ob Paulus nicht das dc;, statt so abstrakt, wesentlich konkreter, nämlich lokal als Einfügung in Christus als den neuen Adam verstanden haben mag. Beachtet man, daß Christus für Paulus der eschatologische Adam (Röm 5,12ff; 1Kor 15,21f) ist, in den die Glaubenden eingefügt sind, so daß sie seinen Leib bilden (1Kor 10,17; 12,13.27), und daß nach Gal 3,27 die Taufe bedeutet, mit Christus wie mit einem Gewand bekleidet zu werden, so kann man diese Möglichkeit nicht ausschließen 227 • Das eben genannte Verständnis der Taufformel braucht dem nicht zu widersprechen; denn Paulus bringt ja mit Eie; 'tOV 8avatov autou €~amicr8TU.J.EV bewußt seine eigene Interpretation der vorangehenden Formel.
Vers 4 zieht daraus die Folgerung: Wir sind also mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod 228 , um in einem neuen Leben zu wandeln. Was die erste Vershälfte betrifft, so fällt auf, daß Paulus nicht bloß vom Tod, sondern vom Mitbegrabensein mit Christus spricht. Nachdem frühere Ausleger diesen Ausdruck durch den Ritus des Untertauchens hervorgerufen sahen229 , wird dies von neuerer Forschung in Frage gestellt230 . Nach antikem Denken wird 226 Delling, Zueignung 74ff. 227 Vgl. Käsemann, Römerbrief 156. Zur Frage des religionsgeschichtlichen Hintergrundes der Adam-Christus-Spekulation vgl. E. Brandenburger, Adam und Christus (WMANT 7), Neukirchen-Vluyn 1962; 0. Betz, Art. Adam I, TRE I (1977) 414ff. 228 Die Worte eic; 'tOV eava'tOV in 6,4 wird man besser nicht mit <J"UVE'tU$T]JlEV (so Zahn, z.St.; Kuss, 298; Bornkamm, Taufe und neues Leben 38 Anm. 6; Delling, Zueignung 78), sondern mit ou1 'tOU ßmt'tt<Jfla'tOt; verbinden (so Käsemann, Schlier, Lietzmann, Schmidt, z.St.; Schnackenburg, Heilsgeschehen 30; Gäumann, a.a.O. 74 Anm. 58; Frankemölle, a.a.O. 54). Die dagegen erhobenen grammatikalischen Einwände, daß dann der Artikel wiederholt und ein mi'tou stehen müßte, sind nicht stichhaltig (vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 272,3), und der Satzduktus spricht für die Verbindung mit ßmt'tt<Jfla'tOt;. 229 So Althaus, Lietzmann, Schmidt, Kuss, z.St.; Kümmel, Theologie 192. 230 So Käsemann, a.a.O. 155; Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 371; E. Stommel, >>Begraben mit ChristusT]) der Pistisformel 1Kor 15,4 vor Augen gestanden hätte, wo das Begrabensein gleichfalls die Endgültigkeit des Gestorbenseins unterstreicht. Wieder ist also die Aussage des Apostels durch die Tradition, diesmal durch das Credo, geprägt231 • Doch ist V. 4a nur die Prämisse für die Aussage der zweiten Vershälfte, auf der das eigentliche Gewicht liegt: Wir wurden mit Christus begraben, »damit, wie Christus von den Toten erweckt wurde durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln«. Die Entsprechung »wie Christus ... , so auch wir« hat dabei sachlich begründende Bedeutung 232 . Durch die Auferstehung Christi ist dem Getauften die Möglichkeit des neuen Lebens erschlossen, die er im sittlichen Wandel ergreifen soll. Auf die spannungsvolle Beziehung zu den futurischen Aussagen in V. 5 und V. 8 wurde bereits hingewiesen. An den futurischen Aussagen zeigt sich, daß das neue Leben eine eschatologische Größe ist, die erst bei der kommenden Auferstehung der Toten wirklich offenbar werden wird. Gleichwohl ist den Getauften doch schon jetzt die Wirklichkeit dieses eschatologischen Lebens erschlossen und will im gehorsamen Wandel ergriffen und angeeignet werden. Mit anderen Worten: »Die Taufe ist die Zueignung des neuen Lebens, und das neue Leben ist die Aneignung der Taufe« 233 . Diese in 6,4 entwickelte These, daß unserer Teilhabe am Tod Christi die an seiner Auferstehung entspricht und zu einem neuen Wandel verpflichtet, wird nun in den folgenden Versen in auffallender Weise wiederholt. Für das Verständnis der folgenden Verse ist dabei die Beobachtung von G. Bornkamm234 entscheidend, daß die Verse 57 und 8-10 parallel aufgebaut sind und einander entsprechen. Beide Male wird zunächst aus unserer Anteilhabe an Christi Tod gefolgert, daß wir auch an seiner Auferstehung Anteil haben werden (vgl. 6,5 mit 6,8). Beide Male folgt darauf eine die Folgen dieses Geschehens herausstellende
RQ 49 (1954) 1-20. Neben den von Schnackenburg genannten Argumenten ist auch das ouv zu beachten: Der Satz will eine Folgerung aus dem Vorangehenden sein. Wäre dagegen bei >einem (Tauf-)Katechismus« reden. Bisweilen wurde gar die Liturgie eines Taufgottesdienstes vorausgesetzt; so H. Preisker in der 3. Auflage von Windischs Kommentar, Tübingen 1951; L.F. Cross, Peter. A Pascha! Liturgy, London 1954; A.R.C. Leaney, Peter and the Passover, NTS 10 (1963/64) 238-250. 250 So Joh 3,5; Tit 3,5; Justin, Apo!. 1,61,3.10; 66,1; Dia!. 138,2; ActThom 132; Irenäus, Epid. 3.7. 251 So Windisch!Preisker, z.St.; Knopf, Petrushriefe 42; Schelkle, Petrushriefe 28; Goppelt, Der erste Petrushrief 95.132; N. Brox, Der erste Petrushrief (EKK XXI), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1979, 61; Dinkler, Taufaussagen 120; Dey, a.a.O. 152. 252 Vgl. oben S. 89.
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nen die Leser deshalb zeigen, weil sie »wiedergeboren (wurden) nicht aus vergänglichem, sondern unvergänglichem Samen, nämlich durch das lebendige und bleibende Wort Gottes«. Interessant ist, wie das im Begriff der Wiedergeburt enthaltene Bild hier aufgegriffen und ausgewertet wird. Jede Geburt erfolgt ja aufgrund der Erzeugung mittels eines Samens, der die Eizelle befruchtet. Dieser im Bild enthaltene Teilaspekt wird nun ausgewertet: Der Samen, durch den es zu unserer Wiedergeburt kam, ist kein menschlich-vergänglicher Samen, sondern der Samen des Wortes Gottes, das lebendig und bleibend ist, was dann durch ein Zitat aus Jes 40,6ff belegt wird. Weil es kein vergänglicher, sondern in Ewigkeit bleibender Samen ist, darum ist auch das neue Leben, zu dem wir wiedergeboren wurden, kein vergängliches Leben mehr, sondern ein in Ewigkeit bleibendes Leben. Die Kraft, durch die wir wiedergeboren wurden, ist damit als das Wort Gottes bezeichnet. Das braucht der obigen Beobachtung, daß bei der »Wiedergeburt« wohl an die Taufe zu denken ist, nicht zu widersprechen. Ist auch hier an die Taufe zu denken, so bedeutet das, daß das Wort Gottes die Kraft der Taufe ist253 • Bereits oben waren wir auf den engen Zusammenhang von Taufe und Verkündigung gestoßen (S. 86.95f). Auch in 1Petr 1,23 wird die Taufe in das Geschehen des Wortes Gottes einbezogen und unter das Wort Gottes subsumiert. Taufe kann deshalb nicht als eine magische Kulthandlung verstanden werden, die ex opere operato wirkt; ihre Kraft ist vielmehr das Wort, das im Glauben und im Gehorsam des neuen Wandels ergriffen werden will. Darum sind auch hier Taufe und Ethik miteinander verbunden: Es gilt, das durch die Wieder253 Eine ähnliche Aussage macht Jak 1,18: >>Nach seinem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren>WiedergeburtGeburt>verborgen ist in Gott«. >>Wenn aber Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbar werden« (3,3f).
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Noch auffallender aber ist, daß in dem Kol 2,12 vorausgehenden Vers 2, 11 die Taufe offenbar mit der Beschneidung gleichgesetzt wird: »In ihm (d.h. Christus) wurdet ihr beschnitten mit einer nicht mit Händen vollzogenen Beschneidung, durch das Ausziehen des Fleischesleibes, durch die Beschneidung Christi« (2, 11 ). In diesem Satz wird die nicht mit Händen vollzogene Beschneidung erläutert als »Ausziehen des Fleischesleibes«; und da damit nicht das Ablegen der irdisch-vergänglichen Leiblichkeit, sondern nur das Töten des Sündenleibes (vgl. 2, 13!) gemeint sein kann, wird mit dieser »Beschneidung« der gleiche Sachverhalt umschrieben, von dem in 2,12 im Blick auf die Taufe gesprochen wird: wir sind mit Christus begraben, der Leib der Sünde ist damit gestorben, so daß wir nicht mehr den Mächten der Welt dienen können. Kol 2, 11 ist die einzige Stelle im Neuen Testament, an der Taufe und Beschneidung miteinander verbunden werden. Da diese Verbindung nicht theologisch-heilsgeschichtlich entwickelt, sondern völlig abrupt und polemisch eingeführt wird, ist anzunehmen, daß diese Gleichsetzung von Taufe und Beschneidung durch die Bekämpfung der Irrlehrer veranlaßt wurde 275 . Bei den Irrlehrern scheint neben jüdischen Speisegesetzen und Festkalendern (2,21ff) auch die Beschneidung eine gewisse Rolle gespielt zu haben, so daß den Lesern nun gesagt werden muß: ihr habt das alles nicht mehr nötig, ihr habt längst eine viel höherwertige Beschneidung, habt längst den Leib der Sünde abgelegt, ihr seid doch getauft! Die danach in Kol 3 folgende ausgedehnte Paränese wird gleichfalls mit der Taufe begründet: »Wenn ihr nun mit Christus auferweckt wurdet, so trachtet nach dem, was oben ist ... , denn ihr seid ja gestorben ... « (3, 1.3). Dieses Mit-Christus-gestorben-und-auferweckt-Sein aber ist ja nach 2,12 mit der Taufe verbunden. 275 So mit Recht Dink/er, Taufaussagen 100; Lohse, a.a.O. 153; Dibelius/ Greeven, a.a.O. 30; H. Conzelmann, Der Brief an die Kolosser (NTD 8), Göttingen 1976, 190. Bestritten wird dieser polemische Bezug von Schweizer, a.a.O. 111. Schweizer weist zwar mit Recht auf den biblischen Hintergrund der Vorstellung von der »Beschneidung des Herzens« hin; aber dieser traditionsgeschichtliche Hintergrund schließt ja konkreten Bezug auf gegnerische Vorstellungen und Riten nicht aus. Bei Schweizers Bestreitung dieses polemischen Bezuges wird aber völlig unverständlich, was den Verfasser veranlaßte, diese sich ja nicht gerade leicht einfügende Aussage hier einzuschieben. Völlig abwegig ist auch der Versuch von Jeremias, Kindertaufe 47, aus Kol 2,11 zu entnehmen, das Frühchristentum habe die Taufe gehandhabt wie das Judentum die Beschneidung und habe also auch schon die Säuglinge getauft. Abgesehen davon, daß die Beschneidung im Unterschied zur Taufe nur an männlichen Kindern bzw. Erwachsenen vollzögen wurde, wird von Jeremias gänzlich der konkrete Kontext der Auseinandersetzung mit Irrlehrern in Kol 2,11 übersehen.
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Tauferinnerung bestimmt auch die Paränese des Epheserbriefes. Die ausführlichen Ermahnungen zu einem Wandel in Liebe und in Abkehr von allen Lastern (5,lff) als Kinder des Lichtes (5,8) werden in 5,14 unterstrichen durch das Zitat eines Dreizeilers, dessen Sitz im Leben offensichtlich der Taufgottesdienst war: »Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, und aufstrahlen wird dir Christus.«
Die Aufforderung, aus dem Sündenschlaf zu erwachen und von den Toten aufzuerstehen, gehört nach den Aussagen von Röm 6,4 und Kol 2,12 sachgemäß zur Taufe. Auch die Bezeichnung Christi als das Licht des Menschen findet sich speziell mit der Taufe verbunden276. Fraglich ist nur, ob man es in Eph 5,14 mit dem Fragment eines Taufliedes oder einem Stück aus einer Taufliturgie, einem liturgischen Zuruf, zu tun hat2 77 • So oder so werden die Leser durch die Erinnerung an die Taufe zu dem Wandel motiviert, von dem der Abschnitt redet. Selbst in der anschließenden Haustafel 5,21 - 6,9 wird die Taufe wieder erwähnt (5,26). Die Männer sollen ihre Frauen so lieben, wie Christus die Kirche liebte, als er sich für sie hingab, um sie zu heiligen und zu reinigen »durch das Wasserbad im W ort« 278 , d.h. durch die Taufe. Die in der Taufe empfangene Heiligung und Reinigung bleibt der Bezugspunkt auch für die eheliche Liebe. 276 Zahlreiche Belege bei Dibelius/Greeven, a.a.O. 91 und Gnilka, a.a.O. 260 sowie R. Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit (StUNT 5), Göttingen 1967, 84f. Zu erinnern ist auch daran, daß die Taufe bei Justin, Apo!. 1,61,12 als cj>roncrf.!Üein Herr, ein Glaube, eine Taufe« schon vorgefunden und als Zitat aufgegriffen. Daß der Verfasser sich an die bekannte el~ Akklamation anlehnt, bleibt davon unberührt. 280 Vgl. oben S. 100. 281 Vgl. oben Anm. 249. 282 Nach Preisker, HNT 15, 156ff soll der Taufgottesdienst mit einem Gebetspsalm (1,3-12) begonnen haben, an den sich eine belehrende Rede (1,13-21) anschloß. Zwischen 1,21 und 22 habe der Taufakt stattgefunden, der aus Gründen der Arkandisziplin weggelassen worden sei. Darauf folge ein Taufvotum (1,2225), ein dreistrophiges Festlied (2,1-10), eine Paränese (2,11 - 3,12), eine Of-
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es nicht, um die häufigen Taufbezüge zu erklären 283 . Wir sahen ja, daß die Erinnerung an die Taufe auch in anderen neutestamentlichen Briefen keineswegs selten ist. Was der 1. Petrushrief in dieser Hinsicht bietet, geht kaum über das hinaus, was wir auch anderwärts an Taufbezügen finden. Der 1. Petrushrief unterstreicht nur auf seine Weise, welche Bedeutung der Verweis auf die Taufe für die frühchristliche Ermahnung und das Gemeindeleben überhaupt hatte. Stammten die bisher beachteten Belege aus den Paulusbriefen und aus dem Einflußbereich paulinischer Theologie, so bleibt nun noch kurz zu zeigen, daß sich auch jenseits dieses Einflußbereiches ein ähnliches Bild bietet. Auch der Hebräerbrief verweist in 10,22 auf die Taufe, wo er zum Festhalten am Glauben, am Bekenntnis und an den Gemeindeversammlungen ermahnt (10,19-25). Der 2. Petrushrief ruft in 1,5-8 zu einem tugendhaften und frommen Wandel auf und stellt daraufhin fest, daß derjenige, der einen solchen Wandel nicht führt, nicht nur blind ist, sondern die »Reinigung« von seinen früheren Sünden, d.h. die Taufe vergessen hat. In seinem Brief an Polykarp (6,2) bezeichnet lgnatius die Taufe als die Waffe, die neben Glaube, Liebe und Geduld den Christen in ihrem Kampf gegeben ist. Wieder kann das nur heißen, daß sie sich an ihre Taufe erinnern sollen, um so Stärkung im Kampf zu empfangen. Wiederholt wird dazu ermahnt, die Taufe zu »bewahren« bzw. rein und unbefleckt zu bewahren (2Clem 6,9; 7,8; 8,6; Herrn sim VIII,6,3; ActPaul 6), d.h. die empfangene Taufgnade nicht zu verscherzen. Wenn Irenäus später schreibt: »Der Glaube ... mahnt ... uns zu gedenken, daß wir die Taufe zur Nachlassung der Sünden .. . empfangen haben ... und daß diese Taufe das Siegel des ewigen Lebens und der Wiedergeburt in Gott ist« 284 , so bringt fenbarungsrede (3,13 - 4,7a), Schlußgebet und Doxologie (4,7b-11), zweimal unterbrochen von einem Christuslied (2,21-24 und 3, 18f.22). Das Ganze sei in 4,12- 5,14, mit einem Briefschluß versehen, den Gemeinden zugeschickt worden. Aber: Ist es schon nicht verstehbar, wie eine Liturgie ohne die ihre Stücke verbindenden Regieanweisungen ( vgl. dagegen Did 9-10!) niedergeschrieben und als Brief verschickt worden sein soll, und ist schon die Umwandlung von 4,7-11 in ein Schlußgebet recht gewaltsam, so ist es gänzlich unverständlich, daß die Paränese (2,11 - 3,7 [Haustafel]) und die Offenbarungsrede (3,13- 4,7a) von den beiden Christusliedern in ihrem Zusammenhang unterbrochen statt eingerahmt worden sein sollen. Die Berufung auf die Arkandisziplin kann angesichts von Did 7 gleichfalls nicht überzeugen. 283 Die Hypothese der Aufnahme einer Taufansprache wird daher auch von neueren Forschern wie Goppelt, a.a.O. 40; Brox, a.a.O. 22; Schrage, a.a.O. 60 und H.M. Schenke I K.M. Fischer, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments I, Berlin/Gütersloh 1078, 206 abgelehnt. 284 Epid. 3; übers. v. S. Weber, BKV 2 1912.
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er damit nur diesen Rückbezug des Glaubenden auf seine Taufe zum Ausdruck, den wir in den genannten Texten immer wieder beobachten konnten. Der reditus ad baptismum, die Rückwendung zur Taufe, ist für die frühe Christenheit eine immer wiederholte Mahnung und Wirklichkeit.
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Wir fragten bisher nach der Entstehung der christlichen Taufe und nach ihrem Verständnis in den frühen Gemeinden. Doch bliebe das dabei gewonnene Bild unvollständig, würden wir nicht zugleich nach Ordnung und Vollzug der Taufe fragen. Auch in der Art, wie die Taufe geordnet und vollzogen wurde, drückt sich ja ein Stück des Taufverständnisses aus. Einzelne Aspekte des Taufvollzuges sind zwar im Vorangehenden schon immer wieder einmal zur Sprache gekommen und behandelt worden - so daß sich auch hier leichte Überschneidungen nicht vermeiden lassen -, doch gilt es nun über sporadische Bemerkungen hinaus das zusammenzutragen, was sich über Ordnung und Vollzug der Taufe in der frühen Zeit erkennen läßt. Dabei ist der Neutestamentler in einer ungünstigeren Lage als der Patristiker, dem zumindest vom 3. Jahrhundert an erheblich ergiebigere Quellen zur Verfügung stehen285 • Der Patristiker kann Entwicklungslinien, die er im 3. und 4. Jahrhundert feststellt, bis in die Anfangszeit zurückzuverfolgen suchen. Der Neutestamentler wird solche Anregungen gewiß dankbar beachten, muß aber auch aus seiner Sicht neutestamentlicher Zusammenhänge heraus zuweilen solchen Rekonstruktionsversuchen zurückhaltender gegenüberstehen. Es gibt nicht nur Spuren, die sich im Sande verlaufen, sondern auch Traditionen, die sich neu entwickeln, ohne bis ins Neue Testament zurückverfolgt werden zu können. Es kann daher auch nicht die Aufgabe dieses Kapitels sein, alle diesbezüglich entwickelten Thesen und Hypothesen zu referieren, sondern nur, das zusammenzutragen, was sich als einigermaßen sicher oder zumindest wahrscheinlich erwiesen hat. Charakteristisch für die altkirchliche Taufpraxis ist, daß ihr ein ausgedehnter Taufunterricht vorausgeht, der um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert bereits so fest institutionalisiert ist, daß er 285 Für die nachneutestamentliche Zeit sei hier noch einmal auf die profunde Arbeit von G. Kretschmar, Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche, in: Leiturgia V, Kassel 1970, 1-348 verwiesen.
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zur Entstehung eines eigenen Katechumenenstandes als einer Form des Christseins vor der Taufe führte 286 . Justin kennt um die Mitte des 2. Jahrhunderts diese Unterscheidung eines besonderen Katechumenenstandes zwar noch nicht, wohl aber bezeugt er deutlich diesen der Taufe vorangehenden Taufunterricht (Apol. 1,61,2). Auch 2Clem 17,1 weist offenbar auf den Katechumenenuntericht hin 287 , und die etwa zu Beginn des 2. Jahrhunderts entstandene Dictaehe läßt ihrer Taufanweisung nicht nur die sog. Zweiwegelehre vorausgehen, sondern führt dann auch die sich anschließende Taufanweisung mit den Worten ein: 'ta'Üta 7tavta 7tpOEt7tOVtEc; ... , d.h. sie setzt gleichfalls einen der Taufe vorangehenden Unterricht als gültige Ordnung voraus (Did 7,1).
Die Frage ist daher, wie weit sich ein solcher der Taufe vorangehender Taufunterricht auch in die frühere Zeit der neutestamentlichen Schriften zurückverfolgen läßt. An sich läßt schon die Art, wie in Did 7,1 auf diesen der Taufe vorangehenden Unterricht Bezug genommen wird, vermuten, daß dahinter bereits eine gewisse Tradition und Übung steht. Man kann auch auf die Parallelen bei der Proselytentaufe und bei der Aufnahme in die Qurnran-Gemeinschaft288 verweisen, die es der jungen Christengemeinde nabelegen mußten, gleichfalls eine Vorbereitungs- und Unterrichtszeit der Taufe vorangehen zu lassen. Gleichwohl bleibt dann doch noch die Frage nach direkten Hinweisen im Neuen Testament selbst. Daß die Apostelgeschichte über eine der Taufe vorangehende Unterweisung schweigt, vielmehr auf die Bekehrung des Kornelius (10,48), des Saulus (9,18), der Lydia (16,15) und des Kerkermeisters (16,33) unmittelbar die Taufe folgen läßt, ist freilich kein Gegenbeweis. Von der ganzen Zielsetzung der Apostelgeschichte her ist das nicht anders zu erwarten. Denn sie will ja kein Handbuch für das Gemeindeleben bieten, sondern die Missionserfolge zeigen; dabei würde die penible Erwähnung eines Taufunterrichts nur stören. Der Missionserfolg wird viel deutlicher, wenn auf die Verkündigung hin die Bekehrung und danach als Bestätigung und Besiegelung die Taufe genannt wird. 286 Vgl. Kretschmar, a.a.O. 66. 287 >>Denn wenn wir Gebote haben, daß wir auch dies tun sollen, von den Götzen abzuziehen und Katechumenenunterricht zu geben ... >Katechumenenunterricht«; ähnlich 0. Michel, Der Brief an die Hebräer (KEK VIII), Göttingen 6 1966, 236; Kretschmar, a.a.O. 63; G. Bornkamm, Das Bekenntnis im Hebräerbrief, in: ders., Studien zu Antike und Urchristentum (Gesammelte Aufsätze II), München 3 1970, 190; Lohse, Theologie 67.H. Windisch, Der Hebräerbrief (HNT 14), Tübingen 2 1931, 49 erwägt die Aufnahme von Stücken aus einem jüdischen Proselytenkatechismus. 290 Dagegen sollte man die Erwähnung der Lehre in Mt 28,20 nicht auf den Taufunterricht beziehen. Nicht nur wird der Auftrag zur Lehre hier nach dem Taufbefehl genannt, es ist auch die ganze Intention eine andere. Bei Matthäus wird das ganze Christenleben als >>Schülersein« und damit als Unterweisung und Einübung in die Lehre Jesu verstanden.
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Daß die christliche Taufe keine Selbsttaufe oder Selbstwaschung war, sondern durch einen Täufer am Täufling vollzogen wurde, ist bereits oben (S. 24.34) dargelegt worden. Philippus tauft Apg 8, 38 den äthiopischen Eunuchen, Petrus läßt Apg 10,48 das Haus des Kornelius (durch seine Mitarbeiter) taufen, Paulus nennt 1Kor 1,14ff die Personen, die er selbst in Korinth getauft habe, und Did 7 unterscheidet bei ihren Anweisungen klar zwischen Täufling und Täufer. Nicht ganz so sicher läßt sich sagen, ob die Taufe durch Ein- oder Untertauchen vollzogen wurde. Man hat gemeint, aus der Aktivität des Täufers entnehmen zu sollen, daß der Täufling nur in das fließende Wasser trat und die eigentliche Taufhandlung mit einer perfusio vollzogen wurde, durch Übergießen mit Wasser. Auch das wurde bereits oben eingehend diskutiert (S. 24.35). Sowohl die parallele Entwicklung der jüdischen Tauchbäder als auch die Terminologie zeigen, daß die Tendenz doch zum Untertauchen ging, und Did 7 nennt dann ausdrücklich das Untertauchen als die Regel und das Übergießen mit Wasser als die Ausnahme für den Fall, daß nicht genügend Wasser vorhanden war. Weiter zeigte sich uns, daß die Wendung »taufen auf den Namen Christi« nicht bloß eine in der theologischen Auseinandersetzung gebrauchte Definition der christlichen Taufe zur Unterscheidung von anderen Tauchbädern war, sondern daß es sich dabei um eine liturgische Formel handelte, die beim Taufvollzug selbst gesprochen wurde (vgl. oben S. 44). Das geht nicht nur eindeutig aus Did 7,3 und Justin, Apol. 1,61, 1Off hervor291 . Auch die Argumentation des Apostels Paulus in 1Kor 1,13ff wird erst auf dem Hintergrund einer allgemein bekannten und unumstrittenen liturgischen Formel wirklich stringent. Und daher können die Christen an den »Namen« erinnert werden, der über ihnen »ausgerufen« wurde (Jak 2,7; Herrn sim VIII,6,4). Man kann natürlich fragen, ob diese Taufformel überall und in allen Gemeinden in Übung war, aber darüber läßt sich leider keine Auskunft geben. G. Kretschmar meint, im 3. Jahrhundert zwischen zwei Traditionsströmen mit Taufformel im Osten und Tauffragen im Westen unterscheiden zu können 292 • 291 J.N.D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1972, 70 meinte freilich die Anweisung von Did 7,3: »dann gieße dreimal Wasser über seinen Kopf im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen GeistesErlöserlied«, >>lnitiationslied>TaufzurufFesthalten< an dieser einmaligen Entscheidung aufruft« 296 . Schon A. Seeberg hatte erkannt, daß in Hebr 4,14 die Worte »Jesus, der Sohn Gottes« Wiedergabe dieses Bekenntnisses sein müssen 297 , und der verschiedentliehe Gebrauch des Gottessohntitels an anderen Stellen des Briefes bestätigt das 298 . Im Umkreis des Hebräerbriefes und seiner Gemeinden gehörte also zur Taufe das Ablegen einer »Homologie«, die im Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes bestand. Dieses Taufbekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes war offensichtlich auch anderwärts üblich. So wurden die Leser des 1. Johannesbriefes im Kampf gegen Irrlehrer an ihre Homologie, daß Jesus der Sohn Gottes ist, erinnert (lJoh 4,15; vgl. 5,5), wobei wohl gleichfalls an das Taufbekenntnis zu denken ist2 99 . In die gleiche 295 Vgl. oben Anm. 277. G. Friedrich, Ein Tauflied hellenistischer Judenchristen. 1Thess 1,9f, ThZ 21 ( 1965) 502-516 meint, in 1Thess 1,9f ein Tauflied nachweisen zu können. Aber der Gedanke der Bekehrung und der Errettung vor dem kommenden Zorngericht reichen noch nicht aus, das sicher traditionelle Stück zu einem ausgesprochenen Tauflied zu machen. Die gleichen Aussagen passen auch in jeden anderen Gottesdienst. W. Nauck, Eph 2,19-22- Ein Tauflied?, EvTh 13 (1953) 362-371 suchte zu zeigen, daß Eph 2,19-22 ein Tauflied aus drei Tristicha vorliege, was von P. Pokorny, Epheserbrief und gnostische Mysterien, ZNW 53 ( 1962) 183f übernommen wurde. Aber sein Verweis auf parallele Begriffe in lPetr 2,4ff sowie die Parallelen zwischen Kol 1,13-20 und Eph 2,11-16 (!) reicht zur Begründung nicht aus; zur Kritik vgl. Schlier, Epheserbrief 140 Anm. I; Gnilka, Epheserbrief 152. Auch die Zuordnung von Röm 3,23-25; Tit 3,3-7; 2Tim 1,9f; Tit 2,11-14; Offb 1,5f zur Taufe bei Schille, Hymnen 60ff ist nicht überzeugend, weil entweder der Taufbezug oder der hymnische Charakter fraglich ist. Auf die Besprechung weiterer Hypothesen sei hier verzichtet. Taufterminologie läßt sich an manchen Stellen wahrscheinlich machen; doch von da bis zur Feststellung ausgesprochener Tauflieder ist noch ein weiter Weg. 296 Bornkamm, Bekenntnis 191. 297 Seeberg, a.a.O. 143ft. 298 Vgl. Bornkamm, Bekenntnis 190. 299 So Wengst, Christologische Formeln 108ft; Vielhauer, Urchristliche Literatur, 25ft. Von ihrer Funktion als Taufbekenntnis her versteht Bornkamm,
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Tradition gehört es auch, wenn in einer Reihe von Handschriften vorwiegend des »westlichen« Textes 300 in Apg 8,37 ein Zusatz eingeschoben ist, der das Taufbekenntnis des äthiopischen Eunuchen bringt: »Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist«. Natürlich handelt es sich hier um einen späteren Zusatz, in dem sich aber doch eine Tradition zeigt, die nach dem Ausweis des Hebräerbriefes und des 1. Johannesbriefes erheblich älter ise 01 • Zeigte sich, daß das Bekenntnis »Jesus ist der Sohn Gottes« zumindest in weiten Gebieten der Frühchristenheit zur Tauffeier gehörte, so fragt sich, ob sich Entsprechendes nicht auch von anderen Fortnein sagen läßt302 • Seit H. Conzelmanns Aufsatz »Was glaubte die a.a.O. 191 Anm. 8 das Auftauchen dieser Formel in solchen Perikopen, in denen einzelne ihren Glauben bekennen (vgl. den Zusatz bei Mt 16,16 gegenüber Mk 8,29; ferner Mk 15,39; Job 1,34.49; 11,27). Bezeichnend ist, daß im l. Johannesbrief die Formel >>Jesus ist der Sohn Gottes« (4,15; 5,5) gleichbedeutend durch die Formel >>Jesus ist der Christus« (5, 1; vgl. 2,22) ersetzt werden kann. 300 So in einer Reihe von Itala-Handschriften, bei E, der syrischen Harclensis, Irenäus, Tertullian u.a. 301 Das wird von v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum 226f bestritten. Auch er setzt zwar die Entstehung dieses Zusatzes im 2. Jahrhundert an, bestreitet aber, daraus auf eine liturgische Sitte schließen zu dürfen. Der Zusatz wolle nur die >>übereilte Hurtigkeit« abschwächen, mit der die Taufe des Kämmerers vollzogen wurde und die den Späteren eine Verlegenheit bereitete. Unverständlich bleibt dann aber, weshalb der Interpolator zur Beseitigung dieser Verlegenheit gerade diese Formel benutzte, die auch nach v. Campenhausen zu den ältesten Bekenntnissätzen gehörte. Das kann die Leser doch nur dann über ihre >>Verlegenheit>Homologie>lockere Verbindungund sein ganzes Hausava), daß es sich in den Dienst der »Heiligen«, d.h. der Gemeinde gestellt habe, und er fordert die Gemeinde auf, sich diesen Leuten ('tOt~ 'tOtOU'tOt~ 16, 16) unterzuordnen. Das zeigt aber, daß Paulus bei dem Haus des Stephanas jedenfalls nicht an Kinder, sondern an Erwachsene gedacht haben muß. An der einzigen neutestamentlichen Stelle also, die auf wirklich historische Angaben Wert legt, zeigt sich, daß bei dem Begriff des »Hauses« an Kinder nicht gedacht ist. Von einer sogenannten »Oikosformel« her läßt sich daher eine Übung der Kindertaufe in neutestamentlicher Zeit nicht wahrscheinlich machen. 328 So werden im Blick auf das Haus des Kornelius in Apg 10,7 Haussklaven. in 10,24 seine Verwandten und nächsten Freunde genannt, die er rufen läßt. Natürlich können diese Verwandten auch Kleinkinder gehabt haben. Ausschließen läßt sich das natürlich nicht; aber noch weniger läßt sich behaupten, daß Kleinkinder dabeigewesen sein müssen und mitgetauft wurden. Ähnlich ist das bei der Purpurhändlerin Lydia in Apg 16,14f. Da sie die Berufsbezeichnung trägt, ein im Hintergrund stehender Ehemann also ausfällt, müßte sie entweder ledig oder Witwe gewesen sein. Natürlich können dann immer noch Enkelkinder und dergleichen zu ihrem Haus gehört haben. Aber auf diesem Weg kommt man allenfalls zu Spekulationen, nicht jedoch zu einer tragfähigen Basis für die Frage, ob Kleinkinder mitgetauft wurden.
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Die Frage nach der Taufe von Kindern in neutestamentlicher Zeit
Das Vorbild des Proselytentauchbades
Die Übung der Kindertaufe schon in frühester Zeit meint J. Jeremias weiter aus der Parallelität zum jüdischen Proselytentauchbad entnehmen zu können 329 . Beim Übertritt eines Heiden zum Judentum wurden auch die minderjährigen Kinder dem Tauchbad unterzogen330. Nun wurde bereits oben (S. 27) das Proselytentauchbad in seinem Verhältnis zur J ohannestaufe und zur christlichen Taufe ausgiebig behandelt. Es zeigte sich da, daß die Unterschiede weit schwerwiegender als die Parallelen sind und darum die Entstehung der Johannestaufe (und damit auch der christlichen Taufe) nicht vom Proselytentauchbad her erklärt werden kann. Damit aber fällt die ganze diesbezügliche Argumentation von J. J~remias in sich zusammen. Da die christliche Taufe nicht aus dem Proselytentauchbad hervorging, ist es auch unzulässig, aus dem Mitgetauftwerden von Kindern beim jüdischen Proselytentauchbad zu folgern, daß auch bei der christlichen Taufe die Kinder hätten mitgetauft werden müssen. Eine stärkere Beeinflussung der christlichen Taufe vom Proselytentauchbad her läßt sich erst um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert feststellen 331 • c)
Apg 2,39
Wenig überzeugend ist auch die Berufung auf Apg 2,39, wo es im Anschluß an die Aufforderung zu Umkehr und Taufe nun heißt: »Denn euch und euren Kindern (tEKvotc;) gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird«. Jeremias sieht wegen des Bezugs auf die vorangehende JoelVerheißung (Apg 2,17 = Joel 3,1) in den »Kindern« nicht die Nachkommen, sondern die Söhne und Töchter der Hörer, und versteht den Satz als Aufforderung, auch die Kinder taufen zu lassen332. Doch wird diese Deutung gerade durch den Bezug auf die Joel-Verheißung widerlegt. Denn in der Joel-Verheißung wird von den »Söhnen« und »Töchtern« gesagt, daß sie prophetisch reden und Gesichte schauen werden (Apg 2,17); es sind dort also gerade keine Kleinkinder gemeint. Hinzu kommt, daß in 2,39 die Verheißung an »eure Kinder« parallel steht zu der an die »in der Ferne« und durch diesen Kontext interpretiert wird. Wird mit »denen in der Ferne« die geographische Erstreckung, so mit »euren Kin329 330 331 332
Kindertaufe 28-47. A.a.O. 44f. Vgl. oben Anm. 51. Kindertaufe 48.
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dern« die zeitliche Erstreckung der Verheißung angesprochen. Das alles zeigt, daß mit den »Kindern« von 2,39 nicht ein Altersbegriff, sondern ein Generationsbegriff gemeint ist; es sind die Nachfahren, denen diese Verheißung ebenso gilt wie den Menschen in der Ferne. d) Mk 10,13-16 Schließlich wird zur Begründung der Kindertaufe in neutestamentlicher Zeit auf die Perikope von der Segnung der Kinder (Mk 10, 13-16 par) hingewiesen. Auf den Abwehrversuch der Jünger antwortet Jesus: »Laßt die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran (!liJ KffiA:uE'tE mha); denn Menschen wie ihnen ('tc:öv yap 'tOtoU'tffiV) gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen« (Mk 10,14f). Jeremias verweist nicht nur darauf, daß bereits zur Zeit Tertullians mit dieser Perikope die Kindertaufe begründet wurde 333 , er meint auch zeigen zu können, daß bereits der Evangelist Markus sie auf die Kindertaufe bezogen habe 334 • Vor allem zwei Argumente sind für ihn maßgebend: 1. In den Worten Jesu »hindert sie nicht daran« (!liJ KffiAUE'tE au'ta Mk 10,14) werde ein Terminus technicus aus dem Taufritual aufgenommen 335 • Nun wurde bereits oben (S. 126) gezeigt, daß bei den Worten des Eunuchen in Apg 8,36: »Was hindert, daß ich getauft werde?« ('tt KffiAUEt llE ßmtncr8fjvm) in der Tat ein Stück Taufliturgie aufgenommen sein dürfte. Das ergibt sich nicht nur aus dem Taufzusammenhang Apg 8, 36, sondern vor allem daraus, daß die gleiche Frage in PsClem Horn XIII,5,1 gleichfalls in einem Taufritual begegnet. Völlig abwegig aber ist es nun, daraus zu folgern, daß Mk 10,13-16, weil das Verb »hindern« (KffiAUEtv) dort 333 Tertullian, de bapt. 18,5. Tertullian bestreitet freilich, daß man damit die Taufe von Kleinkindern begründen könne, doch scheint gerade seine Bestreitung zu zeigen, daß seine Kontrahenten mit dieser Perikope argumentierten. Aber dies ist dann eine Deutung zu Beginn des 3. Jahrhunderts, und ob sich dieses Verständnis von Mk 10,13ff auch bis ins 1. Jahrhundert zurückverfolgen läßt, ist die Frage. L. Ludolphy, Zur Geschichte der Auslegung des Evangelium infantium, in: Taufe und neue Existenz, hg. v. E. Schott, Berlin 1973, 71-86, dort 71 stellt fest, daß weder >>in der alten Kirche noch im Mittelalter in den untersuchten Kommentaren bzw. einer Homilie eine Verbindung zwischen unserem Text und der Kindertaufe festgestellt« werden konnte. Dagegen finde sie sich vom 4. Jahrhundert an in liturgischen Formularen (a.a.O. 74). 334 Jeremias, Kindertaufe 61 weiß natürlich, daß die Perikope ursprünglich nichts mit der Taufe zu tun hatte, sondern >>vorsakramental« gewesen sei; aber bereits Markus habe sie auf die Taufe bezogen. 335 Jeremias, Kindertaufe 66f.
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vorkommt (im Neuen Testament insgesamt 23 mal!), sich auf die Taufe beziehen müsse. Zudem begegnet in Mk 10,14 gerade nicht die Frage »was hindert es?«, sondern der Imperativ »hindert nicht!«, der überall da, wo er sonst im Neuen Testament begegnet (Mk 9,39; Lk 9,50; 1Kor 14,39 vgl. Lk 6,29) mit der Taufe rein gar nichts zu tun hat. 2. Aber Jeremias' Hauptargument ist, daß Mk 10,15 der gleichen Tradition angehöre, die sich auch in Joh 3,5 finde. Spricht Joh 3,5 davon, daß ins Reich Gottes nur kommen könne, wer aus Wasser und Geist geboren und also wiedergeboren (vgl. 3,3) werde, so enthalte Mk 10,15 dazu die durch semitische Sprachtradition geprägte Parallele, indem dort vom »Wieder-Kind-Werden« 336 als Einlaßbedingung zum Reich Gottes gesprochen werde. Da also »Wieder-Kind-Werden« (Mk 10,15) dasselbe sei wie Wiedergeburt (Joh 3,5) =Taufe, so sei auch in Mk 10,13-16 an die Taufe gedacht. Aber dabei wird die Aussage von Mk 10,15 deutlich vergewaltigt. Denn Mk 10,15 spricht gar nicht vom »Wieder-Kind-Werden« (was dann eine semitische Variante des Wiedergeburtsgedankens wäre), sondern vom Empfangen des Gottesreiches »wie ein Kind«, d.h. so wie Kinder es annehmen. Von Neugeboren-Werden ist überhaupt nicht die Rede, sondern vom Verhalten der Kinder, die sich beschenken lassen, weil sie ohnehin nur von fremder Hilfe leben können. Daß bereits Markus diese Perikope auf die Kindertaufe bezogen habe, läßt sich also nicht beweisen, ist vielmehr eher unwahrscheinlich. Etwas anderes ist es, wenn man später, unter der Voraussetzung der Kindertaufe, diese in Jesu Worten in Mk 10,14f bestätigt sah. Bei Markus selbst aber und auch bei seinen Seiter;treferenten Matthäus und Lukas ist ein Bezug auf die Kindertaufe nicht erkennbar. Daß in neutestamentlicher Zeit Kinder und speziell Säuglinge getauft oder mitgetauft wurden, läßt sich also nicht erweisen. Freilich läßt sich auch nicht das Gegenteil beweisen, daß Taufen von Kindern nicht vorgekommen sein können. Die Quellen geben darüber keine Auskunft. Aber selbst wenn sich das eine oder andere, das 336 Jeremias, Kindertaufe 64f verweist dazu besonders auf die Parallele Mt 18,3. Aber auch Mt 18,3 spricht nicht vom >>Wieder-Kind-Werden«, sondern von Umkehr, die darin besteht, daß man wird >>wie die Kinder