Seewölfe 170 1
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Der Wind stand von Westen und schien etwas dagegen zu haben, die „Isabella VIII.“ in...
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Seewölfe 170 1
Davis J.Harbord 1.
Der Wind stand von Westen und schien etwas dagegen zu haben, die „Isabella VIII.“ in die weitgeöffnete Trichtermündung der Themse einzulassen. Da halfen nur Kreuzschläge und ein verbissenes Gegenanknüppeln. Draußen auf See war das ein Spielchen, mit dem die Seewölfe aus dem Handgelenk fertig wurden. Hier sah das anders aus. Die Galeone hatte tief geladen, und da waren diese verdammten Sande in der Themsemündung, von denen sogar die Fischer von Sheerness und Southend ständig behaupteten, da sei jemand tagtäglich dabei, unter Wasser Sand abzuladen - Berge davon! Abladen und irgendwo wieder aufbauen. Und tückisch genug: das Aufbauen immer dort, wo es vorher tief und sicher genug gewesen war, auch mit der schwersten Ladung noch durchschlüpfen zu können. Es war immer gut, jemandem für diese Veränderungen in der Einfahrt zur Themse die Schuld zuschieben zu können. Dabei waren hier keine Wassermänner oder womöglich Nixen und Meerweiber am Werk, sondern wer da baggerte, das waren Ebbe und Flut, der Themsestrom und jene Kraft unzähliger Tonnen von Wasser, die sich seit Menschengedenken durch jene Enge preßten und wälzten, die von den Engländern „Channel“ und von den Franzosen „La Manche“ genannt wurde. Die Leute hüben und drüben der Kanalküste - und die mußten es ja wissen behaupteten auch, diese Enge sei ein bestimmter hinterer und unterer Körperteil des Teufels, deswegen zöge es dort auch so, und riechen könne man es auch. Aber den Kanal hatten die Seewölfe bereits hinter sich gebracht - bei Westwind kein Problem, mit dem hätten sie sich bis an die niederländischen Küsten blasen lassen können, aber da wollten sie ja nicht hin. Nein, sie wollten nach London. Und darum waren sie zuerst mit einem langen Schlag über Steuerbordbug an Ramsgate vorbei nordwärts gelaufen und so hoch wie möglich an den Wind gegangen.
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Ben Brighton, Philip Hasard Killigrews Bootsmann und erster Offizier, lotste die „Isabella“ an den Sanden vorbei. An Backbord waren es die Shingles, an Steuerbord der massige Long Sand. Er kannte diese Ecke, denn er war in Gravesend geboren und mit Themsewasser getauft worden. Sein Vater war Fischer gewesen und später auf See geblieben. Und Ben hatte schon als Junge draußen beim Fischfang hart mit anpacken müssen, ganz abgesehen von den Maulschellen, die es hagelte, wenn er als Rudergänger auf die Sande gesteuert war. Vielleicht beruhte auf diesen Erfahrungen Ben Brightons unbedingte Zuverlässigkeit, die Hasard an ihm so schätzte. Ruhig wie eh und je stand dieser breitschultrige, dunkelblonde Mann am Ruderhaus bei Pete Ballie und gab seine Kursanweisungen. Philip Hasard Killigrew konnte Däumchen drehen. Wenn Ben Brighton die „Isabella“ fuhr, hatte der Kapitän, wenn es so etwas überhaupt für ihn gab, Ruhepause. Es war frisch an diesem Tag, Anfang Mai 1588. Ungeachtet dessen waren die Männer der „Isabella“, braungebrannte, sehnige Gestalten, barfuß. Die Knaben Hasard und Philip, Philip Hasard Killigrews Zwillingssöhne, patschten ebenfalls barfuß über die Kuhl, bewaffnet mit Pütz und Schrubber, um das Deck zu säubern. Wasser war dabei die Hauptsache, das holten sie sich mit der Pütz, die an einem langen, eingespleißten Tampen hing, von außenbords an der Leeseite. Hasard beobachtete seine Sprößlinge. Nach deren Mienen zu urteilen, war da wieder was im Busch. Außerdem flötete Hasard junior - bei ihm immer ein Zeichen dafür, Unauffälligkeit zu mimen, aber bereits etwas im Schilde zu führen. Edwin Carberry, der eiserne Profos der „Isabella“, ein Mann wie ein Felsen, fuhr herum und fixierte den flötenden Knaben. „Ausscheiden!“ sagte er grimmig. Ausscheiden bedeutete nach Carberrys Sprachgebrauch soviel wie aufhören. „An Bord wird nicht gepfiffen“, fügte Carberry hinzu. „Klar?“
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„Nein“, sagte Hasard junior und grinste zu dem .Profos hoch, dem er allenfalls bis zum Nabel reichte, „nicht klar, Mister Profos, Sir, überhaupt nicht klar.“ „Nein, überhaupt nicht klar“, sagte nun auch Philip junior. Wenn es überhaupt etwas gab, um die beiden zu unterscheiden, dann war es das, daß Philip junior zumeist bestätigte, was Hasard junior feststellte. Das bedeutete keineswegs, daß er maul- oder denkfaul war, nein, es war bei ihm eher symbolisch gemeint, daß er mit seinem Bruder einer Meinung sei und demzufolge ihrer beider Meinung als einstimmig anerkannt werden müsse. „Wer an Bord pfeift, verscheucht den Wind“, erklärte Edwin Carberry, die Pranken in die Seiten gestützt. „Und was ist, wenn kein Wind weht?“ „flaute“, sagte Hasard junior. „Flaute“, bestätigte Philip junior, runzelte aber die Stirn und blickte zu dem Profos hoch. „Bist du ganz sicher, daß kein Wind mehr weht, wenn jemand an Bord pfeift, Mister Profos, Sir?“ „Ganz sicher“, erwiderte Carberry mit dem Brustton der Überzeugung und landete damit in der Falle, die Philip junior prompt zuschnappen ließ. „Und bei Sturm?“ sagte er. „Warum pfeift da keiner, damit der Wind einschläft, Mister Profos, Sir?“ Die Männer auf der Kuhl, die dem Dialog gefolgt waren, begannen zu grinsen. Auch Hasard lächelte in sich hinein. Da saß der Profos ganz schön in der Zwickmühle. „Hm“, sagte der Profos und kratzte sich den Bauch. „Bei Sturm gilt das nicht, und zwar deswegen nicht, weil der Sturm beim Heulen und Brausen gar nicht hört, daß jemand pfeift. Ist doch klar, oder?“ Na, da hatte sich der Profos doch noch herrlich herausgeredet. Die Erklärung war gar nicht so schlecht. „Schade“, sagte Philip junior, war aber keineswegs von Carberrys Argument überzeugt. „Wir müßten eben alle Mann pfeifen und dann auf vier Fingern – so!“ Er steckte die rechten und linken Zeigefinger
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und Mittelfinger schräg in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Carberry zuckte zusammen. Und er zuckte noch einmal zusammen, als auch Hasard junior auf die gleiche Weise demonstrierte, wie man bei Sturm den Wind überlisten könne. Da Hasard junior einen halben Ton höher pfiff, ergab das einen Mißklang, daß man Zahnschmerzen kriegen konnte. Und auf den Fingern pfeifen, das konnten die beiden, alles was recht ist. „Ausscheiden!“ brüllte der Profos. „Seid ihr wahnsinnig?“ Hasard junior und Philip junior starrten gebannt zu den Segeln hoch. Die standen nach wie vor prall und voll. Der Wind ließ um keinen Deut nach. Von Luv fiel sogar eine Bö ein, und Pete Ballie ging sofort höher an den Wind. „Von wegen Flaute“, sagte Hasard junior erbittert. „Ich glaube, du kohlst, Mister Profos, Sir!“ „Wollt ihr wohl das Deck schrubben, ihr Flautenflöter!“ grollte der Profos. „Aye, aye, Sir“, sagten die beiden unisono. Hasard junior schnupperte zur Kombüse hin und fügte hinzu: „Riecht gut heute.“ Philip grinste nur, und fast hätte Hasard junior wieder geflötet. Denn auf Hasard juniors Stichwort hin, daß es gut rieche, setzte sich der Profos in Marsch, wie er es vor dem Backen und Banken mittags immer tat, um in der Kombüse in die Töpfe zu gucken und zu überprüfen, was der Kutscher, Koch und Feld= scher an Bord der „Isabella“, dieses Mal „zusammengemanscht“ habe. Vater Hasard wußte, daß dem Kutscher diese Topfguckereien Ed Carberrys ganz gewaltig stanken, aber der Profos war nun einmal das Mädchen für alles, also hatte er auch das Recht, die Mahlzeiten zu begutachten. Carberry riß das Kombüsenschott auf, trat ein und knallte es hinter sich wieder zu. Und drinnen ging das Palaver los. Hasard junior und Philip junior blickten sich kurz an, nickten sich zu - und wurden aktiv. In Höhe der Kombüse stieg Hasard junior aufs Schanzkleid, schwenkte seine Pütz
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außenbords, unten klatschte es. es gab einen kurzen Ruck in der Pützleine, und schon holte Hasard junior Hand über Hand die Pütz hoch - gefüllt mit Seewasser. Indessen schrubbte Philip junior das Deck vor der Kombüse und nahm einen schnellen Rundblick, als sein Bruder die Pütz hochgehievt hatte. Ja, alle Männer waren beschäftigt. Vater Hasard übersah er, denn der stand hinter dem Besanmast und war verdeckt. Aber Vater Hasard sah alles und stellte fest, daß seine beiden Knaben ihren Plan sauber abgestimmt hatten. Das war's also. Denn plötzlich stand die Pütz mit dem Seewasser direkt über dem Kombüsenschott, und zwar hart auf der Kante des. Kombüsendachs. Die Pütz, ein Holzeimer, hatte wie üblich einen nach innen versetzten Boden, der etwa drei Fingerbreiten höher lag als der untere Stellrand der Pütz. Philip junior lehnte seinen Schrubber gegen das Kombüsenschott, und zwar so, daß der Stiel mit seinem oberen Ende direkt den Pützboden berührte. Immerhin hatte er in dieser Stellung eine Art Widerlager von drei Fingerbreiten, die von der unteren Pützumrandung gebildet wurden. Vater Hasard ließ den Dingen ihren Lauf. Inzwischen schrubbten seine beiden Knaben voller Hingebung mit Handbürsten das Deck in Höhe des Großmastes auf der Backbordseite. Aber so voller Hingebung waren sie gar nicht, weil sie viel zu lange auf ein und derselben Stelle herumschrubbten, als gelte es, dort die Decksplanken durchzuscheuern. Außerdem linsten sie zum Kombüsenschott, statt auf ihre Schrubbarbeit zu schauen. Allerdings hatten die beiden Knaben noch einen Beobachter gehabt - Arwenack, den Bordschimpansen. Denn der sauste plötzlich vom Großmars hinüber zum Fockmars, an den Luvwanten nach unten und turnte aufs Kombüsenschott. Dort hockte er sich vor die Pütz und begutachtete sie.
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„Hau ab, du Affenarsch!“ fauchte Hasard junior empört und drohte mit der Handbürste. Zu allem Überfluß erschien auch noch das zweite Bordtier der „Isabella“ - Sir John, der Aracanga-Papagei. Er segelte von der Fockrah nach unten und landete auf dem Rand der Pütz. Von dort aus beschimpfte er Arwenack auf übelste Weise und unter Zuhilfenahme der Carberryschen Kraftausdrücke. „Jawohl!“ zischte Hasard junior „Gib's dem Idioten, Sir John! Scheuch ihn weg! Zwick ihn in den Hintern, verdammt noch mal!“ Arwenack keckerte, langte mit der Rechten in die Pütz und bespritzte Sir John. Der wurde geradezu rasend. Dabei hatte er eine Stimme wie ein keifendes Marktweib, das sich gegen den Vorwurf verteidigte, faules Gemüse verkauft zu haben. Somit wurde aller Aufmerksamkeit auf die Kombüse gelenkt. Da war keiner, der nicht mit einem Blick sah, was dort in Szene gesetzt worden war. Umso sonderbarer erschien das Gebaren der beiden Knaben. Die waren mit einem Eifer beim Deckschrubben, als sei für die sauberste Planke ein Preis ausgesetzt worden, den es zu erringen galt. „Ruhe!“ brüllte Carberrys Stimme aus der Kombüse. Sekunden später schoß er aus dem Kombüsenschott. Die Pütz-Schrubber-Konstruktion, von zwei Knaben ersonnen, war von vorzüglicher Qualität. Hasard vermutete, daß seine beiden Sprößlinge eifrig geprobt hatten, um den richtigen Effekt zu erzielen. Jedenfalls prallte das Schott gegen den schräg angelehnten Schrubberstiel, dessen Ende unter der Pützenumrandung wirkte zugleich wie ein Hebel, lüftete die Pütz an, und damit war sie auch schon am Kippen. Seewasser ergoß sich über Carberrys Haupt, einen Atemzug später folgte die Pütz selbst, und das war das Genialste an der ganzen Konstruktion — Carberrys massiger Schädel verschwand unter der Pütz.
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Er sah aus wie ein holzbehelmter Ritter mit geschlossenem Visier. Der aufgeschreckte Sir John kurvte zeternd um den Topfhelm, landete obenauf und hämmerte seinen scharfen Schnabel auf den Unterboden, als gäb's dort fette Maden aus dem Holz zu picken. „Hö-hö!“ lachte Smoky, der Decksälteste der „Isabella“. „Hö-hö-hö! Ritter Ed und sein Wappenvogel!“ Gelächter dröhnte über die Decks der „Isabella“. „Eds neuer Hut!“ schrie Al Conroy, der Stückmeister. Sam Roscill brachte sogar einen Reim zustande und schrie: „Jedem Köpfchen — sein Töpfchen!“ Langsam nahm Carberry die Pütz vom Kopf und verscheuchte Sir John. Sein Haar war klitschnaß, Wasser tropfte von seinem Kinn. Ebenso langsam drehte er sich um und betrachtete den an Deck liegenden Schrubber. Dann war er gar nicht mehr langsam. Er wirbelte herum und hatte plötzlich die beiden Knaben am Schlafittchen, den einen links, den anderen rechts. Den linken, es war Hasard junior, hängte er der Einfachheit halber an eine Belegklampe am Großmast, um die Hand frei zu haben. Und darum erhielt Philip junior zuerst seine Dresche. Dann war Hasard junior an der Reihe. Beide Knaben litten stumm und ohne zu mucksen. Vater Hasard blickte angelegentlich durch den Kieker nach Backbord, wo es nichts weiter zu sehen gab als zwei Möwen, die sich dicht über dem Wasser um einen Fisch balgten. „Heute gibt's Mehlklöße mit süßen Backpflaumen“, verkündete Edwin Carberry ganz allgemein, nachdem die beiden Knaben ihre Senge bezogen hatten. „Wer die Kerne an Deck spuckt, den wringe ich eigenhändig aus und hänge ihn zum Trocknen an die Fockrah. Laß die Backschafter für die Freiwache Essen fassen, Smoky!“ „Aye, aye“, sagte Smoky. Carberry legte die Hände auf den Rücken, wippte auf den Fußballen und fixierte die beiden Sünder.
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„Den alten Profos ärgern, was, wie?“ sagte er grimmig. „Streiche aushecken und Wasserfallen bauen, das schmeckt mir. Und wie mir das schmeckt. Na, wir werden sehen.“ Er hob den massigen Schädel und brüllte: „Kutscher!“ Der erschien im Kombüsenschott, einen Kochlöffel in der Hand. Der Profos sagte: „Was essen diese beiden Knaben am liebsten?“ „Mehlklöße mit süßen Backpflaumen“, erwiderte der Kutscher prompt. „Aber in der Mischung mehr süße Backpflaumen als Mehlklöße. Jungen in dem Alter mögen es mehr süß, verstehst du?“ Der Kutscher runzelte die Stirn. „Warum fragst du?“ „Diese beiden Knaben“, sagte der Profos und deutete mit dem Zeigefinger erst auf Hasard junior und dann auf Philip junior, „verzichten heute mittag auf Mehlklöße mit süßen Backpflaumen und wollen dafür lieber das Kuhldeck schrubben, klar?“ „Aber .. . „Ich sagte, daß sie verzichten“, knurrte der Profos, „und ein Verzicht muß respektiert werden. Das heißt, du wirst diesen beiden Knaben auch nach Beendigung des Deckschrubbens keine Mehlklöße mit süßen Backpflaumen zuschieben, denn ihr Verzicht gilt bis zum Backen und Banken heute abend. Ist das klar, Mister Kutscher?“ „Das ist barbarisch!“ Carberry betrachtete seine beiden Hände, wölbte sie und ließ sie zu Fäusten werden. Er tat das sehr langsam und sehr /bedächtig und sehr genüßlich. Eine offene Hand ist etwas Friedliches. Geballt wirkt sie bedrohlich. Des Profos' Fäuste indes waren weit mehr als bedrohlich — bedrohlich, das wäre eine Verniedlichung gewesen. Diese Dinger Carberrys hätte man getrost aus Neunpfünder-Culverinen abfeuern können. Mauerbrecher waren das. Carberry hob den Kopf wieder und blickte den Kutscher stumm an. Kein Wort sagte er, dieser Carberry. Aber seine Augen sagten etwas — und seine NeunpfünderFäuste.
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Und darum sagte der Kutscher sehr schnell: „Alles klar, Mister Carberry, habe verstanden, aye, aye, Sir.“ Carberry nickte und blieb weiter stumm, als er sich zu Hasard junior und Philip junior umdrehte. Er brauchte auch nichts mehr zu sagen — die beiden schrubbten bereits das Deck der Kuhl. Und wie! Als die wachfreie Crew im Vordeck Mehlklöße und süße Backpflaumen verspeiste, schrubbten sie immer noch. Da sie dabei intensiv auf die Planken starrten, konnten sie nicht sehen, wie Edwin Carberry grinste. Und auf dem Achterdeck hatte Philip Hasard Killigrew eine Menge Mühe, ernst zu bleiben. 2. Um 14.30 Uhr lag die „Isabella“ Sheerness über Backbordbug an und wendete in Sichtweite des Hafens auf den anderen Bug, um noch einen letzten Schlag in die Mündung nach Nordwesten zu segeln. Dann würde es verdammt knapp mit dem Kreuzen werden, aber zu diesem Zeitpunkt würde die Tide umkippen und die Flut einsetzen. 14.35 Uhr aber brüllte Bill, der Moses, der im Großmars Ausguck ging: „Backbord querab drei Kriegsgaleonen!“ Hasards Kopf flog herum, ebenso die Köpfe aller an Deck befindlichen Männer. „Mann, sind das Brocken!“ sagte Smoky ehrfürchtig. Ja, das waren sie wirklich, und als sie plötzlich aus dem Raumschotskurs heraus einer nach dem anderen anluvten und auf Parallelkurs zur „Isabella“ gingen, zeigten sie ihre Steuerbordseite, und die sah nun alles andere als freundlich aus. Sie waren gefechtsklar, diese drei Kriegsgaleonen, und hatten allerlei zu bieten, vor allem der Koloß, der als zweiter in der Kiellinie segelte. Hasard schätzte ihn auf über tausend Tonnen. Wenn er richtig gezählt hatte, war dessen Steuerbordbreitseite mit zweiundzwanzig Kanonen bestückt — etwa 34pfündern. Dagegen nahmen sich
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die je acht 17pfünder-Culverinen — auch wenn sie Langrohre waren — auf der Backbord- und Steuerbordbreitseite der „Isabella“ geradezu lachhaft aus. Ja, sie zeigten, was sie hatten. Die Geschützpforten waren geöffnet. Die Rohre ragten aus den Luken wie Zähne eines Raubtiers, bereit, zuzuschnappen. Big Old Shane, der ehemalige Waffenmeister und Schmied von Arwenack, war neben Hasard getreten. Der Riese mit dem verwitterten Granitgesicht grinste schwach. „Halten die uns für verdammte Dons, oder was?“ brummte er. „Der in der Mitte hat zweiundzwanzig Rohre, der vorn siebzehn, und der achtern segelt, präsentiert uns nur mal eben zwanzig von diesen überschweren Krachern. Summa summarum: neunundfünfzig Stücke allerübelster Sorte, von den kleineren Sächelchen gar nicht zu reden.“ „Hm“, sagte Hasard, mehr nicht. „Wenn die auf einen Schlag feuern und auch treffen“, fuhr Old Shane sinnig fort, „dann können wir die Restsplitter von der ,Isabella` gleich vom Himmelstor kratzen.“ „Oder vom Eingang zur Hölle“, meinte Hasard. Big Old Shane blickte Hasard schief an. „Du findest das wohl witzig, wie?“ „Ich lach mich halbtot“, sagte Hasard undeutlich. Er hatte das Spektiv vorm Auge und auf die vorderste Galeone gerichtet, die offensichtlich das Flaggschiff war. Er stutzte, und dann murmelte er: „Ach, du meine Güte, der fehlt uns gerade noch!“ „Wer?“ Hasard ließ das Spektiv sinken. „Charles Lord Howard von Effingham, Lordadmiral Ihrer Königlichen Majestät.“ Big Old Shane war nicht leicht zu verblüffen. Aber jetzt sah er aus, als sei er mit dem Schädel gegen eine Burgmauer gerannt. „Was?“ ächzte er. „Dieser alte Knacker, dem du damals vorm Tower den Marsch geblasen und dann den goldenen Anker vor die Füße geknallt hast?“ „Genau der“, sagte Hasard verbissen.
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„Ich hol meinen Langbogen“, sagte Big Old Shane wild. Hasard schüttelte den Kopf. „Sei vernünftig, Shane.“ Er schüttelte wieder den Kopf, diesmal tadelnd. „Ideen hast du — Langbogen gegen neunundfünfzig Kracher. Ich glaub, heute hast du deinen witzigen Tag.“ Er straffte sich. „Ben!“ Ben Brighton blickte zu ihm herüber. „Sir?“ „Wir gehen auf den anderen Bug, Ben“, sagte Hasard und spähte zu den in Luv segelnden drei Galeonen, „und zwar schneller, als wir jemals gewendet haben.“ Hasards Stimme wurde metallen. „Und dann brechen wir zwischen dem mittleren Brocken und seinem Hintermann durch. Ist das klar?“ „Aye, aye, Sir“, Ben Brighton grinste, „völlig klar. Du willst ein bißchen Katz und Maus spielen, wie?“ „Ha!“ sagte Big Old Shane. „Katz und Maus spielen! Seid ihr total übergeschnappt? Bei denen braucht nur ein mieser Stückmeister das Zittern zu kriegen - und schon brennen die Lunten!“ „Engländer schießen nicht auf Engländer“, erklärte Ben Brighton. „Das sagst du!“ Der Riese zerrte an seinem eisgrauen Bart: Er wollte mich etwas hinzufügen, aber da fuhr Hasard dazwischen. „Schluß der Debatte! Klar zum Wenden!“ „Klar zum Wenden, aye, aye!“ Und schon nahm Carberry das Kommando auf. Längst wußten die Männer, um was es ging. Solche „Spielchen“ liebten sie, und dann packte sie der. Ehrgeiz. Sicher, riskant war der Durchbruch durch die Kiellinie eines anderen Verbandes, aber riskant war die ganze verdammte Seefahrt, mit oder. ohne Durchbruch. Und klappte es, dann war's ein Mordsspaß, klappte es nicht, gab's eine VierkantRamming mit viel Krach und Getöse und zersplittertem Bugspriet. Als wenn das nicht auch ein Spaß wäre! So dachten die Seewölfe des Philip Hasard Killigrew, und die Wende, die sie hinlegten, war ein Blitzmanöver. Sie hatten sogar noch Höhe herausgeschunden, aber das besorgte Pete Ballie, der beste
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Rudergänger, der je auf englischen Schiffen gefahren war. Er brauchte auch nicht mit dem plumpen Kolderstock herumzumurksen, bei dem sich eine Ruderwirkung erst einstellte, wenn der Rudergänger bereits eingeschlafen war, sondern seinen Fäusten gehorchte ein Steuerrad, auf dessen geringste Veränderung die „Isabella“ wie ein empfindsames Rassepferd reagierte. Jetzt lag sie wieder auf Backbordbug und stob mit schäumender Bugsee auf den mittleren Koloß zu - ein Jagdhund, der auf einen Wisent oder Auerochsen zupfeilt, um ihn dort zu packen, wo er empfindlich ist, nämlich zwischen den Nüstern. Drüben, auf dem mittleren, schweren Brocken, standen sie wie die Ölgötzen am Schanzkleid der Steuerbordseite. Aber nicht nur da, auch bei der vorderen und der achteren Galeone. Hasard ließ das Spektiv über die Breitseiten wandern. Der Lordadmiral auf dem Achterdeck des Flaggschiffs hatte den Mund offen, als habe er die Absicht, zwei Klöße auf einmal zu schlucken. Schluck nur, dachte Hasard grimmig, und erstick dran! Sie reagierten nicht, wie gelähmt glotzten sie. Entweder hatten sie noch nie eine solche Blitzwende gesehen, oder die Frechheit verblüffte sie, mit der diese ranke, eher kleine Dreimast-Galeone auf das schwerste Schiff ihres Verbandes losging. Aber sie ging gar nicht auf das Mittelschiff los. Was dann? Teufel! Die schrammte auf Spuckweite am Achterkastell der mittleren Galeone vorbei - und da turnte doch wahrhaftig ein Affe auf der Großrah entlang. Ein Affe! Oder war das kein Affe? Doch, das mußte einer sein, wie der die Zähne fletschte. Und da holt dieses Vieh doch weit aus mit der Rechten. Die hält eine Kugel. O heiliger Gottseibeiuns! Eine Wurfgranate! Im hohen Bögen fliegt sie aufs Achterdeck - und zerplatzt! Da fließt was Milchiges heraus, und innen ist die Wurfgranate weiß.
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„Arwenack!“ brüllte eine Stimme auf der ranken Galeone, eine Stimme wie Donnergrollen. „Dir zieh ich doch gleich die Haut streifenweise von deinem verdammten Affenarsch! Enter sofort ab, du Rübenschwein, du dreimal verlauste Kombüsenwanze ...“ Und über dem Kerl auf der Kuhl, der da brüllte, schaukelte im Hauptluvwant ein roter Papagei und krächzte: „Scheißkerl! Scheißkerl! Streich die Flagge, Bastard ...“ Schon brauste die wilde Jagd vorbei. Der Blick erhaschte noch wilde, braungebrannte, grinsende Gesichter, Kerle, mit Muskeln aus Eisen, strotzend vor Gesundheit, und jetzt grinsten sie nicht mehr, sie lachten sich halbtot. Etwas später begriffen die Männer auf den drei Kriegsgaleonen, daß ihnen diese ranke Dreimast-Galeone mit den überlangen Masten an Wendigkeit und Schnelligkeit haushoch überlegen war. Aber nicht nur das. Sie hatte wieder so blitzartig wie zuvor gewendet und lief jetzt über Steuerbordbug eine Höhe am Wind, die keine der drei Kriegsgaleonen mithalten konnte, es sei denn mit verlangsamter Fahrt und killenden Segeln. Jetzt hatte dieses Teufelsschiff eindeutig die Luvposition. Auf dem Flaggschiff wurde ein Warnschuß abgefeuert, und eine Stimme brüllte: „Stoppen Sie sofort, oder Sie erhalten eine Breitseite!“ Auf der „Isabella“ sagte Big Old Shane: „Da haben wir den Mist.“ Hasard lächelte nur und rief: „Ben, geht in den Wind und geit die Segel auf! Wir haben unseren Spaß gehabt. Die Wenden waren übrigens bestens. Petes Ruderführung auch.“ „Danke, Sir.“ Ben Brighton lächelte zurück. Minuten später lief die „Isabella“ aus und dümpelte im Wind. Das Flaggschiff schob sich heran, schwer und drohend. Die Kanonen waren immer noch ausgefahren. Die Geschützbedienungen standen bereit und klar bei Lunten. Der sehr ehrenwerte Lordadmiral war offensichtlich eingeschnappt, wie Hasard durchs Spektiv
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feststellte. Er geruhte, intensiv nach Lee zu starren, als ginge ihn die „Isabella“ nichts an. Von der Luvseite her rief ein Offizier: „Ihr Schiff muß untersucht werden! Lassen Sie eine Jakobsleiter ausbringen!“ Hasard zeigte klar und murmelte: „Das sind ja ganz neue Sitten, sind das.“ „Tun wir ihnen den Gefallen?“ fragte Ben Brighton. „Zunächst mal ja.“ Hasard kaute auf seiner Unterlippe. „Aber keiner tritt uns auf die Füße.“ Er hob die Stimme. „Ed! Laß die Jakobsleiter auf der Backbordseite ausbringen!“ „Aye, aye!“ rief der Profos zurück. Das Flaggschiff lief an der „Isabella“ vorbei, setzte sich vor sie und ging mit aufgegeiten Segeln in den Wind. Die beiden anderen Kriegsgaleonen fächerten auseinander. Der schwere Brocken, hinter dem die „Isabella“ durch die Kiellinie gebrochen war und den der Schimpanse Arwenack mit einer Kokosnuß bombardiert hatte. ging auf der Steuerbordseite der „Isabella“ auf Warteposition, das letzte Schiff des Dreier-Verbandes blieb an Backbord der Seewölfe. Jetzt waren die Namen der drei Kriegsschiffe lesbar. Der Lordadmiral hatte sich auf der „Arc Royal“ eingeschifft. Die schwimmende Festung mit den insgesamt vierundvierzig Kanonen hieß „Triumph“ und das letzte Schiff des Verbandes „Victory“. Das waren stolze Namen - ein bißchen zu protzig, fand Hasard, denn die „Triumph“ zum Beispiel mit ihren schweren Krachern hätte wohl kaum noch triumphiert, wenn ihr statt einer Kokusnuß ein paar von Ferris Tuckers „Höllenflaschen“ aufs Achterdeck gefallen wären. Außerdem hätte die „Isabella“, als sie achtern, nahezu auf Spuckweite, an der „Triumph“ vorbeirauschte, die acht 17pfünder der Steuerbordseite ins Heckkastell jagen können, und da wäre jeder Schuß ein Volltreffer gewesen. Es hatte auf die kurze Entfernung das Format eines vierfachen Scheunentors gehabt. Da hätte ein Blinder
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getroffen. Die Ruderanlage wäre bestimmt beim Teufel gewesen. Hasard blickte voraus zur „Arc Royal“. Dort tat sich gar nichts. Offensichtlich überließ es der sehr ehrenwerte Lordadmiral seinen Trabanten, sich um den Frechling zu kümmern, der es gewagt hatte, ihre Linie zu durchkreuzen. Die Gefechtsbereitschaft war auch noch nicht aufgehoben. Von drei schweren Kriegsschiffen umstellt und in die Zange genommen -da war nicht mehr viel drin für die „Isabella“. Allerdings, wenn sie das dort auf den drei Schiffen dachten, dann kannten sie Philip Hasard Killigrew nicht. Der hatte immer noch einen Trumpf im Ärmel. „Galeone an Backbord fiert Beiboot ab!“ meldete Bill vom Hauptmars. Aha, das war die „Victory“. Hasard schaute durchs Spektiv hinüber. Der Kapitän dort drüben, das war ihm schon vorher bereits aufgefallen, hatte das Spektiv ständig vorm Auge gehabt und die „Isabella“ von vorn bis achtern und von achtern bis vorn immer wieder gemustert. Wahrscheinlich sah er ein Schiff wie die „Isabella“ zum ersten Male. Jetzt stand er am Steuerbordschanzkleid der Kuhl und wartete auf das Aussetzen des Beibootes. Er hatte ein Raubvogelgesicht, das durch den grauen Spitz- und Knebelbart noch schärfer wirkte. Der Jüngste war er bestimmt nicht mehr, Mitte Sechzig mochte er sein. Hier gaben wohl die alten Herren den Ton an. Immerhin hielt er sich ziemlich straff. Bei ihm befanden sich acht Seesoldaten bis an die Zähne bewaffnet. Dann gesellte sich noch ein Offizier dazu. Das Beiboot klatschte aufs Wasser, mit dem Bug zuerst, weil der Achterläufer vertörnt war. Hasards Männer begannen zu grinsen. Das hatten sie schon besser gesehen, vor allem, sie konnten es besser. Die da drüben sollten das mal exerziermäßig üben, diese Anfänger! Der Kapitän sagte barsch etwas zu dem Offizier, und der Offizier pfiff einen Bootsmann an.
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Das Beiboot hing mit dem Bug im Wasser und dem Heck in der Luft. Die Seewölfe amüsierten sich köstlich. Ein Mann klarierte den Achterläufer und mußte auf der schweren Spiere entlangturnen, mit der sie das Beiboot achtern nach außen geschwenkt hatten. „He, Paddy!“ brüllte Carberry hinüber. „Nimm 's Messer, dann geht's besser und vor allem schneller. Wir wollen nämlich heute noch nach London und die gute Bess besuchen, verstehst du? Wir haben ihr nämlich was mitgebracht!“ Er schwieg einen Moment. Dann schrie er: „Na, was ist? Du fummelst zuviel, Junge! Hast du noch nie einen Achterläufer klariert, was, wie? Und so was fährt zur See ...“ „Ed! Ich bitte mir Ruhe aus!“ rief Hasard zur Kuhl hinunter und unterbrach damit Carberrys Ergüsse, von denen er wußte, zu welchen Steigerungen der Profos fähig war. „Aye, aye, Sir!“ rief Carberry zurück. „Aber ich tu's, um den alten Sklaventreiber zu ärgern! Was meinst du, was der jetzt für eine Wut im Bauch hat, der alte Knacker!“ „Von wem sprichst du?“ „Von dem Knebelbart, Sir! Das ist John Hawkins! Bei dem bin ich als Moses gefahren! Wußtest du das nicht?“ „Hawk ins“, murmelte Hasard, „Admiral Sir John Hawkins. So ist das also. Na, auf das Tänzchen bin ich gespannt!“ In seinen eisblauen Augen begann es zu funkeln. Er drehte sich zu Ben Brighton um. „Hörten wir nicht in Plymouth, Hawkins sei jetzt Schatzmeister und Inspekteur der Marine Ihrer Majestät, Ben?“ „Genau das.“ Ben Brighton nickte und lächelte schwach. „Aber angefangen hat er als Pirat. Drake ist damals unter ihm gefahren. Da handelten die beiden noch mit Sklaven - mit Schwarzen, die sie an die Spanier verkauften, bis die Dons sie drüben in San Juan de Ulua aufs Kreuz legten. Dabei soll Hawkins mit seiner ,Minion` am meisten Zunder gekriegt haben, während Drake mit der ,Judith` das Weite gesucht hat. Seitdem ist Hawkins Drake nicht gerade grün - da geht's ihm nicht anders als uns.“
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..Das könnte ein Vorteil sein“, meinte Hasard. Er verließ das Achterdeck, stieg den Niedergang zur Kuhl hinunter und wandte sich an Carberry. „Was ist Hawkins für ein Mann, Ed.?“ „Hm.“ Carberry strich sich über das Rammkinn. „Schlecht ist er nicht, aber du bist besser.“ Hasard lächelte. „Ich will nicht wissen, was ich bin, Ed. Also?“ „Ausgekocht ist er, der verdammte Affenarsch“, erklärte Carberry in seiner unnachahmlichen Weise. „Daß den die Dons damals in San Juan de Ulua geleimt haben, ist überhaupt ein Witz, weil's sonst immer umgekehrt war.“ „Warst du damals dabei?“ „Klar. Als Drake mit der ,.Judith` verschwunden war, hättest du ihn mal toben sehen sollen. Der hat unser Wrack, die ,Minion', nur nach England zurückgebracht, um Drake in die Mangel zu nehmen. Und wenn es das letzte wäre, was er je täte, verkündete er damals.“ „Dann ist er also zäh, wie?“ „Zäh wie Leder“, erwiderte Carberry, „und immer scharf aufs Geschäftemachen. Der würde sich sogar selbst beklauen, wenn er davon einen Vorteil hätte.“ Carberry reckte den Kopf. „Jetzt hat dieser Hering dort drüben doch endlich den Achterläufer klariert. Wurde aber auch Zeit.“ Hasard schaute hinüber. Gerade enterten die Rudergasten und der Bootssteurer ab. Dann folgten die acht Seesoldaten und zuletzt der Offizier sowie der Admiral. Carberry kratzte sich wieder das Rammkinn und druckste herum. „Was ist los, Ed?“ fragte Hasard. „Mir ging gerade was durch den Kopf.“ „Was?“ „Dieser Affenarsch auf der ,Arc Royal` rief doch, unser Schiff solle untersucht werden.“ Carberrys Miene wurde grimmig. „Was meinst du wohl, was passiert, wenn das alte Schlitzohr Hawkins spitzkriegt, mit was wir unsere Laderäume vollgepackt haben? Erinnerst du dich noch an 1580, als wir nach London segelten, um der guten Bess unsere Schätze vor die Füße zu legen? Wie die Aasvögel sind sie damals
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über uns hergefallen. Diesmal schnappen sie uns gleich in der Themsemündung ab, so wahr ich Edwin Carberry heiße.“ „Irrtum, Ed“, sagte Hasard. „Wollen wir wetten?“ „Mit dir wette ich nicht, Sir“, brummte der Profos. Hasard zeigte sein weißes Raubtiergebiß. „Ed“, sagte er sanft, „die Männer sollen sich mit Belegnägeln ausrüsten. Aber schlagt nicht zu heftig zu.“ Die Miene des Profos' begann sich aufzuheitern. „Du willst diese Rübenschweine ein bißchen klopfen?“ „Eine Vorsichtsmaßnahme, Ed, mehr nicht. Aber wenn geklopft werden muß, dann möchte ich, daß es blitzschnell geht.“ „Darauf kannst du dich verlassen, Sir. Im blitzschnellen Klopfen waren wir schon immer große Meister!“ 3. Die acht Seesoldaten enterten zuerst und sahen aus, als gelte es zumindest eine Festung zu stürmen. Aber zunächst bildeten sie zwei Brückenköpfe links und rechts am Backbordschanzkleid, wo die Jakobsleiter außenbords hing. Vier bauten sich auf der einen und vier auf der anderen Seite auf, um den sehr ehrenwerten Admiral abzuschirmen. Dabei schnitten sie furchterregende Gesichter und schienen dennoch die Hosen voll zu haben. Ihre Blicke irrten über die grinsenden Seewölfe, die mit den Händen in den Hosentaschen dastanden und noch nicht einmal mit Pistolen bewaffnet waren. Aber da waren zwei Kerle, die offensichtlich je einen Arm verloren hatten und als Ersatz Ledermanschetten trugen, die in einem scharfgeschliffenen, blinkenden Haken endeten. Diesen Haken polierten die beiden angelegentlich am Hemdsärmel des gesunden Arms - wie Metzger, die das Schlachtmesser schleifen. O Master im Himmel! Die Seesoldaten wußten nicht, auf wen sie ihre Pistolen richten sollten, diese grinsenden Kerle sahen alle gleich wild und hart und gefährlich aus.
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„Höher ran, Pete!“ krächzte eine Stimme. Die Seesoldaten zuckten zusammen und starrten nach oben zur Großrah. Dort saß ein roter Papagei und putzte sein Gefieder. Sie starrten auch noch. als der Offizier und Admiral Hawkins vom Schanzkleid auf die Kuhl sprangen -leider in dem Moment, als Carberrys grollende Stimme ertönte. Und Carberry sagte ausgerechnet: „Daß dich der Teufel, Sir John, du verdammte Nebelkrähe!“ Admiral Hawkins stieß einen erstickten Wutlaut aus. „Meinen Sie mich etwa, Mann?“ Carberry fuhr herum, erst ein bißchen erschrocken, dann grinste er und deutete mit dem Daumen hoch. „Nee, den da oben“, sagte er, „der heißt auch Sir John, Sir John, ha-ha!“ Admiral Hawkins' Raubvogelkopf stieß vor. „Sie kenn ich doch!“ „Klar, Sir.“ Carberry verschränkte die Hände auf dem Rücken. „Fein, Sie mal wiederzusehen. Damals verscherbelten Sie Neger an die Dons - Sie und Drake. Ein Geschäft, das mein Kapitän ablehnt. Der kämpft lieber gegen die Dons, als ihnen Neger zu verkaufen. Zu unserer Crew gehört übrigens ein Neger. Der Riese dort! Heißt Batuti. Feiner Kerl, Spezialist für das Schießen mit dem Langbogen. Trifft damit noch auf zweihundert Yards Entfernung den Punkt, zum Beispiel ein Herz, auch bei sich bewegendem Ziel, etwa in einem Beiboot, das mit acht bewaffneten Scheißern besetzt ist, solchen Typen wie Ihre Leibwache — Sir!“ Carberry starrte mitten in die harten, grauen Augen des Admirals, der mehrmals die Farbe gewechselt hatte. „Was wollen Sie eigentlich bei uns an Bord, Sir?“ fragte Carberry ruhig. „Sind Sie etwa der Kapitän?“ „Nein, nur der Profos. Sie scheinen nicht zuzuhören, ich sprach bereits von ,meinem` Kapitän, der nichts vom Sklavenhandel hält.“ „Wer ist der Kapitän dieses Schiffes?“ fauchte der Admiral. „Ich“, sagte Hasard kühl. Er stand zwei Schritte vor Hawkins und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Name?“
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„Philip Hasard Killigrew.“ Als Hasard „Killigrew“ sagte, zuckten die acht Seesoldaten ein zweites Mal zusammen. Offenbar war ihnen der Name bekannt. Hawkins' Miene blieb unbewegt. „Ihr Schiff ist beschlagnahmt“, erklärte er. So?“ ..Jawohl.“ „Und kraft welchen Rechtes geruhen Sie, dieses Schiff zu beschlagnahmen, Mister?“ „Ich bin Admiral, verdammt noch mal!“ „Haben es Admirale der Royal Navy nicht mehr nötig, sich vorzustellen, wenn sie an Bord eines fremden Schiffes kommen, Mister?“ Der Mann mit dem Raubvogelgesicht steckte die Ohrfeige ein und beherrschte sich. „Ich heiße John Hawkins“, sagte er, „und bin Schatzmeister und Inspekteur der Royal Navy. In dieser Eigenschaft auch beschlagnahme ich Ihr Schiff.“ „Es ist nicht mein Schiff, Sir.“ „Wie bitte?“ Der Admiral wirkte irritiert. „Es ist nicht mein Schiff“, wiederholte Hasard. „Wieso? Sie sind doch der Kapitän.“ „Das schon — und auch Miteigner. Die anderen Eigner sind die Männer dieser Crew. Sie wollen also nicht mein Schiff beschlagnahmen, sondern das Schiff meiner Männer und meins. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Unterschied begreifen.“ „Unsinn! Haarspalterei! Das Schiff ist beschlagnahmt, basta! Was gehen mich Ihre Eigner an?“ Hasard blickte zu Carberry hinüber, ein eisiges Lächeln im Gesicht. „Hast du's gehört, Ed?“ sagte er. „Dieser Admiral meint, eure Rechte als Miteigner der ,Isabella` gingen ihn einen Dreck an. Ich hab nichts dagegen, wenn ihr jetzt ein bißchen klopft!“ Knapp zehn Sekunden später lagen die acht Seesoldaten wie hingemäht an Deck, der Offizier starrte in Ben Brightons Pistolenmündung, und dem sehr ehrenwerten Admiral saß Hasards Degenspitze an der Kehle. Carberry lehnte sich gemütlich über das Backbordschanzkleid und rief zu der
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Bootscrew hinunter: „Pullt mal schön zurück, Kinderchen! Der alte Hawkins möchte noch ein paar Stunden unsere Gastfreundschaft genießen. Er fühlt sich bei uns so wohl, hat er gesagt!“ Er winkte freundlich und holte die Jakobsleiter Hand über Hand ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die acht Seesoldaten bereits gefesselt. Ihre Waffen wurden von den Seewölfen nachlässig auf einen Haufen geworfen, sie hatten ihnen nichts genutzt, .schon gar nichts gegen die Belegnägel der Seewölfe. Die ständen wieder da, mit den Händen in den Hosentaschen, grinsend, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Diese acht bewaffneten Seesoldaten hatten sie mal so eben nebenbei weggeräumt - wie wertlosen Plunder. Dem alten Piraten John Hawkins blieb buchstäblich die Spucke weg. Er war mit allen Wassern gewaschen, aber so etwas hatte er noch nicht erlebt. Diese dreiste Verwegenheit war nicht mehr zu überbieten. Schreck, Fassungslosigkeit, Staunen wechselten auf seinem Raubvogelgesicht. Dann begann sich Wut auszubreiten, berstende Wut. „Immer ruhig“, sagte Hasard sanft. Der Degen lag wie festgefroren in seiner Hand, die stählerne Spitze an der Kehle des Admirals zitterte um keinen Deut. Dabei wirkte dieser schwarzhaarige Riese mit den eisblauen Augen völlig entspannt, ja geradezu lässig. Der Admiral begann zu keuchen. Dann wich er zurück. Hasard folgte. Der Admiral stieß gegen Carberry mit dem Rücken. Der langte nach unten, zog dem Admiral die Pistole aus dem Gürtel und warf sie verächtlich auf den Haufen der anderen Waffen. Hasard senkte den Degen und stieß ihn in die Scheide zurück. Fast beiläufig sagte er: „Das wär's wohl, Sir. Jetzt würde mich interessieren, aus welchem Grund Sie die ,Isabella' beschlagnahmen wollten.“ „England braucht jedes Schiff“, knurrte der Admiral.
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„Wieso das?“ „Nach Agentenberichten plant Spanien eine Invasion.“ „Mir bekannt“, sagte Hasard trocken. „England braucht also jedes Schiff. Das leuchtet mir ein. Und daraus leiten Sie das Recht ab, über jedes x-beliebige Schiff, das Ihren Kurs kreuzt, herfallen zu dürfen, um es zu beschlagnahmen. Ein sehr merkwürdiges Verfahren, wenn es sich um englische Schiffe handelt.“ Hasards Stimme wurde höhnisch. „Ich wundere mich, warum man nicht den vernünftigeren und auch fairen Weg wählt - nämlich den, einen Eigner oder Kapitän mit dem Hinweis auf die Gefahrenlage Englands höflich zu fragen, ob er sein Schiff der Royal Navy zur Verfügung stelle. Stattdessen greift man rigoros zu den Methoden von Strauchrittern und Buschkleppern. Offenbar ist man seitens der Royal Navy der Ansicht, es mangele diesen englischen Kapitänen und Eignern an Opferwillen und Liebe zum eigenen Land. Vielleicht bedenken Sie das einmal, Sir, bevor Sie guten Männern auf die Zehen treten, und damit nichts weiter erreichen, als Haß und Erbitterung zu säen. Wir sind freie Männer, und das haben Sie zu respektieren, auch wenn Sie Admiral der Royal Navy sind - oder besser noch, weil Sie es sind. So, und jetzt dürfen Sie sich bei uns entschuldigen, Sir.“ Der Admiral brauste auf. So etwas war ihm noch nicht geboten worden, und jetzt sollte er sich auch noch entschuldigen! „Den Teufel werde ich tun!“ schrie er. „Wer sind Sie eigentlich, daß Sie es wagen, einen Admiral Ihrer Majestät zu bedrohen, zu beleidigen und auch noch unverschämte Forderungen zu stellen? Ein Befehl von mir, und Ihr Schiff wird in Fetzen geschossen!“ „Ich dachte, Sie wollten es beschlagnahmen, Mister Hawkins“, sagte Hasard kühl. „Na gut, dann befehlen Sie mal! Ed, dieser sehr ehrenwerte Admiral Ihrer Majestät brauchte die Flüstertüte. Sie hängt im Ruderhaus. Sei so freundlich und hol sie ihm!“
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„Mit dem größten Vergnügen“, sagte der grimmige Carberry. „Beim Selbstmord eines Admirals Ihrer Majestät wollte ich schon immer mal dabeisein. Ob die so gut zu sterben verstehen wie unsereiner? Schätze kaum. Je älter sie werden, desto mehr hängen sie an ihrem Scheißleben!“ Carberry reckte sich, seine Stimme wurde dröhnend. „Männer, macht euch bereit! Gleich haben wir die Ehre, an der Seite eines Admirals Ihrer Majestät in Fetzen geschossen zu werden.“ Und schon setzte sich Carberry in Marsch zum Achterdeck. „Halt!“ brüllte der Admiral. „Jetzt weiß ich, wer Sie sind. Carberry, Edwin Carberry, nicht wahr? Sie sind damals bei mir als Moses auf der ,Minion` gefahren, stimmt's?“ Carberry drehte sich langsam um und fixierte den Admiral. „Richtig“, sagte er grollend. „Wurde auch Zeit, daß du das merkst, John Hawkins. Vielleicht erinnerst du dich auch daran, was passierte, als die Dons die ,Minion' zu entern versuchten und einer der Kerle dir ein Messer ins Kreuz stoßen wollte, was, wie?' „Ich hab's nicht vergessen.“ Der Admiral war plötzlich sehr ruhig. „Du hast ihn ums Ankerspill gewickelt ...“ „Inzwischen bin ich noch besser geworden“, brummte Carberry, und dann sagte er gereizt: „Was ist jetzt, John Hawkins? Brauchst du die Flüstertüte, oder brauchst du sie nicht? Wenn du sterben willst, hol ich sie dir. Uns ist es scheißegal, ob wir in Fetzen geschossen werden. So was zieht bei uns nicht mehr. Wir lassen uns weder erpressen noch beschlagnahmen, und wer meint, uns gegenüber den starken Mann spielen zu müssen, dem schlagen wir die Klüsen dicht. Wir sind um diese Erde gesegelt, und wir leben noch ...“ „Um die Erde gesegelt?“ unterbrach ihn der Admiral verblüfft. „Sag ich doch“, erwiderte Carberry, „was der verdammte Drake kann, können wir schon lange.“ Der Admiral räusperte sich die Kehle frei und blickte Hasard an. „Warum haben Sie
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das nicht gleich gesagt, Kapitän Killigrew?“ fragte er. „Warum sollte ich?“ fragte Hasard zurück. „Sie waren ja so scharf darauf, unser Schiff zu beschlagnahmen. Ich wüßte auch nicht, ob das an den Tatsachen etwas ändert.“ Ironisch fügte er hinzu: „Sollten wir vielleicht um den Bugspriet ein Schild mit der Aufschrift hängen: Kehren von einer Weltumsegelung zurück und wünschen, nicht beschlagnahmt zu werden?“ „Das alles ist ein sehr dummes Mißverständnis“, murmelte der Admiral. „Dann sehen Sie mal zu, wie Sie dieses sehr dumme Mißverständnis geregelt kriegen“, sagte Hasard gelassen. „Vorläufig dürfen Sie sich als unsere Geisel betrachten. Sie sehen, so mir nichts dir nichts lassen wir uns nicht auf die Füße treten. Wer es dennoch tut, sollte sich über die Folgen nicht wundern. Sie wollten unser Schiff beschlagnahmen, und wir haben Sie entwaffnet. Jetzt bestimmen wir die Spielregeln ...“ „Beiboot legt von der ,Arc Royal' ab!“ meldete Bills helle Stimme aus dem Hauptmars. Hasard lächelte. „Der Lordadmiral scheint das offensichtlich bereits begriffen zu haben.“ * Ja, er hatte es begriffen. Zuerst hatte er getobt, als ihm gemeldet worden war, Admiral Hawkins, sein Offizier und die acht Seesoldaten seien auf dem fremden Segler im Handumdrehen überwältigt worden. Da hatte er geruht, sich ein Spektiv geben zu lassen und es auf den Mann zu richten, der sich Admiral Hawkins vor die Degenspitze geholt hatte und der Kapitän sein mußte. Und er war blaß geworden, der sehr ehrenwerte Charles Lord Howard von Effingham, Lordadmiral Ihrer Majestät und damit ranghöchster Offizier der Royal Navy. „Der Seewolf“, flüsterte er mit blassen Lippen.
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„Ist Ihnen nicht wohl, Sir?“ fragte der erste Offizier der „Arc Royal“ besorgt. Der Lordadmiral hörte es nicht. Sein rechtes Auge tränte vom scharfen Hindurchschauen durch die Optik des Spektivs. Das Bild des riesigen, schwarzhaarigen Mannes dort drüben verschwamm in dem Kreisrund. Der Lordadmiral nahm das Spektiv vor das linke Auge, aber mit dem sah er nicht so gut, da war alles verzerrt. Er ließ das Spektiv sinken und wischte sich über das rechte Auge. Es war nicht gut, alt zu werden. Die Augen wurden immer schlechter - und erst das Zwacken in den Gelenken. Der Lordadmiral seufzte leise. Dieser schwarzhaarige Teufel war also zurückgekehrt. Was hatte er damals gesagt? „Niemand kann meine Freiheit kaufen und die Freiheit meiner Männer ebenso wenig. Sie ist nicht für Geld zu haben, auch nicht für den Kronschatz, selbst die Königin von England wird sie mir nicht nehmen, bei aller Verehrung. Ich kann nicht die Luft eines Landes atmen, in dem Männer wie der Friedensrichter Burton, der korrupte Keymis, der Herrscher über Cornwall, Sir John Killigrew, oder der Towerhauptmann Bromley sich die Taschen füllen. In diesem Land weht der Pesthauch der Korruption, hier herrscht die Engstirnigkeit, hier fehlt der Überblick, meine ehrenwerten Gentlemen. Hier muß jeder ehrliche Mann qualvoll ersticken!“ Der Lordadmiral griff sich an die Brust und hustete. „Sir, soll ich den Arzt holen?“ fragte der erste Offizier. „Wie bitte? Was ist mit dem Arzt?“ fragte der Lordadmiral irritiert. Seine alten Augen blickten den ersten Offizier verständnislos an. „Ich meine - ich dachte ...“ Der erste Offizier verstummte. „Was dachten Sie, Sir?“ „Äh - .Ihnen sei unwohl, Verzeihung, Sir.“ „Unsinn.“ Der Lordadmiral starrte wieder durchs Spektiv.
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Der Anker, dachte er, der goldene Anker für die Königin. Den hat er damals, bevor er themseabwärts segelte, Pembroke, Battersby und mir am Towerkai vor die Füße geknallt, dieser freche Kerl. Und was hatte er gebrüllt? „Dieser Anker, ehrenwerter Sir Lordadmiral, ist mein ganz persönliches Geschenk an Ihre Majestät, die Königin von England. Ich bitte Sie, Ihrer Majestät den Anker zu Füßen zu legen. Er soll ein Symbol sein, ein Symbol meiner unerschütterlichen' Treue zur Königin von England und gleichzeitig ein Ausdruck meiner tiefen Verankerung im Herzen Ihrer Majestät ...“ Ein dünnes Lächeln spielte um den Mund des Lordadmirals. Dieser Teufelskerl! Teer und ein Bleiüberzug hatten das Gold des Ankers verborgen. Zuerst war die Königin erzürnt gewesen, aber dann entzückt! Solche Geschenke liebte die gute Bess, originell, wertvoll, unbezahlbar. Brachte dieser Teufelskerl jetzt etwa eine goldene Ankerkette für die Königin? Zuzutrauen war es ihm. Und sie hatten dieses Schiff beschlagnahmen wollen! „Lassen Sie die Gefechtsbereitschaft aufheben, Sir“, sagte der Lordadmiral und strich sich den weißen Spitzbart. Jetzt sah er aus wie ein Kater, der lüstern um einen Milchnapf schleicht. „Aber ...“ Der erste Offizier hatte entsetzte Augen. „Ja, bitte?“ „Admiral Hawkins schwebt in Lebensgefahr, Sir!“ stieß der erste Offizier hervor. „Vielleicht ist dieser fremde Segler ein verkappter Spanier.“ „Ist er aber nicht“, sagte der Lordadmiral freundlich. „Nicht? Wissen Sie denn, wer er ist?“ „Allerdings.“ Der Lordadmiral nickte. „Der Kapitän dort drüben auf dem fremden Schiff ist Philip Hasard Killigrew. Man nennt ihn auch den ,Seewolf'.“ „Um Gottes willen“, sagte der erste Offizier verstört. „Vielleicht haben Sie jetzt die Güte und geben meinen Befehl weiter, daß die
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Gefechtsbereitschaft aufgehoben sei“, sagte der Lordadmiral. „Dann lassen Sie bitte die Jolle für mich klarmachen. Ich möchte Kapitän Killigrew einen Besuch abstatten.“ „Sir, bei allem Respekt ...“ Der erste Offizier geriet ins Stottern, dann fing er sich wieder. „Ich — ich hörte, dieser Kapitän Killigrew sei vor Cadiz ziemlich heftig mit Admiral Drake aneinander geraten. Dieser Mann muß völlig unberechenbar sein. Vorhin hat er die Linie durchbrochen, und jetzt ist Admiral Hawkins sein Gefangener. Dieser Kerl scheint vor nichts zurückzuschrecken. Wir müssen ihn zwingen, die Flagge zu streichen, sonst geschieht ein Unglück.“ „Sind Sie jetzt fertig, Mister Gardiner, Sir?“ fragte der Lordadmiral ruhig. „Entschuldigung ...“ „Dann darf ich Sie bitten, meine Befehle auszuführen“, sagte der Lordadmiral mit einer Spur von Schärfe in der Stimme. „Aye, aye, Sir“, sagte der erste Offizier steif und ein wenig pikiert. Diese alten Lordschaften benahmen sich manchmal doch recht sonderbar. „Wünschen Sie Begleitschutz, Sir?“ „Nein.“ Dann eben nicht, dachte der erste Offizier. Jedenfalls hatte er den Lordadmiral gewarnt. Wenn der so störrisch war, nicht darauf zu hören, dann konnte er es auch nicht ändern. Der erste Offizier war felsenfest davon überzeugt, daß ein Unglück bevorstand. Der Seewolf! Der Lordadmiral mußte völlig vertrottelt sein, wenn er sich dem in die Hand gab. 4. Die Flaggensignale mit den Befehlen des Lordadmirals waren von den beiden anderen Galeonen bestätigt worden. Rumpelnd waren die schweren Stücke zurückgefahren. Die Stückpforten hatten sich geschlossen. Die Augen der Männer auf den Decks der drei Kriegsgaleonen verfolgten die Jolle, die zu dem fremden Segler gepullt wurde.
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Laut der Flaggensignale hatte jetzt der Kapitän der „Triumph“ das Kommando über den Dreier-Verband — falls etwas schiefging. Dieser Kapitän war Admiral Sir Martin Frobisher, ein grauäugiger, hartgesichtiger Mann, der dem Traum nachhing, oben im grauen Norden des Atlantik eine Passage zum Stillen Ozean zu finden. So alt wie Hawk ins und der Lordadmiral war er nicht. Und er hielt auch nichts von der ruppigen Art, mal so eben einen fremden Segler, auch wenn er die englische Flagge führte, zu beschlagnahmen. Im übrigen wußte er jetzt, wer dieser fremde Segler war. Insgeheim amüsierte er sich. Zuerst hatten ihm die Haare zu Berge gestanden, als die schlanke Galeone wie zum Rammstoß auf sie zugedreht war. Aber dann hatte er erkannt, daß Kapitän Killigrew lediglich die Absicht hatte, durch die Kiellinie zu brechen. Es war ein sagenhaftes Manöver gewesen. Und die Wende erst! Und dann die zweite! Damit hatte dieser Seewolf, wie sie ihn nannten, im Handumdrehen die absolute Luvposition erobert. Das war ein Schiffchen! Und sein Kapitän hatte Schneid. Das waren die Männer, die England brauchte, wenn es zur See gegen Spanien bestehen wollte. Als die schlanke Galeone unter seinem Achterkastell vorbeigerauscht war, hatte er sich den riesigen, schwarzhaarigen Kapitän genau betrachtet. Für einen kurzen Moment hatte er in eisblaue, lachende Augen geblickt, kühne Augen in einem kühnen, scharfgeschnittenen Gesicht, das durch die Narbe quer darüber noch verwegener wirkte. Philip Hasard Killigrew! Für einen Augenblick hatte er sich auch geduckt, als die „Bombe“ herübergeflogen war. Eine Kokusnuß! Also mußten diese wilden Kerle auf der Galeone irgendwo ganz unten im Süden gewesen sein. Dafür sprachen auch ihre braungebrannten Körper und Gesichter, von dem Affen und dem Papagei gar nicht zu reden.
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Und ihm war aufgefallen, wie tief die Galeone geladen hatte. Sie wollte in die Themse, also nach London. Dort war Kapitän Killigrew schon einmal aufgetaucht — um 1580 mußte das gewesen sein. Noch Jahre später, als er spurlos verschwunden war, sprach man davon, daß er der königlichen Schatzkammer im Tower einen sagenhaften Schatz übergeben hätte. Da sollte es einen Zusammenstoß mit dem Towerhauptmann gegeben haben — wegen Korruption oder Unterschlagung. Frobisher konnte nicht anders — er fand diesen Kapitän Killigrew sympathisch, ganz abgesehen von der Tatsache, was für eine hervorragende Seemannschaft dieser Mann unter Beweis gestellt hatte - er und seine gesamte Crew. Ihre kämpferischen Qualitäten hatten sie ebenfalls demonstriert. Nichts war Frobishers Spektiv entgangen. Keiner der acht Seesoldaten war ernsthaft verletzt worden. Diese grinsenden Kerle hatten zwar blitzschnell, aber geradezu sanft mit ihren Belegnägeln auf deren Köpfe getupft. So etwas konnten nur Kämpfer, die das bei hunderterlei Gelegenheiten erprobt und geübt hatten. Sie waren Freibeuter, auf gut englisch gesagt. Mein lieber Lordadmiral, mein lieber Hawkins, hatte Frobisher gedacht, da zieht ihr euch einen Stiefel an, in dem ihr euch verdammte Blasen lauft. Am meisten ergötzte es Frobisher, daß dies dem alten Hawkins widerfuhr, diesem rauhbeinigen, schroffen Sklavenhändler, diesem mit allen Salzwassern gewaschenen Piraten. Es wurde einmal Zeit, daß ihn jemand zurechtstutzte. Sir und Admiral, Hawkins hatte sich von unten hochgedient wie Drake, wie er selbst, Frobisher. Nichts war ihnen geschenkt worden in diesem Klüngel erlauchter Lordschaften und königlicher Intriganten. Leistungen hatten sie erbringen müssen - der eine mit diesen, der andere mit jenen Methoden. Piraterie hin - Piraterie her, man konnte sie so und man konnte sie, anders betreiben. Man
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konnte fechten, und man konnte mit dem Knüppel draufschlagen. Philip Hasard Killigrew schlug nicht mit dem Knüppel drauf. Das war der Unterschied. Und darum neigte Admiral Sir Martin Frobisher zu der Ansicht, dass dieser Zusammenstoß mit dem eleganten Fechter Killigrew ein herrlicher Spaß war. Und er würde, nunmehr Befehlshaber des DreierVerbandes englischer Kriegsschiffe, den Teufel tun, mit ruppigen Methoden einzuschreiten, falls der Seewolf auch den sehr ehrenwerten Lordadmiral vereinnahmen sollte. Denn das imponierte Frobisher. Da bringt es der Kapitän einer kleinen Galeone fertig, unter den drohenden Breitseiten dreier schwerer Kriegsgaleonen einen ausgefuchsten Admiral als Geisel zu behalten - und jetzt unter Umständen auch noch den ranghöchsten Offizier der Royal Navy und Vertrauten Ihrer Majestät „in Obhut“ zu nehmen. „Ha-ha!“ platzte es Frobisher heraus. „Sir?“ fragte sein erster Offizier voller Unruhe. „Hatten Sie etwas befohlen?“ „Warum sollte ich?“ Frobisher lächelte breit und musterte seinen Ersten. „Haben Sie Ameisen in den Strümpfen, Mister O'Connor? Sie trampeln so nervös an Deck herum. Was soll das?“ O'Connor war völlig durcheinander. „Sir, die schmeißen mit Kokosnüssen ...“ „Es war nur eine“, unterbrach ihn Frobisher sanft. „Na und? Außerdem war's ein Affe. Affen werfen gern mit Kokosnüssen. Ich weiß gar nicht, über was Sie so erregt sind.“ „Der Lordadmiral“, ächzte O'Connor. „Keinen Begleitschutz und keine Gefechtsbereitschaft! Er weiß nicht mehr, was er tut ...“ „Der Lordadmiral?“ „Ja - und uns kostet das Kopf und Kragen, wenn sie ihn dort drüben abschlachten.“ Der Erste rang tatsächlich die Hände. „Was schlagen Sie denn vor, Mister O'Connor?“ fragte Frobisher gemütlich. „Drauf!“ stieß O'Connor hervor. „Nichts wie drauf, mit der vollen Breitseite, Sir!“
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„Soso, mit der vollen Breitseite“, sagte der Admiral sehr langsam und als dächte er über diesen Vorschlag nach. „Feine Sache. Haben Sie auch Richtschützen, Mister O'Connor, die in der Lage sind, bei der vollen Breitseite an dem Lordadmiral und Admiral Hawkins vorbeizuschießen? Oder wollten Sie das Abschlachten, wie Sie es nennen, denen da drüben abnehmen, Mister O'Connor, Sir?“ O'Connor zuckte zusammen. „Wie? Ach so, nein, natürlich nicht, Sir ...“ Er verstummte und biß sich auf die Lippen. „Sie sind ein Idiot“, sagte der Admiral sehr sachlich und hob wieder das Spektiv. Drüben, bei der schlanken Galeone, ging das Beiboot des Lordadmirals längsseits, und der sehr ehrenwerte Lordadmiral enterte an der Jakobsleiter auf. „Na denn“, murmelte Admiral Frobisher und hatte einige Mühe, sein Grinsen zu verbergen. * Dieses verdammte Zwacken in den Gelenken! Der Lordadmiral hätte gern laut und ausgiebig geflucht, aber hier galt es, Haltung zu wahren. Unter der rechten Kniescheibe knarrte es, wenn er das Knie beugte. Er blickte an der Jakobsleiter hoch. Noch acht Sprossen. Das bedeutete noch ein viermaliges Knarren und Knacken. Vielleicht sollte er das rechte Bein immer nur nachziehen, aber das sah sicher aus, als sei es steif oder er habe ein Holzbein.. Seufzend kletterte er weiter, ein alter Mann, gebeugt von den Jahren, den Pflichten und Sorgen in einem Amt, dessen wachsende Aufgaben kaum noch zu bewältigen waren. Und alle zerrten sie an ihm - auf der einen Seite die Kapitäne und Admirale, die ständig jammerten, an was es in der Flotte und auf den Schiffen alles mangle, und auf der anderen Seite die Königin, die zwar den Ausbau der Flotte wünschte, aber zu knauserig war, dafür auch nur einen müden Shilling herauszurücken.
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Da mußte man eben zu Methoden greifen, die alles andere als vertretbar waren. Und man konnte froh sein, daß es Kaperfahrer gab, die nicht nur an sich selbst, sondern auch an die Krone dachten - wie Killigrew, dieser Kanonensohn. Der Master im Himmel segne ihn! Dafür lohnte schon das Opfer, als alter Mann an diesem fürchterlichen Ding von Leiter hochzuturnen. Die letzte Sprosse ... Da packten auch schon kräftige Fäuste zu und hievten den ehrenwerten Lordadmiral über das Schanzkleid, so daß er wie auf Wolken schwebte. Prächtige Kerle, das! Und sie grinsten wie Buben, die durchs Astloch gespäht haben - ins Badehaus der Ladys. Wohin denn sonst? Sanft stellten sie ihn auf die Füße und traten artig zurück. „Verbindlichsten Dank“, sagte der Lordadmiral etwas kurzatmig, aber er konnte schon wieder lächeln. Es war ein etwas listiges Lächeln, wie es Hasard erschien. „Ts-ts!“ äußerte sich der Lordadmiral und betrachtete kopfschüttelnd die acht gefesselten Seesoldaten, die wieder bei Besinnung waren, aber dreinschauten, als sei dieses Leben eine rechte Trübsal und die Erde ein Jammertal. „Herzlich willkommen an Bord der ,Isabella'; Mylord“, sagte Hasard und verbeugte sich leicht. „Ah — mein lieber Kapitän Killigrew!“ sagte der Lordadmiral und trat mit ausgestreckten Händen auf Hasard zu. „Nein, wie ich mich freue, Sie wiederzusehen.“ Der alte Fuchs strahlte über das ganze hagere Gesicht. Dann stutzte er und blickte an Hasards rechter Seite vorbei. „Ja, wen haben wir denn da?“ „Meine Söhne“, sagte Hasard. „Ihre Söhne? Nein so was!“ Der Lordadmiral staunte, dann kicherte er. „Zwei auf einen Streich, wie? Wie heißen denn die lieben Kerlchen?“ „Hasard und Philip. Hasard ist ein paar Minuten älter als Philip.“ „Soso, hm, hm.“
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Der Lordadmiral strich sich über den Spitzbart. „Geboren wann?“ „1580, Mylord.“ „Als Sie den Tower in die Luft jagen wollten, nicht wahr, mein lieber Kapitän Killigrew?“ „Sehr richtig, Mylord.“ Hasard lächelte verhalten. „Dieses Mal bin ich etwas bescheidener und habe nur dafür gesorgt, daß diese acht Seesoldaten nicht aus Versehen zu schießen anfangen. Ich erlaubte mir auch, Admiral Hawkins vor voreiligen Schritten oder Maßnahmen zu bewahren.“ „Wie Sie das formulieren, mein lieber Kapitän Killigrew!“ Der alte Fuchs blinzelte listig. „Einfach großartig. Aber was ich fragen wollte — Sie wollen nach London?“ „Jawohl, Mylord, das hatten wir vor. Admiral Hawkins schien darüber anderer Ansicht zu sein.“ „Soso.“ Ein mißbilligender Blick traf Admiral Hawkins. Der stand da wie ein gerupfter Habicht, der eine Maus fangen wollte und stattdessen auf einen Tiger gestoßen war. „Mylord, ich protestiere“, sagte er giftig. „Dieses Schiff, so lautete der Befehl, sollte beschlagnahmt werden. Oder haben Sie das bereits vergessen? Ich wiederhole: Es war Ihre Order. Und jetzt fallen Sie Kapitän Killigrew nahezu um den Hals. Das verstehe, wer will. Bin ich hier ein Popanz, oder was?“ „Kapitän Killigrew und ich sind alte Freunde, mein lieber Hawkins“, sagte der Lordadmiral freundlich. „Das konnten Sie natürlich nicht, wissen — genauso wenig wie ich wußte, daß es sein Schiff war, das wir beschlagnahmen wollten.“ Er blinzelte Hasard an. „Ich hoffe doch sehr, Sie verzeihen uns den kleinen Mißgriff, mein lieber Kapitän Killigrew.“ „Aber ich bitte Sie, Mylord“, erwiderte Hasard ein bißchen anzüglich, „von Mißgriff kann doch gar nicht die Rede sein! Im Gegenteil, wir hatten mächtig viel Spaß ...“
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„Schöner Spaß !“ fauchte Admiral Hawkins und starrte wütend zu den acht gefesselten Seesoldaten. „Eben“, sagte Hasard und zeigte sein weißes Gebiß, „wir hatten den Spaß und Sie den Schaden.“ Er wandte sich zu dem Profos. „Ed, ihr könnt den Seesoldaten Ihrer Majestät die Fesseln wieder abnehmen und die Waffen zurückgeben. Ich schätze, unsere ,Isabella` wird nicht beschlagnahmt, nicht wahr, Mylord?“ „Nun ja, was tut man nicht alles für einen alten Freund, der zwei so prächtige Söhnchen hat.“ Der Lordadmiral nickte väterlich, als er die Zwillinge anschaute, dann wanderte sein Blick über die „Isabella“. „Ein schönes und schnelles Schiff, prächtig, einfach prächtig — und eine prächtige Crew, gesund und putzmunter, alle braungebrannt, jedoch auch mit Narben bedeckt wie Krieger, die aus der Schlacht heimkehren ...“ Jetzt ruhte der Blick des Lordadmirals auf der mittleren Ladeluke der Kuhl, und er strich sich wieder den weißen Spitzbart. „Sie hatten eine gute Reise, Kapitän Killigrew?“ Allmählich ließ er die Katze aus dem Sack, der alte Fuchs. Hasard lächelte. „Eine ausgezeichnete Reise, Mylord, um die ganze Welt.“ Jetzt kicherte der Lordadmiral und drohte mit dem Zeigefinger. „Sie Schelm! Sie haben doch nicht schon wieder einen goldenen Anker für Ihre Majestät mitgebracht? Entschuldigen Sie die indiskrete Frage, aber ich mußte eben daran denken, weil Sie sagten, daß Sie nach London segeln wollten — wie damals.“ „Wie damals.“ Hasard nickte. „Sie sind ein Hellseher, Mylord. Nun, ein goldener Anker ist es dieses Mal nicht, dafür aber ein anderes kleines Geschenk ...“ Hasard unterbrach sich, runzelte die Stirn und warf Ed Carberry einen tadelnden Blick zu. „Was gibt es da zu grinsen, Mister Carberry?“ „Och, eigentlich nichts.“ Carberry grinste weiter. Sein wüstes Narbengesicht zuckte
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und bebte, als würde es von Explosionen erschüttert. Hasard schüttelte den Kopf, denn auch seine Männer glucksten und kollerten und schnitten Grimassen. „Ein fröhliches Schiff“, sagte der Lordadmiral und war auch sehr fröhlich, denn er rieb sich vergnügt die Hände. „Als Hellseher möchte ich sogar behaupten, daß Ihre Männer in dem Moment ihre Fröhlichkeit kundtaten, als Sie von einem kleinen Geschenk für Ihre Majestät sprachen, Kapitän Killigrew. Vielleicht ist das Geschenk gar nicht so klein, eh?“ Edwin Carberry prustete los und mit ihm die ganze Bande der Seewölfe. Hasard verstand sie. Er hatte seinen Profos auch nur getadelt, um den Spaß zu vergrößern. Da war der listige Lordadmiral wie die Katze um den heißen Brei geschlichen und hatte sich an die Kernfrage herangetastet, und als er von dem „kleinen Geschenk“ hörte, war er immer vergnügter geworden. Jetzt war er richtig spitz darauf, alles zu erfahren. Aber Hasard war mißtrauisch. Lordadmiral hin — Lordadmiral her, was besagte ein hoher Titel oder Rang schon? Andersherum: Was verbarg sich dahinter? Konnte es nicht sein, daß der Lordadmiral sein eigenes Süppchen zu kochen gedachte? Wir werden sehen, sagte sich Hasard, und wir werden verdammt aufpassen, ob da nicht jemand klebrige Finger hat. „Mylord“, sagte Hasard hintergründig, „darf ich mir erlauben, Ihnen und dem Admiral das kleine Geschenk zu zeigen? Wir müßten uns dazu in die Laderäume der ,Isabella` begeben, wenn Ihnen das nicht zuviel Mühe bereitet.“ „Es wird uns eine Ehre sein.“ Der Lordadmiral strahlte. „Nicht wahr, mein lieber Hawk ins?“ Der habichtgesichtige Admiral zuckte mit den Schultern. Seine Miene war sauertöpfisch bis verbissen, eine Mischung davon. Außerdem begriff er das alles nicht — und überhaupt, da scharwenzelte Seine Lordschaft wie ein balzender Auerhahn um diesen Killigrew herum, als nahe jetzt die
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Stunde, um Hochzeit zu feiern. Eine Schande war das, keine Ehre! „Wir vergeuden hier nur unsere Zeit, Mylord“, sagte er brummig. „Unsere drei Galeonen sollten das Fahren im Verband üben, damit darüber endlich ein gültiges Reglement aufgestellt werden kann. Stattdessen sollen Geschenke besichtigt werden! Einfach läppisch, mit Verlaub gesagt.“ „Sie sind ein Esel, lieber Hawkins, mit Verlaub gesagt“, erwiderte der Lordadmiral spitz, „und warum Sie das sind, werden Sie sehr schnell begreifen! Vorwärts, marsch!' Der Admiral war vor Wut grün im Gesicht, als er seinem Lordadmiral und Philip Hasard Killigrew folgte. 5. Da war der vordere Laderaum, in den sie über einen Niedergang vom Vordeck aus hinunterstiegen. Big Old Shane, Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, und Smoky, der Decksälteste der „Isabella“Crew, hatten sich mit Öllampen bewaffnet und leuchteten den Raum voll aus. Das heißt, viel war von dem Gesamtraum nicht zu sehen, denn nur über der gedachten Mittschiffslinie war ein Durchgang frei geblieben, der zwei Männern nebeneinander noch Platz bot. Aber begrenzt war der Gang beidseits von großen, kastenähnlichen Truhen mit schweren Beschlägen. Hintereinander reichten sie bis an die jeweilige Bordseite. Übereinander standen sie in drei Lagen. Schwere Trossen und Ketten, die fest in der Bordwand verankert waren, führten um die Truhen herum und verhinderten ein Verrutschen der Ladung bei Seegang. Außerdem hatte Ferris Tucker jede Lage zum Gang hin zusätzlich mit einer sinnvollen Balkenkonstruktion abgesichert. Big Old Shane und Ferris Tucker, die beiden Riesen, stellten ihre Öllampen ab und wuchteten auf der Backbordseite von der obersten Lage eine Truhe hinunter auf den Gang.
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Ferris Tucker öffnete die Truhe, die mit zwei robusten Schlössern versehen war. Er trat zurück, um dem Lordadmiral und dem Admiral den Blick freizugeben. Hasard beobachtete scharf. Der Lordadmiral kriegte Stielaugen, einen langen Hals, und sein Spitzbart begann zu zittern und zu: wippen. Die grünliche Wutfarbe im Gesicht des Admirals hingegen färbte sich über Weiß auf Rot. Das Habichtgesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck an. Ferris Tucker sagte so nebenbei: „Wir hätten natürlich auch irgendeine der anderen Kisten herunterheben können, Mylord. Der Inhalt ist so oder so fast gleich oder ähnlich. In der einen sind mehr Perlen, in der anderen mehr Edelsteine oder umgekehrt. Irgendwo muß allerdings eine Truhe stehen, die nur mit Perlen gefüllt ist, na, jede Perle etwa von der Größe eines Taubeneis, einige noch größer, so richtige Klunker, da braucht man beinahe 'ne doppelt geschorene Talje, wenn man sich die um den Hals hieven will. Die Mandarine beim Dingsda, äh, beim Großen Chan tragen solche Kullerchen als Knöpfe und so ...“ Er verstummte, weil der Lordadmiral zu ächzen begann. Und der Admiral ruckte ständig mit dem Habichtkopf vor und zurück, als habe er im Kropf zwei herumturnende Kakerlaken oder was Ähnliches. Smoky zauberte eine Flasche hervor und bot sie dem Lordadmiral an, nachdem er sie entkorkt und das Mundstück an seiner Hose abgewischt hatte. Die Hose war ziemlich teerig. Er räusperte sich und sagte: „Mylord, da hilft nur ein kräftiger Schluck aus der Pulle.“ Er streichelte die Flasche, als sei sie ein Baby und fügte hinzu: „Medizin, wie wir Arwenacks sie lieben, wenn unsereiner ein bißchen Bauchgrimmen oder so hat. Stammt aus der Karibik, das Zeug.“ Der Lordadmiral zögerte. Admiral Hawkins hingegen ruckte mit dem Kopf noch schneller. „Etwa Rum?“ fragte er.
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„Genau der, Sir“, sagte Smoky. „Her damit!“ Und dann gurgelte er. Daß er dem Lordadmiral den ersten Schluck vorweggenommen hatte, entging ihm völlig. „Ahhh!“ sagte er, grunzte und trank weiter. „Darf ich auch mal probieren?“ fragte der Lordadmiral bescheiden und sehr still. Der Pegel in der Flasche hatte mächtig Niedrigwasser, als er sie empfing. Er kostete vorsichtig, spitzte die Lippen, blickte andächtig zu den Vordecksquerbalken hoch, hüstelte ein wenig, trank wieder - und trank. Sein Adamsapfel veranstaltete Kletterübungen. „U-ahhh“, sagte er, als die Flasche leer war, und streichelte seinen Magen. „Gut?“ fragte Smoky. „Ein Hochgenuß“, sagte der Lordadmiral mit funkelnden Augen, „ein Magenwärmer und Sorgenbrecher, einfach kolossal.“ „Ich besorg nachher noch 'ne Flasche“, sagte Smoky sachlich. „Zwei!“ sagte Admiral Hawkins und hob zwei Finger. „Entschuldigung, Sir, natürlich zwei.“ Smoky grinste. Der Lordadmiral und der Admiral starrten verzückt auf den Inhalt der Truhe. Es funkelte, glitzerte, schimmerte und blinkte. Sie blieben stumm, die beiden alten Gentlemen, der Mann von Adel und der Pirat, stumm und voller Andacht. Gier konnte Hasard in ihren Mienen nicht entdecken, nur andächtiges Staunen. Nein, sie trugen keine Masken. Alles war echt an ihnen. Diese beiden alten Männer hatten keine klebrigen Finger. Hasard atmete erleichtert auf. Sie blieben auch stumm, als sie die anderen Schätze besichtigten: die Goldbarren, die Silberbarren, die Schmuckstücke mit den Juwelen, das Elfenbein, die Seide aus China, die Gewürze. Vielleicht hatte ihnen die Masse der Beutegüter die Sprache verschlagen, vielleicht auch deren ungeheuerlicher Wert, der überhaupt nicht mehr
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abzuschätzen war, denn eins war kostbarer als das andere. Bei den Gewürzen hatten sie geschnüffelt wie alte Jagdhunde, denen das letzte Halali geblasen wird. Bei den knisternden Seidenstoffen war ihren Mienen abzulesen gewesen, was sie sich vorstellten: wen nämlich diese Stoffe einmal umkleiden würden — etwa knusprige junge Ladys, nachtgewandt, allein dieses geheimnisvolle Knistern würde reizvolle Schauer hervorrufen. Der Hauch fremder, exotischer Länder wehte sie an. Gold! Silber! Ketten, Spangen, Diademe, Broschen, Armbänder, kunstvoll gefertigt, ziseliert, edelsteinverziert, golden oder silbern glänzend oder diamantenen Glanz ausstrahlend! Vorsichtig waren ihre Finger über die leicht gekrümmten, gewaltigen Stoßzähne der Elefanten geglitten. Diese mattschimmernden Rammsporne hatte Ferris Tucker in hölzernen Halterungen so aufgereiht, daß sie, mit den Spitzen nach oben, wie Soldaten der Garde dastanden. Durch den achteren Laderaum und über den Niedergang waren sie nach einer Stunde wieder aufs Achterdeck gestiegen. Dort nun, und das war das Erstaunliche, hatte der alte Pirat John Hawkins vor dem Ruderhaus wie ein Ochse vorm neuen Hoftor gestanden, Mund und Augen aufgerissen und auf die Ruderanlage gestarrt. Hasard hatte nur still gelächelt. Diese Ruderanlage hatte den Baumeister und Inspekteur der Royal Navy offensichtlich restlos geschafft, fast noch mehr als die Besichtigung des „kleinen Geschenks“. Der Lordadmiral hatte rote Bäckchen, ein bißchen Schluckauf und blanke Augen. Er schaute seinen Admiral an und sagte: „Na, Sie alter Esel?“ Und dann meckerte er wie ein Ziegenbock. Admiral Hawkins schien wie aus einem Traum zu erwachen. Sein Blick löste sich
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von dem Ruderhaus, wanderte zu dem Lordadmiral und von dort zu Hasard. Mit heiserer Stimme sagte er: „Ist — ist das alles für die Königin?“ Er fragte das sehr vorsichtig, der Admiral. In Hasards Augen blieb das Lächeln. „Alles“, erwiderte er, „vorausgesetzt, Sie und der Lordadmiral geben der ,Isabella` Schutz und Geleit themseaufwärts bis London und vermitteln Ihrer Majestät der Königin meine ergebensten Grüße, verbunden mit der Bitte, Sie hier an Bord persönlich empfangen zu dürfen, um Ihrer Majestät unser bescheidenes Geschenk überreichen zu können.“ Der Admiral begann wieder mit dem Habichtkopf zu rucken, als hätten sich die Kakerlaken in seinem Kropf um einige vermehrt. Dabei irrten seine Augen hilflos zum Lordadmiral, der, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ein wenig auf den Fußballen schaukelte und sehr interessiert Sir John beäugte, der auf der Großrah saß und sein Gefieder putzte. Der Admiral räusperte sich verlegen. „Wie meinen?“ Der Lordadmiral wandte den Kopf, betrachtete seinen Schatzmeister, Baumeister und Inspekteur — und ließ ihn zappeln. Vielleicht dachte er, daß Rache eben doch etwas Süßes sei - Rache für die äußerst undiplomatischen Äußerungen seines Admirals. Dabei wußte er genau, an welcher Stelle den Admiral der Schuh drückte weil es exakt die Stelle war, die ihn selbst jahrein, jahraus quälte und zwackte und plagte. Präzise und kurz ausgedrückt war es die Frage, wie man eine Flotte aufbauen sollte und dafür kein Geld hatte. Um die Bewilligung zum Bau der „Triumph“, die jetzt Frobisher unter seinem Kommando hatte, hatten Hawkins und er mit der Königin Wortkämpfe geführt, die jeder Beschreibung spotteten. Majestät konnten sehr ausfällig werden und wie der letzte Lümmel von Stallknecht fluchen. Fünftausendundzweihundert Pfund hatte die „Triumph“ gekostet! Aber damit war es ja nie getan. Diese Schiffe, waren sie erst einmal in Dienst gestellt, entwickelten sich
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zu Vielfraßen wie lebende Wesen.. Sie leerten die Schatzkasse der Royal Navy, als sei die eine nie versiegende Futtertraufe. Aber hier, auf dieser „Isabella“, in ihrem Bauch, war El Dorado, das sagenhafte Goldland, das Land, wo Milch und Honig flossen und unermeßliche Reichtümer verborgen waren. Und Hawkins, dieser alte Esel, hatte gemeint, man vergeude hier nur seine Zeit. Läppisch hatte er es gefunden, „Geschenke“ zu „besichtigen“. Jetzt schmorte er in seinem eigenen Saft. „Tja“, sagte der Lordadmiral und lächelte Hasard an, „ich schätze, daß ich Ihrer Majestät der Königin Ihre ergebensten Grüße ausrichten kann, mein lieber Kapitän Killigrew. Als Hellseher möchte ich auch prophezeien, daß Ihre Majestät entzückt sein werden, Ihr, äh, bescheidenes Geschenk zu empfangen. Ich gestehe, daß ich überwältigt bin - nur schade, daß ich keine Königin bin!“ Er meckerte über seinen eigenen Witz wieder wie ein Ziegenbock, der alte Herr. „Natürlich steht Ihnen Geleitschutz zu, Kapitän Killigrew. Bei der kostbaren Ladung! Ich weiß, Sie sind ein gebranntes Kind und vielleicht immer noch mißtrauisch aufgrund Ihrer damaligen Erfahrung mit dem Towerhauptmann. Er wurde übrigens zu zehn Jahren Kerker verurteilt.“ Der Lordadmiral reckte seine hagere Gestalt. „Nun, in diesem Fall werden sich Sir John und ich persönlich dafür verbürgen, daß sich niemand an der Ladung vergreift und Ihre Majestät zu bestehlen wagt, nicht wahr, Sir John?“ Der Admiral ruckte schon wieder mit dem Kopf, zusätzlich trampelte er auf seinen eigenen Füßen herum. Der Lordadmiral zog die Augenbrauen hoch. „Was ist mit Ihnen, mein Freund?“ fragte er. „N-nichts, Mylord. Ich dachte nur ...“ Und damit verstummte er wieder. „Denken ist immer gut“, sagte der Lordadmiral tiefsinnig. Und dann drückte er sich sehr gewählt aus, der alte Fuchs. Er
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sagte: „Es wird uns eine Ehre sein, des Ergebnisses Ihres Denkens teilhaftig zu werden. mein guter Sir John!“ Der alte Pirat kriegte tatsächlich rote Ohren vor Verlegenheit. „Ich - nun - ja ...“ Und dann war er wieder stumm. Er vermied es peinlichst, in die eisblauen Augen dieses großen, schwarzhaarigen Teufels zu schauen. Einen Blick hatte der! Aber wie sollte er es anfangen? Verdammt, wie sollte er diesem Kerl sagen, daß die Royal Navy, Schiffe brauchte, Schiffe und noch mal Schiffe? War die Ladung der „Isabella“ erst einmal in der Schatzkammer Ihrer Majestät verschwunden, dann rückte die nichts mehr heraus. Das wußte doch auch der Lordadmiral, dieser gottverdammte Ziegenbock! Warum sagte der denn nichts? Aber so war das eben. Alles blieb an ihm, dem Schatzmeister, hängen. Er sollte Schiffe bauen und ausrüsten, die Kapitäne, Offiziere und Mannschaften bezahlen, deren Verpflegung bezahlen, Reparaturkosten bezahlen, zerrissene Segel bezahlen, verrottetes Tauwerk bezahlen bezahlen, bezahlen, bezahlen... „Ah!“ sagte da der Lordadmiral fröhlich und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Ich weiß, was unser guter Sir John dachte. Daß mir das nicht gleich eingefallen ist, mir altem Esel!“ Hasard blickte ihn fragend an. Diese beiden alten Gentlemen benahmen sich wirklich reichlich seltsam. Der eine kicherte und meckerte abwechselnd, und der andere ruckte ständig mit dem Kopf wie ein Huhn beim Eierlegen. „Unser guter Sir John ist zu bescheiden, um einen Wunsch zu äußern, mein lieber Kapitän Killigrew“, verkündete der Lordadmiral. Hasard verstellte sich etwas. „Einen Wunsch? Und zu bescheiden? Als der Admiral die ,Isabella` zu beschlagnahmen gedachte, hatte ich keineswegs den Eindruck von Bescheidenheit. Er meinte sogar, ein Befehl von ihm genüge, um die ,Isabella` - und uns natürlich auch - in Fetzen zu schießen.“ Hasards eisblaue
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Augen fixierten den Admiral. „So war es doch, nicht wahr, Sir John?“ .J-ja.“ Das klang fast etwas beschämt. Aber Hasard dachte gar nicht daran, jetzt noch friedlich zu sein. Sie hatten die Absicht gehabt mit ihrer Holzhackermethode -, die „Isabella“ zu beschlagnahmen. Vielleicht kuschten andere Kapitäne vor einem Admiral oder gar dem Lordadmiral der Royal Navy. Aber ein Philip Hasard Killigrew hatte noch nie gekuscht, das hatte bereits Admiral Drake zu spüren gekriegt. „Es war also so“, stellte Hasard fest, und Schärfe klirrte in seiner Stimme. ,.Man vergegenwärtige sich das einmal: Der Admiral der Royal Navy, Sir John Hawkins, droht einem Schiff seines Landes, das themseaufwärts gehen will, um Ihrer Majestät der Königin eine Schatzladung zu bringen, damit, daß nur ein Befehl genüge, dieses betreffende Schiff samt seiner Mannschaft in Fetzen schießen zu lassen! Nehmen wir an, diese Ungeheuerlichkeit wäre tatsächlich passiert. Ganz abgesehen von dem sinnlosen Tod guter und der Königin treu ergebener Männer hätte ein solcher Befehl den totalen Verlust von Schiff und Ladung zur Folge gehabt. Diese Ladung haben Sie, Mylord, und Sie, Sir John, besichtigt. Das, Sir John, haben Sie aufs Spiel setzen wollen - aus Überheblichkeit, aus Ignoranz, aus Dummheit oder Rechthaberei, aus Ihrer - wie Sie meinten unanfechtbaren Position als Admiral der Royal Navy heraus! Eines kann ich garantieren: Hätte ich Ihren Mordbefehl überlebt, dann hätte ich Sie an der Rahnock Ihres eigenen Schiffes aufgebaumelt - und wenn es das letzte gewesen wäre, was ich in meinem Leben getan hätte. Das wäre ich der Königin, das wäre ich meinen Männern - und mir selbst - schuldig gewesen.“ Hasards Augen funkelten wie Gletschereis. „Hatten Sie sich eigentlich entschuldigt, Admiral Hawkins, Sir?“ Das Habichtgesicht war grau geworden. Aber der Rücken blieb gerade.
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„Ich habe in Unkenntnis gehandelt“, sagte der Admiral fest, „und dafür bitte ich Sie und Ihre Mannschaft um Entschuldigung.“ Der Lordadmiral atmete befreit auf. Das war schwerstes Geschütz gewesen, das dieser Kanonensohn da eben abgefeuert hatte. Dieser Kerl wich um keinen Zoll zurück, der war hart wie Eisen - ja, der brachte es tatsächlich fertig und hängte einen Admiral eigenhändig an die Rahnock! „Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen, Kapitän Killigrew“, fuhr Admiral Hawkins fort, „ich gestehe, daß ein Mann meines Ranges blind werden kann, weil er zu weit oben sitzt. Darum ist es gut, wenn ihm jemand die Augen öffnet und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, Sie haben mich scharf zurechtgewiesen - dafür danke ich Ihnen.“ Teufel, dachte Hasard fast etwas perplex, das habe ich nicht erwartet. Drake hätte das nicht fertig gebracht - niemals. Der biß sich eher die Zunge ab, als einen Fehler oder eigenes Unrecht zuzugeben oder sich gar dafür zu entschuldigen. Da war dieser alte John Hawkins doch ein anderes Kaliber. Impulsiv streckte Hasard dem Admiral die Rechte hin - zur Versöhnung. Und der Admiral nahm sie und drückte sie fest. „Und Ihr Wunsch, Sir John?“ fragte Hasard mit einem Lächeln. Der Admiral schüttelte den Kopf.“Ich muß ihn mir verweigern, denn sonst müßten Sie den Eindruck haben, ich hätte mich nur entschuldigt, um meinen Wunsch vorbringen zu können. Und das möchte ich vermeiden.“ Der Lordadmiral polterte dazwischen. „So ein Quatsch“, sagte er aufgebracht und ganz unlordmäßig, „wenn Sie nicht das Maul aufkriegen, dann tu ich es, verdammt noch eins! Sir John hatte daran gedacht, ob nicht auch für die Schatzkasse unserer Royal Navy ein bescheidenes Geschenk möglich wäre, denn im Gegensatz zu den wirklichen Gezeiten herrscht in dieser Schatzkasse ein immerwährender Ebbestrom. So ist es doch, nicht wahr, Sir John?“
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Davis J.Harbord „Ja“, sagte der Admiral sehr leise. 6.
Die beiden älteren Gentlemen blickten zu dem Riesen hoch, als sei er der Erzengel Gabriel. Hasards Miene war undurchdringlich. Langsam wanderte sein Blick über die drei Kriegsgaleonen, erst voraus zur „Arc Royal“, dann nach Backbord zur „Victory“ und zuletzt zur „Triumph“ auf der Steuerbordseite. Dort stand am achteren Schanzkleid ein breitschultriger Mann und starrte durch ein Spektiv zur „Isabella“ herüber. Hasard hatte den Eindruck, direkt in das Okular zu blicken, aber das mochte täuschen. Nein, es war keine Täuschung. Der Mann ließ das Spektiv sinken und hob leicht die Hand, als grüße er. Hasard meinte auch, ein Lächeln zu erkennen. Derselbe Mann hatte auch am Heckkastell der „Triumph“ gestanden, als sie mit der „Isabella“ durch die Linie gebrochen waren. Für einen kurzen Moment hatten sich ihre Blicke gekreuzt. In den grauen Augen des Mannes hatte Hasard gemeint, ein begeistertes Funkeln zu erkennen. „Wer ist der Mann auf dem Achterdeck der ‚Triumph'?“ fragte Hasard, ohne den Kopf abzuwenden. „Da drüben?“ Der Lordadmiral schnaufte. „Admiral Frobisher.“ Dann kicherte er. „Der gute Sir Martin hat etwas dagegen, Schiffe einfach so zu beschlagnahmen. Warum fragen Sie?“ „Ach, nichts“, erwiderte Hasard und fügte hinzu: „Ein feiner Admiral.“ Und nach einer kurzen Pause sagte er: „Da haben also drei Kriegsgaleonen unter einem Lordadmiral und zwei Admiralen unsere kleine ,Isabella' aufgebracht. Das ist fast zuviel der Ehre.“ Er lächelte zu dem Admiral hinüber, der wieder das Spektiv vorm Auge hatte. Dann drehte er sich gemächlich um, stützte die Ellenbogen aufs Schanzkleid und musterte die beiden Gentlemen. „Mylord“, sagte er. „Sie trugen den Wunsch Sir Johns vor, und ich respektiere
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die Worte Sir Johns, daß er nicht zur Sache sprechen wollte. Das ist anständig. Aber ich muß Sie beide enttäuschen ...“ „Oh!“ sagte der Lordadmiral etwas verdutzt. Hasards Lächeln war verhalten. „Ja, Mylord“, sagte er, „es ist nämlich so, daß ich nicht das Recht habe, über den Wunsch Sir Johns eine Entscheidung zu treffen.“ „Verstehe ich nicht“, erklärte der Lordadmiral verwirrt. „Sie sind doch der Kapitän der ,Isabella`.“ Er kicherte. „Oder wollen Sie mich verulken, mein Lieber?“„Keineswegs, Mylord.“ Admiral Hawkins schaltete sich ein. „Er ist der Kapitän, Mylord, das ist zunächst völlig richtig, und er ist auch Eigner der ,Isabella`. Aber seine anderen Miteigner sind seine Männer.“ „Das gibt's doch gar nicht!“ rief der Lordadmiral erregt. „Doch, das gibt es“, sagte Hasard ruhig, „ich bin nur Erster unter Gleichgestellten. Natürlich treffe ich als solcher Entscheidungen - zum Beispiel im Gefecht, bei schwierigen Manövern, bei der Schiffsführung, nun, weil die Männer mir vertrauen. Umgekehrt vertraue ich ihnen. Dort steht Al Conroy, unser Stückmeister. Es wäre eine Anmaßung von mir, ihm in die Belange der Artillerie hineinzureden - das nur als Beispiel. Jeder Mann an Bord dieses Schiffes hat seine Funktion, jeder Mann auch könnte die Funktion des anderen übernehmen. Wir hatten Gelegenheit genug, das zu üben. Mylord, wir haben die Welt umsegelt - und wir leben. Ist das nicht Beweis genug für die Richtigkeit dieses Prinzips?“ „Ich - ich bin fassungslos“, sagte der Lordadmiral. „Und - und weil die Männer Miteigner sind, können Sie nicht entscheiden, ob ...“ „Sehr richtig“, unterbrach ihn Hasard. „Denn es ist so, daß die Männer entschieden hatten, unsere gesamte Beute gehöre der Königin. Dafür haben sie gekämpft, ihr Leben eingesetzt und Blessuren davongetragen - wie Sie selbst vorhin bemerkten, Mylord. Diese Entscheidung der Crew - die ich voll teile -
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habe ich zu respektieren. Mit dem Wunsch Sir Johns, den Sie vortrugen, ist eine neue Situation eingetreten und ich werde mich hüten, meinen Miteignern die Entscheidung vorwegzunehmen,“ „Un-unfaßbar“, murmelte der Lordadmiral verdattert, „wie-wieso sind die Leute denn Ihre Miteigner?“ „Weil sie mir ihre Beuteanteile seinerzeit zur Verfügung stellten, um die .Isabella' zu kaufen, Mylord. Damit taten sie nichts anderes als zum Beispiel gewisse Londoner Kaufleute, die beim Bau eines Schiffes Anteile zeichnen, um dann Gewinn zu erzielen, wenn das Schiff als Handelssegler oder gar Kaperfahrer Früchte zu tragen beginnt. Allerdings gibt es da doch einen Unterschied - nämlich den, daß diese Männer nicht wie die Kaufleute hinter dem Ofen hocken und später nur die Hand aufhalten, sondern daß diese Männer kämpfen, um den Gewinnanteil zu erzielen. Wissen Sie, was das heißt, Mylord? Das heißt, daß sie Stürmen trotzen, Entbehrungen tragen und allzu oft ihr Leben einsetzen müssen. Es heißt aber noch etwas: Sie haben ein Ziel, ein sehr persönliches Ziel, für das sie kämpfen - es ist nicht das Ziel irgendeines unbekannten, anonymen Pfeffersacks, der ihnen, wie das üblich ist, ein paar Shilling pro Monat zahlt und den es einen Dreck interessiert, ob sie im Sturm über Bord gehen, an einer Krankheit krepieren oder im Enterkampf fallen. Ich wiederhole: Das Ziel dieser Männer war es, nach England heimzukehren und Ihrer Majestät der Königin unsere gesamte Ladung zu übereignen. Wenn jetzt ein Teil dieser Ladung an die Schatzkasse der Royal Navy gehen soll, dann habe ich die Pflicht, meine Männer zu informieren, damit sie eine Entscheidung treffen können. Allerdings, das möchte ich nicht verhehlen, sind meine Männer aufgrund sehr übler Erfahrungen nicht sehr gut auf die Royal Navy zu sprechen. Zum großen Teil hängt das mit Admiral Drake zusammen, mit dem wir einige Auseinandersetzungen hatten.“
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Admiral Hawkins hatte die Augen zusammengekniffen, als der Name Drake fiel. „Welcher Art waren diese Auseinandersetzungen?“ fragte er. „Oh“, sagte Hasard, „das begann bereits vor vielen Jahren, als der Kern dieser Crew und ich noch unter Kapitän Drake fuhren damals, bei dessen Weltumsegelung. Aufgrund eines Bordgerichts hatte Kapitän Drake einen Mann, der die Expedition sabotierte, zum Tode durch das Schwert verurteilt.“ „Thomas Doughty, nicht wahr?“ fragte Admiral Hawkins knapp. „Jawohl, Thomas Doughty. Drakes damaliger Profos, Edwin Carberry, vollstreckte auf Befehl seines Kapitäns das Todesurteil. Soweit ist das alles in Ordnung. Später aber ereignete sich etwas Merkwürdiges. Carberry wurde bei Nacht außenbords gestoßen. Er konnte sich noch an dem nachgeschleppten Beiboot festhalten, aber dessen Vorleine wurde gekappt. Das war ein zweimaliger Mordversuch. Zu dieser Zeit war ich Kapitän eines geenterten spanischen Schiffes und nicht beim Verband. Wir stießen erst später wieder zu Drake. Aber zurück zu Carberry. Um mich kurz zu fassen: Er geriet, nachdem er Land erreicht hatte, in die Hände der Spanier und wurde gefoltert, weil die Spanier mit Recht annahmen, er gehöre zu ‚El Draque`, aber er schwieg und verriet nichts über Drake. Meine Männer und ich konnten Carberry befreien. Eine spätere Gegenüberstellung Carberrys mit John Doughty, dem Bruder des hingerichteten Thomas Doughty, ergab den für uns eindeutigen Beweis, daß dieser Mann den Mordversuch an Carberry unternommen hatte. Er benahm sich geradezu hysterisch, als er Carberry gegenüberstand. Ich forderte Kapitän Drake auf, ein Bordgericht zusammentreten zu lassen und den Mordversuch zu verurteilen. Drake weigerte sich. Ihm ging es wohl darum, nicht noch einen Adligen und Günstling des königlichen Hofes über die Klinge springen zu lassen. Im übrigen war der
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Profos ja auch nur - ich betone nur - ein Mann des niederen Schiffsvolks und weit unter dem Stand des John Doughty. Carberry blieb bei mir an Bord. Wir kündigten Drake den Gehorsam auf, und das war der Bruch.“ Hasard schwieg. „Ein bißchen Meuterei, wie?“ sagte Admiral Hawkins mit ausdruckslosem Gesicht. „Wenn Sie so wollen, ja“, erwiderte Hasard. „Ein Kapitän, der eine Untat mit zweierlei Maß mißt, nur weil der Täter ein Mann adligen Geblüts ist, ein solcher Kapitän kann für mich nicht mehr Respektsperson sein. Wer Mörder deckt, hat nicht mehr das Recht, mir Befehle zu erteilen. Ich füge noch etwas hinzu: Als wir - noch vor dem Bruch - Valparaiso überfielen, versuchte John Doughty, eine Spanierin zu vergewaltigen. Zwei Männer meiner Crew vereitelten das. Gegen den Willen Drakes setzte ich durch, daß Doughty deswegen ausgepeitscht wurde. Schon bei diesem widerlichen, mannesunwürdigen Vorfall war Drake bereit, Doughty zu decken - einen Frauenschänder und Meuchelmörder. Das sind die Tatsachen. Seitdem kann uns ein Admiral Drake nicht mehr imponieren - im Gegenteil.“ „Was war in Cadiz?“ fragte Admiral Hawkins. „Cadiz!“ Hasard lachte erbittert. „Drake setzte dort seine Linie fort. Er ließ neutrale Schiffe zusammenschießen ohne Rücksicht auf diplomatische Verwicklungen oder das Ansehen der englischen Krone. In sinnloser Weise nahm er Cadiz unter den Hagel seiner Breitseiten - als seien die dort lebenden Frauen, Kinder und Greise der erklärte Feind Nummer eins. Für diese barbarische und brutale Art von Unternehmen gegen ein Land, dem man noch nicht einmal den Krieg erklärt hat, habe ich nur Verachtung übrig. Um richtig verstanden zu werden: ich bin ein Gegner Spaniens, aber ich führe keinen Krieg gegen wehrlose Frauen und Kinder - im Unterschied zu Francis Drake.“
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„Ich verstehe, was Sie meinen“, sagte Admiral Hawkins ernst. „Und ich verstehe jetzt auch die Einstellung Ihrer Crew zur Royal Navy, aber Drake ist nicht die Navy, Kapitän Killigrew.“ „Immerhin jedoch Admiral in dieser Marine und vor einem Jahr in Cadiz Chef eines ziemlich großen Geschwaders, aber nicht eines Räuberhaufens. Denken Sie darüber, wie Sie wollen, Sir John, diese Royal Navy, wie sie sich in Cadiz unter Admiral Drake präsentierte, war kein gutes Renommee für England, jedenfalls nicht für einen Menschen, der die Maximen ritterlicher Kampfführung vertritt. Meine Männer denken so wie ich.“ „Krieg ist ein grausames Geschäft“, murmelte der Admiral. „Richtig, nur darf man ihn durch weitere und völlig sinnlose Grausamkeiten nicht noch weiter anheizen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, so lautet die biblische Weisheit. Aber darüber wollten wir nicht sprechen. Ich wollte Sie nur über die Einstellung der Crew informieren.“ Der Lordadmiral hatte dem Gespräch schweigend zugehört. Hasard hatte ihm angesehen, daß ihm das, was er über Admiral Drake vernommen hatte, keineswegs sehr angenehm war. Vielleicht teilte er Hasards Ansicht, aber er äußerte sich nicht dazu. Dafür demonstrierte er wieder den listigen Fuchs, der er war. Er sagte: „Sicherlich hält Ihre Crew doch sehr viel von Ihrem Urteil, nicht wahr?“ „Im großen und ganzen möchte ich das nicht verneinen“, sagte Hasard vorsichtig. „Na bitte.“ Der Lordadmiral wirkte schon wieder vergnügt. Und leise fügte er hinzu wie ein Verschwörer: „Dann könnten Sie doch die Männer beeinflussen - ich meine, im Sinne einer positiven Entscheidung für den Wunsch des Schatzmeisters.“ „Das könnte ich“, sagte Hasard, „aber ich tue es nicht. Ich muß noch einmal betonen, daß ich nicht frei über die Ladung verfügen kann, weil sie anteilmäßig der gesamten Crew gehört. Ich möchte, daß die Männer unbeeinflußt entscheiden, im anderen Falle
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würde ich das Gemeinschaftsprinzip über den Haufen stoßen.“ Der Lordadmiral machte ein sehr langes Gesicht. Und bestürzt war er offensichtlich auch. Das war verständlich. Irgendwie schien es ihm nicht in den Kopf zu gehen, daß die Männer „vorm Mast“, das einfache Schiffsvolk, Miteigner der „Isabella“ waren. Fast war er entrüstet darüber. Das paßte nicht in seine Vorstellung einer Gesellschaftsordnung mit dem Souverän an der Spitze, den Adligen, den Bürgern und ganz weit unten dem niederen Volk. Und da waren nun plötzlich ein paar Männer dieses niederen Volkes. „Besitzer“! Sie besaßen ein Schiff! Das mochte der Teufel verstehen. Zwar hatte er sich leutselig gegeben, der sehr ehrenwerte Charles Lord Howard von Effingham, aus dessen Familie bereits drei Lordschaften den Tudors als Lordadmirale gedient hatten. Aber das war mehr wegen des guten Eindrucks gewesen, den er hatte erzielen wollen, als er an Bord der „Isabella“ kam. Sollte er diese Leute jetzt etwa noch anbetteln, um für Hawkins' Schatzkasse etwas herauszuschinden? Unmöglich! Und was sagte da dieser unverschämte Killigrew? Hasard sagte: „Mylord, Sir John, ich muß Sie bitten, Ihren Wunsch den Männern persönlich vorzutragen und in eigener Sache zu sprechen.“ Daß dich doch der Teufel lotweise hole! dachte der Lordadmiral. Und wie der Kerl grinste! Der wußte genau, was er da von ihm, dem Lordadmiral, oder Admiral Hawkins verlangte. Wie Bettler sollten sie um ein Almosen bitten! Erniedrigen sollten sie sich! Der Lordadmiral schnappte nach Luft. Aber da handelte bereits der Admiral. Lord Howard riß die Augen auf. Donnerwetter, hatte dieser alte Esel Mut! Admiral Hawkins war an die Balustrade getreten, die das erhöhte Achterdeck von der Kuhl trennte. Dort auf der Kuhl standen die Männer der „Isabella“ und blickten zu dem Admiral mit dem
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Raubvogelgesicht hoch, der ihr Schiff hatte „in Fetzen schießen“ wollen. Die Mienen dieser Männer waren undurchdringlich. Sie standen da, die Beine etwas gespreizt, um die leichten Schiffsbewegungen auszugleichen, die Hände auf dem Rücken, etwas lässig, aber doch von gespannter Wachheit, die Köpfe frei erhoben. Sie mußten Teile des Gesprächs auf dem Achterdeck mitgehört haben, gewiß aber hatten sie gesehen, daß sich der Admiral und ihr Kapitän die Hände gereicht hatten. Admiral Hawkins reckte sich. „Männer der ,Isabella-, sagte er. Seine Stimme war ruhig und klar. „Ich stehe vor euch als ein Bittgänger, in diesem Fall als der Schatzmeister der Royal Navy. Euer Kapitän forderte mich auf, zu euch als den Miteignern dieses Schiffes zu sprechen und das zu vertreten, was ich als Wunsch äußerte. Ich will es versuchen, obwohl es mir nicht leicht fällt. Es fällt mir auch bei Ihrer Majestät der Königin nicht leicht, um Geld betteln zu müssen. Sie ist der beste Souverän, den ich mir vorstellen kann, sonst würde ich ihr nicht dienen. Sie beauftragte mich mit dem Aufbau der Navy. Ich nahm diesen Auftrag an, weil es um England geht. Aber ich muß um jeden Shilling, um jedes Pfund mit Ihrer Majestät hartnäckig ringen. Es fehlt und mangelt an allem: an Schiffen, an Segeltuch, an Masten und Spieren, an Tauwerk, an Pulver, Kugeln und Kanonen, an Proviant und da sogar an Dünnbier, das weiß Gott so schmeckt, wie es heißt, nämlich dünn, aber nicht nach Bier - im Gegensatz zum Rum eures Decksältesten Smoky.“ Die Seewölfe Verloren ihre undurchdringlichen Mienen und begannen versteckt zu grinsen. „Aber das alles soll ich aus der Schatzkasse der Royal Navy bezahlen”, fuhr der Admiral fort, „und ich weiß manchmal nicht wie. Ich kann nicht zu den Kaufleuten gehen und sagen, gebt mir dies, gebt mir das, aber bezahlen tue ich am Sankt-Nimmerleins-Tag, nämlich nie. Das wäre Betrug, und das lehne ich ab.“
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Der Admiral schwieg, und sein Blick wanderte über die Männer auf der Kuhl. Lange schaute er Batuti, den Riesen aus Gambia, an. Neben ihm der blonde große Stenmark. Sie wirkten wie die Verkörperung jenes Gotteswortes, daß alle Menschen gleich seien. Warum mußten die einen Sklaven sein? Und warum waren die anderen die Herren? Unmerklich schüttelte der Admiral den Kopf und verdrängte diesen Gedanken. Hatte er selbst nicht mit Menschen gehandelt? Als der Admiral weitersprach, blickte er Edwin Carberry an. „Da ist noch etwas anderes“, sagte er, „und es trifft meinen Stolz. Sie sagen, die Royal Navy sei arm wie eine Kirchenmaus. Sie rümpfen die Nase über die Männer, die in dieser Navy dienen. Es sind jene Kreise bei Hof, die immer alles besser wissen. Offenbar wissen sie auch sehr genau, diese Höflinge, daß man vor den Spaniern das Knie zu beugen habe. Sie sagen, diese Royal Navy sei eine Spielerei, man brauche sie überhaupt nicht. Sie behaupten, Spanien habe gar nicht die Absicht, England zu schlucken. Nicht Spanien sei der Feind, sagen sie, 'sondern zum Beispiel der Admiral Hawkins, der Ihrer Majestät der Königin einrede, England brauche unbedingt Schiffe, um sich auf dem Vorfeld einer eventuellen Invasion, nämlich der See, bereits zur Wehr setzen zu können, bevor Blut auf englischem Boden fließt. Das alles sagen sie. Und sie scheuen sich auch nicht, zu behaupten, die Gelder der Königin flössen nicht in die Schatzkasse dieser unnötigen Marine, sondern in die Taschen des Admirals Hawkins. Aufgrund aller dieser schamlosen Behauptungen erwog Ihre Majestät vor kurzem, trotz der angespannten Lage bezüglich Spaniens die Hälfte der Schiffe außer Dienst zu stellen — um zu sparen. Der Lordadmiral und ich brauchten Stunden, um der Königin das auszureden. Ich kann nicht behaupten, daß mir danach wohler war. Aber ich verzweifele nicht, und ich gebe nicht auf, denn das darf ich nicht, solange die Gefahr
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besteht, daß Philipp von Spanien die Armada in Marsch setzt — gegen England. Und dann werden wir es sein, die Admirale, Kapitäne und Männer der verleumdeten, ungeliebten Royal Navy, die sich dem Gegner zu stellen haben, auch der Übermacht. Gnade uns Gott, wenn wir dann versagen.“ Der Admiral senkte den Kopf und schwieg. Es war alles gesagt. Jetzt mochten die Männer der „Isabella“ entscheiden — so oder so, er würde sich dieser Entscheidung beugen, denn er hatte mehr begriffen als der Lordadmiral, viel, viel mehr. Er hatte begriffen, daß er nicht vor Knechten, sondern vor Freien stand, vor Kämpfern, nicht vor sich duckenden Höflingen, vor Männern, nicht vor Memmen. Smoky, der Decksälteste der „Isabella“, löste sich aus der Gruppe der Seewölfe und trat vor. „Sir“, sagte er, „wir sind noch nie jemandem etwas schuldig geblieben. Wir zahlen immer zurück, auch einem Admiral, der unser Schiff versenken wollte — auf unsere Art! Darum schlage ich vor, daß ein Viertelanteil der Ladung, die für Ihre Majestät die Königin bestimmt war, der Kasse der Royal Navy zur Verfügung gestellt wird. Ich bitte Kapitän Killigrew, über diesen Vorschlag abstimmen zu lassen.“ Hasard stellte sich an die Seite des Admirals, nickte leicht und sagte: „Ihr habt Smokys Vorschlag gehört. Ist einer von euch gegenteiliger Ansicht oder möchte etwas anderes vorschlagen?“ Die Seewölfe standen schweigend. Nur dieses verdammte Grinsen zeigten sie wieder. Jetzt lächelte auch Hasard und wandte sich an Admiral Hawkins. Er sagte: „Die Entscheidung ist damit zugunsten der Schatzkasse der Royal Navy gefallen. Sie haben es gehört, Sir John, ein Viertelanteil der für die Königin bestimmten Ladung geht an die Royal Navy. Allerdings stelle ich dabei als Treuhänder bestimmte Bedingungen ...“
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„O Gott!“ unterbrach ihn eine Stimme. Es war die Stimme des Lordadmirals. „Auch noch Bedingungen!“ „Natürlich“, sagte Hasard völlig ungerührt, „und zwar deswegen, weil vor acht Jahren, als wir Ihrer Majestät zum ersten Male etwas zu schenken die Ehre hatten, Gerüchte in Umlauf gesetzt wurden, wir hätten Unterschlagungen begangen und die Königin betrogen. So etwas passiert uns nur einmal. Als erstes verlange ich eine Garantie, daß dieser Viertelanteil nicht in dunklen Kanälen verschwindet wie seinerzeit, als der Towerhauptmann klebrige Finger hatte. Was schlagen Sie da vor, Sir John?“ Der Admiral sagte etwas steif: „Ich bin nicht der Towerhauptmann, Kapitän Killigrew, obwohl ich zugebe, daß ich ein alter Pirat bin. Von mir wird unter anderem auch behauptet, ich sei ein ehrlicher Gauner. Ich möchte, bitte sehr, die Betonung auf die Eigenschaft ehrlich legen und das Wort Gauner streichen. Ich schlage vor, daß ich als Schatzmeister der Royal Navy der ,Isabella`-Crew, vertreten durch Kapitän Killigrew, einen Revers über den empfangenen Anteil ausstelle und mich im übrigen verpflichte, über die Verwendung dieses Anteils Rechnung zu legen. Genügt das?“ „Einverstanden, Sir John. Und nun meine zweite Bedingung.“ „Die wäre?“ „Ihre Majestät die Königin muß darüber informiert werden, daß ein Viertelanteil der Ladung der Schatzkasse der Royal Navy zur Verfügung gestellt wird.“ „Muß das sein?“ jammerte der Lordadmiral. „Sie kennen das einnehmende Wesen unserer guten Bess noch nicht, Kapitän Killigrew. Ich darf das eigentlich gar nicht sagen, aber manchmal ist sie wirklich ein bißchen zu raffig, ich meine, äh, bei allen ihren sonstigen liebenswerten Eigenschaften.“ Der Lordadmiral stöhnte. „Sie wissen doch, wie Frauen sind! Oje, oje! Da hängen wir wieder ganz hinten. Das geht schief, das geht ganz bestimmt schief, ich ahne es schon!“
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„Ich muß darauf bestehen, Mylord“, sagte Hasard. „Es darf nicht wieder passieren, daß man über die Männer der ,Isabella` und ihren Kapitän üble Nachrede führt. Es ist unsere Ehre, die man damit in den Schmutz zieht. Darum bin ich für klare Verhältnisse. Gut, ich selbst werde die Königin darüber informieren und bin auch überzeugt, daß sie meine Argumente zugunsten der Royal Navy akzeptieren wird. Und wo bleibt Ihre Taktik, Mylord? Wenn wir Ihrer Majestät zehn Goldbarren überreichen und dabei sagen würden, zweieinhalb Barren davon gehörten der Royal Navy, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, daß Ihre Majestät sauer reagiert. Aber bei der Menge, die sie besichtigen soll, verliert sie doch glatt die Übersicht und ist eher geneigt, großzügig zu sein. Oder etwa nicht?“ Der Lordadmiral starrte Hasard verblüfft an. „Mann!“ stieß er hervor. „Mann, sind Sie ein Schlitzohr, ein raffiniertes Schlitzohr! Warum sind Sie eigentlich nicht Schatzkanzler, he?“ „Das können Sie Ihrer Majestät ja mal vorschlagen“, sagte Hasard frech. „Noch besser wäre natürlich Lordadmiral.“ Alle hatten diese Antwort gehört. Aber mit dem Lachen fing dieses Mal Admiral Hawkins an - und die ganze SeewölfeCrew folgte nach. Ein Lachsturm brauste über das Deck und prallte gegen die drei Kriegsgaleonen. Gardiner, der erste Offizier auf dem Flaggschiff, zuckte zusammen und riß das Spektiv vors Auge. Die lachten! Hölle und Teufel, die lachten! War das noch zu fassen? Und da der Lordadmiral! Der hielt sich mit beiden Händen den wackelnden Bauch, und aus seinen Augen kullerten Tränen, ganz deutlich konnte es Gardiner sehen. Der junge Lieutenant Mortimer, der neben Gardiner stand, sagte respektlos: „Da hat sicher einer dem Alten einen dreckigen Witz erzählt.“ Gardiner ließ das Spektiv sinken und musterte den Lieutenant von oben bis unten.
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„Mister Mortimer“, sagte er, „Sie dürfen heute nacht zusätzlich die Hundewache übernehmen, um darüber nachzudenken, welche Bemerkungen einem Lieutenant der Royal Navy gestattet sind - und welche nicht.“ „Aye, aye, Sir“, sagte der junge Lieutenant Mortimer grinsend, „ich wollte schon immer mal um Mitternacht die Sterne zählen ...“ 7. Nur Admiral Frobishers „Triumph“ blieb vor der Themsemündung zurück, um den Wachdienst zu übernehmen. Die „Arc Royal“, die „Isabella“ und die „Victory“ segelten themseaufwärts, das Flaggschiff an der Spitze, die „Victory“ als Schlußschiff. Die beiden schweren Kriegsgaleonen wirkten wie Glucken gegen das Küken in ihrer Mitte, das den Namen „Isabella“ trug. Allerdings hatte Hasard auf dem Küken die Marssegel wegnehmen lassen, um dem Flaggschiff vorn nicht ständig aufzusegeln und den Bugspriet in dessen Heck zu bohren. Außerdem liefen die Wenden auf der „Isabella“ wie geschmiert - im Gegensatz zu den dicken Brocken. „Mann, ist das ein Gemurkse!“ stöhnte Carberry. „Verschrotten sollte man diese schweren Eimer und stattdessen lieber solche Schiffchen wie unsere alte Tante bauen.“ „Sag's doch dem alten Piraten Sir John“, erklärte Smoky grinsend, „der ist jetzt noch mehr verrückt auf unser Schiff.“ Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. Ja, Admiral Hawkins hatte es sich nicht nehmen lassen, an Bord der „Isabella“ nach London zu segeln. Jetzt stand er am Ruder und ging bei Pete Ballie in die Schule, nachdem ihm Ferris Tucker einen langen Vortrag über die Ruderanlage der „Isabella“ gehalten hatte. Wie verwandelt war der Admiral. Über dem Raubvogelgesicht lag ein verklärtes Entzücken, als er das Steuerruder handhabte, dem die „Isabella“ mustergültig gehorchte.
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„Mit Gefühl, Sir“, sagte Pete Ballie, der Schulmeister. „Immer herantasten an den Wind, vorsichtig, nicht zu viel, ja, recht so, jetzt wieder etwas abfallen - gut, gut, das mag die Tante, da schnurrt sie, unsere Gute! Merken Sie's, Sir?“ Admiral Hawkins nickte grunzend. Er hatte sogar die Zunge zwischen den Lippen. Je nach Ruderlage schob er sie nach links oder nach rechts, nach Backbord oder Steuerbord. Schlag um Schlag kreuzten sie die Themse hoch - mit dem auflaufenden Wasser, aber gegen den Wind, der immer noch aus Westen wehte. Die Biegungen des Flusses zwangen zum ständigen Trimmen der Segel, die Besatzungen blieben in Trab. Auf der „Isabella“ ging es allerdings weniger hektisch und nervös zu. Hier war jeder Handgriff tausendfach geübt. Das bedurfte keiner treibenden Befehle, alles lief wie am Schnürchen. Gravesend blieb achteraus zurück, Ben Brightons Geburtsort. Lange hatte er hinübergeschaut, der stämmige erste Offizier der „Isabella“, stumm, mit verschlossenem Gesicht, wie es seine Art war. Aber dann war Hasard neben ihn getreten. „Heimweh, Ben?“ hatte er gefragt. „Ein bißchen schon.“ Dann hatte er schwach gelächelt. „Wenn ich alt bin und mir dort hinten am Themseufer ein Häuschen gebaut habe, wird es umgekehrt sein. Ist es nicht so? Wenn du draußen bist, träumst du davon, zu Hause am Feuer zu sitzen. Und wenn du am Feuer sitzt, fällt dir die Decke auf den Kopf. Zwischen den Mauern hörst du den Wind nicht mehr, kein Wasser klatscht gegen Bordwände, keine Rahen knarren und ächzen. Und da wünschst du dir, wieder draußen auf See zu sein.“ Und dann hatte Ben Brighton hinzugefügt: „Diese verdammte See verändert uns, wir passen nicht mehr an Land, wir sind im eigenen Land Fremde geworden.“ Fast überrascht hatte Hasard zugehört. Das war eine Seite Ben Brightons, die er selten zeigte. Wenn ich alt bin, hatte er gesagt. Würden sie jemals alt werden? Hasard
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glaubte nicht daran. Irgendwann würde die See erbarmungslos zuschlagen und sich nicht mehr betrügen lassen. Das Häuschen Ben Brightons am Themseufer würde ein Traum sein... „Klar zur Wende!“ dröhnte Carberrys Stimme über das Deck. Die „Arc Royal“ hatte bereits ihre Wende gefahren und lag jetzt über Backbordbug mit Kurs auf Greenhithe am südlichen Themseufer. Ihre Marssegel killten immer noch, als die „Isabella“ ihre Wende gefahren hatte und ihre Segel bereits wieder voll und bei standen. „Rübenschweine“, murmelte Carberry verächtlich mit einem Blick auf die killenden Marssegel des Flaggschiffs. Kaum hatte er das ausgesprochen, da passierte es. Zuerst hörten sie nur den gellenden Schrei, zuckten zusammen und fuhren herum. Achtern auf der „Arc Royal“ hatte jemand geschrien – Männer stürzten dort bereits zum Achterdeck. Dann rief eine Stimme von dort zur „Isabella“ herüber: „Ruderbruch!“ Mit einem Satz war Hasard am Ruderhaus. „Pete ans Ruder!“ sagte er scharf. „Ran an das Flaggschiff!“ Schon umklammerten Pete Ballies Bratpfannenfäuste das Ruderrad. Admiral Hawkins stand da wie bestellt und nicht abgeholt. Pete hatte ihn einfach zur Seite gewischt. „Ed! Klar bei Schlepptrosse!“ peitschte Hasards Stimme. „Hurtig, hurtig, Männer, jetzt geht's um jede Sekunde!“ Carberrys Stimme röhrte über die Kuhl. Männer flitzten durcheinander. „Ben! Pete! Wir scheren am Bug der ,Arc Royal' vorbei, und zwar so, daß wir dann, wenn wir wenden, ihr unser Heck zudrehen. In dem Moment muß die Schlepptrosse zur ,Arc Royal' rüber.“ Er verstummte und fluchte. „Verdammt, die schlafen da drüben und halten Maulaffen feil! Ben, einer von uns muß mit der Schlepptrosse rüberspringen! Wer übernimmt das?“ „Ich!“ grollte Carberrys Stimme zum Ruderhaus. Er wuchtete bereits mit der
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Schlepptrosse über das Achterdeck am Backbordschanzkleid entlang. „Diese Affenärsche hier sind ja zu faul zum Springen!“ Hasard grinste, und im selben Moment fluchte er wieder, schnappte sich die Flüstertüte aus dem Ruderhaus und brüllte zum Flaggschiff hinüber: „Gehen Sie in den Wind, Mylord, verdammt noch mal, sonst werden Sie quergeschlagen!“ „Geht nicht!“ Ganz dünn wehte die Stimme des Lordadmirals zur „Isabella“. „Wir haben Ruderschaden!“ Hasard verlor fast die Beherrschung. „Dann steuern Sie mit den Segeln, Himmelarsch! Weg mit den Vorsegeln!“ brüllte er durch die Flüstertüte. „Kappen Sie die Scheißdinger, damit Sie Druck auf die Achtersegel kriegen und in den Wind schießen können. Wenn Sie im Wind stehen, runter mit allem Zeug!“ „Und dann?“ „Dann sind wir da und nehmen Sie auf den Haken!“ brüllte Hasard. Seine Stimme kippte fast über. Erst jetzt gerieten sie auf der „Arc Royal“ etwas in Bewegung. „Führt die Schlepptrosse mit ein paar Buchten um den schweren Achterpoller“, knurrte Hasard über die Schulter, „und dann um den Besanmast.“ „Aye, aye, längst passiert, Sir“, brummte Carberry ungehalten. Hasard warf einen schnellen Blick zurück. Tatsächlich. Carberrys Seemannschaft war perfekt und nicht mehr zu überbieten. „Fein, Ed.“ Hasard konnte wieder grinsen. „Fall nicht ins Wasser, wenn du springst. Denk an die schwere Trosse! Wenn du es nicht schaffst, treibt die ,Arc Royal' auf die Rübenfelder von Greenhithe.“ „Dort gehört dieser Mistkahn auch hin“, sagte Carberry grollend, „Rübenschweine gehören auf Rübenäcker, was, wie? Und was mein Springen betrifft, Sir, da frag mal Mollybaby, das schwarze Satansweib beim dicken Plymson in der ,Bloody Mary, was Edwin Carberry für ein Springinsfeld ist, wenn er so richtig in Fahrt kommt. Zuletzt hab ich bei ihr ...“
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„Ed, erzähl mir das bitte morgen“, unterbrach ihn Hasard, „ich hab hier nämlich einen Job.“ „Bin ja schon still“, nörgelte Carberry. Er stand bereits auf der Heckgalerie, die Trosse unter dem Arm. Unter ihm stand Batuti, die Trosse ebenfalls in den Fäusten, um Carberry die Lose nachzuwerfen und ihm damit den Sprung zu erleichtern. Zwischen Heckgalerie und Achterpoller war die Trosse sauber in Buchten aufgeschossen, um sofort ausrauschen zu können, sobald Druck auf die Trosse kam. Am Besanmast hatte sie Gary Andrews auf Slip belegt. Noch fünfzig Yards bis zum Flaggschiff. „Ben, Marssegel wieder setzen!“ befahl Hasard und peilte zum Flaggschiff hinüber. „Aye, aye“, ertönte Ben Brightons ruhige Stimme. „Pete, alles klar?“ fragte Hasard. „Alles klar, Sir“, erwiderte Pete. „Die Flut schiebt mächtig, wie?“ „Tut sie, Sir“, sagte Pete, „keine Sorge, Sir, daß ich beim Hochgehen unser Heck in den Bugspriet der ,Arc Royal' knalle. Das dachtest du doch, oder?“ „Genau, Pete.“ Hasard lächelte, wurde wieder ernst, kniff die Augen zusammen und sagte: „Gleich ist es soweit, Pete.“ Er wandte sich um zu Carberry. „Ed! Viel Glück! Denk an Mollybaby!“ Carberry stand bereits wie ein zum Sprung bereiter Tiger. „Ha!“ sagte er nur. Auch Batuti war wie eine Sehne gespannt. Auf der „Arc Royal“ glotzten sie wie Kühe in der Erwartung eines Bullen. Drei lehnten, die Arme aufs Steuerbordschanzkleid der Galeonsplattform gestützt, genau an der Stelle, über die Carberry im Sprung hinwegsetzen mußte. „Weg da!“ brüllte Carberry. „Schleicht euch, ihr Säcke!“ Die drei Kerle starrten sich an und waren sichtlich überfordert. Oder sie nahmen an, nicht gemeint zu sein. Also blieben sie, wo sie waren. Carberry platzte vor Wut, aber nicht nur er. Da drüben stand nicht mal ein
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Leinenkommando bereit. Hasard hätte gern getobt, aber dazu war keine Zeit mehr. „Jetzt, Pete!“ stieß er hervor. Pete Ballie legte Ruder. Sie hielten alle den Atem an. Die „Isabella“ drehte sanft in den Wind, ihr Heck schwang herum, haarscharf an der Steuerbordseite in der Höhe der Galeonsplattform vorbei. Carberry flog zur „Arc Royal“ hinüber, als sei er von einer Culverine mit doppeltem Pulvertreibsatz ausgespuckt worden. Batutis sehnige Arme schleuderten die Trosse nach. Das ging Hand in Hand, als sei es lange geübt worden. Carberrys Körper fegte die drei Kerle zur Seite. Sie kippten um, als habe sie jemand von den Füßen gesenst. Aber Carberrys Flugbahn war gestört. Für einen Moment sah es aus, als würde er mit dem Kopf voran gegen das Ankerspill stoßen. Das war zwar sein Ziel, aber nicht auf diese Weise. Die Seewölfe stöhnten auf. Doch Carberry schaffte es, fast wie eine Katze auf den Füßen zu landen. Blitzartig mußte er sich hochgeschnellt haben. Er schlidderte ein Stück und warf das riesige Auge der Trosse über das Ankerspill. Es sah aus, als umarme er das Spill - wie Mollybaby, das schwarzhaarige Satansweib. Jetzt lag die „Isabella“ auf Steuerbordbug. Pete Ballie fiel ab, um Fahrt ins Schiff zu kriegen. Das Heck der „Isabella“ entfernte sich zusehends vom Bug der „Arc Royal“. Die Schlepptrosse rauschte aus. Wenn sie einruckte, gab es den kritischen Punkt: Sie konnte brechen. Hasard biß die Zähne zusammen, den Blick auf die ausrauschende Trosse gerichtet. So sah er nicht, was sein Profos auf dem Galeonsdeck der „Arc Royal“ trieb. Der räumte dort nämlich auf - nach Art der Arwenacks beim Enterkampf. Die drei Kerle waren gerade wieder auf den Füßen, als Carberry über sie herfiel. Wahrscheinlich begriffen sie erst jetzt, daß sie es gewesen sein mußten, die dieses
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narbengesichtige Ungeheuer als „Säcke“ angebrüllt hatte. Nur war es jetzt zu spät. Carberrys rechte Faust krachte dem ersten Seemann unters Kinn, daß dem fast der Kopf wegflog. Er segelte hinter seinem Kopf her durchs Galeonschott, das zum Mannschaftsdeck führte. Weg war er! „Mistkäfer!“ grollte Carberry hinter ihm her. Der zweite Seemann empfing zwei schallende Ohrfeigen, blitzschnell und hart geschlagen, und wußte nicht, nach welcher Seite er kreiseln sollte. Darum fiel er einfach um. „Kakerlakenbastard!“ grollte Carberry und wandte sich dem dritten Seemann zu. Der stand wie gelähmt über der Schlepptrosse, stierte Carberry an und hatte das Maul so weit offen, daß eine Bratpfanne hineingepaßt hätte. Außerdem hatte er die Beine gespreizt. Carberry begann zu grinsen, die Augen auf die Schlepptrosse gerichtet. Gleich war's soweit. Strafe muß sein, dachte Carberry, wer nicht hören will, muß fühlen. Und sein Grinsen wurde noch höllischer. Die Trosse ruckte ein und schnellte hoch wie eine Bogensehne. Ein quietschendes Ächzen ertönte, aber das stammte von der Trosse. Ein Ruck lief durch die „Arc Royal“. Der dritte Seemann befand sich in der Luft. Er war senkrecht wie eine Rakete hochgestiegen. Carberry hatte den Köpf in den Nacken gelegt und dachte besorgt: Der fährt doch nicht gleich in den Himmel? Tat er auch nicht, er kehrte wieder zurück, genauso kerzengerade, wie er aufgestiegen war, Hände an der Hosennaht. Jetzt war Carberry noch besorgter. Dieses Rübenschwein brachte es fertig und raste ungespitzt durchs Galeonsdeck. Aber das war ein besonderes Rübenschwein. Es prallte mit den Füßen auf die gespannte Trosse - bongg! -, wurde abgefedert und flog auf Carberry zu. Der brauchte nur noch die Arme auszubreiten und das Rübenschwein an die breite Brust zu drücken.
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„Na, na“, sagte Carberry beruhigend, weil das Rübenschwein Zuckungen hatte und unartikulierte Laute ausstieß, „das wird schon wieder, das renkt sich alles ein. Hat's denn so wehgetan?“ „Oh - oh!“ jammerte das Rübenschwein. „Wer stellt sich denn auch über 'ne Trosse, die jeden Moment steifkommen muß!“ sagte Carberry tadelnd und setzte den dritten Seemann vorsichtig ab. Greinend und gekrümmt schlich der Seemann durchs Galeonschott. „Jetzt heult der auch noch“, murmelte Carberry kopfschüttelnd. Ein neuer Besuch tauchte bei ihm auf, ein Offizier. Er schoß durch das Galeonschott, als wolle er gleich über den Bugspriet weiter ins Wasser laufen. Vor Carberry stoppte er und herrschte ihn an: „Sind Sie der Mann, der unerlaubt auf unser Schiff gesprungen ist?“ „Nee, das muß jemand anders gewesen sein“, sagte Carberry gemütlich und zog sich die Hosen mit den Ellenbogen hoch. „Lassen Sie das!“ „Was?“ „Das Hosehochziehen! Wer sind Sie überhaupt?“ „Frag den Abendwind“, sagte Carberry. „Hier wurde ein Mann niedergeschlagen!“ keuchte der Offizier. „Zwei“, korrigierte Carberry, „und einer wollte den Himmel besuchen, der Blödmann. Stand auf der Trosse, als sie einruckte.“ „Woher wissen Sie das?“ „War dabei. Sonst noch 'ne Frage, du Hampelmann?“ „Sie—Sie...“ „Mann — ist das ein Scheißschiff! Jetzt reicht's mir aber! Bestell deinem Lordadmiral, dem Ziegenbock, schöne Grüße von mir. Das ist das mieseste Flaggschiff mit der miesesten Besatzung, die ich je kennen gelernt habe, klar?“ „Wer sind Sie?“ brüllte der Offizier. „Mollybabys Springinsfeld“, sagte Carberry, grinste, tippte grüßend an den Kopf und drehte sich um. „Halt! Wo wollen Sie hin?“
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„Zum Mond“, sagte Carberry, „hier ist mir das zu dämlich.“ Und damit hängte er sich an die Schleppleine, schob sich am Bugspriet vorbei, umklammerte die Schleppleine auch mit den Füßen und hangelte sich auf das Heck der „Isabella“ zu. Der Offizier sah aus, als hätte er einen Sack Pfeffer verschluckt. Gleich platzt er, dachte Carberry, winkte ihm mit einer Hand zu, während er über dem Wasser schaukelte, und rief: „Hu-hu!“ Der Offizier raste wie eine Kanonenkugel zurück durchs Galeonschott. „Idiot“, murmelte Carberry, „Rübenschwein, Affendreck, krummer Bastard ...“ Hand über Hand hangelte er sich weiter. Unter ihm raste, so schien es, das Wasser dahin. Er hing etwa zwei bis drei Yards darüber. Manchmal sprühte Gischt zu ihm hoch. Wenn die Trosse lose kommt, dachte Carberry, kannst du dir den Hintern spülen, Junge. Er grinste bei dem Gedanken. Und dann fiel ihm ein, daß auf diese Weise wohl noch nie ein Mann von Bord eines Schiffes „gegangen“ war, was, wie? Er hatte es ganz spontan getan, ohne lange zu überlegen. Aber wäre er noch eine Minute länger auf diesem mistigen Flaggeimer geblieben, dann hätte er diesem Stinkstiefel von Offizier aller Wahrscheinlichkeit nach den Hals umgedreht. Na, egal, so gab's wenigstens keine Scherereien. Klappte ja ganz gut, das Abschleppen. Er peilte an der Trosse entlang zum Flaggschiff. Da drängten sich diese Stinte auf der Back am Schanzkleid beider Seiten und renkten sich die Hälse aus beim Glotzen. „Ihr habt wohl auch nichts Besseres zu tun, was, wie?” murmelte Carberry. Er drehte den Kopf, so weit es ging, um zur „Isabella“ zu schauen. Da war auch die ganze Bande versammelt — an der Heckgalerie. Sie grinsten so breit, daß man ihnen eine Rah quer in die Mäuler hätte schieben können.
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Und dann erschrak Carberry. Denn er sah, daß die „Isabella“ bereits dicht am Nordufer der Themse war und innerhalb der nächsten Minute über Stag gehen mußte. Die Kerls liefen auch schon zu den Brassen und Schoten. Die Wende bedeutete, daß die Schlepptrosse für eine gewisse Zeit lose kommen und durchhängen würde. „Ach du Scheiße“, murmelte Carberry. Grob geschätzt hatte er noch etwa fünfundzwanzig Yards bis zum Heck der „Isabella“ vor sich, das war bis zur Wende nicht mehr zu schaffen. Da tönte auch schon die Stimme des Seewolfs zu ihm herüber. „Ed! Klammere dich fest, wir müssen wenden!“ „Aye, aye, .Sir!“ brüllte Carberry zurück. „Alles klar!“ Aber so klar war das gar nicht, und Carberry wußte es. Er war lange genug zur See gefahren und hatte einen heillosen Respekt vor der Wucht und Kraft des Wassers. Er fluchte verbissen, solange er noch Zeit dazu hatte, und seine Pranken legten sich wie Eisenklammern um die Trosse. Wenn er seine Beine wie Taue hätte verbiegen können, hätte er mit ihnen einen unlösbaren Knoten um die Trosse geschlungen. Er linste nach unten, zwischen dem rechten Arm hindurch. Jetzt, dachte er und holte tief Luft. Sekunden später klatschte er ins Wasser und hatte das Gefühl, gegen eine Mauer geprallt zu sein. Das reißt mir glatt die Arme aus den Schultern, dachte er, und dann dachte er gar nichts mehr, denn um ihn herum war eine quirlende, tosende, rauschende Masse, dunkelgrün, weiß, grauweiß, hellgrün. Eine unheimliche Kraft zerrte an ihm, walkte ihn durch, beutelte ihn, versuchte, ihn von der Trosse zu reißen. Er spürte, daß er an ihr entlangrutschte, zugleich schnitt ein greller Schmerz durch seine Handflächen, durch Schenkel, Waden und Knöchel. Aber er ließ nicht locker.
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Schier endlos dauerte diese Höllenfahrt. Die Luft wurde knapp, sein Schädel dröhnte, sein Brustkasten drohte zu platzen. Alles in ihm verkrampfte sich. Da hob ihn etwas an, und er sauste hoch. Grellweiße Helligkeit überfiel ihn, Gischt fetzte an ihm vorbei. Er schnappte nach Luft. Geschafft! Nein, noch nicht. Denn erst jetzt ruckte die Schlepptrosse ein. Es war wie ein Peitschenschlag, wie ein letzter Versuch, den eisernen Profos von der Trosse zu katapultieren. Der Ruck drosch ihn gegen die Trosse, trieb ihn um sie herum in einer vollen Drehung — und dann hing er wieder rücklings über dem Wasser, mit zerschrammtem Gesicht und blutenden Handflächen, Innenschenkeln, Waden und Knöcheln. Erbittert stellte er fest, daß er fast wieder bis zur „Arc Royal“ gerutscht war. Dort standen sie mit offenen Mäulern und Augen wie Ankerklüsen. Von der „Isabella“ her dröhnte brüllender Beifall in seine Ohren. Er spuckte einen Strahl Wasser aus, grinste schief und begann wieder zu hangeln. Das war die Hölle mit den kaputten Pfoten. Er schaute nicht hin. Da mußte die Haut in Fetzen hängen, an den Beinen auch. Er fühlte sich wie gekielholt, aber ein Carberry war nicht umzubringen, nicht auf diese Weise. An 'ner Schlepptrosse absaufen, was, wie? Ich doch nicht! Vier Minuten später zogen sie ihn über die Heckgalerie, und der Kutscher kippte ihm Rum zwischen die Zähne. Er gurgelte ihn herunter wie Wasser. Dann fummelte der Kutscher an Carberrys Händen herum, und der Profos fluchte schon wieder. „Laß das, du Salbenhengst!“ knurrte er. „Du brauchst wohl Hautlappen als Fleischersatz für deine nächste Kohlsuppe, was, wie?“ „Ed, Ed“, sagte der Seewolf milde und schüttelte den Kopf, „mußtest du unbedingt auf diese unübliche Weise von Bord zu Bord marschieren?“
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„Wie denn sonst?“ fauchte der Profos. „Das nächste Mal laß ich mich mit 'ner Kanone zurückschießen!“ „Du hättest doch drüben bleiben können.“ „Auf dem Sarg, Sir?“ sagte Carberry empört. „Niemals! Lieber freß ich meine Seestiefel samt Socken. Da fragte mich doch tatsächlich so ein Schnarchsack von Offizier, ob ich der Mann sei, der unerlaubt an Bord gesprungen wäre. Unerlaubt! Kannst du dir das vorstellen? Am liebsten wäre ich dem Kerl an die Gurgel gegangen. Und deswegen war es besser, wieder abzuhauen.“ „Ah, so war das. Da wäre ich allerdings auch abgehauen.“ Hasard nickte. Und dann sagte er streng: „Laß dir die Hände verbinden, Ed. Das ist ein Befehl.“ Carberry maulte, aber da war Hasard unerbittlich. Und darum hatte der Profos weißverpackte Pranken, als sie in den Abendstunden längsseits der Towerpier in London gingen — die „Arc Royal“ immer noch im Schlepp. Aber an die Pier schaffte es das Flaggschiff allein. Zu dem Zeitpunkt war nämlich das Notruder fertiggebastelt. 8. Noch am selben Abend ließen sich der Lordadmiral und Admiral Hawkins mit einer Kutsche nach Whitehall fahren, um, wie der Lordadmiral Hasard erklärt hatte, Ihrer Majestät der Königin die freudige Botschaft zu überbringen, daß sie an Bord der „Isabella VIII.“ ein „bescheidenes Geschenk“ Philip Hasard Killigrews und seiner Crew erwarte. „Majestät werden entzückt sein“, hatte der Lordadmiral versichert. Außerdem hatte er sich überschwenglich „für das exzellente Schleppmanöver“ bedankt. „Ohne Ihr blitzschnelles Handeln und Eingreifen, mein lieber Kapitän Killigrew“, hatte er gesagt, „wäre mein stolzes Flaggschiff unweigerlich und mit entsetzlichen Schäden auf die Themsegestade getrieben und aufgelaufen.“ „Auf die Rübenäcker, wo die Rübenschweine hingehören“, hatte
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Carberry gemurmelt, der Zeuge des Dankes gewesen war. Er konnte eben das Maul nicht halten, der Profos. Andererseits war es wesentlich sein Verdienst, daß das Manöver geklappt hatte. Und das hatte Hasard in seiner Antwort auch hervorgehoben, denn er hatte gesagt: „Mylord, Ihr Dank gebührt nicht mir, sondern Mister Carberry, der es gewagt hat, im Vorbeidrehen der ,Isabella' auf Ihr Schiff zu springen, um die Schleppverbindung herzustellen.“ Und boshaft hatte er hinzugefügt: „Einem Ihrer Offiziere muß dabei wohl die Übersicht gefehlt haben, weil er den Vorwurf erhob, mein Profos sei unerlaubt auf Ihr Schiff gesprungen.“ Der Lordadmiral hatte gekichert. „Das war Gardiner, dieser Esel. Leider war er sofort zum Vorschiff gerast, ohne daß ich ihn noch stoppen konnte. Als er zurückkehrte und mir über Mister Carberry berichtete, hab ich mich halbtot gelacht. Er hatte sogar gemeint, dieser wüste Mensch — so hatte er Mister Carberry genannt — hätte die Absicht gehabt, die ,Arc Royal' im Enterkampf zu nehmen — ha-ha-ha!“ „Das hätte Mister Carberry glatt geschafft“, hatte Hasard trocken erwidert. „Mit links“, hatte Carberry gebrummt. Noch jetzt grinsten die Seewölfe, wenn sie an diese Episode und Carberrys „Unterwasserfahrt“ dachten. Aber noch breiter wurde ihr Grinsen, als eine Stunde vor Mitternacht - noch keiner war in die Koje gegangen — ein Kurier an der Gangway der „Isabella“ auftauchte und Kapitän Killigrew zu sprechen wünschte — ein Kurier Ihrer Majestät der Königin. Ja, die Seewölfe hatten allen Grund, sich zu freuen. Die Königin hatte prompt reagiert: Sie werde sich erlauben, am nächsten Tag um zwölf Uhr mittags der „Isabella“ einen Besuch abzustatten — Punktum. Als Hasard seinen Seewölfen die Botschaft des Kuriers mitteilte, schnappten sie nahezu über. Sie hüpften über die Kuhl, brüllten und johlten wie eine Horde wildgewordener Affen, fielen sich um den
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Hals, hieben sich auf die Schultern, boxten sich in die Seiten. Hasard, Ben Brighton, Ferris Tucker, Big Old Shane, O'Flynn-Vater und O'FlynnSohn standen auf dem Achterdeck und hörten sich grinsend den Krach an. Hasards Söhne lagen bereits in der Falle — sie hatten diesen denkwürdigen Tag, an dem ihnen am Vormittag der Profos den Hintern versohlt hatte, am Abend mit vollen Ladungen Klößen mit Backpflaumen abgeschlossen, nachdem sie den ganzen Tag mustergültig durchgehalten hatten. Langsam verebbte der Jubelsturm, als Hasard die Hand hob. „Eigentlich“, sagte er dann, „ist das ein Grund, ein Faß anzuzapfen und durchzufeiern, aber ich schätze, wir sind dann morgen zu vermieft. Außerdem könnte ich mir auch vorstellen, daß Ihre Majestät keineswegs entzückt wäre, von nach Schnaps stinkenden Kerlen umgeben zu sein. Deshalb schlage ich vor, daß wir — bis auf die Bordwache — in die Kojen gehen. Zum Feiern haben wir später noch Zeit.“ Er schwieg einen Moment. Sein scharfgeschnittenes Gesicht war plötzlich seltsam bewegt, als er leise fortfuhr: „Ich möchte euch jetzt und hier danken, jedem einzelnen von euch. Denn wir haben es geschafft, was wir uns vor acht Jahren, als wir Plymouth verlassen mußten, vorgenommen hatten: nämlich eines Tages hierher, an diese Stelle, zurückzukehren und der Königin zu beweisen, daß wir keine verdammten Schnapphähne und Wegelagerer zur See sind, die sich die Taschen mit Beute vollstopfen und Ihre Majestät um Anteile prellen, wie damals behauptet wurde. Wir haben unser Ziel erreicht. Ein Lordadmiral und ein Admiral, beide die ranghöchsten Offiziere der Royal Navy, bürgen für uns. Beide haben uns heute kennen gelernt, jeder auf seine Weise. Ein bißchen haben wir ihnen gezeigt, was wir für Kerle sind. Jetzt glaube ich, daß sie Achtung vor uns haben, Respekt, Bewunderung. Konnten wir mehr erreichen? Ich glaube, nein. Es ist alles gut
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so. Und daß es so ist, dafür danke ich euch.“ Wiederum war es Smoky, der vortrat. „Sir“, sagte er und schluckte, „du bist der beste Kapitän, den sich Kerle wie wir wünschen können. Nicht du hast dich, sondern wir haben uns zu bedanken. Was wir nie vorher hatten, hast du uns gegeben: Stolz! Du hast es denen, die meinten, auf uns herumtreten zu können, eingehämmert, daß wir, die Männer aus der Gosse, das Salz dieser Erde seien, nicht die Hochwohlgeborenen. Du hast uns Menschen werden lassen und Selbstachtung geschenkt. Und das ist alles mehr wert als dieser ganze Flimmerplunder an Gold und Silber und Edelsteinen im Bauch unserer ,Isabella`. Wir könnten alle, wie wir hier stehen, wie die Fürsten leben —und wir pfeifen drauf! Weil wir viel mehr gewonnen haben. Das wollte ich einmal sagen ...“ Smoky brach ab und schneuzte sich die Nase. Leise sagte er: „Danke, Sir ...“ * Carberry lief zur vollen Aktion auf. Das war morgens um sechs Uhr. Wie ein Orkan brach er ins Vordeck ein. Er brüllte: „Hoch, hoch, ihr müden Leiber, die ganze Pier steht voller nackter Weiber, der Bäcker von Whitechapel ist da, die Waschfrau zeigt von achtern klar, die Sonne steht am Firmament, ein Hundesohn, wer jetzt noch pennt!“ Carberrys Organ konnte Tote wecken. Luke Morgan fuhr hoch, als sei unter ihm ein Pulverfaß explodiert. „Weiber? Nackt? Wo?“ Er schaute sich wild um. Der Kutscher turnte in Socken an Carberry vorbei und schrie: „Brot? Frisch vom Bäcker?“ „Waschfrau am Firmament? Das muß ich sehen!“ Matt Davies fuhr in die Stiefel, wollte hoch, prallte mit Stenmark zusammen, und der schrie ihn an: „Die nackten Weiber von Whitechapel sind da!“ „Ruhe!“ brüllte Carberry und langte sich den Kutscher — trotz seiner bandagierten Pranken. „Hier geblieben! Alle herhören!
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Wer sich heute morgen nicht wäscht, wird gekielholt. Wer sich nicht anständig anzieht, wird gekielholt. Wer sich seine verlausten Haare nicht kämmt, wird gekielholt — grins nicht so dämlich, Mister Blacky! —, wer beim Reinschiff meint, Löcher in die Decksplanken stehen zu müssen, wird gekielholt, wer beim Besuch Ihrer Majestät der Königin auf ihre Beine glotzt, wird ...“ „Gekielholt“, sagte Luke Morgan. „Falsch“, sagte Carberry grimmig, „den häng ich eigenhändig an der Rahnock auf, du triefäugiger Plattfisch. Damit ihr klar seht, ihr Rübenschweine: Um elf Uhr nehme ich eine Musterung der ,Isabella` vor, wie ihr sie noch nie erlebt habt. Und wenn ich auch nur einen Fussel oder ein Krümelchen Dreck auf den Planken, ein unsauber aufgeschossenes Tau, einen Schmutzflecken oder sonst eine mistige Nachlässigkeit entdecke, dann lernt ihr einen Profos kennen, vor dem eure Enkel noch zittern werden.” „Wieso unsere Enkel?“ fragte Blacky verwirrt. Carberrys Antwort war klassisch. „Weil sie erfahren werden, daß ihre Großväter von Edwin Carberry, dem Profos der ,Isabella`, wegen Unreinlichkeit in der Themse ersäuft wurden, klar, du verlauste Kakerlake?“ „Aber — aber ...“ Blacky geriet völlig durcheinander. „Unsere Enkel, sagtest du? Das — das geht doch gar nicht. Wenn — wenn wir ersäuft sind, können wir doch keine Enkel haben !“ „Das ist mir doch egal!“ brüllte Carberry. Da hatte der Profos mal wieder ein Ding abgeschossen: Eine Lachsalve fegte durchs Vordeck, daß die Backskisten und Schapps wackelten. Und damit war der denkwürdige Tag eröffnet. Natürlich wußte jeder der Seewölfe, daß niemand gekielholt, an die Rahnock gebaumelt oder in der Themse „ersäuft“ werden würde. Sie alle kannten ihren grimmigen Carberry. Und hätte er nicht geflucht, gedroht oder wilde Sprüche von sich gegeben, dann hätte ihnen etwas
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gefehlt, es hätte ihnen so gefehlt wie das Salz in der Suppe. Die „Isabella“ sah bereits um acht Uhr wie geleckt aus, während Carberry wie ein schnüffelnder Wachhund über alle Decks schlich, in den Wanten herumturnte, Fockund Großmars untersuchte, als würde Ihre Majestät dort oben ihren Nachmittagsschlaf halten, in die Frachträume hinuntertauchte und zuletzt schließlich die Kombüse inspizierte. Dorthin hatte er die „Rübenschweinchen“, wie er Hasard und Philip junior meistens titulierte, abkommandiert, um dem Kutscher zu helfen und Pfannen, Kessel und Töpfe zu scheuern und zu polieren. „Alles klar hier?“ brummelte er, fuhr mit der Zeigefingerspitze über die innere, obere Schottkante und betrachtete dann den Zeigefinger. Aber da war kein Dreck. „Alles klar, Mister Carberry, Sir!“ verkündeten die beiden Knaben unisono. Sie hatten sich einen Schemel geteilt, saßen Rücken an Rücken und scheuerten beide mit Inbrunst jeder einen Kessel. „Hm.“ Carberrys Blick wanderte zum Kutscher. „Was gibt's heute mittag?“ „Reis mit Huhn in Curry-Soße.“ Carberry prallte zurück. „Bist du wahnsinnig?“ „Wieso?“ „Curry! Mann, wenn die Bessy das probiert, spuckt sie Feuer und denkt, wir wollten sie vergiften. Ich kenn deine Curry-Soßen!“ „So?“ sagte der Kutscher spitz. „Und woher willst du wissen, daß Bessy keine scharfen Sachen mag, he? Hast du schon mal an ihrer Tafel gespeist? Nein, hast du nicht! Bessy kriegt Reis mit Huhn in Curry-Soße, basta!“ „Nein!“ „Doch!“ „Himmelarsch — nein!“ „Himmelarsch — doch!“ Sie standen nahezu Nase an Nase wie zwei Kampfhähne und hatten rote Gesichter, als sei ihnen auch der Kamm geschwollen. „Kutscher“, sagte Carberry gefährlich leise, „wenn du deine verdammte CurrySoße zusammenmanschst, verarbeite ich dich zu Grützwurst und Hühnerfutter!“
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„Ha!“ sagte der Kutscher erbost. „Soll ich das Huhn vielleicht in Hirnbeer-Soße anrichten?“ Die beiden Knaben kicherten. Das war heute mal wieder ein spaßiger Tag. Huhn in Himbeer-Soße! „Huhn in Himbeer-Soße schmeckt nicht“, erklärte Hasard junior. „Nein, schmeckt nicht“, bestätigte Philip Junior, „Huhn in Curry-Soße ist große Wonne!“ Er streichelte seinen Bauch, das heißt, sein Bäuchlein, das straff wie ein Trommelfell war. „Kessel scheuern, nicht reden!“ befahl Carberry und wandte sich wieder dem Kutscher zu. „Curry-Soße ist gestrichen, klar?“ „Nein.“ „Gestrichen!“ schrie Carberry. „Nein!“ Der Kutscher schrie nicht minder laut. Und damit waren sie wieder beim Anfang. Dafür kriegte Carberry jetzt das Kombüsenschott ins Kreuz und prallte gegen den Kutscher. Er wirbelte herum, die Rechte bereits schlagbereit. Hasard stand im Schott, lächelnd. Sein Blick wanderte von Carberrys Faust zu dessen Gesicht. „Du hast zu dicht am Schott gestanden, Ed“, sagte er, „da muß man immer damit rechnen, angestoßen zu werden.“ Er musterte den Kutscher und dann wieder Carberry. „Habt ihr Ärger?“ „Der Idiot will der Bessy Reis mit Huhn in Curry-Soße vorsetzen“, erklärte Carberry aufgebracht. „Curry-Soße! Da kann die Bessy ja gleich Feuer schlucken.“ Hasard hörte sich das ruhig an. „Hrn. Und was meinst du, Kutscher?“ Der Kutscher war beleidigt. „Ich meine, daß sich der Profos ja mal selbst in die Kombüse stellen kann, um für Ihre Majestät was zu kochen. Möchte nicht wissen, was das für eine Pampe wird — triefäugiger Kakerlakeneintopf mit geschnitzelten Affenärschen oder so was!“ Hasard verbiß sich das Grinsen. Da waren sich die beiden mal wieder hart in die Haare geraten. Er blieb ernst.
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„Damit ist meine Frage nicht beantwortet, Kutscher“, sagte Hasard. „Du hast Reis mit Huhn in Curry-Soße geplant. Warum?“ „Um Majestät die Köstlichkeiten fernöstlicher Küche probieren zu lassen, darum. Die fressen hier jahrein, jahraus ihren verdammten Kohl, ihre Grützen, ihre Klöße, ihre Wassersuppen, Gewürze kennen sie überhaupt nicht, Reis auch nicht oder nur vorn Hörensagen. Deswegen wollte ich dieses Gericht zubereiten.“ „Das finde ich gar nicht schlecht“, sagte Hasard, nickte zustimmend und blickte dann Carberry an. „Hast du es mal von dieser Seite betrachtet, Ed? Der Kutscher hat sich was dabei gedacht, als er den Plan zu diesem Gericht faßte. Und da muß ich ihm zustimmen. Ich finde seine Idee sogar ausgezeichnet. Allerdings wissen wir ja gar nicht, ob Ihre Majestät bei uns essen möchte. Na ja, und wenn du meinst, die Curry-Soße des Kutschers sei zu scharf, dann könnten wir sie ja vorher abschmecken. Oder sie wird nicht so stark gewürzt, und wir reichen Curry dazu, so daß Ihre Majestät nach eigenem Geschmack würzen kann. Was hältst du davon, Ed?“ „Aye,, aye, Sir, bin einverstanden. So müßte es gehen.“ „Na also.“ Hasard lächelte. „Sonst noch Probleme?“ Das war nicht der Fall. Der Friede war wiederhergestellt. Eine Stunde später war eigentlich nichts mehr zu tun. Carberry strich wie ein unruhiger Geist über das Schiff, von der Back zum Achterdeck, vom Achterdeck wieder zur Bück, dann stiefelte er über die Gangway auf die Pier, begutachtete die „Isabella“ von außen, murmelte ständig vor sich hin, kontrollierte zum wiederholten Male die Gangway, wischte mit der Hand über die Trittbohlen, trat zurück auf die Pier, wieder auf die Gangway, dann auf die Kuhl, zurück auf die Pier, auf die Gangway, auf die Kuhl, überquerte sie bis zum Achterdecksschott, kehrte wieder um — und da vertrat ihm Smoky den Weg. „Sag mal, bist du am Spinnen?“ fragte er.
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„Nein“, brummte Carberry unwirsch. „Was dann?“ „Ich denke nach.“ „Aha. Mußt du beim Nachdenken dauernd hin und her rennen? Da wird man ja ganz kribbelig, wird man.“ Carberry ignorierte diese Feststellung. „Hier fehlt was“, erklärte er. „Wo fehlt was?“ Carberry marschierte über die Gangway auf die Pier, baute sich dort auf, mit Front zur „Isabella“, Und sagte: „Hier steht sie also ...“ „Wer?“ fragte Smoky irritiert. „Bessy, du Ochse!“ „Ach so. Und weiter?“ „Jetzt geht sie über die Gangway.“ Carberry machte es vor — wie er meinte, wie seine Bessy gehen würde. Es sah zum Fürchten aus. Smoky kratzte sich hinter dem Ohr und überlegte, ob eine Königin so walzte wie Carberry, der Elefant. Über die Gesichter der Seewölfe an Deck der ;,Isabella“ begann sich dieses verdächtige Zucken auszubreiten. „So“, sagte Carberry am Ende der Gangway. „Jetzt steht sie hier und läßt ihren majestätischen Blick über die Kuhl schweifen.“ Carberry setzte den rechten Fuß vor, stützte die Rechte in die Hüfte und ließ seinen Blick schweifen. „Und was sieht sie da?“ „Hm, die Kuhl“, sagte Smoky vorsichtig, „öder?“ „Darum fehlt eben was“, erklärte Carberry leicht erzürnt. „Die Kuhl, die Kuhl! So 'ne Kuhl kann sich Bessy jeden Tag ansehen. Das hängt ihr schon zum Halse heraus, genau wie der, äh, Kohl, die Grütze, die Klöße, die Wassersuppen, die sie jahrein, jahraus fressen muß. Nein, hier muß was her, etwas von den Köstlichkeiten der fernöstlichen Küche ...“ „Küche, wieso Küche?“ platzte Smoky heraus. Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Kutscher grinsend in der Kombüse verschwand. „Natürlich nicht Küche“, sagte Carberry unwirsch, „man kann sich ja mal versprechen. Ich meinte Welt, fernöstliche
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Welt und so.“ Plötzlich duckte er sich etwas und starrte Smoky an. „Ich hab's, Smoky, ich hab's!“ „Spuck's aus, Ed“, sagte Smoky gemütlich. „Könige und Königinnen schreiten über Teppiche, nicht wahr?“ „Weiß ich nicht.“ Smoky grinste. „Bin kein König, und 'ne Königin würde mir keiner abnehmen, äußerlich und so, verstehst du?“ Carberry hörte gar nicht mehr hin. Er war schon wieder in voller Fahrt. „Hopp-hopp, Männer! Jetzt geht's -erst richtig los!“ rief er. „Die Kuhl wird mit Gold- und Silberbarren gepflastert! Hurtig, hurtig! Ferris Tucker soll den Frachtraum aufsperren. Und mit der chinesischen Seide drapieren wir Wanten und Niedergänge! Unsere Bessy wird entzückt sein!“ 9. Es hatte sich herumgesprochen, daß die Königin auf der Towerpier erwartet wurde. Neugierige und Schaulustige drängten sich am Westtor der Toweranlage, diesem düsteren Bau mit Wällen und Gräben, Mauern, der Zitadelle und den wuchtigen, viereckigen Türmen an den Winkelecken. Im Wakefield-Turm lagerten die Kronjuwelen und der Kronschatz, doppelt und dreifach bewacht von der Towergarde. Auf der „Arc Royal“ und der „Victory“ standen die Besatzungen aufgereiht am Schanzkleid, das der Pier zugewandt war. Zwischen ihnen lag die kleine, schlanke „Isabella“ - klein im Verhältnis zu den beiden schweren Brocken, aber größer, was den Kampfgeist, die Waffenführung und die Seemannschaft ihrer Crew betraf. Auf den beiden Kriegsgaleonen war alles militärisch exakt und in perfekter Ordnung aufgebaut. Die Drillmeister hätten ihre helle Freude gehabt. Die Crew der „Isabella“ befand sich in loser Ordnung an Deck. Es fiel kaum auf. Es fiel deswegen nicht auf, weil sich die „Isabella“ buchstäblich in einen funkelnden Diamanten verwandelt hatte. Die Sonne stand im Zenit.
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Die Kuhl war mosaikartig von Gold- und Silberbarren bedeckt. Aber nicht nur die Kuhl, auch die Niedergänge, das Achterdeck und das Vorschiff. An bestimmten Punkten befanden sich Sträuße von Diamanten und Edelsteinen, eingebunden in schillernde Seide. Da war Will Thorne, der alte Segelmacher der „Isabella“ am Werk gewesen, geschickt, mit beinahe künstlerischer Hand. Und auf das alles prallten die Sonnenstrahlen, wurden reflektiert und ließen die „Isabella“ zu einem gleißenden, funkelnden, strahlenden riesigen Kleinod werden. Wer auf das Schiff schaute, mußte geblendet die Augen schließen. Manchmal schien es, als stände sie in paradiesischen Flammen, weil sie in den Regenbogenfarben aufleuchtete. Die Menschen am Westtor gerieten in Verzückung. Carberry hatte sich selbst übertroffen — wenn das überhaupt möglich war. Aber was der Kutscher da über die „Köstlichkeiten der fernöstlichen Küche“ geredet hatte, war ihm einleuchtend gewesen und hatte seinen Ehrgeiz entfesselt. Was der Kutscher konnte, das konnte er auch. Und das Ergebnis war schlichtweg überwältigend. Als die Westminsterabtei die zwölfte Tagesstunde ankündigte, wurde das riesige Westtor der Towermauer geöffnet, Reiter in Helmen und Brustharnischen tauchten auf und trabten durch das Spalier der Towergarde, die den Weg bis zur „Isabella“ flankierte. Die Kutsche der Königin erschien, gezogen von sechs Rappen, eskortiert wiederum von geharnischten Reitern. Auf dem Bock saßen neben dem Kutscher, steif wie Ölgötzen, vier Lakaien. Jubel brandete am Westtor auf. Der Kutsche folgten mehrere Reiter — Offiziere der königlichen Garde, Lordschaften, Sirs, Höflinge. Hufe klirrten über das Katzenkopfpflaster der Pier, Sattelleder knirschte, Pferde schnaubten. Am Westtor schrien sie immer noch. Die Pferde der Reiter, von dem grellen Gefunkel auf der „Isabella“
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geblendet, wurden unruhig, tänzelten und warfen die Köpfe. Etwa zwanzig Yards vor der Gangway zur „Isabella“ verhielten Gefolge und Kutsche. Mit einem Satz flankte Hasard über das Schanzkleid, landete auf der Pier wie eine Katze und war mit wenigen Schritten bei der Kutsche, noch bevor die Lakaien vom Bock geklettert waren. Er öffnete die prunkvoll verzierte Tür mit dem geschnitzten und farbig gemalten Wappen der Tudors, verneigte sich, richtete sich wieder auf, reichte die Rechte in die Kutsche und -half Elisabeth I., Königin von England, auszusteigen. Sie stand vor ihm und schaute zu ihm hoch. Hasard lächelte, ungezwungen, heiter. Mit nahezu lässiger Eleganz neigte er noch einmal leicht den Kopf. „Majestät“, sagte er, „dieser Augenblick läßt acht Jahre der Ächtung mühelos vergessen. Damals in Plymouth zerriß ich den Haftbefehl, der auf meine Männer und mich ausgestellt war. Sie wären daran zerbrochen, sie hätten es nicht begriffen — das ist meine Entschuldigung. Ich handelte für sie — in Notwehr, denn sie sind die besten Männer, die je für England und die Krone gekämpft haben. Wir sind zurückgekehrt — jetzt liegt unser Schicksal in der Hand Ihrer Majestät.“ „Wir werden sehen — Rebell!“ Sie wandte den Kopf zur „Isabella“ und schloß geblendet die Augen. „Mein Gott, was ist das?“ „Das Geschenk meiner Männer für Ihre Majestät.“ „Ist das schön“, sagte die Königin leise, „ein Feuerwerk bei Tage.“ Sie blinzelte. „Ich fürchte, so blind zu sein, daß ich nicht hinfinde, Rebell!“ „Oh“, sagte Hasard, „da weiß ich einen Ausweg, Majestät.“ „Und welchen?“ „Der Rebell trägt Ihre Majestät an Bord, ganz einfach.“ Die Königin kicherte tatsächlich — und dann sagte sie ganz burschikos: „Los, verdammter Rebell, so machen wir's, dann
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haben die Lordschaften wieder etwas zu tuscheln.“ Der Lordadmiral war ächzend aus der Karosse geklettert, ihm folgten Admiral Hawkins und der Lordkanzler, Sir Christopher Hatton, ehemals Hauptmann der königlichen Garde. Vor sich her trug er einen länglichen, mit Edelsteinen besetzten Kasten aus poliertem Holz. Die Kanten und Ecken waren kunstvoll mit Silber beschlagen. Der Lordadmiral hantierte mit einem Sonnenschirm und sagte: „Majestät, darf ich Sie geleiten?“ Er durfte nicht. Denn da hatte Hasard die Königin bereits mühelos unterfangen und trug sie vor sich her auf die Gangway zu. Der Lordadmiral stand mit dem Sonnenschirm da wie ein versetzter Liebhaber. „Sie hat Feuer gefangen!“ raunte er dem Lordkanzler zu. „Hätte ich an ihrer Stelle auch“, erwiderte Sir Christopher Hatton trocken, ein schlanker, gutaussehender Mann, der seine Königin zutiefst verehrte. Die Gerüchte wollten sogar noch mehr wissen. Lächelnd folgte er dem Seewolf. Auch Admiral Hawkins lächelte. Aber das gesamte Gefolge bildete eine zu Salzsäulen erstarrte Gruppe. „Mann, Ed“, flüsterte Smoky dem Profos an Bord der „Isabella“ aufgeregt zu, „hast du das gesehen? Er trägt Bessy einfach!“ „Klar, er ist eben ein Gentleman, du Affe!“ „Aber jetzt schreitet sie gar nicht wie du über die Gangway ...“ Carberry hörte nicht mehr hin. Es war Wirklichkeit geworden, alles war Wirklichkeit – eine Königin besuchte die „Isabella“, und ihr Kapitän trug sie selbst an Bord. Der grimmige Carberry hätte heulen können. Und dann riß es ihn einfach um. „Es lebe die Königin!“ röhrte er mitseiner Donnerstimme los. „Drei Hurras für unsere Bessy!“ Wie ein Sturmstoß fegten die drei Hurras über das Deck. Und was dann folgte, noch grollender und tosender, war der Schlachtruf der Seewölfe.
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„Ar-we-nack! Ar-we-nack! Ar we-nack!“ Der Schlachtruf prallte gegen die Towermauern wie eine Salve überschwerer Kanonen, wurde zurückgeworfen und dröhnte über die Themse. Die Möwen stiegen kreischend in den Himmel und jagten davon, als sei das Jüngste Gericht hinter ihnen her. Dann verklangen die Echos, Totenstille breitete sich aus. Hasard hatte gerade die Königin behutsam auf der Kuhl abgesetzt. Genau in diesem Moment ertönte die krächzende Stimme von oben. „Klar Schiff zum Gefecht, ihr Affenärsche!“ Da war nicht einer, der nicht zusammengezuckt wäre. „Mister Carberry“, sagte Hasard streng, „ich bitte darum, daß beim nächsten Besuch Ihrer Majestät der Königin Sir John in die Vorpiek eingesperrt wird.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Carberry zerknirscht, „wird erledigt, Sir.“ Er schielte wütend zur Großrah hoch und murmelte: „Dir dreh ich das Genick um, Sir John.“ Er räusperte sich, blickte die Königin an, ziemlich rot im Gesicht, und sagte: „Verzeihung, Majestät, es passiert nie wieder, so wahr ich Edwin Carberry, der Profos der ,Isa ...“ „An die Brassen, ihr plattnasigen Tranfische!“ schrie Sir John, trippelte über die Großrah und schlug mit den Flügeln. „Hopp-hopp, ihr Säcke...“ „Sir John!“ brüllte Carberry, außer sich vor Wut. „Nimm dich zusammen!“ Die Königin lachte, bis ihr die Tränen kamen. Als sie wieder Luft holen konnte, sagte sie prustend: „Mister Carberry, bitte, von wem hat Sir John diese netten Sprüche?“ Da stand der Profos doch wirklich wie vom Donnergerührt und senkte den mächtigen Schädel. „Von - von mir, Majestät“, bekannte er. Die Königin drehte sich zu Admiral Hawkins um und blinzelte. „Sir John“, sagte sie, „flucht Ihr Namensvetter nicht herrlich?“ „Mich hat er auch schon gefoppt, Majestät.“ Admiral Hawkins lächelte. „Als ich zum ersten Male gestern an Bord der 'Isabella` kam,
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schrie er: ‚Höher ran, Pete!` Das müßte wohl Mister Carberry gestört haben, denn ich sprang gerade auf die Kuhl, als er dem Papagei zurief, und zwar nicht eben leise: ,Daß dich der Teufel, Sir John, du verdammte Nebelkrähe!' Ich dachte, ich sei gemeint. Majestät können sich vorstellen, was für Gefühle mich bewegten.“ Die Königin lachte schallend und völlig ungehemmt. „Ist das herrlich!“ rief sie. „Sir John, die verdammte Nebelkrähe! Und da wollten Sie Mister Carberry sicherlich auffressen, nicht wahr?“ „Und ob“, erwiderte Admiral Hawkins, der alte Pirat. „Aber er ist ein feiner Kerl. Merkwürdig ist, daß ich ihn zuerst nicht wieder erkannte. Er hat nämlich als Moses bei mir angefangen - und mir- einmal das Leben gerettet.“ „Teufel“, sagte die Königin ganz unköniglich und drehte sich wieder zu Carberry um. „Stimmt das, Mister Carberry?“ „Aye, aye, Majestät“, murmelte Carberry verlegen und stierte auf seine Stiefel. Die Königin fuhr herum und funkelte ihr Gefolge an, das sich jetzt auf der Kuhl drängte. „Gentlemen!“ sagte sie scharf. „Ich wünsche, daß Sie sich diesen Mann genau anschauen. Das ist Mister Edwin Carberry, Profos der ,Isabella`, ein Mann ohne Titel und Adel. Ein Mann, der von Ihnen, Gentlemen, lieber allzu häufig wie ein Putzlappen behandelt wird. Ich überlasse es Ihrem Scharfsinn, was ich damit sagen will, wünschte mir aber, es gäbe mehr Carberrys in diesem Land!“ Sie konnte sehr temperamentvoll sein, diese Königin, und geradeheraus. Aber sie lächelte bereits wieder und schaute Hasard an. „Ich stehe auf dem Geschenk?“ fragte sie. Hasard nickte. „Unter anderem. Das hat übrigens Mister Carberry arrangiert.“ „Ich müßte ihm eigentlich einen Kuß geben“, sagte die Königin. „Nein“, sagte Hasard sehr bestimmt, „das wäre ungerecht, Majestät. Den Kuß hätte jeder Mann der ,Isabella` verdient, und das
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wären schon wieder zu viele Küsse für Ihre Majestät.“ „Ich möchte alle kennenlernen - euch Seewölfe!“ Es dauerte eine Stunde, bis auch Arwenack, der Bordschimpanse, der Königin die Hand gedrückt hatte. Es hatte viel Gelächter gegeben - und die Königin hatte des Kutschers Reis mit Huhn in Curry-Soße gegessen, mitten auf der Kuhl, auf einem Schemel sitzend, umringt von den .Seewölfen. Das Gefolge war zu Randfiguren degradiert. Von dem Curry hatte die Königin um Zugabe gebeten. Ein Säckchen hatte sie für die königliche Küche empfangen, von dem Reis ganz abgesehen, den die Lakaien bereits in die Karosse transportiert hatten. Und einer hatte sich das Rezept des Kutschers aufschreiben müssen. Dann hatte Hasard die Königin durch die Frachträume geführt. Und da war die königliche Bessy genauso stumm geworden wie zuvor der Lordadmiral und Admiral Hawkins. Erschlagen war sie. Und fast spontan hatte sie auf Hasards Vorschlag eingewilligt, einen Viertelanteil der Schatzkasse der Royal Navy zur Verfügung zu stellen. Hochrot war die Königin, gefolgt von Hasard und dem Lordadmiral, wieder auf der Kuhl erschienen. Und die Königin hatte Sir Christopher zugewinkt. Dann drehte sie sich zu Hasard um und schaute ernst zu ihm hoch - in diese eisblauen Augen. Fast scharf sagte sie: „Knien Sie nieder, Philip Hasard Killigrew - Rebell!“ Etwas verwundert kniete Hasard nieder, das rechte Knie vorgesetzt. Die Seewölfe erstarrten, dann wurden sie unruhig. Sir Christopher Hatton trat vor. Jetzt hatte der Lordadmiral den länglichen Kasten auf den Unterarmen. Er hielt ihn, als sei er etwas sehr Kostbares. Die Königin nickte Sir Christopher zu. Der Lordkanzler wandte sich zum Lordadmiral und öffnete die silbernen Verschlußbeschläge. Er hob den Deckel, griff in den Kasten und nahm etwas heraus. Es hatte auf dunkelblauem Samt gelegen.
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Ein Schwert! Es war eine Waffe, wie sie die Kreuzritter getragen haben mochten, aber eine Prunkwaffe mit edelsteinbesetztem Schwertgriff, ein Zweihänder, die Klinge funkelte im Sonnenlicht. Jetzt ruhte dieses Schwert in Sir Christophers Händen - waagerecht, seine rechte Hand lag unter der Parierstange, seine geöffnete linke Hand stützte die Klinge. Langsam trat er vor die Königin und überreichte ihr das Schwert. Sie nahm es mit fester Hand entgegen, hob es an, senkte es und berührte Hasards rechte Schulter. „Philip Hasard Killigrew!“ sagte sie klar und deutlich. „Als Königin dieses Landes und kraft der mir von der Verfassung übergebenen Rechte schlage ich Sie zum Ritter!“ Stille. Hasard hatte den Kopf gesenkt. Niemand sah sein Gesicht - nur sein Profil war sichtbar. Es wirkte wie versteinert. Als die Königin das Schwert von seiner Schulter nahm, brach ein Orkan los, ein Begeisterungstaumel hatte die Seewölfe gepackt und schüttelte sie. Sir John flatterte von der Großrah und kroch verängstigt in das Wams Carberrys. Arwenack hüpfte auf der Back herum, fletschte die Zähne und trommelte auf seinen Bauch. Sie tobten, die Seewölfe, sie tobten, wie sie es noch nie getan hatten. Carberry wischte sich die Augen. Der alte O'Flynn heulte ganz offen, ohne sich dessen zu schämen. In Ben Brightons Gesicht zuckte es. Big Old Shane, der Riese mit dem verwitterten Granitgesicht und dem eisgrauen Bart, schluckte. Ferris Tucker, der rothaarige Brocken von Mann, schwang seine gefürchtete Zimmermannsaxt, als gelte es, ein spanisches Schiff zu entern. Nur die beiden Zwillinge standen ganz ruhig. Sie hielten sich an den Händen und schauten andächtig zu ihrem Vater. Ihre kleinen Gesichter leuchteten.
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Noch immer kniete der Seewolf. Sein Kopf war noch tiefer gesenkt. Ja, du hast es geschafft, Philip Hasard Killigrew! Du bist nicht mehr der Bastard! Sir! 10. Die Audienz fand am nächsten Vormittag in Whitehall statt. Hasard war eingeladen worden, an ihr teilzunehmen. Eine Kutsche hatte ihn abgeholt. Anwesend waren die Königin, der Lordadmiral, Admiral Hawkins, der Lordkanzler, Lord Burgley, der Schatzmeister der Königin, Sir Francis Walsingham, ihr Staatssekretär, sowie andere Berater und zwei Schreiber, von denen die Gespräche protokolliert wurden. Es war eine erlauchte Gesellschaft, die sich zur Audienz versammelt hatte und deren Mittelpunkt, ohne es zu wollen, Philip Hasard Killigrew wurde. Denn er mußte von seiner Weltumsegelung berichten. Unvermeidlich. wurde daraus ein Vortrag. Er stand an einem riesigen Globus, dessen Darstellung der Erde er an vielen Stellen lächelnd korrigierte. Niemand unterbrach diesen Vortrag, wie gebannt lauschten sie. Der Hauch fremder Welten wehte durch den Audienzsaal. Hasard markierte die Punkte, wo er auf spanische Machtbereiche gestoßen war, und unvermittelt wurde aus der Reiseschilderung ein politischer Vortrag. Er warnte vor Spanien und belegte seine Überzeugung von der Unvermeidbarkeit eines kriegerischen Konflikts mit hervorragender Sachkenntnis. Hier sprach nicht mehr der abenteuernde Seefahrer, sondern ein Mann, der zum Nutzen seines Landes dachte und dafür auch den nötigen Überblick hatte. Das war Wasser auf die Mühlen der Admiralität. Hasard sagte: „Wir haben die Beweise gesehen. In den Atlantikhäfen Spaniens und Portugals hat eine Versammlung und Zusammenziehung von Schiffen aller Größen stattgefunden. Ich bin davon überzeugt, daß der spanische König eine
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Invasion Englands plant. Und ich fürchte fast, daß sie unmittelbar bevorsteht. Wenn ich überhaupt zu etwas raten darf, Majestät, dann ist es dies: allen verfügbaren englischen Schiffsraum zu mobilisieren und in den Häfen unserer Südküste zu stationieren. Wir müssen Spanien auf dem Schlachtfeld der See entgegentreten und es dort schlagen. Denn dort haben wir den Vorteil der Landnähe, um unsere Schiffe immer wieder ergänzen zu können, wir müssen wie die Wölfe in Rudeln angreifen, zuschlagen und wieder verschwinden. Keinen Enterkampf! Er muß vermieden werden. Wir müssen unsere Artillerie einsetzen. Ich habe auf der ,Isabella` 17-pfünder -Culverinen in Langrohren. Das verschafft mir den Vorteil, den Gegner auf Entfernungen beschießen zu können, die er selbst mit seinen Kanonen nicht erreicht. Mit Langrohren also müssen. unsere Schiffe bestückt werden. Wir haben ferner den Vorteil, die Gewässer um England zu kennen. Auch das muß ausgenutzt werden. Die Spanier, das ist mein Eindruck, verharren in einer etwas starren Taktik, wenn sie zur See kämpfen: Sie bleiben zusammen wie eine Herde. Sie meinen, auf diese Weise so etwas wie eine Festung zu sein, die natürlich nach allen Seiten Feuer zu spucken vermag. Aber damit sind sie unbeweglich. Das heißt zwingend für uns: Wir müssen beweglich sein, flink. Wir müssen zubeißen, Lücken reißen, die Festung an verschiedenen Stellen aufbrechen. Erst dann können wir uns zur eigentlichen Schlacht stellen.“ „Phantastisch!“ murmelte der Lordadmiral. Und Admiral Hawkins nickte bestätigend. Hasard führte seine Theorie von der Seekriegsführung gegen die Armada weiter aus. Drei Stunden vergingen damit. Er stand Rede und Antwort, keine Frage blieb er schuldig. Dann sagte die Königin: „Sir Hasard, ich möchte, daß Sie eine führende Position innerhalb der Royal Navy übernehmen.“ Hasard schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich bitte um Entschuldigung, Majestät, aber da muß ich ablehnen. Meine Männer und ich
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sind Einzelkämpfer. Seit über einem Jahrzehnt fahren wir zusammen und sind aufeinander eingespielt. Das bedeutet, daß wir uns keinem unterordnen, weil wir unseren Wert kennen, aber oft genug Gelegenheit hatten, seitens englischer Seeoffiziere bis hin zum Admiral auf Dilettantismus, Unfähigkeit und Arroganz zu stoßen.“ „Harte Worte“, sagte die Königin scharf. „Es ist so“, erwiderte Hasard, „ich bitte das zu verstehen, Majestät. Als Einzelkämpfer der Royal Navy — können wir für die Krone und England mehr tun, als wenn wir an die Kette gelegt werden. Da bleibe ich der Rebell, als der Ihre Majestät mich bezeichneten.“ „Mir scheint, Sie sind ein Dickschädel, Sir Hasard.“ „Jawohl, Majestät, aber den Erfolg dieser Dickschädeligkeit durfte ich Ihnen gestern in den Laderäumen der ,Isabella` vorführen. Ist das nicht mehr wert, als mich vielleicht zum Admiral zu ernennen? Zu einem Admiral, der über Akten und am Schreibtisch hocken muß, Staub hustet und dabei Vertrocknet?“ Hasard lächelte. „Anwesende habe ich damit nicht angesprochen, das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber was ich brauche, Majestät, das ist ein Kaperbrief! Der andere wurde ja widerrufen.“ „Genehmigt“, sagte die Königin. „Ergebensten Dank, Majestät.“ Und so erhielt Philip Hasard Killigrew seinen Kaperbrief. * Der Hofball in Schloß Whitehall fand am Abend statt. Ehrengast war Philip Hasard Killigrew. Die Königin wußte genau, was sie tat, als sie ihn einlud. Sie wußte, daß dieser riesige Mann mit den breiten Schultern, den schmalen Hüften, dem schwarzen Haar, den verwegenen eisblauen Augen in dem braungebrannten, gutgeschnittenen Gesicht bei ihren Hofdamen für Furore sorgen würde. Und diesen Affen von Höflingen, die sie manchmal zum Teufel wünschte, würde
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vor Neid die gestärkte Halskrause platzen. Ein bißchen war sie auch geneigt, die. Kupplerin zu spielen. Sie hatte die Zwillinge Hasards kennen gelernt, diese verjüngten Ebenbilder des Seewolfs. Und sie hatte zutiefst bedauert, welches Schicksal die Mutter der Zwillinge getroffen hatte. Sie selbst, die Königin, war kinderlos. Um so mehr wünschte sie den Männern, die ihr gefielen, ebenbürtige Frauen. Es kam alles anders. Zunächst waren ihre Überlegungen richtig. Die Hofdamen wurden blaß oder rot, als ihnen Sir Hasard vorgestellt wurde. Zwei dieser dummen Puten fielen in Ohnmacht, als sie in die eisblauen Augen blickten vor Verzückung fielen sie um. Die Höflinge tuschelten und hatten essigsaure Gesichter. Auch Arroganz und Hochmut waren aus ihren Mienen zu lesen. Wer war dieser Killigrew denn schon! Und wie er gekleidet war, überhaupt nicht nach der neuesten Mode! Langschäftige Lederstiefel - wie gewöhnlich! Weißes offenes Hemd, blaues Wams - einfach unmöglich: Na, einen Degen trug er ja, aber Leute wie dieser Emporkömmling wußten meistens nicht damit Umzugehen. Es war empörend, was dieser Mensch bei Hofe zu suchen hatte. Ein Schiff mit einer Beuteladung sollte er nach England gebracht haben? Soso! Was besagte das schon! Wie meinen? Er war zur Audienz geladen? Lachhaft! Einfach lachhaft! Aber Majestät faßten ja manchmal wirklich merkwürdige Entschlüsse. Es wurde Zeit, einmal mit Lord soundso darüber zu sprechen und dessen Einfluß auf die Königin auszunutzen. Es mußte endlich Schluß sein, daß sich diese Bauerntölpel bei Hofe spreizten, nicht wahr? Ja, da bin ich völlig Ihrer Meinung, Sir - äh! Blasierter Blick zu dem „Emporkömmling“, Naserümpfen, Wegwischen eines nicht vorhandenen Stäubchens von der Rüschenmanschette, Kratzfuß, gelangweiltes Lächeln, Handkuß, Hüsteln, affektierte Handbewegung, mit einem Seidentuch den Mund abtupfen...
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Hasard übersah sie, die Hofgockel. Aber den einen konnte er nicht mehr übersehen. Das war nach dem Bankett. Es war, als gefriere das Blut in seinen Adern zu Eis. Bilder huschten vor seinem geistigen Auge vorbei. Der gefolterte Carberry .. . Drake, der sich weigerte, ein Bordgericht einzuberufen... Das schneeweiße Gesicht damals, als Carberry plötzlich auftauchte ... John Doughty! Jetzt war es nicht schneeweiß, dieses Gesicht, nein, eher rötlich, etwas aufgedunsen, verfettet, ohne Profil - aber noch genauso arrogant wie damals, wenn nicht arroganter. Aus einem Kreis tuschelnder Höflinge hatte sich dieser Mann gelöst und war auf Hasard zugegangen. Jetzt stand er vor ihm - herausfordernd, mit blasiert-höhnischer Miene, gespreizt wie ein Gockel, mit gepuderter Perücke, nach irgendeinem Parfüm riechend. War es stiller geworden? Plötzlich schien es, als sei keine Bewegung mehr in dem riesigen Festsaal. Wie Marionetten standen alle. Die Königin auf dem überhöhten Thronsessel beugte sich vor. Da ertönte die Stimme John Doughtys, scharf, kalt. „Was sehen meine Augen? Ein Bastard zu Gast bei Hofe? Ein Betrüger? Oder täusche ich mich? Heißen Sie nicht Killigrew, Mister? Haben Sie nicht Ihre Majestät die Königin betrogen und Gold der Krone unterschlagen? Sie müssen sich verirrt haben, Mister! Ihr Platz ist die Gosse, aus der Sie kommen! Dort gehören Sie hin — in den Dreck ...“ Er fühlte sich sehr sicher, dieser John Doughty. Die Hofclique stand hinter ihm, jene Hofclique mit Einfluß auf die Königin. Das machte ihn stark. Hasard schaute hinüber zur Königin. Sie war wie versteinert, aber in ihren Augen funkelte grenzenlose Empörung. Mit einem stählernen Zischen flog Hasards Degenklinge aus der Scheide. Es klang, als breche Eis unter ungeheurem Druck.
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Eisig war auch Hasards Stimme. Die Höflinge zuckten bei ihrem Klang zusammen. Plötzlich war dieser Bauerntölpel wie verwandelt. Eine unfaßbare Gefährlichkeit ging von ihm aus. „Es reicht, Doughty“, sagte Hasard. „Ich versprach Kapitän Drake einmal, als er zu feige war, Sie vor ein Bordgericht zu stellen, daß ich Sie mir vor die Klinge holen würde. Es ist soweit. Jetzt dürfen Sie für Ihre Beleidigungen mit der Klinge kämpfen, Sie Lump!“ John Doughty wich zurück. Jetzt war sein Gesicht wieder schneeweiß — wie damals. Abwehrend streckte er beide Hände aus. „Vorwärts, Sie Schwein!“ peitschte Hasards Stimme. Erbarmungslos glitt er vor, zwei Hiebe mit dem Degen, und , Doughtys Wehrgehänge klirrte zu Boden. Hasard hob es auf, zog den Degen und warf ihn Doughty zu. Der griff daneben und stierte mit schweißnassem Gesicht auf die Waffe, seine Knie zitterten. Die Höflinge und Gäste wichen zurück. Hasards Klinge pfiff durchh die Luft, als probe er einen Schlag, seine Hand fuhr über die Waffe und bog sie. „Stellen Sie sich, Sir John!“ rief die Königin schneidend. „Bei Gott, Sie haben Sir Hasard beleidigt, jetzt stehen Sie dafür gerade, oder ich lasse Sie aus meinem Schloß peitschen!“ John Doughty stöhnte auf, bückte sich, nahm die Klinge und sprang auf Hasard zu. Hasard glitt elegant zur Seite. Unsichtbar für das Auge vollführte sein Degen einen Hieb. Da war nur das Blitzen zu sehen — und noch ein Blitzen und wieder ein Blitz. Der Rock John Doughtys fiel zerschnitten zu Boden. Mit einem Schrei stürzte er auf Hasard los. Der stand bereits auf einem Tisch. Kein Mensch wußte, wie er dorthin gelangt war. John Doughty flog zwischen Teller, Gläser und Terrinen und zappelte zwischen dem Bruch, zwischen Obst, zwischen Soßen und Tunken, zwischen Wildbret. Hasards Lachen klirrte durch den Saal. Wieder ein Hieb, oben vom Tisch aus, ein Schnitt, noch ein Schnitt. Dann ein Griff
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mit der Linken in die Halskrause, ein Ruck, und John Doughty flog vom Tisch. Er war von oben bis unten bekleckert — und ohne Hose, nur noch in Unterbeinkleid. Er sah aus wie ein Clown. An seinem rechten Ohr baumelten zwei Kirschen. Elegant und geschmeidig sprang Hasard vom Tisch. Seine flache Klinge klatschte auf Doughtys Hintern, wieder und wieder. Dieser Mann wurde verdroschen, als sei er ein Gassenjunge. Hasard trieb ihn vor sich her. Sie befanden sich vor dem Saalausgang. Die Lakaien glotzten. „Öffnen!“ befahl Hasard. Die Flügel schwangen auf. Hasard stieß seinen Degen in die Scheide zurück, wirbelte John Doughty zu sich herum, packte ihn hinten am Kragen und trat ihm den rechten Stiefel ins Kreuz. John
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Doughty verschwand wie eine Rakete. Es schien sehr lange zu dauern, bis man den Aufprall im Saal hörte. Hasard drehte sich ruhig um, als sei nichts geschehen. „Sie hätten ihn töten müssen, Sir Hasard!“ rief die Königin streng. „Majestät“, erwiderte Hasard scharf, „meine Klinge sollte sauber bleiben - John Doughty ist ein Fall für das Henkersschwert, nicht für die Klinge eines Ritters!“ Er verneigte sich leicht und verließ den Saal. Als sich die Flügeltüren hinter ihm schlossen, sagte die Königin laut und vernehmlich: „Was für ein Mann ...“ Die Höflinge standen da mit krummen Rücken, als habe ihnen jemand Eiswasser ins Genick gegossen...
ENDE