ATLAN im Auftrag der Menschheit Nr. 133
Der Götterberg von H.G. EWERS
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des S...
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ATLAN im Auftrag der Menschheit Nr. 133
Der Götterberg von H.G. EWERS
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Mitte Februar des Jahres 2843. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. In der Galaxis herrscht relative Ruhe, abgesehen natürlich von den üblichen Geplänkeln und Reibereien an den Grenzen des Imperiums. Dennoch sind die obersten Führungskräfte des Imperiums mit zunehmender Sorge erfüllt. Schuld daran ist ein Ereignis, das sich, obwohl es sich fern von der Erde und in ferner Vergangenheit abspielte, auch auf die Menschheit selbst auszuwirken beginnt. Alles begann in dem Augenblick, da das Sternenvolk der Bernaler die Grenze der Dimensionen überschritt, sich aus den Fesseln der Körperlichkeit löste und zu Zeitnomaden wurde. Die programmierten Urgene der Bernaler sind jedoch in diesem unserem Universum zurückgeblieben und finden Kontakt zu einzelnen Menschen, denen sie unheimliche Fähigkeiten verleihen – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Bilfnei Gloddus, ein Kartograph des Raumschiffs SMARGENT, ist ein solcher „Negativ-Kontakt“. Nach dem Erwerb seiner neuen und überraschenden Fähigkeiten tritt er aus seiner bisherigen Unbedeutsamkeit heraus und sagt dem Solaren Imperium den Kampf an. Gloddus wagt es sogar, den Heimatplaneten der Bernaler zu betreten – und den GÖTTERBERG…
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Lordadmiral gibt sich als ‚großer Zauberer’ aus. Lelle Salgouz – Der Mann mit dem „Positiv-Kontakt“. Captain Bata Cysher – Kommandant der Space-Jet TOLKIEN. Gaongh und Tuusik – Eingeborene von Toulminth. Bilfnei Gloddus – Der Mann mit dem „Negativ-Kontakt“.
1. Lordadmiral Atlan saß auf dem etwas erhöhten Platz in der Kommandozentrale des Superschlachtschiffes SENECA und verfolgte interessiert die Durchsagen der Ortungszentrale und die kurzen, informativen Wortwechsel zwischen dem Schiffskommandanten und dem Navigator. Die SENECA war das Flaggschiff eines gemischten USOVerbandes, der aus insgesamt vierhundert Einheiten aller Klassen bestand. Ziel des Fluges war der Planet Toulminth, von dem aus der Bernaler Flangkort vor unvorstellbar langer Zeit Millionen von Urgenen auf die Reise geschickt hatte. Das Ausstreuen der Urgene war von Flangkort als Hilferuf gedacht gewesen, aber bisher waren die Kontakte zwischen Urgenen und intelligenten Lebewesen weder für die zu Zeitnomaden gewordenen Bernaler noch für die Kontaktpersonen erfreulich gewesen. Mit einer Ausnahme – vielleicht! dachte Atlan. Er blickte verstohlen zu dem großen aufgeschwemmten Mann hinüber, der, in Nachdenken versunken, in einem Kontursessel saß. Das aufgedunsene, rotgeäderte Gesicht war eine Kraterlandschaft von Schrunden und Falten und mit wulstigen Lippen. Die auf den
Seitenlehnen des Sessels liegenden Hände waren groß und fleischig. Der Mann hieß Lelle Salgouz und war ein Kolonialterraner vom Planeten Ammavol. Er hatte dort abseits der menschlichen Gesellschaft in einer Felsenhöhle zusammen mit zwei Frauen und seiner Wolfshundzucht gelebt – bis mit ihm eines Tages eine innere Wandlung vorgegangen war. Ursache war der Kontakt mit einem der von Flangkort ausgesandten Urgene gewesen. Seitdem war Salgouz’ Intelligenzquotient weit emporgeschnellt. Lelle Salgouz begriff Zusammenhänge, die andere Menschen zeit ihres Lebens niemals erfassen würden. Außerdem erwarb er die Fähigkeit, in das so genannte Zeitflimmern einzutreten, einen unendlichen Zeitstrom, in dem er ab und zu Kontakt mit den Bewußtseinsinhalten von Bernalern gehabt hatte, die körperlos im Zeitstrom dahintrieben. Zuerst war der Eintritt ins Zeitflimmern gegen seinen Willen erfolgt, später hatte Salgouz gelernt, diesen Vorgang zu beherrschen und nur noch willkürlich hervorzurufen. Doch seit der Bernaler Faskern durch seinen ungewollten Einfluß aus dem Zeitflimmern gerissen und im dreidimensionalen Raum körperlich existent geworden war, scheute Lelle Salgouz vor einem neuerlichen Eintritt ins Zeitflimmern zurück. Das alles ging Atlan durch den Kopf, während die SENECA durch das Sternengewimmel der nördlichen Seite des galaktischen Zentrums raste. Als der Computermeister, ein blauhaariger Kybernetiker dracynischer Abstammung, die neuesten Rechenergebnisse des positronischen Astrogationssektors durchgab, ließen Atlans Gedanken von Lelle Salgouz ab. „Eintauchkoordinaten sind einwandfrei erreicht worden“, teilte der Kybernetiker dem Kommandanten und dem Astrogator des Schiffes mit. „Damit kann der Weiterflug nach dem Abschluß des Orientierungsmanövers planmäßig erfolgen.“ „Danke!“ erwiderte der Kommandant, der – als Kommandant des Flaggschiffs – gleichzeitig Kommandeur des Flotten Verbandes war. Er aktivierte die Hyperkom-Sammelschaltung, die es den Kommandanten der übrigen dreihundertneunundneunzig Schiffe erlaubte, ihren Vorgesetzten gleichzeitig zu sehen und zu hören, und gab Anweisung, bei Standardzeit 23.02.00 mit
Beschleunigungswerten von vierhundert Kilometern pro Sekundenquadrat Fahrt aufzunehmen und nach Erreichen von achtzig Prozent LG in den Linearraum überzutreten. Lordadmiral Atlan lehnte sich zufrieden zurück. Bisher war der Flug planmäßig verlaufen, und es sah so aus, als würde das Ovendeno-System, zu dem der Planet Toulminth gehörte, ebenfalls nach Plan erreicht werden. Die Koordinaten dieses Sonnensystems hatten Atlan und Salgouz von dem sterbenden Bernaler Faskern erfahren. Atlan hatte sofort beschlossen, die Heimatwelt der Bernaler anzufliegen und mehr über ihre Zivilisation und das Zeitflimmern zu erfahren. Als Lelle Salgouz sich langsam erhob und auf das Hauptschott der Zentrale zuging, rief Atlan ihn an. Salgouz drehte sich um. „Ja, Sir?“ fragte er mit rauher Stimme. „Wohin wollen Sie?“ erkundigte sich der Arkonide. Salgouz verzog die wulstigen Lippen zu einem verlegenen Lächeln und entblößte dabei seine schadhaften Zähne. „Ich brauche eine Stärkung, Sir“, antwortete er. Atlan wußte, was Salgouz unter „Stärkung“ verstand. Er wollte sich mit Schnaps vollaufen lassen. „Halten Sie es wirklich für angebracht, kurz vor dem Ziel Alkohol zu trinken, Salgouz?“ fragte er ohne Vorwurf. Salgouz’ Augen erwiderten den Blick des Lordadmirals. „Gerade weil wir kurz vor dem Ziel sind, brauche ich etwas, Sir“, erwiderte er. „Außerdem werden wir noch mindestens zehn Stunden unterwegs sein. Bis dahin bin ich wieder nüchtern.“ Atlan lächelte. „Das will ich hoffen“, sagte er. Lelle Salgouz deutete eine Verbeugung an, dann wandte er sich um und verließ die Kommandozentrale. „Bei allen Kometenschweifen!“ sagte der Diensthabende Astrogator, Major Adaiga Oldenic, als sich das schwere Panzerschott hinter Salgouz verschlossen hatte. „Der Mann ist ja vollkommen vom Alkohol abhängig.“ „Aber er ist ein guter Mensch“, entgegnete Atlan. „Ich bin froh, daß an seiner Stelle nicht ein zweiter Gloddus von einem Bernalieschen Urgen getroffen wurde. Bei Salgouz brauchen wir
wenigstens nicht zu befürchten, daß er seine neuen Fähigkeiten mißbraucht.“ Major Adaiga Oldenic reckte sich, so daß ihre weiblichen Rundungen trotz der Bordkombination hervortraten. „Aber wir können auch nicht hoffen, daß er sie zum größtmöglichen Nutzen der Menschheit anwendet, Sir“, meinte sie. Atlan zuckte die Schultern. „Salgouz hat eben keinerlei Ehrgeiz, Major. Immerhin will er uns helfen, Gloddus auszuschalten. Das ist schon viel wert.“ Nachdem Major Oldenic sich wieder ihrer Arbeit zugewandt hatte, konzentrierten sich Atlans Gedanken auf den ehemaligen Astrokartographen Bilfnei Gloddus, der sowohl die USO als auch die Solare Abwehr in Aufruhr versetzt hatte. Im Gegensatz zu Salgouz hatte Gloddus Ehrgeiz. Dazu war er rücksichtslos und machtbesessen. Er verwendete die neuen Fähigkeiten, die der Kontakt mit einem Urgen ihm gebracht hatte, in negativer Weise, indem er das Solare Imperium zu erpressen versuchte. Sein erster Erpressungsversuch war nur dank Salgouz’ Eingreifen fehlgeschlagen. Aber Bilfnei Gloddus hatte entkommen können, und Atlan war sich klar darüber, daß der krankhaft ehrgeizige Mann seinen nächsten Erpressungsversuch sorgfältiger vorbereiten und sich besser absichern würde. Vorübergehend schweiften seine Gedanken ab, als die SENECA mit dröhnenden Aggregaten beschleunigte. Die Sterne draußen veränderten sich trotz der hohen Fahrt nicht, aber als eine Geschwindigkeit von achtzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht war und die Linearkonverter eingeschaltet wurden, verschwanden die Sterne schlagartig. Auf den Bildschirmen waren nur noch die rätselhaften Leuchteffekte und konfusen Farbmuster des so genannten Zwischenraums zu sehen. Innerhalb dieses Interkontinuums war die Lichtgeschwindigkeit gleich unendlich, so daß ein Raumschiff darin Geschwindigkeiten bis zum Vielmillionenfachen der Lichtgeschwindigkeit des EinsteinKontinuums erreichen konnte, ohne jemals die Lichtgeschwindigkeit wirklich zu erreichen. Eine halbe Stunde nach dem Eintritt in den Linearraum wurde die Zentralbesatzung abgelöst. Atlan wartete noch einige Minuten, dann
verließ er ebenfalls die Zentrale und kehrte in seine Kabine zurück, um ein paar Stunden zu ruhen. Doch er fand keinen Schlaf. Die Gedanken an Gloddus und dessen unbekannte Pläne beschäftigten ihn ebenso stark wie die Gedanken an das, was er auf Toulminth vorfinden würde. Er mußte eine Entspannungsübung anwenden, um doch noch von ihnen loszukommen. * Die von der Bordpositronik gesteuerten Leuchtchronographen der Kommandozentrale zeigten den 16. Februar des Jahres 2843 – Erdzeit – an, als die vierhundert Raumschiffe vor dem OvendenoSystem in den Normalraum zurückkehrten. Sofort liefen die zahllosen Ortungsautomaten an. Vierhundert Bordpositroniken nahmen die eingehenden Ortungsdaten auf, speicherten und analysierten sie und gaben laufend Zwischenresultate an die Kommandozentralen. In der Kommandozentrale der SENECA liefen die Daten zusammen und wurden in ihrer Gesamtheit nochmals vom besonders leistungsfähigen Bordgehirn des Führungsschiffes analysiert. „Keine Besonderheiten“, meldete die unmodulierte Stimme des Positronengehirns zum wiederholten Male. „Kleine gelbe Sonne und sieben Planeten bilden ein normales System. Nirgends sind Hinweise auf eine technisch hoch stehende Zivilisation zu entdecken. Allerdings ist die Entfernung für absolute Rückschlüsse noch zu groß.“ „Anfrage!“ sagte Atlan, der in die Zentrale zurückgekehrt war. „Gibt es im Ovendeno-System oder im weiteren Ortungsbereich Anzeichen für Raumschiffsaktivität?“ „Keine Anzeichen für Raumschiffsaktivität“, antwortete die Bordpositronik. „Weder verdächtige Energie- noch Massenortung.“ „Das hat an und für sich wenig zu besagen“, meinte Atlan zum Kommandanten der SENECA, der ebenfalls wieder auf seinen Platz zurückgekehrt war. „Wenn wir bedenken, daß es auf Toulminth eine Zivilisation gegeben hat, die in mancher Hinsicht der des Solaren Imperiums weit voraus war, dürfen wir nicht ausschließen, daß auf diesem Planeten Mittel existieren, mit denen man unsere
Ortungsinstrumente irreführen kann.“ „Aber die Zivilisation der Bernaler hörte auf zu existieren, als die Bevölkerung in eine neue Dimension eintrat“, gab der Kommandant zu bedenken. „Ihr Erbe kann von Vertretern einer anderen Zivilisation gefunden und ausgeschlachtet worden sein“, erklärte der Arkonide ernst. „So etwas hat es schließlich immer wieder gegeben. Auf alle Fälle werden wir uns vorsehen. Weisen Sie die Kommandanten aller anderen Schiffe an, rings um das Ovendeno-System Bereitschaftspositionen zu beziehen. Wir stoßen mit der SENECA ins System vor und sehen uns Toulminth aus der Nähe an.“ „Ja, Sir“, erwiderte der Kommandant. Nachdem er den Befehl weitergeleitet und die Bestätigungen der anderen Schiffskommandanten empfangen hatte, nahm die SENECA erneut Fahrt auf und drang ins Ovendeno-System ein. Da der Flug mit Unterlichtgeschwindigkeit erfolgte, würde es mehrere Stunden dauern, bis die SENECA die Bahn des äußeren Planeten und damit die Grenze des Ovendeno-Systems überflog. Deshalb verließ Atlan die Kommandozentrale. Er ließ sich vom Transportband des Chefdecks zur Kabine Salgouz’ tragen und drückte die Meldetaste. Es dauerte fast eine halbe Minute, bis die Tür sich öffnete. Der Vorraum dahinter war sauber, aber das ließ keine Rückschlüsse auf die Ordnungsliebe von Lelle Salgouz zu, denn alle Kabinen wurden von robotischen Wartungseinheiten sauber gehalten. In dem anschließenden Wohnraum sah es schon anders aus. Der hier zuständige Wartungsroboter stand deaktiviert in seiner Nische, die Möbel waren zu einem wüsten Haufen zusammen geschoben und an den Wänden waren Skizzen und Formeln mit einem CO2 Laserschreiber hingekritzelt worden. Lelle Salgouz selbst lag entspannt in einem Sessel, eine halbvolle Schnapsflasche vor sich auf dem Teppichboden und ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht. „Hallo, Lordadmiral!“ sagte Salgouz leutselig, als er Atlan erblickte. „Nett, daß Sie mich mal in meiner Höhle besuchen.“ Atlan nickte nur. „Sind wir schon im Zielgebiet?“ fragte Salgouz. „Völlig unwichtig. Alles ist völlig unwichtig, was nicht wichtig ist,
Lordadmiral.“ „Ich weiß“, sagte der Arkonide vorsichtig und setzte sich auf einen Lederhocker, den er sich mit dem Fuß heranschob. „Für den Wissenden gibt es eine andere Einstufung auf der universellen Wertskala als für den Unwissenden.“ Lelle Salgouz setzte sich aufrecht, scharrte dabei mit den Füßen und stieß die Schnapsflasche um. Hastig beugte er sich vor, griff nach der Flasche und stellte sie auf die Unterseite der Platte eines umgekippten runden Tischchens. Nach einem Schluckauf meinte er: „Es ist nicht gut für die Seelenruhe, zuviel zu wissen. Deshalb trinke ich auch.“ „Das ist eine Ausrede“, entgegnete Atlan. „Sie haben schon getrunken, bevor das Bernalische Urgen Ihren Horizont erweiterte. Warum hören Sie nicht endlich auf damit? Sie ruinieren sich. Wenn ich bedenke, was Sie bei klarem Kopf alles mit Ihren Fähigkeiten anfangen könnten…“ Salgouz winkte ab. „Ich könnte völlig neue Methoden der Überwindung von Raum und Zeit entwickeln“, sagte er. „Ich könnte der Menschheit die Reise in andere Universen ermöglichen. Aber da meine Fähigkeiten die eines normalen menschlichen Genies in kaum vorstellbarem Maß überschreiten, wäre eine solche Anwendung sehr gefährlich.“ Er beugte sich etwas vor und musterte den Arkoniden aus seinen kleinen grauen Augen. „Die Natur in ihrer unendlichen Weisheit hat dafür gesorgt, daß auch Genies ihrer Rasse nur relativ geringfügig voraus sind. Sie werden als Katalysator der Entwicklung gebraucht, deshalb dürfen sie sich nur in beschränktem Maße vom geistigen Stand des Durchschnitts entfernen. Entfernen sie sich zu weit davon und wirken sie weiterhin als Katalysatoren der Entwicklung, führen sie ihre Rasse unweigerlich in Situationen, die sie geistig nicht verkraften kann und die sie letzten Endes zugrunde richten müssen.“ „Ich verstehe“, sagte Atlan mit belegter Stimme. „Gar nichts verstehen Sie“, erwiderte Salgouz grob. „Ohne das Wissen, das mir unverdientermaßen zuteil geworden ist, können Sie überhaupt nichts verstehen. Ihre Gedanken bewegen sich auf einer ganz anderen Ebene als meine.“
„Aber das trifft offenbar nicht auf die Gefühle zu?“ erkundigte sich der Arkonide. Salgouz lächelte gequält, griff nach der Flasche, zog aber seine Hand leer wieder zurück und sagte leise: „Nein, auf die Gefühle trifft das nicht zu. Mein Gefühlsleben hat sich nicht verändert, wenn man davon absieht, welche spezifischen Empfindungen durch die Erkenntnis meiner neuen Fähigkeiten und meines neuen Wissens hervorgerufen wurden. Doch das sind Empfindungen einer Gefühlsskala, die schon vorher vorhanden war.“ „Wenigstens sind es positive Gefühle“, meinte Atlan. „Das ist Anschauungssache, Lordadmiral“, erwiderte Salgouz bedächtig. „Wie übrigens alles – oder doch fast alles. Sind Sie schon einmal auf den Gedanken gekommen, daß wir gar nicht das sind, was wir zu sein scheinen, sondern daß wir dieses Leben nur träumen – und uns ebenfalls?“ Atlan leckte sich über die Lippen. Seine Augen wurden feucht wie stets, wenn er erregt wurde. „Träumen wir denn das alles tatsächlich nur?“ erkundigte er sich unsicher. Salgouz lachte kehlig. „Wenn ich es wüßte, ich würde es niemandem verraten, Sir. Aber schon die Vorstellung, nur eine Traumgestalt zu sein, ist deprimierend genug, nicht wahr?“ Atlan erhob sich. Er hatte sich wieder vollkommen in der Gewalt. Lächelnd sagte er: „Im ersten Augenblick vielleicht, Salgouz. Ich bin jedoch überzeugt davon, daß eine solche Erkenntnis dazu führen würde, daß der Betreffende sich auf sein wirkliches Wesen besinnt – und das wäre doch sicher positiv zu werten.“ Lelle Salgouz blickte den Arkoniden nachdenklich an, dann meinte er: „Sie haben Format – trotz Ihres relativ geringen Wissens, Sir. Ich glaube tatsächlich, daß Sie alles verkraften können, was auf Sie zukommt. Vielleicht werden Sie diese geistige und seelische Qualität eines Tages bitter benötigen.“ Er erhob sich ächzend. „Aber Sie sind sicher nicht nur gekommen, um philosophische Gespräche mit mir zu führen. Darf ich Sie zur Zentrale begleiten,
Sir?“ Atlan lächelte. „Ich bitte darum, Salgouz – und vielen Dank für Ihr Verständnis.“ * Als die beiden Männer die Kommandozentrale betraten, stand auf der Bildschirmwand der Bordpositronik das Abbild eines Planeten mit blauen Ozeanen, grün, braun und rot gefärbten Kontinenten und weißen Wolkenfeldern. „Eine positronische Konstruktion aus den zahllosen Ortungsdaten, die wir über Toulminth erhalten haben, Sir“, erklärte der Chefkybernetiker. „Für eine Direktsicht über Vergrößerungsschaltung sind wir noch zu weit entfernt. Aber im Großen und Ganzen dürfte Toulminth so aussehen wie hier.“ „Sind Spuren einer Zivilisation entdeckt worden?“ fragte Atlan. „Bisher nicht“, berichtete der Chefkybernetiker. „Wenn es auf Toulminth überhaupt eine Zivilisation gibt, dann nur eine sehr primitive. Die Flüsse sind weder gestaut noch begradigt, es gibt keine künstlichen Kanäle und keine Städte. In den Ebenen der Kontinente herrscht zügellos wuchernde Vegetation vor, und an den Meeresküsten gibt es keine Dammbauten. Lediglich einige Ruinenstädte ließen sich ausmachen, aber das waren nur noch fragmentarische Gebilde. Dort lebt bestimmt kein intelligentes Wesen mehr.“ „Danke!“ sagte Atlan. Er wandte sich an Salgouz. „Es sieht nicht so aus, als könnten wir auf Toulminth viele wertvolle Informationen sammeln“, meinte er. „Wer weiß“, erwiderte Lelle Salgouz orakelhaft. „Etwas von Bedeutung muß es dort geben, sonst hätte der sterbende Bernaler nicht noch einmal alle seine Kraft zusammengenommen, um uns die Koordinaten Toulminths zu geben. Außerdem vermute ich, daß Gloddus ebenfalls die Koordinaten von Toulminth erfahren könnte. In dem Fall würde er hierher kommen, Sir.“ „Er würde kaum vor uns eintreffen“, entgegnete Atlan. „Also können wir ihm eine Falle stellen, falls er tatsächlich kommt. Salgouz, würden Sie nicht trotz Ihrer Bedenken noch einmal in das
Zeitflimmern eintreten, um mehr über Toulminth oder über Gloddus zu erfahren?“ Salgouz schüttelte den Kopf. „Nein“, beschied er Atlan. „Der Tod Faskerns war mir eine Warnung, Sir.“ „Aber dafür können doch Sie nichts!“ sagte Atlan heftig. „Daran sind einige übereilige beziehungsweise unfähige Leute schuld. Andernfalls hätten wir Faskern mit nach Toulminth nehmen können.“ „Ohne meinen engen Kontakt mit seinem Bewußtsein wäre Shankoon Faskern nicht aus dem Zeitflimmern verschwunden und körperlich auf unserer Existenzebene erschienen“, entgegnete Salgouz. „Dann hätte er auch nicht von einem ehrgeizigen SolAbAgenten auf die Erde gejagt werden können und wäre letzten Endes noch am Leben. Nein, ich werde nicht wieder ins Zeitflimmern eintreten, Sir! Außerdem wäre die Möglichkeit, daß ich dort einem Zeitnomaden begegne, der ausgerechnet etwas über Gloddus’ Absichten und Pläne weiß, verschwindend gering.“ Das sah Atlan ein, deshalb verzichtete er zunächst auf weitere Versuche, Salgouz umzustimmen. Er ging zum Platz des Schiffskommandanten und nahm auf dem Notsitz neben dessen Kontursessel Platz. Der Mann, ein Valvonier mit feuerroter Haut und vereinzelten milchweißen Schuppen auf den Wangen, wandte den Kopf und blickte den Arkoniden aus scheinbar ausdruckslosen Augen an. „Soll ich die SENECA auf Toulminth landen, Sir?“ fragte er mit einer Stimme, die von schwachem Vibrieren begleitet war. „Vorerst nicht“, antwortete Atlan. „Bringen Sie das Schiff in den Ortungsschutz der Sonne. Ich werde mit Salgouz zusammen ein Beiboot nehmen und mich erst einmal vorsichtig auf Toulminth umsehen.“ „Wollen Sie eine Korvette oder eine Space-Jet nehmen, Sir?“ erkundigte sich der Kommandant höflich. „Eine Space-Jet genügt“, antwortete Atlan. „Die Besatzung sollte allerdings über Erfahrungen mit fremdartigen Rassen verfügen.“ „Vermuten Sie, daß Sie dort unten noch Bernaler antreffen, Sir?“ erkundigte er sich. Atlan zuckte die Schultern.
„Ich möchte es nicht ausschließen und deshalb auf eine Begegnung mit fremden Intelligenzen vorbereitet, sein.“ „Dann empfehle ich Ihnen die Space-Jet, die unter dem Kommando von Captain Bata Cysher steht«, Sir“, meinte der Kommandant. „Cysher und seine Crew verfügen über große Erfahrungen im Umgang mit fremden Intelligenzen. Ich hoffe nur, es stört Sie nicht, daß zu seiner fünfköpfigen Crew zwei Frauen gehören.“ Der Arkonide wölbte die Brauen. „Warum sollte es mich stören?“ Abermals bewegte der Valvonier seine Hautlappen. „Es gibt Menschen, die nervös werden, wenn sie mit einem Raumschiff fliegen müssen, dessen Besatzung teilweise aus weiblichen Angehörigen ihrer Rasse besteht, Sir.“ Atlan lachte. „Ich gehöre bestimmt nicht zu diesen Menschen. Ganz im Gegenteil, ich schätze das Einfühlungsvermögen und die Intuition von Frauen besonders, ganz abgesehen davon, daß sehr viele Frauen außerdem noch dekorativ sind.“ „Tatsächlich?“ erwiderte der Kommandant. Diese Erwiderung erinnerte den Arkoniden daran, daß weibliche Valvonier im Gegensatz zu den männlichen Vertretern dieses Volkes klein, grau und unscheinbar aussahen und daß ein Valvonier Frauen deshalb gar nicht nach ihrer äußeren Schönheit beurteilen konnte, ganz abgesehen davon, daß Menschen weiblichen Geschlechts ihn gefühlsmäßig überhaupt nicht beeindruckten. „Wir halten sie jedenfalls oft für dekorativ“, sagte er lächelnd. „Ich übrigens auch, nur ziehe ich für meine persönliche Verwendung mehr die Schönheit der Seele vor.“ Er räusperte sich, weil ihm klar wurde, daß er auch mit dieser Bemerkung sozusagen neben der valvonischen Mentalität lag. „Gut, ich werde mich Captain Cysher und seiner Crew anvertrauen“, sagte er schnell. „Vielen Dank für den Hinweis. Beordern Sie die Space-Jet-Besatzung bitte an Bord ihrer Maschine. Ich werde mit Salgouz in einer halben Stunde dort sein.“ „Das wird sofort erledigt, Sir“, erwiderte der Kommandant und drückte die Sprechtaste des Interkoms.
2. Lordadmiral Atlan brachte Lelle Salgouz in dessen Kabine und blieb dort, bis Salgouz seinen Kampfanzug übergestreift hatte. Er wollte unbedingt vermeiden, daß der ehemalige Hundezüchter von Ammavol vor dem Einsatz Alkohol zu sich nahm. Salgouz duldete die Überwachung durch den Lordadmiral stillschweigend. Er widersprach auch nicht, als Atlan ihm anschließend befahl, ihn zu seiner Kabine zu begleiten und dort zu warten, bis sich der Arkonide ebenfalls einsatzfertig gemacht hatte. Danach begaben sich beide Männer zum Hangar der TOLKIEN, wie die Space-Jet hieß. Die Besatzung war bereits an Bord gegangen, um das Diskusschiff durchzuchecken. Als Atlan und Lelle Salgouz die Steuerkanzel betraten, sprach der Kommandant und Pilot gerade über Interkom mit dem Maschineningenieur. Er beendete das Gespräch, dann drehte er sich mitsamt seinem Kontursessel herum, stand auf und salutierte lächelnd. „Willkommen an Bord der TOLKIEN, Lordadmiral!“ sagte er mit dunkler Stimme. „Ich bin Captain Bata Cysher.“ Atlan musterte den Mann, dann lächelte auch er. Bata Cysher war schlank, jung und trug die metallisch glänzenden blauen Haare, die erst in der Kopfmitte begannen, schulterlang und in Nackenhöhe mit einem Band zusammengehalten. „Sie sind von Targa?“ fragte er, während er dem Captain die Hand hinstreckte. Bata Cysher nahm Atlans Hand und drückte sie fest. „Ja, Sir, aber ich stamme aus einer alten USO-Familie. Mein Großvater mütterlicherseits war Kyberno-Psychologe auf QuintoCenter, mein Vater starb als aktiver USO-Spezialist in einem Einsatz und meine sieben Brüder sind teils USO-Spezialisten, teils befinden sie sich noch in der Ausbildung.“ „Alle Achtung vor einer solchen Familie!“ sagte Atlan. „Und mein Beileid zum Tod Ihres Vaters. Ich hoffe, wir haben Gelegenheit, über das alles zu sprechen, Captain.“ Bata Cyshers Augen verdunkelten sich, aber er zwang sich zu einem Lächeln.
„Ich hoffe auch, Sir“, erwiderte er, ließ Atlans Hand los und deutete nacheinander auf die drei Mitglieder seiner Crew, die sich in der Steuerkanzel befanden. „Kopilot und Navigator Leutnant Caroline Marsh, Feuerleitoffizier Leutnant Hyam Fantac, Positroniker Leutnant Flower Ngama. Unser Maschineningenieur, Leutnant Goy-U-Santio, befindet sich im Maschinenraum.“ Atlan begrüßte auch die drei anderen Crew-Mitglieder durch Handschlag. Er fand sie alle sympathisch und war angenehm berührt davon, daß die beiden weiblichen Besatzungsmitglieder, Caroline Marsh und Flower Ngama, nicht mit ihm zu flirten versuchten. Danach stellte er Lelle Salgouz vor – und wiederum war er angenehm berührt, denn niemand von der Crew stieß sich an dem unvorteilhaften Äußeren des Mannes von Ammavol, sondern alle begrüßten ihn höflich, respektvoll und freundlich. Kurz darauf lernte er auch den Maschinen-Ingenieur kennen, wenn auch nur via Interkombildschirm. Der Mann, der an der getönten Lichtschutzfolie über der Haut, den großen Augen mit den Schlitzpupillen und den großen, hoch stehenden Ohren sofort als Utharer erkennbar war, blies seinen Kehlsack zur Größe eines Fußballs auf und sagte: „Maschinenkontrolle an Kommandant! Alles klar zum Start, Captain!“ Dann wandte er das Gesicht in die Richtung, in der ihm sein Bildschirm den Lordadmiral zeigte. „Ich bin sehr erfreut, Sie an Bord unserer TOLKIEN zu sehen, Sir“, erklärte er mit der von einem Schnarren begleiteten Stimme, „und ich wünsche Ihnen viel lichtlosen Raum.“ „Danke“, erwiderte Atlan, der die Verhältnisse auf Uthar aus eigener Anschauung kannte und deshalb wußte, daß die Utharer fast ausschließlich in den lichtlosen Höhlenlabyrinthen unter der Oberfläche ihres Planeten lebten und sich dennoch eine beachtliche Zivilisation aufgebaut hatten. „Ich wünsche Ihnen das gleiche, auch wenn wir Ihnen an Bord dieses Schiffes leider keine Lichtlosigkeit zur Verfügung stellen können.“ Leutnant Goy-U-Santio gab ein dunkles Glucksen von sich, das wahrscheinlich Heiterkeit ausdrücken sollte, und erklärte: „Sie irren sich, Sir. Nach diesem Gespräch werde ich die Beleuchtung im Maschinenleitstand ausschalten – einschließlich der
Kontrollampen. Ich kann nämlich an den verschiedenen Geräuschen hören, wie die Aggregate arbeiten.“ „Das freut mich für Sie, Leutnant“, gab Atlan zurück. Er nickte Captain Cysher zu. „Wenn alles klar ist, können wir starten, Captain.“ Bata Cysher bat den Lordadmiral und seinen Begleiter, auf zweien der freien Reservesessel Platz zu nehmen. Dann setzten er und die anderen Mitglieder der Crew sich ebenfalls, während der Interkomschirm dunkel wurde. Nachdem der Captain sich bei der Startkontrolle der SENECA abgemeldet hatte, betätigte er den Sammelschalter für die ferngesteuerte Bedienung der Schottautomatik und der Ausstoßfelder, dann wandte er das Gesicht in Atlans Richtung und meinte: „Keine Sorge, Sir, Leutnant Goy-U-Santio kann die Maschinen mit dem Gehör besser kontrollieren als Sie oder ich optisch mit Hilfe der Kontrollen.“ Das Außenschott des Schleusenhangars öffnete sich, nachdem die Luft abgesaugt worden war. Die Abstoßfelder packten die Space-Jet und trieben sie blitzschnell und erschütterungsfrei in den Raum hinaus. „Ich war keineswegs besorgt, Captain“, erwiderte Lordadmiral Atlan. „Wenn man sich auf das Gehör eines Utharers nicht verlassen kann, dann kann man sich auf nichts mehr in diesem Universum verlassen.“ „Danke, Sir“, sagte Bata Cysher erleichtert. Er ließ seine Finger mit verschiedenen Knöpfen und Tasten spielen, schaltete den Telekom ein und sagte: „TOLKIEN an Startkontrolle! Bei uns läuft alles wie auf Feldlagern. Ich übernehme selbst. Ende.“ „Startkontrolle SENECA an TOLKIEN!“ kam es zurück. „Fernsteuerung deaktiviert. Seht zu, wie ihr euren heißen Pfannkuchen selber auf Kurs haltet. Viel Glück! Ende.“ Atlan schmunzelte über den launigen Wortwechsel. Er fühlte sich in einer solchen Atmosphäre, wie sie an Bord der SENECA und besonders an Bord der TOLKIEN herrschte, ungemein wohl. Fast jedes Mal bei solchen Gelegenheiten aber verwünschte er sein fotografisches Gedächtnis, das ihn immer wieder an das
entwürdigende Benehmen der Höflinge erinnerte, die ihn während seiner Regierungszeit als Imperator Gonozal auf Arkon umgeben hatten. Diese Erinnerung schmerzte zutiefst. Lelle Salgouz räusperte sich und sagte: „Ihr Gesicht verrät mir, daß Sie von zwiespältigen Gefühlen gequält werden, Lordadmiral. Glauben Sie mir, der Schmerz ist für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit genauso unentbehrlich wie die Freude. Licht und Schatten müssen sich im Leben eines Menschen die Waage halten – und letzten Endes kommt es immer nur darauf an, wie jemand auf Glück und Unglück reagiert. Die verschiedenen Schicksalsschläge des Lebens sind nichts anderes als Werkzeuge, mit denen der Charakter einer Person geformt wird. Jemand, der Mißgeschick erleidet und darauf in der richtigen Weise reagiert, hat auf lange Sicht so viel gewonnen, als wäre ihm nur Glück begegnet.“ „Ich weiß“, erwiderte Atlan leise und dachte dabei an die Epoche seines zehntausendjährigen irdischen Exils, in der er Bekanntschaft mit der alten chinesischen Philosophie gemacht hatte. „Man soll sich weder vor Stolz über Erfolge aufblähen noch unter einer Niederlage zusammenbrechen. Nur jemand, der Reichtum und Ruhm gegenüber gleichgültig ist, wird auch Herr über das Mißgeschick sein.“ „Soll man deshalb etwa auch der Liebe gegenüber gleichgültig sein, Lordadmiral?“ fragte Leutnant Flower Ngama mit dunkler Stimme. „Liebe schließt Gleichgültigkeit aus“, antwortete Atlan. „Sie ist wie eine alles verzehrende Flamme, wie ein Feuer, aus dem man entweder geläutert oder ausgebrannt hervorkommt.“ Er lächelte. „Es soll aber auch vorgekommen sein, daß die Flamme lodert, bis das Leben erlischt.“ „Da hast du es, Flower“, sagte Leutnant Hyam Fantac. „Jetzt darfst du unter drei Möglichkeiten wählen.“ „Wenn es soweit ist, kann man nicht mehr wählen“, warf Lelle Salgouz ein. „Dann kann man nur noch prüfen, welche der drei Möglichkeiten eingetreten ist.“ „Sie stimmen mich ganz sentimental, Mr. Salgouz“, sagte Captain Cysher ironisch. „Nur, weil Ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet gleich Null sind“, entgegnete Salgouz. „Eines Tages werden Sie sich meiner und Atlans
Worte erinnern, Captain.“ Leutnant Caroline Marsh lachte hell. „Ich bin froh, daß ich noch nicht alt und weise bin“, erklärte sie. Plötzlich wurde sie wieder ernst. „Aber ich bekomme Angst, wenn ich daran denke, was noch alles auf mich zukommen wird.“ „Die Angst vergeht mit zunehmendem Alter“, meinte Atlan. „Sehen Sie nicht zu oft nach vorn, Leutnant Marsh, sondern achten Sie auf das, was geschieht – und vor allem auf Ihre Reaktionen darauf.“ „Zum Beispiel darauf, daß wir seit einigen Sekunden eine Kursabweichung zu verzeichnen haben und daß Sie bisher nicht darauf reagierten“, warf Captain Bata Cysher ein. „Oh!“ machte Caroline Marsh und wandte sich ihren Kontrollen zu. „Eine Kursabweichung von dreieinhalb Grad“, meldete sie wenig später. „Dafür muß es einen Grund geben.“ „Sicher“, sagte der Captain. Er schaltete die Kommunikationsleitung zur Bordpositronik ein und fragte: „Aus welchem Grund wurde der vorprogrammierte Kurs um dreieinhalb Grad geändert?“ „Ein Hindernis, bestehend aus einem Meteoritenschwarm“, antwortete das Positronengehirn mit unmodulierter Stimme. „Da Programmierung unauffällige Annäherung an den Zielplaneten vorschreibt, durfte der Meteoritenschwarm nicht zerstrahlt werden. Deshalb wurde ein Ausweichkurs gewählt.“ „Wie viel Zeit verlieren wir dadurch?“ erkundigte sich Captain Cysher. „Dreiundzwanzig Minuten“, antwortete die Positronik. „Verstanden“, sagte Bata Cysher und unterbrach die Verbindung. Etwa zehn Minuten später flog die TOLKIEN rund zweihundert Kilometer unter dem Meteoritenschwarm hinweg, und die Personen in der Steuerkanzel beobachteten die kosmischen Trümmer, die auf der der Sonne zugewandten Seite hell leuchteten. Aber die Begegnung dauerte nicht lange. Danach brachte der interplanetarische Raum keine Abwechslung mehr. * „Eine Siedlung ist so winzig und primitiv wie die andere“,
berichtete Leutnant Caroline Marsh. Die Space-Jet hatte den Planeten Toulminth zuerst außerhalb der Lufthülle mehrmals umkreist und war dann tiefer gegangen. Nach der ersten Umkreisung in zehntausend Metern Höhe und den Beobachtungen mit dem Elektronenteleskop stand es fest, daß es auf Toulminth keine technische Zivilisation mehr gab. „Zur Zeit der Bernalieschen Hochkultur muß der Planet ein völlig anderes Gesicht gehabt haben“, meinte Leutnant Flower Ngama, die mit Hilfe der Positronik alle Lichtaufnahmen und Meßwerte analysiert hatte. „Die Gesamtheit aller Daten beweist, daß es unter fruchtbaren Bodenschichten und wild wucherndem Dschungel Spuren von Bewässerungskanälen, Städten und Verkehrswegen gibt. Nur ein Kontinent ist völlig frei von Spuren einer Hochkultur.“ „Wahrscheinlich ist er erst nach dem Verschwinden der Bernaler emporgestiegen“, sagte Lordadmiral Atlan. „Und wahrscheinlich ist ein anderer Kontinent seitdem ganz oder teilweise im Meer versunken.“ Captain Cysher wandte sich zu Atlan um und fragte: „Wo soll ich die TOLKIEN landen, Sir?“ Statt einer Antwort wandte sich der Arkonide an Leutnant Ngama und sagte: „Schalten Sie bitte noch einmal die Aufnahme jener Ebene auf den Bildschirm der Positronik, wo wir vorhin die Steinfiguren gesehen haben, Leutnant Ngama.“ Flower Ngama nickte und beschäftigte sich mit der Schaltkonsole vor ihrem Platz. Im Unterschied zur SENECA gab es an Bord der kleinen Space-Jet natürlich keine Bildschirmwand am Frontteil der Positronik, sondern nur einen relativ kleinen Bildschirm über der Deckplatte des Computers. Als er aufleuchtete, war das Abbild einer weiten Ebene zu sehen, auf der hohes Gras wuchs, das immer wieder mit Baum- und Strauchinseln durchsetzt war. Auf kleinen Lichtungen standen ebenso kleine Siedlungen. Es handelte sich um runde Gemeinschaftshütten, deren Außenseiten geschlossen und die nach den kahlen Innenhöfen zu geöffnet waren. Jeweils in der Mitte zwischen zwei solchen Siedlungen stand eine ungefähr acht Meter hohe Steinfigur. Alle Figuren stellten
Humanoide Lebewesen dar, waren aber sehr grob gearbeitet, und jede Figur unterschied sich von den anderen durch ihre Kopfform. „Es gibt diese Figuren offenbar nur in dieser Ebene“, meinte Atlan. „Vorausgesetzt, die derzeitigen Bewohner der Ebene der Statuen oder ihrer Vorfahren haben die Figuren geschaffen, zeugt das von einem höheren Entwicklungsstand als bei den anderen Siedlungen auf Toulminth. Deshalb bin ich dafür, daß wir in der Ebene der Statuen landen – und zwar in der Mitte zwischen einer dieser Figuren und einer Ansiedlung.“ „Verstanden, Sir“, sagte Bata Cysher. Er drückte die Space-Jet allmählich tiefer, und nach einer halben Umrundung des Planeten tauchte am Horizont die Ebene der Statuen auf. Zu dieser Zeit befand sich die TOLK1EN in nur noch tausend Meter Höhe. Da Captain Cysher die Deflektorgeneratoren des Diskusschiffes aktiviert hatte, blieb das Schiff den Bewohnern der überflogenen Ansiedlungen optisch verborgen, und die Antigravaggregate erzeugten lediglich ein schwaches Summen und Heulen, das von den Eingeborenen sicher nur als Windgeräusch gedeutet wurde. Nachdem wieder eine der Statuen überflogen worden war, setzte Bata Cysher die TOLKIEN zwischen der Figur und dem nächsten Dorf sanft auf. Die Landestützen federten leicht nach, dann stand das Schiff still. Leutnant Caroline Marsh schaltete die Außenmikrophone ein und erklärte: „Ich schlage vor, den Deflektorschirm stehen zu lassen, damit die Eingeborenen keine Angst vor dem ‚Himmelswagen’ bekommen, für den sie unser Schiff wahrscheinlich halten würden.“ „Einverstanden“, sagte Atlan. „Wir werden kurze Zeit die Umgebung beobachten, dann verlassen Mr. Salgouz und ich das Schiff. Captain Cysher, ich bitte Sie, uns zu begleiten.“ „Mit dem allergrößten Vergnügen, Sir“, erwiderte Cysher. Er wandte sich an Leutnant Marsh. „Während meiner Abwesenheit haben Sie das Kommando über die TOLKIEN, Caroline.“ Caroline Marsh salutierte übertrieben. „Jawohl, Sir!“ sagte sie lächelnd. Lordadmiral Atlan stand auf, reckte sich und ging zum Getränkeautomaten, um sich einen Becher Kaffee zu tasten.
Während er trank, lauschte er auf die Geräusche, die von den Außenmikrofonen übertragen wurden. Er hörte das Rascheln des hohen Grases im Wind, das zarte Summen unbekannter Insekten, das schwache Getrappel ferner Huftiere – und plötzlich den Gesang eines Vogels. Unwillkürlich hielt der Arkonide den Atem an. Er hatte auf zahllosen Planeten Vögel singen hören, und die schönsten Vogelstimmen hatte er auf Valadaia gehört – aber sogar die waren nichts im Vergleich zu dem herbsüßen Gesang des unbekannten Vogels auf Toulminth. „Wunderbar!“ flüsterte Flower Ngama. Auch Bata Cysher, Caroline Marsh und Hyam Fantac lauschten ergriffen. Nur Lelle Salgouz hockte unbeteiligt in seinem Sessel und betrachtete scheinbar aufmerksam seine Stiefelspitzen. Atlan hielt Ausschau nach dem Vogel, der so wunderbar sang, daß ihm ganz seltsam ums Herz wurde. Sehnsüchte, die er längst für verschüttet gehalten hatte, stiegen wieder auf und erfüllten seine Seele mit banger Hoffnung und schmerzlicher Wehmut. Endlich entdeckte er den Vogel, ein taubengroßes Tier mit bläulich schillerndem Gefieder, blutrotem Kopfputz und relativ kurzem gelben Schnabel. Jedes Mal, wenn er eine neue Melodie anstimmte, legte er den Hals zurück und spreizte die Flügel zur Hälfte. „Wissen Sie, wie dieser Vogel von den alten Bernalern genannt wurde, Salgouz?“ wandte sich Atlan an den Mann von Ammavol. Als Lelle Salgouz nicht antwortete, wandte der Arkonide den Kopf und sah erstaunt, daß Tränen über Salgouz’ Gesicht liefen, ein ungehemmter Strom, der bereits den Kragenwulst des Kampfanzugs näßte. „Salgouz!“ rief er. Lelle Salgouz schrak auf und blickte zu Atlan. „Ja, Sir?“ fragte er mit tränenerstickter Stimme. „Warum weinen Sie?“ erkundigte sich Atlan. Seine Absicht war, die Ursache des Schmerzes an die Oberfläche von Salgouz’ Bewußtsein zu bringen. Das half erfahrungsgemäß, den schlimmsten Schmerz zu überwinden. „Ich weine?“ fragte Salgouz und faßte sich ins Gesicht. Verwundert betrachtete er danach seine tränenfeuchten Hände. „Oh!“ rief er. „Das wußte ich gar nicht. Daran muß der Ado Idaigh schuld
sein.“ „Der Ado Idaigh?“ fragte Flower, die den Tränen nahe schien. „Heißt der Vogel so?“ Salgouz nickte. „So hieß er bei den alten Bernalern. Übersetzt bedeutet Ado Idaigh soviel wie ‚Spiegel der Seele’.“ Er lächelte. „Übrigens wurde er auch ‚Urgho Falat’ genannt, was mit ‚Hüter der Liebe’ übersetzt werden kann.“ „Das wissen Sie alles von dem Bernalieschen Urgen, das in Sie gefahren ist?“ erkundigte sich Captain Cysher. „Das und noch viel mehr“, antwortete Salgouz. Atlan bemerkte, daß Salgouz noch mehr sagen wollte, dann aber die Lippen zusammenpreßte. Er warf noch einen Blick auf den Ado Idaigh, der soeben eine neue Strophe anstimmte. Atlan wappnete sich innerlich gegen die Wirkung des Gesanges, aber es half ihm nichts. Beinahe hätte er sich wie unter der Wirkung physischen Schmerzes gekrümmt. Mit rauher Stimme befahl er schließlich: „Salgouz, Captain Cysher! Wir steigen aus und sehen uns draußen ein wenig um!“ Die beiden Männer schnallten schweigend ihre Waffengurte um und stiegen hinter Atlan in den Antigravlift, der von der Steuerkanzel aus senkrecht durch den Mittelpunkt des Diskusschiffes bis hinab zum Laderaum führte, in dem die beiden Shifts standen. Dort endete der Antigravlift in einer zylindrischen Schleuse, die in einem Teleskopschaft aus dem Schiff geschoben wurde, bis sie auf dem Boden des Planeten aufsetzte. Als sich das Außenschott der Bodenschleuse öffnete, schlug den drei Männern klare würzige Luft entgegen. Es gab keine Spuren von Verunreinigungen. Atlan stieg als erster aus. Er blickte sich wachsam um. Zwar waren vom Schiff aus keine Eingeborenen gesichtet worden, aber mit Tieren und deren eventuell aggressiver Reaktion mußte man immer rechnen. Doch nur einige rot und schwarz gestreifte kleine Insekten summten neugierig vor seinem Gesicht und wichen dann wieder zurück. Langsam ging der Arkonide unter dem diskusförmigen Raumflugkörper hindurch, der sich nicht übersehen ließ. Das änderte sich, als Atlan die schweren Landeteller ungefähr fünf Meter hinter
sich gelassen hatte. Als er sich umwandte, war von der TOLKIEN nichts mehr zu sehen. Immerhin ließ sich der Landeplatz gut an dem von den Landetellern niedergedrückten Gras erkennen. Bata Cysher und Lelle Salgouz tauchten, scheinbar aus dem Nichts materialisierend, auf und gesellten sich zu Atlan. „Es sieht ausgesprochen friedlich aus hier“, meinte der Captain nach einem aufmerksamen Rundblick. Der Ado Idaigh unterbrach seinen Gesang, schlug mit den Flügeln und verließ den dürren Baum, auf dem er bisher gesessen hatte. Atlan atmete auf, als der Gesang nicht wieder ertönte. Er hatte mühsam um Fassung kämpfen müssen und hoffte, daß sich seine innere Erregung bald wieder legte. „Der Anschein kann täuschen“, sagte Salgouz. „Wir gehen ein Stück auf die nächste Ansiedlung zu“, sagte Atlan. „Vielleicht treffen wir ein paar Eingeborene.“ Er zog einen flachen Translator aus einer seiner Gürteltaschen und hängte ihn sich an der Schnur um den Hals. Nebeneinander schritten die drei Männer durch das Gras, durch das sich kreuz und quer Wildpfade hinzogen. Einmal kamen sie an dem Skelett eines ziegenähnlichen Tieres vorbei, dann entdeckten sie eine Art Schlange, die mit ihren dicht unterhalb des Kopfes sitzenden schaufeiförmigen Pfoten einen kuppelförmigen Insektenbau mit der Zunge fing. Die Schlange flüchtete bei ihrem Anblick sofort und war bald im Gras verschwunden. „Das könnte bedeuten, daß die Eingeborenen sich hauptsächlich von der Jagd ernähren“, meinte Cysher. „Jäger und Sammler“, sagte Atlan nachdenklich. „Vielleicht markieren die Statuen die Grenzen ihres Jagd- und Sammelreviers, dann werden sie uns als Eindringlinge betrachten. Folglich müssen wir bereit sein, unsere Paralysatoren zu gebrauchen.“ Bata Cysher nickte. Sekunden später gab sein Armbandfunkgerät eine Serie kurzer schwacher Pfeiftöne von sich. Bata winkelte den Arm an und schaltete das Gerät ein. Die Pfeiftöne brachen ab, dafür sagte Caroline Marshs Stimme: „Captain, wir haben eine Gruppe von achtzehn Eingeborenen entdeckt, die Ihnen aus der nächsten Ansiedlung entgegen kommt. Es sind offenbar alles Männer, und sie tragen Waffen.“
„Was für Waffen?“ erkundigte sich Bata Cysher. „Steinschleudern, Pfeil und Bogen, Wurfspeere“, antwortete Leutnant Marsh. Atlan aktivierte sein Armbandfunkgerät, das auf die gleiche Frequenz eingestellt war wie die der TOLKIEN-Crew, und sagte: „Danke, Leutnant. Wir kehren um und gehen langsam zum Schiff zurück, damit wir notfalls hinter dem Deflektorfeld verschwinden können. Vielleicht beeindruckt das die Eingeborenen so, daß sie von Feindseligkeiten absehen.“ „Verstanden, Sir!“ antwortete Caroline Marsh. „Sie wollen fliehen, Sir?“ fragte Lelle Salgouz, nachdem Atlan und Cysher ihre Funkgeräte ausgeschaltet hatten. Der Arkonide wölbte die Brauen. „Fliehen ist nicht der richtige Ausdruck. Ich will lediglich vermeiden, daß es zu einem Kampf kommt, denn das erschwert Verhandlungen. Außerdem sind die Eingeborenen nach ihren Sitten und Gebräuchen im Recht, wenn sie versuchen, Eindringlinge aus ihrem Revier zu vertreiben. Ich frage mich nur, woher sie von uns wissen. Eventuelle Späher hätten wir doch entdecken müssen.“ „Es sind Wilde“, meinte Lelle Salgouz bedächtig. „Lebewesen mit stark ausgeprägten Instinkten. Sie könnten die Ankunft Fremder in ihrem Revier gespürt haben.“ Dieser Versuch einer Erklärung befriedigte den Lordadmiral zwar nicht, aber er beschieß, die Sache vorläufig auf sich beruhen zu lassen. Langsam kehrten die drei Männer zur unsichtbaren Space-Jet zurück und stellten sich außerhalb des Deflektorfeldes auf. Sie gingen langsam; dennoch war es erstaunlich, daß sie, als sie sich umdrehten, die ersten Eingeborenen erblickten. * Sie waren humanoid, und ihre Haut war von schmutziggrüner Färbung. Die Körpergröße betrug etwa 1,60 Meter im Durchschnitt. Ihre Hälse waren lang und leicht nach vorn gebogen, die Körper völlig unbehaart und mit Fellschurzen bekleidet. Die Nasen waren klein, ebenso die rundlichen Münder. Die Ohren hatten die Form von zwei Zentimeter langen zylindrischen Stöpseln, die links und rechts
aus den Köpfen ragten. „Das sind Bernaler, zweifellos“, flüsterte Salgouz. „Aber sie haben sich im Verlauf vieler Generationen an das Jägerleben in der Wildnis angepaßt. Die alten Bernaler waren schlank und feingliedrig, beinahe ätherisch zu nennende Geschöpfe; ihre fernen Nachkommen sind dagegen grobknochig und muskulös.“ „Aber ihr Gehirn kann sich doch nicht so stark zurückentwickelt haben“, sagte Captain Cysher. „Die alten Bernaler sollen hochstirnig gewesen sein, während diese Wilden ziemlich niedrige Stirnen haben.“ Lelle Salgouz nickte. „Das stimmt. Aber diese Wilden stammen nicht von normal entwickelten Bernalern ab. Als damals beinahe die ganze Bevölkerung von Toulminth verschwand, verblieben nur die Bernaler, die geistig so zurückgeblieben waren, daß sie die vierte Dimension nicht einmal annähernd erfassen konnten, also Senile und krankhaft Schwachsinnige. Aus ihnen haben sich durch gnadenlos natürliche Auslese jene Wilden entwickelt, die doch offenbar recht gut für ihr hartes Leben ausgestattet sind.“ Atlan sagte nichts. Er beobachtete, wie die Wilden sich sammelten, während Salgouz und Cysher sprachen. Die Eingeborenen schienen etwas irritiert zu sein, weil die drei Fremden, die ihnen ihrer Meinung nach weit unterlegen waren, furchtlos auf einem Fleck standen. Dann stieß einer der Wilden einen schrillen Schrei aus, und plötzlich stürmten alle gleichzeitig mit schauerlichem Gebrüll vorwärts und schwangen dabei ihre Waffen. „Die Stimmen der alten Bernaler waren leise und melodisch“, sagte Salgouz, „was man von denen der neuen nicht sagen kann.“ Atlan lächelte flüchtig und zog seinen Paralysator. Seine Gefährten folgten seinem Beispiel, und sicher waren auch die Narkosestrahler der unsichtbaren Space-Jet auf die Eingeborenen gerichtet. Ungefähr dreißig Meter vor den drei Raumfahrern blieben die Wilden stehen. Sie brüllten noch immer und schwangen weiter ihre Waffen, offensichtlich in dem Bemühen, die drei Fremden kampflos zu vertreiben. Als ihnen das nicht gelang, flogen die ersten Wurfspeere durch die Luft. Aber auch sie sollten nur warnen; ihre Spitzen bohrten sich dicht vor den Füßen der Raumfahrer in den
Boden. „Der nächste Angriff wird tödlicher Ernst sein“, warnte Atlan seine Gefährten. „IV-Schirme einschalten!“ Die Männer aktivierten ihre hochenergetischen Individualschirme, die praktisch unsichtbar waren, wenn man davon absah, daß die ständig dagegen prallenden winzigen Staubteilchen der Luft eine Art Dunkelflimmern erzeugten, wenn sie in den Hyperraum abgestrahlt wurden. Sekunden später flogen die ersten geschleuderten Steine heran und wurden ebenfalls in den Hyperraum befördert. Ihnen folgten Wurfspeere und Pfeile. Das Gebrüll der Wilden erstarb allmählich, als sie erkannten, daß ihre Waffen die Fremden nicht verletzten. Einige Männer zogen sich ein paar Schritte zurück, bis einer von ihnen, dessen kahler Schädel mit grellgelber Farbe bemalt war, wieder den schrillen Schrei ausstieß und mutig auf die Raumfahrer losstürmte. Offenbar war er der Häuptling, denn die übrigen Wilden folgten ihm, ohne zu zögern. Sie stimmten auch wieder ihr Gebrüll an, obwohl es sich diesmal eher nach Verzweiflung anhörte. Lordadmiral Atlan wartete, bis die ersten Eingeborenen sich bis auf etwa fünf Schritte genähert hatten, dann gab er seinen Gefährten ein Zeichen. Die Raumfahrer traten zwei Schritte zurück und wurden damit für die Wilden unsichtbar. Sie selbst konnten allerdings die Wilden weiterhin sehen, denn das Deflektorfeld war infolge des so genannten Antiflexeffektes von innen „durchsichtig“. Die Eingeborenen verstummten und blieben stehen. Nur einer von ihnen konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und stolperte durch das Deflektorfeld. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse fassungslosen Entsetzens, als er plötzlich wieder die Fremden vor sich sah, die sich doch soeben in Luft aufgelöst hatten, wie er denken mußte. Als er den Mund zu einem Schrei öffnete, schlug Atlan ihm die Faust gegen die Schläfe. Der Bernaler verdrehte die Augen und kippte um. Lelle Salgouz und Bata Cysher fingen den Bewußtlosen auf und legten ihn behutsam ins Gras. Atlan ging zehn Schritte nach rechts und trat dann wieder durch
das Deflektorfeld, so daß die Eingeborenen ihn sehen konnten. Der erste Wilde, der ihn erblickte, stieß einen gellenden Schrei aus. Die anderen fuhren herum und starrten den Arkoniden an. Atlan hob die Hände und drehte die Handflächen nach außen, um den Wilden zu zeigen, daß er in friedlicher Absicht gekommen war. Doch der Zorn über die Eindringlinge war zu groß. Alle siebzehn Wilden stürzten sich so vehement auf Atlan, daß er nur noch flüchten konnte, damit keiner der Angreifer mit seinem IV-Schirm in Berührung kam und in den Hyperraum geschleudert wurde. Abermals zog der Lordadmiral sich hinter das Deflektorfeld zurück. Doch diesmal folgten ihm die Eingeborenen, vom Schwung ihres ungestümen Angriffs fortgerissen. Den drei Raumfahrern blieb nichts anderes übrig, als die Wilden mit ihren Schockwaffen zu lähmen, wenn sie nicht riskieren wollten, daß einige von ihnen umkamen. Ihre IV-Schirme konnten sie nicht abschalten, sonst wären sie getötet worden. Die Bernaler zögerten, als einige ihrer Gefährten lautlos und stocksteif umfielen, doch dann griffen sie erneut an. Erst, als Atlan den Häuptling paralysierte, machten die anderen kehrt und rannten davon. Insgesamt sieben Eingeborene entkamen. „Feuer einstellen!“ befahl Atlan. „Sie stellen keine Bedrohung mehr für uns dar.“ Er schob seinen Schockblaster ins Gürtelhalfter zurück, schaltete seinen Armbandtelekom ein und sagte: „Leutnant Marsh?“ „Ja, Sir?“ fragte Caroline Marsh. „Wir haben alles mitverfolgt und vorhin sogar ein wenig Angst um Sie gehabt.“ „Das war nett von Ihnen“, erwiderte Atlan. „Leutnant, wir werden zuerst nur einen Eingeborenen mit an Bord nehmen. Projizieren Sie bitte über die anderen eine kleine Energiekuppel, damit sie nicht fortlaufen, wenn die Lähmung nachläßt.“ „Wird gemacht, Sir“, bestätigte Caroline. Unterdessen hatten Salgouz und Captain Cysher den paralysierten Wilden die Waffen weggenommen und in der Bodenschleuse verstaut. Atlan legte sich den Häuptling über die Schultern und lehnte ihn in der Bodenschleuse gegen die Wand. Danach fuhren die drei Männer in die Steuerkanzel hinauf. Dort wurde der Gefangene auf einen Kontursessel gelegt, der zu einer Liege ausgeklappt worden war, Flower Ngama legte dem
Eingeborenen die Sicherheitsgurte an. „Wir müssen abwarten, bis die Lähmung abgeklungen ist“, meinte Atlan. Er blickte Salgouz an. „Haben Sie von dem Geschrei der Wilden etwas verstanden, Salgouz?“ Der Mann von Ammavol schüttelte den Kopf. „Leider nicht, Sir. Aber das hatte ich auch nicht erwartet. Die Vorfahren dieser Wilden waren, wie gesagt, von Geburt an geistig minderbemittelt oder litten an Altersschwachsinn. Sicher konnten sie lesen und schreiben, aber sie werden ihren Nachkommen keinen Unterricht gegeben haben, so daß die nächste Generation keine Schriftsprache mehr kannte. Ohne Schriftsprache aber verändert sich die gesprochene Sprache schneller als normal. Bei den Bernalern kam hinzu, daß sich ihre ganzen Lebensbedingungen radikal änderten. Daraus resultierte natürlich auch eine radikale Veränderung der gesprochenen Sprache.“ „Wir können also auf den Translator nicht verzichten“, meinte der Arkonide. „Könnten wir nicht einen Erkundungsflug mit einem der Shifts unternehmen, solange die Gefangenen noch gelähmt sind?“ fragte Captain Bata Cysher. „Wir könnten, aber es wäre wenig sinnvoll“, antwortete Lordadmiral Atlan. „Wenn die nächste Erkundung erfolgreicher sein soll als die erste, brauchen wir Informationen – und die können wir nur von unseren Gefangenen bekommen. Es ist schade, ich weiß, aber wir müssen schon warten, bis unser Freund hier; aufwacht.“ Er lächelte. „Dennoch brauchen wir nicht untätig herumzusitzen. Während der Umkreisungen haben wir massenhaft Daten über Toulminth gesammelt. Die Positronik hat sie zwar analysiert, aber da kein Positronengehirn die menschliche Intuition ersetzen kann, sollten wir alles gründlich durchsehen. Vielleicht fällt uns etwas auf, das uns weiterhilft.“ Lelle Salgouz seufzte abgrundtief und sagte: „Selig sind die, die freudig Befehle ausführen. Sie leiden am wenigsten unter der Knechtschaft.“
3.
Der Gefangene bewegte die Augen hin und her. „Die Lähmung läßt nach“, sagte Flower Ngama. Lordadmiral Atlan trat zu dem Wilden und klappte die Rücklehne des Kontursitzes hoch. Er sah, daß die Augen des Mannes sich auf ihn richteten und daß in ihrem Hintergrund sekundenlang Furcht aufflackerte. „Nur ruhig!“ sagte er, obwohl er wußte, daß der Wilde ihn nicht verstand. „Niemand will dir etwas tun.“ Der Gefangene zitterte plötzlich am ganzen Körper. Das war allerdings keine Folge von Furcht oder Panik, sondern eine natürliche Reaktion der Muskeln auf die Lösung der Starre, die sie bislang gelähmt hatte. Atlan zog das Mikrofon der Computerkommunikation an seinem biegsamen Arm näher an den Wilden heran. Der tragbare Translator war an Bord überflüssig. Die Positronik konnte der Aufgabe, die Sprache der heutigen Bernaler zu analysieren und zu übersetzen, viel besser nachkommen, da ihre Kapazität bedeutend größer war. Leutnant Flower Ngama legte eine Hand an den Hinterkopf des Gefangenen, mit der anderen setzte sie ihm einen Becher an die Lippen, den sie vorher mit dem vitaminierten Trinkwasser der SpaceJet gefüllt hatte. Die Haltung des Wilden versteifte sich zuerst, aber als die Flüssigkeit seine Lippen netzte, schlürfte er das kühle Naß in durstigen Zügen. Dabei entspannte er sich deutlich. Als der Becher geleert war, sagte er: „Bod, gorod Bwatama!“ Noch reagierte die Translatorsektion der Bordpositronik nicht darauf, denn sie brauchte viel mehr Fakten, um eine total verfremdete Sprache zu analysieren. Die Kenntnis der alten Bernalieschen Sprache bedeutete nur eine verschwindend geringe Hilfe. Lordadmiral Atlan sprach wieder auf den Wilden ein. Leutnant Ngama unterstützte ihn, und nach etwa einer halben Stunde war die Bordpositronik in der Lage, die Worte des Wilden in Interkosmo und umgekehrt zu übersetzen. Es stellte sich heraus, daß der Häuptling Gaongh hieß und daß das Dorf beziehungsweise die Ansiedlung, aus der er stammte,
dementsprechend Bap Gaongh genannt wurde. Atlan deutete auf sich. „Ich bin Atlan“, sagte er. „Meine Freunde und ich, wir wollten euch besuchen. Unser Kampf war ein Mißverständnis. Aber wir sind euch nicht böse und möchten Frieden mit euch schließen.“ Die Translatorsektion der Bordpositronik übersetzte simultan und gab Atlans nur geflüsterte Worte in normaler Lautstärke wieder, so daß der Eindruck entstand, als spräche Atlan die Eingeborenensprache. „Ihr habt das Gebot des Dämons der Jagd verletzt“, antwortete der Häuptling. „Das tut uns leid“, meinte Atlan, „aber wir kennen eure Gebote nicht, denn wir kommen aus einem weit entfernten Land.“ „Ihr seid mächtige Zauberer“, sagte Gaongh. „Ihr könnt euch unsichtbar und wieder sichtbar machen. Kommt ihr von jenseits des Okner?“ Die Bordpositronik übersetzte das Wort „Okner“ nicht, fügte aber am Schluß erklärend hinzu: „Der Name ‚Okner’ bezeichnet mit großer Wahrscheinlichkeit einen Fluß, denn er bedeutete sinngemäß ‚lebendiges Wasser’.“ „Nein“, antwortete Atlan. „Wir kommen aus einer anderen Richtung. Jedenfalls haben wir den Namen ‚Okner’ noch nie gehört. Wo liegt dieser Fluß?“ „Ich sah ihn noch nie“, sagte Gaongh. „Der Okner soll aber im Reich der Toten liegen, hinter den heiligen Plätzen des Varkil und den Bergen der Dämonen.“ „War schon einmal jemand aus Bap Gaongh dort?“ forschte der Arkonide weiter. Erschrecken malte sich auf Gaonghs Gesicht. „Niemand, der seine Sinne beisammen hat, würde freiwillig zum Okner gehen“, erklärte er. „Früher soll einmal ein Jäger, er nannte sich Ommant, dorthin aufgebrochen sein. Niemand hörte je wieder etwas von ihm. Die Dämonen werden ihn geholt haben.“ Lelle Salgouz schaltete die Computerkommunikation aus und sagte: „Die Aussagen über ein Reich der Toten, über heilige Plätze und Dämonen könnte bedeuten, daß es an verborgenen Plätzen noch Überreste der Bernalieschen Hochkultur geben muß. Vielleicht handelt es sich um technische Mittel, deren Bedienung innerhalb
weniger Familien von einer Generation an die andere weitergegeben wurde.“ Atlan nickte. „So könnte es sein. Auf jeden Fall werden wir der Sache auf den Grund gehen.“ Er schaltete die Computerkommunikation wieder ein und fragte den Häuptling: „Wirst du friedlich bleiben, wenn wir deine Fesseln lösen, Gaongh?“ „Ihr seid mächtiger als ich, deshalb werde ich nichts mehr gegen euch unternehmen.“ „Das ist vernünftig“, meinte Atlan. „Es ist pragmatisches Denken“, sagte Leutnant Ngama, während sie die Anschnallgurte löste, die den Wilden bisher auf dem Kontursessel festgehalten hatten. Gaongh bewegte die Arme, blieb aber sitzen. „Was verlangt ihr von mir?“ erkundigte er sich. „Wir verlangen nichts“, antwortete Atlan. „Aber ich habe eine Bitte. Zeige uns die Richtung, in der die heiligen Plätze des Varkil und die Berge der Dämonen liegen und wo wir den Okner finden.“ „Euer Haus ist mir fremd und läßt mir das Land ringsum fremd erscheinen“, erwiderte der Häuptling. „Wir gehen nach draußen“, erklärte Atlan. „Leutnant Fantac, deaktivieren Sie bitte den Antigravlift. Wir steigen über die Notleiter ab.“ „Ja, Sir!“ sagte Hyam Fantac und betätigte die betreffende Schaltung. „Die Eingeborenen draußen sind nicht mehr gelähmt, Sir“, warf Leutnant Caroline Marsh ein. „Aber sie werden von einer Energieglocke gefangen gehalten. Soll ich die Glocke deaktivieren?“ „Erst, wenn Gaongh mit seinen Leuten gesprochen hat“, antwortete Lordadmiral Atlan. „Bitte, kommen Sie mit nach draußen, Salgouz und Captain Cysher.“ Er ging voran und stieg die Notleiter hinab, die an der Innenwahndung des Antigravschachtes angebracht war. Gaongh folgte ihm ohne jede Scheu vor der fremdartigen Technik. Offenbar begriff er überhaupt nicht, daß die Space-Jet ein Produkt einer hoch entwickelten Technologie war. Für ihn war sie einfach ein Haus.
Erst, als die vier Männer in der Schleusenkammer angekommen waren und die Kammer sich im Schleusenzylinder nach unten senkte, spiegelte sich auf Gaonghs Gesicht so etwas wie ehrfürchtiges Staunen. Es verschwand jedoch wieder, sobald das Außenschott sich geöffnet hatte und ein Luftzug die normale Luft des Planeten hereinbrachte. Die zehn übrigen Eingeborenen standen unter einer Glocke aus harmloser Prallfeldenergie und blickten Atlan entgegen, der als erster aus der Schleuse trat. Als hinter dem Arkoniden ihr Häuptling erschien, offensichtlich unverletzt und auch nicht gefesselt, hellten sich ihre finsteren Mienen etwas auf. Atlan schaltete seinen tragbaren Translator ein und sagte: „Sage ihnen, daß sie nichts zu befürchten haben, Gaongh.“ Der Häuptling trat neben Atlan und sagte: „Der mächtige Zauberer Atlan hat mir versprochen, daß uns nichts geschieht, wenn wir seine Macht anerkennen. Werft euch vor ihm auf den Boden und erweist ihm eure Dankbarkeit und Verehrung!“ Die Eingeborenen gehorchten. Über seinen Armbandtelekom befahl Atlan Leutnant Caroline Marsh, die Prallfeldglocke zu deaktivieren, dann sagte er: „Ihr seid frei, Männer von Bap Gaongh, und Friede soll zwischen uns herrschen.“ Er wandte sich an den Häuptling. „Wir wollen vor das Haus gehen, damit du mir die Richtung weisen kannst, Gaongh.“ In seinen Armbandtelekom sagte er: „Bitte, schaltet das Deflektorfeld aus!“ Die Eingeborenen wollten ihren Häuptling umringen, als sie merkten, daß sie nicht mehr von einer unsichtbaren Mauer festgehalten wurden, aber Gaongh forderte sie auf, weiter draußen auf ihn zu warten. Danach trat er mit Atlan, Captain Cysher und Lelle Salgouz unter dem Diskus des Raumschiffs hervor, blickte sich um und zeigte dann in eine Richtung, die bei der Erkundung des Planeten als Norden festgelegt worden war. „Dort, Atlan, findest du die heiligen Plätze des Varkil, die Berge der Dämonen und den Okner, wenn die Überlieferungen und Berichte nicht trügen. Aber sieh dich vor! Geheimnisvolle Mächte
treiben dort ihr Unwesen, und wenn dein Zauber nicht stärker ist als ihrer, dann werden sie dich vernichten.“ „Keine Sorge, Gaongh“, sagte Atlan. „Ich danke dir. Bitte, entferne dich mit deinen Männern mindestens zweihundert Schritt von meinem fliegenden Haus, damit das Feuer, das ihm entsteigen wird, euch nicht verbrennt.“ Gaongh drehte sich nach dem Raumschiff um, und zum ersten Mal erblickte er es in seiner Gesamtheit von außen. Diesmal zeigte er Anzeichen von Ehrfurcht. „Wir werden gehen, Atlan“, sagte er. Der Arkonide wartete, bis der Häuptling und seine Männer sich entfernten, dann kehrte er mit seinen Begleitern in die Space-Jet zurück. Majestätisch langsam stieg das Diskusschiff empor, richtete sich etwas auf und beschleunigte. „Deflektorfeld aktivieren!“ befahl Atlan, als das Schiff eine Höhe von tausend Metern erreicht hatte. Abermals wurde die TOLKIEN unsichtbar – jedenfalls für die Augen von Lebewesen. Lordadmiral Atlan fragte sich allerdings, ob sie auch für jene Wesen unsichtbar sein würde, die bei den heiligen Plätzen des Varkil, in den Bergen der Dämonen und am Okner hausten. * Als die Space-Jet etwa vierhundert Kilometer in Richtung Norden geflogen war, erstreckte sich unter ihr eine Sand- und Geröllwüste, in der ab und zu regelmäßig angeordnete Felstrümmer auffielen. Die Felstrümmer waren große Steine, die jeweils zu einem Ring von durchschnittlich vierzig Metern Durchmesser zusammengefügt waren. Es konnte sich dabei nicht um natürlich entstandene Gebilde handeln, soviel war klar ersichtlich. „Sollten das die ‚heiligen Plätze des Varkil’ sein?“ fragte Captain Cysher. „Wenn ja, kann ich nichts Besonderes daran entdecken.“ „Ich auch nicht“, meinte Atlan. „Aber wir werden sehen. Landen Sie beim nächsten Steinwall, Captain!“ Bata Cysher nickte. Als der nächste Steinwall auftauchte, drückte er die TOLKIEN
tiefer und landete etwa fünfzig Meter neben dem Ring aus Felstrümmern. Die Landestützen gruben sich einige Zentimeter in den losen Sand und fanden dann Halt, so daß die Antigravprojektoren abgeschaltet werden konnten. Caroline Marsh schaltete die Außenmikrofone ein, aber nur das Rascheln des vom Wind leicht bewegten Sandes war zu hören. Ansonsten herrschte Totenstille. Der Himmel war wolkenlos, aber nicht blau, sondern bedrückend bleifarben. „Mir ist ganz seltsam zumute“, sagte Flower Ngama. „So, als müßte ich bald sterben.“ „Das ist dieser bleifarbene Himmel“, sagte Atlan, der ebenfalls das Düstere und Bedrückende spürte, das in der Luft über diesem Landstrich lag. Captain Cysher wölbte die Brauen und schaltete den Interkom zum Maschinenleitstand durch. „Goy-U-Santio!“ meldete sich der Maschinen-Ingenieur. Erst danach wurde er auf dem Bildschirm sichtbar. „Wie fühlen Sie sich, Leutnant Goy-U-Santio?“ fragte Cysher. „Normal“, antwortete der Utharer. „Oder doch fast normal.“ „Können Sie dieses ‚fast normal’ genauer definieren?“ erkundigte sich der Captain. „Tja…“, meinte Goy-U-Santio zögernd, „ich fühle mich eigentlich gesund, das heißt körperlich. Auch geistig bin ich gesund. Eigentlich bin ich nur ein wenig deprimiert. Ich habe düstere Ahnungen, wenn Sie verstehen, was ich sagen will.“ „Ich verstehe Sie, Leutnant“, erwiderte Captain Cysher. „Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Wir alle fühlen uns etwas deprimiert. Ist sonst alles in Ordnung?“ „Alles in Ordnung, Captain“, antwortete Goy-U-Santio. „Gut, Ende!“ sagte Bata Cysher. Er wandte sich an den Arkoniden. „Es kann wohl doch nicht der bleifarbene Himmel sein, Lordadmiral“, meinte er. „Leutnant Goy-U-Santio kann vom MLS den Himmel gar nicht sehen, und doch fühlt er sich deprimiert. Ich nehme an, Ihnen geht es auch so, Caroline und Hyam?“ „Ja, genau“, antworteten beide wie aus einem Mund. Atlan lächelte. „Wir werden versuchen, die Ursache zu ergründen. Diesmal gehen
wir alle aus dem Schiff – bis auf eine Person, die Sie bestimmen können, Captain. Wir nehmen Meßgeräte mit und untersuchen den Ringwall und seine Innenfläche genau.“ „Für jemanden, der sich zu Fuß durch die Wüste bewegt, liegen die einzelnen Ringwälle alle etwa einen Tagesmarsch voneinander entfernt“, sagte Lelle Salgouz, der während des ganzen Fluges kein Wort gesprochen hatte. „Ja, das könnte stimmen“, erwiderte Atlan. „Vermuten Sie, daß die Ringwälle früher als Nachtlager gedient haben könnten, Salgouz?“ „Als Nachtlager oder einfach als Zufluchtsstätten“, antwortete der Mann von Ammavol. „Vielleicht hat ein Bernaler namens Varkil dafür gesorgt, daß sich seinen Zufluchtsstätten keine ungebetenen Gäste näherten.“ Atlan zuckte die Schultern. Er begriff, was Salgouz meinte, hatte er doch ähnliche Gedanken gehabt. Aber Vermutungen halfen nicht weiter. Nur genaue Untersuchungen konnten zeigen, was hinter den Depressionen steckte, von denen die gesamte Besatzung der Space-Jet zur gleichen Zeit befallen worden war. Auch die Mitglieder der Crew hatten verstanden. Sie bewiesen es durch die Zusammenstellung der Meßgeräte, die sie mit nach draußen nehmen wollten. Captain Cysher beauftragte Leutnant Fantac, an Bord zu bleiben, den Luftraum und die weitere Umgebung zu beobachten und Funkverbindung mit dem Untersuchungstrupp zu halten. Im Freien herrschte eine trockene Hitze, die beinahe den Atem verschlug. Von oben prallten die Strahlen der Sonne herab, und von unten schien der Sand zu glühen. Ab und zu strich ein Luftzug seufzend vorbei und wirbelte müde ein paar kleine Staubfahnen auf. Atlan fand, daß er sich draußen noch bedrückter fühlte als im Raumschiff. Wenn der Maschinen-Ingenieur nicht ebenfalls unter Depressionen gelitten hätte, wäre er der Ansicht gewesen, es läge nur an dem bleifarbenen Himmel und dem Fehlen jeglichen Lebens. Nirgends, so weit das Auge sah, gab es eine Pflanze oder ein Tier. „Puh!“ machte Lelle Salgouz. „Diese Hitze – und kein Schnaps!“ „Bei der Hitze würde ein Gläschen Schnaps genügen, um Sie umzuwerfen“, meinte Atlan. „Wenn es Ihnen zu heiß ist, dann klappen Sie doch einfach den Helm zu und schalten die Klimaanlage
ein.“ Salgouz befolgte den Rat, und nach kurzer Zeit schlossen auch die Crew-Mitglieder ihre Druckhelme. Nur Atlan ließ seinen Helm geöffnet und schaltete auch nicht die Klimaanlage ein. Auf den Arkonwelten herrschten ebenfalls solche Temperaturen, und der Arkonide hätte sich sehr wohlgefühlt, wenn die Depressionen nicht gewesen wären. Die Mitglieder der TOLKIEN-Crew bauten ihre Meßinstrumente auf und nahmen erste Messungen vor. Sie suchten dabei vor allem nach energetischer Aktivität und ihren Quellen, fanden jedoch nichts. Aber die Depressionen steigerten sich von Minute zu Minute. Als Flower Ngama schließlich einen Weinkrampf erlitt, ordnete Atlan an, daß sie an Bord der Space-Jet zurückkehrte und ein Beruhigungsmittel nahm. „Diese Depressionen können nicht natürlichen Ursprungs sein“, sagte er, als der weibliche Positroniker der TOLKIEN an Bord gegangen war. „Dennoch läßt sich mit unseren Meßinstrumenten kein Energiefeld ermitteln, das diese Depressionen verursacht.“ „Wahrscheinlich handelt es sich um ein energetisches Medium, auf das unsere Instrumente nicht ansprechen“, meinte Caroline Marsh. „Wir wissen ja, daß die Technik der alten Bernaler erheblich weiterentwickelt war, als es unsere Technik heutzutage ist.“ „Vor allem, was die Feinheiten betrifft“, ergänzte Lelle Salgouz. Er stapfte müde durch eine Lücke des steinernen Ringwalls. Atlan folgte ihm. Als er schon fast in der Mitte des freien Platzes war, blieb er stehen und runzelte die Stirn. Leise pfiff er vor sich hin. „Meine Depressionen sind verflogen“, stellte er danach fest. „Ihre auch?“ erkundigte sich Salgouz. „Aber unsere nicht“, sagte Bata Cysher über Helmtelekom. „Wenn das nicht bald aufhört, bricht Caroline zusammen.“ „Kommen Sie in den Ring!“ befahl Lordadmiral Atlan. Gespannt wartete er, als Cysher und sein weiblicher Kopilot durch eine Lücke in den steinernen Ring traten. Schon nach wenigen Schritten blieb Captain Cysher überrascht stehen und sagte: „Ich fühle mich schon besser, bedeutend freier, Sir.“ Leutnant Marsh ging noch einige Schritte weiter, dann blieb auch sie stehen.
„Die Depressionen sind fort!“ stellte sie erfreut fest. „Womit bewiesen wäre, daß das, was die Depressionen verursacht, die Bewohner oder den Bewohner des Ringes vor unliebsamen Besuchern schützen sollte“, meinte Salgouz. „Ein exakt projiziertes Feld“, überlegte Atlan laut. „Es sieht allerdings nicht so aus, als wäre dieser Zufluchtsort in naher Vergangenheit einmal benutzt worden. Wahrscheinlich ist dieser Varkil – oder wer immer sich der Steingehege bediente – schon seit vielen Jahrtausenden tot. Nur die Projektoren funktionieren weiter.“ Er blickte sich suchend um. „Meiner Meinung nach müßte der hiesige Projektor irgendwo unter dem Sand verborgen sein. Wenn wir ihn mit den Meßinstrumenten nicht finden, müssen wir eben danach graben.“ Er wandte sich an seine Begleiter. „Gehen wir wieder an Bord! Mit einem Traktorstrahl können wir dann den Sand wegräumen – und die Steinblöcke auch, falls das erforderlich sein sollte.“ Er ging langsam zurück. Dicht vor dem Steinwall zögerte er, blieb stehen und sah sich um. Lelle Salgouz war ihm gefolgt, aber der Captain und Leutnant Marsh standen noch auf dem gleichen Fleck, Atlan bemerkte, daß auf Salgouz’ Stirn der Schweiß perlte. „Fürchten Sie sich davor, wieder den Depressionen ausgesetzt zu werden?“ erkundigte er sich. Salgouz nickte. „Ich fürchte mich panisch davor, Sir“, sagte er mit belegter Stimme. Captain Bata Cysher tat einige Schritte in Atlans Richtung, dann blieb auch er stehen. Der Helmtelekom übertrug sein keuchendes Atmen. „Ich kann nicht weiter, Sir“, klagte er. „Und ich will nicht“, erklärte Caroline Marsh. „Sir, ich bleibe hier.“ Der Arkonide schüttelte den Kopf. „Kommen Sie!“ befahl er. „Konzentrieren Sie Ihre ganze Willenskraft auf den Vorsatz, das Steingehege wieder zu verlassen. Wenn wir uns mit der Space-Jet ein Stück entfernt haben, hören auch die Depressionen auf.“
Er fuhr herum, als die Impulstriebwerke der TOLKIEN donnernd ansprangen. Durch die Zwischenräume der Steinblöcke hindurch stach das grelle Leuchten der Impulsströme und blendete die Augen. Atlan rief seinen Gefährten einen scharfen Befehl zu und warf sich zu Boden. Die anderen Personen folgten seinem Beispiel. Das Strahlen wurde unerträglich grell. Heiße Druckwellen tosten heran und brachten Staub und Sand mit. Das Donnern ging in ein ruhigeres Tosen und Pfeifen über, als die Space-Jet abhob und etwa fünfzig Meter hoch stieg. Dann wurden die Impulstriebwerke ausgeschaltet, und nur ein dünnes Pfeifen war noch zu hören. Lordadmiral Atlan erhob sich und schüttelte den Sand ab, der ihn halb begraben hatte. „Atlan an Space-Jet!“ rief er ins Mikrofon des Helmtelekoms. „Leutnant Fantac, holen Sie uns mit Traktorstrahlen an Bord und kommen Sie nicht tief er!“ „Nein!“ erscholl Hyam Fantacs Stimme, sich beinahe überschlagend. „Ich werde landen. Machen Sie Platz, Sir!“ „Ich befehle Ihnen, oben zu bleiben und uns mit Traktorstrahlen an Bord zu holen!“ schrie Atlan. „Andernfalls lasse ich Sie vor ein Kriegsgericht stellen, Leutnant Fantac!“ „Nein!“ schrie Fantac zurück. Seine Stimme verriet, daß er von Panik erfüllt war. „Gehen Sie weg, Sir, oder ich lande ohne Rücksicht auf Sie und die anderen.“ „Ich gehe nicht weg“, erklärte Atlan. „Im Gegenteil, ich gehe noch weiter in den Kreis. Sie werden riskieren müssen, mich bei der Landung zu töten, Leutnant Fantac.“ „Und mich mit“, sagte Lelle Salgouz und ging neben Atlan in die Mitte des Kreises zurück. „Es gehört kein Mut dazu, uns zu töten. Also lassen Sie sich bloß nicht durch ein paar Leichen stören. Die Hauptsache ist, Sie werden Ihre Depressionen los. Das könnten Sie zwar auch, wenn Sie uns an Bord nähmen und auf normale Flughöhe gingen, aber so ist es bequemer.“ Hyam Fantac schluchzte plötzlich laut auf, dann fühlte Atlan, wie eine unsichtbare Kraft ihn packte und nach oben riß. Neben ihm stiegen seine Begleiter empor. Der Arkonide atmete auf. Nach wenigen Sekunden schwebten sie durch die geöffnete Bodenschleuse in die Space-Jet hinein, und im nächsten Augenblick
wurden die Impulstriebwerke auf Vollast geschaltet. Der Lärm der Aggregate war ohrenbetäubend, aber die Andrucksabsorber kompensierten die auftretenden Kräfte innerhalb des Schiffes. Als Atlan die Steuerkanzel betrat und mittels Vergrößerungsschaltung den Platz des Schreckens inspizierte, war dort, wo sich vor kurzer Zeit noch ein Steingehege befunden hatte, nur noch ein von kochendem, glühendem Magma angefüllter Krater. Leutnant Hyam Fantac schaltete auf Geradeausflug und drehte sich um. Sein Gesicht war blas. „Sir, ich bitte Sie, mich abzulösen und unter Arrest zu stellen!“ sagte er tonlos. Atlan schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte er, „das werde ich nicht tun. Wir alle befanden uns im Banne eines Wirkungsfeldes, das offenbar gar nicht dazu diente, das Steingehege vor unliebsamen Besuchern zu schützen, sondern dazu, seine Bewohner an der Flucht zu hindern.“ „Es waren Fallen“, warf Lelle Salgouz ein. „Fallen für intelligente Lebewesen. Wir werden vielleicht nie erfahren, warum und zu welchem Zweck intelligente Lebewesen dort gefangengehalten wurden.“ „Vielleicht erfahren wir es in den Bergen der Dämonen“, sagte Atlan.
4. Nachdem sie die Wüste hinter sich zurückgelassen hatten, überflogen sie ein Gebiet von Seen und Urwäldern. Von Siedlungen war nichts zu sehen. Atlan befahl Captain Cysher, tiefer zu gehen und in geringer Höhe das Ufer des größten Sees abzusuchen. Bata Cysher legte die SpaceJet auf die Seite und ließ sie absacken. Der Diskus sank sehr schnell, und die Luft heulte und pfiff schrill um die Außenzelle. Über dem betreffenden See richtete Bata Cysher die TOLKIEN wieder auf. Er brauchte die Antigravaggregate kaum zu, belasten, denn das Luftpolster, das sich unter dem Fahrzeug staute, hielt es in der Luft. Auf der Oberfläche des Sees kennzeichnete eine Schaumspur den Kurs des Raumschiffs.
Als die Geschwindigkeit unter eine bestimmte Grenze sank, schaltete der Autopilot die Leistung der Antigravgeneratoren von sich aus herauf. Langsam, und immer noch im Sichtschutz des Deflektorfeldes, näherte sich die Space-Jet dem Ostufer des Sees. Dort kurvte Captain Cysher abermals ein und steuerte das Schiff in geringer Entfernung am kiesigen Ufer entlang. Nach einiger Zeit wurde der Kiesboden von Sumpf abgelöst, in dem schilfartige Gewächse standen. Ganze Vogelschwärme lebten dort. Wenn die Space-Jet dicht über sie hinwegschoß und der Sog das Schilf niederbog, stoben die Vögel schreiend empor. Doch sie beruhigten sich schnell wieder. Als das Diskusschiff eine Uferstelle überflog, an der überhängende Zweige das Wasser berührten, sagte Atlan scharf: „H alten Sie an, Captain!“ Captain Cysher schaltete die Impulstriebwerke ein und gab Gegenschub. Die Space-Jet hing nach etwa dreihundert Metern reglos über dem See, dann drehte sie um und flog die Stelle an, die sie passiert hatte, als Atlan den Befehl zum Halten gegeben hatte. „Ist es so richtig, Sir?“ fragte Bata Cysher. Atlan lächelte. „Ja, ich kann jetzt besser sehen, was ich vorhin nur für einen flüchtigen Augenblick erhaschte. Halten Sie die Space-Jet auf der Stelle, Captain; ich werde mich draußen umsehen.“ Lelle Salgouz reckte sich und spähte durch die transparente Kuppel der Steuerkanzel nach draußen. „Ich sehe nur Wasser, Grünzeug und ein paar herabhängende Zweige. Einige sind sogar verdorrt. Das ist aber schon alles.“ „Das genügt auch“, meinte Atlan. „Es muß einen Grund haben, warum einige der bis aufs Wasser hängenden Zweige verdorrt sind, und diesen Grund möchte ich herausfinden.“ „Soll jemand Sie begleiten, Sir?“ fragte Bata. „Vorerst nicht“, antwortete Atlan. Er schwebte im Antigravschacht zur Bodenschleuse, schloß seinen Druckhelm und aktivierte das Flugaggregat des Kampfanzugs. Danach flog er durch die Schleusenöffnung, ließ sich bis dicht über das Wasser absinken und verhielt bei den verdorrten Zweigen. „Sie sind abgebrochen worden“, meldete er über Telekom an die Crew. „Es sieht aber nicht so aus, als wäre es ein Tier gewesen.“
Er schwebte weiter, zwängte sich durch die Zweige hindurch und hielt abermals an, weil er vor sich den Beweis dafür sah, wer die Zweige abgebrochen hatte. „Ein Kanu“, teilte er seinen Gefährten mit. „Ein einfacher Einbaum nur, aber er verrät, daß es im Dschungel intelligente Wesen gibt, die manchmal zum See kommen.“ Er flog ein Stück weiter und berichtete dabei: „Ich kann den Pfad sehen, den die Eingeborenen benutzen, wenn sie hierher kommen. Er ist nur teilweise wieder zugewachsen, folglich muß jemand erst vor einigen Tagen hier gewesen sein.“ Er landete und drang ein Stück in den Dschungel ein. Im Halbdunkel vor ihm bewegte sich ein kleines Tier. Plötzlich erstarrte der Arkonide. Von irgendwoher schräg über ihm ertönte der verzaubernde Gesang des Vogels Ado Idaigh. Atlans Augen füllten sich mit salzigem Sekret. Sein Herz hämmerte wild gegen die Knochenplatten, die bei Arkoniden die Rippen ersetzten. Atlan spürte, wie sein Hals trocken wurde. Er rang um seine Fassung. Vergeblich. Der Herr über eine der beiden mächtigsten Organisationen in der Milchstraße, der Befehlshaber über Tausende von Kampfraumschiffen und ehemalige Imperator des Großen Imperiums von Arkon schlug die Hände vors Gesicht, lehnte sich an einen feuchtwarmen glatten Baumstamm und weinte lautlos. Er hörte erst auf, als das schmetternde Krachen einer energetischen Entladung den Zauber zerstörte und den Ado Idaigh zum Schweigen brachte. Innerhalb weniger Sekunden hatte Atlan seine Erregung niedergekämpft. Sein Gesicht wirkte hart und verschlossen, als er den Rückweg zur Space-Jet antrat. „Wer hat geschossen?“ fragte er, als er die Steuerkanzel betreten und den Druckhelm zurückgeklappt hatte. „Ich“, meldete sich Leutnant Hyam Fantac. „Ich hatte ihn darum gebeten“, warf Lelle Salgouz ein. Er schneuzte sich heftig. „Es war nicht mehr auszuhalten hier, und ich dachte mir, daß es Ihnen ähnlich gehen könnte, Sir. Aber Leutnant Fantac hat nur in die Luft geschossen. Dem Ado Idaigh ist nichts geschehen, außer, daß er einen Schreck bekommen haben wird.“
„Danke“, sagte Atlan leise. „Ich möchte bloß wissen, warum der Gesang eines Vogels alle unsere schlummernden Gefühle weckt und uns so hilflos macht.“ „Er weckt nicht alle unsere schlummernden Gefühle, sondern nur die besten“, entgegnete Flower Ngama. „Hoffnung und Verzweiflung sind die beiden Pole, zwischen denen sich der Schmerz mit Urgewalt entlädt. So empfinde ich es, Sir.“ Leutnant Caroline Marsh erhob sich, ging zum Getränkeautomaten und kehrte mit zwei Bechern Kaffee zurück. Einen reichte sie Atlan. „Sie sehen so aus, als könnten Sie eine Aufmunterung gebrauchen, Lordadmiral“, meinte sie. Atlan nahm den Becher und nickte Leutnant Marsh mit mattem Lächeln zu. „Danke, Caroline“, sagte er. „Ich gebe zu, daß ich selten so erschüttert gewesen bin.“ Er nippte an dem schwarzen Getränk und fühlte sich nach kurzer Zeit etwas besser. „Wir werden einen Ausflug zum nächsten Eingeborenendorf unternehmen“, verkündete er. „Captain Cysher, Sie und Mr. Salgouz werden mich begleiten. Diesmal möchte ich allerdings auch Leutnant Goy-U-Santio mitnehmen. Beim Marsch durch den Dschungel wird sein feines Gehör sicher sehr nützlich sein.“ Bata Cysher nickte, schaltete den Interkom ein und informierte den Ingenieur. Goy-U-Santio erschien wenige Minuten später in der Steuerkanzel. Der Utharer blies seinen Kehlsack auf und sagte schnarrend: „Ich freue mich, Sie begleiten zu dürfen, Lordadmiral. Meine bescheidenen Fähigkeiten stehen voll und ganz zu Ihrer Verfügung.“ Infolge des fehlenden Mienenspiels, der gelbbraun getönten Lichtschutzmaske über der Haut und den starr wirkenden Augen hatte jedermann den Eindruck, als wäre sein Gesicht aus weichem Holz geschnitzt. „Danke“, erwiderte Atlan. „Ich hoffe, das Tageslicht bereitet Ihnen nicht zuviel Unbehagen, Leutnant.“ „Ich bin nicht zur USO gegangen, um das Leben eines Pensionärs zu führen, Sir“, sagte der Utharer. Atlan lächelte. „Das hatte ich auch nicht angenommen.“
Er wandte sich an den Captain. „Wir werden einige Geschenke für die Eingeborenen mitnehmen, denen ich zu begegnen hoffe. Keine technischen Spielereien, mit denen nur Unheil angerichtet würde, sondern einfache Sachen wie Synthostoffe, Gürtel, Messer und Äxte. Aber nicht zuviel, damit wir voll beweglich bleiben. Suchen Sie etwas heraus und verstauen alles sorgfältig mit Hilfe von Goy-U-Santio in vier Beuteln, die wir uns bequem an die Aggregattornister hängen können.“ „Packen Sie auch ein paar Beutel Lakritzscheiben ein, Captain“, sagte Lelle Salgouz. Bata Cysher wölbte die Brauen. „Lakritzscheiben…?“ fragte er gedehnt. Der Mann von Ammavol lächelte. „Ganz recht, Captain. Vielleicht lutsche ich auch ein paar davon, wenn es recht ist.“ „Tun Sie ihm den Gefallen“, sagte Lordadmiral Atlan. „In einer halben Stunde möchte ich aufbrechen. Werden Sie das schaffen?“ „Selbstverständlich, Sir“, antwortete Captain Cysher. Als der Captain und Goy-U-Santio die Steuerkanzel verlassen hatten, wandte sich der Arkonide an die restlichen drei CrewMitglieder. „Sie werden uns im Sichtschutz des Deflektorfeldes folgen und die Funkgeräte eingeschaltet lassen. Obwohl es den Gepflogenheiten unserer Organisation auf Primitivwelten widerspricht, möchte ich diesmal einige technische Spielereien vorführen – getarnt als Zauberkunststücke, selbstverständlich. Außerdem werde ich den Psychostrahler mitnehmen.“ „Ja, Sir“, erwiderte Caroline Marsh, die als Kopilot gleichzeitig stellvertretender Kommandant der TOLKIEN war. „Aber, darf ich eine Frage stellen?“ „Bitte, fragen Sie!“ forderte Atlan den weiblichen Leutnant auf. „Was versprechen Sie sich von einem Kontakt mit den Waldbewohnern und einer so massiven Beeinflussung, wie sie durch die Anwendung eines Psychostrahlers erzielt wird, Sir?“ Atlan nickte. „Ich freue mich, daß Sie das fragten, Leutnant Marsh. Sicher haben Sie die Bergkette gesehen, die sich am nördlichen Horizont erstreckt. Ich nehme an, daß es sich dabei um die Berge der Dämonen handelt. Da diese Berge höchstens sechzig Kilometer Luftlinie von hier entfernt sind, besteht die Möglichkeit, daß die
Dämonen sich den hiesigen Eingeborenen irgendwann auf irgendeine Weise bemerkbar gemacht haben – falls die so genannten Dämonen noch existieren. Das will ich herausfinden.“ „Danke, Sir“, erwiderte Caroline Marsh. „Ich hoffe, Sie haben Erfolg.“ „Das hoffe ich auch“, sagte Atlan ernst. Er zog sich in seine Kabine zurück, entnahm dem Gepäck, das vor seinem Einstieg in die TOLKIEN von einem Dienstroboter der SENECA abgeliefert worden war, seinen Psychostrahler, einen silbrig schimmernden Stab mit einem kaum sichtbaren Einstellring und der Sensorvertiefung am Griffende, und schob ihn in die dafür vorgesehene Beintasche seines Kampfanzugs. Lordadmiral Atlan war durchaus kein Freund davon, diese psychotechnische „Waffe“ einzusetzen, denn er vertrat den Standpunkt, daß Verhandlungen mit intelligenten Lebewesen nur dann sinnvoll seien, wenn diese Intelligenzen im Vollbesitz ihres eigenen freien Willens wären. Doch diesmal ging es um viel mehr; es ging darum, Toulminth und zahllose andere bewohnte Planeten der Milchstraße vor einem größenwahnsinnigen Genie zu schützen. Als Atlan in die Steuerkanzel zurückkehrte, waren Captain Bata Cysher und Leutnant Goy-U-Santio bereits wieder da. Sie hatten vier kleine Beutel mit Geschenken mitgebracht. Nachdem jeder seinen Beutel an seinen Aggregattornister gehängt hatte, verließen die vier Männer die Space-Jet und brachen zu ihrem Marsch durch den Dschungel auf. * „Bald wird die Sonne untergehen“, sagte Lelle Salgouz über Helmtelekom. Niemand antwortete darauf. Lordadmiral Atlan, der an der Spitze der kleinen Gruppe marschierte, blickte nach oben. Die Sonne zitterte als winziger gelbgrüner Lichtfleck durch das Wipfeldach des Dschungels. Es würde, schätzungsweise noch anderthalb Stunden dauern, bis sie so tief stand, daß es im Urwald dunkel wurde. Dennoch verstand der Arkonide Salgouz’ Bemerkung. Anderthalb Stunden waren nicht viel Zeit mitten in einem riesigen Dschungelgebiet, und es wäre
zweifellos günstiger für ihr Vorhaben gewesen, wenn sie das Eingeborenendorf vor Einbruch der Dunkelheit erreicht hätten. Aber obwohl die Space-Jet mehrmals vorausgeflogen war, wußten sie bisher nicht einmal, wo das Dorf stand. Entweder gab es keines – doch dagegen sprach die Anwesenheit des Kanus am Seeufer – oder die Eingeborenen hatten es so gut getarnt, daß es aus der Luft nicht zu erkennen war. Unverdrossen ging Atlan weiter. Der schmale Trampelpfad ließ ihn weiter hoffen. Auf seinen Befehl hin hatten sie alle ihre Druckhelme geschlossen und die Klimaanlagen der Kampfanzüge eingeschaltet. Das war aus zweierlei Gründen notwendig gewesen: erstens war die Luft im Dschungel so heiß und feucht, daß die Haut nicht mehr transpirieren konnte und die Hitze sich im Körper gestaut hätte, und zweitens schützten die Druckhelme vor den hiesigen Insekten und würden auch bei einem Überraschungsangriff von Eingeborenen eine gewisse Sicherheit bieten. Etwa eine Viertelstunde später flüsterte Goy-U-Santio: „Ich höre Stimmen. Zwei Personen unterhalten sich, etwa zweihundert Meter voraus. Sie sprechen die Eingeborenensprache, wenn ich mich nicht irre.“ „Danke“, sagte Atlan. „Können Sie sonst noch etwas ausmachen, Leutnant?“ „Nein, Sir“, antwortete Goy-U-Santio. „Gut, wir gehen weiter“, meinte der Arkonide. Eine Weile später sagte Goy-U-Santio: „Wir sind nur noch ungefähr fünfzig Meter vor den beiden Personen. Aber von links und rechts nähern sich Schritte. Von links kommen etwa drei Personen, von rechts sieben. Sie schleichen sich offenbar an.“ „Also haben sie uns entdeckt“, erwiderte Atlan. „Achtung, ich rufe die TOLKIEN.“ „Ja, Sir?“ meldete sich Caroline Marsh. „Leutnant Marsh, schalten Sie die Außenlautsprecher ein und geben Sie folgenden Text durch…“, erklärte Atlan. Kurz darauf erscholl von oben, scheinbar aus dem Nichts, eine dröhnende Stimme und sagte in der Eingeborenensprache: „Fürchtet euch nicht! Der große Zauberer Atlan ist nicht gekommen, um euch zu vernichten. Er will euer Freund sein, wenn
ihr ihm den gebührenden Respekt erweist. Sammelt euch auf dem Pfad und erwartet ihn und seine Diener mit leeren Händen!“ „Sie sind stehen geblieben, Sir“, meldete der Utharer kurz darauf. „Jetzt unterhalten sie sich flüsternd. Es hat geklappt! Sie bewegen sich, weniger vorsichtig als zuvor, auf den Punkt zu, an dem die beiden Personen stehen, die ich zuerst hörte.“ „Fein!“ sagte Atlan. „Leutnant Marsh, können Sie die Eingeborenen jetzt ausmachen?“ „Nicht direkt, aber die Detektoren verraten Bewegung im Dschungel“, antwortete Caroline Marsh. „Das genügt“, meinte der Arkonide. „Reißen Sie mit einem Traktorstrahl die Bäume links und rechts des Dschungelpfades heraus, so daß sich vor uns eine etwa drei Meter breite Gasse bildet. Passen Sie aber auf, daß die Eingeborenen nicht verletzt werden.“ „Ja, Sir“, antwortete Marsh. Atlan blieb vorsichtshalber stehen, bis die ersten Bäume vor ihm, wie von Geisterhand bewegt, aus dem Boden rückten und sich in die Luft erhoben. Er sah nicht, wohin der Traktorstrahl sie beförderte. „So, gleich kommt unser Auftritt“, ermahnte Atlan seine Begleiter. „Damit die Eingeborenen sofort wissen, wer von uns der ‚große Zauberer Atlan’ ist, werde ich mein Flugaggregat einschalten und ungefähr zehn Zentimeter über dem Boden schweben.“ „Ja, großer Zauberer“, sagte Lelle Salgouz ironisch. „Möchten Sie vorher eine Scheibe Lakritze haben, Sir?“ „Ich verzichte zu Ihren Gunsten“, erwiderte Atlan und schaltete sein Flugaggregat ein. Immer mehr Bäume wurden mitsamt ihren Wurzeln aus dem Dschungelboden gerissen und flogen davon. Weiter vorn ertönte ein Schrei, dann wurde es wieder still. Lordadmiral Atlan schwebte über die Gasse, die sich vor ihm bildete. Als keine Bäume mehr in die Luft flogen, erkannte er voraus Bewegung, und als er das Ende der Gasse beinahe erreicht hatte, traten die ersten Eingeborenen aus dem Dämmerlicht des Dschungels ins Freie. Es waren insgesamt zwölf, und sie trugen keine Waffen. Sie warfen sich zu Boden und berührten mit den Stirnen die aufgewühlte Erde. Atlan schwebte auf der Stelle. Er schaltete den Translator ein, den er an einer Schnur vor der Brust trug, hob beide Arme und sagte:
„Steht auf und fürchtet euch nicht! Ich bin Atlan, der größte Zauberer auf dieser Welt.“ Er zog den Psychostrahler hervor, stellte ihn auf mittlere Intensität ein und preßte den Daumen auf die flache Sensorvertiefung am Griffende. Der Wirkungskegel blieb unsichtbar. Eindringlich sagte Atlan: „Ihr werdet jegliche Feindseligkeiten unterlassen und nur das tun, was ich euch befehle! Führt mich und meine Diener zu eurem Dorf!“ Die Eingeborenen erhoben sich, wandten sich marionettenhaft um und gingen den Dschungelpfad entlang, den sie gekommen waren, bevor sie sich in drei Gruppen aufgeteilt hatten. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Atlan den Eindruck, als würde die Luft zwischen den Eingeborenen und ihm flimmern. „Haben Sie das auch bemerkt?“ fragte er seine Begleiter. Die drei Männer wußten nicht, was Atlan gemeint hatte, und als er es ihnen erklärte, verneinten sie. Der Arkonide kam zu dem Schluß, daß das Flimmern nur in seiner Einbildung vorhanden gewesen sei. Dennoch war er argwöhnisch geworden und beobachtete seine Umgebung noch schärfer als zuvor. Er konnte jedoch nichts Außergewöhnliches mehr bemerken. Nach etwa vierzig Minuten blieben die Eingeborenen stehen. Der größte von ihnen wandte sich an Atlan und sagte: „Hier ist unser Dorf, großer Zauberer Atlan.“ Atlan blickte sich um. „Ich sehe es nicht“, erklärte er. „Ich höre es aber, Sir“, teilte ihm Goy-U-Santio über Helmfunk mit. „Die Eingeborenen müssen in hohlen Bäumen leben. Jedenfalls hört sich ihre Unterhaltung so an.“ „Kein Wunder, daß dieses Dorf von der Space-Jet aus nicht entdeckt wurde“, meinte Captain Bata Cysher. „Wir wohnen in Bäumen“, erklärte endlich auch der große Eingeborene. „Ich habe es inzwischen bemerkt“, erwiderte Atlan. „Wie heißt du?“ „Tuusik“, antwortete der Eingeborene. Atlan richtete den Psychostrahler auf Tuusik und wollte ihm befehlen, einen hohlen Baum als Quartier für ihn und seine Begleiter zur Verfügung zu stellen, denn es würde bald dunkel werden. Aber
die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er abermals ein Flimmern vor sich bemerkte und im gleichen Augenblick mit unsanftem Ruck auf den Füßen landete. Seine Linke tastete nach den Gürtelschaltungen für die Tornisteraggregate, aber der Knopf für das Antigravaggregat war eingedrückt. Dennoch arbeitete das Gerät nicht. Etwas mußte den Ausfall verursacht haben! Das Flimmern? Der Arkonide überwand sein Erschrecken rasch und sagte zu Tuusik: „Wir sind eure Gäste, Tuusik. Da es bald dunkel wird, wirst du dafür sorgen, daß wir Quartier erhalten. Aber vorher habe ich noch eine Frage. Sage mir, haben euch schon andere Zauberer besucht?“ „Nein“, antwortete Tuusik. „Oder habt ihr irgendwann andere Besucher gehabt?“ forschte Atlan weiter. „Manchmal kommen die Dämonen der Berge“, antwortete Tuusik in der charakteristischen monotonen Sprechweise, die mechanohypnotisch Beeinflußten zu eigen war. „Wie sehen sie aus?“ erkundigte sich Atlan. „Niemand hat sie je gesehen“, sagte Tuusik. „Sie sind unsichtbar, aber sie sprechen zu uns.“ Atlan schaltete den Außenlautsprecher seines Kampfanzugs ab und sagte zu seinen Begleitern und zu den Personen in der TOLKIEN: „Das Flimmern, das ich nun schon zweimal beobachtet habe, rührt wahrscheinlich von einem der Wesen her, die die Eingeborenen Dämonen nennen. Sie verfügen zweifellos über technische Mittel, die den unseren ebenbürtig sind. Captain Cysher, aktivieren Sie bitte Ihr Flugaggregat. Ich möchte sehen, ob es funktioniert.“ Bata Cysher griff nach seiner Gürtelschaltung und sagte ein paar Sekunden später: „Es funktioniert nicht, Sir.“ „Das habe ich mir gedacht“, erwiderte Atlan. „Sollte jemand ein Flimmern bemerken, dann gibt er einen Paralysatorschuß darauf ab. Selbstverständlich nur dann, wenn niemand sonst getroffen werden kann.“ Er schaltete den Außenlautsprecher seines Kampfanzugs wieder ein, brauchte aber vorerst nichts weiter zu sagen, denn die
Eingeborenen waren unter Tuusiks Anleitung bereits dabei, zwei dicht nebeneinander stehende hohle Bäume für die Einquartierung herzurichten. Die bisherigen Bewohner, zwei Frauen, drei Männer und fünf Kinder, wurden in anderen Baumwohnungen untergebracht. Sie warfen scheue Blicke auf die Besucher. Nach einiger Zeit kehrte Tuusik, der die jähe „Landung“ Atlans offenbar für völlig normal gehalten hatte, zurück und erklärte: „Die Quartiere sind bereit, großer Zauberer Atlan. Was können wir sonst noch für dich tun?“ Atlan richtete abermals den Psychostrahler auf ihn und sagte: „Sage mir alles, was du über die Bergdämonen weißt, Tuusik!“ Mit monotoner Stimme berichtete der Eingeborene, daß die Dämonen in den nördlichen Bergen hausten und mehr oder weniger regelmäßig in die Dschungeldörfer kamen, um den Bewohnern gewisse Verhaltensmaßregeln zu geben. Manchmal verlangten sie auch ein Opfer; dabei handelte es sich entweder um eine junge Frau oder einen jungen Mann. Kamen die Dorfbewohner dem Verlangen nicht nach, wurden sie von den Dämonen bestraft. Nach der Art der Strafen befragt, erklärte Tuusik, daß die Dorfbewohner in solchen Fällen von grausamen Schmerzen befallen wurden, die erst aufhörten, wenn das geforderte Opfer gebracht worden war. Er verriet auch, daß die Opfer stets zu einer bestimmten Stelle in den Dämonenbergen gebracht werden mußten, zum so genannten Utylman. „Gut“, sagte Atlan abschließend. „Suche dir ein paar Männer aus, die dich morgen begleiten, wenn du uns zum Utylman führst, Tuusik. Bei Tagesanbruch brechen wir auf. Vor den Dämonen brauchst du keine Angst zu haben. Mein Zauber ist stärker als ihrer.“ Davon war er zwar nicht überzeugt, aber er wollte den Eingeborenen ihre Furcht vor den Dämonen nehmen. Nachdem Tuusik gegangen war, wandte sich Atlan an seine Gefährten, schaltete den Außenlautsprecher aus und sagte: „Wir könnten die Nacht natürlich an Bord der TOLKIEN verbringen. Aber ich möchte die so genannten Dämonen weiter herausfordern, deshalb schlafen wir in den Bäumen. Captain Cysher, Sie und ich nehmen einen Baum; Mr. Salgouz und Leutnant Goy-USantio nehmen den anderen. Wir werden abwechselnd wachen. Ich übernehme die erste Wache.
Leutnant Marsh, haben Sie schon daran gedacht, daß die Dämonen auch die Antigravaggregate des Schiffes deaktivieren könnten?“ „Ich habe daran gedacht und vorgesorgt, Sir“, antwortete Caroline Marsh. „Der Autopilot ist so programmiert, daß er sofort die Impulstriebwerke einschaltet, wenn die Antigravaggregate ausfallen sollten. Selbstverständlich stehen wir nicht mehr direkt über Ihnen, sondern haben uns zweihundert Meter westwärts entfernt.“ „Braves Mädchen!“ lobte Atlan. „Ich wünsche Ihnen und den übrigen Angehörigen der Crew eine angenehme Nacht.“ „Danke, gleichfalls, Lordadmiral“, sagte Caroline Marsh. Atlan lächelte und wandte sich wieder an seine Begleiter. „Also, Leute, gehen wir in die Betten – oder was immer uns für Schlafstellen in den Bäumen erwarten.“ * Lordadmiral Atlan lehnte neben dem Eingangsspalt der Baumhöhle und lauschte den, Geräuschen der Nacht. Die Eingeborenen verhielten sich ruhig, nachdem sie kurz vor Sonnenuntergang in respektvoller Entfernung vorbeigeschlichen waren, um den „großen Zauberer“ und sein Gefolge zu bestaunen. Allerdings war diese Ruhe nur äußerlich. Goy-U-Santio hatte, bevor Atlan seine Wache antrat, mitgeteilt, in den Baumhöhlen fänden – bis auf wenige Ausnahmen, rege Debatten statt. Bei den Ausnahmen handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um jene zwölf Männer, die von Atlan mit dem Psychostrahler behandelt worden waren. Die Beeinflussung hatte ihre natürliche Neugier nachhaltig gedämpft. Das würde allerdings nicht so bleiben, und Atlan war froh darüber. Intelligente Lebewesen mußten sich Gedanken über die Phänomene ihrer Umwelt machen. Atlan gähnte – und zuckte im nächsten Moment zusammen. Jemand hatte gelacht. Der Arkonide verhielt sich still. Nur seine rechte Hand glitt langsam abwärts, in Richtung auf den Paralysator, der im Gürtelhalfter steckte. Seine Augen versuchten die Dunkelheit zu durchdringen. Doch da die Eingeborenen keine Feuer unterhielten, konnte er höchstens einen halben Meter weit sehen. Dennoch zögerte er, den in der Brusthalterung steckenden Handscheinwerfer
einzuschalten. Erneut ertönte das Lachen, leise und verhalten, aber doch deutlich zu hören. Den Bruchteil einer Sekunde später ertönte jenes metallisch singende Geräusch, das ein Paralysator von sich gab, wenn er abgefeuert wurde. Das Geräusch kam von rechts, wo sich die Baumhöhle befand, in der Lelle Salgouz und Goy-U-Santio sich für die Nacht eingerichtet hatten. Schräg links von Atlan schrie jemand unterdrückt. Diesmal zögerte der Arkonide nicht, seinen Scheinwerfer aus der Halterung zu reißen und einzuschalten. Der grelle Lichtkegel erfaßte die flimmernden Umrisse einer entfernt menschenähnlichen Gestalt, die aber schnell zerflossen. „Goy-U-Santio?“ flüsterte Atlan. „Haben Sie geschossen?“ „Ja, Sir“, kam es kaum hörbar zurück. „Ich wachte von einem Lachen auf und schlich zum Baumeingang. Als das Lachen wieder aufklang, habe ich geschossen.“ „Woher wußten Sie, daß ich es nicht war, der lachte?“ „Ich hörte es, Sir“, antwortete der Utharer. „Außerdem hörte ich Sie atmen, wußte also, wo Sie sich befanden.“ „Wie es scheint, haben Sie einen Dämonen getroffen, Leutnant“, meinte Atlan. „Allerdings erzielte Ihr Schuß außer Schmerz keine Wirkung.“ „Der Schrei war nicht die Äußerung von Schmerz, sondern von Erschrecken“, widersprach Goy-U-Santio. „Offenbar rechnete der Dämon nicht mit dieser Reaktion.“ Lordadmiral Atlan schaltete seinen Handscheinwerfer aus und sagte: „Hoffen wir, daß es nur der eine war und daß er für heute genug hat. Gehen Sie wieder schlafen, Leutnant.“ „Ja, Sir“, erwiderte der Utharer. Atlan entspannte sich wieder etwas, behielt aber den Scheinwerfer in der Hand. Er wunderte sich nicht darüber, daß die Dorfbewohner sich nicht gezeigt hatten. Sie hielten es sicher für ratsam, sich aus der Auseinandersetzung zwischen den Dämonen und dem Zauberer herauszuhalten. Zu Atlans Erleichterung verging die Zeit bis zur Wachablösung ereignislos. Als es soweit war, weckte er Bata Cysher, informierte
ihn über den Zwischenfall und legte sich auf das trockene Laub, das von den Eingeborenen als Schlafstätte benutzt wurde. Es dauerte einige Zeit, bis er einschlafen konnte, aber dann schlief er so fest, daß er erst erwachte, als der Captain ihn kräftig schüttelte. Atlan schlug die Augen auf und fragte benommen: „Was ist los?“ „Draußen wird es hell“, sagte Cysher. „Aber das ist nicht alles. Die TOLKIEN meldet sich nicht.“ Atlan fuhr hoch und eilte mit dem Captain ins Freie. Draußen standen bereits Salgouz, Goy-U-Santio und drei Eingeborene, darunter Tuusik. Der Arkonide aktivierte seinen Armbandtelekom und rief: „Hier Atlan an TOLKIEN! Melden Sie sich!“ Er wartete, aber es kam keine Antwort. „Ich habe es zehn Minuten lang versucht“, berichtete Captain Cysher. „Ohne Erfolg.“ „Vielleicht hat die Besatzung den Telekom abgeschaltet“, meinte Atlan. „Ausgeschlossen, Sir!“ entgegnete Bata Cysher überzeugt. „Ich weiß, daß ich mich auf meine Crew verlassen kann. Deshalb mache ich mir Sorgen.“ Tuusik trat vor und sagte: „Hier sind die beiden Männer, die uns zum Utylman begleiten werden, großer Zauberer Atlan. Sie heißen Lela und Paokung.“ „Danke, Tuusik“, erwiderte Atlan. „Wartet noch etwas. Ich muß vorher noch eine Kleinigkeit erledigen.“ Er wandte sich wieder an den Captain. „Wir beide schalten die Flugaggregate ein und fliegen dorthin, wo die Space-Jet zuletzt gestanden hat, nämlich zweihundert Meter westlich von hier. Sobald wir durch den Deflektorschirm stoßen, müssen wir das Schiff sehen. Nur schade, daß wir keine Detektoren mitgenommen haben, sonst könnten wir die TOLKIEN ortungstechnisch erfassen.“ Er schaltete sein Flugaggregat ein und startete. Bata Cysher tat es ihm nach und flog neben ihm her. Beide Männer hielten eine nur geringe Geschwindigkeit, damit sie noch abbremsen konnten, wenn sie plötzlich den Deflektorschirm der TOLKIEN durchstoßen sollten. Als sie etwa zweihundert Meter westlich des Dorfes und in der
Höhe waren, in der die Space-Jet ihrer letzten Meldung zufolge geschwebt hatte, verzögerten sie vorsichtshalber. Dennoch wurden sie durch das plötzliche Auftauchen des Schiffes überrascht – oder vielmehr durch die Begleitumstände, die damit verbunden waren, denn kaum sahen sie die Space-Jet, da klang auch schon Caroline Marshs Stimme in ihren Helmempfängern auf. „Die TOLKIEN ruft den Lordadmiral und seine Gruppe!“ sagte Leutnant Marsh. „Vor fünf Minuten sind Leutnant Ngama und Leutnant Fantac zurückgekehrt und haben berichtet, daß das Dorf nicht existiert. Wir sind stark beunruhigt. Wenn Sie sich nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten melden, starten wir und suchen in den Bergen weiter.“ „Bleiben Sie ruhig hier, Leutnant“, sagte Atlan. „Im Dorf ist alles in Ordnung, aber hier scheint etwas nicht zu stimmen.“ „Atlan!“ rief Caroline Marsh erfreut. „Wo sind Sie denn?“ „Captain Cysher und ich fliegen soeben die Bodenschleuse an“, erklärte der Arkonide. „Bitte, öffnen Sie!“ Das Außenschott der Bodenschleuse öffnete sich wenige Sekunden später. Atlan und Cysher flogen hinein, schalteten ihre Flugaggregate aus und schwebten im Antigravschacht nach oben. Als sie die Steuerzentrale betraten, blickten sie in die Mündungen dreier Paralysatoren. „Was soll das?“ fragte Atlan und schwang sich aus der Schachtöffnung. „Sehen wir vielleicht aus wie Dämonen?“ „Nein, aber wie Geister“, antwortete Caroline Marsh und senkte ihre Waffe. Hyam Fantac und Flower Ngama folgten ihrem Beispiel. „Menschen aus Fleisch und Blut wären von der Ortungsautomatik nicht ‚übersehen’ worden. Sie dagegen meldeten sich völlig überraschend. Ich begreife das, ehrlich gesagt, nicht, obwohl ich Sie für wirklich halte, wenn ich Sie direkt vor mir sehe.“ „Warum haben Sie behauptet, im Dorf sei alles in Ordnung, Sir?“ erkundigte sich Leutnant Fantac. „Wir kommen gerade aus dem Dorf“, erklärte Captain Cysher ungehalten. „Dort ist alles in Ordnung, nur bekamen wir keine Funkverbindung mit euch!“ „Moment!“ sagte Atlan und trat zum Rand der Steuerkanzel, von wo aus er die Umgebung überblicken konnte. Er sah lange zum Dorf hinab, dann schüttelte er den Kopf.
„Die Wohnbäume kann man natürlich von hier aus nicht sehen“, meinte er. „Aber man müßte durch die Bäume hindurch wenigstens Bewegung erkennen.“ Er wandte sich um. „Leutnant Fantac, schießen Sie eine Signalrakete ab!“ Hyam Fantac trat zum Feuerleitpult und drückte eine Taste. Es zischte, dann schoß eine kleine Rakete empor, stieg bis auf etwa tausend Meter Höhe und erblühte dort zu einer in allen Farben schimmernden Feuerblume. Als sie erloschen war, sagte er tonlos: „Das interstellare Anfrage-Signal. Wenn dort unten ein Raumfahrer wäre, hätte er auf irgendeine Weise geantwortet – und wenn er bloß einen Schuß in die Luft abgegeben hätte.“ „Dort unten sind Lelle Salgouz und Leutnant Goy-U-Santio“, erklärte der Lordadmiral. „Jedenfalls waren sie dort, als wir vor etwa drei Minuten starteten.“ „Wir verließen den Ort, an dem sich das Dorf befunden haben soll, vor rund zehn Minuten“, sagte Hyam Fantac und blickte dabei Flower Ngama an. „Dort war niemand.“ Atlan ging zum Getränkeautomaten, tastete sich einen Becher Kaffee und setzte sich in den nächsten freien Kontursessel. Nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken hatte, setzte er den Becher ab und erklärte: „Zu der Zeit, zu der Leutnant Fantac und Leutnant Ngama dort unten gewesen sein wollen oder gewesen sind, hat Captain Cysher dort unten versucht, die TOLKIEN über Funk zu erreichen. Sie waren also am gleichen Ort, ohne etwas voneinander zu bemerken. Folglich gibt es nur eine Erklärung für das Phänomen: Sie waren nicht zur gleichen Zeit dort.“ Er schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ich frage mich nur, warum Captain Cysher und Leutnant Fantac mühelos aus unserer Zeit in Ihre Zeit kamen und warum der Vorgang offenbar nicht umkehrbar ist.“ Ein leichtes Schwindelgefühl ergriff ihn. Unwillkürlich schlossen sich seine Hände um die Armlehnen des Kontursessels. Er schloß die Augen, öffnete sie wieder und blickte seine Gefährten prüfend an. „Sie haben es also auch gespürt“, meinte er. „Ich sehe es Ihren Gesichtern an.“ „Was kann das gewesen sein?“ fragte Flower Ngama und trat dicht
an die Sichtkuppel der Steuerkanzel, um einen Blick auf den Dschungel zu werfen. Im nächsten Moment schrie sie gepreßt auf und taumelte. Atlan sprang auf und eilte zu der Positronikerin. Als er einen Blick durch die Panzertroplonkuppel warf, erschrak er. Der Himmel spannte sich nach wie vor stahlblau über die SpaceJet, aber von dem Dschungel war nichts mehr zu sehen. Dort unten wallte eine undefinierbare gelblich-graue Masse, eine Art flockiger zäher Schleim, in dem ab und zu grelle Lichtpunkte auftauchten. Plötzlich erstarb das bisher stetige Summen der Antigravgeneratoren. Es wurde still, aber die Stille wurde im nächsten Augenblick vom Aufbrüllen der Impulstriebwerke zerrissen. „Antigrav ausgefallen, Autopilot hat auf Impulsaggregate umgeschaltet!“ rief Captain Bata Cysher. Das Brüllen der Triebwerksaggregate mäßigte sich zu einem tiefen Brummen, als die jäh stürzende Masse der TOLKIEN aufgefangen war. Atlan starrte immer noch auf das gelblich-graue Wallen, das sich zu lichten begonnen hatte, seit der Antigrav ausgefallen war. Beide Erscheinungen schienen irgendwie verbunden zu sein. Die Lichtpunkte tauchten in rascherer Folge auf, verschmolzen zu einem intensiven Leuchten – und plötzlich wurde es dunkel. Aber diese Dunkelheit war nur relativ, weil die Augen vom Leuchten geblendet gewesen waren. Als die Augen sich wieder an das normale Licht gewöhnt hatten, erblickte der Arkonide unten den Dschungel des Planeten Toulminth. Dann krachte es im Telekomempfänger des Schiffes, und die raune Stimme von Lelle Salgouz sagte bedächtig: „Bodengruppe an TOLKIEN! Wir können die Space-Jet sehen. Melden Sie sich, wenn Sie können!“ Atlan eilte zum Funkgerät. Unterwegs hörte er, wie das Brummen der Impulsaggregate wieder verstummte und vom schwachen Summen der Antigravprojektoren abgelöst wurde. Er ahnte, wie das alles zusammenhing, wollte aber Gewißheit haben. „Hier spricht Atlan!“ sagte er, nachdem er den Sendeteil des Geräts aktiviert hatte. „Was haben Sie unternommen, um die Zeitdifferenz zwischen uns aufzuheben, Salgouz?“
Lelle Salgouz lachte kehlig. „Bekomme ich eine Flasche Schnaps aus den Bordvorräten, wenn ich es Ihnen verrate, Sir?“ „Einverstanden“, erwiderte Atlan knapp. Salgouz schmatzte mit den Lippen, dann erklärte er: „Es handelte sich nicht um eine Zeitdifferenz, sondern um eine peripher angelegte Parallelitätsannäherung auf fünfdimensionaler Basis. Sie brach zusammen, als ich mit Hilfe einer einfachen, selbstgefertigten Vorrichtung die fünfdimensionale gravitative Komponente störte.“ „Aha!“ machte Atlan, der einmal mehr daran erinnert worden war, daß Lelle Salgouz durch den Kontakt mit einem Bernalieschen Urgen zu einem Genie geworden war, das mehr wußte als terranische Spitzenwissenschaftler und das sein Wissen folgerichtig anwenden konnte, wenn es wollte. „Es war im Grunde genommen ganz einfach“, fuhr Salgouz fort. „Die Tornisteraggregate von Goy-U-Santio und mir enthielten alle Elemente, die ich zum Bau des Störgeräts benötigte.“ „Arbeitet das Störgerät noch?“ erkundigte sich Atlan, obwohl die summenden Antigravgeneratoren der TOLKIEN eigentlich Antwort genug waren. „Nein, ich hatte es nur für wenige Sekunden aktiviert, Sir“, erklärte Lelle Salgouz. „Das bedeutet, daß derjenige, der uns den Schrecken einjagte, uns tatsächlich nur erschrecken wollte“, meinte Atlan. „Als Sie das Gegenmittel fanden, gab er auf.“ Er hob leicht die Stimme: „Salgouz, kommen Sie mit Leutnant Goy-U-Santio an Bord. Ich werde von hier aus Tuusik und seine beiden Begleiter mit einem Traktorstrahl heraufholen. Anschließend fliegen wir zu den Dämonenbergen.“ „Nein“, erwiderte Lelle Salgouz. „Erst bekomme ich meine Flasche Schnaps, dann können Sie meinetwegen fliegen, wohin Sie wollen, Sir.“
5.
Während Captain Bata Cysher die Space-Jet nach Norden steuerte, musterten Lordadmiral Atlan und Leutnant Goy-U-Santio die Teile des provisorischen Störgeräts, das Lelle Salgouz gebaut hatte. Zu Atlans Bedauern hatte Salgouz vor dem Aufbruch zur TOLKIEN das Gerät so demontiert, daß eine Rekonstruktion ausgeschlossen erschien. Auf entsprechende Vorwürfe hatte Salgouz nicht reagiert. Er saß in seinem Kontursessel, die bereits zur Hälfte geleerte Schnapsflasche in der Hand, stierte mit leerem Blick vor sich hin und nahm hin und wieder einen Schluck. „Da ist nichts zu machen, Sir“, sagte Goy-U-Santio. Atlan blickte dem Utharer ins Gesicht. „Konnten Sie nicht verhindern, daß er das Gerät demontierte, Leutnant?“ fragte er vorwurfsvoll. „Vielleicht, wenn ich Gewalt angewendet hätte“, antwortete GoyU-Santio. „Aber Mr. Salgouz überzeugte mich davon, daß ein Gerät zur Störung fünfdimensionaler Gravitationskonstanten in den Händen der Menschen nur Unheil stiften würde.“ Der Arkonide seufzte. „Vielleicht hatte er recht, Leutnant. Aber in den Geheimlabors der USO wäre die Konstruktion sicher vor Mißbrauch gewesen.“ Er blickte grübelnd zu Salgouz, der gerade wieder einen großen Schluck nahm. „Aber ich will ihm keine Vorwürfe machen. Ohne seine ‚Erfindung’ wären wir möglicherweise immer noch getrennt. Salgouz kann sehr überzeugend argumentieren, wie?“ Goy-U-Santio blickte ebenfalls zu Lelle Salgouz, dann nickte er. „Allerdings, Sir. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, und wenn ich ihn mir nachträglich ansehe, dann kann ich immer noch nicht begreifen, wie dieser Mensch mich überzeugen konnte.“ Atlan nickte. „Er hat durch den Kontakt mit dem Bernalieschen Urgen eben Fähigkeiten erworben, über die wir uns noch keine rechte Vorstellung machen können. Wenn Salgouz wollte, er könnte als Großadministrator erfolgreicher sein als Perry Rhodan.“ Lelle Salgouz wischte sich über die wulstigen Lippen, blickte lächelnd herüber und sagte mit schwerer Stimme: „Das könnte ich nicht, Sir. Ich fände gar nicht den Kontakt zu den Menschen, wie Perry Rhodan ihn hat. Mein Denken wäre so weit
voraus, daß die Menschen mich nicht verstünden.“ Er setzte abermals die Flasche an und ließ den Alkohol glucksend durch seine Kehle laufen. Dann stierte er wieder geistesabwesend vor sich hin. „Es ist ein Glück, daß seine neuen Fähigkeiten ihm auch ermöglichen, sich richtig einzuschätzen“, meinte Atlan. „Dennoch bedaure ich, daß er sein Genie in Alkohol ertränkt.“ Er blickte auf die Teile des Geräts und sagte: „Bauen Sie die Elemente wieder in die Tornisteraggregate ein, Leutnant Goy-U-Santio. Es hat keinen Sinn, hinter ein Funktionsprinzip kommen zu wollen, das das Wissen einer höheren Entwicklungsstufe erfordert.“ Er ging zum Platz Captain Cyshers und blickte durch die Panzertroplonkuppel nach draußen. Die TOLKIEN hatte sich den Dämonenbergen so weit genähert, daß das Terrain schon mit bloßem Auge gut zu erkennen war. Den Bergen war ein bewaldetes Hügelland vorgelagert, das nach und nach anstieg. In etwa tausend Metern Höhe wurde der Baumwuchs spärlich, und in zirka zwölfhundert Metern Höhe hörte er gänzlich auf. Was danach kam, waren nackte schroffe Felsen, auf denen es kein Leben zu geben schien. Atlan blickte hinüber auf die andere Seite des Captains, wo Tuusik stand und mit eigentümlich starrem Blick zu den Dämonenbergen sah. Der Arkonide schaltete die Translatorsektion der Bordpositronik ein und sagte: „Wirst du uns den Weg zum Utylman zeigen können, auch wenn du nicht zu Fuß gehst, Tuusik?“ „Ich glaube ja, großer Zauberer Atlan“, antwortete der Eingeborene respektvoll. Er und seine beiden Begleiter hatten sich inzwischen von dem Schreck erholt, der ihnen eingejagt worden war, als ein Traktorstrahl sie an Bord geholt hatte. Wie alle naiven Naturen, so waren auch die Eingeborenen von Toulminth sehr anpassungsfähig. Was sie nicht begriffen, war für sie eben Zauberei, etwas Übernatürliches, das sie gar nicht zu verstehen versuchten. „Kannst du mir erklären, wie das Utylman aussieht?“ fragte Atlan. Tuusik blickte den Arkoniden an. „Wie ein sehr großes Auge“, sagte er und erschauerte plötzlich.
„Man darf es nicht zu lange ansehen, sonst findet man den Weg nach Hause nicht.“ Atlan runzelte die Stirn. Er konnte sich unter der Beschreibung Tuusiks nichts vorstellen, weil er nichts Vergleichbares kannte. „Wie sieht denn die Umgebung dieses Auges aus?“ erkundigte er sich. „Es ist ein Hochtal, das von fünf Felsnadeln umgeben wird“, erklärte der Eingeborene. „Über ihm schwebt der Geist der toten Göttin Avadihl, und manchmal hört man ihn weinen.“ Seine Augen verschleierten sich. „Niemand, der den Geist Avadihls weinen hört, kann das jemals wieder vergessen.“ Er streckte den Arm aus und deutete auf einen Berggipfel, der ungefähr die Form eines Pferdekopfes besaß. „Unser Pfad führt links an diesem Berg vorbei. Von dort aus ist das Utylman nur noch einen Tagesmarsch weit entfernt.“ „Wir werden erheblich weniger Zeit brauchen“, warf Captain Cysher lächelnd ein. Er legte die Space-Jet leicht auf die linke Seite und zog sie etwas höher, denn inzwischen war das Vorgebirge erreicht. Bewaldete Hügel huschten unter dem Raumschiff hinweg. Von Eingeborenensiedlungen war allerdings nichts zu sehen. Vor dem Pferdekopfberg drückte Bata Cysher die TOLKIEN etwas tiefer und bremste gleichzeitig ab. Als er sie auf die Seite legte, erkannte Atlan in dem kargen Pflanzenwuchs unterhalb des Berges einen Trampelpfad, der um den Berg herum und dann nach Norden führte. Tuusik bestätigte, daß das der Pfad sei, auf dem die Eingeborenen der Wälder die als Opfer der Dämonen bestimmten Stammesangehörigen zum Utylman brachten. Ungefähr eine Viertelstunde später deutete Tuusik aufgeregt nach vorn und rief: „Dort ist das Utylman!“ Lordadmiral Atlan folgte mit den Augen dem ausgestreckten Arm des Eingeborenen und erblickte etwa vier Kilometer voraus eine Gruppe von fünf turmgroßen Felsnadeln. Er wandte sich an Hyam Fantac. „HÜ-Schirm einschalten!“ befahl er.
Leutnant Fantac betätigte eine Schaltung und erwiderte: „HÜ-Schirm eingeschaltet, Sir!“ Atlan blickte zu Captain Cysher und sagte: „Umfliegen Sie die Formation der Felsnadeln und fliegen Sie von der gegenüberliegenden Seite langsam und so tief wie möglich an, Captain!“ Bata Cysher nickte. Das von Tuusik angekündigte „Riesenauge“ war nicht vorhanden. „Auf der Stelle schweben!“ befahl der Arkonide dem Captain, dann wandte er sich an Tuusik. „Bist du sicher, daß das der richtige Ort ist?“ „Ja, großer Zauberer Atlan“, versicherte der Eingeborene. „Das ist der Ort, wo wir sonst das Utylman fanden, ich schwöre es dir.“ „Wahrscheinlich ist es nicht vorhanden, weil die Dämonen keine Opfer erwarten“, warf Lelle Salgouz ein. Atlan nickte. „So könnte es sein, Tuusik, wo genau befindet sich das Utylman sonst?“ Der Eingeborene beschrieb den Platz unter vielen Gesten. „Landen Sie außerhalb dieses Bereichs, Captain!“ befahl der Lordadmiral dem Piloten der Space-Jet. „Ich werde mit Tuusik aussteigen und mich etwas umsehen.“ Bata Cysher gehorchte schweigend. Als die Space-Jet mit federnden Landestützen aufgesetzt hatte, bedeutete Atlan Tuusik, er möchte ihn hinausbegleiten. Der Eingeborene zögerte, aber er folgte dem Arkoniden schließlich doch, ohne daß Atlan abermals seinen Psychostrahler hätte einsetzen müssen. Draußen wandte sich Atlan dem Mittelpunkt des Talkessels zu, um etwas genauer zu untersuchen, was er schon von Bord aus entdeckt hatte. Es handelte sich um eine flache Vertiefung, deren Boden beinahe so glatt wie Glas war und deshalb auffällig von der rauen Umgebung abstach. Und diese Vertiefung war ungefähr dreißig Mal sechzig Meter groß! Atlan deutete darauf, wandte sich an Tuusik und fragte: „War hier der Platz des Utylman?“ Der Translator vor seiner Brust übersetzte.
„Ja, großer Zauberer Atlan“, antwortete der Eingeborene und blickte ängstlich auf die Stelle. Plötzlich zuckte er zusammen, und auch Atlan wäre beinahe zusammengezuckt, als er abermals den betörenden Gesang des Ado Idaigh vernahm. Diesmal jedoch war der Gesang des Vogels lauter als sonst, und nicht nur das, er brandete gleich einer Sturzflut durch Atlans Seele und versetzte sie in Schwingungen, die sie mitrissen in eine fremde Welt, deren Zauber Atlan zutiefst erschütterte. Langsam sank er nieder, kniend überließ er sich willenlos dem Ansturm sich widerstrebender Gefühle, während der Gesang durch das Tal schallte. Für den Arkoniden wurden Raum und Zeit bedeutungslos. Als der Gesang nach einem letzten Höhepunkt abebbte und schließlich ganz verstummte, kniete Atlan noch lange auf dem nackten Felsgestein. Erst nach und nach vermochte er wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Er blickte auf und sah Tuusik neben sich reglos auf dem Boden liegen. „Tuusik!“ sagte er scharf. Der Eingeborene regte sich, richtete sich halb auf und flüsterte: „Der Geist der toten Göttin Avadihl hat geweint, großer Zauberer Atlan. Hast du es gehört?“ „Ja“, erwiderte Atlan. Er erhob sich und hielt Ausschau nach der TOLKIEN. Aber die Space-Jet war verschwunden. Nur drei Gestalten hielten sich außer ihm selbst und Tuusik noch im Tal des Utylman auf, und sie kamen langsam näher. Nach einiger Zeit erkannte Lordadmiral Atlan Lelle Salgouz und die beiden anderen Eingeborenen. „Salgouz!“ rief er laut. „Wo ist die TOLKIEN?“ Salgouz antwortete nicht gleich, sondern kam müde und mit hängenden Schultern bis dicht an Atlan heran. Dann sagte er schleppend: „Ich weiß es nicht, Sir. Die Ado Idaighs, die über dem Tal kreisten, raubten mir mit ihrem Gesang den Verstand. Ich kam erst wieder zu mir, als sie verstummten.“ „Aber Sie müssen doch wissen, wie Sie aus dem Schiff gekommen sind!“ erwiderte Atlan.
Der Mann von Ammavol schüttelte den Kopf. „Wenn ich es wüßte, würde ich es sagen, Sir“, erklärte er. „Der Geist Avadihls hat das Himmelsboot zu sich geholt“, stellte Tuusik fest. „Deine Diener, großer Zauberer Atlan, sind in ein Land eingegangen, in dem die Sehnsüchte Wirklichkeit werden.“ Lordadmiral Atlan erwiderte nichts darauf. Seiner Meinung nach mußte der Gesang der Vögel die Crew der TOLKIEN so verwirrt haben, daß sie gestartet war. Sie mochte hundert oder auch hunderttausend Kilometer entfernt sein. Er schaltete seinen Helmtelekom ein, stellte ihn auf größte Reichweite und rief nach der Space-Jet. Doch niemand antwortete ihm. Atlan ging zu dem Platz, wo die Space-Jet gestanden hatte, und sah an den erstarrten Magmapfützen, daß sie mit Hilfe der Impulstriebwerke gestartet war. Er nahm eine fingerlange Nachrichtenspule aus seiner Ausrüstung, aktivierte den Speicher und sagte: „Atlan an TOLKIEN-Besatzung. Ich werde mit Lelle Salgouz und drei Eingeborenen das Gebirge in Richtung Norden verlassen und zum Okner marschieren. Wenn Sie können, dann folgen Sie uns oder versuchen Sie, sonst wie mit uns in Verbindung zu treten. Alles Gute!“ Er schaltete den kleinen Signalgeber ein, der sich in der Nachrichtenspule befand, und legte die Spule auf den Boden. Dann wandte er sich an seine Begleiter. „Gehen wir!“ sagte er. * Gegen Abend erreichten sie eine sturmumtoste Paßhöhe, überquerten sie und sahen im Abendsonnenschein ein sanft abfallendes Gelände vor sich, das weiter nördlich in eine Ebene auslief. Weit in der Ferne war ein silbrig schimmerndes Band zu sehen, das sich in zahllosen Windungen durch die Ebene schlängelte. „Das dürfte der Okner sein, von dem Gaongh uns berichtete“, meinte Atlan zu Salgouz. „Heute schaffen wir es nicht mehr bis dorthin“, erwiderte Salgouz. Atlan wandte sich an die Eingeborenen. „Wir werden uns einen geschützten Platz suchen, an dem wir
übernachten können.“ Die Eingeborenen, die in ihrer leichten Fellkleidung in dem eisigen Sturmwind jämmerlich froren, begrüßten diese Mitteilung mit müden Freudenschreien. Dann stoben sie auseinander, um nach einem geschützten Platz auszuschauen. Schon bald darauf kehrten sie zurück. Paokung behauptete, eine geräumige Felshöhle gefunden zu haben. Nachdem Atlan die Höhle inspiziert hatte, befahl er, dort das Nachtlager aufzuschlagen. Die Höhle lag westlich des Passes und bestand aus einem natürlich entstandenen Spalt, der etwa acht Meter tief in einen Felshang hineinreichte. Allerdings bot die Höhle auch etwas, das keinesfalls natürlich entstanden sein konnte, und bei seinem Anblick war es Atlan, als bliebe ihm das Herz stehen. Ein Teil der Höhlenwandung war sorgfältig geglättet – wahrscheinlich mit einem besonderen Strahler, der die bearbeitete Materie gleichzeitig härtete und verdichtete. Und aus dieser glatten Oberfläche war ein Relief herausgearbeitet, die plastische Darstellung eines Mannes mit hoher Mütze und steifem Kinnbart, der einen Hof durchwanderte, der durch sechs hufförmige Grenzzeichen eingefaßt war. Über dem Haupt des Mannes schwebte ein Vogel mit breiten Schwingen und gekrümmtem Schnabel. „Ganz hübsch“, sagte Lelle Salgouz, der neben den Lordadmiral getreten war, um sich das Relief zu betrachten. Atlan blickte den Mann von Ammavol von der Seite an. „Sie kennen es nicht?“ Salgouz wölbte verwundert die Brauen. „Nein. Sie etwas, Sir?“ „Allerdings“, erwiderte Atlan. „Ich habe das gleiche schon einmal gesehen, auf der Erde, in einer Kammer des Südgrabes der Stufenpyramide von Sakkara. Dort war das Relief allerdings herausgemeißelt und nicht mit einem Strahler herausgeformt. Das Relief stellt König Djoser dar, der den Zeremoniellen Kreis durchschreitet. Der Vogel über ihm ist der göttliche Falke mit dem Lebenssymbol.“ Seine Augen flammten. „Ahnen Sie, was das bedeutet – oder bedeuten könnte, Salgouz?“ Lelle Salgouz gähnte ungeniert.
„Auf keinen Fall muß es bedeuten, daß die alten Bernaler von den alten Ägyptern abstammen, Sir“, entgegnete er. „Möglicherweise hat ein Bernaler irgendwann über viele Umwege eine Reproduktion dieses Reliefs bekommen und es von einem Künstler an dieser Höhlenwand nachgestalten lassen.“ Atlan musterte das Gesicht Salgouz’ und merkte, daß es betont gleichgültig wirkte. „Sie wissen mehr, als Sie zugeben wollen“, flüsterte er. „Verheimlichen Sie mir die Wahrheit vielleicht deshalb, weil Sie denken, ich könnte sie nicht ertragen?“ Lelle Salgouz lächelte undefinierbar. „Sie wollen immer alles genau wissen, Sir. Wenn ich so etwas dächte, würde ich es Ihnen bestimmt nicht sagen.“ Atlan seufzte. „Natürlich nicht, Salgouz. Entschuldigen Sie meine Neugier.“ Er musterte abermals das Relief, dann schüttelte er den Kopf. „Ich kann mir nicht helfen, aber die Tatsache, daß ausgerechnet auf Toulminth ein altterranisches Grabrelief auftaucht, muß etwas zu bedeuten haben.“ „Alles hat etwas zu bedeuten“, meinte Lelle Salgouz geheimnisvoll. Atlan gab es auf, weiter in ihn zu dringen. Statt dessen kümmerte er sich darum, daß die beiden Handscheinwerfer, die er und Salgouz bei sich führten, zweckentsprechend verwendet wurden. Der eine diente als Lichtquelle, der andere gab nach einer entsprechenden Umschaltung angenehme Wärme von sich. Die Eingeborenen hatten Nahrungsmittelvorräte mitgebracht, die sie unter sich aufteilten. Atlan und Salgouz aßen etwas von ihren Konzentraten und tranken Wasser dazu, das Lela aus einer Quelle geholt hatte. Lordadmiral Atlan ging nach der einfachen Mahlzeit vor die Höhle. Es war inzwischen dunkel geworden, der Sturm heulte stärker als zuvor über die Paßhöhe, aber der Himmel war vollkommen klar. Atlan musterte die Sterne und versuchte zu erraten, welche von ihnen er persönlich kannte und auf wie vielen Planeten er bereits gewesen war, die diese Sterne umkreisten. Doch ohne Instrumente und Sternkarten ließ sich das nicht feststellen, blieben die Sterne am Himmel von Toulminth nur kalte Lichter in einem Dschungel voller Leben und Leiden, voller Hoffnungen und Gefahren.
Wieder mußte er an das Relief in der Höhle denken. Natürlich war es möglich, daß die von Salgouz angedeutete Möglichkeit zutraf und daß ein Bernaler irgendwann eine Reproduktion des Reliefs von einem Raumfahrer erhalten hatte, der auf Toulminth gelandet war. Der Raumfahrer mußte noch nicht einmal persönlich auf der Erde gewesen sein; Reproduktionen viele terranischer Kunstwerke wurden auf zahllosen Welten der Galaxis gehandelt und erfreuten sich bei vielen extraterrestrischen Kunstsammlern großer Beliebtheit. Es waren hauptsächlich zwei Dinge, die Atlan zu denken gaben: erstens die Tatsache, daß die Wilden auf Toulminth bestimmt nicht in der Lage waren, ein solches Höhlenrelief anzufertigen und zweitens, daß dieses Relief ausgerechnet in einer Höhle auf einer unbewohnten Paßhöhe stand. Atlan unterbrach seine Überlegungen, als der Himmel sich mit Wolken bezog und es kurz darauf anfing zu schneien. Er kehrte in die Höhle zurück und betrachtete Lelle Salgouz, der lang ausgestreckt dalag und schlief. Die drei Eingeborenen hatten sich ebenfalls hingelegt, waren aber noch wach. Der Arkonide schloß seinen Druckhelm und ging noch einmal nach draußen, um über Telekom nach der TOLKIEN zu rufen. Als er nach zehn Minuten immer noch keine Antwort bekommen hatte, gab er für diesmal auf. Er überlegte, ob es notwendig sei, eine Wache aufzustellen, entschied sich aber dagegen. Hier oben gab es keine Wilden, die angreifen konnten, und gegen Dämonen, die sich unsichtbar machten, würde eine Wache nicht viel helfen. Atlan ging in die Höhle, betrachtete abermals das Relief, schaltete dann die Lampe aus und legte sich hin. Er öffnete den Druckhelm, schloß die Augen und versuchte einzuschlafen. Doch er war noch lange nach Mitternacht wach, bevor ihn endlich der Schlaf übermannte. * Als er erwachte, fiel fahles Licht durch den Höhleneingang. Er richtete sich halb auf. Lelle Salgouz war nicht da, aber er hatte auch die zweite Lampe zum Heizofen umfunktioniert. Die drei Eingeborenen hockten
zusammen um eine der Wärmequellen, aßen von ihren Vorräten und unterhielten sich leise. Als Atlan sich erhob, blickten die Eingeborenen auf. An ihren Mienen erkannte der erfahrene Arkonide, daß die Nachwirkungen der Behandlung mit dem Psychostrahler restlos abgeklungen waren. Er verzichtete darauf, sie durch eine neue Behandlung zu konditionieren, da keine Notwendigkeit dazu bestand. Nachdem er seinen Translator eingeschaltet hatte, fragte er, wohin Salgouz gegangen sei. „Er wollte sich draußen umsehen“, antwortete Tuusik bereitwillig, ohne jedoch die respektvolle Anrede „großer Zauberer Atlan“ zu verwenden. Atlan ging hinaus. Draußen lagen etwa fünfzehn Zentimeter Schnee, aber er würde nicht lange liegen bleiben, denn es nieselte dünn aus einem gleichförmig grauen Himmel. Atlan ging langsam zu dem Punkt, von dem aus sie am vergangenen Abend die Ebene und das silbrig schimmernde Band des Flusses gesehen hatten. Diesmal war beides hinter einer lückenlosen Wolkendecke verborgen. „Das wird kein angenehmer Marsch, Sir“, sagte die rauhe Stimme von Lelle Salgouz hinter ihm. Atlan drehte sich um. Der Mann von Ammavol stand da und hielt einen leblosen Vogel in der Hand – einen toten Ado Idaigh. Das Gefieder war durchnäßt, und der Vogel wirkte nicht mehr schön, sondern auf bestürzende Weise häßlich. „Wo haben Sie ihn her?“ fragte Atlan. „Von dort oben“, antwortete Lelle Salgouz und deutete über die Schulter zu einer Anhöhe, von der Fußspuren im Schnee bis zu ihm führten. „Er scheint erfroren zu sein.“ Atlan runzelte die Stirn. „Erfroren? Aber er brauchte doch nur dorthin zu fliegen, wo es wärmer ist. Das verstehe ich nicht.“ „Ich schon“, erwiderte Salgouz und bewegte den Kopf des toten Tieres. „Mit gebrochenem Genick würden nicht einmal Sie fliegen können, Sir.“ „Bleiben Sie bitte sachlich, Salgouz!“ sagte Atlan unwillig. „Wie kann sich der Vogel das Genick brechen? Natürlich, wenn er
abgestürzt wäre… Aber dazu hätte es fremder Einwirkung bedurft. Lassen Sie uns überlegen, welcher Art eine fremde Einwirkung sein müßte, um diesen Vogel zum Absturz zu bringen.“ „Der linke Flügel ist leicht angesengt“, meinte Lelle Salgouz. „Aber nicht so stark, als daß der Vogel damit nicht mehr hätte fliegen können.“ „Ich verstehe“, sagte Atlan. „Es mußte noch etwas hinzukommen, um das Tier abstürzen zu lassen. Eine starke Turbulenz etwa, stärker als der gestrige Sturm.“ „Beispielsweise der Sog eines vorbeirasenden Gleiters oder Raumschiffs“, ergänzte Salgouz. „Ich nehme an, es war ein Raumschiff. Das würde auch den versengten Flügel erklären. Der Vogel könnte durch den Sog eines schnell vorbeifliegenden Raumschiffs mit dem Flügel in die Hitze eines Triebwerksstrahls geraten sein.“ „Wie lange liegt der Eintritt des Todes Ihrer Schätzung nach zurück?“ erkundigte sich der Arkonide. „Zwanzig Stunden etwa“, meinte der Mann von Ammavol. Atlan dachte nach, dann sagte er: „Es könnte also die TOLKIEN gewesen sein, denn seit ihrem Verschwinden sind knapp zwanzig Stunden vergangen.“ „Aber es muß nicht die TOLKIEN gewesen sein“, entgegnete Salgouz. „Natürlich nicht.“ Atlan preßte die Lippen zusammen. Er konnte sich nicht vorstellen, daß so verläßliche Frauen und Männer, wie sie zur Crew der TOLKIEN gehörten, aus freien Stücken einfach auf und davon waren. Etwas mußte sie dazu gezwungen haben. Der Gesang des Ado Idaigh? Irgendwie mußte es damit zusammenhängen. Hoffentlich war der Crew nichts Unwiderrufliches zugestoßen. Atlan schaltete seinen Helmtelekom ein und rief nach der TOLKIEN. Vergeblich. Er blickte Salgouz an. Lelle Salgouz zuckte die Schultern, warf den toten Ado Idaigh in den Schnee und meinte: „Mehr als nach ihnen rufen, können Sie nicht tun, Sir. Aber, wenn wir nicht zurückkehren, wird die SENECA früher oder später über
Toulminth auftauchen, um nach uns zu suchen. Leider erreichen wir sie aus dieser Entfernung mit den schwachen Helmgeräten nicht.“ Atlan nickte. „Sobald die SENECA hier ist, lasse ich ihre sämtlichen Beiboote systematisch nach der TOLKIEN suchen. Eine Space-Jet kann schließlich nicht spurlos verschwinden.“ Salgouz wölbte die Brauen, enthielt sich aber jeden weiteren Kommentars. Atlan blickte durch den Nieselregen auf die Wolkendecke, die die Ebene mit dem Fluß verhüllte. „Bei diesem Wetter kämen wir zu Fuß nur langsam voran“, sagte er. „Ich denke, wir benutzen die Flugaggregate und stellen es den Eingeborenen frei, uns zu folgen oder in ihr Dschungeldorf zurückzukehren. Was halten Sie davon?“ „Ich hatte den gleichen Gedanken“, antwortete Salgouz. Lordadmiral Atlan kehrte um und ging zur Höhle zurück. Die Eingeborenen hatten ihr Mahl inzwischen beendet und standen am Eingang. Ihre Gesichter verrieten, daß sie wenig Lust hatten, in den Schnee hinauszugehen. Atlan unterbreitete ihnen seinen Vorschlag und fragte sie um ihre Meinung. Tuusik beriet sich kurz mit seinen Gefährten, dann sagte er: „Wir werden dir folgen. In der Ebene ist es sicher warm, aber der Weg durchs Gebirge wäre bei diesem Wetter sehr beschwerlich.“ „Gut“, erwiderte Atlan. „Ihr seid uns willkommen. Wir werden Zeichen hinterlassen, damit ihr uns findet.“ Er zog seinen Impulsstrahler, zielte auf den Boden und sagte: „Erschreckt nicht, wenn aus dieser Waffe ein feuriger Blitz kommt. Er wird euch nicht schaden, sondern nur zeigen, welche Zeichen wir für euch hinterlassen wollen.“ Er drückte auf den Feuerknopf. Nichts geschah. Atlan zog das Energiemagazin aus dem Griffstück der Waffe und untersuchte es. Die Lademarkierung stand auf neun Zehntel. Er schob das Magazin wieder ein und drückte abermals auf den Feuerknopf. Wieder geschah nichts. „Versuchen Sie es mit Ihrer Waffe, Salgouz!“ befahl Atlan. Der Mann von Ammavol zog seine Impulswaffe, richtete die
Mündung auf den Boden und drückte den Feuerknopf. Aber auch hier geschah nichts. „Wahrscheinlich ein Anti-Reaktionsfeld“, meinte Lelle Salgouz gleichmütig. Atlan schob seine Waffe ins Gürtelhalfter zurück, trat in die Höhle und untersuchte die beiden Handscheinwerfer, die als Atomöfen gedient hatten. „Sie funktionieren auch nicht mehr“, erklärte er. „Das bedeutet, daß alle Prozesse, die auf der katalysierten Kernverschmelzung von Deuterium beruhen, im Bereich des so genannten AntiReaktionsfeldes unmöglich geworden sind.“ „Meine armen Füße“, klagte Salgouz. „Natürlich!“ entfuhr es Atlan. „Dann dürften auch unsere Flugaggregate nicht arbeiten.“ Er schaltete sein Gerät versuchsweise ein. Wie erwartet, arbeitete es ebenfalls nicht. „Dann gehen wir eben zu Fuß“, erklärte er grimmig. „Wenn jemand denkt, er könnte uns durch seine Spielereien aufhalten, irrt er sich gewaltig.“
6. Das Wetter hatte sich im Lauf des Vormittags gebessert, und gegen Mittag war die Sicht so gut, daß die beiden Raumfahrer und ihre eingeborenen Begleiter von einem flachen Hügel aus den Fluß sehen konnten. Eigentlich war es kein Fluß, sondern ein breiter Strom, der sich in zahlreichen Windungen von Osten nach Westen wälzte. Sein Wasser war durch den letzten Regen angeschwollen und schlammig. Aber das interessierte Atlan von dem Augenblick an nicht mehr sonderlich, in dem er am gegenüberliegenden Ufer die Überreste einer Ruinenstadt entdeckte. „Eine Stadt der alten Bernaler“, sagte er beinahe ehrfürchtig. „Eine ehemalige Stadt“, korrigierte Lelle Salgouz. „Die Trümmer sind teilweise nur noch fragmentarisch vorhanden. Viel können wir dort nicht finden.“ „Aber wir versuchen es“, erwiderte Lordadmiral Atlan.
„Das ist der Okner“, warf Tuusik ein. „Den Okner überquert man nicht.“ „Und warum nicht?“ erkundigte sich der Arkonide. „Ein Fluch liegt über dem Wasser des Okner“, erklärte der Eingeborene. „Dieser Fluch trifft jeden, der es wagt, den Okner zu überqueren.“ „Ihr kommt also nicht mit?“ fragte Atlan. „Wir werden dich bis zu diesem Ufer des Okner begleiten, dann kehren wir um“, antwortete Tuusik. „Einverstanden“, erwiderte Atlan. „Haben Sie schon überlegt, wie wir über den Strom kommen sollen, Sir?“ fragte Lelle Salgouz. „Ohne unsere Flugaggregate?“ Atlan lächelte. „Sehen Sie die Bäume am Ufer, Salgouz?“ sagte er. „Wir werden einige von ihnen fällen und ein Flöß daraus bauen.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Es sei denn, das Anti-Reaktionsfeld würde vorher abgeschaltet.“ „Hoffentlich wird es vorher abgeschaltet!“ sagte Salgouz inbrünstig. „Wenn ich mir vorstelle, daß ich mit einem Vibratormesser, das infolge Energieausfalls nicht vibriert, dicke Bäume abschneiden soll, tun mir sämtliche Muskeln weh.“ „Seien Sie nicht so faul!“ entgegnete Atlan. Sie legten eine Rast ein und verzehrten wieder Konzentrate. Ihr Vorrat ging allmählich zur Neige, da sie sich auf das Schiff verlassen hatten, und Atlan beschieß, auf der anderen Seite des Okner nach jagdbarem Wild auszuschauen. Nach der Rast marschierten sie zügig voran und kamen kurz vor Sonnenuntergang ans Ufer des Okner. Atlan stellte fest, daß die drei Eingeborenen sich scheuten, bis unmittelbar ans Wasser zu gehen. Nachdenklich blickte er auf die Fluten, konnte aber nichts feststellen, das auf Gefahr hindeutete. Er und Salgouz versuchten erneut, ihre Flugaggregate zu benutzen. Doch die Geräte funktionierten immer noch nicht. „Wir werden hier übernachten“, sagte Atlan. „Morgen fangen wir dann mit dem Fällen der Bäume an. Ich hoffe, ihr helft uns dabei“, wandte er sich an Tuusik. „Wenn die Dämonen es zulassen, werden wir euch helfen“, antwortete der Eingeborene.
Die fünf Männer zogen sich auf eine kleine Anhöhe zurück, da es unmittelbar am Ufer schlammig war. Dort legten sie sich nieder. Vorsichtshalber bestimmte Atlan, daß im Wechsel gewacht werden sollte. Er bezog die Eingeborenen in den Wachdienst ein und ordnete an, daß Lelle Salgouz die erste Wache nahm, während er die letzte nehmen wollte. Entgegen seinen Befürchtungen verlief die Nacht völlig ruhig. Als er seine Wache antrat, dämmerte bereits der neue Morgen herauf. Atlan schlenderte zum Ufer und lauschte hinüber. Sehen konnte er nichts, da eine hohe Nebelbank über dem Strom lag. Kein Geräusch drang von der anderen Seite herüber, während auf dieser Seite des Okner nach und nach die Tiere erwachten und mehr oder weniger lautstark den neuen Tag begrüßten. Obwohl er sich keinen Hoffnungen hingab, schaltete Atlan nochmals sein Flugaggregat ein. Er zuckte leicht zusammen, als die Strombank mit schwachem Summen anlief. Behutsam schaltete er den Antigrav hoch und spürte, wie er allmählich gewichtslos wurde. Nach einem kurzen Probeflug kehrte er zum Lager zurück und stieß Salgouz mit dem Fuß an. Der Mann von Ammavol knurrte, verschluckte sich und fuhr hustend auf. „Was ist los, bei allen verrückten Robotern?“ fuhr er den Lordadmiral an. Atlan lächelte nachsichtig, bückte sich, schaltete das Flugaggregat Salgouz’ ein und stellte den Antigrav auf hundertprozentige Schwerkraftneutralisierung. Als Lelle Salgouz sich abermals bewegte, erhob er sich vom Boden und trieb gleich einem Luftballon davon. Die Eingeborenen erwachten und redeten aufgeregt durcheinander. Salgouz verringerte die Leistung seines Antigravs und kehrte mit Hilfe des Pulsationstriebwerks zurück. „Die Dämonen scheinen doch ganz nette Kerle zu sein!“ rief er freudestrahlend. „Sie haben Mitleid mit einem armen, alten Mann gehabt.“ Atlan blickte hinüber zum Okner, der sich noch immer unter einer Nebelbank verbarg. „Das möchte ich bezweifeln“, meinte er skeptisch. „Vielleicht hatten sie nur nicht genug Geduld, um zu warten, bis wir ein Floß
zusammengezimmert haben.“ „Warum sollten sie uns erwarten?“ erwiderte Salgouz. Atlan zuckte die Schultern und wandte sich an die Eingeborenen. „Sobald sich der Nebel über dem Strom verzogen hat, brechen mein Gefährte und ich auf“, erklärte er. „Ich möchte mich deshalb schon jetzt von euch verabschieden und danke euch für eure Begleitung.“ Er drehte sich mit dem Rücken zu Salgouz und sagte: „Nehmen Sie den Beutel mit den Geschenken ab!“ Nachdem Salgouz das getan hatte, wiederholte er das gleiche bei ihm. Dann leerte er die Beutel auf den Boden. Sie enthielten mehrere Messer, zwei kleine Beile, eine Menge bunter Glassitperlen und drei Beutel mit Lakritzscheiben. „Nehmt das als Lohn für eure Dienste!“ sagte der Arkonide zu den Eingeborenen. „Ich wollte, ich könnte euch mehr geben. Aber unser Himmelsboot ist nicht hier, deshalb können wir nicht mehr entbehren.“ Er blickte Salgouz zweifelnd an. „Ob ihnen die Lakritzscheiben schmecken, weiß ich allerdings nicht. Wie kamen Sie eigentlich auf den Gedanken mit dem Zeug?“ Lelle Salgouz lächelte strahlend. „Die alten Bernaler pflegten nicht zu rauchen. Sie lutschten dafür Scheiben aus einer Masse, deren Zusammensetzung etwa unserer terranischen Lakritze entspricht.“ Er nahm einen Beutel, öffnete ihn und reichte den Eingeborenen je eine Scheibe Lakritze. Er selber nahm auch eine und machte ihnen vor, wie man die Scheiben lutschte. Die Eingeborenen blickten sich an, dann legte sich Tuusik eine Scheibe Lakritze auf die Zunge, schloß den Mund und lutschte vorsichtig. Sekunden später spie er die Scheibe wieder aus und schrie: „Das ist Dämonenblut! Es zerfrißt die Zunge und treibt die Seele aus dem Leib!“ „Tut mir leid“, sagte Atlan. „Mein Gefährte wollte euch nicht kränken. Wir essen so etwas. Siehst du?“ Er nahm selbst eine Lakritzscheibe in den Mund – und mußte sich im nächsten Moment beherrschen, um nicht das Gesicht zu verziehen. Vorsichtshalber schaltete er rasch seinen Translator aus,
bevor er zu Lelle Salgouz sagte: „Das Zeug ist schauderhaft parfümiert, Mann. Woher stammt es denn eigentlich?“ Er griff nach einem Beutel und blickte sich den Aufdruck an, dann lachte er trocken. „Hergestellt auf Doorbahn“, erklärte er. „Das ist ein Planet im südlichen Außenbereich, der von nichtmenschlichen Wasserstoffatmern bewohnt wird. Das dürfte dieses schauderhafte Parfüm erklären, mit dem die Lakritzscheiben förmlich getränkt sind. Wahrscheinlich handelt es sich um eine natürliche Beimischung in der Atmosphäre von Doorbahn.“ Er wandte sich wieder an Tuusik. „Bitte, entschuldige das Versehen, Tuusik. Wir werden das selbstverständlich zurücknehmen. Leider kann ich euch nichts anderes dafür geben.“ „Es ist gut“, erwiderte Tuusik. „Ich danke dir, großer Zauberer Atlan.“ Atlan wunderte sich zwar, daß der Eingeborene ihn wieder als „großen Zauberer“ anredete, sagte aber nichts dazu. Nach einer letzten gemeinsamen Mahlzeit brachen die Eingeborenen mit den Geschenken auf. Unterdessen hatte sich der Nebel über dem Okner verzogen. Die Sonne Ovendeno warf ihr Licht auf die Fluten. Von den Ruinen war allerdings von diesem Ufer aus nichts zu sehen. Atlan und Salgouz zögerten nicht länger. Sie überprüften ihre Energiewaffen, dann starteten sie. Der Flug über den Strom wurde für Atlan zu einem Alptraum. Er versuchte sich vorzustellen, wie die Energie plötzlich ausfiel und sie in die reißenden Fluten stürzten. Das Gewicht der schweren Kampfanzüge würde sie ohne die Hilfe der Servoaggregate unweigerlich in die Tiefe ziehen. Doch sie kamen gut hinüber und landeten am Rande eines niedrigen Ruinenfeldes, das in der Blütezeit der alten Bernaler eine riesige, von Leben und Treiben erfüllte Stadt gewesen sein mußte. Die Stadt war zerfallen, im Laufe der Zeit in Trümmer und Staub gesunken – und dennoch nicht von der Wildnis verschlungen worden, wie dem Arkoniden erst nach der Landung schlagartig bewußt wurde.
Er streckte den Arm aus und hielt Salgouz, der zu Fuß weitergehen wollte, zurück. „Warten Sie noch!“ sagte er. „Hier stimmt etwas nicht.“ „Was soll hier nicht stimmen?“ fragte Salgouz. „Es ist völlig ruhig hier.“ „Das meinte ich ja – unter anderem“, erwiderte Atlan. „Es ist zu ruhig, und hier wächst nicht eine einzige Pflanze. Nicht einmal Tiere, die sich sonst doch mit Vorliebe in Ruinen aufhalten, scheint es zu geben.“ „Hm!“ machte Lelle Salgouz. „Es würde mich mehr stören, wenn es hier Schlangen oder anderes Ungeziefer gäbe.“ Verärgert ließ Atlan Salgouz los. Er begriff nicht, daß der Mann von Ammavol so gleichgültig blieb. Dabei ging von der unnatürlichen Stille eine Drohung aus, die dem Unterbewußtsein nicht verborgen blieb. Es war, als regierte in den Ruinen am Okner der Tod selbst. Dennoch verspürte Atlan keine Furcht. Er schüttelte die Beklommenheit ab und ging auf die nächste Ruine zu, die einmal ein großer Rundbau gewesen sein mußte. Einige Mauerreste standen noch, und so waren auch die ehemaligen Tore noch zu erkennen. Vor einem dieser Tore blieb der Lordadmiral stehen. Er zog sein Vibratormesser und untersuchte damit das Material, aus dem die alten Bernaler ihre Gebäude errichtet hatten. Es handelte sich um eine Art Plastikbeton, der so stark verwittert war, daß er unter der Messerklinge zerbröckelte. Atlan fragte sich, warum die alten Bernaler kein verwitterungsfreies Material verwendet hatten, obwohl ihre Zivilisation einen Entwicklungsstand erreicht hatte, der weit über dem der heutigen solaren Menschheit gelegen haben sollte. Er fragte Salgouz, der durch seinen Kontakt mit dem Bernalieschen Urgen fast alles über die alte Zivilisation der Bernaler wußte, danach. „Sie waren zivilisiert genug, um die Vergänglichkeit allen Seins zu akzeptieren, Sir“, antwortete Lelle Salgouz. „Bedeutet das, sie haben ihre Bauwerke absichtlich aus einem Material hergestellt, das nach einer bestimmten Zeitspanne zerfiel?“ erkundigte sich Atlan. Der Mann von Ammavol nickte.
„So ist es. Das Material sollte zwar eine lange Zeitspanne überdauern, aber nicht für alle Zeiten halten. Ich halte das für sehr weise, Sir.“ „Hm!“ machte Atlan nachdenklich. Er steckte sein Messer ein, umrundete die Ruine des Rundbaues einmal und warf dann einen Blick durch das Tor, beziehungsweise durch das Fragment eines einstigen Tores. Überrascht fuhr er zurück. Dort, wo er vorher nur einen unansehnlichen Schutthaufen gesehen hatte, befand sich plötzlich ein mit bunten Fliesen ausgelegter Innenhof, in dem ein Brunnen plätscherte. Und neben dem Brunnen stand eine hochgewachsene, schlanke Frau in weißem, fließendem Gewand. „Salgouz!“ flüsterte Atlan. Doch Lelle Salgouz antwortete nicht. Atlan blickte sich nach seinem Begleiter um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. „Eine Halluzination!“ murmelte Atlan zu sich selbst. Er kniff die Augen ganz fest zusammen, doch als er sie wieder öffnete, stand die Frau immer noch da. Mit einem Unterschied: Sie lächelte ihm einladend zu. Atlan traute seinen Augen immer noch nicht, entschloß sich aber, der Sache auf den Grund zu gehen. Da er nach wie vor mißtrauisch war, zog er seinen Paralysator, bevor er durch das Tor schritt. Er kam nicht weit. Nach dem zweiten Schritt stolperte er über etwas und stürzte. Der Paralysator entglitt seiner Hand. Erschrocken raffte Atlan sich auf, zur Verteidigung gegen eventuelle Angreifer bereit. Er zog den Impulsstrahler, da er den Paralysator nicht gleich finden konnte. „Vorsicht, Sir!“ rief eine Stimme – Salgouz’ Stimme. Fassungslos starrte Atlan auf Lelle Salgouz, der dort stand, wo eben noch die weißgekleidete Frau gestanden hatte. Allerdings waren außer der Frau auch der geflieste Innenhof und der Brunnen verschwunden – und an ihrer Stelle lag wieder der staubige Schutthaufen, den der Arkonide zuerst gesehen hatte. Und über einen Ausläufer des Schutthaufens war Atlan gestolpert, als er den vermeintlichen Innenhof betreten hatte. Eine Verwünschung murmelnd, klaubte Atlan seinen Paralysator
aus dem Schutt, steckte ihn und den Impulsstrahler ein und klopfte sich den Staub vom Kampfanzug. „Was war denn nur los, Sir?“ fragte Salgouz, während er von dem Schutthaufen kletterte. „Warum bedrohten Sie mich mit einer tödlichen Waffe?“ „Man hatte mich zum Narren gehalten“, erklärte der Lordadmiral und mußte nachträglich über sich selber lächeln. „Ich weiß nicht, mit welchen Mitteln, aber es steht fest, daß wir uns hier sehr vorsehen müssen. Wenn man die Realitäten nicht erkennt, kann man umkommen.“ Lelle Salgouz stieg ächzend die letzten Meter herab, blickte den Arkoniden sonderbar an und sagte: „Jedenfalls hat sich mein Aufstieg auf den Schuttberg gelohnt, Sir. Weiter drinnen in dieser Geisterstadt habe ich etwas gesehen, das mich stark an die Beschreibung des Utylman erinnerte, die Tuusik uns gab.“ „Etwas, das wie ein Riesenauge aussah?“ fragte Atlan gespannt. Salgouz nickte. „Nur, daß es nicht wirklich ein Auge ist, Sir. Was es wirklich ist, konnte ich allerdings nicht erkennen.“ Atlan holte tief Luft. „Wir werden es bald wissen, denn wir gehen hin!“ erklärte er. * Der Marsch zum Utylman entwickelte sich zu einem Alptraum. Immer wieder narrten Geisterbilder die beiden Männer. Skulpturen, Hauswände und sonderbare Reliefs erwiesen sich als unwirklich, nachdem sie zuvor absolut echt ausgesehen hatten. Doch endlich war das Ziel erreicht. Atlan und Lelle Salgouz standen am Rand einer Mulde und blickten auf das rätselhafte Gebilde hinab, das den Grund der Mulde ausfüllte und tatsächlich etwa dreißig Mal sechzig Meter groß war. „Es sieht tatsächlich einem menschlichen Auge entfernt ähnlich, nicht wahr, Sir?“ meinte Salgouz. Der Arkonide hob die Schultern. Das Gebilde schien zu leben. Ständig befand sich seine Oberfläche im Fluß, bewegte sich um einen großen tief schwarzen Fleck in der
Mitte, der sehr große Ähnlichkeit mit der Pupille eines menschlichen Auges besaß. Dieser schwarze Fleck erinnerte Atlan an etwas, das er schon gesehen hatte. Er kam nur nicht darauf, an was. Es schien, als enthielte der schwarze Fleck überhaupt keine Materie, als wäre er ein Tor zum ewigen Nichts. Bevor er unter all den vielen Erinnerungen, die sein fotografisches Gedächtnis in seinem langen Leben gespeichert hatte, die entsprechende herausgesucht hatte, erscholl wieder einmal der Gesang des Vogels Ado Idaigh. Lordadmiral Atlan krümmte sich wie unter physischem Schmerz und spürte doch gleichzeitig eine wilde Hoffnung in sich aufsteigen. Diesmal setzte er sich mit all seinen geistigen Kräften zur Wehr, um sich dem Einfluß des Gesangs zu entziehen. Er ahnte, daß es an diesem Ort verhängnisvoll war, sich einem betäubenden Ansturm von Emotionen zu überlassen. Atlan stöhnte laut, als er seinen vorgebogenen Oberkörper aufrichtete und gleichzeitig die Hand nach dem Paralysator ausstreckte. Er wollte den Vogel paralysieren. Doch bevor er noch die Waffe aus dem Gürtelhalfter gezogen hatte, entstand beim Energieauge plötzlich Bewegung. Aus dem schwarzen Mittelpunkt des Auges tauchten Gestalten auf, wurden blitzschnell über die kreisende Oberfläche an den Rand befördert und sprangen auf festen Boden. Die Gestalten trugen silbrig schimmernde Kampfanzüge, aber an der grünen Hautfarbe ihrer Gesichter hinter den transparenten Kugelhelmen und den Stöpselohren erkannte Atlan sie als Bernaler. Allerdings nicht als jene wilden Bernaler, denen er auf Toulminth bereits begegnet war. Nein, diese Wesen hatten sehr hohe Stirnen und einen zarten Körperbau. Sie mußten Bernaler aus der Zeit ihrer Hochkultur sein. In den Händen trugen sie kurze, schwarzglänzende Gegenstände, die unzweifelhaft Waffen waren, auch wenn sie anders aussahen als alle bekannten Energiewaffen. Dort, wo normalerweise ein kurzer oder langen Lauf war, wirbelte bei diesen Waffen eine spindelförmige Ballung grüner Energie. Einer der Bernaler hob seine Waffe. Die spindelförmige Ballung
leuchtete stärker – und im gleichen Augenblick erstarb der Gesang des Ado Idaigh. Befreit von dem lähmenden Ansturm der Emotionen, wollte Lordadmiral Atlan mit einer Hand den Impulsstrahler ziehen und mit der anderen den Individualschirm seines Kampfanzugs aktivieren. Er kam nicht mehr dazu, denn die Bernaler hatten inzwischen ihn und Lelle Salgouz umringt und ihre Energiewaffen auf die beiden Männer gerichtet. Ihre Mienen drückten aus, daß sie entschlossen waren, beim geringsten Anzeichen von Widerstand zu schießen. Atlan hielt die Hände in Hüfthöhe etwas vom Körper ab, lächelte und sagte: „Schön, Sie haben diesmal gewonnen. Stecken Sie Ihre Waffen ruhig wieder weg; wir sind in friedlicher Absicht gekommen.“ Da er seinen Translator nicht eingeschaltet hatte, rechnete er nicht damit, daß die Bernaler ihn verstehen könnten. Deshalb war er erstaunt, als eine Stimme in einwandfreiem Interkosmo antwortete: „Heben Sie sich das für später auf. Bewegen Sie sich nicht, sonst müssen wir schießen!“ Die Stimme klang unpersönlich, obwohl sie recht gut moduliert war. Atlan war sicher, daß es nicht die Stimme eines Bernalers gewesen war, sondern die eines Übersetzungsgeräts. Er blieb ruhig stehen, als zwei Bernaler von hinten an ihn herantraten und ihm die Waffen aus den Gürtelhalftern zogen. Zu seinem Ärger fanden sie auch den Psychostrahler in der Beintasche und nahmen ihn ebenfalls an sich. Andere Bernaler nahmen ihm inzwischen den Aggregattornister vom Rücken. Kurz darauf erschien Lelle Salgouz in seinem Blickfeld. Er wurde von zwei Bernalern zu dem Energieauge geführt und trug ebenfalls keinen Aggregattornister mehr. Auch Atlan erhielt einen Stoß in den Rücken, der ihn unmißverständlich dazu aufforderte, vorwärts zu gehen, und zwar ebenfalls in die Mulde hinein. Die anderen Bernaler folgten. Am Rand des Energieauges angekommen, traten Salgouz’ Bewacher neben den Mann von Ammavol, faßten ihn an den Armen und traten mit ihm zusammen in den Randbezirk des Auges. Alle drei wurden blitzschnell zum schwarzen Mittelpunkt gewirbelt und versanken darin. Dann waren Lordadmiral Atlan und seine Bewacher an der Reihe.
Der Arkonide spürte ein schwaches Vibrieren, als er das Energieauge betrat. Im nächsten Moment wurde er von unbekannten Kräften vorwärts gezogen, dann wurde es schwarz um ihn. Bevor er dazu kam, nachzudenken, gab ihn die Schwärze wieder frei. Abermals zogen unbekannte Kräfte ihn vorwärts, diesmal aber in umgekehrter Richtung. Als seine Bewacher ihn auf festen Boden schoben, erkannte Atlan, daß die Mulde des Energieauges, in dem er angekommen war, nicht in der Ruinenstadt lag. Am Rand standen fremdartige Bäume, und zwischen ihnen ragte ein kleines tempelähnliches Bauwerk auf, das keine Verfallsspuren aufwies. Das bestätigte die Vermutung, die Atlan beim Auftauchen der Bernaler aus dem Energieauge am Okner gleich gekommen war. Diese Energieaugen oder Utylmans dienten den Bernalern als Transmitter. Die Eskorte, die aus zwölf bewaffneten Bernalern bestand, führte den Arkoniden und Salgouz aus der Mulde und einen mit Kunststeinplatten belegten Weg entlang. Dabei kam die Gruppe so dicht an die Oberkante eines Abhangs, daß Atlan erkannte, wo sie sich befanden: auf dem Hochplateau eines Tafelbergs, der etwa dreihundert Meter unter der Oberkante von Wolken verhüllt war. Aus der gleichförmigen Struktur der Wolken schloß Atlan, daß es sich um künstliche Wolken handelte. Ein Vergleich mit dem sagenhaften Göttersitz Olymp aus der terranischen Geschichte drängte sich ihm auf. Auch die Bernaler hier hatten dafür gesorgt, daß die gewöhnlichen Sterblichen ihnen bei ihrem Treiben nicht zusehen konnten. Als der Weg durch einen Wald aus hohen säulenförmigen Bäumen mit fingerlanger blauschwarzer Benadelung ging, fühlte sich der Arkonide in einen terranischen Pinienhain versetzt, obwohl diese Bäume ganz gewiß keine Pinien waren. Unwillkürlich lächelte er. Im nächsten Augenblick zuckte er unter einer Welle des qualvollsten Schmerzes zusammen, den er je erlebt hatte. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, und es bedurfte der Aufbietung seiner ganzen Willenskraft, um den Schrei zu unterdrücken. „Das war nur eine Warnung“, sagte eine Stimme rechts von ihm.
„Wir lieben es nicht, wenn unsere Gefangenen lachen.“ Die Stimme stammte zweifellos wieder aus einem Translator, aber gesprochen hatte der Bernaler, der rechts von Atlan ging. Der Arkonide sah ihn sich zum ersten Mal genauer an und bemerkte, daß das grünhäutige Gesicht zahllose tiefe Falten aufwies. Daraufhin musterte er auch die anderen Bernaler genauer, und auch bei ihnen stellte er untrügliche Anzeichen hohen Alters fest. Er wunderte sich, daß ihm das nicht früher aufgefallen war. Aber wahrscheinlich hatte er auf zu vieles geachtet und es deshalb übersehen. „Was haben Sie gegen uns?“ erkundigte er sich. „Nichts“, antwortete der Bernaler und hob seine Handwaffe. Die spindelförmige Energieballung flackerte kaum merklich, und abermals raste eine schier unerträgliche Schmerzwelle durch Atlans Körper. Auch diesmal gelang es dem Arkoniden, einen Schrei zu unterdrücken. Fortan hütete er sich allerdings, etwas zu sagen. Immerhin registrierte sein unvermindert klar und logisch arbeitender Verstand, daß die Handwaffen der Bernaler nicht nur töten, sondern auch Schmerzen zufügen konnten. Es mußte sich um Mehrzweckwaffen handeln. Nach einiger Zeit weitete sich der Weg zu einem großen, ebenfalls mit Kunststeinplatten belegten Platz, auf dem mehrere verschiedenartige Bauwerke standen. Atlan sah außer drei großen Kuppelbauten sieben Gebäude, die entfernt an griechische Tempel erinnerten, aber sämtlich wie aus einem Stück gegossen aussahen. Im Mittelpunkt des Platzes war eine Art Arena mit einer nach Osten geöffneten Seite errichtet. Auch sie bestand, einschließlich der Bankreihen, aus dem gleichen weißen Material wie die übrigen Bauwerke. Wahrscheinlich handelte es sich um einen synthetischen Werkstoff oder sogar um ein Material, das an Ort und Stelle nach einer Energieschablone materialisiert worden war. Eine kleine Menge Bernaler saßen verstreut auf den Bänken der Arena. Zusammen mit den zwölf, die Salgouz und Atlan entführt hatten, mochten es achtzig Personen sein. Sie blickten mit unbewegten Gesichtern auf die beiden Gefangenen, die in die Mitte der Arena geführt wurden. Lordadmiral Atlan stellte fest, daß es sich auch bei diesen
Personen um sehr alte Bernaler handelte, und zwar um ungefähr die gleiche Anzahl Frauen wie Männer. Atlan und Salgouz wurden in die Mitte der Arena geführt, dann traten ihre Bewacher zurück. Aus einer der mittleren Bankreihen erhob sich ein Bernaler und begann zu sprechen. Diesmal verstand Atlan nichts, ein Zeichen dafür, daß kein Translatorgerät eingeschaltet war. Offenbar sollten die Gefangenen nicht verstehen, was besprochen wurde. Der Arkonide warf Lelle Salgouz einen verstohlenen Blick zu und erntete ein kaum wahrnehmbares Nicken. Also konnte Salgouz die Bernaler verstehen. Das war allerdings zu erwarten gewesen, nur ahnten die anwesenden Bernaler nicht, daß einer ihrer Gefangenen durch den Kontakt mit einem Urgen sowohl ihre Sprache gelernt hatte als auch fast alles über ihre einstige Hochkultur wußte. Es sprachen nach dem ersten, beinahe alle Bernaler. Darüber vergingen über vier Stunden, und der Arkonide war froh, als man ihn und seinen Gefährten endlich wegbrachte. Ihre Bewacher brachten sie in eines der tempelartigen Gebäude und sperrten sie zusammen in einen Raum, der bis auf einige Lederkissen völlig kahl war. Als die Bewacher gingen, schloß sich die Öffnung in der Wand auf seltsame Weise wieder. Es sah aus, als würde Materie in die Öffnung projiziert, bis sie ausgefüllt war. Atlan wandte sich an den Mann von Ammavol und fragte: „Worüber haben die Bernaler vorhin gesprochen, Salgouz?“ Salgouz Gesicht war ernst, als er antwortete: „Wenn morgen der erste Ado Idaigh singt, sollen wir beiden den großen Vogelflug antreten, Sir. Ich bin sicher, daß damit eine spezielle Todesart gemeint ist.“ „Aber warum will man uns töten?“ fragte Atlan. Lelle Salgouz zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Die Bernaler scheinen auf eine besondere Art und Weise verrückt zu sein.“ „Auf eine besondere Art und Weise? Ich dachte immer, verrückt sei verrückt.“ Salgouz schüttelte den Kopf. „Nach menschlichen Maßstäben sind die Bernaler auf dem Berg Pokjen – so nennen sie diesen Tafelberg – verrückt. Aber ihren Gesprächen entnahm ich auch, daß sie damit begonnen haben, auf
ihrer Heimatwelt wieder eine kleine Zivilisation aufzubauen, einen Zivilisationskern, sozusagen.“ „Sie kommen aus dem Zeitflimmern, nicht wahr?“ erkundigte sich Atlan. Salgouz blickte den Arkoniden überrascht an. „Woher wissen Sie das, Sir?“ Atlan lächelte. „Ich weiß es nicht, aber aus allem, was ich bisher sah und hörte, mußte ich darauf schließen. Wie Sie wissen, wurde in meiner Jugend ein normalerweise brachliegender Teil meines Gehirns aktiviert, das so genannte Extrahirn, und dieses Extrahirn verfügt über einen Logiksektor, der unabhängig von meinem normalen Großhirn arbeitet und mit diesem in ständiger Kommunikation steht.“ „Aha!“ machte Lelle Salgouz trocken. „Ja, es stimmt. Die Bernaler vom Berg Pokjen sind durch verschiedene Umstände aus dem Zeitflimmern zu ihrer Heimatwelt zurückgekehrt. Wahrscheinlich wurden sie durch den langen Aufenthalt im Zeitflimmern auf ihre Weise verrückt. Wir werden es kaum noch erfahren, Sir.“ „Wie kann man nur einfach aufgeben!“ erwiderte der Arkonide verwundert. „Noch leben wir, Salgouz, und so lange ich noch denken und fühlen kann, vermag ich auch noch zu kämpfen. Wenn wir beide unsere Gehirne anstrengen…“, er lächelte – leise, „… sollte es uns gelingen, uns vor dem großen Vogelflug zu drücken.“ Lelle Salgouz erwiderte das Lächeln und sagte: „Vetus proverbium est, gladiatorem in arena capere consilium.“ Gedankenvoll übersetzte Lordadmiral Atlan: „Ein altes Sprichwort lautet: Der Gladiator faßt seinen Entschluß in der Arena.“ Plötzlich fuhr er auf. „Das stammt von Seneca, einem alten Freund“, sagte er mit belegter Stimme. „Woher haben Sie diesen Ausspruch und noch dazu in der alten Sprache?“ „Vielleicht bin ich Seneca im Zeitflimmern begegnet, Sir“, antwortete Lelle Salgouz ausdruckslos. * Vier schwerbewaffnete Männer brachten den beiden Gefangenen
eine halbe Stunde später je eine Schüssel voller gallertartiger Substanz, die recht gut schmeckte. Nach der Mahlzeit schlief Lelle Salgouz fast sofort ein. Atlan dagegen fand keinen Schlaf. Er nutzte die Zeit, um die Lage gründlich zu überdenken. Sie hatten gefunden, wonach sie gesucht hatten: das Erbe der alten Bernalieschen Hochkultur – und sogar noch mehr, nämlich einige Bernaler aus jener Hochkulturepoche selbst, die damals ins Zeitflimmern eingetreten und vor einiger Zeit wieder auf ihre ehemalige Existenzebene zurückgekehrt waren. Diese Bernaler verfügten über eine hochentwickelte Technik und damit über Machtmittel, die in ihrer Qualität den Machtmitteln der anderen großen Zivilisationen überlegen waren. In der Quantität allerdings waren sie jenen anderen Machtmitteln unterlegen. Darum erhoffte sich Atlan vom Auftauchen seines Flottenverbandes – der ja irgendwann kommen und nachsehen mußte – eine grundlegende Änderung der Lage. Atlan dachte auch darüber nach, wie die alten Bernaler wohl auf Toulminth eine neue Zivilisation errichten wollten. Bislang hatten sie bei den Eingeborenen lediglich Furcht und den Glauben an übermächtige Dämonen verbreitet. Aber die Entführung der Opfer, die sie den Wilden abverlangten, mußte einen Sinn haben. Möglicherweise wurden die betreffenden jungen Bernaler geschult und irgendwo auf dem Planeten angesiedelt. Das konnte ein vielversprechender neuer Anfang sein, doch Atlan hegte Zweifel daran. Die offensichtliche Verrücktheit der alten Bernaler gab ihm zu denken. Er fragte sich, ob solche Personen überhaupt fähig waren, planvoll Positives zu tun. Dadurch kam er wieder zu der Frage, warum die Bernaler ihn und Salgouz feindselig behandelten und sogar planten, sie am nächsten Tag zu ermorden. Atlan vermochte absolut kein Motiv dafür zu erkennen, so sehr er seinen Verstand auch anstrengte. Was hatten die Bernaler davon, wenn sie zwei Personen töteten, die ihnen nichts Böses wollten? War ihre Handlungsweise einfach eine Folge ihrer Verrücktheit? Der Arkonide beschloß, bei der geringsten Gelegenheit zusammen mit Lelle Salgouz auszubrechen und zu fliehen. Wenn sie an ihre Waffen und Ausrüstungsgegenstände oder an solche der Bernaler
herankamen, mußte ihnen die Flucht gelingen. Außerdem gab es immer noch die Space-Jet mit fünf erstklassig geschulten und hochintelligenten Raumfahrern. Der Gesang des Ado Idaigh im Bergtal konnte ihre Sinne doch nicht für immer verwirrt haben. Irgendwann mußten sie wieder zu sich selbst finden und nach Atlan und Salgouz suchen. Und es gab einen Faktor, der den Bernalern auf dem Berg Pokjen offenbar völlig unbekannt geblieben war: Lelle Salgouz konnte jederzeit fliehen, indem er sich ins Zeitflimmern zurückzog. Dieser Gedanke ließ Atlan dem nächsten Morgen gelassener entgegensehen. Als wieder vier Bewaffnete kamen, war Salgouz wach. Atlan machte einen neuen Versuch, sich gütlich mit den Bernalern zu einigen. Er bat darum, mit den führenden Personen auf dem Berg Pokjen sprechen zu dürfen. Doch die Bewaffneten reagierten überhaupt nicht darauf. Entweder verfügten sie nicht über Translatoren, oder sie hatten Befehl erhalten, sich auf keine Gespräche mit den Gefangenen einzulassen. Wie am Tag zuvor, wurden die beiden Männer in die Arena geführt, und wie am Tag zuvor war die Arena mit zirka achtzig Personen besetzt. Mehr Bernaler schien es auf dem „Olymp“ nicht zu geben. Lordadmiral Atlan hob den Arm, um an die Vernunft der Bernaler zu appellieren. Er kam nicht dazu, auch nur ein Wort zu sagen. Zwei Bernaler richteten Geräte auf ihn und Salgouz, die terranischen Feuerlöschern ähnelten. Aus kleinen Düsen sprühte eine gelbliche Masse auf die Gefangenen, die auf den Kampfanzügen erstarrte. Nur die Gesichter blieben frei. „Was soll das?“ schrie Atlan empört und angewidert. Die Bernaler brachen in gellendes Gelächter aus. Kurz darauf brachten mehrere Personen große Plastiksäcke voller bunter Vogelfedern, die über die Gefangenen geschüttet wurden. Die gelbliche Masse war zwar erstarrt, aber noch so klebrig, daß die Vogelfedern darauf hafteten. Plötzlich brach das Gelächter der Bernaler ab. Dafür ertönte wieder einmal der Gesang des Vogels Ado Idaigh. Er schien das gesamte Universum auszufüllen und wühlte soviel
Schmerz und Lust in Atlan auf, daß er völlig wehrlos wurde. Den Bernalern machte der Gesang offenbar nichts aus, denn sie erhoben sich von ihren Plätzen, richteten die kleinen Handwaffen mit den spindelförmigen Energieballungen auf die Mitte der Arena – und plötzlich löste sich der Boden rings um die beiden Gefangenen auf. Der Gesang des Ado Idaigh brach ab. Nur eine Seite blieb unbeschädigt, die nach Westen, in die auch der Weg durch den Wald führte, den Atlan und Salgouz gekommen waren. Als sich die lautlose Zerstörung immer weiter näherte, verständigten sich beide Männer mit Blicken, dann liefen sie los. Die Zerstörung folgte ihnen und fraß Stück um Stück des Plattenweges fort, doch Atlan und Salgouz hatten keine andere Wahl. Sie mußten um ihr Leben laufen. Wenige Minuten später erreichten sie die Wegbiegung, von der aus man den Steilhang hinab auf die dreihundert Meter tiefer liegende Wolkenschicht blicken konnte – und mit einemmal wußte Lordadmiral Atlan, welches Schicksal die Bernaler ihnen zugedacht hatten. Salgouz hatte gesagt, sie sollten den „großen Vogelflug“ antreten. So, wie die Dinge sich entwickelt hatten, war damit wohl gemeint gewesen, daß die mit Federn beklebten Gefangenen den Steilhang hinabsegeln sollten. Wie dieser „Flug“ ausgehen würde, war von vorneherein klar. Da den Gefangenen die Rückentornister und damit alle Energieaggregate abgenommen worden waren, mußten sie trotz der Federn wie Steine in die Tiefe stürzen und beim Aufprall zerschmettert werden. Als die Bernaler hinter den Gefangenen auftauchten und abermals mit ihren seltsamen Waffen schossen, rief Atlan seinem Gefährten zu: „Retten Sie sich ins Zeitflimmern, Salgouz!“ „Ich habe es schon versucht, Sir“, erwiderte Lelle Salgouz kläglich. „Es geht nicht, jedenfalls nicht hier.“ Atlan blickte sich um. „Los, in den Wald!“ rief er. Sie wandten sich vom Weg ab und brachen in den Wald ein. Aber sie kamen nicht weit. Vor ihnen stieg eine Flammenwand empor, die
die Bäume verschlang und die Männer durch ihre Hitze zurücktrieb. Unterdessen waren auch auf dem nach unten, zum Utylman, führenden Stück des Weges Bernaler aufgetaucht, so daß den Gefangenen drei Seiten versperrt waren. Und die Flucht nach der vierten Seite bedeutete den sicheren Tod. Atlan blieb stehen, blickte den Bernalern entgegen und sagte gefaßt: „Wenn der Tod unausweichlich ist, dann stelle ich mich ihm mit Würde!“ Die von den Waffen der Bernaler ausgelöste Zerstörung kam näher und näher. Plötzlich schrie Salgouz auf und wollte sich den Steilhang hinabstürzen. Atlan hielt ihn fest. Da zuckten plötzlich sonnenhelle Blitze durch die Luft. Energie entlud sich mit donnerndem Getöse. Bernaler brachen schreiend zusammen oder lösten sich in glühende Gaswolken auf. Weiter oben, in der Ansiedlung der Bernaler, krachten Explosionen. „Das sind unsere Leute!“ rief Atlan seinem Gefährten durch den Lärm hindurch zu. „Sie haben die hier freiwerdende Energie angemessen und sind gekommen, um uns zu befreien.“ Über sie hinweg dröhnten die Triebwerke eines Raumschiffs, das nicht zu sehen war, weil es sich offenbar in ein Deflektorfeld gehüllt hatte. Scharf gebündelte Energiefinger stachen von oben herab in die Reihen der Bernaler und brachten Tod und Verderben. Atlan runzelte die Stirn, während er mit Salgouz hinter einem Felsblock Deckung suchte. „Aber was tun sie denn?“ flüsterte er. „Warum setzen sie nicht Lähm- und Betäubungswaffen ein statt der tödlichen Strahler?“ Er wurde blas, als ihm aufging, was die gnadenlose Kampfweise der Angreifer zu bedeuten hatte. Sekunden später erlangte er Gewißheit, als Hunderte von schwerbewaffneten Kämpfern mit Hilfe ihrer Flugaggregate aus dem unsichtbaren Raumschiff herabregneten. „Blues!“ sagte er, als er die tellerförmigen Köpfe hinter den Klarsichthelmen sah. „Nicht nur Blues“, erwiderte Lelle Salgouz und deutete auf eine andere Gruppe von Raumsoldaten. „Das sind Menschen, Sir.“ „Blues und Menschen“, flüsterte Atlan. „Das kann nur Gloddus’
Truppe sein, Salgouz. Wir müssen versuchen, uns fort zu schleichen.“ Er fuhr herum, als hinter ihnen höhnisches Gelächter ertönte. Der Anblick des unscheinbaren Mannes in der eiförmigen, violett schimmernden Energieblase, die über dem Abgrund schwebte, überraschte den Lordadmiral nicht. Er hatte ihn erwartet, als er das Gelächter hörte. „Bilfnei Gloddus!“ sagte er. Abermals lachte der Mann. Es war das Lachen eines Größenwahnsinnigen, dem durch Zufall fast unbeschränkte Macht verliehen worden war. „Nett, daß Sie mich wieder erkennen, Arkonide!“ sagte Gloddus höhnisch. „Und da ist ja auch Salgouz, der versoffene Trottel, der zu dumm ist, seine neuen Fähigkeiten vorteilhaft zu nutzen.“ Zwei Blues und ein Mensch landeten in ihren Kampfanzügen neben Atlan und Salgouz. Auf Befehl Gloddus’ legten sie den beiden Männern Handschellen an, dann wurde Lelle Salgouz auf eine Antigravtrage gelegt, die sich kurz darauf in ein rosa Energiefeld hüllte. „Keine Sorge“, meinte Bilfnei Gloddus. „Das ist nur ein provisorischer Energiekäfig, der verhindern soll, daß Salgouz ins Zeitflimmern entweicht.“ „Das ist hier sowieso nicht möglich“, entgegnete Atlan. „Inzwischen schon“, sagte Gloddus. „Was haben Sie mit uns vor?“ erkundigte sich Atlan. Er hatte sich dafür entschieden, soviel Zeit wie möglich zu gewinnen. Seine Schiffe, zumindest aber die SENECA, mußten die Energieentladungen der Kämpfe unbedingt geortet haben. Folglich würde bald Hilfe eintreffen. Bilfnei Gloddus lachte. „Sie wollen nur Zeit gewinnen, Arkonide“, erklärte er. „Aber geben Sie sich keiner so trügerischen Hoffnung hin wie der auf das Eingreifen Ihrer Schiffe. Ich habe mit Hilfe meiner neuen Fähigkeiten nicht nur mein Schiff, die SMARGENT, ortungstechnisch absolut sicher versteckt, sondern auch einen AntiOrtungsschirm über dieses Gebiet gelegt. Für Außenstehende ist auf Toulminth alles ruhig geblieben.“ Er blickte Atlan scharf an.
„Aber vielleicht hoffen Sie darauf, daß die Besatzung Ihrer SpaceJet Ihre Flotte alarmiert. Auch das ist unmöglich. Wir haben die Space-Jet gefunden. Sie zerschellte in den westlichen Ausläufern der Dämonenberge und verglühte völlig.“ Atlan hatte das Gefühl, als griffe eine eiskalte Hand nach seinem Herzen und preßte es zusammen, bis es nur noch ein blutleerer Klumpen war. Bata Cysher, Caroline Marsh, Goy-U-Santio, Hyam Fantac und Flower Ngama – tot, verbrannt in ihrem Raumschiff. Fünf junge Menschen, denen die Zukunft hätte offenstehen können… „Es tut mir leid“, sagte Bilfnei Gloddus. Atlan starrte den Mann in seiner Energieblase an. „Es tut Ihnen leid“, flüsterte er kaum hörbar. „Wenn es Ihnen ehrlich leid tut, sind Sie noch ein Mensch, Gloddus, und wenn Sie noch ein Mensch sind, dann geben Sie Ihre wahnwitzigen Pläne auf!“ Bilfnei Gloddus preßte die Lippen zusammen. In seine Augen trat ein Glitzern. „Nein!“ erwiderte er schroff. „Warum sollte ich, wenn ich mit Ihnen und Salgouz zwei so bedeutende Faustpfänder in der Hand habe.“ Er wandte sich an die Blues und Menschen, die die Gefangenen umstanden. „Bringt sie auf mein Schiff!“ befahl er kalt.
ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 134. Ein Abenteuer des Helden von Arkon. FLUCHT INS CHAOS von H. G. Francis. Der große Kampf des Kristallprinzen – gegen einen Mann und eine Robotflotte.