Band 55 der Fernseh-Serie Raumpatrouille Harvey Patton
Der Transmitterkreis
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Band 55 der Fernseh-Serie Raumpatrouille Harvey Patton
Der Transmitterkreis
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!
Es scheint, als hätte die ORION-Crew gleichzeitig drei Hauptgegner, die ihr das Leben schwermachen: die Hinterlassenschaften des Kosmischen Infernos, die Engstirnigkeit ihrer Vorgesetzten und ihre jeden Rahmen sprengende Dienstauffassung. Die Raumfahrer der ORION mußten es zähneknirschend hinnehmen, daß ein Disziplinargericht der Terrestrischen Raumflotte sie für die Dauer eines halben Jahres vom Dienst bei den T.R.A.V. suspendierte. Aber das Auftauchen einer neuen Gefahr zwang das Oberkommando der Raumflotte dazu, das Urteil wieder aufzuheben – ebenfalls zähneknirschend. Irgendwo im All lebt das Baby Wendys, des Großen Roten Flecks Jupiters, das einst vom Rudraja entführt und zur Fernsteuerung von Raumflotten, Raumstationen und Hilfsvölkern mißbraucht worden war. Dieses Baby hatte auf die Rufimpulse seiner »Mutter« geantwortet, und seine psionischen Impulse beschworen die Gefahr herauf, daß die Erben des Rudraja bei entsprechenden Nachforschungen auf die Menschheit stießen. Die ORION-Crew sollte mit Hilfe der Blumenkinder von Vortha Kontakt mit Wendys Baby aufnehmen und es eventuell zum Verbündeten der Menschheit gewinnen. Aber die Raumfahrer ahnten nicht, daß das Baby, das isoliert im Innern eines Planeten lebt, überhaupt keine Bezüge zur Wirklichkeit besaß. Es hielt alles, was sich außerhalb seines Planeten befand, für Schatten, die eine imaginäre Wirklichkeit vorspiegeln. Und es ahnte nicht, daß die Raumfahrer, die auf seinem Planeten landeten, Wesen aus Fleisch und Blut waren. Nur mit Mühe und unter größten Gefahren konnte die ORION-Crew das Baby eines Besseren belehren und dadurch sich selbst und zahlreiche andere Menschen retten. Aber die Wahrheit versetzte dem Baby einen so schweren Schock, daß es nicht mehr ansprechbar war. Die Raumfahrer der ORION können dennoch zufrieden mit ihrem Erfolg sein. Sie ahnen nicht, daß an anderer Stelle des Weltalls bereits etwas geweckt worden ist und daß der TRANSMITTERKREIS auf sie wartet ...
Die Hauptpersonen des Romans: Oleg Demant – Ein Raumfahrer von der TIMUR LENG. Leandra de Ruyter – Admiralin der T.R.A.V. Brian Hackler – Stabschef der Admiralin. Cliff McLane – Der Commander landet auf einem Wüstenplaneten. Mario, Helga, Arlene, Atan und Hasso – Sie werden zu Gefangenen des Transmitterkreises.
1. Die Atmosphäre des kleinen Planeten war dünn, trocken und voller Staub. Heftige Winde fuhren ohne Unterbrechung über seine Oberfläche. Ständig wurde feiner Sand hochgerissen und davongetrieben, wirbelte turbulent hochauf und peitschte dann wieder auf den Boden zurück. Von der Umgebung war so gut wie nichts zu erkennen. Die Sandwolken verdunkelten den Himmel und reduzierten die Sicht bis fast auf Null. Nur zuweilen, wenn die Böen für kurze Zeit abflauten, war die Sonne als ein matter rötlicher Fleck zu erkennen. Feuchtigkeit oder Pflanzen schien es nirgends zu geben, nur den trockenen Sand. Durch diese lebensfeindliche Landschaft bewegte sich ein Mensch. Es war ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, mittelgroß, mit kurzem blondem Haar. Er trug eine uniformähnliche Kombination, wie sie bei den Besatzungsmitgliedern der irdischen Handelsschiffe üblich war. Doch der Zustand dieses Kleidungsstücks war erbärmlich. Der Mann selbst sah jedoch noch viel schlechter aus.
Früher einmal mußte er breitschultrig und kräftig g ewesen sein. Jetzt hingen seine Schultern kraftlos herab, sein Gesicht war geradezu erschreckend abgemagert. Was wollte dieser Mann in der für Menschen denkbar ungeeigneten Umgebung? Woher kam er, und wer war er? Er wußte es nicht mehr. Er hatte seinen Namen vergessen. Mehr noch: er hatte alles vergessen. Er wußte nichts mehr über sich selbst. Nicht, was er früher einmal gewesen war, noch was er jetzt war. Er wußte nicht, woher er kam, und wie er auf diese trostlose Welt gelangt war. Auch nicht, wohin er jetzt wollte, und warum. Dunkel herrschte in seinem Geist, nur ein unbewußter Instinkt trieb ihn voran. Böen, denen ein gesunder Mann ohne weiteres standgehalten hätte, rissen ihn von den Beinen. Er stürzte, unfähig, sich irgendwie abzufangen, und fiel mit dem Gesicht in den Sand. Dieser drang ihm in Mund und Nase, er keuchte und spuckte, um sich wieder davon zu befreien. Dann blieb er erschöpft für eine Weile liegen. Kaum hatte er sich etwas erholt, stemmte er sich wieder hoch und bewegte sich weiter. Krampfhafte Zuckungen liefen zuweilen über sein Gesicht, die Augen weiteten sich, wie in namenlosem Entsetzen. Dann stammelte er wirre Worte, lachte schrill auf oder brach plötzlich in Tränen aus. Und doch gab er nicht auf. Irgendwo in seinem wirren Geist gab es noch einen schwach glimmenden Funken, einen Rest von Selbsterhaltungstrieb. Dieser zwang ihn immer wieder auf die Beine und trieb ihn vorwärts, immer wieder in die ursprüngliche Richtung.
Was mochte ihn dorthin ziehen? Konnte es auf dieser wüsten Welt überhaupt etwas anderes geben, als den sich immer wiederholenden Kreislauf von Sand und Sturm, Sturm und Sand? Wohin wollte er also? Niemand konnte diese Frage beantworten, und am wenigsten er selbst. Eine fast endlos scheinende Zeit lang taumelte und stolperte er so dahin. Dann schlug er bei einem Sturz mit dem rechten Bein schwer gegen einen kantigen Stein. Er schrie wimmernd auf, krümmte sich vor Schmerz zusammen und blieb diesmal lange liegen. Doch dann kam wieder Bewegung in den gepeinigten Körper. Der Mann stemmte sich hoch, aber das angeschlagene Bein verweigerte ihm den Dienst. Nun kroch er weiter, schluchzend und nach Luft ringend. Irgendwann richtete er sich wieder auf und setzte humpelnd seinen Weg fort. Dann ragte plötzlich vor ihm ein großer dunkler Körper auf, dessen Konturen durch die Sandschleier nur undeutlich zu erkennen waren. Der erschöpfte Mann starrte ihn lange Sekunden hindurch an, ohne etwas zu begreifen. Erst nach einiger Zeit sagte ihm der Instinkt, der ihn regierte, daß er am Ende seines Weges angekommen war. Der dunkle Körper war ein Raumschiff, das inmitten dieser Sandwüste stand. Der Wind brach sich an ihm, die Sandkörner begannen Dünen zu bilden. Eine von ihnen war bereits so angewachsen, daß sie die ausgefahrene Trittrampe bis zur Hälfte bedeckte. Diese führte zu einer kleinen Luftschleuse empor, die offen stand. Plötzlich kam wieder Leben in den Mann. Mit ha-
stigen Bewegungen arbeitete er sich durch den rieselnden Sand, erreichte die Rampe und kroch auf ihr empor. Dann hatte er die Schleuse erreicht und bekam einen Handgriff zu fassen. An ihm zog er sich hoch und richtete sich auf. Sein Blick irrte durch den erleuchteten Schleusenraum, sein Mund formte stammelnd sinnlose Worte. Dann stieß er sich ab und taumelte durch das offene Innenschott in den dahinter liegenden Korridor. Ein kühler Strom sauberer Luft kam ihm entgegen, und seine Lungen sogen ihn gierig ein. Der plötzliche Übergang vom heißen Sandsturm zur wohltemperierten Schiffsatmosphäre war jedoch zuviel für den überforderten Körper. Er reagierte darauf mit einem Kollaps, der den Mann zu Boden zwang. Es dauerte Minuten, bis er wieder zu sich kam. Dann stolperte er, sich mit den Händen an der Gangwand abstützend, wieder vorwärts. Der Korridor endete vor einer Tür, hinter der ein großer, hell beleuchteter Raum lag. Der Mann blinzelte mit sandverkrusteten Lidern, ein schluchzendes Lachen entrang sich seinem Mund. Er schaffte es noch bis in die Mitte des Raumes, dann brach er erneut bewußtlos zusammen. Er lag direkt vor dem Hauptsteuerpult der Schiffszentrale. Die meisten Kontrollen waren desaktiviert, es arbeiteten nur die internen Systeme für Lufterneuerung und Umwälzung, sowie die Klimaanlage. Nur ihre leisen Geräusche erfüllten das Raumschiff, sonst war alles geisterhaft still. Niemand befand sich an Bord, außer dem kranken Mann, dem sein überforderter Geist den Dienst verweigerte. Er kam wieder zu sich, zog sich am Pilotensitz
hoch, und starrte verständnislos auf die Vielfalt der blitzenden Instrumente vor seinem Gesicht. Früher einmal hatte er gewußt, was sich damit anfangen ließ. Doch der Instinkt, der ihn bis hierher geführt hatte, ließ ihn auch jetzt nicht im Stich. Zögernd streckte der Mann seine Hände aus und ließ sie wie suchend umhergleiten. Dann fiel seine Rechte schwer auf eine große, rot markierte Taste und drückte sie tief in die Fassung. Augenblicklich reagierte das Hauptsteuerpult. Die toten Instrumente erwachten zum Leben. Weit hinten im Maschinenraum liefen die Konverter an, eine Sirene wimmerte wie klagend auf. Mit lautem Knirschen wurde die sandbedeckte Rampe eingezogen, die Schotten der Luftschleuse fuhren zu. Der Mann fuhr verstört zusammen, sein abgemagertes Gesicht war von irrsinniger Furcht verzerrt. Ein rauhes Krächzen kam aus seiner ausgetrockneten Kehle, dann wandte er sich zu panischer Flucht. Doch schon nach wenigen Metern verließen ihn endgültig die Kräfte. Er brach zusammen und sank in tiefe Bewußtlosigkeit. * »Man sollte es wirklich nicht glauben!« sagte Cliff Allistair McLane zu seiner Begleiterin Arlene. Seine Rechte deutete anklagend auf mehrere Gestalten, die dem Paar über den Korridor entgegenkamen. »Da jammern diese Figuren immer über ihren schweren Dienst und schreien nach ihrem angeblich so wohl verdienten Urlaub. Jetzt haben sie ihn einmal, und was tun sie bereits nach drei Tagen? Sie kehren genau
dahin zurück, wo es nach Dienst und neuer Fron im Bereich der T.R.A.V. nur so stinkt!« Das Mädchen an seiner Seite lachte belustigt auf. »Du hast ja recht damit, aber zugleich bist du reichlich inkonsequent, Cliff. Wenn man es genau ansieht, tust du – und ich mit dir – doch gar nichts anderes als sie auch.« »Irrtum, Mädchen«, korrigierte McLane. »Wenn zwei das gleiche tun, so ist es dasselbe nicht, wie das alte Sprichwort sagt. Die vier da vorn haben nie und nimmer die Sorgen, die mich Tag und Nacht plagen. Ich bin immerhin Kommandant der ORION IX, des besten Raumschiffs aller Zeiten. Als solcher bin ich moralisch dazu verpflichtet ...« Er konnte den Satz nicht mehr vollenden, denn inzwischen hatten auch die anderen der Crew ihn und Arlene erkannt. »Was müssen meine leicht getrübten Augen sehen?« rief Mario de Monti pathetisch aus. »Cliff und Arlene, die wackeren, unermüdlichen Streiter für die Erde! Was sucht ihr denn hier?« »Das gleiche wollte ich euch fragen«, konterte Cliff sofort. Helga Legrelle lachte perlend auf. »Gilt nicht, mein Lieber! Mario hat zuerst gefragt und somit die Vorhand. Versuche also nicht, dich vor der Antwort zu drücken, sag ausnahmsweise die Wahrheit.« McLane grinste kurz. »Die würdet ihr mir ja doch nicht abnehmen, wie ich euch kenne. Drücken wir es also einmal so aus: Euer schwer geprüfter Commander bekommt jedesmal Alpdrücken, wenn er an die belämmerte Situation der Erde denkt. Die Sache mit den Blumenkindern haben wir hinbiegen können. Sie
stehen jetzt auf unserer Seite, der Zentralrechner UNANDAT hat sich selbst zum Ableger von TECOM degradiert. Dafür spitzt sich die Lage im BermudaDreieck erneut zu, nur erfährt man kaum etwas Genaues darüber. Die TV-Nachrichten sind etwa so zuverlässig wie der Wetterbericht. Jeder Wirbel soll vermieden werden. Das kann man dem guten Han Tsu-Gol kaum verübeln. Er muß immer darauf bedacht sein, die zarten Gemüter der Leute zu schonen, die ihr Leben lang unter der Wirkung von Fluidum Pax gestanden haben. Uns sagt man aber auch nichts, und das beunruhigt mich. Deswegen will ich mir zusätzliche Informationen beschaffen. Und wo kann man die am besten bekommen?« »Da, wo wir sie auch zu erhalten hoffen, Cliff«, erwiderte Atan Shubashi. »Unsere Begegnung ist also durchaus kein Zufall, sondern entspringt dem Gleichklang verwandter Geister. Im Starlight-Casino treffen sich zurückkehrende Raumfahrer, Nachrichtenleute, und so weiter. Alkohol vertreibt nicht nur die Sorgen, er lockert auch die Zungen, das war schon den alten Griechen bekannt.« »Ein dreifaches Hoch auf Aristoteles«, meinte Cliff McLane trocken. »Nachdem wir wieder einmal unsere klassische Bildung unter Beweis gestellt haben, sollten wir zu Taten schreiten. Hasso, alter Knabe, was ist mit dir? Du hast überhaupt noch nichts gesagt.« »Der Weise läßt die Schwätzer reden und denkt sich seinen Teil«, entgegnete der Maschineningenieur der ORION würdevoll. Cliff klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.
»Aus dir spricht die Weisheit des reifen Alters. Jetzt aber auf ins Casino, dort können wir weiter reden.« Die Crew verließ den Korridor und kam auf den Gang, der zum Starlight-Casino führte. Bisher waren sie keinem Menschen begegnet, aber das änderte sich nun. Männer und Frauen, meist in den Uniformen der Raumstreitkräfte, strebten dem Casino zu oder verließen es wieder. Die meisten grüßten Cliff McLane und seine Begleiter mit einem deutlichen Ausdruck von Achtung. In der Raumbasis unter dem Carpentaria-Golf war allgemein bekannt, welche Dienste die Besatzung der ORION der Menschheit in den vergangenen Wochen erwiesen hatte. Das Casino unterschied sich wesentlich von dem, das diese vor siebenundsechzig Jahren gekannt hatte. Fast alles war nun anders: Die Räumlichkeiten waren vergrößert worden, ihre Ausstattung hypermodern; menschliche Bedienungen gab es kaum noch. Dafür aber eine große Rolle mit einer transparenten Kuppel, die vom Meer umgeben war. Mehrere Bands wetteiferten hier mit ihren Darbietungen. Was dabei herauskam, entsprach nicht immer dem Geschmack der ORION-Crew, ihre Ohren fanden kaum noch vertraute Klänge. Die größte Besonderheit waren die runden Antigravplattformen, auf denen sich die tanzenden Paare befanden. Sie schwebten, von Computern gesteuert, in ständigem Wechsel auf und ab, von bunten Scheinwerfern angestrahlt. Ein Nervenkitzel eigener Art für die Tanzenden, denen so ein prickelnder Hauch von Gefahr vorgegaukelt wurde. Dieser bestand allerdings nur in ihrer Einbildung, denn die ganze Anlage war absolut sicher.
»Heh, nicht so eilig«, protestierte Mario de Monti, als der Commander die Halle sofort wieder verlassen wollte. Er starrte angestrengt nach oben, und Cliff folgte seinem Blick. Ein belustigtes Grinsen flog über sein Gesicht. »Habe ich es mir doch gedacht!« meinte er gedehnt. »Ich werde beim Flottenkommando den Antrag stellen, in Zukunft Damen mit kurzen Kleidern das Tanzen auf den Plattformen zu untersagen. Begründung: die sittliche Demoralisierung von Kybernetikern der Schiffe, insbesondere des unseren.« Helga Legrelle lachte laut auf. »Als ob es da bei Mario noch etwas zu verderben gäbe! Unser Casanova en miniature wird sich nicht mehr ändern, ganz gleich, wie du es anfangen magst.« »Ihr mit eurer schmutzigen Phantasie«, sagte der Gefährte gekränkt. »Mich interessieren doch nur die neuen Tänze, ihr Moralbanausen.« »Keine schlechte Ausrede«, gab McLane anerkennend zu. »Daß sie bei uns nicht zieht, dürfte dich aber kaum wundern. Doch jetzt weiter, dort hinüber.« Er dirigierte die Crew in einen Nebenraum, in dem es wesentlich ruhiger zuging. Hier gab es einen richtigen Barkeeper und mehrere hübsche Mädchen als Bedienungen, und so hellte sich Mario de Montis gekränkte Miene bald wieder auf. »Hallo, McLane!« rief ein Captain dem Commander zu, während sich dieser noch suchend umsah. »Hier bei uns sind noch Plätze frei; oder haben Sie etwas Besonderes vor?« »Hallo, Montard!« rief Cliff zurück. »Nein, wir suchen nur einen vernünftigen Drink. Ihre Einladung wird also dankend akzeptiert.«
Paul Montard war Kommandant eines Leichten Kreuzers, den die Crew früher flüchtig kennengelernt hatte. Sein Schiff gehörte zu den Verbänden, die Patrouillenflüge im Nahbereich der Erde durchführten. Er war in Uniform, schien also erst vor kurzem vom Einsatz zurückgekehrt zu sein. In seiner Gesellschaft befanden sich zwei weitere Offiziere von anderen Schiffen. Es gab eine kurze Begrüßung, dann saß die ORION-Crew bei ihnen am Tisch. Montard war ein stämmiger Mann mit deutlich südländischem Einschlag und einem schmalen schwarzen Bärtchen auf der Oberlippe. Der dunkle Charme Arlenes schien ihn besonders zu beeindrukken, das zeigte die Art, in der er sie begrüßte. Cliff McLane kam jedoch sofort zur Sache. »Wie sieht es zur Zeit auf unserem alten Planeten aus?« fragte er. »Wir haben im Moment Urlaub, sind also nicht ganz auf dem laufenden. Hat sich in den letzten Tagen etwas getan?« Captain Montard zuckte mit den Schultern. »Draußen im Raum ist alles ruhig, Cliff. Man hatte unsere Staffel beauftragt, besonders Vortha im Auge zu behalten, aber die alte Raumstation kreist nach wie vor ruhig um den Mars, es gibt keinerlei Anomalien. Auf dem Jupiter tut sich auch nichts mehr, es ist geradezu verdächtig ruhig in unserem System.« Cliff nickte. »Das freut mich zu hören, Paul. Wie steht es aber um das Bermuda-Dreieck? Im Gebiet zwischen Miami, Puerto Rico und den Bermudas war schon immer einiges los, es war schon in der Mitte des 20. Jahrhunderts dafür berüchtigt. Was mag jetzt wieder dort vorgehen? Umsonst hat man die Gegend doch wohl kaum zum Sperrgebiet erklärt.«
Montard hob die Hände. »Ich bin in dieser Beziehung auch nicht klüger als Sie. Man hat uns über die Flottenwelle lediglich kurz darüber informiert, daß wieder Schiffe und Beobachtungsflugzeuge verschollen sind, aber keine detaillierten Angaben gemacht. Ich nehme an, daß der GSD alles tut, um weitergehende Nachrichten zu unterdrücken.« »Das denke ich auch«, bestätigte Curt Bowlman, der Erste Offizier eines anderen Kreuzers. »Wir tanzen sozusagen auf dem Vulkan, aber die von ihm ausgehenden Rauchfahnen werden uns gegenüber als simple Nebelschwaden deklariert. Ehrlich gesagt, ich verstehe das nicht ganz. Uns, die schließlich alles ausbaden müssen, wenn es ernst wird, sollte man aber doch die volle Wahrheit sagen.« Cliff McLane setzte zu einer Entgegnung an, wurde sie jedoch nicht los. Eine Bedienung erschien am Tisch, ein junges Mädchen mit guten Formen, die nur spärlich verhüllt waren. Ihr Gesicht war aber für die »konservativen« Begriffe der ORION-Besatzung zu stark geschminkt, ihr Haar eine wahre Orgie von giftgrünen Korkenzieherlocken. Ehe der Commander eine Bestellung aufgeben konnte, winkte sie Hasso Sigbjörnson zu sich heran. Er raunte ihr etwas ins Ohr, sie lächelte und entfernte sich wieder. Mit mißtrauischem Blick verfolgte Cliff, wie sie den Barkeeper aufsuchte und mit ihm sprach. Dann sah er den Ingenieur an. »Was hast du da eben wieder ausgebrütet, Hasso?« erkundigte er sich halblaut. »Eine Vergiftung durch exotische Alkoholika können wir uns beim besten Willen nicht leisten.« Hasso nickte unbeeindruckt. »Nur keine Sorge,
Cliff. Es ist keinesfalls meine Absicht, unsere Crew daran zu hindern, wieder einmal die Erde zu retten. Warte ab und laß dich überraschen.« »Oh, unser Senior plant eine Überraschung!« sagte Arlene zuckersüß. »Der Alte Weise läßt sich dazu herab, den unwissenden Kindern seine Wohltaten zukommen zu lassen. Daran solltest du ihn keinesfalls hindern, Cliff. Wer weiß, was uns sonst entgeht.« Sie unterhielten sich weiter mit den Offizieren. Schon nach kurzer Zeit erschien die Bedienung wieder und balancierte ein Tablett mit neun breiten, zu einem Drittel gefüllten Gläsern. Sie verteilte sie auf dem Tisch, deutete einen altmodischen Knicks an und entfernte sich wieder. Cliff McLane ergriff als erster sein Glas mit dem bernsteinfarbigen Inhalt. »Sieht nicht schlecht aus«, konstatierte er und schnupperte daran. Dann verklärte sich sein Gesicht. »Es ist zweifellos Whisky, und der Geruch kommt mir verdammt bekannt vor. Hasso, du alter Heimtücker! Das ist doch nicht etwa ...?« Der Maschineningenieur lächelte breit. »Genau das ist es aber, Cliff! Archer's tears, hergestellt nach dem Originalrezept, das man auf mein dringendes Verlangen hin ausgegraben hat. Das war ich dir einfach schuldig, Commander. Ich konnte dein gequält verzogenes Gesicht beim Genuß der jetzt üblichen Drinks beim besten Willen nicht mehr ertragen.« »Es gibt also doch noch mitfühlende Seelen auf dieser Welt«, sagte Cliff gerührt. »Hasso, das werde ich dir nie vergessen. Ladies and Gentlemen, Sie erleben hier einen wahrhaft historischen Augenblick! Das beste Getränk, das ich je in unserer Raumkugel fand, erlebt seine frohe Wiederkehr.«
2. Sie hoben ihre Gläser und tranken einander zu. Im nächsten Moment war an dem Tisch der Teufel los. Alle verzogen die Gesichter, fuhren hoch und schnappten keuchend nach Luft. Als Cliff sich wieder gefangen hatte, drehte er sich zu Hasso um. Seine Züge waren von grenzenloser Enttäuschung erfüllt. »Archer's tears, sagtest du? Das mit den Tränen stimmt, du kannst sie in meinen Augen sehen. Das andere aber – der alte Archer würde pausenlos im Grab rotieren, wüßte er, was man hier in seinem Namen fabriziert hat!« »Ich kann doch nichts dafür«, verteidigte sich Sigbjörnson niedergeschlagen. »Als ich der Brennerei den Auftrag gab, hat man mir hoch und heilig versichert, es ginge alles in Ordnung. Leider konnte ich mich nicht davon überzeugen, ob das stimmt. Der Stoff wurde erst vor ein paar Tagen ans Casino geliefert.« McLane nickte tiefsinnig. »So geht das eben meist mit den guten Absichten: das Resultat entspricht selten den Erwartungen. Entschuldigt mich bitte für einen Moment.« Er erhob sich und ging zum Barkeeper. Ein kurzes Gespräch, dann händigte ihm dieser eine Flasche aus. Cliff studierte das Etikett, dann flog ein erlöstes Grinsen über sein Gesicht. Er kehrte zum Tisch zurück, die Flasche hoch erhoben. »Da also liegt der Hund begraben! Hasso, ich nehme jedes Wort einzeln zurück und erkläre dich als voll rehabilitiert. Ich dachte zuerst, es läge an der
fehlenden Reife, aber der Fehler liegt ganz woanders. Der Stoff hat nämlich keine 43, sondern volle 69 Prozent Alkohol! Das war es, was uns so geschockt hat.« Mario feixte. »Versuchen wir es doch mal damit, den Whisky zu verdünnen.« McLane nickte, winkte der Bedienung und ließ sich eine Karaffe mit Wasser bringen. Er goß vorsichtig taxierend davon in sein Glas, roch daran und nahm einen kleinen Schluck. Gleich darauf verklärte sich sein Gesicht. »Jetzt stimmt die Richtung, Leute! Wieviel von dem Stoff hast du herstellen lassen, Hasso?« »Zunächst mal ein Hundertliter-Faß, das war die kleinste Menge, die die Destillerie akzeptieren wollte. Sollen wir ihn retournieren? Ich habe mir vorsichtshalber das Rückgaberecht einräumen lassen, für den Fall ...« »Untersteh dich!« drohte Cliff. »Du kannst lediglich dafür sorgen, daß das nächste Faß die richtige Volumendichte hat – sagt man so? Bis dahin müssen wir uns eben mit Wasser behelfen. Auf ein neues, Ladies and Gentlemen!« Diesmal schmeckte es allen, die anderen Raumfahrer zeigten sich begeistert. Cliff ließ noch eine Flasche bringen, lenkte das Gespräch aber immer wieder auf das Thema, das ihm besonders am Herzen lag. Zu seinem Leidwesen kam dabei aber nichts weiter heraus. So dachte der Commander bereits wieder an Aufbruch, als ihn plötzlich Helga Legrelle anstieß. »Wir bekommen Besuch, Cliff«, sagte sie gedämpft. »Rate mal, wer es ist.« McLane lächelte. »Wäre dies hier noch das alte
Starlight-Casino, müßte es, deinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, Michael Spring-Brauner sein. Den gibt es aber nicht mehr. Wer ist es also?« Arlene wies mit spitzbübischem Gesicht auf Mario de Monti, der ihnen gegenüber saß. »Seine Augen strahlen, also kann es nur ein weibliches Wesen sein. Allerdings zeigt sein Gesicht zugleich auch einen gewissen Ausdruck von Resignation. Das deutet darauf hin, daß die betreffende Dame unter keinen Umständen für ihn zu haben ist.« »Dann müßte es Leandra de Ruyter sein!« schloß Cliff McLane messerscharf. »Gewonnen, Commander«, klang hinter ihm eine melodische Stimme auf. Die Raumfahrer erhoben sich, aber die Admiralin winkte ab. »Machen Sie nur keine Umstände, hier sind wir nicht im Dienst. Ich bin auch nur gekommen, um mich etwas zu entspannen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?« »Einen Luxussessel für unsere hohe Chefin!« forderte Mario mit theatralischer Gebärde. »Gibt es nicht – welche Schande. Tut mir leid, Lady, wir waren auf Ihren hohen Besuch in keiner Weise vorbereitet. Anderenfalls läge jetzt hier ein roter Teppich, und wir Ihnen zu Füßen.« Leandra de Ruyter nahm formlos auf einem der ohnehin sehr bequemen Kontursessel Platz. Sie trug keine Uniform, sondern einen in allen Farben changierenden Hosenanzug. Trotzdem schien ihre Anwesenheit Paul Montard und seinen Gefährten gewisse Beklemmungen zu verursachen. Sie verabschiedeten sich und gingen, und so war die ORION-Crew nun mit der Admiralin allein am Tisch.
Die Chefin der Terrestrischen Raum-Aufklärungsverbände war eine bemerkenswerte Frau. Ihr Körper war schlank, geschmeidig und durchtrainiert, das ebenmäßige Gesicht von hellblondem Naturhaar umgeben. Es zeigte einige Sommersprossen auf seiner hellen Haut, die man aber sofort vergaß, wenn man ihre Augen sah. Sie waren lichtblau, ihr Blick wirkte klug, energisch und selbstbewußt. Wer in sie sah, begriff, weshalb diese noch junge Frau einen so hohen Posten bekleidete. Als Chefin der T.R.A.V. war sie die direkte Vorgesetzte der Crew. Das Verhältnis zwischen ihr und Cliff McLane war bemerkenswert gut. Beide waren einander etwa ebenbürtig und respektierten sich gegenseitig voll. Es gab zwar auch Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen, die sich jedoch durch Diskussionen und Abwägen von Argumenten stets beilegen ließen. »Sollen wir ihr einen unverdünnten Archer's tears geben?« raunte Atan Shubashi dem Commander zu. Cliff schüttelte den Kopf und nahm die Wasserkaraffe zur Hand. »Ihr nicht, Atan! Leandra ist eine Vorgesetzte, wie man sie heutzutage mit der Lupe suchen muß.« »Ausgezeichnet, Commander«, sagte die Admiralin, nachdem sie getrunken hatte. »Es ist also doch nicht alles schlecht, was Sie den Menschen der Gegenwart zumuten. Haben Sie die Absicht, Archer's tears jetzt auch in der Raumflotte einzuführen?« McLane grinste. »Der Gedanke wäre nicht schlecht, verehrte Chefin. Dieser Stoff würde vielleicht die letzten Reste von Fluidum Pax austreiben, die manchen immer noch im Blut stecken. Ich wüßte auch sonst noch einige Figuren, bei denen das dringend nötig wäre.«
»Doch nicht etwa Han Tsu-Gol oder Katsuro-san?« fragte Leandra augenzwinkernd. »Man muß auch vergessen können, Oberst, zumal Sie ein Typ sind, mit dem nicht so leicht auszukommen ist.« »Die Namen haben Sie genannt, nicht ich«, konterte Cliff sofort. »Im übrigen glaube ich nicht, daß ich Han in absehbarer Zeit noch einmal dazu bewegen kann, mit mir zu trinken.« Leandra de Ruyter lächelte amüsiert. »Damit haben Sie vermutlich recht. Wäre ich damals nicht gekommen, hätte es allerhand Aufruhr gegeben. Sie und Ihre Crew haben sich aber auch nicht gerade wie Engel benommen, nebenbei bemerkt.« »Wir sind auch keine, Admiralin«, warf Mario fröhlich ein. »Können Sie sich solche Geschöpfe in unserer ORION vorstellen, wenn es hart auf hart geht?« »Ich protestiere!« sagte Helga Legrelle entschieden. »Wie ihr Männer euch einstuft, bleibt euch selbst überlassen. Wir beide sind Engel, nicht wahr, Arlene?« »Natürlich sind wir das«, behauptete ihre Gefährtin überzeugt. »Cliff hat mich oft genug so genannt, also muß es schon stimmen. Oder war das nur eine deiner üblichen Schmeicheleien, mit denen du schwache Mädchen betörst? Gestehe, du Böser.« »Ich werde mich hüten«, parierte McLane. »Ein falsches Wort, und man macht mir wieder den Prozeß. TECOM hat Besseres zu tun, als am laufenden Band Verteidiger zu spielen. Ich bezweifle ohnehin, daß er mit der Definition ›Engel‹ überhaupt etwas anzufangen weiß. Oder hat man in den vergangenen Jahrzehnten den Rechnern auch Metaphysik beigebracht, Chefin?«
»Ich jedenfalls nicht«, erklärte die Admiralin schmunzelnd. Ihr fiel es nicht schwer, sich in dieser Runde wohl zu fühlen, in der jeder seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Cliff wechselte übergangslos das Thema. »Wir sind natürlich nicht nur hier, um Archer's tears zu trinken«, sagte er ernst. »Das ergab sich nur so, weil Hasso diesen Stoff herbeigezaubert hat. Wir haben zwar Urlaub, aber wir machen uns natürlich Sorgen über die Lage der Erde, vor allem in bezug auf das Bermuda-Dreieck. In dieser Hinsicht leiden wir unter einem totalen Informationsmangel, Admiralin.« »Das habe ich mir schon gedacht«, gab Leandra de Ruyter zurück. »Katsuro macht im Augenblick derart in Geheimniskrämerei, daß selbst ich die Situation nicht übersehe. Eine paradoxe Sache, wenn man bedenkt, daß es im Endeffekt die Raumflotte ist, die einspringen muß, wenn die Lage bedrohlich wird.« Der Commander nickte unbehaglich. »Also wieder das alte Spiel, genau wie zu unserer Zeit. Da war es Oberst Henryk Villa, der alle hinters Licht geführt hat. Wenn dann aber das Licht zu einem lodernden Brand wurde, da rief man uns als Feuerwehr, und alles sollte schnell, wenn möglich schon vorgestern, wieder im Lot sein. Manchmal könnte man wirklich an der Menschheit verzweifeln, Admiralin.« »Das einzige, was der Mensch aus der Geschichte lernt, ist, daß er nichts daraus lernt«, ergänzte Hasso Sigbjörnson. »Ich bin nur gespannt ...« Er wurde mitten im Satz unterbrochen. Die Musik, die bisher als Geräuschkulisse aus dem Kuppelsaal in den Nebenraum gedrungen war, verstummte. An ih-
rer Stelle dröhnten plötzlich starke Lautsprecher auf. »Achtung, Admiralin de Ruyter! Wir haben soeben einen Anruf aus Ihrem Hauptquartier erhalten. Sie werden gebeten, sich so bald wie möglich dort einzufinden. Achtung, ich wiederhole ...« * Leandra de Ruyter erhob sich zögernd. Auf ihrem Gesicht war der Ausdruck lebhaften Bedauerns nicht zu übersehen. »Anscheinend brennt es bereits irgendwo«, sagte sie mit hochgezogenen Brauen. »Es tut mir wirklich leid, daß ich Sie schon wieder verlassen muß, aber die Pflicht ruft.« »Das Unangenehme an der Pflicht ist, daß sie immer so laut ruft«, bemerkte Mario de Monti vorlaut. Cliff McLane brachte ihn mit einer entschiedenen Handbewegung zum Schweigen. »Einen Moment noch, Chefin«, warf er schnell ein. »Läßt es sich nicht einrichten, daß wir mit Ihnen gehen? Wir sind an Neuigkeiten jedweder Art brennend interessiert.« Die Admiralin schüttelte den Kopf. »Bedaure, Commander, das läßt sich nicht machen. Sie als Urlauber haben im HQ nichts zu suchen, sofern Sie nicht ausdrücklich angefordert werden.« Cliff lächelte in seiner unnachahmlichen Art. »Da bietet sich Ihnen doch eine durchaus brauchbare Ausrede an! Sie waren gerade in unserer Gesellschaft und meinten, daß Sie uns unbedingt sofort anfordern müßten – die Formulare kann man nachträglich schnell ausfüllen. Wenn man Sie hier herausholt,
geschieht das nicht ohne triftigen Grund. Die Annahme, daß ein Einsatz für die ORION bevorsteht, liegt also ziemlich nahe, oder nicht?« Leandra de Ruyter blieb unentschlossen stehen, dann gab sie sich einen Ruck. »Also gut – kommen Sie mit! Ich nehme es auf meine Kappe.« »Kaum zu glauben«, spöttelte Mario und trank schnell noch sein Glas leer. Hasso Sigbjörnson eilte zum Barkeeper und legte ihm seine Kreditkarte vor. Eine Minute später brachen alle zusammen auf. Sie benutzten die Schnellverbindung und trafen bereits nach fünf Minuten in der Dienststelle der Admiralin ein. Sie passierten die Sicherheitsschotte und kamen in eine – zumindest für die Begriffe der ORION-Crew – seltsame Welt. Das Hauptquartier der T.R.A.V. bestand zum großen Teil aus Büros, in denen Männer und Mädchen hinter Schreibtischen und Nachrichtengeräten saßen, wie man sie auch in den Direktionsräumen großer Firmen fand. Daneben gab es aber auch Abteilungen, in denen es ganz anders aussah. Dort fehlten die Aktenschränke und sonstige nebensächliche Dinge. Sie waren mit Rechnern, Schaltpulten und Bildschirmen angefüllt, so daß sie eher an die Kommandozentralen riesiger Raumschiffe erinnerten. In diesen Räumen schlug das Herz der terrestrischen Raumflotte. Von ihnen aus konnte blitzschnell mit weit entfernten Schiffen Verbindung aufgenommen werden. Es gab besondere Geräte, über die andere Dienststellen abhörsicher erreicht werden konnten. Normalerweise waren all diese Apparaturen voll
von Nachrichtenleuten, Männern wie Frauen, besetzt. Zu dieser vorgerückten Stunde war es jedoch überall fast geisterhaft still. Die Korridore und Zimmer waren verlassen, nichts wies darauf hin, daß etwas Besonderes im Gange war. Die Admiralin runzelte die Stirn. »Das kommt mir reichlich seltsam vor«, bemerkte sie halblaut. »Der Aufruf im Casino ließ auf wichtige Ereignisse schließen, aber hier tut sich nichts dergleichen. Wäre es wirklich ernst, hätte man schon längst alle wichtigen Abteilungen voll besetzt. Entweder übertrifft sich der GSD in seinem Geheimhaltungsbestreben wieder einmal selbst, oder jemand hat vorschnell gehandelt und aus einer Mücke einen Elefanten gemacht.« »Wahrscheinlich das letztere«, meinte der Commander, der in dieser Beziehung einen reichen Erfahrungsschatz besaß. »Eine Frage: Wie funktioniert eigentlich der Laden hier, wenn wirklich etwas passiert? Automaten gibt es ja genug, aber sie können doch unmöglich alles allein machen? Wo steckt Ihr Personal jetzt?« Leandra zog die Brauen hoch, als er den Ausdruck »Laden« gebrauchte, ging jedoch nicht darauf ein. »Ein Mann ist immer hier«, erklärte sie. »Er überwacht die Funkgeräte und drückt auf den Alarmknopf, falls es nötig ist. Dann sind innerhalb von dreißig Sekunden die Leute da, die sich jetzt in den Bereitschaftsräumen über uns aufhalten. Heute hat Major Hackler Dienst, ich glaube, Sie kennen ihn bereits.« »Hackler!« sagte Mario de Monti, und alle Geringschätzung der Welt schien in dem einen Wort zu liegen. »Es ist seltsam, Admiralin, daß man mit fast
mathematischer Sicherheit immer wieder Leute des gleichen Typs in vergleichbaren Positionen findet. Auch Marschall Wamsler hatte einen solchen Dandy an seiner Seite, und er konnte uns ebenso wenig leiden, die Ihr Major.« Cliff grinste melancholisch. »Oh, einen Unterschied gibt es doch. Brian Hackler ist, zumindest vom Aussehen her, nur ein billiger Spring-Brauner-Verschnitt. Was würdest du sagen, Helga-Mädchen, wenn er dir einen Heiratsantrag machte, wie sein seliger Vorgänger?« »Da schweige ich lieber in drei Sprachen«, gab Helga Legrelle zurück. »Reicht das?« »Es reicht jetzt wirklich!« sagte die Admiralin ungehalten. »Ich bitte Sie dringend, sich nicht von persönlichen Aversionen gegen meinen Stabschef leiten zu lassen. Major Hackler ist zwar noch jung, aber gerade das sollte Ihnen allen zu denken geben. Nur ein Mann mit überdurchschnittlichem Können kann in seinem Alter schon einen so verantwortungsvollen Posten bekleiden. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« »Sehr deutlich und präzise«, bestätigte der Commander. »Ich möchte aber trotzdem nachdrücklich feststellen, daß nicht wir es waren, die die Feindseligkeiten eröffnet haben, Chefin. Hackler hat uns bereits beim ersten Zusammentreffen so offensichtlich die kalte Schulter gezeigt, daß eine Gegenreaktion nur natürlich war.« Sie hatten mehrere Räume durchschritten und gelangten nun in die Kommandozentrale des Hauptquartiers. Die Tür schnurrte zur Seite, und sie betraten den riesigen Raum voller Nachrichtengeräte,
Batterien von Bildschirmen und Rechnern. Leandra de Ruyter ging voran, die ORION-Crew folgte im Gänsemarsch. Brian Hackler saß vor einem Videogerät und hatte gerade ein Gespräch beendet. Nun sprang er auf und nahm vor seiner Vorgesetzten Haltung an. Sein schmales Gesicht mit den kühlen grauen Augen erstarrte jedoch, als er die Crew erblickte. »Darf ich erfahren, was die Anwesenheit dieser Besatzung im Hauptquartier zu bedeuten hat, Admiralin?« erkundigte er sich gepreßt. »Ich entsinne mich nicht, daß Commander McLane einen Antrag gestellt hätte, um eine Genehmigung zum Aufsuchen des HQ während seines Urlaubs zu erhalten. Unsere sehr eindeutigen Vorschriften besagen ...« »Danke, ich kenne die Vorschriften«, unterbrach ihn Leandra kühl. »Im übrigen bitte ich Sie, es mir zu überlassen, wen ich, auch ohne Formulare, als Begleiter bevorzuge. Als mich Ihre Nachricht erreichte, war ich gerade mit der ORION-Crew zusammen, und sie sorgt sich ebenso um die Lage der Erde, wie ich. Es könnte immerhin sein, daß ihr Einsatz notwendig ist, warum hätte ich sie also fortschicken sollen?« »Das begreift Major Hacker nie«, frotzelte Atan Shubashi halblaut. Der Stabschef hatte es aber doch gehört und sah ihn eisig an. »Ich möchte Sie nachdrücklich ersuchen, meinen Namen nicht zu verunstalten«, schnarrte er. »Ich heiße Hackler, haben Sie verstanden?« »Unmöglich!« lästerte Mario de Monti postwendend. »Er muß einfach Hacker heißen, etwas anderes ist gar nicht drin. Hört nur, wie er sofort loshackt, sobald er uns zu Gesicht bekommt.«
Leandra de Ruyters Gesicht blieb ernst, nur in ihren Augen tanzten winzige Funken der Belustigung. Das schadenfrohe Gelächter der anderen erstarb jedoch im Ansatz, als sie sagte: »Ich finde es geradezu rührend, wie Sie sich bemühen, hier ein angenehmes Betriebsklima zu schaffen. Lassen Sie sich durch mich bitte nicht dabei stören, ich bin hier nur die Admiralin. Wir haben ja Zeit, alle anderen Probleme können bis morgen warten.« Cliff McLane verzog das Gesicht. »Touché!« stellte er anerkennend fest. »Madame, wir strecken die Waffen, zumindest bis zu einer günstigeren Gelegenheit. Einverstanden, Major?« Hackler knurrte etwas, das man bei einiger Phantasie als eine Zustimmung auffassen konnte. Leandra de Ruyter wandte sich nun an ihn. »Was hat sich ereignet, Major? Handelt es sich wieder um das Bermuda-Dreieck? Nein, das wohl nicht, sonst hätten sich Han Tsu-Gol oder Katsuro bereits eingeschaltet. Worum geht es also?« »Ein rätselhaftes Vorkommnis im Raum jenseits der Mondumlaufbahn«, berichtete Hackler. »Unsere Ortungssatelliten erfaßten ein Raumschiff, das dort außerplanmäßig aus dem Hyperraum kam. Es reagierte auf keinen Funkanruf und machte auch keine Anstalten, Fahrt aufzunehmen, um die Erde zu erreichen. Nach einiger Zeit gelang es, den Raumer als das Handelsschiff TIMUR LENG zu identifizieren. Die Ferntaster stellten an Bord nur ganz geringe energetische Aktivitäten fest, fortgesetzte Anrufe blieben unbeantwortet. Die TIMUR LENG treibt jetzt auf einem Kurs dahin, der sie im freien Fall in Richtung auf die Sonne führt.«
»Das ist allerdings seltsam«, gab die Admiralin zu. »Allem Anschein nach ist die Besatzung also aus irgendwelchen Gründen handlungsunfähig. Haben Sie bereits weitere Maßnahmen eingeleitet, Major?« Hackler nickte. »Sogleich, nachdem ich Sie hatte verständigen lassen. Ich habe mich mit unserer Mondbasis in Verbindung gesetzt und ihr alle vorhandenen Daten übermittelt. Inzwischen ist bereits einer unserer Systemaufklärer gestartet. Ich habe den Kommandanten angewiesen, an der TIMUR LENG anzulegen. Ein Kommando soll sich, natürlich unter Beachtung aller Vorsichtsregeln, Zugang ins Schiffsinnere verschaffen, um darin nach dem Rechten zu sehen. Der Kommandant wird uns anschließend sofort seinen Bericht übermitteln.« »Sie haben umsichtig und ganz in meinem Sinn gehandelt«, sagte Leandra de Ruyter. »Es kann sein, daß sich die Besatzung des Raumers auf einer fremden Welt infiziert hat und erkrankt, inzwischen vielleicht sogar schon gestorben ist. Oder sind Sie da anderer Meinung, Commander? Sie besitzen in dieser Hinsicht die größten Erfahrungen.« Cliff zuckte mit den Schultern. »Auch in der Raumfahrt gibt es kaum zwei gleich geartete Fälle möglicher Gefahren. Damit meine ich die ›normalen‹ Gefahren, wie Krankheiten, technisches oder menschliches Versagen. Zusätzlich müssen wir aber auch noch mit allen möglichen anderen Faktoren rechnen, die dem Erbe der alten Kosmischen Mächte entspringen. Es mag weitere Mordroboter geben, oder auch Anlagen, ähnlich der Hypnobasis oder denen auf dem Olbers-Asteroiden. Etwas Genaues läßt sich also kaum sagen, wir werden das Ergebnis
der Untersuchung der TIMUR LENG abwarten müssen.« »Gut, dann warten wir eben«, entschied die Admiralin. »Sie und Ihre Crew bleiben vorsichtshalber solange hier.«
3. Die Zeit verging mit quälender Langsamkeit. Eine Viertelstunde nach der anderen verrann, ohne daß etwas geschah. Die ORION-Besatzung hatte es sich in den Sitzen der Operatoren vor den Rechnern bequem gemacht. Die anregende Wirkung des genossenen Whiskys war verflogen, die Müdigkeit griff nach Cliff McLane und seinen Gefährten. Sie hielten sich jedoch wach, schon im Hinblick auf den Major. Brian Hackler schien trotz der Nachtzeit keine Ausfallerscheinungen zu kennen. Er saß an einem Kartentisch, sah irgendwelche Berichte durch und machte zuweilen Notizen oder Randbemerkungen. Sein hageres, fast asketisch wirkendes Gesicht unter dem halblangen blonden Haar zeigte keinerlei Regungen. Auch Leandra de Ruyter hatte sich Arbeit besorgt. Sie saß, tief über Akten gebeugt, an einem Pult. Nur die ORION-Crew hatte nichts zu tun und langweilte sich ausgiebig. Dann fuhren alle zusammen. Ein Klingelzeichen ertönte, ein Fernschreibgerät begann zu rattern. Major Hackler erhob sich hastig und begab sich dorthin. Er las aufmerksam die Zeilen ab, schüttelte dann aber den Kopf. »Es ist nur der neue Wetterbericht, Admiralin. Australien und Transozeanien haben mit keinen größeren Veränderungen zu rechnen, die umfassende Schönwetterlage hält an.« »Wenigstens ein Trost«, knurrte Cliff leise. »Nur haben wir leider nichts davon, wie ich fürchte. Die
Ruhe ist trügerisch und wird nicht anhalten, Freunde. Ich sehe voraus, daß etwas Unerfreuliches auf uns zukommt, und meine Gefühle haben mich noch selten getrogen.« Die weitere Entwicklung schien ihm Recht zu geben. Schon Minuten später meldete sich das Großfunkgerät. Hackler aktivierte die Aufnahme, und auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines Offiziers der Aufklärungsverbände. Er grüßte respektvoll, als er die Admiralin erkannte, die sich nun vor die Kamera schob. »Major Logan, Admiralin, soeben von der Untersuchung des Handelsraumers TIMUR LENG zurückgekehrt. Wir haben lange gebraucht, um uns Zugang zu dem Schiff zu verschaffen. Alle Luftschleusen waren blockiert, die Pförtnerautomatiken reagierten nicht auf die üblichen Schlüsselimpulse. Es blieb uns nichts weiter übrig, als eine Schleuse aufzubrennen, die wir anschließend wieder abdichten mußten, um das Entweichen der Atmosphäre zu verhindern.« »Weiter«, drängte Leandra de Ruyter. »Was haben sie in dem Schiff gefunden? Gibt es Anlaß zur Besorgnis?« »In gewisser Hinsicht schon«, erklärte der Kommandant mit unbehaglichem Gesicht. »Die technischen Anlagen der TIMUR LENG sind in Ordnung, es gibt nirgends Anzeichen für eine schädliche Fremdeinwirkung. Dafür ist aber fast die gesamte Besatzung spurlos verschwunden! Wir haben nur einen Mann an Bord vorgefunden, es handelt sich um den Zweiten Navigator Oleg Demant.« »Machen Sie es kurz«, forderte seine Vorgesetzte.
»Was sagt er über den Verbleib seiner Kameraden?« Logans Züge wurden noch düsterer. »Gar nichts, Admiralin, denn er ist nicht ansprechbar. Er bietet das Bild eines Mannes, der größte Strapazen hinter sich hat. Seine Bekleidung ist förmlich zerlumpt, er selbst in erschreckendem Ausmaß abgemagert, körperlich vollkommen verfallen. Natürlich haben wir ihn sofort in unser Schiff gebracht und dem Bordarzt übergeben. Dieser stellte dann fest, daß Demant, gelinde ausgedrückt, geistig geschädigt ist. Ich fürchte sogar, daß ein Fall völliger geistiger Umnachtung vorliegt.« »Konnten Sie feststellen, woher das Schiff kommt?« fragte Leandra nach einer kurzen Pause. »Vielleicht läßt sich anhand seiner Ladung etwas darüber bestimmen.« Der Major zuckte mit den Schultern. »Wir haben bereits alles durchsucht, Admiralin. Sämtliche Laderäume sind jedoch leer, es gibt lediglich einen schwachen Hinweis: In einer Personenschleuse und in den Rillen der dazu gehörenden Ausstiegsrampe befand sich feiner rötlicher Sand, wie auch am Körper und in der Kleidung des Navigators. Fußspuren weisen darauf hin, daß Demant durch diese Schleuse ins Schiff gelangt ist. Er muß dann trotz seines verwirrten Geistes noch die Rückkehrautomatik aktiviert haben. Sie allein hat, ohne sein Zutun, die TIMUR LENG in unser Sonnensystem gebracht.« »Was halten Sie davon, Commander?« wandte sich die Admiralin an Cliff McLane. »Was könnte Ihrer Ansicht nach die Schuld am Verschwinden der Frachterbesatzung tragen?«
»Überlegen wir einmal methodisch«, sagte der Oberarzt. »Da gibt es den feinen rötlichen Sand, vermutlich mit Oxydationsprodukten durchsetzt, wie auf dem Mars. Er läßt darauf schließen, daß sich das Schiff zuletzt auf einem Wüstenplaneten aufgehalten hat. Daß er bis in die Schleuse geweht wurde, gibt Grund zu der Annahme, daß es längere Zeit über mit offenem Schott dort gestanden hat. Weiter sind die Laderäume des Frachters leer. Das kann bedeuten, daß man auf dieser Welt eine Ladung übernehmen wollte. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen; weshalb, darüber kann man höchstens Spekulationen anstellen, die uns aber nicht weiterbringen. Das gleiche gilt für die Abwesenheit der Besatzung.« »Vielleicht läßt sich aus den Aufzeichnungen im Logbuch der TIMUR LENG etwas darüber entnehmen«, überlegte Leandra de Ruyter. »Lassen Sie es zu sich an Bord holen, Major Logan. Außerdem ist der Kursaufzeichner zu kontrollieren. Er arbeitet automatisch, kann also durch die Besatzung nicht manipuliert werden. Mit seiner Hilfe müßte sich feststellen lassen, wo sich das Schiff aufgehalten hat, ehe es zur Erde zurückkam.« »Wird sofort besorgt, Admiralin«, versprach der Aufklärerkommandant. »Ich werde selbst noch einmal die TIMUR LENG aufsuchen und alles überwachen. Ich rufe dann wieder an.« »Eine reichlich mysteriöse Angelegenheit«, meinte Arlene, als der Bildschirm dunkel geworden war. »Die leeren Laderäume könnten auch bedeuten, daß man auf dem Wüstenplaneten Fracht gelöscht hat. Vielleicht war es ein nicht ganz legales Geschäft, und die Besatzung bekam Streit mit den Abnehmern, des
Preises wegen. Oder man war von vornherein darauf aus, sie hereinzulegen, und hat sie einfach niedergemacht, nachdem die Waren ausgeliefert waren.« »So könnte es gewesen sein«, sagte Leandra. »Dann wäre der Zweite Navigator als einziger entkommen und wahrscheinlich längere Zeit auf der fremden Welt umhergeirrt. Hunger, Durst und die Strapazen der lebensfeindlichen Umgebung können die Verwirrung seines Geistes herbeigeführt haben.« Cliff McLane hob die Hand. »Diese Version hat einige schwache Punkte, Chefin. Wer auch immer mit der TIMUR LENG und ihrer Besatzung zu tun hatte, er hätte anders gehandelt. Er hätte entweder zugleich auch das Schiff in seinen Besitz gebracht, oder aber dafür gesorgt, daß es verschollen blieb! Menschen dieses Schlages sind von Natur aus mißtrauisch und stets darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen.« »Ihre Fähigkeit, sich in die Mentalität solcher Leute zu versetzen, ist bemerkenswert«, sagte Major Hackler spitz. »Man könnte fast meinen, sie hätten selbst ...« Er unterbrach sich irritiert, denn Mario de Monti lachte schallend auf. »Sieh an, er hackt schon wieder. Junger Mann, man kann unserer Crew und ihrem vorzüglichen Kommandanten gewiß allerhand nachsagen, mit zwielichtigen Gestalten haben wir jedoch noch nie paktiert, das versichere ich Ihnen beim Bart meiner Großmutter. Sie sollten einmal die alten Akten der T.R.A.V. und des GSD studieren, dort steht alles haarklein drin.« »Das haben wir längst getan; Han Tsu-Gol, Katsuro und ich«, erklärte Leandra de Ruyter. »Major Hack-
ler, ich kann nicht umhin, Ihnen eine Rüge zu erteilen. Die Besatzung der ORION ist absolut integer und hat weit mehr für die Menschheit getan, als Sie es je werden tun können. Denken Sie immer daran, ehe Ihre Zunge mit Ihnen durchzugehen droht.« Cliff winkte müde ab. »Lassen Sie es gut sein, Chefin. Es gibt bekanntlich drei verschiedene Kategorien von Menschen: Die einen denken zuerst, dann reden sie. Die anderen reden zuerst und denken dann erst über das nach, was sie von sich gegeben haben. Die dritte Art schwätzt darauflos, ohne überhaupt zu denken. Ich überlasse es Major Hackler, sich selbst in einer dieser drei Gruppen einzustufen. Vielleicht kommt er dann zu einer Selbsterkenntnis, die ihm hilft, gewisse Fehler auszumerzen.« »Man soll die Hoffnung nie aufgeben«, kommentierte Helga Legrelle. Im nächsten Moment war jedoch diese Kontroverse vergessen. Das Funkgerät sprach an, und Major Logan erschien wieder auf dem Bildschirm. »Kontrollen durchgeführt, Admiralin«, meldete er. »Das elektronische Logbuch sagt lediglich aus, daß die TIMUR LENG vor einer Woche vom Planeten Monyr im Raumkubus Sechs/Ost 372 gestartet ist. Sie hatte keine Ladung an Bord ihr Ziel war Karanga in Vier/Ost 407. Alle weiteren Angaben fehlen, es gibt keinen Hinweis für eine beabsichtigte Landung auf einem Planeten der vermuteten Kategorie.« Er machte eine kurze Pause. Dann erschien ein anderer Offizier neben ihm und reichte ihm eine Folie. Logan überflog sie kurz und sah dann wieder in das Aufnahmegerät.
»Ich habe soeben die Auswertung der Daten des Kursaufzeichners erhalten, die unser Bordrechner erstellt hat. Er sagt mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent aus, daß sich die TIMUR LENG vor dem Automatflug zur Erde im Sternbild Adler oder Aquila befand, wie die exakte Bezeichnung im Sternenkatalog heißt. Genauer gesagt, im Bereich der Sonne Alschain, die einen roten Zwerg der Spektralklasse M als physischen Begleiter besitzt. Dieser Zwergstern wird von nur einem Planeten umlaufen, der nach den Angaben tatsächlich eine Welt vom Marstyp ist. Dort muß das Schiff gelandet sein.« »Danke, Major«, erwiderte Leandra de Ruyter. »Sorgen Sie dafür, daß die TIMUR LENG eine Notbesatzung erhält, die sie zur Erde bringt. Danach können Sie mit Ihrem Schiff zur Basis zurückkehren, den ausführlichen schriftlichen Bericht übermitteln Sie dem HQ auf dem üblichen Dienstweg. Ende.« * »So, damit hätten wir es«, sagte Cliff McLane. »Alschain im Adler also; der Name ist mir halbwegs geläufig, mehr aber auch nicht. Wie weit ist dieses Gestirn von der Erde entfernt, Atan?« Der Astrogator brauchte nicht lange zu überlegen. »Alschain im Adler, gleich Beta Aquilae, von der Erde aus gesehen der südliche Nachbar des Hauptsterns Altair. Eine Sonne der Spektralklasse G 8, also bedeutend heller als Sol. Besitzt einen roten Zwerg der Klasse M als Begleiter, Abstand 12,5 Sekunden, Polwinkel 358 Grad. Entfernung zur Erde fast exakt 40 Lichtjahre. Nähere Angaben sind leider nicht
möglich, weil das System bisher nicht erforscht wurde.« Leandra nickte anerkennend. »Danke, Mr. Shubashi, Sie kennen Ihr Metier. Jetzt haben wir also einen wichtigen Anhaltspunkt, bei dem wir einhaken können. Wenn wir auf dem betreffenden Planeten nach dem Rechten sehen, müßte sich herausfinden lassen, wo die Besatzung der TIMUR LENG verblieben ist, und ob sie noch lebt.« »Das wäre doch etwas für uns!« entfuhr es Mario de Monti spontan. »Wir waren schon immer Spezialisten, was die Aufklärung galaktischer Anomalien und Rätsel betrifft. Nicht wahr, Cliff?« McLane nickte, aber nun schaltete sich Major Hackler ein. Er konnte seine Genugtuung kaum verbergen, als er sagte: »Machen Sie sich da bitte keine falschen Hoffnungen, Oberst. Die Männer aus dem Handelsschiff befinden sich, sofern sie noch am Leben sind, auf dem unwirtlichen Planeten zweifellos in Not. Wir müssen also möglichst schnell etwas tun, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Ihre ORION IX ist aber im Moment nicht einsatzfähig, sie befindet sich noch zur Überholung in der Werft. Es wäre widersinnig, vielleicht Tage zu warten und das Leben der Verschollenen noch weiter zu gefährden. Schließlich besitzen die Terrestrischen Raum-Aufklärungs-Verbände ja nicht nur dieses eine Schiff.« »In dieser Hinsicht muß ich Major Hackler recht geben, Commander«, erklärte Leandra de Ruyter. »Wir haben ständig Patrouillenkreuzer unterwegs, und vermutlich befindet sich einer von ihnen in dem betreffenden Sektor. Wir sparen eine Menge Zeit,
wenn wir ihn mit dieser Aufgabe betrauen. Stellen Sie doch gleich einmal fest, welches Schiff der Sonne Alschain zur Zeit am nächsten ist.« Das galt dem Major, der sofort einen Sternkartentank aktivierte. Darin glommen die Sonnen des terrestrischen Kolonialbereichs auf. Zwischen ihnen zeigten verschiedenfarbige dünne Linien, die langsam weiterkrochen, die Routen der patrouillierenden Kreuzer an. Hackler betätigte einige Sensoren, und dann erschien ein Text auf dem kleinen Monitor des Bedienungspults. »Die LYNX kommt für uns in Frage, Admiralin. Sie ist augenblicklich im Sektor Ost unterwegs und nur etwa acht Lichtjahre von Alschain entfernt. Wenn sie ihren Flug unterbricht und in den Hyperraum geht, kann sie bereits in wenigen Stunden an Ort und Stelle sein.« Mario zog ein saures Gesicht. Er war offenbar drauf und dran, wieder eine seiner typischen Bemerkungen zu machen, aber Cliff winkte energisch ab. Er sah ein, daß das von der Admiralin und Hackler geplante Vorgehen das einzig Richtige war. Hier ging es nicht um persönliche Rivalitäten, sondern vielleicht um das Leben einer ganzen Raumschiffsbesatzung. »Stellen Sie sofort eine Verbindung zur LYNX her, Major«, ordnete Leandra an. Hackler nahm den starken Hyperfunksender der Raumbasis in Betrieb, und schon nach kurzer Zeit meldete sich der Kommandant des Patrouillenkreuzers. Oberleutnant Henran Tijamar war ein Farbiger und stammte von einem Kolonialplaneten. Die Admiralin wies ihn an, sofort seine Route zu verlassen und den Begleiter der Sonne Alschain anzufliegen.
»Landen Sie auf dem einzigen Planeten und versuchen sie, dort die verschollene Besatzung der TIMUR LENG ausfindig zu machen. Die rätselhaften Vorkommnisse um dieses Schiff erfordern erhöhte Wachsamkeit«, schärfte sie ihm ein. »Sollten Sie auf Feinde irgendwelcher Art stoßen, ist jedes überflüssige Risiko zu vermeiden. Melden Sie sich in zwölf Stunden wieder hier beim HQ zu einem Bericht.« Tijamar bestätigte, und Hackler unterbrach die Verbindung. Leandra de Ruyter erhob sich und kam auf den Commander zu. »Wie Sie sehen, ist diese Sache bereits in guten Händen«, sagte sie. »Hoffen wir, daß alles gut abgeht und die bedauernswerten Männer noch lebend gerettet werden können. Ich werde Sie später über den Ausgang der Aktion unterrichten.« Cliff McLane verstand und verneigte sich leicht. »Gut, dann werden wir uns jetzt verabschieden, Chefin.« * »Was unternehmen wir jetzt, Cliff?« erkundigte sich Helga Legrelle nach dem Frühstück. Die Crew hatte ihre Quartiere aufgesucht und sieben Stunden Schlaf hinter sich gebracht. Alle waren ausgeruht, und ihr Urlaub war nominell noch nicht zu Ende. Trotzdem war die Unrast nicht zu übersehen, die sie beherrschte. McLane trank seinen restlichen Kaffee aus und spielte dann gedankenverloren mit der Tasse. Auf seiner Stirn stand eine tiefe Falte. »Ich fühle mich zutiefst frustriert, Helga-
Mädchen«, sagte er dann. »Da draußen auf dem Wüstenplaneten geht etwas vor, das mit dem Erbe des Varunja oder des Rudraja zusammenhängt, davon bin ich überzeugt. Und was tun wir? Statt in Aktion zu treten, sitzen wir nutzlos hier herum, weil unsere ORION IX noch nicht wieder klar ist. Das bedrückt mich.« Mario de Monti grinste schief. »Dann muß also etwas getan werden, um diesen Druck wieder von deiner empfindsamen Seele zu nehmen. Ehrlich gesagt, ich habe das Nichtstun auch bis obenhin satt. Geht es euch nicht auch so, ihr Lieben?« Er sah ringsum zustimmende Mienen und fuhr fort: »Gut, dann lasset uns zu Taten schreiten. Wir begeben uns in die Werft und spitzen die Techniker dort an, sich tunlichst zu beeilen! An unserem Kahn gab es ohnehin nicht viel zu überholen, zur Zeit des seligen Marschalls Wamsler wäre das in einem einzigen Tag erledigt worden. Gegenstimmen?« Es gab keine, und so brach die Crew gleich darauf auf. Chefingenieur Greg Anderson zog die Brauen hoch, als die unerwartete Invasion der Raumfahrer über ihn hereinbrach. Er war jedoch ein Mann, der sich nicht so leicht erschüttern ließ. Als Cliff die entscheidende Frage stellte, lächelte er nur sparsam. »Ihr schöner Kreuzer ist wieder so gut wie neu, Commander. Unsere Männer haben rund um die Uhr gearbeitet, und sämtliche Werftroboter haben das Schwitzen gelernt. Jetzt fehlt nur noch der obligatorische Probeflug, dann können Sie wieder bis ans Ende der Milchstraße gondeln.«
»Danke, Greg«, sagte McLane. »Eine Besatzung ohne ihr Schiff – das ist so etwas, wie ein notorischer Säufer ohne Alkohol. Um gleich zur Sache zu kommen: Wenn ich nicht sehr irre, haben wir doch das Recht, den Probeflug selbst zu absolvieren. Richtig?« »Zu neunzig Prozent wenigstens«, bestätigte Anderson. »Es gibt lediglich den kleinen Vorbehalt, daß einer unserer Werftpiloten mit an Bord sein muß. Seine Aufgabe ist es, sich durch den Augenschein davon zu überzeugen, daß auch wirklich alles in Ordnung ist.« Arlene N'Mayogaa produzierte ihren schönsten Augenaufschlag. »Gehören Sie zufällig auch zu jener bevorrechtigten Kategorie, Greg? Es würde mich sehr beruhigen, einen Mann wie Sie unter uns zu wissen. Sie sehen so stark und zuverlässig aus.« Anderson durchschaute ihr Manöver, grinste aber trotzdem breit. »Natürlich gehöre ich dazu, Schwarze Perle der ORION. Ich besitze sämtliche Raumflugpatente, kann aber nur sehr selten auch Gebrauch davon machen. Gut, Sie haben mich überredet, ich bin dabei. Eine kleine Viertelstunde noch, ich muß eben meinem Stellvertreter einige Anweisungen geben. Außerdem noch der unvermeidliche Papierkrieg, sonst meint man am Ende noch, der Kreuzer wäre gestohlen worden.« Zwanzig Minuten später waren alle Formulare einwandfrei ausgefüllt, unterschrieben und gegengezeichnet. Werfttechniker und Roboter räumten die Halle, und die Crew bestieg mit glänzenden Augen ihr Schiff. Hasso Sigbjörnson suchte den Maschinen-
raum auf, während Cliff in der Zentrale die nötigen Checks durchführte. Seine Finger huschten so rasch über die Schalter und Sensoren, daß der Chefingenieur große Augen bekam. »Alles in schönster Ordnung«, sagte er nach wenigen Minuten. »Bei dir auch, Hasso?« »Einwandfrei, Cliff«, sagte Sigbjörnson vom Maschinenraum aus. »Nur ein Wink von dir, und du bekommst soviel Energie geliefert, wie du nur haben willst.« »Gut, dann starten wir in fünf Minuten. Helga, rufe durch und informiere die Hangarwache, damit sie uns rechtzeitig den Ausschluß öffnet. Wohin dürfen wir eigentlich fliegen, Greg?« »Wohin Sie wollen, Commander, aber bitte nicht gleich bis zum Polarstern. Ich möchte zum Mittagessen gern wieder zu Hause sein, sonst mault meine Frau.« Fünf Minuten später durchstieß die ORION die Erdatmosphäre und erreichte den freien Raum. Helga Legrelle gab die nötigen Meldungen an T.R.A.V. und die Wachsatelliten durch, und dann beschleunigte der Commander mit Vollast. Greg Anderson stand hinter ihm, und sein Respekt wuchs zusehends. Cliff verlangte seinem Schiff alles ab. Er flog einige Gewaltmanöver riskantester Art, die Andruckabsorber heulten protestierend auf, und zeitweise kamen mehrere Gravos durch. Der Chefingenieur rettete sich in einen Kontursitz, vom schadenfrohen Feixen des Kybernetikers verfolgt. Dann brachte McLane den Kreuzer auf Kurs zum Mond. Er führte zwei Umkreisungen des Erdtrabanten durch und nickte Anderson dann zufrieden zu.
»Ihre Leute haben gut gearbeitet, Greg, ich bin rundherum zufrieden. Es ist jetzt elf Uhr, in einer Stunde sollen Sie Ihr Mittagessen haben. Zurück also, zur guten alten Erde.« Als die ORION wieder in die Atmosphäre eingetaucht war, sah Arlene den Freund ahnungsvoll an. »Kannst du es wieder einmal nicht lassen, Cliff? Daß der Kurs, den du jetzt steuerst, uns geradewegs zum Bermuda-Dreieck führt, erkennt selbst ein Blinder!« Der Commander lächelte, ohne den Blick von den Kontrollen zu nehmen. »Du merkst aber auch wirklich alles, Mädchen. Da es aber bekanntlich kein vermeidbares Risiko gibt, das ich nicht eingehen würde, fliege ich jetzt genau dorthin. Diese Gegend hat es mir nun einmal angetan.« Der Chefingenieur schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts. McLane flog das Schiff so souverän, daß er zutiefst beeindruckt war. Dann meldete sich aber plötzlich das Normalfunkgerät. Helga schaltete, und schon erschien das Gesicht des GSD-Chefs Tunaka Katsuro auf dem Bildschirm. Schon der bloße Ausdruck seiner Züge war ein einziger Protest. »Geben Sie mir sofort Commander McLane!« knurrte er. »Wenn ich noch Haare besäße, würden sie mir jetzt büschelweise ausfallen. Daß das BermudaDreieck zum Sperrgebiet für sämtliche Fahrzeuge erklärt worden ist, wissen Sie so gut wie ich.« Helga Legrelle schielte seitwärts und sah das kurze Zwinkern Cliffs. Darin lag die stumme Aufforderung, Zeit zu gewinnen; einer weitergehenden Verständigung bedurfte es zwischen den eingespielten Partnern nicht.
»Bedaure, Mr. Katsuro«, sagte sie gleichmütig in das Mikrofon. »Der Commander kann jetzt nicht mit Ihnen sprechen, er ist voll damit ausgelastet, das Schiff zu steuern. Innerhalb der Lufthülle kann der Autopilot nicht eingesetzt werden, das sollten Sie doch wissen. Gedulden Sie sich bitte einige Minuten, dann können Sie ...« »Ich denke nicht daran«, unterbrach sie der Asiate brüsk. »Sie hören doch alles mit, McLane. Ich befehle Ihnen, augenblicklich den Kurs zu ändern und die Sperrzone zu verlassen! Sollten Sie das nicht tun, wird es Konsequenzen für Sie geben, verlassen Sie sich darauf.« Cliff schüttelte grinsend den Kopf, löste eine Hand vom Steuerpult und bohrte mit dem Mittelfinger im Ohr. »Ich glaube, daß ich bald einmal zum Arzt muß«, bemerkte er übertrieben laut. »Ich meine in letzter Zeit manchmal, Stimmen zu hören, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das kommt wohl davon, daß man mich von oben her ständig unter Druck setzt. Zuerst will man mich durch einen Roboter ersetzen, dann hängt man mir ein Gerichtsverfahren an den gewaschenen Hals. Wenn das so weitergeht ...« »Sie brauchen keinen Arzt, sondern einen Psychiater!« schrie Katsuro erregt. »Verdammt, begreifen Sie Dickschädel doch endlich, daß wir alle es nur gut mit Ihnen meinen. Das Bermuda-Dreieck kann zur tödlichen Falle für Ihr Schiff werden.« Inzwischen war die ORION IX bis auf wenige Kilometer über den Meeresspiegel abgesunken. McLane hatte den Antigrav zur Hilfe genommen und hielt den Kreuzer mitten über dem bekannt tückischen
Gebiet. Die Bildschirme zeigten die See, die bleifarben und in fast unheimlicher Ruhe unter dem Schiff lag. Weit und breit war kein Fahrzeug zu entdecken, weder ein Seeschiff noch ein Luftgefährt. Cliff lauerte förmlich darauf, daß etwas geschah, doch der rätselhafte Feind in der Tiefe tat ihm diesen Gefallen nicht. Helga Legrelle disputierte erneut mit dem Chef der GSD, als plötzlich eine laute Stimme diese Unterhaltung übertönte. Sie kam von Leandra de Ruyter, und ihr starker Sender schlug mühelos durch. »Befehlshaberin der T.R.A.V. an den Chef des GSD und an Commander McLane: Ich bitte um Funkstille, denn ich habe eine wichtige Mitteilung zu machen. Der in den Bereich der Sonne Alschain entsandte Patrouillenkreuzer LYNX ist überfällig! Die dem Kommandanten gesetzte Frist zur Meldung ist bereits um mehr als zwei Stunden überschritten. Wir haben seitdem laufend versucht, das Schiff über Hyperfunk zu erreichen, aber es antwortet nicht. Ein Notfall scheint somit gegeben zu sein. ORION, hören Sie?« »ORION IX hört«, antwortete Helga Legrelle. »Folgender Befehl ergeht an Commander McLane: Sofortige Rückkehr des Kreuzers zur Basis 104. Dort wird das Schiff voll betankt und die Bewaffnung überprüft. Die Besatzung soll sich auf einen baldigen Einsatz vorbereiten. Erbitte Bestätigung – Ende.« Die Funkerin bestätigte, und Cliff wandte sich feixend zu Greg Anderson um. »Na, bitte! Ich wette jeden Betrag, daß wir von der Basis aus direkt zur Sonne Alschain fliegen werden!« »Allmächtiger!« stöhnte der Chefingenieur. »Jetzt komme ich also doch zu spät zum Mittagessen ...«
4. »Wann werden Sie endlich vernünftig, Commander?« fragte die Admiralin mit mißbilligend hochgezogenen Augenbrauen. »Ich habe einen Teil Ihres Funkverkehrs mit Katsuro mitgehört, und auch Ihre ›tiefschürfenden‹ Bemerkungen sind gut über den Sender gekommen. Der Chef des GSD sollte von Ihnen nicht in einer solchen Art behandelt werden. Er macht sich wirklich die größten Sorgen, das dürfen Sie mir glauben.« Cliff nickte bedächtig. »Das weiß ich natürlich, Chefin. Andererseits kann die in den Meerestiefen lauernde Gefahr nicht dadurch beseitigt werden, daß man sie einfach ignoriert. Die Zwischenfälle mit der TIMUR LENG und der LYNX beweisen, daß es auch im Weltraum für uns noch weitere Krisenherde gibt. Es wäre deshalb wichtig, den Gegner auf dem eigenen Planeten auszuschalten. Dann haben wir den Rücken frei und können uns ganz auf die anderswo anfallenden Probleme konzentrieren.« Die Admiralin seufzte. »So gesehen, haben Sie auch wieder recht. Andererseits soll man schlafende Raubtiere nicht wekken, und genau das hätten Sie mit Ihrem provozierenden Flug bezwecken können. Wir sind aber noch nicht soweit, Cliff, wir brauchen noch Zeit! Unsere besten Wissenschaftler bemühen sich, dem Rätsel des Bermuda-Dreiecks auf die Spur zu kommen. Ein vorzeitig zuschlagender Feind könnte all ihre Vorarbeiten nutzlos machen.« Sie hatte »Cliff« gesagt, was nur selten vorkam. Das
und der drängende Ton ihrer Stimme bewog McLane zum Einlenken. »In Ordnung, Chefin«, entgegnete er. »Ich verspreche mit allem Ernst, daß wir in Zukunft keine solchen Extratouren mehr reiten werden. Damit können wir diese Sache ad acta legen und uns anderen Dingen zuwenden. Die ORION soll zum Planeten fliegen, auf dem jetzt die LYNX verschollen ist, und dieser, falls erforderlich, aus der Patsche helfen?« »Stimmt«, bestätigte Leandra. »Chefingenieur Anderson hat grünes Licht für Ihr Schiff gegeben, dem Einsatz steht nichts mehr im Wege. Was haben Sie eigentlich mit dem Mann während des Probeflugs angefangen? Er war ja das reine Nervenbündel, als ich mit ihm sprach.« »Das liegt ausnahmsweise einmal nicht an dem schlechten Einfluß unserer Crew«, bemerkte Arlene trocken. »Anderson hat gewisse eheliche Probleme – seine Frau ist sozusagen das private BermudaDreieck für ihn.« Die Admiralin lächelte flüchtig. »So ist das also. Nun, ich habe seinem Wunsch entsprochen, und ihn schnellstens wieder entlassen. Er läßt Ihnen allen noch Hals- und Beinbruch wünschen, und einen guten Flug.« Sie ließ ihre Blicke langsam über die Besatzung der ORION gleiten, die vor ihr stand. »Das gleiche wünsche auch ich Ihnen«, sagte sie dann. »Versuchen Sie herauszufinden, was mit der Besatzung der TIMUR LENG geschehen ist, und das Rätsel um das Schweigen der LYNX zu klären. Das soll allerdings so geschehen, daß jedes unnötige Risiko vermieden wird. Falls es auf dem Wüstenplaneten
so etwas wie eine Raumschiffsfalle gibt, soll die ORION nicht ihr drittes Opfer werden.« Mario de Monti grinste düster. »Immer wieder der alte Spruch, mit dem uns schon der selige Marschall Wamsler oft genug traktiert hat: Wasch mir den Hals schön sauber, aber ohne mich naß zu machen.« Cliff winkte ab. »Irgendwie werden wir es schon schaffen, Chefin. Achten Sie nicht weiter auf Marios Sprüche. Haben Sie sonst noch weitere Anweisungen für uns?« »Tun Sie, was Sie für richtig halten, Commander, aus der Entwicklung der Dinge heraus. Unterrichten Sie das HQ, sobald sie beim Begleiter der Sonne Alschain eingetroffen sind, über die dortigen Gegebenheiten. Sollten Sie auf dem Planeten landen, haben Sie mindestens alle zwei Stunden ein Lebenszeichen über Hyperfunk zu geben. Sollte es mehr als einmal ausbleiben, werde ich umgehend einen starken Verband in Marsch setzen, den ich selbst befehligen werde.« Damit war die Crew entlassen. Sie begab sich in den Hangar der Basis, in der die ORION stand. Die Wartungstechniker verließen eben das Schiff, dem Start stand nichts mehr im Wege. Alle nahmen ihre Plätze ein und führten die üblichen Checks durch. Nur gewisse kleine Anzeichen, die McLane richtig zu deuten wußte, zeugten von der unterschwelligen Spannung, der seine Gefährten unterlagen. Ein Schiff war leer von dem bewußten Planeten zurückgekehrt, nur mit einem Geistesgestörten an Bord. Die LYNX hatte diese Welt erreicht, sich nun aber seit mehr als fünfzehn Stunden nicht mehr gemeldet. Alles deutete also darauf hin, daß es im Bereich der
Sonne Alschain jemanden gab, der den Menschen nicht wohl gesinnt war. Daß es andere Menschen waren, skrupellose Geschäftemacher oder gar Verbrecher, schied nach Lage der Dinge mit fast absoluter Sicherheit aus. Mit ihnen wäre die LYNX unbedingt fertig geworden. Sie war vom selben Typ wie die ORION IX und besaß die gleiche starke Bewaffnung. Somit blieben also nur noch zwei Mächte übrig, die für die Ereignisse der letzten Tage verantwortlich sein konnten: Das Varunja und das Rudraja, beziehungsweise die Hinterlassenschaft einer der beiden alten Kosmischen Mächte! »Maschinenraum klar, Commander«, meldete Hasso Sigbjörnson, dessen Abbild auf dem Bildschirm der Bordverständigung erschienen war. Cliff Allistair McLane schreckte aus seinem kurzen Grübeln auf. »Verbindung zur Hangarkontrolle aufnehmen, Helga«, ordnete er an. »Wenn von dort aus alles klargeht, starten wir in zwei Minuten.« Die Startfreigabe kam sofort. Wenig später öffneten sich die Schleusentore, der künstliche Ausflugstrudel entstand in den Wassern des Carpentaria-Golfs. Aus ihm stieg die ORION wie ein Geschoß empor, durchstieß die Atmosphäre der Erde, und schwang sich in den freien Raum hinaus. * Mario de Monti hatte alle Daten für den Flug bereits in den Computer gegeben. Der Commander steuerte das Schiff manuell, bis die Zeit zum Überwechseln in den Hyperraum gekommen war. Dann übernahm der
Autopilot im Verbund mit dem Rechner die Führung des Raumers. Als die Lichtgeschwindigkeit annähernd erreicht war, schalteten sie. Die Überlichtgeneratoren liefen an und rissen die ORION in die höhere Dimension. Von diesem Augenblick an flog das Schiff blind. Nichts war auf den Außenbildschirmen zu sehen, nur eine fast greifbare, absolute Schwärze. So würde es nun bleiben, bis der Hyperflug gegen Ende des nächsten Tages beendet war. Die Besatzung hatte in dieser Zeit keinen Einfluß auf den Ablauf der Dinge. Sie war praktisch arbeitslos. Das gab Muße für Gespräche und Diskussionen, für Vermutungen und Spekulationen. Die Crew hatte in der Basis nur noch hastig ein paar Sandwiches zu sich nehmen können. Nun sorgten die beiden Frauen für ein richtiges Mittagessen. Als dann der unvermeidliche starke Kaffee in den Bechern dampfte, sah Atan Shubashi Cliff fragend an. »Du hast dir doch bestimmt schon eine Menge Gedanken über das Geschehen auf diesem staubigen Planeten gemacht. Haben deine kleinen grauen Zellen inzwischen eine halbwegs brauchbare Hypothese darüber zustande gebracht?« McLane wiegte langsam den Kopf. »Du weißt sehr genau, daß ich kein Mann bin, der einfach ins Blaue hinein Hypothesen aufstellt, Atan. Etwas anderes ist aber nach Lage der Dinge fast unmöglich. Ich weiß weder, was der Besatzung der TIMUR LENG zugestoßen ist, noch, weshalb sich die LYNX nicht meldet. Es ergeht mir also wie einem Computer, der nichts weiter als ein paar Grunddaten besitzt. Auf ihnen aufbauend, kann er eine Unmenge
von Extrapolationen erstellen, deren Wahrscheinlichkeitswert aber äußerst gering ist. Auch die Erfahrungen aus den zahllosen früheren Einsätzen helfen mir hier nicht weiter.« »Ich will Atans Frage einmal anders formulieren«, warf nun Arlene ein. »Was denkst du, werden wir auf dieser fremden Welt finden? Menschen, Roboter, oder fremde, uns feindlich gesinnte Intelligenzen?« »Menschen scheiden meiner Ansicht nach aus«, erklärte Cliff. »Die Besatzung eines Handelsschiffs hätten sie übertölpeln können; die eines Flottenkreuzers, die bereits vorgewarnt war, mit Sicherheit nicht. Fremde Wesen wiederum brauchen gewisse erträgliche Lebensbedingungen, die auf der Wüstenwelt mit Sicherheit nicht gegeben sind.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Becher und fuhr dann fort: »Bleiben also noch die Roboter. Sie können praktisch überall existieren, weil sie von äußeren Gegebenheiten weitgehend unabhängig sind. Die Wahrscheinlichkeit, Maschinenwesen auf dem Trabanten des Alschain-Begleiters zu finden, ist demnach relativ groß. Es kann sich aber auch um stationäre Einrichtungen handeln, die nach langem Dornröschenschlaf erwacht sind und irgendeiner uralten Programmierung folgen. Genauer gesagt: um Stationen des Rudraja oder des Varunja!« Sekundenlang hing atemloses Schweigen in der Schiffszentrale. Dann stöhnte Mario de Monti unterdrückt auf. »Nicht schon wieder das!« jammerte er halblaut. »Cliff, du verstehst es wirklich, einem diesen Einsatz so richtiggehend schmackhaft zu machen. Immer wieder dasselbe in neuen Varianten, seit wir zur Erde
zurückgekehrt sind. Verdammt, warum kann es nicht einmal wieder etwas anderes sein?« Helga Legrelle feixte. »Am liebsten wäre dir vermutlich ein ganzer Planet voller weiblicher Wesen, deren Widerstand du brechen solltest, wie? Dabei müßtest du doch längst eingesehen haben, daß wir Frauen uns nur dann ›erobern‹ lassen, wenn es uns nützlich erscheint.« »Ein bemerkenswertes Eingeständnis«, kommentierte Cliff mit feinem Lächeln. »So war es wohl aber schon vom Anfang der Zeiten an. Eva lockte mit dem Apfel, die Sirenen mit ihren Gesängen. Was dabei herauskam, ist allgemein bekannt.« »Sirenen ...?« sagte Hasso Sigbjörnson nachdenklich. »Cliff, da kommt mir ein Gedanke, der vielleicht gar nicht so abwegig ist: Könnte es dort nicht etwas geben, das Lebewesen auf irgendeine Weise anlockt, um sie ins Verderben zu führen?« Der Commander runzelte die Stirn. »Denkbar wäre es schon«, gab er zögernd zu. »Das Rudraja wie auch das Varunja bedienten sich zahlreicher verschiedener, oft sehr differenzierter Mittel, um die Gegenseite zu bekämpfen. Was wir bisher davon kennengelernt haben, war kaum die Spitze eines riesigen Eisbergs. Allerdings bringt uns das, was du da postuliert hast, auch nicht weiter, Hasso.« »Also abwarten und Kaffee trinken«, meinte der Astrogator resigniert. »Apropos Kaffee: hast du noch einen Becher deines vorzüglichen Gebräus für mich, Helga-Mädchen?« Dreißig Stunden später. Cliff und Mario hielten Wache in der Zentrale, die anderen schliefen. Ein Bandgerät lieferte leise, har-
monische Musik, die Lichter der zahlreichen Skalen zuckten, der Autopilot tickte monoton vor sich hin. Der Flug durch den Hyperraum näherte sich langsam seinem Ende. De Monti gähnte ausgiebig und warf einen Blick auf die Digitalanzeige des Hauptchronometers. »Noch eine knappe Viertelstunde, dann ist es soweit. Wir sollten jetzt die anderen aufwecken, Cliff. Dann reicht es gerade noch für ein paar Appetithappen, ehe es ernst wird.« McLane grinste kurz. »Das rettet dich auch nicht mehr, Freund. Eben habe ich dich soweit, wie ich wollte. Jetzt schlage ich deinen schwarzen Läufer – Schach und Matt!« Mario sah mißmutig auf die Dame, die so plötzlich aus ihrer Lauerstellung heraus aktiv geworden war. Sein König saß fest, er hatte ihn selbst in diese Stellung manövriert. Mißmutig warf er die Figuren um, erhob sich und drückte auf den Alarmknopf. Der Summer klang unüberhörbar auf und riß die Schläfer aus ihren Träumen. Als sie zusammen im Steuerraum erschienen, zählte der Autopilot gerade die letzten Sekunden ab. Er schaltete, das Summen der Generatoren verstummte, und die ORION glitt aus dem Hyperraum. Augenblicklich erschien auf den Bildschirmen der normale Weltraum. Von den zahlreichen Hintergrundsternen umrahmt, stand eine große, weißgelbe Sonne genau in der Mitte des Hauptbildschirms vor dem Pilotenpult. Dicht neben ihr zeichnete sich als matter roter Reflex der Begleitstern ab. Cliff McLane griff nach dem Tablett, das ihm Arlene N'Mayogaa entgegenhielt. Er wählte ein Sandwich mit Schinken, biß herzhaft hinein und erklärte: »Da
wären wir also. Alschain und Alschain-Beta liegen zwanzig Lichtminuten vor uns. Helga-Mädchen, sei so lieb und rufe T.R.A.V. an, um die fällige Meldung durchzugehen.« »Mit vollem Mund soll man nicht reden«, gab die Funkerin zurück. Es klang etwas undeutlich, denn auch sie war mit Kauen beschäftigt. Cliff quittierte diese Inkonsequenz mit einem kurzen Grinsen, nahm einen neuen Bissen zu sich und wandte sich dann zu dem Astrogator um. »Hast du etwas Verdächtiges auf deinen Geräten, Atan?« Es war fast dunkel in der Zentrale. Nur die Bildschirme, Instrumentenbeleuchtungen und Kontrolllampen verbreiteten einen matten Schein. Shubashi las gewissenhaft seine Anzeigen ab und schüttelte dann den Kopf. »Ich kann nichts finden, Cliff. Weit und breit gibt es weder Raumschiffe irgendwelcher Art, noch energetische Emissionen. Von meiner Seite aus bestehen keine Bedenken, den Flug wie vorgesehen fortzusetzen.« Während Helga Legrelle sich über den Hyperfunk mit einem unsichtbaren Gesprächspartner in der Basis 104 unterhielt, griff der Commander bereits in die Kontrollen. Die Normaltriebwerke liefen an und beschleunigten die ORION IX bis auf halbe Lichtgeschwindigkeit. Im Fadenkreuz des Zentralschirms stand die kleine rote Sonne, und nun erwachte die Spannung wieder in den Mitgliedern der Crew. Es galt, das Rätsel um den noch unsichtbaren Wüstenplaneten zu lösen, der Terra so viele Sorgen bereitete. *
Zwanzig Minuten später. Die kleine rote M-Sonne zeichnete sich bereits als deutlich erkennbare Scheibe auf den Bildschirmen ab. Auch ihr einziger Planet war nun schon auszumachen, als ein winziger rötlicher Punkt, der rechts von seinem Gestirn stand. Die weißgelbe Hauptsonne war bereits ausgewandert und störte die Beobachtungen nicht mehr. »Noch immer keine Spur von der LYNX?« erkundigte sich der Commander bei Atan Shubashi. »Wenn sie sich hier irgendwo im Raum befindet, müßte sie mit dem Hyperradar doch unbedingt aufzufinden sein.« »Nicht die geringste Spur von einem Reflex«, erwiderte der Astrogator. »Meinen Instrumenten nach ist dieses Mini-System völlig verlassen. Natürlich ist es durchaus möglich, daß der Kreuzer auf dem Wüstenplaneten gelandet ist. Dann ist es allerdings unmöglich, ihn über diese Distanz hinweg auszumachen. Nur eine hohe energetische Aktivität könnte seine Anwesenheit verraten, aber die gibt es offenbar nicht.« »Suche trotzdem weiter«, befahl McLane. Dann wandte er sich an Helga, die ihm erwartungsvoll entgegensah. »Bring deine Empfänger auf Hochtouren, Kindchen. Nimm die Suchautomatik zur Hilfe und grase sämtliche Frequenzen ab, die irgendwie für irdische Raumschiffe in Frage kommen. Es ist durchaus möglich, daß sich die LYNX nur deshalb nicht gemeldet hat, weil ihr Hyperfunkgerät ausgefallen ist. Falls sie die ORION inzwischen bereits geortet hat und uns über Normalfunk anruft, müßten wir sie hören können.«
»Für dich tue ich doch bekanntlich fast alles, Cliff«, sagte die Funkerin mit schmachtendem Augenaufschlag. »Darf ich doch noch hoffen, dich eines Tage in meinen Armen zu halten?« »Nur über meine Leiche hinweg«, erklärte Arlene, die eben mit frischem Kaffee in der Zentrale erschienen war. »Untersteh dich, so etwas zu versuchen. Ich kratze dir sämtliche Augen aus.« Cliff nahm einen Becher vom Tablett und grinste flüchtig. Er wußte genauso gut wie die beiden Frauen, daß dieses Geplänkel nicht ernst zu nehmen war. Die Rollen an Bord waren, zumindest für absehbare Zeit, fest verteilt. Während er das heiße Getränk genußvoll schlürfte, fragte er sich unwillkürlich, für wie lange. Schließlich war Arlene nicht die erste Frau in der ORION-Crew, die sich seiner Zuneigung erfreute. Angefangen hatte es mit Tamara Jagellovsk, der Aufpasserin für den zu oft unbotmäßigen Commander. Sie hatten sich geliebt und waren schließlich doch wieder auseinander gegangen, als der Vorrat an Gemeinsamkeiten aufgebraucht war. Dann war Ishmee 8431 gekommen, das Turceed-Mädchen mit den goldfarbenen Augen, und auch sie war wieder aus seinem Leben gegangen. Jetzt war es Arlene, die Schwarze Perle ... »Heh, Cliff! Träumst du?« riß ihn Marios Stimme aus seinen Gedanken. »Es wird langsam Zeit, daß du den Bremsvorgang einleitest; sonst schießt unsere Mühle weit an dem Planeten vorbei.« »Hast du Mühle gesagt?« erkundigte sich McLane, während er die leere Tasse absetzte und sich den Kontrollen zuwandte. »Schließlich ist die ORION IX
das beste Raumschiff der T.R.A.V., hat die beste Besatzung und den besten Commander. Wie kannst du es dann wagen, sie mit einem derart herabwürdigenden Ausdruck zu belegen?« »Wie kannst du, bester Commander, es wagen, an ihrem Steuer zu träumen?« konterte der Kybernetiker. »Dafür wirst du wohl kaum von der Erdregierung bezahlt, oder?« »Ich habe nicht geträumt, ich habe nur intensiv nachgedacht«, erklärte McLane würdevoll. »Einer muß ja schließlich das Denken für euch besorgen. Helga, wie sieht es aus? Rührt sich nichts in deinem Empfänger?« Helga Legrelle schüttelte den Kopf. »Absolut nichts, Cliff. Ich habe nicht den kleinsten Piepser empfangen. Soll ich selbst einen Ruf an die LYNX absetzen?« »Vorläufig nicht«, entschied der Commander. »Wir werden ohnehin den Planeten in einer Viertelstunde erreicht haben. Falls es dort jemand gibt, der uns nicht mag, soll er nicht vorzeitig auf unser Kommen aufmerksam gemacht werden.« Atan Shubashi verdrehte die Augen. »Hört nur, wie gepflegt sich unser Boß auszudrücken geruht. Ich glaube fast ...« »Du sollst nicht glauben, du sollst orten«, unterbrach ihn Cliff. »Wir sind jetzt schon so nahe heran, daß deine Geräte das charakteristische Echo eines Flottenkreuzers unbedingt müßten ausmachen können. Wie sieht es damit aus?« »Bisher ebenfalls Fehlanzeige. Natürlich ist es möglich, daß sich das Schiff hinter dem Planeten oder auf seiner uns abgewandten Seite aufhält. Etwas
Endgültiges kann ich also erst sagen, wenn wir Dusty auch von dort aus begutachtet haben.« »Wieso Dusty?« fragte Cliff McLane. Shubashi wies auf den Sektorenbildschirm, in dessen Mitte die fremde Welt in starker Vergrößerung stand. »Beachte nur einmal die eigentümliche Farbverzeichnung, sie sagt alles. Der Planet hat eine Atmosphäre, müßte also unter normalen Umständen das Licht seiner Sonne ebenso rötlich reflektieren, wie er es empfängt. Die Albedo zeigt jedoch deutlich einen Stich ins Bräunliche, und das beweist, daß sich in der Lufthülle eine Menge von aufgewirbeltem Staub befindet. Eine erste Kostprobe befand sich ja bereits in der Luftschleuse der TIMUR LENG.« »Dann hat das Kind also auch seinen Namen«, sagte Cliff und las die Daten über die fremde Welt ab, die automatisch am unteren Rand des Schirmes eingeblendet wurden. Demnach war Dusty mit einem Durchmesser von 8300 Kilometer größer als der irdische Mars, aber genauso trocken. Die Schwerkraft am Äquator betrug 0,8 Gravos, die Atmosphäre enthielt fast 18 Prozent Sauerstoff. Die Durchschnittstemperatur lag mit 22,4 Grad Celsius relativ hoch. »Nicht eben ein besonders gemütlicher Aufenthaltsort«, kommentierte Arlene. »Der arme Navigator muß allerhand ausgestanden haben, ehe er wieder das Schiff erreichte. Kann die Besatzung des Frachters noch am Leben sein, falls sie sich auf dem Planeten aufhält?« Der Commander zuckte mit den Schultern. »Das läßt sich von hier aus schwer beurteilen, Mädchen. Es kommt ganz darauf an, wo man sich gerade aufhält, meine ich. Wahrscheinlich gibt es auch
Zonen, in denen die Verhältnisse relativ erträglich sind. Zu essen dürfte es dort zwar kaum etwas geben, aber möglicherweise Wasser in geringen Mengen.« Er bremste die ORION weiter ab und zwang sie in einen Bogen, der sie um Dusty herumführen mußte. Schon nach wenigen Minuten meldete sich dann Atan Shubashi. »Ortung, Cliff!« sagte er erleichtert. »Ich habe ein Echo auf dem Monitor, das auf das Vorhandensein einer größeren Metallmasse nicht natürlichen Ursprungs hinweist. Augenblick, Mario, ich gebe dir gleich die Daten.« Kaum eine Minute später hatte der Computer seine Analyse erstellt. Der Ausdruckmechanismus begann zu rattern und spie eine Folie aus, die McLane hastig auffing. Er hatte den Pilotensitz verlassen, und die Schiffsführung dem Steuerautomaten übergeben. »Es gibt keinen Zweifel, Kinder«, sagte er gleich darauf. »Die ermittelten Daten entsprechen in allen Einzelheiten denen eines Raumkreuzers vom Typ unserer ORION. Wir haben die LYNX gefunden, sie steht drüben auf Dusty!«
5. Diese Nachricht löste eine gewisse Erleichterung aus, aber keine Euphorie. Jeder der sechs Menschen an Bord wußte, daß damit nur ein erster kleiner Schritt getan war, um die Rätsel von Dusty zu lösen. Und Rätsel gab es im Zusammenhang mit diesem Staubplaneten mehr als genug. Was war aus der Besatzung der TIMUR LENG geworden ...? Warum stand das Schiff auf dem Planeten, ohne daß seine Besatzung ein Lebenszeichen gab? Weshalb wurde kein Funkspruch beantwortet? Gab es auf Dusty einen Feind, der sie in seine Gewalt gebracht hatte? Lebte sie überhaupt noch ...? Cliff verzichtete darauf, jetzt schon eine Antwort auf diese drängenden Fragen zu suchen. Er gab Atan die Anweisung, auf eventuelle Echos weiterer Fahrzeuge zu achten, und wandte sich dann der Funkerin zu. »Jetzt bist du an der Reihe, Helga-Mädchen. Normalfunksender einschalten, volle Kapazität. Rufe das Schiff über Richtstrahl an, eng begrenzt und scharfgebündelt. Niemand soll diese Sendung mithören können, der sich außerhalb des Kreuzers befindet.« Helga Legrelle bestätigte und begann zu schalten. Die Richtantenne glitt aus der Außenhülle des Diskusraumers und wurde, der Weiterbewegung der ORION entsprechend, laufend nachgeführt. Dann begann Helga zu sprechen. Sie wiederholte den Anruf dreimal und schaltete
dann auf Empfang um. Die Zusatzlautsprecher liefen mit, so daß jeder in der Zentrale das leiseste Geräusch hören konnte, das hereinkam. Auch Hasso Sigbjörnson hörte mit, sein ernstes Gesicht stand auf dem Bildschirm der Bordverständigung. Aus der Membrane klang das übliche statische Rauschen. Hinein mischte sich zuweilen ein Knacken und Prasseln, hervorgerufen durch Protuberanzen auf der nur hundert Millionen Kilometer entfernten Sonne. Über allem lag ein leises, singendes Geräusch, das periodisch an- und abschwoll. Es rührte vermutlich von einem Radiostern oder einer ähnlichen Strahlungsquelle her. Die ersehnte Antwort von der LYNX blieb jedoch aus. Der Commander kniff die Brauen zusammen, sein energisches Gesicht verdüsterte sich. »Versuche es noch einmal«, ordnete er nach einer Minute fruchtlosen Wartens an. Helga nickte kurz und schaltete wieder auf Senden um. Sie wiederholte den Anruf, und alles begann von neuem – mit dem gleichen negativen Resultat. »Nichts zu machen«, kommentierte Cliff schließlich. »Mach Schluß, Mädchen, jeder weitere Versuch wäre Energieverschwendung. Offenbar ist die Kreuzerbesatzung nicht imstande, uns zu antworten. Der Ruf selbst muß angekommen sein, unseren Sender kann man gar nicht überhören.« Mario de Monti kratzte sich hinter dem Ohr. »Die Sache gefällt mir überhaupt nicht, Leute. Die Admiralin hat Oberleutnant Tijamar schließlich nachdrücklich darauf hingewiesen, daß auf Dusty nicht alles stimmt. Trotzdem ist er mit seinem Schiff auf dem Planeten gelandet – warum?«
»Eine berechtigte Frage«, gab McLane zu. »Meiner Ansicht nach hat die Kreuzerbesatzung auf dieser Welt etwas entdeckt. Das können Spuren der Frachterbesatzung gewesen sein, so daß Tijamar die Landung anordnete, um sie zu retten. Es kann aber auch etwas ganz anderes gewesen sein.« »Einen Kampf kann es jedenfalls nicht gegeben haben«, sagte Atan Shubashi. »Der Einsatz von Bordstrahlern oder Overkill hätte Reststrahlungen hinterlassen, die ich auch jetzt noch feststellen könnte. Die Meßgeräte zeigen aber nichts dergleichen an, nur das Echo des Kreuzers.« »Trotzdem scheint jemand oder etwas die Männer der LYNX irgendwie außer Gefecht gesetzt zu haben«, warf Arlene N'Mayogaa ein. »Was, das dürfte sich aber nur an Ort und Stelle feststellen lassen, wobei die Gefahr besteht, daß es uns ähnlich ergeht. Was gedenkst du weiter zu unternehmen, Cliff?« McLane schlug mit der Hand auf das Funkpult und lächelte, aber ohne jede Spur von Humor. »Als euer gewissenhafter Kommandant werde ich zunächst einmal den Dienstweg beschreiten und mir Rückendeckung verschaffen. Helga-Mädchen, nimm Hyperfunkkontakt mit dem Hauptquartier der T.R.A.V. auf. Die ersten beiden Stunden Anwesenheit in dem System sind ohnehin bald herum, so daß unsere Meldung sowieso fällig ist.« Offenbar maß Leandra de Ruyter dem Unternehmen der ORION erhöhte Bedeutung bei. Sie befand sich im HQ, obwohl inzwischen über dem Gebiet der Basis 104 wieder tiefe Nacht lag. Sofort nach Herstellung der Funkverbindung kam sie ans Mikrophon.
»Ich höre, McLane«, sagte sie; ein leiser Unterton von Erwartung und Besorgnis zugleich schwang in ihrer Stimme mit. »Haben Sie inzwischen etwas entdeckt?« Cliff nickte, besann sich dann aber darauf, daß ihn seine Gesprächspartnerin nicht sehen konnte. »Wir haben, Chefin! Die LYNX befindet sich auf dem Wüstenplaneten, dem wir den Namen Dusty gegeben haben. Wir konnten sie schon aus größerer Entfernung orten, und ich habe sie sofort über Richtstrahl anrufen lassen. Leider erfolglos – der Kreuzer antwortet nicht.« Leandra schwieg einige Sekunden, nur ihr gepreßtes Atmen kam aus der Membrane. »Sie haben keine Anhaltspunkte dafür, was die Mannschaft daran hindern könnte?« erkundigte sie sich dann. »Wie sieht es in der Umgebung des Schiffes aus?« »Keine Ahnung«, sagte McLane wahrheitsgemäß. »Wir sind jetzt noch etwa eine halbe Million Kilometer von Dusty entfernt. Ich wollte erst mit Ihnen reden und eventuelle Instruktionen einholen, ehe ich etwas unternehme.« »So kenne ich Sie ja noch gar nicht«, wunderte sich die Admiralin. »Ja, was kann ich Ihnen schon raten? Ich sitze hier weit vom Schuß auf Terra. Sie dagegen an der Quelle. Ich überlasse es also Ihnen, nach eigenem Gutdünken zu handeln. Das Rätsel von Dusty muß geklärt werden, primär das Schicksal der Verschollenen und der Kreuzerbesatzung. Den besten Weg dazu müssen Sie selbst herausfinden.« »In Ordnung, Chefin«, gab Cliff zurück. »Dann werde ich die ORION jetzt an den Planeten heranführen und vorläufig in einen Orbit bringen. Nach Er-
kundung der örtlichen Gegebenheiten werde ich vielleicht mehr wissen.« »Gut, ich verlasse mich ganz auf Sie«, erwiderte Leandra de Ruyter. »Viel Glück und kommen Sie heil zurück.« McLane unterbrach die Verbindung und wandte sich langsam um. Als erstes sah er das spöttische Feixen Mario de Montis. »Habe ich richtig gehört?« fragte dieser anzüglich. »Cliff, das klang gerade so, als machte sich unsere hohe Chefin mehr Sorgen um dich als um die LYNX! Das erscheint mir aber sehr verdächtig, alter Herzensbrecher.« »Du hältst jetzt erst einmal deinen gewaschenen Mund, klar?« knurrte der Commander ärgerlich. »Ich werde dich demnächst zu einem Psychiater schicken, damit er das Einbahndenken aus deinen Gehirnwindungen eliminiert. Zur Sache: Gesamte Besatzung auf Manöverstationen. Wir fliegen Dusty an und werden alles tun, um diese staubige Nuß zu knacken.« * Eine halbe Stunde später schwenkte die ORION IX in eine enge Umlaufbahn um den Planeten ein. Dusty bestand nicht ausschließlich aus Wüstengebieten. Meere oder Seen gab es nicht, aber an den beiden Polen ausgedehnte, wenn auch relativ dünne Eisschichten. In diesen kalten Zonen war die Luftturbulenz nur gering, so daß es in der Atmosphäre kaum Staubpartikel gab. Das änderte sich aber nach und nach, entsprechend dem Ansteigen der Temperatur zum Äquator hin. Dort tobten ständig Sandstürme,
eine freie Sicht bis zum Boden gab es nirgends. Selbst die stellenweise vorhandenen Bergformationen waren nur undeutlich auszumachen. Die normalen Optiken versagten hier restlos. »Nimm das Hyperradar in Betrieb, Atan«, ordnete Cliff an. Der Diskusraumer wurde jetzt durch die Automatik gesteuert. Sie war so programmiert, daß die Umlaufbahn elliptisch verlief, wobei der tiefste Punkt über dem Standort der LYNX lag. Dabei tauchte das Schiff bereits in die Lufthülle von Dusty ein. Die Antigravprojektoren sorgten dafür, daß es trotz relativ geringer Geschwindigkeit auf seinem Kurs blieb. Für das Hyperradar stellten die Sandwolken kein ernstliches Hindernis dar. Shubashi hatte das Gerät mit dem Hauptbildschirm gekoppelt, so daß alle sehen konnten, was es hereinbrachte. In der ersten Zeit gab es jedoch nichts zu sehen, das irgendwie interessant gewesen wäre. Die ORION bewegte sich über jene Hälfte des Planeten hinweg, die dem Landeort des Kreuzers entgegengesetzt war. Riesige muldenförmige Vertiefungen im Boden bewiesen, daß Dusty einst auch Ozeane besessen hatte, die aber im Lauf der Jahrmillionen verdunstet waren. Damals mußte es auch eine reiche Vegetation gegeben haben, aus deren Assimilationsprodukten der Sauerstoffanteil der Atmosphäre bestand. Immer wieder kamen auch ausgedehnte Gebirgszüge ins Bild. Sie waren teilweise geradezu grotesk geformt, was auf die abschleifende Wirkung der durch die Luft gepeitschten Sandmassen zurückzuführen war. Die Täler waren vielfach bereits ganz zugeweht, Pflanzenwuchs war nirgends mehr zu sehen.
Arlene schüttelte sich unwillkürlich. »Was mag wohl die Besatzung der TIMUR LENG bewogen haben, ausgerechnet auf dieser sterbenden Welt zu landen?« fragte sie leise. »Falls sie wirklich dunkle Geschäfte machen wollte, hätte sie es in einer angenehmeren Umgebung tun können. Es gibt schließlich genug andere und bessere Sauerstoffplaneten, die noch nicht besiedelt sind.« Cliff McLane zuckte nur mit den Schultern, gab aber keine Antwort. Er konzentrierte sich voll auf den Bildschirm, auf dem nun bald die LYNX in Sicht kommen mußte. Die ORION glitt, von Osten her kommend, auf den Rand der Nachtzone Dustys zu. Weiter im Norden ragte ein ausgedehntes Gebirgsmassiv auf, dessen Formationen an den irdischen Himalaja denken ließen. Das Schiff wurde nun immer langsamer; am tiefsten Punkt des Orbits würde seine Geschwindigkeit nur noch 300 Stundenkilometer betragen. Das bot die Gewähr dafür, daß man nichts übersehen konnte, das irgendwie auffällig war. »Da ist sie!« rief Mario, impulsiv wie immer, aus. Tatsächlich kam in diesem Augenblick der Kreuzer ins Bild. Er war vorschriftsmäßig gelandet worden, das bewies der ausgefahrene Zentrallift. Das im schwachen Licht der kleinen Sonne rötlich schimmernde Metall der Außenhülle war offenbar vollkommen unversehrt. Es hatte also wirklich keine Kampfhandlungen gegeben, mithin auch keine Gefährdung des Lebens der Schiffsbesatzung. Was mochte dann aber mit ihr geschehen sein? Warum hatte sie sich nicht gemeldet? Der Commander kniff die Lippen zusammen und
starrte angestrengt auf den Raumer. Plötzlich stieß ihn Mario an, der dicht neben ihm stand. »Da ist noch etwas, Cliff! Nein, nicht dort – etwa anderthalb Kilometer weiter nördlich. Eine dunkle Stelle, wie ein kleiner Krater. So, als hätte man dort den Sand mit einem Strahlgeschütz zusammengeschmolzen. Und der Körper daneben ...« »Ein Kettenfahrzeug!« stieß McLane heiser aus. »Es muß von der TIMUR LENG stammen, unsere Schiffe haben keine derartigen Gefährte an Bord. Verdammt, dort muß also der Handelsraumer gelandet sein, seine Triebwerke haben den Krater verursacht. Dann hat die Besatzung das Fahrzeug ausgeschleust, ist aber nur eine kurze Strecke damit gefahren. Allem Anschein nach hat sie es anschließend verlassen und sich zu Fuß weiterbewegt. Das ist doch purer Irrsinn!« »Zweifellos«, stimmte ihm der Kybernetiker zu. »Es könnte aber auch sein, daß jemand die Männer zum Verlassen des Fahrzeugs gezwungen hat. Oder der Motor streikte, vielleicht, weil Flugsand eingedrungen war. Aber nein, dann hätten sie sich bestimmt in das Gefährt zurückbegeben, statt durch diese öde Landschaft zu laufen.« »Eben!« knurrte Cliff. »Dann wäre deine erste These von weit höherem Wahrscheinlichkeitsgrad. Doch darum geht es jetzt erst in zweiter Linie, primär müssen wir uns um die LYNX kümmern. Helga: Rufe das Schiff nochmals an, diesmal mit geringerer Sendestärke. Warte einen Moment, ich will die ORION wenden, der Orbit ist jetzt unnötig geworden.« Er bremste den Kreuzer ab und brachte ihn in einem engen Bogen auf Gegenkurs. Zwanzig Kilometer über dem Schiff unten in der Sandwüste brachte er
ihn ganz zum Stillstand und ließ ihn mit Hilfe des Antigravs schweben. Nun setzte die Funkerin ihren Spruch ab und wiederholte ihn mehrmals. Wenig später hob sie resignierend beide Hände. »Wieder nichts, Cliff. Soll ich es einmal mit dem Hyperfunk versuchen?« Der Commander winkte ab. »Laß nur, das würde auch nicht mehr einbringen. Wenn jemand in der Kommandozentrale wäre, hätte er uns längst mittels der Bildgeräte entdeckt. Die Zentrale ist also offenbar nicht besetzt – aber wo mögen die Männer stecken? Daß sie nur hier gelandet sind, um sich dann zu einem Schläfchen in die Kabinen zurückzuziehen, ist höchst unglaubwürdig.« »Vielleicht haben sie die LYNX ebenfalls verlassen«, warf Atan Shubashi ein. »Es könnte schließlich sein, daß sie von der Frachterbesatzung über Funk angerufen und zur Hilfeleistung aufgefordert wurden.« »Das ist nicht auszuschließen«, räumte McLane ein. »Dann wären aber bestimmt nicht alle gleichzeitig hinausgegangen oder gefahren. Es gibt schließlich die strikte Vorschrift, daß stets jemand an Bord bleiben muß. Zumindest ein Mann, und der müßte jetzt am Funkgerät sitzen, um Verbindung zu den anderen zu halten ... Ihr könnt sagen, was ihr wollt, hier stinkt etwas ganz gewaltig.« »Meine Füße können es nicht sein«, sagte Mario, »die habe ich mir erst vor einer Woche gewaschen. Im Ernst: Diese Sache ist wirklich reichlich mysteriös. Es gibt zwar keinen sichtbaren Feind, und niemand macht Anstalten, uns anzugreifen, aber das macht den Fall nur noch rätselhafter. Ich habe ein ungutes Gefühl, Cliff.«
»Meinst du, wir anderen nicht?« gab der Commander mißmutig zurück. »Wenn jemand erschiene, um uns anzugreifen, wüßten wir wenigstens, woran wir sind. So aber können wir nur raten, und das beliebig lange. Paß auf, Atan: Richte alle Detektoren auf die LYNX und versuche, herauszufinden, wie es darin um die energetische Aktivität bestellt ist. Vielleicht erhalten wir dadurch einen kleinen Anhaltspunkt.« »Wird gemacht, Commander«, erwiderte Shubashi und wandte sich seinen Geräten zu. Er schaltete flink, aber mit höchster Genauigkeit, und prüfte jede Justierung mehrmals nach. Die anderen schwiegen, um ihn nicht zu stören. Nach drei Minuten wandte er sich um und schüttelte den Kopf. »Nichts, das uns irgendwie weiterbringen könnte, Cliff. Die Reaktoren des Kreuzers sind stillgelegt. Es arbeiten lediglich die Aggregate der Lebenserhaltungssysteme, die durch Speicherbänke versorgt werden. Das sagt jedoch nichts darüber aus, ob sich noch jemand im Schiff aufhält.« »Damit sind wir nicht klüger als vorher«, sagte Arlene mit unbehaglicher Miene. »Was gedenkst du jetzt anzufangen, Cliff? Von den dauernden Sandstürmen abgesehen, sieht dieser Planet vollkommen harmlos aus. Er kann es aber nicht sein, denn hier ist eine Frachterbesatzung verschollen, und die der LYNX möglicherweise auch. Wir müssen etwas tun, und das möglichst bald, denn jede verstreichende Minute kann wertvolle Menschenleben kosten. Wir müssen es aber auch so vorsichtig tun, daß wir selbst dabei nicht zu Schaden kommen.« »Wem sagst du das, Mädchen?« murmelte McLane mit gerunzelter Stirn. »Wir werden wohl oder übel da
unten landen müssen, sonst bekommen wir nie heraus, wie es in dem Kreuzer aussieht.« »Mit der LANCET?« erkundigte sich de Monti. »Das möchte ich nicht riskieren, Mario. Das Beiboot könnte einem plötzlichen Angriff mit überlegenen Waffen kaum standhalten; wir könnten dabei höchstens unnötigerweise zwei Leute verlieren. Die ORION dagegen kann so einen Schlag nicht nur aushalten, sondern auch wirksam zurückschlagen. Alle wieder auf die Plätze, ich leite die Landung ein.« * Mit geringer Fallgeschwindigkeit sank das Schiff auf die Oberfläche Dustys zu. Cliff McLanes Hände ruhten auf den Nothebeln, mit deren Hilfe er die ORION im Gewaltstart wieder in den Himmel rasen lassen konnte. Mario de Monti befand sich im Geschützstand, die Zielsucher für die Bordgeschütze waren aktiviert. Sobald sich auf dem Planeten etwas bewegte, das als gefährlich einzustufen war, konnte es umgehend abgewehrt werden. Es geschah jedoch nichts dergleichen. Der Kreuzer tauchte in die windgepeitschten Staubschwaden ein. Sie konnten ihm nichts anhaben, denn der Schutzschirm war aktiviert. Allerdings ließ sich nun das Hyperradar nicht mehr benutzen, so daß der Commander allein auf die optischen Beobachtungssysteme angewiesen war. Sie lieferten sehr schlechte Bilder, und so war die Landung alles andere als einfach. Cliff schaffte es trotzdem, die ORION nur hundert Meter von der LYNX entfernt zu Boden zu bringen.
Die Triebwerke liefen aus, aber der Schutzschirm blieb vorerst noch eingeschaltet. Fünf Minuten voll angespannter Erwartung vergingen, ohne daß etwas geschah. Sechs Augenpaare starrten auf die Sichtschirme, ohne aber viel erkennen zu können. Das Schiff Henran Tijamars war in den wirbelnden Sandwolken nur als ein umrißhafter Schemen sichtbar. Schließlich schaltete der Kommandant den Schutzschirm aus und erhob sich. »Nimm das Hyperradar wieder in Betrieb, Atan«, bestimmte er. »Ich werde mich mit Mario zur LYNX begeben. Da der Zentrallift ausgefahren ist, dürften wir sie ohne Schwierigkeiten betreten können. Wir legen Raumanzüge an, so daß wir ständig in Funkverbindung bleiben können.« »Paß gut auf dich auf, Cliff«, flüsterte Arlene N'Mayogaa. Der Mann strich ihr leicht über das dunkle Haar. »Keine Sorge. Ich nehme nicht nur die HM 4 mit, sondern auch Mario, der im Ernstfall mehr kann, als nur Frauenherzen zu knicken. Wir werden euch laufend darüber unterrichten, wie es drüben aussieht. Du kannst vorsichtshalber inzwischen ein paar Medoboxen bereitstellen. Nicht für uns, sondern für den Fall, daß die Besatzung der LYNX medizinische Betreuung braucht.« Die beiden Männer streiften die Raumanzüge über, schlossen die diamagnetischen Säume und die Helme, und checkten die internen Systeme durch. Sie hakten die Strahlwaffen in die Ösen der Gürtel, winkten den anderen noch einmal zu und begaben sich dann ins Unterschiff. Mario ließ die Teleskopsäule ausfahren, dann bestiegen beide den Zentrallift. Wenige Sekun-
den später öffnete sich der Ausstieg vor ihnen. Wirbel von rötlichem Sand schlugen ihnen entgegen, und Cliff verzog das Gesicht. »Ohne unsere Raumanzüge wären wir ziemlich arm dran, Freund. Ich verstehe nicht, wie der Navigator es hier ohne solche Hilfe so lange ausgehalten hat. Seinem Zustand nach zu urteilen, muß er sich mehrere Tage auf Dusty befunden haben. Und das ohne Wasser, vermutlich auch ohne Verpflegung ... Komm, wir gehen los, wir haben keine Zeit zu vertrödeln. Helga-Mädchen, könnt ihr gut mithören?« Klar und deutlich kam es aus der winzigen Membrane des Innenlautsprechers. »Mario, sag auch mal etwas, ganz ohne Sprechprobe geht es nicht.« »Der Blaugeier hat bleigraue Beinklauen«, rezitierte de Monti mit theatralisch rollender Stimme. »Der Bleigrauer hat blaugreie Baunkleien, der Blaugrauer ... nee, ich geb' auf! Dabei kann ich das sonst zwanzigmal sagen, ohne mich zu verheddern. Muß wohl an der rotbraunen Umgebung liegen, daß es mit dem Bleigrau nicht klappen will.« Helga Legrelles Kichern kam über den Funk. »Blaugeier gibt es mit Sicherheit hier auch nicht. Alles klar mit deinem Radio. Haltet euch nach Möglichkeit nicht zu lange drüben auf, Cliff. Die nächste Meldung an T.R.A.V. ist in zwanzig Minuten fällig.« »Gib sie am besten jetzt gleich durch«, ordnete McLane an. »Sage Bescheid, daß wir neben der LYNX gelandet sind und zur Erkundung schreiten. Vielleicht können wir dann beim nächsten Mal schon etwas Definitives melden.« »Wird sofort besorgt«, versprach die Funkerin der ORION IX.
Die beiden Männer waren inzwischen schon losmarschiert. Sie stapften durch den staubfeinen Sand, in dem sie bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln einsanken. Um sie herum waren kleine Dünen, die zusehends mit dem starken Wind wanderten. Was er jenseits der niedrigen Kämme ablud, wirbelte er auf der Vorderseite wieder auf. Sand prasselte gegen die Außenhüllen der Raumanzüge, manchmal leise, manchmal in rasendem Stakkato, wenn in unregelmäßiger Folge die Böen kamen. Mit ihnen schwoll auch das Singen in der Luft auf und ab, wie ein Klagelied. Die Sonne stand noch tief im Osten, so daß eine rötliche Dämmerung herrschte. Der große Diskuskörper der LYNX war mehr zu ahnen, als zu sehen. »Hier möchte ich wirklich nicht begraben sein«, murrte der Kybernetiker. »Du solltest es nicht beschreien, Kumpel«, sagte Cliff ernst. »Ich bin zwar mehr ein Mann, der mit Verstand und Logik arbeitet. Hier auf Dusty bleibt mir aber so manches unverständlich, und die Unlogik scheint Triumphe zu feiern. Hoffen wir, daß sich alles nur als halb so schlimm herausstellt, wie es jetzt erscheint.« Sie erreichten den Kreuzer und schritten unter seiner Wölbung bis zur Einstiegluke des Zentrallifts. Der Sturm brach sich an dem Druckkörper und fegte mit mörderischer Wucht unter dem Schiff hindurch. Die Männer hatten Mühe, sich gegen ihn und den Strom der Sandmassen zu behaupten. Die Luke am Ende der Teleskopsäule war geschlossen. »Wenigstens etwas«, kommentierte Cliff. »Wäre sie offen, würde der Lift wahrscheinlich gar nicht mehr funktionieren.« Er drückte auf den Öffnungskontakt, und das Schott schnurrte zur Seite. Die Be-
leuchtung ging automatisch an, und der Commander nickte mit verkniffenem Gesicht. »Die Kabine ist unten! Das bedeutet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß jemand das Schiff verlassen hat. Nur läßt sich leider nicht feststellen, wann, und in welcher Richtung. Hier hält sich keine Spur länger als ein paar Sekunden.« Sie betraten die Kabine, das Schott fuhr hinter ihnen zu. Dann glitt die Kabine mit ihnen nach oben, sie verließen sie und traten auf den Hauptkorridor hinaus. Cliff klappte den Raumhelm auf, und de Monti folgte seinem Beispiel. Ohne sich vorher verständigt zu haben, blieben beide still stehen, um zu lauschen. Sie hörten jedoch nichts, als das leise Summen und Zischen der Klima- und Ventilationsanlagen. Die Beleuchtung war auf den halben Normalwert reduziert. »Nichts«, sagte Cliff mit müder Stimme. »Denkst du auch, was ich jetzt vermute, Freund?« Der Kybernetiker nickte. »Kein doppelter Boden, kein Mensch drin, sagte der Illusionist, als er dem Publikum die leere Kiste präsentierte, aus der die Jungfrau verschwunden war ... Ich fürchte, diese Kiste hier ist genauso leer! Gehen wir gleich in die Zentrale, oder sehen wir erst in den Kabinen nach?« »Zentrale«, gab McLane knapp zurück. Im Steuerraum hielt sich niemand auf. Sämtliche Systeme waren stillgelegt, einschließlich der Bildschirme der Außenbeobachtung. Cliff schaltete die Bordverständigung ein und nahm das Mikrophon zur Hand. Zwanzig Sekunden später wußte er, daß ihre Vermutung richtig war. Niemand meldete sich trotz seines dringenden Aufrufs.
»Dann bleibt uns nur noch das Bordbuch«, sagte er lakonisch. »Vielleicht hatte Tijamar gute Gründe dafür, als er mit der gesamten Besatzung das Schiff verließ. Dann muß er aber auch die Begründung dafür festgehalten haben, um später gedeckt zu sein. Gerade bei den Leuten von den Kolonialwelten herrschte stets strenge Disziplin, während auf der Erde unter dem Einfluß von Fluidum Pax die Dekadenz um sich griff.« Er aktivierte das elektronische Aufzeichnungsgerät und schaltete den Rücklauf ein. Das Abstoppen erfolgte automatisch, als die Zäsur zwischen den beiden letzten Notizen erreicht war. Cliff schaltete um, und dann erklang die Stimme Henran Tijamars aus dem Lautsprecher. »Kommandant an Bordbuch: keine besonderen Vorkommnisse nach dem Eintreffen der LYNX am Zielort. Ortungen und optische Beobachtungen aus einem engen Orbit um den Wüstenplaneten ergaben keinen Anhalt über den Verbleib der Besatzung der TIMUR LENG. Wir entdeckten lediglich ein kleines Kettenfahrzeug an dem Ort, der vermutlich der Landeplatz des Frachters war. Da es nirgends Anzeichen von gegnerischer Aktivität gab, habe ich die Landung in einiger Entfernung davon angeordnet. Ein Kommando von zwei Mann drang zu dem Fahrzeug vor, um es in Augenschein zu nehmen. Es erwies sich als verlassen und nicht mehr funktionsfähig. Von den Männern des Handelsschiffs wurden keine Spuren entdeckt. Bald nach der Rückkehr des Kommandotrupps, genau fünfunddreißig Minuten nach unserer Landung, sprach dann die Energieortung schwach an.
Wir führten sofort eine Peilung durch und ermittelten als Ausgangsort der eingehenden Impulse einen etwa dreißig Kilometer entfernten Punkt in Richtung Nordost. Dort erstreckt sich ein ausgedehntes Gebirgsmassiv mit vielen hohen Gipfeln und tiefen, schluchtenähnlichen Tälern. Die Impulse blieben zwar schwach, dauerten jedoch an. Sie könnten von einem weiteren Fahrzeug der TIMUR LENG stammen, das im Sandsturm den Rückweg zum Schiff nicht mehr gefunden hat. Wir werden deshalb sofort aufbrechen, um dort nachzusehen. Henran Tijamar – Ende der Notiz.« Die Stimme verstummte, aus dem Lautsprecher kam nur noch ein leises Rauschen. McLane schaltete das Gerät aus, und dann sahen sich beide Männer kopfschüttelnd an. »Das verstehe, wer kann«, sagte Mario de Monti schließlich. »Halten wir einmal fest: Man hat die Impulse registriert und daraus gefolgert, daß sich dort beim Gebirge Männer aus dem Frachter aufhalten könnten. Daß Tijamar sich entschloß, ihnen zu Hilfe zu kommen, geht noch in Ordnung. Es war schließlich sein Auftrag, diese Leute zu finden und zu retten, wir hätten auch nichts anderes getan. Daß er sich aber offenbar mit seiner ganzen Besatzung auf den Weg gemacht hat, ist absolut nicht in Ordnung!« Cliff nickte mit zusammengekniffenen Brauen. »Mehr noch: es ist ein schwerer Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der Raumflotte. Sie besagen klar und unmißverständlich, daß stets jemand an Bord zu bleiben hat, der das Schiff notfalls starten und den anderen zu Hilfe kommen kann. Das wußte Oberleutnant Tijamar so gut wie wir alle. Er hat je-
doch diese Vorschrift einfach ignoriert, obwohl er sich auf einer völlig fremden Welt befand, auf der allem Anschein nach einiges nicht ganz stimmt. Warum ...?« Mario hob die Schultern. »Frage mich nicht danach, ich bin kein Hellseher. Soviel ich weiß, gibt es da aber auch eine Ausnahmeregelung. Falls unbedingt nötig, darf die gesamte Besatzung das Schiff verlassen, nachdem sie zuvor bei der Basis mit einer stichhaltigen Begründung darum nachgesucht hat.« »Stimmt«, gab der Commander zu. »Genau das hat Tijamar aber nicht getan! Er hat sich überhaupt nicht mehr gemeldet, obwohl ihm dafür eine feste Frist gesetzt war. Seither sind mehr als zwei Tage verstrichen, und die LYNX steht immer noch leer auf Dusty herum. Wer weiß, was inzwischen alles ...« Er unterbrach sich, denn im Schiff wurde ein Geräusch laut. Es war das Summen des Zentrallifts, der nach unten geholt wurde, dort etwa zehn Sekunden stehen blieb und sich dann wieder nach oben in Bewegung setzte. »Es sieht so aus, als käme die Besatzung der LYNX zurück«, konstatierte Mario erleichtert. »Dann haben wir uns also ganz umsonst Sorgen gemacht. Tijamar wird uns bestimmt darüber aufklären können, weshalb er so eigenmächtig gehandelt hat.« »Dann muß er aber eine besonders stichhaltige Entschuldigung haben«, knurrte McLane. »Wenn nicht, wird er von mir einiges zu hören bekommen, das er sich nur ungern hinter den Spiegel stecken mag.« Der Lift hielt an, auf dem Korridor wurden die Schritte mehrerer Personen laut. Das Schott der Zen-
trale glitt auf, aber es kamen nicht die herein, die Cliff und Mario wie selbstverständlich erwartet hatten. Die gesamte restliche Besatzung der ORION betrat den Steuerraum!
6. »Das darf doch nicht wahr sein!« entfuhr es Cliff, als er diese Tatsache verarbeitet hatte. »Hier stehe ich und diskutiere mit Mario über die Pflichtvergessenheit Tijamars, der mit der ganzen Crew die LYNX verlassen hat. Und ihr habt nichts Eiligeres zu tun, als dem schlechten Beispiel zu folgen. Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?« Er registrierte erstaunt, daß die anderen diesen Vorwurf gar nicht als solchen zur Kenntnis nahmen. Im Gegenteil, Helga Legrelle lachte leise auf. »Unser guter Geist bist bekanntlich du, und zu dir haben wir eben zurückgefunden. Reg dich also wieder ab, wir haben dir etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich habe zuvor versucht, euch über Helmfunk zu erreichen, aber ihr habt euch nicht zu melden geruht.« McLane sah leicht schuldbewußt auf seinen Raumhelm, den er auf einem Kontursitz abgelegt hatte, ebenso wie de Monti. »Na schön, nun seid ihr einmal hier«, sagte er. »Was also habt ihr zu berichten?« Atan Shubashi schob sich nach vorn. »Bald, nachdem ihr die LYNX betreten hattet, fingen meine Geräte etwas auf. Es handelte sich dabei um relativ schwache, nicht genau einzuordnende Energieimpulse, die plötzlich einfielen und dann konstant blieben. Ich habe sofort mit der Einpeilung begonnen und ihren ungefähren Ursprungsort festgestellt. Er liegt rund dreißig Kilometer nordöstlich von hier, wo sich ...« »... das große Gebirgsmassiv befindet, ich weiß«, fiel ihm Cliff ins Wort. »Die gleiche Feststellung hat-
ten auch schon Tijamars Männer gemacht, und sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als Hals über Kopf aufzubrechen. Sagt jetzt nur nicht, daß auch ihr zum Gebirge fahren wollt.« »Aber natürlich«, entgegnete Hasso Sigbjörnson mit Nachdruck. »Wir meinen, daß es ungeheuer wichtig ist, dort nach dem Rechten zu sehen. Vergiß nicht, daß eine ganze Reihe von Menschenleben davon abhängen kann. Wir haben gleich den Kettenpanzer ausgeschleust und sind damit hierher gekommen, um euch aufzunehmen.« Der Commander schüttelte verwundert den Kopf. Sonst war gerade Hasso, d e r Älteste d e r Crew, i mmer das stabilisierende Element an Bord der ORION. Er bremste die übrigen und mahnte zur Vorsicht, sobald die Gefahr unüberlegten und übereilten Handelns bestand. Was war davon zu halten, daß er sich nun plötzlich sogar zum Sprecher der Unbesonnenheit machte? War das nicht mehr als nur merkwürdig? »Das dürfte aber reichlich eng werden, wenn wir alle mitfahren«, bemerkte Mario de Monti. »Nun, vielleicht komme ich auf diese Weise dazu, eine unserer Bordschönheiten auf meinen starken Schoß zu nehmen. Ein derartiges Vergnügen war mir lange nicht vergönnt.« »Auch du, mein Sohn Brutus ...« murmelte McLane, während Helga Legrelle dem Kybernetiker sofort »schamloses Ausnützen der Situation auf Kosten hilfloser Frauen« vorwarf. Zwischen beiden entspann sich ein kurzes Wortgeplänkel, und inzwischen glitten Cliffs Blicke zwischen den anderen hin und her. In ihm war ein bestimmter Verdacht aufgekommen, für den er nach Bestätigung suchte.
Wurden sie mental beeinflußt? Er dachte unwillkürlich an Shardeeba, jenen Planeten, auf dem einst Roger Uurth sein Unwesen getrieben hatte, der Mann vom Ende der Galaxis. Er hatte dort im Auftrag fremder Wesen einen geistigen Zwang auf die Menschen ausgeübt, durch den sie von ihrer Welt vertrieben werden sollten. Ging hier etwa etwas Ähnliches vor sich? Cliff horchte konzentriert tief in sich hinein. Nein, da war nichts, das auch nur entfernt den schlimmen Vorkommnissen jener Tage glich. Es gab keine Zwangsvorstellungen, keine grauenhaften Bilder von Krieg und Schrecken, wie damals. Wenn hier wirklich eine Art von geistiger Beeinflussung stattfand, dann war sie ungleich raffinierter und subtiler. Deswegen aber offenbar nicht weniger wirkungsvoll, und wahrscheinlich im Endeffekt ebenso gefährlich! Das Verschwinden von zwei Schiffsbesatzungen, die ihrem Einfluß erlegen waren, sprach eindeutig dafür. Der Commander sah Arlene an, und sie nickte ihm unmerklich zu. Also schien auch sie schon bemerkt zu haben, daß das unvernünftige Verhalten der Gefährten nicht ihrem eigenen und freien Willen entsprang. Warum aber lehnte sie sich nicht dagegen auf? Warum tat sie nichts, um die anderen auf die möglichen verhängnisvollen Folgen ihres Tuns hinzuweisen? Mußten es wirklich unbedingt schlimme Folgen sein? Cliff ertappte sich plötzlich dabei, daß auch er in gänzlich anderen Bahnen dachte. Hatte er nicht von Leandra de Ruyter den Auftrag erhalten, die rätselhaften Vorkommnisse auf Dusty zu klären? Das war
jedoch nicht möglich, solange die ORION IX nur einfach auf dem Planeten herumstand, ohne daß etwas Wirksames getan wurde. Von selbst konnte sich das Problem der verschwundenen Raumfahrer keinesfalls lösen. Man mußte sie suchen und versuchen, ihnen zu helfen. Es war also die natürlichste Sache von der Welt, zum Gebirgsmassiv zu fahren – nicht irgendwann, sondern sofort! Cliff verspürte keinerlei Zwang, auch nicht das leiseste Anzeichen einer mentalen Beeinflussung. Trotzdem hielt er es jetzt für ungeheuer wichtig, keine Zeit mehr zu verschwenden, sondern unverzüglich aufzubrechen. Die energetischen Impulse würden der Crew den Weg weisen. Wenn man ihnen näher kam, mußten sie auch mit den Instrumenten des Fahrzeugs anzumessen sein. Für ihn gab es ebenfalls keine Bedenken mehr, nicht einen Gedanken an spätere Folgen. Er hob mit einer entschiedenen Bewegung die Hand und stoppte Helga Legrelle mitten in ihrem schönsten Redefluß. »Schluß jetzt mit den Kindereien«, sagte er lakonisch. »Wir verlassen die LYNX, besteigen den Kettenpanzer, und machen uns schnell und unverzüglich auf den Weg.« »Endlich wird auch er vernünftig, unser hoher Commander«, stellte Atan Shubashi befriedigt fest. Die sechs Personen setzten ihre Raumhelme auf und verließen den Kreuzer. Nach Verlassen der Schleuse überfiel sie wieder der Sandsturm mit voller Wucht, aber sie achteten nicht darauf. Sie begaben sich eilig in ihr Gefährt, zwängten sich darin zusammen, und Cliff setzte sich selbst ans Steuer. Einige
Schaltungen, die starken Elektromotoren liefen an, und die Fahrt in ein unabwendbares Schicksal begann. * Sie kamen nur relativ langsam vorwärts. Selbst die breiten, aus unzerstörbarem Metallplastik bestehenden Raupenketten griffen nur schlecht. Der Sand auf Dusty war staubfein und schien grundlos zu sein. Zum Glück war das Fahrzeug nicht so schwer, wie es die Bezeichnung »Panzer« vermuten ließ. Sie bezog sich mehr auf seine Druckfestigkeit. Hinter ihm stob, zusätzlich zum Sandsturm, eine breite Staubfahne auf. Sie wurde jedoch augenblicklich wieder fortgeweht, und auch die Spuren der Raupenketten waren schon nach wenigen Sekunden nicht mehr sichtbar. Cliff saß regungslos wie eine Statue hinter dem Steuer. Seine Augen waren zusammengekniffen und starrten durch das Panzerglas der Kabine nach draußen. Ein vergebliches Unterfangen, denn er konnte nichts weiter sehen als den allgegenwärtigen rötlichen Sand. Nur der Kompaß wies ihm den Weg, aber auch auf ihn schien nicht restlos Verlaß zu sein. Zuweilen schlug seine Anzeige bedenklich nach den Seiten hin aus. »Das muß an den Eisenoxyden liegen, die in Massen an den verdammten Sand gebunden sind«, knurrte McLane und wandte sich an den neben ihm sitzenden Astrogator. »Nimm die Meßgeräte in Betrieb, Atan. Wir fahren zwar kaum schneller, als fünfzehn Kilometer pro Stunde. Aber die Energiequelle
müßte trotzdem bald in den Erfassungsbereich geraten. Sie wird uns weit sicherer den Weg weisen, als dieser vertrackte, unzuverlässige Kompaß.« Shubashi nickte kurz und schaltete behende. Vor ihm glommen die kaum spielkartengroßen Monitoren auf, von denen ein bläuliches Leuchten ausging. Es vermischte sich mit dem trübroten, von außen einfallenden Licht, so daß die Steuerkabine nun mit einem violetten Schimmer erfüllt war. In ihm schienen die Gesichter unter den Raumhelmen die von Gespenstern zu sein. »Bisher fange ich nichts auf«, meldete Atan nach einer Weile. »Es gibt nur Störungen verschiedener Art, aber kein Energieecho. Angesichts der hiesigen Verhältnisse kann es noch eine ganze Weile dauern, bis der Erfassungsbereich erreicht ist.« »Nehmt die Helme ab«, ordnete Cliff gleich darauf an. »Es ist anzunehmen, daß wir an unserem Ziel aussteigen müssen. Folglich ist es besser, wenn wir jetzt sparsam mit den Sauerstoffgeräten der Anzüge umgehen. Die Luft hier auf Dusty ist mehr als dick, wir sollten sie nur im Notfall atmen.« Mario de Monti feixte breit. »Das ist sie doch eigentlich überall, wo unsere vortreffliche Crew eingesetzt wird. Wir sind sozusagen Spezialisten für dicke Luft, daran hat sich auch unter Han Tsu-Gol nichts geändert. Läuft nun eigentlich das Abenteuer uns nach oder wir ihm? Was meinst du dazu, Hasso, Ältester vom ORION-Stamm?« »Ich meine, daß wir im höchsten Grade leichtsinnig und unverantwortlich handeln!« sagte der Bordingenieur ganz unvermutet. Panik schwang in seiner Stimme mit, seine Augen wanderten zwischen den
anderen hin und her, als wäre er plötzlich aus einem tiefen Schlaf erwacht und müßte sich erst wieder zurechtfinden. »Mehr noch, es ist doch einfach Wahnsinn, was wir jetzt tun. Cliff, du hast doch schon auf der Erde gesagt, die Vorgänge hier müßten irgendwie auf das Rudraja oder das Varunja zurückzuführen sein. Kehr schnell um, ehe es vielleicht zu spät ist und wir mit offenen Augen in eine Falle gehen.« »Wir gehen nicht, wir fahren«, belehrte ihn Helga fröhlich. »Sag mal, was redest du da denn plötzlich für einen Unsinn? Wir müssen hin zur Energiequelle, um dort nachzusehen, das weißt du doch genau. Kneifen kommt überhaupt nicht in Frage. Das wäre das erste Mal, daß wir einem Abenteuer aus dem Weg gehen.« Sigbjörnson zog ein gequältes Gesicht. »Sicher, du hast recht«, gab er zögernd zu. »Ich weiß, daß wir zum Gebirge müssen, um die Verschollenen zu suchen und um ihnen zu helfen. Dagegen habe ich im Grunde ja auch gar nichts. Ein Einsatz mit der ORION wäre doch aber bestimmt viel erfolgversprechender gewesen. Zumindest hätte einer von uns an Bord bleiben müssen, um notfalls intervenieren zu können. Und dann war doch auch noch etwas ...« Seine Stimme erstarb in leisem Gemurmel, seine Züge glätteten sich wieder. Die Bedenken, die ihn gerade wie aus heiterem Himmel überkommen hatten, schienen mit einem Schlag wieder im Nichts verweht zu sein. Auch die anderen gingen nicht mehr weiter auf seine Worte ein, sondern lauschten einem gewagten Witz, den Mario nun zum besten gab. Die übliche, schon fast sprichwörtliche Wurstigkeit der Crew war wieder da.
Nur Cliff McLane stimmte nicht in das Gelächter über die Pointe des Witzes ein. Er steuerte das Fahrzeug rein automatisch und zwang sich zu intensivem Nachdenken. Er dachte sozusagen zweigleisig, wie schon öfters bei ähnlichen Anlässen. Ein Teil seines Geistes versuchte, von Hassos Worten ausgehend, die Lage nüchtern zu analysieren. Er kam dabei ohne große Schwierigkeiten zu dem Schluß, daß der Bordingenieur die volle Wahrheit gesprochen hatte. Was sie gerade taten, sprach jeder Vernunft Hohn. Nie hätten sie alle zugleich das Schiff verlassen dürfen! Das warnende Beispiel der verschollenen Raumfahrer aus der LYNX, die ebenso gehandelt hatten, war ein mehr als deutliches Gefahrenzeichen. Warum also haben wir es trotzdem getan? fragte sich Cliff. Weil es so wichtig ist, daß gegenüber dieser Fahrt alles andere zurückstehen muß! antwortete der andere Teil seines Geistes, ohne zu zögern. Das war kein Argument, sondern eine bloße, durch nichts bewiesene Lehrformel. Der erste Teil von McLanes Geist erkannte das vollkommen klar, kam aber trotzdem nicht dagegen an. Die Vernunft beugte sich einer bloßen Emotion, von der sicher war, daß sie irgendwie künstlich erregt und erhalten wurde. Sie stellte nicht eigentlich einen Zwang dar, wirkte sich jedoch im Endeffekt trotzdem als solcher aus. Cliff befand sich in einer verzwickten psychologischen Situation. Sie war in ihrer besonderen Art ausweglos. Einesteils wußte er genau, daß er vollkommen
falsch handelte. Er als der Verantwortliche der Crew hätte nun schleunigst die Konsequenzen daraus ziehen müssen, ehe es zu spät war. Statt dessen fuhr er immer weiter durch die Wüste und die wehenden Staubwolken, weil es eine fremde Macht so wollte. Welche Macht? Ein Dröhnen ging durch das Fahrzeug und ließ alle zusammenfahren. Im matten Zwielicht erkannte Cliff, daß hier der Boden fast frei von Sand war. Die Ketten rumpelten über felsigen, vom Sturm freigewehten, unebenen Untergrund. Der Fels wirkte dunkel, fast schwarz, wie Basalt oder Schiefergestein. Der Kettenpanzer wurde hin und her geworfen, und seine Insassen unsanft durchgeschüttelt. Einige hundert Meter weit kam er nun erheblich schneller vorwärts. Dann mahlten die Raupen erneut durch den Sand, und alles war wie zuvor. Die weitgehende Isolation von der Umwelt infolge der mangelnden Sichtmöglichkeiten machte diese Fahrt für die Besatzung der ORION IX zu einem irgendwie unwirklichen Erlebnis. Allerdings interessierte sich außer Cliff und Atan niemand dafür, wie die äußeren Umstände waren. Sie kamen vorwärts und näherten sich ihrem Ziel, das allein zählte für sie. Alles andere war ihnen weitgehend gleichgültig. »Jetzt haben wir es, Cliff«, sagte Atan Shubashi plötzlich. »Soeben spricht die Energieortung an, die Amplituden sind zwar schwach, aber unverkennbar. Einen Augenblick noch, ich nehme den Rechner zu Hilfe, um den Einfallwinkel zu bestimmen.« Es erwies sich, daß eine Kurskorrektur um drei Grad nach Osten erforderlich war. McLane nahm sie vor und arretierte dann die Steuerung. Anschließend
öffnete er eine Klappe unter der Steuerkonsole und holte daraus die Päckchen mit konzentrierten Lebensmitteln und Nährflüssigkeit hervor. »Wir essen und trinken jetzt«, bestimmte er. »Rund zwei Drittel unseres Weges sind bereits zurückgelegt, in wenig mehr als einer halben Stunde werden wir am Ziel sein.« »An welchem Ziel?« fragte Arlene N'Mayogaa unsicher. »Cliff, ich habe plötzlich solche Angst!« Ähnliches hatte sich inzwischen mehrfach wiederholt. Immer wieder, in vollkommen unregelmäßigen Abständen, geschah es, daß einer aus der Crew unvermittelt Bedenken zu äußern begann. Diese »lichten Momente« gingen jedoch stets sehr rasch wieder vorbei. Die anderen, auf die die mentale Beeinflussung weiter einwirkte, sorgten mit ihren Reden dafür, daß es beim bloßen Versuch, auszubrechen, blieb. Die Fahrt ging weiter, und nach kurzer Zeit stieg das Gelände merklich an. Immer öfter lagen nun Felspartien frei, und die Dichte der Sandwolken nahm merklich ab. Weiter östlich schien es Ausläufer des Bergmassivs zu geben, an denen sich die Wucht des Sturmwinds brach. Die Sonne schwamm wie ein matter Ball halbhoch am Himmel und warf ihren roten Schein über das trostlos fremde Land. Sie strahlte auch die Felsmassen an, die wenig später in Sicht kamen. Rasch schaltete Cliff wieder um und ging zur manuellen Steuerung über. Zuweilen war der Commander gezwungen, weite Umwege zu fahren, aber die Energieortung wies ihm immer wieder den Weg. Die Impulse fielen nun schon so stark ein, daß er einfach nicht mehr zu verfehlen war. Dann stiegen die steilen Wände des Gebirgsmas-
sivs majestätisch vor dem Fahrzeug auf. Sie schienen bis in den Himmel zu reichen, und auch sie waren düster, fast schwarz. Doch auch dieser wenig erfreuliche Anblick vermochte nicht, die Stimmung der ORION-Besatzung zu dämpfen. Sie war immer besser geworden, je näher man dem Ziel kam, und nun schon fast euphorisch zu nennen. Auch Cliffs »besseres Ich« schwieg bereits seit langem ganz. Konzentriert und entschlossen lenkte er den Kettenpanzer in einen tief eingeschnittenen Cañon.
7. »Wie lange noch?« fragte Atan Shubashi ungeduldig. Cliff Allistair McLane zuckte nur schweigend mit den Schultern. Er war voll damit beschäftigt, die Herrschaft über das stoßende und schwankende Fahrzeug zu behalten. Eine Schlucht folgte der anderen, alle gleich tief und unwegsam. Da jedoch alle immer wieder in nordöstliche Richtung führten, gab es trotz vieler Umwege keine gravierenden Abweichungen vom vorgesehenen Kurs. Obwohl hier die Luft praktisch frei von Staubmassen war, war die Sicht alles andere als gut. Die massigen Berggipfel ragten so hoch auf, daß das Licht der roten Sonne keinen Eingang mehr fand. Nur mit Hilfe der Radaranlage war noch eine halbwegs einwandfreie Orientierung möglich. Die Felswände waren so steil und schroff, daß auch der erfahrenste Bergsteiger vor ihnen hätte kapitulieren müssen. Nirgends gab es auch nur das schwächste Anzeichen einer Vegetation. »Gleich sind wir am Ziel!« verkündete Cliff plötzlich. Er steuerte den Kettenpanzer durch eine Schlucht, die alles bisher Dagewesene noch überbot. Rechts und links davon stiegen die dunklen Felsmassen fast senkrecht in den Himmel. Am Ende dieses Cañons, das wußte der Commander mit traumwandlerischer Sicherheit, lag der ihnen vorbestimmte Ort. Minuten später war es soweit. Vor dem Fahrzeug tat sich ein weites, fast kreisrundes Tal auf. Es sah aus, als wäre es von einer
überdimensionalen Fräse aus den Bergwänden eingeschnitten worden, die es bis zu etwa fünftausend Meter Höhe umgaben. Der Himmel darüber wirkte wie ein runder, trübroter Fleck, von dem nur wenig Helligkeit bis auf den Grund gelangte. Cliff umfuhr ein Kettenfahrzeug des gleichen Typs, das verlassen am Rand der Talsohle stand. Er ignorierte zwei weitere, andersartige, etwas weiter rechts, fuhr an ihnen vorbei und schaltete dann die Motoren ab. »Alles aussteigen, Endstation!« verkündete er laut. »Es ist nicht nötig, die Raumhelme zu schließen, hier ist die Luft gut und sauber.« Die Schleuse des Fahrzeugs öffnete sich. Mit steifen Gliedern verließ die ORION-Crew den Panzer und machte einige Lockerungsübungen. Doch ein drängender Lockruf mentaler Art trieb sie gleich darauf wieder weiter. Marionettenhaft, wie Schlafwandler, bewegten sich die sechs Raumfahrer vorwärts, ungeachtet der schlechten Sicht. Mit einer ihnen selbst unfaßbaren Sicherheit fanden sie den richtigen Weg. Cliff an der Spitze, gingen sie auf einen etwa hundert Meter entfernten Felsspalt an der rechten Seite des Tales zu. Er war hoch und breit genug, zwei Menschen gleichzeitig den Durchgang zu erlauben. Aus ihm wurde schon nach wenigen Metern ein richtiger Gang – und in diesem Gang war es hell. In unregelmäßigen Abständen waren in die rohen Felswände kopfgroße Kristallgebilde eingelassen, die einen zartblauen Schimmer verbreiteten. Er reichte aus, sie die Unebenheiten des Bodens erkennen zu lassen, ohne daß sie ihre Lampen zu Hilfe nehmen mußten.
Das aber registrierten sie mehr im Unterbewußtsein. Wie in Trance, von einem Gefühl tiefer Befriedigung erfüllt, bewegten sie sich so rasch wie möglich vorwärts. Keiner sprach, Worte waren in dieser Situation überflüssig. Sie wußten, daß sie auf dem richtigen Weg waren, und das genügte ihnen. Nach etwa hundert Metern hatten sie das Ende des gewundenen Ganges erreicht. Nun tat sich vor ihnen ein Felsendom auf, der ohne Zweifel künstlich geschaffen war. Er durchmaß schätzungsweise achtzig Meter, der höchste Punkt der Decke lag ungefähr fünfzig Meter über ihnen. Wände und Decke waren sorgfältig geglättet, das Gestein war hellgrau, mit verästelten dunklen Adern durchzogen. Es war von einem hellen, silbrigen Schein übergossen, der von einem riesigen Kristall ausging, der in der Mitte des Domes in die Decke eingelassen war. Das Auffallendste waren jedoch neun große, spiegelähnliche Gebilde, die in gleichmäßigen Abständen an den Wänden angebracht waren. Jeder dieser »Spiegel« war exakt drei Meter hoch und zwei Meter breit. Ihre unteren Ränder befanden sich etwa zehn Zentimeter über dem glatten, silberfarbenen Bodenbelag, der die Schritte der Menschen fast unhörbar machte. Oben waren diese seltsam irisierenden Flächen abgerundet, so daß ein halbkreisförmiger Bogen entstand. Die sechs Raumfahrer betraten die Felshalle und gingen einige Meter weit. Dann stockten plötzlich ihre Schritte, schließlich blieben sie ganz stehen, und sahen sich wie erwachend um. Der tranceartige Zustand wich von ihnen. Es gab keine fremde Beeinflussung mehr, sie konnten sich nach ihrem eigenen Wil-
len bewegen. Geistige Ausfallerscheinungen traten nicht auf; jeder wußte alles, was bis dahin geschehen war, und reagierte wieder normal. »Das also ist unser Ziel«, sagte Arlene nach einigen Sekunden Orientierung. »Gewiß, dieser Ort ist einigermaßen beeindruckend, und doch bin ich enttäuscht. Nach dem, was uns das Fremde oktroyiert hat, hatte ich mehr erwartet.« »Oktroyiert ist genau der richtige Ausdruck«, bestätigte der Commander. »Ich wußte die ganze Zeit über, daß mein Handeln falsch war, und doch konnte ich nicht anders. Große Galaxis, da hat uns jemand sauber hereingelegt! Die ORION steht genauso verlassen da wie die LYNX, und wir haben deren Besatzung ebenso wenig ausfindig gemacht wie die verschollenen Handelsfahrer. Zudem ist die Frist für unsere nächste Meldung bei T.R.A.V. längst weit überschritten. Im HQ wird sich die Admiralin bereits größte Sorgen um uns machen.« Helga Legrelle schüttelte den Kopf. »Wird sie nicht, Cliff! Ehe wir die ORION verließen, habe ich den Hypersender noch auf Automatik geschaltet. Er sendet jetzt alle zwei Stunden die Morsegruppe QRL-OK aus. Das bedeutet: Wir sind wohlauf, aber zu beschäftigt, um uns zu melden; und das stimmt ja auch.« »Das hast du wirklich wunderbar gemacht!« sagte Cliff mit beißendem Sarkasmus. »Leandra de Ruyter hatte versprochen, uns sofort zu Hilfe zu kommen, sobald unsere Lebenszeichen mehr als einmal ausbleiben. Jetzt empfängt man aber auf Terra diese Morsezeichen und wird logischerweise annehmen, daß wir vollauf mit der Rettung der Verschollenen zu
tun haben. Bis jemand auf den Gedanken kommt, daß mit uns etwas nicht stimmt, können Tage vergehen. Solange sitzen wir hier drin fest, ohne Verpflegung und Wasser, und der Teufel mag wissen, was in dieser Halle noch auf uns warten mag. Oder glaubt einer von euch im Ernst, daß wir hier so einfach wieder hinausspazieren können?« Hasso legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Helga hat es doch nur gut gemeint«, verteidigte er die Funkerin. »Im übrigen ist durchaus nicht sicher, daß wir wirklich hier gefangen sind. Die anderen Raumfahrer müssen ebenfalls in diesem Felsdom gewesen sein, haben ihn aber offensichtlich wieder verlassen können. Oleg Demant ist sogar zu seinem Schiff zurückgelangt.« »Aber wie!« gab Cliff erregt zurück. »Völlig am Ende seiner Kräfte, und obendrein noch geistesgestört. Doch die anderen – wo sind sie geblieben? Ihre Fahrzeuge stehen draußen herum, und das sagt alles.« »Ein Versuch kann nie schaden«, sagte Mario de Monti und setzte sich in Richtung auf den einzigen Ausgang in Bewegung. Die anderen verfolgten ihn mit ihren Blicken und sahen, wie er mit festen Schritten in den mattblau erleuchteten Gang vordrang. Alles schien gut zu gehen, Hoffnung flackerte in ihnen auf – und erlosch gleich darauf wieder. Mario blieb plötzlich stehen, zögerte eine Weile, und kehrte dann langsam, wie ein geschlagener Mann, wieder um. »Es geht wirklich nicht!« stellte er tonlos fest. »Nur ein paar Schritte, dann ist alles wieder, wie zuvor. Ich mußte zurückkommen, ob ich wollte oder nicht.«
McLane nickte resigniert. »Damit wären die Fronten also geklärt, Freunde. Das Erbe einer der beiden kosmischen Supermächte hat wieder einmal zugeschlagen und hält uns fest in seinen Krallen. Entgegen seinem Willen kommen wir niemals hier wieder heraus.« Atan Shubashi krauste überlegend die Stirn. »Vielleicht seht ihr alle zu schwarz, Cliff. Die fremde Macht muß ja nicht unbedingt feindlich gegen alle Wesen eingestellt sein, die sie hier hereinlockt. Es könnte sich auch um eine Prüfung handeln, um eine Art von Intelligenzprobe. Es gibt keinen offen sichtbaren Ausweg – vielleicht aber einen versteckten! Diejenigen, die ihn finden, kommen wieder frei. Warum sollte es nicht so sein können?« Cliff dachte nach, dann grinste er plötzlich. »Falls das stimmt, kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen, Leute. Wenn jemand dazu prädestiniert ist, dieser Falle zu entkommen, dann sind es mit Sicherheit wir: die beste Crew von Raumfahrern, die Terra je besessen hat.« * Viel Auswahl hatten sie nicht. Boden, Wandung und Decke waren stabil, das hatten sie bald herausgefunden. Nirgends gab es einen Spalt oder eine Fuge, Fels und Kunststoffbelag erwiesen sich als vollkommen glatt. Es blieben also nur noch die seltsamen Spiegel, aber es gab keine Möglichkeit, sie von ihren Plätzen zu entfernen. Sie waren nahtlos in die Wandung eingelassen und besaßen keine Rahmen im üblichen Sinn.
»Merkwürdige Dinger sind das«, äußerte Hasso Sigbjörnson, der zusammen mit McLane vor einem dieser Gebilde stand. »Sie reflektieren kein Licht, im Gegenteil, sie scheinen es förmlich aufzusaugen. Außerdem ist unser Bild da drin so seltsam unscharf – ich glaube nicht, daß es wirklich Spiegel sind.« Mario klopfte auf seine HM 4. »Soll ich mal kurz einen Energiestrahl hineinjagen?« erkundigte er sich. »Denk an den alten Alexander und seinen Gordischen Knoten, Cliff. Vielleicht genügt ein Schuß, und der Weg ist offen.« »Das sieht dir ähnlich«, sagte Arlene, die zusammen mit dem Astrogator herangekommen war. »Falls das hier wirklich eine Prüfung sein soll, dürftest du mit Glanz und Gloria durchrasseln. Daß in diesem Fall Brachialgewalt angebracht ist, bezweifle ich stark.« Atan wies auf die silbrige Fläche. »Achtet auf das merkwürdige Flimmern, das unser Bild so verschwimmen läßt. Hasso hat recht, das sind keine Spiegel – ich bin der Meinung, daß es sich um eine besondere Form von energetischen Feldern handelt. Da – eben hat sich dahinter so etwas wie ein dunkler Schemen bewegt!« Helga Legrelle zog rasch die Hand zurück, mit der sie gerade die Spiegelfläche berühren wollte. Alle sahen Cliff an, und dieser nickte bedächtig. Dann aktivierte er das kleine Vielzweck-Meßgerät an seinem linken Handgelenk und sah auf die winzigen Anzeigen. Sie schlugen aus und bewiesen ihm, daß der Astrogator richtig vermutet hatte. Die anderen starrten auf die flimmernde Fläche, hinter der sich erneut etwas zu bewegen schien. Befanden sich dort vielleicht
fremde Wesen und belauerten die ORION-Crew? Planten sie bereits ihre Vernichtung ...? Plötzlich lachte McLane kurz auf. »Freuet euch!« sagte er gutgelaunt. »Euer vorzüglicher Commander wurde soeben von einem Blitz seines Genius getroffen, wie schon so oft. Vernehmet die frohe Kunde, die ich euch zu eröffnen geruhe: Diese angeblichen Spiegel sind nichts anderes als MaterieTransmitter!« Der Bordingenieur schlug sich vor die Stirn. »Jetzt, da du es sagst, ist es mir ebenfalls klar. Wir haben solche Anlagen ja schon einige Male kennengelernt, wenn auch in anderer Form. Es gibt also tatsächlich die Möglichkeit, diesen Felsdom auf eine andere Weise zu verlassen. Die große Frage ist nur: Wohin gelangt man, wenn man hindurchgeht?« Cliff hob die Schultern. »Es wird uns wohl nichts weiter übrigbleiben, als die Probe aufs Exempel zu machen. Tun wir es nicht, kommen wir nie mehr hier heraus, das steht fest.« Er griff in eine Tasche und holte ein Reinigungstuch daraus hervor. Während die anderen unwillkürlich zurücktraten, schleuderte er es mit einer raschen Handbewegung in das Energiefeld. Im Moment der Berührung mit der schimmernden Fläche verschwand es spurlos. Damit war der letzte Beweis erbracht. Einige weitere kleine Gegenstände folgten, und wurden ebenso von dem Transmitterfeld verschluckt. Dasselbe geschah auch bei den anderen »Spiegeln«, die ebenfalls getestet wurden. Es gab also Wege, die aus dieser Halle führten, und zweifellos waren sie auch von den anderen Raumfahrern gegangen worden.
»Das Risiko ist groß, aber wir haben keine andere Wahl«, erklärte der Oberst schließlich. »Es ist anzunehmen, daß dort, wo sich die Gegenstationen befinden, Gefahren auf uns warten, aber sie können nicht unüberwindlich sein. Schließlich hat ein Mann von der TIMUR LENG zu seinem Schiff zurückgefunden, folglich gibt es auch eine Möglichkeit zur Rückkehr. Zudem sind wir erheblich besser gerüstet, als es Oleg Demant war, der nur eine Bordkombination trug. Wir haben die Raumanzüge und unsere Waffen, außerdem sind wir geistig bereits auf alles Mögliche vorbereitet.« Er sah die anderen an, fand in ihren Gesichtern jedoch keine ausgesprochene Begeisterung. Die ORION-Crew liebte das Risiko, aber der Weg durch einen der Transmitter schien vollkommen unkalkulierbar. Rudraja und Varunja waren im Aufstellen von Fallen aller Art sehr erfindungsreich gewesen. »Gut, stimmen wir ab«, sagte Cliff. »Wer ist dafür?« »Ich!« erklärte Hasso sofort. Während auch die anderen, mehr oder weniger zögernd, ihre Zustimmung gaben, handelte er bereits. Er trat unauffällig einige Schritte zur Seite, schloß seinen Helm und zog die Waffe. Dann schritt er entschlossen durch das nächste Transmitterfeld. Übergangslos war er spurlos verschwunden. * »Warum hat er das nur getan?« fragte Helga Legrelle verstört. Cliff McLane umfaßte beruhigend ihre Schultern.
»Er fühlte sich moralisch verpflichtet, uns ein Beispiel zu geben, Helga-Mädchen. Seit er durch unseren Zeitsprung über 67 Jahre hinweg seine Familie verloren hat, ist er einsam, und das macht seine Spontanreaktion verständlich. Jetzt dürfen wir aber auch nicht mehr zögern – schnell hinterher!« Mit schnellen Griffen schloß er den Raumhelm, zog die HM 4 und entsicherte sie. Dann sprang er vorwärts, in das Transmitterfeld hinein. Er rematerialisierte auf einer weiten Ebene, die mit künstlich ausgelegten, jedoch verwitterten Steinplatten bedeckt war. Zu seiner Erleichterung sah er den Ingenieur vor sich stehen, der sich aufmerksam nach allen Seiten hin umsah. Rasch trat er zur Seite, um Platz für die anderen zu machen, die nun innerhalb weniger Sekunden nachfolgten. »Alles in Ordnung, Hasso?« fragte er. Sigbjörnson nickte. »Weit und breit sind keine anderen Lebewesen zu sehen«, kam seine Stimme über den Helmfunk. »Eines steht jedoch fest: Wir können nicht mehr auf Dusty sein!« Das stimmte zweifellos. Statt der roten Sonne des Wüstenplaneten stand ein weißer Zwergstern am klaren, fast dunklen Himmel, und verbreitete nur ein schwaches Licht. Die Luft war, wie eine kurze Kontrolle der Anzuggeräte zeigte, für Menschen atembar, aber ausgesprochen kalt. Von einem schwachen Wind getrieben, zogen dünne Nebelschwaden über die Ebene. Zuweilen rissen sie auf und gaben den Blick in die Ferne frei. Dort lag eine Stadt – oder vielmehr das, was von ihr noch übriggeblieben war.
Bauwerke aller Art reckten sich in die Höhe: Mehrstöckige massive Kastengebäude standen neben runden Kuppelbauten, die von Kolonnaden steinerner Säulen umgeben waren. Dazwischen stachen schlanke Türme hoch in die Luft, im Wechsel mit Bauelementen aller nur möglichen Art. Allen war jedoch eines gemeinsam: Der Verfall, der bereits seit langem an ihnen nagen mußte. Sie waren nur noch bessere Ruinen, mehr nicht. »Nicht eben sonderlich einladend«, murmelte Arlene bedrückt. »Ich sehe keinen Sinn darin, daß wir uns hier aufhalten. Vielleicht haben wir einen falschen Transmitter erwischt.« Cliff nickte und sah sich suchend um. »Weit und breit gibt es auch nichts, das wie eine Gegenstation aussieht. Das Transportfeld hat uns einfach hier ausgespuckt und ist hinterher wieder erloschen. Der Himmel allein mag wissen, wo wir jetzt sind. Allem Anschein nach müssen wir viele Lichtjahre von Dusty entfernt sein. Kannst du die Sonne identifizieren, Atan?« »Nicht ohne jeden Anhaltspunkt«, sagte der Astrogator. »Ein paar markante Sterne müßten wenigstens zu erkennen sein, aber dazu ist der Himmel nicht dunkel genug. Die halbwegs genaue Entfernung zu Sol täte es auch; es gibt nicht allzuviele weiße Zwerge, und die sind mir geläufig. So aber leider: Fehlanzeige.« Sie hatten sich inzwischen in Bewegung gesetzt und gingen in einer Kette auf die Ruinenstadt zu. Eiskristalle knirschten unter ihren Sohlen, der Nebel umwallte sie, von Lebewesen war nirgends eine Spur zu sehen. Schweigend schritten sie auf die etwa einen
Kilometer entfernte Stadt zu. McLane öffnete seinen Helm und sog prüfend die Luft ein. Sie war atembar, das zeigte der kleine Analysator des Armbandgeräts an. »Zwar kalt, aber erträglich«, stellte er fest. »Öffnet eure Helme, damit unsere Sauerstoffvorräte geschont werden. Später könnten wir noch einmal darauf angewiesen sein.« Sie hatten etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Nebel plötzlich immer dichter wurde. Er schien sich förmlich um sie herum zusammenzuziehen und bildete eine kompakte Wand, so daß die Sicht praktisch gleich Null war. Auch von der Sonne war nichts mehr zu sehen, sie bewegten sich wie in einem Meer von Watte dahin. »Äußerst merkwürdig«, sagte Cliff gedehnt. »Eben waren die Schwaden noch dünn wie die Schleier einer Schönheitstänzerin, jetzt ist die reinste Suppe daraus geworden. Arlene, Helga – seid ihr noch da?« Durch den Nebel gedämpft, kamen die Antworten der beiden Mädchen, die rechts und links von ihm gingen. »Armbandfunkgeräte einschalten, damit wir den Kontakt nicht verlieren«, ordnete der Commander an. »Sagt es zu den anderen weiter, in zwanzig Sekunden Sprechprobe.« Die Antworten der Gefährten kamen in schneller Folge, von unmutigen Ausdrücken über die mangelnde Sicht begleitet. Aus dem zügigen Vorgehen war ein tastendes Dahinstolpern geworden, selbst die Steinplatten unter ihren Füßen waren nur noch undeutlich zu erkennen. »Wir gehen weiter«, sagte Cliff. »Unser Ziel bleibt diese Ruinenstadt. Versucht, den großen Kuppelbau
zu erreichen, der uns am nächsten ist. Mit Hilfe der Kompasse sollte uns das gelingen; dann sehen wir weiter.« »Mein Kompaß funktioniert nicht«, kam Shubashis Stimme aus der kleinen Membrane. Cliff sah auf die glimmende Skala und stellte fest, daß auch sein Gerät nicht ansprach. Dieselbe Feststellung machten auch alle anderen, es schien also, als besäße diese sterbende Welt kein Magnetfeld mehr. Plötzlich zuckte der Commander zusammen. Irgendwo in der Umgebung klangen gellende Schreie auf, die nicht von den Mitgliedern der Crew stammten. Sie schienen aus menschlichen Kehlen zu kommen, und von allen Seiten zugleich. Die Nebelbank verzerrte die Laute so, daß eine Richtungsbestimmung einfach nicht möglich war. »Laßt euch nicht dadurch beirren«, rief Cliff in das Armbandmikrophon. »Ich vermute, daß es sich um eine Art von Nervenkrieg handelt, den jene führen, die für unsere Lage verantwortlich sind. Haltet aber vorsorglich die Waffen bereit, um für jeden Fall gerüstet zu sein.« An den leiser werdenden Antworten der übrigen Crew erkannte er, daß die anderen bereits von der Richtung abgekommen waren. Oder war er es, der in die Irre lief? In diesem Nebelmeer war alles möglich. Er bewegte sich vorsichtig weiter, und stieß dann mit einem Körper zusammen, den er selbst in unmittelbarer Nähe nicht identifizieren konnte. Nur der erschreckte Aufschrei verriet ihm, daß es sich um Helga Legrelle handelte. »Ich bin's nur, Helga-Mädchen«, sagte er beruhigend. »Komm, gib mir die Hand, dann sind wenig-
stens zwei von uns noch zusammen. Bis zur Stadt kann es nicht mehr weit sein, und dort werden wir die anderen schon finden.« Hand in Hand bewegten sie sich weiter, bis die nächste Überraschung kam. Was sich nun ereignete, geschah ebenso plötzlich wie zuvor die Kontraktion des Nebels, nur war die Wirkung diametral entgegengesetzt. Urplötzlich rissen die weißen Wolken um sie herum auf. Ein grelles Licht fiel über sie her und blendete sie so, daß sie rasch die Lider schließen mußten. Erst nach Sekunden konnten sie sie vorsichtig wieder öffnen. Cliff blinzelte, die HM 4 schußbereit, aber es gab keinen greifbaren Gegner. Dafür sah er etwas anderes, das um so alarmierender war. »Die Sonne!« stieß er erregt hervor. »Was ist denn plötzlich mit der Sonne los ...?«
8. Die gesamte Szene hatte sich drastisch verändert. Die Ruinenstadt lag kaum hundert Meter vor McLane und der Funkerin, aber das registrierten sie nur ganz nebenbei. Ihr Augenmerk galt der Lichtfülle, die nun von der Sonne dieses unwirtlichen Planeten ausging. Zuvor war sie ein Zwerg gewesen, kleiner und nicht viel heller als der irdische Mond. Jetzt war sie auf mindestens das Sechsfache ihres vormaligen Durchmessers angeschwollen und so hell, daß man sie auch aus fast ganz geschlossenen Augen nicht mehr anblicken konnte. Und sie wuchs immer noch weiter an! Sie verbreitete aber nicht nur grelles Licht, sondern auch eine fast unerträgliche Hitze. »Die Helme schließen!« rief Cliff in sein Armbandgerät, klappte den eigenen zu, und Helga folgte seinem Beispiel. Die Sichtscheiben verdunkelten sich automatisch, kühle Luft strömte aus den Atemschläuchen. Der Oberst sah sich um und entdeckte einige Gestalten, zwischen fünfzig und hundert Meter nach beiden Seiten hin entfernt. Es war der Crew also doch gelungen, die Richtung halbwegs zu halten, trotz der fehlenden Sicht. Ehe er aber noch aufatmen konnte, kam ein Stoß, der ihn und Helga Legrelle von den Beinen warf. Der Boden unter ihnen hatte zu beben begonnen, in heftigen, unregelmäßigen Stößen! Knirschend barsten die Steinplatten, nur wenige Meter rechts von ihnen entstand ein langer, etwa zwei Meter breiter Spalt im Boden. Cliff warf sich herum, kam wieder auf die Beine und zog Helga mit sich hoch. Hastig bewegte er
sich nach links, wich jedoch gleich darauf wieder zurück. Auch links riß der Boden auf, ein weiterer Spalt entstand mit rasender Schnelligkeit. »Alles wie früher gehabt!« knurrte der Commander heiser. »Für die ORION-Crew gibt es immer nur die Flucht nach vorn. Lauf, Helga-Mädchen, vielleicht finden wir in der alten Stadt relative Sicherheit.« »Was bedeutet das nur alles?« fragte die Funkerin, während sie über den Boden dahinstolperten, der in ständiger Bewegung war. Auch die übrigen Mitglieder der Crew strebten auf die Stadt zu, sie hatten mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen. »Oh, nichts weiter«, grinste Cliff verzerrt. »Das hier ist, wenn mich nicht alles trügt, nur ein kleiner Weltuntergang! Die Sonne hat die Kontrolle über sich selbst verloren. Jetzt schickt sie sich an, diese Welt zuerst zu erschüttern und dann zu verschlingen. Verdammt, das ist doch aber keinesfalls normal! Solche Prozesse vollziehen sich von einer Stunde zur anderen. Da muß jemand kräftig dran gedreht haben, wahrscheinlich die unbekannte Macht von Dusty.« Diese Erkenntnis nützte ihnen allerdings herzlich wenig. Auch die alte Stadt, die sie zu erreichen suchten, blieb von den Ereignissen nicht verschont. Ihre Gebäude schwankten hin und her, einige weniger stabile Bauwerke stürzten unter donnerndem Gepolter in sich zusammen. Riesige Staubwolken wirbelten auf und wurden von den heißen Windstößen verweht, die nun über die Ebene heranfegten. Dann ebbte das Beben plötzlich ab. Cliff und Helga blieben für einen Moment stehen, um sich zu erholen. Der Commander sah sich um und entdeckte in eini-
ger Entfernung die Gestalten von Arlene, Mario de Monti und Atan Shubashi. Die des Ingenieurs war jedoch nirgends zu sehen. »Wo ist Hasso?« fragte Cliff über den Helmfunk an. Keiner der anderen wußte es, jeder hatte genug mit sich selbst zu tun gehabt. Zuerst der Nebel, dann die gellenden Schreie, anschließend die sich aufblähende Sonne und die schweren Beben. All das hatte auch die Nerven der ORION-Crew mitgenommen. Im Moment herrschte zwar Ruhe, aber für wie lange noch ...? Die fünf Raumfahrer bewegten sich aufeinander zu, während McLane immer noch vergeblich nach Sigbjörnson rief. Doch er kam plötzlich zum Vorschein. Er tauchte aus dem Eingang eines Turmgebäudes auf, dessen Spitze bereits eingestürzt war. Was er nun berichtete, ließ die anderen aufhorchen. »Ich habe einen Mann verfolgt, Cliff. Er tauchte plötzlich vor mir auf und trug die Bordkombination eines terrestrischen Raumfahrers. Ich habe ihn über den Außenlautsprecher angerufen, aber er reagierte vollkommen irrational. Statt auf mich zu hören, rannte er wie in panischer Furcht davon und verschwand zwischen den Gebäuden. Ich versuchte, ihm zu folgen, konnte ihn aber nirgends mehr entdecken.« »Demnach sind auch Männer von der TIMUR LENG oder der LYNX auf diesem Planeten«, folgerte Cliff. »Vermutlich haben sie hier schon einiges erlebt, das sie aufs höchste strapaziert hat, sonst wäre der Mann nicht vor dir davongelaufen. Schade, vielleicht hätten wir von ihm etwas erfahren können, das uns geholfen hätte.« »Es sieht nicht so aus, als ob uns überhaupt noch
etwas helfen könnte«, bemerkte Atan Shubashi pessimistisch und wies zum Himmel empor. Die anderen folgten seinem Blick, und was sie sahen, ließ sie zusammenfahren. Der ehemalige Zwergstern hatte sich inzwischen so aufgebläht, daß er größer erschien als die irdische Sonne, vom Merkur aus gesehen. Gewaltige Protuberanzen schossen von seiner Oberfläche empor und weit in den Raum hinaus. Das Gestirn strebte, zweifellos irgendwie künstlich angeregt, mit rasender Schnelligkeit auf die Umwandlung in eine Nova zu. Der Zeitpunkt, an dem es das kritische Stadium erreichen und den Planeten verschlingen mußte, konnte nicht mehr fern sein. Falls nicht ein Wunder geschah, waren die Mitglieder der ORION-Crew bereits so gut wie tot! Sie kamen jedoch nicht mehr dazu, sich lange Gedanken über diese Tatsache zu machen. Plötzlich schrie wieder jemand, lang anhaltend und gellend. Die Crew fuhr herum und sah einen fremden Raumfahrer, der aus den Ruinen gerannt kam. Seine Kombination war abgerissen und schmutzig, sein Gesicht von einem Stoppelbart bedeckt. Seine Arme fuhren ziellos hin und her, so daß er Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu bewahren. Trotzdem hetzte er in langen Sätzen vorwärts, sprang über Bodenrisse, fiel und kam taumelnd wieder auf die Beine, unaufhörlich die irr klingenden Schreie ausstoßend. Cliff und seine Gefährten schien er gar nicht wahrzunehmen. Er rannte auf die durch das Beben zerrissene Ebene hinaus, und die ORION-Besatzung folgte ihm mit den Blicken. Arlene packte Cliff plötzlich am Arm und deutete an dem rennenden Mann vorbei.
»Sieh doch, dort hinten!« sagte sie erregt. »Da ist etwas aufgetaucht, das eine verzweifelte Ähnlichkeit mit den Spiegeltransmittern aus der Felshöhle auf Dusty besitzt.« »Tatsächlich«, knurrte McLane verblüfft. Die silbrige Fläche schimmerte hell im stechenden Sonnenlicht, sie schien frei über dem Boden zu schweben. Ihre Größe war über die Entfernung von einigen hundert Metern hin schwer abzuschätzen. Der fremde Mann erreichte sie mit letzter Kraft, stolperte auf sie zu und warf sich förmlich hinein. Im nächsten Augenblick war er spurlos verschwunden, der Transmitter stand wieder wie unberührt da. »Hinterher!« sagte Mario de Monti und setzte sich bereits in Bewegung. »Hier können wir ohnehin nicht bleiben, wenn die Sonne so weitermacht, werden wir in absehbarer Zeit gegrillt.« »Mario nach Art des Hauses ...« Helga Legrelle konnte sich trotz des Ernstes der Lage ein Kichern nicht verkneifen. Sie wurde jedoch sofort wieder ernst. »Wir sollten es wirklich versuchen, Cliff. Ganz gleich, wo wir auch herauskommen mögen, schlimmer als hier kann es dort kaum sein.« Ihre letzten Worte wurden von einem Grollen und Rumpeln untermalt, das aus der Ferne kam und rasch bedenklich anschwoll. Die nächste Bebenwelle kündigte sich an, und nun zögerte auch der Commander nicht mehr. »Los, hinterher«, rief er und rannte bereits los. Die relativ kurze Strecke verlangte ihnen alles ab. Schon nach kurzer Zeit geriet der Boden wieder in Bewegung, und die ohnehin zerrissene Landschaft wurde aufs neue zerpflügt. Die Crew hetzte über die
sich hebenden und senkenden Steinplatten, mußte breite Risse umgehen, und fand sich dafür vor anderen wieder, die sich gerade neu gebildet hatten. Jeder fiel einige Male, einmal stürzte Arlene in einen Riß und mußte von Cliff und Hasso daraus befreit werden. Das gelang buchstäblich im letzten Moment – Sekunden später wurde der Riß bereits wieder wie durch eine Riesenfaust zusammengepreßt. Irgendwie kamen sie aber doch bei dem Spiegeltransmitter an. Seltsamerweise war in einem Umkreis von etwa zehn Meter rings um ihn alles ruhig, er schwebte flimmernd mitten in dieser Zone. Mario war als erster dort angekommen, hatte sich einfach auf den Boden gesetzt, und wartete auf die anderen. Sie folgten seinem Beispiel und erholten sich für kurze Zeit. Die Helmlautsprecher waren voll von ihren keuchenden Atemzügen. »Los jetzt«, sagte der Commander schließlich, »etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Wenn wir Glück haben, kommen wir wieder in dem Felsdom auf Dusty heraus, dort ist unser Leben wenigstens nicht unmittelbar bedroht.« »So relativ bietet sich uns das dar, was wir so als Glück bezeichnen«, kommentierte Atan Shubashi seufzend. Er rieb sein rechtes Schienbein, das er sich an einer plötzlich hochschnellenden Steinplatte geprellt hatte. »Nun, dann auf ins Vergnügen. Ich gehe zuerst durch, Ladies first ist hier wohl nicht angebracht.« Nacheinander schritten sie in die spiegelnde Fläche hinein und verschwanden von dieser höllischen Welt. *
»Jetzt kann ich nicht mehr!« stöhnte Mario de Monti fassungslos auf. »Sag mir bitte, daß ich träume, Cliff, denn das darf doch wohl nicht wahr sein ...« »Leider ist es wahr«, entgegnete der Commander hart. »Wer auch immer dieses Spiel mit uns treiben mag, er besitzt eine wirklich perverse Phantasie. Wenn mich nicht alles täuscht, beginnt derselbe Zauber gleich noch einmal von vorn.« Sie standen auf einer weiten Ebene, die mit künstlich ausgelegten, jedoch verwitterten Steinplatten bedeckt war. Vor ihnen lag in einiger Entfernung eine Stadt, oder vielmehr das, was von ihr noch übriggeblieben war. Kastengebäude, Kuppelbauten, Säulen und Türme – alles war wieder da, wie zuvor gehabt. Und über allem stand eine riesige, grellweiße Sonne, von der aus gewaltige Protuberanzen weit hinaus in den Raum schossen. Ein heißer Wind fegte über die Gegend, und ein nur zu bekanntes dumpfes Grollen kündigte ein schweres Beben an. »Das verstehe, wer da will«, sagte Hasso Sigbjörnson resigniert. »Alles ist so wie vorhin, nur der Nebel fehlt diesmal – und die unheimlichen Schreie. Es sieht so aus, als hätten wir lediglich einen Zeitsprung gemacht, der uns etwas näher hin zum Verderben führt.« »Das müßte dann aber ein doppelter Zeitsprung gewesen sein«, überlegte Cliff. »Wir sind einerseits an jenem Punkt, an dem die Erdstöße beginnen, andererseits aber auch in der relativen Vergangenheit, weil sie noch nicht eingesetzt haben.« »Irrtum, eben geht es los«, korrigierte Arlene, denn schon fing der Boden an, sich zu schütteln. »Der Spiegeltransmitter hat die Reise hierher aber nicht
mitgemacht, und auch von dem fremden Raumfahrer ist diesmal nichts zu sehen. Er müßte doch kurz vor uns hier angekommen sein.« Sie erhielt keine Antwort, denn schon riß der Boden rings um die Gruppe auf. Diesmal schien die Bebenwelle jedoch aus einer anderen Richtung zu kommen, denn die alte Stadt vor ihnen blieb von ihm verschont. Cliff McLane erkannte das und zog die Konsequenzen daraus. »Wir laufen auf die Stadt zu«, bestimmte er und setzte sich bereits in Bewegung. »Es bleiben jeweils zwei so dicht zusammen wie möglich, damit einer dem anderen im Notfall helfen kann. Vielleicht finden wir da vorn einen relativ sicheren Ort.« Er sagte das, ohne ernstlich an diese Möglichkeit zu glauben. Auf einer Welt, deren Sonne zur Nova wurde, konnte es keinen solchen Ort geben! Früher oder später mußte der Planet bersten, um dann von seinem expandierenden Gestirn verschlungen zu werden. Wo man sich zu diesem Zeitpunkt aufhielt, war also vollkommen egal. Erneut begann der Kampf ums Überleben innerhalb der entfesselten Naturgewalten. Die sechs Personen kämpften sich vorwärts, sprangen, stolperten und stürzten. Dieses Beben schien weit schlimmer als die zuvor erlebten zu sein. Außerdem erschien die sich aufblähende Sonne erheblich größer, die Eruptionen auf ihr bereits direkt nach dem Planeten zu greifen. Sie hatten die Ruinenstadt fast erreicht, als auch dort die Hölle losbrach. Urplötzlich hob sich auch dort der Boden, die ersten Gebäude stürzten mit Donnergepolter in sich zusammen. Riesige Staubwol-
ken wirbelten hoch und wurden von dem heißen Sturm davongetragen, der mit zunehmender Stärke über das verwüstete Land brauste. »Stop!« schrie Cliff in sein Helmmikrophon. »Wir dürfen nicht weiter, sonst erschlagen uns die einstürzenden Gebäude. Werft euch auf den Boden und versucht, euch irgendwie festzukrallen. Nur so können wir überleben, bis diese Bebenwelle vorbei ist.« Die nun folgenden Minuten waren die reine Hölle. Cliffs Rat zu befolgen, erwies sich als fast unmöglich. Alles ringsum war in Bewegung, kein Gegenstand blieb länger als einige Sekunden an seinem Platz. Als das Beben dann endlich abebbte, erhoben sich die sechs mit taumelnden Bewegungen und sahen sich an. Ihre Raumanzüge waren von oben bis unten verdreckt, an ihren Körpern gab es kaum noch eine Stelle, die nicht weh tat. Sie fanden sich auf einer großen Steinplatte zusammen, die sich in einigermaßen waagerechter Lage befand. Die Verwüstung um sie herum war vollkommen. Alle Gebäude der alten Stadt waren zusammengestürzt und bildeten nur noch einen wüsten Trümmerhaufen. Die Ebene sah aus, als hätte dort jemand mit überdimensionalen Baggern ein Wettschaufeln veranstaltet. »Heilige Galaxis!« ächzte Mario. »Ich hab's schon vor unserem Start gesagt: Alles, nur nicht wieder einen Fight mit dem Erbe der alten Kosmischen Mächte. Wenn es wenigstens noch ein richtiger Kampf wäre, bei dem man sich wehren könnte und eine halbwegs reelle Überlebenschance hätte. Gegen diese Naturgewalten stehen wir aber einfach auf verlorenem Posten.«
Cliff nickte düster. »Du sagst es, Freund. Irgend jemand spielt mit uns auf eine ziemlich makabre Weise. Wenn wir wenigstens noch die Regeln dieses Spiels herausfinden könnten, dann könnten wir vielleicht auf irgendeine Weise mitmischen. Ich bemühe mich schon die ganze Zeit über, hinter all dem einen Sinn zu sehen, aber ...« »Cliff!« schrie Atan Shubashi auf. »Sieh dort hinüber – eben baut sich ein neuer Transmitter auf! Schnell dorthin, damit wir von hier wegkommen, eben setzt ein neues Beben ein.« Diesmal konnten sie sehen, wie das spiegelnde Feld entstand. Mitten über der verwüsteten Landschaft zeigte sich ein Flimmern, das trotz des gleißenden Sonnenlichts deutlich sichtbar war. Es wallte und wogte sekundenlang hin und her, ehe es die bereits bekannte Form annahm. Dann stand der Transmitter ruhig leuchtend da, ein Feld aus reiner Energie, das auf eine unbegreifliche Weise, ohne jedes sichtbare Hilfsmittel, mitten in das Chaos projiziert worden war. Er stellte für die sechs Menschen die einzige Möglichkeit dar, von dieser dem baldigen Untergang geweihten Welt zu entkommen. Ein kurzer Wink des Commanders, und schon liefen sie auf die etwa zweihundert Meter entfernte Stelle zu. Sie hatten kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt, als das aus der Ferne herannahende Grollen sie einholte. Ein heftiger Erdstoß riß sie von den Beinen, und instinktiv versuchten sie, irgendwo Halt zu finden. Es gelang ihnen nicht, denn der Boden unter ihnen bockte wie ein störrisches Reittier. Cliff wurde in eine Bodenspalte geworfen, die sich urplötzlich auftat, und schloß bereits mit seinem Leben ab. Im näch-
sten Moment fand er sich jedoch im Freien wieder, denn nun entstand an jener Stelle ein Erdbuckel, der ihn mit in die Höhe riß. Er rollte, sich überschlagend, dessen Abhang hinunter, kam irgendwie wieder auf die Beine und taumelte weiter. Es gab keine klare Überlegung mehr, nur noch der Selbsterhaltungstrieb peitschte ihn voran. Undeutlich erkannte er die anderen, denen es nicht besser erging. Plötzlich war Arlene neben ihm, wurde aber im selben Augenblick von einer hochschnellenden Steinplatte zu Boden geworfen. Sie blieb liegen, wimmernde Laute drangen über den Helmfunk zu ihm. Er biß die Zähne zusammen, beugte sich über sie und riß sie wieder hoch. Ein heftiger Erdstoß warf beide wieder um, aber sie kämpften sich wieder hoch. Cliff stützte das Mädchen, und zusammen stolperten, taumelten und krochen sie weiter, auf den Rettung versprechenden Transmitter zu. Wahrscheinlich hätte ihn keiner der sechs erreicht, wenn das Beben nicht wieder nachgelassen hätte. Der Boden vibrierte immer noch, jedoch nicht stark genug, um sie am Weiterkommen zu hindern. Sie quälten sich über Erdbuckel, chaotisch durcheinandergeworfene und teilweise geborstene Platten, sprangen mit letzter Kraft über kreuz und quer verlaufende Risse. Dann war endlich die Stelle erreicht, an der sich das spiegelnde Feld befand. Cliff hielt an und sah sich nach den anderen um. Doch, sie waren alle schon ganz nahe, wenn auch Atan merklich hinkte. Ohne die Raumanzüge, deren Luftpolster bei den Stürzen und Kollisionen die meiste Wucht abfingen, wäre es aber kaum ohne ernstliche Verletzungen abgegangen.
Wie mochten die anderen Raumfahrer von der TIMUR LENG und der LYNX, die nicht über diese Ausrüstung verfügten, dieses Chaos überlebt haben – wenn überhaupt? Dieser Gedanke schoß dem Commander durch den Kopf, aber er schob ihn rasch beiseite. »Komm, Helga, keine Müdigkeit vorschützen«, drängte er. »Zuerst du und Arlene, Hasso, du hilfst Atan mit seinem angeschlagenen Bein. Mario, nur nicht drängeln, wir beide machen den Schluß.« »Zu Befehl, Commander«, grinste der Kybernetiker verzerrt.
9. Sie kamen, bildlich gesehen, vom Regen direkt in einen tropischen Wolkenbruch. Das erste, was sie sahen, war die riesige grellweiße Sonne, die unmittelbar über ihnen zu hängen schien. Riesigen Fangarmen gleich, züngelten von ihr aus gewaltige Protuberanzen in den Raum. Sie schienen nach dem Planeten zu greifen, um ihn in ihre glühend heiße, tödliche Umarmung zu nehmen. »Allmächtiger!« sagte Hasso Sigbjörnson tonlos. »Cliff, das dürfte diesmal wirklich unser Ende sein. Wir befinden uns nach wie vor auf diesem Höllenplaneten, nur sind wir seinem Untergang erheblich näher gerückt.« Wie recht er damit hatte, bewies schon der erste flüchtige Blick. Sie standen wieder dort, wo sich einmal die Ebene mit den verwitterten Steinplatten befunden hatte. Von diesen waren jetzt allerdings nur noch einzelne Fragmente zu sehen; sonst gab es weiter nichts als zerrissenes, unter dem Einfluß der sengenden Hitze ausgedörrtes Erdreich. In der Ferne lag das, was von der Ruinenstadt noch übriggeblieben war: Ein Haufen von Trümmerbrocken, denen ihr ursprünglicher Zustand nach unzähligen Wellen von Beben nicht mehr anzusehen war. Im Moment herrschte jedoch Ruhe. Nur der heiße Sturmwind fuhr über das Chaos und wirbelte, fast wie auf Dusty, dichte Staubwolken vor sich her. Erschöpft ließen sich die sechs Menschen auf den zerwühlten Boden fallen. Ihre Münder suchten nach den Trinkröhrchen, durch die sie die mit belebenden
Mitteln versetzte Nährflüssigkeit des Notvorrats zu sich nehmen konnten. Cliff sah auf den Druckanzeiger seiner Sauerstoffbehälter und fuhr unwillkürlich zusammen. »Da stimmt doch etwas nicht«, stellte er alarmiert fest. »Der Luftvorrat reicht normalerweise für mindestens drei Tage, und wir können kaum den sechsten Teil davon verbraucht haben. Der Anzeige nach habe ich aber nur noch für zwei Stunden Luft! Ist es bei euch ebenso?« Es war so! Sie hatten, subjektiv gesehen, insgesamt etwa acht Stunden auf den beiden verschiedenen Ebenen des fremden Planeten verbracht. Auch zuvor hatten sie schon einige Zeit die Vorräte der Behälter in Anspruch genommen. Den erhöhten Sauerstoffverbrauch infolge der Anstrengungen mitgerechnet, mußte aber trotzdem immer noch eine Reserve für rund zweieinhalb Tage vorhanden sein. Sie war aber nicht mehr da – alle Mitglieder der Crew hatten nur noch für jeweils zwei Stunden Sauerstoff! Hasso nickte schwer. »Alle Umstände weisen darauf hin, daß tatsächlich mit jedem Durchgang durch einen Spiegeltransmitter ein Zeitsprung verbunden ist. Allerdings scheint diese Zeit für uns nicht aufgehoben zu sein, sondern wirklich irgendwie zu vergehen. Eine bessere Erklärung gibt es kaum.« »Sie dürfte zutreffen«, bestätigte Cliff McLane. »Inzwischen ist mir aber auch noch etwas anderes klar geworden: Wir irren durch einen Kreis des Schrekkens, dessen Ausmaß laufend noch eine Steigerung erfährt! Jeder Durchgang durch einen dieser Transmitter, die scheinbar eine Flucht ermöglichen, bringt
uns nur unweigerlich dem Untergang dieser Welt näher. Jedes Mal wird die Situation noch lebensbedrohender, noch auswegloser für uns.« »Jetzt dürften wir fast am Ende dieses Weges angekommen sein«, sagte Helga Legrelle müde. »Uns bleiben noch ganze zwei Stunden, mehr nicht. Die Atmosphäre des Planeten hat sich inzwischen so sehr erhitzt, daß wir sie nicht mehr atmen können. Außerdem dürfte wohl bald wieder ein neues Beben fällig sein, das uns endgültig umkommen läßt.« Cliff sah grübelnd vor sich hin. »Jetzt kann ich gut verstehen, weshalb Oleg Demant wahnsinnig geworden ist«, sagte er dann. »Den anderen Mitgliedern der beiden Raumschiffsbesatzungen dürfte es kaum besser ergangen sein. Entweder sind sie bereits tot, oder sie irren, mehr oder weniger geistesgestört, weiter durch die Transmitter des Schreckens. Und doch: Es muß eine Möglichkeit geben, diesen tödlichen Ring zu durchbrechen! Sonst wäre Demant nie mehr nach Dusty zurückgelangt, und anschließend zur Erde.« »Vielleicht haben wir es ganz falsch angefangen, Cliff«, warf Mario de Monti in die Debatte. »Bis jetzt sind wir immer nur davongelaufen, haben immer nur daran gedacht, wie wir diesem Planeten vor seinem Untergang entkommen könnten. Damit haben wir genau so gehandelt, wie es die unbekannte Macht geplant hatte, die mit uns spielt. Verdammt, das ist doch noch nie der Stil der ORION-Crew gewesen! Bisher ist es auf die Dauer noch niemandem gelungen, uns in die reine Defensive zu treiben.« »Vollkommen richtig«, bekräftigte der Astrogator. »Gerade, weil es keinen Ausweg mehr zu geben
scheint, sollten wir jetzt alles auf eine Karte setzen. Bald wird es hier weitere Beben geben, das steht mit Sicherheit fest. Anschließend erscheint dann der nächste Transmitter, aber nur, um uns noch ein Stück näher an den Weltuntergang zu bringen. Ich wage folgende Frage: Sollten wir es nicht riskieren, auf einen weiteren Durchgang zu verzichten, und einfach abwarten, was sich danach weiter tut? Viel zu verlieren haben wir, angesichts unserer geringen Luftvorräte, ohnehin nicht mehr.« Cliff McLane nickte nach kurzem Überlegen. »Das könnte in der Tat die Lösung sein. Normalerweise hätte Demant, der keinen Raumanzug besaß, in einer solchen Umgebung kaum überleben können. Vielleicht ist er vor Entkräftung zusammengebrochen, ehe er wieder einen Transmitter erreichen konnte. Die fremde Macht sah das als ausreichend an, griff ein, und brachte ihn irgendwie nach Dusty zurück.« »Eine bloße Hypothese«, murmelte Arlene skeptisch. »Falls sich eure Überlegungen als falsch erweisen, dürfte es keine Alternative mehr für uns geben. Ich glaube kaum, daß diese Spiegel hier am laufenden Band eigens für uns erstellt werden.« »Mehr als einmal können wir nicht sterben«, folgerte Helga Legrelle. »Ob wir das nun hier tun oder auf einer anderen Ebene, die dem Untergang noch näher ist – wo ist da ein Unterschied? Ich bin für Atans Vorschlag.« »Ich votiere ebenfalls dafür«, erklärte Mario entschlossen. »Somit wären wir bereits vier. Wie ist es mit euch, Arlene und Hasso? Keiner wird euch zwingen, bei uns zu bleiben, wenn ihr etwas anderes vor-
ziehen solltet. Es ist euer Leben, also auch eure freie Entscheidung.« Sigbjörnson lächelte humorlos. »Theoretisch ja, aber in der Praxis schon nicht mehr. Bisher ist die Crew stets zusammengeblieben, in guten wie in bösen Zeiten. Sind wir erst einmal getrennt – ach, wozu rede ich noch lange? Arlene?« Das Mädchen sah auf. »Ich bleibe natürlich bei Cliff, wo sonst wäre mein Platz. Lassen wir es also darauf ankommen, ganz gleich, wie immer es ausgehen mag. Bleiben wir einfach hier sitzen, oder hast du inzwischen einen Plan entwickelt, Cliff?« McLane zuckte mit den Schultern und wies auf die verwüstete Landschaft ringsum. »Ich sehe weit und breit keinen Ort, an dem es besser wäre als hier. Wegzulaufen wäre also eine bloße Beschäftigungstherapie; sie würde uns zwar in gewisser Weise ablenken, zugleich aber unseren Sauerstoffverbrauch erhöhen, und damit unser Leben weiter verkürzen. Warten wir also hier auf das, was noch kommen mag.« Damit war alles gesagt, was zu sagen war. Die sechs harrten schweigend an ihrem Platz aus. Alle vermieden es, zum Himmel aufzusehen, an dem die riesige Sonne flammte, vom Kranz gewaltiger Eruptionen umgeben. Die Klimaanlagen ihrer Raumanzüge liefen auf Hochtouren, denn die Hitze stieg immer mehr an. Es war geradezu unnatürlich ruhig, nur der Wind heulte und riß mit seinen heftigen Stößen immer neue Staubmassen hoch. Scheinbar auf ein Vielfaches gedehnt verrann die Zeit für sie. Endlich hob Mario den Kopf und lauschte in die Ferne. »Ich höre etwas – nein, kein neues Beben, sondern ein fremdes Geräusch, das sich uns nä-
hert. Ich kann es nicht einordnen, es hört sich irgendwie wie ein Scharren und Schleifen an, so, als käme ein Heer winziger Roboter auf uns zu.« Cliff sprang auf und spähte in die angegebene Richtung. Er mußte beide Hände an den Raumhelm legen, denn auch die Verdunklungsautomatik der Sichtscheibe schaffte es nicht mehr, der Flut des grellen Lichtes Herr zu werden. Undeutlich, noch einige hundert Meter entfernt, gewahrte er ein riesiges Heer von kleinen, länglichen Körpern. Sie schoben sich über die höher gelegenen Erdmassen, verschwanden in Vertiefungen, und tauchten wieder daraus auf. »Es sind irgendwelche Tiere«, stellte er schließlich fest. »Nicht groß, höchstens unterarmlang, aber es müssen unzählige Tausende sein. Ihr Instinkt treibt sie voran, sie suchen nach einem Ort, an dem es Sicherheit für sie gibt. Arme Kreaturen – sie werden ihn ebenso wenig finden wie wir.« In ihrer tristen Lage waren die Raumfahrer für diese Ablenkung dankbar. Daß es hier auch noch andere Wesen gab, denen der Untergang drohte, war ihnen zwar kein Trost, brachte sie aber wenigstens auf andere Gedanken. Schon nach kurzer Zeit konnten sie ihre Form genau erkennen. Es handelte sich um irgendwelche Reptilien, so etwas wie eine Kreuzung zwischen Eidechse und Schlange, mit einer schuppigen, grünlichen Panzerung. Sie bewegten sich unermüdlich auf ihren sechs Beinen voran und erzeugten dabei ein trockenes, rasselndes Geräusch. Bald war die gesamte Umgebung von ihnen bedeckt, so weit man sehen konnte. Die sechs Menschen zogen sich auf einen der Erdbuckel zurück und beobachteten von dort aus den Durchzug der im Durch-
schnitt etwa sechzig Zentimeter langen Tiere. Diese Spezies mochte vielleicht die einzige sein, die auf dem zuvor kalten und trockenen Planeten noch gelebt hatte. Von den nachfolgenden Tieren geschoben, lief eine Anzahl von ihnen auch den Erdwall hoch. Die ersten beachteten die sechs fremden Geschöpfe überhaupt nicht, aber das änderte sich bald. Plötzlich hielten einige an, richteten die Oberkörper auf, und ihre gelblichen Augen unter den schützenden Nickhäuten starrten zu den Raumfahrern hoch. Dann sprangen sie plötzlich, wie von der Feder geschnellt, gegen sie an und versuchten, sich in ihren Beinen zu verbeißen. Ein vergebliches Unterfangen, so mußte es scheinen, denn das Material der Raumanzüge war viel zu widerstandsfähig für die, wenn auch scharfen Zähne in den kleinen spitzen Mäulern. Doch plötzlich schrie Helga Legrelle entsetzt auf und vollführte einen förmlichen Tanz, um die Tiere abzuschütteln. »Vorsicht!« gellte ihre Stimme in den Helmlautsprechern der anderen auf. »Die Biester sondern beim Beißen eine Flüssigkeit ab, die das Material der Anzüge angreift. Die äußere Schicht ist an meinen Beinen schon an ein paar Stellen zerfressen.« Das, was eben noch wie die aussichtslose Flucht bedauernswerter Kreaturen gewirkt hatte, erwies sich auf einmal als eine ernste Bedrohung für das Leben der ORION-Crew. Es waren allein die Anzüge, die sie noch davor bewahrten, vor Ablauf der letzten anderthalb Stunden umzukommen. Rasch zog Cliff die HM 4 und schlug mit ihr zu, um die Tiere von seinen Beinen zu entfernen, und die anderen folgten seinem Beispiel.
Dutzende von Leibern purzelten nach den Seiten hin weg, aber dafür kamen Hunderte neuer nach. Ob sie der Hunger trieb oder eine natürliche Aggressivität, blieb im Endeffekt gleich. Wenn es nicht gelang, sie abzuwehren, mußte die bei ihren Bissen abgesonderte starke Säure den baldigen Tod der sechs Menschen bedeuten. »Alle her zu mir«, rief Cliff McLane aus. »Wir stellen uns Rücken an Rücken und feuern pausenlos. Noch haben wir eine kleine Chance, dem Ring des Verderbens zu entkommen. Wir müssen am Leben bleiben, bis der nächste Transmitter irgendwo in unserer Nachbarschaft auftaucht.« * Eine Viertelstunde war vergangen, und noch immer nahm der Ansturm der Reptilien kein Ende. Wie von einer unbegreiflichen Macht gelenkt, rannte die Masse der nach Hunderttausenden zählenden Tiere gegen den Erdbuckel an. Rings um diesen glühte der Boden bereits, Tausende von schuppigen Leibern waren in dieser Zone verkohlt. Eine sengende Hitze schlug zu den sechs Raumfahrern hoch, die Kühlaggregate ihrer Anzüge hatten laut zu heulen begonnen. Auch die Waffen erhitzten sich, so daß sie das Feuer immer wieder unterbrechen mußten. Doch diese Pausen waren stets nur kurz. Sobald die Hitze etwas abklang, schnellten sich besonders große Tiere über den Ring verglasten Sandes hinweg, um erneut anzugreifen. Gehörte auch das zu den Methoden der unbekannten Macht, die mit Menschenleben spielte, wie mit seelenlosen Figuren. Waren diese Tie-
re sozusagen darauf programmiert, ihren Tod zu verursachen? Auf dieser Welt schien alles möglich zu sein. »Dort, seht doch: ein Transmitter!« rief Arlene plötzlich aus. Sie deutete nach links, und die anderen folgten gebannt ihrem Wink. Sie sahen das spiegelnde und flimmernde Gebilde, das trotz der starken Blendung durch das Sonnenlicht deutlich zu sehen war. Es war nicht mehr als hundert Meter entfernt – aber so gut wie eine halbe Ewigkeit, denn zwischen ihm und der Crew wimmelte vieltausendfacher Tod! Niemand wußte, wie lange sich dieser Transmitter halten würde. Es galt, eine rasche Entscheidung zu treffen, und der Commander fällte sie innerhalb weniger Sekunden. »Wir brechen aus! Bestreicht den Boden vor uns so, daß die Strahlen uns eine schmale Gasse schaffen. Nicht mehr feuern als unbedingt nötig, damit sich der Boden nicht zu sehr erhitzt, über den wir laufen müssen. Los, folgt mir!« Sein improvisiertes Rezept zeitigte den gewünschten Erfolg. Sie rannten, so schnell sie konnten, über unzählige verkohlte Reptilien hinweg. Nach einer halben Minute Hürdenlauf über die vielfachen Unebenheiten war der Transmitter erreicht. Und an dieser Stelle war, genau zehn Meter im Umkreis, der Boden vollkommen frei. Kein Tier begab sich in diese Zone, alle machten einen respektvollen Bogen darum. Erschöpft und keuchend ließen sich die sechs Menschen fallen, um sich wieder zu erholen. Eine Minute lang sprach keiner ein Wort, dann erst meldete sich Mario de Monti. »Was nun, bester Commander aller Zeiten?« fragte er.
»Gar nichts!« sagte Cliff lakonisch. »Wir bleiben hier und warten ab, was weiter geschieht. Die Sonne hat sich nun schon so sehr aufgebläht, daß ihre Protuberanzen bereits direkt nach dem Planeten greifen. Wie fast immer, gibt es auch hier zwei Möglichkeiten: Entweder sterben wir einen schnellen Tod, oder es geschieht etwas, das uns aus diesem Schreckenskreis löst. Denkt an Oleg Demant, er hat es auch geschafft!« Die folgenden Minuten waren eine einzige Hölle. Alles um sie herum lohte in einem grellweißen Licht, vor dem es kaum noch einen Schutz gab. Sie preßten die Frontseite ihrer Helme gegen den Boden, sonst wären sie unweigerlich geblendet worden. Dann setzten wieder Erdstöße ein, von einer Stärke, die kaum noch faßbar war. Es grollte und krachte, daß ihre Ohren trotz abgeschalteter Außenmikrophone taub wurden. Und doch blieb es rings um den Spiegeltransmitter ruhig, nicht die geringste Erschütterung war zu spüren. Irgend jemand oder etwas sorgte dafür, daß dieser Durchgang auch jetzt noch passierbar blieb. Das Ende kam mit einem gewaltigen Schlag: Ein »Fangarm« der rasch expandierenden Sonne hatte den verwüsteten Planeten erreicht. Er hüllte ihn vollständig ein, so daß der Sauerstoff der Atmosphäre zu brennen begann. Die sechs Menschen konnten nicht sehen, wie sich die Oberfläche innerhalb von Sekunden in eine aufglühende Wüste verwandelte. Sie spürten nur die gewaltige Hitze, die selbst durch die Isolation ihrer Anzüge drang, und krümmten sich unter ihr zusammen. »Wir verbrennen!« konnte Cliff McLane gerade noch denken, ehe das große Nichts über ihm zusammenschlug.
* Eine Hand rüttelte ihn solange, bis sein Bewußtsein wieder zurückkehrte. Dann drang Marios jubelnde Stimme an sein Ohr: »Mensch, Cliff – wir haben es geschafft! Komm doch endlich zu dir, es ist alles vorbei.« »Dann lebe ich also doch noch«, murmelte der Commander. Er öffnete die Augen und richtete sich langsam auf. Sie befanden sich wieder auf einer Ebene, aber diese hatte nichts mit jener der vergangenen Schrecken gemein. Ihre Oberfläche bestand aus einem bläulich schimmernden Metall, so weit sie sehen konnten. An einem grünblauen Firmament standen dicht beieinander zwei weiße Sonnen – normale Gestirne, deren Licht im Vergleich zu vorher sanft und mild wirkte. Als Cliff sich erhob, kamen auch Helga, Arlene und Hasso wieder zu sich. Sein erster Blick galt dem Analysator am Handgelenk, denn er merkte sofort, daß der Sauerstoff in seinem Anzug nun endgültig verbraucht war. Die Atmosphäre war atembar, er öffnete seinen Helm und bedeutete den anderen, es ebenfalls zu tun. Dann erst sah er sich weiter um. Sein Blick fiel auf eine größere Anzahl von unterschiedlich geformten, torähnlichen Bögen aus Metall, die im Hintergrund unregelmäßig verteilt waren. Zwischen ihnen spannten sich engmaschige Gitter, die silbrig glitzerten und ständig zu vibrieren schienen. Den Mittelpunkt bildete ein hoher, spitzer Turm, der aus einem glasähnlichen Material zu bestehen schien. Er war durchsichtig, und in seinem Innern
pulsierte ein ungewisses blaues Leuchten, das rhythmisch an- und abschwoll. Er bildete das Zentrum der fremdartigen Gebilde, nicht nur räumlich, sondern auch in bezug auf Wichtigkeit. Das erfaßten die Mitglieder der Crew sofort. Von anderen Menschen und sonstigen Lebewesen war nirgends etwas zu sehen. Befreit genossen die sechs die wohltuend kühle Luft. »So ist es schon erheblich besser«, stellte Atan Shubashi fest. »Die Frage ist nur, ob es auch so bleibt, und wo wir uns überhaupt befinden. Dusty ist es auf keinen Fall, das beweisen die zwei Sonnen, vermutlich Gestirne vom Spektraltyp A.« Cliff zuckte mit den Schultern, seine Hand umspannte den Griff der HM 4, die neben ihm gelegen hatte. »Hör auf, Atan, von Sonnen aller Art bin ich fürs erste bedient. Wir werden jetzt, natürlich mit der gebührenden Vorsicht, jenen Turm aufsuchen, der sich als Ziel geradezu anbietet. Ich nehme stark an, daß dort irgendwie die Lösung aller Rätsel zu finden ist.« Sie legten etwa zweihundert Meter zurück, umgingen einige der Torbögen, und näherten sich dem transparenten Turm. Als sie noch etwa hundert Meter entfernt sein mochten, schwoll das blaue Leuchten plötzlich zu einem intensiven, stechenden Kobaltblau an. Gleichzeitig spürten alle, wie von diesem Gebilde eine Panik erzeugende Welle ausging, die nach ihren Hirnen griff. Ihre Schritte stockten unwillkürlich, aber dann lachte Cliff grimmig auf. »Nicht mit uns, werte Feinde!« knurrte er leise, aber entschlossen. »Normale Menschen könntet ihr vielleicht damit erschrecken, aber nicht Leute, die das mitgemacht haben, was ge-
rade hinter uns liegt. Ihr habt es mit eurem Kreis des Schreckens etwas zu bunt getrieben. Los, wir gehen weiter.« Tatsächlich fiel es ihnen relativ leicht, diese Impulse von Furcht und Panik zu ignorieren, obwohl sie beim Näherkommen stärker wurden. Sie hielten ihre Waffen schußbereit und kamen bis auf dreißig Meter an den Turm heran. Er schien kompakt zu sein, nirgends war ein Eingang oder eine sonstige Öffnung zu sehen. Dann erlosch die mentale Beeinflussung, und dafür klang in ihren Hirnen eine lautlose Stimme auf. »Tötet euch selbst!« peitschte es ihnen entgegen. »Ihr habt gegen den Willen und die Interessen des Rudraja gehandelt, euer Leben ist verwirkt. Tötet euch ... tötet euch ... tötet euch!« Diese Impulse waren ungleich stärker, aber die Crew erwies sich auch dagegen als immun. »Wer hier wen tötet, wird sich gleich herausstellen«, sagte der Commander sarkastisch. Im nächsten Moment spie seine HM 4 ihren Flammenstrahl gegen den Turm, und die anderen folgten seinem Beispiel. Sie bestrichen die gläserne Wandung mit ihrem Feuer, aber diese absorbierte es scheinbar mühelos. Nur das blaue Leuchten begann erneut zu pulsieren, und die Intensität des Tötungsbefehls nahm zu. Gleichzeitig geschah aber noch mehr. Die silbrigen Gitter der Torbögen vibrierten heftiger, und von ihnen ging nun eine wahre Kakophonie schriller, grauenerweckender Töne aus. Diese schreckliche Musik peinigte die Ohren der sechs Menschen, sie rief in ihnen Assoziationen von Schrecken und Tod hervor. Doch auch dieser doppelte Einfluß verfehlte seine Wirkung. Sie schossen weiter, und plötzlich wurde
aus dem bläulichen Pulsieren ein unregelmäßiges, hektisch anmutendes Zucken. Dann barst die gläserne Wandung des Turmes mit einem lauten, peitschenden Knall – das Leuchten darin kulminierte in einem grellen, weißblauen Farbton, um dann abrupt zu erlöschen. »Wir haben es geschafft!« frohlockte Mario, als nun auch die Tötungsbefehle verstummten. Zugleich mit ihnen riß die grauenvolle »Musik« ab, die gesamte Szene begann sich gespenstisch zu verändern. Das Licht der beiden Sonnen wurde schwächer, die Torbögen und Gitter zerbröckelten und fielen in sich zusammen. Auch die glatte Metallfläche unter den Sohlen der Crew löste sich innerhalb weniger Sekunden auf und zerkrümelte zu einer Masse, die bläulichem Sand glich. Der Turm sackte in sich zusammen und löste sich in formlose Fragmente auf. »Das Erbe des Rudraja war es also«, stellte Cliff McLane fest. Er steckte seine Waffe weg, drehte sich, um die Gesamtlage zu begutachten, und dann wurden seine Augen groß: Hinter ihnen, auf dem blauen Sand, lag eine größere Anzahl von reglosen Gestalten – Männer in Raumfahrerkombinationen! Schon die erste Zählung ergab, daß ihre Anzahl genau der der verschollenen Besatzungsmitglieder der TIMUR LENG und LYNX entsprach. Alle sahen schrecklich aus und waren bewußtlos, und die beiden Mädchen eilten spontan zu ihnen hin. »Da – ein Transmitter!« rief Atan im selben Moment aus. In unmittelbarer Nähe der Crew bildete sich eines der sattsam bekannten Spiegelfelder aus. Der silbrige Glanz erlosch jedoch innerhalb weniger Sekunden,
seine Fläche wurde stumpf grau. Der Commander sah es skeptisch an, aber nun handelte Hasso wieder, wie beim ersten Mal. Ehe ihn jemand aufhalten konnte, trat er durch das Gebilde und verschwand. »Wenn das nur gut geht!« stöhnte Mario de Monti, aber schon tauchte der Ingenieur wieder auf. »Ich bin im Felsendom auf Dusty herausgekommen«, verkündete er. »Dort gibt es jetzt nur noch einen Transmitter, eine Gegenstation zu diesem hier. Es sieht so aus, als wäre der Rückweg für uns frei.« Cliff klopfte ihm auf die Schulter. »Danke, Hasso. Es sieht aber auch so aus, als müßten wir uns beeilen, denn die Sonnen sind bereits fast ganz erloschen. Los, packt alle mit an – wir schaffen die Bewußtlosen hier weg, ehe es zu spät wird.« Paarweise griffen sie zu und trugen die Bedauernswerten durch das Transportfeld. Es wurde wirklich höchste Zeit, denn die Auflösung der Umgebung schritt rasch voran. Die Ebene, auf der sie sich befanden, schien von den Seiten her abzubröckeln und wurde zusehends kleiner, von den Sonnen ging nur noch ein diffuses Dämmerlicht aus. Endlich waren dann alle Männer fortgeschafft, McLane warf einen letzten Blick auf die Szene und trat in das Transportfeld zurück. Im hellen Licht des strahlenden Kristalls war erst richtig zu sehen, wie schlecht der Zustand der bewußtlosen Männer war. Es galt nun, sie möglichst schnell in die Fahrzeuge zu bringen, die draußen im Talkessel standen. Dort konnten ihnen zunächst Injektionen verabreicht werden, die ihren Kreislauf stützten. Die Sperre, die das Verlassen des Domes verhinderte, bestand nun auch nicht mehr.
Cliff hatte jedoch kaum die entsprechenden Befehle gegeben, als es plötzlich im Zugang lebendig wurde. In ihm erschienen Männer in den Uniformen der Raumflotte, die zuerst verwirrt, mit schußbereiten Waffen, die Szene betrachteten. Dann tauchte hinter ihnen Leandra de Ruyter auf. Als sie sowohl die Verschollenen als auch die ORION-Crew sah, atmete sie hörbar auf. »Ich hatte kaum noch gerechnet, Sie unter den Lebenden zu finden«, sagte sie. »Schließlich sind bereits fünf Tage vergangen, seit Sie Terra verlassen haben. Zuerst dachten wir uns nichts dabei, als immer wieder nur die automatisch abgestrahlte Q-Gruppe durchkam, aber nach dem fünften Mal wurde Hackler mißtrauisch. Ich bin daraufhin sofort mit drei Schiffen hierher gestartet, aber die Reisezeit ließ sich leider nicht verringern. Dann dauerte es noch mehrere Stunden, bis wir endlich herausgefunden hatten, wo Sie sich aufhalten. Was ist hier inzwischen geschehen, Cliff?« McLane berichtete. Inzwischen wurden bereits die Bewußtlosen hinausgeschafft und in die Fahrzeuge des Einsatzkommandos gebracht. Als er geendet hatte, kniff die Admiralin die Brauen zusammen. »Wir werden dieses Nest des Rudraja ein für allemal zerschlagen«, verkündete sie. Cliff wies darauf hin, daß mit der Zerstörung des Turmes ohnehin die allgemeine Auflösung eingetreten war, aber sie hörte nicht auf ihn. An der Spitze einer Gruppe ihrer Raumfahrer ging sie in das Transportfeld. Sekunden später bildete sich an der gegenüber liegenden Wand ein zweiter Transmitter aus. Die Crew begann schadenfroh zu grinsen, als gleich darauf Le-
andra mit ihren Männern daraus wieder in der Halle erschien. Die Admiralin wirkte verstört, faßte sich aber bald wieder. Daß sie logisch denken konnte, bewies ihre nun folgende Frage: »Halten Sie es für möglich, daß die Erlebnisse aller, die hier durch die Transmitter gegangen sind, nur Fiktionen waren, Commander? Sie wissen ja wohl am besten, welche Geheimnisse das Erbe der alten Kosmischen Mächte in sich birgt. Mit Hilfe raffinierter Projektoren lassen sich vielerlei Effekte schaffen.« Cliff rieb sich mit skeptischem Gesicht das Ohrläppchen. »Möglich wäre es natürlich, aber nicht sonderlich wahrscheinlich, Chefin. Die Bekleidung der Verschollenen ist so mitgenommen, daß eher das Gegenteil anzunehmen ist. Auch wir haben nicht nur unsere Atemluft irgendwie verbraucht, sondern auch unsere Waffen fast leergeschossen, das beweisen die Kontrollanzeigen. Auch die Beine unserer Raumanzüge haben Schadstellen, wie sie nur konzentrierte Säure hervorrufen kann. Das alles sieht mir etwas zu realistisch aus.« Leandra de Ruyter nickte zögernd. »Das stimmt allerdings. Die volle Wahrheit werden wir jetzt aber wohl nicht mehr herausfinden können, nachdem es keinen Transmitterkreis mehr gibt. Trotzdem werde ich ein Team von Wissenschaftlern nach Dusty beordern. Wenn wir wenigstens feststellen könnten, nach welchem Prinzip die Transmitter arbeiten, wäre genug erreicht.« Sie verließen den Felsdom und begaben sich auf den Rückweg durch den Gang. Draußen war der Abtransport der bemitleidenswerten Raumfahrer in
vollem Gange. Auch die ORION-Crew bestieg ihren Kettenpanzer und begab sich auf den Rückweg zum Schiff. Sie hatte ihre Aufgabe gelöst, der Heimkehr zur Erde stand nichts mehr im Wege. »Viel klüger sind wir durch all das nicht geworden, Freunde«, sagte Cliff McLane, als die ORION IX sich wieder im Raum befand. »Natürlich wird man jetzt den Ruhm unseres vorzüglichen Teams wieder in allen Tonarten singen, aber eine echte Befriedigung kann mir daraus nicht erwachsen. Eine Anzahl guter Männer ist im Zusammenhang mit Dusty nicht nur körperlich, sondern auch geistig schwer geschädigt worden. Ich brauche nur an das Bermuda-Dreieck zu denken, um zu wissen, daß auch in der nahen Zukunft noch allerhand auf uns zukommen wird.« »Akzeptiert, Cliff«, sagte Mario de Monti. »Nur in einer Hinsicht gibt es etwas Erfreuliches: Brian Hackler hat sich selbst übertroffen, als er die richtige Schlußfolgerung aus unserem Schweigen zog. Sollten wir nicht daraufhin das Kriegsbeil begraben und ihn zu einem Archer's tears ins Starlight-Casino einladen?« »Gern – aber zu einem unverdünnten!« grinste der Commander. ENDE