OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
AM TOR DER JNEUE...
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OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
AM TOR DER JNEUEN WELT unter diesem Titel erscheint Anlang 1953 der Doppelband 25/26 der neuartigen Weltgeschichte. Der Doppelband behandelt das 15. Jahrhundert n.Ch.
Die Menschen beginnen die Welt mit neuen Augen zu sehen. Das geographische und wissenschaftliche Bild der Erde dehnt sich über die engen Grenzen des alten Universums: Columbus entdeckt Amerika, Vasco da Gama findet den Seeweg nach Indien. Der Geist bricht über die Schranken trommer Bindung in unabsehbare Räume. Die Buchdruckerkunst gibt jedem neuen, revolutionären Gedanken, jeder Entdeckung weltweites Echo. Donnernd springt das Tor zu einer größeren Welt auf, die Neuzeit hebt an.
Auch dieser Doppelband ist in sich vollkommen abgesdiiossen und enthält wieder ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Er kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM6.60. Mit dam Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunsch werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. (Einzelbände 1—18 je DM 3.60.) Prospekt kostenlos vom
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU MÜNCHEN
K L E I N E B I B L I O T H E K DES WISSEN S
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
A l f r e d
Die
E d m u n d
HEFTE
B r e h m
Karawane Durch das Sandmeer der nubischen Wüste
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU / MÜNCHEN
Aufbruch der Karawane
Scheich el Djemali Am Saum der Wüste, unter einer dichten Palmengruppe, steht ein kleines Zelt. Ringsum liegen in bunter Reihe, wallartig geordnet, Kisten und Ballen. Weiter nach außen stehen, hocken und sitzen festlich gekleidete, d. h. frisch mit Hautsalbe eingefettete, nubische Männer. Wir sind auf einem Nilboot bis hierher gelangt und beabsichtigen, den weiten Bogen des von nun an klippen- und stromschnellenreichen Stromes abzuschneiden und die von ihm umschlossene Wüste kennenzulernen. Es ist um die Mittagszeit. Die Sonne steht fast senkrecht über dem Zelt am wolkenlosen, tiefblauen Himmel; ihre sengenden Strahlen werden durch die sperrigen Wedel der Dattelpalmen kaum gehindert. Drückende Glut liegt auf der Ebene zwischen Strom und Wüste, und die Luftschichten über dem erhitzten Boden wogen und flimmern, so daß jedes Bild sich verzerrt und verschleiert.
Ein Reiterzug kommt von der Wüste her, taucht am Rande des Gesichtskreises auf und wendet sich, ohne nach dem landeinwärts liegenden Dorfe einzulenken, geradewegs dem Zelte zu. Dunkelbraune, ärmlich gekleidete, in lange und weite, eher graue als weiße Burnusse gehüllte Männer steigen unter den Palmen von ihren mageren, jedoch nicht unedlen Pferden. Einer von ihnen nähert sich dem Zelt und tritt mit der Würde eines Königs ein. Es ist das Oberhaupt der Kameltreiber, der Scheich el Djemali, dem wir Botschaft gesandt, um uns durch seine Hilfe mit den erforderlichen Führern, Treibern und Kamelen zu versehen. „Heil mit euch", sagt er beim Eintreten und legt grüßend seine Hand auf Mund, Stirn und Herz. „Mit dir, o Scheich, Heil, die Gnade Gottes und sein Segen!" ist unsere Antwort. „Groß war mein Sehnen, euch zu sehen, o Fremdlinge, und eure Wünsche zu vernehmen", versichert er, nachdem er sich auf dem Polster neben uns, und zwar zu unserer Rechten, auf dem Ehrenplatz niedergelassen hat. „Möge Gott, der Erhabene, dein Sehnen vergelten, o Scheich, und dich segnen", erwidern wir und befehlen unseren Dienern, ihm, früher als uns selbst, frisch angezündete Pfeifen und Kaffee zu reichen. Halbgeschlossenen Auges labt er sich durch Kaffee und Pfeife; in dichte Wolken hüllt er sein ausdrucksvolles Haupt. Fast lautlose Stille herrscht im Zelt, das der Wohlgeruch des köstlichen Djebilitabaks durchduftet und der Rauch durchzieht, bis wir endlich glauben, die beabsichtigten Verhandlungen beginnen zu dürfen, ohne uns der Unhöflichkeit schuldig zu machen. „Wie ist dein Befinden, o Scheich?" „Der Spender alles Guten sei gepriesen! — wohl, dir zu dienen. Und wie steht es um dein Wohlsein?" „Dem Herrn der Welt sei Ruhm und Ehre; ich befinde mich ganz wohl. Groß war unser Sehnen, dich zu sehen, o Scheich!" „Möge Gott, der Erbarmende, euer Sehnen vergelten und euch segnen! Ist euer Wohlbefinden zufriedenstellend?" „Allah und sein Prophet, Gottes Gnade über ihn, seien gepriesen!" „Amen,* es sei, wie du gesagt hast!" Neue Pfeifen werden gereicht; neue, fast endlose Höflichkeitsbezeugungen werden ausgetauscht; dann endlich gestattet der Brauch, geschäftliche Angelegenheiten zu behandeln. 3
„0 Scheich, ich will mit des Allerharmenden Hilfe diese Wüstenstrecke durchreisen." „Möge Allah dir Geleit geben!" „Bist du im Besitz von Trabern und Lastkamelen?" „Ich bin's! Befindest du dich wohl, mein Bruder?" „Der Erhabene sei gelobt: es ist so. Wie viele Kamele kannst du mir stellen?" Anstatt einer Antwort entquellen nur zahllose Rauchwolken dem Munde ides Scheichs, und erst als 'wir unsere Bitte .wiederholt haben, legt der Mann für einige Augenblicke die Pfeife zur Seite und spricht würdevoll: „Herr, die Anzahl der Kamele der Beni Said kennt nur Allah; ein Sohn Adams hat sie noch nie gezählt!" „Nun wobl, so sende mir fünfiindizwianzig Tiere, darunter sechs Traber. Außerdem brauche ich zehn große Schläuche." Der Scheich raucht von neuem, ohne zu reden. „Wirst du sie mir senden, die gewünschten Tiere?" wiederholen wir dringlicher. „Ich werde es tun, um dir zu dienen; allein ihre Besitzer fordern hohe Preise." „Und welche?" „Mindestens das Vierfache der üblichen Löhne und Mieten." „Aber Scheich, möge dich Allah, der Erhabene erleuchten! Das sind Forderungen, dir dir niemand bewilligen wird. Preise den Propheten!" „Gott, der Allerhaltende, sei gepriesen und sein Gesandter gesegnet! Du irrst, mein Freund: der Kaufmann, der dort oben lagert, hat mir das Doppelte geboten von dem, was ich verlange; nur meine Freundschaft zu dir ließ mich so geringe Forderung stellen." Vergeblich scheint alles Feilschen, vergeblich jede weitere Verhandlung. Frische Pfeifen werden gebracht und geraucht, neue Höflichkeitsbezeigungen ausgetauscht, Wohl und Befinden gegenseitig auf das genaueste festgestellt, bis endlich die erlernte Sitte der angeborenen weicht und wir die Geduld verlieren. „So wisse, Scheich, daß ich im Besitze von Geleitbriefen des Gouverneurs bin; hier sind beide, was forderst du jetzt noch?" „Aber Herr, wenn du einen Geleitbrief seiner hohen Herrlichkeit besitzest, warum forderst du nicht das Haupt deines Sklaven? Es steht dir zu Diensten, ihm zu Befehl. Deine Wünsche nehme ich auf meine Augen, auf mein Haupt. Du befiehlst! Die Preise der Regierung kennst du. Das Heil Allahs über dich; morgen sende ich dir Männer, Tiere und Schläuche." 4
Aufbruch der Karawane Der Europäer, der glauben wollte, daß mit dieser Verhandlung alle Vorbereitungen zur Wüstenreise beendet seien, würde die -Sitten und Gewohnheiten des Landes völlig verkennen. Nicht am andern Morgen, wie versprochen, erscheinen die gemieteten Treiber und Tiere; erst in den Nachmittagsstunden finden sie sich allmählich ein, und nicht am nächsten Morgen, sondern frühestens um -die Zeit des NachmittagSigeibetes des folgenden Tages kann an den Aufbruch gedacht werden. „Bukra inschallah — morgen, so Gott will!" ist die Losung, und sie widersteht jedem Machtgebot. Zum Glück gibt es noch viel zu tun, vieles zu regeln, vieles zu ordnen, manches instandzusetzen, bevor die Reise angetreten werden kann. Um das Zelt entwickelt sich ein buntes, lebendiges Bild. Zwischen Gepäckstücken bewegt sich die Schar der ausgedörrten Söhne der Wüste. Die Gepäckstücke werden auseinandergezerrt, einzeln aufge-
Letzte Mahlzeit vor dem Wüstenritt
hoben, gewogen, auf Gewicht und Umfang geprüft, mit anderen verglichen, auserwählt und verworfen, zusammengeschleppt und wieder getrennt. Jeder Treiber versucht den anderen zu überlisten, jeder für seine Tiere die leichteste Ladung zu gewinnen; alle lärmen und toben, schreien und schelten, schwören und fluchen, bitten und verwünschen. In Erwartung des Kommenden helfen gewöhnlich auch die Kamele getreulich mit, den Lärm zu verstärken; und wenn sie wirklich, statt zu brüllen, zu stöhnen, zu brummen, zu klagen, einmal schweigen sollten, so bedeutet das nur so viel: unsere Zeit ist noch nicht gekommen, aber sie kommt! Gleichviel, ob mit, ob ohne Kamelbegleitung: das Ohr wird gemartert, förmlich zerrissen durch alle die verschiedenen Stimmen, die sich gleichzeitig aufdrängen. Lange Stunden nacheinander währt das Gewimmel, Gewirr und Getöse; es wird gezankt und gestritten; dann erst ist das Vorspiel zu Ende. Nach dem Friedensschluß beginnt man, mitgebrachte Bastfasern zu Stricken und Seilen zu drehen; hierauf werden in geschickter Weise Kisten und Ballen umschnürt und Ösen gebildet, um je zwei Gepäckstücke auf dem Sattel des Tieres ebenso rasch verbinden wie lösen zu können. Man bessert eiligst noch die mitgebrachten Tragnetze notdürftig aus und wendet sich dann einer genauen Prüfung der verschiedenen großen und kleinen Schläuche zu, um auch an ihnen noch zu arbeiten und zu flicken und sie endlich mit Teer einzuschmieren. Schließlich unterzieht man das an der Sonne getrocknete Fleisch einer nochmaligen Besichtigung, füllt einige Bastsäcke mit Kaffernhirse oder Durra, andere mit Holzkohlen, einige auch wohl mit dem gesammelten Kamelmist, spült die Schläuche oberflächlich aus, füllt sie mit frischem Wasser und beschließt die langwierige Arbeit mit einem allseitig wiederholten, aus tiefster Brust hervorgestoßenen „El hamdu lillahi" — Gott sei Dank. All dieseVorbereitungen hat der Chahir oder Führer der Karawane zu leiten. Je nach ihrer Bedeutung nimmt er eine mehr oder minder hohe Stellung ein; unter allen Umständen aber muß er ein „Kundiger" sein — wie sein Titel besagt — kundig des Weges und der Verhältnisse. Erprobte Erfahrung, Redlichkeit, Klugheit, Mut und Tapferkeit sind Voraussetzungen für sein schwieriges, nicht selten gefährliches Amt. Er kennt die Wüste wie der Schiffer das Meer, kennt die Gestirne, ist in jeder Oase, an jedem Brunnen der Reisestrecke daheim, in dem Zelt jedes Beduinen- oder Wanderhirtenhäuptlings willkommen; er versteht allerlei Mittel gegen Beschwerden und Gefahren anzugeben, vermag Schlangenbisse und Skorpionenstiche unschädlich zu machen oder wenigstens die Schmerzen zu lin6
dern, führt