Dietrich Pelte Die Zukunft unserer Energieversorgung
Diet rich Pelte
Die Zukunft unserer Energieversorgung Eine Anal...
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Dietrich Pelte Die Zukunft unserer Energieversorgung
Diet rich Pelte
Die Zukunft unserer Energieversorgung Eine Analyse aus mathematisch-naturwissenschaftlicher Sicht STUDIUM
VIEWEG + TEUBNER
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. Dietrich Pelte Dietrich Pelte begann das Studium der Physik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Jahr 1958 und schloss es im Jahr 1965 mit der Promotion ab. Danach folgten mehrj ährige Forschungsaufenthalte an den CRNL in Kanada, dem ORNL in den USA und dem WI in Israel. Im Jahr 1975 wurde er Professor für Experimentalphysik an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und forschte bis zum Jahr 2003 auf dem Gebiet der Kern- und Schwerionenphysik mit Experimenten an der GSI in Darmstadt und beim CERN in Genf. In den letzten Jahren seiner Lehrtätigkeit hat er neben den allgemeinen Kursvorlesungen im Rahmen von interdisziplinären Studiengängen auch Vorlesungen zum Thema Energie gehalten .
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ulrich Sandten
I Kerstin
Hoffmann
Vieweg +Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www .viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen , Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften . Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0989-6
Vorwort "\ Vie sieht die Zuku nft unserer Energieversorgung aus"? Eitle Ant wort auf d iese Fra ge entscheidet auch die viel allgerueincre Fra ge: "\ \'ie sieht unserer Zukunft aus"? In der Ta t , die Ellcrgie ist eine der wichtigsten Größen, die entscheidend für unsere Zukunft sein werden. Dabei ist Energ ie keineswegs etno Grük , deren Bed eut ung, je nach C os chmack und Laune. sich von uns verändern und deren Ver wendu ng sich beliebig ma nipulieren ließe , Sü ndern Energie ist eine wohldefinierte physikalische ). 1 ~"g röRe, die in vielfacher Fo rm in physikalischen Geset r.cll auftritt, und deren Eigensch a ften durc h eben diese Geset ze hesrimmt. werden. Di('S(' Geset ze sind wiederum seihst ein Abbild der Nat ur . sie stellen in mathematischer Fo rm die messbare Xar ur dar. wie sie sieh aus der Verga ngen heit in ih ren gcgcnwärt igen Zust and ent wickelt hat , und wie sie sich in Zukunft. entwickeln wird . Inso fern ist die Fr age nach der Zuk unft. unserer Energieversorgung zu allererst eine physika lisehe Fr age, uud zu ihrer Beantwort ung sollten physi kalis che Me t hoden verwendet werden. Ins besonders sind die benötigten physikalischen Gr undlagen so gesichert , da...s kei n Ra um für bis heute unbekannte Energie formen oder ähnliche Spekularionen besteht . Auf der anderen Seite wäre eine Dars tellu ng von Energ ieproble me n steherheb unvollständig, wenn diese nur im Ra hmen physikalischer Geset ze erfolgte. Es macht gerade d ie ungeheure Bedeut ung de r physikalischen Größe ' Energie' aus, da">.... sie in alle As pe kte unseres Le bens eingreift. insbesondere auch in den Teil. der allgemein mit den Begriffen 'Wohlst and ' und ' Lebenss tandard' umschrieben wird . Dies es sind Begriffe der Ö konom it' und oft, aber vollständig unlx-rcchtigt., wird daher auch die ' Energie' als eine ökonomische G röße angesehen . \Vcnn in diesem Bu ch die Bedeut ung de r Energie mögliehst umfassend behandelt werden soll, dann müssen ökonomische Fragen wenigstens ansat ewcisc auch behandelt werden . Der Autor dieses Buchs ist kein Ökonom , aber vie le ökonomi sche Probleme lassen sieh mit ~ letheden behandeln. welche auch in der P hysik gebräuchlich sind. Dies ist besonders dann wichtig, wenn es UlII zukünftige Ent wick lungen geht. Und insofern wendet sich dieses Buch nic ht all ein an die Leser mit naturwissensdlaftlich-t edlllisdll'm Int eres se. sondern allgemein an alle Leser, die sic h mit der I'r age besdläftigell, welchen Weg die Entwicklung der menschltchen Gesel lschaft in Zuku nft nehmen könnte. Um allen Lesern gerecht zu werden , lx-handelt dies es Buch daher da.... Problem der Energie" versorgung auf zwei Eb enen. Da ist zunäd ls t die Ebene, welche die Ta tsachen und ihre Zusa mmenhänge schildert und darstellt , welche Fo lgerungen daraus abzuleiten sind . Dies e Ebene ist für den normalen Lese r die wichtigere Ebene, denn sie gibt die Ant worten auf die für uns wichugen Fr agen bezüglich der Energieversorgung. Aber diese Ebene i:o;t zunächst auc h die weniger objekti ve Ebene, denn welche Antworten gegeben werden, scheint von persönlichen Eins tellungen und Vorulngouonunenheiten abzuhängen . .ledor mag zu einer anderen, seiner persönlichen Antwort gelangen. Ers t in der zweiten Ebene, de r ph:....sikalischen Ebene [genannt P-Ebene), wird die Notwendigkeit de r in diesein Buch gewählten Antwort. da rgelegt. und es wird gezeigt , wie sich diese Antwort aus den Gesetz mäRigkeiten der Xat ur ergibt. Die P-Eb ene benut zt an vielen Stellen eine andere, nämlich die mathematisc-he Sprache . Des wegen mag für viele Leser diese Ebene wenig er t rauspareut und verständlich erscheinen, Sie bildet aber das Fundament für die
erste Ebene, die, so hoffe ich. für jeden Leser verständlich ist. D1\,'; bedeutet nicht . da...." auf dieser Ebene die Welt der Zahlen vollständig ausgeblellllet , oder auf Formulierungen mithilfe von Gleichungen verzichtet werden kann. ~ Ian kann die Grübe der \ r eltbcvöfkerung nur durch eint' Zahl angebe]!' und der Energiebedarf dies er Bevöl kerung kann nur durch eine Za hl spezifiziert werden. Ebenso ist es z.H. wesentlich einfacher, die Beziehung zwischen Energie und Entropie mithilfe einer Gleidlllng anzugehen, als sie mit vielen \\'or t Pll zu umschreiben . Bei der DtskussiOll, welchen Abhängigkeiten zwischen Zahleuwcrten sich aus diesen Gleichungen ergeben, werden wir grafische Da rstellu ngen bcmuzeu. Dem naturwissenscbaftlich-tedllli;;eh lut eres sierten gt'nügt meistens schon die Gleichung selbst, um die entsprechenden Fo lgerungen zu ziehen. Dies geschieht in der zweiten. der physikalischen Ebene. Damit belde Ebenen sich auch optisch unterscheiden. besitzt die 1'- Ebene in diesem Buch ein kleineres Schriftbild als die erste Ebene. Um! die ('- Ebene ist gekennzeichnet durch eine dreist eilige Kapitelangabe . also zum Beispiel das Kapitel -1.5 .2: Ein einfaches Klimamodell gehört zur P-Elw ne. Jede messbare Größe kann mithilfe oiuor Zahl spezifiziert werden. Dass dies allein nicht ausreicht, sondern da....'i auch die ~ Iaf,f'illll('it für diese Größe mit augegeben werden lIlUSS, damit werden wir uns in Kapi tel z.L! beschäftigen . Darüber hinaus ist es wichtig für die Cenauig kcit des Zahleuwerrs . da,,,,,, die Quelle zuverfii.'isig ist, der die Zahl entnommen wurde. \Vir werden in diesem Buch nicht jedesmal die Q uelle für den Zah lenwert angeben . Die meist en der in diesem Buch aitiorten Zahlen st amuwn aus statistischen Übersichten, die ohne Kosten für jedermauu über das Int ernet zugänglich sind . Die atn häufigsten benutzten Quellen sind: • Statistisches Hundesann Deutschland ( 1Vtt'w. (k~ t (! t is . de) • Energv Informa tion Administration ( unmv.eill.doe. yo1J ( in Englisch)) Infonnationen über regenerative oder erneuerbare Energien findet man zum Beispiel bei • Bundesmluistcdum für Umwelt , Naturschurz und Reaktorsicherheit ( wll'11'.ern cue r bn(Ccn nljien.de)
• \Vor ld Energy Couucil ( ww'w.um rlde nc lTJy.otlj (in Enl!;liseh )) \\'eilerhin sind Infonuarioncn aus folgenden Büchern in den Inhalt dieses Buchs eingeflossen:
• J. Fricke & W . 1,. Borst: Energie (H. Oldcnbourg Verlag , München 1981) • K. llclnlorh: Die Energiefrage (Verlag Viewcg, Bra unschwcig H.I!J7) • ~ L Kaltsd nu id t &: A. Wiese: Erneuerbare Energien (Springer Verlag, l h-idelbcrg 1!.l!J7)
• W. Hoedel: P hysik unserer Umwelt (Springer Verlag. lloidelberg 19!J-I) Bei den thermodynanuschen Aspekton der Energie war dll.'i englischsprachige Buch • P. Hichet: The Physical Basis of Thermodynamtes (Kluwer Amdemic/ Plenllm Pu bllshers . Xew York 2(01) sehr hilfreich .
Das vorliegende Buch haut auf Vorlesungen auf, die der Autor für Studenten der P hysik, aber auch für Hörer anderer Faku ltäten, im Rahmen des Studiengangs Umwelt ökonomie an der Univers it ät Hcidelborg in den Jahren 1998 - 2001 gehalten hat. Als Referenzj ahr wurde das J ahr 2000 gewählt und dies hat sieh auch in diesem Huch nicht. geändert. Das Xlunuskript zu diesen Vorlesungen wurde im Internet veröffentlicht und fand hreites Int eresse auch bei vielen , die nicht die Vorlesu ng besucht. haben. Xerür tich sind seit 2000 einige Jahre vergangen, in der sieh die Gegebenheiten bezüglich der globalen Energieversorgung stark verändert haben und wohl auch weit er verändern werden. Um diese Verän derungen zu berücksichtigen und UllI die in diesem Hur-h gemachten Vorhersagen nachprüfen zu können, kann über das Int er netport al • htt p:j jenergic l . physlk . uni-huldelbcrg.de auch weiterhin das Manus kr ipt Energie:3 abgerufen worden. Das vorliegende Buch ist natürlich kein Lehrbuch der Physik , es benutzt aber wenigstens auf de r zweiten Ebene Met hoden und Lehrsät ze der Physik. die manchem Leser nicht vertraut sein mögen . Die Anforderungen zum Verständnis in dieser Ebene entsprechen etwa dem \Vissnnsstnnd, den Schüler nach dem Abschluss der gymnasialen O berstu fe an deutschen Schulen besitzen sollten . F ür den Fa ll, dass Sie , vereh rter Le-er. sich etwas eingehender mit den physikalischen Konzepten zur Beschreibung der j\ at.ur auseinanderset zcn wollen, und wie diese Konzepte in eine adäquate mathemattsehe Formulierung umgeserat werden, dann empfehle ich Ihnen mein Lehrbuch • D. Polt e: P hysik für Biologen (IS B:'\ :J-5·1O-21Hi2-·1 Sp ringer Ver lag. Heldclbcrg 2{)(J.l ) Anders als der T itel vermuten libst , cnthiilt dies es Buch eine allgemeine Darstellung der P hysik, die sich an ein breites Publikum woudot, das sieh mit narurwissonsr-haft.lk-hen Fragon lind P ro blemen bcschliftigt , Aber euch andere physikalische Lehrbücher können diese Aufgabe ülx-rm-luneu. wobei dann unter Umstä nden eine andere Dars tellu ngsweise und Xomenklatur verwendet wird, als sie dieses und das oben angegebe]Le Lehrbuch verwenden. :\Iein besonderer Dan k gilt (kill Physikalischen Insti t ut de r Ruprccht- Karls-U uivcrsit tit Hcidelberg. rlas mir auch nach dem Ende meiner Lehrt ä tigkeit gestaltete, die Ressourcen des Inst ituts weiter 701] benutzen, ohne welche die Fe rt igstellung dtese, Buchprojek ts unmöglich gewesen wäre . Ich möch te auch dem Vicwcg-Tcubnor Ver lag und seinem Cheflektor Ulrich Sandt en danken, der das P roj ekt initiiert und sorgfältig bot reut hat.
llcidclbcrg . J u li 200fJ
Dietriele Pelte
Inhaltsverzeichnis 1
2
E in le it u n g 1.1 T heorcris cho Gru ndlagen 1. 1.1 J)('I" 1.11 0) , also z.H, die Sola reuer gie, die innere Energie des SYStf'IllS H'rgriiM'rtl muss. Der 1. Ha uptsat z steht damit im \\' iders pru d l zu dor Behauptung. diese Energie 6. 11' könnte verbraucht werden, und hat viele Leute veranlasst, IlJl der Gült igkeit des I. Hauptsatzes Fiir das System Erde zu zweifeln. Als Argument wird gewöhnlich angcfiihn, dass der 1. Hauptsatz nur für abgeschlossene SyStl'UW gelte und d ie Erde kein abgeschlossenes System sei. Aber diese Argumentutfon ist Ialseh. Der 1. Haupt sa tz kennt die B('g riff(' ' Encrgieverbrauch' und ' Energk-erzeugung' über ha upt nicht und daher ist os besser, sie in Diskussionen übor Energie erst gar nicht zu benutzen. Da rüber hinaus löst die Xichtabgeschlosscnheit des Systems Erde gl('idlzPitig den \\' idl'f sp rul'h:
KAP ITEl. 1.
EINI.EIT USG
10
Die Energieaufnahme wird kompensiert durch eine etwa gleich gro ke Energieabga be. Ma t hema nsch wird dies beschrieben durch das K ontl mr it.Iit sgcsct.z:
f i \l'
·dA -
.i. JpudV = dt
O.
(U )
welches eine Folge des I. Haupt sa t zes ist. Es besagt , dass bei einer zeitlichen Änderung der inneren Energie U die E nergics t.romdlchtc'' i ll' durch die Systemoborflache A ungleich Xull sein muss . Ist dagegen der Zufluss gleich grot> wie der Abfluss. .(+ ) .(- ) . 0 J w +J II" = J lI' = ,
(1.4 )
so bleibt die Energie im System konstant. Dies ist bei der Erde angcniihert der Fr.II. wie wir in Kapite l 4 .5 besprechen werden.
1.1.2
De r 2 . H a u p t sa t z d er Thermo d y n a mi k
Dass t rot z Energieerhalt ung tihcrheupt. Zus ta nds änder ung en in einem System stnttfinden und so Prozesse ablaufen können. verdanken wir einer anderen fundamentalen G rÜM' der Physik. der Entro p ie, Der 2. Hauptsatz besagt., dass jeder Prozess die Entropie S' im System verändert, und zwar so. dass ~S =
J
dQ
T ::::O
( 1.5 )
gilt. Du rch dies e (Un-}Gk ichung wird die Entropieänderung an eine besondere Form der Energie gekoppelt, nämlich an die thermische Energie (\ \ 'iirn lf') Q, wobei die Systemtemperatur T ein zusätzlicher Parameter ist. :\"adl dem 2. Hauptsa tz bk-ibt die- Systeme-ntropie ~ S = 0 nur konstunt , we-nn der Proaessablauf r e versib el ist. BE'i allen ir r e versibl e n P roZ('SS