Nr. 2505
Michael Marcus Thurner
Der Polyport-Markt Sie erreichen den Polyport-Hof PERISTERA – das Handelszentrum von Toykana Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrech nung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten zusammen daran, eine ge meinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein. Vor allem die Liga Freier Terraner, in der Perry Rhodan das Amt eines Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Der aufgefundene Polyport-Hof ITHAFOR stellt eine neue, geheimnisvolle Trans port-Technologie zur Verfügung. Gerade, als man
diese zu entschlüsseln beginnt, dringt eine Macht, die sich Frequenz-Monarchie nennt, in diesen Polyport-Hof vor, kann aber zumindest zeitweilig zurückgeschlagen werden. Perry Rhodan kommt in Kontakt zu den Herren der Polyport-Höfe und wird von diesen auf ihre Heimatwelt gebeten: Die »Halbspur-Changeure« sind friedlich und verstehen nicht gegen die ag gressive Monarchie anzukommen, daher ersu chen sie die Terraner um Hilfe. Noch während der Verhandlungen tauchen allerdings die Truppen der Monarchie auf. Perry Rhodan muss vor dem überlegenen Gegner fliehen. Sein Weg nach Hau se braucht eine neue Anlaufstation. Und genau diese ist DER POLYPORT-MARKT ...
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1. Lanzenkaur
cherheit der Auktionshäuser zu schaf fen, bewies das altgediente RitualWerkzeug seine Bedeutung. »Also los dann!«, flüsterte Lanzen »Nie und nimmer schaffen wir’s!«, kaur und winkte seinen Begleitern, ihm flüsterte Zitterkaib. Er rieb sich über zu folgen. Sie passierten die Absper den dürftigen, blaugrau melierten Kinn rung, die das Raumlandefeld von der bart, der keine 20 Zentimeter lang war Warenlager-Peripherie trennte, und und noch nicht einmal die sippenüb überquerten das freie Terrain, so rasch lichen Flechten aufwies. »Aasin und sei es ging. Aasin und seine Blendbrüder ne Blendbrüder werden uns wieder er würden in diesem Moment informiert wischen. Dann setzt es Hiebe, und das werden, dass sie auf dem Weg waren. Pressgeld müssen wir außerdem ablie Zitterkaib und seine Cousins behiel fern. Warum lassen wir es nicht gleich ten die beladenen Schwebekoffer im bleiben und geben ihnen, was sie ver Schlepptau, während Lanzenkaur tunlangen?« lichst darauf achtete, »Halt’s Maul und dass die Route einge achte gefälligst dar halten wurde. Ein auf, dass die Waren Die Hauptpersonen des Romans: gutes Dutzend Dikette synchronisiert Perry Rhodan – Der Terraner versucht einen Controller versoren umschwebte bleibt!«, fuhr Lanzen zu kontrollieren. den kleinen Trupp, kaur seinen Freund stets bereit, ihrer an. Er lugte um die Mondra Diamond – Perry Rhodans Lebensgefährtin taucht ein in den Trubel eines exotischen Marktes. Aufgabe nachzuge Ecke des schäbigen hen. Sie überquerten Verwaltungsgebäu Icho Tolot – Der Haluter sieht mit eigenen Augen die die Dritte Peripheriedes am Ende des Lan legendäre Station PERISTERA. Straße, schlängelten defeldes. Niemand Ulocco Lo’tus – Das geheimnisvolle Oberhaupt von sich entlang der war ließ sich blicken, doch PERISTERA erkennt das alte Obeliskenschiff. tenden Bodentaxis das hatte nichts zu Lanzenkaur – Ein Wagokos muss sich der unnachgie durch das Nadelöhr bedeuten. Sie hatten bigen Macht des Stärkeren beugen. der Zollpresse, das einen langen Weg vor um diese Zeit ins sich, und Aasin moch besondere von Ta te überall entlang der gestouristen umringt Wegstrecke auf sie wurde. Die Angehörigen einer schwer lauern. »Aber ...« bewaffneten Hopken-Wachttruppe schenk »Lass dieses ständige Aber! Sonst ten ihnen keine Aufmerksamkeit; sie eheliche ich deine Schwester doch noch, gehörten zu jenen Söldnern, die direkt und du musst für die Mitgift aufkom dem Marktleiter unterstellt waren und men.« nichts mit Aasin zu tun hatten. Geld war ein Argument, dem sich Zit Als sie die Zollbarrikaden hinter sich terkaib niemals entziehen konnte. Also gelassen hatten und die Hallen vor ih zog der Jüngere die traditionelle Maul nen auftauchten, wagte es Lanzenkaur sperre herab und verankerte das Gum erstmals durchzuatmen. So weit, so gut. mibändchen an den Seitenhaken. Dieses Im Schatten eines Informationsstandes profunde Mittel, die eigene Geschwät schöpften sie tief Atem. Nahe dieses zigkeit zu bremsen, machte sich bei stark frequentierten Eingangsbereichs, Brautwerbungen, Vertragsanbahnungen der zum beliebten Vergnügungsbereich oder bei Diskussionen über die aktu für Tagestouristen gehörte, fielen sie ellen Schurfball-Ergebnisse bezahlt trotz der Kisten, die sie mit sich schlepp und hatte schon so manche Keilerei im ten, kaum auf. Keim erstickt. Auch wenn es darum Lanzenkaur kontrollierte die Anzei ging, den Warenzug der Sippe in die Sigen seiner Individual-Orter. Keine An
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zeichen von Gefahr; doch das hatte nichts zu bedeuten. Die Deflektoren der Hopken waren wesentlich leistungsfä higer als ihre eigenen Geräte. »So weit sind wir schon lange nicht mehr gekommen«, nuschelte Zitterkaib, der seine Maulsperre ein wenig gelöst hatte. »Diesmal schaffen wir’s. Ganz si cher.« Seine Stimmung schwankte zwischen grenzenlosem Pessimismus und über schwänglichem Enthusiasmus. Darin ähnelte er den meisten ihrer Sippe. »Wir haben erst die Hälfte des Weges hinter uns«, mahnte er zur Vorsicht. »Bleibt aufmerksam. Überprüft noch mals die Warenkette und seid bereit, die Diversoren einzusetzen.« Die Cousins nickten. Sie waren die besten Mitglieder seiner Crew. Sie ge horchten seinen Anweisungen fast im mer. Die fünf Wagokos kontrollierten den Synchronkurs ihrer Kisten und zo gen dann ihre Maulsperren wieder fest. Erlebten sie an diesem Tag ein Wun der? Würden sie es endlich schaffen, un beschadet zur Abladestelle zu gelangen? Lanzenkaur betete das Ende ihrer Demütigungen herbei. Seit langer Zeit litten sie unter den Repressionen, die ihnen Aasin und seine Landsleute auf erlegten. Geduldig wartete er ab, bis die Mar ketender der Mittagsschicht mit müden Schritten an ihnen vorbeimarschierten. Alle wurden von maschinellen Börsen motzern umschwebt, die sich bemühten, erste Geschäfte anzubahnen und die Müdigkeit der Arbeiter auszunützen. »Jetzt!«, gab Lanzenkaur das Zeichen zum Aufbruch. Das Volk Lanzenkaurs war klein, kaum halb so groß wie die meisten Händler, die den Chinoiz und deren ge netischen Verwandten zuzuordnen wa ren. Niemand achtete sonderlich auf sie. Wagokos waren häufig auf dem Markt gebiet anzutreffen, und sie galten als besonders umgänglich. Solange sie im Schutz der Menge mit trieben, waren sie vor den Übergriffen durch die Hopken sicher. Das Geschrei,
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Gezeter, Gerülpse und Geklapper sowie ein monotones Datengesurr der schwe benden Börsenmotzer begleitete sie. Ein Diversor sank zu Boden; Lanzen kaur zertrat ihn, bevor er Fehlfunkti onen zeigte und Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Die Geräte waren von minderer Qualität, wie Lanzenkaur verärgert feststellte. Die Bokazuu hatten ihnen wieder einmal Schrott angedreht. Nur noch wenige hundert Meter. Er vermochte vor Nervosität kaum noch Wangen, Lefzen und Kinnbart unter Kontrolle zu halten. Seine Mimik arbei tete unkontrolliert, und die Pigment flecken entlang der kräftig behaarten Gesichtsmaske, auf die er so stolz war, verschwanden unter einer dicken Schicht Schämhaare. Ein Aufschrei erklang, grollend und wütend. Erschrocken warf sich Lanzenkaur gleich seinen Kameraden hinter eine Mülltonne in Deckung, aus deren Öff nung es nach verwesendem Fleisch stank. Es kam Unordnung in die Waren kette, deren Flugbahn sie in aller Eile neu programmieren mussten; die Koffer stießen aneinander, ließen sich kaum noch kontrollieren. Die Händler, in deren Tross sie sich bewegt hatten, reagierten nicht auf das Gebrüll. Sie folgten weiter ihrem Weg, stumpf und wenig interessiert an dem, was rings um sie vorging. Vorsichtig lugte Lanzenkaur aus sei ner Deckung – und atmete erleichtert durch. Ein betrunkener chinoizischer Tages gast lag unweit von ihnen im Halb dunkel eines Schrotthaufens und pro testierte lautstark gegen die unsanfte Behandlung durch zwei andere seines Volkes, die den offenbar verloren Ge gangenen zurück zu ihrem Schiff trans portieren wollten. Er trug jene koriton farbige Plakette, die ihn als Besucher der vergangenen Nachtschicht kenn zeichnete. Schnapsdrossler sorgten für zusätz liches Durcheinander: Sie umflatterten den Betrunkenen und redeten ihm ins
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Gewissen. Manche bearbeiteten ihn nachhaltig mit religiösen Entzugslie dern, andere schimpften und drohten ihm mit Qualen, die ihn die Götter sei ner Wahl nach seinem Tod erleiden las sen würden. Der Chinoiz grinste dümmlich und hieb unkontrolliert durch die Luft, ohne den Schnapsdrosslern etwas anhaben zu können. »Alles in Ordnung!« Lanzenkaur winkte seinen Begleitern, aus der De ckung hervorzukriechen und dem Zug der Händler zu folgen. Noch war nichts verloren, ihnen blieb ausreichend Zeit, die Abladestelle zu erreichen. Der Trubel rings um sie nahm weiter zu. Karrenschleicher boten Teile ihrer stetig nachwachsenden Gehglieder an, die in Rösthöfen für wenig Geld gebra ten und nach eigenem Geschmack ge würzt werden konnten. Ein einzeln auf tretender Gehtnichtmehr bot Wetten zu unverschämten Quoten auf die kom menden Schurfball-Spiele an, während ein Staffigen-Ballett die Sinne unbe darfter Tagestouristen verwirrte und mithilfe geschickt verborgener Magnet impulsschneidern den Staunenden klei ne Beträge von den Konten klaute. Die Händler begannen nun, da sie ihre Stän de erreichten, lautstark gegeneinander anzuschreien. Das unübersichtliche Geschehen kam Lanzenkaur zugute. Die wenigen Hop ken-Wachorgane, die sich im Gedränge blicken ließen, hatten alle Hände voll zu tun, um die Ordnung aufrechtzuerhal ten. Auf dem Markt herrschte seit Jahr und Tag Hochbetrieb. Die Handelssta tion besaß einen guten Ruf. Der Markt leiter galt als Mann des Ausgleichs: Er bevorzugte niemanden, er behandelte Gäste, Händler, Bewohner und Touris ten der Station gleichermaßen unge recht. Noch immer zeigte sich keine Spur von Aasin und seinen Spießgesellen. »Los, weiter!«, spornte Lanzenkaur seine Leute einmal mehr an. »Bleibt in Bewegung!« Das Ziel, jene rosarot lackierten Ba-
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racken, in denen ihre Waren gewogen, vermessen und in den Umlauf gebracht werden würden, befand sich bereits in Sichtweite. Sie mussten nur noch eine großteils brachliegende Ebene überque ren, auf der wenige Häufchen Schutt und Dreck abgeladen worden waren. Dort lebte der Abschaum der Station; Süchtige, Spieler, Ausgestoßene, Krüp pel. Ihre Behausungen, die dieses Wort gar nicht verdienten, boten kaum De ckung. Lanzenkaur blickte auf seine Uhr. »Ihr wisst, worauf es ankommt. Sobald ich das Signal gebe, aktiviert ihr die Diversoren, schickt die Kisten auf den Weg und lauft, so rasch ihr könnt. Verstan den?« Die Wakogos pressten ihre Zungen als Zeichen ihres Einverständnisses zwi schen den Maulsperren hervor. Lanzenkaur zählte den Countdown herab. Gleich musste es geschehen. Gleich, gleich ... Das Geschwader der Barbassen star tete mit einer lange Rauchwolke, die es hinter den schlanken Schiffseinheiten herzog. Sie verhielten sich so, wie es Lanzenkaur erhofft hatte. Die spieß chenähnlichen Raumer, mehr als zwan zig an der Zahl, zogen über ihre Köpfe hinweg. Der Boden zitterte unter seinen Beinen, der Lärm war unerträglich. Einmal mehr bewiesen die Fischköp fe, wie wenig sie sich um die Gepflogen heiten auf dem Marktgelände scherten. Sie konnten es sich leisten. Die Schiffs besatzungen bestanden aus begabten und viel gefragten Ersatzteil-Designern, die den zahlreichen Söldner-Völkern mit Rat und Tat zur Seite standen. Die Barbassen zählten eindeutig zu den Ge winnern des Großen Krieges. Wenn alles so lief, wie es sich Lanzen kaur vorstellte, würde Aasins Trupp aufgrund des Starts der Barbassen in Alarmbereitschaft versetzt werden. Ei ne Panik auf den Händlerplätzen war das Letzte, was der Marktleiter gebrau chen konnte. »Los jetzt!«, rief er über den Lärm hinweg. Aller Augen waren nach oben
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in die Dunkelheit gerichtet, die von den Barbassen mit ihren silberglänzenden Schiffen durchbrochen wurde. »Wenn wir den Specknapf erreichen, ohne dass man uns entdeckt, sind wir gerettet. Ich zahle eine Extraprämie Garit-Kraut für denjenigen, der als Erster die Hallen er reicht.« Garit-Kraut, eine süßlich schmecken de Delikatesse, leicht holzig und fein säuberlich über Schlackefeuer geräu chert, konnte die als lukullische Speer spitze bekannten Wagokos in pure Eks tase versetzen. Es waren rund 200 Meter bis zum Specknapf, jenem Wirtshaus am Rande der Hallen, in dem sich die oberen Zehn tausend trafen und untereinander neue Handelsstrategien ausschnapsten. Lan zenkaur lief hinter seinen Leuten her, so schnell ihn seine Beine trugen. Dabei wünschte er sich, nur ein wenig mehr auf die gute Linie geachtet und weniger dem Flaxenhaut-Ragout zugesprochen zu haben, das gestern in der Gemein schaftsküche seiner Sippe aufbereitet worden war. Kurzatmig stolperte er dahin, vorbei an Betrunkenen und Verwirrten, über Schutthaufen hinweg, durch schmierig glänzende Lachen. Nur zu gerne hätte er seinen Antigrav zugeschaltet, doch Aasin besaß die Kennungen aller Wago kos-Fabrikate. Nur noch 80 Meter. 50. 30. Schon um kreisten ihn die Werbe-Suggos des Specknapf und verwirrten ihn mit Bot schaften, die auf all seine Sinne ein wirkten. Gleich hatten sie die Sicher heit des Lokals erreicht, gleich ... »Einen wunderschönen guten Tag, Freund Lanzenkaur!«, tönte jene Stim me von oben herab, die er unter keinen Umständen hatte hören wollen. »Was für eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen.« Aasin ließ sich herabfallen. Er federte sich mit einer Vielzahl seiner Nesselpo dien ab. In seinem Transparentgesicht zeigte sich jenes höhnische Lächeln, das den Hopken zu eigen war. Die Wagokos hatten verloren.
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2. Perry Rhodan Ramoz drängte sich unvermittelt eng an Mondra. Vorsichtig tastete sie über sein Fell und berührte ihn sacht an der Schnauze, um die Hand gleich darauf wieder zu rückzuziehen, wohl selbst erschrocken über diese vertrauliche Geste. Auch das Tier tat einen Schritt zurück. Es mus terte Mondra misstrauisch und gab ei nen kurzen, zischenden Laut von sich. Rhodan beobachtete. Noch wusste er nicht, was er von Ramoz halten sollte. Das seltsame Geschöpf war ihnen zuge laufen. Es suchte Anschluss, und es fand ihn offenbar bei Mondra, die diese tiefe, innere Ruhe ausstrahlte, die Rhodan seit jeher für seine Begleiterin einge nommen hatte. »Kannst du uns etwas über Ramoz sagen?«, fragte Rhodan zum wiederhol ten Male. »Leider nein«, gab MIKRU-JON we nig überraschend zur Antwort. »Jeden falls nichts, was über euren Kenntnis stand hinausginge. Eine Autopsie könnte Klarheit verschaffen, aber ich vermute, davon möchtet ihr keinen Ge brauch machen.« Die Stimme klang männlich und nüchtern und hatte einen merkwürdigen Tonfall, als wäre die Sprache der Mächtigen nicht ihre »Mut tersprache«. »Nein!«, sagten Rhodan und Mondra wie aus einem Mund. »Erlaubt mir, darauf aufmerksam zu machen, dass ihr bald wieder etwas es sen solltet. Ich kann euch Nährbrei und Wasser anbieten, die sich mit nahezu jedem Metabolismus vertragen müssten. Wenn ihr mir Speichel- und Blutproben liefert, vermag ich die Nahrung aber op timal anzupassen.« MIKRU-JON zeigte sich vorsichtig, und das wiederum gefiel Rhodan. Mon dra und er gaben die Proben frei, wäh rend Icho Tolot eine präzise Aufstellung jener Mineralstoffe und Spurenelemente lieferte, die er gerne in größeren Mengen haben wollte.
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»Am liebsten in einen Aluminium block eingegossen, fügte er hinzu, »da mit ich was zum Knabbern habe.« Das Obeliskenschiff zeigte sich kei nesfalls verwundert, und als sie nach mehrstündiger Flugreise den Halbraum verließen, hatten sie eine sättigende, wohlschmeckende Mahlzeit hinter sich, die sie wesentlich entspannter in die Zukunft blicken ließ. * »Das ist PERISTERA«, sagte MIKRU JON. Bildliche Darstellungen zeigten die Polyport-Station aus mehreren Per spektiven und in verschiedenen Grö ßen. »Wir bleiben auf Distanz!«, befahl Perry Rhodan. Der Anblick der Station irritierte ihn: Auf-, Zu- und Umbauten ließen die bei den annähernd tellerförmigen Halb teile, die mit den offenen Seiten aufein andergelegt waren, aus der Distanz wie ein von Muscheln und Kalkablage rungen verkrustetes Seeschiff wirken. Die Zusatzbauten erweckten Misstrau en in ihm. Eine Raumstation, die von den Halbraum-Changeuren genutzt worden war, hätte er unter keinen Um ständen in einem derart veränderten Zustand vorzufinden erwartet. Was war geschehen? MIKRU-JON fing auf einem der Schirme den komplizierten, an ein Tau meln gemahnenden Kurs ein, den PE RISTERA um zwei verloren wirkende Sterne zog. Die kleine weiße und die große rote Sonne besaßen keine Pla neten; lediglich in weiter Ferne existier te eine dichte, zirkumstellare Kometen wolke, auf der keinerlei Leben möglich schien. Rhodans SERUN erhielt weiterfüh rende Struktur-Daten zu dem namen losen System von MIKRU-JON über mittelt. Er würde sie später analysieren. Vorerst reichte ihm, was er sah. »Gibt es Hinweise dafür, dass die Fre quenz-Monarchie auf PERISTERA ak tiv ist?«, fragte er das Schiff.
»Nein«, antwortete MIKRU-JON. »Es herrscht ein stetiges Kommen und Ge hen. Die Station wird offenbar als Wa renumschlags- und Handelsplatz ge nutzt. Was für eine Schande ...« Die Stimme des Schiffes klang recht kons terniert. »Anflug unterbrechen!«, befahl der Unsterbliche. »Vorerst bleiben wir auf Distanz. Ich möchte mehr Informati onen über die Geschehnisse auf PERIS TERA, bevor wir die Annäherung fort setzen.« »Verstanden.« Ein Teil der sie umgebenden Bilder löste sich auf, die nackten Wände der Kommandozentrale wurden wieder sichtbar. Nur eine Schirmfront blieb er halten. Die Qualität der Aufnahmen wurde stetig besser; MIKRU-JON bot wohl einen Gutteil seiner Ressourcen auf, um die Ortungsergebnisse so rasch wie möglich zu optimieren. »Nervös?«, fragte Mondra. »Irritiert«, antwortete Rhodan. »Die Polyport-Höfe sind für jedermann ein bedeutendes Machtmittel. Wenn ih re Steuerung in die falschen Hände ge rät ...« Er ließ den Satz unvollendet. »Sind wir denn die Richtigen, um die Höfe zu beherrschen?«, fragte Mondra provokant. »Das weiß ich nicht«, gab der Un sterbliche unumwunden zu. »Aber uns bleibt wohl kaum eine Wahl, als sie für unsere Zwecke zu nutzen. Es geht um viel.« Es geht immer um viel, dachte er sich insgeheim. Und es wird nie weniger. »Ich habe mittlerweile ausreichend Datensicherheit, was PERISTERA be trifft«, unterbrach MIKRU-JON seine Grübeleien. »Dann leg mal los.« »Es sind keinerlei Tätigkeiten der Frequenz-Monarchie auszumachen. Die Polyport-Station ist von Angehörigen mehrerer Völker Kyon Megas um schwärmt. Die Vielzahl der Auf- und Zubauten weisen darauf hin, dass PE RISTERA bereits vor langer Zeit in Be sitz genommen wurde.«
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»Wir sollten uns näher umsehen«, schlug Mondra vor. »Wie steht es um unsere Sicherheit?«, stellte Rhodan eine weitere Frage an MIKRU-JON, ohne auf Mondras Ein wurf zu reagieren. Noch war er mit den technischen Möglichkeiten des Schiffes nicht vertraut, und noch wusste er nicht, wie er die Eigenheiten deren Künstlichen Intelligenz einordnen soll te. »Alle Schiffe, die ich im Umfeld des Polyport-Hofes orte, verfügen über Ak tiv-Waffensysteme, denen meine Schutz schirme standhalten sollten.« »Vorausgesetzt, du bist keinem punk tuellen Beschuss ausgesetzt und erhältst nicht mehrere Wirkungstreffer gleich zeitig.« »So ist es.« »Wie steht es mit der Wendigkeit?«, hakte Rhodan nach. »Meine Sublicht-Beschleunigungs werte sind besser als die der anderen Schiffe. Gegebenenfalls kann ich pro blemlos entkommen.« Der Mann, der seine Laufbahn als Ri sikopilot begonnen hatte und nunmehr die Verantwortung für die gesamte Menschheit trug, überlegte. 1280 Kilo meter pro Sekundenquadrat waren ein guter, ein sehr guter Wert. Solange sie in Bewegung blieben, waren sie also aus reichend sicher, vor allem in Kombina tion mit den ausgezeichneten Feldor tungssystemen von MIKRU-JON, die einen Blickhorizont von nahezu 1000 Lichtjahren besaßen. Auf aktive Waf fensysteme hatten die unbekannten Er bauer ihres Beuteschiffes allerdings ver zichtet. Sie mussten jedwedes Aufsehen vermeiden, wollten sie auf der sicheren Seite bleiben. Perry Rhodan sah langsam am Ha luter hoch und unterdrückte ein Grin sen. Sie würden auf jeden Fall Aufsehen erregen, wenn sie PERISTERA in Be gleitung ihres kolossalen Freundes be traten. Er wandte sich Mondra zu. »Sobald wir auf dem Polyport-Hof landen, ver lieren wir all unsere Vorteile. Wendig
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keit, Beschleunigungsvermögen und Orterreichweite sind dann kein Thema mehr. Wir sollten eine Orbit-Parkspur einnehmen und uns zur PERISTERA hinabtransportieren lassen.« »Einspruch!«, grollte Icho Tolot. »Vielleicht reagiert der Polyport-Hof auf die Anwesenheit unseres Schiffes, vielleicht benötigen wir ihre Mittel di rekt vor Ort. Außerdem stehen wir unter einem gewissen Zeitdruck. Die Truppen der Frequenz-Monarchie könnten je derzeit Zugang zur Station finden. Au ßerdem«, der Haluter breitete alle vier Arme weit aus und zeigte das aufgrund der massiven, tödlichen Kegelzähne un verkennbare Grinsen, das seinem Volk zu eigen war, »werde ich euch beschüt zen, meine Kinderchen.« Icho Tolot hatte recht; sein Planhirn hatte die Vor- und Nachteile sicherlich gegeneinander abgewogen. Und den noch ... Perry fühlte ein seltsames Grum meln in seinem Magen, und die Nase juckte. »Ich möchte dich bitten, mir eine Landung zu erlauben«, mischte sich MIKRU-JON ein. »Warum?« Rhodans Misstrauen gegenüber der Schiffseinheit wuchs. »Meine Aufzeichnungsroutinen sagen mir, dass ich bereits mehrere Male auf PERISTERA gewesen bin. Es ist lange her, und ich möchte überprüfen, was sich seitdem geändert hat.« »Das klingt äußerst vage. Was weißt du über die Station?« »Ich hab dir bereits das Wichtigste gesagt«, blieb MIKRU-JON reserviert. »Ich hatte öfter den Auftrag, von Mar kanu zur hiesigen Station zu pendeln oder andere Planeten im Inneren Kyon Megas zu besuchen. Damals, als die Halbraum-Changeure noch Raumfah rer waren und ich sie ... mochte.« Täuschte er sich, oder wollte das Schiff noch mehr sagen und nahm sich im letzten Augenblick zurück? Welche Geheimnisse barg MIKRU-JON? Sie zeigte Eigenwilligkeiten und war gewiss weitaus mehr als ein Transportmittel.
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Der Unsterbliche musste sich in Acht nehmen, wollte er keine böse Überra schung erleben. Er nahm Blickkontakt mit Mondra auf. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Sie würde seine Entscheidung akzeptieren, was auch immer er vorschlug. Rhodan atmete tief durch. Letztend lich gab es kaum Entscheidungsspiel raum. Wollten sie das Netz der Poly port-Transporthöfe erkunden, mussten sie PERISTERA anlaufen. »Also schön«, sagte er zu MIKRU JON. »Wir nähern uns mit der gege benen Vorsicht. Du hältst alle Ohren offen und beschaffst mir so viele Infor mationen wie möglich über jene Völker, die sich auf der Station breitgemacht haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch für ihre Sicherheit verant wortlich sind.« Er tastete nach einem der drei Controller Klasse A, die er nach wie vor bei sich trug. »Sobald die Trup pen der Frequenz-Monarchie einen Zu gang zum Transporthof finden, ist es vorbei mit ihnen.« »Verstanden«, sagte MIKRU-JON mit tiefer, beruhigend klingender Stimme. Das Raumschiff nahm Fahrt auf. * Hunderte Raumer umlagerten PE RISTERA wie Motten das Licht; die meisten von ihnen in einem stationären Park-Orbit. Zubringerschiffe, die von Lotsen manövriert wurden, brachten einen ständigen Strom von Passagieren hinab zum Polyport-Hof. Transmitter schienen nicht oder nur in geringem Ausmaß im Einsatz zu sein. Um die maximal 150 Andockplätze auf PERISTERA herrschte ein arges Gerangel. Über Funk wurde gehandelt und gefeilscht, gebrüllt und gezetert. Manch ein Frachtkapitän bot ungeniert Bestechungsgelder an, die von den Lot sen ebenso ungeniert akzeptiert wurden, sofern sie hoch genug waren. Werbebotschaften störten mitunter den regen Funkverkehr und wiesen auf Kasinos, Bars, Vergnügungszentren und
Freihandelszentren hin, in denen alles Denkbare angeboten wurde. Riesige Plattformen trieben zusätz lich und scheinbar ziellos zwischen den Orbitalschiffen umher; sie boten Frei raumklettern unter erschwerten Gravi tational-Bedingungen an, zeigten Tri vid-Werbebotschaften oder stellten abgeschlossene Spielkapseln bereit, in deren engem Inneren man binnen weni ger Stunden ganze Vermögen verzocken konnte. Das Treiben blieb unüberschau bar, und Perry Rhodan konnte sich vor stellen, dass die Verantwortlichen alle Hände voll zu tun hatten, um mit den Auswüchsen dieses kunterbunten Ge schehens zurechtzukommen. »Wie auf der BASIS«, murmelte er. »Wie bitte?«, fragte ihn Mondra Dia mond unkonzentriert, ohne den Blick von der Anzeige ihres Multikoms zu wenden. »Hör nicht auf einen alten Mann, wenn er sich in Selbstgesprächen ergeht. Ich habe bloß laut nachgedacht.« Und zwar über die BASIS, diesen Riesenkoloss, den wir verkaufen mussten und der nun im Orbit von Stiftermann III als Vergnü gungszentrum dient. Wenn ich die finan ziellen Ressourcen zur Verfügung hätte, würde ich ihn reaktivieren ... »Ich nehme Kontakt mit den Lotsen auf«, unterbrach MIKRU-JON seine Gedanken. »Du stellst lediglich die Verbindung her. Ich unterhalte mich«, wies Rhodan das Schiff zurecht. Er hatte mehr als einmal mit eigenwilligen Schiffsintelli genzen zu tun gehabt. Er durfte MIKRU JON nicht zu viel Ermessensspielraum einräumen, solange er sich seiner nicht sicher war. Ein aufgeregt gestikulierendes Wesen erschien auf einer der breiten Bilder wände der Zentrale. Es bestand aus einem schwarzen, quaderförmigen Kör per, auf dessen öliger Oberflächenflüs sigkeit Sehorgane trieben. Dutzende dünne Ärmchen, die aus der Quadersei te wuchsen, schoben die faustgroßen Augen fortwährend hin und her. »Ich bin Lotse Dreiacht-Kamm«,
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übersetzte Rhodans Translator, der während des Anfluges bereits ausrei chend mit lokalen Idiomen gefüttert worden war. »Du näherst dich der block und bündnisfreien Zone des Marktes von Toykana. Bestich mich, und ich weise dir einen Landeplatz in einem sensationell niedrigen Orbit um die Freihandelszone zu. Außerdem erhältst du sechs Freikarten für die fantastische Show meines Schwagerschwagers Zweineun-Tross, dem ungekrönten Kö nig der Blaspfeifer ...« »Nenn mir deinen Preis«, unterbrach Rhodan den Lotsen. »Zweiundsiebzig Duretin«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschos sen. »Und für einen Landeplatz unmittel bar auf der Station?« »Das ist nahezu unbezahlbar.« Der Ölfilm war dicker geworden; er bewirkte eine Art Linsenfunktion, denn die Au gen erschienen nun größer. »Unter hun dertvierzig Duretin lasse ich mich nicht bestechen.« »Das ist viel zu viel«, bluffte Rhodan. »Ich werde mit einem anderen Lotsen verhandeln müssen. Guten Tag, Drei acht-Kamm!« »Oho, du möchtest handeln, Hassens werter! Also schön: Hundertdreißig Du retin, und damit drücke ich die Hälfe meiner Augen zu. Du müsstest aller dings auf die Show meines Schwager schwagers verzichten ...« »Dein Angebot beleidigt meine Intel ligenz. Ich biete dir hundertzehn und keinen Duretin mehr.« Ein Auge fiel aus dem Ölfilm zu Bo den; der Lotse zertrat es achtlos und zerteilte eines der anderen an seinem Körper mit geschickten Handbewe gungen, sodass die Gesamtzahl densel ben Stand wie zuvor erreichte. »Du bist ein widerlicher Augenschmauser und ein verachtenswerter Augäpfler! Du möchtest meine Brut, die ich bereits in mir trage, in ewiger Verdammnis und Armut aufwachsen lassen. Nie und nim mer könnte ich weniger als hun dertzwanzig Duretin verlangen ...«
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»Hundertfünfzehn!« »Hundertfünf... oh, du Bastard der einäugigen Gottheit der Schamlosig keit! Du verdienst es gepfählt zu wer den, und ich akzeptiere deine Beste chung nur, weil mir das Wasser bis zu den Wimpernhärchen steht.« Die verwirrenden Bewegungen von Dreiacht-Kamms Sehorganen und sei ner Arme ließen nach, kamen beinahe zu einem Stillstand. »Ich habe dir so eben einen Landeplatz zugeteilt«, fügte er hinzu, nun völlig sachlich wirkend. »Wie möchtest du bezahlen?« »Vorerst gar nicht.« »Wie bitte?!« Alle Augen des selt samen Wesens öffneten sich immer wei ter; bald bedeckten sie den dunklen Quaderkörper zur Gänze. »Ich habe auf dem Markt von Toyka na Geschäfte zu erledigen«, sagte Perry Rhodan unbeeindruckt. Ich entlohne dich, sobald meine Geschäfte abge schlossen sind.« »Das kann ich niemals akzeptieren.« »Und wenn ich dir mein Schiff als Si cherheit anbiete?« Mondra Diamond zwickte ihn kräftig in die Seite. Perry Rhodan ignorierte den Schmerz. Sie besaßen nun mal kei nerlei Barmittel, doch dieses Problem ließ sich lösen, sobald sie an PERISTE RA angedockt waren. Mit ein wenig Glück fanden sich in den Lagern der MIKRU-JON Waren oder Gimmicks, die sie für ihre Zwecke adaptieren und unbedenklich auf dem Freihandels markt veräußern konnten. »Dein Schiff also«, sagte DreiachtKamm nachdenklich. »Also schön, Wenigäuger. Ich belege es mit einer Pfändungssignatur. Du hast zwei TagNacht-Einheiten, um deine Schulden zu begleichen. Wenn du es bis dahin nicht schaffst, bist du deinen Untersatz los. In deinem Interesse rate ich dir, die Dure tin zeitgerecht aufzutreiben. Es ist nicht schön, auf Toykana zu stranden.« »Kann ich mir vorstellen«, sagte Rho dan leichthin. Wenige Momente später trafen der Lotsenimpuls und eine Prägungssigna
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tur ein, die Dreiacht-Kamm zum provi sorischen Sachwalter für MIKRU-JON machte. Perry Rhodan gab sein Einverständ nis, und das Parkmanöver begann. 3. Lanzenkaur »Bekomme ich kein freundliches Wort zum Empfang?«, fragte Aasin. »Sind wir denn nicht gute Freunde?« Der scheinbar so verletzliche Gelee körper des Hopken war durch eine transparente Isolierschicht geschützt, die zudem jenes Maß an Feuchtigkeit transportierte, das er so dringend benö tigte. Lanzenkaur bewies Geistesgegen wart. Er verlor sich nicht in Gegreine und Gejammer, sondern gab die Diver soren frei. Augenblicklich schwärmten sie nach allen Richtungen aus. Ihre Rechner forschten in aller Eile nach Umgebungsbildern und -daten, verar beiteten sie und aktivierten nahezu zeit gleich ihre Arbeitsfelder. Es dröhnte, pfiff und ächzte furchter regend. Die Vision eines Bodenkampfes entstand vor dem Eingang zum Speck napf. Die Krieger fielen mit archaischen Hieb- und Stichwaffen übereinander her. Ein Geschwader kampflüsterner Chi noiz durchbrach diese Bilder. Sie schwebten dicht über Lanzenkaurs Kopf hinweg und warfen Bio-Bomben ab, die gleich darauf zu wachsen began nen und der unmittelbaren Umgebung Temperatur entzogen; zumindest konn te man glauben, dass es so wäre. Ein riesiger Wullfisch, der natürliche Feind der Hopken auf ihrem Heimat planeten, platzte in die Szene. Er stieß sich mit seinen Kriechflossen ab und kroch auf Aasin zu, die Zunge gierig in Richtung des Kaderkommandanten ausgestreckt ... Eine Vielzahl von Bildern, Geräuschen und Gerüchen überlagerten einander. Manche der Diversoren gingen nach we
nigen Augenblicken kaputt – billige Ware, wie gesagt –, doch die meisten er füllten ihre Aufgabe: Sie verwirrten die Sinne, und ihre leicht suggestiv wirken den Eindrücke mussten selbst bei Aasin und seinen Kumpanen Eindruck hinter lassen. Oder? »Du enttäuschst mich, Lanzenkaur«, sagte der Hopken gelangweilt. »Deine Spielsachen sind ihr Geld nicht wert.« Er fuhr über ein Tastfeld an seinem Kommandantengurt – und augenblick lich kehrte Stille ein. Die Diversoren sanken wie Blätter zu Boden, um sich dort im Nichts aufzu lösen. »Das war der miserable Abschluss ei ner sehr ambitionierten Leistung«, fuhr Aasin fort. Sein Transparentgesicht nässte ein wenig. »Hätte ich euch nicht von dem Moment an beobachtet, da ihr euer Schiff verlassen habt, wärt ihr mir doch glatt durch die Nesseln ge flutscht.« Er lachte, und ein halbes Dutzend sei ner Blendbrüder, die aus der Luft her abgeschwebt kamen, fielen in das grau sige Getöne ein, das an eine schlecht funktionierende Toilettenspülung ge mahnte. Lanzenkaur trat vor Zitterkaib und seine Cousins, die sich völlig entmutigt hatten zu Boden sinken lassen. Es fiel ihm schwer, seine Enttäuschung zu ver bergen, doch er hielt sich unter Kontrol le. »Warum seid ihr so gemein zu uns?«, fragte er. »Habt ihr das gehört, Jungs?« Aasin lachte, sodass sein ganzer Körper bebte. »Wir sind sooo gemein!« »Ihr seid mehr als das!«, ereiferte sich Lanzenkaur. »Ihr seid echt fiese Schur ken ohne Gewissen! Bösewichter! Ver brecher! Schufte!« »Aber, aber«, amüsierte sich Aasin, »das ist zu viel des Lobes.« Das Grinsen verschwand so rasch aus seinem Transparentgesicht, wie es ge kommen war. »Jetzt mal im Ernst, Klei ner: Du hast mich bitter enttäuscht. Du wolltest mich hintergehen und deine
Der Polyport-Markt
Waren an mir vorbeischmuggeln, ohne dafür deinen Obulus zu leisten.« »Der Markt von Toykana ist eine Frei handelszone«, widersprach Lanzenkaur. »Die Einzige in Kyon Megas, die freie Handelsbegegnungen erlaubt. Der Marktleiter hat die Regeln festgelegt und erwähnte mit keinem Wort, dass man den hiesigen Schutztrupps einen Gewinnanteil abtreten muss.« Aasin deutete mit seinen Armen in alle Richtungen. »Ach ja? Sagt er das, der Marktleiter? – Nun, wo ist er denn? Wird er mich anklagen oder gar von Toykana verbannen, wenn ihm zu Oh ren kommt, dass ich mein bescheidenes Honorar und das meiner Mitarbeiter ein wenig aufbessere? – Aber ich möchte dich nicht davon abhalten, Beschwerde zu führen, wenn dir danach ist. Besuch ihn doch, den Marktleiter. Jedermann auf Toykana weiß, dass er ein Freund der Unterdrückten und Armen ist.« Neuerlich erklang dieses grässliche Gelächter. Die Hopken wussten, dass Lanzenkaur gegen sie nicht ankam. Sie nutzten ihre Situation schamlos aus, und selbst wenn die Wagokos den toy kenischen Marktleiter zu Gesicht bekä men, würde er sich keinen Deut um sie scheren. Er galt als streng und war nur auf seinen eigenen Vorteil sowie den des Marktes bedacht. Was Aasin und seine Kumpanen mit den Wagokos anstellten, war ihm gewiss einerlei. Mehrere Nesselarme Aasins richteten sich verlangend nach den Warenkisten aus, die mittlerweile sanft zu Boden ge schwebt waren. »Darf ich dich bitten, deine Schätze auszupacken? Wenn du uns beim Entla den und Kontrollieren nicht weiter störst, haben wir das ... Verzollungsver fahren rasch hinter uns, und du kannst weiter zu den Markthallen.« Lanzenkaur sagte nichts. Er desakti vierte die Verschlüsse der Truhen, drehte sich beiseite, setzte sich neben seinen Landsleuten zu Boden und zog die Maulsperre so fest, dass es schmerzte. Er schloss die Augen und dachte an irgendetwas, das ihn ablenkte. An grüne
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Wiesen und nahrhafte Buschblätter, an Garit-Kraut, an das sommerliche ÄsFestival. Er wollte Aasin und seinen Blendbrüdern nicht die Genugtuung ge ben, ihn weinen zu sehen. * Die Hopken nahmen nahezu ein Drit tel der Trimian mit sich und beschä digten weitere zehn Prozent der Waren so sehr, dass sie unverkäuflich waren. Lanzenkaur hob eine der faustgroßen Spielfiguren auf. Sie war handge schnitzt, handbemalt und in ein buntes, glitzerndes Kleidchen gesteckt. Jedes einzelne Trimian war ein Original, ein Kunstwerk, in dem mindestens 20 Ar beitstage steckten. Es war so ganz an ders als all das übrige Zeugs, mit dem die Kinder Kyon Megas ihre Zeit ver brachten. Arme, Beine und Kopf ließen sich lediglich eingeschränkt bewegen, und der Stimm- und Bedienungs-Chip im Hohlraum besaß eine nur geringe In telligenz. Lanzenkaur aktivierte die Spielfigur. Meeresrauschen erklang, und er musste seufzen. Eine wehmütige Melodie wur de lauter, von einem Könner auf der Suitole intoniert. Zwei alte und zittrige Stimmen erzählten eine Geschichte. Lanzenkaur kannte sie; sie stammte aus dem reichhaltigen Sagenschatz der Wondolo-Bergvölker. Jenseits der Stimmen hörte er Vogel gezwitscher, das Klirren der Frost bäume, das freche Keckern eines Feld läufers ... Lanzenkaur fühlte sich hineingesogen in diese unberührte, von einem modernen Leben verschonte Welt. Die Beseeler seines Volkes gaben sich größte Mühe, die Figuren individuell wirken zu lassen. Kein Trimian ähnelte dem anderen; manch einer erzählte Märchen, der nächste vom Kreislauf der Natur, der dritte von den Dingen und Gefühlen, die sie seit Beginn des Krieges, der ihre heimatliche Galaxis im Griff hielt, verloren hatten. Einige wenige blieben stumm; nur dann und wann er
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tönte wehmütiges Weinen oder überbor dendes Lachen. Emotionen, die nach haltiger wirkten als jedes Wort. Die Figuren waren ein sehr persön licher Abdruck der Beseeler. Sie wurden von den Angehörigen vieler Völker ge schätzt und gesammelt. Vielleicht, und dies war der schönste Gedanke, den sich Lanzenkaur am heutigen Tag leistete, verhalfen die Wagokos mit ihren wun dersamen Botschaften eines Tages dem Frieden zum Durchbruch. »Aasin war offenbar guter Laune«, unterbrach Zitterkaib seine Gedanken. »Er hat weniger Schaden angerichtet als erwartet. Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch rechtzeitig vor der Pause zu den Markthallen. Mit Glück machen wir sogar ein klein wenig Ge winn.« »Ein klein wenig Gewinn«, echote Lanzenkaur. All ihre Bemühungen waren umsonst gewesen. Aasin hatte ihnen gerade ge nug Waren übrig gelassen, sodass sie wiederkehren und es erneut versuchen würden, an dem Hopken und seinen Blendbrüdern vorbeizugelangen. So lief das Spiel, und es hatte bislang immer nur einen Sieger gesehen. 4. Perry Rhodan »Ich habe mittlerweile Angehörige von weit mehr als sechzig Völkern iden tifiziert«, sagte MIKRU-JON, während die komplizierte Annäherung an den Polyport-Hof zu einem Ende kam. Nur wenige hundert Meter bei kaum nen nenswerter Geschwindigkeit fehlten bis zur Bodenberührung. »Manche von ih nen kenne ich von früheren Reisen, an dere sind mir unbekannt.« »Mach’s bitte kurz«, forderte Perry Rhodan. »Es gibt Reibereien untereinander, die mit dem Krieg zwischen dem Alde band-Bund und den Svirenern in Zu sammenhang stehen. Viele Völker muss ten aus ihrer Heimatgalaxis Diktyon
flüchten. Sie sind entwurzelt. Manche bemühen sich, wieder zu alten Ord nungsstrukturen zurückzufinden, ande re bringen den Krieg mit sich. Ich sehe viele Ansätze zur Besserung – und nur wenige durchgreifende Erfolge. Der Markt von Toykana ist neutrales Gebiet. Hier können sich die Besucher, abgesehen von den üblichen Begleiter scheinungen wie Spionage und infor meller Diplomatie, von den Wirrnissen erholen, denen sie in ihrem sonstigen Leben ausgesetzt sind.« »Gibt es vorherrschende Völker?«, unterbrach Rhodan den Bericht des Schiffes. »Irgendjemand, mit dem es sich lohnt, in Kontakt zu treten?« »Die Toyken stellen den Marktleiter und damit den mächtigsten Mann von PERISTERA beziehungsweise Toykana. Er heißt Ulocco Lo’tus und gilt als stren ger Wahrer der Ordnung. Des Weiteren konnte ich mehrere Schiffseinheiten der Bokazuu orten. Sie gehen so wie die An gehörigen aller anderen Völker auf dem Markt ihren Geschäften nach ...« »Waffenschiebereien«, mutmaßte Icho Tolot. »Mag sein. – Viele der ortsansässigen Händler sind den Chinoiz zuzuordnen; Zweibeiner mit eng taillierten Leibern, deren Oberkörper mit Beginn des Reife prozesses abfallen und sich verselbst ständigen. In manchen Bereichen Toy kanas tun Hopken als angemietete Wächter Dienst. Es handelt sich um hu manoide Wesen von geleeartiger Subs tanz, etwa zwei Meter groß. Sie sind wegen ihrer zweifelhaften Moralbegriffe besonders verhasst.« »Was wissen die Toyken und ihr Marktleiter?«, grübelte Rhodan. »Ken nen sie die Bedeutung PERISTERAS?« »So wird es jedenfalls kolportiert. In den Trivid-Nachrichten wird öfter mal darauf hingewiesen, dass die Toyken die Geheimnisse des Uralten Artefakts ent rätselt haben und darüber verfügen können.« »Du zweifelst daran?«, fragte Rhodan MIKRU-JON. »Die Botschaften sind meiner Mei
Der Polyport-Markt
nung nach zu grell und zu laut, um wahr zu sein.« Meiner Meinung nach ... Die Worte echoten in dem Terraner nach. Das In dividualverhalten des Schiffes irritierte ihn. Sie durften ihrem Schiff nur unter Vorbehalt vertrauen; sie wussten nicht, ob es in der Lage war, eigene Pläne zu schmieden beziehungsweise auszufüh ren. Der Unsterbliche seufzte. Sie be wegten sich in einem Umfeld, das aus Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bestand. Kyon Megas war ihnen genau so fremd wie deren vielfältigen Kul turen. Über das Polyport-System wussten sie so gut wie nichts, die Fre quenz-Monarchie war eine weitere Un bekannte. Sie mussten so rasch wie möglich so viel Wissen wie möglich an häufen; letztlich waren die Kleingalaxis und PERISTERA nur Etappenziele auf ihrem Weg. »Bei der großen Nachbargalaxis na mens Diktyon handelt es sich um Cen taurus A«, erinnerte Icho Tolot. Das Planhirn des Haluters hatte eine mühselige Rechenarbeit über Stunden und Tage hinweg fortgeführt, hatte die in den Tiefen seines unbestechlichen Er innerungsvermögens abgelegten Bilder und Informationsbrocken so lange inund gegeneinander verschoben, bis ein brauchbares Ergebnis zustande gekom men war. Perry Rhodan hätte sich kaum einen wertvolleren Begleiter als Icho To lot auf dieser wundersame Reise durch das Universum wünschen können. Er nickte und betrachtete die bild liche Aufbereitung der großen Sternen insel, die MIKRU-JON wunschgemäß auf eine der Zentralewände projizierte. Deren intensive Röntgenstrahlung wies auf die Akkretionsscheibe eines riesigen Schwarzen Lochs im galaktischen Zen trum hin, die Ursache für die Gamma strahlung war weitgehend ungeklärt. Das Sternenband der rund 800 Milliar den Sonnen wirkte von ihrem Standort aus wie ein länglich verzerrter Ring, de ren dunkles Zentrum 74.000 Lichtjahre entfernt war.
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»NGC 5128«, sinnierte er. »Das be deutet, dass uns gut vierzehn Millionen Lichtjahre von der Heimat trennen.« »Allerdings befinden wir uns am Rand des Einflussgebietes der Superintelli genz ESTARTU«, erinnerte Tolot vielsa gend. Rhodan nickte. Es ließ sich trefflich über die metapolitischen Interessen hö herer Wesen an Centaurus A spekulie ren, vor allem wenn man wusste, dass sich im weiteren Umfeld dieser kos mischen Region mehrere Superintelli genzen tummelten. Da war THERMIOC zu nennen, an dessen Entstehen Rhodan einen nicht unbedeutenden Anteil gehabt hatte. Vielleicht gab es einen Nachfolger APHANURS, jenes sechsdimensionalen Kleinods, dem sich die Halbspur-Chan geure verpflichtet gefühlt hatten. In Truillau, einer nur drei Millionen Licht jahre entfernten Galaxis, die einst dem Kosmokraten Taurec als Machtbasis ge dient hatte, könnten sich ebenfalls neue Kräfte breitgemacht haben. Und selbst das seinerzeit weitgehend zerstörte Ar senal der Baolin-Nda, geschätzte 12,5 Millionen Lichtjahre von Centaurus A entfernt, strahlte womöglich eine ganz besondere Anziehungskraft aus ... MIKRU-JON setzte auf, sanft und ruckfrei, nur an einem optischen Signal erkennbar. »Du hast ab nun exakt zwei Tage Zeit«, ertönte die Stimme des Lotsen Dreiacht-Kamm über Funk, »und kei nen Augenblick länger. Danach gehört dein Schifflein mir.« * Die Translatoren der SERUNS wur den mit einem erweiterten Wortschatz der Verkehrssprache Yonnuu gefüttert. Auch Icho Tolot zog sich Datenkopien der Sprache und speicherte sie in den positronischen Untiefen des Rechners seines roten Allzweck-Anzugs. »Mondra und ich sehen uns im Um feld des Landeplatzes um«, gab Perry Rhodan bekannt. »Tolotos – du ver
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suchst, mit MIKRU-JON klarzukom men und weitere Informationen zu sich ten. Bring so viel wie möglich über die Toyken und diesen geheimnisvollen Ulocco Lo’tus in Erfahrung. Quellen gibt es ja ausreichend.« Wie wahr. Die Vielzahl an Trivid- und Netzprogrammen, aber auch an simplen Radiosendern war beeindruckend und bedenklich zugleich. Über den Touris tenzentren der Stadt trieben Ein-Per sonen-Gleiter dahin, die ganz gezielt Werbebotschaften abstrahlten, sobald sich fünf oder mehr Wesen zusammen fanden. Sie kämpften mit allen er laubten und unerlaubten Mitteln um einzelne Kunden; das Tohuwabohu der miteinander wetteifernden Werbeschiff chen war an Lautstärke und Intensität kaum zu übertreffen. Die regulären Bewohner der Platt form waren problemlos von den Tages touristen zu unterscheiden: Sie hatten eine dicke Hornhaut gegen den Rekla meterror entwickelt und kümmerten sich nicht weiter darum. Eine Vielzahl jener Gäste hingegen, die im ständigen Strom eines gut funktionierenden Shuttle-Verkehrs zur PERISTERA her abgebracht wurden, liefen verstört von einem Ort zum anderen, ohne den Pla gegeistern entkommen zu können. Ir gendwann resignierten sie – oder kauf ten für teures Geld Störsender, die die Gleiter fernhielten und ein höheres Maß an Intimsphäre versprachen. Perry Rhodan betrachtete das wirre Treiben auf den Bildschirmen ohne viel Verständnis. Es gab niemanden, der die Reißleine zog und die Auswüchse des Wettbewerbsterrors einschränkte. Wel chen Agenden, so fragte er sich, kam Ulocco Lo’tus denn eigentlich nach? »Das wird ein hartes Stück Arbeit«, sagte er vieldeutig zu Mondra. »Ich beschütze dich.« Sie grinste ihn an. »Siehst du diese Humanoiden dort mit den Gehhilfen und Stütz-Androiden? Vor denen sollten wir uns ganz besonders in Acht nehmen. Des Alters wegen.« »Du solltest nicht über andere Völker spotten«, sagte Rhodan.
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»Oh, ich wusste nicht, dass du zu einem anderen Volk gehörst«, gab sie kokett zurück. Er wurde rot. »Du meinst mich?« »Wenn du eine Shopping-Tour durch eine exotische Markthalle als hartes Stück Arbeit empfindest, kann es ja wohl nur am Alter liegen. Ich jedenfalls freue mich darüber.« Er lächelte. »Oder daran, dass du eine Frau bist.« »Bisher hat die Wissenschaft das Shopping-Gen niemals nachweisen können«, konterte sie und schlang einen Arm um seine Hüften. »Los, mein viriler Greis!« Ein unterschwelliger Ton, der dem eines kalbenden Gletschers ähnelte, wurde laut und lauter, bis er eine nahe zu unerträgliche Stärke erreichte. Icho Tolot tat einen Schritt zurück – hin zur anderen Seite der kleinen Zentrale – und klappte seinen Schutzschirm herab, be vor er nun wirklich zu lachen begann. Der Boden unter ihren Füßen vibrierte. »So lustig ist das nun auch wieder nicht«, rief ihn Rhodan zur Ordnung, und Tolot gluckste nur noch ein paar mal. »Manchmal benehmt ihr euch wie die Kinder, die ihr nach Zeitrechnung meines Volkes zweifellos noch seid«, sagte der riesige Haluter. »Ach, meine Kleinen! Wie langweilig wäre der Kos mos, wenn ich euch nie getroffen hätte. Und während ihr es euch gut gehen lasst, passe ich ein bisschen auf unser neues Besatzungsmitglied auf. Na, Ramoz?« Ramoz gab ein entsetztes Husten von sich, machte einen Buckel und schoss davon. »Auf ins Vergnügen«, sagte Perry Rhodan. Er aktivierte den SERUN und fokussierte auf ihren Erkundungs-Spa ziergang. Sie schwebten den zentralen Antigrav hinab zum untersten Teil des Raumschiffes und verließen es durch die Hauptschleuse. Stickige, kaum atem bare und mehrfach wiederaufbereitete Luft empfing sie. *
Der Polyport-Markt
Ein mattgolden schimmernder Schutzschirm umspannte die Station. Die Gravitation lag bei 0,95 Gravos. Selbst dieser nur geringe Unterschied zur irdischen Schwerkraft machte sich angenehm bemerkbar. Perry Rhodan fühlte sich beschwingt, fast eupho risch. Er drehte sich im Kreis. MIKRU-JON war im ungefähren Zentrum des Poly port-Hofes gelandet. Rings um das Obe liskenschiff parkten weitere Raumer. Nur wenige gehorchten der in der Milch straße gebräuchlichen Lehre, die Ku gel-, Walzen- oder Kubusform als ideal betrachtete. Energetische Kennungen, durch die SERUNS angemessen, wiesen jedoch sämtliche Raumer als schwer be waffnet aus. »Diese Seelenschipper und Halb wracks wären allesamt einem einzigen Leichten Kreuzer unterlegen«, sagte Mondra abschätzig. »Aber wir besitzen keinen Leichten Kreuzer, sondern bloß die unbewaffnete MIKRU-JON«, gab der Unsterbliche zu bedenken. »Außerdem sollten wir die Möglichkeiten der Hopken, Toyken, Bo kazuu und wie sie alle heißen, keines falls unterschätzen. Du weißt, was es bedeutet, permanent in Kriegsangst zu leben, in Partisanenkämpfe verwickelt zu werden und um die eigene Existenz zu zittern. Solch eine Existenz prägt. Sie macht dich hart und rücksichtslos. Sie verändert, erzeugt Traumata, die über Generationen nachwirken, und kehrt mitunter das Schlechteste und Gemeins te hervor, das in einem steckt.« Mondra nickte. »Das stimmt aller dings nur, wenn du menschliche Maß stäbe anlegst. Ein Xeno-Psychologe würde dir nachhaltig widersprechen.« Xeno-Psychologe ... Sofort stieg der Gedanke an Bré Tsinga in ihm auf. An sie und ihre Leistungen für die Liga Freier Terraner. Es war ewig schade, dass sie ... Rhodan verkniff sich jeden weiteren Gedanken in diese Richtung. Mit weni gen Blicken beurteilte er Infrastruktur, Zustand der gelandeten Schiffe sowie
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des Landefeldes, die Arbeitsmoral des wenigen Personals, das sich auf dem weitflächigen Areal blicken ließ. Die Bauten wirkten vernachlässigt, das Landefeld war von einer dicken Staub kruste überzogen, die Systemerhalter zeigten sich mäßig interessiert an ihrer Arbeit. Der Terraner schabte mit einem Bein über die Schmutzschicht. Teile davon brachen weg; darunter wurde bern steinfarbener Grund sichtbar, wie er wartet und erhofft. In dieser Hinsicht ähnelte PERISTERA jenen beiden an deren Stationen, die sie bereits betreten hatten. »Du weißt, wo wir uns befinden?«, fragte er seine Begleiterin. »In etwa.« Mondra drehte sich einmal im Kreis. »Ich schätze, dass wir im un gefähren Zentrum der Teller-Plattform gelandet sind.« »So ist es. – Siehst du diese leichten Farbabweichungen in der Krustensubs tanz? Dort, zwischen den beiden torpe doähnlichen Raumern. Dort, auf diesem Feld voll Unrat? Dort und dort?« Er deutete in vier Richtungen. »Du meinst die Kreuzstruktur, ent lang derer Achsen der Schmutz ein we nig heller zu sein scheint?« Neuerlich drehte sich Mondra, mit zusammenge kniffenen Augen. Der SERUN proji zierte mehrere Bilder, die dicht vor ihr schwebten. »Denkst du ...?« »Exakt. Dies sind die Verlaufsspuren der Transferkamine. Und MIKRU-JON steht im Mündungskreuz der vier Röh ren. Wir befinden uns im Zentrum der Sichthaube. Wenn wir wüssten, wie un sere Controller zu bedienen sind, wür den wir das Tor unter unseren Füßen öffnen und – schwupps! – ins Innere der Station gelangen.« Der Zufall hatte Regie geführt. Im Stillen dankte Rhodan Dreiacht-Kamm, dem Lotsen, der ihm nun fast sympa thisch zu werden drohte. Sie waren dort gelandet, wo sie hinwollten. Nur wenige Meter unter ihnen befand sich der Zu gang zum Transportsystem des Poly port-Hofes.
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Der Unsterbliche zog eines der drei Controller-Instrumente hervor und be rührte wahllos, ohne lange nachzuden ken, mehrere der Symbole. Seine Hände zitterten. Würde seine Glückssträhne anhalten ...? Nichts geschah. Er wagte einen weiteren Versuch, und dann noch einen. Nichts. Kein Blinken, kein akusti sches Warngeräusch, keine virtuellen Schaltfelder, die hochklappten. Perry Rhodan steckte das Instrument weg. »Das war keine besonders lange Glückssträhne«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Mondra. Mit den Stiefeln kratzte er ein größe res Stückchen der Staubkruste vom bernsteinfarbenen Untergrund. Das glasähnliche Material wirkte unbeschä digt, nicht der geringste Kratzer zeigte sich. Im Inneren der Station war es dun kel. Hatte der Marktleiter, Ulocco Lo’tus, den Transporthof tatsächlich erkun det? Nutzte er die Möglichkeiten PE RISTERAS für seine Zwecke, oder bluffte er? »Wir bekommen Besuch«, sagte Mondra. Ein Bodengleiter kam laut heulend auf sie zugeschossen. Zwei Wesen saßen darin. Rhodan registrierte, dass eine Hand seiner Begleiterin über dem Halfter ih rer Kombiwaffe schwebte. Die jahrelan ge und immer wieder in Übungssemi naren aufgefrischte TLD-Ausbildung kam zum Vorschein. Mondra schob sich wie zu seinem Schutz leicht schräg vor ihn. Zwei Wesen, um die 1,50 Meter groß, stiegen aus einem schäbigen, eiförmigen Gefährt. Beide waren in bunte Uni formen gekleidet, die über und über mit protzigen Holo-Symbolen bedeckt wa ren. »Toyken«, flüsterte Rhodan seiner Be gleiterin zu. Er hatte das Aussehen wie auch die herausstechenden Charakter eigenschaften der Mitglieder der herr schenden Kaste auf Toykana dank der
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Recherche-Arbeit von MIKRU-JON längst verinnerlicht. »Wie aufrecht gehende Wild schweine«, beschrieb Mondra sie re spektlos. »Aber ... hmm ...«, sie beugte sich zu den Neuankömmlingen vor, die mit kurzen Schritten auf sie zutrippel ten, ihre Nasenflügel blähten sich auf, »... sie riechen verdammt gut.« Betörend gut, wie Perry Rhodan zu stimmte. Die Mischung aus Frühlings luft, dem Geruch harzigen Nadelholzes und von einem Hauch Eukalyptus un terlegt, stand in krassem Gegensatz zu den Assoziationen, die das Aussehen der Toyken weckte. Ihr borstiges Fell wirkte schmutzig. Kleine Insekten umsurrten sie, immer wieder schnappten die Kleinwüchsigen mit ihren klobigen Händen nach den Plagegeistern. Aus den Rüsselnasen troff gelbliche, sämige Flüssigkeit, die die beiden Toyken mit den lippenlosen Mündern aufsogen und in mehr oder minder gut gezieltem Sprühregen wie der ausspuckten. Hauer waren in den Gesichtern keine zu sehen. »Dreiacht-Kamm hat uns von eurer Ankunft informiert«, begann der eine Toyken grußlos auf Yonnuu. Er umtrip pelte sie und trat dicht an den Eingang zum Basisteil MIKRU-JONS. Mit den kurzen, warzenbesetzten Fingern fuhr er über die glatte, saubere Fläche des Museumsschiffes. »Was für ein hübsches Gefährt!«, schnaufte er, »und uns gehören bald fünfzig Prozent davon.« »... sofern wir es nicht schaffen, bin nen zweier Tage die Lande- und die Standgebühr zu bezahlen«, sagte Rho dan ruhig. Er beobachtete, und er bil dete sich ein erstes Urteil über das We sen seiner Gegenüber. »Hnach! Hnach!«, schnorchelte der größere der beiden Toyken belustigt und spie einen besonders breiten Strahl des Nasenausflusses knapp vor die Füße des Terraners. Ein Spritzer platschte über den Fußteil seines SERUNS. »Niemals werdet ihr eure Schulden begleichen können! Ich, Kalco Pa’perre, habe ein
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Auge für solche Dinge. Ihr seid neu hier. Frischlinge, die noch nicht viel vom Universum gesehen haben. Unerfah rene, jugendliche Hinterplanetler, die das große Abenteuer suchen und ganz fürchterlich auf den Rüssel fallen wer den.« »Lass das getrost unsere Sorge sein.« Rhodan packte Mondra fest am Arm, bevor sie zu einer geharnischten Ent gegnung ansetzen konnte. »Kommt übermorgen wieder; dann reden wir.« Die Aggressivität der beiden Toyken war deutlich spürbar. Er hatte keine Lust, sich hier und jetzt auf einen Rauf handel einzulassen. Womöglich legten es die beiden Kerle gar darauf an, um ihnen aus einem Fehlverhalten einen Strick zu drehen und sie handlungsun fähig zu machen. »Hnach! Hnach!«, schnaufte Kalco Pa’perre. »Übermorgen! Niemals haltet ihr es so lange aus!« Seine Stimmlage änderte sich, klang nun offiziell. »Als hiesiger Sicherheitsoffizier vom Dienst weise ich euch in Begleitung eines Zeu gen darauf hin, dass auf dem Marktge lände von Toykana der Einsatz von Waf fen verboten ist. Ulocco Lo’tus, unser aller glückseligmachender Marktleiter, ist ein strenger Herr. Ein Zuwiderhan deln seiner Vorschriften wird rigide be straft. Solange ihr euch an die Regeln haltet, dürft ihr allen möglichen Ver gnügungen nachgehen, Handel treiben, Kontakte pflegen. In den Verwaltungs gebäuden voraus«, der Toyken deutete in die ungefähre Richtung mehrerer ein stöckiger Gebäude, »erhaltet ihr Infor mationen zu den Angeboten des Marktes. Ihr seid verpflichtet, euch dort vor Be treten der Marktstadt zu melden. Fürs Protokoll: Akzeptiert ihr, ...?« »... Mondra Diamond, Icho Tolot und Perry Rhodan«, vervollständigte der Unsterbliche. Hoffentlich wollten die Toyken den Haluter nicht auch noch sehen. Mitunter erschreckte er aufgrund seiner Größe und seines Aussehens. Nicht jedermann kam mit einem Koloss zurecht, der unter Normalschwerkraft mehr als 2000 Kilogramm auf die Waage
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brachte. Auch schadete es nichts, einen Trumpf in der Hinterhand zu behalten. Für den Fall der Fälle. »... akzeptiert ihr, die drei Genannten, diese Bedingungen und steht ihr für al le Konsequenzen eines Fehlverhaltens gerade? – Du kannst für alle Mitglieder deiner Schiffsbesatzung sprechen, Perry Rhodan.« »Ich akzeptiere.« »Damit seid ihr befugt, den Markt von Toykana zu betreten. Hnach! Hnach!« Eines der den Beamten umflatternden Insekten hielt plötzlich inne, als wollte es sich neu orientieren, gab einen Pieps ton von sich und raste dann davon. Rho dan erkannte seinen Irrtum. Er hatte sich von Vorurteilen leiten lassen. Weder waren die Schweinsgesichtigen beson ders schmutzig, noch waren sie von Fliegenschwärmen umgeben. Die klei nen Flugtiere waren nichts anderes als hoch spezialisierte Helfer, die als Pro tokolleure, Aufzeichnungsinstrumente und derlei mehr dienten. »Also schön, Perry Rhodan«, sagte Kalco Pa’perre, nun wieder im Ton eines Privatmanns. Er klang belustigt. »Ver such, deine Chance zu nützen. Und pass gut auf unser Schiff auf. Wir wollen es keinesfalls beschädigt übernehmen. Hnach! Hnach! Hnach!« Er und sein Kollege drehten wie auf Kommando um und marschierten da von, auf ihren Bodengleiter zu. Ihr Ge lächter klang lange nach. »Und trotzdem riechen sie verdammt gut«, sagte Mondra Diamond leise. * Perry Rhodan zog neuerlich einen der Controller A hervor und fuhr dort fort, wo er aufgehört hatte. Er streichelte über die Symbole. Zuerst willkürlich, dann einem System folgend, das ihm der SERUN vorschlug. Der Besuch der beiden Toyken belas tete ihn nicht sonderlich. Sein Ziel war es, die Polyport-Station mithilfe eines Controllers zu aktivieren und ihre Mit
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tel zu nutzen. Mindestens einer der Con troller musste nach ITHAFOR oder zu rück zum GALILEO-Hof nahe des Saturns gebracht werden, damit der Wi derstand gegen die Frequenz-Monar chie organisiert werden konnte. Sie hat ten zwei Tage Zeit, und die galt es zu nutzen. »Wenn wir nur wüssten, wie diese Dinger funktionieren«, murmelte er. »Ich fürchte, Icho und ich werden uns intensiver um die Geräte kümmern müssen.« »Versuchsreihen. Tests. Untersu chungen. Bäh.« Mondra stapfte unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Viel leicht gibt es einen Ortsansässigen, der über einen weiteren Controller verfügt – und ihn auch bedienen kann?« »Du meinst Ulocco Lo’tus. Den Marktleiter.« Perry Rhodan sah wenig interessiert hoch. »Glaubst du denn wirklich an diese Mär vom Toyken, der PERISTERA erforscht und seine Ge heimnisse enträtselt hat?« »Nicht unbedingt. Aber ...« Der Unsterbliche grinste sie an. »Aber du hast Hummeln im Hintern.« »Wir sollten selbst die kleinste Chan ce nicht ungenützt verstreichen las sen.« »So wie deine Einsätze in ZENTA PHER oder auf Evolux ...?«, fragte Perry Rhodan. »Mal hat man Erfolg, mal nicht. Und es schadet nicht, wenn ich mich ein we nig auf PERISTERA umsehe. Vielleicht finde ich eine Möglichkeit, Geld für die Standgebühren aufzutreiben.« »So kann man es auch sehen. Aber nichts Illegales, ja?« »Habe ich das je getan?«, fragte Mondra mit unschuldigem Augenauf schlag und wich einen Schritt zurück. »Aber mir ist tatsächlich langweilig, und ich möchte mich nicht tagelang da mit beschäftigen, dir zuzusehen, wie du die Funktionen dieses Controllers er gründest – oder auch nicht!« »Danke für dein Vertrauen.« Perry Rhodan lächelte. Er tastete durch die nach wie vor zugeschalteten Holo-Bil
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der vor Mondras Gesicht und streichel te ihr sanft über die Wangen. »Ich liebe dich auch. Tu also, was du nicht lassen kannst. Nimm das hier mit.« Er reichte ihr einen weiteren Controller aus sei nem Fundus. Das Gerät hatte einmal dem Transfer-Operator von Markanu gehört. »Versuch öfter mal, ihn zu akti vieren.« »Ich glaube, das wird nicht nötig sein: Sollte ich an Ulocco Lo’tus herankom men, erfahre ich sicherlich, ob er den Polyport-Hof beherrscht. Sollte dem so sein, hörst du von mir. Ich werde sicher lich mit ihm handelseinig.« Sie sagte es voll Überzeugung. Mon dras Optimismus schien keine Grenzen zu kennen. »Nimm das Gerät trotzdem mit. Viel leicht erwacht es unvermutet, vielleicht hilft es dir bei Verhandlungen mit dem Marktleiter. Und jetzt geh, geh mit meinem Segen. Wir bleiben in Funkver bindung.« »Amen«, seufzte Mondra Diamond, steckte den Controller A weg und mar schierte nach einem letzten Check der Funktionstüchtigkeit ihres SERUNS davon, auf die Verwaltungsgebäude zu. Jeder Schritt, den sie tat, wirkte be schwingter als der vorherige. 5. Ulocco Lo’tus Die Gallfliegen arbeiteten akkurat wie immer. Der Marktleiter sah zu, wie sie sein sorgfältig präpariertes Menin geom durch die beiseitegeklappte Schä deldecke schoben und exakt an den ihm angestammten Platz zwischen den bei den Stammhälften seines Zerebrals in Position brachten. Für einen Moment war ihm schwindlig, und er sah die Ka merabilder, die die Selbstoperation zeigten, mehrfach. Gleich darauf ende ten die falschen und verschobenen Ein drücke; diese Schwierigkeiten am Be ginn eines Funktionszyklus waren einfach nicht in den Griff zu bekom men.
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»Adjustieren!«, befahl Ulocco Lo’tus seinen Gallfliegen. Die winzigen Fluginstrumente ge horchten anstandslos. Sie waren hoch spezialisiert und hatten exorbitant viel Geld gekostet. Selbst ihm, dem Markt leiter, fiel nicht alles geschenkt in den Schoß. Die Gallfliegen zupften und zogen, reizten das graue Gewebe des gutmü tigen Tumors so, dass es einem explo siven Wachstumsschub unterlag und sich dort breitmachte, wo es hingehörte. Uloccos Tränen versiegten, seine so hef tig empfundenen Emotionen machten jener angenehmen Gemütskühle Platz, die ihm bei seiner tagtäglichen Arbeit so viele Vorteile brachte. »Drei Mikrometer tiefer!«, befahl er. Mehrere Gallfliegen formten teller förmige Händchen aus ihren fliegenähn lichen Kunstkörpern aus und drückten mit ihnen sachte gegen die Tumor-Mas se. Der Kopfschmerz nahm zu, und für einen Augenblick fühlte er Begeisterung und Leidenschaft. Die Testosteron produktion stieg auf einen unglaublich hohen Wert, dem nur mit rasch in die Blutbahnen injizierten Blockern beizu kommen war. Zu Uloccos Glück blieb die Konnek tivität seiner neuronalen Gehirnimpulse erhalten. Die Denkprozesse stabilisier ten sich bei einem Anteil von 95 Prozent des herkömmlichen Ausmaßes; genü gend, um die Routine-Operation zu einem glücklichen Ende zu bringen. Das Meningeom erreichte seine opti male Position. Die Balken der Bild schirmanzeigen leuchteten in einem zu friedenstellenden Rot. Es war Zeit, die Schädeldecke zu schließen und den Tu mor aktiv werden zu lassen. Er rief die Gallfliegen zurück. Alle bis auf eine gehorchten seinem Befehl. Das Einzelexemplar würde in einem eigens geschaffenen Hohlraum seines Kopfes ruhen und nur dann eingreifen, wenn sich unerwartete Probleme mit der Steuerung des Meningeoms ergaben. Die Hirnschale klappte zu. Ein bio molekularer Spezialkleber verschloss
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nach der sorgfältigen Reinigung die Nähte, das künstliche Borstenhaar legte sich satt über die Narben. Kritisch betrachtete sich Ulocco Lo’tus aus den vielen Perspektiven der Drohnen-Kameras. Nichts deutete dar auf hin, was er getan hatte. Er war mit dem Ergebnis der Routine-Reinigung und Neuadjustierung seines Meninge oms zufrieden. Nun galt es, den gutmü tigen Tumor mit einem gezielten Strom stoß vollständig zu wecken. Er aktivierte ihn durch rhythmisches Nasenschnaufen. Er meinte, das Erwa chen seines »Zusatzorgans« zu spüren. Augenblicklich verstärkte sich die In tensität seiner Sinneswahrnehmungen. Und, noch viel wichtiger: Ein Schub klaren, logischen Denkens schob diese unnützen Emotionen beiseite, die sich während der letzten Tage in ihm breit gemacht hatten. Er war wieder er selbst. Der Markt leiter von Toykana. * Ulocco rief nach seinen Adjutanten und schnauzte sie gehörig an; so, wie er es nach jeder operativen Adjustierung seines Meningeoms tat. Nun, da er die notwendige analytische Schärfe wie dererlangt hatte, erkannte er, in wel chem Ausmaß diese widerwärtigen Schlaffborster die Zügel hatten schlei fen lassen. Er ordnete an, Exempel zu statuieren und in den diversen Vergnügungshallen für mehr Disziplin zu sorgen. Seit er vor knapp 15 Jahren die Marktleiterschaft übernommen hatte, genoss Toykana ei nen ausgezeichneten Ruf, und er hatte keine Lust, die vorrangige Stellung der Raumstation als konfliktneutrale Sta tion abzugeben. Er musste Zucht und Ordnung wiederherstellen. Sollten doch ein paar der Gestrande ten dran glauben, die im Bereich des Schiffslandefeldes eine erbarmungs würdige Existenz führten. Für diese Hungerleider war die Terminierung oh nedies ein Gnadenakt.
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Eine Razzia in den Markthallen er schien ebenso notwendig. Schleichhan del war schön und gut, und die nied rigen Preise machten einen Teil des Reizes Toykanas aus; doch die regulären Steuereinnahmen durften nicht versie gen. Ein weiteres Problem waren die Lot sen. Schamlos kassierten sie und steuer ten das Verkehrsaufkommen rings um den Markt nach Gutdünken. Die Selbst herrlichkeit, mit der sie ihre Entschei dungen trafen, stank in die Himmels kuppel. Dieser Verlotterung der guten Sitten musste er unbedingt Einhalt ge bieten. »Klagt einen von ihnen an!«, befahl er Zavian Ta’gris, einer seiner engsten Mitarbeiterinnen. Die Frau mit dem attraktiven Bors tenhaarschnitt quiekte Zustimmung. »Ich schlage vor, Dreiacht-Kamm in die Mangel zu nehmen. Er treibt es ziemlich bunt ...« »Es ist mir einerlei, wen es erwischt. Sorg dafür, dass der Kerl schweren Ker ker erhält. Finde und bestich Zeugen, konstruiere ein Urteil, steck ihn für ein paar Jahre in die tiefsten Ebenen des Blech-Traktes und sorg dafür, dass sein Schicksal in die Öffentlichkeit getragen wird. So laut, dass es nicht zu überhören ist.« »Ich halte das für gefährlich«, wagte Zavian zu widersprechen. »Die Stim mung auf Toykana ist ziemlich gereizt. Einige Trivid-Kleinsender vertreten eine unabhängige Meinung. Hnach! Hnach!« »Meinungsfreiheit«, schnaufte Ulocco Lo’tus, »ist der Sargnagel modernen Unternehmertums. Wir werden uns zu gegebener Zeit auch um diese aufrechten Bürger Toykanas kümmern müssen. – Vorerst tut ihr, was ich euch sage. Nehmt diesen Lotsen hops. Die Leute müssen kuschen, wenn der Marktleiter es will. Und denkt daran: Wenn ich falle, fallt ihr mit mir.« Er strich betont langsam über die feu errote Narbe, die sich vom linken Auge am Riechrüssel vorbei hinab zum Mund winkel zog. Sie war eine Erinnerung an
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die finale Auseinandersetzung mit sei nem Vorgänger, dessen Namen er aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte. Das Wundmal war ihm Warnung, eine Gefahr niemals zu unterschätzen. Er musste wachsam bleiben und durfte selbst dem treuesten Untergebenen nie den Rücken zukehren. Angst und Re pressionen waren ausgezeichnete Mit tel, um die Kontrolle über sein Unter nehmen zu bewahren, und Vorsicht war das wichtigste. »Was steht ihr noch herum?«, fuhr Ulocco seine Mitarbeiter an. »Ich erwar te Ergebnisse, so rasch wie möglich!« Die Adjutanten trollten sich mit zwi schen den Schultern eingezogenen Köp fen. Sie hatten Angst vor ihm. Gut so. Ulocco Lo’tus zog sich in die Sicher heit seiner eigenen vier Wände zurück. Er hatte Versäumnisse aufzuholen. Während der letzten Tage vor der Nach justierung seines Meningeoms war sein Urteilsvermögen getrübt gewesen. Er hatte sich viel zu sehr auf sein Rüssel gefühl verlassen, statt kühl und berech nend zu agieren. * Die Routinearbeit langweilte ihn, ob wohl sie erledigt werden musste. Wenn das Meningeom so funktionierte, wie er es sich vorstellte, würde er das Versäum te rasch wieder aufholen. Es würde sein Schlafbedürfnis auf ein Minimum redu zieren und seine Leistungsbereitschaft deutlich erhöhen. Ulocco Lo’tus aktivierte die wichtigs ten Berichte, die seit dem vorigen Tag eingegangen waren, und nahm eine ers te Sichtung vor. Die Bokazuu machten sich wieder einmal unangenehm bemerkbar. Sie vollzogen ihre Waffenschiebereien un geniert in aller Öffentlichkeit. Ulocco Lo’tus verdiente als Vermittler an den Geschäften der Großnager nicht schlecht; und falls an ihrer Propaganda, sie würden in Bälde über bedeutend leistungsfähigere Schiffe verfügen, tat sächlich etwas dran war ...
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Dennoch: Der Ärger, den sie durch ihr unmögliches Verhalten bereiteten, stand kaum noch in einem Verhältnis zum Er trag. Er würde sich eine neue Strategie einfallen lassen müssen. Vielleicht lie ßen sich die Transaktionen der Bokazuu auf einer der peripheren Zusatzplatt formen über die Bühne bringen? Zwei Touristen waren an den Folgen übermäßigen Drogenkonsums gestor ben. Die markteigene Rückversiche rung, deren Prämien exorbitant hoch waren, würde sich um die Hinterbliebe nen kümmern. Solch eine Nebensächlichkeit hatte auf seinem Schreibtisch nichts zu su chen. Er schrieb sich den Namen desje nigen auf, der ihm den Holo-Akt auf den Schreibtisch gelegt hatte. Ulocco würde dafür sorgen, dass er demnächst die Aufsicht über die Toilettenanlagen der untersten Wohnschichten zugeteilt bekam. Ein Werbegleiter war über einer der peripheren Markthallen abgestürzt. Nur ein Redundanz-Schutzschirm, der in letzter Sekunde angesprungen war, hat te eine größere Katastrophe verhindert. Die Belüftungssysteme auf beiden Seiten der Marktplattformen versagten. Die Chinoiz-Genossenschaft, für die Wartung zuständig, weigerte sich, Haf tungsansprüche anzuerkennen. Die Halbleiber spielten auf Zeit, so wie im mer. Die Barbassen hatten das Marktge biet endlich verlassen, ihre Standplätze im Zentrum Toykanas waren längst wieder ausgebucht. Mehrere Wagokos waren von Aasins Söldnertruppe aufgehalten worden; sie hatten eine offizielle Beschwerde über die rüde Behandlung durch die Hopken eingebracht. Ein selbst ernannter Demiurg hatte sich in seinem Größenwahn aus seinem Gleiter geworfen, alle Sicherheitsein richtungen hatten versagt ... Die Geschäfte florierten – und den noch musste sich Ulocco Lo’tus mit un zähligen Problemchen abgeben, die ihn davon abhielten, richtig große Aufga
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ben anzugehen. Nur allzu gerne hätte er sich um das Innere des Marktes ge kümmert und seine Geheimnisse er forscht. Ulocco schnaufte Nasenbeiz aus und konzentrierte sich auf seine Aufgaben. Er konnte sich eines unguten Gefühls nicht erwehren. Sein Meningeom-ge steuerter Verstand sagte ihm, dass sich irgendwo in diesem Konvolut an Be richten, Niederschriften, Aussagen und Handelsaufzeichnungen etwas befand, das nicht so war, wie es sein sollte. »Ich will Wurzelfleisch!«, brüllte er quer durch sein Büro, »aber rasch!« Er stand auf und trat nahe an die Transparentwand seines Büros, die aus schwindelerregender Höhe einen beein druckenden Blick auf den Markt bot. Alles dort draußen wirkte ruhig. Unna türlich ruhig. Ein serviler Landsmann mit teilam putiertem Rüssel kam herbeigeeilt. Er stellte ihm die geräucherten Snacks auf den Schreibtisch und zog sich raschen Schritts in die Sicherheit des Vorraums zurück. Ulocco spürte Ärger, und das war schlecht. Es bedeutete, dass das Menin geom seine Gefühlswelt noch immer nicht ausreichend unter Kontrolle hatte. Musste er denn tatsächlich die im Kopf hohlraum verbliebene Gallfliege einset zen, um den Tumor nachzujustieren, oder sollte er gar das ganze Prozedere der Operation nochmals über sich erge hen lassen? Er beschloss zu warten, längstens ei nen Tag. Wenn er dann nicht so funk tionierte, wie er es erwartete, musste er eine postoperative Reorganisation des Meningeoms vornehmen. Was war es bloß, das ihn irritierte und andauernd von seiner Arbeit ablenkte? Welcher Gedanke steckte in seinem Un terbewusstsein und fand einfach nicht zu jener Klarheit, die er benötigte? Seine Blicke schweiften über das Feld der Landedocks im Zentrum seines klei nen Reiches. Er hatte Tausende dieser Schiffe kommen und gehen sehen. Aus allen Teilen Kyon Megas stammten sie.
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Der sorgsam gepflegte Ruf des Marktes wirkte anziehend. Viele Besucher er hofften sich einen ganz besonderen Kick, wenn sie hier von Bord gingen, und sie erhielten ihn auch. Der Markt von Toykana war eine Er lebniswelt, die sich gänzlich von dem abhob, womit seine Tagesbesucher in ihrem Alltagsleben konfrontiert wur den. Hier gab es keine kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen das Leben eines Einzelnen unbedeutend war und taktischen Zielen untergeord net wurde. Hier behandelte man sie wie Individuen. Die Androgötter am Westrand des Marktes machten ausgezeichnete Ge schäfte mit psychastrologischen Deu tungen, in den Depressorien wurden höherrangige Offiziere der Milizkader von Söldnerschiffen, normalerweise un umschränkte Herren über Leben und Tod, durch Schmerz- und Tablettenthe rapien wieder auf den Boden der Reali tät zurückgeholt. Gut bezahlte Söldner versorgten sich mit dem Neuesten auf dem Sektor körperoptimierender Gim micks, Androhuren lockten mit dem be sonders begehrten Angebot von Wärme und Zärtlichkeit, und selbst spirituelle Selbsthilfegruppen verzeichneten seit einiger Zeit vermehrten Zulauf ... Ulocco Lo’tus hob die Arme, als woll te er diese eng begrenzte Welt umarmen, die sich vor seinen Augen auftat. Es gab so viel zu sehen und zu erleben auf Kyon Megas, und er sorgte dafür, dass jeder mann, der hierher gelangte, genau das erhielt, was er sich wünschte. Und er – er war Herr über all diese Wünsche und Träume. Herr ... Die Herren. Mit einem Mal wusste er, was ihn ir ritierte. Es lag direkt vor ihm, im Zen trum des Raumlandefeldes. Panik befiel ihn. Uloccos Meningeom drückte augenblicklich gegen sein Ge fühlszentrum und dämpfte diesen Hauch von Angst ab, der ihn einnebeln und von zielgerichtetem Denken abhal ten wollte.
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Es gab Gerüchte über die ehemaligen Beherrscher des Marktes von Toykana und einige wenige Aufzeichnungen. Sie nannten sich Halbraum-Changeure; sie reisten mitunter in obeliskähnlichen Schiffen. In solchen wie diesem da, das genau vor seinem Rüssel parkte. * Ulocco Lo’tus gab eilig seine Anwei sungen. »Bringt in Erfahrung, wer sich an Bord dieses Raumers befindet«, forderte er. »Beobachtet die Besatzungsmit glieder. Beschafft so viele Informationen wie möglich. Jene Bodenlotsen, die mit dem Schiffseigner in Kontakt getreten sind, müssen verhört werden. Ich will wissen, woher er gekommen ist, was der Zweck seiner Anwesenheit ist, wohin er weiterreisen will. Anders gesagt: Wenn ich nicht binnen zweier Stunden ein zu friedenstellendes Dossier über MIKRU JON auf meinem Tisch liegen habe, rol len Köpfe und andere Körperglieder.« Die Adjutanten huschten davon. Be flissen und konzentriert, ihre Angst tun lichst verbergend. Irgendeinen von ih nen würde er sich herauspicken und abstrafen. Der Druck durfte niemals zu gering werden, sonst funktionierten sei ne Untergebenen nicht auf jenem Ni veau, das er von ihnen erwartete. Zavian Ta’gris kehrte als Erste zu rück. Sie hielt einen alten, staubigen Akt in Händen und legte ihn vorsichtig vor ihm nieder. Der Stoß bestand aus Folienpapier. Beschichtetes Folienpa pier! Wann war dieses Zeugs außer Mo de geraten? Vor 50 oder mehr Jahren? Heutzutage verwendete man fast aus schließlich ionengeimpfte Imprintfelder, die als Erinnerungspakete abgelegt wurden und auf jedwedes Medium pro jiziert werden konnten. »Das ist alles, was ich in den alten Datenbibliotheken an Berichten über die Halbraum-Changeure finden konn te«, sagte die Frau. »Es muss noch mehr da sein«, be hauptete Ulocco Lo’tus. »Du enttäuschst
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mich. Ich will, dass die Archive in aller Gründlichkeit durchforscht werden. Nimm dir so viele Helfer, wie du benö tigst.« »Natürlich.« Zavian Ta’gris deutete ein zartes Rüsselrümpfen an. Ihr SexAppeal war in der Tat beeindruckend; doch er widerstand mühelos ihren Ver lockungen. Ein Hoch auf mein Meningeom!, sagte sich Ulocco Lo’tus. Es schützt mich in jederlei Hinsicht. Nachdem Zavian seinen Raum ver lassen hatte, öffnete er den Akt vorsich tig. Staub rieselte zwischen den Seiten hervor. Servile Gallfliegen, die ihn wie immer umgaben, saugten den Schmutz in ihre Kunstleiber und entleerten sich in einem Konverter-Becken. Verschüttete Erinnerungen kehrten zurück, während er die Blätter vorsich tig umwendete und die alten Schriftzei chen zu entziffern versuchte. Er dachte an Erzählungen und Mythen, die ihm sein Mutterwesen in früher Jugend nä hergebracht hatte. Im Zusammenhang mit den Halbraum-Changeuren war im mer wieder die Welt Markanu erwähnt worden; ein mystischer Ort, an dem un vergleichlicher Reichtum auf denjeni gen wartete, der es wagte, allen Ge fahren auf der Suche zu trotzen. Markanu. Der Planet mit den Flüssen und Seen, in denen riesige Hyperkris talle dahintrieben, die darauf warteten, dass man sie mit dem Virtual-Käscher ans Ufer zog. Das Heim der Götter, der Born des ewigen Lebens, der Ort, an dem alles begonnen hatte und alles en den würde. Die Welt der Glückselig keit. Das Konzept des Glücks erschloss sich Ulocco Lo’tus in seinem derzei tigen, vom Meningeom gesteuerten Zu stand nur in abstrakter Form. Doch sein Verstand machte ihm klar, welche Chan cen sich ergaben, wenn er die Koordina ten von Markanu in seine Hände bekam. Er würde nicht mehr Herr über eine er bärmliche Raumstation sein, sondern über eine ganze Welt. Das Obeliskenschiff lag ruhig da. Es
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wirkte unbedeutend angesichts jener Macht, die die waffenstarrenden Raumer ringsum ausstrahlten. Und dennoch er schien MIKRU-JON Ulocco wie eine unbezahlbare Schwarztrüffel inmitten eines Feldes voller Kothaufen. Er musste das Schiff und seine Besat zungsmitglieder in die Hände bekom men. Koste es, was es wolle. 6. Mondra Diamond Mondra beobachtete ganz genau jene Bokazuu, Toyken und Hopken, die be tont gelangweilt in der Nähe der Ver waltungsgebäude herumlungerten. Alle trugen sie Strahler, und alle wirkten sie so, als wüssten sie damit umzugehen. Das Waffenverbot wurde sehr großzügig und mit einem Augenzwinkern inter pretiert. Der Besitz einer Waffe war er laubt, die Nutzung zog allerdings Kon sequenzen nach sich. Mondra tastete nach dem Kombi strahler an ihrer Seite. Er gab ihr ein gewisses Gefühl der Sicherheit, doch sie hatte gelernt, sich in erster Linie auf sich und ihre Begabungen zu verlas sen. Mondra reihte sich in den Strom jener ein, die mithilfe von Shuttle-Transpor tern von den Landefeldern hierher ge karrt, abgeladen und von gelangweilten Führern in die Hallen gelotst wurden. Sie ließ sich mit der Menge treiben, nahm Stimmungen und Gerüche auf und hielt beide Ohren offen. Die meisten Gäste wirkten aufgeregt und voll der Erwartungen, einige wenige schleppten sich müden Schrittes auf zwei Schalter zu, vor denen sich lange Schlangen ge bildet hatten. Sie waren wohl nicht auf Vergnügen aus, sondern um Geschäfte zu tätigen. Diese Schalter wurden aus nahmslos von Toyken belegt. Die Schweinsähnlichen saßen an den Schalt hebeln der Macht und ließen die Händ ler ihre Arroganz nur allzu deutlich spüren. Mondras SERUN hatte selbstständig
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zu arbeiten begonnen. Die Speicher der Positronik füllten sich mit Eindrücken und Bildern. Vergleichsberechnungen verrieten ihr, dass das technische Ni veau tendenziell weit niedriger war als das auf den großen Handelswelten der Milchstraße. Jener schon seit Jahr zehnten andauernde Krieg zwischen Svirenern und Aldeband-Bund ließ kaum Platz für Forschungsarbeit und Fortschritt. Die hiesigen Völker ver trauten auf robuste, altbekannte Tech nik. Mondra trat tiefer in den Raum. Schwebende, kriechende und fliegende Androiden kamen im Dutzend zum Ein satz, um dem Chaos Herr zu werden. Sie lotsten Publikumsströme auf Schalter zu, gaben bereitwillig Auskünfte und schufen virtuelle Straßenpläne, anhand derer sich die Gäste orientieren konn ten. Doch auch sie waren hoffnungslos überfordert. »Weitergehen!«, forderte ein annä hernd humanoider Roboter, der sich auf einer Art Schaukelpferd näherte. »Du behinderst den Verkehr!« »Das ist keine besonders nette Form der Begrüßung«, sagte Mondra amü siert. »Hast du genügend Geld bei dir? Dann schalte ich gerne auf den Höflich keitsmodus um.« »Ich befürchte, ich muss dich enttäu schen. Ich suche Arbeit ...« »Arbeit?«, kreischte der Roboter. Sein Kopf, der von einem kupferroten Na senrüssel beherrscht wurde, rotierte ra send schnell. »Willst du mich ersetzen? Ist das denn die feine Art, einer ohnehin unterprivilegierten Kaste das Leben noch schwerer zu machen?« »Verzeih mir. Aber im Gegensatz zu dir benötige ich ein wenig mehr als ei nen Spritzer Öl pro Tag. Unter anderem muss ich die Standgebühr für mein Raumschiff auftreiben, und zwar so rasch wie möglich. Gibt es hier so eine Art Arbeitsvermittlungsbörse?« »Gastarbeiter!«, zischelte der Robo ter böse, ohne auf Mondras Frage einzu gehen. »Ihr kommt hierher und sagt,
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dass ihr bloß ein paar rasche Duretin verdienen wollt. Doch wenn ihr einmal da seid, geht ihr nicht mehr weg. Ihr stehlt uns die Arbeitsplätze! Eines Ta ges werdet ihr euch selbst hier in den Hallen breitmachen und unsere Jobs übernehmen. Weil ihr billiger seid, weil eurer Wartungsaufwand geringer ist.« »Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich sagte doch ...« »Ihr lügt, wenn ihr die Schluckdiele aufmacht! Ihr wollt euch unentbehrlich machen, ihr minderwertigen biolo gischen Substitutionsgeschöpfe!« »Ach, hab mich doch gern!« Es hatte keinen Sinn, mit diesem durchgedrehten Maschinenwesen zu argumentieren. Mondra schob sich an ihm vorbei und reihte sich in eine der Warteschlangen ein. Der Roboter blieb an ihrer Seite. Er schimpfte und mäkelte, maulte und kra keelte, und es bedurfte mehrerer seiner Kollegen, um ihn zur Raison zu bringen und ihn letztendlich zu deaktivieren. Kaum jemand nahm von der kleinen Episode Kenntnis. Die Tagesgäste wa ren viel zu aufgeregt, die Händler blick ten bloß gelangweilt beiseite. Sie hatten derlei wohl schon öfter erlebt. Es war eine seltsame kleine Welt, auf der sie gelandet war. Doch, andererseits: Was würde eines der hiesigen Wesen sa gen, wenn es in das überbordende Leben in Terrania City eintauchte und Orte wie Atlan Village besuchte? * Ein gelangweilter Toyken stellte Mondra einige belanglose Fragen, mar kierte sie mit einem ultravioletten ZweiTages-Visum und entließ sie dann ins Gemenge, das vor der Verwaltungshalle herrschte. Gleiter boten lautstark ihre Dienste an, hochglanzpolierte Roboter kreischten von »sensationellen Angebo ten« in den Vergnügungszentren, Markt schreier schwärmten von der Vielfalt der Waren, die »nur hier und nirgendwo sonst« zu haben waren. Mondra ließ sich weiterhin mittrei
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ben. Sie beobachtete, sondierte und be mühte sich, ein Gefühl für diese minia turisierte »Welt« zu bekommen. Was machte die Station so reizvoll? PERISTERA stand weitab von be wohnten Welten; Besucher mussten eine Anreisezeit von mindestens einem Tag in Kauf und viel Geld in die Hand neh men – um sich dann an ihrem Zielort schröpfen zu lassen. Mondra fühlte sich an Lepso erin nert. An die Freihandelswelt, auf der buchstäblich alles möglich war, und auf der keine Regeln zu gelten schie nen. Und dennoch: Trotz all ihrer bi zarren Geheimnisse und des schein baren Laissez-faire gab es auf Lepso feste Strukturen wie auf jedem anderen Planeten. Sie winkte einen der Kriechroboter herbei. Er streckte seinen birnenför migen Kopf hoch; dünne Fühler, die aus seinem Kinn wuchsen und an einen Zie genbart erinnerten, bewegten sich nach allen Richtungen. »Erste Auskunft ist gratis«, knirschte er, »für alle weiteren Informationen muss ich dein Konto be lasten.« »Wo finde ich den Marktleiter?« »Gar nicht. – Jede weitere Auskunft ist kostenpflichtig. Willst du mir deinen Kontochip zur Abbuchung vorlegen, schöne Frau?« »Warum kann ich den Marktleiter nicht sprechen?«, fragte Mondra unbe irrt weiter. »Ist er so sehr beschäftigt, ist er nicht anwesend, scheut er die Öffent lichkeit?« »Du möchtest vier Antworten auf vier Fragen – das wäre ein Viertel Duretin. Willst du mir nun deinen Kontochip zur Verfügung stellen?« »Nein danke«, sagte Mondra und wandte sich beiseite, bevor sie etwas tat, was sie später bereute. Noch war sie nicht bereit, auf den Putz zu hauen. Es musste andere Möglichkeiten geben, um ihre Ziele zu erreichen. Ein Funkspruch traf ein. Perry Rhodans Gesicht erschien auf dem Arm bandkom. »Kommst du zurecht?« »Ich beginne gerade erst, mich zu ak
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klimatisieren. Es ist komplizierter, als ich dachte.« »Hast du schon einmal den Controller eingesetzt?« Mondra fühlte sich beobachtet. Ir gendjemand warf still und leise ein Au ge auf sie, benahm sich dabei aber so auffällig unauffällig, dass sie es deutlich spüren konnte. Sie drehte sich um und tat so, als hätte sie etwas verloren, wäh rend sie ihre Umgebung musterte. »Es hat sich bis jetzt noch keine Gelegenheit dazu ergeben«, antwortete sie auswei chend. »Wie sieht es bei euch aus?« »Wir kommen nicht so recht weiter. Ich hätte dich begleiten sollen. Ein we nig Abwechslung hätte mir gut getan.« »Hast du etwa Hummeln im Hintern?« Mondra grinste, weiterhin ihr Umfeld mit Blicken absuchend. Perry Rhodan lachte. »Gib gut auf dich Acht«, mahnte er und winkte ihr zum Abschied zu. »Wir bleiben in Kon takt. Sie desaktivierte den Empfangsteil des Armbandkoms. Hab ich euch!, triumphierte sie. Mondra hatte drei kleinwüchsige Wesen im Halbschatten eines Gebäudevorbaus entdeckt. Sie konnte nicht viel mehr als ihre Konturen ausmachen und die Bli cke aus großen, weithin reflektierenden Augen. Sie beobachteten die Neuan kömmlinge mit ungewöhnlichem Inter esse. Nun – wie Diebe, die ihre möglichen Opfer musterten, wirkten sie eigentlich nicht. Ihre Körper waren plump, und sie bewegten sich behäbig. Eigentlich ver mittelten sie den Eindruck, schutzbe dürftig zu sein. Mondra schob alle Spekulationen beiseite. Sie hatte oft genug erlebt, wie aus harmlos wirkenden Wesen erbar mungslose Kampfmaschinen wurden. Auch eine geringe Körpergröße spielte keine Rolle, wenn man die eigenen Fä higkeiten richtig einzusetzen vermoch te. Sie widerstand dem Strom der Tou risten, der sie eine breite Straße entlang Richtung Markt und Vergnügungs
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zentren schieben wollte. Stattdessen drängte sie zum Rand der Straße; zu je ner Seite, an der die drei kleinen Gestal ten im Schatten lungerten. Ein Schwebe-Roboter teilte Bündel von Holo-Plaketten aus, deren Anblick schummrige Gefühle hervorrief. Sie wa ren imprägniert, zweifelsohne, und übten einen leicht hypnotischen Effekt aus. Die Holo-Plaketten luden zum Be such in einem schmuddelig wirkenden »Tanz- und Vergnügungsschuppen« ein, dem »Specknapf«, dem »sensationells ten Ort im diesseitigen Universum«. Die drei Kleinwüchsigen, von denen nach wie vor nicht mehr als Schatten und glänzende Augen auszumachen wa ren, hatten ihre Aufmerksamkeit längst anderen Touristen zugewandt: einer Gruppe hochgewachsener Fremdwesen mit narbigen Gesichtern ohne erkenn bare Augen, die durchsichtige Schmet terlingsflügel auf dem Rücken trugen und damit von Zeit zu Zeit glänzenden Staub ausstießen. Die mutmaßlichen Diebe tuschelten so leise miteinander, dass selbst der SE RUN ihre Stimmen nicht aus jenem Ge räuschteppich ausfiltern konnte, den die mehreren hundert Wesen auf der Straße verursachten. Mondra musste sich zu sammenreimen, was die Kleinen vor hatten, doch das erschien ihr nicht son derlich schwer: Sie suchten nach einem oder mehreren Opfern, die sie um ihre Barschaft erleichtern wollten. Warum kümmerte es sie eigentlich, was die drei Kerle ausbrüteten? Wie an den gelangweilt herumlungernden Bo kazuu und Toyken zu beiden Seiten der Straße festzustellen war, gab es hier ausreichend Ordnungskräfte, die für die Sicherheit der Touristen Sorge trugen. Mondra wollte den Markt von Toykana kennenlernen und gegebenenfalls ver suchen, an Ulocco Lo’tus heranzukom men; Verbrechensbekämpfung war nicht das Thema. Und ob es mich etwas angeht!, sagte sie sich. Ich warte darauf, bis die Klei nen aktiv werden – und dann erscheine ich als Retter in der Not. Derart versi
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chere ich mich der Dankbarkeit der Ge flügelten, nehme eine kleine finanzielle Anerkennung nach anfänglichem Zö gern doch an – und ziehe mit etwas Glück die Aufmerksamkeit der Autori täten und damit vielleicht des Marktlei ters auf mich. Nach einem längeren, intensiv ge führten Gespräch traten die drei Gau ner endlich aus dem Schatten. Mondra schüttelte verblüfft den Kopf. Die Schritte der Kleinen wirkten ungelenk, ihr gesamtes Auftreten vermittelte Toll patschigkeit. Einer von ihnen – jener, der am meisten zu reden gehabt hatte –, war kugelrund. Mit jedem Schritt stieß er ein glucksendes Geräusch aus und griff sich mit den behaarten Händchen an die Wampe. Dunkle Augenumrandungen, knub belige Nasen und pausbäckige, behaarte Wangen verstärkten den Eindruck, es hier mit völlig harmlosen Lebewesen zu tun zu haben. Sie ähnelten aufrecht ge henden und völlig überfütterten Wasch bären. Und dennoch: Sie folgten dem Trupp der Geflügelten. Nur mühsam konnten die Kleinen deren Tempo halten. Mondra wartete ein paar Atemzüge, bevor sie den Waschbären ihrerseits nachging. Sie hielt gerade genug Ab stand, dass sie rechtzeitig eingreifen konnte, wollten die drei zuschlagen. Doch sie würden es niemals hier, im Strom der Touristen, vor so vielen Zeu gen wagen. Sicherlich warteten sie, bis die Front der Spielcasinos, Tanzlokale, Drogenhallen und Vergnügungsparks erreicht war. Dort würden sich die Mas sen verlaufen. Wenn sie etwas von ihrem »Geschäft« verstanden, hatten die Kleinen längst jenen Ort bestimmt, an dem der Über fall passieren sollte. Mondra durfte kei nen Augenblick in ihrer Aufmerksam keit nachlassen. Die Stadt war ihr fremd, sie kannte ihre Gesetze nicht. Die ersten Gebäude des eigentlichen Marktes waren erreicht. Links und rechts zweigten, wie erwartet, schma lere Wege ab, die sich in verwinkelten
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Gassen verloren. Verwahrlost wirkende Häuser, davorsitzende Elendsgestalten und Haufen voll Schutt bewiesen, dass in der Marktstadt nicht alles eitel Won ne war. Auf der Oberfläche PERISTERAS waren über viele, viele Jahre architek tonische Strukturen gewachsen. An manchen Stellen reihte sich Haus an Haus, andere Flächen waren gänzlich unbebaut geblieben. Nach maximal 500 Metern endeten alle Spuren der Bebauung, die golden leuchtenden Ränder der schützenden Prallschirme wiesen darauf hin, dass dort die Kante der Raumstation erreicht war. Mondra dachte an die Bilder, die sie während des Landeanfluges zu sehen bekommen hatte, und verglich sie mit jenen Eindrücken, denen sie derzeit ausgesetzt war. Was zuvor nüchtern, steril und gut strukturiert gewirkt hat te, präsentierte sich nun als vitaler Le bensraum, in dem Dutzende Völker ihre Spuren hinterlassen hatten. Die Geflügelten blieben abseits der übrigen Touristen stehen. Sie diskutier ten eifrig, wohl über die Richtung, die sie nun einschlagen wollten. Ihre Verfol ger, klein und geschickt den meist we sentlich größeren Wesen rings um sie ausweichend, schoben sich näher. Sie gestikulierten aufgeregt, deuteten im mer wieder auf die Hochgewachsenen. Wollten sie den Überfall tatsächlich an diesem Ort geschehen lassen? Rech neten sie damit, dass sich die Passanten nicht weiter um eine Prügelei scherten? Trugen sie Waffen bei sich, würden sie sie auch anwenden? Mondra hatte keine Zeit, über ein Wenn und Aber nachzudenken. Wollte sie helfen, musste sie den Waschbärigen nacheilen. Jetzt gleich. Sie nutzte die Möglichkeiten des SERUNS und schob jedermann, der ihr im Weg stand, rücksichtslos beiseite. Für einen Augenblick war ihr die Sicht durch einen riesigen Kerl auf acht Bei nen mit einer Art ertrusischer Hammel keule in der Hand verdeckt. Er biss so
Michael Marcus Thurner
eben herzhaft in das Ding und schmatzte so laut, dass sich jedermann zu ihm um drehte. Alle – bis auf die drei Kleinen. Immer rascher, immer selbstsicherer werdend trippelten sie auf die Flügel wesen zu. Mit ihren Händen gestikulier ten sie wild und stritten lautstark. Be nahmen sich so Verbrecher? Mondra drängte sich an dem Achtbei nigen vorbei. Der dickste der drei Diebe griff soeben in die ausgebeulte Hosenta sche. Er holte ein längliches Instrument hervor. Eine Waffe, zweifelsohne. Oder? Mondra war nur noch wenige Meter von beiden Gruppen entfernt. Etwas lief hier falsch. Die Waschbären waren nie und nimmer dazu in der Lage, die sowohl zahlenmäßig als auch körperlich überlegenen Fremden zu gefährden. Sie hatte sich bislang immer auf ihre Intui tion verlassen können ... Der dickliche Waschbär räusperte sich laut. Er hielt den Stab weit von sich ge streckt, deutete damit auf seine ... Op fer. »Was gibt’s, kleiner Wagokos?«, fragte einer der Geflügelten und beugte sich vertraulich zu ihm hinab. »Ihr ... ihr seid heute ... gelandet, oder?«, fragte er, sich mehrmals verhas pelnd. »Ja.« »Ihr seid mit der KHNAUR gekom men. Dem Söldnerschiff.« »Richtig.« Die Flügel des vordersten Wesens schlugen rasch, goldener Staub rieselte zu Boden. Seine so hölzern wir kenden Gesichtszüge blieben gleich, nur die Farbnuancen der Haut veränderten sich. »Wir haben zwei Tage Erholungs urlaub, dann geht’s zurück an die Front. Kennst du einen Klub, in dem wir einen wirklich guten Service bekommen?« »N... nein«, stotterte der Wakogos. »Ich wollte dir eigentlich eine Frage stellen.« Mondra entspannte sich. Ihr Instinkt hatte sie nicht getrogen. Die Situation war unverfänglich, die kleinen Wasch bär-Wesen konnten niemandem etwas zuleide tun. Was aber wollten sie dann von diesen Söldnern?
Der Polyport-Markt
Die Flügel entfalteten sich explosi onsartig, deren dehnbare Häute um schlangen den Wakogos, blieben an ihm kleben und zogen ihn näher an seinen Gesprächspartner heran. »Hör mir gut zu«, sagte der Söldner. »Ich bin nicht daran interessiert, was du willst. Wenn du meinst, du kannst mir eine dünne Geldphiole unter die Nase halten und irgendeinen Gefallen von mir erbitten, hast du dich geirrt.« Neuerlich rieselte Staub zu Boden. War dies ein äußeres Zeichen dafür, dass sich der Fremde amüsierte? »Wir sind Söldner, und wir dienen jedem, der uns ausreichend gut bezahlt. Aber Urlaub ist Urlaub. Wir wollen uns erholen. Dampf ablassen. Wir gönnen uns die eine oder andere Vergnügung, und dann verschwinden wir wieder. Aber wir werden hier nicht arbeiten. Verstanden?« »Ver... verstanden.« Die Stimme des dicken Wagokos klang panisch. Er klebte nun beinahe an den Beinen seines Gegenübers. Vergeblich versuchte er sich mit tapsigen Händen aus der Um klammerung durch die Flügel zu befrei en. »Im Übrigen nehme ich dir übel, dass du mich mit deinem Angebot beleidi gen wolltest.« Der Söldner riss dem Kleineren den länglichen Gegenstand aus der Hand, zerbrach ihn mit einem Druck seiner kräftigen Hände und zog etliche bläulich glänzende Münzen dar aus hervor. »Wir sind viel, viel mehr wert als das hier. Du beschämst mich, Kleiner.« Er wandte seinen Kopf den Kumpanen zu, den Wagoko nach wie vor eng an seinen Leib gepresst. »Meine Freunde und ich meinen, dass du bestraft gehörst. Ich könnte mir vorstellen, dass WagokosFleisch recht lecker schmeckt, ge schnetzelt und mit Gewürzen unterlegt, unter einem Stoß Aspik serviert. Stimmt’s, Jungs?« Die Gesichter der Söldner wurden puterrot. Sie ... lachten. Immer mehr Flügel rollten sich auf, und an den Un terseiten der Lederhäute zeigten sich
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rasiermesserscharfe Nadelspitzen, die sie schwungvoll durch die Luft peit schen ließen. Mondra sah sich um. Zwei bewaffne te Toyken lungerten unweit eines Brun nens, aus dem bunte Schaumflocken emporquollen. Von Zeit zu Zeit blickten sie herüber, ohne sich wirklich für den Streit zu interessieren. Auch als sich die beiden anderen Wagokos in den nun straff gespannten Schmetterlingsflügeln verfingen und gemeinsam mit ihrem di cken Kollegen ins Innere eines rasch gebildeten Kreises gedrängt wurden, sahen sie keinen Grund zur Veranlas sung, sich einzumischen. »Dein Pech, Dicker«, sagte der An führer der Söldner, »dass du keinen La den kennst, in dem wir uns anständig amüsieren können. Also müssen du und deine Kumpanen für eine kleine Ver gnügung herhalten. Schon mal was vom Todestanz der Doriten gehört?« »N... nein.« Der Kreis schloss sich, die Flügel ver hakten sich ineinander, die Wagokos verschwanden zwischen den Söldnern. Das schummrige Licht zeichnete nur noch ihre Umrisse durch die dünne, led rige Haut. Die Waschbären irrten unter dem Gelächter der Geflügelten hin und her, wurden gestoßen und gerempelt ... Plötzlich ein Schrei. Schrill, voll Angst und Schmerz. Eine lange Klinge zeichnete sich ab. Zeit zum Eingreifen!, sagte sich Mondra. Sie schob ihre ursprünglichen Prioritäten beiseite, sah sich nun als Be schützer der überfordert wirkenden Wagokos. Keine Schusswaffen. Sie würde der Direktive des Marktleiters folgen und dies mit ihren bloßen Händen erledigen. Sie nahm Tempo auf, eilte zum Kreis der Fremden – und trat zu. Die Haut eines Flügels zerriss wie vergilbtes Pa pier. Ein zweiter Tritt, noch bevor der Söldner schreien konnte. Ein weiterer Flügel brach, die Verbindungskrallen lösten sich voneinander. Ihre Gegner ge horchten Instinkten. So, wie es Mondra erhofft hatte.
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Sie schlüpfte ins Innere des Kreises. Er zeigte Auflösungserscheinungen, die Söldner waren bei Weitem nicht so zäh, wie sie sich gegeben hatten. Mondra sah sich sieben der Flügelwe sen gegenüber. Zwei von ihnen waren damit beschäftigt, festzustellen, woher ihre Schmerzen rührten. Zwei weitere sahen sich verwirrt um. Sie suchten einen Gegner, der längst zwischen ihnen war. Mondra musste sich um jene küm mern, die rasch genug reagierten und Waffen in den Händen hielten. Sie vi sierte den linken der drei an und trat dorthin, wo Mondra Weichteile vermu tete. Eine Reaktion erfolgte – unter Spezialistinnen dieser diffizilen Tech nik Klappmesser genannt –, die ihr ungeheure Befriedigung verschaffte. Ihr Gegner beugte sich weit vor, die Hiebwaffe fiel klirrend zu Boden Ein weiterer Söldner wurde Opfer eines Dagor-Stiches. Sie führte die Technik so aus, wie Atlan sie sie gelehrt hatte, drängte allerdings alle ethischen und moralischen Grundsätze beiseite, die mit der arkonidischen All-Lehre einhergingen. Sie zielte mit den ausge streckten Zeige- und Mittelfingern ins hölzerne Gesicht des vierten Söldners; dorthin, wo sich borkige Erhebungen zeigten. Der Dagor-Stich saß perfekt; sie fühl te mit den Fingerrezeptoren des SE RUNS feuchte und geleeartige Masse. Den Schrei hörte sie erst, als sie bereits das nächste Opfer mit einer Beinschere von den Füßen fegte. Mondra achtete darauf, dass der Gegner schwer auf Rü cken und Flügel fiel. Sie wollte wirklich Schmerzen verursachen und diese ach so von sich überzeugten Fremden ver unsichern. Wie eine Katze kam sie wieder auf die Beine und beobachtete die beiden noch unverletzten Geflügelten. Sie wichen vor ihr zurück, wild mit den Flügeln schlagend. Ihre Gesichter hatten sich kaltblau verfärbt. Mondra stellte sich schützend vor die Wagokos, die keine Ahnung hatten, wie ihnen geschah.
Michael Marcus Thurner
»So, jetzt bin ich aufgewärmt«, sagte sie und winkte einem der Söldner, näher zu treten. »Wollen wir weiterspielen? Komm und zeig mir, was du draufhast. Diese Übungen helfen mir, den Staub aus meinen Kleidern zu klopfen.« Sie tat einen Schritt nach vorne, stieß einen Schrei aus. Die Söldner wichen allesamt zurück. Einer von ihnen – jener mit dem schmerzenden Unterleib – griff ins Innere seiner eng anliegenden Ja cke. Du machst einen Fehler, Großer, sagte sich Mondra hocherfreut, einen kapi talen Fehler. Sie warf sich nach vorne, auf die aus gestreckten Hände, überschlug sich, kam mit den Beinen zu stehen, stieß sich neuerlich ab. Flickflacks, wie im Zirkus erlernt und bei der TLD-Ausbildung perfektioniert. Diese Überschläge ver wirrten nahezu jedermann; auch der Söldner wusste damit nichts anzufan gen. Er blieb stehen, stockstarr, und sah ihr fasziniert zu. Wahrscheinlich hatte er niemals zuvor ein derart wild umher wirbelndes Wesen kennen- – und spü ren – gelernt. Mondra zielte genau. Der letzte Über schlag brachte sie mit den Beinen voran dorthin, wo ein zweibeiniges Wesen her kömmlicherweise seinen Magen sitzen hatte. Etwas knirschte und gab nach. Der Söldner stieß ein ersticktes Röcheln aus, seine Kollegen schrien entsetzt durcheinander. Mondra kam so rasch wie möglich wieder hoch. Ihre Gegner durften sich niemals ihrer Übermacht besinnen, durften nicht zum Nachdenken kom men. Sie musste durch ihre Präsenz, ih re Unerschrockenheit, ihr aggressives Verhalten weiterhin Druck ausüben. Die Söldner wichen zurück, Schritt für Schritt. Arroganz und Selbstsicher heit wichen purer Angst. Was für Wasch lappen! Wie konnten sich diese Trauer gestalten in einer vom Krieg überzogenen Galaxis verdingen und auch nur einen einzigen Tag lang überleben? »Verschwindet!«, rief Mondra. »Lasst euch nie wieder in der Nähe der Wago
Clubnachrichten
Vor wor t Hallo,
inzwischen sollten sich alle (selbst ich) an die neue
Gestaltung der »Clubnachrichten« gewöhnt haben. Mir
gefällt es – da bin ich in guter Gesellschaft.
Euer Hermann Ritter
Nachrichten Cons Ein erneuter Hinweis auf den Zellaktivator-Con in Hamburg vom 11. bis 13. September 2009 sei mir ge stattet. Es wird um Dinge wie die PERRY-Comics ge hen, um das PERRY RHODAN-Sammelkartenspiel und den neuesten Stand beim ATLAN-Fan-Film. Hier findet auch die Deutsche Meisterschaft im PERRY RHODANSammelkartenspiel statt. Im Internet findet man den Con unter www.za-con. de; die Club-Homepage des veranstaltenden SFC Black Hole Galaxie ist www-sfc-bhg.de.tf. Das jährliche große Treffen der Filk-Fans Filkconti nental 2009 ist vom 9. bis 11. Oktober 2009 auf der Freusburg. Filk – das ist Folk mit Fantasy- und SFTexten. Oft sehr gut, oft sehr eigenartig, immer unter haltsam. Wer Interesse hat, sollte in diese Szene mal »reinhören«. Der Burg-Aufenthalt kostet für Erwachsene von Freitag bis Sonntag 69 Euro. Per E-Mail erreicht man die Veranstalter unter veran stalter@filkcontinental.de. Der Stammtisch des SFC Black Hole Galaxie trifft sich jeden zweiten Freitag im Monat in Hamburg im Lokal »Roxie« (Renzelstraße 6) ab 19.00 Uhr. Mehr
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 434.
Clubnachrichten
findet man im Internet unter http://home.arcor.de/ sfc-bhg/files/club/stammtisch.htm. Online Mit Terracom 118 hält man über 130 Seiten in der Hand, die nur durch das gewöhnungsbedürftige Quer format im Ausdruck ein wenig unhandlich sind. Im Schnelldurchlauf: ein Titelbild und eine Künstlervor stellung zum Titelbildmaler Stas Rosin, schöne Grafi ken, viele PERRY RHODAN-News, viele Science-Fic tion-Neuigkeiten, eine Nachlese zum ColoniaCon und Neuigkeiten aus der Astronomie. Dazu Rezensionen der Neuerscheinungen im PERRY RHODAN-Kosmos. Hohe Lesertauglichkeit. Herausgeber ist der PERRY RHODAN Online Club (www.proc.org im Internet); Chefredakteur ist Lo thar Bauer, Mondorferstraße 49, 66663 Merzig (E-Mail
[email protected]). Ältere Terracom-Aus gaben findet man online unter www.terracom-on line.net. Als »Portal für Vampire, Werwölfe und andere Krea turen der Nacht« preist sich www.BloodTies.de an. Nicht mein Thema, wie ich gerne zugebe, aber gut gemacht, optisch schön aufbereitet und mit einer Fül le von Informationen um das Thema (obwohl sich mir der Verdacht aufdrängt, dass ich für diese Szene zwanzig Jahre zu alt bin!). Dass Michael Haitel wahnsinnig ist und zu viel Freizeit hat, ist mir schon seit über zwanzig Jahren klar. Seine investierte Arbeitszeit für AndroXine 2 (der Titel steht neudeutsch für »andromeda extended magazine«) ist anders nicht zu erklären. Ein buntes Cover von Stan Rosin, 200 Seiten Umfang, alles für umsonst. Gut für PR-Fans: Enthalten sind auch Rezensionen zu aktu ellen Heften von PERRY RHODAN. Herausgeber ist Michael Haitel, Ammergauer Stra ße 11, 82418 Murnau am Staffelsee (E-Mail micha
[email protected]). Herunterladen kann man das Heft unter www.androxine.de.
Kurzgeschichte »Etwas da draußen ...« von Katja Häu ser. Mit Xun 21 erreicht das Magazin das Jahr 2009. Die 80 Seiten Umfang machen sich auch hier angenehm bemerkbar. Unter den Geschichten ragt »Im Nebel ver schwunden« von Ulrike Stegemann hervor. Über Ge schmack lässt sich streiten ... Schön ist aber der Ver riss von »Der Engel der Schwarzen Sonne«. Schon länger finde ich es – äh – unangenehm, wie mystisch okkulte Themen oder Verschwörungstheorien benutzt werden, um politisch ausgesprochen unangenehmes Gedankengut zu transportieren. Also: selbst lesen. Xun ist ein schönes Fanzine. Herausgeber ist Bernd Walter, Michelsbergstr. 14, 74080 Heilbronn (E-Mail
[email protected]). Ein Heft kostet 3,30 Euro; auf CD-Rom 2,50 Euro. Aus führliche Informationen gibt es auf der Xun-Homepage unter www.xun-online.de Abenteuer Ein richtiges zentrales Hauptthema fand ich in der Abenteuer & Phantastik 64 dieses Mal nicht. Es gab wie immer reichhaltig Besprechungen und eine Menge über den Film »Coraline« zu Neil Gaimans gleichna migem Buch. Zu dem Thema der Verfilmung gehört auch ein Artikel über die Geschichte des Stop-MotionFilms, der selbstverständlich den Altmeister Ray Har ryhausen würdigt. Amüsiert habe ich mich über »Harry und seine Erben«, in dem es über magisch begabte Kinder in der Kinder und Jugendliteratur geht. Dem »Ewigen Jungen Peter Pan« und seinen Inkarnationen ist ein längerer Artikel gewidmet, ebenso den europäischen Wurzeln der Werke von Walt Disney. Mit dem schönen Titel »Sput nik und Sowjetmacht« erfährt man etwas über die letzten Jahrzehnte russischer phantastischer Litera tur. Lesenswert. Im Fachhandel kostet das Heft 4,50 Euro. Herausgeber ist der Abenteuer Medien Verlag, Rostocker Str. 1, 20099 Hamburg (im Internet unter www.abenteu ermedien.de).
Empfehlung des Monats: XUN Comics Es ist selten genug, dass ein Fanzine die Nummer 20 erreicht. Xun 20 ist voll mit schönen Geschichten, hat ein buntes Cover von Peter Wall und 80 Seiten Umfang. Es finden sich unter anderem ein Interview mit »Maddrax«-Autorin Michelle Stern und die sehr schöne
Ich gebe gerne zu, dass ich mir das englischsprachige Comic-Fanzine Alter Ego 87 nur gekauft habe, weil es einen langen Artikel über »Marvelman« bringt. Das mit mir und »Marvelman« ist eine lange Geschichte, die
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unter anderem damit zusammenhängt, dass SuperComic-Schreiber Alan Moore (»Watchmen« und viele andere gute Sachen) diese Figur (unter dem Namen »Miracleman«) mal in den Fingern hatte; aber es hat auch was damit zu tun, dass »Marvelman« die eng lische Variante von »Captain Marvel« war, der als »Shazam« in den USA bekannt war. Dieser »Shazam« wiederum war Namensgeber für mein gleichnamiges Egozine, das ich mehrere Jahre lang herausgegeben habe. Lange Geschichte. Alter Ego wird von Uraltfan Roy Thomas herausgege ben, der sich hier mit der Geschichte der Superhel dencomics beschäftigt. So finden sich Interviews, Hintergrundartikel über (kleinere) US-Comicfirmen, Nachrufe und eine Menge schöne Illustrationen; be sonders angetan haben es mir die Illustrationen aus den 50er- und 60er-Jahren, die man so – außer in teuren Bildbänden – nirgendwo findet. Wer sich für die Geschichte der Superheldencomics interessiert und vor Englisch nicht zurückschreckt, der wird hier hervorragend informiert. Der Coverpreis beträgt 6,95 $. Ich verzichte auf eine Bestelladresse aus den USA, das Heft kann ziemlich gut über Comicläden bestellt werden.
Nagesh?«, die sich ganz an den religiösen Traktaten einer bestimmten Organisation orientieren ... die hier nicht genannt werden soll. Fantasy-Trash vom Besten, aber leider ohne Bezugs adresse, dafür umsonst. Piraten Der Terranische Club Eden brachte im Rahmen der Grey Edition 9 jetzt einen Themenband über Piraten heraus. Sehr schön. Listen mit Büchern zum Thema und einige sehr gute, längere Feature-Artikel. Ärger lich ist nur, dass bei Robert Shaw seine Tätigkeit als ehemaliger Pirat in der glorreichen Fernsehserie »The Buccaneer« vergessen wurde – aber was bliebe mir dann noch an Besserwissereien über ein rundum ge lungenes Heft, das sogar die Piratengeschichten von Karl-Herbert Scheer erwähnt! Sehr schön. Von diesem Heft sind genau 51 Exemplare hergestellt worden, der Preis inklusive Versandkosten beträgt 7,70 Euro. Die Kontaktadresse des Clubs ist Volker Wille, Hachenyer Straße 124, 44265 Dortmund (E-Mail
[email protected]).
Karfunkel Skeptiker »Mittelalter! Mittelalter! Mittelalter!« So könnte eine sehr kurze Rezension zu Karfunkel 82 aussehen. Dieses Mal las ich »Wie schmutzig war das Mittelal ter?«, »Dracula – Zwischen Legende und Wirklich keit«, »2000 Jahre Varusschlacht« (mit tollen Bildern) und das Interview mit Autor Jörg Kastner (der mir als Autor eines sehr guten Artikels über Han[n]s Kneifel im Gedächtnis geblieben ist). Die vielen Rezensionen zu allem Möglichen überfliege ich nur, sonst ist mein Konto bald nur noch rot. Sehr schön! Am Kiosk kostet das Heft 6,90 Euro. Näheres über das Magazin und Bezugsmöglichkeiten findet sich unter www.karfunkel.de im Internet.
Man muss kein Skeptiker sein, um an der »Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken«, skeptiker 2/2009, Spaß zu haben. Dieses Mal ging es viel um Volkswirtschaft, aber es findet sich auch eine schöne Replik auf die neuesten Auftritte von Erich von Dä niken samt einigen Hintergrundartikeln zur Prä-Astro nautik mit allen ihren Spielarten. Die Rezensionen (nur Sachbücher) sind ansprechend, die Optik ein Traum. Ein schönes, professionelles Magazin. Herausgeber ist die Gesellschaft zur wissenschaft lichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (kurz GWUP), Arheilger Weg 11, 64380 Roßdorf; im Internet findet sich der Verein unter www.gwup.org. Das Heft kostet 5,50 Euro.
Knochenturm Starlight Auf dem jährlichen Zeltcon der Fantasywelt Erken fara (mehr im Netz unter www.erkenfara.de) bekam ich die wunderschöne Parodie Der Knochenturm ver kündet Nageshs Königreich in die Hand gedrückt. 20 Seiten, bunter Umschlag und bunte Illustrationen, nette Artikel wie »Ist der Soldatentod kein Opfer für
Auch mich langweilen Fanzines ab und an. Leider ge schah dies mir mit Starlight 85. Das farbige Titelbild von Volker M. Gdanitz ist wunderschön; am Inhalt stört mich massiv, dass jeder Beitrag eine eigene Schriftart hat, was das Lesen doch massiv erschwert. Neben
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den sieben Kurzgeschichten findet sich ein sehr les bares »Star Trek«-Spezial von Erik Schreiber (aus sei nem Fanzine »Der phantastische Bücherbrief«). Ansonsten ... dieses Mal nicht mein Geschmack. Herausgeber für die Starlight Union ist Werner Brü cker, Wiesendamm 147, 22303 Hamburg (E-Mail
[email protected]). Das Heft kostet sechs Euro. World of Cosmos Auf über 100 Seiten präsentiert sich World of Cosmos 59. Besprochen werden die PR-Hefte 2468 bis 2482, dazu kommt der zehnte Teil des Artikels über ATLAN (Band 567 bis 574). Mich fasziniert natürlich die Wei terführung der Serie über »Commander Perkins« von H. G. Francis (ja, selbst das ist ein Alters- beziehungs weise Generationenproblem); Pascal Bothe steuert einen Werkstattbericht zum Josef-Jupp-Dienst-Jubi läumsband bei, und in der Reihe der großen (Anti-)Uto pien wird Hermann Hesses »Das Glasperlenspiel« vorgestellt. Intelligentes Lesevergnügen. Danke! Herausgeber ist der SFC Black Hole Galaxie. Deren Clubseite ist im Internet unter www.sfc-bhg.de.tf zu finden. Kontakter des Clubs ist Bernd Labusch, Johann.-G. Müller-Straße 25, 25524 Itzehoe (E-Mail BerndLa
[email protected]). Das Fanzine ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
Zunftblatt Man muss lobend sagen, dass es die Zunft der Lahn steiner Rollenspieler geschafft hat, sich schon mit dem zweiten gedruckten Magazin, dem Zunftblatt 2, auf dem Rollenspielmarkt zu etablieren. Es gibt immer noch Anfängerschwierigkeiten; so gefallen mir die Fonts für die Überschriften nicht (und »Inhaltangabe« und »Magische Grüsze« sind einfach falsch), aber die Beiträge sind vom Feinsten. Themenschwerpunkt ist dieses Mal das Thema Hexen. Dazu kommen reich mit Fotos illustrierte Conberichte, ein (zu kurzer) Artikel über die Autorin Storm Constantine, Außenerfah rungen in der Pädagogik (»Gegröl und Gestech im Kindergarten«) und Rezensionen (mein absolutes Highlight und wirklich wahr: das »Harry Potter Clue do«). Der Bericht über die Band »Die Irrlichter« hat mich nicht so interessiert, aber ... muss nicht sein, dass mir alles gefällt. Dafür war der Rest sehr gut. Herausgeber ist die Zunft der Lahnsteiner Rollen spieler e.V., Redakteur ist Leander Linnhoff, Berg straße 33, 56077 Koblenz (E-Mail redaktion@ zunftblatt.de). Das Heft kostet 3,50 Euro.
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag KG, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzuschriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbeitung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Der Polyport-Markt
kos blicken! Sie stehen ab heute unter meinem Schutz! Verstanden?« Sie erwartete keine Antwort, und sie erhielt auch keine. Die anderen zogen sich stumm zurück. Ihre Flügel hingen auf Halbmast, die Krallen waren einge zogen. Zwei von ihnen nahmen den Schwerverletzten in die Mitte und schleppten ihn mit sich. Mondra verfolgte die Söldner mit ih ren Blicken. Jene eilten davon, so rasch sie ihre Beine trugen, und verschwan den in den verwinkelten Gässchen der Raumstadt. Erst jetzt entspannte sie sich und pumpte dringend benötigten Sauerstoff durch ihren Körper. Noch war es nicht zu Ende. Sie hatte gehandelt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Mondra hatte keine Ah nung, wie die Passanten und die Wäch ter auf diese Zurschaustellung ihrer Kampfkraft reagieren würden. Ruhig Blut!, mahnte sie sich. Nur ja nicht die Kontrolle über die Situation verlieren. »Was gibt es da zu gaffen?«, rief sie in Richtung der größer werdenden Traube an Zusehern. »Die Show ist vorbei. Wei tergehen, Herrschaften, weitergehen! Oder gibt es noch jemanden, der sich mit mir unterhalten möchte?« Die Passanten – Bokazuu, Gallertwe sen, eckig und kristallin wirkende Krie cher mir quietschenden Gelenken, Bal lonartige, die laut vor sich hin zischten, ineinander verknäulte Insektoiden und viele mehr –, sie alle folgten ihren An weisungen. Nur keinen Streit provozie ren, so hieß wohl die Devise auf dem Markt von Toykana. Und die Wächter? Sie hatten sich keinen Millimeter weit bewegt. Nach wie vor spielten sie ge langweilt mit aus dem Schaumbrunnen hochquellenden Luftblasen. Einer von ihnen, ein Toyken, warf ein Messer mit langer, schartiger Klinge in die Luft und fing es geschickt wieder am Griff auf. Er nickte ihr zu. Sicherlich hatte er den Kampf aufmerksam verfolgt, es aber nicht der Mühe wert befunden, einzu schreiten.
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Er würde seinen Vorgesetzten von Mondras waghalsiger Rettungsaktion berichten. Gut so; der Marktleiter sollte auf sie aufmerksam werden. Die drei Wagokos schoben sich näher an Mondra. Sie schnauften, röchelten und zitterten, als hätten sie einen Kampf auf Leben und Tod hinter sich. »Pfau! Du bist fantastisch!«, sagte der Dicke und wischte zartrosa Flüssig keit aus den Augenwinkeln. »Du hast uns vor einem schlimmen Schicksal be wahrt. Die Doriten sind in ganz Kyon Megas für ihre Grausamkeit bekannt.« »Gern geschehen. Es war ohnehin an der Zeit, dass ich meine eingerosteten Glieder ein wenig streckte.« Und in spätestens einer halben Stun de werde ich bitter bereuen, was ich ge tan habe ... Der SERUN führte bereits einen Ge sundheits-Check durch und begann die empfindlichen Muskel- und Sehnenpar tien entlang der Ober- und Unterschen kel mithilfe elektrischer Stimulationen abzuklopfen. Doch ihr würden Zer rungen oder gar Muskeleinrisse als Sou venire bleiben, die sich nicht so ohne Weiteres wegmassieren ließen. »Bist du neu hier?«, fragte der dickste Wagokos. Er war nun ganz nahe an Mondra. Schüchtern berührte er ihren Anzug. »Ich habe dich niemals zuvor auf dem Markt gesehen.« »Meine Freunde und ich sind auf der Durchreise«, antwortete Mondra reser viert. »Du bist eine Söldnerin?«, hakte der Kleine nach. »So etwas in der Art. Ich arbeite im Personenschutz.« Sie dachte an Perry Rhodan und unterdrückte ein Grinsen. »Mein Schutzbefohlener ist ein beson ders schwieriger Patient, er benimmt sich manchmal wie ein Kleinkind. Mit seinen Dummheiten hält er mich ganz schön auf Trab.« »Dann wird ihm kein langes Leben bestimmt sein.« »Das befürchte ich auch.« Der Dicke zog sich zu seinen Freun den hin zurück. Die drei Wagokos steck
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ten die Köpfe zusammen und tuschelten leise. Mondra hätte sie mithilfe des SERUNS belauschen können, doch sie verzichtete darauf. Der Waschbärige trat mit breitbei nigen Schritten wieder näher an sie her an. »Ich bin Lanzenkaur, Lanzenkaurs Sohn«, stellte sich der Wagokos erstmals vor und zeichnete zur formellen Begrü ßung mit beiden Händen eine Art Herz in die Luft. »Du kannst mich Lanzen kaur nennen.« »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen.« Sie imitierte das Zeichen; die drei Kleinen kicherten leise. Missverständ nisse traten immer wieder auf, wenn Angehörige völlig unterschiedlich gear teter Völker auftraten. Es kam stets auf den guten Willen beider Parteien an, ob man einander verstehen wollte oder nicht. »Wo befindet sich dein Schutzbefoh lener jetzt?«, knüpfte Lanzenkaur an das vorherige Gesprächsthema an. »Ich habe ihn in der Sicherheit un seres Schiffes zurückgelassen.« »Du hast also Landurlaub?« Der Wa gokos hüpfte aufgeregt hoch und nieder, was angesichts seiner Leibesfülle ein reichlich seltsames Bild abgab. »Wärst du eventuell an einem kleinen Zu satzverdienst interessiert? Hättest du Zeit?« »Eventuell.« Mondra gab sich zöger lich. »Ich habe allerdings nicht vor, län ger als zwei Tage hierzubleiben.« Der Wagokos sah sich Hilfe suchend nach seinen Freunden um. Der Überfall steckte ihm sichtlich noch in den Kno chen. »Wir wollten soeben die Doriten um ihre Hilfe bitten«, begann er zögernd, »weil wir ein Problem mit einem Teil der Wachtruppen haben. Mit Aasin und sei nen Blendbrüdern, diesen Verbrechern. Schon seit Tagen bemühen wir uns, je manden zu finden, der uns hilft. Du ahnst gar nicht, wie schwierig es ist! Du hast ja gesehen, wie die Doriten auf un sere Bitte reagierten.«
Michael Marcus Thurner
»Ja, das habe ich.« So oder ähnlich hatte sich Mondra die Hintergründe dieser Auseinandersetzung zusammen gereimt. »Also schön: Ihr benötigt einen Beschützer.« »Eigentlich mehrere«, warf einer der schlankeren Wagokos ein, um sich gleich darauf wieder hinter dem breiten Rü cken seines Anführers zu verstecken. »Sei still, Zitterkaib!« Lanzenkaur hieb seinem Begleiter über die flau schigen Ohren und wandte sich dann wieder Mondra Diamond zu. Er roch säuerlich, nach Schweiß und Angst. Sei ne weit aufgerissenen Augen glänzten vertrauenerweckend. »Du allein bist so gut wie ein ganzes Dutzend dieser Verbrecher«, schmei chelte er. »Mit dir wird es ein Leichtes sein, unsere Waren vom Schiff bis zu den Verkaufshallen zu schaffen. – Wir bräuchten deine Dienste bloß für zwei Transporte. Heute und morgen jeweils eine Warenkette. Dann sind die Lager unseres Schiffes leer geräumt.« Die kleinen, pelzigen Wagokos wirk ten auf Mondra überaus sympathisch. Dennoch würde sie sich keinesfalls un ter Wert verkaufen. Sie benötigte 115 Duretin, um MIKRU-JON auszulösen. »Ich weiß nicht«, sagte sie zögerlich, »seit Wochen muss ich mich von meinem nervigen Klienten quälen lassen, und jetzt soll ich mich während der wenigen freien Stunden, die ich zur Verfügung habe, auch noch mit Marktwächtern an legen?« »Wir würden dir ein Viertel dessen bezahlen, was uns die Hopken an Wer ten pro Transport abnehmen«, meinte Lanzenkaur. »Das ist zwar nicht allzu viel, aber ...« »Wie viel ist nicht allzu viel?« »Nun ja ... achthundert Duretin pro Transport.« »Acht ... achthundert?« Mondra muss te husten. »Ist dir das zu wenig?«, fragte Lan zenkaur leise. Er blickte seine Lands leute besorgt an. »Also schön: neunhun dert.« Womit, in drei Teufels Namen, han
Der Polyport-Markt
delten die Wagokos? Mit Hyperkristal len? 900 Duretin würden der MIKRU JON einen Standplatz für mehrere Wochen sichern, wenn es denn notwen dig war. »Also schön«, sagte Mondra, und neu erlich tat sie so, als müsste sie nachden ken. »Ich bin einverstanden. Wann soll’s losgehen?« Die Wagokos brachen in lautes HurraGeschrei aus, fassten sich an den Armen und tanzten Ringelreih um Mondra. Sie sind Kinder, dachte die Terrane rin, übermütige kleine Kinder. Kein Wunder, dass sie wie Weihnachtsgänse ausgenommen werden. 7. Ulocco Lo’tus Das Meningeom befähigte ihn, gleich zeitig drei völlig verschiedene Dinge zu erledigen. Nein – es ging nicht um pro fane Dinge wie während des Essens Tri vid-Berichte zu lesen und gleichzeitig ein Gespräch zu führen. Seine Bega bung reichte viel, viel tiefer. Das durch den Tumor aufgewertete Gehirn war in der Lage, drei parallel zueinander lie gende Systematiken aufzubauen. Wenn ihm danach gewesen wäre, hät te er einen Ausdruckstanz improvisie ren, ein Dossier über den Atavismus Schwarzer Löcher schreiben und simul tan die toykenischen Nationalgedichte in ihrer ursprünglichen Fassung mit der modernen vergleichen können. Ulocco nannte es »Stränge flechten«, und er liebte es, seine Untergebenen mit dieser Begabung zu verblüffen. Ulocco saß im Büro, umflirrt von sei nen wichtigsten Mitarbeitern, und küm merte sich um das Tagesgeschäft auf dem Marktgelände. Er ließ keine Fehler zu. Er regierte mit eiserner Faust und behielt selbst die nebensächlichsten Dinge im Auge. Im zweiten Arbeitsstrang befasste sich der Marktleiter mit der Durchfors tung alter Archivdateien, mit dem Ver gleichen der Texte, mit dem Zusammen
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fügen aller gewonnenen Erkenntnisse zu einem sinnvollen Ganzen. Es war die Arbeit eines Pedanten und Erbsenzäh lers, doch er nahm sie gerne auf sich. Die Geschichte der Halbraum-Chan geure zog ihn immer stärker in ihren Bann, je mehr er über diese geheimnis vollen Wesen erfuhr. Im dritten »Gedankenzopf« küm merte sich Ulocco um die Besatzungs mitglieder der MIKRU-JON. Bislang war lediglich das weibliche Wesen in Erscheinung getreten, und es gab eine ganze Reihe von Kontakten sowie Beob achtungen, die er nun aufarbeitete. Ein fehlerhaft arbeitender Androide aus dem Bereich der Empfangshallen war wiederhergestellt worden. Seine Beobachtungen zeigten, dass sich Mon dra Diamond kaum aus der Ruhe brin gen ließ. Der toykenische Beamte am Einwan derungsschalter zeichnete ein äußerst indifferentes Bild der Frau. Er hatte sie kaum in Erinnerung behalten. Sie hatte harmlos und unauffällig gewirkt; wie jemand, der in der Menge mitschwamm, ohne aufzufallen. Eine bewunderns werte Gabe, wie Ulocco Lo’tus befand. Ein Dienstleistungsroboter, der vor den Hallen auf Kundenfang aus gewe sen war, lieferte ihm die höchst interes sante Information, dass Mondra Dia mond keinerlei Barschaft mit sich führte. Mehrere Doriten, die äußerst mitgenommen wirkten, schilderten ihre schmerzhaften Erfahrungen mit der er barmungslosen Kämpferin in blumigen Bildern. Die toykenischen Wächter, die die Auseinandersetzung mitverfolgt hatten, relativierten die Aussagen der in ihrer Ehre tief verletzten Doriten. Mondra Diamond war gut, sehr gut sogar. Doch ihre beeindruckende Physis war wohl nicht alles. Ihre Reaktionsge schwindigkeit, ihr Beobachtungstalent und ihre Improvisationsgabe deuteten darauf hin, dass er sich ebenso intensiv mit dem Intellekt der Frau befassen musste. Er ließ sich alle verfügbaren TrividAufnahmen in sein persönliches Archiv
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überspielen. Sie würden ihm helfen, Mondra Diamond besser kennenzuler nen. Die Filme waren lückenhaft. Nicht überall auf dem Marktgelände waren Kameras installiert. Vorsichtig getarnte Messungen erga ben, dass Mondra Diamonds Schutzan zug von einer Technik geregelt und ge steuert wurde, die allem weit voraus war, das Ulocco bislang kennengelernt hatte. Das Kleidungsstück wirkte leicht und elegant. Dennoch barg es allen Ver mutungen nach leistungsfähige Schutz schirme, Flugaggregate, eine ausgetüf telte lebenserhaltende Selbstversorgung, Deflektor-Einheiten und vieles mehr. Außerdem trug Mondra Diamond eine Kombiwaffe mit sich. Nun – der Besitz eines Strahlers war kein Grund, jemanden zu arretieren. Sie musste ihn schon einsetzen, um die Ge setze des Marktes von Toykana zu bre chen, seine Gesetze. Selbstverständlich ließ sich eine Ge legenheit konstruieren. Doch auf ein derartiges Spiel wollte er sich nicht ein lassen; noch nicht. Solange er nicht wusste, wen er vor sich hatte, würde er die Frau beobachten lassen. War Mondra Diamond wirklich eine dieser legendären Halbraum-Chan geure? Wenn ja, dann warteten span nende Zeiten auf ihn. Und wenn nicht – nun, es gab andere Optionen ... 8. Mondra Diamond Sie stellte das Humpeln ein, als sie die Zentrale der MIKRU-JON betrat. Perry brauchte nicht zu wissen, wie ihr zumu te war. Der SERUN unterstützte vorläu fig ihre Muskulatur. Es würde noch eine oder zwei Stunden dauern, bis all ihre Blessuren mit den Mitteln des Anzugs behandelt waren; und auch danach würde sie für geraume Zeit auf Schmerz blocker angewiesen sein. »Na, Erfolg gehabt?«, fragte Perry. Ramoz kam näher. Das Tier schmiegte sich vorsichtig an sie. Es deutete an, was
sich einmal zwischen ihnen entwickeln könnte – wenn sie es denn beide woll ten. »Ich hätte schon Bescheid gegeben, wenn sich etwas Besonderes ergeben hätte. Ich hatte einen ruhigen Tag.« Sie fläzte sich betont lässig auf die Couch. Ramoz warf sich neben ihr auf den Boden, gähnte und schloss die Au gen. Icho Tolot wandte ihr die Seite zu. Er starrte auf einen der Controller A, so konzentriert, als besäße er einen Rönt genblick. An den Krallenfingern seines linken Handlungsarms saßen dünne metallene Verlängerungen, die es ihm erlaubten, die Tastaturfelder des Ge rätes zu bedienen, ohne sie zu beschädi gen. Unendlich sachte hob und senkte er sie. Immer wieder, wie eine Maschine. Mondra hatte diesen Zustand oft ge nug erlebt. Icho Tolot war völlig in sich gekehrt und stellte mithilfe seines Plan hirns höchst komplexe Berechnungen an. »Es gibt nichts Berichtenswertes?«, hakte Perry argwöhnisch nach. »Das kann ich mir ehrlich gesagt kaum vor stellen, wenn ich mir das bunte Treiben da draußen ansehe. Du bist auch nicht der Typ Mensch, der sich an Häuserwän den entlang durch eine Stadt stiehlt und im Stillen Beobachtungen anstellt.« »Es ist bunt und grell und spannend«, meinte Mondra ausweichend. »Ich machte ein paar Bekanntschaften, die uns nützlich sein könnten.« Sie gab eine kurze Zusammenfassung ihrer Begegnung mit den Wagokos. Die Auseinandersetzung mit den Doriten verharmloste sie und titulierte sie als »Missverständnis«. Perry neigte dazu, sich übermäßig viele Sorgen zu machen, sobald sie in Kalamitäten geriet. Sein Beschützerinstinkt war ungewöhnlich stark ausgeprägt. »Diese Wagokos haben dich als Be gleitschutz engagiert?«, fragte Perry nach, nachdem sie ihre beschönigte Er zählung zu einem Ende gebracht hatte. »Icho wäre für einen derartigen Job viel besser geeignet.«
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»Wollten wir den Ball denn nicht flach halten? Ein Koloss mit dreieinhalb Me ter Körpergröße, der Metallträger als Zahnstocher verwendet, wirkt nicht be sonders unauffällig. Außerdem ist unser Freund hier viel besser aufgehoben.« »Was verkaufen die Wagokos denn für Waren? Neunhundert Duretin für einen Begleitschutz sind nach hiesiger Lesart ein erkleckliches Sümmchen.« »Sie handeln mit handgeschnitzten Püppchen.« »Püppchen?!« »Du solltest sie sehen. Und sie füh len.« Mondra hatte Mühe, ihre Emotio nen unter Kontrolle zu halten. Diese Figuren und ihre Geschichten strahlten etwas ganz Besonderes aus. Sie hatte zwei von ihnen in der Hand gehalten. Die Wagokos trugen jeweils mindestens einen eigenen Trimian mit sich. Die Fi guren besänftigten nicht nur; sie gaben dem Besitzer ein Gefühl innerer Ausge glichenheit und des Friedens. Mondra hatte nur einen Teil der Geschichten verstanden, die die Puppen erzählten; doch sie hatte die Absichten des jewei ligen Beseelers gespürt. »Jeder Trimian kostet ein kleines Ver mögen.« Sie seufzte. »Ich hätte auch gerne einen.« Perry kniff die Augen zusammen. »Ich hatte schon meine Erfahrungen mit süchtig machendem Spielzeug.« »Mit den Imprint-Waren der Hama mesch, ich weiß.« Mondra lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Die Trimian sind nicht psi-geladen. Ihre Erschaffer und Beseeler sind meiner Meinung nach großartige Künstler. Mehr steckt nicht dahinter.« Abrupt wechselte sie das Thema. »Gibt’s schon was Neues zu den Controllern?« »Nein.« Perry ballte die Hände, die Kieferknochen traten deutlich in sei nem hageren Gesicht hervor. »Sie wol len ihre Geheimnisse nicht preisgeben. Dann und wann zeigen sich Holos. Strukturzeichnungen, die wir nicht ver stehen und die sich auch nicht verän dern lassen. Sie sind wie eingefrorene Standbilder. Es hat den Anschein, als
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wären die Controller nur im Bereich eines aktivierten Polyport-Hofes ein satzbereit.« Der Terraner wandte sich den bunten Panoramabildern zu, die drei Seiten des rechteckigen Zentraleraums bedeck ten. »Immerhin hat MIKRU-JON zählbare Erfolge vorzuweisen. Der Raumer wer tet alle Daten über PERISTERA und Kyon Megas aus. Wir haben mittlerwei le Angehörige von mehr als zweihundert Völkern identifiziert, wir wissen einiges über den historischen Unterbau der Kriege, die Diktyon und Kyon Megas heimsuchen, und wir haben uns einen detaillierten Überblick über die tech nischen Möglichkeiten in der Kleinga laxis verschafft.« Die Bordkameras von MIKRU-JON lieferten gestochen scharfe Bilder. Drei ßig verschiedene Raumschiffe rings um sie standen im Fokus der Beobachtung. Ständig trudelten neue Daten ein. Mut maßungen über den Allgemeinzustand der Schiffe und deren Bewaffnung im Besonderen erhielten immer größere Datensicherheit. Was hinter den Ver waltungsgebäuden, in den inneren Be reichen der eigentlichen Stadt, statt fand, blieb allerdings im Dunkeln. Perry hatte, wie sie feststellte, darauf verzichtet, Spionkameras über dem Marktgelände zu verteilen. MIKRU-JON sammelte sämtliches Wissen, wie unnütz es auch wirkte. Darunter wohl etliches, das bestenfalls Fachleute der diversen Sparten der Xeno-Wissenschaften interessieren würde. Perry, Icho und sie suchten nach einem Zugang zu den Transferkaminen PE RISTERAS, um ein nächstes Etappen ziel anzuwählen. Sie hatten weder die Zeit noch die Muße, sich mit den Pro blemen in Kyon Megas gründlich aus einanderzusetzen. Ihre Sorge galt den Menschen im heimischen Sonnensys tem. »Ich werde jetzt duschen«, sagte Mondra Diamond, bevor Perry in sei nem Bericht ins Detail gehen konnte, »und dann eine Kleinigkeit essen, bevor
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ich mich bei den Wagokos zum Dienst melde.« »Das gefällt mir nicht«, murmelte der Unsterbliche, »das gefällt mir ganz und gar nicht.« Die strenge Falte oberhalb seiner Na senwurzel zeigte sich immer dann, wenn er mit einer ihrer Entscheidungen nicht einverstanden war. Womöglich durch schaute er sie und wusste, dass sie die Erlebnisse der vergangenen Stunden verharmloste. Aber er hielt sich zurück. Er respektierte ihren Wunsch nach ei genständigem Vorgehen. »Also schön«, sagte er schließlich. »Sieh zu, dass du deinen Auftrag so rasch wie möglich hinter dich bringst. Und achte auf den Controller. Irgendwann, irgendwo muss er ansprechen. Und wir bleiben in Kontakt – verstan den?« »Verstanden, Sir!« Sie stand stramm und salutierte zackig. Perry sah sie irritiert an und sagte kein Wort. Ramoz hob den Kopf. Das Tier mus terte sie interessiert und kniff die Augen zusammen. Es schien ihr sagen zu wol len, dass sie einen großen Fehler be ging. * Sie traf die Wagokos am vereinbarten Treffpunkt, nahe ihres birnenförmigen Schiffes. Sieben seiner tapfersten Ka meraden umringten Lanzenkaur und schnatterten aufgeregt. Als die Wagokos Mondra näher kommen sahen, brachen sie in »Hoch«-Rufe aus und sprangen vor Freude wild umher. »Ruhe! Reißt euch zusammen!«, rief Mondra. Augenblicklich wurde es still. »Dies wird kein Spaziergang. Ich kann euch nur dann beschützen, wenn ihr euch so verhaltet, wie ich es von euch verlange. Verstanden?« »Verstanden«, sagte Lanzenkaur stellvertretend für die anderen. Sie alle duckten sich ängstlich unter ihren Wor ten. Mondra deutete auf die Warenkette.
Zwölf individuell steuerbare AntigravKisten waren in Synchronschaltung miteinander verbunden. Sie waren be reits aktiviert und schwebten dicht hin tereinander. »Wer kümmert sich um die Trimian?« »Ich.« Zitterkaib trat vor. Ausgerechnet Zitterkaib. Er war der schlankste der Wagokos und wirkte wie all seine Landsleute liebenswert, doch Mondra hatte selten zuvor einen Toll patsch wie diesen hier kennengelernt. In Verbindung mit ausgeprägter Ängst lichkeit stellte er eine Mischung des Grauens für jedermann dar, der schon mal mit den Notwendigkeiten zielge richteten Vorgehens betraut gewesen war. »Dann los, Zitterkaib.« Mondra beugte sich zu dem Kleinen hinab. »Ich möchte, dass die Kisten möglichst kom pakt fliegen. Nicht hintereinander, son dern über- und nebeneinander. Sie blei ben während des gesamten Marsches synchron geschaltet. Verstanden?« »Aber ... aber ... dann sieht uns doch jeder! Wir können uns und die Kisten nirgends verstecken, wenn die Hopken kommen.« »Hat euch dieses Versteckspiel jemals genützt? Na also! Warum Energien auf wenden, wenn es keinen Sinn hat? Wir zeigen uns ganz offen.« Sie wandte sich an die anderen Wagokos. »Ihr marschiert vor, neben und hinter den Kisten her und lasst sie nicht aus den Augen. Be müht euch, möglichst grimmig dreinzu blicken. Es würde helfen, wenn ihr die Augen zusammenkneift und die Nasen rümpft.« Die Wagokos zogen unglaubliche Gri massen, die eher zum Lachen reizten, als den von ihr erhofften Effekt zu erzie len. Ihre Physiognomie eignete sich nicht dafür, Schrecken zu verbreiten. Sie zeigten Traurigkeit, Liebenswürdig keit, Melancholie, Vertrauen, Furcht oder Verblüffung; doch sobald sie den Gesichtsausdruck eines Schurken zu imitieren versuchten, versagten sie kläglich. »Lassen wir das!« Mondra unter
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drückte ihre Verzweiflung. »Versuchen wir es mit etwas anderem: einem militä rischen Gruppenschritt. Zieht die Bäu che ein, die Brust raus, Kinn vor. Die Füße werden gleichmäßig und im Gleichtakt gehoben und gesenkt, ge hoben und gesenkt. Links, zwo, drei, vier ...« Wertvolle Zeit verstrich, Erfolge stell ten sich kaum ein. Der Nachmittags markt sperrte in weniger als zwei Stun den zu. Bis dahin mussten sie die angekündigte Ware abgeliefert haben, sonst wurden empfindliche Strafen fäl lig. Die Händler und Agenten von Toy kana schröpften ihre Lieferanten, wo es nur ging. »Das sieht ja schon recht gut aus!«, log Mondra nach einer Weile. »Dann kann’s losgehen. Denkt daran: Ich mar schiere vorneweg, ihr folgt mir. Ihr bleibt bei eurer Ware und schützt sie. Ich konzentriere mich auf die Umge bung. Ich kann mich nicht auch noch um euch kümmern. Verstanden?« »Verstanden!« riefen die Wagokos. Sie stürmten zu Mondra und tätschelten sie zärtlich ab. Sie unterdrückte einen Seufzer. Ihre Auftraggeber waren zu klein ge raten, um ihr auf den Rücken klopfen zu können. Also luden sie ihre Liebesbe kundungen vornehmlich auf Mondras Po ab. Die 900 Duretin erwiesen sich als schwer verdientes Geld. * Mondra dehnte und streckte ihren Körper während des Marsches, so gut sie konnte. Diesmal würde sie aufge wärmt sein und ihre Physis so in den Kampf einbringen können, wie sie es von sich selbst erwartete. Da und dort zwickte es noch, aber diese Kleinig keiten ließen sich mithilfe des MedoPacks des SERUNS in den Griff bekom men. Sie hatte sich im Vorfeld ihres Unter nehmens über die Hopken und ihre Vor gehensweise schlau gemacht. Selbst die wirr vorgetragenen Berichte der Wago
kos reichten aus, um die humanoid wir kenden Wesen mit der quallenähnlichen Körpersubstanz und ihre Methoden zu verstehen. Erstens: Die Hopken riskierten nichts. Sie schlugen nur dann zu, wenn sie sich ihrer Sache hundertprozentig sicher waren. Zweitens: Sie besaßen eine natürliche Grausamkeit und einen ausgeprägten Spieltrieb. Sie liebten es, mit den Wago kos böse Späße zu treiben. Drittens: Wenn sie es geschafft hat ten, die Waren der Waschbärigen zu er obern, labten sie sich an ihrer Überle genheit. Viertens: Sie waren schlau genug, den Großteil der Trimian bei den Wagokos zu lassen. Sie wussten, dass die Kleinen auf den Verkauf ihrer Figuren angewie sen waren und immer wiederkehren würden, solange sie gut genug ver dienten. Fünftens: Aasin und seine Blendbrü der waren Marktwächter. Ulocco Lo’tus drückte also seine Augen zu, solange die Beschwerden über die Hopken nicht all zu laut wurden. Die Wagokos waren dank ihres Naturells leicht ruhigzustel len. An größere oder bedeutendere Händlerkonsortien würden sich die Hopken nicht herantrauen. Dies alles ging Mondra durch den Kopf, während sie ihre Schutzbefohle nen durch die Verwaltungshallen ins Freie schleuste. Die Wege der Händler waren andere als jene der Touristen. Sie bewegten sich anfangs durch ausge dehnte Trümmerfelder. Da und dort ver bargen sich verkommen wirkende Ge stalten zwischen Bergen von Unrat. Strandgut, dachte Mondra mit auf wallendem Bedauern, Wesen, die vom Schicksal gestraft und auf den Markt von Toykana gespült wurden. Aus eige ner Kraft werden sie es niemals schaf fen, sich wieder von hier zu lösen. Spar dir das Mitleid und konzentrier dich gefälligst!, ermahnte sie sich. Du kannst nicht das ganze Universum ret ten und erlösen. Unaufhörlich ortete sie mit den Mit
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teln des SERUNS nach allen Rich tungen, hielt Ohren und Augen offen. Das Trümmerfeld war ihrer Meinung nach nicht der geeignete Platz für einen Überfall, aber man konnte nie wissen ... Wenn sie die Hopken richtig ein schätzte, würden sie auf einem be lebteren Platz zuschlagen. In erster Li nie, um ihrer Eitelkeit Genüge zu tun; aber auch, um anderen Händlern zu de monstrieren, über welche Macht sie als Wächter der Stadt verfügten. Warum musste der Warentransport derart kompliziert vor sich gehen? War um geschah er nicht mithilfe vollauto matischer und versiegelter ContainerGleiter? »Wir können es uns nicht leisten«, antwortete Lanzenkaur auf Mondras Frage. »Außerdem gibt es Traditionen, an die wir uns halten.« Traditionen. Meist nicht mehr zeitge mäße, natürlich gewachsene Konventi onen, die Aasin und seinen Spießgesel len in die Hände spielten. Die Hopken fühlten sich keinesfalls an irgendwelche Regeln gebunden. Wie besprochen, versteckten sich die Wagokos diesmal nicht. Nachdem sie die offene Ebene durchquert hatten, be nutzten sie ausgetretene Wege, die auch von anderen, müde wirkenden Händ lern begangen wurden. Es ging an vielen schäbigen Hütten vorbei, in denen We sen hausten, die sich anscheinend ver zweifelt an die miesesten Jobs in den Markthallen festklammerten, um nur ja nicht wie die weniger glücklichen Ge stalten in den Trümmerfeldern zu en den. Allmählich wurden Infrastruktur und Bausubstanz besser, auch die Luft schmeckte frischer. Da und dort zeigten sich in wertvolles Tuch gehüllte Krämer auf den Wegen und Straßen. Manche von ihnen schwelgten in Opulenz, ließen sich von Antigrav-Sänften tragen und waren über und über mit wertvollem Schmuck behängt. Sie stellten ihren Reichtum ungeniert zur Schau, wäh rend nur wenige hundert Meter entfernt Wesen zu verhungern drohten.
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Der Markt von Toykana war das mi niaturisierte Abbild jener Welt, der Per ry Rhodan entsprungen war. Unermess licher Reichtum und bittere Armut waren durch Marginalien voneinander getrennt. Ein Name mochte den Unter schied ausmachen, ein Geburtsrecht oder eine einzige Idee. Der Specknapf kam in Sicht; jenes Lokal, das gemäß Lanzenkaur als Bin deglied zwischen den beiden so unter schiedlichen Welten diente. Dort trafen sich der größte Gauner und der edelste Kavalier bei einem Getränk – und es war nicht von vorneherein klar, wen man welchem Teil der Marktstadt zu ordnen sollte. »Aufpassen jetzt!«, warnte Mondra die Wagokos. Links und rechts rückten Häuserwände näher an die Gehwege heran, einige verkümmerte Sträucher und Bäume schränkten die Sicht zu sätzlich ein. »Denkt daran: Ihr haltet euch im Hintergrund.« Sie wusste, dass es hier geschehen würde. Sie hatte derlei Situationen oft genug miterlebt. Für das geübten Auge war der eine Schatten zu dunkel und diese Konverter-Tonne zu unauffällig in der Mitte des Weges platziert. Auch der SERUN schlug nun Alarm. Er maß mehrere Bio-Werte dort an, wo sich ei gentlich nichts befinden durfte. Sie identifizierte vier Gegner. Und eine Mülltonne, die zur Falle gehörte. Soeben hob sich ein Schwarm der »Gall fliegen« genannten Winz-Roboter da raus hervor. Sie zogen dünne Fäden grauen Rauchs hinter sich her, die sich explosionsartig ausbreiteten. Mondra deutete den Wagokos nach links zu eilen und in einer kleinen Ni sche zwischen zwei Häusern Deckung zu suchen. Mehr konnte sie für ihre Schutzbefohlenen nicht tun. Ihre ganze Aufmerksamkeit musste nun ihren Geg nern gelten. Sie schloss den SERUN, der Folien falthelm machte dicht. Die Kombiwaffe blieb im Seitenhalfter. Der Nebel kam wie eine Walze auf sie zu, von den Gallfliegen gezogen. »Ich
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messe ein schädliches Gasgemisch an«, meldete die Positronik ihres Schutzan zuges. »Es beinhaltet Halluzinogene, die auf deinen Metabolismus abgestimmt sind.« Mondra fühlte sich in ihren Vermu tungen bestätigt. Ihr Ruf als harte und kompromisslose Kämpferin hatte sich mittlerweile herumgesprochen. Die Hopken hatten ihre Auseinanderset zung mit den Doriten analysiert und sich auf die Begegnung vorbereitet. Und dennoch zeigten sie sich leicht sinnig. Sie verzichteten auf Schutzschir me, und die Messungen des SERUNS zeigten, dass keine Energiestrahler ak tiviert waren. Auch Deflektoren waren keine im Einsatz. Sie glauben, dass mein SERUN ähn liche Leistungsmerkmale wie ihre An züge aufweist, dachte Mondra. Sie ha ben keine Ahnung, dass ich aus einer fernen Galaxis stamme, deren technolo gisches Niveau weit über dem ihren an gesiedelt ist. Ein erster Hopken desaktivierte seine Tarnung, die holografische Darstellung eines Hausmauer-Teils, und kam auf sie zu. Er bewegte sich leise, aber nicht lei se genug für die empfindlichen Außen mikrofone des SERUNS. Mondra hatte ihn ganz genau im Visier, tat aber nach wie vor so, als könnte sie in dieser dich ten Suppe nichts erkennen. Die drei anderen Hopken blieben in ihren Verstecken. Sie gaben sich vor sichtiger, als Mondra angenommen hat te – und erschwerten ihr damit ihre Auf gabe. Viel lieber hätte sie alle vier Gegner gleichzeitig bekämpft. Mondra wich im letzten Augenblick zur Seite. Etwas Blitzendes, Reflektie rendes durchteilte den Nebel. Eine lan ge Stichwaffe – offenbar sehr beliebt auf dem Markt von Toykana – bohrte sich knapp neben ihr in die Staubkruste des Bodens. Die Spitze der Waffe split terte. Sie packte den waffenführenden Nes selarm und schüttelte ihn, so fest sie konnte und so lange, bis das degenartige Ding zu Boden klirrte. Nur die Arme
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ihres Gegners waren ungeschützt, im Gegensatz zu Beinen, Kopf und Rumpf, die von einer plump wirkenden Körper kombination geschützt wurden, und ih nen galt Mondras ganze Konzentra tion. Noch bevor sie an der glitschigen Au ßenhaut des Hopken abrutschen konn te, erkannte der SERUN die Gefahr und spritzte ein Kontaktmittel auf das Greifglied. Mondra zog und zerrte an dem Arm, schüttelte ihn hin und her, hin und her. Weitere Nesseln fegten über sie hinweg. Manche Hiebe trafen, blieben aber wirkungslos. Der SERUN schützte sie zuverlässig. Der Hopken jaulte zornig auf. Seine Bewegungen kamen nun ungezielter. All zu rasch vergaß er, was er bei Übungs kämpfen bestimmt tausendfach einge trichtert bekommen hatte. Er verlor die Nerven, schlug wild um sich. Mondra ging mit jeder seiner Bewe gungen mit. Sie ließ nicht locker, scher te sich nicht um die wütenden Rundum schläge. Um diesen einen Arm drehte sich alles. Sie fühlte sich umhergewir belt, gegen einen Baum gedrückt, vom Hopken ausgehebelt und hoch in die Luft geschleudert. Sie behielt ihren Griff bei, sie stöhnte und ächzte über zeugend. Die Begleiter des Hopken sollten se hen, was geschah. Sie sollten glauben, dass sie mehr Schwierigkeiten hatte, als ihr lieb war. Mondra liebte es, unter schätzt zu werden, und es würde ihr helfen, auch den Kampf gegen die drei anderen Gegner unbeschadet zu über stehen. Sie wurde zu Boden geschleudert und landete exakt dort, wo sie hinwollte. Es muss wie ein Zufall wirken ... Mondra ertastete mit ihrer freien Hand den Degen mit der abgebrochenen Spitze und zog ihn zu sich. Sie gab sich hektisch und fahrig, stöhnte von Zeit zu Zeit. Jetzt! Ein scheinbar unkontrolliert geführ ter Hieb, ein langer Schrei – und der Arm des Hopken, mit dem sie so inten
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siv gerungen hatte, platschte zu Boden. Mondra spielte ihre Rolle weiter. Scheinbar unkontrolliert hieb sie auf den Hopken ein. Ihr ganzes Verhalten wirkte wie von Willkür und Panik ge prägt. In Wirklichkeit achtete sie tun lichst darauf, ihren Gegner unter keinen Umständen schwerer zu verletzen als unbedingt notwendig. Es forderte ihr höchste Konzentration ab und bedurf te einer schauspielerischen Glanzleis tung. Sie stellte sich dumm und ungeschickt an, vergab unzählige Chancen, und als sie schlussendlich doch den entschei denden Treffer landete, wirkte es wie Zufall. Ein weiterer Nesselarm hing nun, halb abgetrennt, vom Körper des Hopken. Sie ging von Verteidigung zu Angriff über. Rings um sie war es nass und glit schig geworden. Der Hopken verlor eine Menge Flüssigkeit. Lange durfte sie nicht mehr warten, wollte sie nicht den Tod ihres Gegners riskieren. Sie deckte ihn mit einer Serie von Schlägen ein, einer schmerzvoller als der andere. Alle waren sie gegen die Spitzen der Nessel arme gerichtet; dorthin, wo sie die meis ten Nervenbündel vermutete. Der Hopken stöhnte laut und zog sich zurück. Anfänglich Schritt für Schritt, dann immer rascher werdend, um dann, in Panik geraten, davonzuhetzen, als wäre der Tod höchstpersönlich hinter ihm her. Mondra tat ein paar tiefe Atemzüge. Richtige Atemzüge, wie sie die DagorSchule lehrte. Körper und Geist fanden binnen Kurzem zu Übereinstimmung, ihr Puls beruhigte sich. Neu sammeln. Neu fokussieren. Die Aufwärmrunde war beendet. Nun würde sich zeigen, ob sich die drei übrig gebliebenen Hopken von ihr hatten blenden lassen. Würden sie Verstärkung herbeiholen – oder glaubten sie dem kleinen Schauspiel, das sie geliefert hat te? Die Nebelschwaden verzogen sich, die Gallfliegen hatten ihre Aufgabe be endet. Zwischen grauen Wolken scho
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ben sich die drei übrig gebliebenen Geg ner näher. Langsamer und vorsichtiger als ihr Freund, aber auch sie schwelgten in übertriebener Selbstsicherheit. Sie hielten mehrere Stichwaffen mit rasch vibrierenden Klingen. Die Schneiden berührten einander immer wieder, Fun ken sprühten zur Seite. Nimm den Linken! Er war ungeduldig, er würde sie als Erster attackieren. Mondra achtete auf jede seiner Bewegungen, und als sie fühlte, dass er angreifen würde, kam sie ihm um einen Augenblick zuvor. Es gab kein Zurück mehr, kein Vor täuschen und Zögern. Mondra rief alles ab, was ihr Atlan und viele andere Leh rer eingeschärft hatten. Keine Angst zeigen. Immer mehrere Schritte vorausdenken. Den Gegner nie mals unterschätzen. Kontrollieren. Druck ausüben. Selbstsicherheit aus strahlen. Keine Kraft verschwenden. Fehler, die immer wieder passierten, ak zeptieren. Improvisieren. Die Taktik des Gegners analysieren und so rasch wie möglich darauf reagieren ... Nahkampf basierte auf Hunderten von Regeln. Jede für sich war immens schwer zu begreifen; manchmal brauchte es Jahre, bis man eine einzige von ihnen verinnerlicht hatte. Dieser Kampf erforderte Perfektion. Mondra musste die Hopken nicht nur besiegen, sie musste sie demütigen. Ihre Gegner durften niemals erfahren, wie sie es geschafft hatte, und sie mussten vor Angst zu nässen beginnen, sobald sie an sie dachten. Mondra bewegte sich wie ein Wirbel wind durch die Choreographie des Kampfes. Sie passte ihre Taktik den Ge gebenheiten immer wieder neu an und achtete tunlichst darauf, unberechen bar zu wirken. Dieser Tanz folgte einem eigenen Takt und Rhythmus, den nur sie spüren konn te, dem sie sich mit aller Inbrunst ver schrieb. Ihre Beutewaffe wurde zum Taktstock, Beine und Arme zu gut ge stimmten Instrumenten, der Kopf zum Dirigenten.
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Innerlich entfernte sie sich immer weiter vom Kampf. Er wurde zur Ne bensächlichkeit. Sie alleine war ent scheidend. Ihr Wollen und ihr Sein be stimmten den Tanz. Worte und Bilder entstanden in ihrem Innersten. Sie fie len mit ihren Bewegungen zusammen und formten ein einheitliches Etwas, das nur sie und niemand sonst spüren konnte. Es war der Rhythmus ihres Lebens. Die Musik, nach der sie sich bewegte, entsprach der Gesamtheit ihrer Persön lichkeit und ihres Könnens. Mondra be trachtete sich selbst aus der Position einer auktorialen Erhöhung und genoss den Anblick. Sie näherte sich der Perfektion des Dagor-Tshen, des Einswerdens im Ge samten. Es war so schön, dass es fast schmerzte; wie ein intensiv erlebter Or gasmus. Mondra Diamond wurde aus der Trance gerissen, bevor sie die absolute Vollendung erreichte. Ihre Gegner lagen im Staub. Sie jammerten und winselten, sie nässten im Bereich des Rumpfes und der Arme, aber auch an den Beinen. Mondra hatte mit einer beschädigten Stichwaffe die Schutzanzüge ihrer Geg ner durchdrungen! Sie hätte nicht sagen können, wie es ihr gelungen war. Der Kampf war zu Ende, die Erinne rung schwand. Was blieb, war ein unbe stimmtes Hochgefühl. Sie hatte eine Stufe im Dagor erreicht, die ihr bislang verborgen geblieben war. So etwas wie Bedauern mischte sich in die Euphorie: Womöglich würde sie niemals wieder diesen Zustand der ab soluten Hingabe erreichen können. * Sie suchte die Wagokos und fand sie in einem Kabuff, das kaum genügend Platz für sie und die Warenkisten bot. »Das war ... das war ...«, stotterte Zit terkaub, »das war ...« »Da gibt’s einfach kein Wort dafür«, sprang Lanzenkaur ein. »So etwas habe ich noch niemals in meinem Leben ge
sehen.« Er zwängte sich aus seinem Ver steck und näherte sich den drei am Bo den liegenden Hopken. Vom vierten war keine Spur zu sehen. »Sind sie tot?«, fragte er. »Sie können sich noch bewegen«, ent gegnete Mondra Diamond spröde und fügte hinzu: »Zumindest ein bisschen.« »Aasin befindet sich nicht unter ih nen.« Lanzenkaur ging von einem Ver letzten zum anderen und grinste über sein breites Gesicht. »Das dachte ich mir. Aber er wird bald wissen, was hier vor sich gegangen ist. – Wir sollten so rasch wie möglich verschwinden. Die Ware muss abgelie fert werden, bevor der Nachmittags markt schließt.« Lanzenkaur stimmte ihr zu. Seine Augen, noch riesiger und noch weiter aufgerissen als sonst, strahlten vor Freude. Er befahl seinem Freund Zitter kaib, die Warenkisten anzuheben und neu zu synchronisieren. Der kleine Zug setzte seinen Weg fort. Die Wagokos sangen ein Lied von Tatkraft und Hel denmut, und jedem der bewusstlosen Hopken versetzten sie beim Vorbeimar schieren einen kräftigen Tritt. 9. Ulocco Lo’tus »Das kannst du ihnen nicht durchge hen lassen, Herr!«, blubberte Aasin völ lig außer sich. »So?« Ulocco blickte an dem Söldner vorbei, sah hinab auf das Landefeld, die Felder, die Stadt; auf sein kleines Reich. »Was erwartest du von mir? Soll ich dir einen Freischein für deine kleinen Ne bengeschäftchen ausstellen und einen Aufstand unter den Gästen riskieren? – Nein, Aasin! Finde dich mit deiner Nie derlage ab. Lange genug hast du dir ei nen feisten Schlammbauch ansaufen können, aber es war abzusehen, dass du irgendwann an einen Stärkeren geraten würdest. Es tut mir leid – ich kann nichts für dich tun.« »Aber Herr ...«
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»Genug! Verschwinde aus meinen Augen!« Ulocoo Lo’tus winkte; zwei Mitglieder seiner Leibgarde traten in den Raum und näherten sich dem Hop ken. Die Toyken, denen die Zungen ent fernt und deren Herzen durch Implan tate ersetzt worden waren, für die er stets einen Befehlsgeber bei sich trug, würden ihn aus gutem Grund mit ihrem Leben beschützen. Aasin, dessen Blendbrüder vor den Toren des Arbeitszimmers warteten, schien dennoch zu überlegen, ob er sich auf ihn stürzen sollte. Er stand auf wa ckeligen Beinen da und ließ literweise Wasser. Seine Nesselarme peitschten als Zeichen seiner großen Wut durch die Luft. »Nun?«, fragte Ulocco. Er spürte Wut und Lust. Schädliche Emotionen droh ten die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen. Der Marktleiter wollte diesen Kampf, wollte sich endlich wie der einmal an einem würdigen Gegner reiben ... Sein vom Meningeom gesteuerter Verstand griff rechtzeitig ein. Ulocco zog sich einen Schritt zurück. So weit, dass ihn der fix installierte Schutz schirm, der quer durch den Raum ging, vor einer Attacke des Hopken schützen würde. Er war nicht mehr der Jüngste, und die vielen Jahre in diesem Elfen beinturm hatten seinen Körper weich gemacht. Der Augenblick der Spannung verging. Aasin ließ die Nesselarme hän gen, und unter leisem, verächtlichem Blubbern trabte er aus Uloccos Arbeits zimmer. Hopken hatten wie Toyken große Schwierigkeiten, ihre Niederla gen zu verarbeiten. »Soll ich ihn entsorgen?«, fragte Za vian Ta’gris, die sich unauffällig genä hert hatte und ihm über die Schulter blickte. »Nein. Lass ihn gehen. Er wird es nicht wagen, sich gegen mich zu stel len, solange seine Futtertröge bis zum Rand gefüllt sind. Wächter wie er sind mitunter recht nützlich. Sie schlagen zu, fragen erst danach ihren Gegner,
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was er eigentlich von ihnen wollte, und wundern sich, wenn er keine Antwort gibt. Und womöglich sehe ich ein wenig von Aasin in mir selbst, dachte Ulocco Lo’tus, bevor ich mir das Meningeom einsetzte. »Du solltest ihn und seine Brut vom Markt abziehen«, stichelte Zavian Ta’gris weiter. »Gib ihm eine der Außen plattformen als Spielwiese oder entlasse ihn aus deinen Diensten. Er könnte dir gefährlich werden.« Zavian hängte die Rüsselnase in die Luft und sog Luft ein. Sie näherte sich ihrer letzten Brunftperiode, wie Ulocco wusste, und entwickelte im Laufe dieser Entwicklung ein unangenehmes Ag gressionspotenzial. Er musste sich vor ihr in Acht nehmen. Sie war eine Frau von Rang, und sie würde es sich trotz seiner ablehnenden Haltung nicht neh men lassen, sein Schlafgemach aufzusu chen. Sie forderte und erwartete, dass er seinen Pflichten Genüge tat. Das Menongeom bewahrte Ulocco vor überstürzten Handlungen. Es dämpfte seinen Sexualtrieb; eine Vereinigung mit Zavian Ta’gris ergab schlichtweg keinen Sinn. Sie wollte sich an seiner Macht berauschen und an ihr teilhaben. Wenn er sich auf dieses flüchtige Aben teuer einließ, handelte er sich mehr Schwierigkeiten ein, als ihm lieb sein konnte. Nein! Es durfte nicht so weit kom men ... Ulocco sprang auf sie zu, so rasch, dass sie die Bewegung nicht einmal im Ansatz erahnte. Er packte sie am feuch ten Rüssel und drückte zu. Sie brach in ein klägliches Quieken aus. Ihr Schweiß roch nun nicht mehr nach Begierde, sondern nach Angst. »Hör gut zu, denn ich sage es nur ein einziges Mal: Du hast kein Anrecht auf mich. Egal, was dir dein Körper sagt: Du wirst dich von mir fernhalten. Ich verzichte auf deine Ratschläge und dei ne Anwesenheit. Solltest du dich nicht im Zaum halten können, werde ich da für sorgen, dass du den Rest deines
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kümmerlichen Lebens unten in den Blech-Trakten verbringst. Verstan den?« Ulocco Lo’tus lockerte seinen Griff um den Rüssel ein wenig, sodass sie ihre Zustimmung krächzen konnte. Erst dann ließ er sie los und stieß sie von sich. Zavian stolperte gegen eine Wand, fiel zu Boden, erhob sich, ordnete mit fah rigen Bewegungen ihr Borstenhaar und flüchtete aus seinem Arbeitsraum. Das Meningeom erlaubte ihm, so et was wie Vorfreude zu empfinden. Die Triebe Zavian Ta’gris’ würden bald wie der durchschlagen. Die Drohung, sie zu töten, würde die Frau nicht davon ab halten, ihm weiterhin nachzustellen, selbst auf die Gefahr hin, in die Gefäng nisebenen transportiert zu werden. Ulocco würde sie in die Blech-Trakte begleiten und zusehen, wie sie verende te. * Endlich tat sich eine neue Spur auf! Seine Archivar-Roboter waren Querver weisen gefolgt, die sich wiederum auf uralte Quellen beriefen, deren Ab schriften in längst in Vergessenheit ge ratenen Lagerstätten wiedergefunden wurden. Die Folienstöße hatten zumeist – beschönigte – Abrechnungen und Kos tenaufstellungen seiner Vorgänger zum Thema; doch völlig unerwartet fanden sich in unscheinbaren Vakuum-Mappen Schriftstücke, die ein wenig Licht auf die Rätsel um die Halbraum-Changeure warfen. »Das Schiff dürfte echt sein, die Be satzung nicht«, sinnierte Ulocco Lo’tus. Die ursprünglichen Besatzungsmit glieder ähnelten Mondra Diamond und Perry Rhodan zwar, aber sie waren deutlich kleiner. Für einen Moment wünschte er sich Zavian Ta’gris als Gesprächspartnerin herbei; das Meningeom unterdrückte augenblicklich diesen Wunsch. Er brauchte niemanden. Er war sich selbst genug, und er war dank seines klaren, unbeeinflussten Intellekts jederzeit in
der Lage, die logischen und einzig rich tigen Schlüsse zu ziehen. »Sie sind Beutewesen. Sie haben MIKRU-JON gestohlen und bedienen sich der Technik.« Er warf die Folien achtlos beiseite, überkreuzte die Beine auf seinem Schreibtisch und überlegte. Was bedeu tete das für ihn und seine Pläne? Er war Herr über den Markt, so wie früher die Halbraum-Changeure. In ge wisser Weise war er deren legitimer Nachfolger. Hatte er damit nicht An spruch auf jeden weiteren Besitz, wie zum Beispiel auf dieses Schiff namens MIKRU-JON? Nun – das war eine schwache Ablei tung, die vor keinem Gericht Kyon Me gas standhalten würde; doch sie ge nügte, um sich selbst Absolution zu erteilen. Niemand würde ihm das Nut zungsrecht für das Schiff streitig ma chen. Niemand – außer den jetzigen Ei gentümern, deren Anspruch ebenso zweifelhaft war wie der seine. Erstmals seit Langem war Ulocco Lo’tus mit den Gedankengängen des Meningeoms nicht zufrieden. Es dachte sehr nüchtern und zwang ihn, nach rechtlichen Schlupfwinkeln und Win kelzügen zu suchen, die er gar nicht be nötigte. Auf dem Markt von Toykana war er Herr über Leben und Tod. Er be nötigte einen Anlassfall, um Mondra Diamond und ihre Begleiter zu verhaf ten und verschwinden zu lassen. Das war alles. Ulocco Lo’tus aktivierte eine Gallflie ge. »Ruf mir Aasin, den Hopken, her bei!«, befahl er. »Sag ihm, dass ich meine Meinung geändert habe. Er hat meine volle Unterstützung, sollte er die Be schützerin der Wagokos jagen wollen.« 10. Mondra Diamond Nachdem sie einen kurzen Bericht an Perry übermittelt hatte, gesellte sie sich zu den Wagokos. Die Waschbärigen fei erten, kaum mit vollen Kontochips auf
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ihr Schiff zurückgekehrt, den Triumph über Aasins Bande, als gäbe es kein Morgen. Kein mahnendes Wort Mondras nützte, und auch keine Drohung. Lanzenkaur und die Seinen tanzten und tranken, sie gaben schmutzige Zoten zum Besten und erklärten Mondra in einem völlig abstru sen Ritual zur Ehren-Wagokos. Sie boten ihr an, »diese grauenhaft nackte Haut« mit einem ganz besonderen Wachstums mittel zu behandeln, das ihren Körper mit »einem wuschelig weichen Flaum« überziehen würde. »Ich denke nicht, dass mein Partner damit einverstanden wäre«, lehnte Mondra ab. »Er liebt mich unbehaart, wie ich bin.« Was musste sie sich nicht alles anhö ren! Von einer gestörten Verhaltenswei se war die Rede und davon, dass sie end lich den Mut finden sollte, zu sich selbst zu stehen. Und dann das ständige Trin ken – »nur noch einen Becher, nur diesen einen« .... Als Mondra erwachte, lag sie in einer der Gemeinschafts-Hängematten, ein gekeilt zwischen zwei unbekleideten Wagokos, die laut vor sich hin schnarch ten und entsetzlich stanken. Sie verdrängte jede Erinnerung an das Geschehene, soweit noch vorhan den, und quälte sich aus ihrer Liegestät te. Durch ihren Kopf marschierten gan ze Regimenter winziger Wagokos mit der ihnen eigenen Vorstellung von Dis ziplin. Sie sangen schrecklich laut und schrecklich falsch. So laut und so falsch, dass ihr Kopf abzufallen drohte. »Auf, ihr Schlafmützen!«, flüsterte sie und rüttelte an jeder einzelnen Hänge matte. »Wir haben einen weiteren schweren Gang vor uns! Denkt an die letzte Trimian-Lieferung!« Mondra ver fluchte sich selbst und die so liebens würdig wirkenden Wagokos, die sie mit Engelszungen zur Teilnahme an diesem Gelage überredet hatten. Es dauerte eine Weile, bis Schwung in den Laden kam. Verkaterte Wagokos ähnelten in ihrem Verhalten frappant verkaterten Menschen. Sie jammerten
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und sie reagierten empfindlich auf zu laute Geräusche. Dazu kamen blutun terlaufene Augen und die ohnedies zer knautscht wirkenden Gesichter. Ein grässlich gelbes Gebräu wurde reihum gereicht, gefolgt von fettiger Suppe und den bereits säuerlich schme ckenden Resten aus dem SchlagsahneTopf. Wundersamerweise half diese Mi schung Mondra tatsächlich, wieder auf die Beine zu kommen. Sie ignorierte jeden Spiegel in ihrer Umgebung – die tief hängenden Augenringe ließen sie einem Wagokos nicht unähnlich erscheinen – und bereitete sich mit der ihr eigenen Gründlichkeit auf den zweiten Ausflug zu den Markthallen vor. Sie kontaktierte Perry, verzichtete al lerdings auf die Bildübertragung. Der Terraner meldete sich augenblicklich. »Habt ihr schön gefeiert?«, fragte er ohne weitere Begrüßung. »Ein wenig. – Wir machen uns bald auf den Weg. Ich schätze, dass meine Aufgabe in zwei bis drei Stunden been det ist.« »Gab es eine Reaktion Ulocco Lo’tus’?« »Nein. Ich befürchte, er kümmert sich nicht weiter um die kleinen Nebenge schäfte seiner Söldner-Wächter. – Na ja, immerhin verdiene ich mir etwas Klein geld.« »Sei trotzdem auf der Hut, sobald du das Schiff verlässt.« »Der Raumhafen ist exterritorial. Niemand würde es wagen, die Wagokos hier anzugreifen; auch der Marktleiter nicht.« »Du siehst das zu optimistisch, wie immer. Du hast Uloccos Wächter provo ziert. Das reicht einem Potentaten wie ihm, um die Regeln neu zu definieren.« »Der Markt von Toykana lebt aber gerade von einem funktionierenden Re gelwerk und einer gewissen Beständig keit. Die Händler und die Touristen füh len sich auf der Station einigermaßen sicher, niemand zweifelt die Urteilskraft des Marktleiters an.« »Du bist zu gutgläubig«, wiederholte Perry.
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»Und du bist ein alter Miesmacher«, entgegnete Mondra. »Glaub mir: Ich habe alles unter Kontrolle. Ich möchte Ulocco aus der Reserve locken, ihn aber nicht zu meinem Feind machen.« »Das ist wie ein Akt auf dem Hoch seil.« »Den ich bekanntermaßen gut be herrsche.« Mondra lächelte gewinnend, bis sie bemerkte, dass die Bildübertra gung nach wie vor nicht zugeschaltet war. »Ich kann gut genug auf mich selbst aufpassen.« »Ich weiß. Aber ...« »Genug für jetzt, die Wagokos stehen Gewehr bei Fuß. In ein paar Stunden kannst du mich zum Sektfrühstück er warten. Und du darfst mir die Füße massieren, wenn ich dir das Geld für die Standgebühr überreiche.« Sie beendete das Gespräch, schüttelte den nach wie vor schweren Kopf und gab dem Drängen der Med-Abteilung des SERUNS nach, der ihr über mehre re Hautpflaster alkoholabbauende Mit tel verabreichte. Ihre Sinne, die bislang einen heftigen Krieg gegeneinander geführt hatten, fanden endlich wieder zueinander. Mondra war bereit für den zweiten Wa rentransport, und sie würde den ewig misstrauischen Perry Lügen strafen. *
Sie wählte einen Weg abseits der üb lichen Route. Er wurde nur spärlich be nutzt, was womöglich mit dem üblen Geruch und den undefinierbaren Kör perteilen zu tun hatte, die wahllos über mehrere inaktive und zerbeulte Contai ner verteilt waren. Sie vermochte nicht zu sagen, ob diese Reste von Intelligenz wesen oder von Fleischtieren stammten. Der Gestank jedenfalls war grauenerre gend. Die Wagokos sagten kein Wort. Sie schlichen bedrückt durch die Schat ten der übermannsgroßen Container. Offenbar verfügten sie über ausreichend Fantasie, um zu ahnen, was in diesem Teil der Stadt vor sich ging. Kleines und womöglich auch größeres Getier war dort heimisch geworden. Überall raschelte es, faustgroße Käfer mit blutroten Hinterteilen brummten wütend umher, große Fäkalienhaufen machten die Passage zu einem Spießru tenlauf. Mondra gab eine weitere Routinemel dung an Perry ab. Sie testete den Con troller, wie sie es so oft während des letzten Tages gemacht hatte, erzielte aber kein Ergebnis. Machte sie alles richtig, oder hatten sich Fehler in ihre Überlegungen einge schlichen? Aasin hatte gesehen, was sie mit vieren seiner Blendbrüder angestellt hatte. Wagte er es erneut, die Wagokos anzugreifen, dann würde er diesmal ei
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nen ruhigeren Fleck für seine Attacke auswählen. Einen, an dem es keine Zeu gen gab; zumindest keine, denen irgend jemand Glauben schenken würde. Die Orter des SERUNS lieferten nach wie vor keine Ergebnisse, die auf Ge fahren hindeuteten. Alles war ruhig, fast zu ruhig. Bald ließen sie die letzte Containerreihe hinter sich. Der Speck napf lag unweit von ihnen. Sie mussten nur noch einen ausrangierten und aus gehöhlten Großgleiter durchqueren, dann war es geschafft. Der Weg führte längs durch den skelettierten Korpus des Raumtransporters, durch eine hohle Gasse. Mondra hieß ihre Schutzbefohlenen anzuhalten. Sie nahm sich Zeit. Aus je der Ecke, aus jedem Schatten mochte Gefahr drohen. Erst als sie sich ihrer Sache sicher war, befahl sie den Wago kos, ihr zu folgen. Metallträger ragten links und rechts von ihr hoch wie die Rippen eines Mas todons. Tropfen öliger Flüssigkeit platschten in regelmäßigen Abständen in eine kleine Lache, links vor ihr fla ckerte Licht auf, um gleich darauf wie der zu erlöschen. Ein Vogel löste sich laut protestierend aus seinem Versteck im oberen Bereich eines Rippenbogens. Selbst hier, in dieser unwirtlichen Um gebung, fassten Flora und Fauna Fuß. Ehemalige Haustiere waren ausgewil dert, Pflanzen hatten sich unter unmög lichen Bedingungen irgendwo festge krallt und wider alle Umstände Plätzchen zum Überleben gefunden. Der Mangel an Hygiene, der in diesem Teil der Raumstation herrschte, gewähr leistete den hartnäckigsten Artgenossen ein Überleben. Es gab nicht die geringste Spur von Aasins Leuten. Offenbar hatte er seine Lektion gelernt. Warum aber war sie dann so nervös? Konnte sie etwa ihren Instinkten nicht mehr trauen? Ihre Hand tastete nach dem Halfter an der Rech ten. Wenn es notwendig war, würde sie von der Waffe Gebrauch machen, Verbot hin oder her. Die Mitte des Großgleiters war er
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reicht. An beiden Seiten des Weges ver rotteten Sitz- und Stehbänke, die kei nesfalls für humanoide Wesen gedacht gewesen waren. Im Inneren der Prit schen rumorte es gewaltig; Mondra tippte auf Käfer und Würmer, die sich dort eingenistet hatten. Ihre Schritte klangen hohl, ein Plast teil zersplitterte unter ihren Füßen. Die Wagokos drängten näher zusammen. Auch sie schienen die Gefahr zu füh len. Ein Geräusch, ein Ächzen. Rechts von ihr. Mondra ging in die Knie, abwehrund sprungbereit. Sie las die Umgebung und machte sie zu einem Teil ihres in neren Rasters. Bänke wurden zu De ckungsmöglichkeiten, ein scharfgra tiger Metallteil zur behelfsmäßigen Waffe, zersplittertes Glas zu einer mög lichen Falle. Eine schief stehende Trennwand, teil weise durchgerostet, wankte. Dahinter befand sich jemand. Der Schatten einer humanoiden Gestalt zeichtete sich ab. Sie richtete sich langsam auf, reckte die Arme in die Höhe .... Mondra atmete erleichtert durch. Das Wesen war zweieinhalb Meter groß und sah verwahrlost aus. Seine Haut war von einer Art bunt schillerndem Moos bedeckt; mehrere lange Glieder, Ästen nicht unähnlich, hatten sich in den Un tergrund gebohrt. »Ein Kirrkarola«, sagte Lanzenkaur, der leise zu ihr getreten war. »Ein Pflan zen-Pfau. Es ist ein Wunder, dass er hier überleben kann.« »Er muss wohl«, sinnierte Mondra, als sie die vielen offenen Wunden sah, die die Mooshaut durchbrachen. »Also los, weiter jetzt!« Sie trieb die Wagokos an und machte sich selbst wieder auf den Weg. Der Kirrkarola wandte ihr seine Breitseite zu, die Astarme schwangen hilf- und ziellos umher. Seine »Blätter« fächerten auseinander; die Farben er zeugten ein verwirrendes Muster, das Melancholie und Traurigkeit ausdrück te. Mondra seufzte. Die glänzenden,
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Glück und Reichtum versprechenden Fassaden der eigentlichen Stadt waren vielleicht noch 100 Meter entfernt. Sie würden die Distanz mit ein paar Schrit ten hinter sich bringen. Das völlig ver wahrloste Hybridwesen würde den Weg dorthin niemals mehr wieder gehen können. Es war ein Paria, der dort nichts zu suchen hatte. Sie erreichten den Bugteil des zer störten Gleiters. Das Licht mehrerer Schwebelampen blendete Mondra. Sie kniff die Augen zusammen, bevor sie ins Freie trat. Ein hässliches Geräusch ertönte. Es war das Entladungszischen einer Strahlwaffe. Ein gurgelnder Ton ant wortete. Dann kam der Geruch, dieser schreckliche Geruch, den man niemals mehr wieder vergaß, wenn man ihn ein mal in der Nase gehabt hatte. »In Deckung!«, schrie sie, warf sich selbst zur Seite, in die zweifelhafte De ckung einer mannshohen Transportkis te. Der SERUN zeigte plötzlich mehr als zwanzig Ortungsergebnisse an. Ihre Gegner waren gut verborgen gelegen, im Schutz ihrer Anzüge und weit aufge fächert. Diesmal machten sie Nägel mit Köpfen. Mondra drehte sich zu den Wagokos um. Sie alle standen schreckstarr da, die Warenkisten plumpsten soeben zu Bo den. Einzig Lanzenkaur hatte sich be wegt. Er kniete neben einem toten Art genossen, der kaum noch als solcher zu erkennen war, und jammerte erbärm lich. Dem ewig gut gelaunten Zitter kaib war das Lachen endgültig vergan gen. Mondra starrte blicklos vor sich hin. Es dauerte eine Weile, bis sie registrier te, was hier geschah. Der Kampf gegen die Hopken erreichte eine neue, eine un geahnte Dimension. Sie tastete nach ihrem Halfter, desak tivierte die Trägersignatur-Sicherung und zog die Waffe hervor. Die virtuelle Visierdarstellung erstand vor ihrem Au ge; der SERUN machte sich kampfbe reit.
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11. Perry Rhodan »Ein Energieschirm hat sich über das Raumlandefeld gelegt«, sagte MIKRU JON unaufgeregt. »Ich empfange keine einkommenden Nachrichten mehr. We der aus der Stadt noch von den peri pheren Stationen.« Gefahr!, sagte sich Rhodan. Augen blicklich hatte er die Testserien verges sen, die den Controllern galten. »Be kommen wir eine Verbindung zu Mondra?«, fragte er. »Nein. Auch das Funkgerät ihres SERUNS vermag den Störschirm nicht zu durchdringen.« »Gibt es irgendwelche offiziellen Ver lautbarungen über das Warum und Wie so dieses Schirms?« »Nein. Die Angehörigen anderer Schiffsbesatzungen sind genauso ratlos wie wir. Angeblich sei so etwas noch niemals zuvor geschehen.« Weil auch niemals zuvor eine unter nehmungslustige Terranerin einen Spa ziergang durch die Stadt unternommen hat, mit dem Vorhaben, dem Marktleiter auf die behaarten Zehen zu steigen, dachte Rhodan. Er beobachtete Ramoz. Seit einigen Minuten witterte das Tier in der Luft. Es war aufgestanden und hatte einen ner vösen Rundgang durch die Zentrale be gonnen. »Wir steigen aus!«, befahl der Un sterbliche. »Kann mir nur recht sein.« Icho Tolot zeigte etwas, was er zu einer anderen Gelegenheit einmal als »heiteres Lä cheln« definiert hatte. »Es schadet nichts, sich ab und an Füße und Laufarme zu vertreten.« Perry Rhodan überlegte. Bevor er das Schiff verließ, musste er ein heikles The ma ansprechen. Er wandte sich an MIKRU-JON. »Können wir uns auf dich verlassen?«, fragte er offen heraus. »Ich verstehe nicht ...« »Du hast uns als deine neuen Besitzer akzeptiert, weil wir erfahrene Raum
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fahrer sind. Bedeutet das, dass du jeder manns Anweisungen entgegennimmst, wenn er dich besucht?« »Nein. Ich bin auf euch geeicht. Vor erst.« Schwang in diesem »Vorerst« eine Drohung mit? Es kümmerte Perry Rhodan herzlich wenig. Wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte, hatte Mondra auf dem Markt von Toykana mehr Aufmerksamkeit er regt, als ihnen lieb sein konnte. Alle Konzentration musste seiner Begleite rin gelten. Er hatte keine Zeit und erst recht keine Muße, das eigenbrötlerische Verhalten MIKRU-JONS jetzt zu analy sieren. »Na schön«, sagte er. »Du lässt nie manden außer Mondra, Icho und mich an Bord. Verstanden?« »Verstanden.« »Wir sorgen so rasch wie möglich da für, dass dieser Schutzschirm desakti viert wird, und melden uns dann per Funk.« »Alles klar. – Wenn ich noch einen Vorschlag machen dürfte?« »Bitte.« Perry Rhodan hatte sich längst an die unorthodoxe und selbst ständige Weise gewöhnt, mit der sich MIKRU-JON einbrachte. »Ich würde euch empfehlen, Ramoz in die Stadt mitzunehmen.« Der Unsterbliche beobachtete das Tier. Es war unruhig, es kratzte mit sei nen Krallen über die Einfassung des abwärts führenden Antigrav-Liftes, so, als wollte es MIKRU-JON so rasch wie möglich verlassen. »Ramoz könnte helfen, eure Begleite rin wiederzufinden«, ergänzte das Schiff. »Mondra hat mir gegenüber mehrmals erwähnt, dass zwischen ihr und dem Tier eine Art Band entsteht.« Das deckte sich durchaus mit Rhodans Beobachtungen. Dennoch: Ihr Ausflug war nicht ungefährlich. »Na gut«, sagte Perry Rhodan. »Schauen wir, wozu unser kleiner Sä belzahnluchs gut ist.« Ramoz bedachte ihn mit einem Blick, der erahnen ließ, dass er den Unsterb
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lichen sehr wohl verstanden hatte und mit der Titulierung »Säbelzahnluchs« keinesfalls einverstanden war. * Sie hatten MIKRU-JON kaum verlas sen, als der Schutzschirm rings um den Raumhafen erlosch. Eine teilnahmslose Stimme entschuldigte sich im Namen des Marktleiters und meinte, dass dieser Schritt notwendig gewesen sei, da man einer »Verschwörung« auf der Spur ge wesen war. »Ich kann mir gut vorstellen, wer der Kopf dieser angeblichen Verschwörung ist«, sagte Rhodan düster und aktivierte augenblicklich sein Funkgerät. Nichts. Keine Antwort und auch keine Reak tion ihres SERUNS, dessen Positronik sehr wohl in der Lage war, selbstständi ge Entscheidungen zu treffen. »Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut«, murmelte er. Er ließ sich von Icho Tolot auf dessen breite Schultern hie ven, während Ramoz neben dem Ha luter herstreunte. »Dir ist bewusst, dass man auf uns vorbereitet ist?«, fragte Icho Tolot. »Kann man denn auf den Auftritt eines Haluters wirklich vorbereitet sein?«, stellte Rhodan die Gegenfrage. Tolot lachte, vielleicht ein wenig zu laut und vielleicht auch ein wenig zu lange. Auch er machte sich Sorgen. »Wir beginnen unsere Suche beim Schiff der Wagokos!«, bestimmte Rho dan. »Mit ein wenig Glück finden wir jemanden, der uns Auskunft geben kann.« Icho Tolot begab sich in seine Lauf stellung und trabte davon, mit nicht mehr als 50 Stundenkilometern. Ramoz hielt wider Erwarten ohne Probleme mit. Er machte elegante, meterweite Sprünge, ohne von der Seite des Ha luters zu weichen. Binnen weniger Minuten war das bir nenförmige Schiff der Wagokos er reicht. Niemand antwortete auf ihre Funk
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rufe, niemand ließ sich blicken. Auch die Hafenverwaltung konnte – oder wollte – keine Auskünfte über die Be satzung geben. »Soll ich meinen Dosenöffner benüt zen?«, fragte Icho Tolot und blickte auf seinen rechten Handlungsarm. »Manche Leute lieben Überraschungsbesuche über alles.« »Nein.« Rhodan deutete auf Ramoz. Das Tier hielt die Nase weit in den leich ten, aber steten Wind. »Unser Freund hat eine Witterung aufgenommen.« Ramoz hatte etwas an sich, das es leicht machte, ihm zu vertrauen. Er streckte seinen sehnigen Körper in eine bestimmte Richtung, jede Bewegung drückte Selbstsicherheit aus. Für Rho dan stand fest: Das Tier folgte der Spur Mondra Diamonds. * Sie erreichten den Ort der Auseinan dersetzung. Es sah schrecklich aus. Der Leib eines Wagokos lag da, entzweige schossen und von irgendwelchen Tieren angebissen, die sich zurückgezogen hat ten, als Perry Rhodan, Icho Tolot und Ramoz eingetroffen waren. Überall sahen sie die schrecklichen Spuren von Impulswaffen. Es roch nach Verbranntem, da und dort glosten bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Teile des Gleiters. Ein Wagoko hing aufgespießt auf einem Stahlträger – in einer Höhe von gut und gern zehn Metern. Blut war literweise das Metall entlang nach un ten gesickert, um auf halbem Weg zu stocken. »Das soll wohl eine Art Warnung sein«, sagte Icho Tolot. »Die allerdings für uns keinerlei Be deutung hat«, ergänzte Rhodan grim mig. »Sieh nur: Ramoz hat die Spur be halten. Man hat Wert darauf gelegt, dass Mondra am Leben bleibt. Oder man in teressierte sich für ihre Leiche, dachte er insgeheim. »Die Witterung führt in Richtung Stadt.« »Genauer gesagt: zu den höchsten Gebäuden an deren Peripherie. In einem
dieser Türme residiert der Marktlei ter.« »Mag sein. Machen wir uns auf den Weg. – Noch etwas, Tolotos.« »Ja, mein Freund?« »Du musst dich nicht zurückhalten. Jetzt nicht mehr.« »Ich weiß.« Tolot knickte den blut überströmten Stahlträger zu sich herab, zog den toten Wagokos zu sich und packte ihn zwischen zwei Blechplatten, deren Enden er hastig umknickte. Ein besseres Grab konnten sie dem armen Kerl auf die Schnelle nicht bieten. Ramoz wartete die paar Sekunden, bis der Haluter seine Arbeit erledigt hatte. Dann war er auf und davon, von merklicher Unruhe angetrieben. 12. Ulocco Lo’tus Aasin hatte seine Aufgabe zu seiner Zufriedenheit erledigt. Ein Mann fürs Grobe wie er hatte durchaus seine Exis tenzberechtigung. Vor allem war er nie mand, den man mit der gebotenen Vor sicht behandeln musste. Mondra Diamond befand sich in sei nem Gewahrsam, und er würde sich die Zeit nehmen, die er benötigte, um alle Geheimnisse aus ihr zu pressen. Die verstorbenen Wagokos musste er als Kollateralschaden verbuchen; die Überlebenden würden dennoch wieder kommen. Sie hatten gar keine andere
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Wahl, als ihre Waren hier an den Mann zu bringen, und sie waren auch viel zu einfältig, um andere Verteilungskanäle aufzumachen. Was diesen Perry Rhodan und seinen riesenhaften Begleiter betraf, so machte sich Ulocco nicht allzu große Sorgen. Das Meningeom lieferte ihm mehrere Gründe, warum die beiden mit ihren Nachforschungen zögern würden. Einerseits hatten sie selbst Dreck am Stecken; immerhin saßen sie in einem Schiff, das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ihnen gehörte. Andererseits waren sie nur zu zweit. Sie mussten sich aufs Verhandeln verle gen, so sie in ihm den Schuldigen an der Entführung vermuteten. Aasin, der ihnen hätte Auskunft ge ben können, war vor kurzer Zeit mit unbekanntem Ziel abgereist. Seine Konten und die seiner Blendbrüder wa ren mit Kredit-Chips im Wert von meh reren tausend Duretin gefüllt. Drittens, und das war das liebste Ar gument, das ihm sein klarer, vom Me ningeom gesteuerter Verstand lieferte: Was sollten sie gegen den mächtigen Marktleiter unternehmen? Sie waren Unbekannte, sie besaßen nicht jene marktpolitische Rückenstärkung, der es bedurfte, um ihn in die Zange zu neh men. Und mit bloßer Waffengewalt wür den sie nicht weit kommen, zumal sei nen Aufzeichnungen nach die Schiffe der Halbraum-Changeure lediglich de fensiv ausgerichtet waren. Zwei Wesen. Das Meningeom gestattete ihm, sei ner Freude mit einem hämischen Grun zen Ausdruck zu verleihen. Er hatte die richtigen Entscheidungen getroffen, wie immer. Bald hielt Ulocco alle Möglich keiten in der Hand, um seine Macht wei ter auszubauen. Vielleicht würden sich die innersten Bereiche der Station vor ihm öffnen, vielleicht erhielt er Zugriff auf die sagenhaften Schätze von Marka nu ... Ein Dringlichkeitssignal blinkte vor seinen Augen auf. Ulocco Lo’tus aktivierte den Funk.
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»Was gibt’s?«, fragte er ungehalten. »Wir haben einige Probleme«, sagte ein völlig zerknirscht wirkender Bur sche, der in seinem Vorraum Dienst tat. »Irgendjemand ist in die Blech-Trakte vorgedrungen.« »In die Blech-Trakte?! In die Gefäng nisse? Wer würde es wagen ...?« Das Meningeom zwang ihn, die rich tigen Schlüsse zu ziehen. Seine Annah men waren falsch gewesen, er hatte den Wagemut – oder den Wahnsinn? – von Perry Rhodan und Icho Tolot unter schätzt. Sie waren gekommen, um ihre Gefährtin zu befreien, und sie hatten deren Aufenthaltsort ausgemacht. Wie das geschehen war – nun, das würde er später klären. Jetzt galt es, das Problem abzuwenden, bevor es sich zu einer Kri se auswuchs. Ulocco gab Anweisungen, während er sich bewaffnete. »Die diensttuenden Wächter und alle verfügbaren Mit glieder meiner Leibgarde folgen mir hinab in die Blech-Trakte. Die Bereit schaft übernimmt den Regulär-Dienst. Jedweder Ausgang ist gestrichen. Wir haben einen ernstzunehmenden Notfall. Wer sich nicht binnen fünf Minuten auf den Weg hinab in die unteren Stadtbe reiche macht, bekommt es mit mir per sönlich zu tun.« »Du willst die Sache selbst in die Hand nehmen?«, fragte Zavian Ta’gris. »Ich finde das großartig. Du bist so ... so ...« Sie hatte Wege gefunden, neuerlich in seine Nähe zu gelangen. Mit List und Tücke einer Frau, deren Denken bis ins Letzte von Hormonen gesteuert wurde, umgarnte sie ihn. »Verschwinde!«, sagte Ulocco. Das Meningeom gab ihm Ratschläge, wie er mit Zavian umgehen sollte. »Ich möchte dich begleiten. Ich kann dir helfen, wenn du mich in deiner Nähe lässt. Ich mache alles, was du willst.« Sie schwitzte und dampfte vor Lei denschaft. Alles an ihr war Hingabe, blinde, be dingungslose Hingabe. »Lass mich jetzt gefälligst in Ruhe!«,
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schnaufte er und schob Zavian grob bei seite. Sie hörte nicht auf ihn, kam mit noch mehr Gier auf ihn zugeeilt, warf sich ihm beinahe an den Hals. Das Meningeom zeigte Ulocco den vernünftigsten Ausweg aus seiner Mise re. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren; es ging um seine Zukunft, um das Schicksal des Marktes von Toykana. Er durfte sich nicht aufhalten lassen. Ulocco zog seine Waffe. Er visierte Zavians Kopf an, aktivierte den Auslö ser – und ließ es dann doch bleiben. Er hatte das Erschrecken und die Angst in Zavians Augen gesehen, in diesem kurzen Moment der Ernüchterung, da sie aus ihrer hormonellen Qual erwacht war und ihrem Tod ins Auge geblickt hatte. Das Meningeom pulsierte in seinem Kopf. Es verursachte ungewohnte Schmerzen und wollte ihn zwingen, »das Richtige« zu tun. Doch er konnte es nicht. Einem Teil von ihm erschien es falsch, was sein Verstand ihm einbläuen wollte.
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»Mach doch, was du willst!«, grunzte Ulocco, »aber komm mir ja nicht in die Quere. Sonst überlege ich es mir doch noch.« Er ließ sie stehen und eilte davon, hinab in die Blech-Trakte, die nur den wenigsten Wesen dieser Stadt zugäng lich waren. Zavian Ta’gris war bald ver gessen. Er hatte andere, größere Pro bleme. 13. Perry Rhodan Niemand hatte mit ihnen gerechnet, und erst recht nicht mit einer Urgewalt wie Icho Tolot. Dabei kämpfte der Ha luter verhalten. Er schrie, klatschte in die Hände, schnippte mit den Fingern, stampfte kräftig auf, blies seine Gegner vom Platz. Dennoch gab es Brüche und eingeschlagene Köpfe, die nur sehr, sehr langsam wieder verheilen würden. Kein Toyken und auch kein Hopken kam auch nur dazu, einen einzigen Schuss abzufeuern.
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Michael Marcus Thurner
Für Icho Tolot war die Suche nach Mondra Diamond ein besserer Spazier gang, bei dem er nur den geringsten Teil seiner Karten aufdecken musste. Ramoz hielt sie auf der Spur. Es ging tatsächlich in Richtung Verwaltungsge bäude und dann in einen schmalen, un scheinbaren Nebeneingang, dessen ab getretenen Stufen hinabführten. Perry Rhodan lächelte einen am Trep penabsatz stationierten Wächter an und bat ihn mit grimmiger Höflichkeit, ihm doch bitte schön zu sagen, wohin man Mondra Diamond gebracht hätte. Der Toyken, dessen Rüssel vor Angst zu ei tern begann, schien weder Augen noch Ohren für ihn zu haben. Er interessierte sich stattdessen für Icho Tolot, der einen kleinen Zwischendurch-Imbiss zu sich nahm, der aus einem Stückchen Wand und dem nicht angerosteten Teil einer Stahltür bestand. »Sie ist unten, in den Blech-Trakten«, grunzte der Wächter, »folgt immer nur den gelben Linien!« Er griff den von Tolot zusammenge quetschten Impulsstrahler vom Boden auf und wollte abdrücken, doch die Waffe funktionierte nicht. Tolot nahm sie ihm vorsichtig aus der Hand und stopfte sie nun ebenfalls in sein riesiges Maul. Der Wächter nutzte die Gelegenheit. Er fiel in Ohnmacht, und er genoss es sichtlich, von der Dunkelheit umfangen zu werden. »Bin ich denn wirklich so hässlich?«, fragte Tolot. »Du weißt doch, dass staubige Ge mäuer und ölige Tore bei dir Mundge ruch hervorrufen«, gab Rhodan zur Antwort, obwohl ihm keineswegs zum Scherzen zumute war. Er hatte Angst um Mondra Diamond. Ramoz, der eine Zeitlang witternd von einer Seite des Kabuffs zum nächsten gewandert war, nahm nun wieder Witte rung auf und folgte seiner Nase. Es ging hinab in die Eingeweiden der Stadt, hin ab in die sogenannten Blech-Trakte. *
Nach wenigen Minuten gelangten sie in eine Gangflucht, an deren Seiten sich Dutzende verriegelte Zellentüren an einanderreihten. Kleine Bildschirmdar stellungen der Räumlichkeiten zeigten, dass die meisten von ihnen belegt wa ren. Eine allerdings – jene, vor der Ra moz verharrte und seine tapsige Pfote auf das Metall legte – hatte eine gestör te Anzeige. »Alle Götter mögen den Toyken gnä dig sein, wenn sie Mondra etwas ange tan haben«, sagte Perry Rhodan in grim migem Ton. »Tolot – würdest du bitte schön ...?« »Mit Vergnügen.« Der Haluter zupfte kurz an den Angeln, riss die Tür aus ih ren Verankerungen und schleuderte sie ein paar Meter von sich. Ramoz sprang an Icho Tolot vorbei ins Innere – um im Zentrum des Raums stehen zu bleiben und sich unschlüssig umzusehen. Rhodan folgte dem Tier. Die Zelle war leer. Abgesehen von ei ner schmalen Pritsche, einem Stuhl und einem bewusstlosen oder toten Toyken, der auf dem Boden lag. Der Unsterbliche drehte sich im Kreis. Da, oberhalb des Bettes, zeigten sich Kerben. Jemand hatte eine Bot schaft hinterlassen. Mit ein wenig Fan tasie ließen sich zwei Buchstaben er kennen: »MD«. Es gab keinen Zweifel mehr: Mondra Diamond war hier gewesen und wieder verschwunden. »Wir bekommen Besuch«, sagte Icho Tolot, bevor Perrys Verstand Gelegen heit bekam, die Dinge zu verarbeiten. Er trat hinaus in den Gang, zu seinem riesenhaften Begleiter. Von rechts und links näherten sich Wächter: Toyken, Bokazuu und Hopken. Solche, die sich von Icho Tolots Gewichts- und Größen vorteile nicht beeindrucken ließen. Sie trugen schweres Geschütz mit sich und richteten es soeben aus. »Sieh an!«, sagte ein Toyken mit einer grell leuchtenden Narbe im Gesicht, der hinter einem der Geschütze stehen blieb. Seine Stimme klang kühl und leiden
Der Polyport-Markt
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schaftslos. »Sind das etwa die beiden Herrschaften, die mit einem gestohlenen Schiff der Halbspur-Changeure unterwegs sind und ihre kleine Freundin suchen?«
Rhodan drängte näher an Tolot heran. Dieser Kerl hatte sie enttarnt, und die Waffen sahen so aus, als könnten sie selbst einen Haluter zum Schwitzen bringen.
ENDE
Perry Rhodan hat den Polyport-Markt PERISTERA erreicht, aber das ist auch schon alles. Weder fand er Informationen über die Frequenz-Monarchie, noch eröffnete sich ihm ein sicherer Heimweg. Wie es weitergeht, berichtet Michael Marcus Thurner in seinem zweiten Teil des Doppelbandes. PR 2506 erscheint in einer Woche überall im Zeitschriften handel unter folgendem Titel: SOLO FÜR MONDRA DIAMOND
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet:
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Michael Wittmann. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf,
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Printed in Germany. August 2009.
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Kommentar
Hypersenke? Beim Flug an Bord der MIKRU-JON vom Planeten Mar kanu zum Polyport-Hof PERISTERA kam es nach knapp 2700 Lichtjahren zu einem offenbar lokal be grenzten Phänomen. Dabei wurde für kurze Zeit die erhöhte Hyperimpedanz auf einen Wert gesenkt, wie er etwa jenem vor dem Hyperimpedanz-Schock ent sprach. Vereinfachend wurde von »Hypersenke« gesprochen, wobei allerdings völlig unklar bleibt, ob es sich um ein natürliches Phänomen handelte oder ob es auf künst lichem Weg herbeigeführt wurde. Beides erscheint ebenso denkbar wie möglich. Die Terraner und ande re Völker arbeiten schließlich seit mehr als einem Jahrhundert daran, die Folgen des erhöhten Hyperwi derstands mit technischen Mitteln zu vermindern. Leider kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt wer den, was tatsächlich hinter der »Hypersenke« steck te. Dass eine Erhöhung des Hyperwiderstands bevorste he, erfuhr Perry Rhodan am 28. Mai 1312 NGZ an Bord der SOL, als der Roboter Cairol III. mitteilte: Die Hohen Mächte haben entschieden, das Leben an sich darüber hinaus in einer wirksamen Weise einzuschränken. (...) Der hyperphysikalische Widerstand wird im gesamten Universum erhöht. (PR 2199) Technische Probleme sowie eine erhöhte Anzahl von immer stärkeren Hyperstürmen als Nebenwirkung wurden in der Tat eine ganze Weile beobachtet, bis es dann in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1331 NGZ um 2.28 Uhr (Terrania-Standard) mit einem letzten, heftigen Schub zur endgültigen Erhöhung der Hyperimpedanz kam. Der Hyperwiderstand als solcher war seit Langem bekannt; der Fachbegriff der Wissenschaftler lautet »hyperphysikalische Impedanz«, kurz »Hyperimpe danz« (Impedanz: »verstricken, hemmen«; in der kon ventionellen Technik der »frequenzabhängige Wider stand« eines Bauteils oder Systems, gemessen in Ohm, zum Beispiel als Angabe bei Lautsprechern). Es handelt sich hierbei nicht um eine Konstante, sondern um einen von vielen hyperphysikalischen Randbedin gungen abhängigen Wert. Lokal erhöhte oder stark schwankende Werte fanden sich stets in Gebieten hoher Sternendichte, verbunden mit den für Bereiche wie das Galaktische Zentrum
typischen Hyperstürmen – wobei unter dem Begriff »Sternendichte« diverse Faktoren einfließen: erhöhte Gesamthyperstrahlung der Sonnen und Gesamtgravi tation der Sternenballung ebenso wie die mit ihren Bewegungen und Aktivitäten verbundenen Verände rungen. Im sternenarmen Leerraum zwischen den Galaxien wiederum wurde und wird folglich ein gerin gerer HI-Wert beobachtet. Ehe die Sternenfenster-Verbindung nach Tradom ab brach, wurden von dort vergleichbare Veränderungen gemeldet, und auch die Messungen im Bereich der »Fernen Stätten« mit dem Stardust-System bestätig ten die Hyperimpedanz-Erhöhung. Ob sich daraus aber tatsächlich eine universumsweite Veränderung ableiten lässt, bleibt mangels ausreichender Referenz daten ebenso umstritten wie die Frage offen, wie eine Manipulation diesen Ausmaßes überhaupt bewerk stelligt werden könne – von der Fragwürdigkeit hin sichtlich des Warum ganz zu schweigen. Ob es sich also wirklich um eine Manipulation der Kosmokraten handelt, ist und bleibt Streitpunkt unter den Experten. Es gibt durchaus Wissenschaftler, die auch mehr als 131 Jahre nach dem HyperimpedanzSchock die Ansicht vertreten, dass die Erhöhung der Hyperimpedanz »nur« eine gewaltige Naturkatastro phe sei, die »alle paar 100 Millionen Jahre« auftrete und absolut nichts mit einer Manipulation der Kosmo kraten zu tun hat. Unter Umständen seien diese Hy perimpedanz-Fluktuationen »natürliche Ausgleichs prozesse« der Kosmonukleotide, unter anderem als Reaktion auf exotische Gebilde wie Negasphären, Ma teriequellen und -senken und dergleichen. Nach Ansicht anderer Wissenschaftler könne nicht einmal ausgeschlossen werden, dass der jetzige er höhte Wert das eigentliche »natürliche Niveau« dar stelle, während die verringerte Hyperimpedanz einen besonderen Zustand darstellte, der allerdings die Aus breitung des »Lebens an sich« im Kosmos begünstigt habe. Vor dem Hintergrund des von der Frequenz-Monarchie wiederholt erwähnten Zeitalters der Vierten Hyperde pression erscheinen die Annahmen dieser Wis senschaftler plötzlich gar nicht mehr so weit herge holt ... Rainer Castor
Leserkontaktseite Liebe Perry Rhodan-Freunde, nach Band 2503 setzen wir weiter hinten auf dieser LKS die »Cantaro-Wochen« fort. In unregelmäßigen Abständen werden wir über diesen Zyklus berichten, der vor zwei Wochen in der 5. Auflage angelaufen ist. Ganz bestimmt wird sich auch der eine oder andere Kollege von damals zu Wort melden, ich denke da an Horst Hoffmann, H. G. Ewers ... Zunächst jedoch bleiben wir thematisch noch ein we nig im gerade zu Ende gegangenen Zyklus um die Negasphären und Hangay, mit dem sich die meisten eurer Zuschriften bei Redaktionsschluss dieser LKS befassen. Es freut uns, wenn wir euch zum Ende des Zyklus noch mit ein paar Sachen überraschen konnten, nachdem ihr zuvor in fast schon kriminalistischer Weise speku liert habt. Lesen wir mal rein, was sich im Neuen Galaktischen Forum NGF – http://forum.perry-rhodan.net – zum Thema getan hat ... Wer ist das Opfer?
ES? Och nö ...!
Nuckel ... Hoffen wir’s ...
WELTWEISER? Der ist alt und ein Freund der Men
schen, die versuchen, die Chaotarchen zu besiegen.
Also, ich wäre für den WELTWEISEN. One half cycle
wonder ...
tare_scharm Ich glaube, die Vorhersage lautete etwas anders. Es hieß, die Terraner würden einen langjährigen Verbün deten verlieren. Der Begriff Freund ist nicht gefallen. Es könnte der Nukleus sein. Ich tippe aber mal auf die Posbis. Unknown Immortal Wer mir noch einfiel: Dao-Lin-H’ay, die Figur, mit der
keiner kann. Sie ist kein Mensch, aber Freund und Ver
bündete.
Würde passen. Würde mir nicht gefallen.
Irgendwie verliere ich komischerweise die Lust am
»Wieder-Lesen« alter Geschichten, sobald ich weiß:
Hey, die geht in Band XYZ ja eh übern Jordan.
Nagilum Steht nicht der Opfergang eines jahrtausendelangen Freundes der Menschheit an? Wir wissen, dass ES überlebt; den Nuckel (Nukleus) gibt’s noch nicht so lange; die Posbis – wäre irgendwie sinnlos; der WELT WEISE und Kamuko sind keine alten Freunde; Alaska ist selbst Terraner. Bleibt eigentlich nur noch einer, der sich, zurzeit relativ unbeachtet, an vorderster Front befindet: Atlan.
Vishna Wenn es die Posbis wären, wäre das eine Unver schämtheit. Sie einfach so auf einem Nebenschauplatz aus der Serie zu schreiben, haben sie nicht verdient. Aus ihnen könnte man noch viel mehr machen. Sie werden mir viel zu selten eingebaut, bis auf anonyme Fragmentraumerflotten. PS: Vielleicht war’s ja ironisch gemeint, und es sind die Akonen.
Early Bird Wird er dann gemeinsam mit seinem Pferd begraben?
Mi.Go Was ist eigentlich mit NATHAN?
Unknown Immortal Das wäre schlecht. Atlan ist meines Erachtens immer noch eine Figur, die über Nebenpublikationen wie die Taschenbücher von FanPro Leute zu PR oder von PR zu Nebenpublikationen wie bei FanPro bringen kann. Ein alter Freund – an die Posbis denke ich auch nicht, wobei die passen würden. Eventuell wird es Michael Rhodan.Wobei der auch Plophoser ist, so teilweise. Na ja, teilweise ist er ja auch wie Michael Jackson. Bei dem weiß man auch nicht mehr so genau, was noch original war.
Echnaton Ich hoffe, es wird nicht SENECA sein. Er ist ja auch im eigentlichen Sinn kein »Verbündeter«. Außerdem wüsste er das aber. Lord Valium Oder jemand aus den Reihen der Friedensfahrer? Ist
»alter Freund der Menschheit« wortwörtlich zu neh
men?
Vielleicht Alaska? Oder Kantiran?
Warten wir es ab.
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Bei zwei Protagonisten erhärtet sich der Verdacht, wie die folgenden E-Mails zeigen. Michael Justus,
[email protected] Nachdem ihr in letzter Zeit mehrere Anschläge auf Roi verübt habt, würde es mich nicht wundern, wenn er demnächst wirklich aus der Serie geschrieben wird (was schade wäre, gerade jetzt, wo er sehr gut be schrieben wird). Aber dann würde ein Sohn Rhodans dem Ganzen noch mehr Dramatik verleihen (ein verschwundener Roi reicht ja auch. Dann kann man ihn suchen gehen). Ich wünsche euch noch Ideen für viele spannende Ge schichten. Robert Wimmer,
[email protected] Gerade habe ich Band 2496 gelesen. Im Zusammen hang mit dem Titel von Band 2499 drängt sich mir der Gedanke auf, dass Roi das Opfer bringen wird. Das würde ich sehr schmerzhaft empfinden, da er zu meinen absoluten Favoriten zählt und mich seit meiner Kindheit begleitet. Sollte es tatsächlich dazu kommen, hoffe ich, dass er dabei wenigstens VULTAPHER hoch jagt. Das wäre zumindest ein würdiger Abgang. Ulrich Brill Das Opfer ist die SOL mit SENECA. Sie wird das Füh rungsschiff der Chaosmächte, aber unter anderen Vor zeichen und anderer Herrschaft als bisher. Vielleicht hat der WELTWEISE-Alomendris-Escher-Was serstoffmächtige ein Einsehen und übernimmt als po sitive Superintelligenz die Rolle als Leithammel. Habe ich zum Happy End etwas oder jemanden verges sen? Höchstens die ganzen Protagonisten, die du im kom menden Zyklus wiedersehen möchtest. Dazu hat Ger hard Hutter ein paar Vorschläge gemacht. Gerhard Hutter,
[email protected] Bitte übernehmen Sie die Charaktere von Pothawk & Bros. sowie Ekatus Atimoss in die kommenden Zyklen. Sie könnten die übergelaufenen Duale sowie die Lao soor in einer Art Privatdetektei beziehungsweise in ei ner auf kommerzieller Basis agierenden Mutantentrup pe immer wieder mal in die Handlung integrieren. Die Kartanin Dao Lin H’ay und einen so austauschbaren Charakter wie Julian Tifflor könnten sie im Gegenzug in das nächste Schwarze Loch manövrieren.
Auch den WELTWEISEN sollten Sie behalten, ihn viel leicht als neue Superintelligenz der Milchstraße etab lieren, während ES sich um Stardust herum eine neue Mächtigkeitsballung ballt. Danke für Ihre Arbeit und mit freundlichem Gruß. Was die Weiterverwendung bestimmter Personen an geht, so bedanken wir uns für Ihre Vorschläge recht herzlich. Einen teilweisen Ausblick auf das Personen karussell bietet bereits der Jubiläumsband 2500. Wen wir auf keinen Fall mitnehmen oder gar wiedererwe cken, ist KOLTOROC. Eckhard Siegert,
[email protected] »KOLTOROC« war eine gute Story von Uwe Anton. KOL TOROC entwickelte sich also aus einer Potenzialwolke und einem Splitter des Elementes der Finsternis. Er wurde stärker, indem er Millionen Leben durch die Kraft seiner Gedanken auslöschte und sich deren »Seelen« einverleibte. Wie aber wird KOLTOROC enden? Wird er eliminiert oder terminiert oder durch Entfernen des Splitters des Elements der Finsternis befriedet? Das würde ich für die humanste Lösung halten. Dann könnte er seiner ursprünglich zugedachten Aufgabe der Friedenssicherung nachkommen, und die Völker seiner Mächtigkeitsballung würden nicht in ein Führungsva kuum fallen. Es gab ja schon einige Fälle, wo Saulus zum Paulus wurde: Hotrenor-Tak, Ekatus Atimoss, BARDIOC, Ribald Corello, Zerberus ... Eines ärgert mich an den Bewohnern der Lokalen Grup pe: Die ganze Drecksarbeit bleibt wieder an Perry hän gen. Interessiert die Tefroder, Maahks, Gurrads und so weiter überhaupt nicht, was in Hangay passiert? Wie KOLTOROC endet, weißt du inzwischen. Er hat sich überfressen und ist geplatzt. Zumindest so ähnlich.Was die Bewohner der Lokalen Gruppe angeht, so vergiss nicht die Auswirkungen der Hyperimpedanz und die Aussagen, die wir dazu ab Band 2300 gemacht haben. Die meisten Völker besitzen nicht die nötigen Mengen an Hyperkristallen, um an Perrys Expeditionen teilzu nehmen. Selbst das Ergebnis bezüglich Hangay spricht sich bei ihnen erst im Laufe von Wochen und Monaten herum.
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»Cantaro« – die überraschende Wende? Teil 2 von Arndt Ellmer Im ersten Teil dieses Beitrags zum Thema »Cantaro« habe ich über den Abschluss des Tarkan-Zyklus und die Pläne für den Jubiläumsband berichtet. Dieses Mal geht es vor allem um das ursprünglich erarbeitete Kon zept. Nach einleitenden Worten enthält das von Kurt Mahr und Ernst Vlcek vorgelegte umfangreiche Skript für die Bände 1400 bis 1499 einen wichtigen Hinweis, in dem es um die »Entblätterung des Geheimnisses von ES« geht. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt oder, wie Pe ter Griese es damals formuliert hat: »Wenn wir der Superintelligenz keine Geheimnisse mehr lassen, wür den uns das viele Leser nie verzeihen – und wir es uns später auch nicht.« Andererseits würde der Zyklus nicht umhinkommen, gewisse Passagen der Vergangenheit von ES aufzurol len. Ein längerer Blick in die Konzeption fördert zu Tage, dass es sich bei dem geplanten Zyklus in der Tat um einen ES-Zyklus handelt. Eine Zeitreise in die Vergangenheit war geplant, die Perry Rhodan und Atlan erleben und erleiden sollten. Ein neuer Begriff tauchte auf, die »Bleiche Zone« (ein Schelm ist, wer hier an die spätere »Tote Zone« ab Band 1600 denkt ...). In diesem Zusammenhang boten sich zwei Möglichkeiten an: die jüngere Vergangenheit mit der Geschichte der Menschheit oder die ferne Ver gangenheit. Laufen sollten diese Zeittransfers über eine Manipulation der beiden Zellaktivatoren durch Afu-Metem, durch die fremde Strangeness von Tarkan oder durch die psionische Strahlung von DORIFER. Die wichtigste Erkenntnis daraus unter dem Aspekt der Entstehung von ES sollte sein, dass die Lemurer nicht – wie bisher angenommen – die sogenannte Erste Menschheit waren, sondern dass es lange vorher eine hoch entwickelte Kultur menschengleicher Wesen gab. Diese Kultur wurde vorerst »mantensisch« genannt, und ihre Zeit begann vor 20 Millionen Jahren, als aus Prohomo die Spezies homo mantensis entstand, be nannt nach dem Fundort Manto im heutigen Hondu ras. Zitat: »In der Zeit zwischen 20 und 17 Millionen Jahren v. Chr. existierte auf der Erde tatsächlich eine hoch
entwickelte mantensische Kultur, die interstellare und intergalaktische Raumfahrt beherrschte, Kolonien in weiten Bereichen der Milchstraße und in anderen Ga laxien der Lokalen Gruppe gründete, Handelsbezie hungen zu außerhalb der Lokalen Gruppe gelegenen Galaxien unterhielt und zum Zeitpunkt ihres Verschwin dens von Terra daselbst ungefähr 15 Milliarden Seelen zählte.« Es stellte sich dabei die Frage, warum man heute nir gends mehr eine Spur von ihnen findet. Außerhalb Terras existierte die Menschheit weiter, und so kam es 15 Millionen Jahre v. Chr. zu einer Völker versammlung aus allen Galaxien der Lokalen Gruppe, und zwar auf Oana.Wer hier an Oaghon und Oaghonyr denkt, liegt gar nicht verkehrt. Oana allerdings war damals keine Welt irgendwo im Zentrum der Milchstraße, sondern der »mantensische« Name für Terra. Auch die Nocturnen spielten in dem Konzept eine Rol le: Sie opferten sich im Sinne einer positiven kos mischen Evolution und wurden zum Katalysator bei der Entstehung von ES aus den Bewusstseinen von 83 Milliarden Wesen. ES erteilte ihnen anschließend den Auftrag, alle Spuren der »mantensischen« Kultur zu vernichten. ES legte zu diesem Zeitpunkt großen Wert darauf, seine Herkunft zu verschleiern. Noch ein kleiner Handlungsausblick: Am Rand einer Galaxis der Lokalen Gruppe bildet sich die »Bleiche Zone«, eine Art Nebelfleck, in deren Innern eine An sammlung von rund einer Milliarde Sonnen samt Pla neten und Monden existiert. Die Bleiche Zone ist der Katalysator für den Kollaps zweier benachbarter Uni versen, der sich abzeichnet, jedoch frühestens in 100 Millionen Jahren stattfinden wird. Perry und Atlan könnten bei ihren Zeitreisen in diese Zone versetzt werden, die als Spiegelsphäre der Zeit von vor 10 bis 15 Millionen Jahren gesehen wird. Ein paar offene Handlungsfäden sollten parallel dazu zu Ende gebracht werden. Ein Abstecher zur Mächtig keitsballung Estartu war nötig, wo die Superintelligenz ESTARTU Probleme mit den Singuva (Animateur-Pte rus) bekam, die einen Bund mit den Hauri geschlossen hatten. Das Schicksal von Alaska Saedelaere, Roi Danton, Ro nald Tekener, Jennifer Thyron und Demeter, die noch dort weilten, sollte geklärt werden und einige Dinge
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mehr, etwa Afu-Metem, der nicht tot ist, Si kitu, die Mutter der Entropie ... Für den Band 1500 wurde ein harter Schnitt geplant, ein Zeitsprung, Heldensterben etc. Es ist sicher hochinteressant, den aktuell in der 5. Auf lage erscheinenden Cantaro-Zyklus und nachfolgende Zyklen wie etwa »Die Linguiden« mit dieser Konzeption zu vergleichen. Als Datenblock enthielt die Konzeption übrigens eine erste Chronologie der PERRY RHODAN-Kosmologie, die durch Kurt Mahr und Ernst Vlcek und später dann durch Rainer Castor erweitert und perfektioniert wurde. Ein Blick in die geheimen Akten der Redaktion, etwa in das Protokoll der Konferenz, zeigt, dass die Mehrzahl der Autoren Probleme mit den vielen Handlungsebenen, der zu starken Betonung von Superintelligenzen und visionären Episoden unbestimmten Ursprungs hatten. Sie kritisierten die immer größere Gigantomanie der Zyklus-Themen. Horst Hoffmann brachte einen Alternativvorschlag, auf dessen Basis das Team einen Zeitsprung schon zu Band 1400 diskutierte, der es ermöglichte, vieles – vor erst – zu den Akten zu legen. Perry Rhodan sollte 695 Jahre in der Zukunft landen und eine Milchstraße vor finden, in die niemand hinein- und aus der niemand hinauskann, weil ein unbekannter Gegner das mit tech nischen Mitteln verhindert.
Dass die Diskussion darüber sehr leidenschaftlich ge führt wurde, versteht sich von selbst. Wendepunkte dieser Art gibt es selten, und dieser hat gezeigt, dass das Team in seiner Gesamtheit über einen untrüglichen Kollektiv-Instinkt verfügt. Konkrete Überlegungen stellten die Konferenzteilneh mer am zweiten Konferenz-Tag an, und so begann der Zyklus in der Weise, wie es die Leser der 5. Auflage in den vergangenen zwei Kalenderwochen erleben durf ten: 695 Jahre im Stasisfeld, die Rückkehr nach X-DOOR und das Auffinden der BASIS, die in ihre 100.000 Einzelteile zerlegt und gut dezentralisiert in einem interstellaren Schiffsfriedhof treibt. Die Idee, die BASIS zu zerlegen, stammte von einem gewissen Arndt Ellmer, der damals Jungautor und noch kein »LKS-On kel« war und der über den Vorgang der Zerlegung und die Gründe dafür später ein Taschenbuch verfasste: »Ein Befehl für Hamiller«, PRTB 326. Die ES-Thematik war damit nicht vom Tisch. Schließ lich begleitet die Superintelligenz die Menschheit seit ihrem Aufbruch ins All. Bekanntlich spielte ES im Jubi läumsband 1500 eine Rolle, und später wurde das Thema erneut aufgegriffen. Kurt Mahr und Ernst Vlcek hatten es garantiert damals schon fest geplant, als sie in prophetischer Weise verkündeten, dass das Thema ES sich optimal für einen Jubiläumsband 2000 eignen würde. Bis Centaurus A! Euer Arndt Ellmer VPM Postfach 2352 76413 Rastatt
[email protected] Impressum Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen. E-Mail- und Post-Adressen werden, wenn nicht ausdrücklich vom Leser anders gewünscht, mit dem Brief veröffentlicht.
Glossar Baolin-Nda Die Baolin-Nda sind im Grunde nur formlose graue Ge webeklumpen mit einem Gewicht von rund 500 Gramm und einer Lebenserwartung von etwa 5000 Jahren. Sie werden auch »Seele« genannt und leben in künstlichen Roboterkörpern, die menschenähnlich gebaut sind, rund 110 Zentimeter hoch, mit übergroßen Köpfen und einer weißen kunststoffähnlichen Oberfläche. Nach ihrem Tod geht das Bewusstsein der Baolin-Nda in die Äole ein, einen Teil des Hyperraums, wo es sich mit den anderen Bewusstseinen vereinigt und Teil der Superin telligenz Zweigkanal des Äolentors wird. Der Hochtechniker ist zugleich der Anführer der Bao lin-Nda und beherbergt in seinem Robotkörper neben der eigenen »Seele« auch das »Gewissen« der BaolinNda, bei dem es sich um den mutierten, rund 180.000 Jahre alten Baolin-Nda Temperou handelt. Die Heimat der Baolin-Nda ist die von hohem PsiDruck erfüllte Hyperraumblase Baolin-Deltaraum in der Galaxis Shaogen-Himmelreich; außerhalb sind die Baolin-Nda nicht lebensfähig. Die Baolin-Nda gehörten, wie die Terraner, zur »Koa lition Thoregon«. Einst arbeiteten die Baolin-Nda in der Galaxis NorganTur als technisches Hilfsvolk für die Kosmokraten und schufen u.a. Ausrüstung für die Ritter der Tiefe. Vor etwa 99.000 Jahren ließen sie sich von THOREGON dazu bewegen, sich aus den Diensten der Kosmo kraten zurückzuziehen, was allerdings erst 22.000 Jahre später wirklich gelingt und zur Übersiedlung in den Baolin-Deltaraum führte. Weitere 5000 Jahre später werden die Baolin-Nda tatsächlich Mitglieder der Koalition Thoregon und entwickeln Technologie für die Koalition, darunter das Arsenal der Macht, das zur Unterstützung für Perry Rhodan gedacht war, aller dings zerstört wurde, ehe dieser es betreten konnte. Im 13. Jahrhundert NGZ sterben beinahe alle BaolinNda aufgrund eines Anschlags des Kosmokratendie ners Shabazza. Nur Tautanbyrk, Viviaree und das »Gewissen« überleben und sind seither bemüht, den Keim einer neuen Baolin-Nda-Zivilisation zu bilden. NGC 5128 Unter dieser Bezeichnung versteht man eine Gruppe von fünf größeren Galaxien, die etwa 11 bis 13 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt liegen und so mit der Lokalen Gruppe praktisch benachbart sind.
Namensgeber der Galaxiengruppe ist NGC 5128 mit der Eigenbezeichnung Centaurus A. Eine zweite be deutende Galaxis ist M 83 bzw. NGC 5236 oder auch Truillau, die während der Dunklen Jahrhunderte das Domizil des Kosmokraten Taurec bildete und deren Völker er genetisch »normte«. Weiterhin gehören NGC 4945, NGC 5102 und NGC 5253 hinzu. Außerdem könnten auch die Galaxien Ogramegra, eine Nachbargalaxis Truillaus und Heimat der huma noiden Dawluren, und die Spiralgalaxis Ronoziil dazu gehören. Schwarzes Loch Ein Schwarzes Loch ist ein stellares Objekt mit so großer Schwerkraft, dass dadurch gewissermaßen ein »Loch« in die Raumzeit gestanzt wird. Sie erschei nen dem menschlichen Auge deshalb als schwarz, weil sie die Zeit verzerren: Am Rand des Ereignishori zonts wird die Zeit unendlich stark gedehnt, wodurch auch alle Wellen (Licht und Materie) unendlich stark gedehnt werden. Sie besitzen keine Wellenlänge mehr und somit auch keine Farbe. Nichts vermag ein Schwarzes Loch wieder auf natürlichem Weg zu ver lassen (eine Ausnahme bildet Hochtechnologie wie die der Schwarzen Sternenstraßen, die allerdings gegen wärtig den Galaktikern nicht zugänglich ist). Den sichtbaren Teil eines Schwarzen Lochs bildet seine Akkretionsscheibe, die aus der angezogenen Materie gebildet wird. Diese erhitzt sich durch die gegenseitige Reibung und die zunehmende Verdichtung. THERMIOC THERMIOC ist eine Superintelligenz, die seit 3585 alter Zeitrechnung aus der Verschmelzung der Super intelligenzen BARDIOC und Kaiserin von Therm ent stand. Im Jahre 1312 NGZ wollte die Superintelligenz THOREGON THERMIOC mittels des Analog-Nukleotids METANU durch einen Terminalen Messenger aus schalten. Dies wurde jedoch durch den Kosmokraten Hismoom verhindert, der THOREGON tötete und METANU zerstörte. Da THERMIOC freundschaftlich mit Perry Rhodan verbunden ist, behält sie die Lokale Gruppe im Blick und sendet im Bedarfsfall sogar Un terstützung, so geschehen 1343 NGZ mit TRAGTDO RON und 1346 NGZ mit »BARDIOCS Null«, die für den Kampf gegen die Terminale Kolonne TRAITOR gedacht war.