Alexander Calhoun
Cochise, die Geißel Gottes Apache Cochise Band Nr. 4
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19...
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Alexander Calhoun
Cochise, die Geißel Gottes Apache Cochise Band Nr. 4
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat.
1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag
*** Stille, kühle, einsame Nacht. Der Wind trieb den feinen Sand vor sich her. Eine Gestalt kroch aus der Dunkelheit, blieb am Rande des Abgrundes liegen. Scharfe Augen musterten das Tal unter sich. Der Fels fiel mehr als 90 Fuß steil ab und lief in ein Geröllfeld aus, das in Sand überging. Der breite Canyon verdiente die Bezeichnung Tal nur, weil es eine Quelle gab, die den trockenen Boden bewässerte. Der Mann am Felshang starrte unentwegt in die Tiefe, sah jedoch nichts. Nach zwei Stunden fiel dort unten Licht aus einem Fenster. Zehn Häuser, eine Cantina und ein Store gruppierten sich um eine Ansammlung von Bäumen, die am Tag etwas Schatten spendeten. In weiteren Häusern flackerte Licht auf. Langsam erwachte Agua Prieta. Seine Bewohner ahnten nicht, daß es ein böses Erwachen geben sollte. Etwa 40 Menschen lebten in der kleinen Town. Mexikaner, nicht ein einziger Amerikaner. Sie lebten schon seit Generationen hier. Die dunklen Augen zählten die Lichter, schätzten die Anzahl der Gebäude und suchten nach der Anwesenheit von Soldaten. Sie waren da, aber sie wurden von der Dunkelheit verhüllt. Kein Feuer brannte im Lager. Kein Zelt hob sich vom helleren Sand ab. Die Soldaten lagen in ihre Decken gewickelt am Boden. Nur die Posten wanderten umher. Nicht weit entfernt standen die Pferde. Man hatte sie an eine lange Leine gebunden, an eine Riata, wie die Mexikaner sagten. In der armseligen Pflanzung kauerten Apachen. In ihrer grauen Wüstenkleidung hoben sie sich kaum von der Erde ab. Rund um die Ansiedlung lagen mehr als 50 Chiricahuas hinter
allen nur möglichen Deckungen verteilt. Sie warteten auf den Sonnenaufgang und auf ein Zeichen ihres Anführers. Es wurde hell. Gnadenlos hell, und alle Schatten, die während der Nacht Furcht und Schrecken verbreitet hatten, wichen einem strahlenden Tag ohne Wolken am Himmel. Der Mann am Steilabhang richtete sich auf. Er maß gut und gern einsfünfundachtzig. Er spannte seinen mächtigen Brustkorb unter dem Calicohemd, warf die Arme in die Höhe und stieß einen schrillen Schrei aus. Cochise leitete den Angriff auf die Siedlung persönlich. Er hatte sich geschworen, daß kein Bürger seiner Rache und seiner Vergeltung entkommen sollte. Und kein Soldat. Wieder warf er die Arme hoch und rief gellend: »Zastee! Zastee! Tötet!« Danach machte er sich an den Abstieg. Naiche, sein Zweitältester Sohn, sollte den Angriff auf die Soldaten zunächst leiten. Er wollte rechtzeitig unten sein und am Kampf gegen die verhaßten Gelbhäutigen teilnehmen. Cochise kletterte wie eine Gemse von Terrasse zu Terrasse, und erreichte schließlich die Talsohle. Geschrei umgab ihn. Die ersten Krieger waren über die schlaftrunkenen Soldaten gekommen wie ein Blizzard über eine Bisonherde. Pardon gaben die Chiricahuas nicht, denn sie verlangten und erwarteten selbst auch keinen. Die aufgeschreckten jungen Uniformierten versuchten vergeblich, die zusammengestellten Gewehrpyramiden zu erreichen. Die Apachen waren schneller, verrichteten ihr grausames Werk mit Lanzen und Messern. Kriegsbeile flogen, Keulen wirbelten, Schüsse krachten. Mehr als die Hälfte der Soldaten war bereits tot oder so schwer verwundet, daß sie sich am Widerstand nicht mehr beteiligen konnten. Colonello Perfiro Diaz und Capitano Luiz deLlano
gelang es, sich mit einigen Soldaten kämpfend bis zu den Häusern zurückzuziehen. Sie waren alle verrammelt, die Fensterläden zugeschlagen und von innen verriegelt. Niemand ließ die schreienden und flehentlich bettelnden Soldaten ein. Am Straßenende konnten die Soldaten die Tür zu einem Holzschuppen aufstoßen, der zum Store gehörte. Sie waren nicht mehr als zehn, die Offiziere eingerechnet. Die Hälfte der Leute nahm die Apachen unter Feuer, während die anderen ihre Mausergewehre nachluden. Sie schossen hierhin und dorthin, stets auf Stellen, wo sich keine Apachen aufhielten. Cochise trat in die Deckung eines Hauses und zählte die Verluste. Fünf tote Chiricahuas lagen auf der Straße, eingehüllt vom Staub. Einen weiteren Apachen hatte es drüben bei der Pflanzung erwischt. Insgesamt also sechs. Wenn er die Häuser aufbrechen ließ, setzten sich die Menschen zur Wehr. Das hätte weitere Verluste bedeutet, die sich der Stamm nicht mehr leisten konnte. Cochise gab nicht das Zeichen zum Angriff auf die geduckten Adobehäuser. Er winkte zu Naiche hinüber, der auf der anderen Straßenseite hinter einem Holzstapel Zuflucht gesucht hatte und die Straße beobachtete. Naiche sah ihn. Cochise machte das Zeichen von Flammen und deutete auf die Gebäude. Naiche gab Cochise Befehl an den nächsten Apachen weiter, der an den übernächsten. Plötzlich tauchten Brandfackeln auf, flogen wie Sternschnuppen zu den Dächern empor. Beißender Rauch erfüllte die Straße und behinderte die Sicht. Nach zehn Minuten brannte Agua Prieta an allen Ecken und Enden. Krieger rannten zu dem Schuppen, aus dem immer noch geschossen wurde. Cochise stieß einen Pfiff aus und winkte seine Leute zurück. Er hatte die Offiziere gesehen und sie im Auge behalten. Sie waren die Verantwortlichen für das Massaker an der Apachensippe. Sie sollten auf die gleiche Art sterben wie die
Apachenfrauen und -kinder. Der Qualm wurde dichter, stieg zum Himmel und riß Flocken schwarzen Rußes mit. Das Atmen wurde zur Qual und die Hitze unerträglich. Aus den brennenden Häusern drangen Entsetzensschreie, laute Gebete und Flüche. Manchmal versuchte ein beherzter Mexikaner auszubrechen, aber sein Fluchtweg war jedesmal kurz. Kugeln rissen ihn schnell und schmerzlos von den Beinen. Apachen verstanden zu schießen. Cochise rannte im Schutz der Qualmwolken über die Straße, vereinte sich mit Naiche und einem Krieger, der ›Schnelle Antilope‹ hieß. Er gab beiden Zeichen, ihm zu folgen. Von hinten schlichen sie sich an den Schuppen und legten die Ohren an die dünnen Bretter. Die Mexikaner unterhielten sich. Ihre Stimmen wurden jedoch von Angst und Grauen geschüttelt. Sie standen alle beim Tor auf der anderen Seite und beobachteten den brennenden Straßenzug. Der Häuptling deutete auf zwei lose Bretter, deren Befestigungsnägel verrostet waren. Er wartete. Beim Tor fiel wieder eine Salve. Er gab das Zeichen. Der Krieger krallte seine Hände hinter die obere Bretterkante und riß sie mit einem Ruck vom Fachwerk. Cochise und Naiche drangen sofort ein. In den Händen hielten sie ihre Kriegsbeile. Mit mächtigen Sätzen stürmten sie auf die Mexikaner zu. Es kostete sie vier Tote. Ein fünfter wurde von ›Schnelle Antilope‹ niedergemacht. Keiner der restlichen Soldaten hatte ein geladenes Gewehr. Es hätte ihnen auch nichts genutzt. Wie Sprungfedern bewegten sich die Chiricahuas, unterliefen rotierende Säbel und zustoßende Gewehrkolben. Cochise erledigte einen weiteren Soldaten, Naiche ebenfalls, und ›Schnelle Antilope‹ tötete den achten mit einem Messerwurf. Auf den Beinen standen noch der Colonello und der Capitano. Sie hielten ihre schweren Säbel in den Händen und stießen nach den auf sie eindringenden Indianer.
Der Häuptling traf den Ranghöheren Offizier mit der stumpfen Rückseite seines Beiles. Er rutschte betäubt an der Bretterwand zu Boden. Naiche unterlief den Säbel des Capitanos, packte ihn bei der Hüfte, hob ihn auf und schmetterte ihn auf den hartgestampften Boden. Der Kampf war vorbei. ›Schnelle Antilope‹ skalpierte die von ihm getöteten Soldaten. Als er sich auch den anderen zuwenden wollte, hielt ihn Cochises Zuruf zurück. »›Schnelle Antilope‹ mag Skalps nehmen, das ist sein gutes Recht, aber nur von den Gegnern, die er selbst tötete. Fessele die beiden!« Jeder Apache hatte dünne Riemen in der Tasche. Im Nu waren die beiden Offiziere gebunden. Krieger kamen herein. Sie hatten rauchgeschwärzte Gesichter und grimmige Mienen. Aus ihren dunklen Augen sprachen Haß und Blutgier. Auf Cochises Befehl hoben sie die Offiziere hoch und trugen sie hinaus. Die Häuser waren fast niedergebrannt. Nur die rauchenden Grundmauern standen noch und strahlten eine mörderische Hitze aus. Nach und nach fanden sich alle Krieger ein, schleppten Beutestücke und stimmten ein unheimliches Triumphgeschrei an. Die gefesselten Offiziere verfolgten das Treiben mit mulmigen Gefühlen. Cochise trat in die Mitte seiner Krieger. Es wurde still wie in einer Gruft. Der Häuptling warf beide Arme in einer dramatischen Gebärde in die Höhe und rief so laut, daß seine kräftige Stimme weit über die zerstörte Ansiedlung hinwegschallte: »Die Erde, die Sonne und alle Winde hören mir zu. Der Große Geist hört mir zu. Ich spreche nicht mit doppelter Zunge. Ich bin Cochise, der Jefe aller Apachen. Ein Häuptling der Apachen spricht immer die Wahrheit.« Er machte eine Pause, blickte umher. Die Augen seiner Chiricahuas waren beinahe verzückt auf seine Lippen gerichtet,
sogen seine Worte auf wie die Blume den Morgentau. »An dieser Stelle töteten Gelbhäutige die Sippe des alten Nahaye. ›Gelbe Feder‹ kam als einziger dem Gemetzel davon. Hier liegt der Anführer jener Gelbhäutigen, die das taten. Was soll mit ihm geschehen? Krieger der Chiricahuas, was soll mit diesen Mördern geschehen?« Eine Sekunde noch blieb es ruhig, dann grölten die Krieger, als wären alle Teufel der Hölle losgelassen. Alle kannten sie die Geschichte von Nahayes Sippe. Frauen, Kinder. Greise waren getötet und schließlich verbrannt worden. »Zastee!« schrien die Indianer. »Töten!« rief Naiche. »Wir rächen Nahayes Sippe!« entschied Cochise mit zwingender Stimme. * »Heilige Mutter Gottes! Was haben sie mit uns vor, Colonello?« stammelte Luiz deLlano, weiß wie ein Bettlaken. Perfiro Diaz, wie der Capitano an Händen und Füßen gefesselt, starrte auf das Bild emsig beschäftigter Rothäute. Sie schleppten Balken und Holz heran, errichteten einen Scheiterhaufen, der so hoch wie ein Haus war. »Sie wollen uns bei lebendigem Leib verbrennen«, sagte er. Seine Zähne klapperten, die Angst schüttelte ihn so, daß er kaum sprechen konnte. »Allmächtiger Gott, das können sie doch nicht tun.« Perfiro Diaz traten die Tränen in die Augen. »Wir haben es ihnen vorgemacht«, sagte er zähneknirschend. »Wir Soldaten und die Dorfbewohner. Sie, deLlano, haben Verwundete, Frauen und Kinder in die Flammen werfen lassen, und jetzt bekommen wir ihre Rache zu spüren.« »Aber Sie gaben den Befehl dazu«, entgegnete der Capitano. Diaz antwortete nicht. Cochise kam auf sie zu und blieb zu
ihren Füßen stehen. Neben ihn trat Naiche. Beide Häuptlinge trugen den gleichen Ausdruck auf ihren Bronzegesichtern: Haß, Verachtung, erbarmungsloser Vergeltungswille. Der Häuptling verkündete: »Gelbgesichter, ihr werdet sterben, wie Nahayes Sippe sterben mußte: in den Flammen. Ich bin Cochise, über dessen Lippen nie eine Lüge kam. Das ist mein Sohn Naiche, ein tapferer Krieger, der meine Worte bezeugt.« »Ich habe nichts getan, Jefe«, jammerte deLlano. »Ich will nicht sterben. Dieser Mann an meiner Seite gab die Befehle zu dem Massaker. Tötet ihn und laßt mich am Leben. Ich werde euch fürstlich belohnen, meine Familie ist reich und…« »Schweig!« »Ich gebe dir Geld, ein Vermögen, Cochise, wenn du mir die Freiheit schenkst.« »Apachen brauchen kein Geld«, sagte Cochise stolz. »Apachen rauben sich, was sie brauchen. Du wirst sterben, Gelbgesicht. Und dann werden unsere Brüder und Schwestern gerächt sein und die richtige Stelle in den Ewigen Jagdgründen finden, wo es ihnen gutgeht. Zündet das Feuer an!« Mehrere Krieger rannten mit Fackeln auf den Scheiterhaufen zu. Es knisterte. Die ersten Flammen leckten am trockenen Holz empor. Cochise streckte den Oberkörper, hob den rechten Arm und rief: »Werft sie auf das brennende Holz!« Die Chiricahuas stimmten ein fürchterliches Geheul an, das das Blut der Mexikaner zu Eis zu gefrieren schien. Eine Kriegertruppe stürzte sich auf die Unglücklichen, riß sie hoch und schleppte sie zu dem Holzstoß. »Ich will nicht sterben!« schrie der Capitano. »Ich will leben! Ich habe nichts getan…« Sie wurden in die Höhe geschleudert und verschwanden in einem Meer aus Flammen und Rauch. Ihr entsetztes Geschrei verklang, ebbte ab und verstummte schließlich ganz.
Cochise und seine Krieger standen vor dem prasselnden Flammenhaufen. Kein Mitleid stand in ihren Gesichtern, nur Rachegefühle. »Es ist getan«, sagte Cochise. »›Gelbe Feder‹ kann jetzt den Gesang des Todes anstimmen und den Großen Geist bitten, seinen Angehörigen die richtigen Plätze in den Ewigen Jagdgründen zuzuweisen. How! Reiten wir!« Pferde wurden gebracht. Cochise bestieg einen Mustang und wies nach Nordwesten. Der Camino del Diablo war sein Ziel. Er ritt mit Naiche an der Spitze. Ihnen folgten die Krieger in einem langen Zug, gegliedert nach Rang und Namen. Gegen Abend, die Sonne stand wie ein kupferner Gong im Westen und ließ die weißen Gipfel des Tonto Basin weithin strahlen, sahen die scharfen Augen der Apachen in der Ferne eine gelbe Staubwolke im Abendlicht leuchten. Cochise hielt den Zug an. Er befahl zwei Kriegern, hinzureiten und nachzusehen. Unionssoldaten ging er am besten aus dem Weg. Er kannte seine Chiricahuas. Sie hatten Blut geleckt und verlangten nach mehr Blut. Die Späher ritten davon. Cochise ließ absitzen und lagern. Kein Feuer wurde angezündet, keine Kochstelle errichtet. Auf dem Kriegspfad aßen und tranken Apachen nicht. Nach einer Stunde kehrten die Kundschafter schon wieder zurück. Sie berichteten dem Jefe von einem langen Zug Maultiere, alle hochbepackt und von sieben mexikanischen Treibern bewacht. Ohne ein Wort zu verlieren, erhob sich der Jefe und wies mit der Hand nach Westen. Ein Funke schien auf die Krieger überzuspringen. Maultiere waren für sie ein Leckerbissen. Der lang auseinandergezogene Trupp näherte sich schnell dem breiten Hohlweg, durch den die Karawane gerade zog. Die Glocke des Führungstieres schallte laut durch die Bergeinsamkeit. Cochise schnitt der Tropa den Weg ab, postierte seine Krieger
auf beiden Seiten der Schlucht. Er selbst nahm mit Naiche auf einem erhöhten Felsen Stellung. Als der Maultierzug schon fast den Hohlweg hinter sich hatte, gab er das Zeichen zum Angriff. Das einsetzende Kriegsgeschrei der Chiricahuas ließ die Mexikaner zunächst vor Schreck erstarren. Als sie schließlich zu den Waffen griffen, war es bereits zu spät. Ein Pfeil traf den Tropaführer. Schüsse fielen in kurzen Abständen. In wenigen Minuten war auch dieser Überfall erfolgreich und ohne Verluste beendet. Der unvergleichlichen Kriegskunst Chochises war es zu verdanken, daß den Chiricahuas elf hochbeladene Mulis und sieben Skalps in die Hände fielen. Cochise wies drei Krieger an, die Tiere in seine Apacheria zu bringen, um dann später hinter dem Paß wieder zu ihnen zu stoßen. Keine leichte Aufgabe. Die Mulis waren durch den Blutgeruch und die Gewehrschüsse unruhig geworden und wollten sich nicht treiben lassen. Lachend schob ein Krieger dem Leitmuli einen Kaktus unter den Schwanz, und das Mittel wirkte. Der Haupttrupp zog noch ein Stück mit, trennte sich jedoch bald danach von der Karawane. In der Nacht lagerten die Krieger im Canyon de los Embudos, dessen nördlicher Ausläufer an den Fuß des Passes stieß. Cochise stellte Wachen auf die Höhen und sperrte Zu- und Ausgang der Schlucht. Die Nachricht vom Auga Prieta-Massaker konnte schon bis zu dem weißen Häuptling gelangt sein, und Cochise wußte nicht, wie sich General Howard verhalten würde. Am nächsten Morgen ging es weiter dem Paß entgegen. Als er vor Cochise auftauchte, umspielte ein Lächeln seinen Mund. Ein bißchen neugierig war er doch, was Jeffords mit seiner Erlaubnis, die Station wieder aufzubauen, angefangen hatte. Die Paßstraße zog sich endlos lang über den Hang und fiel auf der anderen Seite nach Fort Buchanan wieder ab. Hinter der
Krümmung lag die Station, das wußte Cochise. Er ritt wie immer an der Spitze, an seiner Seite Naiche und der älteste Krieger der Horde, der Chan-ank – Stoßender Adler – gerufen wurde. Als die Häuser in Sicht kamen, hielt Cochise den Reitertrupp mit erhobenem Arm an. Er ritt vor und hielt 20 Yards vor dem Haus. Das Dach war noch nicht wieder fertiggestellt worden, aber der Häuptling sah an den herumliegenden Balken, daß man mit der Arbeit begonnen hatte. Er sah keine Menschenseele und wunderte sich darüber. Langsam glitt er von seinem Pinto und ging weiter, das Tier am Zügel führend. Cochise sah sich um und erkannte, daß die Schmiede schon wieder intakt war. Der Jefe ließ sein Pferd stehen, ging hin und besah sich die langen, spitzen Nägel mit den breiten Köpfen, die einer der Weißen geschmiedet hatte. Er begriff sofort, wofür die Blechgesichter diese Nägel brauchten. Er verließ die Schmiede wieder, die für ihn eine Wunderwelt war. Zwischen dem Haupthaus und dem Stall war ein Graben aufgerissen worden. Spaten und Schaufel lagen noch daneben. Aber niemand war zu sehen, der die Werkzeuge benutzt hatte. Lautlos ging Cochise weiter, trat um den Stall, zuckte aber sofort wieder zurück. Fast wäre er über die Beine eines lang ausgestreckten Mannes gestolpert, der im Gras lag und schnarchte. Der Häuptling betrachtete den Weißen. Es war nicht Thomas Jeffords. Ein Stück weiter lag noch jemand und schlief. Cochise stieß den Mann leicht mit dem Fuß an. Burt Kelly schlug die Augen auf, schloß sie wieder, als er den Indianer erkannte, und öffnete sie ein zweites Mal. Mit einem Satz war er auf den Beinen und schrie gellend. Norbert Walker erwachte natürlich und richtete sich hoch. Ihm lief es kalt über den Rücken, als er den Chiricahua sah. »Allmächtiger, eine Rothaut!«
Cochise nickte. »Ein Krieger mit roter Haut. Stimmt, Bleichgesicht. Du hast nicht den geringsten Grund, dich zu fürchten. Ich komme, um Hellauge einen Besuch abzustatten.« Walker und Kelly standen wie zu Salzsäulen erstarrt. Sie wagten nicht, auch nur eine Hand zu bewegen. Nach einer Weile, als er sich einigermaßen gefangen hatte, fragte Walker verwirrt: »Hellauge? Wir kennen kein Hellauge.« »Der hellhaarige Chief, der das Haus aufbauen will, das ist Hellauge.« Cochises Stimme klang freundlich und nachsichtig. Er war mächtig stolz, als er merkte, welchen Schreck seine Erscheinung bei den Weißen auslöste. »An… Sie, du meinst den Boß, Mr. Jeffords, Indianer?« Cochise nickte. »Wo ist er?« Walker und Kelly faßten mehr Mut und überwanden ihre Angst. Kelly antwortete: »Mr. Jeffords ritt nach Tombstone. Er holt zwei Stationshelfer ab, die uns hier helfen sollen. Ich meine, sie verstehen sich besser auf Holzbalken als wir.« »Wann kommt Hellauge zurück?« fragte der Häuptling wißbegierig. »Vielleicht heute noch, vielleicht auch erst morgen oder übermorgen.« Der Häuptling drehte sich. »Sagt Hellauge, daß Cochise hier war, um ihn zu besuchen. Ich komme wieder.« »Welchen Tag dürfen wir Mr. Jeffords nennen?« »Zwei Tage, nachdem die Chiricahuas die Santa Rita-Kupferminen zerstört und die Gelbgesichter getötet haben.« Kelly und Walker standen wie erstarrt. Lange nach des Häuptlings Verschwinden sagte Kelly zu Norbert Walker gewandt: »Was hat er gesagt? Er will eine Mine vernichten?«
»Schätze, das sagte er. Santa Rita-Kupferminen… Zum Teufel, wo liegen die denn?« »Wir sollten nach Tombstone reiten und die Armee alarmieren.« »Das lassen wir lieber bleiben«, sagte Walker. »Wenn er es herausbekommt, ergeht's uns wie unseren Vorgängern. Willst du bei lebendigem Leib geschunden und dann auf einem Scheiterhaufen landen?« * Am zweiten Tag stießen weitere Krieger zu Cochise. Seine Kriegsmacht bestand aus 65 Chiricahuas, denen sich drei Aravaipa-Apachen angeschlossen hatten. Ungesehen zogen sie durch die Schluchten der Chiricahua Mountains und näherten sich dem Kegelberg Pinos Altos. Cochise wußte, daß Fort Bayard ständig Patrouillen nach Süden und Südwesten schickte, die alle Straßen nach El Paso im Süden und Santa Fe im Norden sicherten. Vor den Soldaten fürchtete sich Cochise nicht. Er ging ihnen lediglich aus dem Weg, weil er die Langmesser unter ihren jungen und hitzigen Offizieren kannte. Allzu schnell griffen sie zu den Waffen. Sie schossen erst, um später zu fragen, ob der Tote ein Freund oder ein Feind war. Cochise hatte auch keine Angst vor den Mimbrenjos unter ihrem Häuptling Victorio und auch nicht vor den Mescalero-Apachen, deren Jagdgründe hier mit denen der Mimbrenjos und Tontos zusammenstießen. Auch Comanchen kamen manchmal aus den Plains herüber, um einen schnellen Coup zu wagen und dann wieder zu verschwinden. Aber solche Übergriffe waren selten. Sie alle, die Plains- und die Pueblo-Indianer, hatten Angst vor den Chiricahuas und vermieden jedes Zusammentreffen. Cochises Bedenken galt ihrer eigenen Sicherheit. In den Santa
Rita-Minen lebten mehr als 200 Mexikaner und in den Goldminen nordwestlich von Pinos Altos Hunderte von Weißen, die die Erde umgruben und das gelbe Metall suchten. Von den Weißen wollte Cochise nichts, auch nicht von ihnen gesehen werden. Nur seiner Umsicht und seiner Kühnheit war es zuzuschreiben, daß es ihm gelang, sich mit seinem Trupp Krieger zwischen all den Heimstätten, Ranches und Goldgräberlager hindurchzuschlängeln. Er schaffte es. Am Morgen des nächsten Tages sah er den Rio Grande in der Ferne schimmern. Er war auf eine Anhöhe geritten und konnte von dort aus das ganze Land übersehen. Da wurde ihm klar, daß er viel zu weit nach Osten abgekommen war. Cochise ritt den Hügel wieder hinunter und beriet sich mit Naiche und den Unterhäuptlingen. Sie waren dafür, die Strecke noch an diesem Vormittag zurückzulegen, selbst auf die Gefahr hin, entdeckt zu werden. Als die Sonne am höchsten stand, sahen sie die kleine Minenstadt Santa Rita im Westen liegen. Cochise schwenkte wieder nach Osten in ein Tal ein und schickte Späher voraus. Andere Krieger stellte er für den Flankenschutz ab. Langsam ritten sie weiter. Die Späher kamen zurück und meldeten, sie hätten die Mine mit ihren Abraumhalden gesehen. Cochise ließ anhalten und die Pferde in ein nahes Manzanitagebüsch bringen. Die Apachen fanden dort eine kleine Lichtung, die sie mit ihren Tieren aufnahm. Sofort setzte der Jefe einen Kriegsrat an, dem alle Krieger beiwohnen durften. Die Späher zeichneten mit einem Ast die Lage der Mine in den weichen Boden. Cochise begriff sofort die große Gefahr, die ihnen drohte, wenn zufällig eine Patrouille aus Fort Bayard nach Süden ritt. Er entschied, Mine und Siedlung von Osten her anzugreifen. Zwei Krieger brachen auf, um einen geeigneten Canyon zu
suchen, der zum Rio Grande führte. Das war für die Ungeduld des Häuptlings zwar ein gewaltiger Umweg, aber er bezwang sich und war damit einverstanden. Die Dunkelheit senkte sich auf das Land, als die beiden Späher ihrem Jefe berichteten, daß sie einen Weg gefunden hatten. Im Schutze der Dunkelheit ritten sie nach Osten und gelangten um Mitternacht an einen Seitenarm des Rio Grande. Von hier aus führte Cochise die Apachen nach Norden. Nach drei Stunden Ritt schwenkte er nach Westen und näherte sich der Mine bis auf drei Meilen. In einer Schlucht lagerten die Chiricahuas, aßen und tranken Wasser, und bereiteten sich auf den Kampf im Morgengrauen vor. * Zur gleichen Zeit ritten John Haggerty und Curt Miller hinter Doolin und seiner neugebildeten Bande her. Doolin schlug tatsächlich nicht die Richtung zu seinem geheimen Tal ein, wie John vermutet hatte. Nicht einmal die Pahute Range war sein Ziel. Miller ließ kein Auge von der gut sichtbaren Fährte. John dagegen suchte unablässig die Klippen und Schatten hinter Felsen und Dickichte ab. Er sah sie rechtzeitig genug, um keinen entscheidenen Fehler zu machen. »Gib auf den Höhenzug da rechts etwas mehr acht, Curt. Ja, noch weiter rechts.« Miller starrte hinüber, sah aber nichts. »Was ist los? Warum grinst du so dämlich, John?« »Ich finde es komisch, daß wir ein paar Outlaws verfolgen und gleichzeitig selbst verfolgt werden.« »Alle Wetter! Von wem denn?« »Apachen. Tontos oder Mimbrenjos.« Miller suchte alles ab, was den Rothäuten als Versteck dienen konnte.
»Du mußt bessere Augen als ich haben«, sagte er. »Ich sehe wirklich nichts.« »Sie wollen nicht gesehen werden, Curt. Daß ich sie bemerkte, ist wohl mehr einem Zufall zu verdanken. Sie sind beritten. Also Vorsicht!« Doolin mit seinem Trupp bog in ein Tal nach links ein, bis zu einer beinahe senkrecht aufsteigenden Felswand mit einem weitflächigen Geröllfeld davor. Dort hielten sie an, stiegen von den Pferden und zerrten sie hinter mächtige Quarzklippen. »Endstation, alles absteigen!« Miller grinste und schwang sich aus dem Sattel. »Bist du sicher, daß sie hierher wollten? Ich sehe nichts, was sie veranlassen könnte, gerade an dieser öden Stelle anzuhalten, keine Hütte, keine Höhle oder etwas Ähnliches.« »Suchen wir uns zunächst einen Unterschlupf, Bruderherz. Wenn wir Apachen in der Nähe haben, sollten wir uns etwas vorsichtiger bewegen. Was hast du jetzt davon, wenn du weißt, wo sie lagern?« »Eine ganze Menge. Es ist bewiesen, daß Doolin den Fremden noch nicht so richtig traut. Er wäre sonst in sein verstecktes Tal geritten.« Er stieg ebenfalls ab, schaute sich sorgfältig um. Das Geröllfeld vor der abschließenden Felswand zog sich ein ganzes Stück nach Norden und wurde von dichtem Gestrüpp flankiert. Ausreichende Deckung oder gar ein Versteck gab es nirgendwo. »Wir verbergen uns hinter dem Geröll«, sagte Haggerty. »Wir werden zwar gesehen, können selbst aber auch alles beobachten. Bin gespannt, wen die Apachen zuerst angreifen.« Miller nickte, führte sein Pferd hinter sich her und drang in den Abraum vieler Millionen Jahre ein. John folgte etwas langsamer. Immer wieder blickte er über die Schulter zurück, bemerkte aber nichts Verdächtiges. Ein Ruf ließ ihn schneller gehen. Curt hatte eine Stelle gefunden, die wie ein Miniaturtal
aussah. Es wurde von übereinandergetürmten Felsen gebildet und hatte nur einen Eingang, der hinter einem rankenartigen Gestrüpp verborgen lag. Der Scout zog die sich wie Gummi dehnenden Ranken auseinander und drang ein. Ein Kessel von 20 Yards Durchmesser breitete sich aus. Haggerty warf besorgte Blicke zu den mauerartig aufgeschichteten Klippen hinauf, betrat das Tal aber ebenfalls. Ihre Pferde bockten. Haggerty erkannte auch sofort den Grund. Auf herumliegenden Steinen sonnten sich Klapperschlangen. »Wie können wir die Biester vertreiben?« fragte Miller. »Pack sie am Schwanz und wirf sie über die Klippen«, antwortete John. »Du bist wohl übergeschnappt, was?« »Noch nicht. Zünde ein Grasfeuer an, das mögen sie nicht. Außerdem wird es bald dunkel und kühler, das mögen sie auch nicht.« Curt warf John einen zweifelnden Blick zu. »Erfahrungen in Klapperschlangen, wie? Woher weißt du, was sie mögen und was nicht?« John grinste, sattelte sein Pferd ab, hob einen Kieselstein auf und warf ihn nach einem Reptil. Es kroch träge davon und verschwand in einem Spalt. Miller riß trockenes Gras aus, drehte es zu einem Zopf, zündete ihn an und ging zu den Steinen hinüber. Kaum rochen die Schlangen den Rauch, zogen sie sich zurück. »Tatsächlich!« rief Miller erleichtert. »Sie verduften.« John sammelte dürres Holz und zündete ein kleines Kochfeuer an. Er verschob ein paar Steine so, daß sich eine Mulde bildete. »Ist das wegen der Indianer nicht zu gefährlich?« fragte Curt. »Sie wissen, daß wir hier sind, wir brauchen uns also nicht zu verstecken und auf ein warmes Essen verzichten. Holst du noch
etwas Holz?« Miller entfernte sich, kam aber schnell hervor. »Sieben Tontos!« Haggerty nickte. »Da habe ich mit gerechnet. Dreh nur nicht durch. Sie können uns hier nicht viel anhaben, Curt.« Im gleichen Augenblick ertönten Schüsse. Eine ganze Salve rollte durch das Tal und wurde vom Echo hundertfältig verstärkt. Miller ließ das Holz fallen und rannte zum Eingang. John folgte ihm langsam. Die Apachen hatten den Lagerplatz oder das Versteck – was es immer auch für die Banditen war – eingekreist und ballerten durch Öffnungen oder Lücken, die Haggerty und Miller von ihrem Standort aus nicht sehen konnten. Die Banditen feuerten zurück. Keiner war im Vor- oder Nachteil. Die Apachen konnten nicht hinein, die Bande nicht mehr heraus. Die ersten Schatten fielen in das Tal. Die beiden Scouts konnten die Rothäute erkennen. Sie lagen hinter Felsen und großen Steinen, wandten ihnen ihre Hinterteile zu und taten so unbekümmert, als gäbe es weit und breit keine zweite Gruppe von Weißen, die der ersten zur Hilfe kommen konnte. »Die tun gerade so, als wären wir gar nicht da«, knurte Curt wütend. »Soll ich einem von ihnen eins aufs Fell brennen?« »Nein«, antwortete John. »Wir wollen sie nicht herausfordern. Vielleicht lassen sie uns dann in Ruhe.« »Glaubst du?« »Möglich wär's immerhin.« »Verdammt, was treiben die jetzt?« Drei Tontos hatten sich abgesondert und robbten zwischen Felsen und Büschen umher, während die anderen ab und zu auf das Versteck der Weißen schossen. Nach einer Weile erkannte Haggerty, was sie trieben. Es sah aus, als schleuderten sie dicke Stricke im Kreis. Es waren aber
lebendige Klapperschlangen. Durch das Schleudern wurden die gefährlichen Tiere betäubt. Hastig liefen die Krieger, die Schlangen am Schwanzende gepackt, auf den Steinwall zu und warfen die gefährlichen Reptilien über die Klippen. Schreie drinnen. Triumphgeheul draußen. Immer mehr Schlangen flogen über die Barriere. Pferde wieherten ängstlich, rissen sich los und stürmten durch den engen Eingang, mitten hinein in die wartenden Apachen. Ein heilloses Durcheinander entstand, als zwei oder drei Outlaws mit zuckenden Revolvern den Pferden folgten. Aber sie fanden kein Ziel. Die beiden Scouts konnten deutlich beobachten, wie die Indianer in ihrer Deckung genau Ziel nahmen und erst feuerten, wenn sie sich ihres Schusses sicher waren. Zwei Banditen brachen zusammen, der dritte zog sich wieder zurück. »Was kommt jetzt?« fragte Miller. »Ihren Vorrat an Schlangen werden sie verbraucht haben. Soll ich ihnen unsere hinüberbringen?« »Sehr witzig«, antwortete Haggerty und grinste schief. »Was meinst du denn, was jetzt kommt?« »Keine Ahnung.« »Feuer«, sagte John lakonisch. »Feuer? Wie denn? Steine brennen doch nicht.« »Warte es nur ab. In der taktischen Kriegsführung innerhalb ihrer Gebirgs- oder Wüstenregion sind sie den Weißen über.« Es war so, wie Haggerty sagte. Zwei Krieger schossen in regelmäßigen Abständen auf die Felslücken, die anderen schwärmten aus und sammelten Reisig. Vor dem Eingang zu dem Versteck schichteten sie einen riesigen Haufen auf und zündeten ihn an. Darauf warfen sie grünes Zeug und Blätter. Ein beißender Qualm wehte bis zu den Scouts. »Well, du hattest recht, Amigo. Wie geht es jetzt weiter?« »Die Banditen werden herausgetrieben und abgeknappt.«
»Sollen wir es nicht verhindern, John?« Der schüttelte den Kopf. »Ich denke und handle zwar nicht menschlich, aber wenn ich mir überlege, was die Kerle mit den Indianern getan haben, kommt kein Mitleid in mir auf. Wir können hier gar nichts machen.« Es wurde grau im Tal, dann dunkel. Gespenstisch leckten die Flammen an den Steinen hoch und beleuchteten die Szenerie blutrot. Immer mehr Gestrüpp warfen die Tontos auf das Feuer. Ein ungesatteltes Pferd sprang durch die Enge. Es durchbrach in heller Panik den indianischen Riegel und stürmte in die Nacht. Nachgefeuerte Schüsse verfehlten es. Die Apachen stießen ein Johlen aus und warfen brennende Bündel über die Klippen. John konnte sich vorstellen, wie die verbliebenen Banditen hinter dem Schutz aus Steinen fluchten. Er hatte die Gestalt gesehen, die seitlich am Pferd hing, und er machte sich so seine Gedanken. Noch einmal versuchte ein einzelner Weißer durchzubrechen. Er brach im Gewehrfeuer zusammen. Die Apachen wechselten ihre Taktik. Zwei kletterten wie Katzen die Klippen hinauf und feuerten ihre Gewehre ab. Bevor sie nachladen konnten, fielen Schüsse. Einer warf die Arme hoch und stürzte mit einem Schrei von dem Wall. Wut und Rachegelüste trieb die anderen mit langen Sprüngen durch den engen Durchgang. Die Scouts konnten sich ausmalen, was hinter den Felsen geschah. Schüsse peitschten. Todesschreie. Flüche. Schließlich das gellende Kriegsgeschrei der Tontos. Stille und Nacht. Ein leichter Wind kam auf und trieb trockenes Gestrüpp vor sich her. Noch brannte das Feuer vor dem Banditenversteck, aber es erhielt keine Nahrung mehr und fing an zu schwelen. Die Tontos kehrten zurück, schwangen triumphierend Skalps.
Sie warfen Blicke herüber, lachten. »Zum Kotzen. Denen möchte ich einiges heimzahlen«, sagte Curt aufgebracht. »Hoffentlich greifen sie uns an.« Haggerty lachte. »Heute nacht nicht mehr. Sie werden uns draußen irgendwo erwarten.« »Wieso draußen?« John deutete auf die Felswand. »Sackcanyon. Hier geht's nicht weiter. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen wieder hinaus auf die Ebene.« * General Oliver O. Howard bewegte sich unruhig durch das Zelt. Vor ihm auf dem Kartentisch stand sein Abendessen. Er rührte es nicht an. Neben dem Essen eine Flasche Wasser und eine mit Whisky. Er warf nicht mal einen Blick darauf. Am Tisch saß Brevet General Joseph West, ein alter Haudegen aus dem Bürgerkrieg. West starrte Howard nur an, sagte jedoch nichts. Selbst die beiden Colonels im Hintergrund, White und Walmann, schwiegen, weil sie sich nicht den Zorn Howards zuziehen wollten. Am Morgen war die Nachricht gekommen, Cochise hätte Agua Prieta vernichtet, eine Karawane überfallen und ein Goldgräberlager zerstört. Andere Stämme hatten inzwischen wieder Postkutschen und Heimstätter überfallen. In der Nähe von Fort Buchanan war ein Junge geraubt worden. Die Hiobsbotschaften häuften sich in den letzten Tagen, und die blutige Spur, die die Apachen legten, wurde täglich breiter und länger. Aus den nördlich gelegenen Reservaten brachen ganze Gruppen Apachen aus, vorwiegend Chiricahuas und Mimbrenjos. Als dann am Nachmittag die Nachricht aus Fort Bayard eintraf, Chiricahuas hätten die Santa Rita Kupferminen bei Pinos Altos angegriffen und über 200 Minenarbeiter,
ausnahmslos Mexikaner, niedergemacht, war das Maß voll. Zwei steile Falten standen auf Howards Stirn. Sorgenfalten. West schürzte die Lippen, nippte an seinem Glas und versuchte ein gleichgültiges Gesicht zu machen. »Wie es den Anschein hat, geht Cochise nur gegen Mexikaner vor«, sagte der Brevet General. »Oder sind Sie anderer Meinung?« »Nein. Nicht einem einzigen amerikanischen Staatsbürger wurde auch nur ein Haar gekrümmt. Mich wurmt auch etwas anderes, General West: die sich in immer kürzeren Abständen wiederholenden Ausbrüche aus den Reservationen. Auf diese Art können wir die Mexikaner in Sonora nicht schützen, was folglich wieder gehagelte Beschwerden nach Washington bringt. Sie machen sich einfach aus dem Staub, morden und brandschatzen in Mexiko, kehren wieder in die Reservation zurück und tun, als sei nichts geschehen. Am schlimmsten sind die Reservationen San Carlos und Fort Apache betroffen.« West breitete die Arme aus, als wollte er kapitulieren. »Das ganze Land ist gewalttätig und explosiv. Es ist dämonisch wie seine Bewohner. Ich glaube, es liegt in der Luft, im Wasser, das man trinkt, im Klima und in der Kraft der Erde.« »Kann sein«, entgegnete Howard. Er warf einen hilflosen Blick auf die beiden Colonels. White starrte zu Boden. Walmann schüttelte schwach den Kopf, und als der Brevet General fortfuhr, preßte er die Lippen so fest aufeinander, daß sie einen Strich bildeten. »Nicht nur dieses Territorium ist voll von verschütteter Gewalttat, sondern das ganze Land bis hinauf nach Wyoming. Die Atmosphäre ist manchmal so geladen, daß Seelen aus den Körpern getrieben werden und Amok laufen. Wildnis herrscht über Menschen, die Wildnis gewinnt schließlich. Die Weißen haben ein großes Land erobert, aber dieses Land ist kannibalisch und gemein. Die Weißen sollten zusehen, es so schnell wie möglich wieder loszuwerden.«
»Das bringen Sie mal dem Kriegsministerium bei, General«, bemerkte Howard übellaunig. »Die werden Ihnen sagen, was sie loswerden wollen: die Apachen und alles andere, was eine rote Haut hat. Was wir den Indianern antun, ist mehr als bestialisch.« »Ich weiß es nicht«, sagte West, »ich bin nicht landeskundig. Mag sein, daß Sie meinen, sie sind zu sehr verwöhnt worden, mag auch sein, daß es wirklich so ist, Sir. Ich höre viel, doch ich muß schweigen.« »Sie müssen schweigen, ich müßte es auch«, sagte Howard gedankenvoll. »Nur, ich darf nicht schweigen, weil es mir nicht gelingt, mein Gewissen einzuschläfern. Was wir tun, ist Unrecht. Was die Army in diesem Land macht, spricht jeglicher Gerechtigkeit Hohn. Indianer drangen nicht in unser Land ein, sondern wir eroberten Indianerland. Indianer fingen auch nicht mit dem Morden und Skalpieren an, sondern Mexikaner und Weiße. Wo ist die vielgerühmte amerikanische Fairneß geblieben, deren wir uns so sehr rühmen?« West schwieg verstimmt. Sein Gesicht mit dem dichten Schnauzbart blieb unbewegt. Wußte er keine Antwort, oder wollte er keine geben? Colonel White trat vor, räusperte sich und sagte: »Cochise, diese Geißel Gottes, gewinnt von Tag zu Tag mehr Macht über die Apachenstämme. Er fordert uns ein Blutopfer ab, das in keinem Verhältnis zu dem öden Land steht, das wir gewinnen. Das Maß ist jetzt voll, General… Sir. Wir sollten endlich ein Exempel statuieren.« Howard wirbelte zu ihm herum. »Weshalb, White? Ja, weshalb? Keinem einzigen Amerikaner wurde ein Haar gekrümmt. Außerdem, Colonel, wie soll ich ein Exempel statuieren? Mit wem? Haben wir genügend Truppen, Scouts im Überfluß?« White zuckte mit den Achseln und zog sich wieder aus dem Lichtkreis zurück. Dafür setzte sich West in Positur und erklärte:
»Wenn Cochise auch an dem Abkommen festhält, das er mit Ihnen schloß, werden ihm die Erfolge doch eines Tages zu Kopf steigen. Der Krieg an der Indianerfront ist unvermeidlich, General.« Howard schüttelte den Kopf. »Zuerst muß es soweit sein, bevor das Thema zur Diskussionsgrundlage wird. Es gibt keinerlei Anzeichen, daß Cochise seinen mit mir geschlossenen Vertrag nicht einhalten will.« »Und die Überfälle auf Postkutschen, Farmen und Goldgräber? Sind das keine Vertragsbrüche? Ich kann mir nicht denken, General Howard, daß Sie darunter etwas anderes verstehen als Mord.« »Das sind Tontos und Mimbrenjos gewesen, für die Cochise nicht sprechen kann.« »Ach, demnach ist er gar nicht der Oberhäuptling aller Stämme?« »Doch, er ist es. Aber er kann keinen blinden Gehorsam von anderen Stämmen verlangen. Es wäre ein Wunder, wenn ihm das gelänge.« West fragte: »Was, Sir, werden Sie veranlassen, wenn einem Goldgräber oder eine Postkutsche innerhalb der Chiricahua-Jagdgründe etwas zustößt? Weiterhin behaupten, daß es Krieger eines anderen Stammes waren?« Howard seufzte. »Was soll ich nach Ihrer Meinung tun? In den meisten Fällen haben Weiße die Übergriffe der Indianer selbst verschuldet. Wenn Sie doch endlich begreifen sollen, daß die Armee in Südarizona Gewehr bei Fuß steht.« »Also das ist es. Ich verstehe Sie nicht, General Howard.« »Das können Sie als Landesunkundiger auch nicht. Cochise ist zwar der Oberhäuptling, aber kein Krieger ist verpflichtet, seine Anordnungen zu befolgen. Es würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Tagen Meldungen hereinkämen, die besagen, daß ein paar Weiße skalpiert worden sind. Sie können
sich dann absolut darauf verlassen, daß Cochise nichts damit zu tun hat.« »Wer dann?« »Victorio, Nana, Loco, Eskaminzin, Alchesay, Chato – was weiß ich. Alles Führer der Apachen, die… Ach, was rede ich? Es herrscht an der Grenze in den letzten zehn Jahren relativ große Ruhe, bis Sie – nun ja, warum soll ich es verschweigen – Mangas Coloradas ermorden ließen, General West. Der Mimbrenjo-Häuptling und Jefe aller Apachen ließ uns ungeschoren und kämpfte nur gegen die Mexikaner. Sie haben ihn von Soldaten mit Bajonetten töten lassen, nachdem die rüden Kerle ihn gefoltert hatten. Glauben Sie wirklich, daß das ein Apache unter den zwei- bis dreitausend Kriegern je vergißt?« West wurde fahl, selbst Walmann verfärbte sich, als Howard so mächtig auftrumpfte. West dagegen lief rot an, erhob sich steif, ging zum Zeltausgang und blieb noch einmal kurz stehen. »Ich danke Ihnen für Ihre gute Meinung, Sir. Sicherlich haben Sie in diesem langen Zeltlager vergessen, was ein richtiger Soldat zu tun hat, wenn es um die Nation geht.« »Die Indianer sind auch eine Nation, die Indian Nation, General. Das haben Sie ganz bestimmt übersehen oder vergessen. Gute Nacht!« »Allmächtiger!« stöhnte White. »Das weiß nächste Woche jeder Stabsoffizier in Washington.« Howard fuhr herum. »Sollen sie es wissen«, entgegnete er laut und aggressiv. »Was wir mit den Indianern machen, ist eine verdammte Schweinerei.« * Die Stadt Santa Rita und das Minengebiet waren umstellt. Hinter jedem Stein, Busch oder in den zahlreichen Erdfalten lauerte ein Chiricahua. Sie warteten auf den Sonnenaufgang, das
Zeichen zum Angriff. Es wurde mit den ersten Sonnenstrahlen gegeben, die wie goldene Speere über die Berge glitten. Mehr als 60 Apachen sprangen auf, stießen ihr nervenlähmendes Kriegsgeschrei aus und stürmten mit geschwungenen Waffen in die Siedlung. Verschlafene, halb bekleidete Mexikaner torkelten aus den flachen Adobehütten, von dem Lärm aufgeschreckt. »Zastee! Tötet!« schrien die Rothäute. »Heilige Mutter Gottes!« beteten die Mexikaner, bevor sie unter grausamen Umständen starben. »Koh Cheez!« brüllten die Chiricahuas. »Zastee! Zastee!« Die einzige Straße von Santa Rita, die auch die Mine mit dem Stampfwerk verband, war mit skalpierten Leichen übersät. Nur wenige tote Indianer sah man. Flammen züngelten aus den Hütten, sprangen auf andere Gebäude über und deckten das todgeweihte Dorf mit einem schwarzen Leichentuch zu. Die ersten Apachen unter Führung des Jefe und Naiches stürmten zur Mine hinauf. Das Büro- und Verwaltungsgebäude hatte man aus festen Balken errichtet und mit Schießscharten und schmalen Fenstern versehen. Hier oben bei der Mine regierte Alphonso Juan del Camarillo, ein junger Spanier, der nach Mexiko gekommen war, um für die Sante Rita Mining Comp den Betrieb zu leiten. Alphonso erwachte durch das Kriegsgeschrei der Apachen, organisierte eine Handvoll Arbeiter und bewaffnete sie. Als sie die Indianer heranstürmen sahen, verschanzten sie sich im Haus und eröffneten eine wilde Schießerei auf die Angreifer. Zwei Chiricahuas wurden verwundet. Cochise brach den Sturmangriff sofort ab. Seine Krieger gingen in Deckung und erwiderten das Feuer aus ihren Gewehren. »Ein Angriff auf das feste Haus wird uns viele Tote kosten«, sagte Naiche und gab einen Schuß auf eine der Schießscharten ab. »Wir greifen nicht an«, sagte Cochise.
»Sollen wir warten, bis Verstärkung aus Fort Bayard eintrifft?« »Nein, wir räuchern sie aus.« Cochise rief Befehle nach hinten. Zwei Krieger erschienen mit ihren Bogen. Sie schleppten Brandpfeile in ihren Köchern mit und entzündeten sie. Mehr als zehn Pfeile bohrten sich in die trockenen Holzschindeln der Dachhaut und setzten sie in Flammen. Eine Vierstelstunde später brannte der Dachstuhl und verbreitete eine unerträgliche Hitze. Rauch zog träge durch die Räume. Den Männern an den Schießscharten tränten die Augen, sie schnappten nach Luft. »Wir müssen raus«, krächzte Alphonso Juan del Camarillo. »Hombres, wir gehen in den sicheren Tod, aber wir werden uns nicht abschlachten lassen wie Schafe. Los, Männer, kämpfen wir!« Sie stießen die Tür auf, richteten ihre Gewehre auf unsichtbare Ziele und verschossen sich. Als die Hitze des brennenden Hauses die Mexikaner den lauernden Apachen entgegentrieb, gab Cochise das Zeichen zum Angriff. Mehr als 20 Chiricahuas stürzten sich auf die Verzweifelten. Der Kampf war kurz, heftig und grausam. Pardon gab es nicht. Cochise und Naiche besichtigten den Stollen. Die Loren mit den Gleisanlagen interessierten ihn mehr als das Erz, das überall glitzernd herumlag und nur eingesammelt werden brauchte. Verächtlich stieß sein Fuß gegen einen Brocken Rosenquarz, dessen Struktur von goldenen Adern und klumpigen Einschüssen durchsetzt war. »Gehen wir«, sagte er, zu Naiche gewandt. »Es gibt viel zu tun für die Krieger der Chiricahuas.« »How!« sagte Naiche, mehr nicht. *
Der Morgen graute. John Haggerty erwachte, warf einen Blick auf Miller, der das Gewehr zwischen den Knien, am Eingang des Verstecks saß und auf die hintere Wand des Sackcanyons starrte. Rauch schwelgte aus der nächtlich angelegten Brandstelle. Haggerty bereitete ein Frühstück, kochte Kaffee und rollte in der Zwischenzeit seine Decken zusammen. Als Miller seinen Beobachtungsposten aufgab und zum Fenster kam, fragte John: »Noch was von den Apachen gesehen oder gehört?« »Nichts. Ich denke, sie sind verschwunden.« John schüttelte den Kopf. »Schön wär's. Aber wenn wir das annehmen, werden wir unser blaues Wunder erleben. Ich halte jede Wette, daß sie weiter draußen auf uns lauern.« »Dann werden wir kämpfen müssen?« »Wahrscheinlich. Fällt dir nichts auf?« Curt sah den Freund groß an. »Auffallen? Nein.« »Es ist so still in der Schlucht – zu still.« »Dann sind sie noch in unserer unmittelbaren Nähe.« »Glaube ich nicht. Apachen verlassen sofort die Stätte eines Coups. Sie haben Angst vor den Geistern der Erschlagenen. Wenn mich nicht alles täuscht, schleicht dort draußen ein Späher umher, deswegen die Stille.« »Ich habe nichts gesehen«, sagte Curt Miller und füllte sich seine Blechtasse voll Kaffee. »Du siehst sie nur, wenn sie gesehen werden wollen, Curt. Sie passen sich vollkommen dem Gelände an.« »Weiß ich doch. Weshalb versuchst du mich dauernd zu belehren?« »Aus keinem besonderen Grund, Amigo. Es geht mir darum, deine Wachsamkeit nicht einschläfern zu lassen. Wir bewegen uns in einem für Weiße feindlichen Gebiet. Wenn Cochise auch Frieden versprochen hat, so muß das nicht für alle Stämme gelten.«
»Du sagst das so seltsam, John. Hintergedanken?« »Nicht unbedingt. Aber eine gewisse Ironie steckt dahinter, wenn du das meinst.« »Die wäre?« »Unberechenbarkeit der Indianer, ihre Mordlust, ihr Haß gegen alles Fremde. Angenommen, irgendein dämlicher Weißer legt einen Chiricahua um. Was meinst du, was dann geschieht?« »Cochise vergißt alle seine guten Vorsätze und ergreift das Kriegsbeil. Meinst du das?« »Genau. Brechen wir das Lager ab.« Zehn Minuten später waren sie fertig, die Pferde gesattelt, das Kochfeuer gelöscht. Mit den Tieren am Zügel verließen sie das Versteck. John ging auf das hintere Tal zu und blieb vor der Stelle des blutigen Massakers stehen. Insgesamt zählte er vier Tote. Alle waren skalpiert. Ganz hinten in dem nicht sehr großem Tal lag Walt Dunnigan. Der Texaner war von drei Schüssen niedergestreckt worden. Fred Honda hatte einen Pfeil in der Brust stecken, direkt neben dem Herzen. John Turpin lag beim Eingang und Juan Apodaca nicht weit von ihm entfernt. Hank Doolin und Ben Todd-Cuchillo war es gelungen, zu fliehen. Demnach mußte es noch einem zweiten Pferd gelungen sein, aus dem Kessel auszubrechen. Haggerty und Miller suchten Steine zusammen. Sie legten die Toten, die halbnackt und völlig ausgeplündert worden waren, nebeneinander und bedeckten sie mit Felsbrocken. Es war eine schweißtreibende Arbeit in der glühenden Vormittagssonne. Als das Grab geschlossen und ein kurzes Gebet gesprochen worden war, verließen sie die Stätte des Grauens. »Reiten wir, oder führen wir die Pferde am Zügel, John?« Haggerty blieb stehen, fixierte die Schluchtränder, musterte jeden Stein, jedes Dickicht, zuckte mit den Achseln und erwiderte: »Wir müssen uns zunächst vorstellen, was sie tun werden.
Verfolgen die Tontos die beiden Desperados, oder warten sie auf uns? Hier kann ich nur vermuten. Falls ich die richtige Nase haben sollte, lauern sie beim Canyonausgang. Ein Späher wird uns ständig im Auge behalten, deswegen ist es so ruhig. Aber ich kann mich irren. Bei Apachen weiß man nie, was sie tun werden.« »Warum verfolgen sie die beiden Outlaws nicht?« »Sie töten nur, wenn es sich für sie lohnt. Als geborene Räuber sind sie an Beute interessiert. Was können Doolin und Todd noch viel besitzen?« »Hm, ja, kann stimmen. Kluges Köpfchen, John. Umsonst bist du auch nicht Chief-Scout geworden.« »Der Spott vergeht dir noch, Curt. Ich jedenfalls freue mich, wenn ich deinen Blondschopf vor einem Jacale trocknen sehe.« »Armleuchter! Kannst du es nicht ein bißchen menschlicher sagen?« Haggerty grinste, hielt aber unablässig das Gelände im Auge. Seine Blicke glitten hierhin und dorthin. Sehr genau achtete er auf die Pferde. Sein Wallach witterte Apachen auf 200 Yards. Er schnaubte dann oder weigerte sich, weiterzugehen. Die Stille bedrückte die Scouts. Es war, als wäre die Welt ohne Leben. Hoch über ihren Köpfen schwebten Bussarde im Aufwind. Ihr Flug war gleitend und lautlos. Sonst gab es keine Anzeichen, daß Leben in der Einöde war. Unvermittelt hielt John Haggerty an. Er hatte einen schwachen Laut gehört. Auf Anhieb konnte er nicht sagen, was diesen Laut ausgelöst hatte. Es war ein leises Geräusch gewesen, wie von rollendem Kies. Aufmerksam musterte er seine Umgebung. Miller war ein Stück zurückgeblieben und hielt die Hand am Revolvergriff. »Was war das, John?« kam Millers Stimme von hinten. »Hast du es auch gehört?« »Wäre ich sonst nicht weitergegangen?«
»Es klang wie rollende Steine.« »Möglich, sogar wahrscheinlich. Das Geräusch, meine ich. Trotz allem, ich weiß es nicht«, antwortete Haggerty gedämpft. »Etwas ist plötzlich nicht mehr so, wie es war.« Miller zog das Spencer-Gewehr aus dem Scabbard und lud es durch. Das metallische Geräusch, das vom Gewehrschloß ausgelöst wurde, drang weit durch den Canyon. Ihre Blicke glitten über die Hänge und Steilwände, sahen nichts Verdächtiges. Haggerty schnippte mit den Fingern. »Wenn sie angreifen, übernimmst du die rechte Seite, ich die linke. Wir wollen unsere Kugeln sparen und eine Rothaut nicht aus Versehen zweimal erschießen. Klar?« »Okay. Geh weiter, John. Ich decke dir den Rücken. Nach zwanzig Schritten komme ich nach.« Haggerty nickte und setzte sich wieder in Bewegung. Sein Wallach witterte immer noch nichts. Im Canyon konnten sie also nicht sein. John richtete deshalb sein ganzes Augenmerk auf die Höhen beiderseits. Nach einigen Sekunden blieb er stehen und wandte sich um. Miller kam heran und gab durch einen Wink zu verstehen, daß sich John wieder in Bewegung setzen sollte. Haggerty ging weiter, sein Pferd am Zügel. Er näherte sich der Enge und der Kehre. Was dahinter lag, konnte er nicht sehen. Aber der Wind wehte von der Wüste, brachte aber keine Witterung mit. Vor der engen Stelle wartete Haggerty wieder. Curt kam schnell heran, doch diesmal gab er kein Zeichen. »Es ist so unheimlich still«, sagte er und wischte mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Haggerty nickte. »Mein Dunkelbrauner wittert sonst jede Rothaut auf mindestens zweihundert Meilen. Ich weiß nicht, warum das nicht klappt. Sie sind in der Nähe. Ich fühle das mit jedem Nerv.« Curt deutete in die Höhe. »Vielleicht da oben?« »Nehme ich auch an. Diese Taktik kenne ich. Sie werfen
Felsbrocken in den Canyon oder brennende Reisigbündel. Hilft aber alles nichts, wir müssen hindurch.« Vor der Schluchtkehre verengte sich der Canyon bis auf 20 Yards. Die Wände ragten bis 100 Fuß gen Himmel und waren glatt wie poliert. Was hinter der Kehre auf sie wartete, wußten die Scouts nicht. »Ich gehe allein weiter, Curt«, sagte John. »Du bleibst hier und ziehst dich sofort zurück, falls ein Angriff erfolgt.« »Dich massakrieren sie inzwischen. Kommt nicht in Frage, John.« »So leicht bin ich nicht umzubringen, auch nicht von Tonto-Apachen. Hier, halte mein Pferd.« John drückte Miller die Zügel in die Hand und ging aufrecht in die Schlucht hinein. Es war für ihn ein Spiel mit dem Tod. Nun kam es darauf an, wer die besseren Karten hatte, er oder die Apachen. Nichts war zu hören, kein noch so kleiner Schatten bewegte sich. Die Büsche unten leuchteten in der grellen Sonne hellgrün, ihre Unterseiten jedoch schwarz und geheimnisvoll. Überall konnten Apachen lauern, aber der Scout glaubte es nicht. Unangefochten kam er bis hinter die Krümmung. Vor ihm lag der längere Teil der Schlucht. Er sah nichts, obwohl er in die helle Sonne starrte, bis seine Augen tränten. Er winkte Miller, zu kommen. Im gleichen Moment fiel ihm ein, daß er sein Gewehr im Scabbard hatte steckenlassen. Mit dem Revolver war in dieser Situation nichts zu machen. Hastig gab er Curt das Zeichen, im Galopp durch die Kurve zu reiten. Miller stieg auf, nahm Johns Pferd am verlängerten Zügel und jagte los. Der Falbe unter ihm streckte sich im Galopp. Noch zehn Yards bis zur Kurve. Curt winkte John zu. Für alle Fälle riß Haggerty den Revolver aus dem Halfter und richtete den Lauf auf den rechten Schluchtrand. Miller war in der Kurve. Er wollte sich schon aufrichten und
einen triumphierenden Schrei ausstoßen, als es geschah. Ein schauerliches Geheul füllte die Schlucht. John war es, als verdunkelte sich die Sonne. Eine Felslawine nie gekannten Ausmaßes stürzte herab und begrub alles, was Leben hatte, unter Staub und Gestein. * John Ward ritt zum zweitenmal in drei Wochen zum Fort hinauf. Die Posten am Tor wollten ihn nicht hineinlassen, aber Ward setzte sich durch und erreichte, daß sie öffneten. »So behandelt ihr einen weißen Mann«, herrschte er den wachhabenden Corporal an. »Wissen Sie nicht, daß ich ein guter Steuerzahler bin?« Corporal Battle winkte gelassen ab. »Habe meine Order, weißer Mann«, konterte er spöttisch. »Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, daß Sie hier eine solch freche Lippe riskieren können?« »Ich bin John Ward.« »Selbst wenn Sie der Zar von Rußland wären, kämen Sie hier nicht rein, wenn es die Army nicht will. Basta! Was wollen Sie?« »Den Colonel sprechen.« »Der Commander ist nicht für jeden hergelaufenen Rancher, oder was er immer sonst noch sein will, zu sprechen. Was denken Sie eigentlich, Ward? Glauben Sie, wir haben sonst nichts zu tun, als hinter einem Indianerbankert herzulaufen?« »Unverschämtheit!« Ward beruhigte sein nervöses Pferd. »Ich beschwere mich beim Kriegsministerium. Das kostet Sie Ihre Streifen, Cop.« »Machen Sie sich nur um meine Streifen keine Gedanken, Sie halbe Figur von einem Möchtegern. Auch das Kriegsministerium ist nicht für jeden hergelaufenen Zivilisten da. Hauen Sie ab, Mann! Den Weg kennen Sie ja schon.«
Wutschnaubend und fluchend ritt Ward über den Paradeplatz. Vor der Kommandantur zügelte er sein Pferd, schwang sich aus dem Sattel und schlang die Zügel um den Hitchrail. Mit klirrenden Sporen betrat er den kurzen Gehsteig, stieß die Tür auf und blieb geblendet stehen. »Was wollen Sie schon wieder?« fragte jemand barsch. Ward öffnete die Augen und sah einen Lieuntenant vor sich stehen, der ein Aktenbündel in der Hand hielt. »Den Colonel sprechen«, erwiderte er. »Gibt es in diesem Fort keine Instanz, die sich um die Belange der weißen Siedler kümmert?« »Wir alle kümmern uns nur noch um die Zivilisten«, entgegnete der Offizier sarkastisch. »Wünschen der Herr eine besondere Instanz?« »Ich bin John Ward, der Rancher, und ich liefere Frischfleisch in alle Forts südlich des Gilas«, trumpfte Ward auf. »Als wenn ich Sie nicht schon längst erkannt hätte«, sagte der Offizier bissig. »Was wollen Sie?« »Ich möchte zum Colonel.« »Ist in einer Besprechung. Wenn es sich um den Jungen dreht, kann ich Ihnen noch keine gute Mitteilung machen. Wir haben einfach nicht genügend Soldaten, um eine Verfolgung der Pinals aufzunehmen. Damit wäre Ihr Besuch beendet. Kommen Sie in vier oder sechs Wochen noch einmal, vielleicht hat sich bis dahin etwas ergeben.« »Unverschämtheit! Ich werde mich beim Oberkommandierenden beschweren!« Der junge Lieutenant pfiff vor sich hin und brachte auf diese Art seine Mißachtung vor dem Rancher zum Ausdruck. »Okay, okay, Ward. Tun Sie, was Sie nicht lassen können, nur verschwinden Sie jetzt. Wir haben keine Zeit für Quatschereien.« Ward stampfte mit dem Fuß auf die Dielen, daß die Bude zitterte. »Ich werde mich zum gegebenen Zeitpunkt an Ihre
Worte erinnern, Lieutenant, verlassen Sie sich darauf.« Er machte auf den Absätzen kehrt und verließ die Kommandantur des Forts. Als er das Tor erreichte, bekam er die dritte Abfuhr an diesem Tag. Der wachhabende Corporal schwang sein Käppi wie ein spanischer Grande seinen Federhut. »Vielleicht lassen sich Eure Hoheit demnächst wieder einmal sehen? Holla, Bill, Jones, öffnet das Tor! Ihre Durchlaucht, der Rancher John Ward, wünscht auszureiten.« Ward knirschte: »Das werdet ihr mir alle büßen!« Dann drückte er seinem Pferd die Sporen in die Weichen und ritt im gestreckten Galopp durch den Haupteingang. * Burt Kelly und Norbert Walker rannten dem Reitertrupp entgegen, der auf der entgegengesetzten Paßseite die Straße hinaufkam. Thomas Jeffords winkte und lachte den beiden freundlich zu. Hinter ihm ritten Buck Tinatra, Larry Osborne, Charles Culver und James Wallace. Mindestens 200 Yards hinter dem Trupp schließlich noch Jim Walsh, mit den beiden Packmulis. »Willkommen zu Hause!« rief Burt begeistert. Thomas Jeffords schwang sich aus dem Sattel, während seine beiden Freunde zunächst auf ihren Pferden sitzen blieben und mit ihren Augen das Land absuchten. Jeffords schüttelte Kelly und Walker die Hände, klopfte ihnen auf die Schulter und schien sich zu freuen, wieder in der Paß-Station zu sein. »Wie ging's? Alles okay?« »Wir hatten Besuch von Cochise«, sprudelte es aus Kelly heraus. »Er wollte zu dir, Boß, einen Besuch abstatten, wie er sagte.« »So, Cochise war hier?« Jeffords fuhr sich mit der Hand über das verschwitzte Gesicht. »Allein?«
»Er hatte einen Trupp Krieger bei sich, so an die fünfzig«, antwortete Norbert Walker. »Als er dich nicht antraf, Boß, ritt er schnell wieder davon.« »In welche Richtung?« »Fort Buchanan.« »In Ordnung, Jungs. Darf ich euch mit den Neuen bekannt machen? Der Hombre mit dem Zwicker auf seiner edlen Nase ist Charles Culver, der Stationsvorsteher. James Wallace ist sein Gehilfe, Kutscher und Allroundman. Dahinten kommt Jim Walsh, unser neuer Pferdeknecht. Diese beiden Tagediebe hier sind Burt Kelly und Norbert Walker. Glaube nicht, daß wir noch ein besseres Team zusammenkriegen, was? Heute habt ihr alle noch einen Schontag, aber von morgen an wird in die Hände gespuckt. In drei Wochen kommt Maritoba Jones mit der ersten Kutsche über den Paß.« Die Männer schüttelten sich die Hände. Buck und Larry sprangen von den Pferden und begrüßten die beiden Männer mit Handschlag. »Ist die Luft rein?« fragte Jeffords und lächelte. »Denke schon«, antwortete Kelly. Er warf Walker einen fragenden Blick zu. Norbert winkte und wies auf das Haus. »Jetzt kriegen wir auch ein neues Dach. Fangen wir morgen damit an?« Jeffords nickte. »Natürlich. Was hast du denn gedacht? Sollen wir uns beim Frühstück den Kaffee verregnen lassen? Denke, er ist dünn genug, wenn du ihn kochst.« »Das ist gemein«, sagte Norbert in Erwiderung des sanften Spotts. »Ich bin dafür bekannt, weit und breit den besten Kaffee zu kochen.« »Aha! Und wer weiß das?« »Alle!« trumpfte Walker auf. »Burt, zum Beispiel. Kannst du es bestätigen, Burt?« »Klar. Sein Kaffee ist braun, etwas dünner als Quellwasser und schmeckt wie Schlangenspucke. Zufrieden, Norbert?«
»Du bist ein gemeiner Hund!« fauchte Walker. »Wenigstens etwas«, Kelly lachte und ließ Jeffords den Vortritt. Sie betraten das Haus, setzten sich an den Tisch und warteten. Es störte sie nicht, daß sie noch kein Dach über dem Kopf hatten und nicht die verbrannten Fenster schließen konnten. Norbert Walker kochte Kaffee, stellte Tassen auf den Tisch und flache Maiskuchen mit Honig. Als er den Kaffee einfüllte, zog ein würziger Duft durch die Hausruine. Alle lobten das Gebräu und den Kuchen, selbst Kelly kniff ein Auge zu und warf einen schelmischen Blick auf Norbert. Die Neuen in der Runde der Butterfield-Leute fühlten sich in diesem Kreis wohl und sparten nicht mit entsprechenden Bemerkungen. Jeffords fragte Kelly: »Was hat er speziell gesagt? Interessierte sich Cochise für etwas Besonderes?« Kelly schürzte die Lippen. »Er betrachtete sich alles sehr genau, besonders die Dachbalken, die draußen liegen. Er stellte auch ein paar Fragen. Ich kann dir sagen, daß mir das Herz in die Hose rutschte, als er so plötzlich vor mir stand.« Tinatra und Osborne beteiligten sich nicht an dem Gespräch. Diese beiden Männer waren ständig auf der Hut. Sie hätte Cochise bestimmt nicht überrascht. »Was denn, dein Hasenherz? Kann das auch rutschen?« frotzelte Walker. »Blödmann! Du sahst doch ganz käsig aus, als Cochise aufkreuzte und draußen mehr als fünfzig Krieger auf ihren Ponys hockten. Verdammt und zugenäht, daß du deine Randbemerkungen nicht lassen kannst, wenn ich mit dem Boß rede.« Alle lachten. Charles Culver wandte sich an Jeffords: »Ist er wirklich so gefährlich, wie diese beiden Helden es darstellen?« »Er ist es. Von uns aber will er nichts. Wenn er plötzlich hier hereinschneit, laßt ja die Pfoten weg von den Waffen. Eure Angst könnt ihr ihm zeigen, das schmeichelt seiner Eitelkeit,
aber macht euch nicht in die Hosen.« James Wallace sagte: »Da sind wir in eine schöne Gesellschaft geraten, was, Jim? Wollen wir uns nicht wieder aus dem Staub machen?« Walsh nickte, zwirbelte seinen Schnurrbart und grinste über den Tisch zu Culver hinüber. »Was meinst du, Charles?« Culver machte eine ernste Miene und gab seinen eigenen Beitrag zu dem lustigen Dialog: »Wir warten noch ein paar Tage. Wenn nichts geschieht, denke ich, können wir noch eine Woche aushalten. Was meint ihr zu meiner Idee, Jungs?« »Großartig«, sagten Wallace und Walsh wie aus einem Mund. Larry Osborne stand auf und ging hinaus. Alle hörten sie seine Schritte, die sich in Richtung Toilettenhäuschen verloren. Plötzlich stand er wieder in der Tür, deutete mit dem Daumen über die Schulter und sagte: »Der große Boß bekommt Besuch von seinem Blutsbruder. Jetzt stellt es sich heraus, wer zuerst zittert.« »Was soll der Blödsinn?« fragte Jeffords. »Der rote Knabe, der sich Cochise nennt, ist im Anmarsch. Komm raus und empfange ihn mit Freudengeschrei und Hosiannah-Rufen.« »Cochise kommt?« Jeffords sprang auf und lief zur Tür. Er sah nichts. Die Paßstraße war frei. »Die andere Seite, Thomas«, bemerkte der Revolvermann kühl. »Verflucht! Warum sagst du das nicht gleich, Larry?« Jeffords trat vor das Haus. Aus Richtung Ford Buchanan kam ein großer Reitertrupp. Indianer. An ihren Gesichtbemalungen erkannte Thomas, daß es sich um Chiricahuas handelte. Ein ganzes Stück vor dem Pulk ritten Cochise und sein Sohn Naiche. Vor Jeffords parierte Cochise seinen Mustang. Er hob grüßend die Hand. Jeffords sah die zahlreichen Skalps an den Gürteln der Krieger. Er wußte bereits von dem Massaker in Agua Prieta und Santa Rita im Norden. Cochise kehrte von seinem Raubzug
zurück. »Ist die Jagd beendet, Jefe?« fragte er. »War die Beute gut?« Würdevoll senkte Cochise den Kopf. »Sie war gut, Hellauge. Viele Mexikaner mußten ihr Leben lassen. Ich kenne kein Raubtier, das sich so tückisch verhält wie die Gelbhäutigen. Ich sage: nur ein toter Mexikaner ist ein guter Mexikaner. Sie gehören ausgerottet, von dieser Erde vertilgt.« »Auch sie sind Menschen«, wagte Jeffords einzuschränken. »Der Große Geist hat ihnen ebenso seinen Odem eingehaucht wie den Indianern.« »Sie sind schlimmer als das bösartigste Raubtier, dazu falsch und verschlagen. Es gibt keinen, der nicht mit gespaltener Zunge spricht.« Jeffords wechselte das Thema Cochise hätte seine Vermittlung mißverstehen und denken können, er brächte den Mexikanern besondere Sympathie entgegen. »Ich habe Männer mitgebracht, Cochise. Morgen beginnen wir mit dem Hausbau. Willst du absteigen und mein Gast sein?« »Nicht heute«, antwortete der Häuptling. »Die Squaws der Apachen warten auf ihre Männer.« Er ritt an. Wenn Jeffords nicht zur Seite getreten wäre, hätte das Pony ihn umgestoßen. Der lange Zug der Krieger defilierte an ihm vorbei. Manch feindseliger Blick aus geschlitzten Augen traf Thomas. Wie groß die Beute der Apachen war, ließ sich nur schätzen. Mehr als zwanzig Esel, Maulesel und Packpferde zogen über den Paß, schwer beladen und zu einer schier endlosen Tropa zusammengebunden. Die Chiricahuas verfügten über große Mengen von Waffen, Munition, Vorräten und sonstigen Gütern, Pferden und Maultieren. Niemals zuvor waren sie so gut bewaffnet und mit Mengen an Kriegsmaterial versorgt gewesen. Thomas Jeffords wurde es angst und bange, als er den langen Zug der Krieger auf ihrem Weg durch den Paß verfolgte. Larry
Osborne trat neben ihn. »Das wird ein heißes Jahr werden, denke ich. Was meinst du, Thomas?« »Wehe denen, gegen die sich Cochises Haß richtet«, murmelte Jeffords und ging ins Haus. * Undurchsichtiger grauer Staub hüllte Haggerty und Miller ein. Er nahm ihnen den Atem, brannte in ihren Augen und legte sich ätzend auf ihre Haut. Um sie herum prasselten Felsbrocken und loses Geröll in den Canyon. Beide wurden unzählige Male von steinernen Geschossen getroffen und bluteten aus vielen Wunden. Curt Millers Pferd traf es am schlimmsten. Es brach tot zusammen. Johns Wallach riß sich los und flüchtete aus dieser Hölle von Staub und Gesteinssplittern. Noch war das Bombardement nicht beendet. Unter dem Kriegsgeschrei der Apachen sausten weitere Felsblöcke in die Tiefe und wurden beim Aufprall auseinandergerissen. John Haggerty erhielt einen furchtbaren Schlag gegen die Stirn und fiel auf den Rücken. Er stand nicht wieder auf. Als das Inferno für einen Moment aussetzte, kämpfte sich Curt zu Haggerty vor und kniete neben ihm nieder. John blutete aus einer breiten Stirnwunde und war bewußtlos. Curt blickte sich gehetzt um. Der Staub lichtete sich nicht. Miller konnte nicht weit sehen und fühlte sich hilflos. Seine Kleidung war zerfetzt, Hände und Gesicht bluteten, Schmerzen spürte er am ganzen Körper. Es half nichts, er mußte John Haggerty aus dem Gefahrenbereich bringen, wenn er sein Leben retten wollte. Mühsam lud er sich den schweren Körper auf die Schulter, taumelte mit seiner menschlichen Last aus dem erstickenden Staub und sank vierzig Schritte weiter erschöpft in die Knie.
Dabei rutschte John von seiner Schulter und schlug heftig auf den Boden auf. »Großer Gott, ich hab's gewußt. Diese mörderischen Teufel.« Langsam verflog der Staub. Weitere Brocken kamen nicht mehr von oben. Miller rechnete fest damit, daß die Tontos angriffen. Sein Gewehr lag bei dem toten Falben unter Felsbrocken begraben. Johns Dunkelbrauner war voller Angst davongestoben. Miller hatte nur seinen Revolver und den von seinem Freund. Zwei Revolver, zwölf Schuß. Das mußte reichen, die verdammten Halunken von den Rücken ihrer Pferde zu holen. Es dauerte nicht lange, als sie johlend durch den Canyon gefegt kamen. Weit voran ritt ein Unterhäuptling. Er lag flach auf seinem Mustang und schlug auf das Tier ein. Curt Miller zog John den Colt aus dem Lederfutteral. Mit den Daumen spannte er beide Hähne. Die angreifende Rothaut war kaum noch 20 Pferdelängen entfernt, als er den Revolver hob und dem Tier zwischen die Augen schoß. Mit einem fast menschlich zu nennenden Todesschrei stürzte das Pferd und warf seinen Reiter ab. Bevor sich der Apache erheben konnte, traf ihn der zweite Schuß des Scouts. Die anderen Krieger näherten sich sehr schnell, drehten aber ab, als ihr Anführer fiel und sich auf die Seite legte. Das war's, ihr Halunken, dachte Miller grimmig und lud Patronen nach. »Du schießt nicht schlecht, alter Junge«, kam Johns schwache Stimme von der Erde. »Alle Wetter, du bist ein Meisterschütze mit 'nem Revolver, Curt.« Miller grinste. »Na, wie war's im Jenseits?« »Mist!« fluchte Haggerty und spuckte aus, was ihm noch nicht wieder richtig gelang. »Alles finster dort drüben und still wie ein Grab. Scheußlich!«
»Well, jetzt bist du ja wieder da. Kannst du aufstehen?« »Laß mich noch einen Augenblick liegen, bis ich wieder Gefühl in den Beinen habe. Sind sie fort?« »Ich habe ihren Anführer getötet, das hat sie wohl kopflos gemacht. Meinst du, sie kommen wieder?« »Das weiß man bei ihnen nie so genau. Wir müssen jedenfalls aufpassen. Wo ist dein Pferd?« »Tot. Unter Geröll begraben. Dein Gaul ist abgehauen. Wenn wir ihn nicht wieder finden, laufen wir uns bestimmt ein Dutzend Blasen an die Füße.« »Die Tontos werden uns schon Beine machen«, sagte John und riskierte ein schmales Lächeln. »Wo sind sie überhaupt?« »Abgehauen.« »Glaube ich nicht. Die kommen wieder, wenn sie ihren Schock überwinden. Machen wir uns auf die Socken.« Haggerty erhob sich mühsam, stand einen Moment schwankend und setzte sich dann in Bewegung. Er und Miller strebten dem Ausgang des Canyons zu und waren sich der großen Gefahr, in der sie schwebten, genau bewußt. Ohne Pferde wurde das Land für sie zu einer tödlichen Falle. Schweiß tränkte ihre Kleidung, als sie nach einer Weile eine Pause einlegten. John lehnte sich gegen einen Felsen, während er Millers braune Hände beobachtete, die seine Stirnwunde verbanden. Frisches Blut sickerte durch den weißen Stoff. Curt blickte auf. John war weiß im Gesicht. Der Blutverlust schwächte ihn derart, daß er zusammenzubrechen drohte. »Wir sollten etwas essen«, sagte Curt. »Du bist völlig ausgebrannt.« »Woher? Unsere Satteltaschen sind weg.« »Ich werde mich umsehen.« John Haggerty legte sich im Schatten des Felsens auf den Boden und schloß die Augen. »Bleib hier«, sagte er leise. »Wir sind ohnehin schon in schlechter Verfassung, als daß wir uns noch um einen weiteren
Verletzten kümmern können.« »Dann gibt es nur noch einen einzigen Ausweg, John.« »Welchen?« »Eine Kugel durch die Schläfe.« »Das kann warten, bis wir wirklich am Ende sind. Bleib hier, Curt, es ist zu gefährlich.« Miller resignierte, setzte sich neben John in den Schatten, drehte sich eine Zigarette, zündete sie umständlich an und paffte blaue Wolken in die Luft. »Wie fühlst du dich, Junge?« »Miserabel. Wie könnte es auch anders sein.« Miller erhob sich konsequent, warf die Zigarette zu Boden und trat sie aus. Mit einem letzten Blick auf seinen Freund drehte er sich um und ging davon. Die Hitze nahm ständig zu. Wie ein kupferner Gong stand die Sonne am Himmel. Der Scout drang in ein Gewirr von Felsbrocken ein, räumte Gestrüpp zur Seite, umging größere Steine und bewegte sich dabei sehr vorsichtig. Er brauchte nicht lange zu suchen. Auf einer flachen Steinplatte ringelte eine zwei Meter lange Klapperschlange und rasselte warnend mit dem Schwanzende, als sich Curt ihr näherte. Er zog sein Messer. Zu schießen wagte er wegen der Nähe der Apachen nicht. Als sich das Reptil stoßbereit aufrichtete, warf er das Messer. Die scharfe Klinge trennte der Schlange fast den Kopf vom Rumpf. Curt wartete, bis der Todeskampf ein Ende hatte und näherte sich vorsichtig dem noch schwach zuckenden Tier. Mit der Klinge schnitt er den Körper in kurze, unterarmstarke Stücke. Er nahm anschließend sein Taschentuch heraus, legte die Fleischteile hinein und ging zu Haggerty zurück. Der Freund war inzwischen eingeschlafen. Geschickt fachte der Scout ein kleines Kochfeuer an, spießte die Fleischstücke auf einen zugespitzten Ast und briet sie über der offenen Flamme. Der Duft kitzelte John in der Nase. Er
erwachte und richtete sich halb auf. »Fleisch! Bei Gott, Curt, du vollbringst ein Wunder!« »Wir essen gleich. Das wird dich halbwegs auf die Beine bringen.« Sie aßen rasch. Haggerty wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Gibt es einen Nachschlag?« »Nein.« Curt schluckte den letzten Bissen hinunter. »Was für Fleisch ist das?« fragte John. »Lieber Himmel, daß es so etwas in der Wildnis gibt.« Curt erhob sich. »Es gibt genug davon. Ich werde es mir merken.« »Was ist es?« Miller spukte aus. »Es ist Nahrung, oder? Iß es und sei dankbar.« Haggerty nickte, schluckte das letzte Stück hinunter und grinste. »Das waren die besten Schlangensteaks, die ich je gesehen habe.« Curt lächelte verschmitzt. John wußte es also. Er warf Sand über das Feuer und erstickte die Flammen. Nach dem Essen verspürte er Durst, aber zu trinken gab es nichts. »Was meinst du, John, bleiben wir hier und marschieren während der Nacht?« »Keine schlechte Idee. Auf diese Art können wir zwei Tage ohne Wasser auskommen.« Curt Miller sagte nichts mehr, legte sich neben den Freund und schloß die Augen. Schlafen durfte er nicht. Sie hatten keine Pferde mehr, die sie bei der Annäherung einer Gefahr gewarnt hätten. * Der gewaltige Holzstoß flackerte und warf seine roten Flammen
gegen die Wände des großen Canyons. Zuckende Schatten flohen vor dem wechselnden Licht, kehrten blitzschnell zurück, um wieder zu weichen. Holzrauch durchzog das Hochgebirgstal und stieg zu den Schluchträndern auf. Um das Feuer saßen mehr als zehn malerische Gestalten. Ihre bronzefarbenen Gesichter waren einem hochgewachsenen Mann zugewandt, dessen helle Rehleder-Leggins wie frischer Schnee glänzten. Der Riese hielt die rechte Hand hoch und sagte mit volltönender Stimme: »Seht, ich fülle diese heilige Pfeife mit der Rinde der roten Weide, aber bevor ich rauche, wollen wir sehen, wie sie gemacht ist und was es bedeutet. Die vier Bänder, die an diesem Kalumet hängen, sind die vier Himmelsrichtungen des Universums. Das schwarze Band bedeutet Westen, wo die Götter leben, die uns Regen schicken. Das weiße ist für den Norden, woher der große weiße, reinigende Wind kommt, das rote ist für den Osten, wo das Tageslicht aufspringt und wo der Morgenstern lebt, den Indianern Weisheit zu geben. Das gelbe Band ist für den Süden, woher die heißen Sommer kommen und die Kraft des Wachsens. Aber schließlich sind diese vier Kräfte eine einzige Kraft, und diese Adlerfeder hier ist für diese eine Kraft, die wie die Gedanken der Menschen hochsteigt, wie es die Adler tun. Und weil sie das alles bedeutet und mehr noch, als irgendein roter Mann verstehen kann, deshalb ist die Pfeife heilig. Sie bedeutet Krieg und Frieden, Not und glückliche Zeiten, Wasser und Trockenheit, Leben und Tod.« Cochise machte eine Pause. Er hielt das Kalumet empor, daß es alle Häuptlinge sehen konnten. In Victorios markanten Zügen zuckte es. Nana und Chato war keine Gemütsbewegung anzusehen. Eskaminzin, Nahaye, Naiche und Chan-ank verbeugten sich ehrfürchtig, Naretana, Yadalanh und Giannatah breiteten die Arme aus und begannen einen dumpfen Gesang, der aber rasch wieder abbrach. Loco, der Häuptling der San Carlos-Mimbrenjos, und
Alchesay, Führer der White Mountain-Apachen, standen auf, berührten die heilige Pfeife und setzten sich wieder. Cochise fuhr in seiner Rede fort: »Das Land, die Himmelsrichtungen, die Wolken und die Berge gehören den Apachen, wie dieses Kalumet beweist. Gelbhäutige und Helläugige wollen es den Apachen wegnehmen. Sie dringen in unsere Täler ein, besetzen die Berge und Hügel, bauen feste Häuser und breiten sich immer weiter aus. Mit den Helläugigen schloß ich Frieden. Aber die Nachkommen der gepanzerten Männer, gegen die unsere Vorfahren kämpfen mußten, bleiben die Todfeinde der Chiricahuas.« Einige Häuptlinge zollten Cochises Rede Beifall, die anderen schwiegen, weil sie noch nicht begriffen, was der Jefe wollte. Victorio stand auf, streckte den rechten Arm aus und sagte mit seiner tiefen, grollenden Stimme: »Cochise ist blind gegen alles, was die Bleichgesichter mit gespaltener Zunge sagen. Unser Kampf richtet sich gegen weiße Eindringlinge wie gegen die Männer aus dem Süden. Ich, Victorio, Häuptling der Mimbrenjos, will nicht, daß es anders ist.« Er setzte sich wieder. Schweigend verharrte die Versammlung und wartete auf Cochises Antwort. Mit dem feinen Gespür der Wildnisbewohner merkte Cochise, daß sich der Rat der Häuptlinge in zwei Lager gespalten hatte. Victorios Anhänger hielten sich bewußt zurück, wenn Cochise sprach. Seine eigenen murrten bei Victorios Rede. Wenn er Victorio ansah, bemerkte er den gehässigen, rebellischen und hinterhältigen Blick dieses gefährlichen Häuptlings. »Es wird aber anders sein«, fuhr Cochise mit hallender Stimme fort. »Wer noch nicht begriffen hat, daß die Weißen in der Überzahl sind und uns mit ihren Soldaten aus unseren
angestammten Bergen und Wüsten jederzeit vertreiben können, der besitzt den Weitblick einer Schnecke und kein Verständnis für die Lage der Apachen. Wir sind nicht die Sieger, sondern die Besiegten. Kleinere Erfolge, die wir erzielen, zählen nicht. Für jedes Bleichgesicht, das wir töten, treten hundert, tausend andere. Wir Indianer sind eine Insel in einem Meer von Weißen, das uns zu verschlingen droht.« Victorio sprang auf, ruderte wild mit den Händen. »Zastee!« schrie er. »Töten war unser Grundsatz, und je mehr wir von ihnen umbringen, desto weniger kommen in unser Land. Die Angst vor uns hält sie ab, nicht aber nachsichtige Worte. Ich sage: Zastee! Tötet! Und immer wieder: Zastee! Greift sie an, wo ihr sie trefft! Zerstört ihre Häuser, ihre Ansiedlungen, ihre Felder! Tötet die Weißen, Krieger der Apachen, ertränkt ihren Mut in ihrem eigenen Blut!« »Zastee!« riefen ein paar andere, aber die große Masse der Häuptlinge und Sippenführer blieb stumm. Noch einmal stand Cochise auf. Mit seiner hochgewachsenen Gestalt überragte er sie alle um Haupteslänge. Beschwörend streckte der Jefe die Hand mit der Friedenspfeife aus. »Ich sage, sie vermehren sich wie die Fische im Wasser, wie die Vögel in der Luft, wie die Büffel auf der Prärie. Sie sind das Gras auf der Savanne, das jede Blume erstickt. Wir sind die Blumen. Wenn wir gegen sie kämpfen, wird die weiße Flut über uns hereinbrechen und von der Erde vertilgen. Wir müssen verhandeln, Verträge schließen und warten, bis der Große Geist den Indianern die Möglichkeit gibt, alle Fremden aus ihrem angestammten Land zu vertreiben.« Nana erhob sich, hob die Arme gen Himmel. Als erster Häuptling stellte er eine direkte Frage an Cochise: »Wie lange müssen wir warten, bis der Große Geist uns seine Erleuchtung schickt? Wird sie überhaupt kommen? Und wenn sie kommt, werden wir sie verstehen? Ich bin für den Kampf. Victorio hat recht. Wenn wir Angst und Schrecken verbreiten,
wird sie das abhalten, immer tiefer in die Täler und Wüsten einzudringen. Zastee! Kämpfen wir!« Cochise hielt ihm das heilige Kalumet entgegen, aber Nanas runzeliges Gesicht mit den hervorspringenden Wangenknochen wandte sich ab. War es Furcht vor der heiligen Pfeife oder Angst vor dem Unbekannten, was sie erwartete, wenn sie auf den Kriegspfad gegen die Weißen gingen? Die meisten Häuptlinge ließen sich von Victorios Hetzreden nicht anstecken. Vielleicht spürten sie auch die große Rivalität zwischen Victorio und Cochise, die ungeheure Spannung zwischen den beiden Führern, ihren gegenseitigen Haß und die Verachtung, mit der sie sich bedachten. Es mochten noch andere Gründe vorliegen, die sie vor der letzten Konsequenz zurückschrecken ließen. Gründe, die in der Ausstrahlung des Chiricahua zu suchen waren, oder sie besannen sich einer gewissen Treue und Anhänglichkeit gegenüber dem Jefe, dessen List und Taktik bisher stets zum Sieg geführt hatte. Victorio merkte, daß er die meisten der Stammes- und Sippenführer nicht überzeugen konnte. Mit haßglühenden Augen erhob er sich, schlug klatschend die Hände zusammen und rief zu Cochise über das Feuer hinweg: »Ich gehe mit meinen Mimbrenjos und den Tontos auf den Kriegspfad. Die Krieger aus den Reservaten werden kommen und sich mir anschließen. Keine Kutsche, kein Anwesen und keine Patrouille wird vor meinen Kriegern sicher sein. Die Mimbrenjos und die Tontos werden alle die vom Erdboden vertilgen, die sich widerrechtlich ansiedelten. How!« Er drehte sich um, verließ den Feuerkreis. Nana, Loco und zwei ältere Krieger, die die Würde von Unterhäuptlingen innehatten, folgten Victorio. Stille trat ein. Eskaminzin starrte noch immer auf das Kalumet in Cochises Hand. Cochise hielt es ihm entgegen. »Willst du es?«
»Nein.« Cochise bot die heilige Pfeife dem nächsten an. »Du kannst an meine Stelle treten, Alchesay.« »Nein. Du, Cochise, bist der freigewählte Jefe.« Sie alle, die am Feuer verblieben waren, lehnten ab. Cochise gab Naiche ein geheimes Zeichen. Beide erhoben sich und traten aus dem Kreis der Sitzenden. Cochises Stimme hallte weithin, war klar und verständlich, und wer genau hinhörte, vernahm die Enttäuschung in seinem Ton. »Wir werden nicht gegen die Weißen kämpfen. Ich gab dem einarmigen Häuptling der Pferdesoldaten mein Wort, nicht die Pferdesoldaten und nicht die Kutschen zu überfallen, die durch unser Land ziehen. Wenn aber die Weißen ungeachtet des Vertrages, den ich mit dem General schloß, den Krieg wollen, sollen sie ihn haben. Doch wir werden den Kampf nicht beginnen.« * Die Wüste schien unendlich, ihre Hitze ohne Erbarmen, die Sonne mitleidslos. Zwei Männer stampften durch den knöcheltiefen Sand. Taumelnd und torkelnd schleppten sie sich dahin, sanken vor jedem Dornbusch oder einer Kakteeninsel auf die Knie, rangen sich unter krächzenden Lauten wieder empor, um hinter ihrem Schatten herzulaufen. Der Abend senkte sich auf das Land. »Wie weit noch?« murmelte Miller. Haggerty blieb stehen, blickte sich um. Er sah nichts außer Sand und immer wieder Sand. Sie war nicht flach, diese Wüste. Im Gegenteil. Es ging auf- und abwärts, über Hügel hinweg und an ausgetrockneten Arroyos entlang. »Ich weiß es nicht«, flüsterte John mit spröden Lippen. »Ich habe die Orientierung verloren, Curt. Machen wir Rast.« Er ließ sich auf den heißen Sand sinken, wo er gerade stand,
legte den Hinterkopf auf die scharfkantigen Quarzkörner und schloß die Augen. Neben ihm sank Curt zu Boden und schmatzte. Sie hatten nur nachts wandern und tagsüber schlafen wollen. Aber die Angst vor den Apachen hatte ihre Absicht geändert. Sie waren den zweiten Tag unterwegs und glaubten noch immer, die Richtung auf den Apache-Paß einzuhalten, erreichten ihn jedoch nicht. Curt sah, daß John furchtbare Schmerzen aushielt, ohne einmal zu klagen. Bereits am frühen Morgen sah er die heimliche Bewegung zum Revolver, aber John hatte die Hand wieder zurückgezogen. Von nun an gab er darauf acht, daß John vor ihm ging und keine Gelegenheit bekam, den Qualen einer Wüstenwanderung mit einem Schuß in die Schläfe ein Ende zu machen. Miller fielen die Augen zu, er drohte einzuschlafen. Der Scout gab sich einen inneren Ruck und riß die Augen weit auf. Er reckte sich, warf einen suchenden Blick in die Runde. Als sich der vom Wind aufgewirbelte Wüstenstaub vorübergehend legte, erkannte er die Riesenkakteen nicht weit von ihnen. Der Anblick der baumstarken Gewächse, die ihre stacheligen Arme angewinkelt zum Himmel reckten, ließ ihn erleichtert aufseufzen. Apachen-Scouts hatten ihm gesagt, daß Kekteen Wasser für ein halbes Jahr in ihrem Innern speicherten. Wasser! Mühsam raffte er sich auf und setzte seine schlaffen Beine in Bewegung. Eine ganze Kolonie von Kakteen stand in dem häßlichen Gelb der Wüste. Die grünbraune Insel unterbrach die Monotonie der Landschaft und gab ihr etwas Lebendiges, Lebendes. Vor dem ersten Stamm blieb Curt stehen. Der Stamm war 12 Fuß hoch, zerfressen von Insekten, ausgehöhlt von Vögeln, die ihre Nester in den tiefen Narben bauten. Der Scout zog sein Messer, stach in den Stamm und schnitt ihn ein ganzes Stück nach unten auf. Zuerst geschah nichts.
Dann erschienen gelbe Tropfen, die in der Hitze sofort kristallisierten. Immer mehr Flüssigkeit drang nach außen, kroch zähflüssig den Stamm nach unten. Curt tauchte den Finger in den Saft und leckte ihn ab. Der Nektar schmeckte bitter und ein wenig gallig. Miller spürte die erfrischende Wirkung und stieß das Messer noch einmal tief in die Baumwunde. Emsig wühlte er in seinen Taschen, fand nichts, womit er den Pflanzensaft hätte auffangen können. Kurz entschlossen zog er sein schmutziges rotes Taschentuch und fing damit den Saft auf. Immer mehr Flüssigkeit gab der Stamm nach draußen ab. Es war, als hätte die Pflanze begriffen, daß ihr eigener Tod das Leben zweier Menschen rettete. Curts Taschentuch saugte sich prall voll. Er hob es an den Mund und preßte es wie einen Schwamm aus. Angenehm lief die Flüssigkeit durch seine Kehle und belebte ihn. Sofort hielt er wieder das Tuch an den Stamm und ließ es sich vollsaugen. Als der Saft durch seine Finger lief, eilte er zu John und träufelte ihm den Kakteensaft auf die trockenen Lippen. Der Freund schluckte, spürte das Naß und schlug die Augen auf. Noch einmal machte er Schluckbewegungen. Curt drückte den Stoffetzen zusammen und preßte. John mußte schlucken und wieder schlucken und bekam das köstliche Naß wie durch ein Sieb in den Mund. »Ah, gut. Was ist das? Woher hast du…?« »Still! Es ist Pflanzensaft. Ich hole mehr davon. Nur Geduld, Amigo, ich bin gleich wieder zurück.« Er eilte zum Stamm. Inzwischen hatten sich Insekten eingefunden, um vom menschlichen Einfallsreichtum zu profitieren. Miller scheuchte sie weg und preßte wieder das Tuch auf die Schnittstelle. Es saugte sich schnell voll. Mit ein paar langen Schritten war Curt bei John und preßte sein Taschentuch in dessen ausgetrockneten Mund. Das machte er viermal hintereinander. Dann trank er erst einmal selbst.
Bemerkenswert war, daß der Saft eine wunderbare belebende Wirkung auf ihn ausübte. John Haggerty erhob seinen schlaffen Körper und schlurfte zu Miller. Erstaunt sah er, was der trieb. Der Stamm mußte gut und gerne zehn Liter Wasser gespeichert haben, ›blutete‹ aber nun langsam aus. Miller schnitt einen zweiten Stamm an und mußte einen Schwarm wilder Bienen verscheuchen, die in einer Höhlung des Stammes ihren Wabenstock hatten. Als sie ihren Durst gelöscht hatten, stellte sich Hungergefühl ein. Curt ging auf die Suche, in der Hoffnung, auf eine Schlange oder einen Leguan zu stoßen. Je tiefer er in die Kakteeninsel geriet, desto mehr Gras sah er am Boden. Es wuchs in grünen Büscheln, dazwischen standen breitblättrige Pflanzen mit grauen Blüten. Er war ziemlich weit vorgedrungen und wollte schon wieder umkehren, als er einen kauernden Sandhasen entdeckte. Ratlos blieb er stehen. Schießen durfte er nicht. Der Knall wäre weithin zu hören gewesen und hätte Apachen herbeilocken können. Mit der Hand konnte er den Hasen aber auch nicht fangen. Ihm fiel sein Messer ein. Geräuschlos zog er es, faßte die Spitze mit Daumen und Zeigefinger und betete insgeheim zu allen Wüstengöttern, daß der Wurf nicht vorbeigehen möge. Er warf das Messer. Es bohrte sich in die Seite des Tieres und tötete es auf der Stelle. Vermutlich hatte der Hase geschlafen und auf seine gelbe Tarnfarbe vertraut. Miller ging hin, zog das Messer aus dem Kadaver und wischte die Klinge an dem hellen Fell ab. Mit seiner Beute erreichte er nach einigen Minuten seinen Freund. Der lag im Schatten des sterbenden Stammes und schlief. Weder hörte er Miller kommen, noch warnte ihn sein Instinkt. Curt zog den Hasen ab, ließ den Körper auf dem blutigen Fell liegen und suchte in der Umgebung brennbares Material. Er
fand vom Wind angewehte Mesquitezweige, trockene Kakteenstengel und einen abgestorbenen Kugelkaktus. Geduldig trug er alles zu Johns Lager und schichtete es zu einem Häufchen. Das Feuer brannte rauchlos. Zwei Astgabeln und ein gerades Stück Holz waren schnell gefunden, an dem er den Braten über dem Feuer knusprig braun rösten konnte. Das war das geringste Problem. Was ihm fehlte, war Salz. Ungesalzenes Fleisch schmeckte scheußlich. Die indianischen Scouts hatten ihm erzählt, daß im Schießpulver Salpeter enthalten war. Salpeter ist ein Salz. Also zog er eine Patrone aus der Gürtelschlaufe und brach das Geschoß heraus. Den Inhalt der Hülse schüttete er auf die flache Hand. Miller leckte an der grauen Masse. Tatsächlich, es schmeckte salzig. Mit dem Häufchen Pulver rieb er das rohe Fleisch ein und spießte es auf den Stock. Geduldig drehte er den Braten, wobei der Saft zischend in die Flammen tropfte. Ein herber Duft von gebratenem Fleisch zog über das Lager und weckte Haggerty. Er setzte sich auf, warf einen verwunderten Blick auf das Feuer, stellte sich auf seine Beine und ging zu Curt. »Mann, sag mal, kannst du zaubern?« »Keine Ahnung, John. Hab's jedenfalls noch nicht versucht.« »Wie kommst du zu dem Braten? Ist doch ein Hase, was?« »Klar. Wie ich dazu komme? Ganz einfach. Ich kitzelte ihn einfach ein bißchen mit meinem Messer, da fiel er tot um. Armer Kerl«, fügte Miller hinzu und grinste. »Mann, habe ich einen Kohldampf.« »Eine halbe Stunde dauert's noch«, sagte Curt Miller. »Kannst du's so lange aushalten?« »Ich denke schon, wenn ich muß.« Die Sonne war unter den Horizont gekrochen. Zurück blieben Schatten, abklingende Hitze, groteske Gebilde von Riesenpflanzen. »Hattest du überhaupt Salz?« fragte Haggerty.
»Wozu?« »Fleisch muß man salzen, sonst schmeckt's nicht.« Curt Miller nickte wie ein Esel. »Klar, ich hatte Salz. Salpeter.« »Woher denn?« »Aus einer Revolverpatrone.« »Aus einer…« John Haggerty unterbrach sich, verzog sein Gesicht und lachte schallend. »Mensch, Curt, du bist ja der reinste Tausendsassa. Wer hat dir das erzählt? Schon die Idee, aus einem Kaktus Wasser abzuzapfen, war großartig.« »Ein Apachen-Scout erzählte mir einmal, wie sich seine Familie in der Gila auf der Flucht vor einem anderen Stamm durchschlagen mußte. Ich merkte mir die Methode, und wie du siehst, hat sie uns das Leben gerettet.« »Klasse«, lobte Haggerty mit einem sehnsüchtigen Blick auf den Hasenbraten. »Laß Langohr ja nicht verbrennen. Ist es bald soweit?« Miller nahm den Drehstock von den Astgabeln und hielt den Braten solange am Spieß fest, bis er abgekühlt war. »Komm, John, schneide dir ein ordentliches Stück ab und pack ordentlich was in deinen Magen.« Sie setzten sich ans Feuer, beide mit dem Rücken zur offenen Wüste. Mit ihren Messern schnitten sie Stücke aus dem Braten. Das Fleisch war saftig und wohlschmeckend. Irgend etwas störte Haggerty. War es der blutige Verband um seine Stirn oder das leise Geräusch hinter sich? Er drehte sich im Sitzen um – und erstarrte, traute seinen Augen nicht. »Heiliger Affensteiß!« rief er aus. »Nicht mal in Ruhe essen kann man.« »Was ist denn in dich gefahren? Iß doch.« »Ist mir vergangen. Dreh dich mal um, Curt.« Miller folgte der Aufforderung und hatte urplötzlich das Gefühl, kleine Klumpen Eis in seinen Blutbahnen zu haben.
Hinter ihm hielten drei Apachen auf ihren Ponys. * Die dritte Konferenz in vier Tagen brachten die Ansichten des Generals aller Truppen in Arizona und des Brevet Generals West um kein Stück näher. Ihre Meinungsverschiedenheit über die Niederwerfung der Apachen war so groß, daß sie sich mehr und mehr dem Zustand einer gelinden Raserei näherten. Noch verbot ihnen die Würde eines Offiziers gröbere Worte, als sie gebrauchten. Aber es lag auf der Hand, daß dem alten Frontoffizier Oliver O. Howard bald der Uniformkragen platzen mußte. »Um auf Ihre Vorhaltungen vor drei Tagen zurückzukommen, Sir. Ich habe Mangas Coloradas nicht getötet. Das ist eine üble Verleumdung und Unterstellung.« »Nein, Sie ließen ihn töten. In meinen Augen ist das dasselbe. Sein Tod brachte die ganze Südwest-Grenze in Aufruhr.« »Woher wollen Sie das so genau wissen, General Howard?« Der beugte sich vor. Um seine schmalen Lippen spielte ein siegessicheres Lächeln. »Ich sprach mit einem Minenarbeiter, der in Pinos Altos mit dabei war. Sie beschuldigten den Häuptling der Plünderung und ließen ihn in den Kerker werfen. Dann sagten sie den Wachen folgenden Satz: ›Ich will ihn morgen früh tot oder lebendig. Verstanden? Tot will ich ihn.‹ Wollen Sie das bestreiten, General West?« Joseph West warf Howard einen gehässigen Blick zu, äußerte sich aber in keiner Weise. Er wußte, es gab keine Rechtfertigung. Howard fuhr fort: »Ihre Soldaten erhitzten ihre Bajonetts im Feuer und folterten den Häuptling. Als er sich beschwerte, erschossen sie ihn mit vier Kugeln. Um das Maß an Barberei abzurunden, skalpierten sie Mangas Coloradas und enthaupteten ihn außerdem noch.«
Er wandte sich um, sah White und Walmann in die bleichen Gesichter. »Was ich hier behaupte, ist Wort für Wort wahr, Gentleman. Und jetzt wundert man sich, wenn Cochise Pinos Altos angreift und die Häuser dem Erdboden gleichmacht. Natürlich, was die Weißen tun, ist alles rechtens. Die Indianer besitzen nicht das geringste Recht, ihr Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. In Santa Rita und Pinos Altos hat der Chiricahua uns gezeigt, wozu er wirklich fähig ist.« »Das liegt doch nur bei Ihnen, General… Sir«, bemerkte West anzüglich. »Treiben Sie die Rothäute doch zu Paaren, knüppeln Sie den Aufstand nieder, und alles wird sich über Nacht ändern. Die San Carlos-Reservation hat noch zusätzlich Platz für zehntausend Apachen, und ganz in der Nähe liegt Fort Apache.« »Richtig, Fort Apache. Hat das Fort genügend Soldaten, das Reservat zu bewachen?« »Das habe ich nicht zu entscheiden, sondern das Kriegsministerium. Ich bin im Auftrag General Shermans hier und soll Sie veranlassen, endlich gegen die Chiricahuas vorzugehen. Ist Cochise geschlagen und inhaftiert, wird die Grenze zur Ruhe kommen. Das ist doch wohl allen klar.« »Mir nicht«, entgegnete Howard brüsk. »Es sei denn, man bringt Cochise genauso um wie Mangas Coloradas. Selbst das würde nichts ändern. Mir scheint, in den Reihen der Mimbrenjos wird ein neuer Messias geboren, der selbst Victorio an Härte und Grausamkeit überflügelt. Nein, General West, das Kriegsministerium kann die Angelegenheit Indianer nicht so wie ich sehen.« »Sie sprechen von einem indianischen Messias, Sir. Wen meinen Sie?« »Gokhlayeh. Das heißt: ›Einer, der gähnt‹.« »Was denn, ein unbekannter Krieger ohne Rang und Namen soll dieser Mann sein? Das ist ausgeschlossen.« »Warten wir es ab«, sagte Howard zurückhaltend. »Wenn Sie
abreisen wollen, gebe ich Ihnen eine Eskorte mit. Das ist selbstverständlich.« »Und wie lautet Ihre Antwort? Was darf ich General Sherman ausrichten?« Howard richtete sich auf. »Ich bin Offizier, und denke nicht daran, mein Cochise gegebenes Wort zu brechen und einen neuen Indianerkrieg heraufzubeschwören. Wir sind außerdem zu schwach dazu.« »Ist das Ihr letztes Wort in dieser Sache?« Howard nickte und warf einen langen Blick an West vorbei auf seine Offiziere. Mit Befriedigung stellte er ihr Einverständnis mit seiner Entscheidung fest. »Das Massaker in Pinos Altos und Santa Rita berührt Sie wohl gar nicht?« »Es kann mich deshalb nicht beeindrucken, weil es sich um Mexikaner handelt, die getötet wurden. Und die Gouverneure von Sonora und Chihuahua sind selbst schuld an dem Massaker. Sie vergessen wohl Agua Prieta völlig, General?« West stand auf, verabschiedete sich militärisch und wandte sich dem Zeltausgang zu. * Der Dachstuhl war gerichtet, aber noch nicht mit den flachen Holzschindeln gedeckt, die Thomas Jeffords eigens dafür hatte zuschneiden und in der Sonne dorren lassen hatte. Thomas Jeffords, Walsh und James Wallace, der Postgehilfe, standen vor dem Haus und bewunderten die Zimmerarbeiten. Culver kam hinzu, tat besorgt und wirkte aufgeregt. »Ist was?« fragte Jeffords. »Morgen kommt die erste Kutsche über den Paß.« »Weiß ich doch. Deswegen brauchst du nicht gleich in die Hosen zu machen, Charles.« Culver flatterte ein wenig mit den Händen, ein Zeichen von
Unsicherheit bei ihm. »Maritoba Jones fährt, und er hat 'ne Menge Gäste.« »Meinst du, er frißt dich auf?« Culver blinzelte zum Dachgerüst hinauf. Er sah Balken, Pfetten und die Stützen, aber er konnte beim besten Willen keine Dachhaut sehen. Jeffords grinste in sich hinein. Er wußte genau, was den Stationsleiter quälte. Mehr als 20 Jahre war Culver im Transportgeschäft. Als Postreiter hatte er angefangen, bei der Butterfield-Linie wollte er seine Laufbahn beenden. Gäste, die für die Reise von dahin bis dorthin eine Menge Dollars auf den Tisch blättern mußten, hatten zumindest Anrecht auf ein Dach, wenn die Kutsche eine Station anfuhr. »Maritoba ist der älteste Fahrer in der Gesellschaft. Wenn er sieht, daß das Haus kein Dach hat, fährt er gleich weiter. Das ist auch so richtig. Oder soll es den Fahrgästen in den Suppenteller regnen?« »Ach, gibt es denn morgen Suppe?« Culver stampfte mit dem Fuß auf und wandte Jeffords sein hochrotes Gesicht zu. »Du machst dich über mich lustig, Thomas, obwohl du weißt, wie ich es meine. Gerade du solltest die Sache ernst nehmen.« Jeffords lachte, drehte sich zu Jim Walsh herum und fragte: »Wie lange braucht ihr Helden, das Dach zu decken?« »Einen ganzen Tag, aber…« »Ja?« »Die Schindeln sind noch nicht ganz gedorrt. Wir müssen mindestens noch eine Woche warten. Tut mir leid, Boß, es geht nicht schneller.« »Da hörst du's, Charles. Ich bin der Meinung, daß deinen Fahrgästen ein bißchen Regen lieber sein wird als Pfeile oder geformtes Blei.« »Was meinst du?« Jeffords deutete zur Felsplatte hinauf, wo Haggerty und Miller den Zusammenstoß mit den Mimbrenjos hatten und Miller
verwundet worden war. Alle im Kreis hoben die Köpfe. »Verdammte Sauerei!« Culver wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Wallace stützte sich vor Schreck auf Jims Schulter und schluckte schwer. Mindestens zehn Indianer hielten dort oben und starrten auf das Treiben der Weißen 90 Fuß unter ihnen. Die Kriegsfarben in den breiten Gesichtern waren deutlich zu sehen. »Apachen?« Jeffords nickte. »Mimbrenjos, vielleicht auch Tonto-Apachen. So genau sehe ich das den Brüdern nicht an.« »Was werden sie vorhaben?« Thomas Jeffords warf einen Blick auf Wallaces schwarzes Haar und grinste. »Auf deinen schönen schwarzen Skalp haben sie es abgesehen, was denn sonst.« Buck Tinatra und Larry Osborne kamen aus dem Haus und wollten zum Stall hinübergehen. Sie blieben stehen, als sie die Männer zur Platte hinauf starren sahen. Ihre Augen folgten den Blicken der anderen. »Kriegen wir unerwünschten Besuch?« fragte Larry und trat zu der Gruppe. Jeffords erwiderte: »Scheint so. Diesmal werden sie sich die Zähne ausbeißen, verlaß dich drauf, Larry.« »Davon bin ich überzeugt«, sagte Buck. »Acht weiße Männer, bestens bewaffnet, gute Deckung, das macht… Hm, laßt mich nachdenken. Das macht zwanzig bis dreißig tote Indianer in der Minute, und das wissen die roten Kerle auch. Kelly und Walker sollen sich ebenfalls blicken lassen, damit sie gesehen und vom bösen Feind einkalkuliert werden können.« Kelly sah durchs Fenster, sah die Gruppe zum Felsen hinaufstarren, rief Norbert Walker und kam heraus. Walker folgte augenblicklich. Alle acht waren nun draußen und standen dicht beisammen. »Ob sie die Station wirklich angreifen?« fragte Walsh.
»Glaube ich nicht«, antwortete Jeffords. »Es sind Kundschafter, die die Chancen für einen Angriff ausloten sollen. Mir kommt da ein Gedanke, Leute. Was wird sein, wenn sie Brandpfeile auf die ausgetrockneten Schindeln schießen?« »Sie werden wie Zunder brennen.« »Okay. Das ist der schwache Punkt unserer Festung. Wir sollten uns da etwas einfallen lassen.« Osborne trat neben Jeffords. »Woran denkst du?« Thomas blinzelte gegen die Sonne zum First und schätzte die Entfernung Schornstein zum Firstbalken ab. Gut ein Yard, dachte er. Er drehte sich zu Kelly und Walker um. »Gibt es eine Möglichkeit, einen Behälter dort oben zu installieren, der reichlich Wasser aufnehmen kann?« Burt Kelly kam heran. »Ich verstehe«, sagte er. »Du willst das Dach berieseln?« Er überlegte kurz. »Ist machbar. Erdpech haben wir, Bohlen auch. Bleibt die Frage, wie wir so viel Wasser hinaufkriegen.« Jeffords winkte ab. »Das ist das kleinste Problem. Ihr zieht einen Galgen mit 'ner Seilrolle unter der Firstpfette hindurch und belegt sie mit Holzklammern. Von meiner Sicht aus müßte es machbar sein.« »Ja, das geht«, sagte Jim Walsh anstelle Kellys. »Wie bei einem Heustapler.« »Genau, das ist es, was ich will«, sagte Jeffords schnell. »An die Arbeit, Gentlemen. Aber haltet für alle Fälle eure Schießeisen bereit.« Tinatra und Osborne nickten Jeffords bewundernd zu. »Klasse, Thomas. Besser könnte es ein gelernter Zimmermann auch nicht anordnen.« »Kommt mal ein bißchen mit beiseite, Jungs«, sagte Jeffords und hakte sich bei den beiden unter. »Ihr seid von nun an für die Sicherheit der Station verantwortlich. Wie wollt ihr ihren Schutz übernehmen?« »Erwartest du von uns Patrouillenritte?«
»Und noch einiges mehr.« »Was, zum Beispiel?« Jeffords deutete verstohlen auf die Höhe. »Dort oben und hier unten. Wir sollten ständig wissen, was am Paß vorgeht. Vor allem dürfen wir uns nicht überraschen lassen. Kapiert?« Die Männer nickten. Osborne sagte: »Wir werden es gleich mal versuchen. Entweder sie hauen ab, oder es gibt eine kleine Bergschlacht. Adios, Boß. Komm, Buck, und vergiß dein Gewehr nicht.« Sie gingen zum Stall, sattelten und entfernten sich im Trab in Richtung Süden. Jeffords warf einen verstohlenen Blick zum Plateau hinauf. Die Indianer waren verschwunden. * »Nicht bewegen, kein Griff zur Waffe, Curt. Die sind mit ihren angelegten Gewehren schneller.« »Spritzen wir auseinander, ziehen und holen sie von den Gäulen. Das müßte möglich sein, wenn wir es geschickt anfangen.« »Abwarten«, sagte John. Er riß mit seinen starken Zähnen ein Stück Fleisch aus dem Hasenschenkel und kaute seelenruhig weiter, als wären weit und breit keine Apachen zu sehen. Curt Miller spielte mit. Wenn John kurz die Apachen fixierte, klirrten ihre Blicke aneinander wie Degenklingen. Die drei Kerle hockten wie große Affen auf ihren Ponys und starrten zu ihnen her. Nichts geschah. Haggerty fühlte den Schweiß über seine nackte Brust rinnen, auch auf der Rückenhaut rieselte es. Seine Linke konnte kaum noch den Schenkelknochen halten, so glitschig war sie. »Greifen sie uns an?« »Wenn sie glauben, daß es sich für sie lohnt, auf jeden Fall. Dann fix raus mit den Eisen und geballert, was die Läufe
hergeben.« Es wurde allmählich dunkel. Wolken zogen über den Himmel und verstärkten das Gefühl hilfloser Einsamkeit in den beiden Weißen. Als sie wieder zu den Rothäuten hinübersahen, waren sie verschwunden. »He«, fragte Curt Miller aufatmend, »haben sie die Flucht vor uns ergriffen?« »Du bist 'n ganz schöner Witzbold, Junge. Täusche dich nur nicht. Sie wissen, daß wir kein Wasser und keinen Proviant haben. Warum also sollten sie etwas riskieren, für eine Sache, die ihnen sowieso in den Schoß fällt?« »Du meinst, sie warten einfach ab, bis wir vor Durst aus den Stiefeln kippen?« »Ja.« »Solange wir Kakteen in unserer Umgebung haben, brauchen wir uns vor dem Verdursten nicht zu fürchten.« »Das beweist mir… Ich meine, ihr Verhalten beweist mir, daß es auf unserem Marsch weit und breit keine Säulenkakteen mehr geben wird. Oder meinst du, sie kennen den Trick mit den wasserspendenden Kakteen nicht?« »Den kennen sie selbstverständlich als Kinder dieses Landes. Weißt du was, John, ich habe da 'ne prima Idee…« »Raus damit! Deine Ideen scheinen in der letzten Zeit etwas zu taugen.« »Schon immer, nur wolltest du sie nie hören. Also, wir müssen laufen, weil wir keine Pferde haben. Ich für meinen Teil habe genug davon. Meine Blasen an den Füßen kann ich schon nicht mehr alle zählen und…« »Du hättest Redner oder Politiker werden sollen, was aufs gleiche hinausläuft. Los, zur Sache, Amigo!« »Wir sind uns einig, daß sie in der Nähe lagern und bei Tagesanbruch angreifen? Okay. Ich versalze ihnen die Suppe, pilgere während der Nacht los und klaue ihre Mustangs. Was hältst du von meiner Idee? Unbezahlbar, was?«
»Quatsch!« Haggerty griff sich an den Kopf und verzog das Gesicht. Die Wunde schmerzte höllisch, und er fühlte sich schwindelig. »Quatsch? Wieso?« »Weil es dir nie gelingt, einen Apachen das Pferd zu stehlen.« »Du traust mir ziemlich wenig zu. In meinem früheren Leben muß ich Pferdedieb gewesen sein. Ich stelle mir genau vor, wie…« »Das warst du bestimmt«, unterbrach John ihn lachend. »Noch solche phantastischen Einfalle?« »Ich meine es ernst, John. Well, du brauchst gar nichts mehr zu sagen. Dein Einverständnis habe ich. Um Mitternacht gehe ich auf Mustangjagd.« »Um Mitternacht zersägst du meterdicke Stämme und wirst Mustang Mustang sein lassen. Diesmal habe ich die bessere Idee.« »Und?« »Wir warten, bis sie angreifen. Und das werden sie, darauf kannst du dich verlassen. Die Kerle wollten lediglich kein Risiko eingehen, immerhin haben wir Waffen.« »Davon haben wir noch keine Pferde.« »Doch. Die kriegen wir ganz leicht und ohne von den Apachen skalpiert zu werden. Jetzt kommt meine Idee. Nach Mitternacht ziehen wir unsere Kleider aus, stopfen sie voll mit Unkraut, legen die Puppen an das erkaltete Feuer und…« »Mensch, großartig! Ein Geniestreich. Wir verstecken uns und lassen sie in dem Glauben, zwei schlafende Weiße vor sich zu haben. Stoßen sie dann den Puppen ihre Messer ins Herz, knallen wir ihnen ein paar blaue Bohnen auf den Pelz. Danach ziehen wir uns in aller Ruhe wieder an und holen uns die Gäule. Junge, du bist wirklich eine Kanone. Du hättest General oder so etwas werden sollen.« »Das kommt noch. Bist du mit meinem Vorschlag einverstanden?« Als Miller begeistert nickte, fuhr John fort:
»Wenn du ihnen die Gäule wegnehmen willst, geht das ins Auge. Ich kenne die Roten. Die schlafen mit einem Auge, und sie hören dich, selbst wenn du Flügel hättest.« »Einverstanden«, sagte Miller. »Wir machen es so, John.« Er wollte Unkraut suchen gehen, aber John hielt ihn zurück. »Später, nicht jetzt. Wenn sie uns beobachten, ahnen sie unsere Absicht. Iß und ruhe dich aus. Du wirst morgen früh ein bißchen Kraft nötig haben. Drei Rote gegen zwei Weiße. Trotz guter Bewaffnung ein riskantes Verhältnis, wenn es sich um Apachen als Gegner handelt.« Als Sterne auf der samtenen Schwärze des Himmels sichtbar wurden, gab John Haggerty seinem Freund mit einem Kopfnicken zu verstehen, daß er beginnen konnte. Miller verschwand. John hörte nicht das geringste Geräusch, während Curt die Füllung für die Puppen einsammelte. Nach einer Viertelstunde kam er schon wieder, ließ sich auf die Knie nieder und packte ein Bündel Mesquite und Speerdorn aufeinander. »Es kann losgehen«, flüsterte er. »Ist die Luft rein?« »Ich denke. Also los.« Haggerty begann sich auszuziehen. Er behielt nur Stiefel und Unterwäsche an. Miller tat es ihm nach. Sie stopften Hosen und ihre verschwitzten Hemden mit dem Gestrüpp aus und legten alles so parat ans Feuer, daß jeder Späher glauben mußte, die beiden Weißen schliefen. »Werden sie den Schwindel nicht merken?« »Doch, wenn sie ihre Messer in einen Haufen Laub stoßen und anschließend blaue Bohnen als Lohn für ihre Mühe empfangen. Weg jetzt! Hinüber zu den Kakteen.« Miller verwischte alle Spuren hinter sich, so gut es in der Dunkelheit ging. Die Scouts zogen ihre Revolver und legten sich hinter die stachelbewehrten Stämme der Riesenkakteen. Die Nacht verging. Keiner der beiden Männer schlief ein. Ganz fern am östlichen Horizont begann es zu grauen. Schwach zuerst, schließlich immer stärker.
Urplötzlich war der Tag da. Ein Bündel farbigen Lichts zuckte über die Wüste. So flüchtig dieses Himmelslicht auch war, es ließ Konturen erkennen und vertrieb Schatten. Über den Sand bewegte sich etwas. Die Silhouetten dreier gebückt gehender Menschen glitten näher und verhielten drei Yards vor dem erloschenen Feuer. Noch war es dunkel an dieser Stelle, selbst für die scharfen indianischen Augen nicht hell genug, feste Umrisse auszumachen. Lautlos fielen die Apachen über die Kleiderbündel her und stießen mit ihren Messern zu. Haggerty beobachtete, wie sie sich überrascht aufrichteten und zurückwichen. Einer sagte etwas zu den beiden anderen. Bevor sie sich umwenden und weglaufen konnten, hob John seinen Colt und zischte: »Gibt's ihnen, Curt! Kein Pardon. Die hätten uns auch keine Chance gegeben.« Schüsse krachten aus langläufigen Revolvern. Haggerty richtete sich auf, wischte mit der linken Hand über den Revolverhahn und zog gleichzeitig mit dem Zeigefinger der Rechten den Stecher durch. Zwei Apachen fielen, der dritte wurde von Miller erledigt. Noch blieben die beiden Weißen eine Weile stehen, um sich zu vergewissern, daß die Indianer ihnen keine Komödie vorspielten. »Ich sehe nach«, flüsterte Curt. »Du gibst acht, daß sie mir keinen Hinterhalt stellen, du Revolver-As.« Curt entfernte sich grinsend. John sah ihn die Toten umdrehen, nicken, dann winken. Er stand auf und ging hinüber. »Teufel!« entfuhr es ihm. »Das sind keine Tontos. Verdammt und zugenäht, wir haben drei Chiricahuas umgelegt!« »Das wird Cochise gar nicht schmecken«, murmelte Curt. »Was nun?« Haggerty sah sich die Toten noch einmal genau an. Einer von ihnen trug einen ledernen Gürtel mit aufgesteppten Taschen, wie sie in den Reservationen für Indianer ausgegeben wurden, die
darin Salz, Zucker, Tabak und andere Dinge aufbewahrten. Der andere hatte sich eine Halskette aus bunten Holzperlen umgehängt. Nur der dritte Indianer trug keine Zivilisationsabzeichen an seinem Körper, was allerdings nichts zu bedeuten brauchte. »Sie gehören nicht zu Cochises harter Mannschaft«, sagte John Haggerty überzeugt. »Das sind Reservationsindianer, die die Isolation satt hatten.« »Mir egal, was sie sind«, brummte Miller. »Sie griffen uns an und wollten uns töten. Jetzt sind sie tot. Cochise kann mir den Buckel runterrutschen, wenn's ihm Spaß macht. Es gibt kein Gesetz in der Wildnis, das besagt, daß man sich abstechen lassen muß. Ich suche die Gäule.« »Das machen wir zusammen, Curt. Warte!« Haggerty suchte nach Spuren, fand sie. Die Mokkassinabdrücke im weichen Sand sahen aus, als wäre hier ein Elefant durchgezogen. Die Spur führte sie in eine Mulde ohne Vegetation. Die Mustangs standen angepflockt und stießen schnaubende Warngeräusche aus, als sie die Weißen witterten. »Glaubst du, sie werden uns aufsteigen lassen?« »Freiwillig nicht. Du wirst ihnen schon zeigen müssen, wer der Herr ist. Ich frage mich, wo die Redmen die Gäule herhaben. Es sind einwandfrei indianische Ponys.« Miller nahm den Zügel des einen Pferdes und riß den Pflock aus der Erde. Mit einer schnellen Bewegung schwang er sich auf den Pferderücken. Das Tier wollte bocken, aber Millers Schenkeldruck zwang es, am Boden zu bleiben und zu gehorchen. »Geht ganz gut«, sagte er. »Nur vermisse ich die Steigbügel.« »Daran gewöhnt man sich. Wir wollen ja nicht bis in alle Ewigkeit auf halbwilden Mustangs herumreiten. Auf geht's, Amigo, reiten wir!« Auch Haggerty saß schon oben und ritt an. Das ledige Pferd zog er am Graszügel hinter sich her. Beim Lager hielten sie kurz
an. »Sollen wir sie beerdigen?« fragte Curt. »Der Vorfall muß gemeldet und zu Protokoll genommen werden. Wir reiten nach Fort Buchanan und veranlassen, daß sie eine Scout-Patrouille in die Wüste schicken. Die Apachen-Scouts erkennen an den Spuren, daß unsere Angaben der Wahrheit entsprechen. Sie können ihre Brüder gleich verscharren.« »Okay, machen wir, daß wir wegkommen.« * John Wards Einfallsreichtum war beileibe nicht unerschöpflich, aber wenn er sich einen Vorteil davon versprach, konnte er lügen wie ein orientalischer Märchenerzähler. Als er eine Woche nach seinem letzten Hinauswurf schon wieder vor dem Fort auftauchte, hatte er ein Lügengespinst parat, mit dem er Colonel Brigham zu täuschen versuchte. Brigham ließ ihn eintreten, bot dem Rancher einen Stuhl an. Das Fort war auf Fleischlieferungen angewiesen und wollte es sich nicht mit dem geschwätzigen Rancher verderben. »Was kann ich für Sie tun, Mister?« Brighams Stimme klang rauh wie ein Schabeeisen. Er gehörte zu den knorrigen alten Offizieren, die den Bürgerkrieg mitgemacht hatten und sich an der Indianerfront kein X für ein U vormachen ließen. »Eigentlich besuchte ich das Fort, um die Freistellung einer Herde von zwanzig Dreijährigen anzuzeigen. Besteht Bedarf?« »Im Moment noch nicht, Mr. Ward. Sie lieferten vor zwei Monaten vierzig Stiere, und so schnell verbrauchen wir das Fleisch nicht bei dem geringen Personalbestand.« »Na schön, dann zu einem späteren Zeitpunkt. Sie wissen ja, wo ich zu finden bin. Wurde in der Entführungssache des kleinen Felix etwas ermittelt?«
Brigham schüttelte den Kopf. Was sollte er sagen? Die Wahrheit? Daß das Fort wegen Mangel an Soldaten kaum noch Patrouillen aussenden konnte? Nein, Ward hätte es sofort in alle Welt posaunt und sich wichtig gemacht. Panik unter den Siedlern wäre die Folge gewesen. Während er sich noch eine Antwort überlegte, traf die Ordonanz ein und meldete die Ankunft zweier weißer Scouts aus dem Hauptquartier. »John Haggerty, der Chief-Scout, und Curt Miller, Sir. Sie kommen aus der Wüste und bringen eine wichtige Meldung. Dürfen sie eintreten?« »Vorlassen!« schnarrte Brigham. Er wandte sich an den Rancher: »Sie werden sich einen Augenblick draußen gedulden müssen, Mr. Ward. Es wird sicher nicht lange dauern.« Ward verließ das Zimmer und wartete gegenüber in einem Nebenraum. Durch den Türspalt sah er die beiden Scouts durch den Flur kommen. Wie sahen die aus. Abgerissen, unrasiert, blutige Verbände um den Kopf. Schmutzig und nach Schweiß riechend, eilten sie in das Kommandeurzimmer. Ward wurde neugierig. Lautlos öffnete er die Tür und huschte über den Flur. Als er sein Ohr an die Tür legte, vernahm er jedes Wort, das gesprochen wurde. Am Ende seines langen Berichts bat der Sprecher um eine Entsendung von Apachen-Scouts an den Ort des Überfalls, um die Spuren zu sichern und die Toten zu begraben. Brigham sagte zu und stellte schließlich den Scouts ärztliche Hilfe und eine neue Ausrüstung in Aussicht. Ward hörte, wie sie sich mit Handschlag von dem Offizier verabschiedeten. Wie ein Wiesel huschte er in das leere Zimmer zurück, setzte sich und wartete geduldig, bis er von der Ordonnanz gerufen wurde. Inzwischen war ihm eine verwegene Idee gekommen. Wenn die Scouts von Chiricahuas angegriffen worden waren und Brigham nun Patrouillen in die Wüste schickte, weshalb konnte Felix dann nicht auch von Chiricahuas geraubt worden
sein? Diese Behauptung mußte die Armeeleitung davon überzeugen, daß Cochise gar nicht daran dachte, sein Wort zu halten. General Howard mußte sich unter der erdrückenden Beweislast schließlich geschlagen geben und… Seine Gedanken brachen ab. Seine frühere Aussage stand im krassen Widerspruch zu seinem jetzigen Verhalten. Pinal-Apachen waren nun einmal keine Chiricahuas, schon äußerlich waren sie nicht miteinander vergleichbar. So sehr er auch sein Gehirn anstrengte, fand er keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Als ihn die Ordonnanz zum Commandeur rief, war er sich noch nicht schlüssig, wie das Blatt zu seinen und Jesusas Gunsten wenden sollte. Brigham brachte ihn wenig später selbst darauf. »Bitte, setzen Sie sich«, sagte der Colonel zuvorkommend. »Die Sorgen an der Indianergrenze reißen einfach nicht ab. Zwei Army-Scouts meldeten von einem Vorfall, der wegen seiner möglichen Folgen gewisse Bedenken in mir erregt.« »Ich weiß nicht, worum es geht«, sagte Ward höflich. »Die Scouts berichteten, sie seien in der südlichen Gila von Apachen angegriffen worden und hätten drei Krieger in Notwehr getötet. Wenn es uns nicht gelingt, die Sache ins richtige Licht zu rücken, wird dies zu Verwicklungen mit Cochise führen, die General Howard gern vermeiden möchte.« »Waren es Chiricahuas?« fragte Ward mit gespielter Harmlosigkeit. »Leider. Die Scouts hielten die Rebellen in der Dunkelheit für Tontos, stellten aber bald darauf fest, daß sie dem Stamm der Chiricahuas angehören.« »Ich begreife nicht ganz, woran die Scouts Chiricahuas erkannt haben wollen. Die Krieger weit verstreuter Stämme gleichen sich wie ein Ei dem anderen.« »Es gibt eine Menge Unterscheidungsmerkmale«, erklärte Brigham ahnungslos. »Es sind die Gebrauchsgegenstände, die
sie mit sich herumschleppen, irgendwo stahlen oder in der Reservation erhielten, dann die Kriegsbemalung. Chiricahuas tragen Streifen in roter, gelber und ocker Farbe.« »Hm, seltsam, da fällt mir was ein, was ein ganz neues Licht auf den Kindesraub wirft. Die Indianer, die Felix entführten und meine beiden Cowboys umbrachten, trugen die gleichen Farben im Gesicht. Folglich waren es Chiricahuas und keine Pinal-Apachen.« Brigham fixierte ihn mit schmalen Augen. »Sind Sie da sicher?« »Absolut.« »Weshalb behaupteten Sie dann, es wären Pinals gewesen?« »Das mußte ich doch annehmen, oder nicht? Felix ist ein halber Pinal, zur anderen Hälfte Mexikaner. Seine Mutter wurde von den Pinals verschleppt. Es gelang ihr später, mit dem kleinen Felix zu fliehen.« »Das klingt alles wenig überzeugend«, sagte Brigham ausweichend. Unterschwellig hatte er das Gefühl, daß ihm der Rancher etwas vorflunkerte, ohne es jedoch beweisen zu können. Gereizt fügte er hinzu: »Ich werde mir überlegen, was in Ihrer Sache zu tun ist. Die neuen Aspekte machen die Angelegenheit nicht gerade besser, eher verwickelter. Sollte ich nach Rücksprache mit General Howard zu einer Entscheidung gelangen, gebe ich Ihnen Nachricht.« Er stand auf und reichte Ward die Hand. Der Rancher verließ die Kommandantur. * Im Mittsommer dehnte Cochise seine Streifzüge weiter nach Süden aus. Zuerst war es der Rio Moctezuma mit seinen vielen Dörfern und Haziendas am Oberlauf, den die Chiricahuas heimsuchten.
Die Woche darauf zerstörten sie La Dura am Rioa Yaqui und zwei Tage später Soyopa. Die Zerstörung der mexikanischen Städte sollte für Cochise jedoch verhängnisvolle Folgen haben. Die Yaquis, im nördlichen Teil der Sierra Madre beheimatet, lehnten sich gegen die Eingriffe der Apachen in ihrem Machtbereich auf. Es kam zu einer Konfrontation zwischen Cochise und Tehueco, dem Kaziken der Yaquis. Das Palaver wurde in einer Bucht des Yaqui-Flusses abgehalten und dauerte drei Tage und zwei Nächte. Tizwin floß in Strömen, und so mancher Maulesel mußte sein Leben lassen, um in den Mägen von über 200 Kriegern zu verschwinden. Cochises Verhandlungsgeschick war es schließlich zu verdanken, daß Tehueco sich nicht gegen ihn stellte. Die ›Vettern‹, wie sie sich gegenseitig nannten, grenzten schließlich ihre Gebiete ab und versprachen feierlich mit dem Rauch des Kalumets, die Jagdgründe der anderen zu respektieren. Hoch brannte das Feuer in der flachen Bucht am Yaqui-Fluß. Häuptlinge, Sippenführer und die edelsten Krieger beider Stämme umringten es sitzend und lauschten den jeweiligen Rednern. Auf einen unbeteiligten Zuschauer hätte das Bild wie ein Blick in die finsterste Hölle gewirkt. Beinahe unbeteiligt hockten die Krieger mit untergeschlagenen Beinen nahe bei den lodernden Flammen und richteten ihre Wasserspeiergesichter dem jeweiligen Redner zu. In der Regel wurde kein Sprecher unterbrochen. Doch dann und wann ertönten die pochenden Klänge der Yaqui-Tamburins, von denen die Mexikaner zu berichten wußten, sie wären mit Menschenhaut bespannt. Tehueco löste Naiche ab. Er stand auf, eine gedrungene Gestalt, die durch ihr bloßes Aussehen Furcht erregte und den Tod in jeder Form versprach. Er streckte die Hände aus. Absolute Stille trat ein. »Yaquis und Chiricahuas sind Vettern und stammen von der
gemeinsamen Urmutter ab. Zwischen den beiden großen Stämmen der Sierra Madre und der Ebene vor dem Gebirge soll niemals Feindschaft und Krieg entstehen. Oft gewährten wir den Chiricahuas Unterschlupf auf ihrer Flucht vor den weißen Männern. Das weiß Cochise, das weiß Naiche, und das wußte Mangas Coloradas. Auch wir wissen es. Die Yaquis sind bereit, sich am Kampf gegen die Gelbhäutigen zu beteiligen, um sie zu vernichten, damit das Land wieder frei werde von diesem Ungeziefer. Aber die Yaquis brauchen und erwarten keine Hilfe von den Chiricahuas. Cochise mag mit seinen Kriegern die Siedlungen der Weißen im Norden angreifen, wir töten die Gelbhäutigen im Süden. Die Beute gehört dem, der sie errungen hat. So ist es immer gewesen, und so soll es bleiben. Alte Gesetze dürfen nicht gebrochen und verletzt werden. Es sind heilige Gesetze, die von unseren Ahnen geschaffen wurden, Gebietsansprüche und Lebensraum der Stämme zu sichern. Will Cochise mit den Yaquis den Bund der Freundschaft erneuern, oder will der Jefe der Chiricahuas den Krieg mit seinen Vettern?« Beinahe hektisch pochten die Tamburins, und der Schall der kleinen Tam-Tams hallte weit über den schäumenden Flußlauf. Nacht und Stille wurden unterbrochen vom schäumenden Wasser, den harten Schlägen auf die Bauchtrommeln und dem langgezogenen Schrei der Yaquis: »Jajaeee!« Cochise erhob sich. Er trug die leichte Wüstenkleidung der Chiricahuas und die hochschäftigen Mokassins. Alles in allem eine imponierende und furchtgebietende Gestalt. Erwartungsvoll starrten sie ihn an. Das Feuer warf flackernde Lichter auf das kühle Gesicht mit der Adlernase. Cochise hob eine Hand. Seine Stimme schallte weit über das Lager. »Tehueca sprach klug und zukunftsweisend. Die Chiricahuas fürchten den Kampf nicht, aber zwischen Stämmen gleichen Blutes wäre er sinnlos. Wir dürfen uns nicht selbst zerfleischen,
Brüder. Alle Stämme vom Norden bis zum tiefen Süden, die gleichen Blutes sind und von der einzigen Urmutter abstammen, sollen Frieden und Freundschaft bewahren, wie es das Gesetz unserer Abstammung vorschreibt. Die Navahos im Norden, Apachen in der Mitte, Yaquis im Süden, alle richten sich auf, greifen zu den Waffen und kämpfen gemeinsam in einem einzigen breiten Band, auf daß der gemeinsame Feind vernichtet und unsere Jagdgründe wieder frei werden. So ist es Gesetz. So soll es sein. How!« »Zastee!« schrien die Chiricahuas im Chor. »Jajaeee!« brüllten die Yaquis gemeinsam. Es klang wie ein Schwur, der zum Himmel aufstieg. Der gemeinsame Schrei war wie ein Brandfanal, nur unsichtbar, aber nicht minder übergreifend, ansteckend und tödlich gefährlich. Tehueco stand noch einmal auf und gebot Ruhe. Seinem markanten Gesicht mit den hervorspringenden Wangenknochen und den mongolischen Augen war nicht abzulesen, was er dachte. »Cochise sprach klug und weise, wie es einem großen Jefe zukommt. Tehuecos Antwort soll nicht minder klug sein. Es sei so, wie der Jefe der Chiricahuas sagte: Aufstand gegen die Gelbund Weißhäutigen. Tod allen Eindringlingen. Vernichtung ihrer Städte und Stützpunkte. Cochise ist der Jefe aller Apachenstämme, ihm gehören die Quellen, Flüsse, Prärien in seinen angestammten Jagdgründen. Selbst die Bäume und die Pflanzen sind Eigentum der Apachen und nicht der Eindringlinge. So ist es auch bei uns. Die Berge, Täler und Ebenen gehören den Yaquis. Niemand soll sie ihnen streitig machen. Die Gelbhäutigen mögen dahin zurückkehren, woher sie kamen. Die Yaquis kämpfen zusammen mit den Chiricahuas gegen alles, was nicht von unserer Hautfarbe ist. So soll es sein. How!« Cochise und Naiche waren zufrieden mit dem, was sie erreicht hatten. Für sie kam es nur noch darauf an, die Einzelheiten ihres
gemeinsamen Kampfes gegen die Eindringlinge zu besprechen. Die Yaquis beanspruchten die Beute, die sie machten, für sich allein. Die sollten sie haben. Cochise mußte unwillkürlich lächeln. Sie würden auch nicht dulden, daß Apachenstämme in ihrem Machtbereich mexikanische Ansiedlungen überfielen. Auch das war in Ordnung. Die Chiricahuas konnten sich von da an mehr auf den Staat Chihuahua konzentrieren, so, wie es Mangos Coloradas mit seinen Mimbrenjos bereits getan hatte. Ein weiterer Punkt erfüllte Cochise mit besonderer Genugtuung. Tehueco hatte seine Führerrolle über die vereinten Stämme anerkannt. Aber der Zeitpunkt zum gemeinsamen Losschlagen war noch nicht gekommen. Noch war Friede zwischen den Weißen und den Chiricahuas. Noch vertraute er dem einarmigen weißen Häuptling. Seine Weitsicht sagte ihm jedoch, daß der Friede zwischen zwei so extrem veranlagten Rassen nicht von Dauer sein konnte. Die weißen Männer wollten zu dem, was sie bereits dem roten Mann gestohlen, immer noch mehr. Sie wollten alles Land, die Berge, die Flüsse, die fruchtbaren Ebenen. In den Bergen und in den Flüssen fanden sie Gold und Silber. Für Apachen war das Metall wertlos. Sie verstanden nicht einmal seinen Tauschwert richtig einzuschätzen. Ganze Gruppen von Goldsuchern zogen in die Canyons, durchwühlten sie und ließen Schutt und Zerstörung zurück. Heimstätter gruben die Erde um, bauten Häuser. Rancher züchteten Vieh auf den fruchtbaren Ebenen nahe der Flüsse. Soldaten bauten immer mehr Forts und kontrollierten sämtliche Pässe und Straßen. Trotzdem, die Zeit war noch nicht reif. Zunächst mußten die Navahos im Norden, die Mescaleros im Osten und die Nedni-Apachen in den Wüsten Sonoras für den großen Plan gewonnen werden. Waffen hatten sie genug, die Chiricahuas. Sie konnten eine Armee damit ausrüsten. Waffen allein genügten jedoch nicht, die Eindringlinge endgültig aus dem
Land zu vertreiben. Cochise ließ seine Gedanken ausklingen und erhob sich erneut. Die Krieger erwarteten, daß er noch einmal sprach, daß er Tehuecos Rede Beifall zollte. Als er die Arme ausbreitete, wurde es still. Nur der Wind raunte in den Felsen. »Tehueco sprach klug. Cochise dankt dem Jefe der Yaquis für seine offenen Worte. Krieg gegen die Gelbhäutigen soll sein, bis der letzte Mexikaner tot ist oder das Land verließ. Wenn Tehueco Waffen von Cochise fordert, soll er sie bekommen, dazu Pulver und Blei, alles, was die Yaquis brauchen, damit ihre Alten, Weiber und Kinder nicht hungern, während sie auf dem Kriegspfad sind. Bei Tagesanbruch verlassen die Chiricahua die Berge der Yaquis und kehren in ihre eigenen Jagdgründe zurück. Tehueco mag sagen, was er benötigt.« Cochise setzte sich wieder. Von einem Krieg gegen die Weißen hatte er bewußt nicht gesprochen, auch nicht von seinen Bemühungen, weitere Stämme des Südwestens in seine Strategie einzubeziehen. Er wartete und bemühte sich, eine undurchschaubare Miene zu machen, während sich der Kazike mit seinen Unterhäuptlingen beriet. Als er zum Himmel sah, bemerkte er, wie eine finstere Wolke über die hohen Bergkämme der Sierra Madre zog. Ein kalter Hauch wehte über seinen Rücken und weckte ein seltsames Gefühl in ihm. * Curt Miller zügelte sein Pferd, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und warf einen langen Blick auf die Town. Neben ihm hielt John Haggerty auf seinem Grauen. »Gomorrha«, knurrte Miller. »Die verdammte Stadt unter allen Städten Israels. Reiten wir hin und vernichten wir die Brut mit Pech und Schwefel, bevor sie weitere Teufelein ausheckt.« »Muß es unbedingt mit Pech und Schwefel geschehen?«
fragte John spöttisch. »Der hier genügt«, erwiderte Curt und schlug sich auf das Revolverhalfter. »Wir wollen nichts übereilen.« Haggerty betrachtete die Häuserfronten. Santa Magdalena hatte sich in den letzten Wochen wenig verändert. Der gleiche Staub lag auf den blinden Fenstern, die gleichen abblätternden Schriftzeichen auf den falschen Fassaden. Und, was ihm besonders auffiel, die gleiche, aufpeitschende Musik dröhnte aus den Kneipen. Fahrzeuge durchpflügten den Staub der Main Street. Die Scouts hatten den Eindruck, daß das geschäftige Treiben eher noch zugenommen hatte. »Warten wir die Dämmerung ab«, sagte Curt ungeduldig. Er verspürte Hunger und Durst und Sehnsucht nach der rothaarigen Lily. »Steigen wir ab?« »Das wäre zu auffällig, Freund. Von der Stadt aus kann man uns sehen. Ich schlage vor, wir reiten weiter und machen einen großen Bogen um die Ansiedlung.« Miller trieb seinen Braunen an und folgte Haggerty. Zunächst ritten sie ein Stück nach Norden. Das Land war menschenleer und vegetationslos. Nur Geröll und Steine, so weit man sehen konnte. Es dunkelte. Nachdem sie eine Stunde nach Norden geritten waren, schwenkte Haggerty nach Osten ab. Sie gelangten an ein Trockenbett und wollten ihm folgen. Ein Schnauben ihrer Pferde ließ sie verharren. Von irgendwoher drangen Stimmen. Sie rochen Rauch eines Holzfeuers und erkannten am Ende des Arroyos die dunkle Wand von Gewächsen. Von dort kamen die Geräusche. »Indianer«, sagte Miller leise. »Unsinn! Doch nicht so nahe bei einer Stadt. Das sind Weiße. Was sie allerdings hier draußen treiben, ist mir nicht ganz klar. Nun, es soll Leute geben, die sich ein Vergnügen daraus machen, in einem Bett von Steinen zu wühlen. Ich werde
nachsehen.« Er schwang ein Bein über den Pferderücken und stieg ab. John gab Curt die Zügel zu halten und entfernte sich. Lautlos drang er in dem Trockenbett vor und wurde von der Dunkelheit verschluckt. Er gelangte von Geröll auf feinen Kies. Das Knirschen seiner Stiefel kam ihm überlaut vor, und er blieb stehen. Er konnte gehört werden. Aber von wem? Kakteen und andere Stachelpflanzen hinderten ihn am Weitergehen und verdeckten die Sicht. Gebückt bewegte er sich auf die Wand zu und blieb stehen. Der Rauch wurde stärker. Er zögerte einen Moment, sah sich um, konnte aber so gut wie keine Einzelheiten erkennen. Ein lautes Lachen war zu hören. John suchte nach einer Lücke in dem hochgewachsenen Stacheldickicht. Er fand sie, zog den Revolver und brachte ihn in Anschlag, jederzeit bereit, im Bruchteil einer Sekunde abzudrücken. Es gab aber nichts, worauf er hätte schießen müssen: keine Gefahr, kein Angriff auf sein Leben. Leise schlich er weiter. Lachen, laute Worte, Gesprächsfetzen. Vorsichtig drang er in der Gasse aus stämmigen Säulenkakteen vor. Ein Esel schrie plötzlich alles Leid der geplagten Kreatur in die heraufziehende Nacht. Ein zweiter stimmte ein. Schließlich dröhnte eine grobe Männerstimme: »Haltet eure Futterluken, ihr verdämmten Graupelze! Muß die ganze Welt wissen, daß wir hier sind?« John lächelte. Er stand bei der Lücke, spähte hinein, sah nichts als Schwärze. Er riskierte es. Dornen rissen seine Haut auf, es störte ihn nicht. Der Boden war mit einer dünnen Schicht Humus bedeckt. Es gelang ihm, lautlos voranzukommen. Am Ende der Passage blieb er stehen, versuchte etwas in dem Gelände vor sich zu erkennen. Konturen in Mengen, aber zu deuten waren sie nicht. Als er einen Schritt weiterging, stolperte er über einen Schaufelstiel. Der Duft von gebratenem Fleisch erinnerte ihn daran, daß er
Hunger hatte. Sein Magen begann zu knurren. Behutsam umging er die Schaufel, den Revolver in der Hand. Werkzeuge, wie sie Goldgräber benutzten, lagen herum, ein beweglicher Kasten auf einem hölzernen Gestell mit einem Sieb. John Haggerty wurde es unbehaglich. Aber er konnte trotz seiner Aufmerksamkeit keine Gefahr erkennen und schlich weiter. Plötzlich wurde es so still wie in einem Grab. Er blieb wieder stehen, lauerte in das ihn umgebene Dickicht. Er hatte keine Ahnung, was sich in seiner Umgebung abspielte und wurde von Minute zu Minute unsicherer. Die absolute Lautlosigkeit bedrückte ihn und verleitete ihn schließlich, den Weg wieder zurückzugehen, um festzustellen, durch was sie ausgelöst worden war. Seine Neugier war durch die Anwesenheit fremder Männer geweckt worden. Er mußte in Erfahrung bringen, was sie hier draußen mitten in der Nacht trieben. Ein Geräusch hinter ihm. Er wirbelte herum. Doch da war niemand. Wie ein Blinder tappte er, riß sich von der stacheligen Umklammerung biegsamer Ranken los und fluchte stumm in sich hinein, wenn die Dornen auf seiner Haut brannten. John Haggerty blieb schweißgebadet stehen und überlegte. Was sollte er in dem Arroyo? Niemand hielt sich dort auf. Er war in ihm entlanggegangen und auf keine Menschenseele gestoßen. Er kehrte wieder um. Die Stille war noch bedrückender geworden. Kein Nachtinsekt zirpte. Vor seinen Augen tauchte das kastenartige Gerät wieder auf und versperrte ihm den Weg. Knirschen von Kies in seinem Rücken. Er sprang zur Seite. Doch nichts erfolgte. Das Geräusch wiederholte sich. Er blickte nach rechts. Da standen bärtige Männer wie Götzen. Sie hielten Gewehre in den Händen, deren Metallteile in der Dunkelheit glitzerten. Einen schrecklichen Moment lang dachte John, das wären Geister aus einer unbekannten Unterwelt. Dann lachte einer von
ihnen und stieß ein tiefes Brummen aus. Irgend etwas krachte hart gegen seinen Schädel, und als ihm der Colt aus der Hand fiel und der kiesharte Boden des Bachbettes mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zuschoß, lachten sie alle scheppernd. * Miller wartete voller Ungeduld. John kam nicht wieder. Es war so still in seiner Umgebung, daß er meinte, den Sand knistern zu hören. Zwei Stunden vergingen. Als die dritte Stunde um war und er von John Haggerty nichts gewahrte, koppelte er die Pferde zusammen und eilte in die Nacht. Sterne standen am Himmel. Spuren konnte er nicht erkennen. Erstens war es einfach noch zu dunkel, und zweitens nahm der harte Geröllboden keine Eindrücke auf. Der Scout erreichte die Dschungelwand und sah den Durchgang. Gelächter und zottiges Gebrüll drang durch die Stämme. Schwere Gegenstände wurden bewegt, dann sagte jemand laut und deutlich: »Jungs, weckt ihn auf! So fest kann der Schlag gar nicht gewesen sein. Der Kerl verstellt sich.« »Wo Pinter hinlangt, wächst kein Gras mehr«, sagte ein anderer, danach folgte ein brüllendes Gelächter von mehreren Männern. Miller huschte gebückt weiter und kroch schließlich auf Händen und Füßen durch die natürliche Gasse. An ihrem Ende blieb er liegen und riß verwundert die Augen auf. In einer Kochmulde brannte ein Feuer. Eine Sturmlaterne, wie sie von Diggern benutzt wurde, stand auf einer Kiste und verbreitete ein gelbliches Licht. Davor lag eine dunkle Gestalt, die Miller nicht erkennen konnte. Ein Mann schleppte einen Eimer mit Wasser herbei, leerte ihn über dem am Boden Liegenden aus und lachte widerlich.
»Komm hoch, Bucko, so schlimm hat's dich nicht erwischt.« John setzte sich auf, betastete die Beule hinter seinem Ohr und spürte klebriges Blut an seinen Fingern. Die zweite Blessur in wenigen Tagen. »Immerhin hat's meinen Kopf erwischt und nicht deinen, Amigo«, sagte John sauer. »Steh auf! Der Boß will mit dir reden.« »Wer ist der Boß?« »Geht dich einen feuchten Dreck an. Steh auf, Hundesohn, oder ich helfe nach!« Haggerty kam schwankend auf die Beine. Sie hatten ihm den Revolver abgenommen, sonst aber alles in seinen Taschen gelassen. Langsam drehte er den Kopf. Er sah das Kochfeuer in der Mulde, die Geräte und Werkzeuge. Und er entdeckte noch etwas: Hank Doolin! John zuckte nicht zusammen, als er das grinsende Gesicht des Outlaws sah. Er schüttelte den Kopf. Da war er sauber in eine Falle gestolpert, aus der es so leicht keinen Ausweg gab. Neben Doolin stand Ben Todd aus Texas, den sie im Panhandle Cuchillo nannten. Vier weitere Männer bewegten sich in der Dunkelheit oder standen hinter Doolin. Dem Outlaw war es schnell gelungen, weiteres Gelichter an sich heranzuziehen. John wußte, daß er gegen sechs Kerle dieser Art nicht die geringste Chance hatte, aber deswegen resignierte er nicht. »Komm nur nicht auf dumme Gedanken, Scout«, zischte der Mann an seiner Seite. »Wir haben genug Leute, um dich das Fürchten zu lehren.« »Ja?« »Bestimmt.« »Ihr Scheißkerle traut euch ja gar nicht. Gesindel!« hetzte John. »Du nimmst das Maul mächtig voll, wie alle Scouts«, sagte sein Nebenmann und stieß ihn vorwärts.
John blieb stehen und drehte sich um. Kalte Wut strahlte aus seinen Augen. Er trat nach dem Desperado, traf aber nicht. »Mit dir werde ich immer noch fertig, Strohkopf«, knurrte er. »Stoß mich nicht noch einmal.« Haggerty fühlte, wie sich ein Coltlauf in seinen Rücken bohrte. Er ging die paar Schritte bis zu der Gruppe. Doolin entblößte sein Pferdegebiß und lächelte höhnisch. »Einen hätten wir, den anderen kriegen wir schon noch. Was meinst du, was ich mit dir anfangen werde?« »Gar nichts. Was kann ein Dreckskerl wie du schon groß anfangen. Was treibt ihr hier? Seit wann gehen Banditen unter die Goldwäscher?« Doolin und Todd lachten niederträchtig. Doolin antwortete: »Klar, Mann, wir suchen hier nach Gold. Und es lohnt sich, das sage ich dir.« »Wieviel habt ihr schon gefunden?« »Nicht mal genug, um den hohlen Zahn einer Fliege auszufüllen. Aber das kommt noch, verlaß dich darauf. Old Mikes Plaver ist so trächtig wie 'ne Milchkuh.« John Haggerty erschrak. Old Mike kannte er. Der Oldtimer posaunte schon vor einem Vierteljahr überall herum, eine unerschöpfliche Ader gefunden zu haben. Die Nuggets, die er bei der Bank gegen Dollars eingetauscht hatte, waren so dick wie Haselnüsse gewesen. »Was denn, ist Old Mike Bandit geworden?« klopfte Haggerty vorsichtig an. Doolin und Todd wieherten los. Rings um John lachten Männer lauthals, klopften sich gegenseitig auf die Schulter und knufften ihre Ellbogen in andere Rippen. Doolin antwortete in seiner zynischen Art: »Klar ist er Bandit geworden – im Himmel. Du Narr, hast du wirklich geglaubt, wir ließen einen Belastungszeugen am Leben?« »Mörder!« stieß Haggerty angewidert aus und spuckte Doolin
ins Gesicht. Miller zuckte in seinem Versteck zusammen. Mut hatte er, der Scout, das mußte ihm der Neid lassen. Aber diese Art Mut war hier nicht angebracht. Gegen die abgebrühte Roheit dieser Männer war mit Mut allein nichts auszurichten. Hank Doolin schlug Haggerty auf die Wange und drückte ihn gegen Todd. Der versetzte ihm einen Boxhieb und trieb ihn zurück gegen die anderen. John wurde hin und her gestoßen. Curt überlegte, wie er seinen Freund befreien konnte. Gegen die Vielzahl der Banditen hatte er kein Gegenmittel, das ihm eine Chance versprochen hätte. Sechs Schuß hatte er in seinem Colt, aber mit sechs Kugeln allein konnte er die Outlaws nicht ausschalten, weil er damit rechnen mußte, ein- oder zweimal vorbeizuschießen. Haggerty selbst gab ihm die Möglichkeit zum Eingreifen. Die rüden Kerle ließen von ihm ab und schoben ihn vor Doolin hin. »Wo ist der andere Sauhund?« herrschte der Bandit den Scout an. »Los, rede! Wo ist er? Treibt er sich hier irgendwo herum?« »Von welchem Sauhund sprichst du? Von dir?« »Bastard!« Doolin schlug zu, aber John unterlief den Schlag und feuerte einen rechten Schwinger ab, der Doolin voll gegen die Schläfe traf. Der Bandit stürzte. Bevor sich Todd von seiner Überraschung erholt hatte, setzte ihm John die Faust in den Magen. Er krümmte sich zusammen, und John schlug ihm in den Nacken. Bevor der Mann umkippte, riß er ihm den Revolver aus der Hand und spannte den Hahn. Die anderen Kerle erholten sich von ihrer Überraschung und stürzten sich auf Haggerty. Auf den ersten Angreifer mußte John in Notwehr schießen, der zweite erhielt einen Fußtritt, und der dritte mit dem Revolverlauf einen Schlag aufs Kinn, daß er sich rückwärts überschlug. Miller stand auf und trat aus seiner Deckung hervor. »Hände hoch!« schrie er und gab einen Schuß in den Himmel ab. »Das Lager ist umzingelt! Wer sich wehrt, wird
erschossen!« Doolin und Todd, die gerade wieder auf die Beine kamen, hoben die Arme, rührten sich nicht mehr und starrten in die Finsternis. Miller kam heran. Im Vorbeigehen schlug er einem der Banditen mit dem Revolverlauf auf den Unterarm. Dessen Kanone landete auf dem Boden. Curt bückte sich schnell und hob sie auf. »Wurde Zeit, daß du hier ein bißchen nach dem Rechten siehst«, sagte John Haggerty und grinste. »Die Lumpen haben mich doch glatt hereingelegt.« Miller sah neben dem Kochfeuer einen Stapel Brennholz liegen. Er ging hin und warf ein dickes Bündel Kakteenstengel auf die Glut. Sofort prasselten Flammen in die Höhe und verbreiteten Licht. Haggerty hielt die Banditen, sieben an der Zahl, mit dem Colt in Schach und befahl ihnen, sich hinzulegen. »Curt, schnür ihnen ein bißchen was Festes um die Gelenke. Mit den Kerlen möchte ich kein Risiko eingehen. Einer von ihnen ist hinüber.« Bevor sich Miller nähern konnte, geschah etwas völlig Unerwartetes. Doolin riß aus irgendeiner Tasche einen kurzläufigen Colt und legte auf Haggerty an. John war schneller. Er machte nur den Finger krumm, zweimal. Hank Doolin und Todd fielen nach vorn und waren tot, bevor sie die harte Erde erreichten. »War das nötig«, fragte Curt. »Der andere war doch waffenlos.« »Sieh nach«, erwiderte Haggerty kurz. Curt ging hin, drehte die beiden Toten herum. In Doolins Hand lag der kurzläufige Colt, in Todds verkrampften Fingern hing ein doppelläufiger Derringer. »Pardon«, sagte Curt kleinlaut, als er sich aufrichtete. »Tut mir leid, John, ich habe die Kugelspritze nicht gesehen.« »Vergiß es. Was machen wir mit den Kerlen?«
»Dem Sheriff übergeben. Wenn sie den alten Mike auch nicht selbst umgebracht haben, so sind sie doch der Beihilfe an Mord schuldig.« »Mister«, sagte einer der Outlaws bettelnd, »wir haben mit der Sache nichts zu tun. Von einem Mord wußten wir nichts. Doolin warb uns an, die Mine zu bearbeiten. Er versprach uns einen fairen Anteil, wenn…« »Eure Lebensgeschichte hören wir uns später an«, unterbrach John ihn scharf. »Curt, schnür sie zusammen. Wir entscheiden bei Tageslicht, was wir mit ihnen anfangen. Ich sage euch gleich, Leute, aus dem Gold wird nichts. Mike hat Erben, die ich benachrichtigen werde. Dafür dürft ihr die drei Toten morgen begraben. Kennt ihr den dritten Mann?« »Ja«, antwortete der Sprecher, während sich die anderen ruhig verhielten. »Turk Raleigh war einer von uns. Schlimm, daß er auf diese Art sterben mußte.« »Ich handelte in Notwehr«, sagte Haggerty. »Wenn er harmlos war, tut es mir leid.« »Wir sahen alles, Sir«, sagte ein anderer. »Es war Notwehr, und ich denke, wir alle werden das notfalls beschwören.« * Cochises Weg führte quer durch die Gran Desierto. Im Norden konnten die Chiricahuas den Einschnitt des Camino del Diablo erkennen. Keiner der Krieger hatte eine Ahnung, wohin sie Cochise führte. Der Jefe unterhielt sich nicht mal mit seinem Sohn. Am Abend tauchten die hohen Berge der Sierra del Pinacate aus dem Wüstendunst auf. Die Mustangs spitzten die Ohren und schnaubten. Sie witterten auf Meilen Wasser, wenn der Wind günstig stand. Cochise und Naiche ritten an der Spitze des langen Zuges. Wenn Apachen sich in der Wüste bewegten, ritten sie
hintereinander. Der letzte schleppte ein mächtiges Reisigbündel wie eine Egge hinter sich her. Dornen und Zweige verwischten die Spur, und den Rest besorgte der Wind. Im Vorfeld des Gebirges stießen die Apachen auf eine Felsanhäufung mitten in der Sandwüste. Cochise hielt an, schickte zwei Kundschafter vor und wartete neben seinem Pferd. Die Späher kamen schon bald zurück und berichteten von der Anwesenheit einer Gruppe von Nedni-Apachen. Zu den Nednis wollte der Häuptling. Yuh, ihr Jefe und er, Cochise, waren alte Freunde. Trotzdem mußte er vorsichtig sein und durfte kein Risiko eingehen. Indianer waren immer empfindlich, wenn sie überrascht wurden. Cochise bat Naiche, zu Yuh zu reiten und seine Ankunft zu melden. Naiche verschwand, und es dauerte nicht lange, dann kam Yuh höchstpersönlich und brachte gleich zwei seiner jungen Söhne mit. Diese Geste bedeutete bei den Apachen immer Friede und Freundschaft. Die beiden Häuptlinge begrüßten sich gemessen, aber feierlich. Ihre Mienen und Gesten wirkten auf einen stillen Betrachter wenig gefühlsbetont, fast unpersönlich. Indianerart. »Was führt den Jefe der Chiricahuas so weit nach Süden in die Wüste?« »Meine Krieger und ich sind durch das trockene Land geritten, das nie einen Büffel sah, das nur selten vom Regen benetzt wird, um Yuh, dem Jefe der Nedni-Apachen, die Hand zu schütteln und die Pfeife des Friedens mit ihm zu rauchen.« »So sei willkommen, Cochise. Die Tinaja hat genug Wasser, es reicht für alle.« Sie ritten gemeinsam durch den Hohlweg zu dem tiefergelegenen Becken. Mindestens 30 Familien lagerten zwischen den nadelspitzen Felsklippen. Feuer brannten, und über den Flammen in den Kochgruben hingen Töpfe, aus denen es verlockend duftete.
Viele Krieger der Chiricahuas kannten Nedni-Krieger. Die Männer begrüßten sich, blieben aber in allem reserviert. Schon bald nach der Ankunft der Chiricahuas saßen alle Apachen vereint um ein großes Feuer, das man entfacht hatte, aßen und tranken und redeten über ihre Heldentaten. Cochise und Yuh hatten sich gemeinsam abseits gesetzt. Was sie zu reden hatten, ging keinen Dritten etwas an. Cochise berichtete von seinem Besuch bei den Yaquis. Er wußte, daß die Yaquis und die Nedni-Apachen vor 50 Jahren erbitterte Feinde gewesen waren. Während er sprach, musterte er aufmerksam Yuhs Gesicht. Yuh hatte vier Frauen, zwölf Kinder und so viele Nachkommen, daß er sie nicht mehr zählen konnte. »Du hast den Weißen Frieden versprochen«, sagte Yuh und rieb sich die fleischige Nase. »Willst du den Frieden brechen?« »Nein. Versprochen ist versprochen. Ich werde den Frieden halten, so lange es möglich ist. Aber die Weißen werden ihn nicht halten. Meine Späher berichten mir öfter, als mir lieb ist, wo neue Ansiedlungen entstanden und wo sich Weiße breitgemacht haben. Ihre Karawanen durchziehen das Land und bringen täglich mehr weiße Männer, Frauen und Kinder in das Land der Chiricahuas. Ich glaube, daß man zusammen leben kann. Man könnte sogar voneinander lernen. In vielen Dingen wissen sie mehr als wir. Aber wollen die Bleichgesichter mit den Indianern leben? Es wird zu Zerwürfnissen kommen, denn nicht alle Weißen sind gut und edel wie der einarmige Häuptling der Pferdesoldaten. Wenn sie getrunken haben, werden sie unberechenbar und greifen zur Waffe. Vielen Apachen kostete das bereits das Leben. Ich will keinen neuen Krieg, aber ich muß Vorsorge treffen. In meinen Apacherias lagert Proviant für viele Jahre. Waffen und Munition. Unsere Pferde- und Maultierherde wird täglich größer. Was wir von den Weißen nicht erhalten können, holen wir uns von den Gelbhäutigen.« »Willst du auch mit ihnen Frieden schließen?«
»Sie sind falsch und verschlagen, reden mit zwei Zungen, heucheln uns Frieden vor und überfallen unsere nomadisierenden Sippen. Tod den Gelbhäutigen.« »Tod den Mexikanern!« Cochise nickte befriedigt. Er wußte, daß sich der Nedni nicht gern auf Kämpfe mit den Männern aus dem Süden einließ und von einem Krieg gegen die weißen Amerikaner nie etwas wissen wollte. Aber seine Prahlerei hatte Eindruck auf Yuh gemacht, und je mehr er ihm von der Größe seiner Beute erzählte, desto schmackhafter wurde dem Nedni die Sache. Eine junge Frau kam und legte Cochise gebratenes Fleisch auf einer Bastmatte auf einen Stein, dazu stellte sie ein Korbgeflecht mit flachen Maisfladen. Cochise blickte auf. Da waren die wundervollsten, sanftesten braunen Augen, die er je gesehen hatte. Yuh, der den Blick gemerkt hatte, lächelte vor sich hin. Er hatte davon gehört, daß Sho-shu-li gestorben war, und er verstand Cochise deshalb. Ein Mann ohne Frau war nur ein halber Mann. Frauen waren dazu da, die Schlafstätten der Krieger vorzuwärmen. Frauen mußten kochen, Hütten bauen, Kinder gebären, damit der Stamm seinen Fortbestand sichern konnte. Ein Krieger ohne Squaw war nur die Hälfte im Kampf wert. Und Cochise hatte keine Squaw. »Gefällt sie dir?« fragte er. »Sie ist sehr schön und frisch wie der Morgentau.« »Es ist Nahlekadeya, meine jüngste Tochter.« Das war ein Angebot. Cochise hätte sagen müssen, daß er sie zur Squaw begehrte. Daraus wäre ein Handelsabkommen entstanden, auf das der Nedni wartete. Jede Frau hatte bei den Apachen einen Handelswert. Junge und hübsche kosteten dem Brautbewerber bis zu zehn Pferde oder andere Güter. Yuh wartete vergeblich. Nachdenklich saß Cochise vor dem Feuer und starrte in die Flammen. Deswegen fügte der Häuptling hinzu: »Wenn sie dir gefällt, kannst du sie dir zur
Squaw nehmen. Ich erlaube es.« Der Chiricahua sah ihn an, nickte und leitete den Handel ein. Verstohlen warf er flüchtige Blicke an Yuh vorbei. Das Mädchen hantierte an einer Kochgrube und errötete, wenn sich ihre Blicke trafen. »Ich gebe dir zehn Pferde, zehn Maulesel und Waffen. Einverstanden, Yuh?« Das war mehr, als der Häuptling der Nednis erwartet hatte. Er nickte würdevoll, aber als er sprach, war die Freude deutlich aus seinen Worten herauszuhören. »Cochises Wort ist Gesetz in unserem Volk. So soll es sein.« Cochise hatte eine Squaw gefunden, aber deswegen hatte er nicht 50 Meilen weit die Wüste durchquert. Zugegeben, Nahlekadeya war jung und schön und er hatte sich lange nach einer Frau gesehnt. Aber die lebensbedrohlichen Vorgänge im nördlichen Bereich seiner Jagdgründe beschäftigten seine Gedanken mehr. Er nahm einen dünnen Ast vom Boden, ritzte Striche und Punkte in die Staubschicht auf dem gewachsenem Fels. »Hier leben die Chiricahuas, dort die Nednis, hier drüben die Mescaleros und weit im Norden die Navahos. Dieser Kreis ist das Gebirge, das die Gelbhäutigen Sierra Madre nennen. Davon wollen wir jetzt nicht sprechen. Alle Stämme zusammen ergeben eine Streitmacht, die die Weißen aus dem Land vertreiben kann. Die Beute wird groß sein, so groß, daß kein Jacale sie fassen kann. Die Krieger und Familien der Apachen werden auf Jahre hinaus ein gutes Leben ohne Not führen und sich vermehren. Die Waffen der Bleichgesichter sind hervorragend und werden unsere Stämme vor weiteren Eindringlingen schützen. Und was wir in ihren Städten und Dörfer erbeuten, wird einen so großen Wert haben, wie wir ihn uns nicht vorstellen können.« »Du willst den Krieg?« fragte Yuh. »Ich will ihn nicht, aber er wird uns früher oder später
aufgezwungen werden. Es ist unsere heilige Pflicht, unseren Lebensraum zu schützen. Für diesen Fall wünsche ich, daß die Nednis an meiner Seite kämpfen. Was sagt Yuh zu meinem Angebot?« »Wirst du zu den Mescaleros und Navahos reiten und sie für deinen Plan gewinnen können?« »Ich bin auf dem Weg zu ihnen.« »Was sagen die Häuptlinge der Mimbrenjos, Lipans, Tontos, Aravaipas und Coyoteros? Sind sie einverstanden, an deiner Seite zu kämpfen?« »Victorio ist kriegslüstern, Chato und der alte Nana hören auf ihn. Eskaminzin deckt meine rechte Flanke, Yadalanh die linke und Gianatah schützt meinen Rücken. Mescaleros, Tontos und die White Mountain-Apachen werden zusammen mit den Navahos die Flügel bilden, den Feind auf uns zutreiben oder in der Wüste einschließen.« »Und was tun die Yaquis?« »Die Vettern stehen neben mir, kämpfen an meiner Seite.« Yuh nickte beipflichtend, stand auf, nahm ein ledernes Säckchen von der Brust und schüttelte ein graues Pulver auf die Flamme. »Gemeinsam ist es besprochen und durch den heiligen Rauch besiegelt«, verkündete er feierlich, reichte Cochise den Beutel und äugte listig in das zufriedene Gesicht des Jefe. Cochise wußte, was Yuh von ihm erwartete. Er nahm eine Prise Pflanzenpulver und streute sie über das Feuer. Lodernd und knisternd schossen die Flammen empor. »Das Bündnis zwischen den Nedni-Apachen und den Chiricahuas ist besiegelt mit dem Staub der heiligen Pflanzen und dem reinigenden Feuer. In der Nacht des vollen Mondes vor der Sonnenwende feiern Nednis und Chiricahuas gemeinsam das Fest des Brauttanzes in der Apacheria Cochises. Es ist hiermit besprochen und durch den heiligen Rauch besiegelt. How!«
Die Sommersonnenwende war in knapp zwei Monaten. * Die Sonne stand über dem Horizont und brannte bereits so heiß wie am Mittag. Curt verband Johns Kopfwunde und verbrannte den alten Verband. Die Gefangenen hatte John losgebunden und am Frühstück teilnehmen lassen, nachdem er sie eingehend verhört hatte. Es gab keinen Grund, sie noch länger gefesselt zu halten. Im Augenblick suchten sie nach Steinen für ein Grab. Haggerty sah den Männern zu, die sich redlich abmühten, den Scouts zu beweisen, daß sie von Doolin lediglich in die Sache hineingezogen worden waren. John und Curt glaubten ihnen. »Was fangen wir mit ihnen an?« fragte Curt. »Lassen wir sie laufen?« »Ich sehe keinen Grund, sie länger festzuhalten. Unser Ziel ist erreicht. Doolin und die Bande existieren nicht mehr. Bist du anderer Meinung?« »Nein. Wir geben sie frei und sind die Sorgen los.« »Old Mikes Claim verlassen sie allerdings mit uns. Sie sollen nicht auf dumme Gedanken gebracht werden. Unterwegs trennen wir uns von ihnen. Ich denke, das ist die beste Lösung.« »Okay. Wir reiten zum Army-Camp zurück?« »Wohin sonst?« »Ich meine, vorher könnten wir noch einen kleinen Abstecher machen.« John schmunzelte. Curt klopfte auf den Busch und wäre gern nach Santa Magdalena geritten, wie sie es zuerst vorgehabt hatten. »Wohin soll der Abstecher gehen?« »Wir wollten doch in die Stadt reiten. Wenn die Suche nach Doolin auch entfällt, so wäre doch gegen ein Steak mit Bratkartoffeln nichts einzuwenden, oder?«
»Absolut nichts. Du hast noch was vergessen, Amigo.« »Nanu, was?« Miller tat, als dächte er nach und schüttelte den Kopf. »Weiß nicht, was du meinst. Sprich doch nicht in Rätseln, Mann. Also, was ist es?« »Das Rätsel heißt Lily.« »So, Lily?« Miller grinste, Haggerty grinste, nur die vier Strolche, die das Grab errichteten, grinsten nicht. Sie schwitzten und murrten wegen der Hitze und der schweren Arbeit. »Los, beeilt euch!« rief Haggerty ihnen zu. »Je früher ihr fertig seid, desto schneller könnt ihr verschwinden. Wo sind denn eure Pferde?« »In einem Felsspalt weiter hinten. Können wir wirklich gehen, und kein Sheriff folgt uns?« »Niemand verfolgt euch Galgenvögel. Aber treffen wir euch noch einmal in der Gesellschaft von Desperados, kommt ihr nicht so glimpflich davon. Kapiert?« »Danke, Sir.« Die beiden Scouts zwängten sich durch den Kakteentunnel. Ihre Pferde standen noch an ihren Pflöcken, wie sie Miller verlassen hatte. Sie wurden zuerst getränkt, danach gefüttert. Eine Stunde später stiegen die Scouts in die Sättel und ritten in südwestlicher Richtung davon. Höchstens eine Stunde war es bis Santa Magdalena. Eine halbe waren sie geritten, als sie eine Staubwolke am westlichen Himmel entdeckten. John zügelte sein Pferd und erhob sich in den Steigbügeln. So sehr er seine Augen auch anstrengte, mehr als die Staubwolke konnte er nicht erkennen. »Der Staub entfernt sich von Santa Magdalena«, sagte John. »Es muß sich um einen größeren Reitertrupp handeln.« »Du meinst – Indianer?« »Keine Ahnung. Eigentlich ist es undenkbar, daß sie so nahe an eine Town herankommen. Reiten wir weiter und lassen wir uns überraschen.«
Nach wenigen Minuten tauchten die ersten Häuser auf. Kurz darauf ritten sie in die Main Street. Die wenigen Passanten, die die Stepwalks bevölkerten, benahmen sich ohne Ausnahme wie normale Bürger. Die Scouts ritten bis zum anderen Ende der großen Siedlung und kehrten um. »Wir scheinen uns getäuscht zu haben«, sagte Miller, warf vorsichtige Blicke in die Runde und musterte jeden waffentragenden Mann. »Anscheinend. Wo steigen wir ab, Curt?« »Im Galiuro, wo denn sonst?« »Okay. Reiten wir hin.« Vor dem Hitchrail stiegen sie ab und banden ihre Pferde an den runden Halfterbalken. Bevor sie eintraten, klopften sie sich den Staub aus der Kleidung. Aus dem Saloon drang kein Laut. Um diese Tageszeit arbeiteten die Männer in den Minen oder auf den eigenen Claims. John stieß die Schwingtür auf und trat ein. Curt folgte ihm dicht auf. Es war tatsächlich nichts los. Kühle Dämmerung beherrschte den Raum. An dem einzigen besetzten Hintertisch beim Tresen saßen zwei Oldtimer und frühstückten. Von Lily oder dem Keeper war nichts zu sehen. Die beiden Scouts nahmen an einem runden Tisch Platz. Der Keeper kam durch eine hinter der Theke gelegenen Tür in den Schankraum, und erkannte die Gäste. »Wieder mal in der Stadt?« fragte er und grinste. »Nach deinem letzten Auftritt in Santa Magdalena, Curt, bist du ganz schön lange weggeblieben.« Miller nickte. »Konnte der Brand rechtzeitig unter Kontrolle gebracht werden, Eustin?« »Lieber Himmel!« Eustin winkte ab. »Das bißchen Unkraut… Kaum der Rede wert. Frühstück oder Mittagessen?« »Zunächst Bier und einen Baconora. Wir essen später. Gibt's
Neuigkeiten?« »Das übliche. Überfälle durch die Apachen, ein paar Schießereien, in Bisbee wurde die Bank überfallen und in Bosque Bonito eine junge Frau am hellichten Tag entführt. Wie ich hörte, sollen die California Volunteers über Fort Yuma nach Arizona geschleust werden. Es ist schon eine armselige Zeit, in der wir leben.« »Was wollen die Volunteers bei uns?« »Verstärkung der Siebenten, weil die Dritte nach Neu Mexiko verlegt werden soll. Die Army macht auch, was sie will. Ich verstehe das alles nicht mehr. Jetzt bringe ich euch erst mal die Drinks.« Er schlurfte davon. Curt hatte es nicht gewagt, nach Lily zu fragen. Eine seltsame Scheu hielt ihn davon ab. Als Eustin eine Weile später die schäumenden Biergläser auf den Tisch stellte, die Schnapsgläser dazu, sagte John Haggerty: »Vor einer halben Stunde sahen wir in der Wüste eine mächtige Staubfahne, die sich nach Westen entfernte. Irgend jemand hier gewesen?« Eustin schüttelte den Kopf. »Vielleicht 'ne Patrouille? Mir ist jedenfalls nichts bekannt, John.« »Wards Ranch liegt doch im Westen, nicht wahr?« »Im Südwesten. Wenn du zum Apachen-Paß reitest, kommst du bei John Ward vorbei. Weshalb fragst du?« »Ach, aus keinem besonderen Grund, nur so. Was hast du denn heute anzubieten?« »Du meinst Mittagessen?« John nickte. »Steak, Bratkartoffeln und geröstete Tomaten. Ihr könnt auch Rehbraten haben, wenn euch der besser schmeckt. Ein Scout brachte mir gestern eine halbe Antilope… Na ja, das könnt ihr euch selber schießen. Also Steak?« »Okay«, sagten Haggerty und Miller wie aus einem Mund.
Eustin ging in die Küche. Die Seitentür, die zum Hof und dem Treppenhaus führte, wurde geöffnet. Lily kam herein, erkannte Miller und eilte sofort auf den Tisch zu. Die Begrüßung war mehr als herzlich. John Haggerty grinste und rückte einen Stuhl für das Mädchen heran. Schließlich fragte Lily nach Doolin und dessen Bande. Curt lächelte vor sich hin und fuhr sich mit dem Finger über die Kehle. »Tot«, sagte er. »Alle. Diese Gefahr für die Grenze ist keine mehr.« Haggerty legte eine Hand auf Lilys Arm und lenkte ihre Aufmerksamkeit von Miller ab. »War gestern oder heute morgen ein großer Reitertrupp hier?« Lily krauste die Stirn. Ihre grünen Augen musterten den Scout nachdenklich. »Nicht, daß ich wüßte«, sagte sie und ließ den Restsatz in der Luft hängen. »Wen meinst du denn?« »Weiße, Mexikaner, was weiß ich. Irgendwer.« »Nein, niemand, John. Gestern war hier zwar der Teufel los, aber alles bekannte Gesichter. Goldgräber, Leute aus den Minen, ein paar Cowpuncher. Fremde sah ich nicht.« Haggerty bedankte sich. Miller trank von seinem Bier. Über den Rand des Glases hinweg musterte er den Freund. »Weshalb interessiert dich die Staubwolke so, daß du dich ständig nach ihr erkundigst?« »Irgendwer muß sie aufgewirbelt haben, Curt. Und nur ein großer Reiterpulk kann so was… Wenigstens fünfzig Pferde. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer mit einem so großen Aufgebot herumreitet.« »Denkst du an Indianer?« »Indianer oder Kavallerie. Waren es Apachen, ist wieder etwas im Busch. Wenn sie sich in einer solch großen Zahl in die Nähe weißer Ansiedlungen wagen, fühlen sie sich so sicher, daß es fast wie Hohn wirkt.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Miller, nachdenklich geworden. »Was vermutest du?« »Vorerst nichts. Wir müssen uns Informationen beschaffen, und das können wir nur im Armeelager. Nach dem Essen brechen wir auf.« »Nein«, sagte Lily und lächelte über den Tisch. »Ich hatte fest damit gerechnet, daß Curt die Nacht über hier bleibt.« »Er kommt ja wieder«, versprach Haggerty. »Wir sind Scouts, und es gibt Dinge, die für uns vorrangig sein müssen. Ich glaube, unser Essen kommt.« Eustin stellte ein Servierbrett mit Tellern und Schüsseln auf den Tisch, wünschte guten Appetit und entfernte sich wieder. Die beiden Scouts langten zu. Während John kaute, warf er einen Blick auf das schöne Mädchen und erwiderte ihr Lächeln. »Was ist in der Stadt über Old Mike bekannt? Du kennst doch den Oldtimer, oder nicht?« »Natürlich, er ist oft hier, gibt 'ne Lokalrunde, besäuft sich und verschwindet wieder.« »Wann hast du ihn zum letztenmal gesehen?« Sie dachte nach. »Vor guten zwei Wochen. Was ist mit ihm?« »Tot. Doolin hat ihn ermorden lassen und seinen Claim in Besitz genommen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er Erben?« Sie nickte. »Im Osten. Wo…« Sie zuckte mit den Achseln. »Tut mir leid, daß das passierte. Mike war immer freundlich und spendabel.« »Ich werde es dem Provost melden. Die Armee soll sich um die Sache kümmern. Hoffentlich hat der Oldtimer seinen Claim registrieren lassen.« »Hatte er«, antwortete Lily. »Er zeigte mir mal die Urkunde.« John schob den Teller zurück und drehte sich eine Zigarette. Als sie brannte, warf er ein Geldstück auf den Tisch und erhob sich. »Komm, Curt, wir müssen!« Und zu Lily sagte er: »Spätestens in drei Tagen ist er wieder hier. Mach's gut,
Mädchen.« * Cochise nahm den kürzesten Weg zum Rio Penasco. Als der Camino del Diablo hinter ihm lag, wandte er sich ostwärts, kam unweit an Santa Magdalena vorbei und ließ die Animas Plains nördlich liegen. Den Rio Grande, den die Mexikaner Rio Bravo del Norte nannten, durchquerte er mit seinen Kriegern bei Dona Ana. Wo er mit der wilden Horde auftauchte, versetzte er das Land in Angst und Schrecken. Nach zwei Wochen anstrengenden Rittes durch die Wüstengebiete von Neu Mexiko sah er die White Sands vor sich liegen. Der Rio Penasco entsprang am Fuß des Mule Peak, wand sich durch die Berge der Sacramento Mountains nach Norden, um unverhofft wieder in südöstliche Richtung weiterzufließen. Bevor er jedoch den Rio Pecos erreichte, versickerte er einige Male im Sand, um Meilen danach unverhofft wieder aufzutauchen. Am Ende der dritten Woche gelangten die Chiricahuas an den schmalen, seichten Fluß und schlugen an seinem flachen Ufer ein Lager auf. Weidenbüsche säumten den engen Strand. Wilde Haselnüsse wuchsen hier und Krüppeleichen. Am Spätnachmittag ließ Cochise ein großes, aber raucharmes Feuer anzünden. Wenn die Kunde von seinem Eindringen in fremdes Stammesgebiet noch nicht bis zu Yemaspi, dem Mescalero-Häuptling, gedrungen war, so mußte er es nun von seinen Spähern erfahren. 50 Chiricahuas waren schließlich eine auch von anderen Stämmen gefürchtete Streitmacht. Cochise saß allein bei seinem kleinen Kochfeuer. Naiche war bei den Kriegern und unterhielt sich mit ihnen. Leise raunte der Fluß, bewegte sich der Wind in den Ästen der Büsche. Der Jefe wußte, daß sie beobachtet wurden. Aber er tat, als
hätte ihn dies völlig kalt gelassen. Stoisch hockte er mit untergeschlagenen Beinen vor dem rauchlosen Feuer und stierte in die Flammen. Er kannte Yemaspi persönlich, hielt aber nicht viel von ihm. Manchmal war der Häuptling begeistert für eine neue Idee, manchmal ließ er sich aber auch Zeit zum Denken und kam zu keinem Entschluß. Seine ständigen Kämpfe gegen die labilen Mexikaner hatten ihn weich und faul werden lassen. Mit den Weißen ließ er sich nicht gerne ein, weil er deren Überlegenheit fürchtete. Er, Cochise, mußte sich einen besonderen Plan zurechtlegen, wenn er den Mescalero für seine Absichten gewinnen wollte. Ein Appell an die Habsucht hätte nichts genutzt. Die Mescaleros hatten alles, was sie zum Leben benötigten. Und wenn ihnen einmal etwas fehlte, holten sie es sich von den Mexikanern. Bodennebel und Dunkelheit legten sich über den Flußlauf. Es wurde kühl und feucht. Naiche setzte sich neben seinen Vater und legte ein paar Zweige auf die Glut. Nach einer Weile sagte er: »Sie sind da.« »Ich weiß es. Mescaleros sind wie fette Hunde, tölpelhaft und unvorsichtig.« »Sollen wir Wachen ausstellen?« »Ja. Das hält sie von Dummheiten ab.« »Welche erwartest du, Jefe?« »Ich halte die Mescaleros für klug genug, sich nicht mit uns anzulegen. Aber man kann nie wissen. Unsere besseren Waffen könnten sie verleiten, die Pferde, die kleinen Dinge, die wir besitzen. Wer kann in das Herz eines Apachen sehen?« »Du kennst den Weg. Schaffen wir es morgen bis zum Pueblo der Mescaleros?« Cochise schüttelte den Kopf. »Yemaspi wird uns entgegenkommen. Der Punkt, wo wir uns treffen werden, ist hier. Kein Häuptling läßt so gern so viele Krieger eines anderen Stammes in sein Lager.«
Von den Feuern wehte der Duft gebratenen Fleisches herüber. Die Krieger hatten nahe einer Farm zwei Mulis gestohlen und geschlachtet. »Vater, willst du nicht essen?« »Später. Ich werde warten, Sohn, die Nacht ist lang.« »Worauf warten?« »Auf den Häuptling der Mescaleros. Laß nach dem Essen doppelte Wachen aufstellen und ein paar berittene Krieger ausschwärmen. Sie werden uns melden, wenn die Mescaleros kommen.« »Werden es viele Krieger sein?« »Ich weiß es nicht Wir sind nicht auf unserem Stammesgebiet und müssen auf alles achten. Geh jetzt.« Naiche stand auf. »Du denkst an alles, Vater.« Cochise lächelte. Die Zeit verging. Sterne leuchteten am Himmel, der Mond ging erst später auf. Gegen Mitternacht brannten die Feuer zu dunkelroten Glutaugen herab. Es wurde still. Nur Cochises kleine Feuer erhielt Nahrung und knisterte. Der Häuptling hörte, wie die Posten abgelöst wurden. Die lange Nacht ging in einen neuen Tag über. Im Osten wurde es grau. Ein Pferd kam zum Lager galoppiert. Der Reiter sprang ab und lief geschmeidig zum Feuer. Zwei Schritte vor dem Häuptling blieb er stehen und wartete. Als ihm Cochise mit einer Handbewegung gebot, zu sprechen, sagte er in gutturalem Tonfall: »›Pfeilspitze‹ sah Reiter. Er beobachtete sie weiter. Ich bin losgeritten, um dir Nachricht zu bringen, Jefe.« »Wieviel?« Der Krieger zählte an seinen Fingern ab und hielt sie hoch. Cochise entließ ihn mit einer Handbewegung. Sein Kopf sank wieder auf die Brust, er schlief aber nicht. Rastlos arbeiteten seine Gedanken. Er schmiedete Pläne, verwarf sie, um neue aufzustellen. Geräusche drangen vom unteren Flußlauf zu Cochise. Naiche
erschien mit einem Gewehr und setzte sich wieder neben seinen Vater. Sie tauchten so unverhofft aus den ziehenden Nebelbänken auf, daß ihre Gestalten wie Geister aus einer anderen Welt wirkten. An der Spitze ritt ein breitschultriger Indianer mit Stirnband und ärmelloser Jacke aus Pumafell. Sein scharf geschnittenes Gesicht mit den breiten Wangenknochen und den dunklen Augen hatte etwas Undurchdringliches und Unnahbares. Er hielt seinen Pinto mit einem jähen Ruck an, schwang sich herab und blieb vor dem Feuer stehen. Cochise erhob sich langsam und ließ seine Blicke an der Schlange der Krieger entlanggleiten, die auf ihren Ponys sitzen blieben. Er zählte genau acht. Die beiden Häuptlinge standen sich gegenüber, belauerten sich, versuchten herauszufinden, was der eine über den anderen dachte. Aber ihre Mienen blieben ohne Ausdruck. »Willkommen im Lager der Chiricahuas, Yemaspi«, sagte Cochise. »Du bist auf dem Land der Mescaleros ebenso willkommen, Cochise.« Mit dem versteckten Vorwurf hatte Cochise gerechnet. Kein Häuptling sah es gern, wenn ein fremder Stamm auf sein Gebiet wechselte oder Krieger in die Nähe seiner Behausung schickte. Sie reichten sich die Hände. Der Gruß der Weißen war noch zu Mangas Coloradas Zeiten bei den Stämmen der Apachen unbekannt gewesen. Ihr ständiger Umgang mit der Armee und deren Scouts ließ sie die Gebräuche der Weißen immer mehr annehmen. Cochise deutete auf das Feuer. Er ließ Yemaspi den Vortritt und wartete, bis der Mescalero sich gesetzt hatte. »Du willst zum Pueblo am Rio Penasco?« Cochise antwortete mit einer Gegenfrage: »Wenn ich willkommen bin, ja?« »Du bist es.«
»Wie war die Jagd? Sind die Fleischtöpfe der Mescaleros voll?« »Sie sind es. Fleisch und Mais für alle, auch für die Krieger der Chiricahuas.« Cochise bedankte sich. Er bemerkte die gespannte Erwartung in Yemaspis Zügen. Lange durfte er den Häuptling nicht warten lassen, jedenfalls nicht über die bei den Indianern übliche Gebühr, die mit höflichen Redensarten ausgefüllt wurde. »Du stehst im Krieg mit den Gelbhäutigen, Yemaspi?« »Zwischen ihnen und den Mescaleros wird es niemals Frieden geben.« »Das ist gut so. Mein Kampf gilt ebenfalls den Männern mit der gelben Haut.« »Ich weiß es. Du hast eine ihrer Städte vernichtet.« »Agua Prieta. Sie töteten eine Sippe der Chiricahuas, ich mußte sie bestrafen.« »Ich hörte davon. Der Wind trägt die Nachrichten über Berge und Wüsten bis hin zu den Mescaleros. Ist der Friede mit den Helläugigen gesichert?« wollte der schlaue Häuptling wissen. Es dauerte ihm zu lange, bis Cochise zum Kern seines Besuches kam. Daß es nicht deswegen geschah, um sich an den Fleischtöpfen der Mescaleros zu mästen, war ihm klar. Deswegen ritten Indianer keine 300 Meilen durch karstiges Gebiet und Wüstenlandschaften. »Der Friede wird von den Chiricahuas nicht gebrochen, also ist er gesichert. Wir wollen keinen Krieg mit den Weißen.« »Denkt Victorio auch so?« Cochise machte eine abwehrende Handbewegung. »Victorio ist ein Abtrünniger, er, Nana, der Alte und Chato. Der einarmige Häuptling der Bleichgesichter weiß es. Das Palaver mit ihm war gut.« »Der weiße Häuptling kann durch einen anderen ersetzt werden. Wird der Friede dann immer noch sicher sein?« »Das weiß nur der Große Geist. Falls es wieder zum Krieg
kommen sollte, Yemaspi, auf welcher Seite stehen dann die Mescaleros? Auf der Seite der Chiricahuas oder auf der der Langmesser?« Der Mescalero verstand die Bedeutsamkeit der Worte und dachte darüber nach. Nach einer langen Pause raffte er sich zu einer zweideutigen Antwort auf, die Cochise nicht befriedigte. »Es werden immer mehr Wagen und Befestigungen. Um die Befestigungen entstehen Ansiedlungen. Da auch die Weißen leben müssen, nehmen sie Land in Besitz und vertreiben den roten Mann. Der Lebensraum der Apachen wird immer kleiner. Die Straßen zerschneiden diesen Raum in immer kleinere Stücke, und die Wildtiere wandern andere Wege. Schließlich sind da noch die kriegerischen Indianer, die sich an den Bleichgesichtern in den Wagen und Forts schadlos halten. Während wir immer ärmer werden, unsere Frauen und Kinder in den langen Wintern hungern müssen, weil wir Frieden wollen, hungern die beutemachenden Indianer nicht. Sie haben mehr Waffen, Pulver und Blei als wir, und die Weißen, die nicht zwischen friedlichen und kriegerischen Indianern unterscheiden können, weil sie nicht wollen, richten ihren Haß gegen uns, die wir in der Nähe sind. Wir, die Indianer, die sie täglich sehen, sind in ihren Augen die Indianer, die sie überfallen und berauben.« Hierauf gab es eigentlich nichts zu sagen. Es war der Klagegesang aller Rothäute, friedlich oder kriegerisch. Cochise wußte jedoch, daß der Mescalero eine Antwort erwartete. »Unser Volk ist nur noch klein. Laßt uns hoffen, daß Feindschaft zwischen den Weißen und uns niemals wiederkehrt, denn wir haben dabei alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Die Rache, die junge Krieger nehmen, empfinden sie als Gewinn, selbst wenn sie dabei ihr Leben verlieren. Aber die Alten unseres Volkes wissen es besser. Die großen weißen Häuptlinge sagen, daß ihr Gott auch unser Gott sei, daß alle Weißen Brüder des roten Mannes seien. Ich denke, die
Menschen machen sich ihre Götter nach ihren Vorstellungen, und Brüder entstammen dem gleichen Geist. Sie sind nicht so wie wir. Wir sind verschiedene Rassen mit verschiedenem Ursprung und verschiedenen Schicksalen. Es gibt nichts Gemeinsames zwischen uns. Wir entstammen der Erde, sie kommen aus dem Meer. Wir sollten uns für den Tag rüsten, der uns wieder mit den Weißen zusammenbringt. Wenn ich dem Wind, dem Murmeln der Bäche und dem Donner des Himmels glauben darf, ist dieser Tag nicht mehr fern.« Yemaspi sagte grollend: »How!« Damit war der Bund zwischen ihm und Cochise besiegelt. Er stand auf, nahm das Kalumet vom Hals und stopfte es mit der dünnen roten Rinde der gelben Weide. Den Rauch blies er in alle vier Himmelsrichtungen, dann zur Erde und schließlich zum Himmel hinauf. »Cochise sprach weise und vorausblickend. Der rote Mann ist zum Untergang verurteilt. Nichts kann das mehr aufhalten. Aber bevor wir in den Reservaten verkümmern, wollen wir den Kriegspfad beschreiten, wenn sie uns angreifen. Gemeinsam halten wir sie lange auf. Das ist es, was alle Stämme erfahren sollten.« Yemaspi ist schon ein gerissener Häuptling, dachte Cochise. Bevor er sein endgültiges Jawort gab, wollte er hören, welche Stämme der Chiricahua schon auf seine Seite geholt hatte. Die Antwort wurde ihm sofort gegeben: »Mein Weg führt mich zu den Navahos. Wir alle müssen Brüder sein und kämpfen, wenn es erforderlich wird. Alle Stämme der Apachen, die Yaquis im Süden, die Tontos und Mimbrenjos im Norden, die Mescaleros im Osten, schließen sich den Chiricahuas an, wenn Cochise sie ruft. Nur die Navahos fehlen, und zu deren Häuptling reite ich. How!« »How!« sagte Yemaspi und gab die Pfeife an Cochise weiter. *
»Boß, sie sind wieder da«, sagte der Stationsvorsteher Charles Culver aufgeregt zu Thomas Jeffords, der an seinem Schreibtisch saß und Zahlen in ein Buch trug. »Wieviel?« »Diesmal sechs. Wie immer oben auf dem Felsen.« »Laßt sie in Ruhe und kümmert euch nicht um sie.« »Die Nachmittagskutsche muß in einer halben Stunde hier eintrudeln.« »Ja?« »Ich sagte, die Kutsche kommt.« »Na schön, sie kommt doch jeden Tag um die gleiche Zeit. Machst du dir vor lauter Angst in die Hosen?« »Das ist es doch nicht, Boß. Was sollen die Fahrgäste denken, wenn sie von kriegerischen Rothäuten beobachtet werden?« »Nun«, antwortete Jeffords und lächelte schmal, »wie sie am schnellsten aus der Kutsche und in das Haus kommen, das denken sie. Die haben gar keine Zeit, auch nur einen einzigen Blick in die Höhe zu werfen.« »Der Zufall könnte es aber so wollen.« Jeffords winkte ab. »Dann soll der Zufall auch dafür sorgen, daß sich die Fahrgäste nicht ängstigen. Laß nur, Charles, alles halb so wild.« »Was tun, wenn sie die Station angreifen, während die Fahrgäste gerade beim Essen sitzen?« Thomas Jeffords stand auf, stützte beide Hände auf die Schreibtischplatte und fauchte: »Raus, du Einfaltspinsel! Schnell raus hier! Wie sollen ein paar Krieger die befestigte Station angreifen?« Charles Culver verschwand wie ein Geist. Als er vor das Haus trat, blickte er abwechselnd zum Plateau hinauf, und auf die Paßstraße. Noch war nichts zu sehen, nur die Rothäute hockten reglos auf ihren Mustangs und glotzten herab. Wenig später hörte er das Rollen und Knirschen der Räder, und als die Concord näher kam, vernahm er auch das Quietschen der
Federn. Charles ging weiter, warf einen Blick in die Gästestube und sah, daß der Tisch gedeckt war und die Kerzen in ihren Haltern brannten. Aus der Küche drang ein lieblicher Duft, der seine Magensäfte anregte. Burt Kelly und Norbert Walker konnten schon kochen, wenn sie wollten. Meistens waren die beiden Kerle faul und verkrochen sich irgendwo, wenn sie nichts zu tun hatten. Noch einmal warf er einen scheuen Blick in die Höhe, trat dann durch das Tor nach draußen und wartete. Auf der Straße weiter unten wurden die Geräusche deutlicher. Staub wallte auf und trieb mit dem Wind ab. Wie jeden Nachmittag um diese Zeit lenkte Maritoba Jones die Kutsche von Tucson nach El Paso über den Paß. Eine Stunde Pause war am Apache-Paß vorgesehen, während die Pferde gewechselt wurden und die Fahrgäste ein Essen einnahmen. Wie auch jeden Tag kroch die schwere Concord, gezogen von sechs schwarzen Pferden, durch die Kehre und gewann unter Flüchen des Fahrers die letzte Steigung vor der Station. Maritoba Jones saß auf dem Bock, die schweren Hände mit den dicken Adern um die Zügel gekrampft, neben ihm Ben Lindfords, der Beifahrer, die Einfield zwischen den Knien und den Revolvergurt griffbereit um die Brust geschnallt. Jones war bärtig, rauchte Pfeife, Lindfords kaute Tabak und war, wenn er Zeit zum Rasieren hatte, glatt im Gesicht wie eine Schlangenhaut. Beide redeten nie miteinander, wenn sie auf dem Kutschbock saßen und in die Landschaft starrten. An diesem Tag jedoch war es anders. Jones deutete mit der Peitsche zum Plateau hinauf und knurrte: »Dreimal sah ich sie, und dreimal geschah nichts. Wann werden die Kerle endlich aufhören, uns zu beobachten?« Lindfords nickte. »Ich beobachte sie schon lange. Tontos. Warum sie uns belauern, weiß ich auch nicht. Wenn sie was wollen, sollen sie kommen. Ich fülle ihre Bäuche so mit Blei, daß kein Gaul sie mehr tragen kann. Gib deinem lahmen Zossen
mal die Peitsche zu fühlen.« Maritoba Jones warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ich schlage kein Pferd«, brummte er. »Was sollen die armen Viecher von mir denken, he? Ist nicht schon genug Barbarei auf dieser Welt, he?« »Well, mehr als genug. Du sollst sie auch nicht prügeln, sondern die Schnur mal kurz knallen lassen. Das bringt sie in Bewegung. Kapiert?« Lindfords lächelte. »Was meinst du, warum sie das tun?« »Liegt doch auf der Hand, Mann. Sie wollen in Erfahrung bringen, was hier oben vorgeht. An- und Abfahrt der Kutschen. Anzahl der Reisenden. Sind sie bewaffnet oder nicht. Eines Tages werden sie hinter uns her sein wie der Teufel hinter einer armen Seele. Bin gespannt, wer schneller ist. Ihre Mustangs oder unsere Rassepferde.« »Sie natürlich. Sie können uns den Weg abschneiden, während wir an die Krümmungen der Straße gebunden sind. Ob sie's schaffen werden?« »Was?« »Uns beide abzumurksen?« »Dich vielleicht, mich nicht.« »Und warum nicht dich? Bist du unsterblich?« »Klar«, antwortete Jones und grinste. Beinahe wäre ihm die Pfeife aus dem Mund gefallen, als er die Lippen bewegte. »Klar, unsterblich. Wenn deine morschen Knochen schon lange auf der Prärie bleichen, führe ich immer noch 'ne Concord, verlaß dich drauf.« Er sah Ben an, grinste und richtete anschließend sein Augenmerk auf den holprigen Fahrweg. Lindfords spuckte einen mächtigen braunen Strahl Tabaksaft zur Seite und nahm das Gewehr in die Armbeuge. Er betrachtete aufmerksam die Klippen hoch oben auf der linken Paßseite und ließ sie. nicht mehr aus den Augen.
Maritoba Jones fragte: »Weshalb stierst du ständig auf die nackten Felsen, Ben? Gibt's da was zu sehen?« »Wenn es nichts zu sehen gäbe, würde ich's doch nicht tun, oder?« »Okay, okay. Und was, außer Felsen, sehen deine müden Augen?« Ben Lindfords kicherte. »Meine müden Augen sehen Indianer, nichts als Indianer, du Sohn eines Maulesels.« Maritobas Kopf ruckte nach oben. Er zuckte zusammen, als hätte ihn ein Insekt gestochen. Mehr als zwanzig Rothäute stierten auf die Station. Sie saßen auf ihren kleinen, zähen Mustangs und rührten sich nicht. Jones blickte nach rechts. Die fünf Tontos waren noch da. Beide Gruppen schienen auf etwas zu warten. Tontos und Mimbrenjo-Apachen, die richtige Mischung für einen heißen Totentanz hier oben beim Paß. Jones lächelte grimmig. Er hatte es seit langem befürchtet, und nun war es soweit. Die Station kam in Sicht. Rauch kräuselte über dem Schornstein. Charles Culver stand vor dem Tor und winkte. Lindfords winkte zurück, beobachtete aber dabei die Apachen. Maritoba hob die Peitsche und zeigte mit ihr auf die linke Seite des Paßsattels. Culver sah hin und erstarrte. Gehetzt rannte er ins Haus, kam mit Jeffords und Walsh wieder heraus, mit Buck und Larry, Gewehre in den Händen. Maritobas Jones lenkte die Kutsche durch die Einfahrt, hielt an, sprang ab und verkeilte die Vorderräder. Walsh öffnete den Schlag. Vier männliche Fahrgäste und zwei geschminkte Frauen stiegen aus. Schwitzend und stöhnend schleppten sie sich ins Haus. »Sieht gar nicht gut aus«, sagte Jeffords zu dem Kutscher und musterte die Phalanx der Apachen. »Was mögen sie nur vorbereiten? Seit Tagen beobachten sie uns, halten sich der Station aber fern.«
* John Haggerty zügelte seinen Grauen. Die Spur lag so deutlich vor ihm, daß er nicht abzusteigen brauchte, um sie zu erkennen. Unbeschlagene Pferde waren hier hintereinander geritten und hatten eine tiefe Fährte in den Sand gegraben. Miller hielt neben seinem Freund und fragte: »Wieviel schätzt du?« »Wenigstens fünfzig, wahrscheinlich mehr.« »Apachen?« »Wer sonst? Andere Stämme gibt's hier nicht. Weiß der Teufel, was sie wieder vorhaben.« »Cochise hat Frieden versprochen. Hält er so sein Wort?« »Müssen es Chiricahuas sein, Curt? Ich tippe auf Mimbrenjos. ›Old Vic‹ hat niemals versprochen, seinen Guerillakrieg gegen die Weißen einzustellen.« »›Old Vic‹? Du meinst Victorio?« John nickte. Seine Blicke schweiften in die Ferne. Die graue Wand der Berge stand wie eine Bastion in der hitzeflimmernden Luft. In diesem Moment ahnte er, daß dort draußen etwas vorging, wovon er keine Ahnung hatte. Curt starrte immer noch auf die tief eingeprägte Fährte, als hätte sie ihm verraten können, wer ihr Urheber war. Sie kam von Südwesten und verlief nach Osten. Er konnte sie wie eine Schnur verfolgen. »Sonora«, sagte er und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die tiefen Gebirgseinschnitte in den Dragoons. »Ganz sicher«, bestätigte John. »Camino del Diablo. Ich verwette meinen schäbigen Bibi gegen einen Zwanzig-Gallonen-Hut, daß sie aus der Gran Desierto kommen und…« »Was und?« »Ich weiß es nicht. Bei allen klumpfüßigen Teufeln, das sind niemals Mimbrenjos oder Tonto Apachen. So weit nach Süden
gehen sie einfach nicht.« »Ganz meine Meinung. Was denkst du?« »Chiricahuas.« »Cochise auf dem Kriegspfad? Glaube ich nicht.« »Ich auch nicht. Dazu war bisher kein Anlaß gegeben. Solange wir Weißen nichts gegen die Chiricahuas unternehmen, bleiben sie in ihren Hochtälern. Trotzdem, Aufmerksamkeit kann nicht schaden. Wir werden es dem General melden. Eine Patrouille, von einem guten Scout geführt, wird schnell herausbekommen, was die Kerle vorhaben.« Miller kicherte. »Mit dem guten Scout meinst du dich?« »Und dich.« Haggerty lächelte. »Wir beide haben mit Cochises Stamm die meiste Erfahrung. Reiten wir!« Sie trieben die Pferde über die Spur und schlugen den Weg nach Nordwesten ein. Dunkelheit fiel über das Land, als sie die Zelte vor sich sahen. Die Posten erkannten sie und ließen sie durch. Haggerty ritt zunächst zum Corral. Dort stiegen beide ab und überließen ihre Pferde dem herbeieilenden Corporal. »Kantine oder General?« fragte Miller und leckte sich die Lippen. »General zuerst, dann Kantine.« Vor dem Generalzelt blieben die Scouts stehen, klopften sich den Staub aus der Kleidung und rieben ihre feuchten Hände an den Hosenbeinen ab. John trat zuerst ein und begrüßte die Ordonanz. »Army-Scouts Miller und Haggerty vom Einsatz zurück. Können wir den General sprechen?« Lieutenant Deder stand lächelnd auf und reichte ihnen die Hand. »Wie schön, Sie wieder zu sehen«, sagte er. »Einen Moment, ich melde Sie an.« Er verschwand durch die Öffnung in der Trennwand. Die
Scouts hörten ihn sprechen. Nach einer Weile kam Deder zurück, nickte ihnen zu, hielt den Türverschluß in die Höhe und ließ den derben Stoff hinter ihnen wieder zufallen. In dem hinteren Zeltabteil brannten die Kerosinlampe und zwei Kerzen. Der Kartentisch war wie immer vollgepackt. Außer dem General waren Colonel White und Colonel J. H. Richards anwesend. Richards sah angegriffen und grau im Gesicht aus, war körperlich aber wieder auf der Höhe. Das eisgraue Haar, in der Mitte gescheitelt, hing ihm seitlich bis auf die Schultern. Howard drückte den Scouts die Hände. »Sie waren lange unterwegs, Gentlemen.« Das flackernde Lampenlicht warf Schatten, und die stickige Luft schien bei der Frage noch dichter zu werden. John sah die drei Uniformierten starr an. Gewohnheitsgemäß machte er den Wortführer, aber er brachte keinen Ton heraus. Völlig geistesabwesend starrte er ins Leere. Er sah die Fährte vor sich und verfolgte sie mit einem inneren Auge. Richards schüttelte verwundert den Kopf. »Nun?« sagte er scharf. »Geben Sie dem General doch Antwort.« Auch White empfand das Schweigen als Belastung. »Los, Mann, reden Sie!« Haggerty fuhr sich mit der Rechten über das schwitzende Gesicht, während Miller von einem Fuß auf den anderen trat. Er verstand Johns Verhalten nicht und wurde unsicher. Er konnte nicht ahnen, daß dem Freund in diesen Sekunden eine seltsame Ahnung kam, die weitreichende Bedeutung haben sollte. Langsam befreite sich John aus seiner Erstarrung. Er bemerkte die verwunderten, fragenden Blicke der Offiziere und riß sich zusammen. »Sir«, sagte er nach einem tiefen Atemzug, »die Outlaws, die wir verfolgen, sind tot. Von ihnen droht keine Gefahr mehr. Ihr Boß, Hank Doolin, wurde von mir in Notwehr erschossen, und die…«
»Unwichtig, Mr. Haggerty.« Howard winkte ab. »Banditen und Grenzaufwiegler verdienen nichts anderes. Für Ihren rastlosen Einsatz bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. Ihnen, Mr. Miller, selbstverständlich auch. Ihr Protokoll geht ans Kriegsministerium. Die Herren Minister und Generäle sollten erfahren, mit welchen Schwierigkeiten wir im Apachenland zu kämpfen haben. Doolin, hm. Von ihm und einer Bande Desperados also wurde das Land aufgewiegelt. Sonst noch etwas?« Haggerty wollte den Kopf schütteln, aber die eiskalten Augen Colonel Richards hinderten ihn daran. Statt dessen nickte er. »Wir stießen nördlich von Santa Magdalena auf eine Spur unbeschlagener Pferdehufe, General… Sir. Wir machten uns beide Gedanken über die Fährte und kamen zu dem Schluß, daß es Chiricahuas waren, die einige Stunden vor uns in östliche Richtung geritten waren.« »Na und?« Richards strich sich den eisgrauen Schnurrbart und stierte Haggerty an, als wollte er ihm die Worte einzeln von den Lippen saugen. »Chiricahuas, glauben Sie?« fragte Howard und fühlte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. »Sind Sie sicher?« »Einer Pferdespur sieht man nicht an, wer sie verursacht hat. Ein Pferd, ja. Aber wer auf dem Pferd saß, läßt sich nur vermuten«, erwiderte John. »Tontos und Mimbrenjos kommen nicht so weit in den Süden, jedenfalls nicht in größeren Trupps. Ihre Coups landen sie mehr im Westen, der von den Chiricahuas nicht so dicht besiedelt ist.« »Sie sagten uns noch nicht, wieviel Apachen es waren, die so nahe an einer Ansiedlung vorbeiritten«, sagte Richards. »Mehr als fünfzig, Sir. Genau kann man die Zahl der Reiter nicht feststellen, weil sie hintereinanderreiten und ihre Fährte verwischen.« Howard fragte: »Cochise?« »Nur eine Vermutung, Sir.«
»Nach Osten, sagten Sie?« Haggerty und Miller nickten. Miller sagte: »Sie kamen durch den Camino del Diablo und wechselten hinter dem Canyon die Richtung. Auch das ist nur eine Vermutung, Sir.« »Wenn wir einmal unterstellen, daß sie aus Sonora kamen, die Gran Desierto durchquerten und schließlich den einzigen Canyon in dieser Gegend benutzten, der Arizona und Sonora miteinander verbindet, warum ritten sie dann nicht durch den Canyon de los Embudos, um ihre Apacheria in den Bergen zu erreichen?« Die Überlegung des Generals hatte etwas für sich. Sie war logisch und verriet ausgezeichnete Landeskenntnisse. Haggerty hatte seinen Schock inzwischen überwunden und fühlte sich von Minute zu Minute sicherer. Seine Antwort kam klar und deutlich: »Sir, sie wollten am Apache-Paß nicht gesehen werden. Ich nahm an, daß es der Hauptgrund ist. Cochise mag sich noch von anderen Erwägungen leiten lassen, die für uns im Augenblick unerfindlich sind. Er wollte nicht gesehen werden, das ist es.« »Und weshalb nicht?« »Um diese Frage beantworten zu können, General, müßte man seine Absichten kennen und sein Ziel erraten.« »Im Osten liegen die Hachitas in Neu Mexiko, der Rio Grande, die Sacramento Mountains und der Pecos«, sagte Colonel Richards. »Das ist richtig, Sir. Und die Mescalero-Apachen.« »Ist dieser Gedanke nicht etwas zu kühn, Haggerty?« fragte Howard. »Das wären beinahe dreihundert Meilen.« John nickte. »Dreihundert Meilen, ja, Sir. Was sind schon dreihundert Meilen für Indianerpferde? Sie haben Zeit und brauchen sich nicht zu beeilen.« Betretenes Schweigen legte sich über die Anwesenden. Der Scout hatte deutlich zum Ausdruck gebracht, was er von dem
Zug der Chiricahuas dachte. General Howard sah schwarze Wolken am Horizont auftauchen. Wolken, die nichts Gutes verhießen. Er sagte zwei Worte und brach ab, weil er sich vor der Konsequenz der Antwort fürchtete: »Sie meinen…?« Haggerty nickte und vollendete den Satz auf seine Art: »Ich meine, daß ein Funke genügt, das Pulverfaß zur Explosion zu bringen. Gnade Gott den Weißen, die diesen Funken auslösen!«
ENDE