Herr der Welten Nummer 3 „Der Sternenmoloch“ Abschied vom Planeten der Amazonen – ins Maul des Molochs! von Wilfried A...
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Herr der Welten Nummer 3 „Der Sternenmoloch“ Abschied vom Planeten der Amazonen – ins Maul des Molochs! von Wilfried A. Hary
John Willard, geboren auf einer unmenschlichen Erde, wird unter dramatischen Umständen der “Diener des Sternenvogts”, denn dieser geht selten persönlich in einen notwendig werdenden Einsatz, um die sogenannte universale Ordnung zu sichern. Sein Diener fungiert als eine Art Stuntman (siehe Band 1). Der erste Einsatz (Band 2) führt John Willard auf den “Planeten der Amazonen”: Aufgrund von Umwelteinflüssen kommen hier nur Frauen zur Welt. Um ihren Fortbestand zu sichern, müssen sie Männer von der Erde “importieren”. Und jetzt haben sie das Geheimnis des Überlichtfluges enträtselt und sagen dem Handelssystem den Kampf an. John meistert seine Aufgabe mit Bravour, aber er muß auch einen bitteren Preis für seinen Erfolg bezahlen: Er hat sich sozusagen unsterblich verliebt – und muß “seine” Maara am Ende dennoch für immer verlassen ... Schicksal hätte dich mir zugespielt?“ „Ein Schicksal, das mit dem Gesicht meines Vaters herumlief, Erhabener. Dasselbe Schicksal, dem ich meinen Namen verdanke. Es hat letztlich dafür gesorgt, daß der Name mir große Ungemach bereitete. Dies wiederum hat mich zum HERRN DER STRASSE emporsteigen lassen. Ich traf James und tötete ihn und wurde Euer Diener, Erhabener. Und ich löste das Problem im System AARON.“ „Trotzdem werde ich ein Hühnchen mit dir zu rupfen haben, John Willard!“ drohte er. „Ich habe meine Strafe bereits erhalten, Erhabener!“ „Du wagst es tatsächlich?“ „Ja, ich bin so unverschämt, Erhabener, aber Ihr seid ein Neutrum. Wie könntet Ihr Verständnis haben für einen Menschen, der so fühlt und der sich – verliebt?“ Funkstille, und das blieb so, bis ich das Raumschiff meines Sternenvogts vor mir sah. Der „Tropfen“ schwebte in seinen Hangar und öffnete sich. Der Sternenvogt erwartete mich bereits.
Ich dachte zurück an Maara, als mein „Tropfen“, wie ich das Beiboot nannte, die Welt verließ und durch das All eilte. Auch du zahlst einen hohen Preis, dachte ich. Maara, mein Preis für meinen Erfolg ist die Marter, von dir für immer getrennt zu sein. Und es ist derselbe Preis, den auch du zahlst: dafür, daß ihr die Ordnung stören wolltet. „Es ist vollbracht!“ seufzte ich und lenkte meine Gedanken auf einen anderen: James, meinen Vorgänger als Diener des Sternenvogts. Ich dachte an seine Grausamkeit, daran, unter welchen Umständen ich ihm begegnet war. „Perverses Schwein!“ knurrte ich abfällig. „Du hättest die Mission im System AARON niemals erfüllen können. Niemals!“ Es war der Zeitpunkt, an dem ich den Funkverkehr zum Schiff wieder eröffnete. „Niemals!“ sagte ich ins Mikrophon, und mein Herr und Meister antwortete prompt: „Sprichst du von James?“ „Ja, von diesem, Erhabener. Mit Verlaub: Er hätte keine Chance gehabt.“ „So willst du mir also einreden, das
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ALPHA, BETA und Scheinwelt erzählt – weil mein Ohrring eine ziemlich weite Reise hinter sich gebracht hat. Er ist das Symbol des sagenhaften Sternenvogts John Willard und wird es bleiben. Irgendwann wird er in einem Museum landen – erdbebengeschützt selbstverständlich.“ „Darf ich – einen Wunsch äußern, Erhabener?“ „Einen Wunsch?“ Er blieb stehen und sah mich nachdenklich an. „Ich – ich möchte nie mehr von – Maara sprechen – mit allem Respekt.“ Er nickte ernst. „Weil es dich zu sehr schmerzt?“ „Gewiß, Erhabener: Es martert mich wie die reinste Hölle.“ Er griff mir fest in die Haare und bog meinen Kopf zurück, daß ich meinte, er wollte mir das Genick brechen. Ich wagte es nicht, mich zu wehren. Ich hätte ohnedies keine Chance gehabt. Das Schiff war mit jedem Molekül, aus dem es bestand, auf seiner Seite. Sein Mund war ganz nahe an meinem Ohr: „Bursche Willard, ich war ebenfalls einmal ein Mensch – einst! Sage nie mehr, ich sei ein – Neutrum, hörst du? Sage es nie mehr wieder! Ich war ein Mensch, und wenn ich dich bitten würde, mir von Maara zu erzählen, dann würde ich dich darum bitten, mich etwas empfinden zu lassen, was ich sonst nicht mehr empfinden kann. Vergiß das niemals, denn ich lasse dich am Leben. Es gibt auch noch andere Missionen, die es zu erfüllen gilt. Du lebst, weil du funktionierst, und keine Sekunde länger. Denn du bist mein Diener – mein Eigentum!“ Er ließ mich wieder los, wandte sich von mir ab und lief davon, als wäre er vor mir auf der Flucht. Ein jeder zahlt halt seinen Preis, dachte ich. In der Tat. Auch der Sternenvogt!
Er stand im Durchgang zum Wohnbereich, breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt. Die linke Augenbraue zupfte er hoch. „Dein Ohrclip!“ sagte er. „Er hat die Runde gemacht. Ich war stets auf dem Laufenden. Dafür, was du getan hast, müßte ich dich eigentlich auf der Stelle töten. Du bist nicht nur unverschämt, sondern du warst sehr ungehorsam. Du warst ein denkbar schlechter Diener.“ „Ist derjenige ein schlechter Diener, der die Aufgaben seines Herrn zur vollsten Zufriedenheit löst, Erhabener?“ „Wir müßten längst wieder unterwegs sein!“ Ich wollte etwas entgegnen, aber er wischte es mit einer Handbewegung beiseite und fuhr fort: „Ich kenne deine Daten, Willard. Ich habe sie vernichtet, wie du weißt. Ich sah zu vieles darin, was mir riet, dich auszulöschen, auf der Stelle. Ich tat das nicht. Ich war ebenfalls ungehorsam – gegenüber meiner wachen Vernunft. Du lebst also noch. Nicht, weil ich besonders gnädig sein wollte. Das kann man sich als Sternenvogt nicht leisten. Ich dachte mir allerdings, daß nur du die AARON-Mission meistern könntest.“ „Erhabener, aber Ihr habt an mir – gezweifelt!“ erinnerte ich ihn. Er grinste breit. „Darf man das denn nicht?“ „Ich bitte um Vergebung, Erhabener.“ Ich verbeugte mich tief vor ihm. „Es lag selbstverständlich ganz an mir, Euch von dem Gegenteil zu überzeugen.“ Ich blieb in der Demutshaltung. „Und ich hoffe, daß mir das wenigstens gelungen ist.“ „Hoch mit dir!“ befahl er barsch. Und dann klopfte er mir lachend auf die Schulter. „Hereinspaziert, John Willard. Du bist wieder daheim.“ Unterwegs fragte er mich: „Willst du mir von – Maara erzählen?“ „Ich glaube fast, Ihr wißt schon alles, Erhabener“, sagte ich vorsichtig. „Nein, nur das, was man sich auf
* Ich ließ mich von der medizinischen Einheit eingehend untersuchen.
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verbesserte er sich sogleich. „Du hast insofern einen wertvollen Beitrag geliefert. Interessiert hätte mich da nur noch, wie weit die technische Entwicklung der Aaroner fortgeschritten ist. Jammerschade, daß du es nicht herausgefunden hast.“ Es schien mir, als wollte er nur vom eigentlichen Thema ablenken. Wieso? Oder geschah es ungewollt? „Erhabener, mit Verlaub gesagt, ich habe über das Problem der Aaroner weiter nachgedacht und ...“ „Und?“ „Ich glaube, daß ich – äh – gewissermaßen einen Lösungsvorschlag hätte.“ „Schieß los!“ Er wirkte alarmiert. Anscheinend paßte es ihm nicht, daß ich mir den Kopf über die Probleme von Planetariern zerbrach. Oder fürchtete er nur einen weiteren Störfaktor für die universale Ordnung, die es zu hüten galt? Ich überlegte jedes Wort, ehe ich es aussprach. Dieser Bedacht erschien mir wichtig, denn ich ahnte auf einmal, daß es falsch war, alles dies, was mich bewegte, auch wirklich auszusprechen. Aber ich hatte nun einmal damit begonnen, und ich mußte diesen Kelch bis zur Neige austrinken ... „Es – es wäre einen Versuch wert, Erhabener, und es würde sich am Status Quo im Grunde genommen gar nichts ändern.“ „Ach?“ „Es – es besteht die Möglichkeit, daß die Strahlung von Scheinwelt die Erbmasse verändert. Dies geschieht im Laufe der Zeit. Ein Gedanke, der ja nicht neu ist, aber man muß dabei bedenken, daß die Siedler eine zu geringe Chance zur evolutionären Anpassung hatten, was die Strahlung betrifft – damals. Es ist eine Tatsache, daß Frauen gegenüber negativen Umwelteinflüssen resistenter sind. Sie sind weniger empfindSAM und auch weniger empfindLICH – um es einmal so auszudrücken.
Das war Routine und geschah nicht nur, weil ich ohne Strahlenschutzanzug Scheinwelt besucht hatte. Es wurde jedesmal vorgenommen, wenn ein Diener von gelungener Mission zurückkehrte. Ohne Befund! Ich war kerngesund. Keinerlei Strahlenschäden! Daraus schloß ich zunächst, daß es eine Langzeitwirkung geben mußte. Oder waren in Wahrheit nicht die Männer, sondern nur die Frauen betroffen? Kopfschüttelnd dachte ich darüber nach. Das Problem der Aaroner erschien unlösbar, und doch zeichnete sich innerhalb des Gesamtbildes, das ich vom System AARON hatte, eine Art Lösung ab. Es war etwas, was noch nie zuvor bedacht worden war ... Ich war so begeistert von meiner Idee, daß ich beschloß, sie schnellstmöglich dem Sternenvogt vorzutragen. Ich paßte natürlich eine Gelegenheit ab, bei der er besonders gut gelaunt erschien. „Den Schmerz überwunden, John?“ erkundigte er sich leutselig. „Gewiß, Erhabener, einigermaßen wenigstens. Es gibt eben Dinge, die man niemals vergißt. Man verdrängt sie zwar, aber unter der Oberfläche quälen sie weiter. Liebeskummer gehört dazu. Selbst wenn die Wunden der Seele heilen, hinterlassen sie dennoch Narben. Wie Wunden des Körpers.“ Er betrachtete mich mit einem wohlwollenden Lächeln. „Ein wunderschöner Vortrag, John Willard, aber mir scheint, du hast noch etwas anderes auf dem Herzen?“ „Das habe ich tatsächlich, Erhabener!“ Ich gab mich überrascht ob seiner guten Beobachtungsgabe. Kurz suchte ich nach den passenden Worten: „Es betrifft – AARON.“ „Heraus mit der Sprache!“ Ich erläuterte ihm die Problematik. Er nickte dazu. „Gewiß, John Willard. Es ist die Aufgabe des Sternenvogts, Sammler von Wissen zu sein – eine seiner Aufgaben jedenfalls!“
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Der Sternenvogt vergaß zu atmen. „Ja, gewiß, Erhabener, das wäre DIE Chance für die Rasse von AARON, einen neuen Anpassungsprozeß zu beginnen. Denn die vergangene Anpassung der Aaroner hat letztlich dafür gesorgt, daß keine lebensfähigen Jungen mehr auf die Welt kommen. Es ist ein Naturgesetz: Das, was die höchsten Überlebenschancen hat, setzt sich durch. Selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, dadurch keine Männer mehr entstehen und somit die Rasse gerade dessentwegen vom Aussterben bedroht ist! Naturgesetze unterliegen nun einmal keiner menschlichen Logik, und es ist keinesfalls eine Ausnahme, daß ein natürlicher Überlebensmechanismus einerseits eine Art vor dem Aussterben bewahrt – und unter veränderten Bedingungen dieselbe Art für immer verschwinden läßt ... Doch weiter im Thema: Die Erbmasse der Aaroner würde sich indirekt mit der Erbmasse von importierten Frauen vermischen lassen. Hinzu kommt selbstverständlich die Erbmasse der weiter importierten Männer ... Es würde sicher sehr lange dauern, Erhabener, bis die Maßnahme ‘Frauenimport’ echt greifen würde, aber ich bin sicher, die Rasse der Aaroner würde im Verlauf vieler Generationen daran völlig gesunden.“ Ich hatte mich nun in Eifer geredet und verstand gar nicht, wieso er schallend lachte. „Du armer Tropf! Erkennst du nicht, daß du blühenden Unsinn redest? Ja, ich weiß, er ist eine biologische Tatsache, jener kleine Unterschied zwischen Mann und Frau, der sich nicht allein auf die Geschlechtlichkeit bezieht. Zu allen Zeiten haben Männer geglaubt, besser und fähiger zu sein als Frauen – und natürlich auch umgekehrt. In Wirklichkeit ist es eben nur so, daß es spezifische Eigenschaften gibt, die sich im Verlauf der Jahrmillionen herausgearbeitet haben. Die einen sind bei den Frauen deutlicher und die anderen bei den Männern. Und das
Das liegt in der Vergangenheit des Menschen begründet: Jahrmillionen waren Männer großen Gefahren ausgesetzt, die eine wesentlich höhere Sensibilität gegenüber allen Vorgängen in der Umwelt erforderten. Ein Mann, der beispielsweise auf der Jagd nicht sehr aufmerksam und vorsichtig war, kam zu Tode und konnte seine Erbmasse nicht mehr weitergeben. Es war auch notwendig, daß die Schmerzschwelle des Mannes relativ niedrig blieb. Das heißt, ein Mann spürt körperlichen Schmerz viel eher als eine Frau – immer durchschnittlich gesehen, weil die Evolution des Menschen mehr und mehr Ausnahmen zugelassen hat, je weiter sich menschliche Kultur und vor allem Seßhaftigkeit entwickelt hatten und von solchen Faktoren nicht mehr Leben und Tod in einem solch hohen Maße abhingen.“ „Worauf, um alles in der Welt, willst du überhaupt hinaus, Willard?“ Er wirkte jetzt ärgerlich. Seine gute Laune war vollständig verflogen. Ich schalt mich einen Narren, daß ich überhaupt damit begonnen hatte, aber scheinbar ungerührt fuhr ich fort: „Dieser kurze Ausflug in die fernste Vergangenheit war nötig, um meine Theorie zu untermauern: Ich glaube nämlich, daß die Frauen von AARON im Laufe der Zeit eine bessere Anpassungsfähigkeit entwickelt haben, was die Strahlung betrifft, während die Männer hierin versagt haben. Sie haben auf der anderen Seite verstärkt dafür gesorgt, daß die planetaren Bedingungen erträglicher wurden, so daß es nachfolgende Generationen leichter hatten. Nachdem sie diese Aufgabe gut bewältigt hatten, sind sie einfach ausgestorben.“ „Eine Laune der Natur!“ behauptete der Sternenvogt. „Man könnte leicht herausfinden, Erhabener, was an meiner Theorie wahrscheinlich ist – einfach indem man nicht nur Männer nach AARON verkauft, sondern auch – Frauen!“ Jetzt war es heraus.
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Wäre die Rasse jedoch gesund und ...“ „Dummkopf, elender!“ schimpfte er außer sich. „Es ist ja nicht der einzige Grund, warum dein Vorhaben irrwitzig wäre: Man müßte die Aaroner erst mal dazu bringen, das Experiment zu wagen. Sie würden das Risiko der beschleunigten Ausbeute ihrer Ressourcen eines so zweifelhaften Erfolges wegen wohl kaum eingehen.“ Ich schaffte sogar ein Lächeln. „Dies, Erhabener, wäre ein Punkt, an dem man leicht einhaken könnte: Man bräuchte den Aaronern lediglich einen Tausch vorzuschlagen!“ „Einen – Tausch?“ „Anstatt einfach nur erwachsene Frauen einzuführen, sollte man im System AARON Menschen tauschen – gegen andere Menschen der Erde. Das kann sich auf den Nachwuchs beschränken. Das kann sich selbstverständlich auch auf Erwachsene ausdehnen. Beispielsweise für jeden freiwilligen Aaroner eine Erdenfrau, gesund und den Umweltbelastungen des Trios bestens gewachsen. Es wäre eine Frage der Organisation. Und bedenkt, welch ein neues Potential sich für die Züchtungserfolge der Erde damit eröffnen könnte! Denn die einmalige Erbmasse der Aaroner würde sich dort ohne weitere Kosten zu verursachen bequem einmischen lassen ...“ Jetzt lachte er wieder, der Sternenvogt. „An Ideen mangelt es dir wahrlich nicht, John Willard. Das bewundere ich so an dir. Auch wenn du vergißt, daß wir für solche Lösungen planetarischer Probleme überhaupt keine Zeit haben. Wir müssen nämlich unsere Missionen erfüllen, und die sind anders geartet. Außerdem, um das auch einmal auszusprechen: Würde es wirklich gelingen, die Rasse der Aaroner gesunden zu lassen, wäre damit ein wichtiger Absatzmarkt verloren: Man würde dort nie wieder Männer einführen! Dies wäre der Hauptpunkt, wie ich meine. – Von wegen, der Status Quo bliebe erhalten ...“ Damit war das Thema für ihn beendet,
trotz aller Züchtungserfolge auf der Erde in den letzten Tausenden von Jahren ...“ „Aber, was wäre dann gegen meine Idee einzuwenden, Erhabener?“ fragte ich zutiefst enttäuscht. „Paß auf, Bursche Willard, du hast dich zwar als überaus fähig erwiesen, aber das sollte dir nicht zu Kopf steigen. Bedenke stets, daß auch der Erfolgreiche sich mal irren kann. Auch Genies begehen Dummheiten, vor allem dann, wenn sie sich in ihrer Rolle als Genies dagegen immun zu fühlen glauben. Diese scheinbare Immunität macht sie in Wahrheit für so etwas wie Kritik oder gar Selbstkritik unerreichbar. Ich will dir erklären, was an deiner Theorie falsch ist: Für jede Frau, die wir zusätzlich in das System AARON einführten, müßten wir entsprechend einen Mann weniger einführen. Denn die Aaroner würden sowieso mehr Männer importieren, könnten sie sich das leisten. Ein Aufstocken der Importrate kommt also aus Kostengründen sowieso nicht in Frage. Doch das ist noch längst nicht alles ...“ Ich wagte, ihn zu unterbrechen: „Und wenn man die Förderquote von Scheinwelt erhöhen würde?“ Er schüttelte den Kopf. „Muß ich denn das auch noch erläutern, John Willard? Geht dein Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen nicht so weit, daß du selber auf die Antwort kommst? Stell dir vor, man würde die Quote beliebig erhöhen. Glaubst du nicht auch, daß dann Scheinwelt schneller ausgebeutet sein würde? Und was wäre dann mit den Aaronern? Sie hätten kein Zahlungsmittel mehr und würden Zugrundegehen.“ „Sie würden andere Zahlungsmittel finden, Erhabener. Scheinwelt wird irgendwann sowieso ausgebeutet sein. Davon dürfen wir ausgehen. Dann wird man den Folgen allerdings überhaupt nicht mehr gewachsen sein, denn es wird dann keine Männerimporte mehr geben, und die Rasse müßte aussterben. Welch ein Schaden für die universale Ordnung ...
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wieder auszuwetzen. Und ich hatte gelernt, in Zukunft meine Zunge zu hüten. Obwohl das Thema dadurch natürlich immer noch nicht aus der Welt war. Im Grunde bist du wie ein Kind, Sternenvogt, das dieses große Spiel zwischen den Sternen spielt. Und du bist zutiefst konservativ, wenn nicht sogar reaktionär. Nichts darf sich für dich ändern. Aber du bist nur der Hüter. ICH ALLERDINGS BIN DER – AUSFÜHRENDE, DER MACHER!
und ich verbeugte mich als untertänigster Diener vor ihm. Dabei überlegte ich, wie ich all meine schönen Ideen zum Problem AARON am besten verdrängen konnte. Hoffentlich hatte ich damit nicht sein Vertrauen in mich erschüttert? Das wäre nicht gut. Es könnte Folgen haben, und ich mußte einen Versuch starten, dem vorzubeugen: „Ich bitte um Vergebung, Erhabener, aber ich kam nur auf dieses Thema – vom Schmerz getrieben! Denn ich denke noch viel zu sehr an Maara, und jetzt bin ich untröstlich, dies zugeben zu müssen. Es war also die brennende Sehnsucht, die mich dazu brachte, Ihnen solche Vorschläge zu unterbreiten. Denn dann – wäre ich wieder eine kleine Weile mit ihr vereint gewesen!“ Er betrachtete mich mit halb offen stehendem Mund. Dann fing er sich wieder: Er sprang auf und umarmte mich stürmisch. „Wenn du wüßtest, wie mich dein Geständnis erleichtert, John! Ich habe bereits an deiner aufrichtigen Freundschaft gezweifelt!“ Er schob mich auf Armlänge von sich und schaute mich offen an. „Ich kann dir versichern, John, daß ich mit dir fühle, auch wenn es in deinen Ohren unwahrscheinlich klingen mag. Ja, mitfühlen, soweit es mir halt eben möglich ist, nicht wahr?“ Er zwinkerte mir zu und wandte sich gutgelaunt an die Kontrollen. „Unser nächstes Ziel ist bereits im Visier, John Willard. Du solltest beginnen, dich auf deine neue Aufgabe vorzubereiten, obwohl ich dir in dieser Beziehung leider keinen Tip geben kann. Lerne einfach alles über Astrophysik. Vertiefe dich in die Aussagen vergangener und gegenwärtiger Gelehrter über Ausnahmen von der Regel. Das könnte sehr von Nutzen sein, finde ich ...“ Mehr sagte er nicht dazu. Es mußte auch so genügen. Mit meinen „ketzerischen“ Äußerungen hatte ich seinen Glauben an mir erschüttert, aber es war mir bestens gelungen, die Scharte
* „Wir sind da!“ rief er herüber. Ich brauchte eine Weile, um aus den theoretischen Tiefen der Astrophysik wieder aufzutauchen, in die ich mich versenkt hatte. Ein faszinierendes Thema, unerschöpflich wie die theoretischen Materiequellen des Universums selber. Meine Gedanken hielten noch die These fest, daß Unsterblichkeit nur auf Erneuerung beruht, als ich aufstand und zu meinem Herrn eilte. Ich stutzte. Eigentlich betraf dieser in der Erklärung äußerst komplizierte Lehrsatz von der „Unsterblichkeit durch Erneuerung“ das Wesen der zeitlichen Unendlichkeit des Universums. Aber ich sah den Sternenvogt und konnte nicht anders, als ihn damit in Verbindung zu bringen, denn galt nicht auch er als – unsterblich? Er „zerfetzte“ das Gedankengebilde in meinem Gehirn, indem er auf den Hauptschirm zeigte und ernst sagte: „Sieh!“ Es blieb nichts mehr übrig von der Faszination aller Theorie – angesichts der Praxis: „Die Ausnahme von der Regel!“ murmelte ich heiser und betrachtete das flimmernde Gebilde auf dem Schirm. „So sieht es natürlich nicht wirklich aus“, kommentierte der Sternenvogt. „Der Computer hat uns dieses Bild erzeugt, obwohl er eigentlich nichts weiter als permanente Störungen empfängt. Das bedeutet, die Sterne, die sich jenseits von
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Diese Daten wurden gesammelt und ausgewertet. Wir haben uns schon oft mit diesem Problem beschäftigt, glaube mir, wenn auch nur in der Theorie. Dann gingen wir dazu über, die Verluste statistisch zu erfassen, um die zu erwartende Verlustquote zu errechnen, denn ein Ausweichen auf andere Routen erschien uns zu zeitraubend und kostenintensiv.“ „Das heißt, die Sternenvögte begannen, die Verluste mit einzukalkulieren, und das erschien ihnen vorteilhafter, als einfach einen Bogen um das Gebilde zu machen?“ fragte ich ungläubig. „So ist es, John Willard. Es war eine ökonomische Überlegung, die wir mit einer Kompromißlösung angehen mußten.“ „Demnach besteht das Problem schon länger?“ Gern hätte ich ihn gefragt, ob bei den „Verlusten“ auch „Menschenware“ gewesen war, aber aus verständlichen Gründen verkniff ich mir eine solche Frage. „Tja, leider, John Willard. Deshalb ist es unsere nächste Mission. Wir erledigen immer das, was die größte Priorität besitzt. AARON zum Beispiel ging vor, nicht wahr?“ Ich hatte mit meinem Studium der Astrophysik AARON verdrängt, und jetzt den Namen zu hören genügte dennoch, mir einen Stich ins Herz zu versetzen. „Gewiß, Erhabener!“ „Gut, du hast dein Studium weisungsgemäß und zu meiner Zufriedenheit durchgeführt. Mehr Daten kann ich dir leider nicht auf den Weg geben. Wir können es auch nicht wagen, noch näher heranzufliegen.“ Aber ich allein kann und muß es! dachte ich zerknirscht. Sein James war ihm für diese Aufgabe anscheinend zu schade gewesen. Und die anderen Vogtdiener sind es auch. Deshalb hat man MICH auserkoren ... Wie gut, daß ich gelernt hatte, solche Gedanken ausreichend abzuschirmen, ehe
diesem Gebilde befinden, schaffen es nur sehr unzulänglich, ihr Licht und ihre sonstige Strahlung zu uns zu schicken.“ „Gebilde?“ fragte ich zweifelnd. „Deine Zweifel sind durchaus angebracht, John Willard. Es gibt keinerlei Angaben beispielsweise über die Ausdehnung der Störung oder gar ihre Beschaffenheit. Auch wenn es paradox klingt: Es existiert überhaupt nicht, obwohl es Wirkung zeigt ...“ „Und wieso interessiert uns diese Ausnahme von der Regel der astrophysikalischen Ordnung, Erhabener?“ „Eine gute Frage, John Willard. Es interessiert uns in erster Linie deshalb, weil es uns Verluste gebracht hat – empfindliche Verluste sogar. Transportverluste, um genauer zu sein: Immer wieder verschwanden Raumcontainer auf ihrem Weg durch die Unendlichkeit. Das Gebilde, um bei einer so unzulänglichen Bezeichnung zu bleiben, verändert im gewissen Rahmen ständig seine Position, als würde es hin- und her springen. Es ist schwer aufzuspüren. Deshalb hat es auch ziemlich lange gedauert, bis wir ihm auf die Spur kamen. – Doch wie ich sehe, hast du deine Lernzeit gut genutzt?“ Er neigte zur Unkonzentriertheit. Wenn er über ein Thema sprach, ließ er sich bald von anderen Gedanken zu sehr ablenken. So wie jetzt. Ich führte ihn behutsam zurück: „Welcher Art waren denn diese Container, Erhabener? Welche Fracht beinhalteten sie? Waren es immer nur einzelne?“ „Unterschiedlich“, antwortete er leichthin. „Unwichtig, was geladen war. Das Gebilde hat es sich offensichtlich nicht extra ausgesucht. Es war reiner Zufall.“ „Also keine – Intelligenz dieses Gebildes?“ „Wir haben es durchrechnen lassen – jeder Sternenvogt für sich, denn dieses Problem geht schließlich uns alle an. Bei jedem Verlust wurden Daten aufgenommen – von den verschont gebliebenen Raumcontainern.
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Ich warte die ganze Zeit, also die genannten zwei Jahre lang, und betrachte die Mission danach als gescheitert, falls du nicht wieder auftauchen solltest ... Oder aber ich setze die Frist sehr viel kürzer und installiere eine Boje, die mir sofort meldet, wenn du wieder zurück bist.“ Es klang, als hätte er sich bereits für die zweite Möglichkeit entschieden. „Ihr würdet nach Ablauf der kürzeren Frist erst einmal für einen neuen Diener sorgen, nicht wahr, Erhabener?“ fragte ich mit trockener Kehle. „Richtig, John Willard. Aber keine Bange, ich würde dich dessentwegen nicht ganz abschreiben. Deshalb lasse ich ja auch die Boje zurück, über die du mir gemeldet wirst.“ „Anders ausgedrückt also: Ihr würdet dann gewissermaßen mit Verstärkung zurückkommen, nicht wahr, Erhabener?“ „Du bist zuweilen sehr weise, John Willard. Hoffentlich weise genug, diese schwierige Mission zu erfüllen? Es wäre wichtig für das gesamte Universum!“ Dies war eindeutig ein Befehl. Entweder ich bestand die Aufgabe, oder ich brauchte gar nicht erst zurückzukehren – vorausgesetzt, ich überlebte die Angelegenheit überhaupt. Das mindeste, was ich „mitzubringen“ hatte, wenn schon keine Erfolgsmeldung, war eine Berichterstattung, von der man entsprechende Maßnahmen ableiten konnte. Das Gesetz der Sternenvögte. Ich hatte keinerlei Aussichten auf Gnade. Wie immer, wenn mir das bewußt wurde, hatte ich den unbändigen Wunsch, meinen Herrn und Meister zu erwürgen. Doch das wagte ich natürlich nicht. Ich hatte sowieso keine Chance gegen ihn: Das Schiff war einzig und allein auf ihn programmiert. Er war das Schiff gewissermaßen selber – und das Schiff war er. Darin war ich nur ein geduldeter Gast. Es hätte keinen Sinn gehabt, sich darüber hinwegzutäuschen.
sie mir Komplikationen brachten. Er hatte keine Chance mehr, ohne mein Einverständnis mein Inneres zu durchleuchten. „Es liegt an dir, die rechte Ausrüstung zu wählen, John Willard. Dein erster Einsatz hat gezeigt, zu was du fähig bist, obwohl auch dies hier eine Bewährungsprobe für dich sein wird. Keine Mission gleicht der anderen. Es gibt dabei niemals so etwas wie Routine. Du siehst es selber. Und ich beweise dir mit diesem Auftrag mein grenzenloses Vertrauen!“ Er lächelte mich an. Auf mich wirkte es keineswegs freundlich, sondern eher wie das Zähnefletschen eines Raubtiers kurz vor dem tödlichen Biß. „Wie wird diesmal Eure Überwachung erfolgen, Erhabener?“ „Überhaupt nicht, mein lieber John, mein Freund. Diesmal werde ich darauf völlig verzichten, von vornherein. Außerdem – es wäre zu gefahrvoll für das Schiff, denn eine Funkverbindung zwischen uns, sei sie noch so abgeschirmt, könnte unbekannte Kräfte auf mich aufmerksam machen, die dort drüben wirken.“ „Gut, ich wähle den Tropfen, wähle mittlere Bewaffnung und nehme zwei Ersatzraumanzüge mit“, sinnierte ich laut. „Des weiteren genügend Proviant für zwei Jahre.“ „Zwei Jahre?“ rief er überrascht. „Mein Studium der Astrophysik und die Ausnahmen von den Regeln, Erhabener“, belehrte ich ihn. „Es wäre möglich, daß unter dem Einfluß der Kräfte dort die Zeit eine andere Größenordnung hat. Kann sogar sein, daß für Euch, Erhabener, nur Sekunden vergehen, während für mich Jahre. Möglich wäre natürlich auch das genaue Gegenteil.“ „Was also schlägst du für einen solchen Fall vor?“ „Ich kenne Eure Möglichkeiten zu wenig, um das zu entscheiden, Erhabener“, wich ich aus. Er machte ein nachdenkliches Gesicht. „Es gibt insgesamt zwei, John Willard:
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Die ausgestrahlten Meßimpulse verloren sich. Sie wurden nicht reflektiert. Weil es hier einfach nichts gab, was sie hätte reflektieren können. Und doch war das Gebilde da. Ich begann es zu spüren, auch wenn es nicht meßbar war. Wenn es Container verschlungen hatte, dann gewiß auch anderes. Vielleicht sogar ganze Welten? Und wo waren sie geblieben? INNERHALB DIESES MOLOCHS? Wieso war nichts feststellbar? Tarnung? Das Gefühl wurde deutlicher. Gern hätte ich es als Selbsttäuschung abgetan ... Ich hatte vorsichtshalber den Raumanzug übergestreift und schloß jetzt den Helm. Sofort paßte sich das Material meinem Körper an. Der Raumanzug war sozusagen so bequem zu tragen wie eine Badehose. Er behinderte mich in keiner Weise, und doch gewährte er optimalen Schutz. Das Aggregat auf meinem Rücken war nicht zu spüren, und doch war es überaus leistungsfähig. Zum Beispiel genügte allein ein Gedankenimpuls, um vor mir – direkt vor meinen Augen – die wichtigsten Kontrollwerte erscheinen zu lassen. Alles war bestens: Mit dem Raumanzug war ich völlig autark. Und noch immer keine Meßergebnisse, die eine wie auch immer geartete Veränderung gezeigt hätten. Kein Energiefeld. Keine Materie. Ich dachte an das zur Zeit gültige Weltbild der Astrophysiker: Das Universum ist Energie, und Energie ist das Universum. Dort, wo sich die Energie extrem konzentriert, dort ist Materie. Ein Energiekollaps gewissermaßen, denn Materie entsteht durch Zusammenwirken unterschiedlicher Kräfte. Die Physiker vor Jahrtausenden (des zweiten Altertums, wie es inzwischen genannt wird) haben von starken und schwachen Wechselwirkungen gesprochen. In Wirklichkeit gibt es nur eine universale Wechselwirkung: Wenn etwas geschieht, hat es Auswirkung auf anderes und wird wiederum selbst durch
Der „Tropfen“ erschien mir viel zu winzig in diesem Meer der Unendlichkeit. Der Bordcomputer hatte das „Reiseprogramm“ übernommen. Ich würde also genau in das Zentrum dieses Gebildes hineinfliegen, das gewiß nicht nur hungrig auf Container war ... Nach den Berechnungen mußte ich bereits die ersten Ausläufer dieses „STERNENMOLOCHS“ erreicht haben, falls man eine solche Abgrenzung überhaupt vornehmen konnte. Alles blieb normal. Ohne das Computerprogramm, entstanden in all der Zeit, in der die Existenz des Gebildes bereits aus sicherem Abstand erforscht worden war, hätte ich sicherlich keine Veränderung bemerkt: Das All war sowieso voller „Störungen“. Da eine Gesetzesmäßigkeit herauszufiltern, erschien unmöglich. Es wäre niemals von Erfolg gekrönt gewesen, hätte es nicht den konkreten Verlust der Frachtcontainer gegeben. „Ich glaube fast, Sternenvogt, du hast gewartet, bis ich dein Diener war, ehe du dich diesem Problem widmen konntest. Dein James hätte auch hier versagt. Mir stehen die Aufgaben zu, für die er nicht geschaffen war. Eigentlich könntest du sehr zufrieden mit mir sein, aber du hütest dich, es mich allzu deutlich merken zu lassen. Sonst wärst du nicht der Sternenvogt, also ein elender Ausbeuter und Dienerschinder!“ Ich sagte es zornig, denn das brauchte ich, um mir Mut zu machen. Ich stoppte den „Tropfen“. Die optische Auswertung lief auf vollen Touren. Keinerlei Abweichungen! Ich schaltete das übernommene Computerprogramm hinzu: Die ersten Ausläufer des Gebildes, gewiß – wenigstens laut Berechnungen. Strahlenerfassung? Nichts! Fremdortung? Nichts! Eigenortung ...?
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gemessen an der Vergänglichkeit oder dem Selbsterneuerungstakt des Lebens, schier unendlich langsam, so daß sie niemals direkt wahrnehmbar und praktisch so gut wie gar nicht berechenbar sind – vor allem auch deshalb nicht, weil dem denkenden Menschen trotz all seiner Wissenschaft und Technik zu viele kreatürliche Ängste, Wünsche und Vorurteile im Weg stehen und somit Präzision der nötigen Forschungen nachhaltig verhindern. Noch während ich dieses dachte, wurde das Gefühl überstark, mitten im Fremden zu stecken. Das war ein Übergang, der sich deutlich vollzog, nicht vergleichbar mit der Veränderung des Grundzustandes des Universums im Strom der Zeit. Wie kam dieses Gefühl zustande? Ich glaubte, in einem Meer zu schwimmen, und war fest überzeugt davon, daß es sich dabei in der Tat um das „Meer der Zeit“ handelte. Ich schaute auf die Kontrollen, die nichts anzeigten, was man ungewöhnlich hätte nennen können, und wollte das übernommene Computerprogramm endlich wieder hinzuschalten. Das ging überhaupt nicht, weil meine Hand in die Konsole eindrang, als würde diese aus Flüssigkeit bestehen! Ich erschrak nicht darüber, weil ich ähnliches geahnt hatte. Langsam zog ich die Hand wieder zurück. Die Konsole zeigte schwere Beschädigungen. Sie normalisierte sich nicht wieder. Irgendwo blinkte ein Warnlicht. Gleichzeitig ging der Bordcomputer daran, seine selbstreparierenden Kräfte zu mobilisieren. Wie von Geisterhand geglättet, begann die „Wunde“ an der Konsole nun doch zu „heilen“. Der Sternenvogt hatte mir einmal erklärt, wie es funktionierte. Ich hatte dieses Wissen mit einem entsprechenden Computerprogramm vertieft, aber es war mir jetzt völlig gleichgültig. Wie so vieles. Beinahe sogar alles! Eine tiefe Gleichgültigkeit, die mich
diese Auswirkungen beeinflußt. Es gibt keine Ursubstanz, denn der Anfang war kein Anfang, sondern nur der Beginn des Universums, wie wir es kennen. Also ist das Alter dieses Universums relativ und nicht absolut. Es bezieht sich auf die ungefähre Zeitspanne, in der sich das Universum relativ wenig verändert hat, es also ungefähr so ist, wie es sich uns präsentiert. Vorher war es ein anderes Universum gewesen. Es ist ständiger Wandlung unterworfen, denn das einzige, was die Naturgesetze quasistabil hält, ist das Gesetz der Wechselwirkung. Wenn aber durch eine einzige abweichende Kraft als Kettenreaktion alle weiteren sich gegenseitig beeinflussenden Kräfte entstanden sind, kann das Ergebnis davon niemals konstant sein, weil die Kettenreaktion unendlich weiterläuft. Somit ist die Veränderung des Universums völlig unaufhaltsam und wird zwangsläufig in einen anderen Gesamtzustand einmünden, irgendwann, ganz allmählich. Die Grenzen sind dabei sozusagen fließend. Es läßt sich deshalb das relative Alter des Universums nur ungefähr bestimmen und niemals auf ein paar Milliarden Jahre genau. Und das „nächste“ Universum wird andere Naturgesetze haben, die jedoch in sich genauso schlüssig bleiben, weil die Wechselwirkungen keine unmittelbaren Abweichungen zulassen, sondern nur mittelbare in der Unendlichkeit von Raum und Zeit, getragen von einem weiteren Faktor mit Namen ZUFALL! Das nächste Universum wird sicherlich keine Menschen kennen, aber vielleicht irgendwelche Menschheitsnachfolger? Denn mit dem Universum ändert sich auch das Leben (das, was wir so nennen) – oder das nächste Universum wird ohne dieses stattfinden! Doch das Leben hat sehr viel Zeit zur Anpassung – viele Milliarden von Jahren. Das ist seine Chance. Der Faktor Zeit ist großzügiger als alle anderen Faktoren. Universale Veränderungen verlaufen,
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sogar die fundamentale Frage vernachlässigen ließ, ob mein Leben echt in Gefahr war oder nicht. Der Prozeß schritt fort, bis ich sicher war, daß es keinen Widerstand mehr für mich gab. Ich wollte die Konsole berühren, und diesmal war sie nicht wie Flüssigkeit, sondern ich durchdrang sie mit meiner Hand wie Nebel. Als ich die Hand zurückzog, gab es wieder Beschädigungen. Ich begriff endlich, daß diese keineswegs unmittelbar durch meine Hand verursacht wurden, sondern von meinem – Raumhandschuh. Deshalb machte ich mich daran, den Raumanzug auszuziehen ... Es war, als würde er aus nassem Seidenpapier bestehen, das an mir klebte. Ich zog es in Streifen ab, pflückte es sorgfältig von meinem Körper – genauso wie der leichte Bordanzug, den ich darunter trug. Dann war ich nackt – und sehr glücklich darüber. Die künstliche Schwerkraft an Bord des Tropfens wirkte nicht mehr auf mich. Ich schwebte – nein, ich schwamm wie im Meer. Ich vollführte Schwimmbewegungen und trieb vorwärts, genau auf den Hauptschirm zu. Er hatte keine Chance. Für mich war er keine Substanz mehr. Ich schwamm einfach hindurch, denn dort draußen erwartete mich die Freiheit. Die Freiheit von aller beengenden Materie. Ich wollte nur noch ich selber sein. Das war es, was ich anstrebte. Alles andere wurde absolut bedeutungslos. Astrophysik? Wie unwichtig und auch unsinnig. Sternenvogt, Handelsflotte, AARON, Erde ...? Ich lachte glücklich, denn ich war draußen, schwamm im unendlichen Meer eines anderen Universums, in dem nichts Bedeutung hatte außer mir selber ...
DER STERNENMOLOCH HATTE MICH LÄNGST MIT HAUT UND HAAREN VERSCHLUNGEN – IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES! ABER: ES WURDE BEWUSST ...
MIR
NICHT
MEHR
* Ich spürte und erfuhr. Ich dachte und wirkte. Nicht ich war es, der sich bewegte, sondern lediglich die Fülle meiner Gedanken – nicht mehr gehalten von Materie, nicht mehr gebunden an die Windungen eines materiellen Gehirns, sondern frei und ungebändigt wie nie zuvor. Meine Gedanken bewegten sich und gaukelten mir vor, ich hätte noch einen richtigen Körper. Ich betrachtete beispielsweise meinen rechten Arm, und doch war dieser auch nur ein Gedanke, eine Vorstellung, entstanden scheinbar aus schierer Gewohnheit: Ich war es einfach nicht gewöhnt, ohne Körper zu sein, ohne diesen Zwang der Materie, den ich als äußerst lästig und unangenehm empfand – jetzt, im Nachhinein. Und weil ich nicht daran gewöhnt war, erzeugten meine Gedanken diesen Pseudokörper. Denn wenn ich denke, wirke ich! Ich wirkte auf das, in dem ich „eingebettet“ war. Ein einziger Gedanke an den „Tropfen“ genügte, den ich gerade erst verlassen hatte (Gerade erst? Wann wirklich?) – und der „Tropfen“ schwebte herbei. Meine Gedanken wirkten und gestalteten. Er verfestigte sich nach meinem Belieben. Ich wollte hineinsehen – und konnte es, wie bei einer Rißzeichnung oder einer Computergraphik. Ich schwebte hinüber, unterstützte es mit kräftigen Schwimmbewegungen, sah den zerfetzten Raumanzug und wollte, daß er auf der Stelle wieder heil war.
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Geheimnis der Materie ansprechen, die nichts anderes ist als gebundene Energie. Gebunden erzeugt sie gewissermaßen eigene Gesetzesmäßigkeiten, dank dem Gesetz der Wechselwirkungen, das sich als Kettenreaktion unendlich fortentwickelt und eine immer neue Fülle von Naturgesetzen erzeugt. Mancherorts bricht alles zusammen. Ein Kollaps wie beispielsweise beim Tod einer Sonne: Unterschiedliche Kräfte halten sich vorher die Waage: Das Gesetz der Gravitation will die Sonne in sich zusammenstürzen lassen. Komplizierte Abläufe als Wirkung der Schwerkraft (= Gravitation) lassen Energie frei werden, die die Sonne wieder auseinander treibt. Die Schwerkraft verhindert dies jedoch permanent. Und so bleibt die Sonne lange eine relativ stabile Einheit, die weder detonieren (als Folge der energetischen Vorgänge), noch in sich zusammenstürzen (als Folge der stark wirksamen Gravitation) kann. Über Jahrmillionen oder gar Jahrmilliarden hinaus. Bis es eine Störung gibt und sie in einer Nova stirbt ... Eine Störung? dachte ich. Eine komplizierte Ordnung, die gestört wird, kollabiert immer. Es führt zwangsläufig zur Katastrophe. Es genügt zuweilen gar ein winziger Nadelstich, um einen großen Ballon zum Platzen zu bringen. Es genügt bei einer Sonne eine Veränderung der energetischen Abläufe – weil vielleicht im Laufe von Jahrmilliarden das „Brennmaterial“ eine andere Ordnung angenommen hat – und schon wird zu wenig Energie frei, um das Zusammenstürzen zu verhindern. Das Zentrum ballt sich plötzlich zusammen und sprengt dadurch die äußere Schale ab. Eine schreckliche Katastrophe, fürwahr. Wenn die zusammengeballte Materie eine bestimmte Größenordnung hat, entsteht eine neue Kettenreaktion, und die dadurch freiwerdenden Kräfte fetzen das Zentrum auseinander – bis auf einen vergleichsweise winzigen Rest. Supernova nennen die Menschen diesen Vorgang. Das Gesetz der Schwerkraft versetzt den
Er wurde! Ich wollte ihn „am Leib“ spüren – und spürte ihn sofort. Im Nu war der alte Zustand wiederhergestellt. Das amüsierte mich ungemein, denn ich spürte jetzt nicht nur die FREIHEIT meiner Gedanken, sondern auch ihre – MACHT! Das Spiel machte Spaß, und deshalb trieb ich es auf die Spitze: Ich wollte zum Schiff meines Herrn zurück – und prompt schoß es auf mich zu. Oder war es umgekehrt: Bewegte ICH mich, und das Schiff blieb dort schweben, wo es war? Was spielte das schon für eine Rolle? Doch dann erschrak ich: Nicht nur: ICH DENKE UND ICH WIRKE! Sondern auch: ICH SPÜRE UND ERFAHRE! Ich hielt rechtzeitig inne, weil ich genau wußte, daß ich eine große Gefahr für das Schiff geworden war – für das Schiff und für meinen Herrn. Ich spürte und erfuhr. Aber nur, wenn ich es wirklich wollte. Mit dieser Gabe sammelte ich Erfahrungen und damit Wissen. Mit dem Verstand gestaltete ich es und reflektierte darüber. Diese Möglichkeiten machten mich nicht nur glücklich, sondern berauschten mich regelrecht. Ein wahrscheinlich gefährlicher Rausch, weil er das Gefühl beherrschte und den Verstand lahm zu legen begann. Das würde in Wahnsinn einmünden und in die Unfähigkeit, auch weiterhin zu erfahren und zu wirken – nach eigenem positivem Wollen! Ich wich deshalb vom Schiff zurück. Was hatte ich mit diesem auch zu schaffen? Was verband mich mit dieser so anderen Welt, wo Energie kollabierte, in sich zusammenbrach, sich zusammenballte zu fester Materie? Ich kicherte. Diese dummen Menschen. Sie sprechen davon, Energie freizusetzen, wenn sie beispielsweise Atome spalten, und begreifen nicht, daß sie damit das
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eingehalten wird – dank der Ausbreitung. Indem sie sich weiter ausdehnt, indem das abgekapselte Universum größer wird, sprengt es nach und nach seinen eigenen Rahmen und kommt wieder mehr in Konflikt mit den „äußeren Wechselwirkungen“ des umgebenden Universums. Es wird gezwungen, sich denen wieder mehr anzupassen, und es breitet sich dabei noch weiter aus. Ein Vorgang, der nach menschlichem Ermessen unendlich lange dauert. Zeiträume, die für den Menschen unvorstellbar sind, aber für das Universum ein kleines Stückchen „Alltag“. Die Anpassung verläuft später schneller, und immer, wenn es eine Berührung gibt mit Materie des „großen“ Universums, wird diese vom „kleinen“ Universum verschlungen. Es verändert sich dadurch nur noch mehr, aber auch die Dinge von außen bekommen innerhalb eine andere Wertigkeit, eine andere Ordnung. Eine gegenseitige Anpassung, eben folgend dem Grundsatz der Wechselwirkungen, auch Kausalität genannt. Ich wollte erfahren und erfuhr über mein Gefühl, und ich ergänzte es mit meinem Verstand, mit meinem Wissen um die grundsätzlichen Erkenntnisse in der Astrophysik, die mir zur Verfügung standen – seit ich sie gelernt hatte. Ich war in dem „kleinen“ Universum und erfuhr von seiner Anpassung. Und durch mein Wissen, das ich mir einmal als Mensch angeeignet hatte, wurde mir klar, daß das „kleine“ Universum irgendwann nur noch eine Neutronenwolke sein würde, die sich vollkommen anpaßte und in unterschiedliche Materie erstarrte. Ein weit verteilter Trümmerhaufen mit superschweren Metallen. Er würde sich zu unterschiedlichen Körpern zusammenballen lassen, würde nämlich leichtere Materie wie Wasserstoff und dergleichen anziehen und sich damit zu einer interstellaren Wolke aufblähen, die sich mit anderen vermischt, bis zu einem
verbleibenden „Rest“ in immer schneller werdende Drehbewegung, bis die äußere Hülle des so genannten Neutronensterns irgendwann Lichtgeschwindigkeit erreicht. Schneller geht es nicht, denn die Lichtgeschwindigkeit ist die einzige physikalische Konstante und bleibt unveränderbar. Die Fliehkräfte reichen indes nicht aus, das letzte Schrumpfen zu verlangsamen. Es ist das endgültige Ende auch des Neutronensterns, eben weil die Lichtgeschwindigkeit die einzige Konstante in der Natur ist. Größere Fliehkräfte können also nicht erzeugt werden, nicht mehr jedenfalls an der äußeren Schale. Bis sich schließlich jeder einzelne Punkt des Neutronensterns mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Jeder einzelne Punkt! Das bedeutet ein ständiges Verschieben der äußeren Punkte gegenüber den inneren. Das bedeutet ein neuer Zustand in der Geschichte des Sterns. Das bedeutet in letzter Konsequenz ein Aufbrechen, ein Aufbäumen, das sich stumm und unsichtbar vollzieht, weil alles Licht, das von außen kommt, einfach verschlungen wird. ALLE ENERGIE WIRD LETZTLICH VERSCHLUNGEN. Der Raum um den Stern wird nichtexistent in der Übergangszeit zum letzten Zustand. Es gibt keine Verbindung zum Universum und damit keine Einwirkung mehr. Und es gibt während der absoluten Lichtgeschwindigkeit keine Zeit mehr. Veränderungen, wie auch immer geartet, können somit nur noch räumlich erfolgen – noch immer allerdings nach dem Prinzip der Wechselwirkung. Raum ist alles und Zeit ist nichts. Dem Stern wird es „zu eng“, und er kann sich ausdehnen zu einer Neutronenwolke, die sich zu einem eigenen Universum verwandelt, mit eigenen Wechselwirkungen, also eigener Gesetzesmäßigkeit. Und die Zeit spielt dort wieder eine Rolle, wo die Konstante der Lichtgeschwindigkeit nicht mehr absolut
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müßte es andere Menschen geben. Das machte die Frage zunächst gegenstandslos, wie es mir gelingen könnte, das kleine Universum wieder zu verlassen. Ich hatte wieder Interesse an meiner direkten Umwelt und öffnete ihr meine Sinne. Zunächst war um mich herum nur das Nichts. Ich war eingebettet im kleinen Universum, außerstande, Eindrücke zu sammeln. Doch wenn das Prinzip der Wechselwirkungen auch hier funktionierte, mußte es möglich sein, scheinbar Gegenständliches zu erfahren. Denn Wechselwirkungen machen Gleichförmigkeit unmöglich, und wo es keine Gleichförmigkeit gibt, existieren Inseln! Es lag nur an mir, diese Inseln zu entdecken und sie vielleicht sogar zu besuchen. Ich spürte meinen Körper, als wäre er Wirklichkeit und nicht von meinen eigenen Gedanken geschaffen. Nun, vielleicht bildete ich mir nur ein, ich hätte mir selber einen künstlichen Körper verpaßt? Ein Traum? Eine Wahnvorstellung zur Zeit der Anpassung? Erneut streckte ich meine „Fühler“ aus, vorsichtig, denn die Erkenntnis hatte sich in mir gebildet, daß es mir letztlich unmöglich war, zwischen bloßen Halluzinationen, also Wahnvorstellungen, und Wirklichkeit zu unterscheiden. Ich brauchte jedenfalls einen Anhaltspunkt, eine Art „Anker“, an dem ich meine Gedanken festknüpfen und meine Sinne erproben konnte. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich spürte meinen „neuen“ Körper und hatte auch eine Stimme: Ich stimmte ein Freudengeheul an. Ja, das war es, das war die Lösung. Der „Tropfen“ mußte wieder gefunden werden! Er konnte nicht so weit sein. Wie war das denn gewesen: Hatte ich ihn wirklich Kraft meiner Gedanken „repariert“?
späteren Zeitpunkt wieder neue Sterne entstehen, mit Planeten – mit Welten womöglich, die neues Leben tragen ... An diesem Punkt der Überlegungen angelangt, bemächtigte sich meiner Verzweiflung: Ich hatte dies alles erkannt, doch was nutzte es mir? Ich war Gefangener im anderen Universum, kam hier nicht mehr heraus. Selbst wenn es mir noch möglich sein sollte, meinem Herrn Mitteilung zu machen ... Es war mir inzwischen gelungen, mich weitgehend dem anderen Universum anzupassen, sonst hätte ich den Übergang nicht überlebt. Aber das hatte mich dem Universum „entfremdet“, das mich geboren hatte: Es wollte mich nicht mehr haben – auch nicht für eine kurze Mitteilung! Ich dachte an die Planeten, die nach Äonen entstehen würden – und bekam die Wahnvorstellung, dann ein winziger Bruchteil davon zu sein. Niemand würde es auch nur ahnen, und ich würde auch nichts mehr davon haben, weil lange vorher schon der letzte meiner Gedanken erloschen sein würde ... * Ich weilte für unbestimmte Zeit in der Hölle meiner pessimistischen Vorstellungen. Vorbei war es mit dem großen Glücksgefühl, das ich im Verlauf meiner Anpassung erlebt hatte. Schließlich wurde die Hölle von neuen Gedanken gestört: Was war eigentlich aus den verschwundenen Containern geworden? Was war vor allem mit ihrem Inhalt? Waren denn Menschen dabei gewesen? Wenn ja: Hatten sie sich womöglich – ebenso angepaßt wie ich? In meinem Denken war ab sofort kein Platz mehr für Pessimismus, sondern nur noch für – Neugierde, getragen von dem unangenehmen Gefühl von – Einsamkeit! Ich begann, mich in die Idee zu verrennen, in diesem kleinen Universum
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Gesetzesmäßigkeiten herrschten. Und dann erkannte ich, was mit mir gewissermaßen ganz gravierend anders war: Ich atmete nicht! Ich tastete über meinen Bauch, schaute auf meine Hand. Sie war wie ausgebleicht. Das Fleisch wirkte schwammig, als wäre es kein menschliches Fleisch, sondern irgendwie eine Art – Gummi. Als wäre mein ganzer Körper in der Tat – künstlich! Ich spürte dennoch die Hand am Bauch. Ich tastete ihn sorgfältig ab. Kurz versuchte ich, die Bauchmuskeln anzuspannen. Das Gewebe zog sich leicht zusammen und wurde fester. Es gab nicht mehr die Unterscheidung zwischen Muskeln, Bindegewebe und Haut. Das war alles eine einzige Masse geworden. Mein Körper war eine gegenständliche Einheit, die nicht mehr so funktionierte wie im „alten“ Universum. Das biologische System mit Namen Körper hatte sich angepaßt und war zu einer anderen Art von System geworden, wie es in dieser besonderen Umgebung existieren konnte. Dabei kam zwangsläufig die Frage auf, wie es möglich gewesen war? Wieso hatte ich die Anpassung überhaupt überstehen können? Es gab keine Antwort darauf – zur Zeit jedenfalls noch nicht. Ich starrte in den Nebel, der träge vorüberzog und mich dabei allmählich beschleunigte – mitsamt dem „Tropfen“. Ich konnte gut sehen, obwohl es kein Licht im eigentlichen Sinne gab. Aber vorher hatte doch absolute Dunkelheit geherrscht? Als würde jeder Körper hier eine eigene Strahlung aussenden, die ihn sichtbar machte – und sogar die direkte Umgebung „beleuchtete“. Ich tastete über mein „neues“ Gesicht, das sich wie eine Gummimaske anfühlte. Ich berührte sogar die Augäpfel. Sie waren so unempfindlich geworden wie normale Haut. Der Nebelstrom brachte mich weg von
Ich konzentriert mich auf ihn, tastete umher, versuchte mit meinen Gedankenkräften seinen Standort zu bestimmen. Und dann hatte ich ihn tatsächlich gefunden! Da war er, der „Tropfen“. Hier ein irgendwie unwirkliches Gebilde, dem ich mich mit Schwimmbewegungen näherte. Der „Tropfen“ schwebte vor mir im Nichts. Mir war, als würde dünner Nebel darüber hinwegziehen. Eine Strömung, der dieser Nebel anscheinend folgte, und diese Strömung wirkte auch auf mich, wenn auch in geringerer Stärke. „Gott sei Dank bin ich nicht zu weit abgetrieben worden!“ Die gut verständlichen Worte von meinen eigenen Lippen beruhigten mich ungemein. Neuer Tatendrang erfüllte mich. Ich schwamm mit kräftigen Zügen auf den Tropfen zu. Ich war inzwischen überzeugt davon, daß ich einen realen Körper hatte – und nicht etwa nur eine „Wunschvorstellung“. Alle anderen Phänomene interessierten mich zur Zeit überhaupt nicht. Der „Tropfen“ war ein Ding, das sich genauso real anfühlte, aber sämtliche Systeme waren offensichtlich ausgefallen, denn es gelang mir nicht, die Außenschleuse zu öffnen. Auch reagierte der Computer nicht auf meine Zeichen. Stirnrunzelnd untersuchte ich das Raumboot: Keinerlei Beschädigungen. Und wie war ich dann durch die Wandung nach draußen gelangt? Ich schüttelte den Kopf. Eine träge Bewegung, wie bei einem Taucher unter Wasser, auch wenn die „Substanz“, das „Medium“, in dem ich schwamm, völlig anders als Wasser war – irgendwie auch „dünnflüssiger“. Ich hielt mich am „Tropfen“ fest und lauschte in mich hinein. Nein, ich mußte mich verändert haben, wie anfangs schon angenommen. Ich war nicht mehr derselbe. Und der „Tropfen“ funktionierte einfach deshalb nicht mehr, weil hier andere
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meinem Kleinraumer weg und auf sie zu. Sie hatten mich ebenfalls bereits entdeckt. Es war die Freude über das Ende der Einsamkeit, die mich unvorsichtig werden ließ. Außerdem: Ich hätte bei meiner ersten Begegnung niemals Aggressivitäten vermutet, und doch: Diese beiden waren bereit dazu. Sie trugen Waffen: Einer einen Speere und der anderen einen schweren Säbel, dessen Klinge aus schwarzem Stein war, aus Materie dieses Universums. Die beiden schwammen geschickter als ich. Einer ließ seinen Säbel durch den treibenden Nebel zischen, als wäre ich bereits in seiner Reichweite, und ich zweifelte keine Sekunde, daß bereits ein einziger Treffer genügte, mich in zwei Hälften zu teilen. Dabei war ich völlig unbewaffnet! „He!“ rief ich erschrocken, „macht keinen Quatsch! Ich bin neu hier und ...“ Nein, die beiden Burschen verstanden keinen Spaß. Die waren darauf aus, mich zu töten, und mit flapsiger Freundlichkeit allein konnte ich ihnen nicht beikommen. Sie nahmen mich in die Zange. Ich hatte abgewartet, bis sie nahe genug waren. Rechtzeitig krümmte ich mich zusammen. Eine einzige Bewegung, die genügte, unter ihnen hinwegzutauchen. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich war ihnen in meinen scheinbar unkontrollierten, plumpen Schwimmbewegungen eher wie eine leichte, ungeschickte Beute erschienen. Sofort formierten sie sich neu. Woher hatten sie bloß diese Mordlust? Was war ihr Motiv? Hatte ich in meiner Unwissenheit etwa ein Tabu verletzt? Einer zielte mit seinem Speer. Der andere holte mit dem Säbel aus. Ich riß die Beine geschlossen hoch, ruderte mit den Armen, tauchte wieder weg, überschlug mich und schoß überraschend zur Seite. Der mit dem Säbel zögerte mit dem Schlag, weil ich mich zu schnell bewegte, und wenn er mich verfehlte, war er in einer schlechteren Position.
der Stelle, an der ich in dieses Universum eingetaucht war. Aber wohin würde die Reise gehen? Den Tropfen ließ ich nicht mehr los. Er war außer mir das einzig Gegenständliche hier und blieb im gewissen Sinne vertraut: Das half mir, nicht den Mut zu verlieren. Vielleicht gab es noch mehr in diesem Universum? Und vielleicht wurde es für mich erst sichtbar, wenn ich mich nahe genug befand? Ich hatte weder Hunger, noch Durst, also hatte ich auch genügend Zeit. Die Strömung würde mich schon noch an ein Ziel bringen, und dort würde man weitersehen. Der Strom, der mich trieb, blieb nicht stetig, sondern wurde beschleunigt. Ich schwamm dadurch immer schneller. Der Nebel überholte mich, als würde er aus leicht eingefärbten Wassertropfen bestehen. Er glitt an mir vorüber, und jetzt konnte ich die Strömung auf meiner Haut spüren. Im nächsten Moment schob sich ein gigantischer Körper in mein Blickfeld, scheinbar groß wie ein ganzer Planet. Seine „Massenstrahlung“ war stark genug, um ihn auf solche Entfernung schon sichtbar zu machen. Der Nebel eilte zu ihm hin, zerfetzte zu dünneren Schleiern wie der lang gezogene Schweif eines Kometen. Und ich befand mich mitten darin. Anscheinend prallte der Nebel nicht auf die Planetenoberfläche, sondern vollführte einen Bogen. Mit gemischten Gefühlen schaute ich dorthin. Wenn es mir so ging wie dem Nebel, würde ich nicht zerschellen. Doch wie war es mir möglich, auf dieser Welt zu „landen“? Ich grübelte noch darüber nach, als – die Menschen kamen! * Sie waren zu zweit und wirkten wie „Gummimänner“ – genauso wie ich selbst. In freudiger Erwartung schwamm ich von
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Warte her ähnelte es einem Muster aus Feldlinien. Ja, als würde es ein starkes Magnetfeld geben, das den Nebel beeinflußte und diesen stetigen Sog erzeugte. Ich befand mich offensichtlich über einem Pol. Mit kräftigen Schwimmbewegungen wollte ich dem „Tropfen“ folgen, aber der wurde immer schneller und raste nun der Planetenoberfläche entgegen. Da war das Polzentrum. Nebelschleier jagten hinunter und erzeugten über der Oberfläche ein Brodeln und Kochen wie in einem Hexenkessel. Aber die Planetenoberfläche wurde nicht berührt, denn die Strömungsgeschwindigkeit verringerte sich rapide, und aus dem Kochen und Brodeln wurden wieder endlos lange Nebelfahnen, die sich in der Tiefe dieses Universums verloren. Vielleicht bildeten sie auch, einem mir unbekannten Gesetz folgend, eine weite Schleife und kehrten wieder irgendwann hierher zurück? Der „Tropfen“ langte jetzt ebenfalls an. Ich sah ihn als winzigen Punkt. Er wurde kräftig durchgeschüttelt wie auf einem sturmgepeitschten Meer, zerschellte jedoch nicht auf der Planetenoberfläche, wie ich schon befürchtete, sondern wurde davongetragen, um den Nebelstreifen zu folgen. Ich hatte nicht die geringste Chance, ihn einzuholen, weil ich keine Lust hatte, von diesem Hexenkessel verschlungen zu werden. Aber was blieb mir anderes übrig? Ich schwamm verzweifelt, um dem Strudel zu entrinnen, und schaute auf die Planetenoberfläche hinunter. Die erste Begegnung mit Menschen war sehr unerfreulich verlaufen. Gegen zwei hatte ich mich noch behaupten können. Was, wenn eine Übermacht folgte? Ich erreichte eine Zone, wo die Strömung deutlich schwächer war. Hier wog ich prüfend den Säbel in der Hand. Er war sehr schwer.
Sein Begleiter konnte indessen den Speer nicht einsetzen, um ihn nicht zu gefährden. Und dann war ich so nahe, daß ich dem Typ mit dem Säbel in den Arm fallen konnte. Ich umklammerte mit aller Kraft das Handgelenk des Gegners. Er schrie auf. Ich schüttelte ihm den Säbel aus der Hand, erbeutete ihn und drehte mich ab. Genau rechtzeitig, denn der andere hatte keinerlei Bedenken mehr, direkt einzugreifen, und stieß mit seinem Speer zu. Ich schlug aus der Bewegung heraus mit dem erbeuteten Säbel gegen den Speer, der dadurch die Richtung änderte. So traf er nicht mich, sondern den anderen Gegner. Der Getroffene gab einen ächzenden Laut von sich. Ungläubig stierte er auf den Speerschaft, der tief in seiner Brust steckte. Er griff danach, um ihn herauszuziehen. Blut quoll aus seinem Mund. Ein entsetzlicher Anblick. Sein Mörder war wie paralysiert, als er sah, was er angerichtet hatte. Aber bevor sich seine Wut gegen mich entladen konnte, schlug ich mit dem erbeuteten Säbel unbarmherzig zu. Das Innere des Körpers war in der Tat unmenschlich. Die äußerliche Ähnlichkeit täuschte: Er bestand aus winzigen Waben, wie winzige Blutkammern. Verstärkt wurde die Konstruktion durch ein stabiles, wenngleich hochelastisches Gerüst, wohl aus „ehemaligem“ Knochengewebe. Das Wabengebilde um die noch vorhandene Wirbelsäule herum pulsierte leicht. Würgend wandte ich mich ab. Die erste Begegnung – und gleich zwei Tote! Sah ich in meinem Innern denn genauso aus? Ich strich unwillkürlich über meinen Bauch. Es blieb zu vermuten. Ich hatte durch den Kampf soviel Abstand zum „Tropfen“ gewonnen, daß ich ihn beinahe aus den Augen verlor. Ich sah, daß aus allen Richtungen Nebelschleier herbei trieben, anscheinend angezogen von dem Planeten. Von meiner
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kapselte sich davon ab, jedoch nicht völlig, denn ihre Grenzen blieben instabil und dadurch für feste Körper durchgängig. Ein Gedanke: Möglicherweise erfolgte ÜBERHAUPT KEINE WIRKLICHE VERÄNDERUNG? Vielleicht war die scheinbare Anpassung nur eine Folge der VERÄNDERTEN GESETZESMÄßIGKEIT von diesem Universum? Meine Umgebung wurde stetig heller: Die Helligkeit wuchs proportional zur Annäherung an die Planetenoberfläche. Jetzt waren für mich sogar die Oberflächenstrukturen erkennbarer – sofern man überhaupt von „Strukturen“ sprechen konnte, denn sie erschien fast wie glatt geschliffen. Eine Folge von stetigen Strömen, die es auch dort unten gab, obwohl sie weit weniger stark sein mochten? Dann würde diese Welt im Laufe von Millionen von Jahren weiter schrumpfen. Staub würde sich von der Oberfläche lösen und in die stärkeren Strömungen der Feldlinien geraten. Möglicherweise war es sogar dieser Staub, der die Linien sichtbar machte, weil er jenen eigenartigen „Nebel“ erzeugte? Deshalb konnte man auch aus der Ferne diesen Planeten nicht sehen, weil der Staub die Sicht verhinderte. Das bekräftigte mich nur noch in meiner Annahme, daß es hier noch viele andere Festkörper gab, somit natürlich auch andere Strömungen, die jeweils von der Masse eines Körpers erzeugt wurden ... Jäh wurden meine theoretischen Überlegungen unterbrochen, denn praktisch von einem Moment zum anderen tauchte die totale Übermacht von Gegnern auf – wie aus dem Nichts materialisiert: Sie schwammen aus allen Himmelsrichtungen herbei. Ich war einfach zu unvorsichtig gewesen, zu sehr in Gedanken versunken, und jetzt war es zu spät, dieser Übermacht zu entfliehen, denn sie hatten mich bereits umzingelt. Ich hielt zwar kampfbereit den erbeuteten Säbel, aber angesichts dieser Situation erschien das eher lächerlich als Furcht
Sonst hätte man ihn in dem flüssigkeitsähnlichen Medium rundherum auch nicht gut handhaben können. Eine für hiesige Verhältnisse recht gute Waffe und messerscharf. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie vorsichtshalber zu behalten. Leider hatte ich es versäumt, auch den Speer einzufangen. Der Säbel mußte genügen. Ich machte mich auf den Weg zur Planetenoberfläche. Das war hier möglich. Ich konnte praktisch bis hinunter schwimmen. Dem stetigen Sog konnte man jetzt gut widerstehen. Ich machte keine Umwege, sondern schwamm schnurgerade hinunter, denn ich rechnete mir aus, daß es dort unten Verstecke gab. Das Planetenrund erschien mir insofern sicherer als die Weite hier oben. Meine Sinne waren wach, und ich war kampfbereit. Ich würde mein Leben verteidigen. Das war klar. Doch was würde mich erwarten – in dieser so völlig fremdartigen Sphäre, die mein Schicksal geworden war? * Über der Oberfläche des Planeten gab es wechselnde Strömungen. Sie alle wurden von den Feldlinien erzeugt, wie ich sie nannte. Je tiefer ich kam – das heißt, je mehr ich mich der Oberfläche näherte -, desto deutlicher wurde die Größe des Planeten: Er hatte die Ausdehnung des irdischen Mondes und war praktisch haargenau kugelförmig. Sicherlich eine „eingefangene“ Welt. Vielleicht gab es dazu sogar die „passende“ Sonne? Und was war aus dieser geworden – bei der „Verwandlung“, also der Anpassung an dieses Universum? Noch immer beschäftigte mich das Phänomen der eigenen Anpassung, und ich war überzeugt von meiner Theorie, daß mit jedem Körper, der von außen eindrang, die Sphäre hier „drinnen“ verändert wurde. Sie war eingebettet im „großen“ Universum,
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geschickten Schwimmstößen glichen sie die Wirkung der geringfügigen Strömung aus. Sie waren gewissermaßen überall, und ich schätzte sie auf mindestens dreitausend. Jeder von ihnen war bewaffnet, ob Mann oder Frau. Ja, es gab tatsächlich eine Geschlechterunterscheidung bei diesen „Gummimenschen“, und ich hatte wenig Mühe damit, weil sie splitternackt waren. „Wieso bist du überhaupt gekommen?“ beklagte sich eine der Frauen weinerlich. „Niemand hat dich gebeten!“ Sie unterschritt den Sicherheitsabstand, den die anderen zu mir hielten. „Bleib bloß weg!“ riefen andere ihr zu. Sie gehorchte nicht. „Warum bist du gekommen, Fremdling?“ beklagte sie sich erneut. „Außerdem hast du einen großen Fremdkörper mitgebracht, der die Ordnung stört. Du müßtest das wissen, auch als Fremder, denn eine jede Welt hat ihre Ordnung, wo sie auch sei. Wie kannst du also behaupten, von keiner hiesigen Ordnung zu wissen?“ „Tut mir leid“, sagte ich leichthin. Ich deutete mit dem Säbel auf sie. „Mir scheint, die Wächter standen dir sehr nahe?“ „Einer war mein Gatte!“ „Ja, das tut mir leid!“ Diesmal klang es glaubwürdiger aus meinem Mund. „Das wollte ich nicht. Ich wollte nur überleben, und sie haben mich gezwungen zu töten. Durch ihr Verhalten. Sie hätten mir auch sagen können, daß ich unerwünscht sei. Ich hätte diese Welt wieder verlassen.“ „Aber es hätte genügt, einen einzigen zu töten, denn dann wäre die Zahl richtig geblieben!“ Die Zahl? Wie sollte ich das verstehen? Die Bevölkerungszahl etwa? War dieses Volk hier gezwungen, sie niemals über ein bestimmtes Maß hinaus anwachsen zu lassen? Aber – durfte die Zahl auch nicht kleiner sein? War das der Grund, wieso sie mich noch am Leben ließen? Neue Hoffnung war geboren. Ich wurde selbstbewußter und ließ den Säbel sinken.
erregend und abschreckend. Sie hielten trotzdem Abstand zu mir und drohten ihrerseits mit Speeren, deren Spitzen auf mich zeigten. Erfahrungsgemäß würde ein einziger Treffer genügen. „Was wollt ihr von mir?“ brüllte ich. Meine Stimmgewalt hatte mir im System AARON den erforderlichen Sieg gebracht, aber hier konnte ich niemanden damit beeindrucken. „Ich töte jeden, der mir zu nahe kommt!“ Auch diese Drohung ging ins Leere. „Du hast die Wachen ermordet!“ klagten sie mich an. „Wir haben es gespürt, denn wir alle sind miteinander verbunden. Du aber bist ein Fremder, ein Eindringling.“ Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wieso sie mich nicht auf der Stelle umbrachten. Wollten sie erst Gericht über mich stehen? „Ich wehrte mich meiner Haut. Das war alles“, verteidigte ich mich. „Ich kam ohne böse Absicht und wurde von euren Wächtern angegriffen.“ „Du bist ein Mörder!“ behaupteten sie stoisch. „Aber sie hätten mich getötet!“ begehrte ich auf. „Ich habe mich nur meiner Haut gewehrt. Was blieb mir anderes übrig?“ „Wer tötet, ist immer im Unrecht!“ „Und was ist mit diesen – diesen Wächtern, wie ihr sie nennt? Die dürfen wohl jeden töten, wie es ihnen beliebt – auch ohne sich damit ins Unrecht zu setzen?“ „Sie verteidigen die Ordnung, und jeder fremde Eindringling ist eine Gefahr für die Ordnung!“ Ich konnte das Geschwätz mit der Ordnung nicht mehr hören. Ich war regelrecht allergisch dagegen geworden. Was wunder. „Ich bin ein Fremder und kenne folglich eure – Ordnung nicht. Ich weiß ungefähr soviel wie ein neugeborenes Kind und bin genauso unschuldig, also unverantwortlich.“ Sie belauerten mich. Eine perfekte Kugel, in deren Brennpunkt ich mich befand. Mit
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Wahrscheinlich stammten sie von einem der verlorenen gegangenen Container – sie oder ihre Vorfahren. Wenn, stammten sie genauso von der Erde wie ich! Das hätte mich freuen sollen, aber unter solchen Umständen ... Inzwischen waren alle verstummt, und sie betrachteten mich schweigend. Ich hatte die volle Wahrheit gesagt. Ihre Blicke schienen mich zu durchleuchten, um herauszufinden, ob ich ihnen etwas vormachte. Aber ich hielt meine Gedanken abgeschirmt, wie ich es bei meinem Herrn und Meister gelernt hatte. Hatten sie denn nicht davon gesprochen, daß sie untereinander in Verbindung standen – auch mit den Wächtern? War es das, was sie dieses Mißtrauen mir gegenüber empfinden ließ? Ich wagte es – und öffnete meinen Geist. Schlagartig spürte ich ihr Eindringen! Es war nicht schmerzhaft, aber unangenehm. Reflexartig wollte ich mich wieder verschließen. Aber das wäre mir höchstens unter Aufbietung aller Kräfte gelungen. Ich ließ es bleiben, ließ sie forschen. „Es ist – die Wahrheit!“ rief jemand aus. „Kara, er hat deinen Mann nicht getötet, und er kam in bester Absicht. Von unserer Ordnung wußte er nichts, ja, er ahnte nicht einmal, daß es außer ihm in diesem Universum überhaupt Menschen gibt.“ Sie schwamm so nahe an mich heran, daß sie mich fast berührte. Ich blickte in ihr hübsches Gesicht. Die Augen wirkten wie aus Plastik, mit Bonbonfarben eingefärbt. Die Haut war unnatürlich grau und gummiartig glatt wie ein Taucheranzug. Doch ich wußte, daß ich nicht anders aussah. Außer daß ich keine Frau war und keine so aufregende Figur hatte! Hätte sie nur nicht so – künstlich ausgesehen, diese Frau ... „Es ist das Gesetz der Ordnung, daß du mein Gefährte wirst“, sagte sie rauh. „Ich fordere dich als meinen Besitz, weil du den Tod meines Gatten verschuldet hast.
„Was muß ich also tun, um meinen Fehler wieder gutzumachen? Ich kam als Fremder in eure Welt, doch das dürft ihr mir nicht verdenken, denn ich war einsam und allein, als ich in dieses Universum hier eindrang ...“ „Von außerhalb?“ schrie einer erschrocken. Tumult entstand. Immer wieder hörte ich: „Einer von außerhalb!“ Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Tumult wieder legte. Derweil verhielt ich mich abwartend. Ich betrachtete den Kreis der Versammelten und versuchte herauszufinden, welcher von ihnen der Führer war. Dies erschien unmöglich. Nur die Frau des einen Wächters hatte sich in den Vordergrund gespielt. Jetzt schwamm sie näher zu mir heran. Stirnrunzelnd betrachtete sie mich. Stand in ihren künstlich wirkenden Augen Interesse zu lesen? „Du bist wirklich von – außerhalb?“ fragte sie ungläubig. „Ja!“ Ich nickte. „Ich kam mit einem Raumfahrzeug, ohne das man sich im leeren Raum meines Universums nicht bewegen kann. Dann wurde ich verschlungen und veränderte mich, bis ich so war wie ihr. Von Einsamkeit getrieben, machte ich mich auf die Suche. Als ich die beiden Wächter sah, freute ich mich über die Begegnung. Doch sie stürzten sich in mörderischer Absicht auf mich. Sie ließen mir keine Chance, mich zu erklären.“ „Der Säbel, den du trägst ... Dies ist der Säbel meines Gatten!“ „Ich war bei der Begegnung waffenlos, das schwöre ich dir! Ich mußte deinem Gatten erst den Säbel abnehmen, um mich meiner Haut wehren zu können. Außerdem wurde dein Gatte nicht von mir, sondern von seinem Begleiter getötet. Es war ein – ein Unfall.“ Unwillkürlich hatte ich mir die Sprechweise der Menschen hier angeeignet. Ja, sie waren „ursprünglich“ Menschen.
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kann ich nur, wenn du dich nicht gegen mich verschließt. Alle sind Zeuge davon, daß du mein Angebot angenommen hat. Dies hat dein Leben gerettet, und du brauchst unsere Ehe nur noch mit deinen Gedanken zu bekräftigen.“ Ich schaute in ihre „Plastikaugen“ und lächelte. Es würde nicht weniger grotesk erscheinen als ihr eigenes Lächeln, doch ich verglich die scheinbare Veränderung unserer Körper einmal mit der optischen Veränderung bei Lichtwechsel: Im ultravioletten Licht beispielsweise sah man völlig anders aus als bei normalem Tageslicht, obwohl man sich in Wirklichkeit überhaupt nicht verändert hatte und ein und derselbe geblieben war. Nein, alle düsteren Vorstellungen verschwanden und machten Platz für das Neue, Schöne, für das ich mich nur noch zu öffnen brauchte. Ein letzter ketzerischer Gedanke kreiste in meinen Gehirnwindungen: Die hat ziemlich schnell ihren Gatten vergessen! Nun, vielleicht mußte das hier so sein? Der Gedanke verlor sich, und ich konnte mich gefahrlos öffnen, um Kara „hereinzulassen“. Noch nie zuvor war es mir möglich gewesen, fremde Gedanken zu empfangen – aber diese hier ... Sie kamen mir keineswegs fremd vor, sondern eher vertraut, als wäre ich mit Kara schon immer verbunden gewesen. Sie mußte es genauso empfinden, und wir beide vergaßen, daß wir nicht allein waren. Wir küßten und liebkosten uns. Meine Erregung war nicht nur körperlich, weil unsere Gedanken ebenfalls vereint waren. Das war eine Verbindung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. „Noch nie zuvor?“ zweifelte Kara. Aber sie las in mir wie in einem aufgeschlagenen Buch und wußte sogleich, daß es die Wahrheit war. „Wie ein Neugeborenes in dieser Welt!“ flüsterte sie zärtlich. Oder waren es ihre Gedanken, an denen ich teilnahm? „Durch mich erwächst du erst zu einem wahren
Ebenso möchte ich auch dir gehören. Dann ist die Ordnung bis auf die Nichteinhaltung der Zahl erneut erfüllt. Deshalb werden wir gemeinsam ein Kind zeugen müssen. Nur falls uns dies nicht gelingen sollte, geben wir das verbriefte Recht an die Gemeinschaft in der Ordnung zurück. Die Führer werden dann bestimmen, wer dafür in Frage kommt.“ Ich war verwirrt. Es war zuviel, was in den letzten Minuten auf mich eingedrungen war – einmal ganz abgesehen von dem höchst unerfreulichen „Einstieg“ in diese eigenartige Gesellschaft. Nur eines war mir hundertprozentig klar: Ich mußte das deutliche Angebot annehmen, denn wenn ich dieser Kara einen Korb gab, war ich des Todes. Sie würden keinen Augenblick mehr zögern, denn in ihren Augen wäre ich endgültig ein Frevler, der den Tod verdient hatte. Deshalb ließ ich den Säbelgriff los und umarmte sie. Ihr Körper fühlte sich weich an, aber nicht so künstlich wie befürchtet. Oder hatte ich mich nur daran gewöhnt, weil ich genauso beschaffen war? Ich küßte sie. Das war keineswegs unangenehm. Ganz im Gegenteil: Die Nacktheit der Frau erregte mich. Es wurde äußerst peinlich, weshalb ich schleunigst wieder von ihr abließ. Meine Erregung war unmöglich vor den anderen zu verbergen. Aber das schockierte sie nicht etwa, sondern löste einen unbeschreiblichen Jubel aus! Andere Welten, andere Sitten! dachte ich zerknirscht und versuchte ein Lächeln. Es wurde allerdings nur eine verzerrte Grimasse daraus ... * Um zu verbergen, was in mir vorging, schirmte ich meine Gedanken wieder ab. Niemand hatte anscheinend etwas dagegen – außer Kara: „Du bist jetzt mein Mann! Ich will mit dir verbunden sein, und das
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Mann!“ Sie machte ihr Versprechen sogleich wahr. Nur kurz ließ ich mich ablenken: Ich warf einen Blick auf die Umstehenden. Diese jedoch zeigten sich sehr pietätvoll, denn sie wandten uns jetzt allesamt den Rücken zu. Wurde in dieser Welt auf solche Art die Ehe vollzogen? Nun, schließlich erwartete man von uns Nachwuchs, und wir konnten nicht früh genug damit anfangen. Gewiß – andere Welten, andere Sitten, aber ich würde lügen, hätte ich gegen die hiesigen Sitten auch nur das Geringste einzuwenden gehabt – zu jener Zeit, während der Vereinigung mit der eigentlich berauschend schönen Kara. Dabei störte mich überhaupt nicht, daß in diesem Fall die Bezeichnung PUPPE äußerst gegenständlich geworden war, denn immerhin war auch ich so eine Art „Puppenmann“ ... „MEIN Mann!“ jauchzte sie. „Deine Unschuld gehört für immer mir, Kara, denn ich war deine wahrhaft erste!“ Sie hatte nicht ganz unrecht, unter diesen Umständen – und deshalb konnte ich wahrscheinlich auch gar nicht genug von ihr bekommen. Eine Ekstase, wie ich sie mir vorher in den kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können, und damit erregte ich auch Kara immer wieder. Die Versammlung unterdessen besaß nicht nur vollstes Verständnis für uns, sondern auch ungewöhnlich viel Geduld, denn man ließ uns so lange gewähren, wie wir wollten – und das war sehr, sehr lange. Ein Ende wurde eigentlich nur dadurch notwendig, weil die sanfte Strömung uns mitgenommen hatte und uns beinahe mitten in die Versammlungsmauer hineintrieb, die uns nach wie vor den Rücken zuwandte. „Der Ausklang!“ murmelte Kara, „sonst geraten wir noch in die Gefahrenzone – mit den anderen.“ „Nur noch ein einziges Mal, geliebte Kara, nur noch ein einziges Mal!“ Sie hatte nichts dagegen, oh, nein ...
* „Ich lese in dir wie in einem Buch!“ flüsterte sie und kaute an meinem Ohrläppchen: Aus meinen Gedanken hatte sie erfahren, wie sehr ich das mochte. „Kennst du denn auch – WIRKLICHE Bücher, Kara?“ „Natürlich, John, denn wir besitzen viele. Allerdings keine Bücher wie im Altertum, also nicht auf Papier.“ „Bücher auf Datenträgern also? Ja, wie könnten die denn in eurer Welt funktionieren?“ „Nein, auch keine solchen Bücher, denn Datenverarbeitung geht bei uns nicht.“ „Ich kenne keine anderen.“ „Nicht einmal auf Papier?“ „Nicht einmal die!“ bestätigte ich. „Dann kannst du unsere überhaupt nicht kennen, denn sie sind ganz anders ...“ Wir befanden uns in einer der Haupthöhlen. Das Volk der Creeks, dem Kara angehörte, hauste sämtlich in Höhlen und Nischen. Mit ihren Werkzeugen hatten sie diese selbst geschaffen. Mancherorts hatten sie allerdings tiefe Tunnels in den Planeten getrieben, wie ich von Kara wußte. Eine harte und nicht gerade ungefährliche Arbeit. Zu viele Tunnels durften sie nicht bauen, denn das würde den Zusammenhalt der Oberflächenstruktur stören. Ansonsten war der Planetenkörper in sich ziemlich stabil. Dieselben Feldlinien nämlich, die außerhalb die Strömungen verursachten, hielten ihn innerhalb zusammen. Eine ganz besondere Art von „Schwerkraft“, wie bereits von mir vermutet – wenngleich nur mit viel Phantasie vergleichbar, denn sie war so schwach, daß man ihre Auswirkungen innerhalb der Höhlen und Nischen kaum spürte – zumal man sich hier schwimmend fortbewegen konnte. Gern hätte ich jetzt noch von Kara mehr über die Bücher erfahren, aber wir wurden unterbrochen, denn wir befanden uns hier, weil uns der Führer der Creeks gemeinsam mit seiner Frau sprechen wollte. Sie kamen
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wie beispielsweise die Planetenwache.“ „Ist denn ständig eine Wache draußen?“ „Mehrere Gruppen sogar, strategisch günstig verteilt. Zur Zeit haben wir sie verstärkt. Künftig werden also immer drei auf Wache sein, anstatt zwei.“ „Meinetwegen?“ Er sah mich nur ausdruckslos an. Ich schoß schleunigst die nächste Frage ab: „Sind immer nur Männer auf Wache?“ „Es gehört zu ihrem speziellen Aufgabenbereich“, bestätigte er mir. „Kommt es denn tatsächlich vor, daß Fremde herkommen, Groa?“ „Selten, zugegeben: Es sind meist Ausgestoßene anderer Ordnungen. Wenn man seine Welt verlassen muß, braucht man sowieso viel Glück, um einen anderen Festkörper zu finden – irgendwo in dieser Unendlichkeit.“ „UNENDLICHKEIT?“ „Es heißt, es gibt weder Anfang, noch Ende. Das ist das Universum.“ „Woher habt ihr das? Wenn es keine Orientierungspunkte gibt und es gefährlich ist, sich Festkörpern zu nähern, die bereits von Menschen in Besitz genommen sind ... Wie wären unter solchen Umständen Forschungen möglich?“ Er wich meinem Blick aus. „Wir haben das aus – Büchern.“ Schon wieder diese geheimnisvollen Bücher. Irgend etwas hielt mich davon ab, eine entsprechende Frage zu stellen. Ich wußte es selber nicht zu begründen. Er sah wieder auf. „Du bist mit einem eigenen Festkörper gekommen, John, aber dieser war ungeeignet. Das haben wir deutlich gespürt. Es hängt mit der Ordnung zusammen, und es fällt mir sehr schwer, darüber zu sprechen, denn die Ordnung ist lebensnotwendig, aber – tabu.“ Er schüttelte den Kopf, wie um einen Druck loszuwerden, der unsichtbar auf ihm lastete. „Jeder Festkörper hat eine Ordnung – fast jeder“, verbesserte er sich rasch. „Wer in seinem Einflußbereich lebt, ist abhängig davon. – Hast du dir beispielsweise einmal
gerade herein. Im folgenden Gespräch, in dem nur noch bestätigt wurde, was ich von Kara über die Welt der Creeks bereits erfahren hatte, fragte ich mich vergeblich, wer von beiden mehr das Sagen hatte: sie oder er? All meine Fragen wurden zunächst vollständig beantwortet. Ich wurde anscheinend dank Kara vom Volk der Creeks als Neumitglied fast ohne Einschränkungen akzeptiert. Eine dieser Einschränkungen war: Ich durfte als einziger keine Waffe tragen! Ich hätte lügen müssen, hätte ich mich darüber unzufrieden geäußert. Groa, der Herrscher, deutete auf die verborgene Tunneltür: „Hier beginnt das Labyrinth. Ständig leuchtet die Substanz unseres Planeten. Es gibt keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, so wie du es aus deiner Welt kennst, John. Wir müssen dennoch vorsichtig sein, dürfen den Planeten nicht zu sehr aushöhlen, weil die Kräfte relativ gering sind, die ihn zusammenhalten. Es ist oft genug passiert, daß Tunnels einstürzten. Manche Felsen haben scharfe Kanten, und die wirken tödlich.“ Seine Frau nannte sich Sahr. Freundlich lächelte sie mich an. Ich konnte die Frage nicht mehr zurückhalten: „Du bist der Herrscher?“ Er lächelte entwaffnend. „Gewiß, allerdings nur der Führer der Männer, während Sahr die Führerin der Frauen ist!“ Ich schluckte schwer. Kein Wunder: Ich hatte auf der Erde eine Männerherrschaft erlebt – und im System AARON eine reine Frauenherrschaft ... Hier, das war sozusagen die dritte Dimension ... „Funktioniert das denn überhaupt?“ „Die Staatsordnung? Nun, wir haben uns daran gewöhnt. Weißt du, wir leben monogam. Ja, ich weiß auch über deine Welt Bescheid, John, wie du siehst. Deshalb kann ich unterscheiden und diese Unterschiede erläutern. Die Paare sind ständig zusammen. Es sei denn, es müssen Sonderaufgaben übernommen werden –
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und filterte dabei automatisch den wahren Kern aus den prosaischen Ausschmückungen. Demnach gab es also noch viele andere Container, die im Laufe der Zeit hier gestrandet waren. Als würden auf dieser gefährdeten Route überwiegend Menschen transportiert! Unwillkürlich dachte ich an meinen Herrn und Meister: Er hatte von rein ökonomischen Interessen gesprochen, von einkalkulierten Verlusten, die immerhin billiger als ein Ändern der Route kommen würden ... Erregung bemächtigte sich meiner: Mir wurde klar, daß die meisten dieser Ausgestoßenen keineswegs echte Ausgestoßene von anderen Festkörpern waren, sondern – Neuankömmlinge! Denn immer noch verschwanden Container auf der Route. Todeskandidaten, von vornherein! Vorkalkulierte Verluste! Wie in einem unmenschlichen Krieg! Aus „ökonomischen Gründen“. Ich schüttelte mich vor Grauen. So gefühllos konnten wahrlich nur Sternenvögte denken und handeln. Ich kannte zwar nur einen einzigen, aber das genügte voll und ganz: Ich hatte überhaupt kein Interesse mehr daran, dieses Universum jemals wieder zu verlassen!
überlegt, woher wir Speisen und Getränke haben?“ Die Frage verwirrte mich zutiefst: Tatsächlich, ich hatte seit meinem Hiersein weder Hunger, noch Durst verspürt. „Unsere Körper behalten alle Flüssigkeit. Sie ist nämlich sehr kostbar. Die Haut ist deshalb wasserdicht, läßt also keinen Tropfen nach draußen. Wir brauchen niemals im Leben zu trinken, es sei denn, wir werden verletzt. Doch wenn es uns nicht gelingt, solche Verletzungen sofort zu schließen, bedeutet das unseren Tod, weil zuviel Lebenssaft verloren geht. Und wir brauchen auch niemals zu essen, sobald wir erwachsen sind. Unser Festkörper ernährt uns mit seiner leuchtenden Kraft. Sie reicht allerdings nur für eine ganz bestimmte Anzahl von Menschen. Sobald auch nur einer zuviel ist, müssen alle anderen darunter leiden. Sie fühlen sich bald schlapp und elend. Ihr Leben wird beschwerlich, und sie werden hilflos gegenüber fremden Eindringlingen. Denn sobald die Ausgestoßenen merken, daß sie auf einem solchen Festkörper gefahrlos landen können, kommen sie zuhauf und rotten das etablierte Volk aus, um nunmehr seine Stelle einnehmen zu können.“ Das schien wirklich ihre zentrale Sorge zu sein. Kein Wunder, daß die beiden Wächter ohne Zögern mich umbringen wollten – hielten sie mich doch für einen dieser Ausgestoßenen. „Und wieso war mein Festkörper – ungeeignet?“ „Er scheint hohl zu sein und hat dadurch zu wenig Masse, John.“ „Wo ist eigentlich euer aller Ursprung?“ Das interessierte mich brennend, nachdem ich alles andere erfahren hatte, was von Wichtigkeit war. Er bestätigte meinen bereits gehegten Verdacht: Ihre Vorfahren waren mit einem Frachtcontainer in diesem Universum gestrandet! Eine Geschichte, die sich eher wie eine Legende anhörte. Im Laufe der Zeit war daraus eine Volksreligion geworden. Ich hörte mir alles in Ruhe an
* „Ich habe bisher noch keines eurer Kinder gesehen!“ sagte ich mutig, obwohl ich ahnte, daß ich damit schon wieder ein Tabu berührte. Und ich schob auch noch nach: „Außerdem, die Bücher ...?“ Alle senkten die Blicke. Verschämt? „Keine Bücher, wie du sie wahrscheinlich kennst, John!“ Kara umklammerte meinen Arm. Der Führer der Creeks hob den Kopf. Seine Miene war sehr ernst. Er wandte sich ab und bewegte sich auf den Tunneleingang zu. Eine stumme Aufforderung, ihm zu folgen. Ich spürte ein unangenehmes Ziehen in
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Hälfte verwittern und verwischen, und man würde immer noch den ganzen Text verstehen können. Denn es waren gewohnte Schriftzeichen wie von der Erde, sauber von Hand herausgearbeitet. Ich las: „Ich, Creek, begründe hiermit die Historie der Creeks. Es ging der allgemeine Beschluß, dies Volk so zu nennen. Wir haben die Anpassung überstanden. Viele von uns hatten allerdings dieses Glück nicht – oder soll ich es Unglück nennen? Ich wurde von allen Creeks zu ihrem Oberhaupt erwählt, aber wir beschlossen auch eine neue Ordnung, wie es einem neuen Volk in einer neuen Welt gebührt. So herrsche ich selbst nur über die Männer des Volkes, und mein Weib, Jennifer Creek, herrscht über die Frauen. Wir waren auf einem Container für Menschentransporte und sind Auserwählte der Erde. So hat man uns vor dem Tiefschlaf genannt. Wir sind ausgebildet und sowohl körperlich, als auch geistig in der Lage, eine neue Welt zu besiedeln. Dafür sind wir schließlich vorgesehen. Eine neue Welt mit neuen Bodenschätzen, einer überaus gefährlichen Vegetation und mit tödlichen Krankheiten, gegen die man uns noch auf der Erde immunisierte – vor dem großen Schlaf. Wir haben unsere Zielwelt insgeheim Fieberwelt genannt, und nun werden wir sie doch nie zu sehen bekommen. Im Grunde genommen schade, denn meine Neugierde ist ungebändigt – aber soll man wirklich etwas bedauern, was man nicht mehr erreichen kann? Der Nachwelt sei gesagt, daß ich nur diese Seite des Ganges benutzen werde, um die Ära meiner Herrschaft über die erste Generation der Creeks zu beschreiben. Ein historisches Dokument, eine besondere Art von Buch, denn es gibt außer dem, was wir in unseren Köpfen haben, nichts mehr, was sich hier verwenden ließe. Unser Container schwebt draußen im Nebel. Wir haben die Toten geborgen, sofern es möglich erschien. Viele sind regelrecht aufgeplatzt, andere
der Magengegend, obwohl ich so etwas nicht mehr hatte: einen Magen! Die geringe Schwerkraft erlaubte eine Art Gehen, das allerdings mit kräftigem Arme rudern unterstützt werden mußte. Hand in Hand konnten Kara und ich uns nicht fortbewegen, aber sie blieb nahe bei mir. So drangen wir in das Labyrinth ein. Licht brauchte niemand mitzunehmen. Die Wände leuchteten kräftig aus sich heraus. „Was ist mit den Kindern?“ fragte ich. Groa war direkt vor mir. Ich sah, daß er den Kopf einzog. Er blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um. Kara umklammerte wieder meinen Arm, daß es schmerzte. „Ich – ich kann es nicht, John! Du bist zwar unser Freund geworden und durch Kara sogar eine Art Creek ...“ „Deshalb will ich ALLES wissen!“ entgegnete ich fest. Es kostete ihn viel Mühe, sich mir zuzuwenden. „Ist es wirklich so schlimm?“ fragte ich. „Schlimm? Du kommst von außerhalb, John. Wir kennen die Gepflogenheiten deiner Welt aus den Büchern. Niemand von uns kann und darf von dir Verständnis erwarten.“ Ich dachte unwillkürlich an die beiden Leichen – an die Wächter, die ich im Kampf besiegt hatte ... Stand denn die besondere Struktur der Körper in irgendeinem Zusammenhang mit den – Kindern? Es erschien mir sehr unwahrscheinlich, aber es ging mir nicht mehr aus dem Sinn, als wir endlich weiter schwammen/gingen. Kara wich meinen forschenden Blicken aus. Irgendwie hatte sie – Angst. Vor wem oder vor was? Als Groa verkündete: „Wir sind da!“, fuhr ich erschrocken zusammen. Er machte eine alles umfassende Geste. „Dies hier ist der älteste Teil des Labyrinths.“ Erstaunt betrachtete ich die Seitenwand. Dort war etwas eingeritzt. Große Buchstaben. Da konnte ruhig die
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Kindern der Creeks war vorübergehend bedeutungslos für mich. Kara und ich waren ein glückliches Paar. Wir bekamen eine eigene Nische zugeordnet. Viel Zeit verbrachten wir außerdem in der „Bibliothek“ des Volkes. Es erwies sich, daß Kara schon immer gern in dem Labyrinth gewandelt war, um dort von unbekannten Dingen zu lesen, die in ihrer Welt eigentlich völlig unglaublich erschienen. Manchmal stellte sie mir gezielt Fragen, mit denen sie mir zeigte, wie gescheit sie war. Denn sie las sich das Wissen nicht nur einfach an, sondern reflektierte darüber, dachte über all diese Dinge nach, stellte Vergleiche an. Es beeindruckte mich, aber es war natürlich nicht der einzige Grund, warum ich sie so sehr liebte. Einmal beging ich einen unverzeihlichen Fehler, als ich Kara nach ihrem Alter fragte! Sie reagierte sehr heftig darauf, nannte mich einen ungezogenen Lümmel und verließ mich sogar. Erst nach einer mir endlos erscheinenden Zeit tauchte sie wieder auf und tat ganz so, als sei überhaupt nichts geschehen. Ich konstatierte aus dem Erlebten: Nicht nur die Kinderfrage ist ein Tabu bei den Creeks, sondern auch die Altersfrage! Oder – ein phantastischer Gedanke – hing beides ursächlich miteinander zusammen? Meine Neugierde war jetzt nur noch schwer zu unterdrücken, und ich wußte, daß ich das Geheimnis eines Tages ergründen würde – auch ohne die Hilfe der Creeks. Fragte sich nur, wie ich das anstellen sollte? Ein weiterer Gedanke: Möglicherweise hatte ich sämtliche Informationen bereits und war nur noch nicht in der Lage, die rechten Schlüsse daraus zu ziehen? Irgendwie ärgerte mich das, und immer, wenn ich mich ärgerte, kam mir Maara in den Sinn. Sie hatte ich auch geliebt, obwohl die Liebe zu ihr nicht vergleichbar war mit der Liebe zu Kara ... Überhaupt war die Zweisamkeit bei den Creeks in der Tat sehr ausgeprägt: Auf „Schritt und Tritt“ begegnete man Pärchen.
haben sich in abscheuliche Formen verwandelt. Unserer Schätzung nach hat nur ein gutes Drittel aus dem Container den Übergang und damit die Anpassung überlebt. Das sind ungefähr tausend. Sicherlich wird uns der Container immer wieder begegnen, denn die stetigen Ströme dieses Universums lassen ihn ewig treiben. Als ein Denkmal für das ganz andere Universum, in dem wir einst geboren wurden. Seht, auch andere Wände des Labyrinths tragen bereits Aufzeichnungen, denn unter uns sind Ingenieure, Physiker, Biologen, Geologen, Mediziner ... Sie alle werden ihr Wissen in komprimierter Form zu formulieren versuchen. Wir werden unser ganzes Leben damit verbringen, für die Nachwelt eine umfassende Bibliothek zu schaffen, die sich beliebig fortführen und ergänzen läßt – von späteren Generationen ...“ „Eine Bibliothek, wie es sie ungewöhnlicher wohl kaum irgendwo gibt“, sagte ich. Die erwähnte Anpassung kam mir in den Sinn. Ich hatte sie schließlich selber erlebt, an der „Berührungsstelle“ zwischen dem großen und dem kleinen Universum. Der Übergang erfolgte allmählich, und er wirkte auf Körper und Geist unterschiedlich – denn hatte sich mein Körper nicht weitaus stärker verwandelt als mein Geist? Irgendwo hatte ich einen Denkfehler begangen, bei meiner ersten Einschätzung der Anpassung. Ja, irgendwo, und dort war auch eine Lösung verborgen ... Ich fühlte mich auf einmal wie im Fieber und nahm mir vor, bei passender Gelegenheit noch einmal den ganzen Vorgang genauestens durchzuspielen ... * Eine wahrhaft wunderbare Zeit schloß sich an für mich, während der mir gar nicht in den Sinn kam, mich mit komplizierten Theorien zu beschäftigen. Auch die nach wie vor unbeantwortete Frage nach den
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Antwort schuldig.“ „Deine Bemerkung vorhin ...“ „Welche Bemerkung?“ „Ich habe noch nie zuvor ein Volk erlebt ... und so weiter. Wie viele Völker waren es denn insgesamt? Oder kannst du es nicht mehr zählen? Was verbirgst du vor mir?“ Endlich verstand ich sie. „Du kamst allein, mit einem kleinen Raumboot, nicht mit einem Container wie alle anderen. Es gibt nirgendwo Aufzeichnungen, die das begründen. Was fehlt in unserer Bibliothek? Inwiefern betrifft es dich, und wieso weiß niemand etwas davon? Außerdem hat man dein Raumboot abgefangen. Es ist unmöglich, hineinzukommen ...“ „Ihr besitzt meinen – ‘Tropfen’?“ fragte ich ungläubig. Ich schüttelte den Kopf. „Liebst du mich wirklich, Kara?“ „Was – hat das denn damit zu tun, John? – Wie ist es eigentlich – mit dir?“ Sie schlug die Augen nieder. „Du – du bist so anders, und du hast meinen Gatten getötet, obwohl er ein guter Kämpfer war – der beste überhaupt. Er hatte keine Chance gegen dich, trotz Verstärkung.“ „Nein, ich habe ihn doch gar nicht getötet!“ Sie funkelte mich an: „Er fiel einer Finte von dir zum Opfer. Wo liegt denn da der Unterschied? Zwei überragende Kämpfer gegen dich allein, und dir brachten sie nicht einmal einen Kratzer bei. Obwohl du ihnen waffenlos begegnet bist. Was ist dein Geheimnis, das du vor uns allen verbirgst – sogar vor mir?“ Ich faßte unter ihr Kinn. In dieser Welt gab es keine Tränen. Wenn ja, hätte sie jetzt sicherlich geweint. „Soviel Zweifel, Kara? Man sagt von mir, ich sei unbesiegbar. Jedenfalls traf das bis heute zu. Vielleicht haben mir die Creeks deshalb keine Waffen gestattet? Als könnten sie damit etwas erreichen. Gewiß, dein Volk war bisher freundlich zu mir, aber das Mißtrauen blieb, und es hat auch dein Denken vergiftet ...“
Es war sehr selten, daß man auf Alleinstehende traf. Dabei blieb der Begriff Pärchen mehrdeutig, denn damit waren keineswegs nur zweigeschlechtliche Beziehungen gemeint, sondern auch GLEICHGESCHLECHTLICHE! Für die Creeks eine ganz normale Sache, für mich, der ich von der Erde kam, eine Ungeheuerlichkeit. In der gigantischen Zuchtanstalt Erde waren eingeschlechtliche Beziehungen eine verabscheuungswürdige Todsünde, wahrscheinlich allein dessentwegen, weil daraus kein Nachwuchs entstehen kann. Kara machte mir den Standpunkt der Creeks klar: „Diese lieben sich genauso wie wir uns lieben. Was ist denn dabei? Sie können zwar keine Kinder bekommen, aber das ist nicht schlimm, denn wir müssen der Ordnung gehorchen, und die sieht sowieso strenge Geburtenkontrolle vor. Regelmäßig werden Zählungen durchgeführt. Die Zahl darf niemals überschritten werden, wie du weißt.“ „Ich habe noch nie zuvor ein Volk erlebt, das so tolerant und freizügig ist – und dabei so glücklich!“ In ihren Augen blitzte es auf. Hatte ich wieder etwas Verbotenes gesagt? Jedenfalls wirkte sie auf einmal nervös und gereizt. „Komm, wir kehren zu unserer Wohnnische zurück!“ befahl sie barsch. Sie ließ meine Hand los und schwamm mit kräftigen Stößen vor mir her. Ich folgte ihr. In der Wohnnische angelangt, zischte sie: „Na, hast du mir nichts zu sagen?“ „Ich verstehe nicht ...“ „Du hast viele Fragen gestellt. Ich habe sie dir beantwortet. Auch Groa und Sahr und alle anderen waren freundlich zu dir. Du bist mein Mann ... Aber ich weiß praktisch überhaupt nichts über dich!“ Ich runzelte die Stirn. „Ich bin ein Mensch, Kara, genauso wie du. Ich kam von außerhalb, genauso wie deine Vorfahren. Auch du hast mir Fragen gestellt, und ich blieb keine einzige
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wie niemals zuvor, zu ihnen zu gehören und an deiner Seite sein zu dürfen. Selbst wenn ich die Möglichkeit hätte, dieses Universum wieder zu verlassen: Ich möchte es einfach nicht! Begreifst du das? Ich bleibe lieber bei dir – bei euch, obwohl ich damit meine wichtigen Aufgaben vernachlässige. Denn der Sternenvogt ist der Hüter der Sterne und darf sich niemals nur an einer Stelle aufhalten. Seine Aufgaben sind überall im Universum. Es ist seine Pflicht und Schuldigkeit, ja, sein Schicksal, sie wahrzunehmen und niemals zu vernachlässigen, was immer auch geschehen mag.“ Sie flog regelrecht an meine Brust und klammerte sich fest. „Oh, John, du darfst mich einfach nie mehr verlassen, hörst du? Ich – ich brauche dich so sehr. Ich will nie mehr ohne dich sein. Sag endlich, daß all das Geschwätz nicht stimmt, daß du kein Sternenvogt bist und für immer ein Creek bleibst!“ Ich streichelte ihr über den kahlen Kopf und murmelte: „Ich – ich kann das nicht, denn es stimmt, Kara. Es ist, wie ich eben sagte. Es wird einen Abschied geben – irgendwann – falls wirklich die Rückkehr in mein ursprüngliches Universum möglich sein sollte ... Und selbst wenn: Falls wir uns jemals verabschieden, Kara, dann wird dies nicht in dieser Welt geschehen, und euer Container wird ein neues Ziel haben!“ Sie fuhr zurück. „Was redest du da, John?“ „Anders als im Raumcontainer würdet ihr es nicht überleben, Kara – im großen Universum, in der Weite zwischen den Sternen. Auf eurer Reise werdet ihr schlafen, genauso wie eure Vorfahren, und am Ziel erst aufwachen. Die Erinnerung an hier werdet ihr in neuen Büchern zu bewahren wissen.“ Sie barg das Gesicht in den Händen. Ihre Schultern zitterten. „Dies alles verspreche ich dir als Geschenk bei der Trennung – MEIN Geschenk an dich und dein Volk. Ich werde von jetzt an darauf hinarbeiten, denn ohne dieses Geschenk kann uns nichts
„Unbesiegbar?“ Sie forschte in meinen Augen. „Dann – dann stimmt es also?“ „Was die anderen behaupten? Na, was glauben sie denn?“ „Es – es gibt für alles nur eine einzige Erklärung. Es steht in den Büchern. Wenn sie wirklich keine wichtige Information ausgelassen haben, wie wir alle annehmen ... ja, dann sagen sie auch alles über dich – STERNENVOGT!“ Ich ließ ihr Kinn unwillkürlich los. „Das soll ich sein?“ Sie schrie mir ins Gesicht: „Du bist es! Wieso leugnest du noch? Du hast dich hier eingeschlichen. Jederzeit könntest du zurückkehren – in dein Universum. Wieso tust du es denn nicht? Was bin ich denn für dich? Ein Versuchsobjekt für deine Erforschungen dieser Sphäre? Ein Spielzeug, das du erst ablegst, wenn du seiner endlich überdrüssig bist? Denn der Sternenvogt liebt niemals. Er ist der Mächtige, der Erhabene. Und er hat sich zum Volk der Creeks herabgelassen, um uns zu demütigen – mit seiner Überlegenheit!“ Ich packte sie hart an den Armen und hielt sie fest, obwohl sie sich heftig sträubte. Sie erschrak vor meinem Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich war mein Ausdruck viel unerbittlicher als beabsichtigt, aber er war Folge meiner Angst – der Angst nämlich, Kara, meine geliebte Kara zu verlieren – nur wegen einem Vorurteil. Obwohl – eigentlich war es doch mehr als nur das ... „Sieh mich gut an, Kara!“ befahl ich. „Ich habe gesagt, daß ich dich liebe. Wenn ich wirklich ein Sternenvogt bin: Ein Sternenvogt lügt nicht, denn das hat er nicht nötig. Niemals! Ich kam, weil es nötig erschien, weil ich wissen wollte, wohin all diese Raumcontainer verschwinden. Jetzt weiß ich, daß alle Menschen um ihr Überleben kämpfen, wenn sie den Übergang geschafft haben. Ich bewundere diese Menschen. Ich bewundere die Creeks und war glücklich
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nicht existent. Wären das wirklich nur Wahnvorstellungen gewesen, hätte ich mich anschließend niemals außerhalb des „Tropfens“ befinden können ... Doch der „Tropfen“ war dabei anscheinend nicht beschädigt worden. Oder gab es eine andere Begründung für die intakte Außenwandung? Meine übermächtigen Gedanken ... Übermächtig waren sie nur in diesem Grenzbereich. Dort herrschten andere Gesetze als im Hauptbereich des Miniuniversums, denn er war der Bereich des Übergangs. Später verlor sich seine Bedeutung, als mich der Strom fortgetrieben hatte. Man konnte somit sagen, daß die Welt der Creeks relativ nahe am Grenzbereich war. Und wieso wußten die nichts davon? Das mußte doch einen Grund haben? Ich mußte es herausfinden, mußte den gleichen Strom wieder finden und gegen ihn schwimmen, bis an mein Ziel. Ich öffnete die Augen. Ein Entschluß war gereift. Ich hätte Kara wirklich am liebsten nie mehr verlassen, aber die letzte Auseinandersetzung mit ihr hatte mir einen klaren Kopf verschafft. Irgendwie hatte sich – das Blatt gewendet – für uns alle ... In diesem Augenblick tauchte sie wieder auf – im Eingang zur Wohnnische. Sie lächelte sanft. „Wo warst du gewesen?“ fragte ich. „Bei Groa und Sahr. Sie haben ihre Einwilligung gegeben – vorab im Namen ihres Volkes.“ „Ihre – Einwilligung? Zu was?“ „Gemeinsam werden wir den Ausweg suchen, John, gemeinsam! Die Zeit wäre günstig, denn laut ihrer Schätzung wird bald unser Container wieder hier auftauchen.“ „Der Container eurer Vorfahren, der ersten Generation von Creeks?“ Ich begann zu verstehen. Laut Aufzeichnungen waren rund dreitausend Menschen in den Schlafkammern gewesen. Vorausgesetzt, man konnte den Container wieder in Ordnung bringen: Wie viele Creeks gab es
mehr trennen – außer dem Tod!“ Sie beruhigte sich, wandte sich jedoch ab. Ich legte eine Hand auf ihre Schulter. „Draußen ist alles anders als hier. Dann braucht ihr auch nicht mehr unter eurem Geheimnis zu leiden, das ihr vor mir zu verbergen sucht.“ „Du – du hast ja keine Ahnung!“ „Natürlich nicht, Kara!“ „Bitte, laß mich jetzt gehen, John!“ Ihre Stimme zitterte. Meine Hand glitt von ihrer Schulter. Mit kräftigen Schwimmstößen verließ sie mich in Richtung der Wohnnische von Groa und Sahr. Sie wollte also das Wissen um meine Identität nicht für sich behalten, sondern würde es mit anderen teilen. Mir war es egal. Ich litt nur deshalb, weil sie mich auf einmal wieder so sehr ablehnte ... * Ich schloß die Augen und geriet ins Grübeln. Ein äußerst kühnes Versprechen, alles zu tun, um für alle einen gangbaren Weg nach draußen zu finden. Wie sollte ich ein solches Versprechen jemals erfüllen, wo es nicht einmal einen Weg für mich allein gab? Ich begann ganz von vorn, dachte zurück an meine erste Begegnung mit dem Miniuniversum. Laut Berechnungen befand ich mich in den Ausläufern. Die Veränderungen begannen. Das Material wurde anders. Aber auch ich wurde ein anderer, in viel extremerem Maße. Meine Gedanken waren aufgewühlt. Alles, was hinter mir lag, verlor an Bedeutung. Auch der „Tropfen“. Dafür genoß ich ein unglaubliches Gefühl von Freiheit. Ich glaubte, mich von aller Materie befreien zu können, streifte den Raumanzug ab, obwohl dieser dabei völlig zerstört wurde. Am Ende ging ich durch die Kontrollen, mitten durch den Hauptschirm, als wäre er
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Mein Orientierungssinn, der sich daheim in der Straße niemals hatte bewähren müssen und hier quasi erst erwacht war, leistete uns gute Dienste, denn er brachte uns ohne Umwege zu der Strömung zurück, die mich hergebracht hatte. Schweigend schwammen wir nebeneinander her. Wenn ich zu dem verblassenden Planetenrund zurückschaute, erfüllte mich eine quälende Wehmut. Außerdem erinnerte es mich an meine Ankunft in dieser Welt. Der Planet der Creeks war eine Hoffnung für mich gewesen, zu einer Zeit, da ich keine Chance mehr gesehen hatte, jemals mein Universum wieder zu sehen. Und jetzt diese Zuversicht, daß es doch noch einen Ausweg geben könnte? „Du hast eigentlich kaum um deinen früheren Mann getrauert!“ sagte ich in die Stille hinein. Lange genug hatte ich mir diesen Hinweis verkniffen. Sie zeigte sich keineswegs böse darüber: „Wir haben uns nicht gut verstanden“, gab sie zu. Es klang, als hätte sie einen solchen Einwand schon länger erwartet und habe sich rechtzeitig darauf vorbereitet. „Und wieso war er dann dein Mann?“ „Anfangs waren wir sehr glücklich gewesen. Es blieb leider nicht lange so. Er hätte gern auch andere Frauen gehabt, aber du kennst inzwischen unsere Ordnung: Die Creeks leben streng monogam. Es ist schwer, ja geradezu unmöglich, eine einmal geschlossene Verbindung wieder aufzulösen. Es könnte zu einer sozialen Zurückstufung führen oder – was noch schlimmer wäre – zur Feindschaft der anderen, und wer keine Fürsprecher hat, der wird sehr schnell zum Ausgestoßenen. Was das bedeutet, ist dir ebenfalls klar ...“
eigentlich gegenwärtig? Kara beantwortete die Frage ohne zu überlegen: „Fünftausendneunhundertsiebenundsechz ig Erwachsene und dreihundert Kinder!“ Dreihundert Kinder? Wo, um alles in der Welt, hielten sie die denn versteckt? „Zu viele – insgesamt gesehen!“ seufzte ich. „Der Container wird das nicht schaffen. Es sei denn, wir finden einen zweiten.“ „Das wird nicht notwendig sein, John, denn es ist kaum vorstellbar, daß alle Creeks die ungewisse Reise antreten werden. Groa und Sahr beispielsweise nicht. Wir können von Glück sagen, falls wir ganze tausend zusammenkriegen. Die Creeks sind an ihre Sphäre gewöhnt. Sie ist ihre Heimat. Vergiß das nicht, John. Es werden also nur die Abenteuerlustigen zur Verfügung stehen – und die schaffen willkommenen Platz für andere.“ „Vielleicht bekommen die Zurückbleibenden einfach mehr Kinder?“ vermutete ich. „So werden die Ausgestoßenen keine Chance haben.“ „Das glaube ich kaum“, sagte sie abweisend. Dann gab sie sich wieder normal, indem sie zu mir kam, und wir liebten uns stumm und zärtlich. Irgendwie ähnelte unser Zusammensein dem mit Maara – in unserer letzten Nacht. Ich wußte insgeheim, daß meine Beziehung zu Kara niemals mehr so sein würde wie zuvor. Die Zeit des großen Glücks war endgültig vorbei. Eine besondere Ironie, daß wir ausgerechnet gemeinsam den Weg nach draußen suchen würden – wir beide. Denn würden wir dabei nicht mit vereinten Kräften an unserem Unglück schmieden?
„Dein Mann hat also seine Sehnsüchte verborgen, obwohl sie eure Beziehung belasteten?“ „Er war nicht so wie du, John. Du willst keine andere, sondern nur mich. Das spüre ich. Obwohl ich nicht die erste Frau bin, die du liebst – und obwohl du mich verlassen wirst.“ Es klang bitter, aber ohne
* Wir waren verbunden mit dem Volk der Creeks, und so wußten die Wächter draußen Bescheid. Sie würden uns ohne Fragen durchlassen.
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Ich war sicher, ich würde im Verlauf meiner weiteren Reise mit dem Sternenvogt noch ganz andere Ungerechtigkeiten vorfinden. Schlimmere sogar noch? Und ich hatte mir insgeheim geschworen, dagegen anzugehen. Auf meine Art und nicht auf die Art meines vergangenen Namensvetters, der mir ewig ein abschreckendes Beispiel bleiben sollte. Denn ich war der einzige Mensch im Universum, der dazu in der Lage war. Ich war nicht programmiert wie die anderen Diener der Sternenvögte, die allesamt auf irgendeiner Welt im großen Bund durch eine harte Schulung gingen, wie man sie am ehesten mit einer Gehirnwäsche vergleichen konnte ... Das Ergebnis hatte ich durch James kennen gelernt. Ich war und blieb frei in meinem Denken und hatte gelernt, mich scheinbar anzupassen, falls es erforderlich erschien. Der Sternenvogt war für mich tabu und würde es auch bleiben. Ich würde sein Diener sein; aber zeichnete sich ein guter Diener nicht sowieso dadurch aus, daß er seinem Herrn überlegen war? Ein jeder wahre Diener konnte mehr als sein Herr, sonst würde er diesen Herrn nicht zufrieden stellen können. Es war meine Devise. Wäre ich nicht besser als der Sternenvogt gewesen, hätte ich niemals erfolgreich in seinem Namen auftreten können. Und ich würde auch fürderhin dafür sorgen, daß meine Auftritte von Erfolg gekrönt waren. Nicht nur im Sinne der viel beschworenen Ordnung – sondern sicherlich auch in meinem eigenen Sinne: Die Revolution des John Willard in der Gegenwart würde heimlich erfolgen, gewissermaßen völlig unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Sie würde mehr bewirken als alle Revolutionen zuvor, ob diese nun blutig oder unblutig stattgefunden hatten. Denn meine Revolution erfolgte vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht von unten nach oben, sondern – von oben nach unten! Denn das war mein Erfolgsrezept: Niemals von der Basis her alles
Vorwurf. Ich umarmte sie in der Strömung. Wir liebkosten uns zärtlich und liebten uns innig. Kara und ich – wir waren Mann und Frau, ein Paar, und irgendwann schwammen wir weiter, im Grunde genommen dem Ende unserer glücklichen Beziehung entgegen ... Weil ich der Diener des Sternenvogts war! Weil ich Verantwortung hatte. Oh, nein, nicht nur Verantwortung ihm gegenüber. Das hätte ich gut verkraften können. Aber als sein rechtmäßiger Diener hatte ich Verantwortung gegenüber dem Universum. Es gab so unendlich viel zu tun ... Ich dachte: Wer hat wohl mehr Einfluß auf den Verlauf der Geschichte: Der Sternenvogt oder sein Diener? Mein Namensvetter John Willard hatte einst zur Revolution aufgerufen, um die Welt von aller Ungerechtigkeit zu befreien. Nicht nur, daß dadurch viel mehr Ungerechtigkeit entstanden war, weil jeder Revolutionär Not und Elend erzeugt, weil jeder Bürgerkrieg Tod und Verderben für ungezählte Unschuldige bedeutet ... Er hatte letztlich versagt, und alle Opfer waren umsonst gewesen. Dies war mit Sicherheit der falsche Weg, denn jede Art von gewaltsamer Revolution war falsch! Ich glaubte, den einzig richtigen Weg bereits zu kennen. Und war ich nicht selber eine Art Revolutionär? Einer von ganz absonderlicher Art? Dabei hatte ich genügend Ansatzpunkte. Beispielsweise die Erde als Menschenfabrik, der blühende Menschenhandel mit seinem wahnsinnigen ÖKONOMISCHEN PRINZIP! Zum Beispiel die männerlosen Aaroner – ein Zustand, den niemand ändern wollte, weil es niemandem materielle Vorteile brachte. Und noch einmal der Menschenhandel: Zum Beispiel, daß man den grausamen Tod von Millionen fest als Verlustrate einkalkulierte, weil das immerhin billiger war, als einfach die Flugroute zu ändern ...
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es niemals mehr Ersatz dafür. Nur wenn man vorsichtig genug war, konnte man ans Ziel kommen. Denn alle beteiligten Elemente in diesem komplizierten universalen Räderwerk hatten dann genügend Zeit, sich auf jede Veränderung einzustellen. Die Ordnung würde nicht gestört werden, sondern lediglich aus ihrer ungesunden Statik herauswachsen. Denn ich wußte von dem wenigen, was ich seit Antritt meiner Reise mit dem Sternenvogt erfahren hatte, daß das Universum krank war. Aber die Sternenvögte waren nur Pflegepersonal und keine Ärzte. Die rechte Therapie – dafür fühlte ich selbst mich zuständig ...
umkrempeln, weil damit in der Regel mehr zerstört wurde, als man rechtfertigen konnte. Sondern man mußte nach oben kommen, möglichst hoch, damit man den rechten Überblick hatte. Und dann konnte man mit dem Wissen von unten gezielt eingreifen. Einmal hier und einmal da ... Veränderungen, die sich erst allmählich bemerkbar machten und für die es scheinbar keinen Verursacher gab. Veränderungen zum Positiven hin. Wie das gesteuerte Wachstum einer kostbaren, aber empfindlichen Pflanze. Eine solche Pflanze, äußerst sensibel und anfällig, war die gesellschaftliche Ordnung. Sie durfte niemals überfordert werden. Sonst ging sie ein. Und wenn es gar die UNIVERSALE Ordnung war – gab
ENDE
In zwei Wochen erscheint Herr der Welten Nummer 4: „BRON“ von Wilfried A. Hary
Herr der Welten erscheint bei vph Verlag & Vertrieb Peter Hopf, Goethestr. 7, D-32469 Petershagen. © Copyright 2004 aller Beiträge bei W.A. Hary, den jeweiligen Autoren und vph. Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung durch den Verlag gestattet. Cover: Martin Clauß Der vorliegende Roman ist als Printausgabe erhältlich bei Hary Productions unter http://www.hary.li. Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
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