Alle Rechte durch Buch- und Presseagentur Augsburg Wolf Dieter Rohr.
DER MÖRDER IST UNSICHTBAR
KriminfaJroman. Aus ...
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Alle Rechte durch Buch- und Presseagentur Augsburg Wolf Dieter Rohr.
DER MÖRDER IST UNSICHTBAR
KriminfaJroman. Aus der Welt von morgen.
Von AUjan Reed. Das Mädchen war tot. Sie lag inmitten von einem Haufen kostbarer Kleider, von denen jedes mindestens einige hundert Dollar wert war. Ein Coktail kleid aus blutrotem Stoff lag unter ihr. Duke fluchte fürchterlich und anhaltend. „Wie hieß sie?" fragte er. Er drehte sich um. Miß Cutterway schluchzte und hatte ihren rechten Haindrücken .zwischen den Zähmen. Sie biß darauf herum. Sie hatte blitzende Haftschalen in den Augen, weil sie kurzsichtig ,war. „Daisy, Mister Gilberth", murmelte sie. „Daisy." — „Sie können mich Duke nennen", sagte Duke und sah sich in dem kleinen Raum um. Es war eine Ankleidekabine für Mannequins mit einem Spiegel an der einen Wand und einem durch einen Vorhang geschlossenes Abteil für Kleider an der anderen Wand. Ein Polsterhocker stand da, über den Kleider geworfen waren. Daneben waren Schuhe in allen Farben verstreut. „Wann ist das passiert?" fragte Duke. „Vor zwanzig Minuten", blubberte Miß Cutterway. Dann sah sie Duke verzweifelt an. ,;Uns'ere Vorführung lief und Daisy kam nicht, als sie dran war. Wir hatten unsere Creation ,Flowers in Jiurope 1 angekündigt, und Daisy kam nicht, und ich ging sehen. Und dann fand ich sie. Hier. So" „Sahen Sie sonst etwas, Miß Cutterway?" fragte Duke. Sie sah ihn erstaunt an. „Natürlich. Judith. Sie stand hier und rührte sich nicht." — „Danke, Miß Cutterway", sagte Duke. „Ist das alles?" fragte sie enttäuscht. — „Das ist' alles", ant wortete Duke wütend. Miß Cutterway schlich durch den Vorhang der Ankleidekabine, aber nicht ohne vorher noch einen neugierigen Blick auf das tote Mädchen geworfen zu haben. „Noch etwas Miß Cutterway", rief Duke ihr nach: Sie blieb stehen. „Ich möchte Judith sehen." — „Ich werde es veranlassen", sagte sie mit Würde. Sie Schien sich wieder der Tatsache bewußt zu werden, daß sie Direktrice eines der be deutendsten Modehäuser New Yorks war. „Sofort, ,Mister Gil berth." Sie sah nochmals auf Daisy, dann auf Duke, und dann verschwand sie.
„Das ist noch nicht alles, Duke", sagte Erik Dülberg. Er war Chef der Mordabteilung des 2. Bezirks und starrte wütend auf die Leiche. Duke nickte. „Ich weiß, woran du denkst, Erik. Ich weiß das ganz genau, verdammt nochmal", fluchte er. „Du denkst an Violet, Erik. Sie ist vor zehn Tagen ermordet worden. Auch sie war hier beschäf tigt, auch sie ist erwürgt worden, und auch ihr fehlte eine Strähne des Haares. Es war nur ein Unterschied. Sie ist in ihrer Wohnung ermordet worden, und ich fand sie zuerst, als ich am Abend hinkam. Aber es ist der gleiche Mörder, Erik. Ich schwöre es. Und ich werde ihn finden. Verlaß dich drauf." „Du sollst den Mörder sogar finden. Duke", sagte Dülberg betont. „Was heißt d a s ? " „Wir haben dich hergerufen, weil das deine Aufgabe ist und eine Aufgabe für das Institut." — „Für das Institut?" schnappte Duke. Beide dachten an das Institut für wissenschaftliche Son deraufgaben in New York, dessen Leiter Pat, Dr. Patrick Kent, war. und in dessen Sicherheitsabteilung Duke arbeitete. „Was hätte das Institut mit diesen Mädchenleichen zu t u n ? " schnappte Duke noch eiinmal. „Gehen wir", sagte Erik. „Die Cutterway wird vergessen haben, uns Judith zu schicken. Aber du mußt das Mädchen sehen. Dann wirst du wissen, warum uns die Sache nichts mehr angeht und warum es eine Sache eures Institutes ist." Vor dem Vorhang stand ein Bulle in Uniform. Er hatte rote Haare und die Augen eines Stiers. „Bleiben Sie hier", sagte Duke zu dem Mann. „Es geht mir keiner hinein." — , . ] ' wolL Captain", grinste der Bulle. Duke folgte Dülberg, der den Gang an den Ankleidekabinen vorbeischritt. ,,Was hat Judith gesehen?" fragte er grimmig. Dülberg wandte nur kurz «len Kopf. In seinen grauen, überlegenen Augen blitzte es gewittrig. „Nichts", antwortete er. „Ich denke . . . " fauchte Duke. „Der Mörder war unsichtbar", sagte Dülberg. „ W a s ? " schrie Duke. Er machte zwei Riesenschritte, die ihn neben Dülberg brachten. „Der Mörder war unsichtbar", sagte Dülberg f.'och einmal. „Un . . . " — „Unsichtbar", sagte Dül berg. „Deswegen haben wir nichts mit der Sache zu tun. Wir geben sie a,n euer Institut ab. Ihr werdet vielleicht wissen, wie (man gegen Leute vorgeht, die man nicht sieht. Dort kommt sie. Die alte Cutterway hpt also doch nicht vergessen, uns daß Mädchen zu schicken." „Du h|ast sie sahon verhört?" — „Ich habe »lies aus ihr rausr gequetscht, was sie wußte. Sie wird dir eine ganz verdammte Geschichte erzählen, Duke." Jetzt erst sah Duke nach dem
Mädchen, zu dem Dülberg schon lange hinsah. Sie war durch die Portiere gekommen und wartete. „Kommen Sie hierher", befahl Dülberg mit ärgerlichen Falten auf der Stirn. Duke wußte nicht, warum er sich nur ärgern konnte. Das Mädchen gehorchte. Duke sah zu, wie sie dje Portiere Josl ließ und wie sie zu Erik Dülberg hinüberschritt. Sie konnte nicht viel älter als zwanzig Jahre sein, aber sie ging wie eine Königin. Judith hätte keinen anderen Namen haben dürfen, als den, den sie hatte. Es schien, als wäre sie soeben aus den alten Bibelsagen der Hebräer auferstanden. „Setzen Sie sich und erzählen Sie Ihre Geschichte nochmals", knurrte Dülberg böse. Duke hätte gern gewußt, was er auf ein mal hatte. ,,Dieser Mann hätte das gern nochmal von Ihnen gehört . . . " Dabei zeigte er mit dem Daumen über die Schulter auf Duke. „Ich heiße Duke", sagte er. „Ich wäre Ihnen danbar, Judiths wenn Sie mir Ihre Geschichte nochmal erzählen wollten . . . " Ihr Lächeln verschwand und sie nickte. vSie saß ganz still und sah auf den Boden. „Ich hatte die Kabine neben Daisy", murmelte sie, „und wollte mich gerjade umziehen, weil ich fertig war. Dp hörte ich nebenani etwas . . ., oh, Mister . . . " — „Duke", sagte er. Sie nickte, leicht und zeigte ihre Zähne. „Oh, Duke, iah kann das nicht beschreiben. Es fiel e'cwesi um, und dann war das Geräusch, als würde jemand ersticken. Ich wußte niah't, w|as es war, (aber ich dachte, Da,isy isei schlecht geworden. Ich wußte, daß sie gleich dran war, um die ,Flowers in Europe' vorzuführen, und lief hinüber. Aber . . . " Ihre Haut wurde noch weißer und ihre Lippen verzerrten sich in einer schrecklichen Qual. „Es war grauenvoll", sagte Judith. Ihre „Stimme war leise, und sie sah sich scheu um. „Dai6y hatte das letzte Kleid ange zogen, ein Cocktailkleid in rot . . .". — „Ich habe es gesehen", knurrte Duke.- „Sie stand in der Kabine und schien in die weißen Schuhe schlüpfen zu wollen, die zu den Kleid gehörten. Aber sie war nicht mehr dazu gekommen. Ich sah durch den Vorhang und sah ihr entstelltes Gesicht. Ihr Körper bog sich, als würde sie geschlagen werden, und dabei streckte ,s*ie die Arme aus, als wollte sie irgendwas von sich abwehren. ^Die Arme stemmten sich wie gegen eine Mauer, aber man sah diese Mauer nicht. Sie rang nach Luft und keuchte, die Augen traten heraus, als würde etwas ihren Hals umspannen. Und dann sah ich es." Judith schüttelte sich. „Ihr Hals war ganz zusammengedrückt, als würden ihn ein Paar Hände umspannen, aber man sah die Hände nicht. Man sah site nicht, Duke. JMan sah nur ihren Körper er^ schlaffen, wie er minutenlang haltlos noch in der Luft hing und
dann langsam zu Böden glitt. Er glitt so zu Boden, als würde ihn ein Mensch in den Armen halten und ihn langsam hinab* lassen. Aber man sah niemanden, Duke. Man sah niemanden." Duke sah, daß Judith zitterte. Ihre Lippen bebten in dem ver zerrten Mund. „Und dann?" fragte er laut. „Und dann war Stille. Ich weiß nicht, wieviel Minuten. Aber ich sah plötzlich, daß dort, wo ihr Hals zusammengedrückt war, jetzt blaue Stellen waren, und das der Hocker, der umgefallen »war, sich von selbst aufj richtete. Er richtete sich auf, als würde ihn jemand wieder auf die Beine stellen." Judiths Augen waren entsetzt. Sie suchte nach Worten. „Aber man sah niemanden, der das tat, Duke. Man sah nicht. Man hörte auch, was geschah, aber man sah nichts. Dann wurden ein paar Kleider, die herabgefallen waren, wieder über den Hocker gelegt, und dann . . und dann . . . und dann richteten sich plötzlich die Haare auf . . . bei Daisy . . . aul dem Kopf . . . " Judith brach ab. Sie starrte Duke an. Sie lächelte eine Sekunde verstört: „Sie werden denken, ich bin verrückt, Duke. Vielleicht war ich es. Ich weiß es nicht. Aber ich habe doch alles ge* 6ehen, denn jetzÜ: ist Diaisy w,irkl(ioh tat. Und die Ha(are fehlen^ ihr auch . . . über dem Scheitel." ,,Wie war das mit den Haaren?" fragte Duke. „Ein Messer fuhr durch die Luft. Es wurde von einer Hand gehalten. Aber man sah die Hand nicht. Das Messer schnitt die Haare ab. Dann schwebten die abgeschznittenen Haare und das Messer wieder nach oben und verschwanden." „Und Sie, Judith?" Duke blinzelte. „Ich?" — „Was haben Sie getan, Judith?" Sie starrte Duke verzweifelt an. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich war wie ^gelähmt. Ich stand da . . . " — „Und?" — „Da kam Miß Cutterway." — „Was sagte Miß Cutterway?" — „Sie schimpfte wie üblich, weil ich hier nichts zu suchen hätte und wo Daisy wäre . . . sie müßte schon längst da sein. Sie drängte mich beiseite und sah in die Kabine. Dann schrie sie." „Wer schrie?" — „Miß Cutterway." — „Und dann?" — „Ein paar Mädchen kamen und Mister Lordsay." — „Die Kabine hat niemand verlassen?" Judith schüttelte den Kopf. „Was geschah weiter?" — ..Mister Lordsay sagte uns Mädchen, daß wir verschwinden sollten. Aber ich hörte noch, wie er Miß Cutterway sagte, daß sie sofort die Polizei anrufen sollte." „Blieb jemand bei der Kabine fcurück?" — „Mister Lordsay blieb wohl zurück." Duke sah auf Dülberg. „Ich möchte Mister Lordsay sprechen", sagte er zu Judith. Dülberg schüttelte den Kopf. „Das ist nicht notwendig, Duke. Wir haben ihn schon gesprochen. Es. genügt, daß wir wissen, daß der Mörder die Kabine von dem Mädchen erst verließ, nach
•dem der Mord schon entdeckt war. Wir kamen einige Minuten später an. Das Mädchen war tot. Du .kannst die Protokolle und Fotos dann von mir haben." Er stand auf. „Du merkst, daß das nicht mehr unsere Angelegenheit ist, nicht wahr? Euer Institut .kann sich die Zähne ausbeißen."' Judith war aufge standen. Dülberg merkte, daß sie noch da war. „Danke, Miß Judith", knurrte er. „Sie können jetzt gehen." — „Sie können noch nicht gehen", sagte Duke. „Was wissen Sie noch?" Einen Augenblick sah sie ihn erschreckt an. Dann blickte sie auf den Boden. „Nichts", sagte sie dann fest und blickte ihn wieder an. Aber Duke wußte, daß sie noch etwas wußte. Und er wußte auch, daß sie es um keinen Preis sagen würde. Aber er schwor sich, daß er es trotzdem erfahren würde. „Ich werde zu Pat ins Institut fahren", sagte er, als er eben falls aufstand. Zweites Kapitel Pat bekam fast einen Schlaganfall. „Erzähle das nochmal, Duke", bellte er endlich. Er warf seine Zigarettenpackung über •die Tischplatte, und Duke fing sie auf und steckte sich so ein Ding zwischen die Zähne. „Erzähle das nochmal, Duke", schrie Pat wütend. Duke schüt telte den Kopf während er rauchte. „Es war kein Märchen, Pat", sagte Duke. Er sah Pat an. „Es war also fceAn Märchen?" flüsterte er. „Es war kein Märchen", sagte Duke. -Pat schaltete das Haus telefon ein und beugte sich vor, um zu sprechen. „Was willst du tun, Pat?" — „Ich will Dr. Bothwell verstän digen. ET beschäftigt sich mit allen möglichen Sachen." „Laß das, Pat." — „Warum?" — „Schalte den Kasten aus, Pat." Der tat es. „Du kannst mit Bothwell nachher verhandeln, wenn ich nicht mehr da bin. Ich habe keine Zeit. Du kannst später sagen, was Bothwell dazu meint, ob es etwas gibt, was einen unsichbar machen kann." „Wo willst du hin?" schnappte Pat. Er schob den Hausaparat von sich. „Ich habe mir von Dülberg die Adresse von Daisy geben lassen. Ich will in ihre Wohnung. Ich will sehen., ob ich dort was finde, wenn es der Unsichtbare nicht schon geholt hat." Pat nickte. Er bewegte die Lippen. Aber er sagte nichfe. „Ich habe damals Violets Wonnung durchsucht, aber ich habe nichts gefunden", fuhr Duke fort. „Sie wurde genau so umge bracht, Pat. Genau so!" „Es kann was anderes gewesen sein", «sagte Pat. „Es ist aiichts anderes gewesen", sagte Duke ptun. j : r fühlte, daß er
recht hatte. „Und jetzt, wo es jnejne Aufgabe Isfr nach dem Mörder zu suchen, wend ioh es funj Minallen Mitteln. Aufi meine Art." Duke stand auf. „Ich fahre zu Daisys Wohnung, Pat. Von dort zu Dülberg, Ich will Einsaht in die Akte» nehmen. Ich werde nicht viel finden, aber ich will es trotzdem tun. Dann will ich mit Mister Lordsay sprechen " „Wer ist Mister Lordsay?" „Der Abteilungsleiter von Quentin Loraine, Er sah, wie der Mörder ging." — „Und wer ist Loraine?" — „Zu ihm gehe ich später. Er wird nicht viel wissen. Aber vielleicht weiß er doch etwas. Ihm gehört das Modehaus, in dem Violet und Daisy arbeiteten. Er wohnt irgendwo draußen vor der Stadt wie ich von Dülberg hörte." „Ein großes Programm", sagte Pat. „Ein kleines Programm", entgegnete Duke- „Denn ich werde nachher noch Judith aufsuchen." „Da kann es Abend werden", sagte Pat, während er zu Duke aufsah. „Das ist möglich, aber ioh weiß, daß sie etwas weiß. Und dap werde ich von ihr erfahren." Duke stieg auf der Straße in den Wagen. Der Tag war wun- i dervoll. Duke stoppte den Wagen vor dem Haus, in dem Daisy ihre Wohnung gehabt hatte. Es war -gar nicht weit vom Broad/ way. Er kletterte hinter dem Steuer,.hervor und sah den Haus meister. Duke mußte an ihm vorbei. „Dajsy Prittwitt wohnte hier r nicht w a h r ? " fragte er freundlich. „In welchem Stock?" Der Mann guckte Duke mißtrauisch an. „Was heißt das: wohntje hier?" babberte er. Duke merkte, daß er zuviel gesagt hatte. „Ah, sie wohnt noch hier?" machte Duke deswegen. „Ich dachte, sie wäre schon ausgezogen." — „Will sie ausgehen"; knurrte der Mann, Duke nickt ernsthaft. .„Sie wird bald aus* ziehen", sagte er. „Für immer." „Wer, sind Sie?" — „Der Möbelspediteur. Miß Prittwitt beauf fragte mich, die Möbel anzusehen. Sie meinte zwar, ein kleiner Wagen würde genügen, aber ich muß fnir das selber ansehen." Der Mann beruhigte sich. „In welchem Stock?" fragte Duke noch einmal. Er reichte fünf Dollar hinüber. Der Mann nahm sie und wurde sofort freundlicher. „Der sechste, Mister." — „Danke", sagte Duke und ging zum Lift. Aber dann drehte er sieh nocfi einmal um. „Haben Sie da jemanden gesehen, der hereinkam und nicht ins Haus gehört?" — „Nein. Nicht, daß ich wüßte. Warum?" Duke war zufrieden. Im weitergehen sagte er: „Ich glaube. Miß Pritt will hatte auch einen Kollegen von mir beauftragt. Wegen eines Kostenvoranschlages. Ich wollte wissen, ob der.schon da war!"
Duke war "beruhigt Daisys Wohnung würde noch unberührt sein, denn der Hausmeister hätte es gesehen, wenn jemand g&r kommen wäre. Duke fuhr hoch und sah an der Wohnungstür eine .Visiten karte, die in einem Blechkasten steckte. Auf der Karte stand: Daisy Prittwill, Manequin. Die Wohnung sah aus, als hätte der Taifun darin gewütet, und Duke fluchte leise in sich hinein, weil doch schon jemand dagewesen war. Dann machte er die Tür hinter sich zu und sah sich ^die Wohnung an. Von einem winzigen Vorraum ging es in eine Kochnische, ein Bad, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer. Alles war sehr klein, und alles war durchwühlt. Aber Duke sah, daß der Mann, der das getan hatte, wenig Ahnung dovon hatte, wie man es richtig machte. Es war alles nur flüchtig durchsucht. Duke begann die ganze Arbeit noch einmal von vorn. Er ging systema tisch vor und fing in der Küche an, um im Schlafzimmer aufzu hören. Er zog die Schubladen ganz heraus, nahm jedes Stück in die Hand, was sich darin befand, und betrachtete es, und wenn er einen Raum verließ, gab es auf gar keinen Fall eine Ecke, in die er nicht hineingesehen hatte. Er überlegte, was der Mann, der vor ihm da war, hier wohl gesucht haben mochte. Im Schlaf zimmer fand er es endlich. Er hatte nicht die winzige Ecke von Papier entdeckt, die hinter dem Nachttisch hinter die Dielenleiste gerufccht war, und -die Duke zuallererst sah. Vielleicht hatte der Mörder nicht danach gesucht, sondern nach ganz was anderem. Und vielleicht hatte er auch das ge; funden, was er hafte haben wollen. Duke war das gleich. Jeden falls klappte er sein Taschenmesser auf und zog das Papier vorsichtig hinter der Dielenleiste an der Wand hoch. Mit den Händen hätte er es nicht gekonnt. Es war ein Zettel, der aus einem Notizbuch gerissen war und wahrscheinlich vom Nachttisch herab rutschte und hinter die Dielenleiste fiel. Mit flüchtigen Ziffern war eine Nummer drauf geschrieben: 4-4078. Duke wußte, daß es eine Telefonnummer war. Er steckte den Zettel ein, weil er noch nicht wußte, was es bedeutete. Er dachte an Daisy und verließ die Wohnurug. Nein, sie wohnte nicht mehr hier. Der Hausmeister putzte noch immer die Messinggriffe. „Nun, haben Sie sich alles angesehen?" fragte der Hausmeister. „Es geht in einen kleinen 'Wagen", sagte Duke mit einem bitteren Geschmack im Munde. „Die Wohnungen sind auch nicht groß." Aber Duke ging vorbei auf die Straße und kletterte in seinen Wagen, mit dem er in schnellem Tempo zum Polizeipräsidium fuhr.
Erik Dülberg war nicht da. aber das Mädchen, das in seinem Zimmer saß, sagte, daß er jeden Moment zurückkommen müßte. „Wo ist er hin?" fragte Duke. „Mister Dülberg sagt mir nie, w o er hingeht", antwortete sie. Duke fragte: „War er schon mal im Büro, seit er heute morgen wegging?" Sie nickte. „Er war da und brachte eine Tasche mit, und dann ging er wieder." — „Was für eine Tasche?" — „Es war eine braune Umhängtasche, die neben einem blauen Aktendeckel stand, und Duke nahm sie heraus und hing sie sich über die Schulter. Dann sah er sich den Akt an. Er war noch nicht beschriftet und dünnleibig. Er enthielt ein paar Protokolle, die aus dem Maschinenstenogramm bereits in Schreihmaschine übertragen waren, und die ersten grellen Schnellbilder, auf denen Duke die Ankleidekabine mit dem toten Mädchen erkannte. Duke stieß den Akt ins Fach zu rück. „Ich werde das Zeug hier lassen. Ich glaube, ich brauche es nicht. Ich habe meine eigene Art, den Mörder zu finden. Wenn ich es doch brauche, kann ich herkommen und hinein sehen." Duke zog mit dem Fuß einen Stuhl heran und setzte sich rittlings drauf. Über die Lehne hinweg begann er den Inhalt der Tasche auf der Tischplatte auszuschütten. Die Tasche gehörte Daisy. Die Tasche enthielt nichts anderes, als einen Lippenstift, einen Spiegel, ein .Taschentuch, einen Flakon mit billigen Parfüm, eine Damenaumbanduhr, zehn Visit karten, die sich Duke Stück für Stück genau ansah, ohne eine Bleistiftnotiz oder etwas Ähnliches zu finden, .einen grünen Kamm mit Etui und ein Bild von Daisy. Duke sah sich das Bild an, von hinten und von vorn, und schob es dann in die Jackett> tasche, wo er den Zettel führte, den er in Daisys Wohnung, gefunden hatte, und den kühlen Lauf seiner kleinkalibrigen Waffe, die nicht viel auftrug. „Sie gefällt Ihnen, Duke, nicht wahr?" fragte die Sekretärin, die näher gekommen war und ihm über die Schultner sah. Er stopfte den ganzen Krimskram gerade in die Tasche zurück, als Dülberg zur Tür hereinkam. „Du wirst nichts finden, Duke", sagte er. „Ich habe mir den Kram schon angesehen, aber ich habe auch nichts gefunden." — „Wo hast du die Tasche her, Erik?" fragte Duke. „Miß Cutter way hat sie mir gegeben, als ich ging." — „Wie kommt Miß Cutterway zu der Tasche?" — „Die .Mädchen geben ihre Taschen bei Miß Cutterway ab, ehe sie zu arbeiten anfan gen. Wenn sie gehen, bekommen sie sie wieder ausgehändigt." — „Warum?" Dülberg zuckte die Achseln. „Möglich, daß Loraine Angst hat, die Mädchen könnten etwas mitschleppen." — „Loraine ist ein Pedant?" — „Wahrschein lich ein rechnender Geschäftsmann. Er hat überall Modehäuser,
die ihm einen Haufen Geld einbringen. Miß Cutterway erzählte es mir. Aber, du hast es .gehört, es geht mich auch nichts mehr an. Das ist Sache des Instituts." Sein Ärger kam wieder. Duke wußte jetzt warum Dülberg wütend war. Er mußte den Fall abgeben und konnte nichts dagegen machen. „Ich war gerade nochmals im Leichenhaus", fuhr er grimmig fort, „und habe mir die Leiche von dem Mädchen nochmals angesehen. Sie ist erwürgt worden, das steht fest. Sie ist genau so erwürgt worden, wie Judith es erzählt hat. „Es ist also nicht mehr dein Fall?" — ,.Es ist nicht mehr mein Fall." — „Hattest du bezweifelt, was Judith uns erzählt hat?" „Ich habe doch noch gehofft, daß es ein Märchen wäre. Aber ich muß den Fall abgeben, Duke." — „Welche Nummer hat die Leiche?" fragte Duke. „142. Was willst du damit?" — .„Ich werde sie mir eben, falls ansehen", sagte Duke. „Möglichst bald." — „Es ist jetzt deine Aufgabe." — „Hat man übrigens Spuren in der Kabine bei der Leiche gefunden? Ich habe nichts davon im Protokoll gelesen." — „Nichts hat man gefunden", wütete Dülberg. Duke war bis zur Tür gegangen. Jetzt blieb er stehen und drehte sich nochmal um. „Kannst du mir eigentlich sagen, Erik, warum d u eo wütend warst, als uns Judith ihre Geschichte erzählte?" — „Und ob ich es kann, Duke", sagte er zwischen den Zähnen. „Durch ihre blödsinnige Geschichte mußte ich den Fall an euch abgeben. Du weißt, ich stehe kiarz vor der Beförderung und brauche bis dahin noch einige Fälle. Nachweisbare Fälle. Vier zehn Tage, Du.ke! Und Zeit ist Geld. Noch immer! Noch immer, Duke." „Duke grinste. „New York ist keine ruhige Vereinsstadt. Ich fürchte, du wirst keine vierzehn Tage warten müssen, um deine Fälle zusammenzubekommen." Duke fuhr im Lift hinunter, sprang pfeifend in seinen Wagen und ratterte zurück zum Broadway, wo Quentin Loraine seinen Modeladen hatte. Er hatte Glück, denn er sah, daß genau vor dem Modeladen Loraines in diesem Augenblick ein Wagen los fuhr und ihm damit zum Parken Platz machte. Er fuhr hinüber und quetschte sich genau in die Lücke. Duke wußte nicht, warum er so vergnügt war auf einmal, aber er ahnte es, denn langsam nahm jetzt schon alles Gestalt an. Er zog das Foto von Daisy heraus, den Zettel mit der Telefon nummer und schließlich den Zündschlüssel. „Ich möchte Mister Loraine sprechen. Ich bin Duke Gilberth und bearbeite. . . . " „Oh." Der Empfangchef stotterte ein bißchen. „Mister Gil berth! Oh! Es tut mir furchtbar leid. Mister Lordsay ist nicht mehr im Geschäft." — „Aber Miß Cutterway ist da?" — „Miß Cutterway ist i m Haus."' Sie starrte herüber, zitterte etwas bei
seinem Anblick und entschuldigte sich dann bei den Leuten, die am sie herumstanden. „Ich kam her und wollte Mister Lordsay sprechen. Ich sah Miß Judith nicht?" — „War es etwas Be sonderes, was Sie von dem Mädchen wollten?" — „Oh, neinr rieht direkt." Duke fixierte sie. „Hatte Daisy eigenftÜich Ver wandte, Bekannte oder Eltern hier in New York? Hatte sie einen Freund, Miß Cutterway?" Sie schüttelte entschieden den Kopf. ..S;e war allein, soviel ich weiß." „Wo liegt eigentlich die Kabine, wo Daisy ermordet wurde?" Miß Cutterway sah erschreckt auf. „Sie wollen die Kabine noch einmal sehen? Das ist nicht möglich. Sie ist schon wieder her gerichtet. Der Herr, der mit der Polizei zuerst da war, hat sie freigegeben, als er ging. Und die . . . ah . . . die Leiche des armen Mädchens ist bereits . . . nein, furchtbar . . . wegge schafft worden." Duke nickte. „Ich weiß das. Ich wollte nur wissen, wo die Kabine, von hier aus gesehen liegt?" — „Oh!" Sie atmete erleichtert auf und nnckte heftjfg. „Sehen Sie die Tür dort hinten?" Duke sah die Tür. „Wenn Sie von hier aus durch diese Tür gehen, kommen Sie in den Vorführungsraum und von dort wieder in den Kabfriengang, den Sie bereits kennen." Duke dankte Miß Cutterway. „Jetzt kenn ich mich aus", sag^e er. „Der Mörder könnte also auch von hier gekommen sein?" Sie schluckte. „Oh, meinen Sie? Doch, Sie haben recht, das könnte möglich sein. Bestimmt . . . Verfolgen Sie eine Absicht dar mit?" — „Nicht direkt", sagte Duke wieder und ging nach hinten zu der Tür. Hier kam er zum Hinterausgang. Miß Cutter way folgte ihm wie ein lauernder Schatten. „Ich werde jetzt hinten hinausgehen." Miß Cutterway atmete auf. Sie strahlte nun in einem einzigen Lächeln. „Oh, ja. Bestimmt ist es besser. Mister Gilberth." Sie beglei tete ihn bis zum hinterem Ausgang. Da erinnerte sich Duke an den Zettel, den er bei Daisy gefunden hatte. Er zog ihn hervor. „Ist das übrigens Ihre (Telefonnummer, Miß Cutterway?" fragt er. Er las sie ab, und sie beugte sich vor, um sie ebenfalls entziffern zu können. „4-4078?" murmelte'sie. Sie richtete sich kerzengerade auf und starrte Duke ins Gesicht. „Nein!" — „Sie wußten auch nicht, was das für eine Nummer ist?" Miß Cutterway war entsetz^. „Wie soll ich das wissen ?" Duke steckte die Kummer wieder ein und ging durch die Tür, die ihm Miß Cutterwav aufgehalten hatte. Er fuhr nach Hause, weil er angestrengt nachdachte. * * Er blätterte das Telefonbuch von vorn nach hinten und von hinten nach vorn. Aber er fand die Nummer nicht. Er knallte es zu. Er überlegte. Während er überlegte, w:ählte er die Nunn tn-er des Präsidiums, und die Zentrale kam. „Hallo, Muphey",
sagte Duke. „Es handelt sich um eine Nummer. Eine Telefonr nummer. Sie steht nicht 'im Buch. Aber ich brauche sie drinr gend." „Welche?" — „4-4078" — „Welches Amt?" — „Weiß ich nicht. Kannst du es schnell tun, Murphey?" — „Es kann nicht mehr als fünf Minuten dauern, Duke. Duke wartete, dann eiwft lieh hörte er das Summen. „Hör zu, Duke. Es ist die Nummer, die noch im Betrieb ist, aber mit dem Auftrag, sie nicht im Buch aufzunehmen." — „Wem gehört sie?" fragte Duke laut. „Der Besitzer oder die Besitzerin, heißt A. P. Chrushin." — „Wajs für eine Branche?" — „Ist auch nicht angegeben. Aber wfr haben die Adresse überprüft, Duke. Weißt du, wo das ist?" — „Nein!" Murphey nannte die Straße. Seine Stimme war voller Ekel „Eine häßliche Gegend", sagte Duke nebenbei. „Das ist noch nicht alles, Duke. Wahrscheinlich im selben Haus ist ein Mäd chenpensionat . . . äh . . . " — „Ah!" grinste Duke. „So eins! Dank«, Murphey, für die Auskunft. Sag mir nochmal die Adresse!" Murphey tat es. „Wenn du uns einen Gefallen tun willst, Duke", sagte er, „schau dich doch mal um. warum Lm gleichen Haus zwei Nummern existieren, ja? Die Sache kommt mir komisdh vor." „Mir auch", sagte Duke. „Schon lange, aber verlaß dich drauf, Murphey. Es wird gemacht." Murphey wollte abschalten. „Halt", rief Duke. „Hör mal zu, Murphey. Wem gehören dort in der Gegend eigentlich die Mädchenpensionate?" Duke war ganz wach. „AI Lefter", sagte Murphey. Nimm dich in acht, wenn du mit ihm zusammentriffst. Aber man kann ihm weder das noch jenes nachweisen." Es geht los, dachte Duke, als er den Apparat austastete. Violet war tot. Daisy war tot. Judith wußte was, und Daisy be saß die Telefonnummer von einem Mädchenpensionat. Ein Un sichtbarer ging um. Aber der Unsichtbare hatte sich nicht gefun> den. Bestimmt hätte er sie mitgenommen, bei Daisy, wenn er sie gesehen hätte. Die Schlinge wurde enger, verdammt enger. Dann marschierte er los und verrammelte hinter sich die Woh nungstür. Seinen Wagen hatte er nicht vor dem Haus abgestellt, sondern ein paar Straßen weiter. Da das Leichenhaus auf seinem Weg lag, fuhr er gleich vorbei. Das Haus sah aus wie jedes, andere. Es war grau und hatte eine Einfahrt. Aber neben den Einfahrt war eine schwarze Marmortafel. Morgue. Leichenhaus. Er kletterte raus und ging durch die Einfahrt und .nickte dem Pförtner zu. „Ich brauche die Leiche 142", sagte er. Der Pförtner sah aus wie eine verärgerte Schnecke und trug eine dünne Brille mit einem
Nickelgestell, durch die er in einem Bildmagazin las. Er hob kaum den Kopf, als er Duke anblinzelte und erkannte. „Gehen Sie zu Biedermann, Gilberth. Hinten. Zweiter Gang", nörgelte er. Duke ging. Er fand Biedermann im zweiten Gang hinten und erkannte ihn, weil er ihn hier schon mal gesehen hatte. „Nummer 142", sagte Duke. Der Leichenwärter rannte auf seinen kurzen, dicken Beinen Duke voraus. Dann hielt er. An der grauen Eisentür des Kühlschranks hefteten die Nummer 141, 142 und 143. Es war überall' kalt hier und roch nach gar nichts. Der Wärter schloß den Schrank auf und angelte das Eisenblech aus der zweiten Etage hervor, auf dem die Leiche lag. Der Wär ter zog das Tuch über dem Eisenblech weg, das die Hebarme ausgeschwenkt hatten. Er sah Duke an. „Na?" sagte er. Es war Daisv. An ihrem rechten, steifen Handgelenk baumelte ein Zet tel mit ihrer Nummer und ihren Personalien. Damit sie nicht verwechselt wurde. Duke zog das Tuch hoch über ihren Körper bis zum Hals. Er sah noch am Hals die Druckstellen, die noch genau zu er kennen waren. Er sah ihr ins Gesicht und dachte daran, wie sie auf dem Foto glücklich gelächelt hatte. Ihre Haare glänzten noch immer märchenhaft. Dann zog er das Tuch über den Kopf, wie es gewesen war. „Dülberg hatte recht", brummte er. „Es waren große Hände, sehr große Hände. Danke schön", sagte Duke. Er wandte sich ab und ging. „Das genügt." Duke fröstelte wirklich, als er auf die Straße trat. Er blieb einen Moment stehen, ehe er erneut in seinen Wagen kroch. Er überlegte, wie er fahren mußte, um in die Gegend zu kommen, die ihim Murphey genannt hatte. Es war nicht weit, und trofedem mußte Duke suchen, ehe er die Straße fand. Er ließ seinen Wagen ein Stück entfernt stehen und machte sich zu Fuß auf den Weg. Die Hände stopfte er tief in die Hosentaschen. So übel war die Gegend gar nicht. Es waren nur alte Häuser, teils im englischen Stil aneinanderge reiht, und teils standen sie einzeln. Es gab wenig Leute hier. Duke guckte an den Häusern rum, daß er die Nummer nicht verpaßte, die Murphey ihm gegeben hatte, aber dann sah er, daß das gar nicht notwendig war. Zwei Häuser weitet- stolzierte ein Mädchen auf der Straße auf und ab. Sie rauchte eine Zigarette und trug ein dünnes Kleid. Natürlich redete ihn das Mädchen an, als er vorbeiging und Duke blieb stehen. „Kennst du die Nummer vier Strich vier null sieben acht?" fragte Duke. Jetzt wurde sie auf einmal wachsam. Ihre Augen zogen sich zusammen wie die einer Katze. „Nein", sagte sie. „Was willst du damit? Du wirst doch die Telefonnummer ken nen? Wie?" Ihre Augen wurden noch schmäler. „Unsere Num mer ist 4-3708", nörgelte sie. „Und 4-4078", grinste Duke.
„Ich kenne beide." — „Du gehörst zu den Greifern, wie?" zischte sie. „Ich gehöre nicht zu den Greifern", sagte Duke. „Du willst mir doch nicht erzählen, daß du zum Club gehörst?" bläffte sie. „Du gehörst entweder zu den Greifern oder . . . " „Oder?" machte Duke. Er wußte jetzt, daß die Nummer 4-4078 zu dieser Bude dazugehörte. Er wußte jetzt, daß die Bude geteilt war. Sie harte von einem Club gesprochen. Duke ahnte, daß hier noch eine verdammte Geschichte dahinter steckte. „Von wem hast du die Nummer?" erkundigte sie sich. Sie blinzelte. „Vielleicht von AI?" grinste Duke. Sie riß den Mund auf und zitterte förmlich. „Von was für einem AI?" — „AI Lefter." sagte Duke. Jetzt nickte sie. „Dachte es mir doch gleich", freute sie sich. „Ich habe Menschenkenntnis, mein Lieber. Du könntest ein Greifer sein oder aber zu den Leuten um AI gehören. Die sehen so aus. Hat er dich herbestellt?" — „Ist er da?" fragte Duke dagegen. Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Jetzt ist er in seinem Geschäft. Er kommt erst abends." — „Was hat er für ein Geschäft?" fragte Duke. Sie wurde mißtrauisch. „Du weißt es nicht, was AI für ein Geschäft hat. Da . . . stimmt . . . was . . . " Sie sah ihn wütend an. Aber Duke erfand eine Ge schichte. „Hör.mal zu. Ich möchte mit AI ein Geschäft machen. Er kommt nicht schlecht dabei weg, ich auch nicht." Duke grinste fürchterlich. Er grinste deswegen, weil er daran dachte, was das für ein Geschäft sein würde." Aber jetzt sagst du, er war nicht da . . . " „Ach so!" Ihr Mißtrauen schwand. „Er hat eine Autohandlung in der Stadt. Dort ist er tagsüber. Aber er mag nichify, wenn man diese Geschäfte dort m8 „Mike!" Mike ging schon zur Puppe und fummelte vor ihren Augen herum. Und kurz darauf lief das Mädchen. Sie bewegte die Beine, die Hüften, den Rücken, die Arme bewegten sich und der Kopf drehte sich, um ihren roten Mund spielte ein Lächeln, und ihre Augen wanderten glitzernd, als wäre es wirklich ein Mädchen, .daß einen Mann verrückt machen willi, „Wollen Sie sie kaufen?" — „Ich würde sie kaufen, wenn sie in einem Bett liegen kann, sich aufrichten kann und Angst zeigen kann Und wenn sie wie Coleen aussieht." „Sie kann das alles. Ich werde Ihnen den Reflex genau erklären und ihn einstellen. Und wie Coleen wird sie auch ausgehen." Der Werkmeister nahm das Bild aus der Hand und sah es sich eine Weile an. Dann nickte er, ging auf die Puppe los und be gann ihr vorsichtig die Augen auszuquetschen. Er erklärte da bei: „Sie muß andere Augen kriegen. Die Haare werden ge färbt und das Gesicht wird etwas ummodelliert. Bis wann brauchen Sie s i e ? "
„Heute nacht noch", sagte Duke. „Ich werde es mit Mike bis in die ersten Morgenstunden schaffen", nickte der Werkmeister. „Ich glaube schon, daß ich es schaffen werde." „Ist sie warm?" fragte Duke, während er auf die Puppe zur ging. Der Werkmeister bekam Riesenaugen. „Was soll das heißen?" bläffte er. Duke faßte die Puppe an. Am Arm. Es war ein Arm wie jeder Mädchenarm. Es gab kaum einen Unterschied. Aber sie war kalt. „Sie sollte Körpertemperatur haben", meinte Duke skeptisch. Der Werkmeister lächelte erleichtert. „Ich kann das vielleicht machen. Auf wieviel Grad?" — „Körpertemperatur!" Der Werkmeister nickte wieder. „Wann wollen Sie sie ab> holen?" „Sagen wir um vier!" „Um vier. Gut um vier." Pat nahm den Blick von der Puppe und marschierte mit Duke aus der Eisentür. * Coleens Wohnung war eine Wohnung, wie sie viele gutver dienende junge Mädchen haben. Duke hatte keine fünf Minuten gebraucht, um die Wohnungstür aufzumachen. Pat stand an der Tür und hielt verzweifelt die Puppe im Arm. „Ich werde ein Nachthemd für sie suchen", sagte Duke und durchsuchte den eingebauten Schrank. Er fand zwei Hemden, von denen er an nahm, daß es Nachthemden waren. Duke ging zum Bett und nahm die Puppe hoch und.zog ihr das Hemd an. „Und jetzt?" gurgelte Pat. „Ich werde gleich fertig sein", sagte Duke, während er die Szene ausbaute. Er nahm Schuhe aus dem Schrank und stellte sie neben das Bett, verjagte Rat von dem Situhl und hing e*n Paar Strümpfe über die Lehne, legte einen Rock und eine Bluse dazu und fand endlich auch einen Strumpfhalter und das Fach mit den Panties. Der Strumpfhalter war schwarz und das spinnwebeartige Ge bilde, das er dazulegte, war von einem so wilden Lila, wie er •es noch nie gesehen hatte. Zuletzt legite er ein-aufgeschlagenes Magazin auf die Bettdecke. „Bist du endlich fertig?" fragte Pat heiser. Duke sah aus den Fenster, und er sah, daß hier niemand hereinkommen konn te. ..Ich möchte eine Generalprobe machen", sagte Duke und fummelte an der Puppe herum, wie es ihm der Werkmeister gezeigt hatte. Er haittje ihm erklärt, daß sie auf den Reflex rea-i gieren würde, wenn die Tür aufging. Rat war außer sich, aberi
er ging hinaus. Er machte die Tür hinter sich zu. Duke sab., daß er im Schrank Platz hatte, und er zwängte sich zwischen die Kleider. Von dort pfiff er, und die Tür 'ging auf, und «Pat kam herein. Duke erschrak fast, als er sah, was die Puppe machte. Sie richtete sich etwas auf, die Augen starr nach der Tür gericlh tet. is chob sich dann im Bett zurück unjd ibewegjbe die Lippen, als wollte sie schreien. Aber Rat blieb stehen (und flüstertte mit grimmigen Gesicht: „Zum Teufel, Duke, wo bist d u ? " Duke kam aus 'dem Schrank, legte die Puppe wieder zurück und sagte: „Wir können gehen. Es ist alles okay." Er sah auf die Uhr und setzte hinzu: „Coleen muß bald .ankommen." Er machte die Tür hinter sich zu und sagte zu Pat, ehe er aus der Wohnung ging: „Du wirst draußen im Haus warten, Pat„ und (die Wohnung beobachten. Er kann nicht durch die Fenster kommen. Er kann nur durch die Tür kommen. Du wirst diese Tür nicht aus den Augen lassen, Pat, und mir sagen, ob sie sich bewegt hat, wenn ich wiederkomme." — „Und wenn sie sich bewegt hat, ehe du wiederkommst", muffelte Pattt „Ich glaube es nicht, daß er kommen wind, ehe ich wieder da bin. DaJsy ist in ihrer Kabine ermordet worden, und auch Coleen kann in ihrer Kabine ermordet werden, wenn sie ins Geschäft geht;." „Und wenn er doch eher kommt?" beharrte Pat». Duke zuckte) die Achseln. „Dann haben wir dieses Spiel verloren, und wir müssen es anders anfangen." Pat sah Duke lange an. Sein Blick zeugte von einer fürchterlichen Aufregung, obwohl er ganz sanft war. Er ging hinter Duke aus der Wohnung und kletterte eine halbe Treppe höher von wo aus er die Wohnungstür im Auge hatte, ohne gesehen ,zu werden. Duke lief hinab und kletterte vor dem Haus in Pats Wagen, den er wegfuhr. Er fuhr bis <m einer Telefonzelle, an der sie vorbeigekommen waren. Hier ließ er ihn stehen. Er ging in die Telefonzelle hinein und rief ein Taxi heran, von dem er ausfr drücklich verlangte, daß es Spiegelscheiben hatte. Dann ging er wieder auf die Straße und wartete. Da kam die Taxe, f Sie hatte Spie'ge'ischeiben. Man sah von außen nicht nadh innen. Sie konnte auch leer sein. „Lassen Sie dein Taxameter unten", sagte Duke, während er hinten hineinstieg. „Fahren Sie ruhi'g weiter und halten Sie vor dem »Haus, wo ich es Ihnen ga'gen werde." Der" Mann betrachtete Duke eine Weile miß trauisch, aber als er den Schein sah, den Duke "In der Hand harte, 'grinste er.
j,Wollen wohl nicht gesehen werden?" — „'Genau das", grinste Duke .zurück. Die Taxe fuhr. Sie hielt, als Duke es sagte. Sie mußten nicht lange warten, und doch schien es Duke, als würden alle Uhrzeiger auf einmal langsamer laufen. Aber ..dann sah er Coleen und erkannte sie sofort. Sie kam schnell auf dap Haus zu und hatte einen kleinen Koffer in der Hand. „Coleen", sagte er. Sie drehte sich erstaunt um und sah nach ihm. Sie zögerte. „Sie müssen Ihr Geschäft anrufen. Coleen. Hören Sie." Sit kam ein Stück näher, aber in ihrem Gesicht zeichnete sich Miß trauen ab. Duke zögerte nicht lange, sondern griff sie am Arm und zerrte sie in den Wagen. „Fahren Sie", sagte er zum Fahrer. „Sie haben Daisy gekannt, Coleen, nicht wahr?" fragte er. Jetzt riß es ihr den Kopf herum, unid sie starrte Duke fassungs: loß an. „Sie wissen, was passiert ist mit ihr?" „Dann ist es gut";, sagte er. „Sie werden jefefc Ihr Geschärt an* rufen und sagen, daß Sie krank sind. Sie werden sagen, daß Sie nach New York zurückgekommen sind, aber daß Sie nicht kom men können, weil Sie krank sind,. Sie wenden sagen, daß Sie im Bett liegen. Haben Sie das verstanden?" Es schüttelte sie* „Mein Gott", sagte sie. „Es geschieht Ihnen nkhtts, wenn Sie tun3 was ich Ihnen gesagt habe", sagte Duke. „Aber es könnte Ihr Tod sein, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage." ' Der Wagen hielt vor der Telefonzelle, und Duke drückte dem Fahrer den Sahein in die Hand. Der Mann schien froh zu sein, daß er losfahren konnte. Er ging mit dem Mädahen in die Teta fomzelle, und weil sie so zitterte, daß sie nicht wählen konnte, ließ er sich von ihr die Nummer des Geschäftes sagen und wählte dann selber,. „Ist schon jemand dort?" fragte er dabei. Sie schüttelte den Kopf. Duke fluchte und wollte wieder einhängen. Aber er sagte noch:' „Dann nimmt niemand das Gespräch auf?" — „Das Band", murmelte sie. „Und wer hört es ab?" — „Mister Lordr say. Oder Miß Cutterway. Am Morgen, wenn sie ins Geschäft kommen." Jetzt wählte TJuke doch durch und zischte ihr zu: „Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe." Er drückte ihr den Hörer in die Hand, aber sie zitterte so, daß sie ihn kaum halten konnte. Sie mußte eine furchtbare Angst haben. Ihre Stimme Schwankte, als sie spraah. Aber das war nur gut so. Auch dap Band mußte diese Stimme wiedergeben. Duke hörte genau, was Sie sagte, und sie sagte es so, wie er 'es von (ihr verlangt hatte. „Ich werde Sie jetzt zu einem Wagen bringen", sagte er, „und Sie werden drin sitzen bleiben. Wenn Sie aus dem Wagen raup gehen, wird man eine Leiche aus Ihnen machen."
Duke führte sie aus der Zelle raus und in Pats Wagen. Duke knallte den Schlag zu, und saih noch, wie sie da saß und lautlos schluahzte. Es waren drei Minuten, bis er izu Pat kam. Pat war noch dort, wo er iihn verlassen hatte. Er saßauf der Treppe, wie einer, der hier übernachtet hat. „Coleen sitzt in deinem Wagen", sagte Duke hasti,g. „Der Wagen steht vor der Telefonzelle, wo wir vorhin vorbeikamen. Fahr sie ins Institut und ihalt sie dort fest, bis alles vorüber ist Erzähl ihr, was los ist. Jetzt heult sie. Sie glaubt^ wasiganz an deres). Aber es war besser für mich." Pat wollte etwas sagen, aber Duke ließ es nicht zu. „Wenn was passiert sfein sollte,! kommst du zurück und läutest unten. Dann weiß ich es. Dann, war alles umsonst." Duke grinste, obwohl «hm nicht danach izumute war. Er lief die halbe Treppe wieder ihjinab und hatte jetzt die Tür vom Coleens Wohnung noah schneller offen. Pat -.zischte ihm nach: ,,Duke!" Aber Duke machte ihinter sich die Tür /zu. Er wartete hinter der Tür. i • Nach einer Sekunde hörte er Schritte, die von oben kamen; und' schnell vorbeigingen und naah unten liefen, und er wußte, daß das Pat gewesen war. Er drehte sioh um und ging in die Woh nung . Alles war ruhig. Jetzt ging es dem Ende entgegen. Jetzt. Tir machte die Tüi* izum Wohnzimmer auf. , Beinahe .hätte es ihn zurückgeworfen, denn die Puppe rich tete sich leicht im Bef$ auf und starrte ihn mit ihren weiten Augen an. Duke legte die Puppe ins Bett zurück. Er deckte sie schön zu, wie das erste Mal, und dann nahm er eine Zigarette, rauchte sie, wjisohte das Zigarejtfenende der Puppe ein paar Mal über die geschminkten Lippen und izer drückte sie dann im Aschenbeaher, den er neben das Bett stellte. Er zog den Vorhang halb zu. Und jetzt war es echt. Es konnte nicht echter sein. Duke sah sich um, ob er einen Fehler gemacht hatte. Aber er hatte keinen Fehler gemacht. Er mußte jeübzt nur noch warten, bis der andere seinen Fehler machen würde. Er mußte nur noch etwas warten, bis der Unsichtbare kam, um Coleen zu töten. Duke stieg in den Schrank. Es gab keine Unklarheiten mehr. Er brauchte nur noch zu warten. Da hörte er das Geräusch. Er kam! Die Tür ging auf. Sie ging laut und ohne Gnade auf. Duke sah nichts. Aber er hörte die Schritte, # e an ihm vorbet
gingen und zum Bett gingen. Duke sah noch immer nichts. Er sah nur erstarrt, was die Puppe wieder machte. Sie machte ge nau dasselbe, wie das erste Mal und das zweite Mal. Aber füi daß Ungeheuer war es das erste Mal. und er glaubte noch daran. Die Puppe richtete siah etwas auf, die Augen starr nach der Tür gerichtet, schob sich dann zurück und bewegte die Lippen, als wolle sie schreien. Er warf sioh aus dem Schrank, noch ehe der Mann bemerkte, daß es eine Puppe war. Duke sah niohts. Aber er fühlte den Widerstand eines Korr pexs, gegen den er prallte. Er drückte den unsichtbaren Körper auf das Bett nieder, er fühlte, wie er sioh gegen jhn auf' bäumte, und wie die Arme nach ihm faßten und wie sich Fitir gernägel in seinen Körper krallten, aber wie sie schlaff würden und losließen. Die Puppe saß steif und etwas verrutscht, aber immer noch mit weiten Augen und furchtverzerrtem Gesjaht lauf dem Bett, während Duke wie blödsinnig über den Körper des Ungeheuers fuhr und iihn abtasteten. Er konnte es nicht mehr aushalten. Er mußte wissen, wer er war. Und dann fand er es. Es war ein Gerät'über der BruBt mit einer einfachen Schaltung. Mit einer lächerlich einfachen Schaltung, die das Kraftfeld um den unsichtbaren Körper auf* hob. Der Körper trat ins Liaht rn,it einem enfcfellten Gesicht, wie der Kopf eines Fernsehsprechteilnehmers in einer Itangsam pich erhellenden Bildscheibe. Duke starrte darauf und konnte es nicht fassen. Es war ins Moment zu viel für ihn. Denn er |S»aih das Gesicht von Quent.n Laraine und dachte daran, wie er ihm zugesichert hatte, daß er ihm über seinen Plan noch berichten würde. "Jetzt brauchte er es nicht mehr. Er hatte es erfahren. Alles. Es war zu Ende. Er wandte sich zum Gehen. Es war schon spät, und es gab einige Leute, die auf ihn warteten. Auf Quentin Loraine aber wartete der Elektrische Stuhl."
ENDE