G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Gilde der Schmutzigen
Ich trug noch die Hosen und die Stiefel der eins...
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G.F.UNGER
SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Die Gilde der Schmutzigen
Ich trug noch die Hosen und die Stiefel der einstigen Rebellenarmee.
Einen Hut besaß ich nicht.
Mein kostbarster Besitz war ein Colt.
Ein berühmter Waffenschmied hatte ihn gefertigt.
Auch Geld besaß ich keins.
Für die letzten Dollars hatte ich mir in Kansas City eine Fahrkarte nach Denver
gekauft.
Denver in Colorado war damals noch ein wildes Goldgräbercamp, eine
Campstadt inmitten zahlreicher Goldfundgebiete.
Im Goldland, so hoffte ich, würde es eine Chance für mich geben.
Aber so wie ich dachten viele entlassene Kriegsteilnehmer, die in ihrer Heimat
nichts anderes vorgefunden hatten als Armut und Trümmer.
Oft fragte ich mich in diesen Tagen und Nächten, die ich in der ruhelos rollenden
Kutsche saß, was sein würde, wenn ich im Goldland ankam.
Würde ich Glück haben - oder würde ich bald ein Bandit sein, weil sich mir keine
Chance bot, auf redliche Weise ein Auskommen zu finden? Nun, eines Morgens
rollten wir mit der Kutsche nach Colorado hinein und wechselte kurze Zeit später
in einer kleinen Stadt das Sechsergespann.
Jemand stieg zu und setzte sich mir gegenüber.
Es war eine Frau.
Als ich den Kopf hob, sah ich in ihre grünen Augen.
Ich war auf der Stelle hellwach.
Noch nie im Leben war ich einer solchen Frau begegnet! Ich war hingerissen von
ihr, und irgendwie hatte ich das untrügliche Gefühl, dass sie einmal mein
Schicksal werden würde.
Sie hatte eine Ausstrahlung, die ich sofort spürte, und obwohl ich sie nur sitzen sah, wäre ich jede Wette
eingegangen, dass sie makellos gewachsen war.
Weil sie die staunende Bewunderung in meinen Augen erkennen konnte, verzog sie ihren Mund und zeigte mir
damit unmissverständlich, dass sie auf die Bewunderung aller Männer verzichten konnte, ja, dass sie darauf
pfiff, weil sie längst schon herausgefunden hatte, wie wenig Männer etwas taugten.
Da lehnte ich mich wieder in meine Ecke zurück, schloss die Augen und wollte meinen Schlaf fortsetzen.
Doch das Knurren meines leeren Magens konnte ich nicht verhindern.
Und überdies hatte ich auch bei geschlossenen Augen ihr Bild deutlich vor mir.
Heiliger Rauch, was für ein Weib! Dies war fortwährend der Gedanke in mir.
Dann aber hielt die Kutsche plötzlich.
Eine Stimme tönte draußen.
»Bleibt nur ruhig und friedlich! Sonst bekommt ihr mehr Blei, als ihr vertragen könnt!« Die Stimme des
Fahrers erwiderte mürrisch und bitter vom hohen Bock aus: »Aaah, ihr Schlauköpfe, wir haben keine
Geldkisten mit.
In dieser Kutsche gibt es nichts zu holen.
Da habt ihr diesmal aber Pech, ihr verdammten Witwenmacher« Einige der Reiter, die unsere Kutsche
umgaben, lachten nun.
»Das werden wir ja sehen«, sagte einer.
»Steigt ab! Kommt heraus aus der Kutsche.
Und werft vor allen Dingen die Waffen runter!« Der letzte Befehl galt dem Fahrer und dessen Begleitmann.
Denn diese hatten oben zwei Gewehre bei sich.
Das wusste ich.
Wir kletterten aus der Kutsche.
Wir waren sieben Passagiere.
Ich half der Schönen heraus.
Sie nahm tatsächlich meine Hand, so als wäre das selbstverständlich.
Einer der Reiter sagte: »Da ist sie ja«, und er meinte die Schöne.
Ich begriff nun, dass die Kerle es allein auf sie abgesehen hatten.
Ein anderer Reiter sagte: »Also, wir können es ganz kurz machen, schöne Lady.
Wir sollen nur das Geld zurückholen, das Sie in der Stadt den Burschen abgeknöpft haben, die sich für
erstklassige Pokerspieler hielten.
Es müssten so an die dreitausend Dollar sein.
Vielleicht haben Sie dieses Geld im Gepäck, vielleicht aber auch unter Ihren Röcken.
Sollen wir es erst suchen? Oder wollen wir die Angelegenheit gütlich erledigen?« Sie stand neben mir.
Und ich hörte sie heftig atmen.
Dann sagte sie: »Ich gebe euch freiwillig die Hälfte.
« Da lachten die drei Reiter amüsiert.
Und einer sagte: »Lass es gut sein, Honey.
Heraus mit dem Geld! Oder müssen wir rau werden?« »Schon gut«, murmelte sie.
»Ich weiß immer, wann ich verloren habe.
« Sie stand neben mir.
Nun wandte sie sich ab, um den Reitern den Rücken zuzukehren.
Sie hob vorne ihre Röcke hoch.
Es waren mehrere Röcke, wie man sie zurzeit als Lady trug.
Am untersten Rock waren Taschen aufgenäht.
In diesen Taschen war das Geld verteilt.
Es musste Papiergeld sein, denn es klimperte nicht, war auch leicht.
Aber sie holte nicht Geld, sondern einen kleinen Derringer aus einer der Taschen.
Es war ein doppelläufiges, kleines Ding, und sie würde damit gegen die drei Straßenräuber gar keine Chance
haben.
Dennoch versuchte sie es.
Und da konnte ich nicht länger tatenlos danebenstehen und zusehen.
Ich trug meinen Colt nicht in einem Gürtelholster, sondern unter der Jacke hinter Gürtel und Hosenbund
geschoben.
Als sie mit dem Derringer herumwirbelte, um den Kampf mit den Banditen aufzunehmen, da hatte ich meinen
Colt schon in der Hand und wurde mir dieser Tatsache erst bewusst, als die Waffe zu krachen begann.
Auch ihr Derringer krachte.
Und dann war auch schon alles vorbei.
Zwei der Reiter jagten angeschossen davon.
Sie konnten sich nur mühsam in den Sätteln halten.
Der dritte Bandit lag am Boden.
Wir kletterten eilig in die Kutsche, denn der Fahrer und dessen Begleitmann trieben uns mit schnellen Worten
dazu an.
Und dann rollten wir auch schon wieder.
Die Leute der Postlinie wollten nichts anderes als weiter.
So schnell wie möglich.
Das konnte ich gut verstehen.
Die Schöne saß mir wieder gegenüber.
Die anderen fünf Passagiere redeten noch erregt durcheinander.
Wir aber schwiegen.
Nur manchmal sahen wir uns an.
Ich dachte: Sie könnte sich wenigstens bedanken für meine Hilfe.
Aber das tat sie nicht.
Noch nicht.
Erst als wir dreißig Meilen weiter eine Relaisstation erreichten und unser Gespann wechselten, wobei wir uns
alle die Beine vertraten, etwas Kaffee und belegte Brote bekamen in der Station, trat sie zu mir und sagte:
»Danke, Texas, danke.
Und was muss ich dafür zahlen?« Ich grinste und sah auf sie nieder.
Dann sagte ich: »Schwester, es waren meine letzten drei Kugeln im Colt.
Jetzt ist er leer.
Wenn Sie mir einen Dollar leihen könnten, damit ich mir Zündhütchen, Pulver und Blei kaufen kann.
Es könnte ja sein, dass wir unterwegs noch mal.
« »Sicher«, sagte sie.
»Dort im Anbau ist der kleine Stationsstore.
Gehen wir hinein.
Ich denke mir, dass Sie auch eine neue Hose, ein frisches Hemd und ein paar andere Dinge gebrauchen
könnten.
Vielleicht haben die dort im Store etwas für Sie, mal sehen.
Wie ist denn Ihr Name, Texas?« »Ach«, erwiderte ich, »was ist schon ein Name jetzt in dieser Zeit? Aber
warum nicht, ich meine, warum sollte ich mich nicht vorstellen? Ich bin Joshua Taggert.
Und wie heißen Sie, schöne Schwester?« »Nancy Dollar«, sagte sie.
Dann betraten wir den Store.
Als wir wieder herauskamen, wartete schon die abfahrbereite Kutsche auf uns.
Ich trug wahrhaftig eine neue Hose, neue Stiefel, ein neues Hemd und auch neues Unterzeug.
Ich sah nun nicht mehr wie ein entlassener Soldat der Konföderierten, sondern wie ein Cowboy aus.
Andere Kleidung war nicht zu bekommen.
Bevor wir in die Kutsche kletterten hielten wir auf halbem Weg noch einmal an.
Nancy Dollar sah zu mir empor und sagte: »Wollen Sie einen Job, der Ihnen hundert Dollar im Monat und freie
Unterkunft und Verpflegung in den besten Hotels am jeweiligen Ort einbringt?« Es war eine knappe Frage.
Und ich wusste sofort, dass sie meinen Colt mieten wollte.
Sie brauchte einen Beschützer, eine Art Leibwächter.
Denn sie war eine Spielerin, die mit viel Bargeld unterwegs war und wahrscheinlich zumeist gewann.
Wäre ich nicht gewesen, würde sie bettelarm geworden sein.
Und ein Spieler - oder eine Spielerin - ohne Spielkapital hatte keine Chance.
Ja, sie brauchte Schutz in dieser miesen Welt.
Ich aber brauchte die hundert Dollar.
Solch eine Summe schien mir ein riesiger Berg Geld zu sein.
Es war der fünffache Monatslohn eines Cowboys.
Dazu kam noch, dass ich alles sonst frei haben würde.
Sie musste eine sehr erfolgreiche Spielerin sein.
Und so nickte ich.
»Versuchen wir es mal miteinander, Nancy Dollar«, sagte ich.
Ihr Blick wurde fester, funkelnder, härter.
»Aber eines schreib dir hinter die Ohren, Joshua Taggert«, hörte ich sie dann sagen.
Sie holte Luft, um es mir zu sagen.
Vielleicht musste sie auch noch nach den richtigen Worten suchen.
Doch ich kam ihr zuvor.
Ich sagte: »Ich weiß schon Bescheid.
Du mietest nur meinen Colt, nur meinen Schutz.
Sonst darf ich mir nichts herausnehmen.
Denn du hast genug von den Männern.
Für dich sind Männer der letzte Dreck.
Du nimmst ihnen zwar an den Spieltischen das Geld ab - und du lässt dich von einem Mann beschützen.
Doch sonst.
« »Richtig«, unterbrach sie mich herb, »sonst habe ich nicht die Absicht, mich noch einmal mit einem Manne
einzulassen.
Verstanden?« »Genau«, sagte ich.
Dann gingen wir zur Kutsche, stiegen ein - und schon ging die Reise weiter.
Aber als ich dann in meiner Ecke saß, die Augen schloss und mein hagerer Körper sich entspannt dem
Schaukeln und Stoßen der Kutsche anpasste, da dachte ich über diese Nancy Dollar nach.
Sie verachtete die Männer.
Und dennoch lebte sie als Spielerin von ihnen und ließ sich jetzt von einem Mann - nämlich von mir - gegen
Revolverlohn beschützen.
Das war ziemlich widersprüchlich.
Aber was wusste ich von ihr? Nichts! Deshalb sollte ich mir sicherlich kein Urteil über sie anmaßen.
Vielleicht war sie einmal einem Mistkerl in die Hände gefallen - oder mehreren.
Ich wusste, es gab Frauen, die hatten fortwährend Pech mit Männern, obwohl sie schön und begehrenswert
waren.
Das gab es.
Vielleicht gehörte sie zu dieser Sorte.
Wir fuhren den ganzen Tag, wechselten alle dreißig Meilen unser Sechsergespann und überholten Wagenzüge,
die nach dem Goldland oder hinüber nach Santa Fe wollten.
Als die Nacht anbrach, waren wir immer noch unterwegs.
Der Wagenweg stieg stetig an, wand sich in die Berge hinauf.
Stunde um Stunde und Meile um Meile fuhren wir schon.
Die Postkutsche war nun überfüllt.
Alle neun Plätze waren belegt, und sogar oben auf dem Dach hockten zwei Passagiere zwischen dem Gepäck.
Es war zwischen Mitternacht und Morgen, als wir vor einem Hotel in Gushole hielten.
Die Campstadt lärmte, tobte, war voll in Betrieb.
Denn Gushole lag mitten im Canyon.
Und überall im Canyon und auch in den Querschluchten wurde Gold gefunden.
Die rauen Kerle, die tagsüber schufteten auf Claims und in Minen, waren gierig nach allen Sünden und Lastern
der Erde.
Sie wollten Spaß in den Nächten bei Feuerwasser, Kartenspiel, Tanz und bei den käuflichen Mädchen.
Und so kamen sie alle Nacht nach Gushole wie eine Herde zur Schlachtbank oder zumindest zum
Wollescheren.
Wir stiegen aus.
Der Nachtportier des Hotels kam heraus, blieb vor der Eingangstür stehen und sagte laut genug, so dass wir es
alle hören konnten: »Hier ist nichts mehr frei, beim besten Willen nicht.
Hier platzt alles aus den Nähten!« Nach diesen Worten ging er wieder hinein und knallte die Tür hinter sich zu.
Die Passagiere standen da und fluchten.
Ich fluchte nicht, und auch Nancy Dollar wartete schweigend.
Für mich war klar, dass ich ihr jetzt zeigen musste, ob ich meinen Lohn wert war.
Und so nahm ich ihr Gepäck und nickte ihr zu.
Nein, ich versuchte es erst gar nicht durch die Vordertür.
Auch die anderen Fahrgäste zerstreuten sich.
Nancy Dollar folgte mir und sagte plötzlich verächtlich: »He, du willst doch wohl nicht mit mir alle Häuser
abklappern, um vielleicht ein verlaustes Bett zu bekommen? « Ich hielt inne.
In jeder Hand trug ich einen Koffer, und unter dem Arm hielt ich noch eine Reisetasche festgeklemmt.
Auch Nancy Dollar trug eine Reisetasche.
»Nein«, erwiderte ich, »da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
« Nach diesen Worten ging ich weiter und bog in die Hofeinfahrt ein.
Nancy folgte mir, und ich konnte irgendwie spüren, dass sie nun sehr neugierig war.
Wir gelangten hinter das Hotel, und hier führte eine Außentreppe zu den oberen Stockwerken.
Als ich die Treppe hinaufging, folgte mir Nancy sofort.
Die Außentür war verschlossen.
Ich stellte das Gepäck ab und kletterte vom Treppenabsatz an die Hauswand, wo es eine Art Sims und auch
einige Vorsprünge gab.
Das ganze Hotel war aus Holz gebaut und hastig und grob zusammengenagelt worden.
Als ich ein Fenster erreichte, konnte ich es öffnen und in das Zimmer hinein klettern.
Ich lauschte auf die Atemzüge und Schnarchtöne, aber es war nichts zu hören.
Und so zündete ich eine Lampe an, die auf dem Tisch stand.
Dann sah ich mich um.
Es war ein großes Zimmer, wahrscheinlich das beste im ganzen Hotel.
Das Bett war unberührt, aber ich sah die Sachen eines männlichen Bewohners.
Ich öffnete die Tür zum Gang, erreichte bald schon die verschlossene Hintertür, öffnete diese - denn von innen
konnte man das - und stand Nancy gegenüber.
Als ich das Gepäck aufnahm, sagte sie: »Und du meinst, dass das gut gehen wird?« »Sicher«, sagte ich.
Dann waren wir im Zimmer.
Sie sah mich im Lampenschein an.
»Und wenn hier ein Mann wohnt, der dich zum Mond feuern wird?«, fragte sie ein wenig spöttisch.
Ich grinste.
»Wenn er dich sieht, Partner«, sagte ich, »dann erkennt er vielleicht nicht sofort, dass du - was Männer betrifft
- kalt wie Eis bist.
Dann bietet er dir vielleicht sein Bett an.
Wir werden j a sehen, nicht wahr?« »Ja, wir werden sehen«, sagte sie.
Ohne sich im Geringsten zu zieren, begann sie sich ihres Reisekostüms zu entledigen.
Auch schleuderte sie ihre winzigen Stiefeletten von den Füßen.
Dann schlug sie die Bettdecke zurück und prüfte offensichtlich die Sauberkeit des Bettes.
»Ich hockte vier Tage und vier Nächte fast ohne Pause an einem Spieltisch«, sagte sie müde.
»Und dann fuhr ich lange in dieser verdammten Kutsche.
Ich glaube, dass ich erst nach zwanzig Stunden aufwachen werde.
Nicht mal Hunger verspüre ich, nur Müdigkeit.
« In ihrem Unterkleid streckte sie sich aus und zog die Bettdecke bis unter das Kinn.
Durch das offene Fenster kam die kühle Nachtluft, drang aber auch das lärmende Summen der wilden
Goldgräberstadt.
Nancy Dollar schlief von einem Atemzug zum anderen ein.
So glaubte ich.
Ich staunte nun doch nicht wenig.
Sie vertraute mir so sehr, dass sie sich meinem Schutz anvertraute - und das, obwohl sie von den Männern die
Nase voll hatte.
Oder war sie so erschöpft, dass ihr alles egal war? Sie sagte soeben, dass sie vier Tage und Nächte Poker
spielte.
Das hätte auch einen zähen Mann erschöpft.
Ja sie war erledigt.
Ich hätte jetzt mit ihrem Geld abhauen können.
Was die Banditen nicht geschafft hatten - nämlich ihr das Spielkapital abzunehmen -, hätte ich jetzt leicht
gekonnt.
Einige Atemzüge lang verharrte ich, dachte nach und >lauschte< in meinen innersten Kern hinein.
Verdammt, sie war ein Biest und mochte uns Männer nicht.
Für sie war ich nur eine Art Wachhund.
Wenn ich ihr ein paar Dollar ließ, würde sie sich schon wieder hochkrabbeln.
Bei ihrer Schönheit war das gewiss nicht schwer für sie.
Ich wusste, dass sie mehr als dreitausend Dollar bei sich hatte.
Die Banditen nannten diese Summe.
Und dreitausend Dollar.
ha, das war ein riesiger Berg von Geld für mich.
Ich kämpfte also mit dem >schwarzen Ich< in mir.
Wahrscheinlich war ich noch nie edel und gut gewesen, im besten Falle nur fair, um mir meinen Stolz erhalten
zu können.
Hier in dieser wilden Stadt gab es einige Reine und Gute, aber mit Sicherheit mehr Sünder und Böse.
In solchen Städten wie Gushole herrschte zumeist die Gilde der Schmutzigen.
Und wenn ich dieser Nancy Dollar das Geld wegnahm, dann würde ich zu dieser Gilde gehören.
Oder machte mich schon mein Job bei Nancy zu einem Angehörigen dieser Gilde? Wenn sie eine
Falschspielerin war, die mit schmutzigen Kartentricks arbeitete und wenn ich sie dann mit meinem Colt gegen
die Betrogenen schützte, dann war auch ich ein Schmutziger.
Das war mir klar.
Und so war plötzlich eine Neugierde in mir.
Ich bewegte mich wieder, sammelte die Siebensachen des mir noch fremden Mannes ein, der dieses Zimmer
bewohnte.
Als ich die beiden Reisetaschen zu füllen begann, fand ich in der einen Tasche einige Dutzend
Spielkartenpäckchen.
Ich öffnete einige und obwohl sie versiegelt waren, fand ich dicht unter der Lampe heraus, dass die Karten
gezinkt waren.
Der Mann war also ein Spieler, und er hatte für alle Fälle sorgfältig präparierte Kartenspiele in seinem Gepäck.
Auch einen zweiten Taschencolt fand ich.
Und drei sorgfältig ausgewogene Wurfmesser in einer Nackenscheide.
Der Bursche war also auch ein Messerheld, der seine Wurfmesser hinter dem Nacken hervorholte und mit einer
einzigen Schleuderbewegung zu werfen verstand.
Nun war ich gewarnt.
Ich packte alle Sachen ein und stellte die beiden Reisetaschen neben die Tür.
Dann setzte ich mich in einen Sessel und legte meine langen Beine auf einen anderen Sessel.
Nancy Dollar atmete nun nicht mehr wie eine Schlafende.
Sie sagte vom Bett her: »Du willst mich also doch nicht bestehlen, Partner?« Nun wusste ich erst richtig, wie
erfahren und gefährlich sie war.
Sie hatte gar nicht geschlafen, sondern mich auf die Probe gestellt.
Unter der Decke hielt sie gewiss ihren doppelläufigen Derringer schussbereit.
Sie hätte geschossen, wäre ich mit ihrem Geld durch die Tür aus dem Zimmer gegangen.
Ich trat an das Fußende des Bettes, packte die beiden Messingkugeln des Gestells und sagte: »Ich hätte Lust,
dich mitsamt dem Bett umzukippen.
Dein Misstrauen gegen die Welt ganz allgemein und gegen die Männer besonders ist wie eine böse Krankheit.
- Ich frage mich schon eine Weile, ob du mir Leid tun solltest, Partner.
« »Ja, das sind wir - Partner.
Und jeder macht seinen Job.
Jetzt werde ich wirklich schlafen.
« Das tat sie wahrscheinlich wirklich.
Auch ich fiel in einen kurzen Schlaf.
Mein Magen knurrte zwar, doch es war noch zu ertragen.
Ich konnte mich etwa eine Stunde lang ausruhen.
Mehrmals fiel ich sozusagen in bodenlose Tiefen.
Doch immer wieder machte mich mein Unterbewusstsein wach.
Denn ich wusste, irgendwann würde der Besitzer dieses Zimmers kommen.
Und er war ein gefährlicher Mann.
Schon allein, dass er hier in dieser überfüllten Campstadt im Hotel das beste Zimmer bewohnte, ließ darauf
schließen, dass er ein beachtlicher Bursche sein musste.
Nach einer Stunde etwa kam er.
Mein Instinkt hatte mich schon wach werden lassen.
Man konnte die Tür von innen mit Hilfe eines Drehknopfes öffnen.
Von außen brauchte man dazu einen Schlüssel, dessen Bart die Schlossfalle zurückschob.
Als er den Schlüssel ins Schloss schob, erhob ich mich aus dem Sessel.
Und als er die Tür öffnete, stand ich vor ihm.
»He«, sagte er, »dies ist doch mein Zimmer - oder?« Er war noch etwas unsicher.
Vielleicht war er auch müde oder gar etwas betrunken.
Ich sah, dass er die schwarze und elegante Kleidung eines Berufsspielers trug.
Unter dem Prinz-Albert-Rock trug er eine Brokatweste.
In der Krawatte blinkte ein Brillant.
Und eine dicke Uhrkette hing ihm quer vor der Weste.
Aber er war ein großer, hagerer, sehniger Bursche, an dem kein Gramm zu viel Fett war, ein Mann, der sich
körperlich fit hielt.
Ich sagte: »Freund, da liegt eine Lady im Bett.
Bitte stören Sie nicht.
Ich habe Ihre Siebensachen eingepackt.
Ich sehe, dass Sie ein Gentleman sind, der einer schönen Lady gern das Zimmer überlässt.
Danke, mein Lieber! Wirklich, allerbesten Dank!« Er staunte nicht lange.
Dabei sah er über meine Schulter hinweg auf das Bett.
Er konnte Nancy Dollar gut erkennen.
Und da sagte er scheinbar einsichtig: »Na ja, für eine Lady wie diese muss man wohl.
« Dabei bückte er sich nach den beiden Reisetaschen.
Aber ich war bereit.
Ich wusste, dass er etwas versuchen würde.
Mein Instinkt sagte es mir.
Und auch in seiner Stimme war ein falscher Klang trotz seiner scheinbar einsichtigen Worte.
Als er statt der Reisetaschen meine Kniekehlen umfassen wollte, kam ich ihm um jenen wichtigen
Sekundenbruchteil, auf den es ankam, zuvor.
Ich riss ein Knie hoch und traf sein Kinn.
Er taumelte rückwärts aus der Tür, prallte im Gang gegen die gegenüberliegende Wand und stieß sich von
dieser ab.
Aber ich war ihm gefolgt, und er rannte in meine Faust.
Er war noch von meinem Kniestoß angeschlagen und kam nicht mehr richtig klar.
Ich trieb ihn den Gang entlang.
Es waren ja nur wenige Schritte bis zum Treppenabsatz.
Mit einem Schwinger schlug ich ihn die Treppe hinunter.
Er überschlug sich mehrmals und blieb unten liegen.
Der Nachtportier trat zu ihm, sah erst auf ihn nieder und dann zu mir empor.
»Einen Moment«, sagte ich zum Portier nieder, ging in das Zimmer, holte die beiden Reisetaschen und warf sie
dem Spieler nach.
Sie landeten unten bei ihm, als er sich wieder zu regen begann.
»Was ist das?«, fragte der Nachtportier böse herauf zu mir.
»Der Gentleman hat einer schönen Lady sein Zimmer abgetreten«, erwiderte ich.
Dann ging ich ins Zimmer zurück, schloss die Tür und setzte mich wieder in den Sessel, legte die Beine hoch.
Ich war darauf vorbereitet, dass sie heraufkommen und mir Ärger machen würden.
Doch es blieb still auf der Treppe.
Und so schlief ich wieder ein, diesmal länger und fester.
Nancy Dollar war nicht aufgewacht.
•ü Es war schon ziemlich verrückt, nicht wahr? Ich befand mich mit einer schönen und sehr reizvollen Frau in
einem Zimmer, hörte sie tief im Schlaf atmen, und manchmal murmelte sie im Schlaf irgendwelche Worte, die
ich nicht verstand.
Es war mir aber klar, dass sie keine guten Träume träumte.
Doch wir alle hatten dann und wann unsere bösen Träume.
Ihre Wege waren rau gewesen.
Sicherlich war ihr nichts mehr fremd auf dieser Erde.
Sie war zwar nicht im Krieg gewesen wie ich, doch ihr Kampf ums Überleben und Davonkommen war gewiss
nicht leichter.
Ja, sie hatte manchmal böse Träume wie ich.
Ob ich ihr helfen konnte, wenn ich sie in meine Arme nahm? Dies fragte ich mich damals in jener sterbenden
Nacht, als ich wie ein treuer Wachhund neben der Tür in einem Sessel lag und immer wieder erwachte, um zu
lauschen, wobei ich mir stets bewusst wurde, dass ich mit einer reizvollen Frau im gleichen Zimmer lag.
Ja, es war verrückt, nicht wahr? Doch wir waren Partner.
So jedenfalls sah sie es wohl.
Deshalb konnte sie sich so verhalten, als wären wir geschlechtslose Wesen.
Von ihr ging nichts aus, was jene knisternde Spannung erzeugte, die zwischen Frau und Mann entstehen kann.
Nein, da war alles tot in ihr.
Sollte sie mir Leid tun? Verdammt, was war in ihrer Vergangenheit geschehen, dass sie - eine Frau von solcher
Schönheit und mit diesen Reizen - innerlich so ausgebrannt war? Ich hätte es gerne gewusst.
Und zugleich ärgerte ich mich immer wieder, dass ich als Mann offensichtlich nicht den geringsten Eindruck
auf sie machte.
Denn noch nie zuvor hatte ich es schwer bei Frauen gehabt.
Ich war kein hübscher oder gar schöner Bursche, dazu sah ich zu hart aus.
Dennoch hatte ich bisher jede Frau bekommen, die ich hatte haben wollen.
Ich war im letzten Kriegsjahr Offizier geworden und hatte eine Schwadron in der Texas- Brigade geführt.
Während des Krieges und besonders dann im letzten Jahr bei unseren Rückzügen waren wir immer wieder bei
den reichen Baumwollpflanzern in Quartier gegangen, deren Herrenhäuser voller Reichtum waren, weil sie
einst viele Sklaven besaßen.
Und dort gab es stets Frauen, stolze, schöne, nach Liebe hungrige Frauen, die zu lange auf ihre Männer
warteten - und Witwen, deren Männer längst schon gefallen waren.
Ich bekam sie alle, wenn ich nur wollte.
Aber diese Nancy Dollar würde ich nicht bekommen.
Sie war innerlich tot.
Und so konnte das Verrückte geschehen, dass ich mit ihr in einem Zimmer atmete und nur eine Art Wachhund
für sie war.
Verdammt, das gefiel mir nicht.
Aber ich brauchte die hundert Dollar, die sie mir als Revolverlohn zahlen wollte.
Wenn ich erst die hundert Dollar hatte, konnte ich mir einen Sattel und ein Pferd kaufen, dazu die notwendigste
Ausrüstung für ein längeres Reiten.
Und dann konnte ich nach einer Chance suchen.
Es war schon Mittag, als ich das Zimmer verließ.
Nancy Dollar schlief noch tief und fest den Schlaf der völligen Erschöpfung.
Ich hatte mir aus ihrer Handtasche ein paar Dollar genommen.
Denn mein Magen knurrte schon seit vielen Stunden immer wieder böse.
Auch brauchte ich die Dienste eines Barbiers.
Irgendwo hier würde es auch eine Badeanstalt geben hinter einem Barber-Shop, und überdies musste ich mir
endlich ein Revolverholster kaufen.
Ich trug meine Waffe immer noch hinter Gürtel und Hosenbund.
Gewiss, ich konnte sie auch dort schneller greifen und damit schießen als viele Revolverschwinger, deren
Holster steif und geölt und dazu auch noch am Oberschenkel festgebunden waren.
Aber wenn ich an einen wirklich großen zweibeinigen Tiger geriet, hatte ich keine Chance.
Ich brauchte ein gutes Holster für meine Waffe.
Und so verließ ich also mit einigen Vorhaben unser Zimmer, schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel in
die Tasche.
Unten am Anmeldepult hockte ein anderer Mann, der den Nachtportier abgelöst hatte.
Der Mann sah mich an und sagte: »Na schön, dann tragen Sie sich und die Lady hier ein.
Aber gut war die Sache nicht.
Das Zimmer gehörte John Fitssimmons.
Sie haben ihn ziemlich übel behandelt, wie ich hörte.
Fitssimmons gehört zur Gilde in dieser Stadt.
Und die Gilde schützt alle Mitglieder.
Mann, Sie haben keine Chance, dies alles wieder in Ordnung zu bringen.
Es gibt eigentlich nur eine einzige Chance für euch.
« »Also doch eine Chance.
« Ich grinste.
»Und wie sieht sie aus?« Der Portier war ein bulliger Bursche, dessen linker Arm vom Ellenbogen abwärts
künstlich war und als Stahlhaken endete.
Er deutete damit zur Decke empor.
Dabei sagte er: »Wenn die Lady wirklich so schön ist, wenn sie wahrhaftig was ganz Besonderes ist - nun,
dann sollte sie zu Patrik O 'Hara gehen und diesen.
Nun j a, wenn sie ihm gefällt, dann wird er den Spieler John Fitssimmons dazu bringen, euch nichts
nachzutragen.
Vielleicht! Aber sie musste ihm schon sehr gefallen und auch wirklich entgegenkommend sein zu ihm.
Nicht wahr?« Er verstummte viel sagend und grinste.
Ich nickte scheinbar verständnisvoll und fragte dann: »Und wer ist Patrik O'Hara? « Nun staunte er mich an, als
sei ich ein Kalb mit zwei Köpfen.
Dann stöhnte er mitleidig und schüttelte den Kopf.
»Du lieber Vater im Himmel«, sagte er voller Verachtung über so viel Dummheit, »du lieber Vater im Himmel,
Sie wissen nicht mal, wer Patrik O'Hara ist? Oha, er ist der große Bulle hier im Corral! Er führt die Gilde.
Nichts hier in dieser Stadt geschieht ohne Patrik O'Haras Duldung.
Verstanden? « Ich nickte stumm.
Denn jetzt wusste ich Bescheid.
Wir waren in eine Stadt gekommen, die zwar wild und zügellos war, voller Sünden, Laster und Leidenschaften
- aber dennoch war alles irgendwie geordnet und unter Kontrolle.
Es gab hier eine >GildeGilde< anführte.
Um es klarer zu sagen: Ein harter Bursche hatte hier in dieser Stadt all jene Menschen organisiert und zu einer
Macht werden lassen, die der Hammelherde die Wolle scherten.
Es war die alte Geschichte.
Ein Starker und Rücksichtsloser regierte eine wilde Stadt mit Hilfe der Wilden Horde.
Die Spieler, die Barkeeper, die Rauswerfer, die Bordellbesitzer und deren Mädchen, die großen und kleinen
Gauner, Diebe und Betrüger - sie alle schlössen sich zu einer >Gilde< zusammen, zu einer >Gilde der
Schmutzigem, die sich gegenseitig schützte.
Ich wusste also nun Bescheid.
Was sollte ich tun? Der Portier beobachtete mich.
Er konnte sehen, wie ich unsere Situation jetzt endlich zu begreifen begann.
Ich sah zur Treppe hin.
Sie führte hinauf zu unserem Zimmer.
Ich konnte Nancy wecken, und dann konnten wir unseren >Bittgang< zu jenem Patrik O'Hara machen.
Doch ich schüttelte den Kopf und ging hinaus.
Der Hotelmann rief mir nach: »Mut und Stolz können auch schiere Dummheit sein, Taggert.
« Er hatte meinen Namen schon gelesen, während ich Nancy und mich ins Hotelbuch eintrug.
Vielleicht hatte er Recht.
Denn mein Mut und mein Stolz bestimmten stets meine Wege und all mein Tun.
Ein Mann wie ich, der gewiss kein Heiliger war, musste etwas haben, was seine Sünden zudeckte.
Und Mut deckte meine Sünden zu.
Daran glaubte ich.
Ich stand nun vor dem Hotel auf der Straße und sah mich um.
Und da sah ich ihn auch schon.
Ja, das war er, jener Bursche, den ich in der vergangenen Nacht nicht mehr in sein Zimmer ließ und dann sogar
noch die Treppe hinunterschlug.
Da war der Mann, dessen Stolz ich verletzte, weil ich Nancy Dollar zeigen wollte, wie sehr ich meinen Lohn
wert war.
Und gewiss hatte ich ihr auch zeigen wollen, wie groß ich war, wie sehr ich für sie sorgen und sie beschützen
konnte.
Ich wollte ihrer Schönheit mit Stolz und Mut ebenbürtig sein, mit den Tugenden eines Mannes also, wie ich
glaubte.
Vielleicht war ich ein Narr.
Denn dort drüben stand jener John Fitssimmons und wollte Revanche.
Er war nun nüchtern und nicht mehr nervlich so ausgebrannt nach einer Nacht am Spieltisch.
Fahrzeuge, Reiter und Fußgänger bewegten sich.
Doch es standen auch einige Leute herum, scheinbar Müßiggänger - aber ich spürte ihre lauernde Erwartung.
Oha, ich wusste Bescheid, und ich hätte mich umdrehen und ins Hotel zurückgehen können.
Ich hätte den Rat des Portiers befolgen und Nancy zu jenem Patrik O'Hara schicken können.
Doch da war wieder mein Stolz.
Ich hatte die Sache nun mal angefangen, um Nancy ein Zimmer zu beschaffen - und nun musste ich
weitermachen.
John Fitssimmons - so hatte ihn der Hotelmann genannt - wollte Revanche, und er besaß sogar ein Recht
darauf, sah man es von Mann zu Mann.
Nun, er sollte seine Revanche bekommen.
Wie gut war er wohl mit dem Colt? Das war in mir die Frage.
Er kam nun über die Fahrbahn.
Ich schritt ihm entgegen.
Als wir sechs Schritte voreinander verhielten, waren wir sozusagen allein auf dieser Welt.
Wir nahmen gar nicht wahr, dass Reiter, Fahrzeuge und Fußgänger verhielten, dass uns alle Augen
beobachteten, dass es still wurde in unserer Umgebung.
Für jeden von uns existierte nur das Gegenüber.
Es war ein merkwürdiges Gefühl in mir.
Es war ein Gefühl von Kälte und Gnadenlosigkeit.
Es war der unbeugsame Wille zu überleben.
Es gab nur diesen Fitssimmons und mich auf dieser Erde.
Seine Stimme klang hart, kalt und voller Feindschaft: »Ich sehe, du hast deinen Colt bei dir.
Also benutze ihn auch.
Jetzt!« Er war ein Mann, der nicht viele Worte machte.
Es gab ja auch nichts mehr zu sagen zwischen uns.
Als er »Jetzt!« rief - es war mehr ein lautes Zischen -, da bewegte sich seine Schulter.
Und der Colt erschien in seiner Hand.
Er hatte die Waffe aus einem Schulterholster unter der offenen Jacke hervorgezaubert - und dennoch war er
nicht schnell genug für mich.
Noch bevor ich in sein Mündungsfeuer sah, spürte ich den Rückstoß meiner Waffe in der Faust und jetzt erst
begriff ich, dass ich gezogen und geschossen hatte.
Erst in diesem Moment holten meine Gedanken die Reflexe wieder ein.
Meine Kugel stieß ihn halb herum, obwohl er sich gewiss Mühe gab, fest auf dem Boden zu stehen und
aufzufangen, komme, was da wolle.
Seine Kugel traf mich nicht.
Er fiel auf die Knie und schoss noch einmal vor sich in den Staub der zerfurchten Fahrbahn.
Ich wirbelte herum, denn ein Reiter ließ sein Pferd anspringen.
Es war klar, dass er mich niederreiten, zumindest rammen wollte.
Ich schoss wieder, traf das Tier mitten in die Brust.
Es stürmte an mir vorbei, denn ich glitt zur Seite wie ein Torero vor einem Kampf stier.
Doch der Reiter warf sich von seinem stürzenden Pferd auf mich, riss mich zu Boden.
Und dann waren noch andere Männer bei mir.
Ich kämpfte, so gut ich konnte.
Doch gegen vier oder fünf harte Burschen hatte ich am Boden keine Chance.
Sie machten mich klein.
Ein Stiefel traf meinen Kopf.
Sie hatten in Gushole tatsächlich ein Gefängnis, denn als ich erwachte, lag ich auf der harten Pritsche in einem
Gitterkäfig.
Eine Stimme sagte: »Da ist er ja wieder.
Bringen wir ihn also hinüber.
« Ich setzte mich langsam auf.
Zwei Männer standen vor der offenen Zellentür und betrachteten mich.
Beide Männer trugen einen Stern.
Auf einem dieser Blechsterne konnte ich lesen: City Marshal.
Der andere Stern trug die Worte: Sheriff Gushole-Distr.
Ich hatte also die beiden Gesetzesvertreter vor mir.
Wessen Gesetz vertraten sie? Ich betastete die anschwellende Schürfwunde an meiner Schläfe.
Dort hatte mich der Fußtritt getroffen.
»Im Krug ist Wasser«, sagte der Sheriff.
»Mit deinem Halstuch kannst du dir ein wenig Linderung verschaffen.
Dann siehst du auch bei der Gerichtsverhandlung nicht so verprügelt aus.
« »Gerichtsverhandlung?« So fragte ich, indes ich mein Halstuch ins Wasser tauchte und gegen meine Schläfe
hielt.
»Sicher«, sprach der Marshal.
»Bei uns herrscht Ordnung.
Und die Sünder müssen nicht lange auf die gerechte Strafe warten.
Du hast einen hier in Gushole sehr geachteten Mann getötet.
Es gibt Zeugen dafür, dass du zuerst den Colt gezogen hast.
- Man wird dich von einem gelehrten Henker hängen lassen.
Und das sollte dir eine Beruhigung sein.
Der Mann versteht seinen Job.
« Ich staunte nun doch.
Und einen Moment glaubte ich, dass alles nur ein böser Traum war.
Aber dann begriff ich, in was für eine Stadt ich gekommen war und wer hier regierte.
Diese beiden >Gesetzesvertreter< gehörten zur Gilde der Schmutzigen.
Sie waren Handlanger.
Und es gab keine Gnade für einen Außenseiter.
Ich hatte einen Mann der Gilde getötet.
Dass er zuerst nach dem Colt griff, spielte keine Rolle.
An mir musste ein Exempel statuiert werden.
Nur so konnte sich die Wilde Horde der Townwölf e und Goldräuber gegen die große Hammelherde
behaupten.
Ich saß in der Klemme.
Nur weil ich großspurig und eitel einer schönen Frau ein Hotelzimmer in einer überfüllten Stadt verschaffen
wollte, weil ich ihr beweisen wollte, wie großartig ich war, saß ich nun in der Klemme.
Ich Narr! Ich erhob mich langsam, dachte einen Moment daran, es mit den beiden Männern aufzunehmen.
Vielleicht konnte ich sie niederkämpfen und entkommen.
Aber sie zogen ihre Colts, indes ich aus der Zelle trat.
Einer deutete auf die Tür, die in den Nebenraum führte, nicht nach vorne in das Office.
Ich öffnete die Tür - und dann staunte ich abermals.
Denn durch diese Tür konnte man die große Amüsierhalle eines Tingeltangels betreten.
Hinter der Bar aber standen jetzt keine Barmänner, sondern saßen Geschworene.
Und auf dem Podium, wo sonst gewiss in den Nächten eine Kapelle spielte, saß ein dicker, weißhaariger und
weißbärtiger Mann.
Auf dem kleinen Tisch vor sich hatte er ein dickes Buch und einen Holzhammer liegen.
Er war sicherlich der >RichterGilde der SchmutzigenGilde der Schmutzigen< hatte hier wirklich das Heft fest in der Hand.
Der Rest des Tages wurde noch recht angenehm für mich, denn ich ging in die Badeanstalt hinter dem
Barbiersalon, mietete mir einen Holzbottich voll heißem Wasser, blieb fast eine Stunde darin, ließ mir also
immer wieder heißes Wasser nachgießen und ließ mir dann die Haare schneiden und den Bartstutzen.
Als ich dann ins Restaurant kam, trug ich auch endlich meinen Colt in einem erstklassigen Holster.
Ich wusste, ich war nun noch schneller mit der Waffe, und es gab mir ein Gefühl von überlegener Sicherheit.
Bei den damaligen Verhältnissen, abseits von Recht und Ordnung und der Zivilisation der Christenheit, da war
ein solches Gefühl schon das halbe Überleben.
In diesem Land hier galten andere Maßstäbe.
Als ich mich nach einem freien Tisch umsah, entdeckte ich Nancy.
Sie winkte mir von ihrem Tisch zu, und so ging ich zu ihr und setzte mich.
Wir sprachen nicht viel.
Es gab Lammrücken, Reis und zum Nachtisch Apfelkuchen.
Als wir beim Kaffee waren, sagte sie: »Ich habe einen Pokertisch im Imperial.
Das ist der nobelste Laden hier.
In die Spielhalle werden nur Leute eingelassen, die über genügend Mittel verfügen.
Du wirst in meiner Nähe sein und aufpassen, dass mir nichts geschieht.
« Ich nickte.
Sie erhob sich.
»In einer Stunde geht es los«, sagte sie.
Dann ging sie nach oben, denn das Restaurant gehörte zum Hotel.
Auch ich erhob mich, um noch einen Gang durch die Stadt zu machen.
Es herrschte Recht und Ordnung in Gushole, nur waren es das Recht und die Ordnung der Gilde.
Dies begriff ich schnell, indes ich durch die Stadt schlenderte, um sie bis in den letzten Winkel kennen zu
lernen.
Dann und wann hielt ich an in der zunehmenden Dämmerung.
Zunehmend wurden Lichter, Lampen und Laternen angezündet.
Die Bratstände waren noch belagert.
Deputy Marshals schlenderten umher.
Es kamen immer noch Wagen mit durstigen Kehlen und Reiter aus dem Canyonland nach Gushole herein, auch
Fußgänger.
Eine Eselskolonne, jedes Tier an den Schwanz des Vordertieres gebunden, trottete die Fahrbahn entlang.
Jedes Tier war mit Holz beladen, zumeist Knüppelholz aus den Bergen.
Denn das Holz war in der näheren Umgebung längst schon knapp geworden.
Ich betrat auch einige Lokale.
Es ging dort laut und lärmend zu, aber überall waren Rauswerfer und Hauspolizisten.
Ich begriff, dass die Gilde die Stadt so wild hielt, wie es nur möglich war, ohne die Kontrolle zu verlieren.
Denn in einer wilden, sündhaften und leichtsinnigen Stadt voller Laster und Leidenschaften rollte der Dollar
schneller und leichter, da wurde der Goldstaub hemmungsloser ausgegeben.
Doch ich sah auch wie Burschen, die über die Stränge schlagen wollten, zurechtgestutzt wurden.
Da wurde es Zeit, Nancy zum Imperial und dort in die Spielhalle zu begleiten.
Sie würde ihr ganzes Geld bei sich haben.
Aber eigentlich hatte sie doch in Patrik O'Haras Stadt nichts zu befürchten.
Oder? Als ich vor unser Hotel kam, trat Nancy heraus.
Ich bot ihr meinen Arm.
Das konnte ich unbesorgt tun, denn ich trug meinen Colt links.
Ich war mit der Waffe Linkshänder.
Sie fragte: »Nun, hast du dich umgesehen, Partner?« »Dies ist ein wildes Camp, aber die halten es unter
strenger Kontrolle«, erwiderte ich.
»Sie haben hier ein feines System.
Wenn sie mich nicht um ein Haar gehängt hätten, wäre ich noch arglos.
« Wir hatten nun den Eingang zum Imperial erreicht.
Ein grinsender Bursche hielt uns die Schwingtür auf und sagte: »Hoi, Cowboy, verkaufe mir deine Schöne für
eine Nacht, ja? Ich kann es mir leisten, denn ich bin Lucky Bill.
Ich fand die größte Goldader.
Was kostet sie für eine Nacht, Cowboy?« Er war schon ziemlich betrunken und wusste nicht mehr so recht, was
er redete.
Wäre er nüchtern gewesen, hätte ich ihm aufs Maul geschlagen.
Doch so sagte ich freundlich: »Ich habe sie selbst für eine Million gekauft, mein Freund.
Da reicht wohl deine Goldader nicht ganz - oder?« »Neinneinnein«, stotterte er, »dadada mumumuss ich erst
noch eine zweite Ader finden.
Dududu bibibist ein Glücksjunge wie ich, und mich nennt man Lucky Bill.
Wie heißt du denn?« Wir waren schon an ihm vorbei.
Und so rief ich ihm über die Schulter zu: »Lucky Josh! Ich bin Lucky Josh, Bruder! Und viel Glück mit der
zweiten Goldader!« Ich führte Nancy zum Spielsaal hinüber.
Sie sah zu mir hoch und sagte: »Ich bin dir also mehr als eine Million Dollar wert, Partner? Dann pass nur gut
auf mich auf.
« Ein elegant gekleideter Mann trat auf uns zu.
Er sah aus wie ein ehemaliger Offizier von zumindest Majorsrang.
Aber er war jetzt hier der Manager.
Er sagte: »Ich bin Henry Smet und hier der Manager.
Dort drüben ist ihr Tisch, Ma'am.
O'Haras Wünsche sind mir Befehl.
« Er deutete auf mich.
»Den brauchen Sie hier nicht, Lady.
Bei uns sind Sie so sicher wie unter Brüdern.
« »Er wird in meiner Nähe bleiben«, sagte sie fest und nahm ihren Arm aus meinem.
Ich blieb zurück und sah zu, wie sie geradewegs zu dem für sie bestimmten Tisch ging, sich dort setzte und die
Karten probeweise zu mischen begann.
Sie tat Letzteres mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit und Geschicklichkeit.
Ein Zauberkünstler hätte nicht vollendeter mit Karten umgehen können.
Dabei blickte sie nicht mal hin, sondern ließ ihre Blicke durch den Spielsaal schweifen.
Wie ich sie dort so sitzen sah, indes ich mir an der kleinen Bar einen Drink geben ließ, spürte ich, dass sie sich
jetzt auf das kommende Spiel konzentrierte wie eine Wildkatze auf die Jagd.
Und solch eine Katze konnte geduldig lauern, warten - und dann zuschlagen.
Was versprach sie sich davon? Was wollte sie erreichen? War sie hergekommen, weil zwischen ihr und diesem
Patrik O'Hara noch eine Rechnung zu begleichen war? Er hatte selbst zugegeben, dass er sich in ihrer Schuld
befand.
Versprach sie sich von mir Hilfe gegen einen so mächtigen Mann wie Patrik O'Hara? Oho, dann überschätzte
sie mich wohl doch sehr.
Mit einem schnellen Colt allein hatte ich hier keine Chance.
Die Macht der Gilde würde mich zertreten wie einen Käfer.
All diese Gedanken gingen durch meinen Kopf, indes ich mit dem Glas in der Hand an der Bar lehnte und alles
beobachtete.
Ich sah dann, wie sich einige Männer an Nancy Dollars Spieltisch begaben, sich höflich verbeugten, fragten, ob
sie Platz nehmen dürften - und wie sie diese Männer fest und kritisch betrachtete und dann jeweils durch
Nicken ihr Einverständnis erkennen ließ.
Auch ich betrachtete diese Männer.
Sie sahen alle beachtlich und seriös aus auf den ersten Blick.
Man konnte sie für Minenbesitzer, Frachtlinienbosse oder erfolgreiche Geschäftsleute halten.
Vielleicht waren sie es auch wirklich.
Ein typischer Kartenhai schien nicht dabei zu sein.
Doch die wirklich erstklassigen Spieler, die es mit jedem Kartenhai aufnehmen konnten, die tarnten sich gut.
Ich wusste das längst.
Wir hatten in der Konföderiertenarmee alle nur denkbaren Typen, und als ich einmal mit einer schweren
Verwundung fast drei Monate in einem Lazarett war, da fand sich dort eine Spielergruppe zusammen, von
denen jeder Einzelne vor dem Krieg durch Kartenspiel seinen Lebensunterhalt verdient hatte.
Damals im Lazarett spielten sie um Knöpfe, um Silber- und Goldknöpfe.
Aber sie verrieten einander alle Tricks, gaben richtige Vorstellungen und profitierten voneinander.
Sie vervollkommneten sich für die Zeit nach dem Krieg.
Ich war ein gelehriger Schüler damals.
Und deshalb wusste ich auch jetzt gut Bescheid und vermochte die Dinge richtig zu deuten.
Und immer dann, wenn ich an diesen Patrik O'Hara dachte, konnte ich mir vorstellen, was dieser vielleicht
versuchen würde, wenn er den Verdacht hatte, dass Nancy Dollar hergekommen war, um Revanche zu nehmen
für etwas.
Denn er stand in ihrer Schuld.
Er staunte, dass sie noch lebte.
Also hatte ihn mit ihr die Vergangenheit wieder eingeholt.
Das war ihm offensichtlich nicht angenehm.
Vielleicht würde er versuchen, sie von ihm ganz und gar abhängig zu machen.
Und wenn das so war, dann musste sie am Spieltisch Niederlagen erleiden.
Vor solchen Niederlagen konnte ich sie mit meinem Colt nicht schützen.
Ich sah mir ihre vier Mitspieler also immer wieder genau an, ließ meinen Instinkt gegen sie strömen.
Die Entfernung von mir an der Bar bis zum Tisch in der Ecke betrug kaum zehn Schritte.
Ich sah, dass Nancy die erste Runde gewann.
Aber es waren kaum mehr als hundert Dollar im Topf.
Das alles hatte noch nichts zu bedeuten.
Die Spieler mussten sich erst noch >beriechenGilde der Schmutzigen< organisiert hatte und kontrollierte,
wenn nichts ohne sein Wissen geschah, dann war er verrückt.
Indes die Tage vergingen, unsere Hütte zum zweiten Male fertig wurde, wir uns einrichteten und auch damit
begannen, auf unserem Claim nach Gold zu suchen, da dachte ich fortwährend darüber nach, wie wir
weiterkommen konnten.
Immer wieder erhielten wir Besuch von Nachbarn.
Es kamen auch die Vormänner von Claimgemeinschaften, auch Besitzer kleinerer Minen.
Immer wieder berieten wir, was zu geschehen hatte.
Man wollte Vigilantenmannschaf ten bilden und diese reiten lassen.
Aber ich war dagegen.
Denn ich wusste, dass Vigilanten auch einige Unschuldige vernichten würden.
Und es würde Vigilantenkomitees geben, deren Anführer vielleicht ihr eigenes Süppchen kochen wollten.
Nein, Vigilanten waren genau das entgegengesetzte Extrem.
Zwischen mir und Nancy Dollar war immer noch nichts.
Wir lebten wie Schwester und Bruder.
Sie war immer noch kalt und ohne Verlangen nach Zärtlichkeit.
Aber ich spürte irgendwie, dass sie mich stets aufmerksam beobachtete, so als würde sie mich fortwährend
misstrauisch prüfen.
Sie zeigte also Interesse für alles, was ich tat und sagte.
Wenn wir Besuch bekamen, saß sie schweigend dabei.
Aber sie achtete auf jedes meiner Worte.
Das alles machte mir Hoffnung.
Vielleicht würde sie irgendwann tief in ihrem hart gewordenen Kern zu der Erkenntnis kommen, dass ich
anders war als die Männer bisher in ihrem Leben.
Denn wenn ich das nicht schaffte, dann würde sie verdorren trotz ihrer reizvollen Schönheit.
Aber ich drängte sie nicht.
Ich ließ sie zwar spüren, wie sehr ich sie mochte und ihr helfen wollte, den Weg aus der Kälte und Einsamkeit
zurück zu Hoffnung und Wärme zu finden - doch ich tat nichts, was sie hätte abweisen müssen.
Was ich mir wünschte, musste von ihr aus kommen.
So vergingen also fünf Tage.
Dann kam unser Nachbar Lucky Bill aus der Hütte.
Es war ein kalter, doch klarer und heller Morgen.
Lucky Bill, der sich während der letzten Tage schon wieder selbst versorgt hatte, trug eine Spitzhacke über der
Schulter.
Er ging zur südöstlichen Ecke seines Claims, die an die nordöstliche Ecke unseres Claims grenzte.
Er sah, dass wir ihn beobachteten, und so winkte er uns zu und rief herüber: »Wollt ihr sehen, wie ich eine
Goldader freilege?« Wir lachten.
Auch Lucky Bill lachte.
Denn er rief diese Worte natürlich nur so zum Spaß.
Er hätte ebenso gut auch rufen können: »Wollt ihr sehen, wie ich ein Loch abteufe, das unten in Australien
herauskommt?« Und wir hätten ebenso gelacht, weil wir uns freuten, dass er wieder auf den Beinen war und
das Arbeiten ausprobieren wollte - und wenn auch nur für eine halbe Stunde.
Er nahm die Spitzhacke von der Schulter und schlug sie in den Boden.
In dieser Ecke des Claims war noch nicht gegraben worden.
Es wuchsen dort sogar noch einige Dornenbüsche, die als Pferdefutter nichts taugten und auch nicht für ein
Feuer verwendbar waren.
Es waren kaum kniehohe Büsche.
Er schlug die Spitzhacke mitten hinein, riss dann damit ein paar Büsche mit den Wurzeln heraus und schlug sie
noch einmal und dann zum dritten Mal ein.
Als er sie fallen ließ, da dachten wir, dass er vor Anstrengung genug hätte, aber er fiel auf die Knie und begann
mit den Händen in dem kleinen Loch zu arbeiten.
Er riss noch einige locker gewordene Wurzeln heraus, warf sie hinter sich und wühlte wieder mit den Händen.
Dann kniete er eine Weile unbeweglich.
Und dann hob er wie betend die Hände vor die Brust, so dass die Fingerspitzen sein Kinn berührten.
Wir hörten ihn laut und feierlich voll Dankbarkeit sagen: »Du lieber Vater im Himmel, jetzt endlich weiß ich,
warum sie mich schon als kleinen Jungen Lucky Bill nannten.
Damals taten sie es, weil ich stets lachte und immer vergnügt war.
Aber j etzt, jetzt hast du mich wahrhaftig zu einem Lucky Bill gemacht.
Du lieber Vater im Himmel, ich danke dir.
Nur schade, dass mein Partner, den die verdammten Goldwölfe wegen einer Hand voll Goldstaub umbrachten,
dies nicht mehr erleben konnte.
Verdammt, was mache ich jetzt nur?« Wir hörten es und konnten es nicht glauben.
Einen Moment dachte ich sogar, Lucky Bill machte sich einen Scherz mit uns.
Aber dann begriff ich, dass es wirklicher Ernst war.
Lucky Bill, den sie als kleines Kind schon >Glücklicher Bill< nannten, weil er stets lachte und ein sonniges
Gemüt hatte, musste dort drüben seine Spitzhacke in eine Goldader geschlagen haben.
Wir gingen hinüber.
Und auch Barney, der auf der anderen Seite seinen Claim hatte, kam herbeigelaufen.
Wir knieten dann alle bei Lucky Bill und dem Loch.
Und dann sahen wir es.
Das Erdreich war nur knapp einen Fuß tief.
Darunter war Felsgestein, da lag die Goldader wie ein erstarrter Blitz.
Wir sahen uns an.
Dann sagte Lucky Bill heiser: »Wenn das die Wilde Horde - diese verdammte >Gilde der Schmutzigem -
erfährt, dann finden sie einen Weg, mich zu erledigen und dies hier an sich zu bringen.
Heiliger Rauch, was machen wir?« Er sah uns an.
»Ihr seid mit drinnen«, sprach er heiser weiter.
»Seht, die Goldader setzt sich nach beiden Richtungen fort.
Ich habe zwar nach Claimrecht, das Recht, ihr auch über alle Nachbarclaims folgen zu können als Entdecker,
aber von meiner Grenze an muss ich mit euch teilen.
- Und wenn die Ader bei euch dicker ist als bei mir, dann kann es sogar sein, dass euer Anteil mehr bringt als
hier mein volles Recht.
Ihr seid mit drinnen.
Also müssen wir uns was einfallen lassen.
Wie kommen wir an die Köpfe der Banditen heran?« Als er die Frage stellte, dachte ich wieder an Patrik
O'Hara.
Ich dachte auch wieder daran, wie Nancy in der Spielhalle pokerte.
Und plötzlich erinnerte ich mich auch wieder an jene Mary, die in der Spielhalle die Bar bediente.
Sie hatte mir auf O 'Haras Anweisung hundert Dollar Vorschuss ausgezahlt.
Ich hatte das in einem Buch bei ihr quittieren müssen.
Letzteres hing nur mit ihrem Kassenbestand zusammen, den sie dem Manager abrechnen musste.
Mary hatte mir erzählt, dass sie einst Patrik O'Haras Favoritin war.
Sie wusste noch nicht, ob er sie geschwängert hatte.
Doch vielleicht wusste sie es jetzt.
Sollte sie ein Kind von ihm erwarten, dann würde sie weiterhin zu ihm halten und damit zufrieden sein, dass er
sie die Bar bedienen ließ und nicht zu den Tanzund Animiermädchen steckte.
Ja, sie würde sich sogar ausrechnen, dass er sie als die Mutter seines Kindes bevorzugt behandelte, dass er sie
vielleicht sogar mit viel Geld abfand, damit es seinem Kind an nichts mangelte.
Aber wenn sie nicht schwanger war.
Nun, da gab es viele Möglichkeiten.
Ich erhob mich zuerst aus der knienden Haltung, in der wir alle vier noch verharrten.
Und ich sagte: »Ich reite heute nach Anbruch der Dunkelheit nach Gushole.
Ich werde dort versuchen, einen wichtigen Bundesgenossen zu bekommen.
« »Wen?« Sie fragten alle drei im Chor.
Aber dann sah Nancy mich scharf an und sagte: »Diese blonde Texanerin, welche in der Spielhalle für Getränke
sorgt, nicht wahr? Ich unterhielt mich damals in den Spielpausen an ihrer Bar bei einem Drink mit ihr.
Sie wollte eine Menge über dich wissen.
Und sie hat Patrik O'Hara eine Weile ganz und gar gehört.
Ist es die?« Ich nickte nur.
Ich staunte über Nancy Dollars Beobachtungsgabe.
Nun fand ich es schon erklärlicher, dass sie Patrik O'Hara die ganze Imperial Hall abgewinnen konnte.
Es wurde mir auch klar, dass Nancy über mich mehr wusste, als ich bisher glaubte.
Denn sie forschte ja schon lange an mir herum mit ihrem Instinkt und ihrer scharfen Beobachtungsgabe.
Es war schon nach Mitternacht, als ich nach Gushole kam.
Die wilde Campstadt war voll in Betrieb.
In den Lokalen und draußen auf der Straße lärmte alles.
Die Anreißer vor den Tingeltangels rissen Zoten und versprachen das Paradies der Sünden.
Denn nach Sünden dürstete es allen, die um diese Zeit noch in Gushole waren.
Ich war mir sicher, dass man mich nicht so leicht erkennen konnte.
Denn ich war jetzt wie ein Goldgräber gekleidet und hatte mir auch einen Vollbart stehen lassen.
Auch den Colt trug ich nicht wie ein Revolvermann.
Man sah mir nicht mehr den ehemaligen Texas-Cowboy an, der ich ja einst vor dem Krieg gewesen war.
Von Patrik O'Haras Männern hatten mich ohnehin nur wenige kurz gesehen.
Nur der Manager Henry Smet, einige Hauspolizisten und Rauswerfer - und natürlich O'Hara - würden mich
erkennen.
Ich lenkte mein Pferd in eine Lücke zwischen den Reihen von Pferden, die überall an den Haltebalken standen.
Als ich absaß, versuchte ich dies plump und ungelenk zu tun, wie einer der Goldgräber, von denen die meisten nicht
wie Cowboys ritten.
Ich bewegte mich dann linkisch, ganz und gar wie ein Digger, der jeden Tag hart schuftete.
Und natürlich spielte ich auch der Angetrunkenen.
Ich verschwand in einer Gasse, die, wie ich wusste zur Seitentür der Spielhalle führte.
Drinnen stand ein Aufpasser an der Tür, der niemanden einließ, der nicht bekannt war oder genügend Geld
vorweisen konnte.
Ich verharrte draußen an der Tür.
Nach einigen Minuten kam jemand heraus, stellte sich in der Gasse an die gegenüberliegende Hauswand und begann
sein Wasser abzulassen.
Ich trat in der Dunkelheit neben den Mann, sah, dass es ein Goldgräber sein musste, und fragte: »Bruder, bist du
nüchtern genug, um mir einen Gefallen tun zu können?« »Wenn du einen Dollar erbetteln möchtest.
«, begann der Mann grollend und knöpfte sich den Hosenschlitz zu und wandte sich wieder zur Tür.
»Nein, ich bin kein Bettler«, unterbrach ich ihn.
»Es geht um die blonde Goldie hinter der Bar.
Sie lassen mich nicht rein zu ihr, haben Angst, dass ich sie dann mit mir auf meinen Claim nehme.
Aber ich möchte sie sprechen.
Ich muss ihr sagen, dass ich genug für uns beide habe und sie gerne mitnehmen würde auf meine Farm in Texas.
Weißt du, wir waren Nachbarskinder am Brazos.
Sag ihr nur, dass der alte Texas-Josh im Hof auf sie wartet.
Sie soll mal auf die Toilette gehen.
Willst du das für mich tun, Bruder?« Er staunte.
»Junge«, sagte er, »wenn du bei der Chancen hast, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.
Ich dachte immer, man müsste erst eine Goldader finden, um bei der Chancen zu haben und mit ihr etwas anfangen
zu können.
Bildest du dir nicht vielleicht nur was ein? Wird sie mich nicht auslachen, wenn ich mit deinem Ansinnen zu ihr
komme?« »Nein, Bruder«, versprach ich feierlich.
»Na gut«, nickte er in der Dunkelheit der Gasse.
»Ich habe mal das Ding von Romeo und Julia gelesen.
Die konnten auch nicht zueinanderkommen.
Und weil mich das so gedauert hat, will ich euch helfen.
« Er ging wieder hinein.
Aus der dunklen Gasse heraus konnte ich sehen, dass der Türwächter ihn kontrollierte.
Und ich konnte schräg durch die Spielhalle blicken und jene Mary hinter der Bar in der Ecke erkennen.
Sie war also da.
Und sie bediente soeben drei durstige Spieler, die mal Pause machten.
Ich ging zum Ende der Gasse und bog in den Hof ein.
Hier gab es Toiletten - aber es waren stinkende Aborte, kaum mehr als Latrinen.
Sie standen ganz und gar im Gegensatz zu dem noblen Inneren der Spielhalle und der Tanz- und Amüsierhalle.
Männer kamen immer wieder auf den Hof.
Die meisten suchten gar nicht erst die Stillen Örtchen auf, sondern stellten sich einfach an die Schuppenwände.
Die Lady-Örtchen waren etwas abseits von denen der Gents.
Und hier wartete ich auf jene Mary vom Brazos.
Sie kam durch eine andere Tür als die Männer.
Unter der Lampe hielt sie einen Moment inne und sah sich um.
Ich machte »Pssst«, und da kam sie.
Wir verschwanden hinter das kleine Bretterhäuschen.
Sie sagte: »He, Texas-Cowboy, wenn du das bist, dann musst du verrückt sein!« »Du erinnerst dich also noch
gut an mich«, sagte ich.
»Aber ich gab dir ja damals für die hundert Dollar auch ein Autogramm in dein schlaues Buch.
Gab Smet dir die hundert Dollar zurück?« »Nein«, sagte sie.
»Aber hast du mich herausholen lassen, damit wir uns über diese hundert Dollar unterhalten?« .
»Nein«, sagte ich.
»Eigentlich wollte ich von dir wissen, ob du von Patrik O'Hara geschwängert worden bist.
Vor etwa zehn Tagen wusstest du es noch nicht.
Weiß du es jetzt?« Sie schnappte nach Luft vor Überraschung.
Dann begann sie: »Du hast vielleicht Nerven.
« Doch inzwischen hatte ihr Verstand zu arbeiten begonnen.
Und sie war nicht dumm.
Nein, sie war keine blöde Gans.
Deshalb fragte sie nun ruhig: »Und wenn ich kein Kind von ihm erwarten sollte, was dann?« »Dann hilf mir, ihn und
seine ganze Gilde zu erledigen«, sagte ich hart.
»Dann brauchst du ihn nicht länger mehr zu schonen.
Er hat dich benutzt und weggeworfen.
Ich kenne eine Frau, die hat er mit ihrem Kind in der Not gelassen.
Damals lief er fort, weil Apachen kamen.
Du hast Glück gehabt, Mary.
Denn es hätte ihm nichts ausgemacht, dich mitsamt dem Kind zum Teufel zu jagen.
Er ist einer der Anführer, einer der führenden Köpf e jener Gilde der Schmutzigen.
Mary, wir haben eine Goldader gefunden.
Von uns bekommst du was für deine Hilfe.
Du kannst zum Brazos zurück und wirst dir was schaffen können - ein kleines Hotel, ein Restaurant, einen Laden.
Hilf uns.
« Sie dachte eine lange Minute nach.
Dann murmelte sie: »Dir höre ich nur zu, weil du Texaner bist.
Sonst.
« Sie verstummte.
Ich aber fragte: »Es müssen irgendwo im Gushole Canyon oder gar hier in der Stadt Zusammenkünfte stattfinden.
Die ganze Organisation ist zu groß für Patrik O'Hara.
Es muss noch andere Bosse geben.
Er leitet diese Stadt.
Aber wer führt die Goldwölfe? Und wer hat die Spione und Spitzel unter Kontrolle? Wer führt die starke Bande
außerhalb des Gushole Canyons? Die Anführer müssen sich dann und wann treffen, sich miteinander abstimmen.
Mary, ich will von dir wissen, wann und wo solch eine Zusammenkunft stattfindet.
Du warst O'Haras Geliebte.
Er ging mit dir ins Bett.
Also hast du auch eine Menge mitbekommen.
Und er hat dir den Job hier an der Spielhallenbar nur gegeben, damit er dich unter Kontrolle halten kann.
Sag mir was.
Denn erledigen wir ihn und die ganze Bande.
Dann bist du frei und gehst mit einem Batzen Geld nach Brazos zurück.
Na?« Wieder dachte sie nach.
Die Zeit brannte ihr jetzt schon unter den Füßen.
Sie konnte gewiss nicht lange wegbleiben.
Vielleicht würde bald ein Hauspolizist herauskommen und nach ihr rufen.
Aber sie dachte nach.
Ich wartete.
Dann sagte sie: »Es ist Sullivan, der fahrende Händler.
Er ist ständig mit drei Frachtwagen unterwegs, die als fahrende Stores eingerichtet sind.
Immer wenn er Station macht bei der Aurora- Mine für einen Tag und eine Nacht, dann treffen sie sich alle.
Dann reitet auch O'Hara hin.
Aber ihr werdet sie niemals überrumpeln können.
Unter euch sind Spione, Verräter.
Keiner von euch ist sicher.
Und wenn du jemandem erzählen solltest, was ich dir soeben sagte - wenn du meinen Namen nennst, dann bin
ich so gut wie tot.
Verstehst du?« Sie fragte es hart und herb.
.
»Niemand wird es erfahren«, erwiderte ich.
Kaum hatte ich ausgesprochen, als von der Hintertür eine scharfe Stimme über den Hof rief: »He, Mary, muss
ich mit einer Schere kommen? Verdammt, die Bar ist schon lange außer Betrieb.
« »Ich komme« , rief Mary zurück und verließ mich.
Ich verhielt noch.
Und in mir war eine grimmige Zufriedenheit.
Wenn alles stimmte, was sie mir gesagt hatte, dann konnten wir mit einem Schlage die Organisation sozusagen
kopflos machen.
Ich verließ den Hof, ging zu meinem Pferd, saß auf und verließ Gushole.
In mir war ein grimmiger Triumph.
Diesmal durften wir keine Fehler machen.
Indes ich heimritt, zwischen Mitternacht und Morgen, überlegte ich die ganze Sache immer wieder neu von
allen Seiten.
Und stets kam ich zu der Erkenntnis, dass wir niemanden einweihen durften.
Auf Lucky Bill und Barney konnte ich mich verlassen.
Doch auf wen sonst noch? Mary hatte mich gewarnt, aber dieser Warnung hätte es gar nicht bedurft.
Ich wusste, dass wir Verräter unter uns hatten.
Dass man unsere beiden Gefangenen erschoss, bevor diese etwas sagen konnten, geschah gewiss auf ein
Zeichen der Menge.
Vielleicht warf jemand seinen Hut hoch oder schwenkte ein rotes Schnupftuch.
Die Wölfe mussten überall ihre Spione sitzen haben, die sich als Goldgräber getarnt hatten und tagsüber auf
Claims arbeiteten, Kontakte suchten und Vertrauen erwarben.
So erfuhren sie alles.
Auch vom Fund der neuen Goldader auf Lucky Bills Claim hatten sie längst schon erfahren, da war ich sicher.
Wir konnten also niemanden ins Vertrauen ziehen.
Und deshalb würde es hart und gefährlich für uns werden.
Als ich dann den Hauptweg des Gushole Canyons verließ und dem schmalen Pfad folgte, erlebte ich wieder,
wie wachsam sie jetzt alle waren.
Denn obwohl es lange nach Mitternacht war, wurde ich da und dort angerufen.
Alle in den Hütten und auf den Claims lagen auf der Lauer.
Und schon der Hufschlag eines Pferdes machte sie nervös.
Ich gab immer wieder Antwort.
Und endlich erreichte ich unsere Hütte.
Lucky Bill und Barney waren bei NanBarney sattelte mein Pferd ab.
Wir sprachen draußen beim Corral kein Wort.
Erst drinnen in der Hütte fragten sie dreistimmig, so als hätten sie es einstudiert: »Na, was ist?« Ich erklärte
ihnen alles.
Dann pfiff Barney leise durch die Zähne.
»Ja, diesen Elroy Sullivan kennt jeder hier im Canyon«, sagte er dann.
»Der ist für alle der gute Onkel.
Er zieht mit drei Verkaufswagen durch den Canyon, versorgt alle, die ihre Claims nicht verlassen möchten.
Auch einige Minen und größere Claimgemeinschaften versorgt er.
Und alle mögen ihn.
Denn er flößt Vertrauen ein.
Die Aurora-Mine liegt keine Reitstunde von uns entfernt.
Wenn man nach Gushole reitet, liegt sie auf halbem Weg an der Westseite des Canyons.
Der Stollen führt in den Berg hinein.
Man sagt, es wäre eine sehr ergiebige Mine.
Sie hat eine eigene Schmelze und auch eine eigene Erzmühle.
Dort also ist die Höhle der Wölfe.
Nun gut.
« Er verstummte etwas ratlos, und ich wusste, er hatte jetzt die gleichen Gedanken, die auch mich
beschäftigten.
Auch Lucky Bill hatte sie.
Denn er fragte seufzend: »Ja, wem können wir trauen? Wen können wir einweihen und mitnehmen?«
»Keinen«, sagte Nancy hart, »keinen.
« Sie nickten.
Lucky Bill seufzte.
Dann sagte er knirschend: »Es hat gar keinen Sinn für uns, dass wir die Goldader ausbeuten.
Denn wenn uns die Banditen überfallen, können sie das Gold schnell schnappen und wegbringen.
Heraushacken aus der Ader aber können sie es nicht.
Dazu fehlt die Zeit.
Dazu braucht man Wochen.
Wir müssen sie also erst erledigen, bevor wir unser Gold herausholen.
Als Ader in der Erde ist es sicherer, nicht wahr?« »Solange du lebst und dir dieser Claim gehört«, sagte ich
langsam Wort für Wort.
Sie starrten mich an.
Denn sie verstanden sofort, was ich meinte.
»Ja, solange ich lebe und mir dieser Claim gehört«, wiederholte Lucky Bill trotzig.
Und dann fügte er hinzu: »Ich werde nicht so dumm sein, dass ich nach Gushole gehe.
Es würde eine Falle für mich werden.
Sie würden schon irgendein Mittel finden, ja, das würden sie.
« »So ist es«, murmelte ich.
Aber dann grinste ich scharf, und dieses Grinsen erwiderten Barney und Lucky Bill plötzlich, so als hätte ich
sie angesteckt.
Jetzt waren wir plötzlich drei Burschen, die sich durch Kühnheit behaupten wollten.
Wir waren ohne jedes weitere Wort bereit, alles auf eine Karte zu setzen.
Nancy sagte, so als hätte sie unsere Gedanken und Gefühle lesen können: »In diesem Spiel sind wir drei Asse
und eine Dame.
Und damit kann man gewiss einen Topf gewinnen - oder? Kaum eine Karte ist besser.
« »Einige schon«, sagte ich.
»Doch nicht viele.
Und überdies kommt es auch noch auf gutes Bluffen an, nicht wahr? Also, lasst uns herausfinden, wann der
gute Onkel Elroy Sullivan bei der Aurora-Mine Station macht.
« Sie nickten.
Lucky Bill und Barney gingen dann hinüber in ihre Hütten.
Ich war mit Nancy allein.
Im Lampenschein betrachteten wir uns.
Nach einer Weile fragte ich sie: »Du weißt doch, dass ich dich haben will?« Sie nickte.
»Das wollen alle Männer, die mich sehen «, erwiderte sie.
»Vom ersten Moment an wollen sie das.
Und deshalb kann das nichts mit dem Herzen zu tun haben.
Josh, bei dir könnte es sein, dass dein Herz dabei ist.
Aber das macht es für mich so schwer.
Denn fair wäre es nur, wenn auch ich mit dem Herzen dabei wäre.
Aber ich habe kein Herz mehr, das Gefühle aufbringen kann für einen Mann.
« »Das glaube ich nicht«, erwiderte ich, hob meine Hand und strich ihr mit der Spitze meines Zeigefingers an
der Wange entlang bis unter das Kinn.
Sie hielt still und sah mir dabei fest in die Augen.
»Wo ist dein Mut, Grünauge?« Dies fragte ich sie.
»He, wo ist dein Mut? Was kann dir schon passieren bei mir oder mit mir? Vergiss alles und fange neu an.
« Sie schluckte etwas mühsam, und sie glich jetzt einem Menschen, der sich anschickte, ein Wagnis zu
versuchen, und erst noch seinen ganzen Mut sammeln muss.
Ich strich ihr übers Haar und murmelte: »Versuche es! Sei nicht feige.
Versuche es einfach.
« Da trat sie dicht an mich, so dass unsere Körper aneinander lehnten.
Sie umschlang meinen Körper und legte ihre Wange gegen meine Schulter.
Ich legte meine Arme um sie und hielt sie fest.
»Ja, halte mich fest«, flüsterte sie.
»Lass mich das Gefühl spüren, geborgen zu sein und vertrauen zu können.
Es ist ein so schönes und gutes Gefühl.
Ich kam her, um mich an O'Hara zu rächen.
Ich glaubte, dass er nur ein Spieler wäre, den ich erledigen könnte.
Aber er wurde zu groß.
Und ich will ihn auch gar nicht mehr am Boden sehen.
Ich möchte eigentlich nur fort.
« »Doch nicht ohne unseren Anteil an der Goldader«, erwiderte ich.
Sie sah nun zu mir auf.
Und da erkannte ich, dass ich sie küssen konnte.
Jetzt wollte sie es.
Ich ließ sie nicht eine einzige Sekunde darauf warten.
Ihr KUSS war zögernd, abwartend, passiv zuerst.
Doch dann spürte ich, wie ihr Kern aufbrach und etwas hochkommen ließ.
Nun ließ sie mich fühlen, wie sehr sie sich nach etwas gesehnt hatte, an das sie nicht mehr glauben konnte.
Indes draußen die Nacht starb - und indes im Gushole Canyon und in der Campstadt selbst die Menschen die
alten Sünden begingen, indes dort betrogen, geraubt, verraten und gelogen wurde, fanden wir zueinander,
wurden wir in unserer Hütte endlich ein Paar.
Irgendwie hatte ich es geschafft, Nancy wieder den Glauben an Liebe und Treue zurückzugeben.
Wir mussten nach Elroy Sullivan und dessen drei Verkaufswagen gar nicht lange suchen.
Denn schon zwei Tage später - es war schon Abend - rollten sie heran und hielten ganz in unserer Nähe am
Creek.
Von überall auf einer Viertelmeile in der Runde strömten die Goldgräber herbei, um einzukaufen.
Barney aber sagte zu uns, indes wir vor unserer Hütte eine Gruppe bildeten und zu dem kaum einen Steinwurf
entfernten Camp blickten: »Der hat noch nie mit seinen Wagen hier in unserer Nähe gehalten.
Das tut er jetzt zum ersten Mal.
Und ich sage euch, dass es mit der Goldader auf Lucky Bills Claim zusammenhängt.
Da würde ich wetten.
« Wir gingen hinüber.
Die Laternen brannten schon.
Die Seiten der drei Wagen waren hochgeklappt und von Pfosten gestützt.
Man konnte darunter dicht an die auf dieser Seite nun offenen Wagen treten und sehen, was es alles zu kaufen
gab.
Die Goldgräber drängten sich.
Manche kauften nur Tabak oder Arbeitsgerät, andere aber auch Lebensmittel vor allen Dingen Räucherspeck,
Mehl, Hülsenfrüchte, Zucker und Salz.
Ich kaufte mir Tabak und Zigarettenpapier.
Außer den angebotenen Waren sah ich mir Sullivans drei Gehilfen an, die zugleich auch seine Fahrer waren.
Es waren hartgesottene Burschen, erfahren, zäh und wachsam.
Dass sie als Fahrer und Verkäufer arbeiteten, geschah gewiss nicht für üblichen Lohn - nicht bei diesen
Burschen.
Diese Sorte gab sich sonst für solche Arbeiten nicht her, die war mehr für schnelles Geldverdienen mit dem
Colt.
Also erhielten sie besondere Prämien.
Ein dicker Mann trat an meine Seite.
Er war fast fett, glatzköpfig und trug einen Seehundsbart.
Seine Augen quollen stark hervor.
Er schien ständig zu schwitzen, obwohl es ziemlich kalt war.
Denn er hielt ein rotes Schnupftuch in der Hand, mit dem er sich fortwährend Gesicht und Nacken rieb.
»Sie kenne ich gar nicht, mein junger Freund«, sagte er zu mir.
Und stolz fügte er hinzu: »Hier im Gushole Canyon sind mehr als dreitausend Goldgräber, die Minenarbeiter
nicht mitgezählt.
Die Goldgräber auf den Claims kenne ich zumindest vom Sehen.
Sie sind neu, junger Freund.
- Ich bin Elroy Sullivan.
Wie geht's?« Er streckte mir die Hand hin.
Als ich sie drückte, spürte ich, dass es keine fette und schwammige Hand war; sie war kräftig.
Ich dachte bei mir: Der sollte keinem Mann die Hand geben, dem er den feisten Onkel vorspielen will.
Und ich erwiderte: »Ja, wir sind hier ziemlich neu.
Ich meine damit auch meine Frau.
« »Ich hörte von ihr«, sagte er sanft.
»Sie soll sehr schön sein.
Das hat sich im ganzen Canyon herumgesprochen.
Und sie soll dem sonst so erfolgreichen Patrik O'Hara die Imperial Hall abgewonnen haben beim Poker
allerdings, wie man sich erzählt, mit Kartentricks.
Nun gut, das geht mich alles nichts an.
« »Nein!« Ich grinste, und er grinste zurück.
»Ihr Nachbar«, sprach er dann, »dieser Lucky Bill, soll auf den Knien gelegen und gebetet haben.
Und vorher hat er ein Loch in die Erde gemacht.
Ihr aber seid zu ihm gelaufen.
Man spricht davon, dass ihr eine Goldader zutage gebracht habt?« »Das sind Gerüchte«, erwiderte ich grinsend
und wandte mich ab.
Ich spürte, wie seine Blicke mir folgten.
Er war ein gefährlicher Bursche.
Ich hatte das stark und bedrückend gespürt.
Dieser Elroy Sullivan war Patrik O 'Hara sicherlich gleichberechtigt.
Sein starker Wille hatte mich bedrängt.
Und seine direkten Fragen waren die eines Mannes, der sicher ist, dass sein starker Wille den Befragten zu
Antworten zwingt - wenn der Befragte ein durchschnittlicher Mann ist.
Alles wäre leicht gewesen, wenn wir schon absolute Sicherheit gehabt hätten.
Um diese zu erhalten, durften die führenden Köpfe der Banditen nicht gewarnt werden.
Und deshalb durften wir niemandem vertrauen.
Deshalb würden wir auch stark in der Minderzahl sein.
Wir waren nur drei Männer und eine Frau.
In den nächsten drei Tagen und Nächten beobachtete stets einer von uns die fahrenden Storeläden.
Am Nachmittag des dritten Tages erreichten die Wagen die Aurora- Mine.
Sie würden bis zum nächsten Morgen dort bleiben.
Deshalb mussten wir in der kommenden Nacht handeln.
Und das taten wir auch.
Für unsere Nachbarn musste es so aussehen, als ritten wir nach Gushole.
Das war ja nicht ungewöhnlich.
Irgendwann ritten oder fuhren sie alle mal in die Stadt.
Warum sollten wir das nicht auch tun? Wir waren noch nicht lange unterwegs, als die Dunkelheit in den
Canyon fiel und man sich nur noch an den Lichtern orientieren konnte.
Ein kalter Wind blies von Norden her durch den Canyon, traf unsere Rücken.
Barney führte.
Er war am längsten im Canyon und hatte hier überall nach Gold gesucht und sich umgesehen, bevor er seinen
Claim absteckte.
Wir ritten auf Pfaden, abseits der Wege.
Manchmal wurden wir angerufen.
Und weil wir uns nicht zu erkennen gaben, folgten uns Flüche.
Alle Reiter, die sich auf Zurufe nicht zu erkennen gaben, wurden für Banditen gehalten.
Irgendwann dann hielten wir an in der Nacht.
Barney sagte: »Seht ihr die Lichter da vor uns? Das ist die Mine.
« Wir sahen hinüber.
Bis zur Mine und dem steil aufsteigenden Hang, in den man den Stollen getrieben hatte, war es keine
Viertelmeile mehr.
Wir erkannten einige Laternen.
Und aus zwei Hütten oder Baracken fielen Lichtbahnen.
Daneben befanden sich Erzhalden, Corrals, standen Erzwagen und befanden sich auch die Erzmühle und die
Schmelze.
Vom Berg war eine Wasserleitung gelegt, die zu der komplizierten Waschanlage führte.
Dies alles war zwischen und bei den Lichtern mehr zu ahnen als zu sehen.
Wir saßen ab.
Nancy war bei uns.
Wir brauchten sie zum Pferdehalten.
Denn es konnte wichtig werden für uns, dass wir schnell wieder in die Sättel kamen.
Wir führten die Pferde noch ein Stück näher heran.
Rechts von uns, dicht beim Pfad, standen einige Felsen.
Zwischen ihnen waren die Schatten tief.
Wir führten unsere Pferde hinein.
Dann sagte ich zu Nancy: »Also, du wirst alles hören können.
Denn die Nacht hier ist still.
Wenn Reiter vorbeikommen sollten, dann sieh zu, dass unsere Pferde nicht schnauben.
Verhalte dich ruhig.
Riskiere nichts.
« »All right«, sagte sie nur.
Wir aber machten uns auf den Weg.
Und als wir nahe genug waren, da erkannten wir bei den Wassertrögen am Corral die drei Frachtwagen und
einige Sattelpferde.
Die Mine hatte also Besuch von Reitern.
Ich hätte gern gewusst, ob Patrik O'Hara schon gekommen war - oder ob die Sattelpferde nur jenen Banditen
und Goldwölfen gehörten, die neue Aufträge erhielten.
Ich ging als erster Mann.
Als ich ein Fenster erreichte, warf ich einen Blick ins Innere.
Der Raum war erleuchtet.
Zwei Männer saßen an einem Tisch und spielten Halma.
Wir gingen zur zweiten Baracke hinüber.
Auch hier brannte innen eine Lampe, verbreitete trüben Schein.
Diese Baracke war offenbar das Magazin.
Hier gab es Werkzeuge, Proviant, allerlei Geräte - und in der Ecke standen einige Kisten.
Solche Kisten kannte ich.
Sie enthielten Presspulverstangen mit Lunten.
Letztere konnte man beliebig kürzen.
Ein Mann lag auf einem Feldbett.
Er war angekleidet.
Ich hörte plötzlich rechts von mir leises Grollen.
Barney und Lucky Bill fluchten fast lautlos.
Denn das Grollen kam von einem Hund.
Es war ein Tier, größer als ein Büffelwolf.
Und er stand vor mir und beschnüffelte mich grollend.
Ich wusste, es gab Hunde, die bellten nie, sondern grollten nur.
Aber sie waren gefährlicher als die Beller.
Sie bissen zumeist ohne Warnung zu, gingen einem blitzschnell an die Kehle.
Zum Glück war es so mit mir, dass mich selbst die bösesten und wütendsten Hunde nicht bissen.
Vielleicht war ich in meinem früheren Leben mal ein Hund gewesen, oder es gab andere Gründe.
Ich kam jedenfalls mit jedem Tier zurecht, besonders mit Hunden.
Als ich diesem Tier meine Hand zwischen die Ohren legen wollte, schnappte er zu.
Er nahm mein Handgelenk in seinen Fang.
Wenn er zugebissen hätte, würde er mir die Knochen zermalmt haben.
Aber er biss nicht zu.
Ich hatte auch nicht gezuckt.
Im Gegenteil, ich sagte: »Schon gut, Buddy.
Wir verstehen uns, nicht wahr? Wir sind zwei artverwandte Seelen.
Lass mich wieder aus und sei freundlich.
« Er gab mein Handgelenk wirklich wieder frei, so als hätte er jedes Wort verstanden, und schnüffelte noch
einmal an mir herum.
Dazu stellte er sich sogar auf die Hinterbeine und berührte mit seiner Nase mein Gesicht.
Jawohl, so groß war er.
Dann trollte er sich.
Meine Begleiter beachtete er gar nicht.
Ich hörte sie schnaufend ausatmen, denn sie hatten die Luft angehalten voller Anspannung.
Barney sagte: »Mann, das gibt es doch gar nicht? War das wirklich ein großer Hund, oder habe ich geträumt?«
»Das war ein Riesenwolf«, ächzte Lucky Bill.
»He, warum hat er dir nichts getan, Josh? Und warum hat er uns nicht beachtet? « »Weil ich ein Hundesohn
bin«, schnaufte ich und blickte wieder durch das Fenster.
Ich wusste nun Bescheid.
Der Mann dort drinnen war der Wächter.
Und er verließ sich ganz und gar aufweinen Hund.
Denn der würde Laut geben, wenn etwas hier draußen nicht stimmte.
Aber er hatte keinen Laut gegeben.
Ich sagte zu Barney und Bill: »Ich gehe jetzt hinein und frage ihn aus.
Bleibt nur hier draußen und passt gut auf.
« Ich wartete nicht auf eine Antwort.
Aber als ich sie verließ, da hörte ich sie leise fluchen.
Ich erreichte die Tür und trat ein, so als gehörte ich hierher.
Doch ich hielt meinen Colt schussbereit.
Der Wächter öffnete auf seinem Lager die Augen und starrte auf mich, dann auf den Colt und wieder auf mich.
»Was hast du mit dem Beißer gemacht? Ihm Gift gegeben? Ihn mit einer Keule gleich richtig getroffen?«
Während er das fragte, setzte er sich auf.
Sein Waffengürtel lag neben ihm auf der Sitzbank.
Er brauchte nur den Arm auszustrecken.
Aber ich sagte: »Beißer liebt mich.
Denn ich war früher mal ein Hundesohn.
Und wenn du dein Maul zu laut aufmachen solltest, dann bist du zum Weiterleben zu dumm.
Verstanden?« Er schluckte mühsam und nickte.
Ich fragte: »Wo sind sie? Wo ist die Zusammenkunft? Sag es.
« Er grinste.
»Ach, die sind alle in der Mine«, sagte er.
»Auch O'Hara?« Er hob seine Schultern.
»Was weiß ich? Es kamen einige Reiter, die das Losungswort kannten.
Ich habe nicht jedem unter die Hutkrempe geblickt.
Was weiß ich?« »Und wie ist das Losungswort?« Ich fragte es sanft, aber er roch, dass es eine trügerische
Sanftheit war.
»Ach, ich bin doch kein Narr«, knirschte er.
»Wenn du mit Beißer zurechtgekommen bist, dann hast du eine ganze Menge auf dem Kasten.
Die Losung heißt Gushole- Gold.
Und was nun?« Ich winkte mit dem gekrümmten Zeigefinger.
Und ich wusste nun, dass er zu den Goldwölfen des Canyons gehörte.
Er kam zu mir.
Als er mir nahe genug war, da gab ich es ihm.
Ja, ich machte ihn klein, so dass er uns nicht stören würde.
Als ich mich zur Tür wandte, fiel mein Blick auf die Sprengstoffkisten.
Mit Presspulverstangen hatten sie vor Tagen unsere erste Hütte zerstört und geglaubt, dass wir drinnen wären.
Ich trat zu den Kisten, öffnete eine und stopfte mir einige dieser Presspulverstangen hinter den Gürtel und
Hosenbund, auch in die Stiefelschäfte.
Dann ging ich wieder hinaus.
Barney und Bill fluchten erleichtert.
»Du verrückter Hund«, keuchte Barney, »du musst wohl alles allein machen, ja?« Ich grinste in der Dunkelheit
und erwiderte dann: »Nun gut, wenn ihr auch was machen wollt, dann lasst uns mal zu den Halmaspielern
gehen, damit die uns nicht stören können.
« Wir gingen zur anderen Baracke zurück.
Der große Hund kam wieder zu uns, schnüffelte an mir und lief wieder fort.
»Ich frage mich, ob dieser Hund nicht einfach dämlich oder aber so schlau ist, wie wir es nicht für möglich
halten?« Barney sprach diese Worte.
Dann traten wir ein, so als gehörten wir zu den Leuten der Mine.
Die Halmaspieler blickten zu uns her, und sie waren immer noch arglos.
Einer fragte: »Wer seid ihr denn? Wie ist das Losungswort? « »Gushole-Gold«, erwiderte ich und trat näher.
Weil ich ihnen das Losungswort genannt hatte, blieben sie sitzen und blickten mir nur entgegen.
Als ich bei ihnen am Tisch war, deutete ich auf das Halmaspiel und fragte: »Wie steht's denn? Wer gewinnt?«
»Das siehst du doch! Kannst du nicht Halma spielen? Der hat mir doch schon fast alle Steine rausgeworfen.
« Einer der beiden Männer knurrte es.
Und beide sahen auf das Halmaspiel.
Ich griff beidhändig zu und fasste sie im Nacken.
Ich knallte ihre Köpfe zusammen.
Es bumste dumpf.
Barney und Bill schnauften.
»Der macht ja immer noch alles allein«, sagte Bill bitter.
»Wozu hat der uns mitgenommen? « »Damit ihr sie fesselt und knebelt«, sagte ich.
Sie taten es.
Dann gingen wir hinüber zum Stolleneingang.
Die Bande war recht sorglos.
Denn am Stolleneingang stand nicht mal ein Wächter.
Einige Grubenlampen brannten.
Sie wurden mit Karbid gefüllt.
Es gab ja hier in solchen Minen keine Schlagwetter wie in Kohleminen.
Langsam gingen wir in den Stollen.
Dann hörten wir Gemurmel.
Es gab kaum zwei Dutzend Schritte hinter dem Stolleneingang einen Querschlag.
Lichtschein fiel heraus, und dieser Lichtschein war heller als der im Hauptstollen, Wir bewegten uns so leise wie
Schatten.
Als ich um die Ecke sah, erblickte ich die Versammlung.
Der Querschlag war eigentlich nur ein großer, länglicher Raum, gut ausgebaut und fast wie eine Wohnung
eingerichtet.
Es gab Tische, Bänke, Schränke, Regale, Schlafpritschen.
Offenbar funktionierte auch eine gute Wetterführung durch eine Spalte nach oben.
Denn die Luft war gut, obwohl einige der Versammelten rauchten.
Es waren mehr als zwei Dutzend Männer.
Auch Elroy Sullivan und seine drei Gehilfen waren dabei.
Ich wusste, wir hatten hier die Goldwölfe, die Banditen des Gushole Canyons, also die Wilde Horde und deren
Spione und Zuträger beisammen.
Sie alle hier hatten führende Positionen der Vereinigung übernommen.
Dies hier waren die maßgebenden Schurken.
Aber wo war Patrik O'Hara? Wo war er mit seinen Handlangern aus Gushole? Durch den Tabakrauch, der so
manchen Kopf umhüllte, versuchte ich ihn zu erkennen.
Aber er war nicht da.
Also konnte er noch gar nicht aus Gushole gekommen sein.
Vielleicht kam er noch? Bei diesem Gedanken spürte ich Unruhe.
Denn wenn er noch kam und zuerst in eine der Baracken ging, indes wir hier im Stollen waren, dann war er gewarnt,
bevor wir ihn zu Gesicht bekamen.
Ja, es konnte möglich sein, dass er schon wieder auf der Flucht war.
Also mussten wir jetzt schnell handeln.
Wir durften keine Sekunde mehr verlieren.
Ich wandte mich meinen beiden Begleitern zu und gab ihnen durch Handbewegungen das Zeichen zum Rückzug.
Am Stolleneingang hielt ich inne.
»Wir sprengen dies hier zu«, sagte ich und holte die Presspulverstangen hervor, zog sie also aus den
Stiefelschäften und hinter dem Hosenbund und Gürtel heraus.
Wir verbanden die Lunten.
Der Stollen war abgestützt durch Stempel.
Also war das Hangende darüber nicht fest.
Wenn wir die Stempel wegsprengten, würde sicherlich genug Hangendes nachrutschen, niederbrechen und den
Stollen hier am Ein- und Ausgang zuschütten.
Dann konnte die Bande nicht mehr raus.
Ja, dann hatten wir sie in der Falle.
Und dann würden tausend Goldgräber hier versammelt sein, die zwar den Stollen wieder freimachten - aber
nur, um die Kerle herauszuholen und aufzuhängen.
Ja, es würde eine Hängepartie geben.
Die Banditen im Gushole Canyon hat ten zu viel gemordet.
^ Die Furcht der Goldgräber würde in wilden Zorn umschlagen.
Wir waren schnell fertig.
Ich zündete dann schnell die Hauptlunte an.
Wir liefen hinaus und bis hinter eine Steinhalde.
Das Krachen war dann im Canyon gewiss meilenweit zu hören - vielleicht sogar bis nach Gushole selbst, wenn
dort nicht zu viel Lärm herrschte.
Wir liefen dann sofort durch den Staub zum Stollen, um zu sehen, ob alles in unserem Sinne geklappt hatte.
Wir hielten auch unsere Waffen bereit für den Fall, dass der Eingang nicht verschüttet war und die Kerle
herausgekrochen kamen.
Aber es war alles zu.
Wir hatten es ohne Kampf geschafft.
Die Anführer der großen Banditen-Organisation saßen in der Falle.
Eine Weile standen wir da und überlegten.
Dann sagte ich bitter: »Aber Patrik O'Hara war nicht dabei.
Den konnte ich dort drinnen nicht entdecken.
Ich gehe Nancy holen.
Seht ihr noch mal nach unseren Gefangenen in den Baracken.
« Ich lief los, um Nancy zu holen.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, zu Nancy laufen zu müssen.
Als ich mich der Felsengruppe näherte, rief ich schon aus einiger Entfernung: »Nancy! Hoi, Nancy! Komm,
Nancy! Es ist alles in Ordnung! Du kannst kommen!« Indes ich näher an die Felsen kam, hoffte ich, dass sie
mit den Pferden zum Vorschein kommen würde.
Doch sie kam nicht.
Ich erreichte die Felsen.
Sie war fort.
Nur drei Sattelpferde waren da.
.
Das Vierte fehlte.
Wohin mochte sie geritten sein? Verdammt, was war das? Es war zu dunkel in der Nacht, um vielleicht Spuren
erkennen zu können, was geschehen war.
Wohin mochte sie geritten sein? War jemand gekommen, der beim Krachen der Explosion umgekehrt war und
dem sie dann folgte? Irgendwas musste geschehen sein.
Was sollte ich tun? Ob sie nach Gushole geritten war? Oder war Patrik O'Hara gekommen? Und wenn, was war
dann geschehen? Ich wusste eine Weile nicht, was ich tun sollte.
Nancy mochte überallhin geritten sein aus irgendwelchen Gründen.
Es konnte aber auch sein dass man sie entdeckt hatte und entführte.
Indes ich noch verharrte, überlegte und zu keinem Entschluss kommen konnte, weil jedes Handeln völlig falsch
sein konnte, da hörte ich sie kommen.
Sie kamen von überall her.
Sie kamen zu Pferd, in Fahrzeugen - aber auch zu Fuß gelaufen.
Denn das Krachen der Sprengung war meilenweit zu hören gewesen.
Und niemals wurde in der Nacht in Minen gesprengt.
Wahrscheinlich glaubten sie alle an ein Unglück und kamen als Nachbarn, um zu helfen zu retten.
Vielleicht glaubten sie, dass das Sprengstofflager der Mine explodiert war infolge Unvorsichtigkeiten.
Ich musste zu Barney und Bill zurück, und so schwang ich mich auf mein Pferd, nahm die Zügelleinen der
beiden anderen Tiere in die Hand und ritt die Viertelmeile zur Mine zurück.
Als ich dort ankam, waren schon einige andere Männer vor mir angekommen.
Es waren die nächsten Nachbarn, und Barney war gerade dabei, ihnen zu erklären, wen wir da drinnen in der
Mine gefangen hatten.
Es kamen immer mehr Goldgräber herbei.
Was die zuerst Angekommenen gehört hatten, gaben sie weiter an die Neuankömmlinge.
Und allen wurde klar, was für ein großer Fang da gemacht worden war.
Die Anführer der Goldwölfe, Claimräuber, Mordbanditen, deren Spitzel und Spione, all das zweibeinige
Raubwild des Gushole Canyons, sie alle saßen dort in der Mine fest.
Auf solch eine Erfolgsnachricht hatten sie alle schon gewartet.
Dies hatten sie sich gewünscht, weil jeder sich sagte, dass ein Krug nur so lange zum Wasser getragen werden
konnte, bis er eines Tages zerbrach.
Und so hatten sie alle gehofft, dass mal was passieren würde, was den Banditen den Untergang brachte.
Zuerst waren es nur knapp zwei Dutzend.
Doch es wurden immer mehr.
Und einige Reiter ritten wieder fort, um die Nachricht in der weiteren Umgebung zu verbreiten.
Es war sicher, dass sich diese Nachricht noch schneller im Gushole Canyon verbreiten würde als ein
Präriefeuer - von Claim zu Claim, von Mine zu Mine - bis nach Gushole im Süden des Canyons und nach
Canyon City im Norden.
Als es Tag wurde, waren mehr als tausend Mann versammelt.
Sie begannen dann den Stolleneingang frei zu machen.
Wahrscheinlich hatten das die Eingeschlossenen auch von innen her schon in Gang gebracht.
Aber es würde noch viele Stunden dauern.
Ich setzte mich auf mein Pferd und ritt zu jener Felsengruppe zurück.
Was hier bei der Mine geschehen würde, war mir klar.
Es würde wieder ein Goldgräbergerichtshof gebildet werden.
Und wie man die Kerle aus der Mine holte, so kamen sie hier vor Gericht.
Dass man drinnen in der Mine Beweise finden würde, darin war ich mir sicher.
Denn ich glaubte nicht mehr daran, dass in der Mine Gold gefunden wurde.
Man arbeitete hier nur zum Schein, tat so, als wäre man redlich bei der Arbeit.
Auch die Erzmühle arbeitete dann nur zum Schein, zerkleinerte Gestein, welches überhaupt nicht goldhaltig
war.
Es war eine längst schon unrentable Mine.
Doch wenn man in ihr geschmolzenes Gold fand, dann konnte es nicht in der Mine gewonnen worden sein.
Dann wurde die Schmelze nur dazu benutzt, all das geraubte Gold einzuschmelzen.
Vielleicht würde man aber auch noch andere Beweise finden.
Den überfallenen Goldgräbern waren j a nicht nur Gold, sondern auch andere Dinge gestohlen worden, Uhren
und Waffen zum Beispiel.
- Es musste sich in der Mine oder in den Baracken einiges finden lassen.
Aber um dies alles kümmerte ich mich jetzt nicht.
Ich musste herausfinden, was mit Nancy geschehen war.
Es war nicht einfach, denn es gab viele Hufspuren.
Doch ich war schon in meiner Jugend daheim in Texas ein guter Fährtenleser gewesen.
Es war ein Reiter aus Gushole gekommen, der dann hier vor den Felsen sein Pferd jäh zurückriss au£ die
Hinterhand.
Das konnte im Moment der Explosion geschehen sein.
Vielleicht war das Tier auch vor Schreck mit der Vorderhand aufgebäumt.
Nancy war dann zu Fuß aus den Felsen hervorgekommen, wahrscheinlich mit einem schussbereiten Gewehr im
Hüftanschlag.
Sie hatte den Reiter zum Absitzen gezwungen.
Vielleicht war es aber auch schon vor der Explosion geschehen, so dass der Bursche sie überrumpeln konnte,
als es dann im Stolleneingang der Mine so schrecklich loskrachte.
Jedenfalls hatte der Kerl Nancy überrumpelt.
Es konnte sogar sein, dass sie geschossen hatte im Moment der Explosion, jedoch nicht traf und nicht mehr
durchrepetieren konnte.
Der Bursche setzte sie dann auf ihr Pferd.
Vielleicht hatte er sie auch quer über den Sattel gelegt, weil er sie bewusstlos schlug.
Er ritt mit ihr in Richtung Gushole.
Ja, es konnte Patrik O'Hara gewesen sein, der verspätet zur Versammlung der Goldwölfe kam.
Jetzt hatte er Nancy.
Was sollte ich tun? Allein nach Gushole reiten? Er würde mich mit seiner Bande erwarten.
Selbst mit Barney und Bill hatte ich keine Chance.
Gushole war fest in O'Haras Hand.
Und er hatte Nancy.
Immer wieder wurde ich mir dessen bewusst.
Was also konnte und sollte ich tun? Ich ritt zur Mine hinüber.
Sie hatten den Eingang der Mine so weit freigemacht, dass die Eingeschlossenen herauskriechen konnten.
Doch sie kamen nicht heraus.
Sie schössen in wilder und gewiss auch in verzweifelter Wut durch das Loch aus der Mine, und es hatte am
Anfang gleich deshalb einen Toten und zwei Verwundete unter den Goldgräbern gegeben, weil sie sich nicht
rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, als sich das Loch plötzlich auftat.
Nun war die Menge wild und böse wie ein Schwärm gereizter Hornissen.
Es war aber klar, dass die Eingeschlossenen nicht herauskommen und sich ergeben wollten.
Das riefen sie laut genug durch das Loch.
Sie wollten lieber in der Mine umkommen, als draußen aufgeknüpft werden.
Und dass sie nicht herauskommen wollten, war für alle ein Eingeständnis ihrer Schuld.
Nun waren auch die letzten Zweifler sicher, dass es sich tatsächlich um Banditen und Goldwölfe handelte.
Inzwischen waren auch die Baracken durchsucht worden.
Dort hatte man weitere Beweise gefunden.
Es waren gestohlene Dinge, die man aus Claimhütten mitgehen ließ oder aus den Taschen Überfallener holte.
Es waren Uhren, Ringe, Waffen, eine recht wertvolle Schnupftabakdose, j a sogar eine Brille.
Die Banditen hatten außer Gold mitgenommen, was sie gebrauchen konnten und sonst nicht in Gushole oder
Canyon City zu bekommen war.
Inzwischen waren auch die drei fahrenden Storeläden von Elroy Sullivan geplündert worden.
Man hatte in doppelten Böden weiteres Gold gefunden.
Dies war noch in Form von Goldstaub oder Nuggets in den Originalverpackungen*.
Das waren Büchsen, selbstgenähte Ledersäckchen, alte Tabaksbeutel.
Und auch hier erkannten einige Goldgräber, die erst vor kurzer Zeit überfallenwurden, ihre Goldbehälter
wieder.
Fast jeder hatte seinen Namen und die Heimatanschrift aufgemalt oder eingekratzt, in der Hoffnung, dass -
wenn ihm etwas zustoßen sollte - seine Angehörigen das Gold bekommen würden.
Elroy Sullivan war mit seinem fahrenden Store also auch der Beuteeinsammler.
Er brachte dann alles hier zur Schmelze, wo es zu Barren gegossen wurde, so als wäre die Mine sehr
ertragreich.
Man hatte auch unsere Gefangenen längst aus den Baracken geholt und verhört.
Sie waren arg misshandelt und halb totgeschlagen worden.
Zum Glück waren sie geständig.
Einige andere Burschen dieser Minenmannschaft waren in Gushole gewesen, um sich dort zu amüsieren.
Sie waren nicht zurückgekommen und würden sich gewiss auch nicht mehr blicken lassen.
Die Goldgräber kannten keine Gnade.
Man war schon dabei, die Männer zu wählen, welche innerhalb des sich bildenden Goldgräbergerichtshofs
Funktionen ausüben sollten, also einen Richter, Geschworene, Ankläger, Verteidiger - und Henker.
Ich bekam das alles sozusagen nur noch am Rande mit.
Es kümmerte mich nun eigentlich wenig.
Was ich hier in Gang gebracht hatte, konnten andere Leute leicht zu Ende bringen und besser erledigen.
Meine Gedanken kreisten ständig um Nancys Verschwinden.
Barney und Lucky Bill kamen zu mir.
»Jemand hat sie nach Gushole mitgenommen «, sagte ich.
»Es kann nicht anders sein.
Ich glaube, dass es Patrik O'Hara war.
Er kam wahrscheinlich noch vor der Sprengung.
Er hätte uns überrascht.
Nancy hielt ihn auf.
Ich fand eine Patronenhülse, Sie hatte ihn vor dem Gewehr.
Dann krachte die Sprengung.
Da drückte auch sie ab.
Deshalb hörten wir keinen Schuss.
Aber sie traf ihn nicht.
Sie kam zwar noch zum Durchrepetieren, doch dann war er bei ihr.
Ja, ich glaube, dass es O'Hara war.
Nun hat er sie.
« Sie standen vor mir und starrten mich an.
Dabei erkannten sie, wie es um mich stand.
»Es ist ganz einfach«, sagte Barney dann.
»Wir suchen hundert Mann aus und gehen mit ihnen nach Gushole.
Wir können auch zweihundert zum Mitkommen bewegen.
Oder noch mehr.
Wir könnten ganz Gushole klein machen, auseinandernehmen.
Es ist doch ganz einfach.
« Ich schüttelte den Kopf.
»Er hat Nancy«, sagte ich langsam.
»Versteht ihr? Er hat Nancy! Und was wir auch unternehmen könnten, wir dürfen es nicht wegen Nancy.
Er hat sie.
« Nun begriffen sie endlich.
Wir konnten nicht losschlagen mit hundert oder noch mehr hartbeinigen Burschen.
»Hölle, was können wir tun?« So fragte Bill.
Ich hob etwas mutlos die Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Wir müssen bei Nacht nach Gushole«, murmelte ich schließlich.
»Wir müssen herausfinden, wo er Nancy festhält.
In der Imperial Hall wird das bestimmt nicht sein.
Das wäre ihm zu gefährlich.
Er wird sie irgendwo versteckt halten und hat mich deshalb in der Hand.
Wir müssen warten und nach Anbruch der Nacht in die Stadt einsickern.
Was anderes fällt mir nicht ein.
Wir können ihm nicht beweisen, dass er Nancy hat.
Aber dennoch kann er uns damit erpressen.
« Sie nickten.
Als ich sie ansah, verspürte ich ein gutes Gefühl der Dankbarkeit.
Wir waren mehr als nur Claimnachbarn und wahrscheinlich bald Partner bei der Ausbeutung einer Goldader.
Wir waren Freunde geworden.
Es gab keinen Zweifel daran, dass sie mit mir nach Gushole gehen würden, um dort vielleicht gegen eine
Übermacht zu kämpfen.
Wir waren müde und ausgebrannt.
Deshalb sagte ich: »Vielleicht sollten wir ein oder zwei Stunden zu schlafen versuchen - dort in einer der
Baracken.
Wenn wir uns die kommende Nacht um die Ohren schlagen sollten, müssen wir Schlaf bekommen.
Sonst sind wir bald übermüdete Nervenbündel.
« Wir gingen in eine Baracke und legten uns dort auf die Schlafpritschen.
Und obwohl ich fortwährend an Nancy dachte, schlief ich bald schon ein.
Die Müdigkeit war stärker als alle Sorgen.
Als wir erwachten, war es Nachmittag.
Wir hatten mehrere Stunden geschlafen.
Mit uns waren noch andere Männer in der Baracke.
Manche schliefen, andere saßen an einem langen Tisch und aßen Suppe.
Man hatte einen Kessel voll Suppe gekocht.
Eine Stimme sagte zu uns: »He, ihr seid doch die Jungs, die alles in Gang brachten.
Ihr könnt Essen haben.
Alle hier, die weiter als drei Meilen bis zu ihrem Claim haben, bekommen Essen.
« Wir nickten und erhoben uns.
Die Suppe war gut.
Man hatte offenbar reichlich Vorräte gefunden.
Den Banditen hier war es gewiss nicht schlecht gegangen.
Später dann gingen wir hinaus.
Und nun sahen wir, was die Goldgräber in Gang brachten.
Man war dabei, die Wasserleitung oben vom Berg umzuleiten.
Das Wasser würde in das Loch und damit in die Mine laufen.
Diese Wasserleitung bestand aus Brettern, die im rechten Winkel zusammengenagelt waren.
In diesen Rinnen kam das Wasser von den Bergen den steilen Hang herunter.
Nun lenkte man das alles etwas um.
Einer der arbeitenden Goldgräber grinste uns an und sagte: »Wir ertränken sie in der Mine wie Ratten.
Die alte Mine hat keinen Abfluss.
Ausräuchern konnten wir sie nicht, weil eine gute Wetterführung nach oben alles wegzieht.
Aber ersäufen werden wir sie.
Und das gefällt uns allen sehr.
« Er arbeitete weiter.
Wir sahen uns an.
Nein, wir hatten keine Rachegefühle.
Was wir gewollt hatten, war ein Beenden der Überfälle, der Morde.
Jetzt saßen die Anführer der großen Bande in der Klemme.
Wir aber dachten an Nancy.
Und die Zeit verging uns viel zu langsam.
Es war fast schon Abend, als wir einen jungen Burschen auf einem Maulesel heranreiten sahen.
Er kam von den Baracken herüber und hielt genau auf uns zu.
Als er das Tier anhielt, sah er mich an und fragte: »Sind Sie Taggert? Der Beschreibung nach, die man mir
soeben in der Baracke gab, müssten Sie es sein, ja?« Ich nickte.
Er zögerte, blickte auf Barney und Bill, und ich begriff, dass er etwas sagen oder ausrichten sollte, wobei er
keine Zeugen dabei haben wollte.
Aber ich sagte: »Was willst du, Junge?« Er schluckte hart, leckte sich dann über die trockenen Lippen und
sagte: »Ich bin nur ein Bote.
Was ich auch sagen werde, ich bin nur ein Bote, der sich ein paar Dollar verdienen will.
Verstehen Sie, Mister Taggert?« Ich nickte und wusste plötzlich, dass er von Patrik O'Hara kam und mir dessen
Bedingungen überbrachte.
Er rutschte auf seinem Maultier herum, so als wäre ihm der Sattel so heiß geworden wie eine glühende
Ofenplatte.
Dann sagte er: »Mich schickt ein Mann, der etwas von Ihnen hat, was Ihnen sehr kostbar ist.
So meint dieser Mann wenigstens.
Ich selbst weiß nicht, was es ist.
Ich bin nur ein Bote.
Der Mann lässt ausrichten, dass Sie lieber nicht auf die Idee kommen sollten, mit tausend Mann nach Gushole
zu kommen.
Denn dann.
« »Schon gut, mein Junge«, unterbrach ich ihn.
Er hielt erleichtert inne, war froh, die Drohung nicht aussprechen zu müssen.
»Dann kann ich ja wieder nach Gushole zurück, nicht wahr?« So fragte er und wollte sein Maultier wenden.
Aber dann fiel ihm ein, dass er ja eine Antwort nach Gushole bringen sollte.
Und so fragte er: »Was soll ich meinem Auftraggeber als Antwort überbringen?« Barney und Bill knurrten
neben mir, knirschten vor Grimm mit den Zähnen, so sehr bissen sie diese aufeinander.
Sie waren jetzt gefährlich und böse wie zwei gereizte Tiger.
Ich sagte: »Pass gut auf, mein Junge.
Es ist wichtig, dass du es deinem Auftraggeber genau erklären kannst.
Denn es hängt viel davon ab, dass er alles genau begreift und du sehr überzeugend bist.
Denn es wird ums Überleben von ganz Gushole gehen.
Verstehst du? Ganz Gushole wird entweder überleben oder ein Trümmerhaufen werden.
« Ich machte eine Pause, damit er alles gut begreifen und in sich verwahren konnte.
»Yes, Sir, ich verstehe«, sagte er dann heiser.
Er war ein Junge von vielleicht siebzehn Jahren, noch kein richtiger Mann also, aber doch schon vom Leben
gebeutelt und deshalb erfahren.
Er war verschlagen, listig und clever, denn er hatte längst schon alle Schlechtigkeit der Welt kennen gelernt.
Ja, ich traute ihm zu, dass er Patrik O'Hara wirklich überzeugend alles mitteilen konnte, was ich ihm jetzt
gleich begreiflich machen würde.
Ich hob den Zeigefinger.
»Also gut«, sagte ich.
»Sage ihm und der ganzen Stadt dass ich nicht mit tausend Mann nach Gushole kommen werde, sondern ganz
allein.
Ich werde ganz allein kommen, um es mit ihm auszutragen und mir zurückzuholen, was er mir stahl.
Gushole hat damit die Chance zum Überleben, zum Davonkommen.
Aber wenn die Stadt Partei ergreifen sollte, wenn sich diese verdammte >Gilde der Schmutzigem einmischen
sollte und ihm Hilfe gibt - wenn ich also verlieren sollte, weil er Hilfe bekommt - von euch allen oder auch nur
von wenigen -, nun, dann kommen meine beiden Freunde hier mit tausend Mann.
Hast du verstanden? Dann kommen sie und machen Gushole klein und jagen euch aus dem Canyon, euch alle!
Du musst der Stadt klar machen, dass sie nur überleben kann, wenn sie neutral bleibt.
Jetzt reite.
Ich komme bei Anbruch der Nacht.
Reite, Junge!« Er schluckte wieder hart.
Dann nickte er.
»Yes, Sir, ich werde alles so ausrichten - und ich werde auch von Haus zu Haus und von Laden zu Laden
gehen.
Ja, ich werde das tun.
« Er wandte das Maultier und ritt zurück.
Barney aber sagte knurrig neben mir: »Du bist ja verrückt, Josh! Und du willst schon wieder alles alleine
machen.
Diesmal kannst du es jedoch nicht schaffen, denn die verdammte Bande wird nicht neutral bleiben.
Die werden nicht zusehen, wie du es mit O'Hara Mann gegen Mann austrägst.
« »Doch«, sagte ich.
»Die >Gilde der Schmutzigen< hat längst schon Nachrichten darüber erhalten, was hier geschieht.
Und sie wird bald erfahren, dass wir die dort in der Mine gefangene Bande wie Ratten ertränken wollen.
Man wird also in Gushole nicht daran zweifeln, dass wir mit tausend wütenden Goldgräbern in die Stadt
kommen können.
Und da wird es so sein wie auf einem sinkenden Schiff.
Jeder will sich retten und davonkommen.
Auch die Ratten verlassen höllisch schnell ein sinkendes Schiff, wenn sie nur eine Chance bekommen.
So wird es sein, wenn der Junge nur überzeugend genug ist.
Dieser Junge will hochkommen.
Er wird sich unter den Geschäftsleuten Freunde machen wollen.
Er weiß, dass O'Hara so oder so verloren ist.
Deshalb glaube ich, dass Patrik O'Hara verdammt allein sein wird.
« Sie sahen mich zweifelnd an.
»Du setzt großes Vertrauen in diesen pickelgesichtigen Jungen«, sagte Lucky Bill schließlich zweifelnd.
Ich grinste.
»Ihr könnt ja immer noch kommen, um mich zu rächen«, sagte ich.
Da grinsten auch sie.
»Schöner Trost«, knurrte Barney.
»Er ist der große Alleinmacher«, seufzte Bill.
Wir blickten nun wieder zum zusammengebrochenen Stolleneingang.
Durch das oben frei geräumte Loch ragte nun die Wasserleitung in den Stollen hinein.
Und da der Stollen bergeinwärts Gefalle hatte, würde die Mine voll Wasser laufen.
Das konnte noch Tage dauern, obwohl das Wasser in der Bretterleitung reichlich strömte.
Es ging jedoch unterwegs eine Menge verloren, weil die zusammengenagelten Bretter ja nicht so dicht waren
wie eine Baumröhrenleitung.
Aber so viel, wie in einem Bachbett abwärts floss, sprudelte doch noch in die Mine hinein.
»Ja, sie werden sie ertränken wie die 'Ratten«, sagte Barney »Wenn sie nicht herauskommen, um sich hängen
zu lassen, werden sie ersaufen.
Was ist wohl der leichtere Tod, ertränkt oder gehängt werden?« Er fragte es bitter.
Lucky Bill sagte: »Die Goldgräber hatten auch hier einen Toten und zwei Verwundete, als die Banditen durch
das frei gemachte Loch schössen.
Diese Narren.
Sie hätten sich ergeben sollen.
Vielleicht hätte man dann doch irgendwie Gnade walten lassen.
Aber jetzt.
Nun, ich glaube nicht, dass wir Mühe hätten, tausend Mann zum Mitkommen nach Gushole zu bewegen.
Aber es würden ja auch schon zweihundert genügen - oder?« Ich nickte, sagte dann: »Ich will noch ein wenig
schlafen, bevor ich mich auf den Weg nach Gushole zu O'Hara mache.
Der Junge muss auch noch Zeit bekommen für seine Mission.
Ja, er hat wahrhaftig eine Mission zu erfüllen.
Er kann Gushole retten, wenn er die Leute dort überzeugt, dass sie mit O'Hara untergehen würden.
Das hat dieser Junge begriffen.
« Ich ging wieder zur Baracke hinüber.
Als ich in den Sattel stieg, standen Barney und Bill neben mir und dem Pferd.
Sie fluchten leise, und Barney sagte, dass ich ein Verrückter sei.
Es waren noch einige Goldgräber da, Mitglieder des Goldgräbergerichtes, die gewählt worden waren.
*
Sie waren die maßgebenden Männer unter den Goldgräbern im Gushole Canyon.
Der weißhaarige und weißbärtige Richter sagte: »Taggert, was Sie tun, kann ein großes Blutvergießen und eine
wilde Gewalttat verhindern.
Es kann die Stadt Gushole verändern, fairer machen.
Anständig wird sie niemals werden, solange wir im Canyon Gold finden.
Wenn Sie es nicht schaffen sollten, den Boss von Gushole zu erledigen, wenn er sich nicht stellen sollte zum
Duell Mann gegen Mann - nun, dann kommen wir.
Viel Glück.
« »Danke«, sagte ich und ritt los.
Die Nacht war schon gekommen.
Es war kalt.
Der Wind kam wieder von Norden, traf meinen Rücken.
Es würde bald Winter sein.
Ich dachte an Nancy, an Taggert - und an jene Mary, die mir den Tipp gegeben hatte, wo die Zusammenkunft
der Banditen stets stattfand.
Ob O'Hara sie jetzt verdächtigte? Denn natürlich würde er jetzt Überlegungen anstellen, wer verraten haben
konnte, was es mit der Aurora-Mine wirklich für eine Bewandtnis hatte.
Es war eine klare Nacht.
Die Himmelsgestirne warfen bleiches Licht in den Canyon.
Als ich die Lichter von Gushole in Sicht bekam, hielt ich an.
Der Canyon beschrieb hier eine Biegung.
Als ich sie umritten hatte, sah ich die Lichter von Gushole.
Es waren sehr viel weniger als sonst.
Und auch schon unterwegs gab es in dieser Nacht bei all den Claims kaum Feuer oder Lichter.
Ich wurde auch nicht angerufen, wie es sonst üblich war, wenn man in der Nacht abseits des Hauptweges ritt.
Die Goldgräber und Minenleute waren alle bei der Aurora-Mine, gewiss nicht in der Stadt.
Schon das allein musste für die Leute von Gushole eine Warnung sein.
Ich ritt weiter und verhielt noch einmal am Stadteingang.
Hier standen rechts .
und links des Hauptweges nur Zelte, primitive Hütten, Wagen, in denen man hauste.
Eine laute Stimme rief von irgendwoher aus diesem Gewirr von Hütten, Wagen und Zelten zu mir herüber:
»Hoi, hol dir den Skalp dieses Hurensohnes! Hol ihn dir! Dann wird es besser in Gushole!« Vielleicht gehörte
sie einem Mann, den man beim Spiel betrogen oder auf andere Weise ausgeplündert hatte.
Ich wusste, es gab viele solche Leute in der Stadt.
Sie hatten sich ducken müssen.
Ich schluckte ein wenig.
Was erwartete mich in der Stadt? Lauerte O'Haras Bande schon auf mich? Wollten sie es darauf ankommen lassen,
ob die tausend Goldgräber wirklich wie eine Stampede kommen würden? Es konnte durchaus sein, dass ich in ein
Kreuzfeuer geriet und in wenigen Minuten tot war, sobald ich mich weit genug nach Gushole hineingewagt hatte.
Aber wenn sie alle Furcht bekommen hatten, wenn Patrik O'Hara ein stolzer Mann war, der meine Herausforderung
annahm, nun, dann hatte ich gewisse Chancen.
Ich ritt im Schritt weiter.
Es war still in der sonst so wilden Stadt.
Um diese Zeit war sie sonst voll in Betrieb.
Jetzt aber war sie still.
Der Huf schlag meines Pferdes war deutlich zu hören.
In einigen Hütten und Häusern, aus deren Fenstern noch etwas Lichtschein fiel, gingen auch diese Lichtquellen aus.
Dunkelheit war auf der Hauptstraße.
Es war, als würde der Hufschlag meines Pferdes das Zeichen zum Licht löschen sein.
Ich wagte es plötzlich nicht länger mehr, hoch im Sattel zu bleiben.
Vom Himmel fiel das blasse Licht der Gestirne nieder.
Man konnte die Umrisse meiner Gestalt gewiss erkennen.
Und aus jedem Fenster, jeder Hauslücke, jeder Nische, aus den abgestellten Wagen und von den Dächern konnten
jede Sekunde Schüsse krachen.
Es wäre dumm von mir gewesen, wäre ich weiter so stolz im Sattel nach Gushole hineingeritten.
Denn ich wusste immer noch nicht, was die >Gilde der Schmutzigen< tun würde.
Hielt sie weiter zu O'Hara, der mir die Frau raubte? War er immer noch der Boss, dessen Befehle sie blindlings
ausführten? Oder fürchteten sie sich vor dem Zorn der Goldgräber, die kommen würden, wenn es kein faires Duell
gab zwischen mir und O'Hara? Das alles waren die Fragen, die mich ständig beschäftigten.
Ich hielt also mein Pferd an und saß ab.
Nun verschmolz ich mehr mit dem Tier, hob mich nicht mehr gegen den mondhellen Himmel ab.
Langsam ging ich weiter.
Sporen trug ich nicht.
Es war nur der Huf schlag meines Pferdes dumpf im Staube der Hauptstraße zu hören.
Überall gingen die Lichter aus - nun schon weit voraus.
Nur die Lichter der Imperial Hall blieben.
Die herausfallenden Lichtbahnen warfen goldene Barrieren über die Fahrbahn bis hinüber zum Labor des
Erzprüfers und des Sattlergeschäftes, hinter dem sich die Werkstatt befand.
Nirgendwo waren Sattelpferde angebunden.
Ein paar Wagen standen da und dort ohne Gespanne.
Ich hielt an.
Ein Dutzend Schritte vor mir war die erste Lichtbahn von Patrik O'Haras Imperial Hall.
Wartete er drinnen auf mich? Wollte er es offen und fair mit mir austragen, nachdem er begriff, dass er allein
war, weil die Drohung - es würden tausend Goldgräber kommen und alles klein machen - eine für ihn so
verheerende Wirkung zeigte? Ich ließ mein Pferd einfach stehen und ging hinüber zur Häuswand.
Mit dem schussbereiten Colt in der Hand verharrte ich, witterte zur gegenüberliegenden Seite hinüber.
Denn von dort hatte man ein gutes Ziel, sobald ich die Lichtbahnen durchquerte oder mich im Eingang zeigte.
Gewehrschützen konnten mich mit Leichtigkeit abknallen.
Ich spürte, wie mir ein wenig heiß wurde.
Mein Verstand und mein Instinkt sagten mir, dass die erleuchtete Imperial Hall Falle und Herausforderung
zugleich war.
Es war eine Einladung zum Sterben gewissermaßen.
Ich entschloss mich, nicht dort hineinzugehen.
Und so bog ich in die schmale Gasse ein, die zum Hof führte, in dem ich mich mit jener Mary traf, die aus
Texas stammte wie ich und die einmal O'Haras Geliebte war, bis er ihrer überdrüssig wurde.
Mir fiel in diesem Moment ein, dass ich nicht mal Marys Nachnamen kannte.
Wie mochte sie heißen? Und nach Texas an den Brazos wollte sie zurück, wenn sie nur genügend Reisegeld
zusammenbekommen konnte.
Ich erreichte die Hinterseite der Imperial Hall.
Es war hier dunkel.
Die große Amüsier- und Spielhalle bestand aus mehreren Bauten, die man erst später miteinander verband.
Es gab deshalb mehrere Eingänge.
Welchen sollte ich nehmen? Bisher war mir noch niemand begegnet.
Keinen Menschen hatte ich bemerkt.
Hielten sie sich wirklich alle heraus? Oder lauerten sie auf mich? Ich ging weiter, bis ich den Hintereingang zur
großen Tanz- und Amüsierhalle erreicht zu haben glaubte.
Und dann zuckte ich zusammen.
Denn drinnen begann ein Klavier zu spielen.
Ja, verdammt, da spielte ein Klavier.
Und ich kannte diese Melodie.
Damit hatte es eine besondere Bewandtnis.
Damals, als Texas gegen den Diktator und General Santa Anna um seine Freiheit kämpfte, als die Verteidiger
von Alamo eingeschlossen waren von siebentausend Mexikanern, als sie diese Mexikanerarmee so lange
aufhielten, bis General Houston eine Texanerarmee sammeln konnte, mit der er dann die Mexikaner besiegte,
da ließ General Santa Anna während der Belagerung Tag und Nacht den Deguello spielen.
Und die Texaner in der zur Festung umgebauten Mission >E1 Alamo< wussten, dass dies ihre Todesmelodie
werden würde.
Jetzt hörte ich sie auf einem Klavier.
Wer mochte der Spieler sein? Wollte Patrik O'Hara mich nervlich schwächen? Er wusste ja, dass ich Texaner
war und die Bedeutung dieser Melodie kennen musste.
Dieser Hurensohn, dachte ich, versucht es mit allen Mitteln.
Wer spielte da wohl für ihn? Ich öffnete langsam die Tür.
Als ich den leisen Luftzug spürte, da erkannte ich auch schon den Trick.
Er hatte irgendwo eine Tür oder ein Fenster angelehnt.
Durch das Öffnen der Tür entstand ein Durchzug.
Und irgendwo im Haus klappte nun diese Tür oder dieses Fenster.
Das Klavier spielte immer noch den Deguello.
Es waren leichte Hände - vielleicht Frauenhände.
Oder es musste ein Spieler sein, der einst eine Ausbildung als Pianist erhielt.
Denn es war kein primitives Gehämmer auf den Tasten.
Ich ging den schwach beleuchteten Gang entlang.
Rechts und links waren Türen.
Ich glitt mit schussbereiter Waffe an ihnen vorbei.
Ich erreichte jetzt endlich die Tür zum großen Vergnügungssaal.
Sie befand sich neben dem einen Barende.
An dieser Bar standen die durstigen Kehlen sonst drei oder vier Glieder tief.
Und ein Dutzend Barkeeper schenkte immer wieder ein.
Jetzt war alles leer.
Nur das Klavier drüben neben der Bühne spielte immer noch.
Ich sah jetzt, dass es Mary war, die da spielte.
Sie war wie eines der Tingeltangel-Girls gekleidet, sehr offenherzig also, und zeigte viel nackte Haut.
Als ich eintrat, blickte sie über die Schulter.
Unsere Blicke trafen sich über eine Entfernung von mehr als zwei Dutzend Schritten.
Und dennoch erkannte ich ihre Not.
Ja, sie spielte mühelos, aber sie war in Not.
Warum? Ich sah sonst niemanden in der Tanzhalle.
Aber dann erkannte ich ihre Kopfbewegung und war gewarnt.
Mitten im Spiel sprang sie plötzlich auf und wich zur Seite.
Und da sah ich ihn.
Er hatte hinter der Ecke des Klaviers gekauert.
Mary hatte sich genau in der Schusslinie befunden.
Jetzt aber war alles frei, denn sie hatte Nerven genug gehabt, sich mit einer raschen Bewegung aus der
Schusslinie zu bringen.
Es war aber nicht Patrik O'Hara, der zum Vorschein kam.
Der Mann war Henry Smet, der Manager der Imperial Hall.
Ja, er war der Mann, der es mit mir aufnahm.
Und vielleicht war er der einzige Mann der Gilde, der noch für Patrik O'Hara kämpfte.
Nun starb er für ihn, denn ich sah zwar sein Mündungsfeuer, doch ich war in rascher Bewegung.
Seine Kugel streifte mich nur.
Mary war jetzt weit genug weg von ihm.
Sie warf sich über einen Spieltisch, dass die Kartenpäckchen nur so flogen.
Ich schoss durch den Pulverrauch mir gegenüber, und ich war nahe genug herangekommen.
Henry Smet fiel hinter dem Klavier krachend zu Boden.
Mary aber saß jetzt auf dem Tisch.
Und sie sah zur Treppe hin, die nach oben führte.
Ich wusste, O'Hara war dort oben.
Da rief ich hinauf: »Hoi, O'Hara, wenn du Nancy auch nur ein Haar gekrümmt hast, zieh ich dir bei lebendigem
Leib die Haut ab! Darauf kannst du wetten! Henry Smet ist erledigt! Wer kämpft denn noch für dich! Komm
herunter, du Hurensohn, wenn du nicht wieder so feige sein willst wie damals, als du deine Frau mit dem Baby
den Apachen überließest! Oha, Patrik O 'Hara, was bist du für ein Schuft! Komm schon! Ich warte nicht mehr
lange! Dann hole ich dich!« In meiner Stimme war kalte Wut.
Ja, ich wollte ihn töten.
»Er ist dort oben«, sagte Mary zu mir.
»Und er hat Nancy bei sich.
Er hat Henry Smet versprochen, ihn zu seinem Partner zu machen, wenn er dich aufhält.
Er ist feige.
Das hätte ich nicht geglaubt.
Denn er wirkt doch wie ein Sieger, wenn man ihn ansieht.
« Ich hörte kaum hin, sondern ging die Treppe hinauf.
Fortwährend war ich in lauernder Bereitschaft für schnelle Reflexe.
Aber es geschah nichts, gar nichts.
Ich begann die Zimmer zu durchsuchen.
Hier wohnten sonst die Tingeltangelmädchen des Hauses.
Aber sie waren fort.
Wohin mochten sie sein? Und dann endlich fand ich Nancy.
Sie lag gefesselt auf dem Bett.
Der Mund war mit einem Handtuch geknebelt, so dass sie nicht den geringsten Laut ausstoßen konnte.
Nur schnauben durch die Nase vermochte sie noch, aber das waren keine Laute.
Das Fenster des Zimmers stand offen.
Ich schloss die Tür hinter mir, so dass mich niemand überrumpeln konnte.
Dann ging ich zum Fenster und sah vorsichtig hinaus.
Nancy schnaufte jetzt fauchend durch die Nase.
Gewiss war sie wütend, dass ich nicht sofort zu ihr kam.
Ich befreite sie zuerst vom Handtuchknebel.
Und da fauchte sie auch schon: »Willst du mich ersticken lassen? Wie kannst du nur so unvorsichtig sein,
deinen Kopf aus dem Fenster zu halten? Wenn er dort unten gestanden hätte mit seiner verkürzten Schrotflinte.
« »Hat er eine?« So fragte ich.
»Ach, jetzt ist er weg«, sagte sie, indes ich mit meinem Messer, das ich aus dem Stiefelschaft holte, ihre
Fesseln zerschnitt.
Sie rieb sich die Handgelenke und sprach dann mit einem Klang in der Stimme, der eine Mischung aus Mitleid
und Verachtung zu sein schien: »Er ist abgehauen, so wie damals, als es um sein Leben ging.
Diesmal wollte er durchhalten, aber das schaffte er nicht.
Als du unten riefst, dass du ihm die Haut abziehen würdest, da zerbrach er wie damals, als wir in der
Poststation auf die Apachen warteten.
Es war ein schrecklicher Schock für ihn, als niemand für ihn kämpfen wollte, weil sie Angst hatten vor der
Rache der Goldgräber.
Er hatte zuvor gedroht, mich zu töten, wenn du dich nicht ergeben würdest.
Aber als er dann zu begreifen begann, dass es dir ernst war, da zerbrach sein Bluff.
Er war immer nur ein feiger Bluffer.
Zur Hölle mit ihm! Lass ihn doch davonkommen.
Er ist nur ein Wurm!« • Ich staunte sie an.
Und j e länger ich nachdachte, umso mehr kam ich zu der Erkenntnis, dass sie Recht hatte.
Er war nur ein feiger Bluffer.
Wenn es darauf ankam, dann kniff er.
Das hatte er damals schon getan.
Als wir auf die Straße traten, brannten in Gushole fast überall wieder die Lichter.
Die wilde Stadt war zwar noch zahm und ruhig, doch sie hatte mitbekommen, dass ihr scheinbar so harter und
rücksichtsloser Boss feige geflüchtet war.
Es regte sich überall wieder Leben.
Und wahrscheinlich würde es jetzt erneut blutige Machtkämpfe geben unter jener >Gilde der Schmutzigem.
Bald würde die Campstadt wieder neue Bosse haben - vielleicht sogar wieder nur einen.
Aber sie alle würden vorsichtiger sein müssen.
Denn die >Stampede< der Goldgräber würde nun ständig drohen.
Die Digger und Minenleute des Gushole Canyons ließen sich nichts mehr gefallen.
Nancy und ich, wir kehrten heim zu unserem Claim und unserer Goldader.
Wir begannen in den nächsten Tagen mit dem Abbau.
Gold- und Geldtransporte fanden statt.
Viele Goldgräber reisten heim mit der Goldausbeute.
Und die gefangenen Banditen in der Aurora Mine? Nein, sie wurden nicht ertränkt wie Ratten.
Als die Mine voll gelaufen war und das Wasser aus ihr lief, da räumten die Goldgräber schließlich doch den
zusammengebrochenen Stollenausgang frei.
Das Wasser floss ab.
Sie fanden keinen einzigen Ertränkten, dafür aber einen schmalen Luftschacht nach oben, durch den die
Wetterführung aus dem Querschlag lief.
Die Banditen hatten in tage- und nächtelanger Arbeit die Felsspalte, die den Luftschacht bildete, verbreitert.
Und sie waren daraus entwichen, hatten sich verkrümelt.
Die Bösen waren wieder einmal entkommen.
Doch das geschah ja schon oft genug auf dieser Erde.
Nun, Barney, Bill, Nancy und ich, wir beuteten unsere Goldader aus.
Auf die Imperial Hall legten wir keinen Wert.
Die würde an die Stadt fallen, von dieser verpachtet werden.
Jetzt, da ich die Geschichte schreibe, haben wir eine wunderschöne Ranch in Texas.
Und in unserer Countystadt besitzt jene Mary - sie heißt übrigens Scottfisher - ein kleines Hotel mit Restaurant.
Auch sie ist verheiratet.
Nancy wurde in Abwesenheit ihres Mannes geschieden.
So war das also alles.
Und weil es wohl eine spannende Geschichte war, schrieb ich sie für unsere Nachkommen auf.
Wir haben drei, zwei Buben und ein Mädchen.
So long, Leute! Joshua Taggert, Southern Star Ranch, Brazos County, Texas.
ENDE