Es war nur ein Kurzschluß, der das Raumschiff Stellaris in das schwarze Universum schleuderte, in dem die Geschwindigke...
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Es war nur ein Kurzschluß, der das Raumschiff Stellaris in das schwarze Universum schleuderte, in dem die Geschwindigkeit des Lichtes um das Tausendfache überboten wird und unvorstellbare Entfernungen in kürzester Zeit überwunden werden können. Eine zehn Meter hohe Metallpyramide auf dem Mond Kalisto hatte die unbekannte Rasse der kosmischen Angreifer auf die Menschheit aufmerksam gemacht, der heimlich verborgene Sender unterrichtete sie davon, daß die Bewohner der Erde die Schwelle zum Weltraum überschritten hatten und es somit Zeit wurde, sie zu vernichten. Das alles weiß Rod Cantrell nach dem unfreiwilligen Start der Stellaris. Doch als er das Schiff wieder in das normale Universum zurückführt, hat er die Erde verloren, und er befindet sich mit seinen Leuten in einem unbekannten Teil der Milchstraße. Die erste Begegnung mit den Angreifern zeigt deren tödliche Gefährlichkeit, und Rod faßt den Entschluß, nicht eher zur Erde zurückzukehren, bis alle feindlichen Pyramidenschiffe vernichtet sind.
Weitere Romane von MURRAY LEINSTER in der Reihe der Ullstein Bücher: Die Irrfahrten der »Spindrift« (2917) Im Reich der Giganten (2937)
Ullstein Buch Nr. 3242 im Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin – Wien Titel der Originalausgabe: THE BLACK GALAXY Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
Umschlagillustration: ACE Umschlaggraphik: Ingrid Roehling Alle Rechte vorbehalten Copyright © 1954 by Murray Leinster Übersetzung © 1976 by Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin – Wien Printed in Germany 1976 Gesamtherstellung: Augsburger Druck- und Verlagshaus GmbH ISBN 3 548 03242 7
Murray Leinster
Die schwarze Galaxis SCIENCE-FICTION-Roman
Herausgegeben von Walter Spiegl
ein Ullstein Buch
1 Der Vorsitzende des Raumfahrtkomitees strahlte vor Freundlichkeit. Aber schließlich war er Politiker, während Rod Cantrell Soldat und dazu noch ein berühmter Mann war. Erfahrene Politiker wissen jedoch genau, wie man solche Leute behandelt und daß sie höchst unangenehm berührt sind, wenn man allzu offen zeigt, was man denkt. »Erlauben Sie, daß ich Ihnen zu Ihrer Beförderung herzlich gratuliere«, sagte der Vorsitzende lächelnd. »Sie meinen wohl dazu, daß man mich die Treppe hinaufwarf«, fragte Rod ebenso freundlich, aber mit einem trockenen Unterton. »Ich habe nämlich absolut den Eindruck, daß man mich nur deshalb befördert hat, um mir das Maul zu stopfen, und mich auf einen Posten schob, wo ich die Befehle auszuführen habe, die man mir zuschustert.« Der Vorsitzende des Raumfahrtkomitees lachte ein wenig gezwungen. Er mochte einsehen, daß mit seinem Gegenüber nicht gut Kirschen essen war und die Methode, mit ihm zu reden, geändert werden mußte. Vielleicht sollte er mehr Autorität an den Tag legen. »Na na, das dürfte doch wohl übertrieben sein, mein Lieber«, sagte er. »Worüber beschweren Sie sich eigentlich? Das Schiff, welches jetzt gebaut wird, vereint doch wirklich alle technischen Neuheiten in sich.« »Denken Sie!« erwiderte Rod hitzig. »Ich habe schon oft genug vorgeschlagen, die ganze interplanetarische
Raumfahrt an den Nagel zu hängen, bis wir auch interplanetarische Abwehrwaffen besitzen.« Als der Vorsitzende ihn ohne eine Entgegnung nur anstarrte, fuhr er fort: »Ich selbst habe die Pläne für den Antrieb des jetzt gebauten Schiffes entworfen und das Aggregat eingebaut. Ich habe die ersten interplanetarischen Flüge ausgeführt und bin heil zur Erde zurückgekehrt. Und ich dürfte daher wohl auch ein Recht besitzen, Waffen zu fordern. Das, was wir jetzt als Waffen in das Schiff eingebaut haben, bedeutet absolut keine Verteidigung gegen einen Gegner, der ebenfalls Raumschiffe besitzt.« »Lieber Himmel, Sie sind doch gar keinem anderen Raumschiff auf Ihren Reisen begegnet«, sagte der Vorsitzende und zündete sich eine Zigarre an. »Drei Flüge haben Sie gemacht, und auf keinem einzigen trafen Sie auf einen Gegner. Ich möchte nur mal wissen, wer Ihr hypothetischer Gegner aus dem Weltraum sein soll. Sie sagen, er hätte bessere Waffen als wir – woher wollen Sie das denn wissen?« Rod schob sein Kinn vor. Er wußte, daß er sich lächerlich machte, wenn er immer wieder von einer Gefahr sprach, die kein Mensch kannte. Sicher, die Entwicklung der Raumfahrt hatte die Menschheit geeinigt, ein Begeisterungstaumel hatte die Bewohner der Erde gepackt und sie alle Vorsicht vergessen lassen. »Sie wissen, daß es einst Marsianer gegeben hat«, erinnerte ihn Rod. »Sie hatten eine Zivilisation, die der unserigen um nichts nachstand. Ich brachte die Beweise von meiner Reise mit. Sie wurden vor langer Zeit
ausgerottet, und ihre Städte wurden zerstört.« »Und Sie glauben nun, diese mysteriösen Weltraumpiraten, von denen Sie immer sprachen, hätten das getan?« wunderte sich der Vorsitzende und sog an seiner Zigarre. »Das glaube ich allerdings!« Und mit offener Ironie fügte Rod hinzu: »Ich habe die zerstörten Städte auf dem Mars gesehen und sogar die Überreste der Bewohner an einigen Stellen. Dann sah ich die Pyramide auf Kalisto, dem Mond des Jupiter. Kein Mensch hat sie gebaut. Sie wurde von jener Rasse errichtet, die den Mars vernichtete und vielleicht auch den verschwundenen fünften Planeten. Die Pyramide hatte nur die Aufgabe, Funkzeichen auszusenden. Diese haben nun aufgehört, und die unbekannte Rasse in der Tiefe des Raumes weiß, daß der Mensch den Raum erobert hat.« »Sie brachten ja noch nicht einmal eine Fotografie dieser mysteriösen Pyramide mit«, wehrte der Vorsitzende ab. »Nun verlangen Sie von uns, daß wir Geld für Waffen ausgeben sollen. Wir haben Geld für technische Innovationen, aber keines für nutzlose Waffen. Das wäre glatter politischer Selbstmord.« »Nun gut, dann verüben Sie eben physischen Selbstmord!« entgegnete Rod wütend. »Immer mit der Ruhe, junger Mann! Ich werde mit den übrigen Herren des Vorstandes reden, und vielleicht kann ich eine weitere Beförderung für Sie herausschinden. Sie haben sich viele Verdienste erworben, aber jetzt verlangen Sie von mir eine Entscheidung, die mich bei den Nationen
höchst unbeliebt machen würde.« Rod stand auf. Er war sehr bleich geworden. »Wenn Sie meinen, ich wolle Sie erpressen, sind Sie auf dem Holzweg. Ich habe nur versucht, ein wenig Vernunft in Ihren politischen Schädel zu teleportieren. Es gibt wichtigere Dinge, als eine Wahl siegreich zu bestehen – und dazu gehört das Überleben! Ich kann jederzeit aus der Kommission austreten und in aller Öffentlichkeit meine Gründe darlegen.« Das Lächeln auf dem Gesicht des Vorsitzenden blieb, aber seine Stimme wurde eiskalt. »Sie würden damit in dieser Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als wollten Sie die weiteren Pläne der Raumfahrt sabotieren, um der einzige Mensch zu bleiben, der je den Raum bezwang. Ich bin davon überzeugt, daß auch noch andere als Sie dazu in der Lage sein werden, ein Schiff zu führen. Es wird eine Sitzung einberufen werden, und wir werden über Ihre weitere Verwendung entscheiden. Bis dahin haben Sie sich jeder Äußerung zu enthalten. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.« Rod verließ das Zimmer und fühlte einen dumpfen Schmerz. Er wollte doch nichts anderes als ein Raumschiff, das sich gegen den noch unbekannten Gegner zur Wehr setzen konnte, und wenn dieser Gegner nun wirklich nicht auftauchte – um so besser. Doch bis jetzt war er noch Kommandant des Schiffes – und er würde es auch bleiben! Er mußte einen weiteren Beweis für seine Behauptung finden. Vielleicht fand er noch eine Pyramide auf dem Mond, der Krater Tycho wäre dann wohl der gegebene Ort,
falls seine Vermutung stimmte. Dann könnte er auch die Skeptiker überzeugen. Zwei Tage später wurde er erneut befördert – und damit gänzlich kaltgestellt. Hinter einen Schreibtisch setzte man ihn und gab ihm ein Minimum an Autorität. Man dankte ihm für seine Verdienste und wünschte ihm weiterhin alles Gute. Im Augenblick konnte er sich nicht wehren, und auch Kit Bowen, seine Verlobte, wußte keinen Rat. »Das ist unfair«, weinte sie fast vor Wut und Enttäuschung. »Du hast das Schiff und den Antrieb konstruiert, und du bist der einzige, der es wirklich zu steuern versteht. Außerdem ... ach, Rod ...« Er lächelte schwach. »Ich werde meinem Nachfolger alles Notwendige erklären und auch versuchen, ihn von der bestehenden Gefahr zu überzeugen. Vielleicht glaubt er mir eher als die sturen Politiker, die nur die nächste Wahl im Kopf haben – und sonst nichts.« Kit stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Eine weitere Antwort konnte sie nicht geben, denn Tränen erstickten ihre Stimme. Einige Zeit später standen sie beide neben der schimmernden Hülle der Stellaris, an der immer noch gearbeitet wurde. Das Schiff hatte eine Höhe von dreißig, und einen Durchmesser von fünfzehn Metern. Es war das erste interstellare Raumschiff, das je gebaut worden war. Rod dachte an das erste Schiff, mit dem er den Mond erreicht hatte. Dann war der zweite Flug ausgeführt
worden, der ihn zum Mars führte. Nach einigen Zwischenlandungen war er zur Erde zurückgekehrt und hatte Beweise für eine zerstörte Zivilisation mitgebracht. Die Stellaris jedoch sollte dazu dienen, zum erstenmal das Sonnensystem zu verlassen und andere Sonnen anzufliegen. Sie sollte das neue Zeitalter der Kolonisation der Galaxis einleiten. Rod hatte Kommandant dieser Expedition sein wollen, aber man hatte seine Hoffnungen zunichte gemacht. Noch nicht einmal mitfliegen durfte er, und nur deshalb, weil er das Komitee gewarnt hatte – vor einer kriegerischen Rasse, die irgendwo in den Tiefen des Raumes darauf wartete, die Erde und ihre Bewohner anzugreifen. Kit schluchzte: »Es ist unfair, es ist gemein, ungerecht und ...« »Was spielt das schon für eine Rolle«, versetzte Rod bitter. »Sie haben entschieden, und dagegen gibt es kein Veto. Und alles nur, weil ich ihnen von der Pyramide und meinen Vermutungen erzählt habe.« »Was solltest du denn anders machen?« »Ich habe ihnen meine Auffassung erklärt, und sie stimmten mir nicht bei, das ist alles. Ich habe das Gefühl, sie meinen, ich hielte mich selbst für unfehlbar und wolle nur Berühmtheit. Der Vorsitzende glaubt allen Ernstes, ich wolle die Raumfahrt behindern, nur um für immer der alleinige Kolumbus des Alls zu bleiben.« »Welch ein Unsinn!« stellte Kit empört fest. »Von Anfang an haben sie meinem Bericht keinen Glauben geschenkt«, fuhr Rod fort und betrachtete sinnend
die schimmernde Hülle. »Niemals gaben sie ihre Erlaubnis zur Veröffentlichung meiner Entdeckung, und somit erfuhr kein Mensch von der Pyramide auf Kalisto. Das begreife ich heute nur zu gut. Es hätte eine Menge Staub aufgewirbelt und ihre Pöstchen gefährdet.« Kit stand neben ihm, geladen mit einer Portion Wut auf das Komitee, wie ein funkensprühender Dynamo. Rod und sie hatten schon lange beschlossen zu heiraten, aber jetzt schien auch das fraglich. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, er hätte nachgegeben und sein Kommando behalten. Vielleicht hätte man auf der nächsten Reise stichhaltigere Beweise gefunden. Vielleicht aber auch nicht. Oder man wäre »ihnen« begegnet und hätte keine Möglichkeit zur Verteidigung besessen. Nein, er hatte schon richtig gehandelt! Nietautomaten klebten hier und da noch an der Hülle der Stellaris wie Madensucher auf dem Rücken eines Nilpferdes. Die Hauptarbeit jedoch schien beendet, obwohl im Innern des Schiffes noch Klopfen und Hämmern ertönte. Irgendwo erlosch das Zischen eines Schweißbrenners. Dann schwang die Luftschleuse auf, und Arbeiter kamen heraus. Meist waren es Elektriker, die sich zur nahen Kantine begaben, um ihr Mittagsmahl einzunehmen. Zwei Mädchen, zweifellos Assistentinnen der Biologischen Abteilung, standen einen Augenblick kichernd auf der Leiter, ehe sie herabstiegen und Arm in Arm ebenfalls zum Kantinengebäude hinüberschlenderten. Die Lufterneuerungsanlage wurde überprüft und
getestet. Die Laufgänge bestanden noch aus glatten Metallflächen, und die Einrichtung der Kabinen fehlte fast völlig. Die Navigationsinstrumente waren jedoch bereits eingebaut, ebenso die Kraftanlage. Generatoren und Radar, Such- und Druckstrahler, alles war schon vorhanden und getestet. Das Schiff stand bereit, die Erde zu verlassen und in die Tiefe des interstellaren Raumes vorzustoßen, wohin immer sein Kommandant es wollte. Es war das erste von Menschen erbaute Sternenschiff – aber trotzdem war es nicht das erste Sternenschiff an sich. Rod wußte, daß es noch andere gab. Nur ein Unterschied bestand zwischen der Stellaris und jenen fremden, unbekannten Schiffen: Hier bildeten Menschen die Besatzung, dort aber waren es unbekannte Lebensformen, die alle ihre Waffen gegen den menschlichen Fortschritt einsetzen würden. Rod wußte das, seit er damals auf Kalisto jene silberne Pyramide gefunden hatte. Still und glänzend hatte sie dagestanden, fast zehn Meter hoch und mit drei nahtlosen, völlig glatten Dreieckflächen. Sie hatte auf dem Gipfel des höchsten und beinahe einzigen Berges des kleinen Mondes gestanden. Niemals hatten Bewohner des Kalistos diese Pyramide erbaut, und ganz bestimmt waren es keine Menschen gewesen. Undeutliche Reliefs an den Seiten zeigten menschliche Formen, aber das war noch lange kein Beweis dafür, daß Menschen sie erbaut hatten. Zwei mannshohe Türen luden zum Eintritt in die Pyramide ein. Die einfachen Handgriffe hatten vertraute Formen. Ihre Position war so, daß der erste
Besucher aus dem Weltraum sie finden mußte, wenn er Kalisto einmal umrundete. Die Türen und ihre Griffe forderten direkt zum Betreten der Pyramide auf. Die Absicht war zu deutlich. Rod Cantrell aber hatte anders gehandelt, als die Erbauer es sich wahrscheinlich erhofften. Vielleicht war es mehr Instinkt gewesen als überlegte Vorsicht, jedenfalls hatte er sich mit dem Thermitstrahler einen Weg in das Innere gebrannt, ohne eine der beiden vorhandenen Türen auch nur zu berühren. Dann stand er vor Geräten, Instrumenten und Einrichtungsgegenständen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte und die nicht von Menschenhand hergestellt worden waren. Mühsam versuchte er, ihren Sinn und Zweck zu erraten. Schließlich entdeckte er die Energiequelle in Form eines viereckigen Metallkastens, der allen Öffnungsversuchen erfolgreich widerstand. Er verfolgte Leitungen und Kabel, aber er kam zu keinem Ergebnis. Die Erleuchtung kam ihm erst, als er eine der Türen öffnete. Als sich die Tür bewegte, wurden verborgene Kontakte ausgelöst und Energieströme unterbrochen. Diese Energieströme gingen ursprünglich durch Leitungen, die zu einer Einrichtung führten, die er nicht verstand, die aber offenbar so etwas Ähnliches sein sollte wie eine Sendeanlage. Die Stärke des Stromes schätzte Rod auf Millionen von Kilowatt. Und dann begann plötzlich die Pyramide zu glühen und die Kabel verschmolzen mit den eingebauten Geräten. Rod
brachte sich in Sicherheit und beobachtete aus der Ferne die weitere Entwicklung. Das silberne Bauwerk wurde glühend und dann weißflüssig, es sackte in sich zusammen und verdampfte regelrecht unter dem Einfluß einer unvorstellbaren Energieentwicklung. Schließlich war es verschwunden ... ... und die Sendeimpulse mit unbekanntem Ziel waren verstummt. Das aber war der Sinn der Pyramide gewesen. Jemand wußte nun, daß der Mensch die Raumfahrt beherrschte. Rod war zur Erde zurückgekehrt; er hatte von der Pyramide berichtet, aber keiner hatte seinem Bericht Glauben geschenkt.
2 Rod stand neben der noch nicht ganz vollendeten Stellaris und hielt in der Hand die Papiere, die seine Laufbahn als Kommandant des Raumschiffes beendeten. »Und ich habe doch richtig gehandelt!« sagte er überzeugt und mit verbitterter Stimme. »Diese Pyramide war nichts anderes als eine Falle. Sie war ein Dauersender, und irgendwo im Weltall verstummten jetzt die Zeichen, die man auffing und die von unserem Sonnensystem kamen. Man weiß, daß jemand auf dem Mond Kalisto gelandet ist, und man wird auch wissen, daß der Mensch es war. Wer aber wollte gewarnt sein, wenn wir eine gewisse Stufe der technischen Entwicklung erreicht haben? Bestimmt keine Freunde von uns, denn wären es Freunde gewesen, würden sie uns geholfen haben.« »Vielleicht hätten sie das doch getan«, meinte Kit. »Glaubst du wirklich? Ich habe das Verstummen des Senders verursacht, und nun wird jemand anders die Stellaris steuern. Habe nicht ich die Verantwortung, die Schuld – und das Recht? Was wird geschehen? Denk doch nur mal nach, Kit! Was wäre, wenn wir mit Raumschiffen das All durchkreuzten und fänden eine entwickelte Rasse, die sehr gut unser Gegner sein könnte? Eine Rasse dazu noch, die wenig friedlich, ja kriegerisch veranlagt ist? Wir würden sie unterwerfen und notfalls sogar vernichten müssen, wollten wir nicht selbst die Unterlegenen sein.« »Und wenn wir sie fänden, würden wir sicherlich
versuchen, freundschaftliche Beziehungen zu ihnen aufzunehmen«, milderte Kit ab. »Die Wesen, welche die Pyramiden bauten, haben uns gefunden«, sagte Rod bestimmt. »Vielleicht vor Tausenden von Jahren, vielleicht zur gleichen Zeit, als sie die Marsianer vernichteten. Uns haben sie damals in Ruhe gelassen, weil wir ihnen zu primitiv waren.« Er zuckte mit den Achseln. »Nun, ich habe meine Befehle, und in wenigen Stunden werde ich mein Kommando abgeben müssen. Aber noch werde ich mir wohl mein Schiff ansehen dürfen. Ich möchte wissen, wer etwas dagegen haben könnte. Kommst du mit, Kit?« Wortlos preßte sie seinen Arm und nickte. Gemeinsam schritten sie auf die Leiter zu und kletterten hinauf. Rod machte ein unbeteiligtes Gesicht und verbarg seine innersten Gefühle, als er die Luftschleuse betrat. Da die Lufterneuerungsanlage ständig getestet wurde, schloß er automatisch die Schleuse hinter sich, als Kit neben ihm in der kleinen Kammer stand. Sie traten in den Gang, und der Geruch der synthetischen Luft drang ihnen in die Nase. Es war eine andere Luft als die der natürlichen Erdatmosphäre, aber sie war nicht weniger angenehm. Die Anlage arbeitete zufriedenstellend. Und das bereits seit mehr als sechs Wochen, obwohl ständig im Schiff gearbeitet wurde. Grünpflanzen, hauptsächlich Algen, wuchsen in den hydroponischen Tanks und verwandelten Sonnenstrahlen in Sauerstoff. Wenigstens wurde der ein wenig kompliziertere Vorgang der Assimilation so einfach
ausgedrückt. Natürlich gab es auch zusätzliche chemische Luftreiniger, aber die Pflanzen hatten sich als unentbehrlich erwiesen. In Spezialräumen hatte man sogar ganze Pflanzenkulturen angelegt, um die Lebensmittelvorräte durch natürliche Nahrung zu bereichern. Gleichzeitig verwandelten sie ebenfalls Kohlendioxyd in Sauerstoff. Somit bestand die Hoffnung, auch jenseits des Orion, falls man bis dahin gelangen sollte, Frischgemüse zu verzehren und damit die Speisekarte der Stellaris wesentlich zu bereichern. Rod Cantrell und Kit Bowen betraten das noch nicht vollendete Schiff mit sehr gemischten Gefühlen. Es roch nach Arbeit und Nichtvollendetsein, obwohl es Mittagspause war und sich keiner mehr an Bord befand. Rod sah sich um. Er hatte das Gefühl, das Schiff jetzt zum letztenmal betreten zu haben. Es roch nach erhitztem und wieder abgekühltem Metall, nach frischer Farbe und nach all den Dingen, die einer unvollendeten Konstruktion anhaften. In einem Raum saßen vier Anstreicher und verzehrten ihre Konservennahrung. Neben ihnen auf dem Boden hockte ein Elektriker und rauchte eine Zigarette. Sie schritten weiter und erreichten den Maschinenraum. Ein kleiner Isotopengenerator summte leise. Er enthielt einen Block künstlichen radioaktiven Materials, das nur Elektronen abgab, aber keine Neutronen oder Mesonen und damit auch keine schädliche Gammastrahlung verursachte.
Der Generator war somit eine vollkommen ungefährliche Kraftquelle. Wenn seine gesamte Kapazität nicht benötigt wurde, wurden die freiwerdenden Elektronen von einer künstlichen Isotope »aufgesaugt« und in ihre ursprüngliche Substanz zurückverwandelt. Dem Schiff stand damit eine fast unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung. Auch die Feldgeneratoren waren alle eingebaut und betriebsfertig. Die Tests waren zufriedenstellend verlaufen. Rod betrachtete gerade diese Generatoren mit einem besonders liebevollen Blick. Er hatte sie entwickelt, und die gefälligen Formen waren sein ureigenstes Werk. Doch er würde niemals erleben, wie sie in der Praxis funktionierten. »Weißt du eigentlich, wie diese verschiedenen Kraftfelder arbeiten?« fragte er Kit. »Rein theoretisch sind sie nichts anderes als eine Unmenge von verschiedenen Dimensionen – vielleicht kann man sie auch Universen nennen – parallel nebeneinander. Unser eigenes Universum hält deshalb zusammen, weil alle seine Teile sich anziehen und durch Kraftlinien miteinander verbunden sind. Alles erinnert an ein regelrechtes Gitterwerk solcher Linien, und selbst entfernteste Welteninseln sind durch sie mit uns verbunden. Unser Universum ist damit als stabil zu bezeichnen. Aber in dem Augenblick, in dem alle diese Linien zu einem beliebigen Gegenstand in unserem Universum abgeschnitten werden, fällt dieser Gegenstand aus diesem Universum einfach heraus. Wo aber bleibt er? Er fällt in das dunkle, in das schwarze Universum, in
dem es offenbar keine Sterne gibt. Vielleicht kann man es auch als das tote Universum bezeichnen, wo der Prozeß, der Entwicklung zum Stillstand gekommen ist, wo alle Energie des Weltsystems zu Ende zu sein scheint. Wir wissen es noch nicht.« Kit nickte, obwohl sie nichts verstanden hatte. Sie entsann sich jener Geschehnisse während des Krieges zwischen der Erdregierung und dem letzten totalitären Staat. Die Stadt Pittsburg war im Zeitraum, der zwischen zwei Herzschlägen liegt, mit ihren fünf Millionen Einwohnern verschwunden. Washington sollte das nächste Ziel der fürchterlichen Waffe sein, aber Rod Cantrell hatte das Wesen dieser Waffe früh genug begriffen, um die Katastrophe zu verhindern. Der Krieg wurde von der Erdregierung gewonnen, und die Raumfahrt begann. Und nun wollte man Rod kaltstellen, nur weil er einen Bericht von seiner dritten Reise mitgebracht hatte, der verschiedenen Politikern nicht in den Kram paßte. »Diese Generatoren«, fuhr Rod nachdenklich fort, »umgeben das Schiff mit einem Kraftfeld, welches es von allen natürlichen Kraftlinien des Universum abschneidet. Keine Einflüsse der Milliarden von Sonnen, nicht die geringste Spur ihrer Anziehungskraft vermögen dieses Feld zu durchdringen. Das Schiff verläßt also unser Universum, genauso wie Pittsburg es tat – nur halten wir noch eine Verbindung aufrecht, ein Glied, das uns zurückbringt, wenn wir es wünschen. Ich spreche von dem Zugstrahl, der das Schiff zu jedem gewünschten Ort ziehen kann. Dieser Zugstrahl vermag das
Kraftfeld zu durchdringen, und das Schiff wird regelrecht zu jenem Ort gezogen, auf den vorher dieser Strahl gerichtet wurde. Durch das dunkle Universum hindurch, das nicht unser Kosmos ist. Wenn die Stellaris ihr Ziel erreicht hat, wird das Kraftfeld ausgeschaltet, und sie fällt in das normale Universum zurück. Wir haben in dieser Zwischenzeit im schwarzen Universum eine unglaubliche Strecke zurückgelegt.« Kit nickte. Sie wußte dies natürlich schon alles, Rod hatte es ihr oft genug erzählt. Aber sie fühlte, daß es ihm guttat, darüber sprechen zu können. Er sagte weiter: »Der Druckstrahl arbeitet in genau der gleichen Art und Weise.« Er führte sie aus dem Antriebsraum hinaus auf den Korridor. »Wir stoßen uns mit seiner Hilfe von jedem beliebigen Gegenstand ab und brauchen nicht zu warten, bis der Suchstrahl ein geeignetes Objekt gefunden hat.« Seine Stimme klang begeistert, als er neben ihr über den nackten Boden des Korridors schritt, der zur Zentrale führte. »Meine Fahrt zur Kalisto hat bewiesen, daß im schwarzen Universum andere Gesetze herrschen als in dem unserigen. Die Lichtgeschwindigkeit ist höher, viel höher. Beide Universen haben andere Konstanten, die auch andere Möglichkeiten ergeben.« Er schwieg plötzlich, denn sie hatten den Kontrollraum, die Steuerzentrale der Stellaris, erreicht. Zwar war der Einbau der Instrumente bereits beendet, aber die Anzeigeskalen befanden sich meist noch nicht an ihrem Platz. Die Hauptantriebssteuerung befand sich in der Nullstellung und war dort durch plombierten Draht
befestigt, um Unfälle zu vermeiden. Einmal erst war sie benutzt worden: als der Antrieb ausprobiert wurde und das Schiff, gehalten durch starke Zugstrahlen, sich für fünf Minuten stationär im schwarzen Universum befunden hatte. »Das also ist es!« sagte Rod und starrte verbittert auf das Gehirn der Stellaris, die er nie mehr würde steuern dürfen. Doch dann, als er sich umwandte, um zusammen mit Kit den Raum zu verlassen, ertönte weiter unten im Schiff ein seltsames Geräusch. Es hörte sich so an, wie wenn ein starker elektrischer Funke übersprang. Irgend jemand schrie entsetzt auf. Ehe Rod jedoch eine Bewegung machen konnte, dem Mann zu Hilfe zu eilen, schien er plötzlich sein Gewicht zu verlieren und schwerelos in eine unendliche Tiefe zu fallen. Die Sichtluken der Zentrale hingen vor seinen Blicken, färbten sich rot, dann orange, wurden allmählich violett und schließlich pechschwarz. Doch nicht nur draußen um das Schiff war es schwarz geworden, auch das Innere wurde von einer Dunkelheit erfüllt, wie sie auf Erden ihresgleichen nicht kannte. Kit schrie auf. Sie hatte den Boden unter den Füßen verloren und fiel ins Endlose. Wenigstens hatte sie ein solches Gefühl. Auch unten aus dem Schiff kamen Schreie und Rufe. In der Luft hing der Geruch verbrannten Isolationsmaterials. Ozon mischte sich darunter. »Rod!« rief Kit verzweifelt. »Nur ruhig!« kam es zurück. »Du fällst nicht, es ist nur Schwerelosigkeit. Durch einen Kurzschluß wurde das
Kraftfeld eingeschaltet, und wir befinden uns im schwarzen Universum. Ich weiß nicht, in welcher Richtung wir uns bewegen, aber eine unmittelbare Gefahr besteht nicht, wenn wir Ruhe bewahren.« Licht flackerte auf, und ein schwacher Feuerschein drang durch den Korridor. Rod hing hilflos mitten im Gang, der Boden war genauso weit von ihm entfernt wie die Decke. Kit schwebte langsam auf ihn zu, ohne ihre Bewegung aufhalten zu können. Rod machte eine Bewegung und trieb gegen die Wand, wo er sich abstieß und – langsam um sich rotierend – den Gang entlangschwebte. An einer Haltestange glitt er weiter, ob hinab oder hinauf, das vermochte Kit nicht mehr zu unterscheiden. Es schien alles oben oder unten zu sein. Irgend etwas brannte, und Rod versuchte, die Flammen auszutreten. Gummi schmorte und verbreitete einen penetranten Gestank. Dann war Rod schon weiter geschwebt und erreichte den Antriebsraum. Er segelte quer durch ihn hindurch und prallte mit ausgestreckten Armen gegen die Wandung. Ein weiterer Stoß brachte ihn zum Isotopengenerator, der im Augenblick die Energie lieferte. Er legte einen Hebel um und wunderte sich, welche Anstrengung im schwerelosen Zustand dazu notwendig wurde. Das Geräusch der überspringenden elektrischen Funken erstarb, und im Korridor erlosch das Feuer. Es glühte noch ein wenig, erhielt aber keine neue Nahrung. Rod sah zu den Luken hinüber, und der kalte Schweiß brach aus seinen Poren. Das Schiff war unvollendet, die Einrichtung nur mangelhaft und provisorisch. An Bord gab
es keine Lebensmittel, soweit er orientiert war – und sie befanden sich bereits nicht mehr auf der Erde. Draußen vor den Sichtluken standen leuchtende Sterne, die Stellaris befand sich also wieder im normalen Universum, da der Strom ausgeschaltet und das Kraftfeld unterbrochen worden war. Aber nicht auf der Erde und auch auf keinem anderen Planeten. Auch kein Sonnenschein drang durch die Luken in das Innere des Schiffes. Rod gab sich einen Stoß und blieb an einer der Luken hängen. Krampfhaft hielt er sich fest. Nein, in der Schwärze stand nicht die Sonne und überhaupt nicht ein einziges bekanntes Sternbild. Die Eigengeschwindigkeit des Schiffes war ein Produkt der Bewegung der Erde um die Sonne, der Sonne um den Mittelpunkt der Milchstraße und der Rotation des gesamten Universums. Kein größerer Stern war zu sehen, der die Sonne hätte sein können. Wo aber war die Sonne? Sie konnte sich in jeder Richtung befinden, in jeder Entfernung zwischen Null und Tausenden von Lichtjahren. Es war unmöglich, das annähernd genau festzustellen. Aber was noch schlimmer war: Das Schiff war im Grunde genommen nichts anderes als ein Wrack. Es war unter der Voraussetzung konstruiert worden, daß es sich mit Hilfe der Druck- oder Zugstrahlen von einem festen Körper in unmittelbarer Nähe entfernen konnte. Hier aber waren die nächsten festen Körper Sterne, die vielleicht Lichtjahre entfernt vom Schiff standen. Jahre würde es dauern, bis der Strahl den nächsten Stern erreichen würde,
und man hatte keine Instrumente an Bord, um festzustellen, welches überhaupt der nächste Stern war. Keine Lebensmittel, keine Sternkarten, keine geschulte Mannschaft – nichts! Es bestand nicht die geringste Hoffnung auf Rettung, nicht der geringste Grund, sich überhaupt noch Gedanken deswegen zu machen. Kit war an Bord. Vielleicht war das eine Hoffnung ... Als die letzten Flammen erloschen waren, schaltete Rod den Generator wieder ein. Das Licht flammte auf und erhellte das Schiff. Er machte sich daran, die unfreiwilligen Mitreisenden zu suchen, die sich überall im Schiff verstreut befinden mußten. Er beruhigte sie und teilte ihnen Arbeiten zu, die er in aller Eile erfinden mußte. Er verschwieg ihnen ihre wirkliche Lage, um eine Panik zu vermeiden, die alles noch verschlimmert hätte. Rod war am Ende seiner Weisheit und wußte nicht, was er tun sollte. Sicher, er konnte einen Strahl aussenden, aber bis er zurückkommen würde, waren sie alle im Schiff verhungert. Vielleicht dauerte es Jahre oder gar Jahrzehnte, bis der Strahl zurückkam. Seltsam war, daß er auf einmal die fremde Rasse vergessen hatte, deren wahrscheinliche Existenz ihn auf der Erde so beunruhigt hatte. Dabei befand sich doch die Erde noch in verhältnismäßiger Sicherheit, während die Stellaris mitten im Weltall eher Gefahr laufen konnte, den Fremden zu begegnen. Und genau das war es, was wenige Stunden später geschah ...
3 Der Kurzschluß war inzwischen behoben worden. Einer der Anstreicher hatte Schweißdrähte beiseite geschoben, um sich bequemer setzen zu können, und dadurch die Verbindung zwischen zwei blanken Kabelstellen hergestellt. Als Folge hatte sich das Kraftfeld selbst eingeschaltet. Im ganzen Schiff brannte jetzt die Beleuchtung, und Rod hatte nicht versäumt, auch den Druckstrahl in Betrieb zu nehmen in der vagen Hoffnung, er könne vielleicht auf einen festen Gegenstand treffen und somit dem Schiff seine Navigationsfähigkeit wiedergeben. Der Hauptgrund jedoch war mehr, eine gewisse Beschleunigung zu erzielen, damit eine, wenn auch noch so geringe, Gravitation zurückkehrte. Die unfreiwillige Mannschaft der Stellaris fühlte sich in der Schwerelosigkeit doppelt unglücklich. Die Leute würden wieder etwas Mut bekommen, wenn sie ihr eigenes Gewicht spürten. Der Druckstrahl war noch nicht lange eingeschaltet, als Rod plötzlich einen kaum spürbaren Gravitationseinfluß bemerkte. Ganz langsam trieb er gegen die Wandung. Als er jedoch eine Münze nahm, sie mit ausgestrecktem Arm vom Körper weghielt und dann losließ, blieb sie mitten in der Luft hängen. Was also auch immer der Druckstrahl getroffen hatte, es mußte so klein gewesen sein, daß es bereits wieder aus seinem Bereich entwichen war. Das grauenhafte Gefühl
ständigen Fallens war wieder da. Es war so gut wie sinnlos, sich zu sagen, daß man ja nicht fiele. Dadurch wurde es kaum besser. Doch dann flammte plötzlich draußen im Weltraum ein grelles Licht auf, drang durch die Sichtluken in das Innere des Schiffes und blendete die Insassen. Es dauerte nicht länger als den Bruchteil einer Sekunde, dann war es wieder dunkel, dunkler als zuvor, wie es schien. Rod stieß sich ab und schwebte quer durch die Kabine zur Luke, klammerte sich daran fest und schaute hinaus in die schwarze Unendlichkeit. In diesem Augenblick flammte das unerträgliche Licht ein zweites Mal auf. Die Quelle des blendenden Scheines lag in weiter Ferne und war nicht größer als ein normaler Stern. Es wurde wieder dunkel, und dann kam das dritte Aufleuchten. Die Hülle der Stellaris war in künstliches Sonnenlicht getaucht. Doch die Lichtquelle lag diesmal schon wieder woanders. Sie war gewandert. Eine ganze Weile hing Rod ratlos an der Luke. Der erste Schreck war einer vagen Hoffnung gewichen, die aber sofort wieder erlosch. Der Druckstrahl war aufs Geratewohl in die Unendlichkeit gerichtet gewesen und hatte einen Gegenstand getroffen, der sich seinem Einfluß sehr schnell entzogen hatte. Und nun sandte jemand einen Suchstrahl aus. Es gab aber nur eine einzige Möglichkeit des Entstehens solcher fast unerträglich hellen Lichtscheine, die wiederum nur Sekundenbruchteile lang dauerten. Nur im Vakuum des Weltraums hatte ein Lichtstrahl
zumindest die gleichen Vorteile wie ein Radarstrahl. Auf der Erde gab es Nebel, Wolken oder Dunst, den ein Radarstrahl durchdringen konnte, aber im Weltall waren derartige Hindernisse unbekannt. Falls also irgendwo in dieser Region des Alls ein fremdes Raumschiff stand und entdeckt hatte, daß es von einem Strahl angetastet wurde, so konnte es sehr leicht möglich sein, daß jenes fremde Schiff versuchte, den Ursprung dieses Strahls zu finden. Es konnte mit Radar diesen Zweck sicher erreichen, aber wieviel einfacher war es, ein übergroßes Blitzlicht auszulösen und somit ein Foto herzustellen, das in aller Ruhe studiert werden konnte. Draußen im Raum also befand sich ein fremdes Schiff, das wußte Rod nun. Und wenn es ein Schiff einer noch unbekannten Rasse war, so konnte es nicht freundlich gesinnt sein. Er hatte lange genug überlegt und begann nun eine fieberhafte Tätigkeit. Wie ein Fisch schwamm er durch den Korridor und gelangte in den Antriebsraum. Er regulierte die Breite des Druckstrahles und ließ ihn langsam in verschiedenen Richtungen herumschwenken, bis er plötzlich wieder die sanfte Drift spürte, die ihm verriet, daß der Strahl ein Ziel gefunden hatte. Sofort verstärkte er die Energiezufuhr des Strahles, der damit natürlich auch seine Stoßwirkung vergrößerte. Die Stellaris wurde schneller und schneller; mit der ganzen Kraft der Antischwerkraft entfernte sich das Erdschiff von dem nicht identifizierten Objekt. Die Beschleunigung stieg, Rods Gewicht preßte ihn
gegen die unverkleideten Metallstreben des Bodens. Mit geschickten Händen versuchte er, den Druckstrahl auf das ferne, unbekannte Objekt zu konzentrieren, um es nicht erneut zu verlieren. Bald waren es 2 g, die auf Rod lasteten. Aber der Entfernungsmesser zeigte kein Zurückweichen des fremden Schiffes an – denn nur um ein solches konnte es sich handeln. Es kam näher. Und zwar kam es gewissermaßen mit einer selbstbewußten Arroganz näher, die Rod allmählich aufregte. Es schien, als wollten die Fremden in aller Ruhe feststellen, welcher Navigationsmanöver die Stellaris fähig war. Auf die Stirn des verzweifelten Kommandanten des Erdschiffes traten die ersten Schweißtropfen. Der Druckstrahl war nun fest verankert und würde sich automatisch mit dem anderen Gegenstand bewegen, der somit nicht mehr entweichen konnte. Wenigstens glaubte Rod das bis zu der Sekunde, da er sich seines Irrtums bewußt wurde. Und das geschah, als er plötzlich sein Gewicht verloren und schnell nach einem Halt greifen mußte, um nicht hilflos in die Mitte des Raumes zu schweben. Das fremde Schiff war sehr nahe herangekommen und seitwärts aus dem Strahl ausgeschert. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit holte es auf und befand sich bald darauf dicht neben der mit gleicher Geschwindigkeit weiterfliegenden Stellaris. Rod konnte es deutlich durch die Sichtluke erblicken, denn sein Schatten verdeckte die darunterliegenden Sterne.
Dieser Schatten hatte eine genau dreieckige Form – gewissermaßen eine flachliegende Pyramide. Der Schreck ließ Rod für einen Augenblick erstarren, dann fuhr seine Hand vor, und er schaltete das Kraftfeld ein, welches das Schiff von allen natürlichen Verbindungen zum Universum trennte. Vor den Sichtluken wurde es schwarz, und das andere Schiff war verschwunden. Die Stellaris befand sich erneut im schwarzen Universum. Welche Waffen auch jene fremde Rasse einsetzen wollte oder in diesem Augenblick sogar schon einsetzte, sie gelangten nicht in das schwarze Universum hinein, wohl aber durchdrang der Druckstrahl der Stellaris das Kraftfeld. Erneut setzte die Beschleunigung ein, und das Schiff eilte mit ständig größer werdender Geschwindigkeit durch die Finsternis. Sekunden und Minuten vergingen, wurden schließlich zu Stunden. Rod stand jetzt in der unvollendeten Zentrale und starrte nachdenklich auf die Instrumente, soweit sie eingebaut waren. Er fühlte eine seltsame Schwäche und hatte das Gefühl, dem Tode nahe zu sein. Er wußte instinktiv, daß dieses Gefühl die Wirkung einer ihm unbekannten Waffe sein mußte, die irgendwie doch das schützende Kraftfeld durchstoßen hatte und zu ihnen in das schwarze Universum gelangt war. Endlich raffte er sich auf und begab sich erneut in den Antriebsraum, um die Justierung des Druckstrahles zu überprüfen. Der Entfernungsmesser zeigte auf Unendlich. Das fremde Objekt mußte also sehr, sehr weit entfernt sein.
Zwölf Stunden später verlor er das fremde Schiff auch aus dem Suchgerät. Damit war es endgültig in der Tiefe des Kosmos versunken. Die Beschleunigung hatte nachgelassen und war nicht mehr spürbar. Im freien Fall stürzte die Stellaris hinein in das Unbekannte der Ewigkeit. Kit stand neben Rod in der Zentrale. »Wenigstens haben sie kein solches Kraftfeld wie wir«, erklärte ihr Rod. »Damit haben wir eine Menge gewonnen. Sie können uns nicht folgen, und praktisch sind wir vor ihren Augen spurlos verschwunden. Spielen wir also ein wenig Verstecken mit ihnen.« Er erzählte ihr von dem Pyramidenschiff und dem merkwürdigen Gefühl, das er kurz nach dem Angriff gehabt hatte. »Mir erging es ähnlich«, sagte Kit nachdenklich. »Ich dachte, ich müßte sterben. Und seltsam: Der ganzen Besatzung ging es nicht anders.« »Hätte dieser Einfluß etwas länger angehalten, wären wir sicherlich alle tot gewesen«, stellte Rod fest. »Dann hätten sie Gelegenheit gehabt, unsere Leichen zu untersuchen, das ganze Schiff auf den Kopf zu stellen und unsere Herkunft herauszufinden. Sie werden inzwischen schon wissen, daß ihr Pyramidensender auf Kalisto die Sendung unterbrochen hat. Ich habe das Gefühl, als ob wir jetzt nicht die einzigen Menschen seien, die sich mit der Besatzung der Pyramidenschiffe herumschlagen müssen.« Er wartete noch eine Stunde, dann sagte er: »Wir werden jetzt das schwarze Universum verlassen, denn wir müssen uns an einer ganz anderen Stelle des
normalen Universums befinden als zuvor. Doch wir werden die Suchstrahlen eingeschaltet lassen, ebenso den Druckstrahl.« Einige Handgriffe reichten aus, um das ganze Schiff mit einem Strahlenfeld zu umgeben. Wenn es in das normale Universum zurückkehrte, und es befand sich in Reichweite der Strahlen ein fester Gegenstand, würde das Schiff automatisch in die entgegengesetzte Richtung abgestoßen werden. Millionen von Sternen umgaben das Schiff, als das Kraftfeld ausgeschaltet wurde. Aber alle waren so klein und weit entfernt, daß es sinnlos war, auf die Rückkehr der Wirkung des Druckstrahls zu warten. Die Form der Milchstraße war verzerrt und fremd, auf der einen Seite auffallend heller als auf der anderen. Die Erde aber befand sich – rein kosmisch gesehen – nicht weit von ihrem Mittelpunkt entfernt. Die Stellaris mußte demnach Tausende von Lichtjahren von der Erde entfernt sein, und es gab keine Instrumente an Bord, mit denen man die Richtung, in der das heimatliche Sonnensystem lag, hätte feststellen können. Vier Stunden blieben sie in dieser Region des Alls, und die Strahlen verrieten kein Objekt in der näheren Umgebung. Dann wurde das Kraftfeld eingeschaltet, und mit der alten Eigengeschwindigkeit raste das Schiff wieder durch das schwarze Universum, wo diese relative Geschwindigkeit ungleich höher sein mußte. Eine halbe Stunde blieb Rod in diesem Universum, ehe er das Kraftfeld erneut abschaltete. Aber wieder war keiner
der sichtbar werdenden Sterne in genügender Nähe, um dem Druckstrahler als geeignetes Objekt zu dienen. Sechsmal wiederholte Rod dieses Manöver. Er hatte einen Plan entwickelt, der zwar sehr wenig Möglichkeit auf einen Erfolg erhoffen ließ, der aber entschieden besser war als tatenloses Warten. Und fünfmal befand sich die Stellaris einsam und allein zwischen scheinbar unendlich weit entfernten Sternen; das sechste Mal jedoch – es war purer Zufall – materialisierte das Schiff im normalen Universum in ziemlicher Nähe einer gigantischen Riesensonne von gelblicher Färbung. Sie war gut als Scheibe zu erkennen, und flackernde Protuberanzen züngelten weit in das All hinaus. Aber das war nicht alles. Vier Planeten waren deutlich sichtbar, während ein fünfter, eine schneebedeckte Urwelt, sich dicht unter dem Schiff drehte. Rod stand in der Zentrale und starrte hinab auf die Oberfläche des Planeten. Seine Rechte lag unmittelbar neben dem Schalter für das Kraftfeld. Der Elektriker war inzwischen nicht untätig gewesen. Er hatte den Radarschirm in Betrieb genommen und peilte vom Funkraum aus den nahen Planeten an. Gleichzeitig arbeitete der Empfänger und suchte nach Spuren fremder Radiowellen. »Keine Funkzeichen!« ertönte seine Stimme hohl durch das Schiff. Die Bordsprechanlage funktionierte noch nicht, daher mußte sich die Mannschaft durch Rufe verständigen. Rod wartete. Er hatte die Verbindung mit den Strahlgeräten im Antriebsraum hergestellt und konnte nun
alles von der Zentrale aus bedienen. Seine Wangen waren eingefallen, und dunkle Ränder lagen unter seinen Augen. Er ließ den Druckstrahl spielen, um damit das Schiff manövrierfähig zu machen. Er glaubte fest daran, daß von dem Schicksal der Stellaris gleichzeitig auch das Schicksal der gesamten Menschheit abhinge. Und wieder kam der Ruf des Elektrikers: »Kein Radar!« Die Stellaris wurde also nicht angepeilt – wenigstens noch nicht. Doch Rod ließ in seiner Wachsamkeit nicht nach. Wenn sich auch jetzt zwischen der Stellaris und dem schneebedeckten Planeten kein anderes Schiff befand, so war das immer noch keine Garantie für völlige Gefahrlosigkeit. Es dauerte eine gute halbe Stunde, in der sie sich immer näher an den Planeten heranwagten, ehe Rod fühlte, wie die Nervenspannung ein wenig nachließ. »Wir scheinen im Augenblick sicher zu sein«, sagte er. »Es bleibt keine andere Möglichkeit, als dieses Sonnensystem näher zu untersuchen. Wir werden den Zugstrahl auf den dritten Planeten von der Sonne aus richten und abwarten. Dann sehen wir weiter.« Er schaltete den Strahl ein und wartete. Der Strahl würde den Weg nur einmal machen müssen, nicht wieder zurück. Daher wußte Rod, daß der angepeilte Planet etwa 80 Millionen Kilometer vom Schiff entfernt war, als nach knapp fünf Minuten ein leichter Ruck durch die Stellaris ging. Sie schwenkte ein wenig herum und hielt auf den angepeilten Planeten zu. »Du bist schrecklich müde, Rod«, sagte Kit besorgt.
»Kann ich dich nicht ablösen? Es dauert Stunden, ehe wir den Planeten erreichen.« »Tage wird es dauern«, belehrte sie Rod gleichmütig. »Ich traue mich nicht, den Sprung durch das andere Universum zu machen. Daher werde ich die automatische Peilung einschalten, die uns auf Kurs hält. Du kannst dann beruhigt die Wache übernehmen.«
4 Er suchte eine Kabine mit einem fertigen Tisch, setzte sich nieder und begann mit seinen Berechnungen. Aber kaum hatte er einige Diagramme gezogen, als sein Kopf auf die Tischplatte sank und er eingeschlafen war. Nicht allein die Tatsache, daß er nun schon mehr als einen Tag ständig auf den Beinen war, rief diese Erschöpfung hervor, sondern auch die ständige Sorge um die Dinge, die möglicherweise inzwischen daheim auf der Erde geschahen. Man würde dort natürlich annehmen müssen, er sei absichtlich mit der Stellaris gestartet und geflohen. Man würde ihn für einen Deserteur halten, für einen Mörder und wer weiß für was sonst noch. Das Raumfahrtkomitee würde sofort den Bau eines neuen Schiffes beginnen lassen, und es würde starten, ohne daß man seine alte Warnung beachten würde. Kein Mensch würde sich Gedanken wegen der Pyramide auf Kalisto machen. Er mußte zurück zur Erde und die Menschheit warnen. Er war einem dieser fremden Schiffe begegnet. Aber wer würde das glauben? Und im übrigen war Rod selbst absolut nicht davon überzeugt, daß er die Erde überhaupt wiederfinden würde. Das Universum war zu groß. Während er schlief, stand Kit vor dem fast leeren Instrumentenbrett, und die Stellaris eilte mit ständig zunehmender Geschwindigkeit auf den namenlosen Planeten eines unbekannten Sonnensystems zu. Die Neuigkeit von der beabsichtigten Landung hatte unter der
zusammengewürfelten Mannschaft die Runde gemacht, und die Stimmung war gestiegen. Die wenigen Lebensmittelvorräte waren fast aufgebraucht. Es war ein Glück, daß einige junge Biologinnen, die mit der Betreuung der Pflanzen und der Luftanlage betraut worden waren, zu den Passagieren zählten. Sie stellten als erste Nahrungsquelle schmackhaftes Gemüse in Aussicht und verbesserten damit die Aussichten, länger am Leben zu bleiben, beachtlich. Groß waren die Vorräte nicht, aber die Mannschaft der Stellaris bestand lediglich aus vier Anstreichern, zwei Elektrikern, drei Schweißern, fünf Biologinnen und Kit sowie Rod. Einer der Anstreicher löste Kit nach einigen Stunden ab, nachdem sie ihm die Armaturen erklärt hatte. Sie legte sich dann selbst zum Schlafen nieder. Die Elektriker saßen im Funkraum und beobachteten unablässig die Bildschirme des Radargerätes. Sie hatten wenig Hoffnung, daß der Zielplanet für ihre Zwecke geeignet war. Schon im eigenen Sonnensystem gab es außer der Erde keinen anderen Planeten, der sich für Besiedlung durch den Menschen eignete; die Hoffnung, einen solchen in einem fremden System zu finden, schien ihnen vermessen. Auch waren sie sich darüber im klaren, daß weder Schiff noch Mannschaft für diesen Flug vorbereitet waren. Lebensmittel fehlten gänzlich, von den wenigen Gemüsepflanzen abgesehen, die in den hydroponischen Tanks gezüchtet wurden. Trotzdem waren sie nicht ohne Zuversicht, und die anfängliche Panikstimmung hatte sich verflüchtigt.
Rod hatte natürlich übertrieben, als er meinte, sie benötigten Tage, um den Planeten zu erreichen. Kit weckte ihn, als die Wölbung des Kolosses begann, die Sichtluke auszufüllen. Er öffnete verschlafen die Augen, und das erste, was er zu hören bekam, war die monotone Stimme des Elektrikers aus dem Funkraum: »Kein Radar!« »Wir haben den Planeten erreicht, aber landen wirst du müssen.« Daraufhin war Rod sofort hellwach. Er eilte mit Kit in die Zentrale, wo er zuerst die automatische Peilung ausschaltete. Dann betrachtete er eingehend die Oberfläche der immer noch in beachtlicher Entfernung vor ihnen im Raum schwebenden Welt, vermochte jedoch nicht, mit dem bloßen Auge Einzelheiten zu erkennen. »Wir werden den Druckstrahl einschalten und damit abbremsen. Warnt die Leute!« wandte er sich an Kit und den Anstreicher, »denn für einen Augenblick wird Schwerelosigkeit eintreten, und dann werden sich die Gravitationsverhältnisse im umgekehrten Sinne ändern.« Nach dreißig Sekunden schaltete Rod den Zugstrahl aus und den Druckstrahl ein. Nach sekundenlanger Schwerelosigkeit wurde die Decke der Zentrale zum Fußboden. Da keine Andrucksessel vorhanden waren, konnte die Kraft des Strahls nur ganz allmählich eingesetzt werden. Von irgendwelchen Berechnungen konnte keine Rede sein, und Rod war ganz auf sein Gefühl angewiesen. Gott sei Dank gab ihm die winzige Spanne, die der Druckstrahl benötigte, den Planeten zu erreichen, einen
gewissen Anhalt für dessen Entfernung. Die Geschwindigkeit des Schiffes selbst war ihm unbekannt. Wenn er schon landen wollte, dann rein nach Gefühl. Zuerst verstellte er den Druckstrahl so, daß sein Zentrum nicht mehr genau auf die Mitte der Planetenscheibe gerichtet war, sondern mehr auf den Rand. Er dachte mit leichtem Unbehagen an die Möglichkeit, daß dieser Planet ausgerechnet einer der Schlupfwinkel der Pyramidenrasse sein könnte. Wenn man sie bisher noch nicht entdeckt hatte, so mochte das daran liegen, daß man nicht mit einer solchen »Überraschung« rechnete. Aber andererseits war die Chance, ausgerechnet bei der ersten Landung auf den Feind zu treffen, mehr als unwahrscheinlich. Der Kurs des Schiffes hatte sich leicht geändert. Die Geschwindigkeit war zu hoch gewesen, um landen zu können, daher schoß die Stellaris knapp 1000 Kilometer hoch über die Oberfläche des Planeten dahin und dann wieder in den Raum hinaus. Unter sich sah Rod vereinzelte Seen, gewaltige Grünflächen und Wolkenfetzen. »Hätten wir doch nur ein Teleskop an Bord!« sagte Rod. »Die Entfernung ist zu groß – ich bin mir nicht sicher, ob die ausgedehnten Flecke dort unten vielleicht Städte waren oder etwas anderes.« »Städte? Du meinst ...?« »Ich weiß es nicht, Kit. Aber wir müssen damit rechnen. Wenn wir angepeilt werden, kann es sich um die Pyramidenrasse handeln, wenn nicht, ist es jemand anders. Wie viele Zivilisationen kann es im Universum geben?
Allein in der uns bekannten Milchstraße? Schon die Tatsache, daß eine raumfahrende Rasse Warnsender errichtet, läßt auf intelligente Bewohner schließen. Hinzu kommt die Vermutung, daß es sogar so viele Zivilisationen in unserer Milchstraße gibt, daß jene Pyramidenrasse nur diejenigen auszurotten pflegt, die einen gewissen Stand der Entwicklung erreicht haben.« Kit zeigte sich unangenehm berührt. »Wir begegneten einem ihrer Schiffe und wurden mit Strahlen beschossen, die uns fast getötet hätten. Sie gaben keine Warnung oder versuchten auch nicht, Verbindung mit uns aufzunehmen.« »Das wundert mich nicht«, entgegnete Rod und entsann sich plötzlich jener Reliefs, die er am Fuße der Pyramide auf Kalisto entdeckt hatte. Es waren menschliche Gestalten gewesen, ein Beweis dafür, daß die fremden Raumfahrer die Erde betreten und die Menschen studiert hatten. Aber nicht das allein hatte Rod damals so vorsichtig gemacht; es war die Art, wie der unbekannte Künstler die Menschen dargestellt hatte. Rod konnte es nicht anders ausdrücken als in diesem einen Satz: »Der Künstler haßte seine Modelle!« Aber man hatte gelacht, als er das sagte, und ihm nicht geglaubt. Kit unterbrach seine Überlegungen. »Wir wollen landen, Rod. Hast du auch schon daran gedacht, daß wir die Atmosphäre einer Untersuchung unterziehen müssen? Können wir die Zusammensetzung überhaupt analysieren?« »Die Sonne hat die gleiche Färbung wie unsere und
wahrscheinlich auch das gleiche Spektrum. Die Vegetation ist grün. Wenn Pflanzen aber Chlorophyll enthalten und mit Hilfe des Sonnenlichtes assimilieren, muß die Atmosphäre aus Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlendioxyd bestehen. Die restlichen Gasbeimischungen können nur unbedeutend sein.« »Und die Schwerkraft?« wollte Kit wissen. »Wir haben sie bereits gemessen – mit unseren Strahlen. Sie ist nicht besonders hoch, denn es kostete uns kaum Anstrengung, den Kurs zu ändern.« Er sah sie aufmerksamer an. »Ich habe inzwischen geschlafen, Kit, du aber nicht. Du legst dich jetzt hin und ruhst dich ein wenig aus.« Sie zögerte und sah ihn fragend an. Dann meinte er: »Ich weiß, ich bin nicht sehr romantisch veranlagt, aber im Augenblick haben wir beide auch keine Zeit dazu. Man wollte uns töten – aller Wahrscheinlichkeit nach waren es die gleichen Wesen, die auch damals die Marsbewohner ausrotteten. Sie wollen aber nicht nur uns töten, sondern die ganze Menschheit. Es besteht die Möglichkeit, daß sie keine genauen Signale jenes Senders auf Kalisto erhielten, weil ich die Pyramide nicht durch die Eingänge betreten habe. Daher werden sie vielleicht noch nicht wissen, welcher Sender ausfiel. Wie gesagt, das ist nur eine vage Hoffnung. Aber wenn sie uns erwischen, dann werden sie uns untersuchen und herausfinden, woher wir kommen. Wir tragen daher nicht nur die Verantwortung für uns und unser eigenes Leben, sondern für die Existenz der gesamten Menschheit.« Er schwieg einen Augenblick und
betrachtete nachdenklich die unfertigen Schalteinrichtungen der Zentrale. Dann fuhr er fort: »Ich muß einen Weg finden, die Stellaris zu vollenden und Waffen einzubauen. Außerdem müssen wir eine Vorrichtung anbringen, die das Schiff im Falle der Eroberung sofort vernichtet oder in das schwarze Universum wirft. Wenn das alles geschehen ist, Kit, werden wir mehr Zeit für uns haben.« Er hatte bei diesen Worten die automatische Peilung wieder eingeschaltet. Kit sah ihn lange an, dann sagte sie: »Ich verstehe das natürlich. Wir können jetzt nicht an uns denken – noch nicht.« »Noch nicht!« stimmte er zu. »Wenn wir hier sicher sind, und ich glaube langsam, daß dieser Planet keine Gefahr bedeutet, werde ich landen. Jene Flecke waren bestimmt Städte. Die Bewohner können freundlich gesinnt sein, aber auch feindlich; ich hoffe in jedem Fall, daß es nicht die sind, die uns töten wollen.« Er sah aus der Luke und bemerkte, daß die Nachtseite der unbekannten Welt zurückgewichen war. Die Gravitation wirkte und zerrte an der Stellaris, die nach Ausschaltung des Druckstrahls in einem großen Bogen wieder auf den Weltkörper zufiel. Der Planet wurde allmählich größer und kam näher. Rod schaltete den Kombinator ein, und Druck- sowie Zugstrahl wurden praktisch gegeneinander ausgespielt. Das Schiff sank in die höchsten Schichten der Lufthülle ein und glitt dann waagerecht über die Oberfläche dahin. Sie näherten sich der Tagseite und konnten schon Einzelheiten erkennen.
Breite Ströme durchquerten das mit riesigen Wäldern bedeckte Land, Gebirgszüge türmten sich auf, und kleinere Meere waren zu erblicken. »Immer noch kein Radar! Kein Funk!« kam der Ruf des Elektrikers. Auch die Menschheit hatte Radio besessen, hundert Jahre bevor das erste Raumschiff einen Nachbarplaneten erreichen konnte. Warum sollte es hier nicht ähnlich sein? Das Schiff sank immer tiefer und befand sich bald auf der Tagseite. Immer noch Urwälder und Flüsse, am Horizont ein Gebirge. Die Mannschaft der Stellaris stand an den Luken und schaute hinab auf eine Landschaft, die noch niemals zuvor eines Menschen Auge gesehen hatte. Ein schnurgerades schimmerndes und nicht sehr breites Band erinnerte an eine Autobahn. Das Schiff änderte den Kurs und folgte ihm. Nicht lange, und am Horizont tauchten die Türme und Gebäude einer Stadt auf. Die Sonne brach sich an den glänzenden Flächen und reflektierte in allen Farben des Spektrums. Langsam näherten sie sich der Stadt und hingen dann fast bewegungslos über ihr. Obwohl sie nur etwa einen Kilometer über der Oberfläche waren, rührte sich dort unten nichts. Keine Bewegung, kein Fahrzeug und kein einziges Flugzeug. Es war eine tote Stadt. Sie konnte noch nicht sehr lange tot sein, denn der Dschungel hatte noch nicht von ihr Besitz ergriffen. Die Gebäude standen da, unberührt und unversehrt. Trotzdem war die Stadt tot. Rod brachte das Schiff etwa in der Mitte über der
Metropole zum Stillstand. Reglos hing es nun über der Stadt, die sich nach allen Seiten scheinbar bis zum Horizont zu erstrecken schien. Die Einwohnerschaft mußte Millionen betragen haben, aber jetzt blieb dort unten alles ruhig und still. Langsam sank das Schiff auf den großen Platz nieder, der wohl das Zentrum gebildet hatte. Hier mündeten zirkulär die breiten Verkehrsstraßen, die in ihrer Verlassenheit höchst seltsam anmuteten. Kit stieß plötzlich einen Schrei aus. »Dort – diese bunten Flecken auf den Straßen! Was ist das?« »Ich nehme an, das sind die Bewohner. Lebewesen, die eine solche Stadt zu erbauen in der Lage waren, müssen zivilisiert gewesen sein. Warum also sollten sie keine bunten Kleider tragen?« »Aber sie bewegen sich nicht!« »Wie könnten sie auch – sie sind tot!« »Tot? Eine Seuche vielleicht?« »Ja, eine Seuche: Die Pyramidenrasse! Die Bewohner dieser Stadt müssen das Geheimnis der Raumfahrt entdeckt haben. Vielleicht erreichte ihr erstes Schiff einen Planeten, und die Mannschaft fand die Pyramiden, welche von der Pyramidenrasse dort vielleicht vor Jahrtausenden aufgestellt worden war. Der Sender verriet sie, und die Schiffe der Pyramidenleute haben die Planetenbewohner ausgelöscht.« Kit starrte Rod entsetzt an. Ihr Gesicht hatte sich mit Leichenblässe überzogen. Rod aber blickte nicht zurück, er
sah nur hinunter auf den Platz und deutete hinab. Mitten auf dem weißen Platz, jetzt erst sichtbar geworden, stand eine hohe, aus schimmerndem Metall erbaute Pyramide. »Eine Vorsichtsmaßnahme«, vermutete Rod. »Sie rechneten damit, daß eines ihrer Schiffe vielleicht unterwegs sein und zurückkehren könnte. Auch die letzten Überlebenden sollten ihrer Zerstörungswut nicht entgehen. Vielleicht finden wir auf der Erde eine ähnliche Situation vor, falls wir je dorthin zurückkehren sollten.« Die Stellaris hatte sich dem Boden bis auf dreißig Meter genähert und sank langsam tiefer. Noch zwanzig, dann zehn Meter. Nun kam ein kaum spürbarer Ruck, und das Schiff war gelandet. Ohne jede Erklärung begab sich Rod in die Luftschleuse und verschloß die innere Luke. Dann öffnete er die Außenluke etwas und ließ langsam Außenluft einströmen. Vorsichtig atmete er ein und verspürte keinen Unterschied. Immer weiter öffnete er die Luke, bis der Luftaustausch beendet war. Ohne Schwierigkeiten konnte er atmen. Damit war bewiesen, daß seine Vermutung über die Zusammensetzung der fremden Atmosphäre richtig gewesen war. Er wollte jedoch ganz sicher gehen. Das Schiff war waagerecht gelandet, und so brauchte er nur die kurze Seitenleiter hinabzusteigen, um die Oberfläche des Platzes betreten zu können. Zum erstenmal betrat ein Mensch einen Planeten, der nicht zum eigenen Sonnensystem gehörte. Aber Rod hatte sich diesen feierlichen Augenblick
damals ein wenig anders vorgestellt, als die Stellaris gebaut wurde. Auch hatte er damals noch nicht gewußt, daß er die Reise in das All in einem nur halbfertigen Schiff würde unternehmen müssen, mit einem Dutzend unfreiwilliger Mitreisender, deren einzige Chance darin bestehen würde, einen halbwegs sicheren Ort zu finden, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen konnten, ohne von der mörderischen Pyramidenrasse gefunden und getötet zu werden. Die Luft des fremden Planeten war gut – aber leider war das bisher auch das einzige Gute, was sie gefunden hatten. Wenn jenes Schiff, dem sie im Weltall begegnet waren, die Kunde weitergegeben hatte, bestand durchaus die Möglichkeit, daß man bereits wußte, wer sie waren und wo ihr Heimatplanet lag. Die Städte der Erde waren vielleicht schon tot, genauso tot wie diese Stadt hier. Die Straßen waren dann mit Leichen bedeckt, und weder Fahrzeuge noch Flugzeuge würden verkehren. Rod Cantrell sah auf die gebleichten Kleidungsstücke, die überall herumlagen, und stieß einen wütenden Fluch zwischen fest aufeinandergepreßten Lippen hervor.
5 Eines der Mädchen, das in der Lufterneuerungsanlage arbeitete, fand eine einfache Lösung, die einheimischen Früchte auf ihre Eßbarkeit hin zu untersuchen. Ein kleines Stück der zu prüfenden Frucht, von denen es in der Stadt genügend gab, wurde mit einem Lappen gegen die empfindliche Haut des Unterarmes gepreßt und festgehalten. Wenn sich Giftstoffe in der Frucht befanden, würde sich das auf der Haut zeigen, ohne daß das Mädchen Gefahr lief, ernstlich zu erkranken. Zwei der Anstreicher und ein Schweißer machten sich auf den Weg, aus den Gärten ringsum Früchte herbeizuholen. Sie berichteten, daß Zeichen einstiger Kultivierung zwar noch vorhanden seien, daß aber überall wildwachsendes Unkraut die ehemaligen Pflanzungen überwuchert habe. Alle fünf Biologinnen machten nur Pflanzenproben, und nur auf dem Unterarm der einen zeigten sich rötliche Flecken. Die entsprechende Frucht wurde von der Liste der eßbaren gestrichen. Daraufhin wurden Kostproben genommen, vorsichtig und unter ständiger Aufsicht. Eine Frucht verursachte leichte Krämpfe, das war alles. Die Ernährung war somit nur noch eine Frage des Einsammelns – eine Tätigkeit, die in Anbetracht der reichlich vorhandenen Gärten und der vor der Stadt liegenden Felder nicht besonders schwierig war. Inzwischen streiften Rod, Kit und einer der Elektriker
durch die toten Straßen in der Hoffnung, Metalle, Werkzeuge oder gar Waffen zu finden, obwohl die Aussicht auf letzteres hier sehr gering bleiben mußte. Metalle fanden sie genügend, auch Werkzeuge, deren Bedeutung jedoch in vielen Fällen nur erraten werden konnte. Was sie in unübersehbarer Menge fanden, waren die toten Bewohner der Stadt. Überall lagen zusammengeschrumpfte Kleidungsstücke herum, gefüllt mit einem Häufchen Staub – dem ehemaligen Körper ihrer Träger. Was immer es auch gewesen war, das sie getötet hatte, es mußte überraschend gekommen sein. Und Rod hatte bereits eine vage Vermutung, die er jedoch noch nicht auszusprechen wagte. Die Bewohner dieser Welt hatten menschenähnliche Formen gehabt. Ihre ganze Zivilisation war der menschlichen verwandt, wie auch Fahrzeuge, Kleidung und Gebäude verrieten. Sogar Geschäfte hatten sie besessen, und hier war es, wo sich die Überreste der vernichteten Rasse regelrecht häuften. Die autoähnlichen Fahrzeuge sahen aus, als wären sie gegen eine Mauer gerast. Sie bildeten fast unkenntliche Klumpen verbogenen Metalls, und einige waren ausgebrannt. Kleiderreste verrieten, daß die Stadtbewohner mitten in freundschaftlicher Unterhaltung von dem Angriff überrascht worden sein mußten. Kleinere Kleidungsstücke neben größeren gaben Kunde davon, daß auch ihre Kinder dem Massenmord zum Opfer gefallen waren. Still und schweigend war der Tod aus dem Weltall über sie
gekommen, ohne jede Warnung. Kit wurde bleich, und ihr Gesicht war eine starre Maske. Rod schwieg. In ihm arbeitete es. Der Elektriker aber konnte sich nicht beherrschen. »Verdammt! Oh, verdammt! Wer hat das getan? Welcher Mörder hat diese Rasse vernichten lassen? Es kann erst einige Jahre her sein.« »Es sind immer die gleichen«, entgegnete Rod tonlos. »Die, denen wir begegneten, als wir fliehen mußten. Jene, die auf Kalisto die Pyramide erbauten. Und jene, welche auf diesem Platz ihren Pyramidensender aufstellten. Sie sind die Mörder!« »Und warum, um Gottes willen?« »Weil sie die einzigen bleiben wollen, die den Weltraum beherrschen. Sie vernichten jede Zivilisation, die das Geheimnis der Raumfahrt entdeckt.« Der Elektriker spuckte aus, um seine Verachtung zu zeigen. »Es wird gut sein, wenn wir bald etwas finden, womit wir diese Mörder erledigen können. Die haben es nötig!« Und dann gingen sie weiter. Immer wieder fanden sie Beweise für die hohe Stufe der Kultur und Zivilisation, auf der die ausgelöschte Rasse gestanden hatte. Kit war es, die dies wohl am besten verstand, während der nüchterne Elektriker mehr auf die materiellen Reste einer untergegangenen Zivilisation achtete. In den Geschäften lagen seltsame, merkwürdig geschliffene Steine zur Schau, Armbänder aus schimmerndem Metall und andere wertvolle
Schmuckstücke. Er rührte sie nicht an, aber Rod sah seine funkelnden Augen – und konnte es ihm nicht übelnehmen. Rod selbst interessierte sich mehr für die technische Seite des Problems und wunderte sich über die Verwendung nichtrostenden Metalls für alle Gegenstände, die er hier sah. Er untersuchte ein verblichenes Kleidungsstück und hielt es über die Flamme seines Feuerzeugs. Es brannte weder, noch verfärbte es sich. Schließlich standen sie vor einem mächtigen Gebäude, das sie nach einigen Bedenken zögernd betraten. Es war eine Kraftstation und offenbar ein gewaltiges Sendehaus. Rod fühlte sich in seinem Element, aber der Elektriker nicht weniger. Die große Halle im Erdgeschoß war angefüllt mit rätselhafter Maschinerie. Dicke Kabel führten von Gerät zu Gerät und verbanden sie miteinander. »Silberleitungen mit durchsichtiger Kunststoffisolierung«, murmelte der Elektriker. »Generatoren, meiner Ansicht nach. Sie lieferten Energie – wofür?« Kit war ein wenig abseits gegangen und stieß plötzlich einen Schrei aus. »Rod! Kommt her! Oh, wie grauenhaft!« Sie eilten zu ihr – und erstarrten. Kit stand mit verkrampften Händen vor einer Doppelreihe sehr bekannten Instrumente. Um sie herum lagen die Überreste der ehemaligen Bewohner dieser Welt, kleine und zusammengefallene Kleidungsstücke. Die Instrumente waren nichts anderes als
Fernsehbildschirme. Wenigstens etwas Ähnliches. Auf jedem Schirm jedoch befand sich ein stehendes Bild, so, als sei ein Film gerissen. Und Rod begriff sofort, daß die Übertragung in dem Augenblick aufgehört hatte, als der Tod über die Stadt gekommen war. Einige der Bildschirme zeigten einen Vertreter der toten Rasse. Allem Anschein nach hielt er gerade eine Ansprache, als der Tod alle überraschte. Auf anderen Bildschirmen waren Szenen aus der Stadt zu sehen, die während der Katastrophe aufgenommen worden waren. Nicht weniger als sechs Bildschirme zeigten Gruppen von Bewohnern im Augenblick ihres Todes. Sie mußten furchtbare Schmerzen ausgestanden haben, denn ihre Gesichter waren verzerrt und voller Furcht und Todesangst. Auf drei Schirmen aber – und vor diesen lagen die meisten Kleiderreste – sah man den Feind aus dem All. Auf jedem Schirm war ein seltsamer Gegenstand zu sehen, im Hintergrund der blaue Himmel oder graue Wolkenfetzen. Alle diese Objekte waren identisch. Es waren gewaltige metallene Pyramidenschiffe. Mit erstarrten Gesichtszügen betrachtete Rod die Bilder. Dann begann er mit der Untersuchung der Geräte. Nach zehn Minuten bereits äußerte er: »Fast wie unser Fernsehen, aber ein völlig anderes Prinzip. Sie arbeiteten nicht mit Hilfe der Projektion, sondern hatten einen Wiedergabeschirm entwickelt, dessen Oberfläche sich verwandeln kann wie – wie die Haut eines Chamäleons. Also praktisch wie eine Fotografie, nur eine lebende Fotografie, wie unser Film. Sobald das Gerät
aufhörte zu arbeiten, blieb der letzte Bildeindruck stehen, bis man es wieder einschaltete. Wirklich, eine hervorragende Erfindung.« Er trat vor und untersuchte den einen Bildschirm. Die Beschichtung löste sich leicht und erinnerte an sehr haltbares Papier. Es war eine regelrechte Fotografie eines Pyramidenschiffes, so wie die sterbenden Bewohner der Stadt es gesehen haben mußten. Nach einigem Suchen fanden sie ganze Stöße des gleichen Materials, vermutlich Ersatzscheiben. »Fernsehen«, murmelte Rod erstaunt, »ist bei uns leider eine Augenblickssache. Hier konnte man sich jedes beliebige Bild aufbewahren. Ich glaube, nebenbei gesagt, auch herausgefunden zu haben, wie diese Menschen hier getötet wurden. Aber ich brauche noch einen Beweis, um das Gegenmittel zu finden.« Nach diesen allem Anschein nach zusammenhanglosen Bemerkungen wandte er sich ab und verließ die Halle. Kit ging neben ihm. »Rod, sie sahen uns so ähnlich. Sie müssen fast genauso gewesen sein wie wir.« Rod schritt langsam weiter. Er schien angestrengt nachzudenken. Dann blieb er stehen und wandte sich wieder um. »Wenn man es richtig überlegt, ist die Form einer Pyramide gar nicht so ungewöhnlich für ein Raumschiff. Luftwiderstand muß nicht in Betracht gezogen werden. Mit geraden Streben läßt sich kein festeres Gebilde errichten als eine Pyramide. Die glatten Metallflächen stehen in
einem solchen Winkel, daß sie Radarstrahlen kaum reflektieren, wenigstens nicht in Richtung ihres Ursprungs. Diese Pyramidenschiffe sind ideale Kampfkreuzer. Sie tauchten urplötzlich am Himmel dieser Welt auf, und noch während die Televisionsaugen sie anpeilten und aufnahmen, starben die Operateure ...« »Warum aber wurde im gleichen Augenblick auch die Sendung unterbrochen? War nicht alles automatisiert?« fragte der Elektriker. Rod nickte ihm bedeutungsvoll zu. »Jetzt kommst du auch endlich dahinter, mein Freund. Was immer auch diese Menschen hier tötete, es unterbrach gleichzeitig die Fernsehübertragung. Das sollte uns zu denken geben! Wir müssen die Geräte untersuchen und feststellen, warum sie in der gleichen Sekunde aufhörten zu arbeiten, als die Bevölkerung starb.« Getrennt machten sie sich an die Arbeit. Während der Elektriker eins der Bildgeräte auseinandernahm, beschäftigte sich Rod eingehender mit den Ersatzteilen in den Wandschränken. Er nahm eine der weißen Platten heraus, die als Bildschirm dienten, und untersuchte sie. Der weiße Kunststoff diente offensichtlich nur als Isolator, denn unter ihm befand sich eine dünne Metallschicht, mit winzigen Löchern versehen wie ein Sieb. Rod verstand nicht recht, was das bedeutete, denn diese Siebplatte befand sich zwischen zwei weiteren Platten des unbekannten Metalls. Er dachte nach und fühlte unbestimmt, daß er einer bedeutenden Entdeckung auf der Spur war.
Sicher arbeiteten die ehemaligen Bewohner dieser Welt mit Elektrizität, das hatten sie bereits herausgefunden, und die Leitungen bewiesen es. Diese Siebplatte zwischen zwei anderen Platten neutralisierte den Effekt beim Durchgang des Stromes, förderte aber auf der anderen Seite ... Sein Unterkiefer sank ein wenig herab, als er die Lösung erkannte. Es war eine Vakuumröhre, wenn es auch nicht wie eine solche aussah. Die Teile waren in Kunststoff eingebettet statt in einem Vakuum; die Wirkung aber war die gleiche. Elektronisch wirkte dieser Kunststoff wie ein Vakuum, förderte also den Durchgang von Elektronen. Außerdem kannten die Erbauer dieser Station den Effekt der kalten Strahlung. Rods Augen glühten vor Entdeckerfreude. Der Elektriker ließ von seiner Arbeit ab und wandte sich ihm zu: »Wir können die Bildgeräte leicht reparieren. Ich habe eins auseinandergenommen, und die einzige Zerstörung, die ich feststellen kann, ist im Isolator. Ein einfacher Porzellanisolator. Er ist zu Staub zerfallen und müßte ersetzt werden, das ist alles. Es gab einfach einen Kurzschluß, und das sich gerade auf dem Schirm befindliche Bild blieb bestehen.« Rod hätte gern über seine eigene Entdeckung gesprochen, aber er schwieg und folgte dem Techniker. Es war genauso, wie dieser gesagt hatte. Die Isolatoren, an denen Leitungen und wahrscheinlich Kondensatoren und andere Geräte befestigt waren, bestanden nur noch aus
Staub. Kit war ebenfalls hinzugetreten, und in ihrem Gesicht zeigte sich der Schimmer beginnenden Verstehens. Ehe Rod etwas sagen konnte, sprudelte es aus ihr heraus: »Rod, ich verstehe nicht viel von Technik, aber ich kann mich noch genau daran erinnern, daß unser Physiklehrer einmal davon sprach, wie man Glas oder Porzellan zerspringen lassen kann. Er sagte etwas von Ultraschall und von hoher Frequenz. Ich glaube, man benutzte Ultraschall zur Sterilisation. Glaubst du, Rod, daß man damit auch Menschen töten könnte ...?« »Ja, ich glaube das sogar fest«, entgegnete Rod mit finsterem Gesicht. »Ich glaube, daß wir eine Kostprobe dieses Ultraschalls abbekamen, als wir dem Pyramidenschiff begegneten. Vielleicht haben wir hier die Lösung; vielleicht haben wir die Waffe gefunden, mit der die Pyramidenrasse andere Zivilisationen vernichtet.« Der Elektriker hatte sich dicke Gummihandschuhe angezogen und entfernte vorsichtig den weißen Staub aus dem Gerät. Darüber befand sich der Bildschirm und zeigte unverändert die Straße und die in Gruppen zusammenstehenden Menschen. Alle starrten sie empor zum Himmel. Dann bückte er sich und hob ein kleines Stück Stoff auf. Er drehte es geschickt zu einer festen Rolle und meinte: »Es ist trocken und könnte als Isolator dienen. Jedenfalls werden wir sehen, ob der Fehler tatsächlich da liegt, wo wir ihn vermuten.« Vorsichtig langte er mit der Hand in das Gerät, hob
einige Leitungen an und setzte sie auf die Stoffrolle. Ein Funke sprang über, dann war Stille. An einer anderen Stelle geschah das gleiche. Und gleichzeitig erklang Kits Ausruf: »Es funktioniert – der Bildschirm arbeitet!« Sie sahen hoch. Wo vorher die Farbfotografie gestanden hatte, war jetzt ein anderes Bild. Es zeigte zwar die gleiche Straße und die gleichen Gebäude, aber die Bewohner fehlten. Wenigstens standen sie nicht mehr in Gruppen da, sondern lagen als formlose Kleiderbündel reglos auf der Erde herum. Das Gerät gab zweifellos ein ständiges Bild eines ganz bestimmten Stadtausschnittes wieder, und zwar zeigte es immer das, was im Augenblick der Aufnahme dort geschah. Da es jedoch außer den Menschen kein Leben in dieser Stadt mehr gab, blieb das Bild unverändert. Bis Kit plötzlich erstickt aufschrie. Der Elektriker und Rod hielten den Atem an. Um eine Ecke bog ein Fahrzeug und fuhr auf das Kameraauge zu. Die Wesen, die in diesem Fahrzeug saßen, waren keine Menschen.
6 Vier Lebewesen waren es, die in einem offenbar erbeuteten Fahrzeug der untergegangenen Zivilisation saßen. Deutlich konnten die drei Beobachter sie erkennen. Sie hatten ungeheuer große Köpfe, lange, dünne Gliedmaßen und einen schmächtigen Körper. Anscheinend verfügten sie nicht über besonders ausgebildete physische Kräfte. Das Fahrzeug hielt, und die vier Wesen kletterten heraus. Sie befanden sich an einem Ort, der keine fünfzig Meter von der Kamera entfernt war. Reglos standen sie eine Weile dort und betrachteten ein vor ihnen befindliches Gebäude. Einer von ihnen zog einen länglichen Gegenstand aus einem breiten Gürtel, der um seinen Leib gespannt war, als solle er ihn zusammenhalten. Aus der einen Seite sprühte plötzlich ein feiner Flammenstrahl gegen die Gebäudewand, wanderte darauf entlang und erlosch wieder. Gleichzeitig fiel ein viereckiges Stück der kompakten Mauer heraus. Das war das erste Geräusch, das hörbar wurde. Zusammen mit dem Fernsehauge befand sich also auch ein Mikrofon in der Aufnahmeanlage. Die vier Unbekannten marschierten vorwärts, hinweg über die achtlos niedergetrampelten Reste der toten Einwohner, in das Gebäude hinein. Rod wisperte:
»Vorsicht, keinen Laut! Vielleicht ist jenes Haus auch eine Sendestation.« Unbeweglich standen sie vor dem Schirm und warteten. Minuten vergingen, ehe die vier Unbekannten wieder aus dem Gebäude herauskamen, beladen mit verschiedenartigen Gegenständen, die von den Beschauern nicht erkannt wurden. Sie luden das ganze Zeug in den Wagen und gingen zurück, als wollten sie mehr holen. Rod zog seine Gefährten von dem Bildschirm fort, als befürchte er, das Gerät könnte vielleicht nach zwei Richtungen arbeiten. Dann zog er die provisorische Isolierung heraus. Es knisterten einige Funken, dann hörte das Bild auf der Scheibe auf, sich zu bewegen. »Plünderer!« sagte Rod grimmig. »Auf keinen Fall sind es die ursprünglichen Bewohner dieser Stadt. Ich glaube eher, es handelt sich um die Besatzung einer der fliegenden Pyramiden. Mörder sind es, dreckige und schmutzige Mörder! Nun fange ich auch an zu verstehen, warum sie mit der Ausrottung einer Rasse warten, bis diese einen gewissen zivilisatorischen Hochstand erreicht hat. Ein primitives Volk hinterläßt keine technischen Schätze, aber eine Rasse, die an der Schwelle zum Weltraum steht, hinterläßt eine gewaltige Zivilisation, wenn man sie ohne Zerstörung einfach auslöschte. Sie hinterläßt Städte, die man ausrauben kann, technische Wunderwerke, die man zu eigenen Zwecken übernehmen kann. Diese Mörder sind nichts anderes als Plünderer, sie verdienen den Tod!« Das Gesicht Rod Cantrells schien wie eine eiserne Maske, als er das sagte. Entschlossen setzte er hinzu: »Wir gehen jetzt
zum Schiff zurück. Hoffentlich hat man es noch nicht entdeckt. Sie vernichten Zivilisation und berauben sie dann; sie töten ohne Warnung. Sie machen aus dem Mord ein Geschäft und arbeiten ganz auf Sicherheit. Wirklich, eine logisch denkende Rasse!« Nur mit Mühe unterdrückte Rod seinen Zorn über die kosmische Mordbande. Er beherrschte sich. Vorsichtig und ohne überflüssiges Gespräch schlichen sie durch die verlassenen Straßen und suchten den Landeplatz. Rod wurde von zwei gegensätzlichen Gefühlen hin und her gerissen. Er schwankte zwischen dem Verlangen, Kit und seine Leute in Sicherheit zu bringen, indem sie sofort diesen Planeten verließen. Andererseits wollte er auch bleiben und versuchen, das Pyramidenschiff zu vernichten. Die Sicherheit Kits schien ihm am wichtigsten, aber würde sie im Weltraum oder gar auf der Erde sicherer sein als hier? Er verwarf diese Gedanken und beschloß, mit der Entscheidung zu warten, bis sie wieder im Schiff waren. Sie fanden es, unberührt und offenbar unentdeckt. Schnell gelangten sie durch die Luftschleuse in das Innere und fanden die Gefährten vollzählig versammelt. Die Gruppe, die Früchte hatte ernten sollen, war auch zurück. Sie hatten Vorräte für lange Zeit mitgebracht. Rod rief sie alle zusammen und erzählte ihnen kurz von dem Vorgefallenen. »Drei Möglichkeiten bleiben für uns«, begann er dann nach der Einleitung. »Wir verlassen diesen Planeten, der von den Mördern
geplündert wird. Damit wären wir fürs erste zwar in Sicherheit, aber wir wären auch darauf angewiesen, eine neue Welt zu suchen, die uns Nahrungsvorräte und die Möglichkeit zum Einbau von Waffen ins Schiff gäbe. Hier haben wir beides. Was die ungewisse Zukunft für uns bereithält – wer kann das wissen? Die zweite Möglichkeit ist zwar gewisser, aber weniger erfreulich. Wir schalten das Kraftfeld ein und begeben uns in das schwarze Universum. Hier öffnen wir die Luken und sterben einen schnellen Tod. Niemand wird uns finden. Die dritte Möglichkeit ist folgende: Wir bleiben hier auf dem Planeten und stellen uns den Plünderern zum Kampf. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, sie unschädlich zu machen. Damit hätten wir eines ihrer Schiffe. Dann besteht auch die Möglichkeit, hier ein Observatorium oder Sternkarten zu finden, mit deren Hilfe wir die Position unseres Sonnensystems feststellen können.« Die Entscheidung fiel einstimmig zugunsten des dritten Vorschlages. Rod hatte es nicht anders erwartet. Er sagte: »Wir müssen unser Schiff verstecken, damit man es nicht findet. Der einzige sichere Ort jedoch ist das schwarze Universum. Ihr könnt euch entsinnen, wie der Kraftfeldgenerator geprüft wurde. Das Schiff wurde mit Zugstrahlen verankert und veränderte seine Position nicht, obwohl es längere Zeit im anderen Universum verweilte. Das ist das gleiche, was wir auch hier tun werden.« Eine der Biologinnen meinte seufzend: »Keine Schwerkraft?«
»Keine Schwerkraft«, bestätigte Rod. »Wenigstens nicht für diejenigen, die im Schiff bleiben. Ich selbst werde mit zwei Leuten das Schiff verlassen und den mörderischen Halunken einen Streich spielen.« Er bestimmte den Techniker und einen der Anstreicher zu seiner Begleitung, dann versetzte er das Schiff mit Hilfe des Druckstrahles ein wenig an die Seite des Platzes, direkt neben ein hohes Gebäude. Hier stellte er den Zugstrahl ein, und das Schiff wurde mit aller Gewalt der Gravitation des Planeten gegen den Boden gepreßt. Das Kraftfeld wurde für eine Sekunde eingeschaltet, und für diese eine Sekunde befanden sie sich im schwarzen Universum. Als wieder zurückgeschaltet wurde, hatte sich die Lage des Schiffes nicht verändert. Das Experiment wurde ein zweites Mal wiederholt, lange Minuten befand sich das Schiff nun in der anderen Dimension. Als es zurückkehrte, war alles unverändert. Die Verankerungsstrahlen arbeiteten genauso, wie Rod es erwartet hatte. Gebündelt waren sie von der einen Dimension aus in die andere wirksam, einzeln nicht. Darauf brachte er an verschiedenen Stellen der Umgebung kleine Gegenstände an, und zwar so, daß sie im Bereich eines schwach eingestellten Zugstrahls waren. Wenn man diese Gegenstände aus ihrer Befestigung löste, sobald das Schiff sich im schwarzen Universum befand, würden sie das Kraftfeld durchdringen und in die offengelassene Schleuse des Schiffes eindringen. Dann hatte er seine Vorbereitungen beendet. Zusammen mit seinen beiden Begleitern verließ er das Schiff, winkte
Kit noch einmal zu, die ihm ängstlich nachgeschaut hatte. Kit nickte ihm zu, ehe sie im Schiffsinneren verschwand. Die innere Luke der Schleuse hatte sich geschlossen. Dann gab es plötzlich eine leichte Luftbewegung – und die Stellaris war spurlos verschwunden, als sei sie nie dagewesen. An ihrer Stelle war nichts, nicht einmal ein Schatten. Sie befand sich in einem anderen Kosmos, in einer anderen Dimension. Obwohl noch an der gleichen Stelle, befand sie sich von diesem Planeten genauso weit entfernt wie der entfernteste Spiralnebel. Doch wenn einer der kleinen runden Gegenstände aus ihrer Befestigung gelöst würde, befände er sich den Bruchteil einer Sekunde später in der Luftschleuse, angezogen von dem darauf gerichteten Zugstrahl. Rod führte die beiden Männer durch die Straßen zu dem Televisionsgebäude. Immer waren sie bereit, beim Auftauchen des Fahrzeuges, in dem sich die Plünderer befanden, hinter einer Häuserecke zu verschwinden oder in einem Hauseingang Deckung zu suchen. Aber niemand zeigte sich, und alles war so still und ruhig, als befände sich außer ihnen keine lebende Seele in der verlassenen Stadt. »Draußen im Weltall wurden wir von einem Raumschiff mit etwas bestrahlt, das uns hätte töten können, wenn es länger als eine tausendstel Sekunde gewirkt hätte. Auch diese Stadt wurde von tödlichen Strahlen getroffen, die alles Leben vernichteten. Es griff weder Stoffe, Metall oder Stein an, aber es verwandelte Porzellanisolatoren in Staub.
Was kann das gewesen sein?« Der Anstreicher zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, sich in der ihm fremden Materie zurechtzufinden. »Porzellan bricht, obwohl Kunststoff unversehrt bleibt. Was dies hier also war? Etwas, was einen harten Druck ausübte.« Rod schüttelte den Kopf. »Dann würden die Gebäude Spuren dieses Druckes aufweisen; das aber tun sie nicht. Nein, ich nehme eher an, sie benutzten eine Sorte von Strahlen, die in kurzen Abständen auftrafen, also ständig wechselten. In anderen Worten: Vibration.« Der Elektriker meinte: »Wenn man einen Druckstrahl schnell genug ein- und ausschaltet, könnte man diesen Effekt hervorrufen.« »Ganz richtig«, stimmte Rod ihm zu. »Und laßt uns mal annehmen, in den winzigen Pausen käme noch ein Zugstrahl zur Wirkung. Hundertmal in der Sekunde, oder hunderttausendmal. Was dann?« Sie gingen die Treppen hinauf, die zum Eingang in das Sendehaus führten. Dann sagte der Elektriker nachdenklich: »Man könnte einen Zerteiler in eine der Spannungsplatten einbauen, oder die Platte in einen solchen umwandeln. Hm, vielleicht ginge das.« »Das ist genau das, was ich beabsichtige«, bestätigte ihm Rod. »Wir werden die Geräte benutzen, die uns die Einwohner dieser Stadt hinterließen. Ich denke, man kann
damit Millionen von Volt bändigen. Und ich weiß auch schon eine geeignete Energiequelle – wenigstens für einige Minuten. Das wird genügen. Wir haben viel Arbeit vor uns, Freunde!« Sie mußten sich beeilen. In einer anderen Stadt dieses Planeten befanden sich die Plünderer, das bedeutete, daß auch Pyramidenschiffe in der Nähe waren. Vielleicht planten die Mörder, eine Stadt nach der anderen auszurauben. Es konnte aber auch genausogut möglich sein, daß sie eine ganze Frachterflotte geschickt hatten, um alle Städte gleichzeitig mit ihrem Besuch zu beehren. Sie warteten immer, bis ihnen keine Gefahr mehr drohte, erst dann machten sie sich daran, ihr schmutziges Geschäft auszuüben. Und wahrscheinlich arbeiteten sie dann schnell, und die Aktion erstreckte sich nicht auf viele Jahre hinaus. Der Dschungel würde bis dahin die toten Städte überwuchert haben und die Suche nach Schätzen erschweren. Und wenn sie einmal in dieser Stadt waren, würden sie auch bald hierhergelangen. Der Elektriker begann, die Teile zusammenzusuchen, die er benötigte. Es war nicht besonders schwer, denn jene ausgelöschte Rasse ähnelte nicht nur in ihrem Aussehen den Menschen, auch ihre ganze Technik wies sehr viel Gemeinsames mit der irdischen auf. Er schnitt armdicke Stangen des silbrigen Metalls ab, denn bloßer Draht genügte kaum bei den Energiemengen, von denen Rod gesprochen hatte. Während der Elektriker an der Arbeit war, machte sich Rod mit dem Anstreicher auf, nach einem geeigneten
Fahrzeug zu suchen. Sie fanden ein solches unter einem Dach, wo es vor Regen geschützt war. Zwar wußten sie nicht, welche Kraft es antrieb, aber sie probierten aus, wie man es in Bewegung setzen konnte. Nach einigen Versuchen rollte es schließlich durch die Straßen und brachte sie zurück zum Sendehaus. Hier fanden sie den Elektriker im Schweiße seines Angesichtes arbeitend vor und konnten das seltsame Gebilde bewundern, das dieser zusammengebastelt hatte. Es hatte absolut keine Ähnlichkeit mehr mit einem Strahler, wie man sie in den Fabriken der Erde kaufen konnte. Es war ein heilloses Gewirr von Isolatoren, Drähten, Metallstangen und Kondensatoren. Hinzu kamen provisorisch miteinander verbundene Silberleitungen von Armdicke, ein Kunststoffwürfel, der nichts anderes war als eine gigantische Vakuumröhre, und verschiedenes andere. Sie schleppten alles in den bereitstehenden Wagen und kletterten hinein. »Wir bringen den ganzen Kram auf den Platz mit der Pyramide, schweißen diese auf und benutzen die darin befindliche Batterie für unseren Strahler.« Noch während Rod das sagte, ließ er das Fahrzeug langsam davonrollen. Der Elektriker sagte zuversichtlich: »Das ist eine Idee! Ich habe das Ding so konstruiert, daß es praktisch jeder Spannung widerstehen kann. Ein Kurzschluß ist so gut wie unmöglich. Aber die Gewalt des Zug- und Druckstrahles wird unvorstellbar sein.« »Und was werden wir machen, wenn das Ding zu arbeiten beginnt?« fragte der Anstreicher ängstlich.
»Dann sind wir auf der Stellaris und befinden uns im schwarzen Universum. Dort sind wir in Sicherheit.« Der Platz kam in Sicht, und sie fuhren bis dicht an die Pyramide heran. Sie sah genauso aus wie jene auf Kalisto, nur waren an der Basis über der Grundfläche andere Reliefs. Während der Elektriker und der Anstreicher die Geräte ausluden, rannte Rod quer über den Platz zu der Stelle, wo sich die jetzt unsichtbare Stellaris befand. Er schrieb eine kurze Nachricht auf ein Stück Papier, schob sie in eines der kleinen runden Objekte, die er an verschiedenen Stellen befestigt hatte, löste es und sah zu, wie es – von dem Zugstrahl angezogen – scheinbar mitten in der Luft verschwand. Es hatte das Kraftfeld durchdrungen und war in der offenen Luftschleuse des Schiffes gelandet. Nervös wartete er, aber es geschah nichts. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, aber schließlich hatte er selbst den strikten Befehl erlassen, bei Ertönen des in die Schleuse fallenden Gegenstandes erst die Außenluke zu schließen, den Brief genau zu lesen und erst dann laut Anweisung zu handeln. Und dann – tauchte vor ihm plötzlich die Stellaris auf. Wie hingezaubert stand sie am alten Fleck, als sei sie niemals weggewesen. Er eilte zur Schleuse, deren Außenluke sich zugleich mit der inneren öffnete. »Den Atomschweißer, schnell!« rief er ohne weitere Erklärung. Er nahm das kleine, aber gefährliche Instrument und
rannte über den Platz, hinüber zur Pyramide. Ohne jede Vorbereitung begann er, die eine Seitenwand zu bestrahlen, an der sich keine Tür befand. Das Metall verdampfte, kaum daß es Sekunden flüssig war. Eine Spalte zeigte sich, ehe das ausgeschnittene Stück nach außen fiel. Die Pyramide war genau die gleiche wie jene auf Kalisto. Rod wartete nicht ab, bis sich die Ränder abgekühlt hatten. Hastig kletterte er über die heiße Platte in das Innere und verbrannte sich mehrmals die Hände. Es roch nach angesengtem Stoff, aber er kümmerte sich weder um das eine noch um das andere. Der Elektriker reichte ihm einen Barren nach dem anderen herein, und Rod schweißte sie aneinander. Sie bildeten somit einen Stromleiter von beachtlicher Stärke. Der Anstreicher erhielt Befehl, sofort zum Schiff zu gehen und Stricke zu holen. Er sollte jedoch darauf achten, daß kein anderer das Schiff verließ. Während der Anstreicher davonlief, verbanden die beiden Männer die blanke Leitung mit dem Anschluß, der sich an dem seltsam geformten Gerät befand, das man gleich auf dem Wagen ließ, mit dem man gekommen war. Der Anstreicher brachte eine lange Schnur. Rod nahm sie und band sie an den Auslösehebel. Wenn dieser Hebel umgelegt wurde, flossen Millionen von Volt in die Leitungen und in den Strahler. »Okay!« rief er dann. »Macht, daß ihr ins Schiff kommt! Schnell!« Er folgte langsamer, denn während er zurückging, wickelte er die Leine ab, die ihn mit dem Auslösehebel des
Strahlers verband. Vom Schiff kam Kits schrille Stimme. »Rod – die Pyramidenschiffe!« Rod schrak zusammen und blickte blitzschnell zum Himmel hinauf. Flüchtig sah er den dreieckigen Schatten. Trotzdem verlor er seine Ruhe nicht, denn wegen einiger Sekunden tödlicher Gefahr wollte er nicht das Gelingen des ganzen Planes aufs Spiel setzen. Er schritt ruhig weiter auf das Schiff zu und rollte dabei die Leine ab, bis sie zu Ende war. Dann zog er seine Jacke aus und band sie mit dem Schnurende zusammen. Er ließ sie fallen und begann zu rennen. Mit einem Satz war er in der Luftschleuse, schloß die innere Luke, ließ die äußere offen und eilte in die Zentrale. Er stürzte zur Sichtluke. Nicht nur ein, sondern drei Pyramidenschiffe waren zu sehen. Sie senkten sich langsam auf den Platz nieder und mußten die Stellaris längst bemerkt haben. Wahrscheinlich hielten sie das Schiff für wehrlos, denn sonst hätten sie ihre Waffen längst eingesetzt. Rod schaltete den Zugstrahl ein und sah befriedigt, daß sich seine Jacke bewegte. Sie glitt auf die offene Luftschleuse zu und zog dabei die Leine hinter sich her, die sich zusehends straffte. Gleichzeitig warf Rod den Hebel des Kraftfeldes herum. Vor der Sichtluke wurde es rot, orange und dann violett. Dann war es dunkel. Die Stellaris befand sich im schwarzen Universum. Die Energie auf den Zugstrahl wurde verstärkt, und die
Gewalt der Strahlen zog die Jacke bis in die Schleuse hinein. Zugleich wurde der Hebel draußen in der Pyramide umgelegt, und die gewaltigen Energien flossen in den Strahler. Rod hörte das Geräusch in der Schleuse. Die Metallknöpfe seiner Jacke waren gegen die Wandung geprallt. Er fühlte die plötzliche Schwäche und wußte, daß es nichts anderes war als eine ungeheuere Erleichterung.
7 Nur langsam verging die unerträgliche Wartezeit. Immer wieder sah Rod auf die Uhr und wollte fast nicht glauben, daß die Zeit im schwarzen Universum genauso langsam – oder schnell – verging wie im normalen. Aber das hatte er bereits auf seiner Reise nach Kalisto ausreichend beweisen können. Das Wechseln in die andere Dimension hatte nichts mit einem Wechsel der Zeit zu tun. Kit war bei ihm und betrachtete ihn besorgt. Zwar war das Schiff erleuchtet und das Gefühl des ständigen Falles war zurückgekehrt, aber daran hatte das Mädchen sich inzwischen gewöhnen können. Die bangen Stunden, die Kit verbracht hatte, während Rod in der Stadt und sie im schwarzen Universum weilte, machten sich jetzt bemerkbar. Die Reaktion schwächte sie und ihren Widerstandswillen. »Was hast du getan?« fragte sie. »Noch weiß ich es nicht«, gab Rod müde zurück, »aber ich glaube, daß ich den Plünderern eine Falle gestellt und sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen habe. Ich hoffe sehr, daß sie keine Verteidigungsmöglichkeit haben – ich kann mir wenigstens eine solche nicht denken.« »Mit ihren eigenen Waffen?« wunderte sich Kit. »Du meinst, du hättest die gleiche Waffe angewandt, mit denen sie die Bewohner dieser Welt töteten?« »Und die Marsianer!« setzte Rod grimmig hinzu. »Vielleicht auch noch viele andere Zivilisationen innerhalb
der Milchstraße, die weit genug vorgeschritten waren, entweder gefährlich zu werden oder einen lohnenden Beutezug zu versprechen. Kannst du dich noch entsinnen, daß du einmal sagtest, die Waffe der Pyramidenschiffe könne Ultraschall sein?« »Ja, ich erinnere mich.« »Nun, Ultraschall konnte es nicht gut sein, da die Schallwellen ja im Vakuum nicht die Möglichkeit haben, sich fortzupflanzen. Aber denke doch einmal an unsere Druck- und Zugstrahlen! Sie wirken wie ein Seil, auch im leeren Raum. Sie ziehen Gegenstände an oder stoßen sie fort. Ich habe mir gedacht, man müsse doch ein Gerät basteln können, das diese Zug- und Stoßwirkung blitzschnell umkehrt, so daß eine gewisse Vibration entsteht. Mit einem solchen Gerät schickt man zuerst einen Druckstrahl, dann einen Zugstrahl, dann wieder einen Druckstrahl – und so fort, in unvorstellbar schneller Folge. Diese Wellen dringen auch durch ein Vakuum. Sobald sie auf einen festen Gegenstand treffen, bringen sie logischerweise ein Vibrieren, sogar Schallwellen hervor. Und zwar Ultraschall – also genau das, was du vermutet hast. Die Luft beginnt zu vibrieren, ebenso Wasser. Also auch die Körper der Insassen des getroffenen Schiffes. Metall und Kunststoff werden nicht beeinflußt, wohl aber Keramik, Glas oder Porzellan. Von einem Schiff zum anderen geschickt, wird die Mannschaft getötet. Lenkt man die Strahlen von einem Schiff auf eine Stadt ...«
Kit wurde blaß und stammelte: »Du meinst – sie können draußen im Weltraum bleiben und von dort die Bewohner einer ganzen Stadt töten? Mein Gott, Rod, wenn sie jemals die Erde finden ...« »Wir müssen damit rechnen, Kit. Aber wenn unsere Anlage so funktioniert, wie wir es uns erhoffen, haben wir ein Mittel zu ihrer Vernichtung geschaffen. Joe – das ist der Elektriker, der mir geholfen hat – hat das Gerät zusammengebaut. Er wird auch andere zusammensetzen können. Die Energie nahmen wir aus der Pyramide, die auf dem Platz steht. So erfüllt sie wenigstens einen guten Zweck.« Er machte eine unbeabsichtigte Bewegung und stieg zur Decke empor. Er hatte die Schwerelosigkeit vergessen, so sehr hatte er sich bereits daran gewöhnt. »Die Batterie ist ein Miniaturkraftwerk«, sagte Rod von der Decke her, wo er einen Halt gefunden hatte. »Ich weiß nicht, wie lange die Energie reicht, aber ich hoffe doch, lange genug. Wenn die Schockwellen nur eine Minute lang wirksam sind, dürfte den Mördern in den Pyramidenschiffen alle weitere Lust zum Rauben vergangen sein. Und das für ewig, hoffe ich.« »Wenn es sie erwischt«, bezweifelte Kit. »Und ob es sie erwischt!« sagte Rod bestimmt. »Der Strahler ist nach allen Seiten gleichmäßig wirksam. Je schneller die Energie verstrahlt wird, je tödlicher ist auch ihre Wirkung. Die Reichweite kann ich leider nicht abschätzen, aber sie sollte alles noch Lebende dieses Planeten treffen. Und da es außer den Pyramidenwesen
keine lebende Seele mehr gibt, trifft es die richtigen.« Er hatte sich verrechnet, wie man später feststellte. Die Wirkung reichte viel weiter, und der fast sieben Minuten andauernde Todesstrahl vernichtete alle Insassen der gelandeten Pyramidenschiffe und alle, die sich noch weit im Weltraum in der Nähe des Planeten befanden. Das jedoch konnte Rod im Augenblick nicht wissen. Er hatte deshalb beschlossen, für wenigstens zwölf Stunden im schwarzen Universum zu bleiben. Und beim Warten verging die Zeit nur sehr langsam. Doch in dieser Zeitspanne begann sich so etwas wie ein soziales Zusammenleben im Schiff zu entwickeln. Die Biologinnen natürlich sahen auf die einfachen Anstreicher und Schweißer von oben herab und hielten sich ihnen gegenüber für etwas Besonderes. Allmählich jedoch sorgte die Natur dafür, daß dieses Überlegenheitsgefühl zurücktrat. Einer der Schweißer sah sehr gut aus, und ein Anstreicher hatte eine erstaunliche Kunstfertigkeit im Mundharmonikaspielen. An Lebensmitteln war kein Mangel, und die Möglichkeit, bald ohne jede Gefahr einen Planeten betreten zu können, der atembare Atmosphäre und unermeßliche Schätze besaß, gab der bunt zusammengewürfelten Mannschaft neuen Mut. Irgendwo im Schiff erklangen bald die ersten Töne der Mundharmonika auf. Kurz darauf drangen Stimmen und schließlich frohes Gelächter bis vor zur Zentrale. Während Rod sich schwitzend abmühte, Diagramme auf ein Zeichenbrett ohne Gewicht zu zeichnen, begab sich Kit
in die Aufenthaltsräume, um den Grund der Heiterkeit herauszufinden. Rod hatte die Zeichenplatte gegen eine Wand gelegt, und mit den Füßen stemmte er sich gegen einen der Ventilatoren. Es sah zwar sehr grotesk aus, wie er da so in einer Ecke des Raumes in dieser akrobatischen Stellung hing, aber es war die einzige Möglichkeit, ohne jede dafür bestimmte Vorrichtung zu zeichnen. Kit kam zurück und »stand« mit unnachahmlicher Grazie mitten im Raum. Ihre Haare sahen aus, als schwämme sie in Wasser. »Rod! Das solltest du sehen! Der Anstreicher hat sich festgebunden und spielt auf der Mundharmonika. Die anderen tanzen. Kannst du dir einen Tanz in drei Dimensionen vorstellen? Sie benutzen große Stücke Karton als Fächer oder Flossen und segeln in der Halle umher, als seien sie Fische.« Erneutes Gelächter drang an ihre Ohren. Menschen lachten und scherzten, und doch befanden sie sich in einem Universum, das eigentlich gar nicht existierte. In einem Universum, in dem es keinen Stern gab. »Geh ruhig hin, wenn du zusehen magst«, entgegnete Rod. »Ich habe hier leider zu tun.« Er hatte guten Grund, sich nicht an den harmlosen Spielen der Mannschaft zu beteiligen. Das Schicksal hatte ihn gezwungen, der Kapitän der Stellaris zu sein, und außerdem war er der einzige Mann an Bord, der etwas von Navigation verstand. Die anderen hatten sich daher ohne weiteres seinen Anordnungen zu fügen, wenn sie die einzige Aussicht auf ein Überleben des Abenteuers nicht verlieren wollen. Wenn er Gefahr und Not mit ihnen teilte,
so war das in Ordnung. Wollte er aber jetzt mit ihnen tanzen und spielen, so würde er seine Autorität verlieren, und der Respekt vor seiner Überlegenheit würde verblassen. Er würde ein Mann sein wie jeder andere – und das mußte er vermeiden. Nachdem er seine Skizzen beendet hatte, faßte er seinen Entschluß. Mit der gebotenen Vorsicht »schwamm« er zum Antriebsraum und stellte die Zugstrahlen ein, die nicht für die Verankerung benötigt wurden. Er ließ sie fächerförmig ausstrahlen, so daß sie alle Richtungen des unbekannten Universums zu bestreichen vermochten. Praktisch war über das schwarze Universum nichts bekannt. Man wußte nur, daß die Lichtgeschwindigkeit ungleich höher und das Körperbeharrungsvermögen entsprechend geringer war. Unglaubliche Geschwindigkeiten waren daher möglich. Das also war bekannt – sonst nichts! Das schwarze Universum konnte ein vollkommenes Vakuum sein, ohne die geringste Spur eines atomaren Partikelchens. Doch rein theoretisch war ein Kosmos ohne Materie undenkbar. Ein in sich geschlossenes Universum konnte nicht ohne eine Substanz sein, die jene Kraftlinien hervorbrachte, die es abgeschlossen hielten. Also mußte es in gewissem Sinne auch Masse geben. Rod schaltete die Zugstrahlen ein, obwohl kaum eine Hoffnung bestand, daß sie auf einen festen Gegenstand stoßen würden, wenigstens nicht im Zeitraum von nur einigen Stunden; auch dann nicht, wenn die Strahlen mit hundertoder tausendfacher normaler Lichtgeschwindigkeit reisten.
Er begab sich wieder in die Zentrale, nachdem er auf seine Uhr geschaut hatte. Kit lag in dem festgeschraubten Sessel und ruhte. Aus ihrem Gesicht war alle Fröhlichkeit verschwunden, es zeigte äußerste Unzufriedenheit. Rod tat so, als bemerkte er es nicht. Er sagte: »Ich habe die Zugstrahlen eingeschaltet, um festzustellen, ob sich in näherer Umgebung ein fester Körper befindet.« Sie gab keine Antwort. Nach einer Weile fuhr er fort: »Ich hoffe, daß wir die Mannschaften der Pyramidenschiffe getötet haben und ihre Schiffe und deren Ausstattung untersuchen können. Im schwarzen Universum kann ihr phänomenales Blitzlicht von großem Nutzen sein. Dann interessiert mich der Antrieb. Außerdem haben sie eine Art Strahlenpistole, die ich gern für mich hätte.« Die Lippen des Mädchens öffneten sich, als wolle sie etwas sagen, aber sie schwieg noch immer. Eine Träne quoll aus einem Augenwinkel, lief aber der fehlenden Schwerkraft wegen nicht die Wange hinab, sondern verschleierte den Blick. Sie schloß das Auge – und die Träne schwebte als schimmernde Perle mitten davor. Rod beugte sich über Kit und küßte sie. »Ich weiß, ich kümmere mich zu wenig um dich. Du mußt ja denken, ich hätte dich ganz vergessen. Das ist aber nicht so, und ...« »Du hast auch alles andere vergessen, Rod! Wissen wir denn, wie lange wir noch zu leben haben? Wissen wir es wirklich?« Rod schüttelte den Kopf.
»Das allein ist es nicht, Kit. Sieh mal, die anderen Mädchen könnten anfangen dich zu beneiden, wenn du glücklich und zufrieden aussähest. Zehn Männer und fünf Mädchen, gestrandet auf einem unbewohnten Planeten irgendwo in der Milchstraße – kannst du dir nicht denken, daß da eine Gefahr entstehen könnte? Wollen wir das beschleunigen?« »Einige Männer sind verheiratet«, wehrte Kit ab. »Es wird ihnen schwerfallen, sich daran zu erinnern, wenn sie erst einmal wissen, daß sie die Erde nie mehr wiedersehen werden.« Er machte eine ungeduldige Bewegung. »Ich sehe unsere Lage so: Wir befinden uns in der gleichen Situation wie Schiffbrüchige in den Tagen der alten Segelschiffahrt. Nur ist unsere Lage noch viel schlimmer, denn wir haben keine Hoffnung, daß uns je irgendwer zu Hilfe kommen könnte. Wir müssen Lebensmittel haben, Waffen und Werkzeuge, um überleben zu können.« Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Wenn wir die Erde nicht finden – und die Aussichten sind gleich Null – und dieser Planet uns nicht paßt, müssen wir eine unbewohnte und geeignete Welt finden, in der wir uns niederlassen; wir werden eine regelrechte Kolonie bilden müssen. Das soziale Zusammenleben wird sich ein wenig anders gestalten, als wir es von der Erde her gewohnt sind, Kit. Und wir wissen auch nicht, wo und was unsere neue Heimat sein wird. Wozu also schon jetzt Unzufriedenheit schaffen?« »Wenn du wenigstens ein bißchen netter zu mir wärst«, schmollte Kit, schon ein wenig versöhnter.
»Wenn ich es wäre, würde es mir schwerfallen, damit wieder aufzuhören«, lächelte Rod und sah befriedigt, daß sie errötete. Im gleichen Augenblick ging eine leichte Erschütterung durch das Schiff. Kaum merklich, aber Rod hatte darauf gewartet. Er segelte mit gekonnter Eleganz durch die Zentrale, hinaus auf den Gang und durch diesen zum Antriebsraum. Unterwegs sah er auf seine Uhr. Einer der Zugstrahlen hatte vierzehn Minuten gebraucht, um auf einen festen Gegenstand zu stoßen – auf einen festen Gegenstand im schwarzen Universum! Er erreichte die Projektoren. Vorsichtig schaltete er einen nach dem anderen aus, bis eine erneute Erschütterung spürbar wurde. Damit hatte er den Strahl identifiziert, der getroffen hatte. Er verstellte ihn nicht, ließ aber Parallelstrahlen ausgehen, um damit die Größe des unbekannten Gegenstandes zu bestimmen. Wieder dauerte es vierzehn Minuten, und Rod atmete auf. Der Gegenstand näherte sich nicht ihrem Standpunkt, wenigstens nicht so schnell, daß es meßbar war. Stundenlang arbeitete Rod nun und schickte Strahl auf Strahl gegen das unbekannte Objekt. Allmählich zeichnete sich das Bild auf einem Diagramm ab, und Rod betrachtete es atemlos. Es war ein gewaltiger Körper, rund und von großer Dichte. Sollte es eine ausgebrannte Sonne sein? Wenn ja, wäre das von großem Vorteil bei späteren Flugmanövern. Zur Vorsicht ließ Rod den Zentralstrahl eingeschaltet,
damit die Richtung nicht verlorengehen konnte, dann erst kehrte er in die Zentrale zurück. Kit sah ihm entgegen. Aus ihrem Gesicht war die Unzufriedenheit verschwunden, ja sie lächelte sogar. Ein kleines Stück Papier war in ihrer Hand. »Rod«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte ein wenig. »Du hast mir diesen kleinen Brief geschrieben?« Rod suchte nach einem Halt, um nicht gegen die Kontrollen zu segeln. Er fühlte eine Welle der Scham in sich aufsteigen, obwohl das unsinnig war. Bevor er das Schiff verlassen hatte, um den Todesstrahler zu bauen und anzuschließen, hatte er diesen Zettel an Kit geschrieben. Denn während er draußen in der Stadt arbeitete, konnte sehr gut der Feind überraschend eintreffen und sie töten. Für diesen Fall war die Botschaft bestimmt gewesen, die Kit nun gefunden hatte. »Tja – Kit, ich habe ihn geschrieben und vergessen, ihn dann wieder zu zerreißen. Denk nicht mehr daran, Kit!« »Das wird schwerfallen«, meinte das Mädchen und lächelte. »Wenn du wirklich so denkst und fühlst, wie es aus deinen Zeilen hervorgeht, will ich es bestimmt nicht vergessen. Und ich werde auch nicht mehr an dir und deinen Gefühlen zweifeln.« Auch er lächelte jetzt und hätte wahrscheinlich alle seine guten Vorsätze vergessen, wäre in diesem Augenblick nicht der Elektriker Joe in die Zentrale gekommen. Er hatte sich zwei Schwingen aus Hartpappe konstruiert und hantierte so vortrefflich mit ihnen herum, daß er wie ein großer Vogel durch den Gang geschwebt kam, mitten in
der Zentrale abbremste und mit einigen »Flügelschlägen« sicher auf dem Boden landete. »Hätte ich eine Harfe«, sagte er und grinste breit, »dann käme ich mir jetzt wahrhaftig wie ein Engel vor.« Rod schien etwas verlegen, woran aber der »Engel« nur indirekt Schuld hatte. Er sagte abrupt: »Ich denke, wir werden in unser normales Universum zurückkehren und feststellen, ob unser Strahler gewirkt hat.« Joe hob die Augenbrauen und bewegte seine Schwingen. Sofort erhob er sich und schwebte zur Wand, wo er sich an einem Handgriff festhielt. »Im übrigen habe ich eine Idee!« gab er bekannt. »Welche?« »Könnten wir nicht noch einige dieser Strahlgeräte herstellen und sie im Schiff einbauen? Wenn dann so ein Pyramidenschiff aufkreuzt, sind wir wenigstens in der Lage, es standesgemäß zu begrüßen.« »Falls wir dazu kommen, den ersten Schuß abzugeben.« »Natürlich«, stimmte Joe ihm zu, »das ist richtig. Aber da läßt sich doch etwas Ähnliches wie eine Sicherheitsvorrichtung einbauen. Wir stellen zwar den Strahler an, aber nichts geschieht. Es geschieht erst dann etwas, wenn eine gewisse Vibration erreicht wird.« Rod gab keine Antwort. Er wartete ab, aber er ahnte, worauf der Elektriker hinaus wollte. »Die bestimmte Vibration wird erreicht, wenn uns ein Vibrationsstrahl trifft. Automatisch löst sich die Sperre, und unser Strahl tritt in Aktion.«
»Ausgezeichnet«, gab Rod zu, »aber trotzdem hat die Sache einen Haken. Wir werden getötet und unsere Gegner aller Wahrscheinlichkeit nach auch. Davon haben wir aber nichts.« »Dann werden wir eben auch noch unseren Kraftfeldgenerator mit einbeziehen. Wenn sie also den Strahl gegen uns abfeuern, feuern wir automatisch zurück und verschwinden im schwarzen Universum. Alles automatisch, eine regelrechte Falle! Ich kann diese Burschen nämlich absolut nicht leiden.« »Ich auch nicht, Joe. Hm, an der Sache ist etwas dran! Langsam gefällt sie mir, wir müssen es uns nur gut überlegen.« Kit mischte sich ein. »Es dürfte uns nicht schwerfallen, die Pyramidenrasse zu überraschen. Sie haben die Gewohnheit, jede andere Rasse zu vernichten, sobald sie die Stufe der Raumfahrt erreicht hat. Daher werden sie nicht damit rechnen, einem bewaffneten Gegner zu begegnen. Vielleicht haben sie noch nie in ihrem Leben richtig gekämpft, immer nur wehrlose Gegner ausgelöscht. Oder habt ihr schon einmal von einem Jäger gehört, der von einem Kaninchen angegriffen wurde?« »Das stimmt«, gab Rod zu und nickte. »Das wird aber nicht ausschließen, daß sie vorsichtig sein werden. Ich stelle mir vor, daß ihr Mordgeschäft folgendermaßen begann: Sie trafen eines Tages auf eine andere Rasse, die keine feindlichen Absichten hatte. Aber die Pyramidenleute fürchteten die weitere Entwicklung dieser
Rasse, die in den Anfängen der Raumfahrt stand, und vernichtete sie. Dann raubten sie ihre Städte aus und stellten fest, daß sich dieses Geschäft lohnte. Sie haben sich diese Unsitte nicht mehr abgewöhnen können. Hm, vielleicht können wir aus ihrer Mentalität einen Vorteil für uns herausholen.« In diesem Augenblick dachte er wieder daran, daß sie zuerst einmal nachprüfen mußten, wie ihr Vibrationsstrahler gearbeitet hatte. Ein Schauer kalter Furcht rieselte seinen Rücken herab, aber es nutzte nicht. Sie mußten die Sicherheit des schwarzen Universums verlassen, oder sie würden es niemals erfahren. »Wir werden jetzt zurückkehren und gehen dabei ein gewaltiges Risiko ein«, sagte er und wandte sich an Joe. »Kit wird den Leuten im Schiff Bescheid geben und sie darauf vorbereiten. Joe, begib dich in den Antriebsraum! Der Zugstrahl steht konzentriert, jedoch mit geringer Kraft, auf einem Gegenstand im schwarzen Universum. Sobald ich das Kraftfeld wieder zurückschalten sollte, gibst du volle Kraft auf den Zugstrahl. Wir müssen das Risiko eines unbekannten Zieles auf uns nehmen. Verstanden?« Joe grinste nur zur Antwort, flatterte mit den Pappflügeln und segelte wie ein Adler davon. Sie hörten, wie er verschiedene Male gegen die Wandung des Korridors flog und dabei unterdrückte Flüche ausstieß. Allem Anschein nach war er doch noch nicht ein vollkommener Engel. Kit warnte die Mannschaft, sich entsprechend vorzubereiten, damit die plötzliche Rückkehr der
Gravitation sie nicht überraschte. Dann betätigte Rod den Schalter. Das Gewicht kam zurück, aber vor der Sichtluke blieb es dunkel. Rod zögerte eine Sekunde, ehe er rief: »Lichter aus im Schiff! Schnell!« Es war Nacht draußen, und man würde die Lichter weit sehen können. Lange Minuten wartete Rod, ehe er Kit an den Schalter stellte, der das Kraftfeld wieder einschalten würde. Dann verließ er die Zentrale und ging mit schleppenden Schritten zur Luftschleuse. Die Außenluke öffnete sich langsam – viel zu langsam für seine Ungeduld. Er kletterte die wenigen Sprossen hinab und stand bald in der finsteren Nacht auf dem Platz inmitten der toten Metropole. Es war kalt, und am Himmel standen fremde Sternbilder. Am Horizont schimmerte noch die längst versunkene Sonne in Form schwach leuchtender Streifenwolken. Um Rod herum war tiefstes Schweigen und vollkommene Stille. Er bekämpfte das merkwürdige Gefühl schleichender Furcht, das ihn befallen wollte, als er mitten in der Nacht auf der Oberfläche eines namenlosen Planeten stand, dessen Bevölkerung ermordet und dessen Zivilisation ausgeraubt worden war. Doch es konnte kaum Mitternacht sein, wenn es überhaupt schon so spät war. Nur das totale Schweigen schien unnatürlich, es drohte, das Trommelfell zu sprengen. Am Rande des Dschungel würde der leichtgehende Wind in den Zweigen der Bäume rascheln, aber hier auf dem Platz gab es keine Bäume.
Ganz allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis, und es schien nicht mehr so dunkel wie zu Anfang. Er konnte die Umrisse der nächsten Gebäude schon deutlich unterscheiden. Und dann sah er das Pyramidenschiff. Es mußte jenes Schiff sein, das er gesehen hatte, als er sich in Sicherheit brachte. Es war außer Kontrolle geraten und abgestürzt. Ein Teil des Rumpfes hatte sich in eine spitze Gebäudekonstruktion gebohrt und war dort hängengeblieben. Der Restrumpf lag auf dem Platz. Rod atmete erleichtert auf. Die Waffe hatte nicht versagt, sie hatte die Mannschaft des fremden Schiffes augenblicklich getötet. Auf diesem Planeten gab es keinen lebenden Angehörigen der mörderischen Raubrasse mehr. Irgend etwas bewog ihn dazu, hinauf in den nächtlichen Himmel zu blicken. Ein Lichtfleck hatte sich bewegt, war dann wieder erloschen. Ein Meteor? Nein, Meteore bewegen sich schneller. Und sie verdecken keine anderen Sterne durch einen Schatten, der zweifellos dreieckige Form besaß. Rod fühlte, wie die Hand des Todes nach seinem Herzen griff. Hatte er denn die Signale vergessen, die von der Pyramide ausgesandt wurden? Hatte er vergessen, daß diese aufhören mußten, wenn er die Energie für den Strahler verwendete? Wußte er nicht, daß das Aufhören der Sendung die Mörder herbeilocken würde? Nun waren sie gekommen und schienen nicht die Absicht zu haben, auf ihre eigenen Rassegenossen
Rücksicht zu nehmen, die sich vielleicht noch auf diesem Planeten befanden. Möglicherweise rechneten sie auch damit, daß sie dem Angriff von Unbekannten zum Opfer gefallen waren, was ja tatsächlich der Fall war. Noch wahrscheinlicher jedoch war es, daß sich in den Pyramidenschiffen eine automatische Alarmvorrichtung befand, die einen Notruf auslöste, sobald die Besatzung durch irgendein Ereignis starb. Relais, die eine solche Botschaft schneller als das Licht weiterleiten konnten, würden überall im Milchstraßensystem verteilt sein. Wurde also eines der Pyramidenschiffe zerstört, wäre nur Sekunden später eine übermächtige Flotte zur Stelle, um den Feind zu bestrafen. Immer neue Sterne wurden verdeckt, es mußten Hunderte von Schiffen sein, die den Planeten umzingelten und ihn vom Universum abschlossen. Dann würden die Todesstrahlen zu wüten beginnen, alles Lebende vernichten, falls solches noch vorhanden sein sollte. Vielleicht würden sie sogar versuchen, den ganzen Planeten in atomare Energie zu verwandeln, also eine neue Sonne aus ihm zu machen. Rod biß die Zähne zusammen. Er hatte einen Fehler gemacht. Wertvolle Stunden hatte er mit übervorsichtigem Warten vergeudet. Einmal hatte er diesen Fehler begangen, ein zweites Mal würde ihm das kaum passieren. Er drehte sich hastig um, eilte in das Schiff zurück und gab schnelle präzise Anweisungen.
8 Es gab zwar keine Panik, aber die Spannung ließ doch einigen Mitfahrenden die Nackenhaare zu Berge stehen. Joe und einer der Schweißer trennten den Generator von der jetzt leeren Batterie in der Pyramide. Der Strahler befand sich immer noch in gebrauchsfertigem Zustand und wurde mit allen anderen benötigten Gegenständen auf das Fahrzeug gebracht, mit dem man alles zur Pyramide befördert hatte. Rod hatte mit zwei anderen Männern inzwischen die Luftschleuse des Pyramidenschiffes betreten. Ein bestialischer Gestank schlug ihnen entgegen, allem Anschein nach der Körpergeruch der Pyramidenrasse. Sie selbst mochten diesen Geruch niemals bemerken, ebensowenig wie der Mensch den Geruch wahrnehmen kann, der einem Hund so sympathisch zu sein scheint. Mit ab und zu vorsichtig eingeschalteten Handscheinwerfern durchsuchten sie eilig das gigantische Schiff nach Überlebenden. Als Waffen besaßen sie nur Schraubenschlüssel und einen Schweißstrahler. Sie ignorierten die Maschinerie und Gegenstände, sie suchten nur nach dem Feind. Aber außer den Leichen fanden sie nichts. Sie verließen das Schiff und transportierten zuerst den Strahler zur Stellaris, wo sie ihn einluden und somit in Sicherheit brachten. Joe meinte:
»Die Pyramide ist halb zusammengeschmolzen.« »Sie werden annehmen, jemand habe versucht, sie zu öffnen«, erklärte Rod, der mit solchen Dingen ja bereits Erfahrungen hatte. »Es wird ihnen einiges zu denken geben, denn viel ist nicht mehr da, um genauere Einzelheiten festzustellen.« Zusammen mit zwei Gefährten bestieg er das leere Fahrzeug und fuhr mit ihm in die Stadt zum Sendehaus. Er wußte, daß über ihm der Tod am Nachthimmel schwebte, aber trotzdem führte er seinen Plan durch. Jeden Augenblick konnte die Feindflotte beginnen, die Oberfläche des Planeten mit den tödlichen Strahlen zu bombardieren, die alles Leben vernichten würde, und sie besaßen bis jetzt dagegen noch keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten. Aber er hatte zwölf wertvolle Stunden verloren und mußte sie wieder einholen. Er hatte die Feinde überschätzt und gleichzeitig unterschätzt, und beides sollte man bei einem Gegner Vermeiden. Eine Rasse von Mördern mußte übervorsichtig sein, das lag in ihrer Natur. Aus diesem Grund war es möglich, daß sie ein unbemanntes Robotschiff senden würde, um nach dem Verbleib der drei verschollenen Schiffe zu forschen. Die restliche Flotte würde das Ergebnis dieser Untersuchung abwarten. Rod besaß keine neue Waffe, die der Feind vielleicht bei ihm vermuten würde und die ihn zur Vorsicht zwang. Er besaß nichts anderes als eine roh nachgebaute Waffe der Pyramidenrasse. Sie waren vielleicht in der Lage, die Oberfläche des
Planeten mit Teleskopen abzusuchen und konnten damit die Stellaris entdecken. Bei Nacht jedoch mußten sie Infrarot benutzen, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich bei der Unklarheit des erhaltenen Bildes irrten, war sehr hoch. Also bestand die Möglichkeit, daß die Stellaris und die kleine Expeditionsmannschaft bis zum Morgengrauen sicher war. Er mußte es eben riskieren. Sie erreichten die Sendestation und gingen hinein. In aller Eile montierten sie den Isotopengenerator ab und schleppten ihn zu dem Fahrzeug. Vier Televisionsgeräte folgten mit allem Zubehör. Dann kehrten sie zum Schiff zurück und verluden alles. »Ich hätte gern auch noch mehr Früchte mitgenommen«, sagte Rod nachdenklich, »aber ich denke, wir kommen noch einige Zeit mit unseren Vorräten aus. Na, dann gut. Luken schließen!« Er eilte in den Kontrollraum. Hier hatte Joe inzwischen weitere Schiffsinstrumente angeschlossen und Schalter eingebaut, so daß man von hier aus alle notwendigen Handhabungen durchführen konnte. Rod löste die Verankerungsstrahlen und hob das Schiff auf Druckstrahlen langsam an. Die Stellaris stieg ein wenig seitwärts und schwebte dann über dem abgestürzten Pyramidenschiff. Zugstrahlen fuhren hinab und fesselten es unsichtbar an die Stellaris. Diese sank ein wenig herab, aber Rod verstärkte die Druckstrahlen, welche das Schiff hielten. Es stieg erneut – und diesmal kam das Pyramidenschiff mit. Es hing frei in
der Luft, kam näher und stieß endlich mit einem leichten Ruck gegen die Unterseite des Erdschiffes. Beide Schiffe zusammen stiegen dann bis in zwei Kilometer Höhe auf, wo sie liegenblieben. Doch Joe war in der langen Wartezeit nicht untätig geblieben. Gewisse Änderungen der Strahlvorrichtung des Feldgenerators bewirkten, daß nicht nur die Stellaris, wie vordem geplant, in den Bereich des Kraftfeldes einbezogen wurde, sondern auch eine kleine Umgebung des Schiffes von kugelförmiger Dimension. Rod hatte ja das Kraftfeld selbst entwickelt, daher hatte er die notwendigen Anordnungen leicht geben können. Doch jetzt schwitzte er vor Aufregung, bevor die letzten Anweisungen gegeben werden konnten. Jeden Augenblick konnte die Feindflotte mit ihrer Vernichtungsaktion beginnen, dann würde es zu spät sein. Aber die Aktion kam nicht. Er blickte aus der Sichtluke und erkannte den Sternenhimmel, der sich über dem Planeten wölbte. Undeutlich sah er unten die Umrisse der Stadt und den dunklen Rand des nahen Dschungels. Direkt unter der Stellaris jedoch hing das Pyramidenschiff, fest verankert durch die substanzlosen Seile der Druckzugstrahlen. Rod legte den Hebel des Kraftfeldes um. Gleichzeitig wurde es draußen pechschwarz, und die Schwerkraft verschwand. Diese Eindrücke jedoch waren nicht neu und lösten keine besondere Überraschung mehr aus. Doch das leicht scharrende Geräusch, das von draußen kam, ließ sie aufhorchen. Rod sagte lächelnd:
»Ich hätte nicht gedacht, daß wir es schafften in der kurzen Zeit, aber vermutlich hatten wir Glück.« Kit hing an einem Haltegriff und bemühte sich, diesen nicht loszulassen. Sie fragte ein wenig ängstlich: »Was bedeutet das Scharren?« »Das ist nur unser Freund – das feindliche Schiff. Ursprünglich beeinflußte das Kraftfeld nur die Stellaris und brachte sie in das schwarze Universum. Aber wir haben es ein wenig verändert.« Er machte eine umfassende Gebärde. »Jetzt beeinflußt es eine Sphäre von gut einem Kilometer Durchmesser. Als wir also den Wechsel in das andere Universum vornahmen, kamen das Pyramidenschiff und alles andere, was sich in einem Umkreis von fünfhundert Metern befand, mit uns.« Kit sah erstaunt aus. »Was wollen wir den damit? Wir haben noch nicht einmal Druckanzüge an Bord, mit denen wir die Stellaris verlassen und das andere Schiff betreten könnten. Und im schwarzen Universum befindet sich genausowenig eine Atmosphäre wie in dem normalen.« Rod grinste etwas und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wir brachten die Luft auch gleich mit«, erklärte er. Joe kam in die Zentrale. »Soweit ich es abzuschätzen vermag, können wir fast zweihundert Meter Kabel zusammenflicken, damit wir Licht in dem Pyramidenschiff haben«, gab er bekannt. »Aber ...« begann Kit, wurde jedoch von Rod
unterbrochen: »Wir brachten die Atemluft in unserer Kugel mit. Zugstrahlen wirken in allen Richtungen und haben somit die gleiche Wirkung wie Gravitation. Natürlich besteht das schwarze Universum aus einem Vakuum – aber befindet sich nicht jeder Planet, auch unsere Erde, inmitten eines Vakuums? Nur die Schwerkraft hält die Lufthülle eines Planeten. Zugstrahlen halten die unsere. Wir können beliebig auf der Hülle unseres Schiffes Spazierengehen, wenn wir es wünschen. Wir würden noch nicht einmal abtreiben können, da die Zugstrahlen uns halten, genauso wie die Luft. Es bestehen also keine Schwierigkeiten, die Schleuse zu öffnen.« Zusammen mit Joe begab er sich in die Schleuse und öffnete die Außenluke. Das Geräusch entweichender Luft blieb aus. Die Stellaris war nichts anderes als ein Miniaturplanet mit einer Lufthülle, eine Insel inmitten der tödlichen Leere des Alls. »Wir müssen uns trotzdem beeilen«, sagte Rod grimmig. »Hätten wir nur Winterkleidung und Pelze! Die Luft wird schnell die Wärme an den Raum abgeben, und wir haben keine Sonne. Eine Stunde vielleicht, nicht viel mehr.« Joe blieb in der Luke stehen und wickelte das Kabel ab, dessen vorderes Anschlußende von Rod gehalten wurde. An diesem Ende befand sich eine starke Lampe, die in der völligen Dunkelheit ein grelles Licht verbreitete. Dieser Lichtpunkt, der einzige in einem Umkreis von Tausenden von Lichtjahren, beleuchtete die schimmernde
Hülle des erbeuteten Feindschiffes. Einer der Anstreicher steckte seinen Kopf aus der Luke der Stellaris und schauderte. Joe gab ihm einen freundschaftlichen Stoß, und er folgte Rod. Ein Schweißer kam nach; er trug einen Hitzestrahler und andere Werkzeuge seines Berufes. Sie schnitten eine Öffnung in die Haut des anderen Schiffes, da sie an die Schleuse jetzt nicht herankommen konnten. Drei verschiedene Schichten mußten beseitigt werden, ehe sie endlich in das Schiff gelangten. Erneut schlug ihnen der Gestank entgegen. »Wir wollen versuchen, ihre Beleuchtungsanlage in Betrieb zu setzen, das erleichtert unsere Aufgabe«, meinte Rod. »Und dann werden wir die Plünderer ausnehmen. Joe und ich werden uns um die technische Einrichtung kümmern, besonders um vorhandene Waffen. Ihr anderen sucht Werkzeuge, Geräte, Bücher und Sternkarten, damit wir endlich wissen, wo diese Mörder beheimatet sind. Und eins ist dabei wichtig: Größte Eile!« Joe fand Leuchtquellen, und es gelang ihm, sie auch einzuschalten. Damit wurde ihre Lampe überflüssig, was ihnen mehr Bewegungsfreiheit verschaffte. Das Schiff erregte ungeteilte Bewunderung, aber nicht wegen seiner technischen Vollkommenheit, sondern gerade wegen seiner Einfachheit. Die Pyramidenform war sicherlich nur gewählt worden, weil die Konstruktion einfacher zu bewältigen war. Die Vorteile der Reflektion mochten dabei auch eine gewisse Rolle gespielt haben. Trotzdem war offensichtlich, daß ein solches Schiff nicht das Werk einer wirklich zivilisierten Rasse sein konnte.
Sämtliche Einrichtungen waren primitiv und dienten nur rein dem Zweck. Die Wände waren roh angefertigt, als seien sie niemals bearbeitet worden. Von irgendeiner Kultur konnten die Männer nicht die geringste Spur entdecken. Es sah alles so aus, als habe man es flüchtig zusammengebaut, die Besatzung einfach hineingesteckt und auf die Reise geschickt. An Bequemlichkeit wurde offensichtlich nicht gedacht. Die Psychologie der Pyramidenrasse blieb somit den Menschen ein Rätsel; selbst eine nähere Untersuchung der Leichen brachte keine Aufklärung, denn die ausdruckslosen Gesichter verrieten nichts, aber auch gar nichts. Irgendwie paßten sie zu den zweckmäßigen und nüchternen Gegenständen des Schiffes. Rod gewann den Eindruck, daß hier eine barbarische Rasse zufällig an das Geheimnis der Raumfahrt herangekommen war, obwohl sie nicht dafür reif war. Vielleicht lebten die Pyramidenleute primitiv und dürftig auf ihrer Heimatwelt, obgleich ihre Piraterie ihnen die Möglichkeit eines technischen und kulturellen Aufschwunges gab. Aber wie sollten sie eine eigene Kultur und Zivilisation entwickeln, wenn sie andere zerstörten und nur das für sie Nützliche raubten? Er suchte nach Waffen und fand nichts anderes als den Vibrationsstrahler, der so einfach konstruiert war, daß ihm die eigene Konstruktion besser schien, die sie in aller Eile und Hast zusammengebaut hatten. Der Maschinenraum machte einen fast leeren Eindruck, obwohl plumpe Maschinerie und wirre Kabel ihm zuerst einige Rätsel
aufgaben. Das größte Rätsel jedoch war die Energiequelle. Alle Kabel endeten in einer Platte aus Glas oder Kunststoff, die eine dreieckige Form besaß. In der Mitte befanden sich zwei Metallplatten. Das war eigentlich alles. Es hätte ein Kondensator sein können, aber keine Kraftquelle. Und doch mußte es die Maschine sein, die das ganze Schiff mit Energie versorgte. Jetzt war sie außer Betrieb und tot. Rod ließ sie abmontieren und zur Stellaris bringen. Der Antrieb selbst war ebenso einfach und primitiv, bis sich Rod die Mühe machte, genauer hinzusehen. Dann aber erschrak er über die tatsächliche Einfachheit, die an Genialität grenzte. Der Antrieb bestand aus einem Druckstrahler, dessen Strahl einen Durchmesser von dem Bruchteil eines Millimeters besaß. Er zielte genau auf ein winziges Loch in der Metallplatte des Hecks. Der Druckstrahl erzeugte einen Druck von Tausenden von Tonnen, der sich gegen die winzige Öffnung richtete. Ein einfacher Regler sorgte dafür, daß ständig ein geringfügiger Strom eines unbekannten Gases vor diese Öffnung floß. »Ja, ist das denn möglich!« staunte Joe fassungslos. »Seht euch das an! Wir könnten schon seit fünfzig Jahren im Weltraum herumgondeln, wenn wir früher auf die Idee gekommen wären. Gas fließt in die Düse und wird mit Hilfe des konzentrierten Druckstrahls herausgepreßt! Eine Gas-Druckstrahlrakete!« Er schlug sich auf die Schenkel und schüttelte ungläubig den Kopf. »Millionen von
Atmosphären Druck auf dem entweichenden Gas, das ist Lichtgeschwindigkeit beim Entweichen aus der Düse.« »Sie flogen schneller als das Licht«, sagte Rod nachdenklich. »Wir bringen die ganze Anlage auf die Stellaris, um sie zu untersuchen. Jetzt müssen wir noch herausfinden, wie sie ihre Geschwindigkeit über die des Lichtes erhöhten.« Dann suchten sie weiter. Rod entdeckte die automatische Sendeanlage, die unaufhörlich Hilferufe in das Nichts aussandte, wahrscheinlich von jenem Augenblick an, da die Besatzung starb. Bis auf die Energiequelle war auch diese Einrichtung leichtverständlich und bestand zu neunzig Prozent aus Erfindungen, die auf der Erde bedeutend besser entwickelt waren. Die verbrecherische Rasse war stets klug genug gewesen, andere Zivilisationen zu vernichten, ehe sie ihnen gefährlich werden konnten. Klug genug – und skrupellos genug. Die Blitzlichtkanonen waren ebenfalls verhältnismäßig einfach, ebenso ein Gerät, das scheinbar eine Art Radar darstellte. Bildschirme befanden sich in ähnlicher Anordnung wie auf der Stellaris, wären sie schon eingebaut gewesen. Aber es fehlte jede Spur einer Navigationseinrichtung oder von Sternkarten, die einen Hinweis hätten geben können. Dafür entdeckte Rod eine Kabine, in der es noch schwelte. Geschmolzenes Metall und schwarzer Staub, so, als sei Papier verbrannt worden, verrieten eine automatisch einsetzende Vernichtungsvorrichtung, die alle
navigatorischen Hinweise zerstörte, wenn die Mannschaft des Schiffes sich nicht mehr verteidigen konnte. Trotz ihrer steten Siege hatte man sich also auf eine eventuelle Niederlage vorbereitet. Kit hatte es sich nicht nehmen lassen, ebenfalls zu dem erbeuteten Schiff zu kommen. Sie traf auf Rod und fröstelte. »Zwei Stunden bist du nun schon hier, Rod! Es wird langsam kalt.« Ihr Gesicht war weiß. »Rauhreif liegt über den Hüllen der Schiffe, und es beginnt regelrecht zu schneien. Ich fürchte, die ganze Atmosphäre beginnt zu gefrieren.« »Du hättest in der Stellaris bleiben sollen«, sagte Rod. »Warum bist du hierher gekommen?« »Auf einen anderen würdest du ja doch nicht hören«, verteidigte sie sich. »Man sagte mir, du liefest wie ein Wilder im Schiff herum und stießest jeden beiseite, der dich auf die steigende Kälte aufmerksam machen will. In gefrorener oder gar flüssiger Luft kannst du doch nicht leben.« Er betrachtete sie genauer und bemerkte, daß eine weiße Wolke bei jedem Atemzug aus ihrem Munde drang. Ihre Kleider waren mit einer schimmernden Schicht Reif bedeckt. »Schon gut«, murmelte er schließlich. »Du hast ja recht. Aber ich wollte doch nur ...« Er verstummte und führte sie zu der herausgeschnittenen Öffnung. Auf der Hülle des Schiffes lag fußhoher Schnee. Weich sanken sie darin ein. Die Kälte war unglaublich,
obwohl Rod bis jetzt nichts davon gemerkt hatte, so sehr war er in seine Aufgabe vertieft gewesen. Das Vakuum saugte alle Wärme auf, deren es habhaft werden konnte. Joe wartete in der Schleuse. Er zitterte am ganzen Körper und stampfte ungeduldig mit den Füßen, die zu erfrieren drohten. Das Kabel hatte er inzwischen wieder eingezogen. »Es wird Zeit, daß wir die Schleuse schließen, meine Zehen sind eiskalt. Ich komme mir vor wie ein Polarforscher.« Die Außenluke schwang zu. Die innere öffnete sich. Licht und Wärme strömten ihnen entgegen und umhüllten wohltuend ihre steifen Glieder. Aber da war auch der penetrante Geruch, der von den Gegenständen ausströmte, die sie von dem anderen Schiff geholt hatten.
9 Keine fünf Minuten später schaltete Rod die Zugstrahlen ab, die das fremde Schiff und die Lufthülle an die Stellaris fesselten. Mit Schadenfreude stellte er sich die Überraschung vor, die er damit der Pyramidenrasse bereitete. Die Stellaris konnte sich nicht mehr als einige Millionen Meilen von dem Planeten der toten Stadt entfernt haben, falls sie in das normale Universum zurückkehrte. Das jedoch tat nun an ihrer Stelle das Pyramidenschiff und die es umgebende Luftschicht. In dem Nichts des Raumes würde es plötzlich eine leicht schimmernde Wolke geben, die man leicht vom Planeten her beobachten konnte. Man würde sie vielleicht für einen Kometen halten, dessen Schweif ja auch Materie in feinster Verteilung enthält. Eine Luftblase von einem Kilometer Durchmesser würde sich, wenn sie sich plötzlich in einem Vakuum befand, unheimlich schnell ausdehnen und dem unbefangenen Beschauer ein überraschendes Schauspiel bieten. Besonders dann, wenn der Kern des vermeintlichen Kometen sich bei näherer Betrachtung als das vermißte Pyramidenschiff entpuppte. Und wenn sie dann ihr Schiff finden und untersuchen würden, stiege ihre Unsicherheit sicherlich noch um ein beträchtliches. Zwar würden sie feststellen, daß nur einige wenige Gegenstände entfernt worden wären, aber es blieb
doch die nachdenkliche Tatsache, daß man nach der Untersuchung das Schiff mit einer gewissen Verachtung wieder freigelassen habe. Rod stellte sich das alles mit einiger Genugtuung vor, und ihm fiel ein, daß er noch die erbeuteten Gegenstände begutachten mußte. Es war zu dumm, daß keine Gravitation im Schiff herrschte. Die seltsamen Geräte hingen frei in den Räumen und Gängen, behinderten die Bewegungsfreiheit und ließen sich schlecht untersuchen. Die Energiequelle, das gläserne Dreieck, war und blieb ein Rätsel. Die mächtigen Kabel wiesen auf die ungeheure Energie hin, die in ihr entwickelt werden konnte. Woher aber kam diese Energie? Auch der Antrieb erregte einiges Aufsehen bei denen, die ihn noch nicht gesehen hatten. Das Radargerät jedoch, die Blitzlichtkanonen und die Bildschirme waren nicht so gut, wie man sie auf der Erde hergestellt haben würde. Rod knurrte wütend vor sich hin: »Ihr Antrieb und der Todesstrahler sind beides Dinge, die wir auch selbst hätten entwickeln können, wären wir nur darauf gekommen. Ihre Energiequelle allerdings und ihr Überlichtantrieb bleiben mir ein Rätsel, das gebe ich zu. Das ist aber auch alles! Wenn wir diese Dinge der Erde mitteilen könnten, wären wir in zwei Monaten so weit, daß wir diese ganze Mordbande dorthin zurückjagen könnten, woher sie kommt. Leider aber haben wir die Erde verloren. Und wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, um ihnen soviel Schaden wie nur irgendmöglich zuzufügen.« Alle anderen Dinge, die man aus dem Schiff geholt hatte
und die nichts mit Technik zu tun hatten, schienen weniger interessant. Wenigstens dachten die Männer so. Aber die Frauen hatten sich auf die Ballen gestürzt, auf Ballen seltsamer Stoffe von bunter Farbe. Sicherlich Kleiderstoffe einer längst vernichteten Zivilisation. Juwelen waren da, in allen Größen und Farben. Bilder zeigten Lebewesen in solchen Kleidern, aber es waren weder die ehemaligen Bewohner des nahen Planeten noch Angehörige der Pyramidenrasse. »Sie haben das alles erbeutet, diese Räuber«, stellte Rod fest und in seiner Stimme schwang ein drohender Unterton. »Sie haben es den armen Teufeln abgenommen, die sie vernichtet haben. Wir müssen uns an die Arbeit machen«, sagte Rod dann. »Zwar gefällt es mir nicht, ihre eigenen Erfindungen auszunutzen, um sie zu besiegen, aber es bleibt uns wohl kaum etwas anderes übrig.« Zug- und Druckstrahl allein hatten sich als nicht ausreichend im wirklich leeren Raum erwiesen. Also beschloß man, den Antrieb des anderen Schiffes im Heckraum einzubauen. Es war einfach genug, die ganze Einrichtung durch die Schwerelosigkeit dorthin zu bringen und nach einigen Berechnungen festzuschweißen. Die Anbringung der Düse erwies sich aber als schwieriger, und er überließ die Arbeit seinen Elektrikern und Schweißern, nachdem er ihnen genaue Anweisungen gegeben hatte. Kit lächelte ihm entgegen, als er ihr auf dem Gang begegnete. Er betrachtete sie mißbilligend. Das Mädchen sagte: »Nicht immer ärgerlich werden, wenn ich mich um dich
kümmere! Ohne mich wärst du im Pyramidenschiff erfroren, vergiß das nicht.« »Danke, Kit«, entgegnete er. »Aber ich ärgere mich nur deswegen, weil ich nicht hinter das Geheimnis ihrer Energiequelle kommen kann. Der ganze andere Kram ist derart primitiv, daß auch der Energiespeicher kaum besser sein wird.« »Hast du wenigstens herausbekommen, wieso sie eine künstliche Gravitation besitzen?« fragte Kit neugierig. »Künstliche Gravitation?« wunderte sich Rod. »Sie haben doch keine künstliche Gravitation im Schiff gehabt!« »Aber natürlich! Ich konnte doch richtig gehen dort.« »Aber das war doch unser ...« Rod stockte, dann schlug er sich vor die Stirn, daß es knallte. »Ich Ochse! Und keiner ist darauf gekommen! Ich bin gleich zurück!« Er segelte so schnell er konnte in den Antriebsraum und zog Joe von seiner Arbeit weg. Gemeinsam stellten sie im Heck einen kleinen Zugstrahler auf, dessen Reichweite die Breite des Schiffes besaß. Langsam leiteten sie Energie in den Generator. Das Zentrum des Strahles zeigte auf die Mitte des Bugs. Alle Personen und Gegenstände im Schiff sanken allmählich auf den Boden zurück, wurden langsam schwerer, bis die gewohnte Schwerkraft hergestellt war. Rod ging durch den Gang, kletterte den Korridor hinauf und traf Kit in der Zentrale. »Jetzt haben wir künstliche Gravitation, eine Arbeit von einer knappen halben Stunde! Ein Zugstrahl im Heck zieht
uns alle an, daher haben wir den Eindruck einer ständig herrschenden Schwerkraft. Im Bug wird jetzt noch ein Druckstrahler angebracht, damit wir den Effekt außerhalb des Schiffes zu neutralisieren vermögen. Na also!« »Na also! Dann hätten wir ja auch mal Zeit, uns mit uns selbst ein wenig zu beschäftigen. Was meinst du?« »Ich meine, du hättest nicht ganz so unrecht«, stimmte er zu. Joe betrat die Zentrale und schleppte ein Kabel hinter sich her. »Ist noch ein Hebel frei?« wollte er wissen. »Dann kann ich den Düsenantrieb anschließen. Die Fernleitung ist zwar ein wenig primitiv, aber ich bin davon überzeugt, daß sie arbeitet.« Er befestigte das Kabelende am Anschluß und zeichnete die Bedeutung auf dem dafür vorgesehenen Schild auf. »Joe, kannst du dich entsinnen, was du einmal über eine Vorrichtung sagtest, die wir anbringen wollten, um bei Beschuß mit dem Todesstrahler automatisch zu reagieren? Ich habe da eine Idee, die sich vielleicht verwirklichen ließe. Hör zu ...« Er redete auf Joe ein, und der Elektriker begann plötzlich zu grinsen. »Aber natürlich, so ließe sich das leicht machen. Ich werde das schon hinkriegen. Nur schade, daß wir nicht noch mehr Material zur Verfügung haben.« »Du kannst den Generator haben, den wir aus der Stadt mitbrachten. Er scheint genügend Energie zu liefern.«
»Es wäre eine bessere Idee, die offenbar leere Batterie aus der Pyramide zu benutzen, die wir mitbrachten. Ich habe da so meine Vermutungen. Es scheint gar keine Batterie zu sein, sondern mehr ein Empfänger.« »Sie enthält keinerlei Energie –« »... im schwarzen Universum. Aber wenn wir zurückkehren!« »Drahtlose Kraftübertragung, meinst du? Quer durch die Milchstraße? Wie?« »Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Aber vielleicht ist es genauso ein einfacher Trick wie die Sache mit dem Antrieb. Wir werden es herausbekommen, keine Sorge! Früher oder später.« Joe nickte Rod zu und begab sich in den Maschinenraum. Rod blieb zurück. Er sah auf die Uhr. Gravitation herrschte im Schiff, und sie besaßen mindestens doppelt so viel Energie, die ihnen zur Verfügung stand, wie zu Beginn ihrer Reise. Sie wußten, wie man Waffen herzustellen vermochte, mit denen man den Gegner töten und vernichten konnte. Die strategische Lage war nicht schlecht. Er entsann sich des Strahlers, den die Räuber bei ihrer Plünderung benutzt hatten. Einige davon hatte man gefunden, und er beschloß, einen solchen einmal näher zu untersuchen. Er hielt ihn in der Hand, als er an Joe vorbeikam, der an dem automatischen Todesstrahler arbeitete. Er sah eine Weile zu, ehe er vorschlug: »Joe, kannst du die Verteilerplatte so einrichten, daß
unser Strahl nur in der Richtung wirksam wird, aus der die Vibration des Gegners kommt? Die ganze Energie fließt so nur in einen ziemlich kleinen und engen Kanal und ist daher wirksamer.« Joe nickte zustimmend, während Rod schon wieder eine Idee zur Verbesserung hatte. Aufgeregt setzte er also hinzu: »Noch etwas Besseres, Joe, wenn du es schaffst! Vielleicht kannst du an jedem Sektor der Verteilerplatte einen Zugstrahler anbringen, ein kleiner genügt schon. Er wird ja erst dann wirksam, wenn er auf einen soliden Gegenstand trifft. Wir brauchen sogar nur einen einzigen Strahler, der laufend abwechselnd von einem Sektor zum anderen übergeschaltet wird, und zwar automatisch. Trifft er auf einen Gegenstand – und das kann dann nur ein Pyramidenschiff sein –, schaltet sich automatisch unser Vibrationsstrahler ein. Sogar noch bevor der andere überhaupt reagieren kann.« Joe brummte befriedigt und betrachtete Rod voller Bewunderung. »Das ist wahrhaftig eine grandiose Idee, ich wäre nicht darauf gekommen. Unsere gute, friedliche Stellaris wird ein furchtbarer Schlachtkreuzer, wenn ich nicht irre. Das beste wird sein, ich bringe auch noch eine Alarmglocke an, damit wir immer wissen, wann unsere Kanone selbsttätig geschossen hat.« Rod nickte und ließ Joe allein. Während er sich in die Zentrale begab, mußte er immer wieder über die Waffe nachdenken, die sie einbauen wollten, um sich gegen den
unerbittlichen Feind wehren zu können. Und beim Nachdenken kam ihm eine dritte Idee. Sofort eilte er zu Joe zurück. »Wir müssen es so einrichten, daß wir jede beliebige Sektion der Verteilerscheibe abschalten können, so daß eine bestimmte Richtung nicht angepeilt oder beschossen wird.« Joe sah auf, fragend und unsicher. »Ich weiß, es klingt absurd«, fuhr Rod fort. »Denn ich handle so, als rechne ich damit, Freunde zu finden.« »Was vielleicht möglich ist, wenn ich auch nicht recht daran glaube.« Joe erholte sich von seiner Überraschung. »Die Halunken in den Pyramidenschiffen verdienen keine Gnade, aber vielleicht sind die Leute, die sie vernichtet haben, anständig und ehrlich gewesen – und wie leicht könnten wir einem Überlebenden begegnen.« »Ganz richtig.« Rod freute sich, daß der andere seine Gedanken erraten hatte. Joe fuhr fort: »Wie machen wir es übrigens mit der Montage? Draußen ist keine Atmosphäre, und wir haben keine Raumanzüge.« »Wir werden einen Weg finden. Ich habe auch da eine Idee. Wann kannst du fertig sein?« »Ein paar Stunden dauert es schon noch, aber ich beeile mich.« In der Zentrale ging Rod unruhig auf und ab, überlegte seinen Plan und kam endlich zu einem Ergebnis. Von da an wurde er ruhiger und wartete gespannt auf die Nachricht von Joe, daß er das Gerät fertig zum Einbau habe.
Rod hatte nicht mehr das deprimierende Gefühl, ein Schiffbrüchiger zu sein, ohne Hilfsmittel und dem bloßen Zufall ausgesetzt. Früher hatte er sich vor den Pyramidenschiffen gefürchtet und nach einem Weg gesucht, ihnen auszuweichen, heute jedoch war es umgekehrt. Er suchte sie und wollte sie vernichten, um das Universum von einer Plage zu befreien. Stunden später meldete Joe, daß die Waffe fertig wäre. Das schwere Gerät wurde in die Luftschleuse transportiert, und dann schaltete Rod das Kraftfeld aus. Nichts veränderte sich am Gewicht, nur leuchteten vor den Sichtscheiben die Sterne auf. Die gelbe Sonne war nicht weit entfernt. Die äußere Luke schwang auf, aber Luft konnte nicht entweichen, denn starke Zugstrahlen hielten sie in der Kammer fest. Druckstrahlen jedoch manövrierten den Block, der die neue Waffe darstellte, aus der Öffnung heraus und lenkten ihn vorsichtig zum Bug der Stellaris hin, wo er in der richtigen Position magnetisch verankert wurde. Ein kleiner Zugstrahl bewegte den Auslöser – und die Stellaris war in einen Schlachtkreuzer verwandelt worden, der ohne jede Bedienung bei dem geringsten Angriff Tod und Verderben um sich verbreiten würde. Zum erstenmal erprobte Rod den neuen Düsenantrieb. Mit einem mächtigen Satz schoß das Schiff in der gewünschten Richtung davon. Es eilte dem gelben Stern entgegen. Eine Riesenflotte Pyramidenschiffe würde dort auf sie
warten.
10 Als sie sich das erste Mal diesem System genähert hatten, hatten sie vier Planeten zählen können. An dem eisbedeckten Planeten vorbei waren sie auf dem nächsten gelandet. Zwei weitere Welten drehten sich innerhalb seiner Bahn um die gelbe Sonne. Rod suchte sie und betrachtete sie nachdenklich, während die Stellaris auf den Planeten der toten Städte zuflog. »Wenn wir die Begegnung mit der Pyramidenrasse lebend überstehen, werden wir uns die beiden sonnennächsten Planeten etwas näher ansehen«, murmelte er vor sich hin. Kit stand neben ihm. Sie nickte langsam. »Es ist interessant zu beobachten, welche Autorität du in deinen Entscheidungen zeigst – und wie sie von der Mannschaft anerkannt werden. Einer der Anstreicher machte eine Bemerkung und den Vorschlag, wir sollten eine Sonne mit einem geeigneten Planeten suchen, auf ihm landen und für immer dort bleiben. Es entstand eine lebhafte Diskussion und beinahe ein Streit wegen der entgegengesetzten Meinungen. Dann aber kam Joe hinzu und sagte nur, der Anstreicher sei verrückt. Daraufhin verstummte die Diskussion. Du befiehlst den Kampf gegen die Riesenflotte des Feindes – und nicht ein einziger der Leute protestierte dagegen.« »Wir haben auch allen Grund, den Kampf aufzunehmen«, sagte Rod kurz. »Keiner von uns kann die
wirkliche Größe der Feindflotte auch nur abschätzen, aber es ist sicher anzunehmen, daß sie uns verfolgen wird. Kehren wir nun zurück, anstatt zu fliehen, so wird für sie außer Zweifel stehen, daß wir die letzten Überlebenden der vernichteten Rasse sind. Und genau das ist es, was sie denken sollen – zum Wohle der Erde. Wenn sie auf eine andere Vermutung kommen, kann es sehr leicht möglich sein, daß sie – um sicher zu gehen – ein allgemeines Abschlachten aller in Frage kommenden Rassen beginnen – und die Erde kann sehr leicht mit darunter sein. In einem solchen Falle würde es das Ende der Menschheit bedeuten, denn dort hat niemand eine Ahnung von einer Verteidigungsmöglichkeit.« Joe kam aus dem Maschinenraum. Er strahlte über das ganze Gesicht, obwohl er seine Nachdenklichkeit nicht ganz zu verbergen mochte. »Dieser Glaskondensator, die dreieckige Energiequelle des Pyramidenschiffes, sie arbeitet! Sie enthält plötzlich eine offenbar unerschöpfliche Energie, und man kann alle Geräte der Stellaris daran anschließen.« »Tu das lieber nicht, Joe, denn die fremde Batterie – oder was immer es auch sein mag – funktioniert in unserem normalen Universum, aber nicht im schwarzen. Wir könnten also nicht nach Belieben wechseln. Du hast doch nicht ...?« »Doch, ich habe«, gab Joe zerknirscht zu. »Ich dachte mir, es sei ein herrlicher Witz, sie mit ihrer eigenen Energie zu schlagen.«
Er wandte sich um und verschwand mit bemerkenswerter. Geschwindigkeit. Rod sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Als Joe zurückkam, sagte er: »Es muß drahtlose Kraftübertragung sein, anders kann ich es mir nicht vorstellen. Sie besitzen einen starken Sender, der das ganze bekannte Universum mit Energie versorgt. Die Schiffe sind in der Lage, die überall vorhandene Energie aufzufangen und zu nutzen. Das also ist die eine Möglichkeit. Die andere ist: Sie holen sich ihre Energie einfach aus dem All.« Er dachte noch einen Augenblick darüber nach, dann fielen ihm die beiden inneren Planeten wieder ein. »Diese beiden Planeten machen mir Kopfschmerzen – sicher, es mag nur eine fixe Idee sein, aber ich werde es bald wissen.« Nach diesen etwas rätselhaften Worten kam er wieder auf die unbekannte Energiequelle zurück und wiederholte: »Sie haben drahtlose Kraftübertragung, ohne Zweifel. Diese Halunken!« Kurz und klar erklang ein Glockensignal. Dann noch einmal. Rod und Joe zuckten zusammen und sahen sich an. Kit wandte sich beunruhigt an Rod: »Was war das? Was hat das zu bedeuten?« »Es sollte eigentlich bedeuten, daß unser Strahler auf ein Pyramidenschiff abgefeuert wurde«, erklärte Rod. »Aber wir sind doch noch sehr weit von unserem Ziel entfernt.« Er trat zur Sichtluke und sah aufmerksam hinaus. Die gelbe Sonne war bereits zu einer ansehnlich großen Scheibe geworden. Zwischen Stellaris und Sonne huschte ein winziger Schatten vorbei und verschwand wieder. Dann
tauchte er für Sekunden hart steuerbord auf und glitt am Heck vorbei, hinein in die Dunkelheit des Weltraums. Rod hatte deutlich bemerken können, daß die längliche Form des Gegenstandes ständig um sich selbst wirbelte, wie eine selbständig gewordene Luftschraube. »Ja«, sagte er schließlich und atmete befreit auf, »das war eins ihrer Vorpostenschiffe. Unser Sucher fand es und löste automatisch den Strahler aus. Der Kapitän und die Besatzung müssen sofort umgekommen sein. Wahrscheinlich entsteht vor Eintritt des Todes noch eine Art Krampf, denn der Navigator des Pyramidenschiffes hat unzweifelhaft versucht, die Steuerung zu verstellen, daher wirbelt das Schiff hilflos hinein in die Unendlichkeit.« Monoton erklang die Glocke bei jeder Umdrehung des automatischen Suchers auf der Verteilerscheibe. Auf das feindliche Schiff traf jedesmal eine neue Ladung Todesstrahlen, obwohl die Mannschaft längst tot war. Erst nach einer ganzen Weile verstummte die Glocke. »Aha, sie sind zu weit zurückgeblieben«, sagte Rod befriedigt. »Jetzt wissen wir auch, bis auf welche Entfernung unser Strahler ungefähr wirksam ist. Ein beruhigendes Gefühl zu wissen, daß sie uns auch von hinten nicht angreifen können.« Der Planet war größer geworden. Erneut schrillte die Glocke, gleich zweimal. Pause. Dann wieder zweimal. »Zwei Feindschiffe erledigt, ohne daß wir einen Finger krumm machen. Wer hätte gedacht, daß es so einfach ist.« Rod sagte es grimmig und erbarmungslos.
Der Planet hatte die Größe einer Orange. Um ihn herum war ein feiner Silberschleier, der sich zu formen begann. In einem geometrisch exakten Dreieck breitete sich die Silberwolke aus, kam der Stellaris entgegen. »Sie wissen, daß wir ihre Vorpostenschiffe erledigt haben«, dachte Rod laut. »Sie werden im ganzen Sonnensystem ihre Vorposten haben und stehen mit ihnen in ständiger Verbindung. Sie haben erfahren, daß wir zu kämpfen verstehen und auch die Möglichkeit besitzen, sie zu vernichten. Jetzt werden sie uns angreifen.« Die Stellaris eilte unentwegt der feindlichen Flotte entgegen. Schweigen herrschte im Schiff und unvorstellbare Spannung. Langsam nur verging die Zeit. Dann plötzlich taumelte Kit. »Rod – dies seltsame Gefühl – wie damals ...« Rods Rechte schoß vor und riß den Hebel des Kraftfeldes zurück. Vor der Sichtluke wurde es schwarz. »Diese verdammten Ratten!« fluchte er wütend. Nur eine Sekunde blieb die Stellaris im schwarzen Universum, dann schob Rod den Hebel wieder in die Ausgangsstellung. Rein gefühlsmäßig war kein Unterschied zu bemerken, da das Schiff jetzt eine künstliche Gravitation besaß. Nur eine Sekunde lang hatte sich die Stellaris im schwarzen Universum befunden, aber in dieser anderen Dimension verhundertfachte sich ihre Geschwindigkeit. Rod hatte aber diese Geschwindigkeit doch ein wenig überschätzt. Er hatte geglaubt, die Stellaris würde hinter der Feindflotte wieder in das normale Universum
zurückkehren – statt dessen tauchte sie mitten in der Formation der Pyramidenflotte auf. Um die Stellaris herum waren die dreieckigen Todesschiffe. Sie glitten mit unvorstellbarer Geschwindigkeit an den Luken des Erdschiffes vorbei, und ununterbrochen begann die Alarmglocke zu schrillen. Der Strahler sandte den Tod aus, blitzschnell, gnadenlos und ohne Pause. So schnell durcheilte die Stellaris die Reihen der feindlichen Schiffe, daß keines von ihnen seine eigenen Waffen auf das Erdschiff richten konnte. Bevor die Mannschaft es überhaupt versuchte, war sie tot – geschlagen mit der eigenen Waffe. Rod ließ die Stellaris eine große Schleife ziehen, als sie durch die Feindflotte hindurch war. Jetzt griff er erneut an, indem er die eigene Geschwindigkeit der der Flotte anpaßte. Der automatische Todesstrahler arbeitete unablässig und verbreitete Verderben unter denen, die ihre Lebensaufgabe darin sahen, das Universum auszuplündern. Wieder ein anderes Steuermanöver, und die Stellaris griff von unten an, indem sie unter der Flotte hinwegtauchte. Die Luke ermöglichte einen guten Überblick, und Rod sah, daß die ersten Schiffe des Feindes ihre Geschwindigkeit erhöhten und ziellos nach allen Richtungen davonschossen. Damit begann eine wilde Flucht der Pyramidenschiffe. Doch das Gros blieb. Ohne die Richtung zu ändern, zog die Formation dahin, aber der Rand des gewaltigen Dreiecks begann sich zu lichten, einzelne Schiffe trieben abseits, so als sei der Navigator eingeschlafen. Ganz
allmählich löste sich die Formation auf; die mit Leichen bemannten Pyramidenschiffe trieben hinaus in die Unendlichkeit des Todes, die sie allen anderen Rassen zugedacht hatten, die es wagten, die Schwelle zum Weltraum zu überschreiten. Die Schiffe, denen früh genug die Flucht von dem einzelnen, aber unheimlichen Gegner gelungen war, verschwanden zwischen den Sternen. Sie hatten ihren Überlichtantrieb eingeschaltet und flogen ihrer noch unbekannten Heimat entgegen, um Kunde dorthin zu bringen, daß sie die erste Niederlage seit ihrem Bestehen erlitten hatten. Die erste Schlacht im Weltraum war damit beendet, schneller und leichter, als je ein Mensch es sich vorgestellt hatte. Aus purem Zufall war das erste Schiff von der Erde gestartet, unbewaffnet und nur halb fertiggestellt. Und doch hatte es fast neunzig Prozent einer feindlichen Flotte vernichtet, die bisher nichts anderes getan hatte, als Tod und Verderben über friedliche Bewohner der Milchstraße zu bringen. Sie ließen den Pulk der treibenden Schiffe hinter sich, und das Schrillen der Alarmglocke hörte allmählich auf, je größer die Entfernung wurde. »Sie müssen sehr überrascht gewesen sein«, sagte Rod mit einem befreiten Aufatmen. »Und trotzdem nenne ich sie feige. Die Flüchtenden haben ihr Genossen im Stich gelassen. Irgendwie paßt diese Feigheit zu ihrem ganzen Verhalten.« »Was werden wir jetzt tun?« wollte Kit wissen.
Rod dachte nach. »Es ist sehr leicht möglich, daß sich noch einige Schiffe auf dem Planeten befinden. Sozusagen eine Nachhut.« »Und?« »Wenn wir sie erwischen können, sind sie erledigt. Wenn wir aber unvorsichtig sind und einfach landen, können sie uns aus einem Hinterhalt heraus vernichten. Sicher haben sie die Niederlage ihrer Flotte miterleben können, daher werden sie vor Angst halb wahnsinnig sein – aber auch ein wahnsinniger Gegner ist gefährlich. Sie werden uns erwarten, das ist sicher. Also ...« Er stockte plötzlich und sah Kit an. Joe grinste. »Also werden wir auf einem der beiden inneren Planeten landen«, setzte er den Gedankengang seines Kommandanten fort. Rod nickte. »Ganz richtig, das werden wir tun.« Die Stellaris bewegte sich mit Hilfe des eingebauten Düsenantriebs leicht voran und zog eine gewaltige Schleife. Wenn ein Auto sich südwärts bewegt und dann Richtung nach Osten nimmt, so hört es natürlich auf, weiter nach Süden zu fahren, es eilt in genau östlicher Richtung weiter. Ein Raumschiff jedoch hört niemals auf, sich in einem solchen Fall nach Osten zu bewegen. Seine neue Bewegungsrichtung ist das Ergebnis aus vorheriger Bewegung, Geschwindigkeit und neuer Richtung. Ein Schiff also, das sich nach Süden bewegte, dann aber in östlicher Richtung weitereilt, hat in Wirklichkeit eine südöstliche Richtung auf seinem neuen Kurs. Die exakte neue Fluglinie hängt natürlich von der
Beschleunigung ab und davon, wie lange man die neue Richtung beibehält. Rod kannte diese Gesetze zur Genüge, aber trotzdem bereitete ihm die rein optische Navigation doch einige Schwierigkeiten. Es genügte nicht, einfach auf den sichtbaren Planeten zuzusteuern, man mußte auch die vorherige Richtung und Geschwindigkeit mit einkalkulieren. Hinzu kam, daß auch der angesteuerte Planet seine Eigenbewegung um die gelbe Sonne besaß, die Rod nicht kannte. Der Bug der Stellaris zeigte also auf den zweiten Planeten des Sonnensystems und flog in geradem Kurs darauf zu. Stunden vergingen, und dann war das Ziel weiter von ihnen entfernt als zuvor. Noch einmal probierte Rod es, aber mit dem gleichen Mißerfolg. Dann war er es leid. Er setzte einen schwachen Zugstrahl an, der vier Minuten brauchte, um den Zielplaneten zu erreichen. Langsam würde die Stellaris nun hinter dem Planeten herfliegen und ihn allmählich einholen. Er übergab Joe nach einigen Erklärungen die Wache und ging in die kleine Kabine, in der er schon einmal ausgeruht hatte. Die Müdigkeit war ganz plötzlich gekommen, und er entsann sich, seit Tagen praktisch nicht mehr geschlafen zu haben. Kaum lag er auf dem provisorischen Bett, als er auch schon eingeschlafen war. Nur einmal wurde er wach, als Kit ihm einige Früchte brachte. Er aß und war dann sofort wieder eingeschlafen. Diesmal jedoch hatte er einen seltsamen Traum.
Er träumte nicht von der Erde oder dem glücklich bestandenen Kampf, er träumte noch nicht einmal von Kit. Er träumte von der toten Rasse des Planeten der gelben Sonne. Er sah jene Wesen vor sich, die er auf dem Bildschirm gesehen hatte und die heute nichts anderes waren als zusammengeschrumpfte Kleidungsstücke und Häufchen Staub. In seinem Traum sah er vom dritten Planeten ein Raumschiff emporsteigen und auf einer anderen Welt wieder landen. Auf dieser Welt jedoch bestand schon eine kleine Kolonie, die jedoch das Raumschiff nicht fand. Dafür fanden sie etwas anderes: eine große, metallische Pyramide. Einige Besatzungsleute stiegen aus und drangen in das Bauwerk ein, das sofort zu glühen und zu schmelzen begann. Unsichtbare Strahlung vernichtete die Eindringlinge, die Zurückgebliebenen im Schiff, und schließlich zerfetzte eine Explosion dieses selbst. Zwischen der bestehenden Kolonie und der Heimatwelt war die Verbindung abgebrochen. Man besaß keine Hilfsmittel zur Rückkehr und versuchte, sich ein eigenes Leben zu schaffen. Es war ein lebhafter Traum, den Rod da hatte, wenn er auch wirr und zusammenhanglos schien. Aber schon einmal hatte er mit gemischten Gefühlen an den dritten Planeten dieses Systems gedacht und gewisse Vermutungen nicht unterdrücken können. So ganz unbegründet waren diese Vermutungen sicherlich nicht gewesen, denn einmal mußten ja die Bewohner des dritten Planeten die verhängnisvolle Pyramide gefunden haben.
Einen Mond besaß ihre Welt nicht; was also lag näher, als das erste Raumschiff zum nächsten Planeten zu entsenden? Der Traum schien genau die Bestätigung dessen zu sein, was Rod stets heimlich geglaubt hatte. Trotzdem zweifelte Rod, als er kurz aufwachte, an der Richtigkeit seiner Vermutungen. Er schlief noch einige Stunden, dann erwachte er frisch und munter, als sei nichts gewesen. Diesmal hatte er nicht mehr geträumt. Bis hierher vernahm er die wütende Stimme von Joe: »Das verdammte Dings da! Wir fliegen immer darauf zu, aber es scheint nicht näher zu kommen. Ich begreife das nicht!« Rod erhob sich und kletterte aus dem Bett. Er wischte sich den letzten Schlaf aus den Augen und begab sich zur Zentrale. Joe stand vor der Sichtluke und schüttelte die Fäuste. Kit war neben ihm, ihr Gesicht zeigte Zweifel und Besorgnis. »Guten Morgen!« sagte Rod trocken. »Ich muß einen ganzen Tag geschlafen haben. Was ist los, Joe? Warum bist du so wütend?« Er betrachtete bei seinen Worten den nahen Planeten, der von einer dichten Wolkendecke umgeben schien. Sie näherten sich ihm nicht, sondern umkreisten ihn in einer bestimmten Bahn. »Ich habe versucht, näher zu gehen oder gar zu landen«, gab Joe zu, »aber ich komme nicht näher heran, als es augenblicklich der Fall ist. Manchmal scheint es so, als weiche der Planet vor uns zurück, aber wahrscheinlich ist
es umgekehrt. Dutzendmal sind wir schon um ihn herumgeflogen, aber die Entfernung hat sich nicht verringert. Wenn dort jemand wohnen sollte, was tut er? Benutzt er einen Druckstrahler, mit dem er uns ständig abstößt?« Rod grinste. Er mußte an seinen Traum denken. »Das wird kaum der Fall sein, Joe. Aber wir haben eine gewisse Seitengeschwindigkeit und dazu den Zugstrahl eingeschaltet. Alles zusammen ergibt die Kreisbahngeschwindigkeit, und wir landen nicht.« »Wer sagt das?« wollte Joe wissen. »Das sage ich, mein Lieber. Aber wir werden gleich landen.« Rod machte sich an den Kontrollen zu schaffen, dann setzte er hinzu: »Als ich noch ein Kind war, band ich einmal einen kleinen Stein an einen Strick und ließ ihn dann um meinen Finger wirbeln. Der Strick wickelte sich auf, ganz von allein, bis der Stein meinen Finger erreichte. Hast du das auch schon einmal gemacht?« »Nein! Was hat das mit diesem Planeten zu tun?« »Alles. Während sich der Strick aufwickelte, wurde er immer kürzer, und die Geschwindigkeit des Steins um meinen Finger herum erhöhte sich ständig. Aber nur scheinbar. Denn die Eigengeschwindigkeit blieb gleich, lediglich erhöhte sich die Zahl der Umflüge, deren Strecke ja auch immer geringer wurde. Na, erinnerst du dich jetzt? Je näher wir also dem Planeten hier kommen, desto gestreckter wird unser Zugstrahl. Keine Sorge, ich werde das schon wieder einrenken!« Er wendete das Schiff ein wenig, bis der Bug genau auf
den wolkenverhangenen Planeten zeigte, dann verstellte er den Zugstrahl. »Wie lange brauchen wir für einen Planetenumlauf?« erkundigte er sich bei Joe, der ihm interessiert zusah. »Eine knappe Stunde«, entgegnete dieser. »Man kann es deutlich beobachten. Da ist ein hohes Gebirge, das bis über die Wolken ragt. Eine scharfe Spitze fiel mir besonders auf.« »Stimmt genau«, sagte Rod geheimnisvoll. »Dort werden wir landen.« Der Bug der Stellaris zeigte jetzt auf eine Stelle, an der sich noch kein Planet befand. Aber er würde zu gegebener Zeit dort stehen. Ein wenig hatte Rod auch schon gelernt. Wenn er nur mit dem Zugstrahl arbeiten würde, wäre das nicht nötig, aber es schien ihm zu gefährlich. Es zeichneten sich schon Einzelheiten der Oberfläche ab, wo die Wolkendecke nicht so dicht war. Der Planet kam näher. »Die Gravitation beginnt zu wirken, wir werden Druckstrahlen einsetzen müssen.« Langsam sanken sie immer tiefer, hinein in die ersten Spuren der beginnenden Atmosphäre, Rod verstellte hier und da einen Hebel, behielt dabei jedoch ständig die näher kommenden Wolken im Auge. »Wißt ihr, was ich mir denke?« sagte er plötzlich. Und als er die fragenden Augen von Joe und Kit sah, fuhr er fort: »Wenn wir auf jenem Bergplateau landen – es gehört zu dem einzigen Gebirge, das die Wolken durchdringt – finden wir eine große, schimmernde Masse, die von
geschmolzenem Metall stammt. Nicht weit davon entfernt werden wir die Überreste eines Raumschiffes entdecken. Diesmal aber kein Pyramidenschiff, sondern ein Raumschiff, das auf dem Planeten der toten Städte erbaut wurde.« Kit sah Rod mit offenem Munde an, dann aber leuchtete ihr der Gedanke ein, und seine zwingende Logik regte sie selbst zum Nachdenken an. »Jetzt weiß ich, was du meinst«, sagte sie. »Die tote Rasse hielt es natürlich für leichter, den nächsten Planeten zu erreichen als den schneebedeckten Riesen, der am weitesten von der Sonne entfernt ist. Natürlich würde das Schiff dort landen, wo es zuerst Grund faßte – also auf dem Felsplateau. Und ausgerechnet dort haben natürlich die Angehörigen der raublustigen Pyramidenrasse ihre Sendestation errichtet, die sie warnen sollte.« Rod lächelte. »Genauso war es, Kit«, nickte er. »Doch ich will noch weitergehen und euch erzählen, was passieren wird, wenn wir landen. Wir werden ruhig abwarten, bis Überlebende des Planeten zu uns kommen, auf dem wir zuerst gelandet sind, und wo wir die tote Stadt vorfanden. Ich bin davon überzeugt, daß sie uns freundlich begegnen werden.« Joe machte ein erstauntes Gesicht. »Geister?« vermutete er skeptisch. »Nein, keine Geister, sondern lebende Wesen. Sie hatten das Glück, gerade nicht auf ihrer Heimatwelt zu weilen, als diese von den Plünderern vernichtet wurde. Sie werden genauso aussehen wie jene Menschen, die wir auf den
Bildschirmen sterben sahen.« »Und wie werden sie kommen?« »In Flugzeugen oder Erdfahrzeugen, denke ich. Wir werden nicht sehr lange warten brauchen.« Aber in diesem einen Punkte hatte Rod sich geirrt. Die Stellaris sank immer tiefer, um sie herum waren Nebelfetzen und Regenschauer, Bergspitzen, bedeckt mit Schnee, ragten hier und da aus den Wolken hervor, und die Navigation des großen Schiffes stellte hohe Anforderungen an das Können Rods. Doch endlich kam das erwartete Plateau in Sicht, dicht unter der Bergspitze. Es war schneefrei und leicht abfallend. Mit einem kaum spürbaren Ruck setzte das Raumschiff auf, und Rod schaltete die Strahlen ab. Er deutete auf eine spiegelglatte, schimmernde Fläche, nicht weit von dem Landeplatz entfernt. Einst mußte es ein See geschmolzenen Metalls gewesen sein, das heute kalt und erhärtet war. Keine dreihundert Meter davon entfernt lagen die verbogenen Überreste einer anderen Konstruktion. Wenn es ein Raumschiff gewesen war, so war es kleiner gewesen als die Stellaris. Die Form war fast kugelförmig. Doch auf die Überlebenden der ausgelöschten Rasse brauchten sie nicht zu warten, denn sie standen bereits auf dem Plateau und erwarteten sie.
11 Wieder sank die Stellaris durch wirbelnde Wolken hinab auf die gewölbte Oberfläche des zweiten Planeten. Doch diesmal befanden sich nicht nur Rod, Joe und Kit in der Zentrale, sondern auch noch fremde Lebewesen, die nicht viel größer als anderthalb Meter waren. Sie unterhielten sich in einer hellen, angenehm klingenden Sprache, von der die Erdenmenschen nicht eine einzige Silbe verstehen konnten. Ab und zu jedoch trat einer näher zu Rod hin und legte seine Hände auf die des Kapitäns der Stellaris – und in diesem Augenblick konnte Rod verstehen, was der andere sagte. Bei körperlicher Berührung also war eine Verständigung möglich, während sonst nur Laute hörbar waren, die keinen Sinn ergaben. Rod war nicht sonderlich erstaunt, obwohl er es eigentlich hätte sein sollen. Er vermutete eine Art Telepathie und beschloß, sich später um eine Erklärung dieses Phänomens zu bemühen. Im Augenblick war er froh, sich überhaupt mit diesen Fremden verständigen zu können. Er verstand nun auch, wieso er jenen Traum gehabt hatte. Mit Hilfe ihrer suggestiven Kräfte hatten die letzten Überlebenden der Kolonie versucht, Verbindung mit ihm aufzunehmen, aber er hatte es für einen Traum gehalten. Doch es war unmöglich, daß er in einem solchen Traum, der seiner eigenen Vorstellung entsprungen wäre, genaue
Einzelheiten hätte sehen können von dem, was wirklich geschehen war. Diese kleinen Wesen, fast menschenähnlich, hatten ihn gerufen, und er war ihrem Ruf instinktiv gefolgt. Sie hatten eine Abordnung auf den Berggipfel geschickt, die Stellaris zu begrüßen. Nun flogen sie gemeinsam zur Kolonie. Als Rod das Schiff zuerst oben auf dem Berg gelandet hatte, standen die Fremden auf dem Plateau und hatten ihnen zugewinkt. Rod war aus dem Schiff gegangen, eine kleine Flammenpistole in der Tasche. Wegen der Atmosphäre machte er sich keine Sorgen, denn die Fremden konnten atmen. Da sie aber vom dritten Planeten kamen, dessen Luft auch gut für die Menschen war, konnte diese Welt nicht viel anders sein. Ein halbes Dutzend der Fremden erwartete ihn, auf der Mitte des Plateaus begegneten sie sich. Rod fühlte die freudige Welle der Erregung, die ihm entgegenschlug, und er erinnerte sich an seine bisherigen Ahnungen, die er im Hinblick auf die Kolonie des zweiten Planeten gehabt hatte. Er spürte, daß es eine Art gedanklicher Verständigung sein mußte. Er hatte gesagt: »Willkommen, Freunde! Ich glaube, wir befinden uns alle in der gleichen Lage – und das sollte uns in Freundschaft miteinander verbinden.« Die Antwort war ein Durcheinander unverständlicher Stimmen, deren Klang jedoch sympathisch und angenehm wirkte. Dann kam ihm einer der kleinen, rundlichen Leute entgegen und streckte ihm beide Hände hin. Es waren nicht
genau menschliche Hände. Rod glaubte zu verstehen und streckte auch seine Hände vor. Der Fremde kam näher, und ihre Handflächen berührten sich. Das Fleisch des anderen fühlte sich warm und fest an. Aber das allein war es nicht, was ihm einen ersten Schock versetzte. Es war die Tatsache, daß er plötzlich die Worte des anderen verstehen konnte. Es waren freundliche Worte, ein lange ersehntes Willkommen. Minuten später schritt er zusammen mit den Fremden auf die Luftschleuse seines Schiffes zu. Dann schloß sich die Luke. »Es sind tatsächlich die Kolonisten, die vom dritten Planeten hierher geflogen sind«, erklärte er, immer noch ein wenig benommen. »Sie wissen, daß ihre Zivilisation nicht mehr besteht, und wollen unsere Freunde sein. Wenn ihr euch an den Händen berührt, könnt ihr euch verständigen. Die Erklärung dazu folgt später, jetzt ist keine Zeit. Wir werden starten und die Stellaris an einen Ort bringen, der vom All aus nicht zu übersehen ist; die Wolken bieten guten Schutz. Ihr könnt euch inzwischen mit den Kolonisten unterhalten und selbst herausfinden, was alles geschah.« Damit begab er sich in die Zentrale, gefolgt von dem kleinen, rundlichen Mann, der zuerst mit ihm gesprochen hatte. Sie mußten so schnell wie möglich das Plateau verlassen, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, einem plötzlichen Angriff zum Opfer zu fallen. Langsam erhob sich das Schiff auf seinen Druckstrahlen.
Ganz vorsichtig ließ Rod es durch gewaltige Bergpässe gleiten, immer dicht über dem Boden. Hier und da begegneten ihnen Gruppen der kleinen Kolonisten, die zu ihnen heraufwinkten. Sie zeigten keinerlei Spuren von Angst oder Mißtrauen. Während des Flugmanövers störte Rod das unaufhörliche Reden des Kolonisten, aber immer dann, wenn er seine Hände auf die seinen legte und er die Worte verstand, erhielt er wichtige Aufschlüsse, die er für sein Handeln unbedingt brauchte. So schwieg er und lauschte. Die Wolken stiegen höher, je tiefer das Schiff in die Ebene hineinsank. Sie glitten über eine verhältnismäßig glatte Fläche, die genausogut Land wie Wasser sein konnte. Der Flug wurde schneller, da kein Nebel mehr die Sicht behinderte. Rod benutzte jetzt wieder zusätzlich den Düsenantrieb. Endlich konnte er landen. Es war seine dritte Landung seit dem unfreiwilligen Start von der Erde, der Jahre zurückzuliegen schien. Viel hatte er inzwischen von dem kleinen Mann erfahren, und die Fremden waren ihm immer sympathischer geworden. Lediglich war er nicht mit ihren Ansichten über die Zukunft einverstanden. Aber das würde sich geben. Doch auch die nähere Umgebung des Landeplatzes gefiel ihm nicht, und nur zögernd stellte er den Antrieb ab. Die Stellaris lag inmitten eines Waldes, dessen gigantische Stämme bis zu zwanzig Meter im Durchmesser maßen, auf einer Lichtung. Überall herrschte dämmriges Zwielicht, und die Zweige hielten sowohl das Tageslicht
wie auch den Nebel fern, so daß es zwar nur mäßig hell, aber vollkommen klar war. Erst später erfuhr Rod von einer Biologin, daß die hiesige Vegetation, wenigstens die Bäume, in genau umgekehrtem Sinne ihren Fortbestand sicherte wie auf der Erde. Anstatt die Feuchtigkeit mit den Wurzeln aufzusaugen und durch die Blätter wieder abzugeben, nahmen die Bäume die Feuchtigkeit aus der Luft und leiteten sie in die tief in der Erde verankerten Wurzeln. Im Schutze dieses Waldes hatten die Überlebenden der Kolonie ihr Leben erhalten können. Es gab eine kleine Energiestation, die nach dem gleichen Prinzip arbeitete wie die große in der toten Stadt. Überall verstreut lagen die kleinen Wohnhäuser der Kolonisten, während Scheinwerfer hoch in den Bäumen die stete Dämmerung in angenehme Taghelle verwandelten. Die Lichtung selbst bestand aus bebauten Feldern. Natürlich drang nicht viel ultraviolettes Licht durch die starke Wolkendecke des Planeten, und die Zweige der Bäume hätten den Rest auch noch abgehalten, aber die Scheinwerfer ersetzten das Sonnenlicht in hohem Maße. Die Kolonie war seit vielen Jahrzehnten gut in der Lage, sich selbst zu ernähren und vollkommen unabhängig zu existieren. Aber sie war zahlenmäßig sehr klein. Kaum zweihundert Menschen hatten die Katastrophe überlebt, die ihre ganze Rasse mit einem Schlag ausradierte. Als die Besatzung der Stellaris das Schiff verließ, konnten sie direkt die Erleichterung spüren, die ihre Ankunft den Überlebenden brachte. Man führte Rod zu
dem Oberhaupt der kleinen Kolonie, und sie begrüßten sich durch Aufeinanderlegen der Handflächen. Sofort begannen sie nach kurzen Begrüßungsworten mit dem Austausch der bisherigen Erlebnisse und ihrer Meinungen, die sie beide für die Zukunft bereithielten. Kit nahm ein halbes Dutzend der rundlichen Frauen mit auf das Schiff, wo sie ein angeregtes Gespräch mit ihnen begann. Obwohl die Fremden selbst kein Raumschiff mehr kannten, äußerten sie sich sehr skeptisch über seine mangelnde Einrichtung. Erst als Kit ihnen die näheren Umstände des unfreiwilligen Starts erklärte, begriffen die Fremden, welche Leistung vollbracht worden war, und drückten in bewegten Worten ihr Mitgefühl aus. Doch dann erblickten sie die kostbaren Stoffe und Juwelen, die man aus dem erbeuteten Pyramidenschiff geholt hatte. Sie konnten sich überhaupt nicht mehr beruhigen und verstanden nicht, wieso eine so mörderische Rasse eine derartige Kultur besitzen konnte. Auch hier mußte Kit wieder vermittelnd eingreifen und die Begeisterten darüber aufklären, daß es sich hier wahrscheinlich um Beute handelte, die jene Mordrasse bei einem von ihnen getöteten Volk gemacht hatte. Sie schrak zusammen, als sie den tödlichen Haß der kleinen Gruppe fühlen konnte. Als Rod auf das Schiff zurückkehrte, hatte Kit eine Menge Neuigkeiten für ihn. »Rod, es sind prächtige Menschen – wenn wir sie Menschen nennen wollen. Doch ich glaube, wir können es beruhigt tun, sie haben so viel mit uns gemeinsam. Über die Telepathie habe ich auch einiges in Erfahrung bringen
können. Sie meinen übrigens, daß gerade die reine Telepathie nicht befriedigend wirken kann, weil zwei verschiedene Personen niemals die gleiche Meinung besitzen können und alles von zwei verschiedenen Gesichtspunkten her beurteilen. Ein Würfel oder ein Kreis wird von mir anders gesehen als von dir, Rod. Daher steht bei Telepathie stets ein gewisser Schleier zwischen mir und dem Partner, weil ich versuchen muß, mit seinen Augen etwas zu sehen, was ich anders erblicke.« Rod nickte. »Aber Worte sind eine gute Unterstützung bei dem Versuch der Telepathie«, fuhr Kit eifrig fort, »daher bereitet die Verständigung mit ihnen keine Schwierigkeiten. Sie selbst verständigen sich ebenso, wenn es um wichtige Dinge geht. Sie halten gewissermaßen Händchen, um auch die Gefühle des anderen kennenzulernen. Wenn sie nicht miteinander reden, vermögen sie nur die Stimmungen anderer aufzufangen, aber niemals seine Gedanken, das ist der gewaltige Unterschied zur reinen Telepathie. Sie fühlen, was du denkst, und das über große Entfernungen hinweg, aber sie wissen nicht, was du denkst. Als die gedankliche Verbindung mit ihren Leuten auf dem dritten Planeten abbrach, wußten sie, daß etwas Furchtbares geschehen sein mußte. Auch fingen sie die grausame und mordlustige Gedankenstimmung der Pyramidenrasse auf, als diese kam, um den Planeten zu plündern. Doch dann fühlten sie unsere Gedanken, unseren
Schrecken und unseren Ärger über die Räuber. Daher wußten sie, daß wir niemals Feinde sein konnten, als wir auf ihrer Welt landeten.« »Ich weiß«, sagte Rod ein wenig müde. »Die ganze Kolonie hat zusammengesessen und sich an der Hand gehalten, dabei haben sie an uns gedacht und versucht, uns vor den kommenden Pyramidenschiffen zu warnen. Ganz ist es ihnen nicht gelungen, aber immerhin haben sie meine Handlungen doch beeinflussen können. Vor dem eigentlichen Kampf haben sie das gleiche versucht. Sie erreichten damit, daß ich begann, mich für die beiden inneren Planeten zu interessieren. Als ich dann schlief, suggerierten sie mir einen Traum. Sie haben alle gemeinsam an eine einzige Sache denken müssen, um einen Erfolg zu erreichen.« »Ist es nicht wundervoll, daß sie wenigstens das schon können?« »Sehr wundervoll«, stimmte Rod mit einiger Bitterkeit zu. »Sie haben uns damit zu dieser Welt locken können. Bist du vielleicht der Ansicht, wir könnten sie alle mit in die Stellaris nehmen, wenn wir diesen Planeten verlassen? Glaubst du, daß unsere Lufterzeugungsanlage genügend Atemluft für alle produzieren wird?« Kit sah Rod aufmerksam an. »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich zögernd. »Aber hatten wir denn einmal Schwierigkeiten damit während unseres Fluges?« »Wir waren fünfzehn Menschen, aber mit den Kolonisten hier würden wir mehr als zweihundert sein. Das
ist ein Unterschied.« »Warum sollten wir sie denn mitnehmen? Sind sie hier nicht sicher, wo sie so lange unbehelligt waren?« »Nein, sie sind nicht mehr sicher, Kit. Einmal trafen wir im Weltraum ein Schiff der Pyramidenrasse, alle anderen Begegnungen fanden in diesem Sonnensystem statt. Die Mörder löschten diese Rasse aus und übersahen die ersten Kolonisten, die schon Jahrzehnte vor dem zweiten Raumflug hier landeten. Glücklicherweise nicht in der unmittelbaren Nähe der Pyramide, die dem zweiten Schiff zum Verderben wurde. Haben wir nicht angenommen, daß uns die Plünderer für Überlebende der vernichteten Rasse hielten? Wollten wir es nicht so, damit sie nicht auf den Gedanken kämen, wir könnten von einem anderen System stammen? Nun aber gibt es tatsächlich Überlebende! Was also wird passieren?« Kit sah hilflos auf Rod und zuckte die Schultern. »Die Ratten werden uns suchen, weil sie meinen, wir seien Überlebende, und sie werden uns nur in diesem System suchen. Sie werden diese Kolonie auf dem zweiten Planeten entdecken und vernichten. Das Schicksal dieser Kolonie ist schon heute besiegelt – und wir tragen die Schuld daran.«
12 Von unten aus dem Schiff kam das helle Gezwitscher der Kolonisten, dazwischen der tiefe Baß von Joe, dem Elektriker. »Okay, ihr Burschen«, sagte er gerade. »Ich werde euch das Energiedreieck zeigen. Wenn ihr was damit anfangen könnt, soll es mir nur recht sein. Aber seid vorsichtig, es steckt allerhand Saft in dem Ding.« Seine Stimme wurde leiser und verklang, ebenfalls das schrille Zwitschern der Kolonisten, die mit ihm gingen. Zweifellos wollte Joe ihnen die seltsame Energiequelle zeigen, die man aus dem Pyramidenschiff ausgebaut hatte. »Wenn wir nicht aufgetaucht wären«, setzte Rod das Gespräch fort, »hätten die Pyramidenleute niemals den Verdacht gehabt, ihr Angriff wäre nicht hundertprozentig erfolgreich gewesen. Jahrhunderte lang hätte die Kolonie hier weiter existieren können, sie hätte eine neue Zivilisation entwickelt und vielleicht eines Tages einen Rachefeldzug durchführen können, denn sie wußten ja von dem Bestehen eines Erzfeindes. Dann aber kamen wir und machten ihnen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.« Er spreizte die Finger. »Diese Ratten werden uns suchen, aber sie finden! Wenn wir sie jetzt im Stich lassen, werden sie alle umgebracht, und das können wir nicht zulassen.« »Nein, das können wir auch nicht!« stimmte Kit lebhaft zu. »Was aber sollen wir unternehmen?«
»Wir sind dabei, eine Lösung zu finden. Die Pyramidenschiffe kommen zurück, darauf können wir uns verlassen, und ganz bestimmt mit einer Antwort auf unseren letzten Trick. Daher wird es Zeit, einen neuen auszuarbeiten.« Rod war ziemlich ratlos, er fühlte eine schwere Verantwortung auf sich lasten. Als er anfangs die Pyramidenrasse täuschte und sie in dem Glauben ließ, es gäbe noch Überlebende, tat er es, um die Erde vor einem Angriff zu schützen. Nun aber hatte es sich herausgestellt, daß es tatsächlich eine solche Kolonie gab. Als Mensch durfte er die letzten einer Rasse nicht schutzlos diesen Mördern überlassen. Joe betrat die Zentrale. »Diese kleinen Wichte sind ziemlich intelligent«, sagte er erschöpft. »Sie haben es sofort begriffen, wie der Kondensator oder Kraftempfänger arbeitete, und sie meinen, sie könnten auch noch mehr herausfinden. Sie vermuten sogar da die Antwort auf die Frage des Überlichtantriebes. Sie wollen das gläserne Dreieck auseinandernehmen und analysieren. Bin gespannt, was dabei herauskommt. Einverstanden, Captain?« Rod nickte. Er saß mit gerunzelter Stirn auf dem fast leeren Instrumentenbrett der Stellaris. Dann sagte er nachdenklich: »Hör genau zu, Joe, was ich denke: Diese Ratten haben von uns eine anständige Tracht Prügel bekommen, das steht fest. Damit jedoch werden sie sich nicht zufrieden geben – und sie können es auch gar nicht. Sie haben so
viele Verbrechen begangen, daß sie nicht mehr zurück können. Wenn irgendeine andere Rasse in den Weltraum gelangt, und die Pyramidenrasse vernichtet diese nicht früh genug, so ist es um die Räuber geschehen. Sie wissen das, und sie wissen auch, daß sie keine Freundschaften mehr schließen können, mit niemandem mehr. Dazu ist es schon zu spät.« Joe sagte schmunzelnd: »Aber diese Zwerge hier, die wollen wirklich Freundschaft. Sie haben wohl eine quäkende Stimme und seltsame Manieren, aber sie sind uns freundlich gesinnt und haben für die Pyramidenratten nur einen tödlichen Haß. Sie haben mich gefragt, wie es denn in jener Stadt aussah, in der wir landeten. Ich erzählte ihnen alles und verschwieg nichts. Lieber Gott, ihre Gedanken waren nicht gerade zärtlich. Die Haare haben sich mir gesträubt, denn soviel Mordlust hatte ich ihnen nicht zugetraut.« Rod fragte ungeduldig: »Wann werden sie zurückkommen, die geflohenen Plünderer? Sie sind zwar nicht allzu schlau und intelligent, das haben wir schon herausgefunden, aber wir sollten sie doch nicht unterschätzen. Im Laufe ihrer Entwicklung haben sie einige Erfindungen geraubt und zu einer Waffe ausgebaut. Dabei beließen sie es dann auch und gaben sich mit ihrem Erfolg zufrieden. Ich bin jedoch davon überzeugt, daß die Niederlage sie wachgerüttelt hat. Ohne Zweifel werden sie einen Plan ausarbeiten, wie sie uns besiegen können. Wie dieser Plan aussehen wird, das müssen wir uns gut überlegen.«
Joe setzte sich auf eine andere Kante des Kontrolltisches. Er ließ die Beine baumeln und dachte offensichtlich angestrengt nach. Endlich sagte er, jedes Wort betonend: »Nehmen wir einmal an, ich sei an der Stelle eines der Kommandanten der geflohenen Schiffe. Was würde ich tun? Die Stellaris tauchte urplötzlich zwischen ihnen auf und vernichtete in Sekundenschnelle Dutzende ihrer Schiffe, schneller als es ihnen möglich war, auch nur einen Strahl auf sie zu richten. Dann verschwand der Feind plötzlich wieder vor ihren Augen. Hm, was würde ich tun? Ich würde mir überlegen, welche Waffe es wohl gegen einen urplötzlich auftauchenden Feind gäbe.« Rod wartete. Sein Gesicht wurde nachdenklich. Joe sprach weiter: »Ich würde meine Flotte so formieren, daß sie den ganzen Raum um mich herum mit ihren Strahlern bestreichen könnte, ganz gleich, wann und wo der unsichtbare Gegner auftaucht. Ich würde die Strahler so anbringen ...« Rod sprang auf die Füße. »Halt! Ich glaube, damit haben wir schon die Lösung. Ich bin davon überzeugt, daß sie diesmal in einer ganz neuen Formation angreifen werden. Sie werden sich so formieren, daß sie mit ihren Strahlern das ganze Sonnensystem ausfüllen und alles noch Lebende vernichten. In wenigen Minuten können sie hindurch sein und nichts anderes zurücklassen als vier tote Welten. Wenn wir es dann wagen sollten, bei einer Anordnung der
Schiffe, wo ein Strahler den anderen praktisch deckt, aufzutauchen, können wir mit einem ziemlich schnellen Ende rechnen.« »Dabei haben wir noch nicht einmal ein Testament gemacht.« »Hinzu kommt, daß sie wegen unseres plötzlichen Auftauchens vermuten, unser Schiff habe die Fähigkeit, innerhalb einer Sekunde von Lichtgeschwindigkeit auf Null zu bremsen und umgekehrt. Nur das würde ihnen erklären, warum wir so plötzlich in ihrer Mitte sein konnten.« Auch Joe sprang auf die Füße. »Ich denke, ich habe eine Idee«, sagte er. »Diese kleinen Burschen sind ausgezeichnete Techniker und ziemlich flink. Was meinen Sie, wieviel Zeit wir noch zur Verfügung haben?« »Nicht viel. Jene geschlagene Flotte kehrte zu ihrer Basis zurück, wo immer diese auch sein mag. Sie haben eine neue Taktik auszuarbeiten, die wahrscheinlich genauso aussehen wird, wie eben besprochen. Dann werden sie die neuen Strahler einbauen und starten. Ja, viel Zeit haben wir also nicht.« Joe sann nach, dann sagte er: »Gebündelte Zugstrahlen arbeiten doch durch die Dimension hindurch? Sie wirken also aus dem schwarzen Universum in das normale. Ob das mit den Druckstrahlen genauso gehandhabt werden kann?« »Warum denn nicht?« fragte Rod und sah auf. In seinem Gesicht zeigte sich plötzliches Verstehen. »Willst du etwa
eine Nachbildung der Stellaris bauen? Das wäre eine tolle Idee!« »Meine ich auch, Captain. Sie werden vor Angst die Hosen verlieren – falls sie welche tragen – wenn die Stellaris plötzlich mitten unter ihnen aufkreuzt und sich durch nichts dabei stören läßt, eins ihrer Schiffe nach dem anderen von ihrer Mannschaft zu befreien. Selbst das härteste Strahlenbombardement kann ja unserer mannschaftslosen Modell-Stellaris nichts anhaben. Die Verwirrung könnte ich mir ganz gut vorstellen, die dann entstehen wird.« Er machte eine kleine Pause und fügte hinzu: »Sofern wir Zeit haben, die zweite Stellaris zu bauen.« »Das«, gab Rod mißmutig zu, »ist eben die Frage!« Sofort wurde eine Art Konferenz einberufen, an der sich der Leiter und die Techniker der Kolonie beteiligten. Man hielt sich an den Händen und verstand sich ausgezeichnet. Wenn auch der genaue Zeitpunkt des zu erwartenden Angriffes nicht zu bestimmen war, so versprachen die Kolonisten doch, mit Hilfe eines Warnsystems eine Annäherung des Feindes früh genug melden zu können. Allerdings bezweifelten sie, ob sie bereits aus der Ferne die neue Bewaffnung oder Taktik erraten könnten, denn sie konnten ja keine Gedanken, sondern nur Gefühle lesen. Nach der Konferenz begann eine fieberhafte Tätigkeit in der Absicht, dem Feind eine entscheidende Niederlage beizubringen. Die Kolonisten konstruierten ein äußerliches Doppel der Hülle der Stellaris. An sich bestand diese Hülle nur aus einer dünnen Metallschicht, gehalten von einem
Gerüst, das lediglich die Aufgabe hatte, den Metallplatten die Form der Stellaris zu geben. Mit Hilfe einiger Techniker erbaute Joe einen neuen Strahler, den er – genau wie bei der richtigen Stellaris – vorn auf der Nase montierte. Eine Vorrichtung bewirkte, daß die ganze Bedienung automatisch erfolgen konnte, vom Kontrollraum der Stellaris aus. An dieser selbst wurden ebenfalls einige Veränderungen vorgenommen, besonders an der Lufterneuerungsanlage, die höheren Beanspruchungen ausgesetzt sein würde. Einheimische Früchte wurden auf ihre Verwendbarkeit hin geprüft, und man fand sogar eine Getreidesorte, aus der Brot gebacken werden konnte. Mit Hilfe chemischer Verarbeitung gelang es sogar, eine Art künstliches Fleisch herzustellen, das nicht einmal übel schmeckte. Damit war auch die künftige Ernährungsfrage zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst. Größte Triumphe jedoch feierte die kombinierte Technik der Erdenmenschen und der Kolonisten. Der Doppelgänger der Stellaris war an sich eine leere Hülle, bis auf einen wichtigen Apparat in der Mitte. Der Kondensator aus dem Pyramidenschiff diente als Kraftquelle, aber nicht etwa für einen Antrieb, der mit Hilfe ständiger Zug- und Druckstrahlen von der Stellaris her erfolgen sollte, sondern eben für den oben erwähnten schweren Apparat, der feinste Strahlenbündel erzeugen konnte und somit eine feste Verbindung mit dem Mutterschiff schuf. Die vier Fernsehgeräte aus dem Sendehaus der Stadt wurden auseinandergenommen und die Kameras in dem
Doppelgänger eingebaut. Die entsprechenden Aufnahmeschirme wurden in der Zentrale der Stellaris untergebracht. Tag und Nacht wurde ununterbrochen gearbeitet, um dem bislang einsamen Erdschiff einen kampffähigen Partner zu geben, der zwar ohne Mannschaft operieren mußte, dafür aber eine vielfache Energie zur Verfügung hatte und einen tödlichen Rundstrahler besaß. Viele Hände arbeiteten an dem Werk, Hände, die von nach Rache verlangenden Gehirnen geleitet wurden. Daher wurde auch der Strahler des zweiten Schiffes ein wahres Meisterstück modernster Kriegführung. Die Strahlwirkung nach einer Richtung allein glich eine ganze Breitseite von Dutzenden von Pyramidenschiffen aus. Trotzdem blieb es praktisch ein Roboter. Zwei, drei Tage vergingen, schließlich eine ganze Woche. Dann siedelten die Kolonisten in die Stellaris über, verließen ihre kleinen Häuser und damit den Ort, an dem sie so lange gelebt hatten. Mit sich nahmen sie ihre notwendigste Habe. Vorräte und lebenswichtige Einrichtungsgegenstände waren schon früher in die Laderäume der Stellaris geschafft worden. Das Raumschiff würde ihre neue Heimat sein, denn man konnte annehmen, daß die Pyramidenflotte das ganze Sonnensystem mit ihren Todesstrahlen bestreichen und somit alles noch Lebende vernichten würde. Die Stellaris war überfüllt, aber es blieb kein anderer Ausweg.
Zwanzig der kleinen Kolonisten hatten stets im Kreise gesessen, sich bei den Händen gehalten und somit einen telepathischen Zirkel gebildet. Sie hatten stumm in die Unendlichkeit hinausgelauscht, ob sie nicht das erste ferne Schwingen der feindlichen Gedanken spüren konnten, das die Annäherung der Feindflotte verkündete. Und als sie es dann fühlten, verstärkte es sich schnell. Die Pyramidenschiffe mußten sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit nähern. Alles strömte in die Stellaris, deren Luftschleuse sich schloß. Dann stieg das Raumschiff langsam in die Höhe und zog den Doppelgänger an unsichtbaren Strahlkabeln mit sich hinauf in die wolkige Atmosphäre des zweiten Planeten. Ein Hebeldruck schickte den Doppelgänger hinein in den Weltraum. Warme Finger legten sich auf Rods Hände, die die Kontrollen bedienten. Er hörte eine zwitschernde Stimme, und er verstand: »Sie kommen schneller als das Licht, aber noch schneller sind ihre Gefühle. Sie sind sehr siegesgewiß und triumphieren schon. Wie wir erfahren konnten, wollen sie ihre Geschwindigkeit erst innerhalb unseres Systems herabsetzen, um überraschend aufzutauchen. Sie werden das System einfach durchkreuzen und dabei ihre Strahler in einer ganz bestimmten Anordnung wirken lassen. Nichts Lebendes soll zurückbleiben.« »Das ist genau das«, sagte Rod, »was wir erwartet haben.«
Aus seiner Stimme sprach Zuversicht und Vertrauen in die eigene Stärke. Aber eine Stunde später war er nicht mehr so zuversichtlich.
13 Zuerst sah es ganz danach aus, als würde die Schlacht so verlaufen, wie Rod es sich ausgerechnet hatte. Der Doppelgänger der Stellaris schoß hinauf in den Weltraum, während die Stellaris in den Wolken der oberen Atmosphäre verborgen blieb. Auf den Televisionsschirmen zeigte sich die Umgebung des Roboterschiffes. Diese Geräte boten den Augen ein besseres Bild, als es die Natur vermocht hätte. Eine Einstellung ermöglichte jede beliebige Vergrößerung, die dabei aber nicht weniger scharf wurde. Die kleinen Techniker überwachten die laufenden Bilder und hielten sich bereit, die Bildschicht zu entfernen, wenn sich ein Bild zeigte, das man später noch einmal sehen wollte. Die Bilder waren farbig und von außerordentlicher Deutlichkeit. Man konnte es kaum glauben, daß sie auf Zugstrahlen entlang durch den Raum glitten und so in die Zentrale der Stellaris gelangten. Die ersten Szenen waren noch voller Frieden, und nichts zeigte sich von dem erwarteten Feind. Da stand die gelbe Sonne, um die deutlich erkennbar die vier zugehörigen Planeten gruppiert waren. Sie stand im Vordergrund der gewaltigen Kulisse Unendlichkeit, die aus Tausenden von Sternen bestand und in ihrer kalt glitzernden Pracht nichts von dem verriet, was sie verbarg. Eigentlich hatte Rod jetzt zum erstenmal Gelegenheit, sich die Sterne jenseits der Atmosphäre genauer anzusehen.
Die farbigen Bildschirme gaben sie so plastisch wieder, als schwebe man selbst ganz allein und einsam mitten im All. Rod fragte sich, warum er diesmal die ganze Schönheit des Universums viel schöner empfand als je zuvor, bis er mit einem verzeihenden Lächeln – es betraf auch seine eigene Schwäche – erkannte, daß der Mensch immer erst dann eine leidenschaftliche Schönheit erkennt, wenn sich ein Rahmen darum befindet. Hier im Weltall schien es kaum anders zu sein. Von den feindlichen Schiffen war noch keine Spur zu sehen. Rod lenkte den Doppelgänger weiter von dem Planeten fort, dreitausend, dann siebentausend Kilometer hinauf in das Weltall. Warme Hände legten sich wieder auf die seinen, und unverständliche Worte bekamen einen Sinn: »Die Feindflotte kommt schnell näher. Die Mannschaften sind sehr siegessicher.« Entschlossen beschleunigte die Stellaris und folgte dem Doppelgänger. Für einige Sekunden schienen zwei völlig gleichartige Raumschiffe im All zu schweben. Sie waren allein, und tief unter ihnen drehte sich langsam der zweite Planet. Doch dann war das zuletzt aufgestiegene Schiff plötzlich verschwunden, als sei es niemals dagewesen. Die Stellaris war in das schwarze Universum geglitten, und die einzige Verbindung, die sie noch zu dem Kosmos der gelben Sonne besaß, waren die vielen Strahlenbündel, die sie mit dem Doppelgänger, zwei Planeten dieses Systems und einem unbekannten Objekt im schwarzen Universum selbst verbanden.
Die drei letzten Verankerungen gaben der Stellaris den nötigen Halt, das Schwesterschiff manövrieren zu können. Obwohl er im dunklen Universum war, konnte Rod doch alles beobachten, was in dem normalen Kosmos vor sich ging. Die Fernsehkameras in dem Robotschiff übermittelten ihm sämtliche Eindrücke und ermöglichten die Fernnavigation. Die Strahlwaffe vorn am Bug des Doppelgängers schaltete sich automatisch ein und begann zu kreisen. Tastend suchten die unsichtbaren Finger nach einem festen Objekt, das jetzt nur noch ein Feindschiff darstellen konnte. Rod ließ den Doppelgänger herumschwenken und mit gleichbleibender Geschwindigkeit auf den dritten Planeten zueilen. Das Schiff gehorchte dem leichtesten Druck des Steuers, das sich in der Stellaris befand, aber seine Bewegungen verrieten, daß es mit einem besonderen Zweck und Ziel in diesem System kreuzte. Ein normales Raumschiff hätte beschleunigt, sobald es gestartet war, ganz bestimmt aber hätte es nicht alle Manöver mit der gleichen Geschwindigkeit ausführen können. Weiter und weiter entfernte sich der Doppelgänger von dem unsichtbaren Mutterschiff und näherte sich immer mehr dem Planeten der toten Städte. Und plötzlich entstand aus dem Nichts ein dreieckiger Schatten; er schimmerte metallen auf, als die Sonnenstrahlen ihn trafen, und drang mit geringer Geschwindigkeit in das System ein. Ein zweites Pyramidenschiff entstand aus dem Nichts, dann ein drittes und viertes. Eine Minute später war das System angefüllt mit den pyramidenförmigen Schiffen der
teuflischen Mordrasse. Man vermochte nicht mehr, sie zu zählen, denn es waren viele Tausende. Die Pyramidenrasse hatte eine Niederlage erlitten und wollte nun die Scharte wieder auswetzen. Sie hatte eine gewaltige Streitmacht aufgeboten, um den einen gefährlichen Gegner unschädlich zu machen, der sich in ihre Angelegenheit gemischt hatte, jenen Gegner, der es gewagt hatte, ihnen das Recht auf Mord und Plünderung streitig zu machen. Erschrocken und überwältigt starrte Rod auf die Bildschirme der Zentrale. Das hatte er wirklich nicht erwartet, und er fühlte, wie sein anfängliches Vertrauen zu sinken begann. Aber der Doppelgänger sandte bereits seine tödlichen Strahlen aus, vernichtete eine feindliche Mannschaft nach der anderen, wenn man den Erfolg auch noch nicht sehen konnte. Alle Schiffe zogen weiter auf ihrer Bahn. »Sie haben in Sekundenschnelle von Überlichtgeschwindigkeit verlangsamt«, murmelte Rod vor sich hin, eine Erklärung für das plötzliche Auftauchen der Flotte suchend. »Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Sie flogen mit Überlichtgeschwindigkeit in einer ganz bestimmten Formation, dann verlangsamten sie – und tauchten hier mitten im System auf. Damit haben wir den Beweis, daß sie von selbst nie auf eine Idee kommen, sie können jedoch ausgezeichnet imitieren. Ich war damals plötzlich mitten unter ihnen, heute wollten sie den gleichen Trick mit uns versuchen.« Das Verhängnisvolle jedoch war, daß dieser Trick seinen Zweck erfüllte. Die Formation war so aufgestellt,
daß alle Schiffe beim Sichtbarwerden mit ihrem Strahlenbombardement beginnen konnten, ohne befürchten zu müssen, sich selbst zu gefährden. Alles andere jedoch, der Gesamtraum des Systems, wurde systematisch von den Strahlen bestrichen, ob es sich nun um Planeten, Asteroiden oder winzige Meteoriten handelte. Leben wurde vernichtet und Materie sterilisiert. Die Flotte war nichts anderes als der leibhaftige Tod. Dagegen gab es keine Verteidigung. Das Robotschiff wurde fast von einer plötzlich sichtbar werdenden Pyramide gerammt, die alle ihre Strahler auf den vermeintlichen Feind richtete. Die Vibration ging durch das Schiff und richtete weiter keinen Schaden an. Die Pyramide eilte weiter, in der festen Überzeugung, das erste Feindschiff erledigt zu haben, denn das Schiff hatte ein wenig geschwankt. Natürlich, kein Lebewesen konnte die dreifache Dosis an Strahlen aushalten, niemand mehr konnte in dem Schiff am Leben sein. Niemand! Und doch kämpfte es weiter. Der Strahler an seinem Bug drehte sich ständig und sandte Tod und Verderben in die dichten Reihen der Pyramiden, die ihrerseits ihr Feuer auf den einzelnen Gegner konzentrierten. Ganze Formationen glitten an dem Robotschiff vorbei und jagten ihre Vibrationsenergien in den hauchdünnen Leib des Schiffes. Und alle Angreifer starben. Ob tot oder nicht, der Strahler auf dem Schwesterschiff arbeitete automatisch und ließ sich durch nichts mehr beeinflussen. Drei mächtige Generatoren bildeten die
Energiequelle für die verstärkte Strahlwaffe, gegen die es keinen Schutz gab. Sie reichte weiter als die beste Waffe des Pyramidenvolkes, und sie war nicht abhängig davon, ob eine Mannschaft im Innern des Robotschiffes lebte oder nicht. Die sich noch außer Reichweite befindlichen Pyramiden mußten auf die gleiche Vermutung gekommen sein, denn sie hielten sich vorsichtig zurück. Ohne Zweifel berieten sie, wie man diesen einzelnen und doch so gefährlichen Gegner überwältigen könnte. Jene Pyramiden aber, die an dem Robotschiff vorbeigekommen waren, spürten weder Triumph noch Schmerzen, sie spürten überhaupt nichts mehr. Die Mannschaften waren tot, dahingerafft von ihrer eigenen Waffe, die von einem ihrer Generatoren gespeist wurde. Es waren nichts als Metallsärge, die hineinfielen in eine unendliche Tiefe. Warme Hände legten sich auf Rods Handrücken. »Töte sie!« sagte eine Stimme. »Töte sie alle!« Mit zusammengekniffenen Augen gab Rod zurück: »Ich kann dich verstehen und teile deine Auffassung, aber es sind mehr, als ich vermutet hatte. Sie halten sich zurück und scheinen zu wissen, daß das Schiff ein Roboter ist, den sie mit normalen Mitteln nicht außer Gefecht setzen können. Sie werden jedoch versuchen, einen anderen Weg zu finden.« Kit betrachtete den Bildschirm auf der linken Seite. »Sieh nur, Rod! Eine ganze Flotte wurde von unserem Robot vernichtet. Tausend Schiffe sind es bestimmt, die
dort hilflos und ohne Steuerung auf die Sonne zufallen ...« »Aber noch viel mehr blieben übrig – und diese sind gewarnt! Wir haben in wenigen Minuten mehr Pyramiden vernichtet als in der ersten Schlacht, aber noch viel mehr sammeln sich zu einem neuen Angriff. Wirklich, ich mache mir langsam Sorgen.« Mit einigen Hebelgriffen ließ er das Robotschiff herumschwenken und auf die sich sammelnde Feindflotte zufliegen. Doch diese, vorsichtig geworden, zog sich zurück. Dabei wurde ersichtlich, daß der Gegner inzwischen einen Entschluß gefaßt haben mußte. Eine neue Formation wurde gebildet, während man gleichzeitig damit beschäftigt war, dem immer wieder angreifenden Robotschiff geschickt auszuweichen. Rod starrte gespannt auf die Bildschirme. In seinen Zügen arbeitete es, und er versuchte, die Absicht des Feindes zu erraten. Immer wieder versuchte er, die Umbildung zu stören, aber er konnte nicht verhindern, daß sich der Gegner formierte – und dann erkannte er, daß die mehr als zweitausend Pyramidenschiffe einen gigantischen Hohlspiegel gebildet hatten, dessen Brennpunkt unzweifelhaft das Robotschiff sein sollte. Rod bediente in fieberhafter Erregung die Fernsteuerung, aber der Roboter gehorchte nicht mehr. Er machte zwar verzweifelte Anstrengungen, dem Zug oder Druck der Strahlen zu folgen, aber es gelang ihm nicht. Er wurde durch eine neue, unbekannte Kraft festgehalten, und zwar außer Reichweite des Todesstrahlers, der den Pyramidenschiffen jetzt nichts anzuhaben vermochte.
»Sie halten sie mit Druckstrahlen fest!« sagte Rod grimmig und gab die Versuche auf, das Schwesterschiff zu befreien. »Die ganze Flotte in der Form eines Hohlspiegels wirkt auch wie ein solcher. Ihre Gesamtenergie übersteigt natürlich die der Stellaris. Ich kann den Robot nicht befreien. Ja, es sieht schlecht aus.« Die Zeit verging. Zwar konnten die Pyramiden auch nichts unternehmen, aber sie befanden sich wenigstens in Sicherheit vor ihrem unheimlichen Gegner. Es entstand eine Art Waffenstillstand. Zum erstenmal war die Mordrasse einem intelligenten Gegner begegnet, der sich zu wehren vermochte. Die Niederlage bei diesem ersten Treffen war furchtbar gewesen, aber man hatte aus ihr gelernt. Viel zu viel hatte man gelernt, und viel zu gut. Sie hatten den Gegner eingeschlossen und unschädlich gemacht. Wieder berührten die Hände des Kolonisten die von Rod. »Sie wollen es irgendwohin bringen, ich weiß aber nicht, wohin.« »Darauf wäre ich gespannt«, entgegnete Rod. »Ich glaube nämlich nicht daran. Sie besitzen in ihren Schiffen eine Einrichtung, die sämtliche Sternkarten vernichtet, wenn die Mannschaft stirbt oder gefangengenommen wird. Ich bin sicher, daß sie bei uns eine ähnliche Maßnahme – oder noch etwas viel Drastischeres – erwarten. Noch weiß ich nicht, was sie vorhaben könnten, ich weiß nur, daß die Lage nicht gerade günstig für uns ist.« Doch dann atmete er tief ein und hielt die Luft an.
Einige der Pyramidenschiffe brachen aus der Formation heraus und flogen blitzschnell auf den hilflosen Roboter zu, der immer noch im Brennpunkt des gigantischen Hohlspiegels hing. »Werden noch mehr von ihnen sterben?« fragte der Kolonist. »Kaum«, gab Rod zurück. »Sie lernen zu schnell. Sie haben bemerkt, daß unser Robotschiff nicht bemannt ist und automatisch gesteuert wird. Sie haben nun ebenfalls einige ihrer Schiffe mit einer primitiven Fernsteuerung versehen und schicken sie gegen unseren Strahlenroboter. Wir werden ja sehen, was sie beabsichtigen.« Er dachte eine Weile nach, dann fuhr er fort: »Vielleicht vermuten sie trotz allem eine tote Mannschaft darin und wollen sie untersuchen. Sie brauchen einen Anhaltspunkt, um später die richtige Rasse auszulöschen. Denn daß sie fürchterliche Rache nehmen werden, dürfte uns wohl allen klar sein. Auch sind sie darauf aus, unseren Strahler zu bekommen, der besser ist als die ihren. Und gerade das möchte ich unter allen Umständen verhindern.« Er hatte indirekt schon dazu beigetragen, daß sich die Angriffstaktik der Pyramidenrasse verbesserte. Wenn jetzt auch noch durch seine Schuld diese kosmischen Verbrecher in den Besitz einer weitaus besseren Waffe gelangten, so trug er dazu bei, die Gefahr für andere Welten zu erhöhen. Das aber durfte niemals eintreten. Die ferngesteuerten Pyramidenschiffe näherten sich dem Roboter, ungeachtet der von ihm ausgehenden tödlichen Strahlen. Sie formierten sich und bildeten eine bestimmte
geographische Figur. Rod nickte grimmig vor sich hin und murmelte: »Aha, sie arbeiten weiter mit Druckstrahlen. Wenn jedes dieser Robotschiffe am Bug einen Druckstrahler im Tätigkeit setzt, können sie unseren Doppelgänger hinschleppen, wohin sie wollen. Jetzt bin ich nur noch gespannt, wie sie den automatischen Todesstrahler unschädlich machen.« Er sah gebannt auf den Bildschirm. Gegen die Energie, die in Form der Ankerstrahlen von der Stellaris zum Doppelgänger floß, bewegte sich dieser jetzt ganz so, wie die Gegner es wünschten. Rod stellte daher die nutzlos gewordenen Fesseln einfach ab und beobachtete aufmerksam, was man nun vorhatte. Die kleine Formation setzte sich in Bewegung und flog langsam dem nächstliegenden Planeten entgegen. Es war der dritte Planet, die Welt der toten Städte. »Wahrscheinlich wollen sie das Robotschiff zu Boden drücken und dann mit ihren Druckstrahlern bearbeiten, bis es auseinanderbricht. Dadurch setzen sie den Todesstrahler außer Betrieb und können ungestört in die Hülle eindringen. Der Strahler gehört dann ihnen. Nein, das kommt nicht in Frage!« Er verstummte, denn nun scherte ein anderes Pyramidenschiff aus der Hohlspiegelformation aus, flog parallel zu der kleineren Gruppe und hielt sich in sicherem Abstand. Dann aber zuckte ein Blitz auf, und ein Flammenstrahl purer Energie schoß durch den Raum, traf auf die Hülle des Schwesterschiffes der Stellaris und
durchbohrte sie. Ein zweiter Blitz folgte und dann ein dritter. Einer der Bildschirme in der Stellaris wurde dunkel. »Sie haben uns geschlagen«, sagte Rod mit Bitterkeit. »Ich habe sie nicht für so klug gehalten und sie unterschätzt. Das sollte man niemals tun. Jetzt durchlöchern sie solange das Robotschiff, bis sie den Generator treffen, und der Todesstrahler aufhört, seine Vibrationen zu versenden. Danach können sie ihn in Ruhe untersuchen und ausmontieren. Es gibt keine Möglichkeit, sie davon abzuhalten.« »Und wir?« fragte Kit ängstlich. »Wir können nichts anderes tun, als fliehen oder untätig zuschauen?« »Mehr bleibt uns diesmal nicht übrig, aber glaube nicht, daß wir den Kampf aufgeben. Den Roboter nehmen wir mit, und dann arbeiten wir eine neue Taktik aus. Es fragt sich nur, welche Taktik das sein wird.« Er bediente einige Hebel und schaltete den Strahler des Robotschiffes ab. Gleichzeitig erloschen die restlichen drei Bildschirme, und die Stellaris befand sich wieder blind im schwarzen Universum. Aber auf dem Gesicht von Rod war ein hartes, grimmiges Lächeln. »Erzähle unseren Freunden einmal etwas über unser Kraftfeld«, sagte er zu Kit. »Besonders die Tatsache, daß wir in der Lage sind, einen Kubikkilometer Atmosphäre mit uns in das schwarze Universum zu nehmen, wenn wir das wollen. Berichte ihnen von meiner Jacke, die ich damals aus dem normalen Universum in das schwarze gezogen habe.«
»Aha«, machte Kit und sah ihn erstaunt an. »Und warum soll ich ihnen das alles erzählen? Was hat das mit unserer Flucht zu tun?« »Sehr viel. Ein gebündelter Zugstrahl kann jeden Gegenstand aus dem normalen Universum in das unsere ziehen und auch hier festhalten, wenn wir das Kraftfeld entsprechend erweitern. Also sind wir auch in der Lage, das Robotschiff plötzlich unter ihren Augen verschwinden und zu uns kommen zu lassen. Wir nehmen es mit.« Durch das Schiff ging eine Erschütterung und der Stoß einer leichten Kollision. Metall klang auf Metall. »Siehst du, da sind wir schon«, setzte Rod hinzu. »Und nun werden wir aus dieser Gegend verschwinden und uns inzwischen überlegen, was wir als nächstes anstellen können, um unsere Niederlage wiedergutzumachen.«
14 Stunde um Stunde flog die Stellaris durch das schwarze Universum, eng verbunden mit dem arg mitgenommenen Schwesterschiff, das fürs erste seinen Zweck erfüllt hatte. Rod strebte von dem Sonnensystem weg, das inzwischen von der Feindflotte heimgesucht wurde, und ließ sich von einem festen Objekt anziehen, das schon lange zuvor im Herzen der unbekannten Ewigkeit entdeckt worden war. Er hätte auch den Düsenantrieb benutzen können, aber die ausgestoßenen Moleküle wären, sobald sie das Kraftfeld der Stellaris verlassen hätten, in das normale Universum zurückgekehrt, und es wäre ein deutlich sichtbarer Kondensstreifen entstanden. Zwar hätte man ihnen nichts anhaben können, denn sie befanden sich in größerer Sicherheit als alle Rassen des Universums, aber Rod wollte vermeiden, dem Feind auch nur die geringsten Anhaltspunkte zu geben. Die Lichtgeschwindigkeit wurde relativ überschritten, und damit erreichten sie in dieser anderen Dimension eine unvorstellbare Geschwindigkeit, die sie ihrem unbekannten Ziel immer näher brachte. Die kleinen, rundlichen Kolonisten standen in Gruppen zusammen und diskutierten heftig mit ihren dünnen Stimmchen. Als Joe zufällig an ihnen vorbeikam, hielten sie ihn fest, legten die Hände gegen die seinen und sprachen zu ihm. Er hörte einige Zeit zu, wobei sich sein Gesichtsausdruck allmählich veränderte und sehr
nachdenklich wurde. Dann plötzlich setzte er sich einfach auf eine herumstehende Kiste und vergrub den Kopf in seine Hände. So fand ihn eine halbe Stunde später Rod, der zum Antriebsraum ging. Joe sprang auf und folgte Rod. »Hören Sie, Captain, diese kleinen Halunken sind verdammt schlau. Ich glaube, sie haben herausgefunden, wie die Pyramidenschiffe auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen.« »So?« »Ja, und zwar haben sie es rein mathematisch errechnet. Es muß ein Element geben, das in der Natur nicht vorkommt, sich jedoch synthetisch herstellen läßt. Vielleicht entsteht es auch von selbst im Innern eines Sternes, wer soll das wissen? Es muß ein Element sein, das nicht auf die natürliche Gravitation eines Körpers reagiert, ein Stoff also, der vollkommen neutral ist.« »Er würde einfach aus dem Universum herausfallen und dafür in dem schwarzen landen, genauso wie unsere Stellaris, die ja durch das Kraftfeld ebenfalls neutral gemacht wird?« »Schon, aber man könnte dieses Element mit anderen, nicht neutralen Stoffen mischen, eine Legierung herstellen. Daraus erbaut man dann ein Raumschiff, das unter gewissen Umständen nicht mehr den Kraftlinien des Alls ausgesetzt ist. Aber irgendwohin muß ja die Energie, sie kann sich unter bestimmten Voraussetzungen auch in Bewegung verwandeln.« »So ganz sehe ich noch nicht, worauf du hinauswillst«,
erwiderte Rod und manipulierte an den Hebeln der Strahler. Er peilte durch Kreuzstrahlung das unbekannte Objekt an, das näher gekommen war. »Ich auch nicht, aber so etwa stellen sich die Kleinen das Prinzip vor. Sie meinen, wenn man diesen Stoff einmal in Bewegung versetzt, wird er sich automatisch immer schneller fortbewegen. Es ist so, als ob man hinter einem fahrenden Zug herläuft, um ihn noch zu erreichen. Erreicht man ihn dann, kommt man schneller vorwärts, aber man wird getragen, muß sich also nicht mehr selbst anstrengen.« Rod schüttelte den Kopf. »Ich werde zwar immer noch nicht klug aus diesen Andeutungen, aber es hört sich so an, als könne etwas dahinterstecken. Lassen wir das erst einmal bis später. Versuche dafür, etwas anderes herauszubekommen, und bitte die Kolonisten um ihre Unterstützung. Zwei Dinge möchte ich wissen: Wie strahlen sie ihre drahtlose Energie aus, wie schnell kann sie sich ausbreiten, und genügt ein Generator, die Urenergie zu erzeugen? Zweitens: Wie läßt sich das Kraftfeld ändern, damit man Gegenstände, die im schwarzen Universum zu Hause sind, in das normale befördern kann? Wir verstehen es, Gegenstände aus dem normalen Universum in das schwarze zu bringen und hier zu halten. Wenn wir das Kraftfeld ausschalten, fallen sie wieder zurück. Ich möchte genau den umgekehrten Vorgang herbeiführen können. Leider habe ich im Augenblick wichtigere Dinge zu erledigen, daher muß ich die Lösung
dieser beiden Fragen dir und den Technikern der Kolonisten überlassen.« Er beugte sich wieder über die Geräte und kümmerte sich nicht mehr um Joe, der mit nachdenklichem Stirnrunzeln davonging. Das Schiff war überfüllt, aber die Gäste vom zweiten Planeten verhielten sich zurückhaltend und verständnisvoll. Sie drängten sich zusammen, um den Menschen keinen Platz wegzunehmen. Die Frauen machten sich daran, aus den bunten Stoffen Kleider herzustellen, um eine Beschäftigung zu haben. Die Männer dagegen baten um Erlaubnis, einen der Laderäume als Laboratorium benutzen zu dürfen und standen dann erneut in kleineren Gruppen zusammen und sprachen lebhaft miteinander. Joe war mitten zwischen ihnen und versuchte, ihnen die Wünsche des Kommandanten klarzumachen. Rod hatte inzwischen nach vorsichtigem Abbremsen den unbekannten Dunkelkörper erreicht und auf ihm eine Landung vorgenommen. Die Lichter der Stellaris beschienen eine leicht abgerundete Fläche von schwarzer Färbung, die zu einem Weltkörper gehörte, dessen Größe nicht abzuschätzen war. Eine Gravitation war nicht festzustellen, obwohl der Körper eine gewaltige Dichte besitzen mußte. Er bestand aus einem Stoff, den man im normalen Universum wahrscheinlich nicht finden würde. Rod nahm die notwendigen Messungen vor, ehe er seine Leute und die Anführer der Kolonisten zusammenrief, um einen Lagebericht zu geben: »Wir haben die zweite Schlacht gegen die
Pyramidenrasse verloren«, begann er, »aber trotzdem konnten wir unsere Position verbessern. Sowohl an Luft, wie auch an Energie und Lebensmitteln leiden wir keinen Mangel. Wenn wir wollen, können wir alle zusammen in diesem Schiff lange genug existieren, bis wir einen geeigneten Planeten zur Besiedlung gefunden haben. Ohne weiteres könnten wir also eine neue, gemeinsame Zivilisation gründen, die vom Pyramidenvolk niemals gefunden würde. Wir können Raumschiffe bauen, wenn wir die notwendigen Rohstoffe finden, mit denen wir uns gegen Feinde zu wehren vermögen, ja, wir können sie vielleicht auch vernichtend schlagen. Nur eines können wir mit aller Wahrscheinlichkeit nie: den Weg zur Erde zurückfinden.« Er wurde unterbrochen, und zwar von einem der Kolonisten: »Wenn du mir genau beschreiben kannst, wie von deinem Heimatplatz aus der Sternhimmel aussieht, kann ich dir vielleicht sagen, in welcher Richtung wir dein System zu suchen haben.« Obwohl Rod die Begeisterung und die Freude in den Augen seiner Gefährten las, dämpfte er diese Freude sogleich wieder: »Im Augenblick würde uns eine Rückkehr zur Erde nicht viel nützen. Man würde uns die Gefahr nicht glauben. Und wenn man es tatsächlich täte, was ich sehr bezweifele, würde es Jahre dauern, bis man sich auf eine Verteidigung vorbereitet hätte. Wir aber hier sind bereit zum Kampf, wenn wir auch geschlagen wurden. Es besteht leider auch
die Möglichkeit, daß die Anführer der Plünderer sich dafür entscheiden, alle intelligenten Rassen des Universums zu überfallen und zu vernichten, auch dann, wenn sie das Stadium der Raumfahrt noch nicht erreicht haben. Damit werden sie versuchen wollen, jede eventuelle Gefahr im Keim zu ersticken. Das möchte ich vermeiden, und darum werden wir kämpfen.« Er sah sich um und begegnete wenig zustimmenden Blicken. Joe half ihm: »Wir werden eine neue Waffe bauen und versuchen, den Heimatplaneten der Pyramidenrasse zu finden. Den vernichten wir, und sollten wir inzwischen graue Haare bekommen.« Es entstand eine längere Diskussion, bei der die verschiedenen Ansichten besprochen und beraten wurden. Aber endlich, nach einem eingehenden Disput, setzte Rod seine Meinung endlich durch. Als ihm später der Leiter der Kolonie begegnete, hielt der ihn an und fragte: »Du bist doch der Kommandant des Erdschiffes und der Anführer der Menschen. Warum hast du ihnen denn alles so eingehend erklärt und sie um ihre Zustimmung gebeten? Warum hast du nicht bestimmt?« Rod lächelte. »Wir haben eine sehr merkwürdige Einrichtung auf der Erde«, erklärte er trocken. »Und wir nennen sie Demokratie!«
15 Der Durchmesser des schwarzen Universums betrug Tausende von Millionen Lichtjahre, und mitten darin wanderte ein Körper, der im Vergleich zu den gewaltigen Sternen des normalen Universums nichts anderes als ein winziges Staubkörnchen war. Im Sonnensystem der Erde hätte man diesen Körper vielleicht als Asteroiden bezeichnet. Sein Durchmesser betrug kaum dreizehn Kilometer, das konnte abgeschätzt werden, die Masse dagegen nicht, denn der Asteroid bestand aus einer Materie, die es in der lebenden Welt nicht gab. Man konnte sie dort vielleicht unter besonderen Umständen künstlich herstellen, aber in der Natur kam sie nicht vor. Möglich, daß sie das Endprodukt eines Prozesses war, den ein Zwergstern durchgemacht hatte, ehe er sich soweit verwandelte, daß er von den Kraftlinien nicht mehr gehalten, also vom normalen Universum quasi abgeschnitten und in das schwarze Universum gestoßen worden war. Es mußte eine Materie sein, die nur hier existieren konnte und nirgendwo anders. Die Materie reagierte weder auf Magnetismus hoch auf Gravitation, Elektrizität konnte sie nicht beeinflussen – und trotzdem war und blieb sie ein Stoff, Materie. Sie ließ sich sogar mit anderen Elementen verbinden. Rod hatte das alles herausgefunden, nachdem er einige Proben in das Schiff geholt hatte. Er hatte die Luftschleuse
geöffnet, die Luft mit Zugstrahlen vor dem Entweichen bewahrt und mit einem anderen Strahl lose Brocken des Asteroiden in die Schleuse geleitet. Einige dieser Proben gab er den Kolonisten. Er vermutete, es könne sich vielleicht um jenen Stoff handeln, von dem sie behauptet hatten, daß er theoretisch existiere. Die kleinen Wissenschaftler begannen mit einer fieberhaften Forschungsarbeit, in deren Verlauf sie das Robotschiff regelrecht auseinandernahmen und mit dem so erhaltenen Metall Versuche anstellten. Sie stellten Legierungen her und prüften sie unter den verschiedensten Bedingungen. Bei geringer Mischung mit normalem Metall ergab sich eine Legierung, die selbsttätig verschweißt werden konnte. Wenn man also zwei Stücke dieser Legierung aneinander hielt, verschmolzen sie zu einem Stück. Es war ein Phänomen, das selbst Rod in größtes Erstaunen versetzte. Mit einem Spiegelbelag versehen, konnte jedoch der Schweißvorgang verhindert werden. Die Techniker der Kolonisten hatten die Energiequelle des erbeuteten Pyramidenschiffes auseinandergenommen und untersucht. Dabei hatten sie eine Metallegierung gefunden, die genau die gleichen Eigenschaften aufwies wie die Legierungen, die man selbst hergestellt hatte. Rod befand sich im Laboratorium, wo die Kolonisten damit beschäftigt waren, einen Generator zu konstruieren, der genügend Energie erzeugen konnte, um den ganzen Asteroiden aus dem schwarzen Universum herauszureißen. Mit ihren zwitschernden Stimmen gaben sie ihm Formeln
und Berechnungen bekannt, die er dem Wortlaut nach zwar verstehen konnte, aber trotzdem nicht begriff. In Gedanken versunken kehrte Rod zur Zentrale zurück und justierte das eigene Kraftfeld so, daß zusammen mit dem Schiff eine Sphäre von sechs Kilometer Durchmesser aus dem Weltall mit in das schwarze Universum genommen werden konnte. Nach all diesen Vorbereitungen schaltete er das Kraftfeld aus, und die Stellaris befand sich wieder inmitten der Sterne. Die Menschen und auch die kleinen Kolonisten drängten sich gegen die Sichtluken und suchten nach bekannten Sternbildern, denn die Stellaris mußte inzwischen eine ungeheure Strecke zurückgelegt haben. In den Augen aller lag die Sehnsucht nach einer Welt, auf der man Lebensbedingungen fand, die ihren Gewohnheiten entsprachen. Rod hatte einen Plan, zu dessen Ausführung er der Mithilfe der Kolonisten bedurfte. Er gab Kit den Auftrag, einige von ihnen in die Zentrale zu holen. Kurz darauf stand er vor der Instrumententafel, die Hand am Hebel zum Kraftfeld, und lauschte auf die Worte, die Kit ihm zu sagen hatte. Das Mädchen befand sich dicht hinter ihm, in der Mitte eines schweigenden Kreises sich an den Händen haltender Kolonisten. »Sie sagen«, sprach Kit langsam, »daß keine Pyramidenschiffe in der Nähe sind. Der Raum um uns ist leer. Das ist doch erfreulich, oder nicht?« »Im Augenblick nicht, da ich etwas Besonderes vorhabe«, entgegnete Rod und schüttelte den Kopf.
»Versuchen wir es noch einmal.« Der Düsenantrieb arbeitete ununterbrochen, auch als die Stellaris zurück ins schwarze Universum tauchte. Wenige Minuten später materialisierte sie viele Lichtjahre entfernt im Weltraum. Wieder kein Anzeichen von Pyramidenschiffen. Ein dritter und vierter Sprung, der jedes Mal viele Lichtjahre überbrückte. Da, endlich wurde die Stille in der Zentrale von dem erregten Gewisper der Kolonisten unterbrochen, und eine Hand legte sich auf die seine. »Die Mordrasse«, drang der Gedanke in sein Gehirn. »Eine ganze Menge von ihnen sind in der Nähe.« »In welcher Richtung?« wollte Rod wissen. »Haben sie eine Ahnung, daß wir hier sind?« »Nein, sie wissen es nicht. Sie befinden sich ...« Der Kolonist zögerte einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Sie befinden sich in dieser Richtung!« Ein kleines, einem Menschenarm nicht unähnliches Gebilde zeigte zur Sichtluke. Rod richtete einen Zugstrahl in das Nichts und wartete, bis er das unbekannte Ziel traf. »Sagt mir sofort, wenn sie unsere Gegenwart bemerken«, warnte er die telepathischen Kolonisten. »Gebt sofort Bescheid!« Er ließ die Stellaris herumschwanken, bis der Bug genau in die angegebene Richtung zeigte. Das Kraftfeld wurde für einige Sekunden ein-, dann wieder ausgeschaltet. Immer noch nichts. Der dritte Sprung jedoch glückte.
»Sie sind ganz nahe und haben uns bemerkt!« kam der Gedankenimpuls des Sprechers der Kolonisten. »Aber sie sind nicht zu sehen.« »Weil wir schon an ihnen vorbei sind«, erklärte Rod und warf den Hebel des Kraftfeldes erneut herum. Vor der Sichtluke wurde es wiederum schwarz, aber als die Stellaris ein wenig schwenkte, sah man die in dreieckiger Form angebrachten Luken des Pyramidenschiffes. Man war in das schwarze Universum hinübergewechselt und hatte den Feind mitgenommen. Um die Stellaris herum befand sich in einem Umkreis von drei Kilometern der normale Weltraum, jedoch war das natürlich mit dem bloßen Auge nicht festzustellen. Nur ein winziger Teil Materie war mitgenommen – das Pyramidenschiff. »Sie sind ratlos«, sagte der Kolonist. »Sie wissen nicht, was geschehen ist. Sie sind hilflos, und ihr Generator gibt keine Energie mehr.« Rod nickte grimmig und schaltete die Energie auf den Bugstrahler um. Dann nahm er die Hand des Anführers der Kolonisten und legte sie auf den Betätigungshebel, der die Waffe in Betrieb setzte. »Ich habe noch nie eine Ratte getötet, die in die Falle gegangen ist«, sagte er dabei. »Lege den Hebel um – und sie sind alle tot.« Der Kolonist legte den Hebel um. Rod wartete einige Sekunden, dann zog er ihn wieder zurück. »Sie sind tot«, sagte er fast flüsternd. Es war nicht mehr als gerecht, daß sie die Angehörigen dieser mörderischen Rasse vernichteten, die seit ihrem
Bestehen nie etwas anderes getan hatte, als blühende Völker und Zivilisationen auszulöschen und sie zu berauben. Rod spürte die tiefe Befriedigung, die von den Überlebenden des Planeten der toten Städte ausging, als sie ihre Rassegefährten gerächt wußten. Sie hatten ja auch die Fähigkeit, jene mordgierigen Plünderer sterben zu fühlen, ein Vorgang, den Rod nur zu ahnen vermochte. »Ihr Generator arbeitet nur im normalen Universum«, sagte er dann endlich und wandte sich dabei hauptsächlich an Kit und Joe. »Das ist es, was ich wissen wollte. Als sie sich plötzlich im schwarzen Universum befanden, ging ihnen die Energie aus. Sie konnten nicht mehr manövrieren, ihre Waffe versagte – und vielleicht versagte auch jene Vorrichtung, die ihre Sternkarten vernichtete. Und das ist genau das, was ich am sehnlichsten erhoffe.« Zugstrahlen holten das feindliche Schiff heran. Der Metallsarg trieb langsam gegen die Stellaris und legte sich dann mit einem hohlen Klang gegen deren Hülle. Luftschleuse lag an Luftschleuse, und mit Hilfe der Zugstrahlen wurde eine absolut luftdichte Verbindung hergestellt. Mit Handlampen bewaffnet begab sich Rod mit einigen Leuten in das andere Schiff. In aller Eile wurde es durchsucht, obwohl der Gestank der Pyramidenwesen Übelkeit aufkommen ließ. Im Navigationsraum fehlte diesmal die zerschmolzene Einrichtung, und man fand die gesuchten Sternkarten. Joe und andere Männer bemächtigten sich wertvoller Instrumente und technischer Einrichtungen, während Rod
sich mit den wichtigen Sternkarten begnügte. Dann kehrten sie in die Stellaris zurück, und Rod bemerkte mit Erstaunen, daß die Kolonisten nichts angerührt hatten, was sich in dem Pyramidenschiff befand. Ihr Haß mußte so groß sein, daß sie sich ekelten, etwas anzufassen, was zuvor von einem der Mörder berührt worden war. Die Stellaris fiel zurück in das schwarze Universum und eilte den Zugstrahl entlang, zurück zu dem Asteroiden. Indessen überprüfte Rod zusammen mit einigen Kolonisten die Sternkarten, was sich als leichter erwies, als man angenommen hatte. Bis man den Asteroiden erreichte, hatte man die eigene Position festgestellt. Rod kehrte in den normalen Weltraum zurück und überprüfte die Feststellungen, die man den Karten nach gemacht hatte. Sie stimmten. Alles stimmte! Im Schiff herrschte eine zuversichtliche Laune, und die kleinen Kolonisten liefen den geschäftig umhereilenden Menschen buchstäblich andauernd zwischen die Beine. Sie wußten, daß ihre toten Städte und ihre vernichtete Zivilisation bald gerächt sein würden. Doch Rod stellte fest, daß die Rachegelüste nach einiger Zeit abklangen und die ersten moralischen Bedenken auftauchten. Die Überlebenden des Planeten der toten Städte hatten eine fast unvorstellbare Lust zur Rache gehabt, solange sie noch in weiter Ferne lag. Nun, da die Aussicht, den Feind vernichten zu können, näherrückte, kamen ihnen Bedenken. Sie hatten den Tod der Mannschaft des zweiten erbeuteten Schiffes miterlebt, als seien sie selbst
dabeigewesen. Sicher, ihre Feinde hatten eine ganze Zivilisation einfach ausgelöscht, aber wurde man nicht selbst auch zu einem Mörder, wenn man Gleiches mit Gleichem vergalt? Im Grunde ihrer Seele waren die Kolonisten weich, nachgiebig und außerordentlich sanftmütig. Die Vorbereitungen, den Asteroiden in das normale Universum zu schaffen, waren fast beendet, als eine Art Delegation der Kolonisten zu Rod in die Zentrale kam. In ihren Gesichtern stand ernste Sorge, und mit einer gewissen Feierlichkeit gruppierten sie sich um Rod, legten die Hände zusammen und stellten die Verbindung her. »Wir bitten um die Erlaubnis, zu dem nächsten Planeten gebracht zu werden, der sich auf den Sternkarten ermitteln läßt und der uns Lebensmöglichkeiten geben kann. Ein solcher Planet ist in großer Nähe, und er würde uns genügen. Wir verdanken euch Erdenmenschen unser Leben und den Fortbestand unserer Rasse. Wenn ihr darauf besteht, werden wir natürlich bei euch bleiben und euch helfen, die Pyramidenrasse restlos zu vernichten. Jedoch wäre es uns lieber, wenn wir uns in Ruhe irgendwo niederlassen könnten, um ein neues Leben zu beginnen. Wir haben Vergeltung geübt – wir müssen gestehen, sie mißfällt uns.« Rod betrachtete sie eine Weile schweigend, dann entgegnete er: »Auch ich liebe es nicht, andere Lebewesen zu töten. Im Augenblick der Entscheidung übergab ich euch den Hebel zu jener Waffe, die ihnen das Verderben brachte. Ich bin
schwach geworden und meinen Zielen untreu. Doch schon jetzt kann es möglich sein, daß ihre Schiffe ein Sonnensystem nach dem anderen durcheilen und versuchen, mit Todesstrahlen Unschuldige und Schuldige zu treffen. Vielleicht ist es möglich, daß eine solche Vergeltungsflotte auch meinen Heimatplaneten Erde erreicht. Ich denke daran, daß vielleicht wir fünfzehn Menschen hier in diesem Schiff die letzten Überlebenden einer großen Zivilisation sind, so wie ihr die letzten der euren seid. Ich möchte nicht das Risiko eingehen, schuld an dem Tod der Menschheit zu sein. Und sollte inzwischen das Furchtbare schon geschehen sein, so will ich nicht auf! Rache verzichten. Hinzu kommt, daß ich die übrigen Zivilisationen der Galaxis vor einem ähnlichen Schicksal bewahren möchte. Und ich denke doch, das gibt uns die moralische Berechtigung dazu, so zu handeln, wie wir es vorhaben. Aber wir werden euch zu dem gewünschten Planeten bringen und dort absetzen. Ich werde keinen zwingen, gegen seinen Willen zum Richter zu werden.« Mit einem müden Lächeln nahm er seine Hände sanft aus denen der Kolonisten und begann mit den Vorbereitungen, das Schiff von dem Asteroiden und dem Pyramidenschiff zu lösen.
16 Die Stellaris hing im Weltraum und setzte sich auf Kurs. Dann glitt sie mit arbeitenden Düsen in das schwarze Universum zurück, wo sie die tausendfache Strecke zurückzulegen hatte. Als sie dann in den normalen Raum tauchte, war die erwartete Sonne nicht mehr weit entfernt. Die restliche Strecke wurde mit Zugstrahlen zurückgelegt. Die Sonne war gelb und besaß sieben Planeten, deren sonnennächster eine feuerflüssige Masse war. Selbst der zweite und der dritte befanden sich zu nahe an der flammenden Hölle, um Spuren von Leben tragen zu können. Der vierte jedoch erstrahlte im grünen Licht einer beachtlichen Vegetation, und blaue Wasserflächen wechselten ab mit fruchtbaren Kontinenten. Wolkenbänke erstreckten sich mit Unterbrechungen von Pol zu Pol. Es war ein Planet, der die Erde hätte sein können. »Es lebt dort schon eine Rasse«, sagte der Kolonistenführer mit offensichtlich schlechtem Gewissen. Man sah ihm an, daß er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte und offenbar von seinen Freunden überstimmt worden war. »Den Bildberichten nach befinden sie sich noch im Stadium der Barbarei. Obwohl sie Metalle kennen, besitzen sie keine Waffen und keine Energiequellen. Es wird lange dauern, ehe sie den Pyramidenleuten als eine Gefahr erscheinen mögen. Vielleicht sind wir in der Lage, sie zu leiten und ihnen den Weg zu einer Zivilisation zu
zeigen.« Rod gab keine Antwort, denn er war ein wenig verärgert. Langsam ließ er die Stellaris in die Atmosphäre des vierten Planeten herabsinken und glitt dann tiefergehend über die Oberfläche dahin. »Eine Stadt!« rief Kit plötzlich und zeigte erregt nach unten. Rod veränderte die Richtung des Schiffes und senkte es dann auf die Stadt hinab. In geringer Höhe verharrte er. Unbeweglich schwebte die Stellaris über der Stadt. Die Gebäude erinnerten an Tempel und wuchtige Säulenhallen. Gewaltige Steinquader waren aufgetürmt und zu Wänden gestaltet worden, die einen wilden und barbarischen Charakter verrieten. Trotzdem war und blieb es eine Stadt. Die kleinen Häuser mußten wohl die Wohnstätten der Eingeborenen sein, während die größeren Gebäude Tempel und Paläste darstellten. Aber keine Bewegung ließ vermuten, daß man die Stellaris entdeckt hatte. Vor der Stadt landete Rod und ließ Kit an der Steuerung zurück. Vorsichtig öffnete er die Luftschleuse und prüfte die Atmosphäre. Sie war zweifellos atembar, aber es war Verwesungsgeruch in ihr. Es roch nach Tod. Bleich und sehr zornig kehrte er in die Zentrale zurück, wo er schon sehnlichst erwartet wurde. Mit kalter, gefaßter Stimme berichtete er: »Sie befanden sich in einem Stadium, in dem sich die
Menschheit schon vor tausend Jahren befand. Sie kannten weder Motoren noch Waffen. Ihre Fahrzeuge wurden von Haustieren gezogen, und sie verehrten uns als unbekannte Götter. Aber die Mordrasse des Pyramidenvolkes hat sie getötet, erbarmungslos gemordet, vor weniger als drei Tagen, nur weil sie eines Tages vielleicht Raumschiffe haben könnten. Damit haben wir den Beweis, daß sie alles Lebende im Universum vernichten wollen, das ihnen vielleicht einmal in tausend Jahren gefährlich werden könnte. Sie bilden eine Gefahr für die ganze Galaxis, eine Gefahr, die wir beseitigen müssen.« Er wandte sich an den Führer der Kolonisten. »Gut! Wie ihr wollt! Ihr könnt jetzt das Schiff verlassen und euch hier ansiedeln. Aber beeilt euch, bitte! Ich habe wenig Zeit, denn auf mich wartet eine Aufgabe, eine sehr wichtige Aufgabe.« Aber keiner der Kolonisten machte Anstalten, der Aufforderung zu folgen. Der Anführer legte seine Hand auf die von Rod. »Wir haben uns anders entschieden«, gab er bekannt. »Wir haben eingesehen, daß wir im Unrecht sind. Nicht um unsere untergegangene Zivilisation zu rächen, werden wir dir helfen, sondern um alle Unschuldigen vor der Vernichtung zu bewahren, die sie eines Tages treffen würde. Bitte, beeile dich, deine Pläne auszuführen.« Rod nickte dem Kolonisten dankbar zu, warf einen letzten Blick auf die nahe Stadt und schaltete den Druckstrahl ein. Immer schneller schoß die Stellaris hinein
in den dunkler werdenden Himmel, hinein in die scheinbare Unendlichkeit des Alls. Der Zugstrahl, der noch auf dem Asteroiden lag, wurde eingeschaltet, und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit eilte das Erdschiff seinem Ziel entgegen. Auf dem Asteroiden gelandet, begann eine fieberhafte Vorbereitungsarbeit. Mit Hilfe der hergestellten Legierungen wurde die Stellaris mit dem Asteroiden fest verbunden, jedoch so, daß sie jederzeit wieder davon getrennt werden konnte. Hinzu kamen starke Zugstrahlen, die die Stellaris unlösbar – so lange die Absicht bestand – an den kleinen Weltkörper fesselte. Das Kraftfeld wurde wieder so eingestellt, daß es nur das Schiff selbst einschloß, aber nicht die Umgebung. Das jedoch geschah erst dann, als sich der Asteroid zusammen mit dem Schiff im normalen Universum befand. Als Rod den Hebel erneut umschaltete, wurde es vor den Sichtluken schwarz. Die Stellaris befand sich nun im schwarzen Universum, jedoch ohne den Asteroiden, auf dem sie befestigt war. Scheinbar allein hing sie in der dunklen Ewigkeit, verankert auf einer kleinen Welt, die nun ein Bestandteil des normalen Universums geworden war. Und das hatte seine guten Gründe. Die Bildschirme in der Zentrale zeigten das Bild des Weltalls, so wie es sich den eingebauten Kameras auf der Oberfläche des Asteroiden bot. Der Asteroid erreichte den normalen Weltraum mit einer Geschwindigkeit, die weit über der des Lichtes lag. Und weit über der kritischen Geschwindigkeit der Legierung,
die in fester Verankerung Schiff und Weltkörper zusammenhielt. Aber dank der Zugstrahlen hielt diese Verbindung, aber der Asteroid beschleunigte aus sich selbst heraus und wurde schneller und schneller, denn die geheimnisvolle Legierung bestand aus den gleichen Urstoffen wie jene Vorrichtung, die den Pyramidenschiffen die Überlichtgeschwindigkeit verlieh. Materie des Weltraumes, verbunden mit der des schwarzen Universums, saugte alle Energie auf, deren sie habhaft werden konnte. Die Energie der kosmischen Strahlung, die Kraft der Gravitationslinien zwischen den Sternen – ja, vielleicht sogar die Energie, die den Lichtstrahlen innewohnte. Und alle diese Energie verwandelte sich in Bewegung, in immer schneller werdende Bewegung. Die Sterne wandelten sich und wurden violett, ihre Wärmestrahlen wurden sichtbar und verschwanden wieder. Aber die Geschwindigkeit stieg weiter und wurde unmeßbar. Auf den Bildschirmen pulsierten die Herzschläge unzähliger Sonnen, und die Zeit schien eingeholt zu werden. Die Geschwindigkeit des ungeheuer großen Motors steigerte sich zusehends, er riß die Stellaris mit sich, die sich in einer anderen Dimension befand. In Rods Augen lag ein drohendes Funkeln, als er die Instrumente und Bildschirme beobachtete. Nur eine einzige Chance würde er haben, sein kosmisches Geschoß abzufeuern, das nicht aus normaler Materie bestand und sich mit einer Geschwindigkeit bewegte, gegen die die
Geschwindigkeit des Lichtes nur ein lahmes Kriechen bedeutete. Dieser eine Schuß mußte sitzen, sonst war alles verloren. Hinzu kam, daß nur sehr wenig Zeit blieb. Die Sonne, deren Position die Sternkarten angegeben hatten, lag weit vor dem Bug der Stellaris. Es war eine riesige und noch sehr heiße Sonne, und der Heimatplanet war mehr als dreihundert Millionen Kilometer von ihr entfernt. Dieser Sonne entgegen eilte das kosmische Projektil mit der fünftausendfachen Geschwindigkeit des Lichtes. Viele Kilometer maß sein Durchmesser, aber sein Flug konnte noch genau kontrolliert werden. Nur Sekunden standen Rod zur Verfügung, es in sein Ziel zu lenken, ehe er die Verankerung lösen und die Stellaris freimachen konnte. Während das Schiff in weitem Bogen herumschwang, raste der Asteroid auf die flammende Sonne zu. Die Stellaris materialisierte im normalen Weltraum, weit genug von dem Sonnensystem der Pyramidenrasse entfernt. Alle an Bord befindlichen Menschen und außerirdischen Kolonisten drängten sich an den Sichtluken zusammen, um das Schauspiel zu sehen, das sie vorbereitet hatten. Zuerst geschah nichts, dann aber mußte der Asteroid die Sonne getroffen und sich tief in das Herz des Sterns gebohrt haben. Im Bruchteil einer Sekunde wurde die aufgespeicherte Energie frei und entfesselte eine gewaltige
atomare Explosion. Die Sonne schwoll plötzlich an und dehnte sich mit einer Langsamkeit aus, die an einen Zeitlupenfilm erinnerte. Trotzdem erfolgte der ganze Prozeß in Wirklichkeit mit der Geschwindigkeit des Lichtes. Die Masse des Asteroiden war bis zum Mittelpunkt des Sternes gesunken, und erst dort wurde seine Energie frei. Sie verband sich mit der freiwerdenden Energie der Sonne, und die Vernichtung ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Feuergase strömten nach allen Richtungen gleichmäßig in das All und erreichten den ersten Planeten, schlossen ihn ein und rasten weiter. Der zweite, dritte und vierte Planet wurde Minuten später das Opfer der gewaltigen Naturkatastrophe. Während sich die Stellaris immer weiter von dem System entfernte, verwandelte sich dieses in einen Nebel. Mehr als acht Milliarden Kilometer im Durchmesser mochte dieser Nebel messen, und er dehnte sich immer weiter aus. Kein Lebewesen in diesem System würde diese Flammenhölle überstanden haben – und auch kein noch so gewaltiger Generator, der die Aufgabe hatte, die Energie durch das Universum zu senden, die von den kleinen dreieckigen Empfangsstationen der Pyramidenschiffe aufgefangen wurde, um diese mit Energie zu versorgen. Der Planet der Pyramidenrasse war vernichtet worden, die eigene Sonne hatte ihn verdampft. Und in der ganzen Galaxis würde es nicht mehr ein einziges Pyramidenschiff geben, das sich mit eigener Kraft voranbewegen konnte.
Schiffe, die sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen würden, würden diese Geschwindigkeit beibehalten, denn ihnen stand keine Energie zur Verfügung, um den Flug zu verlangsamen. Jene, die sich langsamer bewegten, hatten keine Kraft mehr, ihre Geschwindigkeit zu erhöhen, um die nächste Welt zu erreichen. Und jene schließlich, die sich in der Nähe eines Systems befanden, würden hilflos in die Glut der Sonne stürzen. Die meisten jedoch würden für alle Ewigkeit weiterfliegen oder eingefangen werden. Sonnen bekämen ganze Flotten als neue, winzige Planetoiden, einige Planeten erhielten schimmernde dreieckige Monde. Aber diese Schiffe wären nichts anderes als große Metallsärge, angefüllt mit der erstickenden Atmosphäre einer Welt, die ihre Bewohner ausgesandt hatte, das Universum zu vernichten. Das Universum hatte zurückgeschlagen. Mit Hilfe der erbeuteten Karten fand die Stellaris das Sonnensystem der Erde wieder. Nur zögernd und langsam näherte sich das Schiff dem grünen Planeten, senkte sich hinab in die blaue Atmosphäre und glitt über die Oberfläche dahin. Die Beobachtungen ergaben, daß die Mordrasse nicht bis zur Erde gelangt war. Die Menschheit war dem Verderben entgangen. Tagelang dauerten die Verhandlungen vor dem Kriegsgericht, vor das Rod Cantrell gestellt wurde. Erst das Zeugnis der Kolonisten rettete ihn davor, verurteilt zu
werden. Dann jedoch, nach seiner Rehabilitierung, kannte die Begeisterung der Menschen in allen Ländern der Erde keine Grenzen mehr. Die Verhandlungen hatten die ganze Wahrheit an die Öffentlichkeit gebracht, und einige Umstellungen bei der Besetzung gewisser Ämter ließen sich nicht vermeiden. Die Überlebenden des Planeten der toten Städte fanden auf der Erde eine neue Heimat. Man wies ihnen ein Gebiet zu, in dem sie so leben konnten, wie sie es sich selbst wünschten. Später einmal vielleicht, wenn die Gemeinschaft größer geworden war, würde man eine neue Welt als eigene Heimat suchen müssen – aber das hatte noch Zeit. Rod betrachtete nachdenklich seine Frau, als sie das Essen auf den Tisch setzte. »Was hältst du davon, Kit«, meinte er lächelnd. »Sie haben mich schon wieder befördert! Diesmal zum Chef der neugegründeten Weltraumpatrouille. Sie besteht aus Angehörigen aller Nationen der Erde und hat die Aufgabe, das Universum ständig zu überwachen, ob nicht wieder einmal irgendwo Anzeichen einer neuen Mordrasse gesichtet werden. Anscheinend will man meine Erfahrungen auf diesem Gebiet ausnutzen. Ob ich annehmen soll?« »Das kommt ganz darauf an, Rod.« Mrs. Cantrell sah ihn sinnend an. »Worauf?« »Das kommt ganz darauf an, ob das Flaggschiff der
Patrouille eine Kabine für deine Frau besitzt oder nicht – oder doch mindestens eine Doppelkabine für dich.« Rod griff nach seinem Besteck. »Das hat sie«, nickte er zufrieden. »Es ist die Stellaris.«