Dem Al1de ]ll Unredliche, bei denen wir ,religiös' landen können ... Wenn wir das alles nicht wollen, wenn wir schließli...
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Dem Al1de ]<en Dietrich Bonho fftY's
I
DIE MÜNDIGE WELT
DIE MüNDIGE WELT DEM ANDENKEN DIETRICH BONHOEFFERS
Vorträge und Briefe
CHR.
KAISER
VERLAG
1959
MüNCHEN
3. Auflage Copyright 1955 by Chr. Kaiser Verlag München Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nadldrucks, der photornechanisdten
Wiedergabe und der übersetzung vorbehalten. - Printed in Germany Satz und Druck: Buchdruckerei Albert Sighart, Fürstenfeldbruck
Offset-NadJdrUlxherstellung Graphia-Drud< Hablitzel. Dachau
IN HALT
E. Be t hg e, Dietrich Bonhoeffer. Person und Werk .
7
H. ehr. von Ha se, Begriff und Wirklichkeit der Kirche in der Theologie Dietrich Bonhoeffers. .
26
O. H a m m eIs b eck, Zu Bonhoeffers Gedanken über die mündig gewordene Welt
46
R. G run 0 w, Dietrich Bonhoeffers Schriftauslegung
62
A. S c h Ö n her r , Bonhoeffers Gedanken über die. Kirche und ihre Predigt in der "mündig" gewordenen Welt . . . . . . . . . . . . ......
76
W. M a e chI er, Vom Pazifisten zum Widerstandskämpfer. Bonhoeffers Kampf für die Entrechteten..
89
H. SchI i n gen s iep e n, Zum Vermächtnis Dietrich BonhoElffers . . . . ........
96
D. Bonhoeffer und K. Barth. Ein Briefwechsel
106
D. Bon h 0 e f f er, Zur Fragp. nach der Kirchengemeinschaft
123
Fragen . .
139
Dietrich Bonhoeffer. Person und Werk Von Eberhard Bethge
I. Dietrich Bonhoeffer wußte zwei Dinge. Er wußte, daß einer die Schönheit dieser Welt genießen kann, indem er bereit ist, sie zu opfern: die Früchte der Erde, die Wärme der Sonn.e, Freundschaften, Humor und die Spiele des Geistes. Er hatte eine Schwäche für Menschen, die mit Geschmack aus einer Mahlzeit etwas zu machen verstanden. Er lehrte, wie man Feste feiert. Er konnte diese Dinge opfern, und als er sie opferte, liebte er, anderen zu zeigen, wie man mit den Schönheiten der Erde umgeht. "Genießt, was Euch noch VORBEMERKUNG: Im Folgenden wird der Versuch unternommen, in die von und durch D. Bonhoeffer gestellten und hinterlassenen Fragen einzuführen. Man kann an ihnen nicht oder nicht mehr länger vorübergehen, und wir meinen, daß auf diese Weise der Wiederkehr des Todestages vor zehn Jahren, am 9. April 1945 in Flossenbürg, gedacht werden sollte. Im einzelnen vereinigt dieses Heft Vorträge, die auf einem ersten Treffen der Freunde und Schüler Bonhoeffers im September 1954 in Bethel gehalten worden sind (von Hase, Hammelsbeck, Grunow, Schönherr, Maechler). Vorangestellt ist der Vortrag, den E. Bethge zur Einweihung des Dietrich Bonhoeffer-Hauses am 13. November 1954 in Bonn gehalten hat. Angefügt sind der Aufsatz von H. Schlingensiepen, Zum Vermächtnis Dietrich Bonhoef!ers (Ev. Theol. 1953), ein Briefwechsel zwischen Bonhoeffer und Karl Barth sowie ein Auszug aus einem Brief K. Barths über Bonhoeffer und die Aufsätze D. Bonhoeffers aus Ev. Theol. 1936: Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft. Fragen. Alle Beiträge dieses Heftes sind der Zeitschrift "Evangelische Theologie" entnommen und mit Ausnahme der aufgezählten angefügten Stücke in H. 4/5 des Jahrgangs XV. 1955 erschienen. E. Bethge E. Wolf Für die zahlreichen Zitate aus den Schriften Bonhoeffers werden folgende Sigla gebraucht: SC = Sanctorum Communio. 1930, Neudruck in Theol. Bücherei, Bd. 3, 1954. AS = Akt und. Sein. 1931. SchF = Schöpfung und Fall. 1933. 3. Auf!. 1955. N = Nachfolge. 1936, 4. Aufl. 1952. WE = Widerstand und Ergebung. 1952. E = Ethik. 1953. Durch Zeilenverdopplung sind im Neudruck der Sanctorum Communio leider zwei Zeilen ausgefallen. S. 133 lautet die 8. Zeile: alles mehr. Mose Haltung war heroisch, er will mit seinem - S. 172 lautet die 4. Zeile: entspringt die Kraft der Versammlung. Der neben mir ganz in
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begegnet" schrieb er mitten in Verhören und unter Bombenteppichen. Er war immer sehr großzügig. Zum anderen: Er wußte, daß Worte nur Gewicht haben, wenn sie die Ermächtigung der Situation und der Persönlichkeit mit sich tragen. Sein Werk war ständig begleitet von Experimenten und Wagnissen. Er war gequält von der Zungenfertigkeit und von der langweiligen Gedehntheit des christlichen Redens und Predigens, des Dreinredens und Darüberhinredens. Er h~t gemeinJ-L gaßmaIl eher . Gefahren der Mißyerständnisse eingenen und lieber vor den Kopf ~!oßen;ö~li; ~äls eu'e Kostbarkeit des Ev~~g~Ü~;;~ weitet aufs Spiel zu-setzen:------- - ---~-----~--~~MirscliemtTetzt, daß dieses Wissen um die Kostbarkeit des Wortes Jesus Christus das durchgehende Thema in Bonhoeffers Leben ist; die Sorge ob der lästerlichen Verschleuderung der geheime Antrieb durch alle drei Perioden seines Werkes und Seins. Die Partner und Adressaten seiner Arbeit haben gewechselt. Zunächst sind es die T h e 0 log engewesen, in deren Gespräch er sich souverän und präzis hineinarbeitet; ihnen sagt er wider alle vage Verfiüchtigung, daß Jesus Christus nirgends anders zu haben ist als in den konkreten und armselig konsistorial verfaßten Kirchen. Dann ist es die Kir ehe selber, in deren Kampf er von Beginn an in voller Parteinahme eintritt; ihr sagt er, daß sie mit der bindungslosen billigen Verschleuderung der Gnade die Welt um die Gnade Christi betrügt. Und am Ende sind es schuldbeladene Te i I hab er an dem rasenden Ablauf eines Weltabschnittes: Juristen, Soldaten, Wächter und Gefangene, Verschwörer und Atheisten; ihnen zeigt er, daß Jesus Christus keine Gestalt einer verdrängten religiösen Provinz ist, ein Stück aus dem religiösen Warenhaus zu herabgesetzten Preisen, sondern ein brüderlicher Herr dieser modernen Welt. Weil seine Sache so kostbar ist, muß Bonhoeffer soviel offen lassen. Nie ist er fertig, nie weiß er schon alles; nie wiederholt er, wenn er einmal seinen Beitrag gegeben hat. Das Kostbare kommt nicht auf das literarische Produktionsband. Jesus Christus bedeutet für ihn in jedem Abschnitt eine verwirrende Fülle neuer Entdeckungen, reich und herausfordernd, enthüllend und beschämend, er bindet und kommt daher mit lauter freundlichen Erlaubnissen. Ein Rabbiner schrieb mir nach dem Erscheinen von "Widerstand und Ergebung", durch Bonhoeffer sei ihm zum erstenmal verständlich geworden, daß einer zur Anbetung der Person J esu kommen könne.
II. Zweimal hatte Bonhoeffer eine folgenreiche Entscheidung zu treffen. Jedesmal brach sie ab, was er sich für seinen eigenen Weg gewünscht hatte. 1. Als er 1934 Pfarrer in London war, bekam er eine Einladung nach Indien, Gandhi zu treffen. Schon in New York war er 1930
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von den verschiedenen Formen des Pazifismus und von den Problemen des Stadtteiles Harlem angezogen. Zwar findet sich in seinem damaligen Amerikabericht die jugendlich-stolze Bemerkung: "Wir haben diesen amerikanischen Studenten und Professoren gegenüber eine ganze Dimension mehr", aber er war frei, Tatbestände zu entdecken, und neugierig, die wesentliche Stelle aufzuspüren, wo Christus sich ion anderen Breiten aufhalten könnte. Die non-violence mit eigenen Augen studieren zu können, reizte Bonhoeffer brennend. C. F. Andrews, Freund und Biograph Gandhis, war der Vermittler. Es war damals für einen jungen Deutschen noch eine Seltenheit, ein Stück Welt sehen zu sollen, das so völlig von der eigenen differierte. Mitten in die Vorbereitungen für Indien kam der Ruf, eines der neu einzurichtenden Predigerseminare der Bekennenden Kirche zu übernehmen. Die Bekennende Kirche war zu dem Entschluß gekommen, keinen ihrer Theologen mehr auf die Seminare der offiziellen Kirche zu schicken. Ein Aufschub konnte nicht riskiert werden. So fiel die Entscheidung im Frühjahr 1935: zurück in ein pommersches strohgedecktes Provisorium, in dem Humor und Kirchenkampfbegeisterung über vieles hinweghalfen. Diese Entscheidung Bonhoeffers bedeutete noch keine Lebensbedrohung. Trotz aller Ungewißheit und persönlicher Opfer war sie ein Teil der ersten Kirchenkampf jahre, die jetzt im Rückblick voller Optimismus erscheinen. Aber aus der gehorsamen Entscheidung resultierte eine neue Konzentration auf den Gehorsam der Kirche. Die erste Vorlesung des Seminars führte uns mitten in seine Auslegung der Bergpredigt. Es entstand die "Nachfolge", die ihn damals bekanntgemacht hat. Die Formel klang anstößig, aber sie blieb hängen: "Nur der Glaubende. ist gehorsam, und nur d~rG:el1()r~ame gtaubt" -. (N"T9r"Wü' protesÜerTeii-;" "Ul1"s, die Frage des Geho"'rsams in eigenem Gehorsam zu überprüfen, um zu erfahren, daß nur die teure Gnade Gnade ist, die billige aber aus der Kirche einen Kramladen macht. In dieser Zeit entstand das Bruderhaus in Finkenwalde, dessen Fama von einem düsteren klösterlichen Leben alsbald die Runde machte. So heißt es in dem Brief Bonhoeffers vom 6. 9. 1935 an den Bruderrat der APU:
ap-ei--eri"ehrte
,,1 . . . . Die Last der Verkündigung ist heute für den einzelnen Pfarrer, der nicht Prophet, sondern Amtsträger der Kirche ist, besonders groß. Sowohl in der Frage nach dem Inhalt der Verkündigung wie in der tatsächlichen Ausrichtung der Verkündigung bedarf er der brüderlichen Hilfe und Gemeinschaft ... Nicht nur Theologische Arbeitskollegien und gelegentliche gottesdienstliche Gemeinschaft, sondern eine fest geordnete und geregelte Gemeinschaft des Lebens tritt als neue Aufgabe auf. Eine Verkündigung, die aus praktischer, gelebter und erfahrener Bruderschaft kommt, wird sachlicher und unerschrockener sein können und weniger in der Gefahr der Versandung stehen ... 2. Die Frage nach demlchristlichen Leben! ist unter <Wr jungen Theo-
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logenschaft neu erwacht. Ihr ist heute nicht mehr glaubwürdig zu begegnen mit Schlagworten wie Schwarmgeisterei oder unlutherische Haltung. Das wird nur noch als Ausflucht empfunden. Die Antwort auf diese Frage aber wird nicht abstrakt, sondern nur durch ein konkretes, nüchternes Zusammenleben und gemeinsames Sich-Besinnen auf die Gebote gegeben werden können. Der vagen Empfindung, als sei im Leben des Pfarrerstandes etwas nicht in Ordnung, wird zur Klarheit verholfen allein durch den praktischen Versuch einer gemeinsamen übung im Gehorsam gegen die Gebote ... 3. Um in den gegenwärtigen und kommenden kirchlichen Kämpfen das Wort Gottes zur Entscheidung und zur Scheidung der Geister zu predigen, um in jeder neu erwachsenden Notlage sofort zum Dienst der Verkündigung bereit zu sein, bedarf es einer Gruppe völlig freier einsatzbereiter Pastoren. Sie müssen bereit sein, unter allen äußeren Umständen, unter Verzicht auf alle finanziellen und sonstigen Privilegien des Pfarrerstandes zur Stelle zu sein, wo der Dienst gefordert wird. Indem sie aus einer Bruderschaft herkommen und immer wieder in sie zurückkehren, finden sie dort die Heimat und die Gemeinschaft, die sie für ihren Dienst brauchen. Nicht klösterliche Abgeschiedenheit, sondern ~nnerste Konzentration für den Dienst nach außen ist das Ziel. 4. Der vereinzelt im Amt stehende Pfarrer braucht immer wieder ein . geistliches Refugium, in dem er sich in strenger, christlicher LebensfÜhrung, im Gebet, Meditation, Schriftstudium und brüderlicher Aussprache für sein Amt stärkt. Solche Zufluchtsstätten sollen geschaffen werden, wobei zugleich die Frage der Vertretung im Amt von der Bruderschaft aus leicht zu regeln ist. Auch Laien muß solche Zufluchtsstätte geboten werden. 5. In der Erkenntnis, daß jeder junge Pfarrer heute im Dienst der Gemeinde gebraucht wird, und bei aller Schwere des Entschlusses, sich diesem Dienst zeitweilig zu versagen, ist es dennoch unsere gewissenhaft geprüfte Meinung, daß der Dienst von einigen jungen Pfarrern an dieser über die Gemeinde hinausgehenden Arbeit unerläßlich ist. Die Entscheidung muß in jedem Einzelfall im Einverständnis mit dem Provinzialbruderrat gesucht werden ... " Bis zur Auflösung des Seminars durch einen Himmler-Erlaß im August 1937 lebte dieser Versuch eines Bruderhauses. So sind nicht Forderungen und Wünsche, sondern praktische Erfahrungen in das Büchlein "Gemeinsames Leben" eingegangen. Anstöße liegen schon in Bonhoeffers Zeit in England, wo er aufmerksam anglikanische evangelische Klöster besucht und manche Anregung für den praktischen Ablauf des Tages einer solchen Gemeinschaft empfangen hatte. 2. Die andere Entscheidung griff tiefer. Diesmal rührte sie an das Leben. Ende Mai 1939 ging er an Bord der Europa nach USA. Die Gründe für diese Reise sind ein ganzes Bündel und die Begründungen auch. Es lagen Einladungen vor vom Federal Council of Churches und vom Union Theological Seminary, wo Bonhoeffer 1930 studiert hatte. Niebuhr, der die Sache betrieb, hatte nicht ohne Grund gemeint, diesen Mann aus der kommenden Entscheidung heraushalten zu müssen, wenn es an ihn komme, den Dienst mit der Waffe zu
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tun. Bonhoeffer war tatsächlich in den Jahren seiner Beschäftigung mit dem christlichen Pazifismus so weit gekommen, daß er zu dieser Zeit die Kriegsdienstverweigerung für seine eigene Person in Betracht zog. Der Bruderrat der Bekennenden Kirche hatte nach langen Überlegungen endlich eingewilligt, den brennend benötigten Lehrer im Namen der wenigen noch existierenden ökumenischen Verbindungen gehen zu lassen. Kaum in USA, begann Bonhoeffer aber schon wieder, mit den Einladenden darüber zu verhandeln, wie er sich den Weg zurück offen halten könne. So steht in einem Tagebuch: "Ich begreife nicht, warum ich hier bin. . . Das kurze Gebet, in dem wir an die deutschen Brüder dachten, hat mich fast überwältigt. .. Wenn es jetzt unruhig wird, fahre ich bestimmt nach Deutschland... Ich will für den Kriegsfall nicht hier sein... " Und wenig später heißt es: "Seit ich auf dem Schiff bin, hat die innere Entzweiung über die Zukunft aufgehört." Paul Lehmann, Professor für Ethik in Princeton, war noch auf das Schiff gekommen, um ihn vielleicht doch noch herunterzuholen. Er ahnte wohl, was diese Reise bedeutete. 1935 war der Weg vom Westen nach Osten ein Schritt innerhalb des "Mandates der Kirche" und es wehten noch ganz lustig Kirchenfahnen. Diesmal war es bereits einer bewußt in den Mandaten der politischen Gemeinschaften, der eigenen und der anderen Nationen, freilich ganz ohne Fahnen. Es war kein Kreuzzug von West nach Ost: Kampf dem Tyrannen, befreit die Unterdrückten!, sondern es war die "Schuldübernahme", getrieben von Scham und Liebe. Er war in den Westen gegangen, um das Schwert nicht nehmen zu müssen, und er kehrte um, es zu nehmen. Er hat gewußt und ausgesprochen, daß, wer es nimmt, auch dadurch umkommen wird. Die Bereitschaft, diesen Richtspruch willig anzunehmen, war das innere Thema, das zunächst tastend und dann immer klarer die Jahre beherrschte. Als er damit spielte, sich herauszuhalten und seine reichlichen Möglichkeiten zu nutzen, wußte er doch, daß er zu zahlen hatte. Wie - das war nicht sofort deutlich. Aber nun ging er aus den "letzten" in die "vorletzten Dinge". Die letzten schienen klar und einfach, die vorletzten waren verwickelt und mußten es auf sich nehmen, nicht mehr eindeutig sein zu können und dennoch mit Blut bezahlt werden zu sollen. Gleichwohl begann jetzt nicht etwa eine Zeit der Düsternis und der Bedrücktheit; es erschien kein Glanz des Tragischen, des ungelösten Konfliktes über ihm, sondern eine neue Freiheit und Freude an Menschen, Spielen und Farben. In dieser Zeit hat er sich auch verlobt. 1935 begann er die "Nachfolge" zu schreiben, 1939 machte er sich an die "Ethik". Später hat er selbst gesagt, daß die Nachfolge einen Abschluß bedeute, von dem er freilich auch nicht zurücktreten wolle (WE 248). Es war lange keine Ethik mehr geschrieben worden, und er war der erste, der sich bewußt wieder an dieses eine zeitlang verpönte Fach der Theologie heranmachte. Er hätte sich damit freilich nicht antibarthisch ausnutzen lassen. Er hätte es überhaupt
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nicht erlaubt, ihn zu einem Schulhaupt wider Barth zu machen; wenn er Fragen an diesen hatte, so verstand er sie als eine Kritik innerhalb Barth's und nicht an diesem vorbei. 1939 hatte Professor John Baillie Bonhoeffer nach Edinburgh eingeladen, die CroalLectures zu halten. Sie kamen nicht mehr zustande, aber die Entwürfe dafür sind der Anfang seiner neuen Arbeit. Wieder ist es kein rein intellektuelles Arbeiten. Er hat zwar die abstrakte Luft der akademischen Tradition, in der er aufgewachsen war, niemals billig verlästert; aber Denken und Existenz durchdringen sich bei ihm unlöslich. Er kommt aus Amerika zurüCk und es entsteht eben ein 'KaplteCmit der Überschrift "Schuldübernahme" (E 186). Wie so oft, . ist es nicht zu entscheiden, ob die Gedanken seine neue Existenz und ihre Aktionen bestimmen, oder ob die spezifische Existenz und ihre Erfordernisse die Gedanken ins Leben riefen. Die Verantwortung, über die er schreibt und lehren will, kam mit jedem Tag kompakter auf ihn zu. Zum Verständnis dieser Jahre noch ein anderes. In der "Ethik" bestreitet er die absolute Ethik. Es komme alles darauf an, den eigenen relativen Standort zu erkennen und von diesem aus im Glauben zu handeln und zu gehorchen. Christus wird nicht im Absoluten, sondern in diesem Relativen nur ernsthaft angenommen. Darum hat jeder das Seine, die Verantwortung und Schuld der eigenen Sphäre anzunehmen. Bonhoeffer wurde es jetzt immer dringender, die Verantwortung seiner persönlichen Herkunft und ihr Gericht zu erkennen. Er wurde sich immer mehr seiner bürgerlichen Herkunft bewußt. Er konnte es jetzt weniger gut vertragen, wenn der Bürger verächtlich gemacht wurde. Er bekam eine neue Vorliebe für das 19. Jahrhundert. In der Finkenwalder Zeit hatte er versucht, uns aus den bürgerlichen Bindungen zu lösen: die großen Feste sollten nicht mehr der Familie, sondern den Brüdern gehören. Jetzt genoß er, was er nur immer von dem Elternhaus noch haben konnte - die Gestapo versuchte seit 1940, ihn davon abzuschneiden. Das Fragment des Romanes, den er in der Zelle begann, ist nichts anderes als eine Liebeserklärung an seine bürgerliche Heimat. Und in dem anderen, ebenso abgebrochenen Versuch eines Dramas läßt er den sehr gesunden, durch den Krieg freilich vom Tode gezeichneten Sohn eines bürgerlichen Hauses (eines Arzthauses) mit einem jungen Proletarier in einen Disput kommen: "Christoph: , ... Aber auch Du kennst meine Welt nicht. Ich stamme aus einem sogenannten guten Haus, d. h. aus einer alten angesehenen Bürgerfamilie, und ich gehöre nicht zu denen, die sich schämen, das auszusprechen. Im Gegenteil, ich weiß, was für eine stille Kraft in einem guten Bürgerhaus lebt. Das kann keiner wissen, der nicht hineingewachsen ist ... Aber eins mußt Du wissent Wir sind groß geworden in der Ehrfurcht vor dem Gewordenen und d~m Gegebenen und damit in der Achtung vor jedem Menschen. Mißtrauen gilt uns als gemein und niederträchtig. Das unbefangene Wort und die unbefangene Tat des anderen Menschen suchen wir und wollen wir ohne Argwohn hinnehmen ...' Heinrich: , . . . Wir wollen .I}twa,'t viel Einfacheres. Boden unter den 12
Füßen, um leben zu können. Das ist es, was ich das Fundament nannte. Spürst Du den Unterschied nicht? Ihr habt ein Fundament, Ihr habt Boden unter den Füßen, Ihr habt einen Platz in der Welt, für Euch gibt es Selbstverständlichkeiten, für die Ihr einsteht und für die Ihr Euch auch ruhig den Kopf abschlagen lassen könnt, weil Ihr wißt, daß Eure Wurzeln so tief liegen, daß sie wieder treiben werden . . . Diesen Boden haben wir nicht; ... darum haben wir nichts, wofür wir uns den Kopf abschlagen lassen können und wollen . . .' Christoph (nachdenklich geworden): ,Boden unter den Füßen. Ich habe das so nicht gewußt. Ich glaube, Du hast recht. Ich verstehe, Boden unter den Füßen - um leben und sterben zu können.' Heinrich: , . . . welche Schuld trifft die, die man ins Leben hineingestoßen hat, ohne ihnen Boden unter die Füße zu geben? Kannst Du an ihnen vorübergehen und vorbeireden? . . .''' Hier sind Bonhoeffers Erlebnisse mit den Konfirmanden aus dem Berliner Wedding 1929 und die Wohnlaube in Biesental, die er für sie einrichtete, wieder da - in dem Moment, als es für ihn darauf ankam, in Tegel das Vertrauen der Wächter und Zellennachbarn zu haben. "Ja, Boden unter den Füßen . . . ich habe das so nicht gewußt." Er wußte um das vage Existenzrecht des Bürgertums. Er war bereit, einzustehen für das auf dem Höhepunkt angelangte Aufgeben der Verantwortlichkeit für das Öffentliche und dem Namen des Bürgers wiederzugeben, was er verloren hatte. Ein Mensch wird so weit in das Gedächtnis der Menschen eingeschrieben, wie er seinen Ort wahrnimmt und an ihm tut, was auf ihn - und nicht auf seinen Nebenmann - zukommt. Er wird so wirksam, wie er seine spezifische - und nicht eine immer gleichbleibende - Aufgabe sieht und angreift. Vielleicht darf hier schon aus den Briefen zitiert werden: "Anfangs beschäftigte mich die Frage, ob es wirklich die Sache Christi sei, um derentwillen ich Euch allen solchen Kummer zufüge, aber bald schlug ich mir diese Frage als Anfechtung aus dem Kopf und wurde gewiß, daß gerade das Durchstehen eines solchen Grenzfalles mit aller seiner Problematik mein Auftrag sei, und wurde darüber ganz froh und bin es bis heute geblieben" ... "Du mußt wissen, daß ich noch keinen Augenblick meine Rückkehr 1939 bereut habe, noch auch irgend etwas von dem, was dann folgte. Das geschah in voller Klarheit und mit bestem Gewissen. :paß ich jetzt sitze, rechne ich auch zu dem Teilnehmen an dem Schick em 1 en ossen war (WE 92 u n Deutsch an Diese Zitate von der Grenzsituation gehören nun freilich auch in die spezifische Situation von Kenntnis und Beteiligung, in der Bonhoeffer durch seine engste Umgebung stand. Hans von Dohnanyi, Freund und Schwager, war einer der Hauptbeauftragten des Generals Beckj er hatte u. a. die Dokumente zu sammeln, die nach Gefangennahme oder Beseitigung Hitlers dem deutschen Volk die Hintergründe und Verbrechen des Regimes evident machten. Damit sollte das Entstehen einer Dolchstoßlegende verhindert werden. Ein gewisser Höhepunkt dieser Tätigkeit war mit der General-FritschKrise im Februar 1938 erreicht. Von nun an war Bonhoeffer ständig 13
über Fortschritt und Rückfall der Widerstandsarbeit unterrichtet. Etwa diese Zeit markiert den Wendepunkt. Er fand sich mehr und mehr aus der mittelbaren Mitverantwortlichkeit am deutschen Schicksal in die unmittelbare Mitschuld und Mitverhaftung hineingezogen. In der mittelbaren konnte man mit seinem Einsatz für die Kirche das Übrige ruhig Gott befehlen. In der unmittelbaren war es aber gerade dieses "Übrige", in dem Gott nach Leuten rief, die sich endlich bewährten. Wenn die Bürger in den verschiedenen Mandaten des Rechtes, der Verwaltung, des Heeres, der Forschung die ihnen befohlene Verantwortlichkeit Schritt um Schritt delegierten an einen, der jenseits der Verantwortung stand, wenn sie Würde gegen Würden eintauschten, dann konnte es unter den Sehenden eben auch an einen Pastor kommen: willst Du in dieser Notstands- und Grenzlage stellvertretend ein Stück der Verantwortlichkeiten mitübernehmen, die nicht genug Träger mehr finden? Als ein italienischer Mitgefangener beim Spaziergang auf dem Hof Bonhoeffer einmal fragte, wie er denn als Christ und Pfarrer sich an einem Komplott beteiligen könne - es war keine Zeit, lange zu argumentieren -, sagte er: "Wenn ein Wahnsinniger auf dem Kurfürstendamm sein Auto über den Gehweg steuert, so kann ich als Pastor nicht n1,lr die Toten beerdigen und die Angehörigen trösten; ich muß hinzuspringen und den Fahrer vom Steuer reißen, wenn ich eben gerade an dieser Stelle stehe." Der Gedanke findet sich übrigens schon sehr früh in einem Aufsatz "Die Kirche vor der Judenfrage": "Die dritte Möglichkeit (der Kirche) besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. . ." (Der Vormarsch, Juni 1933, S. 174). Wieviel Gedanken man sich gemacht hat, ob es denn erlaubt und recht sei, den Mann am Steuer abzuschießen oder ihn zu verhaften (lange Zeit der Plan Becks) und vor ein Gericht zu stellen, ist inzwischen genügend bekannt. Bonhoeffer, der mit Moltke 1942 eine längere gemeinsame Reise im Auftrag der Abwehr nach Norwegen machte, teilte dessen Ansicht nicht, daß man das Gericht am deutschen Volk bis zum Ende sich austoben lassen müsse. Er war an den überlegungen über die Art der Gewaltanwendung in vielen Stadien beteiligt. Er führte jetzt sein Leben zwischen den Aufträgen der Bekennenden Kirche und den durch das Amt Canaris ermöglichten Reisen u. a. nach Basel oder Stockholm; zwischen Visitationen, theologischer Arbeit an der "Ethik" im Kloster Ettal, auf dem Kleistschen Gut in Klein-Krössin und der zwielichtigen Beantragung von Pässen und Kurierausweisen mit dem Stempel der Abwehr - so zwielichtig, daß selbst Kar! Barth an Bonhoeffers Loyalität einmal zweifelte, als dieser allzu glatt bei ihm in Basel erschien. Deshalb war Dietrich Bonhoeffer die Zigarre so wichtig, die ihm Barth als einen sakramental-leiblich greifbaren Gruß der Gemeinschaft in die Zelle nach Tegel schickte (WE 106)! Bonhoeffer hat wohl unterschiedene Perioden der Ver antwort-
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lichkeit in seinem Leben gesehen, aber er hat keinen inneren Bruch zwischen der Zeit der "Nachfolge" und der Zeit der "Ethik" gespürt und anerkennen wollen. Er hat nicht gemeint, von dem klaren, freilich ganz anders gearteten Zeugnis Paul Schneiders aus Dickenschied getrennt zu sein. Wie es an ihn gekommen ist, wäre es ihm als eine unerlaubte Flucht erschienen, sich den ihm zugewachsenen Kontakten zu entziehen in einen sündlosen Raum. Das war ja gerade die Sünde seiner Klasse vor Gott und Menschen: die Flucht vor der Verantwortung, gleichgültig ob in einen frommen Raum oder in private Versicherungen oder in öffentliche Würden. IS",icht j~sler sollte so handeln wie er, aber jeder sollte den Ruf an... seinem Ort vernehmen und ihm nicht ausweichen. "Eine geschichtliche Entscheidung geht nicht in ethische Begriffe auf. Es bleibt ein Rest,~asWaghis des RandelnS7(E 268). Paul Schneider stand für das erste Gebot und die erste Tafel. Dietrich Bonhoeffer stand für die zweite Tafel, ja für das fünfte Gebot. Im Jahr 1934 in Fanö (s. Unterwegs, 1954, H. 3) unmittelbar, jetzt mittelbar und willig, das Gericht dieses fünften Gebotes auf sich fallen zu lassen. Beide sind darin vereint, daß sie mit keinem weltlichen Mittel und keiner paktierenden Klugheit die Kirche Christi schützen oder verteidigen wollten. Beide haben ihre Sorge ausgesprochen, daß selbst die Bekennende Kirche mit dem besorgten Kampf um Stempel und Finanzen ihre Vollmacht aufs Spiel setzte, statt sie mit dem Ruf für die Juden zu gewinnen. Die Kirche hat heute einen leichten Zugang zu Paul Schneider, aber sie fühlt sich in offiziellen Gremien unwohl bei der Herausforderung ihres Dieners Bonhoeffer. Vor der Einweihung einer Tafel in der Kirche des Todesortes gab es ein Zögern in einer Kirchenleitung: es müßte erst geprüft werden, ob Bonhoeffer wirklich für Christus den Tod erlitten habe. So sucht man sich den Bonhoeffer der "Nachfolge" oder des "Gemeinsamen Lebens" heraus. Aber er läßt keine Ruhe. Paul Schneider ruft die Welt zur Kirche! Dj~ Bonhoeffer mit die Kirche zur Welt. Paul Schneider predigt die Gottlosigkeit der Welt. Dietrich Bonhoeffer predigt die Gottlosigkeit der Kirche. 1946 schrieben Pastoren einer norddeutschen Stadt an Bonhoeffers Vater, daß der sozialistische Stadtrat neue Straßennamen beschließen und mitten unter den politischen und sozialistischen Opfern auch Dietrichs Namen anbringen wolle. Er möchte doch etwas tun, daß Dietrichs Name nicht in dieser Umgebung auftauche. Er antwortete kurz: sein Sohn sei mit lauter Verschwörern zusammen gestorben, er sähe nicht, warum er daran etwas verfälschen solle! Die Kirche sollte nicht Paul Schneider ohne Dietrich Bonhoeffer haben wollen - auch nicht Dietrich Bonhoeffer ohne Paul Schneider. Sie beide sind der volle Reichtum unserer gegenwärtigen Kirchengeschichte. Nur der Kirchengeschichte?
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ur. Dieser Mann hat nun ein Werk hinterlassen, das übersehbar ist. Kein sehr dicker Band ist unter den Büchern. Keine verbesserten und veränderten Neuauflagen sind zu vergleichen und zu studieren. Es beginnt mit sehr gerafften und geschlossenen Arbeiten und endet mit posthumen Fragmenten. Es fängt an mit einer souveränen Fähigkeit zu argumentieren und sich der Fülle der theologischen Gesprächspartner zu stellen und es schließt ab weit vorn bei der ungemütlichen, ungesicherten Vorhut. Es ist schwer, mit dem schwerfälligen Gros zu folgen und die Verbindung nach vorn intaktzuhalten. 1. Mit 21 Jahren schrieb er das eben wieder aufgelegte Buch "S an c tor u m Co m m uni 0", eine strenge dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche. Ernst Wolf, der es wieder herausgegeben hat, sagt davon: Diese Dissertation sei "fast unbekannt geblieben oder es geworden" aber sie sei "innerhalb der verhältnismäßig geringen Zahl neuerer Monographien zur Lehre von der Kirche wohl die scharfsinnigste und vielleicht tiefsinnigste Behandlung der Frage nach der wesenhaften Struktur der Kirche ... E. Brunner hätte seine Broschüre über das ,Mißverständnis der Kirche' (1952) vielleicht nicht so ungeschützt der von Bonhoeffer bereits (1927) vorweggenommenen theologischen Kritik ausgeliefert ... " (SC 5). Es folgte "A k tun d Sei n", die Habilitationsschrift 1930/31. Leider ist sie noch nicht wieder verfügbar. Mit einigen Aufsätzen, der Antrittsvorlesung und der sehr schönen Rede zu Harnacks Begräbnis im Namen von dessen Schülern (1930) bezeichnen diese zwei BüCher die erste Periode. Es sind strenge systematische Untersuchungen- so geschlossen wie schwer lesbar. Aber in bei den wird schon deutlich, wie es Bonhoeffer um die erdhafte, empirische ecclesia geht, die Gegenwart Christi in der damaligen konsistorialen Volkskirche. "Liebe und tiefer dogmatischer Einblick in den Sinn der Geschichtlichkeit der Kirche haben es Luther schwer gemacht, sich von der römischen Kirche loszureißen. Ressentiment und dogmatischer Leichtsinn sollen uns nicht kurzer Hand unsere geschichtliche evangelische Kirche nehmen können" (SC 166). - "Die Versammlung der Gläubigen bleibt unsere Mutter" (SC 171). Er fragt nach der Soziologie des Leibes Christi. "Christus als Gemeinde existierend" (so der ständig wiederkehrende Begriff) hat seine eigentümliche Gestalt mitten unter uns als eine Personengemeinschaft, als Kollektivperson und (leider auch) als ein Herrschaftsverband. Die Offenbarung Gottes ist nichts anderes als Christus mitten unter uns als Gemeinde existierend; diese ist eine Gemeinschaft, in der man stellvertretend für einander da ist. Einige der frühen Freunde Bonhoeffers meinen, Karl Barth sei von dem hier schon bei Bonhoeffer auftauchenden Begriff der "Mitmenschlichkeit" angeregt worden. Die zentralen Begriffe aus den letzten erregenden 16
Blättern der Gefängniszeit, die Stellvertretung und das Füreinanderdasein, sind hier schon voll entwickelt. Der dänische Theologe Glenthoj meint, er wisse niemanden unter den Modernen, der so durchgehend und tief in allen seinen Arbeiten über die Stellvertretung etwas zu sagen gewußt hat. Um die Gegenwärtigkeit geht es ihm ebenso, wenn er gegen ein Verschwinden Gottes in der damaligen dialektischen Terminologie in "Akt und Sein" festhält: Gott ist nicht Subjekt, frei vom Menschen, sondern für den Menschen; er ist nicht da in ewiger Nichtgegenständlichkeit, sondern habbar in der Kirche (AS 76). 2. So kreist sein Denken um die Gegenwärtigkeit Christi in der Kirche. Bisher hatte es sein Schwergewicht in der Herausarbeitung, daß Christus in der armseligen empirischen Kirche am Ort gegenwärtig sei. Später wird es sein Schwergewicht haben in der Verantwortung, daß es auch wirklich Christus sei, der da gegenwärtig ist und kein neuer oder zahmer Herr. Das verändert mit dem Wechsel d~r Atmosphäre für das Theologisieren um 1933 den ganzen Stil deor folgenden Periode. Das Predigen rückt in den Vordergrund. Die Schrift wird befragt. Bonhoeffer ist sich nicht mehr sicher, ob er bei der Systematik bleiben soll. Seine ganze Leidenschaft ist bei der Auslegung von Stücken des Neuen und vor allem auch des Alten Testaments. Reich und fruchtbar ist seine Exegese, und es ist zu hoffen, daß aus dieser Zeit noch dies und das zugänglich gemacht werden kann. Das Argumentieren tritt in den Hintergrund; die Stimme Christi zu vernehmen und das Gehörte weiterzugeben, bedarf aller Aufmerksamkeit; und wenn es ans Argumentieren kommt, hat es eine neue gefährliche Schärfe. Stellung beziehen ist kein Spiel mehr, sondern confessio und damnamus. Diese zweite Periode reicht von "S c h ö p fun gun d Fall" (1934) über die "N ach f 0 1 g e" (1937) bis etwa zum "G e m ein samen Leben" (1938). Die alte Frage ist geblieben, was der Leib Christi sei. Und es gibt immer neue Gelegenheiten und Herausforderungen, das zu verstehen und zu beschreiben. Wie er in der Form der Bekennenden Kirche unter den anderen Bekenntnissen der Oekumene existiert (Bonhoeffer trifft als Mitglied der Vorbereitungskommission der Bekennenden Kirche für Oxford 1937 auf die Delegation der Marahrens'schen Reichskirchenregierung). Wie der Leib Christi sich von seinen Verfälschungen im Kirchenkampf befreit. Was seine Lebensgesetze sind im täglichen Leben einer christlichen Gemeinschaft. "Z u r Fra gen ach der Kir c h eng e m ein s c h a f t" ist der Aufsatz in der Evangelischen Theologie 1936, der einen Sturm entfesselt hat, entzündet an dem wieder und wieder isoliert zitierten Satz: "Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche trennt, scheidet sich vom Heil" (Ev. Th. 1936, S.231). Gollwitzer stellte kritische Fragen und Bonhoeffer antwortete wieder mit "F rag e n" (Ev. Th. 1936, S. 405 ff.). Ich fürchte, er wäre uns heute ein unbe-
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quemer Zeitgenosse in der Auseinandersetzung um den Charakter der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Ist die Bekenntnisunion mit den Reformierten für den Lutheraner ein definitiv verbotener Weg? Verbietet es das Wort Gottes ein für allemal, die nicht wegzuleugnenden Lehrdifferenzen zwischen Reformierten und Lutheranern in der Einen Bekennenden Kirche zu ertragen? Oder bleibt gerade für ein rechtes Verständnis der lutherischen Bekenntnisse auch diese Möglichkeit offen für das Wort Gottes selbst? Bleibt sie aber endgültig verschlossen, dann ist die Bekennende Kirche wirklich nicht Kirche, sondern eben eine der vielen genannten Größen, die der Unwahrheit und Verfälschung des Evangeliums Raum gibt ... " (Ev. Th. 1936, S. 409). Hatte es Bonhoeffer mit angesehen, das Wort "Union" unter die nicht mehr stubenreinen Begriffe fallen zu lassen? In dem anderen Aufsatz, "D i e B e k e n n end e Kir ehe und die 0 e ku m e n e" (Ev. Th. 1935, S. 245-261), trägt er seine Sorge vor, daß wir den Schritt Christi mit seinen zertrennten Kirchen verpassen könnten, im Zurückbleiben oder auch im Vorschnellen, mit Subtraktions- und Additionsverfahren. Nicht eine etwa endlich gefundene und zu beschließende -Lösung der alten Differenzen, die einmal unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden sind, bringt die Einheit voran, sondern daß die Getrennten in einer gegenwärtigen Not und Herausforderung den Namen Christi gemeinsam aussprechen - und dieses dann allerdings dankbar wahrhaben wollen. "Die Bekennende Kirche ist die Kirche, die nicht aus ihrer Reinheit, sondern in ihrer Unreinheit lebt - die Kirche der Sünder, die Kirche der Buße und der Gnade, die Kirche, die allein durch Christus, allein durch die Gnade, allein durch den Glauben leben kann. Als solche Kirche, die täglich in der Buße steht, ist sie Kirche, die ihre Schuld an der Zerrissenheit der Christenheit bekennt . . . sie ist frei für das Hören auf den anderen, der sie zur Buße ruft ... Weil diese Kirche nicht aus sich selbst, sondern von außen her ihr Leben empfängt, darum existiert sie immer schon in jedem Wort, das sie sagt, von der Ökumene her. Das ist ihre innerste Nötigung zur ökumenischen Arbeit" (S. 260). Von Heinrich Vogel hörte ich kürzlich den Satz, daß man in die ökumenische Arbeit auch nicht mit einem bekenntnis-kapitalistischen habemus eintreten könne, sondern mit Luthers Satz: Wir sind Bettler, das ist wahr. 3. Die letzte Periode, die unter dem Veröffentlichungsverbot der Reichsschrifttumskammer stand und deren Manuskripte und Blätter im Schreibtisch verborgen, zeitweise bei der Gestapo lagen oder unter Dachziegeln geschoben überdauerten, hat nun posthum eine überraschende Wirkung hervorgerufen, zunächst durch die Briefe (es fehlen noch ganz die Briefe an seine Verlobte), dann durch die fragmentarische Ethik. Ich habe viermal einen kräftigen Rumor:.J um Bonhoeffer miterlebt. Da war der Rumor um den Satz vo~eil in der Bekennenden Kirche - man hielt Bonhoeffer für e(nen kompletten Schwärmer. Da war der aHder~ um die teure Gnade - man hielt ihn für
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die~eindkon
einen finsteren Pietisten. Da wad der Rumor um takte" - man~ä t ihn für einerfHoch- und Landesverräter. Und nun der um das~ eligionslose Christentum - auf einem Pfarrkonvent meinte e' wohlwollender Pfarrer: man dürfe doch hoffen, daß Bonhoeffer ganz am Ende zu seinem Glauben wieder zurückgefunden habe. Der erste Rumor hat einmal viel Druckerschwärze beansprucht, er ist eingeschlafen, es ließe sich manches wieder aufwecken. Der zweite ist durch die neueren überdeckt, aber es ist doch gut zu wis': sen, daß der letzten Periode dies vorangegangen ist, wie eben Luthers Entdeckung der puren Gnade der bittere Kampf um den gnädigen Gott voranging. Der dritte bedarf aufmerksamer Beobachtung; er könnte sich festsetzen, nachdem der Vorsitzende im Braunschweiger Remer-Prozeß sein Entsetzen über den konspirierenden Pfarrer mit breitem Presseecho geäußert hat und nachdem Huppenkothen und Thorbeck, zwei Standgerichtsmitglieder aus der Nacht zum 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg, zunächst haben freigesprochen werden können. Wenn eine Gemeinschaft ihr Haus mit dem Namen Bonhoeffers nennt, sollte sie dafür besonders bedankt sein, wenn das in Richtung gegen den dritten Rumor eine Stellungnahme sein darf. Der vierte ist nun in Gang gekommen und geht erst seiner vollen Stärke entgegen. Die einen spüren, daß ihnen eine große Befreiung ihres Glaubens an Christus durch Bonhoeffers Vorstoß widerfährt. Andere möchten ihm am liebsten einen Vorwurf machen, daß seine briefliche Meditation abbricht~ als es gerade verspricht, aufregend 'und konkret zu werden: "Ich freue mich . . . schon, das Positive schreiben zu können", ist sein letzter Satz zum Thema (WE 268). Ich habe lange Jahre gezögert, ehe ich den Mut fand, Auszüge aus den Briefen zu veröffentlichen. Zunächst dachte ich nur daran, die streng theologischen Entwürfe zugänglich zu machen. Aber ich merkte, daß es nötig war, sie in ihrer brieflichen Umgebung erscheinen zu lassen. Denn es sind Briefe, es sind nicht Diskussionsbeiträge. Das mag ihre Schwäche sein, es ist ebenso ihre Stärke. Diskussionsbeiträge kommen aus einem Lager und versuchen, Breschen in den Zaun des anderen Lagers zu reißen. Briefe aber reden von Person zu Person, und es ist schwerer, sich ihnen zu entziehen. Sie bitten und raten, sie drängen um Hilfe und suchen die Stelle, wo einer des neuen Wortes bedarf. Beiträge aber kommen mit der Diplomatie der Wissenschaft daher, die keine Blöße zeigen darf. Die Briefe sind unbekümmert um Sicherung und A'llgemeingültigkeit und suchen den Menschen am gegenwärtigen Ort, in der gegenwärtigen Zeit und in den gegenwärtigen Umständen. Ein Professor hat mir geschrieben, "Widerstand und Ergebung" läge als ein Brevier auf seinem Nachttisch. Das tut man nicht mit Dissertationen und kaum mit Episteln, aber mit Briefen, und sie setzen die Erkenntnis mächtiger in Bewegung als jene. Bonhoeffers Briefe gehen wohl einmal bis an die Grenze der Epistel, als er sich entschuldig-t, daß
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er unversehens in die unleserliche deutsche Handschrift verfallen sei, die er nut anwende, wenn er für sich allein arbeite (WE 185 und 268). Bonhoeffer hat nicht die Form der Epistel gewählt, um in ihr eine Abhandlung besonders geschickt einzukleiden. Er hat Briefe hinterlassen, die um Rat und Hilfe in einer sehr dringenden Sache bitten und die uns an einer gegenwärtigen, gebundenen Stelle frei machen wollen. Da ist kein Katheder zwischen ihm und den Lesern und auch kein Talar. Man kann nur sagen, der Brief ist mCht an mld'l geriChtet, er betrifft mich nicht - oder man hört seine Stimme und dann begleitet sie einen in den Aufgaben, die er schon gesehen hat, und denen zehn Jahre Restauration nichts an Dringlichkeit haben nehmen können. Wer Christus in einer religionslosen, mündigen Welt sei, diese Frage hat er zurückgelassen. Wie diese Frage wieder in seinen Lebensumständen, in dem Kontakt mit angespannt tätigen Menschen verwurzelt ist, zeigt ein Brief, der mir jetzt wieder in die Hände fiel: ,,25. 6. 42 (im D-Zug Berlin-München): ... Meine in der letzten Zeit doch stark auf dem weltlichen Sektor liegende Tätigkeit gibt mir immer wieder zu denken. Ich wundere mich, daß ich tagelang ohne die Bibel lebe und leben kann-" lCh wurde es dann mCht ais Gehorsam, sondern aTs Autosuggesnon empfinden, wenn ich mich dazu zwingen würde. Ich verstehe, daß solche Autosuggestion eine große Hilfe sein könnte und ist, aber ich fürchte auf diese Weise eine echte Erfahrung zu verfälschen und letzten Endes doch nicht die echte Hilfe zu erfahren. Wenn ich danJ;l wieder die Bibel aufschlage, ist sie mir neu und beglückend wie nie, und ich möchte einmal wieder predigen. Ich weiß, daß ich nur meine eigenen Bücher aufzuschlagen brauche, um zu hören, was sich gegen dies alles sagen läßt. Ich will mich auch nicht rechtfertigen, sondern ich erkenne, daß ich »geistlich« viel reichere Zeiten gehabt habe. Aber ich spüre, wie in mir der Widerstand gegen alles »Religiöse« wächst. Oft1iis zu einer instinktiven AbsCheu, - was slCher auch nicht gut ist. Ich bin keine religiöse Natur. Aber an Gott, an Christus muß ich immerfort denken; an Echtheit, an Leben, an Freiheit und Barmherzigkeit liegt mir sehr viel. Nur sind mir die religiösen Einkleidungen so unbehaglich. Verstehst Du? Das sind alles gar keine neuen Gedanken und Einsichten; aber da ich glaube, daß mir hier jetzt ein Knoten platzen soll, lasse ich den Dingen ihren Lauf und setze mich nicht zur Wehr. In diesem Sinne verstehe ich eben auch meine jetzige Tätigkeit auf dem weltlichen Sektor." Zum Thema selbst einige Hinweise. a) Zunächst sollte man den früheren Bonhoeffer nicht von dem letzten trennen und jenen etwa löschen, im Namen eines neuen Programmes: "Nicht-religiöse Interpretation". Das meiste, was er jetzt sagt, ist - wenn auch nicht so scharf erfaßt - in früheren Schriften schon angesetzt. Es geht dem Bonhoeffer dieser letzten Periode um die gleiche kostbare Gegenwärtigkeit Christi wie dem der ersten und zweiten. Es sind keine Sorgen der Exegese und der Interpretation zunächst, die einer am Schreibtisch hat, sondern Bonhoeffer ist von der brennenden Glaubens- und Lebensfrage getrie-
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ben, "wer Ch.ristus für uns heute eigentlich ist" (WE 178). Das bedeutet aber, daß man nicht darauf hoffen kann, die Forderung der "nicht-religiösen Interpretation biblischer Begriffe" (WE 233) am Schreibtisch zu erfüllen. Es wird kein Nachschlagewerk geben, in dem man alles Nötige auf "weltlich", auf "nicht-religiös" nachsucht, wenn man eine wirksamere Evangeliums-Crusade unter Modernen zu starten gedenkt. Zunächst wird mehr zu zahlen sein als ein monatlicher Subskriptionspreis. Bonhoeffer hat selbst deutlich genug gemacht, daß seine Frage eine an die Existenz der Kirche ist und erst dann eine an ihr "Gedächtnis", die Theologie (AS 124). Das allzu ungeduldige Fragen, was Bonhoeffer wohl- gemeint haben könnte, will es aber umgekehrt. Wir werden hier gewiß nicht w i s sen, was wir nicht tun. Rezepte werden erst aufgeschrieben, nachdem man das Kochen probiert hat. Es ist nicht ausgemacht, wer hier Kompetenteres zu sagen hat: das Katheder oder ein Versuch wie etwa Mainz-Kaste~________... b) Der Terminus (,die mündige Welt" hat Zweifel und Fragen hervorgerufen. Die Analyse stimme nieht zu unserer Umgebung und Bonhoeffer führe eine neue Anknüpfungstheologie herauf, nun mit einem negativen Anknüpfungspunkt, dem negativum absolutum. Bonhoeffer hätte sicher nicht bestritten, daß es noch einen zähen Bestand an "Religion" um ihn herum gab: auch ohne daß er die späteren Restaurierungen und die erstaunlich erwachten religiösen Geborgenheitsbedürfnisse noch miterlebte! Er weiß auch einiges über die ungeheuerlichen Entmündigungsversuche moderner Staaten zu sagen, wie man leicht in der "Ethik" feststellen kann. Ebenso hat er kaum die Selbstverständlichkeit übersehen, daß Christus auch Herr der Religiösen ist und sein wird. Er hat auch nicht lieblos Altes zerbrochen, wo es noch lebt. Welche Rolle spielen in den Briefen die Paul-Gerhardt-Lieder! Aber er möchte in der Mixtur und der Verzahnung der Zeitalter mit Christus offene Augen für die neuen Ströme haben. Und er meint eben, daß von Feuerbach und Marx her eine Welt schon heraufgekommen ist, der man im Namen Christi keine "religiösen Bedingungen" stellen und der man nicht mit der ausgesparten rehglOsen PrOVInZ kommen kann. Nicht um ihrer willen, sondern um Christi willen. Bonhoeffer hat sehr genau um die Gefahren des "Anknüpfungspunktes" gewußt und diese moderne Welt nicht ernster genommen, als ihr zukommt. Aber er wollte nachkommen, wie und wo Christus sie ernst nimmt und dahinter möglichst wenig zurückbleiben. Es scheint mir wichtig, zu beobachten, daß Bonhoeffer nie mehr das Wort "Säkularisierung" gebraucht. Er spürt in dem häufigen Gebrauch dieser Formel das Rückschauen der Kirche in eine goldene Zeit, das nur Schwäche ist. Darum redet er nur noch von der "Mündigkeit" der Welt. Mit Christus ist er fähig, ohne Romantik und Betäubung gegenwärtig zu sein. Und er ist schon darauf gespannt, wie Christus seinen merkwürdig ohnmächtigen Angriff auf die militant mündige Welt aus-
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zuführen beginnt. In den letzten Lebenstagen ließ er sich von einem Mitgefangenen, einem Neffen Molotows, Russisch beibringen und er lehrte diesen, was das Christentum sei! c) Was mag er diesem Manne gesagt haben? Ob es sich wohl ablesen läßt an den entscheidenden Stellen der Briefe? Ob dort nicht doch schon die Ansätze der nicht-religiösen Interpretation sichtbar sind? Da, wo er den großen Sprung vom Glauben an den Deus ex machina zu der Teilnahme an der Ohnmacht Gottes in der Welt vollzieht? An dem Gedicht "Christen und Heiden" hat ihm viel gelegen. Er meinte, daß es.in Kürze alles aussage: "Menschen gehen zu Gott in ihr er Not ... " - "Menschen gehen zu Gott in Sei n erN ot . . ." (WE 246 f.). Christ werden heißt nun nicht mehr, an die eigenen Fragen und Ängste denken, sondern sich mit Christus in die gottlose Welt hineinbegeben und ihre Gottferne teilen, "sich in den Weg Jesu Christi mit hineinreißen lassen" (WE 244). Das erst verwandelt die Oster-Repetition in ein OsterKerygma. Bonhoeffer gewinnt hier eine seltene, unorthodoxe Freiheit, mit neuen und zwingend einfachen Worten von der Person J esu zu reden, ohne einen Augenblick den Anschein zu erwecken, als wäre dieser etwa nicht sein Gott. "Bonhoeffer war einer der sehr wenigen Menschen, die ich jemals getroffen habe, für die Gott real und immer nahe war", erzählt Payne Best, ein englischer Genosse seiner letzten Tage, der vorher nichts von ihm gewußt hatte. Ob er seinem russischen Mitge.fangenen auch von seinem geliebten Alten Testament erzählt hat? Weil es das Buch derer ist, die in keinen frommen Raum fliehen können, sondern im Segen oder im Trotz, mit dem verspotteten Jahwe oder unter seinem herrlichen Namen auf dieser Erde leben müssen oder leben dürfen? Weil er dieses Buch für das große Zeugnis von der Überwindung des Religiösen hält? Denn Jahwe nimmt dieses volle irdische Leben in Anspruch in seinem Gericht und seinem Segen. Ob er seinem Mitgefangenen hat klarmachen können, daß seine Welt eine falsche Zahl in ihre Rechnung stellt, weil sie die Lehre Christi für eine Größe der Metaphysik und des Individuums hält, deren Zeit vorüber ist (WE 183)? Ob er schließlich eine Interpretation und ein Siegel auf die Worte Bonhoeffers in dem schweigenden Weg zum 9. April 1945 hat spüren können? d) Endlich noch eine Bemerkung zu dem wiederholten Hinweis Bonhoeffers auf die Arkandisziplin, die altkirchliChe Geheimhaltung des zentralen Gottesdienstes vor Außenstehenden (WE 180, 184). Sie gibt uns Rätsel auf und man kann sie leicht übersehen. Ich glaube aber, daß sie kein Feldweg neben der Hauptstraße ist. Hammelsbeck wendet dieser Komponente in Bonhoeffers Denken mit vollem Recht seine ganze Aufmerksamkeit zu (siehe S. 54). Es ist der Gedanke, der u. a. schon hinter der Formel von der billigen und te uren Gnade steckte (N 1). Es ist der Gedanke, daß die Kirche durch Zeiten des Schweigens zu gehen habe, da sie nur noch im Beten und Tun des Gerechten lebt (WE 207). ,Rosenstock sagt: dur~
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lange Zeiten des incognitum. "Arkandisziplin" könnte, wie Ham-· melsbeck vorschlägt (S. 56), der Untertitel der ·Schrift "Gemeinsames Leben" sein. Der Schutz des Zentralen vor der Profanierung im Arkanum heißt bei Bonhoeffer nicht die Errichtung einer unangreifbaren nun doch wieder religiösen Pr,!vinz. Das Bruderhaus in Finkenwalde war gerade kein refugium vor der Welt, sondern eine konzentriertere Ermöglichung eines Dienstes in und für die Welt. Bonhoeffer hatte keinen besonders 'ausgeprägten Sinn für Weihehandlungen. Nur "wer für die Juden schreit, darf auch re ori . singen", hat er mir in jenen aren emma gesagt. Und vergessen waren die Sätze nie, die in einem Vortrag 1933 stehen ("Dein Reich komme" aus: Das kommende Reich, Furche-Verlag 1933 S. 29): "Hinterweltlerisch sind wir, seit wir den bösen Kniff herausbekamen, religiös, ja sogar ,christlich' zu sein auf Kosten der Erde. Im Hinterweltlertum läßt es sich prächtig leben. Man springt immer dort, wo das Leben peinlich und zudringlich zu werden beginnt, mit kühnem Abstoß in die Luft und schwingt sich erleichtert und unbekümmert in sogenannte ewige Gefilde."
Nein, kein Rückzug, aber die Verantwortung, die kostbare Perle um der Welt willen nicht zu verschleudern. Die Verantwortung um den Zeitpunkt, um das "suum cuique!' (E 99) auch in der Verkündigung, um die Ermächtigung und die Besorgnis darum, daß nicht jedes Wort jederzeit in jeden Mund und vor jedes Ohr gehört (E 283 ff., 204). Jesus hat so oft geboten, zu schweigen, und an bestimmten Punkten nur drei Jüngern aus den vielen zugemutet, mit ihm zu sein. Wie der frühe und der späte Bonhoeffer nicht zertrennt werden dürfen, so darf man auch nicht die Dialektik auflösen zwischen dem Bonhoeffer der Arkandisziplin und dem, der sich an die Welt verschwendet. Wer den einen für sich in Anspruch nimmt, soll nachdrücklich an den anderen erinnert werden. Man hörte nicht das Christuszeugnis, das er gibt. Man würde nicht einmal seine Persönlichkeit in ihrer Wirkung verstehen können, wenn man nicht die Existenz eines Arkanum in diesem Leben annähme und spürte, das jedem Dozieren und jeder geschwätzigen Ausbreitung entzogen blieb. Eben darum war er ja der gute Lehrer, weil so wenig an ihm dozierte; deshalb der gute Überzeuger, ~eil er die eigene Entscheidung nicht jedem zumutete. Er konnte sehr eindringlICh sem, aber me zudfinghCh. DIe OffenheIt und die Fähigkeit, jedem Menschen zuzuhören, hatte ihre Kraft gerade aus einem sensiblen 'Gefühl für _ die Distanz. IV. Zu Beginn beschrieb ich den Cantus firmus in Bonhoeffers Leben als das Wissen um die Kostbarkeit des Wortes Jesus Christus. Das ist zugleich das Geheimnis seiner Konzentration wie seiner Offen-
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heit, seiner Unbeugsamkeit wie seiner Biegsamkeit. "Je ausschließlicher wir Christus als unseren Herrn erkennen und bekennen, desto mehr enthüllt sich uns die Weite seines Herrschaftsbereiches" (E 161). Die Konzentration machte ihn nicht einlinig, sondern ga5 ihm gerade die Wendigkeit. Und je enger und endgültiger ihn der Gehorsam in seiner Bewegungsfreiheit hemmte, um so freier und weiter schritt sein Geist hinaus in die Weite der Erde. Es hat etwas Verwirrendes, wie er in den verschiedenen Perioden Themen und ihren zugehörigen Stil aufnimmt und wieder verläßt. Wenn es erlaubt ist, zu vereinfachen, kann man sagen: Der Bonhoeffer der zwanziger Jahre hat den T h e 0 log engesagt: Euer Thema ist die Kir c h e! Der Bonhoeffer der dreißiger Jahre hat der Kir c he gesagt: Dein Thema ist die W e 1 t! Und der Bonhoeffer der vierziger Jahre hat der W e I t gesagt: Dein Thema, die Verlassenheit, ist Go t t e s Thema selbst; und mit seinem Thema betrügt er dich nicht um das volle Leben, sondern er schließt es dir auf! Bonhoeffer hatte die seltene Fähigkeit de Gegenwärtig-sein, das Thema der jeweiligen Zukunft aufzuspüren un seme ormel zu finden in einer zwingenden Einheit von Denken und Handeln. Leider gehört die Skizze, die er über das Phänomen der Zeit, des Vergangenen und des Kommenden, geschrieben hat, zu den verlorenen Papieren aus der Tegeler Zelle. Aber es gibt Stellen, die zeigen, wie er sich mit dem Zurücksinken und der Last des Vergangenen auseinandersetzt; die schöne Stelle, in der er bittet, doch das Gegenwärtige zu ergreifen und "Gott in dem zu finden und zu lieben, was er uns gerade gibt" (WE 123 f.); und es geht durch aas ganze V"ierk der Humor dessen, äer um Christi willen keinen letzten Feind und Gegensatz mehr anerkennt und den Raum des Teufels immer schon umstellt und verloren sieht, weil "alle Versuchung in Jesus Christus überwunden ist für alle Zeit bis ans Ende" (Versuchung S. 63), wie scharf und leidenschaftlich Bonhoeffer auch werden kann, wie unheimlich er auch den Anfall durch die acedia, die Traurigkeit, kannte. In diesem Leben und Werk sind Leib, Seele und Geist nicht unterernährt. Ihre Möglichkeiten sind reichlich ergriffen, wo Gottes Erlaubnisse sie freigeben; und sie werden unter echten Schmerzen vermißt, wo sie geschmälert und geopfert werden müssen. Die Vielfalt der Dimensionen dieses Lebens, seien sie genossen, seien sie erlitten, macht es zu einem Ganzen, .so stark er selbst auch von dem Fragment seines Lebens gesprochen hat (WE 80, 153). Fernstehende hat er leicht schockiert; sowie sie ihm näherkamen, stellte sich heraus, wie alles zueinander stimmte. Bonhoeffer hat den abschiednehmenden Moses an der Grenze des gelobten Landes besonders geliebt. Er versuchte sich an einem Gedicht 1), in dem es heißt: 1) Der Tod des Moses, in: Auf dem Wege zur Freiheit, Berlin, LettnerVlg. 1954.
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So erfüllst du, Herr, was du versprochen, niemals hast du mir dein Wort gebrochen, Deine Gnade rettet und erlöst und dein Zürnen züchtigt und verstößt, Treuer Herr, dein ungetreuer Knecht weiß es wohl: du bist allzeit gerecht. So vollstrecke heute deine Strafe, nimm mich hin zum langen Todesschlafe, Von des heilgen Landes voller Traube trinkt allein der unversehrte Glaube, Reich dem Zweifler drum den bittren Trank und der Glaube sagt dir Lob und Dank. Wunderbar hast du an mir gehandelt, Bitterkeit in Süße mir verwandelt, Sinkend, Gott, in deine Ewigkeiten seh mein Volk ich in die Freiheit schreiten, Der die Sünde straft und gern vergibt, Gott, ich habe dieses Volk geliebt. Daß ich seine Schmach und Lasten trug und sein Heil geschaut - das ist genug, Halte, fasse mich! Mir sinkt der Stab, treuer Gott, bereite mir mein Grab.
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Begriff und Wirklichkeit der Kirche in der Theologie Dietrich Bonhoeffers Von Hans Christoph von Hase
Der Kontrapunkt Aus der Haft schreibt Dietrich Bonhoeffer: "Immer mehr empfinden wir, daß unser Leben fragmentarischen Charakter hat. Wo gibt es heute noch ein geistiges Lebenswerk? Wo gibt es das Sammeln, Verarbeiten und Entfalten, aus dem ein solches entsteht? ... Es kommt wohl nur darauf an, ob man dem Fragment unseres Lebens noch ansieht, wie das Ganze eigentlich angelegt und gedacht war und aus welchem Material es besteht. Es gibt schließlich Fragmente ... , die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann ... , ich denke z. B. an die Kunst der Fuge ... , in der der große Kontrapunkt von Anfang bis Ende durchgehalten wird, so daß schließlich nach dem Abbrechen - höchstens noch der Choral: ,Vor deinen Thron tret ich allhier' - intoniert werden kann." 1) Das Thema "Kirche" hat Bonhoeffer in den zwei Jahrzehnten seines Wirkens wohl am intensivsten entfaltet und durchgeführt. Ähnlich einer Tripelfuge hat er es in den drei deutlich erkennbaren Abschnitten seines Denkens immer neu, nicht geradlinig, aber folgerichtig bearbeitet. Wir hahen zu unterscheiden: -1. den th'eologischen Ansatz, 1926-1932, .( 2. den Kirchenkampf, 1933-1939, . 3. Krieg und Haft, 1940-1945. '\
Durch seine Schriften und durch sein Leben für die Kirche geht jedoch geradlinig ein K 0 n t rap unk t hindurch, der den Schlüssel zu seinem Denken von der Kirche darstellt. Da er ihn selten zum Thema erhebt, sei es - zur Hilfe für den Leser wie den Darstellenden - erlaubt, ihn vorweg zu nennen: Die Kirche ist der Ort, an dem die Stellvertretung Christi für die Menschheit in der Stellvertretung der Glaubenden a n ein a n der und a n der W e 1 t voll zog e n wir d. Luthers Satz, daß einer dem anderen ein Christus werden müsse, gibt diesem Kontrapunkt den klarsten Ausdruck. Er bestimmte Bonhoeffers Denken wie sein Handeln. Er zeigte sich bei dem Privatdozenten Bonhoeffer, dessen Kolleg sich bis zum letzten Platz füllte, und der doch in ein möbliertes Zimmer in Ostberlin zog, nur um einer 1)
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Widerstand und Ergebung. München 1951
(=
WE), S. 153 f.
verwilderten" Konfirmandenklasse von Proletarierjungen, an der mehrere Pfarrer gescheitert waren, viel Zeit und Liebe zu widmen. Mit ihm rechtfertigte er, der Pazifist, seine aktive Mitarbeit in der Widerstandsbewegung: im äußersten Fall müsse der Christ zur Übernahme wirklicher Schuld um der Unterdrückten willen bereit sein 2). Weil es Bonhoeffer immer um die konkrete Kirche ging, über die er nicht denken konnte, ohne zugleich in ihr zu handeln, können biographische Hinweise zum Verständnis seiner Theologie nicht entbehrt werden. Die wirkliche Kirche Bonhoeffets Denken von der Kirche ist sehr selbständig gewachsen. Er ist der jüngste Sohn eines humanistisch weltoffenen Hauses, der Vater Psychiater,der älteste Bruder Physiker und Chemiker, beide mit ihrem naturwissenschaftlichen Denken in strenger Diesseitigkeit, der jüngere Bruder und die Schwäger Leibholz und von Dohnany leidenschaftliche Juristen. Daneben steht das christliche Erbe seiner Mutter, einer geborenen von Hase, und ihrer theologischen Vorfahren. Auch der stille Einfluß der Erzieherin aus der Brüdergemeine hat seine Kindheit bestimmt. Es ist jedoch wichtig, daß kein Pfarrhaus, keine pietistische Luft, keine lutherische Kirchlichkeit seine Entwicklung vorzeichneten. Das weltoffene Christentum d auses stand mitten in der kritischen Lu taler Fakultäten der Universitä lin. Dennoch entschied sIch der se ze njährige Abiturient, der den Konfirmandenunterricht sehr ernst genommen hatte, eindeutig für das Theologiestudium, wohl bestimmt durch die enge Freundschaft mit dem Harnackschen Hause und durch seinen Onkel, den Superintendenten von Hase, obgleich andere Gebiete, nicht zuletzt die Musik, seinen reichen Geist nicht wenig beschäftigten. Man kann sagen, daß Bonhoeffer auszog, die Kirche zu entdecken. Mit 21 'Jahren schrieb er die wissenschaftlich fest fundierte "Sanctorum Communio", die nun nach 25 Jahren neu erschienen ist 3). Dafür hatte er in Berlin keinen Lehrer im strengen Sinn, wie er auch nicht - wie die Jugend damals - Schüler Barths oder Gogartens geworden ist. Er ist nicht wie diese durch die Herrmannsche oder Troeltschsche Schule hindurchgegangen, hat diese Schule aber trotz aller ent.schiedenen Ablehnung mit einer für einen Studenten erstaunlichen Sachlichkeit beurteilt. Das gleiche gilt von seinen Berliner Lehrern, Harnack, Holl, Deißmann und vor allem Reinhold Seeberg, in dessen Dogmatik er Ansätze für seinen Weg fand. Luthers Theologie war sein Rückhalt, von Hegels Philosophie war ~r anfängliCh formal bestimmt wie sein Lehrer Seeberg. In Berlin war das Thema Kirche durch Troeltsch unüberhörbar gestellt, und der Student Bonhoeffer geht nun daran, mit allem philosophischen und soziologischen Rüst2) Ethik, hrsg. von E. Bethge, München 1949 (= E), S. 186 f. 3) Theol. Bücherei, Bd. 3. München 1954 = SC.
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zeug einen echt theologischen Begriff der Kirche von der Überfremdung durch das soziologische Denken des Berliner Systematikers freizumachen. So nennt er seine erste, 1930 drei Jahre nach der Abfassung gedruckte Schrift "Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche". Nach dem Bann der dialektischen Theologie über das soziologische Denken Troeltsch's war das ein kühnes Unternehmen, das ihm bisher kaum jemand nachgemacht hat. Er läßt sich von den ihm wohl bewußten Gefahren der natürlichen Theologie und des Historismus nicht schrecken, sondern sieht in einem sauberen soziologischen Denken eine notwendige Hilfe, Kirche theologisch zu interpretieren. "Denn die gottesdienstliche Versammlung ist ein Wille Gottes, demgemäß sich Gott zur Verbreitung seiner Herrschaft des sozialen Zusammenhangs der Menschen bedient" (172). Die Kirche ist eine gesellschaftliche Größe in dieser Welt, eine Persongemeinschaft, kurz ein soziologisches Phänomen. Man muß deshalb von ihr in sozialphilosophisch geklärten Begriffen reden und sie als soziologischen Tatbestand darstellen können. Zu ver s te he n ist die Kirche freilich nicht als Exemplar in der Gattung der Sozialgebilde, auch nicht als eine historisch gewordene religiöse Sozialgestalt, sondern nur aus dem sie gestaltenden "Prinzip", aus der Offenbarung in Jesus Christus. Darum muß die Untersuchung eine dogmatische sein, welche die in der Offenbarung gesetzte Wirklichkeit Kirche nach ihren eigenen Gesetzen soziologisch darstellt. Damit scheidet sich Bonhoeffer von Troeltsch. Denn bei diesem "steht im Vordergrunde die Betrachtung der historisch zufällig gewordenen Sozialgebilde, nicht aber der sozialen Wesensstruktur christlicher Art" (14, Anm.). Person und Gemeinschaft Grundlage jedes Redens von Gemeinschaft ist der Personbegriff. Der Platonismus wie der Aristotelismus verstehen Person als Anteil am Allgemeinen, an der Gattungsvernunft. Darum bleibt auch ihr Gottesbegriff unpersönlich. Von hier führt kein Weg zum christlichen Person verständnis. Ebensowenig hilft der Ansatz Kants, der Person als Subjekt, als erkenntnistheoretisches Phänomen deutet. Damit aber wird die gesamte Wirklichkeit verobjektiviert. Es gibt keinen erkenntnistheoretischen Weg zum "anderen Subjekt", zum Du. "Aus dem Subjekt-Objekt-Schema (wird) nie der Weg zu einer soziologischen Kategorie gefunden" (22). Person entsteht und vergeht vielmehr im Angesprochenwerden, in der Zeit, in der Verantwortung, und zwar für "christliche Philosophie" in Relation zu der ihr transzendenten göttlichen Person. Nur so gibt es einen Zutritt zu den "sozialen ontisch-ethischen Grundbeziehungen der Personen" (27 f.). "Die soziale Grundkategorie ist das Ich-Du-Verhältnis ... Der Einzelne wird im ,Augenblick' immer wieder Person durch den anderen" (33). Indem Bonhoeffer hier Kierkegaard nahe-
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kommt, setzt er sich zugleich entschieden von ihm ab: "Auch Kierkegaards ethische Person besteht nur in der konkreten Situation, aber sie steht nicht in notwendiger Beziehung zu einem konkreten Du. Sie setzt" sich "selbst" in den ethischen Entscheidungszustand, "nicht wird sie gesetzt durch das Du." So bleibt ~ierkegaard letzten Endes im Idealismus stecken und begründet einen -;;extremen Individualism~' (34). So hat Bonhoeffer, der von Kierkegaard nicht weniger fasziniert war als seine theologischen Zeitgenossen, schon sehr früh erkannt, welche Gefahr dessen im Grunde geschichts- und gemeinschaftsfremdes Denken gerade für den Kirchenbegriff bedeutet, eine Gefahr, die aller irgendwie existentialistisch geprägten Theologie auch heute noch zu schaffen macht. Aus seinem Ansatz entwickelt Bonhoeffer den Gemeinschaftsbegriff, wobei das Hegelsche Grundschema formal zu erkennnen ist: 1. "Die Per s 0 n ist in ihrer konkreten Lebendigkeit, Ganzheit und Einzigartigkeit (und Geschiedenheit) als letzte Ein h e i t von Gott gewollt" (32). (Bonhoeffer ist dieser Gedanke theologisch wie im geistlichen Leben immer wichtig gewesen, er weist immer wieder auf das Alleinsein, die Scham u. a. hin.) 2. Die andere Seite der Person ist ihre "s t r u k t ure 11 e Off e n he i t". Sie ist auf Sozialität hin angelegt. Sie entsteht durch den anderen, hinter dem das Du Gottes steht. "Jedes menschliche Du ist Abbild des göttlichen Du" (32). "Mit der Gottesgemeinschaft ist soziale Gemeinschaft wesentlich mitgesetzt, nicht treibt jene erst zu dieser, sondern jene ist nicht ohne diese, wie diese nicht ohne jene" (37). Daß Person nicht ohne Gemeinschaft existiert, erweisen auch die sozialen Phänomene der Sprache, des Selbstbewußtseins, des Angelegtseins des Willens auf anderen Willen (39-43). 3. Die Per s 0 n gern ein s c ha f t abell ist "Willensgemeinschaft, konstituiert durch vizeverse Willensakte" (52 f., 56). Als "K 0 11 e kti v per s 0 n" hat sie die gleiche Struktur wie die Einzelperson (49). Sie ist ,,0 b je k t i ver Gei s t", der die Zeit- und Raumintention einer Gemeinschaft verknüpft. "Objektiver Geist ist wirksamer Wille über die Glieder der Gemeinschaft. Er hat individuelle Gestalt" (65/66).
Bonhoeffer arbeitet sich hier in Neuland vor. Darum kann sein Versuch, Gemeinschaft formal als "Kollektivperson" zu bestimmen, nicht voll befriedigen. Er weiß sich dem monadischen Bild Leibnizens nahe (51"), er übernimmt von R. Seeberg den Begriff der Willensgemeinschaft, der aber für seinen eigenen Personbegriff zu eng ist. Endlich findet er Hilfe bei Hegels Begriff "objektiver Geist", der das Folgende bestimmt, aber wiederum eine Anleihe bei einem ihm wesensfremden System darstellt. Die Entfaltung eines formalen Gemeinschaftsbegriffs im vorhinein wird denn auch für seine Aussagen über die Kirche eher eine Belastung sein.
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Christus als Gemeinde existierend Die Offenbarung kennt den Einzelnen wie die Menschheit als Gesamtperson nur in der Gestalt des gefallenen Adam, der in "gewollter Isolierung" von Gott und vom Du lebt. "Mit der Sünde tritt der ethische Atomismus in die Geschichte" (73). Dennoch bleibt auch in statu corruptionis die Struktur der "Gesamtperson", die Zusammengehörigkeit "in Adam" erhalten, wie die Erbsünde zeigt. "Die ,Menschheit der Sünde' ist eine ... und doch in sich unendlich oft zerrissen, sie ist Adam, wie jeder einzelne er selbst und Adam ist" (80). Zur Einheit kommt sie wieder in der sanctorum communio durch Christus, den zweiten Adam. Diese ist weder religiöse Gemeinschaft noch Reich Gottes (83). Die Kirche ist vielmehr Offenbarungsrealität, nicht erst abgeleitet aus dem persönlichen Glauben an Christus, sondern notwendig in jedem persönlichen Verhältnis zu ihm mitgesetzt. "Kirche setzt also logisch ihren Grund in sich selbst, sie kann nur durch sich selbst beurteilt werden, wie alle Offenbarungen überhaupt" (85). Hier macht sich Bonhoeffer frei von dem "unmöglichen Versuch" Troeltsch's, Max Schelers und Heinrich Scholz', aus einem allgemeinen Begriff der Religion die Notwendigkeit der religiösen Gemeinschaft zu entwickeln (86 f.). Die Kirche als Gesamtperson nennt Bonhoeffer "Christus als Gemeinde existierend", eine "Offenbarungsform", die er im NT in den paulinischen Stellen vom Leibe Christi (1. Kor. 3, 16; 6, 19; 12,27 usw.) und in der Gleichsetzung von Christus und Gemeinde (1. Kor. 12, 12; 6, 15; 1, 13 usw.) bezeugt findet. Indessen lehnt er die katholische Organismusidee zur Deutung des Leibes Christi ab. Paulus verstehe das Bild funktional: "wir werden von Christus regiert, wie ich meinen Leib regiere" (92 f.). "Christus ist die Gesamtperson der christlichen Gemeinde" (AS 102, SC 92, 145). "Die Kirche ist sichtbar als soziales Gemeinwesen im Kultus wie im Füreinanderwirken. Sie ist unsichtbar als eschatologische Größe, als ,Leib Christi'" (SC 92). Als reale geschichtliche Größe hat sie eine Raum- und eine Zeitintention. Sie nimmt ihren Anfang in der Geschichte, Christus ist historisch ihr Anfänger (105). Aber sie ist "schon in Christus vollendet, gleich wie in ihm ihr Anfang gesetzt ist" (94). Denn stellvertretend "stellt er in seinem geschichtlichen Leben die gesamte Geschichte der Menschheit dar" (99). Aktualisiert aber wird die Kirche am Pfingstfest: "Der Heilige Geist ist der Geist der Gemeinde Christi" (108 f.). Hier gewinnt sie ihre Dimension im Raume. Der Geist beruft den Einzelnen zur Gemeinschaft durch das Wo r t Christi selbst. Das Wort aber ist ursprunghaft wie zielhaft sozial bestimmt: es intendiert eine Mehrzahl von Hörern (108 f.). Der Geist schafft die Kir ehe als G e sam t per s 0 n. Dabei sind drei Elemente - nach Bonhoeffers sozialphilosophischem Schema - konstitutiv:
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Prädestinationslehre ihr Wahrheitsmoment, die, absolut genommen als "numerus electorum", den Kirchenbegriff auflösen würde. 2. pie Kirche ist@!Ts t g e m ein s c h an\ (114 f.), aktualisiert durch die Liebe Gottes, die der Gemeinde in J esus Christus geschenkt wird und die den "wirklichen Nächsten liebt". "Der Andere in der Gemeinde ist ihm nicht mehr wesentlich Anspruch, sondern Gabe, Offenbarung seiner Liebe, d. h. der Liebe Gottes" (115). "N ä c hs t e n 1 i e bei s t der Will e des M e n s c h e n zum V' i 11 e n Go t t e s mit dem an der e n M en sc h e n" (120) 4). Damit sind "neue Sozialbeziehungen geschaffen", "der Riß der Sünde geschlossen" (115), nämlich ,,1. Das gottgesetzte strukturelle Mit ein ander von Gemeinde und Gemeindeglied. 2. Das tätige Für ein a n der der Glieder und das Prinzip der S tell ver t r e tun g" (127). "Drei große positive Möglichkeiten des Füreinander tun sich auf: Die entsagungsvolle tätige A r bei t für den Nächsten, Da~ Fürbit t e g e b e t , schließlich das gegenseitige Spenden der S ü n den ver g e b u n g im Namen Gottes" (132). Hier stehen wir im Zentrum von Bonhoeffers Denken über die Kirche: weil er in der Stellvertretung ihre Wesens struktur sieht, bemüht er sich um die Klärung der soziologischen Begriffe. Die A r bei t fordert das Opfer und die Hingabe des Eigenen, ja "jeder Begabung" für die Gemeinde. Als Typos steht Bonhoeffer Paulus vor Augen, der um Israels willen von Gott verbannt zu sein wünscht (Röm. 9) aus der Liebe heraus, "die an die Stelle der Brüder tritt, wie Christus an unsere Stelle trat" (133), nach Lipsius eine "religiös-sittliche Unmöglichkeit". In seinen schönen Sätzen über die Für bit t e folgt Bonhoeffer dem griechisch-orthodoxen Denken, das überhaupt hinter seiner Schrift immer wieder spürbar wird, hier besonders Chomjakov: "Das Blut der Kirche ist das Gebet füreinander" (134). Weil Fürbitte "menschliches Tun und göttlicher Wille" ist, "kann der Mensch dem anderen in seiner Fürbitte ein Christus werden" (135). "Zerbricht das ethische Selbstbewußtsein Gott gegenüber zunächst an der stellvertretenden Liebe Christi am Kreuz, so stirbt es restlos unter der Betrachtung der Fürbitte, d. h. der Gemeinde" (136) 5). Das Höchste, was Menschen aneinander stellvertretend tun dürfen, ist die S ü n den ver g e b u n g in priesterlicher Vollmacht. "Sünden vergeben kann niemand, als der sie selbst auf sich nimmt, kann also nur Christus." Der Einzelne kann es nur kraft Sperrungen in den Zitaten von mir. Dieser Satz ist für Bonhoeffer, der selbst ein außerordentlich feines Gewissen besaß, sehr bezeichnend. Ethisches Selbstbewußtsein ist der "ethische Atomismus" des alten Adam. Durch die Vergebung in Christus wird es nicht restauriert, sondern im In-der-Gemeinde-Sein aufgehoben. Der Christ weiß sich als Glied am Leibe Christi in der Hingabe; das ist sein neues Selbstbewußtsein. Von hier wird Bonhoeffers Denken von der Kirche wie von der "Schuldübernahme" verständliCh, ebenso seine Ablehnung der Kantianer. 4) 5)
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seiner Gliedschaft an der Gemeinde. Die Gemeinde kann es, weil sie, vom Wort lebend, "Christus als Gemeinde existierend" ist (137-139). 3.. Die Kirche ist/G eis t ein h e iJ)(140 ff.). "Es heißt nicht: ,Eine Theologie und ein Ritus', sondern ,ein Leib und ein Geist, ein Herr. ein Glaube, eine Taufe' (Eph. 4, 4 ff.): Die Einheit .... gründet nicht auf menschlicher Geisteinigkeit, sondern auf göttlicher Geisteinheit." Objektiver Geist -
Heiliger Geist
"Die durch den heiligen Geist aktualisierte Kirche J esu Christi ist gegenwärtig wirklich Kirche." Als empirische Kirche ist sie zugleich "objektiver Geist", "der in bestimmten Formen Gestalt annimmt" (153). Als solcher ist die Kirche "in der Relativität ihrer Formen" "Leib Christi, Gegenwart Christi auf Erden, denn sie hat sein Wort". In seiner Zeit- und Raumintention ist der "objektive Geist der Gemeinde Träger der geschichtlichen Wirksamkeit Jesu Christi und der sozialen des heiligen Geistes" (154, 158 f.). Aber die Kirche ist zugleich "Gemeinschaft der Sünder", darum ist ihr objektiver Geist ni c h t der Heilige Geist. Nur als "die in ihrer Schuld Heilige ist sie ,Christus als Gemeinde existierend' " (158). Von hier aus zieht Bonhoeffer F 0 I ger u n gen, in denen er die Kirche in ihrer soziologischen Gegebenheit bejaht: Die Fr e i w i 1li g k e i t ski r eh e darf nicht gegen die V 0 I k ski reh e ausgespielt werden 6). "Die logische und soziologische Einheit (beider) ist durch das Wort gestiftet." Indessen "es gibt nun für die Kirche einen Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr Volkskirche sein darf, und dieser Zeitpunkt ist dann gekommen, wenn die Kirche in ihrer volkskirchlich . ittel S'enen""kann, zur Freiwilli keitskirche durchzudringen" (164). Dieser Satz wir ur Bonhoeffer bald im ]{irchenkampfbedeutsam werden. Die Ein h e i t der Kirche ist die Einheit der Einzelgemeinden als Gesamtgemeinde. Aber "der Leib Christi ist Rom und Korinth, Wittenberg, Genf und Stockholm" (167) 7). Zu den so z i 0 log i se h e n Fun k t ion e,n der Kirche gehört der Go t t es die n s t: "die Predigt ist eine gottverordnete TätigkeiJ; der Gemeinde für die Gemeinde" (170); ebenso haben die S a kr ain e n t e eine soziale Bedeutsamkeit (178 ff.). Beide dienen dem "zusammenführenden Handeln" des Heiligen Geistes. Gott bedient sich hier "zur Verbreitung seiner Herrschaft des sozialen Zusammenhangs der Menschen". Das "A m t" (von Boehoeffer in Anführungszeichen gesetzt) wird von der sanetorum eommunio gestiftet und getragen (177). Die soziologische Struktur der A u tor i t ä.i in der Kirche ist 6) Die Unterscheidung von Kirche und Sekte, wie sie Max Weber und E. Troeltsch vollziehen, hält Bonhoeffer für soziologisch unhaltbar (204 ff.). 7) Dem Kenner der ökumenischen Arbeit wird auffallen, wie viele Fragen, zumal aus dem Bereich von "Faith and Order" hier von Bonhoeffer bereits 1927 aufgegriffen worden sind.
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weder die der "Gesellschaft" noch der "Anstalt" (Troeltsch), sondern, durch das Wort, die des "objektiven Herrschaftsverbandes" . Die Kirche ist darum weder Wer k z e u g (Mittel zum Zweck) noch SeI b s t z w eck allein, sondern stets beides zugleich (159). Bonhoeffers Erstlingsschrift ist ein bedeutsamer Alleingang auf einem sonst nicht betretenen Wege. Während die neue Theologie der zwanziger Jahre sich um die Frage "Glaube und Geschichte" müht, aus der Ablehnung Troeltsch's aber ein Tabu gegen jede soziologische Betrachtung der Kirche innerhalb ernsthafter Theologie errichtet, wagt sich Bonhoeffer eben an dieses heiße Eisen heran. Beiden geht es darum, die liberale Theologie des "religiös-sittlichen Bewußtseins" zu überwinden. Gibt die "dialektische" Theologie jener Jahre der Offenbarung ihre geschichtliche Gestalt - Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung Christi, das in der Schrift gegebene Wort - wieder zurück, so erkennt Bonhoeffer, daß zu dieser "Zeitkomponente" auch die "Raumkomponente" der Offenbarung, die wirkliche Kirche treten muß. Darum stellt er die Frage "Glaube und Gemeinschaft", die Frage nach der G e s tal t der Kirche. Er weicht Troeltsch nicht aus, sondern überwindet ihn. Dabei entdeckt er, daß das Denken in soziologischen Begriffen ebenso notwendig für die Theologie ist, wie das in geschichtlichen. Daß im Erlösungswerk Christi nicht nur der neue Mensch, sondern auch die neue Gemeinschaft ursprünglich und nicht erst al".Folge mitgesetzt ist, daß Wort, Stellvertretung, Liebe usw. soziologische Tatbestände darstellen, und daß darum von der Kir.che auch soziologisch geredet werden muß, hat er gezeigt. Er will die Theologie an der konkreten, irdischen Kirche festhalten und sie vor der Verftüchtigung ins "Nichtgegenständliche" bewahren. Er hat hier einen Weg betreten, auf dem wir heute, nach 25 Jahren, noch kaum einige der so notwendigen Schritte weiter getan haben. Für den kommenden Kirchenkampf hat Bonhoeffer von vornherein eine klare und starke Ausgangsposition. Es ist für ihn kein Zweifel, daß es nicht ausreicht, daß das Wort rein verkündigt wird, auch in ihrer Gestalt darf die Kirche den "Christus als Gemeinde existierend" nicht verleugnen. Stellvertretung vollzieht sich an konkreten Menschen, und die Kirche, die sich scheut für die entrechteten Brüder, insbesondere7Ie Juden zu leIden, 1st mCht gehorsame Kirche. - Indessen macht das systematische Gebäude, das Bonhoeffer auf-' richtet, dem Leser doch einige Not: Zunächst setzt er ungeschützt "Christus als Gemeinde existierend", Kirche als "Gesamtperson" mit dem "objektiven Geist", der jeweiligen geschichtlichen Gestalt der Kirche in eins. Soll das ein soziologisch faßbarer Tatbestand sein, dann wäre Christus selbst soziologisch faßbar geworden. Zum mindesten müßte Bonhoeffer den heute in der Ökumene umstrittenen Satz, daß die Kirche die Fortsetzung der Inkarnation sei, uneingeschränkt bejahen. Später schränkt er jedg'ch seine AUSS~ stark ein: Objektiver Geist ist nicht Heilige~eist, er dient hm erst im Eschaton fallen beide zusammen; die rche ist "Chris us als Gemeinde existü:irend" nur, so f ern sie g eiligt ist. Heiliger Geist und Heiligung
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sind aber keine soziologisch faßbaren Tatbestände mehr. So gelingt es Bonhoeffer nicht, die Kirche soziologisch als Gesamtperson überzeugend darzustellen, da deren Haupt nun einmal im Himmel ist. Der Versuch muß scheitern. Denn könnte man die Identität oder auch nur eine feste Relation von Heiligem Geist und "objektivem Geist" der Kirche systematisch oder gar soziologisch festlegen, wäre das Mysterium der Kirche unter dem Kreuz ja vor dem Jüngsten Tage enthüllt. Bonhoeffer läßt diese Anleihe bei Hegel denn auch später fallen. Er wird dann die Kirche den "Raum" (vgl. Nachfolge), den "Ort" nennen, "an dem Christus Gestalt gewinnt" (Ethik). Wir wollen Nachsicht zeigen mit dem Versuch des einundzwanzigjährigen Studenten, die Offenbarung soziologisch ins System zu bringen. Wir wollen seine Forderung aber um so ernster nehmen, das soziologische Denken für die Lehre von der Kirche als ein notwendiges Mittel anzuwenden. Theologisches Erkennen in der Kirche Bevor wir aber zu den Entscheidungen des Kirchenkampfes weitergehen, soll ein kurzer Blick einen weiteren Vorstoß Bonhoeffers auf das Problem der theologischen Erkenntnis streifen. In "Akt und Sein" (1931) zieht er die Folgerungen aus seiner ersten Schrift für das theologische Erkennen .. Er sieht die große theologische Diskussion der zwanziger Jahre (vgl. Barth-Przywara über die analogia entis) auf das Problem Akt unrl Sein zusteuern. - Barth, Gogarten, Bultmann wollen die Offenbarung von jeder "Verobjektivierung" und "Verfügbarkeit" befreien und verstehen sie darum als "r ein e nA k t" Gottes, der nur je und je in der Entscheidung des Glaubens ergriffen werden kann. Da Gott immer Subjekt bleibt, bleibt er "nichtgegenständlich". Bonhoeffer weist nach, daß sich dahinter der Kant'sche T r ans zen den tal i smus verberge. Der dann konsequente Versuch, "dialektisch" von Gott zu reden, sei aber nicht gläubiger als demütiges systematisches Denken. Denn "Gott ist nicht frei vom Menschen, sondern für den Menschen" (76). Christus ist das Wort der Freiheit Gottes, Gott ist da, d. h. nicht in ewiger Nichtgegenständlichkeit, sondern "habbar" , "faßbar in seinem Wort in der Kirche". Auf der anderen Seite wird die Offenbarung als "S ein" verstanden: 1. in der Form der L ehr e (Luthertum); 2. als Er 1 e b n i s des religiös-sittlichen Bewußtseins (so Seeberg, Holl, Hirsch im Gefolge Schleiermachers und Ritschls); 3. in der Ins t i tut ion der Kirche (Przywara). Jedesmal weiß der Mensch sich gesichert durch ein "Sein in" dem Bereich des objektiv Seienden. Aber seine Existenz wird im Glauben nicht betroffen. Beide, aktualistisches und ontologisches Denken, haben ihr Recht: hier die Existenzbetroffenheit, dort das Sein der Offenbarung zu betonen. Beide aber sind ihr nicht angemessen und machen theologisches Denken letztlich unmöglich.
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Die Kir ehe ist die Akt - Sei n sei n h e i t, sie ist der Ort, an dem der Mensch in das Offenbarungsgeschehen einbezogen wird, sie ist Gegenwart der Offenbarung in der Verkündigung, sie ist der gegenwärtige Christus selbst. Das ......Sein in der Kirche", in dieser "Gesamtperson" ist also Voraussetzung der Uifenbarungserkenntnis, die ja doch keine "Möglichkeit" eines menschlichen Subjekts 1st (102 bis 104). "Das Sein der Offenbarung ist das Sein der Gemeinschaft von Personen, die durch die Person Christi konstituiert ist" (111). In der Gemeinde ist die Dialektik von "Glaube an" und "Sein in" aufgehoben. In Christus kann der Einzelne sagen: "Ich werde getragen (pati), darum bin ich (esse), darum glaube ich (agere)." Weil die neue Menschheit, in der ich stehe und die ich auch selbst bin, für mich betet und mir die Sünden vergibt, darum bin ich hier in meiner Existentialität und Kontinuität erfaßt. "Meine Sünde ist keine Sünde, mein Tod ist kein Tod mehr, weil die Gemeinde mit mir ist" (vgl. Luthers Sermon "vom heiligen Leichnam") (115). Darum ist die 0 f f e n bar u n g s e r k e n n t n i s in der Kirche eine S 0 z i 0 log i s c h - t h e 0 log i s ehe Kat ego r i e, jenseits vom Subjekt - Objekt - Verhältnis, jenseits von gege.nständlich und nichtgegenständlich. Sie ist darum soziologisch differenziert (118), (entsprechend Bonhoeffers Schema von Vielheit, Gemeinschaft und Einheit in Sanctorum Communio): 1. Sie ist glaubendes Erkennen:["Mir ist vergeben", 2. sie ist p red i gen des E r k e n n e n: ,Dir ist vergeben". Christus, der Herr der Gemeinde, läßt sich hier als Subjekt des Redens verkündigen. "Ich predige, aber in der Kraft Christi, in der Kraft des Glaubens der Gemeinde" (122). Nur so geschieht die Predigt ohne Ungewißheit, ohne "Nichtwissen". Denn "der existentielle Satz (des Glaubens) ,mir ist vergeben' vermöchte den kirchlichen Satz ,dir ist vergeben' nicht zu tragen" (122). 3. Sie ist t h e 0 log i s c h e s Er k e n ne n: "Theologie ist eine Funktion der Kirche"; denn Kirche ist nicht ohne Gedächtnis, "Th e 0log i eis t das G e d ä c h t n i s der Kir ehe." Sie steht 'zwischen vergangener und zukünftiger Predigt, welch letzterer sie die Dogmen voranstellen soll. Theologie als Wissenschaft macht die Offenbarung notwendig zu etwas Seiendem. Die Gefahr, in die sie dadurch gerät, vermeidet sie nur durch ihren Bezug zur Predigt, sie vorbereitend und sich von ihr richten lassend (123-125). Die Theologie ist pos i t i v e W iss e n sc ha f t , denn sie hat ihren gegebenen, eigenen Gegenstand, nämlich das gesprochene Wort der Kirche. Sie ist "das bewahrende, ordnende Gedächtnis dieses Wortes". Darum kann sie nicht "schöpferisch" reden, wohl aber verfügt sie vom Wort aus über 'äTIgememe urteile, zielt sie auf das System, auf das Dogma. Dieser Einblick muß genügen. Bonhoeffers Sätze erinnern in vielem an den Weg, den Barth von der "Christlichen Dogmatik" zur "Kirchlichen Dogmatik" (I, 1, erschienen 1932) genommen hat. Die Frage nach der Bedeutung der Soziologie für die Lehre von der theologischen Erkenntnis ist jedoch noch nicht beantwortet. Sonst würde
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uns vielleicht die "Entmythologisierung" nicht solche Kopfschmerzen bereiten. Die Kirche der Nachfolge Der folgende Abschnitt in Bonhoeffers Leben von 1933-1940 ist gekennzeichnet durch seinen Eintritt in den kirchlichen Dienst: sein Vikariat in Barcelona (1929), das Studenten pfarramt an der Technischen Hochschule Berlin (1931/32); durch seine Begegnungen mit der Ökumene in Auslandsaufenthalten: Studium in Amerika (1930-31), Pfarramt in London (1933-35), Mitarbeit in der Jugendkommission der Ökumenischen Bewegung (Fanö 1934), vor allem aber durch den Kirchenkampf (seit 1933) und den Auftrag des Preußischen Bruderrats, die illegalen Vikare der Bekennenden Kirche im predigerseminar Finkenwalde und nach dessen Auflösung in Sammelvikariaten auszubilden (1935-37 bzw. 39). Daß der begabte junge Theologe, dem ein Harnack frühzeitig nahelegte, Kirchenhistoriker zu werden, und dessen Vorlesungen als Privatdozent in Berlin großen Zulauf fanden, in den Pfarrdienst trat, war in Betlin nicht selbstverständlich (zumal er keine "Pfründe" brauchte), aber um so bezeichnender für ihn. 1933 wurde die Kirche, die Bonhoeffer in voller Erkenntnis ihrer Fragwürdigkeit ganz bejahte, die er auch nicht mit der damals unter jungen Theologen üblichen Heftigkeit kritisierte, durch die "Machtübernahme" des Nationalsozialismus in ihrer Existenz bedroht. Bonhoeffer sah in diesem von Anfang an den Feind des Menschen und der Kirche. Nichts an ihm konnte ihn je blenden, nie versuchte er "Positives" von "Negativem" zu unterscheiden, wie es selbst in der Bekennenden Kirche im Anfang nicht selten der Fall war. Er hätte sich darum vielleicht über die Lächerlichkeiten der Irrlehre der "Deutschen Christen" hinweg rasch dem Feind direkt entgegengestellt, hätten diese nicht eben die Macht in der Kirche an sich gerissen und sie so für den bevorstehenden Kampf gelähmt. Weil es ihm um die konkrete Gestalt der Kirche ging, ist er mit aller Leidenschaft und Härte in den Kirchenkampf eingetreten. Sein Denken über die Kirche sieht sich jetzt vor drei Fragen gestellt:
Was ist das Bekenntnis? Bonhoeffer folgt in dieser Frage im Wesentlichen mit den Bruderräten der Linie der Theologischen Erklärung von Barmen (1934). So sei nur sein besonderer Beitrag herausgestellt 8). Die Kirche ist eine geschichtlich gewordene Gestalt. Sie ist frei, sich von ihrem Herrn richten zu lassen und diese ihre 0 r d nun g neu zu finden und zu 8)
Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft. Ev. Theol. 1936, 214-233'.
398-410.
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gestalten. Greift die Welt aber diese ihre Gestalt an, so muß sie dafür kämpfen wie für Christus selbst, denn Kirche ist "Christus als Gemeinde existierend". Kirche ist ferner nur in der Verkündigung und im Bekenntnis zu ihrem Herrn. Wo er gepredigt und geglaubt wird, ist wahre Kirche, - abseits davon nicht. Hieran· erweist sich auch ihre Einheit. Wo darum Lutheranern und Reformierten ein gern ein sam e s B e k e n n t n i s geschenkt wird, erweisen sie sich als ein e Kirche. Von da aus fordert er eine Revision der dieser Einheit entgegenstehenden Stellen der Bekenntnisschriften (408, 227). In dieser Sicht fragt Bonhoeffer: "Ist die Ökumene Kirche?" 9). Sie ist es nur, wenn sie sich der Wahrheits frage mit einem "confitemur" und "damnamus" stellt. Die Antwort, daß die getrennten Kirchen Zweige ein e s Baumes sind, hält nicht stand. Darum hofft er auf ein ökumenisches Konzil, das die Sünde der Kirchen bekennt, in Vollmacht die Wahrheit und die Einheit der Kirche bezeugt und das ein klares Zeugnis gegen die Feinde der Kirche, gegen Krieg, Rassenhaß und soziale Ausbeutung ablegt (261). Das Bekenntnis selbst aber ist keine Dogmatik. Das Augsburgische Bekenntnis wäre als solche schlecht geeignet. Die Theologie liefert die Waffen, die Kirche aber entscheidet über die Lehre, dort wo der Feind sie stellt. Das B e k e n n t n i s ist die E n t s ehe i dun g der Kir ehe übe r ihr e G ren zen (Ev. Th. 1936, S. 222). Sie sind vielgestaltig wie die Welt und nie apriori festzulegen. Irrlehren gibt es in der Kirche immer, aber erst die kir chI ich e E t s c h eid u n g zieht die Grenze. Denn "Kirchengemeinschaft ist etwas qualitativ Totales, keine Mehrheit von Konsenspunkten, sondern Glaubensentscheidung der Kirche" (220). So sind die Verwerfung der deutschchristlichen Lehre in Barmen und die Feststellung von Dahlem, daß die Reichskirchenregierung sich von der christlichen Kirche geschieden habe, Sprüche der Synode, Entscheidungen der Kirche, für die "G 0 t t seI b s t ver a n two r t 1 ich sei n will". Wir können hinter Gottes Wort nicht mehr zurück (225). Gegen diese, für BonhoeIfe'rSKlrdienbegnff so gennzelChnende identifizierung des Synodalbeschlusses mit dem Worte Gottes selbst haben seine Freunde, wie etwa Gollwitzer, Einspruch erhoben: die Synode, die Kirche könne nur für das Wort Gottes Zeugnis ablegen (398 f.).
n
Wo liegen die Grenzen der Kirche? Die Bekennende Kirche ist der Rest der wahren Kirche in der Deutschen Evangelischen Kirche. Diese Grenze zu ziehen, ist freilich eine sekundäre Aufgabe der Kirche, ein Werk des Gesetzes, nicht des Evangeliums - und doch ein letztes HeiIsangebot an die Irrenden: 9)
Die Bekennende Kirche und
di~
Ökume.ne. Ev. Theol.
~935,
245-261.
"Kommt herüber". Aber die Welt schließt sich aus - und die Kirche muß darum ihr gegenüber ihre Grenze je und je bestätigen. Sie kann diese nicht theoretisch objektiv vorher wissen, vielmehr ist die autoritäre Entscheidung der Kirche selbst das Ob j e k t i v e (218). Seit die Bekennende Kirche die Trennung der Deutschen Christen von der wahren Kirche "festgestellt" hat, hat sie nun selbst den Auftrag, die ein e, wahre Kirche Christi in Deutschland 10) zu sein. Darum: "Wer si c h w iss e n t 1 ich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, t ren n t si c h vom He i 1" (231), denn das Heil gibt es nur in der sichtbaren Kirche. ,;Wenn einer das Evangelium so lauter verkündete wie der Apostel Paulus, und er wäre dem Papst oder der Reichskirchenregierung gehorsam, so wäre er ein Irrlehrer und ein Verführer der Gemeinde" (232). So kann Bonhoeffer sogar fragen, ob nicht allein die DC-Pfarrer, sondern auch die DC-Laien, ja, die sog. "Neutralen" sich nicht sch.on endgültig von der Kirche Christi geschieden hätten (229-230). Daß diese schroffen Sätze Sturm erregten und Bonhoeffer in den Augen vieler als Außenseiter erscheinen ließen, ist nicht verwunderlich. Dennoch würde ihn völlig mißverstehen, wer ihn als fanatischen Richter und Rechthaber beurteilen würde. Bonhoeffer zieht in dieser Zeit die Grenze um die Kirche bewußt eng, weil sie zum Kampf gefordert ist, nicht um andere zu verurteilen. "Des Volkes ist zu viel", über diesen Text der Gideonsgeschichte hielt er 1933 eine seine Studenten sehr erregende Predigt. In der "Nachfolge" 11) zieht er dann anhand der paulinischen Stellen über die Heiligung und die Gemeindezucht diese Linie aus: Die Heiligung der Gemeinde durch das Siegel Gottes bedeutet ihre "k 1 are A b s 0 n der u n g von der We 1 t" 1199). In der Kraft dieses Siegels muß die Gemeinde Gottes Anspruch auf die ganze Welt geltend machen, muß sie zugleich einen bestimmten Raum in der Welt für sich beanspruchen und damit die Grenzen zwischen sich und der Welt klar ziehen. Es ist falsche geistliche Sucht, heilig sein zu wollen außerhalb der sichtbaren Gemeinde der Brüder. "Absonderung von der Welt ist der heilige Kampf der Kirche um das Heiligtum Gottes auf Erden" (201). "Ihre ,politische Ethik' hat ihren einzigen Grund in ihrer Heiligung, daß Welt Welt sei und Gemeinde Gemeinde" (200). Der Irrlehrer wie der zuchtlos nach den Werken des Fleisches Lebende (Gal. 3, 28) müssen darum ausgeschlossen werden. Das geschieht nicht, um eine Gemeinde der Vollkommenen zu schaffen, sondern es dient der Erbauung der Gemeinde "im Dienst der teuren Gnade Gottes" (208). Der Weg des Ausschlusses muß ein langer, bedachter, seelsorglicher sein. - Der Christ soll indessen in seinem Beruf bleiben, aber nicht weil die Welt reformbedürftig, sondern zum A b b ru ehr e i fist (182). 10) Vgl. den in Treysa festgelegten offiziellen Namen "Evangelische Kirche in Deutschland". 11) Nachfolge. 4. Aufl. München 1952.
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Wie lebt die Kirche? Bonhoeffer hat seine "Nachfolge" geschrieben und in seinem Predigerseminar echte Bruderschaft eingeübt, weil er sich klar war, daß die Kirche bei aller Bekenntnistreue ohne Gemeinschaft verloren gehen würde. Seine Gabe, Menschen verpflichtend zu binden, hat sich in diesen Jahren 1935-1939 besonders gezeigt, und es ist zu hoffen, daß Berichte über Finkenwalde veröffentlicht werden können. Er selbst hat seine Erfahrungen in der Schrift "Gemeinsames Leben" niedergelegt. Im zweiten Teii der "Nachfolge" stellt er dar, daß die Kirche nach Gottes Willen "R a u m" in der Welt beanspruche, und zwar 1. zur Ver k ü n d i gun g an Gläubige und Ungläubige, 2. für die Gestaltung ihrer Gern ein deo r d nun g, Ämter und Dienste, und 3. für die Leb e n s gern e in sc ha f t. Das dritte ist ihm besonders wichtig. "In der Jüngergemeinde spielt sich das ganze Leben des einzelnen ab." "Die leibliche Gegenwart des Sohnes Gottes fordert den leiblichen Einsatz für ihn und mit ihm im täglichen Leben." Die Koinonia der Jünger (Apg. 2,42; 4, 32) steht zwischen Predigt und Abendmahl. "Diese sichtbare Gemeinde der völligen Lebensgemeinschaft bricht herein in die Welt und entreißt ihr ihre Kinder" (177). ';,Es ist eine böse Verkürzung, wenn die Gabe der Taufe auf die Teilnahme an Predigt und Abendmahl ... beschränkt wird. Vielmehr ist mit der Taufe der Raum des gemeinschaftlichen Lebens . . . in sämtlichen Lebensbeziehungen jedem Getauften vorbehaltlos aufgetan. Wer einem getauften Bruder die Teilnahme am Gottesdienst gewährt, ihm aber im täglichen Leben die Gemeinschaft versagt, ihn mißbraucht oder verachtet, der macht sich am Leibe Christi selbst schuldig" (178). Daß Bonhoeffer hier die Christen jüdischer Herkunft, aber noch mehr darüber hinaus im Auge hat, ist deutlich. Wir müssen uns mit diesen Andeutungen über die bruderschaftliche Kirche begnügen, um zu der letzten Wendung in seiner Theologie zu kommen.
Kirche für die Welt Mit dem Bild der bekennenden und nachfolgenden Gemeinde, die scharf ihre Grenzen zieht, scheint Bonhoeffers Bild von der Kirche abgeschlossen. Dennoch nimmt sein Denken in den letzten, schwersten Jahren seines Lebens 1940-1945 eine neue überraschende Wendung. Als 1940 die letzten Vikare seiner illegalen Sammelvikariate zum Wehrdienst einrückten, kehrte Bonhoeffer nach Berlin zurück. Ein Reichsrede- und -publikationsverbot verhinderte seine öffentliche Tätigkeit. So konnte er an der ihm sehr wichtigen "Ethik" arbeiten. Zugleich aber trat er mit den Männern der Widerstandsbewegung in immer engere Berührung, insbesondere auch durch seinen Dienst in der "Abwehr" des Oberkommandos der Wehrmacht unter Admiral Canaris mit dem Auftrag, die Fühlung mit den Kirchen des Auslands
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zu halten. Am 5. 4. 1943 wurde er aus ungewissem Verdacht ohne hinreichende Gründe von der Gestapo verhaftet. Die Begegnung mit den Männern des Widerstands, einem Typ, der ihm auch vorher nicht fremd war, forderte ihn heraus, sein Denken von der Kirche zu überprüfen. Hier waren weithin säkulare Menschen - wie etwa Helmuth von Moltke - , die bereit waren, dem Unrecht entgegenzutreten, stellvertretend für die Entrechteten ihr Leben zu opfern und der Gewalt Widerstand zu leisten. Hinter den "Guter(, die ihn in der Ethik beschäftigen, hinter der "mündig gewordenen Welt" seiner letzten Briefe sind Männer dieser Art zu erkennen. Sind sie ohne Auftrag von Christus'? Wird die Kirche ihnen gerecht, wenn sie sie "bevormunden" will oder sie "unvornehm und unchristlich" an ihren schwachen Stellen zu überrumpeln und als Sünder in die Knie zu zwingen versucht, um ihnen dann doch nur eine religiöse Existenz am Rande ihres verantwortlichen Lebens bieten zu können? Ja, lebt der Nachfolger Jesu wirklich in einer so anderen Welt als sie? "Wer zu schnell und direkt neutestamentlich sein und empfinden will, ist m. E. kein Christ ... Wir leben im Vorletzten und glauben an das Let z te, ist es nicht so? Lutheraner (sogenannte) und Pietisten würden eine Gänsehaut bei diesem Gedanken kriegen, aber richtig ist er darum doch. In der ,Nachfolge' habe ich diesen Gedanken nur angedeutet (im ersten Kap.) und nachher nicht richtig durchgeführt. Das muß nun später geschehen. Die Konsequenzen sind aber weittragende u. a. für das katholische Problem, für den Amtsbegriff, für den Gebrauch der Bibel und vor allem eben für die Ethik" (WE 113). In der ersten Phase seines Denkens hatte Bonhoeffer den Kirchenbegriff mit dem Gedanken des "objektiven Geistes" weit gespannt, in der zweiten ihn um des Bekenntnisses willen eingeengt. In dieser dritten Phase sieht er ihn in neuer, gereifter Form in seiner ganzen Weite. Christus erhebt seinen G an z h e i t s - und seinen Aus s e h I i e ßliehkeitsanspruch (E. 160): "Wer nicht wider uns ist, der ist für uns" (Me. 9, 40), und "Wer nicht für uns ist, der ist wider uns" (Matth. 12, 30). Der Ausschließlichkeitsanspruch wurde im Kirchenkampf deutlich: !iel!!ralität bedeutete Zersetzung und Auflösung der Kirche. Wo sich aber die immer klemer werdende SChar der Fora:erungeines klaren Christusbekenntnisses stellte, "da empfing sie gerade durch diese Konzentration auf das Wesentliche eine innere Freiheit und Weite, die sie vor allen ängstlichen Grenzziehungen bewahrte, da sammelten sich um sie Menschen, die aus weiter Ferne kamen ... da fragte das verletzte Recht, die unterdrückte Wahrheit, die erniedrigte Menschlichkeit, die vergewaltigte Freiheit nach ihr oder vielmehr nach ihrem Herrn, Jesus Christus" (161). So trat der Ganzheitsanspruch Christi, "die Weite seines Herrschaftsbereichs", hervor: "te aus.s.chließlicher. desto freier" .. Denn Christus "ist die Mitte und die Kraft der Bibel, der Kirche, der Theologie, aber auch der Humanität, der Vernunft, des Rechts, der Bildung. Zu ihm muß alles zurück, nur in ihm kann es leben" (166).
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In dieser Sicht taucht die Kirche bei der Frage der "Ethik als Ges tal 1; u n g'" wieder auf. "Nicht christliche Menschen gestalten mit ihren Ideen die Welt, sondern Christus gestaltet die Menschen zur Gleichgestalt mit ihm." "Gestaltung gibt es allein als Hineingezogenwerden in die Gestalt Jesu Christi, als Gleichgestaltetwerden mit der einzigen Gestalt des Menschgewordenen, Gekreuzigten und Auferstandenen" (24). "Er, der die Gestalt des Menschen trug, kann nur in einer kleinen Schar Gestalt gewinnen: das ist sein Kirche", sein Leib. Aber "das Bild, nach dem sie gestaltet wird, ist das Bild der M e n s c h he i t. Was sich in ihr ereignet, geschieht vorbildlich und s tell vert r e t end für alle Menschen" (26). Sie hat keine eigene Gestalt neben Christus, sie hat es auch nicht zunächst wesentlich mit "Religion" zu tun, sondern mit dem Gestaltwerden Christi unter einer Schar von Menschen in ihrem ganzen Daseinsbereich (26). Dazu hat Christus einen Ausschnitt der Menschheitsgeschichte, das Abendland ausgewählt (39). Daß es eine Einheit darstellt, ist allein in Christus begründet (33). Die Kirche existiert also stellvertretend für die Menschheit, deren Herr Christus der Versöhner bereits ist. Sie ist darum 0 f f e n für die Welt. Dem Weitergehen auf diesem Wege steht aber "ein K 0.1 0 ß, ein Großteil des traditionellen christlichen Denkens" entgegen, das immer von "zwei Räumen" ausgeht: der eine "göttlich, heilig, übernatürlich, christlich", der andere "weltlich, profan, natürlich, unchristlich". So wird die Sache Christi zu einer "provinziellen Angelegenheit innerhalb des Wirklichkeitsganzen" . Qer Mensch "will Christus ohne die Welt oder die Welt ohne Chrjstu§" (61/62). Diesen ."Koloß" sucht Bonhoeffer zu sprengen.
Der Ganzheitsanspruch Christi und die Kirche "Jesus Christus, der ewige Sohn beim Vater in Ewigkeit, - das bedeutet, daß nichts Geschaffenes gedacht und in seinem Wesen begriffen und erkannt werden kann ohne Christus, den Mittler der Schöpfung. Durch ihn und zu ihm ist alles geschaffen, und alles hat seine Existenz nur in ihm" (231). Er ist Herr über Menschen und Dinge, Staat, Familie und Wirtschaft. "Dabei geht es nicht um den ,christlichen Staat' und die ,christliche Wirtschaft', sondern um den rechten Staat, die rechte Wirtschaft als weltliche Ordnung um Christi willen" (252). Darum empfängt die Welt von ihm ihre vi e r Mand a t e: die A r bei t, die Ehe, die 0 b r i g k e i t, die Kir c h e (70 ff.). Jedes Mandat gilt jedem Menschen, er muß allen gehorsam sein. Sie haben ihr Urbild in der himmlischen Welt: "Ehe - Christus und Gemeinde; Familie - Gott Vater und Sohn, Bruderschaft der Menschen mit Christus; Arbeit - der schöpferische Dienst Gottes und Christi an der Welt und der Menschen an Gott; Obrigkeit - Herrschaft Christi in Ewigkeit; Staat - Polis Gottes" (257). Es handelt sich "in den Mandaten nicht um Aufteilung und Zerreißung des Menschen,
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sondern um den ganzen Menschen vor Gott, dem Schöpfer, Versöhner und Erlöser". "Der Mensch ist nicht der Ort, an dem die Unvereinbarkeit dieser göttlichen Mandate sich erweisen soll" 12), sie werden vielmehr "im konkreten Leben" des Menschen unter Christus zur Einheit (73). Aber die Herrschaft Christi über alle Kreatur ist nicht gleichbedeutend mit einer Herrschaft der Kirche in der Welt. Christusherrschaft heißt für die weltlichen Ordnungen vielmehr "Befreiung zu echter Weltlichkeit" (256). Seltsamerweise zeigt sich auch bei guten Freunden Bonhoeffers ein gewisses Achselzucken angesichts seiner Sätze über die "Mandate". Indessen liegt eben in diesen, leider nur skizzenhaften Sätzen viel hilfreicher Sprengstoff, um aus altverhärteten Fragestellungen herauszukommen. - Es ist wohl nicht nötig zu betonen, daß es Bon.hoeffer nicht einfällt, eine Theologie der Schöpfungsordnungen zu vertreten, wie sie in jenen Jahren gelehrt wurde. Die weltlichen Mandate sind für Bonhoeffer wohl eigenständig, doch niemals im Sinn einer unmittelbaren Beauftragung der Welt durch einen Schöpfergott abseits von Christus. Vielmehr, weil Christus für ihn der Pantokrator ist, muß er das Verhältnis von Kirche und Welt neu sehen. Durch sein Schema der "Mandate" will Bonhoeffer e r s t e n s jenen "Koloß", den Gegensatz Kirche-Welt, geistlich-weltlich, bzw. die spätlutherische Form der Lehre von den beiden Reichen beseitigen 13). Die "Mandate" wie Ehe usw. sind der Welt gerade nicht als "Ordnungen" in eigene Regie gegeben, sondern sind Verantwortung fordernder "Auftrag", Mandat. Das bedeutet, daß sie ebenso wie die Kirche unter dem Gebot der Versöhnung, der Liebe, der Stellvertretung stehen, das von dem Versöhner Christus ausgeht. Z w e i t e n s rückt die Kirche in die Reihe der Mandate ein, es wird damit ihr beg ren z t e r Auftrag in dem Äon des "Vorletzten" unterstrichen. Die Kirche hat wohl das wichtigste Mandat, nämlich der Welt in all ihren Mandaten das richtende und versöhnende Wort Christi zu sagen, aber sie herrscht keineswegs überall dort, wo Christus herrscht, wie auch die Herrschaft Christi keineswegs auf den Bereich der Kirche eingeengt ist. Um ihr Mandat wahrzunehmen, muß die Kirche d r i t t e n s ein eigenes "G e m ein wes e n" sein. Dieses umschließt die "Menschen, die an sich geschehen lassen, was eigentlich von Gott her an allen Menschen geschehen sollte, Menschen also, die stellvertretend für die ganze Welt dastehen" (232). Die Kirche übt diese Stellvertretung in doppelter Weise aus: sie "steht an der Stelle, an der die ganze Welt stehen sollte, insofern die n t sie s tell ver t r e t end der W e 1 t". "Andererseits kommt die Welt dort zu ihrer Er füll u n g, wo die Gemeinde steht." So ist die Kirche einerseits (als Werkzeug ihres Herrn) auf die Welt, andererseits als "Stätte der Gegenwart Christi" in der Welt auf sich selbst (als Selbstzweck) ausgerichtet. So Bonhoeffer denkt dabei an die traditionelle Deutung der Bergpredigt. Vgl. die Kapitel "Die Lehre vom primus usus legis nach den lutherischen Bekenntnisschriften" und "Staat und Kirche" in der Ethik, S. 237 ff. und 259 ff. 12)
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bringt sie in ihrer "Umgrenztheit die Unbegrenztheit der Christusbotschaft zum Ausdruck" (233). Bonhoeffer geht es um ein Doppeltes: einmal, daß die Kirche in ihrer irdischen Gestalt wirklich Kirche sei, daß sie den Dienst der Stellvertretung in der Liebe, im Tragen des Kreuzes tue und nicht allein in der Predigt an andere ausrichte, zum anderen, daß die Kirche ihrem Herrn, dessen Wort sie der Welt zu sagen schuldig ist, seinen weiten Herrschaftsbereich zuerkenne, ihm zutraue, daß er durch sein Wort und auf verborgene Weise dort in Menschen sein Werk ausrichte, wo es ihr nicht gegeben ist, sie in die Gemeinde hineinzuführen. Von hier aus wird seine radikale Kritik an der Kirche verständlich, wie sie in den Gefangenschaftsbriefen leidenschaftlich hervorbricht. Sie ist auch Kritik an der Bekennenden Kirche, ja seiner eigenen·Position in der "Nachfolge". Er sieht die Kirche vor sich, die angesichts des ständig schrumpfenden Bereichs der Religiosität einen hoffnungslosen Kampf um ihre Selbsterhaltung kämpft. Angesichts der "mündig gewordenen Welt" versucht sie, "einen Raum für Religion in der Welt oder gegen die Welt auszusparen" (WE 218/19). Barth hat diesen Fehler aufgezeigt. "Die Bekennende Kirche nun hat weithin den Barthschen Ansatz überhaupt vergessen und ist . . . in die konservative Restauration geraten" (220). "Die Verdrängung Gottes ... aus der Öffentlichkeit der menschlichen Existenz" veranlaßt die Kirche dazu, den Menschen nun bei seinen persönlichen Schwächen zu behaften, ihn "religiös zu erpressen" (234), um seine "Innerlichkeit" zu retten. "Ich will also darauf hinaus, daß man Gott nicht noch an irgendeiner allerletzten heimlichen Stelle hineinschmuggelt, sondern daß man die Mündigkeit der Welt und des Menschen einfach anerkennt, daß man den Menschen in seiner Weltlichkeit nicht ,madig macht', sondern ihn an seiner stärksten Stelle mit Gott konfrontiert." "Dem Wort Gottes ist die Zudringlichkeit aller dieser Menschen viel zu unaristokratisch . . . es regiert" (236). Bonhoeffers Vorwurf geht dahin, daß auch die getreue Kirche jener Kampf jahre der Vollmacht ihres Herrn über alle Lebensbereiche nicht traut, sondern daß sie Seelen für den religiösen Bereich zu retten und damit ihre eigene Selbsterhaltung zu sichern sucht. Darum schreibt er in seinem testamentarischen Patenbrief für seinen Neffen Dietrich Bethge: "Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschheit und für die Welt zu sein. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im B e t e n und im Tun des Ger e c h t e n unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muß neugeboren werden aus diesem Beten und aus diesem Tun. Bis Du groß bist, wird sich die Gestalt der Kirche sehr verändert haben ... jeder Versuch, ihr vorzeitig zu neuer organisatorischer Machtentfaltung zu verhelfen, wird nur eine Verzögerung
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ihrer Umkehr und Läuterung sein ... der Tag wird kommen, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert" (206/207). Mit diesen Gedanken verbindet Bonhoeffer in "Widerstand und Ergebung" eine scharfe Kritik am Pie t i s mus. Für die oft pietistisch geprägten Kerngemeinden der Bekennenden Kirche war ja die Scheidung von der Welt, wie sie im Kirchenkampf sachlich notwendig war, keine schmerzhafte Sache. Das Herausziehen der wahren Bekenner aus der massa perditionis der verweltlichten Landeskirchen, der Abschluß von der Welt entsprachja ihren eigensten Hoffnungen. Damit aber kam die Gefahr herauf, daß die Kirche aus der Welt ging, daß sie nicht für die Welt da war, daß sie eben für ihre Selbsterhaltung kämpfte, anstatt der Welt das "versöhnende und erlösende Wort" zu sagen. Hiervor ist Bonhoeffer zutiefst erschrocken: kämpfte man für eine vergehende Religion angesichts einer mündig gewordenen Welt? In einer letzten Skizze aus dem Gefängnis schreibt er: "Die evangelische Kirche: Pietismus als letzter Versuch, das evangelische Christentum als Religion zu erhalten; die lutherische Orthodoxie, der Versuch, die Kirche als Heilsanstalt zu retten; Bekennende Kirche: Offenbarungstheologie ... Entscheidend: Kirche in der Selbstverteidigung. Kein Wagnis für andere" (258/259). Stätte der Gegenwart Christi Die Kirche, die darin versagt, Kirche für andere zu sein, nimmt aber andererseits auch ihr Mandat nicht ernst, Stätte der Gegenwart Christi zu sein. Sie weiß nicht, wer sie selbst ist. "Man braucht nur an die liturgische Armut und Unsicherheit unserer heutigen evangelischen Gottesdienste, an die Schwäche der kirchlichen Ordnung und des kirchlichen Rechtes - an das fast vollständige Fehlen einer echten Kirchenzucht -, an die Unfähigkeit weitester evangelischer Kreise, die Bedeutung von Zuchtübungen - also etwa geistlicher Exerzitien, Askese, Meditation, Kontemplation - übe~haupt zu verstehen, an die Unklarheit über den ,geistlichen Stand' und seine besonderen Aufgaben, - aber schließlich auch an die erschreckende Ratlosigkeit oder Überheblichkeit unzähliger evangelischer Christen angesichts von christlichen Eidesverweigerern, Kriegsdienstverweigerern usw. zu denken und zu erinnern, um alsbald zu empfinden, wo der Mangel der evangelischen Kirche liegt . . . Unter diesem Mangel muß die Kraft, die Fülle, der Reichtum der Verkündigung selbst leiden, weil ihr der fruchtbare Boden fehlt" (Ethik 234) 14). Leider bricht dieses 14) In dieser neuen Sicht hat sich auch Bonhoeffers Amtsbegriff gewandelt. Hat er früher gesagt, daß die sanctorum communio das "Amt" (er setzt es in Anführungszeichen) "stifte" (SC 177), so heißt es jetzt: das Wort "setzt" "ein klares Gegenüber von Oben und Unten". "Der Prediger ist nicht der Exponent der Gemeinde, sondern . . . der Exponent Gottes
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Kapitel der Ethik hier unvollendet ab, und auch in den Briefen deutet Bonhoeffer nur an, daß er über die Bedeutung des Kultus schreiben wolle (WE 260). Bezeichnend ist der Satz: "Gewiß sind in diesen (großen theologischen) Begriffen" (der Bekennenden Kirche) die Elemente der e c h t e n Pro p h e t i e ... wie des e c h t e n Ku I t e s enthalten und insofern findet das Wort der B. K. überhaupt nur Aufmerksamkeit, Gehör und Ablehnung" (WE 220). Im Predigerseminar hat er einmal gesagt: "Wer für die Juden eingetreten ist, darf auch gregorianischen Choral singen." Es hieße also Bonhoeffers Forderung der "religionslosen Verkündigung" an die "mündig gewordene Welt" gründlich mißverstehen, wollte man daraus folgern, die Kirche dürfe nicht mehr sie selbst sein. Sie hat das Mandat, "Raum" nicht nur für ihre Verkündigung, sondern auch für die Anbetung und die brüderliche Gemeinschaft, ja für vorbildliches Leben (WE 262) zu beanspruchen und auszufüllen. Aber Bonhoeffer sieht diesen Raum nun nicht mehr von der Peripherie, von seinen Grenzen, sondern von seinem Zentrum, von der Gegenwart Christi bestimmt. Der pietistische Kirchenbegriff ist hier ebenso überwunden wie der liberale. Die Kirche, die sie selbst ist, ist zugleich weit offen für den ganzen Bereich der Herrschaft Christi. Darum kann er den erstaunlichen Satz schreiben: "Ob vielleicht der Begriff der Kirche es ist, von dem aus allein das Verständnis für den Spielraum der Freiheit (Kunst, Bildung, Freundschaft, Spiel) wiederzugewinnen ist, also die ,ästhetische Existenz' (Kierkegaard) gerade nicht aus dem Bereich der Kirche zu verweisen, sondern gerade in ihr zu begründen wäre?" (136). Indem Bonhoeffer die Kirche auf ihr besonderes Mandat begrenzt sieht, vermeidet er ihre Verwechslung mit dem Re ich eGo t t e s. Diesem müssen alle Mandate dienen. Es kommt jedoch nicht durch die Distanzierung der Kirche von der Welt. "Stehen wir nicht alle unter dem Eindruck, daß es wichtigere Dinge gibt als diese Frage (nach dem persönlichen Seelenheil) . . . Ist nicht die Gerechtigkeit und das Reich Gottes auf Erden der Mittelpunkt von allem? ... Nicht um das Jenseits, sondern um diese Welt, wie sie geschaffen, erhalten, in Gesetze gefaßt, versöhnt und erneuert wird, geht es doch. Was gegenüber der Gemeinde". "Dieses Amt ist unmittelbar von Jesus Christus gesetzt, es empfängt seine Legitimation nicht durch den Willen der Gemeinde, sondern durch den Willen Jesu Christi ... Es ist gleichzeitig mit der Gemeinde" (Ethik 227). Die Gemeinde soll es ehren, ihm dienen, es aber nicht in Abhängigkeit von sich zu bringen suchen (228). Dieser neue Amtsbegriff ist darin begründet, daß das Amt - im Unterschied von der Gemeinde - den Dienst der Verkündigung an die W e I tin allen ihren Mandaten auszurichten hat (259). Es dient dem Ganzheitsanspruch Christi. Das Wort dringt auch dorthin, wo die Gemeinde nicht regieren und ordnen kann. So hat dieser Amtsbegriff mit Hierarchie nichts zu tun. Das Amt greift mit dem Wort in die Welt hinaus, die Gemeinde aber wirkt in die Welt hinein durch ihren Dienst, ihre Offenheit, ihr stellvertretendes Sein, nicht aber durch ihre Herrschaft.
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über diese Welt hinaus ist, will im Evangelium für diese Welt da sein; ich meine das nicht in dem anthropozentrischen Sinne der liberalen, mystischen, pietistischen, ethischen Theologie, sondern in dem biblischen Sinne der Schöpfung und der Inkarnation, Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi" (184). Es ist besonders schmerzlich, daß Bonhoeffer uns seine letzte große Konzeption der Kirche nur in Bruchstücken angedeutet hat, ehe ihm der Tod die Feder aus der Hand nahm. Seine Ethik, zwischen den Kämpfen des Tages entworfen, und seine Briefe aus dem Gefängnis geben uns nur Andeutungen. Immer deutlicher ist der tragende Kontrapunkt vernehmbar geworden: Die Kirche, die aus der Stellvertretung Christi und darum in der Stellvertretung lebt, muß ganz für die Welt da - und muß zugleich ganz sie selbst sein. Nur das ist Stellvertretung. Die Folgerungen daraus zu ziehen, hat er uns als Aufgabe überlassen: Daß dieser Ansatz nicht vergessen ist, zeigt ein schlichtes Wort Reinold von Thaddens: "Wir müssen in der evangelischen Kirche viel geistlicher werden, als wir es oft gewohnt waren. Wir müssen in der evangelischen Kirche viel weltlicher werden, als wir uns in der Vergangenheit getrauten."
Zu Bonhoeffers Gedanken über die mündig gewordene Welt Von Oskar Hammelsbeck Zum Pro b I emd e r "M ü n d i g k e i t" Vorbemerkung. Fast am Schluß des Buches mit den Briefen aus der Haft (Widerstand und Ergebung S. 262) steht der "Entwurf einer Arbeit". Sie sollte ausführlich handeln von der "Religionslosigkeit des mündig gewordenen Menschen", von der "Weltlichkeit" und von der "Kirche". Die drei letzten Sätze lauten: "Es liegt mir daran, einmal den Versuch zu machen, einfach und klar gewisse Dinge auszusprechen, um die wir uns sonst herumdrücken. Ob es gelingt, ist eine andere Frage, zumal ohne die Hilfe des Gespräches. Ich hoffe damit für die Zukunft 'der Kirche einen Dienst tun zu können." Wir, Bonhoeffers Freunde und Gesprächspartner, nehmen diesen Dienst auf, mitten in einer Restaurationsepoche, in der wir uns weiterhin um diese Dinge herumdrücken. Die Verantwortung ist uns klar: Wir müssen die kaum eröffneten Einsichten erweitern, ohne uns von mancher billigen und modischen Zustimmung noch von mancher konfessionalistisch erstarrten Ablehnung beirren zu lassen. Das Wort von der "mündig gewordenen
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Welt" hat viel Aufmerken erregt. Es kann liberalistisch mißverstanden werden. Die knappe Form der Einfälle und Äußerungen, in den Gefängnisbriefen unv&'meidlich, mußte vieles beim Andeuten und beim Bedenklichen belassen. Aber wir können vom unmittelbaren Gedankenaustausch vor der Verhaftung her, in dem diese Probleme schon lebendig waren, den Zusammenhängen nachspüren, und wir können vom Vermächtnis des Nachlasses her das Gespräch fortsetzen. Es darf also keine einlinige Interpretation erwartet werden, sondern nur der Versuch, als Beteiligter mitzudenken, kritisch nachzuvollziehen und weiterzudenken. . Wir stellen zunächst fest: Das Wort von der "mündig gewordenen Welt" wird als eine Aussage über die geschichtliche Situation zur theologischen Frage erhoben, und zwar in den beiden Formulierungen: "Christus und die mündig gewordene Welt" (WE 218), sowie "die Inanspruchnahme der mündig gewordenen Welt durch Jesus Christus" (WE 231). Wir können theologisch nicht von der mündig gewordenen Welt sprechen, ohne danach zu fragen, wie der Herr Christus diese Welt annimmt oder verwirft. Gefragt ist, wie diese Welt dur c h Christus in Anspruch genommen wird. Nur im Aufsehen auf Christus kann die Apologetik abgewehrt werden (WE 216 f.), die "versucht, cler mündig gewordenen Welt zu beweisen, daß sie ohne den Vormund ,Gott' nicht leben könne". Es gilt, in der sprachlichen Verwendung radikal zu scheiden und den gefährlichen Schlendrian abzutun. Das Wort "Gott" ist nur eine religiöse Formel, eine Chiffre für Transzendenz (Jaspers), die herhalten muß, wo das menschliche Begriffs- und Anschauungsvermögen zu Ende ist, oder - wie Bonhoeffer (WE 210) sagt - "Lückenbüßer unserer unvollkommenen Erkenntnisse" oder (WE 259) "ein Stück prolongierter Welt". Er betont deshalb von seiner Liebe zum Alten Testament her (WE 112): "Nur wenn man die Unaussprechlichkeit des N amens Gottes kennt, darf man auch einmal den Namen J esus Christus aussprechen" und - fügen wir hinzu - dann von Gott als unserem Vater reden. Wenn es nun in der mündigen Welt keinen Vormund-Gott mehr gibt, so ist um so mehr zu fragen, "wer Christus heute für uns eigentlich ist" (WE 178). Dieser Zusammenhang muß besonders beachtet werden. Mündig gewordene Welt. das heißt: Qje Welt ist der religiösen Vormundschaft entwachsell. Für sie gilt in be:;;timmter Weise Nietzsches Satz "Gott ist tot"; aber in der christlichen Gemeinde gilt dennoch der Glaube: Christus lebt. Wir wollen uns kurz vergegenwärtigen, was in den Gefängnisbriefen hierzu geäußert wird.. Im Brief vom 8. 6. 44 (WE 215 f.) heißt es: "Der Mensch hat gelernt in 11 n w' tigen Fragen mit sich selbst fertig zu :;;e-: e 1 e der A eits 0 ese: . wegung "in der Richtung auf die menschliche Autonomie' e mnt im 13. Jahrhundert. Bonhoeffer versteht darunter "die Entdeckung der Gesetze, nach denen die Welt in Wissenschaft, Gesellschafts- und Staatsleben, Kunst, Ethik und Religion lebt und mit sich selber fertig wird." "Es zeigt sich, daß alles auch ohne ,Gott' geht und zwar ebensogut wie vorher." ",Gott' wird immer weiter aus dem Leben zurückgedrängt, er verliert an Boden." Diese Vorgänge "lösen die Attacke der chrlstli~:hen 4po.\ogp tik auf die
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mündig gewordene Welt" aus, die Bonhoeffer als sinnlos, unvornehm und unchristlich bezeichnet. "Sinnlos - weil sie mir wie der Versuch erscheint, einen zum Mann gewordenen Menschen in seine Pubertätszeit zurückzuversetzen, d. h. ihn von lauter Dingen abhängig zu machen, von denen er faktisch nicht mehr abhängig ist ... Unvornehm, weil hier ein Ausnützen der Schwäche eines Menschen zu ihm fremden, von ihm nicht frei bejahten Zwecken versucht wird. Unchristlich - weil Christus mit einer bestimmten Stufe der Religiosität des Menschen, d. h. mit einem menschlichen Gesetz verwechselt wird." "Zwar muß die Welt besser verstanden werden, als sie sich selber versteht!, aber eben nicht ,religiös"', heißt es an späterer Stelle. "Barth erkannte als erster den Fehler dieser Versuche darin, daß sie alle darauf ausgehen, einen Raum für Religion in der Welt oder gegen die Welt auszusparen. Er führte den Gott Jesu Christi gegen die Religion ins Feld." Die dagegen "nach ,religiöser Erneuerung' suchen (wie etwa die Oxforder oder die Berneuchener), haben das Problem überhaupt noch nicht erkannt und reden gänzlich an der Sache vorbeL" Neben solchen Äußerungen müssen wir die im Brief vom 30. 4. 44 (WE 178 f.) hören: "Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, was das Christentum oder wer Christus heute für uns eigentlich ist. Die Zeit, in der man alles den Menschen durch Worte - seien es theologische oder fromme Worte - sagen konnte, ist vorüber; ebenso die Zeit der Innerlichkeit und des Gewissens, und das heißt eben die Zeit der Religion überhaupt. Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen ... ,Christentum' ist immer eine Form (vielleicht die wahre Form) der ,Religion' gewesen. Wenn nun aber eines Tages deutlich wird, daß dieses (religiöse) ,Apriori' gar nicht existiert, sondern daß es eine geschichtlich bedingte und vergängliche Ausdrucksform des Menschen gewesen ist, wenn also die Menschen wirklich radikal religionslos werden - und ich glaube, daß das mehr oder weniger bereits der Fall ist ... - was bedeutet dann für uns das ,Christentum'? Unserem ganzen bisherigen ,Christentum' wird das Fundament entzogen, und es sind nur noch einige ,letzte Ritter' oder ein paar intellektuE>ll Unredliche, bei denen wir ,religiös' landen können ... Wenn wir das alles nicht wollen, wenn wir schließlich auch die westliche Gestalt des Christentums nur als Vorstufe einer völligen Religionslosigkeit beurteilen müßten, was für eine Situation entsteht dann für uns, für die Kirche? Wie kann Christus der Herr auch der Religionslosen werden? Gibt es religioiislose"" Christen ? Wenn die Religion nur em Gewand des Christentums ist ... was ist dann ein religionsloses Christentum?"
Mit diesen und ähnlichen wenigen Sätzen, zum Widerspruch reizend, ungeschützt und ja auch nur ins Unreine geredet, müssen wir nun ins Reine zu kommen suchen. Wir spüren den Ernst und das Wagnis und nehmen mit eigenem Ernst und eigenem Wagnis daran teil. Um teilzunehmen, müssen wir uns freilich mit der neueren Theologie dafür entschieden haben, das Evangelium nicht mehr auf den Nenner Religion, auch nicht den einer christlichen Religion zu bringen. er Oberbegriff Religion ilt für das Evangelium nicht .!!!fh!:. Die Gleichse .zung war zuvor so allgemein gewesen, daß man wie Bonhoeffer so Widersprüchliches feststellen kann, das Christentum sei immer eine Form der Religion gewesen, wie auch von der Religion als Gewand des Christentums. Erst wenn wir zu scheiden und zu unterscheiden wissen zwischen Evangelium und Reli
Welt, als die unüberschreitbare Grenze. Nun muß sie sich dartiber Rechenschaft geben. Da es nun aber nicht die Kirche ist, die die Grenzen setzt, die ausschließt, sondern da die Welt diese Grenzen willkürlich setzt, sich aus der Kirche ausschließt, indem sie nicht hört und glaubt, kann die Kirche nicht apriori darüber bestimmen, wo ihre Grenzen laufen müssen, sondern sie wird immer nut die jeweils bereits vorhandene Grenze, dIe von~ußen gegen sie aufgerichtet ist, zur Kenntnis nehmen und bestätigen können. Nicht die Kirche verfügt darüber, in welcher Weise sich der Unglaube gegen sie abgrenzt. Die Kir ehe ver füg t n ich t übe r ihr e G ren zen und ihr e n U m fan g. Darum wird die Konstatierung der Grenze jeweils eine verschiedene sein. Weil das Wissen um den Umfang nicht theoretisch zur Verfügung steht, sondern jeweils gewonnen werden muß, darum gibt es keine theoretischen Maßstäbe, nach denen sie die Zugehörigkeit zur Kirche bestimmen könnte. Gäbe es solche, so hätte sich die Kirche selbst in ihrem Anspruch schon gesetzlich mißverstanden, wie im Katholizismus, in der Orthodoxie, im Pietismus. Das bringt in die Bestimmung der Grenzen der Kirche für den reformatorischen Kirchenbegriff das Moment der lebendigen Entscheidung. Wo die Grenzen der Kirche liegen, entscheidet sich immer nur in der Begegnung zwischen Kirche und Unglaube, ist also ein Akt der E n t sc h eid u n g der Kirche; wüßte sie es von vornherein, dann hätte sie sich selbst von der Welt geschieden und wäre dem Auftrag ihres Heilsrufes nicht getreu. Es muß ihre eigenste Entscheidung sein, eine von der Welt gezogene Grenze als solche zu erkennen und zu bestätigen. Sie muß entscheiden, ob und wo ihr Heilsruf auf eine letzte Grenze stößt. Darum kann die Frage nach der Kirchengemeinschaft nur in der autoritativen Entscheidung der Kirche konkret beantwortet werden. Dieser Entscheidungscharakter ist das schlechthin Objektive. Subjektivität und Willkür wäre es, wollte die Kirche von vornherein die Grenzen setzen und damit von sich aus die Scheidung vollziehen. Die scheinbare Objektivität eines theoretischen Wissens um die Grenzen der Kirche ist gerade die Auflösung der wahren Objektivität, die sich in der Entscheidung vollzieht. Allerdings ist die Kirche nicht ohne Maßstäbe gelassen, auf Grund deren sie dje Entscheidung allein treffen kann. Aber die Betrachtung derselben lehrt gerade die Unmöglichkeit, sie als gesetzlich eindeutige Kriterien für die Entscheidung anzuerkennen. In dem fortgesetzten.Prozeß der Entscheidungen hat die Kirche gelernt, die Tau f e als eine Bestimmung ihrer Grenzen zu verstehen. Aber zugleich bereitet diese Umfangsbestimmung die größten Schwierigkeiten. Sie ist einerseits nicht weit genug (daher alsbald die Lehre von der Begierdetaufe, Bluttaufe usw.). Sie ist andererseits nicht eng genug, denn unter den Getauften sind Irrlehrer und tote Glieder, die nicht
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zur Kirche gehören können. Wiederum ist die Taufe als das allen christlichen Kirchen gemeinsame Sakrament anerkannt; dessen Wiederholung beim Übertritt in eine andere christliche Kirche unerlaubt ist. Sie ist also das einende Band aller christlichen Kinnen und kann demnach nicht konstitutiv für die Kirchengemeinschaft sein. Zwar kann die wahre Kirche niemals den Anspruch aufgeben, daß alle Getauften in Wahrheit zu ihr gehören, aber sie muß zugleich zugeben, daß solche da sind, die nicht in ihrer Gemeinschaft stehen. So weiß die Kirche einerseits um eine relative äußere Grenze, die mit der Taufe gegeben ist, und zugleich um eine innere Grenze, die nur einen Teil der Getauften umschließt. Die Kirche hat gelernt, diese innere Grenze durch den Begriff der Lehre und des Bekenntnisses zu bestimmen. Das Bekenntnis der Kirche ist konstitutiv für die Kirchengemeinschaft. Aber welches Bekenntnis? Die altkirchlichen Symbole? Die Einigungsformel von Lausanne? Welches Recht haben dann noch die Unterscheidungslehren der einzelnen Kirchen? Die lutherischen Bekenntnisschriften waren der Meinung, es gebe ein gemeinsames Bekenntnisgut zwischen der lutherischen und der römischen Kirche. Luther hat in den Schmalkaldischen Artikeln zu der gemeinsamen Basis die Gotteslehre, Trinitätslehre, Christologie gezählt, und dennoch war es nicht möglich, auf Grund dieser Artikel zur Einigung zu kommen, weil ein Dissensus in der Rechtfertigungslehre vorlag. Könnte dieser Dissensus behoben werden, so wäre die Einigung möglich. Entsprechend war es in der Stellung zu den Reformierten die Abendmahlslehre, die die Kirchengemeinschaft aufhob. Sollten nun die Dogmatiker der Bekenntnisschriften nicht gewußt haben, daß ein Dissepsus in diesen Artikeln einen totalen Dissensus an jedem Artikel zVr Folge haben mußte, daß eine falsche Rechtfertigungslehre notwendig eine falsche Christologie, Trinitätslehre, Gotteslehre einschließt? Umgekehrt mußte ja ein echter Konsensus in der Christologie etwa auch einen Konsensus in der Rechtfertigungslehre einschließen und gerade die Kirchengemeinschaft wiederherstellen. Unsere Frage ist nun: was bedeutet es, wenn dennoch die s e K 0 n se q u e n z n ich t g e zog e n wir d, wen n ein e r seits an einem gemeinsamen Bekenntnisgut festgeh alt e n wir d, a n der e r sei t s übe r ein e n b e s tim m t e n Artikel die Kirchengemeinschaft auseinanderbricht? Es bedeutet er s t e n s, daß der Anspruch, der schon in Bezug auf die Getauften der anderen Kirchen erhoben wird, nunmehr auf die Bekennenden der andern Kirchen ausgedehnt wird. Sie haben das rechte Bekenntnis, aber sie sind davon abgefallen. In Wahrheit ist das Eine Bekenntnis da, wenn es auch von der andern Kirche entscheidend falsch verstanden wird. In dieser Bestätigung des Bekenntnisses ist der evangelische Heilsruf aufrechterhalten: es ist nur Ein Bekenntnis, hier ist das wahre Bekenntnis, kommt hierher! Es liegt
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also nichts an der Abgrenzung als solcher, d. h. als eines Gesetzes, sondern die durch die andern Kirchen gezogene Grenze wird zwar ernst genommen, aber doch nur, um nun den Heilsruf: ihr gehört ja in Wahrheit zu uns, hier ist das rechte Bekenntnis! um so vernehmlicher zu machen. Es bedeutet z w e i t e n s, daß die Kirchengemeinschaft immer etwas qualitativ totales ist. Sie ist nicht durch Aufzählung sämtlicher Gemeinsamkeiten, die offenb;3.r die Differenzen überwiegen, zu erreichen; solange an einem Punkt ein Dissensus bleibt, ist kein Konsensus möglich. Sie ist geschenkte totale Einheit. Diese Einheit ist das Apriori der Kirchengemeinschaft. Sie kann nicht durch Vergleich hergestellt werden, sie muß gegebene Einheit sein. Auf Grund dieser Einheit aber sind wieder alle möglichen Differenzen tragbar, die notwendig entstehen müssen, und denen die lutherischen Bekenntnisschriften weithin Rechnung tragen. Sie sind dann durch die vorhergegebene Einheit nicht mehr kirchenspaltende Gegensätze. Ob diese Einheit aber vo.rhanden ist, ist zwar durch den vollen Konsensus in den Bekenntnissen ausgedrückt, aber die Bereitwilligkeit, bei der Schaffung des Bekenntnisses die theologischen Differenzen nicht zu kirchenspaltenden Gegensätzen werden zu lassen, sondern es zu einer einigenden Bekenntnisformulierung kommen zu lassen, d. h. die Tatsache des Zustandekommens eines Konsensus in Bezug auf ein formuliertes Bekenntnis, ist selbst schon ein Akt der Entscheidung der Kirche und niemals logisch oder theologisch erzwingbar; d. h. die Bekenntniseinheit einer Kirche ist ein Akt d~r kirchlichen Entscheidung als Glaubensentscheidung, nicht der theologischen Formulierung. Es bedeutet d r i t t e n s, daß die Feststellung des Punktes, an dem der Dissensus zum kirchenspaltenäen Gegensatz wird, selbst ein Akt der kirchlichen Entscheidung ist. Warum ist von der Reformation nicht die Gotteslehre zum kirchenspaltenden Gegensatz herausgearbeitet worden? Die Entscheidung entsteht dadurch, daß die Kirche an einem bestimmten Ort den Einbruch des Feindes in besonderer Weise konstatiert und ihm daher an dieser Stelle Widerstand entgegensetzt. Ein Krieg entscheidet sich an einer begrenzten Schlacht. Wo diese Schlacht geschlagen wird, hängt davon ab, wo der Gegner steht. Hier muß eine Entscheidung getroffen werden. Es ist daher durchaus nicht so, als müsse ein und derselbe Ort im m e r der Ort der Entscheidung bleiben. Es kann durchaus sein, daß eine Situation, die heute gefährlich ist, morgen gar nicht mehr entscheidend die Kriegslage bestimmt. Es mag derselbe Artikel, der heute zur Kirchenspaltung führt, morgen nicht mehr kirchenspaltende Bedeutung haben. Das folgt gerade aus der freien Entscheidung der Reformation, ihren Gegensatz gegen Rom an einem einzigen Artikel auszutragen und alle anderen Gegensätze ruhen zu lassen. Nur wo die Kirche selbst ihre Grenzen von vornherein gesetzlich festlegt und sich damit selbst von ihrem Auftrag zum Heils-
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ruf lossagt, verhärtet sich der Gegensatz und bleibt auf einen Punkt festgelegt. Das führt zum letzten. Es bedeutet v i e r t e n s , daß ein klarer Unterschied gesehen wird zwischen der Aufgabe der Dogmatik und der des Bekenntnisses. Das Bekenntnis ist nicht eine Zusammenstellung dogmatischer Sätze, aus denen nun sämtliche Konsequenzen zu ziehen sind. Sonst wären" die CA und die Schmalkaldischen Artikel die schlechtesten aller Bekenntnisse. Denn die dogmatische Inkonsequenz einer Isolierung der Rechtfertigungslehre ist offenbar. Sonst müßte ferner jede Differenz an irgendeinem Lehrpunkt notwendig kirchenspaltend werden. Jede theologische Schule müßte zu einer eigenen Kirche werden. Daß dies nicht so ist, einfach die Tatsache als solche, ist ein Beweis für die Einsicht, daß die Frage der Kirchengemeinschaft nicht von der Theologie allein, sondern durch eine kirchliche Entscheidung beantwortet werden muß. Nicht um die Theologie scharen sich die Gläubigen, sondern um das Bekenntnis. Jede Verwechslung ist hier gefährlich. Die Theologie liefert der ganzen Armee die Waffen, damit sie jederzeit und an jedem etwaigen Ort schlagbereit ist. Der Kampf nach außen aber wird nicht mit der Theologie, sondern mit dem Bekenntnis geführt. Sonst verfiele man der Orthodoxie, man würde gesetzlich, man wüßte von vornherein um die Grenzen der Kirche und beraubte sich der Freiheit der kirchlichen Entscheidung. Das Bekenntnis ist die auf Grund der Theologie von der Kirche vollzogene Entscheidung über ihre Grenzen. Es ist nicht Darstellung des Lehrganzen, sondern auf Grund des Lehrganzen getroffene Entscheidung der Kirche, an einem bestimmten Ort den Kampf aufzunehmen. Im Bekenntnis wird die Theologie durch kirchliche Entscheidung aktuell. In der Beschränkung, die das Bekenntnis von dem Lehrganzen unterscheidet, liegt immer zugleich der Anspruch der Kirche auf die Bekenntniseinheit mit den Dissentierenden, zu der diese zurückgeworfen werden sollen, liegt die Bestätigung dessen, daß nicht die Kirche selbst die Grenzen zieht, sondern daß sie nur die ihr von außen gezogenen Grenzen anerkennt, liegt damit die Möglichkeit, den unbegrenzten Heilsruf der Kirche weiter zu verkündigen. Es ergibt sich also, daß auch das vorhandene Bekenntnis nicht geeignet ist, den Umfang der Kirche definitiv zu bestimmen. "Die Grenze zwischen schulspaltenden und kirchenspaltenden Gegensätzen ist grundsätzlich nicht festzulegen. So können die Tatsachen der Taufe, des gemeinsamen Bekenntnisgutes in den Symbolen, können die Artikel der Differenz immer nur als Material der jeweiligen kirchlichen Entscheidung über den Umfang der Kirche dienen. Die Grenze selbst aber liegt nicht in der Verfügung der Kirche, sondern muß in der Entscheidung bestätigt werden. In dieser letzten Offenheit der Entscheidung ist allein die Möglichkeit gewahrt, daß aus kirchenspaltenden Gegensätzen Schulgegensätze werden und umgekehrt. Da die Grenze der Kirche von außen gezogene Grenze ist, kann 129
sie so vielgestaltig sein, wie es die Feindschaft gegen das Evangelium ist. Es ist etwas anderes, ob die Welt oder ob eine antichristliche Kirche oder ob eine "andere Kirche" diese Grenze bildet. Nur theologischer Doktrinarismus kann diese Unterschiede leugnen. Die Reformation hat sie sehr deutlich anerkannt; man bedenke nur die verschiedene Stellung der Lutheraner zur römischen und zur griechisch-orthodoxen Kirche. Die Unterscheidung zwischen antichristlicher Kirche und "anderer Kirche" ist aber wiederum nicht eindeutig theologisch feststellbar, sondern Sache der kirchlichen Entscheidung. Es kann wohl sein, daß' sich theologisch dieselben Irrlehren hier wie dort nachweisen lassen, und daß dennoch die eine Kirche antichristlich und die andere eben nur "andere Kirche" ist. Dann muß mit der ersten jegliche Gemeinschaft abgebrochen werden, während mit der anderen das Gespräch noch fortgeht und eine Gemeinschaft auf Hoffnung erhalten bleibt. Daran wird deutlich, daß außer der Irrlehre noch ein anderer Faktor vorhanden ist, der die Entscheidung bestimmt. Ganz deutlich wird es dort, wo eine Kirche erklärt, das Bekenntnis anzuerkennen, sich keiner Irrlehre schuldig macht, um auf diesem unverdächtigen Wege den Kampf gegen die wahre Kirche nur um so zielbewußter zu betreiben. Die rechte Lehre wird in dem Augenblick Irrlehre, als sie im Kampf gegen die wahre Kirche gebraucht wird. Um nöch einmal im Bild zu reden: in solchem Falle desertieren die Offiziere mit ihren Waffen und Mannschaften und gehen ins feindliche Lager über. Sie haben nun dieselben Waffen wie die von ihnen verratene Armee, aber sie richten sie jetzt gegen ihre einstmaligen Freunde. Es ist ein 'entscheidender Unterschied, ob die Irrlehre der wahren Kirche mit offenem Vernichtungswillen gegenüber tritt, oder ob sie kampflos neben ihr steht. Im ersten Falle stehen sich wahre und falsche Kirche gegenüber mit dem beiderseitigen Willen, der Tod der andern zu sein. Hier ist Kampf um Leben und Tod. Hier gibt es keine Gemeinschaft. Hier erkennt die wahre Kirche den Antichristen. Im anderen Falle weiß die wahre Kirche um irrende Kirchen, die keineswegs den Vernichtungswillen gegen die wahre Kirche haben, die selbst mittragen an dem Geheimnis der Zerrissenheit der Kirche, mit denen die wahre Kirche also in gemeinsamem Schuldbekenntnis steht. Hier kann in Anknüpfung an das gemeinsame Bekenntnisgut die Einheit wieder gesucht werden. Dies etwa ist die Lage in der ökumenischen Arbeit. Wir lernen daraus, daß auch die Kirchengemeinschaft entsprechend den Grenzen der Kirche verschiedene Formen hat. Von der vollen Gemeinschaft an Wort und Sakrament, die im Bekenntnis-Konsensus Ausdruck findet zu einer Gemeinschaft, die auf Grund des gemeinsamen Besitzes im Glauben gesucht wird. Es wäre ebenso falsch, diese Gemeinschaft a limine abzulehnen und zu leugnen, wie sie der vollen Kirchengemeinschaft gleichzustellen. Sie ist einerseits kirchliches Faktum, andererseits Notstand, Übergang, der entweder zur vollen Gemeinschaft oder zur Trennung führen muß. Weil aber die Kirche. nicht
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apriori zu erklären vermag, wo solche Gemeinschaft oder definitive Trennung besteht, därummuß sie die jeweilige Situation ernst nehmen und es Gott anheim stellen, aus ihr zu machen, was ihm gefällt, und auf die Stunde der Entscheidung warten. Ist es klar, daß die Frage nach der Kirchengemeinschaft allein durch kirchliche Entscheidung beantwortet werden kann, so muß nun gesagt werden, daß diese kirchliche Entscheidung in keinem Fall ausbleiben darf. Sie wird Schritt für Schritt den Kampf der Kirche begleiten. Sie wird zwar immer das "fremde Werk" der Kirche bleiben. Aber es muß getan werden, weil sonst ihr eigentliches Werk nicht mehr getan werden kann. Die Entscheidung über ihre Grenze ist zuletzt ein barmherziger Akt der Kirche, sowohl an ihren Gliedern, wie an denen draußen. Es ist die letzte, die "fremde" Möglichkeit, den Heilsruf vernehmlich zu machen. II. Die Barmer Bekenntnissynode hat die Lehre der Deutschen Christen in ihren entscheidenden Punkten als Irrlehre verworfen. Diese Verwerfung bedeutet, deß diese Irrlehre in der Kirche Jesu Christi keinen Raum hat. Die Dahlemer Bekenntnissynode hat es auf ihre Verantwortung genommen, zu erklären, daß sich die Reichskirchenregierung durch Lehre und Tat selbst von der christlichen Kirche geschieden habe. Sie hat also nicht aus der Kirche ausgeschlossen, sondern eine vollzogene Tatsache festgestellt. Zugleich hat sie eine eigene Kirchenleitung gebildet und den Anspruch erhoben, die rechte Kirche Jesu Christi in Deutschland zu vertreten. Seitdem erkennt sich die Bekennende Kirche in der Verantwortung und dem Auftrag, die eine, wahre Kirche Jesu Christi in Deutschland zu sein. Das ist kirchengeschichtliches Faktum. Was bedeutet es? Was hat man damit gesagt? Um diese Frage dreht sich heute alles in der Bekennenden Kirche. Es genügt zur Beantwortung keinesfalls, den ohnehin vergeblichen und niemals zur Gewißheit führenden Versuch zu machen, nach der Meinung derjenigen zu fragen, die für diesen synodalen Beschluß verantwortlich waren. Nehmen wir diesen Spruch der Synode überhaupt ernst, so bekennen wir, daß Gott der Herr selbst dafür verantwortlich sein' will. Dann aber muß der Spruch genommen werden, wie er ergangen ist, und es muß nach dem Willen Gottes in ihm gefragt werden. Unter der Voraussetzung also, es sei hier in aller menschlichen Schwachheit und Meinungsverschiedenheit, durch allerlei menschliche Stimmungen, Ängstlichkeiten und Verwegenheiten hindurch das Wort des Herrn der Kirche laut geworden, als die Synode erklärte, die Reichskirchenregierung habe sich von qer Kirche Jesu Christi geschieden, müssen wir fragen, was dies Wort bedeutet. Wer diese Voraussetzung nicht teilt, redet nicht von Barmen und Dahlem als von christlichen Synoden, teilt nicht die Voraussetzungen der Bekennenden Kirche. Es steht wahrhaftig schlimm,
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wenn heute in weiten Kreisen der Bekennenden Kirche, mehr noch bei Pfarrern als bei Laien, hier eigenwillig und zuchtlos geredet wird. Hinter Barmen und Dahlem können wir nicht darum nicht mehr zurück, weil sie geschichtliche Tatsachen unserer Kirche sind, denen wir Pietät zu erweisen hätten, sondern weil wir hinter Gottes Wort nicht mehr zurückkönnen. Die Frage ist also: Was hat Gott über seine Kirche und ihren Weg gesagt, wenn er durch Barmen und Dahlem gesprochen hat? Die Reichskirchenregierung hat sich von der christlichen Kirche geschieden. Die Bekennende Kirche ist "die wahre Kirche J esu Christi in Deutschland. Was heißt das? Es heißt unzweifelhaft, daß eine definitive Grenze zwischen der Reichskirchenregierung und der wahren Kirche Christi erkannt und bestätigt worden ist. Die Reichskirchenregierung ist häretisch. Heißt das aber, daß damit der Amtsträger, der diesem verworfenen Kirchenregiment weiterhin Gehorsam leistet, demselben Urteil verfällt? Hat sich jeder deutsch-christliche Pfarrer von der Kirche Jesu geschieden? Weiter: Müssen wir auch die Deutschen Christen unter den Gemeindemitgliedern, müssen wir jede Gemeinde, die ihren deutsch-christlichen Pfarrer ohne Widerspruch trägt, als von der christlichen Kirche geschieden ansehen? Kann der Pfarrer der Bekenntniskirche die deutsch-christlichen Glieder der Gemeinde als seine Gemeindemitglieder ansprechen? Wird er Amtshandlungen ohne Unterschied an Gliedern der Bekenntniskirche und an Deutschen Christen ausüben dürfen? Wo laufen die Grenzen der Gemeinde für den Bekenntnispfarrer? Gibt es hier einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Kirchenleitung und Gemeinde? Und weiter: Wie steht es mit den sogenannten Neutralen? Schließlich: Macht sich jetzt jeder, der in gemeinsamer kirchlicher oder gar kirchenregimentlicher Arbeit mit den Deutschen Christen steht, an der kirchenzerstörenden Sünde derselben mitschuldig? Gilt das Dahlemer Urteil auch den Kirchenausschüssen? Gilt es all denen, die diesen gehorchen? Zusammenfassend: Muß die Scheidung, die zwischen Reichskirchenregierung und der Kirche eingetreten ist, sich nun konsequent auf all die genannten anderen ebenso erstrecken? Eine Antwort muß gegeben werden. Die Gemeinde muß wissen, wohin sie hören darf und wohin nicht. Der Pfarrer muß wissen, wie er sein Amt recht versehen soll. Pfarrer und Gemeinden wissen das heute weithin nicht und können es nicht 'wissen, weil es ihnen nicht gesagt wird. Es wäre gewiß der einfachste Weg, entweder in Bausch und Bogen all die genannten Konsequenzen zu ziehen, oder aber bei Dahlem stehen zu bleiben und keinerlei Konsequenzen daraus zu ziehen. Beide Wege sind nach allem Vorhergesagten gleich unkirchlich. Mit Konsequenzenmachen ist nichts geholfen, weil das Wort Gottes nicht Konsequenzen, sondern Gehorsam will. Keinerlei Konsequenzen ziehen aber kann bewußter Ungehorsam gegen das Wort sein. Es muß also jede einzelne Frage geprüft und Schritt für Schritt die Entscheidung gesucht werden. So ist z. B. eine gewisse Klärung
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erreicht hinsichtlich der del.l.tsch-christlichen Amtsträger. Die Bekenntniskirche hat in Gemeinden, in denen nur solche Amtsträger sind, dafür Sorge getragen, daß durch Vikare oder Pfarrer die rechte Verkündigung und das rechte Amt gewahrt bleibe. Sie hat Notpfarrämter eingerichtet und damit zum Ausdruck gebracht, daß der deutsch-christliche Amtsträger seines Amtes verlustig gegangen ist. Nicht ist etwas Derartiges geschehen gegenüber den Neutralen. Ganz anders ist auch die Stellung gegenüber den Gemeinden. Gerade mit der Einrichtung von Notpfarrämtern ist ja der volle Anspruch auf die Gemeinde durch die Bekennende Kirche ausgesprochen . .völlig unklar ist noch die Stellung zu den Ausschüssen und den der Bekenntniskirche zugehörenden Mitgliedern derselben, zu Pfarrern, die den Ausschüssen Gehorsam leisten. Diese Unklarheit ist verderblich. Bevor hierzu einiges gesagt werden soll, müssen wir die Lage noch von einer anderen Seite her betrachten. Während sich also auf der einen Seite ein fortgesetzter Trennungsprozeß vollzieht, ereignet sich auf der anderen Seite eine höchst bedeutsame Annäherung der Kirchen lutherischen und reformierten Bekenntnisses. Seit Barmen sprechen Lutheraner und Reformierte gemeinsam in synodalen Erklärungen. Einstmals kirchenspaltende Bekenntnisgegensätze machen es nicht mehr unmöglich, eine Bekenntnissynode zu bilden, freilich Synoden ohne gemeinsamen Abendmahlsgang. Das ist zunächst als Faktum zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich erhebt sich Widerspruch von konfessioneller Seite. Aber das Faktum steht da, und es bleibt Gott anheim gestellt, was er daraus machen will. Es kann ja mit keinem Mittel des Bekenntnisses bestritten werden, daß mit diesem Faktum, mit der Anerkennung "gleichberechtigter Bekenntniskirchen" die Augustana bereits in entscheidender Weise verlassen ist. Vor dem Buchstaben der lutherischen Bekenntnisschriften kann die Bekenntnissynode nicht bestehen. Wie ist es zu begreifen, daß trotz fortgesetzter Belehrung hierüber die Bekenntnissynoderi zustande kamen, daß sich bewußt lutherische Theologen daran beteiligten? Es muß zunächst bei der Feststellung des Tatsächlichen bleiben, daß die Bekenntnissynode existiert, und es gibt angesichts derselben nur eine doppelte Haltung, entweder man verwirft a limine diese Synoden von der Augustana her oder man nimmt. sie staunend und demütig hin und stellt es Gott anheim, daraus zu machen, was ihm gefällt. Jedenfalls bleibt die gegenwärtige Situation für die Frage nach der Kirchengemeinschaft bedeutsam und lehrreich genug. Auf der einen Seite führt die unerbittlich konsequente Anwendung des Lehrbegriffs zur Kirchenspaltung, auf der andern Seite findet eine offenkundige Vernachlässigung des Lehrbegriffs statt, und eine Kirchengemeinschaft, die von entscheidenden bisher kirchenspaltenden Lehrgegensätzen absehen zu dürfen meint, hat sich bereits angebahnt. Dächten wir uns einmal die unerbittlich konsequente Anwendung des 'Lehrbegriffs, wie sie gegen die Deutschen Chri-
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sten geübt wird, etwa gegen die Reformierten gerichtet, so wäre theoretisch wohl denkbar, daß an der Abendmahlslehre oder der Christologie auch hier die alten kirchenspaltenden Gegensätze wieder aufbrächen. Analog könnte ein Nachlaß an Konsequenzen eine gemeinsame Basis mit den Deutschen Christen schaffen. So jedenfalls muß der konfessionellen Orthodoxie die Lage erscheinen. Was liegt dieser absurden Möglichkeit zugrunde? Wird hier mit der Kirchengemeinschaft unlauteres Spiel getrieben? Hierzu kommt eine weitere Verwicklung. Die Bekenntniskirche ist der Ökumene begegnet. Diese Begegnung hat bisher zwei charakteristische Ergebnisse gezeitigt. Die Ökumene hat in Anwesenheit von Vertretern der Bekennenden Kirche in Fanö 1934 die "Prinzipien und Methoden" des deutsch-christlichen Kirchenregiments als "mit dem Wesen der Kirche Christi unvereinbar" erklärt. Sie hat durch Wahl eines Vertreters der Bekennenden Kirche in den ökumenischen Rat die Mitarbeit derselben erbeten und hat deren Zusicherung bekommen. Jedoch hat bisher die Bekenneride Kirche noch auf keine ökumenische Konferenz offizielle Vertretungen entsandt. Der Grund hierfür muß in der Anwesenheit von Vertretern der Reichskirchenregierung liegen, mit denen für die Bekennende Kirche ein Gespräch auch auf neutralem Boden nicht mehr möglich ist. Während also ein Gespräch mit anderen, irrenden "Kirchen" möglich wäre, ist solche Möglichkeit zwischen Reichskirche und Bekenntniskirche nicht mehr gegeben. Es wäre unzweifelhaft unschwer, die Irrlehren der Deutschen . Christen in vielen anderen Kirchen ebenso nachzuweisen. Dennoch erkennt die Bekenntniskirche einen qualitativen Unterschied. Dies alles muß dem Orthodoxen wie dem grundsätzlich Bekenntnislosen gleich unbegreiflich und widerspruchsvoll erscheinen. Der Orthodoxe begreift nicht, wie es möglich sein soll, die Sätze des Bekenntnisses in verschiedener Weise zu handhaben. Er begreift nicht die Offenheit der Lutheraner der Bekenntniskirche gegen die Reformierten oder die Ökumene. Der Bekenntnislose, unter ihnen die große Zahl der vom Pietismus und der liberalen Theologie bestimmten Pfarrern, begreift umgekehrt nicht die Sturheit der Anwendung des Lehrbegriffs gegen die Deutschen Christen. Zwischen der Szylla der Orthodoxie und der Charybdis der Bekenntnislosigkeit hindurch geht die Bekennende Kirche ihren siche.ren Weg. Sie trägt die Last der Verantwortung, die wahre Kirche Jesu zu sein. Sie ruft: Hier ist die Kirche! kommt hierher! Indem sie das ruft, stößt sie auf Feinde und auf Freunde. Wo sie Feinde erkennt, dort bestätigt sie die ihr gezogenen Grenzen konsequent und kompromißlos. Wo sie Freunde erkennt, findet sie gemeinsamen Boden und wird bereit zum Gespräch in der Hoffnung auf Gemeinschaft. Ob Freund oder Feind wird die Kirche am Bekenntnis erkennen, aber das Bekenntnis ist nicht letzter, eindeutig zu handhabender Maßstab. Die Kirche muß entscheiden, an welchem Ort der Feind steht. Weil er einmal bei der Abendmahlslehre, ein anderes
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Mal bei der Rechtfertigungslehre, ein drittes Mal bei der Lehre von der Kirche stehen kann, darum muß die Kirche entscheiden. Und indem sie entscheidet, bekennt sie. Die Orthodoxie verwechselt theologisches System und Bekenntnis. Die Bekenntnislosen verwechseln das Bekenntnis der Kirche mit dem Zeugnis der Frömmigkeit. Es wäre sehr viel leichter, wenn die Bekenntniskirche hier einlinig denken könnte. Sie würde aber damit ihrem Auftrag untreu, den Heilsruf auszurichten, indem sie offen und begrenzt zugleich ist. Ist es damit klar, daß die Entscheidungen über die Grenzen der Kirche nur von Fall zu Fall getroffen werden können, so bedarf es noch einer kurzen Erwägung der vorher konkret gestellten Fragen. 1. Daß der deutschchristliche Amtsträger sich von der Kirche geschieden habe, ist eine Erkenntnis, die nur noch der synodalen Bestätigung bedurfte. Nur wenn eindeutig erklärt wird, daß er des Amtes tatsächlich verlustig gegangen ist, ist nach lutherischer Lehre die Möglichkeit gegeben, ein Notpfarramt einzurichten, das anderenfalls ein unerlaubter Eingriff in ein fremdes Amt wäre, wovor Luther nicht ernst genug warnen konnte. Hand in Hand damit müßte die Weisung an die Gemeinden gehen, sich um des Wortes Gottes und ihrer Seelen Seligkeit willen von allen Amtshandlungen eines Irrlehrers fernzuhalten und lieber ohne Predigt und Sakrament zu leben und zu sterben als zum Irrlehrer zu gehen. 2. Es muß in dieser Sache ein Unterschied gemacht werden zwischen Amtsträgern und Gemeindegliedern, Verführern und Verführten. Es ist unmöglich, mit dem Ausschluß d'es Amtsträgers schon den Ausschluß der Gemeinde zu konstatieren. Die lutherischen Bekenntnisschriften haben nicht den einzelnen Katholiken, sondern den Papst, d. h. das Kirchenregiment für den Antichristen erklärt. Dementsprechend hat die Dahlemer Synode gesprochen. Das Kirchenregiment ist häretisch geworden. Damit ist aber der Anspruch auf die Gemeinden keineswegs aufgegeben. Vielmehr muß den Gemeinden zu rechten Amtsträgern verholfen werden. Freilich ist auch die Gemeinde selbst dazu berufen, über falsche Lehre zu urteilen. Tut sie das nicht, beharrt sie trotz Warnung und Mahnung beim Irrlehrer, so wird auch hier nach einiger Zeit der Geduld eine Grenze konstatiert und die Kirchengemeinschaft als aufgehoben betrachtet werden, und dies mit allen Konsequenzen von Verweigerung von Amtshandlungen usw. Dies ist der letzte Akt der Barmherzigkeit der Kirche an der Gemeinde, der letzte Ruf zur Gemeinschaft, das "fremde Werk", durch das der Heilsruf ausgerichtet wird. Es ist aber auch eine Verpflichtung der Kirche gegenüber dem Amt, das durch die Verschleuderung des Sakraments sonst täglich schuldig wird. 3. Einer klaren Entscheidung kann sich die Bekennende Kirche auch nicht länger entziehen gegenüber den Kirchenausschüssen. Das Wort der Synode von Oeynhausen genügt nicht. Es ist nicht einzusehen, worin sich die Kirchenleitung der Ausschüsse von der Reichskirchenregierung unterscheidet. Es ist unzweifelhaft, daß sie der wahren Kirchenleitung gefährlicher ist, als die Reichskirchenregie-
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rung. Es ist von der Bekenntnissynode ausgesprochen worden, daß diese Kirchenleitung nicht anerkannt werden kann, aber es ist bisher das eindeutige Verbot, sich an ihr zu beteiligen, nicht ausgesprochen worden. Das schafft Verwirrung. Wo die Grenzen erkannt sind, müssen die praktischen Folgen gezogen werden. Wie sich ein Glied der Bekenntniskirche, das der Reichskirchenregierung beitreten würde, von der Kirche Jesu ausschlösse, so tut nach der in der Oeynhausener Synode ausgesprochenen grundsätzlichen Erkenntnis derjenige dasselbe, der an der kirchenleitenden Arbeit der Ausschüsse teilnimmt. Daraus folgt aber notwendig das Verbot solcher Teilnahme. Nichts anderes gilt für die Amtsträger, die sich den Ausschüssen unterstellen.Es ist auch nicht gut, an Kandidaten zu praktizieren, was man den Pfarrern durchgehen läßt. Je länger die Kirchenleitung sich den ihr aufgelegten Entscheidungen entzieht, je mehr verwirrt sie die Gemeinden, je unbarmherziger ist sie gegen die Pfarrer und je weniger kann sie ihren eigenen Ruf ausrichten. 4. Ein besonderes Problem sind die Neutralen. Zunächst ist zu sagen, daß es in Wirklichkeit keine Neutralen gibt. Sie gehören eben auf die andere Seite. Aber subjektiv, wollen sie neutral sein. Eine eindeutige Stellung zu ihnen ist darum nicht möglich, weil ihre eigene Stellung nicht eindeutig ist, weil die von ihnen gegen die wahre Kirche gezogene Grenze undeutlich ist. Jesus Christus hat über die Neutralen das doppelte Wort gesprochen: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich (Matth. 12, 30) und: Wer nicht wider uns ist, der ist für uns (Mark. 9, 40). Weder können die Neutralen das zweite Wort allein für sich in Anspruch nehmen, noch kann die Kirche das erste allein gegen sie wenden. Aber es wird immer wieder bezeugt werden müssen, daß die Neutralen in eben dieser durch die beiden Worte bezeichneten fragwürdigen Situation sind. Wird freilich die Neutralität zum Prinzip erhoben, dann wird die Möglichkeit in Sicht kommen, das erste Wort allein zu sagen. Denn dort ist bereits eine eindeutige Stellung außerhalb der Kirche bezogen und die Grenze gegen den Anspruch der wahren Kirche deutlich aufgerichtet. Es kann nicht der Sinn dieser kurzen Bemerkungen sein, die Entscheidung der Kirche vO\I"wegzunehmen. Aber es muß der Sinn sein, die Kirchenleitung daran zu erinnern, daß sie diese Entscheidung treffen muß. Indem sie es Schritt für Schritt tut, wird sie das fremde Werk tun, um das eigentliche Werk recht treiben zu können. Die Aufhebung der Gemeinschaft ist das letzte Angebot der Gemeinschaft. IH. Extra ecclesiam nulla salus. Die Frage nach der Kirchengemeinschaft ist die Frage nach der Heilsgemeinschaft. Die Grenzen der Kirche sind die Grenzen des Heils. Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil. Das ist die Erkenntnis, die sich der wahren Kirche von jeher aufgezwungen hat. Das ist ihr demütiges Bekenntnis. Wer die Frage nach
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der Bekenntniskirche vün der Frage nach seinem Seelenheil trennt, begreift nicht, daß der Kampf der Bekennenden Kirche der Kampf um sein Seelenheil ist. Ist das nicht die römische Irrlehre vün der Kirche? Süfern die römische Lehre das Heil nicht ühne die Kirche und die Kirche nicht ühne das Heil denken kann, ist sie im Recht. So. fern für sie aber der Satz, daß es Heil nur in der Kirche gebe, etwas anderes bedeutet, als den Ruf zur sichtbaren Kirche, süfern also. dieser Satz nicht eine existenzielle Aussage des Glaubens der wahren Kirche, sündern eine theo.retische Wahrheit über Gerettete und Verlürene sein süll, süfern er etwas anderes ist als Gnadenangebüt, Heilsgut, ist er verwerflich. Dann ist er aus einem Glaubenssatz zu einem spekulativen Satz gewürden. Extra ecclesiam nulla salus ist im strengen Sinne eine Glaubensaussage. Der Glaube ist an die Heilsüffenbarung Güttes gebunden. Vün hier aus weiß er vün keinem anderen Heil in der sichtbaren Kirche. Vün hier aus ist er nicht frei, das Heil Güttes anderswo. zu suchen als dürt, wo. die Verheißung gegeben ist. Heil jenseits' der Kirche ist für ihn grundsätzlich nicht erkennbar und kann darum auch niemals ein Lehrpunkt werden. Das Heil wird allein an der Verheißung erkannt. Die Verheißung aber hat die Verkündigung des lauteren Evangeliums. Wie aber, wenn nun in einer einzelnen Gemeinde der römischen Kirche üder Reichskirche das Evangelium lauter verkündigt würde? Ist dann nicht auch dürt wahre Kirche? Es gibt keine lautere Verkündigung des Evangeliums unabhängig vün der Gesamtkirche. Und wenn einer das Evangelium so. lauter verkündigte wie der Apüstel Paulus und er wäre dem Papst üder der Reichskirchenregierung gehürsam, so. wäre er ein Irrlehrer und ein Verführer der Gemeinde. Wie aber, wenn in der anderen Kirche Menschen sind, deren Frömmigkeit und Christlichkeit unter Beweis gestellt würden ist? Wie steht es mit den guten Christen auf der anderen Seite? Ist es nicht unbarmherzig und unchristlich, über sie das Urteil zu sprechen? Ist es nicht unerträglich pharisäisch, ihnen gegenüber den Anspruch zu vertreten, allein die Kirche zu sein? Das ist Richtgeist, hören wir sagen. Es liegt etwas vün Empörung gegen den Anspruch der Kirche in dieser Frage, und sie ist mitten in der Bekennenden Kirche zu Haus. Sie ist es, die sie zur Zeit vün innen her zersetzt. Die Antwürt beginnt mit der Gegenfrage. 1. Warum sind diese christlichen Menschen bei den Deutschen Christen und nicht bei der wahren Versammlung der Gläubigen? Warum kümmen sie nicht dürthin, wo. der Ruf der wahren Kirche ergeht? Warum? Weil es nicht wichtig genug ist, Zu welcher Kirche sie gehören? Weil sie an ihrer Frömmigkeit und Heiligkeit genug haben? Heißt das ein guter Christ sein? 2. Wüher wissen wir denn, wer ein guter Christ sei und wer nicht? Bin ich Richter über die Christlichkeit der anderen? Ist nicht dies ein viel unerträglicherer Richtgeist, der sich anmaßt, dem anderen ins Herz zu sehen? Ist nicht diese angebliche Christenliebe, die keinen Frümmen vüm Heil ausschließen will, unerhörteste Hybris und tief-
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ster Menschenhaß, weil sie die verborgenen Gerichte Gottes über die Seele des Einzelnen vorwegnimmt? 3. Wer beruft eigentlich die Kirche? Der Heilige Geist durch sein Wort und Sakrament? Oder ich mit meinem Urteil über gute und schlechte Christen? Das ist die furchtbare Lästerung, die in der Frage dieser liebevollen Christen liegt, daß sie die Kirche Gottes selbst gründen, sammeln und begrenzen wollen, und damit die wahre Kirche des Wortes zerstören und verleugnen. Es muß immer wieder gesagt werden, daß es kein Werk der Barmherzigkeit der Kirche ist, ihre Grenze zu verleugnen. Die wahre Kirche stößt auf Grenzen. Indem sie sie anerkennt, tut sie das Werk der Liebe zu den Menschen, indem sie der Wahrheit die Ehre gibt. Extra ecclesiam nulla salus. Ist dieser Satz gewiß, dann muß der andere hinzugefügt werden, der in der Gotteslehre seine Analogie hat. Gott ist zwar überall, aber "er will nicht, daß du ihn überall tappest". Es ist ein Unterschied zwischen der Gegenwart Gottes und seiner Erkennbarkeit. So gewiß allein der erkannte Gott unser Gott ist, und der nicht erkannte Gott niemals unser Gott sein kann, so gewiß muß doch diese Unterscheidung erhalten bleiben, gerade als Aussage des Glaubens, der sich an den offenbarten Gott hält und darin die Einzigartigkeit und Wunderbarkeit der Offenbarung preist. So kann nun auch von der Kirche gesagt werden: Sie wird nirgends erkannt als dort, wo die Verheißung Gottes ruht, in der sichtbaren Kirche. Nur dort ist sie unsere Kirche. Aber der Glaube, der seines Heils in der sichtbaren Kirche allein gewiß geworden ist, preist die Wunderbarkeit dieses Heils gerade darin, daß er nun auch noch von einem Sein der Kirche jenseits der offenbaren Heilskirche zu reden wagt. Niemals kann er das tun, um das alleinige Heil durch die sichtbare Kirche aufzuheben, niemals auch um dieses oder jenes frommen Menschen willen, der abseits steht, niemals um nun selbst zu urteilen und zu erkennen, wo die "Kirche jenseits" ist. Sie bleibt unerkannt, geglaubt von der Heilskirche, um die Herrlichkeit der erkannten Heilsoffenbarung um so höher zu preisen. Wehe denen, die aus dieser letzten Glaubensmöglichkeit der Kirche, die aus dem Glauben lebt: Extra ecclesiam nulla salus, eine Voraussetzung ihrer frommen Spekulation über Gerettete und Verlorene machen. Nicht dies ist unser Auftrag. Vielmehr gilt es, 'Von der Anfechtung solcher Fragen zu fliehen zum offenbaren Heil Gottes in der wahren Kirche. Die Frage nach den Grenzen der Kirche kann dem Glauben zur Anfechtung werden. Sie soll ihm aber allein dienen zur Gewißheit. Es ist Sache der Kirche, dies immer deutlich zu machen und in jeder Entscheidung über ihre Grenze die Gemeinde ihres Heils gewisser werden zu lassen.
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Statt jetzt schon in eine Auseinandersetzung einzutreten mit all den Äußerungen und Angriffen, die mein Aufsatz über die Frage nach der Kirchengemeinschaft hervorgerufen hat, will ich vorerst nur einige weitere ganz einfache Fragen stellen. Soweit m~m sich bisher mit willkürlichen Verkürzungen und Entstellungen begnügt hat, kann ich dem nur die Bitte entgegensetzen, meinen Aufsatz einmal ganz zu lesen, und darf bis dahin alle. derartigen Äußerungen von den grünen Briefen des Herrn D. Eger an bis zu der reinen DC.Presse einfach übergehen. Soweit ernsthafte theologische Fragen und Bedenken ausgesprochen wurden, so von Gollwitzer, Künneth, Sasse u. a., sind sie in den folgenden Fragen vorläufig mit aufgenommen. Ich bin allerdings der Meinung, daß diese Fragen zwischen uns nicht unausgesprochen bleiben dürfen und auch ihre ganz klare Antwort fordern, wenn nirht Zweideutigkeit alle echte Gemeinschaft auflösen soll. Sie sind so einfach, daß jeder Laie sie versteht. Sie sind. so dringlich, daß sie ohne schweren Schaden für die Kirche nicht länger verschwiegen werden dürfen. Sie werden zuerst Gegenstand theologischer Arbeit werden, dann ihre Antwort durch eine Synode erhalten müssen. E r s t e n s: Was ist die B e k e n n end e Kir ehe? Ist sie die Kir ehe Je s u C h r ist i , in der das Wort Gottes lauter gepredigt und die Sakramente stiftungsgemäß verwaltet werden? In der brüderliche Liebe geübt wird, mit Verheißung gebetet wird, Sünden vergeben werden und um Christi willen gelitten wird? Ist sie die Stadt auf dem Berge, die nicht verborgen bleiben kann, deren gute Werke die Leute sehen und darüber den Vater im Himmel preisen? Ist die Bekennende Kirche im neutestamentlichen Sinne Kirche, der der Geist Gottes verheißen und geschenkt ist? Kirche, die die Gabe des Heils austeilt in der Kraft des Heiligen Geistes? Kirche, deren wahre Gemeinschaft uns des Heils teilhaftig und gewiß macht, sichtbare Kirche in der Welt, aber nicht von der Welt, sichtbarer Leib, dessen Glieder wir sind, solange wir an ihm bleiben, von dem wir uns nicht trennen dürfen um des Heiles uns·erer Seelen willen? Ist die Bekennende Kirche daher Leib Christi mit eigener Gliederung, mit rechtmäßiger Ordnung, rechtmäßigen Ämtern, rechtmäßiger Kirchenleitung? Steht die Leitung dieser Kirche im Auftrage Jesu Christi? Ist ihr die Sorge für das Heil der Seelen anbefohlen? Ist diese Kirchenleitung daher befugt zur Vornahme von theologischen Prüfungen, Ordinationen, Pfarreinführungen usw.? Ist sie um Christi willen verpflichtet, Pfarrer und Gemeinden an sich zu binden? Darf und muß sie erwarten, daß Pfarrer und Gemeinden für diese Bindung an die rechte Kirchenleitung Leiden und Verfolgung auf sich nehmen? Ist die Bekennende Kirche daher verpflichtet zur Lehr1)
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zucht und zur Kirchenzucht? An der Antwort auf diese Fragen liegt alles. Werden sie bejaht, dann ist der. Weg der Bekennenden Kirche von Barmen bis Oeynhausen folgerichtig und innerlich notwendig. dann ist ihr Kampf um die Leitung der Kirche ein Kampf um die wahre Kirche selbst, d. h. um das Heil der Seelen der Gläubigen, dann bedeutet ein Nachgeben an diesem Punkt als Adiaphoron die Verleugnimg des status confessionis und damit die Preisgabe der Kirche und der Gemeinden an ihre Feinde; dann wird die Bekennende Kirche freilich bei der freien Ausrichtung der frohen Botschaft des Evangeliums immer wieder auf Feinde stoßen, die sich von ihr trennen, um deren Gemeinschaft sie werben wird mit der Predigt des Evangeliums, mit Fürbitte und Hoffnung bis zu ihrem letzten Angebot der Gemeinschaft, das nur noch in der furchtlosen Aufdeckung der vollen Wahrheit bestehen kann, daß jene sich von der wahren Kirche Jesu Christi getrennt haben und ohne Verheißung sind. Werden jene Fragen aber verneint, dann ist der Kampf um das Kirchenregiment frevelhafter Eigensinn; dann wäre es allerdings nicht einzusehen, warum junge Theologen ihre Existenz aufs Spiel setzen sollen, um von der Bekennenden Kirche geprüft, ordiniert und ins Pfarramt gewiesen zu werden; dann wäre das Leiden der gefangenen und ausgewiesenen Brüder um dieser Sache willen nicht mehr Leiden um Christi und seiner Sache willen, dann wäre unsere Fürbitte für sie ohne Verheißung; dann wäre auch Zucht der Lehre und des Lebens nicht möglich, dann existierte in der Tat für die Bekennende Kirche die Frage der Kirchengemeinschaft als kirchliche Verantwortung und Entscheidung überhaupt nicht; dann kann die Bekennende Kirche keine Lehrentscheidung fällen; dann ist sie der Irrlehre ausgeliefert, dann ist sie ihren Feinden verfallen; der Heilige Geist müßte von ihr weichen. Oder ist die Bekennende Kirche ein B und von b e k e n n t ni s b e s tim m t e n B e k e n n t n i ski reh e n? Ist sie selbst also nicht Kirche, sondern organisatorischer Zusammenschluß, ein solcher Bund, in dem möglicherweise einander in Lehre und Verkündigung ausschließende Kirchen miteinander v.erbunden sind? Oder schließt ein solcher Bund die Gleichberechtigung der in ihm zusammengeschlossenen Kirchen ein? Wie ist dann diese Gleichberechtigung bekenntnismäßig legitimiert? Wo liegt das Kriterium dafür, welche Kirchen gleichberechtigt sind und welche nicht? Ist ein gemeinsames Handeln und Sprechen dieser Kirche möglich, und mit welcher bekenntnismäßigen Legitimation? Welchen Sinn hat eine gemeinsame Leitung eines solchen Bundes, die jedenfalls keinen kirchenregimentlichen Charakter haben kann? Oder ist die Bekennende Kirche eine Kam p f g e m ein s c h a f t , die zu gemeinsamem Bekennen und Handeln zusammengeschlossen ist? Soll darunter verstanden werden, daß angesichts des gemeinsamen Feindes eine gemeinsame F r 0 n t entstanden ist, eine "Be;.. kenntnisfront"? Oder ist in diesem Ausdruck nur angedeutet, daß die Existenz der Bekennenden Kirche noch in vieler Hinsicht so frag-
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würdig ist, daß einfach noch nicht m ehr gesagt werden kann oder darf? Oder ist die Bekennende Kirche in Wahrheit B e k e n nt n i s b e weg u n g, analog den mancherlei Glaubensbewegungen unserer Tage? Bekennende Kirche als die "Bekenntnisgemeinschaft" aller derer, die das "Bekenntnisanliegen" in einer "Bekenntnisbewegung" zur Geltung bringen wollen? Sie wäre also innerhalb oder neben der Kirche eine mehr oder weniger private Angelegenheit, die jedenfalls keine kirchliche Autorität hat, also auch niemals das Recht, Ausschließlichkeit zu beanspruchen. Sie würde als Bewegung, als Richtung neben anderen Richtungen bestehen und sich damit begnügen müssen; sie wäre eine kirchenpolitische G r u p p e. Sie würde zwar die DC. bekämpfen, aber ihnen niemals die Kirchengemeinschaft aufsagen können. Sie würde sich mit der Stärke ihres Einflusses begnügen und sich damit trösten, daß man mit den paar DC. schon fertig werde im freien Spiel der Kräfte; sie würde aber keinesfalls dieses begreifen, daß durch den einen einzigen, vielleicht ganz ehrlichen, ganz innerlichen, frommen DC., dem diese Kirche ein Amt einräumt, die Kirche ihrer Verheißung verlustig ginge, genau wie durch den einen einzigen nichtarischen Christen oder Pfarrer, den die Kirche wissend fallen ließe. Eine Bekenntnisbewegung würde niemals begreifen, daß die Kirche wahrhaftig nun und nimmer auf den neunundneunzig Bekenntnispfarrern ruht, die sich sChon gegen den einen DC. durchsetzen werden, sondern auf der Verheißung Gottes, die auch den neunundneunzig Bekenntnispfarrern genommen werden kann, wenn sie wissend dem einen Irr lehrer in der Kirche Raum geben. Auch eine Bekenntnisbewegung ist im Grunde deutsch-christlich. Zweitens: Was ist das Bekenntnis der Bekenn end e n Kir c h e? Ist die Barmer theologische Erklärung ein für sämtliche Glieder der Bekennenden Kirche verbindliches Bekenntnis, weil sie eine rechtmäßige, in der Heiligen Schrift begründete Auslegung der reformatorischen Bekenntnisse ist, so wie die Konkordienformel rechtmäßige Auslegung der Augustana ist? Steht die Barmer Erklärung in gleicher Würde neben den reformatorischen Bekenntnissen? Ist eine Verpflichtung auf die Barmer Erklärung für die Mitglieder der Prüfungskommission, für die Lehrer der Theologischen Schulen der Bekennenden Kirche oder gar bei der Ordination - wie es in der Rheinprovinz geübt wird - gerechtfertigt und notwendig? Kann ein Lutheraner der Barmer Erklärung deshalb ihren Bekenntnischarakter absprechen, weil sie sich selbst nur als "Erklärung" ausgibt, obwohl ja auch die Solida Declaratio der Konkordienformel, die "Erklärung etlicher Artikel Augsburgischer Confession ... " zu den lutherischen Bekenntnisschriften zählt? Sind die Synoden der Bekennenden Kirche echte Synoden der Kirche Jesu Christi, sofern sie an Schrift und Bekenntnis in der rechten Ordnung bleiben? Ist ihr Bekenntnis immer unter dieser Voraussetzung Zeugnis der wahren Kirche? Ist es dann nicht auch Zeugnis
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Gottes, des Heiligen Geistes selbst, das Gehorsam fordert? Entweder ist die Barmer Erklärung ein wahres Bekenntnis zu dem Herrn Jesus, das durch den Heiligen Geist gewirkt ist - dann hat es kirchenbildenden und kirchen spaltenden Charakter; oder es ist eine unverbindliche Meinungsäußerung etlicher Theologen, dann ist die Bekennende Kirche seitdem auf einem verhängnisvollen Irrweg. Ist nicht der relativen Autorität der Synoden gegenüber dem Wort der Schrift und ihrer Irrtumsfähigkeit damit voll Ausdruck verliehen, daß ihr Wort jedenfalls immer "unter dem Worte" bleibt, wenn es rechtes Wort sein soll? Oder ist es wahr, daß "natürlich Gott weder durch Barmen noch durch die Dahlemer Botschaft anders geredet hat, als er durch alle Ereignisse der Geschichte redet"? (Sasse). Soll hier wirklich Gottes Wort -in seiner Kirche und in der Welt - allzu deutsch-christlich! - gleichgesetzt werden? In welchem Sinne beruft sich die Bekennende Kirche auf die Bekenntnisschriften, berufen sich die Lutheraner der Bekennenden Kirche auf die lutherischen Bekenntnisschriften? Der Buchstabe der Bekenntnisschriften verwirft ·nicht nur die zwinglische, sondern auch die calvinistische Abendmahlslehre (F. C. sol. decl. VII, 2), ebenso die calvinistische Prädestinationslehre (F. C. XI), wie sie beide noch heute von den reformierten Brüdern gelehrt werden. Vor den lutherischen Bekenntnisschriften sind lutherische und reformierte Kirche niemals gleichberechtigte Bekenntniskirchen. Die Frage ist: Ist die Bekennende Kirche bereit, einzelne Urteile der lutherischen Bekenntnisse durch neue Erforschung und Erkenntnis der Heiligen Schrift zu revidieren? Ist sie bereit, die Heilige Schrift daraufhin überhaupt zu befragen? Ist sie ferner bereit, auf Grund neuer Belehrung durch die Heilige Schrift über Gegensätze von einstmals kirchenspaltender Bedeutung anders zu entscheiden als die Bekenntnisschriften? Ist sie willens, anzuerkennen, daß über Kirchengemeinschaft nicht ein für allemal, sondern auf Grund der Schrift und der Zeugnisse der Kirche jeweils neu entschieden werden muß? Oder aber gilt das Wort der Bekenntnisschriften als die unveränderliche Grundlage der Kirche? Ist entgegen der Meinung der Bekenntnisschriften selbst der Buchstabe derselben die einzige Regel und Norm der Auslegung der Schrift? Oder nimmt die Bekennende Kirche die lutherischen Bekenntnisse gerade dadurch ernst, daß sie sich von ihnen zurückweisen läßt auf die Schrift als einzige Regel und Norm? Ist die Bekennende Kirche bereit, von einer falschen lutherischen Orthodoxie den Vorwurf des Schwärmerturns zu ertragen, wie ihn jeder von dort her zu hören bekam, der die Schrift über die Bekenntnisschriften stellte? Ist sie dann auch willens, die konfessionellen Differenzen in neuer Prüfung der Schrift konkret aufzurollen, statt im Grundsätzlichen zu bleiben? Will sie bekennen, was sie vom Abendmahl, von der Prädestination, von der Persbn Christi lehrt? Ist die Bekenntnisunion mit den Reformierten für den Lutheraner ein definitiv verbotener Weg? Verbietet es das Wort Gottes ein für allemal, die nicht wegzuleugnenden Lehrdifferenzen zwischen Re-
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formierten und Lutheranern in der Einen Bekennenden Kirche zu ertragen? Oder bleibt gerade für ein rechtes Verständnis der lutherischen Bekenntnisse auch diese Möglichkeit offen für das Wort Gottes selbst? Bleibt sie aber endgültig verschlossen, dann ist die B e k e n ne n d e Kirche wirklich nicht Kirche, sondern eben eine der vielen genannten Größen, die der Unwahrheit und Verfälschung des Evangeliums Raum gibt. D r i t t e n s: Was ist Kir c h eng e m ein s c h a f t? Ist Kirchengemeinschaft vom Heiligen Geist geschaffene Einheit und Gemeinschaft am Wort und Sakrament, oder ist sie die Gemeinschaft aller gutgesinnten, ehrlichen, frommen Christen deutsch-christlicher, kirchenausschußmäßiger und bekenntnismäßiger Observanz? Ist die Kirchengemeinschaft begründet allein durch die Wahrheit des Evangeliums oder durch eine von der Wahrheitsfrage unkontrollierte Liebe? Doctrina est coelum, vita est terra (Luther). Ist die Kirchengemeinschaft eine Frage der Verkündigung und Sakramentsverwaltung oder eine Frage der persönlichen Heiligung? Hat die Gemeinschaft des Gebetes, der Fürbitte, der Vergebung, der Beichte und der Zucht noch Verheißung, wenn die Gemeinschaft des rechten Glaubens nicht geschenkt ist? Ist solche Gemeinschaft ohne dies letzte etwas anderes als frommes Menschenwerk? Ist die Bezeichnung "Irrlehrer" ein moralisches oder ein religiöses Werturteil, oder ist es das Urteil des Wortes Gottes über Wahrheit und Unwahrheit, Heil und Unheil, das wir nur mit Furcht und Zittern nachsprechen können? Ist der Irrlehrer noch unser christlicher Bruder? Besagt die neutestamentliche Unterscheidung zwischen dem irrenden Bruder und dem Irrlehrer etwas anderes, als daß der letztere trotz brüderlicher Warnung und Mahnung auf seinem Irrtum verharrt und sich damit selbst aus der Bruderschaft am Leibe Christi ausschließt? Gibt es echte christliche Gemeinschaft und Bruderschaft im neutestamentlichen Sinne ohne Zucht der Wahrheit und des Lebens? Gibt es Gemeinschaft im Heiligen Geist ohne daß der Heilige Geist zugleich die Kraft der Trennung und Scheidung hat? Ist man bereit zu hören, was im vorangegangenen Aufsatz ausführlich begründet wurde, daß Aufhebung der Gemeinschaft das "fremde" Werk der Kirche ist, das sie tut, um ihr eigentliches tun zu können, daß Aufhebung der Kirchengemeinschaft letztes Angebot der Gemeinschaft ist? Aber umgekehrt: was bedeutet eine Gemeinschaft am Wort, die nicht Gemeinschaft am Sakrament werden will? Was kann das Ziel der Gemeinschaft am Wort sein, wenn nicht die Sakramentsgemeinschaft? Was bedeutet eine Zucht, die nach außen geubt, aber nach innen vernachlässigt wird? Wie kann das Evangelium zur Scheidung stark genug sein, wenn es zur Gemeinschaft, zur consolatio fratrum, zur Vergebung, zur Buße und zur Beichte so schwach ist? Welcher bekenntnismäßige Unterschied besteht zwischen dem bekenntniswidrigen Kirchenregiment der DC. - Reichskirche und den Kirchenausschüssen? War nach dem Wort der Dahlemer Synode der Gehorsam gegen das bekenntniswidrige DC.-Kirchenregiment Unge-
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horsam gegen den Herrn Jesus, so ist zu fragen, inwiefern der Gehorsam gegen ein bekenntniswidriges Kirchenregiment der Ausschüsse auf einmal ein "Wagnis des Glaubens" sein soll; eine christliche Freiheit, eine freie Gewissensentscheidung? War die geforderte Scheidung von der DC.-Reichskirche nicht ein unerlaubtes Gesetz, das den einzelnen auferlegt wurde, warum soll dieselbe Forderung gegenüber den Ausschüssen auf einmal "unevangelische Gesetzlichkeit" sein? Zugegeben, daß wir uns einer veränderten Lage gegenüber sehen, was Personen, Sachkenntnis, guten Willen angeht, so ist die Lage im entscheidenden durchaus unverändert, nämlich in dem Tatbestand der Schrift- und Bekenntniswidrigkeit des kirchenregimentlichen Anspruches. Machte sich jeder, der trotz der Dahlemer Botschaft im Gehorsam der DC.-Reichskirche blieb, durch eben diesen Gehorsam gegen ein falsches Kirchenregiment der Zerstörung der wahren Kirche Christi schuldig, so ist nicht einzusehen, wie nicht auch der den Kirchenausschüssen Gehorsame demselben Urteil verfällt. Jede Unterscheidung, die hier aus begreiflichen persönlichen oder kirchenpolitischen Rücksichten vorgenommen wird ohne Begründung aus Schrift und Bekenntnis, gibt zuletzt der Irrlehre in der Kirche Christi Raum. Es ist ein schwer begreiflicher Wille Gottes, der uns in einer Stunde, in der gemeinsame Abwehr gegen den Feind von außen nötig wäre, im Innern so zerreißt. Wir können gegen diesen Willen nicht an. Es soll uns wohl nur eines bleiben, sein Wort, sein Sakrament, seine Verheißung. Wir fragen nach nichts anderem. Denn aus dieser Gabe entspringt das unvergleichliche Geschenk echter Gemeinschaft im Glauben, im Beten, in der Fürbitte, im brüderlichen Dienst, in der Vergebung, in der Beichte, in der Zucht und in der Erkenntnis der Sünden und der Barmherzigkeit J esu Christi. Hier liegt unsere eigentliche Arbeit, das eigentliche Werk der Kirche.