Sirnon Critchley Der Katechismus des Bürgers Politik, Gesetz und Religion bei, gemäß, mit und gegen Rousseau
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Sirnon Critchley Der Katechismus des Bürgers Politik, Gesetz und Religion bei, gemäß, mit und gegen Rousseau
Aus dem Englischen von Christian Strauch
diaphanes
In einem auf den 18. August 1756 datierten Brief an Voltaire schreibt Rousseau: »Ich wollte also, dass man in jedem Staate ein sittliches Gesetzbuch oder eine Art von bürgerlichem Glaubensbekenntnis hätte, welches positiv die gesellschaftlichen Grundsätze enthielte, die jeder verbunden wäre anzunehmen, und negativ die fanatischen Grundsätze, die man genötigt wäre, zwar nicht als gottlos, sondern als aufrührerisch zu verwerfen.« 1 Ganz offensichtlich enthalten diese Ausführungen den Keim des Arguments der bürgerlichen Religion, welche Rousseau im Jahre 1762 in seinem Gesellschaftsvertrag 2 detailliert ausarbeiten sollte. In dem Brief an Voltaire (bekanntlich schlugen die kollegialen Gefühle zwischen den beiden, wenn es sie denn gegeben hat, während dieser Jahre rasch in Feindschaft um) geht es um Voltaires Reaktion auf das Erdbeben von Lissabon von 1755, das Voltaire 1 Jean-Jacques Rousseau, Schriften, hrsg. u. übers. von Henning Ritter, Band 1, FrankfurtjM. 1981, S. 330f. 2 Die Literatur zur bürgerlichen Religion ist sehr umfangreich und ich will deshalb gar nicht erst damit anfangen, ihr gerecht werden zu wollen. Eine sehr nützliche und erst kürzlich erschienene historische Darstellung, welche die Entstehungsgeschichte der bürgerlichen Religion vom Rom des Numa Pompilius bis zur französischen Revolution nachzeichnet, und einige interessante Anmerkungen zu Rousseau enthält, findet sich bei Mark Silk, »Numa Pompilius and the Idea of Civil Religion in the West>Pn!face d'une seconde lettre a Bordes«, in: Jean-Jacques Rousseau, CEuvres completes (Plt!iade), Bd.III.
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meiner Sicht, zusammen mit Nietzsche, zu einem Philosophen, der in äußerstem Maße mit Fiktionen arbeitet (auf die Frage der Fiktion und der Möglichkeit oberster Fiktion im Bereich der Politik werde ich später noch zu sprechen kommen). Und dieses Spiel der Verschiebungen ist auch eine Erklärung für die Vielzahl von möglichen, plausiblen und dennoch zutiefst widersprüchlichen Interpretationen des Rousseau'schen Texts - seien es nun kantische, hegelianische, liberale oder kommunitaristische Lesarten ganz zu schweigen von totalitären. 6 Um die Sache zu präzisieren: Wenn das Problem, das Rousseau in seinem Gesellschaftsvertrag zu lösen versucht, das Problem des Politischen ist, dann erfordert die Lösung dieses Problems Religion. Das heißt natürlich, dass wir Rousseaus Gesellschaftsvertrag und wohl auch sein gesamtes >trauriges System< von hinten nach vorne lesen müssen. Denn die politischen Überlegungen des Gesellschafrsverrrags setzen die bürgerliche Religion voraus, die ansonsten einen bloßen Anhang zum Buch darstellen würde. Um wirksam zu werden, ist Rousseaus völlig immanent gehaltene Wesenskonzeption des Politischen also auf eine Dimension von Transzendenz angewiesen. Anders gesagt: um sich artikulieren und autorisieren zu können, scheint eine Konzeption des Politischen, die auf dem absoluten Primat der Autonomie gründet, eine heteronome Komponente zu benötigen. Wir werden später auf diese Fragen zurückkommen. 6 Auch wenn ich hoffe, dies noch gesondert ausführen zu können, denke ich hier im Speziellen an Arendts einflussreiche und völlig irreführende Kritik Rousseaus; und hierbei vor allem an ihre Ausführungen zum Gemeinwillen. Siehe Hannah Arendt, Über die Revolution, München 2000.
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2. Andererseits möchte ich Rousseaus Überlegungen nutzen, um zu zeigen, inwieweit seine Konzeption des Politischen dazu beitragen kann, Licht in unsere gegenwärtige Situation, sprich die Dunkelheit unserer Zeit zu werfen. Damit meine ich Folgendes: Wenn Rousseaus trauriges System eine Art Verschiebungsmaschine ist, dann frage ich mich, ob- sich nicht Analoges von unserer Welt behaupten ließe, einer Welt, die in ihrem jetzigen Zustand definiert ist durch eine Reihe alptraumhafter Verschlingungen von Politik und Religion: Politik der Religion und Religion der Politik, und wir sind in nichts Geringeres eingetreten als in eine neue Epoche von Religionskriegen. Meine Ahnung oder Hoffnung ist nun, dass ein genaues Nachvollziehen der Rousseau'schen Gedanken zu Politik und Religion es uns irgendwie ermöglicht, unsere gegenwärtige Situation besser durchdenken und gegebenenfalls gegen sie denken zu können. All das führt mich zu einer Reihe allgemeiner, vielleicht zu allgemeiner, möglicherweise lähmender Fragen: Ist Politik ohne Religion vorstellbar? Die Antwort auf diese Frage lautet offenkundig: Ja, wie das Vorhandensein verschiedener säkularer Politikauffassungen zeigt. Aber ist Politik auch ohne Religion praktizierbar? So lautet die eigentliche Fragestellung. Und dies ist auch die Frage, um die Rousseaus politisches Denken kreist. Kann Politik als eine ein Volk oder Völker prägende, motivierende und mobilisierende Kraft wirksam werden, sofern keine religiöse Dimension oder Fundierung vorhanden ist; also ohne eine wie auch immer geartete Berufung auf Transzendenz, wie substanziell diese Berufung auch sein mag? Ich glaube
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nicht. Oder besser gesagt, ich glaube es nicht mehr. Ich bin der Meinung, Rousseau ist deshalb exemplarisch, weil er uns den ultimativen Ausdruck des modernen Verständnisses von Politik an die Hand gibt: Bei Rousseau bricht Politik mit Naturvorstellungen und Naturrecht und hat stattdessen auf Ideen von Volkssouveränität, Zusammenschluss, völliger Gleichheit und kollektiver Autonomie, verstanden als Selbstbestimmung des Volkes, zu gründen. Und dennoch, damit diese moderne Vorstellung von Politik wirksam werden kann, muss sie über eine religiöse Dimension verfügen, über etwas, das die Römer theologia civilis, also bürgerliche Religion zu nennen pflegten. Somit muss die Säkularisierung, welche die moderne Politik zu bestimmen scheint, ein Moment anerkennen, das Emilio Gentile Sakralisierung nennt. Dies bezeichnet die Transformation einer politischen Einheit (eines Staats, einer Nation, einer Klasse, einer Partei) in eine sakrale Einheit und bedeutet, dass diese Einheit transzendent, unanfechtbar und ungreifbar wird. 7 Die Frage lautet also: Kann ein politisches Kollektiv seine Existenz, Einheit und Identität ohne ein Moment des Heiligen, ohne Religion, ohne Rituale, ohne etwas, was wir nur als Glaube bezeichnen können, aufrecht erhalten? Abermals: ich glaube es nicht. Sollten wir also nicht wenigstens die Möglichkeit einer Neudefinition in Erwägung ziehen und die Säkularisation, die als entscheidendes Moment der Moderne gilt, mit der Idee einer modernen Politik, die sich als eine Metamorphose der Sakralisierung begreift, zusammenbringen? Folgen wir
7 Emilio Gentile, Politics as Religion, aus dem Italienischen von George Staunten, Princeton 2006.
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diesem Gedanken, so müssten die moderne Formen von Politik (liberale Demokratie, Faschismus, Kommunismus, Nationalsozialismus und übrige Formen) als neue Artikulationen und, in der Tat, als Mutationen des Heiligen begriffen werden. Bevor ich fortfahre, möchte ich anmerken, dass mir diese Schlussfolgerung keine sonderliche Freude bereitet, da ich jemand bin, der für Religion, ob nun in organisierter oder unorganisierter Form, nicht viel übrig hat. Was ich hier zu sagen habe, soll kein bloßes Reagieren auf die unselige ReTheologisierung des Politischen sein, deren momentane Zeugen wir sind und die unsere Gegenwart zur dunkelsten Phase meines Lebens macht (und wohl weit darüber hinaus). Hauptverantwortlich für die gegenwärtige grässliche Situation ist die Verquickung von Politik und Religion, eine Verquickung, die von Gewalt bestimmt ist, und an diesem Punkt würde ich gerne mit meiner Analyse einsetzen. Ziel dieser Analyse ist es nun nicht, die Verbindungen von Politik und Religion zu kappen, sondern die Be· schränkungen völlig säkular ausgerichteter linker Politik sichtbar zu machen. Mir scheint, dass die politische Linke das Feld des Religiösen allzu leichtfertig an die Rechte abgetreten hat. Dieses Feld muss jetzt im Rahmen einer kohärenten, langfristig angelegten und beharrlich geführten politischen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Lager wieder zurückerobert werden. Der Sozialismus, so Gramscis bekannte Feststellung, ist die Religion, die man braucht, um den christlichen Glauben auszurotten. Wie wir in Kürze sehen werden, wirft das Verhältnis von Politik und Religion und dessen Verquickung für mich die Frage nach der Notwendigkeit von Fiktion auf, und zwar
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sowohl die Frage nach dem scheinbaren Bedarf einer göttlichen, der Politik zu Grunde liegenden Fiktion als auch die Frage nach der Möglichkeit dessen, was Wallace Stevens als »supreme fiction«, als oberste Fiktion im Bereich der Politik bezeichnen würde. Aber ich greife vor.
Das Wesen des Politischen oder die Fehlbezeichnung des Gesellschaftsvertrags Kommen wir auf Rousseau zurück. Bekanntlich beginnt Rousseaus Gesellschaftsvertrag mit den folgenden Worten: »Der Mensch wird frei geboren, und überallliegt er in Ketten. Mancher hält sich iür den Herrn der andern und bleibt dennoch mehr Sklave als sie. Wie ist dieser Wandel geschehen? Ich weiß es nicht. Was kann ihn rechtmäßig machen? Ich glaube, diese Frage beantworten zu können.« 8 Am naheliegendstell ist hier eine Lektüre in dem Sinne, dass Rousseau uns empfiehlt, unsere Fesseln abzuwerfen und zu einem Zustand ursprünglicher Freiheit, die er an anderer Stelle natürliche Freiheit nennt, zurückzukehren. Dies ist die romantische oder aber anarchistische Lesart Roussea:us. Hier wird revolutionäre politische Aktivität gerechtfertigt, sofern sie uns in die angeblich freie und ur-
8 Jean-Jacques Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, übersetzt von Eckhart Koch, München 1981, S. 270.
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sprüngliche Situation des Menschen ohne die Ketten von Gesetz und Regierung zurückversetzt. Rousseau so .zu lesen, heißt jedoch, ihn falsch zu lesen. Betrachten wir die zitierte Passage genauer: Der Mensch liegt überall in Ketten; das heißt, jedermann, nicht nur die Unterd~ckten, die Ausgebeuteten und die Armen, liegt überall in Ketten. Rousseau drückt sich klar aus: »Mancher hält sich für den Herrn der andern und bleibt dennoch mehr Sklave als sie.« Der Herr täuscht sich also (und diesen Gedanken wird Hegel in seiner dialektischen Logik deutlich herausstellen), wenn er aufgrund seiner Möglichkeit, die Armen und Benachteiligten zu unterdrücken und seinem Willen zu unterwerfen, selbst frei zu sein glaubt. Seine Stellung macht den Herrn im Gegenteil vollkommen abhängig von der Anerkennung durch den Sklaven, von dem er sich unabhängig glaubt und dem er sich überlegen fühlt. Paradoxerweise ist der Herr weniger frei als der Sklave, da das ganze Wesen des Herrn auf der vorgeblichen Überlegenheit gegenüber dem Sklaven gründet. Rousseaus Punkt ist folgender: Jeder ist ein Sklave - vor allem der Herr, der frei zu sein glaubt. Rousseau fährt fort: »Wie ist dieser Wandel geschehen?« Wie also kam es dazu, dass alle Menschen letztlich Ketten tragen? Wie haben wir unsere natürliche Freiheit, sprich unsere natürliche Gleichheit verloren? Worin liegt der Ursprung und die Grundlagen der Ungerechtigkeit unter den Menschen? Rousseau beantwortet diese Fragen mit einem kurzen »Je l'ignore«, »Ich weiß es nicht« oder »Ich bin mir der Gründe dieses Wandels nicht bewusst«. Diese Antwort ist recht seltsam, da Rousseau sieben Jahre zuvor eine einigermaßen atemberaubende und originelle Ant-
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wort auf diese Frage gefunden hatte; nämlich in seiner 1755 erschienenen Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungerechtigkeit unter den Menschen,
dem so genannten zweiten Diskurs. Entweder ist Rousseau also inkonsequent, und wie die Leser der Bekenntnisse wissen, ist Konsistenz nie eine Tugend gewesen, die er zu besitzen behauptete, oder aber das, was im Gesellschaftsvertrag passiert, fällt nicht in den Bereich der gängigen Wissensordnung oder epistemischen Gewissheit, sondern in einen anderen. Wenn wir auf das Anfangszitat zurückkommen, stellen wir eine verblüffende und wichtige Trennung zwei er Bereiche, dem des Wissens und dem der Legitimität, fest. Das heißt, dass die politische Frage der Umwandlung von Freiheit zu Unfreiheit keine epistemische oder empirische Frage ist, die mit Bezug auf den Naturzustand oder das Naturrecht gelöst werden kann. Vielmehr geht es um die Legitimität dieser Umwandlung, die einen Bruch zwischen Naturordnung und Politik voraussetzt. Die politische Ordnung beginnt, um Rousseau zu paraphrasieren, indem alle Fakten außer Kraft gesetzt werden, indem der Bereich des Seins, desjenigen was ist, ignoriert und eine Domäne geschaffen wird, innerhalb derer ein neues politisches Subjekt auftaucht - eine Domäne der Fiktion im starken Sinne, den Bereich dessen, was Badiou das Ereignis nennt. Mit der Frage nach der Legitimität und damit nach dem Auftauchen eines politischen Subjekts, das mit dem Bereich der Tatsachen und des Wissens bricht, dringen wir zum Problem von Politik vor, wie Rousseau es begreift. In vielerlei Hinsicht wirkt es eher wie ein Rätsel als ein Pro-
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blem. Das Rätsel taucht im Zusammenhang mit einer Serie von decalages auf, die wir nachzuvollziehen versuchen werden. Im Gesellschaftsvertrag beschreibt Rousseau das Problem mit folgenden Worten (die in Anführungszeichen stehen und somit vom Rest des Textes abgesetzt sind): »Wie 'findet man eine Form des Zusammenschlusses, welche die Person und die Habe jedes Mitglieds mit der ganzen gemeinschaftlichen Stärke verteidigt, und durch die gleichwohl jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und ebenso frei bleibt, wie er war?«9 Wie können Menschen also nach einem Gesetz leben, das sie als gleichermaßen bindend für alle Bürger und als rechtmäßig für die Gemeinschaft als Ganzes anerkennen und dem sie sich gleichzeitig, da sie in diesem Gesetz den Ausdruck ihrer eigenen Freiheit sehen, freiwillig unterwerfen? Wenn die Rückkehr zur Natur, die Rückkehr zu einer ursprünglichen Freiheit, in der wir endlich nicht mehr in Ketten liegen, die Hinwendung zu einem anarchistischen Traum von einer Gesellschaft ohne Staat nicht in Frage kommt, dann ist das Problem von Politik Folgendes: Wie können die Ketten legitimiert werden? Oder besser noch, wie können Bürger rechtmäßige Ketten tragen? Um es holzschnittartig auf den Punkt zu bringen: Das Problem von Politik ist in der Beziehung zweier Formen von Unfreiheit und dem Übergang von der einen Form zur anderen zu suchen. Die erste Form der Unfreiheit basiert nicht auf gegenseitigem Einverständnis, die zweite basiert 9 Ebd., S. 280.
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auf gegenseitigem Einverständnis. Wie können wir die Gesellschaft so organisieren, dass Freiheit und Gleichheit in einer Art Gleichgewicht nebeneinander existieren? Wie Rousseau schreibt, ist dies »das grundlegende Problem, das durch den Gesellschaftsvertrag gelöst wird«. 10 Aber was bedeutet das Wort >Gesellschaftsvertrag< für Rousseau? Ist es nicht eine Fehlbezeichnung für dasjenige, was Rousseau sich unter dem Wesen von Politik vorstellt? Erstens beschäftigt sich Politik mit der Schaffung der weiter oben erwähnten Form des Zusammenschlusses. Dazu ist, so glaubt Rousseau, eine Vereinbarung oder aber ein Abkommen nötig. Die Grundlage hierbei bilden jedoch weder die Familie oder das in welcher Form auch immer bestehende Patriarchat (a la Filmer 11 ), noch das Recht des Stärkeren, kraft dessen der Eroberer den Eroberten einfach versklavt (a la Wilhelm der Eroberer). Wichtig ist, dass auch die Möglichkeit eines anfänglichen Abkommens zwischen Volk und König ausgeschlossen wird, so wie sich dies Grotius oder aber in anderer Form Hobbes vorgestellt haben. Für Rousseau ist Folgendes ausschlaggebend: »Ehe man also die Handlung untersucht, durch die ein Volk einen König wählt, täte man gut daran, die Handlung zu prüfen, durch welche ein Volk zum Volke wird. Denn da diese Handlung notwendig der anderen vorausgeht, ist sie die wahre Grundlage der Gesellschaft.« 12 10 Ebd., S. 280. 11 Robert Filmer (1588-1653), politischer Theoretiker, Vertreter des absoluten Gottesgnadentums der englischen Monarchie (A.d.Ü.). 12 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., s. 279.
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Folglich ist der Kern von Politik in einem Akt zu sehen, durch den ein Volk zum Volk wird, in einem ursprünglichen Abkommen also, das voraussetzt, dass es einmal so etwas wie Einstimmigkeit gegeben hat. Althusser bringt Klarheit in diese Angelegenheit, indem er die Unterscheidung zwischen Hindernissen und Kräften einführt. Gemeint sind diejenigen Hindernisse, die einem solchen Zusammenschluss im Wege stehen, und diejenigen Kräfte, die ihn möglich machen könnten. Damit knüpft er übrigens an die Marx'sche Unterscheidung zwischen Produktionsverhältnissen und Produktionskräften an. An diesem Punkt scheint es nun angebracht, die Beziehung zwischen dem Gesellschaftsvertrag und dem zweiten Diskurs genauer ins Auge zu fassen. Im zweiten Teil des zweiten Diskurses werden außerordentlich plastisch die Hindernisse geschildert, die einer rechtmäßigen Politik im Wege stehen, insbesondere auf den letzten Seiten, wo vom fatalen Kriegszustand die Rede ist. Es ist verlockend, diesen Kriegszustand einfach auf den gegenwärtigen Zustand der Welt zu übertragen, den Agamben in charakteristisch untertreibender Weise als »weltweiten Bürgerkrieg« bezeichnet. 13 In diesem Kriegszustand leben die Menschen in einem Stadium völliger Entfremdung bzw. Entäußerung [alienation], und sowohl für Rousseau als auch für Marx stellt die vorausgegangene Menschheitsgeschichte die Wachstumsgeschichte dieser Entäußerung/ Entfremdung dar. Die Kraft, die diesen Hindernissen begegnen und sie möglicherweise überwinden kann, ist die
13 Giorgio Agamben, Ausnahmezustand, aus dem Italienischen von Ulrich Müller-Schöll, Frankfurt/M. 2004, S. 9; siehe auch S. 99-104.
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vereinte physische Kraft der entfremdeten Individuen, die sich nicht fürs Einzelinteresse, sondern für das Gemeininteresse einsetzen. Von dieser Kraft ist im Gesellschaftsvertrag die Rede. Es ist eine Kraft, die nur durch eine Umwandlung der menschlichen Existenzweise wirksam werden kann. Rousseau spricht diesbezüglich mehrmals von einer »Veränderung der menschlichen Natur«. 14 Das besagt, dass zweiter Diskurs und Gesellschaftsvertrag sich zwar gegenseitig ergänzen, aber dennoch radikal voneinander geschieden sind: einerseits der Zustand höchster Ungleichheit der Welt im Fall des Diskurses, andererseits die Möglichkeit einer rechtmäßigen Politik im Fall des Gesellschaftsvertrags. Politik hat folglich mit der Schaffung einer Kraft zu tun, die Hindernisse überwinden kann. Und dies erfordert einen Akt der Vereinigung oder aber, wie Denis Guenoun es nennt, des reinen Zusammentretens, bei dem ein Volk sich vereint und sich entscheidet, zu handeln. 15 Zum einen stellt sich die weitreichende Frage, wo diese Kraft herkommen mag. (Wo kommt sie denn her? Kommt sie? Immer?) Mit Sicherheit können wir sagen, dass diese Kraft nicht in der Situation selbst, sondern im Mehr, im Überschuss der Situation gegeben ist, als unerlässlicher, doch flüchtiger Zusatz, eine fiktionale Kraft vielleicht. Dennoch sagt Rousseau es glasklar - und ebenso deutlich kommt sein Pessimismus zum Ausdruck, 14 Um zu klären, was Rousseau genau unter der >>Veränderung der menschlichen Natur« verstehen könnte, wäre eine gesonderte Untersuchung nötig, die uns den signifikanten stoischen Einfluss auf Rousseaus Denken nahebrächte. 15 Vgl. hierzu Denis Guenoun, L'Enlevement de la politique, Paris 2000, s. 15.
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den man später bei Badiou, Randeres und anderen wiederfindet-, dass diese Kraft eine seltene Kraft ist, die sich nur an wenigen Orten zeigt: für kurze Zeit in Genf, kurzzeitig auf Korsika, als theoretische Möglichkeit in Polen und so weiter. Ich bin mir sicher, dass Rousseau sie in den derzeitigen Regimes, die fälschlich als Demokratien /" bezeichnet werden, nicht finden würde. Wahre Politik ist selten, die Hindernisse gewaltig und die Kraft, die erforderlich ist, um sie hervorzubringen, außergewöhnlich. Nun stellt sich die Frage: Ist dieser Akt des Zusammenschlusses ein Vertrag? Wenn ja, dann ist das ein sehr seltsamer Vertrag. Normalerweise versteht man unter einem Vertrag eine Beziehung, in die zwei schon bestehende Parteien eintreten, wie beispielsweise bei einer Heirat. Aber das bringt uns Rousseaus >Gesellschaftsvertrag< kaum näher. Bei Rousseau gibt es keine schon bestehende zweite Partei. Eigentlich kann noch nicht einmal von einer ersten Partei die Rede sein. Ich will versuchen, mich hier klarer auszudrücken, da die Logik dieses >Vertrags< schwer zu fassen ist. Fangen wir also mit der ersten Partei des Vertrags an, die in einem Stadium der völligen Entäußerung lebt, wie sie im zweiten Diskurs beschrieben wurde. Sie ist also keineswegs frei, sondern vollkommen in Systeme sozialer Ungleichheit verstrickt. Dennoch besitzen diese radikal unfreien, entfremdeten Individuen noch immer die Kraft - jene eigenartige, seltene Kraft, die ich eben erwähnte-, um sich in einem Akt des Zusammenschlusses mit anderen hinzugeben, und zwar mit anderen, die ebenfalls in einem Stadium radikaler Entäußerung leben. Doch indem das Subjekt sich anderen hingibt, geht es einen Vertrag mit der Allgemeinheit ein und mit nichts und niemand
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anderem, mit eben dem erdachten Zusammenschluss, der das erwartete Resultat einer solchen Selbst-Hingabe ist. Auch an dieser Stelle spricht Rousseau es ganz deutlich aus: »Schließlich, wenn sich jeder allen gibt, so gibt er sich niemandem.« 16 Folglich gibt es gar keinen Vertrag und ich gebe mich niemandem hin. Und in der Tat gibt es gar kein Selbst, das sich geben könnte, solange es sich im Stadium der totalen Entäußerung befindet, und zum Subjekt wird es erst durch einen Kraftakt, durch den es sich mit anderen zusammenschließt. Den Akt des Zusammenschlusses, welcher der Kern von Politik ist, möchte ich hier gerne als Fiktion einer Entäußerung aus der Entäußerung bezeichnen. Mit anderen Worten, das Wesentliche von Politik ist ein Akt und eine Fiktion. Und auch hier drückt Rousseau sich klar aus: »Versteht man diese Bedingungen [des Gesellschaftsvertrags] richtig, so lassen sie sich alle auf eine einzige zurückführen, nämlich dass sich jedes Mitglied mit all seinen Rechten der Gesellschaft völlig überantwortet.Gesellschaftsvertrag< setzt mit dem Faktum der völligen Entäußerung ein und wird durch einen Akt totaler Entäußerung überwunden, durch den ich mich einer Gemeinschaft, einer gedachten Allgemeinheit, einem Volk, das in Wirklichkeit nicht existiert, hingebe. Demnach entäußere ich mich im Namen der Fiktion eines Zusammenschlusses, die es mir erlauben könnte, die 16 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., S. 280. 17 Ebd., S. 280.
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totale Entäußerung der sozialen Ungleichheit zu überwinden. Wie Althusser ganz richtig unterstreicht, ist die vollständige Entäußerung die Lösung, um den Zustand vollständiger Entäußerung hinter sich zu lassen. 18 Demnach,
und hier kommt es zur ersten Verschiebung, deckt sich Rousseaus >Gesellschaftsvertrag< nicht mit dem, was er bezeichnet: Er ist kein Vertrag, der auf dem Austausch zwischen Parteien basiert, sondern er beruht auf dem Akt einer Konstitution, und zwar einer fiktiven Konstitution, bei dem ein Volk sich seine Existenz selbst gibt. Die Tatsache, dass ein solches Volk existiert bzw. existieren könnte, dass der fiktionale Akt zum Tatbestand werden könnte, ist dasjenige, was Althusser Rousseaus >Traum< nennt. 19 Einer der wichtigen Kernpunkte, auf den meine Ausführungen zusteuern werden, ist das Herausstellen der Notwendigkeit solcher Träume, solcher obersten Fiktionen, die im Bereich des Politischen wirksam werden können und zu deren Interpretation ich versuchen werde, einen Schlüssel zu liefern. Kommen wir nun zum Gesetz.
Der Gemeinwille, das Gesetz und die Notwendigkeit des Patriotismus Fragen wir uns ganz allgemein: Was ist denn das Problem, dessen Lösung das Gesetz ist? Wie wir gesehen ha18 Louis Althusser, Schriften, hrsg. v. Peter Schöttler, Band 2, Harnburg 1987, S. 144f. 19 Ebd., S. 161.
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ben, versucht Rousseau im Gesellschaftsvertrag das Problem der Legitimierung bzw. Legitimität zu lösen. Die Frage lautet also: Wie hat man sich die Form des Zusammenschlusses vorzustellen, die ein Gleichgewicht zwischen den von Freiheit und Gleichheit erhobenen Forderungen, zwischen individueller Freiheit einerseits und den Interessen eines Kollektivs andererseits schaffen könnte? So stellt sich, habe ich gesagt, das Problem von Politik für Rousseau und für uns selbst. Wie kann meine Freiheit lediglich eine unter vielen Freiheiten sein? Wenn ich frei bin, dann muss jedes Gesetz, dem ich mich unterwerfe, mein Gesetz sein, muss also ein Gesetz sein, das ich mir selbst gebe. Das heißt, dass es mit meiner Autonomie vereinbar sein muss, und folglich muss es sich um ein Gesetz handeln, an das ich mich freiwillig binde. Wie ist meine Autonomie also mit Gleichheit in Einklang zu bringen, nämlich mit der Forderung, dass die Gesetze, die ich selber frei wähle, für mich selbst und andere freie Akteure bindend sein sollen? Rousseau löst das Problem auf elegante Weise, indem er schlichtweg abstreitet, dass es einen Unterschied zwischen Freiheit und Gleichheit gibt, und einen Unterscheidung zwischen einem Gemeinwillen und dem Willen Aller einführt. Der Wille Aller setzt sich aus den privaten Einzelinteressen zusammen, aus den einzelnen Freiheiten, aus den Interessen, die sich vereinigen lassen, beispielsweise im Mechanismus des in liberalen Demokratien abgehaltenen Wahlvorgangs. Aus Rousseau'scher Perspektive besteht das ganze Problem der liberalen Demokratie darin, dass jemand aufgefordert ist, als ein Individuum und auf Basis seiner Privatinteressen zu wählen und seine Freiheit
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auszuüben anstatt auf Basis des öffentlichen Interesses, das je nach Vermögen, Klassenzugehörigkeit, Status, Besitz etc. sehr wohl mit dem Privatinteresse in Konflikt geraten kann. Das bringt mit sich, dass Rousseau ein völlig negatives Verhältnis zu dem hat, was wir als >aktuell existierende liberale Demokratie< bezeichnen könnten. Der Gesellschaftsvertrag sollte also nicht, so wie das in der englischsprachigen Welt zuweilen passiert, als Apologie des Liberalismus, der angeblich auf einem Gesellschaftsvertrag basiert, gelesen werden. Ganz im Gegenteil stellt der Gesellschaftsvertrag für mich eine radikale Kritik des liberalen Individualismus dar, der im zweiten Diskurs als falscher Vertrag bezeichnet wird/ 0 da er auf radikal ungleichen Privatinteressen und Besitzverhältnissen gründet und in einem Kriegszustand mündet. Der Gemeinwille hingegen besteht nicht aus privatem, sondern allgemeinem Interesse und ist auf den öffentlichen Nutzen ausgerichtet. In Übereinstimmung mit dem Gemeinwillen zu wählen, heißt nicht auf der Basis meines partikularen, privaten Interesses zu wählen, sondern in Einklang mit demjenigen, was ich als gut und richtig im Hinblick auf die Form des politischen Zusammenschlusses sehe. So zu handeln, heißt in Übereinstimmung mit dem zu handeln, was Rousseau im Gegensatz zu unserer natürlichen Freiheit unsere bürgerliche Freiheit nennt. Beim Übergang vom Naturzustand in die Gesellschaft gebe ich meine natürliche Freiheit auf, die lediglich durch meine physische Kraft eingeschränkt ist, und erhalte dafür bür-
20 Siehe hierzu Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., zweiter Diskurs.
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gerliehe Freiheit. Letztere ist eine Art moralische Freiheit, die nur in Gesellschaft mit anderen erworben wird und sich durch Gehorsam gegenüber einem Gesetz auszeichnet, das ich mir selbst gebe und welches mit meiner Autonomie übereinstimmen muss. Wie Rousseau schreibt: »Der Drang der bloßen Begierde ist Sklaverei, und der Gehorsam gegen das Gesetz, das man sich selbst gegeben hat, ist Freiheit.«21 Das gleiche Argument ist auf die Gleichheit anzuwenden, bei der ich sowohl die raue natürliche Gleichheit, die im Naturzustand herrscht, als auch die krasse soziale Ungleichheit des Kriegszustandes zugunsten der politischen Gleichheit aller mit allen aufgebe. Frei zu wählen, heißt in Übereinstimmung mit dem Gemeinwillen zu wählen, was bedeutet, dass einer für alle wählt. Deshalb gibt es keinen Konflikt zwischen Freiheit und Gleichheit, denn Freiheit, sofern man das Verhältnis richtig versteht, ist der Ausdruck von Gleichheit. Kollektive Autonomie ist der einzig rechtmäßige politische Ausdruck individueller Autonomie. Wenn man sich dem Sachverhalt auf diese Weise nähert, löst man auch das Problem der Souveränität, denn das einzige Wesen, das in einem rechtmäßigen Gemeinwesen Souverän ist, ist das Volk selbst. Der Kern des Gesellschaftsvertrags ist eine Verteidigung der Souveränität des Volkes, worauf ich in meinen Schlussfolgerungen zurückkommen werde. Die Souveränität des Volkes besteht in den Akten der Gesetzgebung durch den Gemeinwillen, wo das Volk für sich selbst und durch sich selbst bestimmt und nicht durch die Vermittlung irgendeines Monarchen, Fürsten, 21 Ebd., S. 284.
Aristokraten oder eines sonstigen unrepräsentativen Körpers. Laut Machiavelli liebt der wahre Bürger seine s·tadt mehr als seine Seele. Rousseaus hyper-machiavellistische Wendung dieser Weisheit besteht darin, hinzuzufügen, dass die Stadt (dies war seine Hoffnung für Genf und der Grund~' warum er sich auf den Titelseiten des zweiten Diskurses stolz als Bürger Genfs bezeichnete) nichts anderes ist als Ausdruck der eigenen Seele, die bürgerliche Inkarnation des Lebendigen. Politisches Subjekt ist man nur aufgrund der Wirksamkeit des Zusammenschlusses, dessen Teil man ist. Für Rousseau gibt es eine reine Transparenz zwischen meiner Freiheit und der Freiheit meiner Mitbürger; Freiheit und Gleichheit sind für ihn die zwei Seiten derselben Münze (obgleich Rousseau Geld verabscheute, da es für ihn bloßes Simulakrum und Supplement war). Aber das Metall, das die beiden Seiten der Münze zusammenhält, ist die Liebe zur eigenen Stadt, zum Vaterland {patrie], und Rousseau verteidigt die Notwendigkeit eines bürgerlichen Patriotismus aufs Schärfste. An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs gestattet, denn ich glaube, dass dies wichtig ist. Werfen wir, um die Erörterung über Politik noch einmal aufzugreifen und an die Thematik des Gesetzes anzuknüpfen, einen Blick auf Rousseaus außergewöhnlichen Artikel zur »Politischen Ökonomie«, der 1755 in Diderots und D' Alemberts Encyclopedie erschien. Rousseau begreift den politischen Zusammenschluss in Form eines politischen Körpers. Die Seele, die diesen Körper animiert, ist der Gemeinwille. Die wichtigste Maxime einer rechtmäßigen Regierung ist es, dem Gemeinwillen zu folgen, und das heißt, dass alle Privat- und Einzelinteressen vom politischen Körper ab-
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getrennt werden müssen. Aber wie ordnen Bürger ihre Freiheit aus freien Stücken einem Gemeinwillen unter? Rousseau fragt: »Wie ist es möglich, dass sie gehorchen, und niemand befiehlt; dass sie dienen und keinen Herrn haben? Dass sie wirklich freier sind, da bei einer scheinbaren Unterwerfung jeder nur so viel von seiner Freiheit verliert, als er den anderen damit schaden könnte?Subjekt< kann nicht das Subjekt der Repräsentation sein, und alle Arten der Repräsentation begreifen das Subjekt als dem Spektakel und seinem Theater des Krieges und der Ungleichheit
35 Ebd., S. 350.
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unterworfen. 36 Dies ist bereits im Brief an D'Alembert über das Schauspiel (1758) zu sehen, wo die Kritik des Theaters vor allem eine Kritik der Repräsentation ist und wo, im Gegensatz dazu, in den von Rousseau empfohlenen öffentlichen Festen nichts repräsentiert wird und es kein Spektakel gibt. Was bei diesen Festen erfolgt, ist lediglich die Präsenz des Volkes sich selbst gegenüber im Verlauf der Aufführung. Rousseau schreibt: »Was werden aber schließlich die Gegenstände dieses Schauspiels sein? Was wird es zeigen? Nichts, wenn man wi11.«37 So gesehen, geht es bei Politik nicht um Repräsentation. Vielmehr geht es, wie Badiou schreibt, um ein sich maniiestierendes »kollektives Sein«, das aus >>bürgerlichen Aktivisten« besteht. 38 Wenn gefragt wird, wie dieses Sein sich darstellt, dann lautet die Antwort: als nichts, wenn man so will. Wie Rousseau in seinen Tiraden gegen England unermüdlich feststellt (und in meinem Selbsthass liebe ich ihn aus diesem Grund um so mehr, denn »ich habe weder England noch die Engländer je geliebt« 39) ist gerade das der Irrtum des Parlamentarismus.
36 Siehe hierzu: Alain Badiou, Logiques des mondes, Paris 2006, s. 575. 37 Rousseau, Schriften, a.a.O., S. 462. 38 Alain Badiou, Das Sein und das Ereignis, aus dem Französischen von Gernot Kamecke, Zürich-Berlin 2005, S. 390. 39 Jean-Jacques Rousseau, Bekenntnisse, aus dem Französischen von Ernst Hardt, Leipzigl965, S. 781 (11. Buch).
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»Das englische Volk glaubt frei zu sein; es täuscht sich sehr; frei ist es nur während der Wahl der Parlamentsmitglieder; sobald sie gewählt sind, ist es Sklave, es ist nichts. Der Gebrauch, den es in den kurzen Augenblicken seiner Freiheit von dieser macht, zeigt, dass es nichts anderes verdient, als sie zu verlieren.«40 Wie Eqmund Morgan herausstellt, und ich werde in meiner Schlussfolgerung ausführlicher auf sein Buch Inventing the people zurückkommen, ist die Idee der politischen Repräsentation ein magisches Rätsel: In einer repräsentativen Regierung, so heißt es zumindest, wird ein Volk nicht nur regiert, es ist auch Regierung und das geschieht, auf welche Weise auch immer, durch das Wunder der Repräsentation. Aber wie gerrau kommt man dazu, zu meinen, einige wenige könnten die Vielen repräsentieren? Sie können es nicht. Tatsache ist, dass die unechte Legitimation der repräsentativen Regierung auf einer einfachen Fiktion beruht: die Wenigen glauben, die Vielen zu repräsentieren und, sofern man an diese Fiktion glaubt, gilt dies auch für den umgekehrten Fall. Souveränität kann nicht repräsentiert werden, da es a~ lein das Volk ist, das über gesetzgebende Autorität verfügt und Gesetze macht. Rousseau schreibt: »Sobald ein Volk sich Repräsentanten gibt, ist es nicht mehr frei; es ist nicht mehr.«41 Die einzige Repräsentation, die ein rechtmäßiges Gemeinwesen zulässt, liegt auf der Ebene der Exekutive, nämlich bei den Magistraten, die vom Volk gewählt 40 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., s. 350. 41 Ebd., S. 352.
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werden, um den Volkswillen auszuüben. Doch wird das Gesetz nicht von der Exekutive erlassen, so wie dies in repräsentativen Regierungen der Fall ist; sie übt es nur aus. Gleichwohl wird durch diese Verschiebung in Rousseaus Argumentation die Unterscheidung zwischen Souveränität und Regierung eingeführt. Und die führt zu einer weiteren Verschiebung: der Unterscheidung zwischen Allgemeinheit/Generalität und Einzelheit/Partikularität. Wie wird die Regierung eingeführt? Sie kann nur durch einen Akt des Gemeinwillens eingeführt werden, der von der Souveränität des Volkes ausgeht. Wie findet dies nun aber faktisch statt? Wie wird aus dem Souverän, der per Definition eine allgemeine Größe ist, eine Regierung, die einzeln auftritt, insbesondere wenn die zum Regieren bestimmten Leute doch notwendigerweise ebenfalls Teil des souveränen Volks sind? Rousseau geht frontal auf diesen Widerspruch zu: »Die Schwierigkeit besteht darin. zu begreifen, wie es einen Akt der Regierung geben kann, noch ehe die Regierung besteht.«42 Die Antwort verblüfft: durch eine plötzliche Umwandlung der Souveränität in Demokratie. Es sei daran erinnert, dass Demokratie an früherer Stelle, nämlich in Buch III, als »eine Regierung ohne Regierung« beschrieben und zurückgewiesen wurde, als geeignet für eine Nation von Göttern, aber nicht von Menschen. »Hier zeigt sich wieder eine jener erstaunlichen Eigenschaften des politischen Körpers, mit deren Hilfe er scheinbar widersprüchliche Vorgänge in Einklang bringt. Denn dieser Schritt 42 Ebd., S. 354.
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erfolgt durch eine plötzliche Umwandlung der Souveränität in Demokratie, dergestalt, dass ohne jede merkliche Veränderung und nur durch ein neues Verhältnis aller zu allen die zur Obrigkeit gewordenen Staatsbürger von allgemeinen Akten zu einzelnen Akten und vom Gesetz zur Durchführung übergehen.«43 Ohne jede sichtbare Veränderung wandelt sich das souveräne Volk also selbst in eine Regierung um. Das heißt, dass jedes der den Volkskörper bildenden Individuen, wenn auch nur vorübergehend, zum Magistrat wird. Nachdem Rousseau die Demokratie als zu gottgleich abgewiesen hat, gesteht er ein, dass bei der Etablierung einer rechtmäßigen Regierung notwendigerweise die Staatsform der Demokratie durchlaufen werden muss. Von dort aus wird dann zu einer Wahlaristokratie übergegangen, die für Rousseau die gelungenste Regierungsform darstellt. Folglich erfordert dieser Durchlauf vom Allgemeinen zum Einzelnen ein plötzliches gottgleiches Moment der Transfiguration. Damit dringt ein Störfaktor in Rousseaus Erörterungen ein, der sich durch den Rest von Buch III und IV zieht und auch den überlangen Exkurs durch die politische Geschichte Roms erklären könnte. Anders ausgedrückt: Nachdem Rousseau den Gesellschaftsvertrag mit einer Reihe von Argumenten eröffnet hat, die von präziser, fast geometrischer Formalität sind und die Sprache der Vernunft sprechen, scheint er nicht zu wissen, wie er das Buch zu Ende bringen kann. Nachdem er wiederholt ar43 Ebd., S. 354.
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gumentiert hat, dass die einzige Legitimierung eines Gemeinwesens aus Akten der Allgemeinheit hervorgeht, hat dieser Durchlauf von der Souveränität hin zur Regierung, vom Allgemeinen zum Partikulären zur Folge, dass von so etwas wie einer berufenen Allgemeinheit oder einer geteilten und partikularisierten Universalität gesprochen werden muss. Das wird nirgends deutlicher als in dem Rätsel der in Buch IV beschriebenen Wahlprozeduren. Rousseau sieht sich zu der widersprüchlichen Schlussfolgerung gezwungen, dass der Gemeinwillen sich in der gewählten Mehrheit manifestieren muss, was bedeutet, dass sich Allgemeinheit nur in der Partikularität ausdrückt. Dies hat zur Folge, dass es keinen politischen Raum für Minderheiten gibt, wenngleich diese einen Teil des souveränen Volkskörper bilden. Wir werden im Zusammenhang mit Rousseaus Ausführungen zur Diktatur, die nichts anderes darstellt als die Autbebung der souveränen Volksautorität durch dasjenige Organ, das im Namen des Volkes zu sprechen vorgibt, auf diese Widersprüchlichkeit zurückkommen.
Das Paradox der Souveränität Aus Sicht Rousseaus ist das Problem, welches das Gesetz zu lösen scheint, das Verhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit. Wenn seine Ausführungen zutreffend sind, dann hat er das Problem von Politik gelöst, das, so
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meint er in seinen »Betrachtungen über die Regierung Polens«, ein Problem ist, das der »Quadratur des Zirkels in der Geometrie« ähnelt. 44 Nach meiner Meinung allerdings ist Rousseaus Versuch einer Quadratur des Kreises misslungen, vielmehr ist sein Text um eine Serie konzeptueller Verschiebungen herum angeordnet, deren Erben wir sind. Rousseaus Überlegungen bringen eine Reihe von Paradoxien zum Vorschein, mit denen sich jeder, der ernsthaft über das Wesen des Politischen nachdenkt, auseinandersetzen muss. Nirgends wird dies deutlicher als am Problem der Gesetzesautorität Man könnte .das Problem folgendermaßen umreißen: Wenn das einzige Gesetz, dem ich folgen kann, ein Gesetz ist, das ich mir selbst gebe, ein Gesetz ist, welches Ausdruck eines Gemeinwillens ist, ein Gesetz ist, das sich mit meiner Autonomie verträgt, aber dennoch bindend für alle Mitglieder der sozialen Gruppe ist, dann ist zu fragen, durch wen oder was dieses Gesetz Autorität haben kann? Die offenkundige Antwort lautet: Wenn das Gesetz nichts anderes ist als der Ausdruck des Gemeinwillens, wird Autorität zur self-authorship, zur Selbsturheberschaft Es kann also keine höhere Instanz für rechtmäßige Autorität geben als die der Autonomie. Wenn Autorität nun aber selbst zugeschrieben wird, wird ein rechtmäßiges Gemeinwesen dann nicht letzten Endes zu einer Form des kollektiven Narzissmus? 45 Bedarf es dann, der immanentisti44 Ebd., S. 567. 45 Das ist natürlich das zentrale Problem um welches die Kritik der Transzendentalphilosophie während der 1790-er Jahre kreist und mit dem sich Jacobi in seiner Kritik an Fichte auseinandersetzt. Ich diskutiere dies in Continental Philosophy. A Very Short Introduction,
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sehen Logik von Rousseaus Erörterung zum Trotz, nicht eines im Gesetz verankerten Moments transzendenter Autorität, um die Subjekte an das Gesetz binden zu können? Ist dann nicht ein Moment radikaler Externalität oder Heteronomie, wie sie etwa in der Funktion des Hobbes'schen Monarchen zum Ausdruck kommt, erforderlich? Falls das der Fall ist und Rousseau ebenfalls einen sterblichen Gott braucht, um seine Politik zu beleben, ist solch eine Autorität dann ohne Religion vorstellbar? Ich glaube, dass diese Probleme uns zum Kern des Paradoxes der Souveränität führen werden, das Rousseau dazu zwingt, sein Argument für den Gesetzgeber hervorzubringen und die Abhängigkeit der Politik und des Gesetzes von der Religion zu postulieren. Ich hoffe, dass es uns auf diesem Wege möglich sein wird, dem Kern unserer gegenwärtigen polirischen und gesetzlichen Situation näher zu kommen. Natürlich hat Rousseau, als ein in höchstem Maße mit Fiktionen operierender und sich seines Tuns bewusster Philosoph, das angesprochene Problem ganz klar vor Augen. In Buch II schreibt er: »Das Volk, das den Gesetzen unterworfen ist, muss auch deren Urheber sein.«46 Doch dann fährt er einfach fort und widerspricht sich dabei scheinbar: »Wie kann eine blinde Menge, die oft nicht weiß, was sie will, weil sie selten erkennt, was ihr gut tut, aus sich selbst heraus ein so großes und schwieriges Unternehmen durchführen, wie es ein System der Gesetzgebung ist?«47 Wie kann eine uninformierte und unwisOxford 2001, 2. Kapitel. 46 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., S. 299. 47 Ebd., S. 300.
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sende Menge also das Gute wollen? Wie kann diese Menge lernen, nicht nur auf der Basis ihrer Privatinteressen, sondern auf der Basis eines öffentlichen Interesses, nicht nur auf der Basis des Willens Aller, sondern auf der des Gemeinwillens, zu handeln? Rousseau folgert: »Von selbst will das Volk stets das Gute, doch es sieht es nicht immer von sefbst.« 48 Deshalb, so Rousseau, brauchen die Menschen einen Lenker. Erforderlich ist etwas oder jemand, um die Leute, und jetzt gebrauchen wir die verhängnisvoll missverstandenen Worten des ersten Buchs des Gesellschaftsvertrags, dazu zu zwingen, frei zu sein. 49 Dies führt Rousseau dazu, die wunderschöne Fiktion eines, wie er es nennt, >Gesetzesgebers< zu entwerfen, eines »außerordentlichen Mannes«, der durch seine »Geistesgaben« besticht. Sü Der Gesetzgeber wird von Rousseau als Ingenieur der Staatsmaschinerie beschrieben. Er ist derjenige, der Gesetze für die Gesellschaft erlässt, dabei aber abseits der Gesellschaft zu stehen hat. Der Gesetzgeber gehört weder der Naturordnung an, denn er greift in die Politik ein, indem er die Verfassung begründet; noch gehört er der politischen Ordnung an, denn er ist den Gesetzen, die er verkündet, nicht unterworfen. Das Amt des Gesetzgebers ist ein höchst paradoxes: »Dieses Amt, das die Republik bildet, geht jedoch nicht in ihre Verfassung ein.« 51 Damit die internalistischen Gesetze, die vom Gemeinwillen generiert werden, Autorität haben können, müssen sie von einem gleichsam externen Gesetzgeber, der weder 48 49 SO 51
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Ebd., S. 300. Ebd., S. 283. Ebd., S. 301. Ebd.
dem Bereich der Politik noch dem der Natur zuzuordnen ist, sondern sich gewissermaßen an einem Ort, der sich nicht verorten lässt, befindet (so wie Augustinus' Gott im X. Buch der Bekenntnisse), erlassen bzw. >statuiert< werden. Indem der Gesetzgeber diesen gleichsam externen, gleichsam heiligen >Nicht-Ort< einnimmt, verleiht er dem Gesetz eine fiktionale Erhabenheit. Rousseau schreibt: »Als Lykurg seinem Vaterland Gesetze gab, verzichtete er als erstes auf die Königswürde. Bei den meisten griechischen Städten war es Brauch, die Abfassung ihrer Gesetze Fremden anzuvertrauen. Die modernen Republiken Italiens haben oft diesen Brauch nachgeahmt; auch die Republik Genf tat dies, und es ist ihr gut dabei ergangen. Rom erfuhr zur Zeit seiner höchsten Blüte die Wiedergeburt aller Verbrechen der Tyrannei in seinem Schoße und war dem Untergang nahe, weil es die gesetzgebende Gewalt und die souveräne Macht in denselben Händen vereinigt hatte. «52 Wenn wir in einer Gesellschaft von Göttern und nicht von Menschen (einer Demokratie) leben würden, dann träte dieses Problem natürlich nicht auf. Obwohl der Übergang von der Souveränität zur Regierung, wie wir gerade gesehen haben, ein wundersames gottgleiches Moment enthält, sind wir keine Götter, jedenfalls nicht länger als für einen Moment. Deshalb ist eine Trennung zwischen der souveränen Macht, die dem Volk zuzuschreiben ist, und der gesetzgebenden Autorität, die auf Seiten des Ge-
52 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O.,
s. 302.
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setzgebers liegt, erforderlich. Und hier nähern wir uns dem Paradox der Souveränität an: Nur durch die Fremdheit des Nicht-Einheimischen scheinen die Gesetze mit Autorität ausgestattet und für ein autochthones Volk bindend zu sein. Einerseits ist und muss das Gesetz freier Ausdruck des Gemeinwillens sein, perfekte Interiorität eines Volkes sich selbst gegenüber; andererseits muss es einen Gesetzgeber, sprich jemanden, der außerhalb der Gesellschaft steht, geben, durch den das Gesetz mit einer Autorität ausgestattet wird, die über die selbstautorisierenden Akte des Gemeinwillens hinausreicht. Rechtmäßig ist nur das Gesetz, das· wir uns selbst geben; und trotzdem muss das Gesetz uns gegeben werden. Wie wir wissen, entwarf Rousseau (der sorgengeplagte Genfer, der innere Exilant, der in Frankreich ein Fremder war) faszinierende und aufschlussreiche Verfassungen für Polen und Korsika. Man muss die Fiktion eines Gesetzgebers, der von außen eingreift, entwerfen, um dem Gesetz Autorität zu verleihen; selbst wenn dieses Gesetz nur dann rechtmäßig ist, wenn es sich die Gesellschaft selbst gibt. So kann das Paradox der Souveränität umrissen werden, das den Kernpunkt politischer Legitimation bildet. Rousseau gesteht dies ein, und seinen Ausführungen an dieser Stelle zu folgen, ist, wie Treibeis beim Brechen zuzuschauen. »Man findet also im Werk der Gesetzgebung zwei Dinge zugleich, die unvereinbar scheinen: ein Unternehmen, das die menschlichen Kräfte übersteigt, und, um es auszuführen, eine Macht, die nichts ist.« 53 53 Ebd., S. 302.
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Wie Groucho Marx sagen würde: Lass dich nicht vom Schein trügen; diese »zwei Dinge« sehen nicht nur widersprüchlich aus, sie sind widersprüchlich. Und so arbeitet die Verschiebungsmaschinerie in Rousseaus Text. Die Autorität des Gesetzes, deren wesentlicher Punkt der Gemeinwille ist, setzt die Fiktion eines Gesetzgebers voraus, der sich über den Willen des Volkes hinwegsetzt. Ohne die Fiktion eines Gesetzes, das dem Volk von einer außerhalb liegenden Kraft auferlegt wird, kann sich das Volk das Gesetz nicht selbst geben. Politische Selbsturheberschaft muss von einer Art Ghostwriter, einem gleichsam heiligen Gesetzgeber untermauert werden. Die große Frage, die sich damit stellt, ist die Frage nach dem Verhältnis von Politik, Gesetz und gesetzlicher Autorität zur Religion und der religiösen Autorität. Dieses Problem nimmt Rousseau auf den fesselnden letzten Seiten des Gesellschaftsvertrags, wo es um die bürgerliche Religion geht, in Angriff. Zu sagen, es handle sich hierbei um ein zeitgenössisches politisches Problem, wäre mehr als nur eine Untertreibung. Wenn es die Fiktion des Gesetzesgebers ist, die dem Volk die nötige Autorität liefert, um sich selbst durch den Gemeinwillen zu autorisieren, ist solch eine Autorität dann ohne Religion zu haben? Können wir Gesetze ohne Religion haben, ohne irgendein Moment der Sakralisierung? Rousseau formuliert das Problem weitaus schärfer: Um eine rechtmäßige politische Ordnung zu etablieren, »bedürfte es eines höheren Vernunftwesens, dass alle Leidenschaften der Menschen sähe und selbst keine davon empfände, das keinerlei Verwandtschaft mit unserer Natur hätte und sie doch von Grund auf
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kennte.« 54 Kurz gesagt, es wären »Götter [ ... ] vonnöten, um den Menschen Gesetze zu geben.« 55 In einer Fußriote zitiert Rousseau Machiavelli; dieser schreibt: »In Wahrheit hat es bei keinem Volk einen herausragenden Gesetzgeber gegeben, der nicht auf Gott zurückgegriffen hätte, denn andernfalls wären seine Gesetze nicht anerkannt worden. Es gibt viele Wahrheiten, die einem klugen Mann zwar bekannt sind, die aber an sich nicht so offensichtlich sind, dass sie andere überzeugen können.« 56 Jeder Gesetzgeber hat das Gesetz mit Bezug auf die schöne Fiktion einer Gottheit zu autorisieren. Rousseaus Argumentation an dieser Stelle ist subtil, aufschlussreich und schließt eine weitere Verschiebung ein, diesmal eine Inversion des Ursache-Wirkungsverhältnisses. Er schreibt: »Da jeder einzelne ausschließlich den Plan der Regierung gutheißt, welcher sich auf seine besonderen Interessen bezieht, so begreift er schwerlich, welche Vorteile er aus den ständigen Entbehrungen ziehen soll, die gute Gesetze auferlegen.Dies ist es, was zu allen Zeiten die Väter der Nationen zwang, in der Vermittlung des Himmels ihre Zuflucht zu suchen und die Götter mit ihrer eigenen Weisheit zu beehren.« 00
Angenommen, der auf Privatinteressen ausgerichtete Bürger kann dazu gebracht werden, zu glauben, dass die Gesetze, die das politische Leben lenken, die gleiche göttliche Quelle haben wie die Gesetze, die das Universum lenken (wie dies beispielsweise bei der Fiktion des Naturrechts der Fall ist), so könnte sich dieser Bürger gedanklich mit dem Joch des Gemeinwillens anfreunden, ohne davon rational überzeugt sein zu müssen. Denn die rationale Einsicht kann nur dann entstehen, wenn er einem rechtmäßigen politischen Zusammenschluss bereits bei58 Ebd. 59 Ebd. 60 Ebd.
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getreten ist (also im Nachhinein). Die vorteilhaften Wirkungen, die entstehen, wenn sich ein Subjekt dem Ges-etz unterwirft, können sich also nur entfalten, wenn derjenige die Ursache will, und das wiederum ist nur unter Bezugnahme auf göttliche Ursachen möglich. -Ein derartiges Denken enthält natürlich auch den Keim dessen: was Rousseau als Caligula-Lösung der politischen Autorität ansieht: Einer erklärt sich selbst zum Gott und die Leute gleichzeitig zu Tieren. Die historische Ironie des Gesellschaftsvertrags besteht nun darin, dass Rousseau an einer bestimmten Stelle fragt: >>Welches Volk ist also geeignet, Gesetze zu empfangen?«61 Und er stellt eine typisch Rousseau'sche Liste von Kriterien zusammen: >>dasjenige (Volk), bei dem jedes Glied allen übrigen bekannt sein kann [... ] das andere Völker entbehren kann und dessen kein anderes Volk bedarf.«62 So ein Volk, das geeignet ist, Gesetz zu empfangen, sollte am Rande und nicht im Zentrum der Geschichte stehen. Es sollte Bräuche haben, die solide und verformbar zugleich sind. Das klingt sehr schön, aber wo findet sich so ein Volk bzw. so ein Land? Rousseau schweift umher und erklärt, dass Korsika das Land in Europa sei, das geeignet wäre, Gesetze zu empfangen. Er fährt fort: >>Ich habe das Gefühl, dass diese kleine Insel eines Tages Europa in Staunen versetzen wird.« 63 Wie man weiß, ging nur wenige Jahre später etwas aus Korsika hervor, das Europa tatsächlich in Staunen versetzte, nämlich Napoleon, der die legislative Gewalt
61 Ebd., S. 310. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 311.
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der französischen Republik dramatisch einschränkte, um so den Weg für eine enorme Ausdehnung der imperialen, exekutiven Macht frei zu räumen. Dieses Unterfangen gipfelte im Jahre 1804 in Napoleons Selbstkrönung zum Kaiser. Nun scheint es wenig zu geben, was den Gesetzgeber daran hindern könnte, zum Tyrann zu werden und zu glauben, ein sterblicher Gott zu sein, der den Gemeinwillen verkörpert. Dieses Risiko besteht immer dann, wenn das Politische um eine wie auch immer geartete Ökonomie des Heiligen herum angelegt ist; denn dann geht es ja um die tiefer reichende Frage, ob Politik ohne ein Moment Sakralisierung praktizierbar ist. Diesbezüglich ist Rousseaus Bemerkung zur Diktatur in Buch IV sehr aufschlussreich. Er stellt fest, dass der Gesetzgeber die Verfassung und die politischen Einrichtungen nicht so starr gestalten und begründen sollte, »dass [er] sich der Möglichkeit beraubt, ihre Wirkungen für einige Zeit aufzuheben«. 64 Die Gesetze, die von der souveränen Autorität des Volkes erlassen werden, sollten also nach Möglichkeit außer Kraft gesetzt werden können (womit das bezeichnet wäre, was römische Juristen iusticium nannten und von Agamben erhellend analysiert wurde). 65 Solch ein iusticium, eine Suspendierung oder aber ganz wörtlich ein Stillstand, ist nur im Falle eines Notfalls (un danger) zulässig, wenn die Sicherheit des Vaterlands (patrie) auf dem Spiel steht. Wenn die nationale Sicherheit also durch Angriffe von außen oder, auch wenn Rousseau dies nicht explizit erwähnt, durch inneren Dissens gefähr64 Ebd., S. 376.
65 Siehe hierzu: Das Justitium, 3. Kapitel in Agambens Ausnahmezustand, a.a.O., S. 52-63.
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det ist, kann die souveräne Autorität des Gemeinwillens außer Kraft gesetzt werden. Rousseau schreibt: »Ist die Gefahr aber von der Art, dass ihre Abwehr durch das System der Gesetze behindert wird, dann ernennt man einen oberste~ Machthaber, der alle Gesetze zum Schweigen bringen und für einen Augenblick die souveräne Gewalt aufheben muss.« 66 Der oberste Herrscher ist der Diktator. Er hat zwar nicht die Macht, Gesetze zu erlassen, wohl aber die Macht, sie außer Kraft zu setzen. Was Rousseau hier im Sinn hat, ist der Ausnahmezustand, bei dem iusticium erforderlich ist, um die Sicherheit der politischen Ordnung im Vaterland zu sichern. Hieran schließen sich einige naheliegende Fragen an: Wer entscheidet über diesen Ausnahmezustand? Für wie lange ist er zu erheben? Was ist während so einer Phase gestattet oder aber, treffender gefragt, verboten? Um mögliche Antworten zu finden, wendet sich Rousseau nochmals der römischen Geschichte zu. Im alten Rom entschied der Senat über die Wahl des Diktators. Die Phase der Diktatur sollte eine Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten, um nicht tyrannisch zu werden. Die spannende Konsequenz dieser Position, spannend vor allem für zeitgenössische Anhänger des so genannten >bürgerlichen Republikanismushomeland< seiner Meinung nach gefährdet oder bedroht ist, nach einem >terroristischen< Anschlag beispielsweise, kraft seiner exekutiven Macht die legislative Autorität der anderen Regierungsorgane aufheben kann; ganz zu schweigen von dem AuJ~erkraftsetzen der internationalen Rechtsinstitutionen wie der UN und der Genfer Konvention. In Kriegszeiten, vor allem wenn es dabei um etwas so Unbestimmtes wie den >Krieg gegen den Terror< geht, wird Gerechtigkeit zum iusticium und die Republik driftet in die Diktatur ab. Nun scheint es keine plausiblere Veranschaulichung der neuen Kategorie des illegalen Kombattanten zu geben als die Häftlinge von Guantanamo. Hier wurde der gesetzliche Rahmen der Genfer Konventionen, der die Rechte von Kriegsgefangenen schützt, durch das Eingreifen einer neuen gesetzlichen Kategorie außer Kraft gesetzt, was die Ausdehnung der exekutiven Gewalt ermöglichte. 67 Benjamin, zit. in Agamben, Ausnahmezustand, S. 13.
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Wenn Agamben mit Bezug auf die gegenwärtige geopolitische Situation von einem >weltweiten Bürgerkrieg< spricht, dann kann dies, so glaube ich, als ein Echo der Rousseau'schen Analyse der im Kriegszustand mündenden Ungleichheit verstanden werden, wie sie im zweiten Diskurs beschrieben wird. Es ist schwierig, eine solche Diagnose zum gegenwärtigen Zeitpunkt zurückzuweisen.68 Für Rousseau ist die Notwendigkeit eines Übergangs von der Volkssouveränität zu diktatorischer Souveränität gegeben, wenn die nationale Sicherheit bedroht scheint. In solchen Momenten kann der Diktator den iusticium erklären und diejenigen, die die Nation bedrohen (den von außen oder innen kommenden Feind), auf legitimem Weg verbannen oder hinrichten lassen. An diesem Punkt scheint der gesamte sakrale Unterbau der souveränen Macht auf die Bestimmung der Figur des homo sacer zuzusteuern; desjenigen, der legitimer Weise getötet werden kann, ohne geopfert werden zu müssen. Es ist eigenartig festzustellen, dass Rousseau im Rahmen seiner Kritik an der Gottesherrschaft auf den letzten Seiten des Gesellschaftsvertrags schreibt:
68 Gleichwohl soll, was ich hier sage, nicht heißen, dass ich mit Agamben politisch auf einer Linie liege. Zwar finde ich Agambens Werk in diagnostischer Hinsicht, vor allem auf der Ebene der Philologie und Rechtsgeschichte, sehr aussagekräftig. Politisch gesehen hat er jedoch wenig anzubieten außer seine an Benjamin anknüpfenden Äußerungen von >>göttlicher Gewalt« und einer »Politik der reinen Mittel« oder seine an Arendt anknüpfenden Äußerungen über Praxis. Siehe hierzu den Schlussparagraphen in Agambens Ausnahmezustand, a.a.O., S. 103f. Was bei Agamben fehlt, ist genau das, was man in Rousseaus Konzeption des Wesens von Politik (verstanden als Akt des Zusammenschlusses) finden kann.
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»Für sein Vaterland sterben heißt dann zum Märtyrer werden, die Gesetze zu brechen heißt gottlos zu sein, und einen Schuldigen der öffentlichen Verachtung preisgeben heißt, ihn dem Zorn der Götter überantworten: Sacer estod.«69
Das Problem der bürgerlichen Religion Was Rousseaus Argumentation für den Gesetzgeber bedeutet, ist klar: Ohne die Bezugnahme auf eine religiöse Autorität kann es keine rechtmäßige Autorität und somit keine wirksame politische Legitimierung geben. Es kann kein rechtmäßiges Gemeinwesen geben (und Legitimierung impliziert Immanenz), ohne dass auf Transzendenz, letztlich Transzendenz in Form des Heiligen, Bezug genommen wird. Dieses Problem führt Rousseau zur Thematik der bürgerlichen Religion, mit der der Gesellschaftsvertrag schließt. Nun bilden diese außergewöhnlichen Seiten aber nicht, wie man beim oberflächlichen Lesen meinen könnte, einen Anhang zum Hauptargument über Politik, sondern stellen die transzendentale Bedingung der Mög· lichkeit von Politik dar. Wie ich bereits im einführender Teil sagte, muss der Gesellschaftsvertrag deshalb von hin·
69 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., S. 385. Vgl. hierzu auch Gourevitchs hilfreiche Erläuterung bezüglich der alten römische Formel, >>Sacer estod: sei verflucht«, die ausgesprochen wurde, wenn jemand bei der Öffentlichkeit oder den Göttern in Ungnade gefallen war. In der englischen Ausgabe Rousseaus: The Social Contract and other later political writings, Garnbridge 1997, S. 305f.
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ten nach vorne gelesen werden. Trotzdem meine ich, dass in Rousseaus Überlegungen über die bürgerliche Religion auch die Bedingung der Unmöglichkeit seiner Konzeption von Politik sichtbar wird. Sein Text schwankt zwischen Paradoxien bzw. Verschiebungen hin und her, welche die Artikulation dieser Konzeption möglich machen. Und ich möchte 'nochmals betonen, dass ich nicht glaube, dass Rousseau sich dessen nicht bewusst war. Als ein Meister der Fiktion war er sich seines Vorgehens ganz im Gegenteil sehr bewusst. Ein Denksystem, gerade und vor allen Dingen Rousseaus >trauriges Systempledge of allegiancedas Europa der 12< zumindest). Dem Anschein nach ist dies einfach ein Symbol für die europäische Integration. Doch war Heitz ein gläubiger und überzeugter Katholik, und sein Entwurf war direkt von der Erscheinung der Heiligen Jungfrau in dj!r Rue du Bac in Paris inspiriert. Im Sommer des Jahres 1830 erschien die Jungfrau Maria in der Rue du Bac einer Novizin aus dem Orden der Barmherzigen Schwestern mit Namen Catherine Laboure. Es wird berichtet, dass die Jungfrau folgendes sagte: »Die Zeiten sind sehr finster. Es wird sich Kummer und Leid über Frankreich senken. Man wird den Thron stürzen und die ganze Welt wird im Elend versinken.« Trotz des apokalyptischen Tons ist es wahrlich beeindruckend, dass die Jungfrau Maria solchen Anteil an den politischen Geschehnissen des damaligen Frankreichs genommen haben soll. Die Jungfrau forderte Catherine außerdem auf, eine Münze anzufertigen - die >wundertätige Medaillekosmischen Kriegs< gesprochen, in der politische Akteure fromme Gläubige oder >kosmische Kämpfer< sind, die mit einem manichäischen Gegensatz von Gut und Böse operieren. Will man versuchen, die gegenwärtige politische Situation zu verstehen, dann muss man, so glaube ich, vom Faktum der heiligen Gewalt ausgehen, einer politischen Gewalt, die im Namen des Göttlichen ausgetragen wird. Die Autoren des Rand-Berichts schreiben:
80 In einer geplanten Arbeit zu diesem Thema hoffe ich, den Zionismus in seinem Verhältnis zu Politik und Religion analysieren zu können. Da der Staat Israel auf einer völligen Identität von Politik und Religion gründet, kann jede Kritik des politischen Regimes als antisemitische religiöse Verunglimpfung verurteilt werden. Ich habe auch vor, den arabischen Nationalismus verschiedenster Ausprägung zu analysieren, wie etwa den Bourghibas in Tunesien, Nassers in Ägypten, Gaddhafis in Libyen und den bis vor kurzen bestehenden Nationalismus Saddam Husseins im Irak. Und schließlich müssten auch Judaismus und Islamismus in ihren verschiedensten Ausprägungen analysiert werden, wo politische Aktionen im Rückgriff auf religiöse Unterbauten legitimiert werden, wo Osama bin Laden die al-Qaida als eine Opposition zu »zionistischen KreuzritternAktualitättrauriges System< organisiert hat.
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Die Autorisierung dieses Systems erfordert die Externalität eines Gesetzgebers, der die Bedingung der Möglichkeit einer jeglichen Art des politischen Zusammenschlusses darstellt; für die Sakralisierung dieses Systems benötigt man die Transzendenz einer bürgerlichen Religion. Leider ist die Bedingung der Möglichkeit des Systems auch die Bedingung seiner Unmöglichkeit, und wir haben gesehen, wie Rousseaus politische These auf die mehr oder weniger unwahrscheinliche Konzeption einer bürgerlichen Religion hinausläuft. Aber sie könnte auch anderswohin führen. Wir wollen dies im Hinterkopf behalten und nun zur Schlussfolgerung kommen, also zu dem zweiten, etwas zuversichtlicheren Grund, weshalb ich mich hier mit dem Thema der bürgerlichen Religion auseinandersetze.
Schlussfolgerung - Die Politik der obersten Fiktion In der Politik ist ein doppeltes Wunder am Werk. Einerseits ist eine freiwillige Beseitigung von Unglauben nötig, damit Politik funktioniert. Politik verlangt, dass die Vielen an die Fiktionen glauben, die ihnen von den Wenigen, die sie regieren, vorgesetzt werden. Eine Regierung ist somit auf das Element des Glauben-machens angewiesen, egal ob es sich um einen Glauben an das göttliche Recht der Könige oder um einen Glauben an die Quasi-Göttlichkeit des Volkes handelt. Ausdruck findet dieser Glaube in der Magie der repräsentativen Regierung, im Organ der Partei, im strahlenden, sonnengleichen Willen des glorreichen Führers oder in was auch immer. Andererseits, und das
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ist das Außergewöhnliche an Politik, fordert sie nicht nur eine freiwillige Suspension des Unglaubens, sondern diese Suspension findet auch tatsächlich statt. Die Macht eines jedes Gemeinwesens ist immer auf Seiten der Vielen zu finden, und dennoch ist es - abgesehen von einigen raren, kurzen, ungewöhnlichen, glänzenden, aber dennoch flüchtigen Ausnahmen - im Laufe der Geschichte fast immer so gewesen, dass die Vielen sich dem Willen der Wenigen unterworfen haben; wobei diese Wenigen nicht nur behaupten, im Interesse der Vielen zu arbeiten, sondern auch vorgeben, den kollektiven Willen der Vielen zu verkörpern. Natürlich kann man einwenden, dass sich die politische Macht immer in den Händen der Leute mit den >Knüppeln und KnarrenPolitische Ökonomie< schreibt: »Die Stimme des Volkes [ist] wirklich die Stimme Gottes«. 82 Morgan stellt fest:
82 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O., s. 232.
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»Mit dem Aufkommen der Souveränität des Volkes wurde die Souveränität Gottes nicht zurückgewiesen. Gott blieb die oberste Quelle aller Regierungsautorität, nur konzentrierte sich die Aufmerksamkeit von nun an auf die direkte Quelle, und zwar das Volk. Dennoch autorisierte Gott die Regierung. Er tat es durch das Volk und indem er dies tat, stellte er das Volk über seine Regierenden.« 83 Man könnte sogar sagen, dass die Fiktion einer Volkssouveränität eine weitaus fiktionalere Fiktion ist als die des göttlichen Rechts. 84 Ein König hat eine sichtbare Präsenz mit Krone, Zepter und einer normalerweise großen Familie mit erlesenem Geschmack, aber wo wäre das Volk zu sehen? Man kann Leute sehen, aber wo genau ist das Volk zu finden? Die Tatsache, dass die meisten von uns an die Fiktion der Volkssouveränität und an die Idee bzw. das Ideal glauben, dass die rechtmäßige Regierung Ausdruck des Volkswillen ist, mindert den fiktionalen Status dieses Glaubens keinesfalls. Denkt man kurz darüber nach, wird deutlich, dass dieser auf einer Serie von logischen Verschiebungen basiert: Es wird davon ausgegangen, dass das Volk regiert wird und gleichzeitig die Regierung ist und dass diese Identität von Regierung und Regierten durch das Wunder der Repräsentation - dem zentralen Losungswort der liberalen Demokratie - irgendwie zustande kommt. Aber wie kann man ernsthaft der Auffassung sein, 83 Edmund S. Morgan, lnventing the People. The Rise of Popular Sovereignty in England and America, New York 1988, S. 37. 84 Ebd., S. 153.
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dass einige Wenige die Vielen repräsentieren? Wie kann eine Partikularität für eine Allgemeinheit sprechen, werin die Allgemeinheit nicht wirklich anwesend ist? Natürlich kann sie das nicht. Die Legitimität der Wenigen beruht jedoch tatsächlich· auf der Fiktion, dass sie glauben, die Vielen z~ repräsentieren. Hier eröffnen sich nun mehrere entgegengesetzte Möglichkeiten: Entweder sind Politik und Politiker, was ich keineswegs ausschließe, restlos zynisch, oder sie glauben tatsächlich, dass sie den Willen ihrer Wähler und des gesamten Volkeskraft der Magie der Repräsentation verkörpern. Und in gleicher Weise glauben die Wähler entweder,. dass ihre Politiker zynische, egoistische, geldversessene Betrüger sind, oder sie glauben tatsächlich, dass ihr Wille auf wundersame Weise durch den Mechanismus der Wahl repräsentiert wird. An dieser Stelle scheint es aussichtsreich, auf Rousseaus Kritik der Repräsentation zurückzukehren und auf die Frage der Größe zu sprechen zu kommen. Wie wir bereits gesehen haben, kann die Magie der Repräsentation nur umgangen werden, wenn die Volkssouveränität in einem sehr kleinen politischen Verbund ausgeübt wird. Wie Rousseau am Ende seiner Kritik der politischen Repräsentation sehr treffend anmerkt: »Nachdem ich alles genau erwogen habe, begreife ich nicht, wie es künftig möglich sein kann, dass der Souverän seine Rechte unter uns ausübe, wenn das Gemeinwesen nicht sehr klein ist. «85
85 Rousseau, Sozialphilosophische und Politische Schriften, a.a.O.,
s. 352. 70
Für Rousseau, ebenso wie für Montesquieu und Voltaire, ist im Bereich des Politischen die Kleinheit vorzuziehen, da sie die Lücke zwischen der souveränen legislativen Volksautorität und der exekutiven Macht der Regierung verkleinert. Voltaire drückt dies kurz und bündig aus: »Je größer dies Vaterland ist, umso weniger liebt man es, denn geteilte Liebe ist schwach.«86 In dieser Hinsicht ist es interessant, sich Madisons87 Umkehrung des Arguments der Größe anzuschauen, das erstmals in den Föderalismusdebatten auftaucht und seinen Ausdruck in der großen Constitutional Convention von 1787 und in Folge in der OS-Verfassung fand. Das Problem, mit dem sich Madison in den Jahren nach der Unabhängigkeit auseinandersetzte, war folgendes: Wie lässt sich eine nationale Regierung errichten, die sich unter Umständen über die Interessen der vielen Einzelstaaten hinwegsetzen muss? Madison meinte, dass die lebhafte und seit langem etablierte Bindung der Bürger an ihre jeweiligen Einzelstaaten einer neuen nationalen Identität (was Morgan >die Erfindung eines amerikanischen Volkes< nennt) im Wege stehe. Madisons innovative Lösung, die explizit auf Humes Vorstellungen zur Regierung basierte, sah extrem große Wahlbezirke mit verhältnismäßig wenigen Repräsentanten vor. Er nahm an, dass große Wahlbezirke die Wahl der richtigen Leute sichern würde, 86 Voltaire: »Patrie«, in: Dictionnaire philosophique, ou la raison par l'alphabet, dt. in: Voltaire, Kritische und satirische Schriften, München 1970, S. 737. 87 James Madison (1751-1836), US-amerikanischer Präsident, gilt als Vater der Verfassung (A.d.Ü.)
und zwar der Erbaristokratie landbesitzender Gentlemen (also am ehesten Leute vom Schlag Madisons und seiner Freunde). Auch wenn diese Erbaristokratie der kapitalistischen Plutokratie, welche die USA noch immer glücklich und zufrieden regiert, letzten Endes den Weg ebnete, lo.hnt es, sich daran zu erinnern, dass dieses Regierungssystem, 'nach Madisons aufschlussreichen und offenen Worten, »die einzige Verteidigung gegenüber den Unannehmlichkeiten der Demokratie darstellt und dabei mit der demokraischen Form der Regierung übereinstimmt«. Die repräsentative Regierung schützt vor den Unannehmlichkeiten der Demokratie, nämlich vor der echten souveränen Autorität eines Volkes. Meiner Meinung nach ist die USA die am wenigsten repräsentative der westlichen Demokratien. Politik ist also eine Art Zaubershow, bei der wir wissen, dass das Kaninchen nicht auf wundersame Weise im leeren Hut aufgetaucht ist und die reizende Assistentirr des Zauberers nicht in zwei Hälften gesägt wurde, wir aber dennoch bereit sind, unseren Unglauben beiseite zu schieben und uns der Illusion zu fügen. Aus diesem Grund ist Rousseau so aufschlussreich; denn er ist der am meisten fiktiv agierende Philosoph und ist sich dessen stets bewusst, ganz egal in welchem Genre er arbeitet: der theatralischen Sittenkomödie (Narcisse), dem gefühlstriefenden Briefroman (Die neue Heloi'se), der didaktischen Abhandlung über die moralische Erziehung (Emile), der quasi wissenschaftlichen hypothetischen Menschheitsgeschichte (Diskurs über die Ungleichheit), der Erschaffung einer sexualisierten Subjektivität, die durch Intimität definiert und gespaltenen wird (Die Bekenntnisse) oder
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der meditativen Askese (Träumereien eines einsamen Spaziergängers). Die präzise, nahezu geometrische Abstraktion des Gesellschaftsvertrags ist eine politische Fiktion, die Fiktion einer populären Souveränität, eines Zusammenschlusses ohne Repräsentation. Für Rousseau stellt sie, und ich glaube er hat Recht, die einzige Form von Politik dar, die dem Faktum der großen Ungerechtigkeit und des Kriegszustandes gegenübertreten und sie überwinden kann. Das Wesen von Politik besteht im Akt des Zusammenschlusses ohne Repräsentation. Diese Fiktion benötigt wiederum andere Fiktionen, die wir in diesem Essay umrissen haben, und zwar die des Gesetzes und der Religion. Die Fiktion der Politik muss durch die Autorität eines gleichsam göttlichen Gesetzgebers und den Dogmen einer bürgerlichen Religion untermauert werden. Für Rousseau muss die Bindung eines politischen Kollektivs Selbstbindung kraft eines Gemeinwillens sein, und dies bedarf der bindenden Kraft der religio. Eine derartige Religion muss vermittelt werden durch geteilte Überzeugungen, zivile Werte und durch etwas, was wir nur als politische Rituale bezeichnen können: Treuegelöbnisse, Nationalhymnen, Ehrung der Gefallenen, die Verehrung der Flagge etc. So sieht die notwendige Ausrüstung einer jeden theologia civilis aus. Besteht meine Schlussfolgerung also lediglich darin, zu sagen, dass wir uns nicht in Erörterungen über das Politische ergehen sollten, ohne die Dimension der Fiktion, vor allem der religiösen Fiktion, anzuerkennen, die an der Legitimierung politischen Lebens beteiligt ist? Das wäre die Sicht, die hinter einer skeptischen, mehr oder weniger an Hume orientierten, historischen Annäherung steht, wie
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Morgan sie vertritt. Diese Art der Annäherung hat viel Positives an sich, vor allem auf der Ebene der Beschreibung, Diagnose und Kritik und findet· sich beispielsweise auch in Gentiles Arbeiten zur Religionspolitik, vor allen Dingen des Faschismus, wieder. Für ihre Legitimierung ist Politik auf die .F-iktion des Heiligen und auf Rituale der Sakralisierung angewiesen, und diese Fiktionen müssen als das herausgestellt werden, was sie sind. Die neuen Kleider eines jeden Empires müssen heruntergerissen werden, um darunter das alte verrottende Fleisch des Staates sichtbar zu machen. Ich will jedoch meine Argumentation etwas zuspitzen und ein wenig spekulieren. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass ich Fiktion und Fakt gegenüberstelle, wobei der Fiktion angesichts der Stichhaltigkeit von Fakten ein unwahrer Status zugesprochen wird. Ich glaube nicht, dass eine allgemeine Kritik an politischen Fiktionen ein bloßes Opfer auf dem Altar des Empirismus darstellt, welches dem Gott des politischen Realismus dargebracht wird. Meiner Meinung nach gibt es im Bereich der Politik, des Gesetzes und der Religion nur Fiktionen, wenngleich ich darin kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal möglicher Stärke sehe. Die Unterscheidung, die ich zum Schluss einführen möchte, ist nicht die zwischen Fiktion und Fakt, sondern die zwischen Fiktion und oberster Fiktion. Ich beziehe mich hierbei auf Wallace Stevens und habe die vage Möglichkeit einer fruchtbaren Kollision von Poesie und Politik im Sinn. Für Stevens ermöglicht es Dichtung, Fiktion als Fiktion zu erkennen und die Fiktivität oder aber Kontingenz der Welt offen zu legen. Dichtung bringt in Stevens' Worten jene »Idee von Ord-
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nung« zum Vorschein, die wir erfindungsreich über die Realität legen. Dies könnten wir als kritische Funktion von Dichtung bezeichnen, wobei ich Kritik hier im kantischen Sinne verstehe, als Entmystifizierung des empiristischen Mythos des Gegebenen und als Herausstellen der radikalen Abhängigkeit des Seienden von der schöpferischen und letztlich imaginativen Aktivität des Subjekts. Etwas platter gesagt, ist es die kritische Aufgabe von Dichtung, zu zeigen, dass die Welt das ist, was man aus ihr macht. Doch hierin erschöpft sich die Kategorie der Fiktion noch nicht. Paradoxerweise ist eine oberste Fiktion eine Fiktion, von der wir wissen, dass sie Fiktion ist - denn es gibt nichts anderes -, an die wir aber dennoch glauben. Für Stevens ist dies eine Frage des unwiderruflichen Glaubens. Er schreibt: »Unwiderruflicher Glaube ist, an eine Fiktion zu glauben, von der du weißt, dass es eine Fiktion ist - denn es gibt nichts anderes. Vorzüglichste Wahrheit ist, zu wissen, dass es sich um eine Fiktion handelt und dass du freiwillig an sie glaubst.«88 An anderer Stelle schreibt er: »unwiderruflicher Glaube/ muss sich auf Fiktion ausrichten«, 89 und die Hoffnung oberster Fiktion ist es, solch einen endgültigen Glauben einzurichten. In seinem wichtigsten und schwierigsten Gedicht, »Notes toward a supreme fiction«, versucht Stevens die Bedingungen einer solchen Fiktion abzustecken; 88 Wallace Stevens: Opus Posthumous, New York 1989, S. 189. Übertragung des Übersetzers. 89 »Final belief I must be in a fiction«; Wallace Stevens: The Palm at the End ofthe Mind, New York 1967, S. 187.
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was er aber anbietet, sind bloße Notizen oder Anklänge dahingehend, vergleichbar mit musikalischen Noten. Über die oberste Fiktion schreibt er, dass sie uns nicht als Ganzes und vorgefertigt gegeben ist - aber: »Sie ist möglich, möglich, möglich. Sie muss möglich sein.«90 Meine Hoffnung ist, dass wir beginnen können, diese Möglichkeit vom Bereich der Dichtung in den politischen Raum zu überführen, oder aber zu zeigen, dass beides, Dichtung ebenso wie Politik, dem Raum der Fiktion zuzurechnen ist; dass wir beginnen können, in deren Kollision die Möglichkeit einer obersten Fiktion zu erkennen. Was in Bezug aui die Politik zu erhoffen ist, ist die Möglichkeit einer obersten Fiktion, einer Fiktion des politischen Zusammenschlusses, ist die Fiktion von Politik an sich. Dazu ist es nötig, dass wir anfangen, Politik im Sinne einer radikalen creatio ex nihilo zu betrachten, als Erschaffung von etwas aus dem Nichts. Eben dies versuchte Marx in seiner 1843 erschienenen Einleitung Zur Kritik der Hegeischen Rechtsphilosophie, wo er der Idee oberster Fiktion, so scheint es mir, nahe kommt. Für Marx drückt sich die Logik des politischen Subjekts in den Worten, »Ich bin nichts und ich müsste alles sein«, aus. 91 Ausgehend von einer Position des Nichts oder desjenigen, was wir weiter oben mit Althussers Worten als »totale Entäußerung« 90 Ebd., S. 230. Ich möchte Todd Kronan dafür danken, dass er mich davon überzeugt hat, dass die Wurzeln von Stevens' Idee der obersten Fiktion in seiner Lektüre Santayanas zu finden sind. 91 Marx/Engels: Werke, Band 1, Berlin 1988, S. 389.
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bezeichnet haben, wird eine bestimmte Gruppe als Allgemeinheit gesetzt. Voraussetzung hierfür ist »die totale Entäußerung aus dieser totalen Entäußerung« im Akt des politischen Zusammenschlusses. Marx' Bezeichnung für die oberste Fiktion ist >das ProletariatFiktion eines Absoluten< bezeichnet. Solch eine Fiktion wäre eine Fiktion, von der wir wissen, dass sie eine Fiktion ist und an die wir dennoch glauben. Alles, was wir zurzeit haben, sind Anklänge, die auf diese Fiktion hindeuten, ist die offene Frage, mit der wir begonnen haben, die Rousseau Voltaire vor genau 250 Jahren gestellt hat. Ein Katechismus des Bürgers wäre eine solche oberste Fiktion, wäre die Fiktion eines unwiderruflichen
92 Alain Badiou: »Politics: A Non-expressive Dialectics«, http://blog. urbanomic.com/spaleotas/archives/badiou-politics.pdf.
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Glaubens. Es sei daran erinnert, dass Rousseau Voltaire in seinem Brief von 1756 um ein Gedicht gebeten hat: »Dieses Werk, sorgfältig ausgearbeitet, würde, wie mir scheint, das nützlichste Buch sein, das jemals geschrieben worden ist, und vielleicht das einzige den Menschen notwendige. Dieses wäre, mein Herr, ein Gegenstand, der ihrer würdig wäre. Lebhaft wünschte ich, dass sie dieses Werk unternehmen und mit ihrer Dichtkunst verschönen möchten.«93 Ist die Tatsache, dass wir noch immer nach diesem Gedicht fragen, ein Zeichen der Hoffnung oder ein Symptom der Verzweiflung? Es ist möglich, möglich, möglich, dass es ersteres ist aber die lähmende Perspektive des letzteren lässt mich zögern, und plötzlich habe ich das Bild einer obersten Fiktion vor Augen, die aufbricht wie Treibeis. Und an diesem Punkt weiß ich, um ehrlich zu sein, nicht, was ich denken soll. Auf was kann ich hoffen?
93 Rousseau, Schriften, a.a.O., S. 331.
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