Alistair MacLean - Der Satanskäfer
Alistair MacLean
Der Satanskäfer
–1–
Alistair MacLean - Der Satanskäfer Es war k...
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Alistair MacLean - Der Satanskäfer
Alistair MacLean
Der Satanskäfer
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Alistair MacLean - Der Satanskäfer Es war keine Post für mich da an diesem Morgen, aber das war keine Überraschung. Drei Wochen schon, seitdem ich diese Büroräume im ersten Stock der Oxford Street gemietet hatte, war keine Post für mich da. Ich schloss die Tür des winzigen Vorzimmers, das vielleicht einmal, wenn das Cavell Detektiv- und Überwachungsinstitut sich solche Extravaganzen zu leisten imstande war, einer Vorzimmerdame zu Nutz und Frommen dienen mochte, kurvte um den Tisch und den Stuhl herum und stieß die Tür mit dem Schild >Privat< auf. Dahinter lag das Zimmer des Chefs des Detektiv- und Überwachungsinstituts Pierre Cavell. Das bin ich. Nicht nur Chef, sondern gleichzeitig auch gesamter Mitarbeiterstab. Es war ein größerer Raum als das Vorzimmer, ich wusste es, denn ich hatte es ausgemessen. Doch nur der geschulte Blick des versierten Fachmanns hätte das sonst mit bloßem Auge zu erkennen vermocht. Ich bin kein anspruchsvoller Ästhet, aber auch ich muss zugeben, dass es eine ziemlich trostlose Bleibe war. Der verwohnten Wände einstiges Weiß hatte jene undefinierbare, einzigartig graue Patina angenommen, die nur der Londoner Nebel und die Vernachlässigung langer Jahre hervorzubringen imstande sind. Ein engbrüstiges hohes Fenster blickte in einen düsteren Hof. Daneben hing der unvermeidliche Monatskalender. Ein Schreibtisch, nicht gerade neu, stand auf dem Linoleumboden, ein Drehstuhl für mich, ein ruppiger Ledersessel für den Besucher, ein fadenscheiniger Vorleger, um dessen Füße warm zu halten, ein Hutständer und ein paar grüne, blecherne Aktenschränke - leer, wie der Hutständer. Sonst nichts. Und Platz für mehr war auch nicht da. Ich war gerade dabei, mich in besagtem Drehstuhl niederzulassen, als ich den dunklen Zweiklang der Glocke am Vorzimmer und gleich darauf das Quietschen der Türangeln vernahm. »Bitte läuten und eintreten« stand dort zu lesen, und irgend jemand kam dieser Aufforderung gerade nach. Ich zog die linke oberste Schreibtischschublade auf, warf schnell ein paar Briefumschläge und Schriftstücke vor mich hin, betätigte rasch einen Schalter neben meinem Knie, und ich war kaum aus meinem Stuhl hochgekommen, da klopfte es auch schon an der Innentür. Der Mann der eintrat, war groß und schlank und in der Herrenmode up to date. Ein Mantel mit schmalen Revers hing über einem dunklen, untadelig sitzenden Anzug vom neuesten italienischen Schnitt, die wildlederne Linke hielt den rechten Handschuh und die Aktenmappe in vollendeter Perfektion. Vermutlich schleppte er ständig einen Mikrometer mit sich herum. Ein honoriger Steuerberater der Stadt von Rang und Ansehen. Als das musste er aller Welt erscheinen. Und auch ich sah nichts anderes in ihm, »Verzeihen Sie, dass ich hier so ohne weiteres eindringe«, sagte er, lächelte flüchtig, ließ drei Goldkronen aufblitzen und warf einen knappen Blick zurück. »Ihre Sekretärin scheint -« »Aber bitte, kommen Sie doch ganz herein.« Auch seine Rede war die des Steuerberaters, der er zu sein schien, gemessen, bestimmt und um ein Winziges überartikuliert. Er gab mir die Hand. Sogar der Händedruck fügte sich zum Ganzen: rasch, sauber, unpersönlich. »Martin«, stellte er sich vor. »Henry Martin. Mr. Pierre Cavell?« »Ja. Wollen Sie nicht Platz nehmen, Mr. Martin?« »Danke.« Mr. Martin setzte sich nicht einfach, Mr. Martin nahm Platz. Sehr gerade, die Füße beieinander, die Aktenmappe sorgfältig auf den geschlossenen Knien ausbalanciert, saß er da und sah sich mit einem angedeuteten Lächeln, das nicht einmal die Goldkronen entblößte, bei mir um, ohne auch nur das Geringste zu übersehen. »Der Laden läuft nicht ~ sagen wir, nicht gerade überwältigend, Mr. Cavell?« Sollte er doch kein Steuerberater sein? Leute dieser Fakultät sind in der Regel höflich, wohlerzogen und mit unnötigen Beleidigungen sparsam. Eventuell war er ein wenig aus der Facon geraten, auch das konnte sein. Wer zum Privatdetektiv gehen muss, ist selten in völlig normaler Gemütsverfassung. »Mein Trick, um das Finanzamt an der Nase herumzuführen! Darum lasse ich hier alles so, wie es ist«, gab ich zurück. »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr. Martin?« »Indem Sie mir einige kleine Auskünfte über sich selbst erteilen.« Er lächelte nicht mehr, und seine Augen wanderten nicht länger. »Über mich?« Meine Stimme war scharf, nicht messerscharf, lediglich in der Preislage, deren man sich bedient, wenn man innerhalb von drei Wochen seit Betriebseröffnung noch keinen Klienten hatte. »Kommen –2–
Alistair MacLean - Der Satanskäfer Sie bitte zur Sache, Mr. Martin. Ich habe zu tun.« Und das hatte ich auch. Meine Pfeife hatte ich anzustecken, die Morgenzeitung zu lesen, und ähnliches. »Tut mir leid. Für Sie. Ich hätte nämlich eine sehr delikate und nicht ganz einfache Mission für Sie. Ich muss jedoch absolut sichergehen, dass Sie auch der Mann sind, den ich brauche. Verständlich, Mr. Cavell, nicht wahr?« »Mission?« Ich besah mir diesen Henry Martin noch etwas genauer und kam zu der Überzeugung, dass es mir kaum schwer fallen sollte, ihn ausgesprochen unsympathisch zu finden. »Ich führe keine Missionen durch, Mr. Martin. Ich führe Überwachungen durch.« »Selbstverständlich. Wenn Sie etwas zu überwachen haben.« Sein Ton war zu neutral, um beleidigend zu sein. »Dürfte ich vielleicht mit einigen Informationen aufwarten? Finden Sie sich doch bitte noch ein Weilchen mit meiner etwas ungewöhnlichen Methode, mich einzuführen ab, Mr. Cavell. Ich glaube, Ihnen versprechen zu können, dass Sie es nicht bedauern werden.« Damit öffnete er seine Mappe, brachte eine Lederhülle zum Vorschein, entnahm dieser einen Bogen Papier und begann Absatz für Absatz vorzulesen. »Pierre Cavell. Geboren in Lisieux, englisch-französischer Abstammung. Vater Diplomingenieur, John Cavell aus Kingsclere, Hampshire; Mutter Anne-Marie Lechamps aus Lisieux, französisch-belgischer Abstammung. Eine Schwester, Liselle. Beide Eltern und die Schwester bei einem Luftangriff auf Rouen ums Leben gekommen. Auf Fischerboot nach Deauville-Newhaven geflüchtet. Als Achtzehn- oder Neunzehnjähriger sechsmal als Fallschirmjäger in Frankreich eingesetzt und von jedem Einsatz mit Informationen von größter Wichtigkeit zurückgekehrt. Zwei Tage vor Invasionsbeginn als Fallschirmjäger in der Normandie eingesetzt. Bei Kriegsende für nicht weniger als sechs Tapferkeitsauszeichnungen vorgeschlagen - drei britische, zwei französische, eine belgische.« Henry Martin sah auf und lächelte dünn. »Und nun der erste Misston in der Lobeshymne. Auszeichnungen verweigert mit der Begründung, durch die Kriegsjahre vorzeitig erwachsen und an Spielzeug desinteressiert zu sein. Dann aktiv in die britische Armee eingetreten und bis zum Major befördert - beim militärischen Geheimdienst, soweit ersichtlich in ständiger Zusammenarbeit mit M. I.6- Gegenspionage; später zur Polizei übergetreten. Sagen Sie, Mr. Cavell, warum sind Sie eigentlich aus der Armee ausgeschieden?« Hinauswerfen konnte ich ihn auch später noch. Augenblicklich war ich noch viel zu interessiert an dem, was er wusste, und vor allem, woher er es wusste. »Kein Ruhmesblatt«, sagte ich nur. »Sie sind gegangen worden.« Und wieder lächelte er dünn. »Tja, wenn ein junger Offizier schon glaubt, einem älteren unbedingt ein paar langen zu müssen, dann sollte er in der Wahl des Dienstgrads ein bisschen vorsichtig sein und sich möglichst an die unteren halten. Sie hatten leider das Pech, sich ausgerechnet einen Generalmajor auszusuchen.« Er blickte wieder in seine Aufzeichnungen. »Und daraufhin traten Sie dann zur Metropolitan Police über, wurden in Eilmärschen befördert und sehr schnell Kommissar. Auf Ihrem Sektor scheinen Sie überdurchschnittliche Begabungen aufzuweisen zu haben, das muss man zugeben. In den letzten zwei Jahren durchgehend mit Sonderaufgaben betraut, deren Charakter hier zwar nicht detailliert aufgeführt ist, immerhin jedoch gewisse Mutmaßungen zulässt. Und dann traten Sie auch aus den Diensten der Polizei. Stimmt das?« »Genau.« »In den Personalakten macht sich > Ausgeschieden< immer besser als >entlassennein