Hermann Lingg Die Besiegung der Cholera
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Nach der Ausgabe: Hermann Lingg Die Besiegung der Cholera Ein Satyrdrama mit Vorspiel Verlag von E. H. Gummi’s Buchhandlung, München, o. J.
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Hermann Lingg Die Besiegung der Cholera
Folgende Verse wurden grösstenteils während der Cholera-Epidemie des Jahres 1854 geschrieben, und waren ursprünglich zur erheiternden Mittheilung für einige Freunde bestimmt. Nachdem nun aber Besorgnisse vor dem Näherrücken der gefürchteten Krankheit wieder aufgetaucht sind, so dürfte die kleine Komödie auch zur Verbreitung einem grösseren Leserkreis nicht unpassend erscheinen.
Personen des Vorspiels.
Der Typhus. Tyrannos. Die Cholera. Die Gicht. Angelos. Die Elephantiasis. Der Scharlach. Der Trismus. Der Scorbut. Der Aussatz. Ein Bramine.
Erste Scene. Zwischen Sodom und Gomorrha. Hohe Felsenhöhle. Typhus als Typhon thronend. Typhus (ruft). Gift Gicht! Gicht. Mein Herr befiehlt? Typhus. Fahr aus Aus dieser meiner grossen Zehe, Hol meine Frau die Cholera nach Haus! Gicht. Wo sitzt sie? Typhus. In Ostindien beim Thëe, Frisst wie ein Tiger britische Soldaten, Und saugt das Hindudelta bis auf’s Blut. Sie soll in andre, soll in deutsche Staaten!
Gicht. Das ist nicht räthlich, o das geht nicht gut! Typhus. Warum nicht, Hund! Gicht. Herr! Deutschland steht in Flammen, Seit anno acht und vierzig ist es dort Gar nicht geheuer. Herrscher! auf mein Wort! Wir würden uns dort ganz kurios Verbrennen. Typhus. Ei, das wäre doch odios! Enteile! Meinen Staatsrath ruf zusammen, Den Präsidenten Trismus, die Minister: Den des Auswärtigen, den Aussatz, und Den Admiral Scorbut! Die Gicht (heimlich). Den Zoster, scheint’s, vergisst er. Typhus. Berufe sie vor meinen Thron im Höllenschlund!
Gicht. Bis nach Ostindien, o Gelenke! Mir ist’s, als ob sich jedes Glied verrenke. Ja ging’s zum wenigsten noch durch die Lüfte. O weh, ihr Schultern, Knie’ und Hüfte! Warum als Boten, Hölle, brauchst Du mich? Herr, schick den Rothlauf! Typhus. Was? War das ein Stich? Gicht. Ich trete gern zurück. Typhus. Sogleich verlarve Dich! Gicht. Hinreissend reisst’s mich hin zum Reisen, dort Im Vaterland des Reises .... Typhus (mit dem Fuss stampfend). Fort! (Die Gicht hinkt ächzend ab.)
Wortspielerin, ich will Dir Füsse machen Dass alle Glieder Dir am Leibe krachen! Dass dies Gesindel auch schon hier Nicht mehr gehorcht im eigenen Revier! Wie straf ich Euch, verfluchte Ungeheuer? Wie kann ich Geisseln geisseln, Feuer Verbrennen, Gift vergiften? Was thu’ ich — einen Orden werd’ ich stiften, Den Sirius, um den Ihr frohnen Und winseln sollt, Ihr höllischen Legionen! (Es treten ein der Trismus, der Scorbut, der Aussatz, der Scharlach). Trismus. Schon wieder Sitzung! Was ist los? Scorbut. Was wird denn los sein? Zahnfleich und Gebiss. Du Flegel! Scharlach. Ruhe! Nicht so burschikos.
Aussatz. Mich juckt’s auf etwas Neues. Ganz gewiss Ein neues Anleh’n! Typhus. Treu bewährte Schaar! Die Cholera soll nach Europa reisen, Doch droh’ ihr, heisst es, dort Gefahr. Was ist nun euer Rath, ihr Weisen. Scorbut. Sie bleib zu Haus, mit ihren Siebensachen. Aussatz. Sie halte ja sich von Gelehrten fern. Trismus. Sie soll incognito die Reise machen. Typhus. Das ist’s. Ihr seid entlassen meine Herrn!
Zweite Scene. Indien. (Die Cholera kommt auf einem von Krokodilen gezogenen Wagen.) Die Cholera. Rothborstiger Barbaren speist ich zahllos Viele Und schlechte Moslems — Vorwärts Krokodile! Es mochte heiss sein bis zu vierzig Grad, Mocht’ regnen wie ein ausgeschüttet Bad, Ich würgte, ob es nass war auf dem Land, Und ob es dürr war auf der Flur wie Sand, Ich setzte dem Kameel mich auf den Rücken, Und schlüpfte durch die Vorhang’ mit den Mücken. Wer aber hinkt denn dort so schief an — In englischen Schweiss gebadet. Gicht, bist’s Du? Die Gicht. Dein Herr befiehlt, er will Dich seh’n im Divan, Er neigt Dir seinen Pfauenwedel zu. Cholera. Was gibt’s?
Gicht. Fort sollst Du von des Ganges Krümmung, Und folgen einer höheren Bestimmung. Cholera. Von Indien fort, von meinen Palmenthälern, In deren Schatten ich so sanft geruht? Von diesem Pflanzenvolk und seinen Quälern? Wo fand ich je noch Opfer meiner Wuth, Die so geduldig ihren Nacken beugen? Wo dampft mir wieder solch ein Leichenschmaus? Hier war ich, Schiva soll es mir bezeugen — Hier war ich so recht eigentlich zu Haus. Gicht. Dort wo Du jetzt hin sollst, kannst Du an Sümpfen, An Wolken, und an Nebeln Dich erfreuen. Versieh Dich ja mit woll’nen blauen Strümpfen. Cholera (für sich). Wart Bestie, Du, der Hohn soll Dich gereuen! (laut.)
Ich danke Dir. Mir scheint Du bist erhitzt? Geniesse was! Gicht. Was hast Du denn? Cholera. Melonen. (für sich). Ha wie sie schon das Mäulchen spitzt. Der Hochgenuss wird sich geschwind belohnen. Gicht. Wie delikat! wie kühlend und wie süss! Dies Indien — freilich ist’s ein Paradies! Cholera. Nur etwas Pfefferung verlangt die Frucht. Ich muss jetzt fort. Leb wohl! (Verschwindet.)
Gicht. Leb wohl! Verflucht! Au, ati, es reisst mich in den Eingeweiden, Wie wird mir übel, je, o je, o je! Es schneidet furchtbar, furchtbar ist das Schneiden! Beschwörer! Schlangenbändiger, o weh! Zu Hilfe Indiens Schutzgott —Brahma! Vater! Erbaitae Dich! — (Ein Bramine tritt ans einer Höhle mit Sklaven.) Bramine. Sie ist’s, ergreife dieses Weib! Es ist die Wittwe, die dem Flammenkrater Geopfert werden muss. Malaie treib! Voran! Geleite sie zum Heiligthum. Gicht. O furchtbar schneidet’s, furchtbar Peinigen! Ich muss zu jener Palme dort. Bramine. Warum? Gicht. Um mich vom Irdischen zu reinigen.
Bramine. Führ sie zum Ganges! trommle, mach Getös! Gicht. Es zwickt mich, o Bramine, Als hätt ich eine Guillotine — Im Darm und im Gekrös. Die Frucht, und wer sie gab, war bös. (Wird abgeführt)
Dritte Scene. Typhons Höhle. (Der Typhus, die Elephantiasis, und die Cholera.) Typhus. Unglückliche Sultanin, Herrscherin der Todten, Die Hölle, die uns zwingt, hat mir geboten, Dich zu verweisen nach Europas Westen, Dort Himmel, Meer und Erde zu verpesten. Du siehst, wie sehr ich Deinen Abschied fühle, Ich weine Thränen vieler Krokodile. Die Wechselfleber nimmst Du zur Bestreitung Der Kosten, Eminenz den Scharlach als Begleitung, Die Ruhr als Kammerzof, und als Lakai den Friesel. Leb wohl, und komm zurück, gesunder als ein Wiesel! — (Umarmt sie.) Cholera (zur Elephantiasis). Noch einen Kuss auf Deine Lippen, Gute!
Elephantiasis. Ich bin gerührt von Deiner Liebe, Kind! Doch solche Treue liegt in unserm Blute! Cholera. Ach weine nicht, sonst wirst Du mir noch blind Durch Deine Liebe! Elephantiasis. Es ist der heiligste der Triebe. Typhus. Jetzt wird es mir zu arg. Marsch, augenblicklich! (zur Elephantiasis) Mach, dass Du fort kommst, alte Stute! Cholera. Nun, Mann, das ist doch auch nicht schicklich! Typhus. Für Dich hab ich Incognito bestellt, Du reisest als Dame der halben Welt.
Die Besiegung der Cholera. Ein Satyrdrama.
Personen des Dramas. Doctor Geologicus. Doctor Mikroscopicns. Doctor Gurrmann. Ich. von Bimbex, ein pedantischer Stutzer. Der Odenfex. Ein Vorstand. Ein Engländer. Ein Bremser. Ein Fremder. Cyrillus. Der Schatten Virgils. Ein böser Geist. Der thierische Magnetismus. Erster und zweiter Bedienter. Ein Dienstmann. Die Cholera. Die Ruhr. Chor der Feldmäuse. Die Unnahbaren.
Erster Akt.
Erste Scene. (Im Eisenbahnwaggon sitzen: Die Cholera, die Ruhr, ein Engländer, der Odenfex, ein Holzhändler und der thierische Magnetismus. Der th. Magnetismus (zur Cholera). Sie pflanzen ja da ganze Barrikaden Von Koffern gegen mich, Euer Gnaden! Cholera. Mein Herr, Sie sind zu dreist, In Ihren Sitten lebt kein guter Geist. Der th. Magnetismus. Ich weiss, ich weiss es wohl, dass ich verdiene Zu heissen, wie ich heisse; ich genoss Nicht feine Bildung, keinerlei Routine, Wodurch man sich beliebt macht oder gross. (Schluchzt)
Cholera. Nun, seien Sie nur nicht so aufgeregt! Der th. Magnetismus. Gefühle zu verbergen bin ich nicht im Stande, Man sieht mir immer an, was mich bewegt. Cholera. Sie sind vom Lande? Der th. Magnetismus. In ländlicher Zurückgezogenheit Verlebt ich meine schöne Jugendzeit, Beim Messner lernte ich Latein, und zog Mit ihm, der sich und alle Welt betrog Auf manchen Jahrmarkt in die Kreuz und Quer, In Taschenspielerkunst geübt, umher. Die Cholera. Sie scheinen mir bekannt.
Der th. Magnetismus. Das kann schon sein, ich bin verwandt Mit allen Basen in der Welt, laut Briefen Lebt auch in Polen mein Geschlecht. Ich weiss es aus den Staatsarchiven. Den Casanova kenn ich auch. Cholera. Schon recht! Der Odenfex. Wer spricht von Casanova. Der th. Magnetismus. Ich. Der Odenfex. Sie, junger Mensch, Sie sollten sich doch schämen, Solch einen Namen in den Mund zu nehmen. Cholera. Sie sind zu streng! Odenfex. Sie Gans! Sie dumme Hex!
Cholera. Was? spricht man so auf einer Eisenbahn? Wer sind denn Sie, Sie Grobian? Odenfex. Ich bin der Odenfex. (Die Cholera holt eine Schachtel hervor.) Ich suche nicht durch Bilderschmuck zu blenden, Wenn reinlich nur mein Vers wie Wasser fliesst; An Platens Schatten will ich jetzt mich wenden, Ob der Apollos Thore mir erschliesst. Doch um das Opfer erst ihm darzubringen, Versuch ich’s, ein Gedicht hervorzuzwingen, Vielleicht das letzte,*) Leipzigs Helikon Erkenn’ es jetzt, was. er an mir verliert, Es fühl’ es auch so mancher Musensohn ... Die Cholera (zum th. Magnetismus). Mein Herr Sie werden wieder ungenirt. Der Odenfex. Madam nur ich versteh’s zu amüsiren, Ich apportire für die ganze Welt zum Spass
Possirlich auf und nieder am Parnass’. In allen literarischen Revieren, Wird mein Gebell gehört, im höchsten Drang Versuch’ ich mich sogar im Hymnen-Schmieren, Geht’s nicht, so wird mir darum auch nicht bang, Dann heul’ und schimpf ich über Heinrich Heine Und Jeden, dem das Bessere gelang. Cholera. Er kommt mir wirklich wie ein Pudel vor, Der sich gesetzt auf seine Hinterbeine, Und nach dem Monde heult empor. Der Odenfex. Wie komm ich aber, dünn, so wie ich bin, und klein, Ins Land der Bräuer ungefährdet ein? Die Kerle werden mich zertreten. Der Engländer. Yes. Odenfex. So ruf ich Dich denn Aristophenes! Hüll mich in eine Deiner Wolken ein! (Die Cholera öffnet die Schachtel.)
Odenfex. O weh, ist das die Luft Athens! Der Holzhändler. Ja seh’n ’s, Man sagt halt, dass die Cholera Im Anzug sei, und da Auch jener Herr voll Od ist, so ... Die Cholera. Ach nein! Es war nur meine Puderschachtel. Bester, Da schauen Sie hinein. Odenfex. Ha! Höllenschwester! Da ist ja Moder, Staub und Schädelbein! (Der th. Magnetismus entweicht durch’s Waggonfenster.) Der Holzhändler. Sind Sie die Cholera, sie selbst?
Cholera. Kann sein! Und Sie Herr Odenfex sind mein. Ich werde mich mit Ihnen associren, Zu Traueroden hab’ ich Stoff genug — Sie sollen taglang Thränodien schmieren Und nun Adieu! Hier hält der Zug. (Der Odenfex fällt in Ohnmacht)
Zweite Scene. (Im Bahnhof. Ein Vorstand, ein Bremser und verschiedene andere Leute. Hernach die Cholera.) Der Vorstand. Damit die Cholera den Weg hieher nicht finde, Befehlen wir das Gaslicht auszulöschen, Der Stadtteich liegt in einer Eisesrinde, Die Niemand aufhau’n soll, dass auch von Fröschen Kein Quacken uns verrathen kann; stockblinder Pechschwarze Nacht soll sein, die Postpaquette Durchstosset, Passagiere, Mann wie Weib, Durchräuchert sie bis auf den blosen Leib. (Der Bahnzug pfeift herein. Stimmen.) Er kommt! — sie kommt! Vorstand. Wer kommt?
Stimmen. Die Cholera; sie ist im Anzug. (Die Cholera steigt aus.) Der Vorstand. Die Cholera? wo denkt Ihr hin! Das ist ja uns’re heissersehnte, Neu engagirte Tänzerin. Bremser. Ja, wer gesehen, wie sie gähnte, Was sie für Kiefern hat, und welchen Rachen! Der Vorstand (zur Cholera). Mein Fräulein, welch’ ein günstiges Geschick! Ich darf doch Ihren Cicerone machen? Cholera. Ich bitte — nur für einen Augenblick. Vorstand. Geht Ihnen etwas ab?
Cholera. Mein Brilliant. Vorstand. Gewiss ein unschätzbares Angedenken? Cholera. Ein Indierfürst war einst in mich entbrannt, Der Stein befand sich unter den Geschenken, Die Seine Herrlichkeit mir zugesandt; Ich tanzte damals noch als Bajadere! Vorstand. Das muss ins Tagblatt, ach wie interessant! Wer dort der Gott gewesen wäre! O einzigste der Feeen. Cholera. Sie sind ja überaus charmant, Doch sehen Sie, da kommt ein Zug herein, Ich muss ein wenig auf die Seite gehen. Auf Wiedersehen! (Eilig ab.)
Vorstand. Sie geht, und lässt mich hier allein.
Dritte Scene. Im Hotel. (Grosse Table d’hôte. Dr. Gurrmann, Herr von Bimbex und andere Gäste treten ein, und nehmen Platz.) Dr. Gurrmann. Festschmausselig find ich mich wieder Auf meines Olympus Höh’n Bei den Gewaltigen, den Opferfressern, Den Göttern, beim Gastmahl! (sich umblickend) Die Frechheit idealbefrackter Kellner Hat mit Blüthen und Blumen Herrlich gedeckt, Und ich nun, langsam gleit ich Auf meinen Stuhl, und mit beiden Flügeln In’s Joch, In den damastfaltigen Serviettfestvorhang. Ringsum seh ich Senat und Partheien, Väter der Stadt, und grimmige Krieger.
Einer der Höchsten unter den Gläubigen Nähert sich mir. (Er steht auf und verbeugt sich.) Jetzt aus Schränken gelegt, Kommen an’s Tagslicht Silberlöffel, Feingeschliffene Tischmesser und Dreizacke, Anschaulich gemachte Vorboten der Mahlzeit. Seitwärts am Schenktisch ragen Krebsrothe, kretische, Des Markkochs Kraftsuppenbehälter. Jetzt, Jetzt naht sich’s. Bouillon scholl es von oben her, Madeira, Kellner! (Eine schwarzgekleidete Dame tritt ein und nimmt Platz.) (Dr. Gurrmann trinkt, hustet, trinkt wieder.) Rindfleisch? Elendes Zugvieh! Weg mit Nieren, Der gewöhnlichen Art von Sühne Ueberverdorbener Mägen — Eine Beute der Biertrinker. Ha!
Vor meine Blicke tritt ein Block, tiefbrauner Braten, Ein Rehrücken! (zum Nachbar) Sehen Sie Die Dame dort unten? Wer muss Wohl die sein. — Geben Sie acht, Schlachtscenen rücken an, Hechte von oben, Und Gegenhechte von unten Mit Uebergüssen, auch Bouteillen im Geiste der Zeit, Schön, edel! Alle Den Heldentod zu sterben bereit. Krebsschädel und Schalen sah ich, Und hier (zum Nachbar) Was? Sie zaudern? Schön und erfindungsreich sind die Blüthen Uns’rer Kultur, aber das Grosse, Ungeheure hegt nur das Meer! Einzig ist solch ein Seekrebs!
Dreimal Glückliche Auf dem Verdeck der Fregatte Thetis! (zum Nachbar rechts) Ein Fasan! Fassen Sie an Aesthetiker, Sie Vasall des Schönen! Kennen Sie die Dame dort unten? Im Westen der Tafel? von Bimbex. Nein! Dr. Gurrmann. Das Lächeln der Blicke ringsum Verkündet mir Zuckerwerk. Sie nimmt davon — Wer sie nur sein mag? von Bimbex. Wahrscheinlich eine Fremde.
Dr. Gurrmann. Alles beglückende Mittagssonne! Süsses Traumbild, Champagner! Nun zu Dir. — Auf! (Er steht auf, und klingelt an sein Glas.) Der unbekannten Schönen Lass ich ein Hoch ertönen. Die Dame. Ich mache von dem schönen Recht Gebrauch, Mit Schillers Worten zu erwidern: Auch Die Todten sollen leben! (Allgemeine Sensation. Mehrere Gäste erheben sich.) Erster Gast. Sie werden mir gestatten, meine Herrn! Zweiter Gast. Auch ich erlaube mir daneben. Erster Gast. Ich hab’ das Wort, ich möchte gern —
Mehrere. Bravo! Andere. Zur Ordnung! Erster Gast. Ich erheb’ mein Glas! (Ein Fremder stürzt todtenbleich herein.) von Bimbex. Um’s Himmelswillen, was ist das? Dr. Gurrmann. Nur keine Störung, sonst hinaus! Mehrere. Still, Still! Der Fremde. Die Cholera ist hier. Stimmen. Im Haus? —
Fremder. Ihr erstes Opfer wurde heut begraben. Die unbekannte Dame. (Steht auf.) Ich wünsche wohl gespeist zu haben. (Entfernt sich).
Vierte Scene. (Salon im Hotel. Die Cholera und die Ruhr.) Cholera. Ich bin entsetzlich echauffirt Sind die Volans garnirt? Ruhr. Sogleich, ich nähte, wie Sie sah’n, Den ganzen Vormittag daran. Es scheint, Sie wollen Sensation erregen. Cholera. Das werd ich auch, Mamsell! Wohl mehr als Sie. Ruhr. O bitte! Cholera. Wie! Du scheinst verlegen. Was liest Du da? G—ä— o—l—o—g—i—e!! Gäologie! Ei wart’ Du Kammerkatz’!
Da steckt was anderes dahinter. Was ist Dein Schatz? Ruhr. Bedienter. Cholera. Bei wem? Ruhr. Beim Herrn, der dieses Buch verfasst! Cholera. Und kennst Du diesen Herrn? Ruhr. Ich sah ihn heut Mittags von fern. Er ist hier täglich im Hotel zu Gast. Er speiste heut auch an der Table d’hôte. Cholera. Wie sieht er aus? Gross? Im Gesichte roth? Er isst und trinkt sehr gern? Ruhr. Sehr gern und gut, besonders Wein.
Cholera. Er ist’s, es kann’s kein Anderer sein Als der mir heut den Toast gebracht. Er soll mein sich’res Opfer werden! Wann trifft man ihn? Ruhr. Fast nie zu Haus, Als in der Nacht. Er fährt den ganzen Tag mit schwarzen Pferden Von einem Kranken zu dem andern aus. Er wird ja fast zerrissen. Cholera. Schon gut, ich werd’ ihn doch zu finden wissen.
Fünfte Scene. Im Laboratorium. (Der Schatten Virgils und ich.) Ich. Erhabner Führer, wess ist diese Halle? Virgil. Du findest hier in dieser Unterwelt Die Schädlichkeiten, die Euch dräuen, Alle In Gläser, eingesperrt und aufgestellt. Extrakte sieh aus allen Finsternissen, Womit der Satan Adams Kinder prellt, Du siehst Merkur, von dem die Todten wissen, Du siehst die schädlichen Cigarr’n, die fort Und fort zur Gluth verdammt, sich rauchen müssen. Lass uns entrinnen dem verfluchten Ort. Ich. Schon vorher zog mich an durch Jammer dort Ein Geist, zu dem ich bebend also sagte: Wer bist Du ? »Ach« sprach er, ach seel’ge Höh’n, Und krümmte sich in seiner Qual, und klagte:
»Wie herrlich war’s dort oben und wie schön! Ach, dass ich mich zu jenen Tropfen wagte!« — Mich rührte tief sein klägliches Gestöhn. Virgil. Bekennen, was er einst gefrevelt, soll er. Ich. Ist, Meister, Dir sein Wesen nicht bekannt? Virgil. Mir scheint, er taugt nicht viel. Sprich Jammervoller, Von wannen, warum hier? und wie genannt? Steh still, gebärde nicht dich wie ein Toller! Ich. Nun sieh, er redet, durch Dein Wort gebannt. Der Geist. Ich hab’ als ein Vortrefflicher gegolten; So lang ich nicht aus meiner Sphäre kam, So lange lebt ich frei und unbescholten; Doch als ich Etikett’ in Anspruch nahm, Und jenen Tropfen, die begeistern wollten, Zu gleichen suchte sonder Scheu und Scham, Da ward entlarvt mein Inn’res durch den Dusel.
Virgil. Ich kenn’ Dich jetzt. Bleib’ Du nur bei den Aschen In Deinem Tigel hier, verdammter Fusel, Und komm mir nie mehr zu dem Wein in Flaschen! (Der Geist murmelt etwas.) Ich. Was sagt er? Virgil. Unverständliches Genusel. Geist. O meine Sünden sind nicht abzuwaschen. Virgil. Nun apropos, was ist denn Euer Bier? Ich. Im Grund — Wasser. Geist. Auf! Auf!
Virgil. Still Ungeheuer! Geist. Ich muss hinaus, ich hör’ man ruft nach mir. Virgil. Nach Dir? Geist. Ja, ja, hört Ihr denn nicht, die Bräuer? Man ruft mich. Auf! hinaus! macht auf! ich concurrir’ Mit Hopfen! Eis her, Eis her! Sonst zergeh’ ich. (Eine verschleierte Dame tritt auf.) Dame. Ist hier das Naturaliencabinett? — Ich such’ den Dr. Gurrmann. Ich gesteh’, ich Bin in Verlegenheit! Mir ein Skelett Zu zeigen, lud der Freund mich ein. (Virgil entreisst ihr den Schleier.)
Ich. Was seh ich? Die Cholera! — Virgil. (Auf den Fusel zeigend zur Cholera.) Dort ist Dein Freund! (Virgil umfasst mich, und verschwindet mit mir.)
Sechste Scene. (von Bimbex auf seinem Zimmer, und sein Kammerdiener Cyrillus.) von Bimbex. Hast Du schon eingepackt — Wo sind meine Oblaten? Cyrillus. Noch nichts. O Herr, ich bin ja ganz vertrakt, Ich dampfe wie ein Braten. von Bimbex. Wir verlassen die Stadt noch heut’. Cyrillus. Warum? Hatten Sie Streitigkeit Mit einem von den grossen Herrn? Warum halten Sie sich nicht fern Von solchen Personen? — Sie sollten sich und Ihren Papa mehr schonen.
von Bimbex. Nein, wisse Du Philister — Die Cholera ist hier. Cyrillus. (schlotternd.) Die Cholera? — von Bimbex. Gib mir mein Toilettregister! Cyrillus. (Bringt’s, und schleppt einen Koffer herbei.) O war’ doch auch die Post schon da! von Bimbex. Berechne, wenn Du einpackst, jede Lücke Nach Zoll und Dezimal, Vermeide leeren Baum, und rücke In Ordnung vor nach Alphabet und Zahl. Ich mach Dir Alles namhaft, wie es in der Arche Einst Vater Noah that — Und dann erst setz Dich hin, und schnarche, Nachdem Du eingerichtet hast den Staat.
(Während Cyrillus einpackt) A. Standesschlafrock, erster Schlafrock Vesta, B. Standesschlafrock im Zenith, C. Serpentinschlafrock, Schlafrock Siesta, D. Branderschlafrock, Schlafrock für’s Gambit. Gross B. Basaltfrak mit Alluvialwattirung, Asbestfrak, Unterfrak, Frak des Gebeins, C. Schnepfenflugfrak, Oberfrak Regierung, D. Schwarzer Frak des reinen Seins. (Man klopft.) Herein! Ein Bedienter. Herr Dr. Gurrmann schickt mich her, Sie sollen sich beeilen fortzukommen. Ob Sie das Palliativ auch eingenommen? von Bimbex. Gut, gut! (Der Bediente geht.) Ja wenn ich nur so weit schon wär’!
Gross C. Der Streifrock und der Tuchrock Igel, Die Schiffschliefstiefel und den Rock in Ruh’, Die Zebra-Zahnbürst, den Pistolenspiegel, Und eingebeizte Schmirsocksohlen-Schuh. Gross D. Schieblederne Sturmheber, grosse Hose, Die Rollsack-Hose, Hose vom Examen, Die Zechsteinweste, Weste Herbstzeitlose. Cyrillus. Um Gotteswillen eilen Sie sich doch, Wozu denn alle die vertrakten Namen? von Bimbex. Sieh, diese Weste hat ein Loch! — Und endlich das geschuppte Pergamentgilet. Cyrillus. O je, Herr je! (Es klopft wieder, ein Dienstmann kommt.) Dienstmann. Ein Fräulein fragt, wo Doctor Gurrmann wohne.
von Bimbex (ohne vom Einpacken aufzusehen). Daneben, hart daneben, hieher! Schone, Ich bitte Dich, Du packst so grob Als hättest Du des steinernen Gast’s Garderob’. (Der Dienstmann ist fortgegangen.) Schwarzseidenes Halstuch, Halstuch Taufe, Die hypokratische Cravatt’, Cravatte Stahl, Die Pesthal$binde mit der Compassschlaufe. Cyrillus. O gnädiger Himmel! von Bimbex. Noch einmal: Die Pesthalsbinde mit der Compassschlaufe, Das Halstuch mit der Schleife Oriental. Das Halstuch mit gleicharmigen Schlusshebeln, Das Lavahalstuch und das Halstuch f. Und ungebunden tragbar in den Nebeln Das Taschentuch und Zahntuch Bestuscheff. 9 Hemden, 6 Paar parische, schneebleiche, 6 Paar pentelische, das Florphantom
Mit sanften Paralellen, und das weiche Mondmoschus-Nachthemd mit Arom. Es ist geschehen. Schliess den Koffer zu. Cyrillus. O Gott sei Dank! von Bimbex. Vergiss nicht meine Winterschuh’! (Beide ab.)
Siebente Scene. Beim Doctor Mikroscopikus. Chor der Feldmäuse. Der Erschreckliche kommt mit der Sonde bewehrt, Der uns Mäuse vertilgt, die wir Felder verheert, Und Gewürzel benagt, über Wege geschlüpft, Und in Löcher gehüpft; Der uns schindet zum Heile der Menschheit. Wir zucken dahin in unendlichem Harm, An die Nadel gespiesst mit geröthetem Darm. Er verbreitet die Haut — und entfaltet, weh thut’s, Die Gefässe des Blut’s Im entsetzlichen Mikroscope. Antistrophe. Mäuschen o Kekliche Alle, der Schreckliche Würgt er uns hin, Denn er hat triftige Gründe, für giftige Flocken darin. — Flocken sind’s, weissliche,
Die uns die häusliche Ruhe verstören in Wien und Berlin. Chorus. Weh pfeifet im Loch, und im Kellerloch weh, Weh über den Arzt, und die Cholera weh, Weh über ihr jetziges Stadium! (Ab.) (Dr. Mikroscopikus und die Cholera treten zu verschiedenen Thüren zugleich ein.) Dr. Mikroscopikus. (Zurückrufend.) Sind die Zimmer ordentlich geheizt, Die Matrazen und Alles durchgebeizt? Die Cholera (für sich). Er ist es nicht, das ist der Dr. Gurrmann nicht! Verdammt! — Der hat ein finsteres Gesicht. Dr. Mikroscopikus. Nun, setzen Sie sich nur!
Die Cholera. (Heuchelnd.) Ach Herr, wie schwer, Wie schwer wird mir der Gang, ich leide sehr. Dr. Mikr. Wo fehlt’s? Cholera. An Appetit nicht, Gott sei Dank! Dr. Mikr. Sie sind? — Cholera. Touristin. Ja, und krank, sehr krank! Dr. Mikr. Nun denn, wo fehlt’s? Cholera. Ich fühl’ mich oft so matt! Zwar hab’ ich meinen eig’nen Heerd, allein Ich häng vom Wetter ab, vom Sonnenschein, Vom Luftkreis jeder Stadt. —
Dr. Mikr. Und wie gefällt es Ihnen hier? Die Luft zum Beispiel? Cholera. Die erdrückt mich schier. Sonst würd’ ich gern recht lange bleiben. Ich hab’ auch einen Auftrag nebenbei — Den Doktor Gurrmann aufzutreiben. — Dr. Mikr. So—so! Warum ? Cholera. Hm, wegen einer Schelmerei. Er hat die Heirath mir versprochen, und Nicht Wort gehalten. Dr. Mikr. So — was ist der Grund? Cholera. Er hält sich für die Ehe noch zu jung.
Dr. Mikr. Und Sie sind, was man sagt, schon übertragen. Ha, Ha! Cholera. (Vertraulich.) In Polen that ich einen Sprung Aufs Preussische, seither hab’ ich mich hier zu klagen. Auch fahl ich mich zuweilen damisch. Dr. Mikr. Ach! Endemisch wollten Sie wohl sagen? Ja Vielleicht auch epidemisch, das kann sein. (Die Cholera wird unruhig.) Und kamen Sie nach Preussen nicht hinein? Das müssen Sie mir doch noch sagen. — Cholera. Ich wurde lang’ in Contumaz ....
Dr. Mikr. Wie was! In Contumaz? (er läutet.) Mein Augenglas! Cholera. Ich bitte, nicht so viel mich auszufragen. Dr. Mikr. Die Zunge! — Pfui der Teufel. (Für sich.) Sie ist es ohne Zweifel. — (Der Bediente tritt ein.) Dr. Mikr. Was macht mein Freund, der Geologikus? Bedienter. Er fühlt sich wieder wohl, er messe, Befahl er mir zu sagen, jetzt den Fluss. Dr. Mikr. Das freut mich, und damit ich’s nicht vergesse, Geh’ gleich zu ihm und sag’, ich lass ihn bitten, Für Abend auf Bordeaux.
(Die Cholera erblasst. Dr. Gurrmann tritt plötzlich ein.) Dr. Gurrmann. Auf exquisiten, So hoff ich! — Cholera (ihn erblickend). Ha, mein Opfer! Fort! Dr. Mikr. Wohin Madam? Cholera. An einen andern Ort. (Geht ab.) Dr. Mikr. Du bist gerettet Freund, ich glaube fast, Die hatt’ es auf Dich abgesehen, Du bist heut’ Abend doch mein Gast? Dr. Gurrmann. O Freund, wie konntest Du mich missverstehen?
Achte Scene. (Die Cholera im Hofraum, später der Dr. Geologikus, der Chor der Unnahbaren, und die Ruhr.) Die Cholera. (Beschwörend.) Herauf! Delirien, aus dem nassen Boden, Und bringet mit die widersinnigsten Methoden! Sucht Suchten! Knochenfrasse fresst um Euch! Wachst Auswuchs’, Rheumatismen fliesset! Keuch Keuchhusten! Kämpfet Krämpfe!’ Krebs, Würmer beisst! Setzt Euch in Mulden und in Gräbern fest, durchreisst Die Bäche, füllet Gruben an, das sandige Gebiet besetzet, fahrt in’s Blut, in’s brandige! Dr. Geologikus (tritt auf.) Zurück Verderbliche! Cholera. Weh’ mir, ich bin verloren!
(Die Unnahbaren erscheinen.) Zurück, versperret nicht den Weg, Ihr Thoren! Zu Hülfe, Ruhr! — (Die Ruhr tritt auf.) Dr. Geologikus. Nichts angerührt! Stellt Euch entgegen, Felsen! Dem Granit gebührt Der Vorrang. Schiefer! Hier zur Rechten! Cholera. Entflieht nicht, Flechten, wollet fechten! (Zur Ruhr.) Grundwasser seh’ ich. Geh’ in’s Wasser, geh’! Ruhr. Mir geht’s an Hals, mach faules Obst — Bläh, bläh! — Cholera. Ihr Unnahbaren lasst.uns ein!
Die Unnahbaren. Nein! Dr. Geologikus. Ihr Unnahbaren, die hinausgeschafft! Cholera. Weh’ mir, o Wissenschaft! — (Sie versinkt.) ____________________ *) Es versteht sich, dass diese Stelle keine Verunglimpfung Platens enthält.