Xpert.press
Die Reihe Xpert.press vermittelt Professionals in den Bereichen Softwareentwicklung, Internettechnologie und IT-Management aktuell und kompetent relevantes Fachwissen über Technologien und Produkte zur Entwicklung und Anwendung moderner Informationstechnologien.
Ralph Brugger
Der IT Business Case Kosten erfassen und analysieren Nutzen erkennen und quantifizieren Wirtschaftlichkeit nachweisen und realisieren
Mit 284 Abbildungen Zweite korrigierte und erweiterte Auflage
1C
Dipl. Inf. Ralph Brugger 79725 Laufenburg
[email protected] ISBN 978-3-540-93857-6
e-ISBN 978-3-540-93858-3
DOI 10.1007/978-3-540-93858-3 Xpert.press ISSN 1439-5428 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: KuenkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Für Claudia, Lisa und Celine
Kapitelübersicht
Vorwort .........................................................................................XV 1
Einleitung...................................................................................1
2
Business Case – Grundlagen ...................................................11
3
Business Case – Vorgehen.......................................................33
4
Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren ......................................63
5
Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren..................................99
6
Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht.................115
7
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen ............................139
8
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren....................179
9
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell........................227
10 Datenerhebung und -aufbereitung .....................................251 11 Datenanalyse und Variantenentwurf...................................325 12 Umsetzung und Erfolgskontrolle .........................................357 Anhang.........................................................................................387
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .........................................................................................XV 1
Einleitung...................................................................................1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
2
Der Hintergrund – Worin begründet sich dieses Buch?........... 1 Das Anliegen – Welches Ziel verfolgt das Buch? ...................... 2 Der Inhalt – Was wird in diesem Buch vermittelt? ................... 3 Die Zielgruppe – Wer sollte dieses Buch lesen?........................ 6 IT-Projekt oder Business-Projekt – Das ist hier die Frage ......... 8
Business Case – Grundlagen ...................................................11 2.1 2.2 2.3 2.4
Was ist das überhaupt – ein Business Case?............................11 Wozu wird ein Business Case erstellt? .....................................13 Welche Vorzüge ergeben sich aus einem Business Case? ......16 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich? ................19 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.4.8
2.5
3
Situation 1 – SAP-Konsolidierung ................................................ 19 Situation 2 – Unternehmensverbindung ...................................... 20 Situation 3 – Datenschutz ........................................................... 22 Situation 4 – Sicherheit ............................................................... 23 Situation 5 – Asset Management................................................. 25 Situation 6 – Investition in CAD................................................... 26 Wertgenerierung versus Wertsicherung ....................................... 27 Betrachtungsschwerpunkt und Notwendigkeitsbeurteilung.......... 28
Business Case vs. Business Plan – Was ist der Unterschied? ...29
Business Case – Vorgehen.......................................................33 3.1 3.2 3.3
Wer erstellt den Business Case? ...............................................33 Wer ist an der Erstellung eines Business Case beteiligt?........37 Wie erstellt man einen Business Case? ....................................40 3.3.1 Phase 1 – Initialisierung ............................................................... 43 3.3.2 Phase 2 – Entwicklung ................................................................ 45 3.3.3 Phase 3 – Validierung / Qualitätssicherung................................... 47
3.4
Wie dokumentiert man einen Business Case?.........................49 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Management Summary ............................................................... 50 Projektübersicht .......................................................................... 51 Wirtschaftlichkeitsnachweis......................................................... 54 Projektdetails .............................................................................. 56
X
Inhaltsverzeichnis
3.5
Wie gestaltet sich der optimale Investitionsablauf? .............. 57 3.5.1 Phase 1 – Selektion ..................................................................... 57 3.5.2 Phase 2 – Ausführung................................................................. 59 3.5.3 Phase 3 – Kontrolle ..................................................................... 61
4
Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren ..................................... 63 4.1
Projektkosten / Investitionskosten ........................................... 63 4.1.1 Externe und interne Kosten ......................................................... 65
4.2 4.3
Einmalige Kosten (Investitionskosten)..................................... 69 Laufende Kosten (Betriebskosten)........................................... 72 4.3.1 Identifizierung der Kostentreiber ................................................. 76 4.3.2 Berücksichtigung von Re-Investitionen bei den Betriebskosten ..... 81 4.3.3 Kosten für den Parallelbetrieb während der Migrationsphase....... 82
4.4
Projektnutzen / Investitionsnutzen.......................................... 83 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4
4.5 4.6
5
Unterscheidung hinsichtlich der Quantifizierbarkeit...................... 87 Unterscheidung hinsichtlich der Zahlungswirksamkeit.................. 89 Unterscheidung hinsichtlich des Ursprungs .................................. 91 Unterscheidung hinsichtlich der zeitlichen „Haltbarkeit“ .............. 93
Einmaliger Nutzen .................................................................... 94 Laufender Nutzen ..................................................................... 96
Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren................................. 99 5.1
Die Kapitalkosten...................................................................... 99 5.1.1 Fremdkapitalkosten (cost of debt).............................................. 100 5.1.2 Eigenkapitalkosten (cost of equity) ............................................ 101 5.1.3 Gewichtete Kapitalkosten (WACC) ............................................ 102
5.2 5.3 5.4 5.5
6
Die Ertragssteuern................................................................... 105 Die Abschreibungen................................................................ 106 Das Netto-Umlaufvermögen .................................................. 110 Die Fremdkapitalzinsen .......................................................... 112
Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht................ 115 6.1 6.2 6.3 6.4
Cashflow vs. Aufwendungen und Erträge ............................ 115 Die Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) ......... 118 Einfluss der Investition auf den Gewinn................................ 120 Die Cashflow-Rechnung (Geldflussrechnung)....................... 125 6.4.1 Investitions-Cashflow versus Unternehmens-Cashflow ............... 128
6.5
Einfluss der Investition auf den Cashflow ............................. 129 6.5.1 Cashflow vor Steuern................................................................ 130 6.5.2 Cashflow nach Steuern ............................................................. 131 6.5.3 Cashflow nach Steuern und Abschreibungen ............................ 133
6.6
7
Veränderungen des Umlaufvermögens................................. 135
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen ........................... 139 7.1
Überblick – Die Analyseverfahren ......................................... 139
Inhaltsverzeichnis
XI
7.1.1 Statische Verfahren ................................................................... 141 7.1.2 Dynamische Verfahren .............................................................. 141 7.1.3 Value-orientierte Verfahren ....................................................... 142
7.2
Überblick – Die Rahmenbedingungen ..................................143 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6
7.3
Steuersatz ................................................................................. 144 Kalkulationszinssatz .................................................................. 144 Betrachtungszeitraum und Terminierung ................................... 147 Zahlungszeitpunkt..................................................................... 148 Abschreibungsdauer und -methode........................................... 148 Inflationsrate............................................................................. 149
Diskontierung – absolute Vorteilhaftigkeit ..........................150 7.3.1 Abzinsung................................................................................. 154 7.3.2 Aufzinsung ............................................................................... 156
7.4 7.5 7.6 7.7
Diskontierung – relative Vorteilhaftigkeit............................157 Die Basisvariante (Base Case) als Vergleichsmaßstab ...........162 Differenzrechnung versus Gesamtrechnung.........................166 Betrachtungszeitraum und Terminierung.............................173 7.7.1 Ewige Rente und Rente mit Kapitalverzehr................................. 175
8
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren....................179 8.1
Statische Berechnung: ROI (Return on Investment)..............179 8.1.1 Periodenbezogene Rentabilität – Einfacher ROI.......................... 181 8.1.2 Periodenübergreifende Rentabilität – Kumulierter ROI ............... 183
8.2
Statische Berechnung: Payback ..............................................186 8.2.1 Durchschnittsrechnung ............................................................. 187 8.2.2 Kumulationsrechnung ............................................................... 189 8.2.3 Rückflusszahl ............................................................................ 194
8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Dynamische Berechnung: NPV (Net Present Value)..............195 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return) ......199 Dynamische Berechnung: Baldwin-Methode ........................206 Dynamische Berechnung: Payback.........................................210 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)...............................213 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4
9
Gewinn versus Wertschöpfung (Residualgewinn) ....................... 214 Berechnung – Vom Gewinn zum Residualgewinn ...................... 215 Berechnung – Vom Residualgewinn zum VaS ............................ 218 Vergleichende Berechnung von VaS und NPV ............................ 219
Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell........................227 9.1 9.2 9.3 9.4
Dynamische Modellsimulation ...............................................227 Kostenmodell ..........................................................................229 Nutzenmodell ..........................................................................232 Wirtschaftlichkeitsmodell .......................................................233 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5
Tabellenblatt „Einstieg (Business-Case-Eckpunkte)“ ................... 235 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“......................................... 237 Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ ............................................... 242 Investitionsrechnung vs. Erfolgsrechnung – die Unterschiede ..... 244 Tabellenblatt „Grafiken“ – Visualisierung der Ergebnisse ........... 245
XII
Inhaltsverzeichnis
10 Datenerhebung und -aufbereitung .................................... 251 10.1 Datenbasis ............................................................................... 251 10.1.1 Praxisbeispiel – Ablösung einer Anwendungsumgebung............ 254 10.1.2 Cashflow vs. Leistungsverrechnung ........................................... 256 10.1.3 Primärkosten vs. Sekundärkosten .............................................. 258
10.2 Ermittlung der Kosten ............................................................ 263 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4
Bestimmung des internen Aufwands ......................................... 264 Unterschied zwischen „Full Time Equivalent“ und Headcount .... 265 Spezifikation des internen Aufwands (Aufwandsspezifikation) ... 267 Kalkulation der internen Kosten (Kostenkalkulation) .................. 272
10.3 Quantifizierung des Nutzens.................................................. 276 10.3.1 Direkt quantifizierbarer Nutzen ................................................. 276 10.3.2 Bewertung von Produktivitätssteigerungen................................ 278 10.3.3 Bewertung von Veränderungen der Lagerbestände ................... 286
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information .......................... 300 10.4.1 Praxisbeispiel – Ablösung einer Anwendungsumgebung............ 301
10.5 Behandlung von Fremdwährungen....................................... 310 10.5.1 Praxisbeispiel – Rechenzentrum im Ausland............................... 312 10.5.2 Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß Lokalwährungs-Ansatz ... 313 10.5.3 Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß Fremdwährungs-Ansatz.. 315
10.6 Berücksichtigung von Opportunitätskosten ......................... 318 10.6.1 Fallbeispiel – Wirtschaftlichkeit eines neuen IT-Service................ 319 10.6.2 Gefahr der Vermengung von Investition und Finanzierung ......... 322
11 Datenanalyse und Variantenentwurf.................................. 325 11.1 Analyse und Validierung der Annahmen .............................. 325 11.2 Analyse der Kosten ................................................................. 328 11.3 Analyse des Risikos.................................................................. 334 11.3.1 Sensitivitätsanalyse.................................................................... 340 11.3.2 Praxisbeispiel – Konsolidierung von ERP-Systemen ..................... 348 11.3.3 Methodisches Variantendesign.................................................. 351
11.4 Optionen bei negativem oder unsicherem Ergebnis............ 354
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle ........................................ 357 12.1 Von der Planung zur Budgetierung – OPEX und CAPEX ..... 357 12.2 Die zwei Bausteine der Projektdurchführung....................... 362 12.3 Die Nutzenrealisierung ........................................................... 365 12.3.1 Schritt 1 – Definition der „Key Performance Indicators“............. 367 12.3.2 Schritt 2 – Ausarbeitung der Maßnahmen ................................. 369 12.3.3 Nutzen versus Budgeteinsparung .............................................. 370
12.4 Monitoring und Nachkontrolle .............................................. 371 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4
Abweichungsanalyse................................................................. 374 Operativer Projekterfolg vs. ökonomischer Projekterfolg ............ 375 Kontrolle des operativen Projekterfolgs...................................... 378 Kontrolle des ökonomischen Projekterfolgs ............................... 381
Inhaltsverzeichnis
XIII
Anhang....................................................................................................387 Glossar.......................................................................................................... 387 Über den Autor ........................................................................................... 394 Index ............................................................................................................ 395
Vorwort
Obwohl sich das Potential der Informationstechnologie in den letzten Jahrzehnten vervielfacht hat und dadurch die Informatik zweifelsfrei an Bedeutung gewonnen hat, hat sich eines nicht verändert – die Tatsache, dass die Informatik primär als Kostenverursacher wahrgenommen wird. Wenn es um die Kosten geht, hat die Informatik ein angeschlagenes Image. Viele Unternehmenslenker assoziieren Informationstechnologie mit einem undurchsichtigen „Technologie-Schwamm“, der problemlos in der Lage ist, jedes auch noch so hohe Budget zu absorbieren – wobei der Rückfluss in den meisten Fällen ungewiss ist. Die Informatik begegnet diesem Bild, indem sie der Unternehmensführung eine zu eindimensionale Sichtweise vorwirft und auf die qualitativen Aspekte ihrer Arbeit verweist. So ist beispielsweise die Rede von „integrierter Information“, „schnellerer Verfügbarkeit“, „höherer Automatisierung“, „effizienteren Prozessen“, „größerer Flexibilität“, „stärkerer Integration“, „einheitlicher Architektur“, „erhöhter Transparenz“ und „weniger Medienbrüchen“. Diese Argumentationsstrategie trägt jedoch nicht wirklich dazu bei, die an die Informatik gerichteten Vorwürfe der intransparenten Wertgenerierung zu entkräften. Die qualitativen Merkmale werden von der Geschäftsleitung kaum wahrgenommen. Die schwache Akzeptanz von qualitativen Auswirkungen beruht zum einen auf der mangelnden Transparenz dieser Eigenschaften. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den investierten Ressourcen (sowohl in finanzieller, als auch in personeller Hinsicht) und den erzielten Qualitätsmerkmalen ist nur schwer ersichtlich. Noch schwerer nachvollziehbar ist gar der Einfluss von InformatikAusgaben auf das Unternehmensresultat. Doch was schlussendlich zählt, ist nun einmal das Geschäftsergebnis – und dieses wird zunächst durch die IT-Kosten geschmälert. Dennoch zweifelt in der Informatik niemand daran, dass Informationstechnologie einen nachhaltigen Beitrag zum Geschäftsergebnis leistet, sei es in Form von Kostenreduktionen (Bottom-Line Profit) oder durch Umsatzsteigerungen (Top-Line Growth). Doch genau hier liegt die Wurzel des Übels begraben, denn die Informatik kann diesen Wertbeitrag nur schwer
XVI
Vorwort
nacvhweisen. Es bereitet ihr große Schwierigkeiten, die von ihr im Rahmen des Ressourcenverbrauchs erzeugten Werte und Mehrwerte in finanziellen Größen darzulegen. An diesem Punkt setzt das vorliegende Buch an. Es bemüht sich um einen Stellenwandel der Informatik, weg vom intransparenten Kostenverursacher, hin zum nachweislichen Werterzeuger. Solange die IT diesen Schritt nicht vollzieht, erscheint die Tatsache nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen den Druck auf die „IT-Kostenbremse“ verstärken und selbst Investitionen kürzen, die zur Realisierung von Einsparpotentialen notwendig sind. Dies ist ein Indiz dafür, dass in den Unternehmen der Wertbeitrag der Informatik in der Vergangenheit zu wenig sichtbar war und deshalb auch die Potentiale der IT im Hinblick auf die Geschäftsentwicklung falsch eingeschätzt werden. Für die Informatik ist es deshalb unabdingbar, einen Reifegrad zu erreichen, der es ihr ermöglicht, die von ihr geschaffenen Wertsteigerungen aufzuzeigen und zu kommunizieren. Die IT hat dadurch die Chance, eine größere Akzeptanz im Unternehmen zu erfahren und sich als „Value Added Partner“ gegenüber der Geschäftsleitung zu positionieren. Laufenburg, im Februar 2005 Ralph Brugger
1
Einleitung
1.1 Der Hintergrund – Worin begründet sich dieses Buch? Die Informationstechnologie ist heute zu einem zentralen Element im Unternehmensgeschehen geworden. Jedes Unternehmen muss hierfür Mittel bereitstellen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, die Position im Markt zu festigen und diese gegenüber den Mitbewerbern auszubauen. Allerdings kann ein Unternehmen nicht unbegrenzt in Informationstechnologie investieren. Durch die Knappheit der Geldmittel sind klare Grenzen vorgegeben und in der Regel wird der Informatik nur ein eng bemessener Budgetrahmen für ihre Investitionen und ihren operationellen Betrieb zugestanden. Für die Informatik ist es deshalb entscheidend, die vorgegebenen Mittel sinnvoll einzusetzen, damit der aus den Aktivitäten und Investitionen resultierende Nutzen möglichst groß wird und nachhaltige Verbesserungen in den Fachbereichen (Business-Funktionen) und in der eigenen Infrastruktur – dem operationellen Informatik-Betrieb – erreicht werden können. In diesem Zusammenhang gehören insbesondere die Entscheidungen für oder gegen IT-Projekte bzw. IT-Investitionen zu den wichtigsten und schwierigsten Entscheidungen, die die Informatik treffen muss. Projekte und Investitionen führen nicht nur zu einer beachtenswerten Bindung heutiger und zukünftiger IT-Budgets, sondern haben auch einen maßgeblichen Einfluss auf die Kosteneffizienz des operativen ITBetriebs in den nachfolgenden Jahren. Aufgrund dieser Bedeutung und Tragweite von Investitions- und Projektentscheidungen, ist es einleuchtend, dass solche Entscheidungen nicht ad-hoc „zwischen Tür- und Angel“ geklärt und verabschiedet werden können. Es bedarf vielmehr einer fundierten Entscheidungsgrundlage, welche plausible Annahmen über den zukünftigen Geschäftsverlauf trifft und unter Berücksichtigung von Handlungsalternativen und Risikofaktoren konkrete und stichhaltige Anhaltspunkte für rationale Entscheidungen liefert.
2
1 Einleitung
Wirtschaftlichkeitsüberlegungen stehen dabei im Vordergrund – nur ein ökonomisches Agieren trägt zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens bei und sichert dessen langfristigen Fortbestand. In diesem Zusammenhang ist die Informatik gefordert, ihren Wertbeitrag darzulegen und die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit ihrer Investitionen und Projekte nachzuweisen. Diese Forderung gilt heute mehr denn je. Die Informationstechnologie muss sich den ökonomischen Gesichtspunkten unterordnen. Schließlich ist einem Unternehmen auch mit der besten Technologie nicht gedient, wenn diese zu hohe Kosten verursacht oder zu geringe Kostenvorteile bietet und deshalb ein wirtschaftliches Agieren im Markt nicht mehr gewährleistet ist. Als Folge leidet die Wettbewerbskraft des Unternehmens, die Position gegenüber den Mitbewerbern wird geschwächt und der Fortbestand des Unternehmens ist gefährdet. Die wichtigste Möglichkeit, um eine nachhaltige Verbesserung mit und in der Informatik zu erreichen, liegt im optimalen Kapitaleinsatz und ergibt sich durch das Eingehen von wirtschaftlich vorteilhaften Investitionen. Ein Wirtschaftlichkeitsnachweis (im Englischen als „Business Case“ bezeichnet) ist deshalb ein elementares Rahmenwerk für Investitions- und Projektentscheidungen. Er unterstützt die Entscheidungsfindung im doppelten Sinne, denn genauso wichtig wie das Identifizieren und Durchführen von finanziell vorteilhaften Aktivitäten ist das Erkennen und Unterlassen von unattraktiven Aktivitäten.
1.2 Das Anliegen – Welches Ziel verfolgt das Buch? Das wesentliche Anliegen des vorliegenden Buches ist es, den Leser umfassend und tief greifend mit den Aspekten der finanziellen Wertgenerierung in der Informatik vertraut zu machen. Dem Leser wird aufgezeigt, wie man einen Wirtschaftlichkeitsnachweis für informationstechnologische Aktivitäten am effizientesten und wirkungsvollsten erbringt. Im Sinne einer ganzheitlichen Wissensvermittlung wird auch das notwendige Know-how vermittelt, um die diesbezüglichen wirtschaftlichen Fakten zu verstehen und gewinnbringend in Investitionsüberlegungen einzubringen. Dabei werden die qualitativen Nutzenpotentiale der Informationstechnologie keineswegs ausgeklammert. Vielmehr wird aufgezeigt, unter welchen Umständen und auf welche Weise qualitative Faktoren geldwerte Nutzenpotentiale beeinflussen und wie eine Überführung der Qualitätsmerkmale in finanzielle Größen erreicht werden kann. Dass dies nicht immer möglich ist, liegt in der Natur dieser „Qualitätsmerkmale“. Doch sollte man deshalb nicht der Tendenz verfallen, diese Aspekte grundsätzlich bei einer quantitativen Wertbeurteilung auszuklammern. Qualitative Merkmale sind oft-
1.3 Der Inhalt – Was wird in diesem Buch vermittelt?
3
mals der Ursprung für substantielle und greifbare Vorteile. Sie stehen am Beginn einer Kette von Werttreibern und beeinflussen mittelbar den finanziellen Nutzen von IT-Investitionen und IT-Projekten. Von den gewonnenen Einsichten und Erkenntnissen profitiert der Leser auch in anderer Hinsicht. Zum einen erhält er das Rüstzeug um an den Diskussionen über die Projektbeurteilung bzw. -entscheidung aktiv teilzunehmen und plausibel zu argumentieren. Des Weiteren erhält er einen breit abgestützten Einblick in die mehrdimensionalen Entscheidungsfacetten, die zwischen Fachabteilungen und Management bestehen. Der Leser gewinnt daraus das Sachverständnis, um verschiedene Gedankengänge rund um Investitionsentscheidungen sinnvoll zusammenzuführen und in die eigene Überzeugungsarbeit einfließen zu lassen. Somit werden in diesem Buch alle benötigten Wissensbausteine adressiert, die für ein fundiertes Themenverständnis, ein sicheres handwerkliches Vorgehen und eine solide Überzeugungsarbeit unverzichtbar sind. Dabei soll der Blick auf die praktische Aufgabenstellung nicht verloren gehen. Informatik-Investitionen sind technische Investitionen. Ein wesentliches Ziel des Buches ist es deshalb, die betriebswirtschaftliche Sichtweise mit der technischen Welt zu verknüpfen und die Erfolgsfaktoren herauszuarbeiten, die für eine erfolgreiche Verbindung dieser beiden Welten Beachtung finden müssen. In diesem Sinne werden mögliche Lösungsansätze und konkrete, nachvollziehbare Lösungswege für ein breites Spektrum von praktischen Aufgabenstellungen gezeigt. Das Buch trägt auch der Tatsache Rechnung, dass mit zunehmender Ressourcen-Knappheit, welche sich beispielsweise durch Budget-Kürzungen bemerkbar macht, auch der Druck auf die projektanfordernden Bereiche stärker wird, den betriebswirtschaftlichen Nutzen ihrer Vorschläge darzulegen. Selbst die eher technisch orientierten Mitarbeiter aus den Informatik-Abteilungen sind deshalb gefordert, sich ein wirtschaftliches Grundverständnis anzueignen und es auch anzuwenden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um wirtschaftlich tragfähige Konzepte zu entwickeln und die daraus resultierenden Projektvorschläge erfolgreich durchzusetzen.
1.3 Der Inhalt – Was wird in diesem Buch vermittelt? Die Interessenschwerpunkte des Personenkreises, der einen Business Case erstellt, und des Personenkreises, der über Business Cases entscheidet, sind nur in wenigen Punkten deckungsgleich. Ersteller und Entscheider erhalten den Antrieb für ihr Handeln von jeweils unterschiedlichen Motivationen.
4
1 Einleitung
Auf den Punkt gebracht ist die „alles entscheidende“ Frage für den Entscheider:
Wie stelle ich sicher, dass IT-Projekte und IT-Investitionen zu einer bestmöglichen und nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens beitragen? Ebenfalls auf den Punkt gebracht, kreist das Interesse des BusinessCase-Erstellers um die Frage:
Wie gewinne ich das Management für meine Projektidee bzw. meinen Investitionsvorschlag? Die Adressierung dieser polaren Fragestellungen ist das zentrale Anliegen dieses Buches. Der Inhalt aus der Sicht des Business-Case-Erstellers. Es ist eine altbekannte Weisheit, dass für den erfolgreichen „Verkauf“ einer Idee nicht der eigene Standpunkt entscheidend ist, sondern der Standpunkt des Gegenübers. Im Falle von Investitionsvorschlägen oder Projektideen sind dies die Entscheider. Entscheider sind Nutzenmaximierer. Sie orientieren sich am Maximalprinzip und versuchen bei gegebenen Mitteln einen größtmöglichen „unternehmerischen“ Nutzen zu erzielen. Eingeschlossen sind hierbei strategische Überlegungen, denn schlussendlich ist das Anliegen jeder Strategie, den unternehmerischen Erfolg in fokussierter Form und mit gebündelten Kräften langfristig auszubauen. Wer eine Projektidee verkaufen will, muss sich demzufolge in die Lage der Entscheider versetzen, ihren Informationsbedürfnissen Rechnung tragen und in ihrem Sinne argumentieren. Genau dies ist der Grundgedanke, der hinter einem Business Case steckt. Ein Business Case macht plausible Annahmen über die Zukunft und zeigt auf, welchen Beitrag der Projektvorschlag zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens leistet. Konkret bedeutet dies, dass man mit dem Business Case den Nachweis erbringt, dass sich das Projekt „rechnet“. Der prinzipielle Nachweis der Wirtschaftlichkeit ist jedoch nur die erste Hürde, die überwunden werden muss, denn schließlich ist es nicht nur die eigene Idee, die nach der Gunst der Entscheider strebt. Es sind deren mehrere. Die Verwirklichung von Projekten ist jedoch aufgrund der begrenzten Kapazitäten eines Unternehmens nur in eingeschränkter Form möglich. Ein Unternehmen kann nicht alle Projekte realisieren, denn das Investitionsvolumen aller Projektvorschläge übersteigt in der Praxis regelmäßig die Kapazität der vorhandenen Ressourcen (wobei hiermit sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen gemeint sind).
1.3 Der Inhalt – Was wird in diesem Buch vermittelt?
5
Eine weitere Klippe zur Durchsetzung einer Projektidee ist deshalb das Bestehen gegen konkurrenzierende Projektvorschläge (beispielsweise aus anderen Fachbereichen). Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie vorteilhaft die Wirtschaftlichkeit des eigenen Projekts im Vergleich zu anderen Projektvorschlägen ist. Welches Projekt liefert einen höheren Gegenwert und hat demzufolge eine bessere Wirtschaftlichkeit? Hier ist entscheidend, dass neben einer vollständigen und überzeugenden Kostenzusammenstellung auch alle relevanten Einsparungs- und Ertragspotentiale identifiziert und berücksichtigt werden. Fragen aus der Sicht des Business-Case-Erstellers Folgende Fragen aus der Sicht des Business-Case-Erstellers werden in diesem Buch adressiert:
Wie wird eine Wirtschaftlichkeitsberechnung fachmännisch aufgebaut? Welche inhaltlichen und formalen Anforderungen müssen für einen überzeugenden und vollständigen Wirtschaftlichkeitsnachweis berücksichtigt werden?
Was ist die sinnvollste und effektivste Vorgehensweise um einen Business Case zu erarbeiten?
Welche Rechnungselemente fließen in eine Wirtschaftlichkeitsrechnung ein? Wie werden diese in der Rechnung behandelt und wie werden sie sachlich korrekt angeordnet?
Welche Einsparungs- und Ertragspotentiale (Nutzenaspekte) stehen mir zur Verfügung und wie werden diese in einen Business Case eingebaut? Welche Nutzenaspekte führen zu wirtschaftlichen Vorteilen und wie können diese quantifiziert werden? Wie ist mit Produktivitätssteigerungen zu verfahren?
Wie werden die gesamten Kosten eines Projekts oder einer Investition ermittelt? Welche Aspekte müssen für eine Vollkosten-Berechnung in Betracht gezogen werden? Wie werden interne Kosten behandelt und wie kann die Höhe dieser Kosten ermittelt werden?
Was sind die wichtigsten Argumente für einen positiven Projektentscheid und wie baue ich diese in den Business Case ein?
Auf welche Fragen und Einwände des Managements muss ich vorbereitet sein und wie begegne ich diesen am sinnvollsten?
Wie festige ich die Stichhaltigkeit und Glaubwürdigkeit des Business Case?
Wie gehe ich vor, wenn sich herausstellt, dass sich die Projektidee nicht „rechnet“? Welche (legitimen) Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung?
Wie behaupte ich mich gegen konkurrenzierende Projektideen?
Abb. 1.1 Business-Case-Ersteller und ihre Interessenschwerpunkte
Ganz allgemein und losgelöst von bestimmten Sichtweisen wird im Rahmen dieser Fragestellungen detailliert aufgezeigt, welche Möglichkeiten und Techniken es gibt, um komplexe Investitionsvorhaben hinsichtlich ih-
6
1 Einleitung
rer Kosten- und Nutzenstruktur zu durchdringen und diese Aspekte finanziell zu quantifizieren. Es wird weiterhin beschrieben, welche Faktoren die Wirtschaftlichkeit eines Projekts bzw. einer Investition bestimmen, in welcher Weise diese Faktoren beeinflusst werden können und wie sich Veränderungen auf die Wirtschaftlichkeit auswirken. Nachvollziehbare Praxisbeispiele sollen die Übertragung, Anwendung und Verankerung der Themeninhalte in der täglichen Arbeitspraxis sicherstellen. Fragen aus der Sicht des Entscheiders Folgende Fragen aus der Sicht des Entscheiders werden in diesem Buch adressiert:
Wie kann ich eine maximale Wertgenerierung mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erreichen?
Wie kann ich die durch Informationstechnologie erzielte Wertgenerierung nachweisen?
Welche Aussagen und Informationen darf ich von einem Business Case erwarten?
Wie sind die Ergebnisse eines Business Case zu interpretieren?
Wie ist die Qualität und Verbindlichkeit des Business Case einzuschätzen?
Welche Aspekte in einem Business Case muss ich besonders beachten, prüfen und ggf. kritisch hinterfragen?
Mit welchen einfachen Qualitäts-Checks kann ich die Stichhaltigkeit der Angaben verifizieren?
Welches ist die beste Strategie um konkurrenzierende Projektvorschläge zu vergleichen?
Was sind die effektivsten und effizientesten Wege, um eine Konformität zwischen Business Case und Projektergebnis sicherzustellen bzw. nach Projektabschluss zu verifizieren?
Abb. 1.2 Entscheider und ihre Interessensschwerpunkte
1.4 Die Zielgruppe – Wer sollte dieses Buch lesen? Wirtschaftliche Überlegungen im Zusammenhang mit Projektvorschlägen und der Erstellung und Beurteilung von Business Cases sind für einen breiten Personenkreis relevant. Beginnend bei den Mitarbeitern der projektanfordernden Abteilungen (Informatik und Fachbereiche), über das Linienmanagement dieser Bereiche (mittleres Management), bis zu Mitarbeitern in Querschnitt- und Stabsfunktionen (Personalabteilung, Controlling, Finanzabteilung) und schließlich den Entscheidern (höheres Management).
1.4 Die Zielgruppe – Wer sollte dieses Buch lesen?
7
Das vorliegende Buch richtet sich deshalb sinngemäß an all diejenigen, die an der Erstellung, Beurteilung und Entscheidung von Business Cases mit Informatik-Inhalten beteiligt sind oder sich im Rahmen ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums das dazu benötigte Wissen aneignen möchten. Vor allem richtet es sich auch an Personen, die über eine technische Informatik-Ausbildung verfügen und ihr Know-how mit IT-spezifischem Finanzwissen komplettieren möchten. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Zusammensetzung der Zielgruppe aus einer Unternehmensperspektive. Organisatorische Dimension
Ausprägungen
Operative Ebene in der Informatik:
Informatiker, Techniker, Entwickler
Operative Ebene in den Business-Units:
Fachkräfte wie z.B. Betriebswirte, LogistikPlaner, Produktmanager, Produkt-Entwickler
Linienmanagement (mittleres Management):
Abteilungsleiter in der Informatik und in Geschäftsfunktionen
Querschnittfunktionen / Stabsfunktionen:
Mitarbeiter im Finanzwesen, im Controlling und im Bereich HR (Human Ressource).
Management (höheres Management):
Entscheider
Abb. 1.3 Einteilung der Zielgruppe aus einer Unternehmensperspektive
Eine leicht verständliche Sprache und nachvollziehbare Praxisbeispiele sollen die Anwendbarkeit und Umsetzung des in diesem Buch vermittelten Wissens in der betrieblichen Praxis sicherstellen. Es werden keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse vorausgesetzt – alles was der Leser diesbezüglich wissen muss, wird im Buch vermittelt. Von Vorteil ist jedoch, wenn der „ErfahrungsRucksack“ des Lesers ein Grundverständnis über die IT-Welt beinhaltet. Das Buch berücksichtigt den Umstand, dass wirtschaftliches Denken und Handeln heute von allen Hierarchiestufen erwartet – und auch gefördert – wird. Dies verdeutlichen die derzeit praktizierten ManagementKonzepte, welche in Form von Gewinnbeteiligungen, Aktienoptionen, erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen und Bonus-Programmen die Mitarbeiter zum Handeln im unternehmerischen Sinne anleiten. Verdeutlicht wird dieser Umstand aber auch dadurch, dass immer mehr Unternehmen im Sinne eines „Value-based Management“ spezifische Schulungen oder Dokumentationen mit Finanzinhalten für ihre Mitarbeiter durchführen bzw. anbieten (frei nach dem Motto: „finance for non-finance people“). Dieses Buch leistet einen Beitrag zu diesen Anstrengungen.
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1 Einleitung
1.5 IT-Projekt oder Business-Projekt – Das ist hier die Frage Der Begriff „IT-Projekt“ ist im deutschen Sprachraum zum Modewort geworden. Er wird in der einschlägigen Literatur immer öfter gebraucht, ohne dass jedoch vertieft wird, was damit genau gemeint ist. Man setzt voraus, dass „jeder weiß“, was unter einem IT-Projekt zu verstehen ist. Dabei ist dies keinesfalls so einleuchtend, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Vielmehr drängen sich die folgenden Fragen auf: Wann ist ein Projekt ein IT-Projekt? Wie wird ein Projekt zum IT-Projekt? Die Abgrenzungsschwierigkeit wird deutlich, wenn man den im Geschäftsalltag ebenfalls gebräuchlichen Begriff „Business-Projekt“ einbringt. Per se ist in vielen Fällen unklar, ob es sich bei einem Projekt um ein IT-Projekt oder um ein Business-Projekt handelt. Nur ein kleiner Teil der Projekte, welche die Informatik durchführt, sind ausschließliche (also 100-prozentige) IT-Projekte. Dies sind Projekte, die nur eine Auswirkung innerhalb der Informatik-Organisation haben (z.B. IT-Service-Management-Lösung) oder eine IT-Technologie für das gesamte Unternehmen erschließen (z.B. IP-Telephony-Lösung). Die restlichen Projekte führt die Informatik zusammen mit und für konkrete „Partner“ durch (als Partner sind hier die verschiedenen Funktionsbereiche eines Unternehmens gemeint; z.B. Sales&Marketing, Supply-Chain-Management, Produktentwicklung). Nehmen wir als Beispiel die Einführung eines CRM-Systems (CRM = Customer Relationship Management). Beim Kundenbziehungsmanagement handelt es sich um die Aufgabe einer Geschäftsfunktion (Business Unit) – in diesem Fall „Sales&Marketing“. Die CRM-Einführung ist also eine BusinessInitiative und nicht etwa eine IT-Initiative. Die Aufgaben der Informatik repräsentieren nur einen Teil der gesamten Projektarbeit. Die Einführung des CRM-Systems hat einen weitreichenden „Business-Impact“ – die Geschäftsprozesse ändern sich, die Verkaufsorganisation muss geschult werden (Behavioural Change), eventuell geht die Einführung sogar einher mit einer Umstellung der Verkaufsphilosophie. Handelt es sich im beschriebenen Fall dennoch um ein IT-Projekt? Falls ja, wo zieht man die Grenze zwischen einem IT-Projekt und einem Business-Projekt? Mögliche Anhaltspunkte für eine Beantwortung dieser Fragestellung können sein:
Anteil am Projektbudget: Stellt die Informatik einen Teil des Projektbudgets oder geht sogar das gesamte Projekt zu Lasten des IT-Budgets? Falls diese Frage mit „Ja“ beantwortet werden kann, kann man (auch) von einem IT-Projekt sprechen (das Projekt kann gleichzeitig als
1.5 IT-Projekt oder Business-Projekt – Das ist hier die Frage
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IT-Projekt und auch als Business-Projekt angesehen werden – dies muss kein Widerspruch sein).
Realisierbarkeit ohne Informatik: Kann das Projekt ohne Informationstechnologie realisiert werden? Falls diese Frage mit „Nein“ beantwortet werden kann, so besteht auch in diesem Fall die Möglichkeit, das Projekt als IT-Projekt anzusehen (wobei auch dies nicht bedeuten muss, dass es sich nicht gleichzeitig um ein „Business-Projekt“ handeln kann).
Projektleitung: Wer stellt die Projektleitung? Wird das Projekt von einem Informatik-Mitarbeiter geleitet? Fall ja, so kann man grundsätzlich von einem IT-Projekt sprechen. Hier zeigt sich die Abgrenzungsschwierigkeit in der Tatsache, dass viele Unternehmen bei Projekten mit Informatik-Beteiligung zweigleisig fahren, d.h. es gibt sowohl einen Business-Projektleiter (aus dem Fachbereich) als auch einen InformatikProjektleiter. Die zuvor angestellten Überlegungen haben deutlich gemacht, dass die Beantwortung der Frage, ob ein Projekt nun als IT-Projekt oder BusinessProjekt einzustufen ist, für die Praxis keine Relevanz hat. Denn wie auch immer ein Projekt in dieser Hinsicht klassifiziert wird, es ergeben sich daraus keine bedeutsamen Konsequenzen für den Geschäftsalltag. Jedes Projekt, an dem die Informatik einen Anteil hat, kann deshalb sowohl als ITProjekt, als auch als Business-Projekt angesehen werden – die Kenntnis dieser Tatsache ist es, die in der einschlägigen Literatur beim Gebrauch der Bezeichnung „IT-Projekt“ stillschweigend vorausgesetzt wird, in diesem Buch aber nicht unterschlagen werden soll. Bekräftigt wird diese Feststellung durch den Ausspruch „IT is Business“. Die Informationstechnologie ist heute untrennbar mit dem Geschäft verbunden. Sie ist zu einem integralen Bestandteil der industriellen Produktion bzw. Dienstleistungserbringung geworden, vergleichbar zum Beispiel mit der Energieversorgung, jedoch mit dem Unterschied, dass die IT ein Innovationsmotor ist und ihre Rolle als „Enabler“ auch in Zukunft beibehalten wird.
2 Business Case – Grundlagen
2.1 Was ist das überhaupt – ein Business Case? Ein Business Case ist ein Szenario zur betriebswirtschaftlichen Beurteilung einer Investition. Auch ein Projekt stellt eine Investition dar und muss deshalb seine Vorteilhaftigkeit gegenüber der Geschäftsleitung unter Beweis stellen. Im Kontext dieses Buches handelt es sich bei den Investitionsvorhaben um „IT-Projekte“. Ein IT-Projekt ist mit Ausgaben verbunden. Um den Mitteleinsatz zu rechtfertigen, muss dem Management aufgezeigt werden, welchen Gegenwert („Return“) es von dem Projekt erwarten kann. Hierzu müssen Annahmen hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten des Projektes und der mit seinen Ergebnissen erwarteten Ertragsauswirkungen und Kosteneinsparungen getroffen werden.
Abb. 2.1 Kosten und Nutzen bestimmen den Wertbeitrag der IT
Um diesbezüglich zu fundierten Aussagen zu kommen, sind zunächst die planerischen Grundlagen hinreichend detailliert auszuarbeiten, so dass sich
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2 Business Case – Grundlagen
die voraussichtlichen Gesamtkosten für das Projekt kalkulieren lassen. Weiterhin muss durch Faktensammlung und -analyse eine Basis erarbeitet werden, anhand derer solide Abschätzungen hinsichtlich der Nutzenaspekte (Kosteneinsparungen und/oder Umsatzerhöhungen) möglich sind. Im Rahmen der Business-Case-Erstellung werden alle Kostenfaktoren und alle Nutzenaspekte für ein spezifisches Projekt erhoben, quantifiziert und dokumentiert. Diese finanziellen Größen werden für einen festgelegten Zeitraum erfasst und einander gegenübergestellt – meist über einen Zeithorizont von 5 oder 10 Jahren. Um konkrete Anhaltspunkte für Entscheidungen zu erhalten wird das erhobene Zahlenmaterial verdichtet. Dies geschieht anhand von aussagekräftigen Kennzahlen, die aus den über mehrere Jahre aufgeschlüsselten Kosten- und Nutzengrößen abgeleitet werden. Ein Business Case spricht eine andere Sprache als die im Rahmen der Projektplanung angefertigten Systembeschreibungen und Diagramme. Er stellt eine weitere Sicht auf das Gesamtprojekt dar und beleuchtet das Vorhaben von einem Management-Blickwinkel (Optik der Entscheider). Obwohl dabei die wirtschaftlichen Belange im Mittelpunkt stehen, werden in einem Business Case neben den rein finanziellen Größen auch alle nichtmonetären Aspekte des Projekts gewürdigt, die für eine Projektbeurteilung maßgeblich sind. Dies sind vor allem Abwägungen hinsichtlich Risikoadressierung und Strategieorientierung in Verbindung mit den jeweiligen Optionen und deren wirtschaftlicher Vorteilhaftigkeit.
Abb. 2.2 Elementare Bausteine eines Business Case
Durch einen Business Case entsteht eine ganzheitliche Dokumentation aller entscheidungsrelevanten Sachverhalte. Im Wesentlichen ergeben sich daraus Antworten zu folgenden Fragen:
2.2 Wozu wird ein Business Case erstellt?
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Was sind die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen, wenn das Projekt durchgeführt wird? Welche Ausführungsalternativen gibt es und wie beeinflussen diese die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens?
Welche Risiken gibt es, wie werden diese adressiert (Risk-Management) und wie beeinflusst die Wahl von etwaigen Risikoalternativen die Wirtschaftlichkeit des Projektes?
Welchen Beitrag leistet das Projekt zur Erreichung von strategischen Zielen (Strategic-Alignment) und wie verändert sich die Wirtschaftlichkeit bei unterschiedlichen Strategieausprägungen?
Was passiert, wenn das Projekt nicht durchgeführt wird? Im Rahmen dieser Fragestellungen besitzt man bei der Erstellung eines Business Case große Freiheiten. Es gibt keinen Standard für die Beschreibung eines Business Case. Entscheidend ist schlussendlich, dass die Faktenlage fundiert und vollständig erarbeitet und in einer zielgruppengerechten Sprache umgesetzt wird. Ein Business Case fasst alle entscheidungsrelevanten Aspekte eines geplanten Vorhabens mit dem Ziel zusammen, die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und strategische Konformität des Gesamtprojekts aufzuzeigen und eine abschließende Management-Entscheidung über dessen Ausführung zu ermöglichen.
Basierend auf den vorhergehenden Ausführungen haben wir nun ein konkretes Bild von einem Business Case erarbeitet, welches mit der oben angeführten Definition auf den Punkt gebracht werden kann.
2.2 Wozu wird ein Business Case erstellt? Wirtschaftliche Überlegungen stehen im Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens und Handelns. Die Informatik kann sich dieser ökonomischen Betrachtungsweise nicht entziehen, auch wenn sie heute für die meisten Unternehmen eine elementare und unverzichtbare Geschäftsfunktion darstellt. Es ist gerade die Informationstechnologie, die seit mehreren Jahren verstärkt in das Rampenlicht finanzieller Wertüberlegungen gerückt ist – und es wird deshalb in verstärktem Maße von der Informatik gefordert, ihren Wertschöpfungsbeitrag bzw. ihren Anteil an der Geschäftsentwicklung unter Beweis zu stellen. Effizienzüberlegungen (die Dinge richtig tun) im Hinblick auf die vorhandene IT-Infrastruktur sind dabei nur eine Komponente. Sie betreffen
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2 Business Case – Grundlagen
vor allem den operativen Bereich – also die „IT-Operations“. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Effektivitätsabwägungen (die richtigen Dinge tun), die im Hinblick auf neue IT-Initiativen bzw. IT-gestützte BusinessInitiativen angestellt werden. Für die Informatik ist es deshalb zwingend notwendig, dass sie sowohl für Projekte, die zu maßgeblichen Veränderungen im operativen Bereich führen („run the business“), als auch für Projekte, die dem Infrastrukturbereich neue Dienstleistungsmerkmale zuführen („change the business“), die Vorteilhaftigkeit der Vorhaben aufzeigt – und genau dies geschieht anhand eines Business Case. Primäres Ziel des Business Case ist somit, herauszufinden, ob die Umsetzung eines Projekts für das Unternehmen wirtschaftlich vorteilhaft ist. Investition "XY" Kosten Nutzen Delta
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
10.000.000
0
0
0
30.000.000
0
15.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
75.000.000
-20.000.000
5.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
45.000.000
Abb. 2.3 Charakter einer Investition (Nutzen > Kosten)
Wer investiert, will auch einen Gegenwert erhalten. Da jedoch dieser Gegenwert bei Projekten nicht offensichtlich zu erkennen ist, muss man im Rahmen der Erstellung eines Business Case durch analytische Arbeit und gestützt durch plausible Annahmen den Gegenwert im Detail erheben, dokumentieren und den Kosten gegenüberstellen. In der Praxis gibt es zwei mögliche Investitionssituationen, die durch einen Business Case adressiert werden: Die Einzelinvestition und den Alternativenvergleich in Verbindung mit einer Projektpriorisierung. Die im Rahmen der Business-Case-Erstellung ermittelten Kennzahlen liefern in diesem Zusammenhang Antworten auf die beiden Hauptfragen, die mit Investitionen verbunden sind:
Durchführungsentscheidungen – Absolute Vorteilhaftigkeit: Die Kennzahlen zeigen unmissverständlich und auf einen Blick auf, ob das Projekt wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Das Management erhält dadurch klare Entscheidungsgrundlagen.
Auswahlentscheidungen – Relative Vorteilhaftigkeit: Die Kennzahlen ermöglichen den Vergleich von verschiedenen Handlungsalternativen. Dabei kann es sich zum einen um Ausführungsoptionen einer Lösung handeln (z.B. unterschiedliche Risikoausprägungen eines Projektes). Es kann sich aber auch um grundsätzlich verschiedene Projektvorschläge handeln (z.B. CRM-Projekt, SAP-Projekt), die zur Dis-
2.2 Wozu wird ein Business Case erstellt?
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position stehen und deren unterschiedliche wirtschaftliche Auswirkungen durch die Kennzahlen vergleichbar werden. Durchführungsentscheidung
Auswahlentscheidung
Absolute Vorteilhaftigkeit
Relative Vorteilhaftigkeit
Soll über eine einzige Investition entschieden werden, so wird im Rahmen der Business-Case-Erstellung die Vorteilhaftigkeit im Sinne einer Ja-/NeinEntscheidung ermittelt.
Stehen mehrere miteinander konkurrierende Projektvorschläge zur Disposition, so wird anhand von Business Cases deutlich, welches der Investitionskandidaten das wirtschaftlichste Vorhaben ist.
Die Kernfrage lautet: Ist das zur Entscheidung anstehende Projekt wirtschaftlich sinnvoll oder nicht?
Ein analoges Problem besteht bei der Planung des optimalen Investitionsprogramms. Die zu prüfenden Projekte schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Bestimmung der relativen Vorteilhaftigkeit unterstützt die Priorisierung. Die Kernfrage lautet in beiden Fällen: Welcher Projektvorschlag ist wirtschaftlicher?
Abb. 2.4 Facetten der Investitionsentscheidung
Doch was ist nun, wenn durch den Business Case deutlich wird, dass das Projekt nicht rentabel ist – die Kosten also den Nutzen übersteigen? In diesem Fall gibt es drei Möglichkeiten:
Aussichtsreich (Es besteht die Aussicht auf einen positiven „Return“): In diesem Fall sollte man diese Chance nutzen und das Projekt auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse überarbeiten und den Business Case entsprechend anpassen.
Aussichtslos; aber andere Gründe (Es besteht keine Aussicht auf einen positiven „Return“, aber es gibt andere Gründe, die für eine Realisierung des Projekts sprechen): In diesem Fall muss man evaluieren, ob die anderen Gründe entsprechend schwerwiegend sind, dass sie eine Realisierung des Projekts rechtfertigen. Beispielsweise könnte das Projekt aus strategischer Sicht vorteilhaft sein oder es könnte Voraussetzung (technologische Basis) für weitere Projekte sein (in beiden Fällen hätte man jedoch im Vorfeld bereits entsprechende Abklärungen oder Entscheidungen treffen müssen).
Aussichtslos (Es besteht keine Aussicht auf einen positiven „Return“ und es liegen auch keine anderen Gründe vor, die für die Realisierung des Projektes sprechen): In diesem Fall wird das Projekt abgelehnt.
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2 Business Case – Grundlagen
Sollte ein Vorhaben aufgrund eines Business Case als „aussichtslos“ eingestuft werden, drängt sich folgende Frage auf: War die Mühe und der finanzielle Aufwand, welcher mit der Entwicklung des Business Case verbunden war, vergeblich? Die Antwort ist ein klares Nein, denn durch den Business Case wurden in diesem Fall ca. 15- bis 20-mal höhere Ausgaben verhindert. Wird anhand eines Business Case deutlich, dass ein Projekt vorteilhaft ist und wird daraufhin die Projektausführung genehmigt, so bildet der Business Case eine solide Grundlage, um das Projektbudget aufzustellen. Weiterhin markiert der Business Case die Ausgangsbasis für die Realisierung der Nutzenvorteile, denn anhand der im Business Case ausgewiesenen Nutzenaspekte können Kriterien für die Steuerung und Kontrolle der Nutzenrealisierung (Benefit-Realization) definiert werden. Auf diese verschiedenen Aspekte der Business-Case-Weiterverwendung wird in späteren Kapiteln detaillierter eingegangen. Wir können an dieser Stelle festhalten, dass der Business Case einen Wert verkörpert, der über die Phase der Projektbeurteilung und -entscheidung hinausgeht. Neben all den zuvor angeführten rationalen Dimensionen ist eine nicht zu unterschätzende Funktion des Business Case die Schaffung einer Vertrauensbasis. Entscheidungen basieren auf Vertrauen. Als Ersteller eines Business Case sollte man diese Tatsache sowohl als Chance, gleichzeitig aber auch als Verpflichtung ansehen. Man muss sich bewusst sein, dass bei der Beurteilung eines Business Case nicht nur die Endergebnisse Beachtung finden, sondern in besonderem Maße die zugrunde liegenden Annahmen relevant sein können. Die Herleitung der Ergebnisse muss deshalb stets transparent sein.
2.3 Welche Vorzüge ergeben sich aus einem Business Case? Durch den Business Case erhält man in einer konsolidierten Form die Entscheidungsgrundlagen um dem Management die Erfolgsaussichten und Nutzenpotentiale hinreichend detailliert und fundiert aufzuzeigen. Die Entscheidungsträger verfügen somit über alle relevanten Informationen, um eventuell kritische Punkte zu erkennen und gegebenenfalls Nachbesserungen bzw. Alternativen einzufordern oder um einen Entscheid für oder gegen das Vorhaben treffen zu können.
2.3 Welche Vorzüge ergeben sich aus einem Business Case?
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Vorzüge eines Business Case im Hinblick auf die Entscheidungsfindung Die wesentlichen Vorzüge eines Business Case im Sinne der Entscheidungsfindung und Investitionsplanung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Ein Business Case
erhöht die Entscheidungssicherheit, da er aufgrund einer fundierten Analyse die Auswirkung des Projekts auf den Unternehmenserfolg unmissverständlich aufzeigt.
schafft Entscheidungsspielraum, da er mögliche Ausführungsalternativen (z.B. Risiko-Optionen) darlegt und deren wirtschaftliche Auswirkungen aufzeigt.
schafft Übersicht und Transparenz, indem er alle entscheidungsrelevanten Fakten (nicht nur die finanziellen Aspekte) zur Beurteilung eines Projektes konsolidiert.
schafft Verbindlichkeit, da er in der Regel als Schriftstück dem Management übergeben wird.
schafft Klarheit, da umfangreiche Zahlenkolonnen (über mehrere Jahre erfasste Kosten und Nutzen) zu aussagekräftigen Kennzahlen verdichtet werden.
schafft Nachvollziehbarkeit, da sowohl die Herleitung der Kennzahlen, als auch die getroffenen Annahmen ersichtlich sind.
schafft Vergleichbarkeit, da er eine standardisierte und aussagekräftige Gegenüberstellung von Alternativen eines Projektes oder zwischen verschiedenen Projektvorschlägen ermöglicht.
ist eine wichtige „Qualitäts-Barriere“, da er eine Optimierung des Vorhabens bedingt, bis bestimmte Akzeptanzkriterien erfüllt sind (positiver „Return“).
ist ein wirksamer Filter für die Vorauswahl von Projektideen, denn unrentable Projektvorschläge werden nur in Ausnahmefällen an das Management herangetragen.
unterstützt das Projektcontrolling in der laufenden Begleitung des Projekts.
liefert eine zentrale Basis für die spätere Beurteilung des Projekterfolges und ermöglicht eine Bestätigung der erreichten Ergebnisse.
Abb. 2.5 Business Case und Entscheidungsfindung
Investitionsentscheidungen sind immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet – dies gilt insbesondere für IT-Investitionen. Aus der Sicht der Entscheider ist deshalb eine elementare Funktion des Business Case, die Entscheidungsunsicherheit auf ein Minimum zu reduzieren. Projekte sind per Definition einmalige Vorhaben. Per se hat man also keine Basis, um die Auswirkungen, welche das Projekt auf das Unternehmen haben wird, zu erkennen, geschweige denn, diese abschätzen zu können. Durch den Business Case werden diese Auswirkungen den Entscheidern transparent gemacht und quantifiziert. Dies ist in der Praxis von großer Bedeutung, denn es ist allseits bekannt, zu welcher Konsequenz letztendlich eine Unsicherheit bei den Entscheidern führt: Es wird keine Entscheidung getroffen. Alles bleibt beim Alten, frei nach dem Motto „Keine Lösung ist auch eine Lösung“. Diese
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2 Business Case – Grundlagen
Zurückhaltung von Entscheidungen ist nicht unproblematisch für ein Unternehmen, kann sie doch dazu führen, dass Opportunitäten nicht oder mit Verspätung wahrgenommen werden. Des Weiteren reduziert der Business Case die Entscheidungsunsicherheit durch den Umstand, dass im Rahmen seiner Erstellung unterschiedliche Ausführungsvarianten des Projekts (Szenarios) beleuchtet werden, um sie hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit zu vergleichen und so die für die Umsetzung rentabelste Konstellation zu identifizieren. Mit einem Business Case gewinnt man somit Entscheidungssicherheit im Hinblick auf Effektivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun). Durch seine primäre Ausrichtung auf nicht-technische Sachverhalte kann der Business Case einen entscheidenden Beitrag leisten, um bereits im Vorfeld konzeptionelle Fehler aufzudecken, die anderweitig erst bei der Realisierung zum Vorschein gekommen wären. Der Business Case verkörpert somit einen zusätzlichen „Quality-Check“ und wird zu einem Werkzeug für die Optimierung des geplanten Vorhabens. Vorzüge eines Business Case im Hinblick auf die Projektplanung Im Sinne eines Beitrags zur Projektplanung lassen sich die Vorzüge eines Business Case wie folgt zusammenfassen: Ein Business Case
ergänzt die technische Planungsbasis mit einer wirtschaftlichen Planungsgrundlage und trägt damit zu einer allgemeinen Verbesserung der Planungsarbeit im unternehmerischen Sinne bei.
kann durch seinen primären Fokus auf „nicht-technische“ Belange einen Beitrag leisten um das Vorhaben zu optimieren oder um Fehler im Konzept zu enthüllen.
hilft Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Präventivmaßnahmen bzw. Risikooptionen einzuplanen.
Abb. 2.6 Business Case und Projektplanung
Anhand der zuvor beschriebenen Sachverhalte wird deutlich, dass der Business Case ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Entscheidungsfindung und Investitionsplanung ist. Aus einem Business Case ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für eine Investitionsplanung. Durch standardisierte Berechnungsverfahren und Ergebniskennzahlen wird einerseits Vergleichbarkeit hergestellt und andererseits eine objektive Auswahl und Priorisierung von konkurrenzierenden Projekten ermöglicht. Gleichzeitig trägt ein Business Case aber auch zur Verbesserung der Projektplanung bei, da auf seiner Basis Rückschlüsse gewonnen werden können, die die Projektdefinition („Project Scoping“) und die Projektkonzeption positiv beeinflussen.
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich?
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Abb. 2.7 Business Case beeinflusst Planung und Entscheidung
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich? In diesem Kapitel werden die folgenden Fragestellungen untersucht: Welche möglichen Betrachtungsschwerpunkte gibt es in einem Business Case? Wie beeinflusst der Projektinhalt den Fokus des Business Case? Ist ein Business Case notwendig, wenn die Entscheidung für ein Projekt bereits gefallen ist? Um diesen Fragen nachzugehen, werden anhand von kurzen Praxisbeispielen mehrere Projektsituationen geschildert und ihre Auswirkung auf den Wirtschaftlichkeitsnachweis beschrieben. Auf diese Weise soll verdeutlicht werden, inwiefern das Anliegen eines Projekts und dessen Entstehungshintergrund die Akzente, die in einem Business Case gesetzt werden müssen, beeinflussen. 2.4.1
Situation 1 – SAP-Konsolidierung
Ihr Unternehmen möchte die SAP-Systeme, die in verschiedenen Länderniederlassungen dezentral eingeführt wurden, konsolidieren. Es soll dabei sowohl eine technische Konsolidierung stattfinden (die SAPServer und Infrastrukturkomponenten sollen nach Möglichkeit in einem Standort zusammengefasst werden) als auch eine „BusinessKonsolidierung“ (Geschäftsprozesse sollen vereinheitlicht und durch Shared-Service-Centers unterstützt werden). Benötigen Sie hierfür einen Business Case? Ja. Nur mit einem Business Case, der Kosten und Nutzen gegenüberstellt, kann festgestellt werden, ob dieses Unterfangen wirtschaftlich sinnvoll ist. Dass sich technische Vorteile ergeben, steht außer Frage, doch er-
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2 Business Case – Grundlagen
gibt sich daraus noch keine Berechtigung für eine Investition. Kosten und Nutzen müssen hier detailliert erhoben und quantifiziert werden. Die Situationen, in denen der Akzent eines Business Case auf einer Kosten/Nutzen-Betrachtung liegt, sind insgesamt zu zahlreich, als dass sie abschließend aufgeführt werden könnten. Die Übersicht in Ź Abb. 2.8 beschränkt sich deshalb auf eine Klassifizierung von typischen Investitionsszenarien, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. Projekte mit Fokus auf „Kosten versus Nutzen“ Grundsätzlich ist die Erstellung eines Business Case mit detaillierter Kosten/NutzenAnalyse notwendig, wenn sich der Projektgegenstand auf eine der folgenden Investitionsszenarien bezieht: Rationalisierungsinvestition (z.B. Konsolidierung / Harmonisierung der Infrastruktur): Beispielsweise wenn ein Unternehmen seine dezentralisierte DataCenter-Struktur in eine stark reduzierte Anzahl von regionalen DataCenters überführen will. Hier stellt sich die Frage, welche Optionen zur Verfügung stehen und wie wirtschaftlich diese sind. Neuinvestition (z.B. Einführung eines neuen Systems oder einer neuen Technologieplattform): Beispielsweise wenn ein Konzern die dezentral eingerichteten Web-Portale der Länderniederlassungen auf eine neue und einheitliche Technologie-Basis bringen möchte. Hier stellt sich die Frage, mit welchem wirtschaftlichen Nutzen ein solches Unterfangen verbunden ist. Erweiterungsinvestition (z.B. Erweiterung einer bestehenden Lösung): Beispielsweise wenn ein vorhandenes System um mehrere Komponenten ergänzt werden soll. Hier stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise ein „Umbau“ bzw. „Anbau“ sinnvoll ist und welche wirtschaftlichen Vorteile daraus resultieren. Ablösungsinvestition (z.B. Technologiewechsel bzw. Ablösung eines vorhandenen Systems): Beispielsweise wenn eine vorhandene Telefon-Installation auf eine moderne IP-Telephony-Lösung umgestellt werden soll. Hier stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Technologie-Wechsel rentabel ist oder ob es wirtschaftlicher ist, eine Aktualisierung auf der gleichen Technologie-Basis vorzunehmen. Abb. 2.8 Investitionsszenarien für eine Kosten/Nutzen-Betrachtung
Aufgrund der großen Bandbreite von Business-Case-relevanten Investitionssituationen erscheint es sinnvoll, anhand einer „Negativbetrachtung“ diejenigen Ausnahmesituationen aufzuzeigen, bei denen ein vollumfänglicher Business Case (Kosten-/Nutzen-Betrachtung) nicht notwendig ist. 2.4.2
Situation 2 – Unternehmensverbindung
Ihr Unternehmen hat eine Firma, mit der man bisher auf partnerschaftlicher Basis zusammengearbeitet hat, übernommen. Der Neuzugang soll nun in die eigene Unternehmensstruktur integriert werden. Da diese
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich?
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Integration auch auf Informatik-Ebene angestrebt wird, hat die Geschäftsleitung beschlossen, ein Projekt zur Systemintegration zu lancieren. Wenn, wie in diesem Fall, aufgrund von unternehmenspolitischen Gründen oder anderen Gegebenheiten eine Projektentscheidung vorweggenommen wurde, erscheint auf den ersten Blick die Erstellung eines Business Case nicht notwendig zu sein. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn man übersieht dabei die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt in den meisten Fällen die Art und Weise der Projektrealisierung offen ist und mehrere Alternativen denkbar sind. Beispielsweise die Optionen
„Inhouse-Realisierung“ und „Realisierung durch einen spezialisierten System-Integrator“. Der Fokus des Business Case kann in diesem Fall auf einer Betrachtung der Kostenseite liegen. Das Ziel des Business Case ist sinngemäß, die wirtschaftlich vorteilhafteste Realisierungsoption zu identifizieren. Neben der rein finanziellen Betrachtung müssen im Business Case auch die Risiken jeder Option gewürdigt werden. Bei der Option „Inhouse-Realisierung“ gibt es folgende mögliche Risiken:
die interne Personalsituation (Mitarbeiter verfügbar?) das intern vorhandene Know-how (Fachwissen vorhanden?) Gegebenenfalls müssen Maßnahmen zu Minimierung der Risiken ausgearbeitet und dem Management vorgeschlagen werden. Ohne Berücksichtigung von etwaigen Risiko- und Strategiefaktoren ist in einem solchen Fall die kostengünstigste Option die wirtschaftlich sinnvollste Variante. Ein Entscheid für oder gegen eine Variante muss jedoch stets unter Kenntnis und Abwägung der jeweiligen Risiken gefällt werden. Gibt es zwischen den beiden Ausführungsalternativen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Implementierungszeit, sollte man diesem Umstand Rechnung tragen. Der zeitliche Aspekt und dessen wirtschaftliche Auswirkungen müssen analysiert und quantifiziert werden. Ein mögliches Ergebnis dieser Analyse kann sein, dass die kostenintensivere Realisierung durch den System-Integrator wirtschaftlich sinnvoller ist, weil sie schneller einsatzbereit ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es bei einer vorweggenommenen Projektentscheidung zwei mögliche Ansatzpunkte für einen Wirtschaftlichkeitsnachweis gibt:
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2 Business Case – Grundlagen
Kosten: Ein Business Case, der ausschließlich die Kostenseite betrachtet.
Kosten und Nutzen: Ein Business Case, der die Kostenseite unter Berücksichtigung des Faktors Zeit (Zeitraum, in dem die Lösung verfügbar ist) analysiert. Im letztgenannten Fall werden die mit dem Zeitaspekt verbundenen Vor- und Nachteile erhoben und als zeitlich bedingte Nutzenaspekte in der entsprechenden Ausführungsalternative berücksichtigt – was bedeutet, dass sie in quantifizierter Form in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einfließen. Dadurch ergibt sich eine Kosten- /Nutzenanalyse. 2.4.3
Situation 3 – Datenschutz
In Ihrem Unternehmen wurde von einem externen Dienstleister ein Security-Audit durchgeführt. Dabei wurden aufgrund der zahlreich vorhandenen dezentralen E-Business-Lösungen und der Intranet-basierenden Systeme, die Mitarbeiter-Daten verarbeiten, mehrere Sicherheitslücken festgestellt. Sie erarbeiten nun ein Projekt, welches diese Schwachpunkte auf breiter Basis mit den neuesten technologischen Möglichkeiten beseitigt. Benötigen Sie hierfür einen Business Case? Falls ja, welche wirtschaftlichen Aspekte (Kosten und/oder Nutzen) sollen in den Business Case einfließen? Es handelt sich hier um den Schutz von personenbezogenen Daten (Kunden- und Mitarbeiterdaten), dem Sie von Gesetz wegen Rechnung tragen müssen (Datenschutz). Das Projekt muss also durchgeführt werden. Wirtschaftliche Überlegungen sind hier nur insoweit relevant, als eine kostenadäquate Lösung gefunden werden muss. Wirtschaftliche Vorteile sind mit einem derartigen Projekt nicht verbunden (dies ist ein Grund, warum derartige Aspekte durch Gesetze geregelt werden müssen). Der Fokus des Business Case im Sinne einer ganzheitlichen Dokumentation der Entscheidungssituation liegt in diesem Fall auf einer Kostenbetrachtung und einer Analyse der möglichen Ausführungsalternativen (z.B. Kostenvergleich für verschiedene Anbieter oder Implementierungsarten). Weitere Investitionsbeispiele, auf die dies ebenfalls zutrifft, sind in Ź Abb. 2.9 aufgeführt.
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich?
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Projektsituationen mit Business-Case-Fokus auf der Kostenseite Die Betonung eines Business Case liegt auf der Kostenseite (einschließlich einem Vergleich von Alternativen in dieser Hinsicht), wenn sich der Projektgegenstand
direkt auf die Umsetzung einer Unternehmensstrategie bezieht (z.B. Einführung einer E-Shopping Platform, wenn ein Unternehmen beschließt, in den Direktvertrieb einzusteigen)
auf Investitionen in Finanzsysteme bezieht (z.B. Finanzbuchhaltungssystem, Controlling-System, Leistungsverrechnung bzw. Service Charging)
auf Investitionen für die Unternehmensführung bezieht (z.B. Balanced-Scorecard-Einführung, Portfolio-Management System)
auf die Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen bezieht (z.B. Datenschutz, Computer System Validation (CSV) für Pharma-Unternehmen)
auf die Umsetzung von vertraglichen Verpflichtungen bzw. AbnehmerRegelungen bezieht (z.B. Projekte zur Anbindung von Geschäftspartnern bzw. Abnehmern)
auf die Umsetzung von organisatorischen Regelungen bezieht (z.B. Mitarbeiter-Zeiterfassungssystem)
auf Investitionen in IT-Sicherheit bezieht (z.B. Datenschutz-Projekt, Implementierung einer konzernweiten „Shared Backup“-Lösung)
auf Investitionen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des operationellen Betriebs notwendig sind (z.B. Monitoring-Lösungen für Storage, Netzwerk, Server und Applikationen)
auf Investitionen in Schutzmaßnahmen bezieht (z.B. Alarmsysteme für Feuerund Unfallüberwachung in produzierenden Unternehmen)
auf Investitionen für „Life-Cycle Replacements“ bezieht (z.B. Ersatzbeschaffung für High-End Storage-Lösungen)
auf die Beseitigung von Engpässen bezieht, die durch „Organic growth“ entstanden sind (z.B. Projekt zur Bereitstellung einer höheren Netzwerkbandbreite, Projekt zur Bereitstellung von mehr Rechenleistung)
auf Veränderungen der Unternehmensbestandteile bezieht (z.B. Projekt zur Trennung von ERP-Systemen aufgrund der Veräußerung eines Geschäftsbereichs)
Abb. 2.9 Investitionssituationen für eine Kostenbetrachtung
2.4.4
Situation 4 – Sicherheit
In einem produzierenden Unternehmen wurde anlässlich einer Sicherheitsüberprüfung festgestellt, dass die Maßnahmen zur Gebäudeüberwachung mangelhaft sind. Die Implementation eines modernen computergestützten Alarmsystems für die Feuer- und Raumüberwachung wird empfohlen (dieses System soll alle Gebäude des Produktionsareals einbeziehen).
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2 Business Case – Grundlagen
Die Implementierung eines solchen Systems verursacht naturgemäß Kosten. Es stellt sich nun die Frage, ob diesen Kosten ein Nutzen gegenübersteht? Falls das neue System keinen Einfluss auf die Personalsituation hat (Anzahl der Arbeitsstellen im Sicherheitsbereich bleibt gleich), lässt sich lediglich ein hypothetischer Nutzen anhand einer Idealsituation ermitteln. Dieser hypothetische Nutzen setzt voraus, dass ein Schaden eintritt (z.B. Brand) und dass gleichzeitig der Schaden erfolgreich bekämpft werden kann. Das potentielle Schadensausmaß könnte man in diesem Fall als Nutzen anrechnen. Brennt jedoch ein Gebäude bis auf die Grundmauern ab, so hat sich der hypothetische Nutzen buchstäblich in Luft aufgelöst. Da der Eintritt von Hypothesen ungewiss ist, können „hypothetische Nutzenaspekte“ nicht in einem Business Case berücksichtigt werden. Den Implementierungskosten des obigen Alarm- und Überwachungssystems stehen also keine anrechenbaren Nutzenaspekte entgegen. Ist das Vorhaben deshalb unwirtschaftlich? Nein. Man kann bei derartigen Projektanliegen nicht eine Kosten/Nutzen-Betrachtung als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit verwenden. Vielmehr muss sich das Wirtschaftlichkeitsurteil auf die Kostenseite abstützen. Dies stellt uns jedoch vor eine neue Herausforderung:
Wie können wir beispielsweise beurteilen, ob die IT-Investition bei geschätzten Investitionskosten in Höhe von 500.000 Euro wirtschaftlich ist?
Ist das IT-Projekt auch noch wirtschaftlich, wenn die Implementierung mit 750.000 Euro veranschlagt wird? Diese Fragen können nur durch einen Kostenvergleich mit mindestens einer alternativen Lösung beantwortet werden. Eine mögliche Alternative erhält man durch die Beantwortung der folgenden Frage: Welche nahe liegende und sinnvolle Lösung beseitigt das Problem in einer vergleichbaren Güte? Im vorliegenden Fall besteht diese Alternative in einer Aufstockung des Sicherheitspersonals bis zu einer Personalintensität, die vergleichbare Sicherheitsstandards erfüllt wie die computergestützte Lösung. Die Kosten dieser Alternative werden dann als Vergleichskosten den Implementierungskosten der IT-Lösung gegenübergestellt. Die IT-Lösung ist dann wirtschaftlich, wenn ihre Kosten geringer sind als die Kosten der alternativen Lösung. Worin unterscheidet sich nun das besprochene Projekt von anderen typischen Informatik-Projekten (beispielsweise einer CRM-Implemen-tierung oder einer SAP-Implementierung)? Der Unterschied liegt in der Art und
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich?
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Weise, wie das Projekt den Unternehmenserfolg beeinflusst. SAP- oder CRM-Projekte werden durchgeführt, um den Unternehmenserfolg zu maximieren – entweder in Form eines Beitrags zur Bottom-Line (Profit des Unternehmens) oder zur Top-Line (Wachstum des Unternehmens). Das obige Projekt wurde hingegen realisiert um den Unternehmenserfolg sicherzustellen. Es ist also der Zweck hinsichtlich des Unternehmenserfolgs, der das wesentliche Unterscheidungsmerkmal für die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von IT-Projekten darstellt. Sinngemäß ist der Projektgegenstand ausschlaggebend dafür, welches Wirtschaftlichkeitskriterium anzuwenden ist.
Bei Projekten, die zur Sicherstellung des Erfolgs dienen, ist eine Kostenbetrachtung ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeitsanalyse.
Bei Projekten, welche die Maximierung des Unternehmenserfolgs bezwecken, ist hingegen der Kosten/Nutzen-Vergleich entscheidend. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse erfährt der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ im Kontext mit IT-Projekten zwei mögliche Ausprägungen:
Kostenminimierung (Bei Projekten, die die Sicherstellung des Unternehmenserfolges bezwecken)
Nutzenmaximierung (Bei Projekten, die der Maximierung des Unternehmenserfolges dienen) Im ersten Fall sind die Kosten der maßgebliche Faktor zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Im zweiten Fall ist der Wirtschaftlichkeitsquotient Kosten/Nutzen (ausgedrückt durch die Kennzahlen der Investitionsrechnung) der maßgebliche Faktor. 2.4.5
Situation 5 – Asset Management
Die Informatik in Ihrem Unternehmen besitzt eine Vielzahl von Vermögenswerten. Es handelt sich dabei sowohl um materielle Werte, z.B. Hardware, als auch um immaterielle Werte, z.B. Software-Lizenzen. Um zukünftig die optimale Nutzung dieser „Assets“ sicherzustellen soll eine globale (umfasst alle Länderniederlassungen) Asset-Management-Lösung eingeführt werden. Benötigen Sie hierfür einen Business Case? Die Erstellung eines Business Case, der Kosten/Nutzen vergleicht, ist in diesem Fall möglich. Es gibt quantifizierbare Nutzenaspekte, die in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einfließen können. Zum Beispiel:
Durch eine Optimierung und ein entsprechendes Monitoring der LifeCycle-Strategie kann man Hardwarekosten einsparen.
26
2 Business Case – Grundlagen
Durch den optimalen Einsatz von Software-Lizenzen kann man Lizenzkosten einsparen. Fazit: Es kann ein Business Case mit Kosten/Nutzen-Vergleich als Grundlage für eine Projektentscheidung erstellt werden. Der in einem Business Case gesetzte Akzent kann sich jedoch im folgenden Fall verschieben: Wenn beispielsweise die Geschäftsleitung auf eine nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens besonderen Wert legt, wird die Asset-Management-Lösung zu einem Führungssystem (Optimierung der Abschreibungen). Das System liefert wichtige Informationen für das Management und muss diesen Nutzen nicht erst durch einen Business Case unter Beweis stellen. Fazit: Unter diesen Umständen verlagert sich der Schwerpunkt des Business Case auf eine Betrachtung der Kostenseite. Projekte mit Business-Case-Fokus auf der Kostenseite oder Kosten/Nutzen Ein Business Case kann entweder auf Basis eines Kostenvergleichs oder mit detaillierter Kosten- und Nutzen-Betrachtung erstellt werden, wenn sich der Projektgegenstand
auf Investitionen für Management- und HR-Informationssysteme bezieht (HR=Human Ressource). Zum Beispiel Asset-Management-System, PortfolioManagement-System, Knowledge-Management-System.
auf Investitionen für Service-Management-Werkzeuge bezieht. Zum Beispiel Trouble-Ticket-System (TTS), Call-Center-System für Help-Desk.
auf Upgrades oder Enhancements von existierenden Lösungen bezieht (Wichtige Einschränkung: nur sofern dies nicht mit einem Technologie-Wechsel verbunden ist). Zum Beispiel die Erneuerung der gesamten Telefon-Installation in einem Unternehmen (Anmerkung: moderne Telephony-Lösungen werden heute als „Informatik-Lösung“ angesehen).
Abb. 2.10 Investitionssituationen mit offenem Business-Case-Schwerpunkt
Weitere IT-Aktivitäten, für welche der Business-Case-Fokus offen ist, sind in Ź Abb. 2.10 dargestellt. 2.4.6
Situation 6 – Investition in CAD
Sie möchten für die CAD-Abteilung in Ihrem Unternehmen (CAD = Computer Aided Design) eine Dokument-Management-Lösung für technische Zeichnungen einführen. Die Projektkosten belaufen sich auf ca. 50.000 Euro. Soll hierfür ein Business Case erstellt werden? Nein. Ein derart geringes Investitionsvolumen rechtfertigt kaum die Erstellung eines Business Case. Eine Entscheidung für dieses Projekt muss auf Basis von Budgetbzw. Portfolio-Überlegungen getroffen werden.
2.4 Welche inhaltlichen Ausprägungen sind möglich?
2.4.7
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Wertgenerierung versus Wertsicherung
Die vorausgegangenen Beispiele haben gezeigt, dass Aktivitäten der Informatik dem Unternehmenszweck auf zwei Arten dienen. Sie können einerseits einen Beitrag zur Wertgenerierung leisten (Value Creation) oder andererseits sicherstellen, dass das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit überhaupt erst erbringen kann (Value Protection). In Ź Abb. 2.11 sind diese beiden Aspekte des IT-Wertbeitrags und ihr Einfluss auf den Fokus der Wirtschaftlichkeitsanalyse dargestellt.
Abb. 2.11 Wertgenerierung und Wertsicherung
Bei Aktivitäten, die der Wertsicherung dienen, gibt es keine Entscheidungsfreiheit – das Unternehmen muss diese Aktivitäten durchführen (beispielsweise die Erneuerung einer überalterten und deshalb äußerst störungsanfälligen Gebäude-Netzwerkverkabelung). Diese Aktivitäten haben keinen unmittelbaren Wertschöpfungscharakter und beeinflussen demzufolge das Unternehmensergebnis nicht direkt. IT-Vorhaben, die zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen, beeinflussen hingegen das Unternehmensergebnis direkt. Sie leisten einen Beitrag
zum „Top-Line Growth“ (z.B. CRM-Projekt) oder zum „Bottom-Line Profit“ (z.B. Konsolidierung der IT-Infrastruktur).
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2 Business Case – Grundlagen
Diese zwei möglichen Formen des IT-Wertbeitrags (Top-Line oder Bottom-Line) müssen jedoch durch einen Kosten/Nutzen-Vergleich belegt werden. 2.4.8
Betrachtungsschwerpunkt und Notwendigkeitsbeurteilung
Die zuvor angeführten Beispiele haben Projektsituationen beschrieben, die zu unterschiedlichen Beurteilungen hinsichtlich des Business-Case-Fokus und hinsichtlich der prinzipiellen Notwendigkeit eines Business Case geführt haben. Das ausschlaggebende Kriterium für eine Notwendigkeitsbeurteilung ist das Investitionsvolumen. Im Hinblick auf die Projektkosten lässt sich eine Notwendigkeitsabstufung für die Erstellung von Business Cases sehr einfach und unmissverständlich definieren. In einem Konzern könnte beispielsweise folgende Regel aufgestellt werden (wobei die absoluten Grenzwerte entsprechend der Unternehmensgröße variieren):
Bei Investitionen unter 100.000 Euro ist ein Business Case nicht notwendig.
Bei Investitionen zwischen 100.000 und 200.000 Euro wird eine leicht vereinfachte Business-Case-Version erstellt (wobei die Inhaltsstruktur vorgegeben wird).
Bei Investitionen über 200.000 Euro wird ein ausführlicher Business Case erstellt (die Inhaltsstruktur wird ebenfalls vorgegeben). Durch die Praxisbeispiele wurde deutlich, dass ergänzend zur Investitionshöhe, der Zweck oder der Entstehungshintergrund eines Projekts die Betonung, die hinsichtlich der Analyse in einem Business Case gesetzt wird, beeinflussen. Der Akzent kann entweder auf einem Vergleich der Dimensionen Kosten und Nutzen liegen oder auf eine Kostenbetrachtung reduziert sein. Die Entscheidung für oder gegen eine dieser möglichen Ausführungsvarianten kann von den folgenden Umständen beeinflusst werden:
Ist die Entscheidung für die Durchführung eines Projekts bereits gefallen bzw. ist die Projektdurchführung zwingend notwendig, so konzentriert sich der Business Case auf eine Betrachtung der Kostenseite. Dennoch ist unter Einbeziehung des Faktors „Zeit“ bei der Analyse der zur Verfügung stehenden Alternativen in vielen Fällen eine Nutzenanalyse möglich.
Ist die Entscheidung für die Projektdurchführung noch nicht gefallen bzw. ist die Projektdurchführung nicht zwingend notwendig, umfasst
2.5 Business Case vs. Business Plan – Was ist der Unterschied?
29
der Business Case in jedem Fall sowohl eine Betrachtung der Kosten-, als auch der Nutzenaspekte.
Abb. 2.12 Entscheidungsweg für die Business-Case-Erstellung
In Anlehnung an die zuvor aufgezeigten Situationen wird in Ź Abb. 2.12 ein vereinfachter Entscheidungspfad für die Business-Case-Erstellung gezeigt. Es ist leider nicht möglich, alle zuvor beschriebenen Entscheidungssituationen hinsichtlich der inhaltlichen Akzente eines Business Case bzw. dessen prinzipieller Notwendigkeit in einem einzigen Entscheidungsraster abzubilden. Die im Informatik-Alltag vorkommenden Projektsituationen sind insgesamt zu variantenreich und die damit verbundenen Ausgangslagen zu unternehmensspezifisch, als dass sich ein allgemeingültiges Regelwerk formulieren lässt. Die in diesem Kapitel aufgezeigten Klassifizierungen haben deshalb zum Ziel, Orientierungshilfen zu vermitteln und so die Entscheidungskompetenz des Lesers hinsichtlich einer Inhalts- und Notwendigkeitsbeurteilung zu schärfen.
2.5 Business Case vs. Business Plan – Was ist der Unterschied? Wie auch ein Business Case, ist ein Business Plan grundsätzlich mehrjährig konzipiert. Doch damit enden bereits die Gemeinsamkeiten
30
2 Business Case – Grundlagen
zwischen diesen beiden Formen der Zukunftsbetrachtung. Ein Business Plan basiert auf der Gesamtbetrachtung einer organisatorischen Einheit. Die höchste Betrachtungsebene ist dabei ein Unternehmen als Ganzes. Im Weiteren werden Business-Pläne für Unternehmensteilbereiche erstellt. Beispielsweise für Divisionen oder Kern-Funktionen eines Unternehmens. Wesentliche Funktionsbereiche eines Unternehmens, für welche BusinessPläne erstellt werden, sind dessen Fachbereiche (Business-Units). In produzierenden Unternehmen sind dies unter anderem Sales&Marketing, Supply-Chain-Management, Produktion und Entwicklung. Für die Informatik, die über einen bedeutenden Budget-Anteil relativ zum Unternehmensumsatz verfügt, ist die Erstellung eines Business-Plans ebenfalls eine essentielle Aufgabe. Das Ziel eines Business-Plans ist es, über einen definierten Zeitraum ein vollständiges Bild von der wirtschaftlichen Perspektive der organisatorischen Einheit zu vermitteln und die Erfüllung von eventuellen Planvorgaben nachzuweisen. In diesem Sinne kann ein Business Plan für folgende Zwecke erstellt werden:
Als firmeninternes Werkzeug für die Planung der eigenen Geschäftsentwicklung und der Umsetzung einer Geschäftsstrategie.
Als Kreditwürdigkeitspapier, um Fremd- oder Risikokapitalgeber zu gewinnen.
Als Unterlage für ein „going public“ (IPO; Initial Public Offering). Zur Öffentlichkeitsarbeit, um die Fragen von Analysten aus Investmentbanken und Rating-Agenturen zu beantworten. Die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Business Case und einem Business Plan können wie folgt festgehalten werden:
Ein Business Case betrachtet die wirtschaftlichen Auswirkungen eines konkreten Projekts. Mit einem Business Plan wird hingegen ein Gesamtbild (alle Ausgaben und alle Einnahmen) einer organisatorischen Einheit vermittelt. Die Wirkungen von einzelnen Initiativen werden nicht gesondert betrachtet.
Während ein Business Case eine rein nach innen gerichtete Funktion hat (wird nur für die unternehmensinterne Verwendung erstellt), wird ein Business Plan in Abhängigkeit vom Verwendungszweck auch für Außenstehende erstellt. Ein Business Case liefert wichtige Angaben für die Erstellung eines Business-Plans (aggregierte Investitionsplanung für ein Projekt). Da ein Business Plan ein vollständiges Bild der Geschäftsentwicklung bzw. -planung
2.5 Business Case vs. Business Plan – Was ist der Unterschied?
31
wiedergibt, werden die Summen einzelner Investitionen zu aussagekräftigen Kostenblöcken verdichtet. Nur die größten Projekte werden eventuell einzeln aufgeführt. Eine weitere Komponente sind die Betriebskosten, die ebenfalls in voller Höhe im Business Plan enthalten sind. Der Business Plan dient als Grundlage für das Geschäftsjahresbudget, in welchem die Mittelzuweisung und -verwendung für das folgende Jahr dargelegt und verbindlich beschlossen wird. Aus einem verabschiedeten Jahresbudget ist ersichtlich, welcher Budget-Rahmen für die Verwirklichung von Investitionen (Projekt-Budget) zur Verfügung steht.
3 Business Case – Vorgehen
3.1 Wer erstellt den Business Case? In der Praxis wird diese Frage oftmals auf zwei Wahlmöglichkeiten reduziert – entweder wird der Business Case intern erarbeitet oder externe Berater werden mit der Erstellung beauftragt. Es sind aber durchaus auch andere Konstellationen denkbar und sinnvoll. Die möglichen Optionen sind:
Der Business Case wird intern erstellt Der Business Case wird von externen Beratern erstellt Der Business Case wird gemeinschaftlich erstellt (interne Mitarbeiter und externe Berater bilden ein Team)
Der Business Case wird mit Unterstützung des Lieferanten erstellt Wird der Business Case von externen Beratern erstellt, so übernehmen die Berater in der Regel eine „Lead-Funktion“. Das heißt, sie sind zuständig für die Analyse und Dokumentation, konsultieren aber interne Ressourcen je nach Notwendigkeit. Kommt es bei den intern beteiligten Parteien zu unterschiedlichen Auffassungen, so kann der Berater die Rolle eines neutralen und kompetenten „Schlichters“ übernehmen. Bei der Business-Case-Erstellung durch Beratungsunternehmen findet kein Know-how-Transfer statt. Die Berater arbeiten weitgehend autonom an der Wirtschaftlichkeitsanalyse. Die internen Mitarbeiter nehmen eher eine passive Rolle ein und werden somit nicht direkt mit der Notwendigkeit konfrontiert, wirtschaftliche Überlegungen bei der Konzeption von Projekten mit einzubeziehen. Die Vor- und Nachteile dieser Form der Business-Case-Erstellung sind in Ź Abb. 3.1 gegenübergestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Vorteile
Nachteile
Neutralität: Die Berater sind neutral (sie werden für die Erstellung des Business Case entlohnt; unabhängig wie dessen Ergebnis ist).
Know-how: Es findet kein Knowhow-Transfer statt. Der „Erfahrungsschatz“ der internen Organisation wird nicht erweitert.
Verfügbarkeit: Der Business Case ist schneller verfügbar, denn die Berater arbeiten exklusiv daran.
Kosten: Es entstehen „cash-out“Kosten, auch wenn sich das Vorhaben als nicht lohnenswert herausstellt.
Effizienz: Die Berater sind vertraut mit den Methoden und Techniken und gehen deshalb sehr effizient vor.
Kosten: Der finanzielle Aufwand ist vergleichsweise hoch, denn externe Berater verursachen im Vergleich zu internen Ressourcen wesentlich höhere Kosten.
Glaubwürdigkeit: Ein extern erstellter Business Case genießt gegenüber dem Management eine hohe Glaubwürdigkeit. Qualität: Die Qualität des Business Case ist als sehr hoch einzustufen, wenn ein entsprechend spezialisierter Berater ausgewählt wurde. Innovation: Berater können neues Wissen in das Unternehmen einbringen, welches nicht nur evolutionäre Lösungen ermöglicht, sondern vielleicht sogar „revolutionäre“ Möglichkeiten zu Tage fördert. Schlichtung: Wenn unternehmensinterne Parteien divergente Standpunkte vertreten, können Berater als neutrale Schlichter einen sinnvollen Lösungsweg aufzeigen.
Abhängigkeit: Wenn sich Änderungen ergeben, müssen die Berater eventuell erneut konsultiert werden, um den Business Case zu modifizieren. Standardisierung: Der vom Berater erstellte Business Case hat einen eigenständigen formalen Aufbau, was die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit erschwert. Dies kann auch die Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Projektvorschlägen erschweren.
Abb. 3.1 Externe Erstellung des Business Case (durch Berater)
Werden Wirtschaftlichkeitsanalysen von internen Kräften durchgeführt, so wird in der Organisation mittel- und langfristig eine Wissensbasis aufgebaut, die eine zuverlässige Wirtschaftlichkeitsanalyse von IT-Projektvorschlägen ermöglicht. Die Mitarbeiter erlangen eine zunehmende Kompetenz in Fragen der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von IT-Investitionen und werden dadurch zielbewusster, was die Konzeption von InformatikLösungen unter ökonomischen Gesichtspunkten betrifft. Die Vor- und Nachteile dieser Form der Business-Case-Erstellung sind in Ź Abb. 3.2 gegenübergestellt.
3.1 Wer erstellt den Business Case? Vorteile
Nachteile
Know-how: Die technischen / operativen Mitarbeiter aus der Informatik müssen sich mit wirt-schaftlichen Überlegungen befassen. Dies fördert das unternehmerische Denken und Handeln.
Verfügbarkeit: Die Business Case kann wenn die Mitarbeiter lich“ (neben ihrem daran arbeiten.
Kosten: Es entstehen keine „cashout“-Kosten. Qualität: Interne Mitarbeiter kennen die eigene Organisation sehr gut und können deshalb detaillierte Angaben zu Verbesserungen und deren Nutzen einbringen. Teamwork: Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Kooperation wird gestärkt. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, ist Erfolg möglich. Standardisierung: Alle Business Cases können nach einem einheitlichen Schema (Struktur und Algorithmik) erstellt werden und ermöglichen deshalb einfache und standardisierte Vergleiche. Die Mitarbeiter im Unternehmen sind mit dem Aufbau vertraut und finden sich schnell zurecht.
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Erstellung des länger dauern, nur „nebenamtTagesge-schäft)
Effizienz: Insbesondere die technischen / operativen Mitarbeiter der Informatik sind mit dieser Thematik nicht vertraut und kennen evtl. die entsprechenden Methoden und Techniken nicht. Dies kann sich auf den Zeitbedarf auswirken. Glaubwürdigkeit: Intern erstellte Business Cases müssen ihre Glaubwürdigkeit eventuell intensiver unter Beweis stellen. Qualität: Die Korrektheit der finanziellen Berechnungen muss in der Regel durch Mitarbeiter aus dem Finanz-/Controlling-Bereich sichergestellt werden.
Abb. 3.2 Interne Erstellung des Business Case
Eine weitere Möglichkeit zur Erarbeitung eines Business Case ist die enge Kooperation von internen Kräften mit externen Beratern. Hierbei sind die internen Ressourcen nicht nur passiv am Entstehen des Business Case beteiligt (indem sie nur befragt werden), sondern leisten einen aktiven Beitrag zur Erhebung, Analyse und Dokumentation von Fakten und Zahlen. Die externen Berater übernehmen nunmehr eine „Coach“-Funktion. Vorteilhaft bei dieser Variante ist, dass ein unmittelbarer und sehr spezifischer Know-how-Transfer stattfindet. Die interne Organisation entwickelt ein besseres Verständnis für die Kosten- und Nutzenaspekte, welche die Wirtschaftlichkeit von Projekten beeinflussen. Somit gewinnen die Mitarbeiter an Selbstständigkeit und Kompetenz, was die Konzeption von wirtschaftlich tragfähigen Lösungen anbelangt. Vor- und Nachteile dieser Form der Business-Case-Erstellung sind in Ź Abb. 3.3 gegenübergestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Vorteile
Nachteile
Know-how: Man profitiert von dem Spezialwissen der Berater.
Kosten: Es entstehen sowohl interne Kosten, als auch externe Kosten (cash-out).
Know-how: Die internen Mitarbeiter „lernen“ von den Beratern (Knowhow-Transfer). Qualität: Das „eingekaufte“ Knowhow der Berater stellt eine ideale Ergänzung zum internen Wissen der Mitarbeiter dar.
Differenzen: Die Sichtweisen von Beratern und internen Mitarbeitern können divergieren und müssen durch das Management geklärt werden.
Abb. 3.3 Gemeinschaftliche Erstellung des Business Case (extern u. intern)
Lieferanten (womit auch Hersteller gemeint sind) können ebenfalls wertvolle Unterstützung bei der Erarbeitung eines Business Case bieten. Der Lieferant ist am Verkauf seiner Produkte und Dienstleistungen interessiert und verfügt in der Regel über sehr gute Kenntnisse hinsichtlich der Nutzen- und Ertragspotentiale, die sich mit den von ihm angebotenen/hergestellten Produkten realisieren lassen. Ein weiterer Vorteil dieser Variante ist, dass Lieferanten sowohl eine solide Kompetenz für die Abschätzung der gesamten Projektkosten, als auch ein sehr gutes Gespür für die Quantifizierung der damit verbundenen Vorteile haben. Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Lieferant (in der Regel) nicht unbefangen ist. Diese „partnerschaftliche“ Vorgehensweise kann deshalb vor allem dann interessant sein, wenn eine Technologiebzw. Produktwahl vorbestimmt ist (beispielsweise aufgrund von unternehmensintern definierten Hardware- und Software-Standards). Dennoch ist ungewiss, ob der Lieferant die „Do-nothing“-Alternative angemessen würdigt. Bei der Beurteilung des Ergebnisses muss dieser Aspekt deshalb besonders beleuchtet und hinterfragt werden. Markttendenzen der letzten Jahre zeigen, dass Lieferanten im Sinne eines „Full-Service“-Gedankens ihr Dienstleistungsangebot verstärkt in Richtung Wirtschaftlichkeitsanalyse ausbauen. Sie sind dadurch in der Lage, eine professionelle Begleitung von Investitionsvorhaben über den gesamten Lebenszyklus (also beginnend mit der Idee) anbieten zu können. Vor- und Nachteile dieser Form der Business-Case-Erstellung sind in Ź Abb. 3.4 gegenübergestellt.
3.2 Wer ist an der Erstellung eines Business Case beteiligt?
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Vorteile
Nachteile
Kosten: Ein Lieferant bietet diese Dienstleistung (in der Regel) sehr kostengünstig an. Es besteht die Möglichkeit einer teilweisen Kostenanrechnung bei Auftragserteilung.
Neutralität: Die Beurteilung des Vorhabens aus Sicht des Lieferanten ist eventuell gefärbt (Interesse am Verkauf der Lösung).
Optimierung: Der Lieferant kennt alle Optionen und kann die Lösung solange maßschneidern, bis ein wirtschaftliches Kosten/Nutzen-Verhältnis entsteht. Know-How: Der Lieferant verfügt (in der Regel) über Spezialwissen bezüglich der von ihm angebotenen Lösung.
Vollständigkeit: Die „Do nothing“Alternative wird vom Lieferanten unter Umständen nicht angemessen berücksichtigt. Flexibilität: Der Business Case baut auf dem Produktsortiment des Lieferanten auf. Lösungsansätze anderer Lieferanten / Hersteller können nicht berücksichtigt werden. Man verliert Flexibilität, was die Auswahlmöglichkeiten betrifft.
Abb. 3.4 Einbeziehung des Lieferanten
In der Praxis lässt sich beobachten, dass die Entscheidung, wer einen Business Case erstellt, sehr stark vom Investitionsvolumen und vom Projektinhalt abhängt. Allgemeine Feststellungen diesbezüglich sind:
Je kleiner das Investitionsvolumen, desto eher wird der Business Case intern erstellt.
Je größer das Investitionsvolumen, desto eher wird der Business Case von externen Beratern erstellt.
Je unternehmenspolitisch sensibler das geplante Vorhaben ist, desto eher wird der Business Case von externen Beratern erstellt.
3.2 Wer ist an der Erstellung eines Business Case beteiligt? Ein aussagekräftiger und fundierter Business Case vereint betriebswirtschaftliche Voraussicht mit technischer Sachverständigkeit und stützt sich deshalb auf einer sehr breiten Wissensbasis ab. Er führt Faktenwissen und Zahlenmaterial zusammen, das aus den verschiedenen unternehmensinternen Quellen stammt. Demzufolge wird ein Business Case nie das Werk einer einzelnen Person sein. Vielmehr handelt es sich bei der Erarbeitung eines Business Case um eine „Gemeinschaftsproduktion“, an der Fachkräfte aus verschiedenen Disziplinen und Unternehmensbereichen beteiligt sind. So sind von der In-
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3 Business Case – Vorgehen
formatik-Seite neben Mitarbeitern mit technischem Background und dem Linienmanagement auch Mitarbeiter aus dem Bereich „Management Service“ involviert, die in der Regel ein wirtschaftliches Grundverständnis mitbringen. Des Weiteren werden Mitarbeiter aus dem IT-ControllingBereich hinzugezogen und in komplexen Situationen auch Fachkräfte aus der Finanzabteilung. Wenn Personalfragen adressiert werden müssen, werden Mitarbeiter aus der Personalabteilung (HR) beteiligt. Ist das Business-Case-Anliegen auf eine „Business-Initiative“ zurückzuführen (z.B. Umstellung einer Individuallösung für die Lagerbewirtschaftung auf ein SAP-System), sind außerdem Mitarbeiter des entsprechenden Fachbereichs und dessen Linienmanagement an der Erstellung des Business Case beteiligt (im erwähnten Fall wäre dies der Bereich „Supply-Chain-Management“). Für wegweisende Entscheidungen, die eventuell bereits während der Erarbeitung des Business Cases zu treffen sind, kann die Notwendigkeit bestehen, Entscheider zu konsultieren. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn einzelne Parteien unterschiedliche Auffassungen vertreten und diese nicht durch das Linienmanagement bereinigt werden können oder wenn strategische Aspekte geklärt werden müssen.
Abb. 3.5 Stakeholder bei der Erstellung eines Business Case
Die an der Erstellung eines Business Case beteiligten Stakeholder steuern entsprechend ihrem Aufgabenbereich Fakten- und Zahlenwissen bei. Damit diese Informationen zu jeder Zeit transparent und nachvollziehbar bleiben, muss sorgfältig dokumentiert werden, von wem welche Angaben stammen und wann diese gemacht wurden. In der Praxis kann man immer wieder beobachten, dass eine nachlässige Quellendokumentation schlussendlich zu gravierenden und nur schwer korrigierbaren Beeinträchtigungen der Integrität führt.
3.2 Wer ist an der Erstellung eines Business Case beteiligt?
39
Stakeholder
Art der Beteiligung
Informatik
Erhebt und quantifiziert den Informatik-Anteil der gesamten Projektkosten Steuert die „Informatik-Benefits“ bei (Nutzenaspekte, die im Bereich der Informatik zum Tragen kommen) und quantifiziert diese.
Business-Unit
Erhebt und quantifiziert den Business-Anteil der gesamten Projektkosten Steuert die „Business-Benefits“ bei (Nutzenaspekte im Geschäftsbereich) und quantifiziert diese.
Finanzabteilung / Controlling
Liefert die für die Kalkulation zu verwendenden Berechnungsfaktoren (z.B. Steuersatz, Kapitalisierungssatz) Liefert Informationen zur Behandlung von Abschreibungen (Was wird abgeschrieben und was nicht, Abschreibungsdauer, Abschreibungsmethode) Liefert Angaben zu approximierten Lohnsätzen für interne Ressourcen (z.B. durchschnittliche Jahreslöhne). Liefert Angaben hinsichtlich anzuwendender Währungen und Umrechnungskursen. Prüft oder führt die betriebswirtschaftlichen Kalkulationen durch.
Personalabteilung
Liefert Informationen über die Kosten von Neuanstellungen (Kosten für Personalagenturen, Trainings, etc.). Liefert Angaben und erarbeitet Konzept hinsichtlich Abfindungen und Kompensationen.
Abb. 3.6 Stakeholder und ihr Beitrag zur Erstellung des Business Case
Eine wichtige Basis für die erfolgreiche Zusammenarbeit aller Beteiligten ist ein einvernehmliches Rollenverständnis. Verantwortungen müssen eindeutig geregelt sein. Die beteiligten Stakeholder können bezüglich der Art der Beteiligung in drei Rollen eingeteilt werden:
Verantwortet die Erstellung: Der projektanfordernde Bereich trägt die Gesamtverantwortung für die Erstellung des Business Case. Bei einer Business-Initiative mit Informatik-Beteiligung übernehmen sowohl der jeweilige Fachbereich als auch die Informatik die Verantwortung für die Erstellung des Business Case (jeweils für ihren Anteil am Projekt). Handelt es sich um ein reines Informatik-Projekt, trägt allein die Informatik die Verantwortung.
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3 Business Case – Vorgehen
Begleitet die Erstellung: Die unternehmensinternen Dienstleistungsbereiche, wie z.B. Controlling, Finanzen und Personal, begleiten die Erstellung des Business Case und tragen Verantwortung für die von ihnen gelieferten Daten.
Entscheidet über das Projekt: Das höhere Management entscheidet über strategische Aspekte und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten. Der Business Case verbindet technische Elemente (aus der Informatik) und eventuelle fachliche Aspekte (aus dem Fachbereich) mit konkreten finanziellen Fakten und übernimmt damit eine wichtige Mittelsfunktion. Durch die Tatsache, dass der Business Case eine ganzheitliche Entscheidungsdokumentation schafft, wird er zum zentralen Bindeglied zwischen den projektanfordernden Bereichen, den projektbegleitenden Bereichen und den Entscheidern.
Abb. 3.7 Business Case als Bindeglied zwischen Unternehmensfunktionen
3.3 Wie erstellt man einen Business Case? Die Erstellung eines Business Case sollte man nicht einfach ad hoc beginnen. Ähnlich wie ein Softwareentwicklungsvorhaben, das mit einer Analyse der Anforderungen beginnt, muss man auch vor der Erarbeitung eines Business Case in einigen Punkten Vorüberlegungen treffen und Klärungen anstreben. Zum einen muss man sicherstellen, dass eventuell vorhandenen unternehmensinternen Standards Rechnung getragen wird. Zum anderen sollte man ausloten, welche „Erfolgs“-Faktoren berücksichtigt werden müssen, damit das Ergebnis des Business Case bei den Entscheidern die bestmögliche Akzeptanz erfährt.
3.3 Wie erstellt man einen Business Case?
41
Tut man dies nicht, wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Erstellung des Business Case an einen Punkt angelangen, an dem Korrekturen mit ähnlichen Konsequenzen notwendig sind, wie wir sie von der Softwareentwicklung kennen – dort ist die Behebung eines Fehlers umso aufwendiger (d.h. zeit- und somit auch kostenintensiver), je später er entdeckt wird. Das hier vorgestellte Phasenkonzept soll helfen, derartige Fehler zu vermeiden und sieht deshalb drei Phasen für die Erstellung eines Business Case vor. Die drei Phasen sind in ŹAbb. 3.8 dargestellt. In der Praxis kann man sehr oft beobachten, dass beim Einstieg in die Erarbeitung eines Business Case direkt mit der Kostenabschätzung und Nutzenerhebung begonnen wird. Sozusagen aus dem Stegreif werden Kosten und Nutzen festgelegt, ohne ein vollständiges und fundiertes Verständnis darüber, was im Rahmen des Projekts zu tun ist und wie sich die geplante Lösung zusammensetzt.
Abb. 3.8 Die drei Phasen der Business-Case-Erstellung
Ein derart direkter Einstieg in die Kosten- und Nutzenfestlegung ist nicht empfehlenswert. Vielmehr sollte zuerst ein Fundament erarbeitet werden, auf dessen Basis sich sehr präzise Anhaltspunkte für die Abschätzung der Kosten und die Quantifizierung des Nutzens ergeben. Dieses Fundament besteht aus zwei Komponenten:
Einer Planung der Aktivitäten, die im Rahmen des Projekts durchgeführt werden müssen (Projektplanung) und
einer Konzeption der technischen Systemlösung (Systembeschreibung), die sowohl die Ist-Situation als auch die Soll-Situation umfasst. In Ź Abb. 3.9 sind die inhaltlichen Details und die Abhängigkeiten dieser Ausgangsinformationen dargestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Abb. 3.9 Grundlagen für einen Business Case
Aus der systemtechnischen Beschreibung der geplanten Lösung ergeben sich wichtige Anhaltspunkte bezüglich der notwendigen technischen Bausteine, ihre Kosten und der notwendigen Arbeitsschritte zur Umsetzung der Lösung. Durch die Projektplanung ergeben sich konkrete Hinweise bezüglich des Arbeitsaufwands und der dadurch entstehenden Personalkosten. Die drei Komponenten „Projektplanung“, „Systembeschreibung“ und „Business Case“ sind also eng miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig. Das Bewertungsobjekt. Da dieses Buch von „IT-Projekten“ handelt, erscheint es sinnvoll an dieser Stelle auf eine Besonderheit der ITWirtschaftlichkeitsbeurteilung einzugehen. Diese Besonderheit resultiert aus der wachsenden Bedeutung des Produktionsfaktors „Information“, durch den sich in der betrieblichen Praxis die Herausforderungen, welche die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung des Informationseinsatzes mit sich bringen, verschärfen. Die verstärkte informations- und kommunikationstechnologische Vernetzung in den Unternehmen führt dazu, dass IT-Projekte keine isolierten Aktivitäten sind – und folglich auch nicht isoliert zu bewerten sind. Vielmehr werden die reinen IT-Investitionsaufwendungen begleitet von Maßnahmen im „Business“ zur Änderung und Anpassung der Organisation und der menschlichen Arbeit. Das Objekt der Bewertung ist also nicht die isolierte Einzelmaßnahme der IT, sondern ein ganzheitliches Maßnahmenbündel mit teilweise zeitlich verzögerten und räumlich versetzten Wirtschaftlichkeitseffekten.
3.3 Wie erstellt man einen Business Case?
3.3.1
43
Phase 1 – Initialisierung
Zweck der Initialisierungsphase ist es, grundlegende Prämissen zu identifizieren bzw. wegweisende Vereinbarungen zu treffen – frei nach dem Motto: „First define the rules, then play the game“. Aspekte, die im Vorfeld geregelt werden sollten, beziehen sich
auf die Organisation: Welche Abteilungen und welche Mitarbeiter werden wann an der Erstellung des Business Case beteiligt?
auf den Untersuchungsbereich: Von welchen Bereichen sind Kostenund Nutzenaspekte einzubeziehen (organisatorischer Scope)? Welche vorhandenen Systeme und Prozesse sind Gegenstand der Analyse (technischer Scope)?
auf das Analysemodell: Wie sind die Parameter der Wirtschaftlichkeitsberechnung definiert – die so genannten „Business-CaseEckpunkte“ (z.B. die Höhe des Kalkulationszinsfußes, der Unternehmenssteuersatz, Abschreibungsregeln)? Welche Berechnungsverfahren sollen wie angewendet werden?
auf den Betrachtungshorizont: Welcher Zeitraum wird dem Business Case zugrunde gelegt? Über wie viele Jahre soll sich die Kosten- und Nutzenanalyse erstrecken? In der Praxis werden die im Rahmen der Initialisierungsphase stattfindenden Vorabklärungen oftmals parallel während der Entwicklungsphase getätigt. Je nach Projektumfang ist dem nichts entgegenzusetzen, solange zwischen allen Beteiligten ein einheitliches Verständnis über den Untersuchungsbereich (Scope) des Business Case herrscht. Die Festlegung des Untersuchungsbereichs sollte in jedem Fall während dem Anfangsstadium der Business-Case-Erstellung getroffen werden, da von dieser Vereinbarung ein entscheidender Einfluss auf die Analysearbeit und das Nutzenpotential ausgeht. In der Regel wird vor oder während der Erstellung des Business Case eine Projektdefinition durchgeführt (Project Scoping), die Definition des Untersuchungsbereichs wird sich dann an diese Projektdefinition anlehnen. Der Handlungsrahmen einer Business-Case-Untersuchung sollte möglichst präzise durch verschiedene Dimensionen eingegrenzt werden (InScope und Out-of-Scope).
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3 Business Case – Vorgehen In Scope
Out of Scope
Divisionaler Scope
Consumer Product Division
Übrige Divisionen
Regionaler Scope
DACH-Region (Alle Niederlassungen in Deutschland, Österreich und Schweiz)
Übrige Regionen
Organisatorischer Scope
Informatik Lokales Marketing
Strategisches Marketing
Anwender-Scope
Außendienstmitarbeiter Bereichs-Manager
Call-Center-Mitarbeiter
Business-Manager Systemtechnischer Scope
Prozesstechnischer Scope
Die beiden derzeit vorhandenen und nicht kompatiblen BusinessInformations-Systeme: Sirio Teams Systemlandschaft resultierte aus einem Firmenzukauf
Integration mit HandheldGeräten
Zwei wesentliche Aspekte des Verkaufsprozesses: Field Force Management Key-Account Management Einschl. der Sub-Prozesse: Management von Prospekten, Katalogen, Produkt-Dokumentationen und Werbemitteln (einschließlich deren Abruf)
Erfassung und Bearbeitung von Spesenabrechnungen
Integration mit WebPlattformen (Internet, Intranet, Extranet) E-CommerceAnwendungen Call-CenterAnwendungen
Management von Aktivitäten, Abwesenheiten und Urlaub Gesprächs- und BesuchsReporting Abb. 3.10 Beispiel für die Definition eines Untersuchungsbereichs (CRMSystem)
3.3 Wie erstellt man einen Business Case?
45
In ŹAbb. 3.10 wird gezeigt, wie anhand von Projektmerkmalen (zum Beispiel geographisch, organisatorisch, system-technisch und prozesstechnisch) der Untersuchungsbereich definiert werden kann. Business-Case-Initialisierung – Die wichtigsten Arbeitsschritte Team-Definition: Wer ist in welcher Form an der Erstellung des Business Case beteiligt? Scope-Vereinbarung: Welche organisatorischen Bereiche und welche inhaltlichen Aspekte sollen im Rahmen der Business-Case-Erstellung untersucht werden? Eckpunkte-Vereinbarung: Welche Vorgaben sind hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsanalyse zu berücksichtigen? Welche Parameter haben einen Einfluss auf die Berechnung und wie sind diese Parameter definiert? Wahl der Kalkulationsmethode(n): Welche Berechnungsmethoden bzw. Kennzahlen werden für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit verwendet? Abb. 3.11 Arbeitsschritte der Phase „Initialisierung“
3.3.2
Phase 2 – Entwicklung
Die projektspezifische inhaltliche Arbeit am Business Case beginnt in der Entwicklungsphase. In dieser Phase werden als erstes konkrete Grundlagen für eine Kosten- und Nutzenabschätzung erarbeitet. Diese Grundlagen sind zum einen eine vorläufige und hinreichende detaillierte Projektplanung und zum anderen eine technische Konzeption der Lösung. Ist die Detailplanung abgeschlossen, erfolgt eine Zusammenstellung der Projektkosten. Anschließend werden unter Mitwirkung aller Beteiligten die Nutzenpotentiale analysiert und konkrete Nutzenaspekte erhoben und quantifiziert. Alle finanziellen Aspekte werden in ein Berechnungsmodell eingegeben, welches in einer Tabellenkalkulation abgebildet ist. Durch das Modell stehen nun erste Ergebnisse zur Verfügung, die eine wirtschaftliche Optimierung des Vorhabens aus verschiedenen Gesichtspunkten ermöglichen. Beispielsweise die Erarbeitung von prinzipiellen Ausführungsalternativen, die die Wirtschaftlichkeit verbessern oder die Identifikation von Risiko-Alternativen, die eventuell eine geringere Wirtschaftlichkeit ausweisen, dafür aber das Investitionsrisiko reduzieren. Auf Basis der Erkenntnisse, die durch den Business Case gewonnen wurden, wird schließlich eine Zusammenfassung und Empfehlung für das Management erstellt („Management Summary“), welche in die abschließende Dokumentation des Business Case einfließt. Die übergeordneten Arbeitsschritte der Phase „Entwicklung“ sind in Ź Abb. 3.12 dargestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Business-Case-Entwicklung – Die wichtigsten Arbeitsschritte Projektplanung / Systemkonzeption Erhebung und Analyse der Kosten Erhebung und Analyse des Nutzens Aufbau und Ausbau des Wirtschaftlichkeitsmodells Auswertung der Ergebnisse Sensitivitätsanalyse (und Alternativen-Entwurf) Risikoanalyse (und Alternativen-Entwurf) Strategieanalyse (und Alternativen-Entwurf) Management Summary / Empfehlung Abb. 3.12 Arbeitsschritte der Phase „Entwicklung“
Bis auf den ersten Punkt „Projektplanung / Systemkonzeption“, der in jedem Fall als erstes ausgeführt werden muss, sind die einzelnen Arbeitsschritte in ihrer chronologischen Anordnung im Prinzip variabel. Es besteht also kein Zwang, in jedem Fall exakt die dargestellte Reihenfolge einzuhalten. Die Projektthemen sind zu variantenreich und die projektspezifischen Eigenheiten zu unbestimmt, als dass sich auf der Ebene der Arbeitsschritte eine universelle und starre Vorgehensmethodik festlegen lässt. Vielmehr sind die hier aufgeführten Schritte als „Bausteine“ zu sehen, die einen möglichen sinnvollen Weg aufzeigen, im Detail aber durchaus variabel sind. In der Praxis ist die Erarbeitung eines Business Case ohnehin keine sequentiell ausgerichtete Tätigkeit – zumindest nicht auf Stufe der Arbeitsschritte. Lediglich das hier vorgestellte dreiteilige Phasenkonzept ist als methodisch verbindlich zu betrachten. Wobei insbesondere während der Entwicklungsphase eine intensive Zusammenarbeit der Stakeholder notwendig ist. Die Inhaltsaspekte werden dabei in iterativer Form kontinuierlich ausgebaut und verfeinert. Fakten werden gesammelt und konkretisiert. Aus diesen Fakten ergeben sich wieder neue Anhaltspunkte, die erneut eine Erhebung und Analyse von Fakten notwendig machen. Mit jeder Iterationsstufe erhöht sich sozusagen der „Reifegrad“ des Business Case. Bis ein Business Case fertig gestellt ist, durchläuft er in der Regel vielfache Iterationen. Die Entwicklungsphase ist der wichtigste Abschnitt für die Erstellung eines Business Case. Im Sinne einer Gesamtübersicht wird in Ź Abb. 3.13 ein sinnvolles Vorgehensmodell für diese Phase präsentiert.
3.3 Wie erstellt man einen Business Case?
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Abb. 3.13 Vorgehensmodell zur Business-Case-Erstellung
3.3.3
Phase 3 – Validierung / Qualitätssicherung
Die abschließende Prüfungsphase dient einer Gesamtbeurteilung und hat im Wesentlichen eine qualitätssichernde Funktion. Die Qualitätssicherung umschließt dabei die nachfolgend beschriebenen Schwerpunkte. In einem ersten Schritt empfiehlt es sich, die getroffenen Annahmen in ihrer Gesamtheit zu beurteilen und abschließend zu validieren. Hierzu gehört auch ein Abgleich mit anderen Projekten im Unternehmen, die sich in der Entscheidungsvorbereitung befinden oder kürzlich verabschiedet wurden. Insbesondere muss überprüft werden, ob es hinsichtlich der Nutzenaspekte zu Überschneidungen kommt. Zu klären ist die Frage, ob und in welchem Umfang eine eventuelle Mehrfachanrechnung (Double Counting) von quantifizierten Nutzenvorteilen vorliegt. Beispielsweise kann diese der Fall sein, wenn bei einem derzeit laufenden Projekt eine Reduktion der Lager um 10 % geplant ist, gleichzeitig aber auch das Projekt, für welches momentan ein Business Case erarbeitet wird, eine Lagerreduktion als Nutzen ausweist. Es muss geprüft werden, inwiefern unter diesem Kenntnisstand eine Reduktion realistisch ist? Des Weiteren müssen die für die Erstellung verantwortlichen Personen das Zahlenwerk (die in das Berechnungsmodell eingegebenen Werte) einer endgültigen Prüfung unterziehen und die Korrektheit der Dateneingabe verifizieren. Fehlerquellen verbergen sich oftmals in weniger offensichtlichen Details (beispielsweise wenn internationales Zahlenmaterial genutzt wird, ist zu prüfen, ob korrekte Umrechnungskurse verwendet wurden).
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3 Business Case – Vorgehen
Business-Case-Prüfung – Die wichtigsten Arbeitsschritte Validierung der getroffenen Annahmen Prüfung der eingegebenen Daten Abstimmung/Abgleich mit anderen Projekten Verabschiedung (Sign-off) Abb. 3.14 Arbeitsschritte der Phase „Prüfung“
Abschließend ist der endgültige Business Case den Linienmanagern der Verantwortungsbereiche (Informatik und evtl. Fachbereich) und dem Controlling zur Einverständniserklärung (Sign-off) vorzulegen.
Abb. 3.15 Übergeordnete Arbeitsschritte der Business-Case-Erstellung
3.4 Wie dokumentiert man einen Business Case?
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Dieses Kapitel hat einen gesamthaften Überblick über die Tätigkeiten gegeben, die mit der Erstellung eines Business Case verbunden sind. Für ein tiefer greifendes Verständnis der einzelnen Arbeitsschritte in den jeweiligen Phasen sind detaillierte Kenntnisse über die damit verbundenen Inhalte notwendig. Diese Kenntnisse werden im Laufe der nachfolgenden Kapitel des Buches vermittelt, weshalb an dieser Stelle die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte (noch) nicht weiter vertieft wird. Für ein besseres Verständnis des gesamten Ablaufs, sind in Ź Abb. 3.15 die Phasen der Business-Case-Erstellung mit den jeweiligen Inhaltsschwerpunkten vollständig wiedergegeben.
3.4 Wie dokumentiert man einen Business Case? Was gehört in eine Business-Case-Dokumentation? Was gehört nicht in eine Business-Case-Dokumentation? Wie sieht eine sinnvolle Inhaltsstruktur aus? Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es keinen Standard für die Dokumentation eines Business Case gibt. Je nach Unternehmenssituation und Projektumfang sind verschiedene Ausprägungen denkbar – und auch sinnvoll. Da unterschiedliche Programme bei der Erstellung eines Business Case zum Einsatz kommen, setzt sich auch die schlussendliche Dokumentation der Wirtschaftlichkeitsanalyse aus mehreren verschiedenen DokumentTypen zusammen. Üblicherweise ergibt sich eine Gesamtdokumentation aus den folgenden drei Teilen:
Dokument einer Textverarbeitung (Zusammenfassung und Detailerklärungen)
Dokument einer Tabellenkalkulation (Berechnungen)
Dokument einer Präsentationssoftware (Management-Präsentation) Die wichtigste Referenz für Außenstehende (der Personenkreis, der nicht unmittelbar an der Erstellung beteiligt ist) ist in den meisten Fällen die mit einer Textverarbeitung verfasste Beschreibung des Projekts und der Wirtschaftlichkeitsanalyse. Die Hauptkapitel dieses Dokumentationsteils sind in Ź Abb. 3.16 dargestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Abb. 3.16 Die Bausteine einer Business-Case-Dokumentation
Die im Folgenden beschriebene inhaltliche Ausführung einer BusinessCase-Dokumentation ist als „Maximalversion“ zu verstehen. Ihr Ziel ist es, die möglichen Beschreibungsaspekte in einer vollständigen Form vorzustellen und dadurch den Informationsbedürfnissen des mittleren und höheren Managements in vollem Umfang gerecht zu werden. Je nach spezifischer Projektsituation (z.B. geringes Investitionsvolumen) oder Unternehmenssituation (z.B. Vorliegen eines Standard-Templates für die Projektbeschreibung) kann der Inhalt auf Zweckmäßigkeit geprüft und entsprechend angepasst werden. 3.4.1
Management Summary
Das Management Summary erscheint zwar als erstes in der Dokumentation, wird aber erst zum Abschluss der Business-Case-Erstellung niedergeschrieben. Es fasst die wesentlichsten Erkenntnisse zusammen, die aus dem Business Case gewonnen wurden. Insbesondere werden die Analyseergebnisse zur Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zusammengefasst und eine konkrete Empfehlung für die Entscheidung ausgesprochen. Diese Empfehlung sollte begründet sein und sich auf Analyseergebnisse abstützen. Das Management Summary richtet sich an die Entscheider und sollte deshalb ihrer Sichtweise Rechnung tragen. Es sollte sorgfältig formuliert sein, damit es trotz der prägnanten Form eine kompetente Wirkung vermittelt. Das wesentliche Ziel ist, die Aufmerksamkeit der Entscheider zu gewinnen, sie für das Thema zu sensibilisieren und von der „unter-
3.4 Wie dokumentiert man einen Business Case?
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nehmerischen Vorteilhaftigkeit“ des Projekts zu überzeugen. Der Umfang des Management Summary sollte zwei Seiten nicht übersteigen.
3.4.2
Projektübersicht
In diesem Abschnitt wird das Projekt vorgestellt. Hier werden die wesentlichsten Angaben zum Projekt vermittelt, damit Entscheider sich einen Überblick über das geplante Vorhaben verschaffen können. Anliegen. Hier wird in prägnanter Form vermittelt, welche Umstände und Gründe zum vorliegenden Projektvorschlag geführt haben. Die ursächliche Motivation kann entweder aus einer Problemsituation heraus aufgekommen sein (z.B. bestimmte Defizite im gegenwärtigen operationellen Betrieb; Kundenzufriedenheit hat nachgelassen; die Effektivität des Verkaufspersonals ist verbesserungswürdig) oder das Erschließen einer Opportunität bezwecken (z.B. E-Commerce-Lösung, mit der man die Endkunden direkt ansprechen kann). Im ersten Fall soll das Problem behoben werden, im zweiten Fall soll die neue Opportunität erschlossen bzw. für das Unternehmen nutzbar gemacht werden. Wichtig ist, dass man eine ganzheitliche Betrachtung durchführt – also das Anliegen von unterschiedlichen Gesichtspunkten her beleuchtet. Dieser Punkt ist als Chance aufzufassen, die Entscheider davon zu überzeugen, dass die Business-Case-Ersteller eine kompetente Einschätzung und eine gründliche und vollständige Kenntnis über die Problemsituation bzw. die Opportunität innehaben. Projektziel. Hier werden ebenfalls in prägnanter Form die Ziele aufgeführt, die mit dem Projekt erreicht werden sollen. Von Vorteil ist an dieser Stelle, wenn man aufzeigen kann, wie die (kurz- bzw. mittelfristigen) Projektziele dazu beitragen (mittel- bis langfristige) Unternehmensziele umzusetzen. Entscheidend ist auch, dass die Projektziele in Einklang mit strategischen Überlegungen sind. Wobei sowohl strategische Gesichtspunkte oder Zielvorgaben von der Informatik, als auch von beteiligten Fachbereichen zu berücksichtigen sind. Wichtig ist bei diesem Punkt, dass den Entscheidern die Kompetenz vermittelt wird, die die Business-Case-Ersteller hinsichtlich der Umsetzung unternehmerischer Zielvorgaben und strategischer Überlegungen haben. Ausgangslage (Ist-Situation). An dieser Stelle wird ausführlicher auf die gegenwärtige Situation eingegangen. Der derzeitige Zustand wird beschrieben. Hierzu gehört vor allem auch eine Würdigung der Nachteile und Schwächen, welche an den momentanen Zustand geknüpft sind. Ein Ver-
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3 Business Case – Vorgehen
gleich zur Marktsituation im Allgemeinen oder zur konkreten Wettbewerbssituation im Speziellen kann angebracht und hilfreich sein (Wobei man es tunlichst vermeiden sollte, konkrete Mitbewerber zu nennen. Auch sollte man in keinem Fall den Fehler begehen, die Argumentation für das Projekt mit Aktivitäten von Mitbewerbern in Verbindung zu bringen. Derartige Argumentationsstützen werten viele Manager als Angriff auf die eigene Person. In jedem Fall ist eine solche Vorgehensweise unbeliebt und deshalb kontraproduktiv). Das Ziel ist, den Entscheidern aufzuzeigen, worin die Schwachstellen der gegenwärtigen Situation liegen und welchen Einfluss diese auf die Zukunft des Unternehmens haben (z.B. geringere Wettbewerbsfähigkeit, niedrigere Produktivität). Anforderungen an die Lösungsumsetzung und Zielsituation. Aufgrund der Ausgangslage und der identifizierten Ziele lassen sich nun konkrete Anforderungen für das Vorhaben und den angestrebten Endzustand ableiten. Die wesentlichsten Anforderungen sollten an dieser Stelle in Form von Stichpunkten zusammengefasst werden. Eine Anforderung beschreibt ein Merkmal, das die Lösung erfüllen muss (um das Problem zu beseitigen). Anforderungen bilden somit die Brücke zwischen der (zuvor beschriebenen) Ist-Situation und der (nachfolgend beschriebenen) Soll-Situation. Unterscheidung zwischen Zielen und Anforderungen: Ziel: Ein Ziel ist eine Antwort auf die Frage „Was soll erreicht werden?“ Ziele sind demnach erwünschte Wirkungen. Z.B.: „Der Applikations-Support in einem internationalen Unternehmen muss 24 Std. am Tag erreichbar sein.“ Anforderung: Anforderungen ergeben sich als Antwort auf die Frage „Welche Merkmale muss die Lösung aufweisen?“ Anforderungen beschreiben demnach Fähigkeiten bzw. Eigenschaften der angestreben Lösung. Z.B.: „Die Lösung muss eine programmierbare „Call-forward“-Funktion aufweisen, damit Support-Anfragen flexibel an internationale Niederlassungen umgeleitet werden können.“
Zielsituation (Soll-Situation). Basierend auf den bereits aufgezeigten Zielen wird an dieser Stelle der mit dem Projekt angestrebte Endzustand detailliert dargestellt. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine ganzheitliche Beschreibung der Lösung unter Einbeziehung der folgenden Gesichtspunkte: Prozesse, IT-Architektur, Systemkonzeption und Organisationsstruktur. Wenn es sich um ein technologisch oder organisatorisch anspruchsvolles Projekt handelt, ist es sinnvoll, die Machbarkeit/Durchführbarkeit des Projekts darzulegen.
3.4 Wie dokumentiert man einen Business Case?
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Das Ziel sollte es sein, den Entscheidern aufzuzeigen, wie die Defizite bzw. Schwachpunkte der Ausgangslage adressiert werden. Im Weiteren sollen die Entscheider ein Verständnis über den Umfang und die Auswirkungen des geplanten Vorhabens erhalten. Projektplan-Übersicht: An dieser Stelle sollte den Entscheidern ein Überblick über die wichtigsten Umsetzungsschritte (Projektphasen) und Meilensteine (Termine und erreichte Zustände) gegeben werden. Auch sollte dargelegt werden, welcher Personalaufwand (interne und externe Ressourcen) mit der Umsetzung des Projekts verbunden ist und wie die Verantwortlichkeiten geregelt sind. Das Ziel ist, den Entscheidern einen Überblick über den Weg zum Ziel und den damit verbundenen Personalbedarf zu vermitteln. Alternativen. Hier sollte aufgezeigt werden, welche prinzipiellen Ausführungs- und Lösungsalternativen möglich und sinnvoll sind. Diese können sowohl auf unterschiedliche strategische Auslegungen oder technische Möglichkeiten und Rahmenbedingungen abstellen. Es können Annahmen hinsichtlich der Entwicklung der Technologie, des Umfelds oder des eigenen Unternehmens getroffen werden. Und es kann aufgezeigt werden, wie bestimmte Konstellationen die angestrebte Lösung beeinflussen. Nicht zu vergessen ist die Unterlassungsalternative („do nothing“), auch ihre zukünftigen Auswirkungen sollten an dieser Stelle dargestellt werden. Um eine Basis für den Alternativenvergleich herzustellen, ist es empfehlenswert, anhand einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken jeder Alternative zu analysieren und stichwortartig festzuhalten. Das Ziel ist es, den Entscheidungsspielraum des Managements zu erweitern, so dass Entscheider die Möglichkeit bekommen, die aus ihrer Sicht „passende“ Variante zu wählen. Risiken. Jedes Projekt ist mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Risiken behaftet. Für die favorisierte Alternative müssen diese Risiken den Entscheidern transparent gemacht werden. An dieser Stelle sollten deshalb in detaillierter Form die Erkenntnisse einer ganzheitlichen Risikoanalyse unter der Berücksichtigung von technologischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten beschrieben werden. Hierzu gehört auch, dass Möglichkeiten der Risikominimierung aufgezeigt werden. Bei größeren Projekten ist es sinnvoll, drei Risikoalternativen auszuarbeiten und diese hier vorzustellen (high-risk, medium-risk, low-risk). Das Ziel ist es, den Entscheidern aufzuzeigen, welche Handlungsoptionen mit welchen Risiken verbunden sind, so dass das Management eine Option wählen kann, die aus ihrer Sicht vertretbar ist.
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3 Business Case – Vorgehen
Abb. 3.17 Dokumentationsinhalte aus Sicht von Informatik und Fachbereich
Die im Rahmen der Projektübersicht vorgestellten Dokumentationsinhalte können bei Projektvorhaben mit Business-Beteiligung aus zwei Sichtweisen gesehen werden. Demzufolge kann eine Beschreibung der Unterpunkte auf verschiedene Standpunkte abstellen. Zum einen können sie aus der Perspektive der Informatik betrachtet und adressiert werden und zum anderen aus der Sicht des „Business“. 3.4.3
Wirtschaftlichkeitsnachweis
Dieser Abschnitt beinhaltet alle Fakten und Informationen zu den wirtschaftlichen Gesichtspunkten des Vorhabens. Grundlagen. Hier werden Informationen zu den Business-Case-Eckpunkten (verwendete Berechnungsparameter wie z.B. Kalkulationszinsfuß) und über die Team-Zusammensetzung (Mitarbeiter, die an der Erstellung beteiligt waren) gegeben. Die Definition des Untersuchungsbereichs wird hier wiedergegeben (Was war „In-Scope“ und was war „Out-of-Scope“) und auch eine Definition darüber, welche Nutzenfaktoren berücksichtigt wurden und welche ausgeklammert wurden. Nutzen. An dieser Stelle werden alle Nutzenaspekte beschrieben, die im Rahmen der Business-Case-Erstellung identifiziert werden konnten. Zugrunde liegende Annahmen müssen hier sorgfältig und mit etwaigen Quellenangaben dokumentiert werden. Das Management muss anhand der Erklärungen nachvollziehen können, aufgrund welcher Überlegungen und Tatsachen eine Anrechnung der Nutzenfaktoren erfolgte. Weiterhin muss transparent und überprüfbar sein, wie die Quantifizierung der Nutzenaspekte zustande gekommen ist und auf welche Fakten sich diese Quantifizierung stützt. Wichtig ist vor allem, dass man sich auf die Nutzenaspekte konzentriert, die einen direkten Zusammenhang mit dem Vorhaben haben.
3.4 Wie dokumentiert man einen Business Case?
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Kosten. Hier werden die Details der Kostenkalkulation offen gelegt. Alle Kosten, die ursächlich auf das Projekt zurückzuführen sind, müssen berücksichtigt werden. Die einzelnen Kostenpositionen werden in sinnvolle Kostenblöcke gruppiert, so dass das Management eine Übersicht über die Zusammensetzung der Projektkosten bekommt. Getroffene Annahmen (z.B. durchschnittliche Firmenzugehörigkeit in Jahren im Hinblick auf zu zahlende Abfindungen) müssen hier ebenfalls sorgfältig dokumentiert sein, damit die Kostenberechnung sowohl für das Management, als auch für die Ersteller jederzeit nachvollziehbar ist. Inhalte, die in einer Business-Case-Dokumentation enthalten sein sollten Business Case – Projekt „XY“ 1. Management Summary 2. Projektvorstellung 2.1 Anliegen (Problem / Opportunität) 2.2 Projektziel (Projektvision) 2.3 Ausgangslage (Beschreibung der gegenwärtigen Situation) 2.4 Anforderungen an die Lösungsumsetzung und Zielsituation 2.5 Zielsituation (Beschreibung des angestrebten Zustands) 2.6 Projektplan-Übersicht (Etappen, Termine, Personalaufwand) 2.7 Alternativen 2.8 Risiken 3. Wirtschaftlichkeitsnachweis 3.1 Grundlagen 3.2 Nutzen 3.3 Kosten 3.4 Wirtschaftlichkeitsberechnung 3.5 Schlussfolgerungen 4. Projektdetails 4.1 Projektorganisation 4.2 Projektplan (detailliert) 4.3 Kritische Erfolgsfaktoren 4.4 Kriterien für die Erfolgsmessung (Performance Measures) Abb. 3.18 Aufbau einer Business-Case-Dokumentation
Wirtschaftlichkeitsberechnung. Hier werden die aus dem Berechnungsmodell stammenden Resultate der Kosten-und-Nutzen-Gegenüberstellung zusammengefasst und kommentiert. Die Wirtschaftlichkeit von verschiedenen Alternativen (Strategie, Technologie, Risiko) wird hier durch Kennzahlen aus mehreren Investitionsrechenverfahren direkt verglichen. An dieser Stelle kann auch eine Berechnungsübersicht aus einer Tabellenkalkulation eingefügt werden. Schlussfolgerungen. Die aus der Wirtschaftlichkeitsrechnung gewonnenen Erkenntnisse werden hier zusammengefasst. Bei Bedarf kann an
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3 Business Case – Vorgehen
dieser Stelle eine Empfehlung abgegeben werden und die Gründe, die zu dieser Empfehlung geführt haben, können detailliert beschrieben werden. 3.4.4
Projektdetails
In diesem Abschnitt werden alle Details über das Projekt vermittelt, die bisher noch nicht beschrieben wurden. Projektorganisation. Hier wird der Aufbau der Projektorganisation wiedergegeben (beispielsweise anhand eines Diagramms). Dabei sollte nicht nur die Projektgruppe selbst berücksichtigt werden (also die direkt am Projekt mitwirkenden Organisationen und Mitarbeiter), sondern auch die Projektträger. Dies sind: Auftraggeber, Sponsor(en), Gremien (z.B. Strategie) und Projekt-Steuerungsausschuss. Projektplan. Die Projektplanung wird hier detailliert beschrieben. Eingebettet in ein Phasenkonzept mit Meilensteinen sollten daraus einzelne Arbeitsschritte/Arbeitspakete und Verantwortlichkeiten ersichtlich sein. Um eine für das Management übersichtliche Gliederung der Aktivitäten zu erreichen, kann man auf einen Projektstrukturplan zurückgreifen. Kritische Erfolgsfaktoren (KEF). Hier sollte aufgezeigt werden, welche firmeninternen oder externen Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Zielerreichung haben. Neutrale Beispiele für kritische Erfolgsfaktoren sind: Knowhow der Mitarbeiter, Motivation der Mitarbeiter, Engagement des Management, klare Zielsetzungen, Einbeziehung der Betroffenen, Projektmarketing, Projektleitung, Mitarbeiter-Verfügbarkeit, Change Management etc.). Kriterien für die Erfolgsmessung (Performance Measures). Hier soll dem Management dargelegt werden, wie man beabsichtigt die Zielerreichung zu überprüfen und welche konkreten Maßnahmen diesbezüglich vorgesehen sind. Entscheidend ist hierbei die Festlegung von messbaren Kriterien, die für die Erfolgsbestimmung wesentlich sind – so genannten „Key Performance Indicators“ (KPIs). Es ist von Vorteil, wenn man an dieser Stelle dem Management aufzeigen kann, auf welche Art und Weise die den Kosten gegenübergestellten Nutzen auch tatsächlich durch das Projekt erschlossen werden sollen und wie die Erreichung bestimmter Vorgaben überprüft werden kann. Denn in der Regel weiß das Management, das sich ein Nutzen nur in wenigen Fällen „von alleine“ einstellt. Im Zuge einer nachträglichen Erfolgsmessung muss deshalb auch die Validierung der Nutzenrealisierung eingeplant werden: Sind die in der Wirtschaftlichkeitsrechnung quantifizierten Nutzenaspekte auch tatsächlich durch das Projekt realisiert worden? Das Stichwort lautet hier: „Benefit Realization“.
3.5 Wie gestaltet sich der optimale Investitionsablauf?
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Verkürzte Inhaltsstruktur für einen Business Case Business Case – Projekt „YZ“ 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Management Summary Ausgangslage / Problembeschreibung Projektbeschreibung / Lösungsbeschreibung Alternativen Bewertung und Vergleich der Alternativen Wirtschaftlichkeitsnachweis Risikoüberlegungen Resümee / Schlussfolgerungen
Abb. 3.19 Verkürzter Aufbau einer Business-Case-Dokumentation
3.5 Wie gestaltet sich der optimale Investitionsablauf? Was sind die wesentlichen Bausteine eines sinnvollen Investitionsverlaufs? Wie ist der Business Case in den Investitionsablauf eingebunden? Investitionsvorhaben sind komplexe Aufgabenstellungen, die je nach Tragweite von enormer Bedeutung für ein Unternehmen sein können. Sie bedürfen einer soliden Planung und einer gewissenhaften Ausführung, damit die Erreichung der gewünschten Absichten sichergestellt werden kann und Mehrwerte für das Unternehmen generiert werden können. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es sinnvoll ist, den Investitionsablauf in drei übergeordnete Phasen zu strukturieren:
Selektion Ausführung Kontrolle 3.5.1
Phase 1 – Selektion
Das Ziel der Selektion ist, die aussichtsreichsten Investitionsmöglichkeiten in der sinnvollsten Form zur Ausführung zu bringen. Um dieses Ziel zu gewährleisten muss eine solide und allumfassende Basis für die anstehende Entscheidung geschaffen werden. Diese Entscheidungsgrundlagen setzen sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammen: Projektdefinition (Project Scoping) Grobplanung (Gross Planning) Wirtschaftlichkeitsnachweis (Business Case)
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3 Business Case – Vorgehen
Mit der Projektdefinition werden essentielle Grundlagen für alle späteren Planungs- und Ausführungsschritte erarbeitet. Die Definition eines Projekts umfasst im Wesentlichen die Festlegung der Aufgabenstellung und die genaue Eingrenzung des Durchführungsrahmens. In diesem Sinne gibt die Projektdefinition eine Antwort auf die Frage „Um was geht es bei dem Projekt?“. Beinahe genauso wichtig ist aber auch die Beantwortung des Umkehrschlusses „Um was geht es bei dem Projekt nicht?“. Die Projektdefinition konzentriert sich auf Aspekte der Zielformulierung, auf die Abgrenzung und Festlegung des Projektinhalts und auf Beschreibung des Projektergebnisses, mit dem Ziel, eine möglichst aussagekräftige und richtungsweisende Konkretisierung des Vorhabens zu erreichen.
Abb. 3.20 Abschnitt „Selektion“ und entsprechende Arbeitsinhalte
Die Grobplanung umfasst eine erste Zeiteinteilung und Aufwandschätzung. Projektphasen werden festgelegt, der Arbeitsaufwand für die einzelnen Teilabschnitte wird geschätzt und in Form von anonymisierten Manntagen festgehalten. Es handelt sich an dieser Stelle um eine generische Ressourcenplanung auf der Basis von standardisierten Berufsbildern (Fachbereichs-Mitarbeiter, Berater, Programmierer, WebEntwickler, Datenbank-Entwickler, Supporter, Trainer, Texter, ProjektOffice-Mitarbeiter, Projektleiter, etc.). Als Planungseinheit werden Manntage (FTEs) verwendet. Das heißt, es wird festgelegt, in welchem Zeitraum wie viel Manntage von welchem Kompetenzbereich benötigt werden. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis ist das Schwerpunktthema dieses Buches. Ein solider Business Case benötigt als Fundament Angaben aus der Projektdefinition und der Grobplanung. Erst dadurch werden eine vollständige Erhebung von Kosten und Nutzen und eine stichhaltige Gegenüberstellung dieser Faktoren zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit möglich. Im Rahmen der Business-Case-Erstellung können sich Anhaltspunkte für Änderungen in der Projektausrichtung ergeben oder für Ausführungsalter-
3.5 Wie gestaltet sich der optimale Investitionsablauf?
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nativen ergeben, wobei erneut die Schritte „Projektdefinition“ und „Grobplanung“ durchlaufen werden müssen, um ausreichende Anhaltspunkte für eine Ermittlung der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit zu erhalten. In den vorhergehenden Kapiteln wurden die Teilschritte „Projektdefinition“ und „Grobplanung“ bereits im Rahmen der Business-CaseErstellung angegeben. Diese Teilschritte sind hier separat ausgewiesen, weil sie im Sinne eines vollständigen Investitionsverlaufs als eigenständige Planungsschritte anzusehen sind. Sie sollten auch dann ausgeführt werden, wenn die Erstellung eines Business Case nicht notwendig ist. Die genannten übergeordneten Tätigkeiten der Selektion sind eng aneinander gekoppelt. Sie greifen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig. Dies macht einen weitestgehend synchronen Ausbau des Entscheidungsfundaments (Scope, Grobplanung und Wirtschaftlichkeitsanalyse) notwendig. Ein zentraler Rahmen (Framework) zur Unterstützung des Investitionsabschnitts „Selektion“ ist das Portfolio Management. Dieser Rahmen beinhaltet dabei sowohl das Werkzeug an sich (die Portfolio-ManagementApplikation) als auch alle damit verbundenen Prozesse – angefangen bei der Erfassung von Projektideen, über die Bewertung und Auswahl der Ideen, bis zur Vergabe von Projektaufträgen. Die Auftragserteilung durch das Management bzw. einen internen oder externen Auftraggeber stellt im Wesentlichen den Übergang von der Selektion zur nächsten Phase – der Ausführung – dar. 3.5.2
Phase 2 – Ausführung
Das Ziel der Ausführung ist, die beschlossenen Projekte entsprechend den inhaltlichen (Projektziel) und den wirtschaftlichen (Kosten-Nutzen-Ziel) Zielvorgaben umzusetzen. Dies bedingt das enge Zusammenwirken von drei übergeordneten Arbeitsschritten: • Detailplanung • Projektrealisierung • Nutzenrealisierung Wesentliche Teile des Vorhabens werden erst nach dem Projektentscheid im Rahmen einer Detailplanung geplant. Hierzu gehört eine präzisere Arbeitspaket- und Zeitplanung mit einer konkreten Einteilung namentlich benannter Projektmitarbeiter. Das Projekt wird in Phasen eingeteilt. Teilergebnisse („Deliverables“) werden präzise definiert, als „Milestones“ terminiert und in Form von Arbeitspaketen ausführlich geplant (wobei die Genauigkeit der Planung in der Regel adaptiert wird; d.h. die
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3 Business Case – Vorgehen
konkret anstehende Phase wird detaillierter geplant als die jeweils nachfolgenden Phasen). Verantwortlichkeiten werden bestimmt und die Projektorganisation wird aufgestellt.
Abb. 3.21 Abschnitt „Ausführung“ und entsprechende Arbeitsinhalte
Im Rahmen der Projektrealisierung findet anschließend die Umsetzung der lösungsorientierten Planung statt. Einer der ersten Schritte ist in vielen Fällen die Anforderungsanalyse (Requirements Engineering) – zumindest bei reinen IT-Projekten. Je nach Projektinhalt folgen danach eine Evaluation (Produkt- bzw. Herstellerselektion), eine detaillierte Fach- bzw. Systemspezifikation, die Entwicklung bzw. Anpassung, eine Validierungsphase (Tests bezüglich Fehlerfreiheit; Prüfen der Anforderungsabdeckung), eventuell eine Systemintegration und abschließend die Einführung (Rollout; Release) der Lösung gefolgt von einer formellen Abnahme bzw. Übergabe an den Fachbereich. Die Eigenständigkeit des Work-Streams „Nutzenrealisierung“ ist eine wichtige Voraussetzung um die mit dem Projekt verbundenen Wirtschaftlichkeitsvorteile auch tatsächlich zu erreichen. Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass sich alle Nutzenaspekte in der geforderten Intensität automatisch durch die Projektumsetzung einstellen. Die Projektumsetzung ist fokussiert auf die Lösung. Bedingt durch die Komplexität und den Zeitdruck bei IT-Projekten absorbiert das lösungsorientierte Denken und Vorwärtsschreiten den Handlungsspielraum der Projektmitarbeiter nahezu vollständig. Dies hat zur Folge, dass konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Nutzenaspekte unberücksichtigt bleiben. Beispielsweise müssen verschiedenste organisatorische und technische Änderungen eingeleitet und aktiv vorangetrieben werden.
3.5 Wie gestaltet sich der optimale Investitionsablauf?
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Die Nutzenrealisierung hat aus diesem Grund sehr viel mehr mit „Change Management“ zu tun (z.B. Behavioural Change bei CRM-Projekten) als mit „Projektmanagement“. Wie auch im Investitionsabschnitt „Selektion“, laufen die übergeordneten Arbeitsschritte der Ausführung („Detailplanung“, „Projektrealisierung“ und „Nutzenrealisierung“) nicht sequentiell ab. Vielmehr sind sie eng miteinander verzahnt. Die permanenten Wechselwirkungen bedingen ein weitgehend synchrones Vorwärtsschreiten der jeweiligen Inhalte. Gelangt ein Projekt zur Ausführung, ist es Aufgabe des ProjektControllings, das Management und die Projektleitung mit adäquaten Methoden, Instrumenten und Informationen zu versorgen, die für eine erfolgreiche Projektabwicklung notwendig sind. Für die gesamte Dauer der Ausführung wird somit das Projekt-Controlling zum integrierenden Rahmen für die Planung, Steuerung und Kontrolle von Kosten, Terminen, Leistungen und den erwarteten Nutzenaspekten. Die Informationen des ProjektControlling bilden eine essentielle Basis für Kontrolltätigkeiten zum Abschluss einer Investition. 3.5.3
Phase 3 – Kontrolle
Der letzte Abschnitt im Investitionsablauf dient der Feststellung der Zielerreichung. Wurden alle Projektziele erreicht? Wurden alle Wirtschaftlichkeitsziele erreicht? Auch hier empfiehlt sich eine getrennte Nachbetrachtung und Erfolgskontrolle der lösungsorientierten Projektaspekte (Funktionalität, Kosten, Zeit, Qualität im Sinne der Anforderungen und der Fehlerfreiheit) einerseits und der Wirtschaftlichkeitsziele (erwarteter Nutzen) andererseits. Dies macht auch deshalb Sinn, weil Projektende und das Erreichen aller Wirtschaftlichkeitsziele zeitlich in der Regel nicht zusammenfallen. Einige Nutzenaspekte stellen sich erst nach und nach ein. Hierfür sind zwei Gründe anzuführen:
Zum einen müssen die aus dem Projekt resultierenden Umstellungen erst greifen.
Des Weiteren müssen im Sinne eines „Change Managements“ nach der Projektrealisierung oftmals weitere Maßnahmen und Veränderungen eingeleitet werden, um die geplanten Nutzenziele zu erreichen. In Ź Abb. 3.22 ist der Investitionsablauf in seiner Gesamtheit dargestellt.
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3 Business Case – Vorgehen
Abb. 3.22 Investitionsablauf von der Selektion bis zur Ergebniskontrolle
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
4.1 Projektkosten / Investitionskosten Was sind die gesamten Projektkosten? Welche weiteren Kosten (zusätzlich zu den Projektkosten) müssen für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt werden? Eine der ersten Fragen, bei der Erstellung eines Business Case, ist die Kostenfrage. Was kostet mich das Projekt bzw. die Investition eigentlich? Wie setzen sich die Projektkosten zusammen? Bei der Beantwortung dieser Fragen gerät man leicht in die Versuchung, den Betrachtungshorizont auf die unmittelbaren Kosten zu reduzieren, die im Zuge der Projektrealisierung anfallen. Doch ist damit die Kostenseite vollständig erfasst? Verkörpert der Finanzbedarf des Projekts bereits alle Unkosten, welche durch die Projektrealisierung festgelegt werden? Um eine fundierte, vollständige und gut strukturierte Kostenaufstellung zu erhalten, erscheint es sinnvoll, die Kostenfaktoren zu klassifizieren und elementare Differenzierungen hervorzuheben. Dies ist die Basis für eine vollständige Transparenz über die Kostenseite und unterstützt eine methodische Vorgehensweise bei der Kostenerhebung. Wie viele Investitionsvorhaben (z.B. Investitionen in Gebäude, in Maschinen oder in einen Fahrzeugpark) zeichnen sich auch IT-Projekte dadurch aus, dass nach dem Abschluss der Investition weitere Kosten anfallen, die einen ursächlichen Zusammenhang mit der Investition haben. Eine wichtige Differenzierung im Hinblick auf eine vollständige Erfassung der Kosten, die im Betrachtungszeitraum von dem Investitionsvorhaben verursacht werden, ist deshalb die Unterscheidung zwischen
einmaligen Investitionskosten (investment costs; non-recurring costs) und
laufenden Betriebskosten (running costs; recurring costs). Beide Kostendimensionen müssen bei der Ausarbeitung eines Wirtschaftlichkeitsnachweises berücksichtigt werden. Investitions- und Be-
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4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
triebskosten sind deshalb als Gesamtheit anzusehen. Nach der Einführung einer Lösung (nach Inbetriebnahme) fallen Betriebskosten an. Gesehen auf die gesamte Lebenszeit einer Lösung übersteigen die laufenden Kosten für den Betrieb der Lösung oftmals die Einführungs- und Entwicklungskosten. Es erscheint nur konsequent, dass wenn später, bei der Anrechnung der Nutzenvorteile, der Anspruch erhoben wird, alle Nutzenaspekte über den gesamten Betrachtungszeitraum einzubeziehen, gleiches auch auf der Kostenseite getan wird.
Abb. 4.1 Übergeordnete Kostenbereiche
Dies bedeutet, dass alle während des Lebenszyklus bzw. des Betrachtungszeitraumes entstehenden Aufwendungen berücksichtigt werden müssen. Erst dann ergibt sich ein verlässliches Bild über die Kostenseite und die sinnvolle Vergleichbarkeit zwischen Projektaufwand und Projektnutzen ist hergestellt. Für einen aussagekräftigen Business Case müssen deshalb neben den Projektkosten auch die Kosten des Betriebs der produktiven Lösung (Betriebskosten wie z.B. Wartung und Administration) und etwaige Kosten für die Außerbetriebnahme erhoben und quantifiziert werden.
4.1 Projektkosten / Investitionskosten
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Investitionskosten
Betriebskosten
Projektphase
Betriebsphase
Investitionskosten sind einmalige Kosten. Sie fallen während der Entwicklung und Einführung der Lösung an
Betriebskosten sind laufende Kosten. Sie fallen während des operativen Betriebs der Lösung an
Abb. 4.2 Investitions- und Betriebskosten
4.1.1
Externe und interne Kosten
Wichtige Anhaltspunkte für die Vollständigkeit der Kostenerhebung können sich weiterhin aus einer Unterscheidung der Kosten hinsichtlich ihres Ursprungs ergeben. Diesbezüglich unterscheidet man zwischen internen Kosten und externen Kosten.
Externe Kosten sind Kosten, die an Dritte (außenstehende Vertragspartner) geleistet werden müssen.
Interne Kosten sind Kosten, die innerhalb des Unternehmens anfallen. Bei den internen Projektkosten handelt es sich primär um personenbezogene Kosten – also Aufwendungen für die eigenen Mitarbeiter, die dem Projekt entweder als Vollzeitkräfte (Projektorganisation) oder zu einem bestimmten Zeitanteil (z.B. zu 50 % ihrer Arbeitszeit) zugeordnet sind. Eine weitere Kategorie von internen Kosten stellen „intern verrechnete Leistungen“ dar, die dem Projekt von internen „Service-Funktionen“ belastet werden, weil entsprechende Dienstleistungen in Anspruch genommen wurden. Hierzu gehören auch die Aufwendungen für das so genannte „Backfilling“. Diese Aufwendungen entstehen dann, wenn Mitarbeiter von anderen Abteilungen mit einer bestimmten Arbeitsintensität am Projekt beteiligt sind und die anteiligen Personalkosten dieser Mitarbeiter dem Projekt via interne Leistungsverrechnung belastet werden. Je nach Intensität der Projektmitarbeit kann es sein, dass eine andere Abteilung, die einen Mitarbeiter für das Projekt stellt, diesen Mitarbeiter durch eine externe Temporärkraft ersetzen muss. In diesem Fall werden die Kosten für die externe Arbeitskraft dem Projekt in „Rechnung gestellt“. Hier ist zu berücksichtigen, dass externe Temporärkräfte in der Regel höhere Kosten verursachen als interne Mitarbeiter. Eine dritte Kostenkategorie für interne Projektkosten sind die Infrastrukturaufwendungen (z.B. für die Benutzung von Räumen durch das Projekt), zumindest soweit sie nicht in den zuvor erwähnten Kategorien erfasst sind; d.h. wenn sie nicht über die interne Leistungsverrechnung ab-
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4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
gerechnet werden oder wenn sie nicht als Umlagen in den pauschalierten Standardsätzen für verschiedene Mitarbeiterkategorien eingerechnet wurden.
Abb. 4.3 Externe und interne Kosten – Gesamtübersicht
In der Praxis werden bei der Erstellung eines Business Case die internen Kosten für die eigentliche Projektarbeit (Aufwand in Personentagen) allzu schnell vernachlässigt, denn „sie fallen ja ohnehin an“. Es ist zwar richtig, dass ein Großteil der internen Kosten (z.B. Lohnkosten der Mitarbeiter) auch dann anfällt, wenn das Projekt nicht gemacht wird. Dennoch sind die internen Kosten aus verschiedenen Gründen relevant für eine Investitionsentscheidung:
Ein sinnvoller Vergleich der Wirtschaftlichkeit mehrerer Projekte bzw. Ausführungsvarianten eines einzigen Projektes ist nur dann möglich, wenn der vollständige Projektaufwand berücksichtigt wird. Andernfalls ergeben sich Verzerrungen im Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung, beispielsweise wenn ein Projekt einen sehr geringen externen Aufwand hat, dafür aber eine hohe interne Ressourcenbelastung. Wird dieses Projekt mit einem anderen Projekt verglichen, welches überwiegend durch externe Ressourcen bewältigt wird, ergibt sich ein vollkommen falsches Bild der Entscheidungssituation und es besteht die Gefahr, dass man „auf das falsche Pferd“ setzt.
Interne Ressourcen müssen effektiv eingesetzt bzw. genutzt werden. Entsprechend dem Opportunitätsgedanken gilt es, die wirtschaftlichsten
4.1 Projektkosten / Investitionskosten
67
Projekte zu selektieren und durchzuführen. Die tatsächliche Wirtschaftlichkeit eines Projekts erkennt man jedoch erst dann, wenn alle durch das Projekt verursachten Aufwendungen berücksichtigt werden.
Der interne Aufwand wird entweder direkt oder indirekt (über so genannte „Service-Charges“) einem spezifischen Projektkunden oder allgemein den Kunden der Informatik weiterverrechnet. Die internen Kosten müssen deshalb im Vorfeld transparent sein und der Kunde eines Projektes muss eine Entscheidung für oder gegen ein Projekt unter Kenntnis der vollen Kosten treffen können. Während die externen Kosten in der Regel deutlich erkennbar sind und bereits in quantifizierter Form vorliegen (Angebote der Lieferanten bzw. Dienstleister), gestaltet sich in der Praxis die vollständige Erfassung und die realistische Einschätzung der internen Kosten etwas problematischer. Diesbezügliche Fragestellungen sind:
Welche Mitarbeiter sind in welchen Projektphasen und in welchem zeitlichen Umfang beteiligt?
Was ist ein sinnvoller Tages- bzw. Stundensatz für diese Mitarbeiter? Wie können Primär- und Sekundärkosten (Umlagen; z.B. für einen Arbeitsplatz mit Computer und Netzwerkanschluss) angemessen für eine Durchschnittslohnberechnung herangezogen werden?
Müssen Abfindungen an Mitarbeiter bezahlt werden? Welche Mitarbeiter verlassen das Unternehmen tatsächlich und welche finden neue Stellen im Unternehmen?
Wie viele Reisen sind für die Projektumsetzung notwendig, wie lange dauern diese und wie viele Mitarbeiter nehmen daran teil?
Welche Umrechnungskurse werden bei Kosten in internationalen Niederlassungen verwendet?
Werden die Mitarbeiter des Projektteams durch andere Mitarbeiter ersetzt („Backfill“)? Falls ja, in welchen Fällen entstehen dadurch „Backfill-Kosten“ und wie hoch sind diese Kosten anzusetzen? Typische externe und interne Kosten, die im Rahmen IT-Investitionen anfallen, sind in Ź Abb. 4.4 aufgeführt.
von
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4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Externe Kosten
Interne Kosten
Externe Kosten werden dem Unternehmen von außenstehenden Vertragspartnern in Rechnung gestellt.
Interne Kosten fallen im Unternehmen an und werden im Rahmen von internen Leistungsverrechnungen oder Zahlungen an Mitarbeiter erbracht.
Kosten für Dienstleistungen Kosten für Consulting / Beratung Kosten für Programmierungen Kosten für die Installation Kosten für Schulungen / Trainings Weitere IT-Dienstleistungskosten (z.B. Erstellen von Dokumentationen) Reisekosten Kosten für die Neueinstellung von Mitarbeitern Kosten für Anschaffungen Kosten für Softwarelizenzen Kosten für Hardware Kosten für Daten
Personalkosten (Primärkosten) Löhne & Gehälter Kosten für interne Schulungen / Trainings Abfindungen Interne Kosten für die Neuanwerbung von Mitarbeitern. Kosten für „Backfill“ (wenn Mitarbeiter des Projektteams durch andere Mitarbeiter ersetzt werden müssen; z.B. damit das Tagesgeschäft nicht beeinträchtigt wird). Anteilige Kosten für Mitarbeiter eines „Projekt-Office“, die administrative Tätigkeiten für das Projekt erledigen. Personalkosten (Sekundärkosten) Arbeitsplatz-bezogene Umlagen (z.B. anteilige Kosten für Büroeinrichtung, Gebäudeumlage, Energiekosten, etc.) IT-bezogene Umlagen (z.B. PC oder Notebook, E-Mail, Speicher, Netzwerk-Anschluss, etc.) Intern verrechnete Leistungen Leistungen (Charged Services) von internen Service-Funktionen Infrastrukturkosten Raumkosten (z.B. für Meetings und Schulungen) Arbeitsplatzkosten (werden in der Regel als Sekundärkosten direkt den Löhnen und Gehältern zugeschlagen).
Abb. 4.4 Externe und interne Kosten – Detailübersicht
Die Transparenz der internen Kosten wird etwas vereinfacht, wenn ein Team „hauptamtlich“ für das Projekt abgestellt wird, die Mitarbeiter also ihre volle Arbeitszeit der Projektrealisierung widmen können. Die vollständige Bandbreite der Kostenseite eines IT-Investitionsvorhabens wird in Ź Abb. 4.5 gezeigt.
4.2 Einmalige Kosten (Investitionskosten)
69
Abb. 4.5 Zeitliche und sachliche Abgrenzungen zur Kostendifferenzierung
4.2 Einmalige Kosten (Investitionskosten) Welche Kostenkomponenten gehören zu den Investitionskosten? Wie kann man die Investitionskosten vollständig ermitteln? Bei einem IT-Projekt verkörpern die leicht bezifferbaren Kosten für den Kauf von Hard- und Software in der Regel nur einen kleinen Teil der gesamten Projektkosten. Weitere technische Kostenkomponenten, die einen größeren Anteil der Gesamtkosten ausmachen, sind Anpassungs-, Installations-, Integrationsund Administrationskosten, zu denen auch die jeweiligen Aufwendungen für Consulting-Leistungen gehören, falls solche Dienstleistungen in Anspruch genommen wurden. Will man die vollständigen Projektkosten berechnen, so muss man neben den eher technischen Kostenblöcken auch die organisatorischen Aufwendungen beachten. Dies sind zum Beispiel Kosten für Schulungen, Kosten für Reisen der Projektbeteiligten, Kosten für die Neueinstellung von Mitarbeitern, Aufwendungen für Abfindungen etc. Die übergeordneten Kostenfaktoren eines IT-Vorhabens lassen sich in die Kategorien:
Arbeits- bzw. Dienstleistungsaufwand, Investitionen und sonstige Kosten einteilen. In Ź Abb. 4.6 sind diese Kosten detaillierter aufgeschlüsselt.
70
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Sachbezogene Investitionskosten Arbeits- bzw. Dienstleistungsaufwand Aufwendungen für Beratung / Consulting Aufwendungen für die Anforderungsanalyse Aufwendungen für Entwicklung / Programmierung Aufwendungen für externe Mitarbeiter Aufwendungen für Software- und Hardware-Anpassungen Aufwendungen für die Implementierung Aufwendungen für das initiale Frontend bzw. Client-Engineering und die Software-Verteilung Aufwendungen für die Einführung / Installation (Roll-out) Aufwendungen für die Schulung der technischen Mitarbeiter Aufwendungen für die Schulung bzw. Einweisung der Anwender Investitionen Software-Lizenzen Hardware-Anschaffungen (z.B. Entwicklungs-, Test- und Produktiv-Umgebung) Aufwendungen für die Einrichtung von Arbeitsplätzen oder Gebäuden Sonstige einmalige Kosten Unkosten für die vorzeitige Auflösung/Kündigung von Leasing-Verträgen, Wartungsverträgen und Outsourcing-Verträgen Reisekosten Abb. 4.6 Beispiele für sachbezogene Investitionskosten
Wenn es sich bei dem Investitionsvorhaben um ein „Gemeinschaftsprojekt“ handelt, das von der Informatik für einen „Partner“ durchführt wird (also ein Projekt, bei dem sowohl die IT-Abteilung als auch ein Fachbereich beteiligt sind), so ist es methodisch sinnvoll eine Differenzierung zwischen IT-Kosten und Business-Kosten vorzunehmen. „BusinessKosten“ sind diejenigen Kosten, die auf der Fachbereichsseite entstehen – also beim internen Kunden der Informatik. Diese Unterscheidung ist für eine vollständige Kostenerhebung hilfreich, führt zu einer transparenten Kostenkalkulation und erhöht die spätere Nachvollziehbarkeit:
Welche externen und internen Kosten entstehen auf Seiten der Informatik?
Welche externen und internen Kosten entstehen auf der Business-Seite?
4.2 Einmalige Kosten (Investitionskosten)
71
Abb. 4.7 Kostenkategorien
Betrachten wir als Beispiel ein Projekt, mit dem das Ziel verfolgt wird, die bisher uneinheitlichen Geschäftsprozesse von verschiedenen Niederlassungen in einer Region zu harmonisieren und sinngemäß auch die den jeweiligen Prozessmodellen zugrunde liegenden technischen Infrastrukturen (Applikationen, Server und Datenbanken) zu vereinheitlichen. Typische „Business-Kosten“ in einem solchen Projekt sind Aufwendungen für BPR (Business Process Reengineering) und Aufwendungen für die Einrichtung von so genannten „Shared Service Centers“. Bei einem „Shared Service Center“ handelt es sich um unterstützende Geschäftsfunktionen (z.B. Finanzbuchhaltung, Auftragsabwicklung), die bis anhin dezentral ausgeführt wurden und nun an einer Lokalität zusammengefasst werden sollen. Bei der Einrichtung eines „Shared Service Centers“ entstehen neben den typischen IT-Aufwendungen auch Kosten für Gebäude bzw. Räume (neue Büroräume, neue Arbeitsplätze) und personenbezogene Aufwendungen, wie z.B. die eventuelle Relokation von Mitarbeitern oder Kosten für Neueinstellungen. Derartige Kosten entstehen meistens im „Business“, können aber auch auf der IT-Seite vorkommen.
72
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Personenbezogene Investitionskosten (HR-Costs) Aufwendungen für Verbleibe-Boni (Retention bonus) Umzugskosten und Verlegekosten (Relocation costs) Abfindungen (Severance payments) Kosten für Früh-Pensionierungen (Retirement costs) Kosten für die Einlernung von Mitarbeitern nach einem Job-Wechsel (Re-Training costs) Personalvermittlungskosten (als Angebot für Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen) Personalvermittlungskosten für die Anwerbung neuer Mitarbeiter (Recruitment costs) Bonuszahlungen (für Projektteam-Mitglieder; z.B. bei erfolgreicher Projektabwicklung) Abb. 4.8 Beispiele für personenbezogene Investitionskosten
Neben den sachbezogenen Investitionskosten müssen insbesondere auch die reinen personenbezogenen Kosten in der Kalkulation berücksichtigt werden. Vor allem bei Projekten, die zu organisatorischen Veränderungen führen, entstehen Kosten im Bereich „Human Resources“. Beispielsweise für den Umzug von Mitarbeitern oder Abteilungen, für zu leistende Abfindungen oder für Personalvermittlungsagenturen um neue Mitarbeiter anzuwerben. Entsprechende Modelle und Annahmen für die Quantifizierung dieser Kostenfaktoren müssen gemeinschaftlich mit der Personalabteilung (HR-Abteilung) ausgearbeitet werden.
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten) Welche Kostenkomponenten gehören zu den Betriebskosten? Wie kann man die Betriebskosten vollständig ermitteln? Je größer der Nutzen eines Systems ist, desto länger wird es eingesetzt werden und desto höher werden die Kosten bezogen auf die gesamte Lebensdauer sein. Während sich die Kosten bis zur Einführung einer Lösung (Projektkosten) in vielen Fällen recht solide und präzise ermitteln lassen, ist die Identifikation und Quantifizierung der laufenden Kosten (Betriebskosten) etwas aufwändiger und in der Regel auch mit größeren Unsicherheiten behaftet.
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten)
73
Betriebskosten Applikationskosten (Software) Kosten für Administration, Wartung, Unterhalt und Pflege Kosten für das Monitoring Kosten für den Anwender-Support Kosten für den Enhancement-Support (geringfügige Funktionsanpassungen) Kosten für Updates und die damit verbundene Software-Verteilung Kosten für die Schulung von Technikern und Entwicklern Kosten für Applikationsschulungen der Anwender Kosten für Software-Wartungsverträge bzw. Update-Verpflichtungen Kosten für Lizenzgebühren (z.B. bei jährlicher Fälligkeit oder bei Lizenzen, die an die Benutzerzahl oder an eine CPU gebunden sind) Kosten für externen Support bzw. Supportverträge Plattformkosten (Hardware) Kosten für Rechenleistung (Produktivumgebung, Testumgebung, Entwicklungsumgebung) Kosten für Datenspeicherung (ggf. redundante Speicherung) Kosten für Daten-Backup Kosten für Daten-Archivierung Kosten für die Vorhaltung einer ausfallsicheren Lösung (bezüglich Rechenleistung, Datenverfügbarkeit und Datenspeicherung) Kosten für Datenschutzmaßnahmen Kosten für Hardware-Wartungsverträge Re-Investitionen, die während des Lebenszyklus notwendig werden Allgemeine Kosten Kosten für Löhne und Gehälter von neu eingestellten Mitarbeitern Laufende Kosten für Arbeitsplätze, Büroräume und evtl. Gebäudekosten (Miete, Leasing) Laufende Kosten eines Outsourcing-Vertrags (zum Beispiel, wenn Teile des lösungsspezifischen operativen Betriebs ausgelagert werden) Kosten für externe Service Provider (Web-Hosting, Application-Hosting oder ASP (Application Service Providing) Anteilige Sekundärkosten (z.B. des Datacenters) Anteilige Kosten für Datenleitungen bzw. den verursachten Datenverkehr Abb. 4.9 Typische Betriebskosten
Die isolierte Bewertung der Betriebskosten einer IT-Lösung ist in vielen Fällen nicht möglich und im Rahmen einer Business-Case-Erstellung auch
74
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
nicht ohne weiteres sinnvoll. Deshalb erfolgt die Betriebskostenerhebung mit dem Ziel, die Kosten der neuen Lösung inkrementell zum bestehenden Ist-Zustand festzustellen. Es wird also die relative Veränderung der Betriebskosten ermittelt („Betriebskosten-Delta“). Werden im Rahmen eines Projektes neue Mitarbeiter eingestellt und neue Büroräumlichkeiten benötigt, so sind auch die dadurch entstehenden laufenden Kosten als Betriebskosten anzusetzen. Es kann sich dabei um Aufwendungen für Miete oder Leasing von Gebäudeteilen handeln, um die laufenden Arbeitsplatz-Kosten und um die durchschnittlich zu leistenden Löhne und Gehälter. Für die Ermittlung der Betriebskosten kann eine Betrachtung nach dem Prinzip der „End to End-Services“ wichtige Aufschlüsse geben. Bei einer „End-to-End-Betrachtung“ hinsichtlich der Betriebskosten geht man davon aus, das Kosten auf verschiedenen Ebenen der Informatik-Dienstleistungsarchitektur anfallen:
Die Ebene, die am weitesten vom Endanwender entfernt ist, ist dabei der Datacenter-Bereich. Im Datacenter eines Unternehmens stehen die verschiedenen Server, die für den Betrieb der Informatik benötigt werden (Database-Server, Web-Server, Application-Server, Backup-Server, Monitoring-Server, etc.).
Eine weitere Ebene – der Netzwerk-Bereich – übernimmt die Vermittlung zwischen Datacenter und Endanwender. Über WAN- und LAN-Leitungen und der damit verbundenen Hardware werden die Daten von Applikationen oder Anwendern transportiert.
In der Ebene „Applikationsbetreuung“ sind alle Tätigkeiten und Kosten zusammengefasst, die mit dem Unterhalt einer Applikation verbunden sind. Dies sind im Wesentlichen Administrationsaufwendungen (z.B. Berechtigungsvergabe) und Wartungskosten (z.B. Updates, Wartungsverträge).
Der Bereich „Distributed Computing“ repräsentiert schlussendlich die Endkunden-Umgebung. In diesem Bereich sind alle Gerätschaften und Anschlüsse zusammengefasst, mit denen der Endanwender Kontakt hat (PC, Netzwerk-Anschluss am PC, Standard-Applikationen auf dem PC, E-Mail-Dienst, Arbeitsplatz-Drucker, Netzwerk-Drucker, NetzwerkKopierer, Scanner, Voice-over-IP-Telefon, Spezial- bzw. BusinessApplikationen, Barcode-Erfassungsgerät, etc.). Die hier aufgezeigte „End-to-End“-Differenzierung in drei Kernbereiche der Informatik-Infrastruktur stellt eine Basis für die strukturierte Erhebung der Betriebskosten dar. Je nach Gegenstand und Umfang des Investitions-
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten)
75
vorhabens kann ein Bereich mehr oder weniger relevant sein oder sogar von der Analyse ausgeklammert werden.
Abb. 4.10 Nutzenrelevante Ebenen der IT-Dienstleistungsarchitektur
Ausgangspunkt für die Erhebung der Betriebskosten nach dem vorgeschlagenen Ebenen-Modell sind sinngemäß die folgenden Fragen:
Welche Betriebskosten entstehen im Bereich „Applikationsbetreuung“? Welche Betriebskosten entstehen im Bereich „Datacenter“? Welche Betriebskosten entstehen im Bereich „Netzwerk“? Welche Betriebskosten entstehen im Bereich „Distributed Computing“? Die vollständige Beantwortung dieser Fragen ist in der Praxis durchaus als Herausforderung anzusehen. Ein großer Teil der Schwierigkeit liegt darin, dass Betriebskosten nur anteilsmäßig einer Lösung belastet werden
76
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
können – und eben die Feststellung des „richtigen“ Kostenanteils von verschiedenen Faktoren abhängt (z.B. wie viel Datenverkehr verursacht eine Lösung in welchen Netzwerkbereichen und welcher Betriebskostenanteil an der Netzwerkinfrastruktur ist deshalb der Lösung zuzuschlagen). Dienstleistungsebene
Kostenfaktor
Applikationsbetreuung
Anwender-Support Anwender-Administration (z.B. Berechtigungsvergabe) Wartungsverträge Updates
Datacenter
Rechenleistung Datenspeicher (Storage) Monitoring (von Servern, Datenspeichern und anderen Geräten) Backup Archivierung Datenschutz Ausfallsichere Lösung (Rechenleistung und Datenspeicher) Personal- und Arbeitsplatzkosten Gebäudekosten / Raumkosten / Energiekosten
Netzwerk
LAN (Leitungen, Geräte, Datensicherheit) WAN (Leitungen, Geräte, Datensicherheit) Netzwerk-Monitoring Personal- und Arbeitsplatzkosten Gebäudekosten / Raumkosten / Energiekosten
Distributed Computing (End-User Computing)
Endkunden-Support Gerätekosten auf der Endkunden-Seite (PC, Drucker, etc.) Personal- und Arbeitsplatzkosten Gebäudekosten / Raumkosten / Energiekosten
Abb. 4.11 Kostenfaktoren der IT-Dienstleistungsarchitektur
4.3.1
Identifizierung der Kostentreiber
Ausgehend von dem vorgeschlagenen Ebenen-Modell wird eine weitere Aufschlüsselung und Konkretisierung der potentiellen Betriebskosten
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten)
77
durch die Bestimmung der ebenen-spezifischen Kostentreiber möglich. Eine sinnvolle Ausgangsbasis für die Ermittlung der projektspezifischen Kostenverursacher ist eine generische Aufstellung der Kostentreiber in den jeweiligen Ebenen der Dienstleistungsarchitektur. Durch eine hierarchische Gliederung der Kostentreiber im Sinne einer Ursachen-Wirkungsbeziehung erfolgt eine schrittweise Aufschlüsselung der kostenverursachenden Faktoren um konkrete Anhaltspunkte für Kostenberechnungen zu erhalten. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise kann man eine Betrachtungstiefe erreichen, die
eine vollständige Erfassung aller potentiellen Kostenverursacher ermöglicht und
ausreichende Anhaltspunkte für eine verlässliche Quantifizierung der gesamten Betriebskosten bietet. Aus den folgenden generischen Kostenblöcken ergibt sich ein großer Teil der Betriebskosten für eine Lösung: Eigentlicher Betrieb (Core-Operations): Andauernde, d.h. unterbrechungsfreie Aktivitäten (z.B. Monitoring). Wartungsarbeiten (Maintenance): Zeitlich unregelmäßige Aktivitäten bei Funktionsstörungen. Oder entsprechende Präventiv-Maßnahmen (z.B. Patches, Upgrades mit dem Ziel der Stabilisierung). Erweiterungen (Enhancements): Geringfügige Erweiterungen bei Hardware und Software, mit dem Ziel die Funktionalität im Rahmen des operativen Betriebs auszubauen. Unterstützung (Support): Permanente unterstützende Dienstleistungen für Hard- und Software-Support. Diese Aktivitäten werden in der Praxis dem Dachbegriff „Operations“ zugeordnet.
Ebene „Datacenter“. Wesentliche Kostenfaktoren im Bereich des Rechenzentrums ergeben sich durch die Bereitstellung der Datenspeicher (Storage) einschließlich Backup, durch die Bereitstellung von Rechenleistung (Server) einschließlich Backup und durch das Überwachen (Monitoring) der Verfügbarkeit von Speicher und Rechenleistung. Weitere Kostentreiber resultieren aus der Inanspruchnahme von verschiedenen Dienstleistungen rund um das Rechenzentrum und durch Aufwendungen die mit der Gebäudeinfrastruktur in Verbindung stehen.
78
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Abb. 4.12 Kostentreiber-Hierarchie – Ebene „Datacenter“
Ein Beispiel für eine Datacenter-Kostentreiber-Hierarchie ist in Ź Abb. dargestellt.
4.12
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten)
79
Abb. 4.13 Kostentreiber-Hierarchie – Ebene „Netzwerk“
Ebene „Netzwerk“. Wesentliche Kostentreiber im Bereich der Netzwerkinfrastruktur sind das Local-Area-Network (LAN) und das Wide-AreaNetwork (WAN). Durch die Installation und Aufrechterhaltung dieser Kommunikationskanäle ergeben sich hohe Kosten in Bezug auf Leitungen und Gerätschaften und die laufende Überwachung (Monitoring) der Be-
80
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
triebsbereitschaft. In Ź Abb. 4.13 wird ein mögliches Beispiel für eine Aufschlüsselung der Kostentreiber-Hierarchie in der Ebene „Netzwerk“ gezeigt. Je nachdem welche der gezeigten Kostenbereiche für ein Investitionsvorhaben relevant sind, erfolgt eine vertiefende Betrachtung der entsprechenden Bereiche.
Abb. 4.14 Kostentreiber-Hierarchie – Ebene „Distributed Computing“
Ebene „Distributed Computing“. Wesentliche Kostenfaktoren für die Betriebskosten im Endanwender-Bereich sind der Help-Desk (1st level
4.3 Laufende Kosten (Betriebskosten)
81
Support) und der nachgeschaltete Support (2nd level Support). Weitere Service-Funktionen für E-Mail, Directory und Application Service Providing über Terminal-Lösungen (z.B. Citrix) sind Kostenverursacher auf der Endanwender-Seite. In ŹAbb. 4.14 sind die wichtigsten Kostentreiber dargestellt. 4.3.2
Berücksichtigung von Re-Investitionen bei den Betriebskosten
Die durch eine Investition verursachten laufenden Kosten werden oftmals nur für eine Periode erhoben und dann als Basis für die Folgejahre angesetzt (bestenfalls erfolgt eine Extrapolation der Einjahreszahlen unter Berücksichtigung von Inflationsentwicklungen und/oder „OrganicGrowth“-Aspekten). Ein Sachverhalt, welcher bei der Ermittlung der laufenden Kosten oftmals unberücksichtigt bleibt, ist die Notwendigkeit von anti-zyklischen Re-Investitionskosten.
Abb. 4.15 Differenzierung der Betriebskosten
In Bezug auf die Informatik sind mit Re-Investitionskosten die Aufwendungen gemeint, die durch lebenszyklus-bedingte Ersatzbeschaffungen für Hardwarekomponenten verursacht werden (so genannte „life-cycle replacements“). Beispielsweise wenn nach einer bestimmten Einsatzzeit die Ausfallgarantie des Herstellers für einen Server entfällt und dieser deshalb ersetzt wird (um z.B. höhere Kosten für einen Wartungsvertrag zu vermeiden). Oder wenn ein Hersteller den Support für ein Gerätemodell einstellt und deshalb ein Gerätewechsel notwendig ist. Derartige anti-zyklische Re-Investitionen können im Bereich der Informatik bei bestimmten Hardwarekomponenten bereits nach einer Einsatzzeit von 3-5 Jahren anfallen. Soweit Re-Investitionskosten bereits bei der Erstellung eines Business Cases absehbar sind, müssen diese in jedem Fall in der Wirtschaftlichkeitsberechnung (als Betriebskosten) berücksichtigt werden.
82
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Je nach Projektgegenstand ist die Re-Investition von geringer oder größerer Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens. Ausschlaggebender Faktor ist dabei die „Hardware-Intensität“ eines Investitionsvorhabens. So stellt zum Beispiel bei Storage-, Backup- oder Archivierungsprojekten der Hardware-Anteil den größten Kostenblock dar. Auch Netzwerk-Projekte zeichnen sich typischerweise durch einen sehr hohen Hardware-Anteil aus. Hier müssen die Implikationen, die sich durch ReInvestitionen ergeben, in jedem Fall detailliert analysiert und in quantifizierter Form als Betriebskosten angesetzt werden (periodengerecht; das heißt, in den jeweiligen Jahren, in denen Re-Investitionen notwendig sind). 4.3.3
Kosten für den Parallelbetrieb während der Migrationsphase
Ist es das Ziel des Investitionsvorhabens, eine oder mehrere vorhandene Lösungen abzulösen, so stellt sich bei der Betriebskostenerhebung auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt die existierenden Lösungen außer Betrieb genommen werden. In der Praxis unterscheidet man diesbezüglich drei Einführungs-Szenarien:
Schlagartige Einführung (big-bang) Stufenweise Einführung Parallellaufende Einführung Nur bei der erstgenannten Einführungsart ergibt sich eine sofortige oder zumindest rasche Entlastung bei den Betriebskosten der vorhandenen Lösung (die bestehende Lösung wird meistens als „Fallback-Solution“ für einen kurzen Zeitraum aufrechterhalten). Die beiden letztgenannten Einführungsarten führen in jedem Fall zu deutlich höheren Betriebskosten während der Übergangszeit, da die bestehende und die neue Lösung parallel betrieben werden. Beispielsweise wird die Einführung einer IP-Telephony-Lösung („Voice over IP“) in der Regel in mehreren Etappen durchgeführt. Während dieses Zeitraums werden sowohl das bisherige Sprachnetz als auch das neue Datennetz inklusive der jeweiligen Infrastruktur parallel betrieben. Je nach Projektgegenstand ist die Dauer des Parallelbetriebs unterschiedlich lang. Wobei eine Zeitspanne von einem Jahr oder sogar zwei Jahren durchaus nicht unüblich ist (beispielsweise bei der Ablösung von CRM-Systemen).
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
83
Abb. 4.16 Relativer Anteil der Betriebskosten bei einer Systemablösung
In Ź Abb. 4.16 ist die relative Verteilung der Betriebskosten in einem Migrationsszenario (bestehende Lösung wird durch neue Lösung abgelöst) dargestellt. Während der Entwicklung fallen bereits Betriebskosten für die neue Lösung an (z.B. Entwicklungs- und Testumgebung). Die Betriebskosten der neuen Lösung nehmen dann schrittweise einen größeren Anteil an den gesamten Betriebskosten, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die bestehende (jetzt „alte“) Lösung vollständig aus dem Betrieb genommen wird und nur noch Kosten für die neue Lösung entstehen. Die Einführungsstrategie hat einen direkten Einfluss auf die Betriebskosten und kann sich deshalb indirekt auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts auswirken. Während der Projektrealisierung (insbesondere in den Phasen Entwicklung und Einführung) verursacht der Parallelbetrieb von beiden Lösungen signifikant höhere Betriebskosten. Erst dann, wenn der Betrieb der bestehenden („alten“) Lösung eingestellt wird, ergeben sich die erwarteten Einsparungen in vollem Umfang. Es ist von Vorteil, wenn man unter Berücksichtigung der momentanen Betriebsaufwendungen (dazu gehören auch die Abschreibungen) einen Migrationsplan erstellt, der die wirtschaftlichste Einführung einer neuen Lösung gewährleistet und die Phasen der Außerbetriebnahme der bestehenden Lösung eindeutig regelt und terminiert.
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen Was ist der Gesamtnutzen eines Projekts? Welche Vorgehensweise stellt eine vollständige Erhebung des Nutzens sicher? Welche Möglichkeiten gibt es, um Nutzenvorteile zu quantifizieren? Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass für die Identifizierung der Kostenaspekte durchaus solide
84
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Anhaltspunkte und Methoden zur Verfügung stehen. Die Frage nach dem Nutzen, der diesen Kosten gegenübersteht ist, ist aus verschiedenen Gründen wesentlich schwieriger zu beantworten:
Die durch Informationstechnik erreichten Verbesserungen sind nur selten auf den ersten Blick offensichtlich.
Die durch IT-Lösungen erbrachten Leistungen sind oftmals innerbetriebliche Leistungen und führen deshalb nicht zu Einnahmen im Sinne des betriebswirtschaftlichen Ertragsbegriffs. Sie stehen nicht unmittelbar mit Einnahmen und Erlösen des Unternehmens in Zusammenhang.
Aussagen über die mit einem Projekt erwarteten zusätzlichen Erträge (Umsatzsteigerung) sind mit Unsicherheiten behaftet, denn sie sind zum einen kaum beeinflussbar und zum anderen sehr stark von den Reaktionen des Marktes abhängig.
Viele Nutzenvorteile entstehen durch die Optimierung von Geschäftsabläufen (Prozessen), durch Produktivitätssteigerungen und durch Veränderungen der Kapitalintensität (Verringerung des Umlauf- und Anlagevermögens). Derartige Auswirkungen sind in vielen Fällen nur schwer messbar. Eine der wichtigsten und gleichzeitig auch schwierigsten Aufgaben der Business-Case-Erstellung ist deshalb die Identifizierung aller Einsparpotentiale und Umsatzauswirkungen eines Projektvorschlags. Die in Frage kommenden Nutzenpotentiale müssen anschließend quantifiziert und in monetäre Größen übersetzt werden. Ähnlich wie bei der Betriebskosten-Erhebung geht man auch beim Nutzen in den meisten Fällen von inkrementellen Veränderungen aus, das bedeutet, dass die Nutzenvorteile relativ zum bestehenden Ist-Zustand – also inkrementell – festgehalten werden Das Vorgehen für die Nutzenerhebung kann in der einfachsten Form als dreistufiger Prozess angesehen werden, der mit einer Identifizierung der Nutzenpotentiale beginnt. Da die meisten Nutzenvorteile nicht direkt finanziell ausgedrückt werden können (z.B. Produktivitätssteigerungen), müssen anschließend Messkriterien festgelegt werden, die eine Quantifizierung des Nutzens ermöglichen. Dadurch entsteht eine Basis für die Umrechnung in einen finanziellen Wert. In Ź Abb. 4.17 sind diese Prozessschritte wiedergegeben.
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
85
Abb. 4.17 Prozess zur Festlegung des Nutzens
Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass in vielen Fällen eine kleine Anzahl von Faktoren einen maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer IT-Investition ausübt. In Anlehnung an die 80:20-Faustregel (Pareto-Prinzip), kann man folgende Gegebenheiten festhalten:
Ein Großteil des Nutzenpotentials ergibt sich aus einigen wenigen Nutzenaspekten (Oftmals ergibt sich durch 30 % der Nutzenfaktoren ein Anteil von 70% am gesamten monetär bewertbaren Nutzenpotential).
Die verbleibenden Nutzenfaktoren wirken sich demnach nur noch zu etwa 30% auf den Gesamtnutzen aus. Eine systematische Eingrenzung der Einflussfaktoren hinsichtliche ihrer finanziellen Auswirkungen ist deshalb empfehlenswert. Der Detaillierungsgrad der Analyse kann dann so lange erhöht werden, wie der damit verbundene Aufwand vertretbar ist. Wie auch auf der Kostenseite, liegt der Schlüssel für eine vollständige und methodische Nutzenerfassung in der Differenzierung und Klassifizierung der Nutzenaspekte. Die möglichen Nutzenkategorien sind in Ź Abb. 4.18 zusammengefasst.
86
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Abb. 4.18 Nutzenkategorien – Gesamtübersicht
Eine Unterscheidung in Projektphase und Betriebsphase, wie wir sie von den Projektkosten kennen, entfällt auf der Nutzenseite. Der Nutzen eines Projekts bzw. einer Investition stellt sich bekanntlich erst dann ein, wenn die Lösung „in Betrieb“ ist. Der Nutzen beginnt also mit der Einführung einer neuen Lösung. Wesentliche Nutzenvorteile einer IT-Lösung ergeben sich in vielen Fällen durch geringere Betriebskosten (z.B. Projekt zur Konsolidierung von Applikationsservern), durch die Vereinheitlichung von Geschäftsprozessen (z.B. Einkauf) und durch eine Umsatzsteigerung (z.B. Einführung einer E-Shopping-Lösung). In der Praxis hat es sich als vorteilhaft erwiesen, im Zusammenhang mit der Nutzenerhebung zwischen Kosteneinsparungen und Kostenvermeidungen zu unterscheiden. Diese Differenzierung wird in Ź Abb. 4.19 beschrieben.
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
87
Betriebskosten-Nutzenarten
Beispiel
Kosteneinsparungen
Durch das geplante Projekt entfallen derzeit zu zahlende Wartungskosten oder diese Wartungskosten werden verringert.
Kostenvermeidung
Durch das geplante Projekt wird ein anderes Projekt hinfällig (Vermeidung von Projektkosten bzw. Investitionen) Durch das geplante Projekt entfällt die Notwendigkeit von Software-Upgrades (Vermeidung von Lizenzkosten) Durch das geplante Projekt entfällt die Notwendigkeit von bestimmten Hardware-Investitionen (Vermeiden von Hardware-Kosten)
Abb. 4.19 Nutzenarten bei Betriebskosten
4.4.1
Unterscheidung hinsichtlich der Quantifizierbarkeit
Das grundlegende Anliegen eines Business Case ist, die finanzwirtschaftlichen Konsequenzen eines Projekts greifbar zu machen. Hierzu ist es notwendig, die Nutzenaspekte in monetäre Größen zu übersetzen. Dies ist jedoch nicht in jedem Fall möglich. Im Hinblick auf die Quantifizierung von Nutzenvorteilen kann man drei Nutzenarten unterscheiden:
Direkt monetär messbarer Nutzen („tangible – hard benefits“) Indirekt monetär messbarer Nutzen („tangible – soft benefits“) Nicht monetär messbarer Nutzen („intangible benefits“)
Abb. 4.20 Nutzenkategorien hinsichtlich der Quantifizierbarkeit
Unter „direktem Nutzen“ versteht man Nutzenpotentiale, die unmittelbar durch das Investitionsvorhaben generiert werden. Diese Nutzenpotentiale
88
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht erkennbar sind und direkt als finanzielle Größe ausgedrückt werden können. Mit „indirektem Nutzen“ sind monetäre Nutzenpotentiale gemeint, die lediglich auf indirekte (mittelbare) Weise durch das Investitionsvorhaben erschlossen werden. Der konkrete finanzielle Beitrag dieser Nutzenpotentiale ist nicht auf Anhieb erkennbar. Vielmehr wird eine wertmäßige Quantifizierung von zeitlichen, mengenmäßigen oder prozentualen Quantifizierungen abgeleitet. Nutzenkategorie
Beispiel
Direkt monetär
geringere Kosten für Wartungsverträge
messbar
geringere Kosten für Software-Lizenzen geringere Kosten für Hardware geringere Kosten für Support und Wartung geringere Aufwendungen für Löhne und Gehälter geringere Lagermengen (Reduktion des NettoUmlaufvermögens) geringere Frachtkosten (Carrying Costs)
Indirekt monetär messbar
höhere Mitarbeiterproduktivität (führt beispielsweise zu geringeren Personalaufwendungen) höhere Kundenzufriedenheit (führt beispielsweise zu steigenden Umsätzen) intensivere Kundenbindung (führt beispielsweise zu steigenden Umsätzen) bessere Arbeitsplatzauslastung (führt zu geringeren Kapitalkosten) erhöhter Service für Endkunden (führt zu steigenden Umsätzen)
Nicht monetär messbar
Strategiekonformität (Wie „nutzt“ man den strategischen Nutzen?) höhere Flexibilität (Wie „nutzt“ man diese Flexibilität?) integrierte Information (Wie „nutzt“ man diese Information?) Imagegewinn höhere Mitarbeitermoral bessere Arbeitsbedingungen
Abb. 4.21 Nutzenkategorien mit Beispielen
Während bei direkten und indirekten Nutzenvorteilen objektive Maßstäbe für die Quantifizierung zur Verfügung stehen, stützen sich die nicht messbaren
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
89
Nutzenvorteile („intangible benefits“) primär auf subjektive Wertvorstellungen und hypothetische Annahmen. Rationale Grundlagen für eine Quantifizierung sind hier nicht gegeben, weshalb es auch nicht sinnvoll ist, derartige Aspekte als einen finanziellen Vorteil zu berücksichtigen. Auch der „strategische Nutzen“ ist in aller Regel eher qualitativer Natur und deshalb als nicht monetär messbarer Nutzen anzusehen. Allein aus der Tatsache, dass eine Investition strategiekonform ist, ergeben sich noch keine finanziellen Vorteile für ein Unternehmen. Die Klassifizierung des Nutzens in direkt und indirekt messbare Aspekte steht in einem engen Zusammenhang mit der Unterscheidung von Nutzenfaktoren hinsichtlich ihrer Zahlungswirksamkeit. 4.4.2
Unterscheidung hinsichtlich der Zahlungswirksamkeit
Nicht jeder durch ein Projekt erzielter Nutzenaspekt führt zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen. Insbesondere sind hiermit die Produktivitätssteigerungen gemeint. Führt zum Beispiel ein Unternehmen eine globale Service-Management-Lösung mit globalen Prozessen ein und löst dadurch eine Mehrzahl von dezentralen Systemen und dis-homogenen Prozessen ab, so ermöglicht dies unter anderem eine effizientere Abwicklung der Service-Dienste. Dieser Vorteil wird jedoch nur in zwei Fällen zu einem wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen:
Das Unternehmen wächst (Organic Growth) und kompensiert durch den Produktivitätszuwachs die Einstellung von neuen Mitarbeitern.
Das Unternehmen kann durch den Produktivitätszuwachs Stellen streichen (nicht unbedingt Mitarbeiter abbauen) und Service-Mitarbeiter in andere unbesetzte Stellen vermitteln, die zur Besetzung ausgeschrieben sind (die „künstliche“ Schaffung von freien Arbeitsplätzen und anschließende Besetzung durch Service-Mitarbeiter führt zu keinem direkten wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen). Der durch das Projekt geschaffene Nutzen (die Effizienzsteigerung) verkörpert im Sinne der Wirtschaftlichkeit lediglich einen mittelbaren Nutzen. Effizienzsteigerungen sind nicht direkt zahlungswirksam und führen demzufolge nicht zu einer Veränderung des Cashflows. Es bedarf gezielter organisatorischer Regelungen (im ersten Fall Einstellungsstopp und im zweiten Fall Abbau von Stellen bzw. Versetzungen) um diesen „Zwischen-Nutzen“ zu einem „End-Nutzen“ umzuwandeln, der mit einem konkreten wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen verbunden ist – in diesem Fall geringere Betriebskosten. Eine weitere Möglichkeit, wie Produktivitätsvorteile in einen „EndNutzen“ transformiert werden können, liegt in der Generierung von zusätz-
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4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
lichem Umsatz. Können beispielsweise durch eine CRM-Lösung (Customer Relationship Management) Produktivitätssteigerungen bei den Vertriebsmitarbeitern erzielt werden, geht man davon aus, dass sich dies positiv auf den Umsatz auswirkt. Aber auch hier sind steuernde Regelungen (also organisatorische Maßnahmen) innerhalb der Vertriebsorganisation notwendig. Zum Beispiel eine Erhöhung der Besuchsfrequenz oder eine Intensivierung der Neukunden-Besuche, wobei diese Maßnahmen in der Regel an eine Erfolgsprämie gekoppelt sind. Produktivitätssteigerungen stellen also immer nur einen „ZwischenNutzen“ (Intermediate Benefit) dar, der durch gezielte organisatorische Maßnahmen (z.B. Erhöhung der Kunden-Besuchsfrequenz von Vertriebsmitarbeitern) in einen wirtschaftlich vorteilhaften „End-Nutzen“ umgewandelt werden muss. Die eingangs gezeigte grafische Übersicht der Nutzenkategorien kann unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts präzisiert werden. Siehe dazu Ź Abb. 4.22.
Abb. 4.22 Vom Zwischen-Nutzen zum End-Nutzen
Obwohl Produktivitätssteigerungen nicht unmittelbar zahlungswirksam sind und die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens deshalb nur indirekt beeinflussen, darf man die Bedeutung dieses Nutzenaspekts nicht unter-
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
91
schätzen. Produktivitätssteigerungen sind der Ursprung für nachhaltige Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Sie sind deshalb höher zu gewichten als beispielsweise „einmalige Nutzenvorteile“, auf die wir im Folgenden zu sprechen kommen. Entscheidend ist deshalb, wie die Produktivitätsvorteile in den Business Case eingebaut werden und – noch viel wichtiger – wie sie im Rahmen des Projekts realisiert werden. 4.4.3
Unterscheidung hinsichtlich des Ursprungs
Die Informationstechnologie hat bereits seit einiger Zeit eine derart intensive Durchdringung in nahezu allen Unternehmensfunktionen erreicht, dass sie heute untrennbar mit der industriellen Produktion verbunden ist. Information ist ein Produktionsfaktor. Aus Sicht der Geschäftsfunktionen fungiert die IT als „Service Provider“ und als „Enabler“. In diesem Sinne handelt es sich bei den meisten IT-Initiativen um Vorhaben, die entweder partnerschaftlich realisiert oder von der Informatik gezielt für einen Partner durchgeführt werden. Ein Nutzen kann dabei grundsätzlich auf beiden Seiten entstehen – bei der IT und im „Business“. Erfahrungsgemäß befindet sich jedoch bei Gemeinschaftsprojekten der überwiegende Anteil aller Nutzenaspekte (etwa 80-90%) auf der Business-Seite – also bei der/den Geschäftsfunktion(en). Dies ist ein Paradox, mit dem die Informatik im Geschäftsalltag ständig konfrontiert ist. Sie trägt den Großteil der einmaligen und laufenden Kosten für Initiativen, während der Nutzen aus diesen Initiativen im „Business“ anfällt. Bei Gemeinschaftsprojekten muss deshalb die Analyse der Nutzenpotentiale sowohl aus der Perspektive der Informatik als auch aus der Sichtweise des Geschäftsbereichs geschehen (Ganzheitlichkeitsaspekt):
Welcher direkte und indirekte Nutzen ergibt sich im Bereich der Informatik? Welcher direkte und indirekte Nutzen ergibt sich im Fachbereich? Von zentraler Bedeutung für eine derart vernetzte Wirtschaftlichkeitsbewertung ist die aktive Beteiligung der betroffenen Geschäftsfunktion(en) am Bewertungsprozess. Nur wenn Mitarbeiter aus den betroffenen Bereichen der Unternehmung einbezogen werden, können deren Erfahrung, Know-how und Urteilsvermögen hinsichtlich der denkbaren und realistisch erreichbaren „Business-Potentiale“ und ihres finanziellen Wertes genutzt werden.
92
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Abb. 4.23 IT-Nutzen und Business-Nutzen Klassifizierung von Nutzenvorteilen hinsichtlich ihres Ursprungs Beispiele für Nutzenvorteile auf der Informatik-Seite (IT-Nutzen): Kostenvorteile durch Effizienzsteigerungen im IT-Support (Customer Service) Technische Effizienzsteigerungen durch Hard- und Softwarekonsolidierung Vermeidung von Hardware- oder Software-Anschaffungen Vermeidung von Hardware- oder Software-Wartungsverträgen Vermeidung von Re-Investitionen für bereits vorhandene Infrastrukturkomponenten Vermeidung von Aufwendungen für die System-Validierung Beispiele für Nutzenvorteile auf der Geschäftsseite (Business-Nutzen): Kostenvorteile durch die Einrichtung von „Shared Service Centers“ Kostenvorteile durch einheitliche Geschäftsprozesse Kostenvorteile durch eine Reduktion der Lagermengen Effizienzsteigerungen durch Scanning-Lösungen Schnelleres Bezahlen von Rechnungen zwecks Ausnutzung von Frühzahlungsrabatten (Cash discount savings) Senkung der Produktionskosten bzw. Produktkosten Verringerung von Produktions-, Verpackungs- und Versandfehlern Senkung der Frachtkosten Beispiele für Nutzenvorteile, die sowohl auf der IT-Seite als auch auf Business-Seite entstehen können: Effizienzsteigerungen (z.B. durch Workflow-Systeme) Verringerung des Anlagevermögens (z.B. durch Asset-Management-Lösung) Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer Abb. 4.24 Beispiele für quantifizierbare Nutzenvorteile
4.4 Projektnutzen / Investitionsnutzen
93
In der Praxis kann man immer wieder beobachten, dass bei „IT-getriebenen Business-Projekten“ der Business-Nutzen durch Informatikmitarbeiter eigenmächtig identifiziert und quantifiziert wird – ohne Konsultation der Fachbereichsmitarbeiter. Diese Vorgehensweise mag eventuell noch vertretbar sein, wenn die beteiligte Informatik-Abteilung organisatorisch direkt dem Fachbereich zugeordnet ist und die IT-Mitarbeiter entsprechende Handlungskompetenzen haben. Ist dies nicht der Fall, sollten Mitarbeiter aus dem Fachbereich bei der Nutzenanalyse einbezogen werden. Bei der Erstellung des Business Case ist eine klare Zuordnung der ermittelten Nutzenvorteile entsprechend dem Verantwortungsbereich wichtig. Jeder identifizierte Nutzen muss so definiert sein, dass die Eigentümerschaft („IT-Owner“ oder „Business-Owner“) klar festgelegt ist. Schlussendlich muss der jeweilige Eigentümer der Realisierbarkeit der Nutzenaspekte zustimmen. 4.4.4
Unterscheidung hinsichtlich der zeitlichen „Haltbarkeit“
Eine elementare Abgrenzung auf der Nutzenseite, die vor allem im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens von großer Bedeutung ist, ist die Differenzierung hinsichtlich der „zeitlichen Haltbarkeit“ von Nutzenvorteilen. Man unterscheidet diesbezüglich zwischen
einmaligen Nutzenvorteilen (one-time benefits; one-off benefits; nonrecurring benefits) und
wiederkehrenden bzw. laufenden Nutzenvorteilen (recurring benefits). Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass einmalige Nutzenvorteile in den meisten Fällen die variablen Kosten eines Unternehmens senken, wohingegen wiederkehrende Nutzenvorteile vor allem die Strukturkosten (fixe Kosten) des Unternehmens reduzieren. In diesem Zusammenhang ist weiterhin festzuhalten, dass die fixen Kosten den Löwenanteil nicht nur des IT-Budgets, sondern der gesamten Unternehmensausgaben ausmachen. Dazu gehören beispielsweise Personalkosten, Unterhalt der Infrastruktur, Abschreibungen und langfristig ausgelegte Leasing- und Mietverträge. Aus diesem Grund favorisiert das Management bei der Beurteilung eines Business Case die laufenden Nutzenvorteile. Diese machen das Unternehmen langfristig profitabler und erhöhen dessen Wettbewerbsfähigkeit. Die Wirkung von laufenden Nutzenvorteilen ist nachhaltig. Dem entgegengesetzt sind einmalige Vorteile als Entscheidungsmotiv für ein Projekt weniger begehrt. Sie führen zwar zu einer einmaligen und direkten Verbesserung der Profitabilität und können oftmals kurzfristig realisiert werden, sie machen jedoch das Unternehmen nicht dauerhaft wettbewerbsfähiger. Der Nachhaltigkeitsaspekt fehlt bei den einmaligen Nutzenaspekten.
94
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Abb. 4.25 Einmalige und laufende Nutzenvorteile in IT und Business
Zuvor wurde bereits auf die Unterscheidung zwischen „IT-Nutzen“ und „Business-Nutzen“ bei Gemeinschaftsprojekten hingewiesen. Diese Differenzierung ist auch bei der Ermittlung von einmaligen und langfristigen Nutzenvorteilen von Bedeutung. Im Folgenden sollen beide Nutzenaspekte (einmalige und laufende) näher betrachtet werden.
4.5 Einmaliger Nutzen Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass sich einmalig anrechenbare Nutzenvorteile überwiegend auf der technischen Seite – also in der Informatik – ergeben. Beispiele für einmalige Nutzenvorteile sind:
Vermeidung oder Verringerung von Hardware-Investitionen. Beispielsweise wenn auf Grund eines Konsolidierungsprojektes die Anzahl der benötigten Server, Datenspeicher und Backup-Lösungen verringert wird und deshalb lebenszyklus-bedingte Ersatzbeschaffungen vermieden werden.
Vermeidung oder Verringerung von Kosten für Software-Upgrades. Beispielsweise durch die Einführung einer Asset-Management-Lösung, mit der Software-Lizenzen gezielt verwaltet werden; oder durch ein Konsolidierungsvorhaben, welches die Anzahl der benötigten Lizenzen verringert.
4.5 Einmaliger Nutzen
95
Vermeidung oder Verringerung von Projektkosten bzw. Investitionen. Beispielsweise wenn durch das geplante Projekt ein anderes Projekt oder gar mehrere andere Investitionen überflüssig werden.
Vermeidung von Kosten für die Ablösung von bestehenden Applikationen (z.B. „end-of-life“ replacements). Wenn beispielsweise eine neue Applikation drei ältere Applikationen ersetzt, müssen diese nicht mehr separat erneuert werden, wenn sie das Ende ihres „life-cycles“ erreicht haben.
Vermeidung von Kosten für System- bzw. Funktionserweiterungen oder -anpassungen von bestehenden Lösungen.
Vermeidung oder Verringerung von Aufwendungen für die Systemvalidierung (CSV; Computer System Validation). CSV ist beispielsweise in der Pharmaindustrie notwendig – und sehr kostenintensiv. Es entsteht ein Nutzenvorteil, wenn durch ein Konsolidierungs-Projekt die Anzahl der zu validierenden Hardware und/oder die Anzahl der Software-Systeme reduziert werden kann (beispielsweise wenn anstelle von sechs länderspezifischen Systemen nur noch ein regionales System validiert werden muss.
Vermeidung von einmaligen Programmier- und Beratungsdienstleistungen. Reduziertes Datenspeichervolumen und dadurch geringere StorageKosten. Beispielsweise durch Homogenisierung der Datensätze und der Datenhaltung oder durch Eliminierung von Redundanzen. Günstigere Hardwarepreise durch verzögerte Anschaffungen. Beispielsweise wenn ein Projekt die Halbwertszeit von existierenden Komponenten oder Systemen verlängert. Je nachdem welcher Betrachtungszeitraum für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse festgelegt wurde, können einige der oben erwähnten „einmaligen Nutzenvorteile“ nicht nur ein einziges Mal während des Zeitraums anfallen, sondern unter Umständen auch ein zweites oder gar ein drittes Mal. Zum Beispiel wegfallende Ersatzinvestitionen für Hardware. Je nach Lebenszyklus der zu ersetzenden Hardware (z.B. alle 3, 4 oder 5 Jahre) können die Kosten für vermiedene Ersatzbeschaffungen mehrmals angesetzt werden. Diese Nutzenvorteile befinden sich zwar auf der Schwelle zum „laufenden Nutzen“, sie sind dennoch als einmaliger Nutzen anzusehen, da sich die Bedingungen und das Ausmaß für eine zweite oder dritte Anrechnung des Nutzens vollständig verändern können. Des Weiteren geht man bei IT-Wirtschaftlichkeitsanalysen eher von kurzen Betrachtungszeiträumen aus, so dass diese Nutzenvorteile in der Tat oftmals nur ein einziges Mal anfallen.
96
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
4.6 Laufender Nutzen Welche Nutzenaspekte können über mehrere Jahre angerechnet werden? Wie kann man vorgehen um langfristige Nutzenaspekte zu lokalisieren? Es sind vor allem langfristig anhaltende Nutzenpotentiale, die einen nachhaltigen Einfluss auf die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Investition ausüben. Ein wichtiges Ziel der Business-Case-Erstellung ist deshalb die Identifikation von jährlich wiederkehrenden Nutzenaspekten. Allgemein gesehen, verkörpern Umsatzerhöhungen und Produktivitätssteigerungen die wesentlichsten langfristigen Nutzenaspekte. Doch diese Potentiale sind nur in wenigen Fällen offensichtlich erkennbar und es stellt sich deshalb die Frage, wie man die finanziellen Auswirkungen derartiger Vorteile ermitteln kann. Einen wichtigen Ansatzpunkt zur Beantwortung dieser Frage stellen die derzeitigen operationellen Kosten dar. Schließlich ist es ein wesentliches Ziel vieler Investitionsvorhaben, diese Kostendimension zu optimieren. Ein Hauptaugenmerk bei der Ermittlung von langfristigen Nutzenvorteilen wird deshalb auf den Betriebskosten der momentanen Situation liegen.
Welche laufenden Kosten bestehen heute? Welche dieser Kosten können durch die angestrebte Investition reduziert werden?
Wie wirken sich Produktivitätssteigerungen auf die momentanen oder zukünftigen Betriebskosten aus? Als „laufender Nutzen“ gelten Nutzenaspekte, die sich periodisch (z.B. jährlich) wiederholen.
Das Kennen der gegenwärtigen Betriebskostenstruktur und der diesbezüglichen Kostentreiber ist erfolgsentscheidend für eine umfassende Einbeziehung und Quantifzierung von jährlich „wiederkehrenden“ Nutzenaspekten. Eine individuelle Analyse der gegenwärtigen Kostenstruktur ist in jedem Fall der zweckmäßigste Startpunkt um solche nachhaltigen Einsparpotentiale aufzudecken. Wie eine solche Analyse von statten gehen kann wird zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich beschrieben. Siehe zum Beispiel Ź Kapitel „10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information“. Im Sinne einer strukturierten Vorgehensweise ist es empfehlenswert die Bereiche Informatik und Business getrennt zu betrachten. Beide Bereiche müssen separat durchleuchtet und die jeweiligen laufenden Einsparpotentiale sollten unabhängig voneinander quantifiziert werden.
4.6 Laufender Nutzen
97
Die in Ź Abb. 4.26 aufgeführten Beispiele orientieren sich an dieser Differenzierung und verdeutlichen die Bandbreite der diesbezüglichen Nutzenaspekte. Laufender Nutzen Beispiele für laufende Nutzenvorteile in der Informatik: Verringerung bzw. Wegfall von Hardware-Wartungsverträgen (hardware maintenance) Verringerung bzw. Wegfall von Software-Wartungsverträgen (software maintenance) Verringerung bzw. Wegfall von Software-Lizenzkosten (z.B. bei Lizenzzahlungen pro Anwender oder pro CPU) Wegfall von Leasing-Verträgen (die laufenden Leasing-Zahlungen können als Nutzen angerechnet werden). Reduzierung von Hardware-Abschreibungen (nur eingeschränkt anrechenbar) Beispiele für laufende Nutzenvorteile im Business-Bereich (Fachbereich): Verringerung des Netto-Umlaufvermögens Geringere Transaktionskosten (z.B. für Girokonto-Transaktionen) Ausnutzung von Frühzahlungsrabatten (Cash discounts; z.B. Skonto) Beispiele für laufende Nutzenvorteile (Business und IT): Vermeidung von manuellen Dateneingaben (z.B. durch Barcode-System; RFIDSystem; automatisches Scanning, eventuell in Verbindung mit Texterkennung) Wegfall von ausgelagerten Diensten (outsourced services) Wegfall von Aufwendungen für externe Mitarbeiter Lohn- und Gehaltseinsparungen (z.B. durch Effizienzsteigerungen) Reduktion von Reisekosten (z.B. durch die Einrichtung von VideokonferenzLösungen) Geringere Telekommunikationskosten (z.B. durch Voice-over-IP-Lösungen; VoIP) Abb. 4.26 Beispiele für quantifizierbare laufende Nutzenvorteile
Bei der Quantifizierung von laufenden Nutzenvorteilen muss insbesondere darauf geachtet werden, dass alle Kostenblöcke einer bestimmten Nutzenkategorie berücksichtigt werden. Um dies sicherzustellen ist es empfehlenswert, vor der Quantifizierung eine detaillierte Erhebung und Analyse der Kostenfaktoren durchzuführen. Dies soll im Folgenden am Beispiel von Personaleinsparungen verdeutlicht werden. Kann durch Effizienzsteigerungen die Anzahl der Mitarbeiter reduziert werden, so wirkt sich diese Reduktion direkt auf die Lohn- und Gehaltskosten des Unternehmens aus. Weitere, direkt anstellungsbezogene Einsparungen ergeben sich auch bei Sozialversicherungsaufwendungen, Pensionsaufwendungen, Trainingskosten, Spesen (z.B. Reisekosten) und
98
4 Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
mitarbeiterspezifischen Kosten wie z.B. Mobiltelefon oder Geschäftswagen. Die genannten Aufwendungen gehören zu den Primärkosten, die mit Anstellungen verbunden sind. Die primären Aufwendungen stellen jedoch nur einen Teil der Personalkosten dar. Hinzuzurechnen sind die sekundären Aufwendungen (Sekundärkosten), welche durch Mitarbeiter ausgelöst werden. Sekundäre Kosten sind Umlagen, welche durch eine interne Leistungsverrechnung an einzelne Arbeitskräfte verrechnet werden. Typische Umlagen sind zum Beispiel die Kosten für den „Client“ (also einen Desktop-PC oder einen Laptop), den Netzwerkanschluss, den E-Mail-Account mit der dazugehörigen Mailbox (Speicherplatz), die Umlage für Büromöbel und die Umlage für die Grundfläche eines Arbeitsplatzes (beanspruchte Quadratmeter). Siehe ŹAbb. 4.27 für eine detaillierte Unterscheidung von Primär- und Sekundärkosten. Primärkosten
Sekundärkosten
Lohn und Gehalt
Kosten, die mittels Umlageverfahren einzelnen Kostenverursachern belastet werden. Die Belastung erfolgt kostenstellenbezogen über die interne Leistungsverrechnung.
Sozialversicherungsaufwendungen Pensionsaufwendungen Trainingskosten Spesen evtl. Geschäftswagen, Mobiltelefon, etc.
Beispiele für Sekundärkosten innerhalb einer Informatik-Organisation sind: Client (Desktop-PC oder Laptop) Netzwerkanschluss E-Mail-Account und Mailbox (Speicherplatz) Büromöbel Arbeitsplatzfläche (Quadratmeter)
Nutzenrelevante Faktoren der Personalkosten Je nach Mitarbeiterkategorie erfahren die Primär- und Sekundärkosten unterschiedliche Ausprägungen. Damit der Aufwand für die Erhebung der Kosten bzw. Einsparungen vertretbar ist, greift man im Rahmen einer Business-Case-Erstellung auf kostenstellenbezogene und landesspezifische Durchschnittssätze (Average-Rates) zurück. Diese Sätze werden von der Controlling-Abteilung geliefert. Sie sind besonders dann repräsentativ, wenn sie anhand spezifischer Kostenstellen in den tangierten Ländern individuell ermittelt werden. Es kann sich dabei entweder um einen Durchschnittssatz handeln, der sowohl Primär- als auch Sekundärkosten beinhaltet oder auch um getrennte Sätze – einen Durchschnittswert für die Primärkosten und einen für die Sekundärkosten.
Abb. 4.27
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
5.1 Die Kapitalkosten Was sind Kapitalkosten? Wie werden die Kapitalkosten eines Unternehmens ermittelt? Wie fließen die Kapitalkosten in die Berechnung ein? Welchen Einfluss haben die Kapitalkosten auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens? Ein Unternehmen erhält Kapital von zwei Quellen – von seinen Eigentümern bzw. Anteilseignern (also auch Aktionären) und von außenstehenden Kapitalgebern. Ersteres bezeichnet man als Eigenkapital, letzteres als Fremdkapital. Dieses Kapital wird dem Unternehmen nicht „umsonst“ zur Verfügung gestellt, vielmehr erwarten die Kapitalgeber eine risikoadäquate Verzinsung. Die Mittel, die der Unternehmung von diesen Quellen zur Verfügung gestellt werden, sollen idealerweise in Projekte investiert werden, die eine Rendite erzielen, die über den Kapitalbeschaffungskosten liegt. Nur so wird sichergestellt, dass in der Unternehmung langfristig Mehrwerte geschaffen werden. Die Kapitalkosten werden ausgedrückt durch den „Kapitalkostensatz“. Dieser Prozentsatz bildet eine der wichtigsten Messlatten für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Projektvorschlags. Als Ersteller eines Business Case muss man den Kapitalkostensatz (engl.: cost of capital) eines Unternehmens zwar nicht selbst berechnen (dies macht die Finanzabteilung bzw. das Controlling), aber es ist von Vorteil, wenn man die diesbezüglichen Zusammenhänge versteht. Die gesamten Kapitalkosten ergeben sich aus den Kosten für das Fremdkapital und denjenigen für das Eigenkapital und werden als gewichtetes arithmetisches Mittel gebildet (Weigthed Average Cost of Capital; abgekürzt „WACC“). Die Kapitalkosten berücksichtigen implizit die Renditeerwartung der Kapitalgeber. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Gesamtkapitalrentabilität“ – die durchschnittliche Entschädigungserwartung aller
100
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Kapitalgeber einer Gesellschaft. Im Wesentlichen sind in diesem Zusammenhang drei Ausgangsgrößen relevant:
Eigenkapitalkostensatz Fremdkapitalkostensatz Kapitalstruktur (Verhältnis von Eigenkapital und Fremdkapital) Diese „Bausteine“ der Gesamtkapitalrentabilität bzw. Gesamtkapitalkosten und ihre Konsolidierung zu einer Kennzahl werden im Folgenden detailliert besprochen.
Abb. 5.1 Fremd- und Eigenkapital in der Bilanz
5.1.1
Fremdkapitalkosten (cost of debt)
Die Kosten für das Fremdkapital lassen sich relativ einfach anhand der Kapitalmarktsätze für unterschiedliche Laufzeiten und Schuldnerkategorien ermitteln. Hierbei wird in der Regel ein gewogener durchschnittlicher Kostensatz für die einzelnen zinstragenden langfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens angerechnet. Bei den veranschlagten Nominal-Zinssätzen handelt es sich um „Vorsteuergrößen“. Zinsen für das Fremdkapital wirken sich steuervergünstigend aus – sie reduzieren die Steuerschuld des Unternehmens. Bei der Berechnung der Fremdkapitalkosten besteht deshalb die Möglichkeit, diesen Sachverhalt zu berücksichtigen und eine entsprechende Korrektur
5.1 Die Kapitalkosten
101
vorzunehmen (so genannte „Nachsteuerbetrachtung“). Dies erreicht man durch die in Ź Abb. 5.2 dargestellte Berechnung. Beträgt der Fremdkapital-Kostensatz beispielsweise 8 % (vor Steuern) und wird von einer kalkulatorischen Steuerquote von 40 % ausgegangen, betragen die Fremdkapitalkosten 4.8 % (nach Steuer).
Abb. 5.2 „Nach-Steuer“-Fremdkapitalkosten
5.1.2
Eigenkapitalkosten (cost of equity)
Die Kosten für das Eigenkapital sind etwas schwieriger zu bestimmen. Sie ergeben sich aus der Summe eines (quasi) risikolosen Basiszinssatzes zuzüglich einer unternehmensindividuellen Risikoprämie.
Der risikolose Basiszinssatz wird in der Regel aus dem Zinssatz öffentlicher, inländischer Anleihen mit einer festen Laufzeit von zehn oder mehr Jahren abgeleitet. In vielen Fällen liegt dieser Basiszinssatz zwischen 4 – 5 Prozent.
Für die Ableitung der unternehmensspezifischen Risikoprämie wird üblicherweise auf das so genannte „Capital Asset Pricing Model“ (CAPM) zurückgegriffen. Dieser Ansatz beruht auf einer Unterscheidung zwischen einem unsystematischen Risiko und einem systematischen Risiko. Das unsystematische Risiko kann man durch Kapital-Diversifikation minimieren. Eine Risikoprämie wird deshalb nur für das systematische, nicht beeinflussbare Marktrisiko angerechnet. Das systematische Risiko wird über den so genannten Beta-Faktor gemessen. Der Beta-Faktor gibt den Risikobeitrag einer Investitionsmöglichkeit (z.B. Aktie) im Vergleich zu dem allgemeinen Marktrisiko wieder. Ein Beta-Faktor größer Eins bedeutet, dass das Risiko der zu bewertenden Investition stärker als die Marktrendite schwankt; ein Beta-Faktor kleiner Eins bedeutet, dass die Rendite der Investition weniger als die Marktrendite schwankt und das Risiko somit kleiner als das Marktrisiko ist. Der
102
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Beta-Faktor lässt sich aus Daten des Kapitalmarkts ableiten oder kann von Finanzinformationsdienstleistern abgerufen werden.
Abb. 5.3 Berechnung der Eigenkapitalkosten
Zusätzlich zum Beta-Faktor benötigt man für die Berechnung der unternehmensspezifischen Risikoprämie die Marktrisikoprämie. Diese wird aus der historischen Differenz zwischen einem Aktienindex und der Rendite (quasi) risikoloser Kapitalmarktanlagen abgeleitet. Umfassende Untersuchungen haben gezeigt, dass Investitionen in Aktien in der Vergangenheit durchschnittlich zwischen drei und sechs Prozent höhere Renditen erzielten als Investitionen in quasi risikofreie Anlagen. Durch Multiplikation des Beta-Faktors mit der Marktrisikoprämie ergibt sich die unternehmensindividuelle Risikoprämie. 5.1.3
Gewichtete Kapitalkosten (WACC)
Die so ermittelten Fremdkapital- und Eigenkapitalkosten fließen anschließend gewichtet nach ihrem relativen Anteil an der Gesamtverschuldung (d.h. am Gesamtkapital des Unternehmens) in die Berechnung der Gesamtkapitalkosten ein. Hierzu muss die Kapitalstruktur (Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital) bekannt sein. Entscheidend sind die Marktwerte der beiden Kapitalgrößen:
Der Wert des Fremdkapitals kann aus der Bilanz entnommen werden. Der Wert des Eigenkapitals entspricht der Marktkapitalisierung des Unternehmens. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften sind entsprechende Buchwerte anzusetzen. In der Praxis geht man oftmals von einer unternehmensspezifisch vordefinierten Kapitalstruktur aus (z.B. eine Eigenkapitalquote von 60 %). Damit gehen die Eigenkapitalkosten mit 60 % und die Fremdkapitalkosten mit 40 % in das Ergebnis ein und es ergibt sich ein gewichteter Wert, den man als „Weighted Average Cost of Capital“ (abgekürzt als „WACC“) bezeichnet.
5.1 Die Kapitalkosten
103
Abb. 5.4 Berechnung der Kapitalkosten
Neben der hier beschriebenen Vorgehensweise nach CAPM, gibt es auch ein neueres Berechnungsmodell – das so genannte MCPM (Market Derived Capital Pricing Model). Dieses Modell bezieht die zukünftigen Erwartungen hinsichtlich der Aktienperformance eines Unternehmens in die Berechnung ein. Hierzu werden Marktpreise von gehandelten Optionen herangezogen. Vergleichsberechnungen haben gezeigt, dass die Ergebnisse der beiden Modelle oftmals nur geringfügig voneinander abweichen. Für die Erstellung eines Business Case sind derartige Differenzen in der Regel vernachlässigbar. Die Kapitalkosten setzen sich aus den gewichteten Kosten für Fremdkapital (real nach Steuern) und für Eigenkapital (real nach Ertragund sonstigen Steuern der Unternehmung und vor Steuern des Investors) zusammen. Die Gewichtung reflektiert das Finanzierungsverhältnis des Unternehmens.
Abb. 5.5 Gewichtete Kapitalkosten
Aus Sicht des investierenden Unternehmens bilden die gewichteten Kapitalkosten die Basis für Investitionsentscheidungen. Gewichtete Kapitalkosten repräsentieren die minimale Kapitalverzinsung (Rendite, Ertragsrate), die Investitionen erbringen müssen, damit sie einen Beitrag zur Deckung der Kapitalkosten leisten.
104
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Angenommen eine Investition erbringt eine Rendite von 20 % und das investierende Unternehmen hat einen WACC von 11 %. In diesem Fall hat das Unternehmen nach Deckung seiner Kapitalkosten durch diese Investition eine Wertsteigerung von 9 % erreicht. Im Gegensatz dazu würde Wert vernichtet, wenn eine Investition weniger als 11 % Rendite erwirtschaften würde. Dies würde bedeuten, dass zumindest als Resultat dieser Investition das Unternehmen die Ansprüche seiner Kapitalgeber nicht befriedigen könnte. Bei der WACC-Berechnung muss beachtet werden, dass Fremdkapitalzinsen von der Ertragssteuer abgesetzt werden können. Dieser Steuervorteil führt zu effektiv geringeren Kosten für das Fremdkapital als nominal an Zinszahlungen geleistet werden muss. Demzufolge können die Fremdkapitalkosten entweder im Sinne eines „Vor-Steuer-Zinssatzes“ (nominal) oder als „Nach-Steuer-Zinssatz“ (effektiv) spezifiziert werden. Da die Fremdkapitalkosten ein Teil des WACC sind, spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem „Vor-Steuer-WACC“ und einem „NachSteuer-WACC“.
Um einen „Nach-Steuer-WACC“ handelt es sich dann, wenn bei der WACC-Berechnung die Fremdkapitalkosten nach Steuern verwendet wurden.
Von einem „Vor-Steuer-WACC“ spricht man dann, wenn bei der WACC-Berechnung die Fremdkapitalkosten vor Steuern angerechnet werden. Üblicherweise wird der WACC als „Nach-Steuer“-Größe ermittelt. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
Angenommen die Fremdkapitalkosten eines Unternehmens belaufen sich auf 6.6 % und die Eigenkapitalkosten auf 7.4 %.
Beide Kapitalarten bilden jeweils eine Hälfte das Gesamtkapitals (50 % Fremd- u. 50 % Eigenkapital).
Der Konzernsteuersatz beträgt 30 %. Von den 6.6 % Fremdkapitalkosten können nun 30 % reduziert werden. Man erhält so den „Nach-Steuer-Zinssatz“ für das Fremdkapital in Höhe von 4.6 %. Die gewichteten Kapitalkosten ergeben sich aus der folgenden Berechnung: (4.6 % + 7.4 %) / 2 = 6.0 %. Dieses Ergebnis ist ein „NachSteuer-WACC“.
5.2 Die Ertragssteuern
105
5.2 Die Ertragssteuern Als Akteure im Wirtschaftssystem obliegen insbesondere Unternehmen der öffentlichen Abgabenlast. Insbesondere dann, wenn Gewinne anfallen, werden die so genannten Ertragssteuern fällig. Dabei ist nicht der Cashflow ausschlaggebend für die Besteuerung, sondern der von einem Unternehmen erwirtschaftete Profit (Unternehmensgewinn). Dieser Gewinn ist jedoch aus einer projektspezifischen Perspektive nicht ersichtlich. Es ist nur der Einfluss erkennbar, den das Projekt aller Voraussicht nach auf den Gewinn ausüben wird (relative Gewinnveränderung). Die Höhe des absoluten bzw. tatsächlichen Gewinns (oder Verlusts), welcher als Grundlage für die Besteuerung dient, steht jedoch auf einem anderen Blatt und kann vom Projekt selbst nur in sehr geringem Maße beeinflusst werden. In viel stärkerem Maße ist der Gewinn den Dynamiken des Marktes unterworfen. Es stellt sich also zu Recht die Frage, ob es sinnvoll ist, die Ertragssteuer im Speziellen und steuerliche Aspekte im Allgemeinen bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eines Projektes zu berücksichtigen. Während in Lehre und Ausbildung steuerliche Aspekte bei Investitionsrechnungen in der Regel ausgeklammert werden, werden sie in der Praxis regelmässig einbezogen – getreu dem Ausspruch „tax matters“. Grundlage für die Besteuerung im Sinne der Investitionsrechnung ist der investitionsbedingte zusätzliche Reingewinn (und nicht der Nettogeldfluss der Investition).
Abb. 5.6 Nettogeldfluss versus Reingewinn
In Ź Abb. 5.6 wird der Unterschied zwischen diesen „Erfolgsgrößen“ aufgezeigt (in den nachfolgenden Kapiteln wird das Wissen um diese Zusammenhänge Schritt für Schritt vertieft). Die Höhe des Reingewinns ist in vollem Umfang steuerpflichtig. In den ersten Jahren der Investition, wenn die Kosten den Nutzen übersteigen, entsteht ein Buchverlust. Werden Ertragssteuern in der Investitionsrechnung berücksichtigt, so gibt es bei einem Buchverlust zwei Möglichkeiten:
106
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
In den Jahren, in denen es zu einem Buchverlust kommt, wird keine Steuer angesetzt. Erst in den „Gewinnjahren“ wird die Ertragssteuer berechnet und entsprechend beim Cashflow der Investition in Abzug gebracht (die Wirtschaftlichkeit der Investition wird dadurch negativ beeinflusst). Entsprechend der Verlusthöhe wird eine negative Steuerschuld berechnet (d.h. die Steuerlast des Unternehmens wird reduziert; folglich führt dies zu einer positiven Beeinflussung der Projektwirtschaftlichkeit). Bei diesem Ansatz, der in der Praxis weit verbreitet ist, geht man davon aus, dass das Unternehmen in der jeweiligen Geschäftsperiode einen Gewinn erwirtschaftet und deshalb Ertragssteuern fällig werden. Zu leistende Steuern stellen für ein Unternehmen einen Kostenfaktor dar (Cashflow relevant) und vermindern den Reingewinn entsprechend bzw. beeinflussen die Rentabilität von Investitionen. Deshalb lautet die grundsätzliche Empfehlung, die Wirtschaftlichkeit von Investitionen nach Steuern zu berechnen. Es besteht selbstverständlich die Möglichkeit, beide Varianten zu berechnen (Wirtschaftlichkeitsanalyse „vor Steuer“ und „nach Steuer“) und den Entscheidern die jeweiligen Ergebnisse darzulegen.
5.3 Die Abschreibungen Das in der Bilanz ausgewiesene Anlagevermögen eines Unternehmens verkörpert den gegenwärtigen Wert der Anlageobjekte. Diese Anlageobjekte werden grob in Sachanlagen, Finanzanlagen und immaterielle Anlagen unterteilt. Anlageobjekte können also sowohl materieller (z.B. Computersysteme, Netzwerkgeräte) oder immaterieller (z.B. Softwarelizenzen, Informatik-Projekte) Natur sein. Innerhalb der Sachanlagen (materielle Anlagen) unterscheidet man zusätzlich zwischen mobilen Sachanlagen und immobilen Sachanlagen. Mobile Sachanlagen Hardware Büroeinrichtungen
Immobile Sachanlagen Netzwerkinstallationen (Verkabelungen) Gebäudeinstallationen (Bauliche Maßnahmen; z.B. Sicherheitsschleuse in einem Datacenter). Notstrom-Vorkehrungen (Unterbrechungsfreie Stromversorgung) Immobilien
Abb. 5.7 Beispiele für mobile und immobile Sachanlagen
5.3 Die Abschreibungen
107
Warum ist die Unterscheidung zwischen mobilen und immobilen Sachanlagen von Bedeutung? Sachanlagen verlieren durch Gebrauch und Veralten an Wert. Abschreibungen verkörpern diese Wertminderung der Anlageobjekte. Die Wertminderung ist abhängig von der betriebswirtschaftlich sinnvollen oder maximal möglichen Nutzungsdauer einer Investition. Im Bereich der Informationstechnologie weisen mobile Investitionsgüter (z.B. Computersysteme) eine bedeutend geringere Lebensdauer auf als immobile Anlageobjekte (z.B. Gebäudeverkabelung für Ethernet-Netzwerk). Deshalb werden mobile Objekte in der Regel über einen kürzeren Zeitraum abgeschrieben (meist 3 Jahre), während Investitionen in immobile Anlageobjekte über einen längeren Zeitraum abgeschrieben werden (zwischen 5 – 15 Jahre). Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anlageobjekten spricht man von der „Aktivierung“. Anlageobjekte werden in der Bilanz „aktiviert“ (bilanzwirksame Ausgabe), während geringwertige Gebrauchsgüter wie z.B. Verbrauchsmaterialien und Büro-Utensilien beim Kauf als Aufwand gebucht werden; d.h. die Kosten fließen als Ausgaben in die Erfolgsrechnung (erfolgswirksame Ausgabe). Aktivierte Anlageobjekte belasten die Erfolgsrechnung nur indirekt – und zwar über die jährlichen Abschreibungsbeträge. Abschreibungen sind steuerlich abzugsfähige Kosten (AfA; Absetzung für Abnutzung). Den um die Abschreibungsbeträge verminderten Wert des Anlageobjekts in der Bilanz bezeichnet man als „Buchwert“. Für die korrekte Behandlung von Abschreibungen sind insbesondere folgende Fragen relevant: Welche Objekte müssen in welchen Fällen abgeschrieben werden? Welche Kosten können nicht abgeschrieben werden?
Grundsätzlich gilt das Prinzip, dass nicht nur der Ankaufswert eines Anlageobjekts abgeschrieben wird, sondern alle zusätzliche Kosten, die beim Kauf anfallen. Beispielsweise werden Transport-, Installationsund Montagekosten zusammen mit dem Ankaufswert aktiviert, was insgesamt den Anschaffungswert einer Sachanlage ergibt.
Länderspezifische Regelungen bezüglich der Abschreibungsmodalitäten können sehr unterschiedlich sein. So bestehen beispielsweise in der Schweiz große Freiheiten bezüglich der Abschreibungspflicht. Ein Unternehmen kann festlegen, dass Anlageobjekte unter einem Wert von 20.000,- SFr. direkt als Aufwand in der Erfolgsrechnung zu verbuchen sind. In den USA liegt der Grenzwert bei 5.000,- USD. In Deutschland wird bereits ab einem Anschaffungswert von 410,- Euro abgeschrieben. Während also Desktops und Laptops in der Schweiz und in den USA abschreibungsfrei sein können, müssen diese in Deutschland immer abgeschrieben werden.
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5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Abb. 5.8 Wertminderung von Abschreibungsobjekten (lineare Abschreibung)
Zur Ermittlung der jährlichen Abschreibungsbeträge stehen verschiedene Methoden zur Verfügung.
Die lineare Abschreibung bewirkt eine gleichmäßige Abschreibung vom Anschaffungswert. Der Abschreibungsbetrag ergibt sich demnach aus der Division von Anschaffungswert durch die Anzahl der Nutzungsjahre.
Die Abschreibung vom Buchwert (geometrisch degressive Methode) beruht auf einem gleich bleibenden Abschreibungssatz (in der Regel doppelter Satz vom linearen Abschreibungssatz). Die Abschreibungsbeträge nehmen von Jahr zu Jahr ab (aber jedes Jahr um weniger). Der Buchwert sinkt am Anfang der Nutzungsdauer stark und gegen Ende schwach. Rein rechnerisch erreicht er den Wert null nicht, weshalb in der Praxis mit einer „Schlussabschreibung“ der nach einer bestimmten Zeit verbleibende Wert vollständig abgeschrieben wird. Aus Sicht der Projektwirtschaftlichkeit ist die degressive Methode günstiger, denn man kann in den ersten Jahren einen höheren Abschreibungsbetrag geltend machen und die Steuerbelastung entsprechend verringern. Dies wirkt sich in der Regel stark auf die Wirtschaftlichkeitskennzahlen (z.B. NPV, IRR) aus, insbesondere wenn mit hohen Zinssätzen diskontiert wird. Dennoch wird in der Praxis bei der Erstellung eines Business Case nahezu ausschließlich die lineare Abschreibungsmethode verwendet. Dieses Verfahren ist praktikabler und wird dem Vereinfachungsgedanken, welcher einer Business-CaseErstellung zugrunde liegt, eher gerecht. Zu beachten ist auch die Tatsache, dass ein Unternehmen zwei Sichten auf die Abschreibungspolitik kennt. Die steuerliche Sicht und die unternehmensinterne Sicht. Die Erstellung eines Business Case erfolgt aus der letztgenannten Sichtweise – es wird der kalkulatorische Wertverlust angesetzt. Dieser unterliegt im Rahmen eines Business Case folgenden Grundsätzen und Vereinfachungsgedanken:
5.3 Die Abschreibungen
109
Nicht die steueroptimale Abschreibungsstrategie ist entscheidend, sondern der betriebswirtschaftliche und realitätsnahe Wertverzehr ist maßgebend.
Die Abschreibungsbeträge werden nicht monatlich ermittelt, sondern jährlich.
Die Abschreibung während des Nutzungszeitraums ist linear. Es wird nicht auf den Restwert abgeschrieben, sondern auf Null (Anm.: Die neuesten Rechnungslegungsvorschriften, z.B. IFRS, erlauben nur noch eine Abschreibung auf den Restwert. Anlässlich einer Wirtschaftlichkeitsanalyse wäre es mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, wenn man dieser Regel Rechnung tragen würde). Steuerliche Regelungen für Deutschland: Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) werden nicht abgeschrieben. Dies sind Wirtschaftsgüter mit einem Wert bis zu 410,- Euro ohne Mehrwertsteuer bzw. 475,60 Euro mit Mehrwertsteuer. Die Abschreibungsdauer von 3 Jahren gilt nicht nur für Desktops und Laptops, sondern auch für Pheripheriegeräte, wie zum Beispiel Drucker, Scanner und Monitore.
Handlungsspielraum – Was wird abgeschrieben? Die Handhabung von Abschreibungen ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt Gegenstand von unternehmenspolitischen Entscheidungen geworden und dementsprechend in das Blickfeld der Unternehmensleitung vorgerückt. Beispielsweise denkt man heute in vielen produzierenden Firmen (insbesondere in der Pharmaindustrie) darüber nach, den Forschungsaufwand zu aktivieren – also abzuschreiben. Auch in der Informatik gibt es einen gewissen Handlungsspielraum, was die Abschreibungspraxis betrifft. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, den Aufwand für bestimmte Software-Projekte abzuschreiben (die gesamten Projektkosten werden aktiviert). Dies ist insbesondere bei sehr hohen Investitionen eine wichtige Überlegung, denn damit wird erreicht, dass die Erfolgsrechnung nicht durch einen überproportionalen „Einmaleffekt“ strapaziert wird. Stattdessen erscheint die Investition in der Bilanz und wird über „tranchierte“ Abschreibungen (entsprechend der Nutzungsdauer) der Erfolgsrechnung zugeführt. Beispiele für derart hohe Investitionen sind ERP-Neueinführungen oder breit angelegte ERP-Ablösungen; diese veranschlagen oftmals Projektkosten in dreistelliger Millionenhöhe.
110
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Handlungsspielraum – Wann beginnt die Abschreibung? Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zeitpunkt, an dem die Abschreibung – also der Wertverzehr eines Anlagegutes – beginnt. Auch hier gibt es in der Informatik einen Auslegungsspielraum, denn gemäß Buchführungsregeln muss die Abschreibung zum Zeitpunkt des Nutzenübergangs starten. Was bedeutet dies für Informatik-Investitionen? In vielen Fällen ist Anschaffungszeitpunkt und Zeitpunkt des Nutzenübergangs identisch bzw. nahezu identisch (z.B. beim Kauf von Desktops oder Laptops für Anwender). Je nach Vorhaben können diese beiden Zeitpunkte aber auch weit auseinander liegen. Werden z.B. für ein Projekt Server und andere Hardware-Komponenten angeschafft, so kann das Projektende als Zeitpunkt des Nutzenübergangs angesehen werden. Dies hat gerade bei großen Projekten bedeutende Konsequenzen, denn erstens erstrecken diese sich über einen relativ langen Zeitraum (ein bis zwei Jahre sind nicht ungewöhnlich) und zweitens erfordern gerade diese Projekte oftmals sehr hohe Hardware-Investitionen.
5.4 Das Netto-Umlaufvermögen Die Aktiv-Seite der Bilanz setzt sich aus zwei übergeordneten Positionen zusammen – dem Umlaufvermögen und dem Anlagevermögen. Beide Vermögenskategorien können durch Investitionen tangiert werden. Die Beeinflussung des Anlagevermögens durch Hardwareanschaffungen ist dabei eine offensichtliche Auswirkung. Doch was hat es mit dem NettoUmlaufvermögen auf sich? Aus was setzt sich das Netto-Umlaufvermögen zusammen? Wie und in welchen Fällen kann es von einer Investition beeinflusst werden? Und was sind die Folgen dieser Beeinflussung? Das Umlaufvermögen („Gross Working Capital“) besteht aus den Aktiven, die bereits in liquider Form vorliegen (z.B. Kassen- oder Bankbestände) oder von denen erwartet werden kann, dass sie innerhalb eines Jahres in liquide Mittel umgesetzt werden können bzw. verfügbar sind (z.B. Forderungen oder Warenvorräte). Bei der Wirtschaftlichkeitsrechnung interessiert nur ein bestimmter Teil des Umlaufvermögens – das sogenannte „Netto-Umlaufvermögen“ („Working Capital“ oder „Net Working Capital“). Dieses wird durch die drei Größen „Forderungen“, „Lager“ und „Verbindlichkeiten“ repräsentiert. In Ź Abb. 5.9 werden diese Bestandteile entsprechend ihrer jeweiligen Bilanzposition gezeigt.
5.4 Das Netto-Umlaufvermögen
111
Abb. 5.9 Bestandteile des Netto-Umlaufvermögens
Die Position „Lager“ umfasst sowohl die Roh-, Zwischen- und Endproduktlagerbestände. Zu beachten ist, dass der Lagerwert der Endprodukte entsprechend dem Prinzip der Geldflussrechnung nur über die variablen und nicht über die vollen Produktionskosten festgelegt wird. Die Debitorenbestände (Forderungen) ergeben sich aus den Nettoumsätzen. Die Verbindlichkeiten werden bei der Ermittlung des NettoUmlaufvermögens in Abzug gebracht, denn Außenstände, die das eigene Unternehmen gegenüber Lieferanten hat, verringern den verfügbaren Bestand an liquiden Mitteln. „Netto“ bedeutet hier also, dass vom Umlaufvermögen unverzinsliches Kapital abgezogen wird. Dies führt uns zu folgender Definition des Netto-Umlaufvermögens: Das Netto-Umlaufvermögen (Net Working Capital) ist das Umlaufvermögen vermindert um kurzfristige unverzinsliche Verbindlichkeiten (erhaltene Anzahlungen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen).
Investitionen können das Netto-Umlaufvermögen auf zwei Arten beeinflussen, entweder wird das Kapital, das im Netto-Umlaufvermögen gebunden ist, verringert oder das Netto-Umlaufvermögen wird erhöht. Die relative Veränderung des Netto-Umlaufvermögens wird hauptsächlich vom Wert der gelagerten Produkte sowie von den durchschnittlichen Beständen der Forderungen und Verbindlichkeiten bestimmt.
112
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Eine Verringerung des im Netto-Umlaufvermögen gebundenen Kapitals resultiert typischerweise aus Projekten, die einen Abbau der Lagerkapazitäten ermöglichen (durch bessere Lagerbewirtschaftung) oder Projekte, welche die Bewirtschaftung der Forderungen verbessern.
Eine Erhöhung des Netto-Umlaufvermögens ergibt sich oftmals bei Projekten, die eine Erhöhung der Produktionskapazität ermöglichen oder bei Projekten, die den Absatz fördern oder neue Vertriebswege erschließen. Beispielsweise wenn ein Unternehmen eine E-Shopping-Platform eröffnet und den Kunden eine Belieferung innerhalb von 24 Stunden zusichert. Wurden zuvor die Produkte lediglich über Vertriebspartner ausgeliefert, so brauchte das Unternehmen nur geringe Lager (weil die Auslieferungen planbar waren). Nun müssen aber für alle Produkte, die über den E-Shop vertrieben werden, in verstärktem Maße eigene Lager aufgebaut werden, um die stetige Lieferbereitschaft sicherzustellen. Wenn die Lagermenge erhöht werden muss oder die Forderungen zunehmen, ergibt sich eine einmalige Erhöhung des gebundenen Kapitals. Im umgekehrten Fall, bei einer Optimierung der Lagermenge und einer besseren Forderungs-Bewirtschaftung, ergibt sich eine einmalige Kapitalfreisetzung – d.h. das in Lager und Forderungen gebundene Kapital verringert sich.
Abb. 5.10 Berechnung des Netto-Umlaufvermögens
Die investitionsbedingten Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens begünstigen die Projektwirtschaftlichkeit – im Falle einer Verringerung des „gebundenen Kapitals“ – oder wirken sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit eines Investitionsvorhabens aus – im Falle einer Erhöhung des „gebundenen Kapitals“.
5.5 Die Fremdkapitalzinsen In welchen Fällen fallen Fremdkapitalzinsen an? Wie werden Fremdkapitalzinsen in der Investitionsrechnung behandelt? Welchen Einfluss haben Fremdkapitalzinsen auf die Projektwirtschaftlichkeit?
5.5 Die Fremdkapitalzinsen
113
Investitionen müssen finanziert werden – Investition und Finanzierung sind zwei Seiten einer Medaille. Die Finanzierung kann entweder über Eigenkapital oder über Fremdkapital geschehen. Fremdkapitalzinsen fallen dann an, wenn die Finanzierung ganz oder teilweise über Kredite erfolgt. Führt eine Investition zu einer Erhöhung des Netto-Umlaufvermögens, so muss auch dieser zusätzliche Kapitalbedarf finanziert werden. In der Praxis geht man davon aus, dass entsprechend der goldenen Bilanzregel zusätzlich notwendiges Netto-Umlaufvermögen mit kurzfristigem Fremdkapital finanziert wird (Fristenkongruenz). Ist dies der Fall, sind hierfür die auf dem Kapitalmarkt zu bezahlenden Zinskosten anzusetzen. Fremdkapitalzinsen können demnach anfallen für
den eigentlichen Investitionsbetrag zusätzlich benötigtes Netto-Umlaufvermögen Es stellt sicht allerdings die Frage, ob zum Zeitpunkt der Business-CaseErstellung bereits feststeht, wie das Projekt finanziert wird? Dies ist in der Praxis so gut wie nie der Fall. Die Finanzierungsfrage aus projektspezifischer Sicht ist zu diesem Zeitpunkt nur bedingt relevant. Hinzu kommt, dass der Kapitalbedarf aus IT-Projekten in der Regel nur einen geringen Anteil des gesamten Kapitalbedarfs einer Unternehmung ausmacht. Dies verdeutlicht sich auch in der Tatsache, dass IT-Budgets (IT-Operations und IT-Projekte) je nach Unternehmenstyp zwischen 3 – 7 % des Gesamtumsatzes eines Unternehmens ausmachen. Nur in absoluten Ausnahmefällen erreichen IT-Projekte Dimensionen, die ein projektspezifisches Finanzierungskonzept notwendig machen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Unternehmen ein ERP-System (Enterprise Resource Planning) einführt oder einen Wechsel durchführen will und davon alle Unternehmensbereiche betroffen sind (d.h. die Modulpalette eines bestimmten ERP-Systems soll nahezu vollständig eingeführt werden). In Bezug auf die Anrechnung von Fremdkapitalzinsen muss man vor allem der Tatsache Rechnung tragen, dass sich in einer Unternehmung weder einzelne Abteilungen noch einzelne Divisionen mit der Finanzierung ihrer jeweiligen Aktivitäten beschäftigen. Vielmehr ist dies die alleinige Aufgabe der zentralen Finanzabteilung bzw. bei einem divisonal aufgebauten Unternehmen der Corporate-Finanzfunktion im Stammsitz (Headquarter). Es ist in diesem Zusammenhang in der Regel nicht möglich, konkret für ein einzelnes Projekt festzulegen, aus welchem „Finanzierungstopf“ (Eigen- oder Fremdkapital) es seine Geldmittel erhält. Hinzu kommt, dass Finanzierungsüberlegungen auf Mischrechnungen basieren. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.
114
5 Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Beispiel „Projekte neutralisieren Netto-UV-Veränderung“. Angenommen in einem Unternehmen wird ein Projekt geplant, das zu einem höheren NettoUmlaufvermögen führt (z.B. Softwarelösung, die zur Erschließung neuer Absatzkanäle notwendig ist). Wie wir nun wissen, wird das Netto-UV überwiegend mit Fremdkapital finanziert. Gleichzeitig plant eine andere Abteilung des gleichen Unternehmens ein Projekt, welches zum Ziel hat, das NettoUmlaufvermögen zu senken (Lageroptimierung). Es ist nun gut möglich, dass sich „unter dem Strich“ die Veränderungen gegeneinander aufheben – und sich demzufolge die Finanzierungsfrage erübrigt. Aus den angeführten Gründen gilt in der Investitionsrechnung der Grundsatz, dass Projekte unabhängig von der Finanzierung beurteilt werden sollten. Dies gilt insbesondere für die Finanzierung des Netto-Umlaufvermögens. Sollte allerdings in einem besonderen Fall zweifelsfrei feststehen, dass der eigentliche Investitionsbetrag (also nicht die Veränderung des Netto-Umlaufvermögens) über Fremdkapital finanziert wird, so ist es angebracht, bei der Berechnung der Erwerbssteuern auch den Zinsaufwand zu berücksichtigen. Die zu leistenden Fremdkapitalzinsen sind steuerlich abzugsfähige Kosten. Ähnlich wie Abschreibungen vermindern sie die Steuerlast einer Unternehmung. Zumindest unter der Voraussetzung, dass die Unternehmung tatsächlich Gewinne erzielt – also Gewinnsteuern in der entsprechenden Rechnungsperiode fällig werden. Das nachfolgende Kapitel vermittelt detailliertes Wissen über die Handhabung der Fremdkapitalzinsen bei der Erfolgsrechnung und bei der Cashflow-Rechnung (letztere dient als Ausgangspunkt für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit eines Projekts).
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
6.1 Cashflow vs. Aufwendungen und Erträge Durch die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens werden betriebswirtschaftliche Transaktionen ausgelöst, die zu Auszahlungen und Einzahlungen, Ausgaben und Einnahmen sowie Aufwendungen und Erträgen führen. Diese Begriffspaare werden in der Praxis oftmals synonym verwendet, obwohl sie zu vollkommen verschiedenen Wirkungen in den Unternehmensrechnungen führen. Da sich diese Unterschiede auch in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen von IT-Investitionen niederschlagen, sind sie auch für die Erstellung von Business Cases relevant. Die nachfolgenden Ausführungen vermitteln somit eine wichtige Basis für die korrekte Anwendung von Wirtschaftlichkeitsanalysen. Auszahlungen und Einzahlungen beschreiben Veränderungen des Bestandes an liquiden Mitteln, also der Zahlungsmittel (Geld). Die Zahlungsmittel einer Unternehmung bestehen aus der Summe aller Kassabestände und der jederzeit verfügbaren Bank- und Postguthaben.
Auszahlungen (Cash outflows) sind Abflüsse von Zahlungsmitteln während einer Betrachtungsperiode. Zum Beispiel Lohnzahlungen an Mitarbeiter, Zahlungen an Dienstleister für in Anspruch genommene Dienstleistungen, Zahlungen für den Einkauf von Software oder Hardware, Zahlungen für Geschäftsreisen von Mitarbeitern.
Einzahlungen (Cash inflows) sind Zuflüsse an Zahlungsmitteln während einer Betrachtungsperiode. Zahlungseingänge von Kunden, Barverkäufe von Waren, Aufnahme eines Barkredits. Die liquiditätswirksamen Auszahlungen und Einzahlungen sind das Resultat der Ausgaben, die ein Unternehmen getätigt hat und der Einnahmen, die durch die Geschäftstätigkeit zustande gekommen sind. Bekommt ein Unternehmen beispielsweise eine bestimmte Anzahl von bestellten Computern per
116
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Rechnung geliefert, so entsteht zum Lieferzeitpunkt bzw. Rechnungseingang eine Ausgabe. Zu einer Auszahlung kommt es jedoch erst dann, wenn die Rechnung des Computerlieferanten beglichen wird.
Abb. 6.1 Von der Ausgabe zum Aufwand
Aufwand und Ertrag bezeichnen in der Finanzbuchhaltung den durch die Erstellung und den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen entstandenen Wertverzehr und Wertzuwachs einer Periode.
Aufwand ist der in der Finanzbuchhaltung erfasste, mit Geld bewertete Verzehr an Gütern und Dienstleistungen. Er umfasst den Wert des Inputs in den Leistungserstellungsprozess sowie den Verbrauch an Vermögenswerten. Zum Beispiel die Zahlung von Löhnen, Zinsen und Steuern. Einem Aufwand liegt nicht Zwingenderweise eine Auszahlung zugrunde; zum Beispiel ein erlittener Kursverlust aus Wertschriften oder die Bildung von Rückstellungen.
Ertrag ist der in der Finanzbuchhaltung erfasste, mit Geld bewertete Wertzuwachs. Er umfasst den Erlös des Outputs aus dem Leistungserstellungsprozess sowie den Zuwachs an Vermögenswerten; zum Beispiel Verkauf von Waren und Dienstleistungen, Verkauf einer Maschine über ihren Buchwert hinaus. Einem Ertrag liegt nicht Zwingenderweise eine Einzahlung zugrunde; zum Beispiel bei Kurssteigerungen von Wertschriften oder bei der Auflösung von Rückstellungen. In den meisten Fällen geht ein Aufwand/Ertrag einher mit entweder einer Ein- oder Auszahlung oder einer Ein- oder Ausgabe. Beispielsweise handelt es sich um einen Ertrag, wenn Waren gegen Rechnung (Einnahme) oder gegen Barzahlung (Einzahlung) verkauft werden. Ein Aufwand liegt vor, wenn die Rechnung für eine beanspruchte Dienstleistung eingeht (Ausgabe) oder wenn Löhne für Mitarbeiter per Überweisung bezahlt wer-
6.1 Cashflow vs. Aufwendungen und Erträge
117
den (Auszahlung). In diesen Fällen sind Aufwendungen und Erträge also „zahlungswirksam“. Es gibt aber auch Aufwendungen und Erträge, die nicht zahlungswirksam sind. Das heißt, dem Ertrag/Aufwand steht keine Einnahme/Ausgabe und keine Ein- und Auszahlung gegenüber. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Beteiligungen aufgewertet werden (Ertrag), wenn Rückstellungen gebildet werden (Aufwand) oder – und dies ist nun der zentrale Punkt für einen Business Case – wenn Abschreibungen getätigt werden. Im Rahmen von Business Cases für IT-Investitionen ist deshalb insbesondere die Unterscheidung zwischen Auszahlungen einerseits sowie Aufwand andererseits von Bedeutung.
Zuerst die Auszahlung: Der Kauf einer Storage-Lösung (z.B. High-end Storage System) stellt zunächst eine Ausgabe bzw. Auszahlung dar. Der Kassenbestand nimmt ab und der Bestand an Informatik-Anlagen nimmt um denselben Betrag zu.
Dann der Aufwand: Erst durch die Nutzung der Storage-Lösung über mehrere Jahre verliert diese an Wert für die Unternehmung. Der entsprechende Wertverzehr muss durch das Management quantifiziert werden und als Aufwand (in diesem Fall: Abschreibungen) in der Erfolgsrechnung berücksichtigt werden. Damit wird die ursprüngliche Auszahlung über die wirtschaftliche Lebensdauer des Systems, entsprechend seiner Wertminderung, durch die Verbuchung von Abschreibungen verteilt. Rechnungsart
Rechenelemente
Erfolgsrechnung
Erträge und Aufwendungen
Cashflow-Rechnung und Investitionsrechnung
Einzahlungen und Auszahlungen
Bilanz
Vermögen und Kapital
Abb. 6.2 Unternehmensrechnungen und ihre Rechenelemente
In Ź Abb. 6.2 erfolgt eine Zuordnung der beschriebenen Rechenelemente zu den in einem Unternehmen geführten Rechnungsarten. Diejenigen Rechnungsarten, die im Rahmen von Business-Case-Analysen relevant sind, werden im Folgenden vertiefend behandelt.
118
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
6.2 Die Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) Die Erfolgsrechnung (income statement; profit and loss account) ist das Resultat einer übersichtlichen Zusammenstellung aller Aufwendungen und Erträge einer Betrachtungsperiode. Ihr Ziel ist es, über die Unternehmungstätigkeit Rechenschaft abzulegen und den Periodenerfolg (Gewinn oder Verlust in einem Geschäftsjahr bzw. die Differenz zwischen Ertrag und Aufwand) zu ermitteln.
Gewinn: Ist die Veränderung positiv, d.h. übertreffen die Erträge in einem bestimmten Zeitraum die im selben Zeitraum angefallenen Aufwendungen, spricht man von Gewinn (das Unternehmen hat Profit gemacht).
Verlust: Ist die Veränderung negativ, übersteigen also die Aufwendungen die Erträge, ist ein Verlust entstanden. Gewinn und Verlust sind zeitraumbezogene (dynamische) Größen und reflektieren entweder eine umsatzbedingte Zunahme oder Abnahme des Reinvermögens in der betrachteten Periode. Rentabilität (oder Rendite) ist im Gegensatz zum Erfolg eine relative Größe. Sie gibt als Prozentzahl das Verhältnis zwischen dem Gewinn und dem eingesetzten Kapital wieder (ROI = Return on Investment). Im Gegensatz zur Bilanz, die eine Zeitpunktrechnung verkörpert, handelt es sich bei der Erfolgsrechnung um eine Bewegungsrechnung. Zu beachten sind die Rechnungselemente der Erfolgsrechnung (Aufwendungen und Erträge), die den wichtigsten Unterschied zur später beschriebenen Cashflow-Rechnung ausmachen. Deutsch
Englisch
Betriebliche Erlöse
Total revenue
= Bruttogewinn (Betrieblicher Gesamtertrag)
= Gross profit
- Personalaufwand - Warenaufwand - Abschreibungen - übriger Betriebsaufwand
- Personnel expenses - Costs of goods - Depreciation - Other operating expenses
= Betriebsgewinn
= Operating Profit
(Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern) + Gewinne aus Immobilien + Gewinne aus Anlagen + übrige außerordentliche Erträge
(EBIT = Earnings before interest and taxes) + Earnings from property sales + Yield on invested funds + Other extraordinary earnings
= Jahresergebnis vor Steuern
= Net operating profit before tax
- Ertragssteuern
- Income tay
= Geschäftsergebnis nach Steuern
= NOPAT (Net operating profit after tax)
(Jahresgewinn / Jahresverlust)
(oder: Net operating loss after tax)
Abb. 6.3 Erfolgsrechnung in Staffelform
6.2 Die Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung)
119
Eine Erfolgsrechnung kann sowohl in tabellarischer Form, als auch in Staffelform (Berichtsform) erstellt werden. Bei der Staffelform werden Aufwendungen und Erträge zeilenweise aufgelistet, was die Ausweisung von Zwischenergebnissen möglich macht. Deshalb gilt die Staffelform als aussagekräftiger und verständlicher. Sie ist insbesondere für Laien schneller nachvollziehbar und einfacher zu verstehen. Die Ausweisung von Zwischenergebnissen erfolgt über mehrere Stufen (Bruttogewinn, Betriebsgewinn, Ergebnis vor Steuern und Ergebnis nach Steuern). In Ź Abb. 6.3 werden die wichtigsten Einträge einer Erfolgsrechnung in Staffelform sowohl mit deutschen als auch mit englischen Bezeichnungen gezeigt. Ein detaillierter Einblick in die Konten einer Erfolgsrechnung ergibt sich aus dem in Ź Abb. 6.4 dargestellten tabellarischen Aufbau. Aufwand
Ertrag
Betriebliche Aufwendungen Löhne und Gehälter Sozialleistungen Personalnebenkosten Zinsaufwendungen Abschreibungen Mietaufwand Leasingraten Vertriebsaufwand Verwaltungsaufwand Fahrzeugaufwand Reiseaufwand Beratungsaufwand Lizenzkosten
Betriebliche Erträge Erträge aus Verkäufen Erträge aus Dienstleistungen Zinserträge Erträge aus betriebsbedingten Beteiligungen Erträge aus Lizenzeinnahmen
Betriebsfremde Aufwendungen Nichtbetrieblicher Kapitalaufwand Immobilienaufwand
Betriebsfremde Erträge Gewinne aus Immobilienverkäufen Erträge aus nichtbetrieblichen Wertschriften Erträge aus nichtbetrieblichen Beteiligungen
Außerordentliche Aufwendungen
Außerordentliche Erträge Aufwertung von Anlagevermögen Auflösung von Rückstellungen
Reingewinn (Jahresgewinn) Wenn Erträge > Aufwendungen
Reinverlust (Jahresverlust) Wenn Aufwendungen > Erträge
Abb. 6.4 Aufbau und Inhalt einer Erfolgsrechnung (Tabellenform)
120
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
In Verbindung mit der Erfolgsrechnung fällt oftmals der Begriff „Profitabilität“, der allzu schnell mit „Rentabilität“ verwechselt wird.
Profitabilität: Eine wesentliche Motivation für die Erstellung einer Erfolgsrechnung ist der Profitabilitätsnachweis. Dementsprechend ist der quantifizierte „Profit“ eine Kernaussage der Erfolgsrechnung bzw. durch diese Rechnung wird erkennbar, ob das Unternehmen in der Betrachtungsperiode „profitabel“ war. Profitabilität ist eine absolute Größe.
Rentabilität: Im Gegensatz dazu drückt die Rentabilität ein Verhältnis einer Gewinngröße zu anderen betrieblichen Größen aus, die diesen Gewinn mit erwirtschaftet haben. So misst z.B. die Umsatzrentabilität den Anteil des Gewinns am Umsatz vor Abzug von Ertragsteuern und Zinsen (EBIT) und gibt an, wie viel an jeder umgesetzten Geldeinheit „verdient“ wurde. Die Rentabilität wird demnach als Prozentzahl ausgedrückt.
6.3 Einfluss der Investition auf den Gewinn Welchen Einfluss hat eine Investition auf den Unternehmensgewinn? Wie berechnet sich der Unternehmensgewinn? Wie beeinflussen Kosten und Nutzen den Unternehmensgewinn? Um den Einfluss zu ermitteln, den eine Investition auf den Unternehmensgewinn hat, muss eine „Plan-Gewinn- und Verlustrechnung“ erstellt werden. Diese Planrechnung konzentriert sich dabei auf diejenigen Positionen einer Erfolgsrechnung, die für IT-Investitionen relevant sind. Sie wird in der Staffelform (zeilenweise Auflistung mit Zwischenergebnissen) erstellt. Alle nicht relevanten Positionen und Zwischenergebnisse einer vollständigen Unternehmens-Erfolgsrechnung werden „ausgeblendet“. Eine investitionsbedingte Plan-Erfolgsrechnung reduziert sich auf die Ausweisung der Zwischenergebnisse „EBITDA“ und „EBIT“.
EBITDA (Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization): Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen von Sachanlagen und Abschreibungen von immateriellen Anlagen. Der EBITDA ergibt sich durch den Abzug der Betriebsaufwendungen von den Betriebserträgen. Im Falle von IT-Investitionen ergeben sich die Betriebsaufwendungen durch die Projektkosten, abzüglich des quantifizierten Nutzens in Form von Kosteneinsparungen (denn es ist ja gerade das Ziel der Kosteneinsparungen, die Betriebskosten – d.h. die betrieblichen Aufwendungen, zu verringern).
6.3 Einfluss der Investition auf den Gewinn
121
EBIT (Earnings before interest and taxes): Gewinn vor Zinsen und Steuern. Verringert man den EBITDA um die Abschreibungen, erhält man den EBIT. Als Abzugspositionen verbleiben nun nur noch die Fremdkapitalzinsen und die Ertragssteuern, um den Gewinn oder Verlust für eine Periode zu erhalten. Betrachten wir nun anhand eines einfachen Beispiels, wie sich ein Investitionsvorhaben aus der Sicht der Erfolgsrechnung darstellt. Wir gehen dabei von der in Ź Abb. 6.5 dargestellten Projektsituation aus. Projekt "E-Shop" - Aggregierte Kosten-und-Nutzen-Zusammenstellung Jahr 1
2
3
4
5
Nutzen Umsatzplus
0
0
300.000
600.000
900.000
Kostenreduktionen
0
100.000
200.000
400.000
400.000
Investitionskosten Kosten als Aufwand
600.000
400.000
0
0
0
Kosten für Abschreibungsobjekte
400.000
200.000
0
0
0
Kosten als Aufwand
0
50.000
150.000
200.000
200.000
Kosten für Abschreibungsobjekte
0
0
0
0
0
Betriebskosten
Annahmen Steuersatz
30,00%
Abb. 6.5 Projektbeispiel „E-Shop“
Das Projekt „E-Shop“, mit einer Projektlaufzeit von ca. 1 ½ Jahren, verursacht in den ersten beiden Jahren Ausgaben (Cash outflows) für Softwarelizenzen, externe Dienstleistungen, Reisekosten der Mitarbeiter und Hardware-Anschaffungen. Nach der Implementierung des E-Shops entstehen laufende Kosten (Betriebskosten). Aus Vereinfachungsgründen werden Re-Investitionen, die während der Betriebszeit anfallen (z.B. Ersatz des/der Server(s) nach 3 oder 4 Jahren) in diesem Beispiel nicht berücksichtigt. Im Hinblick auf die Gewinnermittlung muss man bei den Ausgabepositionen einer Investition grundsätzlich zwischen erfolgswirksamen und bilanzwirksamen Ausgaben differenzieren.
Erfolgswirksame Ausgaben sind Ausgaben, die als Aufwand direkt in die Erfolgsrechnung gebucht werden („Kosten als Aufwand“). Damit sind all diejenigen Projektaufwendungen gemeint, die nicht abgeschrieben werden. Zum Beispiel Kosten für Dienstleistungen, Reiseund Schulungskosten der internen Mitarbeiter und Kosten für Softwarelizenzen (sofern diese nicht abgeschrieben werden).
122
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Bilanzwirksame Ausgaben sind „Investitionen“ in Anlagegüter, die zunächst im Anlagevermögen der Bilanz als Wertposition aufgenommen werden („Ausgaben für Abschreibungsobjekte“). Im IT-Bereich handelt es sich dabei überwiegend um Hardware-Anschaffungen und in bestimmten Fällen um den damit verbundenen Installationsaufwand. Bilanzwirksame Ausgaben werden erst in einem zweiten Schritt erfolgswirksam – und zwar in Form von Abschreibungen. Die jährliche Wertminderung der Abschreibungsobjekte wird periodengerecht in der Erfolgsrechnung als Aufwand belastet. Der Nutzen des Projekts ergibt sich zum einen durch Kostenreduktionen (Einsparungen auf der Vertriebsseite) und zum anderen durch zusätzlich Umsätze, denn die Planung sieht vor, dass mit der E-Shop-Lösung neue Kundengruppen erschlossen werden sollen. Basierend auf diesen Informationen kann nun eine projektbezogene Plan-Erfolgsrechnung erstellt werden. In einer projektbezogenen Erfolgsrechnung gibt es die folgenden Positionen:
eine Positiv- bzw. Ertragsposition: Dies sind die zusätzlichen Umsätze, die durch das Projekt erzielt werden.
drei Negativ- bzw. Aufwandspositionen: Dabei handelt es sich um die Projektkosten, die Abschreibungen und (wenn relevant) die Fremdkapitalzinsen.
eine Position die sowohl positiv als auch negativ sein kann: Dies sind die Gewinnsteuern. Sie sind negativ, solange der Projektaufwand den Projektertrag übersteigt, im umgekehrten Fall werden sie jedoch zu einer Positiv-Position (Steuerschuld).
Abb. 6.6 Überleitung von Kosten und Nutzen zum Gewinn bzw. Verlust
6.3 Einfluss der Investition auf den Gewinn
123
Nachfolgend werden die einzelnen Positionen der Plan-Erfolgsrechnung detailliert beschrieben:
Betriebliche Erlöse: Unter dieser Position werden alle Umsätze erfasst, die direkt dem Projekt zuzurechnen sind (z.B. wenn ein CRM-Projekt zu höheren Verkaufszahlen führt).
Aufwendungen: Die erfolgswirksamen Projektausgaben (alle nicht abzuschreibenden Aufwendungen) werden hier direkt mit den Kostenreduktionen, die aus der Projektrealisierung resultieren, verrechnet. Kostenreduktionen reduzieren den Aufwand eines Unternehmens. Ergibt sich in einer Periode eine positive Zahl, bedeutet dies, dass das Projekt die Kosten des Unternehmens erhöht. Eine negative Zahl bedeutet, dass das Projekt die Kosten des Unternehmens senkt.
Abschreibungen: Die Wertminderung der bilanzwirksamen Projektausgaben (Investitionen in Abschreibungsobjekte) wird hier periodengerecht als „Abschreibungsaufwand“ belastet. Abschreibungen belasten die Erfolgsrechnung eines Unternehmens. Sie werden deshalb vom „EBITDA“ in Abzug gebracht.
Fremdkapitalzinsen: Stellen ebenfalls eine Aufwandposition dar. Sie sind an dieser Stelle aus Gründen der Vollständigkeit aufgeführt und beziehen sich auf den Aspekt der „Finanzierung“. Da für das Projekt E-Shop die Finanzierungsfrage nicht relevant ist (Regelfall für ITProjekte) wird an dieser Stelle kein Wert eingesetzt. Aus Ź Abb. 6.7 geht hervor, das Fremdkapitalzinsen, wenn sie angesetzt werden sollen, nach der Ermittlung des „EBIT“ (Earnings before Interest and Tax) zusammen mit den Ertragssteuern in Abzug gebracht werden. Das „I“ in EBIT steht für die Fremdkapitalzinsen (Interest; also „vor Fremdkapitalzinsen).
Ertragssteuern: In den Jahren, in denen der Projekterfolg den Projektaufwand übersteigt, fallen Ertragssteuern entsprechend dem kalkulatorischen oder effektiven Steuersatz des Unternehmens an. Im vorhandenen Beispiel wird ein Steuersatz von 30 % zugrunde gelegt. Zum Zeitpunkt der Projektrealisierung fallen noch keine oder geringe Erträge an. Dieser Aufwandsüberschuss führt zu einer Reduktion der Ertragssteuern, die das Unternehmen zu leisten hat. Jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Unternehmung in der jeweiligen Geschäftsperiode einen Gewinn erzielt hat.
124
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Plan Erfolgsrechnung - Projekt "E-Shop" Jahr 1 + Betriebliche Erlöse - Aufwendungen EBITDA - Abschreibungen EBIT - Fremdkapitalzinsen
2 0
3 0
4
5
300.000
600.000
900.000
600.000
350.000
-50.000
-200.000
-200.000
-600.000
-350.000
350.000
800.000
1.100.000
0
133.333
200.000
200.000
66.667
-600.000
-483.333
150.000
600.000
1.033.333
0
0
0
0
0
- Ertragssteuern
-180.000
-145.000
45.000
180.000
310.000
Gewinn / Verlust
-420.000
-338.333
105.000
420.000
723.333
Abb. 6.7 Plan-Erfolgsrechnung für das Projekt „E-Shop“
Zwei Rechnungselemente der projektbezogenen „Plan-Erfolgsrechnung“ bedürfen einer genaueren Erläuterung – die Fremdkapitalzinsen und die Ertragssteuern. Fremdkapitalzinsen. In der Praxis wird die Finanzierungsüberlegung erst dann relevant, wenn das Investitionsvolumen des Projekts ein für das Unternehmen signifikantes Ausmaß einnimmt. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Finanzierungsfrage im Rahmen einer objektbezogenen Plan-Erfolgsrechnung nicht relevant ist. Erfolgt die Finanzierung eines Projekts über vorhandenes Eigenkapital, ist die Position „Kapitalzinsen“ ebenfalls nicht von Belang, da in diesem Fall keine Fremdkapitalzinsen anfallen. Erfolgt eine Projektfinanzierung anteilig oder vollständig über Fremdkapital, so müssen Annahmen oder etwaige Abklärungen in zwei Aspekten vorgenommen werden:
Welcher Zinssatz soll für das Fremdkapital eingesetzt werden? Werden die laufenden Ertragsüberschüsse des Projekts für eine zusätzliche Fremdkapitalrückzahlung verwendet? Derartige Rückzahlungen würden in der jeweiligen Periode (Geschäftsjahr) zu einer Reduktion der Fremdkapitalzinsen führen. Wichtig: Werden Fremdkapitalzinsen in der Erfolgsrechnung ausgewiesen, so muss man beachten, dass sich diese steuervergünstigend auswirken – sie reduzieren die Ertragssteuern, die das Unternehmen zu leisten hat. Ertragssteuern. In den Anfangsjahren ergeben sich durch die Projektkosten Steuervorteile in der Art, dass die Projektaufwendungen (denen zu diesem Zeitpunkt noch kein Projektnutzen entgegensteht) den Gewinn des Unternehmens reduzieren. Folglich reduziert sich auch die zu zahlende „Steuerschuld“, die ein Unternehmen auf seinen Gewinn zu leisten hat.
6.4 Die Cashflow-Rechnung (Geldflussrechnung)
125
Dieser Steuereffekt kommt dem Projekt zugute – wie aus der gezeigten Erfolgsrechnung ersichtlich wird. Die Steuervorteile werden jedoch erst dann wirksam, wenn die Unternehmung auch tatsächlich Gewinn erzielt. Erzielt die Unternehmung im jeweiligen Geschäftsjahr einen Verlust, entfällt auch dieser Steuervorteil. Da die Gewinnerzielungsabsicht ein inhärentes Ziel des Wirtschaftslebens darstellt, ist es legitim, für die Erstellung einer Plan-Erfolgsrechnung, grundsätzlich von der Annahme, dass ein Unternehmen Gewinn erzielt, auszugehen. Sollte die unternehmensspezifische Situation jedoch so sein, dass in den Jahren, in denen die Steuervergünstigung anfällt, kein Gewinn erzielt wird, so sollte man selbstverständlich diesem Aspekt Rechnung tragen.
6.4 Die Cashflow-Rechnung (Geldflussrechnung) Was ist Cashflow? Welche Rechnungselemente sind in einer CashflowZusammenstellung enthalten? Wie ist eine Cashflow-Rechnung aufgebaut? Worin unterscheiden sich unternehmens- und investitionsbezogene Cashflow-Rechnungen?
Abb. 6.8 Cashflow versus Gewinn
Der in einer Erfolgsrechnung ausgewiesene Erfolg eines Unternehmens wird durch verschiedene Größen beeinflusst (Abschreibungen, Rückstellungen, Wertberichtigungen, etc.). Die wertbestimmenden Aspekte sind deshalb nicht die buchhalterischen Gewinne, sondern die Zahlungsmittel,
126
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
die für weitere Investitionen, für Finanzanlagen, für Tilgungen von Krediten oder für Ausschüttungen an Anteilseigner zur Verfügung stehen. Die Vorteile der Cashflow-Kennziffer sind:
Der Cashflow ist invariant gegenüber von Bewertungsspielräumen. Er kann nicht durch Interpretationsfreiheiten „manipuliert“ werden.
Der Cashflow liefert einen hohen Informationsgehalt über die tatsächlichen Verhältnisse. Aus diesen Fakten resultiert auch der Ausspruch: „Profit is an opinion, cash is a fact“. In der Praxis wird deshalb nicht der Erfolgsrechnung, sondern einer anderen Unternehmensrechnung eine höhere Aussagekraft zugesprochen – der Cashflow-Rechnung. Die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Cashflow-Betrachtung und einer Gewinnbetrachtung sind in Ź Abb. 6.8 dargestellt. Im Falle von IT-Investitionen sind die Bewertungsvariationen im Hinblick auf die Erfolgsgröße „investitionsbedingter Gewinn“ begrenzt. Diese ergeben sich aus der Behandlung von Abschreibungen:
Was wird abgeschrieben? Wie wird abgeschrieben? Wann beginnt die Abschreibung? Wie lange dauert die Abschreibung? Die Bedeutung des Cashflows begründet sich jedoch nicht nur in den Manipulationsmöglichkeiten der Erfolgsgröße. Für Unternehmen ist der Mittelzufluss und Mittelabfluss aus der betrieblichen Umsatztätigkeit (Cashflow) eine zentrale Steuerungsgröße zur Planung und Kontrolle der Liquidität. Die wörtliche Übersetzung von Cashflow ist „Geldfluss“. In diesem engeren Sinne betrachtet man als Geldfluss die Einzahlungs- und Auszahlungsströme, die, bedingt durch die betriebliche Umsatztätigkeit, in einem Unternehmen anfallen (Cashflow im engeren Sinne). Im angloamerikanischen Sprachraum bezeichnet man diese Form des Cashflow auch als „cash provided by operations“. Im deutschen Sprachraum wird diese Rechnung als „Geldflussrechnung“ bezeichnet (sie umfasst nur den Fonds „liquide Mittel“). Eine Cashflow-Rechnung wird üblicherweise in der Staffelform (also zeilenweise) erstellt, wobei sinnvolle Zwischenergebnisse ausgewiesen werden. Ein Beispiel wird in Ź Abb. 6.9 gezeigt.
6.4 Die Cashflow-Rechnung (Geldflussrechnung) Aufwand
Ertrag
fondswirksamer Aufwand (Cashflow relevant) Aufwand für diverse Anschaffungen Aufwand für externe Dienstleister Personalaufwand Warenaufwand Werbungsaufwand Zinsaufwand Reparaturaufwand Steuern Delkredere
fondswirksamer Ertrag (Cashflow relevant) Warenertrag Zinsertrag Beteiligungserträge
127
nicht fondwirksamer Aufwand Abschreibungen Rückstellungen Buchverluste auf Anlagevermögen Reingewinn
nicht fondswirksamer Ertrag Aufwertung von Anlagevermögen Auflösung von Rückstellungen
Abb. 6.9 Cashflow-relevante Größen der Erfolgsrechnung
Aus der Cashflow-Betrachtung liquider Mittel wird ersichtlich, ob und in welchem Umfang es einem Unternehmen gelungen ist, über die eigentliche Geschäftstätigkeit, d.h. über Herstellung und Vertrieb von Produkten und/oder Dienstleistungen, einen Beitrag zur Vergrößerung der liquiden Mittel zu leisten. Der Cashflow wird in diesem Zusammenhang zur Maßzahl für die interne Ertragskraft eines Unternehmens. Durch ihn wird verdeutlicht, inwiefern eine Unternehmung
beabsichtigte Investitionen mit selbst erarbeiteten Mitteln finanzieren kann,
Schulden tilgen kann, Gewinne ausschütten oder Reserven bilden kann. Die aus der Geschäftstätigkeit erwarteten zukünftigen Cashflows (Zahlungsströme in Form von Ein- und Auszahlungen) bilden die Basis für die unternehmerische Wertgenerierung und deren analytische Erfassung. Diese Rechnungselemente sind deshalb die maßgeblichen Größen für die Beurteilung eines Investitionsvorhabens und somit auch für die Erstellung eines Business Case.
128
6.4.1
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Investitions-Cashflow versus Unternehmens-Cashflow
Da Investitionen direkte Veränderungen bei den liquiden Mitteln hervorrufen (sowohl auf der Aufwandseite; z.B. durch Hard- und Softwareanschaffungen, als auch auf der Ertragsseite; z.B. durch Umsatzerhöhungen), bilden Cashflow Analysen die Basis jeder Investitionsrechnung. Diese Art der investitionsorientierten Cashflow Berechnung (objektbezogener Cashflow) darf nicht mit dem unternehmensorientierten Cashflow (periodenbezogener Cashflow) verwechselt werden. Letzterer wird in regelmäßigen Zeitabständen auf Stufe der Gesamtunternehmung erstellt. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Varianten sind im Wesentlichen:
Unternehmensbezogene Cashflow Rechnungen widerspiegeln die Mittelherkunft und die Mittelverwendung der gesamten Unternehmung. Beim objektbezogenen Cashflow wird der Standpunkt eines Investors eingenommen, um die Auswirkungen eines einzelnen Vorhabens zu analysieren.
Für unternehmensbezogene Cashflow Rechnungen gibt es formale und inhaltliche Standards. Je nach Informationspolitik eines Unternehmens werden sie der Öffentlichkeit präsentiert und sollten deshalb zwecks Einheitlichkeit und Verständlichkeit festgelegte Anforderungen erfüllen. Hingegen unterliegen objektbezogene Cashflow Rechnungen keinen formalen und inhaltlichen Zwängen. Sie werden nur intern verwendet und können situationsspezifisch aufgebaut sein.
Unternehmensgezogene Cashflow Rechnungen werden in vielen Fällen als Vergangenheitsbetrachtung für die zurückliegende Rechnungsperiode erstellt – und repräsentieren damit den tatsächlichen Geschäftsverlauf ergänzend zur Bilanz und Erfolgsrechnung. Hingegen widerspiegeln objektbezogene Cashflow Rechnungen zukunftsgerichtete Prognosen. Der objektbezogene Cashflow wird jährlich ausgewiesen und ergibt sich als Differenz der investitionsbedingten Nutzen und der investitionsbedingten Kosten bzw. den laufenden Betriebskosten ab dem Zeitpunkt der Projekteinführung. Aus der Cashflow Zusammenstellung einer Investition werden die investitionsbedingten Liquiditätsveränderungen in der betrachteten Periode ersichtlich. Ist das Ergebnis der Cashflow Rechnung positiv (Liquiditätsüberschuss), so waren die Geldzuflüsse in dieser Periode höher als die Geldabflüsse. Im umgekehrten Fall hat sich die Liquidität des Unternehmens verringert.
6.5 Einfluss der Investition auf den Cashflow
129
Abb. 6.10 Aufbau einer Cashflow Rechnung aus Unternehmenssicht
In einer Cashflow-Berechnung werden ausschließlich Auszahlung (Cash outflows) und Einzahlungen (Cash inflows) berücksichtigt. Da Abschreibungen und andere buchhalterische Korrekturen (z.B. Abgrenzungen) weder Ein- noch Auszahlungen sind (also keinen Geldfluss darstellen), werden sie in Cashflow Rechnungen grundsätzlich nicht mit einbezogen. Auf mögliche Besonderheiten bei der Behandlung von Abschreibungen in Verbindung mit investitionsbedingten Cashflow-Rechnungen wird an späterer Stelle in diesem Kapitel noch ausführlich eingegangen.
6.5 Einfluss der Investition auf den Cashflow Welchen Einfluss hat eine Investition auf die liquiden Mittel eines Unternehmens? Aufbauend auf den Überlegungen zur Erfolgsrechnung sollen hier nun die Cashflow-Auswirkungen eines Investitionsvorhabens beleuchtet werden. Dazu wird auf das gleiche Projektbeispiel zurückgegriffen, das bereits bei der exemplarischen Erfolgsrechnung als Ausgangslage verwendet wurde. In Ź Abb. 6.11 wird die aggregierte Kosten-und-Nutzen-Zusammenstellung für das E-Shop-Projekt gezeigt. Um eine Cashflow-Rechnung zu erstellen, müssen die für ein Projekt relevanten Kosten- und Nutzenpositionen in sinnvolle und einheitliche Zahlungsströme übersetzt werden. Dabei ist primär die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen „cash-inflows“ und „cash-outflows“ zu beachten.
130
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Projekt "E-Shop" - Aggregierte Kosten-und-Nutzen-Zusammenstellung Jahr 1
2
3
4
5
Nutzen Umsatzplus
0
0
300.000
600.000
900.000
Kostenreduktionen
0
100.000
200.000
400.000
400.000
Investitionskosten Kosten als Aufwand
600.000
400.000
0
0
0
Kosten für Abschreibungsobjekte
400.000
200.000
0
0
0
Kosten als Aufwand
0
50.000
150.000
200.000
200.000
Kosten für Abschreibungsobjekte
0
0
0
0
0
Betriebskosten
Annahmen 30,00%
Steuersatz
Abb. 6.11 Plan-Erfolgsrechnung für das Projekt „E-Shop“
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Kostenreduktionen in einer cashflow-orientierten Investitionsrechnung behandelt werden. Streng genommen handelt es sich dabei ja weder um Zahlungseingänge noch Zahlungsausgänge. Sie werden aber in der Investitionsrechnung mit diesen gleichgesetzt – und somit als „cash-inflows“ behandelt. Sie werden anschließend mit etwaigen Umsatzgewinnen zu einem „Brutto-cash-inflow“ verdichtet. Der „Brutto-cash-inflow“ repräsentiert dadurch den gesamten Nutzen des Projekts. Diesen investitionsbedingten Zahlungsstrom bezeichnet man sinngemäß als „Einsparungen und Umsatzplus“. 6.5.1
Cashflow vor Steuern
Der „Cashflow vor Steuern“ wird im englischen Sprachraum als „before tax cashflow“ bezeichnet. In Ź Abb. 6.12 wird eine einfache Form der Cashflow-Rechnung gezeigt. Hierbei werden lediglich Nutzen und Kosten gegenübergestellt. Aufgrund der Investition ergeben sich in den ersten Jahren Auszahlungsüberschüsse und in den folgenden Jahren Einzahlungsüberschüsse. Diese beeinflussen den Gewinn (bzw. den Verlust) eines Unternehmens und damit indirekt auch die Höhe der Ertragssteuern, die das Unternehmen zu leisten hat. Da Ertragssteuern durchaus ein beachtliches Ausmaß einnehmen können (zwischen 30 – 50 % des Gewinns), ist es angebracht, diesem Aspekt Rechnung zu tragen. Cashflow-Rechnung - Projekt "E-Shop" (ohne Berücksichtigung von Steuern und Abschreibungen) Jahr 1 + Einsparungen und Umsatzplus
0
2
3
100,000
500,000
1,000,000
4
1,300,000
5 200,000
- Aufwendungen
600,000
450,000
150,000
200,000
- Kosten für Abschreibungsobjekte
400,000
200,000
0
0
0
-1,000,000
-550,000
350,000
800,000
1,100,000
Netto-Cashflow
Abb. 6.12 Einfache Cashflow-Rechnung (Vor Steuern)
6.5 Einfluss der Investition auf den Cashflow
6.5.2
131
Cashflow nach Steuern
Eine auch bei uns gebräuchliche Bezeichnung für den Cashflow nach Steuern lautet „after tax cashflow“. Im Hinblick auf eine korrekte Bestimmung der Ertragssteuer ist bei der Erstellung einer CashflowBerechnung die richtige Zuordnung der Investitionskosten für Abschreibungsobjekte entscheidend. Diese Kosten sind zwar „cashflowrelevant“, haben jedoch, da sie den Unternehmensgewinn nicht verändern, keinen Einfluss auf die Höhe der Besteuerung. Warum dies? Abschreibungsobjekte werden in der Höhe ihrer Anschaffungskosten in das Anlagevermögen der Bilanz übernommen. Bilanztechnisch findet ein so genannter „Aktivtausch“ statt. Ein bestimmter Betrag an flüssigen Mitteln (Umlaufvermögen; Aktivseite der Bilanz) wird zu Anlagevermögen mit gleichwertigem Wert (ebenfalls Aktivseite der Bilanz). Sinn und Zweck von Abschreibungen ist es nun, diesen Wert entsprechend der tatsächlichen oder wirtschaftlichen Wertminderung des Anlageobjekts über einen festgelegten Zeitraum auf Null zu reduzieren. Bei Aufwendungen für Abschreibungsobjekte bleibt deshalb (zunächst) die Bilanzsumme unverändert und folglich auch der Gewinn oder Verlust des Unternehmens unverändert. Erst die der Investition folgenden Abschreibungen beeinflussen den Gewinn und damit auch die Ertragssteuern des Unternehmens. Aus diesen Gründen werden in einer Cashflow-Rechnung, bei der die Ertragssteuern berücksichtigt werden, die Kosten für abschreibungsrelevante Investitionen erst nach der Steuerberechnung aufgeführt. Die Überführung einer projektspezifisch erstellten Kosten- und Nutzenzusammenstellung in eine „Nach-Steuer“-Cashflow-Rechnung wird in Ź Abb. 6.13 gezeigt. Aus dieser Darstellung wird ersichtlich, dass wenn im Rahmen des Projekts oder der späteren Betriebsphase Anlagegüter (Objekte, die abgeschrieben werden müssen) angeschafft werden, die entsprechenden Cashflows erst nach dem Steuerabzug in die CashflowRechnung übernommen werden.
Abb. 6.13 Überleitung von Kosten und Nutzen zum Cashflow
132
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Nachfolgend werden die einzelnen Positionen der Cashflow-Rechnung detailliert beschrieben.
Einsparungen und Umsatzplus (Cash inflows; Cashflow savings and Cashflow from additional revenue): In diesem Zahlungsstrom sind die projektbezogenen Kostenreduktionen und Umsatzveränderungen zusammengefasst. Kostenreduktionen verringern den Cashflow eines Unternehmens (z.B. geringere Wartungskosten nach einer Server-Konsolidierung) und wirken sich deshalb genauso positiv auf den Cashflow aus wie die zusätzlichen Umsätze, die durch ein Projekt erzielt werden.
Aufwendungen (cash outflows): In diesem Zahlungsstrom werden diejenigen Projektausgaben erfasst, die nicht mit Abschreibungsobjekten in Verbindung stehen (z.B. Kosten für beanspruchte Dienstleistungen, Reisekosten der Mitarbeiter). Diese Aufwendungen haben einen direkten Einfluss auf den Unternehmensgewinn und demzufolge auch die Gewinnbesteuerung.
Ertragssteuern: Die Höhe der Ertragssteuern ergibt sich aus dem „Cashflow vor Steuer“ und dem kalkulatorischen oder effektiven Steuersatz des Unternehmens.
Kosten für Abschreibungsobjekte: Nach der Berücksichtigung des cashflow-bedingten Steuereffekts können nun die Investitionskosten für Abschreibungsobjekte in Abzug gebracht werden. Nach Abzug dieser Cashflow-Position erhält man den „Netto-Cashflow“ des Investitionsvorhabens. In Ź Abb. 6.14 wird anhand des Beispiels „E-Shop“ eine CashflowRechnung gezeigt, bei der die investitionsbedingten Ertragssteuern ausgewiesen sind. Cashflow-Rechnung - Projekt "E-Shop" (ohne Berücksichtigung von Abschreibungen) Jahr 1 + Einsparungen und Umsatzplus - Aufwendungen Cashflow vor Steuer
2
3
100.000
500.000
1.000.000
600.000
450.000
150.000
200.000
200.000
-600.000
-350.000
350.000
800.000
1.100.000
0
4
5 1.300.000
- Ertragssteuern
-180.000
-105.000
105.000
240.000
330.000
Cashflow nach Steuer
-420.000
-245.000
245.000
560.000
770.000
400.000
200.000
0
0
0
-820.000
-445.000
245.000
560.000
770.000
- Kosten für Abschreibungsobjekte Netto Cashflow
Abb. 6.14 Cashflow-Rechnung für das Projekt „E-Shop“ (Nach Steuern)
6.5 Einfluss der Investition auf den Cashflow
6.5.3
133
Cashflow nach Steuern und Abschreibungen
Diese Cashflow-Form wird im Englischen bezeichnet als „after tax and depreciation cashflow“. Die bisher beschriebenen Ausprägungen der Cashflow-Rechnung entsprechen hinsichtlich ihrer Positionen den in der einschlägigen Fachliteratur vermittelten Ansätzen und auch dem in der Lehre vermittelten „Lehrstoff“. In beiden Fällen wird festgestellt, dass „Abschreibungen nicht cashflow-relevant sind und deshalb nicht in der Cashflow Rechnung erfasst werden.“ Diese Aussage ist zwar grundsätzlich richtig, jedoch lässt sie außer Acht, dass Abschreibungen eine Aufwandposition darstellen und demzufolge einen Einfluss auf die Höhe der Gewinnbesteuerung haben. Diese Tatsache in Verbindung mit dem durchaus beachtlichen Steuersatz (zwischen 30 – 40 %) führt dazu, dass man in der Praxis eine Form der Cashflow-Rechnung wählt, in welcher der Steuereffekt von Abschreibungen berücksichtigt wird – getreu dem in der Unternehmenspraxis oft zitierten Ausspruch „Tax matters“. Man kann also zwei Formen der Cashflow-Rechnung hinsichtlich der Behandlung von Abschreibungen unterscheiden:
Cashflow-Rechnung ohne Abschreibungen: Zur Berechnung der Ertragssteuer werden die Abschreibungen nicht berücksichtigt.
Cashflow-Rechnung mit Abschreibungen: Zur Berechnung der Ertragssteuer werden die Abschreibungen berücksichtigt. Ob die Anwendung einer „präzisen“ Cashflow-Rechnung, mit Berücksichtigung von Abschreibungen, sinnvoll ist, muss in Abhängigkeit von der „Beschaffenheit“ des Investitionsvorhabens beurteilt werden:
Falls ein Investitionsvorhaben lediglich erfolgswirksame Ausgaben verursacht (also keine Investitionen in Abschreibungsobjekte getätigt werden), entstehen demzufolge auch keine Abschreibungen und die Anwendung der präzisen Cashflow-Rechnung wird hinfällig.
Wenn für ein Investitionsvorhaben Aufwendungen in Abschreibungsobjekte getätigt werden, diese aber deutlich unter 5 % der gesamten Projektkosten liegen, kann die Erstellung einer präzisen Cashflow-Rechnung als optional aufgefasst werden.
In allen anderen Fällen sollte man aus Genauigkeitsgründen die Erstellung der präzisen Cashflow-Rechnung in Betracht ziehen. In Ź Abb. 6.15 wird der Aufbau einer Cashflow-Rechnung gezeigt, bei der sowohl die investitionsbedingten Ertragssteuern als auch die Abschreibungen ausgewiesen werden.
134
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
Cashflow-Rechnung - Projekt "E-Shop" (mit Berücksichtigung von Steuern und Abschreibungen) Jahr 1 + Einsparungen und Umsatzplus - Aufwendungen Cashflow vor Steuer - Abschreibungen
2
3
100.000
500.000
1.000.000
600.000
450.000
150.000
200.000
200.000
-600.000
-350.000
350.000
800.000
1.100.000
0
4
5 1.300.000
0
133.333
200.000
200.000
66.667
Zu versteuernder Cashflow
-600.000
-483.333
150.000
600.000
1.033.333
- Ertragssteuern
-180.000
-145.000
45.000
180.000
310.000
0
133.333
200.000
200.000
66.667
-420.000
-205.000
305.000
620.000
790.000
+ Abschreibungen Cashflow nach Steuer - Kosten für Abschreibungsobjekte Netto Cashflow
400.000
200.000
0
0
0
-820.000
-405.000
305.000
620.000
790.000
Abb. 6.15 Cashflow-Rechnung (Nach Steuern und Abschreibungen)
Bei der detaillierten Cashflow-Rechnung mit Abschreibungen wird ein neues Zwischentotal ausgewiesen: „Zu versteuernder Cashflow“. Dieses Zwischentotal erhält man, indem man vom „Cashflow vor Steuer“ die Abschreibungen abzieht. Anschließend wird die Ertragssteuer ausgerechnet. Da Abschreibungen nicht cashflow-wirksam sind, müssen diese nun wieder dem Cashflow hinzugefügt werden. Dadurch wird die Wirkung der Abschreibungen an sich neutralisiert – lediglich ihr Einfluss auf die Ertragssteuern verbleibt in der Cashflow-Rechnung. Vergleicht man ŹAbb. 6.14 und Ź Abb. 6.15, so wird deutlich, dass sich im ersten Jahr keine Veränderung ergibt (da zu diesem Zeitpunkt noch keine Abschreibungen anfallen). Die Cashflow-Situation verbessert sich jedoch in den Jahren Zwei, Drei, Vier und Fünf, da in diesen Jahren Abschreibungen anfallen. Diese reduzieren die Steuerschuld des Unternehmens und führen damit zu einer Verringerung des Negativ-Cashflows in Jahr Zwei bzw. zur Steigerung der Positiv-Cashflows in den Folgejahren. Die beiden exemplarisch gezeigten Cashflow-Rechnungen machen deutlich, dass die Anwendung der präziseren Cashflow-Rechnung von Vorteil für den Business-Case-Ersteller ist, denn sie begünstigt die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Abschreibungen wirken sich immer steuervergünstigend aus.
In den Anfangsjahren, wenn die Projektkosten höher sind als der Projektnutzen, führen Abschreibungen zu einer Erhöhung der Negativsteuer. Das heißt, die Steuerlast wird zusätzlich reduziert (dies trifft jedoch nur unter der Voraussetzung zu, dass die Unternehmung in der jeweiligen Periode einen Gewinn erwirtschaftet). In den Folgejahren, wenn der Nutzen die Kosten übersteigt, führen Abschreibungen zu einer Senkung des positiven Steuerbetrags. Auch hier wird also die Steuerschuld reduziert (jedoch wiederum nur unter der
6.6 Veränderungen des Umlaufvermögens
135
Voraussetzung, dass die Unternehmung in der jeweiligen Periode einen Gewinn erwirtschaftet.
6.6 Veränderungen des Umlaufvermögens Wie wirken sich Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens auf den Erfolg aus? Wie wirken sich Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens auf den Cashflow aus? Projekte der Informatik können, wenn sie „business-getrieben“ sind, zu Veränderungen der Umlaufvermögensstruktur einer Unternehmung führen. Es sind im Wesentlichen die drei Komponenten
„Forderungen“, „Lager“ und „Verbindlichkeiten“, die durch derartige Projekte tangiert werden. Die Gesamtheit dieser Größen bezeichnet man als „Netto-Umlaufvermögen“. Siehe dazu auch Ź Abb. 6.16.
Abb. 6.16 Berechnung des Netto-Umlaufvermögens
Jede Größe repräsentiert eine Position in der Bilanz, wobei „Lager“ und „Forderungen“ Aktiva sind und „Verbindlichkeiten“ auf der Passivseite der Bilanz geführt werden. Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens wirken sich deshalb unmittelbar auf die Bilanz aus – d.h. sie sind bilanzwirksam. Werden beispielsweise Lager aufgebaut, führt dies gleichzeitig zu einer Erhöhung der Aktivseite der Bilanz wie auch der Passivseite, da diese höheren Lagerbestandteile finanziert werden müssen. Dies geschieht in der Regel mit kurzfristigem Fremdkapital (goldene Bilanzregel; Fristenkongruenz). Demzufolge kann sich eine Veränderung des Netto-Umlaufvermögens nicht auch in direkter Form auf den Erfolg auswirken, sondern bestenfalls indirekt – und zwar über die Aufwands- und Ertragspositionen der Erfolgsrechnung (die Größen „Forderungen“, „Lager“ und „Verbindlichkeiten“
136
6 Unternehmensrechnungen aus Investitionssicht
sind keine Aufwands- und Ertragsgrößen; werden also nicht in der Erfolgsrechnung geführt). Um den Einfluss von Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens auf den Cashflow aufzuzeigen, greifen wir auf das bereits bekannte Beispiel „E-Shop“ zurück und führen entsprechende Erweiterungen durch. Projekt "E-Shop" - Aggregierte Kosten-und-Nutzen-Zusammenstellung Jahr 1
2
3
4
5
Nutzen
Nutzen Umsatzplus
0
0
300.000
600.000
900.000
Kostenreduktionen
0
100.000
200.000
400.000
400.000
Verringerung des Umlaufvermögens
0
0
0
0
0
Kosten
Investitionskosten Kosten als Aufwand
600.000
400.000
0
0
0
Kosten für Abschreibungsobjekte
400.000
200.000
0
0
0
Kosten als Aufwand
0
50.000
150.000
200.000
200.000
Kosten für Abschreibungsobjekte
0
0
0
0
0
0
40.000
60.000
0
0
Betriebskosten
Umlaufvermögen Erhöhung des Umlaufvermögens Annahmen Steuersatz
30,00%
Abb. 6.17 Kosten und Nutzen – mit Veränderung des Netto-UV
Zunächst fügen wir in der generischen Berechnungsvorlage für die aggregierte Kosten-und-Nutzen-Zusammenstellung zwei neue Zeilen ein:
Auf der Nutzenseite die Zeile „Verringerung des Umlaufvermögens“ und
auf der Kostenseite die Zeile „Erhöhung des Umlaufvermögens“ (wobei aus Platzgründen auf den Zusatz „Netto-“ verzichtet wird). In ŹAbb. 6.17 ist die entsprechend ergänzte Kosten-/Nutzen-Zusammenstellung dargestellt. Aufgrund des E-Shop-Projekts müssen die Lagerkapazitäten der Endprodukte erhöht werden, damit eine stetige Lieferbereitschaft (entsprechend den „Marketingversprechungen“; z.B. „wir liefern innerhalb von 24 Stunden“) gewährleistet werden kann. Im Jahr 2 der Investition ergibt sich dadurch eine Erhöhung um 40.000 Geldeinheiten. Im Jahr 3, wenn die E-ShopLösung voll eingeführt ist, wird das Umlaufvermögen nochmals um 60.000 Geldeinheiten erhöht. Ingesamt hat sich dadurch das im Netto-Umlaufvermögen gebundene Kapital im Vergleich zur Ausgangslage (BaseCase; Stand vor der Investition) um 100.000 Geldeinheiten erhöht.
6.6 Veränderungen des Umlaufvermögens
137
Cashflow Rechnung - Projekt "E-Shop" (inkl. Steuern, Abschreibungen und Umlaufvermögen) Jahr 1 + Einsparungen und Umsatzplus - Aufwendungen Cashflow vor Steuer - Abschreibungen
3
100.000
500.000
1.000.000
600.000
450.000
150.000
200.000
200.000
-600.000
-350.000
350.000
800.000
1.100.000
0
4
5 1.300.000
0
133.333
200.000
200.000
66.667
Zu versteuernder Cashflow
-600.000
-483.333
150.000
600.000
1.033.333
- Ertragssteuern
-180.000
-145.000
45.000
180.000
310.000
0
133.333
200.000
200.000
66.667
-420.000
-205.000
305.000
620.000
790.000
400.000
200.000
0
0
0
0
40.000
60.000
0
0
-820.000
-445.000
245.000
620.000
790.000
+ Abschreibungen Cashflow nach Steuer - Kosten für Abschreibungsobjekte
Ź
2
+/- Veränderung Umlaufvermögen Netto-Cashflow
Abb. 6.18 Cashflow mit Berücksichtigung von Veränderungen im Netto-UV
In Ź Abb. 6.18 ist die um das Netto-Umlaufvermögen erweiterte Cashflow-Rechnung für das E-Shop-Projekt dargestellt. Da das Netto-Umlaufvermögen nicht mit Aufwendungen und Erträgen in Verbindung steht und deshalb auch keine Auswirkungen auf die Ertragssteuern hat, erscheint es als letzte Position in der Cashflow-Rechnung. Aus der gezeigten Cashflow-Rechnung geht auch hervor, dass Veränderungen im Netto-Umlaufvermögen immer relativ zur Ausgangslage (ursprüngliche Situation vor der Investition) berücksichtigt werden und nicht relativ zu den eventuellen investitionsbedingten Veränderungen in vorausgegangenen „Investitions-Jahren“. Die jeweils höchste Veränderung wird dann in jedem nachfolgenden Jahr bis zum Ende des Berechnungszeitrahmens fortgeführt. Also auch dann, wenn sich in den folgenden Jahren das Netto-Umlaufvermögen nicht mehr ändert, wird der Höchstwert angesetzt.
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
7.1 Überblick – Die Analyseverfahren Der Investitionsbegriff basiert, wie viele der heutigen Fachbegriffe, auf einer lateinischen Ursprungsbezeichnung. „Investire“ wird in der wörtlichen Übersetzung mit „einkleiden“ gleichgesetzt. Auch wenn das Einkleiden früher durchaus eine Investition darstellte, hat sich mittlerweile die Semantik des Begriffs gewandelt. Heute spricht man nur dann von einer Investition, wenn bedeutende Geldbeträge zur Disposition stehen – also angelegt werden sollen. Wobei die Art und Weise der „Anlage“ unerheblich ist. Es kann sich um Leistungen, Sachgüter oder Forderungen handeln. Investitionen lassen sich als zeitliche Abfolge von in Geld bewerteten Leistungen betrachten. Im klassischen Sinne ist eine Investition durch einen Zahlungsstrom gekennzeichnet, der mit einer Auszahlung beginnt und dem später Einzahlungen bzw. Einzahlungsüberschüsse folgen. Eine Investition schafft also die Voraussetzung dafür, dass man zu einem späteren Zeitpunkt wieder Zahlungsmittel einnehmen kann. Dies zeigt auch den wesentlichen Unterschied zur Finanzierung auf. Während eine Investition mit einer Auszahlung beginnt, steht am Anfang einer Finanzierung eine Einzahlung, der mehrere Auszahlungen (Rückzahlungen an den Kapitalgeber) folgen. Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung beginnt. Eine Finanzierung ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Einzahlung beginnt.
Bei Investitionen in IT-Projekte steht am Anfang ein Aufwand, dem zu späteren Zeitpunkten ein Nutzen in Form von Einsparungen, Produktivitätssteigerungen oder Umsatzsteigerungen entgegensteht. Die Differenz zwischen Aufwand und Nutzen einer Investition kann man als Leistungssaldo bezeichnen.
140
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Wesentliche Merkmale von Investitionen sind: Investitionen haben einen einmaligen Charakter und übersteigen das Volumen der „üblichen Tagesausgaben“. Investitionen werden geplant und dienen einem klar festgelegten Ziel. Die Bereitschaft zur Investition ist verbunden mit der Erzielung eines Nutzens, wobei dieser Nutzen zumindest gleich, in der Regel aber höher gewichtet ist als das Investitionsvolumen.
Einnahmen- und Ausgabenströme sind unregelmäßig über die gesamte Investitions- bzw. Nutzungsdauer verteilt. Abb. 7.1 Investitionsmerkmale
Die klassischen Investitionsrechenverfahren werden in vielen Fällen als Standardwerkzeug für die Wirtschaftlichkeitsberechnung angesehen. Sie liefern auf Basis eines relativ überschaubaren Formelwerks mit nachvollziehbaren Eingabeparametern aussagekräftige Ergebnisse. Investitionsrechnungen (engl.: financial appraisal techniques) lassen sich in statische und dynamische Methoden unterteilen.
Die statischen Methoden (engl.: non-discounted analysis) sind geprägt durch ihre einfache Anwendbarkeit, welche gleichzeitig jedoch ihre Aussagekraft für die Praxis einschränkt.
Die dynamischen Methoden (engl.: discounted analysis) erweisen sich als deutlich flexibler und leistungsfähiger. Kosten- und Nutzengrößen fließen hier nicht als zeitunabhängige Einzelwerte, sondern als zeitveränderliche Ein- und Auszahlungsreihen in die Berechnung ein. Dies wird den komplexen Investitionsvorhaben im IT-Umfeld eher gerecht. In der Praxis werden heute überwiegend die dynamischen Rechenverfahren eingesetzt. Im Zeitalter der Tabellenkalkulation lassen sich diese Methoden mittlerweile auch praktikabel verwenden, bieten doch die verschiedenen Tabellenkalkulationsprogramme vorgefertigte Formeln an. Ein im Sinne der Investitionsrechnung weitgehend unbekanntes Verfahren ist die „Value-Methode“ nach dem Ansatz des „Residualgewinns“. In der einschlägigen Literatur und auch in Lehre und Ausbildung wird diese spezielle Möglichkeit der Investitionsrechnung nicht behandelt. Dies ist eigentlich unverständlich, da dieser Ansatz mittlerweile in der Praxis die gleiche Bedeutung erfährt wie die klassischen Methoden (statische und dynamische Verfahren). Aufgrund der stark vereinfachten Abbildung der Nutzen/Kosten-Problematik eignen sich statische Verfahren vor allem für Situationen, in denen nur sehr grobe Näherungswerte in die Rechnung eingehen.
7.1 Überblick – Die Analyseverfahren
141
Abb. 7.2 Investitionsrechenverfahren – Übersicht
7.1.1
Statische Verfahren
Return on Investment (ROI): Wird oft auch als „Rentabilitätsrechnung“ bezeichnet und wird unter den statischen Verfahren am häufigsten eingesetzt. Die Wirtschaftlichkeit wird aus dem Verhältnis von Nutzen (Kosteneinsparungen und Erträge) und dem dafür eingesetzten Kapital (Kosten) beurteilt. Die Summe aller Einsparungen und Erträge und die Summe aller Kosten fließen dabei als periodenübergreifendes Gesamttotal in die Berechnung ein. Payback (statisch): Wird auch als „Amortisationsrechnung“ oder „Kapitalrückflussrechnung“ bezeichnet. Die Payback-Rechnung ermittelt den Zeitraum, bis eine Investition mit den durchschnittlichen Cashflows (Einnahmeüberschüssen) oder liquiditätswirksamen Kostenersparnissen vollständig zurückbezahlt (amortisiert) ist. Die als Ergebnis ausgewiesene Amortisationsdauer wird in der Regel in Jahren angegeben, demzufolge fließen auch die Eingangsgrößen als Jahreszahlen in die Berechnung ein. Die Amortisationsdauer nennt man auch Wiedergewinnungszeit, Kapitalrückflussdauer oder Payback-Period. 7.1.2
Dynamische Verfahren
Net Present Value (NPV): Wird auch als „Kapitalwertmethode“ bezeichnet. Sie ist das gebräuchlichste dynamische Berechnungsverfahren. Das Ziel der Kapitalwertmethode ist die Ermittlung des gesamten Über-
142
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
schusses einer Investition – also der Betrag, der über die Amortisation des Mitteleinsatzes und die kalkulatorischen Zinsen hinaus entsteht. Zu diesem Zweck werden alle zukünftigen monetären Veränderungen auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der Investition hin abgezinst. Die Ein- und Auszahlungsüberschüsse der verschiedenen Jahre werden damit vergleichbar und können aufgerechnet werden. Internal Rate of Return (IRR): Wird auch als „interner Ertragssatz“ oder „interner Zinsfuß“ bezeichnet. Diese Methode ist eng verwandt mit dem Kapitalwert-Ansatz und greift auf dieselben Rechnungselemente zurück (abgezinste Zahlungsströme der Investition). Ermittelt wird jedoch nicht mehr die Summe der diskontierten Geldflüsse, sondern der Zinssatz, mit dem das durch die Investition gebundene Kapital verzinst wird. Während das Berechnungsergebnis beim Kapitalwertverfahren ein Absolutbetrag (ausgedrückt in Geldeinheiten) ist, handelt es sich beim internen Ertragssatz um eine Prozentzahl. Die interne Zinssatzmethode macht damit eine Aussage über die Rentabilität einer Investition (Renditekennziffer). Baldwin-Zinsfuß: Die Baldwin-Methode liefert als Ergebnis ebenfalls eine Renditekennziffer (Prozentzahl) und ist somit mit der IRR-Methode vergleichbar. Allerdings umgeht die Baldwin-Methode einige Anwendungsschwierigkeiten der IRR-Methode (Reinvestitionsprämisse und Kapitalwertgleichung n-ten Grades), auf die wir zu einem späteren Zeitpunkt detaillierter eingehen. Der Baldwin-Zinsfuß ist die Rendite (in Prozent) einer Investition, die unter der Voraussetzung erzielt wird, dass die Einzahlungsüberschüsse zu einer bestimmten vorgegebenen Unternehmensrendite angelegt werden könne. Payback (dynamisch): Beim dynamisierten Payback-Verfahren wird für die Berechnung der Wiedergewinnungszeit (Amortisationsdauer) der zeitliche Anfall der Geldströme berücksichtigt. Basis sind wiederum die anhand der Kapitalwertmethode ermittelten abgezinsten Ein- und Auszahlungsüberschüsse. Ansonsten kommt der gleiche Berechnungsweg wie bei der statischen Payback-Zeit zum Einsatz. Der Vorteil bei der dynamischen Variante liegt in der höheren Genauigkeit. 7.1.3
Value-orientierte Verfahren
Value at Stake (VaS): Die Kennzahl VaS basiert auf dem Konzept des „Residualgewinns“ (engl. „Residual Income“). Es gibt jedoch mehrere synonyme Bezeichnungen, die alle das Gleiche meinen: EVA (Economic Value Added), Economic Profit oder OPAC (Operating Profit after Capital Charge and Taxes)
7.2 Überblick – Die Rahmenbedingungen
143
Der Residualgewinn stellt jenen Teil des Gewinns dar, der über die Kapitalkosten hinaus erwirtschaftet wird. Das Konzept des Economic Profit trägt damit der Tatsache Rechnung, dass ein Überschuss erst dann entsteht, wenn alle Kosten, einschließlich der Kapitalkosten, durch eine Investition gedeckt werden können. Ausgangspunkt für die Berechnung des investitionsbedingten Economic Profit ist der rechnerische Netto-Ertrag einer Investition – ausgewiesen als periodenbezogener Netto-Gewinn oder Netto-Verlust. Von jedem NettoErtrag eines Investitionsjahres werden zusätzlich die Kapitalkosten für das abnutzbare Anlagevermögen (ausgehend von den Restbuchwerten in der jeweiligen Periode) und eventuelle Kapitalkosten für zusätzliches Kapital, welches im Netto-Umlaufvermögen gebunden ist, in Abzug gebracht. Als Ergebnis dieser Berechnung erhält man für jedes Jahr der Investition einen Residualgewinn oder -verlust. Mit Hilfe der Diskontierung (Abzinsung) können diese jährlichen Werte zu einem Gesamtbetrag verdichtet werden. Für diesen konsolidierten Einzelwert gibt es keine standardisierte Namenskonvention – an dieser Stelle wird deshalb die neue Bezeichnung „Value at stake“ (VaS) eingeführt.
7.2 Überblick – Die Rahmenbedingungen Das Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsanalyse wird beeinflusst durch Rahmenfaktoren, die dem Berechnungsschema zugrunde liegen. Neben den projektspezifischen „primären Wirtschaftlichkeitsfaktoren“, in Form von Kosten und Nutzen einer Investition, gibt es übergeordnete – und somit
Abb. 7.3 Business-Case-Eckpunkte
144
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
projektunspezifische – Rechnungselemente, die unternehmensabhängig bestimmt, verbindlich vorgegeben und korrekt angewendet werden müssen. Wir wollen diese weiteren ergebnisbeeinflussenden Rahmenbedingungen im Folgenden als „Business-Case-Eckpunkte“ bezeichnen. Business-Case-Eckpunkte sind zentrale Vorgabewerte, die beim Aufbau eines Business-Case-Analysemodells berücksichtigt werden müssen. 7.2.1
Steuersatz
Der Steuersatz (corporate income tax rate) verkörpert die prozentuale Höhe aller Ertragssteuern, die ein Unternehmen zu leisten hat. Dieser Prozentwert wird von der Finanzabteilung errechnet und dem Business-CaseAutor zur Verfügung gestellt. Wichtig ist hierbei, dass ein für das Unternehmen bzw. für die Division standardisierter Satz Anwendung findet, damit die Business Cases unterschiedlicher Projektvorschläge vergleichbar sind. In der Regel wird bei dem Steuersatz eine kalkulatorische Steuerquote unterstellt, in der Gewerbeertragssteuer, Körperschaftssteuer und etwaige steuerliche Zuschläge (z.B. Solidarzuschlag) enthalten sind. Die Berücksichtigung von steuerlichen Gesichtspunkten in einem Business Case ist keineswegs selbstverständlich. Auf diese Tatsache wird in einem der folgenden Kapitel noch detaillierter eingegangen. Man muss deshalb im Vorfeld klären, ob die Steuer in das Berechnungsmodell einfließen soll oder nicht. Dies kann von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich gehandhabt werden. Die grundsätzliche Empfehlung lautet jedoch, den Steuereffekt zu berücksichtigen. 7.2.2
Kalkulationszinssatz
Wird auch als „Kapitalisierungszinsfuß“ oder „Kapitalisierungssatz“ bezeichnet (engl.: discount rate). Der Kalkulationszinsfuß wird für die Diskontierung der periodenbezogenen Einzahlungs- oder Auszahlungsüberschüsse benötigt. Die Aufgabe des Kalkulationszinssatzes ist es also, die zu unterschiedlichen Zeiten anfallenden Geldflüsse eines Investitionsvorhabens vergleichbar zu machen. Maßgebend für die Höhe dieses Prozentsatzes kann beispielsweise der Fremdkapitalzins oder der Eigenkapitalzins sein, der für das jeweilige Unternehmen gilt. Die Anwendung dieser kapitalspezifischen Zinssätze ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn bei einer Investition im Vorfeld bekannt ist, ob diese entweder nur über Eigenkapital oder nur über Fremdkapital finanziert wird. In der Regel ist die Kapitalherkunft (Finanzierungsquelle) bei IT-Projekten jedoch nicht bekannt, weshalb man sich eher an einer ge-
7.2 Überblick – Die Rahmenbedingungen
145
wünschten Gesamtkapitalrentabilität orientiert, also an der durchschnittlichen Entschädigungserwartung aller Kapitalgeber eines Unternehmens. Ausgangspunkt ist hierbei ein unternehmensspezifischer allgemeiner „Kapitalkostensatz“ bzw. die so genannten „gewichteten Kapitalkosten“ (engl.: Weighted Average Cost of Capital; WACC).
Abb. 7.4 Einflussgrößen des Kalkulationszinssatzes
Grundsätzlich ist es empfehlenswert, Investitionen unabhängig von der Art ihrer Finanzierung zu betrachten, weshalb die gewichteten Kapitalkosten eine sinnvolle Basis für den Kalkulationszinsfuß darstellen. Die Kapitalkosten verkörpern jedoch nur eine Dimension, die bei der Ermittlung eines Kalkulationszinsfußes zu berücksichtigen ist. Um einen repräsentativen Zinssatz zu erhalten, müssen weitere Einflussgrößen in Betracht gezogen werden. In Ź Abb. 7.4 sind neben den Kapitalkosten (WACC) weitere Faktoren dargestellt, die einen Einfluss auf die Höhe des Kalkulationszinssatzes haben können.
146
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Nicht alle in einem Unternehmen getätigten Investitionen weisen ein identisches Grundrisiko auf. So ist es beispielsweise denkbar, für Investitionen, die von den verschiedenen Organisationseinheiten eines Unternehmens ausgelöst werden, spezifische Risikozuschläge anzusetzen (die Investitionen der Informatik weisen ein anderes Risikoprofil auf, als beispielsweise Firmenzukäufe von der Abteilung „Mergers & Aquisitions“). Bei der Festlegung des Kalkulationszinssatzes kann man diese spezifischen Risikoabstufungen einbeziehen. Weiterhin kann man auch argumentieren, dass jede Investition ein anderes Risiko mit sich bringt und der Kalkulationszinsfuß deshalb investitionsspezifisch bestimmt werden sollte. Dies kann aber zu vielen internen Diskussionen führen und den Vergleich von alternativen Investitionen erschweren. In der Praxis werden deshalb Zinssätze kaum projektspezifisch festgelegt. Diese und ähnliche Überlegungen werden an späterer Stelle im Rahmen der Risikoanalyse noch vertieft. Hingegen ist es eher angebracht, unterschiedliche Zinssätze für die Divisionen eines Konzerns oder für das In- und Ausland und bei Bedarf auch für verschiedene Investitionsszenarien (Rationalisierung, Erweiterung) zu definieren. Dies erscheint sinnvoll, wenn man bedenkt, dass Marktzinssätze für langfristige Kapitalien im In- und Ausland verschieden hoch sind und Risikozuschläge je nach Divisionstätigkeit anders ausfallen. Die Rendite der nicht berücksichtigten Investitionsalternativen („Alternativrendite“) drückt aus, was mit dem besten alternativen Kapitaleinsatz des durch die geplante Investition gebundenen Kapitals erwirtschaftet werden könnte, falls auf diese geplante Investition verzichtet werden würde. Dieser Überlegung liegt die Zielvorstellung der Gewinnmaximierung zugrunde; sie will erreichen, dass nur Investitionen realisiert werden, welche mehr erwirtschaften, als bei alternativer Kapitalverwendung erreicht werden könnte. Allerdings stößt man bei der praktischen Ermittlung einer derartigen Alternativrendite auf eine Dilemma: Erst wenn das gesamte Investitionsprogramm bestimmt ist, ist eine verlässliche Aussage über die Alternativverwendung des Kapitals möglich. Zur Bestimmung dieses Programms ist jedoch die Kenntnis der alternativen Kapitalverzinsung erforderlich. In der Praxis ist diese zirkuläre Beziehung nur schwer lösbar. Über die Wahl der einzelnen Bestimmungsgrößen gibt es in der betriebswirtschaftlichen Literatur noch sehr gegensätzliche Diskussionen, welche zum Ausdruck bringen, dass die Investitionstheorie bislang keinen gesicherten Ansatz entwickeln konnte, der die unterschiedlichen Funktionen des Kalkulationszinssatzes in einer Größe hinreichend ausdrückt. In der Tat stellt sich die Frage, ob neben den Kapitalkosten überhaupt noch weitere Determinanten in die Wahl des Zinssatzes eingehen und ob die sonstigen Überlegungen nicht an anderer Stelle des Investitionsentschei-
7.2 Überblick – Die Rahmenbedingungen
147
dungsprozesses zum Zuge kommen sollten. Die Gefahr, dass der Kalkulationszinssatz, welcher letztlich nur die zu unterschiedlichen Zeiten anfallenden Geldflüsse vergleichbar machen sollte, ansonsten überfordert wird, liegt auf der Hand. Außerdem ist es ohnehin sehr schwierig bzw. unmöglich, bestimmte Sachverhalte, wie beispielsweise das Risiko, monetär zu bewerten, so dass einer möglichen Anwendung letztlich sehr enge Grenzen gesetzt sind. Abschließend sei vermerkt, dass es nicht die Aufgabe des Zinssatzes sein kann, mögliche Risiken abzudecken. Vielmehr muss es ein Ziel der Business-Case-Erstellung sein, eben diese Risiken hervorzuheben und Alternativen zur Risikominderung einschließlich ihrer Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit aufzuzeigen. 7.2.3
Betrachtungszeitraum und Terminierung
Der Zeithorizont beschreibt die Spannbreite in Jahren, für die Kosten und Nutzen vorausgesagt werden müssen. Grundsätzlich sollte sich der Betrachtungshorizont an dem Nutzungszeitraum (Lebensdauer; life-cycle) der Lösung orientieren. Ist der Nutzungszeitraum unbestimmt (z.B. bei einem Konsolidierungsvorhaben), so muss ungeachtet dessen eine Zeitspanne festgelegt werden, die von den Entscheidern getragen wird. In der Regel geht man bei IT-Projekten von einer Fünf- bis Zehnjahresperspektive aus, wobei eine Zehnjahres-Vorausschau aus Informatik-Sicht mit hohen Unsicherheiten behaftet sein dürfte. Bei reinen IT-Vorhaben (Projekte, die nur eine Auswirkung innerhalb der Informatik-Organisation haben), bietet sich eine Fünfjahres-Perspektive an. Handelt es sich bei dem IT-Projekt dagegen um eine „Business-Initiative“ (z.B. Umsetzung einer Geschäftsstrategie) kann ein längerer Prognosezeitraum sinnvoll sein. Erreichen Ein- oder Auszahlungsströme das Ende der betrachteten Zeitperiode, stellt sich die Frage der Fortführung. Diesbezüglich gibt es mehrere Möglichkeiten: Man lässt die Zahlungsströme am Ende des Betrachtungszeitraums abrupt enden. Die Zahlungsströme werden nach dem Prinzip einer „ewigen Rente“ fortgeführt. Die ewige Rente entspricht einer Rente ohne Kapitalverzehr. Es wird unterstellt, dass die im letzten Jahr des Betrachtungszeitraums ermittelte Differenz zwischen Nutzen und Kosten in der Zukunft unbefristet und unverändert fortgeführt wird. Die Zahlungsströme werden nach dem Prinzip einer „Rente mit Kapitalverzehr“ fortgeführt. Der im letzten Jahr ermittelte Differenzwert zwischen Kosten und Nutzen wird über eine mathematische Funktion kontinuierlich reduziert. Die Reduktion kann entweder linear oder exponential sein.
148
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Bei Informatik-Investitionen empfiehlt sich in der Regel die erste Option – also das abrupte Ende von Kosten und Nutzen. Vernünftige Tabellenkalkulationsvorlagen sollten ohnehin einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren anbieten. Dieser Zeitraum kann gegebenenfalls vollständig ausgeschöpft werden. Somit ist die Notwendigkeit, das Kosten-/Nutzen-Delta des letzten Jahres zu „verrenten“, nur in sehr wenigen Ausnahmefällen gegeben. 7.2.4
Zahlungszeitpunkt
Geldflüsse (Kosten und Nutzen) fallen innerhalb eines Jahres zu bestimmten Zeitpunkten an. Auf der Kostenseite sind diese Zeitpunkte beispielsweise von Bedeutung für die Ermittlung der Abschreibungen. Die Höhe der Abschreibung variiert je nach Anschaffungs- bzw. Aktivierungszeitpunkt. Für die Erstellung eines Business Case, wäre es nun mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, wenn man während des in der Regel mehrjährigen Analysezeitraumes alle Geldflüsse entweder mit Datum oder korrekt auf Monate verteilt erfassen müsste (zumal die Projektdurchführung noch nicht beschlossen ist). Eine derartige Detaillierung wird beispielsweise bei einem Zahlungsplan (engl.: „cash-out plan“) für ein genehmigtes IT-Projekt verlangt. Anlässlich der Erarbeitung eines Business Case ist es jedoch allgemein üblich und anerkannt, als Teilperiode für die Cashflow-Erfassung das Jahr zu verwenden, wobei ein pauschales Datum für die Wirksamkeit der jährlichen Kosten und Nutzen festgelegt wird. Üblicherweise handelt es sich bei diesem Zeitpunkt entweder um die Jahresmitte (01.07.) oder um das Jahresende (31.12.) – wobei in der Praxis der letztgenannte Zeitpunkt als Regelfall vorzufinden ist. Verwendet man das Jahresende, so bedeutet dies für die Kostenseite, dass Abschreibungen im Folgejahr der Anschaffung beginnen. Die bei ITProjekten bestehende Möglichkeit, Abschreibungsobjekte erst bei Projektschluss zu „aktivieren“, wird bei der Erstellung eines Business Case aus Vereinfachungsgründen in der Regel nicht berücksichtigt, denn dieser Zeitpunkt ist während der Erarbeitung des Business Case noch mit Unsicherheiten behaftet. 7.2.5
Abschreibungsdauer und -methode
Abschreibungsdauer: Ausschlaggebend für die Festlegung des Abschreibungszeitraums sind zum einen etwaige gesetzliche Regelungen, die einen bestimmten Spielraum vorgeben. Darüber hinaus ist vor allem die geplante Nutzungsdauer das wesentliche Kriterium. Für informationstechnologische Abschreibungsobjekte ist dabei weniger die mögliche
7.2 Überblick – Die Rahmenbedingungen
149
technische Nutzungsdauer maßgeblich, sondern die so genannte „wirtschaftliche Nutzungsdauer“. Diese bezieht sich auf die wirtschaftlich optimale Nutzungszeit. Für Abschreibungsobjekte im Bereich der Informatik, die einem starken technischen Fortschritt ausgesetzt sind, sollte man die Abschreibungsdauer eher zu kurz als zu lang ansetzen. Im europäischen Raum ist eine Abschreibungsdauer von drei Jahren weit verbreitet. Wobei man durchaus zwischen unterschiedlichen Zeiträumen unterscheiden kann. So kann die Abschreibung von Hardware und die Abschreibung von Investitionen in Software-Lösungen (z.B. ERP-Installation) durchaus unterschiedlich gehandhabt werden. Abschreibungsmethode: Mögliche Abschreibungsmethoden im Rahmen von IT-Projekten sind die lineare Abschreibung, die degressive Abschreibung und die progressive Abschreibung. Aus Gründen der Einfachheit wird im Rahmen der Business-Case-Erstellung vielfach von einer linearen Abschreibung ausgegangen. Bei der linearen Abschreibung werden die Anschaffungskosten des Abschreibungsobjekts in gleichen Jahresraten auf die Abschreibungsdauer verteilt. Das Prinzip der linearen Abschreibung liegt auch der so genannten „kalkulatorischen Abschreibung“ zugrunde, welche als Approximation häufig bei der Investitionsrechnung genutzt wird. Diese Vereinfachung ist vor allem dann berechtigt, wenn, wie in den meisten IT-Projekten, die Investitionskosten der Abschreibungsobjekte nur etwa 5-10 % der gesamten Projektkosten ausmachen. 7.2.6
Inflationsrate
Um den Entwicklungen des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus Rechnung zu tragen, können Investitionsaufwendungen (sofern sich diese über mehrere Jahre verteilen) mit einem Inflationsaufschlag belegt werden. Die Inflationsrate wird sowohl auf externe Kosten (z.B. Hardware-Anschaffungen), als auch auf interne Kosten (z.B. Löhne) angewendet. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Geldentwertung und die daraus resultierenden Preis- bzw. Lohnsteigerungen implizit bei der Kostenerhebung zu berücksichtigen und deshalb den Inflationsausgleich nicht separat im Berechnungsmodell auszuweisen. Bei Überlegungen hinsichtlich der Inflation sind zwei Aspekte zu beachten:
Auf der einen Seite muss man sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass bei IT-Projekten die Kostenschätzung (insbesondere wenn die Kosten über mehrere Jahre verteilt anfallen) mit Unsicherheiten behaftet ist, weshalb die explizite Anwendung einer Inflationsrate eine Scheingenauigkeit vortäuschen kann.
Auf der anderen Seite enthalten die Kalkulationszinssätze in der Regel eine Inflationskomponente (als Teil des risikofreien Basiszinses). Folg-
150
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
lich müssten auch die Nutzen- und Kosten-Geldströme mit einem Inflationsaufschlag versehen werden, um ein fachlich korrektes Ergebnis zu erhalten. Für die Anwendung und Höhe der hier beschriebenen Eckpunkte gibt es in der Regel unternehmensspezifische Standards. Bevor man also diese Eckpunkte dem eigenen Ermessen unterstellt, sollte man unbedingt Erkundigungen bezüglich der jeweiligen Vorgaben im Unternehmen einholen. Nur bei Einhaltung der Standards ist die Akzeptanz des Business Case gewährleistet.
7.3 Diskontierung – absolute Vorteilhaftigkeit Ein zentrales Merkmal der dynamischen Rechenmethoden ist die so genannte „Diskontierung“. Sie beruht auf der Tatsache, dass heute verfügbares Geld mehr wert ist als künftiges. Diese Überlegung ist für jeden nachvollziehbar. Bietet man Ihnen beispielsweise ein Geldgeschenk in Höhe von 1.000 Geldeinheiten an, wobei Sie die Wahl haben, den Geldbetrag heute oder erst in vier Jahren entgegenzunehmen, dann müssen Sie nicht zweimal überlegen, um die aus Ihrer Perspektive richtige Entscheidung zu treffen. Wenn Sie den Geldbetrag heute bekommen, haben Sie die Möglichkeit den Betrag entweder gewinnbringend anzulegen und können dann in vier Jahren auf ein um Zins und Zinseszins erhöhtes Guthaben verfügen. Oder aber sie können den Betrag sofort „ausgeben“ und profitieren dann von der entsprechend höheren Kaufkraft, den dieses Kapital heute, im Gegensatz zum gleichen Betrag in vier Jahren, aufweist. Als Investor geht man von derselben Grundüberlegung aus. Ein unter gleichen Voraussetzungen zur Verfügung stehender Geldbetrag verkörpert für den Investor zum heutigen Zeitpunkt einen höheren Wert als in späteren Jahren. Betrachten wir nun unter Kenntnis dieser Schlussfolgerung die jährlichen Einoder Auszahlungsüberschüsse einer Investition. Ein repräsentatives Beispiel wird dazu in Ź Abb. 7.5 gezeigt. Da anhand des Beispiels die Auswirkungen der Diskontierung erläutert werden sollen, liegt der Fokus auf Kosten und Nutzen. Es wird also eine so genannte „Vor-Steuer-Betrachtung“ durchgeführt. Eine Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten („Nach-Steuer-Betrachtung“) wäre an dieser Stelle nicht zweckdienlich und soll deshalb aus Vereinfachungsgründen entfallen (vielmehr werden diese Aspekte an einer späteren Stelle gesondert behandelt). Bei dem vorliegenden Beispiel liegt im Jahr des Investitionsbeginns (Jahr 0) ein Auszahlungsüberschuss vor. Im folgenden Jahr (Jahr 1) wird der erwartete Nutzen höher bewertet als der im selben Jahr investierte Betrag und es kommt, wie auch in den nachfolgenden Jahren, zu einem Einzahlungsüberschuss.
7.3 Diskontierung – absolute Vorteilhaftigkeit
151
Investition "XY" Kosten Nutzen Delta*
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
10.000.000
0
0
0
30.000.000
0
15.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
75.000.000
-20.000.000
5.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
45.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.5 Ein- und Auszahlungsströme (Nutzen u. Kosten) einer Investition
Das über mehrere Jahre addierte Total der Kosten beläuft sich auf 30 Mio. GE (Geldeinheiten), während die quantifizierten Nutzenaspekte einen Gesamtwert von 75 Mio. GE ausmachen. Der Nutzenüberschuss nach fünf Jahren würde demzufolge 45 Mio. GE betragen. Derartige Informationen werden in Business-Case-Präsentationen hin und wieder auch grafisch dargestellt. Man erreicht durch die Visualisierung prägnante Aussagen mit einem bleibenden Eindruck. Eine mögliche grafische Umsetzung wird in Ź Abb. 7.6 gezeigt. Ist die damit verbundene Aussage unter Berücksichtigung der einleitenden Argumente ein haltbarer Vergleich?
Abb. 7.6 Nicht empfehlenswert – einfache Addition und Differenzbildung
Wir wissen anhand der vorhergehenden Überlegungen, dass die Überschüsse in den jeweiligen Jahren nicht „gleich viel wert sind“. Ein Einzahlungsüberschuss im dritten Investitionsjahr verkörpert einen höheren Wert als ein Überschuss im fünften Jahr. Oder umgekehrt: Ein Einzahlungsüberschuss im Jahr fünf einer Investition hat einen geringeren Wert als ein Überschuss im dritten Investitionsjahr. Die absoluten Ergebnisbeträge der einzelnen Jahre sind also nicht ohne weiteres vergleichbar. Ähnlich wie bei Verzinsungsansprüchen kann man bei zeitabhängigen Geldwerten von einem nominellen Wert und einem effektiven Wert sprechen – wobei man ersteren in der Fachsprache als „Zeitwert“ bezeichnet und letzteren als „Barwert“. Es ist demzufolge nicht sinnvoll, jährliche Kosten- und Nutzentotale einfach zu addieren bzw. zu subtrahieren. Unmittelbar verrechenbar und damit vergleichbar sind nur Zahlungen, die sich auf ein und denselben Zeitpunkt beziehen. Zahlungsreihen, die sich über mehrere Jahre erstrecken müssen für einen haltbaren Vergleich „berichtigt“ werden.
152
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Wie sind nun die Zahlungsüberschüsse bzw. die Kosten- und Nutzentotale in den verschiedenen Jahren einer Investition zu bewerten? Was ist ihr „tatsächlicher“ Wert? Die Beantwortung dieser Fragen geschieht mit Hilfe der Diskontierung. Aufgabe der Diskontierung ist es, Zahlungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, vergleichbar zu machen – also ihren „effektiven Wert“ zum Zeitpunkt eines festgelegten „Bezugsjahres“ zu ermitteln, wobei als Bezugsjahr entweder der Investitionsbeginn (das erste Jahr der Investition) oder der Inbetriebnahmezeitpunkt (Projektende bzw. Go-Live) einer neu entwickelten Lösung gewählt werden kann. In der betrieblichen Praxis verwendet man in der Regel den erstgenannten Zeitpunkt – also den Investitionsbeginn – als Referenz. Begriff
Erklärung
Kalkulationszinssatz (Kalkulationszinsfuß)
Mindestverzinsungsanspruch des Investors an ein Investitionsprojekt (in der Regel handelt es sich hierbei um die gewichteten Kapitalkosten; auch als „WACC“ bezeichnet).
Diskontierungsfaktor (Auf- / Abzinsungsfaktor)
Der Diskontierungsfaktor ist eine zeitabhängige Größe, die auf Basis des Kalkulationszinssatzes ermittelt wird. Durch Multiplikation des Zeitwerts einer Ein- oder Auszahlung mit einem jahres- und zinssatzabhängigen Diskontierungsfaktor ergibt sich der Barwert.
Zeitwert (nomineller Wert)
Wert einer Ein- oder Auszahlung (Nutzen und Kosten) zum Zeitpunkt ihres Anfalls.
Barwert (effektiver Wert)
Wert einer Ein- oder Auszahlung (Nutzen und Kosten), der sich durch die Diskontierung (Auf- oder Abzinsung) auf ein festgelegtes Basisjahr ergibt.
Kapitalwert
Der Kapitalwert einer Investition ergibt sich aus der Differenz zwischen dem barwertigen Gesamtnutzen und den Gesamtkosten. D.h. das diskontierte Kostentotal wird vom diskontierten Nutzentotal in Abzug gebracht. Bei einem Nutzenüberschuss entsteht ein positiver Kapitalwert. Sind die Kosten höher als der Nutzen, ergibt sich ein negativer Kapitalwert.
Bezugsjahr (Basisjahr)
Zeitpunkt, auf den die über mehrere Jahre anfallenden Zahlungen bezogen werden. Dies kann zum Beispiel sein: der Investitionsbeginn der Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Lösung Dieses Jahr kann auch als „Referenzjahr“ oder „Vergleichsjahr“ bezeichnet werden.
Abb. 7.7 Namenskonventionen im Zusammenhang mit der Diskontierung
7.3 Diskontierung – absolute Vorteilhaftigkeit
153
Die Diskontierung – also die wertmäßige Anpassung zum Bezugsjahr – geschieht dann entweder durch eine „Aufzinsung“ oder durch eine „Abzinsung“:
Zahlungsgrößen, die nach einem festgelegten Bezugsjahr anfallen, werden abgezinst und sind dadurch mit dem Bezugsjahr vergleichbar. Der Zeitwert wird zum Barwert abgezinst. Durch die Wertverminderung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass ein heute zur Verfügung stehender Betrag mehr Gewicht hat als ein Betrag, der erst in ein paar Jahren verfügbar ist – zukünftige anfallende Zahlungsgrößen haben also einen geringeren Wert.
Zahlungsgrößen, die vor einem festgelegten Bezugsjahr anfallen, werden aufgezinst. Der Zeitwert wird zum Barwert aufgezinst. Durch die Werterhöhung wird der Tatsache Rechnung getragen, dass früher fällige Zahlungen mehr wert sind, da sie vom Fälligkeitszeitpunkt bis zum Bezugsjahr an Zins hätten zulegen können. Methode
Erklärung
Abzinsung
Zinst einen zukünftig fälligen Geldbetrag unter Berücksichtigung von Zins und Zinseszins auf einen zum Zeitpunkt des Bezugsjahres fälligen Geldbetrag ab.
Aufzinsung
Zinst einen jetzt fälligen Geldbetrag mit Zins und Zinseszins auf einen nach x-Jahren (zum Zeitpunkt des Bezugsjahres) fälligen Geldbetrag auf.
Abb. 7.8 Diskontierungsverfahren
Der maßgebliche Faktor für die Auf- und Abzinsung ist der Mindestverzinsungsanspruch des Investors – auch als Kalkulationszinsfuß bezeichnet. Im industriellen Umfeld leitet sich der Verzinsungsanspruch aus den Kapitalkosten ab, wobei grundsätzlich drei Varianten denkbar sind:
Fremdfinanzierung: Das Investitionsobjekt wird mit Fremdkapital finanziert: In diesem Fall ist der Sollzins maßgeblich für die Diskontierung.
Eigenfinanzierung: Das Investitionsobjekt wird mit eigenen Mitteln finanziert: Maßgeblich sind die erwartete Verzinsung der Kapitalgeber bzw. die Opportunitätskosten des Eigenkapitaleinsatzes.
Mischfinanzierung: Es wird eine Mischfinanzierung vorgenommen, bzw. die Art und Weise der Finanzierung ist nicht speziell festgelegt: In diesem Fall werden die gewichteten Kapitalkosten des Unternehmens, gebildet aus dem Eigen- und Fremdkapitalanteil, als Maßstab herangezogen.
154
7.3.1
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Abzinsung
Kennt man den geforderten Kalkulationszinsfuß, so lässt sich daraus der jahresspezifische Diskontierungsfaktor für eine Abzinsung entsprechend der in Ź Abb. 7.9 gezeigten Berechnungsmethode ableiten. Zahlungen, die im Bezugsjahr anfallen (im vorliegenden Beispiel das Jahr 0), werden nicht diskontiert. Eine Berechnung des Diskontierungsfaktors ist deshalb nicht notwendig – es wird der Wert „1“ angesetzt. Tabellenkalkulationsprogramme sind ein praktikables Mittel, um derartige Berechnungen mit Hilfe von Formeln zu automatisieren. Kalkulationszinsfuß: 12% Formel (Abzinsung):
Diskontierungsfaktor des Vorjahres : (1 + Kalkulationszinsfuß) Berechnung
Ergebnis (= Diskontierungsfaktor)
Jahr 0
entfällt
1
Jahr 1
1 : (1 + 0,12)
0,8929
Jahr 2
0,8929 : (1 + 0,12)
0,7972
Jahr 3
0,7972 : (1 + 0,12)
0,7118
Jahr 4
0,7118 : (1 + 0,12)
0,6355
Abb. 7.9 Berechnung der Diskontierungsfaktoren für die Abzinsung
Sind die jahres- und zinssatzspezifischen Diskontierungsfaktoren ermittelt, werden die Zahlungen der einzelnen Jahre mit dem entsprechenden Faktor multipliziert. Siehe Ź Abb. 7.10. Man erhält dadurch die effektiven Werte zum festgelegten Bezugszeitpunkt – in der Regel der Investitionsbeginn, also das Jahr Null. Da sich nun alle Werte auf den gleichen Zeitpunkt beziehen, ist die Vergleichbarkeit hergestellt. Aus der Addition von Kosten und Nutzen ergeben sich nun folgerichtige Gesamttotale und das aus der Differenz von Gesamtkosten und Gesamtnutzen resultierende Delta lässt eine haltbare Aussage zur Vorteilhaftigkeit der Investition zu. Zeitpunkt
Diskontierungsfaktor
Zeitwert
Diskontierung
(undiskontiert) Jahr 1
0,8929
10.000.000
Barwert (diskontiert)
10.000.000 x 0,8929
8.929.000
Abb. 7.10 Vom Zeitwert zum Barwert
Aus Ź Abb. 7.11 wird ersichtlich, wie für jedes Jahr der Investition die diskontierten Werte ermittelt werden. Die Berechnungsergebnisse verdeutlichen, dass sich das Total auf der Kostenseite nur geringfügig verändert hat – unter anderem deshalb, weil im Jahr Null keine Anpassung not-
7.3 Diskontierung – absolute Vorteilhaftigkeit
155
wendig war. Stärkere Auswirkungen hatte die Diskontierung auf die Nutzenseite. Der quantifizierte Nutzen erstreckt sich bis zum Jahr Vier. Im letzten Investitionsjahr wirkt sich die Abzinsung am stärksten aus und führt beinahe zu einer Halbierung der Nutzengröße. Verrechnet man das diskontierte Nutzentotal mit dem diskontierten Kostentotal, ergibt sich ein Nutzenüberschuss von abgerundet 27 Mio. Geldeinheiten (56.283.500 GE – 28.929.000 GE = 27.354.500 GE). Zeitpunkt
Diskontierungsfaktor
Kosten undiskontiert
Nutzen
diskontiert
undiskontiert
diskontiert
Jahr 0
1
20.000.000
20.000.000
0
0
Jahr 1
0,8929
10.000.000
8.929.000
15.000.000
13.393.500
Jahr 2
0,7972
0
0
20.000.000
15.944.000
Jahr 3
0,7118
0
0
20.000.000
14.236.000
Jahr 4
0,6355
0
0
20.000.000
12.710.000
30.000.000
28.929.000
75.000.000
56.283.500
Total
Abb. 7.11 Berechnung der diskontierten Zahlungsgrößen (Barwerte)
Die grafische Umsetzung der diskontierten Totale ist in Ź Abb. 7.12 dargestellt. Das diskontierte Nutzentotal überwiegt die diskontierten Gesamtkosten, so dass die Investition immer noch als vorteilhaft anzusehen ist. Allerdings hat sich der Nutzenüberschuss merklich verringert. Undiskontiert lag der Überschuss bei 45 Mio., während der „diskontierte Überschuss“ 27 Mio. beträgt. Wichtig ist bei einer solchen Visualisierung der deutliche Hinweis, dass es sich bei den dargestellten Totalen um diskontierte Größen handelt.
Abb. 7.12 Kosten-/Nutzenvergleich auf Basis von diskontierten Werten
Es ist übrigens nicht notwendig, Kosten und Nutzen separat über mehrere Jahre zu diskontieren. Man kann auch direkt den jeweiligen Jahressaldo ab- bzw. aufzinsen. Um dies zu demonstrieren greifen wir auf die einleitend gezeigte Investitionsübersicht der Investition „XY“ zurück und er-
156
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
gänzen diese mit den berechneten Diskontierungsfaktoren. Siehe dazu Ź Abb. 7.13. Das jährlich ausgewiesene Delta zwischen Kosten und Nutzen wird dann mit dem jeweiligen Diskontierungsfaktor multipliziert. Daraus ergibt sich ein diskontierter Jahressaldo. Die Addition aller diskontierten Jahrestotale ergibt schlussendlich den positiven Gesamtüberschuss von abgerundet 27 Mio. Geldeinheiten. Investition "XY"
Kosten
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
10.000.000
0
0
0
30.000.000
0
15.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
75.000.000
-20.000.000
5.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
45.000.000
Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
-20.000.000
4.464.500
15.944.000
14.236.000
12.710.000
27.354.500
Kapitalwert * im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.13 Diskontierung der Jahressaldi
7.3.2
Aufzinsung
Die Aufzinsung von Zahlungsreihen geschieht nach dem gleichen Schema. Allerdings ist bei der Investitionsrechnung eine Aufzinsung nur selten notwendig – Investitionen sind in den meisten Fällen „Zukunftsinvestitionen“ und die zukünftig anfallenden Kosten und Nutzen müssen auf Basis des Entscheidungszeitpunktes oder Investitionsbeginns verglichen werden. Bei der Aufzinsung wird der Diskontierungsfaktor durch Multiplikation des Vorjahresdiskontierungsfaktors mit dem um eins erhöhten Kalkulationszinsfuß ermittelt. Diese Vorgehensweise wird in Ź Abb. 7.14 anhand eines Kalkulationszinsfußes von 12 % gezeigt. In Ź Kapitel 8 „Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren“ wird ein Analyseverfahren vorgestellt – die so genannte „Baldwin-Methode“ –, bei welchem die Aufzinsung zur Anwendung kommt. Kalkulationszinsfuß: 12% Formel (Aufzinsung): Diskontierungsfaktor des Vorjahres x (1 + Kalkulationszinsfuß)
Jahr 0
Berechnung
Ergebnis (= Diskontierungsfaktor)
entfällt
1
Jahr 1
1 x (1 + 0,12)
1,12
Jahr 2
1,12 x (1 + 0,12)
1,2544
Jahr 3
1,2544 : (1 + 0,12)
1,4049
Jahr 4
1,4049 : (1 + 0,12)
1,5735
Abb. 7.14 Berechnung des Diskontierungsfaktors für die Aufzinsung
7.4 Diskontierung – relative Vorteilhaftigkeit
157
Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass auf der Basis von einfachen Summenbildungen und anschließendem Vergleich der Kostenund Nutzentotale keine zuverlässigen Aussagen über die Rentabilität einer Investition getroffen werden können. Bei dieser Vorgehensweise wird der zeitabhängige Wert des Geldes (entsprechend der vom Investor geforderten Mindestverzinsung für aufgewendetes Kapital) nicht gewürdigt. Ob eine Investition unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts vorteilhaft ist oder nicht, kann erst mit Hilfe der Diskontierung zuverlässig festgestellt werden – diese Vorteilhaftigkeit bezeichnet man auch als „absolute Vorteilhaftigkeit“. Mit der absoluten Vorteilhaftigkeit sind neben der hier besprochenen Diskontierung noch weitere Überlegungen verbunden, welche wir an dieser Stelle jedoch nicht vertiefen möchten – dies ist die Aufgabe der nachfolgenden Kapitel. Die der dynamischen Investitionsrechnung zugrunde liegende Diskontierung berücksichtigt den Umstand, daß Zahlungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, nicht ohne weiteres addiert bzw. subtrahiert werden dürfen. Geld hat einen zeitabhängigen Wert. Will man in Geld bewertete Größen für Investitionsaussagen vergleichbar machen, muss man die Zeitpräferenz des Investors berücksichtigen, die sich in einem geforderten Zinsfaktor manifestiert. Die Angleichung der Zahlungsgrößen geschieht über die Auf- oder Abzinsung (Diskontierung) zu einem festgelegten Basiszeitpunkt.
Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle, dass der angenommene Betrachtungszeitraum einen wesentlichen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit einer Investition hat. Hätte man bei dem in diesem Kapitel gezeigten Beispiel den Betrachtungszeitraum über 8 oder gar 10 Jahre angesetzt und dementsprechend den Nutzen in den Folgejahren weiter angerechnet, so würde auch der Nutzenüberschuss größer ausfallen – obwohl der Barwert (Gegenwartswert) des Nutzens durch die Diskontierung immer stärker abnimmt. Aus diesem Grund sollte der Betrachtungszeitraum nicht willkürlich festgelegt werden, sondern abgestimmt auf die „Lebenszeit“ einer Lösung definiert werden. Auf derartige Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der „absoluten Vorteilhaftigkeit“ wird jedoch später detaillierter eingegangen.
7.4 Diskontierung – relative Vorteilhaftigkeit Welche Investition hat das beste Kosten-/Nutzenverhältnis? Der Nachweis der absoluten Vorteilhaftigkeit unter Berücksichtigung des zeitabhängigen Geldwertes ist ein erster elementarer Schritt um die Entscheider für ein In-
158
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
vestitionsvorhaben zu gewinnen. Obwohl es sich dabei um einen wichtigen Meilenstein für eine Investitionsbewilligung handelt, ist der prinzipielle Nachweis der Wirtschaftlichkeit nur selten alleine ausschlaggebend. In der Regel konkurriert eine Mehrzahl von Investitionsvorschlägen um die Gunst der Entscheider. Und Entscheider sind Nutzenmaximierer. Sie sind bestrebt, die besten Vorschläge aus dem Investitionsportfolio zu selektieren. Dazu orientieren sie sich sowohl an qualitativen Anhaltspunkten (Strategie, Risiko), als auch an quantitativen Maßstäben (Kosten-/Nutzenverhältnis, Investitionssumme). Investitionsvergleiche finden auf zwei Ebenen statt:
Konkurrierende Investitionsvorschläge müssen verglichen werden. Ausführungsvarianten eines konkreten Investitionsvorhabens müssen verglichen werden. Das Ziel dieser Vergleiche ist es, die für das Unternehmen aussichtsreichsten Investitionen in der jeweils sinnvollsten Ausprägung zu identifizieren. Bei einer derartigen Selektion von Handlungsalternativen wird dem Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen – also der „relativen Vorteilhaftigkeit – eine große Bedeutung beigemessen. Insbesondere deshalb, weil die Konformität mit der Unternehmensstrategie („strategic alignment“) als eine Grundvoraussetzung angesehen wird, damit Investitionsvorschläge überhaupt berücksichtigt werden. Wie wird ein solcher Vergleich auf Basis des Kosten-/Nutzenverhältnisses sachlich korrekt durchgeführt? Betrachten wir dazu als Beispiel die in Ź Abb. 7.15 dargestellten Zahlungsströme von zwei Ausführungsvarianten einer Investition. Hierbei begnügen wir uns wieder mit einer so genannten „Vor-Steuer-Betrachtung“ – d.h. die Auswirkung der sekundären Wirtschaftlichkeitsfaktoren (Steuern und Abschreibungen) wird nicht berücksichtigt. Investition "XY" - Ausführungsvariante "A" Kosten Nutzen Delta*
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
10.000.000
0
0
0
30.000.000
0
15.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
75.000.000
-20.000.000
5.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
45.000.000
Investition "XY" - Ausführungsvariante "B"
Kosten Nutzen Delta*
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
15.000.000
15.000.000
0
0
0
30.000.000
0
5.000.000
20.000.000
24.000.000
26.000.000
75.000.000
-15.000.000
-10.000.000
20.000.000
24.000.000
26.000.000
45.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.15 Investitionsvergleich – undiskontiert
7.4 Diskontierung – relative Vorteilhaftigkeit
159
Durch die inhaltliche Differenzierung der beiden Varianten ergibt sich ein unterschiedlicher zeitlicher Anfall von Kosten und Nutzen. Betrachtet man jedoch die Gesamttotale in beiden Varianten, so sind diese identisch. Gesamtnutzen und Gesamtkosten sind demnach bei beiden Varianten gleich. Welche Variante ist nun die bessere Lösung im Sinne der Wirtschaftlichkeit? Diese Frage nach der „relativen Vorteilhaftigkeit“ lässt sich nur mit Hilfe der Diskontierung eindeutig beantworten. Auf Basis der zuvor ermittelten Diskontierungsfaktoren (Kalkulationszinsfuß von 12 %) müssen dazu die jeweiligen Zahlungsströme abgezinst werden. Dies wird in Ź Abb. 7.16 gezeigt. Investition "XY" - Ausführungsvariante "A" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
10.000.000
0
0
0
30.000.000
0
15.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
75.000.000
-20.000.000
5.000.000
20.000.000
20.000.000
20.000.000
45.000.000
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
-20.000.000
4.464.500
15.944.000
14.236.000
12.710.000
27.354.500
Investition "XY" - Ausführungsvariante "B" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
15.000.000
15.000.000
0
0
0
30.000.000
0
5.000.000
20.000.000
24.000.000
26.000.000
75.000.000
-15.000.000
-10.000.000
20.000.000
24.000.000
26.000.000
45.000.000
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
-15.000.000
-8.929.000
15.944.000
17.083.200
16.523.000
25.621.200
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.16 Investitionsvergleich – diskontiert
Der Saldo eines jeden Jahres wird mit dem entsprechenden Diskontierungsfaktor multipliziert. Aus der Addition der Jahressaldi ergibt sich dann ein diskontiertes Delta – im vorliegenden Fall ein Nutzenüberschuss. Die diskontierten Nutzenüberschüsse der einzelnen Varianten sind nicht mehr identisch. Sie differieren um rund 1.7 Mio GE. Es wird nun deutlich, dass von einem wirtschaftlichen Standpunkt gesehen, Variante „A“ die sinnvollste Wahl darstellt. Unter sonst gleichwertigen Bedingungen (Strategie, Risiko) ist deshalb dieser Vorschlag vorzuziehen. Man kann nun einwenden, dass konkurrierende Investitionsvorschläge bzw. zur Debatte stehende Ausführungsvarianten eines Projekts in der Praxis nur selten einen identischen Nutzenüberschuss aufweisen. Vielmehr fällt die Differenz zwischen Kosten und Nutzen immer unterschiedlich aus – auch wenn dieser Unterschied nur gering sein sollte. Demzufolge kann
160
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
auch die relative Vorteilhaftigkeit der Investitionsalternativen ohne Diskontierung ermittelt werden und eine Priorisierung entsprechend dem Kosten- und Nutzenverhältnis ist möglich. Ob diese Hypothese tatsächlich zutrifft, wollen wir an einem weiteren Beispiel prüfen. In Ź Abb. 7.17 sind dazu zwei Investitionsvorschläge aufgeführt. Investition „A“ hat einen Nutzenüberschuss von 9 Mio. Geldeinheiten (basierend auf einer undiskontierten Betrachtung), Investition „B“ einen Überschuss von 10 Mio. Geldeinheiten. Die unmittelbare logische Schlussfolgerung auf Basis dieser Fakten wäre, dass Investition „B“ wirtschaftlicher ist als Investition „A“. Kann ein Unternehmen nur eine von beiden Investitionen durchführen, so würde „B“ bewilligt. Doch ist dies in der Tat die richtige Entscheidung? Investition "A" Kosten Nutzen Delta*
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
5.000.000
3.000.000
0
0
0
8.000.000
0
2.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
17.000.000
-5.000.000
-1.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
9.000.000
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
8.000.000
4.000.000
0
0
0
12.000.000
Investition "B" Kosten Nutzen Delta*
0
1.000.000
5.000.000
7.000.000
9.000.000
22.000.000
-8.000.000
-3.000.000
5.000.000
7.000.000
9.000.000
10.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.17 Vergleich von zwei Investitionsvorschlägen – undiskontiert
Für die Abzinsung der Zahlungsströme können wir auf die im vorhergehenden Unterkapitel berechneten Diskontierungsfaktoren zurückgreifen. Siehe dazu Ź Abb. 7.9. Es ist in diesem Fall ausreichend, wenn die Jahressaldi mit dem entsprechenden Faktor diskontiert werden. Dadurch ergeben sich die barwertigen Nutzen- bzw. Kostenüberschüsse der einzelnen Jahre. Die Addition dieser diskontierten Werte ergibt für jede Investition einen Kapitalwert. Dies ist in Ź Abb. 7.18 dargestellt. Das Ergebnis der Diskontierung zeigt, dass Investition „A“ einen um rund 1 Mio. Geldeinheiten höheren Kapitalwert aufweist. Die relative Vorteilhaftigkeit der beiden Investitionen hat sich nun umgekehrt – Investition „A“ ist vorteilhafter. Hätte man eine Entscheidung für oder gegen ein Projekt auf Basis der undiskontierten Zahlungsströme getroffen, so hätte man auf das falsche „Pferd“ gesetzt (Investition „B“).
7.4 Diskontierung – relative Vorteilhaftigkeit
161
Investition "A" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
5.000.000
3.000.000
0
0
0
8.000.000
0
2.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
17.000.000
-5.000.000
-1.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
9.000.000
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
-5.000.000
-892.900
3.986.000
3.559.000
3.177.500
4.829.600
Investition "B" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
8.000.000
4.000.000
0
0
0
12.000.000
0
1.000.000
5.000.000
7.000.000
9.000.000
22.000.000
-8.000.000
-3.000.000
5.000.000
7.000.000
9.000.000
10.000.000
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
-8.000.000
-2.678.700
3.986.000
4.982.600
5.719.500
4.009.400
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.18 Vergleich von zwei Investitionsvorschlägen – diskontiert
Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass verlässliche Aussagen über die relative Vorteilhaftigkeit von Investitionsalternativen – aus finanzieller Sicht – erst mit Hilfe der Diskontierung möglich sind. Es muss allerdings betont werden, dass es sich bei der Diskontierung um eine rein monetäre Betrachtung handelt. Neben den quantitativen Entscheidungsfaktoren (Kosten-/Nutzenverhältnis, Finanzierungssumme) sind auch qualitative Aspekte bei Überlegungen hinsichtlich der relativen Vorteilhaftigkeit zu berücksichtigen. Die Bedeutung dieser qualitativen Dimension ist umso größer, je geringer die Unterschiede auf der quantitativen Seite sind. Fragen, die sich in Verbindung mit den qualitativen Facetten aufdrängen, sind zum Beispiel:
Wie wahrscheinlich ist es, dass der prognostizierte Nutzen in Höhe von 10 Mio. bei Investition „B“ auch tatsächlich erreicht werden kann? Ist die Aussicht auf eine Nutzenrealisierung in der geplanten Höhe bei Investition „A“ besser?
Welche Risiken sind mit Investition „B“ verbunden? Ist das Risiko bei Investition „A“ geringer?
Welche Abhängigkeiten sind bei der Ausführung von Investition „B“ zu berücksichtigen? Wird der Erfolg von Investition „A“ durch weniger äußere Bedingungen (projektexterne Konstellationen) beeinflusst?
162
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
7.5 Die Basisvariante (Base Case) als Vergleichsmaßstab Investitionsrechnungen sind Vergleichsrechnungen. Alternativen werden bewertet und hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit verglichen. Entscheidend sind also schlussendlich die Unterschiede zwischen den in Frage kommenden Alternativen. Zur Entscheidungsfindung betrachtet und vergleicht man mindestens zwei Szenarien – das Investitions-Szenario und das AlternativSzenario. Im Rahmen der Business-Case-Erstellung für IT-Projekte wird in den meisten Fällen der Unterschied zwischen der Geschäftssituation mit und der ohne Investition analysiert. Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Investition ist also der normale Geschäftsverlauf – das „Business as usual“-Szenario. Diese Variante wird auch als „Unterlassungsalternative“ („do nothing“-Alternative) oder „Basisvariante“ (Base Case) bezeichnet. Bei einem Business Case werden alle Ausgaben und – falls relevant – Einnahmen berücksichtigt, die im Rahmen einer geplanten Investition anfallen und das Ergebnis wird mit einem Alternativ-Szenario (in der Regel die Unterlassungsalternative) verglichen, welches die vergleichbaren Parameter für einen „normalen“ Geschäftsverlauf ohne Investition umfasst.
Für die Basisvariante wird der gleiche Betrachtungszeitraum zugrunde gelegt wie für die Investition. Dieser nahe liegende Aspekt hat mitunter beachtliche Konsequenzen für den Autor eines Business Case. In der Praxis kann man immer wieder feststellen, dass die Basisvariante als „unveränderliche Gegebenheit“ angesehen wird. Es werden auf Basis des aktuellen oder vergangenen Geschäftsjahres die notwendigen Parameter erhoben, um diese Werte dann über den gesamten Betrachtungszeitraum anzusetzen. Ein solches Vorgehen wird nicht immer der tatsächlichen Geschäftsentwicklung gerecht. In einer sauber durchgeführten Differenzrechnung muss man deshalb mitberücksichtigen, dass sich auch die Ist-Situation, mit der man vergleicht, ändern kann, denn „nichts währt ewig“. Beispielsweise verändern sich mit der Zeit die Umsätze, was sich auf die Produktionskapazitäten und die Mitarbeiteranzahl auswirkt („organic growth“). Dieses Wachstum ist auch der Treiber für höhere operative Kosten in den Fachbereichen (Business) und in der Informatik.
7.5 Die Basisvariante (Base Case) als Vergleichsmaßstab
163
Durch eine solche Entwicklung kann sich das relative Verhältnis zwischen den Umsätzen auf der einen Seite und den Betriebsausgaben auf der anderen Seite verändern, was eine Schmälerung der Gewinnmarge zur Folge haben kann (wenn die Kosten schneller steigen als der Umsatz). Aber auch der Umkehrfall ist grundsätzlich denkbar. Des Weiteren kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass mit der Zeit höhere Betriebskosten (Wartung und Unterhalt) für vorhandene Lösungen anfallen. Fall 1
Fall 2
Merkmal der Investition
Beeinflusst nur Betriebsausgaben
Beeinflusst Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen
Beschreibung
Die Investition hat ausschließlich Auswirkungen in der Kostenstruktur von Informatik und Business (Fachbereiche).
Die Investition beeinflusst sowohl Parameter, die für die Kostenstruktur maßgebend sind, als auch Parameter, die den Umsatz steuern (z.B. Preise, Lieferzeiten, Lieferbereitschaft, Produktqualität, etc.)
Erreichte Produktivitätsvorteile können nur in Kostensenkungen umgesetzt werden.
Erreichte Produktivitätsvorteile können sowohl zu Kostenreduktionen, als auch zu erhöhten Einnahmen führen.
Beispiel
IT-Infrastruktur-Projekt (z.B. Server-Konsolidierung oder Ablösung einer Legacy-InfrastrukturPlattform)
CRM-Projekt
Inhalt der Basisvariante
Betriebsausgaben
Verkaufsumsätze Betriebsausgaben
Abb. 7.19 Investitionscharakter und Inhalt der Basisvariante
In jedem Fall sollten plausible Annahmen zur zeitlichen Entwicklung der Unterlassungsalternative als Grundlage für den Business Case verwendet werden. Bei der Ausarbeitung des Basis-Szenarios müssen demnach Fragestellungen aus zwei Blickwinkeln adressiert werden. Die erste Frage, die beantwortet werden muss, lautet:
Wie gestaltet sich die momentane Geschäftssituation? Genauso wichtig wie die gegenwartsbetonte Erhebung der Fakten ist die vorausschauende Betrachtung der Geschäftsentwicklung, basierend auf der
164
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Überlegung, dass die Investition unterbleibt. Die zweite wichtige Fragestellung für die Fixierung der Unterlassungsalternative lautet demzufolge:
Wie entwickelt sich der Geschäftsverlauf, wenn die Investition nicht getätigt wird? Die Beantwortung beider Fragen geschieht ausschnitthaft; d.h. es werden nur die Parameter erhoben, die für einen sinnvollen Vergleich zwischen Investition und Unterlassungsalternative relevant sind. Als Resultat entsteht ein quantifiziertes Modell der Ist-Situation. Gestützt auf Prognosen und Annahmen müssen die Parameter der Ausgangslage (gegenwärtige Situation) über den gesamten Betrachtungszeitraum fortgeschrieben werden. Eine fundierte Fortschreibung bedingt die Berücksichtigung von zwei unterschiedlichen Sichtweisen:
unternehmensinterne Überlegungen: Wie und in welche Richtung entwickelt sich unser Unternehmen?
unternehmensexterne Überlegungen: Welche Veränderungen passieren im Markt? Oder konkreter ausgedrückt: Wie verändern sich die Wettbewerber? Wie entwickeln sich das Angebot und die Produktpreise der Mitbewerber? Wie wandelt sich das Kundenverhalten? Und so weiter. In aller Regel kann man davon ausgehen, dass ein Unternehmen, welches nicht investiert, seine Wettbewerbsfähigkeit in zunehmendem Maße einbüßt. Die Fortschreibung der Ausgangslage sollte deshalb berücksichtigen, wie sich ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit auf das Unternehmen, die Produkte, die Produktpreise, die Umsätze, die Gewinnmargen, etc. auswirkt. Durch die zukunftsbezogene Fortschreibung der Geschäftssituation wird der „Base Case“ zur Referenz für die Konkretisierung des Investitionsvorschlags und etwaiger Alternativen. Auf Basis der als Modellrechnung fixierten Geschäftsentwicklung geschieht die Herleitung und Quantifizierung der Nutzenaspekte, die mit der Investition verbunden sind. Zu beachten ist, dass die Unterlassungsalternative zwar meistens, aber bei weitem nicht immer der richtige Vergleichsmaßstab ist. Sie ist nur dann als Referenz für die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung anzusehen, wenn „nichts tun“ eine gültige Option darstellt. Bei Investitionen, die unausweichlich sind (z.B. Jahr 2000-Umstellung) steht der Vergleich zwischen mehreren Ausführungsalternativen des Investitionsvorhabens im Vordergrund, die Unterlassungsalternative hat hierbei keine Relevanz.
7.5 Die Basisvariante (Base Case) als Vergleichsmaßstab
165
Fragenkatalog – Die wichtigsten Fragen zur Entwicklung eines Base Case Betriebseinnahmen und -ausgaben – Allgemeine Fragestellungen bezüglich des Geschäftsverlaufs: Wie entwickelt sich der Umsatz (Stichwort: organisches Wachstum) und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Welche Konsequenzen ergeben sich aus einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit (z.B. weil die Informatik-Lösung nicht mehr den Anforderungen gerecht wird)? Wie entwickelt sich das Unternehmen (expandiert das Unternehmen national und/oder international) und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Sind Firmenzukäufe geplant? Betriebsausgaben – Fragestellungen bezüglich der personenbezogenen Kosten: Wie entwickelt sich der Mitarbeiterstamm? (In der Regel führt organisches Wachstum in gleichem Maße zu einer Erhöhung der Anzahl beschäftigter Personen.) Wie entwickeln sich die Löhne und Gehälter? Wie entwickeln sich die sonstigen Primärkosten (z.B. nehmen die Reisekosten eines international expandierenden Unternehmens überproportional zu)? Wie entwickeln sich die Sekundärkosten (z.B. die Kosten pro Mitarbeiter für einen Netzwerk-Anschluss, einen Desktop-Rechner, persönlichen Speicherplatz, einen Mailbox-Account; des Weiteren anteilige Raum- bzw. Gebäudekosten und Energiekosten, etc.)? Betriebsausgaben – Fragestellungen hinsichtlich der technischen Infrastruktur: Wie entwickeln sich die Wartungskosten (Maintenance von Software und Hardware)? Wie entwickeln sich die Support-Aufwendungen? Wie entwickelt sich der Speicherbedarf und welche Auswirkungen hat dies auf die Kosten? Wie entwickeln sich die Lizenzkosten der Programme, wenn sich die Benutzeranzahl erhöht? Wie entwickeln sich die Sekundärkosten (z.B. interne Leistungsverrechnung des DataCenters für den Betrieb und das Monitoring einer oder mehrerer Server)? Welche Ersatzinvestitionen (Life-Cycle Replacements) werden zu welchem Zeitpunkt fällig und welche Kosten entstehen dadurch? Für welche lizenzierten Programme bzw. Programm-Versionen stellt der Hersteller den Support ein und welche Kosten entstehen dadurch? Abb. 7.20 Elementare Überlegungen zur Definition eines Base Case
166
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
7.6 Differenzrechnung versus Gesamtrechnung Die Bedeutung der Basisvariante (Base Case) steht in einem direkten Zusammenhang mit der Datenstruktur, d.h. den Werten, die einer Berechnung zugrunde gelegt werden. Es gibt hierbei zwei Möglichkeiten:
Gesamtrechnung: Die Geldflüsse (Cashflow) spiegeln die gesamten Kosten bzw. den gesamten Nutzen der in die Berechnung einbezogenen Ausgaben- oder Einnahmen-Kategorien wider. Das heißt, die Entscheidungsalternativen werden hinsichtlich ihres vollen Umfangs bewertet.
Differenzrechnung: Die Geldflüsse repräsentieren nur inkrementelle Veränderungen von Kosten und Nutzen im Vergleich zu einer Basisvariante. Das heißt, in die Rechnung fließen nur Werte ein, die über die zu vergleichenden Alternativwerte hinausgehen. Da die Beurteilung einer Investition schlussendlich einen Alternativenvergleich darstellt, wird die Investitionsrechnung als Differenzrechnung ausgelegt. Das bedeutet, dass in das Rechenwerk ausschließlich inkrementelle Größen einfließen. Jede Einnahme-Position (Cash-Inflow) und jede Ausgabe-Position (Cash-Outflow) bewertet dabei in der Regel die Veränderung im Vergleich zum „business as usual“ – also zu dem Geschäftsverlauf, wie er ohne Investition anfallen würde. Das Beispiel in Ź Abb. 7.21 zeigt anhand einer vereinfachten Projektsituation die Unterschiede zwischen Gesamtrechnung und Differenzrechnung:
Das erste Szenario ist als Gesamtrechnung ausgelegt und zeigt ein Finanzmodell der Basisalternative (Base Case). Die Gesamtrechnung umfasst immer nur diejenigen Positionen, die für den nachstehenden Investitionsvergleich von Belang sind. In diesem Fall umfasst die Aufstellung drei Budgetpositionen: die aggregierten Umsätze eines Geschäftsbereichs, die vollständigen Aufwendungen für die Vertriebsassistenz und die Betriebskosten der derzeitigen (stark dezentralisierten) CRM-Lösung. Bei der Umsatzprognose geht man offensichtlich von einem annähernd zehnprozentigen Durchschnittswachstum aus.
Das zweite, als Gesamtrechnung dargestellte Szenario ist der Business Plan basierend auf der Annahme, dass die vorgeschlagene Investition (ein neues zentrales CRM-System) durchgeführt wird. Die Aufstellung enthält die gleichen Budgetpositionen. Man erwartet mehr Umsatz bei einer gleichzeitigen Senkung der Kostenstruktur (geringere Aufwendungen für die Vertriebsassistenz und geringere Kosten für den Betrieb der CRM-Lösung). Lediglich in den ersten beiden Jahren führen
7.6 Differenzrechnung versus Gesamtrechnung
167
die Investitionskosten und die Mehrbelastungen durch den kurzzeitigen Betrieb von zwei Lösungen zu einer Erhöhung der CRM-Ausgaben.
Das dritte Szenario zeigt die inkrementellen Veränderungen zur Basisalternative (Differenzrechnung). Diese Delta-Werte bezeichnet man auch als „Netto-Geldflüsse“. 0
Jahr 2
1
3
4
Total
Gesamtrechnung - Basisvariante (Base Case) Nutzen Umsatz Kosten Vertriebsassistenz CRM-Lösung (1) Ergebnis
350
375
400
440
485
2050
10 8 332
12 9 354
14 10 376
16 11 413
18 12 455
70 50 1930
350
375
410
455
505
2095
10 12 328
10 15 350
10 7 393
10 5 440
10 5 490
50 44 2001
0 0
0 2
10 4 3
15 6 6
20 8 7
45 20 65
4
3 3 -4
17
27
35
3 71
Gesamtrechnung - Investitionsvorhaben Nutzen Umsatz Kosten Vertriebsassistenz CRM-Lösung (2) Ergebnis Differenzrechnung (Delta) Nutzen Höherer Umsatz Weniger Vertriebsassistenz Geringere Betriebskosten Kosten Investitionskosten CRM Betriebskosten Einführung Ergebnis
-4
Alle Beträge in Mio. Geldeinheiten (1) Betrieb der vorhandenen CRM-Umgebung (2) Investition + Betrieb der alten Lösung (bis zur Ablösung) + Betrieb der neuen Lösung
Abb. 7.21 Vergleich – Gesamt- und Differenzrechnung (undiskontiert)
Ein wichtiger Unterschied zwischen Differenz- und Gesamtrechnung zeigt sich in den Kosten- bzw. Nutzenpositionen:
Beispielsweise wird die Position „Vertriebsassistenz“ in der Differenzrechnung nicht als Kostenposition geführt, sondern als Nutzenposition. Ein Nutzenfaktor der neuen Lösung sind die geringeren Aufwendungen für die Vertriebsassistenz (ohne Investition würden sich diese Aufwendungen nahezu verdoppeln; durch die Investition können sie trotz des Umsatzwachstums konstant gehalten werden). Kosteneinsparungen werden demnach in einer Differenzrechnung nicht als Kosten (Auszahlung; Cash-Outflow) ausgewiesen, sondern als Nutzen (Einzahlung; Cash-Inflow).
168
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Die Budget-Position „CRM-Lösung“, in der Gesamtrechnung ebenfalls als Kostenposition geführt, teilt sich in der Differenzrechnung in zwei Teile auf. Zum einen die Nutzenposition „geringere Betriebskosten“ und zum anderen die Kostenposition „Investitionskosten“.
In der Position „Betriebskosten Einführung“ sind die Mehrkosten aufgeführt, die sich aus dem parallelen Betrieb von beiden Lösungen (neu und alt) ergeben. Diese bekommt man am intensivsten während der Einführungszeit zu spüren, sie entstehen aber bereits während der Entwicklungszeit der neuen Lösung (für das Entwicklungs- und Testsystem) und in der Regel auch noch für einen mehr oder weniger langen Zeitraum nach der Übergabe der neuen Lösung (z.B. kann das alte System als „Fallback-Solution“ noch kurzzeitig aktiv bleiben). Auf Basis einer undiskontierten Vor-Steuer-Betrachtung führt die Investition in den ersten beiden Jahren zu einem negativen Ergebnis (jeweils 4 Mio.). Erst in den darauf folgenden Jahren macht sich die Auswirkung der Investition positiv für das Geschäftsergebnis bemerkbar. Jahr 0 Gesamtrechnung - Investitionsvorhaben Nutzen Umsatz Kosten Vertriebsassistenz CRM-Lösung Ergebnis Betrieb aktuelle Lösung Betrieb neue Lösung Investitionskosten Total
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
350
375
410
455
505
10 12 328
10 15 350
10 7 393
10 5 440
10 5 490
8
9 3 3 15
2 5
5
5
7
5
5
4 12
= Betriebskosten für zwei Lösungen in Jahr 1 und Jahr 2
Abb. 7.22 Details der Budgetposition „CRM-Lösung“
In Ź Abb. 7.22 ist zum besseren Verständnis visualisiert, wie sich in der Gesamtrechnung des Investitionsvorhabens die Budget-Position „CRMLösung“ zusammensetzt. Es sind drei Kostenpositionen, aus denen sich die jährlichen Gesamtausgaben herleiten. Aus der Grafik wird deutlich, dass die Mehrkosten für den doppelten Betrieb von beiden Lösungen nicht zu unterschätzen sind. Die niedrigeren Betriebskosten der neuen Lösungen (5 Mio. anstatt 8 Mio.) greifen somit erst im Jahr 3.
7.6 Differenzrechnung versus Gesamtrechnung
169
Fall 1
Fall 2
Situation
Vollständige Neueinführung
Systemablösung
Beschreibung
Eine neue Lösung wird entwickelt. Ein vorhandenes System wird nicht abgelöst.
Eine neue Lösung wird entwickelt und löst ein vorhandenes System ab.
Konsequenz für Differenzrechnung
Kosten: Die Betriebskosten der neuen Lösung werden in vollem Umfang als Kostenposition in der Investitionsrechnung angesetzt.
Möglichkeit a) Die Betriebskosten der neuen Lösung sind geringer als die Betriebskosten der Vorgänger-Lösung: Nutzen: Das Delta zwischen den Betriebskosten der bestehenden Lösung und den Betriebskosten der neuen Lösung wird als Nutzen angesetzt. Kosten: Die kurzzeitigen Mehraufwendungen für den Betrieb von zwei Lösungen während der Entwicklungs- und Einführungszeit (und evtl. für einen bestimmten Zeitraum nach der Einführung) werden in Form eines Deltas als Kosten angesetzt. Es wäre auch möglich, diesen Kostenüberschuss als negativen Nutzen bei der Nutzenposition „geringere Betriebskosten“ auszuweisen). Möglichkeit b) Die Betriebskosten der neuen Lösung sind höher als die Betriebskosten der Vorgänger-Lösung: Kosten: Das BetriebskostenDelta wird als Kostenposition ausgewiesen. Sowohl während der Einführungszeit als auch danach.
Abb. 7.23 Behandlung der Betriebskosten in einer Differenzrechnung
Die Betriebskosten sind ein gutes Beispiel, um die praktischen Konsequenzen der Kosten- und Nutzenanrechnung bei einer Differenzrechnung zu verdeutlichen. Hierzu sind in Ź Abb. 7.23 die zwei möglichen Betriebskosten-Szenarien mit ihren Auswirkungen für die Differenzrechnung beschrieben. Anhand dieser tabellarischen Übersicht wird deutlich, dass im Falle einer Systemablösung die Anrechnung der Betriebskosten einer neu-
170
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
en Lösung auf zwei vollständig verschiedene Arten erfolgen muss (einmal als Nutzen und einmal als Kosten), je nachdem ob die Betriebskosten der neuen Lösung geringer oder höher sind als diejenigen der vorhergehenden Lösung.
Abb. 7.24 Arbeitsschritte der Differenzrechnung
Da in Abhängigkeit von der Ausgangslage eine Differenzbildung zwischen „Base Case“ und „Projekt-Szenario“ unterschiedlich komplex ist, soll das Prinzip der Differenzrechnung anhand eines weiteren Beispiels illustriert werden. Hierbei wird bewusst eine Situation zugrunde gelegt, bei der sowohl Betriebskosten für ein vorhandenes System als auch Betriebskosten für ein neues System relevant sind (Systemablösung). Folgende Fakten bilden die Ausgangslage:
In einer Länderorganisation eines internationalen Unternehmens wird aktuell das System „X“ als lokale Lösung eingesetzt. Die Betriebskosten dieses Systems belaufen sich derzeit auf 470.000 GE (in jedem weiteren Jahr erhöhen sich die Kosten um 10.000 GE).
Der Softwarehersteller wird in drei Jahren die Unterstützung für das System einstellen („End of life“), weshalb zu diesem Zeitpunkt ein Wechsel auf das Nachfolgeprodukt notwendig wird. Die Kosten für die Systemumstellung belaufen sich auf 550.000 GE. Geplant wird nun ein Projekt, welches zum Ziel hat, das derzeitige lokale System durch eine neue regionale Lösung abzulösen. Die Planung geht von folgenden Eckpunkten aus:
Die Projektkosten belaufen sich auf 450.000 GE im aktuellen Jahr und 550.000 GE im nächsten Jahr.
Die Betriebskosten des neuen Systems beginnen im nächsten Jahr mit 180.000 GE und erhöhen sich dann in jedem weiteren Jahr um jeweils 10.000 GE.
7.6 Differenzrechnung versus Gesamtrechnung
171
Die Betriebskosten des aktuellen Systems werden durch das Projekt wie folgt beeinflusst: Im aktuellen Jahr ergibt sich keine Änderung. Im Folgejahr belaufen sich die Betriebskosten auf 2/3 der vollen Kosten (2/3 von 480.000 = 320.000). In den darauf folgenden Jahren entfallen die Betriebskosten für das derzeitige System vollständig. Diese Informationen sind ausreichend, um eine Differenzrechnung durchzuführen. In einem ersten Schritt wird dazu der „Base Case“ fixiert. Beantwortet wird also die Frage: „Welche Cashflows ergeben sich für das Unternehmen, wenn die jetzige Situation beibehalten wird?“. Dies wird in Ź Abb. 7.25 gezeigt. Investition "Alpha" - Base Case ("Do-Nothing"-Szenario) Betriebskosten (aktuelles System) Kosten für Systemumstellung Total
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
470'000
480'000
490'000
500'000
510'000
2'450'000
0
0
0
550'000
0
550'000
470'000
480'000
490'000
1'050'000
510'000
3'000'000
Abb. 7.25 „Base Case“ – die Unterlassungsalternative
Relevant sind die Betriebskosten des aktuellen Systems und die Kosten für die Systemumstellung in „Jahr 3“. Das Cashflow-Total über alle Jahre beträgt 3 Mio. GE (undiskontiert). Im nächsten Schritt wird das Projekt-Szenario im Sinne einer Gesamtrechnung erstellt. Beantwortet wird hierbei die Frage: „Welche Cashflows ergeben sich für das Unternehmen, wenn das Projekt durchgeführt wird?“. Dies wird in Ź Abb. 7.26 gezeigt. Das Cashflow-Total über alle Jahre beträgt 2.57 Mio. GE (undiskontiert). Investition "Alpha" - Projekt-Szenario Jahr 0
Jahr 1
450'000
550'000
0
180'000
190'000
200'000
210'000
780'000
Betriebskosten (aktuelles System)
470'000
320'000
0
0
0
790'000
Kosten für Systemumstellung
0
0
0
0
0
0
920'000
1'050'000
190'000
200'000
210'000
2'570'000
Projektkosten Betriebskosten (neues System)
Total
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total 1'000'000
Abb. 7.26 Projekt-Szenario im Sinne einer Gesamtrechnung
Aus Ź Abb. 7.26 wird deutlich, dass beim Projekt-Szenario nicht nur die Cashflows anzusetzen sind, die durch das Projekt induziert sind, sondern auch diejenigen Cashflows, welche durch die momentane Situation aus-
172
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
gelöst werden. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass wegen der Projektausführung die Kosten der momentanen Lösung teilweise oder ganz entfallen. Basierend auf dem „Base Case“ und dem Projekt-Szenario kann die Differenzbildung vorgenommen werden. Für jede Zeile im Projekt-Szenario wird dazu die Differenz zur entsprechenden Zeile im „Base Case“ gebildet. Siehe Ź Abb. 7.27. Investition "Alpha" - Differenzrechnung
Projektkosten Betriebskosten (neues System)
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
450'000
550'000
0
0
0
1'000'000
0
180'000
190'000
200'000
210'000
780'000
450'000
730'000
190'000
200'000
210'000
1'780'000
Nutzen (A)
0
160'000
490'000
500'000
510'000
1'660'000
Nutzen (B)
0
0
0
550'000
0
550'000
Total Kosten
Total Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
0
160'000
490'000
1'050'000
510'000
2'210'000
-450'000
-570'000
300'000
850'000
300'000
430'000
1.0000
0.8929
0.7972
0.7118
0.6355
-450'000
-508'953
239'160
605'030
190'650
75'887
Nutzen (A) = Entfall der Betriebskosten für das aktuelle System Nutzen (B) = Entfall der Kosten für die einmalige Systemumstellung * im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 7.27 Differenzbildung zwischen „Base Case“ und „Projekt-Szenario“
Es ergeben sich folgende Erkenntnisse:
Kosten: Die Projektkosten und die Betriebskosten des neuen Systems sind so genannte „inkrementelle Cashflows“ (Zusatzkosten) – d.h. im Vergleich zur aktuellen Situation müssen diese Beträge zusätzlich aufgewendet werden.
Nutzen: Ein Nutzen ergibt sich einerseits aus Betriebskosteneinsparungen (Terminierung des jetzigen Systems) und andererseits aus der Vermeidung von Kosten für die notwendige Umstellung des jetzigen Systems (wegen „End of life“) im „Jahr 3“. Gesamtkosten und Gesamtnutzen können nun miteinander verrechnet werden. Auf undiskontierter Basis ergibt sich ein Nutzenüberschuß von 430.000 GE. Dies entspricht exakt der Differenz zwischen dem „Base Case“ Cashflow-Total (3 Mio. GE) und dem Projekt-Szenario CashflowTotal (2.57 Mio. GE). Auf diskontierter Basis ergibt sich ein Nutzenüberschuss von 70.500 GE.
7.7 Betrachtungszeitraum und Terminierung
173
Zum Abschluß der Ausführungen über die Differenzrechnung sollen noch einige allgemeine Überlegungen festgehalten werden. Anteilige Ausgaben für die Infrastruktur, allgemeine Wartungs- und Reparaturaufwendungen oder für die Verwaltung werden in der Differenzrechnung nicht mit einbezogen, da diese Kosten auch ohne Investition anfallen. Sie sind eine Folge früherer Entscheidungen. Nur Elemente, die mit der vorliegenden Entscheidungssituation direkt zusammenhängen, werden angesetzt:
Zum einen die investitionsbedingten Zusatzausgaben – so genannte „inkrementelle Cashflows“; z.B. für Personal, Gebäudekosten oder Gebäudeumlagen, neue Wartungsverträge usw. Zum anderen die investitionsbedingten Nutzenaspekte; z.B. zusätzlich erzielter Umsatz, relative Verbesserungen des Nettoumlaufvermögens, Verringerungen der Betriebskosten oder quantifizierte Produktivitätszuwächse. Zu berücksichtigen ist allerdings ein Spezialfall hinsichtlich der Wahl der Basisalternative: Wenn eine Investition in jedem Fall notwendig ist (z.B. Sicherung des Fortbestands des Unternehmens, Ersatzinvestition), macht ein Vergleich mit dem normalen Geschäftsverlauf („Business as usual“-Szenario) wenig Sinn. In diesem Fall wird die Differenz zwischen den Alternativen ermittelt. Es besteht die Möglichkeit, eine Gesamtrechnung als Zwischenprodukt bzw. Hilfsrechnung für eine Investitionsrechnung zu erstellen, um daraus eine Differenzrechnung abzuleiten. Eine Gesamtrechnung ist auch dann angebracht, wenn zusätzlich zur Investitionsentscheidung auch eine Geschäftsplanung (Business Plan) erstellt werden soll (unter der Voraussetzung, dass der Investition zugestimmt wird). In diesem Fall müssen Budgets auf Basis der Kosten- und Nutzenprojektionen geplant werden und man benötigt für jedes Budget ein aussagekräftiges Total bzw. Sub-total. Ein Business Case ist also eine zukunftsorientierte, auf zusätzlichen Geldflüssen basierende Betrachtung. Das heißt, es wird das Verhältnis des investitionsbedingten Kapitaleinsatzes und der dadurch erreichten Verbesserungen im Vergleich zur Basisvariante ermittelt. Dadurch wird festgestellt, wie rentabel die Gelder sind, die als Folge der Investition fließen werden.
7.7 Betrachtungszeitraum und Terminierung Wirtschaftlichkeitsanalysen sind in den meisten Fällen zeitraumbezogene Analysen. Insbesondere die Investitionsrechnung ist an eine Zeitspanne gekoppelt, die durch Projektlaufzeit und Betriebszeit einer geplanten Lösung
174
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
vorgegeben ist. Der voraussichtliche Zeitpunkt der Außerbetriebnahme markiert das Ende dieser Zeitspanne. Somit umfasst die Investitionsrechnung den kompletten Lebenszyklus („life-cycle“) eines Investitionsobjekts. Wird beispielsweise in der pharmazeutischen Industrie eine Produktionsanlage für ein neues Medikament gebaut, so ist die Patentzeit der maßgebliche Indikator für die Festlegung des Betrachtungszeitraums (dies können zum Beispiel 15 Jahre sein). Bei Informatiklösungen wird man die Lebenserwartung eher konservativ festsetzen. Typischerweise geht man von einem kurzfristigen Lebenszyklus aus und setzt eine Zeitspanne von fünf bis maximal zehn Jahren an. Es gibt jedoch auch IT-Investitionen, deren Lebensdauer nicht von vornherein eindeutig begrenzt ist. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine IT-Investition stark „Business-getrieben“ ist und die Umsetzung einer Geschäftsstrategie unterstützt. Aber auch große Konsolidierungsvorhaben (sowohl Business-Konsolidierungen als auch reine InformatikKonsolidierungen) und umfassende ERP-Einführungen können eine langfristige Wirkung haben. In den letztgenannten Fällen ist die Haltbarkeit der Investition nicht so stark mit technologischen Innovationen verknüpft. Womit bereits ein maßgeblicher Indikator für die Beurteilung des Lebenszyklus von IT-Investitionen genannt ist. Es geht also weniger um die materielle Haltbarkeit der Lösungsbestandteile, als um die technologische und organisatorische Bestandskraft des Lösungsansatzes. Zeitspanne
Beispiel
5 Jahre
Kurzfristige Verbesserungen mit geringen organisatorischen Veränderungen und stark technologieabhängigem Lebenszyklus.
7 Jahre
Innovationen mit mittelfristiger Wirkung: Barcode-System IP-Telephony-Lösung
10 Jahre
Strategische und/oder langfristig ausgelegte Projekte mit fundamentalen Verbesserungen und weitreichenden organisatorischen Wirkungen: Datacenter-Konsolidierung Applikationen-Konsolidierung Datenspeicher-Konsolidierung (Storage, Backup) Netzwerk-Investitionen ERP-Einführung (Enterprise Resource Planning)
Terminierung über Rente
Kann grundsätzlich bei Projekten in Betracht gezogen werden, für die ein Betrachtungshorizont von 10 Jahren angedacht ist.
Abb. 7.28 Betrachtungszeiträume für Wirtschaftlichkeitsanalysen
7.7 Betrachtungszeitraum und Terminierung
175
Erreichen Ein- oder Auszahlungsströme (Nutzen und Kosten) das Ende der betrachteten Zeitperiode, stellt sich die Frage der Fortführung. Diesbezüglich gibt es drei Möglichkeiten:
Abruptes Ende: Man lässt die Zahlungsströme am Ende des Betrachtungszeitraums abrupt enden.
Ewige Rente: Die Zahlungsströme werden nach dem Prinzip einer „ewigen Rente“ fortgeführt. Die ewige Rente entspricht einer Rente ohne Kapitalverzehr. Es wird unterstellt, dass die im letzten Jahr des Betrachtungszeitraums ermittelte Differenz zwischen Nutzen und Kosten in der Zukunft unbefristet und unverändert fortgeführt wird.
Rente mit Kapitalverzehr: Die Zahlungsströme werden nach dem Prinzip einer „Rente mit Kapitalverzehr“ fortgeführt. Der im letzten Jahr ermittelte Differenzwert zwischen Kosten und Nutzen wird über eine mathematische Funktion kontinuierlich reduziert. Die Reduktion kann entweder linear oder exponential sein. Bei Informatik-Investitionen empfiehlt sich in der Regel die erste Option – also das abrupte Ende von Kosten und Nutzen. Vernünftige Tabellenkalkulationsvorlagen sollten ohnehin einen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren anbieten. Dieser Zeitraum kann gegebenenfalls vollständig ausgeschöpft werden. Somit ist die Notwendigkeit, das Kosten-/Nutzen-Delta des letzten Jahres zu „verrenten“, nur in sehr wenigen Ausnahmefällen gegeben. Hinzu kommt, dass die Rente genauso wie die periodisch ermittelten Kosten-/Nutzen-Deltas diskontiert wird. Ihr Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens ist deshalb begrenzt. Wird beispielsweise bei einer Investitionsrechnung mit einem Kalkulationszinsfuß von 12 % gerechnet, fließt die Rentenzahlung nur zu etwa 1/3 ihres Wertes in die Berechnung ein. 7.7.1
Ewige Rente und Rente mit Kapitalverzehr
Wird eine „Verrentung“ in Betracht gezogen, so stellt sich die Frage der Bewertung dieser Rente. Wegen der Unbestimmheit einer „ewigen Rente“ kann ihr kein eindeutiger Wert zugeordnet werden. Es wird deshalb eine künstliche Terminierung über einen kapitalisierten „Endwert“ (Terminal Value) vorgenommen. Die regelmäßige und zeitlich unbefristete Geldzahlung wird dabei zu einer einmaligen heutigen Zahlung umgerechnet, d.h. es wird ein Barwert ermittelt.
176
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Ausgangswert für die Rentenzahlung ist das Kosten-/Nutzen-Delta des letzten Jahres im Betrachtungszeitraum. Dieses Delta muss gegebenenfalls noch normalisiert werden, falls in der letzten Periode außergewöhnliche Kosten oder Nutzenvorteile aufgetreten sind. In Ź Abb. 7.29 wird gezeigt, welchen „Wert“ (bewertet zum gegenwärtigen Zeitpunkt) ein Betrag von 1 GE (einer Geldeinheit) hat, der zeitlich unbegrenzt ausbezahlt wird. Mit jedem Jahr erhöht sich die durch die Diskontierung induzierte Wertminderung. Bereits nach nur sechs Jahren hat sich der Wert halbiert (bei einem Kalkulationszinssatz von 12 %). Ab einem bestimmten Jahr ist der Wert derart gering, dass er keine praktische Bedeutung mehr hat (bei Geldbeträgen begrenzt man den Blick für gewöhnlich auf zwei Nachkommastellen). Kalkulationszinsfuß:
12%
Ewige Rente (Annuität):
1 GE
Rentenjahr
Diskontierungsfaktor Wert der Rente 1 2 3 4 5 6
0,8929 0,7972 0,7118 0,6355 0,5674 0,5066
0,8929 0,7972 0,7118 0,6355 0,5674 0,5066
unbestimmt 0,0000 Total (= Endwert; "Terminal Value")
0,0000 8,33
… … …
… … …
… … …
Formel für die Berechnung des Endwerts einer ewigen Rente: Rentenbetrag : Kalkulationszinsfuß Beispiel: 1 : 0,12 = 8,33
Abb. 7.29 Ermittlung des Barwerts (Endwerts) einer „ewigen Rente“
Eine Addition aller „Rentenbarwerte“ ergibt einen Gesamtbetrag von 8,33 GE – dies ist der Gesamtwert einer „ewigen Rente“ von 1 GE. Der gleiche Betrag ergibt sich auch aus der Division von Rentenbetrag und Kalkulationszinsfuß. Damit verfügen wir nun über eine einfache Formel für die Berechnung des Endwerts einer ewigen Rente. Eine Variation der Barwert-Ermittlung für eine „ewige Rente“ ist die Kapitalisierung mit einem inflationsbereinigten Diskontierungsfaktor. Beträgt zum Beispiel die Inflation 2 % und wurde ein Kalkulationszinsfuß von 12 % in der Investitionsrechnung angesetzt, dann beträgt der inflationsbereinigte Zinssatz für die Diskontierung 10 %. In der Praxis trifft man beide Varianten an (Diskontierung mit dem vollen Kalkulationszinsfuß bzw. Diskontierung mit einem inflationsbereinigten Kalkulationszinsfuß).
7.7 Betrachtungszeitraum und Terminierung Investition "XY" Kosten Nutzen Delta*
177
(Kalkulationszinsfuß = 12 %) Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
…
Jahr 9
45.000
30.000
0
…
0
Terminierung
Total 75.000
0
15.000
25.000
…
25.000
-45.000
-15.000
25.000
…
25.000
208.333
383.333
Diskontierungsfaktor
1,0000
0,8929
0,7972
…
0,3606
0,3220
Delta* diskontiert
-45.000
-13.394
19.931
…
9.015
67.083
348.333 119.578
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Berechnung des Endwerts der ewigen Rente in Höhe von 25'000 Geldeinheiten: 25'000 : 0,12 = 208'333
Abb. 7.30 Terminierung mittels einer „ewigen Rente“
Aus Ź Abb. 7.30 wird ersichtlich, wie die „ewige Rente“ korrekt in eine Business-Case-Kalkulationsvorlage einzusetzen ist:
Wird der Business Case beispielsweise für einen Zeitraum von fünf Jahren erstellt (Jahr 0 – 4), so wird man in aller Regel die ewige Rente im Jahr 5 einsetzen.
Bei einem längeren Betrachtungszeitraum (z.B. 10 Jahre) kann man die ewige Rente bereits im letzten Jahr des Analysezeitraums einsetzen (z.B. Jahr 9). Aus dem Beispiel wird auch ersichtlich, wie eine Kalkulationsvorlage den Rentenbetrag behandeln muss. Entsprechend dem Jahr, in welchem die Rente eingesetzt wird, muss diese ebenso mit einem Diskontierungsfaktor abgewertet werden wie die übrigen Cashflows. Der nach dem „Jahr 9“ eingesetzte Rentenbetrag von 208.333 GE hat somit im Bezugsjahr („Jahr 0“) einen Wert von 67.083 GE (bei einem Kalkulationszinsfuß von 12 %). Unabhängig davon, wie eine ewige Rente in einen Barwert umgerechnet wird, basiert die künstliche Terminierung auf folgenden Grundüberlegungen:
Das Investitionsobjekt hat eine unbegrenzte Haltwertszeit Es findet kein Wachstum der Rechnungselemente statt und es kommt auch nicht zu außergewöhnlichen Kosten- oder Nutzenvorteilen (d.h. keine Veränderung der Kosten und des Nutzens)
Das Investitionsobjekt hat keinen Endwert Das Investitionsobjekt verursacht keine Kosten für die Außerbetriebnahme
Es treten keine Zinsschwankungen auf (keine Veränderung des Kalkulationszinsfußes)
178
7 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Grundlagen
Sollen bestimmte Zahlungsströme oder das in der letzten Periode des Betrachtungszeitraums ermittelte Kosten-/Nutzen-Delta sich nicht in konstanter Höhe über einen unendlichen Zeitraum erstrecken, so kann man auf eine „Rente mit Kapitalverzehr“ zurückgreifen. Der Rechenweg um einen Endwert (Terminal Value) mit konstanter Wertverringerung zu ermitteln, wird in Ź Abb. 7.31 gezeigt. Investition "XY" Kosten Nutzen Delta*
(Kalkulationszinsfuß = 12 %) Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
…
Jahr 9
45.000
30.000
0
…
0
Terminierung
Total 75.000
0
15.000
25.000
…
25.000
-45.000
-15.000
25.000
…
25.000
178.571
353.571
Diskontierungsfaktor
1,0000
0,8929
0,7972
…
0,3606
0,3220
Delta* diskontiert
-45.000
-13.394
19.931
…
9.015
57.500
318.571 109.994
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Berechnung des Endwerts einer Rente in Höhe von 25'000 Geldeinheiten mit 2 % Kapitalverzehr: 25'000 : (0,12 + 0,02) = 178'571
Abb. 7.31 Terminierung mittels einer „Rente mit Kapitalverzehr“
Das Beispiel geht davon aus, dass sich der Wert des Rentenbetrags in jeder Periode um 2 % reduziert. Um den entsprechenden Endwert zu erhalten, muss diese Senkungsrate zum Kalkulationszinsfuß addiert werden (0,12 + 0,02 = 0,14). Der Rentenbetrag wird anschließend durch diesen Prozentsatz geteilt (25.000 / 0,14). Der daraus resultierende Endwert fällt um 30.000,- GE geringer aus als die „ewige Rente“.
Abb. 7.32 Formeln für die Rentenberechnung
In Ź Abb. 7.32 sind zum Abschluss die beiden möglichen „Rentenformeln“ dargestellt. Die Anwendung von Renten bei IT-Vorhaben muss wohl überlegt sein. In der Praxis gilt der Grundsatz: „Nichts ist für die Ewigkeit!“. Planungen, die über zehn Jahre hinausgehen, sollten deshalb solide begründet sein.
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
8.1 Statische Berechnung: ROI (Return on Investment) Synonyme Bezeichnungen
Rentabilitätsrechnung
Renditerechnung
Die Renditerechnung ist die einfachste Methodik für Wirtschaftlichkeitsanalysen. Sie wird in der Praxis am häufigsten erwähnt, aber nicht immer richtig zitiert und in vielen Fällen deshalb auch falsch interpretiert. Man liegt sicherlich nicht weit daneben, wenn man behauptet, dass eine Befragung von zwanzig Unternehmen nach ihrem Verständnis von „Return on Investment“ und der Berechnungsweise dieser Kennzahl etwa vierzig verschiedene Antworten ergibt. Vierzig deshalb, weil auch innerhalb der Unternehmen eine Mehrzahl von differierenden und teilweise widersprüchlichen Auslegungen existent sind. Die Rentabilität misst die Produktivität des Kapitaleinsatzes. Im betriebswirtschaftlichen Kontext wird Rentabilität definiert als das Verhältnis des Gewinns (Periodenerfolg) zum Kapital (Eigen- und Fremdkapital des Betriebes). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Gesamtkapitalrentabilität.
Abb. 8.1 Gesamtkapitalrentabilität und Eigenkapitalrentabilität
180
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Die Gesamtkapitalrentabilität wird nach der in Ź Abb. 8.1 gezeigten Formel berechnet. Als Kapitalgröße wird sinnvollerweise das Durchschnittskapital verwendet. Dieses erhält man, indem man den Kapitalbestand am Periodenbeginn und den Bestand am Periodenende addiert und anschließend durch zwei teilt. Die beiden in Ź Abb. 8.1 dargestellten Rentabilitätskennziffern zeigen, in welcher Höhe sich das jeweils eingesetzte Kapital verzinst hat. Es handelt sich hierbei um eine Bruttorendite, welche die gesamte Kapitalverzinsung nachweist, weshalb für die Berechnung der Gesamtkapitalrentabilität der um Fremdkapitalzinsen geschmälerte Gewinn korrigiert werden muss (Gewinn + Fremdkapitalzinsen). Fremdkapitalzinsen sind der Ertrag des Fremdkapitals, weshalb man in diesem Zusammenhang auch vom „Kapitalgewinn“ spricht. Die Ermittlung der Rentabilität einer Investition orientiert sich an der betriebswirtschaftlichen Kapitalrentabilität. Als Gewinngröße wird ebenfalls der Bruttonutzen der Investition verwendet – also der erzielbare Nutzen vor Abzug von kalkulatorischen Zinsen und nicht der „Nutzen nach Steuern“. Bei der auf diesem Weg berechneten Rendite handelt es sich ebenfalls um eine Bruttorendite – diesmal gibt sie Auskunft über die gesamte Verzinsung der Investition. Würde man kalkulatorische Zinsen nutzenmindernd verrechnen, so wäre das Ergebnis eine Renditeziffer, die sich schlecht mit der vom Investor geforderten Mindestverzinsung (kalkulatorischer Zinssatz) vergleichen ließe.
Abb. 8.2 Rentabilität einer Investition
Die Bedeutung der ROI-Kennzahl für den Investitionsvergleich ergibt sich aus der Tatsache, dass Investitionen unterschiedlich viel Kapital binden. Die ROI-Kennzahl trägt diesem Gesichtspunkt Rechnung und setzt die Gewinne der Investitionsvorschläge zu ihrem Kapitalbedarf ins Verhältnis. Bei der Berechnung der Investitionsrentabilität sind jedoch mehrere Besonderheiten zu berücksichtigen:
Während die Gesamt- und Eigenkapitalrentabilität immer nur für eine Rechnungsperiode (in der Regel das Geschäftsjahr) berechnet wird, sind Investitionen mehrjährige Vorgänge. Kosten und Nutzen fallen über einen bestimmten Zeitraum an.
8.1 Statische Berechnung: ROI (Return on Investment)
181
Als Gewinngröße kann entweder der Gewinn einer repräsentativen Periode oder ein Durchschnittsgewinn (Summe aller Jahresüberschüsse dividiert durch die Anzahl der Jahre) angesetzt werden.
Das Gegengewicht zum Gesamt- bzw. Eigenkapital stellt bei der Investitionsrechnung der initiale Kapitaleinsatz (Anschaffungsauszahlung) dar; zum Beispiel die Projektkosten. In der Praxis hat sich eine Vielzahl von Rentabilitätsdefinitionen für die Investitionsrechnung etabliert. Die folgenden zwei Varianten sind hierbei besonders hervorzuheben. 8.1.1
Periodenbezogene Rentabilität – Einfacher ROI
Im europäischen Raum geht man in der Regel von einer eng gefassten Rentabilitätssicht aus und ermittelt die Rentabilität des eingesetzten Kapitals (Projektkosten) für eine Periode. Diese Berechnungsweise wollen wir im Folgenden als „einfachen ROI“ bezeichnen. Die periodenbezogene Rentabilitätsrechnung zeigt die durchschnittliche jährliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals.
Bedauerlicherweise gibt es beim „einfachen ROI“ kein einheitliches Verständnis hinsichtlich der Bestimmung des initialen Kapitaleinsatzes (Projektkosten). In diesem Zusammenhang gibt es die folgenden Praktiken:
Kapitaleinsatz = voller Investitionsbetrag (die gesamten Projektkosten): Diese Variante orientiert sich an der betriebswirtschaftlichen Gesamt- bzw. Eigenkapitalrentabilität und würdigt deshalb den gesamten Kapitaleinsatz.
Kapitaleinsatz = halber Investitionsbetrag (die Hälfte der Projektkosten): Die Existenzberechtigung dieser Variante beruht auf der Tatsache, dass viele Investitionen zu einer Kapitalbindung führen (z.B. Anschaffung einer Maschine oder einer Immobilie). Es erscheint in diesen Fällen sinnvoll, von einem „durchschnittlich gebundenen Kapital“ (Durchschnittskapital) auszugehen, da sich die Kapitalbindung entweder kontinuierlich während der Laufzeit reduziert oder die zurückfließenden Mittel reinvestiert werden können und deshalb die Kapitalbindung ausgeglichen wird.
Kapitaleinsatz = Restbuchwert (periodenbezogener Buchwert): Bei dieser Berechnungsweise erhält man im Zeitablauf steigende Jahresrenditen, da der Restwert in jedem Jahr geringer ist. Aus der Summe aller Jahresrenditen kann ein Durchschnittswert gebildet werden.
182
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Glücklicherweise ist man sich dahingehend einig, dass beim direkten Vergleich von Investitionen immer nur eine Methode angewendet werden darf. Die unterschiedlichen Standpunkte ändern also nichts an der relativen Vorteilhaftigkeit von einzelnen Investitionen zueinander. Betroffen ist lediglich das Rechenergebnis – also die absolute Höhe der Renditeziffer. Da IT-Investitionen größtenteils nicht zu einer Kapitalbindung führen – die Projektkosten werden im Regelfall als Aufwand direkt der Erfolgsrechnung zugeführt (erfolgswirksame Ausgaben) und nicht aktiviert – wird an dieser Stelle die erstgenannte Variante (Anrechnung der vollen Projektkosten als Kapitaleinsatz) empfohlen. Der Vollständigkeit halber soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es in der Informatik zu Investitionssituationen kommen kann, aus denen eine Kapitalbindung resultiert, beispielsweise die Einführung einer EnterpriseResource-Planning-Lösung (ERP-System) in einem Konzern. Ein solches Vorhaben kann zu Projektkosten in dreistelliger Millionenhöhe führen und deshalb die Erfolgsrechnung des Unternehmens außerordentlich strapazieren. Bei derart großvolumigen Investitionen erwägen deshalb die Unternehmen oftmals eine Aktivierung des Investitionsobjekts – und damit einhergehend eine Abschreibung der Projektkosten über die gesamte Lebenszeit der Lösung; mit der Konsequenz, dass die Erfolgsrechnung nur durch die Abschreibungsbeträge belastet wird. Dieser Sachverhalt führt zur Kapitalbindung, denn das Investitionsobjekt wird so lange im Anlagevermögen gehalten und periodisch um die der Erfolgsrechnung zugeführten Abschreibungsbeträge im Wert reduziert, bis es vollständig abgeschrieben ist (Anm.: die laufenden Kosten werden nicht abgeschrieben). Investition "A"
Kosten Nutzen Delta*
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
0
0
0
0
20.000.000
0
4.000.000
4.000.000
4.000.000
4.000.000
16.000.000
-20.000.000
4.000.000
4.000.000
4.000.000
4.000.000
-4.000.000
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
20.000.000
0
0
0
0
20.000.000
Investition "B" Kosten Nutzen Delta*
0
6.000.000
6.000.000
6.000.000
6.000.000
24.000.000
-20.000.000
6.000.000
6.000.000
6.000.000
6.000.000
4.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.3 Ausgangsbeispiele für die ROI-Berechnung
Im Folgenden wird die Berechnung des periodenbezogenen ROI’s anhand der in Ź Abb. 8.3 dargestellten Investitionsszenarien illustriert. Da jeweils nur der Nutzen eines bestimmten Jahres in die Formel eingesetzt
8.1 Statische Berechnung: ROI (Return on Investment)
183
wird, begrenzt sich der Aussagegehalt des Ergebnisses auf eine Periode. Die Beispielberechnungen in Ź Abb. 8.4 basieren auf der Anrechnung des vollen Kapitaleinsatzes (Projektkosten) und verdeutlichen ein weiteres Manko dieses Berechnungsverfahrens – wenn ein positiver ROI ausgewiesen wird, bedeutet dies nicht, dass die Investition wirtschaftlich vorteilhaft ist. Beispielsweise hat Investition „A“ einen ROI von 20 %. Bei einem Betrachtungszeitraum von fünf Jahren erzielt diese Investition jedoch ein Defizit von 4 Mio. GE (undiskontiert – also entsprechend den Prinzipien der statischen Investitionsrechnung). Berechnung des "einfachen ROI" einfacher ROI =
Nutzen in einer repräsentativen Periode Kapitaleinsatz
x 100
ROI Investition "A" (Jahr 1)
=
4.000.000 20.000.000
x 100
=
20%
ROI Investition "B" (Jahr 1)
=
6.000.000 20.000.000
x 100
=
30%
Abb. 8.4 Berechnung des „einfachen ROI“
Bei der einfachen ROI-Berechnung lassen sich grundsätzlich keine Rückschlüsse darüber ziehen, ob eine Investition – gesehen über ihre gesamte „Lebenszeit“ – kostendeckend ist oder nicht. Es sei denn, man verwendet anstelle des Nutzens einer Periode eine durchschnittliche Nutzengröße, ermittelt aus den addierten Nutzenüberschüssen des gesamten Betrachtungszeitraums und geteilt durch die Anzahl der Jahre des Betrachtungszeitraums. 8.1.2
Periodenübergreifende Rentabilität – Kumulierter ROI
Im amerikanischen Raum ist eine weiter gefasste Rentabilitätssicht verbreitet, welche periodenübergreifend die Rentabilität des gesamten Ertrags einer Investition mit den Gesamtkosten vergleicht. Bei dieser Rentabilitätssicht lässt sich ein zuverlässiges Kostendeckungskriterium definieren. Demnach sind Investitionen dann kostendeckend, wenn der ROI größer ist als 100 %. Die periodenübergreifende Rentabilitätsrechnung zeigt die Gesamtverzinsung des eingesetzten Kapitals.
Die Berechnung des kumulierten ROI für die zuvor beschriebenen Investitionen „A“ und „B“ wird in Ź Abb. 8.5 gezeigt.
184
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Berechnung des "kumulierten ROI" kumulierter ROI =
Gesamtnutzen Kapitaleinsatz
x 100
ROI Investition "A" =
16.000.000 20.000.000
x 100
=
80%
ROI Investition "B" =
24.000.000 20.000.000
x 100
=
120%
Abb. 8.5 Berechnung des „kumulierten ROI“
Das Entscheidungskriterium dieser Form der kumulierten ROI-Betrachtung lautet sinngemäß:
Der ROI muss größer als 100 % sein (Kostendeckung) Werden mehrere Investitionen verglichen, ist die Investition zu bevorzugen, die den höchsten ROI aufweist. Die gleiche Aussage erhält man auch bei der folgenden, vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum bekannten, Interpretation des ROI. Alternative Berechnung des "kumulierten ROI" kumulierter ROI =
Gesamtnutzen - Kapitaleinsatz Kapitaleinsatz
ROI Investition "A" =
16.000.000 - 20.000.000 20.000.000
=
-20%
ROI Investition "B" =
24.000.000 - 20.000.000 20.000.000
=
20%
Abb. 8.6 Variante des „kumulierten ROI“
Initialer Kapitaleinsatz versus Einzahlungsüberschuss. Ein schwerwiegendes Defizit der ROI-Kennzahl ergibt sich aus der Tatsache, dass kein einheitliches Verständnis darüber herrscht, was unter „Kapitaleinssatz“ zu verstehen ist. Betrachten wir dazu das in Abb. 8.7 gezeigte Investitionsszenario. Bei diesem Szenario sind die Kosten aufgeschlüsselt in
einmalige Kosten (Projektkosten) und Laufende Kosten (Betriebskosten)
8.1 Statische Berechnung: ROI (Return on Investment)
185
Investition "C" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
10.000.000
0
0
0
0
10.000.000
Betriebskosten
0
3.000.000
3.000.000
3.000.000
3.000.000
12.000.000
Nutzen
0
8.000.000
8.000.000
8.000.000
8.000.000
32.000.000
-10.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
10.000.000
Projektkosten
Delta*
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.7 Investitionsszenario mit einmaligen und laufenden Kosten
Was ist nun der „Kapitaleinsatz“ dieser Investition? Es gibt zwei Möglichkeiten:
Kapitaleinsatz = Projektkosten + Betriebskosten Kapitaleinsatz = Projektkosten Letzere Definition des Kapitaleinsatzes bezeichnet man als „initialier Kapitaleinsatz“. Will man nun die Rendite dieses initialen Kapitaleinsatzes feststellen (und dies ist nach Auffassung des Autors der Hauptzweck der Wirtschaftlichkeitsanalyse), so stellt sich die Frage, wie man die Betriebskosten in die Analyse miteinbezieht. An welcher Bezugsgrösse wird die Rentabilität des initialen Kapitaleinsatzes sinnvollerweise gemessen? Eine aussagekräftige Bezugsgröße ergibt sich aus dem Delta zwischen dem laufenden Nutzen und den laufenden Kosten (Nutzen abzgl. lfd. Kosten) – dieses Delta bezeichnet man als „Einzahlungsüberschuss“. Der kumulierte ROI von Investition „C“ – aus der Sicht des initialen Kapitaleinsatzes – kann demnach wie folgt ermittelt werden. Berechnung des "kumulierten ROI" - als Rendite des initialen Kapitaleinsatzes kumulierter ROI =
Einzahlungsüberschuss initialer Kapitaleinsatz
x 100
ROI Investition "C" =
20,000,000 10,000,000
x 100
=
200%
Abb. 8.8 „kumulierter ROI“ als Rendite des initialen Kapitaleinsatzes
Der Einzahlungsüberschuss von 20 Mio. GE ergibt sich aus der Summe aller jährlichen Einzahlungsüberschüsse in Höhe von 5 Mio. GE. Bei dem Ergebnis in Höhe von 200 % handelt es sich um eine kumulierte Rendite über den Betrachtungszeitraum von vier Jahren. Pro Jahr wird mit der Investition eine Rendite – aus Sicht des initialen Kapitaleinsatzes – von 50 % erwirtschaftet. Schlussbemerkung. Die zuvor beschriebenen Auslegungsmöglichkeiten und Interpretationsspielräume sind ein wesentlicher Grund für die geringe Bedeutung des ROI in der betrieblichen Praxis.
186
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Hinzu kommt weiterhin, dass alleine mithilfe des ROI keine verlässliche Aussage über die relative Vorteilhaftigkeit von konkurrierenden Investitionsvorschlägen möglich. Eine Investition, deren Kapitalrückflüsse in den Anfangsjahren unterdurchschnittlich sind, dann aber kontinuierlich zunehmen, kann prinzipiell den gleichen ROI aufweisen wie eine Investition, die in den Anfangsjahren überdurchschnittliche Rückflüsse erzielt, die jedoch kontinuierlich abnehmen. Letztere Investition wäre jedoch wegen des schnelleren Kapitalrückflusses grundsätzlich zu bevorzugen. Zieht man eine ROI-Berechnung in Betracht, so ist eine ergänzende Analyse der Payback-Zeit in jedem Fall empfehlenswert. Vorteile
Nachteile
Ermöglicht einen sinnvollen Vergleich von Investitionen mit unterschiedlichen Kapitaleinsätzen.
Berücksichtigt nicht den Zeitwert des Geldes.
Praktische Anwendung; schlanke und für jedermann nachvollziehbare Berechnung. Geringe Anforderungen an das Datenmaterial. Einfach nachvollziehbares Ergebnis und demzufolge klarer Aussagegehalt des Ergebnisses. Die Anwendung und Definition eines Kalkulationszinssatzes ist nicht notwendig.
Berücksichtigt nicht den Effekt von Steuern, Abschreibungen und eventuellen Kapitalzinsen. Ergebnis ist eine Verhältniszahl und nur unter Kenntnis des Kontexts (z.B. Investitionsvolumen) aussagekräftig. Geringer Aussagewert des Ergebnisses da viele Berechnungswege und Rendite-Sichtweisen möglich sind (für die Praxis deshalb unzureichend).
Abb. 8.9 Vor- und Nachteile der Rentabilitätsrechnung
Die Investitionsrechnung kennt noch weitere Renditekennziffern, wie die nachfolgenden Kapitel zeigen werden. Hervorzuheben ist hierbei der IRR (Internal Rate of Return). Der IRR ermittelt die Effektivverzinsung einer Investition basierend auf den Prinzipien der dynamischen Investitionsrechnung. Diese Kennziffer wird deshalb in einem der nachfolgenden Unterkapitel ausführlich beschrieben.
8.2 Statische Berechnung: Payback Synonyme Bezeichnungen
Amortisationsrechnung
Kapitalrückflussrechnung
8.2 Statische Berechnung: Payback
187
Mit Hilfe der Payback-Rechnung wird ermittelt, wie lange es dauert, bis die Investitionsbeträge durch den zu erwartenden Nutzen wieder zurückgeflossen sind. Die Payback-Methode gibt es in zwei Ausprägungen, als statische Rechnung, d.h. ohne Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls von Kosten und Nutzen, und als dynamische Payback-Rechnung, bei der die Ein- und Auszahlungsströme als diskontierte Werte in die Berechnung einfließen. Die Payback-Zeit ist die Anzahl Jahre, die benötigt wird, um den Kapitaleinsatz (Projektkosten) aus den Rückflüssen wiederzugewinnen. Diesen Zeitraum bezeichnet man als Wiedergewinnungszeit, Kapitalrückflussdauer, Amortisationsdauer oder Payback-Dauer.
Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens: Je nach Investitionsobjekt (begrenzte oder unbegrenzte Nutzungsdauer) sind bezüglich der Anrechnung von Netto-UV-Veränderungen folgende Überlegungen zu berücksichtigen:
Zum einen besteht in der Betriebswirtschaftslehre die Auffassung, dass das Netto-Umlaufvermögen keinem Wertverzehr unterliegt.
Zum anderen neutralisieren sich investitionsbedingte Beeinflussungen des Netto-Umlaufvermögens (Reduktion oder Erhöhung) am Ende der Nutzungsdauer eines Investitionsobjekts. Da es nun nicht die Intention der Payback-Dauer ist, eine Aussage über die Rendite einer Investition zu machen, resultiert hieraus die Empfehlung, zumindest bei zeitlich begrenzten Investitionen, Veränderungen des NettoUmlaufvermögens nicht zu berücksichtigen. Das heißt, bei der PaybackBerechnung sind Netto-UV-Veränderungen weder dem initialen Kapitaleinsatz (im Falle einer Erhöhung des Netto-UV) noch dem Nutzen (im Falle einer Reduktion des Netto-UV) hinzuzurechnen. Es gibt zwei mögliche Berechnungsverfahren zur Payback-Ermittlung – die einfache „Durchschnittsrechnung“ und die aufwändigere, aber genauere „Kumulationsrechnung“. 8.2.1
Durchschnittsrechnung
Sind die Rückflüsse einer Investition jährlich konstant, kann die PaybackZeit recht einfach durch Division berechnet werden. Dabei wird dem Kapitaleinsatz der durchschnittliche jährliche Nutzen gegenübergestellt. Die entsprechenden Formeln für eine Investition mit und ohne Restwert sind in Ź Abb. 8.10 gezeigt.
188
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Abb. 8.10 Berechnung der Payback-Zeit (bei jährlich konstantem Nutzen)
In Ź Abb. 8.11 sind für zwei Investitionsszenarien die jeweiligen Geldflüsse für Kosten und Nutzen dargestellt. Für diese beiden Beispiele soll nachfolgend die Payback-Dauer berechnet werden. Investition "X"
Kosten
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
14.000.000
0
0
0
0
14.000.000
0
5.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
20.000.000
-14.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
6.000.000
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
14.000.000
0
0
0
0
14.000.000
7.000.000
20.000.000
7.000.000
6.000.000
Nutzen Delta* Investition "Y" Kosten
0
3.000.000
4.000.000
6.000.000
-14.000.000
3.000.000
4.000.000
6.000.000
Nutzen Delta*
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.11 Ausgangsbeispiele für die Berechnung der Payback-Zeit
Die in Ź Abb. 8.12 illustrierten Berechnungsbeispiele zeigen, dass die Anwendung der Durchschnittsrechnung zu Ergebnissen führen kann, die nicht haltbar sind und in der Folge zu falschen Entscheidungen führen können. Berechnung des Payback Payback =
Kapitaleinsatz durschnittlicher jährlicher Nutzen
Payback Investition "X" =
14,000,000 5,000,000
=
2.8
Jahre
Payback Investition "Y" =
14,000,000 5,000,000
=
2.8
Jahre
Anm.: Nach drei Jahren betragen die kumulierten Kapitalrückflüsse bei Investition "Y" 13.000.000 GE. Die Anwendung der Formel liefert bei jährlich ungleichen Rückflüssen kein sinnvolles Ergebnis.
Abb. 8.12 Berechnung der Payback-Zeit nach der Durchschnittsberechnung
8.2 Statische Berechnung: Payback
189
Die Annahme eines im Zeitablauf konstanten Nutzens wird nur sehr wenigen Praxisfällen gerecht. Es ist deshalb empfehlenswert, der nachfolgend beschriebenen Kumulationsrechnung den Vorzug zu geben, insbesondere wenn die Berechnungslogik als Algorithmus in eine Standard-Tabellenkalkulationsvorlage zur Beurteilung von Investitionsvorhaben eingebunden werden soll. 8.2.2
Kumulationsrechnung
Die Konstellation des jährlichen Nutzens während der Lebenszeit eines Investitionsszenarios kann einen deutlichen Einfluss auf die Payback-Dauer haben. Ist der Nutzen am Anfang eher gering, steigt dann aber an, so führt dies zu einer längeren Payback-Dauer als bei einer Investition, die anfänglich einen hohen Nutzen aufweist, der dann aber konstant abnimmt. Die Kumulationsrechnung trägt einer ungleichmäßigen Höhe der jährlichen Kapitalrückflüsse Rechnung, da sie nicht auf Durchschnittsgrößen basiert. Die Ermittlung der Payback-Dauer ist allerdings etwas umständlicher, da zwei Rechnungsschritte notwendig sind. 1. Als erstes wird der jährliche Nutzen fortlaufend kumuliert. Es wird somit ersichtlich, zwischen welchen beiden Jahren ein neutrales Ergebnis (Kostendeckung; also Nutzen = Kosten) erreicht wird. 2. In einem weiteren Schritt wird dann zwischen den Nutzengrößen der beiden Jahre interpoliert. Investition "X" Kosten
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
14.000.000
0
0
0
0
14.000.000
0
5.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
20.000.000
Delta*
-14.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
5.000.000
6.000.000
Delta kumuliert
-14.000.000
-9.000.000
-4.000.000
1.000.000
6.000.000
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
14.000.000
0
0
0
0
14.000.000
Nutzen
Investition "Y" Kosten
0
3.000.000
4.000.000
7.000.000
20.000.000
Delta*
-14.000.000
3.000.000
4.000.000
6.000.000
7.000.000
6.000.000
Delta kumuliert
-14.000.000
-11.000.000
-7.000.000
-1.000.000
6.000.000
Nutzen
6.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.13 Ausgangsbeispiele ergänzt um den kumulierten Nutzen
190
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Die in Ź Abb. 8.14 illustrierten Berechnungsbeispiele zeigen, dass die Kumulationsrechnung in jedem Fall verlässliche Ergebnisse liefert. Sie ist genauer, weil sie die Unterschiede in der Höhe der Kapitalrückflüsse der einzelnen Perioden erfasst. Berechnung des Payback Payback =
geringstes kumuliertes Negativdelta Delta des Jahres nach dem geringsten Negativdelta
+ Jahr mit geringstem kumulierten Negativdelta
Payback Investition "X" =
4.000.000 5.000.000
=
0,8
+2
= 2,8 Jahre
Payback Investition "Y" =
1.000.000 7.000.000
=
0,8
+3
= 3,1 Jahre
Abb. 8.14 Berechnung der Payback-Zeit nach der Kumulationsrechnung
Investitionen mit Restwert: Ergibt sich bei einem Investitionsszenario am Ende der Lebenszeit ein Restwert, muss dieser bei der Payback-Berechnung berücksichtigt werden. Bei der hier besprochenen statischen Form der Payback-Rechnung geschieht dies, indem die einmaligen Projektkosten um den voraussichtlichen Restwert reduziert werden. Die Payback-Dauer ist insbesondere bei IT-Vorhaben ein wichtiges Entscheidungskriterium. Sie liefert Hinweise auf das mit einem Investitionsvorhaben verbundene Risiko. Man geht grundsätzlich von der Überlegung aus, dass das Risiko umso geringer ist, je schneller das Unternehmen die investierten Mittel zurückerhält. Deshalb werden Investitionen mit kurzer Payback-Zeit als risikoarm eingestuft, während Investitionen mit einer langen Kapitalrückflussdauer als risikobehaftet angesehen werden. Dies lässt sich damit begründen, dass die Prognosen (sowohl in Bezug auf die Details der Investition als auch hinsichtlich der Unternehmenssituation und des Geschäftsumfelds) mit zunehmender Payback-Dauer unsicherer werden. In der Praxis werden den Aktivitäten der Informatik eine kürzere Haltwertszeit und eine größere Prognoseunsicherheit zugesprochen als Vorhaben aus anderen Fachbereichen. Aus diesem Grund erwartet man in der Regel von IT-Vorhaben, dass sie sich in relativ kurzen Zeiträumen amortisieren. Bevorzugt wird ein Payback zwischen 2 und 5 Jahren, wobei eine risikobehaftete Adaption einer neuen Technologie eher am unteren Ende dieser Spanne liegt (zwischen 2 und 3 Jahren) und eine langfristig ausgelegte Infrastruktur-Konsolidierung eher am oberen Ende dieser Bandbreite angesiedelt wird (zwischen 3 und 5 Jahren).
8.2 Statische Berechnung: Payback
191
Vorteile
Nachteile
Praktische Anwendung; schlanke und für jedermann nachvollziehbare Berechnung. Geringe Anforderungen an das Datenmaterial. Klarer Aussagegehalt des Ergebnisses. Die Anwendung und Definition eines Kalkulationszinssatzes ist nicht notwendig.
Trifft keine Aussage über die absolute Vorteilhaftigkeit einer Investition, da der Zeitwert des Geldes nicht berücksichtigt wird und die geforderte Verzinsung des Kapitaleinsatzes nicht miteinbezogen wird. Nicht sinnvoll für den Vergleich von Investitionen mit unterschiedlicher Nutzungsdauer, da eine verlässliche Aussage über die relative Vorteilhaftigkeit nicht möglich ist. Trifft keine Aussage über die Ertragskraft einer Investition während ihrer gesamten Nutzungsdauer, sondern nur bis zum Zeitpunkt der Wiedergewinnung des Kapitals. Begünstigt kurzfristiges Denken und Handeln (Forderung nach kurzem Payback).
Abb. 8.15 Vor- und Nachteile der Payback-Rechnung
Das Entscheidungskriterium der Payback-Rechnung lautet: Eine Investition ist vorteilhaft, wenn die Payback-Dauer kürzer als die Nutzungsdauer ist. Werden mehrere Investitionen verglichen, ist die Investition zu bevorzugen, welche die kürzeste Payback-Zeit aufweist. Die hier gezeigte Form der statischen Payback-Dauer sollte nie als alleiniges Kriterium für einen Investitionsentscheid dienen. Sie ist aus den folgenden Gründen als Einzelkennzahl unzureichend: 1. Unwirtschaftlichkeit trotz angemessener Payback-Dauer: Eine Investition kann unvorteilhaft sein, obwohl eine akzeptable statische Payback-Dauer ausgewiesen wird. 2. Unterschiedliche Wirtschaftlichkeit trotz übereinstimmender PaybackDauer: Alternative Investitionsvorschläge, die infolge gleicher PaybackZeiten als ebenbürtig anzusehen wären, weisen in der Regel Unterschiede hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit auf. 3. Vernachlässigung von langfristigen Investitionen: Werden Investitionsentscheidungen alleine nach dem Kriterium der Payback-Zeit gefällt, führt dies zu einem unausgeglichenen Projekt- bzw. Aktivitätenportfolio. Unwirtschaftlichkeit trotz angemessener Payback-Dauer: Mit der Payback-Dauer wird ausgesagt, dass eine Investition zum Zeitpunkt X ihre Kosten deckt. Es wird aber keine Aussage dahingehend gemacht, ob lediglich eine Wiedergewinnung der initialen Projektkosten erfolgt oder ob dar-
192
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
über hinaus zusätzlich Rückflüsse erfolgen bzw. ob der Investor neben der Kostendeckung auch eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals erzielt. In diesem Sinne gibt es fünf mögliche Konstellationen: Eine Investition ist nicht kostendeckend. Eine Investition deckt exakt die initialen Kosten (Projektkosten). Eine Investition erzielt Rückflüsse, welche die initialen Kosten (Projektkosten) übersteigen, die aber nicht zu einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals führen. Eine Investition erzielt Rückflüsse, welche die initialen Kosten (Projektkosten) übersteigen und zu einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals führen. Eine Investition erzielt Rückflüsse, welche die initialen Kosten (Projektkosten) übersteigen und zu einer höheren Verzinsung des eingesetzten Kapitals führen als vom Investor gefordert. Die Varianten zeigen, dass eine akzeptable Payback-Dauer keine Gewähr für die Vorteilhaftigkeit einer Investition bietet. Achtet man nur auf die Payback-Dauer, besteht die Gefahr, dass unwirtschaftliche Investitionen realisiert werden, die keine oder keine ausreichende Verzinsung des eingesetzten Kapitals erbringen. In der Praxis kommen im Regelfall nur solche Investitionsvorschläge zur Ausführung, die sich in die letztgenannte Kategorie einordnen lassen. Doch alleine durch die PaybackDauer kann nicht festgestellt werden, in welche der oben angeführten Konstellationen sich eine Investition einordnet. Investition "X" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 0 500.000 500.000 -500.000
Jahr 2 0 300.000 300.000 -200.000
Jahr 3 0 200.000 200.000 0
Jahr 4 0 0 0 0
Total 1.000.000 1.000.000 0
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 0 500.000 500.000 -500.000
Jahr 2 0 300.000 300.000 -200.000
Jahr 3 0 200.000 200.000 0
Jahr 4 0 100.000 100.000 100.000
Total 1.000.000 1.100.000 100.000
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 0 500.000 500.000 -500.000
Jahr 2 0 300.000 300.000 -200.000
Jahr 3 0 200.000 200.000 0
Jahr 4 0 200.000 200.000 200.000
Total 1.000.000 1.200.000 200.000
Investition "Y" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert Investition "Z" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.16 Unterschiedliche Vorteilhaftigkeit trotz gleichwertigem Payback
8.2 Statische Berechnung: Payback
193
Die vereinfachten Beispiele in Ź Abb. 8.16 zeigen zur examplarischen Verdeutlichung dieses Sachverhalts mögliche Wirtschaftlichkeitskonstellationen von Projektvorschlägen. Es soll von einem Kalkulationszinsfuß in Höhe von 10 % ausgegangen werden. Alle Investitionen erzielen eine Payback-Dauer von drei Jahren.
Investition „X“ ist kostendeckend, erreicht jedoch keine Verzinsung des eingesetzten Kapitals.
Investition „Y“ ist ebenfalls kostendeckend und erreicht exakt die geforderte Kapitalverzinsung von 10 % (10 % von 1.000.000 = 100.000).
Investition „Z“ ist kostendeckend und gewährleistet eine Kapitalverzinsung, die über den Erwartungen liegt (der Nutzenüberschuss in „Jahr 4“ beträgt 200.000 – die Rendite beläuft sich somit auf 20 %.). Unter sonst gleichen Umständen wäre Investition „Z“ zu bevorzugen. Die „Favoritenrolle“ dieser Investition wird jedoch aus der PaybackKennzahl nicht ersichtlich. Unterschiedliche Wirtschaftlichkeit trotz übereinstimmender Payback-Dauer: Investitionen, welche dieselbe Payback-Dauer aufweisen, sind in der Regel nicht gleich wirtschaftlich. Je nachdem, wie sich die Höhe der Kapitalrückflüsse auf die Lebensdauer verteilt, ergeben sich Wirtschaftlichkeitsunterschiede, die nur durch die dynamische Investitionsrechnung erkennbar werden. Dieser Umstand wird durch die Investitionsszenarien in Ź Abb. 8.17 verdeutlicht. Beide Investitionen erreichen einen Payback nach drei Jahren. Investition „X“ ist jedoch vorteilhafter, da die Kapitalrückflüsse schneller erfolgen als bei Investition „Y“. Investition "X" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 0 500.000 500.000 -500.000
Jahr 2 0 300.000 300.000 -200.000
Jahr 3 0 200.000 200.000 0
Jahr 4 0 100.000 100.000 100.000
Total 1.000.000 1.100.000 100.000
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 0 100.000 100.000 -900.000
Jahr 2 0 300.000 300.000 -600.000
Jahr 3 0 600.000 600.000 0
Jahr 4 0 100.000 100.000 100.000
Total 1.000.000 1.100.000 100.000
Investition "Y" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.17 Unterschiedliche Wirtschaftlichkeit trotz gleichwertigem Payback
194
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Vernachlässigung von langfristigen Investitionen: Ein starrer Fokus auf die Payback-Dauer tendiert zu einem Investitionsverhalten, dass sich an kurzfristigen „Quick Wins“ ausrichtet (Investitionen mit kurzfristigem Wirkungsgrad; oftmals hohem Risiko). Es besteht die Gefahr, dass strategische Aktivitäten (richtungsweisende Investitionen; oftmals mit einer nachhaltigen Wirkung), die für den Fortbestand eines Unternehmens von großer Bedeutung sind, vernachlässigt werden. Die genannten Kritikpunkte zeigen, dass eine einseitige Ausrichtung der Investitionsentscheidung an der Payback-Dauer leichtfertig wäre. Für einen sinnvollen Investitionsentscheid sind deshalb zusätzliche Kriterien bzw. Kennzahlen heranzuziehen. 8.2.3
Rückflusszahl
Die Anwendung der Kennzahl „Payback-Dauer“ als Vergleichskriterium ist umso sinnvoller, je übereinstimmender die Nutzungszeiträume der zu vergleichenden Investitionen sind. Beim Vergleich von Investitionen mit unterschiedlicher Nutzungsdauer (was in der Praxis häufig vorkommt) sollte nicht allein auf die Payback-Zeit abgestellt werden. Vielmehr ist es empfehlenswert, diese ins Verhältnis zur Nutzungsdauer zu setzen, was dann die Rückflusszahl ergibt. Sie besagt, wie oft sich die Investition während der Lebensdauer amortisiert.
Abb. 8.18 Berechnung der Rückflusszahl
Ist die Rückflusszahl größer als 1, so ist die Investition grundsätzlich rentabel. Werden konkurrierende Investitionen verglichen, ist diejenige zu bevorzugen, welche die größte Rückflusszahl aufweist. Anzumerken ist jedoch, dass insbesondere in der Informatik eine Festlegung der Nutzungsdauer in vielen Fällen gar nicht möglich ist (z.B. unbegrenzte Haltwertszeit bei Konsolidierungen oder Harmonisierungen), in anderen Fällen einer rationalen Grundlage entbehrt bzw. mit Unsicherheiten behaftet ist (z.B. Life-Cycle einer ERP-Lösung), so dass die Aussagekraft dieser Kennzahl für IT-Vorhaben eingeschränkt ist bzw. in jedem Fall kritisch hinterfragt werden muss.
8.3 Dynamische Berechnung: NPV (Net Present Value)
195
8.3 Dynamische Berechnung: NPV (Net Present Value) Synonyme Bezeichnungen
Kapitalwertrechnung
Discounted Cashflow (DCF)
Mit der Beschreibung der NPV-Berechnung vollziehen wir den Wechsel von der statischen Investitionsrechnung zur dynamischen Berechnung. Die dafür notwendigen Grundlagen (Zeitwert des Geldes, Diskontierung bzw. Aufzinsung und Abzinsung) wurden bereits in den vorhergehenden Kapiteln schrittweise aufgebaut. Alle nachfolgend beschriebenen Berechnungen tragen dem Grundsatz Rechnung: „Heute verfügbares Geld ist mehr wert als künftiges“. Wenn man heute 0,3855 Euro bekommt und diesen Betrag zu 10 % anlegt, verfügt man nach 10 Jahren über ein Kapital von 1 Euro. Würde man die 0,3855 Euro erst in 10 Jahren erhalten, so beträgt der entgangene Gewinn 0,6145 Euro. Die Absicht der NPV-Berechnung ist es, unter Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls von Zahlungsflüssen die gesamten Kosten einer Investition mit dem gesamten Nutzen zu vergleichen. Da sich sowohl die Kosten, als auch der prognostizierte Nutzen einer Investition über einen Zeitraum von mehreren Jahren verteilen, müssen diese auf einen einheitlichen Zeitpunkt – den Bezugszeitpunkt – umgerechnet werden. Das heißt, die Gegenwartswerte (Barwerte) dieser Zahlungsgrößen sind zu ermitteln. Als Bezugszeitpunkt kann entweder der Investitionsbeginn (Projektbeginn) oder der Zeitpunkt der Inbetriebnahme (Go-Live) festgelegt werden. In der Praxis wird für IT-Vorhaben nahezu ausschließlich der Investitionsbeginn als Referenz für die Barwertermittlung verwendet. Die Berechnung wird dadurch vereinfacht, denn es sind lediglich Abzinsungen vorzunehmen. Wird der Zeitpunkt der Inbetriebnahme als Referenz verwendet, müssen Zahlungen, die vor der Inbetriebnahme anfallen, auf den Inbetriebnahmezeitpunkt aufgezinst werden. Der NPV (Kapitalwert) einer Investition ergibt sich als Summe der mit einem Kalkulationszinssatz auf einen Bezugszeitpunkt diskontierten und miteinander verrechneten positiven und negativen Zahlungsflüsse (Nutzen und Kosten). Als Kennzahl drückt der NPV aus, mit welchem heutigen Guthaben die gesamte wirtschaftliche Leistung der Investition gleichwertig ist.
Die Differenz zwischen dem barwertigen Nutzen und den barwertigen Kosten bezeichnet man als Kapitalwert (bzw. als NPV oder „Net Present Value“).
196
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Der NPV ist positiv, wenn der diskontierte Nutzen höher ist als die diskontierten Kosten.
Der NPV ist negativ, wenn die diskontierten Kosten den diskontierten Nutzen übersteigen. Die Zusammenhänge zwischen den so genannten „Present Values“ und dem „Net Present Value“ werden in Ź Abb. 8.19 illustriert. Der „Net Present Value“ ergibt sich als Delta zwischen dem „Present Value“ des Nutzens und dem „Present Value“ der Kosten (Projekt- u. Betriebskosten).
Abb. 8.19 Positiver und negativer „Net Present Value“
Eine Investition ist prinzipiell erst dann vorteilhaft, wenn die mit einem Kalkulationszinssatz abgezinsten Nutzengrößen mindestens ebenso hoch sind wie die abgezinsten Kosten (NPV gleich Null). NPV kleiner Null: Eine Investition mit negativem NPV ist unwirtschaftlich. Sie liefert keinen ausreichenden Gegenwert, um die eingesetzten Mittel bei einer angemessenen Kapitalverzinsung wiederzugewinnen. NPV gleich Null: Eine Investition mit einem NPV gleich Null ist kostendeckend und liefert exakt die vom Investor geforderte Mindestverzinsung. Bei Fremdfinanzierung erbringt die Investition keinen Reinvermögenszuwachs. Der Nutzen reicht lediglich aus, um den Kapitaleinsatz zu kompensieren und die Finanzierungskosten zu decken. Eine derartige Investition ist gleichwertig mit einer Geldanlage zum gewählten Kalkulationszinssatz.
8.3 Dynamische Berechnung: NPV (Net Present Value)
197
NPV größer Null: Eine Investition mit einem positiven Kapitalwert erwirtschaftet ein Ergebnis, welches
den initialen Kapitaleinsatz deckt die geforderte Mindestverzinsung erfüllt und zusätzlich einen Gewinn in Höhe des NPV abwirft. Ein NPV größer als Null ist in der betrieblichen Praxis die Voraussetzung für einen positiven Projektentscheid. Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 1 -1.000.000
Jahr 1 400.000 700.000 300.000 0,8929 267.857
Jahr 2 0 500.000 500.000 0,7972 398.597
Jahr 3 0 300.000 300.000 0,7118 213.534
Kalkulationszinssatz = 12 % Jahr 4 Total 0 1.400.000 300.000 1.800.000 300.000 400.000 0,6355 190.655 70.644
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 1 -1.000.000
Jahr 1 400.000 300.000 -100.000 0,8929 -89.286
Jahr 2 0 300.000 300.000 0,7972 239.158
Jahr 3 0 500.000 500.000 0,7118 355.890
Kalkulationszinssatz = 12 % Jahr 4 Total 0 1.400.000 700.000 1.800.000 700.000 400.000 0,6355 444.863 -49.375
Investition "A" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert Investition "B" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.20 Unterschiedliche NPV trotz insgesamt gleichwertiger Geldflüsse
In Ź Abb. 8.20 wird der Kapitalwert für zwei Investitionsvorschläge berechnet. Der angewendete Kalkulationszinssatz (vom Investor geforderte Mindestverzinsung) beläuft sich auf 12 %. Obwohl beide Projekte insgesamt den gleichen Geldfluss aufweisen, erzielt Investition „A“ wegen des anfänglich höheren Rückflusses einen um 120.000 GE (70.644 + 49.375) vorteilhafteren Kapitalwert. Investition „A“ deckt demnach die Kapitalkosten, erreicht die geforderte Verzinsung des eingesetzten Kapitals und erwirtschaftet darüber hinaus einen Überschuss von 70.000 GE. Bei Investition „B“ ergibt sich hingegen ein negativer NPV. Die Investition ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Beispiele verdeutlichen, dass der Barwert der Cashflows und damit die Höhe des NPV maßgeblich durch zwei Faktoren beeinflusst wird:
Die zeitliche Verteilung und Höhe der Cashflows: Je größer die Cashflows in den Anfangsjahren ausfallen, desto größer der NPV. Die initialen Projektkosten haben ein stärkeres Gewicht als später eintretende Nutzenüberschüsse.
198
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Die Höhe des Kalkulationszinsfußes: Je höher die geforderte Kapitalverzinsung ist, desto stärker führt der Abzinsungseffekt zu einer Verringerung der Barwerte und damit zu einem kleineren NPV. Zwischen dem Kalkulationszinssatz und dem NPV besteht also eine direkte Beziehung. Je höher der Kalkulationszinssatz, desto kleiner der Kapitalwert und umgekehrt. Das Entscheidungskriterium der NPV-Rechnung lautet:
Eine Investition ist wirtschaftlich sinnvoll, wenn der NPV gleich oder größer als Null ist.
Werden mehrere Investitionen verglichen, ist die Investition zu bevorzugen, die den höchsten NPV aufweist. Aufgrund der Tatsache, dass die NPV-Rechnung einen Absolutbetrag als Ergebnis liefert, ist die vergleichende Beurteilung von Investitionen anhand dieser Kennzahl eingeschränkt. Wird der NPV als ausschließliches Kriterium angewendet, ist ein aussagekräftiger Vergleich nur bei einem annähernd ebenbürtigen Kapitaleinsatz möglich. Der ermittelte Kapitalwert bezieht sich schließlich nicht auf den Kapitaleinsatz, weshalb ein identischer Kapitalwert sowohl das Resultat eines hohen Kapitaleinsatzes, als auch eines geringen Kapitaleinsatzes sein kann. Die NPV-Rechnung macht also keine Aussage über die Rentabilität des eingesetzten Kapitals. Vorteile
Nachteile
Zeitunterschiede beim Anfall von Kosten und Nutzen werden durch Diskontierung korrekt berücksichtigt.
Daten über Nutzen und Kosten einer Investition sind Schätzungen respektive Prognosen. Das Problem der Datenungewissheit wird durch ge-naue Ergebnisse überdeckt.
Es wird eindeutig aufgezeigt, ob eine Investition kostendeckend ist, die Anforderungen hinsichtlich Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals erfüllt und darüber hinaus einen Gewinn abwirft.
Unsicherheiten bei der Festlegung des Kalkulationszinssatzes. Haltbarkeit des Ergebnisses ist unter anderem abhängig von einem sinnvollen (realistischen) Kalkulationszinssatz. Macht keine Aussage über die Rendite einer Investition (Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen). Daher eingeschränkte Vergleichbarkeit von Investitionen mit unterschiedlichem Kapitaleinsatz.
Abb. 8.21 Vor- und Nachteile der NPV-Rechnung
8.4 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return)
199
Nichts desto trotz hat sich die NPV-Rechnung in der Praxis als robuste Entscheidungskennzahl bewährt und genießt (in Verbindung mit den nachfolgend besprochenen dynamischen Kennzahlen) eine große Akzeptanz bei den Entscheidern. Die Durchführung der NPV-Rechnung kann mittlerweile dank dem hohen Bekanntheitsgrad von Tabellenkalkulationsprogrammen als unproblematisch angesehen werden.
8.4 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return) Synonyme Bezeichnungen
Interne Zinsfuß-Methode
Methode des internen Ertragssatzes
Barwertrentabilitätsmethode
Bei der zuvor beschriebenen Kapitalwertmethode wird keine Aussage über die Rendite einer Investition gemacht. In der betrieblichen Praxis wird aber neben der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung anhand des barwertigen Überschusses (NPV-Rechnung) dem Vergleich von tatsächlicher Rendite und geforderter Mindestverzinsung (IRR-Rechnung) eine ebenso große Bedeutung eingeräumt. Beide Verfahren (NPV und IRR) gelten derzeit als die gebräuchlichsten Analysemethoden für Investitionsentscheidungen. Die IRR-Rechnung ist eine Ableitung der Kapitalwertmethode. Die gesuchte Größe ist allerdings nicht mehr das Delta der barwertigen Geldflüsse, sondern der IRR (auch als „Interner Ertragssatz“ bezeichnet) – also eine Renditekennziffer. Jedoch lässt sich der IRR mathematisch nicht exakt bestimmen. Vielmehr wird durch ein iteratives Verfahren eine Näherungslösung ermittelt. In der Regel genügt ein einfaches arithmetisches Verfahren, bei dem man für zwei Versuchszinssätze den NPV berechnet. Dabei geht man wie folgt vor: 1. Man bestimmt einen Kalkulationszinssatz, bei dem der damit berechnete NPV möglichst nahe bei Null liegt, aber noch positiv ist. 2. Man wählt einen zweiten Kalkulationszinssatz, bei dem sich ebenfalls ein Wert nahe bei Null ergibt. Allerdings sollte dieser zweite NPV-Wert negativ sein. 3. Man nimmt beide NPV-Werte und berechnet mit Hilfe der Interpolation den Zinssatz, bei dem der Kapitalwert Null wird. Das Ergebnis ist umso genauer, je näher die Versuchszinssätze bei der gefundenen Lösung liegen.
200
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Abb. 8.22 Arithmetische Methode zur IRR-Ermittlung
In Ź Abb. 8.22 ist die Formel für die Interpolationsrechnung dargestellt. Die Zahlen der Beispielsrechnung basieren auf dem in Ź Abb. 8.23 gezeigten Investitionsszenario. Der IRR (Interner Ertragssatz; Internal Rate of Return) ist eine Renditekennziffer und gibt an, mit wieviel Prozent sich das anlässlich einer Investition eingesetzte Kapital verzinst. Die Kapitalverzinsung ist dabei als jährliche Rendite zu sehen und nicht als Rendite über die Gesamtlaufzeit der Analyse. Ein IRR von 15,4% bedeutet demnach, das sich während des Analysezeitraums das eingesetzte Kapitel in jedem Jahr mit 15,4% verzinst.
Der IRR ist also derjenige Zinssatz, bei dem sich ein NPV von Null ergibt. Dieser Zinssatz stellt die interne oder effektive Verzinsung einer Investition dar. Mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen ließe sich der zuvor beschriebene „Trial and Error“-Prozess zwar auch manuell elegant lösen, dennoch erscheint ein solches Verfahren wenig zweckmäßig. Glücklicherweise verfügen die Tabellenkalkulationsprogramme heute über integrierte Formeln zur IRR-Berechnung, so dass eine umständliche manuelle Ergebnisfindung nicht notwendig ist. In Ź Abb. 8.23 wird ein Investitionsszenario gezeigt, für welches der IRR ermittelt werden soll. Die periodenbezogenen Delta-Werte zwischen Kosten und Nutzen sind in der Zeile „Delta“ ausgewiesen. Anschließend werden diese Delta-Werte mit einem Kalkulationszinsfuß von 12 % diskontiert. Aus der Summe aller barwertigen Nutzenüberschüsse ergibt sich ein NPV von gerundet 70.000 GE.
8.4 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return) Investition "A" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
201
Kalkulationszinssatz = 12 % Jahr 4 Total 0 1.400.000 300.000 1.800.000 300.000 400.000 0,6355 190.655 70.644
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 1 -1.000.000
Jahr 1 400.000 700.000 300.000 0,8929 267.857
Jahr 2 0 500.000 500.000 0,7972 398.597
Jahr 3 0 300.000 300.000 0,7118 213.534
Jahr 0 1.000.000 0 -1.000.000 1 -1.000.000
Jahr 1 400.000 700.000 300.000 0,8666 259.989
Jahr 2 0 500.000 500.000 0,7510 375.524
Kalkulationszinssatz = 15,38942 % Jahr 3 Jahr 4 Total 0 0 1.400.000 300.000 300.000 1.800.000 300.000 300.000 400.000 0,6509 0,5641 195.264 169.222 0
NPV = 70.644 GE IRR = 15,4 % Investition "A" Kosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.23 Investitionsbeispiel für die Ermittlung des internen Ertragssatzes
Gesucht ist nun der IRR dieser Investition. Für dessen Berechnung wird im Folgenden die Excel-Funktion „IKV“ (engl.: „IRR“) verwendet, wobei IKV als Abkürzung für „Interner Kapitalverzinsungssatz“ steht.
Abb. 8.24 IRR-Berechnung in Microsoft Excel
202
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Die IKV-Routine geht davon aus, dass die Geldflüsse im Jahresabstand erfolgen, was in der Praxis die gängige und auch sinnvolle Annahme für Wirtschaftlichkeitsanalysen ist. Die allgemeine Syntax der Funktion IKV lautet: „=IKV(Werte;Schätzwert)“
Werte: Steht stellvertretend für den Zellbereich, der die Zahlungsreihe enthält, für die der IRR zu ermitteln ist. Als Argumente werden demnach diejenigen Zellen angegeben, in denen sich die verrechneten Geldflüsse (Delta zwischen Nutzen und Kosten) befinden. Die Investitionsauszahlung wird somit implizit berücksichtigt.
Schätzwert: Optional kann als zusätzliches Argument ein „Schätzwert“ spezifiziert werden. Der Schätzwert steht für einen Zinssatz, der der Lösung des internen Zinssatzes recht nahe kommt. Er wird als Dezimalwert eingegeben (also „0,16“ für 16 %). Wichtig! Der IKV-Formel dürfen nur undiskontierte Zahlungsflüsse übergeben werden. Als Wertebereich werden die Zellen angegeben, welche die undiskontierten Delta-Werte beinhalten. Im Investitionsbeispiel ist dies die Zahlungsreihe -1.000.000, 300.000, 500.000, 300.000, 300.000.
Das Ergebnis der IKV-Formel muss abschließend mit hundert multipliziert werden, um einen Prozentwert zu erhalten. Gleichzeitig sollte die resultierende Prozentzahl entweder auf eine Nachkommastelle (15,4 %) oder auf eine Ganzzahl gerundet werden (15 %). Ansonsten wird durch das Ergebnis eine Genauigkeit vorgetäuscht, welche durch die mit Unsicherheiten behafteten Eingangsdaten nicht haltbar ist (Scheingenauigkeit). Von Bedeutung ist deshalb die korrekte Interpretation des Ergebnisses, ein Aspekt, der später noch konkretisiert wird. Das von Excel ermittelte Ergebnis ist korrekt, wie die Kontrollrechnung in Ź Abb. 8.23 zeigt. Der NPV wurde in dieser Abbildung ein zweites Mal mit dem IRR in Höhe von 15,38942 % berechnet. Daraus ergibt sich ein NPV von Null (Anm.: der NPV ist deshalb exakt Null, weil es sich um ein gerundetes Ergebnis ohne Nachkommastellen handelt; eine „rechnerische Null“ würde sich nur dann ergeben, wenn der IRR ungerundet in die Berechnung einfließt). Eine weitere Möglichkeit zur Ermittlung des IRR ist die Funktion „Zielwertsuche“ (engl.: „Goal Seek“) in Excel. Zwingende Voraussetzung für die Anwendung dieser Funktion ist allerdings die testweise Berechnung eines NPV-Wertes für die betreffende Investition mit einem beliebigen Versuchszinssatz. Des Weiteren sind nach Aufruf des Menüpunkts „Zielwertsuche“ die folgenden Arbeitsschritte erforderlich:
8.4 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return)
203
1. Bestimmung der Zielzelle: Hier wird die Zelle angegeben, die den NPV der Investition enthält. 2. Bestimmung des Zielwerts: Hier wird der Wert „0“ eingetragen. 3. Veränderbare Zelle: Hier wird die Zelle spezifiziert, in welcher sich der Kalkulationszinssatz befindet, der für die Berechnung des NPV verwendet wurde.
Abb. 8.25 Funktion „Zielwertsuche“ in Microsoft Excel
Aus Gründen der Vollständigkeit soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Berechnung eines IRR nur bei so genannten „Normalinvestitionen“ möglich ist. Normalinvestitionen sind Investitionen, die auf regulären Zahlungsreihen basieren; d.h. Zahlungsreihen, die lediglich einen Vorzeichenwechsel aufweisen (z.B. – – + + +). Nur dann besitzt nämlich ein Investitionsobjekt einen einzigen reellen internen Zinsfuß. Investitionen mit mehreren Vorzeichenwechseln (z.B. – + + – +) verfügen über mehrere interne Zinsfüße. Deshalb können in diesen Fällen die Funktionen von Tabellenkalkulationsprogrammen nicht mehr angewendet werden. Interpretation des Ergebnisses: Angenommen es wird der IRR von zwei alternativen Investitionen berechnet. Investition „A“ erzielt einen IRR von 15,2% und Investition „B“ einen IRR von 15,8%. Ergibt sich daraus ein klarer Favorit? Die Antwort muss aus zwei Gründen nein lauten:
Erstens lässt sich durch den auf eine einzige Kennziffer abgestellten Vergleich von konkurrierenden Investitionsvorschlägen niemals eine zuverlässige Aussage hinsichtlich der relativen Vorteilhaftigkeit erzielen. Eine verlässliche Priorisierung erfordert die Anwendung eines ganzheitlichen Bewertungsansatzes, der mehrere Kriterien integriert (z.B. zwei der drei Kennziffern der Investitionsrechnung, plus nicht-monetäre Bewertungen wie beispielsweise der strategischen Relevanz oder des prinzipiellen Risikos).
Zweitens täuschen die Ergebnisse der mechanischen Berechnung eine Scheingenauigkeit vor. In der Praxis ist die Erhebung des zugrunde lie-
204
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
genden Datenmaterials äußerst komplex und regelmäßig mit Unsicherheiten in einem Maße behaftet, dass nur sehr deutliche Signale als Entscheidungsgrundlage ausreichend sind. Dies führt dazu, dass aus IRRSicht beide Investitionen als gleichwertig anzusehen sind. Erst bei Abweichungen von mindestens einem Prozentpunkt (z.B. 15,2 % vs. 16,2 %) kann man mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass der IRR als ein Hinweis für die relative Vorteilhaftigkeit akzeptabel ist. Der IRR eignet sich als Kriterium für einen Schwellwert (engl.: „Hurdle Rate“). Dies wird in Ź Abb. 8.26 verdeutlicht. Als Vergleichsmaßstab kann dazu beispielsweise der gewichtete Kapitalkostensatz („WACC“) zuzüglich eines adäquaten Risikozuschalgs, als „Mindestzinssatz“ angesetzt werden. Investitionen, die einen IRR erwirtschaften, der über diesem Mindestsatz liegt, verhelfen dem Unternehmen zu einer Wertsteigerung. Investitionen, die hingegen eine Rendite erbringen, die unter den Kapitalkosten liegt, erzeugen keinen Mehrwert für das Unternehmen und seine Anteilseigner und sind deshalb als unvorteilhaft abzulehnen.
Abb. 8.26 Kapitalkosten und IRR
Erwartet die Unternehmensleitung bei IT-Investitionen grundsätzlich eine Rendite, die über dem Kapitalkostensatz liegt, so besteht die Möglichkeit einen entsprechend höheren Schwellwert festzulegen. Dies mag auf der einen Seite als effiziente Filterfunktion erscheinen, um eine Fokussierung auf „High-value“-Investitionen zu erreichen. Beobachtungen in der Praxis zeigen aber, dass eine derartige Regelung insofern problematisch sein kann, als sie eine Tuning-Mentalität begünstigt – mit der schlimmstmöglichen Konsequenz, dass jeder Projektvorschlag das festgelegte IRRKriterium erfüllt. Derartige Regelungen haben sich deshalb in der Praxis nicht bewährt.
8.4 Dynamische Berechnung: IRR (Internal Rate of Return)
205
Abb. 8.27 Verzinsung des Restkapitals durch den IRR
Der IRR basiert auf der Annahme, dass während des zugrunde liegenden Betrachtungszeitraums eine Rückzahlung des initialen Kapitaleinsatzes (Projektkosten) erfolgt. Die Berechnung in Ź Abb. 8.27 belegt diese Aussage. Die abgebildete IRR-Verzinsungsrechnung basiert auf dem in Abb. 8.23 eingeführten Investitionsbeispiel. Ist dies bei einer konkreten Projektsituation nicht der Fall und wird etwa das investierte Kapital erst am Ende des Investitionszeitraums zurückbezahlt, so wird der Kapitaleinsatz nur dann zum internen Zinssatz verzinst, wenn die über die Verzinsung mit dem internen Zinssatz hinausgehenden Rückflüsse genau zu diesem Zinssatz wieder angelegt werden. Vorteile
Nachteile
Ermöglicht einen sinnvollen Vergleich von Investitionen mit unterschiedlichen Kapitaleinsätzen, da die Renditekennziffer eine Verhältniszahl ist.
Macht keine Aussage über die Höhe des Gewinns (Nutzenüberschuss) einer Investition.
Der Vergleich mit einem „Schwellwert“ (geforderte Mindestverzinsung) ermöglicht eine eindeutige und transparente Entscheidung für oder gegen eine Investition. Zeitunterschiede beim Anfall von Kosten und Nutzen werden durch Diskontierung korrekt berücksichtigt.
Die Mindestverzinsungsanforderung des Unternehmens muss quantifiziert und bekannt sein, ansonsten ist keine Aussage hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit möglich. Ergebnis kann eine Scheingenauigkeit vortäuschen. Daten über Nutzen und Kosten einer Investition sind Schätzungen bzw. Prognosen. Das Problem der Datenungewissheit wird durch genaue Ergebnisse überdeckt.
Abb. 8.28 Vor- und Nachteile der IRR-Rechnung
206
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Das Entscheidungskriterium der IRR-Rechnung lautet:
Wenn der IRR einer Investition mindestens so groß ist wie die geforderte Mindestverzinsung (in der Regel die gewichteten Kapitalkosten einer Unternehmung; „WACC“), so ist die betreffende Investition wirtschaftlich sinnvoll.
Werden mehrere Investitionen verglichen, ist die Investition zu bevorzugen, die den höchsten IRR aufweist. IRR kleiner als geforderte Mindestverzinsung: Eine Investition, deren IRR kleiner ist als die geforderte Mindestverzinsung des Unternehmens, ist unwirtschaftlich. Sie liefert keinen ausreichenden Gegenwert, um die eingesetzten Mittel bei einer angemessenen Kapitalverzinsung wiederzugewinnen. IRR gleich groß wie geforderte Mindestverzinsung: Eine Investition, deren IRR der Mindestverzinsungsanforderung entspricht, ist vorteilhaft. Die Investition erreicht einen NPV von Null. Das Unternehmen erhält das eingesetzte Kapital zurück und erzielt exakt eine Kapitalverzinsung in Höhe der geforderten Mindestverzinsung. Eine derartige Investition ist gleichwertig mit einer Geldanlage zum gewählten Kalkulationszinssatz. IRR größer als geforderte Mindestverzinsung: Eine Investition, deren IRR größer ist als die geforderte Mindestverzinsung, ist wirtschaftlich sinnvoll (die Rendite ist höher als die Mindestverzinsung). Die Investition erreicht einen positiven NPV. Das Unternehmen erhält das eingesetzte Kapital zurück, erzielt eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals und darüber hinaus einen Überschuss in Höhe des NPV.
8.5 Dynamische Berechnung: Baldwin-Methode Synonyme Bezeichnungen
Baldwin-Zinsfuß
Modifizierter Interner Zinsfuß
Modified Internal Rate of Return
Bei der Baldwin-Methode werden die Investitionsausgaben (und ein etwaiger Liquiditätserlös) mit dem Kalkulationszinssatz auf den Beginn des Planungszeitraums abgezinst, während für die Rückflüsse mit demselben Kalkulationszinssatz eine Aufzinsung auf das Ende des Planungszeitraums erfolgt. Die zu ermittelnde Renditekennziffer ist derjenige Prozentsatz, mit
8.5 Dynamische Berechnung: Baldwin-Methode
207
dem man den Barwert aus Investitionsausgaben und Liquiditätserlös auf das Ende des Planungszeitraumes aufzinsen muss, damit er so hoch ist wie der Endwert der Rückflüsse. Man vermeidet bei diesem Verfahren einige Anwendungsschwierigkeiten der internen Zinsfuß-Methode:
Reinvestitionsprämisse: Der internen Zinsfuß-Methode liegt eine Reinvestitionsprämisse zugrunde, welche davon ausgeht, dass die Einzahlungsüberschüsse zum internen Zinsfuß angelegt werden können. Die Ergebnisse sind demzufolge nur dann realistisch, wenn der ermittelte Zinssatz (IRR) der tatsächlichen Verzinsung der Wiederanlage der Einzahlungsüberschüsse entspricht.
Kapitalwertgleichung: Die Ermittlung des internen Zinssatzes beruht auf der Lösung einer Kapitalwertgleichung (Gleichung n-ten Grades). Je nach Anwendungsfall kann für ein Investitionsobjekt möglicherweise keine eindeutige Lösung ermittelt werden. Dies ist insbesondere bei Projekten mit erheblichen nachzuleistenden Ausgaben oder größeren vorauszuleistenden Einnahmen (z.B. Vorauszahlungen im Rahmen der Realisierung eines Großprojektes) der Fall. Aus diesen Gründen kommt in der Praxis zunehmend das Verfahren des „modifizierten internen Zinsfußes“ zur Anwendung, welches die Vorteile der Kapitalwertmethode (realitätsnahe Wiederanlage, eindeutiges Ergebnis) behält und dennoch eine Renditeziffer (zur besseren Anschaulichkeit und Vergleichbarkeit) ermittelt. Bei der Baldwin-Methode werden die Rückflüsse zur durchschnittlichen Unternehmensrendite angelegt, d.h. es wird von einer festen bzw. konkret vorgegebenen Verzinsung und nicht von einer variablen ausgegangen, was realistischer ist.
Nachfolgend wird ein Investitionsbeispiel vorgestellt, anhand dessen die Kennzahlen NPV, IRR und Baldwin-Zinssatz ermittelt werden sollen. Das Beispiel in Ź Abb. 8.29 besteht aus den drei Zahlungsströmen „Projektkosten“, „Betriebskosten“ und „Nutzen“. Die Projektkosten in Höhe von 1.4 Mio. GE (undiskontiert) verkörpern den Kapitaleinsatz, dessen Wirtschaftlichkeit wir überprüfen wollen.
208
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Investition "A" Projektkosten Betriebskosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert Delta kumuliert
Jahr 0 1.000.000 0 0 -1.000.000 1 -1.000.000 -1.000.000
Jahr 1 400.000 200.000 400.000 -200.000 0,9091 -181.818 -1.181.818
Jahr 2 0 210.000 800.000 590.000 0,8264 487.603 -694.215
Jahr 3 0 220.000 800.000 580.000 0,7513 435.763 -258.452
Kalkulationszinssatz = 10 % Jahr 4 Total 0 1.400.000 240.000 870.000 800.000 2.800.000 560.000 530.000 0,6830 382.488 124.035 Ż NPV
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
NPV = 124.000 GE IRR = 14 %
Abb. 8.29 Beispiel für die Ermittlung des modifizierten internen Zinssatzes
Um für dieses Beispiel den modifizierten internen Zinsfuß nach Baldwin zu berechnen, sind folgende Rechenschritte notwendig: 1. Zunächst wird anhand des vorgegebenen Kalkulationszinsfußes der Barwert (d.h. Wert zum Zeitpunkt 0 – Jahr 0) aller Projektausgaben berechnet (Abzinsung). 2. Anschließend wird auf Basis desselben Kalkulationszinsfußes der Endwert (d.h. Wert zum Zeitpunkt n – Jahr 4) der Einzahlungsüberschüsse errechnet (Aufzinsung). 3. Zuletzt wird durch Wurzelziehen der Zinssatz ermittelt, der beim Einsatz des Barwerts zum Zeitpunkt 0 den Gesamtbetrag des Endwertes zum Zeitpunkt n (Jahr 4) erbringt. Investition "A" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Projektkosten Diskontierungsfaktor Abzinsung Barwert
1.000.000 1 1.000.000 1.363.636
400.000 0,9091 363.636
0 0,8264
0 0,7513
Betriebskosten Nutzen Delta* Diskontierungsfaktor Aufzinsung
0 0 0 1,4641 0
200.000 400.000 200.000 1,3310 266.200
210.000 800.000 590.000 1,2100 713.900
220.000 800.000 580.000 1,1000 638.000
Kalkulationszinssatz = 10 % Jahr 4 Total 0 0,6830
1.400.000
240.000 870.000 800.000 2.800.000 560.000 530.000 1,0000 560.000 2.178.100 Endwert
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
NPV = 124.000 GE IRR = 14 % Modifizierter interner Zinsfuß = 12,4 %
Abb. 8.30 Auf- und Abzinsung der Cashflows
Die ersten beiden Rechenschritte sind in Ź Abb. 8.30 illustriert. Der Barwert der Projektkosten beträgt 1.363.636 GE. Der Endwert des Nutzens im Jahr 4 beträgt 2.178.100 GE.
8.5 Dynamische Berechnung: Baldwin-Methode
209
Sind Barwert und Endwert bekannt, kann der „Zinsfuß nach Baldwin“ (Modifizierter interner Zinsfuß) durch folgende Formel berechnet werden (Wurzel entsprechend der Anzahl Jahre vom Barwert zum Endwert):
(2.178.100 / 1.363.636) ^ (1/4) - 1 = 0,1242 = 12,4 % Man erhält den obigen Baldwin-Zinsfuß nicht nur durch Wurzelziehen, sondern auch durch Suchen des Quotienten aus (Endwert / Barwert) in einer Aufzinsungstabelle. Siehe dazu Ź Abb. 8.31. p n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
8% 1,0800 1,1664 1,2597 1,3605 1,4693 1,5869 1,7138 1,8509 1,9990 2,1589
10%
12%
14%
16%
18%
20%
22%
24%
1,1000 1,2100 1,3310 1,4641 1,6105 1,7716 1,9487 2,1436 2,3579 2,5937
1,1200 1,2544 1,4049 1,5735 1,7623 1,9738 2,2107 2,4760 2,7731 3,1058
1,1400 1,2996 1,4815 1,6890 1,9254 2,1950 2,5023 2,8526 3,2519 3,7072
1,1600 1,3456 1,5609 1,8106 2,1003 2,4364 2,8262 3,2784 3,8030 4,4114
1,1800 1,3924 1,6430 1,9388 2,2878 2,6996 3,1855 3,7589 4,4355 5,2338
1,2000 1,4400 1,7280 2,0736 2,4883 2,9860 3,5832 4,2998 5,1598 6,1917
1,2200 1,4884 1,8158 2,2153 2,7027 3,2973 4,0227 4,9077 5,9874 7,3046
1,2400 1,2600 1,2800 1,3000 1,5376 1,5876 1,6384 1,6900 1,9066 2,0004 2,0972 2,1970 2,3642 2,5205 2,6844 2,8561 2,9316 3,1758 3,4360 3,7129 3,6352 4,0015 4,3980 4,8268 4,5077 5,0419 5,6295 6,2749 5,5895 6,3528 7,2058 8,1573 6,9310 8,0045 9,2234 10,6045 8,5944 10,0857 11,8059 13,7858
26%
28%
30%
Abb. 8.31 Aufzinsungstabelle
Der Quotient in Höhe von 1.6 (2.178.100 / 1.363.636) befindet sich im Jahr 4 bei etwa 12 %. Ob dieses Ergebnis korrekt ist, lässt sich mit einer einfachen Zinseszinsrechnung überprüfen. Eine derartige Berechnung wird in Ź Abb. 8.32 gezeigt. Ausgangspunkt sind die barwertigen Projektkosten in Höhe von 1.363.636 GE.
Abb. 8.32 Verzinsung des Kapitaleinsatzes
Die Berechnung verdeutlicht, dass man durch die Investition (mit Projektkosten in Höhe von 1.363.636 GE) über einen Zeitraum von vier Jahren
210
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
eine vergleichbare Rendite erwirtschaftet wie bei einer Anlage des Kapitals zu einem Zinssatz von 12,42 % über den gleichen Zeitraum. Wie der IIR stellt auch die Baldwin Rate of Return eine auf das Jahr bezogene Renditekennziffer dar. Sie verdeutlicht die Höhe der jährlichen Kapitalverzinsung.
Anzumerken ist bei der Baldwin-Methode, dass das Ergebnis durch eventuelle Risikozuschläge zum Kalkulationszinsfuß verfälscht wird. Verwendet man beispielsweise bei dem zuvor beschriebenen Investitionsbeispiel einen Risikozuschlag von 5% und erhöht den Kalkulationszinsfuß von 10% auf 15%, so führt dies auch zu einer Erhöhung des Baldwin-Zinsfusses von ursprünglich 12,4% auf nunmehr 14,4%. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht mehr haltbar, da man in diesem Fall davon ausgeht, dass die Einzahlungsüberschüsse zu einer Rendite von 15% angelegt werden können – was nicht zutreffend ist, denn die durchschnittliche Unternehmensrendite beträgt lediglich 10%. Die fachlich korrekte Anwendung der Baldwin-Methode setzt demnach eine Übereinstimmung zwischen durchschnittlicher Unternehmensrendite und Kalkulationszinsfuß voraus.
8.6 Dynamische Berechnung: Payback Anlässlich der Beschreibung der statischen Payback-Berechnung wurden unter anderem die Ungenauigkeit des Ergebnisses und die fehlende Aussagekraft hinsichtlich der absoluten Vorteilhaftigkeit als Kritikpunkte angeführt. Diesen Defiziten kann man entgegenwirken, indem man anstelle der nominellen Cashflows deren diskontierte Barwerte als Rechenelemente verwendet. Dies impliziert die Berücksichtigung einer angemessenen Kapitalverzinsung bei der Berechnung der Payback-Dauer (durch den Kalkulationszinsfuß, der für die Diskontierung der Cashflows verwendet wird). Folglich ist die dynamisch ermittelte Payback-Dauer unter sonst gleichen Umständen stets länger als die statisch ermittelte – eben weil sie die Verzinsung des Kapitaleinsatzes zum Kalkulationszinsfuß einkalkuliert. Wie auch die IRR-Methode ist das dynamisierte Payback-Verfahren letztlich eine Umformung der Kapitalwertmethode (NPV). Während beim IRR die Frage gestellt wird, bei welcher Verzinsung sich ein NPV von 0 ergibt, wird hier die Frage gestellt, nach wie viel Jahren Laufzeit ein NPV von 0 erzielt wird. Die dynamische Payback-Dauer einer Investition ist demnach die Zeit, bei der der Kapitalwert der betreffenden Investition gerade gleich Null ist. Daraus ergibt sich die folgende Definition für die dynamische Payback-Dauer.
8.6 Dynamische Berechnung: Payback
211
Die dynamische Payback-Zeit ist die Anzahl Jahre, die benötigt wird, um den Kapitaleinsatz (Projektkosten) und eine angemessene Kapitalverzinsung aus den Rückflüssen wiederzugewinnen.
Das bedeutet, dass nach Ablauf der dynamischen Payback-Zeit das Unternehmen den Kapitaleinsatz zurückgewonnen und daneben eine angemessene Verzinsung des investierten Kapitals entsprechend dem Kalkulationszinsfuß erzielt hat. Rufen wir uns als Vergleich zur obigen Definition die Auslegung der statischen Payback-Dauer in Erinnerung, so wird der Unterschied der beiden Verfahren deutlich: „Die statische Payback-Zeit ist die Anzahl Jahre, die benötigt wird, um den Kapitaleinsatz aus den Rückflüssen wiederzugewinnen“. Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens: Hinsichtlich der Einbeziehung von Netto-UV-Veränderungen bei der Payback-Berechnung gelten die gleichen Überlegungen wie bei der statischen Payback-Rechnung. Da es nicht die Intention der Payback-Dauer ist, eine Aussage über die Rendite einer Investition zu machen, sollte man zumindest bei zeitlich begrenzten Investitionen die Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens bei der PaybackBerechnung nicht berücksichtigen. Folglich sind bei der Payback-Berechnung Netto-UV-Veränderungen weder dem initialen Kapitaleinsatz (im Falle einer Erhöhung des Netto-UV) noch dem Nutzen (im Falle einer Reduktion des Netto-UV) hinzuzurechnen. Investition "X" Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
Jahr 0 14.000.000 0 -14.000.000 -14.000.000
Jahr 1 0 5.000.000 5.000.000 -9.000.000
Jahr 2 0 5.000.000 5.000.000 -4.000.000
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -14.000.000 -14.000.000
0,8929 4.464.286 -9.535.714
0,7972 3.985.969 -5.549.745
Kosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
Jahr 0 Jahr 1 14.000.000 0 0 3.000.000 -14.000.000 3.000.000 -14.000.000 -11.000.000
Jahr 2 0 4.000.000 4.000.000 -7.000.000
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -14.000.000 -14.000.000
0,7972 3.188.776 -8.132.653
Investition "Y"
0,8929 2.678.571 -11.321.429
Kalkulationszinssatz = 12 % Jahr 3 Jahr 4 Total 0 0 14.000.000 5.000.000 5.000.000 20.000.000 5.000.000 5.000.000 6.000.000 1.000.000 6.000.000 Statische Payback-Dauer = 2,8 Jahre 0,7118 0,6355 3.558.901 3.177.590 1.186.747 -1.990.844 1.186.747 Dynamische Payback-Dauer = 3,6 Jahre Kalkulationszinssatz = 12 % Jahr 3 Jahr 4 Total 0 0 14.000.000 6.000.000 7.000.000 20.000.000 6.000.000 7.000.000 6.000.000 -1.000.000 6.000.000 Statische Payback-Dauer = 3,1 Jahre 0,7118 0,6355 4.270.681 4.448.627 586.655 -3.861.972 586.655 Dynamische Payback-Dauer = 3,9 Jahre
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.33 Kosten-/Nutzen-Deltas undiskontiert und diskontiert
212
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
In Ź Abb. 8.33 sind die Investitionsbeispiele dargestellt, welche bereits für die exemplarische Berechnung der statischen Payback-Dauer verwendet wurden. Die Berechnung der statischen Payback-Dauer erfolgte auf Basis der undiskontierten Zahlungsgrößen. Es ergab sich eine Payback-Dauer von 2,8 Jahren bei Investition „X“ und 3,1 Jahren bei Investition „Y“. Um den dynamischen Payback zu berechnen, müssen die folgenden Arbeitsschritte durchgeführt werden: 1. Ermittlung der barwertigen Cashflows: Hierzu ist es ausreichend, wenn das Delta zwischen Nutzen und Kosten diskontiert wird. Im Beispiel wurde dazu ein Kalkulationszinssatz von 12 % verwendet. 2. Berechnung der Payback-Dauer: Beginnend mit dem Investitionszeitpunkt werden die Delta-Werte schrittweise aufaddiert. Dadurch kann das Jahr ermittelt werden, in welchem sich das geringste kumulierte Negativdelta ergibt. Durch Interpolation kann anschließend die anteilige Dauer des Folgejahres berechnet werden, bis die Investition vollständig amortisiert ist. Berechnung der dynamischen Payback-Dauer Payback =
geringstes kumuliertes Negativdelta Delta des Jahres nach dem geringsten Negativdelta
+ Jahr mit geringstem kumulierten Negativdelta
dyn. Payback Investition "X" =
1,990,844 3,177,590
=
0.6
+3
= 3,6 Jahre
dyn. Payback Investition "Y" =
3,861,972 4,448,627
=
0.9
+3
= 3,9 Jahre
Abb. 8.34 Berechnung der dynamischen Payback-Dauer Vorteile
Nachteile
Liefert eine Aussage über die absolute Vorteilhaftigkeit einer Investition, da die geforderte Verzinsung des Kapitals durch die Diskontierung berücksichtigt wird.
Ergebnis ist abhängig vom gewählten Kalkulationszinsfuß und deshalb nur dann aussagekräftig, wenn der Kalkulationszinsfuß realitätsnah ist. Nicht sinnvoll für den Vergleich von Investitionen mit unterschiedlicher Nutzungsdauer, da eine verlässliche Aussage über die relative Vorteilhaftigkeit nicht möglich ist. Trifft keine Aussage über die Ertragskraft einer Investition während ihrer gesamten Nutzungsdauer, sondern nur bis zum Zeitpunkt der Wiedergewinnung des Kapitals. Begünstigt kurzfristiges Denken und Handeln (Forderung nach kurzem Payback).
Abb. 8.35 Vor- und Nachteile der Payback-Rechnung
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
213
Der Vorteil der dynamischen Payback-Dauer gegenüber seinem statischen Gegenstück liegt darin, dass die Entscheider nicht durch eine vermeintlich kurze Amortisationsdauer geblendet werden. Dadurch lässt sich die Durchführung einer unwirtschaftlichen Investition unterbinden, die lediglich eine Wiedergewinnung des initialen Kapitaleinsatzes (Projektkosten), nicht aber eine angemessene Verzinsung dieses Kapitals gewährleistet. Das Entscheidungskriterium der Payback-Rechnung lautet:
Eine Investition ist vorteilhaft, wenn die Payback-Dauer kürzer ist als die Nutzungsdauer.
Werden mehrere Investitionen verglichen, ist die Investition zu bevorzugen, die die kürzeste Payback-Zeit aufweist. Da die Berechnung der dynamischen Payback-Dauer mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen automatisiert werden kann, ist grundsätzlich die dynamische Methode dem statischen Verfahren vorzuziehen und die dynamische Payback-Dauer als Entscheidungshilfe für Investitionsbeurteilungen heranzuziehen. Wie auch beim IRR, hat ein Unternehmen bei der Payback-Dauer die Möglichkeit, einen Grenzwert („Hurdle Rate“) im Sinne einer maximal zulässigen Amortisationszeit vorzugeben. Daraus ergeben sich jedoch dieselben nachteiligen Konsequenzen, wie sie bereits bei der Beschreibung des IRR erwähnt wurden (Tuning-Mentalität). Des Weiteren wäre die Vorgabe einer maximalen Payback-Dauer logisch nur dann haltbar, wenn grundsätzlich alle Investitionen mit einer langen Amortisationszeit als unvorteilhaft anzusehen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn auch strategische und längerfristig ausgelegte Vorhaben sind valide Bestandteile eines abgerundeten Investitionsportfolios.
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake) Die bisher angewendeten Rechenwege für die Ermittlung von Wirtschaftlichkeitskennzahlen (NPV, IRR etc.) basierten auf einer reinen CashflowBetrachtung. Buchhalterische Gesichtspunkte, wie zum Beispiel Abschreibungen und Ertragssteuern und die Auswirkung dieser Größen auf die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Investition, haben wir bis jetzt zwecks Vereinfachung außen vor gelassen. Mit der Einführung des „Value at Stake“ als Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit eines Projekts werden nun auch diese buchhalterischen Gesichtspunkte relevant, denn der „VaS“ basiert auf einer Gewinnbetrachtung und nicht mehr auf einer reinen Cashflow-Betrachtung.
214
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Dies will jedoch nicht heißen, dass bei den bereits beschriebenen Kennzahlen eine derartige – gewinnorientierte – Betrachtungsweise nicht möglich ist. Auch NPV, IRR, statischer Payback und dynamischer Payback können auf Basis einer buchhalterischen Sichtweise – also mit Berücksichtigung von Abschreibungen und Ertragssteuern – ermittelt werden. Die nachfolgenden Ausführungen vermitteln einen ersten Eindruck in die Berechnungslogik, die für eine solche Analyse „nach Steuer und nach Abschreibungen“ zur Anwendung kommt. In der betrieblichen Praxis werden Investitionsrechnungen nahezu ausschließlich auf „nach-Steuer“-Basis durchgeführt (getreu dem Ausspruch „Tax matters“). Im Ź Kapitel „9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell“ wird deshalb das Wissen um dieses Thema weiter vertieft.
Die Kennzahl „NPV“ kann das Resultat einer reinen CashflowBetrachtung oder einer buchhalterischen Gewinnbetrachtung sein.
Die Kennzahl „VaS“ kann nur im Sinne einer buchhalterischen Gewinnbetrachtung ermittelt werden Den Kennzahlen NPV und VaS ist gemeinsam, dass sie die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Investition in Form eines absoluten Geldbetrages widerspiegeln. Im Folgenden wird deshalb die gewinn-basierende Ermittlung (d.h. unter Berücksichtigung von Abschreibungen und Ertragssteuern) sowohl des VaS als auch des NPV anhand eines gemeinsamen Beispiels aufgezeigt. Zuvor soll allerdings der Unterschied zwischen Gewinn und Wertschöpfung verdeutlicht werden. Denn die Gewinnbetrachtung ist nur eine Dimension des VaS. Eine weitere Dimension bildet der über den Gewinn hinaus erzielte Residualgewinn (auch als „Economic Profit“ bezeichnet). 8.7.1
Gewinn versus Wertschöpfung (Residualgewinn)
Gewinn und Wertschöpfung sind nicht dasselbe. Der Gewinn, den ein Unternehmen regelmäßig zu veröffentlichen pflegt, berechnet sich aus den über einen bestimmten Zeitraum erzielten Verkäufen abzüglich der Aufwendungen, die in der gleichen Periode anfielen (einschließlich der zu leistenden Fremdkapitalzinsen und der geschuldeten Ertragssteuern). Kapitalkosten sind jedoch im Betriebsgewinn nicht berücksichtigt. Der Residualgewinn (Economic Profit) als Maßstab für die Wertschöpfung geht dagegen einen Schritt weiter. Um herauszufinden, wie viel Wert geschaffen oder zerstört wurde, werden für das Kapital, das zur Ausübung der Geschäftstätigkeit benötigt wird, Kosten abgezogen. Es handelt sich dabei um die Kosten für:
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
215
Kapital, das im Anlagevermögen gebunden ist (z.B. Einrichtungsgegenstände) Kapital, das im Nettoumlaufvermögen gebunden ist (z.B. Lagerbestände und Forderungen) Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie besitzen ein kleines Lebensmittelgeschäft, in welchem Sie Getränke, Süßwaren und diverse Frischprodukte auf Milch-Basis anbieten. Sie kaufen die Lebensmittel (Ihre Lagerbestände) bei einem Großhändler ein und bewahren die milchhaltigen Produkte in speziellen Kühlvitrinen (Ihren Einrichtungen) auf, damit die Haltbarkeit gewährleistet ist. Ihre Kapitalkosten entsprechen den Kosten, die Ihnen entstehen, weil Sie Ihr Geld in den Lagerbestand und die Kühlvitrinen investiert haben. Nehmen wir nun an, dass sehr wenig Kunden die Milchprodukte kaufen. Ihre „Laufkundschaft“ bevorzugt Getränke und Süßigkeiten. Zudem entstehen Ihnen durch die begrenzte Haltbarkeit der milchbasierenden Frischprodukte Unkosten für verdorbene Waren. Dies bedeutet, dass Sie in ihrem kleinen Unternehmen Vermögenswerte haben, die schlecht genutzt sind:
Die Kühlvitrinen – kostenintensiv in der Anschaffung und im Unterhalt Die Lagerbestände für die milchhaltigen Produkte Beide Vermögenswerte binden Kapital (dieses gebundene Kapital wird auch als „investiertes Kapital“ bezeichnet; engl. „invested capital“). Um die Kapitalkosten zu senken, stehen Ihnen die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung:
Sie können die Kühlvitrinen für milchhaltige Produkte durch ein Süßwarengestell ersetzen (dadurch sinken Ihre Einrichtungskosten).
Sie können den Verkauf der milchhaltigen Produkte einstellen und stattdessen mehr Getränke an Lager nehmen (dadurch steigt Ihr Lagerumsatz). Egal für welche Lösung Sie sich entscheiden, beide Alternativen führen zu einer besseren Nutzung des „investierten Kapitals“ und wirken sich positiv auf Ihre Kapitalkosten aus. Sie erhöhen auf diese Weise den Economic Profit und steigern somit auch den Wert, den Sie für sich selbst (als Kapitalgeber) schaffen. 8.7.2
Berechnung – Vom Gewinn zum Residualgewinn
Es stellt sich nun die Frage, wie das zuvor beschriebene Konzept des „Residualgewinns“ rechnerisch umgesetzt wird. Dies geschieht im Wesentlichen durch zwei voneinander unabhängige Berechnungen:
216
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Berechnung des periodenbezogenen Gewinns (oder Verlusts) Ermittlung der periodenbezogenen Kapitalkosten („Capital Charge“) Gewinn-Berechnung. Die Berechnung des Gewinns basiert auf der Erfolgsrechnung. Ausgangspunkt sind die betrieblichen Erlöse und die betrieblichen Aufwendungen. Letztere beschränken sich auf die erfolgswirksamen Aufwendungen. Die bilanzwirksamen Aufwendungen (Ausgaben für abzuschreibende Wirtschaftsgüter) belasten die Erfolgsrechnung nicht direkt, sondern nur indirekt über die Abschreibungen in den Folgejahren. Vom EBITDA werden die Abschreibungen in Abzug gebracht. Daraus ergibt sich der EBIT. Der EBIT bildet die Basis für die Ertragsbesteuerung. Bei einem EBIT von 1 Mio. GE und einem Konzernsteuersatz von 30 % ergibt sich eine Steuerschuld von 300.000 GE. Diese Ertragssteuerschuld und etwaige zu leistende Fremdkapitalzinsen sind vom EBIT abzuziehen. Man erhält dadurch den Gewinn (oder Verlust) einer bestimmten Periode. Unter der Annahme, dass keine Fremdkapitalzinsen zu leisten sind, würde sich aus den zuvor angegebenen Größen ein Gewinn von 700.000 GE ergeben. Der vollständige Rechenweg ist in Ź Abb. 8.36 dargestellt.
Abb. 8.36 Rechenweg für die Ermittlung des betrieblichen Gewinns
„Capital-Charge“-Berechnung. Die Capital Charge wird durch zwei betriebliche Kostenblöcke beeinflusst – das Netto-Umlaufvermögen (Lager + Forderungen - Verbindlichkeiten) und das Anlagevermögen. Die Summe dieser Positionen ergibt das betriebliche Nettovermögen und verkörpert somit das „investierte Kapital“ eines Unternehmens. Für dieses Kapital wird nun eine „Capital Charge“ angesetzt. Maßgeblich für die Capital Charge sind die gewichteten Kapitalkosten eines Unternehmens (=WACC;
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
217
Weighted Average Cost of Capital) – siehe dazu auch die Erläuterungen in Ź Kapitel 5.1.3 „Gewichtete Kapitalkosten (WACC)“. Beträgt beispielsweise das investierte Kapital 500.000 GE und der WACC 10 %, so ergibt sich eine Capital Charge in Höhe von 50.000 GE. Der vollständige Rechenweg ist in Ź Abb. 8.37 dargestellt.
Abb. 8.37 Rechenweg für die Ermittlung der „Capital Charge“
Residualgewinn-Berechnung. Der Residualgewinn ergibt sich nun aus der Zusammenführung von Gewinn und Capital Charge, wobei die Capital Charge vom Gewinn abzuziehen ist. Auf Basis der zuvor angeführten Beispielzahlen (Gewinn 700.000 GE; Capital Charge 50.000 GE) ergibt sich ein Residualgewinn von 650.000 GE. In Ź Abb. 8.38 ist die Berechnung des Residualgewinns vollständig wiedergegeben. Das Gesamtbild verdeutlicht die beiden unabhängigen Finanzströme (Gewinn und Capital Charge), aus deren Zusammenführung sich der Residualgewinn ergibt. Anzumerken ist hierbei, dass es sich beim Residualgewinn um eine rein betriebliche Gewinnbetrachtung handelt (Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit). Für das Finanzergebnis, welches aus Tätigkeiten generiert wird, die nicht mit dem eigentlichen Geschäftsziel in Verbindung zu bringen sind (z.B. wenn ein Pharmaunternehmen ein Grundstück mit Gewinn verkauft), wird keine Economic Profit durchgeführt. Dieses Detail ist in unserem Fall zwar nicht relevant, da wir lediglich am „investitionsbedingten Gewinn“ (unser Fokus liegt auf der „Investitionssicht“ und nicht auf der „Unternehmenssicht“) interessiert sind, soll aber dennoch aus Gründen der Vollständigkeit nicht unterschlagen werden.
218
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Von „Mehrwert“ bzw. „Wertschöpfung“ spricht man dann, wenn eine Rendite über den Kapitalkosten erzielt wird (wobei die Rendite „nach Steuern und Abschreibungen“ zu sehen ist).
Abb. 8.38 Gesamtsicht – Ermittlung des Residualgewinns
8.7.3
Berechnung – Vom Residualgewinn zum VaS
Der „Value at Stake“ stellt im Unterschied zu den periodenbezogenen Gewinn- oder Verlustgrößen eine periodenübergreifende Kennzahl dar. In Abhängigkeit von einem definierten Betrachtungszeitraum ergibt sich der „Value at Stake“ aus der Summe aller Residualgewinne (bzw. Residualverluste). Aufgrund des unterschiedlichen zeitlichen Anfalls der Residualgewinne bzw. -verluste können diese jedoch nicht unmittelbar addiert werden. Vielmehr müssen sie über den Mechanismus der Diskontierung auf einen gemeinsamen Bezugszeitpunkt („Jahr 0“) abgezinst werden. Abschließend werden diese diskontierten Größen zu einem Gesamtwert aufsummiert – dem VaS.
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
219
Zusammenfassend kann man festhalten, dass von einem übergeordneten Standpunkt betrachtet, drei wesentliche Bearbeitungsschritte vollzogen werden müssen, um den VaS zu ermitteln. Diese drei Teilrechnungen sind in Ź Abb. 8.39 dargestellt. Sie werden in der Regel sequentiell durchgeführt.
Abb. 8.39 Übergeordnete Bearbeitungsschritte zur Ermittlung des VaS
8.7.4
Vergleichende Berechnung von VaS und NPV
Anhand einer exemplarischen Projektsituation soll im Folgenden Schritt für Schritt die Vorgehensweise beschrieben werden. Dabei wird gleichzeitig sowohl der VaS als auch der NPV des Projekts ermittelt. In Ź Abb. 8.40 sind die Zahlen des Projektbeispiels wiedergegeben. Alle Werte sind als positive Zahlen einzugeben!
Projekt "A"
Projektkosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.)
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
Total
1'800'000 200'000 2'000'000
400'000 0 400'000
0 0 0
0 0 0
0 0 0
2'200'000 200'000 2'400'000
0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 2'000'000
0 400'000
0 0
0 0
0 0
0 2'400'000
0 0 0 0 -2'000'000
300'000 0 0 300'000 -100'000
1'500'000 0 0 1'500'000 1'500'000
1'500'000 0 0 1'500'000 1'500'000
1'500'000 0 0 1'500'000 1'500'000
4'800'000 0 0 4'800'000 2'400'000
Betriebskosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) Umlaufvermögen - Erhöhung des Netto-UV Gesamtkosten Nutzen + Cash-Inflow durch Einsparungen + Cash-Inflow durch Umsatz + Reduktion des Netto-UV Gesamtnutzen Kosten/Nutzen-Delta
Abb. 8.40 Ausgangslage
220
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Da Abschreibungen eine relevante Größe für die VaS-Ermittlung sind, muss man bei der Angabe der Projekt- und Betriebskosten zwischen erfolgswirksamen und bilanzwirksamen Ausgaben unterscheiden. Auf Basis der Projektzahlen wird als erstes eine Erfolgsrechnung erstellt. Dies wird in Ź Abb. 8.41 gezeigt. Plan-Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung)
+ Betriebliche Erlöse - Aufwendungen EBITDA
0 2005 0 1'800'000
1 2006 0 100'000
2 2007 0 -1'500'000
3 2008 0 -1'500'000
4 2009 0 -1'500'000
Total 0 -2'600'000
-1'800'000
-100'000
1'500'000
1'500'000
1'500'000
2'600'000
0
66'667
66'667
66'667
0
200'000
-1'800'000
-166'667
1'433'333
1'433'333
1'500'000
2'400'000
- Abschreibungen EBIT - Ertragssteuern Gewinn / Verlust*
-540'000
-50'000
430'000
430'000
450'000
720'000
-1'260'000
-116'667
1'003'333
1'003'333
1'050'000
1'680'000
* positives Ergebnis = Gewinn; negatives Ergebnis = Verlust
Abb. 8.41 Erfolgsrechnung
Für jede Periode des Betrachtungszeitraums ergibt sich daraus der projektbedingte Gewinn (bzw. Verlust). Für die Berechnung der Ertragssteuer unterstellen wir einen Konzernsteuersatz von 30 %. Beachten Sie herbei die Behandlung des bilanzwirksamen Cashflows – der Betrag in Höhe von 200.000 ist nicht direkt in der Erfolgsrechnung enthalten, lediglich die Abschreibungsbeträge belasten das Ergebnis der Erfolgsrechnung in den Folgejahren (zu jeweils 1/3). Ist der Gewinn bekannt, kann anschließend der VaS ermittelt werden. Die entsprechende Kalkulation wird in Ź Abb. 8.42 gezeigt. Value at Stake (VaS) Kapitalkostensatz (WACC) = 10 % Gewinn / Verlust
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
Total
-1'260'000
-116'667
1'003'333
1'003'333
1'050'000
1'680'000
(Information: Restwert der Anlageobjekte)
0
200'000
133'333
66'667
0
- Kapitalkosten für Anlageobjekte
0
20'000
13'333
6'667
0
Residualgewinn / -verlust
-1'260'000
-136'667
990'000
996'667
1'050'000
Diskontierungsfaktor Economic Profit - diskontiert Economic Profit - kumuliert
1.0000 -1'260'000 -1'260'000
0.9091 -124'242 -1'384'242
0.8264 818'182 -566'061
0.7513 748'810 182'750
1'640'000
0.6830 717'164 899'914 Ż VaS
Abb. 8.42 Berechnung des VaS
Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Transparenz befinden sich im dargestellten VaS-Kalkulationsschema zwei Zeilen, die primär informativen Charakter haben:
Zunächst ist der Gewinn einer jeden Periode wiedergegeben, denn schlussendlich werden die berechneten Kapitalkosten von diesem Wert abgezogen.
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
221
Des Weiteren werden die Ausgangsgrößen für die Berechnung der „Capital Charge“ angegeben (die entsprechende Zeile wird nur für diesen Zweck benötigt und ansonsten nicht weiter in der Berechnung berücksichtigt). Das investierte Kapital („Invested Capital“) zum Jahresbeginn ist maßgeblich für die Capital Charge. Dieses setzt sich aus zwei Größen zusammen:
Dem Zeitwert des projektbedingten Anlagevermögens (Wirtschaftsgüter, die abgeschrieben werden müssen) und
dem Wert des projektbedingten Netto-Umlaufvermögens (jeweils zum Stand 1. Januar des aktuellen Jahres). Zur Berechnung der „Capital Charge“ wird der WACC in Höhe von 10 % verwendet. Die anschließende Diskontierung der Residualgewinne/ -verluste erfolgt ebenfalls mit dem WACC. Als Ergebnis der Kalkulation erhalten wir einen VaS in Höhe von 899.914,- GE. Welcher NPV ergibt sich für diese Investition? Zum Vergleich berechnen wir im Folgenden anhand einer reinen Cashflow-orientierten Berechnung den NPV für diese Investition. Bei der NPV-Ermittlung sollen also zunächst Ertragssteuern und Abschreibungen nicht berücksichtigt werden. Die entsprechende Kalkulationsstruktur für eine Berechnung „vor Steuern und Abschreibungen“ wird in Ź Abb. 8.43 gezeigt. Projekt "A" - Investitionsrechnung
Projektkosten Betriebskosten Nutzen
0 2005 2'000'000 0 0
1 2006 400'000 0 300'000
2 2007 0 0 1'500'000
3 2008 0 0 1'500'000
4 2009 0 0 1'500'000
Total 2'400'000 0 4'800'000
Delta*
-2'000'000
-100'000
1'500'000
1'500'000
1'500'000
2'400'000
Diskontierungsfaktor Delta* - diskontiert Delta* - kumuliert
1.0000 -2'000'000 -2'000'000
0.9091 -90'909 -2'090'909
0.8264 1'239'669 -851'240
0.7513 1'126'972 275'733
0.6830 1'024'520 1'300'253 Ż NPV
Kalkulationszinssatz = 10 %
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 8.43 Cashflow-Rechnung (vor Steuern und Abschreibungen)
Zur Diskontierung des Kosten-Nutzen-Deltas wird wie zuvor der WACC in Höhe von 10 % verwendet. Es ergibt sich ein „NPV vor Steuern und Abschreibungen“ in Höhe von 1.3 Mio. GE. Wie verändert sich der NPV für dieses Projekt, wenn wir Ertragssteuern und die steuervergünstigende Wirkung von Abschreibungen berücksichtigen? Anm.: Wir haben gesehen, dass Abschreibungen den Gewinn reduzieren – und folglich auch die geschuldete Ertragssteuer verringern.
222
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Um diese Frage zu beantworten, erweitern wir die Cashflow-Berechnung und fügen entsprechende Zeilen für die Ertragssteuer und die Abschreibungen ein. Die folgenden Details sind hierbei relevant: 1. Zunächst wird ein „Cashflow vor Steuern“ ermittelt, indem der Nutzen mit den erfolgswirksamen Projektausgaben verrechnet wird. Wichtig: Die bilanzwirksamen Cashflows werden zunächst ignoriert. 2. Danach reduzieren wir das Ergebnis um etwaige Abschreibungen (diese Reduktion ist nur temporär, wie sich später noch zeigen wird). Wir erhalten dadurch den „zu versteuernden Cashflow“. 3. Basierend auf dem angenommenen Steuersatz von 30 % kann nun der investitionsbedingte Einfluss auf die Ertragssteuern des Unternehmens berechnet werden. 4. Anschließend werden die zuvor reduzierten Abschreibungen rückaddiert, denn schließlich führen wir eine Cashflow-Rechnung durch. Das Ergebnis ist ein „Cashflow nach Steuern“. 5. Jetzt werden die bilanzwirksamen Cashflows in Abzug gebracht und etwaige Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens berücksichtigt. Dies führt uns zum „Cashflow nach Steuern und nach Investitionen“. Projekt "A" - Investitionsrechnung Kalkulationszinssatz = 10 % + Cash inflows (Nutzen) - Cash outflows (erfolgswirksam)
0 2005 0 1.800.000
1 2006 300.000 400.000
2 2007 1.500.000 0
3 2008 1.500.000 0
4 2009 1.500.000 0
Total 4.800.000 2.200.000
Cashflow vor Steuern
-1.800.000
-100.000
1.500.000
1.500.000
1.500.000
2.600.000
0
66.667
66.667
66.667
0
200.000
-1.800.000
-166.667
1.433.333
1.433.333
1.500.000
2.400.000
540.000 0
50.000 66.667
-430.000 66.667
-430.000 66.667
-450.000 0
200.000
-1.260.000
-50.000
1.070.000
1.070.000
1.050.000
1.880.000
200.000 0
0 0
0 0
0 0
0 0
200.000
1.050.000
1.680.000
- Abschreibungen Zu versteuernder Cashflow - Steuern + Rückaddition Abschreibungen Cashflow nach Steuern - Cash outflows (bilanzwirksam) +/- Netto-UV Veränderung Cashflow nach Steuern u. Invest.
-1.460.000
-50.000
1.070.000
1.070.000
Cashflows - kumuliert Diskontierungsfaktor Diskontierte Cashflows Diskontierte Cashflows - kumuliert
-1.460.000 1,0000 -1.460.000 -1.460.000
-1.510.000 0,9091 -45.455 -1.505.455
-440.000 0,8264 884.298 -621.157
630.000 0,7513 803.907 182.750
1.680.000 0,6830 717.164 899.914 Ż NPV
Abb. 8.44 Cashflow-Rechnung (nach Steuern und Abschreibungen)
Die entsprechende Kalkulationsstruktur für eine Berechnung „nach Steuern und Abschreibungen“ wird in Ź Abb. 8.44 gezeigt. Die verbleibenden Schritte zur Berechnung des NPV sind bekannt. Der „Cashflow nach Steuern und nach Investitionen“ wird diskontiert; im vor-
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
223
liegenden Fall mit dem WACC von 10%. Die Summe der diskontierten Werte ergibt den „NPV nach Steuern und Abschreibungen“. Das Ergebnis mag vielleicht überraschen (es handelt sich jedoch weder um einen Zufall, noch um einen Fehler): Der NPV „nach Steuern und Abschreibungen“ in Höhe von 899.914,- GE ist identisch mit dem zuvor ermittelten VaS. Fazit: VaS und NPV (nach Steuern und Abschreibungen) sind unter folgender Voraussetzung identisch: Es wird ein einheitlicher Kalkulationszinssatz für die Diskontierung und für die Berechnung der „Capital Charge“ verwendet (z.B. WACC). Dies ist in der Praxis insofern problematisch, als dass ein solcher „einheitlicher Kalkulationszinssatz“ keinen Risikozuschlag enthalten darf, denn dies würde die Berechnung der „Capital Charge“ verfälschen. Folgendes Vorgehen ist jedoch möglich:
Für die Berechnung der „Capital Charge“ wird ein Kalkulationszinssatz ohne Risikokomponente verwendet (z.B. 6 % WACC).
Für die Diskontierung bei der NPV- und der VaS-Berechnung wird ein risikoangepasster Kalkulationszinssatz zu verwendet (z.B. 6 % WACC + 6 % Risikozuschlag für IT-Investitionen). „NPV vor Steuern“ versus „NPV nach Steuern“. Die Berechnungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass der NPV (nach Steuern und Abschreibungen) geringer ausfällt als der NPV (vor Steuern und Abschreibungen) in Höhe von 1.3 Mio. GE. Es erscheint deshalb sinnvoll, auch der folgenden Fragestellung nachzugehen: Warum ergibt sich bei einer Berechnung „nach Steuern und Abschreibungen“ in der Regel ein geringerer NPV als bei einer Berechnung „vor Steuern und Abschreibungen“? Dies begründet sich in der Wirkung der Ertragssteuern. Zu Beginn der Investition wirken sich die Investitionsausgaben (2.4 Mio. GE) zwar steuervergünstigend aus, dafür führt in den Folgejahren der Nutzen (4.8 Mio. GE) zu einer deutlich höheren Steuerschuld. Cashflow-Rechnung versus Erfolgsrechnung. Es erscheint sinnvoll, anhand der zuvor aufgestellten Cashflow-Rechnung (nach Steuern und Abschreibungen) und Erfolgsrechnung auf die Unterschiede zwischen diesen beiden Rechnungsformen einzugehen:
Der bilanzwirksame Cash-Outflow in Höhe von 200.000 GE in „Jahr 0“ belastet die Cashflow-Rechnung des gleichen Jahres in vollem Umfang (siehe Zeile „Cash-Outflows (bilanzwirksam)). Die Erfolgsrechnung für die Periode „Jahr 0“ wird durch diese Ausgabe nicht beeinflusst.
224
8 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Rechenverfahren
Die Abschreibungsbeträge, welche sich aus Anschaffungen in Höhe von 200.000 GE ergeben, belasten die Erfolgsrechnungen der nachfolgenden Perioden. Die Cashflow-Rechnung wird durch die Abschreibungen nicht beeinflusst, denn die entsprechende Rückaddition nach der Steuerberechnung neutralisiert die vorhergehende „temporäre“ Einbeziehung der Abschreibungen.
Trotz unterschiedlicher Periodenüberschüsse sind die undiskontierten Gesamttotale der Cashflow-Rechnung und der Erfolgsrechnung identisch. Fazit: Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Erfolgsrechnung in Ź Abb. 8.41 und der Cashflow-Rechnung in Ź Abb. 8.44 liegt im zeitlichen Anfall der Zahlungen (und nicht in der Summe der Zahlungen). Zusammenfassende Beurteilung. Warum soll man eine VaS-Berechnung durchführen, wenn diese das gleiche Ergebnis liefert wie eine NPVBerechnung? Nun, zum einen ist das Ergebnis nur unter der zuvor beschriebenen Voraussetzung identisch (identischer Kalkulationszinssatz). Bei Projekten, die das Netto-Umlaufvermögen beeinflussen, sind die Ergebnisse nicht mehr übereinstimmend. Dieser spezielle Umstand ist jedoch nicht wirklich ausschlaggebend für eine Bevorzugung bzw. Benachteiligung des einen oder anderen Verfahrens. Wesentlich ist vielmehr der Punkt, dass man die VaS-Methode nicht nur auf die Kennzahl „VaS“ reduzieren darf. Vielmehr sind bei diesem Verfahren auch die periodenbezogenen „Residualgewinne“ zu beachten. Als Maßstab der unternehmerischen Wertschöpfung ist der Residualgewinn bzw. -verlust von Bedeutung, weil
es sich um eine umfassende Messgröße handelt, die alle Erträge und Aufwände berücksichtigt und entsprechend den realen wirtschaftlichen Gewinn widerspiegelt;
er einen Vorjahresvergleich der absoluten Veränderungen ermöglicht er Aufschluss über die jährliche Wertschöpfung gibt: Eine Geschäftseinheit schafft Mehrwert, wenn sie einen Residualgewinn erwirtschaftet; erzielt sie dagegen einen Residualverlust, zerstört sie Wert (Anm.: die Kennzahl VaS zeigt, ob ein Projekt insgesamt einen positiven oder negativen Residualgewinn aufweist).
er den inneren Wert eines Unternehmens bestimmt und dadurch in Zusammenhang mit dem externen Marktwert (der Börsenkapitalisierung) steht (Anm.: Betriebswirtschaftliche Studien zeigen, dass Residualgewinn und Marktwert langfristig korrelieren).
8.7 Value-Berechnung: VaS (Value at Stake)
225
Die periodenbezogenden Residualgewinne eines Projekts und die daraus abgeleitete Kennzahl „VaS“ stehen für die potentielle NettoÄnderung des Unternehmenswerts als Resultat der Projektumsetzung.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil der VaS-Methode ergibt sich aus der Tatsache, dass viele Entscheider nicht in Form von „Kosten und Nutzen“ denken, sondern eher das Unternehmensergebnis vor Augen haben und ihre Entscheidungen stärker von dieser Sichtweise abhängig machen. Die VaS-Methode wird diesem Blickwinkel besser gerecht, da sie die beiden Dimensionen „betriebliche Wertschöpfung“ und „Projektsicht“ verbindet.
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
9.1 Dynamische Modellsimulation Unter einem Modell versteht man eine abstrahierende Abbildung der Realität. Der Vorteil des Modells besteht prinzipiell darin, dass man an ihm leichter Erkenntnisse sammeln kann als an der Realität selbst. Dazu muss das Modell in seiner Struktur und seinem Vollständigkeitsanspruch dem abgebildeten Gegenstandsbereich so gut wie möglich und so weit wie sinnvoll entsprechen. Aus Business-Case-Sicht, gibt es zwei wesentliche Treiber für eine „Modellierung“ der Entscheidungssituation:
Repräsentation: Man will ein tief greifendes Verständnis über einen Realitätsausschnitt erreichen und den Analysegegenstand in all seinen Facetten erfassen, verstehen und übersichtlich abbilden. Dies ermöglicht eine lückenlose Sicht auf den Analysegegenstand.
Simulation: Man will das Verhalten des abgebildeten Realitätsausschnitts bei Veränderungen der konstitutiven Elemente möglichst zeitnah simulieren. Man will unmittelbar erkennen können, welche Veränderungen zu welchen Reaktionen führen und was die Auswirkungen und Resultate dieser Reaktionen sind. Bei der Erarbeitung eines Business Case kann das Datenmaterial je nach Investitionsvolumen ein beachtliches Ausmaß annehmen. Aus diesen Gründen bietet es sich an, die Entscheidungssituation in einem Tabellenkalkulationsprogramm zwecks Datensammlung (Repräsentation) und Datenvernetzung (Simulation) abzubilden. Das Resultat ist ein dynamisches Analysemodell, in welchem die Eingabedaten in parametrisierter Form erfasst werden können und Veränderungen der Rechnungselemente sich über mehrere Vernetzungsstufen direkt bis zum Endergebnis durchziehen. Die Eingabedaten werden somit zu Stellschrauben des Modells und erlauben eine Online-Simulation. Beispiele für Parametrisierungen sind:
228
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Umrechnungskurse für Währungen: Bei der Eingabe von Werten in unterschiedlichen Ursprungswährungen kann durch Referenzierung einer Zelle mit dem entsprechenden Umrechnungskurs eine automatische Umrechnung in eine vorbestimmte und einheitliche Zielwährung erfolgen.
Durchschnittssätze für den Personalaufwand: Aufwandskennzahlen (Personentage, Personenstunden) und Durchschnittssätze können getrennt erfasst werden. In separaten Zellen werden dann durch Formeln die Produkte dieser Werte ausgewiesen (z.B. das Ergebnis aus der Berechnung „Personentage x Durchschnittssatz“).
Abb. 9.1 Bausteine eines Analysemodells
Entsprechend den Faktoren, die eine Investitionsentscheidung beeinflussen (Kosten, Nutzen und die Verdichtung dieser Elemente zu aussagekräftigen Kennziffern unter Einbeziehung weiterer Rechnungselemente – der Business-Case-Eckpunkte) setzt sich ein Analysemodell sinnvollerweise aus drei übergeordneten Komponenten zusammen
dem Kostenmodell, dem Nutzenmodell und dem Wirtschaftlichkeitsmodell. Das Zusammenwirken dieser Bausteine im Sinne eines ganzheitlichen Modellansatzes ist in Ź Abb. 9.1 dargestellt. Für kleinere und mittlere Projekte kann das Analysemodell als generische Kalkulationsvorlage ausgelegt und somit universell einsetzbar sein. Bei größeren Projekten kann ein spezifisches, den individuellen Bedürfnissen des Investitionsobjekts Rechnung tragendes Entscheidungsmodell angefertigt werden. Während bisher ausschließlich inhaltliche Belange zum Thema Business Case behandelt wurden, drängen sich an dieser Stelle auch formale Überlegungen in den Vordergrund. Tabellenkalkulationen sind heute zu einem unverzichtbaren Werkzeug für Wirtschaftlichkeitsanalysen geworden. In diesem Kapital wird deshalb der Frage nachgegangen, wie dieses Werkzeug optimal
9.2 Kostenmodell
229
eingesetzt wird, um einerseits eine effiziente Bearbeitung zu gewährleisten und andererseits eine übersichtliche Darstellung zu erreichen – gesucht ist also die optimale Abbildung der Entscheidungssituation.
9.2 Kostenmodell Bei einer Wirtschaftlichkeitsanalyse müssen eine Vielzahl von Kostenaspekten berücksichtigt und erhoben werden, um ein gesamthaftes Kostenbild des geplanten Vorhabens zu erhalten. In einem ersten Schritt erscheint es deshalb sinnvoll, sich zunächst einen umfassenden Überblick über die Kostenkomponenten und ihre Zusammensetzung zu verschaffen. In Ź Abb. 9.2 ist ein generisches Gesamtkostenmodell dargestellt. Die Grafik gewährleistet eine vollständige Sicht auf die in Frage kommenden Dimensionen einer Vollkostenbetrachtung.
Abb. 9.2 Generisches Kostenmodell zur Ermittlung der Gesamtkosten
Eine vollständige Gesamtbetrachtung bedingt nicht nur die Berücksichtigung der externen Aufwendungen, also Anschaffungen oder benötigte Dienstleistungen, welche aufgrund ihrer Transparenz (im Sinne der ausgewiesenen Gesamtsummen) sehr offensichtlich sind, sondern auch die vollständige Einbeziehung der weniger transparenten internen Aufwendungen. Ein Kostenmodell muss diesem Aspekt Rechnung tragen. Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen einer Gesamtkostenbetrachtung beachtet werden muss, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Informatik nur die wenigsten Projekte für sich selbst ausführt. Die Informatik ist eine Dienstleistungsfunktion und ihre Daseinsberechtigung resultiert aus der
230
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Unterstützung des „Business“ – also der Geschäftsfunktionen (Fachbereiche). Die überwiegende Anzahl der Informatik-Investitionen und Projekte hat einen „Business-Hintergrund“. In diesen Fällen sind nicht nur die reinen Informatikkosten anzusetzen, sondern auch diejenigen Kosten, die im Fachbereich entstehen. In der Praxis hat es sich bewährt, das Kostenmodell in einer einzigen Tabellenkalkulationsdatei aufzubauen. Innerhalb dieser Datei können mehrere Tabellenblätter verwendet werden, um den strukturellen Besonderheiten der verschiedenen Kostenblöcke Rechnung zu tragen und individuelle Tabellenstrukturen aufzubauen. Ein generisches Kostenmodell kann sich in diesem Sinne aus den in Ź Abb. 9.3 aufgeführten Tabellenblättern („work sheets“) zusammensetzen. Kostengruppe 1 - Projektkosten
Tabellenblatt Block 1.1 Informatik – Investitionskosten Block 1.2 Business – Investitionskosten
2 - Folgekosten
Block 2.1 Informatik – Betriebskosten Block 2.2 Business – Laufende Kosten
3 - Umlaufvermögen
Block 3.1 Business – Nettoumlaufvermögen (optional)
Abb. 9.3 Kostenmodell-Repräsentation in einer Tabellenkalkulation
Die Tabelle in Ź Abb. 9.4 zeigt den möglichen formalen Aufbau eines Tabellenkalkulationsblatts für Block 1.1, die IT-Investitionskosten. Es handelt sich dabei um die Kostenzusammenstellung für ein CRM-Projekt (Customer Relationship Management). Der formale Aufbau einer Tabellenkalkulationsvorlage sollte einige Besonderheiten berücksichtigen, damit die Arbeit am Business Case effizient vonstatten gehen kann: Die Zeilen sollten eindeutig gekennzeichnet sein. Im vorliegenden Beispiel sind die Kategorien alphanumerisch und die dazugehörigen Kostenelemente numerisch markiert. In Gesprächen, bei Präsentationen oder in einer Dokumentation kann man auf diese Weise eindeutige Referenzierungen angeben (z.B. Kostenelement „B2“ für die PDAs). Für die Investitionsrechnung muss der zeitliche Anfall der Kosten berücksichtigt werden. In einem vorgeschalteten Kalkulationsblatt sollten deshalb die Kosten nach Jahren getrennt aufgeführt und erfasst werden. Investitionen, die abgeschrieben werden (bilanzwirksame Ausgaben), sollten deutlich von den „normalen“ Ausgaben (erfolgswirksame Ausgaben) getrennt werden. Für die Investitionsrechnung müssen später die
9.2 Kostenmodell
Interne Kosten
Externe Kosten
Investitionskosten (IT) A 1 2 3 B 1 2 3 C 1 2 3 D 1 2 3 E 1 2 3 F 1 2 3 G 1 2 3 H 1 2 3 I 1 2 3
Jahr 0
Jahr 1
Software Siebel und Oracle Lizenzen 2.000.000 SAP Link Modul 30.000 Middleware 100.000 Hardware (nicht abzuschreiben) Mitarbeiter-Modems 10.000 Handheld Devices (Palmtops) 70.000 Nokia Cards 10.000 Investitionen in Abschreibungsobjekte (Abschreibung 3 Jahre) PC's und Notebooks 100.000 Drucker, Scanner, Beamer Applikations-Server, Datenbank-Server 200.000 Investitionen in Abschreibungsobjekte (Abschreibung 10 Jahre) Netzwerk-Installation Gebäudekosten (z.B. Datacenter) Büroeinrichtung für IT-Mitarbeiter Dienstleistungen Software-Anpassungen (Customization) 150.000 100.000 Schnittstellen-Entwicklung 50.000 Beratung 100.000 100.000 Allgemeine Aufwendungen Reisekosten (der internen Mitarbeiter) 20.000 40.000
Subtotal
Gruppentotal
200.000 400.000
Gesamttotal
2.130.000
90.000
300.000
0
500.000
60.000 Projektarbeit Aufwand für Projektmanagement Aufwand für Projektteam
231
3.080.000
200.000 400.000 1.200.000
Dokumentation und Schulungen Anwenderdokumentation Trainings-Vorbereitung (Testfälle, etc.) Kosten der Durchführung (IT-Anteil) Allgemeine Aufwendungen Bonuszahlungen
0 0 0
20.000 20.000 30.000
0
40.000
70.000
40.000
1.310.000
4.390.000
Abb. 9.4 Zusammenstellung der IT-Investitionskosten
Abschreibungsbeträge berechnet und angesetzt werden. Je nachdem wie detailliert und ausgefeilt die nachfolgende Investitionsrechnung aufgebaut ist, macht es auch Sinn, die Abschreibungsdauer zu berücksichtigen und die Kostenelemente entsprechend zu gruppieren. Eine praktikable Lösung besteht in der Regel darin, dass man zwei Abschreibungszeiträume anbietet (z.B. 3 Jahre und 10 Jahre). Es ist empfehlenswert, bereits in der Tabellenkalkulationsvorlage verschiedene Jahrestotale einzubauen (aus Gründen des begrenzten Seitenplatzes musste in dem hier gezeigten Beispiel auf dieses Merkmal verzichtet werden). In dem Kalkulationsblatt der Investitionsrechnung können dann diese Totale direkt referenziert werden. Beispielsweise sollten für jedes Jahr die folgenden Totale in der Tabellenkalkulationsvorlage ausgewiesen sein: - Sub-Total externe Kosten – erfolgswirksam (alle nicht abzuschreibenden externen Kosten) - Sub-Total externe Kosten – bilanzwirksam (alle externen Kosten, die abgeschrieben werden)
232
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
- Total externe Kosten (die gesamten externen Kosten eines Jahres) - Total interne Kosten (die gesamten internen Kosten eines Jahres) - Jahrestotal (die gesamten internen und externen Kosten eines Jahres) Nicht nur innerhalb der Tabellenblätter, sondern auch zwischen ihnen können dynamische Verbindungen hergestellt werden. Letzteres ist insbesondere für eine strukturierte und übersichtliche Kostensummierung notwendig. Die Aggregation aller Kostenblöcke sollte ebenfalls in einem eigenen Tabellenblatt in der Kalkulationsdatei vorgenommen werden. In Ź Abb. 9.5 wird ein möglicher Aufbau für eine Aggregationstabelle gezeigt. 1 Projektkosten (einmalige Kosten) Jahr 0 Block 1.1 - Informatik Externe Kosten (erfolgswirksam) Externe Kosten (bilanzwirksam) Interne Kosten Total Block 1.2 - Business Externe Kosten (erfolgswirksam) Externe Kosten (bilanzwirksam) Interne Kosten Total Total Projektkosten
Jahr 1
2.300.000 0 600.000 2.300.000
480.000 300.000 710.000 780.000
4.750.000
2.100.000
800.000 5.550.000 7.850.000
200.000 2.300.000 3.080.000
Jahr 2
Jahr 3
0
Jahr 4
0
0 0
0 0
Jahr 5
Gesamt 2.780.000 300.000 1.310.000 4.390.000
0
0
0 0
6.850.000 0 1.000.000 0 7.850.000 0 12.240.000
2 Betriebskosten (laufende Kosten) Jahr 0 Block 2.1 - Informatik Externe Kosten (erfolgswirksam) Externe Kosten (bilanzwirksam) Interne Kosten Total Block 2.2 - Business Externe Kosten (erfolgswirksam) Externe Kosten (bilanzwirksam) Interne Kosten Total Total Betriebskosten
Jahr 1
0
0 0
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Gesamt
500.000
1.000.000
1.000.000
1.000.000
1.000.000 1.500.000
2.000.000 3.000.000
2.000.000 3.000.000
2.000.000 3.000.000
4.500.000 0 2.000.000 9.000.000 3.000.000 13.500.000
0 3.000.000
0 0 0 0 0 3.000.000 13.500.000
0 1.500.000
0 3.000.000
0 3.000.000
1.000.000
Abb. 9.5 Aggregation der Kostenblöcke in einem separaten Tabellenblatt
9.3 Nutzenmodell Ähnlich wie auf der Kostenseite eine möglichst vollständige Erfassung angestrebt wird, steht auch auf der Nutzenseite eine umfassende Zusammenstellung im Vordergrund. Gegenstand der Erhebung sind hierbei alle Nut-
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
233
zenpotentiale, sodass eine solide Bestimmung des Gesamtnutzens erreicht wird. In diesem Sinne ist es zunächst von Vorteil, sich einen Überblick über die möglichen Nutzenbereiche und ihre jeweiligen Komponenten zu verschaffen. Zu diesem Zweck wird in Ź Abb. 9.6 eine generische Nutzenhierarchie gezeigt, die das gesamte Spektrum der möglichen Nutzenaspekte abdeckt.
Abb. 9.6 Generisches Nutzenmodell zur Ermittlung des Gesamtnutzens
Grundsätzlich gelten die Erläuterungen und Überlegungen, die zuvor bei der Beschreibung der Kostenseite angeführt wurden, auch für die Nutzenseite. Analog zu den „Vollkosten“ für die gesamte Lebenszeit einer Lösung setzt sich der „Gesamtnutzen“ aus den Nutzenpotentialen der Informatik und denjenigen der beteiligten Fachbereiche zusammen (es sei denn, ein Vorhaben hat nur Auswirkungen innerhalb der IT-Organisation). Auf beiden Seiten (Informatik und Fachbereich) kann der Nutzen sowohl durch einmalige als auch durch laufende Vorteile begründet sein.
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell Das Wirtschaftlichkeitsmodell ist das Herzstück eines Business Case. In ihm fließen alle Stellgrößen (die primären und die sekundären Wirtschaftlichkeitsfaktoren) zusammen, werden verknüpft und anhand der finanzmathematischen Prinzipien zu Kennzahlen verdichtet (Investitionsrechnung). Dadurch wird das Wirtschaftlichkeitsmodell zum
234
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
integrierenden Baustein des Analysemodells – weshalb man bei einem Business Case oftmals auch von einem „Financial Case“ spricht. Aspekt
Ausprägung
Primäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Kosten (auf aggregiertem Niveau)
Nutzen (auf aggregiertem Niveau)
Sekundäre Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Business-Case-Eckpunkte:
Berechnungslogiken
Kalkulationszinsfuß
Steuersatz
Betrachtungszeitraum
Terminierung
Zahlungszeitpunkt
Abschreibungsdauer
Abschreibungsmethode
Inflationsrate (optional zu berücksichtigen)
Finanzmathematische Berechnungen (Investitionsrechnung) Vor- und Nach-Steuer-Berechnung (Buchhalterische Rechnung)
Abb. 9.7 Komponenten des Wirtschaftlichkeitsmodells
Im Einzelnen führt das Wirtschaftlichkeitsmodell die in Ź Abb. 9.7 aufgeführten Rechnungselemente, Rahmenbedingungen und Berechnungslogiken zusammen. Die sinnvolle Zusammenführung der Wirtschaftlichkeitsaspekte bedingt eine zweckmäßige Strukturierung der Modellinhalte. Auch hierzu bietet sich der Gebrauch von Tabellenblättern („Worksheets“) an. Eine mögliche Aufteilung der Modellierungsaspekte wird in Ź Abb. 9.8 gezeigt. Aus Ź Abb. 9.8 geht hervor, dass für ein Wirtschaftlichkeitsmodell vier Tabellenblätter vorzusehen sind. Im Folgenden werden diese Tabellenblätter in der Reihenfolge genannt, in welcher sie in der Tabellenkalkulationsdatei angeordnet sein sollten:
Tabellenblatt „Business-Case-Eckpunkte“ Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ (Cashflow Rechnungen) Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ (Buchhalterische Rechnungen) Tabellenblatt „Grafiken“
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
235
Abb. 9.8 Abbildung des Analysemodells in einer Tabellenkalkulation
9.4.1
Tabellenblatt „Einstieg (Business-Case-Eckpunkte)“
Das Tabellenblatt „Business-Case-Eckpunkte“ erscheint als erstes Blatt beim Öffnen der Business Case Tabellenkalkulationsdatei und repräsentiert somit den Einstieg in die Wirtschaftlichkeitsanalyse („Deckblatt“). Es kann wie in ŹAbb. 9.9 dargestellt in der Tabellenkalkulation repräsentiert sein. Grafische Elemente auf dem Deckblatt (z.B. Pfeile) können Hyperlinks zu den weiteren Tabellenblättern des Analysemodells enthalten. Mit einem Mausklick auf diese Elemente kann man direkt zu dem jeweiligen Tabellenblatt wechseln. Es ist nicht notwendig, jeden Business-Case-Eckpunkt als dynamische Größe in den Berechnungsalgorithmen einzubinden. Dies wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Die auf dem Deckblatt erwähnten Eckpunkte sind vor allem als Information gedacht und sollten aus Gründen der Transparenz und Übersichtlichkeit an exponierter Stelle gezeigt werden. Dadurch ist gewährleistet, dass alle Beteiligten unmittelbar ein einheitliches Verständnis über die Rahmenparameter der Analyse erhalten.
236
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Abb. 9.9 Tabellenblatt „Einstieg“ – Business Case Eckpunkte
Bezüglich der Einbindung dieser Eckpunkte in die Algorithmen der Investitionsrechnungen besteht eine sinnvolle und praxisgerechte Lösung darin, die Eckpunkte „Steuersatz“ und „Kalkulationszinsfuß“ dynamisch auszulegen. Das heißt, im später beschriebenen Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ wird an den entsprechenden Stellen nicht der Wert dieser Größen erneut eingegeben, sondern es wird der Zelleninhalt auf dem Tabellenblatt „Business-Case-Eckpunkte“ referenziert. Die Rechenmethoden der statischen und dynamischen Investitionsrechnung werden in der Praxis nicht isoliert angewendet. Eine einzelne Kennzahl ist nicht ausreichend für eine fundierte Ausführungsentscheidung. Das Analysemodell sollte diesem Bedürfnis Rechnung tragen und deshalb mehrere Resultate liefern. Sinnvollerweise werden die angewendeten Methoden der Investitionsrechnung ebenfalls auf dem Deckblatt erwähnt. Die aussagekräftigsten und in der Praxis am häufigsten genutzten Kennzahlen sind:
der Net Present Value (NPV) die Internal Rate of Return (IRR) der dynamische Payback
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
9.4.2
237
Tabellenblatt „Investitionsrechnung“
Nach dem Tabellenblatt „Business-Case-Eckpunkte“, welches unmittelbar nach dem Öffnen einer Arbeitsmappe („Workbook“) angezeigt wird, folgt das Tabellenblatt „Investitionsrechnung“. In diesem Tabellenblatt sind die finanzmathematischen Berechnungen zur Feststellung der Wirtschaftlichkeit enthalten. Aus Gründen der Übersicht erscheint es zweckmäßig, dieses Tabellenblatt in vier Bereiche einzuteilen, wobei diese Bereiche untereinander angeordnet sind:
Projektinformationsbereich Dateneingabebereich Ergebnisbereich Berechnungsbereich
Projektinformationsbereich. Im ersten Bereich werden allgemeine Informationen über das Vorhaben eingegeben. Im zweiten Bereich erfolgt eine Erfassung der aggregierten Kosten- und Nutzeninformationen (bzw. können diese automatisch aus anderen Tabellenblättern referenziert werden). Im dritten Bereich werden die berechneten Kennzahlen der Investitionsrechnungen angezeigt. Im vierten Bereich sind schließlich die Berechnungsvorgänge abgebildet, die zur Kennzahlenermittlung notwendig sind. Daraus lässt sich das folgende wichtige formale Gestaltungsprinzip erkennen: Die Dateneingabe erfolgt in den ersten beiden Bereichen. Die weiteren Bereiche fungieren als Anzeigebereiche. Der erste Bereich erfasst allgemeine Angaben zum Vorhaben. Diesbezüglich können folgende Informationen in Frage kommen: Projektname Projektleiter Projektstart / Projektende Verwendete Währung Verwendete Einheiten Business-Case-Versionsnummer Business-Case-Erstellungsdatum
Abb. 9.10 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ – Erster Bereich
238
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Ein formaler Aufbau dieses Bereichs wird in Ź Abb. 9.10 gezeigt. Es bietet sich an, in diesem Bereich Hyperlinks anzubringen, die per Mausklick einen komfortablen Rücksprung zum Einstiegstabellenblatt (Business-Case-Eckpunkte) bzw. direkte Wechsel zu den nachfolgenden Tabellenblättern (Buchhalterische Rechnung und Grafiken) ermöglichen. Dateneingabebereich. Im zweiten Bereich werden die auf dem höchsten Niveau aggregierten Geldflüsse (Cashflows) eingegeben. Auf der Kostenseite empfiehlt es sich, die Projektkosten (einmalig) und die Betriebskosten (laufend) getrennt zu erfassen, denn eine vollständige Transparenz über diese beiden Kostenblöcke ist für jede IT-Investition erfolgsentscheidend. Des Weiteren müssen auch die erfolgswirksamen Ausgaben von den bilanzwirksamen Investitionen in Abschreibungsobjekte gesondert ausgewiesen werden, denn diese werden in der nachfolgenden Investitionsrechnung unterschiedlich behandelt. Standardmäßig sollte der Betrachtungshorizont auf zehn Jahre ausgelegt sein. Je nach Notwendigkeit kann dieser Analysezeitraum entweder voll ausgeschöpft (z.B. ERP-Einführung oder Konsolidierungsprojekt) oder nur teilweise genutzt werden. In Ź Abb. 9.11 ist der formale Aufbau des Kosten-Nutzen-Erfassungsbereiches dargestellt.
Abb. 9.11 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ – Zweiter Bereich
Wichtig erscheint vor allem der über den Jahreszahlen angegebene Hinweis „Alle Werte sind als positive Zahlen einzugeben!“. Der Anwender des Analysemodells sollte sich nie darüber Gedanken machen müssen, an welcher Stelle er negative und an welcher er positive Werte einzugeben
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
239
hat. Dies kann äußerst verwirrend sein (Beispiel: Sind die Projektkosten als negative Werte anzusehen, da sie eine Auszahlung repräsentieren oder handelt es sich bei Kosteneinsparungen um negative Werte, da weniger Geld ausgegeben wird). Die richtige Interpretation (ob positiv oder negativ) und korrekte mathematische Behandlung der einzelnen Zahlungsströme sollte vielmehr als integraler Bestandteil der „Modellkonstruktion“ angesehen werden – was sich auch ohne große Probleme realisieren lässt. Ergebnisbereich. Die Präsentation der Ergebnisse (Kennzahlen der Investitionsrechnung) sollte direkt im Anschluss an den Dateneingabebereich erfolgen. Denn man kann davon ausgehen, dass Außenstehende (z.B. Entscheider) vor allem an zwei Informationen interessiert sind – den zugrunde liegenden Daten (Cashflows) und den Ergebnissen. In der Regel werden bei einer Präsentation des Business Case die Berechnungswege nicht gezeigt.
Abb. 9.12 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ – Dritter Bereich
Berechnungsbereich. Bei der Gestaltung des letzten Bereiches geht es um weit mehr, als nur einen formal schlüssigen Aufbau aus Sicht der Investitionsrechnung zu finden. Insbesondere sind hierbei Aspekte aus dem Bereich des Rechnungswesens einzubeziehen – beispielsweise die korrekte Behandlung der steuerlichen Gesichtspunkte. Bei den bisherigen Überlegungen und Beispielen sind wir stillschweigend davon ausgegangen, dass ein Unternehmen keine Steuern zahlen muss. Diese Annahme ist leider unrealistisch, weshalb im Folgenden aufgezeigt werden soll, wie der steuerliche Aspekt in die Wirtschaftlichkeitsanalyse integriert werden kann und welche Faktoren die Besteuerung beeinflussen. Die „Vor-Steuer-Betrachtung“ bzw. das „Vor-Steuer-Ergebnis“ resultiert unmittelbar aus der Verrechnung von investitionsbedingten Einzahlungen (Nutzen) und Auszahlungen (Kosten). Das Delta zwischen Nutzen und Kosten – auch als „Netto-Nutzen“ bezeichnet – repräsentiert das Investitionsergebnis vor Steuern. Im Hinblick auf die Ertragssteuern muss nun bedacht werden, dass sie auf der Grundlage der zusätzlich entstehenden Reingewinne und nicht der Netto-Geldflüsse (also der Differenz zwischen investitionsbedingten Ein-
240
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
zahlungen und Auszahlungen einer jeden Periode) berechnet werden. Aus diesem Grund müssen auch Abschreibungen, Buchverluste und eventuelle Fremdkapitalzinsen (z.B. für Veränderungen im Netto-Umlaufvermögen) berücksichtigt werden. Anhand des im Business Case ermittelten Reingewinns berechnet man die Höhe der Steueraufwendungen durch Multiplikation mit einer durchschnittlichen Ertragssteuerrate.
Abb. 9.13 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ – Vierter Bereich
Das Vorgehen für eine Nach-Steuer-Betrachtung lässt sich wie folgt umschreiben: 1. Die Differenz zwischen diskontierten Nutzen und allen erfolgswirksamen Ausgaben einer Periode ist zunächst der „Cashflow vor Steuern“. Dieses Ergebnis entspricht dem EBITDA (Earnings before Interests, Taxes, Depreciation, Amortisation) – also dem Betriebsgewinn vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern. 2. Dieser wird um die zusätzlichen Abschreibungen bereinigt, die durch das Projekt induziert sind, und ergibt dann den „zu versteuernden Cashflow“. Dieses Ergebnis entspricht dem EBIT (Earnings before Interests, Taxes) – also dem Betriebsgewinn vor Zinsen und Steuern. 3. Liegt in einer Periode ein Nutzenüberschuss vor, wird anschließend der Effekt berücksichtigt, dass aufgrund der verbesserten Ertragslage eine höhere Ertragssteuerlast entsteht. Die Ergebnisverbesserung wird um die Höhe dieser zusätzlichen Steuerschuld vermindert. Liegt ein Kostenüberschuss vor, so führt dies zu einer geringeren Ertragssteuerlast (unter
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
241
der Voraussetzung, dass das Unternehmen einen Gewinn erzielt, so dass die Verluste mit den Gewinnen verrechnet werden können). Die geringere Steuerschuld verringert den Kostenüberschuss – wirkt sich also positiv aus. 4. Nach der Berücksichtigung des Steuereffekts wird die Differenz in Abschreibungen wieder hinzugerechnet (Rückaddition), da es sich bei Wirtschaftlichkeitsanalysen um eine Cashflow-Betrachtung handelt. Das Ergebnis stellt den „Cashflow nach Steuern“ dar. 5. Abschließend werden die bilanzwirksamen Ausgaben (Anschaffungen von Anlagevermögen) in Abzug gebracht und eventuelle Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens berücksichtigt. Als Ergebnis erhält man den „Cashflow nach Steuern und Investitionen“. 6. Die einzelnen Periodenergebnisse können nun entsprechend den Verfahren der statischen oder dynamischen Investitionsrechnungen zu aussagekräftigen Kennzahlen verdichtet werden. Eine mögliche formale Umsetzung dieser Rechenschritte in einem Tabellenkalkulationsprogramm wird in Ź Abb. 9.13 gezeigt. Die Berechnung des NPV (Net Present Value) wird durch das gezeigte Kalkulationsschema quasi automatisch adressiert, denn aus der Kumulation der diskontierten Cashflows ergibt sich der NPV. Ein wichtige Größe für die „Nach-Steuer-Berechnung“ sind die Abschreibungen, denn diese führen zu einer Verringerung der Steuerschuld eines Unternehmens (unter der Voraussetzung, dass das Unternehmen in der jeweiligen Periode einen Gewinn erzielt). Basierend auf den Angaben im Dateneingabereich (bilanzwirksame Ausgaben) müssen unter Berücksichtigung der jeweiligen Abschreibungsdauer zunächst die jährlichen Abschreibungsbeträge kalkuliert werden. Durch die Addition der einzelnen Abschreibungsbeträge innerhalb einer Periode ergibt sich ein Jahrestotal, welches in der Investitionsrechnung einzusetzen ist. Siehe „Hilfskonstruktion“ in Ź Abb. 9.14.
Abb. 9.14 Tabellenblatt „Investitionsrechnung“ – Abschreibungen
Für die Berechnung des ROI, der statischen und dynamischen PaybackDauer im Tabellenblatt „Berechnung“, empfiehlt sich ebenfalls die Ver-
242
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
wendung von Hilfskonstruktionen, da sich diese Kennzahlen nicht direkt aus den bisher beschriebenen Kalkulationsschemata ableiten lassen. Die Aspekte der Investitionsrechnung sind hiermit erschöpfend abgehandelt und die Ergebnisse der Kalkulationen können im dritten Bereich des Tabellenblatts „Berechnung“ reflektiert werden. Es besteht nun noch die Möglichkeit, den Fokus auf die Aspekte des finanziellen Rechnungswesens zu legen und den Einfluss der Investition auf das Unternehmensergebnis aufzuzeigen. 9.4.3
Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“
Das Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ widmet sich dem Unternehmensergebnis aus Investitionssicht. Aus der zuvor beschriebenen Investitionsrechnung lässt sich keine Aussage dahingehend ableiten, wie das Unternehmensergebnis in den einzelnen Jahren des Betrachtungszeitraums durch die Investition beeinflusst wird. Da die Investitionsrechnung auf Geldflüsse fokussiert ist, ist sie mit einer „Mittelflussrechnung“ vergleichbar. Der Zweck der Mittelflussrechnung ist es, über die Mittelverwendung eines Unternehmens Auskunft zu geben. Die Mittelflussrechnung hat jedoch keinen Zusammenhang zum Unternehmensergebnis, weshalb sie auch nicht zu den offiziellen „Publikationen“ eines Unternehmens gehört. Dennoch ist diese Rechnung für Unternehmen von Bedeutung und wird aus diesem Grund auch als „dritte Jahresrechnung“ bezeichnet.
Abb. 9.15 Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ – Erster Bereich
Die primären Jahresrechnungen sind die Bilanz (Balance Sheet) und die Erfolgsrechnung (Income Statement; Profit and Loss Account), mitunter auch als „Gewinn- und Verlustrechnung“ bezeichnet. Es erscheint sinnvoll, die Wirtschaftlichkeitsanalyse mit einem Blick auf die primären Jahresrechnungen abzurunden. Von besonderem Interesse ist hierbei die Ermittlung des periodenbezogenen Gewinns oder Verlusts auf Basis der Erfolgsrechnung. Auch diese Information ist für die Entscheider von Bedeutung, insbesondere deshalb, weil heute in der Regel Mitarbeiter aus
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
243
dem Finanzwesen dem Personenkreis angehören, der in einem Unternehmen für Investitionsentscheidungen verantwortlich ist. Nachfolgend werden die einzelnen Positionen der Plan-Erfolgsrechnung erläutert:
Betriebliche Erlöse: Unter dieser Position werden alle Umsätze erfasst, die direkt dem Projekt zuzurechnen sind (z.B. wenn ein CRM-Projekt zu höheren Verkaufszahlen führt).
Aufwendungen: Die erfolgswirksamen Projektausgaben (alle Ausgaben, die nicht in der Bilanz aktiviert werden, d.h. bilanzwirksam sind) werden hier direkt mit den Kostenreduktionen, die aus der Projektrealisierung resultieren, verrechnet. Kostenreduktionen reduzieren den Aufwand eines Unternehmens. Ergibt sich in einer Periode eine positive Zahl, bedeutet dies, dass das Projekt die Kosten des Unternehmens erhöht. Eine negative Zahl bedeutet, dass das Projekt die Kosten des Unternehmens senkt.
Abschreibungen: Die Wertminderung der bilanzwirksamen Projektausgaben (Investitionen in Abschreibungsobjekte) wird hier periodengerecht als „Abschreibungsaufwand“ belastet. Abschreibungen belasten die Erfolgsrechnung eines Unternehmens. Sie werden deshalb vom „EBITDA“ in Abzug gebracht.
Fremdkapitalzinsen: Stellen ebenfalls eine Aufwandsposition dar. Sie sind an dieser Stelle aus Gründen der Vollständigkeit aufgeführt und beziehen sich auf den Aspekt der „Finanzierung“. Da für das Projekt E-Shop die Finanzierungsfrage nicht relevant ist (Regelfall für IT-Projekte), wird an dieser Stelle kein Wert eingesetzt. Aus Ź Abb. 9.15 geht hervor, das Fremdkapitalzinsen, wenn sie angesetzt werden sollen, nach der Ermittlung des „EBIT“ (Earnings before Interest and Tax) zusammen mit den Ertragssteuern in Abzug gebracht werden. Das „I“ in EBIT steht für die Fremdkapitalzinsen (Interest; also „vor Fremdkapitalzinsen).
Ertragssteuern: In den Jahren, in denen der Projekterfolg den Projektaufwand übersteigt, fallen Ertragssteuern entsprechend dem kalkulatorischen oder effektiven Steuersatz des Unternehmens an. Im vorhandenen Beispiel wird ein Steuersatz von 30% zugrunde gelegt. Zum Zeitpunkt der Projektrealisierung fallen noch keine oder geringe Erträge an. Dieser Aufwandsüberschuss führt zu einer Reduktion der Ertragssteuern, die das Unternehmen zu leisten hat; jedoch nur unter der Voraussetzung,
244
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
dass die Unternehmung in der jeweiligen Geschäftsperiode einen Gewinn erzielt hat. Für weitere Ausführungen zu den Inhalten und Absichten der investitionsbezogenen Erfolgsrechnung sei auf Ź Kapitel 6.3 „Einfluss der Investition auf den Gewinn“ verwiesen. Vom Gewinn zum Residualgewinn. Die Erfolgsrechnung verdeutlicht den investitionsbedingten Einfluss auf den Unternehmensgewinn in den jeweiligen Perioden des Analysezeitraums. Aus dieser Gewinnbetrachtung ergeben sich jedoch noch keine Rückschlüsse darüber, ob die Investitionen „Wert“ für das Unternehmen geschaffen haben – dies wird erst aus dem Residualgewinn (engl. „Residual Income“; „Economic Profit“) ersichtlich. Siehe dazu auch Ź Kapitel 8.7.1 „Gewinn versus Wertschöpfung (Residualgewinn)“. Ein weiterer Bereich der buchhalterischen Analyse im Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ ist deshalb die Berechnung des Residualgewinns. Das entsprechende Kalkulationsschema ist in Ź Abb. 9.16 dargestellt. Die Berechnung des Residualgewinns beginnt dort, wo die Erfolgsrechnung aufhört – beim Gewinn. Die Details der Berechnung sind in Ź Kapitel 8.7.2 „Berechnung – Vom Gewinn zum Residualgewinn“ beschrieben. Residualgewinn und Value at Stake (VaS) Kapitalkostensatz (WACC) = 6 %
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
Total
Gewinn / Verlust
0
0
0
0
0
0
(Information: Restwert der Anlageobjekte)
0
0
0
0
0
0
- Kapitalkosten für Anlageobjekte
0
0
0
0
(Information: Veränderungen des Netto-UV)
0
0
0
0
0
+/- Kapitalkosten für Netto-UV
0
0
0
0
0
Residualgewinn Diskontierungsfaktor Economic Profit - diskontiert Economic Profit - kumuliert
0
0
0
0
1,0000 0 0
0,9434 0 0
0,8900 0 0
0,8396 0 0
0
0
0,7921 0 0 Ż VaS
Abb. 9.16 Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ – zweiter Bereich
Anhand der Residualgewinne wird die Kennzahl „VaS“ ermittelt. Die entsprechende Vorgehensweise ist in Ź Kapitel 8.7.3 „Berechnung – Vom Residualgewinn zum VaS“ beschrieben. 9.4.4
Investitionsrechnung vs. Erfolgsrechnung – die Unterschiede
Abschließend erscheint es sinnvoll, die Unterschiede zwischen der cashflow-basierten Investitionsrechnung (im Tabellenblatt „Berechnung“) und der buchhalterisch orientierten Erfolgsrechnung (im gleichnamigen Tabel-
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
245
lenblatt) herauszuarbeiten. Dies soll den Leser einerseits für buchhalterische Überlegungen sensibilisieren und andererseits das Verständnis für finanzwirtschaftliche Zusammenhänge fördern. Zuvor sei jedoch eine wichtige Gemeinsamkeit beider Rechnungsformen nicht verschwiegen: Beide Rechnungen sind Plan-Rechnungen und basieren demzufolge auf Prognosen. Die Unterschiede dieser beiden Sichtweisen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Projekts sind im Einzelnen:
Rechenelemente der Erfolgsrechnung sind Aufwendungen und Erträge (buchhalterische Größen). Rechenelemente der Investitionsrechnung sind Einzahlungen und Auszahlungen (Geldflüsse).
Abschreibungen werden bei der Erfolgsrechnung effektiv in Abzug gebracht (eine Abschreibung verkörpert einen periodenbezogenen Aufwand). Bei der Investitionsrechnung werden die Abschreibungen nur zur Berechnung der jährlichen Ertragssteuer benötigt. Danach findet eine Rückaddition der Abschreibungen statt.
Daraus folgt, dass Investitionen in Abschreibungsobjekte (bilanzwirksame Aufwendungen) keinen direkten Einfluss auf die Erfolgsrechnung haben. Lediglich die Abschreibungsbeträge, welche aus diesen Investitionen resultieren, werden in der Erfolgsrechnung mit den Erträgen verrechnet. Bei der Investitionsrechnung werden derartige Investitionen hingegen als „normale“ zahlungswirksame Vorgänge betrachtet und direkt (in der vollen Höhe) als Auszahlung angesetzt.
Die Erfolgsrechnung wird nicht diskontiert, während die Investitionsrechnung heute überwiegend auf diskontierten Kennzahlen (NPV, IRR, dynamischer Payback etc.) basiert. 9.4.5
Tabellenblatt „Grafiken“ – Visualisierung der Ergebnisse
Dieses letzte Unterkapitel zum Thema Wirtschaftlichkeitsmodell bezieht sich auf das Tabellenblatt „Grafiken“ und befasst sich sinngemäß mit der visuellen Repräsentation der Berechnungsergebnisse. Für die in Ź Abb. 9.17 gezeigten Zahlungsströme einer Investition sollen im Folgenden die wichtigsten Visualisierungsmöglichkeiten dargelegt werden (Anm.: der Betrachtungshorizont wurde wegen des begrenzten Seitenplatzes von zehn auf fünf Jahre reduziert).
246
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell Alle Werte sind als positive Zahlen einzugeben!
Business Case - Dateneingabe
Projektkosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Betriebskosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Umlaufvermögen - Erhöhung des Netto-UV Gesamtkosten Nutzen + Cash-Inflow durch Einsparungen + Cash-Inflow durch Umsatz + Reduktion des Netto-UV Gesamtnutzen Kosten/Nutzen-Delta
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
2.000.000 100.000 0 2.100.000
400.000 100.000 0 500.000
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
2.400.000 200.000 0
0 0 0 0
200.000 0 0 200000
200.000 0 0 200000
200.000 100.000 0 300000
200.000 100.000 0 300.000
800.000 200.000 0
0 2.100.000
0 700.000
0 200.000
0 300.000
0 300.000
0 3.600.000
0 0 0 0 -2.100.000
300.000 0 0 300.000 -400.000
1.500.000 0 0 1.500.000 1.300.000
1.500.000 0 0 1.500.000 1.200.000
1.500.000 0 0 1.500.000 1.200.000
4.800.000 0 0 4.800.000 1.200.000
Total
Abb. 9.17 Ausgangsdaten für die Ergebnisvisualisierung
Wird für dieses Projektszenario eine Investitionsberechnung durchgeführt, so ergibt sich das in Ź Abb. 9.18 gezeigte Resultat. Business Case - Investitionsrechnung Kalkulationszinssatz = 11 % + Cash inflows (Nutzen) - Cash outflows (erfolgswirksam)
0 2005 0 2.000.000
1 2006 300.000 600.000
2 2007 1.500.000 200.000
3 2008 1.500.000 200.000
4 2009 1.500.000 200.000
Total 4.800.000 3.200.000
Cashflow vor Steuern
-2.000.000
-300.000
1.300.000
1.300.000
1.300.000
1.600.000
0
33.333
66.667
66.667
66.667
233.333
-2.000.000
-333.333
1.233.333
1.233.333
1.233.333
1.366.667
600.000 0
100.000 33.333
-370.000 66.667
-370.000 66.667
-370.000 66.667
233.333
-1.400.000
-200.000
930.000
930.000
930.000
1.190.000
100.000 0
100.000 0
0 0
100.000 0
100.000 0
400.000
830.000
790.000
- Abschreibungen Zu versteuernder Cashflow - Steuern + Rückaddition Abschreibungen Cashflow nach Steuern - Cash outflows (bilanzwirksam) +/- Netto-UV Veränderung Cashflow nach Steuern u. Invest.
-1.500.000
-300.000
930.000
830.000
Cashflows - kumliert Diskontierungsfaktor Diskontierte Cashflows Diskontierte Cashflows - kumuliert
-1.500.000 1,0000 -1.500.000 -1.500.000
-1.800.000 0,9009 -270.270 -1.770.270
-870.000 0,8116 754.809 -1.015.461
-40.000 0,7312 606.889 -408.573
790.000 0,6587 546.747 138.174 Ż NPV
Abb. 9.18 Investitionsrechnung (nach Steuern und Abschreibungen)
Ausgangspunkt für eine visuelle Umsetzung sollten in aller Regel die „Ergebnisse nach Steuern“ sein. Zunächst scheint es sinnvoll, die Auswirkung der Investition auf die Cashflow-Rechnung („Dritte Unternehmensrechnung“) der nachfolgenden Geschäftsjahre aufzuzeigen. Hierfür eignet sich ein Balkendiagramm, welches für jede Periode die undiskontierten Cashflow-Deltas (Gesamtkosten abzügl. Gesamtnutzen) zeigt. Ein entsprechendes Beispiel wird in Ź Abb. 9.19 gezeigt.
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
247
Abb. 9.19 Cashflows jeder Periode
Die Sicht auf jedes einzelne Geschäftsjahr im Sinne einer CashflowRechnung sollte dann ergänzt werden um eine Betrachtung der kumulierten Cashflows. Hierzu müssen die diskontierten Ergebnisse aus dem Tabellenblatt „Berechnung“ abgerufen werden. Eine entsprechende Visualisierung wird in Ź Abb. 9.20 gezeigt.
Abb. 9.20 Kumulierte Cashflows
Tabellenkalkulationsprogramme bieten weitreichende Möglichkeiten für die Visualisierung der Ergebnisse. Beispielsweise kann die in Ź Abb. 9.20 dargestellte Grafik, welche die Entwicklung der Kosten/NutzenDifferenz (kumulierte Cashflows) illustriert, als Liniendiagramm, als Balkendiagramm oder als Diagramm mit beiden Elementen (Balken und Linie) umgesetzt werden.
248
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Abb. 9.21 Einfluss auf die Erfolgsrechnung pro Periode
Entscheider sind in aller Regel auch daran interessiert, zu erfahren, welchen Einfluss die Investition auf die Erfolgsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung) der nächsten Jahre ausübt. Grundlage für eine derartige Visualisierung sind erneut undiskontierte Ergebnisse – diesmal aus dem Tabellenblatt „Erfolgsrechnung“ (Unternehmensergebnis aus Investitionssicht). Siehe Grafik in Ź Abb. 9.21. Anhand eines solchen Balkendiagramms kann auch der Residualgewinn visualisiert werden. Eine weitere Möglichkeit der Visualisierung ist das "Storyboard", mit dessen Hilfe man einzelne Veränderungen im Kontext der Gesamtsituation (Ausgangslage und Endergebnis) darstellen kann. Am Beispiel eines Projektes zur Optimierung der operationellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Webseiten-Management soll dies im Folgenden veranschaulicht werden. Praxisbeispiel Web-Operation. Ein Unternehmen mit weltweit 20 Niederlassungen hat bis jetzt keinen einheitlichen Ansatz für das Management seiner Websites (bestehend aus Internet-Seiten, Intranet-Seiten und Extranet-Seiten). Die Erstellung und Betreuung der Websites ist größtenteils an externe Dienstleister vergeben (derzeit sind dies 25 verschiedene Service-Provider). Es wird nun ein Projekt lanciert, mit welchem das gesamte Web-Management konsolidiert und optimiert werden soll („Web-Operation Consolidation & Optimization“). Angestrebt wird sowohl eine
„administrative Konsolidierung“ der Service-Provider auf einen großen und weltweit tätigen Anbieter, als auch eine
„technische Konsolidierung“ der Hardware-Infrastruktur (geografische Konsolidierung der gesamten Hardware von 20 Lokationen auf 4 Lokatio-
9.4 Wirtschaftlichkeitsmodell
249
nen) und der Software-Infrastruktur (Konsolidierung der Middleware und der Applikationsplattformen auf einige wenige Standard-Lösungen). Für das Projekt wird eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt. Der Business Case zeigt, dass mit der Projektdurchführung die folgenden quantifizierbaren Nutzenaspekte verbunden sind:
Einsparungen bei den externen Kosten für Web-Dienstleister Einsparungen bei den Kosten für die Software-Maintenance Einsparungen bei den Kosten für die Hardware-Maintenance Verringerung der Personalkosten Verringerung der Raum- und Gebäudekosten Die Auswirkungen dieser quantifizierten Nutzenvorteile auf die derzeitige Kostenstruktur können anhand des in Abb. 9.22 gezeigten Storyboards den Entscheidern kommuniziert werden.
Abb. 9.22 Storyboard für Projekt „Web Operation Optimization“
Nicht quantifizierbare Nutzenvorteile des Projekts sind:
Verbessertes Management der Websites Vereinfachung des „Partner-Managements“ (nur 1 Service Provider) Harmonisierte Prozesse Konzentrierung des Know-hows
250
9 Wirtschaftlichkeitsanalyse – Analysemodell
Schnellere Entwicklung von neuen Websites Einfachere Sicherstellung der Datensicherheit Einfacheres Monitoring der Hardware und Software
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.1 Datenbasis Das Ziel eines Business Case ist es, herauszufinden, welche Gelder zu welchem Zeitpunkt infolge einer Investition fließen oder eben nicht fließen werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, verwendet man die tatsächlich stattfindenden Geldströme (Cash-Inflows und Cash-Outflows) als primäre Rechnungselemente für die Wirtschaftlichkeitsanalyse. Dadurch umgeht man buchhalterische Wertverzerrungen, die sich durch Zurechnungen, Abgrenzungen oder auch willkürliche Korrekturen ergeben. Ein gutes Beispiel für derartige Bewertungsspielräume sind Abschreibungen. Je nachdem, ab welchem Wert Objekte abgeschrieben werden (zwischen den europäischen Ländern gibt es signifikante Unterschiede), welche Abschreibungsdauer angenommen wird, ab welchem Zeitpunkt man die Abschreibung beginnen lässt (z.B. beim Projektende) oder welche Abschreibungsmethode (linear oder degressiv) man verwendet, fällt die Wirtschaftlichkeitsanalyse anders aus. Basis für den Kosten-Nutzen-Vergleich sind demnach die wie folgt definierten Ein- und Auszahlungen:
Auszahlungen (Cash Outflows) sind Abflüsse von Zahlungsmitteln während einer Betrachtungsperiode. Zum Beispiel Lohnzahlungen an Mitarbeiter, Zahlungen an externe oder interne Dienstleister für in Anspruch genommene Dienstleistungen, Zahlungen für den Einkauf von Software oder Hardware, Zahlungen für Geschäftsreisen von Mitarbeitern.
Einzahlungen (Cash Inflows) sind Zuflüsse an Zahlungsmitteln während einer Betrachtungsperiode. Zahlungseingänge von Kunden, Barverkäufe von Waren, Aufnahme eines Barkredits. Im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse werden auch Kosteneinsparungen als zahlungswirksame Einzahlungen behandelt.
252
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Daraus ergibt sich eine klare Anforderung („Cashflow-Relevanz“) an die Datenbasis, welche im Rahmen der Business-Case-Erarbeitung beachtet werden muss. Steht beispielsweise die Quantifizierung der laufenden Kosten, ergeben sich bei vielen IT-Projekten die folgenden Fragen:
Umgangssprachliche Formulierung: Was kostet mich der Betrieb des Systems Salt? Päzise Formulierung: Welche Cashflows muss ich für den Betrieb des Systems Salt aufbringen?
Welche Kostenanteile des Systems Salt bzw. welche durch das System Salt induzierten Cashflows sind für die Wirtschaftlichkeitsanalyse relevant?
Was kostet mich der Betrieb des Systems Sneu bzw. welche Cashflows werden durch das System Sneu induziert?
Da solche Fragen in der Regel nicht direkt beantwortet werden können, erscheint es sinnvoll, zunächst diejenigen Kostenfaktoren zu identifizieren und zu quantifizieren, die zu den Gesamtkosten eines Systems beitragen. Daraus ergeben sich in der Regel Detailfragen wie:
Was kostet mich der Betrieb eines „managed“ Windows- oder UnixServers? Was kostet mich die Datenspeicherung und -sicherung für das System SX? Was kostet mich der Anwender-Support für das System SX? Was kostet mich die Administration des Systems SX? Verschaffen wir uns deshalb zunächst einen Überblick, welche grundlegenden Ansätze denkbar sind, um diese Fragen zu beantworten und die Betriebskosten zu ermitteln. In Ź Abb. 10.1 sind diese Möglichkeiten skizziert. Nicht alle in der Tabelle beschriebenen Vorgehensweisen sind in der Praxis haltbar, wie die folgenden Erläuterungen noch aufzeigen werden. Der Ansatz „Externer Vergleich“ wurde aus Gründen der Vollständigkeit mit aufgenommen. In der Praxis wäre ein solches Vorgehen nicht sinnvoll, jedoch lassen sich daraus wichtige Referenzen für einen Abgleich mit den unternehmensinternen Betriebskosten gewinnen. Steht die Ermittlung der Betriebskosten an, ist man geneigt zu sagen: „Kein Problem! Dafür haben wir die interne Leistungsverrechnung. Dort ist genau festgelegt, welcher Betrag für welche Dienstleistung/Service verrechnet wird und diese Zahlen setzen wir beim System Salt als Nutzen an, denn dessen Betriebskosten entfallen nach der Einführung der neuen Lösung“.
10.1 Datenbasis
253
Datenbasis
Beschreibung
Incoming Charges
Ansatz: Input-Betrachtung (bezogene Leistungen + eigene Leistungen) Hier wird der Standpunkt eines Leistungsbeziehers eingenommen und die Seite der Kostenentstehung (Kostenverursachung) analysiert. Um die Gesamtkosten zu erhalten, werden die in Anspruch genommen Leistungen und die eigenen Leistungen addiert.
(Input-Seite)
Outgoing Charges (Output-Seite)
Ansatz: Output-Betrachtung (erbrachte Leistungen) Hier wird der Standpunkt des Leistungserbringers eingenommen. Auf Basis des Servicemodells werden die an Kunden verrechneten Leistungen zusammengefasst.
Externer Vergleich
Ansatz: Kostenvergleich mit Dritten Für eine bestimmte Dienstleistung (z.B. „fully managed“ Betrieb eines Windows-Servers, d.h. incl. Monitoring etc.) wird der Preis bei einem externen Anbieter nachgefragt. Bei einem divisional geführten Unternehmen besteht die Möglichkeit, eine andere Division hinsichtlich dieses Betriebskostenaspekts zu konsultieren. Die Zahl des externen Anbieters bzw. die der Schwesterdivision werden dann als Betriebskosten angesetzt.
Kostenträgerrechnung
Ansatz: Kostenträger-Betrachtung Die Controlling-Abteilung führt neben der Kostenstellenrechnung (Cost Centers) und Kostenartenrechnung (Cost Types) auch eine Kostenträgerrechnung (Cost Objects). Alle mit einem bestimmten System (dem Kostenträger) verbundenen Aufwendungen werden entsprechend verbucht und können zu jeder Zeit abgerufen werden.
Tatsächliche Cashflows
Ansatz: effektive Auszahlungen Situationsbezogene Erhebung der tatsächlichen (budgetbzw. cashflow-relevanten) Ausgaben. Einschließlich einer Berücksichtigung aller inkrementellen Folgekosten, die durch das Projekt induziert sind (beispielsweise wenn durch eine ERP-Einführung die Infrastruktur im Rechenzentrum derart erweitert wird, dass eine zusätzliche Person für die technische Administration notwendig wird).
Abb. 10.1 Mögliche Ansätze für die Ermittlung der Betriebskosten
Tatsächlich sind die Zahlen der internen Leistungsverrechnung omnipräsent in der IT-Organisation und die Anwendung dieser Zahlen für Wirtschaftlichkeitsanalysen erscheint deshalb nahe liegend. Doch sind die Beträge der Leistungsverrechnung eine sinnvolle Basis für Wirtschaftlichkeitsanalysen? In einigen Fällen ist dies tatsächlich der Fall,
254
10 Datenerhebung und -aufbereitung
doch in den meisten Situationen sind die Beträge der Leistungsverrechnung von den Kosten, die für einen Business Case relevant sind, entkoppelt. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. 10.1.1 Praxisbeispiel – Ablösung einer Anwendungsumgebung
Ein Unternehmen unterhält seit mehreren Jahren eine datenbankorientierte Anwendung, die gleichzeitig als Entwicklungsumgebung genutzt wird und auf deren Basis unternehmensweit etwa vierzig Einzelanwendungen realisiert wurden – und derzeit auch im Einsatz sind. Die technische Umgebung besteht aus mehreren dezentralen Windows-Servern und einem Backbone (ebenfalls bestehend aus Windows-Servern). Betreut werden die Applikationen durch ein zentrales Infrastruktur-Core-Team, wobei die Administration des Backbones als „Outservicing“ erbracht wird („Outservicing“ = Outsourcing von Personalaufwand, wobei die technische Infrastruktur im Eigentum des eigenen Unternehmens bleibt). Die Plattform wird mehr und mehr als Legacy-Umgebung angesehen, weshalb im nächsten Jahr ein Ablösungsprojekt vorgesehen ist. Um die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zu evaluieren muss ein Business Case erstellt werden. Es gilt nun zu ermitteln, welche Kosten eingespart werden können, wenn die Anwendungsumgebung vollständig außer Betrieb genommen wird. Dieser „Nutzen“ soll dann den einmaligen Projektkosten und den Betriebskosten der neuen Lösung gegenübergestellt werden. Eine Zusammenstellung der Betriebskosten, basierend auf dem Ansatz „erbrachte Leistungen“. Dazu wird das Servicemodell dieser Anwendungsumgebung herangezogen. Angeboten werden drei Services mit folgenden Konditionen (entnommen aus dem IT-Service-Katalog des Unternehmens): Service-Katalog – Stückpreise Server
8.000,- / Monat
Client-Zugriff (nativ)
30,- / Monat
Client-Zugriff auf passwort-geschützte DB (web-basierend)
20,- / Monat
Basierend auf den Kontrakten für die Server und den dynamisch protokollierten Client-Zugriffen, ergeben sich für das erste halbe Jahr die folgenden Nutzungszahlen: Nutzungszahlen Server
16
Client-Zugriff (nativ)
8.200
Client-Zugriff auf passwort-geschützte DB (web-basierend)
14.800
10.1 Datenbasis
255
Die Multiplikation der beiden Werte und Umrechnung auf einen Jahreswert (mal zwei, da die Nutzungszahlen halbjährlich sind) ergibt folgende Summen: Verrechnungspreise Server
256.000,-
Client-Zugriff (nativ)
492.000,-
Client-Zugriff auf passwort-geschützte DB (web-basierend)
592.000,-
Verrechnungstotal im Jahr i
1.340.000,-
Stellt dieses Ergebnis eine sinnvolle Ausgangsbasis für einen Business Case dar? Reflektiert die Output-Betrachtung in jedem Fall die tatsächlichen Betriebskosten? Um das Ergebnis zu validieren, soll als nächstes eine Erhebung der Betriebskosten aus einem anderen Blickwinkel vorgenommen werden – und zwar basierend auf einer Betrachtung der Input-Faktoren. Diese Erhebung ist deutlich zeitaufwändiger, da zunächst jeder einzelne Kostentreiber identifiziert und anschließend durch mehrere Rückfragen im Unternehmen quantifiziert werden muss (das Zahlengerüst wird in der Regel in einer Tabellenkalkulation erfasst). Eine Aufstellung der Kostentreiber zeigt folgendes Bild: Software: Lizenzkosten (Software-Maintenance) Hardware: Charges des Rechenzentrums (für „fully managed windows servers“) Hardware: Charges des Rechenzentrums (für Server mit Verbindung zum SAN) Personalaufwand Extern: Outservicing-Kosten
Personalaufwand Intern: Personalkosten Die aggregierte Kostenzusammenstellung auf Basis der Input-FaktorenBetrachtung liefert folgendes Resultat (auf Jahresbasis): Verrechnungspreise Software: Jährliche Lizenzkosten
110.000,-
Hardware: Jährliche Charges des Rechenzentrums
1.050.000,-
Personalaufwand Extern: Jährliche Outservicing-Kosten
450.000,-
Personalaufwand Intern: Personalkosten
800.000,-
Gesamtkosten im Jahr i
2.410.000,-
256
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Das Ergebnis der Input-Betrachtung weicht signifikant von den Gesamtkosten aus Sicht der Output-Betrachtung ab. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine so genannte „Unterdeckung“. Das heißt, die verrechneten Kosten reichen nicht aus, um die tatsächlichen Kosten zu decken (keine Kostendeckung). Die Inkonsistenz zwischen „Leistungsbezug + eigenen Leistungen“ und „verrechneten Leistungen“ ist in der Praxis leider nicht die Ausnahme, sondern eher der Regelfall. Haben wir nun eine verlässlichere Basis für einen Business Case? Sind wir nun näher an den Betriebskosten, die für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse relevant sind? Kann das Unternehmen durch die Außerbetriebnahme der Legacy-Umgebung tatsächlich Kosten in Höhe von 2.41 Mio. GE einsparen? Die Antwort ist ein klares „Nein“ und zwar aus zwei Gründen:
Charges: Charges basieren auf Stückpreisen (Unit-Prices) und enthalten Kostenpositionen, die nicht Business-Case-relevant sind (z.B. Abschreibungen, Sekundärkostenanteile und eventuell auch umgelegte Kosten für diverse Ersatzbeschaffungen bzw. „life-cycle replacements“).
Personalkosten: Je nachdem auf welcher Basis die Personalkosten ermittelt wurden (nur Primärkosten oder Primärkosten einschließlich Sekundärkosten) können auch in den Personalkosten Kostenbestandteile enthalten sein, die nicht Business-Case-relevant sind. Die Gründe, weshalb gerade bei Charges und Sekundärkosten eine gewisse Vorsicht im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen geboten ist, sollen im Folgenden detaillierter untersucht werden. 10.1.2 Cashflow vs. Leistungsverrechnung
Interne Leistungsverrechnungen basieren in den meisten Fällen auf festgelegten Bezugseinheiten, die mit einem Preis belegt sind. Diese Stückpreise (unit prices) haben in der Regel keinen direkten Zusammenhang mit den tatsächlichen Kosten, da die Preisfindung primär durch folgende Aspekte beeinflusst wird.
Verrechnungsgrundsatz (z.B. „Over-coverage“ oder „Under-coverage“): Ist „Under-coverage“ erlaubt? Wenn eine Unterdeckung erlaubt ist, müssen die Preise der internen Leistungsverrechnung nicht kostendeckend sein. Sie entsprechen somit nicht der realen Kostensituation. Oder gilt das Prinzip des „Over-coverage“, um beispielsweise eine Gewinnspanne für die Finanzierung von mittleren und grösseren Infrastrukturprojekten zu erhalten? Auch in diesem Fall besteht eine Entkoppelung zwischen den tatsächlichen Kosten und den verrechneten Kosten.
10.1 Datenbasis
257
Preispolitik (z.B. Subvention von neuen Technologien): Innerhalb eines festgeschriebenen Verrechnungsprinzips gibt es hinsichtlich der Preisbestimmung einen gewissen Spielraum. Die Stückpreise können bewusst höher oder tiefer als die tatsächlichen Kosten festgelegt werden. Zum Beispiel besteht die Möglichkeit, dass die internen Preise eines bestimmten Service über den tatsächlichen Kosten angesetzt wurden, um das Service-Angebot für den Kunden unattraktiv zu machen. Ein solches Vorgehen wird man dann in Betracht ziehen, wenn ein Service-Angebot aufgegeben werden soll (z.B. Legacy-System). Auch der Umkehrfall ist möglich. Bestimmte Preise der internen Leistungsverrechnung können bewusst nicht kostendeckend angesetzt sein (der Verrechnungspreis ist geringer als die tatsächlichen Kosten), damit beim Kunden der Eindruck entsteht, dass die Dienstleistung günstig ist. Zum Beispiel bei der Einführung von neuen Technologien: Die ersten Nutzer zahlen weniger, damit Neukunden angelockt werden.
Aktualität (Periodizität der Preisüberprüfungen): Die Unit-Preise wurden unter Umständen vor mehreren Jahren festgelegt und seither nicht mehr überprüft bzw. angepasst. Sie haben aus heutiger Sicht nichts mehr mit den tatsächlichen Kosten zu tun (disconnect from true costs).
Abhängigkeit zur Anzahl der Benutzer: Die Festlegung der Stückpreise basiert immer auf momentanen Erfahrungswerten hinsichtlich der Nutzungsbandbreite. Ergeben sich Schwankungen in der Anwenderzahl, die sich außerhalb des vorgesehenen Rahmens bewegen (z.B. nimmt bei einem Legacy-System die Anzahl der Anwender rapide ab), so resultiert daraus eine beachtliche Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Kosten und den verrechneten Kosten (im angeführten Beispiel würde eine Unterdeckung entstehen). Durch diese Limitierungen der Charging-Seite sollte deutlich geworden sein, dass Charges (zumindest sofern es sich um tatsächliche Sekundärkosten handelt) in den meisten Fällen keine sinnvolle Basis für einen Business Case darstellen. Als Alternative verbleibt einzig die situationsspezifische und gezielte manuelle Erhebung der tatsächlich relevanten Geldflüsse. Die Kernfrage lautet demnach: „Welche Geldflüsse stehen hinter den Charges und welche davon werden durch das Projekt beeinflusst?“ Die Effizienz der Datenerhebung ist hierbei vor allem abhängig von den zur Verfügung stehenden Informationen und den unterstützenden Systemen:
258
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Gibt es einen Cashflow-Plan für die Infrastruktur? Daraus könnte man direkt diejenigen Cashflows extrahieren, die für den Business Case relevant sind.
Gibt es eine Asset-Management-Lösung? Hieraus ließe sich ableiten, zu welchen Zeitpunkten welche Aufwendungen (Cashflows) für den Betrieb einer vorhandenen Lösung entstehen.
Gibt es eine Charging-Datenbank? Damit wäre man in der Lage, Abschreibungen, Sekundärkosten und weitere unerwünschte Kostenbestandteile aus den Charges herauszurechnen. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass Charges auch als direkte Weitergabe von Primärkosten in Erscheinung treten können. Beispielsweise wenn eine Fachabteilung von der unternehmenseigenen Informatik ein Projekt durchführen lässt und (basierend auf einem vorhergehenden Angebot) die Projektkosten über eine interne Verrechnung der Fachabteilung belastet werden. Für derartige Charges gelten die zuvor genannten Überlegungen nicht. 10.1.3 Primärkosten vs. Sekundärkosten
Primär- und Sekundärkosten sind Begriffe, die im Rahmen der Kostenentstehung und -verrechnung gebraucht werden und bei der Business-CaseErstellung von besonderer Relevanz sind.
Primäre (d.h. ursprüngliche) Kosten ergeben sich aus der Nutzung oder dem Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen (einschließlich öffentlicher Abgaben), die durch das Unternehmen von außen bezogen werden oder diesen gleichzusetzen sind.
Sekundäre (d.h. gemischte) Kosten ergeben sich bei der Verrechnung von innerbetrieblichen Leistungen. Sekundäre Kosten setzen sich im Normalfall aus verschiedenen primären Kosten zusammen und werden nach einem bestimmten Verteilschlüssel oder auf Basis eines vereinbarten Kontrakts auf Endkostenstellen verrechnet bzw. umgelegt. Somit repräsentieren sekundäre Kosten Leistungen von Kostenstelle zu Kostenstelle. Sekundärkosten erscheinen nicht in der Bilanz und nicht in der Erfolgsrechnung. Sie dienen lediglich der internen Umverteilung von Kosten. Im oben beschriebenen Praxisbeispiel „Phase-Out Legacy-Anwendungsumgebung“ gibt es die in Ź Abb. 10.2 aufgeführten Primär- und Sekundärkosten.
10.1 Datenbasis
259
Primäre und sekundäre Kosten des Beispiels „Legacy-Anwendungssystem“ Primäre Kosten der Legacy-Anwendungsumgebung: Software-Lizenzkosten Outservicing-Kosten (Outsourcing des Personalaufwands; nicht aber der Infrastruktur) Löhne und Lohnnebenkosten der internen Mitarbeiter (primäre Personalkosten) Eventuelle Reisekosten der Mitarbeiter Sekundäre Kosten der Legacy-Anwendungsumgebung: Serverbezogene Leistungsverrechnungen des Rechenzentrums (Charges für die Anwendungsserver und die SAN-Anbindung einiger Server) Mitarbeiterbezogene Leistungsverrechnungen für allgemeine Informatik-Dienstleistungen wie z.B. Arbeitsplatzrechner, Netzwerkanschluss, E-Mail-Account etc. Mitarbeiterbezogene Leistungsverrechnungen für Gebäude-Kosten wie z.B. anteilige Kosten für Büromöbel, Bürogrundfläche, Energie, Reinigung, Gebäudewartung- und -instandhaltung etc. Mitarbeiterbezogene Leistungsverrechnungen für Standort-Kosten wie z.B. Anteilige Kosten für Personalabteilung, Telefon, Post, Sicherheit etc. Abb. 10.2 Primärkosten und Sekundärkosten
Zu beachten ist, dass es sich bei den Bezeichnungen „primär“ und „sekundär“ um relative Definitionen handelt. Die Relativität dieser Begriffe zeigt sich darin, dass beispielsweise für die Abteilung, welche die beschriebene Anwendungsumgebung betreut, die Charges des Rechenzentrums sekundäre Kosten darstellen. Für das Rechenzentrum hingegen ergibt sich dieser Verrechnungsbetrag aus einer Aufsummierung von primären Kosten, die direkt im Rechenzentrum anfallen (Personalkosten, Server-Investitionen) und sekundären Kosten, die dem Rechenzentrum von „außen“, d.h. von anderen Abteilungen belastet werden (z.B. dem Netzwerk-Bereich). Wieso ist die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärkosten für die Business-Case-Erstellung von grundlegender Bedeutung? Die Relevanz dieser Differenzierung ergibt sich aus der Tatsache, dass Primär- und Sekundärkosten unterschiedlich beeinflussbar sind. Auf primäre Kosten hat man einen direkten Einfluss (deshalb werden diese Kosten manchmal auch als „direkte Kosten“ bezeichnet). Auf sekundäre Kosten hat man hingegen keinen unmittelbaren Einfluss. Je nachdem auf welcher Basis die Verrechnung der sekundären Kosten erfolgt (z.B. durch Aufzeichnung von tatsächlichem Verbrauch oder über Schlüsselgrößen wie Mengenschlüssel, Zeitschlüssel oder Wertschlüssel), kann eine Abteilung zwar den Betrag beeinflussen, der ihr über die interne Leistungsverrechnung belastet wird. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass sie damit auch die dahinter stehenden Kosten der Abteilung beeinflusst, die die Verrechnung auslöst.
260
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Dieser Sachverhalt soll im Folgenden anhand von drei Beispielen verdeutlicht werden: Sekundärkostenblock „Rechenzentrum-Charges“. Angenommen das Rechenzentrum betreibt etwa 300 Server für das Unternehmen. Davon entfallen 16 auf die Legacy-Anwendungsumgebung. Welchen Einfluss hat nun die Außerbetriebnahme dieser 16 Server auf die Kosten des Rechenzentrums? Die einzige nennenswerte Kostenersparnis, die sich für das Rechenzentrum ergibt, ist die Vermeidung von Ersatzbeschaffungen (life-cycle replacements), die notwendig werden, wenn die Server das Ende ihrer Nutzungszeit erreichen. Oder die Vermeidung von Leasing-Raten, falls die Server geleast sind. Eventuell ergeben sich noch Einsparungen in der „Hardware-Maintenance“, die an den Hardware-Lieferanten für jeden Server zu bezahlen ist. Die wesentlichsten Kostentreiber eines Rechenzentrums (Mitarbeiter, Gebäude und technische Infrastruktur) werden durch den Wegfall von 16 Servern nicht beeinträchtigt. Das Rechenzentrum wird deshalb nicht auf Mitarbeiter oder auf einen seiner (spezialisierten) Gebäudeteile verzichten können. Fazit: Es können lediglich Cashflows für die Ersatzbeschaffungen und evtl. für die Hardware-Maintenance als „Nutzen“ in den Business Case übernommen werden. Im Vergleich zu den Charges, die für alle Server in einem Jahr anfallen (8.000,- x 12 = 96.000,- x 16 = 1.536.000,-) fallen diese Einsparungen sehr gering aus (die Notwendigkeit von Ersatzbeschaffungen für die Windows-Server ergibt sich schließlich nur alle 3-4 Jahre, wobei bei 16 Servern mit einem Investitionsvolumen von ca. 240.000,- zu rechnen ist). Sekundärkostenblock „Personalkosten“. Im Beispiel wurden interne Personalkosten in Höhe von 800.000,- genannt. Bei dieser Zahl handelt es sich um „Vollkosten“ (d.h. Primär- und Sekundärkosten sind berücksichtigt). Wir nehmen nun an, dass die Anwendungsumgebung von einem achtköpfigen Team betreut wird. Wir nehmen weiter an, dass im Zuge des „Phase-Out“ dieser Anwendungsumgebung die Mitarbeiter vom bisherigen Outservicing-Partner übernommen werden. Welchen Einfluss hat diese Mitarbeiterreduktion auf die personenbezogenen Kosten des Unternehmens? Einsparungen ergeben sich bei den Löhnen, bei den Lohnnebenkosten und bei den Kosten für Aus- und Weiterbildung einzelner Mitarbeiter (all dies sind Primärkosten). Wesentliche Kostentreiber des Unternehmens (Bürofläche, Gebäude- und Standortkosten) werden jedoch nicht beeinflusst. Beispielsweise bleibt die Bürofläche bei einer derart geringen Veränderung des Mitarbeiterstamms unverändert. Das wiederum bedeutet, dass sich die Aufwendungen für die Energie (Beleuchtung, Stromversorgung, Klimatisierung/Heizung) und Reinigung der Büros nicht ver-
10.1 Datenbasis
261
ändern. Noch weniger kann das Unternehmen aufgrund dieser Mitarbeiterverringerung auf Gebäude verzichten, weshalb auch die Kosten für Gebäudeunterhalt, -wartung und -sicherheit unverändert bleiben. Ebenso wenig verändern sich die standortbezogenen Kosten, wie z.B. Postdienste, Telefondienste und Standortsicherheit. All diese Kostenfaktoren zählen zu den Sekundärkosten. Fazit: Es können lediglich die freigesetzten Cashflows für die Gehaltszahlungen, die Lohnnebenkosten (Sozialversicherung, Vergünstigungen) und Aus- und Weiterbildung in den Business Case eingerechnet werden. Diese dürften sich auf ca. 500.000,- Geldeinheiten belaufen (=Primärkosten). Die verbleibenden 300.000,- Geldeinheiten (=Sekundärkosten) können nicht geltend gemacht werden. Sekundäre Lagerhaltungskosten. Die Lagerung von Rohmaterialien, Halbfabrikaten oder Fertigfabrikaten verursacht Kosten. Einige dieser Kosten haben einen direkten Zusammenhang zur Lagermenge. Dies sind die so genannten Lagerbewirtschaftungskosten, wie z.B. Arbeitsaufwand, Erhaltung und Pflege der Bestände. Andere Kosten entstehen weitgehend unabhängig von der Lagermenge. Dies sind z.B. Miete/Leasing, Raumkosten/Gebäudeunterhalt, Beleuchtung, Heizung, Gebäudesicherheit und -überwachung und Versicherung). Bei den letzteren Kosten handelt es sich überwiegend um fixe Kosten, die in der Praxis überwiegend als Sekundärkosten verrechnet werden. Diese fixen Kosten sind bis zu einem bestimmten Grad (sprungfixe Kosten) unabhängig von Schwankungen in der Lagermenge. Folglich führt eine Reduktion der Lagerbestände im Regelfall nicht zu einer Reduktion dieser fixen Kosten. Besonders krass macht sich dieser Effekt bemerkbar, wenn ein Lagergebäude nur eine geringe Auslastung hat (beispielsweise 50 %). Eine Reduktion der Lagermenge um 10 % macht dieses Lager noch unwirtschaftlicher. Wir können also festhalten, dass wenn ein Projekt zu Rationalisierungen führt (beispielsweise beim IT-Personal, bei der IT-Infrastruktur oder bei der Lagerhaltung), diese Verbesserungen sich (sozusagen 1:1) nur auf die Primärkosten unmittelbar auswirken. Die Veränderung der Primärkosten führt jedoch nicht gleichermaßen zu einer Reduktion der Sekundärkosten (Umlagen oder auch fixe Kosten), da diese Kostenfaktoren nur mittelbar und unter bestimmten Bedingungen durch das Projekt beeinflusst werden. Sekundärkosten können deshalb nicht unbesonnen als Nutzen in einem Business Case eingerechnet werden. Vielmehr muss man genau hinterfragen, ob und wenn mit welcher Intensität sich die durch ein Projekt getriebenen Veränderungen auf die Sekundärkosten auswirken. Allerdings ist eine wichtige Ausnahmesituation zu erwähnen. Bei Unternehmen, die sich in einer Wachstumsphase befinden, können durch Ra-
262
10 Datenerhebung und -aufbereitung
tionalisierungen Kapazitätsengpässe verhindert werden. Die folgenden Beispiele sollen diesen Gedanken vertiefen:
Im Rechenzentrum eines expandierenden Unternehmens herrscht Platznot. Eine Reduktion von 16 Servern würde Kapazität für neue Server freisetzen, die im Rahmen des Wachstums benötigt werden. Eine räumliche Vergrößerung des Datacenters wird dadurch – zunächst – vermieden. Bei einem expandierenden Unternehmen kann durch eine Verringerung der Mitarbeiterzahl Bürokapazitäten freigesetzt werden, die für neue Mitarbeiter benötigt werden. Dadurch kann zum Beispiel die Anmietung oder Erstellung von zusätzlichen Büroräumlichkeiten – zumindest kurzfristig – entfallen. Die Lagerkapazitäten eines expandierenden Unternehmens sind erschöpft. Durch ein IT-Projekt wird jedoch eine Verringerung der Lagerbestände erreicht. Die Schaffung von zusätzlichen Lagerräumlichkeiten wird dadurch – zumindest vorübergehend – vermieden. In diesen Situationen (Unternehmen befindet sich im Wachstum) erscheint es legitim, auch die jeweiligen Sekundärkosten (z.B. sekundäre Kosten der Lagerhaltung, des Server-Betriebs oder der Mitarbeiter) vollumfänglich in den Business Case einzurechnen. Dies ist mit „Cost Avoidance Benefits“ vergleichbar, denn das Projekt, für welches der Business Case erstellt wird, leistet einen Beitrag, um zusätzliche Ausgaben und Sekundärkosten, die im Rahmen des Wachstums notwendig werden, zu vermeiden. Allerdings sollte dieses Vorgehen durch Nachforschungen gestützt sein, damit plausible Annahmen hinsichtlich des „organischen Wachstums“ getroffen werden können:
Wieviele Mitarbeiter werden voraussichtlich im Jahr i neu benötigt? Wieviele Server gehen im Jahr i neu ans Netz? Wieviel Lagerkapazität wird durch das Wachstum im Jahr i zusätzlich notwendig? Weiterhin muss erwähnt werden, dass dieser Spezialfall der „vollen Sekundärkostenanrechnung“ nur dann greift, wenn Kapazitätsprobleme vorstellbar bzw. konkret absehbar sind. Wird beispielsweise ein Lager nur zu 25 % seiner Kapazität genutzt, so erscheint es wenig sinnvoll, hier von einem Freisetzungspotential bei den durch das Lager induzierten Sekundärkosten zu sprechen. Es wird einige „Wachstums-Jahre“ dauern, bis dieses Lager eine kritische Auslastung erreicht.
10.2 Ermittlung der Kosten
263
10.2 Ermittlung der Kosten Für eine aussagekräftige und sachlich korrekte Wirtschaftlichkeitsanalyse ist es zwingend notwendig, die gesamten Kosten – die so genannten „Vollkosten“ – einer Investition oder eines Projekts zu kennen. Es gibt verschiedene Verfahren der Kostenermittlung. Beispielsweise die zeitlich begrenzte Projektkalkulation (umfasst alle Kosten bis zum Projektende) oder die lebenszeitorientierten Modelle der großen IT-Beratungsunternehmen, wie beispielsweise das „Total Cost of Ownership“ (TCO) von Gartner. Beide Verfahren können in ihrer Reinform nicht ohne weiteres direkt für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse herangezogen werden:
Die Projektkalkulation vernachlässigt die Kosten, die nach dem Projektende, also während des Betriebs der Lösung, entstehen.
Die „Total Cost of Ownership“ berücksichtigen zwar Betriebskosten und werden deshalb einer Wirtschaftlichkeitsanalyse am ehesten gerecht. Die folgenden Punkte müssen jedoch beim TCO-Ansatz berücksichtigt werden:
TCO können Kostenbereiche umfassen, die nicht innerhalb der Systemgrenze des geplanten Vorhabens liegen und deshalb in einer Investitionsrechnung auszuschließen sind.
TCO sind Vollkosten: Die Investitionsrechnung ist jedoch eine Differenzrechnung, weshalb in der Regel nur Delta-Werte in die Berechnung einfließen (d.h. die in Geld bewertete Differenz zwischen der Ausgangslage und dem Investitionsszenario). Die „Total Cost of Ownership“ können demnach nur dann unverändert in die Wirtschaftlichkeitsanalyse einfließen, wenn es sich um eine vollständig neue Lösung handelt. Die Mehrzahl der Projekte sind heute jedoch Ablöseprojekte, so dass nicht alle Kostenblöcke einer Vollkostenrechnung auch in vollem Umfang einbezogen werden können. So wird etwa bei dem Teil des „Total Cost of Ownership“, der die Kosten des laufenden Betriebs umfasst, nur das Delta in der Berechnung angesetzt. Jedoch muss man die Vollkosten kennen, um eben dieses Delta ermitteln zu können.
TCO werden oftmals nicht periodengerecht ermittelt: Bei Wirtschaftlichkeitsanalysen ist der zeitliche Anfall von Kosten und Nutzen wesentlich. Der zeitliche Versatz von Kosten und Nutzen beeinflusst die Vorteilhaftigkeit einer Investition. Eine korrekte Zuordnung von einmaligen und laufenden Kosten entlang des Betrachtungszeitpunkts muss deshalb gewährleistet sein. Eine
264
10 Datenerhebung und -aufbereitung
TCO-Analyse kann in Teilbereichen auf einer zeitlich undifferenzierten Betrachtung des gesamten Lebenszyklus beruhen und lässt sich dadurch nicht ohne weiteres für einen Business Case verwenden.
TCO können so genannte „Sunk-Costs“ enthalten (z.B. Abschreibungen von Hardware, die bereits gekauft wurde). Unter „Sunk Costs“ versteht man Gelder, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgegeben wurden. In den nachfolgenden Kapiteln folgen detaillierte Ausführungen zu diesem Spezialfall.
TCO können „unbare“ (non-cash) Kostenkomponenten enthalten: Bei einer „Total Cost of Ownership“-Betrachtung können in speziellen Fällen auch Komponenten enthalten sein, die nicht Cashflow-relevant sind und aus diesem Grund nicht vorbehaltlos in eine Investitionsrechnung übernommen werden sollten. Trotz dieser Einschränkungen zeigen uns die „Total Cost of Ownership“ den richtigen Weg für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse. Im Sinne einer Gesamtbetrachtung müssen die einmaligen Kosten des Investitionsvorhabens und etwaige Folgekosten, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Investition stehen, als Gesamtheit betrachtet und über die gesamte Lebenszeit der Lösung analysiert werden. Eine Berücksichtigung der Betriebskosten und aller damit verbundenen Kostenfaktoren (z.B. Wartung und Ersatzinvestitionen) ist also wesentlich. 10.2.1 Bestimmung des internen Aufwands
Für eine vollständige Erhebung der Kosten müssen zwei wesentliche Kostenblöcke berücksichtigt werden – die externen und die internen Kosten. Während sich die externen Kosten verhältnismäßig einfach ermitteln lassen (Angebote der Dienstleister bzw. Lieferanten) ist die Ermittlung der internen Kosten alles andere als trivial. Vielmehr gehört dieser Aspekt neben dem Erkennen und Quantifizieren des Nutzens zum schwierigsten Unterfangen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse. Man hat hierbei gleich mit mehreren Unsicherheiten zu kämpfen:
Wie hoch ist der zeitliche Aufwand für ein bestimmtes Teilergebnis/ Arbeitspaket?
Wie ist die aufgewendete Arbeitszeit der internen Mitarbeiter monetär zu bewerten? Entsprechend diesen beiden Fragestellungen kann der Prozess zur Ermittlung des internen Aufwands in zwei Hauptschritte unterteilt werden. Diese sind in Ź Abb. 10.3 dargestellt.
10.2 Ermittlung der Kosten
265
Abb. 10.3 Übergeordnete Arbeitsschritte – Ermittlung der internen Kosten
Die Schätzung des Personalaufwands für vorgegebene Aufgabenstellungen ist eine eigenständige fachliche Kompetenz. Entsprechende Kenntnisse über die Methoden der Aufwandsschätzung von Informatik-Vorhaben und deren Anwendung sind dabei nur eine Seite der Medaille. Sehr viel wesentlicher wird das Schätzergebnis durch die praktische Erfahrung des Schätzers und seine Vertrautheit mit dem Themengebiet des Schätzobjekts beeinflusst. Aufwandsschätzung ist eine grundsätzliche Problematik bei der Planung von Investitionen und Projekten. Die Praxis zeigt jedoch, dass im Rahmen der Business-Case-Erstellung vor allem die Umsetzung des geschätzten Aufwands in finanzielle Größen problematisch ist und zu Unregelmäßigkeiten führt. Im Rahmen dieses Buches soll deshalb ein Teilgebiet der Aufwandsschätzung genauer beleuchtet werden, welches in der einschlägigen Literatur nur wenig Beachtung findet, aber für eine solide und vor allem fehlerfreie Berechnung der internen Kosten von großer Bedeutung ist. Es handelt sich dabei um die Spezifikation des internen Personalaufwands – also die Art und Weise, wie das Schätzergebnis ausgedrückt wird. 10.2.2 Unterschied zwischen „Full Time Equivalent“ und Headcount
Im Zusammenhang mit der Projektplanung und der Aufwandsspezifikation sind zwei wichtige personenbezogene Einheiten zu unterscheiden. Zum einen der Headcount (Personalbestand) und zum anderen das VollzeitÄquivalent. Bei der Einheit „Full Time Equivalent“ (FTE) handelt es sich um die Anzahl der Vollzeit-Mitarbeiter, die benötigt werden, um eine bestimmte Aktivität (z.B. ein Arbeitspaket eines Projekts) zu erledigen. Anhand eini-
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10 Datenerhebung und -aufbereitung
ger Beispiele soll im Folgenden die Semantik dieser Einheit erläutert werden. Beispiel 1: Einem Vollzeit-Mitarbeiter können verschiedene Aufgaben übertragen werden, die er mit einem bestimmten Zeitanteil, gemessen an seiner vollen Arbeitszeit, zu erledigen hat. Angenommen, ein ServiceTechniker verbringt regelmäßig 10 Wochenarbeitsstunden damit, die Server in einem Rechenzentrum zu unterhalten. Die volle Wochenarbeitszeit des Mitarbeiters beträgt 40 Stunden. Dies bedeutet, dass der Server-Unterhalt rund ¼ seiner Gesamtarbeitszeit beansprucht, was einem VollzeitÄquivalent (FTE) von 0.25 entspricht. Würde diese Person 20 Wochenarbeitsstunden für die Server-Betreuung aufwenden, würde man diese Arbeit mit 0.5 FTE spezifizieren. Beispiel 2: Sie verfügen über ein Team von 8 Fachkräften. Die Regelarbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag. Alle Mitarbeiter sind Vollzeit-Angestellte. Es ist nun die Erledigung einer Tätigkeit mit einem Arbeitsaufwand von 40 Arbeitsstunden zu planen, wobei diese Arbeit an einem Tag zu erledigen ist. Dies bedeutet, dass ein Arbeitspensum von 5 FTE’s verplant werden muss (40 Std. Arbeitsaufwand geteilt durch 8 Std. Regelarbeitszeit ergibt ein Vollzeit-Äquivalent von 5). Da Sie über 8 FTE’s verfügen, können Sie 5 FTE’s für diese Tätigkeit einplanen. Beispiel 3: Sie verfügen über ein Team von 6 Fachkräften. Die Regelarbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag. Vier Mitarbeiter sind Vollzeitkräfte. Zwei Mitarbeiter sind Teilzeitkräfte und arbeiten zu 75 Prozent. Es ist die Erledigung einer Tätigkeit mit einem Arbeitsaufwand von 60 Arbeitsstunden zu planen und diese Tätigkeit ist ebenfalls innerhalb eines Tages zu erledigen. Zu planen ist demnach ein Arbeitspensum von 7.5 FTE’s (60 Std. Arbeitsaufwand : 8 Std. Regelarbeitszeit entspricht einem Vollzeit-Äquivalent von 7.5). Sie verfügen über 7.5 FTE’s (6 Vollzeitkräfte = 6 FTE’s + 2 Teilzeitkräfte zu je 0.75 FTE’s = 1.5 FTE) und wären demnach grundsätzlich in der Lage, diese Tätigkeit in einem Tag zu erledigen. Beispiel 4: Sie verfügen über ein Team von 4 Fachkräften. Die Regelarbeitszeit beträgt 8 Stunden. Alle Mitarbeiter arbeiten Vollzeit. Es ist die Bearbeitung einer Aktivität mit einem Arbeitsaufwand von 40 Arbeitsstunden zu planen. Die Aktivität soll innerhalb eines Tages erledigt werden. Sie verfügen über 4 FTE’s und diese können zusammen eine Arbeitsleistung von 32 Stunden für diese Aktivität erbringen (4 x 8 Std.). Mit diesen Ressourcen sind Sie nicht in der Lage, die Aktivität in der vorgege-
10.2 Ermittlung der Kosten
267
benen Zeit zur erledigen. Es wird ein zusätzlicher FTE benötigt. Die zusätzliche Arbeitsleistung von einem FTE kann entweder durch eine Vollzeitkraft erbracht werden oder durch zwei Teilzeitkräfte, die zu 50 % arbeiten. Das letzte Beispiel verdeutlicht den Unterschied zwischen der FTE-Einheit und dem sogenannten „Headcount“ – also dem Personalbestand.
Die Einheit „Headcount“ quantifiziert die tatsächliche Anzahl von Mitarbeitern, die in einer Firma bzw. einer Abteilung beschäftigt sind. Diese Größe bezieht sich immer auf konkrete individuelle Personen unabhängig von ihrem Beschäftigungsgrad (Teilzeit, Vollzeit).
Im Gegensatz dazu ist die Einheit „FTE“ losgelöst von individuellen Personen und verkörpert somit ein generisches Maß zur Spezifikation des Arbeitsaufwands. 10.2.3 Spezifikation des internen Aufwands (Aufwandsspezifikation)
Die Spezifikation des zeitbezogenen Aufwands bezeichnet man auch als „Time Accounting“. Das Time Accounting verfügt über verschiedene Spezifikationsmodelle und unterschiedliche Messgrößen. Mögliche Modelle für die Spezifizierung des internen Personalaufwands im Rahmen einer Aufwandsschätzung sind:
Modell eines internen Dienstleisters Modell eines externen Dienstleisters Mögliche Messgrößen für die Spezifikation sind:
Personenjahre Personenmonate Arbeitstage Arbeitsstunden Eine wichtige Voraussetzung für eine unmissverständliche Spezifikation ist die Unterscheidung zwischen
Beschäftigungspensum (Bruttobetrachtung) und Produktivzeit (Nettobetrachtung). Das Beschäftigungspensum zeigt die maximale Arbeitsleistung, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Rahmen eines 8-Stunden-Tages und einer
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10 Datenerhebung und -aufbereitung
40-Stunden-Woche erbracht werden kann. Obwohl die Anstellung von Mitarbeitern auf dieser Basis erfolgt, reflektiert das Beschäftigungspensum nicht die effektiv verplanbare Arbeitsleistung eines einzelnen Mitarbeiters. Die Erfahrung zeigt, dass ein Mitarbeiter nur zu 70 bis 80 % seiner Brutto-Arbeitszeit (Gesamtarbeitszeit) für die Mitarbeit in Projekten oder sonstigen Arbeitsleistungen verplant werden kann. Der Rest entfällt auf Fehlzeiten wie zum Beispiel Urlaub, Feiertage, Krankheitstage, Weiterbildung, Informationsveranstaltungen, Personalgespräche, allgemeine Administrationstätigkeiten und weitere nicht direkt „produktive“ Zeiten. Diese Erläuterung zur Brutto- und Nettobetrachtung der Arbeitszeit ist ein wichtiges Fundament für die nachfolgenden Ausführungen über die Spezifikationsmodelle. Siehe dazu die Details in ŹAbb. 10.4.
Abb. 10.4 Beschäftigungspensum und Produktivzeit eines Mitarbeiters
Das „Modell eines internen Dienstleisters“ basiert auf einer simplifizierten Spezifikation des Personalaufwands. Im Vordergrund steht bei diesem Modell der Planungsgedanke und weniger der Verrechnungsgedanke. Die Angabe des Aufwands erfolgt ausschließlich auf einer prozentualen Basis. In der Regel wird eine Skala von 0 bis 1 verwendet, um Verwechslungen vorzubeugen. Der Wert „1“ steht hierbei für eine Person, die zu 100 % arbeitet, und entspricht somit einem Vollzeit-Äquivalent.
10.2 Ermittlung der Kosten
269
Wobei hierbei in der Regel ein betriebswirtschaftlicher Maßstab für das Arbeitspensum (das Vollzeit-Äquivalent) zugrunde gelegt wird. Das bedeutet, dass ein Jahr 240 Arbeitstage hat und demzufolge ein Monat 20 Arbeitstage umfasst. Die Prozentgröße orientiert sich demnach an der Einheit „Personenjahre“ (früher auch als „Mannjahre“ bezeichnet). Die Vereinfachung dieses Modells besteht im Wesentlichen darin, dass die internen Mitarbeiter in vollem Umfang verplant werden. Unabhängig davon, wie viele Urlaubstage, Feiertage, Krankheitstage oder Kompensationstage (Überstundenabbau) anfallen und unabhängig von dem Arbeitszeitanteil, den der Mitarbeiter für projektunspezifische Tätigkeiten aufbringt, wie zum Beispiel allgemeine Weiterbildung, Besuche von Messen oder anderen Veranstaltungen, Teilnahme an Firmenanlässen und –präsentationen, etc. Modell eines internen Dienstleisters Planung für einen Mitarbeiter
Produktivzeit (Effektive Projektarbeitszeit)
Einheit:
Einheit:
Projekt 1 Projekt 2 Total
Personenjahre (% FTE) Q1 0,25 0,75 1
Jahr Q2 Q3 0,25 0,25 0,75 0,75 1 1
Q4 Total 0,25 0,25 0,75 0,75 1 1
Bruttozeit (Verplantes Beschäftigungspensum) Einheit:
Projekt 1 Projekt 2 Total
Projekt 1 Projekt 2 Total
Arbeitstage Q1 12 36 48
Jahr Q2 Q3 12 12 36 36 48 48
Q4 Total 12 48 36 144 48 192
Für das Projekt erbrachte Leistung
Arbeitstage Q1 15 45 60
Jahr Q2 Q3 15 15 45 45 60 60
Q4 Total 15 60 45 180 60 240
An den Kunden verrechnete Personalkosten
Abb. 10.5 Vereinfachter Planungsansatz für interne Dienstleister
In Ź Abb. 10.5 wird diese Spezifikationsmethode veranschaulicht. Das Planungsbeispiel zeigt, dass ein Mitarbeiter während vier Quartalen im Jahr in zwei Projekten mitwirkt. Der Mitarbeiter ist somit voll „verplant“. Wie wir aus den vorhergehenden Überlegungen wissen, beträgt seine effektive Arbeitsleistung für diese beiden Projekte etwa 80 % seiner Gesamtarbeitszeit. Das bedeutet, dass er insgesamt 192 Arbeitstage im Jahr für beide Projekte arbeitet. Der Mitarbeiter muss jedoch in vollem Umfang an die Projektkunden verrechnet werden (d.h. 100 % seiner Kosten werden verrechnet). Ansonsten kann der interne Dienstleister nicht kostendeckend agieren. Zusätzlich muss auch der Management-Overhead der gesamten
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10 Datenerhebung und -aufbereitung
Abteilung (z.B. Kosten des Abteilungsleiters und von AdministrationsMitarbeitern) bei der Verrechnung berücksichtigt werden. Hintergrund der simplifizierten Spezifikation des Personalaufwands entsprechend dem Modell des „internen Dienstleisters“ ist die Überlegung, dass ein Unternehmen seine internen Mitarbeiter nicht nur für die Zeiten bezahlt, die sie in Projekten mitarbeiten. Vielmehr beruht die Besoldung auf einer getroffenen Vereinbarung (Arbeitsvertrag) und ist losgelöst von Einsatzzeiten in Projekten. Des Weiteren stützt sich dieser vereinfachte Planungsansatz auf folgende Annahmen:
Da die meisten Projekte kürzer als ein Jahr sind, muss man den Urlaub der internen Mitarbeiter nicht einplanen. Man geht davon aus, dass der Mitarbeiter während des Projekts keinen Urlaub in Anspruch nimmt.
Bei einem Projekt, das länger als ein Jahr dauert, geht man davon aus, dass der Mitarbeiter länger arbeitet und mit dieser Mehrarbeit die Urlaubszeit kompensiert. Das „Modell eines externen Dienstleisters“ folgt einer Verrechnungslogik. Der zeitliche Aufwand wird so geplant, wie er nachfolgend einem Kunden in Rechnung gestellt wird. Eine mögliche Größe für die Spezifikation des Personalaufwands ist die bereits erwähnte Einheit „Personenjahr“ (im Englischen als „FTE“ bezeichnet). Jedoch plant ein externer Dienstleister mit echten FTEs – und nicht, wie der interne Dienstleister, mit „% FTEs“. Modell eines externen Dienstleisters Angebot für einen Kunden
Produktivzeit (Effektive Projektarbeitszeit)
Einheit:
Einheit:
Projekt 1 Projekt 2 Total
Personenjahre (echte FTE's) Q1 0,25 0,75 1
Jahr Q2 Q3 0,25 0,25 0,75 0,75 1 1
Q4 Total 0,25 0,25 0,75 0,75 1 1
Bruttozeit (Verplantes Beschäftigungspensum) Einheit:
Projekt 1 Projekt 2 Total
Projekt 1 Projekt 2 Total
Arbeitstage Q1 15 45 60
Jahr Q2 Q3 15 15 45 45 60 60
Q4 Total 15 60 45 180 60 240
Für das Projekt erbrachte Leistung
Arbeitstage Q1 15 45 60
Jahr Q2 Q3 15 15 45 45 60 60
Q4 Total 15 60 45 180 60 240
= An den Kunden verrechnete Personalkosten
Abb. 10.6 Planungsansatz eines externen Dienstleisters
10.2 Ermittlung der Kosten
271
Der Unterschied wird aus Ź Abb. 10.6 ersichtlich. Das Angebot an einen Kunden für zwei Projekte auf Basis der Einheit „Personenjahre“ deckt sich „rein äußerlich betrachtet“ mit der Planung des internen Dienstleisters. Doch die Semantik, die in diesem Fall mit der Einheit „Personenjahre“ verknüpft ist, ist eine andere. Der externe Dienstleister versteht unter einem Personenjahr eine Arbeitsleistung von 240 Arbeitstagen im Jahr (im Unterschied dazu assoziiert die Logik des internen Dienstleisters ein Personenjahr mit einer Arbeitsleistung von 192 Arbeitstagen – immerhin ein Unterschied von 20 %). Das verplante Beschäftigungspensum und die produktiv geleistete Arbeitszeit sind also beim externen Dienstleister identisch. Die Leistung, die verplant und erbracht wird, wird dem Kunden auch verrechnet. Damit der externe Dienstleister die in der Darstellung spezifizierte Arbeitsleistung erbringen kann, benötigt er zwei Mitarbeiter, denn ein Mitarbeiter kann in der Regel nur eine Arbeitsleistung von 192 Arbeitstagen (80 % seiner Gesamtarbeitszeit) im Jahr erbringen. Die verbleibenden 48 Arbeitstage (20 %) müsste der zweite Mitarbeiter übernehmen. Von einem Mitarbeiter könnte die angebotene Arbeitsleistung nur dann erbracht werden, wenn dieser keinen Urlaub beansprucht, nicht krank wird und sich auch keine sonstigen Ausfallzeiten ergeben – was jedoch, über die Dauer eines Jahres gesehen, eher unwahrscheinlich ist. Bei der Verrechnung der erbrachten Dienstleistung muss selbstverständlich auch der externe Anbieter seine gesamte Kostenstruktur berücksichtigen (z.B. Management-Overhead, Unternehmensführung und betrieb) und anteilig in den Kostensatz einbeziehen. Die Beschreibung der beiden Planungsansätze hat gezeigt, dass die Angabe einer Aufwandseinheit (z.B. Personenjahr oder Personenmonat) nicht ausreicht, um den Personenaufwand eindeutig zu spezifizieren. Es muss zusätzlich angegeben werden, wie diese Einheit zu verstehen ist, d.h. welche Arbeitsleistung damit verbunden ist. Zum Beispiel:
1 Personenjahr entspricht einer effektiven Arbeitsleistung von 192 Arbeitstagen zu 6.4 Stunden 1 Personenjahr entspricht einer effektiven Arbeitsleistung von 240 Arbeitstagen zu 8 Stunden Ersteres deckt sich mit dem Ansatz des internen Dienstleisters, letzteres mit dem des externen Dienstleisters. Dieser Vergleich zeigt auch, dass schlussendlich nur auf Basis von Arbeitsstunden (1 Arbeitsstunde = 1 Stunde geleistete Arbeit einer Person) eine eindeutige Aussage möglich ist. Dies ist die kleinste erfassbare Einheit und somit können sich daraus keine Umrechnungsunterschiede ergeben. Also auch dann, wenn als Planungs-
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10 Datenerhebung und -aufbereitung
größe die Einheit „Arbeitstage“ verwendet wird, muss angegeben sein, was unter einem Arbeitstag zu verstehen ist. Zum Beispiel:
1 Arbeitstag entspricht einer effektiven Arbeitsleistung von 6 Stunden 1 Arbeitstag entspricht einer effektiven Arbeitsleistung von 8 Stunden Weiterhin ist es empfehlenswert, innerhalb eines Unternehmens eine einheitliche Definition der Aufwandgröße anzustreben, diese klar festzulegen und im Unternehmen zu kommunizieren. Somit wird einerseits die Vergleichbarkeit des Aufwands von konkurrenzierenden Projekten ermöglicht und andererseits die einheitliche Erstellung und konsistente Anwendung von Kostensätzen für die finanzielle Quantifizierung des Zeitaufwands sichergestellt. Das „Modell des externen Dienstleisters“ hat in der Praxis eine starke Durchdringung und wird auch von unternehmenseigenen InformatikOrganisationen verwendet. Dies hat mehrere Ursachen.
Zum einen unterbreiten auch interne Organisationen ihren internen Kunden „ein Angebot“ und diese Angebote werden oftmals mit externen Anbietern verglichen. Zum anderen begünstigen die heutigen Organisationsformen (z.B. Informatik als Profit-Center oder rechtlich selbstständige Organisation) die Anwendung des „externen Modells“. 10.2.4 Kalkulation der internen Kosten (Kostenkalkulation)
Wenn der interne Arbeitsaufwand geschätzt und spezifiziert ist, kann eine finanzielle Bewertung dieses Aufwands erfolgen. Da es für die internen Mitarbeiter keine abrufbereiten Tages- oder Jahressätze gibt, wie dies bei Angeboten von externen Dienstleistern der Fall ist, müssen auf Basis der unternehmenseigenen Kostenstruktur repräsentative Durchschnittssätze für die internen Personalkosten gebildet werden. Die Berechnung dieser Sätze wird in der Regel von der Controlling-Abteilung auf Basis der Kostenstellen-/Kostenartenrechnung durchgeführt. Um den Leser mit den wertbestimmenden Aspekten einer solchen Kalkulation vertraut zu machen, wird zunächst erläutert, wie ein externer Dienstleister eine Kostenpauschale für seine Projektmitarbeiter ermittelt. Folgende Faktoren müssen für die Festlegung einer solchen Pauschale berücksichtigt werden:
Mitarbeiterstruktur: Anzahl der insgesamt beschäftigten Personen und Anzahl der Mitarbeiter, die im Kundenauftrag arbeiten (Mitarbeiter, die verrechnet werden; im Folgenden als „Dienstleistungsmitarbeiter“ bezeichnet).
10.2 Ermittlung der Kosten
273
Kostenstruktur: Gesamtkosten für den Geschäftsbetrieb (z.B. Gehälter, Arbeitsplatzkosten, Gebäudekosten, Administrationskosten, InformatikKosten, etc.).
Verrechnungsintensität: Verrechenbarer Anteil des Beschäftigungspensums (240 Arbeitstage = Gesamtarbeitszeit) der Dienstleistungsmitarbeiter. In der Regel können 80 - 85 % der Gesamtarbeitszeit eines Dienstleistungsmitarbeiters verrechnet werden. Die vereinfachte Berechnung des kostendeckenden Tagessatzes für einen „Dienstleistungsmitarbeiter“ wird in Ź Abb. 10.7 gezeigt.
Abb. 10.7 Vereinfachte Tagessatz-Ermittlung eines externen Dienstleisters
Die Ermittlung von durchschnittlichen Kostensätzen für die internen Arbeitskräfte erfolgt in der Regel abteilungsspezifisch nach den vergleichbaren Maßstäben wie die Kalkulation bei einem externen Dienstleister. Es werden die gleichen Faktoren für die Kalkulation herangezogen:
Mitarbeiterstruktur: Der „Overhead“ der Abteilung muss berücksichtigt werden. Die Kosten der Abteilungsmitarbeiter, die für Management und Administration zuständig sind und deshalb nicht in Projekten mitarbeiten, müssen umgelegt werden.
Kostenstruktur: Die spezifische Kostenstruktur einer Abteilung und ihrer Mitarbeiter muss berücksichtigt werden. Dazu gehören sowohl die primären Kosten, als auch sekundäre Kosten (Umlagen).
Verrechnungsintensität: Die verplanbare Projektarbeitszeit der internen Dienstleistungsmitarbeiter muss nicht in jedem Fall bekannt sein. Im Unterschied zu einem externen Dienstleister, der nur für das kontraktierte Arbeitspensum bezahlt wird, werden interne Dienstleistungsmitarbeiter zeitunabhängig, entsprechend ihrem Anstellungsverhältnis und Arbeitsvertrag, entlohnt. Erfolgt die Spezifikation des internen Aufwands auf Basis des „Internen Dienstleistungsmodells“, so ist die effektiv geleistete Projektarbeitszeit der internen Mitarbeiter unerheblich für die Kostenkalkulation.
274
10 Datenerhebung und -aufbereitung
In Ź Abb. 10.8 werden die wesentlichen Primär- und Sekundärkosten aufgeführt, die in eine Kalkulation des Durchschnittssatzes einfließen sollten. Primärkosten
Sekundärkosten
Lohn und Gehalt
Informatik-Umlagen:
Aufwendungen für Sozialversicherung Aufwendungen für Pension
Arbeitsplatzrechner (Desktop; Notebook)
Freiwillige Leistungen für alle Mitarbeiter
Netzwerkanschluss schluss),
Monatspauschalen und Gesprächsgebühren für Handy, Blackberry oder PDA (in der Regel vernachlässigbar)
E-Mail-Account und Mailbox
Geschäftswagen und alle damit verbundenen Unkosten Projektunspezifische Bonuszahlungen* Projektunspezifische Reisekosten* Projektunspezifische Weiterbildungskosten* Projektunspezifische Abfindungszahlungen* Kosten für die Relokation von Mitarbeitern* *Projektspezifische Kosten für Bonuszahlungen, Reisen, Weiterbildung, Abfindung und Relokation werden separat im Projektbudget angesetzt und ausgewiesen. Diese Kosten sollten deshalb nicht mehr für eine Durchschnittssatzberechnung herangezogen werden.
(LAN-An-
Datenspeicher Remote-Access Gebäude/Büro-Umlagen: Anteilige Kosten für Büromöbel und Bürogrundfläche Anteilige Kosten für Energieaufwendungen, Reinigung, Gebäudewartung und –instandhaltung (meistens entsprechend der beanspruchten Arbeitsplatz-Grundfläche) Firmensitz/Standort-Umlagen: Allgemeine Dienste (Site Services) Personalabteilung (Human Resources) Telefon (Telephony) Post (Distribution Services)
Abb. 10.8 Mitarbeiterbezogene Primär- und Sekundärkosten
Die Controlling-Abteilung ermittelt in der Regel jährliche Durchschnittssätze, indem sie die Jahresplanung einer Kostenstelle einsieht und die personenbezogenen Kostenarten zu einem Jahrestotal zusammenfasst. Je nach Planungsansatz wird dann der Durchschnittssatz wie folgt berechnet:
Jahrestotal geteilt durch alle Mitarbeiter der Kostenstelle (Abteilung): Die Kosten für den Overhead (z.B. Manager und Administrationskräfte) sind in diesem Fall nicht im Durchschnittssatz berücksichtigt.
10.2 Ermittlung der Kosten
275
Jahrestotal geteilt durch die Anzahl der Projektmitarbeiter: Die Kosten für den Overhead sind in diesem Fall anteilig auf die verrechenbaren Mitarbeiter verteilt. Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist die so genannte „Charging Rate“, also die Rate, mit der ein interner Mitarbeiter an Projektkunden verrechnet wird. Je nach Planungsansatz (Modell des internen oder externen Dienstleisters) kann dieser Jahressatz in eine Stunden-, Tages- oder Monatspauschale umgewandelt werden. Um Interpretationsspielräume auszuschließen empfiehlt sich eine möglichst präzise Definition der Kostenkomponenten, die für die Ermittlung eines Durchschnittssatzes heranzuziehen sind bzw. herangezogen wurden. Gegebenenfalls kann die Controlling-Abteilung auch einen Einzelwert für jeden der drei folgenden Kostenblöcke ermitteln:
Primäre Personalkosten (Löhne und Lohnnebenkosten) Sekundäre Personalkosten (Umlagen) Anteiliger Overhead der Abteilung (Kosten der nicht-verrechenbaren Abteilungs-Mitarbeiter umgelegt auf die verrechenbaren „Projektmitarbeiter“). Des Weiteren sollte auf eine vollständige Erfassung aller primären Personalkosten geachtet werden. Man unterscheidet bei den Personalkosten die zwei Komponenten „Grundlöhne“ und „Lohnnebenkosten“ (Sozialkosten). Siehe dazu Ź Abb. 10.9. Nebenkostenart
Nebenkosten
Gesetzliche Sozialabgaben
Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung
Beiträge zur Berufsgenossenschaft
Mutterschaftsgeld
Pensionsvorsorge
Zuschüsse (Fahrgeld, Kantine)
Urlaubsgeld
Weihnachtsgeld
Bonuszahlungen
Freiwillige Sozialkosten
Abb. 10.9 Lohnnebenkosten
Ebenfalls von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Differenzierung zwischen internen und externen Mitarbeitern, denn nur für die internen Mitarbeiter fallen Lohnnebenkosten an.
276
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.3 Quantifizierung des Nutzens Die finanzielle Bewertung von Nutzenaspekten lässt sich im Detail so gut wie nicht generalisieren. Je nach Art des Nutzens (z.B. direkt oder indirekt finanziell quantifizierbar) oder dessen Auswirkungen (z.B. Kostenvermeidung oder Produktivitätssteigerung) müssen unterschiedlich aufwändige Verfahren angewendet werden, um konkrete finanzielle Einsparungen zu ermitteln, die mit einem Nutzen verbunden sind. 10.3.1 Direkt quantifizierbarer Nutzen
Relativ einfach bestimmen lassen sich Nutzenvorteile, die direkt in zahlungswirksamen Einsparungen resultieren. Beispielsweise die Vermeidung von bestimmten Ausgaben (Cost Avoidance Benefits) oder der Wegfall von vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für Dienstleistungen. Bei bestehenden Verträgen (z.B. Leasing oder Outsourcing) müssen die vertraglich vereinbarten Laufzeiten bzw. Kündigungsfristen beachtet werden. Beispielsweise werden Dienstleistungsverträge oftmals über einen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen. Eine vorzeitige Vertragsauflösung führt in der Regel zu Vertragsstrafen, die vom Nutzen in Abzug zu bringen sind.
Direkt quantifizierbar ist in der Regel auch der Nutzen, der aus einer Umsatzerhöhung resultiert. Ermöglicht wird ein solcher Nutzen beispielsweise durch CRM-Projekte oder durch Call-Center-Projekte. Zu beantworten ist hier die Frage: „Wie viel zusätzlicher Cashflow fließt dem Unternehmen durch den höheren Umsatz zu? Unsicherheiten bestehen in diesem Fall vor allem bei den zugrunde liegenden Annahmen. Geht man beispielsweise von einer Umsatzsteigerung in Höhe von 2 % aus, so bereitet die Quantifizierung des Nutzens in der Regel weniger Probleme als die Validierung der Steigerungsrate in Höhe von 2 %. Unabhängig davon gilt der Grundsatz: „Sales forecasts are not benefit forecasts“. Man muss berücksichtigen, dass der höhere Umsatz einen höheren Betriebsaufwand verursacht (z.B. höhere variable Kosten für den Einkauf, die Produktion, die Lagerung, den Vertrieb und für den AfterSales-Service). Die quantifizierte „Brutto-Umsatzsteigerung“ kann deshalb nicht 1:1 im Business Case als Nutzen angesetzt werden. Vielmehr muss dieser Betrag um diejenigen Zusatzaufwendungen bereinigt werden, die durch die Umsatzsteigerung induziert sind – daraus ergibt sich die „NettoUmsatzsteigerung“.
10.3 Quantifizierung des Nutzens
277
Beispiel – Phase-Out einer Entwicklungsplattform. Eine Anwendungssoftware, die gleichzeitig als Basis-Plattform für Eigenentwicklungen verwendet wurde, soll vollständig aus dem Betrieb gezogen werden (Phase-Out). Sie wird als Legacy-Umgebung angesehen und läuft auf einem veralteten Betriebssystem. In diesem Zusammenhang soll durch einen Business Case ermittelt werden, welches Vorgehen wirtschaftlich sinnvoll ist. Die folgenden Nutzenaspekte können im Fall einer vollständigen Eliminierung dieser Umgebung relativ einfach quantifiziert werden (dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erhebung der Zahlen je nach Unternehmensgröße durchaus mit einem beachtenswerten Aufwand verbunden ist). Kostenblock
Wirkung
Wert
Vermeidung von Lizenzzahlungen für Upgrades der Anwendungssoftware und der Betriebssystemsoftware
2 x während Analysezeitraum
875'000,- GE
Vermeidung von Re-Investitionen nicht geleaster Hardware (Storage und Backup)
2 x während Analysezeitraum
320'000,- GE
Wegfall von laufenden Hardware-Leasings (Server)
laufend (jährlich)
140'000,- GE
Wegfall von laufenden Software-Wartungsverträgen
laufend (jährlich)
90'000,- GE
Wegfall von laufenden Hardware-Wartungsverträgen
laufend (jährlich)
60'000,- GE
Wegfall bestehender Support- und Outsourcing-Verträge
laufend (jährlich)
700'000,- GE
Wegfall von dedizierten Stellen im Applikations-Bereich (Support, Administration, Entwicklung)
laufend (jährlich)
1.200.000,- GE
Abb. 10.10 Direkt-zahlungswirksame Nutzenvorteile
Anmerkung: Es handelt sich hier um eine Harmonisierung der Anwendungslandschaft. Da ein solches Vorhaben eine langfristige Wirkung hat, ist es durchaus sinnvoll einen Betrachtungszeitraum von 10 Jahren anzusetzen. Der laufende Nutzen wird jährlich wiederkehrend in der Investitionsrechnung angesetzt. Einmalige Nutzenvorteile werden im Jahr ihrer Fälligkeit angesetzt. Unter Umständen können – je nach Länge des Betrachtungszeitraums – einmalige Nutzenvorteile mehrmals in bestimmten Abständen (z.B. jedes vierte Jahr) eintreten.
278
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.3.2 Bewertung von Produktivitätssteigerungen
Produktivitätssteigerungen verkörpern im Hinblick auf die Beeinflussung von Kosten zunächst nur einen indirekten Nutzen. Die Auswirkung des Effizienzgewinns kann zwar in den meisten Fällen finanziell quantifiziert werden, dennoch ist der Produktivitätszuwachs zunächst nicht direkt „zahlungswirksam“ - d.h. er führt per se nicht zu einer Verbesserung der Profitabilität des Unternehmens. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie der Produktivitätsgewinn im Sinne des Unternehmens genutzt werden kann, um effektive Kostensenkungen bzw. Kosteneinsparungen zu erreichen. Gelingt es nicht, den beabsichtigten Produktivitätsschub auch tatsächlich in der betrieblichen Praxis umzusetzen, löst sich dieser buchstäblich in Luft auf. Aus diesen Gründen variiert bei den Entscheidern die Akzeptanzschwelle für pauschal geltend gemachte Produktivitätsvorteile. Die Akzeptanz der Entscheider ist dann sichergestellt, wenn man aufzeigen kann, dass der Produktivitätszuwachs durch eine der folgenden Maßnahmen tatsächlich kostenwirksam wird:
Verringerung der Stellen (die vorhandenen Mitarbeiter werden zum Beispiel in offene Positionen versetzt, d.h. Stellen die derzeit öffentlich oder intern ausgeschrieben sind)
Kompensierung von neuen Stellen, die durch das Wachstum des Unternehmens notwendig werden („organic growth“). Das heißt, es müssen nachweislich weniger neue Mitarbeiter eingestellt werden. Die Bedingungen und Annahmen für den zweiten Fall kann man beispielsweise bei der Erstellung des „Base-Case-Szenarios“ berücksichtigen („Do-Nothing“-Alternative). Die Sales & Marketing-Abteilung steuert zum „Base Case“ die erwarteten Umsätze je Periode bei. Daraus kann ermittelt werden, welche Konsequenzen dies für die Mitarbeiteranzahl hat – und wie sich demzufolge die Personalkosten entwickeln. Ebenfalls sind auf dieser Basis Prognosen für die Kosten der Hardware-Infrastruktur möglich – immer im Hinblick darauf, dass nichts unternommen wird, um die Kostensituation zu verbessern – schließlich repräsentiert der Base Case die Unterlassungsalternative. Demgegenüber steht die Investitionsalternative, bei der man nun die Gelegenheit hat aufzuzeigen, dass durch die Produktivitätsvorteile die Entwicklung der Personal- und IT-Infrastrukturkosten in einem bestimmten Umfang gebremst wird. Bei der Bewertung von Produktivitätssteigerungen kann man sich an die Ansätze der klassischen Organisationslehre anlehnen. Es empfiehlt sich in vielen Fällen ein vierstufiges Vorgehen mit den folgenden Arbeitsschritten:
10.3 Quantifizierung des Nutzens
279
Prozessanalyse: Zunächst wird die zeitliche Auswirkung der Effizienzerhöhung quantifiziert. Wieviel Zeit kann eingespart werden?
Stellenanalyse: Danach wird der Einfluss dieser Zeitersparnis auf die Arbeitsstellen ermittelt. Wieviel Stellen können durch die Effizienzsteigerung verringert werden?
Nutzenbewertung: Schließlich wird der finanzielle Vorteil ermittelt, der sich durch die Stellenverringerung ergibt. Welcher Betrag kann durch die geringere Stellenanzahl einspart werden?
Unkostenanalyse: Abschließend werden etwaige Folgekosten ermittelt, die sich durch die Veränderung ergeben. Diese Kosten müssen bei den Projektkosten hinzugerechnet werden. Welche Unkosten entstehen durch die Umschichtung bzw. durch die Auflösung von Stellen? Im Folgenden soll diese Vorgehensweise anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Beispiel – Harmonisierung der IT-Service-Management-Applikationen. Die Informatik-Organisation eines internationalen Konzerns richtet sich global aus. Im Zuge dieser Globalisierung soll auch das IT-ServiceManagement über alle Ländergesellschaften hinweg vereinheitlicht werden. Dazu werden zum einen globale Prozesse definiert (ProzessHarmonisierung) und zum anderen wird eine globale Applikation für das Service-Management eingeführt (Software-Standardisierung). Die bisher dezentral betriebenen Anwendungslösungen von verschiedenen SoftwareLieferanten sollen abgelöst werden. Als Hauptnutzen dieser Umstellung erwartet man eine deutliche Produktivitätssteigerung in diesem Bereich. Schritt 1 – Prozessanalyse: Die Intensität von Effizienzsteigerungen ist nur in den wenigsten Fällen direkt „ersichtlich“. Vielmehr bedarf es einer gewissenhaften Untersuchung der betroffenen Prozesse, um die Auswirkungen abschätzen zu können, die das geplante Vorhaben auf die vorhandenen Abläufe hat. Erst dadurch wird man in die Lage versetzt, haltbare und detaillierte Aussagen über Zeiteinsparungen zu treffen. Im Rahmen einer Prozessanalyse wird deshalb als erstes die zeitliche Auswirkung der Effizienzsteigerung ermittelt. Grundlagen Anzahl der jährlichen Bearbeitungsfälle (Tickets):
657’000
Durchschnittliche Bearbeitungszeit:
1 Stunde
280
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Berechnung der Zeiteinsparung Die Prozessanalyse hat gezeigt, dass nur jedes fünfundzwanzigste Ticket von globalen Prozessen profitiert.
657’000 / 25 = 26’280 Tickets
Die Prozessanalyse hat gezeigt, dass die Bearbeitungszeit dieser Problemfälle um 0.5 Stunden reduziert werden kann.
26’280 Tickets * 0.5 Std. = 13’140 Stunden
Produktivitätssteigerung in Stunden
13'140 Stunden
Durch diese Analyseschritte ist der Produktivitätszuwachs nun quantifiziert und greifbar geworden. In Stunden ausgedrückt, beläuft er sich auf ca. 13.000 Arbeitsstunden. Es ist nun nahe liegend, die finanzielle Bewertung dieses Produktivitätspotentials durch die Anwendung von Durchschnittssätzen vorzunehmen. Hierzu gibt es die folgenden Möglichkeiten. Möglichkeit a) Berechnung auf Stundenlohnbasis Durchschnittlicher Stundenlohn
24,- GE
Zeiteinsparung multipliziert mit Stundenlohn
13'140 Stunden x 40,- GE = 525'000,- GE
Wert der Produktivitätssteigerung
525.000,- GE (gerundet)
Möglichkeit b) Berechnung auf Jahreslohnbasis Durchschnittlicher Jahresarbeitslohn
315'000,- GE
Stunden in Arbeitstage umrechnen
13'140 Stunden / 8 = 1'642,50 Tage
Arbeitstage in Personenjahre (FTE) umrechnen
1'642,50 Tage / 200 Jahresarbeitstage = 8.2 FTE
Personenjahre mit Jahreslohn multiplizieren
8.2 FTE x 64.000,- GE = 525'000,- GE
Wert der Produktivitätssteigerung
525'000,- GE (gerundet)
Den finanziell bewerteten Produktivitätsgewinn in Höhe von ca. 315.000,GE könnte man nun in den Business Case einsetzen. Man muss sich dann jedoch bewusst sein, dass man bei einer derartigen Vorgehensweise den Entscheidern eine berechtigte Angriffsfläche bietet – unter anderem wegen mangelnder Nachvollziehbarkeit zwischen dem ermittelten Produktivitätswert und einer tatsächlichen (messbaren und nachweislichen) Kosteneinsparung. Folgende Punkte sind beispielsweise vollkommen offen:
10.3 Quantifizierung des Nutzens
281
Umsetzbarkeit: Durch welche Maßnahmen soll erreicht werden, dass sich der festgestellte Nutzen tatsächlich einstellt?
Messbarkeit: Wie kann man messen, ob dieser finanzielle Vorteil tatsächlich nach der Projektrealisierung eintritt?
Eigentümerschaft (Ownership): Zu wessen Lasten geht diese Kostensenkung? In wessen Verantwortungsbereich fallen die Kürzungen? Ist der entsprechende Abteilungsleiter mit der Kürzung einverstanden? Es bestehen also einige offene Fragen. Haltbarer sind Nutzenvorteile, die zu nachweislichen Kostenreduktionen führen und bei denen die Eigentümerschaft bzw. Verantwortlichkeiten klar erkennbar sind. Man unterliegt einem Irrtum, wenn man der Ansicht ist, dass sich der ermittelte Produktivitätsgewinn in Höhe von 315.000,- GE „schon irgendwie einstellen wird“ – quasi automatisch als Folge der Projektdurchführung. Dem ist nicht so. Es besteht deshalb die Notwendigkeit, den Nutzen konkreter zu formulieren. Schritt 2 – Stellenanalyse: Mit diesem Arbeitsschritt wird festgestellt, wie sich das mit Hilfe des Projektes freigesetzte Produktivitätspotential in Höhe von 13.000 Stunden auf die Stellenlandschaft auswirkt (vorhandene Stellen und evtl. zukünftige zu schaffende Stellen). Dazu müssen die Stunden auf Stellen umgerechnet werden. Hierbei gibt es einige limitierende Faktoren zu beachten. Beispielsweise: Auslastungsgrad der Mitarbeiter: Wenn die Mitarbeiter zur Zeit überdurchschnittlich ausgelastet sind (beispielsweise durch einen vorausgegangenen Einstellungsstopp), wird entweder der gesamte Produktivitätsgewinn oder ein Teil davon durch die notwendige Normalisierung des Arbeitspensums absorbiert. Es kann sein, dass in einem solchen Fall die erwartete Kostenreduktion teilweise oder ganz ausbleibt. Obwohl sich dennoch ein Nutzen ergibt, denn es werden Neueinstellungen vermieden (d.h. ein Kostenanstieg kann verhindert werden), kann man der Erwartungshaltung des Managements (Fokus auf Kostenreduktion) nicht ohne weiteres nachkommen. Anzahl der Mitarbeiter pro Abteilung bzw. Verteilung der Mitarbeiter auf Niederlassungen: Je nach Beschaffenheit der Organisationsstruktur, ist es einfacher oder schwieriger, das Produktivitätspotential 1:1 auf Stellen zu übertragen und die Stellenanzahl zu reduzieren. Beispielsweise wenn sich ein bestimmter Teil der zuvor aufgeführten 13.000 Stunden auf 10 Niederlassungen verteilt und deshalb pro Niederlassung die Stundenanzahl nicht ausreicht, um eine volle Stelle einzusparen.
282
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Der „Headcount“ als kleinste Einheit: Die Praxis lässt es in der Regel nicht zu, dass man einen Stelleninhaber „aufteilt“, wenn beispielsweise das Ergebnis der Stundenumrechnung ist, dass eine Stelle zu 60 % eingespart werden kann. Möglich ist auch, dass die Stundenumrechnung für eine Abteilung in Niederlassung A ein Resultat von 3.6 Stellen und für eine andere Abteilung in Niederlassung B 2.4 Stellen ergibt. Was nun? Man kann in diesem Fall nur auf 5 Stellen verzichten. Der „theoretische“ Effizienzgewinn in Höhe einer weiteren Stelle (0.6 + 0.4) kann in der Praxis unter normalen Umständen nicht realisiert werden (eine mögliche Ausnahme wäre die Schaffung einer Halbtagsstelle). Diese Faktoren und weitere firmenspezifische Gegebenheiten sind bei der Stellenanalyse zu berücksichtigen und führen schlussendlich zu einer konkreten Stellenanzahl, die als Maßstab für den finanziellen Wert des Produktivitätspotentials dient. Die im Rahmen des Anwendungsbeispiels durchgeführte Stellenanalyse zeigt folgendes Ergebnis: Niederlassung / Abteilung
Anzahl Stellen
Stunden
Stammsitz / Support
3
4.608 (3 x 1536)
Stammsitz / Call Center
1
1.536
Niederlassung A
1
1.536
Niederlassung B
1
1.536
Niederlassung C
0.5
768
Niederlassung D
-
-
…
…
…
…
…
…
Niederlassung I
-
-
Total
6.5
9.984
Fazit: Die initial ausgewiesene Produktivitätssteigerung von 13.000 Stunden führt im Unternehmen zu einer Reduktion von 6.5 Stellen (6 Vollzeitund 1 Halbtagsstelle). Dies entspricht ca. 10.000 Stunden. Es ist demnach nicht möglich, in der betrieblichen Praxis dass „theoretische Produktivitätspotential“ von 13.000 Stunden vollständig auszuschöpfen. Schritt 3 – Nutzenbewertung: Auf Basis der zuvor identifizierten Stellen erfolgt nun die Bewertung der Kosteneinsparung, welche durch die Produktivitätssteigerung möglich wird. Dazu müssen in einem ersten Arbeitsgang von der Controlling-Abteilung die Durchschnittssätze der jeweiligen Berufstypen für die in Frage kommenden Firmenstandorte ermittelt werden. Datenbasis für diese Durchschnittssätze ist in der Regel die Kostenstellenrechnung.
10.3 Quantifizierung des Nutzens
283
Ein entscheidender Aspekt für eine korrekte Anwendung von Durchschnittssätzen ist die Trennung von primären und sekundären Kosten. Die so genannten „Vollkosten“ (engl.: „fully loaded costs“) ergeben sich aus der Zusammenführung dieser beiden Kostenblöcke. Die Trennung ist deshalb wichtig, weil in vielen Fällen eine Personalreduktion lediglich zu einer Senkung der primären Kosten führt, nicht jedoch der sekundären „Folgekosten“ (Informatik-Umlagen, Gebäude- und Büro-Umlagen, Standort-Umlagen). Selbst wenn sich der Nutzen in Form einer Vermeidung von Personaleinstellungen manifestiert, sind hierfür nur die primären Personalkosten als geldwerter Vorteil anzusetzen. Niederlassung / Abteilung Stammsitz / Support Stammsitz / Call Center Niederlassung A Niederlassung B Niederlassung C Niederlassung D … … Niederlassung I
Primärkosten 70.000,65.000,55.000,60.000,45.000,… … -
Sekundärkosten 12.000,8.000,6.000,7.000,5.000,… … -
Vollkosten 82.000,73.000,61.000,67.000,50.000,… … -
Die Durchschnittssätze werden nun pro Standort auf die identifizierten Stellen angewendet. Niederlassung / Abteilung Stammsitz / Support Stammsitz / Call Center Niederlassung A Niederlassung B Niederlassung C Niederlassung D … … Niederlassung I
Stellen 3 1 1 1 0.5 … … -
Durchschnittssatz (Primärkosten) 70.000,65.000,55.000,60.000,45.000,… … -
Einsparung 210.000,65.000,55.000,60.000,22.500,… … 412.000,- (gerundet)
Zwischen dem nun vorliegenden Gesamtnutzen in Höhe von 412.000,- GE und dem ursprünglich ermittelten Nutzen von 525.000,- GE zeigt sich ein deutlicher Unterschied (etwa 25 %).
284
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Die vorangegangenen Erläuterungen haben verdeutlicht, dass die verlässliche Quantifizierung von Produktivitätssteigerungen eines wohlüberlegten methodischen Ansatzes bedarf. Zusammenfassend wird in Ź Abb. 10.11 ein entsprechendes Vorgehensmodell gezeigt.
Abb. 10.11 Methodik für die Bewertung von Produktivitätssteigerungen
Wie die gewonnene Bearbeitungseffizienz schlussendlich im Rahmen des Projekts realisiert wird, ist wiederum sehr stark vom Unternehmenskontext abhängig:
Bei einem Unternehmen, das sich nicht in einer Wachstumsphase befindet, kann der ermittelte Kostenvorteil nur dann realisiert werden, wenn die Anzahl der Stellen tatsächlich im vorgegebenen Umfang reduziert wird, wobei hervorzuheben ist, dass eine Stellenreduktion nicht zwangsweise mit dem Abbau von Mitarbeitern einhergeht. Es ist ausreichend, wenn die betroffenen Mitarbeiter für Positionen in anderen Bereichen verwendet werden, die derzeit intern oder extern ausgeschrieben sind (entsprechende Qualifikation vorausgesetzt). Es handelt sich in diesem Fall um die Besetzung von offenen Stellen.
Bei einem wachsenden Unternehmen kann durch den Produktivitätszuwachs die Einstellung von neuen Mitarbeitern entfallen. Der Nutzen besteht in diesem Fall in einer unmittelbaren Kostenvermeidung (Cost Avoidance Benefit). Im Idealfall ist das Wachstum so intensiv, dass dadurch die ermittelte Stellenverringerung in vollem Umfang kompensiert
10.3 Quantifizierung des Nutzens
285
werden kann. Ansonsten besteht zumindest teilweise die Möglichkeit die Zahl der effektiv zu reduzierenden Stellen durch das Wachstum zu verringern. Das organische Wachstum („organic growth“) ist also eine valide Messlatte, um Produktivitätsvorteile geltend zu machen. Schlussendlich kommt es in beiden Situationen zu einer Kostensenkung. Denn das Unternehmen benötigt nach der Durchführung des Projekts in jedem Fall entsprechend weniger Mitarbeiter bzw. würde mehr Mitarbeiter benötigen, wenn das Projekt nicht umgesetzt würde. Schritt 4 – Unkostenanalyse: „Kostenreduktionen kosten Geld“. Bei der Analyse der Nutzenseite mit fokussiertem Blick auf Kostenreduktionen darf man nicht vergessen, dass Personalveränderungen unter Umständen mit Folgekosten verbunden sein können. Werden beispielsweise Stellen aufgehoben und die jeweiligen Mitarbeiter in andere offene Stellen im Unternehmen versetzt, so resultieren daraus eventuell Kosten für die Einlernung oder Umschulung oder Kosten für den Umzug in eine andere Niederlassung (in einem anderen Land). Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass man Mitarbeitern einen „Verbleibe-Bonus“ („retention bonus“) anbietet, damit diese das Unternehmen nicht sofort, sondern erst nach Projektabschluss verlassen. Weitere mögliche Folgekosten sind in Ź Abb. 10.12 aufgeführt. Personenbezogene Investitionskosten (HR-Costs) Aufwendungen für Verbleibe-Boni (Retention Bonus) Umzugskosten und Verlegekosten (Relocation Costs) Abfindungen (Severance Payments) Kosten für Früh-Pensionierungen (Retirement Costs) Kosten für die Einlernung von Mitarbeitern nach einem Job-Wechsel (Re-Training Costs) Personalvermittlungskosten (als Angebot für Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen) Personalvermittlungskosten für die Anwerbung neuer Mitarbeiter (Recruitment Costs) Abb. 10.12 Durch Personalveränderungen induzierte Zusatzkosten
Entsprechende Modelle und Annahmen für die Quantifizierung dieser Kostenfaktoren müssen gemeinschaftlich mit der Personalabteilung (HRAbteilung) ausgearbeitet und im Business Case auf der Kostenseite ausgewiesen werden (diese Kosten gehören zu den Projektkosten). Aus Gründen der Transparenz darf keine Verrechnung mit dem jeweiligen Nutzen vorgenommen werden.
286
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.3.3 Bewertung von Veränderungen der Lagerbestände
Im Folgenden soll stellvertretend für vergleichbare Quantifizierungsproblematiken eine Methodik beschrieben werden, aus der eindeutig bestimmte und rückverfolgbare KPIs (Key Performance Indicator) hervorgehen. Die Wesensmerkmale dieser Methode sind generischer Natur und lassen sich auch auf andere Situationen übertragen. Informatik-Projekte, die „business-getrieben“ sind, können in bestimmten Fällen zu einer investitionsbedingten Abnahme oder Zunahme der Lager führen. Beispielsweise verfolgen einige IT-Projekte im Bereich des „Supply-Chain-Managements“ als Haupt- oder Nebenziel die Reduktion der Lagerbestände und werden dadurch mittelbar zum Auslöser für Veränderungen des Netto-Umlaufvermögens.
Abb. 10.13 Berechnung des Netto-Umlaufvermögens
In Ź Abb. 10.13 ist dargestellt, in welchem Zusammenhang das Lager zum Netto-Umlaufvermögen steht. Eine gängige Problematik bei Nutzenvorteilen aus Lagerreduktionen ist die Definition einer sinnvollen Zielvorgabe für die beabsichtigte Veränderung der Lagermenge. Wir wollen uns im Folgenden dieser Problematik schrittweise nähern und die verschiedenen Möglichkeiten anhand eines Praxisbeispiels erläutern. Praxisbeispiel: Als Ausgangslage soll folgende Situation angenommen werden: Ein Unternehmen will im aktuellen Jahr ein Supply-Chain-Projekt ausführen, welches unter anderem zu einer Reduktion der Lagerbestände führt. Die Prognosen zum Geschäftsverlauf im aktuellen Jahr lauten wie folgt:
Der durchschnittliche jährliche Lagerbestand wird voraussichtlich 500.000,- GE betragen.
Es wird mit einem Umsatz von 3.000.000,- GE gerechnet. Die Kosten der verkauften Produkte (COGS = Cost of Goods Sold) werden sich auf 2.000.000,- GE belaufen. Zunächst wollen wir die Frage klären, wie der Lagerbestand bewertet wird und wie diese Bewertung mit den „Kosten der verkauften Produkte“
10.3 Quantifizierung des Nutzens
287
zusammenhängt. Die Bewertung der Vorräte (Rohmaterial, Halbfabrikate und Fertigfabrikate) erfolgt zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nach dem Niederstwertprinzip (Lower of Cost or Market). Bei selbstgefertigten Waren setzen sich die Herstellkosten aus den direkten Materialkosten, den Materialgemeinkosten, den Fertigungsgemeinkosten (indirekt produktive Mitarbeiter, Abschreibungen, Produktionsplanung und -steuerung) zusammen. Anteilige Kosten für Vertrieb und Verwaltung sind nicht den Produktkosten hinzuzurechnen.
Beim wertmäßig spezifizierten Lagerbestand handelt es sich also um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Produkte, die sich im Lager befinden. Alle variablen und fixen Kostenanteile, die mit der Güterproduktion verbunden sind, werden dabei berücksichtigt.
Bei den „Kosten der verkauften Produkte“ (Cost of Goods Sold) handelt es sich ebenfalls um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, allerdings diesmal der Produkte, die in einer bestimmten Periode verkauft wurden. Eine gültige Bezeichnung wäre deshalb auch „Herstellkosten verkaufter Produkte“. Diese Geschäftszahlen sind in Ź Abb. 10.14 im „Jahr 0“ reflektiert. Gleichzeitig sind in der Abbildung auch die Prognosen für die folgenden Geschäftsjahre angegeben. Prognose - Umsatz und Kosten der verkauften Produkte Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Umsatz
3'000'000
3'250'000
3'375'000
3'625'000
3'750'000
4'000'000
Kosten der verkauften Produkte
2'000'000
2'125'000
2'187'500
2'375'000
2'750'000
3'125'000
Lagerbestand
500'000
Veränderung in %
Abb. 10.14 Prognose für den Geschäftsverlauf
Bewertungsverfahren 1 – Prozentual oder absolut definierte Lagerreduktion. Um nun die Intention „Reduktion der Lager“ greifbar zu machen, könnte man das Ziel formulieren, die Lagermengen durch das Projekt um 10 % zu verringern (Anm.: es kann auch eine absolute Zahl definiert werden; beispielsweise eine Reduktion von 100.000,- GE Warenwert; aus Sicht der im Folgenden beschriebenen Problematik macht dies keinen Unterschied). Die Zielvorgabe (10 % Reduktion) wird mit dem Projektteam verbindlich festgelegt und die Leistung der Team-Mitglieder wird anhand dieses Kriteriums beurteilt. Eine erste Messung der Zielerreichung wird am Ende des Geschäftsjahres „Jahr 1“ durchgeführt. Dort zeigt sich das in Ź Abb. 10.15 dargestellte Ergebnis.
288
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Aktuelle Zahlen - Lagerbestände Lagerbestand
Jahr 0
Jahr 1
550'000
475'000
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
-14%
Veränderung in %
Abb. 10.15 Aktuelle Zahlen der Lagerbestände im Jahr 1
Das Projektteam hat demnach die Zielvorgabe nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten – und fordert einen Bonus für die herausragende Leistung. Auf den ersten Blick scheint die Bonus-Forderung berechtigt. Um diesen Anspruch zu prüfen, bringen wir die Lagerreduktion in einen größeren Kontext und ergänzen den Betrachtungshorizont um die Umsatzentwicklung und die Kosten der verkauften Produkte. Dies wird in Ź Abb. 10.16 gezeigt. Aktuelle Zahlen - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
2'875'000
3'250'000
1'900'000
2'100'000
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte
Veränderung in %
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
13%
Veränderung in % Lagerbestand
Jahr 2
11% 550'000
475'000 -14%
Abb. 10.16 Aktuelle Zahlen der Gesamtsituation im Jahr 1
Aus der Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass das Projektteam die Zielvorgabe nur scheinbar erfüllt hat. Der Abverkauf im „Jahr 0“ hat sich zwar nicht so gut entwickelt wie vorausgesehen, die Prognosen für das „Jahr 1“ konnten jedoch erfüllt werden. Der Abverkauf (gemessen an den Kosten der verkauften Produkte) ist um 11 % gestiegen. Da die verkauften Produkte aus dem Lager entnommen werden, hat sich der Lagerwert „quasi automatisch“ um 200.000,- GE verringert (2.100.000 - 1.900.000 ergibt einen um 200.000 höheren Abverkauf im Jahr 1). Das Projekt hat zu dieser Reduktion in Höhe von 200.000,- GE keinen Beitrag geleistet, denn es waren lediglich die höheren Verkäufe, die zu dieser Lagerabnahme geführt haben. Unter diesem Blickwinkel muss die Leistung des Projekts als sehr schlecht bzw. als nicht erkennbar eingeordnet werden. Denn relativ zur veränderten Verkaufssituation wäre ein Lagerwert von 350.000,- GE (550.000 Lagerwert im „Jahr 0“ abzügl. 200.000 höherer Abverkauf im „Jahr 1“) die korrekte Messlatte für das Projekt. Das Projekt wäre demnach erfolgreich gewesen, wenn man einen Lagerwert von 315.000,- GE (350.000 abzügl. 10 %) erreicht hätte. Der momentane Lagerwert ist jedoch mit 475.000,- GE deutlich höher.
10.3 Quantifizierung des Nutzens
289
Fazit: Das Projekt hat sein Wirtschaftlichkeitsziel nicht erreicht. Es wird deutlich, dass ein direkt auf den Lagerwert ausgerichtetes Zielwertkriterium, egal ob prozentual oder absolut spezifiziert, keine sinnvolle Ausgangsbasis darstellt. Eine Erfolgsmessung anhand einer solchen Zielvorgabe ist in der Praxis nicht überprüfbar. Die Problematik kann sich sogar noch weiter verschärfen und die Zusammenhänge können noch unübersichtlicher werden, wie die folgende Weiterführung des Beispiels zeigt: Nachdem sich herausgestellt hat, dass das Projekt im „Jahr 1“ keine Wirkung gezeigt hat, hält man trotzdem an der Zielvorgabe (10 % Reduktion) fest und führt sofortige Nachbesserungen durch. Im „Jahr 2“ werden erneut die aktuellen Zahlen zusammengestellt. Es zeigt sich nun das in Ź Abb. 10.17 dargestellte und beunruhigende Bild – das Lager ist um 5 % gewachsen. Aktuelle Zahlen - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager
Lagerbestand
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
550'000
475'000
500'000
-14%
5%
Veränderung in %
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Abb. 10.17 Aktuelle Zahlen im Jahr 2
Als Konsequenz wird das Projekt umgehend abgebrochen und die TeamMitglieder werden in den „operativen Dienst“ zurückversetzt. Zu Recht? Um zu prüfen, ob der Projektabbruch gerechtfertigt ist, verlegen wir den Fokus der Betrachtung erneut auf das Gesamtbild und analysieren die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Einflussfaktoren. In Ź Abb. 10.18 sind die entsprechenden Zahlen dargestellt. Aktuelle Zahlen - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
2'875'000
3'250'000
2'750'000
13%
-15%
1'900'000
2'100'000
1'875'000
11%
-11%
550'000
475'000
500'000
-14%
5%
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte Veränderung in % Lagerbestand Veränderung in %
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Abb. 10.18 Aktuelle Zahlen der Gesamtsituation im Jahr 2
Der Umsatz und demzufolge auch die Kosten der verkauften Produkte haben im Jahr 2 einen deutlichen Einbruch erlitten. Gemessen an den Kosten der verkauften Produkte wurden im Jahr 2 Waren im Wert von 225.000,- GE (2.10.000 abzgl. 1.875.000) weniger verkauft. Diese Waren sind also im Lager geblieben – und der Lagerwert müsste sich um 225.000,- GE erhöht haben. Tatsächlich hat sich jedoch der Wert des Lagers nur um 25.000,- GE erhöht (500.000 abzüglich 475.000 Lagerwert im „Jahr 1“).
290
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Offensichtlich hat sich also neben den verkaufsbedingten Lagerbewegungen eine (noch unerklärliche) Veränderung ergeben. Ohne diese Veränderung würde sich der in Ź Abb. 10.19 gezeigte Lagerbestand ergeben. Lagerbestand [ohne Veränderung] =
Lagerbestand "Jahr 1"
Lagerbestand [ohne Veränderung] =
475.000,-
Lagerbestand [ohne Veränderung] =
700.000,-
Veränderung gegenüber Vorjahr
+ Erhöhung durch weniger verkaufte Produkte +
225.000,-
47%
Abb. 10.19 Aktuelle Zahlen der Gesamtsituation
Aus dieser Betrachtung geht hervor, dass sich der Lagerbestand ohne die derzeit noch ungeklärte Veränderung um 47 % erhöht hätte. Effektiv hat sich aber nur eine Erhöhung um 5 % ergeben – immerhin eine Differenz von rund 40 %. Bereinigt um die Anpassung der Produktionsgeschwindigkeit, die als Sofortmaßnahme beim Absinken der Verkaufszahlen veranlasst wurde, beträgt die Differenz noch 15 % und dieser Anteil ist auf die erfolgreiche Projektarbeit zurückzuführen, wenn andere Effekte ausgeschlossen sind. Fazit: Die durch das Projekt ergriffenen Maßnahmen waren demnach erfolgreich und haben zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lagersituation geführt. Das Projektteam hat die Zielvorgabe sogar übererfüllt. Das Projekt war auf einem guten Weg und ein Abbruch nicht gerechtfertigt. Trotzdem ist festzuhalten, dass erneut die Volatilität der Verkaufszahlen als unberechenbarer äußerer Einflussfaktor, eine objektive und eindeutige Zielbewertung unmöglich gemacht hat. Während anhand dieses bewusst einfach gehaltenen Praxisbeispiels die Vernetzung der einzelnen Faktoren und die Konsequenzen dieser Vernetzung noch transparent und erklärbar sind, ist dies in der Praxis nicht mehr gegeben. In der betrieblichen Realität würde eine solche Vorgehensweise (beginnend mit der falschen Wahl des Zielkriteriums) zu endlosen und unlösbaren Diskussionen zwischen den Beteiligten führen. Bewertungsverfahren 2 – Lagerreduktion definiert in Form einer Verhältniszahl. An dieser Stelle soll deshalb eine methodisch sinnvolle Vorgehensweise beschrieben werden, mit der man sich dem Dilemma der unbefriedigenden Nachvollziehbarkeit entziehen kann. Der prinzipielle Ansatz ist, eine stabile und neutrale Bezugsgröße zu ermitteln, die weitgehend unabhängig von äußeren Einflussfaktoren ist. Im beschriebenen Beispiel verkörpern die volatilen Verkaufszahlen eine solche „äußere Größe“.
10.3 Quantifizierung des Nutzens
291
Nachfolgend wird für die Zielwertfestlegung und die Nutzenquantifizierung mit einem Set von Lager-spezifischen Kennzahlen gearbeitet. Parameter
Einheit
Kosten der verkauften Produkte (Cost of Goods Sold; COGS)
Geldeinheiten (GE)
Ø Lagerbestand in einem Jahr (Average Inventory Level)
Geldeinheiten (GE)
Umschlagshäufigkeit (Inventory Turns)
x / Jahr
Umschlagsdauer (Coverage Days of Inventory; CDI)
Tage
Zinsen für das gebundene Kapital
Prozent
Zinsaufwand für das gebundene Kapital
Geldeinheiten (GE)
Abb. 10.20 Analyseparameter
Zur Erläuterung des hier vorgeschlagenen Bewertungsverfahrens rufen wir uns erneut die Details des Praxisbeispiels in Erinnerung:
Der durchschnittliche jährliche Lagerbestand wird voraussichtlich 500.000,- GE betragen.
Es wird mit einem Umsatz von 3.000.000,- GE gerechnet. Die Kosten der verkauften Produkte (COGS = Cost of Goods Sold) werden sich auf 2.000.000,- GE belaufen. Gesucht ist nun der KPI (Key Performance Indicator) „x“, der von denjenigen Rahmenparametern entkoppelt ist, die nicht durch das Projekt beeinflussbar sind. Zur Herleitung einer solchen Messgröße orientieren wir uns an den klassischen Lagerkennzahlen und berechnen zunächst die Umschlagshäufigkeit gemäß der in Ź Abb. 10.21 angegebenen Formel.
Abb. 10.21 Berechnung der Umschlagshäufigkeit
Die Umschlagshäufigkeit im „Jahr 0“ beträgt demnach:
2.000.000,- / 500.000,- = 4 x im Jahr Die Umschlagshäufigkeit sagt aus, wie oft das Lager in einer Periode umgesetzt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Anzahl der Lagerumschläge“. Je öfter das Lager in einer Periode umgeschlagen werden kann, desto wirtschaftlicher ist das Lager. Kennt man die Umschlagshäufigkeit, ist es möglich die Umschlagsdauer (engl.: Coverage Days of Inventory; CDI) zu ermitteln. Diese ergibt sich aus der in Ź Abb. 10.22 gezeigten Formel.
292
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Abb. 10.22 Berechnung der Umschlagsdauer (indirekt)
Die Umschlagsdauer beträgt demnach:
360 / 4 = 90 Tage Die Umschlagsdauer besagt, wie viele Tage die Waren durchschnittlich im Lager gehalten werden. Je kürzer die durchschnittliche Lagerdauer ist, desto wirtschaftlicher ist das Lager. Die Umschlagsdauer kann auch direkt (ohne Umweg über die Umschlagshäufigkeit) anhand der in Ź Abb. 10.23 dargestellten Formel ermittelt werden.
Abb. 10.23 Berechnung der Umschlagsdauer (direkt)
Diese Umschlagsdauer ist eine sinnvolle Zielvorgabe, da sie als Verhältniszahl zwischen dem Lagerbestand und den Kosten der verkauften Produkte gebildet wird. Die Zielgröße wird dadurch von der volatilen Entwicklung der Verkaufszahlen entkoppelt. Durch Umformung der zuvor aufgeführten Formeln kann man nun eine neue Formel herleiten, anhand derer sich derjenige Lagerbestand ermitteln lässt, der bei einer bestimmten Umschlagsdauer und einer bestimmten Verkaufsmenge notwendig ist. Diese abgeleitete Formel ist in Ź Abb. 10.24 dargestellt. Diese Formel benötigen wir aus zwei Gründen:
Sie ermöglicht die vorausschauende Planung der Lagerbestände anhand von einer vorgegebenen Umschlagsdauer und prognostizierten Verkäufen.
Sie ermöglicht eine Abweichungskontrolle zwischen dem Lagerbestand, der aufgrund einer vorgegebenen Umschlagsdauer erreicht werden sollte und dem tatsächlich erreichten Lagerbestand.
Abb. 10.24 Berechnung des durchschnittlichen Lagerbestandes
Anhand des neuen „Instruments“ sind wir also erstmals in der Lage, die zukünftige Entwicklung der Lagerbestände gemäß einer Zielvorgabe (Umschlagsdauer) und gemäß den Verkaufsprognosen (Bewertet anhand der „Kosten der verkauften Produkte“) zu ermitteln. Um diese Möglichkeit am
10.3 Quantifizierung des Nutzens
293
Praxisbeispiel zu demonstrieren, wurde in Ź Abb. 10.25 der jährliche Lagerbestand für den gesamten Betrachtungszeitraum auf Basis einer Umschlagsdauer (CDI) von 90 Tagen ermittelt. Prognose - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager
Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
3'000'000
3'250'000
3'375'000
3'625'000
3'750'000
4'000'000
8%
4%
7%
3%
7%
2'000'000
2'125'000
2'187'500
2'375'000
2'750'000
3'125'000
6%
3%
9%
16%
14%
500'000
531'250
546'875
593'750
687'500
781'250
6%
3%
9%
16%
14%
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 90 Veränderung in %
Abb. 10.25 Prognose der Lagerentwicklung mit einem CDI von 90 Tagen
Möglich ist nun die folgende Zielvorgabe: „Durch das Projekt soll der CDI um 10 Tage verringert werden!“ Welche Auswirkung eine derartige Reduktion des CDI auf den zukünftigen Lagerbestand hat, kann anhand der bereits bekannten Formel einfach festgestellt werden. Für das Jahr 1 und die darauf folgenden Jahre ergeben sich bei einem CDI von 80 Tagen die in Ź Abb. 10.26 aufgeführten Lagerbestände. Prognose - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager
Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
3'000'000
3'250'000
3'375'000
3'625'000
3'750'000
4'000'000
8%
4%
7%
3%
7%
2'000'000
2'125'000
2'187'500
2'375'000
2'750'000
3'125'000
6%
3%
9%
16%
14%
531'250
546'875
593'750
687'500
781'250
6%
3%
9%
16%
14%
472'222
486'111 3%
527'778 9%
611'111 16%
694'444 14%
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 90 Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 80 Veränderung in %
500'000
Abb. 10.26 Prognose der Lagerentwicklung mit einem CDI von 80 Tagen
Die wertmäßige Veränderung zwischen einem Lagerbestand ohne Projekt – also entsprechend dem „Base Case-Szenario“ – und dem Lagerbestand mit Projekt (Investitionsszenario) kann nun durch eine einfache Differenzbildung ermittelt werden. Es ist nun ausgeschlossen, dass die Volatilität der Verkaufszahlen das Zielwertkriterium beeinflussen und damit eine eindeutige Messbarkeit unmöglich machen. Dass dem tatsächlich so ist, wollen wird in Ź Abb. 10.27 demonstrieren. Hier wurden im Sinne einer Nachbetrachtung die aktuellen Zahlen für das „Jahr 1“ nach dem Projekt erhoben. Es ist erneut zu einer Abweichung zwischen den geplanten und den aktuellen Verkäufen gekommen (geplant waren „Kosten der verkauften Produkte“ in Höhe von 2.125 Mio.; tatsächlich erzielt wurden 2.2 Mio.).
294
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Aktuelle Zahlen - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager Jahr 0
Jahr 1
3'000'000
3'300'000
2'000'000
2'200'000
Tatsächlicher Lagerbestand
500'000
480'000
Lagerbestand - wenn CDI = 90
500'000
550'000
Umsatz
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
10%
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte
Jahr 2
10%
Veränderung in %
Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 80
10% 488'889
Veränderung in %
Abb. 10.27 Aktuelle Zahlen für das Jahr 1
Dieser unerwartet erhöhte Abverkauf hat sich auch auf die Lagerbestände ausgewirkt – die Lagerbestände wurden geringer. Da dem Projektteam jedoch ein CDI-Wert als Key Performance Indicator (KPI) vorgegeben wurde, führen diese Veränderungen nicht zu einer Beeinflussung der Zielvorgabe. Es gilt immer noch, eine CDI-Reduktion von 10 Tagen zu erreichen und die daraus resultierenden Lagerbestände können leicht ermittelt werden. Bei einem CDI von 80 Tagen beträgt der Lagerbestand rund 490.000,GE (Anm.: anhand der beschriebenen Formeln kann man berechnen, welcher CDI-Wert sich daraus ergibt). Erreicht wurde jedoch ein Lagerbestand von 480.000,- GE. Das Projektteam hat also die Zielvorgabe nicht nur erfüllt, sondern sogar überboten. Anhand des vorgestellten Bewertungsverfahrens besteht also die Möglichkeit, auf nachvollziehbare Weise einen Abgleich zwischen den folgenden drei Größen durchzuführen:
CDI (Umschlagsdauer) bzw. Lagerbestand in Jahr 1, wenn das Projekt nicht durchgeführt würde.
CDI (Umschlagsdauer) bzw. Ziel-Lagerbestand in Jahr 1, wenn das Projekt entsprechend der Zielvorgabe durchgeführt wird.
CDI (Umschlagsdauer) bzw. tatsächlicher Lagerbestand in Jahr 1. Was nun noch als Aufgabe verbleibt, ist die Berechnung des finanziellen Nutzens, der sich durch eine Lagerreduktion ergibt. Dies wird im Folgenden gezeigt. Quantifizierung des finanziellen Nutzens. Die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise zur Nutzen-Quantifizierung von Lagerreduktionen kann auch verwendet werden um im Umkehrfall – also bei einer investitionsbedingten Lageraufstockung –die zusätzlichen Kosten zu ermitteln, die sich daraus ergeben (beispielsweise die Einführung eines E-Shops, aufgrund dessen höhere Lagerbestände notwendig werden).
10.3 Quantifizierung des Nutzens
295
„Lager kosten Geld“, ist die wenig überraschende betriebswirtschaftliche Konsequenz der Lagerhaltung. „Mehr Lager kosten mehr Geld und weniger Lager kosten weniger Geld“, ist die logische Konsequenz. Doch wie viel Mehr bzw. wie viel Weniger? Welche finanziellen Konsequenzen resultieren aus der Lagerhaltung? Zu nennen sind hier zwei grundverschiedene Effekte:
Lagerhaltungskosten: Gelagerte Waren verursachen Lagerhaltungskosten. Diese ergeben sich aus den in Ź Abb. 10.28 aufgeführten Kostenfaktoren. Prinzipiell gilt: Je geringer die Lagermenge, desto geringer die Lagerhaltungskosten.
Netto-Umlaufvermögen: Die in Lagern gehaltenen Waren führen weiterhin zu einer „Kapitalbindung“. In der Regel müssen die gelagerten Produkte bei Übernahme bezahlt werden bzw. sie verkörpern durch die vorgängigen Produktionsstufen einen bestimmten „Wert“. Das Geld ist also im Lager „gebunden“ und kann nicht arbeiten. Dieses gebundene Kapital, in Höhe des Warenwerts der gelagerten Produkte, ist Teil des NettoUmlaufvermögens. Eine Verringerung der Lager führt zu einer Verringerung des gebundenen Kapitals bzw. zu einer Reduktion des Netto– Umlaufvermögens und damit zu einer Freisetzung von Geldmitteln. Umgekehrt führt eine Erhöhung der Lagerbestände zu einer zusätzlichen Bindung von Geldmitteln bzw. zu einem höheren Netto-Umlaufvermögen. Kostenart Raumkosten
Kosten Beleuchtung Miete Heizung Abschreibungen (nicht im Business Case zu berücksichtigen)
Lagerbewirtschaftungskosten
Personalaufwand Erhaltung und Pflege der Bestände
Zinsaufwand
Zu leistende Zinsen für das im Lager gebundene Kapital
Sonstige Kosten
Schwund, Versicherung
Abb. 10.28 Lagerhaltungskosten
Welche finanziellen Konsequenzen resultieren aus einer Verringerung der Lagermenge? Auf Basis der zuvor angeführten Überlegungen lässt sich festhalten, dass eine Reduktion der Lagermengen zu zwei finanztechnischen Effekten führt:
296
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Verringerung der Lagerhaltungskosten (insbesondere des Zinsaufwands für das im Lager gebundene Kapital).
Verringerung des Netto-Umlaufvermögens (das im Lager gebundene Kapital wird geringer).
Die damit verbundenen Detailaspekte (Kostentreiber) sind in Ź Abb. 10.29
dargestellt.
Abb. 10.29 Auswirkungen von Lagerveränderungen
Die Abbildung weist auch auf zwei weitere wichtige Details hin:
Bei einer Veränderung des Netto-Umlaufvermögens handelt es sich um einen einmaligen Nutzenvorteil. Der Nutzen, der sich aus einer Verringerung der Lagerhaltungskosten ergibt, stellt hingegen einen laufenden Nutzen dar.
Die Nutzenaspekte „Verringerung Netto-UV“ und „Zinsaufwand für das gebundene Kapital“ stellen sich bei einer Lagerreduktion quasi automatisch ein. Weitere Nutzenaspekte (z.B Effizienzsteigerungen der Lagermitarbeiter und damit eine eventuelle Reduktion der Personalkosten) ergeben sich je nach Situation bzw. Intensität der Lagerveränderung, bedürfen einer genauen Analyse und müssen im Falle eines Nutzens durch konkrete Maßnahmen im Rahmen der „Nutzenrealisierung“ sichergestellt werden.
10.3 Quantifizierung des Nutzens
297
Es stellt sich nun die Frage, wie die aus Lagerveränderungen resultierenden Kostenvorteile oder -nachteile in der Investitionsrechnung behandelt werden. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Wie wirkt sich eine Beeinflussung der Lagerhaltungskosten und des Netto-Umlaufvermögens auf den Cashflow aus? Bevor wir anhand des Praxisbeispiels diese Auswirkungen veranschaulichen, erfolgt zuerst eine Beschreibung der Konsequenzen aus Business-Case-Sicht.
Veränderung des Netto-Umlaufvermögens: Eine lagermengenbedingte Reduktion des Netto-UV führt zu einer einmaligen Freisetzung von Geldmitteln (zusätzlicher Cashflow aus dem Geschäftsbetrieb). Die wertmäßige Lagerveränderung ist deshalb im Business Case entweder als Nutzen (bei einer Abnahme des Netto-UV) oder als Kosten (bei einer Zunahme des Netto-UV) der Investition auszuweisen. Eine Zunahme des Netto-Umlaufvermögens wird zu dem Kapitaleinsatz addiert und eine Abnahme wird als Nutzen „gutgeschrieben“ (indirekt also vom Kapitaleinsatz subtrahiert).
Lagerhaltungskosten – Zinsaufwand für das gebundene Kapital: Kapital, das im Lager gebunden ist, muss finanziert werden, d.h. für dieses Kapital werden Zinsen geschuldet. Verringert sich die Lagermenge verringert sich auch der zu leistende Zinsaufwand. Diese Einsparung ist direkt Cash-wirksam und kann als laufender Nutzen im Business Case angesetzt werden. Wobei man davon ausgehen kann, dass das im Lager gebundene Kapital zu einem großen Anteil mit kurzfristigem Fremdkapital finanziert wird, weshalb man den Fremdkapitalzins des Unternehmens ansetzen kann (dies ist eine Ausnahme von der Regel, dass Fremdkapitalzinsen nicht berücksichtigt werden). In der Praxis wird dies allerdings kontrovers diskutiert und es gibt auch Fürsprecher für die Verwendung des WACC (Weighted Average Cost of Capital) – mit der durchaus schlüssigen Begründung, dass sich der Lagerwert auch aus Komponenten zusammensetzt, für welche die Finanzierungsfrage weitestgehend unklar ist (z.B. Produktionsanlagen, Lagerhallen etc.). Da dies in der Praxis nur schwer zu klären ist, erscheint es vor allem wichtig, eine unternehmenseinheitliche Regelung anzustreben. Abschließend noch der Hinweis, dass im Umkehrfall – also bei einer Erhöhung der Lagerbestände – der zusätzliche Zinsaufwand als Kostenposition anzusetzen ist.
Übrige Lagerhaltungskosten: Weiterhin werden die übrigen Lagerhaltungskosten (Raumkosten, Lagerbewirtschaftung und sonstige Kosten) entweder direkt als Nutzen „verbucht“ oder – im Falle einer Erhöhung der Lagerbestände – als zusätzliche Kosten.
298
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Um die mit einer Verringerung der Lagerbestände verbundenen Nutzenvorteile zu quantifizieren, wird in einem ersten Schritt die wertmäßige Veränderung der Lagermenge während des gesamten Betrachtungszeitraums ermittelt. Im vorliegenden Beispiel führt dies zu den in Ź Abb. 10.30 gezeigten Resultaten (siehe letzte Zeile „Veränderung – absolut“, dort ist die Differenz zwischen Lagerbestand bei CDI 90 und Lagerbestand bei CDI 80 ausgewiesen). Prognose - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
3.000.000
3.250.000
3.375.000
3.625.000
3.750.000
4.000.000
8%
4%
7%
3%
7%
2.000.000
2.125.000
2.187.500
2.375.000
2.750.000
3.125.000
6%
3%
9%
16%
14%
531.250
546.875
593.750
687.500
781.250
6%
3%
9%
16%
14%
472.222
486.111 3%
527.778 9%
611.111 16%
694.444 14%
-59.028
-60.764
-65.972
-76.389
-86.806
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 90
500.000
Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 80 Veränderung in % Veränderung - absolut
Abb. 10.30 Prognose der Lagerveränderungen für den Betrachtungszeitraum
Diese wertmäßigen Lagerveränderungen dienen nun als Ausgangsinformation um einerseits die einmalige Cash-Freisetzung im Sinne des geringeren Netto-UV zu ermitteln und andererseits die Einsparung der Zinszahlungen zu bestimmen. Prognose - Umsatz, Kosten der verkauften Produkte und Lager Umsatz
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
3.000.000
3.250.000
3.375.000
3.625.000
3.750.000
4.000.000
8%
4%
7%
3%
7%
2.000.000
2.125.000
2.187.500
2.375.000
2.750.000
3.125.000
6%
3%
9%
16%
14%
500.000
531.250
546.875
593.750
687.500
781.250
Veränderung in % Kosten der verkauften Produkte Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 90
6%
3%
9%
16%
14%
472.222
486.111 3%
527.778 9%
611.111 16%
694.444 14%
Veränderung - absolut
-59.028
-60.764
-65.972
-76.389
-86.806
Veränderung - delta
-59.028
-1.736
-5.208
-10.417
-10.417
Veränderung in % Lagerbestand - wenn CDI = 80 Veränderung in %
Abb. 10.31 Delta-Werte der Lagerveränderungen
Quantifizierung des Nutzens aus geringerem Netto-Umlaufvermögen: Es wurde bereits erwähnt, dass Netto-UV-Veränderungen einmalige Nutzenaspekte darstellen, weshalb als Nutzen in einer bestimmten Periode nur die relative Veränderung gegenüber dem Vorjahr anzusetzen ist. Diese
10.3 Quantifizierung des Nutzens
299
„Deltas“ sind in Ź Abb. 10.31 ausgewiesen. Siehe letzte Zeile „Veränderung – delta“. Lediglich im ersten Jahr wird die volle Höhe der NettoUV-Veränderung als Nutzen angerechnet – danach nur noch die Veränderung relativ zu diesem ersten Wert. Quantifizierung des Nutzens aus geringeren Zinszahlungen: Auf Basis der jährlich ausgewiesenen absoluten Lagereduktionen wird weiterhin für jede Periode ermittelt, wie sich die Zinsbelastung verringert. Dies wird in Ź Abb. 10.32 gezeigt. Zu beachten ist, dass für die Berechnung der Zinseinsparungen nicht die relativen Veränderungen des Netto-UV entscheidend sind, sondern die absolute Veränderung einer jeden Periode – Zinsen werden jeweils auf das gesamte Netto-UV geschuldet. Reduzierte Zinsbelastung - auf Basis eines WACC von 12 % Jahr 0 Veränderung - absolut Zinsbelastung
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
-59.028
-60.764
-65.972
-76.389
-86.806
-7.083
-7.292
-7.917
-9.167
-10.417
Abb. 10.32 Einsparungen bei den zu leistenden Zinszahlungen
Der quantifizierte Nutzen aus Netto-UV-Verringerung und Reduktion der Zinsbelastung kann, wie in Ź Abb. 10.33 gezeigt, in den Bereich „Dateneingabe“ der Business-Case-Kalkulationsvorlage als Nutzen eingesetzt werden. Ob und in welchem Umfang sich durch die Lagerreduktion weitere Cash-wirksame Einsparungen ergeben, muss durch eine Analyse der spezifischen Situation ermittelt werden. Dateneingabe 0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0
0
0
0
0
0
0
Gesamtkosten Nutzen + Cash-Inflow durch Einsparungen + Cash-Inflow durch Umsatz + Reduktion des Netto-UV
0
0
0
0
0
0
0 0 0
7.083 0 59.028
7.292 0 1.736
7.917 0 5.208
9.167 0 10.417
31.459 0 76.389
Gesamtnutzen Kosten/Nutzen-Delta
0 0
66.111 66.111
9.028 9.028
13.125 13.125
19.584 19.584
107.848 107.848
Projektkosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Investitionskosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Umlaufvermögen - Erhöhung des Netto-UV
Abb. 10.33 Dateneingabe im Business Case
Total
300
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information Bei der Erarbeitung eines Business Cases gibt es Wirtschaftlichkeitsfaktoren, deren wertmäßige Erfassung tendenziell eher unproblematisch ist (z.B. die einmaligen Projektkosten) und es gibt Wirtschaftlichkeitsfaktoren, die tendenziell eher schwer greifbar sind (z.B. die laufenden Kosten und die Nutzenaspekte). Bei den beiden letztgenannten Aspekten kann unter Umständen die Faktenlage derart unzureichend sein, dass es schlicht und ergreifend nicht möglich ist, eine verlässliche Bewertung durchzuführen. Oftmals ist es in einem solchen Fall ebenso wenig denkbar ein haltbares „Base-Case“-Szenario (jetzige Betriebskosten) auszuarbeiten, wie es möglich ist, ein vollständiges Investitionsszenario (Projektkosten + Betriebskosten der neuen Lösung) zu fixieren und dann durch Differenzbildung den Wirtschaftlichkeitsnachweis auszuführen. Die Praxis zeigt, dass insbesondere die Beantwortung der folgenden Fragestellungen eine Herausforderung darstellt:
Was sind die jetzigen laufenden Kosten (Betriebskosten der momentanen Lösung)?
Was sind die zukünftigen laufenden Kosten (Betriebskosten der neuen Lösung)? Schlussendlich sind es gerade diese beiden Schlüsselfaktoren, die für einen Wirtschaftlichkeitsnachweis ausschlaggebend sind. Gesehen über einen Nutzungszeitraum von fünf oder gar zehn Jahren, ist der Einfluss der einmaligen Projektkosten auf die Wirtschaftlichkeit relativ gering – erfolgsentscheidend sind vielmehr die „Total Cost of Ownership“ (unter Beachtung der in Ź Kapitel „10.2 Ermittlung der Kosten“ aufgezeigten Einschränkungen), die sich zu 80 - 90 % aus laufenden Kosten ergeben. Zum Abschluss des Themas „Datenerhebung und -aufbereitung“ erscheint es deshalb sinnvoll, einen Lösungsweg aufzuzeigen, wie man in einem solchen Fall verfahren kann.
Was kann man tun, wenn man nur über bruchstückhafte Informationen verfügt?
Wie kommt man dennoch zu einem aussagekräftigen Ergebnis, obwohl ein in Teilen lückenhaftes Bild hinsichtlich der jetzigen und/oder der zukünftigen Kostensituation herrscht? Der hier vorgestellte methodische Ansatz zur Überwindung dieser Defizite basiert darauf, dass man sich in einem ersten Schritt vollständig von dem Versuch befreit, zwanghaft eine finanzielle Bewertung durchzu-
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information
301
führen. Es geht also zunächst nicht um die Frage, wie verschiedene Kosten- oder Nutzenaspekte quantifiziert werden können. Vielmehr steht eine reine qualitative Erfassung der maßgeblichen Kosten- und Nutzentreiber im Vordergrund. Die Vorgehensweise soll im Folgenden an einem bereits bekannten Praxisbeispiel erläutert werden. Man darf allerdings nicht vergessen: Es handelt sich bei dieser Methodik um eine Ausnahmelösung – und nicht um einen „Bequemlichkeitsausweg“. 10.4.1 Praxisbeispiel – Ablösung einer Anwendungsumgebung
Ein Unternehmen unterhält seit mehreren Jahren eine datenbankorientierte Anwendung, die gleichzeitig als Entwicklungsumgebung genutzt wird und auf deren Basis unternehmensweit etwa vierzig Einzelanwendungen realisiert wurden – und derzeit auch im Einsatz sind. Die technische Umgebung besteht aus mehreren dezentralen Windows-Servern und einem Backbone (ebenfalls bestehend aus Windows-Servern; teilweise mit einem Storage Area Network verbunden). Betreut werden die Applikationen durch ein zentrales Infrastruktur-Core-Team, wobei die Administration des Backbones als „Outservicing“ erbracht wird („Outservicing“ = Outsourcing von Personalaufwand, wobei die technische Infrastruktur im Eigentum des eigenen Unternehmens bleibt). Die Plattform wird mehr und mehr als Legacy-Umgebung angesehen, weshalb im nächsten Jahr ein Ablösungsprojekt vorgesehen ist. Die Zeit drängt, da demnächst Ersatzbeschaffungen der Hardware anstehen – diese würde man gerne vermeiden. Aufgabe des Projekts ist es, die vierzig bestehenden Anwendungen auf neue (dem Unternehmensstandard entsprechende) Zielumgebungen zu transferieren. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Softwareplattformen, die bereits im Unternehmen eingesetzt werden (nur so können Synergiepotentiale genutzt werden). Im Rahmen einer Analyse wurde deshalb ein Zielportfolio erstellt, in welchem die folgenden Zielplattformen festgehalten sind:
Documentum Oracle Livelink Bea WebLogic Windows SharePoint Services (freies Add-On zu Microsoft Windows Server 2003)
302
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Verity Federator Microsoft SQL Microsoft Biztalk Um die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zu evaluieren muss ein Business Case erstellt werden. Es gilt nun zu bestimmen, welche Kosteneinsparung sich ergibt, wenn die Anwendungsumgebung vollständig außer Betrieb genommen wird. Dieser „Nutzen“ soll dann den einmaligen Projektkosten und den Betriebskosten der neuen Lösungen gegenübergestellt werden. Da die vorgesehenen Zielumgebungen schon im Unternehmen eingesetzt werden, verfügt man über solide Anhaltspunkte für die Bestimmung des einmaligen Aufwands (Projektkosten). Trotz mehrerer Anläufe ist es jedoch nicht gelungen, zuverlässige Zahlen (basierend auf effektiven Cashflows) hinsichtlich der momentanen und der zukünftigen Betriebskosten zu fixieren. Zur Lösung dieser Aufgabenstellung und zur Überwindung der Informationsdefizite bietet sich die folgende vierstufige Vorgehensweise an: 1. Identifizieren der Veränderungen: Die Veränderungen, die sich zwischen der jetzigen Situation und der neuen Situation ergeben, werden aus einem rein qualitativen Gesichtspunkt betrachtet und möglichst vollständig erhoben. 2. Klassifizieren der Veränderungen: Die Veränderungen werde in Kostentreiber und Nutzentreiber kategorisiert und entsprechend gruppiert. 3. Bewerten der Veränderungen: Jede einzelne Veränderung wird monetär bewertet – unter Berücksichtigung eines angemessenen mehrjährigen Betrachtungszeitraums. 4. Kosten-/Nutzen-Differenz ermitteln: Unter Einbeziehung der Projektkosten wird die Differenz zwischen den Gesamtkosten und dem Gesamtnutzen ermittelt. Als Vorbereitung für den ersten Arbeitsschritt werden die bestehenden Applikationen den jeweiligen Zielsystemen zugeordnet. Weiterhin ist es empfehlenswert, etablierte Kostenstrukturen heranzuziehen, um Anhaltspunkte für mögliche Veränderungen zu gewinnen. Solche Kostenstrukturen können sein:
Servicemodelle, Kostenartenübersichten oder Infrastrukturbausteine / Infrastrukturkomponenten
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information
303
Aus einem Servicemodell werden beispielsweise diejenigen Kostenfaktoren ersichtlich, die für die Festlegung der Service-Preise einbezogen wurden. Für jeden Kostenfaktor wird dann die Frage beantwortet:
Beeinflusst das Vorhaben diesen Kostenaspekt? Auf diese Weise kann man der Gefahr, dass man einen Kosten- bzw. Nutzenaspekt „übersieht“, sinnvoll begegnen. In Ź Abb. 10.34 sind einige typische IT-Kostenobjekte dargestellt, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind.
Abb. 10.34 Kostenobjekte
Ein weiterer möglicher Anhaltspunkt für die Identifikation von Veränderungen ergibt sich aus den Kostenarten („Cost Types“) der Informatik. Diesbezüglich kann man sich an einer firmenspezifischen Kostenartenübersicht orientieren, die von Controlling-Abteilung zur Verfügung gestellt werden kann. Für jede Kostenart beantwortet man die Frage:
Inwiefern beeinflusst das geplante Vorhaben die Kostenart? Typische IT-Kostenarten sind: Hardware, Software, externe Dienstleistungen, interne Personalkosten (Anm.: die Kostenart „Abschreibung“ darf nicht berücksichtigt werden; bei Abschreibungen handelt es sich um so genannte „Sunk Costs“, die nicht in einen Business Case einfließen). Ein Beispiel für eine hierarchisch gegliederte Kostenartenzusammenstellung wird in Ź Abb. 10.35 gezeigt.
304
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Abb. 10.35 Kostenhierarchie
Erster Arbeitsschritt. Unabhängig davon, welche Vorbereitungen getroffen werden, besteht der erste Arbeitsschritt darin, die qualitativen Veränderungen möglichst vollständig festzuhalten. Wichtige zu beantwortende Fragestellungen dieses Arbeitsschritts sind: „As is“- Situation: Was fällt weg (Kostenreduktion, Kostenvermeidung)? „To be“-Situation: Was kommt neu hinzu (inkrementelle Ausgaben)? Bei der Analyse der vorhandenen Betriebskosten liefert die folgende Fragestellung wertvolle Hinweise auf Nutzenaspekte: Welche Re-Investitionen entfallen, wenn das Projekt durchgeführt wird? Die aus der Beantwortung obiger Fragen resultierende Auflistung sollte unter Einbeziehung von verschiedenen „Stakeholdern“ (betroffene Fachbereiche, Rechenzentrum und Controlling) validiert und ggf. ergänzt werden. In Ź Abb. 10.36 ist das Ergebnis dieses Arbeitsschritts dargestellt.
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information
305
Phase-Out Anwendungsplattform "Legacy" - Qualitative Veränderungen Position
Kommentar
Leasing für Backbone-Server
Die Leasing-Zahlungen für 4 Backbone-Server fallen weg
Wartungsvertrag System "Legacy" Jährliche Maintenance-Zahlungen für 40 Applikationen entfallen Nutzungsgebühren für "Legacy" Client-Installationen Nutzungsgebühren für "Legacy" Security-Add-On
Lizenzkosten für die Anzahl der Client-Installationen (PCs, Laptops) entfallen Lizenzkosten für passwort-geschützte Datenbankzugriffe entfallen
Upgrade-Kosten System "Legacy" Die Notwendigkeit für zwei Upgrades des Systems "Legacy" entfällt Server Re-Investitionen
Periodische Ersatzbeschaffungen für nicht-geleaste Server entfallen
Hardware Wartungsverträge für Server
Jährliche Maintenance-Zahlungen für nicht-geleaste Server entfallen
Outservicing-Vertrag
Outservicing-Vertrag mit "Provider X" kann aufgelöst werden
Dedizierte Stellen für System "Legacy" Neue Applikationen auf Basis "Documentum" Neue Applikationen auf Basis "Oracle" Neue Applikationen auf Basis "Livelink" Neue Applikationen auf Basis "Microsoft SQL" Neue Applikationen auf Basis "BEA WebLogic" Neue Applikationen auf Basis "Windows SharePoint Services" Neue Applikationen auf Basis "Microsoft Biztalk"
Wegfall dedizierter Stellen für Support, Administration und Entwicklung 15 Applikationen werden nach Documentum portiert 3 Applikationen werden nach Oracle portiert 8 Applikationen werden nach Livelink portiert 4 Applikationen werden nach MS-SQL portiert 2 Applikationen werden nach BEA WebLogic portiert 2 Applikationen werden auf Windows SharePoint Services portiert 6 Applikationen werden nach MS Biztalk portiert
Abb. 10.36 Erster Schritt – Qualitative Veränderungen
Zusätzlich zu beantworten ist die Frage (und dies wird in der Praxis leider häufig übersehen):
Wird ein geplantes (oder bereits genehmigtes) Projekt hinfällig, wenn das vorliegende Projekt durchgeführt wird? Die Kosten eines solchen „hinfälligen“ Projekts können ebenfalls als Nutzen angesetzt werden (und zwar dann, wenn die Durchführung dieses Projekts unvermeidlich ist). Ein Vorteil des hier angewendeten Verfahrens besteht darin, dass implizit sowohl die bestehende Situation als auch die neue Situation gewürdigt wird. Anhand des ersten Schritts verfügt man über eine komplette Übersicht aller situationsspezifischen Kostenfaktoren. Die entscheidende Frage lautet nun:
Welche Kostenbeeinflussungen ergeben sich durch diese Veränderungen?
306
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Zweiter Arbeitsschritt. Die einzelnen Positionen können entweder zu zusätzlichen (inkrementellen) Ausgaben oder zu Kosteneinsparungen führen. Diese Unterscheidung einzuführen und alle Positionen entsprechend zu gruppieren ist Aufgabe des nächsten Arbeitsschritts. Aus diesem Arbeitsschritt kann sich auch eine Verfeinerung der Auflistung in dem Sinne ergeben, dass einzelne Positionen in Unterpositionen unterteilt werden und somit eine hierarchische Struktur bilden. Das Ergebnis dieses zweiten Schritts wird in Ź Abb. 10.37 gezeigt. Phase-Out Anwendungsplattform "Legacy" - Qualitative Veränderungen - Kategorisiert +/- Position Kosten Neue Applikationen auf Basis + "Documentum" Neue Applikationen auf Basis + "Oracle" Neue Applikationen auf Basis + "Livelink" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft SQL" Neue Applikationen auf Basis + "BEA WebLogic" Neue Applikationen auf Basis + "Windows SharePoint Services" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft Biztalk" Nutzen
Kommentar 15 Applikationen werden nach Documentum portiert 3 Applikationen werden nach Oracle portiert 8 Applikationen werden nach Livelink portiert 4 Applikationen werden nach MS-SQL portiert 2 Applikationen werden nach BEA WebLogic portiert 2 Applikationen werden auf Windows SharePoint Services portiert 6 Applikationen werden nach MS Biztalk portiert
Die Leasing-Zahlungen für 4 Backbone-Server fallen weg
-
Leasing für Backbone-Server
-
Wartungsvertrag System "Legacy" Jährliche Maintenance-Zahlungen für 40 Applikationen entfallen
-
Nutzungsgebühren für "Legacy" Client-Installationen Nutzungsgebühren für "Legacy" Security-Add-On
Lizenzkosten für die Anzahl der Client-Installationen (PCs, Laptops) entfallen Lizenzkosten für passwort-geschützte Datenbankzugriffe entfallen
-
Upgrade-Kosten System "Legacy" Die Notwendigkeit für zwei Upgrades des Systems "Legacy" entfällt
-
Server Re-Investitionen
Periodische Ersatzbeschaffungen für nicht-geleaste Server entfallen
-
Hardware Wartungsverträge für Server
Jährliche Maintenance-Zahlungen für nicht-geleaste Server entfallen
-
Outservicing-Vertrag
Outservicing-Vertrag mit "Provider X" kann aufgelöst werden
-
Dedizierte Stellen für System "Legacy"
Wegfall dedizierter Stellen für Support, Administration und Entwicklung
+ -
= Kostentreiber (führt zu einem Kostenanstieg) = Nutzentreiber (führt zu einer Kostensenkung)
Abb. 10.37 Zweiter Schritt – Kategorisierung in Kosten und Nutzen
Es kann im Rahmen dieses Arbeitsschritts auch sinnvoll sein, eine Differenzierung zwischen einmaligen und laufenden Kosten- bzw. Nutzentreibern einzuführen. Anhand dieser Zusatzinformation ist beispielsweise transparenter, welche einmalige Investition zu welchen laufenden Kosten führt (z.B. führt die einmalige Anschaffung eines Servers zu jährlichen Wartungskosten – „Hardware-Maintenance“).
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information
307
Dritter Arbeitsschritt. Im dritten Arbeitsschritt sind die Geldflüsse (Einzahlungen und Auszahlungen) zu ermitteln, die mit den jeweiligen Kostenund Nutzenpositionen verbunden sind. Eine entscheidende und wegbereitende Frage für die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des Unterfangens ist hierbei:
Inwiefern können im Rahmen der vorhandenen Organisation und Infrastruktur die einzelnen Kostentreiber absorbiert werden? Aus der Beantwortung dieser Frage wird das Synergiepotential sichtbar. Synergien ergeben sich aus der Tatsache, dass die Systemlandschaft konsolidiert wird (eine Anwendungsumgebung wird vollständig eliminiert). Im Rahmen dieses Arbeitsschritts erscheint es sinnvoll zu untersuchen, welchen Einfluss die Veränderungen auf die Primärkostenbudgets der jeweiligen Abteilungen haben und welche weiteren inkrementellen Ausgaben durch die Veränderungen induziert werden. Phase-Out Anwendungsplattform "Legacy" - Qualitative Veränderungen - Quantifziert +/- Position Kosten Neue Applikationen auf Basis + "Documentum" Neue Applikationen auf Basis + "Oracle" Neue Applikationen auf Basis + "Livelink" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft SQL" Neue Applikationen auf Basis + "BEA WebLogic" Neue Applikationen auf Basis + "Windows SharePoint Services" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft Biztalk" Nutzen
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
60.000
8.000
8.000
60.000
8.000
144.000 0
30.000
4.000
4.000
30.000
4.000
72.000 0
50.000
50.000
50.000
50.000
50.000
250.000 0
30.000
4.000
4.000
30.000
4.000
72.000
-
Leasing für Backbone-Server
26.000
26.000
26.000
26.000
104.000
-
Wartungsvertrag System "Legacy"
95.000
95.000
95.000
95.000
380.000
70.000
70.000
70.000
70.000
280.000
55.000
55.000
55.000
55.000
220.000
100.000
100.000
200.000
75.000
75.000
150.000
-
Nutzungsgebühren für "Legacy" Client-Installationen Nutzungsgebühren für "Legacy" Security-Add-On
-
Upgrade-Kosten System "Legacy"
-
Server Re-Investitionen
-
Hardware-Wartungsverträge für Server Outservicing-Vertrag (Entfall ab 01.07.XX) Dedizierte Stellen für System "Legacy"
10.000
10.000
10.000
10.000
40.000
150.000
300.000
300.000
300.000
1.050.000
75.000
75.000
75.000
225.000
Abb. 10.38 Dritter Schritt – Monetäre Bewertung
308
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Das Ergebnis des dritten Arbeitsschritts wird in Ź Abb. 10.38 gezeigt. Die tabellarische Zusammenstellung verdeutlicht, den unterschiedlichen zeitlichen Anfall von bestimmten Kosten- und Nutzenpositionen.
Beispielsweise kann ein Nutzenaspekt (Freisetzung von internen Stellen) nicht im „Jahr 1“ realisiert werden, denn die Mitarbeiter müssen während eines festgelegten Übergangszeitraums verfügbar sein.
Ein anderer Nutzenaspekt kann im „Jahr 1“ nur teilweise realisiert werden, da die Kündigung des Outservicing-Vertrags erst zu diesem Zeitpunkt möglich ist. In Ź Abb. 10.38 zeigt sich das Synergiepotential unter anderem darin, dass für folgende Applikationen keine zusätzlichen Betriebskosten entstehen (z.B. deshalb, weil keine inkrementellen Software-Lizenzkosten entstehen, da die vorhandenen Lizenzverträge den Bedarf immer noch abdecken; keine inkrementellen Kosten für Hardware, weil die neuen Applikationen auf der vorhandenen Hardware untergebracht werden können):
Oracle MS-SQL Windows SharePoint Services Vierter Arbeitsschritt. In einem weiteren Arbeitsschritt müssen die Projektkosten ermittelt werden. Diese setzen sich einerseits aus den bereits bekannten Kosten für die Erstinstallation (Kostenpositionen im „Jahr 0“) und aus zusätzlich notwendigen einmaligen Ausgaben zusammen. Die Aufstellung wird weiterhin um Zeilentotale für „Total Kosten“ und „Total Nutzen“ ergänzt, damit für jede Periode die Gesamtkosten und der Gesamtnutzen ersichtlich sind. Auf dieser Basis kann nun eine Differenzanalyse zwischen Kosten und Nutzen durchgeführt werden. Das Ergebnis der Differenzbildung wird in Ź Abb. 10.39 gezeigt. Schlussendlich lässt sich festhalten, dass der hier vorgestellte methodische Ansatz auf einer Plus/Minus-Betrachtung beruht. Die positiven und negativen Werte werden unter Berücksichtigung ihres zeitlichen Anfalls gegeneinander verrechnet. Aus Ź Abb. 10.39 wird ersichtlich, dass der statische Payback etwa nach ca. 4 Jahren erzielt wird (siehe letzte Zeile „Delta – kumuliert“). Auf Basis der undiskontierten Werte erzielt das Vorhaben „Phase-Out LegacyAnwendungsumgebung“ einen positiven Ertrag in Höhe von 411.000,Geldeinheiten. Durch die Limitierung des Seitenplatzes in einem Buch
10.4 Vorgehen bei unvollständiger Information
309
konnte dieses Beispiel nur für einen Zeitraum von fünf Jahren veranschaulicht werden. In der Realität setzt man bei einem Konsolidierungsvorhaben in der Regel einen längeren Zeitraum an (z.B. 10 Jahre), denn der Effekt von Infrastruktur-Harmonisierungen ist nachhaltig. Es erscheint deshalb an dieser Stelle wenig sinnvoll, auf Basis des limitierten Betrachtungszeitraums eine NPV oder IRR-Berechnung durchzuführen. Phase-Out Anwendungsplattform "Legacy" - Qualitative Veränderungen - Kosten-/Nutzen-Delta +/- Position Einmalige Kosten + Projektkosten Laufende Kosten (Betriebskosten) Neue Applikationen auf Basis + "Documentum" Neue Applikationen auf Basis + "Oracle" Neue Applikationen auf Basis + "Livelink" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft SQL" Neue Applikationen auf Basis + "BEA WebLogic" Neue Applikationen auf Basis + "Windows SharePoint Services" Neue Applikationen auf Basis + "Microsoft Biztalk" Total - Laufende Kosten Total Kosten
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total
1.800.000
200.000
60.000
8.000
8.000
60.000
8.000
144.000
0
0
0
0
0
0
30.000
4.000
4.000
30.000
4.000
72.000
0
0
0
0
0
0
50.000
50.000
50.000
50.000
50.000
250.000
0
0
0
0
0
0
2.000.000
30.000
4.000
4.000
30.000
4.000
72.000
170.000 1.970.000
66.000 266.000
66.000 66.000
170.000 170.000
66.000 66.000
2.538.000
Nutzen -
Leasing für Backbone-Server
0
26.000
26.000
26.000
26.000
104.000
-
Wartungsvertrag System "Legacy"
0
95.000
95.000
95.000
95.000
380.000
0
70.000
70.000
70.000
70.000
280.000
0
55.000
55.000
55.000
55.000
220.000
-
Nutzungsgebühren für "Legacy" Client-Installationen Nutzungsgebühren System "Legacy"
-
Upgrade-Kosten System "Legacy"
0
100.000
0
0
100.000
200.000
-
Server Re-Investitionen
0
75.000
0
0
75.000
150.000
0
10.000
10.000
10.000
10.000
40.000
0
150.000
300.000
300.000
300.000
1.050.000
Hardware-Wartungsverträge für Server Outservicing-Vertrag (Entfall ab 01.07.XX) Dedizierte Stellen für System "Legacy" Total Nutzen Delta Delta - kumuliert
0
0
75.000
75.000
75.000
225.000
0 1.970.000 1.970.000
581.000 -315.000 1.655.000
631.000 -565.000 1.090.000
631.000 -461.000 629.000
806.000 -740.000 -111.000
2.649.000 -111.000
Abb. 10.39 Vierter Schritt - Differenzbildung
Um den hier vorgestellten methodischen Lösungsvorschlag nochmals vollständig vor Augen zu führen, wird in Ź Abb. 10.40 eine Übersicht aller Teilschritte gezeigt.
310
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Abb. 10.40 Vorgehensweise bei unvollständiger Information
10.5 Behandlung von Fremdwährungen Die fortwährende Globalisierung der Märkte hat dazu geführt, dass heute die Informatik-Organisationen in internationalen Unternehmen global ausgerichtet sind. Auch die internen Kunden, für welche die Informatik Leistungen anbietet, sind global aufgestellt. Dieser Umstand bleibt nicht ohne Konsequenzen für IT-Projekte, weshalb die korrekte Behandlung von ausländischen Währungen zu einem wichtigen Aspekt bei der Erarbeitung eines Business Case wird. Die spezielle Problematik liegt dabei im Wechselkursrisiko bzw. in der Wechselkursentwicklung. Je nach Investitionssituation sind hierbei vier Elemente zu berücksichtigen:
der geschätzte Umfang der Wechselkursveränderungen während des Betrachtungszeitraums
die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Wechselkursveränderungen der wahrscheinliche Irrtum der Vorhersage der Risikoakzeptanzfaktor des Unternehmens Angenommen, ein im Euroraum ansässiges Unternehmen konsolidiert seine Rechenzentren. Um den Entscheidern Handlungsalternativen aufzuzeigen, werden verschiedene Standort-Optionen untersucht. Eine Alternative ist die Konsolidierung im Inland. Denkbar ist aber auch eine
10.5 Behandlung von Fremdwährungen
311
Konsolidierung in einem osteuropäischen Land, in einem latein amerikanischen Land oder in einem asiatischen Land. Die zuständige ITAbteilung erarbeitet einen Business Case und geht dabei von einem zehn jährigen Betrachtungshorizont aus. Es sind nun folgende Fragen zu beantworten: „Welche dieser Optionen ist wirtschaftlich sinnvoll (absolute Vorteilhaftigkeit)?“ „Welche Rangfolge ergibt sich aus einer wirtschaftlichen Perspektive (relative Vorteilhaftigkeit)?“ Erfahrungswerte aus dem Bankwesen besagen, dass Währungen in einem Zeitraum von 10 Jahren im Schnitt um 10% schwanken.
Um diese Fragen fundiert beantworten zu können, müssen mehrere ausländische Währungen mit unterschiedlichen Inflationsprofilen korrekt verarbeitet werden. Zu beachten ist hierbei, dass der Betrachtungshorizont zehn Jahre beträgt – es aber eher unwahrscheinlich ist, dass die Wechselkurse während dieses Zeitraums unverändert bleiben. Da die Wechselkursänderungen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung unbekannt sind, muss die „erwartete Wechselkursänderung“ in den Business Case integriert werden. Somit ergibt sich für uns die Schwierigkeit, die Entwicklung der Wechselkurse für die Fremdwährungen während des Betrachtungszeitraums vorherzusagen. Man kann sich dazu an den Prinzipien der „ungesicherten Zinsparität“ orientieren. Die ungesicherte Zinsparität („Uncovered Interest Parity“) stellt einen Zusammenhang zwischen den Zinsen im In- und Ausland und den erwarteten Änderungen des Wechselkurses her. Sie berücksichtigt dabei die Selbstregulierung des Marktes, nach der Differenzen zu Investmenterträgen in fremden Ländern eine Kapitalbewegung in diejenigen Finanzmärkte mit den höchsten Ertragsaussichten auslösen. Dieser Nachfragerückgang auf der einen Seite und Nachfrageschub auf der anderen Seite initiiert gleichzeitig eine angemessene Gegenbewegung – ähnlich wie ein Pendel, welches immer sanft in zwei Richtungen schwingt. Die wichtigste Orientierungsgröße der ungesicherten Zinsparität ist der Zinssatz für langfristige (i.d.R. 25-jährige) Staatsanleihen (Government Bonds). Dieser Zinssatz wird als „risikofreier Basiszins“ (engl. „Risk-Free Rate“) bezeichnet. Der risikofreie Basiszins ist von Land zu Land unterschiedlich und gemäß den Prinzipien der ungesicherten Zinsparität sind schlussendlich diese Unterschiede der Auslöser für Veränderungen der Wechselkurse zwischen den Ländern. Anhand eines einfachen Praxisbeispiels soll im Folgenden die korrekte Behandlung von Fremdwährungen in einem Business Case aufgezeigt werden.
312
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.5.1 Praxisbeispiel – Rechenzentrum im Ausland
Ein europäisches Unternehmen mit Stammsitz in Deutschland hat in den letzten Jahren ein starkes Wachstum im amerikanischen Markt erzielt. Zwecks einer intensiveren Betreuung der dortigen Kunden (Vertriebspartner und Endkunden), soll ein lokales Call Center in den USA eröffnet werden. Die Informatik hat einen signifikanten Anteil am Investitionsvorhaben (CallCenter-Software, Datenbank, Voice-over-IP-Telefonanlage, Netzwerk-, Rechner- und Datenspeicher-Infrastruktur). Ein Business Case soll zeigen, ob und unter welchen Umständen das Projekt wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Projektkosten belaufen sich auf 10 Mio. USD. Für die jährlichen Betriebskosten werden 4 Mio. USD veranschlagt. Der quantifizierte Nutzen des Call Centers (aus zusätzlichen Einnahmen) wird mit 9 Mio. USD prognostiziert. Die Investition (Projektausgaben) wird innerhalb eines Jahres durchgeführt. Der Analysezeitraum soll fünf Jahre betragen.
Projektkosten: 10 Mio. USD Betriebskosten: 4 Mio. USD Nutzen: 9 Mio. USD Projektlaufzeit: 1 Jahr Betrachtungszeitraum: 5 Jahre (Jahr 0 – Jahr 4)
Die lokale Währung im europäischen Stammhaus ist Euro. Der Wechselkurs soll USD 1.2 betragen (d.h. 1 Euro entspricht 1.2 USD). Der risikofreie Basiszins für Deutschland soll 5 % betragen. Für die USA gehen wir von einem risikofreien Basiszins in Höhe von 3 % aus. Bei Investitionen im eigenen Land erwartet das Unternehmen eine Rendite von 10% (gewichtete Kapitalkosten + Risikozuschlag).
Wechselkurs EUR/USD: 1.2 Risikofreier Basiszins EUR: 5 % Risikofreier Basiszins USD: 3 % Kalkulationszinsfuß: 10 %
Anhand dieser Daten ist es nun möglich, die Wirtschaftlichkeitsrechnung durchzuführen und Kennzahlen zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit auszurechnen. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf den NPV (Net Present Value). Aber wie können wir für dieses Projekt den NPV in EUR ermitteln? Es gibt zwei mögliche Berechnungswege, um zu einem Ergebnis zu gelangen: Der Lokalwährungs-Ansatz: Alle USD-Cashflows werden in Euro umgerechnet. Anschließend werden sie mit 10 % diskontiert, um dadurch
10.5 Behandlung von Fremdwährungen
313
einen NPV in Euro zu erhalten. Bei diesem Verfahren müssen wir die zukünftigen Wechselkurse bestimmen, damit die Cashflows während des Analysezeitraums korrekt in Euro umgerechnet werden können.
Der Fremdwährungs-Ansatz: Die USA-Cashflows werden nicht konvertiert. Da wir nicht wissen, welche Rendite für Investitionen, die in USD ausgeführt werden, angemessen ist, müssen wir eine adäquate Kapitalverzinsung für USD-Investitionen ermitteln (basierend auf der 10 %igen EUR-Rendite muss eine äquivalente USD-Rendite festgelegt werden). Dieser USD-Kalkulationszinsfuß wird dann zur Diskontierung der USD-Cashflows verwendet. Der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden ist primär im Zeitpunkt der Währungsumrechnung zu sehen: Im ersten Fall (Lokalwährungs-Ansatz) konvertieren wir vor der Berechnung des NPV in die Heimwährung (die USD-Cashflows werden in EUR-Cashflows umgerechnet). Im zweiten Fall konvertieren wir nach der Berechnung des NPV in die Heimwährung (der USD-NPV wird in einen EUR-NPV umgerechnet). Man könnte nun annehmen, dass der zweite Ansatz geeigneter ist, weil nur eine unbekannte Größe zu ermitteln ist – der Kalkulationszinsfuß für USD. Die Währungsumrechnung muss nur einmal und zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden. Des Weiteren könnte man zu dem Schluss kommen, dass die erste Methode fehleranfälliger ist, weil mehrere zukünftige Wechselkurse ermittelt werden müssen (Wechselkurse für die Jahre 1 - 4). Wie wir jedoch im Folgenden aufzeigen, führen beide Verfahren zum gleichen Ergebnis – und sind deshalb als gleichwertig anzusehen (solange sie fachlich korrekt ausgeführt werden). 10.5.2 Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß Lokalwährungs-Ansatz
Um die zukünftigen USD-Cashflows in Euro umzurechnen, greifen wir auf eine Gleichung der ungesicherten Zinsparität zurück. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt erwarteten Wechselkurse können gemäß der in Ź Abb. 10.41 gezeigten Formel berechnet werden.
Abb. 10.41 Gleichung der ungesicherten Zinsparität
314
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Die projizierten Wechselkurse für das Vorhaben können demnach wie in Ź Abb. 10.42 gezeigt berechnet werden.
Abb. 10.42 Berechnung der zukünftigen Wechselkurse
Unter Anwendung dieser Wechselkurse können wir die USD-Cashflows in die lokale Währung konvertieren und eine Investitionsrechnung in gewohnter Form durchführen. In Ź Abb. 10.43 sind die Details der Berechnung dargestellt. Kostenübersicht (in USD) Projektkosten Betriebskosten Nutzen
Jahr 0 10.000.000
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
4.000.000 9.000.000
4.000.000 9.000.000
4.000.000 9.000.000
4.000.000 9.000.000
Kalkulationszinssatz = 10 %
Business Case - Call-Center-Projekt - Investition in EUR Jahr 0 1,200 8.333.333
Total 10.000.000 16.000.000 36.000.000
Jahr 1 1,176
Jahr 2 1,152
Jahr 3 1,129
Jahr 4 1,106
3.472.222 7.812.500 4.340.278 258.645
3.542.958 7.971.656 4.428.698 4.687.343
3.616.637 8.137.432 4.520.796 9.208.139
0,8264 3.587.006 -881.144
0,7513 3.327.346 2.446.202
0,6830 3.087.764 5.533.966 Ż NPV
Wechselkurs Projektkosten Betriebskosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
-8.333.333 -8.333.333
3.401.361 7.653.061 4.251.701 -4.081.633
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -8.333.333 -8.333.333
0,9091 3.865.182 -4.468.151
Total 8.333.333 14.033.178 31.574.650 9.208.139
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 10.43 Investitionsrechnung in Euro
Basierend auf dem Lokalwährungs-Ansatz erhalten wir einen NPV von
5.5 Mio. Euro. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse zeigt, dass die „absolute Vorteilhaftigkeit“ des Projekts gegeben ist.
10.5 Behandlung von Fremdwährungen
315
10.5.3 Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß FremdwährungsAnsatz
Bei diesem Verfahren führen wir die Investitionsrechnung in US-Dollar durch. Anpassen müssen wir hierbei den Kalkulationszinsfuß. Für EuroInvestitionen hat das Unternehmen eine nominelle Renditeerwartung von 10 %. Diesen Satz müssen wir in eine äquivalente Rendite für USDInvestitionen umwandeln. Die Formel für diese Umwandlung ist in der Praxis als „internationaler Fisher-Effekt“ bekannt. In Ź Abb. 10.44 werden die möglichen Berechnungswege für die Ermittlung einer angemessenen USD-Rendite aufgezeigt. In unserem Beispiel weist die US-Währung eine um ca. 2 % tiefere Inflation im Vergleich zum Euro auf. Diese 2 % (bzw. 2.2 % gemäß der exakten Berechnung) sind von der standardisierten Euro-Rendite in Abzug zu bringen, um eine vergleichbare USD-Rendite zu erhalten. Wir können festhalten:
Kalkulationszinsfuß für Euro-basierende Investitionen: 10 % Kalkulationszinsfuß für USD-basierende Investitionen: 7.8 %
Abb. 10.44 Gleichung des „internationalen Fisher-Effekts“
Nachdem die Euro-Rendite in eine USD-Rendite konvertiert wurde, kann man die Investitionsrechnung auf USD-Basis ausführen. Für die Diskontierung der USD-Cashflows wird der entsprechende Kalkulationszinssatz von 7.8 % verwendet. Die Details dieser Berechnung sind in Ź Abb. 10.45 dargestellt. Als Ergebnis der Diskontierung erhält man einen NPV in Höhe von 6.6 Mio. USD.
316
10 Datenerhebung und -aufbereitung Kalkulationszinssatz = 7,8 %
Business Case - Call-Center-Projekt - Investition in USD Jahr 0 10.000.000
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Total 10.000.000 16.000.000 36.000.000 10.000.000
Projektkosten Betriebskosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
0 -10.000.000 -10.000.000
4.000.000 9.000.000 5.000.000 -5.000.000
4.000.000 9.000.000 5.000.000 0
4.000.000 9.000.000 5.000.000 5.000.000
4.000.000 9.000.000 5.000.000 10.000.000
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -10.000.000 -10.000.000
0,9276 4.638.219 -5.361.781
0,8605 4.302.615 -1.059.166
0,7983 3.991.294 2.932.128
0,7405 3.702.499 6.634.627 6.634.627 Ż NPV
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
NPV in Euro = NPV in Euro = NPV in Euro =
NPV in USD / aktueller Kurs 6.634.627 / 1.2 5.528.856
Abb. 10.45 Investitionsrechnung in USD
Die Frage ist nun, wie wir die Ergebnisse der beiden Investitionsrechnungen (NPV in EUR versus NPV in USD) vergleichbar machen können. Da der NPV einen Gegenwartswert verkörpert (Present Value), können wir den USD-NPV mit dem aktuellen Umrechnungskurs in Euro konvertieren. Als Ergebnis dieser Konvertierung erhalten wir einen Betrag von
5.5 Mio. Euro. Dieses Ergebnis auf Basis des Fremdwährungs-Ansatzes stimmt exakt mit dem bereits bekannten Euro-NPV gemäß Lokalwährungs-Ansatz überein (die marginale Differenz ist auf die Rundung der Umrechungskurse, die in der Euro-Investitionsrechnung verwendet wurden, zurückzuführen). Fazit. Die wichtige Schlussfolgerung dieses Beispiels ist, dass beide Ansätze schlussendlich identisch sind und immer das gleiche Ergebnis liefern. Beim Fremdwährungs-Ansatz wird die Wechselkursentwicklung implizit über die angepasste Renditekennziffer (7.8 % anstatt 10 %) vorausgesagt. Dieses Verfahren erscheint konzeptionell etwas einfacher und ist deshalb auch weniger rechenaufwändig. In der Praxis ist es nicht ungewöhnlich, dass sich ein Projekt über mehrere Länder erstreckt und deshalb anlässlich der Business-Case-Erstellung mehrere Fremdwährungen in eine einheitliche Zielwährung umgerechnet werden müssen. Ein beachtenswertes Detail sind hierbei die steuerlichen Gesichtspunkte. Hierzu muss man wissen, dass in einem Business Case alle Cashflows mit einem einheitlichen Steuersatz belegt werden. Dies ist entweder ein lokaler Steuersatz (für ein spezifisches Land) oder ein gemittelter Konzernsteuersatz. Werden jedoch als Folge eines globalen Projekts Cashflows aus mehreren Ländern in einen Business Case „integriert“, so wird dabei die Tatsache vernachlässigt, dass diese Cashflows in ihren jeweiligen Ursprungs-
10.5 Behandlung von Fremdwährungen
317
ländern zu den dortigen Steuersätzen besteuert werden (daran kann auch ein globales Projekt nichts ändern). Es ist deshalb in jedem Fall sinnvoll, einen Konzernsteuersatz im Business Case zu verwenden. In keinem Fall empfiehlt es sich, das Analysemodell so umzubauen, dass es mehrere Steuersätze gleichzeitig verarbeiten kann. Risikofreie Zinssätze. Im Folgenden soll für einige repräsentative Länder eine Übersicht der „Risk-Free Rates“ gegeben werden (basierend auf dem Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen). Es handelt sich hierbei um Zinssätze für Anleihen in den jeweiligen Lokalwährungen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil nahezu jedes Land auch Anleihen in globalen Währungen, z.B. US-Dollar oder Euro, anbietet. Die Zinssätze sind in diesem Fall jedoch angepasst, da die Anleihen vom Wertverlust der lokalen Währung entkoppelt sind. Land Deutschland Österreich Frankreich Italien Spanien
Risikofreier Zins 3,9 % 3,9 % 3,9 % 3,9 % 3,9 %
Schweiz England
2% 5,5 %
Ungarn Polen
9% 6,7 %
USA Kanada
3,6 % 5%
Brasilien Mexiko
16 % 12 %
China Australien Neuseeland
5,5 % 6% 6%
Südafrika
8,5 %
Abb. 10.46 Risikofreie Zinssätze (zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches)
Betrachtet man die Zinssätze in Ź Abb. 10.46, so fällt auf, dass diejenigen Länder, die der europäischen Währungsunion zugehören, einen identischen Zinssatz haben. Dies ist das Resultat der Bestrebungen der Europäischen Zentralbank, deren Ziel es ist, ein einheitliches Zinssatzniveau für alle Mitgliedsstaaten zu halten.
318
10 Datenerhebung und -aufbereitung
10.6 Berücksichtigung von Opportunitätskosten Bei der Bewertung von IT-Projekten kann die Entscheidungssituation derart ausgestaltet sein, dass mit der Durchführung des Projekts eine alternative Verwendung von Ressourcen bzw. Vermögenswerten einhergeht. Beispielsweise wenn ein neu gegründetes Shared-Service-Center in einem bestehenden Gebäudekomplex untergebracht wird, welchen wir ohne das Projekt vermieten könnten (Mieterträge würden erzielt). Diese Ressourcen bzw. Vermögenswerte, welche anderweitig genutzt werden können, falls das IT-Projekt nicht realisiert wird, sind entsprechend dem Opportunitätsgedanken dem IT-Projekt zu belasten. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Opportunitätskosten“ oder auch „Alternativkosten“. Bei einer Wirtschaftlichkeitsanalyse sind beispielsweise diejenigen Cashflows anzurechnen, die aus entgangenen Gewinnen, entgangenen Verkaufserlösen oder anderen entgangenen Einnahmequellen resultieren (entgangener Cash-in). Anzusetzen sind aber auch jene Cashflows, die sich ergeben, wenn ein Projekt im Unternehmen bestehende Ressourcen bzw. Vermögenswerte nutzt und diese Verwendung für das Projekt durch extern beschaffte Kapazitäten kompensiert werden muss. Für das Unternehmen ergibt sich somit ein zusätzlicher Cash-Out – welcher ebenfalls den „Opportunitätskosten“ zuzurechnen ist. Opportunitätskosten verkörpern somit eine angemessene Vergleichsgröße für einen entgangenen Nutzen. Sie entschädigen dafür, dass vorhandene Möglichkeiten zur Nutzung von Ressourcen bzw. Vermögenswerten dann nicht mehr wahrgenommen werden können, wenn man sich für das IT-Projekt entscheidet. Es sind dies folglich keine Kosten im Sinne der traditionellen Kosten- und Leistungsrechnung, sondern eher ein cashflow-basierender Bewertungsansatz für entgangene Alternativen. Bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse bleiben demzufolge die aus der Kostenrechnung bekannten kalkulatorischen Ansätze für die Würdigung entgangener Chancen grundsätzlich außen vor. Beispielsweise kennt die Kostenrechnung den „kalkulatorischen Unternehmerlohn“, welcher angesetzt wird, wenn der Unternehmenseigentümer seine Arbeitskraft „umsonst“ zur Verfügung stellt. Diese Kosten werden folgerichtig in die Kostenrechnung mit aufgenommen, sind aber nicht relevant für Wirtschaftlichkeitsentscheidungen (kein cashflow-relevanter Vorgang). Anhand eines Fallbeispiels soll im Folgenden die korrekte Behandlung von Opportunitätskosten bei Wirtschaftlichkeitsanalysen dargelegt – und im gleichen Atemzug auch auf mögliche Fallstricke hingewiesen werden.
10.6 Berücksichtigung von Opportunitätskosten
319
10.6.1 Fallbeispiel – Wirtschaftlichkeit eines neuen IT-Service
Das Management der fiktiven Fairmatik AG (faire Informatik) erwägt die Einführung eines neuen IT-Service innerhalb des Unternehmens. Um den Bedarf für den neuen Service zu verifizieren und die diesbezüglichen Anforderungen zu konkretisieren, wurde eine detaillierte Erhebung bei den internen Kunden durchgeführt. Im Rahmen der technischen Spezifikation wird deutlich, dass für die Bereitstellung des neuen Service eine dedizierte Infrastruktur benötigt wird – bestehend aus einer Speicher-Komponente (Storage) und Rechenkapazität (Server). Vor der Ausführung der entsprechenden Investitionen sollen die ökonomischen Aspekte des geplanten Vorhabens beleuchtet werden. In einer ersten Untersuchung hinsichtlich des möglichen Nutzens, welche von der Informatik und den Geschäftsfunktionen gemeinsam durchgeführt wurde, konnten interne und externe Kosteneinsparungen quantifiziert werden:
Interne Kosteneinsparungen belaufen sich auf 750.000,- GE pro Jahr Externe Kosteneinsparungen belaufen sich auf 250.000,- GE pro Jahr Beide Einsparungen starten mit dem Jahr 1 (dem Jahr, welches der Implementierung folgt). Fairmatik besitzt bereits einen Storage Frame. Dieses Gerät wird aber momentan nicht benötigt (es wurde im Hinblick auf die geplante Akquisition eines Start-Up Unternehmens gekauft) und könnte nun für 2 Mio. GE verkauft werden, falls das Projekt für den neuen Service nicht ausgeführt wird. Für das Design und die Implementierung des neuen Service würden folgende externe Kosten anfallen:
Consulting: 1 Mio. GE 4 x Unix Server: 500.000,- GE Die internen Kosten für den Projektmanager belaufen sich auf 100.000,GE Alle Kostenpositionen fallen in Jahr 0 an (Jahr der Projektausführung). Nach der Implementierung fallen interne Betriebskosten an. Diese belaufen sich auf 150.000,- GE pro Jahr. Für den erwarteten Lebenszyklus des Service wird ein Zeitraum von fünf Jahren angesetzt (Jahr 1 - Jahr 5). Am Ende des Lebenszyklus werden die Infrastrukturelemente ohne Restwert außer Betrieb genommen, da sie zu diesem Zeitpunkt technisch veraltet sind und keinen Gebrauchswert mehr ausweisen. Aus Vereinfachungsgründen gehen wir weiterhin davon aus, dass während der
320
10 Datenerhebung und -aufbereitung
Betriebszeit keine Ersatzinvestitionen (life-cycle replacements) getätigt werden. Wie ist die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zu beurteilen? Wir nehmen dabei an, dass die Fairmatik AG bei ihren Wirtschaftlichkeitsüberlegungen einen Kalkulationszinsfuß von 12% zugrunde legt. In einer Wirtschaftlichkeitsanalyse könnten die oben genannten Cashflows des Fallbeispiels entsprechend dem folgenden Berechungsbeispiel eingebunden werden. Berücksichtigt werden die einmaligen Projektkosten (in Jahr 0), die Betriebskosten (Jahr 1 - 5) und die quantifizierten Einsparpotentiale. Wirtschaftlichkeitsanalyse "Neuer IT-Service" - Investitionsrechnung "A" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Total
1,000,000
1,000,000
Cash-Out: Unix Server
500,000
500,000
Cash-Out: Interne Kosten
100,000
Cash-Out: Consulting
100,000
Cash-Out: Betriebskosten
150,000
150,000
150,000
150,000
150,000
750,000
Nutzen: Externe Einsparungen
250,000
250,000
250,000
250,000
250,000
1,250,000
Nutzen: Interne Einsparungen
750,000
750,000
750,000
750,000
750,000
3,750,000
850,000
850,000
850,000
850,000
850,000
2,650,000
Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
-1,600,000 1.0000
0.8929
0.7972
0.7118
0.6355
0.5674
-1,600,000
758,965
677,620
605,030
540,175
482,299
1,464,089
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Gemäß dieser Analyse wäre der neue IT-Service als wirtschaftlich einzustufen (positiver NPV in Höhe von 1.46 Mio. GE). Es stellt sich allerdings die Frage, ob bei dieser Berechnung der Umstand gewürdigt wird, dass die Fairmatik AG im Besitz von Vermögenswerten ist, die einerseits zwar für den neuen Service genutzt werden können, sich andererseits aber auch gewinnbringend veräußern lassen. Denn Tatsache ist, dass die Fairmatik AG bei der Verwendung des vorhandenen Storage-Frames für den neuen Service die Opportunität verliert, diesen Storage-Frame mit einem Geldwert von 2 Mio. GE zu verkaufen. Wie ist aber nun ein solcher Entfall von Opportunitäten in einer Wirtschaftlichkeitsanalyse anzusetzen? Die korrekte Vorgehensweise wird in der nachfolgenden Berechnung aufgezeigt. Hierbei wird der Kostenblock um einen Eintrag für „Opportunitätskosten“ ergänzt. Die entgangene Opportunität wird an dieser Stelle mit dem entsprechenden Geldwert in Höhe von 2 Mio. GE angesetzt. Es wird deutlich, dass sich aus Sicht des Rechenmodells die „Opportunitätskosten“ nicht von den anderen einmaligen oder wiederkehrenden Cashflows unterscheiden.
10.6 Berücksichtigung von Opportunitätskosten
321
Wirtschaftlichkeitsanalyse "Neuer IT-Service" - Investitionsrechnung "B" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Total
Cash-Out: Consulting
1.000.000
1.000.000
Cash-Out: Unix Server
500.000
500.000
Cash-Out: Interne Kosten
100.000
100.000
2.000.000
2.000.000
Cash-Out: Opportunitätskosten Cash-Out: Betriebskosten
150.000
150.000
150.000
150.000
150.000
750.000
Nutzen: Externe Einsparungen
250.000
250.000
250.000
250.000
250.000
1.250.000
750.000
750.000
750.000
750.000
750.000
3.750.000
-3.600.000
850.000
850.000
850.000
850.000
850.000
650.000
1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
0,5674
-3.600.000
758.965
677.620
605.030
540.175
482.299
Nutzen: Interne Einsparungen Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
-535.911
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Das Resultat ist ernüchternd. Unter der korrekten Einbeziehung von Opportunitätskosten rechnet sich der neue IT-Service – zumindest in der vorliegenden Konstellation – nicht mehr (negativer NPV in Höhe von 535.911,- GE). In einer Wirtschaftlichkeitsanalyse müssen die Cashflows aus entfallenen Opportunitäten berücksichtigt und als „Opportunitätskosten“ bei den CashOutflows angesetzt werden. Alternativ kann man eine verlorene Opportunität als eigenständiges (konkurrierendes) Projekt betrachten und analysieren, welches Projekt aus finanziellen Gesichtspunkten die bessere „Performance“ aufweist. Alternativ zu der direkten Einberechnung von Opportunitätskosten in Wirtschaftlichkeitsanalysen besteht die Möglichkeit, Opportunitäten als eigen-
ständige Szenarien zu rechnen und eine vergleichende Bewertung der Entscheidungsalternativen durchführen. Das vorliegende Fallbeispiel ist implizit mit zwei Entscheidungen verbunden:
Soll der neue IT-Service mit den beschriebenen Komponenten eingeführt werden? oder
Soll der vorhandene Storage-Frame verkauft werden? Um zu einer Entscheidung zu kommen, würde man die zuerst ausgeführte „Investitionsrechnung A“ (welche einen positiven NPV in Höhe von 1.46 Mio. GE aufweist) dem NPV der Alternativ-Entscheidung (den Storage-Frame zu verkaufen) gegenüberstellen. Vorzuziehen wäre dann grundsätzlich diejenige Alternative, welche die bessere finanzielle Performance aufweist (höherer NPV). Der Vergleichs-NPV für den Verkauf des vorhandenen Storage-Frames muss in unserem vereinfachten Fall-
322
10 Datenerhebung und -aufbereitung
beispiel nicht berechnet werden – er entspricht dem Verkaufserlös und beträgt folglich 2 Mio. GE. Wie würden Sie entscheiden? 10.6.2 Gefahr der Vermengung von Investition und Finanzierung
Wenn wir die Ausgangslage des vorgenannten Fallbeispiels erweitern, wird eine weitere Fehlerquelle deutlich, die mit Opportunitätsüberlegungen in enger Verbindung steht. Ein Hersteller von Speichersystemen hat von den Plänen der Fairmatik AG erfahren und ein Angebot für ein passendes Speichersystem unterbreitet. Die Angebotssumme beläuft sich auf 1.5 Mio. GE. Die technischen Merkmale des Geräts sind in einer idealen Art und Weise auf den neuen Service zugeschnitten (schnelle Integration in die vorhandene ITUmgebung, einfache Administration im Sinne einer Black-Box). Die Kosten für den laufenden Betrieb reduzieren sich dadurch um 10%. Für den Fall, dass der neue IT-Service mit dieser Konfiguration implementiert wird, könnte Fairmatik den vorhandenen Storage Frame für 2 Mio. GE verkaufen – und dennoch den neuen IT-Service implementieren. Wie ist die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens unter diesen veränderten Gesichtspunkten zu beurteilen? Folgende Rechnung wäre vorstellbar: der Verkauf des vorhandenen Storage-Frames für 2 Mio. GE wird in der Wirtschaftlichkeitsanalyse berücksichtigt. Er wird entweder als Verringerung der Kosten angerechnet oder als Nutzen eingesetzt. Das Ergebnis ist in beiden Fällen identisch und wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens aus. Siehe Investitionsrechnung „C“. Der NPV für das Projekt „Neuer IT-Service“ würde sich gemäß dieser Analyse auf rund 2 Mio. GE belaufen und ein positiver Management-Entscheid wäre zu erwarten. Wirtschaftlichkeitsanalyse "Neuer IT-Service" - Investitionsrechnung "C" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Total
Cash-Out: Consulting
1,000,000
1,000,000
Cash-Out: Storage-Frame
1,500,000
1,500,000
Cash-Out: Unix Server
500,000
500,000
Cash-Out: Interne Kosten
100,000
100,000
Cash-Out: Betriebskosten
135,000
135,000
135,000
135,000
135,000
675,000
Nutzen: Externe Einsparungen
250,000
250,000
250,000
250,000
250,000
1,250,000
Nutzen: Interne Einsparungen
750,000
750,000
750,000
750,000
750,000
3,750,000
865,000
865,000
865,000
865,000
865,000
3,225,000
Nutzen: Verkauf Storage-Frame Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
2,000,000 -1,100,000
2,000,000
1.0000
0.8929
0.7972
0.7118
0.6355
0.5674
-1,100,000
772,359
689,578
615,707
549,708
490,810
2,018,161
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Allerdings übersieht man hierbei den Umstand, dass die Fairmatik AG den bereits vorhandenen Storage-Frame in beiden Fällen veräußern kann - und zwar sowohl dann, wenn der neue Service eingeführt wird, als auch dann,
10.6 Berücksichtigung von Opportunitätskosten
323
wenn der Service nicht umgesetzt wird. Fairmatik kann folglich das Projekt „Neuer IT-Service“ durchführen und gleichzeitig auch den StorageFrame verkaufen. Die Konsequenz: Mit dem erweiterten Fallbeispiel sind keine Opportunitätskosten verknüpft. Mit der Implementierung des neuen Service geht keine Opportunität unter. Es wäre lediglich denkbar, den vorhandenen Storage-Frame zu verkaufen, um mit Hilfe des Verkaufserlöses den neuen IT-Service zu finanzieren. So wie in Investitionsrechnung „C“ dargestellt. Allerdings vermischt man in einem solchen Fall eine Investitionsentscheidung mit einer Finanzierungsentscheidung. Die korrekte Wirtschaftlichkeitsanalyse für das erweiterte Fallbeispiel kann deshalb nur analog der Investitionsrechnung „D“ aufgebaut sein. In dieser Berechnung ist der mögliche Verkaufserlös für den vorhandenen Storage-Frame nicht berücksichtigt. Es zeigt sich nun, dass beim erweiterten Fallbeispiel der neue IT-Service nun zumindest nicht mehr einen negativen NPV aufweist (siehe Investitionsrechnung „B“), sondern einen geringen positiven Wertbeitrag in Höhe von 18.161,- GE. Als Resümee für die Entscheider lässt sich nun festhalten, dass der neue IT-Service mit dem besser geeigneten Storage-Frame (angeboten für 1.5 Mio. GE) zumindest kostendeckend erbracht werden kann. Wirtschaftlichkeitsanalyse "Neuer IT-Service" - Investitionsrechnung "D" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Total
Cash-Out: Consulting
1.000.000
1.000.000
Cash-Out: Storage-Frame
1.500.000
1.500.000
Cash-Out: Unix Server
500.000
500.000
Cash-Out: Interne Kosten
100.000
100.000
Cash-Out: Betriebskosten
135.000
135.000
135.000
135.000
135.000
675.000
Nutzen: Externe Einsparungen
250.000
250.000
250.000
250.000
250.000
1.250.000
Nutzen: Interne Einsparungen
750.000
750.000
750.000
750.000
750.000
3.750.000
865.000
865.000
865.000
865.000
865.000
1.225.000
Delta* Diskontierungsfaktor Delta* diskontiert
-3.100.000 1,0000
0,8929
0,7972
0,7118
0,6355
0,5674
-3.100.000
772.359
689.578
615.707
549.708
490.810
18.161
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Fragen der Investition (In welche Projekte investieren wir?) sind folglich strikt von Fragen der Finanzierung (Wie finanzieren wir unsere Aktivitäten?) zu trennen. Diese Differenzierung wird in der betrieblichen Praxis gerne vernachlässigt und ist auch nicht immer auf Anhieb erkennbar, da
324
10 Datenerhebung und -aufbereitung
die Ausgangslagen mitunter eine hohe Komplexität aufweisen und die diesbezüglichen Zusammenhänge keinesfalls offensichtlich sind.
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
11.1 Analyse und Validierung der Annahmen Wirtschaftlichkeitsanalysen erfassen die erwarteten finanziellen Konsequenzen einer anstehenden Investitionsentscheidung. Zur informativen Unterstützung dieser Entscheidung werden im Rahmen der Investitionsrechnung Inputgrößen zu Ergebnisgrößen (Kennzahlen) verdichtet. Der rechnerische Wert einer Kennzahl ergibt sich einerseits aus der ihr zugrunde liegenden Berechnungslogik – dem Algorithmus – und andererseits aus dem verarbeiteten Datenmaterial. Der Informationswert der Kennzahl ist demgemäß abhängig von
einem fachmännischen Aufbau des Analysemodells und von der Stichhaltigkeit der Eingabewerte. Während die algorithmische Dimension durch etablierte finanzmathematische Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten abgesichert wird und sich deshalb verhältnismäßig leicht „nachbauen“ lässt, gleicht die Datendimension einem Spiel ohne Regeln. Die Feststellung, dass bei der Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen vor allem die Datenbeschaffung problematisch ist, dürfte deshalb kaum überraschend sein. Die erwarteten Projektkosten müssen kalkuliert werden. Die derzeit bestehenden Betriebskosten müssen erhoben werden. Die voraussichtliche Nutzungsdauer der neuen Lösung muss bestimmt werden. Die voraussichtlichen Betriebskosten nach der Umsetzung des Projekts müssen verlässlich ermittelt werden. Der Nutzen des Projekts muss quantifiziert werden. Und all dies muss über einen der Nutzungszeit entsprechenden Analysezeitraum von in der Regel fünf bis zehn Jahren prognostiziert und periodengerecht (d.h. entsprechend dem zeitlichen Anfall der Kosten oder des Nutzens) einem bestimmten Jahr zugeordnet werden. Da Investitionsrechnungen die Realität vorwegnehmen, lässt es sich nicht vermeiden, dass im Rahmen der Wertbestimmung von Kosten- und
326
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Nutzenaspekten gewisse Annahmen getroffen werden müssen. Zum Beispiel Annahmen hinsichtlich:
Geschäftsentwicklung (im Allgemeinen; d.h. z.B. Umfeld- bzw. Marktentwicklung)
Absatzentwicklung (im Speziellen) Organisches Wachstum des Unternehmens (Organic Growth) Mitarbeiter-Fluktuation Inflationsraten (z.B. bezüglich Entwicklung der Einkaufspreise oder Lohnkosten)
Wechselkursschwankungen
Abb. 11.1 Von den Annahmen zum Ergebnis
Die Annahmen bilden den Ursprung für die Herleitung von monetären Größen. In Ź Abb. 11.1 sind die Zusammenhänge zwischen den wesentlichen Dimensionen eines Business Case dargestellt. Diese Abbildung verdeutlicht, dass die Ergebnisgrößen schlussendlich von den Annahmen abhängig sind. Je nachdem durch welche Fakten und Indizien die Annahmen abgesichert sind, sind die daraus abgeleiteten Werte mehr oder weniger stichhaltig. In der IT ist insbesondere die technologische Unsicherheit vorherrschend, da immer noch ein hohes Kreativitäts- und Innovationspotential in der Informationstechnologie vorhanden ist. Bei der Validierung bzw. Abnahme eines Business Case sind deshalb insbesondere die getroffenen Annahmen zu durchleuchten.
11.1 Analyse und Validierung der Annahmen
327
Dies ist nicht immer offensichtlich, denn die Bedeutung der Annahmen wird durch die vorgetäuschte Präzision der „mechanischen“ Berechnung unterwandert. Investitionsrechnungen erfolgten oftmals mit „Stellen nach dem Komma“, weil die Diskontierungsfaktoren dies erzwingen. Die Resultate sind deshalb immer der Gefahr einer „Scheingenauigkeit“ ausgesetzt. Man muss sich daher stets in Erinnerung rufen, dass Annahmen über künftige Entwicklungen, Kapitaleinsatz, Nutzungsdauer und Kalkulationszinssatz nur den gegenwärtigen Kenntnisstand repräsentieren. Die möglichen Fehler stecken immer in diesen Annahmen, nie im Rechenvorgang. Ein erster essentieller Schritt der Datenanalyse ist deshalb die Beurteilung der getroffenen Annahmen und die gemeinsame Validierung mit denjenigen Stakeholdern, in deren Verantwortungsbereiche die Annahmen fallen. Dies bedingt, dass während der Erstellung des Business Case die zugrunde liegenden Annahmen sorgfältig dokumentiert werden. Andernfalls ist eine retrospektive und verlässliche Inspektion des Datenmaterials kaum möglich. Kalkulationszinssatz = 12 %
Business Case - Investition "X" - Plan-Werte (SOLL) Jahr 0 16.000.000
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Projektkosten Betriebskosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
2.000.000 0 8.000.000 -16.000.000 6.000.000 -16.000.000 -10.000.000
2.000.000 8.000.000 6.000.000 -4.000.000
2.000.000 8.000.000 6.000.000 2.000.000
2.000.000 8.000.000 6.000.000 8.000.000
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -16.000.000 -16.000.000
0,7972 4.783.163 -5.859.694
0,7118 4.270.681 -1.589.012
0,8929 5.357.143 -10.642.857
0,6355 3.813.108 2.224.096 2.224.096 Ż NPV Kalkulationszinssatz = 12 %
Business Case - Investition "X" - Tatsächlich erreichte Werte (IST) Jahr 0 16.000.000
Total 16.000.000 8.000.000 32.000.000 8.000.000
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Projektkosten Betriebskosten Nutzen Delta* Delta kumuliert
2.500.000 0 7.500.000 -16.000.000 5.000.000 -16.000.000 -11.000.000
2.500.000 7.500.000 5.000.000 -6.000.000
2.500.000 7.500.000 5.000.000 -1.000.000
2.500.000 7.500.000 5.000.000 4.000.000
Diskontierungsfaktor Delta * diskontiert Delta kumuliert
1 -16.000.000 -16.000.000
0,7972 3.985.969 -7.549.745
0,7118 3.558.901 -3.990.844
0,6355 3.177.590 -813.253 -813.253 Ż NPV
0,8929 4.464.286 -11.535.714
Total 16.000.000 10.000.000 30.000.000 4.000.000
* im Sinne einer Vor-Steuer Betrachtung (d.h. ohne Berücksichtigung von Abschreibungen und Steuereffekten)
Abb. 11. 2 Ergebnisse einer Nachkontrolle im Vergleich zur Planung
Ein exemplarischer Plan-Ist-Vergleich soll die Bedeutung der Annahmen aufzeigen. In Ź Abb. 11. 2 werden dazu die Planzahlen und die tatsächlich erzielten Werte einer Investition gegenübergestellt. Die Betriebskosten sind pro Jahr um 500.000,- GE höher ausgefallen als vorausgesagt und der
328
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Nutzen reduzierte sich um 500.000,- GE pro Jahr. Diese Unterschiede führen zu einem negativen NPV. Das Beispiel zeigt, in welchem Maß die Rechnung von der Qualität der prognostizierten Werte abhängt. Auch kann man die Höhe des Kapitaleinsatzes nicht mit Gewissheit vorhersagen. Trotzdem ist diese Prognose im Vergleich mit der Schätzung des künftigen Nutzens und der Kosten in der Regel recht sicher. Ein Unternehmen sollte daher vor allem hinterfragen, wie genau sich Kosten- und Nutzenaspekte schätzen lassen und welche Qualität die zugrunde liegenden Annahmen aufweisen. Ein wesentliches Ziel der Business-Case-Analyse ist es, festzustellen, ob die Projektkosten und die zukünftigen Betriebskosten nicht zu gering veranschlagt wurden und die quantifizierten Nutzenaspekte nicht überbewertet wurden. Beide Dimensionen eines Business Case müssen auf einer realistischen und validierten Basis beruhen.
Die Analyse und Validierung der Annahmen bildet ein Fundament für alle nachfolgend beschriebenen Aktivitäten der Datenanalyse (Analyse der Kosten und des Risikos). Da die Quantifizierung aller Inputgrößen auf Annahmen beruht, wird während der weiteren Analyseschritte in vielen Fällen auf diese Annahmen zurückgegriffen.
11.2 Analyse der Kosten Die Bestimmung der Kostenseite (Projekt- und Betriebskosten) im Rahmen der Business-Case-Erstellung bildet in aller Regel den Ursprung für die Ressourcen-Plannung (Budgetierung und Personalplanung). Von elementarer Bedeutung sind die Kostendaten insbesondere dann, wenn zwischen verschiedenen Ausführungsoptionen entschieden werden muss, deren Nutzenaspekte mehr oder weniger identisch sind. Ein Augenmerk der Business-Case-Analyse muss deshalb auf der Kostenseite liegen. Hierzu bietet sich die Durchführung eines Benchmarking an. Eine wesentliche Motivation für das Benchmarking ist die Validierung der Projektkosten. In dieser Hinsicht ermöglicht ein Kostenbenchmarking die Beantwortung der folgenden Fragen:
Standortbestimmung: Sind die Projektkosten konkurrenzfähig bzw. bewegen sie sich im Rahmen des „Üblichen“?
Aktionsbestimmung: Welche Kostenpositionen müssen kritisch hinterfragt werden? Welche Maßnahmen müssen zur Optimierung der Kostenseite eingeleitet werden?
11.2 Analyse der Kosten
329
Anhand eines Kostenbenchmarking ist es möglich, Verbesserungspotentiale bei den Projektkosten zu erkennen und entsprechende Korrekturen vorzusehen. Entsprechend dem Motto „Gleiches mit Gleichem vergleichen“, werden beim Kostenbenchmarking in den meisten Fällen Projekte derselben Produktkategorie bzw. Anwendungsart miteinander verglichen. Beispielsweise wird ein SAP-Projekt mit mehreren anderen SAP-Projekten verglichen oder ein CRM-Projekt wird mit anderen CRM-Projekten. Man unterscheidet beim Benchmarking grundsätzlich zwischen einem internen und einem externen Benchmarking.
Beim internen Benchmarking werden die Projekte des eigenen Konzerns als Vergleichsmaßstab herangezogen. Der organisatorische Rahmen ist hierbei möglichst weit gefasst und beinhaltet nicht nur eigene Tochtergesellschaften. Beispielsweise können bei einer Holding auch andere Divisionen mit ihren jeweiligen Länderorganisationen einbezogen werden.
Beim externen Benchmarking können Referenzinformationen von Partnerunternehmen oder von Beratungsfirmen die Aussagekraft des Vergleichs erhöhen. Die „technische“ Basis für ein Benchmarking bilden Kennzahlen. Die Vorzüge von Kennzahlen haben wir bereits im Rahmen der statischen und dynamischen Investitionsrechenverfahren kennen gelernt. Dort wurden sie zur Identifikation der absoluten und relativen Vorteilhaftigkeit von IT-Projekten genutzt. Kennzahlen sind auch hervorragend geeignet, um speziell die Kostenseite von IT-Projekten miteinander zu vergleichen und daraus Anhaltspunkte für die Beurteilung der Kosteneffizienz von Projektvorschlägen zu gewinnen. Die Vorzüge von Kennzahlen sind:
Kennzahlen liefern Maßgrößen für eine vergleichende Beurteilung. Kennzahlen verdeutlichen Abweichungen vom „Normalfall“. Kennzahlen bilden den Ausgangspunkt für eine Ursachenanalyse. Kennzahlen liefern konkrete Anhaltspunkte für potentielle Korrekturen. Ein weiterer Vorteil der Kennzahlen ist, dass sie als Zielvorgaben postuliert werden können. Durch die konsequente Anwendung von Vergleichskennzahlen steht dem Unternehmen ein wertvolles Instrument für die Steuerung der Projektkosten während der Projektanbahnung und der Projektgenehmigung zur Verfügung. Mögliche Kennzahlen für einen solchen Vergleich sind in Ź Abb. 11.3 dargestellt.
330
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Abb. 11.3 Kennzahlen für die Projektkostenanalyse
Bei den Kennzahlen handelt es sich um Verhältniskennzahlen, die sich nach der Struktur in Gliederungs- und Beziehungskennzahlen differenzieren:
Gliederungskennzahlen vergleichen Anteile gleicher Bezugsgrößen (im vorliegenden Fall die Projektkosten). Sie geben den Anteil einer Größe an der Gesamtmenge an (z.B. anteiliger Aufwand für externe Projektmitarbeiter; relativ zu den gesamten Projektkosten).
Beziehungskennzahlen stellen einen Vergleich zwischen Anteilen unterschiedlicher Bezugsgrößen her (z.B. Projektkosten pro Anwender). Beziehungskennzahlen können in der Informatik auf weitere technische, organisatorische oder zeitliche Dimensionen heruntergebrochen werden. Beispiele sind:
Kosten pro Terabyte (costs per terabyte) Kosten pro Server (costs per server) Kosten pro MIPS (costs per „Million instructions per second“) Kosten pro Transaktion Kosten pro Auftrag Kosten pro Arbeitsplatz
Kosten pro Client (z.B. am Netz angeschlossener Desktop oder Laptop) Kosten pro Tag / Monat / Jahr
11.2 Analyse der Kosten
331
Denkbar wäre auch eine kennzahlengestützte Analyse pro Realisierungsschritt (Konzeption, Entwicklung, Einführung, Betrieb, Phase-Out) – also entlang des Lebenszyklus einer Lösung. In der Praxis stellen allerdings die dazu notwendige einheitliche semantische Basis für die Abgrenzung der Phasen und die eindeutige Zuordnung von Kosten zu einer bestimmten Phase eine nur schwer zu überwindende Herausforderung dar. Im Hinblick auf die Projektkosten ist der konzerninterne Vergleich anhand der gezeigten Kennzahlen besonders aussagekräftig, denn eine zuverlässige Gegenüberstellung bedingt konsistente Vergleichswerte und eine widerspruchsfreie semantische Basis. Gewährleistet ist dies nicht nur durch den informellen Wissensaustausch der Mitarbeiter, sondern auch durch die im Unternehmen verankerten Regelungen. Interpretationsspielräume sind deshalb auf ein akzeptables Minimum reduziert – was bei einem externen Vergleich nicht ohne weiteres der Fall ist. Eine gewisse Vorsicht ist dennoch geboten, unter anderem bei folgenden Details bezüglich der Vergleichbarkeit:
Vergleichbarer Personenaufwand: Es ist beispielsweise nicht unwahrscheinlich, dass bei Konzerntöchtern im amerikanischen und asiatischen Raum mit 8 Stunden pro Personentag gerechnet wird. Wohlwissentlich, dass dort längere Arbeitszeiten üblich sind, aber diese Mehrarbeit nicht vergütet wird. Werden hingegen bei den europäischen Konzerngesellschaften die Überstunden präziser erfasst (eben weil sie vergütet werden), so muss dies beim Vergleich berücksichtigt werden. Vergleichbarer Projektumfang: Zu beachten ist weiterhin, dass ein einheitliches Verständnis hinsichtlich des Projektumfangs besteht. Wird zum Beispiel die Stabilisierungsphase bei der Einführung in die Aufwandsschätzung und Kostenkalkulation miteinbezogen oder nicht? Vergleichbare Projektmerkmale: Es muss sichergestellt werden, dass der inhaltliche Abdeckungsgrad der Projekte identisch ist. Beispielsweise kann ein CRM-Projekt mit der Einführung eines Call-Centers für Kundenanfragen verbunden sein. Werden im Unternehmen ansonsten CRM-Projekte ohne Call-Center ausgeführt, so müssen beim Benchmarking die Kosten des Call-Center-Sub-Projekts ausgeschlossen werden („Out-of-scope“). CRM-getriebene Call-Center-Einführungen können jedoch Gegenstand eines eigenständigen Benchmarking sein. Voraussetzung für eine aufschlussreiche Untersuchung ist eine hinreichend detaillierte und zweckmäßige Strukturierung der Daten, entsprechend den Notwendigkeiten der Kennzahlenanwendung Die Schaffung der notwendigen Transparenz und Übersicht ist deshalb in vielen Fällen der erste Arbeitsschritt in einem Benchmarking. Anhand eines Praxisbei-
332
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
spiels soll im Folgenden die Vorgehensweise und das Potential des Projektkosten-Benchmarking aufgezeigt werden. Ausgangspunkt der Analyse ist das in Ź Abb. 11.4 illustrierte Projektszenario (die Zahlen wurden vereinfacht, um den Leser nicht mit unnötigen Details zu belasten). Bei dem Beispiel handelt es sich um die erste Einreichung eines Projektantrags – basierend auf einem zuvor erstellten Business Case. Die Projektkosten sind entsprechend den Vorgaben des Unternehmens in sinnvolle Kostenblöcke gegliedert. Projektdetails
CRM-Einführung "XY" Deutschland April 2005 (Ersteinreichung)
Position Hardware (inkl. PDA's) Software Beratung Programmierung Reisekosten Schulungskosten Weitere Kosten Total - Externe Kosten Interne Kosten Total - Projektkosten
Kosten/Anzahl %-Anteil 300.000 4 1.600.000 21 600.000 8 2.600.000 35 200.000 3 1.000.000 13 200.000 3 6.500.000 87 1.000.000 13 7.500.000 100
Anzahl Anwender Umsatz Betriebskosten
710 480.000.000 900.000
10.563 2 12
Kennzahl Anteilige Hardwarekosten Anteilige Softwarekosten (Software-Lizenzen) Anteilige Beratungskosten Anteilige Entwicklungskosten (Customizing) Anteilige Reisekosten Anteilige Schulungskosten Anteilige unspezifische Kosten Anteilige externe Kosten Anteilige interne Kosten
Projektkosten pro Anwender Projektkosten relativ zum Umsatz Betriebskosten relativ zu den Projektkosten
Abb. 11.4 Projektkosten-Analyse – das Benchmarking-Objekt
Der eingereichte Projektantrag wird nun mit Projekten derselben Art verglichen, die in den vergangenen Jahren im Unternehmen durchgeführt wurden. Die entsprechenden Vergleichsobjekte sind in Ź Abb. 11.5 dargestellt. Projektdetails
CRM-Einführung "AA" Frankreich September 2003
CRM-Einführung "BB" Großbritannien Februar 2003
CRM-Einführung "CC" Italien Juli 2002
Position Hardware (inkl. PDA's) Software Beratung Programmierung Reisekosten Schulungskosten Weitere Kosten Total - Externe Kosten Interne Kosten Total - Projektkosten
Kosten/Anzahl %-Anteil 250.000 3 1.400.000 19 500.000 7 1.200.000 16 200.000 3 900.000 12 200.000 3 4.650.000 75 1.550.000 25 6.200.000 100
Kosten/Anzahl %-Anteil 200.000 3 1.300.000 17 450.000 6 1.000.000 13 200.000 3 800.000 11 150.000 2 4.100.000 75 1.400.000 25 5.500.000 100
Kosten/Anzahl %-Anteil 200.000 3 1.250.000 17 400.000 5 1.000.000 13 200.000 3 750.000 10 250.000 3 4.050.000 76 1.300.000 24 5.350.000 100
Anzahl Anwender Umsatz Betriebskosten
680 620.000.000 1.000.000
9.118 1 16
600 400.000.000 800.000
9.167 1 15
Abb. 11.5 Projektkosten-Analyse – die Vergleichsobjekte
580 380.000.000 700.000
9.224 1 13
11.2 Analyse der Kosten
333
Führt man nun einen Abgleich zwischen den Projekten durch, so wird man Folgendes feststellen:
Die Gesamtkosten pro Anwender belaufen sich bei den Vergleichsobjekten auf etwa 9.000,- GE. Beim eingereichten Projektantrag sind diese um 1.500,- GE höher (10.500,- GE). Anmerkung: Die Analyse der Kosten pro Anwender kann auch in folgende Richtung erweitert werden: „externe Kosten pro Anwender“ und „interne Kosten pro Anwender“.
Die anteiligen Kosten für das Customizing (Programmierung) betragen bei den Vergleichsobjekten etwa 15 %. Beim eingereichten Projektantrag beträgt dieser Anteil 35 % der gesamten Projektkosten.
Die Vergleichsprojekte weisen im Schnitt einen Kostensplitt zwischen externen und internen Projektkosten im Verhältnis von 75 / 25 auf. Das neu eingereichte Projekt hat ein Verhältnis von etwa 90 / 10 (90 % externe Kosten / 10 % interne Kosten). Die Lizenzkosten bewegen sich beim eingereichten Projektantrag mit 1.6 Mio. GE an der Obergrenze. Basierend auf den Vergleichsobjekten sollten in diesem Bereich Einsparungen möglich sein. Ein Fazit der Analyse ist, dass bei dem geplanten CRM-Projekt die interne Informatik-Abteilung wenig Arbeit übernimmt und dafür wesentlich kostenintensivere externe Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Anhand des durchgeführten Benchmarking sind nun konkrete Anhaltspunkte für potentielle Korrekturen vorhanden, die dem zuständigen Projektteam unterbreitet werden können. Folgende Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden:
Preisverhandlung mit dem Software-Hersteller: Man kann den Software-Hersteller mit den Benchmarking-Daten konfrontieren und dadurch bessere Preise für die Software-Lizenzen erzielen.
Stärkere Einbeziehung der internen Informatik-Ressourcen: Der verstärkte Einkauf von externen Dienstleistern führt in aller Regel zu einer Verteuerung des Projekts. Da zuvor bereits vergleichbare Projekte im Unternehmen durchgeführt wurden, ist ein „Kompetenz-Pool“ vorhanden. Diese Ressourcen sollten entsprechend genutzt werden. Dadurch sollte es möglich sein, die Kosten für die Programmierung drastisch zu reduzieren.
334
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Projektdetails
CRM-Einführung "XY" Deutschland Juni 2005 (Zweiteinreichung)
Position Hardware (inkl. PDA's) Software Beratung Programmierung Reisekosten Schulungskosten Weitere Kosten Total - Externe Kosten Interne Kosten Total - Projektkosten
Kosten/Anzahl %-Anteil 300.000 4 1.450.000 19 600.000 8 1.300.000 17 200.000 3 1.000.000 13 150.000 2 5.000.000 77 1.500.000 23 6.500.000 100
Anzahl Anwender Umsatz Betriebskosten
710 480.000.000 900.000
9.155 1 14
Kennzahl Anteilige Hardwarekosten Anteilige Softwarekosten (Software-Lizenzen) Anteilige Beratungskosten Anteilige Entwicklungskosten (Customizing) Anteilige Reisekosten Anteilige Schulungskosten Anteilige unspezifische Kosten Anteilige externe Kosten Anteilige interne Kosten
Projektkosten pro Anwender Projektkosten relativ zum Umsatz Betriebskosten relativ zu den Projektkosten
Abb. 11.6 Projektkosten-Analyse – eingeleitete Korrekturmaßnahmen
In Ź Abb. 11.6 wird die kostenoptimierte zweite Einreichung des Projektantrags gezeigt. Die vorgenommenen Änderungen sind entsprechend markiert. Unter anderem sind hierbei die folgenden Punkte auffallend:
Das Verhältnis zwischen externen und internen Projektkosten (77/23) hat sich nun auf einem Niveau eingependelt, das dem „Quasi-Standard“ der Vergleichsobjekte sehr nahe kommt (75/25).
Die Kosten pro Anwender bewegen sich nun ebenfalls in einem Bereich, der mit den Vergleichsobjekten konkurrenzfähig ist. Insgesamt konnte mit Hilfe des Benchmarking eine Kostensenkung von rund 1 Mio. GE erzielt werden.
11.3 Analyse des Risikos Bekanntlich richtet sich die Realität nicht immer nach den Prognosen. Wie jede Investition ist auch die Abwicklung von IT-Projekten bzw. IT-Investitionen mit gewissen Risiken verbunden. Die meisten Eingabedaten, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse verarbeitet werden, sind Zukunftswerte. Entsprechend der geplanten Nutzungsdauer erstrecken sie sich über einen längeren Zeithorizont und sind deshalb grundsätzlich mit Unsicherheiten behaftet. Insbesondere die ermittelten Kosten und Nutzen der Maßnahmen können wegen der Ungewissheit zukünftiger Entwicklungen nicht als „garantiert“ angesehen werden. Risiken sind demzufolge untrennbar mit den beiden wesentlichen Dimensionen eines Business Case verbunden – der Kosten- und der Nutzen-
11.3 Analyse des Risikos
335
seite. Aber auch bei den sekundären Wirtschaftlichkeitsfaktoren eines Business Case (z.B. Kapitalkosten und Steuerrate) können gewisse Risiken vorhanden sein, die jedoch in den meisten Fällen (mit Ausnahme des Kalkulationszinssatzes) geringer ausfallen als bei den primären Faktoren. Quellen für Risiken sind beispielsweise
technologische, organisatorische, finanztechnische (z.B. Währungsrisiko) oder partnerschaftliche Aspekte. So ist es keinesfalls sichergestellt, dass der quantifizierte Nutzen auch tatsächlich erwirtschaftet oder die geplante Implementierungszeit eingehalten werden kann. Risiken machen deutlich, mit welchen Wagnissen man sich die Wirtschaftlichkeit „erkauft“. Wirtschaftlichkeit und Risiko sind zwei Seiten einer Medaille. Eine isolierte Betrachtung der Wirtschaftlichkeit ohne eine Würdigung der potentiellen Hindernisse erscheint nicht praxisgerecht und kann sogar irreführend sein. Die erwartete Projektwirtschaftlichkeit muss deshalb in Beziehung gesetzt werden zum Projektrisiko. Primärer Zweck der Risikoanalyse ist es, den mit einem konkreten Projekt verbundenen Unsicherheitsspielraum einzuengen und dadurch die Entscheidungssicherheit wirksam zu verbessern.
Eine Risikobeurteilung ist als integraler Bestandteil der Business-CaseErstellung anzusehen. Das Ziel eines Business Case sollte es sein, eine ganzheitliche Entscheidungsbasis bereitzustellen und neben den rein finanziellen Gesichtspunkten (Kosten und Nutzen) auch die mit dem Projekt und seinen möglichen Ausführungsalternativen verbundenen Unsicherheiten zu eruieren. Dies fällt in den Bereich der Risikoanalyse, deren primäres Ziel es ist, die Risikostruktur der Ergebnisgröße zu untersuchen. In der Regel werden in diesem Zusammenhang die folgenden Faktoren für jedes identifizierte Risiko beurteilt:
Eintrittswahrscheinlichkeit Schadensausmaß Eintrittszeitpunkt Um im Rahmen der Business-Case-Erstellung die Risikodimension entsprechend zu würdigen und Unsicherheiten sichtbar zu machen, stehen die in Ź Abb. 11.7 aufgeführten Möglichkeiten zur Verfügung.
336
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Abb. 11.7 Methoden zur Berücksichtigung der Risikoaspekte
Zwei vordergründige und einfach anzuwendende Verfahren sind einerseits die qualitative Berücksichtigung des Risikos und andererseits die Korrektur der Inputdaten. Diese beiden Möglichkeiten sollen im Folgenden detaillierter beschrieben werden. Qualitative Berücksichtigung des Risikos. Risikofaktoren lassen sich in vielen Fällen nur schwer absolut und genau (im Sinne einer numerischen Quantifizierung) erfassen. Man kann aber versuchen, die bei einem spezifischen IT-Projekt möglichen Risiken in einem ausführlichen Kommentar zu erläutern. Die Entscheider werden so auf das Risiko der einzelnen Investitionsdaten aufmerksam gemacht und sind in der Lage, dies in Beziehung zu den absoluten Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsanalyse zu setzen und das Wirtschaftlichkeitsergebnis speziell unter diesem Gesichtspunkt zu bewerten und zu gewichten. Problematisch bei dieser qualitativen Risikoberücksichtigung ist, dass die Kommentare schon ein subjektives Urteil darstellen. Die Entscheider beurteilen dann diese subjektiven Kommentare erneut. Obwohl solche Kommentare grundsätzlich sinnvoll sind, sollten parallel systematischere Möglichkeiten der Risikoberücksichtigung eingesetzt werden, um das Risiko greifbar zu machen und dadurch die Planungssicherheit zu erhöhen. Insbesondere bieten sich korrigierende Maßnahmen an, um das Risiko, welches von unsicheren Bewertungen der Geldflüsse einer Investition ausgeht, zu verkleinern. Bei den nachfolgend beschriebenen Korrekturverfahren handelt es sich um die einfachsten Formen dieser systematischen Risikoberücksichtigung. Korrekturverfahren. Bei den Korrekturverfahren versucht man im wesentlichen mit Hilfe von risikogesteuerten Eingriffen in das Zahlenwerk eines Business Case mögliche Abweichungen vorwegzunehmen, um den Einfluss von Risiken in die Wirtschaftlichkeitsanalyse „einzubauen“ bzw. um den Einfluss dieser Risiken auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens
11.3 Analyse des Risikos
337
festzustellen. Dazu werden Risikozu- und -abschläge auf ausgewählte Rechenelemente oder Planwerte appliziert. Beispielsweise in Form von: Zuschlägen zum Kalkulationszinsfuß Zuschlägen zu den voraussichtlichen Kosten (Risikozuschlag) Abschlägen vom erwarteten Nutzen (Risikoabschlag) Alle angeführten Korrekturen laufen in eine Richtung: sie dezimieren die Wirtschaftlichkeitskennzahl (Verringerung von NPV, IRR; Verlängerung des Payback). Weitere Möglichkeiten für korrigierende Eingriffe zwecks Risikominderung (vor allem aus Entscheider-Perspektive) sind: Kürzung der Projektausgaben Kürzung der erwarteten Nutzungsdauer Die Korrekturen sollten dabei stets so bemessen sein, dass die errechneten Kennzahlen auch unter ungünstigen Bedingungen mindestens erreicht werden.
Abb. 11.8 Renditeerwartung und Risiko
Risikozu- und -abschläge sind das am meisten verbreitete Korrekturinstrument. In Bezug auf eine Anpassung des Kalkulationszinssatzes wird in Ź Abb. 11.8 der Zusammenhang zwischen der Risiko-Intensität und entsprechend angepasster Rendite veranschaulicht. Die Risiko-Prämie – und damit der Diskontierungsfaktor für die dynamische Investitionsrechnung – erhöht sich mit zunehmendem Risiko. Allerdings hat ein derartig pauschaler Eingriff in das Rechenmodell einer Investitionsrechnung auch seine Schattenseiten, die durch die folgenden Erläuterungen aufgezeigt werden sollen. Anpassung der Discount Rate vs. Anpassung individueller Zahlungsströme. Grundsätzlich kann man argumentieren, dass jedes IT-Projekt ein spezifisches Risiko mit sich bringt und deshalb eine risikoadäquate An-
338
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
passung des Kalkulationszinssatzes (Diskontierungsfaktor) in Betracht gezogen werden sollte. Der Ansatz eines Ausnahmezinsfußes in Investitionsrechnungen ist allerdings aus folgenden Gründen nicht unproblematisch:
Die Vergleichbarkeit der Rechenergebnisse wird durch frühzeitige Einbeziehung dispositiver (kaum quantifizierbarer) Merkmale und subjektiven Vorstellungen erschwert. Schließlich sind Vergleiche nur dann besonders aussagekräftig, wenn sie auf objektiven Maßstäben basieren. Langwierige und unproduktive interne Diskussionen mit stellenweise unüberwindbaren Differenzen sind nahezu unvermeidlich. In der Praxis findet man folglich kaum Beispiele, bei denen die Zinssätze projektspezifisch festgelegt sind. Was hingegen sinnvoller erscheint, sind unterschiedliche Zinssätze für einzelne Divisionen eines Konzerns (entsprechend dem Risiko des Geschäftsfeldes), oder für in- und ausländische Investitionen. Dementsprechend besteht auch die Möglichkeit, alle IT-Vorhaben mit einem einheitlichen Risikozuschlag zu versehen – basierend auf dem inhärenten IT-Risiko wird sozusagen ein „IT-Risikozuschlag“ appliziert. Die Vergleichbarkeit von konkurrierenden ITInvestitionsvorhaben bleibt dadurch gewährleistet. Des Weiteren beeinträchtigt ein Risikozuschlag zum Kalkulationszinsfuß den Aussagegehalt der dynamischen Payback-Rechnung; d.h. er verlängert die Payback-Dauer. Sollte dennoch eine Anpassung des Kalkulationszinsfußes erfolgen, wäre es widersprüchlich, wenn man unter diesen Umständen die Payback-Dauer als „Risiko-Indikator“ ansieht, wie dies üblicherweise der Fall ist (denn das Risiko ist in diesem Fall bereits in die Kennzahl eingearbeitet). Die Payback-Dauer ist also nicht mehr als Risikoindikator, sondern nur noch als Vergleichskriterium anzusehen. In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis sinnvoll, dass es nicht die Aufgabe des Zinssatzes sein kann, mögliche Risiken abzudecken. Vielmehr muss es ein Ziel der Business-Case-Erstellung sein, eben diese Risiken klar und deutlich aufzuzeigen. Eine Alternative zur pauschalen Anpassung des Kalkulationszinssatzes zwecks Risikokorrektur ist die individuelle Anpassung einzelner Zahlungsströme einer Investition. Dies erscheint insbesondere dann sinnvoll, wenn bei einem IT-Vorhaben nur einzelne Nutzenfaktoren mit Unsicherheiten behaftet sind. Diese Zahlungsströme können gezielt mit einem adäquaten Korrekturfaktor versehen werden (Zuschlag bzw. Abschlag). Ein Vorteil von derartigen individuellen Risikoanpassungen ist, dass die Korrektur während des Betrachtungszeitraums variieren kann. Steigt beispielsweise das Risiko mit zunehmender Entfernung vom Bezugszeitpunkt (i.d.R. Jahr 0), so kann ein im Zeitablauf steigender Risikozu- bzw. -abschlag angewendet werden.
11.3 Analyse des Risikos
339
Eine grundsätzliche Anwendungsschwierigkeit der Korrekturverfahren in der Praxis ergibt sich durch die Herkunft der Eingangsdaten für einen Business Case. Oftmals werden in einem Business Case Daten aus unterschiedlichen Unternehmensabteilungen konsolidiert. Es gilt dann zu vermeiden, dass mehrere Personen Risikozu- und -abschläge bei verschiedenen Werten vornehmen. Ansonsten verliert man leicht die Übersicht über vorgenommene Korrekturen und begünstigt Doppelt-Anrechnungen (Double Counting) der Risikokorrekturen. Korrekturverfahren vs. qualitative Berücksichtigung. In der Praxis kann man beim Einsatz von Korrekturverfahren immer wieder beobachten, dass die Schätzung der jeweiligen Korrekturgröße bei Risikozu- und –abschlägen nicht unproblematisch ist, da sie weitgehend subjektivem Ermessen unterliegt. In vielen Fällen gibt es nur wenige Anhaltspunkte für eine Objektivierung. Es stellt sich dann die berechtigte Frage, ob man in diesen Situationen auf eine mathematische Umformung (durch eine Gewichtung der Risiken mit der zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeit und dem voraussichtlichen Schadensausmaß) und der daraus folgenden monetären Bewertung der Risikoeinflüsse verzichten soll. Man könnte ja auch den „gesunden Menschenverstand“ auf der Entscheiderseite bemühen, um eine sinnvolle Balance zwischen geforderter Wirtschaftlichkeit (Wirtschaftlichkeitsmaximierung) und vorhandenem Risiko (Risikominimierung) zu finden. Vorteile
Nachteile
Einfache Durchführung
Es werden keine Alternativen aufgezeigt. Die Entscheider erhalten keine zusätzlichen Informationen über Risikoursachen und Möglichkeiten der Risikoabsicherung. Oftmals pauschale Schätzung des Risikos ohne Ursachenanalyse. Gefahr der Doppelerfassung von Risiken (z.B. Kürzung von Nutzen und Erhöhung des Diskontierungsfaktors). Beim verengten Blick auf die ungünstige Zukunftsentwicklung werden unter Umständen lukrative Investitionsalternativen „totgerechnet“ (kumulativer Effekt, wenn mehrere Inputgrößen korrigiert werden). Es werden nur negative Entwicklungen analysiert, positive Zukunftsentwicklungen und deren Eintrittswahrscheinlichkeit bleiben unberücksichtigt.
Kein erhöhter Planungsaufwand Unbegründete Überbewertungen des Nutzens und Unterbewertungen der Kosten werden vermieden. Man erhält eine realitätsnahe bzw. risikofreie Einschätzung der Wirtschaftlichkeit.
Abb. 11.9 Vor- und Nachteile der Korrekturverfahren
340
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Die Risikoabwägung auf der Entscheiderseite unterscheidet sich prinzipiell kaum von einer etwaigen Risikoquantifizierung auf der Erstellerseite, denn auch die bekannten „Objektivierungstechniken“ zur Risikoquantifizierung unterliegen schlussendlich dem „gesunden Menschenverstand“. Der entscheidende Nachteil ist jedoch, dass in diesem Falle den Entscheidern keine Maßnahmen zur Risikominderung mit ihren jeweiligen wirtschaftlichen Auswirkungen unterbreitet werden. Aus der Sicht des Business Case ist es deshalb vor allem wichtig, den Entscheidern die Risiken mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und dem möglichen Schadensausmaß transparent zu machen und Wege der Risikominimierung aufzuzeigen. Die bisher beschriebenen einfacheren Verfahren wurden diesem Anspruch nur teilweise gerecht. Im Folgenden sollen deshalb systematischere Techniken der Risikoanalyse vorgestellt werden, welche die Planungssicherheit ganzheitlich verbessern. Diese Verfahren können zwar nicht das Risiko beseitigen, aber deutlich machen, mit welchen Einbußen bzw. mit welcher Wirtschaftlichkeit unter bestimmten Konstellationen zu rechnen ist. Dazu werden von den nachfolgend beschriebenen Methoden die in Ź Abb. 11.10 aufgeführten Fragestellungen beantwortet. Methode
Fragestellung
Sensitivitätsanalyse:
Welche Inputgrößen beeinflussen die Höhe der Ergebnisgrößen besonders stark?
Kritische-Werte-Rechnung Senstitivitätsanalyse: Zielgrößen-Änderungsrechnung
Szenarioanalyse: Parallelrechnung (Dreifach-Rechnung)
Innerhalb welcher Grenzen können die Werte der Inputgrößen schwanken, ohne dass die Investition wirtschaftlich unvorteilhaft wird (bzw. ohne dass ein vorgegebener Wert unter- oder überschritten wird)? Wie ist die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von sich gegenseitig ausschließenden Risikoalternativen einer Investition (optimistisches, wahrscheinliches und pessimistisches Szenario)?
Abb. 11.10 Adressierte Fragestellungen der systematischen Risikoanalyse
11.3.1 Sensitivitätsanalyse
Die zuvor angestellten Überlegungen haben verdeutlicht, dass gewisse Rechenelemente einer Wirtschaftlichkeitsanalyse nur als „Näherungswerte“ (auf Annahmen basierende Quantifizierung) in das Rechenmodell einfließen. Um nun feststellen zu können, inwieweit sich durch unterschiedliche Ausprägungen der Eingangsdaten die Analyseergebnisse verändern,
11.3 Analyse des Risikos
341
kann man eine Empfindlichkeitsprüfung vornehmen. Diese Form der Risikoanalyse (früher durch den Begriff „Sensibilitätsanalyse“ umschrieben) wird heute als „Sensitivitätsanalyse“ bezeichnet (in Anlehnung an den angloamerikanischen Begriff „sensitivity analysis“). Generelles Ziel der Sensitivitätsanalyse ist die Beurteilung der Stabilität einer Lösung in Abhängigkeit von Parameteränderungen für unsichere Einflussgrößen.
Es gibt zwei Ausprägungen der Sensitivitätsanalyse: die Zielgrößen-Änderungsrechnung und die Kritische-Werte-Rechnung. Beide Arten werden im Folgenden erläutert. Zielgrößen-Änderungsrechnung. Die Zielgrößen-Änderungsrechnung ermittelt auf systematische Weise die „Empfindlichkeit“ der Investitionsresultate auf Änderungen der Eingabedaten. Es wird also untersucht, wie sich der Wert einer Zielgröße (Ergebnisgröße) aufgrund einer Abweichung der Rechnungselemente verändert. Potentielle Zielgrößen sind die in Ź Abb. 11.11 aufgeführten Kennzahlen der Investitionsrechnung. Rechenverfahren
Ergebnisgröße (Kennzahl)
Statische Investitionsrechnung
ROI (Return on Investment) Payback-Dauer
Dynamische Investitionsrechnung
NPV (Net Present Value) IRR (Internal Rate of Return) Payback-Dauer
Abb. 11.11 Zielgrößen der Sensitivitätsanalyse
Mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse ist es möglich, unsichere Größen einzugrenzen und den Wirkungszusammenhang zwischen Eingabewerten und Ergebnisgrößen zu bestimmen. Prinzipiell können alle Eingabewerte eines Business Case einer solchen Untersuchung unterzogen werden. Beispiele sind:
Projektkosten (oder Teile davon) Betriebskosten (oder Teile davon) Quantifizierter Nutzen (oder Teile davon) Kalkulationszinsfuß Nutzungszeitraum
342
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Diese Wirtschaftlichkeitsfaktoren werden in den meisten Fällen durch eine mehr oder weniger große Anzahl von Quantifizierungsparametern und Annahmen wertmäßig erfasst. Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse werden nun diese zugrunde liegenden Parameter und Annahmen verändert. Beispiele sind:
Wechselkurse: Wie verändert sich das Ergebnis bei positiven oder negativen Veränderungen der Umrechnungskurse für Fremdwährungen?
Ressourceneinsatz: Wie verändert sich das Ergebnis, wenn das Projekt nicht mit den geplanten internen Mitarbeitern durchgeführt werden kann, sondern stattdessen externe Mitarbeiter hinzugezogen werden müssen?
Nutzungsdauer: Die vorgesehene Nutzungsdauer wird verkürzt. Da während der Laufzeit einer Lösung die Nutzenseite in der Regel überwiegt, führt eine Verkürzung der Laufzeit zu einer stärkeren Auswirkung auf der Nutzenseite als auf der Kostenseite. Folge: Die Wirtschaftlichkeitskennzahlen (NPV, IRR etc.) verschlechtern sich. Für Parameter bzw. Geldflüsse, die nicht veränderlich sind (z.B. vereinbarte Fixlöhne für externe Mitarbeiter) oder vom Unternehmen verbindlich festgelegt bzw. standardisiert wurden (z.B. der Kalkulationszinsfuß bzw. WACC, wenn er von der Controlling-Abteilung vorgegeben wurde) ist eine Sensitivitätsanalyse grundsätzlich nicht notwendig. Um eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, kann man wie folgt vorgehen: 1. Die als unsicher erachteten Inputgrößen auswählen. 2. Die Höhe der Abweichungen bei den Inputgrößen festlegen (z.B. +/- 10%). 3. Den Wert jeder Inputgröße einzeln im Rechenmodell verändern (es wird jeweils unterstellt, dass die nicht analysierten Größen konstant bleiben). 4. Die absolute oder prozentuale Veränderung der Zielgröße(n) festhalten (auf diese Weise kann die Abhängigkeit der Zielgröße(n) von einer konkreten Inputgröße differenziert untersucht werden). Die Sensitivitätsanalyse vermittelt wertvolle Einblicke in die Struktur des geplanten Projekts und liefert insbesondere Informationen über die Stellgrößen, die einen bedeutenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des geplanten Projekts haben und deshalb mit besonderer Sorgfalt hinsichtlich ihres Wertes und ihres Risikos gehandhabt werden müssen.
11.3 Analyse des Risikos
343
Die technische Durchführung der Sensitivitätsanalyse ist heutzutage unproblematisch, da das der Investitionsrechnung zugrunde liegende Analysemodell dynamisch reagiert – jede Änderung der Eingabedaten führt zu einer sofortigen Aktualisierung der Rechenergebnisse (Zielgrößen). In Ź Abb. 11.12 wird gezeigt, wie die Ergebnisse einer Sensitivitätsanalyse grafisch dargestellt werden können – eine solche Darstellung wird als „Sensitivitätsdiagramm“ bezeichnet. Das Diagramm zeigt, um welchen Betrag sich der NPV (Kapitalwert) ändert, wenn eine bestimmte Inputgröße (es kann sich dabei auch um eine Aggregation von mehreren Einzelwerten handeln) variiert wird. Anstelle oder ergänzend zur absoluten Veränderung einer bestimmten Zielgröße kann auch die prozentuale Veränderung angegeben werden.
Abb. 11.12 Ergebnisdarstellung einer Sensitivitätsanalyse
Aus dem Sensitivitätsdiagramm lässt sich ablesen, welche Inputgrößen nur zu geringen Schwankungen der Ergebnisgrößen führen und welche die Ergebnisgrößen stärker beeinflussen. Die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse können wie folgt interpretiert werden:
Geringe Sensitivität: Die Unsicherheit der Werte, die nur zu geringen Veränderungen der Ergebnisgrößen führen, kann man bei der Risikoanalyse – insbesondere bei der nachfolgend beschriebenen Szenarioanalyse – vernachlässigen.
Hohe Sensitivität: Sind die Schwankungen der Ergebnisgrößen hingegen relativ groß, so weiß man nun, welche Inputgrößen und Annahmen vorrangig für Instabilitäten beim Ergebnis verantwortlich sind und deshalb im Rahmen der Risikoanalyse genauer untersucht werden müssen.
344
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Durch eine Analyse von denjenigen Annahmen, die den hochsensiblen Inputgrößen zugrunde liegen, kann man die Risikostruktur des Vorhabens besser erkennen und Möglichkeiten der Risikoadressierung erkunden. Eine weitere mögliche Darstellungsform für die Resultate einer Sensitivitätsanalyse wird in Ź Abb. 11.13 gezeigt. Der Vorteil dieser Darstellung ist, dass Vergleiche zwischen den verschiedenen Variablen möglich sind. Beispielsweise führt eine Senkung der Betriebskosten um 5 % zum gleichen NPV (2.000,- GE) wie eine Senkung der Projektkosten um 10 %.
Abb. 11.13 Sensitivitätsdiagramm
Kritische-Werte-Rechnung. Bei diesem Verfahren geht es im Prinzip um die Frage, wie weit eine Input-Größe vom ursprünglichen Wert abweichen kann (z.B. die Projektkosten), ohne dass die Investition insgesamt unvorteilhaft wird. Der Unterschied zwischen den beiden Formen der Sensitivitätsanalyse kann wie folgt beschrieben werden:
Bei der Kritische-Werte-Rechnung wird ausgehend von einem OutputGrenzwert die jeweils erforderliche Inputgröße bestimmt, die notwendig ist, um ein spezifiziertes Ergebnis zu erreichen.
Bei der Zielgrößen-Änderungsrechnung geht man von einer Inputgröße aus und untersucht die Veränderung des Outputs. Der kritische Wert einer Inputgröße ist im Allgemeinen der Wert, bei dem das Projekt gerade eben vorteilhaft ist (z.B. NPV gleich 0 oder IRR gleich Kalkulationszinsfuß).
11.3 Analyse des Risikos
345
Wenn in der Folge von einem „kritischen Wert“ die Rede ist, so ist damit immer eine Inputgröße gemeint und nicht etwa eine Zielgröße. Die Zielgröße stellt vielmehr den angestrebten „Output-Grenzwert“ dar (z.B. NPV = 0). So ist beispielsweise der kritische Wert bei den Projektkosten der Betrag, den die Investition gerade noch verträgt ohne unwirtschaftlich zu werden (NPV < 0). Wie bei der Zielgrößen-Änderungsrechnung wird auch bei der Kritische-Werte-Rechnung unterstellt, dass die nicht analysierten Größen konstant sind. Zwei kritische Werte kennen wir bereits seit einiger Zeit – die Kennzahl „IRR“ (Internal Rate of Return) und die Payback-Dauer. Der IRR ist der kritische Wert für die Inputgröße „Kalkulationszinssatz“ (Diskontierungsfaktor, WACC). Solange der Kalkulationszinssatz unter dem IRR liegt, ist der NPV einer Investition positiv. Übersteigt er dagegen den IRR, wird der NPV negativ. Die Kennzahl „IRR“ beantwortet also die Fragestellung:
Kritischer Kalkulationszinssatz: Wie hoch kann der Kalkulationszinssatz (WACC) sein, ohne dass die Investition unvorteilhaft wird (z.B. negativer NPV)? Angenommen, die Geschäftsleitung eines Unternehmens erwartet von IT-Projekten eine Rendite von 12 % (vor Steuern; d.h. die Steuern müssen bei der Investitionsrechnung berücksichtigt werden). Die für ein Projekt durchgeführte Wirtschaftlichkeitsanalyse ergab einen IRR von 20 %. Die dynamisch ermittelte Payback-Dauer eines Projekts ist der kritische Wert für die Bestandszeit der erarbeiteten Lösung. Diese Kennzahl beantwortet demnach die Fragestellung:
Kritische Nutzungsdauer: Wie lange muss die durch ein Projekt erarbeitete Lösung Bestand haben, ohne dass die Investition unvorteilhaft wird (z.B. negativer NPV)? Weitere „Risikofragen“, die im Rahmen einer Kritische-WerteRechnung adressiert werden können, sind beispielsweise:
Kritische Projektkosten: Wie hoch können die Projektkosten sein, ohne dass die Investition unvorteilhaft wird (NPV negativ)?
Kritische Betriebskosten: Wie hoch können die Betriebskosten der neuen Lösung sein, ohne dass die Investition unvorteilhaft wird?
Kritischer Nutzen: Wie gering kann der Nutzen sein, welcher von der Betriebskosten-Elimination der vorhandenen Lösung ausgeht, ohne dass die Investition unvorteilhaft wird?
346
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Grundsätzlich sollte eine Kritische-Werte-Rechnung für diejenigen Inputgrößen in Betracht gezogen werden, die als besonders unsicher erachtet werden. Bei diesen Größen kann man die Entscheidungssicherheit verbessern, wenn man weiß, welche maximal möglichen Abweichungen (kritische Werte) ein Projekt gerade noch verkraften kann, ohne dass es unwirtschaftlich wird. Die Kritische-Werte-Rechnung ist besonders in denjenigen Fällen sehr aufschlussreich, bei denen die Wirtschaftlichkeitsanalyse ein negatives Ergebnis aufweist (NPV negativ; IRR geringer als Kalkulationszinssatz). Es können dann Antworten auf folgende Fragestellungen gefunden werden:
In welchem Umfang müssen die Projektkosten reduziert werden, um ein positives Ergebnis zu erreichen?
In welchem Umfang müssen die Betriebskosten der neuen Lösung reduziert werden, um ein positives Ergebnis zu erreichen?
Welcher Nutzen muss mindestens erreicht werden, damit das Projekt vorteilhaft wird (NPV positiv und IRR größer als der Kalkulationszinssatz)? Vorteile
Nachteile
Zeigt diejenigen Inputgrößen auf, die das Ergebnis signifikant beeinflussen und deshalb im Rahmen einer Risikoanalyse genauer zu untersuchen sind.
Liefert keinen Hinweis darauf, welche Investitionsalternative zu wählen ist.
Vermittelt einen soliden Einblick in das Risikoverhalten einer Investition und liefert wertvolle Hinweise für die Planung und Kontrolle von „entscheidenden“ Inputgrößen.
Wird in den meisten Fällen als isolierte „Teilanalyse“ durchgeführt. D.h. es wird jeweils nur eine Größe untersucht; alle anderen werden als sicher betracht und konstant gesetzt. Dies entspricht meistens nicht der Realität.
Es werden sowohl negative als auch positive Beeinflussungen der Ergebnisgrößen (Kennzahlen) sichtbar gemacht.
Zeigt den Entscheidern keine Möglichkeiten zur Risikominimierung.
Abb. 11.14 Vor- und Nachteile der Sensitivitätsanalyse
Ein großer Vorteil der beiden Varianten der Sensitivitätsanalyse ist, dass mit ihrer Hilfe die Bedeutung der Inputgrößen für die Entscheidung beurteilt werden kann. Die Sensitivitätsanalysen stellen jedoch keine Entscheidungsregel dar. Sie bieten keine Lösungsvorschläge für das Entscheidungsproblem an und liefern keinen Hinweis darauf, welche risikodifferenzierten Projektkonstellationen möglich sind und welche „Risikovarianten“ mit welcher wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit verknüpft sind. Diese Defizite kann durch eine Szenarioanalyse adressiert werden.
11.3 Analyse des Risikos
347
Szenarioanalyse – Variantendesign. Die Szenarioanalyse wird auch als „Parallelrechnung“ oder „Dreifachrechnung“ bezeichnet. Bei diesem Verfahren zur Risikobeurteilung werden unterschiedliche Zukunftslagen angenommen und unter Zugrundelegung optimistischer, wahrscheinlicher und pessimistischer Datenkonstellationen die Berechnungen für ein Investitionsprojekt dreifach durchgeführt. Diese Methode ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Risiken und Chancen ungleich verteilt sind. Während bei den zuvor beschriebenen Verfahren der primäre Zweck darin zu sehen war, die Entscheidungssicherheit zu erhöhen, ist das primäre Anliegen der Szenarioanalyse, risikodifferenzierte und „echte“, d.h. sich gegenseitig ausschließende Entscheidungsoptionen zu präsentieren und ihre Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens darzulegen. In diesem Zusammenhang werden in den meisten Fällen drei verschiedene Kombinationen von Inputgrößen ausgearbeitet:
Ein pessimistisches Szenario bzw. eine pessimistische Einschätzung der Inputgrößen. Ein wahrscheinliches Szenario bzw. eine wahrscheinliche Einschätzung der Inputgrößen Ein optimistisches Szenario bzw. eine optimistische Einschätzung der Inputgrößen Zur Bildung der jeweiligen Varianten werden üblicherweise nicht nur ein Eingabewert, sondern mehrere Eingabewerte verändert. Ein großer Vorteil dieser Methode gegenüber allen bisher beschriebenen Verfahren der Risikobeurteilung liegt in der Berücksichtigung von „positiven Risiken“ – also Chancen. Tendenziell verbindet man mit einem Risiko immer negative Assoziationen. Geht ein Unternehmen jedoch kalkulierbare Risiken ein, so bieten sich ihm auch Chancen, die es ohne Risikobereitschaft nicht haben würde. Die Szenarioanalyse zeigt den Entscheidern derartige Aussichten auf. Vorteile
Nachteile
Zeigt die Bandbreite von Chancen und Risiken.
Für jedes Szenario muss eine vollständige Berechnung vorgenommen werden. Jedes Szenario muss vorzugsweise in einem eigenen Analysemodell (z.B. eigene Excel-Datei) vorgehalten werden. Änderungen an der Projektplanung müssen deshalb unter Umständen an mehreren Orten nachgeführt werden.
Zeigt echte Handlungs- bzw. Entscheidungsalternativen auf.
Abb. 11.15 Vor- und Nachteile der Szenarioanalyse
348
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Anhand eines Praxisbeispiels sollen im Folgenden konkretere Anwendungssituationen für die beschriebenen Formen der Risikoanalyse aufgezeigt werden.
11.3.2 Praxisbeispiel – Konsolidierung von ERP-Systemen
In einem Unternehmen wurden vor einiger Zeit sukzessive ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) eingeführt – zuerst bei den größeren Niederlassungen und anschließend Schritt für Schritt in den weiteren Niederlassungen. Insgesamt verfügt das Unternehmen über acht Tochtergesellschaften in jeweils unterschiedlichen europäischen und ost-europäischen Ländern. Alle Niederlassungen haben sich bei der ERP-Einführung am Konzernstandard orientiert und das System „FastERP“ eingeführt – in jedem Land wurde eine eigenständige Instanz dieses Systems aufgesetzt. Dadurch konnten Synergien beim Einkauf (Software-Lizenzen) und bei der Projektabwicklung (Know-how) erreicht werden. Dem Unternehmen wird nun jedoch bewusst, dass die sechs verschiedenen ERP-Instanzen langfristig keine kosteneffiziente Lösung darstellen. Die aktuelle Implementierungsform lässt es nicht zu, Synergien beim operativen Betrieb (Betriebskosten) zu erschließen. Aus diesem Grund hat die Geschäftsleitung bei der Informatik nachgefragt, unter welchen Umständen eine Verbesserung der globalen ERP-Kostenstruktur möglich wäre. Die IT-Abteilung erarbeitet nun einen Business Case und hat bereits eine erste Vorstellung des Projekts. Folgende Punkte sind hervorzuheben:
Angestrebt wird eine Konsolidierung der sechs Instanzen zu einer Instanz.
Diese Konsolidierung geht einher mit einer Harmonisierung der Geschäftsprozesse.
Ein weiterer Eckpfeiler der geplanten Lösung ist ein „Shared Service Center“, für nicht-geschäftskritische Prozesse (Lohnbuchhaltung, Personalwesen, Bestellwesen) – ermöglicht wird dies durch die zu harmonisierenden Geschäftsprozesse bei diesen Funktionen. Durch den Business Case soll nun festgestellt werden, wie das Vorhaben beschaffen sein muss, damit die Aktivität für das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll wird. Eine erste Wirtschaftlichkeitsbeurteilung wurde bereits durchgeführt. Bei der anschließenden Analyse der zugrunde gelegten Annahmen wurden einerseits bestimmte Eingabewerte als invariabel und sicher klassifiziert (z.B. Kalkulationszinssatz). Andererseits wurden gewisse Faktoren als un-
11.3 Analyse des Risikos
349
bestimmt und unsicher eingestuft. Bei diesen letztgenannten Faktoren handelt es sich um:
Die Projektkosten Die Betriebskosteneinsparungen Die Standortwahl für das „Shared Service Center“ und die Entwicklung der Personalkosten in dieser Hinsicht
Die Wechselkurse für Fremdwährungen Der interne Ressourceneinsatz (beeinflusst primär die Projektkosten und sekundär die Betriebskosten; wenn interne Ressourcen nicht in dem Umfang einbezogen werden können wie vorgesehen, erhöht dies die externen Kosten) Die Fluktuationsrate der internen Mitarbeiter (beeinflusst die Abfindungszahlungen und die Kosten für Neueinstellungen) Anhand dieser Informationen soll nun in die Risikoanalyse eingestiegen werden. Um Ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet zu nutzen, wurden Sie hinzugezogen. Es ist die Frage zu klären, wie man im Rahmen einer Risikobeurteilung diese Faktoren angemessen adressieren kann. Eine Lösungsmöglichkeit dieser Aufgabenstellung wird in Ź Abb. 11.16 gezeigt. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Standortwahl für das „Shared Service Center“. Für diesen Lösungsbestandteil macht eine Sensitivitätsanalyse wenig Sinn, denn diese leistet keinen Beitrag um eine risikoadäquate Entscheidung zwischen möglichen Standortalternativen zu treffen. Vielmehr ist es bei diesem Aspekt sinnvoll, den Entscheidern die folgenden risikoabgestuften „Entscheidungsoptionen“ anzubieten:
Low-risk option „Mitteleuropa“: Shared Service Center in einem mitteleuropäischen Land
Medium-risk option „Osteuropa“: Shared Service Center in einem osteuropäischen Land
High-risk option „Indien“: Shared Service Center in Indien In Bezug auf den Einsatz von internen und externen Mitarbeitern ist sowohl eine Sensitivitätsanalyse als auch eine Szenarioanalyse denkbar. Eine Szenarioanalyse kann beispielsweise auf den folgenden Ressourcenkonstellationen basieren (wobei für jedes Szenario die Wirtschaftlichkeit, eventuelle weitere Auswirkungen und die jeweiligen Vor- und Nachteile aufzuzeigen sind):
350
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Verstärkter interner Personaleinsatz Üblicher interner/externer Personaleinsatz Verstärkter Einsatz von externen Mitarbeitern Um den Leser mit den verschiedenen Prinzipien und Potentialen des Variantendesigns vertraut zu machen, werden nachfolgend die methodischen Grundlagen für den Entwurf von Alternativen vermittelt. Faktor
Methode
Begründung
Projektkosten
Sensitivitätsanalyse
Eine Sensitivitätsanalyse zeigt, inwieweit die Vorteilhaftigkeit durch die Projektkosten beeinflusst wird.
Betriebskosteneinsparungen
Sensitivitätsanalyse oder Korrekturverfahren
Einerseits sollte sichergestellt sein, dass der Nutzen konservativ geschätzt ist (möglich durch das Korrekturverfahren), andererseits muss festgestellt werden, inwieweit die Einsparungen die Vorteilhaftigkeit der Investition beeinflussen.
Standortwahl
Szenarioanalyse (Variantendesign)
Die Frage nach dem „richtigen“ Standort kann nur mit Hilfe einer Szenarioanalyse fundiert beantwortet werden.
Wechselkurse
Sensitivitätsanalyse
Durch eine Sensitivitätsanalyse kann festgestellt werden, wie signifikant dieser Aspekt für die Wirtschaftlichkeit ist.
Interner Ressourceneinsatz
Sensitivitätsanalyse oder Szenarioanalyse
Eine Sensitivitätsanalyse zeigt, inwieweit dieser Anteil der Projektkosten die Vorteilhaftigkeit der Investition beeinflusst. Mittels einer Szenarioanalyse können verschiedene Ausführungsoptionen mit unterschiedlicher Beanspruchung der internen Ressourcen untersucht werden.
Fluktuationsrate
Qualitative Beurteilung
Die Entscheider können qualitativ auf diesen Punkt aufmerksam gemacht werden. Ist der Punkt transparent, können geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden (z.B. „Verbleibe-Boni“).
Abb. 11.16 Empfehlungen für eine adäquate Risikobeurteilung
11.3 Analyse des Risikos
351
11.3.3 Methodisches Variantendesign
Die Variantenbildung ist ein Prozess, bei dem man von einer IST-Situation oder einer SOLL-Situation abstrahiert, um dadurch das Blickfeld auf weitere Lösungsmöglichkeiten zu erweitern. Durch die Abstraktion distanziert man sich von implementierungsspezifischen Gedanken, konzentriert sich auf die Grundidee, die Ziele, die wesentlichen Merkmale der gewünschten Lösung und versucht andere Wege zu finden, um ein gleichwertiges oder besseres Ergebnis zu erreichen. Bezüglich der Bildung von Lösungsvarianten gibt es zwei elementare Vorgehensmethoden:
progressiv (vom IST-Zustand ausgehend) und regressiv (vom Zielzustand ausgehend) Die erste Variante wird auch als die „Methode des Vorwärtsschreitens“ bezeichnet. Diese Art der Variantenbildung bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Problemsituation. Ausgehend von dem Problem bzw. der IST-Situation wird ein Lösungsansatz entwickelt. Von diesem ersten Lösungsansatz aus werden möglichst viele Wege eingeschlagen (divergentes Denken). Dabei muss nicht zwingend systematisch variiert werden. Auch das Auseinanderlaufen der Gedanken, ausgehend von einem Lösungsansatz, gehört zu dieser Methode. Die systematische Betrachtung von Merkmalen und deren Variation kann dieses Vorgehen massiv unterstützen, doch sollte damit nicht eine Einschränkung des Denkprozesses erfolgen. Die Varianten, die auf diese Weise entstehen, werden als „Problemlösungsvarianten“ bezeichnet. Ein anderes mögliches Vorgehen ist die „Methode des Rückwärtsschreitens“ (regressives Vorgehen). Diese Art der Variantenbildung bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Zielvorstellung. Von der Zielsituation ausgehend werden möglichst viele Varianten ermittelt, die mit dem gesetzten Ziel kompatibel sind (konvergentes Denken). Dabei muss das Ziel ausreichend konkret und eindeutig definiert sein. Es ist auch denkbar, ein so genanntes ,,ideales System'' als gedankliches Ziel zu definieren. Allerdings ist bei komplexen Systemen diese Festlegung problematisch. Dieses Vorgehen kann vor allem dann interessant sein, wenn wenig Abhängigkeiten zu einer IST-Situation bestehen. So könnte es zum Beispiel bei Innovationsprojekten sinnvoll angewendet werden. Damit die auf diese Weise entstandenen Varianten auch sprachlich abgegrenzt werden können, kann man sie als „Zieladressierungsvarianten“ bezeichnen.
352
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Abb. 11.17 Methodische Variantenbildung
Es besteht die Möglichkeit, die gebildeten Lösungsalternativen in einem so genannten „Morphologischen Kasten“ einander gegenüberzustellen. Ein derartiges Beispiel ist in Ź Abb. 11.18 dargestellt.
Abb. 11.18 Visualisierung von Varianten (Morphologischer Kasten)
Wenn man Lösungsvarianten bildet, stellt sich sehr schnell die Frage, was denn genau als „eine Variante“ anzusehen ist. Oder anders formuliert: Wie stark müssen sich die Varianten unterscheiden, damit sie als eigenständige Alternativen neben den anderen Varianten bestehen können und dürfen? Eine Antwort auf diese Frage kann pauschal nicht gegeben werden. Betrachtet man die Variantenbildung jedoch unter einem zeitlichen Aspekt – also im Rahmen des Projektfortschritts – so ergeben sich hilfreiche Anhaltspunkte für eine konkrete Abgrenzung von Varianten.
11.3 Analyse des Risikos
353
Sowohl beim Vorwärtsschreiten als auch beim Rückwärtsschreiten geschieht die Variantenbildung nach dem Top-Down-Prinzip: 1. Zu Beginn der Variantenbildung geht es im Wesentlichen darum, Lösungsalternativen aufzustellen, die sich fundamental unterscheiden. Zwischen den Varianten muss also ein wesentlicher bzw. grundsätzlicher Unterschied bestehen. Derartige Varianten können als „Prinzipvarianten“, „Grundsatzvarianten“ oder „Fundamentalvarianten“ bezeichnet werden. Diese Varianten werden nur soweit strukturiert und durchdacht, bis man sich ein ungefähres Bild über den Zielerreichungsgrad, die Auswirkungen, die Voraussetzungen und die Konsequenzen machen kann. Man verfügt dann in der Regel über ausreichende Informationen, um die erfolgversprechendste Variante auswählen zu können und in die nächste Phase übergehen zu können. 2. Hat man sich für eine Variante entschieden, wird diese in einem nächsten Schritt detaillierter ausgearbeitet. Im Rahmen eines Grobkonzepts können von der ausgewählten Prinzipvariante weitere Varianten erstellt werden, die sich nur noch in einer Ausprägung unterscheiden. Diese Varianten können als „Ausprägungsvarianten“ bezeichnet werden.
Abb. 11.19
Von der Prinzipvariante zur Ausführungsvariante
354
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
3. Ausprägungsvarianten legen den Grundstein für den nächsten Entwurfsschritt, bei dem unterschiedliche Ausführungsalternativen bzw. Implementierungsmöglichkeiten der gewählten Variante diskutiert und ausgearbeitet werden. Diese Varianten unterscheiden sich nicht mehr prinzipiell, sondern nur noch im Hinblick auf die „technische“ Ausführung oder in einigen „technischen“ Details. Man kann diese Varianten deshalb als „Ausführungsvarianten“ oder „Detailvarianten“ bezeichnen. Diese konzeptionellen Teilschritte des Variantenentwurfs sind in Ź Abb. zusammengefasst.
11.19
11.4 Optionen bei negativem oder unsicherem Ergebnis Zum Abschluss des Kapitels über Datenanalyse und Variantenentwurf sollen im Folgenden generische Handlungsoptionen vorgestellt werden, die in den Fällen zur Anwendung kommen können, bei denen die Analyse der Annahmen, des Risikos oder der Kostensituation Schwächen hinsichtlich der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit aufgedeckt hat. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen im Wesentlichen um allgemeingültige Optimierungsstrategien oder Maßnahmenbündel, mit dem Ziel, die finanzielle Lage des Projekts zu verbessern.
Abb. 11.20 Primäre Optimierungsstrategien bei unvorteilhaften Investitionen
Möglich sind einerseits die in Ź Abb. 11.20 dargestellten Veränderungen der primären Wirtschaftlichkeitsfaktoren (Kosten und Nutzen).
11.4 Optionen bei negativem oder unsicherem Ergebnis
355
Derartige Eingriffe werden im Englischen treffend mit dem Begriff „Financial Tactics“ bezeichnet. Sie bedingen konzeptionelle Umgestaltungen bei dem geplanten Vorhabens. Eine weitere Möglichkeit, die allerdings ebenfalls einen inhaltlichen Eingriff in das Projekt bedingt, ist die Änderung des „Scopes“ (Umfang/ Reichweite des Vorhabens). Durch die Ausweitung können unter Umständen zusätzliche Nutzenaspekte mit einem geringen zusätzlichen Kostenaufwand erschlossen werden. Dies führt zu einer Verbesserung des Nutzen-/Kostenverhältnisses. Mögliche Maßnahmen, die keinen Eingriff in die inhaltliche Dimension des Projekts nach sich ziehen, sind:
Vollständigkeit der quantifizierten Nutzenaspekte prüfen: In der Praxis ist bei einem Projekt mit einer geringen absoluten Vorteilhaftigkeit (NPV nur geringfügig über null bzw. IRR nur geringfügig über der geforderten Mindestverzinsung) oftmals zu beobachten, dass das Vorhaben bei einem anderen Bewertungsgesichtspunkt (beispielsweise bei der Strategiekonformität) sehr gut abschneidet. Es besteht dann die Möglichkeit, dass im Rahmen der Business-Case-Erstellung einige Nutzenaspekte nicht quantifiziert wurden und deshalb in der Wirtschaftlichkeitsberechnung unberücksichtigt geblieben sind. Es ist nun zu prüfen, ob dies der Fall ist und welche haltbaren Nutzenquantifizierungen noch möglich sind.
Betonung der Message „Investition trägt sich“: Eine Investition trägt sich, wenn der Investor den initialen Kapitaleinsatz (Projektkosten) und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals (Mindestverzinsung) zurückerhält. Die Bedeutung einer derartigen Argumentationsstrategie ist besonders dann nicht zu unterschätzen, wenn man nachweisen bzw. glaubhaft machen kann, dass der Business Case äußerst konservativ gerechnet ist und die Investition risikofrei ist (da beispielsweise alle Risiken durch Anpassungen der Geldflüsse berücksichtigt sind). Mangels anderer Beweggründe kann deshalb eine mögliche Strategie für die Herbeiführung eines positiven Projektentscheids sein, gezielt auf diese „Message“ zu setzen. Solange die Entscheider nicht über bessere Opportunitäten verfügen, sind die Chancen als aussichtsreich anzusehen.
Qualitative Aspekte einbringen: Das geforderte Minimum für ein wirtschaftliches Vorhaben ist die volle Deckung der Investitionskosten plus eventueller laufender Kosten (Kostendeckung) – einschließlich einer entsprechenden Kapitalverzinsung (Mindestverzinsung des gebundenen Kapitals). Unter diesen Umständen sind die finanziellen
356
11 Datenanalyse und Variantenentwurf
Motive für die Durchführung des Projekts in den meisten Fällen nicht ausschlaggebend. Es ist deshalb erforderlich, den qualitativen Aspekten eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die diesbezüglichen Motive herauszuarbeiten und in fundierter Form den Entscheidern zu präsentieren.
Strategische Überlegungen einbeziehen: Gibt es strategische Gründe, die für eine Projektdurchführung sprechen? Welches Risiko ergibt sich für das Unternehmen, wenn das Projekt nicht durchgeführt wird?
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
12.1 Von der Planung zur Budgetierung – OPEX und CAPEX Wird ein Vorhaben aufgrund eines Business Case von den Entscheidern genehmigt, so ergeben sich daraus Konsequenzen für die Finanzflüsse in einem Unternehmen. Da im Rahmen der Business-Case-Erstellung eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt wurde, stellen diese Konsequenzen keine unbekannten Größen dar, vielmehr sind die finanziellen Auswirkungen weitgehend transparent. Im Wesentlichen sind es drei Instrumente des Finanzwesens, die durch ein IT-Vorhaben beeinflusst werden können:
Budgetierung (Primär- und Sekundärkosten) Leistungsverrechnung (Verrechnungspreise; Charges) Transferpreise (Transfer-Pricing) Die ersten beiden Instrumente stehen in einem engen wechselseitigen Zusammenhang. Ein IT-Vorhaben kann (und wird in der Regel) Auswirkungen auf die Preise der internen Leistungsverrechnung nach sich ziehen. Sinngemäß sind bei der Budgetierung zwei Einflussbereiche zu unterscheiden:
Der direkte Einfluss des Vorhabens auf den Primärkostenbereich eines Budgets.
Die indirekte Beeinflussung eines Budgets (über den Umweg der Leistungsverrechnung). Dies tangiert ausschließlich den Sekundärkostenbereich eines Budgets (Ausnahmefälle, bei denen interne Kosten als Primärkosten verbucht werden, sind jedoch möglich).
358
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle Ein wesentliches Anliegen der Budgetanpassung ist, die in der Wirtschaftlichkeitsanalyse erfassten Kosten- und Nutzengrößen vollständig den Budgets der betreffenden Unternehmensbereiche zu allozieren.
Der erste Anpassungsschritt nach einer Projektgenehmigung sollte stets die Überführung der erarbeiteten finanzplanerischen Daten (Kosten- und Nutzendaten der Wirtschaftlichkeitsanalyse) in die Primärkostenbudgets (der Teil des Budgets, der die primären Kosten umfasst) der jeweiligen Unternehmensbereiche sein. Dabei ist zu beachten, dass im Hinblick auf die Budgetierung im Finanzwesen zwei Ausgabenarten unterschieden werden – erfolgswirksame und bilanzwirksame Ausgaben:
Erfolgswirksame Ausgaben sind Ausgaben, die als Aufwand direkt in die Erfolgsrechnung gebucht werden („Kosten als Aufwand“). Damit sind all diejenigen Projektaufwendungen gemeint, die nicht abgeschrieben werden. Zum Beispiel Kosten für Dienstleistungen, Reiseund Schulungskosten der internen Mitarbeiter und Kosten für Softwarelizenzen (sofern diese nicht abgeschrieben werden).
Bilanzwirksame Ausgaben sind „Investitionen“ in Anlagegüter, die zunächst im Anlagevermögen der Bilanz als Wertposition aufgenommen werden („Ausgaben für Abschreibungsobjekte“). Im IT-Bereich handelt es sich dabei überwiegend um Hardware-Anschaffungen und in bestimmten Fällen dem damit verbundenen Installationsaufwand. Bilanzwirksame Ausgaben werden erst in einem zweiten Schritt erfolgswirksam – und zwar in Form von Abschreibungen. Die jährliche Wertminderung der Abschreibungsobjekte wird periodengerecht in der Erfolgsrechnung als Aufwand belastet. Entsprechend dieser unterschiedlichen Ausgabenkategorien werden zwei Arten von Budgets geführt – das OPEX-Budget und das CAPEXBudget.
Das OPEX-Budget umfasst den weitaus größten Teil der jährlichen Informatik-Ausgaben (im Schnitt etwas 90 %). Die wesentlichen Blöcke dieses Budgets sind die Personalkosten (sowohl für interne als auch für externe Mitarbeiter), die Kosten für Outsourcing-Vereinbarungen, die Beratungskosten, die jährlichen Abschreibungen, die Kosten für Software-Lizenzen (soweit diese nicht als Anlagegut „aktiviert“ und deshalb abgeschrieben werden), Leasing-Zahlungen, die laufenden Kosten für die Hardware- und Software-Wartung, geringwertige Wirtschaftsgüter (Hardware, welche nicht abgeschrieben wird; z.B. PDAs, Tintenstrahldrucker), Verbrauchsmaterialien und Kosten für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.
12.1 Von der Planung zur Budgetierung – OPEX und CAPEX
359
Das CAPEX-Budget erfasst alle Ausgaben für abzuschreibende Anlagegüter. Die initialen Anschaffungskosten für derartige Güter werden in voller Höhe dem CAPEX-Budget zugeschlagen. Die sich daraus ergebenden jährlichen Abschreibungen werden (über die Anlagebuchhaltung) dem OPEX-Budget der jeweiligen Periode belastet. Die Anlagebuchhaltung zeigt stets den Zeitwert (momentanen Wert) der Anlagegüter. Die Summe der Werte aller Anlagegüter wird als „Anlagevermögen“ in der Bilanz ausgewiesen (deshalb spricht man von „bilanzwirksamen Ausgaben“). Durch Abschreibungen wird der Wert des Anlagevermögens verringert. Diese Wertminderungen (Abschreibungsbeträge) werden der Erfolgsrechnung belastet. Basierend auf der Differenzierung zwischen OPEX und CAPEX kann auch der Nutzen, der aus einer Investition resultiert, in zwei „Nutzenströme“ unterteilt werden:
Zum einen gibt es Nutzenaspekte, welche zu einer Reduktion der erfolgswirksamen Ausgaben führen (Senkung des OPEX-Budgets) und
Zum anderen gibt es Nutzenaspekte, die zu einer Reduktion der zukünftigen bilanzwirksamen Ausgaben führen (Senkung des CAPEXBudgets).
Abb. 12.1 Vom Business Case zum Budget
In Ź Abb. 12.1 sind die Zusammenhänge zwischen den zwei Ebenen Planung und Budgetierung grafisch dargestellt. Die Kosten fließen entweder in das OPEX-Budget (bei erfolgswirksamen Ausgaben) oder in das
360
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
CAPEX-Budget (bei bilanzwirksamen Ausgaben). Ähnlich verhält es sich mit dem Nutzen. Werden durch ein Projekt beispielsweise bestimmte Hardware-Investitionen vermieden (Vermeidung von bilanzwirksamen Ausgaben), so führt dies zu einer Reduktion des CAPEX-Budgets.
Abb. 12.2 Vom Business Case zur Rechnungslegung
In Ź Abb. 12.2 erweitern wir das Blickfeld um zwei weitere Ebenen – „Anlagebuchhaltung“ und „Rechnungslegung“. Aus dieser Darstellung wird ersichtlich, dass das OPEX-Budget vollständig in der Erfolgsrechnung aufgeht, während das CAPEX-Budget über den Umweg der Anlagebuchhaltung in die Bilanz überführt wird (pro Rechnungsperiode werden die derzeitigen Zeitwerte der Anlageobjekte in die Bilanz übernommen).
12.1 Von der Planung zur Budgetierung – OPEX und CAPEX
361
Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, die Budget-Auswirkungen („Budget-Impact“) eines IT-Vorhabens bereits im Rahmen der Business-CaseErstellung festzuhalten und das Resultat dieser Untersuchung als Teil der Ergebnispräsentation zu kommunizieren. Die Fragestellung
„Welche budgetrelevanten Auswirkungen ergeben sich aus der Durchführung des Vorhabens?“ kann dadurch bereits zum Entscheidungszeitpunkt beantwortet werden. Beispielsweise kann aufgezeigt werden, welche inkrementellen Veränderungen sich bei den Budgets der übergeordneten InformatikDienstleistungsebenen ergeben. Mögliche IT-Budgets die von einem Vorhaben tangiert werden können, sind:
Budget IT-Backbone: Ebene “Datacenter“ Budget IT-Backbone: Ebene „Netzwerk“ Budget IT-Backbone: Ebene „Distributed Computing“ (auch „End-User Computing“ genannt)
Budget IT-Backbone: Ebene „Applikationsbetreuung“ Budget Business-Funktion „Informatik – Produktion und Logistik“ Budget Business-Funktion “Informatik – Sales und Marketing” Budget Business-Funktion „Informatik – Forschung und Entwicklung” Eine vorzeitige Identifikation der Budgetveränderungen (und entsprechende Absprache mit den Budget- bzw. Kostenstellenverantwortlichen) begünstigt in der Regel die Entscheidung für ein Vorhaben. Insbesondere dann, wenn sich die jeweiligen Verantwortlichen zur Erreichung der Budgetziele verpflichten. In vielen Fällen wird dies in der Praxis ohnehin gefordert. Sind die Primärkostenbudgets angepasst, so ist zu prüfen, inwieweit die Verrechnungspreise der internen Informatik-Leistungsverrechnung neu zu kalkulieren sind (z.B. um die Vorteile einer wirtschaftlicheren Kostenstruktur an die internen Kunden weiterzugeben). Eine Anpassung der Verrechnungspreise bedingt in der Folge eine Korrektur der Sekundärkosten in den betroffenen Budgets.
362
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
12.2 Die zwei Bausteine der Projektdurchführung „Nicht genug ist es, kluge Pläne zu haben, wenn sie nicht ordentlich vollbracht werden“, lautet ein oft zitiertes Sprichwort. Doch was ist im Kontext dieses Buches unter einer „ordentlichen Leistungserbringung“ zu verstehen? Ist es etwa ausreichend, wenn man sich an den Umsetzungsprinzipien der klassischen Projektmanagement-Literatur orientiert und die Projektrealisierung unter Beachtung der vier Zielgrößen
Funktionalität Qualität Zeit Kosten vorantreibt? Oder gehört mehr dazu, um im Sinne des vorliegenden Buches sicherzustellen, dass Projekte wirtschaftlich erfolgreich ausgeführt werden?
Abb. 12.3 Die „klassischen“ Dimensionen eines Projekts
Die Projektpraxis hat diese Fragen längst beantwortet. Man weiß heute, dass es ein Trugschluss ist, anzunehmen, alle Nutzenaspekte würden sich als logische Konsequenz der Projektrealisierung – quasi automatisch – einstellen. Gemäß dem klassischen Projektmanagement fokussiert man beim Projektmanagement auf die Umsetzung der geplanten Lösung. Bedingt durch die Komplexität und den Zeitdruck bei IT-Projekten absorbiert das lösungsorientierte Denken und Vorwärtsschreiten den Handlungsspielraum der Projektmitarbeiter nahezu vollständig. Es bleibt wenig Raum für die anscheinend „peripheren“ Facetten der Projektumsetzung. Hinzu kommt, dass Teil-Verantwortlichkeiten oftmals nur für die vier oben genannten Zielgrößen festgeschrieben werden (z.B. ist ein Projekt-Controller für die Überwachung
12.2 Die zwei Bausteine der Projektdurchführung
363
der Kosten verantwortlich), es aber ausbleibt, Teil-Verantwortlichkeiten für die Realisierung der Wirtschaftlichkeitsziele zu vereinbaren. All dies hat zur Folge, dass konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Nutzenaspekte unberücksichtigt bleiben. Es wird somit erforderlich, der Fragestellung nachzugehen: Was ist notwendig, um den wirtschaftlichen Erfolg eines Projekts sicherzustellen?
Abb. 12.4 Die Dimensionen einer ganzheitlichen Projektsicht
Um eine ganzheitliche Projektsicht zu erreichen, müssen deshalb gemäß ŹAbb. 12.4 die vier zuvor erwähnten Bestimmungsgrößen des Projektmanagements um die Dimension „Nutzen“ ergänzt werden. Primär sind es gezielte Maßnahmen im Sinne der „Nutzenrealisierung“, welche während der Laufzeit des Projekts aber auch darüber hinaus durchgeführt werden müssen und für welche die Verantwortlichkeiten eindeutig zu regeln sind. Beispielsweise müssen verschiedenste organisatorische und technische Änderungen eingeplant, eingeleitet und aktiv vorangetrieben werden, damit sich der erwartete Nutzen auch tatsächlich einstellt. Die Nutzenrealisierung hat aus diesem Grund sehr viel mehr mit „Change Management“ zu tun (z.B. Behavioural Change bei CRM-Projekten) als mit „Projektmanagement“. Wobei streng genommen das „Change Management“ auch als ein Teil des Projektmanagements aufgefasst werden kann. Da die Vertreter des Projektmanagements den Aspekt des Change Managements noch nicht angemessen aufgegriffen haben, manifestiert sich das Change Management zunehmend als eigenständige Disziplin. Diese Überlegungen verdeutlichen, dass sich der Erfolg eines Projekts auf zwei Arten manifestiert und im Zuge einer wirtschaftlich erfolgreichen
364
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Projektarbeit deshalb zwei übergeordnete Bausteine differenziert gewürdigt werden müssen:
Die „Projektrealisierung“: Umsetzung der geplanten Lösung in der geforderten Güte hinsichtlich Funktionalität, Qualität, Zeit und Kosten (Projekt-Management).
Die „Nutzenrealisierung“: Erschließung der monetär bewerteten Nutzenaspekte in dem prognostizierten Ausmaß (Change-Management).
Abb. 12.5 Die zwei übergeordneten Bausteine der Projektdurchführung
In Ź Abb. 12.5 sind die zwei übergeordneten Bausteine einer erfolgreichen Projektabwicklung dargestellt und die wesentlichen Unterschiede hervorgehoben. Die weitestgehend eigenständige Planung und Durchführung des WorkStreams „Nutzenrealisierung“ ist eine wichtige Voraussetzung, um die mit einem Projekt verbundenen Wirtschaftlichkeitsziele auch tatsächlich zu erreichen. Allerdings sind „Projektrealisierung“ und „Nutzenrealisierung“ miteinander verflochten. Durch den Fortschritt im Projekt werden sukzessive die Grundlagen geschaffen, um die geplanten Nutzenaspekte in die Tat umzusetzen. Die Abhängigkeit der Nutzenrealisierung vom Projektfortschritt führt deshalb zu einem weitgehend synchronen Vorwärtsschreiten der beiden Work-Streams.
12.3 Die Nutzenrealisierung
365
12.3 Die Nutzenrealisierung Die fachlichen Aspekte der Projektarbeit betreffend die Merkmale Funktionalität, Qualität und Zeit sind in der Praxis bereits stark verankert und in der einschlägigen Projektmanagement-Literatur ausreichend adressiert. Es ist deshalb nicht notwendig, auf diese Punkte im vorliegenden Buch näher einzugehen. Vielmehr sollen im Folgenden die betriebswirtschaftlich bedeutsamen Merkmale der Projektdurchführung beleuchtet werden – mit Fokus auf der Nutzenseite. Vordergründig herauszuheben ist hierbei die Feststellung, dass Projekt-Realisierung und Nutzenrealisierung aus mehreren Gründen nicht einhergehen:
Der Nutzen muss aktiv erarbeitet werden: Es wurde bereits erwähnt, dass man einem Trugschluss unterliegt, wenn man annimmt, dass sich der Nutzen von alleine einstellt – sozusagen als automatische Konsequenz aus der Projektarbeit.
Die Informationstechnologie ist nicht allein für den wirtschaftlichen Erfolg „ausschlaggebend“: Fakt ist weiterhin, dass die bloße Einführung von Informationstechnologie für sich alleine kaum Mehrwert erzeugt. Vielmehr sind neben dem technologischen Fundament auch prozesstechnische, organisatorische und personelle Aspekte wichtige Bausteine für eine nachhaltige Wertsteigerung.
Die Lebenszyklen („life-cycles“) der Projekt-Implementierung und der Nutzenrealisierung sind unterschiedlich lang: Projektimplementierung und Nutzenrealisierung sind in vielen Fällen nicht zeitgleich abgeschlossen (kein synchrones Ende). Die Realisierung des Nutzens ist etwa nicht automatisch dann beendet, wenn die IT-Lösung voll funktionsfähig ist und in Betrieb genommen wird. Vielmehr beginnen bei vielen Projekten erst zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen des „Change Management“, um sicherzustellen, dass die neue Lösung entsprechend den Vorgaben genutzt wird. Dies ist ein Motiv für die gängige Praxis, nach dem „IT-Projektabschluss“ auf der Business-Seite einen „Change-Manager“ einzusetzen. Es sind also mehrere Rahmenbedingungen, die den wirtschaftlichen Erfolg einer Investition mitbestimmen. Aus diesen Gründen ist es unbedingt notwendig, die Nutzenrealisierung als eigenen Baustein („Stream“) in der Projektplanung vorzusehen und konkrete Maßnahmen mit Verantwortlichkeiten für die Nutzenrealisierung einzuplanen. Das Fundament für die Nutzenrealisierung bilden die erfolgsbestimmenden Wirtschaftlichkeitsfaktoren, die während der Erstellung des Business Case identifiziert worden sind und auf deren Basis die Nutzen-
366
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
aspekte quantifiziert wurden. Auf dieser Grundlage aufbauend geht es nun vordringlich um die Beantwortung der folgenden Frage:
Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die angerechneten Nutzenaspekte in die Tat umzusetzen? Entscheidend ist es, den „Bewegungsspielraum“ bei der Beantwortung dieser Fragestellung nicht künstlich einzuengen. Dies geschieht beispielsweise dann, wenn man sich ausschließlich auf diejenigen Potentiale konzentriert, welche über die Informationstechnologie freigesetzt werden können. Entscheidend sind vielmehr eine ganzheitliche Würdigung des Handlungsfelds und eine dementsprechende Ausdehnung auf organisatorische, prozessrelevante, personelle und strategische Facetten. Bei den meisten IT-Projekten verkörpern die fundierte Bestimmung und Veränderung der tangierten Geschäftsprozesse und die Einbeziehung der Mitarbeiter im Sinne eines „Change Management“ wichtige Erfolgsfaktoren. Will man eine maximale Wertsteigerung erreichen, so müssen neben der informationstechnologischen Implementierung die betroffenen Geschäftsprozesse im Sinne einer „End-to-End“-Betrachtung aus organisatorischer, prozesstechnischer und personeller Sicht genauestens untersucht und neu konzipiert werden.
In Ź Abb. 12.6 ist das Spektrum der Nutzenrealisierung dargestellt. Nutzenrealisierung bedeutet Veränderung. Veränderungen müssen auf verschiedenen Ebenen systematisch geplant und angestoßen werden.
Abb. 12.6 Modell der Nutzenrealisierung
12.3 Die Nutzenrealisierung
367
Die Realisierung der geplanten Nutzenvorteile beginnt mit zwei planerischen Arbeitsschritten, die nur teilweise voneinander entkoppelt sind. Vielmehr können sich bei diesen Schritten gegenseitige Wechselwirkungen ergeben, die zu einer iterativen Verbesserung der Planung führen. 12.3.1 Schritt 1 – Definition der „Key Performance Indicators“
Im ersten Planungsschritt der Nutzenrealisierung werden Messgrößen für die Zielerreichung definiert – diese werden auch als KPIs (Key Performance Indicators) bezeichnet. KPIs sind der Schlüssel für eine konsequente und zielgerichtete Realisierung des prognostizierten Nutzens. In Anlehnung an den Ausspruch „What you can’t measure, you can’t manage“ (Was man nicht messen kann, kann man nicht kontrollieren) gilt es, Kriterien für die Messung der Zielerreichung festzulegen. Die entscheidende Fragestellung ist hierbei:
Welche Zielzustände müssen erreicht werden, damit der prognostizierte Nutzen eintritt? Nr.
NutzenBeschreibung
KPI
Verantwortlich
1
Einsparung Betriebskosten
Außerbetriebnahme der folgenden fünf Systeme: S1, S2, S3, S4, S5
Mitarbeiter X
2
Reduktion Netto-UV
Reduktion des CDI (Coverage Days of Inventory) um 10 Tage
Mitarbeiter Y
Abb. 12.7 Nutzenaspekte mit zugrunde liegenden KPI’s
Die Messgrößen werden zunächst auf Basis derjenigen Nutzenaspekte abgeleitet, die im Business Case angerechnet wurden. Zusätzliche Anhaltspunkte für eine präzisere Definition der definierten Messgrößen oder für die Festlegung von weiteren KPIs können sich aus dem nächsten Planungsschritt ergeben. Im Zuge der Nutzenrealisierung erfüllen KPIs zwei Funktionen:
Orientierung für die Ausarbeitung von konkreten Maßnahmen zur Nutzenrealisierung
Erfolgsmessung für die Zielerreichung In der Praxis werden oftmals absolute Budgetreduktionen als Zielvorgabe (Baseline) für die Nutzenrealisierung fixiert (z.B. Verringerung der Kostenstelle „A“ um 250.000,- GE). Die Problematik ist hierbei, dass das Ziel häufig zu einem „Moving Target“ wird – sprich: Einflussfaktoren, wie
368
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
z.B. das organische Wachstum des Unternehmens, müssen beachtet werden und die Zielvorgabe ist entsprechend anzupassen. Anforderung an einen KPI: Ein KPI sollte idealerweise unabhängig von Faktoren sein, die nicht durch das Projekt beeinflusst werden können. Solche „externen Einflussfaktoren“ können beispielsweise sein: der Umsatz des Unternehmens (Verkäufe) oder das organische Wachstum des Unternehmens (Organic Growth). Um sich von derartigen Faktoren zu lösen, bieten sich beispielsweise Messgrößen an, die als Verhältniszahl zwischen zwei oder mehreren Parametern ausgelegt sind. In Ź Kapitel „10.3.3 Bewertung von Veränderungen der Lagerbestände“ befindet sich ein Praxisbeispiel, das diese Vorgehensweise verdeutlicht.
Eine korrekte Definition von KPIs bedingt einerseits die hinreichend greifbare Spezifikation des Zielzustandes und andererseits die eindeutige Regelung der Verantwortung. Da das traditionelle Projektmanagement die Nutzenrealisierung (bis heute) vollständig ausklammert, wurde dieser Verantwortungsaspekt bisher nur unzureichend beachtet. Projektleiter und Projektmitarbeiter werden in dem „handelsüblichen“ Projektmanagement nur daran gemessen, ob sie die Lösung mit der verlangten Funktionalität, in einer akzeptablen Qualität, innerhalb des geforderten Zeitrahmens und unter Einhaltung der veranschlagten Kosten abliefern. Im Sinne eines ganzheitlichen Projektmanagements deckt dieses Verantwortungsspektrum jedoch nur einen Teil der Projektintention ab – außen vor bleibt hierbei die Verantwortlichkeit für die Erzielung der beabsichtigten Nutzenziele, welche man mit der Projektdurchführung erreichen will. Hierbei ist es keinesfalls ausreichend, die Verantwortung einer Personengemeinschaft zu übertragen (z.B. „alle Projektmitarbeiter sind für die Nutzenrealisierung verantwortlich“). Gemäß dem anglo-amerikanischen Ausspruch „If everyone is accountable for everything, then in real terms nobody is accountable for anything.” würde dies dazu führen, dass jeder die Verantwortung auf jeden schiebt – nur nicht auf sich selbst. In Ź Abb. 12.8 wird der Ablauf der Nutzenrealisierung in einem größeren Kontext gezeigt. Daraus geht hervor, dass die Definition der KPIs ein Teil der planerischen Vorbereitungen ist. Ein weiterer Planungsschritt ist die Konkretisierung des Maßnahmenpakets.
12.3 Die Nutzenrealisierung
369
Abb. 12.8 Phasen der Nutzenrealisierung
12.3.2 Schritt 2 – Ausarbeitung der Maßnahmen
Anhand der Informationen aus dem Business Case und den zuvor definierten KPIs gilt es nun, einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten. Durch gezielt eingeleitete Veränderungen müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit sich der geplante Nutzen einstellen kann. Im Sinne einer ganzheitlichen Vorgehensweise müssen Veränderungen auf mehreren Ebenen in Betracht gezogen werden. Insbesondere hervorzuheben sind hierbei:
Technische Veränderungen: Die durch Informationstechnologie ausgelösten Veränderungen verkörpern das eigentliche Fundament für die Erreichung der Nutzenvorteile. Einige Nutzenaspekte ergeben sich als direkte Konsequenz der technischen Implementierung (z.B. die Möglichkeit ein oder mehrere vorhergehende Lösungen außer Betrieb zu nehmen und dadurch Betriebskosten einzusparen.
Organisatorische Veränderungen: Nutzenvorteile als Ergebnis von organisatorischen Veränderungen, einschließlich prozesstechnischer Verbesserungen, die durch das Projekt ermöglicht werden.
Verhaltensänderungen („Behavioural Change“): Dieser spezielle Aspekt, der auch als ein Teil der organisatorischen Maßnahmen angesehen werden kann, gewinnt in der Praxis zunehmend an Bedeutung.
370
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Der nachhaltige Erfolg einer IT-Lösung steht und fällt zu einem großen Teil mit der „korrekten“ Nutzung durch den Anwender. Die Art und Weise, wie die Lösung akzeptiert und angewendet wird, ist in einigen Fällen ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg eines IT-Projekts (z.B. bei einer CRM-Lösung). Folglich lässt sich ein Teil der Nutzenvorteile von IT-Projekten nur als Ergebnis von veränderter Arbeitsweise der Mitarbeiter realisieren. Beharrungstendenzen erschweren sowohl technologische, als auch organisatorische Innovationen und wirken dadurch dem neu geschaffenen Produktivitätspotential entgegen. Diese Erstarrungshaltungen müssen im Zuge der Nutzenrealisierung und im Sinne eines durchdachten „Change Managements“ aktiv angegangen werden. Spätestens bei der Nutzenrealisierung wird also deutlich, dass viele Aktivitäten im Rahmen eines IT-Projekts nicht direkt IT-bezogen sind. Der alleinige Fokus auf technologische Aspekte würde wichtige Erfolgsfaktoren außer Acht lassen und das Nutzenpotential nur teilweise ausschöpfen. Des Weiteren sind im Rahmen der Nutzenrealisierung folgende Überlegungen zu berücksichtigen:
Hinterfragen des Nutzens: Der Nutzen kann während des Projektverlaufs durch Änderungen von Geschäftsstrategien oder durch Entscheidungen in anderen Projekten verloren gehen bzw. es können neue Nutzenpotentiale entstehen. Ein ständiges Hinterfragen des Nutzens ist deshalb erforderlich.
Bedarfssteuerung: Der Nutzen eines Projektes kann noch weiter gesteigert werden, wenn der Bedarf der Kunden in der Weise gesteuert werden kann, dass entwickelte Teile für ein weiteres Projekt wieder verwendbar sind. 12.3.3 Nutzen versus Budgeteinsparung
In der Regel geht man (zu Recht) davon aus, dass der Nutzen zu einer Budgeteinsparung führt. Dies muss aber nicht zwangsweise der Fall sein, wie das nachfolgende Beispiel zeigt. Angenommen eine Abteilung verfügt über 150 Planstellen. Der Einfachheit halber gehen wir weiterhin davon aus, dass jede Planstelle mit 50.000 GE bewertet ist. Das Kostenstellenbudget der Abteilung beläuft sich (unter der Vernachlässigung von etwaigen weiteren Kosten) auf:
150 x 50.000 GE = 7.5 Mio. GE Von den 150 Stellen sind 10 vorübergehend nicht besetzt. Die verbleibenden 140 Mitarbeiter leisten Überstunden um diesen Engpass zu
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
371
kompensieren. Die offenen Stellen sind im Budget berücksichtigt, d.h. das Kostenstellenbudget dieser Abteilung ist entsprechend reduziert worden:
Ursprünglich 7.5 Mio. GE, jetzt 7 Mio. GE Durch ein Projekt können in der Abteilung Stellen eingespart werden (beispielsweise 10 %; d.h. 15 Mitarbeiter). Im Business Case wird ein entsprechend quantifizierter Nutzen ausgewiesen:
15 x 50.000 GE = 750.000 GE Selbst wenn nun nach Projektabschluss tatsächlich 15 Stellen eingespart werden können, so hat sich dennoch der Budgetbetrag dieser Abteilung nicht um einen äquivalenten Betrag reduziert, denn in der Zwischenzeit sind (i.d.R.) die 10 offenen Stellen besetzt worden. Der Budgetbetrag hat sich demnach effektiv nur um einen äquivalenten Betrag von 5 Stellen reduziert (dennoch ist das Projekt an sich als erfolgreich anzusehen).
Budgetbetrag vor Projekt: 7 Mio. GE (140 x 50.000 GE) Budgetbetrag nach Projekt: 6,75 Mio. GE (135 x 50.000 GE) Reduktion = 250.000 GE (5 x 50.0000 GE) Dieses Beispiel zeigt, dass sich KPIs für die Nutzenrealisierung nach Möglichkeit nicht an absoluten Budgetbeträgen orientieren sollten (z.B. Reduktion der Personalkosten um x Geldeinheiten), sondern an ursächlichen Kostentreibern (z.B. Reduktion um 15 Stellen). Handelt es sich bei einem Nutzen um Personalkosteneinsparungen, so müssen bei der Ermittlung von budgetrelevanten Einsparungen Unterbesetzungen (Under-Staffing) berücksichtigt werden. Dieses Detail, welches gerade für die IT von besonderer Relevanz ist, wird in der Praxis regelmäßig übersehen.
12.4 Monitoring und Nachkontrolle Ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Projekte sind die laufenden Kontrollen während der Dauer des Projekts und die Endkontrolle zum Projektabschluss. Die eigentliche Aufgabe der Investitionskontrolle, einen Vergleich der geplanten und der tatsächlichen Werte herbeizuführen, dient primär den folgenden drei Zielsetzungen:
Anpassungsentscheidungen: Eine frühzeitige Feststellung von Planabweichungen und deren Analyse zeigt unerwünschte Entwicklungen und ungenügende Zielerreichung auf. Gleichzeitig ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für korrigierende Eingriffe, die beispielsweise zu einer
372
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Anpassung der Planung führen können oder zu einer Intensivierung der Anstrengungen zur Zielerreichung.
Verbesserung der Planungs- und Prognosegenauigkeit: Planungsfehler können nie gänzlich vermieden werden. Der im Rahmen der Investitionskontrolle durchgeführte „Soll-Ist-Vergleich“ und die mit ihm verbundene Abweichungsanalyse stoßen einen Lernprozess bei den beteiligten Personen an. Erfahrungen können gesammelt und für die kommenden Planungen nutzbar gemacht werden. Die Mitarbeiter werden dadurch in die Lage versetzt, bei künftigen Investitionsbeurteilungen bessere Prognosen abzugeben.
Objektivierung der Planansätze: Die Erfahrung zeigt, dass die an der Business-Case-Erstellung teilnehmenden Personen oftmals von zu günstigen Annahmen und Schätzwerden ausgehen. Die Existenz einer späteren Kontrolle beeinflusst und korrigiert die Verhaltensweisen und hat quasi die Funktion einer präventiv wirkenden Objektivierung der Vorstellungsprofile. Um die genannten Kontrollziele zu erreichen, stehen zwei verschiedene Kontrollinstrumente zur Verfügung (die Inhalte dieser beiden Instrumente sind in Ź Abb. 12.9 dargestellt):
Die Ausführungskontrolle im Sinne einer laufenden Überwachung („Monitoring“)
Die Ergebniskontrolle im Sinne einer einmaligen Endkontrolle („Review“)
Abb. 12.9 Umfang der Investitionskontrolle
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
373
Aufgrund der verschiedenen Lebenszyklen von Projekt-Realisierung und Nutzenrealisierung ist es allerdings nicht ausreichend, wenn sich die laufenden Kontrollen auf die Projektlaufzeit begrenzen. Wird beispielsweise für ein Hochregallager ein neues Lagerverwaltungssystem eingeführt, so kann nur eine Kontrolle während des Nutzungsprozesses zeigen, ob die bei der Ausarbeitung eines Business Case unterstellte bessere Ausnutzung der Lagerkapazitäten überhaupt erreicht wird. Es ist also notwendig, die Überprüfungen auch nach Projektende für einen gewissen Zeitraum weiterzuführen. Nur so kann man überwachen, inwiefern sich die durch den Betrieb der neuen Lösung erhofften Nutzenvorteile einstellen. Gemäß dem traditionellen Projektmanagement wird in der Praxis für die Ausführungskontrolle ein auf das Projekt abgestimmtes Berichtssystem konzipiert und eingeführt. Inhalte dieses Berichtssystems sind laufende, z.B. monatliche Berichte (Reportings), die über ein Tabellenkalkulationsprogramm oder über ein Web-Frontend ausgeführt und konsolidiert werden. Die Berichte liefern folgende Informationen:
Terminkontrolle: Zum Beispiel Statusinformationen über die Erreichung oder Nicht-Erreichung von Projekt-Meilensteinen.
Kostenkontrolle (Budgetkontrolle): Zum Beispiel Berichte über periodenbezogene Informationsauszahlungen und die kumulierte Investitionssumme. Berichte über den Zeitaufwand der internen (und eventuell auch externen) Mitarbeiter (Zeiterfassung), damit neben den Ausgaben auch die Personalkosten ermittelt werden können. Die Realisierung der geplanten Wirtschaftlichkeitsziele wird bei dieser traditionellen Sichtweise nur teilweise überprüft. Außen vor bleibt ein Monitoring der Nutzenrealisierung. Es ist deshalb empfehlenswert, im Sinne eines ganzheitlichen Überwachungskonzepts und einer vollständigen Wirtschaftlichkeitskontrolle, einen dedizierten „Reporting-Stream“ für die Nutzenrealisierung einzuführen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum bezeichnet man das Monitoring der Nutzenrealisierung als „Benefits Tracking“. Die Inhalte dieses Reportings basieren auf den vorab definierten KPIs zur Nutzenrealisierung:
Nutzenkontrolle („Benefits Tracking“): Zum Beispiel Statusinformationen zu den definierten KPIs. Eine wichtige Voraussetzung für ein aussagekräftiges Benefits Tracking ist die schlüssige Definition der Zielwertkriterien (KPIs), denn eine nicht nachvollziehbare Zielsetzung lässt sich nicht „tracken“.
374
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Abb. 12.10 Monitoring eines KPI
In Ź Abb. 12.10 wird ein Beispiel für die quartalsweise Überwachung eines KPI’s gezeigt. Bei dem zugrunde liegenden Projekt handelt es sich um eine Funktechnologie-Einführung in einem Lager. Alle Arbeitsschritte, sei es beim Wareneingang (Kontrolle und Einlagerung), bei der Vorbereitung und dem Verpacken von Auslieferungen oder beim Auffüllen der Vorbereitungsstationen werden zukünftig drahtlos erledigt. Der KPI „Anzahl falscher Lieferungen“ ist ein Kriterium für die Erfolgsmessung des Projekts. 12.4.1 Abweichungsanalyse
Das Datenmaterial aus dem Berichtswesen ermöglicht die Durchführung von Abweichungsanalysen, bei denen die Plan-Werte (Soll) mit den tatsächlich erreichten Werten bzw. Erfolgsbeiträgen (Ist) verglichen werden. Abweichungen werden ausgewertet und die Abweichungsursachen werden analysiert. Erst die Kenntnis dieser Abweichungsursachen befähigt die verantwortlichen Mitarbeiter dazu, die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen zur Gegensteuerung anzuregen bzw. einzuleiten. Um die Abweichungsursachen deutlicher aufzudecken, kann es sinnvoll sein, die Abweichungen zwischen den tatsächlichen Werten (IST) und den Zielwerten (SOLL) in Teilabweichungen aufzuspalten. Es gibt in dieser Hinsicht zwei mögliche Abweichungskategorien:
Sollabweichung Planabweichung (Zielgrößenveränderung)
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
375
Benefits-Tracking – Reporting und Abweichungsanalyse Nr.
Nutzen-Beschreibung
Plan
Soll
Ist
Abweichung
1
Betriebskosteneinsparung
800.000
750.000
710.000
- 40.000
2
Reduktion des Netto-UV
500.000
400.000
420.000
+ 20.000
Abb. 12.11 Beispiel eines Reports zur Nutzenrealisierung
Um die Abweichungen entsprechend zu kategorisieren, werden beim Reporting drei Größen erfasst:
Plan-Größe: Ursprünglicher, bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse verwendeter Wert und Planungsgrundlage für die Projektgenehmigung durch die Entscheider.
Soll-Größe: In Abstimmung mit den Entscheidern korrigierter Planwert aufgrund von aktuellerer Faktenlage.
Ist-Größe: Tatsächlich erreichter Wert. Die Gesamtabweichungen von -40.000 bzw. +20.000 ergeben sich als Resultat von zwei Veränderungen:
Zum einen haben sich die Zielgrößen verändert. Beispielsweise waren ursprünglich 800.000 GE Betriebskosteneinsparungen geplant (Plan), diese Planvorgabe wurde in Abstimmung mit den Entscheidern um 50.000 GE auf 750.000 GE reduziert (SOLL).
Zum anderen unterscheiden sich die tatsächlich erreichten Werte von den Soll-Vorgaben. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass Veränderungen gegenüber den Planwerten auch auf Maßnahmen zurückzuführen sind, welche in keinem Zusammenhang mit der ursprünglichen Investitionsentscheidung stehen. Diese, die unmittelbaren Investitionswirkungen beeinflussenden und übergreifenden Faktoren, stellen in der praktischen Investitionskontrolle ein schwieriges Problem dar. Ein Beispiel, wie man die Probleme, die von derartigen „Umfeldwirkungen“ ausgehen, umgehen kann, wird im folgenden Unterkapitel gezeigt. 12.4.2 Operativer Projekterfolg vs. ökonomischer Projekterfolg
Um zu beurteilen, inwiefern ein Projekt als „erfolgreich“ anzusehen ist, müssen zwei Betrachtungsweisen einbezogen werden – eine operative und eine wirtschaftliche Projektsicht. Die Erreichung der vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele (Kosten und Nutzen) und deren Überwachung durch
376
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
eine Ausführungskontrolle und eine Ergebniskontrolle trägt einer Dimension des Projekterfolgs Rechnung – dem „operativen Projekterfolg“ (Operational Success). Selbst wenn alle vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele wie geplant erreicht wurden (der operative Projekterfolg also gegeben ist), ist es dennoch möglich, dass sich ein Projekt im Nachhinein als finanziell unvorteilhaft erweist. Die absolute Vorteilhaftigkeit des Projekts an sich, die bei der Ausarbeitung des Business Case ermittelt wurde, ist dann also nicht mehr gegeben. Diese Sichtweise auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Projektes soll im Folgenden als „ökonomischer Projekterfolg“ (Economic Success) bezeichnet werden. Der operative und der ökonomische Projekterfolg sind folglich nicht immer zwei Seiten einer Medaille, wie man dies vielleicht annehmen könnte. In Ź Abb. 12.12 werden die Unterschiede dieser beiden Aspekte des Projekterfolgs herausgearbeitet.
Abb. 12.12 Die zwei Facetten des wirtschaftlichen Projekterfolgs
Bei der Überwachung des operativen Projekterfolgs geht es um die Fortschrittskontrolle während der Laufzeit des Projekts, bzw. genauer gesagt des Work-Streams „Nutzenrealisierung“. Es wird die Frage untersucht:
Ist die Nutzenrealisierung „on track“?
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
377
Orientierungsmaßstab sind in diesem Fall die vorab definierten KPIs. Die aktuellen Werte werden mit den Zielvorgaben abgeglichen. Zur Messung des ökonomischen Projekterfolgs, werden nach Projektabschluss, bzw. nach Abschluss des Work-Streams „Nutzenrealisierung“, die maßgeblichen Wirtschaftlichkeitskennzahlen (NPV, IRR, VaS, Payback-Dauer etc.) auf Basis der tatsächlichen Ergebnisse neu berechnet. Es wird die Frage untersucht:
War das Vorhaben wirtschaftlich sinnvoll? Anhand dieser Kontrolle soll demnach festgestellt werden, ob und inwiefern das Projekt nach der Durchführung seine absolute Vorteilhaftigkeit behalten hat – also einen „Wert“ für die Unternehmung generiert hat. Zur Veranschaulichung der zwei grundverschiedenen Sichtweisen auf den wirtschaftlichen Projekterfolg verwenden wir das in Ź Kapitel 10.3.2 „Bewertung von Produktivitätssteigerungen“ eingeführte Praxisbeispiel. Dort wurde ein IT-Projekt vorgestellt (Lagerverwaltungssystem), mit welchem eine Reduktion der Lagerbestände angestrebt wird. In Ź Abb. 12.13 sind die Ausgangsdaten dieses Beispiels zusammengefasst. Ausgangslage Kosten der verkauften Produkte
Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
2.000.000
2.125.000
2.187.500
2.375.000
2.750.000
3.125.000
500.000
531.250
546.875
593.750
687.500
781.250
Lagerbestand - wenn CDI = 80
472.222
486.111
527.778
611.111
694.444
Veränderung - absolut
-59.028
-60.764
-65.972
-76.389
-86.806
Nutzen (Veränderung - delta) Nutzen (Zinseinsparung - 12 %)
-59.028 -7.083
-1.736 -7.292
-5.208 -7.917
-10.417 -9.167
-10.417 -10.417
Nutzen insgesamt
-66.111
-9.028
-13.125
-19.583
-20.833
Lagerbestand - wenn CDI = 90
Abb. 12.13 Business-Case-Planungsdaten – Beispiel „Lagerverwaltungssystem“
Die Lagerbestände wurden gemäß der Formel in Ź Abb. 12.14 berechnet.
Abb. 12.14 Berechnung der Lagerbestände
378
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
12.4.3 Kontrolle des operativen Projekterfolgs
Für dieses vereinfachte Anwendungsbeispiel wurde für die Nutzenrealisierung ein KPI definiert, der sich an der Lagerumschlagsdauer orientiert. Die Umschlagsdauer (engl. „Coverage days of Inventory“; CDI) sagt aus, wie viele Tage (im Durchschnitt) die Waren im Lager gehalten werden. Sie ergibt sich aus den Größen
durchschnittlicher Lagerbestand in einer Periode, Kosten der verkauften Produkte in derselben Periode und Anzahl der Tage, über die sich die Periode erstreckt. Die Umschlagsdauer ist eine sinnvolle Zielvorgabe, da sie als Verhältniszahl ausgelegt ist und das Projekt sozusagen von äußeren Einflüssen abschirmt. Beispielsweise entkoppelt man sich durch diese Zielgröße von der volatilen Entwicklung der Verkaufszahlen. Die Zielvereinbarung des Projekt(teams) lautet nun, den CDI von derzeit 90 Tagen auf 80 Tage zu reduzieren. Die Auswirkung, die eine CDIReduktion von 10 Tagen auf den Lagerbestand hat, kann anhand der in ŹAbb. 12.14 gezeigten Formel bestimmt werden. Somit lässt sich auch der Nutzen, welcher sich aus der vorgegebenen CDI-Reduktion ergibt, präzise quantifizieren. Die Ergebnisse sind ebenfalls in Ź Abb. 12.14 dargestellt. Das Projekt wird nun wie geplant gestartet. Im Rahmen des „Benefits Tracking“ werden verschiedene Zwischenkontrollen durchgeführt. Beispielsweise stellt man nach Ablauf von „Jahr 1“ fest, dass sich das Marktwachstum besser entwickelt hat als ursprünglich geplant. Es konnten deutlich mehr Waren verkauft werden – dieser Trend gilt auch für das folgende Jahr. Es werden die folgenden aktuellen Zahlen festgestellt:
Die Kosten der verkauften Produkte liegen im „Jahr 1“ nicht bei 2.125 Mio. GE, sondern bei 2.5 Mio. GE.
Der durchschnittliche Lagerbestand im „Jahr 1“ beläuft sich auf 520.000,- GE. Folgende Frage steht nun im Raum: Ist das Projekt „on track“? Diese Frage soll vom Projektcontroller „X“ beantwortet werden. Er berät sich dazu mit seinen Kollegen und erhält folgende Aussagen (Zahlen gerundet):
Kollege A argumentiert, dass eine Lagerreduktion im „Jahr 1“ nicht erreicht wurde. Der tatsächliche Lagerbestand beläuft sich auf 520.000 GE und ist damit höher als der im Business Case veranschlagte Wert von 470.000 GE. Das Resümee von Kollege A ist: Das Projekt hat kei-
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
379
nen Nutzen für das Unternehmen erzielt – im Gegenteil, die Werte haben sich verschlechtert.
Kollege B vertritt die Ansicht, dass die Aussage von Kollege A konzeptionell falsch ist. Anstelle eines Vergleichs mit absoluten Lagerwerten sollte vielmehr die durch das Projekt erreichte Reduktion ausschlaggebend für eine Erfolgsbeurteilung sein. Anhand der ursprünglichen Planung vollzieht er die folgende Kalkulation: Planung: 530.000 GE - 470.000 GE = 60.000 GE Tatsächliches Ergebnis: 530.000 GE - 520.000 GE = 10.000 GE Basierend auf dieser Berechnung lautet seine Stellungnahme, dass das Projekt zwar die Ziele nicht erreicht hat, aber dennoch einen – wenn auch sehr geringen – Nutzen für das Unternehmen erzielt hat. Wer ist im Recht? Vergleicht man die absoluten Lagerbestände im „Jahr 1“ (Plan = 470.000 GE; IST = 520.000GE) oder die relative Veränderung der Lagerbestände (Reduktion um 10.000 GE), so kommt man zwar tatsächlich zu der Auffassung, dass das Projekt sein Ziel nicht erreicht hat, allerdings vergisst man dabei, dass die Lagermenge sehr stark durch die Verkäufe beeinflusst wird. Im Ź Kapital 10.3.3 „Bewertung von Veränderungen der Lagerbestände“ wurde bereits aufgezeigt, dass die absolute Höhe der Lagerbestände keine sinnvolle Messgröße für die Beurteilung des Projekterfolgs darstellt.
Erhöhen sich die Verkaufsprognosen, muss auch die Lagermenge erhöht werden um eine – relativ – gleichwertige Lieferbereitschaft zu gewährleisten.
Steigen etwa die Verkäufe unerwartet an, so reduziert sich der Lagerbestand „automatisch“, auch ohne Zutun des Projekts.
Sinken die Verkäufe, steigt der Lagerbestand, was wiederum nicht heißen muss, dass das Projekt wirkungslos ist. Unter Kenntnis dieser Fakten wird deutlich, dass weder der Vorschlag von Kollege A, noch der von Kollege B sinnvolle Ansätze für die Beurteilung des operativen Projekterfolgs sind – unsere Schlussfolgerung lautet sinngemäß: Nur der CDI-Wert (und die daraus abgeleiteten finanziellen Größen) bilden eine sinnvolle Grundlage für die Erfolgsmessung. Auf Basis der vorliegenden aktuellen Daten für das „Jahr 1“, ermitteln wir deshalb im Folgenden den CDI-Wert für diese Periode. Er ergibt sich aus der in Ź Abb. 12.15 dargestellten Berechnung.
380
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Abb. 12.15 CDI auf Basis der aktuellen „Jahr 1“-Daten
Wir stellen fest: Unter Berücksichtigung der neuen Umsatz-Situation hat das Projekt mit einem CDI von 75 Tagen in „Jahr 1“ die Zielvorgabe nicht nur erfüllt, sondern zeigt sogar eine bessere „Performance“ als ursprünglich vorgesehen. Neue Situation Kosten der verkauften Produkte Lagerbestand - wenn CDI = 90
Jahr 0
Jahr 1
2.000.000
2.500.000
500.000
625.000
Lagerbestand - wenn CDI = 80
555.556
Veränderung - absolut
-69.444
Nutzen (Veränderung - delta) Nutzen (Zinseinsparung - 12 %)
-69.444 -8.333
Nutzen insgesamt
-77.778
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Abb. 12.16 Neue Situation
Aus Ź Abb. 12.16 geht hervor, dass der durchschnittliche Lagerbestand im „Jahr 1“ eine Höhe von 555.555,- GE erreichen kann, ohne dass die Zielerreichung des Projekts (ein CDI von 80 Tagen) gefährdet ist. Das Projekt ist also – vom operativen Standpunkt gesehen – auf einem guten Kurs. Die Intention der operativen Projektkontrolle ist es, in bestimmten Intervallen zu überwachen, ob das Projekt(team) auf dem richtigen Weg ist, um die vereinbarten Ziele (KPI’s) zu erreichen. Im obigen Beispiel kann nur die Umschlagsdauer (CDI) eine sinnvolle Zielgröße für das Projekt (team) darstellen, denn dies ist die einzige Größe, die das Projekt(team) direkt beeinflussen kann. Es wäre weitaus weniger sinnvoll, das Projekt (team) für die absolute Höhe der jährlichen Einsparungen aus Lagerreduktionen verantwortlich zu machen, denn diese Zahl wird von weiteren Faktoren beeinflusst, die nicht durch das Projekt(team) kontrolliert werden können (z.B. die Verkaufszahlen). Ob nun ein bestimmter, durch das Projekt tatsächlich generierter Nutzen ausreichend ist, um die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des Vorhabens an sich zu gewährleisten, ist eine andere Frage. Hierfür müssen in vielen Fällen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, die keinen direkten Zu-
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
381
sammenhang zu der „Arbeit im Projekt“ haben – also losgelöst sind vom operativen Projekterfolg. Dies soll nachfolgend aufgezeigt werden. 12.4.4 Kontrolle des ökonomischen Projekterfolgs
Die zuvor beschriebene Analyse des operativen Projekterfolgs nach dem „Jahr 1“ hat gezeigt, dass das Projekt(team) die Ziele erreicht hat (wobei wir die Annahmen treffen, dass die nachfolgenden Jahre für das Projekt ebenso positiv verlaufen und auch die Kosten eingehalten werden). Aus der „internen Projektsicht“ (operativer Projekterfolg) kann demnach das Projekt als erfolgreich bewertet werden. Bedeutet dies nun automatisch, dass das Projekt an sich für das Unternehmen wirtschaftlich vorteilhaft ist? Dieser Frage wollen wir nun auf den Grund gehen. Eine Überwachung des operativen Projekterfolgs sollte zwar grundsätzlich auch die Kostenseite einschließen, dennoch besteht die Möglichkeit sich zu bestimmten Kontrollzeitpunkten lediglich auf Teilaspekte zu fokussieren (zum Beispiel die Überprüfung der Nutzenziele – der KPIs). Eine solche Teilbetrachtung ist bei der Kontrolle des ökonomischen Projekterfolgs nicht mehr möglich. Der ökonomische Projekterfolg kann nur auf Basis einer Gesamtsicht (Kosten und Nutzen) und unter Einbeziehung eventueller externer Faktoren festgestellt werden. Die projektspezifischen Kosten- und Nutzendetails, welche wir für dieses Beispiel zugrunde legen, werden in Ź Abb. 12.17 gezeigt. Es handelt sich dabei um den Bereich „Dateneingabe“ einer unternehmensintern standardisierten Business-Case-Berechnungsvorlage. Alle Werte sind als positive Zahlen einzugeben!
Business Case - Dateneingabe
Projektkosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Betriebskosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Umlaufvermögen - Erhöhung des Netto-UV Gesamtkosten Nutzen + Cash-Inflow durch Einsparungen + Cash-Inflow durch Umsatz + Reduktion des Netto-UV Gesamtnutzen Kosten/Nutzen-Delta
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
60'000 15'000 0 75'000
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
60'000 15'000 0
0 0 0 0
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8'000
32'000 0 0
0 75'000
0 8'000
0 8'000
0 8'000
0 8'000
0 107'000
0 0 0 0 -75'000
7'083 0 59'028 66'111 58'111
7'292 0 1'736 9'028 1'028
7'917 0 5'208 13'125 5'125
9'167 0 10'417 19'584 11'584
31'459 0 76'389 107'848 848
Abb. 12.17 Business Case – Dateneingabe
Total
382
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Der vor Projektbeginn erstellte Business Case hat gezeigt, dass das Projekt gemäß den zugrunde liegenden Plandaten einen positiven NPV in Höhe von 10.527,- GE abwirft. In Ź Abb. 12.18 sind die Details dieser Berechnung dargestellt. Business Case - Investitionsrechnung Kalkulationszinssatz = 12 % + Cash inflows (Nutzen) - Cash outflows (erfolgswirksam)
0 2005 0 60.000
Cashflow vor Steuern
-60.000
-917
-708
-83
1.167
0
5.000
5.000
5.000
0
15.000
-60.000
-5.917
-5.708
-5.083
1.167
-75.541
18.000 0
1.775 5.000
1.712 5.000
1.525 5.000
-350 0
15.000
Cashflow nach Steuern
-42.000
858
1.004
1.442
817
-37.879
- Cash outflows (bilanzwirksam) +/- Netto-UV Veränderung
15.000 0
0 -59.028
0 -1.736
0 -5.208
0 -10.417
15.000
Cashflow nach Steuern u. Invest.
-57.000
59.886
2.740
6.650
11.234
23.510
Cashflows - kumuliert Diskontierungsfaktor Diskontierte Cashflows Diskontierte Cashflows - kumuliert
-57.000 1,0000 -57.000 -57.000
2.886 0,8929 53.470 -3.530
5.627 0,7972 2.185 -1.346
12.276 0,7118 4.733 3.388
- Abschreibungen Zu versteuernder Cashflow - Steuern + Rückaddition Abschreibungen
1 2006 7.083 8.000
2 2007 7.292 8.000
3 2008 7.917 8.000
4 2009 9.167 8.000
Total 31.459 92.000 -60.541
23.510 0,6355 7.139 10.527 Ż NPV
Abb. 12.18 Business Case - Investitionsrechnung
Bei der Erstellung des Business Case wurden Annahmen hinsichtlich der zukünftigen Verkaufszahlen zugrunde gelegt. Diese basierten auf der damaligen Geschäftsplanung und waren eine wesentliche Grundlage für die Quantifizierung des Nutzens. In Ź Abb. 12.19 sind die zugrunde liegenden Ausgangsdaten und die sich daraus ableitende NutzenQuantifizierung dargestellt. Business Case - Planungsgrundlage - Projekt "Lagerverwaltungssystem" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Umsatz
3.000.000
3.250.000
3.375.000
3.625.000
3.750.000
4.000.000
Kosten der verkauften Produkte
2.000.000
2.125.000
2.187.500
2.375.000
2.750.000
3.125.000
500.000
531.250
546.875
593.750
687.500
781.250
Lagerbestand - wenn CDI = 80
472.222
486.111
527.778
611.111
694.444
Veränderung - absolut
-59.028
-60.764
-65.972
-76.389
-86.806
Nutzen (Veränderung - delta) Nutzen (Zinseinsparung - 12 %)
-59.028 -7.083
-1.736 -7.292
-5.208 -7.917
-10.417 -9.167
-10.417 -10.417
Nutzen Insgesamt
-66.111
-9.028
-13.125
-19.583
-20.833
Lagerbestand - wenn CDI = 90
Abb. 12.19 Planungsszenario (Business Case)
Die Frage des ökonomischen Projekterfolgs kann erst nach dem Abschluss des Projekts bzw. nach Abschluss der Phase „Nutzenrealisierung“ beantwortet werden. Zum Ende von „Jahr 4“ und basierend auf den tatsächlichen Verkaufszahlen führen wir deshalb eine Kontrolle des öko-
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
383
nomischen Projekterfolgs durch. Für diese Nachbetrachtung (Post Project Review) unterstellen wir folgende Faktenlage:
Die tatsächlichen Verkaufszahlen sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Das Projekt(team) hat die zur Realisierung des Nutzens vereinbarten KPIs erreicht.
Die Kosten (Projekt- und Betriebskosten) wurden eingehalten. Dieses tatsächliche Szenario ist in Ź Abb. 12.20 dargestellt. Business Case - Nachbetrachtung - Projekt "Lagerverwaltungssystem" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Umsatz
3.000.000
3.000.000
3.100.000
3.200.000
3.300.000
Kosten der verkauften Produkte
2.000.000
1.900.000
2.000.000
2.100.000
2.200.000
500.000
Lagerbestand - wenn CDI = 90
475.000
500.000
525.000
550.000
Lagerbestand - wenn CDI = 80
422.222
444.444
466.667
488.889
Veränderung - absolut
-52.778
-55.556
-58.333
-61.111
Nutzen (Veränderung - delta) Nutzen (Zinseinsparung - 12 %)
-52.778 -6.333
-2.778 -6.667
-2.778 -7.000
-2.778 -7.333
Nutzen Insgesamt
-59.111
-9.444
-9.778
-10.111
Jahr 5
Abb. 12.20 Tatsächliches Szenario (Verschlechterung der Verkaufszahlen)
Aus der Abbildung geht hervor, wie die geringeren Verkaufszahlen die absolute Höhe des quantifizierten Nutzens beeinflussen. Da der Business Case über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgelegt ist („Jahr 0“ – „Jahr 4“) sind die Daten für das „Jahr 5“ nicht relevant. Die entscheidende Frage ist nun, ob im Hinblick auf die tatsächliche Verkaufssituation und den sich daraus ergebenden finanziellen Vorteilen dieser Nutzen ausreichend ist, um einen angemessenen „Return on Investment“ zu erhalten. Um diese Frage zu beantworten, wird der tatsächlich erreichte Nutzen in die Business-Case-Berechnungsvorlage übernommen. Im Dateneingabebereich der Business-Case-Berechnungsvorlage müssen nun die Werte in den Zeilen:
„Cash-Inflow durch Einsparungen“ und „Reduktion des Netto-UV“ entsprechend angepasst werden. Die sich daraus ergebenden Veränderungen sind in Ź Abb. 12.21 wiedergegeben.
384
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle Alle Werte sind als positive Zahlen einzugeben!
Business Case - Dateneingabe
Projektkosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Betriebskosten - Cash-Outflow (erfolgswirksam) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 3 J.) - Cash-Outflow (bilanzwirksam; 10 J.) Umlaufvermögen - Erhöhung des Netto-UV Gesamtkosten Nutzen + Cash-Inflow durch Einsparungen + Cash-Inflow durch Umsatz + Reduktion des Netto-UV Gesamtnutzen Kosten/Nutzen-Delta
0 2005
1 2006
2 2007
3 2008
4 2009
60'000 15'000 0 75'000
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
0 0 0 0
60'000 15'000 0
0 0 0 0
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8000
8'000 0 0 8'000
32'000 0 0
0 75'000
0 8'000
0 8'000
0 8'000
0 8'000
0 107'000
0 0 0 0 -75'000
6'333 0 52'778 59'111 51'111
6'667 0 2'778 9'445 1'445
7'000 0 2'778 9'778 1'778
7'333 0 2'778 10'111 2'111
27'333 0 61'112 88'445 -18'555
Total
Abb. 12.21 Business-Case-Nachbetrachtung – Dateneingabe
Die Werte im Dateneingabebereich werden von der Business-Case-Berechnungsvorlage automatisch in die nachfolgenden Berechnungsstufen der Investitionsrechnung übernommen (z.B. für die Berechnung des NPV). Dies wird in Ź Abb. 12.22 gezeigt. Business Case - Investitionsrechnung Kalkulationszinssatz = 12 % + Cash inflows (Nutzen) - Cash outflows (erfolgswirksam)
0 2005 0 60.000
1 2006 6.333 8.000
2 2007 6.667 8.000
3 2008 7.000 8.000
4 2009 7.333 8.000
Total 27.333 92.000
Cashflow vor Steuern
-60.000
-1.667
-1.333
-1.000
-667
-64.667
0
5.000
5.000
5.000
0
15.000
-60.000
-6.667
-6.333
-6.000
-667
-79.667
18.000 0
2.000 5.000
1.900 5.000
1.800 5.000
200 0
15.000
Cashflow nach Steuern
-42.000
333
567
800
-467
-40.767
- Cash outflows (bilanzwirksam) +/- Netto-UV Veränderung
15.000 0
0 -52.778
0 -2.778
0 -2.778
0 -2.778
15.000
Cashflow nach Steuern u. Invest.
-57.000
53.111
3.345
3.578
2.311
5.345
Cashflows - kumuliert Diskontierungsfaktor Diskontierte Cashflows Diskontierte Cashflows - kumuliert
-57.000 1,0000 -57.000 -57.000
-3.889 0,8929 47.421 -9.579
-544 0,7972 2.667 -6.913
3.034 0,7118 2.547 -4.366
- Abschreibungen Zu versteuernder Cashflow - Steuern + Rückaddition Abschreibungen
5.345 0,6355 1.469 -2.897 Ż NPV
Abb. 12.22 Business-Case-Nachbetrachtung – Investitionsrechnung
Fazit der Analyse des ökonomischen Projekterfolgs ist: Der NPV ist negativ (-2.897 GE). Obwohl das Projekt aus operativer Sicht als erfolgreich anzusehen ist (die CDI-Reduktion um 10 Tage wurde erreicht; das Kostenbudget wurde eingehalten), ist unter der gegebenen Verkaufssituation der Nutzen nicht mehr ausreichend, um die Kosten zu decken und
12.4 Monitoring und Nachkontrolle
385
eine angemessene Kapitalverzinsung (12 %) zu erzielen. Die „absolute Vorteilhaftigkeit“ des Projekts ist nicht mehr gegeben – das Projekt hat unter diesen Umständen keinen „Wert“ für das Unternehmen generiert. Das Beispiel verdeutlicht zwei Tatsachen:
Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem operativen Projekterfolg und dem ökonomischen Projekterfolg (das eine ist ohne das andere möglich).
Der „Wert“ (die absolute Vorteilhaftigkeit) eines Projekts ist nicht nur von projektinternen Faktoren abhängig, sondern kann auch durch externe Faktoren beeinflusst sein, die nicht durch das Projekt kontrolliert werden können. Das zuvor aufgezeigte Szenario könnte sich allerdings auch umgekehrt zugetragen haben – anstelle einer geringeren Verkaufsentwicklung könnten die tatsächlichen Verkaufszahlen besser ausgefallen sein. In diesem Fall würde das Projekt einen weitaus höheren „Wert“ für das Unternehmen generieren, als ursprünglich vorgesehen. In Ź Abb. 12.23 ist ein solches Szenario dargestellt. Business Case - Nachbetrachtung - Projekt "Lagerverwaltungssystem" Jahr 0
Jahr 1
Jahr 2
Jahr 3
Jahr 4
Umsatz
3.000.000
3.500.000
3.750.000
4.000.000
4.250.000
Kosten der verkauften Produkte
2.000.000
2.250.000
2.500.000
2.750.000
3.000.000
500.000
Lagerbestand - wenn CDI = 90
562.500
625.000
687.500
750.000
Lagerbestand - wenn CDI = 80
500.000
555.556
611.111
666.667
Veränderung - absolut
-62.500
-69.444
-76.389
-83.333
Nutzen (Veränderung - delta) Nutzen (Zinseinsparung - 12 %)
-62.500 -7.500
-6.944 -8.333
-6.944 -9.167
-6.944 -10.000
Nutzen Insgesamt
-70.000
-15.278
-16.111
-16.944
Jahr 5
Abb. 12.23 Tatsächliches Szenario – Verbesserung der Verkaufszahlen
Da der Umsatz höher ist, sind auch die „Kosten der verkauften Produkte“ höher. Übernimmt man die Zahlen aus Ź Abb. 12.23 in die BusinessCase-Berechnungsvorlage, so liefert die aktualisierte Investitionsrechnung das in Ź Abb. 12.24 dargestellte Ergebnis.
386
12 Umsetzung und Erfolgskontrolle
Business Case - Investitionsrechnung Kalkulationszinssatz = 12 % + Cash inflows (Nutzen) - Cash outflows (erfolgswirksam)
0 2005 0 60.000
Cashflow vor Steuern
-60.000
-500
333
1.167
2.000
0
5.000
5.000
5.000
0
15.000
-60.000
-5.500
-4.667
-3.833
2.000
-72.000
18.000 0
1.650 5.000
1.400 5.000
1.150 5.000
-600 0
15.000
Cashflow nach Steuern
-42.000
1.150
1.733
2.317
1.400
-35.400
- Cash outflows (bilanzwirksam) +/- Netto-UV Veränderung
15.000 0
0 -62.500
0 -6.944
0 -6.944
0 -6.944
15.000
Cashflow nach Steuern u. Invest.
-57.000
63.650
8.677
9.261
8.344
32.932
Cashflows - kumuliert Diskontierungsfaktor Diskontierte Cashflows Diskontierte Cashflows - kumuliert
-57.000 1,0000 -57.000 -57.000
6.650 0,8929 56.830 -170
15.327 0,7972 6.917 6.748
24.588 0,7118 6.592 13.339
- Abschreibungen Zu versteuernder Cashflow - Steuern + Rückaddition Abschreibungen
1 2006 7.500 8.000
2 2007 8.333 8.000
3 2008 9.167 8.000
4 2009 10.000 8.000
Total 35.000 92.000 -57.000
32.932 0,6355 5.303 18.642 Ż NPV
Abb. 12.24 Business-Case-Nachbetrachtung (Verbesserung der Verkaufszahlen)
Der NPV ist von ursprünglich 10.527,- GE auf 18.642,- GE gestiegen und hat sich damit nahezu verdoppelt. Hat diese Tatsache eine Bedeutung für die Zielvorgaben der Nutzenrealisierung (KPI’s)? Ja, denn das Projekt ist nun auch dann wirtschaftlich (positiver NPV), wenn die Zielvorgaben (z.B. eine Reduktion des CDI um 10 Tage) nicht vollumfänglich erreicht werden. Die bereits erwähnte Autonomie zwischen dem operativen und dem ökonomischen Projekterfolg gilt also in beide Richtungen. Zum Beispiel:
Selbst wenn der operative Projekterfolg gegeben ist, kann ein Projekt dennoch unwirtschaftlich sein (kein ökonomischer Projekterfolg).
Ein Projekt kann wirtschaftlich sein (ökonomischer Projekterfolg), obwohl der operative Projekterfolg nicht gegeben ist. Der operative Projekterfolg ist demnach keine zwingende Voraussetzung für den ökonomischen Projekterfolg.
Anhang
Glossar Viele Fachausdrücke der Informatik und des Finanzwesens sind unscharf definiert und werden in der Praxis uneinheitlich angewendet. Die fehlende begriffliche Präzision führt zu Mehrdeutigkeiten und Überschneidungen und begünstigt somit Missverständnisse. Das folgende Glossar soll dazu beitragen, den Interpretationsspielraum weitgehend auszuschließen und ein eindeutiges Begriffsverständnis sicherzustellen. Begriff
Erklärung
EBITDA
EBITDA (Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization): Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen von Sachanlagen und Abschreibungen von immateriellen Anlagen. Der EBITDA ergibt sich durch den Abzug der Betriebsaufwendungen von den Betriebserträgen. Im Falle von IT-Investitionen ergeben sich die Betriebsaufwendungen durch die Projektkosten, abzüglich des quantifizierten Nutzens in Form von Kosteneinsparungen (denn das Ziel der Kosteneinsparungen ist, die Betriebskosten – d.h. die betrieblichen Aufwendungen, zu verringern).
EBIT
EBIT (Earnings before interest and taxes): Gewinn vor Zinsen und Steuern. Verringert man den EBITDA um die Abschreibungen, erhält man den EBIT. Als Abzugspositionen verbleiben nun nur noch die Fremdkapitalzinsen und die Ertragssteuern, um den Gewinn oder Verlust für eine Periode zu erhalten.
Cashflow
Cashflow ist der englische Begriff für Geldfluss bzw. Zahlungsstrom. Im Zusammenhang mit der Investitionsrechnung unterscheidet man zwei Arten von Geldflüssen. Cash-Outflows (Ausgaben bzw. Auszahlungen) und Cash-Inflows (Einnahmen bzw. Einzahlungen). Kosteneinsparungen (z.B. Reduktion der Ausgaben) werden als Cash-Inflows angesehen.
388
Anhang
Begriff
Erklärung
Erfolgswirksame Ausgaben
Erfolgswirksame Ausgaben sind Ausgaben, die als Aufwand direkt in die Erfolgsrechnung gebucht werden („Kosten als Aufwand“). Damit sind all diejenigen Projektaufwendungen gemeint, die nicht abgeschrieben werden. Zum Beispiel Kosten für Dienstleistungen, Reise- und Schulungskosten der internen Mitarbeiter und Kosten für Softwarelizenzen (sofern diese nicht abgeschrieben werden).
Auszahlungen
Auszahlungen (cash outflows) sind Abflüsse von Zahlungsmitteln. Zum Beispiel Lohnzahlungen an Mitarbeiter, Zahlungen an Dienstleister für in Anspruch genommene Dienstleistungen, Zahlungen für den Einkauf von Software oder Hardware, Zahlungen für Geschäftsreisen von Mitarbeitern.
Einzahlungen
Einzahlungen (cash inflows) sind Zuflüsse von Zahlungsmitteln. Zahlungseingänge von Kunden, Barverkäufe an Waren, Aufnahme eines Barkredits.
Aufwand
Aufwand ist der in der Finanzbuchhaltung erfasste, mit Geld bewertete Verzehr an Gütern und Dienstleistungen. Er umfasst den Wert des Inputs in den Leistungserstellungsprozess sowie den Verbrauch an Vermögenswerten. Zum Beispiel die Zahlung von Löhnen, Zinsen und Steuern. Einem Aufwand liegt nicht zwingend eine Auszahlung zugrunde. Zum Beispiel ein erlittener Kursverlust aus Wertschriften oder die Bildung von Rückstellungen.
Ertrag
Ertrag ist der in der Finanzbuchhaltung erfasste, mit Geld bewertete Wertzuwachs. Er umfasst den Erlös des Outputs aus dem Leistungserstellungsprozess sowie den Zuwachs an Vermögenswerten. Zum Beispiel Verkauf von Waren und Dienstleistungen, Verkauf einer Maschine über ihren Buchwert hinaus. Einem Ertrag liegt nicht zwingend eine Einzahlung zugrunde. Zum Beispiel bei Kurssteigerungen von Wertschriften oder bei der Auflösung von Rückstellungen.
Bilanzwirksame Ausgaben
Bilanzwirksame Ausgaben sind „Investitionen“ in Anlagegüter, die zunächst im Anlagevermögen der Bilanz als Wertposition aufgenommen werden („Ausgaben für Abschreibungsobjekte“). Im IT-Bereich handelt es sich dabei überwiegend um Hardware-Anschaffungen und in bestimmten Fällen dem damit verbundenen Installationsaufwand. Bilanzwirksame Ausgaben werden erst in einem zweiten Schritt erfolgswirksam – und zwar in Form von Abschreibungen. Die jährliche Wertminderung der Abschreibungsobjekte wird periodengerecht in der Erfolgsrechnung als Aufwand belastet.
Glossar
389
Begriff
Erklärung
Fixe Kosten
Damit ein Unternehmen wirtschaftlich handeln kann, müssen viele Voraussetzungen geschaffen werden. Gebäude für Fertigung und Verwaltung müssen gekauft und eingerichtet werden, die IT-Infrastruktur muss bereitgestellt werden, Fahrzeuge werden angeschafft, Maschinen für die Produktion bereitgestellt. Diese Tätigkeiten verursachen Kosten, die unabhängig von der Beschäftigung des Unternehmens sind, also nicht mit der Produktionsmenge schwanken. Daher werden sie Fixkosten genannt. Fixkosten sind demnach definiert als die Kosten, die unabhängig von der Beschäftigung des Unternehmens anfallen. Fixe Kosten fallen für die Bereitstellung der Produktionsfaktoren und deren Rahmenbedingungen an. Sie schaffen Kapazitäten, die erst eine wirtschaftliche Tätigkeit ermöglichen. Hohe Kapazitäten bedeuten i. d. R. hohe Fixkosten, niedrige Kapazitäten führen entsprechend zu niedrigen Fixkosten. Welche Kostenarten sind den Fixkosten zuzurechnen? Fast alle Kostenarten können fix auftreten, wenn entsprechende Verträge und Vereinbarungen dahinter stehen. Die typischen Fixkosten setzen sich aus den folgenden Arten zusammen: Abschreibungen: Periodische Wertminderung der ITInfrastruktur (Hardware), Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Fuhrpark und Maschinen. Unterhaltskosten: Die IT-Infrastruktur, Gebäude, Maschinen und Anlagen müssen gewartet und unterhalten werden. Hier fallen große Beträge an, die unabhängig von der Produktionsmenge sind. Bei der IT-Infrastruktur und bei Maschinen und Anlagen ergeben sich aber auch leistungsabhängige Unterhaltskosten, die vom Kostenrechner ermittelt werden können und herausgerechnet werden müssen. Mieten, Leasingkosten: Eine Sonderrolle innerhalb der Fixkosten spielen Mieten und Leasingkosten z. B. für Hardware, Gebäude, Fuhrpark oder Maschinen. Zugrunde liegen in der Regel vertragliche Vereinbarungen, die eine bestimmte Laufzeit haben. Für die Laufzeit dieser Verträge sind die Kosten fix. Nach Ablauf der Vereinbarung sind die Mietaufwendungen und Leasingkosten für einen kurzen Augenblick disponibel. Personalkosten: Die Kosten der fest angestellten Mitarbeiter gelten als Fixkosten. Variabel sind hingegen die Kosten für Zeitarbeitskräfte (Temporärstellen).
390
Anhang
Begriff
Erklärung
Variable Kosten
Variable Kosten sind diejenigen Kosten, die mit steigender Produktion steigen und mit sinkender Produktion sinken – also die beschäftigungsabhängigen Kosten.
Kapitalkosten
Kapitalkosten (cost of capital) sind der Preis, den ein Unternehmen seinen Kapitalgebern für die zeitweilige Überlassung des Kapitals bezahlen muss. Für das Fremdkapital sind dies die zu bezahlenden Kapitalzinsen, für das Eigenkapital die auszuschüttenden Dividenden und die von den Aktionären geforderte Erhöhung des Aktienkurses. Beide Arten der Kapitalkosten leiten sich grundsätzlich aus den Renditeforderungen bzw. -erwartungen der Kapitalgeber ab.
Primärkosten
Primäre (d.h. ursprüngliche) Kosten ergeben sich aus der Nutzung oder dem Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen (einschließlich öffentlicher Abgaben), die durch das Unternehmen von außen bezogen werden oder diesen gleichzusetzen sind.
Sekundärkosten
Sekundäre (d.h. gemischte) Kosten ergeben sich bei der Verrechnung von innerbetrieblichen Leistungen. Sekundäre Kosten setzen sich im Normalfall aus verschiedenen primären Kosten zusammen und werden nach einem bestimmten Verteilschlüssel oder auf Basis eines vereinbarten Kontrakts auf Endkostenstellen verrechnet bzw. umgelegt. Somit repräsentieren sekundäre Kosten Leistungen von Kostenstelle zu Kostenstelle. Sekundärkosten erscheinen nicht in der Bilanz und nicht in der Erfolgsrechnung. Sie dienen lediglich der internen Umverteilung von Kosten.
Forderungen
Forderungen bzw. Debitoren (accounts payable) sind geschuldete Leistungen von Dritten (Außenstehenden). Sie entstehen bei nicht sofort bezahlten Verkäufen von Waren und Anlagegütern bzw. als Resultat von erbrachten Dienstleistungen. „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ sind Teil des Umlaufvermögens.
Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten bzw. Kreditoren (accounts receivable). Sie entstehen bei nicht sofortiger Bezahlung von erhaltenen Waren und Produktionsmaterialien bzw. als Resultat von in Anspruch genommenen Dienstleistungen. „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“ sind Teil des kurzfristigen Fremdkapitals.
Glossar
391
Begriff
Erklärung
Tax-Shield
Fremdkapitalzinsen sind steuerlich abzugsfähig. Diese steuermindernde Wirkung der Fremdkapitalzinsen wird als „Tax-Shield-Effekt“ bezeichnet. Beträgt der Gewinnsteuersatz beispielsweise 30 %, so generiert jeder Euro an Zinszahlungen 30 Cent Steuereinsparung. Der Wert dieses Steuervorteils ist das „Tax-Shield“ (manchmal auch als „Debt-Tax-Shield“ bezeichnet). Da Zinszahlungen die Steuerschuld vermindern (Voraussetzung: ausreichender Gewinn oder Steuererstattung im Verlustfall) hat ein verschuldetes Unternehmen einen Steuervorteil im Vergleich zu einem unverschuldeten Unternehmen.
OPEX
Das OPEX-Budget umfasst den weitaus größten Teil der jährlichen Informatik-Ausgaben (im Schnitt etwas 90 %). Die wesentlichen Blöcke dieses Budgets sind die Personalkosten (sowohl für interne als auch für externe Mitarbeiter), die Kosten für Outsourcing-Vereinbarungen, die Beratungskosten, die jährlichen Abschreibungen, die Kosten für Software-Lizenzen (soweit diese nicht als Anlagegut „aktiviert“ und deshalb abgeschrieben werden), Leasing-Zahlungen, die laufenden Kosten für die Hardware- und Software-Wartung, geringwertige Wirtschaftsgüter (Hardware, welche nicht abgeschrieben wird; z.B. PDA´s, Tintenstrahldrucker), Verbrauchsmaterialien und Kosten für die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.
CAPEX
Das CAPEX-Budget erfasst alle Ausgaben für abzuschreibende Anlagegüter. Die initialen Anschaffungskosten für derartige Güter werden in voller Höhe dem CAPEX-Budget zugeschlagen. Die sich daraus ergebenden jährlichen Abschreibungen werden (über die Anlagebuchhaltung) dem OPEX-Budget der jeweiligen Periode belastet.
Umschlagsdauer
Die Umschlagsdauer (engl. „Coverage days of Inventory“; CDI) sagt aus, wie viele Tage (im Durchschnitt) die Waren im Lager gehalten werden. Sie ergibt sich aus den Größen „durchschnittlicher Lagerbestand in einer Periode“, „Kosten der verkauften Produkte in derselben Periode“ und Anzahl der Tage, über die sich die Periode erstreckt.
Umschlagshäufigkeit
Die Umschlagshäufigkeit sagt aus, wie oft das Lager in einer Periode umgesetzt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Anzahl der Lagerumschläge“. Je öfter das Lager in einer Periode umgeschlagen werden kann, desto wirtschaftlicher ist das Lager.
392
Anhang
Begriff
Erklärung
Lagerbestand
Die Bewertung der Vorräte (Rohmaterial, Halbfabrikate und Fertigfabrikate) erfolgt zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nach dem Niederstwertprinzip (Lower of cost or market). Bei selbst gefertigten Waren setzen sich die Herstellkosten aus den direkten Materialkosten, den Materialgemeinkosten, den Fertigungsgemeinkosten (indirekt produktive Mitarbeiter, Abschreibungen, Produktionsplanung und -steuerung) zusammen. Anteilige Kosten für Vertrieb und Verwaltung sind nicht den Produktkosten hinzuzurechnen. Beim wertmäßig spezifizierten Lagerbestand handelt es sich also um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Produkte, die sich im Lager befinden. Alle variablen und fixen Kostenanteile, die mit der Güterproduktion verbunden sind, werden dabei berücksichtigt.
Kosten der verkauften Produkte
Bei den „Kosten der verkauften Produkte“ (Costs of Goods Sold; COGS) handelt es sich um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Produkte, die in einer bestimmten Periode verkauft wurden. Eine gültige Bezeichnung wäre deshalb auch „Herstellkosten verkaufter Produkte“.
Backfilling
Wenn eine Abteilung einen oder mehrere Mitarbeiter an ein Projekt „ausleiht“, müssen diese Mitarbeiter in vielen Fällen durch andere interne oder externe Arbeitskräfte ersetzt werden – dies bezeichnet man als „Backfilling“. Beim Backfilling entstehen Kosten – diese Kosten werden dem Projekt in Rechnung gestellt.
Diskontierung
Die der dynamischen Investitionsrechnung zugrunde liegende Diskontierung berücksichtigt den Umstand, dass Zahlungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, nicht ohne weiteres addiert bzw. subtrahiert werden dürfen. Geld hat einen zeitabhängigen Wert. Will man in Geld bewertete Größen für Investitionsaussagen vergleichbar machen, muss man die Zeitpräferenz des Investors berücksichtigen, die sich in einem geforderten Zinsfaktor manifestiert. Die Angleichung der Zahlungsgrößen geschieht über die Aufoder Abzinsung (Diskontierung) zu einem festgelegten Basiszeitpunkt.
Kalkulationszinssatz
Mindestverzinsungsanspruch des Investors an ein Investitionsprojekt (in der Regel handelt es sich hierbei um die gewichteten Kapitalkosten; auch als „WACC“ bezeichnet).
Glossar
393
Begriff
Erklärung
Diskontierungsfaktor
Der Diskontierungsfaktor ist eine zeitabhängige Größe, die auf Basis des Kalkulationszinssatzes ermittelt wird. Durch Multiplikation des Zeitwerts einer Ein- oder Auszahlung mit einem jahres- und zinssatzabhängigen Diskontierungsfaktor ergibt sich der Barwert.
Zeitwert
Der Wert einer Ein- oder Auszahlung (Nutzen und Kosten) zum Zeitpunkt ihres Anfalls.
Barwert
Wert einer Ein- oder Auszahlung (Nutzen und Kosten), der sich durch die Diskontierung (Auf- oder Abzinsung) auf ein festgelegtes Basisjahr ergibt.
Kapitalwert
Der Kapitalwert einer Investition ergibt sich aus der Differenz zwischen dem barwertigen Gesamtnutzen und den Gesamtkosten, d.h. das diskontierte Kostentotal wird vom diskontierten Nutzentotal in Abzug gebracht. Bei einem Nutzenüberschuss entsteht ein positiver Kapitalwert. Sind die Kosten höher als der Nutzen, ergibt sich ein negativer Kapitalwert.
Bezugsjahr
Zeitpunkt, auf den die über mehrere Jahre anfallenden Zahlungen bezogen werden. Dies kann zum Beispiel der Investitionsbeginn (das erste Jahr der Investition) sein oder der Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Lösung. Dieses Jahr kann auch als „Referenzjahr“ oder „Vergleichsjahr“ bezeichnet werden.
Operativer Projekterfolg (Operational Success)
Wenn die vereinbarten Wirtschaftlichkeitsziele (Kosten und Nutzen) wie geplant erreicht werden. Der operative Projekterfolg wird in regelmäßigen Zeitabständen während der Projektdurchführung gemessen. Überwacht werden in diesem Zusammenhang die KPI’s, die im Hinblick auf die „Nutzenrealisierung“ definiert wurden. Äußere Projekteinflüsse, die nicht durch das Projekt kontrolliert werden können, sind für den operativen Projekterfolg nicht entscheidend.
Ökonomischer Projekterfolg (Economic Success)
Wenn unter Einbeziehung aller Wirtschaftlichkeitsfaktoren (auch etwaiger äußerer Projekteinflüsse) die absolute Vorteilhaftigkeit des Projekts gegeben ist. Der ökonomische Projekterfolg wird in der Regel nach Abschluss der Phase „Nutzenrealisierung“ überprüft, um festzustellen, inwieweit das Projekt für die Unternehmung sinnvoll war.
394
Anhang
Über den Autor Ralph Brugger ist dipl. Wirtschaftsinformatiker und arbeitet seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Informatik- und IT-Controlling-Funktionen; sowohl bei internationalen Software-Herstellern als auch in größeren Industriekonzernen. Zurzeit ist er als „Global Project and Portfolio Officer“ in einer IT-Controlling-Abteilung tätig. In dieser Rolle wirkt er einerseits an der globalen und funktionsübergreifenden IT-Projekt-Portfolio-Planung mit und trägt andererseits die Verantwortung für die Steuerung und Überwachung des konzernweiten IT-Investitionsbudgets in dreistelliger Millionenhöhe. Dieses Aufgabenspektrum bedingt sowohl die Beurteilung von IT-Business Cases, als auch die aktive Mitwirkung bei der Erstellung von komplexen Business Cases. Kontaktadresse:
[email protected] Index Ablösungsinvestition, 20 Abschreibung, 117 degressive, 108 lineare, 108 Abschreibungen, 106, 241, 243 Aktivierung, 107 Anschaffungszeitpunkt, 110 Buchwert, 107 Rückaddition, 241 Wertminderung, 108 Abschreibungsdauer, 148 Abschreibungsmethode, 149 Abschreibungsobjekte, 122, 131 Abstraktion, 351 Abweichungsanalyse, 374 Abweichungsursachen, 374 Abzinsung, 153 Aktivierung, 107 Aktivtausch, 131 Alternativen, 53 Amortisationsrechnung, 141, 186 Analysemodell, 227, 228 Kostenmodell, 229 Nutzenmodell, 232 Wirtschaftlichkeitsmodell, 233 Anforderung, 52 Anlagebuchhaltung, 359 Anlageobjekte, 106 Anlagevermögen, 106, 122, 131, 359 Annahmen, 326 Anpassungsentscheidungen, 371 Anschaffungszeitpunkt, 110 Applikationsbetreuung, 74 Arbeitsleistung, 269 effektive, 269 Arbeitspaket, 265 Arbeitspensum, 266 Arbeitstage, 267 Asset Management, 25 Aufwand, 116, 264 interner, 264 Aufwandschätzung, 265 Aufwandseinheit, 271 Aufwandseite, 128 Aufwandspezifikation, 267 Aufwendungen, 243 Aufzinsung, 153
Ausführungskontrolle, 372 Ausführungsvarianten, 354 Ausgabe, 107 bilanzwirksame, 107, 122 erfolgswirksame, 107, 121 Ausgaben, 115 Ausprägungsvarianten, 353 Auswahlentscheidungen, 14 Auszahlungen, 115, 251, 253 effektive, 253 Backfilling, 65 Baldwin-Methode, 206 Baldwin-Zinsfuß, 142 Barverkäufe, 251 Barwert, 151 Barwertermittlung, 195 Base Case, 162 Base Case-Szenario, 278, 293, 300 Basisvariante, 162 Differenzrechnung, 166 Gesamtrechnung, 166 Basiszins, 311 Basiszinssatz, 101 Bearbeitungseffizienz, 284 Behavioural Change, 363 Benchmarking, 328 externes, 329 internes, 329 Vergleichbarkeit, 331 Benefit, 89 intangible, 89 Intermediate, 90 one off, 93 recurring, 93 Benefits-Tracking, 373 Berechnungslogiken, 234 Bereich, 14 change the business, 14 run the business, 14 Berichtssystem, 373 Beschäftigungspensum, 267 Beta-Faktor, 101 Betrachtung, 253 Input-, 253 Kostenträger-, 253 Output-, 253
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Index
Betrachtungshorizont, 238 Betrachtungsschwerpunkt, 28 Betrachtungsschwerpunkte, 19 Betrachtungsweise, 214 gewinnorientierte, 214 Betrachtungszeitraum, 147, 157, 173 Betrachtungszeitrum, 277 Betriebliche Erlöse, 123, 243 Betriebskosten, 63, 72, 77, 168, 254, 300 Differenzierung, 81 Ersatzbeschaffungen, 81 relative Verteilung, 83 Bewertungsobjekt, 42 Bewertungsspielräume, 251 Bewertungsvariationen, 126 Beziehungskennzahlen, 330 Bezugseinheiten, 256 Bezugsjahr, 152 Bilanz, 117, 242 Bilanzsumme, 131 Börsenkapitalisierung, 224 Bottom Line, 25, 27 Bottom Line Profit, XV Bruttobetrachtung, 267 Bruttorendite, 180 Brutto-Umsatzsteigerung, 276 Buchverlust, 105 Buchwert, 107 Budgetanpassung, 358 CAPEX-Budget, 359 OPEX-Budget, 358 Budgeteinsparung, 370 Budgetkontrolle, 373 Business Case, 11 Auswirkungen, 17 Bausteine, 12 Bewertungsobjekt, 42 Bindeglied, 40 Differenzrechnung, 166 Dimensionen, 326 Dokumentation, 49 Eckpunkte, 144 Entscheidungspfad, 29 Erstellung, 33 Gesamtrechnung, 166 Grundlagen, 42 Stakeholder, 38 Business Plan, 29, 173 Business-Impact, 8
Business-Kosten, 71 Business-Projekt, 8 CAPEX-Budget, 359 Capital Charge, 216 CAPM, 103 Cash inflows, 129 Cash Inflows, 251 Cash outflows, 129 Cash Outflows, 251 Cashflow, 115, 126, 172 inkrementeller, 172 Investitions-, 128 nach Steuern, 131 objektbezogener, 128 periodenbezogener, 128 Unternehmens-, 128 vor Steuern, 130 Cashflow nach Steuern, 222 Cashflow Relevanz, 252 Cashflow vor Steuern, 222 Cashflow-Betrachtung, 213 Cashflow-Rechnung, 117, 125, 132 mit Abschreibungen, 133 objektbezogene, 128 ohne Abschreibungen, 133 Positionen, 132 unternehmensbezogene, 128 CDI, 291, 293, 378 Change Management, 363 change the business, 14 Charges, 256 Charging Rate, 275 COGS, 286, 287, 291 Cost of Goods Sold, 286, 291 Cost Types, 303 Coverage days of inventory, 291 CRM-System, 8 Customer Relationship Management, 90 Datacenter, 74 Datenanalyse, 327 Datenbeschaffung, 325 Datensammlung, 227 Datenvernetzung, 227 Denken, 351 divergentes, 351 konvergentes, 351 Detailplanung, 59 Detailvarianten, 354
Index Dienstleistungsebene, 76 Dienstleistungsmitarbeiter, 272 Dienstleistungsmodell, 273 Differenzrechnung, 166, 263 Discounted-Cashflow, 195 Diskontierung, 150 Abzinsung, 153 Aufzinsung, 153 Diskontierungsfaktor, 152 Distributed Computing, 74 Do Nothing-Alternative, 278 Dokumentation, 49 Gesamtstruktur, 55 Management Summary, 50 Projektdetails, 56 Projektübersicht, 51 Double Counting, 339 Dreifachrechnung, 347 Durchführungsentscheidung, 14 Durchschnittssätze, 98, 272, 274, 283 Ebene, 74 Applikationsbetreuung, 74 Datacenter, 74 Distributed Computing, 74 Netzwerk, 74 EBIT, 121, 216 EBITDA, 120, 216 Eckpunkte, 144 Abschreibungsdauer, 148 Abschreibungsmethode, 149 Betrachtungszeitraum, 147 Inflationsrate, 149 Kalkulationszinssatz, 144 Steuersatz, 144 Terminierung, 147 Zahlungszeitpunkt, 148 Economic Profit, 142, 214, 244 Economic Success, 376 Economic Value Added, 142 Effizienzgewinn, 282 theoretischer, 282 Effizienzsteigerung, 89 Eigenfinanzierung, 153 Eigenkapital, 99 Eigenkapitalkosten, 101 Eigentümerschaft, 281 Einflussfaktor, 290 äußerer, 290 Einführungsstrategie, 83
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Einführungs-Szenarien, 82 Eingabedaten, 227 Einnahmen, 115 Einzahlungen, 115, 251 Einzahlungsüberschuss, 184 Elemente, 40 fachliche, 40 technische, 40 Empfindlichkeitsprüfung, 341 End to End-Betrachtung, 74 End to End-Services, 74 End-Nutzen, 90 Endwert, 178 Entschädigungserwartung, 99 Entscheider, 4 Entscheidung, 14 Auswahlentscheidungen, 14 Durchführungsentscheidung, 14 Entscheidungsgrundlage, 1 Entscheidungskriterium, 198, 206, 213 Entscheidungsoptionen, 347, 349 risikodifferenzierte, 347 Entscheidungspfad, 29 Entscheidungsunsicherheit, 17 Entwicklung, 45 Erfassung, 301 qualitative, 301 Erfolgsrechnung, 117, 216 Gewinn, 118 Staffelform, 118 tabellarisch, 119 Verlust, 118 Ergebnisgrößen, 326 Ergebniskontrolle, 372 Ersatzbeschaffungen, 81 Ertrag, 116 Ertragsseite, 128 Ertragssteuern, 105, 239, 243 Ertragssteuerrate, 240 Erweiterungsinvestition, 20 EVA, 142 Ewige Rente, 175 Externe Kosten, 65 Fehlzeiten, 268 Fertigungsgemeinkosten, 287 Financial Tactics, 355 Finanzierung, 113, 139 Eigenfinanzierung, 153 Fremdfinanzierung, 153
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Index
Mischfinanzierung, 153 Finanzierungskonzept, 113 Fisher-Effekt, 315 Folgekosten, 283, 285 Forderungen, 136 Fremdfinanzierung, 153 Fremdkapital, 99 Fremdkapitalkosten, 100 Fremdkapitalzinsen, 112, 243, 297 Fremdwährungen, 316 Fremdwährungs-Ansatz, 313 FTE, 265 Führungssystem, 26 Full Time Equivalent, 265 Fully Loaded Costs, 283 Fundamentalvarianten, 353 Geldflussrechnung, 125 Gemeinschaftsprojekt, 70 Gemeinschaftsprojekte, 91 Gesamtarbeitszeit, 266 Gesamtbetrachtung, 229 Gesamtkapitalrentabilität, 99, 179 Gesamtkosten, 229 Gesamtnutzen, 233 Gesamtrechnung, 166 Gesamtsicht, 381 Geschäftsfunktionen, 71 Geschäftsjahresbudget, 31 Geschäftsplanung, 173 Gesichtspunkte, 213 buchhalterische, 213 Gewinn, 118, 214, 242, 244 realer, 224 Gewinn- und Verlustrechnung, 242 Gewinnbetrachtung, 213 Gewinnmaximierung, 146 Gewinnspanne, 256 Gliederungskennzahlen, 330 Globalisierung, 279, 310 Goal Seek, 202 Government Bonds, 311 Grenzwert, 213 Grobplanung, 58 Grundlöhne, 275 Grundsatzvarianten, 353 Handlungsalternativen, 14 Harmonisierung, 348 Headcount, 267, 282 Hurdle Rate, 204
IKV, 201 Inflationsrate, 149 Informatik-Infrastruktur, 74 Kernbereiche, 74 Initialisierung, 43 Input-, 253 Input-Betrachtung, 253 Inputgröße, 345 Input-Seite, 253 intangible Benefit, 89 Internal Rate of Return, 142, 199 Interne Kosten, 65 Interne Zinsfuß-Methode, 199 Interner Ertragssatz, 199 Interner Kapitalverzinsungssatz, 201 investiertes Kapital, 215 Investire, 139 Investition, 139 Ablösungsinvestition, 20 Erweiterungsinvestition, 20 Neuinvestition, 20 Rationalisierungsinvestition, 20 Investitionen Normalinvestitionen, 203 Investitionsablauf, 57 Investitionsbegriff, 139 Investitionsentscheidung, 228 Faktoren, 228 Investitionskontrolle, 371 Investitionskosten, 63, 69 Personenbezogen, 72 Re-Investitionen, 81 Sachbezogen, 70 Investitionsmerkmale, 140 Investitionsplanung, 18 Investitionsrechnungen, 140 dynamisch, 140 statisch, 140 Investitionsrentabilität, 180 Investitionsszenarien, 20 Investitionsszenario, 293, 300 IRR, 142, 199 Ist-Größe, 375 Ist-Situation, 162 Ist-Zustand, 84 IT-Projekt, 8 IT-Wertbeitrag, 28 Jahresrechnung, 242 Jahressaldi, 160
Index Jahressätze, 272 Kalkulationszinssatz, 144, 152 Einflussgrößen, 145 Kapital, 112, 215 gebundenes, 112, 136 investiertes, 215 Kapitalbindung, 182, 295 Kapitaleinsatz, 184 initialer, 184 Kapitalkosten, 99, 214, 215 Basiszinssatz, 101 Beta-Faktor, 101 CAPM, 103 Gewichtete, 102, 217 Marktrisikoprämie, 102 MCPM, 103 Kapitalrentabilität, 180 Kapitalrückflussrechnung, 141, 186 Kapitalverzinsung, 210 Kapitalwert, 152 Kapitalwertgleichung, 207 Kapitalwertrechnung, 195 Kaufkraft, 150 Kennzahl, 325 Kennzahlen, 329 Beziehungskennzahlen, 330 Gliederungskennzahlen, 330 Verhältniskennzahlen, 330 Key Performance Indicator, 291, 294 Key Performance Indicators, 286, 367 Kompetenz-Pool, 333 Konsolidierung, 348 Konsolidierungsvorhaben, 309 Kontrolle, 61 Ausführungskontrolle, 372 Budgetkontrolle, 373 Ergebniskontrolle, 372 Kostenkontrolle, 373 Nutzenkontrolle, 373 Terminkontrolle, 373 Kontrollinstrumente, 372 Kontrollziele, 372 Konzernsteuersatz, 317 Korrekturen, 129 buchhalterische, 129 Korrekturfaktor, 338 Korrekturgröße, 339 Korrekturverfahren, 336, 339 Kosten, 63, 258, 263, 328 Analyse, 328
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Außerbetriebnahme, 64 Betriebskosten, 63, 72 Dienstleistungen, 68 direkte, 259 Ermittlung, 263 Externe, 65 Gesamtübersicht, 66 Interne, 65 Investitionskosten, 63, 69 Personalkosten, 68 Primär, 67 primäre, 258 Sekundär, 67 sekundäre, 258 Validierung, 328 Kostenarten, 303 Kostenartenrechnung, 253 Kostenartenübersicht, 303 Kostenbenchmarking, 328 Kostendeckung, 256 Kostendifferenzierung, 69 Kostendimensionen, 63 Kosteneffizienz, 329 Kosteneinsparungen, 87, 167 Kostenermittlung, 263 Kostenfaktoren, 12, 252 Kostenkalkulation, 272 Kostenkategorien, 71 Kostenkontrolle, 373 Kostenmodell, 229 Kostenreduktionen, 130 Kostenstellenrechnung, 253 Kostenstreiber, 296 Kostenstruktur, 273 Kostenstrukturen, 302 Kostenträger-Betrachtung, 253 Kostenträgerrechnung, 253 Kostentreiber, 77, 255, 301 Datacenter, 78 Distributed Computing, 80 Netzwerk, 79 Kostenvergleich, 24, 253 Kostenvermeidung, 87 KPI, 286, 291 KPIs, 367 Lager, 135 Lagerbestand, 286, 378 Lagerhaltungskosten, 261, 295, 296, 297
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Index
Lagerkennzahlen, 291 Lagerumschläge, 291 Umschlagsdauer, 291 Umschlagshäufigkeit, 291 Lagermenge, 286, 298 Lagerreduktion, 287, 288, 290 Lagerreduktionen, 286 Lagerumschläge, 291 Lebensdauer, 147 Legacy-Umgebung, 254, 301 Leistungen, 256 eigene, 256 verrechnete, 256 Leistungsbezug, 256 Leistungssaldo, 139 Leistungsverrechnung, 252, 357 Lernprozess, 372 life-cycle, 147 Liquiditätsüberschuss, 128 Lohnnebenkosten, 275 Lokalwährungs-Ansatz, 312 Lower of Cost of Market, 287 Management Summary, 50 Management-Overhead, 269 Mannjahre, 269 Marktrisikoprämie, 102 Maßnahmen, 90 organisatorische, 90 Materialgemeinkosten, 287 Materialkosten, 287 MCPM, 103 Mehrkosten, 168 Mehrwert, 224 Migrationsphase, 82 Migrationsplan, 83 Mindestverzinsung, 180, 197 Mindestzinssatz, 204 Mischfinanzierung, 153 Mitarbeiterstruktur, 272 Mittelflussrechnung, 242 Modell, 227 Analysemodell, 227 Modellierung, 227 Repräsentation, 227 Simulation, 227 Modellierungsaspekte, 234 Modellinhalte, 234 Modifizierter Interner Zinsfuß, 206 Monitoring, 371 Morphologische Kasten, 352
Nachbetrachtung, 293, 383 Nachkontrolle, 371 Nach-Steuer Betrachtung, 150 Näherungswerte, 340 Nebenkosten, 275 Net Present Value, 141, 195 Present Value, 196 Nettobetrachtung, 267 Nettogeldfluss, 105 Netto-Nutzen, 239 Netto-Umlaufvermögen, 110, 286, 295 Netto-Umsatzsteigerung, 276 Netto-UV, 187 Netzwerk, 74 Neuinvestition, 20 Niederstwertprinzip, 287 Normalinvestitionen, 203 Notwendigkeitsbeurteilung, 28 NPV, 141, 195 Nutzen, 24, 83 Business-, 92 direkt quantifizierbar, 276 direkter, 87 einmaliger, 93, 94 End-, 89, 90 Haltbarkeit, 93 hypothetischer, 24 indirekt, 88 IT-, 92 Kosteneinsparungen, 87 Kostenvermeidung, 87 laufender, 96 nicht quantifizierbarer, 249 Quantifizierung, 87, 276 strategisch, 89 Ursprung, 91 wiederkehrend, 93 zahlungswirksam, 278 Zahlungswirksamkeit, 89 Zuordnung, 93 Zwischen-, 89 Nutzenaspekte, 12 Nutzenbewertung, 279 Nutzenerhebung, 84 Nutzenkategorien, 85, 90 Nutzenkontrolle, 373 Nutzenmaximierer, 4 Nutzenmodell, 232 Nutzenpotential, 85, 87
Index Nutzenpotentiale, 88 monetäre, 88 Nutzenquantifizierung, 291 Nutzenrealisierung, 59, 296, 363, 364, 365 Nutzenströme, 359 Nutzentreiber, 301 Nutzungsdauer, 194 Nutzungszahlen, 254 Objektivierung, 372 Objektivierungstechniken, 340 OPAC, 142 Operations, 77 OPEX-Budget, 358 Opportunitätskosten 318 organic growth, 278 Organic Growth, 89 Output-, 253 Output-Betrachtung, 253 Output-Grenzwert, 345 Output-Seite, 253 Outservicing, 254, 301 Outsourcing, 254, 301 over coverage, 256 Overhead, 273, 275 Ownership, 281 Parallelbetrieb, 82 Parallelrechnung, 347 Payback, 141, 142, 187, 210 Durchschnittsrechnung, 187 dynamisch, 142, 210 Kumulationsrechnung, 189 statisch, 141, 187 Personalbestand, 267 Personalkosten, 68, 256, 260 Primär, 68 Sekundär, 68 Personenaufwand, 331 Personenjahre, 267, 269, 271 Personenmonate, 267 Phase Entwicklung, 45 Initialisierung, 43 Qualitätssicherung, 47 Validierung, 47 Phasen, 41 Phasenkonzept, 46 Phase-Out, 277
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Plan-Erfolgsrechnung, 123 Abschreibungen, 123 Aufwendungen, 123 Betriebliche Erlöse, 123 Ertragssteuern, 123, 124 Fremdkapitalzinsen, 123, 124 Plan-Größe, 375 Planungsfehler, 372 Post Project Review, 383 Preisfindung, 256 Preispolitik, 257 Present Value, 196 Primärkosten, 98, 258 Primärkostenbudget, 358 Prinzipvarianten, 353 Produktivitätspotential, 281 Produktivitätssteigerungen, 89, 90, 91, 278 Produktivitätsvorteile, 90 Produktivitätszuwachs, 89 Produktivzeit, 267 Profitabilität, 120, 278 Prognosegenauigkeit, 372 Project Scoping, 18, 43 Projektabbruch, 289 Projektdefinition, 18, 43, 58 Projektdetails, 56 Projekterfolg, 375 ökonomischer, 376, 381 operativer, 376, 378 Projektkalkulation, 263 Projektkontrolle, 380 operative, 380 Projektkosten, 328 Projektmerkmale, 331 Projektplanung, 41 Projektrealisierung, 59, 60, 362, 364 Zielgrößen, 362 Projektrisiko, 335 Projektsicht, 381 interne, 381 Projektübersicht, 51 Projektumfang, 331 Projektwirtschaftlichkeit, 335 Prozessanalyse, 279 Prozess-Harmonisierung, 279 Qualitätssicherung, 47 Quantifizierung, 87 Quick-Wins, 194
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Index
Rahmenbedingungen, 234 Rationalisierungsinvestition, 20 Rechenelemente, 117 Rechenzentrum-Charges, 260 Rechnungsart, 117 Bilanz, 117 Cashflow-Rechnung, 117 Erfolgsrechnung, 117 Rechnungselemente, 234, 251 Regelarbeitszeit, 266 Regelungen, 89 organisatorisch, 89 Reingewinn, 105 Re-Investitionen, 81 Reinvestitionsprämisse, 207 Renditerechnung, 179 Rentabilität, 120, 157, 179 Gesamtkapitalrentabilität, 179 Investitionsrentabilität, 180 periodenbezogene, 181 periodenübergreifende, 183 Rentabilitätsrechnung, 141, 179 Rente, 147 ewige, 147, 175 Rentenbarwerte, 176 Residual Income, 244 Residualgewinn, 142, 143, 214, 217, 224, 244 Restwert, 190 Return on Investment, 141, 179 Risiken, 53, 335, 347 kalkulierbare, 347 positiven, 347 Risikoabschläge, 337 Risikoanalyse, 334, 341 Korrekturen, 337 Korrekturverfahren, 336 Risikoanpassung, 338 Risikobeurteilung, 335 Risikofreier Basiszins, 311 Risikoprämie, 101 Risikoquantifizierung, 340 Risikozuschläge, 337 Risk-Free Rate, 311 ROI, 141, 179 kumulierter, 183 Rückflusszahl, 194 Rückwärtsschreiten, 351 run the business, 14
Sachanlagen, 106 immobile, 106 mobile, 106 Sachverhalte, 12 entscheidungsrelevant, 12 Scheingenauigkeit, 202, 203, 327 Schlüsselgrößen, 259 Schwellwert, 204 Scope In-Scope, 43 Out-of-Scope, 43 Seite, 253 Sekundärkosten, 98, 258 Sensibilitätsanalyse, 341 Sensitivitätsanalyse, 340 Sensitivitätsdiagramm, 343 Servicemodell, 254 Shared Service Center, 71, 348 Software-Standardisierung, 279 Soll-Größe, 375 Sozialkosten, 275 Spezifikationsmodelle, 267 Staatsanleihen, 311, 317 Stakeholder, 38 Stellenanalyse, 279 Stellschrauben, 227 Steuerlast, 134 Steuersatz, 144, 316 Storyboard, 248 Stückpreise, 254, 256, 257 Stundenumrechnung, 282 Subvention, 257 Sunk Costs, 303 Sunk-Costs, 264 Synergien, 348 Synergiepotential, 308 Systembeschreibung, 41 Szenarioanalyse, 347 Tabellenblatt, 235 Berechnung, 237 Business Case Eckpunkte, 235 Erfolgsrechnung, 242 Grafiken, 245 Tabellenblätter, 234 Tagessätze, 272 TCO, 263 Teilzeitkräfte, 266 Terminal-Value, 178 Terminierung, 147, 173
Index Abruptes Ende, 175 Ewige Rente, 175 Rente mit Kapitalverzehr, 175 Rentenbarwerte, 176 Terminkontrolle, 373 Time Accounting, 267 Top Line, 25, 27 Top Line Growth, XV Total Cost of Ownership, 263, 300 Tuning-Mentalität, 213 Überwachungskonzept, 373 Umfeldwirkungen, 375 Umlagen, 273 Umlaufvermögen, 110, 135, 187 Forderungen, 135 Lager, 135 Netto-, 135 Netto-UV, 187 Verbindlichkeiten, 135 Umsatzsteigerung Brutto-, 276 Netto-, 276 Umschlagsdauer, 291, 378 Umschlagshäufigkeit, 291 Uncovered Interest Parity, 311 under coverage, 256 Unit-Prices, 256 Unkostenanalyse, 279 Unterdeckung, 256 Unterlassungsalternative, 162 Unternehmenserfolg, 25 Maximierung, 25 Sicherstellung, 25 Untersuchungsbereich, 43 Validierung, 47 Value, 27 Creation, 27 Protection, 27 Value at Stake, 142, 213, 218 Variantendesign, 351 Ausführungsvarianten, 354 Ausprägungsvarianten, 353 Prinzipvarianten, 353 Rückwärtsschreiten, 351 Vorwärtsschreiten, 351 Zieladressierungsvarianten, 351 Variantenentwurf, 354 VaS, 142, 213 Veränderungen, 369
organisatorische, 369 technische, 369 Verhaltensveränderungen, 369 Verbindlichkeiten, 136 Vergleichsmaßstab, 204 Verlust, 118 Vernetzungsstufen, 227 Verrechnungsgrundsatz, 256 Verrechnungsintensität, 273 Vertrauensbasis, 16 Verzinsung, 99 Vollkosten, 263, 283 Vollkostenbetrachtung, 229 Vollzeit-Äquivalent, 266, 268 Vollzeitkräfte, 266 Vollzeit-Mitarbeiter, 265 Vorgehensmodell, 47, 284 Vor-Steuer Betrachtung, 150 Vorteilhaftigkeit, 14, 157, 311 absolute, 157, 311 Absolute, 14 relative, 157, 311 Relative, 14 Vorwärtsschreiten, 351 WACC, 99 Währung, 316 Fremdwährung, 316 Zielwährung, 316 Währungen, 310 Währungsunion, 317 Wechselkurs, 311 Wechselkursänderung, 311 erwartete, 311 Wechselkursentwicklung, 310 Wechselkursrisiko, 310 Wert, 151, 345 Barwert, 151 effektiv, 151 Endwert, 178 Kapitalwert, 152 kritischer, 345 nominell, 151 Zeitwert, 151 Werte, 25 immaterielle, 25 materielle, 25 Wertgenerierung, 27, 127 Wertminderung, 108 Wertschöpfung, 214, 224 Wertsicherung, 27
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Index
Wertverzerrungen, 251 buchhalterische, 251 Wirtschaftlichkeitsanalyse, 27, 242 Wirtschaftlichkeitsaspekte, 234 Wirtschaftlichkeitsfaktoren, 300, 342 Wirtschaftlichkeitsmodell, 233 Wirtschaftlichkeitsnachweis, 2, 21, 54 Wirtschaftlichkeitsziel, 289 Worksheets, 234 Zahlungseingänge, 251 Zahlungsmittel, 115 Zahlungszeitpunkt, 148 Zeitwert, 151, 359
Ziel, 52 Zieladressierungsvarianten, 351 Zielbewertung, 290 Zielgröße, 345 Zielvorgabe, 287, 292 Zielvorgaben, 329 Zielwährung, 316 Zielwertfestlegung, 291 Zielwertsuche, 202 Zinsaufwand, 114, 296, 297 Zinseszinsrechnung, 209 Zinskosten, 113 Zinsparität, 311 ungesicherte, 311