BERNDT LANG
PUPPENTANZ Eine Lebensgeschichte aus dem Milieu
Originalausgabe
Scanned by Doc Gonzo
WILHELM HEYNE VERL...
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BERNDT LANG
PUPPENTANZ Eine Lebensgeschichte aus dem Milieu
Originalausgabe
Scanned by Doc Gonzo
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE ALLGEMEINE REIHE Nr. 01/6910
Copyright © 1987 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1987 Umschlagfoto: Berndt Lang Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin Druck und Bindung: Ebner Ulm ISBN 3-453-00345-4
Der Sprung aus dem Fenster Im Zeichen des Krebses wurde ich 1943 geboren. Mein Vater war Diplom-Ingenieur, meine Mutter eine verwöhnte Tochter aus gutbürgerlichem Hause, also Hausfrau. Da war ich nun, mitten im Krieg, auf die Welt gesetzt, und es schien als bald, als sollte ich alle Unbill, die unserer Familie in dieser Zeit und den folgenden Nachkriegsjahren widerfuhr, auf meinen kindlichen Schultern austragen. Ich wurde zum Ge spött der anderen Kinder unserer Wohngegend und meiner Mitschüler, denn ich war spindeldürr, käseblaß und mußte Sommer wie Winter kurze Hosen tragen, dazuhin in der kälteren Jahreszeit lange Wollstrümpfe und Strapsgürtel. Meinen Haarschnitt verpaßte mir mein Vater mit der Papier-, die zugleich als Nagelschere diente. Es war wirklich eine gottserbärmlich arme Kindheit - erlebt in München-Neuhausen. Zwar bekam ich auch, wie andere Buben, zu Weihnachten einen Fußball, nur, der meinige war aus Stoffresten zusammengestückelt und mit Sägemehl gefüllt. Versuchte ich damit einen Elfmeter zu schießen, hieß das, daß diese >Gurke< prompt an einer Stelle aufplatzte und mir das Sägemehl um die Ohren flog. Schläge und Prügel waren zu Hause nahezu >mein tägliches Brothöheren Bildungsgrad< einzusteigen, Ich begann eine Lehre in einem bekannten Münchner Schuhhaus, und zwar als Schaufensterdekorateur. Die Elvis -Presley- und Bill-Haley-Ära brach an, die Nachkriegsjugend begann, sich auszutoben. Nur ich durfte von zu Hause aus nicht mit dabeisein - eine Bluejeans wäre im übrigen mein Traum gewesen. So kam es denn, daß ich immer öfter vor dem Zubettgehen heimlich die Haus- und Wohnungsschlüssel vom Bord nahm und kurzerhand aus dem Fenster des ersten Stocks auf den Graswall darunter sprang. Ich wollte dabeisein, wollte das aufregende Nachtleben kennenlernen, und natürlich reizte mich, überstreng gehalten, wie ich war, das verruchte Viertel in der Bahnhofsgegend. Ich hatte auch eine irre Sehnsucht, mal ein Mädchen zu berühren, gar vielleicht- zu vernaschen. Ach, du meine Güte! Man stelle sich vor - ich in meiner Naivität und diesem total gebrems ten Selbstwertgefühl! Weshalb das vorerst mal nichts war, mit den Mädels. Aber zu sehen gab's massig und zu erleben. Oft kam es vor dem einen oder anderen der Lokale, die damals etwa >Rumba< oder >Bongo-< oder >Dolly-Bar< hießen und in denen bis -
weilen Paul Würges aufspielte oder die Musikboxen dudelten, zu einer Schlägerei. Für meine Begriffe geschah da ziemlich Schreckliches. Diese Schlägereien verliefen ungeheuerlich brutal. Die Kampfhähne kloppten einander den Kopf an den Randstein - immer und immer wieder. Es konnte vorkommen, daß eine riesige Lache von Blut die Straße entlanglief. Rippen-, Schädelbrüche, ausgekugelte Arme und wer weiß was sonst noch alles, das gab es jede Nacht ein paarmal. Messerstiche inklusive. Da habe ich gelernt - der Starke, der Brutale, der Totschläger wird gefürchtet und bei den Gleichgesinnten geachtet. Geld hatten diese Burschen immer. Es stammte aus Raubüberfällen, von Diebstählen, war durch sonstige Gangstereien zusammengebracht worden. Wieder einmal sprang ich des Nachts aus dem ersten Stock, nur war ich diesmal mit einem riesigen Küchenmesser bewaffnet. Ich lenkte meine Schritte spontan zu einem Park, der tagsüber den Erholungssuchenden angenehme Stunden spenden mochte. Aber nun war ich dorthin unterwegs, es war Nacht, und ich führte ein großes Messer bei mir. Mein erster Raub war also programmiert, das Opfer würde sich finden. Brauchte ich doch dringend Moneten, um in den Kneipen etwas bestellen, trinken zu können, mich dort aufzuhalten, wo es für mich interessant war. Es war eine wolkenverhangene, ungewöhnlich düstere Sommernacht. Lediglich vereinzelte Straßenlaternen spendeten dem schmalen Parkweg ihr gespenstisches Licht. Ich verbarg mich hinter einem Busch und lauschte. Ein Mann kam des Weges, mit Späherblick vermochte ich seine Silhouette gegen den Lichtschein einer der Laternen auszumachen. Ich war zu allem entschlossen. Mit einem Satz sprang ich hinter dem Busch hervor und stieß den Unbekannten auf eine nahe Parkbank. Ich setzte ihm das Messer an die Kehle und suchte in meiner Brust den tiefsten Ton. »Geld her - sonst steche ich zu!« Der etwa Fünfzigjährige verblüffte mich durch seine Ge faßtheit, die er trotz seiner spürbaren Angst erkennen ließ. Er
zeigte mir seine Monatskarte der Straßenbahn samt seinen Brotzeitstullen und erklärte: »Mehr habe ich nicht, ich bin auf dem Weg zur Nachtschicht.« Da war ich vielleicht platt. Wie ein Wiesel lief ich davon in die Nacht - ohne Beute. Nach Hause kam ich immer so gegen drei Uhr in der Früh, wobei ich auf Zehenspitzen zu meinem Zimmer schlich, nachdem ich die Schlüssel an ihren Platz zurückgehängt hatte. Für lange Zeit blieb es unentdeckt, daß ich nur mit ganz wenigen Stunden Schlaf zur Arbeit ging. Eines Tages holten mich zwei Mann der Kripo von meinem Arbeitsplatz, was zur Folge hatte, daß mir meine Lehrstelle aufgekündigt wurde. Mittels Prügeln und sonstigen Drohungen suchte man mich dazu zu bringen, die räuberische Erpressung an einem Bankdirektor zuzugeben, der mein Firmpate war. Das geschah, nachdem ich auf Aufforderung hin ahnungslos den betreffenden Erpresserbrief nachgemalt hatte. Anscheinend hatte ich dabei große künstlerische Begabung an den Tag gelegt, denn der Polizeigraphologe kam aufgrund des Schriftbildes zu der Überzeugung, ich sei der Hersteller des Originals gewesen. Die Beamten einschlägiger staatlicher Stellen und der Polizei berieten gemeinsam mit meiner Familie, ob man mich in ein Erziehungsheim stecken solle. Als ich das spitzbekam, gab es für mich nur eins - viel Geld mußte her, damit ich flüchten konnte, egal, wohin. Unter keinen Umständen wollte ich in ein Erziehungsheim eingewiesen werden. Es galt, sofort zu handeln. Die falschen Verdächtigungen erweckten Haß und Zorn in mir. Also erpreßte ich den Bankdirektor schließlich tatsächlich, nur in einer anderen Variante, nämlich telefonisch. Zwanzigtausend Mark, die hätte ich gern von ihm gehabt, aber selbstverständlich wurde ich bei der Geldübergabe gefaßt. Nun sah es der mit dem Fall betraute Jugendrichter erst recht als bewiesen an, daß ich das erstemal ebenfalls der Übeltäter war. Meiner Überstellung in ein Erziehungsheim stand nun nichts mehr im Wege. Und, was soll ich sagen? Da traf ich
doch viele der Gesichter, jene Gangster, Schläger, Streuner u. a. wieder, die mir aus den Kneipen bekannt waren. Man war also unter sich, und das machte die Sache etwas leichter. Im übrigen bekam ich wegen der vermeintlichen Doppelerpressung meine ersten vier Wochen Gefängnis aufgebrummt. In Gesellschaft der Knackis, der >stärker Kriminalisierten< lernte ich sodann abermals einiges dazu. Doch- ich hatte noch immer nicht mit einem Mädchen geschlafen, das machte mich ganz verrückt! Natürlich wichste ich in dem Erziehungsheim (späterhin auch im Gefängnis) auf Teufel komm raus. Wie es schien, hatte mich der Heimgeistliche dabei beobachtet, und für mich ergab sich wieder einmal eine Situation, die mir tödlichblamabel erscheinen wollte. Der betreffende Pfarrer nämlich rief mich vor versammelter Gruppe zu sich und befragte mich: »Hast du heute gewichst?« Ich erwiderte: »Nein!« Peng! Schon traf mich ein Hieb, und dies ungeheuer hart. So hart, daß ich bewußtlos umfiel. Mit einem Eimer voll Wasser wurde ich wieder ins Leben zurückgerufen. »Hast du gewichst??« »Nein.« Peng! Wiederum wurde mir ein fürchterlicher Schlag verpaßt, diesmal mit dem Handballen. Ich taumelte abermals und betete für mich: »Berndt, nicht wieder umfallen, ja nicht mehr umfallen. Nicht noch einmal die schlimme Schmach erleben müssen, am Boden zu liegen.« »Hast du gewichst?« kam aufs neue die Frage. Ich überlegte nun nicht mehr auch nur den Bruchteil einer Sekunde, gestand statt dessen vor geschlossener Mannschaft: »Ja.« Welch perversen Genuß mußte es diesem Seelsorger bereiten, derartig in meine Intimsphäre eingedrungen zu sein, dieses Eingeständnis aus mir herausgeprügelt zu haben! Diese Demütigung, die noch dazuhin vor meinen Kameraden erfolgt war, heizte meine Gedanken und Fantasien vollends an. Ganz fest nahm ich mir vor, daß, wenn der Tag ge-
kommen sein würde, da ich groß und stark wäre, mich kein Mensch auf der Welt mehr umhauen würde. Meine Gedanken verfinsterten sich immer mehr, ich haßte nun so langsam die Brutalität der Menschen und die Demütigungen, die sie mir zufügten. >Mit mir macht ihr das nicht mehr langerauschende Ballnächte< feierte. Viele Mädchen machten mir schöne Augen. Und so habe ich - wo ich ging und stand - alle nur willigen Mädels umgelegt und gefickt. An Hauswände und Bäume gestellt, in Häuschen von Bushaltestellen, ja sogar in abgestellten Eisenbahnwaggons. In Parks und nächtens auf menschenleerer Straße. Der Schnee peitschte mir im Winter um den Arsch - aber egal Hauptsache - ficken! Meine Potenz war außer Rand und Band geraten. Schon in aller Frühe, nach dem Wecken, nahm ich die Seifenschale in die Hand, das Handtuch dazu und trug meinen steifen Pimmel zum Waschraum. Ich genoß es ungeheuerlich, den weiblichen Körper kennenzulernen, hatte ich damit doch allzu lange nur in meiner Fantasie umgehen dürfen. Auf ein Mädel war ich besonders geil, hatte ich eigentlich immer Lust. Die Kleine sollte später meine Frau werden. Ja, und schließlich lehrte mich die ordentliche, brave Gesellschaft die Vaterlandsverteidigung, den Umgang mit Waffen, das Töten bei Bedarf. Mit diesen Kenntnissen versehen ging ich 1963 als Gefreiter und Reservist wieder ins Zivilleben zurück. Von engen Verwandten mütterlicherseits wurde ich nach Westfalen gerufen, ich sollte von der sogenannten >Pike< auf lernen, mal eine große Fabrik zu leiten. Es handelte sich um ein Marmor- und Edelputzwerk. Ich verlud täglich an die 20 Tonnen Gestein oder Zement oder Kunststoff-Fässer. Durch diese Tätigkeit kam es, daß ich vollends vor Kraft strotzte. Die süße Zuckermaus kam mir aus Lindau nachgereist, und, wie es oft so geht, schwängerte ich sie aus Versehen. Scheiße, dachte ich bei mir, und das Kraut wurde vollends fett, als mich die Verwandtschaft zur Hochzeit drängte. Du mußt ein Ehrenmann sein - und so weiter. O.K., ich ließ mich
überreden, mir war aber wirklich nicht wohl in meiner Haut. Es sollte sich dann auch alsbald herausstellen, daß die Sache mit der Fabrikübernahme ein glatter Reinfall war. Mein Onkel verweigerte mir eine schlichte Gehaltserhöhung, und so langsam erhärtete sich mein Verdacht, daß ich lediglich als fleißiges Arbeitstier zu billigem Familientarif herbeigeholt worden war. Da fackelte ich nicht lange und hakte dieses Thema ab. Wieder in München gelandet, überprüfte und überwachte ich meine beschissene Situation. Eben einundzwanzig Jahre alt, verheiratet, und so ein Schreihals unterwegs. Diese Lebensumstände waren sicherlich nicht gerade maßgeschneidert für mich. Ich arbeitete sodann als Dekorateur in einem Münchner Pelzhaus. Nach der Arbeit war ich ganz hübsch damit beschäftigt, das mir Eingebrockte auszulöffeln. Mit dem mittlerweile geborenen Töchterchen und der Ehefrau teilte ich nun ein dreißig Quadratmeter großes Apartment. Auf kleinstem Raum zu leben, zu schlafen, zu essen - dazu dieses herzerfrischende Babygeschrei, all das zerrte an meinen Nerven. In mir tickte förmlich eine Zeitbombe. Wie lange dies wohl gutgehen würde? Ich wechselte meinen Arbeitsplatz und war dann Chefdekorateur in einem anderen Pelzgeschäft. Nachdem diese Branche überwiegend in den Händen jüdischer Geschäftsleute ist, lernte ich viele von diesen kennen. Mancher jüdische Gastronom und Nachtlokalbesitzer ließ sich von mir seinen >Laden< umbauen oder renovieren, das waren für mich gute Nebenverdienste. Auf diese Weise kam ich mit dem Nachtleben wieder intensiv zusammen, lernte so manche Barmiezen, Stripperinnen oder sonstige Blüten der Nacht kennen. Nun ja, das ist es, so dachte ich bei mir, und die Nacht hatte mich wieder. Was vorauszusehen gewesen war, traf prompt ein, mich interessierte keine Ehefrau mehr und auch kein Töchterchen. Die Scheidung lief, und die Familie samt Apartment löste sich in Luft auf. Aber es war nicht alles so goldig, wie es glänzte, denn die
meisten Damen der Nacht wollten nur ein paar Runden mit mir bumsen und legten mich dann zu ihren Akten. Au weia ein soziales Abgleiten ins Pennermilieu war eingeläutet.
Bahnhofsverbot und Postlerheim »Stehen's auf, wie hätt' mir's da...« Diese Worte und immer wieder Tritte gegen meine Schuhsohlen weckten mich. Ich lag so herrlich warm in einem Untergrundschacht des Münchner Hauptbahnhofes. Da gab es Duschkabinen und Toiletten für die Rangierer, Heizer und Putzfrauen - und an diesem Ort lag ich nun am Boden, was sich im wahrsten Sinne des Wortes auf mein ganzes Ich münzen ließ. Ich war müde, durchgefroren und durchnäßt von der kalten Frühjahrsnacht. Es war das einzige gewesen, was mir in meinem trostlosen Dasein zum Übernachten eingefallen war. Ich kannte die >Katakomben< des Hauptbahnhofes aus der Zeit, als ich noch arbeitete. Hatte ich doch damals als Maler die Bahnhofshallen frisch geweißelt. Ums Verrecken wäre ich nicht heim zu meinen Eltern gegangen, denn deren Beschimpfungen und all das Rumnörgeln hätten mir das schöne warme Bett vermiest, das sie zu bieten hatten. Wer ist denn das schon wieder, der mich aus meinem Schlummer reißt? So dachte ich und schaute hoch. Leck mich am Arsch - die Bahnhofspolizei und gleich drei Mann hoch! Oje ~ machte ich innerlich und rappelte mich auf. Ich mußte meinen Ausweis zeigen und mitkommen. Auf dem Bahnhofsrevier wälzte einer der Bullen ein dickes Buch, und siehe da, er stellte fest, daß ich schon zweimal in ähnlicher Situation verwarnt worden war. Er setzte sich an die Schreibmaschine und tippte ein paar schlaue Sätze, die ich unterschreiben mußte. Dazu hob er den Zeigefinger und teilte mir mit, daß das nun ein schriftliches Hausverbot sei, welches für das ganze Bahnhofsgelände gelte. Ich war aber noch so schlaftrunken, dazuhin so hungrig und erschöpft, daß ich mit diesem Beamten keine
Kommunikation betrieb, auch gar nicht wollte. Als ich dann schließlich mit diesem sozialen Verweis von dannen zog, war es so um die Mittagszeit eines stinknormalen Werktages. Es herrschte ein regnerisches Tau weiter. Viele Menschen, einem aufgescheuchten Ameisenhaufen gleich, huschten durch die Innenstadt. Aber ich nahm sie nicht richtig wahr. Ein fahles Gefühl begann in mir hochzukriechen, nicht zuletzt auch spürte ich die klamme Kälte meiner dünnen, nassen und verdreckten Klamotten. In meiner Magengegend herrschte Leere. Der Hunger meldete sich also überdies. Ich stellte mich in eine Geschäftspassage und betrachtete mich in einer Schaufensterscheibe. Mein lieber Schwan - das Ganze ergab das Spiegelbild eines jungen Menschen, dessen Leben gerade erst so richtig beginnt, den man aber - rein optisch gesehen - bereits wegschmeißen konnte. Es war also an der Zeit, die Sache sofort zu überdenken. Wie sollte es mit mir weitergehen? Zum Überlegen begab ich mich ins geheizte Post- und Telegraphenamt und setzte mich dort auf eine Bank. Ich rauchte genußvoll ein Zigarettchen und zählte meine Barschaft. Als ich mein gesamtes Vermögen in der Hand hielt, dämmerte mir, wie nahe ich vor dem Ende stand. Es reichte nicht einmal mehr für eine Schachtel Zigaretten. Wie soll's nur mit dir weitergehen, mein Lieber? So fragte ich mich. Ich rieb mir die Augen und fuhr mir mit der Hand übers Kinn. Tagelang nicht rasiert! Ich wog in Gedanken die Fakten ab und kam zu dem Schluß, ein großes kriminelles Ding will ich nicht drehen. Blieb also nur mein Wissen um, meine Wirkung auf das weibliche Geschlecht. Um aber Schlag bei den Damen zu haben, mußte ich vom Äußeren her ansprechend wirken, also auch sauber sein, gepflegt und dazuhin schick gekleidet. Ja, so lief's. Nun mußte ich also noch einmal den Bahnhof betreten, was kümmerte mich das Hausverbot. In den Waschräumen gab's nämlich Rasierautomaten, die beim Einwurf von fünfzig Pfennigen funktionierten. Außerdem bekam man für einen bestimmten Betrag Seife und Handtuch. Ich wusch und rasierte mich. Was einen Kamm betraf, den
nannte ich noch stolz mein eigen. So richtig durchgestylt flitzte ich schließlich an der Wartefrau vorbei - deren Tellerchen auf dem Tisch blieb leer. Sie konnte sowieso froh sein, daß sie ihre letzten Zehnerl schon eingestrichen hatte, sonst hätte ich mir die paar Groschen mitgenommen. Raus aus dem Bahnhof - und schon war ich wieder besser gelaunt. Nur die Sache mit dem Hunger war noch nicht geregelt, aber das sollte jetzt gleich drankommen. Zielstrebig begab ich mich, nicht weit vom Bahnhof entfernt, in eine Festbierhalle. Ich setzte mich an den ersten Tisch am Eingang und bestellte etwas, das ich gern gegessen hätte. Aber mir war klar, daß ich leider nie in den Genuß der fürstlichen Speisung gelangen würde, denn ich hatte ja etwas anderes im Sinn. Bis die Bedienung mit dem Bier und dem Menü ankam, war ich in der Zwischenzeit mit dem Körbchen voller Brötchen abgedampft. Ich würgte die trockenen Dinger rein, der Magen war beruhigt. Überhaupt, es ging mir rundherum besser, und ich begann, mich regelrecht wohl zu fühlen. So Berndt, sagte ich mir, jetzt brauchst du nur noch ein paar gute Klamotten. Gesagt, gedacht, getan - in der Sonnenstraße, in Stachusnähe, standen damals solch niedrige Behelfsbauten, in denen zumeist Juden saloppe Oberbekleidung verkauften. Ich sah durch die Schaufenster eines dieser Geschäfte. Darin waren zwei Verkäuferinnen mit Kunden beschäftigt. Das bewog mich, den Laden zu betreten. Ich äußerte ganz freundlich-bestimmt und lässig meine Wünsche, ließ mir sodann die entsprechenden Bekleidungsstücke in die Umkleidekabine reichen. Nach einem bißchen Hin und Her behielt ich das Passendste und meiner Meinung nach auch Kleidsamste an. Ich trug frische Socken, eine neue Cordhose samt T-Shirt sowie eine neue wattierte Windjacke am Leib; und weiße Turnschuhe hatten sie auch noch für mich. So war ich nun von Kopf bis Fuß neu eingekleidet. Die Verkäuferin fragte mich, ob sie die Dinge verpacken solle, oder ob ich alles gleich anlasse? »Ach - ich lasse sie an«, antwortete ich - Kamm, Ausweis und mein Kleingeld kramte
ich aus den Taschen meiner alten Sachen und rollte das ganze Zeug zusammen. »Ich bedanke mich für Ihren Einkauf«, sagte freundlich die Verkäuferin und deutete mit einer Geste hin zur Kasse. Vorsichtshalber sprach sie es auch noch aus: »Da vorne ist die Kasse, mein Herr.« Hahaha - da vorne ist die Kasse, ja die Alte hat vielleicht Nerven, dachte ich - und mit einem tierischen Satz war ich aus dem Laden draußen, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich hörte nicht, was hinter mir passierte, so schnell war ich weg; vielleicht wäre dies ein neuer l000-Meter-Rekord gewesen. Ich lief durch ein paar Seitenstraßen, um die Spur zu verwischen, im Falle, daß man mich verfolgte. Tja, so änderte sich für mich die Situation innerhalb weniger Stunden. War ich mittags noch ein Penner gewesen, konnte ich jetzt mein Glück als Gigolo versuchen. Überdies traf ich einen nicht minder liederlichen Burschen, als ich dies war, der mir ein paar Biere spendierte, und eine Schachtel Zigaretten konnte ich ihm auch noch abbetteln. Somit konnte ich die Zeit überbrücken, bis die Disco, die ich ins Auge gefaßt hatte, aufmachte und sich so langsam mit Gästen füllte. >Playboy< hieß der Laden auf der Sonnenstraße, bei dem es treppabwärts ging. Dieses Lokal sollte heute mein Jagdrevier sein. Ich sah mich ein bisserl in diesem verhältnismäßig großen Lokal um, schätzte Möglichkeiten und Chancen ab, was da für mich am besten aufzureißen wäre. Dann setzte ich mich an einen Tisch zu zwei netten Mädchen und flirtete auf Teufel komm raus. Mal mit der einen, mal mit der anderen; mein Überschmäh war schier grenzenlos. Unvermittelt fragte ich sie, ob sie mir ein Bier ausgeben würden oder auch zwei. Weil ich mir gerade neue Klamotten gekauft hätte, sei mir das Geld ausgegangen - und so. Ich bekam von jeder ein Küßchen und war eingeladen. Ich tanzte abwechselnd mit den Girls und war drum und dran, das ganz schnelle und große Feuer zu legen, welches ein Herz zu entflammen imstande ist. In jedem Falle schien die eine schon mal recht willig für alles zu sein.
Ich flüsterte ihr ins Ohr, ob wir später zu ihr gehen könnten, ob das technisch möglich wäre - ob sie alleine wohne? »Ja, wir könnten schon zu ihr gehen«, erwiderte sie, nur müßten wir recht leise sein, weil sie in einem Mädchen-Heim des Fernmeldeamtes wohne. Mein Gott, war ich froh, dies zu vernehmen, denn somit war diese Nacht schon mal gerettet. Und obendrein bekam ich noch eine geile Maus ins Bett. Ich wollte mir eine Schlafstelle anlachen, es war mir gelungen. Aus Dankbarkeit streichelte ich ihr unterm Tisch schon mal ganz zärtlich die Innenseite ihrer Schenkel. Sie konnte ja nicht ahnen, daß ich mich mehr auf ihr Bett freute als auf sie selbst. Und nun merkte ich, daß die andere eifersüchtig auf unser Geplänkel war. Auf diese Weise wurde mir bestätigt, daß ich auch für dieses Mädel ein recht willkommenes Spielzeug war. So um Mitternacht brachen wir auf, weil die beiden ganz früh zur Arbeit mußten. Wir konnten zu Fuß gehen, denn es war nicht weit zu dem Heim. Wir standen schließlich vor einem großen alten Haus, es war abgesperrt. Und ich dachte schon, daß da vielleicht aus moralischen Gründen ein Portier oder etwas Ähnliches zu überwinden wäre - dem war aber nicht so. Paßt schon dachte ich bei mir. Es führten breite Holztreppen hinauf. Das eine Mädchen verschwand im ersten Stock, wünschte uns linkisch eine gute Nacht. Es wohnten so ungefähr fünfzehn Mädels in dem Bau, erfuhr ich. Mittlerweile waren wir im dritten Stockwerk angekommen. Als meine Begleiterin ihr Zimmer aufsperrte, trat ich in ein recht großes Altbauzimmer - viel Platz war da. Aber ich schielte gleich auf das recht geräumige Bett. Nun folgte ein echter sogenannter Dankbarkeits-Beischlaf. Ich gab mir innige Mühe, dieses Mädchen nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Außerdem hatte ich, als ich ihr genüßlich beim Entkleiden zusah, große Lust auf diese zierliche, aber doch recht knackige etwa Neunzehnjährige bekommen. Ihre langen, dunklen Haare wallten seidig über das blütenweiße Kissen. Ich küßte und leckte ihr zunächst den ganzen Körper, in der Mitte verharrte ich. Zaghaft spreizte sie ihre
Beine, löste sich dann aber langsam in ihrer Lust. Krallte sich an meinen Schultern ein und drückte mir ihren Schoß entgegen - bis zu einem spitzen Aufschrei. Ich fiel in einen totenähnlichen Schlaf. Marianne hieß sie, und sie stand am frühen Nachmittag an meinem Bett. Gerade von der Arbeit gekommen, hatte sie mich mit einem Küßchen geweckt. So lange hatte ich geschlafen! Ich fühlte mich wie neugeboren. Marianne hatte mir Zigaretten mitgebracht und eine ausgiebige Brotzeit, die ich förmlich verschlang. Natürlich bildete ein Schäferstündchen das Dessert. So turtelten wir ein paar Wochen rum, der Frühling war warm und schön geworden. Zwischenzeitlich aber bumste ich mich durch das ganze Haus, je nachdem die Tagesoder Nachtschicht gerade frei hatte. An den jeweiligen Zahltagen gab mir jede meiner Geliebten ein paar Hunderter, so ließ es sich ganz angenehm leben. An einem schönen Maientag machte ich mich mit vier Mädels des Postlerheimes zum Picknick an einem verträumten Plätzchen der Isarauen auf. Nun wurde der Tisch in Mutter Natur gedeckt, das Isarwasser aber war noch zu kalt zum Baden. Verstohlen flirtete ich mal mit der einen, mal mit der anderen, es war ja bekannt, daß ich mit Marianne ein Verhältnis hatte. Aber jede der anderen drei nahm für sich in Anspruch, mich zu lieben. Das amüsierte mich natürlich - und ich lernte auch gleich fürs Leben, daß Frauen höchst talentierte Schauspielerinnen sind, wenn es darum geht, eine Liebschaft zu vertuschen. Natürlich kam der Tag, da dieses mein Treiben nicht länger unentdeckt blieb, aber bis dato hatte ich schon das ganze Postlerheim abgegrast, was Betten und Lohntüten betraf. Ich wollte aber nicht wieder auf der Straße stehen und schon gar nicht mehr im Bahnhof übernachten. So probierst du es mal mit ein paar Runden Arbeit - dachte ich
mir. Ich suchte mir aus einer Tageszeitung einen Job - die gleichfalls angebotene >Wohnmöglichkeit< hatte es mir angetan. Ein neuer Abschnitt meines Lebens war angesagt.
Gina macht mich zum Zuhälter Es war die Zeit, als ich für einen großen Lesering Kunden warb, die Klingeln und Türklinken putzte. Mal schrieb ich einwandfreie Aufträge, mal waren es getürkte Abschlüsse mir wurde klar, dies ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Aber ich hatte zur Stunde noch keine Alternative hierfür. Es hielt mich sowieso nicht zu Hause, in meinem dürftig eingerichteten, möblierten Zimmer, schon gar nicht am Wochenende. An dem betreffenden Abend besuchte ich alle möglichen Lokale. Ich war immer auf der Suche nach irgend etwas, ohne eigentlich zu wissen, was ich suchte. Schließlich führte mich mein Weg in eine Kneipe, die bis drei Uhr früh geöffnet hat - ich wußte, da verkehrt alles, nur keine Pfarrgemeinde. Es war so kurz vor Mitternacht, der Zigarettenqualm hatte schon längst über die Belüftung gesiegt. Viele Mädels in knallengen, superkurzen Mini-Röcken schmückten die Palette - es war schwer auszumachen, welche Maus zu wem gehörte. Es waren Rock and Roll-Mädchen. Friseurlehrlinge? Gut verdienende Hürchen? Die Jungs hatte ich schon öfters auch woanders gesehen, würde aber drauf wetten, daß diese alle nicht mit der Arbeit verheiratet waren. Das Lokal war groß, es war voll, doch war vereinzelt noch, oder schon wieder, da und dort ein Tisch frei. An einem freien Vier-Personen-Tisch nahm ich Platz, bestellte ein Bier. Besah mir die Szenerie, beobachtete und nahm alles um mich herum auf. Wo die Jungs nur die guten Weiber her haben? ging es mir durch den Sinn. Die eine mit den langen Beinen war schon ein geiles Luder, tanzte aufreizend, benahm sich vulgär.
Wir flirteten mittels Augenkontakt über eine Sechs-MeterDistanz, doch sie saß unterdessen auf einem anderen Schoß, hielt so ein Stiergenick fest umschlungen. Naja, dachte ich, der Tag ist ja noch nicht zu Ende, bevor nicht der Morgen graut. Irgend etwas wirst du schon zum Bumsen aufreißen. Ich fühlte mich pudelwohl, gepflegt, adrett gekleidet - und war mir meiner recht sicher. Nur mit dem Nachbestellen meiner Bierchen haperte es, denn ich hatte, wie immer, wenig Geld einstecken. Ich drehte mich nach der Bedienung um - eins geht schon noch, dachte ich. Mich durchfuhr es wie ein Blitz, was ich da zu sehen bekam. Hinter mir, drei Tische weiter, saß an einem kleinen Tisch eine wunderschöne Frau, und zwar alleine. Ich war von ihrem Äußeren so beeindruckt, daß ich sie nahezu wie gelähmt anstarrte. Wie die Maus, die vor einer Schlange hockt, möchte ich fast sagen. Eine solch bezaubernde Frau hatte ich wohl noch nie gesehen - in meinem ganzen Leben noch nicht. Schwarze, lange Haare, zum Pferdeschwanz gebunden, über die Schultern nach vorne gelegt, wallten über ihren prächtigen Busen. Aus ihrem Schwanenhals wuchs ein edel geformter Kopf; sie besaß ein Gesicht, das das der Aphrodite oder Nofretete in den Schatten gestellt hätte. Die Unbekannte trug ein weißes Kostüm, der tiefe Ausschnitt des Jäckchens gab die Ansätze einer traumhaften Oberweite frei. Ihr sonnengebräunter Teint, die großen Kulleraugen, die vollen Lippen und dieses blauschwarze Haar - danach hätte man bei ihr leicht auf eine Südländerin schließen können. Hätte sie nicht in einem süßen Bayerisch noch einen Underberg bestellt. Sie mußte wohl schon etwas länger dort gesessen haben, denn es waren fünf kleine Magenbitter-Flaschen auf dem Tisch aufgereiht. Auf ihrem leicht getönten Dekollete glitzerten herrliche Juwelen, ebenso an ihren grazilen Armen und Fingern. Selbstverständlich rückte ich meinen Stuhl so zurecht, daß
ich eine günstigere Position einnahm, um dieses schöne Menschenkind besser betrachten zu können. Ich wagte fast nicht, der jungen Frau ins Gesicht zu schauen, ich wollte kein >Gaffer< sein. Dieses total edle Wesen, es mochte nach meiner Schätzung so um die zwanzig herum sein, war sichtlich nervös, vielleicht auch leicht alkoholisiert. Denkbar war es - nach den aufgereihten Fläschchen. Ich weiß nicht mehr, was mir durch den Sinn ging. Es gab auch keine Zeit zum Nachdenken. Galt es doch, diese Frau in ihrer Schönheit mit Haut und Haaren aufzunehmen. Ich sah ihr schließlich ins Gesicht, unsere Blicke trafen sich. Uii, leck mich am Arsch, sie schaut mich doch tatsächlich an! Vorsichtshalber drehte ich mich um, vielleicht meinte sie doch jemanden anderen. Nein, sie meinte mich, musterte mich interessiert, lächelte gar geheimnisvoll. In diesem Moment dachte ich bei mir: >Mein lieber Schwan, eine solche Alte aufzureißen, sein eigen zu nennen... so ein Glück müßte man haben.< Mir schlug das Herz bis zum Halse, wie man so schön sagt. Ich dachte, ich sehe nicht recht, die Übermaus nickte mir zu und winkte mich einladend zu sich. Nach einer Schrecksekunde - man mag mir mein Erstaunen angesehen haben setzte ich mein geübtes Lächeln auf. Ich ging an ihren Tisch und rasselte sofort meinen >Sonntagsschmäh< herunter. »Hallo - wie geht's, du siehst gut aus, wo steht dein Bett...?« Und so weiter. »Setz dich doch«, sagte sie, »ich heiße Gina und du?« Ich war noch immer verdattert und hatte meine liebe Mühe, mir dies nicht anmerken zu lassen. Im Unterbewußtsein fragte ich mich, wieso gerade ich das Glück hatte, den größten >Schuß< hier im Lokal aufzureißen. Anscheinend war ich so verblendet, daß ich gar nicht registrierte, wie sie dabei war, mich aufzureißen. Ungeachtet dessen kam jetzt etwas, das mir im Leben noch nie passiert war, was ich im Leben noch nie gehört hatte. Ohne Umschweife umklammerte sie zart meine beiden
Handgelenke, sah mich mit ihren geheimnisvollen, großen Augen an und bat um meine Aufmerksamkeit. Sie neigte sich näher zu mir, und ein bezaubernder Duft erreichte meine Riechnerven. Ich sah sie nur an und dachte, mein Gott, bist du schön, Gina. Und dann begann sie, mit einer melodiösen Stimme zu sprechen, und was sie sagte, kam Engelsgesang gleich - ich werde diese Worte im Leben nie vergessen. »Berndt, wenn du lieb bist zu mir, kriegst du von mir alles du bekommst einen Jaguar (damals war das lange Cabrio - E Typ - das Traumauto für jedermann), du bekommst Pelze, Schmuck, egal, wieviel Karat. Du bekommst alles von mir nur mußt du lieb sein zu mir. Du darfst mich nicht schlagen, hörst du?« Immerhin war ich geneigt, zu denken, ob ihr nicht vielleicht der Alkohol ein Schnippchen schlug. »Bestelle dir, was du trinken willst - ich lade dich ein«, sagte sie. Ich orderte eine Whisky-Cola - und nun mußte ich erst mal mit meinem Glück fertig werden. Natürlich war sie sehr von sich überzeugt, denn es kam ihr gar nicht in den Sinn, zu zweifeln, ob ich überhaupt dazu bereit war, ihr Angebot anzunehmen. Aber welche Frage - und ausgerechnet bei einem Typen wie mir! Absolut zielsicher hatte sie Amors Pfeile abgeschossen, denn ich war tatsächlich schon allein ihrem Äußeren erlegen. Nun kam noch dieser ihr Spruch dazu, also war das Kraut rundherum fett. Nach ein paar Getränken zahlte sie alles, auch das, was ich zuvor verkonsumiert hatte. Sie hatte ein Geldbündel lose in ihrer Christian Dior-Tasche stecken, es waren mehrere zerknüllte Hunderter. Hm... - sollten nun meine Armut, meine Geldlosigkeit ihr Ende haben?... Meine Gefühle waren geteilter Natur - zum ersten die Riesen-Alte, zum zweiten, was mich nun in Zukunft erwarten würde. Wir fuhren zu ihr heim, der Taxi-Stand war direkt vor dem
Lokal. Als wir bei ihr zu Hause angekommen waren, registrierte ich erstmals ihre Körpergröße und all das, was ich beim Sitzen hatte nicht beäugen können. Sie war nicht sehr groß - ungefähr so um die einsfünfundsechzig. Aber dafür war sie wohlproportioniert. Elegante, sehr hohe Stöckelschuhe verhalfen ihr zu einem erotisch wiegenden Gang. Ich sah mich ein bißchen in ihrer Wohnung um, sie öffnete ganz fachmännisch eine Flasche Champagner. »Du weißt, was ich mache?« fragte sie und meinte wohl ihren Job damit. »Ja, ich kann's mir denken«, gab ich zur Antwort. »Ich arbeite im IMEX-Haus«, womit sie das damalige Münchner Puff meinte. »Heute habe ich blaugemacht, weil mich alles ankotzt«, sprach sie weiter. »Und warum ist so eine Zuckermaus alleine?« wollte ich wissen. »Ich habe mich von meinem Alten getrennt, der Drecksack fickt doch nur laufend fremd«, sagte sie. Sein Foto stand auf dem Nachttisch, in einem hübschen Silberrahmen. Ich kannte diesen Typen, ich hatte ihn schon öfters irgendwo gesehen. »Wer ist das?« fragte ich. »Der Kölner-Olaf«, antwortete sie desinteressiert. Das Foto in Kombination mit einer solchen Namensbezeichnung ließ mich meine Gefahren-Witterungs-Antenne ausfahren. Ich war für ein paar Momente damit beschäftigt, meine Situation einzuschätzen, abzuwägen. Aber: Ich trank Champagner mit einer schönen Frau, die Geld besaß, meine Risikobereitschaft nahm merklich zu. Ja, ich war bereit, mich in Zuhälter-Angelegenheiten einzumischen. Die Zündschnur hierzu war in Brand gesetzt. Das mit der Verhältnismäßigkeit ging für mich in Ordnung, komme, was da wolle. Die ganze Stimmung, die Frau, die Wohnung mit dem Feinsten eingerichtet, waren dazu angetan, mir alles zu versüßen - doch ich war realistisch genug, daran zu denken, daß jederzeit der Kölner-Olaf kommen konnte.
Er kam nicht - der Beischlaf mit dieser Schönen war von meiner Unruhe überschattet. Am nächsten Tag gingen wir gepflegt essen, und wir sprachen uns beide alles von der Seele, was es zu bereden gab. O. K. - gebongt, ich hatte nun meine erste Partie. Wir kamen überein, daß ich, vorläufig noch, in meinem Apartment wohnen blieb, ihr aber jederzeit zur Verfügung stand. In den darauffolgenden Tagen kam zwar alles etwas anders wie zunächst besprochen, aber mein Aufschwung war erkennbar. Sie kaufte mir einen alten, aber sehr gepflegten Opel-Kapitän - ein enormes Schiff, was Blech und Motor anbelangte. Meine Hauptaufgabe bestand darin, daß ich ihren Pudel >Gassi< führen und für den gesamten dritten Stock des Imex-Hauses öfters Fleischpflanzerl braten mußte (weil ich dies als besondere Spezialität beherrschte). Aufgrund dessen aber hatte ich >milieubedingten< Zugang zum Imex-Haus. Ich war nun Zugehöriger der >ZunftBaby-Bar< in der Landsberger Straße. Es war sowieso Glückssache, ob die gerufenen Bullen zu uns hielten oder zum geprellten Gast. Die Kripo führte mich damals bereits in ihren Akten, und zwar als >Schlepper-BerndtBaby-Bar< ab. Ach du meine Güte, da gewahrte ich nun, wie die Feuerwehr mir meine Fensterfront zunagelte, das Ganze mit feinsäuberlicher Schreinerarbeit sicherte. Meine Bedienung informierte mich über folgendes Geschehen: Ein Ölmufti arabischer Herkunft, recht jung noch, in fließende weiße Gewänder gehüllt und mit der dazugehörenden Kopfbedeckung ausgestattet, wie dem Bilderbuch von >Tausend und einer Nacht< entstiegen, war unser Gast gewesen. Eine Schlepperin hatte ihn sich vor einem exklusiven Hotel geangelt. Der Wüstensohn war ganz frisch in München eingeflogen. Möglicherweise waren Sprachschwierigkeiten oder eben unsere üblichen unverschämten Praktiken schuld daran gewesen, in jedem Falle schien dieser die Nerven verloren zu haben. Er versuchte, sich vor seiner hohen Rechnung dadurch zu retten, daß er mit einem Riesensatz durch meine Vorhänge ins Freie wollte - auf und davon. Doch in Old-Germany gibt es halt Glasscheiben hinter den Gardinen. Und so hechtete der Unglückselige - volles Programm - durch eine recht dicke Glasscheibe. Ich hörte, daß der Sanitätswagen ihn bereits abtransportiert hatte. Es blieb, eine riesige Blutlache vom Gehsteig zu schweppen. Der Herr
aus dem Morgenlande mußte sich ganz schön zerschnitten haben. Irgendwie wurde sein Vater ermittelt und gerufen, der auch prompt des Sohnes Zeche bezahlte. Da war ich platt, was diese Leutchen für eine Lebensart besitzen. Klar erzählte mir meine Yvette des öfteren, daß sie gelegentlich Anträge bekäme, für gutklingende Summen mit einem Gast anschließend ins Bettchen zu hüpfen. Nach einem bißchen Hin und Her kamen wir zu dem Schluß, daß bei ihr die Prostitution ab DM fünfhundert ins Programm aufgenommen würde. So ging dann ab und zu auch diesbezüglich die Post ab. Ich war froh darüber, denn nun kam Kohle ins Haus, daß es nur so krachte. Meine Liebesmoral warf ich dabei schnell über Bord, konnte ich doch dafür meinen ersten nagelneuen Benz aus der Tiefgarage eines renommierten Münchner Autohändlers lenken. Eines Nachts wickelte sich folgendes ab. Ein Mann, so um die zweiundzwanzig Jahre, war vorher schon ein Schleppopfer. Auf der Toilette sagte mir Yvette, sie hätte den Eindruck, daß dieser ein kleiner Ganove sei, aber mit viel Kohle in der Tasche. Sie nähme ihn mit nach Hause, ich solle ihr aber unmittelbar nachfahren, weil sie sich nicht sicher sei, wie er sie behandeln würde. Ich fuhr nach und blieb im Wagen sitzen, immer wieder auf die Uhr sehend. Mit ihrem Wissen, daß ich >greifbar nahe< war, hat Yvette eine ganz clevere Show abgezogen. Sie ließ sich nicht auf ein Schäferstündchen ein. Doch dieser Typ, so langsam geil gemacht, war drauf und dran, eine Notzucht einzuläuten. Mir dauerte es im Auto schon zu lange, und ich dachte mir, daß nach dem Rechten zu sehen nicht falsch sein könne. Blitzschnell öffnete ich die Wohnungstür, da war der Gute doch sehr verwirrt. Yvette stand da, mit einem völlig zerfetzten Kleid am Leib, und spielte ihre Rolle gut. »Gott sei Dank kommst du zufällig vorbei, dieses Schwein wollte mich gerade vergewaltigen«, so schluchzte sie. Der verhinderte Freier war baff und ziemlich geschockt, sicherlich erkannte er mich von dem Lokal wieder.
»So, so«, machte ich, »was willst du, du leere Hose? Jetzt, mein Lieber, kriegst du erst mal die Prügel deines Lebens, und dann rufe ich die Polizei« - bluffte ich. Der also Angesprochene ging in Kauerstellung und flehte mich an, er bedaure den Vorfall schrecklich und ob er sich nicht aus dieser Situation freikaufen könne. »Das ist wieder etwas anderes« erwiderte ich und begann gleich laut zu rechnen. Mein Mädel verschwand ins Bad. »Ein kaputtes Modellkleid - die Schande und Schmach - die Körperverletzung und die Frechheit schlechthin -... machen wir's doch so, Junge, du drehst jetzt alle deine Taschen um, ich helfe dir dabei. Und dann schleichst du dich auf der Stelle, bevor ich dir doch noch den Hals umdrehe.« Es kamen alle möglichen Währungen hervor, es war für mich erstaunlich, was der alles mit sich führte. Ein Klappmesser war auch dabei, aber ich erklärte diesen >Zahnstocher< für konfisziert. Insgesamt zwei Mille kamen auf den Tisch - das war ganz nett. Mit einem Arschtritt wurde der Typ vor die Tür gesetzt. Dieses Intermezzo ist ganz in meinem Sinne abgelaufen, ich hätte mitten in der Nacht in der Wohnung sowieso keinen Zirkus machen können, alleine schon wegen der total kleinkarierten und pseudo-bürgerlichen Nachbarn. Vor wenigen Tagen erst hatte ein Brief in unserem Kasten gelegen, unterzeichnet von allen Hausbewohnern. Wir sollten gefälligst unser lautes Bettgeflüster etwas reduzieren, unser schrilles animalisches Geschrei sei unzumutbar, so hieß es darin. Auch meinten die Leutchen, von uns verlangen zu können, immerzu die Fenster geschlossen zu halten. Ich gestehe aber, irgendwo hatten sie recht, denn unser tierisches Gebrüll beim Orgasmus war uns selbst auch schon bewußt geworden. Yvette und ich hatten uns nämlich im Laufe der Zeit herrlich darauf eingespielt, gleichzeitig zum Orgasmus zu kommen. Diese Art und Weise beim Bumsen haut natürlich besonders rein und spornte uns immer zu lüsternen Wonneschreien an. Wir trieben es auch reichlich oft miteinander, Tag und Nacht, wie wir gerade Zeit und Lust hatten. In jedem Falle entlockte
es mir immer ein Schmunzeln, wenn ich jemandem vom Hause auf der Treppe begegnete; dachte sich doch jeder seinen Teil. Mittlerweile hatte ich die ganze Schlepperszene in München total im Griff, es gab vielleicht außer mir noch zwei, drei Lokale, wo diese Richtung praktiziert wurde. Ich feilte natürlich dieses trickreiche Treiben noch etwas aus. So gab es zur Oktoberfestzeit Schokoladenherzchen mit allerliebsten Beschriftungen, oder einfache, große Brezen mit aufwendigen Schleifen. Was so ein Ding für den Freier kostete, war nicht von Pappe. Es ging lustig zu, zur Wiesenzeit, waren doch deswegen sehr viele Fremde in unserem Städtchen. Der Musiker sang - Es wird Nacht Senorita, und ich hab' kein Quartier, nimm mich mit in dein Bettchen - ich will gar nichts von dir... Manchmal hielt er das Mikro den Gästen hin, die bisweilen mit schlimmer Stimme weiterkrächzten. Und dann fiel mir etwas ganz Spezielles ein, was ich meinen Mädels gleich unterbreitete. Der Schampus-FlaschenUmsatz und somit der Verdienst konnten dadurch erheblich gesteigert werden. Die Schlepperinnen täuschten dem jeweiligen Gast vor, daß sie mit ihm ins Hotel zu gehen beabsichtigten und daß man zu diesem Zwecke noch zwei Flaschen mitnehmen solle. Das klappte auch ganz gut, so mancher bestellte noch zwei Flaschen zum Mitnehmen. Und hier, mein Über-Gag: Diese Flaschen tat ich jeweils in eine eigens dafür bereitgelegte Papiertüte, der Tütenboden war stark angenäßt. Der jeweilige Herr bekam beim Verlassen des Lokals die Tüte in die Hand gedrückt. Er war kaum zur Lokaltür draußen, da flutschten ihm auch schon die schweren Flaschen durch den aufgeweichten Tütenboden. Im günstigsten Falle kamen die Herren zurück und kauften nochmals zwei Flaschen. Diese trugen sie aber nun lieber in der Hand. Zur Winterszeit war alles ein bisserl schwieriger, da kam es schon mal vor, daß es den Schlepperinnen zu kalt wurde, sie in ein Cafe gingen, um sich aufzuwärmen. Dem wirkte ich
entgegen, indem ich die Innenstadt mit meinem warmen Wagen abfuhr, ausgerüstet mit einer Buddel Glühwein. Ich lud dann die >Streunenden< in meinen Wagen, spendete ihnen einen heißen Schluck und gutes Zureden, auf daß sie wieder weitermarschierten, anstatt jagdfaul zu werden. Wenn ich so auf meinen Innenstadt-Streifzügen war, erlebte ich auch des öfteren, daß meine Mädels von total unqualifizierten Typen angesprochen, ja angemacht, gar arg belästigt wurden. Sobald die Mädels meinen Wagen sahen, riefen sie leise um Hilfe. Ich stieg sofort aus, egal, wie mein Wagen stand, und spielte den Beschützer. Manchem der Typen war nicht ganz klar, warum ein >Fremder< so schnell und hemmungslos für die betreffende >Fußgängerin< Partei ergriff. Ich fackelte nämlich in diesen Situationen nicht lange, sondern es gab gleich anständig eins auf die Birne. So fühlten sich meine Mädels immer beschützt. Sie dankten es mir mit vielen angeschleppten Gästen. Meine >Baby-Bar< schien unter einem nicht sonderlich guten Stern zu stehen, ein neuerlicher Vorfall brachte wieder einmal die Behörden auf die Barrikaden. Ein adretter, graumelierter Herr war Gast bei mir, klar war er irgendwo aufgerissen und abgeschleppt worden. Jedenfalls bestellte er aus der Karte, und weisungsgemäß machte Babsy nach der dritten Flasche die Zwischenrechnung. Der elegante Herr winkte ab, wollte die Rechnung nicht sehen, wollte in Ruhe gelassen werden. Ganz so gesellschaftsfähig war er aber dann doch nicht, denn er versuchte laufend unter dem Tisch dem Mädel, das ihm Gesellschaft leistete, zwischen die Schenkel zu grabschen. Nach der vierten Flasche wollte er dann doch zahlen, es war eine Rechnung über um die achthundert Mark. Was nun kam, hält kein Mensch im Kopf aus er legte zwanzig Mark auf den Tisch, zog sich den Mantel an und machte sich wortlos in Richtung Ausgang auf den Weg. Nachdem ich das alles so beobachtet hatte und meine Schrecksekunde nachließ, hechtete ich dem Flüchtling nach. Kurz vor der Tür bekam ich ihn zu fassen.
Der übliche Schmarrn war zu hören, »I call the police -1 call the police!« Ihn festhaltend sagte ich ihm ganz ruhig, daß ich hier die Polizei sei, er solle gefälligst zahlen. Er schlug wie wild um sich, traf sogar mein schönes Antlitz - und da war für mich der Ofen aus. Es gab Hiebe vom Feinsten für die graue Eminenz. Der Notarztwagen kannte im übrigen schon seit längerem die Anfahrtswege zur >Baby-BarQuaneer< unter, man sagte mir, daß der Schlagersänger Ivo Robig der Inhaber dieses Ladens sei. Meine Eltern und Ge schwister wohnten in einer günstigen Pension - schon seit Jahren. Der erste Urlaubstag begann - und es sollte sich sehr bald herausstellen, daß dieser auch gleichzeitig unser letzter war. Es war herrliches Wetter, ein azurblauer Himmel spannte sich wolkenlos von der Küste bis zum Horizont. In der Ferne setzten weiße Segel der Fischerboote lebendige Akzente auf dem glitzernden Meeresspiegel. Es war wunderschön, fast ungewohnt, sich fallen lassen zu können in eine normale Welt. Kinder spielten und plantschten im seichten Wasser, ältere Leute unterhielten sich im Schatten. Ein paar hübsche Mädchen schlenderten mit großen Eistüten in der Hand vorbei - um so knapper waren dafür ihre Bikinis. Die Sonne auf der Haut, ab und zu ein zärtliches Streicheln von Yvette, so ließ ich es mir auf meiner Luftmatratze Wohlergehen und genoß es, nichts tun zu müssen, rein gar nichts tun zu müssen. Ich mußte keine Sektflaschen in große Eisschränke nachfüllen, es gab kein Theater mit zahlungsunfähigen Gästen, keine Schlägereien, keine Polizei - einfach herrlicher Frieden herrschte. Sechstausend Mark hatte ich mitgenommen für diese zehn Tage, ich wollte uns allen Luxus zukommen lassen, auch meinen Eltern und Geschwistern ein paar schöne Einladungen bieten. Mein Verhältnis zu meiner Familie hatte sich irgendwie neutralisiert - ich bin einfach nicht nachtragend. Und jetzt, da ich der zahlungskräftige Sohn und Bruder war, ging man mir sowieso ganz schön um den Bart. Es war denn auch schließlich für mich ein ganz angenehmes Ge fühl, mir meine Zuneigung nun wenigstens erkaufen zu können. Irgendwann ging ich ins Wasser, gleich mit voller Taucherausrüstung, denn ich liebe das Meer so unsagbar, kommt doch schließlich dieses ganze Leben auf unserem wunderschönen Planeten aus dem Wasser. Ich sehne mich geradezu in die Tiefe des Meeres, an dieser geheimnisvollen Welt kann ich mich nicht genug satt sehen.
Ich hatte Glück, beobachten zu können, wie sich ein stattlicher Krake an etwas tiefer liegenden Felsen zum Mittagsschläfchen festhielt. Mein Jagdfieber war entfacht, ich schoß meine starke Harpune ab, dabei auf ein Auge zielend. Mehr als ein Streifschuß wurde wohl nicht daraus, denn ich sah meine Pfeilspitze den Fels zersplittern. Dafür aber wurde das aufgeschreckte Meerestier ganz schön wütend, sein ganzes Ich färbte sich in ein tiefes Rot. Kraken wechseln die Farbe fast so wie auf dem Lande die Chamäleons - und wenn sie wütend werden, färben sie sich rot. Ich sah unter Wasser, daß meine Pfeilspitze stark verbogen war durch den Schuß an den Fels - ich mußte also an Land, denn nun war ich unbewaffnet, in einer nicht ungefährlichen Situation. Ich tauchte auf, um mit einem Stein meine Pfeilspitze wieder zu begradigen, wollte aber für heute Schluß machen mit meiner Jagd. Dem Kraken versprach ich sein morgiges Ende, vorausgesetzt, ich fände ihn wieder. Ich legte meine Sauerstoff-Flaschen ab und aalte mich noch einige Zeit in der Sonne. Die Wärme der Strahlen und diese Nichts-tun-Stimmung regten mich sehr an, stimulierten mich. Yvette und ich verstanden uns hervorragend darin, einander anzudeuten, daß einer den anderen begehrt. So brachen wir spontan am hellichten Nachmittag vom Strand auf, um ganz schnell ins Hotel zu kommen, unsere Sehnsüchte zu stillen. Ich schnappte mir meine ganzen Mitbringsel, SauerstoffGerät, Harpune, Luftmatratze usw. Mein großes Schlauchboot ließ ich verankert im Wasser zurück. Yvette und ich überwanden die Ufertreppe, in der Nähe stand mein Wagen. Auf der obersten Treppenstufe angekommen, dachte ich, ich sehe nicht recht. Da lümmelten sich vier Jugos auf der Motorhaube meines nagelneuen Autos. Auf diese zugehend, schrie ich zornig: »Ja wollt ihr da nicht gleich runtergehen, ihr Scheißtypen!« Als knappe Antwort kam zurück: »Du deutsches Kapitalistenschwein!« Das altbekannte Gefühl kam in mir hoch. Ich achtete auf gar nichts mehr, mir war es egal, ob es einer oder vier Gegner
waren, ob ich mich im In- oder Ausland befand. Mir war es egal, wie eh und je - ich hatte wieder einmal, was Psychologen wohl ein Black-Out nennen. Nur ich weiß, daß bei mir Killerreflexe wach werden, ohne Rücksicht auf das Nachher. So ließ ich alles fallen, was ich in Händen hielt, und schnappte mir gleich den ersten. Ein anderer hob sofort meine Harpune auf. Ich erkannte blitzschnell, in welcher Ge fahr ich mich befand und machte meine Wagentür auf, um diese als Schutzschild zu benutzen. Mir war klar, wenn mich der Pfeil der Harpune durchbohrte, dann konnte man daran nur noch vorne und hinten ein paar Brezen aufhängen. Auf der Fahrerseite steckte in der Türtasche mein Gummiknüppel. Als ich merkte, daß der Typ mit der Entsicherung meiner Harpune nicht zurechtkam, nützte ich diesen Bruchteil einer Sekunde und schlug mit all meinen Kräften zu, und zwar auf alles, was sich bewegte. Es ging sehr schnell, da krümmten sich die vier bösen Buben auch schon vor Schmerzen. Ein Menschenauflauf hatte sich gebildet, ein paar Touristen und eine Menge Einheimische brabbelten durcheinander, zappelten mit Händen und Füßen. Auweh, dachte ich. Mir war klar, die Situation war bedenklich. Das alte Lied - die Polizei wird gleich kommen. Und da war sie auch schon. Yvette, die ja meine diesbezüglichen Auftritte kannte, stand eher gelangweilt dabei. Sie hatte es aber von uns beiden als erste beköppt, daß wir im Ausland einige Schwierigkeiten haben würden. Dem war auch so, wir wurden zumindest gleich mal in den Polizeiwagen geschubst, und ab ging's wieder einmal - auf ein Polizeirevier. Irgend jemand mußte meine Familie am Strand verständigt haben, mein Vater und meine Schwester trafen jedenfalls auch bald auf dem Revier ein. Etwas Jugoslawisch sprach mein Vater ja, doch es war ein Dolmetscher vonnöten. Auch ein deutschsprachiger Anwalt wurde gefunden, und es kristallisierte sich ganz schnell heraus, daß es vorerst wieder einmal um mich geschehen war. Ich war zwar überzeugt, in Notwehr gehandelt zu haben, doch gegen die parteiischen Jugoslawen war schwer anzu-
kommen. Der Paß wurde mir abgenommen, ich durfte Opatija nicht verlassen. Mein Anwalt empfahl mir, meinen Wagen sofort außer Landes bringen zu lassen, sonst würde dieser auf dem Schadensersatzwege gleich mal sichergestellt. So fuhr mein Vater den Wagen ins benachbarte Italien. Nachts kamen die Brüder der Betroffenen, schlichen ums Hotel, wollten wohl Blutrache üben. Am nächsten Tag waren sogar die Frauen der Jugos aufmarschiert, drohten, Yvette mit riesigen Haarnadeln aus Fischbein die Augen auszustechen. Dann ging's wieder los, ein einarmiger Mann trat mit einer blitzenden Machete auf mich zu. Im selben Moment aber fuhren Polizeifahrzeuge vor, wofür ich sehr dankbar war. Es kam wieder Ruhe in die Reihen. Meine Eltern klagten - »O Gott, jetzt kommt einmal der Berndt in unsere Urlaubsidylle, und schon ist wieder der Teufel los!« Meine Angehörigen hatten nur noch den Wunsch - sofort und unversehrt außer Landes zu kommen, sie fuhren nachts nach Italien. Tränen der Ratlosigkeit standen auf ihren Gesichtern, als sie mich verließen. Ich hatte gebeten, Yvette mitzunehmen, ich stünde dies hier schon alleine durch. Die Gefahren waren einfach für jeden Beteiligten zu groß. Eine Schnellverhandlung wurde anberaumt - diese sollte in drei Tagen stattfinden. Mein Anwalt schluckte schon mal viertausend De-Emmchen und verlangte nochmals eine Mille für den Kauf eines Zeugen zu meinen Gunsten. Ich war nun seit zwei Tagen alleine in Opatija und grübelte natürlich, wie diese Scheiße wohl ausgehen würde. Der deutsche Konsul war durch die Presse informiert und kam aus Zagreb angereist. Er sagte mir, daß er zwar in die Verhandlung nicht eingreifen könne, doch wolle er dieser beiwohnen. Also wird es dann wohl ein fairer Prozeß werden, dachte ich bei mir - morgen ist es ja soweit, wir werden sehen. Um mich ein bisserl zu zerstreuen, ging ich in eine Kneipe am Strand. Da lachten mich zwei Mädchen an, eine hübscher als die andere. Was mache ich mit zwei Mädels - wo ich noch dazuhin keine Silbe Jugoslawisch spreche? ging es mir durch
den Sinn. Egal, zuprosten schadete nichts. Sie kamen zu mir herüber, wir sprachen und gestikulierten, aber keiner verstand den anderen. Ich bedeutete ihnen, ob wir rausgehen sollten, an den Strand womöglich. Ich ging voran und winkte ihnen, mir zu folgen. Sie kamen mir tatsächlich nach. In mir arbeitete es. Ich fand die Situation gut, aber nicht ganz unproblematisch. Entweder war ich in meiner Fantasie zu weit gegangen - oder? Es würde sich ja gleich herausstellen. So begab ich mich an jene Stelle des Ufers, wo mein Schlauchboot stand und winkte sie weiter zu mir heran. Sie stiegen tatsächlich mit ein. Tja, damit war mir klar, ab sofort ist alles erlaubt. Ich ruderte vielleicht so fünf Minuten vom Ufer weg, weg von der Beleuchtung der Promenaden, hinein in die dunkle Nacht. Die Babys waren gut, null prüde, zeigten keinerlei Hemmungen. Sie zogen sich von alleine aus - so was machen die bestimmt öfters, dachte ich. Ich tat es ihnen nach, und ganz flugs war die eine gleich mit meinem Rohr beschäftigt. Zärtlichkeit war nicht eben ihre Stärke, aber um so attraktiver waren ihre fast noch kindlichen Körper. Zierlich gewachsen waren diese und besaßen doch eine satte Weiblichkeit an Brüsten und prallen Ärschen. Wie alt mochten die Zuckerpuppen sein? Während ich die eine bumste, ließ ich bei der anderen den Finger einrasten und umgekehrt. Ich achtete nicht sonderlich darauf, ob die Mädels einigermaßen von mir etwas hatten ich betrieb dieses reizende Sexspiel recht egoistisch. Die laue Sommernacht, das in den Wellen wogende Gummiboot, das einem Wasserbett gleichkam - es war so ganz nach meinem Geschmack. Per Zufall schaute ich einmal hoch in die Nacht, über die Gummiwülste des Bootes. Ich wollte mich orientieren, ob uns vielleicht jemand vom Strand her
beobachtete. Leck mich am Arsch - was war denn das?! Die Strömung hatte uns gut drei Kilometer hinausgetragen, man sah die Lichter des Ufers nur noch ganz schwach. So traumhaft leergevögelt wie ich war, ging es nun darum,
alle nur erdenkbaren Kräfte zu mobilisieren, um an Land zu paddeln. Das Ganze noch dazu gegen die Strömung, das mochte ja heiter werden. Und die blöden Hühner lachten und kicherten, amüsierten sich, wie ich verzweifelt paddelte. Das tat ich etwa zwei Stunden lang, das Morgengrauen löste fast die Nacht ab, als ich Fels unter den Füßen hatte. Ich war halbtot - in vier Stunden war Verhandlung. Ich verabschiedete mich von diesen zwei süßen, geilen Ge schöpfen, schlenderte zu meinem Hotel, warf mich aufs Bett. Aber ich durfte nicht liegenbleiben, also stand längeres Duschen auf dem Programm. Der erste Gast im Frühstücksraum war ich, die ersten Sonnenstrahlen trafen die Meeresoberfläche. So ein schöner Tag, dachte ich bei mir, was wird er bringen? Ich saß im Gerichtssaal ziemlich gleichgültig rum, mein Geist war leer. Mein Anwalt sollte das Seine tun - aus meiner Sicht war es tatsächlich nur Notwehr gewesen. Die Zeugen kamen rein, also jene, die ich aufgemischt hatte. Einer trat mit Kopfverband in Erscheinung, der andere trug den Arm in der Schlinge; ich war mir nicht sicher, ob ich sie so stark verletzt hatte - eher schien es mir, daß sie dadurch ein Schmerzensgeld herausschlagen wollten. Und wieder ergoß sich ein stundenlanges Blah-Blah über mich. Ich bekam meinen Paß wieder, ein zehnjähriges Landesverbot wurde mir auferlegt. Der Gummiknüppel blieb selbstverständlich auf dem Richtertisch liegen, als ich den Saal verließ. Ich telefonierte mit Yvette und meinen Eltern, mein Vater holte mich mit seinem Wagen ab und brachte mich über die Grenze. Ich drückte Yvette ganz fest an mich, nahm sie zärtlich in die Arme und küßte sie lange und innig. Ich liebte sie sehr, nur - ich konnte es nicht ändern - war ich ihr wieder einmal fremdgegangen. Aber ich dachte mir, mein bestes Stück ist ja nicht aus Seife, also kann es sich auch nicht abnützen, wird nicht weniger, keiner merkt's.
Yvette und ich fuhren umgehend nach Hause, nach München. Meine Eltern kehrten wieder nach Opatija zurück, etwas mulmig war ihnen aber wohl doch. Kurz vor München konnte ich gerade noch tanken und uns eine Schachtel Zigaretten kaufen, wir waren nach nur fünf Tagen total blank. Es war ein Urlaub, den man ganz schnell vergessen sollte, hielten wir uns vor. Alle Freunde waren verdutzt, daß wir schon wieder aus dem Urlaub zurück waren, ich konnte nur müde abwinken. »Na ja«, - meinte Yvette, »dann geh' ich halt gleich wieder schleppen.« Ich, für meine Person, war abermals hinter der Theke der >Baby-Bar< zu finden. Am selben Abend schleppte Yvette einen tollen Typen an, draußen, vor meinem Laden, stand sein nagelneuer schwarzer Porsche auf dem Gehsteig geparkt. Sie tranken vier Flaschen Sekt, er war schick gekleidet, doch seine roten Pausbacken verrieten seine Bauernburschen-Herkunft. Yvette bedeutete mir auf der Toilette, daß sie mit ihm auf Stich ginge, er hätte ihr tausend Mark geboten. »Alles klar«, sagte ich, richtete noch eine Flasche zum Mitnehmen her - und sie verschwanden. Nach zwei Stunden klingelte in der >Baby-Bar< das Telefon, Yvette war dran, aufgelöst und am Heulen. »Beruhige dich doch, was ist denn los?« fragte ich. Fetzenhaft erzählte sie mir ihre Lage. Der schnuckelige Typ hat ihr also keine tausend Mark gegeben, sie vielmehr auf die Autobahn gefahren und vergewaltigt. Und jetzt sei sie über Felder gelaufen bis zu einem Dorf, um mich anrufen zu können. Ich ließ mir den Standort sagen und raste los, um meinem Baby zu helfen. Aber, was heißt hier helfen - ein unbändiger Haß kam in mir auf, als sie mir die Einzelheiten schilderte. Sie tat mir fürchterlich leid -, und ich..., ich kam mir so beschis sen vor. Es wurde mir deutlich, daß ich wegen der dämlichen Kohle die Ehre, Gesundheit und gar das Leben meiner Ge liebten aufs Spiel setzte. Ich sah es eher als eine Pflichtübung an, die Autobahn
nochmals abzufahren, den Platz des Geschehens zu inspizieren. Natürlich hatten wir keine Autonummer, glaubten uns aber an Tölzer Buchstaben zu erinnern. Freilich würde diese Drecksau auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein, aber probieren wollte ich es, wollte meinem guten Willen zur Rache Ausdruck verleihen. Ich fuhr jeden Rastplatz ab - reine Routine. Und, wie immer in solchen Situationen - ich dachte, mein Herz bleibt stehen. Ich sah schon von weitem einen schwarzen Porsche in einer der Landschaftsbuchten. Da war doch dieser Tölpel glatt am Tatort stehengeblieben, hatte wohl gemütlich sein Räuschlein ausschlummern wollen. Jedenfalls fanden wir den Typen ruhend vor. Yvette war jetzt zur Furie geworden, ich mußte sie bremsen. »Du bleibst hier im Wagen sitzen«, sagte ich ihr, holte aus meinem Kofferraum den Wagenheber und schritt gemächlich zu dem Schlafenden. Ich suchte die Wagentür aufzumachen, aber das ging nicht. Vielmehr riß ich mir dabei ganz tief einen Fingernagel ein. Die Türen waren von innen verriegelt. Und da wurde er wach, erkannte mich wohl von der >Baby-Bar< wieder. Ich drosch sofort mit meinem Wagenheber auf das schöne Auto ein, zuerst kam die Frontscheibe dran, dann das Dach, dann nahm ich mir die Seitenfenster vor. Dreißig-, vierzigmal prasselte mein ungewöhnliches Zuchtinstrument auf dieses Auto hernieder, der Wagen sah schließlich gottserbärmlich aus. Motorhaube, Seitenteile - da war nichts mehr ganz. Der Tag wurde immer heller, es mag so um die sechs Uhr früh gewesen sien. Ich hätte leicht zum Mörder werden können. Plötzlich öffnete er die Tür, startete aber im selben Moment und gab Gas. Er steckte den Kopf aus der Tür, um sehen zu können, wohin er fuhr - durch die zertrümmerten Scheiben gab es keine Sicht. Mein letzter Hieb, den ich anbringen konnte, war auf seine Hand gewuchtet, die Hand, welche die Tür offenhielt. Ich hörte die Knochen splittern, sein Aufschrei war tierisch. Im Zickzack suchte er sein Heil in der Flucht. Ich war ausgelaugt, leer, aber zufrieden - wollte für nichts
in der Welt dem Flüchtling nachsetzen. Wir fuhren ganz langsam mit offenem Schiebedach nach Hause, schweigend sogen wir den jungfräulichen Morgenduft des neuen Tages ein. Yvette wollte am liebsten in der Badewanne schlafen, sie fühlte sich geradezu beschmutzt. Ich rauchte noch ein paar Zigaretten und ließ meine Gedanken schweifen. Mit geschlossenen Augen überdachte ich meine jüngste Vergangenheit und kam zu dem Schluß: Jaja, es ist schon so, man muß von früh bis spät unentwegt die ganze sogenannte normale Welt auf die Schnauze haun! In der letzten Zeit hatte ich mehr Keilereien gehabt als jeder professionelle Preisboxer.
Mit der Nürnberger-Anni auf Stich Natürlich gab es Schlepperinnen, die nicht nur des Geschäftes wegen zu mir kamen - nein -, ab und zu war auch schon mal eine geil auf mich. Aber, nachdem sie alle ziemlich gute Weiber waren, war es klar, daß ich von Fall zu Fall mit einer im Bettchen landete. Ich nahm leichtsinnigerweise mal eine Maus mit in Yvettes Wohnung - zum Schäferstündchen. Christa war ein großes Mädchen, besaß lange Beine, eine Wespentaille, blonde lange Haare und hatte einen Superarsch. Ein Schlüssel drehte sich, das Licht ging an, und Yvette stand im Zimmer. Tja, solch eine Situation ist ja bekanntlich äußerst peinlich, ich muß vielleicht blöd aus der Wäsche geguckt haben. »Raussss, alle beide - und du nimmst gleich deine Klamotten mit!« machte Yvette ganz sachlich. Und so geschah es denn auch - unsere große Liebe war in diesem Moment verspielt. Aus, Äpfel, Amen! Yvette und ich hatten am nächsten Tag in einem Lokal nochmals eine Aussprache, diese führte aber zu nichts. Am Ne-
bentisch, genau in meinem Blickfeld, saß ein hübsches Mädchen und flirtete mit mir. Nachdem hier, an meinem Tisch, sowieso nichts mehr lief, dachte ich mir, kann ich gleich mit dem Nachbartisch anbandeln. Yvette bemerkte dies auch sofort und sagte: »Na bitte, die. Weiber stehen sowieso alle Schlange bei dir.« Damit erhob sie sich und war verschwunden. »Ich heiße Anni, und wie heißt du?« fragte die kecke Maus über den Tisch hinweg. »Setz dich halt her - war jetzt deine Alte sauer und ist deswegen gegangen?« wollte sie in einem niedlichen Nürnberger Dialekt wissen. »Das macht mir aber nichts aus«, fügte sie selbstsicher hinzu. Freiweg erzählte sie mir, daß sie anschaffe - auf der Landsberger Straße -, und sie sei gerade solo. Nicht schlecht, dachte ich bei mir, ich konnte im Augenblick nicht genug Kohle kriegen, für meine Anwälte und so weiter. Meine Gedanken rotierten - wollte ich doch zu gerne in dieses Geschäft einsteigen. Sie hatte ein Apartment im Westend, wir tranken viel und bumsten ein paar Runden. Ich verließ sie in den Morgenstunden. So, der Anfang ist gemacht, dachte ich - und nachmittags schickte ich ihr per Boten einen Riesenstrauß roter Rosen. Zwei Tage später wollte ich am Abend meine >Baby-Bar< aufsperren, da fand ich das Amtssiegel an der Tür. Mein Laden war verplombt, und ein behördlicher Absender teilte mir mit, auch hier sei endgültig Schluß. Das war nun das sechste Lokal, das sie mir auf diese Art schlössen, und ich war ganz schön konsterniert. Ich dachte mir, die Yvette ist weg, meine Existenz ist weg - was soll werden? Die einschlägigen Stellen konnten meine Akten schließen, polizeilich war ich als Schlepper-Berndt in München mittlerweile amtsbekannt.
Aus Überlebensnot gab es jetzt nur noch eine einzige Möglichkeit - und die hieß: Anni. Ich rief sie an und bat sie, gleich zu mir zu kommen. Wir sprachen über alles, ich erzählte ihr von meiner Pleite mit der >Baby-BarExEdel-Car< noch einen >Heißen Ofen< - ein Motorrad der Easy-Rider-Art. Ich kaufte mir eine Moto-Guzzi, eine Achthundertfünfziger, California. Ließ alle Teile abbauen und verchromen, außergewöhnliche Extras wurden montiert. Zum Beispiel eine Stereo-Anlage, ein Feuerlöscher, ein Ziga-
rettenanzünder, eine Zwei-Meter-Peitschenantenne, fünf Zusatz-Halogen-Scheinwerfer. Was Anni betraf, sie wurde mir zu frech. Es gab aber bereits Ersatz für sie, und deshalb trennten wir uns ohne viel Aufhebens. Kurz zuvor hatte ich eine Blondine kennengelernt, die gerade ihre Liaison mit einem Südländer beendet hatte. Nachdem sie spitzgekriegt hatte, daß ich von der Zunft war, fragte sie mich, wo sie anschaffen könne. Mittlerweile hatte ich schon gelernt, daß die unproblematischsten Partien jene sind, die man nur aus der Ferne poussiert. Zweimal die Woche telefonieren und alle vierzehn Tage hinfahren zum Kohleholen - das war es. So verfrachtete ich Heien nach Mannheim, da kann man je nach Laune rund um die Uhr vor den Schotten stehen. Außerdem erinnerte ich mich des sogenannten Pay-Days, das ist der Tag, an dem das U.S.-Militär Geld bekommt, das dann zumeist gleich verfickt wird. Heien war noch nicht versaut durch Suff und Drogen oder sonstiges, sie war fleißig und brav. Ihr Äußeres ließ es zu, von allen Männern angegeilt zu werden. Als die Mannheimer Jungs ihr Glück bei meiner Heien versuchten, fuhr ich mit ein paar Münchnern rauf - und dann gab es Zunder. Aber Probleme sind dazu da, um bereinigt zu werden, und ich konnte auch in Mannheim Freunde finden. Durch die Tatsache, daß man oft in Puffs verkehrte - im Münchner Imex-Haus kam es häufig zu zwanglosen Sit-ins, zu denen sich Insider des Gewerbes vor den Apartments der Mädchen trafen, sich zu einem Schwatz in den davor aufgestellten Sesseln räkelten, mit den gerade nicht beschäftigten Ladies schäkerten, ihre Witze über die Kunden rissen, die im übrigen von derlei Ansammlungen nicht erbaut waren, da sie eher verschämt auf Stich gingen - lachte ich mir eben in jenem Imex-Haus noch eine Maus an. Naja, Klara, ein Rubensweib, war für meine erotischen Vorstellungen zwar nicht eben maßgeschneidert, sie war aber eine gute Anschafferin. Also egal, Hauptsache Kohle ging ein.
Tatü-tatü Ob Imex-Haus oder andere Puffs, es sind immer Schmelztiegel der verschiedensten Gesellschaftsklassen. Eierdiebe bieten ihre heiße Ware feil, und Huren sind besonders prädestiniert, Stücke, die auf dem normalen Markt teuer wären, fix ganz billig zu erwerben. So tauchte fast allabendlich ein Mann im Imex auf, der dort seine Beute an den Mann brachte - besser gesagt, an die Frau. Ob Pelze, Schmuck oder gar Perücken, sein Angebot war stets vielfältig. Natürlich war sein tägliches Risiko mit seinen täglichen Einnahmen bei weitem nicht identisch. Er war ein kleiner, drahtiger Kerl, hatte sehr schütteres Haar, um nicht das Wort Glatze zu gebrauchen. Er besaß schmale Lippen, listige Augen, und seine Gehirnschale war vollgepackt mit krimineller Energie. Selbstverständlich lernten wir Jungs ihn alle im Laufe der Zeit kennen, wir wollten natürlich schon wissen, von wem unsere Weiber die heiße Ware bezogen. Denn wenn ein charakterloser Idiot von Dieb einmal erwischt wurde und bei den Bullen petzte, an wen er sein Diebesgut verkaufte, waren unsere Weiber wegen Hehlerei dran. Alf hieß er, und er war schon fast einer von uns geworden, er war natürlich kein Hauer, aber ein Typ mit Stil und Ganovenehre. Alf machte auch keinen Hehl daraus, daß er sich schon länger mit dem Gedanken trug, ans direkte Geld, ans Bargeld, zu kommen. Und dieses liegt nun mal bei Zahlstellen, Kassen oder Banken. Er war allerdings der Meinung, zwei Mann und ein Fahrer wären die optimale Besetzung solcher Unternehmungen. Und es dauerte auch nicht lange, bis er zwei Mann aus unserem Kreise für sein Vorhaben erwärmen konnte. Ich war nicht eingeweiht, doch konnte ich beiläufig erfahren, daß konkrete Pläne geschmiedet wurden. Das Objekt, eine Bank, stand fest - und nun kam man auf mich zu. War es doch bekannt, daß ich über einen gewissen Fundus an Waffen aller Art verfügte. Ich staffierte also diese sonderbare Expedition
mit zwei Pusten aus, es waren allerdings nur Leihgaben. Wir handelten aus, daß ich dafür alles Kleingeld bekäme, das sie >einnehmen< würden. Alle Hartgeldrollen, alle Zehner und Zwanziger. In der Hoffnung, daß die Bank über recht viel Kleingeld verfügen möge, gab ich meinen Segen und wünschte viel Glück. >Tatü-tatii-tatü-tü - hier ist ,Bayern Drei', wir geben eine Fahndungsmeldung der Polizei bekannt: Auf eine Filiale der Dresdner Bank in der Münchner Innenstadt wurde soeben ein Raubüberfall verübt, die Täter flüchteten mit einem BMW-V-Acht, Farbe dunkelblau, mit dem amtlichen Kennzeichen Ingolstadt SW-431. Vorsicht, die Täter sind bewaffnet! Tatü-tatü-tatü-tü.< So klang es aus dem Radio, am nächsten Tag um 15 Uhr 50. Ich saß auf meinem Balkon und wartete förmlich auf diese Durchsage, denn derlei Meldungen sind bei >Bayern Drei< seit langem Usus. Also sind sie schon mal zumindest weggekommen, dachte ich bei mir, grinste in mich hinein und drehte mir gleich auf dieses Faktum hin einen Joint. Selbstverständlich war der betreffende BMW gestohlen. Wenn nach zwanzig Ecken unauffällig umgestiegen wird und keine Spuren hinterlassen werden, dann beißen sich die Bullen an einem solchen Fall die Zähne aus. Es ging alles gut, wir trafen uns nachts im Imex. Ich bekam meine >Engelmacher< wieder sowie ungefähr viertausend in Rollen und kleinen Scheinen. Es wurde gesoffen, der Ablauf geschildert, und Alf ging auch gleich einen Stock höher zum Picken. Insgesamt hatten sie runde Achtzigtausend erbeutet, und Rolf, ein Mittäter, erzählte mir begeistert, wie herrlich einfach doch dieses Geschäft mit der Angst sei. »Du machst den Leuten ein paar Minuten Angst und kassierst ein Haufen Geld dafür«, sagte er. Ich hatte fast den Eindruck, als sähe er solches tatsächlich als ein reelles Geschäft an.
Nun - ich war froh, daß sie nicht geschossen hatten, sonst wäre ja eine meiner Waffen sehr heiß geworden. Denn irgendwann hätte eine Projektiluntersuchung mich zum Bankräuber stempeln können, obwohl es ja nicht den Tatsachen entsprach. Der Wetzl Anton hatte eine uralte Pension in der Innenstadt gekauft, war aber der Ansicht, daß das Betten-Vermieten an Touristen nicht so einträglich sei. Um vieles mehr bekam er da schon von den Bordstein-Schwalben, die sich vor der Haustür ihre Freier angelten. Ich besuchte ihn ab und zu, einmal zum Zocken, zum anderen auch, um nachzusehen, welche Hürchen er gerade beherbergte. Er hatte im ersten Stock ein großes Zimmer zu einer gemütlichen Bar umfunktioniert, deren Tür immer einladend geöffnet war. Andererseits war Anton aufgrund der offenen Tür stets im Bilde, was sich im ganzen Hause abspielte. Ich hatte bei ihm vor ein paar Tagen eine süße Maus zum Nulltarif gebumst, und auch heute fiel mir ganz besonders eine Neuerscheinung auf. »Die ist vorgestern erst aus Berlin gekommen«, sagte Anton zu mir, »ich glaub', die ist ihrem Macker abgehauen, weil er sie immer nur aufs Maul gehauen hat«, meinte er aufmunternd. Ich lud sie auf einen Piccolo ein, flirtete mit ihr und erzählte ihr einen Schmarren nach dem anderen. Wie gut sie es bei mir hätte, daß ich sie traumhaft schön fände, daß ich sie liebe und schließlich noch, daß ich mit ihr täglich etwas unternehmen würde. Unser schönes München zeigen, gar das ganze Bayernland - Versprechungen, Blah-Blah. »Höre für heute mit dem Arbeiten auf, wir gehen uns amü sieren«, schlug ich ihr vor. Es war zwar eine Einladung, aber genau besehen, war das mein erster Befehl an sie. So ein hübsches Mädchen verd ient bestimmt nicht schlecht, die wird mir eine gute Partie sein, dachte ich bei mir. Sie wohnte auch in der Pension, da hatte ich keine Scherereien, von wegen bei mir einziehen - und so weiter.
Ich ging also mit Anschy aus, suchte mir aber schon ein Lokal aus, wo ich nicht bekannt war. Schließlich baute ich mir gerade eine Alte auf, die immerhin schon meine dritte sein würde. Und München ist ein Dorf, die Zufälle sind oft merkwürdiger Natur. Nur nicht gesehen, um nicht verraten zu werden! Anschließend fuhren wir zu mir, die Kleine war nicht schlecht im Bettchen. Am nächsten Tag kurvten wir auch tatsächlich etwas über Land, wir eroberten per Seilbahn den Wallberg in der Nähe des Tegernsees. Dort oben genossen wir im Liegestuhl die Sonne, machten eine deftige Brotzeit, und nebenbei erklärte ich ihr, vorsichtig aber bestimmt, wieviel Kohle ich täglich von ihr sehen wolle. Aber so ein Naturbursche bin ich nun auch wieder nicht, dieser eine Ausflug hatte vorerst zu genügen. Sollte Anschy lieber Freier suchen - das lag viel mehr in meinem Sinne. Dennoch, an diesem Tag nahm ich sie mit zu Muttern, die hatte mich eingeladen. Meine Eltern bewohnten jetzt ein Häuschen am Stadtrand, zu dessen Anschaffung ich finanziell beigetragen hatte. Ich fuhr zu jener Zeit gerne zu ihnen raus, wenngleich nicht zu oft. Da gab's immer gut zu essen, und ich ließ oft ein paar De-Emmchen liegen, für einen Sonntagsbraten oder etwa für ein Fahrrad für meinen kleinen Bruder. Meine Eltern schüttelten nur immer den Kopf. Meine Mutter sah wieder einen neuen Ring von meiner Hand blitzen, mein Vater tat verschämt und meckerte: »Immer diese leicht angezogenen Mädchen, was sollen sich die Nachbarn denken!« Versäumte es aber nie, auf die kurzen Rocknähte der also Gescholtenen zu stieren. Bei jedem Besuch mahnte mich mein Vater: »Junge, Junge - wenn das nur gutgeht! Ich habe im Leben noch nie mit der Polizei zu tun gehabt, und du stehst fast täglich in der Zeitung.« »Aber freuen tust du dich über jeden Hunderter, den ich dir gebe. Woher meinst du, kommt denn die Kohle, ha?« So und ähnlich gab ich ihm manchmal zur Antwort. »Mein Gott, sind die Weiber blöd«, antwortete er dann resignierend, und
es kam mir vor, als grüble er über sein Leben nach. Warum er so dumm gewesen war und nicht auch einmal eine Alte abgekocht hatte. Meine Mutter ging trotz allem ganz gut und freundlich mit meinen Mädels um, schmunzelte sogar, wenn sie immer wieder neue Gesichter sah. Der Tag war vorbei, ich fuhr Anschy zu ihrer Pension, dann begab ich mich nach Hause. Ich wollte etwas fernsehen, anschließend ins Imex, um die Klara abzukassieren. Im Imex, im Flur in einen Sessel gelümmelt, fand ich Alf. Er hielt sich schon wieder an einer Flasche Kognak fest. Ich erklärte ihm, daß in der Straße, in der ich wohne, eine schnukkelige Bankfiliale stehe. Die Gegend sei ausgesprochen ruhig, viele mögliche Fluchtwege für einen Raubzug gegeben. »Ich schaue mir das mal an«, meinte er, war aber durchaus begeistert von meiner Nachricht, denn er brauchte unbedingt wieder frische Kohle, wie er hinzufügte. Nach ein paar Tagen war klar - diese Bank wird gemacht. Diesmal sollte kein gestohlenes Fahrzeug eingesetzt werden. Zwei Mann sollten genügen, geflohen wurde mit eigenem Motorrad. Nur ein Nummernschild mußte geklaut werden, somit würden die Spuren verwischt sein. Diesmal gab ich ihnen eine abgesägte Jagdbüchse mit, der Doppellauf sah ganz schön bedrohlich aus. Alf hatte sich in der Bank umgesehen, er meinte, wenn keine Kunden drinnen seien, werde es ein leichter Deal, weil nur drei Leutchen die Besetzung bildeten. Der andere sollte draußen mit der Maschine warten - mit laufendem Motor, versteht sich. Aufgesprungen und weg, leicht durch jeden Verkehr zu kommen - das empfand ich als gute Idee. Sie hatten auch schon eine nahe liegende Garage, in die sie hineinfahren und das Nummernschild wechseln wollten, ausbaldowert. Die Maschine sollte dann ein paar Tage stehenbleiben, man wollte mit dem Taxi in die City fahren. Besser noch - mit der Straßenbahn. Ich war bei meinen Eltern zu Besuch, um wieder einmal ei-
nen Tausender vorbeizubringen. Da kam das Gespräch auf, daß ich für mein süßes Leben doch eines Tages würde teuer bezahlen müssen. Das war gar nicht so ganz falsch gedacht von meinem Herrn Papa, denn insgeheim wußte ich ja, daß die bisherigen Anzeigen gegen mich irgendwann einmal eine Strafe nach sich ziehen würden. Aber das wischte ich geistig stets vom Tisch, im Gegenteil, ich fühlte mich wohl im Underground. Besonders bei meinen Eltern spielte ich immer den Prahlhans, es war, als wollte ich mich für meine allzu ärmliche Kindheit revanchieren, ja fast rächen. »Haha - schalte mal das Radio ein, du wirst sehen, in den nächsten Minuten wird ein Bankraub in München verübt!« sagte ich. »Ich habe alle Fäden in der Hand, ich weiß, was wann, wo, wie passiert.« Nachdem ich ja wußte, daß Alf heute wieder zuschlagen würde und auch wo und um wieviel Uhr, war meine Weissagung nicht schwer. Denn präzise jetzt, um 15 Uhr dreiundvierzig - Sekunden vor Bankschluß - mußte Alf den Kassenraum betreten. Na ja, an einem guten Gelingen war mir gelegen. Und tatsächlich, ich schaute sofort auf die Uhr, kam eine Fahndungsmeldung über den Sender. Mein Vater wurde blaß, nun hatte er den Beweis dafür, daß sein Sohn mit dem aktiven Verbrechen in Zusammenhang stand. Ihm wurde es sicherlich schlecht bei dem Gedanken, ich gefiel mir ganz gut in meiner Rolle. Interessant aber war, daß die Radiomeldung nichts über Fluchtfahrzeug und Fluchtweg aussagte. Es hieß nur - >von dem Täter fehlt jede Spur.< Nun - ich würde es ja nachts erfahren. Mit lautem Hupen gab ich übermütig Gas, als ich meine Eltern verließ, ich konnte nur erahnen, mit welch gemischten Gefühlen und traurigen Gedanken sie mir nachsahen. Alf erzählte mir nachts, daß es ein Kinderspiel gewesen wäre, aber auch, daß die Beute dementsprechend weniger sei. Er hatte die Angestellten kurzerhand in die Toilette ge-
sperrt, deswegen konnten sie gewiß kaum irgendwelche Angaben machen. Ich bekam wieder mein >KleingeldTilbury< am Münchner Platzl bildete sozusagen die Nachbarschaft des Hofbräuhauses. Diese Disco war auch einer unserer In-Treffs, da waren immer gute Teenies und Weiber anzutreffen - Fotohasen und Models, oder solche, die es werden wollten. Schlank und rank, jung und schön, mit fast nichts an, räkelten und wanden sie sich nach den Klängen der HundertWatt-Anlage. Damit wir diese Augenweide ungestört genießen konnten, hatten wir den großen Tisch, direkt an der Tanzfläche, zu unserem Stammtisch erklärt. Niemand anderer durfte dort Platz nehmen, auch wenn noch keiner von uns erschienen war. Setzte sich einmal ein Fremder daran, wurde er nicht bedient - ja, ganz schnell weggescheucht. Irgendwann in der Nacht kam dann einer nach dem anderen von uns an. Die plüschenen Sitzgelegen-
heiten reichten an diesem Tisch für gut zehn Mann, waren wir mehr, wurde die Sitzgruppe auf die Tanzfläche hinaus erweitert. Wir bestellten selbstredend immer nur flaschenweise - Wodka, Whisky oder Champagner. Diese Disco war immer bomb envoll, der Einlaß wurde durch einen Türsteher geregelt. Daß unser Tisch stets frei war, bis wir gnädigst eintrudelten, diese Tatsache blieb natürlich den anderen Gästen nicht verborgen, und sie warfen uns verstohlene Blicke zu, mieden indes jeglichen Kontakt mit uns. War unser Tisch vollbesetzt, saßen da, locker zusammengerechnet, ungefähr hundert Jahre Knast beisammen. Und das war für jedermann ersichtlich, da nützten auch unsere teuere Garderobe und unser scheinbar sanftmütiges Gehabe nichts. Ich saß besonders gern in diesem Laden, die Abschußquote war recht gut. Da habe ich so manchen Teenie rausgefickt. Das war natürlich nicht schwer, mit allen Privilegien des Lokals ausgestattet, wie wir waren, dazuhin immer reichlich Getränke auf dem Tisch, gutes Aussehen, guter Spruch und immer gut gelaunt. Da kamen die Girls wie die Motten ans Licht. Man wußte auch, daß die dicken Autos vor der Tür an unseren Tisch gehörten. Ja - und nicht zuletzt war das >Tilbury< der ehemalige >PferdestallPferdestall< hatte ich doch häufig mit meiner ersten Hure, nämlich der Gina, besucht. >Die modert auch schon im Grab so leise vor sich hinPferdchen< heute ganz anders im Griff hätte. Nun, der >Pferdestall< war eines Tages abgebrannt, was in der Gastronomie nicht unüblich ist. Läuft der Pachtvertrag ab, ändert sich die behördliche Konzession, oder ist ein Laden renovierungsbedürftig - meistens brennt dann der betreffende Schuppen. Versicherungen werden daraufhin ganz hübsch zur Kasse gebeten, zahlen den Löwenanteil der Neueinrichtung. Unser guter Berger, ein kleiner Wieseltyp von Mann, ein Jude, war der neue Besitzer des >Tilburyein Denkmal setzenMünchen-Verbot< erhalten bis vierundzwanzig Uhr derselben Nacht sollte sie abgedunstet sein. Die Zeiger der Uhr rückten auf zwölf, als ich wieder im >Tilbury< landete. Ich dachte, mich laust der Affe, sitzt an einem der hinteren Tische die Manuela. Das schlägt dem Faß den Boden aus, fuhr es mir durch den Kopf, und ich ging sofort auf den betreffenden Tisch zu. Ich wollte mich gerade künstlich aufplustern, meine Macht demonstrieren - da wurde es dunkel um mich. Ich spürte wie im Traum, daß ich Hiebe auf den Kopf bekam. Erst Momente später begriff ich, was geschehen war. Aus Angst vor einer gehörigen Tracht Prügel hatte Manuela offensichtlich ihren Schuh ausgezogen und mir mit dessen Pfennigabsatz mit aller Gewalt auf dem Schädel herumgedroschen. Als ich wieder begann, durchzublicken, dachte ich erst, eine Sektflasche wäre ihre Waffe gewesen - denn diese Hiebe hatten mich für einen Augenblick tatsächlich schachmatt gesetzt. Aber dem war nicht so, es war, wie gesagt, ihr Stöckelschuh. Und ich sah nun obendrein noch aus, als wäre ich unter die Wölfe geraten. Ein Kellner kam gleich mit einem rohen Steak angepest und hielt es mir auf das geschwollene Auge. Ein unbändiger Haß kroch in mir hoch - die Erniedrigung war übergroß. Jetzt nach Manuela zu suchen, hatte gar keinen Sinn, die war auf und davon. Aber, ich würde sie finden! Nachdem ich mich auf der Toilette gesäubert und die Dellen gekühlt hatte, verließ ich das Lokal, ohne zu zahlen. Mir stand nichts anderes mehr im Sinn, als dieses Luder aufzutun, um meine Schmach zu rächen. Ein paar Stunden weiter sah ich sie auf einem Zebrastreifen
stehen, sie winkte in diesem Augenblick einem sich nahenden Taxi. Ich gab Gas, die Reifen quietschten. Es ging alles furchtbar schnell - die Handbremse angezogen, raus aus dem Wagen. Ich bekam Manuela zu fassen. Zum Taxler, der recht verdutzt die Szenerie erkannte, bemerkte ich: »Hau ab, du Arsch!« Manuela begann hysterisch zu schreien, aber sie war gleich wieder still. Ich schlug mit der Faust zu. Mein erster Schlag ließ ihre Sinne schwinden - kein Mensch war um halb fünf in der Frühe auf der Straße. Nur weit entfernt blinkte das Gelblicht einer Straßenreinigungsmaschine. Sie taumelte - ich schlug weiter, wie besessen, auf sie ein. Den nahezu leblosen Körper zog ich in meinen Wagen, Blut lief Manuela über das Gesicht. »Du hast Stadtverbot!« sagte ich ihr unaufhörlich. Draußen, an der Stadtgrenze, an dem Schild, auf dem stand >Herzlich willkommen in München da legte ich sie ab und pißte noch ein bißchen darüber. Wie hatte ich doch mir selber in meiner Kindheit innigst geschworen? ... mich schlägt kein Mensch mehr ungestraft!!! Ab diesem Moment habe ich von Manuela nichts mehr gehört. Doch viel später sollte dieses Mädel nochmals eine Rolle in meinem Leben spielen.
Abgehoben Eine neue Nacht, ein neues Glück - so geht es tagein, tagaus, ob Sommer oder Winter. Ob Sonn- oder Feiertag. Unter diesem Motto begeben sich alle Huren allabendlich außer Hauses ins Puff, auf die Straße oder sonstwohin, wo man für die >Ware Körper< Geld bekommt. Auch Ramona war eine, die außer Hauses ging. Ich hatte sie im >Boccaccio< aufgerissen, besser gesagt, sie war mir dort in die Arme gelaufen. Sie kam geradewegs aus Frankfurt und
wußte nicht, wo sie schlafen sollte, wie sie mir sagte. Dem war leicht abzuhelfen, ich besaß ja noch eine Zweitwohnung in München. Ich besah mir diesen Zahn - eine eingefleischte, abgewichste Hure, dachte ich mir im stillen. Na ja, eine Partie mehr konnte nie schaden, es war mir klar: Die schafft bestimmt gut an. Lederstiefel bis zum Knie hatte sie an und einen Minirock - so kurz, daß man jederzeit dieses geile Dreieck unter dem Spitzenslip und die herauslugenden Schamhaare sehen konnte. Ich dachte nicht sonderlich darüber nach, daß sie kein Ge päck bei sich hatte, sondern zog mit ihr in meine Zweitwohnung, denn mit meiner eigentlichen Bleibe wollte ich sie gar nicht erst vertraut machen. Und innerhalb einer Woche hatte sie mir tatsächlich schon eine ganz nette Mark abgesteckt. Heute, an diesem Abend, wollte sie meinen Wagen haben zum Anschaffen. Sie erzählte mir, wie teuer sich die Huren in Frankfurt verkaufen können, wenn sie mit einem Superschlitten durch die City gleiten. Entsprechende Herren mit noblen Karossen hängen sich dran bis zu einem günstigen Stop. Dann zeigt ihnen ein Blick durchs offene Wagenfenster ein Supergirl mit fast nichts an. Auf diese Weise knüpfen die Huren der Mainmetropole an die glorreichen Zeiten der legendären Matura und Nitribitt an. Auch Ramona hatte in dieser Manier traumwandlerisch Kohle verdient - sagte sie. Das leuchtete mir ein, und, obwohl es mir nicht ganz geheuer war, meinen schönen neuen Wagen aus der Hand zu geben - den Kultgegenstand eines jeden Zuhälters -, willigte ich ein. Schmeichelte der Gedanke doch meinem Ego, eine Edeldirne auf dem Wackel zu haben. Und obendrein konnte ich ja den Hals nicht voll genug kriegen. Noch mehr Kohle zu sehen, mit dem Gedanken war ich immer gut Freund. Zudem war mein Baby sehr genügsam, ihr reichten ein paar Brühwürfel zum Aufkochen - ein leeres Süppchen also und vielleicht zwei trockene Semmeln dazu. So sah ich ihr also vom Balkon aus nach, wie sie in meinen Wagen stieg. Meine Gefühle überlagerten sich. Fand ich es
doch erregend, direkt unter mir durchs offene Schiebedach nur nackte Schenkel zu sehen und volle Titten, in einen durchsichtigen Seidenschal gebunden. Andererseits aber vertraute ich meine größte Liebe, das Auto, nicht gerne einem anderen Lenker an. Eine gewisse Unruhe hatte also von mir Besitz ergriffen. Aber, wie schon gesagt, wenn sich das Ganze in Kohle oder wesentlich mehr Kohle bemerkbar machte, konnte ich vielleicht mit dieser Unruhe leben. Ramona lächelte noch einmal zu mir herauf, startete und war um die Ecke verschwunden. Und jetzt, geradezu lächerlich, kam richtige Trauer in mir auf. Mein geliebtes Auto stand nicht mehr vor der Tür, wartete nicht mehr auf mich, allgegenwärtig, um mich wann immer wo immer hinzubringen. Es handelte sich um einen Mercedes vom Typ 300 SEL, 6,3 Liter, gerade vier Monate alt; die Zusatzausstattungen waren reichlich und teuer gewesen. Es war schon ein erhabenes Ge fühl, dieses sanfte und doch so kraftvolle Geschoß, vollgepackt mit allen technischen Finessen, zu steuern. Außerdem war ich mit diesem Gerät auf allen Straßen der Chef. Wie sehr brauchte ich doch dieses Gefühl der ständigen Selbstbestätigung! Zudem wurde mir klar, daß ich jetzt ohne mein Auto meine Unabhängigkeit verloren hatte. Auf ein Taxi angewiesen zu sein, der Gedanke machte mich ganz krank. Mit Ramona hatte ich ein außergewöhnliches Abkommen getroffen. Wenn sie die ganze Nacht anschaffen war, mußte sie mir erst die verdiente Kohle durch den Briefschlitz in der Wohnungstür werfen. War es meiner Ansicht nach zu wenig, öffnete sich schon gar nicht erst die Tür für sie, bei der der Schlüssel von innen steckte. Da gab es keine Diskussionen, vielleicht durch den halbgeöffneten Türspalt oder so, nein. Wenn einfach alles stillblieb, sich nichts rührte, konnte sie gleich wieder abdampfen. Indes, in der Regel durfte sie beim >zweiten Abliefern< dann doch hinein und ins Bettchen. Meine Gegenleistung war entsprechend, konnte Ramona
schließlich bei mir schlafen, mit mir schlafen, konnte bei ihren Kolleginnen prahlen, sie sei mit dem > Schönen Berndt< liiert. Und jetzt vermochte sie gar noch als Edeldirne sehr bequem auf honorige Freier Jagd zu machen. Das war also die momentane Situation... Ich wandte mich von der Balkonbrüstung ab, begab mich zurück in die Wohnung und schaltete den Fernseher an. Es war am frühen Abend, aber alle Programme versprachen nicht eben viel. In solchen Fällen hatte es sich bei uns Jungs eingebürgert, daß wir uns früher oder später in einer Stammkneipe zu ein paar Runden Billard trafen. Und dies war für mich einer jener Abende, wo man zu Hause nichts verloren hatte. Außerdem war die betreffende Bude schlicht nur meine Zweitwohnung, primitiv eingerichtet, eben gut genug, um mal einen besonders vielversprechenden Freier dahin abzuschleppen (vorausgesetzt, daß mein Wagen nicht vor der Tür stand, was über lange Strecken der Nacht zumeist nicht der Fall war, da ich mich immer irgendwann einmal auf Trebe oder Kontrollfahrt befand). Gerade, daß es nicht nach Gummi und Sperma stank. Also rief ich mir telefonisch ein Taxi und ließ mich in den >Billard-Saloon< chauffieren. Und siehe da, ich war nicht der einzige, den es vor der Glotze nicht gehalten hatte - fünf, sechs Jungs standen bereits an der Bar und süffelten Sekt. Es war ein alter Brauch bei uns, daß der Besteller jeder neuen Flasche durch den Flipperkasten ermittelt wurde. Zum einen gab das immer Spaß und Spannung, denn jeder von uns wollte doch stets der Beste sein. Zum anderen, was machte das schon, wenn man mal verlor. Das waren dann lächerliche dreißig Mark, die man für eine Buddel >Sauerampfer< auswarf. Ich stieß also zu den anderen, und deren Stimmung schlug umgehend auf mich über. Die drei Billardtische standen noch leer, die Kugeln warteten darauf, mit gefühlvollen oder auch kräftigen Stößen in die Löcher karamboliert bzw. gepeitscht zu werden. »Ha, der Berndt ist gekommen!« jubelten sie, um zu ulken:
»Wir haben nämlich schon auf einen Freier gelauert, der die nächste Flasche ausgibt.« »Und ich wollte mich heute kostenlos besaufen«, gab ich zur Antwort. Es war immer ein schönes Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein, es gab unentwegt Neuigkeiten zu berichten. Von unseren eigenen Weibern, von Idioten-Freiern oder einer lustigen Schlägerei, die da oder dort stattgefunden, von einem geilen Teenie, den man umgelegt hatte. Zwei junge Burschen betraten den Saloon, ließen sich Kleingeld geben, machten sich daran, einen der Billardtische für ein Spiel vorzubereiten. Es waren zwei Figuren, die uns augenscheinlich noch nicht kannten. »Weg da!« schrie einer von uns, »die Tische sind reserviert. Ihr könnt da nicht spielen!« »Jaaa - aber ihr spielt doch gerade nicht«, kam der durchaus logische Einwand. »Halt die Schnauze, Kleiner, sonst kriegst du das Queue übers Maul gezogen!« Einer von uns ging, den Billardstock in der Hand, bedrohlich auf die beiden zu, die anderen folgten ihm, scharten sich um die Gruppe. Klar machten wir nur Spaß, würden diese Leutchen nicht einfach so mir nichts dir nichts verprügeln. Das konnten jedoch die armen Burschen nicht ahnen, denn unsere Mienen ließen auf bitteren Ernst schließen, wobei unsere Staturen - keiner von uns maß unter einsachtzig, Brustkörbe hatten wir wie Gorillas - wohl allein schon jedem eine Gänsehaut besorgt hätten. Es bereitete uns einfach Spaß, Angst zu verbreiten. Ganz schnell schnappten sich die zwei jungen Männer ihre Jacken von den Haken und ergriffen die Flucht. Das elektronische Dideldumdei erklang alsbald am Flipper, die Lichter unter der Scheibe tanzten wie verrückt- eine neue Flasche Sekt wurde ausgespielt. Am Ende war ich zweiter Sieger, konnte ihnen also nicht den Gefallen tun, die anstehende Flasche zu bezahlen. Irgendwann wandten wir uns den Billardtischen zu, es wurde um Geld gespielt. Das schaffte einfach mehr Anreiz, und das Gewinnenwollen steckte in jedem von uns.
Ich war bäuchlings über den Tisch geneigt, es galt gut zu zielen. Wenn nämlich dieser Stoß saß, die letzte Kugel im Loch verschwand, war ich um hundert Mark reicher. »Deine Alte kommt, hat die heute frei?« hörte ich den Robby hinter mir äußern. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Wie gelähmt hielt ich im Stoß inne. In meiner Körperhaltung verbleibend, drehte ich lediglich den Kopf, ich ahnte millionenprozentig, was nun kommen würde. Langsam löste ich mich aus meiner Starre, richtete mich auf. Ramona stand vor mir, und wenn man nicht diese geilen Brüste durch den Schal hätte schimmern sehen, hätte man in diesem Moment meinen können, ein Kommunionsmädchen flehe um den Segen. »Das... der... dein Wagen ist kaputt«, stotterte sie. »Ich kann aber nichts dafür, glaube mir. Ich hatte geparkt, bin ein paar Schritte zu Fuß gegangen, der Wagen stand, und ich weiß von nichts —«, sprudelte sie nun ganz aufgeregt hervor. Ich schloß für Momente die Augen, ein klitzekleiner Schwindel überkam mich. »Wo, wie ist das passiert?« Ich hörte meine eigenen Worte von sehr weit herkommen. Leeren Blickes stammelte ich: »Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn. « Die Jungs schüttelten mich, holten mich wie aus einem Traum in die Realität zurück. »O. K., zeig mir die Unfallstelle«, herrschte ich Ramona an. Alle gingen sie mit, da Ramona angegeben hatte, der betreffende Ort befinde sich um die Ecke. Da stand er nun, mein metallicsandfarbener, mein sanfter Riese. Und das Auto wirkte mindestens genauso traurig wie ich. Fast vermeinte man, sein Wehklagen zu vernehmen. Die Erschütterung kroch mir durch Mark und Bein. Das Blech der Motorhaube und des einen Kotflügels stand in bizarrer Weise in die Luft. Überall war der Lack abgesplittert, als Mercedes war dieses Gefährt kaum noch zu erkennen. Aus etlichen Fugen und Schläuchen tropfte es, gerann im Rinnstein zu einer Mixtur aus Wasser, Öl, Benzin, der Flüssigkeit der Air Condition - die ganze Vorderfront war in den Klump gefahren.
Kein einziges Indiz fand sich allerdings dafür, daß der Wagen im geparkten Zustand gerammt worden war. Sofort war mir und den anderen klar, daß der Unfall nicht hier, an dieser Stelle, stattgefunden hatte. »Ramona!« schrie ich in die Nacht, »beide Scheinwerfer sind kaputt, wo sind die Glasscherben? Wo die Lackspuren und die gelben Splitter des Blinkers?« »Das muß jemand alles zusammengekehrt haben«, entgegnete sie beschwörend. »Berndt, ich liebe dich so sehr, bitte, bitte, glaube mir!« Mir aber konnte sie diesen Schmarrn nicht erzählen, mir war es absolut klar, daß dieser schwere Unfall woanders passiert war, und sie hatte den Wagen, so gut es ging, in diese Straße verbracht. Mir war klar, ich wurde hier schamlos belogen - ich sah ihr in die Augen. Eine schlimme Ahnung überkam mich. »Ramona«, zischte ich leise durch meine unbewegten Lippen - »hast du gekifft oder gepult?« Sie nahm nämlich gerne diese Aufputsch-Dinger, weswegen ich ihr schon öfters mal eine übergebraten hatte. Die stark erweiteten Pupillen verrieten sie. »Ramona«, sagte ich jetzt ruhiger - denn es begann sehr ernst zu werden. »Ramona, wo, um Gottes willen, hast du den Unfall gebaut? Zeugen werden die Nummer - meine Nummer - notiert haben, das gibt einen bitterbösen Fall von Fahrerflucht! Bitte, sag mir alles ganz genau, vielleicht kann ich dann noch, gerade noch, diese Sache bereinigen. Morgen nämlich kommen die Bullen, weil dann der Tatbestand der Unfallflucht glasklar ist!!« »Nein, Berndt, ich liebe dich, ich würde dich niemals belügen - bitte, bitte glaube mir. Hier hab' ich das Auto abgestellt, und hier fand ich es auch beschädigt wieder!« Haß stieg in mir auf, unbändiger Haß. Wollte sie mich obendrein noch für dumm verkaufen? Ich sagte ihr nur noch: »Hau ab, zieh deine Kreise zu Fuß! Tag und Nacht wirst du von jetzt ab strampeln und anschaffen, bis dir das Blut kommt -! Verstanden?!«
Und sie zog Leine, war sichtlich froh, daß ich ihr nicht auf der Stelle den Kopf abriß. Aller Zorn aber nützte jetzt nichts, ich mußte wieder zu Besinnung kommen, mußte meine Fassung wiederfinden. Nach einigem fachlich-sachlichen Palaver gingen die Jungs wieder in den >Billard-SaloonBillard-Saloon< ab, bedeutete ihm, ich würde Ramona suchen, um sie nochmals zu interviewen. Sie fror augenscheinlich in dieser milden Sommernacht, hatte sie ja schließlich fast nichts an. Ich sah sie, in sich zusammengesunken, in einem Hauseingang lehnen. Ich winkte sie zu mir ins Taxi, wir setzten uns zum Gespräch auf die Rücksitze. Der Diesel-Motor surrte, die Taxiuhr tickte, leise Musik spielte aus dem Autoradio. Und dennoch war es gleichsam totenstill. Ich sah Ramona an - »Zeig mir deinen Führerschein!« Sie riß ihre Augen noch weiter auf, auf dieses spezielle Ansinnen war sie nicht gefaßt. »Ich habe keinen«, lispelte sieund eine schreckliche Verzweiflung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich schnob laut, es klang, als blähe ein wildes Pferd die Nüstern. Also doch! Robby hatte instinktiv recht gehabt. »Sag mir jetzt ganz genau, wo und wie das passiert ist - haben dich Leute gesehen?« forschte ich sie aus. Dann wurde ich um eine Nuance ruhiger - ich mußte ihr den Ernst der Lage klarmachen. »Es fällt ja jetzt alles auf mich, nachdem du keinen Führerschein hast!« Mir selbst wurde klar, daß alleine schon der Taxifahrer ein Zeuge in dieser Sache war. Ich war ziemlich geknickt ob meiner aussichtslosen Lage. Und nun auch noch die dreiste Lügerei von diesem vollgepillten Suppenhuhn! Dennoch zeigte ich Beherrschung, hatte mich in der Gewalt - was mußte sich schließlich der Taxler denken? ABER... was hatte sie meinem geliebten Auto zuleide getan! Dennoch sah ich für mich ein - ganz schnell durchzuckte mich dieser Gedanke -, Berndt, das hat dir nur deine Geldgeilheit eingebrockt! Immer mehr, noch mehr - jetzt hast du die Kacke! Und Ramona fing wieder an, als hätte sie ein Tonband verschluckt, als bringe ihr verpilltes Hirn keine andere Gedan-
kenvariante mehr zustande: »Berndt, ich schwöre dir, ich habe keinen Unfall gebaut. Ich liebe dich, ich würde dich nie belügen.« Eine riesige Leere kam in mir auf, matt pochte das Blut in meinen Adern. Was saß da neben mir für ein moralisches Gänseblümchen! Und dieses Herzchen säuselte noch von Liebe. Meine Gedanken wallten, kochten lautlos zum Jähzorn auf. Blitzschnell ergriff ich sie am Scheitel, zog zur selben Zeit mit der anderen Hand den Scherben aus der Tasche. Ich schrie wie von Sinnen: »So, du Sau, und was ist das für ein Scherben??! Was war auf der Paul-Heyse-Straße - hm? Die umgefahrene Lichtkeule, was ist mit der? Ha?! Von Liebe sprichst du?... Du, du, du... Satansschnepfe, du dreckige!« Ich zerrte ihr den Kopf an die Rückenlehne, ihr Schwanenhals war leicht nach hinten gebogen - »und jetzt... und jetzt«, sagte ich, »jetzt schneide ich dir mit diesem Scherben den Hals ab!!« Was nun passierte, da konnte ich nur noch staunen und nochmals staunen und schließlich darüber lachen. Ramo na entschlüpfte mir flugs, rutschte vom Sitz, war raus aus dem Taxi - die Todesangst hatte ihr Flügel verliehen. Da saß ich nun, immer noch die Haare in der Linken - es war eine Perücke, die ich festhielt. Die Wagentür stand sperrangelweit auf, laut um Hilfe schreiend, warf sie ihre Stöckelschuhe unterm Laufen von sich und schrie und lief und lief und schrie. Weg war sie - was sollte sich der Taxler denken? Noch immer saß ich wie versteinert und betrachtete die Objekte in meinen Händen. Eine Perücke und ein Glasscherben, was war das doch für eine eigenartige Zusammenstellung!! Ich warf das Zeugs aus dem Wagen und hieß dem Fahrer, mich in ein bestimmtes Lokal zu fahren. Wohin Ramona so schnell und laut schreiend hingelaufen war, wurde mir sehr bald danach klar. Zwei Herren mit ausgebeulten Sakkos, die ich übrigens bereits gut kannte, traten links und rechts an meinen Bar-Platz, nickten freundlich
und sagten: »Berndt, du kannst noch deinen Whisky austrinken.« Hm - ich dachte an meinen Anwalt und daran, wieviel idi wohl diesmal wieder an Kaution würde für meine Freiheit hinblättern müssen.
Am >Ludensee< Man muß sich vorstellen, daß Zuhälter, in der Zeit ihres >WirkensOtto NormalLudenseeSoliden< versauten, denn deren paar Bierchen oder Eis standen in keinem Verhältnis zu dem, was wir konsumierten. An heißen Sommertagen, wenn wir Jungs gerade aus dem Frühlokal fielen, holten wir unsere Weiber von der Maloche und fuhren direkt zum Ludensee zum Schlafen. Bräunen, erholen, Gaudi haben, unter uns sein - diese Wünsche ließen uns dort immer wieder zusammentreffen. Wenn ein dunkelblauer Jaguar E von der Autobahn abzweigte, konnten wir schon von weitem sehen - jetzt kam der Uwe. War es ein roter Maserati - dann kam Fredl, der dunkelrote Benz-Cabrio war Benno - und so weiter. Meistens waren unsere Weiber dabei, oder aber sie schafften gerade rund um die Uhr an. Wir schliefen, schwammen oder spielten Karten, soffen oder palaverten - manchmal auch dummes Zeug. Wenn >Otto Normal< kam, war immer Stimmung angesagt. Meist traten die Ausflügler mit Kind und Kegel auf, suchten in diesem Eckchen Entspannung, ohne aber zu ahnen, daß sie sich hier in der Einbahnstraße des Ärgers bewegten. Wir warteten förmlich schon darauf, wenn jene zu schnell angefahren kamen. Denn dann staubte der trockene Pfad fürchterlich. Und so lag immer schon eine Handvoll Steine bereit, womit wir die Autos bei ihrer Ankunft kräftig bewarfen. Erlaubte sich einer, sich darüber aufzuregen, erfolgte die Antwort: »Hau doch ab hier, aber schnell.« Ganz Mutige ließen sich auf Anhieb nicht vertreiben, bereuten es aber irgendwann. Einige von uns unternahmen ein Ablenkungsmanöver, mit einem Fußball zum Beispiel. Währenddessen schlich sich ein anderer auf Indianer-Manier an
das fremde Auto und stach einen Reifen an. Bald war der platt, und wir amüsierten uns kindlich, wie der Typ nun den Reifen wechselte. Wenn die Leutchen vorher frech waren, gingen eben zwei Reifen drauf. Dann gab es nämlich keinen Reifenwechsel mehr, denn zwei Reserveräder hat niemand dabei. Und so blieb die Rostlaube stehen. Mit dem >Polizei-Holen< haben es ein paar Leute probiert, aber das war zwecklos, es konnte schließlich jeder, rund um den See, gewesen sein. Unser Übermut trieb uns auch manchmal zu richtiger Arbeit an. Wir schaufelten und gruben Querrinnen in den Weg, und zwar an einer Stelle, die wir selbst nie befuhren. Mit Pappendeckeln und Staub getarnt, wurden sie zu bösen Fallen, in die einige fuhren. Je nach Geschwindigkeit gab's sogar Achsenbrüche. Unsere Miezen liefen oft oben-ohne herum, manchmal lagen sie ganz nackt in der Botanik. Wenn sich nebendran eine brave Familie niedergelassen hatte, dann war Ärger programmiert. Die fetten Eheweiber beschimpften ihre Männer oft aufs übelste, wenn die Armen immerzu gierig zu unseren Huren rüberpeilten. »Schamloses Gesindel!« rief so manch Frustrierte zu uns herüber. Im günstigsten Falle gab es unsererseits nur Gelächter. Bennos Alte besaß einen Apricot-Pudel, der war stets mit von der Partie. Luci hieß sie, und sie hatte immer einen Heidenspaß, die Leute zu schocken. Sie ermunterte ihren Hund, schickte diesen betont lautstark zu den fremden Kötern, und dies ungefähr mit den Worten: »Geh Hubsi, geh schön hin zu dem Dackel-Mädchen, und fick sie schön rein! Ei, ist das schön -!« Also kurz und gut, alle Erholungssuchenden, Fremden wurden unentwegt weggeekelt. Aber nicht nur zu unserer Belustigung, sondern wir wollten unter uns sein. Wir hatten mit uns selbst genug zu tun. Es gab Fachsimpeleien, die nie.-
manden sonst etwas angingen, oder beim Zocken gab's im Suff auch schon mal Keilereien unter uns. Der Braunschweiger-Edgar, ein Mann - Typ Kleiderschrank - war mal sturzbesoffen und suchte mit seinen Mitspielern Streit. Er warf den Tisch um, das Bier spritzte und Gläser gingen in Scherben. Dabei waren wir alle barfuß. Karl zerschnitt sich den Fuß und war stocksauer. Er klappte seinen Gartenstuhl zusammen und zog diesen dem Edgar mit Vehemenz über den Schädel. Brumm, broch - Edgar zeigte null Wirkung, verharrte einen Moment und flüsterte uns sodann zu: »Psst, habt ihr das gemerkt? Da geht jemand auf uns los!« Einmal sprang Peter besoffen ins Wasser, machte seine Faxen - tauchte. Wir alle schauten auf den ruhigen Wasserspiegel, Peter kam nicht mehr hoch. Ich war der erste, der die Situation erkannte. Ich sprang in den See und suchte Peter unter Wasser. Es war vielleicht vier Meter tief an dieser Stelle, ein paar Meter weiter ging's aber viel tiefer abwärts. Ich war ein guter Schwimmer, ein guter Taucher - ich mußte ihn finden. Peter war nun schon gut drei Minuten unten. So eine Scheiße, wegen der blöden Sauferei gluckert einer von uns direkt vor unseren Augen ab! Die Sonne war schon weg, es war dunkel im Wasser, die Sicht war sowieso nicht gut, der Grund war stets von den Badenden aufgewühlt. Ich wollte gerade wieder hoch, um Luft zu holen, da machte ich schemenhaft einen blassen Leib zwischen den Algen aus. Ich ging nicht an die Oberfläche zum Luftholen, drei, vier Schwimmstöße noch, dann war ich bei ihm. Ich glaubte, es würde mir die Lunge zerreißen, aber ich wollte ihn jetzt gleich mit nach oben nehmen. Jede Hundertstelsekunde zählt, dachte ich mir. Ein Fuß von ihm hatte sich in den Algen verfangen. Auch mir wollten die Sinne schwinden, mit letzter Kraft kam ich nach oben. Jetzt sprangen alle anderen ins Wasser, um uns zu bergen - Peter hatte bereits Herzstillstand. Ich machte bei ihm wie verrückt Wiederbelebungsversuche - Arme hoch, Arme auf die Brust gedrückt, den ganzen
Körper auf den Kopf gestellt, und das Ganze wieder von vorne. Mein Gott, er spuckte Wasser und begann wieder, ganz schwach, zu leben! Ich machte weiter, bis der herbeigerufene Krankenwagen eintraf. Tatü, tatü, Peter wurde weggebracht, und wir waren alle sehr betreten. Als ich Peter am nächsten Tag in der Klinik besuchte, kam kein Wort des Dankes über seine Lippen, vielmehr donnerte er los: »Du bist mir schon der richtige Lebensretter - sieben Rippen hast du mir eingedrückt!« Hab' ich den doch wohl zu kräftig wiederbelebt, dachte ich mir beim Verlassen des Krankenhauses. Naja, wir waren halt rauhe Burschen.
Hochzeit in Heidelberg In meiner Zeit als Zuhälter habe ich mir meine Eltern- und Geschwisterliebe regelrecht erkauft. Und, was meinen Lebenswandel betraf, was blieb mir anderes übrig, als diesen etwas zu kaschieren. Meine Geschwister waren vielleicht zu naiv, um genau zu wissen, woher ich mein >Großes Geld< hatte. Meine Eltern mochten es vielleicht erahnen, aber schoben solche Gedanken sicherheitshalber von sich - klar, als brave Bürger. Ich sagte auch meistens, daß meine Lokale ganz gut liefen. Meine Schwester ging dann irgendwann zum Studium nach Heidelberg. Germanistik, glaube ich, war angesagt. Natürlich braucht man erfahrungsgemäß nicht lange darauf zu warten, bis sich dann so ein Mädel, weg vom elterlichen Herd und der Strenge seiner Erzeuger, etwas fürs Herze sucht. Prompt war es dann soweit, ein Student, ein recht netter junger Mann, ward auserkoren. Ich hörte dies so am Rande der Familiengespräche. Meine Mutter bat mich, ich solle meine Schwester mal in Heidelberg besuchen. Ich hatte
nämlich erwähnt, daß ich in Mannheim öfters geschäftlich zu tun hätte. Und wieder einmal war ich auf der Autobahn MünchenMannheim unterwegs, um meiner Heien einen Besuch abzustatten - sprich: Kohle zu holen. Es war ein Frühlingswochenende; und ich sagte, »komm Schnuckelchen, wir fahren nach Heidelberg aufs Schloß, Kaffee trinken.« Auf dem Heimweg fuhr ich durch die Innenstadt, um das Haus, in dem meine Schwester wohnte, zu finden. Es handelte sich um ein recht altes Rückgebäude, und ich entdeckte die Klingel mit ihrem Namen. Auf längeres Läuten hin machte ihre Zimmerwirtin auf und sagte, daß meine Schwester außer Hauses sei. Ich stellte mich als ihr Bruder vor und fragte, ob ich ihre Wohnung sehen könne? Ich wurde in ein dunkles Zimmer geleitet, und ich erschrak, wie spartanisch meine Schwester hauste. Wirklich nur das Allernötigste war vorhanden. Zwei Matratzen lagen am Boden, welche offensichtlich als Lagerstatt und Liebesnest dienten. Schnell wandte ich mich ab und war froh, mein Mädel im Wagen gelassen zu haben. Für soviel Armut hätte ich mich fast geschämt. Auf jeden Fall drückte ich der Wirtin einen Hundertmarkschein in die Hand mit der Bitte, das Geld meiner Schwester zu übergeben. »Richten Sie ihr bitte schöne Grüße von ihrem Bruder aus« - und damit war für mich die Sache erledigt. Ein Jahr später, im Sommer, erfuhr ich von meinen Eltern, daß meine Schwester Gaby in Heidelberg heiraten wolle. Meine Eltern drucksten rum, sagten, daß die lange Fahrt dorthin strapaziös sei und daß so eine Hochzeit auszustatten recht viel Geld koste. Man kenne auch den Bräutigam wenig und und so weiter. Dieses Gerede kannte ich von meiner Hochzeit damals, da kamen meine Eltern nämlich auch nicht. Spontan entschloß ich mich, zum ersten meiner Schwester und zum zweiten meinen Eltern eine Freude zu machen
und die Hochzeit zu organisieren. Mir war ja klar, daß es sich hier vor allem um die Finanzierung handelte; feiern an sich das täte man schon gerne. Also orderte ich telefonisch im Heidelberger Schloß-Cafe einen Mittagstisch für den Tag der kirchlichen Trauung, später sollte dann noch ein Kaffeestündchen statthaben. Es war ein schöner Sommermorgen, noch ganz früh, als ich meine Eltern abholte. Ich fuhr den damals ganz neuen Mercedes 280 SE Automatik, dieser Wagen war gerade sechs Wochen alt. »Danke schön, Berndt, daß du uns hinbringst, wir wären doch schon zu alt, um so eine weite Strecke zu fahren. Und, wer weiß, ob das unser altes Autochen überhaupt noch mitgemacht hätte«, und so weiter. Ach, welch fromme Lügen - dachte ich bei mir und gab Gas, die Nadel des Tachos glitt langsam auf die 200 zu. Ich amüsierte mich ein bißchen, wie sich mein Vater auf dem Beifahrersitz einstemmte, weil er mit dieser Geschwindigkeit nicht ganz zurechtkam. Hinten saßen meine Mutter und mein kleiner Bruder. So fraß ich, wie gewohnt, die Kilometer. Ich glaube, ich kannte jede Kurve schon blind, denn diese Strecke fuhr ich seit einem guten Jahr alle vierzehn Tage. Kurz vor Mannheim, bei Schwetzingen, deutete ich nach links und rechts. »Von diesen Feldern hier kaufe ich den frischen Spargel, den ich euch immer mitbringe«, sagte ich. Na ja, es war ja sowieso egal, was ich sagte oder tat, es drehte sich immer nur darum, daß es meine Angehörigen durch mich schön und angenehm hatten, daß immer alles kostenlos war - sogar einige Luxuseinlagen. Was soll's, dachte ich mir immer- das ist mein bürgerlicher Kontakt, und auch so was muß gepflegt werden. Um Punkt neun Uhr trafen wir in Mannheim ein, ich hielt am Stadtbrunnen. Erst jetzt gab ich meinen Eltern zu verstehen, daß ich für eine halbe Stunde noch ein schnelles Geschäft zu tätigen hätte. Entsetzen brach aus, als meine Eltern von meinem Vorhaben vernahmen. »Ja«, sagte ich großspurig, »man erwartet von mir die Fi-
nanzierung der Hochzeit samt allen anderen Unkosten, also muß ich mich auch drum kümmern, daß das Geld dafür hereinkommt. Es dauert nicht lange, ich werde in einer halben Stunde wieder da sein. Schaut euch derweilen den schönen Brunnen an, setzt euch hier auf die Bank, um ein bisserl Sonne zu tanken, ich bin gleich wieder da.« Ganz leise fragte meine Mutter: »Was sind das denn für Geschäfte, die du in ein paar Minuten abwickelst?« Sie sahen mir wohl mit gemischten Gefühlen nach, als ich um die Ecke, Richtung Lupinenstraße verschwand. Das ist dort die Puff-Straße. Sie hat eine Länge von ungefähr 200 Metern und ist am Anfang und Ende durch eine Stahlblech-Konstruktion zugebaut. Nur ein schmaler Einlaß gibt diese Zeile der Sünde frei. Links und rechts in den Häusern leben zirka 150 Liebesdamen; aus den Parterrefenstern werben sie um die Freier. Manche lehnen an den Hauswänden, viel Fleisch gibt's zu sehen, spärlich verpackt in kitschige Spitzen. Im Haus Nummer 12 schaffte mein Baby an, und die Wirtschafterin sagte mir, daß die Heien gerade in ihrem Zimmer auf Stich sei. Fleißig, fleißig, dachte ich mir, sah auf die Uhr, weil es mich immer wieder interessierte, wie schnell meine Mädels arbeiteten. Nach einer Zigarettenlänge wollte ich nicht länger warten und ging hinauf. Ich betrat ganz einfach ihr Zimmer, obwohl ich ja wußte, daß der betreffende Freier ganz schön dumm gucken würde. So war es denn auch; ein blasser Mehlsack sah mich im Zimmer stehen, und wahrscheinlich ist ihm die ganze Pimperei vergangen, als ich meine Heien begrüßte und von ihr verlangte: »Schmeiß ihn raus, den Kerl!« Der Gast sah mich mit großen Augen an, und ich sagte zu ihm: »Hast du nicht gehört? Raus hier, aber schnell, nimm deine Klamotten mit, du kannst dich draußen anziehen.« Der verstand die Welt nicht mehr, grabschte unbeholfen nach seinen Siebensachen und trollte sich, vor sich hin murmelnd, ins Treppenhaus. »Du spinnst«, sagte mein Baby, »das ist ein Super-StammFreier von mir, der wird wohl nie mehr wiederkommen. Was machst du hier, so unangemeldet?« wollte sie wissen, denn
das kam wirklich nicht alle Tage vor, daß ich außerplanmäßig erschien. »Ach, ich wollte dich nur mal überraschen, überprüfen, ob alles klar ist hier mit dir« erwiderte ich. »Du weißt doch, daß ich brav und fleißig bin«, kam die Antwort. »Na ja, das war ja auch nur Spaß«, sagte ich, »außerdem muß ich gleich wieder gehen. Wo ist die Kohle, Baby?« »Im Schrank, unten im Schuhkarton, aber warum gehst du gleich wieder?« erkundigte sie sich. Ich zählte runde dreitausend Mark, schob das Geld ein und erzählte ihr von der heutigen Hochzeit meiner Schwester und wo wir feiern würden. Und weil meine Heien immer schon ein bisserl eifersüchtig war, kam auch prompt die Frage: »Stimmt das denn auch? Oder hast du in Heidelberg vielleicht eine neue Partie aufgerissen?« Ich antwortete darauf nur, daß mir ihre blöde Eifersucht auf den Wecker ginge, und das habe schon alles seine Richtigkeit. Sie könne sich ja überzeugen, die Hochzeitsgesellschaft feiere im Heidelberger Schloß-Cafe. Ein flüchtiger Kuß - und weg war ich, denn meine halbe Stunde war schon überzogen. Ich holte meine Eltern vom Springbrunnen ab, und wir fuhren wie der Teufel nach Heidelberg. Als Treffpunkt war die Kirche Sankt Sowieso vereinbart. Ich hielt aber rasch noch vor einem Blumenladen, ließ mir auf die schnelle ein Riesenbukett Rosen auf die Motorhaube kleben - und wir erschienen fast pünktlich zur Trauung. Meine ältere Schwester war ebenfalls mit ihrem Mann und ihren Kindern angereist, damit war unsere Familie komplett. Von der Bräutigamseite her waren ungefähr zehn Angehörige anwesend. Man machte sich vor dem Kirchenportal bekannt. O mein Gott, dachte ich, diese Leute hier sind alle nicht nur solide - sondern stocksolide. Der Vater des Bräutigams war evangelischer Pfarrer. Seine Frau, dürr und grauhaarig, paßte zu ihm. Der Rest - alles Studierte, meine Familie ja mit inbegriffen. Sie waren sämtlich dezent-hausbacken
gekleidet, ich stach mit meinem blütenweißen Maßanzug direkt heraus. Doch das machte mir gar nichts aus, ich hätte allerdings besser in >Casablanca< mit Humphrey Bogart gepaßt als in diese gutbürgerliche Hochzeitsgesellschaft. Nun sagte sich das Paar ein lautes JA. Ich glaube, die Kirchenmusik kam über Tonband von der Chor-Empore. Die Braut weinte ein bißchen vor Glück, aber so was soll es ja tatsächlich geben. Wir fuhren auf das Heidelberger Schloß, die Tafel war wunderschön dekoriert, und ich hatte das Ge fühl, ich hätte das Ganze telefonisch gut hingekriegt. Ich meldete mich beim Boß des Restaurants, stellte mich vor und erklärte diesem, daß ich für die Rechnung verantwortlich zeichnen würde. Ich nahm am Kopfende der Tafel Platz, um der Gesellschaft zu suggerieren, daß ich der >Pate< dieser Versammlung sei. Na ja, wie das so ist - mit der Suppe wurde begonnen, Kalbsmedaillon mit Kroketten und so weiter folgten; als Dessert gab es Eis. Jeder sprach mit mir nur das Nötigste und umgekehrt. Mir war ziemlich schnell klar, daß wohl hinter hohler Hand getuschelt wurde, was ein >Durchblicker< unschwer erkennen konnte - daß ich ein Zuhälter war. Aber genau das kannte ich ja schon seit Jahren, daß solide Leute leicht elektrisiert mit mir verkehrten. Und da saßen wir nun, tafelten, gabelten und tranken Wein. Mir stockte der Atem. Ach, du meine Güte, das war ja ein Ding! Stand da in der Tür mein Baby. Das war wieder einmal ein Bild für die Götter. Bekleidet war Heien mit einer hautengen Nappalederhose - fliederfarben. Dazu trug sie, haargenau farblich passend, hohe Lackpumps und ein Seidentop. Ihre langen, blonden Haare fielen über ein weißes Breitschwanzjäckchen. In diesem Aufzug wäre sie eine Augenweide für alle >PlayboyArmada< von gefährlichen Jungs nötigenfalls mit einer ganzen Stadt fertig werden würde. Aber das war jetzt eigentlich nur noch eine Frage der Bewaffnung. Alles klar. Wir fuhren sämtlich nach Hause, um unser jeweiliges Waffenarsenal zu holen und uns Punkt zweiund-
zwanzig Uhr in einem Rummsladen an der Stadtgrenze Münchens zu treffen. >Greger-Bax< hieß die Hütte an einer Ausfallstraße in Richtung Ingolstadt. Ich bezeichne dieses sonderbare Unternehmen deswegen mit >SternfahrtMaso-Liebe< kostet ein paar Mark mehr, und es gibt genügend Dominas, die sich auf solche Gäste spezialisiert haben. Richtige Folterkammern stehen dafür bereit, mit Büßer-Bock, schmerzenden Hand- und Fußschellen. Gar Kreuzigungen stehen laufend auf der Freier Wunschlisten, Daumenschrauben und Ketten, das alles wollen diese Männer spüren. Sie lecken den Fußschweiß zwischen den Zehen der Herrin ab und schlürfen, oft genug, genußvoll die vollgespritzten Pariser der vorherigen Gäste aus. Und es kommt noch weit verwegener. Da ist das Kapitel >Sekt und KaviarSekt< steht stellvertretend für Pisse, und >Kaviar< soll elegant das Wort Scheiße ersetzen. Es geschieht bestimmt nicht selten, daß der Wunsch an die Hure herangetragen wird, sie solle sich nackt über den Kopf des Freiers hocken und ihm ein paar Schlucke Urin verabreichen. Ge -
nauso bringt diese Art von Kavalieren ein kleines silbernes Tellerchen samt einem kleinen silbernen Löffelchen mit. Die Abart, Scheiße oral zu genießen - die gibt es. Wieder ein anderer schleppt Knöpfe, Nadel und Faden an - möchte gerne einen Knopf an die Vorhaut genäht kriegen, schon auch mal direkt an die Eichelspitze. Oft fließ Blut dabei, und ein paar Hunderter muß der Herr mit Knopfschmuck schon dafür hinblättern. Manche Mädels machen dies alles - klar, es gibt sehr viel mehr Geld dafür. Andere hinwiederum pfeifen auf die Kohle und lassen sich auf solchen Unfug nicht ein. Seltener zwar, aber das passiert schon auch, kommen relativ angenehme Gäste zu den Damen der Zunft. Die wollen absolut nichts Erotisches treiben. Vielmehr geht ihr Begehren dahin, Händchen zu halten, daß die betreffende Dame mal über ihren Scheitel streicht, und sie wollen sich - unterhalten. Und dafür zahlen diese Herren dieselben Sätze wie die übrigen, je nach Zeit bemessen. Warum aber wollen sie sich mit einem käuflichen Mädchen unterhalten? Weil sie zu Hause mit ihren Ehefrauen nicht mehr reden können. Und so finden sie den Weg zu den Dirnen. Sie brauchen jemanden, der ihnen zuhört. Was heißt, daß Huren auch etliches an seelischem Ballast verarbeiten, als seelische Müllkippe ihrer Gä ste herhalten müssen. Und hier sind wir beim Thema Ehefrau bzw. Ehemann. Neunzig Prozent aller Freier sind verheiratet, gehen also lustig hie und da fremd. Das machen diese Herren mit einer solchen gelassenen Selbstverständlichkeit, daß man nur staunen kann. Soviel zur heuchlerischen Moral der sogenannten >bürgerlich-soliden< Gesellschaftsschichten. Na ja, selbstverständlich läßt sich eine Reihe von Gründen dafür aufführen, warum die braven Ehemänner so munter durch die Puffs bumsen. Gewißlich gibt es liebende Gattinnen, die dem Ehemann nicht den Wunsch erfüllen, ihr mal auf die Titten spritzen zu dürfen oder ihm mal genüßlich einen zu blasen. Geile Sprüche und andere Positionen als die Missionarsstellung sind in den bürgerlichen Schlafzimmern
noch immer eine Seltenheit. Auch klagen viele Freier unverblümt, daß sich die einstmals hübsche Ehefrau seit der Heirat gehen ließe, sie sei unförmig, fett geworden oder wirke verschrumpelt und sei ungepflegt zu nennen. Zumeist füngiert Manne nur noch als Geldverdiener, als Versorger der Familie und muß förmlich darum bitten, seine träge Ehefrau besteigen zu dürfen. In aller Deutlichkeit soll an dieser Stelle einmal auf die harte Arbeit der Dirne hingewiesen werden. Von wegen, daß ein solches Mädchen die Kohle leicht und im Schlafe verdienen würde! Vierzehntägig, häufig gar wöchentlich unterziehen sie sich einer ärztlichen Untersuchung im Gesundheitsamt der jeweiligen Stadt. Untersuchungen, Abstriche garantieren, daß ihre Gesundheit und Hygiene auf dem neuesten Stand sind. »Heute gehe ich auf den Bock« - sagen dazu die Mädels, womit der Untersuchungsstuhl gemeint ist. Eine, die als ihr tägliches Revier den Straßenstrich gewählt hat, friert jährlich gute fünf Monate bitterlich. Die Damen der teuren Etablissements sind wohl vor Gelegenheitsmördern sicher, doch die Besucher mit den volleren Brieftaschen mö gen keine Gummis, ficken lieber >liveAbkochen< - nein, die betreffenden Damen gelangen durch ihren Job in unzählige Genüsse, die eine normale Frau nicht zu einem Hundertstel durchleben wird. Letztlich ist die Hure stolz darauf, daß sie jeder >Normalfrau< im Sexual-Erleben weit überlegen ist. Die Mädchen verdienen dadurch viel Geld, obwohl die
>Füllhornzeiten< der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte wohl vorerst dahin sind. Aber daß dieses >Kohle-Machen< reibungslos funktioniert, daß der Schutz der Mädchen weitestgehend gewährleistet wird, daß diese Organisation organisiert bleibt, dafür sorgt der Zuhälter. Ich habe schon genug fatale, nicht der Realität entsprechende Schilderungen in den Massenmedien erlebt, was die >Zunft< betrifft. Nun will ich über ein paar Seiten hinweg den Scheinwerfer richtig einstellen, dieses Thema etwas besser beleuchten. Ein altes Sprichwort besagt: Der Zuhälter wird nicht geboren, er wird dazu gemacht. Das heißt im Klartext, daß zumeist das Mädel dem Jungen den Vorschlag machen wird, für ihn anschaffen zu gehen. Aber schön der Reihe nach, der Kreis schließt sich letztlich stets. Irgendwelche Lebensunebenheiten, welche auch immer, entzünden bei einer jungen Frau diese oder ähnliche Gedanken. Sie entdeckt ihren Körper, erfährt auch schon bald, daß alle Männer absolut vordergründig nur nach diesem verlangen. Und so gibt es eine relativ große Zahl von Frauen, die sehr schnell mit sich klar kommen, aus diesem >Urquell< zu schöpfen. Nur, ihr Instinkt verrät der Willigen, daß sie, ganz alleine auf sich gestellt, in dieser Szene zu schwach ist. Sie spürt, sie ahnt, sie weiß, daß es in diesem Milieu sehr hart zugeht - also braucht sie einen Macker. Ich möchte sagen, sie geht nun auf die Suche nach Ihm. Da tun sich für sie zwei Möglichkeiten auf, zwischen welchen beiden sie wählen kann und wählen wird. Zum ersteren, sie zieht sich geil an, um zu zeigen, welches Kapital ihr Körper bildet. Und sie geht zielsicher in die Kneipen, Discos oder Treffs des Milieus - macht auf sich aufmerksam, vergißt aber nicht, gleichzeitig ihren Geschmack auf die Waagschale zu legen. Das heißt, sie gibt zu erkennen, welcher Typ ihr besonders gefallen würde. Damit ist sie schon >daheimschönes< Leben zu leben. Sie sucht sich nach ihrer Einschätzung das Feinste vom Feinsten in der Überzeugung, er wird sie, die Zuckermaus, nicht ablehnen, zumal für die Zukunft große Kohle ins Haus steht. Und deswegen sei gesagt, daß Zuhälter keineswegs Lederjacken tragende Ungeheuer sind, sondern meist gutaussehende, junge, starke Männer. Natürlich muß das Mädel in ihrer Wahl auch darauf achten, daß dieser Typ in Psyche und Physis stark genug ist, diesen gefährlichen Weg gehen zu können. Na ja, und schon ist dieser bislang unbescholtene Junge dazu überredet, ins Milieu einzusteigen - er wird zum Zuhälter gemacht. Es erwartet ihn zunächst ein Dornenpfad, ein Spießrutenlauf, ein Weg, den alle Jungs vor ihm gehen mußten. Es ist eine eigene Welt mit festgemauerten Prinzipien, Methoden und Abläufen. Er muß sich durchsetzen, sich einen Namen
schaffen - ein gewisser Bekanntheitsgrad ist und bleibt Voraussetzung, um in diesem Lebenskreis bestehen zu können. Es wird immer wieder einmal seine Einstellung geprüft oder seine Schlagfertigkeit - die anderen Jungs wollen nämlich ganz genau wissen, wo er steht. Ist er schwach? Ist er feige? Ist er einer von unserer Güte? Putzt er sich den Mund ab, wenn er mal eine auf die Schnauze kriegt? Oder geht er zu den Bullen? Nimmt er unsere ungeschriebenen Gesetze an? Kann man mit ihm rechnen, wenn es gegen andere geht? Hat er seine >Alte< gut im Griff, daß die ebenfalls im Milieu keine Scheiße baut? All das und vieles mehr wird dieser Neuling durchexerzieren müssen. Wenn er eines Tages dieses schwere Einmaleins beherrscht, dann ist er ebenbürtig, und die Lehrjahre haben ihn zu einem gefährlichen Zeitgenossen gemacht. Und >Otto Normal< tut gut daran, seine Kreise nicht zu stören. Wenn ich zuvor diese Welt als in sich vielschichtig und unterschiedlich bezeichnete, dann geschah dies deshalb, weil ich weiß, daß darin genauso Individualisten leben, wie in der sogenannten mormalen Gesellschaft.;. Die einen Mädels bevorzugen den Straßenstrich oder das Wohnmobil, da wird der Freier ganz unkompliziert in fünf Minuten abgefertigt. Andere wiederum fühlen sich im Puff geborgen, können dort gar schlafen und leben. Edeldirnen arbeiten überwiegend in feudalen Clubs. Wenn's noch gehobener zugehen soll, dann reichten ein Luxusapartment und ein volles Notizbuch mit mehr oder weniger bekannten Namen unserer Zeit. Flippige, meist jüngere Hürchen wählen die Art einer gutbezahlten Reisebegleitung von Playboys. Ob Cote d'Azur oder Ibiza, überall liegen ja die schnuckeligen Schiffchen, da gibt's ein paar Riesen und viel Spaß und Sonne. Allerdings muß so eine Luxusmaus jederzeit und auch für den Freundeskreis des Betreffenden verfügbar sein. Daß dabei der Alkohol fließt, ist klar; und die moderne Zeit hat den Joint und andere Drogen besonders in diesen Schickimicki-Kreisen zur Selbstverständlichkeit gemacht.
Woran mir lag, war, aufzuzeigen, wie wichtig die Stellung der gewerblichen Liebesdienerinnen innerhalb der Gesellschaft ist, wobei dies in menschlichen Zivilisationen nie anders war. Im vierten Jahrhundert vor Christus, dem Zeitalter der berühmten Hetären (griech. hetaira = Gefährtin), schämten sich berühmte Geister deren Begleitung nicht. Wegen Aspasia von Milet trennte sich Perikles von seiner ersten Frau und ehelichte das hochgebildete ehemalige Freudenmädchen. Alexander der Große schätzte die Gegenwart von Thais, einer Hetäre aus Athen, obschon er, wie wir wissen, Knaben den Vorzug gab und sie an seinen General Ptolemaios weiterreichte. An einigen Orten stand das Hetärenwesen mit dem Aphroditekult im Zusammenhang. Oder nehmen wir Madame de Pompadour (1721-1764), die als Jeanne Antoinette Poisson Zugang zur Residenz Ludwigs XV. fand, seine Kurtisane und schließlich geadelt wurde, um großen Einfluß auf die damalige französische Politik auszuüben. Unser bayrischer Kini, Ludwig I. (1818-1861), flippte auf Lola Montez aus; Christine Keeler und Mandy Rice-Davis brachten englische Politiker ins Schleudern. Also, liebe Freunde, sei es, wie es sei - ich plädiere dafür: »Die Gläser hoch - für das älteste Gewerbe der Welt!« Dem Zuhälter kommt im übrigen eine weitere wichtige Position zu. Denn all diese Mädchen haben privat auch ein Herz, eine Seele, sehnen sich genauso nach Liebe und Geborgenheit wie andere Frauen, wollen ihren Orgasmus mit ihrem Liebsten erleben. Sie hegen insgeheim ebenfalls den Wunsch nach einer intakten Familie, wollen allerdings erst durch ihren Job einen finanziell gesicherten Status erlangen. Ihr Partner und Lebensgefährte soll ihnen dabei in ihrem Alltag zur Seite stehen, gerade sie sind, wie bereits erwähnt, ja besonders schutzbedürftig. Und hier führt kein Weg vorbei dieser muß sich im Milieu auskennen, er muß dafür besonders geschaffen und geeignet sein. An den Arbeitsplätzen der Mädchen, wo Gefahren lauern,
sind die Jungs jederzeit präsent. Da halten sie, wenn immer dies nötig ist, ihre Knochen hin, verhindern, daß die Mädels zum Freiwild werden. Auch unter den Luden wird laufend die Rangordnung zurechtgerückt. Rolex oder Kaufhaus-Watch, Nobelkarosse oder Mittelklassewagen drücken letztlich den Rang eines jeden Zuhälters aus. Nicht ohne zu schmunzeln, möchte ich behaupten, daß diese Minderheit >Milieu< ganz schön die Wirtschaft mit belebt. Denn man gibt das >leichte Geld< stets mit vollen Händen wieder aus. Großvolumige Autos - teuerst in Haltung und Verbrauch -, Schmuck, Klamotten und noble Accessoires sollen eine gute Visitenkarte des halbseidenen Lebens abgeben. Karibik-, Malediven- oder Seychellen-Urlaube verstehen sich von selbst. Das alles zusammen, samt snobistischen Diners oder gar Waffenkäufen auf dem Schwarzmarkt machen auch die vollsten Geldbeutel ganz schnell wieder leer. Hinzu kommt das >ZockenFachkreisen< - »Ablegen«! Jeder, der ein Weilchen in diesem Leben steht, hat sich angepaßt, kennt alle Regeln, ist sozusagen etabliert. Kommen das Mädchen oder ihr Lude in Schwierigkeiten, wird geholfen; der größte Feind der Dirnen und Zuhälter ist die Polizei. Das ist wie Himmel und Hölle, wie Feuer und Wasser. Begeht jemand einen fatalen Fehler, gibt es ungeschminkt eine aufs Maul, auf die Ohren, oder manchmal gibt's die Kugel. Fast immer ist der Junge der Anlaufpunkt, er muß auch für seine Alte >geradestehenmit Stacheldraht umwickeltkerndl-gefütterten< Burschen Körper aus Gußeisen besaßen. Bei Auseinandersetzungen schien es, als wären sie bei sämtlichen Schmieden dieser Welt in die Lehre gegangen. Vom Rausschmeißer bis zum Clubbesitzer hat sich Hannes hochgearbeitet - wir waren dicke Freunde. Hannes hatte zu Hause in seinem kleinen Städtchen etwas zu tun, dies wollte er an einem bestimmten Wochenende erledigen. In einer feucht-fröhlichen Runde tat er dies kund, spontan entschlossen sich drei Mann, ihn in dieses Wochenende zu begleiten. Einige Gründe sprachen dafür - wir Großstadt- und Nacht-Geschädigten wollten uns einmal für ein paar Tage im Bayerischen Wald entspannen. Ferner sicherte uns Hannes zu, ein paar Teenies für unsere Nächte dort parat zu haben. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, daß wir in einem nahegelegenem Steinbruch ein paar Schießübungen abhalten konnten. Alles zusammen versprach, daß wir
Gaudi-Tage erleben würden. Übermorgen also sollte es losgehen. Falco, der Neger-Bomber, Hannes und ich, wir begaben uns schon frühmorgens mit zwei Mercedes-Schlitten auf die Landstraße. Falco, ein Mischlingsjunge, 1,90 groß, mit einem Athletenkörper wie aus Bronze gegossen, besaß ein besonderes Kennzeichen: Er hatte einen Glatzkopf wie Yul Brynner. Seine vollen Lippen und blitzenden Zähne lachten immer. Er war eigentlich sanftmütig wie ein Lamm - nur, gefährlich war's, den Leu zu wecken. Der Neger-Bomber machte seinem Namen alle Ehre. Er war ebenfalls ein wuchtiger Typ - in Bayern geboren - ein Besatzungskind also. Wenn dieser Sarotti-Mohr Bayerisch sprach, dann wirkte das echt lustig. Ich hatte einen Koffer voll Klamotten dabei, so daß ich zu jeder Situation das Richtige anziehen konnte. Einen Anzug, wenn's fein zugehen sollte, hautenge Lederhosen, wenn's in die Disco ging. Hemden en Gros, mehrere Paare hochhackiger Stiefeletten, und so weiter und so weiter. Meine Pistole, die Beretta 7,65, war zwischen der Unterwäsche verstaut. Den großkalibrigen Colt hatte ich ja >allzeit bereit< unter meiner Fußmatte im Wageninneren liegen. Aber ganz speziell für dieses Wochenende hatte ich mir schnell noch ein Kleinkaliber-Gewehr mit Zielfernrohr gekauft. Dieses war, noch orininal verpackt, auf der Hutablage im Fond untergebracht. Ferner war mit an Bord - ein riesengroßer Teddy-Bär, den ich auf dem Oktoberfest gekauft hatte. Er sollte im Steinbruch als Zielscheibe dienen. Selbstverständlich hatten die anderen ebenfalls ihre Waffen dabei und reichlich Munition. Es war ein schöner Herbsttag. Ja, wenn Engel reisen, lacht der Himmel. Ein bißchen windig war's zwar, buntes Laub wirbelte über Straßen und Landschaft hin. Runter vom Gaspedal, das Ortsschild >Cham< tauchte auf; die Ziellinie war überschritten. Gleich schräg links gegenüber befand sich eine Tankstelle mit Auto-
Waschanlage. Diese fuhren wir an, wollten wir doch mit blitzenden Wagen die Bühne betreten. Mein SechshunderterBenz war schon sauber, irgendein Tankwart lederte noch trinkgeldheischend, gewissenhaft ein paar Tropfen ab. Der weiße Dreihundertfünfziger-Benz vom Falco war noch der Pflege mit Schaum und rotierenden Borsten ausgesetzt. Ich wollte die Gelegenheit nützen, meinen Spezis meine neuerworbene Waffe zu zeigen. Ich kramte die längliche Schachtel aus meinem Wagenfond und packte das Gewehr so zärtlich aus, als wäre es ein Baby. »Hey - super!« klang es wie im Chor; die Waffe ging durch aller Hände. Ein paar prüfende und zielende Blicke durchs Visier des Zielfernrohres - ich erklärte ihnen, genug Munition dabei zu haben, so daß jeder damit ausgiebig schießen könnte. Das Ding wurde wieder verpackt und verstaut, der CarService bezahlt; schnell wurde noch eine Stange Zigaretten gekauft. Hannes zeigte uns das schickste Hotel am Ort, man würde uns da gewiß großzügig gewisse Freiheiten einräumen, meinte er. Hatten wir uns doch vorgenommen, reichlich Teenies durch die Betten zu ziehen. Kohle hatten wir alle genug dabei - gegen fürstliches Trinkgeld durften wir sicherlich die Sau rauslassen. Wir mieteten vier Doppelzimmer, das war für Kleinstadtverhältnisse schon eine ganze Suite. Wir stellten die Koffer ab und prüften die Betten. Es war gerade Mittagszeit - wir wollten nun gepflegt essen gehn. Auch hier spielte Hannes den Fremdenführer, unsere Wahl fiel auf ein uriges Restaurant. Hannes war natürlich stadtbekannt - genauer gesagt, ein bißchen gefürchtet. Denn etliche Bauernburschen und Bürgerliche hatten schon seinen >Dampfhammer< zu spüren bekommen. Er sagte uns kurz im Vorüberfahren: »Da, an dieser Stelle, hab' ich schon mal ein >Indianer-Feuerchen< gemacht«, und deutete dabei aufs Rathaus. Vor dem Restaurant angekommen, suchten wir nicht
lange erst einen Parkplatz, wir parkten direkt vor der Tür. Es bestand dort zwar Halteverbot, doch was juckte uns das. Ein schöner, runder Tisch, groß genug für acht Personen, gehörte uns. Jeder bestellte, was sein Herz begehrte, der Kellner schrieb eine unendlich lange Bestell-Liste. Mit einem Aperitif begann das Ganze, wir rauchten jeder eine, warteten auf die Suppe. Wir fragten den Hannes nach den Weibern aus, die hier im Städtchen aufzureißen seien. Doch er winkte ab und meinte, wenn es Abend würde, würde er uns schon zeigen, wo sie ihr Nest hätten. Genug Material und vom Feinsten gäbe es auf jeden Fall bis spät in die Nacht in der Disco namens >HölleHände hoch!< gleich den Löffel in den Teller fallen, daß es nur so spritzte. Geschwind waren wir alle in Handschellen verpackt. Uns war es echt ein Rätsel, was hier vor sich ging - anscheinend hatte das Ganze mit Falschparken nichts zu tun. Es ging wohl um mehr. Wir wurden nach Waffen untersucht. »Was ist mit unseren Autos?« fragte ich, als ich in das Polizeiauto geschubst wurde. »Schau'n wir mal, vielleicht
braucht's ihr längere Zeit kein Auto mehr!« meinte das Rotbäckchen hinterm Steuer - und schnaufte und pustete vor Aufregung, als sei es kurz vor einem Herzkasperl. Überhaupt taten alle beteiligten Kleinstadt-Sheriffs gerade so, als hätten sie soeben die Cosa Nostra hops genommen. Im Polizeirevier angekommen, sperrte man uns einzeln ein, zwei Zellen waren vorhanden, die anderen von uns wurden gleich zur Vernehmung geführt. Ich sah aus meinem Zellenfenster hinunter in den Polizeihof. Hatte man doch glatt, nachdem man uns die Schlüssel abgenommen hatte, unsere Autos nach hierher verbracht. Ein paar Bullen durchsuchten unsere Fahrzeuge. Selbstredend hatte einer schon mein Gewehr samt Karton im Arm. Ebenso hatten sie sich meinen Gummiknüppel angeeignet, der stets in der Tasche der Fahrertür steckte. Ich war immer noch sprachlos und ratlos, fragte mich, was hier gespielt wurde. Ich sollte aber im nächsten Moment Aufklärung darüber erhalten. Die Riegel meiner Zellentür wurden zurückgeschoben, der Schlüssel drehte sich im Schloß. Wieder klickten die Handschellen, ich wurde ins Vernehmungszimmer geführt. »Sie werden verdächtigt, letzte Woche in der Stadtsparkasse Schwandorf einen bewaffneten Raubüberfall verübt zu haben«, sagte der Typ am Schreibtisch. Mir fiel regelrecht ein Stein vom Herzen, als ich dies vernahm. Denn hier irrten sich die Bullen, das hatte ich, das hatten wir ganz sicher nicht getan. Der Oberboß, mit ein paar Sternen auf seinem Schulterstück, fuhr fort: »Ihr seid deswegen dringend der Tat verdächtig, weil an diesem Raub zwei Weiße und zwei Farbige beteiligt waren, ... und ihr seid doch zwei Weiße und zwei Farbige - nicht wahr? Außerdem wurdet ihr an der hiesigen Tankstelle beobachtet, wie ihr mit Waffen hantiertet. Die Waffen haben wir gefunden, also, es spricht wirklich etliches gegen euch. Nun warten wir zusammen, bis die Bankangestellten hier eintreffen und euch identifizieren.« »Sauber«, sagte ich, »wann kommen denn die wichtigen
Herrschaften, sollen wir hier vielleicht so lange schmoren, bis die womöglich aus ihrem Wochenendurlaub heimgekehrt sind?« »Was wolltet ihr denn mit den Waffen - hm?« kam die Frage zurück. Ich erzählte ihm den wahren Sachverhalt, und anscheinend hatten die anderen wahrheitsgetreu dasselbe ausgesagt. Nun wurden sie bereits etwas unsicherer, diese Uniformierten, und uns wurden schon mal die Handschellen abgenommen. Wir durften auch wieder zusammen in einem Nebenraum verweilen, bis die Sparkassen-Mannschaft uns >freisprechen< würde. Wir vier diskutierten untereinander, welches Pech wir hatten, welcher Zufall uns in eine solche Situation gebracht hatte. Es war Punkt neunzehn Uhr, wir hatten Glück - die Sparkassenangestellten wurden mit einem Polizeibus vorgefahren. Ich dachte mir, daß es wohl jetzt das Höchste sei, wenn uns einer irrtümlich >wiedererkennen würde. Wir wurden wiederum einzeln vorgeführt, wir mußten ein paar Sätze sprechen, so daß man uns eventuell auch akustisch identifizieren konnte. Ich stand also fünf Leuten gegenüber, die ich noch nie im Leben gesehen hatte, und konnte nur hoffen, daß diese derselben Ansicht waren. Sie beäugten mich wie ein fremdes Wesen von einem anderen Stern, und nun sollte ich etwas sagen. »Ich heiße Berndt Lang, komme aus München, habe mit eurer Sache nichts zu tun und will endlich raus hier«, so sprach ich. Ich konnte abtreten, hörte aber noch im Hinausgehen, daß sich alle Beteiligten einig waren, wir seien nicht
die Bankräuber. Ab diesem Moment hatten wir Jungs wieder Oberwasser und drängten, freigelassen zu werden. Ein paar halblaute Entschuldigungen waren zu vernehmen, aber die Anzeigen wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurden fein säuberlich
in die Schreibmaschine getippt. Bei uns allen galt, keine Angaben zur Sache zu machen, das sollte die Aufgabe unserer Anwälte sein. Wir wurden sämtlich in einen Raum geführt, wo alle unsere Waffen, samt Munition, einer Ausstellung gleichkommend, auf einer Decke lagen. Nun sollte jeder seine Waffe benennen. Und siehe da, offensichtlich hatten die Bullen auch unser Hotelgepäck durchsucht, denn die Ballermänner, die wir in unserer Wäsche verborgen hatten, waren ebenfalls präsent. Nur eine Waffe fehlte, nämlich meine große amerikanische Armeepistole. »Die haben sie anscheinend nicht gefunden«, durchzuckte es mich. Die Polizisten erwiesen sich ein bißchen hilflos angesichts der Tatsache, daß hier großkalibrige Munition vorhanden war, die zu keiner Waffe paßte. Ich dachte mir, wenn sie schon zu blöd waren, diese Waffe zu finden, dann konnte ich sie ja auch weiterhin für dumm verkaufen. Nachdem die Munition bei mir im Koffer gefunden wurde, war ich ihr Gesprächspartner. Ich erzählte ihnen, daß ich meine Beretta hätte aufbohren wollen, den Lauf vergrößern, so daß dann diese große Munition gepaßt hätte. Denn natürlich wollte ich nicht preisgeben, daß da unten in meinem Wagen die dazugehörige Puste unter der Matte lag. Also hatten wir es geschafft, nach diesem aufregenden Nachmittag nun endlich gegen zweiundzwanzig Uhr frei zu sein. Wir bekamen alle unsere Papiere wieder, unsere Autoschlüssel und dachten - nichts wie weg hier. Wir fuhren schnurstracks zum Hotel, bestellten eine Flasche Whisky aufs Zimmer und besprachen das soeben Erlebte nochmals ausgiebig. Alle Koffer lagen durchwühlt auf den Betten, und ich berichtete ganz stolz, daß sie meine Plempe unter der Autofußmatte nicht gefunden hatten. Jetzt waren wir alle natürlich aufgeheizt und beschlossen, uns in der Disco wieder abzuregen. Wir duschten, zogen uns um. Ich fand in meinem durchwühlten Koffer mein reingoldenes Zigaretten-Etui nicht mehr, entweder hatte sich das die Polizei oder das Hotelpersonal unter den Nagel gerissen.
Ich konnte aber deswegen keinen Zirkus machen, denn ich hatte es >lauwarm< erst letzte Woche gekauft. Der Einbrecher hatte mir bedeutet, es käme aus einer Starnberger Villa und er hätte gern tausend Mark dafür. Ich kaufte es ihm ab, denn es war gut und gerne siebentausend Mark wert. Und nun war es bereits wieder weg! Scheiße. Selbstverständlich gab es viele Neugierige und Gaffer, als uns die Polizei vom Mittagstisch wegholte - also waren wir das absolute Gespräch dieses Wochenendes. Gar viele waren erstaunt, uns wieder frei rumlaufen zu sehen. Auch die Wirtsleute konnten es gar nicht fassen, als wir vor der Disco einen Schlenker an ihrem Restaurant vorbei machten, um zu zahlen. Wo wir auch im Städtchen gesichtet wurden, wurde hinter hohler Hand getuschelt. Uns war es recht, ein bisserl Werbung schadet nie, gerade, wenn man um jeden Preis auffallen will. Kurz vor Mitternacht trafen wir in der >Hölle< ein, und nun ging hier richtig die Post ab. Ich bestellte zwei Sektkübel, jeden randvollgegossen mit Sekt - und tauchte meine Füße hinein. Es war erfrischend und auffallend. Und weil alle Gä ste so blöd guckten, gab ich fürs ganze Lokal eine Sektrunde aus. So kamen sie alle nicht umhin, uns zuzuprosten, unsere Anwesenheit zu würdigen. Unser Hannes und auch die Kellner schwärmten im Lokal aus, um alle Mädels an unseren Tisch zu holen. Da kam allerhand zusammen, es waren zwischen zehn und fünfzehn Stück Frischfleisch. Und damit uns der eine oder andere Bauernbursche nicht gram wurde, legte ich schon mal demonstrativ meine Kanone auf den Tisch. Es wurde getanzt, gelacht, gescherzt, mal an die Titten gegriffen, mal zwischen die Beine. Wir luden den Disco-Chef ein und die Kellner, wir tranken Wodka, Whisky, Sekt, alles durcheinander. Unmengen Eiswürfel wurden hereingebracht, mit denen warfen wir lustig durchs Lokal. Die beworfenen Gäste fanden das gar nicht lustig, lachten uns aber wie versteinert zu.
Nach dem Motto >Mit unserem Geld dürfen wir alles< hausten wir wie die Vandalen - und, wenn's mal kritisch wurde, dann ließen wir keinen Zweifel an unserer Gefährlichkeit. Die Bullen konnten uns sowieso am Allerwertesten, die hatten sich ja blamabel in die Nesseln gesetzt, uns irrtümlich als Bankräuber festzunehmen. Sie konnten in dem Lokal schon die Polizei rufen - aber die würde ganz sicherlich nicht kommen! Im Laufe der Nacht hatten sich sechs Mädchen einverstanden erklärt, mit uns im Hotel weiterzufeiern. Falco schloß mit mir spontan eine Wette ab, er behauptete, die kleine Supermaus mit dem Glitzerfummel, die würde ich nicht ins Bett kriegen. Die anderen Jungs müßten Zeugen spielen - wenn ich ihren Slip vorweisen könne, dann genügte das als Beweis. Es ging um zehn Flaschen Wodka. Ich mußte sie mir auch aus anderen Gründen als erste vornehmen, sie müsse wenigstens vor dem Morgengrauen wieder zu Hause sein, sagte sie mir. Wir beide waren alsbald alleine in meinem Hotelzimmer, da zierte sie sich überhaupt nicht mehr. Im Gegenteil, bei einem langen Kuß tasteten meine Finger an ihr Vötzchen und fühlten, wie naß sie im Schritt war. Sie bumste sodann wie eine Weltmeisterin. Sie stemmte sich dabei von der oberen Bettkante ab und warf mir wellenartig ihren grazilen Körper entgegen. Ganz wenige, kurze, seidige Schamhaare hoben sich tiefschwarz von ihrer blassen Haut ab. Die kleinen, festen Brüste genossen meinen Zugriff. Es war eine echte Wonne, dieses wilde, schöne Kätzchen zu lieben. Splitternackt, mit dem Slip der Kleinen, lief ich zu den anderen, wollte meine Jagdtrophäe vorweisen. Alle grölten im Chor: »Falco - zehn Flaschen Wodka!« Wir saßen alle in Hannes Bett, der Bomber mußte deswegen mit einem der Mädchen auf dem Teppich bumsen. Das machte anscheinend den beiden nichts aus, sie ließen sich jedenfalls nicht stören. Falco wollte nun auch sein Glück probieren bei meiner Maus der letzten Stunde, doch gerade da betrat diese, schon angezogen, unser Zimmer. Offensichtlich aber ohne Slip,
denn den hielt ich ja in der Hand. Sie nahm noch zwei Mädels mit, und weg waren sie, so schnell konnten wir gar nicht schauen. In diesem Moment klingelte das Zimmertelefon, die Rezeption bat uns, »bei aller Liebe«, unsere Orgie zu beenden. Für mich persönlich war es das offizielle Zeichen, jetzt endlich schlafen zu gehen. Ich verfügte mich in mein Zimmer, schloß ab und bald darauf die Augen. Zu der Zeit, als wir aufstanden, gab's kein Frühstück mehr. Es war vorangeschrittener Nachmittag, und so verlegten wir unser Frühstück in die lokale Eisdiele, »wo immer gute Weiber sitzen«. Wie Hannes meinte. Wo wir uns auch zeigten, es war überall zu merken, daß wir das aktuelle Stadtgespräch waren. Zwei bildhübsche Töchter und die Mami höchstselbst, aus der Familie eines Stadtrats, interessierten sich sehr für uns. So konnte es nicht wundernehmen, daß die zweite Nacht auch schon wieder Unterhaltung versprach. Nur sollte dem Alkohol nicht mehr so reichlich zugesprochen werden, weil Hannes ja morgen früh etwas zu erledigen hatte. Im Hotel war man froh, als wir zu erkennen gaben, daß wir am folgenden Tag abreisen würden. Es war Montag morgen, wir saßen am Frühstückstisch und konnten prompt den hiesigen Tageszeitungen entnehmen, wo wir wann was gemacht hatten. Drei, vier Pressefotos ergänzten die zwei Seiten, die man uns gewidmet hatte, offensichtlich hatten sie uns aus sicherer Entfernung, vom Kirchturm aus, fotografiert. Ebenso war unser ganzes Waffenarsenal abgebildet, mit dem Untertitel - BESCHLAGNAHMT! Überschrift des Ganzen war -»Zwei Weiße und zwei Neger machen unser Städtchen unsicher.« Da waren Falco und der Bomber nicht mehr zu halten. Wir beschlossen, den Zeitungsschmierer aufzusuchen. Ebenso war noch eine Rechnung zu begleichen mit dem Unternehmer, der am Ort eine Fahrschule betrieb. Der nämlich, so hatten wir erfahren, hatte uns an der Tankstelle beobachtet - mit dem Gewehr. Und hatte uns an die Bullen verpfiffen.
Wir warteten, bis Hannes wiederkam, und suchten dann das Büro der Stadtzeitung heim. Wir wollten wissen, wer eine derartige Scheiße geschrieben hatte, und vor allen Dingen, das Wort >Neger< würde uns mißfallen. Einer schob es von den Angsthasen auf den anderen. Wir warfen ein Regal um und gingen wortlos von dannen. Sofort anschließend fuhren wir zur Fahrschule, mit ganz handlichen Steinchen versehen. Da gingen in Sekunden alle Scheiben zu Bruch, und - weg waren wir. ... »von wegen, unser sauberes Städtchen und so«, schrieb die Zeitung! Also machten wir noch ganz geschwind vor unserer Abfahrt die Aktion >Saubere StadtSpezial-Berger-Ermittlungstrupp< ein, und dieser Stab hatte nichts Eiligeres zu tun, als mich in seine Diensträume zu laden. Da saß ich nun im Zimmer dreihundertelf - an der Tür stand >MordkommissionTilbury< ging, bestellte ich eine >Fischsuppe ä la Berger mit HantelscheibenTilbury< meinten.
Turbulenzen Am Platzl gab's auch die >Madam-BarJe t'aime< zu Gemüte. Ein graziles Geschöpf schwang seinen durchsichtigen Nylonumhang im ultrablauen Lichtkegel. Dieses Licht ließ den Körper der Nachtblüte tiefbraun erscheinen, ihre weißen Dessous leuchteten verlockend. Geschmeidig wiegte sie ihren Körper, brachte ihre Finger überall dorthin, wo ich die meinigen gerne gehabt hätte. Lange, braune Haare umschmeichelten ihren zierlichen Kopf und ihre Schultern. Jetzt zupfte sie am Schleifchen ihres Slips - die Regie drehte gleichzeitig das Licht runter, als sie, völlig nackt, ein Küßchen ins Publikum warf. War die Alte stark,... die mußte ich haben. Ich gab der Barfrau einen Wink, sie solle mir die Zuckermaus vorstellen und schon mal eine Flasche Sekt herrichten - aber natürlich die billigste. Denn den Sauf freier zu spielen, war wohl das Unlukrativste, was ich mir denken konnte. Die Barfrau machte das ganz professionell, führte die Schöne an der Hand zu meinem Barplatz: »Das ist der schöne Berndt, und er möchte dich auf eine Flasche einladen«, erklärte sie ihr. Ich war entzückt von der Anmut der Kleinen, große, braune Augen sahen mich an, sie lächelte etwas gekünstelt. »Ich bin die Mira«, sagte sie leise, als sie neben mir auf einem Barhocker Platz nahm. »Du schaust gut aus, kann man mit dir eine Runde flirten?« fragte ich. »Danke, du auch, und das mit dem Flirten - probier's halt mal«, gab sie zurück. Ich hörte ganz schwach einen österreichischen Dialekt heraus. »Aha - Austria« stellte ich laut fest.
»Ich bin keine Profi-Stripperin, ich mache das nur als Urlaubsjob«, erklärte sie mir sodann weiter. »Hast du Lust, mit mir noch ein bisserl um die Häuser zu gehen, wenn du hier Feierabend hast?« wollte ich wissen und wühlte unterdessen schon in ihrem Haar. Sie war sehr ernst und scheinbar unnahbar, doch ließ sie sich alle meine Kunstgriffe gefallen. »Wenn ich an mein tristes Pensionszimmer denke, dann gehe ich lieber noch mit dir«, erwiderte sie. O. K. - das war schon mal gebongt. Sie meinte auch, daß man es mir deutlich ansehen würde, in welchem Gewerbe ich tätig sei, aber das sei ihr Wurst. Ich wartete draußen im Wagen auf sie, es war sehr kalt, und viel Schnee war gefallen. Aber meine Standheizung hatte meinen Wagen schon wohlig aufgewärmt, ich schob eine Kassette ein - natürlich Fats Domino. Sie kam aus der Bar und sprang in den Wagen. Sie warf ihren Fuchs vom Hals, weil es doch recht warm war. Ich griff ihr gleich mal vorsichtshalber ins Dekollete, befühlte nun ihren nackten, wohlgeformten Busen. Denn ich dachte mir, wenn diese Alte lange Zicken macht, und wenn nichts läuft, dann lasse ich sie gleich im nächsten Laden sitzen. Sie hielt aber still, und ich betrachtete sie nun jetzt schon als mein Opfer. Wir zogen durch zwei Frühlokale, überall traf man Jungs. Die einen mit ihren eigenen Weibern, die anderen mit Neuaufgerissenen. Es war schon Tag geworden, als wir sturzbesoffen meinen Wagen vom Schnee befreiten. Wir fuhren zu mir, und ich beugte mich erst einmal über die Kloschüssel. Steckte meinen Kopf unter den Kaltwasserhahn und putzte mir die Zähne. Sie lag schon im Bett und mimte die Schlafende. »He Baby, gleich kannst du schlafen - aber erst wird mal schön gebumst!« Ach herrje, war das eine lahme Ente, sie spreizte gelangweilt die Beine, um mich zu empfangen. Ich genoß ihren schönen Körper und dieses schöne Haar - und weil sie so unbeteiligt war, wollte ich nur meinen schnellen Orgasmus, um
dann schlafen zu können. Vielleicht bin ich so acht Minuten drauf rumgeritten - und diese acht Minuten wurden die teuersten meines Lebens. Denn irgendwann im darauffolgenden Sommer setzte sich in irgendeinem Lokal so ein schwangeres Etwas neben mich, lachte mich an und sagte: »In drei Monaten ist es soweit.« Es dauerte Momente, bis ich das Gesicht in meiner Erinnerung unterbrachte - und dann begriff ich erst den vollen Ernst der Situation. Ich sagte: »Spinnst du - was erzählst du mir hier?« Der Schock saß tief, und ich wollte das Ganze gar nicht wahrhaben. Ich lehnte es einfach ab, solche Gedanken in meine Birne zu holen - ein treffliches Beispiel von Vogel-Strauß-Politik. Kopf in den Sand - und die Situation ist einfach nicht gegeben. Na ja, nach einigem Hin und Her mit Vaterschaftsfeststellungsklagen und so weiter bin ich bis heute noch lustig damit beschäftigt, monatliche Alimente auszupacken. Ich weiß nicht, wie oft ich die Strecke München-Mannheim und zurück schon gefahren bin. Jedenfalls kam ich gerade wieder von dort. Die winterlichen Straßen verlangten immer ihre Opfer. Heute sah ich bestimmt ein Dutzend Fahrzeuge über die Fahrbahn schießen oder ihr Ende an den Leitplanken nehmen. Ein Auto mit einer Familie überschlug sich gar, aber alle krabbelten sie munter aus dem Wrack. Nachdem ich das beobachtet hatte und we iterfuhr, redete ich laut vor mich hin: »Ja - haha, ihr Penner, sicherlich mit glatten Sommerreifen auf großer Fahrt - wahrscheinlich so stier, daß keine Winterreifen mehr drin sind. Ja, du Arsch, du mußt halt deine Alte zum Anschaffen schicken - dann kannst du dir Winterreifen leisten. Aber sicher bumst sie den Nachbarn umsonst, wenn du in der Maloche bist. Ach, ihr armen Irren!« Zu Hause angekommen, klingelte das Telefon. Klara war am Apparat, mein Baby aus dem Imex. Ganz aufgeregt teilte sie
mir mit, daß mich die Bullen mit Großeinsatz suchten. Mit Foto und Haftbefehl würden sie das ganze Milieu abklappern. Was ist denn jetzt schon wieder los, dachte ich und machte mir erstmal einen schönen, starken Kaffee. Und dann kam ich ins Grübeln, überlegte sodann fieberhaft, was denn so schlimm gewesen sein könnte, daß für meine Person ein Haftbefehl erstellt wurde. Und es fiel mir partout nichts ein, was von solch großer Bedeutung gewesen wäre. Egal, ich schlafe heute nacht mal bei der Klara zu Hause, und morgen gehe ich mit meinem Anwalt zur Schmier, entschied ich. Ich rief Klara an, und wir verabredeten, daß sie heute um zwei Uhr nachts das Arbeiten aufhörte. »Ich komme dann so etwa um drei Uhr zu dir«, sagte ich ihr. Kurz vor drei fuhr ich los, es waren ja nur ungefähr zweitausend Meter bis zu ihrer Wohnung. Und ich dachte mir noch - schnell wieder runter von der Straße, rein in die Tiefgarage bei Klara. Die Gegend war menschenleer - kein einziges Fahrzeug war unterwegs. Ich raste durch fünf, sechs Straßen. Auweh-zwick - da kam einer, und der hatte Vorfahrt. Um ein Haar wäre es passiert. Wir wichen beide aus und kamen zum Stehen. Hilfe! Das durfte doch wohl nicht wahr sein - das war ja ein Streifenwagen. Also Zufälle gibt's! Beide Beamten traten an mein Fenster - mein Fensterheber summte, die Scheibe senkte sich. Relativ freundlich sagte der eine: »Guten Morgen, das wäre ja noch einmal gutgegangen!« »Ja«, erwiderte ich, »das habe ich glatt übersehen, entschuldigen Sie bitte.« »Ist schon gut, h aben Sie auch Ihre Papiere dabei?« wollte er wissen. »Klar.« »Dann fahren Sie bitte mal rechts ran.« Beide nahmen meine Dokumente und verschwanden im Streifenwagen. Na, wenn das nur gut ging, wahrscheinlich war ich jetzt geliefert. Und wieder überlegte ich fieberhaft, was der Haftbefehl wohl zu bedeuten hatte. Beim Zurückkommen waren die Herren schon nicht mehr
so freundlich. Der eine knöpfte seinen Pistolenhalfter auf, und nun kam die Aufforderung, den Wagen zu verlassen. »Sie sind vorläufig festgenommen - sind Sie bewaffnet?« Ganz scheinheilig fragte ich zurück: »Was bin ich - verhaftet? Warum, wieso?« Einer der Bullen tastete mich nach Waffen ab und führte mich in den Streifenwagen. Als wir auf der Fahrt ins Präsidium waren, waren die Herren wieder freundlicher. Sie waren wohl erleichtert, daß ich unbewaffnet gewesen war. Ganz bestimmt war über Funk die Warnung an sie ergangen -»Vorsicht, gefährlich.« Ich fragte sie, ob nicht zu erfahren wäre, warum ich verhaftet sei. »Gleich kriegen Sie in der Zentrale Auskunft darüber«, beruhigten sie mich. Klara wird sicherlich warten, dachte ich bei mir. Ich fand die Situation bekloppt, denn es war heute nacht nur ein Auto unterwegs - und das waren die Bullen gewesen. Also verrückter ging's wohl nicht. Sollte man das als Schicksal deuten? Im Präsidium angekommen, wurde ich gleich in ein Vernehmungszimmer gebracht. Mein lieber Schwan, da war vielleicht ein Leben in der Bude, das war ja unglaublich! Mindestens zwanzig Beamte in Zivil waren hier im Nachtdienst beschäftigt. Ein Penner wurde in eine Ausnüchterungszelle verbracht, ein Eierdieb legte gerade dem vernehmenden Beamten ein Geständnis ab. Eine abgetakelte Viktualienmarktdirne gab an, vergewaltigt worden zu sein. Der Fernschreiber tickte, zwei Fahnder schnallten sich den Schulterhalfter um, eine weitere Verhaftung stand an. Ein Drogendealer spielte mit seinem jungen Schäferhund - beim genauen Hinsehen entpuppte sich der Mann ebenfalls als ein Bulle. Aber, alle Achtung - toll verkleidet. Er mischte sich sicherlich so, gut getarnt, in die Münchner Rauschgiftszene. Er klebte sich mit Klebeband eine kleine Sieben-Fünfundsechziger an die Wade, stülpte das Hosenbein drüber. Dies alles beobachtete ich durch die offene Tür - aber jetzt kam einer mit einem Akt in der Hand und schloß diese Tür. Jetzt gibt es Aufklärung - dachte ich bei mir.
»Der Grund Ihrer Verhaftung ist - Verdacht der Zuhälterei, angezeigt von einer Manuela Mickel«, sagte der Typ ganz trocken. Morgen konnte ich meinen Anwalt anrufen und jetzt ab in die Zelle! So war das also, na ja, jetzt wußte ich wenigstens Bescheid. Diese elende Filzlaus. Aber wie kam das nur, nach so einer langen Zeit nun eine Anzeige? Ich konnte mir überhaupt keinen Reim darauf machen. Na ja, wir würden morgen sehen, was Sache war. Ich wurde in eine Sammelzelle geschubst, da lungerten schon sechzehn andere herum. Einer schnarchte, der nächste furzte, ein anderer haute mich gleich um eine Zigarette an. Das Elend in diesem Raum war groß - was hatte das noch mit Menschsein zu tun? Einer saß auf der Kloschüssel, und es stank gottserbärmlich. Wer die Schuhe ausgezogen hatte, gab eine Superwerbung >für deutschen Käse frisch auf den Tisch< ab. Ein graumelierter Herr erklärte mir ganz genau, daß sein Warentermingeschäft äußerst seriös geführt und daß er total unschuldig verdächtigt wurde. Ich war müde, legte mich auf so eine Wanzenmatratze und schlummerte ein, bis die Türriegel zurückgeschoben wurden und es Kaffee gab. Mit dieser Brühe hätte ich mir nicht einmal die Zähne geputzt, ganz zu schweigen, daß ich so was trank. Im Laufe des Vormittag rief man meinen Namen auf, und ich durfte meinen Anwalt anrufen. Mein treuer Baron schickte mir unverzüglich seinen Adjutanten, und dieser bemühte sich, mich rauszuholen. Aber diesmal ging nichts diesmal sperrten sich Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter. Sie waren der Meinung, mein Konto sei überzogen. Das war nun eine ganz neue Situation für mich. Und der Tag war noch nicht zu Ende, da fand ich mich doch glatt im Untersuchungsgefängnis München-Stadelheim wieder. Ich ließ durch meinen Anwalt Klara informieren und ihr meine Wagenschlüssel übergeben, auf daß der Wagen bei ihr in die Tiefgarage gefahren würde. Denn schließlich hatte ich doch noch eine Waffe unter der Fußmatte liegen. Beim nächsten
Anwaltsbesuch erfuhr ich ganz genau, warum ich hier in der Patsche saß. Und das Ganze noch ausgerechnet vier Tage vor Heiligabend. Seit allerjüngster Zeit war es verboten, in der Innenstadt von München anzuschaffen. Manuela war offenbar in München geblieben und war in der City auf Kundenfang gewesen. Man hatte sie aufgegriffen und eingesperrt. Die Bullen hatten ihr sodann das Angebot gemacht, sie wieder laufenzulassen, wenn sie über den schönen Berndt auspakken würde. Und prompt ging sie auf diesen Kuhhandel ein, holte sich allerdings das Versprechen der Bullen, daß ich in Haft bliebe - weil sie um ihr Leben fürchtete. Und aus diesem Grunde war es meinem Anwalt sehr schwergemacht worden, mich wieder frei zu bekommen. Aber mein Schutzengel ließ mich auch diesmal nicht im Stich, letztlich konnte mein Baron eine Kautionssumme vereinbaren, mein Paß wurde einbehalten, und ich mußte mich nun täglich melden. Und just zu dem Zeitpunkt, als jeder einen Christstollen in die Zelle gereicht bekam, gelangte ich nach wohl zwanzig verschlossenen Türen in die Freiheit. Dieses Weihnachten fiel karg aus, denn ich mußte alles Bargeld für die hohe Kaution der Gerichtskasse auf den Tisch blättern, und mein Anwalt wollte auch ein nettes Sümmchen sehen. Aber Hauptsache, ich war frei. Ich wußte aber nun, daß für mich die Uhr tickte. Wenn ich eines Tages vor Gericht stehen würde, würde es nur so Jährchen hageln. Ich durfte Manuela auch nicht suchen, denn, wenn ich sie finden würde, konnte ich für gar nichts mehr garantieren. Anschy fuhr zu Weihnachten zu ihren Eltern. Heien kam aus Mannheim angereist. Klara schaffte auch am Heiligabend an, denn da ist ja fast keine Frau im Puff. Also gehörten ihr nahezu konkurrenzlos alle Freier, die durchs Haus streunten. Das ist ein Geheimtip - am Heiligabend gibt’s für fleißige Huren sehr viel Geld. Es gibt genug ein-
same Menschen, auch und vor allem in dieser Nacht. Viele Männer suchen in diesen Stunden auf diese Weise menschliche Kontakte. Ich war froh, als der Feiertagsrummel vorbei war; die Weiber waren auch wieder alle an ihrem Arbeitsplatz. Das Leben lief seinen alltäglichen Trott. Selbstverständlich mußte ich mich erst langsam daran gewöhnen, mich täglich bei der Polizei vorzustellen. Mit meiner Unterschrift wurde die jeweilige Anwesenheit kontrolliert. Meine Freunde fuhren zum Autorennen nach Monte Carlo, und ich konnte lediglich ihre Ansichtskarten entgegennehmen. Dann machten vier Jungs einen Afrika-SafariTrip, mir wurde das Herz schwer, nicht dabei sein zu können. Ich schenkte ihnen einen neuen Riesenkanister, ließ diesen volltanken und schrieb darauf mit Filzstift: »Ein Stück von mir soll euch begleiten, kommt gut heim, Jungs Berndt.« Ich ging täglich zum Body-Building-Training, dadurch konnte ich in einem normalen Konfektionsgeschäft überhaupt nichts mehr kaufen. Also mußte der Schneider alle meine Klamotten basteln. In einer Disco traf ich eines Abends Mandi. Der hatte ja einen Schuß dabei - Wahnsinn. Ich trank nur noch einen Piccolo, gleich aus dem Fläschchen. Das sei der einzige Alkohol, den ich trinken dürfe, hatte mir mein Body-Building-Trainer gesagt. Dann nahm ich Mandi zur Seite und fragte ihn, wie er zu dieser Übermaus käme. Sie hatte eine knabenhafte Figur, aber festes Fleis ch, und steinharte Supertitten zeichneten sich durch ihren Mohair-Pulli hindurch ab. Ein ganz knappes bayerisches Lederhöschen hatte sie an, aus rotem Veloursleder, die Taschen waren mit Eichenblättern ausgeputzt. Und, wie gesagt, das Höschen war so kurz - es hätte eher die Bezeichnung >Slip< verdient gehabt. Dann kamen braune Schenkel, weiße Kniestrümpfe und rote Pumps. Im stillen dachte ich, was die Huren doch für ein Talent haben, sich so zu kleiden, daß man ihnen sofort ihren Job ansieht. »Du, das ist die Freundin meiner Alten, die ist gerade
solo«, sagte Mandi. »Ich darf sie ja nicht angraben, sonst wird meine Alte sauer«, fügte er hinzu. »Aber probier halt mal dein Glück«, meinte er. O. K., freie Fahrt. Das wäre eine neue Partie und obendrein ein Supergirl. Ich plapperte meinen hundertjährigen Schmarr'n daher, wie schön sie sei, und daß ich solch einer Frau ja ewig treu sein könnte, und so. Und wie gut sie es bei mir hätte; das Schmalzfaß lief schon fast über. Da entgegnete sie mir, daß sie vom schönen Berndt bereits viel gehört hätte - bei dem gab's mehr auf die Ohren als zu fressen. Scheiße - ich war erkannt. Aber das störte mich gar nicht weiter, ich gab nicht auf. Mandi lachte sich hinter meinem Rücken ins Fäustchen. Ich rief ihn zur Ordnung und sagte ihm: »Sei nicht blöd, Mensch, hilf mir halt ein bisserl! Wenn ich die Alte aufstellen kann, dann bekommst du auch einen Batzen Kohle von mir.« Daraufhin wurde er deutlicher und verriet mir, wie ich an sie herankommen könne. »Die ist so blöd«, meinte er, »bei der mußt du ihre Hund' poussieren, dann klappt es.« Mandi hatte aber nicht viel Zeit, mich besser zu unterrichten, denn die Schöne kam schon wieder von der Toilette zurück. Aber ich war wenigstens schon ein wenig unterrichtet. Na ja, das muß es ja auch geben, daß man nicht auf der Stelle zum Erfolg kommt. Also säuselte ich noch ein wenig von Liebe und bat um ihre Telefonnummer. Am nächsten Tag fragte ich telefonisch an, ob ich sie besuchen dürfe. Ich brachte ihrem Dackel haufenweise Wurst mit und spielte auch eine ganze Weile mit dem Köter. Das schien ihr zu gefallen, da hatte mir Mandi wirklich einen guten Tip gegeben. »Wo arbeitest du denn, ich hab' dich ja noch nie gesehen?« fragte ich sie, und sie erzählte mir von einer Pension, nicht weit vom Stachus entfernt. »Hahaha, ich dachte, da arbeiten nur abgewrackte Omis«, gab ich zurück. Sie machte uns Tee, und ich trank dieses lauwarme Ab-
Spülwasser. Aber ich war ihr schon ganz schön an die Wasche gegangen. .. .keine Gegenwehr! Sie ließ sich von mir bumsen. Sie war sehr rein, sauber-superhygienisch, und ich glaube, ich hatte, rein optisch, noch nie so ein schönes Vötzchen gesehen. Natürlich züngelte ich mit Genuß an ihrem Kitzler, spielte gerne mit ihren kleinen, prallen Schamlippen. Stimulierte mit dem Daumen ihre Va gina - daran hatte sie Vergnügen und krallte sich in die Kis sen. Beim Bumsen ist immer der blöde Köter aufs Bett gesprungen - das war für mich der reinste Horror. Sobald ich mich unbeobachtet fühlte, gab ich dem Tier so einen mittleren Tritt, dann verschwand es zeitweise unters Bett. Glücklicherweise ergab es sich, daß die Pension, in der sie arbeitete, schließen mußte. Kirstin war verzweifelt, aber ich nicht. Denn ich hatte sowieso vor, sie nach Stuttgart zu verbringen. Da gab es traumhafte Summen zu verdienen, hatte ich von einem Freund gehört. Ich besprach dies mit Kirstin und setzte sie in den Zug nach Stuttgart, denn sie mußte alleine dort vorstellig werden. Das >Drei-Farben-Haus< (das offizielle Stuttgarter Puff) stand nämlich total unter der Fuchtel des dortigen Sittendezernats. Sie kam zurück mit der erfreulichen Nachricht, daß sie ab ersten Juni in Stuttgart arbeiten könne. Sie bekam gleich ein sündhaft teures Brillantencollier von mir geschenkt. Jetzt nämlich hatte ich ausgesorgt - Stuttgart bot die Garantie für eine Zwanzigtausend-Mark-Einnahme - monatlich. Jeden Samstag abend kam Kirstin mit dem Flugzeug, oder zwei Kolleginnen teilten sich das Taxi mit ihr nach München. Dadurch daß wir uns wöchentlich nur ein bis zwei Tage sahen, wurde sie sehr liebebedürftig. Und ich begann echt, diese Frau in den wenigen Stunden, die sie bei mir war, sehr zu verwöhnen. Sie hatte eine liebenswürdige Art, mir die Kohle zu überreichen. Sie bündelte die Geldscheine jeweils mit einem dekorativen Schleif chen. Die Hunderter, die Fünfziger, die Zwanziger, die Zehner - jedes Bündel war zudem mit einem Zettelchen versehen - einer Liebesbeteuerung, einem Herzchen oder einem Vers. Dann war auch jedes Wo-
chenende ein kleiner Gabentisch gedeckt. Es gab ein paar extravagante Slips für mich oder ein goldenes Feuerzeug, auserlesenes Herrenparfüm oder einen kleinen Perser als AutoFußmatte. Obwohl ich mich immer sehr darüber freute, suchte ich ihr einzuhämmern, sie solle mir nichts mehr kaufen, weil in wenigen Wochen mein neuer Mercedes zu bezahlen sei. Ich hatte mir das Drei-Fünfer-Coupe bestellt. Es war ein Dienstag - so um die Mittagszeit. Ich kam gerade aus dem Frühlokal, wir Jungs hatten hinten etwas abseits gesessen und gezockt. Ungefähr zweitausend Mark hatte ich verloren - und besoffen war ich wie die Sau. Ich wollte gerade mit einem Hecht ins Bett, als es an der Tür Sturm läutete. Nackt, wie ich war, öffnete ich die Tür. Meine Heien aus Mannheim stand vor mir. Ich dachte, ich träume - sollte die nicht gerade vor den Schotten stehen? »Was machst du denn da?« fragte ich ziemlich bedripst. Sie warf ihre Reisetasche in die Ecke, legte ab und war ganz ernst. »Ich muß mit dir reden«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Ha - aber doch nicht jetzt, ich bin sturz-zu und schweinemüde«, entgegnete ich ihr. Aber ich ahnte ja schon, warum diese überraschende Anreise, warum diese Bitterkeit in ihrer Art. Sie hatte sicherlich Wind davon bekommen, daß ich noch woanders eine Alte abkassierte. Aber von welcher wußte sie? O mein Gott, dachte ich, und dieses Theater ausgerechnet heute, wo ich so fertig bin und meine Ruhe haben will. Das interessierte Heien indes nicht, und sie kam auch gleich zur Sache. »Du bist gemein, du bist mies, du...« - weiter kam sie nicht, ich langte ihr gleich eine und schrie: »So redest du nicht mit mir, verstanden?!« Aber der Streit war im Gange - und natürlich wollte mich Heien mit aller Gewalt davon überzeugen, daß sie nur aus Liebe zu mir anschaffen ginge. Ich sagte ihr, daß es eine Frechheit sei, so unangemeldet nach München zu kommen, und sie solle sich mit dem nächsten Zug nach Mannheim trollen. Sie entgegnete, sie stünde Tag und Nacht mit Auf-
putschmitteln vor den Schotten, nur um mir genügend Geld zu verschaffen. Sie würde sich nichts leisten, kaum etwas für Essen und Trinken ausgeben, wenn sie erkältet oder krank sei, würde sie halbnackt an der Tür stehen mit jedem Freier die ekligsten Sachen machen, nur um mich zufriedenzustellen. Sie konnte einem leid tun, wegen dem, was sie da sagte und wie sie um meine Liebe winselte. Ihr Gesicht war mit Schminke verschmiert, weil sie Rotz und Wasser heulte. Ich begann zu pokern, setzte meine scheinheiligste Miene auf und wollte Genaueres wissen. »Gestern ist eine Neue bei uns eingezogen«, erklärte sie denn auch, die ist aus dem Stuttgarter Haus rausgeflogen wegen irgendeiner Unkorrektheit. Und die erzählte mir, daß der schöne Berndt der Typ von der Kirstin ist.« Aha, dachte ich bei mir, also so ist das gelaufen - nein, was es doch für Zufälle gibt auf der Welt! »Ja - und?« sagte ich, »das muß doch überhaupt nicht stimmen! Du glaubst auch jeden Scheißdreck - das ist nicht wahr!« »Oh, doch«, entgegnete sie, »denn ich hab' heute nacht mit der Kirstin telefoniert.« Bumm - das saß wie ein Hammer. »Was? Was hast du?« Jetzt bekam ich einen ungeheuerlichen Haß und flippte aus. Sah ich doch die Gefahr, gleich zwei Partien zu verlieren. Ich schlug blindlings auf Heien ein, ihre Eifersucht würde mich noch wahnsinnig machen. Das Blut lief ihr aus Nase und Mundwinkeln - und dennoch war sie auf den Knien vor mir und winselte immerzu: »Bitte, nimm doch mein Geld und nicht das von der anderen!« »Du folgst ja nicht, fährst einfach hierher, ohne meine Erlaubnis - ich verlange von meiner Alten unbedingten Ge horsam!« schrie ich sie an. »Den verspreche ich dir ja, wenn du nur die andere aufgibst!« flennte sie - und eine ihrer künstlichen Wimpern, die sich losgelöst hatten, klebte an ihrer Backe.
In diesem Moment überkam mich eine Perversität ohnegleichen, und in mir wuchs ein grausamer Gedanke. Ich sagte zu Heien: »O. K. - wenn du ab sofort folgen willst wie ein Hund, dann bist du jetzt mein Hund. Los, ausziehen!« Ich warf mir meinen roten, seidenen Morgenmantel über, suchte einen Gürtel und sagte zu ihr: »Hundis müssen Gassi gehen - komm, wir gehen Gassi!« Heien wartete mit starkem Kaffee auf mein Erwachen, und sie drängte mich, daß ich schnell auf das Polizeirevier ginge, um meiner täglichen Meldepflicht Folge zu leisten. »Du besoffener Uhu, so was Hemmungsloses wie dich habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen«, meinte sie. Als ich von der Schmier zurückkam, gab es eine gemäßigte Aussprache. Aber mit meinem Kater bekam ich das Ganze geistig nicht in die Reihe. Ich dachte nur so in mich hinein, wenn Heien wüßte, daß es da noch eine Klara und Anschy gibt, die würde sich glatt vor den Zug werfen. Aber nachdem ich auf die Stuttgarter Kohle ganz sicherlich nicht verzichten wollte, redete ich nun der Heien mit Engels zungen zu, daß alle Kohle, die aus Stuttgart komme, dazu dienen würde, daß wir zusammen eine Kneipe aufmachen könnten. In jedem Falle würde ich nur sie lieben, und sie solle bald mit dem Anschaffen aufhören. Das sei mein Sinn und Zweck mit der Stuttgarter Hure, verklickerte ich ihr. Nachdem ich ja wußte, daß alle Huren der Welt den Ge danken des Aufhörens stets in ihrem Herzen tragen, hoffte ich, daß mein Vortrag Früchte tragen würde, was auch der Fall war. Denn alle Anschafferinnen, auch die abgewracktesten Strichmütter, sehnen sich nach einem Mann, der sie aus diesem elendigen Leben herausholt. Sie befreit von all dem Leid und der Schmach - nur ganz ganz wenige sind auserwählt, den Weg aus diesem Leben aus eigener Kraft zu gehen. Wir gingen schön zum Essen und dann heim, eine Runde bumsen. Heien weinte die ganze Nacht. Es war schwer für
sie zu begreifen, daß sie ihren Geliebten teilen mußte. Um elf Uhr am nächsten Vormittag ging ihr Zug nach Mannheim - ich hatte keine Lust, sie mit dem Auto hochzufahren. Klara, die dicke Nudel aus dem Imex, wurde krank und wollte sich bei ihren Eltern in Hamburg gesundkurieren. Sie ward aber niemals wieder gesehen. Na ja, auf ihre paar Mark konnte ich gut und gerne verzichten. Ich kümmerte mich auch weiter nicht um die Sache. Ein Münchner Junge hatte sich heimlich von uns abgeseilt. Er eröffnete in der Nähe von Basel einen Sauna-Club. Der Rolex-Pit, so nannten wir ihn alle, war einer von den ganz guten Jungs, und wir vermißten ihn sehr. Mandi und ich verabredeten uns, in der nächsten Woche den Pit zu besuchen. »Aber nur für ein paar Stunden, denn ich muß mich ja am nächsten Tag wieder melden«, sagte ich. »Mal schau'n, was der für geile Mädels hat, ein bißchen bumsen und dann wieder heimfahren - ja, das wird ein netter Trip.« Als das gerade besprochene Sache war, kam Falco mit drei Weibern in die Kneipe. Das Hallo war groß, nicht unbedingt wegen Falco, vielmehr wegen den Schüssen, die er im Schlepptau hatte. Unser gemeinsamer Freund, der Impresario Klaus Berenbrok, hatte heute einen Gala-Abend zum Tourneebeginn des Entertainers Salvatore Adamo veranstaltet. Und von daher hatte Falco die drei kessen Dinger abgeschleppt. Es waren zwei Schwestern mit einer Freundin, alle so um die achtzehn Jahre alt. Wir füllten die Mädels ganz schön ab, sie gaben sich recht enthemmt. Aber mir lief der blöde Sekt auch bereits zu den Ohren raus. Falco verabschiedete sich abrupt, er schleppte die zwei Schwestern ab. »Viel Spaß beim Dreier!« winkte ich ihnen nach. Die Marlies, die dritte war mir sicher - sie führte sich auf, als ob wir alleine wären. Jetzt kamen zwei Luden mit ihren Weibern an unseren Tisch. Ein kurzes Hallo, eine der Huren konnte es sich nicht verkneifen, sich laut zu äußern: »Den schönen Berndt sieht
man aber auch jeden Tag mit einer anderen.« »Ich möchte dich nicht geschenkt haben, mit deiner Untreue«, sagte die andere. Das zeigte aber bei meiner Tischdame null Wirkung - sie war gerade damit beschäftigt, halb verdeckt unter dem Tisch, meinen Reißverschluß zu öffnen. »Dann fahrt's halt heim, wenn's schon so pressiert!« meinte einer der Luden. Aber das war leichter gesagt als getan, denn ich war heute absolut, total besoffen. Heute lasse ich einmal im Leben meinen Wagen stehen - so weit konnte ich gerade noch denken. »Gleich ist Schluß hier, dann nehme ich euch mit - ich wohne ja bei dir um die Ecke!« sagte der andere. Wir zahlten, und ich schleppte mich aus dem Lokal. Wir waren vor meinem Haus angekommen, es mag so halb fünf Uhr morgens gewesen sein. Ich war, im Auto zusammengekauert, eingeschlummert, und man weckte mich. »Ja, ja aussteigen - O. K. - klar.« Ach du Mist, da war ja noch die Micki-Maus. O je, jetzt noch bumsen müssen - bei diesem Gedanken wurde ich nicht unbedingt geil. Na ja, das werden wir auch noch überstehen, dachte ich in meinem Suffkopf. Nach dem Hausschlüssel gekramt, aufgeschlossen. Ich wartete vergeblich auf den Aufzug. Ja, war denn der schon wieder kaputt? O je, jetzt auch noch in diesem Zustand Treppen steigen! Marlies trottete mir nach wie ein Hündchen. Endlich an der Bettkante angekommen, entledigte ich mich umständlich meiner Kleider. Ebenso tolpatschig zog ich Marlies aus. Schlecht war's mir, ich öffnete sperrangelweit die Fenster ich brauchte frische Luft. Aber nachdem weitgehendst mein Gehirn und meine Reflexe ausgeschaltet waren, vögelte ich die Maus stundenlang - bis mich dann schließlich mein Orgasmus vollends in das Reich der Träume holte. Drrring, Drrrring, klingelingeling, dring... Ohrenbetäubendes Kungeln an der Tür. Es hätte Tote wieder wachgeklingelt. Ich
schaute auf die Uhr, es war drei Uhr nachmittags. Mein Kopf und meine körperliche Gesamtverfassung waren jetzt noch demolierter als zu dem Zeitpunkt, da ich schlafen ging. Kein Gedanke hatte Raum, nur mein Unterbewußtsein wehrte sich gegen dieses marternde Klingeln. Nun kamen noch Klopfen und Trommeln an der Tür dazu. Es war zu schlimm, ich mußte aufstehen. Ich torkelte zur Tür und öffnete diese. Zwei Herren waren die Urheber dieses Höllenlärms. Einer drückte mich sofort zur Seite, war schon in meiner Wohnung. Der Zweite zeigte mir seine Kripo-Marke. O Alkohol, warum quälst du mich so?! Ich blicke ja überhaupt nicht durch - was ist denn nur los, um Himmels willen? Nackt, wie ich war, ließ ich mich wieder auf mein Bett fallen - und versuchte überhaupt erstmal, mein Gehirn in Gang zu kriegen. Aha - ich war alleine! also war die Maus irgendwann gegangen - O. K.! So - nun zum zweiten, was wollten die Bullen von mir? Hatte ich mich gestern nicht auf der Polizei gemeldet? Doch! Nein? - Scheiße! »Um was geht's denn?« waren nun meine allerersten Worte. Und ich hoffte, daß sie keinen Hausdurchsuchungsbefehl dabeihatten, denn in meiner obersten Schublade lagen alle meine Waffen. »Jaaaa, nix mehr hinlegen - anziehen, mitkommen!« sagte der eine Bulle. »Und wieso?« wollte ich wissen. »Sie werden doch wohl wissen, was Sie heute nacht gemacht haben!« meinte der andere. Was konnte ich heute nacht gemacht haben? prüfte ich mich selbst, so gut es ging. Und wurde in diesem Moment, trotz meines schlimmen Katers, bester Dinge. Ich empfand genau dasselbe Gefühl, welches ich auf dem Stuhl der Mordkommission erlebte, als man mich wegen Berger falsch verdächtigte. Denn ich war mir sicher, heute nacht hatte ich nichts Ver-
botenes getan. Und was ich dachte, sagte ich ihnen. »Ich habe nichts gemacht.« »Nur ein bisserl Notzucht, Vergewaltigung und so!« äußerte einer von ihnen. »Was?! ... Was? .. .was hab' ich?« fragte ich, und ich glaubte, mein Herz bleibe stehen. »Na ja, was reden wir da, anziehen, mitkommen!« befahlen sie mir. Was war geschehen??? Was mir nun auf dem Polizeipräsidium vorgehalten wurde, mußte ich erst mal für mich auf die Reihe bringen. Bevor ich dazu Stellung nahm, brauchte ich eine Zigarettenlänge Bedenkzeit - gab ich zu verstehen. Es war ein grausames Spiel, das man da mit mir spielte war ich doch momentan eine halbe Leiche. Hatte ich doch einen total verkorksten Magen, ein flaues Gefühl im ganzen Leib. Mein Mund hatte keinen Speichel, meine Zunge klebte mir am Gaumen. Ich vermochte nicht, einen klaren Gedanken zu fassen - vermutlich hatte ich immer noch ein gutes Promille im Blut. Zu alledem kam der Schock der Verhaftung, und der Gipfel des Ganzen war diese gemeine, falsche Beschuldigung. Immerhin wurde Notzucht als ein Verbrechen geahndet. Da schaute ich wieder einmal ganz schön geküßt aus. Überdies war ich fassungslos darüber, wie diese dreckige Schlampe so etwas behaupten konnte. Haha, genau besehen hatte sie sogar mich vergewaltigt - unter dem Tisch in der Disco. Zeugen hatte ich ja. »Das darf man alles nicht so eng sehen« - dachte ich bei mir. Ich drückte meine Zigarette aus und sagte dem Kriminaler, er solle mir nochmals die Vorwürfe der Zeugin Marlies Bäumler vorlesen. Sinngemäß stellte sie es so dar, daß ich sie in der Disco stark unter Alkohol gesetzt hätte, dann hätte ich sie nach Hause geschleppt. Ich hätte sie gepeinigt und geschlagen, ihr mit Gewalt die Kleider vom Leib gerissen. Sie habe sich verzweifelt gewehrt, denn sie dürfe ja, ihrem Glauben entsprechend, vor der Hochzeit keinen Verkehr ausüben. Sie sei überzeugte Zeugin Jehovas und bekäme vom
Vater immer wieder eingetrichtert, sich an die strengen Regeln und Gebote dieser Glaubensgemeinschaft zu halten. Und nun hätte das Mädel schwere körperliche und seelische Schäden davongetragen. Der Anzeigende war der Vater, das Gutachten eines Krankenhauses lag bei. Ich verlangte etwas zu trinken. Der Gönner an der Schreibmaschine spendierte mir doch glatt eine Büchse Limo aus dem Automaten. »Soso«, sagte ich, »und jetzt erzähle ich Ihnen, wie es wirklich war! Diese Drecks...«, setzte ich an und wurde gleich unterbrochen. »Nur keine Beleidigungen, Herr Lang, wenn ich bitten dürfte...«, meinte der Typ. »O. K. - O. K., noch mal von vorne. Also, da waren drei Damen in der Disco, und zwei gingen mit meinem Freund mit nach Hause. Das Fräulein Marlies blieb noch bei mir und öffnete mir die Hose, man beachte - mitten in der Disco! Zeugen dafür gibt's. Dann konnte ich vor lauter Rausch nicht mehr Auto fahren, und mein Kumpel mit Frau fuhr uns zu mir heim. In meiner Wohnung waren alle Fenster geöffnet, und Marlies hätte ja in ihrer angeblichen Not schreien können. Wenn ihre Kleidung zerschlissen ist, so kann das sein, weil ich so tolpatschig daran zerrte. Sie legte sich in mein Bett und ließ sich stundenlang bumsen. Dann weiß ich nichts mehr, weil ich eingeschlafen bin. So war es und nicht anders! Bitte, nehmen Sie dies zu Protokoll.« Das tat der Beamte denn auch, und man merkte ihm seine gemischten Gefühle an, wem er nun letztlich Glauben schenken solle. Aber das sei nicht sein Bier, meinte er, das müsse das Gericht herausfinden. Mit diesen gegensätzlichen Vernehmungsprotokollen würde ihnen indes kein Ermittlungsrichter einen Haftbefehl ausstellen. Also mußte man mich laufen lassen, es gab ja keine Fluchtgefahr - bei festem Wohnsitz. Wiederholungsgefahr gab's ihrer Meinung nach auch nicht, denn mein Vorstrafenregister wies zwar viel auf, aber dieses Delikt war nun nagelneu. Nach telefonischer Anmeldung saß ich wieder auf dem Stuhl vor dem Arbeitstisch meines Anwalts. Er glaubte mei-
nen Schilderungen zwar, doch er meinte, die endgültige Klärung sei erst bei der Hauptverhandlung möglich. Er schien mich gut zu kennen, denn er warnte mich ausdrücklich davor, dieses Mädel zu suchen. Wenn da etwas vorkommen sollte, würden sie mich sofort einbuchten, und auch er könne mir dann nicht mehr helfen. Es war schrecklich, alle Zeichen sprachen dafür, und ich spürte es innerlich: Ich war gebrandmarkt. Ich konnte in keiner Einbahnstraße mehr rauchen, ohne nicht gleich mit der Polizei in Konflikt zu geraten. Wo stand ich? Was war los mit mir? Ich fuhr gleich nach dem Anwalt zu Anschy in die Pension. Ich wollte ihre Kohle, sie wollte mit mir bumsen. Es ging nicht, ich war heute noch nicht beim Melden. »Aber danach komme ich gleich zurück«, versprach ich ihr. Allerdings wußte ich jetzt schon, daß ich heute sicher nicht wiederkommen würde. Und überhaupt war ich sowieso auf die blöde Bumserei stark angefressen. Zumindest heute. Ich wollte ganz alleine sein, wollte nachdenken oder mich zerstreuen. Was von beidem, das wußte ich selbst noch nicht. Ich fuhr zum Starnberger See hinaus, es war schon später am Abend. Auf der Promenade waren noch ein paar Spaziergänger, engumschlungene Pärchen gingen langsamen Schrittes dahin. Ich hätte auflachen können über den Quatsch, den sie sich gewiß einredeten, nämlich, sich ganz fest und innig zu lieben. Daß ich nicht lachte! Aber - was ging das mich an. Ich setzte mich auf eine leere Bank, schaute in die Nacht, starrte in das dunkle Wasser. Ich sah all die Schönheiten, auch wenn es dunkel war. Kleine, weiße Schaumkronen legten sich um die Pfähle der Bootsanlegestellen. Träge schoben sich Wolkenfetzen am Mondlicht vorbei. Ein leichter, aber frischer Wind wehte mir über das Gesicht, als schenkte er mir eine neue Haut. Ich wußte, warum ich heute derart in mich gekehrt war. Mein heutiger Anwaltsbesuch gab Anlaß dazu.
Ich war kein Träumer, eher schon ein Realis t - und es war sicher, ich würde meine Freiheit verlieren. Sie würden mich einsperren - und gewiß nicht wenig. Der Tag würde kommen, wo mich Gitterstäbe von dieser schönen Welt trennen würden. Wie viele Jahre würden sie mir aufbrummen? Wie konnte man da drinnen existieren, unter so vielen Entbehrungen? Ich merkte, daß ich kettenrauchte, seit ich auf der Bank Platz genommen hatte. Meine Gedanken jagten sich. Ich wog die Dinge ab, saß über mich selbst zu Gericht und sprach mein eigenes Urteil: »Gekniffen wird nicht, vor nichts. Jawolllll!« Heute würde ich auf den blöden Schampus pfeifen, heute würde ich Wodka saufen. Ich ging in das schöne Tanzcafe des Strandhotels. Alle Leute hier waren lustig, nur ich nicht. Ich lud die nette Barfrau zu einem Drink ein, auf daß überhaupt jemand mit mir prostete. Zwei ältere Damen saßen alleine an einem Tisch, sie wisperten und kicherten. Ich dachte mir, die können nicht einmal ihr Glas heben, soviel Klunkern haben die an den Pfoten. Na ja, die haben halt ihr Leben lang ihre Macker abgekocht, bis die in die Kiste hupften. Und jetzt spielen sie die lustigen Witwen und verdecken ihre Falten am Hals und ihre Gichtpfoten mit ein paar Karat. »Ja ja, Omis, eure Zeit ist abgelaufen«, so dachte ich. Ich war voll, die Flasche leer. Ich bezahlte und fuhr hinein - in das Nachtleben einer Großstadt. Ich ließ die Scheibe herunter, ich genoß den Fahrtwind und - daß ich lebte!
Frühlokal Ich hatte schon durch ein paar Kneipen geguckt, ich wollte eigentlich den Falco finden. Wollte ihm die Geschichte erzäh-
len von der Drecks... und der angeblichen Vergewaltigung. Vielleicht traf ich ihn im Frühlokal, also fuhr ich jetzt am besten gleich mal hin. Selbstverständlich hat München etliche Frühlokale, das heißt, Kneipen, die ab fünf Uhr früh geöffnet werden. Das ist eine Frage der Konzession, die, je nachdem, von den Ämtern genehmigt wird oder nicht. Und alles, was nachts unterwegs ist, der Underground Inbegriffen, entscheidet, welcher Laden gerade in ist. Mitten in Schwabing, in einer kleinen Seitenstraße, steht ein wunderschönes Patrizierhaus. Das Grundstück ist mit einer niedrigen Mauer umgrenzt, aus welcher herrliche Schmiedeeisen-Ranken zu einem Zaun emporwachsen. Zwei verträumte Figuren aus Granit säumen den Eingang des stets offenen Tores, viele Jahrzehnte liehen diesen Figuren eine schmuddelige Patina. Der Keller des Gebäudes ist zu einem Frühlokal ausgebaut worden, das schick und teuer eingerichtet ist. Es hat eher Clubcharakter - es kommt auch nicht jedermann rein. Ein Spion ist in der Tür angebracht und der Kennerblick dahinter entscheidet über den Einlaß. Die Belegschaft dieses Ladens weiß, was sie den etablierten Nachtschwärmern schuldig ist. Gewisse Leute finden jederzeit Einlaß, nicht erst ab fünf Uhr früh. Und die Zuhälter samt Huren gehörten zu jenen gewissen Leuten. Als ich vorgefahren kam, sah ich schon einige Fahrzeuge von den Jungs geparkt. Das mit den Parkplätzen war hier immer schwierig, also standen wir auf Gehsteigen oder auch in zweiter Reihe geparkt. Aber wie oft war es schon vorgekommen, daß wir vor lauter Feiern, Saufen oder Zocken die Zeit vergaßen. Draußen pulsierte dann der Alltag - und unser Auto war abgeschleppt. Nachdem mir das schon viermal passiert war, war ich von der wilden Parkerei bedient. Ja Wahnsinn - heute hatte ich Glück. Ein Superparkplatz
direkt vor der Tür war frei. Da mußte vor wenigen Minuten erst einer weggefahren sein. Ich leitete meinen Parkvorgang ein und wollte gerade in die Lücke zurücksetzen. Als ich durch das Heckfenster sah, dachte ich, mich knutscht ein Elch. Ein VW -Bus fuhr rasant von vorne schräg in meine Lücke. Bremsen quietschten, lauter animierte Leute sprangen aus dem Bus, fünf Männer und eine Frau. Das ist doch wohl nicht dein Ernst? dachte ich bei mir und sprang aus meinem Wagen. »Ja, ihr Erzidioten - wollt ihr nicht gleich meinen Parkplatz freimachen?!« schrie ich und ging auf sie zu. Die Gesellschaft war schon im Begriff, in das Lokal zu gelangen. Sie lachten mich regelrecht aus, und einer meinte: »Was willst du? Deinen Parkplatz? Mach mal die Augen zu, dann siehst du, was dir gehört!« Womm - das traf mich ungemein. So eine unverschämte Beleidigung - das war schon der Gipfel. Aber noch dazu dieser abgewichste Spruch - jetzt reichte es mir aber. Das waren auch wieder so Typen, die einfach nur die Sprache aus der Schulter verstanden. Mein Wagen stand immer noch mitlaufendem Motor in zweiter Reihe. Ich kriegte den frechen Hund zu fassen, wollte ihn am Hals schütteln- da kamen alle auf mich zu. Auch die Frau. »Bürschchen, dich haben wir gleich zerlegt!« ... Und das sagte einer zu MIR - Wahnsinn, jetzt langte es. Ich sprang behende fünf, sechs Sätze zurück zu meinem Wagen und öffnete den Schlag. Meine Gegner dachten wohl, dies wäre mein Rückzug. Aber da irrten sie sich gewaltig. Ich holte unter meiner Fußmatte meine Plempe, Fabrikat Walther - neun Millimeter, hervor. So! Und nun war ich der Chef im Ring geworden. Dementsprechend waren jetzt auch meine Sprüche. »So, so, zerlegen wollt ihr mich? Schaut mal her, was ich da habe!« Es war schier unglaublich, wie diese illustre Gesellschaft urplötzlich zu Salzsäulen erstarrte. Alle standen sie da, krei-
debleich und mit weit aufgerissenen Augen - in ihren Bewegungen innehaltend. Die Frau ließ gleich ihre Handtasche fallen- sie bückte sich nicht danach. Es herrschte Totenstille in diesem Straßenabschnitt, nur der Motor meines Wagens surrte gleichmäßig vor sich hin. Ein ganz vorsichtiges Grau löste nun die Nacht ab, und im nahegelegenen Park begann der erste Vogel zu zwitschern. Noch hielt ich den Lauf der Waffe gen Himmel gerichtet. Das Klicken meines Durchladens brachte wieder Leben in die Szenerie. Alleine das >Klick-KlickChefSein< nahm wieder völlig irdische Dinge wahr. Ein Sanitätsauto beeilte sich, mich in eine Klinik zu bringen, ich fand mich auf einer Bahre wieder, und das Tatü-tatü lieferte mir den akustischen Beweis -ich lebte. Ich erlebte allerdings alles nur geistig, spürte keinen Körper, keinen Schmerz. Zwei Sanitäter oder Not-
ärzte zurrten die Bahrenriemen fester. Mandi saß neben mir. O Gott-jetzt erst kam mir, was passiert war. Wir hatten einen Unfall gehabt! Und ich kannte den genauen Ablauf des Geschehens. Ich nahm nicht den Feldweg, den es wirklich gibt, ich nahm auch nicht die Straße. Ich fuhr vielmehr zielsicher an den einzigen Baum, den es entlang dieser Straße gibt. Die Polizei brauchte mir das nicht zu sagen, ich wußte es jetzt schon, daß ich mit exakt Hundertvierzig frontal daraufzugefahren war. Später erfuhr ich, daß der Tacho bei dieser Geschwindigkeit stehengeblieben war. Mandi schoß mit der Frontscheibe weit über die Straßenböschung in eine weiche Wiese. Ich aber blieb im Wagen. Und, nicht angeschnallt, flog ich, einem Tennisball gleich, durchs Wageninnere, um mich in Ruhestellung auf dem Rücksitz wiederzufinden - alle Türen waren auf. Ich kroch raus, so gut es ging, und schrie nach Mandi. Der meldete sich prompt von irgendwoher - damit wußte ich, daß er noch lebte. Ich konnte meinen Kopf nicht mehr heben, und so krallte ich mich am Straßenrand ein - zog den Kopf gleichsam hinten nach. Ich wollte Mandi zu Hilfe kommen... Und dann ging ich für ein Weilchen >hinüber< Die Ärzte stellten einen Genickbruch fest sowie Brüche des dritten und siebenten Brustwirbels. Ein ganzer Stab von Ärzten und Professoren der Medizin stand um mein Lager herum, und sie waren mit ihrem Latein am Ende. Denn: Der Bruch des Atlas ist tödlich - und die Brüche des dritten und siebenten Wirbels bedeuten Ganzlähmung. Ich bekam ein Kinngeschirr, welches über Rollen mit fünf Kilogramm Gewicht meinem Kopf ständig vom Körper zog. Also machte ich es mir mal für einige Zeit hier gemütlich am Rande des Schwäbischen Jura - nämlich in der Chirurgischen Abteilung des Tuttlinger Krankenhauses. Meine Eltern wurden sofort verständigt, und sie kamen auch umge-
hend angereist. Meine Mutter beugte sich über mich und weinte bitterlich. »Bitte, bewege dich nicht, jede Bewegung kann immer noch tödlich sein, sagten mir die Ärzte - mein Junge.« Ich konnte ja nicht reden, aber ich dachte bei mir - wenn ihr nur alle wüßtet, wie schön es ist, wenn man tot ist. Jeder, der an mein Bett trat, meinte, wie sehr ich doch Glück gehabt hätte. Ein Professor kam angereist und fragte mich - ob ich die Zehen bewegen könne? Ich verstand ihn zwar, konnte ihm dies aber auch nicht sagen - so bewegte ich halt meine Fußzehen. Der Gute war fix und fertig - wollte gar an Wunder glauben, da er ja meine Röntgenbilder kannte. Also war ich weder tot noch querschnittsgelähmt - ein Pfarrer kam und gab mir dennoch vorsichtshalber die letzte Ölung. Ich glaubte, Salbe und Salz auf meinen Lippen zu spüren, sein Sprüchlein war sehr feierlich. Nur- seine Story vom Himmel und dem lieben Gott, der jeder Seele gnädig ist, mit dieser Interpretation lag er bei mir wohl ein bißchen verkehrt. Aber wenige Tage später verwischten sich mein Wis sen und meine Gedanken über das Jenseits - die Sperre für alles Irdische war wieder eingerastet. Der Pfarrer war also in meinem Fall zu früh am Wirken gewesen. Nun wurden auch wieder normale menschliche Bedürfnisse wach - das Egozentrische fraß wieder Raum. Jedes Krankenhaus hat eine >GipswerkstattGipswerkstatt< des Tuttlinger Krankenhauses fertigten mir eine Gipsschale an, damit mein ganzer Körper in Ruhestellung versetzt werden konnte. Als dies geschehen war, hätte ich jederzeit als ägyptische Mumie ins historische Museum gestellt werden können. Meine Zugmaschinerie am Kinngeschirr wurde entlastet, das Gewicht auf zwei Kilo reduziert. So war es mir auch wieder möglich, den Mund zu öffnen und sachte zu sprechen. Nun stellten sich Schmerzen ein, Hunger und Durst - der Prozeß der Wiedergenesung begann. Aber es sollte bis zur Gesundung noch sehr viel Zeit vergehen, nämlich fast auf den Tag genau - ein Jahr. Jetzt ließen die Ärzte auch die Polizei an mein Krankenlager, die Be-
amten wollten fürs Unfallprotokoll einiges von mir wissen. Natürlich waren die Polizisten davon in Kenntnis gesetzt, daß ich einer täglichen Meldepflicht unterlag - aber diese war nun selbstverständlich für die Zeit meines Krankenhausaufenthaltes außer Kraft. Mein Körper, oder besser gesagt, meine zerschmetterten Knochen, begannen zu heilen, die Kallusbildung war auf neuerlichen Röntgenbildern schon zu erkennen. Aber mein psychischer Leidensweg erfuhr Woche für Woche, Monat für Monat eine Steigerung. Ich mußte wieder lernen, meine Arme zu bewegen, meine Hände sollten greifen. Man gab mir einen Wattebausch, den ich zusammendrücken mußte, es ging von Tag zu Tag besser. Eingeschalt, wie ich war, hätte ich ein Vermögen dafür bezahlt, mich einmal nur da oder dort kratzen zu können. Man gab mir einen Spiegel in die Hand, mit Hilfe dessen ich meine Umwelt, den Raum, in dem ich lag, erleben durfte. Mein Blick war doch ansonsten >einzementiertlebendig begrabene Und somit begann ein leichtes Abbröckeln meiner Persönlichkeit. Die erste Zeit nach meiner Verhandlung schwächte mein Rückgrat, ließ gleichsam mein Rückenmark eintrocknen. Nun wurde es mir auch egal, ob ich viel Geld hatte oder wenig, meine Weiber langweilten mich. Die Jungs des engsten Kreises flehten mich an, ich solle doch >Gas gebenIch stehe das durch! < Nein, so grausam es auch war, ich wählte den anderen Weg. Für alles im Leben muß man bezahlen - und hatte ich es im Kreuz, lauter Quatsch im Leben zu fabrizieren, dann mußte ich es auch im Kreuz haben, die Konsequenzen dafür zu tragen. O. K. - ich würde diesen bitteren Kelch trinken, aber jetzt lebte ich nur noch von einem Tag auf den anderen.
Ich kümmerte mich darum, daß mein Schrotthaufen aus dem Schwarzwald nach München überführt wurde - mein lieber Schwan, an dem Auto war ja gar nichts mehr ganz. Also kam dieser Blechhaufen zum Ausschlächter, es gab immerhin noch vierhundert Mark dafür. Ha, ha, ha... Und... da ich in dieser sogenannten bürgerlichen Welt war, bald würden mich Mauern und Schlösser davon trennen, ließ ich es mir gutgehen, jeden Tag, den ich noch in Freiheit verbringen durfte, aufs neue. So wurden auch mein Ich und mein Charakter wieder stabiler, der Knast wurde nun in meinen Gedanken ein fester Bestandteil meines Lebens. Ich gab mein Geld mit vollen Händen aus. Mein Kürschner und mein Schneider waren durch meine Aufträge voll beschäftigt, ebenso mein Juwelier. Ich ließ mir kiloweise Ketten und Ringe anfertigen, alles nach meinen Einfallen und Zeichnungen. An jedem Finger trug ich Rockerschmuck, speziell, wenn ich mit meinem Motorrad unterwegs war. Ein Ring ist besonders erwähnenswert, er hatte zirka zweihundert Gramm und war als Krone gearbeitet. Sechs gefährliche Zacken, mit Brillanten besetzt, gaben gleichzeitig einen brutalen Schlagring ab - eine Waffe, vom Juwelier gefertigt, sozusagen. Ferner gab ich eine Fahrradkette in Auftrag, nur sollte jedes Glied in Gold gefertigt werden, und das in Handarbeit. Als der gute Mann aber nach Monaten erst acht Glieder fertig hatte, unterbrach ich diesen Auftrag. Denn wenn er fertig ist, sitze ich schon lange - dachte ich mir. So wurde dieses Stückchen Kette mein Schlüsselanhänger, mit dem Gewicht eines halben Pfundes. Als ich eines Tages aus einem Lokal kam, saß eine süße Mieze auf meinem Motorrad, sie schien sich wohlzufühlen auf diesem verchromten Kraftpaket. Ihre abgeschnittenen Jeans gaben mehr Arschbacken frei, als sie verdeckten. So sah das Ganze entzückend aus - dieser kleine, geile Arsch auf meinem breiten Sattel. »Hey Baby, nun mußt du da runter - ich muß fahren!« sagte ich.
»Wahnsinn, ist das deine Maschine? Nein, hier geh' ich nicht mehr runter!« entgegnete sie. »Tja - dann wirst du wohl überall mit mir hinfahren müssen, zum Beispiel fahre ich jetzt nach Hause.« ... »Dann fahre ich halt mit dir nach Hause, aber hier kriegt mich keiner mehr runter!« Na, dann mal los, dachte ich bei mir, hieß sie, sich an mir festzuhalten, und ab ging die Post. Es war mir nichts Neues, daß so eine Motorradfahrt einen weiblichen Unterleib zum Kochen bringt. Also wollte diese Maus ein derartiges Vergnügen erleben. Ich sah in meinen Seitenspiegeln ihr langes blondes Haar flattern, ich spürte ihre vollen Brüste fest an meinen Rücken gedrückt. Ich drehte meine Stereo-Anlage voll auf und ließ jeden Gang aufröhren, bevor ich weiterschaltete. Als wir an einer Ampel standen, fragte ich über die Schulter, wie sie denn heiße? »Nicole -« »... Und ich bin der schöne Berndt«, gab ich zurück. Das Zittern des Sattels als Übersetzung der schlagenden Kolben stimulierten dieses Mädel merklich, denn schon spielte die Kleine mit ihren Händen an meiner Vorderpartie - aber unter der Gürtellinie. Zu Hause angekommen, war diese Kleine Wachs in meinen Händen. Ich wollte gerade eine Flasche Sekt öffnen, da kam sie schon splitternackt aus dem Bad und ging sofort zur Sache. »Du hast nicht nur eine Wahnsinns-Maschine, du siehst auch noch gut aus!« meinte sie. Ich erklärte ihr, daß ich nicht umsonst »der schöne Berndt« genannt werde. »Und du lebst alleine?« fragte sie mich. Ich zog mich ganz unbeholfen aus, weil ich nur eine Hand frei hatte. Die Schließmuskeln ihrer Vagina hielten meinen einen Mittelfinger gefangen. Schließlich landeten wir im Bettchen, und diese Lustnudel bumste wie eine Alte. Sie schrie und krallte ihre langen Nägel über meinen Rücken ich mußte ihre Hände festhalten und in die Kissen drücken.
Denn solche Spuren sahen meine Weiber nicht gerne an mir. Als wir ermattet dalagen und eine genüßliche Zigarette rauchten, machten wir uns vordergründig die Mühe, uns kennenzulernen. Sie jobte in einer Schwabinger Boutique, war erst vor zwei Wochen »Wahlmünchnerin« geworden. Ich erzählte ihr, daß ich zwar alleine wohne, aber meine Weiber stünden irgendwo in Deutschland vor den Schotten. Sofort hörte ich aus ihrer Fragestellung heraus, daß sie sehr wohl auch geneigt sei, es mal auf dem Strich zu probieren. In ihrem jetzigen Job gäbe es nur eine dünne Gage, und man könne sich davon nicht mal eine Wohnung leisten. Nach wenigem Hin und Her war mir da eine neue Partie ins Haus geschneit. Ich hatte aber keinen großen Bock, ihr das Handwerk einer Dirne beizubringen, sondern steckte sie einfach zum Wetzl Anton in die Pension. Der Arnold Ferry sah uns mal in einer Disco und nahm mich zur Seite. Er meinte, diese Alte sei der pure Wahnsinn, er würde weiß Gott was dafür geben, wenn er diese Maus sein eigen nennen könnte. Ich sagte ihm, daß er sie ja freiem könne, oder aber, ich würde ihm Nicole als Partie verkaufen. »Überleg dir das mal - wir haben ja Zeit!« sagte ich ihm, und so ruhte vorläufig dieser Menschenhandel noch. Nachdem so gute zwei Wochen vergangen waren, stellte ich fest, daß Nicole herzlich wenig durchs Anschaffen verdiente. In jedem Falle sah ich fast keine Mark von ihr. Wenn ich sie darauf ansprach, was denn los sei, zuckte sie nur die Achseln. Ich sprach mit ihren Kolleginnen und wollte wissen, ob das Geschäft allgemein gerade so schlecht liefe - hier in dieser Straße und Pension. Aber es schien an Nicole ganz alleine zu liegen, sie war halt einfach eine Schlafmütze. Ich schaute mir das Ganze noch ein paar Tage an, dann riß mir der Geduldsfaden. Der Arnold Ferry hatte ein Liebesetablissement vom Feinsten, draußen, im Westen von München. Sein Haus war als »Weiße Villa« weit über die Münchner Grenzen hinaus auch den nobelsten Freiern der Gesellschaft bekannt. Auf seiner
Gästeliste führte er nur beste und berühmte Namen, der Champagner floß dort in Strömen. Der vorhandene Swimmingpool war seinerzeit, in den sechziger Jahren, ein echter Luxus und gab dem Ganzen auch noch einen feudalen Anstrich. Die Weiber, die dort anschafften, waren alle Extraklasse und eine Augenweide. Heute wollte ich mit Nicole einmal dort hinfahren, ich dachte mir, vielleicht verdiente sie mehr, wenn sie in der Weißen Villa arbeiten würde. Ich klingelte am Gartenportal, mit Nicole im Schlepptau - und sofort begannen die in den Büschen installierten Kameras hin- und herzuschwenken. So konnte man, unten von der Bar aus, jeden Neuankömmling mustern und identifizieren. Der Ferry mußte da sein, denn sein Maserati stand in der offenen Garage - also würde der Junge mir heute einen ausgeben müssen, wenn ich schon diese »Traumfrau« mitbrachte. Der Abend war noch jung, es war erst ein Gast da, und der tummelte sich mit zwei Hasen in der geräumigen Sauna. Der Ferry tat ganz wepsig und schwänzelte gespielt übertrieben um mein Baby rum. Noch glaubte Nicole an einen Scherz, als jetzt der Ferry ohne Umschweife darlegte, daß er sie am liebsten mir abkaufen würde. »Das ist eine Frage des Preises«, war mein Kommentar dazu. Ich sah lächelnd mein Mädel an und fragte: »Na, was hältst du davon, hier in diesem Luxus Hausherrin zu werden??« Ich spürte sofort, wenn ich diese Sache mit dem nötigen Druck forcieren würde, könnte dieser Kuhhandel am Ende wohl klappen. Ich nahm Ferry in ein Nebenzimmer und erklärte ihm, daß ich jetzt mal schnell zum Melden fahre, er solle zwischenzeitlich die Alte ein bisserl poussieren. Wenn ich zurück sei, sähen wir weiter. Ich ließ mir Zeit mit dem Wiederkommen, es war wirklich besser, die Maus zu verkaufen - dachte ich. Lieber eine gewisse Summe sofort, als irgendwann ein paar Märker zu zählen. Nein, schließlich war ich ja kein Hartgeldloddel.
Nicole traute ihren Augen nicht, als sechs Riesen abgezählt vor mir auf dem Tisch lagen. »Das ist mein letztes Angebot«, erklärte Ferry und nahm gleich das Mädel besitzergreifend in seine Arme. Ich steckte das Geld ein. Nun erkannte wohl Nicole den Ernst der Situation und fing an zu weinen. Ich beruhigte sie und sprach davon, daß ich ja sowieso bald in den Knast müßte - und so könne sie beim Ferry bleiben, bis ich wiederkäme. Ich trank schnell aus und mit den Worten: »Hier hast du es doch gut« sowie mit einem flüchtigen Küßchen verabschiedete ich mich - weg war ich. Ich fuhr jedoch mit gemischten Gefühlen weg, nicht etwa wegen Nicole - sondern eher deshalb, weil ich Bedenken hatte, ob die Sache auch gutgehen würde. So sah ich das Geld, die sechstausend Mark, noch lange nicht als meines an, ich schob es achtlos unter die Fußmatte im Auto - und dachte mir noch, es liegt vorläufig gut da. Ich lebte eine ruhige Zeit, fast möchte ich sagen, es kamen Wochen ohne besondere Vorkommnisse. Ich fuhr auch immer weniger nach Mannheim, ließ mir von Heien das Geld ins Haus schicken. Fast hatte ich mich daran gewöhnt, daß es etwas ruhiger zuging, da kam es wieder Schlag auf Schlag. Exakt nach zwanzig Tagen stand Nicole vor der Tür und heulte sich die Augen aus. Sie könne einfach nicht mit dem Ferry leben, und so weiter und so weiter - und wie sehr sie mich doch liebe und welche Sehnsucht sie nach mir hätte. »Weiß denn der Ferry, daß du jetzt da bist - bei mir?« fragte ich sie. Aber natürlich wußte er nichts davon, sie hatte ihm vorgelogen, sie gehe zum Friseur. Spätestens jetzt fielen mir wieder die Sechstausend unter meiner Auto-Fußmatte ein - und ich war natürlich stocksauer darüber, diese nun wieder brav zurückbringen zu müssen. So war alles an meiner Nase vorbeigelaufen. Ich hatte auch keinen Nerv für Nicoles Geflenne, denn eigentlich hatte sie mich zum Gelackmeierten gemacht. Hoffentlich blieb das
zwischen dem Ferry und mir geheim, sonst machte mich diese blöde Kuh noch glatt zum Gelächter im Milieu. Aber da gab es nur eins, ich erklärte ihr, daß sie in München ab sofort nicht mehr anschaffen dürfe. Außerdem stünde ich nicht auf sie, und es sei überhaupt gescheiter, sie packe ihre Siebensachen und verschwinde in eine andere Stadt. Ich setzte sie ganz unkompliziert vor die Tür und fuhr schnurstracks zur Weißen Villa, griff unter meine Fußmatte und knallte dem Ferry die Kohle wieder auf den Tisch. Ich sagte ihm, daß Nicole weinend bei mir war und daß ich ihr in München Anschaff-Verbot erteilt hatte. »Also, halte dich auch daran, Ferry, hier ist dein Geld wieder«, sagte ich ihm, und: »Eigentlich war die ganze Sache nichts weiter als ein herrlicher Irrtum von uns allen dreien.« Als ich wieder heimfuhr, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, vor Irrtümern war man nie gefeit. Da fiel mir ein, vor zwei Jahren hatte ich wohl für die kürzeste Zeit eine Partie aufgestellt, kürzer ging's kaum. Als ich damals mit meinem Wagen durch die Stadt fuhr, es war ein bitterkalter Wintertag, lud ich ein Mädel in mein Auto ein. Dieses arme Geschöpf hatte auf einer Straßeninsel herumgeschlottert und auf die Straßenbahn gewartet. Ich hatte die Maus nicht einmal mit nach Hause genommen, hatte sie nicht einmal geküßt. Ich ging mit ihr essen, und auf meinen Vorschlag hin, für mich Anschaffen zu gehen, war sie spontan bereit gewesen. Das war's, das war's, was ich immer wissen wollte. Es war eine Manie - ich war pervers darauf. Und wenn ich auch die schönste Frau der Welt sah, dachte ich diese sofort in Scheine um, in viele, viele Scheine unserer Währung. Nun, dieses Mädel damals sollte mir sofort, am selben Abend noch, beweisen, daß sie eine gute Partie zu werden versprach. Ich setzte sie mutterseelenallein am Viktualienmarkt ab, auch da kurven die Freier mit ihren Autos rum. Ich drückte ihr ein paar Gummis in die Hand und überließ sie ihrer neuen Aufgabe. Ich sprach mit ihr ab, daß ich in einer Stunde wieder vorbeischauen würde. Ich gab Gas und war
verschwunden. Aber nur scheinbar, denn ich wollte ihr unbemerkt meinen Schutz geben. So fuhr ich leise und ohne Licht den Platz von einer anderen Seite an und blieb stehen. Ich holte meine Kanone hervor und lud diese durch. Denn ich hatte bisher noch nie Kontakt zum Viktualienmarkt. Natürlich wußte ich aber, daß auch da ein paar abgewrackte Weiber anschaffen und daß gelegentlich ein Leberkäs-Loddel sein Revier begeht. Aber- es tat sich nichts, kein Feind war zu erkennen. Zu erkennen aber war, daß die Micky-Maus da frierend vor sich hinhüstelte - sie bot ein Bild des Jammers. Ich fuhr sofort um ein paar Ecken - zum Platzl. Ging in den erstbesten Animierschuppen und rief alle Weiber zusammen. »Wer verkauft mir seinen Mantel?« fragte ich. Zwei Angebote kamen, es wurde ein bisserl gefeilscht, und so ersteigerte ich mir mitten in der Nacht einen Damenmantel für meine nagelneue, frierende Viktualienmarkt-Partie. War nicht ganz billig, das Ganze. Aber ohne Investitionen kann kein Geschäftsmann etwas werden. Schnell war ich wieder zurück und legte dieser jämmerlich frierenden Gestalt den Mantel über. Sie blickte mich dankbar an und gab mir ein Küßchen auf die Backe. Ich sah aber schon ein paar Autos kreisen, wollte dem kommenden Geschäft nicht im Wege stehen und fuhr von dannen. Irgendwo nahm ich einen Drink, um dann auch gleich wieder meine Kontrollfahrt zu machen. ... Weg war sie - aha, ihr erster Stich, dachte ich bei mir. Immer wieder wunderte ich mich darüber, daß ein großer Teil von Freiern lieber im unbequemen Auto bumste als auf einem angenehmen Bett im Puff. Der Preis war doch derselbe. Jedenfalls wartete ich auf meine neue Geldquelle - aber die kam auch nach Stunden nicht wieder. Sie hatte sich den Mantel geschnappt und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden ... so ein Pech! Das war meine kürzeste Partie, sie stand keine Stunde... Also war das Thema Nicole auch abgehakt - ich machte mich frisch, zog mich an und wollte in den >Billard-SaloonSeven-ElevenBillard-SaloonBillard-SaloonBoccaccio< für eine geschlossene Gesellschaft gemietet. Die Gästeliste war klar, alles, was in meinem Dunstkreis lebte, vorrangig natürlich meine Freunde mit und ohne Frauen, waren eingeladen. Elegante Robe war selbstverständlich. Jeder konnte bestellen, was er wollte, sozusagen: Getränke bis zum Abwinken. Speisen reichte der Kochalles auf meine Rechnung, verstand sich. Trotz des traurigen Anlasses war es eine gelungene Nacht. Wir plauderten von vergangenen Zeiten und Tagen, es gab viel zu lachen über den Quatsch, den wir bisweilen zusammen fabrizierten. Manche, die schon mal in der Kiste waren, gaben mir noch wertvolle Tips, wie man auch da drinnen am besten zurechtkommt. Aber da hatten meine Ohren Durchzug, ich mußte selber sehen, wie das lief. Zeit genug hatte ich ja dazu. Einer
belehrte mich lauthals, nur ein Wahnsinniger würde sich freiwillig in solch lange Haft begeben. Er bot mir ein letztes Mal seinen Wohnsitz auf Gran Canaria an. Ich weiß nicht, wie das vor sich ging, sicherlich hatte der Türsteher mal nicht aufgepaßt - jedenfalls kamen zwei Pärchen ins Lokal, die nichts mit uns zu tun hatten. Rein optisch waren das schon stocksolide Figuren. Die zwei Frauen traten ein paar Schritte in den Raum, die Herren blieben im Flur an der Garderobe stehen. »Ist denn überhaupt was los?« wollte der eine von seiner Begleiterin wissen. Diese war bereits schon wieder auf dem Rückweg. »Nein-außer ein paar Hürchen ist hier nichts los!« sprach sie mit Absicht laut. Daß sie damit in ein Wespennest stechen würde, das konnte sie sich garantiert nicht vorstellen. Wie der Blitz sprang Carmen von ihrem Barhocker und hatte die Gnädigste am Haarschopf. So schnell konnte man gar nicht schauen, wie es da Ohrfeigen gab, die sich gewaschen hatten. Jaja, nicht umsonst sprachen alle von ihr als der »wilden Carmen«. Und jetzt spielten sich die Dreikäsehochs von Männern auf, als wären sie Deutschlands Zorros. Aber ganz schnell bildete sich eine Mauer von Zuhältern, so daß das kesse Suppenhuhn seiner gerechten Strafe nicht entkommen konnte. Und die zwei Begleiter wurden am Hals geschüttelt, mit dem Vermerk: »Schön brav sein.« Die Eindringlinge durften ihre lädierte Giftspritze mitnehmen und wurden rausgeschubst: »Ein Prosit auf unsere Rausschmeißer - die Tassen hoch!« grölten wir im Chor, und es floß reichlich Champagner. Aber für die Handvoll Akteure war es nun höchste Zeit, mal schnell das Lokal zu verlassen. Sie würden rasch in eine andere Kneipe fahren und dann hier anrufen, ob die Luft wieder rein war. Schon wenige Momente später erfüllte sich unsere Weissagung. Zwei Funkstreifenbeamte kamen zuerst herein, die vier Kasperl hintenangedrängelt.
»Ja die liebe Polizei ist da«, tönte ich und fuhr fort: »Wie geht's denn, Herr Amtmann?« Die Bullen ignorierten mich. Die vier schauten verzweifelt um sich, suchten wohl ihre Peiniger. Aber es waren nur noch Leute anwesend, die absolut nichts getan hatten. Auf verschiedene Fragen sagten wir: »Wissen wir nicht, kennen wir nicht, sind gegangen -« Carmen und die Jungs kamen eine Stunde später wieder zurück - ach, das war ja wohl eine unserer leichtesten Übungen gewesen. Es wurde weitergefeiert, mein Baby hielt ununterbrochen ihre Hand auf meinem Schenkel. Als der Morgen fast schon graute, war für die meisten von uns die Party zu Ende. Denn jeder, der mich begleiten würde, wollte noch ein wenig schlafen. Ich ging mit dem Kellner in ein stilles Eckchen, bezahlte den Spaß. Runde vier Mille waren angesagt, drei Scheine Tip freuten ihn sehr. Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Auf Wiedersehen in sechs Jahren.« Er drückte mich ganz fest an sich, küßte mir die Backe, und fast hätte ich feuchte Augen deswegen bekommen. Jedenfalls kam ich mit glasigem Blick zurück, nahm mein Mädel an der Hand und winkte nun wortlos. Ich fuhr im Schrittempo nach Hause, alle Autoscheiben waren runtergelassen, das Schiebedach war offen. Die letzten Atemzüge in der freien Luft, der Freiheit schlechthin. Engumschlungen schliefen wir ein, ich konnte in dieser letzten, kurzen Nach mein Baby nicht mehr lieben. Der Ge danke an die nächsten Stunden mochte mich impotent gemacht haben. Der Radiowecker quiekte seine Melodien, als ob heute ein ganz normaler Tag sei. Ja, eigentlich stimmte es ja auch azurblauer Himmel, kein einziges Wölkchen war zu sehen. Es war mein ganz persönliches Dilemma, warum an diesem schönen Tag keine Freude bei mir aufkam. Kirstin machte Kaffee, ich verschwand ins Bad. Verflucht sei dieser Tag. Noch nicht ganz nüchtern von dieser Nacht, probierte ich es mal
mit Zähneputzen, um diesen fahlen Geschmack loszuwerden. Es klingelte Sturm an der Haustür - ich betätigte aber nicht den Drücker, sondern wollte vom Balkon aus überprüfen, wer da so einen Terror veranstaltete. Wenn es nicht so zum Heulen gewesen wäre - dieser Anblick, der sich mir da bot, wäre herzerfrischend gewesen. Die rahige Straße, in der ich wohnte, war ja schon einiges von mir gewohnt. Meine laute Maschine mit der Stereo-Anlage zum Beispiel, oder meine volltrunkenen Heimgänge, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß ich mal eine nackte Maus Gassi führte. Aber heute war es wohl das größte Spektakel, das diese Zeile erfuhr. Die ganze Straße entlang parkten in zweiter Reihe meine Freunde. Da standen sie, die geschniegelten, gestriegelten Nobelkarossen - hochpoliert, wohl zwanzig an der Zahl. An jeder Antenne waren lange, schwarze Bänder am Baumeln - und eine Horde ungewöhnlicher Männer stand unter meinem Balkon. Der Achim rief in den wunderschönen Sommervormittag hinein: »DER HERR RIEF, UND ALLE KAMEN!« Ich stand da in meiner Unterhose auf dem Balkon und winkte auf sie herab - das sah bald so ähnlich aus, wie der Papst beim Urbi et Orbi. Mein Baby war schon angezogen, sie sah todschick aus. Weil ja bei uns Geld keine Rolle mehr spielte, hatte ich extra für diesen Tag meinen Kürschner bei Kirstin maßnehmen lassen. Er verpaßte ihr ein Chinchilla-Kostüm, wobei der Rock mehr als mini ausfiel. Sie trug schwarze Spitzenstrümpfe dazu, und auf dem Haupt saß ihr ein schwarzer Modellhut mit schwarzem Schleier. Das war alles, was sie am Leibe trug, ihre Strümpfe wurden von Strumpfbändern gehalten, unter dem Kostüm war sie nackt. Ihre schwarzen Lack-Pumps machten sie zehn Zentimeter größer - sie war anzusehen wie eine wahre Sex-Göttin. Nur ihr Antlitz wirkte ruhig und traurig. Knapp dreißig Gäste drängten nun in meine Wohnung. Ich zog mich schnell an. Obwohl es ein heißer Sommertag war, wählte ich heute meinen schwarzen Samtanzug - etwas Pas-
senderes brachte mein Kleiderschrank nicht hervor. Ich warf mir meinen weißen Seidenschal um, er sollte die gelegentlichen Tränen von Kirstin trocknen. Jeder wollte etwas zu trinken, und im Nu wirkte meine Bude wie eine Kneipe. Sekt aus dem Kühlschrank, die Hausbar geplündert, laute Musik. Keiner hatte seine Alte mitgebracht, denn das, was es zu heute zu tun gab, war eigentlich Männersache. Die Jungs waren angezogen, als gingen wir auf einen Faschingsball. Der Jimmi war im hautengen, schwarzen Nappalederanzug erschienen - Klunkern, Ketten, andere Accessoires, die er trug, waren reichlich und vom Feinsten. Der Überhammer aber war sein Stahlhelm von der Bundeswehr - nur war dieser verchromt und blitzte wie ein Spiegel. Der Uwe steckte in einem dunklen Nadelstreifen, der Achim trug zum Jeansanzug einen Zylinder. Hannes war barfuß, mit Bermudashort und Pythonschlangenweste bekleidet. Seine nackten, braunen Arme wirkten wie die Keulen von Steinzeitmenschen. Rene trat im Frack an, der Bodo im weißen Zweireiher. Khakihemden, Seidenhemden wirbelten durcheinander - es war die reinste Kostümschau. Uwe hatte seine Video-Kamera mitgebracht - und in dem Moment, als sein greller Scheinwerfer mich ausleuchtete, fraß die grausame Wirklichkeit an meinen Magenwänden und an meinen Gehirnwindungen. Ich war der Delinquent - der jetzt gefälligst die Platte zu putzen hatte. Ich drängte zum Aufbruch, wollte nun der Wahrheit ins Auge sehen. Gestern war ich das letztemal beim Melden gewesen, und ich hatte den Bullen gesagt, daß ich heute einrücken würde. Benno fragte mich, ob ich ihm meine Kanone verkaufen würde - ich überlegte einen Atemzug lang und schenkte sie ihm. Bevor wir runtergingen zu den Fahrzeugen, ergriff ich nochmals laut das Wort: »Paßt gut auf euch auf, Jungs, ich will keinen von euch da sehen, wo ich jetzt hin muß. Ich danke für euer Kommen, für eure Begleitung, und nun fahren wir. Das Ziel ist bekannt- Landsberg. Los geht's!« Betretenes Schweigen herrschte, sie hielten für Augenblicke die
Köpfe gesenkt. Ich stieg mit Kirstin in den ersten Rolls dieser langen Autoschlange, der Uwe filmte wie ein Profi-Kameramann. Unsere Autokolonne setzte sich in Bewegung, der Jimmi glitt mit seiner Harley-Davidson als Wegbereiter an die Spitze. Es waren alle Automarken vertreten - Sechshunderter-Benz, zwei Rolls Royce, Porsche, Cadillac, Jaguar, Maserati, und so weiter. Ich weiß nicht, wie lange wir fuhren, ich weiß auch nicht, welchen Weg wir nahmen - ich saß gedankenverloren im Fond. Ich spürte die leichte Last von Kirstin, die mehr über mir hing als neben mir saß. Sie weinte lautlos. Es war überhaupt still im Wagen - Bodo chauf fierte und Hannes schwieg ebenfalls. Meine Hand schob ich unter das seidenweiche ChinchillaFell, ertastete den heißen Schenkelansatz meiner Geliebten, kraulte ihr Schamhaar und ließ meine Hand dort ruhen. Mit meiner anderen stützte ich meinen Kopf auf und sah aus dem Fenster. Ich blickte hinauf in den Himmel, hinein in sein sanftes Blau, das die Sonne zu vergolden schien. Hannes bemerkte kleinlaut, daß wir soeben das Ortsschild Landsberg hinter uns gelassen hätten. Also waren wir angekommen. Ich sah durchs Rückfenster - unsere Kolonne war wirklich so lang, wie das Auge reichte. Es war schon in München beschlossene Sache gewesen, daß wir hier erst nochmals irgendwo einkehren würden, sozusagen auf ein Abschiedsmahl in letzter Sekunde. Für Kleinstadtverhältnisse war es ein feiner Laden, wo Bodo anhielt. Alle anderen der Kolonne parkten wieder in zweiter Reihe. Es mußte aber wohl, für gutbürgerliche Begriffe, die Mittagstischzeit schon vorbei sein, denn als wir eintraten, war der Laden total leer. Nein, noch schlimmer, man wollte gerade schließen. Der Wirt, in seiner Zusatzrolle als Chefkoch, wollte uns nichts mehr servieren. So jedenfalls äußerte sich dieser gute Mann hinter seiner Durchreiche hervor. Hannes ließ ihn kaum ausreden, da griff er über die Theke und hatte ihn auch schon an seinem blütenweißen Halstuch. Machte ihm die Gurgel eng und empfahl ihm, weiterzukochen, keine Zicken zu machen. Doch sicherheitshalber wurde ein Mann als Wache in die Kü-
ehe abgestellt. Und dann wurde gekocht, aber nicht etwa ä la carte, sondern jeweils nach persönlichem Wunsch. Der Wirt gab sich denn auch sehr Mühe, was man an den Schweißtropfen ablesen konnte, die seine Stirn alsbald bedeckten. Bis zum Tafeln war noch genug Zeit, uns ein paar Flaschen Schampus zu Gemüte zu führen. Wir benötigten keine Gläser, der Flascheninhalt wurde in den Zylinder von Achim geschüttet, und daraus tranken wir, immer rundherum. Aber bei dieser Saufkultur ging mehr über die Klamotten als in den Hals. Ich aß zum letzten Male für Jahre Kalbsmedaillon auf Ananas. Es war mir klar, daß ich derartige Speisen da drinnen nicht zu erwarten hatte. Kirstin hing an mir wie eine Klette und heulte sich die Augen aus. Ich sagte zu ihr: »Du tust ja gerade so, als ob du in den Knast müßtest- höre doch mit dem Weinen auf, mein Schatz.« Mein weißer Seidenschal war voll von ihren Tränen und ihrer Schminke. Ich ließ ihn mit dem schmutzigen Geschirr und den Servietten zusammen abräumen. Durch die Fenster war zu beobachten, wie die Bullen fleißig dabei waren, an unsere Autos Strafzettel zu heften. Ein paar Neugierige standen herum, bildeten einen dünnen Halbkreis um die Kolonnenspitze. Ich war ganz schön besoffen, aber nüchtern genug, jetzt, auf der Stelle, den bewußten Schritt tun zu wollen. Irgend jemand zahlte. Es waren nur noch wenige Meter zu fahren bis zur halbrunden Auffahrt des Gefängnisses, die mit etwas Grün und niedrigen Sträuchern umgrenzt war. Unsere Autos hatten alle Platz vor dem Portal. Die zwei Wachhabenden an der Pforte drückten sich am Fenster ihrer Stube ihre Nasen platt. Ich stieg aus dem Wagen, sah mir das Gebäude nur flüchtig an - aber um so intensiver die Tür. Eines Tages würde ich durch diese wieder in die Freiheit treten. Die Jungs scharten sich um mich, alles geschah wortlos. Ich gab jedem den Patenkuß auf zwei Wangen, hob der Kirstin den Schleier und küßte sie flüchtig auf den Mund. Ihr Gesicht glühte. Ich griff ihr auf offener Szene nochmals zwischen die Beine drehte mich auf dem Absatz um und klingelte an dem blitz-
blank polierten Messingknöpfchen. Bodo drückte mir meinen Koffer in die Hand, ich drehte mich nicht mehr um. So ein Wachhund in grünen Klamotten öffnete, ich drückte ihm meine Ladung in die Hand - und ich war von dieser Welt verschwunden. Das schwere Tor fiel hinter mir zu, ich dachte nur noch Sekunden über meine Begleiter nach, die nun vor der Tür standen - in der Freiheit also. Obschon ich alkoholisiert war, stark benebelt und scheinbar desinteressiert, nahm ich alles wahr, was meine Augen und Ohren erfassen konnten. Ein dickbäuchiger Wachtel kam aus dem Gefängnistrakt, um mich von der Torwache zu >übernehmenKnastzum Einkäufern. Er sollte versuchen, herauszubekommen, ob jemand einen >Angesetzten< vorrätig hatte. Wenn ja, sollte er dem das Zeug abkaufen bzw. dem Betreffenden ein Päckchen Tabak aufs Bett schmeißen. Das Wochenende stand bevor, heute, am Freitag, war schon um vier Uhr nachmittags Einschluß. Kaum daß der Wachtel sein >Gute Nacht< genuschelt hatte, die Riegel vorgeschoben waren, kam Leben in die Bude. Holger nahm einen Stuhl und hantierte an unserem Zellenlautsprecher herum, der inmitten des Raumes von der Decke herabhing. Dann holte er ein Bügeleisen unter seinem Kopfkissen hervor, verband Drähte, schraubte hier und da mit einem Schmiermesser aus Plastik herum. Fertig war die Kochplatte. Peter hatte es auch glatt geschafft, den hausüblichen Alkohol heranzuschaffen - heißa, das würde eine tolle Nacht geben! Gekocht würde später werden, jetzt soffen wir erst mal und spielten Karten. Tolle Stimmung herrschte, jeder von uns vergaß sein bitteres Elend und schob die Tatsache von sich, daß wir alle noch ein paar Jahre vor der Brust hatten. Der Spaß steigerte
sich nun zum Höhepunkt, wir fingen an zu kochen. Peter hatte noch seine Wurst von der Abendration, so würde unser Imbiß sehr vielfältig ausfallen. Margarine in den Blechnapf, Speck und Wurst wurden angebräunt. Rühreier dazu, und es duftete wie in der Küche eines Dreisterne-Restaurants. Offensichtlich war dieser Duft aber durch alle Ritzen bis zur Nase eines Wachtels gedrungen. Jedenfalls standen mit einer Schlüsseldrehung fünf Beamte in unserer Zelle und trauten ihren Augen nicht. Das war wohl noch nie dagewesen, denn sie waren echt erstaunt über unsere elektrotechnischen und kulinarischen Künste bzw. Fähigkeiten. Lautsprecher weg, Bügeleisen weg, Rühreier weg - und am nächsten Tag Strafrapport. Jeder von uns bekam zwei Monate Einkaufssperre und ebenso zwei Monate Kinover- bot. Alle vier Wochen gab's nämlich einen Kinofilm, der im Speisesaal vorgeführt wurde. Kein Einkauf, keine Zusatzration, kein Tabak - nichts - Scheiße. Wir mußten uns etwas einfallen lassen, aber da brauchten wir gar nicht lange zu überlegen, wir würden uns mit unserer eigenen Brauerei über Wasser halten. Das war an sich nichts Neues, im Knast wurde immer schon in allen möglichen Behältern Alkohol angesetzt. Etwas Obst kleingeschnitten, etwas Zucker dazu und aus der Küche (Bäckerei) Hefe besorgt - kräftig umgerührt und stehengelassen. Dann gärt diese Mischung, und es entwickelt sich Alkohol. Eine recht einfache Sache - vom Rezept bis zur Fertigung. Wenn, ja wenn... man nicht immer aufpassen müßte, nicht dabei erwischt zu werden. Ein leeres Pulverkaffeeglas gab zwar keine große Menge, aber so ein kleines Behältnis konnte man noch relativ gut verstecken. Die Chancen, dabei nicht erwischt zu werden, standen fünfzig zu fünfzig. Wurde indes so ein Glas irgendwo herrenlos aufgefunden, dann war man wieder einmal um seinen Ge nuß gebracht. Das war letztlich, für Knastbegriffe, eine recht teuere Angelegenheit, die Küchenfritzen ließen sich hoch bezahlen, für ihren Griff ins Hefepaket. Oder, wenn man sich Obst kaufte, war kein Geld mehr für Tabak übrig. Aber mein
Schrank war doch ganz gut gefüllt - und außerdem brauchte ich für die Hefe nichts zahlen. Also abgemacht - wir würden im großen Stil arbeiten. Wenn wir fünfundzwanzig Liter >Champus< herstellen und diesen verkaufen würden, waren wir gemachte Männer. Nachdem wir vier ja alle keine Einkaufsmöglichkeiten hatten, ließen wir uns von anderen Obstkonserven kaufen. Ich gab dann für diese Büchsen Tabak. Für unser Vorhaben emp fahlen sich Erdbeeren und Pfirsiche, auch Ananas, diese Konserven enthielten konzentrierten Fruchtsaft, fast schon Sirup. Der Fruchtzuckergehalt dieser Säfte jedenfalls kam uns sehr entgegen. Zucker und Hefe kriegte ich aus der Küche geliefert. Alle Zutaten wurden in der Wäscherei versteckt, nur der Behälter fehlte uns noch. Den bekam ich bei den Häuseln, dem Putzgeschwader des Hauses. Ein weißer Plastikbehälter, der flüssiges Bohnerwachs enthalten hatte, sollte uns gute Dienste tun. Aber das wurde eine SchweineArbeit, den sauber zu kriegen. Wohl an die hundertmal spülten wir dieses Ding, während unser Aufseher die Mangel bediente. Einer stand immer Schmiere, auf daß wir nicht schon im Ansatz erwischt würden. Mit Essig versuchten wir, den Behälter geruchsneutral zu machen - irgendwann war er gebrauchsfertig. Wenn der Wachtel mit der Beamtenwäsche ans Haupttor geht, werden wir unser Gemisch mixen. Es war soweit - er ging, sperrte zu. Nun aber los. Flinke Hände öffneten mit einem Büchsenöffner die Konserven, vier Kilo Zucker liefen durch die verschraubbare Öffnung des Behälters. Hefe, zwischen den Fingern zerdrückt, kam dazu, und nun den Wasserschlauch reingehalten. Eine Handbreit blieb Luft, etwas Platz für die Gärungsgase. Zugeschraubt und kräftig dieses schwere Ding geschüttelt, und - fertig war der Lack. Wir stellten den Kanister in unsere Trockenkammer, das Heißluftgebläse würde dem Gärungsprozeß noch auf die Sprünge helfen. Einen Riesenstapel Hemden warfen wir darüber - und nun mußten wir so zwischen sechs und acht Tage
warten. Allerdings blieb zu hoffen, daß diese große Ladung unentdeckt blieb, es wäre ein herber Verlust für viele Insassen-von der Strafe ganz abgesehen. Außerdem mußten wir täglich einmal den Verschluß das Kanisters öffnen, auf daß die angesammelten Gärungsgase entweichen konnten. Diese Handlung brachte immer einen verräterischen Geruch mit sich. Also waren alle Fenster der Wäscherei zu diesen Zeiten stets sperrangelweit offen. Natürlich wußten einige Mithäftlinge von unserer Zauberküche - und jeder freute sich schon auf das nächste Wochenende. Dann nämlich sollte der beherzte Umtrunk stattfinden - wenn... wenn alles gut gingEs war Freitagnachmittag, wir hatten noch etwas Zeit bis zum Einschluß. Unser wertvoller Behälter stand nun volle acht Tage, jetzt kam das wohl größte Problem. Wie schafften wir das Ding unbemerkt in unsere Zelle? Wir mußten noch dazu an der Zentrale vorbei. Doch wir wurden jäh von diesem Problem befreit, denn unser Wachtel stand in der Trokkenkammer und wühlte im Hemdenhaufen. 0 Gott, ich fürchtete, nun war es passiert - wir waren entdeckt, erkannt. Für Sekunden dachte ich, Verrat sei im Spiel. Reflexartig versuchte ich ein Ablenkungsmanöver. Ich schrie richtiggehend: »Herr Beamter, Sie sollen dringend und sofort zum Herrn Direktor kommen!« Es gab jetzt zwei Möglichkeiten - entweder er ging nur in seine Ecke, wo sein Telefon installiert war, oder aber er eilte schnurstracks zum Chefbüro. Mir war es egal, was er tat Hauptsache, er ließ mal für einen Moment von diesem blöden Hemdenhaufen ab. Und er ließ tatsächlich ab von diesem Wäscheberg, schaute mich dumm an und murmelte: »Mensch, Mensch.« Er kramte nach seinem Schlüsselbund und war verschwunden. Huiii..., das hätten wir noch einmal hingekriegt, und nun aber, auf Teufel komm raus, weg mit diesem Kanister! Ich schnappte mir einen Schrubber und Putzlappen und sprang aus der Luke, die als Wäscheausgabe diente. Holger reichte mir den Kanister nach. Und so schlenderte ich die Gänge ent-
lang, fünf Beamte kreuzten meinen Weg. Ein Wachtel stand knapp vor unserer Zelle, dem erklärte ich, daß heute Großreinemachen anstehe. Und, weil er mir noch bis in die Zelle nachsah, stellte ich schon mal vorsichtshalber die Stühle auf den Tisch. Geschafft, gerettet - keiner wollte etwas von mir. Rein damit, in den Schrank mit dem Zeug. Ich blieb als Wache vor unserer Zellentür stehen, lehnte scheinbar gelangweilt im Türrahmen. Die anderen kamen von der Arbeit, gleich war Einschluß. Ich dachte mir schon, wie dumm wohl der Herr Direktor und der Wäscherei-Wachtel geschaut haben mochten, weil ja schließlich keiner von dem anderen etwas wollte. In meinem Schrank war nun diese Kostbarkeit verstaut, die anderen wußten bereits, daß mein Transport gut verlaufen war. Jetzt wurde noch durch unsere Türklappe das Abendessen gereicht, heißen Tee und >Negerbeutel< gab's, dazu reichlich Brotscheiben. Klappe zu, nun waren wir ungestört. >Negerbeutel< nannten wir diese undefinierbare Blutwurst, die konnte man nur mit viel Pfeffer und Salz in sich reinwürgen. Das Wochenende war immer besonders trist, und die Jungs auf den Einzelzellen langweilten sich beinahe zu Tode. Bei uns aber war heute Ostern und Weihnachten zusammen. Und nun kam der große Augenblick, es durfte indes immer noch nicht genascht oder probiert werden. Denn jetzt mußte erst geseiht, gefiltert werden. Jeder von uns gab ein frisches Unterhemd her - und durch das Gewebe lief rosaroter Alkohol. Der Gestank der Rückstände, der Maische konnte uns abermals verraten. Daher: Fenster auf, und alles, was den Geruch verursachte, wurde laufend in die Toilette gespült. Auch unsere Unterhemden landeten, schön kleingerissen, in der Schüssel. Jetzt hatten wir den edlen Saft gewonnen, alle zur Verfügung stehenden Behälter waren gefüllt - Wasserkannen, Tassen, leere Kaffeegläser. Nur mußten wir heute klug sein, durften nicht übermütig werden. Eine zu laute Fete würde uns wieder die Wachhunde aufs Programm rufen. Ganz leise lagen wir uns in den Armen, es war wunderbar, hoch die Tassen!
Ein edler Tropfen - er schmeckte wie eine Mischung aus Dom Perignon und Ananas-Bowle. Fantastisch, einfach fantastisch! Es dauerte auch nur Momente, bis der dünne Alkohol in unserem Kreislauf Wirkung zeigte. Es wurde viel geredet und gelacht, aber wir riefen uns immer wieder zur Ordnung, auf daß wir nicht ertappt würden. Wir spielten Karten, pokerten um Tabak - und wir setzten leichtsinnig. Als um zehn Uhr nachts das Licht ausging, tat unsere selbstgebastelte Kerze ihren Dienst. Das war eine große Niveabüchse, die wir voll Margarine gestrichen hatten. Als Docht diente ein Schuhband, das Ding brannte ausgezeichnet. Mit einem Superrausch schliefen wir ein, der Kaffee am nächsten Morgen wurde von uns verweigert. Sobald unsere Zellen aufgesperrt wurden, damit wir uns zum Duschraum begeben konnten, standen unsere Leidensgenossen schon Schlange an unserer Tür. Jeder hatte sein Kaffeeglas dabei ich verkaufte eine Füllung für zwei Päckchen Tabak. Zum Schluß wurde dieser Handel irgendwie unkontrollierbar, alle vier Stockwerke des B-Flügels waren besoffen. Also, das war nun wirklich nicht mehr zu vertuschen - die Beamten fanden recht schnell den Ursprung dieser lockeren Party - nämlich wieder einmal unsere Zelle. Aber das war uns fast schon egal, denn wir hatten unsere Geschäfte bereits getätigt. Der Tabak war in unserer Hand. Natürlich waren wir alle vier am folgenden Montag wieder beim Strafrapport versammelt. So langsam war der Häuptling recht sauer auf mich geworden. Erste Maßnahme: Wir wurden gleich einmal auseinandergelegt. Das traf uns recht hart, zugegebenermaßen, denn wir hatten uns wirklich gut verstanden. Da saß ich nun in einer Einzelzelle in einem ganz anderen Flügel - und das zweite Weihnachten im Knast stand mir bevor. Mein Zellennachbar, der Wand an Wand mit mir lebte, war ein Typ, den ich ein Leben lang nicht vergessen werde. Er war ein blau-schwarzer Neger und hatte die Statur eines Gorillas. Sein Kopf saß ohne Hals direkt auf seinem Monsterkörper, und wenn er randalierte, mußten im-
mer zehn Mann hoch mit Gummiknüppeln und Gasdosen gegen ihn anlaufen. Und es ging fast täglich rund. Jedenfalls machte er sich einen Spaß daraus, die gesamte Wachmannschaft zu beschäftigen, ihn wieder in seine Zelle zu kriegen. Zum Beispiel nahm er einmal den Suppenkübel mit dem heißen Inhalt vom Servierwagen (Inhalt zirka 50 Liter) und schleuderte diesen gegen die Beamten. Aber das alles hatte einen tiefen Hintergrund, sein Ziel war, immer und immer wieder von deutschen Gerichten verurteilt zu werden. Denn wenn er seine Strafe abgesessen hatte, würde er in sein Heimatland abgeschoben werden, und dort erwartete ihn die Todesstrafe. Aber auch andere Jungs waren froh, hier ein bißchen sitzen zu dürfen. Eine warme Zelle, täglich dreimal Essen und stets saubere Wäsche, das hatten sie draußen alles nicht. Da erzählte mir einer, daß er irgendwo nachts in ein Lebensmittelgeschäft eingebrochen sei. Er schlug mit einem Pflasterstein die Scheibe ein, so daß jeder den Lärm hören mußte. Dann holte er sich eine Salami, setzte sich ins Schaufenster und nagte an der Wurst, bis endlich irgendwann die Funkstreife kam. Unterm Futtern ließ er sich dann gerne festnehmen, denn es war kalt, und er hatte ansonsten nichts zu essen. So ging er lieber für eine gewisse Zeit in geordnete Verhältnisse - in den Knast nämlich. Ach - es lohnte sich gar nicht, jedem einzelnen zuzuhören, warum er hier war. Vor ein paar Tagen hatte sich einer die Pulsadern geöffnet. Als man ihm in der Frühe den Kaffee reichte, war der Ärmste leblos, ausgeblutet. Die außergewöhnliche Geschichte eines Gefangenen brachte mich allerdings ins Grübeln. Zu was alles doch die deutsche Rechtsprechung fähig war! Heute war ein neues Gesicht beim Hofgang zu sehen gewesen, ein hagerer Bursche schlenderte langsam seine Runden. Ein paar Zuhörer gingen an seiner Seite, und das fiel auf. Was hatte der denn Schönes zu erzählen - dachte ich mir und gesellte mich dazu. Er kam gerade aus der Sanitätsabteilung, hat seinen Hungerstreik abgebrochen. Hier in groben Zügen seine Story:
Im Olympiastadion zu München 1972 - die Disziplin Marathonlauf wird gerade ausgetragen. Im vollen Stadion rechnet man in wenigen Momenten mit dem ersten Einläufer. Wer jetzt einläuft, ist ziemlich sicher der Sieger. Es ist soweit, da... da läuft er ein. Wer ist es? Welche Nationalität hat er? Das fragt sich jeder im Stadion, das fragen sich besonders die Reporter und die Reportagesprecher. Der Sportler hat nahezu eine Runde im Stadion hinter sich gebracht, läuft auf der Zielgeraden. Er genießt den rauschenden Applaus und die stehenden Ovationen. Das Stadion tobt, man kann an einem Hemdzipfel des jungen Mannes die schwarz-rot-goldenen Farben erkennen. Die Menge ist begeistert dabei, den Sieger zu seinen letzten Schritten zu pushen. Nur... »Meine Damen und Herren« - so dringt es jetzt über den Äther und die Bildschirme der ganzen Welt -, »das ist kein echter Marathonläufer. Meine Damen und Herren, da hat sich lediglich jemand einen Spaß erlaubt!« Der Sportsmann wird nun von den Stadionwärtern verfolgt und ergriffen, Funktionäre und Organisatoren sehen, peinlich berührt, zu. Und das alles live in der Television, rund um die ganze Welt! Ich hatte es selbst auf meinem Bildschirm gesehen, konnte mich daran erinnern, ich amüsierte mich sehr damals über diesen gelungenen Streich. Und nun hatte ich diesen Spaßvogel von damals vor mir einen Sportstudenten von dreiundzwanzig Jahren. Er wurde für sein Späßchen seinerzeit mit einer Geldbuße belegt - und diese bezahlte er nicht. Dafür gab's ersatzweise ein paar Tage Haft, die er aber auch nicht antrat. Als man ihn aus seiner Wohnung heraus verhaftete, wehrte er sich - das war Widerstand gegen die Staatsgewalt. Das brachte ihm gleich wieder ein paar Wochen ein. Und so kam es, daß einer, der sich nur ein Späßchen erlaubte, im Knast landete. Das wollte aber der Gute mit Recht nicht ganz einsehen und begann seinen Hungerstreik. Ich weiß nicht, warum er diesen dann abbrach, sicherlich hatte man ihm einen gewissen Straferlaß versprochen.
Eines Tages sprach der Häuptling zu uns im Speisesaal. Sein dämlicher Knast sei überfüllt, Leute mit längerer Strafdauer müßten damit rechnen, in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt zu werden. Logisch - ich war dabei, als es soweit war. Mist, nun mußte ich mich wieder in eine neue Umgebung eingewöhnen. Also saß ich im Schubbus nach Kaisheim - ja, wo die Hunde nur überall ihre Knasthütten aufstellen? dachte ich bei mir. Noch nie im Leben hatte ich etwas von der Kleinstadt Kaisheim gehört. Dabei sollte da ein altehrwürdiges Kloster stehen, auf der Kirchenorgel sollte schon Mozart gespielt haben - ja so was! Also mußte man schon mal hiergewesen sein - nur dann war man >inClubJa - ich war ein Gewalttäter, heute saß ich auf dem >Heißen Stuhlnur ein Seitenruder meiner Arroganz< sei. Huiii - und so ging es reihum, solche Gespräche nahm man auch mit ins Bett. Man war tatsächlich zum Nachdenken gezwungen. Und wer nicht über sich nachdachte, würde sich nie ändern, wollte sich gar nicht ändern - kam aber dafür immer wieder. Dahin zurück, wo wir uns gerade befanden. Ja - ich dachte über sehr vieles nach, was ich ändern mußte, um nicht noch einmal in dieses Drecksloch zu müssen. Einmal und nie wieder, Berndt, so schwor ich mir. Allerdings wurde ich in meinen Gefühlen immer hin- und hergerissen, denn mein Freundeskreis wartete ja da draußen auf mich. Naja, O. K.! Ich konnte wohl in diesem Kreis verweilen, aber ich mußte mir meine Gewalttätigkeit abschminken. So zumindest war ich schon mal bereit, eine Konzession an meine Zukunft zu machen. Wieder vergingen Wochen und Monate, so langsam begann ich, von draußen zu träumen. In den vergangenen Jahren hatte ich mich zu einem Weltmeister entwickelt, was das Wichsen anbelangte. Einmal war es Körperöl, dann wieder Rasierschaum, die man auf die Handfläche verteilte - und dann schön das Rohr durchflutschen lassen. Beim Spritzen schön zusammendrücken, daß es meterweit schießt. Aber es war nicht nur die Sehnsucht nach einer Möse, eher noch waren es die Streicheleinheiten, die ich jetzt so sehr vermißte. Das Kuscheln, das mir früher immer so auf den Geist ging, das wünschte ich mir nun. Ich würde jetzt meinen ganzen
Tabak dafür gegeben haben, wenn ich mich mit einer Frau hätte lediglich unterhalten können. Welch lächerlicher Handel - ja, ich war schon sehr weit der Wirklichkeit entrückt. Und dann ging es Knall auf Fall, die Gefängnismauern wurden für mich durchlässig. Ich durfte auf dem Städtischen Sportplatz für das Sportabzeichen trainieren, gleichzeitig wurde ich einer nahe gelegenen Großgärtnerei als Hilfsarbeiter zugeteilt. Es war märchenhaft, die ersten Schritte ohne Bewachung und Gitter zu tun. Mit viel Ehrgeiz und Fleiß erledigte ich alle mir aufgetragenen Arbeiten, so bekam ich bei allen Firmenangehörigen einen Stein im Brett. Kantinenessen und Bier traten an die Stelle von Schweinefraß und Tee. Ich wurde mit den Arbeitern gut Freund, und so konnte ich auch mal jemanden in München anrufen - meine Eltern oder Freunde. Die schickten mir dann Geld an die eine oder andere Adresse meiner Arbeitskollegen. So versorgte ich mich mit allem, was mein Herz begehrte. Die ersten Kontakte mit Frauen waren ein Ölbad meiner Seele. Sogar die Firmentochter meinte es außerordentlich gut mit mir. Am Rande des riesigen Firmengeländes hatte sie ihre Villa stehen, ich sollte dieser einen neuen Anstrich verpassen. Ich war mit meinen Farben und Pinseln den ganzen Tag alleine auf mich gestellt. Kaffee und Kuchen, Bier und Zigaretten waren stets für mich bereitgestellt. Ich lebte wie im Schlaraffenland. Zur Mittagszeit schlenderten immer die jungen Mädchen des naheliegenden Gymnasiums am Gartenzaun vorbei. Eine Maus davon wollte es offensichtlich mit mir treiben. Die Signale waren für mich unübersehbar. Zu einer günstigen Gelegenheit verschwanden wir im Gartenhäuschen. Mein Gott, war das traumhaft schön, nach so vielen Jahren der Enthaltsamkeit in diesen jugendlichen, nassen, heißen Schoß einzudringen! Meine Orgasmen waren wie Explosionen in meinem Unterleib. Ich leckte ihr jeden Zentimeter ihres Körpers mit der Zunge ab - ihre Jungmädchenbrüste waren hart wie Beton. Dieses seidige Schamhaar
verzückte mich, ich war der Kleinen für ihr Gewähren sehr dankbar. Aber was heißt das schon, sie hatte ja auch ihr Vergnügen. Am nächsten Tag kam sie noch einmal. Ja, so könnte man den Knast ertragen - dachte ich bei mir. Abends wurde ich immer vors Portal gefahren und in der Frühe abgeholt. Also war ich nur noch zum Schlafen im Gefängnis - und von den Nächten bekam ich herzlich wenig mit, denn ich ging allabendlich ganz nett angetrunken in dieses >HotelWir holen dich ab, sind pünktlich - deine Freunde. < Ich war wie gelähmt vor Freude - war es denn möglich, nach so vielen Jahren diesen Kontakt nicht eingebüßt zu haben? Nun sah ich auch meinen Koffer wieder und meine Kleidung, die ich schon vor Jahren für die betreffende Stunde wählte. Ein Stacheldraht legte sich um meine Seele, als ich für eine Sekunde daran dachte, daß dies die einzige Klei-
dung war, die ich überhaupt besaß. Es kam ja angeblich alles weg, schon vor einer sehr langen Zeit. Na, wir würden sehen. Halb fünf Uhr war es, als man mich vor die Tür setzte. Als der Pforten-Heini den elektrischen Türöffner betätigte, rief er durch sein Panzerglas-Gehäuse: »Sie werden schon erwartet!« Dunkel, kalt, knöchelhoher Schnee - da stand der dicke silbergraue Benz, mit Standlicht. Die Jungs sprangen aus dem Wagen - meine alten Freunde. Wohlgenährt und bullig, in Wolfsmäntel verpackt - lebendige Denkmäler der Lebenslust. »Schnell weg hier«, sagte Hannes, der sich mit dieser Umgebung ganz offensichtlich nicht anfreunden konnte. Rein in den warmen Wagen und Gas gegeben, daß der Schneematsch nur so spritzte! Günther hielt mir gleich eine WhiskyFlasche an den Hals, jawohl, das war ein adäquates Frühstück. Es gab viel zu erzählen. Ich erfuhr, da, wo wir jetzt hinfahren, warteten alle anderen Jungs schon auf uns - auf mich. Rasch waren wir am Ziel - München hatte mich wieder. »Das ist mein Laden!« sagte Hannes, als er die Tür des Frühlokals aufstieß. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, aber ich hatte auch herzlich wenig Zeit dazu, über das eine oder andere nachzudenken. Denn die ganze lange Bar dieses Ladens entlang standen meine Freunde. Das war ein Hallo, Händeschütteln und Umarmen! Sie hatten sich überhaupt nicht verändert, nur ich war der einzige, der eine Wandlung durchgemacht hatte. Sie drückten mir ein hübsches Mädchen in den Arm und verlangten förmlich von mir, diese Mieze jetzt gleich im Nebenzimmer zu bumsen. Tja - dann mal ran an den Speck, das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Bereitwillig wie ein Opferlamm tippelte sie mit mir nach nebenan. In der Zwischenzeit ließen sie einen Sektkübel reihum gehen, jeder warf ein paar Scheine rein - für mich. Kollekte also. Sie hatten sich alle ganz schön gemausert. Der eine besaß
Lokale, der andere einen Sex-Club, wie ich erfuhr. Da kam ja ganz nett Kohle rein, wie mir scheinen wollte. Und ich kämpfte schon jahrelang um ein paar Päckchen Tabak! Die Aufregung, der reichliche Alkoholkonsum hatten mich ganz schön geschlaucht, irgendwann bestellte ich ein Taxi und fuhr zu meinen Eltern. Da war ebenfalls die Freude groß, aber ich fiel kraftlos in die Federn. Am nächsten Tag erfuhr ich dann die bittere Wahrheit, daß nichts mehr von meinen früheren Zeiten übrigblieb. Also war ich ein armer Mann. Kein Auto, keine Klamotten, kein Geld - und immer noch nicht endgültig frei. Naja, wir würden sehen, daß es wieder aufwärts ging - wenn ich nur erst einmal alles hinter mir hatte. Es sah ja eigentlich so aus, als würde ich in diesem Sommer noch entlassen werden. Dann allerdings brauchte ich das Geld dringend, das ich meinen Eltern zur Verwahrung gegeben hatte. Freunde hatte ich auch noch, also würde das schon irgendwie gehen. Am Abend holte mich der Bodo mit seinem Rolls ab, auf den Rücksitzen hatten zwei Traumfrauen Platz genommen. »Heute machen wir mal eine gepflegte Nacht vom Feinsten - nur wir vier«, meinte Bodo. Die beiden Hübschen stellten sich vor, sie waren wirklich von allererster Qualität. Ein Tisch im >Piroschka< war bestellt, wir speisten bei Kerzenlicht. Zigeuner geigten abwechslungsweise mal feurige, mal melancholische Weisen an unserem Tisch. Erlesene Weine machten mir den grausamen Unterschied zu unserer Knast-Brauerei deutlich, teures Porzellan ließ mich flüchtig an unsere Blechnäpfe denken. Ich erlebte alles wie in Trance. Bodo und ich, wir kramten in Erinnerungen. Die zwei Mädels dufteten so intensiv und doch so sanft, ich bekam meine Augen nicht mehr weg von ihren Dekolletes. Bodo bemerkte dies und schmunzelte. Flambierte Früchte gab's zum Nachtisch. Bodo zahlte mit einem Tausender. Die Musiker grüßten überaus freundlich zum Abschied, weil Bodo noch einen Hunderter in eine ihrer Geigen klemmte. Wir fuhren zum >Moulin RougeWärst du doch nur in München geblieben< Er spreizt seine gewaltige Rückenflosse als Segel gegen den Wasserwiderstand, nimmt noch einmal Reißaus. Ich geb' ihm keinen Meter Schnur, die Angel biegt sich hufeisenförmig. Jetzt reicht's aber - willkommen an Bord. Iris sieht allem gelassen zu, sonnt sich lieber auf dem Oberdeck. Wir kommen abends mit reichlicher Beute heim, ich schenke alles dem Kapitän. Er kriegt ganz schön Geld dafür, von den
Hotelküchen hier. Aber nun bin ich so begeistert von diesem Jagderlebnis, daß ich täglich einen Hochseetrip buche. Wir sind also abermals auf dem Meer. Eine Schildkröte taucht aus dem Wasser, fast so groß wie ein VW. Sie blinzelt neugierig, taucht wieder unter. Das ist für uns das Zeichen, daß jetzt besondere Maßnahmen notwendig sind. Wo sich Schildkröten aufhalten, sind ganz gewiß Haie in der Nähe. Ich bin süchtig nach der Gefahr, ich will einen Hai besiegen. Wir zerstückeln ein paar schon gefangene Thunfische, spülen das Blut aus dem Eimer ins Meer, werfen die Fischstücke hintenach. Mit einem Stück ist ein richtiger Fleischerhaken getarnt, verbunden mit einer Luftboje. Wir entfernen uns vom Ort des Geschehens und warten, bis die Boje zu wandern beginnt. Im Jagdfieber starre ich mit dem Fernrohr auf den gelben, großen Ball, der da auf den Wellen tänzelt. Der Ball ist weg! Er kann nur unter Wasser gezogen worden sein. Richtig! Er taucht auf, verschwindet wieder. Er wandert. Mit dröhnendem Motor verfolgen wir die Gischtspur, bleiben aber immer ungefähr zwanzig Meter von der Boje weg. Der Haken muß erst gut geschluckt sein, bis das Tauziehen einsetzen kann. Es ist soweit - Boje an Bord, das Seil an die Winde gefädelt. Der Käpt'n dreht langsam bei, der Motor steht still. Jetzt wird sogar Iris neugierig. Ich stehe mit dem Enterhaken an der Bootskante und suche das ruhig liegende Meer ab. Längsseits sehe ich unter dem Boot einen großen, weißen Schatten im tiefblauen Wasser. Für Sekunden durchzucken mich wahnwitzige Gedanken. Ich bedaure, diesen Meeresmörder nur per Angelhaken gejagt zu haben. Möchte es am liebsten rückgängig machen, ins Wasser springen und ihn in freier Wildbahn erlegen. Der samtgraue Fischkörper ist im Boot - knapp zwei Meter mißt er. Der Käpt'n zertrennt ihm mit einem kräftigen Beilhieb knapp hinter dem Kopf die Gebißmuskeln. »Sonst beißt er uns sogar noch im Boot einen Fuß ab«, meint er. Hundertzwanzig Kilo hat der bestimmt, und Iris knipst
gleich ein paar Fotos von mir mit meiner Beute. Für heute wenden wir, wir fahren bestimmt eine gute Stunde, bis Land in Sicht kommt. Mittendrin kommt ein Sturm auf, es regnet wie aus Kübeln. Wir haben gefährlichen Wellengang, der Käpt'n hat Mühe, unsere Nußschale gegen die Wellen zu steuern. Iris fliegt in der Kajüte aus der Koje, obwohl sie sich festhält. Sie schreit - aber wir wissen, sie braucht nichts Schlimmes zu befürchten. Keine acht Minuten, dann ist der Spuk vorbei. Unglaublich, als ob nichts gewesen wäre - geglättete Wogen, Sonnenschein, und am Horizont spannt sich ein Regenbogen. Diese Farbenpracht der Natur fotografiere ich auch gleich. Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, gestand mir Iris, daß sie keine zehn Pferde mehr auf das Boot bekommen würden. Wenn ich weiterhin Lust dazu hätte, sollte ich, bitteschön, alleine auf See gehen. Abends gingen wir in die Hoteldisco, und ihre Überraschung gelang, indem sie unter dem hauchdünnen Mantelkleid aus königsblauer Rohseide, das sie sich einmal um den Körper gewickelt hatte, nichts trug. Wenn man genau hinsah in dem Halbdunkel der DiscoBeleuchtung, dann konnte man bei jedem ihrer Tanzschritte ihr Kleid aufgehen sehen - so daß ihre nackte Muschi freilag. Ja, ich hatte meine Perle gefunden, ganz zufällig wurde sie zugespielt - ich erkannte deren Wert. Sie wußte es nicht, aber sie war mein >Treibstoff< für die Fahrt in eine hoffnungsvolle Zukunft. Alles was sie sagte, hörte ich gerne, es baute mich auf und versetzte mich in die Lage, alles zigfach zurückgeben zu wollen. Sie war Kind, sie war Frau, sie war da, einfach da. Ich hatte solche Sehnsucht, daß sie für immer dabliebe. Wir sprachen viel darüber, wie es weitergehen sollte mit uns. Ich schilderte ihr mein Vorhaben, daß ich unbedingt Kunsthändler werden wollte. Ich wollte an die große Kohle ran - und zwar alleine, aus eigener Kraft. Ich unternahm noch einmal das Abenteuer Hochseefischen, Iris wollte heute im Schatten ein Buch lesen. Als ich
wieder von Wellen umgeben war, sinnierte ich in die Endlosigkeit des Meeres - ich fragte mich, warum ich so ein Verlangen nach dem Salzwasser in mir trug. War ich in einem früheren Leben einmal ein Pirat oder gar ein Hai gewesen? War es der Umstand, im Sternzeichen des Krebs geboren zu sein? Oder lockten mich einfach das Geheimnisvolle, die Gefahr, das Unergründliche? Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als zwei Leinen gleichzeitig zu singen anfingen. Wir hatten offensichtlich einen Wanderpfad der Thunfischschwärme durchkreuzt, denn schon waren alle vier Leinen am Zurren. Daß diese Wasserstelle sehr belebt war, zeigten uns bereits die vielen Seevögel am Himmel. Heute machten wir reichlich Beute, ein Blue Mariin war auch dabei. Als wir heimwärts fuhren, begleiteten uns eine kleine Gruppe springender Delphine. Als ob sie uns grüßen wollten, so sprangen sie aus dem Wasser und quiekten. Auch fliegende Fische sprangen auf, führten, immer so zwanzig Meter weit, ihre Luftakrobatik vor. Die Nächte waren lau und voller Liebe. Iris reizte mich zu jeder Sekunde - ihr ganzes Sein war reine Wollust. Auch mittags waren wir oft nicht am Strand zu finden, da hatte ich engsten Kontakt zu der Welt schönstem Busen. Manchmal waren wir das Barbecue im Hotel leid, gingen dann zu einem nahegelegenen italienischen Restaurant. Iris hörte nie auf, mich glücklich zu machen. Sie sagte wohl viele hundert Male den Satz: »Ich möchte dich nur noch lachen sehen, du sollst immerzu glücklich sein - dafür sorge ich!« Ich schenkte zum Abschied unserem Kapitän und mittlerweile auch Kumpel meine Taucheruhr, und ich versprach ihm, daß wir uns wiedersehen würden. Wir sahen das wunderschöne Fleckchen Erde nur noch aus zwölf tausend Metern Höhe und düsten Richtung Heimat. Es waren zwanzig Stunden Flug, und wir empfanden den Temperaturunterschied als grausam. Der Alltag hatte mich wieder, ich sprach mit meinen Freunden in der Firma, daß ich umsatteln, gern selbständig
sein wolle. Von Heinz holte ich alles heraus, was er mich als Kunstmaler lehren konnte. Ich kaufte mir entsprechende Lektüre und studierte nächtelang Kunstwissen. Die verschiedenen Jahrhunderte, Kunstepochen und deren hervorstechendste Meister. Mich konnte niemand mehr abhalten, ich würde das machen, was ich in Frankfurt gesehen hatte. Der Tag war gekommen, ich bestellte meinen ersten Stand auf der Wochenendmesse eines Veranstalters. Wochenlang hatte ich günstige Ware zusammengetragen, alle privaten Zeitungsanzeigen durchforstet. Auf Flohmärkten hatte ich Billigstgemälde gekauft, aber immerhin Originale. Sie wurden aufpoliert, durch einen neuen Firnis wurde ihnen ein bißchen Frische verpaßt, außerdem wurden sie schön gerahmt. Mit Engelszungen bot ich meine Ware an, es machte mir einen Heidenspaß, die Leute zu bereden, zu überreden - sie dumm zu reden. Das schönste Gemälde ist nämlich das verkaufte Gemälde - fand ich ganz schlicht heraus. Ich spielte hoch, ich spielte va banque. Ich kaufte immer teurere Stücke, ich entpuppte mich als Leichenfledderer. In den Tageszeitungen studierte ich die Sterbefälle und suchte die Adressen aus dem Telefonbuch. Es waren /umeist trauernde Witwen, denen ich zu brutalen Preisen die Bilder von der Wand kaufte. Die Kunsthändler in München horchten auf - ja, jetzt gab es mich. Auch in dieser Sache wollte ich an die Spitze - wie immer und überall eben. Mein Geheimnis lag im billigen Einkauf, die Konkurrenz konnte nur noch staunen. Jedes Wochenende waren mir einige Tausender sicher. Ich konnte anfangen, mir - uns - eine neue, große, schicke Bleibe zu suchen. Um die Ecke in Schwabing fand ich eine Luxus-Dachterrassen-Maisonetten-Wohnung. Vier Zimmer, Küche, Bad. Mir reichte der Handel mit Gemälden nicht mehr, ich wollte mehr. Ich kaufte alles, was billig und attraktiv war. Ich schickte Iris zum Führerscheinmachen. Bevor sie diesen in
Händen hielt, stand ein schöner Chevi-Malibu vor ihrer Fahrschule - bereit, um heimgelenkt zu werden. Aber mein Liebling war zu nervös, schaffte es nicht beim ersten Durchgang. Egal mein Engel. In vierzehn Tagen schaffst du es. Ich hatte Sitzungen beim Steuerberater, keine mehr beim Bewährungshelfer. Ich hatte gebeten, daß meine Bewährung schon nach vier Jahren abgegolten sein solle, anstatt erst nach fünf. Mein Anwalt hatte das erledigt. Unsere Wohnung war teuerst und traumhaft eingerichtet. Ich kaufte einen ganzen Kreuzweg, das Werk eines Meisters des neunzehnten Jahrhunderts aus Regensburg. Ich inserierte diese Antiquität in einer Zeitung. Der erste Kunde war entweder nicht zahlungskräftig, oder aber er war ein Liebhaber der sakralen Kunst. Denn die Kripo stürmte meine Wohnung. »An die Wand, Beine breit! Wo ist die Ware?« Ich war zwar geschockt, mußte aber trotzdem lachen. Ich hatte einen einwandfreien Nachweis der Herkunft. »Tja, meine Herren - daran müssen Sie sich gewöhnen, ich bin ein seriöser Geschäftsmann geworden.« Iris schaffte den Führerschein, sie fuhr gerne Auto. Besuchte häufig ihre Eltern im Bayerischen Wald. Ich trug sie auf Händen - die Brillanten wuchsen förmlich an ihren schönen Händen. Und noch ein Nerz und noch ein Fuchs und... ich hatte Iris noch nie betrogen!!! Heinz und Klaus hatten mir eine schlechte Nachricht mitzuteilen, ein Unternehmer aus früheren Zeiten, bei dem wir anfangs unsere Ware herstellen ließen, betätigte sich als Trittbrettfahrer. Nur weil er damals unsere Replikate herstellen durfte, beanspruchte er jetzt das Patent. Also entwickelte sich ein riesiger Rechtsstreit. Das war nicht gut für die aufstrebende Firma. Desolate Zustände herrschten alsbald, ein Sequester übernahm alle vorläufigen Befugnisse. Ich war froh, diese Situation nicht mehr miterleben zu müssen; ich war längst auf einem anderen Ast. Ich verkaufte in unserer Wohnung die teuersten Antiquitäten, ich war bei einem Monatseinkommen von ungefähr fünfzehn Mille netto. Ich stieß meinen Ami-Schlitten ab, legte mir einen Mercedes SL zu. Das machte Laune, so einen Sportwagen zu lenken - es war
mein erster. Iris hatte genug mit dem Haushalt zu tun, aber sie wünschte sich ein Wesen, das immer um sie herum war. Am liebsten wollte sie ein Kind von mir, die Diskussion ging schon längere Zeit. Aber ich kannte die Problematik des Kinderhabens - ich bin der Meinung, ein Baby darf nur in optimalen Verhältnissen geboren werden. Und die hatte ich noch lange nicht erreicht. Am liebsten wäre es mir, ein Haus kommt her. Ich war kreuz und quer unterwegs durch Bayern, jedes Wochenende eine andere Stadt. Auch meine Iris bekam ihren Benz - und anstatt eines Kindes kriegte sie von mir ihren heißersehnten Schoßhund. Ich fand ihr aus der besten Zucht einen Yorkshire-Terrier - Kostenpunkt viertausend. Jeder konnte an meiner Tür klingeln und um eine Spende bitten - ich spendete immer. Das Rote Kreuz, der Kriegsgräber-Bund, Anstalten für Schwerbehinderte, Blindenvereine, Kinder der dritten Welt - alle sollten mein schlechtes Gewis sen tilgen, das mir noch aufgrund meines erstens Lebens schlug. Es war Januar 1984. Ich unterschrieb den Mietvertrag für eine Neubau-Villa im Münchner Stadtteil Nymphenburg- unweit vom Schloß. Es hatte den Anschein, als sei dies ein alt-ehrwürdiges Patrizierhaus, der Architekt war offensichtlich ein Könner gewesen. Schneeweiß war der Rauhputz, fünfzehn Zimmer boten uns Platz. Außerdem waren zwei Bäder vorhanden. Im Tiefgeschoß richtete ich uns einen Body-Building-Raum ein. Ein parkähnlicher Garten führte großzügig rund um das Haus, Zwergtannen hatten noch den schweren Schnee zu tragen. Lauter noble Nachbarn in dieser Gegend mein großer Wunsch war in Erfüllung gegangen. Und weil das Haus so groß war, konnte Iris nicht alle Hausarbeit alleine verrichten. Also fand ich ihr eine Putzkraft, die auch unsere Wäsche erledigte. Ich war vom Streß des Umzuges ges chafft, ich wollte gerne eine Woche nach Gran Canaria düsen. Nur vier Stunden Flug und praktisch immer Sonnengarantie. Iris fuhr lieber in dieser Zeit heim zu ihren Eltern.
Es waren die Osterfeiertage. Ich lag am Strand, sprang in die Fluten, tauchte oft unter, so daß mich das Meer überall berührte. Viel Tourismus hier, Tag und Nacht waren Discos geöffnet. Deutlicher Frauenüberschuß war erkennbar. Ich trennte die Damen aus Erfahrung glasklar. Ich sah sofort, was eine Anschafferin war und wer eine sogenannte >SolideBrotzeitelnsitz< machen. Ich drückte die Fernbedienung des Fernsehers - da klingelte es Sturm am Gartentor. King bellte mörderisch, ich ging auf das Tor zu: »Was ist los?« »Du sofort kommen - nix Angst haben - alles schlimm aber Frau leben!« rief mir ein Südländer zu - und ich brauchte lange, bis ich begriff... Um Gottes willen, es war passiert... Ich war fast von Sinnen.
»Du nix fahren - du mit mir kommen!« sagte der Unbekannte, an dessen Gesicht ich mich nicht mehr erinnern kann. Keine hundert Meter von unserem Haus entfernt bot sich mir ein Bild des Grauens. Ich sah einen roten Porsche, total zerschmettert, auf dem Dach liegen. Ich sah in meiner Hysterie wohl Millionen Blaulichter - ich sah, wie man einen leblosen Körper am Straßenrand zudeckte.
Liebling - ist es Traum oder Wirklichkeit - du stehst am Straßenrand und wartest auf mich??? Stimmt denn das, daß du da leibhaftig stehst?? Ich vermeinte zu träumen, und doch war es Wirklichkeit. Ja!!! Mein Liebling stand da, war offensichtlich unversehrt weinte! Ich konnte immer noch nicht begreifen, was hier Sache war. Aber in dem Moment, da ich Iris in meinen Armen hielt, war alles andere egal. Was genau war geschehen? Iris hatte die Straße mit hoher Geschwindigkeit befahren und ein unentschlossener Fußgänger wollte diese überqueren. Einmal raus, einmal rein zwischen zwei Autos - und wieder raus. Iris wußte nicht mehr, wo sie hinlenken sollte, schleuderte, hielt dadurch voll auf den Fußgänger zu. Der war auf der Stelle mausetot. Sie aber fuhr auf eine Niedrigmauer auf, ihr Fahrzeug überschlug sich - sie war aber angeschnallt. Die Sanitäter führten nun meine Iris in den Sanka - ich durfte nicht mit hinein. Verschiedene Polizisten vermaßen irgendwelche Strecken und Spuren. Iris mußte in ihrem Schock alles mögliche von sich gegeben haben, hatte wohl auch vom Oktoberfest gesprochen. Nun wollten sie Iris zuallererst mal zur Blutprobe bringen und dann erst in die Klinik zur Behandlung. Ich bequatschte sie alle mit Engelszungen, sie sollten doch meine Freundin zuerst in die Klinik bringen - und dann erst zur Blutprobe. Ich drohte mit meinen Anwälten, bluffte, daß schon einer
nach hier unterwegs sei. Da kamen sie ins Grübeln und entschieden sich dafür, >gleich mal ins Rechts der Isar zu fahren< Ich lief wie der Teufel um die Ecken, die paar Meter nach Hause. Startete meinen SL und fuhr dem Blaulicht hinten nach. Ja - auch ich stand unter Schock, ich wußte gar nichts mehr. Wieviel hatte Iris getrunken auf der Wies'n? Hatte sie einen Schnaps gekippt oder nicht? Mein Gott, der Tote - und das Auto war Schrott, ich hatte es nicht Vollkasko versichert! Wie tief waren die Verletzungen bei Iris? Wieviel Promille würde sie haben? Ich nahm für alle Fälle meinen silbernen Flachmann aus dem Wagen mit hinein in die Klinik. Wenn ich ihr unter Zeugen Whisky einträufelte, konnte man die Blutprobe nicht mehr genau bestimmen. Mein Gott - wie konnte ich ihr helfen??? Ich stand vor den Flügeltüren der Ambulanz, zwei Bullen ebenso. Sie mußten sie bewachen, bis sie ihr Blut hatten. Huuiii - die Lage war brenzlich. Sie fuhren sie auf einer Bahre zum Röntgen - ich durfte mit hinein, bis sie drankam. Jetzt die Gelegenheit war günstig, ich setzte ihr meinen Flachmann an den Mund, ich hatte ihr schon erklärt, für was das gut sein solle. Ich erzählte ihr auch, daß sie einen Menschen getötet hatte. Zwei Schwestern sahen uns zu, während ich laut sagte: »Das wird dir guttun, so ein Schluck Alkohol!« Iris wurde mit drei Stichen am Handgelenk genäht, die Ge sichtsschnitte waren so schwach, daß Jodtinktur genügte. Ein Bulle kam sodann nebenan im Wartesaal auf mich zu. Ich wußte, was er wollte! »Haben Sie der Dame Alkohol zum Trinken gegeben?« fragte er mich - wo ich das Behältnis in der Hand hielt. Ich tat ganz verdutzt und sagte: »Ja, ich hatte meinen Flachmann dabei, und sie wollte einen Schluck trinken, als wir beim Röntgen waren. Das konnte ich ihr nicht abschlagen, ich weiß nicht, wieviel sie trank!« Das Ganze heißt in der Rechtsprechung >NachtrunkSchöne Porschefahrerin fährt Urlauber totPersönlichkeiten< mitgenommen. Wohl minutenlang stand ich starr und unbeweglich - ich fühlte mich wie tot. Dann aber gab ich mir einen Ruck - lief förmlich zu meinem Hund und nahm diesen mit ins Haus. Ich schloß alle Türen, Schränke, das Bad, das Schlafzimmer. Mitten auf dem Teppich sitzend, drückte ich das Tier an mich - ich weinte nicht, meine Seele aber weinte bitterlichst. Alles aus - für was hatte ich gelebt? Oder war es besser so? Urplötzlich erschien der Knastpsychologe in meinen Ge danken. Er war die Schlüsselfigur dafür, daß es auch in der Folge kein Blutbad gab. Es nützte kein Hadern, es war eine neue Situation eingetreten, die ich zur Kenntnis nehmen mußte. Ich war alleine. Die ersten Tage fragten schon die Leute, wo denn meine bessere Seite sei? Zuerst schluckte ich, dann murmelte ich irgend etwas vom Bayerischen Wald - Eltern und so. Immer deutlicher wurde mir, mir war ein großes Stück Lebensglück abhanden gekommen. Aber da war noch mein King, den ich oft an mich drückte und streichelte. Als ob dieses Mordsviech verstand, kam es immer öfter ins Haus geschlichen und legte sich zu meinen Füßen. Ach - übrigens - ich weiß bis heute nicht, ob Iris um die Ecke wohnt oder in China. Und das ist gut so. Es blieb eine Narbe mehr auf meinem Herzen, und der Rest ist - Mundabputzen. Die Putzfrau kam immer noch, als wenn sich nichts verändert hätte. Eines Tages fiel mir auf, daß nur noch sie in meinen fünfzehn Zimmern zu tun hatte - mir genügte der Meter zur Couch, der Meter zum Fernseher und mein Telefon in
unmittelbarer Nähe. Mein herrschaftlicher Stand bröckelte ich bat die gute Frau, nicht mehr zu kommen. Ich kündigte das Haus, fand einen Nachmieter. Ich wollte hier nicht mehr weiterleben - es schien mir wie ein Geisterhaus. Ich machte eine sogenannte Haushaltsauflösung, per Inserat. Natürlich fanden die schönen, wertvollen Sachen ganz schnell ihre Abnehmer, denn es waren Schleuderpreise angesagt. Ich ging mit King in den Wald und redete mit ihm, als sei er ein Mensch. Ich erklärte ihm stundenlang, daß ich ihn für eine gewisse Zeit zu seiner Geburtsstätte zurückbrächte. Er könne dort im Zwinger mit vielen Mastinos spielen, und ich würde ihn oft besuchen, um ihn dann wiederzuholen. Ich baute in meinem SL den Beifahrersitz aus, so daß King gemütlich Platz hatte - und brachte ihn dort hin, wo ich ihn gekauft hatte. Der Züchter nahm ihn gerne als Gast auf und seinem Herrchen ähnlich, war er gleich hinter einer jungen Mastino-Hündin her. Ich fühlte mich auf der Heimfahrt ziemlich elend, war leergesaugt und hatte nur noch wenig Kraft. Als ich wieder in München war, fuhr ich gleich in die Leopoldstraße und stieß die Tür meines Reisebüros auf. »Eine schnelle Sonne - am liebsten Gran Canaria - und am liebsten gestern«, sagte ich. Der Computer spuckte Flugnummer und Hotel sowie die Abflugzeit aus: Samstag, um acht Uhr früh. Der Samstag fing schon gut an - eine hübsche Taxifahrerin brachte mich zum Flughafen. Ich trank schnell an der Stehbar noch einen Piccolo. So - das war mein Frühstück. Als der Vogel abhob, wurde mein schweres Herz etwas leichter. Den Stewardessen drückte ich alsbald flockige Sprüche rein. Ich checkte die Fluggäste durch, ob nicht 'ne süße Maus dazwischen saß. Für vierzehn Tage hatte ich gebucht - da würde einiges passieren. In dieser Gewißheit bestellte ich mir einen Whisky und schaute hinab auf diese wunderschöne Welt. Es dauerte nicht lange, und wir überflogen die Pyrenäen.
Es war noch gar nicht lange her, da war ich auch in der Luft - und hatte etwas ganz anderes im Sinn. Ja, es gab keine Ga rantie auf Liebe und Glück! Wir landeten - die Sonnenbeständigkeit auf den Kanarischen Inseln ist einfach eine Wucht. Ich nahm ein Taxi - von Las Palmas nach Playa del Ingles. Der Fahrer sprach ein blendendes Deutsch. Das brachte mich auf eine Idee. Ich bot ihm zweihundert Mark, wenn er die ganze Nacht für mich fuhr, mit mir in Las Palmas in eine Dicso, in einen Puff ging. Um einundzwanzig Uhr sollte er vorfahren. Ich begab mich ins Hotelzimmer, raus aus den Klamotten und rein in den Hotel-pool. Eine Sangria an der Pool-Bar und schon sah ich die Welt mit ganz anderen Augen. Ein hübsches Mädchen saß mit halber Pobacke auf dem NachbarBarhocker, halb stand die Kleine. Schön braun war sie, und wie versteinert sah ich auf ihr Handgelenk. Sie trug die gleiche Brillant-Rolex, die ich meiner Iris kaufte. Die Meeresluft hatte mich hungrig gemacht, eine Runde Calamari war bestellt. Morgen würde ich an den Strand gehen - ober übermorgen - ... Manana! Die Maus neben mir war offensichtlich alleine hier, wurde aber schon von drei Typen angemacht. Ich wollte nicht der vierte sein. Ich zog meinen weißen Overall an, nichts drunter und nichts drüber. Was ich noch brauchte, war ein Bündel Scheine - ich wechselte mein Geld an der Rezeption. Ein paar Duftspritzer - und ab ging's nach Las Palmas. Eine knappe halbe Stunde - und schon lag der Internationale Hafen mit all seinen Lichtern zu unserer Rechten. Links davon, etwas rein in die Stadt, kamen die Gäßchen der käuflichen Liebe. Ohne Umweg wollte ich jetzt dahin. Wahnsinn - was da für Schüsse standen! Na, das mußte ich erst mal verkraften, das mußte ich mir erst einmal ausgiebig betrachten. Am liebsten hätte ich das ganze Angebot hier gebündelt vernascht. Aber die Nacht war ja noch jung! Ich ging in das erste Haus, drei Mädels bemühten sich um mich. »Du Aleman - ahhhh!«
»Wieviel?« Mein Dolmetscher sagte mir etwas von fünfzig Mark. Ja, Baby, das bist du mir echt wert. Mein Begleiter konnte sich etwas zu trinken bestellen oder vor der Tür warten - das war mir egal. Sie wusch zuerst meinen Schwanz so hingebungsvoll, als wollte sie ihn später verspeisen. Sie war groß und schlank, ihr Alter vermochte ich nicht zu schätzen. Aber sie war eine gottbegnadete Liebesdienerin. Ich hörte mich selber schreien wie ein Tier. Eine uralte Puffmutter stand urplötzlich im Zimmer - sie wollte ihren Obolus dafür, daß sie das Waschwasser gebracht hatte. So hat jeder seinen Trick drauf, um an ein paar Nutscherl ranzukommen, dachte ich, als ich wieder in meinen Overall schlüpfte. Es war gar nicht viel Zeit vergangen, als ich wieder vor dem Haus stand. Mein Driver fragte mich, ob ich zufrieden war - aber, was heißt das schon. Eine wildfremde Frau zu besitzen, in sie genüßlich einzudringen, das ist wie ein Bonbon lutschen - eigentlich. Denn der Moment, da das Bonbon aufgelutscht ist, ist der Moment, da du dich wieder anziehst. Ein kurzer Genuß - ein heimlicher Triumph vielleicht. Aber vorbei ist vorbei, und keiner fragt mehr nach dem, was vorher war. »Komm, wir wollen weiterschauen«, sagte ich zu dem Taxifahrer, und ich lud ihn auf eine Runde Bumsen sein. Aber das machte er nicht - er sei verheiratet, erklärte er mir. Keine zehn Meter weiter fand ich wieder ein Mädchen begehrenswert. Aber ich machte aus dem Haus, zu dem die Maus gehörte, erst mal einen Night-Club. Alle Huren dieses Hauses bekamen von mir etwas zu trinken, ich selbst bestellte mir eine Flasche Whisky. Welch ein Zufall - eine stramme Dame setzte sich zu uns, sie war Deutsche. Sie bemühte sich erst gar nicht, ihre Fettwülste zu überspielen. Sie verdiene ganz gut mit dieser Schwarte - sagte sie. Naja - nun konnte gar nichts mehr schiefgehen. Ein bißchen fachsimpelte ich mit ihr, aber auch sie sollte nicht den alten Luden in mir erkennen. Jedenfalls verdolmetschte sie mir, daß dieses schöne Kind auf mich ste-
hen würde. Sie deutete auf das Fräulein, welches ich sowieso genommen hätte. Irgendwann gehe ich mit diesem aufs Zimmer und bin wieder angetan, wie göttlich schön ein Frauenkörper doch ist. Sie war besonders lieb zu mir und küßte, als wäre es unsere Hochzeitsnacht. Sechzig Mark hatte sie zuvor verlangt, das Ganze natürlich in Pesetas. Sie ließ mich rausflutschen, aber mit Absicht. Sie züngelte meinen ganzen Körper ab und streichelte diesen mit ihren langen schwarzen Haaren. Sie tat mehr als eine Hure sonst sie nahm sich selbst etwas von unserer Zweisamkeit. Nach einer Stunde saßen wir wieder beim Whisky, und meine Liebesdame tuschelte auf spanisch allerhand hinter ihrem kleinen Händchen. Sie wollte ihren Kolleginnen anscheinend etwas Aufregendes mitteilen. Sie war wunderschön, irgendwie meiner Iris ähnlich - und doch ganz anders. Ich mußte pissen, man zeigte mir, wo es langging. Ich hielt meinen Schwanz in der Hand - er hatte heute Feiertag. Als ich aus der Toilette kam, stand meine Maus vor der Tür, sie drückte mir mit Gewalt etwas in die Hand und verschwand. Ich öffnete meine Hand und war baff. Das Geld, das ich ihr gegeben hatte, lag darin... Toll, diese Frau, einfach toll - die stand zu sich selbst! Ich ließ unser Saufgelage Saufgelage sein - mich interessierten trotzdem die übrigen Blüten der Nacht. Ich käme wieder, gab ich zu verstehen, und - draußen war ich aus dem muffeligen Gebäude. Mein Taxler glaubte, er müsse mein Body-Guard sein, er war immer an meiner Seite. »Mit der mußt du nicht gehen«, sagte er beispielsweise, als wir an einer attraktiven Blondine vorbeikamen, »das ist ein Typ.« Er meinte damit, daß dies ein als Frau verkleideter Mann sei. Aha - wo die Matrosen der ganzen Welt anlegten, war so manches möglich. Auf alle Fälle ging ich ein paar Häuser weiter nochmals auf Stich - mein Begleiter wunderte sich. »Was? Dreimal?!« Er konnte nicht wissen, daß ich heute aus Wut bumste.
Ich ging wieder zurück zu meiner Whisky-Flasche, und die fette deutsche Hure wollte ein ernstes Wort mit mir sprechen. Diese Supermaus von vorhin wolle mich zu ihrem Typen haben. Sie sei überwältigt von meiner Stärke. Ich mußte nicht lange überlegen, was sie damit meinte. Sie sei solo und möchte, daß ich hierbliebe - so zumindest wurde mir das verklickert. Ich holte meinen Taxler, damit ich auch wirklich richtig im Bilde war. Also, die Peseten-Währung umg erechnet, würde sie mir pro Tag mit Garantie Zweihundert abstecken. Innerlich schmunzelte ich, aber das wollte ich optisch nicht zu erkennen geben. Warum sollte ich auch eine Hure auslachen, die auf mich stand?... Aber, das war doch kein Thema für mich... Oder doch? Das wären schließlich auch sechs Mille im Monat. »Ich komme morgen wieder, ganz bestimmt!« So versprach ich, als wir wieder nach Playa del Ingles aufbrachen. Ich bekam noch einen innigen Kuß durchs Autofenster - und ich sah in hoffnungsvolle Augen. Am nächsten Tag lag ich bei strahlendem Sonnenschein in meinem Liegestuhl am Strand - eingeölt und happy. Was mache ich nur - wie soll mein Leben weitergehen?
Glossar Ablegen
= beim Spiel um Geld Wertgegenstände einsetzen, wobei Schmuck oder kostbare Uhren demonstrativ abgenommen und auf den Spieltisch gelegt werden müssen Anschafferin = Freudenmädchen, Prostituierte, vor allem aus der Perspektive des an ihr Verdienenden, des Zuhälters, gesehen Bockschein = gesundheitsamtliches Attest für Prostituierte, muß alle 14 Tage erneuert werden drücken = sich Rauschmittel spritzen Falleschieben = einen »Freier« beim Sexualakt täuschen Fleischpflanzl = bayer., Bulette, Fleischklops Hausei = bayer., im bürgerlichen Sinne: Hausmeister, Hausknecht, Hausmann. Im Gefängnis: Häftling, der hauspflegerische Innendienste versieht, auch jener, der anderen Häftlingen für entsprechende Gegenleistungen mit allerlei Dienstbarkeiten zur Verfügung steht Heiermann = fünf Deutsche Mark Herzkasperl = bayer. , Malheur aller Art mit dem Herzen vom heftigen Herzklopfen über Herzrhythmusstörungen bis hin zur ausgewachsenen Herzattacke Kuppe = Liebeslohn lauwarm = etwas wird als Hehlergut erworben link = falsch, hinterhältig die Minelli = Fummel, Klamotten Partie = Anschafferin, s. o. eine Partie angraben = ein Mädchen für den Strich »auftun«
Plempe Prass/Brast Puste Riese die Schmier Steherin
Stich stier Zeitstrafe ausschließt
= Schußwaffe = Kummer, Not, Zorn = Schußwaffe = Tausendmarkschein = die Polizei = Anschafferin, s.o., wobei nicht nur die Straßendirne, sondern auch die in einem Bordell Arbeitende gemeint sein kann = Vulgarismus für bezahlte Sex-Leistung = ohne Geld = begrenztes Strafmaß, das »lebenslänglich«