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G. F. UNGER Ein Begriff für Western-Kenner G. F. UNGER ist der erfolgreichste WesternSchriftsteller deutscher Sprach...
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G. F. UNGER Ein Begriff für Western-Kenner G. F. UNGER ist der erfolgreichste WesternSchriftsteller deutscher Sprache. BASTEI-LÜBBE veröffentlicht in dieser Reihe exklusiv seine neuesten Romane.
Der Höllenhund Das ist die Geschichte von Jake Turnbull, den man den ›Höllenhund‹ nannte. Er besaß zwar keine drei Köpfe wie jener Höllenhund aus der griechischen Mythologie, der den Eingang der Unterwelt bewachte, dafür aber hatte er drei schießwütige Handlanger, die ihm bedingungslos dienten und dafür sorgten, dass es kaum noch einem Digger gelang, mit seiner Goldausbeute aus der Gulch zu entkommen. Und so musste erst ein Mann wie Pernel Scott erscheinen, der den Menschen von Gulch City die Freiheit brachte …
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G. F. UNGER IM TASCHENBUCH-PROGRAMM: 45 225 Beaver Kelly 45 226 Kriegerehre 45 227 Jessup 45 228 Verdammter Befehl 45 229 Rubins Saloon 45 230 Die Rache der Lily Brown 45 231 Hope City 45 232 Mescalero-Fährte 45 233 Sallys Mine 45 234 Arizona-Fehde 45 235 Einsamer Job 45 236 Queens-Reiter 45 237 Fährte der Wölfe 45 238 Keine Gnade für Carlos 45 239 Todesengel 45 240 Dukes Gesetz 45 241 River-City-Marshal 45 242 Die Chancenlosen 45 243 Er kam vom Tonto Rim 45 244 Hunter 45 245 Fort der Gejagten
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G. F. UNGER
Der Höllenhund
Western-Roman
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BASTEI LÜBBE TASCHENBUCH Band 45 246 1. Auflage: Juni 2003
Vollständige Taschenbuchausgabe Bastei Lübbe Taschenbücher ist ein Imprint der Verlagsgruppe Lübbe All rights reserved ©2003 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach Lektorat: Will Platten Titelillustration: Prieto / Norma Agency, Barcelona Umschlaggestaltung: QuadroGrafik, Bensberg Satz: Wildpanner, München Druck und Verarbeitung: AIT Trondheim, Norwegen Printed in Norway ISBN 3-404-45246-1
Sie finden uns im Internet unter http://www.bastei.de oder http://www.luebbe.de Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer
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Es gab in der griechischen Mythologie jenen Höllenhund, den man Zerberus nannte. Er hatte drei Köpfe, einen Schlangenschweif und bewachte den Eingang zur Unterwelt. Jeden Eintretenden wedelte er freundlich an, ließ ihn jedoch nicht wieder herausgelangen. Und erst der mächtige Herkules vermochte ihn wegzuführen. Dies ist die Geschichte von Jake Turnbull, den man Höllenhund nannte. Er hatte zwar keine drei Köpfe, dafür aber drei ihm hörige Revolverschwinger, die ihm ohne Gewissensbisse dienten, weil sie sich in der Macht sonnten, die ihr Herr und Meister auf die Menschen ausübte – auch wenn es eine brutale und lebensverachtende Macht war. Und so musste erst ein Mann wie Pernel Scott kommen – so wie damals Herkules in der Göttersage –, um den Höllenhund zu bezwingen. Doch was Herkules schaffte, dies ist im wirklichen Leben unter uns Menschen vielleicht gar nicht möglich. Und so sollte die Geschichte von Jake Turnbull, dem Höllenhund, und seinem Bezwinger Pernel Scott eigentlich eine spannende Geschichte werden …
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1 Pernel Scott legt seine letzten zehn Dollar auf den Ladentisch und sieht zu, wie der Storebesitzer den Rest der Schuldsumme im Schuldbuch für gelieferte Waren streicht. Sie sehen sich dann an wie zwei Männer, die sich mögen. »Bei mir hast du immer Kredit«, sagt Pat Logan und legt ihm dann fünfzig Cents auf den Ladentisch, denn diese fünfzig Cents sind das Restgeld. Und sie sind nun alles, was Pernel Scott an »Geldvermögen« noch besitzt. Er nimmt sie und nickt Pat Logan zu. »Danke, Pat. Vielleicht komme ich noch mal darauf zurück.« Als er hinausgeht, da ist sein Schritt so leicht, als würde er nur knapp über sechzig Kilo wiegen. Doch er wiegt mehr als achtzig trotz seiner sehnigen Hagerkeit. Seine Sporen klingeln leise. Draußen steht sein Pferd. Es ist ein ziemlich hässlicher Pinto, schwarzweiß gefleckt und sehr böse wirkend, so als würde er im nächsten Moment auskeilen.
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Pernel löst die Zügelenden mit einem Ruck von der Haltestange und sagt knapp: »Komm mit!« Er geht nun schräg über die staubige Main Street zum Saloon hinüber, und der Pinto folgt ihm wie ein Hund, wird dann vor dem Saloon angebunden und sieht zu, wie sein Herr und Meister auf der Saloonveranda Platz nimmt, nachdem er zuvor durch die offene Tür hineingerufen hat: »Bring mir ein Bier heraus, Mike!« Pernel kippt den Stuhl zurück, sodass die Lehne an der Hauswand einen Halt findet, und legt seine Füße auf das Verandageländer, wartet so geduldig auf das Bier. Mike, der Wirt, bringt es ihm und fragt: »Na, wie geht’s?« »Prächtig«, erwidert Pernel. »Du siehst doch, dass ich mir ein warmes Bier leisten kann, Mike.« »Mein Bier ist nicht warm«, grollt Mike und geht beleidigt wieder in den Saloon zurück. Aber das ist Pernel mehr als recht, denn er muss nachdenken. Ja, er hat eine Menge nachzudenken über die Frage, wie es weitergehen soll mit ihm. Als er das Bierglas halb geleert hat, stellt er es neben sich auf die Außenfensterbank und dreht sich eine Zigarette. Es ist ein stiller Vormittag. Die kleine Rinderstadt wirkt verschlafen. Fliegen summen um einen Haufen 8
Pferdeäpfel, die mitten auf der Fahrbahn im Staub liegen. Der alte Hund des Schmieds trottet hinter einer Katze her, die sich auf den alten Cottonwood neben der Schreinerei flüchtet, obwohl sie dem alten Hund leicht hätte weglaufen können. Doch dieses Spiel veranstalten sie jeden Tag. Denn eigentlich mögen sie sich. Als Pernel sich die Zigarette anzündet, sieht er den Reiter kommen, und als er ihn erkennt, da wird er neugierig und wachsam. Denn da kommt Big Morgan McKenzie geritten, ein Mann, den man als Cattle-King bezeichnet und bei dessen Anblick man unwillkürlich an einen alten und zerzausten Adler denken muss, dem das Jagen immer schwerer fällt. Morg McKenzie lenkt wenig später seinen grauen Wallach neben Pernels Pinto an die Haltestange, sitzt ziemlich mühsam ab und betritt steifbeinig die Veranda. Als er sich neben Pernel auf einen Stuhl setzt, da kommt auch schon Mike heraus und fragt: »Was soll’s denn sein, Sir?« »Bier und eine Zigarre, Mike.« »Yes, Sir!« Mike verschwindet; die beiden Männer auf der Veranda aber schweigen noch.
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Erst als Mike das Bier und die Zigarre gebracht hat, beginnt nach einer Weile das Gespräch zwischen Pernel und dem alten Adler. »Du hattest es als mein Vormann besser als jetzt, Pernel. Oder nicht?« »Ich musste Ihre Befehle ausführen, Mister McKenzie. Und manche dieser Befehle passten mir nicht. Sie sind ein harter Mann, Mister McKenzie. Ich wollte nicht länger mehr der böse Hund sein, den Sie …« »Schon gut, lassen wir das«, unterbricht ihn der Cattle-King. »Du hast dich lieber selbstständig gemacht auf einer Einmann-Ranch am Rand meiner Weidegrenzen. Nun gut, nun gut, ich kann das verstehen. Denn so wie du, so habe auch ich mal angefangen. Das war damals nach Alamo, als Texas eine Republik wurde und ich noch jünger war als du. Ja, ich kann dich verstehen. Doch ich bin jetzt zu dir gekommen, um dich um Hilfe zu bitten. Hier sind tausend Dollar für zukünftige Spesen. Und ich werde zwei gute Männer auf deiner Ranch arbeiten lassen während deiner Abwesenheit. Die werden sich um deine paar Rinder und Pferde kümmern und alle angefangenen Arbeiten vollenden – zum Beispiel die Scheune und den Stall fertig bauen, auch das Dutzend Mustangs zureiten. Du kannst also unbesorgt fort.«
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»Und wohin für tausend Dollar?« In Pernels Stimme ist eine Menge Misstrauen. McKenzie zieht erst einige Male kräftig an der Zigarre. Dann spricht er heiser: »Du hast sicher gehört, dass meine Tochter heimgekommen ist. Sie wuchs bei ihrer Mutter auf, die mich damals verließ, weil sie sich zu sehr vor den Comanchen fürchtete. Und sie nahm auch unser Kind mit. Ja, ich habe gut für sie gesorgt. Sie hatte ein gutes Leben in New Orleans. Jessica besuchte ein nobles Internat. Als ihre Mutter vor einem halben Jahr starb, kam sie her, um ihren Vater kennen zu lernen, den sie verlassen musste, als sie noch ein kleines Mädchen war. Pernel, sie wurde eine wunderschöne junge Frau.« »Ich weiß, Sir«, murmelt Pernel Scott. »Denn ich sah sie zwei- oder dreimal aus einiger Entfernung. Und sie ritt wie der Teufel. Warum sprechen wir jetzt über sie?« »Weil sie mir weggelaufen ist.« »Hoiii, das kann ich verstehen!« Pernel Scott grinst. »Wenn die in New Orleans in einem Internat erzogen wurde, nach dem Ihnen Ihre Frau mit ihr weggelaufen war, dann hat sie sich auf einer Rinderranch gewiss nicht wie eine Prinzessin gefühlt. Soll ich sie suchen und zu Ihnen zurückbringen, Sir – auch gegen ihren Willen?«
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»Nein, sie ist mit einem Kerl weg, einem verdammten Spieler und Abenteurer. Sie muss in San Antonio – wohin ich sie mitgenommen hatte, als ich einen Zuchthengst ersteigern sollte – den Verstand verloren haben. Der Bursche heißt Clay Roberts und sieht aus wie ein Apoll. Und du weißt doch hoffentlich, wer Apollo war, he?« »Ein Gott.« Pernel grinst wieder. »Der Sohn von Zeus und Leto, die ihm Zwillinge schenkte, Apollo und Artemis. Na gut, Ihre Tochter ist also mit diesem Kerl abgehauen. Jeder Mensch geht eines Tages seinen Weg. Soll ich diesen Apollo umbringen für tausend Dollar Revolverlohn oder was sonst?« Der alte Cattle-King pafft nach der ziemlich bösen Frage einige Rauchwolken in die Luft. Dann aber erwidert er: »Pernel, ich will nur, dass sie nicht ohne Hilfe ist, wenn dieser Kerl sie enttäuscht. Ich will, dass du unbemerkt von ihr in ihrer Nähe bist, wohin sie mit diesem Kerl auch geht. Du sollst so eine Art beschützender Engel sein, der über ihr schwebt. Verstehst du mich? Sie soll ihre Lebenserfahrungen machen können. Ich traue dem Burschen nicht, der ihr den Kopf verdrehte. Er ist nicht nur ein verdammter Kartenhai, sondern auch ein Revolvermann. Sie soll nicht ohne Schutz sein. Hilf mir, Pernel. Nimm die tausend Dollar und folge ihnen mit der nächsten Postkutsche zum Mississippi. 12
Denn dorthin lösten sie die Fahrkarten. Es wird leicht sein, ihrer Fährte zu folgen, denn beide sind ein wunderschönes Paar, an das sich jeder erinnert, der es sah. Hilf mir, Pernel. Ich bin ein alter Mann geworden. Und noch niemals habe ich einen anderen Mann um Hilfe gebeten. Doch jetzt…« Morgan McKenzie verstummt heiser. Pernel Scott aber erwidert: »Ich könnte mit den tausend Dollar meiner eigenen Wege gehen, und Sie würden nie wieder etwas von mir hören. Wieso vertrauen Sie mir?« »Weil du ein stolzer Bursche bist, der seine Ehre vor sich selbst nicht verlieren will. Und weil das so ist, würde ich deinem Wort vertrauen. Gib es mir. Und während deiner Abwesenheit wird deine kleine Ranch ständig wachsen und gedeihen, weil zwei gute Männer an deiner Stelle dafür sorgen. Schlag ein, Pernel Scott! Lass mich nicht betteln, denn du warst mein Vormann. Ich weiß, dass ich keinen besseren Mann finden kann.« Als er verstummt, da hat er alles gesagt. Und es ist ihm höllisch schwer gefallen, einen Mann, der ihn als Vormann verließ, um Hilfe zu bitten, Pernel Scott denkt eine Minute lang nach. Morgan McKenzie ist nun kein stolzer Adler mehr, sondern nur noch ein besorgter Vater.
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Pernel Scott entscheidet sich nach dieser Minute endgültig – und vielleicht liegt es nicht so sehr an den tausend Dollar und den beiden Reitern, die seine kleine Ranch in Gang halten werden. Nein, er verspürt den Wunsch nach einem Abenteuer. Und überdies hat er auch wieder das Bild der schönen Jessica McKenzie vor Augen. Und so sagt er, indes er den Umschlag mit dem Geld an sich nimmt: »Mister McKenzie, Sie haben mein Wort. Ich nehme von hier aus die Mittagspostkutsche nach Osten. Wie lange ist das Paar schon weg? Wie groß ist der Vorsprung?« »Zwei Wochen. Und ich danke dir, mein Junge.« »Ich bin nicht Ihr Junge, Mister McKenzie. Und sorgen Sie dafür, dass mein Pinto gut versorgt wird.« Nach diesen Worten erhebt sich Pernel Scott, verlässt die Veranda und tritt zu seinem Pferd, klopft ihm Hals und Brust und spricht ruhig: »Ich komme wieder, Comanche. Ich komme wieder.« Dann geht er davon, um sich in der Postagentur die Fahrkarte zu holen. Denn die Postkutsche muss bald kommen. Old Man Morgan McKenzie aber blickt ihm bewegungslos nach und murmelt nach einer Weile: »Vielleicht bist du doch mein Junge – eines Tages.«
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Es wird eine lange Fährte. Aber sie ist klar und leicht zu verfolgen. Denn man erinnert sich da und dort an das schöne Paar, mag es bei den PferdewechselStationen der Postlinie, in den Städten am Wege und in den Spielhallen sein. Der Spieler mit der schönen Frau hinterließ überall seine Zeichen. Zumeist gewann er beim Poker. Und in Dallas erschoss er einen Mitspieler, der ihn des Faschspiels bezichtigte und zuerst seinen Revolver zog. Da das Paar die Reise da und dort immer wieder für ein oder zwei Tage und Nächte unterbrach, holt Pernel Scott ständig auf. Er kleidete sich in Dallas auch neu ein und wirkt nicht mehr wie ein Rindermann in abgenutzter Weidetracht. Eigentlich sieht er sehr seriös aus, und man könnte ihn fast für einen Mann halten, der seinen Weg längst schon gemacht hat und geschäftlich unterwegs ist. Den Revolver trägt er nun im Schulterholster unter der stets offenen Jacke. Seine wenigen Siebensachen hat er in einer großen Reisetasche bei sich. Manchmal möchte er selbst irgendwo länger verweilen. Und in einer Stadt in Arkansas, da verbringt er mit einer reizvollen Frau eine Nacht im Bett und könnte bleiben als eine Art Prinzgemahl. 15
Denn sie ist eine reiche Frau, die als Witwe ein kleines Imperium erbte. Die Möglichkeit ist verlockend. Dennoch geht er am nächsten Morgen, um die Postkutsche nicht zu verpassen. Einen Tag später hat er den Mississippi erreicht. Und hier hat er das Paar endlich eingeholt. Er schafft es, kurz hinter ihnen an Bord der Delta Queen zu gelangen. Er sieht Jessica und den Mann nun aus nächster Nähe. O ja, er sieht einen prächtigen Burschen und eine wunderschöne Frau. Und ihr gemeinsamer Weg nach Norden hinauf an Bord der Delta Queen wird gewiss voller Überraschungen sein. Da ist er sicher. Doch er wird sich sehr zurückhalten.
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2 In diesen Tagen, indes die Delta Queen den Mississippi stromaufwärts dampft, Pernel Scott das Paar aus einigem Abstand beobachtet und dabei zu der Überzeugung gelangt, dass Jessica McKenzie und Clay Roberts sich wirklich lieben und recht glücklich sind miteinander, da geschieht viertausend Meilen weiter im Norden etwas, das irgendwann einmal nach vielen Monaten das Schicksal von Jessica McKenzie und Clay Roberts beeinflussen wird – so unvorstellbar dies auch erscheinen mag. In den Bitter Roots erreicht ein gewisser Jake Turnbull mit seinen drei Revolvermännern eine kleine Stadt am Eingang eines langen Tales, das Bitter Roots Gulch genannt wird. Und die kleine Stadt trägt den Namen Bitter Roots Lodge. Wie ein Korken im Flaschenhals befindet sie sich im Talzugang, und wer in die Gulch hinein oder aus ihr heraus will, der muss durch diese Stadt Bitter Roots Lodge. Jake Turnbull und seine Männer halten erst eine Weile auf dem Pass und sehen sich die ganze Sache an. Sie haben von ihrem Standort einen weiten Blick durch den gewaltigen Canyon, der sich nur wenig 17
windet, sodass sie über dreißig Meilen hinweg bis zu seinem Ende sehen können. Dort im Nordwesten endet die Furche vor einer Felswand, die fast wie die Mauer einer gewaltigen Talsperre wirkt. Jake Turnbull ist ein großer, schwerer und sehr beachtlich wirkender Mann, von dem ständig eine starke Kraft und eiskalte Härte ausgehen, und wer in seine leuchtend blauen Augen blickt, der kann ihrem Blick nicht lange standhalten, der spürt die suggestive Wirkung, die von ihm ausgeht und weiß, dass er sich von dem rotblonden Bart des Mannes nicht täuschen lassen darf. Seine drei Begleiter hören ihn nun sagen: »Das ist es, Jungs, das ist es. Dies ist die große Falle. Jetzt weiß ich, warum Oven Hardin uns kommen ließ. Ja, schon jetzt ist mir alles klar. Also reiten wir zu meinem alten Freund. Gewiss ist er ein wichtiger Bursche dort unten in dieser Stadt.« Er reitet wieder an, und der Wagenweg windet sich den Hang hinunter in die Tiefe. Sie folgen ihm. Fast wirken sie wie seine Söhne, doch sie sind es nicht. Er hat sie in den vergangenen Jahren da und dort aufgelesen und geformt. Und nun genießen sie die Macht, die sie unter seiner Führung immer wieder erleben können.
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Jeder für sich allein wäre nur ein Revolverschwinger geblieben. Doch jetzt sind sie eine Macht. Ihre Namen sind Fess Halloway, Virg Duane und Hogjaw Palladine. Und nun folgen sie ihrem Herrn und Meister zu einem neuen Coup. Denn sie wissen, die kleine Stadt dort unten wird bald ihnen gehören. Das war immer so, wohin sie auch kamen. Es ist fast eine Stunde später, als sie die ersten Häuser erreichen und auf einem Schild lesen: Bitter Roots Lodge. Fess Halloway reitet ziemlich dicht an diesem Schild vorbei und spuckt in eines der Os hinein. Virg Duane sieht es und grinst. »He, Fess, du wirst eines Tages die ganze Welt verachten und keine Freunde mehr haben, nicht mal mehr uns.« »Wir sind keine Freunde, sondern Brüder«, erwidert Fess Halloway. »Uns hält keine Freundschaft zusammen, sondern nur das Überleben wollen.« Da lacht Hogjaw Palladine laut über seine Schulter zurück und ruft: »Hast du es gehört, Virgil? Der liebt uns nicht wie Freunde. Aber unser Bruder will er sein. Was ist stärker, Freundschaft oder Bruderliebe?« »Das ist mir verdammt egal!«, grollt Virgil. 19
Sie nähern sich nun der Mitte der Stadt und lesen überall an den Hauswänden die Schilder. Es gibt eine Bank, ein Theater, einen Dentisten, ein Hotel, einige Saloons, einen großen Generalstore und natürlich auch noch andere Geschäfte. Dann halten sie vor dem Lodge House, dem größten Tingeltangel der Stadt, zu dem auch das Bordell gehört. Und überall herrscht reges Treiben, ist Leben und Bewegung. Diese kleine Stadt boomt. Denn in der Bitter Roots Gulch wird Gold gefunden. Und so sind hier alle Sorten der Menschheit versammelt, die Guten und die Bösen, die Reinen und die Sündigen. Und alle hier hoffen auf ihr Glück, auch die Banditen und Pferdediebe, die Goldwölfe und Kartenhaie. Sie bleiben noch eine Weile in den Sätteln und sehen sich um. Denn auf ihren Pferden haben sie einen besseren Überblick. Hogjaw Palladine knurrt gierig: »Und bald ist es unsere Stadt. Die ahnen es nicht mal, oho!« Sie sitzen ab und gehen hinein. Es ist später Nachmittag geworden. Deshalb ist schon mächtig viel Betrieb im Lodge House. An der langen Bar – sie ist gewiss länger als zwanzig Yards – stehen die durstigen Kehlen nebeneinander. Als die vier 20
Ankömmlinge sich in die Reihe drängen, da murren einige Stimmen böse. Und ein riesiger Bursche – seiner Kleidung nach ein Goldgräber – will sich von Virg Duane nicht zur Seite schieben lassen, sondern grollt drohend: »Wenn du mich noch mal stößt, dann mache ich dich platt!« Er starrt dabei in Duanes Augen, will so seinen Zorn erkennen lassen. Doch dann erkennt er in Duanes Augen etwas und wird von seinem Instinkt gewarnt wie vom Rasseln einer Klapperschlange. Er wendet sich plötzlich ab und geht davon. »Der war schlau!« Duane grinst und nimmt den freigewordenen Platz ein. Er schlägt mit der flachen Hand auf die Schanktischplatte und verlangt: »Stell eine Flasche hierher, Keeper, schnell!« Einer der vier Barkeeper winkt unwillig ab und erwidert: »Immer der Reihe nach. Ich bediene hier noch, Mann.« Aber das hätte er nicht sagen sollen. Denn Virg Duane hat plötzlich wie durch Zauberei seinen Revolver in der Hand und klopft mit dem langen Lauf auf die Schanktischkante. Und nun zeigt der Keeper, wie erfahren er ist im Umgang mit Revolverschwingern. Denn er kommt die drei Schritte herbei, bringt eine Flasche mit und stellt auch vier Gläser auf. 21
»Du lernst schnell.« Virg Duane grinst. »Ich bekomme fünf Dollar«, erwidert der Barmann nur. »Du bekommst nichts, denn wir sind Gäste des Hauses!« Virgil Duane lacht heiser. »Oder gehört dieser Laden nicht einem gewissen Oven Hardin?« »Doch«, erwidert der Barmann und wendet sich ab, um wieder die anderen Gäste zu bedienen. Die vier Ankömmlinge aber haben nun reichlich Platz. Denn alle anderen durstigen Kehlen weichen nach den Seiten zurück. »Jungs«, spricht Jake Turnbull dann ruhig, »treibt es nicht zu toll. Noch gehört uns diese Stadt nicht. Ich muss erst zu Oven Hardin. Dann erst werden wir wissen, wo es hier lang geht.« Er stellt das leere Glas ruhig auf die Tischplatte und geht bis zum Ende der Bar. Dort gibt es eine Tür, wo auf einem Schild zu lesen ist: Privat. Er öffnet die Tür und tritt ein. An einem Schreibtisch sitzt ein schwergewichtiger Mann, »Hey, Oven«, spricht Turnbull ruhig. »Ich bin gekommen!« »Fast schon zu spät«, erwidert Oven Hardin. »Aber offenbar hat meine Nachricht dich irgendwo erreicht. Ich habe fast ein Dutzend Briefe verschickt.«
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»Wir kommen von Bozeman, Oven. Gegen wen brauchst du Hilfe?« Er tritt an den Schreibtisch, nimmt sich eine Zigarre aus dem Kistchen und beißt deren Spitze ab. Er spuckt das abgebissene Stück achtlos auf den Teppich, setzt sich in den Sessel und bohrt seine Sporen in den Teppich, als er seine langen Beine ausstreckt. Oven Hardin beobachtet ihn aus schmalen Augen und denkt dabei: Er ist noch härter, rauer und rücksichtsloser geworden. Und er kostet nun aus, dass ich ihn brauche. Ob es klug war, ihn herzuholen? Nachdem er dies gedacht hat, spricht er ruhig: »Ich verliere die Kontrolle über die Stadt. Und der ganze Canyon ist voller Gold. Sie schaffen es fort, und ich komme nicht dran. Denn es gibt hier neuerdings Vigilanten, die ihr eigenes Süppchen kochen. Bald werde ich um alles kämpfen müssen, was ich mir hier erobert habe. He, ich brauche einen Höllenhund.« Als Oven Hardin verstummt, schweigt Jake Turnbull eine Weile und pafft einige Rauchwolken in die Luft, die seinen Kopf einhüllen. Dann aber fragt er ruhig: »Und wer genau ist dein Problem, Oven?«
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»Ike Callahan und dessen Clan. Ich bin ihnen mit meinen Männern nicht gewachsen. Sie haben diese Stadt übernommen, kontrollieren von hier aus den ganzen Canyon und beseitigen jeden, der sich ihnen nicht unterwirft. Und sie haben auch das Vigilantenkomitee gegründet, das alle ihre Gegner aus dem Weg räumt. Ike Callahan ist ein alter, erfahrener Wolf. Und seine Revolvermänner sind zur Zeit unschlagbar. So einfach ist das, Jake. Hilf mir. Dein Anteil wird verdammt groß sein. Es lohnt sich. Wir kennen uns gut genug. Einst waren wir im Süden Guerillas. Wie tüchtig sind deine Männer, und wie viele sind es?« »Drei, ja, nur drei. Aber sie sind die besten. Gib mir drei Tage Zeit, Oven. Ich muss die Stadt erst richtig kennen lernen. Wo werden wir wohnen?« »Mir gehört das City-Hotel«, erwidert Oven Hardin. »Man wird euch dort jeden Wunsch erfüllen. Und ich muss auch für den Schutz meines Hotels Geld zahlen. Jake, es ist das alte Spiel. Der Mächtigere bestimmt die Regeln. Und noch ist es Ike Callahan. Und der Town Marshal Nat Starretter ist sein Mann.« Als Jake Turnbull dies gehört hat, verharrt er noch einige Atemzüge lang. Dann erhebt er sich und wirft die angerauchte Zigarre in den Aschenbecher.
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»Du solltest eine bessere Sorte rauchen, Oven«, murmelt er und geht hinaus. Als sich die Tür hinter ihm schließt, da hebt Oven Hardin die Hand und wischt sich über das rundliche Gesicht, dessen Fettpolster seine Härte so gut verbergen. Nur in seinen Augen könnte jemand seine Sorge und den Ausdruck des Zweifels, der ihn seit einiger Zeit plagt, erkennen. Denn er ist allein. Und er fühlt sich auch so verdammt. Vor einigen Monaten hatte er hier noch alles unter Kontrolle und war der Mächtige. Dann kam Ike Callahan mit seinem Clan. Und Oven Hardins Lage verschlechterte sich von Tag zu Tag. Aber nun ist Jake Turnbull da, mit dem er während des Krieges als Guerilla ritt. Sie führten damals eine Truppe von mehr als dreihundert Mann, eroberten Städte und ganze Landstriche, raubten und brandschatzten hinter den Linien der Unionsarmee für den Süden. Und nach dem Krieg waren sie auf der Flucht und mussten in gesetzlose Gebiete ausweichen. Sie trennten sich auch, blieben aber in losem Kontakt zueinander. So weiß Oven Hardin, was Jake Turnbull mit seinen Männern im Goldland machte. Noch vor wenigen Wochen haben sie einen riesigen 25
Goldtransport von Bozeman nach Fort Benton durchbringen können und siegreich gegen die Banden der Goldwölfe gekämpft. Oven Hardin will schon aufatmen, aber dann fragt er sich mit einiger Sorge, was sein wird, wenn Turnbull den Callahan-Clan wirklich besiegen kann? Wenn ihm das gelingt, was noch fraglich ist, wird er ihm, Oven Hardin, gegenüber gewiss seine Ansprüche anmelden und seine Forderungen stellen. Oven Hardin murmelt, indes er seine Hände auf der Tischplatte wie zum Gebet faltet: »Ich werde mit ihm teilen müssen, ja. Aber das ist immer noch besser zu ertragen, als sich den Callahans zu unterwerfen. Sie sollen zur Hölle gehen!« Als Jake Turnbull wieder zu seinen drei Männern an die Bar tritt, da haben sie die Flasche fast schon geleert. Und so spricht er: »Jetzt habt ihr genug von der Pumaspucke. Von jetzt an bleibt ihr nüchtern.« Sie sehen ihn an, fragend und zugleich auch irgendwie gierig wirkend wie Wölfe beim Anblick einer fetten Beute nach einem langen Blizzard. »Wir werden um die Stadt und um den ganzen Canyon kämpfen«, spricht er ruhig zu ihnen. »Wir haben es mit dem Callahan-Clan zu tun. Und vielleicht verlieren wir dieses Spiel. Doch wenn wir 26
gewinnen, dann ist das mehr als nur ein Royal Flush in einem Pokerspiel um eine Million Dollar. Wir werden im City Hotel wohnen. Und man wird uns jeden Wunsch erfüllen.« »Dann will ich diese Nacht nach einem Bad eine Frau in meinem Bett haben!« Duane grinst lüstern. »He, wie war das damals im alten Rom, wenn die Gladiatoren um alles oder nichts kämpfen mussten? Wurden sie nicht zuvor von wunderschönen Mädchen verwöhnt, damit sie mit dem Wissen in den Kampf gingen, dass es sich lohnt zu siegen und weiter zu leben?« Fess Halloway und Hogjaw Palladine grinsen. »O ja«, spricht Palladine, »wir haben schon lange keine Frau mehr gehabt. Und dieser Oven Hardin spendiert uns das alles!« »Kommt, Jungs«, erwidert Turnbull nur und geht voraus. Als sie mit ihren Pferden vor dem City-Hotel ankommen, da erwartet man sie schon. Der Hotelmanager sagt mit Respekt in der Stimme: »Gentlemen, wir haben eine große Badestube. Ihre Pferde werden versorgt. Das Gepäck kommt auf Ihre Zimmer. Und aus dem Store lasse ich neues Unterzeug kommen. Haben Sie besondere Wünsche bezüglich der Oberbekleidung?«
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3 Es ist am nächsten Vormittag, als sie nach einem reichhaltigen Frühstück aus dem Hotel auf die Main Street treten. Am Vortag trugen sie noch Reitkleidung, wirkten fast wie Rinderleute mit ihren ledernen Chaps und dem abgenutzten Zeug, dem man das lange Reiten ansehen konnte, auch das Nächtigen unter freiem Himmel. Sie rochen nach Pferd, nach Schweiß, Leder und dem Rauch von Campfeuern. Ja, sie wirkten wie Raureiter. Jetzt stolzieren sie fast elegant wirkend durch die kleine Stadt im Flaschenhals des Canyons. Sie tragen dunkle Anzüge, Brokatwesten, weiße, gefältelte Hemden und Schnürsenkel-Schlipse. Nur eines blieb unverändert – nämlich die Revolvergurte unter den offenen Jacken. An diesem Vormittag ist es recht still in der Stadt. Denn all die Besucher, die von ihren Claims und den Minen Nacht für Nacht nach Bitter Roots Lodge hereinkommen, die arbeiten jetzt. Sie werden erst am Abend wieder Zeit haben, um die Sünden zu begehen, die ihnen das Leben lebenswert machen. 28
Und diejenigen, die in der Nacht arbeiteten – vor allem in den Saloons, Hurenhäusern, Spielhallen und Tingeltangels, zu denen auch das so genannte Theater gehört, das frivole Stücke aufführt –, die schlafen noch oder kommen erst noch in Gang. Dennoch gibt es genug Augen, die nun etwas zu sehen bekommen, nämlich vier Männer, die bisher noch keiner kannte und denen man ansieht, dass sie eine Art Inspektionsgang machen, so als gehörte die Stadt ihnen. Ja, sie wirken herausfordernd, und fast jeder Beobachter begreift ahnungsvoll, dass sich in Bitter Roots Lodge etwas verändert hat oder zumindest sehr bald verändern wird. Oven Hardin erscheint im Morgenmantel auf dem Balkon des City House und wirft einen Blick auf die vier Revolvermänner, die er kommen ließ. Auch er spürt ihre Ausstrahlung. Ja, es geht etwas von ihnen aus wie ein kalter Hauch oder die strenge Witterung von Raubtieren – mögen es Wölfe oder Berglöwen sein. Und er denkt: Jetzt werden ihr bald schwitzen, ihr verdammten Callahans. Jetzt bekommt ihr Feuer unter die Ärsche, oho! Und dann zieht er sich in sein nobel eingerichtetes Schlafzimmer zurück, wo das Mädchen, mit dem er seit Mitternacht im Bett lag, noch vor Erschöpfung 29
schläft. Denn er konnte nicht genug bekommen, und sie gab sich alle Mühe. Er betrachtet die Schlafende und denkt: Wie heißt sie eigentlich? Ich werde sie nach ihrem Namen fragen und sie für mich reservieren. Denn ich war ganz zufrieden mit ihr. Er tritt an das Bett heran, zieht die Decke weg und sieht, dass die Schläferin auf dem Bauch liegt, nackt wie jene Urmutter Eva mit dem Apfel. Er klatscht mit der Hand auf das pralle Hinterteil und spricht dabei knurrend: »Komm hoch, du Honey-bee. Ich will mit dir frühstücken. Denn das hast du verdient. Wie ist eigentlich dein Name?« Sie rollt sich auf den Rücken, gähnt und lässt ihn ihre prallen Brüste bewundern. Dann spricht sie: »Ich bin Susen. Und du hast mich tatsächlich geschafft wie kein anderer Mann. Doch ich bin eine Hure, die es für Hurenlohn macht. Und ich muss an die Callahan Enterprise zwanzig Dollar abführen. Da kennen die keine Gnade. Verstehst du, mein Freund und Gönner?« Normalerweise hätte Oven Hardin nun einen Wutausbruch bekommen. Doch es wurde ja alles anders. Denn Jake Turnbull kam in die Stadt. Er sah Turnbull soeben mit den drei Revolvermännern durch die Stadt stolzieren und weiß, was dieser 30
Auftritt zu bedeuten hat, nämlich eine Herausforderung der Callahans. Und so erwidert er gönnerhaft und dankbar: »Susen, du bist für mich die absolute Queen der Liebeskünste. Du kannst bleiben. Und deine Vergnügungsteuerabgaben an die Callahan Enterprise erledige ich.« Sie sieht ihn mit ihren grünen Katzenaugen prüfend an. Und längst weiß sie, wie fast alle Leute in der kleinen Stadt, dass er kein gemütlicher Dicker ist, sondern eher ein angriffslustiger Wildschweineber, den man in Texas Pekari nennt. Susen aber kam aus Texas herauf in den Norden. Und sie weiß, dass texanische Wildschweine verrückt werden, wenn sie Blut wittern. Dann sind sie so gefährlich wie Wölfe. Deshalb macht sie sich keine Illusionen. Dennoch sagt sie: »Du wirst mit mir zufrieden sein, mein Freund.« Als Oven Hardin das hört, da freut er sich schon auf die nächste Nacht, die für ihn ja erst nach Mitternacht beginnt und bis in den Vormittag dauert. Indes haben die vier Revolvermänner gemessenen Schrittes den Mietstallhof betreten und besichtigen ihre Pferde im Corral. Sie sehen sofort, dass die Tiere vorzüglich versorgt wurden. Das Fell ist gesäubert, 31
es wurde gestriegelt und von all den Kletten befreit. Die Tiere – es sind erstklassige Tiere, so genannte Dreihundert-Dollar-Pferde – wirken zufrieden und wieder vom langen Reiten erholt. Als sie einen Mann kommen hören, dessen Schritte auf dem kiesigen Boden knirschen, wenden sie sich um. Der Mann ist ihnen offensichtlich gefolgt und trägt einen Messingstern auf der Weste. Sein Anblick lässt an ein störrisches Maultier denken, knochig und mit großen Ohren, ständig zum Auskeilen bereit, auch zähnezeigend und das Weiße in den Augen erkennen lassend. »Hey, ihr seid neu in meiner Stadt«, sagt der Mann und berührt mit dem Daumen den Blechstern. Sie betrachten ihn einige Atemzüge lang und wirken dabei irgendwie belustigt oder amüsiert. Und plötzlich spürt er mit seinem Instinkt den Atem von Gefahr. Er geht von ihnen aus wie eine strenge Witterung. Tief in seinem innersten Kern verspürt er nun ein aufkommendes Gefühl der Furcht. Ja, es ist Furcht. Doch er ist ein harter Mann, der sich bisher überall behaupten konnte und noch niemals kniff. Und so beginnt er die aufsteigende Furcht zu bekämpfen und bekommt sie unter Kontrolle. 32
»Ja, wir sind gestern hier angekommen«, erwidert Jake Turnbull, und in seiner Stimme ist eine trügerische Freundlichkeit, die der Marshal dennoch als Warnung empfindet – oder sogar schon als Drohung. Doch er ist hier der Marshal. Er darf seiner Meinung nach jetzt nicht kneifen, sondern muss weitermachen. Als er schon Luft holt, um weitere Fragen zu stellen, da kommt Turnbull ihm mit der Frage zuvor: »Steht auch Ihr Pferd hier im Stall oder im Corral?« »Und wenn? Was geht euch das an?« Der Marshal strafft die Schultern. Doch die erhoffte Wirkung bleibt aus. Er sieht sie nach seinen beiden barschen Fragen grinsen. Und so ahnt er, dass dies jetzt ein Spiel für sie ist, das sie nicht zum ersten Male spielen. Jäh spürt er den Atem von Gnadenlosigkeit und kommt sich vor wie ein Hund, der von Wölfen gestellt wird. Er hört Turnbull sagen: »Das wäre gut für Sie, Marshal. Dann können Sie nämlich sofort von hier losreiten.« Er will die Bedeutung dieser Worte nicht glauben und bekommt einen staunenden und ungläubigen Ausdruck in seinem harten Gesicht. »Waaas?« So dehnt er.
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»Ja, Sie sind hier fertig, Marshal. Ich denke, wir verstehen uns. Es ist auch nicht nötig, dass Sie sich von den Callahans verabschieden. Denn die werden schnell herausfinden, dass wir Sie weggeschickt haben. Also, hauen Sie ab! Auf der Stelle! Und sollten Sie zurückkommen, dann wird einer von uns Sie töten. Alles klar, Mister Marshal?« Abermals ist Turnbulls Stimme voll trügerischer Freundlichkeit. Marshal Nat Starretter aber erkennt in den Augen seines Gegenübers die Gnadenlosigkeit einer Todesdrohung. Er will es zuerst nicht glauben. Denn er ist hier der Marshal, und die ganze Macht des CallahanClans steht hinter ihm. Ja, er gehört eigentlich zu den Callahans. Und dennoch können die ihm jetzt und hier nicht helfen. Er begreift, dass er den vier Ankömmlingen nicht hätte allein folgen sollen. Das war unvorsichtig. Und so wendet er den Kopf und blickt Hilfe suchend in die Runde. Doch er sieht nur den Stallmann, der eine Schubkarre voller Stallmist herausbringt und zum Misthaufen hinter den Stall karrt. Von der halb offenen Schmiede nebenan klingen die Hammerschläge des Schmieds. 34
Nat Starretter fühlt sich plötzlich verlassen und allein. Noch niemals spürte er eine solche Hilflosigkeit. Zum Glück sagt ihm sein Verstand, dass er jetzt der Verlierer ist. Und so muss er hart und mühsam schlucken. Wieder starrt er in Turnbulls kieselharte Augen. Dann läuft ein Zittern durch seinen sehnigen und knochigen Körper. Er muss kneifen. Ja, er hat verloren. Wenn er kämpfen würde, hätte er keine Chance. Es ist eine brutale Demütigung, die ihn mit seinem ganzen Stolz für immer zu zerbrechen droht. Immer noch am ganzen Körper zitternd wendet er sich ab und verschwindet im Stall. Sie müssen auf dem Hof nicht lange auf ihn warten, dann kommt er auf einem grauen Wallach herausgeritten und reitet nach Süden zu aus dem Flaschenhals des Canyons, nimmt den Weg hinauf zum Pass. Sie treten hinter ihm aus der Einfahrt auf die Main Street und blicken ihm lange schweigend nach. Dann spricht Hogjaw Palladine: »Der kommt in der Nacht wieder. Der hat nur vorläufig gekniffen. Aber er muss wiederkommen, um seinen Stolz nicht endgültig zu verlieren. Eigentlich ist er einer von unserer Sorte, und mit jedem von uns hätte er gekämpft. Doch vier waren ihm zu viel. Der holt sich 35
Hilfe von den Callahans und kommt zurück. Ich bin mächtig neugierig auf diesen Clan.« »Wir auch, Hog, wir auch.« Virg Duane grinst. »Die werden mächtig böse auf uns sein, wenn sie erst herausfinden, was wir mit ihrem Marshal gemacht haben.« »Du wirst nach Anbruch der Nacht hier am Stadteingang auf ihn warten, Virg«, entscheidet Turnbull. »Er hat seine Chance. Wenn er sie nicht nutzt …« Er beendet den Satz nicht, aber das ist auch nicht notwendig. Der Stallmann kommt mit der leeren Schubkarre zurück. Er verhielt vorhin an der Ecke des Stallgebäudes und sah den Marshal ebenfalls davonreiten. Nun verschwindet er im Stall. Er ist ein kleiner, krummbeiniger Excowboy, der einen Job als Stallmann fand, nachdem er wegen seines Rheumas nicht mehr reiten konnte. Turnbull und seine drei Revolvermänner formieren sich nun und gehen zu Viert nebeneinander mitten auf der Main Street in die kleine Stadt hinein. Sie wirken herausfordernd. Und sie erregen Aufmerksamkeit.
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Die Leute auf der Straße, vor den Läden, Saloons, auf den Veranden der Häuser und den Gehsteigen, die beobachten die Vier aufmerksam. Vor der Sattlerei sitzt der Sattler auf der Veranda seines Ladens und näht an einem Sattel. Er hält inne bei seiner Arbeit und blickt schräg über die staubige Straße zum Lodge House hinüber, dem größten Tingeltangel der Stadt, dem Haus der vielen Sünden. Und er sieht auf dem Balkon Oven Hardin, der so richtig wohlgefällig auf die schreitenden Vier niederblickt. Der Sattler ist ein erfahrener Mann, dem in dieser Stadt nichts entgeht und der alle Zeichen und Beobachtungen einzuordnen versteht wie die Teilchen eines Puzzlespiels. Und so murmelt er vor sich hin: »Oho, da ist etwas in Gang gekommen. Und die Köchin im City Hotel sagte mir, dass sie dort bevorzugte Gäste sind.«
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4 In der Mitte der Stadt erreichen sie ein großes Haus. Es ist das nobelste von ganz Bitter Roots Lodge. Sie halten inne und lesen auf einem Schild über den Eingang: CALLAHAN ENTERPRISE Bodenverwertungsgesellschaft, Unternehmungen jeder Art Neben dem Eingang sitzt ein Mann auf der Bank, der eine Schrotflinte über den Oberschenkeln liegen hat. Als sie vor ihm einschwenken und vor ihm eine Front bilden, da erhebt er sich und bringt die doppelläufige Schrotflinte in Hüftanschlag. Turnbull spricht ruhig: »Das solltest du nicht tun, mein Junge. Ich will zu Ike Callahan. Geschäftlich. Also melde mich an.« Der Wächter am Eingang zögert, starrt misstrauisch auf die vier Fremden. Und weil auch er ein erfahrener Bursche ist, beginnt er plötzlich die Gefahr zu spüren, die ihn wie ein kalter Atem trifft.
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Er greift hinter sich an die Türklinke und öffnet die Tür, ruft über die Schulter zurück durch den Spalt hinein: »He, hier ist Besuch gekommen für den Chef!« Nun kommt ein Mann heraus, der zwei Revolver im Kreuzgurt trägt. Als er den harten Blick auf Turnbull richtet, sagt dieser: »Es ist geschäftlich, rein geschäftlich.« »Dann werde ich Sie anmelden.« Der Revolvermann grinst und verschwindet. Als er wenig später wieder aus der Tür tritt, nickt er Turnbull zu. »Mister Ike Callahan empfängt Sie allein.« Dann hält er Turnbull die Tür auf. Dieser tritt ein und gelangt von der Diele in ein Office, in dem zwei Männer an Schreibtischen sitzen, die wie Schreiber oder Buchhalter aussehen. Durch eine weitere Tür gelangt Turnbull in einen anderen Raum. Und hier hockt ein Mann hinter einem noblen Schreibtisch wie ein Geier hinter einem großen Aas, von dem er nicht mehr frisst, weil er satt ist. Ja, er lässt mit seinem kahlen Kopf, der Schnabelnase und dem langen und dürren Hals unwillkürlich an einen Geier denken. Aber seine Stimme ist klar und fest, klingt richtig sonor. 39
»Sie wollen geschäftlich zu mir, Mister?« »Gewiss. Mein Name ist Turnbull, Jake Turnbull. Ich bin gekommen, um Sie persönlich kennen zu lernen und Ihnen zu sagen, dass wir Marshal Nat Starretter – so heißt er doch wohl? – davongejagt haben. Meine drei Jungs übernehmen nun dieses Marshalsamt. Und deshalb ist für Sie und Ihren Clan kein Platz mehr in diesem Canyon. Oven Hardin ließ uns kommen. Alles klar, Mister Callahan?« Der schüttelt den Kopf. »He, Sie müssen verrückt sein, Turnbull! Sie kommen hier in meine Burg und drohen mir.« »So ist es. Wenn Sie mit Ihrem Clan nicht freiwillig verschwinden, dann kämpfen wir um die Stadt und den Canyon. Sie haben die Wahl. Tändeln wir nicht lange herum. Bringen wir es so schnell wie möglich hinter uns.« Er hat nun alles gesagt und will sich abwenden. Ike Callahan aber erhebt sich, und er ist ein großer, hagerer Mann. Beide Fäuste auf die Schreibtischplatte stemmend, beugt er sich weit vor. »Das können Sie haben, Turnbull«, spricht er fast tonlos. »Ja, das können Sie haben. Morgen bei Sonnenaufgang hier vor dem Haus der Callahan Enterprise. Wir Callahans werden uns stellen.«
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Turnbull erwidert nichts, sondern geht schweigend hinaus. Draußen stehen seine drei Revolvermänner. Und indes er zu ihnen tritt und sie ihren Weg durch die Stadt fortsetzen, da sagt er zu ihnen: »Jungs, das wird eine harte Sache. Vielleicht überleben wir sie nicht alle.« Sie stoßen seltsame Laute aus, so als knurrten Raubtiere vor einem Kampf. Und so wird irgendwie klar, dass sie nicht normal sind, so wenig normal wie Kampfhunde, die verzüchtet sind, sodass sie sich in jeden Kampf stürzen, um ihn wie in einem Rausch zu bestehen. Nein, sie können wirklich nicht normal sein! Aber das ist verständlich. Turnbull hat sie so erzogen. Es wird eine helle Nacht. Nat Starretter hat lange oben auf dem Pass gewartet und auf die Lichter der kleinen Stadt hinunter gesehen. Was mit ihm dort unten geschah, war all die Stunden schwer zu ertragen. Er musste sich davonschleichen wie ein geprügelter Hund. War er feige oder klug? Das ist immerzu seine Frage. Denn eines wusste er immer: Feige Hunde bekommen die meiste Prügel. Aber was hätte er tun sollen? 41
Er stand vier erbarmungslosen Männern gegenüber. Nur ein Dummkopf wäre nicht davongeschlichen. Er ist nun nach Mitternacht ziemlich sicher, dass die Callahans inzwischen informiert sind und etwas in Gang bringen werden. Er wird Hilfe bekommen, wenn er nur bereit ist zur Rückkehr und damit zum Kampf. Sie werden und können ihn nicht ohne Hilfe lassen. Und so entschließt er sich etwa eine Stunde nach Mitternacht zur Rückkehr. Ike Callahan wird ihn gewiss erwarten. Er sitzt wieder auf. Eigentlich hätte er hier oben einige Stunden schlafen können. Zeit genug hätte er dazu gehabt. Doch sein verletzter Stolz brannte wie ein Feuer in ihm. Er verspürte ständig ein wildes Gefühl von Wut und Hass, konnte es kaum ertragen. Niemals hätte er in dem Zustand ein Auge schließen können. Die Stadt unter ihm ist noch voll in Betrieb. Denn die Goldgräber und Minenarbeiter strömten wie immer in Scharen hinein. Erst gegen Morgen wird das wilde Leben sich beruhigen und die Stadt erschlaffen wie ein wildes Tier, das sich ausgetobt hat.
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Und er – Nat Starretter – hatte die Aufgabe, dieses wilde Treiben unter Kontrolle zu halten, doch nicht zu sehr. Denn nur in einer wilden und hemmungslos sich austobenden Stadt rollt der Dollar oder wechseln Goldstaub und Nuggets ihre Besitzer. Wahrscheinlich wiegt keine einzige Goldwaage das richtige Gewicht. Und so mancher Barkeeper oder scheinbar seriöse Geschäftsmann haben Fett unter den langen Fingernägeln, an dem der Goldstaub kleben bleibt, wenn sie ihn wie Prisen Schnupftabak auf die Waagen rieseln lassen. Aber das sind nur die geringsten Betrügereien in dieser Stadt. Es ist eine helle Sternennacht mit einem silbernen Halbmond zwischen den funkelnden Sternen. Als Nat Starretter unten ist und etwa hundert Yards vor den ersten Hütten und Häusern die alte Burreiche erreicht die wegen ihres eisenharten Holzes noch niemand zu fällen wagte, da tritt ihm ein Mann in den Weg, der sich hinter dem dicken und knorrigen Stamm verborgen hielt. Nat Starretter erkennt ihn sofort. Denn die Nacht ist hell genug. Und sie sind sich nun auch sehr nahe, könnten sich fast anspucken, so nahe. »Wir haben uns gedacht, dass du zurückkommen würdest«, spricht Virgil Duane ruhig. »Aber das war
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dumm von dir, Mister Marshal. Willst du nicht lieber umkehren und endgültig verschwinden?« Nat Starretter erwidert noch nichts. Aber er sitzt ab und tritt von seinem Pferd weg. Dann erst spricht er: »Ihr habt mich davongejagt wie einen Hund. Doch ich kann es im fairen Duell mit jedem von euch aufnehmen. Bist du allein hier?« »Bin ich, Mister Marshal.« Virg Duanes Stimme höhnt. Er betont das »Mister Marshal« übertrieben stark, um den anderen zu verhöhnen. Und da greift Nat Starretter zum Revolver. O ja, er ist schnell, sehr schnell. Und bisher verlor er noch niemals, wenn es ums schnelle Ziehen und Schießen ging. Jetzt verliert er. Seine Kugel fährt vor Duanes Füßen in den Boden. Er aber bekommt Duanes Kugel mitten ins Herz. Und so stirbt er stehend. Virg Duane aber atmet wie stöhnend aus. Es ist ein seltsamer Laut der Zufriedenheit, so als hätte er mit einer Frau den Höhepunkt erlebt. »Oh, du Narr«, murmelt er. »Du wolltest es nicht anders.« Er lauscht in die Runde. In der nahen Stadt summt und brummt es wie in einem riesigen Bienenkorb. Von den beiden Schüssen nahm niemand etwas wahr. Und es ist auch nicht selten, dass betrunkene 44
Burschen voller Freude am Knallen gen Himmel schießen, weil sie in ihrer Trunkenheit den Mond mit Blei füllen wollen. Virg Duane tritt zu Starretter und hebt ihn halb hoch, schleift ihn zu dem Baum und setzt ihn dort an den Stamm. Dann bindet er die Zügel von Starretters Pferd an einen der tief hängenden Äste und macht sich auf den Weg zurück in die Stadt. In ihm ist dieses Triumphgefühl, das er so liebt, weil es ihm das Gefühl gibt, mächtig und unbesiegbar und großartig zu sein. Er ist ein Böser, wahrscheinlich ein Kranker, und es ist sicher, dass die Hölle ihn irgendwann bestrafen wird, weil er gegen seine Sucht nicht ankämpft, sondern sie genießt. Oder gibt es keine Gerechtigkeit? Virg Duane geht zum Hotel und liegt wenig später im Bett, schläft auch sofort ein. Er fühlt sich entspannt und zufrieden wie nach einer Liebesnacht mit einer Frau. Doch er kann nur wenige Stunden schlafen. Jemand weckt ihn, während draußen das erste Sonnenlicht die Dämmerung vertreibt. Turnbull steht an seinem Bett und spricht zu ihm nieder: »Komm hoch, mein Junge! Wir müssen jetzt mit den Callahans um diese Stadt und den Canyon kämpfen.« 45
Um diese Zeit hat im Haus der Callahan Enterprise Ike Callahan die Männer seines Clans versammelt. Es sind seine drei Söhne und die beiden Neffen. Sie versammeln sich in seinem noblen Arbeitszimmer, lehnen an den Wänden und betrachten den Vater oder Onkel erwartungsvoll, so wie sie es immer tun, wenn er sie kommen lässt, um ihnen Befehle zu geben oder irgendwelche Entschlüsse mitzuteilen. Er starrt sie alle nacheinander an und lässt sie seine suggestive Kraft spüren. Dann spricht er ganz ruhig: »Jungens, es kamen vier zweibeinige Wölfe in unser Revier. Wir müssen uns ihnen stellen und können das nicht unseren Leuten überlassen. Es kamen vier wirklich Große. Wir müssen es auskämpfen, oder man wird uns für Feiglinge halten. Oven Hardin steckt dahinter.« Er macht eine kleine Pause und erhebt sich dann. Nun sehen sie, dass auch er seinen Revolver trägt, tief geschnallt an der linken Seite. »Also gehen wir hinaus und bringen es hinter uns, bevor die Stadt wach geworden ist!« Er geht vor ihnen hinaus. Sie folgen ihm wie immer, wenn er sie selbst anführt. Als sie nacheinander auf die Main Street treten, da schläft die Stadt noch. 46
Nur aus einer der Quergassen taumelt ein betrunkener Goldgräber heraus, den ein großer Hund anpinkelte, wodurch er wach wurde, und brüllt: »Verdammte Stadt! Dreckige Saustadt, in der man von Hunden angepinkelt wird! Ihr werdet alle noch vernichtet werden wie damals Sodom und Gogogo …« Er bricht ab, denn es fällt ihm offenbar zu schwer, den Namen Gomorrha auszusprechen. Und so kreischt er: »Gott wird euch vernichten – euch alle, auch die Hunde!« Dann torkelt er davon. Die Callahans grinsen. Dann aber sehen sie aus der anderen Richtung ihre vier Gegner kommen. Sie bilden sofort quer über der Fahrbahn eine Front. Mit Ike Callahan sind sie sechs. Thorne – Ikes ältester Sohn – stößt böse hervor: »Die machen wir platt!« Sie warten einige Atemzüge lang und betrachten die sich langsam, in gemessenen Schritten nähernden Gegner. Dann aber setzen sie sich ebenfalls in Bewegung. Keine der beiden sich nähernden Gruppen hält an. Doch als sie sich der feindlichen Phalanx nahe genug glauben, beginnen sie zu schießen. 47
Es ist eigentlich ungeheuerlich primitiv. Aber diese Stadt ist gesetzlos, und nur die Stärkeren regieren. Diese Stadt ist die Beute, und wer sie besitzt, der beherrscht auch den Canyon voller Gold. So einfach ist das. Und so werden die Bürger von Bitter Roots Lodge an diesem Morgen vom Krachen der Schüsse geweckt.
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5 Indes dies alles im Nordwesten in den Bitter Roots Mountains geschieht, dampft die Delta Queen Tag für Tag und Nacht für Nacht den Mississippi hinauf. Jessica McKenzie genießt das recht feudale Leben an Bord des Luxussteamers in vollen Zügen. Der Spieler Clay Roberts hat sich mit der schönen und noch jungen Frau gut getarnt. Sie gelten an Bord als jung vermähltes Paar auf der Hochzeitsreise nach Saint Louis, das sich vergnügen will. Und es gibt ja auch an Bord allerlei Kurzweil, auch Theateraufführungen, Musik und Tanz. Und natürlich wird im Spielsaloon gespielt. Man versucht beim Roulette, Poker, Faro, Black-Jack und beim Würfeln sein Glück. Auch Jessica versucht ihr Glück, zumeist beim Roulette. Manchmal aber steht sie hinter Clay Roberts und hat ihre Hände auf dessen Schultern liegen. Und wenn das so ist und sie mit ihrer Schönheit die Aufmerksamkeit der anderen Spieler auf sich lenkt und so deren Konzentration beeinträchtigt, da gewinnt Roberts die zumeist großen Summen.
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Und weil ihre Nächte stets bis zum Morgen dauern, liegen sie in ihrer Kabine bis zum Mittagessen im Bett. Doch das tut Pernel Scott ebenfalls. Seine Kabine kostet bis Saint Louis mit Verpflegung zweihundert Dollar. Das ist ein stolzer Preis. Und so versucht Pernel sein Spesengeld beim Spiel ebenfalls etwas aufzubessern oder zu vermehren. Er gewinnt zumeist beim Black-Jack, so als hätte er einen besonderen Sinn, wenn es darum geht, sich Karten geben zu lassen oder nicht. Eine der Kartenausteilerinnen ist ein hübsches Ding. Und manchmal möchte er fast glauben, dass sie ihn gerne gewinnen lässt. Sie strahlt ihn dann stets an und lässt ihn ihre Freude erkennen. Als er es auch beim Poker versucht, gerät er in eine Pechsträhne und verliert fast alles, was er bisher beim Black-Jack gewann. Und so versucht er es wieder beim Black-Jack. Denn er muss damit rechnen, dass die tausend Dollar Spesengeld, die Morgan McKenzie ihm gab, sonst nicht lange reichen werden. Das Paar will wahrscheinlich von Saint Louis weiter den Missouri hinauf nach Norden.
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Und diese fast dreitausend Meilen lange Reise stromauf würde gewiss nochmals um die zweihundert Dollar kosten. Oldman Morg McKenzie – Jessicas besorgter Vater – hat sich die Kosten offensichtlich nicht so recht vorstellen können. Also versucht Pernel Scott sich ebenfalls als Spieler. Aber er riskiert nicht zu viel, und immer gewinnt er am Black-Jack-Tisch, wenn die hübsche Kartenausteilerin Dienst hat. Er beobachtet Jessica McKenzie und diesen Spieler und Revolvermann Clay Roberts stets aus einiger Entfernung, versucht niemals Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Diese Zurückhaltung ist nicht schwierig, denn an Bord der Delta Queen sind eine Menge Kabinenpassagiere. Immer dann, wenn er Clay Roberts beobachtet, wird er sich darüber klar, dass dieser Spieler und Revolvermann sich ausgezeichnet als Gentleman zu tarnen versteht. Er sieht blendend aus und benimmt sich wie einer dieser Südstaatenaristokraten, die in den großen Herrenhäusern auf ihren riesigen Baumwollplantagen herrschten und viele Sklaven für sich arbeiten ließen. Pernel Scott kann auch immer wieder beobachten, dass Jessica diesen Mann sehr zu lieben scheint. Für sie ist er gewiss der Prinz, an dessen Seite sie die 51
weite Welt und viele Abenteuer erleben will als seine Geliebte und Gefährtin. Aber was wird sein, wenn dieser so blendend und wie ein Sieger wirkende Mann einmal in eine Pechsträhne gerät? Über diese Möglichkeit denkt Pernel Scott ständig nach. Denn Clay Roberts spielt hier an Bord nicht um Hühnerfutter. Er sitzt fast immer mit hartgesottenen Pokerspielern am Tisch, denen es nichts ausmacht, in einer Nacht tausend Dollar zu verlieren, weil sie genug Spielkapital besitzen, um beim nächsten Spiel wieder zu gewinnen. Pernel Scott fragt sich oft, ob Clay Roberts ein ehrlicher Spieler ist oder ein großer Zauberer mit dem Gebetbuch des Teufels. Denn er gewinnt fast immer, und das wird gefährlich, besonders dann, wenn Jessica hinter ihm steht, ihm die Hände auf die Schultern legt und mit ihrer Schönheit – vergoldet vom Schein der Lampen – die Konzentration der anderen Spieler stört. Denn Poker ist Krieg. Es geht darum, wer die stärksten Nerven hat, am besten bluffen kann und all die winzigen Zeichen der Unruhe und Erregung bei seinen Spielpartnern zu erkennen und richtig einzuschätzen vermag.
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Und es gibt viele Zeichen dieser Art: das Runzeln der Augenbrauen beim Betrachten der Karten, Liderzucken, Mundwinkelzucken, Fingertrommeln, klopfende Halsschlagadern, vibrierende Nasenflügel, ja sogar besondere Ausdruckslosigkeit, die den Triumph über ein unschlagbares Blatt zu unterdrücken versucht. Entweder versteht sich Clay Roberts gut auf all diese Zeichen wie ein Psychologe, oder er ist einer der perfektesten Falschspieler, die es gibt. Sollte man ihn jedoch bei einem Kartentrick erwischen, muss er damit rechnen, dass man ihn gnadenlos über Bord wirft. Denn das ist das ungeschriebene Gesetz auf den großen Strömen. Jessica und Clay liegen nach solch einer Nacht noch lange wach auf dem Bett in ihrer Kabine. Es ist ziemlich warm, denn selbst die Nächte und der Fahrwind der Delta Queen bringen wenig Abkühlung. Und so haben sie sich völlig entkleidet. Jessica weiß längst, dass Clay sich nach solchen Nächten am Spieltisch erst nach einiger Zeit entspannen kann. Und so lässt sie ihm Zeit und wartet geduldig, bis er wieder Verlangen nach ihr zu spüren beginnt und sie sich lieben werden.
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Nach einer Weile flüstert sie: »Clay, ich glaube, wir sind inzwischen hier an Bord die größten Gewinner. Was würde sein, wenn du alles wieder verlierst?« »Das wird nie sein, Jessy«, erwidert er. »Mich schlägt keiner, besonders dann nicht, wenn du hinter mir stehst und sie dich immer wieder ansehen. Du bringst mir Glück, Jessy. Wir werden mehr als wohlhabend, wir werden richtig reich. Und ich zeige dir die ganze Welt. Ich will dir sagen, was wir tun werden.« »Ja, sage es mir, Clay, sage es mir.« Sie flüstert es irgendwie gierig, so als würde sie sich auf die noch unbekannte Zukunft freuen mit dem Gefühl, dass sie stets nur Sieger sein werden. Er lässt sie nicht lange warten, dann erklärt er es ihr mit den Worten: »Wir reisen von Saint Louis aus auf einem Steamer weiter nach Nordwesten. Von Fort Benton aus fahren Postkutschen in die Goldfundgebiete und dort durch die Bitter Roots zur Westküste. Wir nehmen ein Seeschiff nach San Franzisko und von dort ein weiteres um Kap Horn herum über den Atlantik nach Europa. Es wird eine lange, sehr lange Reise sein, ein Abenteuer, das zwei Jahre dauern könnte. Doch wenn du dich vor Kap Horn fürchtest, dann könnten wir auch den Landweg zum Golf von Mexiko nehmen.« 54
»Ich fürchte mich nicht an deiner Seite, Clay. Aber sag mir, wann du mich heiraten willst? Als ich mit dir ging, meinen Vater verließ, da hast du es mir versprochen. Wirst du mich in Saint Louis heiraten? Ich will es endlich wissen.« Nachdem sie verstummt, schweigt er eine Weile. Dann aber spricht er: »Ja, heiraten wir in Saint Louis, bevor wir an Bord eines Missouri-Steamers gehen. Diese Dampfboote sind sehr viel kleiner. An Bord geht es primitiver zu. Den Luxus der Delta Queen wird es dort nicht geben. Und hier an Bord werde ich nicht mehr spielen. Ich befürchte nämlich, dass man mein Kartenglück beim Poker allmählich anzuzweifeln beginnt und mich für einen mit dir gut getarnten Kartenhai hält.« »Und? Bist du kein Kartenhai?« Sie fragt es mit einem Lachen in der Kehle. Er mag dieses Lachen, denn es regt ihn an. Und so nimmt er sie in die Arme und spürt, wie die nervliche Erschöpfung einer langen Pokernacht von ihm abfällt. »Das Leben kann ein einziges, wunderbares Abenteuer sein«, flüstert er auf sie nieder. »Und ich könnte auf meinen Wegen keine bessere Gefährtin haben als dich. Denn du bist auf dieses Leben ebenso hungrig wie ich.«
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An diesem Morgen, an dem Jessica und Clay Roberts sich wie fast jeden Tag in ihrer Kabine lieben, steht Pernel Scott vor seiner Kabine an der Reling und lässt sich vom Fahrwind sozusagen auslüften. Die Delta Queen war die ganze Nacht im Strom, denn es gab wieder einmal eine helle Nacht. Sie müssen in zwei Tagen in Saint Louis sein. Und dann? Dies fragt sich Pernel, indes der Fahrwind ihn befreit von dem Tabakrauch und den anderen Düften oder Gerüchen in der schlechten Luft des Spielsaloons. Als er in seine Kabine gehen will, kommt eine Frau den Gang an der Reling entlang. Er vermutet zuerst, dass es eine der weiblichen Passagiere ist, doch dann erkennt er im Morgengrauen die hübsche Kartenausteilerin vom Black-Jack-Tisch. Sie hält bei ihm an und blickt zu ihm empor. »Mein Name ist Nelly«, sagt sie und lächelt. »Und ich habe dir schon eine Menge Glück gebracht, nicht wahr, Texas-Cowboy?« In ihrer melodischen Stimme ist ein kehliges Lachen, das ihm gefällt. Er spürt irgendwie, dass sie sich ihm anbietet. Und das ist ihm recht. Ja, er hat nichts gegen ein Abenteuer dieser Art. Er hatte schon lange keine 56
Frau mehr, lebte ziemlich einsam auf seiner Einmann-Ranch. »Bin ich so leicht als Texas-Cowboy zu erkennen?« Sie lacht nach seiner Frage. »Du warst mal ein Cowboy«, spricht sie dann. »Ich kenne mich aus, denn ich wurde auf einer Rinder-Ranch am Brazos geboren. Die Lassonarben auf deinem Handrücken werden dich dein ganzes Leben lang verraten. Willst du mich in deine Kabine nehmen?« Ihre Frage kommt schlicht und ist ehrlich. »Ich will, Nelly«, erwidert er und öffnet die Tür. Drinnen flüstert sie: »Ich mochte dich vom ersten Augenblick an, Texas-Cowboy. Doch wir müssen vorsichtig sein. Wir Kartenausteilerinnen dürfen uns mit den Passagieren nicht privat abgeben. Wenn sie mich bei dir erwischen, werfen sie mich von Bord.« »Nein, denn dann kaufe ich für dich eine Fahrkarte.« Er nimmt sie in die Arme und verspürt dabei ein gutes Gefühl. Denn warum soll er nicht die gleichen Freuden des Lebens erleben wie dieser Clay Roberts mit Jessica McKenzie? Er ist kein Heiliger. Es ist dann zwei Tage später in Saint Louis, als er Abschied von Nelly nimmt. 57
Denn sie ging mit ihm von Bord. »Ich würde mit dir gehen«, spricht sie zu ihm empor. »Aber du fragst mich wohl nicht? Und schließlich bist du mir auch nichts schuldig. Ich habe mich dir ja angeboten. Und dass entwertet mich wohl in deinen Augen.« Er schüttelt den Kopf. »Es waren zwei schöne Tage mit dir in meiner Kabine, Nelly. Doch …« »Schon gut«, unterbricht sie ihn. Dann geht sie davon. Er aber wartet mit seinem wenigen Gepäck in der Nähe der Landebrücke, bis Jessica und Clay Roberts von Bord kommen. Sie haben reichlich Gepäck bei sich und benötigen einen der Jungen, die mit einem Handwagen an den Landebrücken warten. »Zur Missouri-Mündung hinauf, Junge«, hört er Clay Roberts rufen und folgt ihnen dann mit einigen anderen Passagieren, die das gleiche Ziel haben und diesen Weg gern zu Fuß machen, nachdem sie an Bord ja kaum Bewegung hatten. Es ist ein ziemlich weiter Weg. Einige der Passagiere halten unterwegs Droschken an. Clay Roberts und Jessica tun es nicht. Sie folgen dem Jungen mit dem Wagen. Einmal dreht Clay Roberts sich um und erkennt Pernel Scott hinter ihnen. 58
»He, haben wir den gleichen Weg?« So fragt er über die Schulter zurück. »Ich kenne Ihr Ziel nicht«, erwidert Pernel. »Aaah, zu einem Steamer, der bis nach Fort Benton hinaufdampft. Und wenn wir eine Kabine gebucht haben und noch Zeit ist, suchen wir einen Kirchenmann, der uns traut in einer Hafenkirche der Jesuiten. Wollen Sie unser Trauzeuge sein, Mister?« »Gern, Mister. Mein Name ist Scott, Pernel Scott. Sie waren an Bord sehr erfolgreich als Spieler.« »Ich bin immer sehr erfolgreich.« Clay Roberts lacht. »Und mein größter Gewinn ist diese Frau. Jessy, darf ich dir unseren Trauzeugen vorstellen? Dies ist Mister Pernel Scott.« Jessica schenkt Pernel das gleiche Lächeln, mit dem sie an Bord alle männlichen Passagiere verzaubert hat. Dann spricht sie: »Ihrem Hut nach sind Sie ein Texaner, vielleicht ein Rinderzüchter?« »Ein Glücksjäger«, erwidert Pernel. »Und das sind wir wohl alle, die hinauf nach Fort Benton wollen.« Sie lachen nun zu dritt. Es ist ein gutes Einverständnis zwischen ihnen. Etwa drei Stunden später – es wurde bereits Mittag – geht die Missouri Lady in den Strom. Sie sind an Bord, bekamen Kabinen – und Clay Roberts und 59
Jessica konnten sich als Mister und Mrs Roberts ins Passagierbuch eintragen. Die Missouri Lady ist nicht einmal halb so groß wie die Delta Queen und hat einen sehr viel geringeren Tiefgang. Dennoch ist sie voll beladen mit Gütern jeder Art. Auch eine Menge Deckpassagiere sind an Bord, und Brennholzstapel, die den Deckpassagieren den Platz wegnehmen. Und da die Reise bis hinauf nach Fort Benton länger als drei Wochen dauert, haben diese Deckpassagiere wenig Bewegungsraum, selbst wenn das Brennholz für die Dampfkessel verfeuert wird. Es muss ja bei den Holzplätzen immer wieder weiteres übernommen werden. Dabei kostet solch ein Deckplatz mit Verpflegung fünfzig Dollar. Für seine Kabine muss Pernel im Office der Reederei zweihundertundfünfzig Dollar hinlegen. Die Doppelkabine der Roberts kostet sehr viel mehr. Pernel hat lange überlegt, ob er mit dem frisch getrauten Paar an Bord gehen sollte. Denn seiner Meinung nach ist Jessica glücklich und wird von Clay Roberts wahrhaftig geliebt. Und so müsste sich ihr Vater daheim in Texas keine Sorgen machen.
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Jede Tochter geht irgendwann mal ihre eigenen Wege und folgt einem Mann Dennoch ging Pernel mit ihnen an Bord. Und es ist so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entstanden, zumal er ja auch der Trauzeuge des Paares wurde. In Pernel ist stets ein merkwürdiges Gefühl, wenn er seinen Instinkt bezüglich Clay Roberts befragt. Denn immer noch ist er davon überzeugt, dass Roberts ein Spieler und Revolvermann blieb, den im Kern auch seine Liebe zu Jessica nicht verändern konnte. Und so will er bei ihnen bleiben, seinen Auftrag weiterhin erfüllen.
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6 Es ist ein Revolverkampf zweier Clans, der in die Geschichte des so genannten Wilden Westens eingehen würde, wenn er nicht in diesem völlig abgelegen Canyon der Bitter Roots stattfinden würde. Und man muss wohl auch Jake Turnbull und dessen drei Revolvermänner als einen Clan bezeichnen, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Aber er hat sie gewissermaßen geformt, als wären sie seine Söhne. Und so fühlen sie sich verwandt. Er wurde so etwas wie ein Vater oder Onkel für sie. Dass sie nur vier gegen sechs Gegner sind, das beeindruckt sie nicht. Denn sie glauben zu sehr an ihre Unbesiegbarkeit. Sie kennen natürlich nicht diese Geschichte in der griechischen Mythologie vom Höllenhund, jenem Zerberus mit den drei Köpfen. Aber sie fühlen sich Turnbull ganz und gar zugehörig. Die Callahans beginnen zuerst zu schießen. Bei jedem Schritt feuern sie auf die sich nähernden Gegner. 62
Und sie treffen auch, ja, sie treffen aber nicht gut genug. Sie verwunden nur. Turnbull und seine drei Jungs bleiben auf den Beinen. Nur Fess beginnt zu hinken, bleibt jedoch nicht zurück. Dann aber hält Turnbull mit ihnen an. Sie stehen nun fest, bewegen sich nicht mehr vorwärts und beginnen nun ebenfalls zu schießen. Sie feuern nicht besonders schnell, aber jeder Schuss trifft. Es ist ein primitiver und barbarischer Kampf. Doch so kämpften Menschen schon in der Steinzeit um Beute. Nur die Waffen änderten sich. Und jetzt ist ein Canyon voller Gold die Beute. So einfach und primitiv ist das. Die Zehn Gebote der Christenheit gelten hier nicht, wie es ja immer wieder der Fall ist auf dieser Erde. Die Callahans fallen Mann für Mann. Und der letzte noch stehende Callahan – sein Name ist James – lässt seinen leergeschossenen Colt fallen und wendet sich zur Flucht. Doch dann stolpert auch er über seine eigenen Füße. Es ist plötzlich nach all dem Krachen der Waffen unwirklich still in der kleinen Stadt, so als würde alles Leben den Atem anhalten. Turnbulls Stimme klingt dann heiser und gepresst: »Lebt ihr noch, Jungs?«
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Er fragt es mit dem rauchenden Revolver in der Faust und mit auf die besiegten Gegner gerichtetem Blick, so als würde er befürchten, einer von ihnen könnte aufstehen und den Kampf fortsetzen. Doch die Callahans haben genug. Zwar leben sie alle noch. Keiner ist tot. Doch alle sind sie kampfunfähig. Sie hocken oder knien mit blutenden Wunden im Staub. Der bittere Schock ihrer Niederlage trotz zahlenmäßiger Überlegenheit sitzt tief in ihnen und lähmt sie. Aber Turnbull behält den Blick auf sie gerichtet. Doch er hört seine Jungs antworten und weiß dann, dass er sich keine großen Sorgen machen muss – nicht einmal um sich, obwohl eine Kugel eine tiefe Furche über einer seiner Rippen riss und das herauslaufende Blut sich unter dem Hemd über seinem Gürtel staut. Er setzt sich in Bewegung und hält erst vor Ike Callahan inne, der auf die Knie fiel und sich mit einem Arm aufstützte, jetzt aber mühsam auf die Füße kommt. Die beiden Männer starren sich an. Dann spricht Jake Turnbull langsam Wort für Wort: »Ihr habt verloren. Und wir gewähren euch freien Abzug. Ihr habt Frauen und Kinder bei euch hier in der Stadt. Wenn ihr eure Wunden versorgt habt, dann packt eure Siebensachen auf die Wagen und zieht ab. Oder wir töten euch. Verstanden?« 64
Ike Callahan geht es nicht gut. Er hat eine zerschossene Schulter und eine Kugel in der Hüfte. Er starrt in Turnbulls Augen und erkennt darin die Gnadenlosigkeit. Und plötzlich weiß er, dass er seinen Clan nur retten kann, wenn er die Niederlage akzeptiert. Sie wurden geschlagen – und sie haben ja auch Frauen und Kinder bei sich, für die sie sorgen müssen. Und so nickt er und murmelt heiser: »Ja, wir wurden von euch geschlagen und werden abziehen, sobald uns dies möglich ist.« Nach diesen Worten wendet er sich ab, tritt zu seinem ältesten Sohn Thorne und hilft ihm auf die Füße. Sie bewegen sich mühsam durch den knöcheltiefen Staub der Main Street und streben dem großen Haus der Callahan Enterprise zu. Einige Frauen kommen gelaufen, um den Callahans zu helfen. Es sind recht hübsche und junge Frauen. Eine ruft Turnbull und dessen Männern giftig zu: »Ihr verdammten Hurensöhne! Zur Hölle mit euch!« Doch die Männer des Turnbull Clans erwidern nichts. Sie folgen Turnbull ins Hotel, aus dem sie kamen, um zu kämpfen. Es wird höchste Zeit, dass sie sich um ihre Wunden kümmern und etwas dagegen tun, um nicht noch mehr Blut zu verlieren.
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Jetzt zeigen sie der Stadt – denn die wurde längst wach und beobachtet sie aus vielen Fenstern und Türen –, wie hart sie sind. Man kann ihnen nicht ansehen, dass sie alle mehr oder weniger schlimm angeschossen wurden. Sie zeigen es nicht. Selbst Fess hinkt nicht mehr, obwohl ihm das Blut aus der Beinwunde in die Stiefel läuft. Sie verschwinden im Hotel wie Sieger. Die Leute von Bitter Roots Lodge sind nun fast alle vor ihnen Häusern und Läden. Sie begreifen, dass sich in ihrer Stadt etwas verändert hat – aber sie wissen nicht, ob es gut oder schlecht für sie ist. Bisher wurden sie vom Callahan Clan beherrscht. Was wird nun sein? Wenn die Callahans hier alles aufgeben – die Geschäfte, den Saloon, das Bordell, die Beteiligungen – was wird dann mit den vielen Helfern und Angestellten geschehen, all den harten Burschen, die als Rauswerfer, Wächter, Barkeeper und Handlanger jeder Sorte fungierten? Werden sie zu Oven Hardin überlaufen? Wird Hardin mit Hilfe der vier Revolvermänner an die Stelle der Callahans treten? Es gibt viele Fragen. Doch jeder weiß, dass ein Umbruch stattfinden wird. Und dann sind ja auch noch all die Goldsucher und Minenleute in der Gulch.
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Auf dem Balkon des City House – dem größten Tingeltangel der Stadt – steht Oven Hardin im Morgenmantel, den er sich übergeworfen hat, als die vielen Schüsse krachten. Hinter ihm liegt die hübsche Susen noch im Bett und fragt schlaftrunken: »Oven, was ist passiert?« Er grinst breit über die Schulter zurück ins Schlafzimmer und lacht leise. Dann spricht er: »Susen, jetzt bin ich wieder der King dieser Stadt. Das ist passiert. Die Callahans sind erledigt. Und für dich werde ich keine Hurensteuer mehr an sie zahlen müssen!« Es ist am frühen Morgen des nächsten Tages, als die Callahans mit drei Wagen die Stadt verlassen. Die männlichen Callahans liegen mit der Habe des Clans in den Wagen. Die Frauen lenken die Gespanne. Und die Sattelpferde der Männer sind hinten angebunden. So verlassen sie die Stadt, in der sie herrschten und wo sie nun alles aufgeben mussten. Sie wurden besiegt, geschlagen. Und ihre Frauen versuchen zu retten, was zu retten ist: Deshalb schaffen sie die kampfunfähigen Männer weg. Auch drei Kinder sitzen auf den Wagen. Die Leute der Stadt sehen dem Abzug schweigend zu.
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Dann gehen sie an ihre tägliche Arbeit. Susen aber liegt abermals an diesem Morgen in Oven Hardins Bett und sieht zu, wie dieser sich ankleidet. Und plötzlich fragt sie etwas schrill: »Oven, ich mache dich jetzt schon viele Nächte glücklich, nicht wahr?« »Gewiss«, erwidert er. »Aber soll ich dich deshalb heiraten? Oder warum fragst du mich das mit diesem Unterton in der Stimme?« »Nein«, erwidert sie. »Das erwarte ich nicht. Denn ich bin eine Hure. Aber ich sage dir, dass nur die Frau eine Hure ist, die das Herz einer Hure hat. Und mein Herz gehört dir, nicht tausend anderen Männern. Hast du mich verstanden – mein Herz gehört dir!« Er hält inne vor dem Bett und ist schon halb angekleidet. »Was willst du, Susen?« »Wenn du – wie du sagst – nun der King dieser Stadt bist, dann übernimmst du gewiss auch das Bordell der Callahans. Es wurde ja gewissermaßen herrenlos. Lasse mich es leiten. Ich zahle dir die Hälfte des Reingewinns. Und ich werde dir eine gute Geschäftspartnerin sein. Meine Liebe gehört dir ohnehin. Belohne mich dafür, Oven Hardin.« Er verharrt staunend vor dem Bett, auf dem sie mit nacktem Körper liegt. 68
Ja, sie zeigt sich ihm ganz und gar wie ein lockendes Weib. Er beginnt plötzlich schallend zu lachen. Und immer noch lachend kleidet er sich an und geht hinaus. Sie liegt eine Weile bewegungslos da. In ihr ist die Bitterkeit einer Enttäuschung. »Wenn du mich nicht achten kannst«, murmelt sie dann, »muss ich dir auch nicht treu sein mit meinem Herzen.« Sie erhebt sich und öffnet die Tür, ruft die Treppe hinunter: »Hoiii, George!« Die Stimme des riesigen Hausnegers erwidert: »Hier, Miss Susen!« »Ich will die Badewanne und viel heißes Wasser!« »Ich bringe alles, Miss Susen. Denn ich bin Ihr treuer Diener!« An diesen Morgen versammeln sich die angeschossenen Männer des Turnbull Clans in Turnbulls großen Zimmer. Es ist das beste und größte im Hotel. Turnbulls Oberkörper ist nackt bis auf das breite Pflaster über seiner Rippe, das die zuvor klaffende Fleischwunde zusammenhält und die angeknickte Rippe schient.
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Er betrachtet seine drei Revolvermänner forschend. Dann nickt er und murmelt: »Wir haben die Sache recht gut überstanden, Jungs. Doch jetzt müssen wir uns zeigen, so schwer uns das auch fallen mag. Die Callahans sind fort. Wir sind an ihre Stelle getreten. Das muss die Stadt sofort begreifen. Also werden wir nach dem Frühstück unseren ersten Rundgang machen.« Als er verstummt, klopft es an die Tür. Hogjaw Palladine geht hin und öffnet. Sie sehen Oven Hardin draußen stehen. Er hat ein breites Grinsen im Gesicht. Und mit diesem Grinsen tritt er auch ein und nickt Turnbull zu. »Ja«, sagt er. »Du bist wirklich ein verdammter Höllenhund! Du hast mich nicht enttäuscht. Jetzt gehört diese Stadt mir.« »Uns«, erwidert Turnbull ruhig, »uns, Oven, mein alter Freund. Wir haben die Callahans nicht für dich verjagt. Aber wir lassen dir dein Lodge City House. Du bist uns nichts schuldig, wir aber auch dir nicht. Aber wir lassen dich geschäftlich leben.« Als er verstummt, da will Oven Hardin das Gehörte nicht glauben. Und so verharrt er erst einmal einige Atemzüge lang und starrt Turnbull und dessen Revolvermänner nacheinander fassungslos an. 70
Aber was er eigentlich schon vorher geahnt hat, das begreift er jetzt: Diese vier Männer sind gierige, zweibeinige Wölfe, die eine Beute nicht mehr hergeben. Er wollte ihr Boss sein. Aber sie respektieren ihn nicht als solchen. Und so jagen sich seine Gedanken. Er kann über zwei Dutzend Männer verfügen, die als Barkeeper, Kartenausteiler, Rauswerfer und Revolverschwinger fungieren. Doch gegen die Callahans waren sie nur zweitklassig. Erstklassig sind Turnbull und dessen Männer, so erstklassig, dass sie die Callahans besiegten. Oven Hardin atmet langsam aus. »Du enttäuschst mich sehr, Jake«, murmelt er schließlich fast tonlos. »Du hast die alten Zeiten vergessen, als wir noch als Guerillas ritten, kämpften und siegten. Du hast alles vergessen.« »Was war, ist Vergangenheit, Oven. Und die Beute hier ist zu groß. Wir lassen dir ja, was dir bisher gehörte. Sei zufrieden.« Hardin hört es, senkt den Kopf und starrt auf seine Stiefelspitzen nieder. Dann wendet er sich mit einem Ruck ab und geht hinaus, lässt die Tür hinter sich offen. Sie hören, wie er die Treppe nach unten geht. 71
Virg Duane sagt: »Der mag uns nicht mehr. Auf den müssen wir achten.«
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7 Die Delta Queen auf dem Mississippi war ein LuxusSteamer. Die Missouri Lady dagegen gehört zur anderen Sorte, obwohl sie den Namen Lady trägt. Es ist ein kleines, primitives Dampfboot. Und auch die Passagiere gehören zu einer anderen Sorte. Es gibt auf jeder Seite ein Dutzend Doppelkabinen und vier Einzelkabinen, die man von außen betreten kann. Gleichzeitig hat jede Kabine noch einen zweiten Ein- und Ausgang, der direkt in den Saloon führt. Dieser Saloon ist zugleich Speisesaal und wird nach dem Abendessen in einen Spielsaloon umgewandelt. Außer den mehr als fünfzig Kabinenpassagieren werden auch Deckpassagiere eingelassen zum Spiel, wenn sie ordentlich gekleidet sind und Geld vorweisen können. Und so drängen sich nach dem Abendessen eine Menge Spieler in dem Spielsaloon an den Faro- und Black-Jack-Tischen, bei den Rouletterädern und den Würfeltischen. Die Bankhalter sind hartgesottene Burschen. Und das müssen sie auch sein. Denn es sind nicht nur Abenteurer an Bord, die von Fort Benton aus ins 73
Goldland wollen, um dort das große Glück zu finden oder irgendwelche Coups zu landen als Banditen. Es sind Büffeljäger an Bord, die sich in Saint Louis amüsierten, weil die Stadt sehr viel mehr zu bieten hat als Kansas City. Auch Pelztierjäger, also Trapper und Scouts sind an Bord, desgleichen auch einige Frauen, denen man ansehen kann, dass sie im ältesten Gewerbe der Welt tätig sind. Einige Soldaten, Handelsvertreter und Geschäftsleute vervollständigen die gemischte Gesellschaft. Clay Roberts sitzt schon in der ersten Nacht an einem Pokertisch inmitten einer hartgesottenen Spielerrunde. Denn er ist nun mal ein Spieler und kann nicht anders. Schon in der ersten Nacht gewinnt er, denn auch hier steht Jessica oft hinter ihm, hat ihre Hände auf seinen Schultern liegen und verwirrt die anderen Spieler am Tisch mit ihrem Anblick, stört sie in ihrer Konzentration. Es ist immer noch Hochsommer mit hellen Nächten. Deshalb bleibt der Steamer im Strom und kämpft sich mit ratterndem Schaufelrad sechs Meilen in der Stunde jenes Teilstück des Flusses hinauf, den einmal ein Journalist eine gigantische Wendeltreppe nach Nordwesten nannte. 74
Es wird eine lange Reise bis nach Fort Benton, nämlich fast zweitausendsiebenhundert Meilen oder etwa viertausendachthundert Kilometer von der Mündung in den Mississippi stromauf. Es ist eine gewaltige Entfernung. Sie werden einige Wochen unterwegs sein, ziemlich beengt und zusammengedrängt auf dem Steamer. Am nächsten Tag erreichen sie Osage River, haben einhundertfünfzig Meilen geschafft, und Clay Roberts – ist es Zufall? – hat einhundertfünfzig Dollar beim Poker gewonnen. Jessica und Pernel stehen draußen an der Reling, als er aus dem verräucherten Saloon zu ihnen tritt, der nun wieder zum Speisesaal umgeräumt und gelüftet wird. Er stellt sich in den Fahrwind und saugt mit geöffneten Mund die Luft ein. Dann spricht er trocken: »Jede Meile einen Dollar. Das ist schon was, oder?« Er sieht Pernel an. »Warum spielst du nicht, mein Freund und Trauzeuge?« Pernel grinst. »Ich bin nur ein durchschnittlicher Spieler, kein Hellseher wie du. Mir liegt Black-Jack besser.« Clay Roberts sagt dazu nichts mehr. Er wendet sich Jessica zu. 75
»Komm, mein Engel«, sagt er und grinst. Aber sie schüttelt den Kopf. »Ich will noch den Sonnenaufgang sehen«, spricht sie. »Und der Morgenwind tut mir gut.« Clay Roberts betrachtet sie ernst. »Aber lass mich nicht zu lange warten.« Sein Blick ist ausdruckslos, als er Pernel kurz ansieht und spricht: »Lass sie nur nicht über Bord fallen, Pernel. Ihr versteht euch sehr gut, nicht wahr?« »Er war unser Trauzeuge«, erwidert Jessica ernst. Clay Roberts sagt nichts mehr, sondern verschwindet in der Kabine. Jessica aber sieht Pernel an. »Er gewinnt immer«, spricht sie. »Und ich frage mich allmählich, ob er ehrlich und ohne Tricks spielt. Was meinst du, Pernel?« »Ich weiß es nicht, Jessica. Aber wenn er zaubert, dann ist er ein wirklicher Künstler. Doch sollte er hier an Bord einen Fehler machen, dann dürfte es schlimm für ihn werden. Hier herrscht nämlich ein raueres Klima als auf der Delta Queen, wo alles zivilisierter zuging. Wenn er bei einem Kunstfehler erwischt wird, werden sie ihn erschießen oder kurzerhand über Bord werfen. Wenn er schlau ist, wird er ab und zu mal verlieren, selbst wenn er
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gewinnen könnte. Das würde ihn unverdächtiger machen.« Jessica blickt Pernel mit großen Augen an. Doch sie sagt nichts mehr, sondern folgt ihrem Mann in die Kabine. Der empfängt sie mit den Worten: »Komm, mein Engel.« Die Missouri Lady erreicht zwei Tage später Kansas City und macht für zwei Stunden im Flusshafen Westport fest. Passagiere gehen von Bord, doch andere besetzen die freigewordenen Plätze oder Kabinen. Dann legt das Boot wieder ab, geht in den Strom. Und als die Nacht anbricht, da sitzt Clay Roberts mit anderen Spielern am Pokertisch und gewinnt abermals. Einer dieser neuen Spieler ist ein großer, schlanker und indianerhaft wirkender Mann mit harten Augen und geschmeidigen Händen. Es ist gegen Mitternacht, als Jessica wieder einmal hinter Clay Roberts tritt und ihre Hände auf dessen Schultern legt. Und da spricht der Mann höflich, doch bestimmt: »Lady, ich hätte nichts dagegen, wenn Sie hier am Tisch sitzen und mit uns Poker spielen würden. Doch ich bitte Sie, gehen Sie da weg. Ich muss Sie immer wieder ansehen, weil Ihre Schönheit mich dazu 77
zwingt. Und das wieder stört meine Konzentration. Bitte, Lady, seien Sie so freundlich.« Als der Mann – sein Name ist Zane Skinner – verstummt, ist in seiner Stimme immer noch ein höflicher Klang. Aber in seinen Augen glitzert die Härte nun stärker. Er hat seinen Blick auf Clay Roberts gerichtet. Und dieser erwidert den Blick des anderen mit gleicher Härte. Dann aber grinst er blinkend unter seinem Bart, wendet den Kopf und blickt über die Schulter zu Jessica hoch. »Mein Engel«, spricht er lächelnd, »erweise dem Gentleman den Gefallen. Du hast es gehört. Deine Schönheit hypnotisiert ihn irgendwie. Ich gewinne auch ohne dich als Glücksbringerin hinter mir. Geh nur, mein Engel!« Als er verstummt, da grinsen die anderen Mitspieler am Tisch. Einer – es ist ein bulliger Mann, der in Omaha Büffelhäute aufkaufen und verschiffen will und deshalb zehntausend Dollar bei sich hat – nickt heftig und sagt: »Ja, das ist eine gute Idee. Denn auch mich verwirrt die Schönheit Ihrer Frau, Mister.« Clay Roberts grinst ihn an. »Es fehlt nur noch, Mister, dass Sie die Anwesenheit meiner Frau für eine Art Falschspielertrick halten.« »Das wird sich herausstellen, wenn wir jetzt endlich weiter spielen«, spricht Zane Skinner. Und so geht das Spiel nun weiter. 78
Jessica aber verlässt den Raum und tritt hinaus an die Reling. Sie atmet tief ein und genießt den Wind, der ja zumeist auf den großen Strömen weht und vom Fahrwind noch verstärkt wird. Pernel tritt neben sie. Er spricht: »Ich habe mich über ihn beim Barkeeper erkundigt. Er heißt Zane Skinner und wird auch Rivershark genannt, also Flusshai. Er soll ein Flusspirat sein, der mit einer Bande lange Zeit den Oberen Missouri unsicher machte. Clay sollte ihn nicht zu sehr reizen und herausfordern.« Sie schweigt zu seinen Worten. Dann aber wendet sie sich ihm an der Reling zu. »Pernel, du wurdest uns ein Freund – und das nicht nur, weil wir den gleichen Weg haben und wir dich als Trauzeuge harten. Aber du wurdest wegen mir unser Freund, nicht wahr?« »Wahrscheinlich«, erwidert er und lächelt. »Ich bin gern in deiner Nähe, obwohl ich weiß, dass du unerreichbar bist für mich. So ist es nun mal im Leben. Man bekommt nicht immer, was man gerne möchte.« Sie schweigt einige Atemzüge lang und blickt ihn im Licht der Bordlaterne und der Gestirne fest an. »Ja, ich liebe Clay Roberts und bin seine Frau«, spricht sie. »Er will mir die Welt zeigen, auf die ich so begierig bin. Aber er kann sein Versprechen, das 79
er mir gab, nur halten, wenn er als Spieler erfolgreich ist. Pernel, ich mache mir Sorgen.« »Die mache ich mir auch«, erwidert er. Sie gehen auf dem Kabinengang an der Reling entlang und umrunden die Kabinenaufbauten, bis sie wieder die Außentür des Saloons erreichen. »Ich werde ein paar Dollars beim Roulette riskieren«, spricht sie. »Und, Pernel Scott, ich bin sehr froh, dass es dich gibt.« »Danke«, erwidert er, und er würde ihr so gerne sagen, dass er bei ihr ist, weil ihr Vater ihm diesen Auftrag gab und seine kleine Ranch von Morgan McKenzies Leuten weiter in Gang gehalten wird. Doch er schweigt, sagt es ihr nicht. Denn eigentlich spielt das ja keine Rolle mehr. Er würde jetzt auch in ihrer Nähe bleiben ohne Auftrag. Die Fahrt geht weiter, Tag für Tag und Nacht für Nacht auf dem tückischen Strom, dessen Sandbänke und Fahrrinnen sich ständig verändern. In einigen Nächten können sie nicht fahren, sondern ankern in Buchten, wo keine Strömung ist und sich das Wasser nur langsam entgegengesetzt dreht. Es treibt eine Menge Zeug auf dem Missouri abwärts, Bäume, Wrackteile, Gestrüpp und ganze Stämme von Flößen, die auseinander brachen. 80
Deshalb fahren hier auch keine Seitenraddampfer. Manchmal kommen ihnen Boote entgegen, auch Kielboote, die gerudert werden und so genannte Makinaws. Kein Steamer überholt sie unterwegs. Denn der Kapitän der Missouri Lady verschwendet keine Minute und wagt eine Menge. Und jede Nacht wird gespielt. Die Passagiere wechseln dann und wann. Denn es kommen immer wieder neue an Bord. Und auch diese spielen zumeist, wenn es Kabinenpassagiere sind. Es gibt ja sonst keine Zerstreuung. Auch ein Colonel mit seiner Familie kommt in Fort Sully an Bord. Er will nach Fort Bismarck. Seine Frau und die beiden Kinder freunden sich schnell mit Jessica an. Das gefällt ihr, denn so ist sie nicht all die vielen Stunden allein. Denn jener Zane Skinner, den man auch Rivershark nennt, spielt immer noch mit Clay Roberts Nacht für Nacht. Ihre Mitspieler wechseln oft, aber der Kampf zwischen ihnen beginnt jede Nacht neu. Ja, es ist ein Kampf, ein Krieg, der erst beendet sein wird, wenn einer von ihnen endgültig geschlagen ist. Denn Clay Roberts gewinnt nicht mehr stetig. Seit Jessica nicht mehr hinter ihm steht, erwischt er 81
immer wieder eine Pechsträhne und kommt am Morgen als Verlierer in ihre Kabine. Irgendwie verändert er sich von Nacht zu Nacht. Und nur wenn er als Sieger in die Kabine kommt, nimmt er sie in die Arme und liebt sie so wie am Anfang ihrer langen Reise. Es ist an einem späten Mittag, als sich Pernel Scott und Clay Roberts beim Rundgang auf dem Kabinendeck treffen. Pernel spuckt gerade über die Reling in den Fluss. Clay Roberts stellt sich neben ihn und spuckt ebenfalls hinunter. Dann sagt er mit ruhiger Stimme: »Ja, manchmal möchte man auf alles spucken auf dieser Erde, obwohl man selbst doch dazu gehört. Pernel, ich habe den größten Gegner oder Feind gefunden, dem ich in meinem ganzen Leben begegnet bin. Es kann keinen größeren Feind mehr geben. Wir waren offenbar schon von Geburt an für einander bestimmt und mussten hier an Bord aufeinander treffen, weil es unser Schicksal so wollte.« Er verstummt ebenso ruhig wie er begann. Pernel aber murmelt: »Dieser Zane Skinner?« »Sicher – wer sonst? Er will mich vernichten, und ich beginne immer mehr zu zweifeln, ob ich ihm gewachsen bin. Er will Jessica, ja, er will sie. Und er sagte mir in der vergangenen Nacht, als wir unser 82
Spiel beendeten, die Pokerrunde sich auflöste und wir noch einige Minuten allein am Tisch saßen, dass wir bald um alles oder nichts spielen würden und ich meine schöne Frau zum Einsatz bringen könne, wenn mein Geld nicht mehr reichen würde, um im Spiel zu bleiben. Pernel, ich werde ihn töten müssen oder von ihm getötet werden. Wenn Letzteres der Fall sein sollte, dann kümmere dich um Jessica. Ich weiß längst, dass du sie liebst. Wer könnte das nicht? Sie würde also nicht allein sein.« Nach diesen Worten stößt er sich von der Reling ab und setzt seinen Rundgang fort, um sich auszulüften nach einer verräucherten Nacht am Spieltisch. Pernel aber verharrt an der Reling, beugt sich wieder vor und spuckt erneut in das vorbei rauschende Wasser des Big Muddys. Dann murmelt er grimmig: »Ja, das habe ich kommen sehen, verdammt!« Aber er weiß, dass er nichts tun kann, weil die Dinge ihren Lauf nehmen werden.
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8 Es geschieht schon in der nächsten Nacht. Die Missouri Lady ist im Strom geblieben, weil die Nacht fast taghell ist und der bei Tag so schmutzige Big Muddy wie Silber glitzert. Die Pokerrunde besteht aus fünf Spielern. Clay Roberts hat die Karten gemischt und ausgeteilt. Dann werden die Einsätze hoch und höher getrieben, denn offenbar haben sie alle gute Karten. Als sie dann endlich aufdecken, da hat Clay Roberts einen Vierling, nämlich vier Damen. Es ist das beste Blatt, denn außer den vier Damen sehen sie auch noch das Kreuz-Ass. Er grinst sie mit blinkenden Zahnreihen an. Ja, es ist ein triumphierendes Zähnezeigen, das etwas Raubtierhaftes ausdrückt. Denn die Beute ist groß und fett. Als er sich vorbeugt, um all die Einsätze, den großen Topf, zu sich herüberzuziehen, da sagt Zane Skinner zischend: »Halt!« Und so hält Clay Roberts inne und starrt in Zane Skinners kieselharte Augen. »Was ist, Skinner?« 84
Dieser sagt noch nichts, aber er deutet auf das Häufchen der abgelegten Karten und spricht erst dann: »Eine Dame habe ich vorhin abgelegt, als ich nachkaufte, weil ich auf eine Straße hoffte und mir eine Dame genügte. He, Roberts, wie kommt die fünfte Dame ins Spiel? Sie haben gegeben, Sie verdammter Narr!« Skinner hat kaum ausgesprochen, da krachen auch schon die Revolver. Und es zeigt sich in dieser so schwarzen Sekunde, dass Clay Roberts um jenen winzigen Sekundenbruchteil schneller ist, auf den es ankommt. Denn seine Kugel stößt Zane Skinner bei dessen Abdrücken. Und so ist es binnen einer einzigen Sekunde vorbei mit dem berüchtigten Spieler, Revolvermann und Banditen, den man Rivershark nennt – nein, nannte. Denn er fällt tot mit seinem Stuhl nach hinten. Clay Roberts aber weicht mit dem noch rauchenden Revolver in der Hand bis an die Wand zurück, verharrt dort. Denn als erfahrener Spieler weiß er natürlich, was nun kommen wird, weil es unausweichlich ist und zu den ungeschriebenen Gesetzen auf den Strömen jenseits von Gesetz und Ordnung gehört.
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Sie werden ihn von Bord jagen oder gar erschießen. Denn er gilt nun als Falschspieler, der auch noch, als er erwischt wurde, getötet hat. Gewiss hatte Zane Skinner – falls er selbst die fünfte Dame ins Spiel brachte – das alles ganz anders geplant. Er wollte Clay Roberts erschießen können als angegriffener Betrogener, ja, er glaubte, dass er schneller sein würde und riskierte dieses verwegene Spiel. Doch er war nicht schnell genug. Die Menschen im Saloon warfen sich mehr oder weniger rasch zu Boden oder duckten sich tief. Es war ja mit weiteren Schüssen und fliegendem Blei zu rechnen. Doch da nach zwei Schüssen alles beendet ist, erheben sie sich wieder und starren auf Clay Roberts, der jetzt einem in die Enge getriebenen zweibeinigen Wolf gleicht. Die Bankhalter und Croupiers an den Spieltischen halten plötzlich Waffen in den Händen. Der Zahlmeister – er ist hier an Bord mit einem Hotelchef zu vergleichen – taucht auf und hat zwei Männer der Besatzung bei sich, die mit Schrotflinten bewaffnet sind. Einer der drei anderen Spieler am Tisch ruft in die Stille, in der man deutlich das ratternde Geräusch
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des Heckschaufelrades am Heck des Bootes hört: »Er brachte eine fünfte Dame ins Spiel!« Dabei zeigt der Mann, der in dieser Nacht eine Menge Geld verlor, auf Clay Roberts, der an die Wand zurückgewichen ist, um Rückendeckung zu haben. »Der da spielte falsch und schoss dann schneller. Er ist ein verdammter Kartenhai!« Der Mann kreischt es zuletzt ziemlich wild und voller Bosheit heraus. Denn er weiß, dass er seine verlorenen Einsätze der ganzen Nacht zurückbekommen wird. Der Zahlmeister aber deutet mit dem Zeigefinger auf Clay Roberts. »Runter von diesem Boot, runter! Wenn du nicht freiwillig in den Strom springst, dann werfen wir dich tot über Bord!« Clay Roberts hat keine andere Wahl. Er weiß zwar, dass er die fünfte Dame nicht ins Spiel brachte, aber das kann er nicht beweisen. Irgendwie hat Zane Skinner ihn mit einem bösen Trick hereingelegt, um ihn erschießen zu können. Doch er blieb am Leben und ist dennoch der Verlierer. Er muss über Bord in den Strom. Sonst erschießen sie ihn, und selbst wenn er seinen Revolver leeren und ein Blutbad anrichten 87
würde, änderte das nichts. Zwei Schrotflinten sind auf ihn gerichtet. Es gilt jetzt nur noch das ungeschriebene Gesetz der großen Ströme und der Dampfboote, auf denen gespielt wird und immer wieder Falschspieler und üble Kartenhaie überführt werden. Es gibt ja keine Gerichtsbarkeit an Bord nach Recht und Gesetz. Und so entledigt man sich Falschspielern auf die einfachste Art. Clay Roberts gleitet seitlich an der Wand entlang bis zum. Ausgangsschott, einer Schiebetür. Er öffnet sie und verschwindet. Mit einem gellenden Fluch springt er über Bord. Er hat ja keine andere Wahl. Es geht um sein Leben. Pernel Scott aber, der am Black-Jack-Tisch sein Glück versuchte und das Geschehen wie alle anderen Passagiere beobachtete, zögert nicht lange. Gewiss, er hätte sich passiv verhalten können, doch er weiß sofort, Jessica hätte ihm das nicht verziehen. Und so klopft er wenig später an die Kabinentür des Paares. Jessica öffnet sofort. Sie ist noch angekleidet, und wahrscheinlich hat sie durch die dünne Wand auch die Schüsse im Saloon gehört. »Clay hat Skinner erschossen und musste über Bord!« So ruft er ihr zu. 88
Sie stößt einen wilden Schrei aus und ruft: »Ich wusste, es würde so kommen!« Sie stößt Pernel zur Seite, beugt sich weit über die Reling und ruft gellend Clay Roberts’ Namen. Stromabwärts – schon weit zurück – kommt eine kaum noch zu hörende Antwort. Und da stürzt sich Jessica kopfüber in den Strom, gerät in das Heckwasser des Bootes und treibt knapp an den ratternden Schaufeln vorbei, die ihr beinahe den Kopf zerschmettert hätten. Sie geht unter, kämpft sich jedoch wieder hoch. Denn sie ist eine gute Schwimmerin und kann auch lange genug ohne Atemluft auskommen. Und was soll Pernel Scott tun? Ihm bleibt zum Überlegen keine Zeit. Und hat er nicht Jessicas Vater versprochen, gewissermaßen ihr Schutzengel zu sein? Dieser Notfall ist nun ganz plötzlich da. Und so erfüllt Pernel Scott seine Pflicht. Er hechtet über Bord, taucht weit genug vom Boot ein in den Strom, taucht auf und treibt achteraus hinter Jessica her. Erst dann wird er sich bewusst, wie impulsiv er handelte. Denn niemals hätte er Jessica allein lassen können. In diesen Minuten wird er sich endgültig klar, dass er die junge Frau mehr liebt als sein eigenes Leben und 89
es des Versprechens an ihren Vater nicht bedurft hätte, um ihr zu folgen. Er beginnt mit kräftigen Zügen seiner Arme und einem noch kräftigeren Schlag seiner langen Beine stromabwärts zu schwimmen. Aber es dauert gewiss eine halbe Meile, bis er Jessica eingeholt hat. Sie schwimmen nun nebeneinander. Ihre nasse Kleidung macht es ihnen schwer. Besonders Pernel spürt den schweren Colt im Schulterholster und das Hartgeld – es sind ja Zwanzigdollarmünzen – als Gewicht. Und so wird ihr Schwimmen in der Strömung immer mehr zu einem Kampf. Zum Glück ist die Nacht noch fast taghell. Auch der Fluss ist nicht zu kalt. Unterkühlen werden sie nicht zu schnell. Rechts von ihnen treibt ein Stück Holz. Sie erreichen es und halten sich daran fest. Dann aber sehen sie vor sich die Insel im Strom. Und am sandigen Ufer erkennen sie Clay. Er hockt dort erschöpft. Vielleicht ist er kein guter Schwimmer. Sie wissen es nicht. Erst als sie neben ihm im Sand sitzen, da keucht er mühsam: »Ihr hättet an Bord bleiben sollen. Irgendwie würde ich euch schon wieder eingeholt haben – und wenn es erst in Fort Benton gewesen 90
wäre. Verdammt, Jessy, hat dich der Teufel geritten, wegen mir in diesen verdammten Big Muddy zu springen? In dieser Dreckbrühe kann man nur mühsam schwimmen.« Er verstummt bitter. Dann schweigen sie eine Weile, bis Jessica fragt: »Was nun, Jungs, was nun?« Sie fragt es fast fröhlich, obwohl ihr gewiss nicht so froh zu Mute ist. Aber es hätte wenig Sinn, zu klagen. Pernel sagt dann: »Wir fuhren nach Mitternacht an einem Holzplatz vorbei, zu dem eine kleine Siedlung gehört. Ich stand an der Reling, um Luft zu schnappen und sah die Lichter an Land. Vielleicht war dort beim Holzplatz auch ein Häutelager der Büffeljäger. Wir werden hier auf der Insel gewiss genügend angetriebenes Holz für ein kleines Floß finden. Dann müssen wir nicht abwärts schwimmen oder am Ufer entlanglaufen. Doch zuerst machen wir ein Feuer und trocknen unsere Kleidung.« Er holt die kleine Blechbüchse hervor, in der er seine Schwefelzündhölzer verwahrt. Denn in dieser Hinsicht ist er immer noch ein Cowboy und Rindermann. Als sie das Floß mit Weidengerten zusammengebunden haben, kommt ein Toter 91
angetrieben. Es ist inzwischen Tag geworden, und der Tote, der im seichten Wasser der Insel liegen bleibt, ist kein anderer als Zane Skinner. Man hat ihn also über Bord geworfen, ihn gewissermaßen dem Fluss übergeben, so wie einen Toten auf hoher See. Sie ziehen ihn an Land. Clay Roberts spricht grimmig: »Er hat es nicht verdient, dass wir ihn christlich beerdigen. Er wollte mich auf gemeine Art erledigen. Und ich schwöre euch, dass ich ehrlich gespielt habe. Die fünfte Dame war sein böser Trick, um mich als Falschspieler erledigen zu können. Jessy, er wollte dich.« »Ich weiß«, spricht sie etwas kehlig. »Immer wenn er mich ansah, da konnte ich es in seinen Augen erkennen. Ja, er wollte mich haben.« Sie verscharren Zane Skinner im Sand. Dann hocken sie sich auf das kleine Floß und staken es ins tiefere Wasser. Es ist noch früher Vormittag, und es wird ein schöner Sommertag werden, als sie auf dem Floß den Holzplatz erreichen.
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9 In diesen Tagen und Nächten bekommen Jake Turnbull und dessen drei Revolvermänner Bitter Roots Lodge City in den Griff oder unter Kontrolle. Damit beherrschen sie auch den ganzen Canyon, der ja nur hier wie in einem Flaschenhals den einzigen Zu- und Ausgang hat, weil eine Laune der Natur vor unendlichen Zeiten es so wollte. Sie beherrschen das Leben von gewiss mehr als dreitausend Menschen, die im langen Canyon nach Gold suchen und es auch finden auf den Claims und in den Minen. Natürlich können Jake Turnbull und seine drei Gehilfen, die man mit den drei Köpfen jenes Höllenhundes Zerberus vergleichen kann, nicht alles allein beherrschen. Sie benötigen Helfer. Und diese bekommen sie reichlich. Sie können wählen. Viele der hartgesottenen Burschen, die auf den Lohnlisten des Callahan Clans standen und dessen Befehle ausführten, dienen nun den neuen Bossen und stehen sozusagen in einem neuen Arbeitsverhältnis. Diese Sorte kennt keine Treue, aber sie führt Befehle aus, solange es sich lohnt. 93
Und so sterben in den Nächten im Canyon einige Männer, die sich anmaßten, ein Vigilantenkomitee zu bilden. Jake Turnbull und dessen Männer übernehmen das große Haus der Callahan Enterprise und das Claim-Office, ebenso das Erzprüflabor. Turnbulls drei Revolvermänner tragen nun Marshalsterne an den Westen. Und er selbst ernennt sich zum Richter. Das geht ganz einfach vonstatten, weil seine Männer eine Unterschriftensammlung unter der Bürgern der kleinen Stadt durchführen, die ein einstimmiges Ergebnis aufweist, weil keiner der Bürger es wagt, gegen Jake Turnbull zu stimmen. Auch Oven Hardin mit seinem Anhang wagt es nicht. Er weiß zu gut, dass er verloren hat. Denn als er Jake Turnbull kommen ließ, um die Callahans besiegen zu können, da ging es ihm wie dem Zauberlehrling, der die bösen Geister, die er rief, nicht mehr los wurde. Und so kann er nur noch abwarten, zähneknirschend und rachelüstern zwar, aber eben doch klug genug, um einen Kampf zu vermeiden. Er gleicht einem lauernden Wolf, den ein neuer Leitwolf verdrängte. Und am meisten ärgert es ihn, dass er seine Einnahmen teilen muss.
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Und so wird auch jene Susen, die ihn immer wieder glücklich machte, sodass er meint, dem Himmel nahe zu sein, nicht die Chefin des Hurenhauses. Doch sie sieht das ein und wartet geduldig. Überdies macht es ihr Freude mit ihm, denn vielleicht besitzt sie tatsächlich nicht das Herz einer Hure, sondern kann noch wirklich lieben. Richter Jake Turnbull erlässt in diesen Tagen einige Gesetze, vor allen Dingen müssen die Claimund Minenbesitzer nun Grundsteuern, Gewinn- und Schutzsteuern zahlen. Aber auch die Bürger der Stadt werden durch Verordnungen zur Kasse gebeten. Die drastischste Maßnahme aber ist ein Zaun, der nun bis auf einen schmalen Durchgang den Flaschenhals – also den einzigen Zugang in die Stadt und in den Canyon – völlig sperrt. Ein Zollhaus – eigentlich nur eine Hütte – wird errichtet. Drei Wächter mit genauen Anweisungen sind hier stationiert. Herein darf jeder Mensch und jedes Tier. Doch wer hinaus will aus dem Canyon, der muss sich im City House – so wurde das Haus der Callahan Enterprise umbenannt – einen Passierschein holen.
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Und diesen Schein bekommt man nur, wenn man alle Steuern bezahlt hat. Die höchste Steuer ist dann die so genannte Gewinnsteuer auf die Goldausbeute. Und so erweist sich der Bitter Roots Lodge Canyon als eine einzige große Falle. Jeden Morgen nach dem Frühstück setzen sich Jake Turnbull und dessen drei Revolvermänner, die er immer noch seine Jungs nennt, im Office zusammen. Und so ist es auch an diesem Morgen. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch wie ein grimmiger Adler in seinem Horst. Nacheinander starrt er sie an und lässt sie so deutlich spüren, dass er immer noch ihr Anführer ist, dem sie sich unterwerfen müssen – aber zugleich auch so etwas wie ein Vater, ohne den sie nichts anderes als nur Revolverschwinger wären, weil es ihnen für mehr in den Köpfen fehlt. »Euch geht es gut, nicht wahr, Jungs?« So fragt er, und in seiner Stimme ist ein Klang von hinterlistiger Freundlichkeit. Sie kennen diesen Tonfall und auch das harte Glitzern in seinen Augen. Und so fragt Fess Halloway: »Was haben wir falsch gemacht?«
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»Ihr werdet bequem, nachlässig. Und ihr lasst euch zu oft im Hurenhaus verwöhnen. Wir sind nicht hier, um bis in alle Ewigkeit wie die Maden im Speck zu leben. Was wir hier für uns in Gang brachten, wird irgendwann zusammenbrechen. Keine Herrschaft, die nur ausbeutet, hält sich ewig. Im Canyon leben und schuften mehr als dreitausend Menschen. Hier in der Stadt leben einhundertsiebenundfünfzig Menschen, also Männer, Frauen und Kinder. Wir aber sind eigentlich nur vier. Gewiss, wir haben einige Dutzend Hurensöhne auf unserer Lohnliste. Aber auf die ist nur Verlass, wenn wir alles hier unter Kontrolle halten. Unser gefährlichster Gegner und Feind ist Oven Hardin, der uns kommen ließ. Noch teile ich das Hurenhaus und einige andere Einnahmequellen mit ihm. Er hat also Einnahmen, die es ihm ermöglichen, Killer anzuwerben. Es könnte sein, dass er sich bald stark genug fühlt, um etwas gegen uns in Gang zu bringen. Er könnte euch zum Beispiel abschießen lassen, wenn ihr mit einer der Huren im Bett liegt – oder wenn ihr in der Nacht als Marshals eure Streife geht. Es werden bald überall Gefahren auf euch lauern. Es wird überall zu gären beginnen. Ein einziger Anführer, der eine Menge hinter sich zu bringen versteht, kann einen Sturm entstehen lassen. Ihr müsst also ständig auf der Lauer sein wie Tiger, 97
die durch den Dschungel schleichen. Habt ihr das verstanden? Wenn sie nur einen von euch abschießen können, dann werden sie glauben, dass es leicht ist, auch die anderen zu erledigen.« Er macht nach dieser für ihn außergewöhnlich langen Rede eine Pause. Dann schlägt er mit der flachen Hand auf den Tisch uns spricht hart und kühl: »Ich habe inzwischen meine Spione überall, denn ich zahle gut. Und so hörte ich, dass es wieder einen Mann am Ende des Canyons gibt, der sich für einen Messias hält, auf den die Menschheit hier gewartet hat. Es fand auch schon eine Zusammenkunft statt. Der Mann will wieder einmal ein Vigilantenkomitee gründen – so haben die Callahans ja auch hier angefangen. Der Kerl heißt Alvah Jennison, und er soll früher mal ein Prediger gewesen sein, der mit Worten die Menschen begeistern konnte. Jetzt sucht er hier nach Gold, um irgendwo eine Kirche erbauen zu können zu Erbauung seiner Gemeinde. Solche frommen Burschen sind gefährlich. Virg, du wirst ihn erledigen. Er hat eine kleine Mine in der Ostwand des Canyons, ziemlich an dessen Nordende. Er ist ein großer Mann mit einem roten Bart. Und er trägt ständig einen Hut wie die alten Pilgrimväter. Erledige ihn, Virg, mein Junge, am besten mit einer 98
Buffalo Sharps aus weiter Entfernung. Kundschafte aber zuvor alles genau aus. Und dann …« Jake Turnbull verstummt und klatscht die flachen Hände zusammen, so als wollte er ein fliegendes Insekt vernichten. Damit ist die morgendliche Besprechung beendet. Fess Halloway, Virg Duane und Hogjaw Palladine gehen hinaus. Jake Turnbull aber lehnt sich im Armstuhl zurück und zündet sich eine Zigarre an. Dann starrt er auf den großen Geldschrank in der Ecke des Raumes. Er nahm dem abreisenden Callahan Clan den Schlüssel ab, aber er fand im Schrank nur noch geringe Mengen an Gold und Bargeld. Jetzt ist sehr viel mehr da drinnen aufbewahrt. Denn jeden Tag kommen die Einnahmen der Nacht hinzu, die ja nichts anderes als eine Beute sind. Und so stellt Jake Turnbull sich ständig zwei Fragen: Wo ist die große Beute des Callahan Clans hier in der Stadt verborgen? Sie muss noch hier sein. Denn auf den drei Wagen des geschlagen abziehenden Callahan Clans war nichts zu finden. Und da nichts im Geldschrank war, muss es irgendwo in der Stadt ein Versteck geben – vielleicht hier im Haus der ehemaligen Callahan Enterprise. Aber wo? Gibt es 99
hier etwa noch einen verborgenen Raum mit einer Geheimtür? Oder schafften die Callahans ihre Beute regelmäßig fort, weil auch sie damit rechneten, dass sie sich hier nicht ewig behaupten konnten? Dies ist die eine Frage, auf die Jake Turnbull eine Antwort finden möchte. Die andere Frage ist einfacher. Es ist die Frage, die sich wohl auch die Callahans gestellt haben, immer wieder und Tag für Tag. Wie lange können wir unser System halten? Wann müssen wir vor der wütenden Menge die Flucht ergreifen? Jake Turnbull erhebt sich, um mit rauchender Zigarre einen Rundgang durch die Stadt zu machen, sich ihren Bewohner und Besuchern selbstbewusst zu zeigen. Auf dem Weg zur Zollhütte muss er am Lodge City House vorbei, dem größten Tingeltangel der Stadt. Auf dem Balkon erscheint Oven Hardin im Morgenmantel und blickt auf ihn nieder. Es passt Turnbull nicht, dass Hardin auf ihn niederblicken kann. Aber er hält dennoch inne und fragt: »Na, ist diese Susen McKay immer noch so gut?« »Sie wird jede Nacht besser«, erwidert Oven Hardin. »Und sie ist die einzige Freude, die ich seit dem Tag deiner Ankunft hier habe.« 100
Er verstummt böse und verbittert, so richtig beleidigt. Denn schließlich waren sie ja mal als Guerillaanführer Partner und so etwas wie Freunde. Jake Turnbull lacht leise und geht weiter. Auf dem Balkon aber murmelt Oven Hardin: »Warte nur, Jake. Bald ist der Mann hier, der dich abschießen wird. Hab nur noch etwas Geduld!« Er tritt wieder ins Zimmer zurück und betrachtet Susen, die wie immer nackt im Bett liegt. Dabei denkt er fast dankbar: Ja, auf sie kann ich mich verlassen, denke ich, auf sie ja. Aber sonst… An diesem Vormittag noch macht sich Virgil Duane auf den Weg, um jenen Alvah Jennison zu finden. Und das ist nicht ganz einfach. Der leicht gewundene Canyon ist lang. Er muss einige Meilen reiten und all die Minen an der Ostwand kontrollieren und beobachten. Dabei darf er nicht auffallen, denn nicht wenigen Menschen im Canyon ist sein Aussehen bekannt. Und so sucht er sich möglichst unauffällig dicht an der Ostwand entlang seinen Weg und benutzt jede Deckung, die ihm die Felsen bieten. Es gibt da und dort Claims und die Eingangslöcher der Minenstollen.
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Doch die hier arbeitenden Männer beachten den Reiter kaum. Sie alle arbeiten zu hart und sind zu gierig auf Gold. Es ist dann fast schon Mittag, als Jennison die Mine erreicht. Er sieht einen großen Mann mit rotem Vollbart am Creek bei der Waschanlage, wo er den Goldstaub aus der sandigen Erde wäscht. Der rotbärtige Riese Alvah Jennison – so ist sein Name – ist nicht allein. Mit ihm arbeiten noch zwei andere Männer, die wahrscheinlich zu seiner Minenmannschaft gehören, also seine Arbeiter sind für vier Dollar die Schicht. Virgil Duane murmelt zufrieden: »Nun, da bist du ja. Es gibt gewiss keinen zweiten Mann mit solch einem Rotbart in der ganzen Gulch, oho. Es war leicht, dich zu finden. Und nun wirst du uns nicht als Anführer einer Vigilantenbande in die Suppe spucken können, du verdammter Arsch.« Er verstummt mit einem Klang von grimmiger Entschlossenheit. Und tief in seinem Kern ist die Zufriedenheit eines Mannes, der dicht vor der Erledigung einer Arbeit steht. Ja, für Virgil Duane ist es eine Arbeit. Und somit ist wohl klar, dass er anders empfindet als ein normaler Mensch. Er ist ein Böser, auf den gewiss die Hölle wartet, sollte es tatsächlich eine ausgleichende 102
Gerechtigkeit im Jenseits geben, weil sie auf Erden nicht vorhanden ist. Er ist ein Mann ohne Gewissensbisse, und seines Mangels an Menschlichkeit ist er sich nicht bewusst. Er beobachtet die arbeitenden Männer am Creek eine Weile, zieht dann sein Pferd herum und reitet ein Stück zurück. Es ist leicht für ihn, Deckung zu finden, denn hier an der Basis der hohen Wände, die an die tausend Fuß nach oben ragen, liegen viele große Felsen, die in grauer Vorzeit niederkrachten und auf denen nun Gras und Büsche wachsen. Als er anhält, ist er von den arbeitenden Männern und der Waschanlage etwa vierhundert Yard entfernt. Er rutscht aus dem Sattel und zieht die schwere Buffalo Sharps aus dem Sattelschuh. In ihm ist nun das Gefühl eines Jägers. Doch das Wild ist weder ein Büffel noch ein Hirsch, sondern ein Mensch. Doch das bedeutet für seine verlorene Seele keinen Unterschied. Mit dem schweren Gewehr klettert er in einer Rinne etwa zwanzig Yards hinauf und gelangt auf eine schmale Terrasse. Er könnte von hier aus auf sein Pferd niederspucken. Aber er hat auch gute Sicht auf die Männer bei der Waschanlage am Creek. Ein kleiner Felsen dient ihm als Auflage für den langen Lauf der Sharps. 103
In aller Ruhe stellt er das Visier auf vierhundert Yards ein und öffnet den Verschluss, um zu sehen, ob die große Patrone in der Kammer liegt. Das Vollmer-Zielfernrohr hatte er hinter den Gürtel geschoben. Nun zieht er es heraus und setzt es ein. Als er hindurchsieht, da holt es ihm das Ziel von vierhundert Yards auf vierzig heran. Nun kann er diesen Alvah Jennison noch besser betrachten und verspürt dabei den bösen und krankhaften Rausch der Macht über Leben oder Tod. Er fühlt sich in diesen Minuten wahrscheinlich wie ein Halbgott. Als er den Abzugshahn auf halbe Spannung stellt, um das Gewehr nicht zu verrücken und keinen Millimeter aus der Zielrichtung zu bringen, da verharrt er noch einige Sekunden und hält den Atem an. Als er abdrückt, donnert das schwere Gewehr fast wie eine kleine Kanone. Und die Patrone – sie hat Kaliber 45-120-550 – auscht auf das Ziel los und schlägt mitten in Alvah Jennisons breite Brust ein. Der Mann mit dem roten Vollbart hat keine Chance mehr, denn dieses Geschoss hätte auch einen Büffelbullen getötet. Und so ist es, wie seit Urzeiten auf dieser Welt: Das Böse schlägt immer wieder zu, weil der Mensch das schrecklichste Raubtier von allen ist. 104
Virgil Duane wartet nicht länger. Er rutscht die steile Rinne im Hang nieder und sitzt wenig später im Sattel. Es war alles so lächerlich einfach für ihn, weil er ja kein Gewissen besitzt, ohne Gefühl ist – ganz und gar ein Verlorener, auf den die Hölle wartet. Auch jetzt wird er kaum bemerkt. Denn ein krachender Schuss ist in der Gulch nicht ungewöhnlich. Es finden in den Minen und auch auf den Claims ständig Sprengungen statt. Die schwere Kugel aber schlug ja eine Viertelmeile entfernt von der Abschussstelle ein. Und so entkommt der gemeine Killer ungesehen und mit dem wilden Triumph, sein Ziel gefahrlos erreicht zu haben. Sein Boss kann mit ihm zufrieden sein: Vorerst wird es im Canyon keine Vigilanten geben, weil den Diggern der Anführer fehlt. Die Dinge in der Gulch und in der kleinen Stadt werden sich nicht zum Guten verändern. Eine Herde ohne Leittier ist hilflos und unentschlossen. Das trifft auch für die Menschen zu, wenn nur die Mächtigen herrschen, jenseits von Recht und Gesetz, vor dem alle gleich sind und das auch die Schwachen schützt. Virgil Duane reitet mit dem Gefühl zurück, dass er seinen Job bestens erledigt hat. 105
Und so muss man sich wieder einmal mehr fragen: Warum können die Bösen so oft ungestraft die schlimmsten Verbrechen begehen?
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10 Der Holzplatz, an dem ihr Steamer in der Nacht vorbei stromauf dampfte, ist eine kleine Siedlung. Als sie den Ort erreichen, ziehen sie neben der Landebrücke das Floß ins seichte Wasser und klettern an Land. Hier liegen große Stapel von Büffelhäuten. Es sind Tausende. Also ist dieser Platz hier ein Lager der Büffeljäger, wo sie ihre Ausbeute lagern, bis sie einen Dampfer damit beladen können. Es gibt einige Hütten. Und die größte Hütte ist ein Store und Gasthaus zugleich. Weiter unterhalb der Siedlung ist eine Sägemühle in Gang. Und zwei starke Ochsen ziehen Stämme aus dem nahen Wald zum Fluss. Arbeitende Männer bewegen sich da und dort. Sie treten in den Store ein. Und hier hockt ein verwittert aussehender Mann mit einem Holzbein auf einem Sack voller Hülsenfrüchte – wahrscheinlich Bohnen – und ist damit beschäftigt, eine Salzgurke zu vertilgen.
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»Nanu, woher kommt ihr denn?« So fragt er kauend, und in seinen Fischaugen ist ein listiges Glitzern. Dann endlich wird er sich bewusst, dass Jessica eine schöne Frau ist, die nur zurzeit ziemlich zerzaust und mitgenommen wirkt. Und so staunt er erst einmal und sagt dann fast feierlich: »Willkommen, Lady, auf meinem Holzplatz. Ich bin Ike Lassitter. Und dies hier ist Lassitters Lodge. Kann ich etwas für Sie tun, Lady?« Er beachtet Pernel Scott und Clay Roberts nicht mehr, sondern starrt mit seinen Fischaugen nur noch Jessica an. »Wir werden hier auf den nächsten stromauf fahrenden Steamer warten«, spricht Clay Roberts ruhig. »Und wenn Sie in Ihrem Store auch Kleidung haben, dann werden wir uns bei Ihnen einkleiden.« »Und Sie können mit Dollars zahlen?« Der alte Mann fragt es lauernd. Sein Blick wandert nun von Jessica zu Roberts und Scott. Dann sieht man ihm an, dass er weitere Fragen stellen will. Aber Clay Roberts spricht hart: »Fragen Sie besser nichts, Mann, gar nichts.« Die Augen des Alten werden schmal.
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»Ich brauche nichts zu fragen«, brummt er dann. »Denn ich weiß Bescheid. In der Nacht kam stromauf hier ein Steamer vorbei. Man hat euch von Bord geworfen, oho! Sogar die Lady. Oder sind Sie gar keine Lady?« Er fragt es grinsend und zeigt seine klaffenden Zahnlücken. »Sie sind ein alter Dummkopf«, murmelt Clay Roberts und öffnet seine Jacke, sodass der Alte den Revolver sehen kann. Und Pernel Scott lässt ihn seine Waffe sehen. Der Alte starrt Clay Roberts an und erkennt endlich etwas in dessen Augen. Sein Instinkt warnt ihn jäh und scharf. Und so blickt er auf die angebissene Gurke in seiner Hand und wirft sie hastig wieder in die Salzbrühe im Fass zurück. »Na gut«, knurrt er, »ich bin kein Narr.« Es ist am nächsten Tag, als die Morning Star an der Landebrücke von Lassitters Holzplatz längsseits geht, um drei Passagiere an Bord zu nehmen. Der Zahlmeister empfängt sie mit den Worten: »Wenn Sie nicht zahlen können, dann springen Sie wieder zurück.«
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»Wir können zahlen«, erwidert Clay Roberts. »Und wir wollen hinauf bis Fort Benton. Haben Sie unseretwegen sonst noch Sorgen, Mister?« »Das wird sich finden. Für die Lady habe ich noch einen Kabinenplatz. Aber Sie, Gentlemen, müssen sich einen Platz an Deck suchen. Wir sind voll. Kommen Sie in mein Office, um die Passage zu zahlen. Ich werde dreihundert Dollar kassieren.« »Die habe ich in der vergangenen Nacht den Lassitters beim Poker abgenommen.« Clay Roberts grinst. Der Zahlmeister der Morning Star aber grinst hart zurück und erwidert: »Ich habe gleich gerochen, dass Sie ein Spieler sind, Mister. Nun gut, auch hier an Bord wird gespielt. Wir haben nichts gegen ehrliche Spieler.« Er geht nun voraus. Und er fragt nichts, gar nichts. Aber seine letzten Worte waren eine Warnung. Nachdem Clay Roberts gezahlt hat, begleitet der Zahlmeister Jessica zu einer der Kabinen. Clay Roberts und Pernel Scott aber bleiben an der Reling des Hauptdecks zurück. Sie spucken wieder einmal gemeinsam in den Strom. Dann fragt Roberts ruhig: »Wie viel Geld haben wir, wenn wir zusammenlegen?« 110
Und weil Pernel nicht sogleich erwidert, spricht er weiter: »Ich habe noch über drei hundert Dollar in meinem Geldgürtel – meine eiserne Reserve, die jeder Spieler haben muss, wenn er kein Narr ist. Was könntest du herausrücken, Pernel, mein Freund?« »Die gleiche Summe, Clay.« »Ich werde sie brauchen, Pernel. Und du bekommst sie morgen schon zurück.« Er verstummt, und wirkt sehr überzeugt von sich und ganz und gar siegessicher. Pernel Scott grinst ihn an und erwidert: »Wenn nicht ein Bursche wie dieser Zane Skinner an Bord ist. Na gut, ich will an dich glauben.« Es ist nach Mitternacht, als Jessica und Pernel auf den Kabinengang hinaustreten, um an der Reling frische Luft zu schöpfen. Denn drinnen ist alles vollgequalmt und voller Mief. Jessica sagt nach einer Weile: »Er spielt und gewinnt wieder und benimmt sich so, als hätten sie ihn nicht von Bord der Missouri Lady gejagt. Er glaubt wieder an sich und sein Spielerglück. Es hat seinem Selbstbewusstsein nicht geschadet. Aber ich habe einige Sorge, Pernel, mein Freund.« Dieser schweigt eine Weile.
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Dann erwidert er ruhig: »Jessy, er steckt in der Klemme. Denn er versprach dir die ganze Welt und das große Abenteuer. Doch das kostet Geld, viel Geld. Und das zu bekommen, war er schon auf dem besten Weg. Wir mussten einen großen Pott auf dem Pokertisch zurücklassen. Das waren mehr als zwanzigtausend Dollar. Fast hätte er sie gewonnen, die Einsätze von vier Spielern und seine eigenen. Zwanzigtausend Dollar … Damit hätte er die Missouri Lady ohne Ladung kaufen können. Nun steht er wieder am Anfang, weil er dir immer noch die ganze Welt zeigen will.« Sie nickt langsam und nachdenklich. »Ich gehe schlafen«, murmelt sie nach einer Weile. »Bleibst du in seiner Nähe, Pernel? Sonst müsste ich …« »Nein, geh nur! Ich achte auf ihn. Er ist nicht allein. Er spielt mit hartgesottenen Burschen. Und immer gibt es welche, die nicht verlieren können.« Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn auf die Wange. Dankbar murmelt sie: »Ich bin so froh, dass du bei uns bist, Pernel.« Dann verlässt sie ihn. Er aber fährt sich mit den Fingerspitzen über die Wange, wo er immer noch ihren hingehauchten Kuss spürt. 112
Dann geht er zurück in den Saloon, wo Clay Roberts mit vier hartgesottenen Spielern beim Poker sitzt. Von der Bar aus, mit einem Drink in der Hand, beobachtet er das Geschehen in dem dicht gefüllten Raum mit der rauchgeschwängerten Luft. An allen Tischen wird gespielt, versuchen die Passagiere der Morning Star ihr Glück. Was sollten sie auch sonst hier an Bord tun? Denn die Eintönigkeit auf dem Strom ist kaum noch zu überbieten. Sie alle hier würden einander anöden, ihre Gesichter bald nicht mehr sehen können. Und manche würden sich zu hassen beginnen. Und so spielen sie, hoffen auf das Glück mit den Karten, beim Roulette oder an den Würfeltischen. Die meisten dieser Leute sind ja Glücksjäger, Abenteurer. Und so zeigt sich das auch beim Glückspiel in den Nächten. Denn bei Tag gibt es ein wenig Abwechslung. Man kann an der Reling stehen und hat das Ufer zu beiden Seiten. Die Landschaft wechselt ja ständig. Es gibt ständig neue Eindrücke. Manchmal hat die Morning Star Mühe, Sandbänke zu umfahren, sich Kanäle zu suchen. Einige Male sitzen sie fest. Dann müssen sie »Spieren« arbeiten. Diese Spieren sind zu vergleichen mit Stelzen.
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Die Morning Star setzt also Spieren ein, lange Hebebäume, die sich rechts und links vom Heck befinden und von denen starke Leinen zu den beiden Dampfwinden führen. Man setzt diese Hebebäume mit den unteren Enden ein Stück voraus auf den Grund und beginnt dann mit den Dampfwinden zu ziehen. Dann hebt sich das ganze Schiff ein wenig und wird einige Yards vorwärts über die Untiefe hinweggezogen. Alle Passagiere müssen sich dann achtern versammeln, um das Schiff hinten zu beschweren. Dann taucht nämlich das Heckschaufelrad tiefer ein, und die Schaufeln bekommen mehr Widerstand. Es ist ein mühsames Vorwärtsstaken, das manchmal einen halben Tag dauert. Zum Glück kommt die Morning Star immer wieder frei. Denn sonst müsste ein Teil der Fracht entladen, stromauf geschafft und später wieder an Bord genommen werden. Nun, Pernel Scott beobachtet also wieder einmal mehr das Leben und Treiben der sehr gemischten Gesellschaft an Bord. Und er kann immer wieder erkennen, dass Clay Roberts zumeist gewinnt. Ja, Roberts ist einer dieser Berufsspieler mit einem besonderen Sinn und einer fast hellseherischen Gabe,
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einem Ahnungsvermögen, einer Witterung oder wie man es auch sonst nennen mag. Pernel glaubt nicht, dass Roberts ein Falschspieler ist. Denn er gewinnt auch, wenn seine Gegenspieler die Karten austeilen. Es muss ganz einfach an seinem Ahnungsvermögen liegen, das ihm sagt, ob der Gegenspieler blufft oder wirklich ein gutes Blatt hält. Aber eigentlich ist Poker ja nichts anderes als ein Bild oder Gleichnis des Lebens. Denn überall im Leben der Menschen wird geblufft, macht man dem anderen etwas vor und versucht sich gegenseitig auszutricksen. Und selbst die so genannten Gutmenschen kennen oft genug keine Gnade, um ihre Ziele zu erreichen. Wieder einmal wird Pernel Scott sich über die Menschen etwas klarer, indes er von der Bar her das Geschehen an den Spieltischen beobachtet. Es sind auch einige Frauen an Bord. Frauen, die sich alle Mühe geben, seriös zu wirken. Dennoch gehören die meisten zu jener Sorte, die man kaufen kann, wenn nur der Preis stimmt. Es ist gegen Morgen, als der Spielbetrieb endet. Denn der kleine Saloon der Morning Star muss nun gelüftet und zum Speisesalon umfunktioniert werden. Besonders die Deckpassagiere, von denen viele nicht genug Geld zum Spielen haben und deshalb 115
dem Spielbetrieb fern blieben, wollen abgefüttert werden. Sie drängen bei Sonnenaufgang herein und schimpfen zumeist über das Essen, weil sie ihrer Meinung viel zu viel Passage bezahlen mussten. Pernel sieht, wie Clay Roberts seinen Gewinn zählt, die Scheine und das Hartgeld sortiert und in seiner Kleidung unterbringt. Er folgt ihm dann hinaus an die Reling. Die helle Nacht beginnt zu sterben, verwandelt sich in ein Grau ohne Farben und Schatten. Die Morning Star fährt nun langsamer, vorsichtiger. Vorn am Heck steht der Bootsmann und achtet auf treibende Hindernisse. Dann brüllt er zum Ruderhaus hinauf: »Backbord! Steuerbord!« Und die Morning Star ändert sofort den Kurs. Es ist ein ziemlich riskantes Fahren stromauf in dieser grauen Stunde. Pernel Scott und Clay Roberts verharren eine Weile schweigend nebeneinander. Eigentlich wurden sie fast so etwas wie Freunde. Ja, sie spüren eine gewisse Sympathie füreinander, obwohl sie doch sehr verschieden sind. Roberts ist ein Glückspieler und Abenteurer, dazu noch ein Revolvermann, der schon mehrfach auf seinen Wegen getötet hat. Eigentlich ist er ein zweibeiniges Raubtier, ständig auf der Suche nach Beute. 116
Doch er ist kein Falschspieler. Bei ihm hat jeder seine Chance, er muss nur besser sein. Doch so ist das Leben. Pernel hört Roberts neben sich sagen: »Jetzt wird es gefährlich für mich. Ich habe die Taschen wieder voller Geld. Und unter den Deckpassagieren sind einige böse Finger. Nach jeder Nacht brauche ich einige Stunden Schlaf. Pernel, du musst meinen Schlaf bewachen. Sonst rauben sie mich aus, wenn ich irgendwo liege. Es ist leicht, einem Schläfer was auf den Kopf zu schlagen. Aber ich brauche den Schlaf, weil ich mich sonst beim Spiel nicht konzentrieren kann.« »Ich werde dich bewachen wie ein Baby«, verspricht ihm Pernel. »Hast du diese Nacht viel gewonnen?« »Mehr als tausend Dollar. Doch bald wird niemand mehr mit mir spielen. Es spricht sich schnell herum, dass ich zumeist gewinne. Was war mit Jessica? Sie verschwand so früh in dieser Nacht.« »Jessica macht sich Sorgen, Clay. Sie befürchtet, dass du zu viel riskierst, weil du ihr versprochen hast, ihr die ganze Welt zu zeigen, gewissermaßen vor die Füße zu legen. Wahrscheinlich will sie das gar nicht mehr. Denn sie fürchtet sich davor, dass du an einen zweiten Zane Skinner geraten könntest. Clay, wir beide wissen doch, dass keiner von uns 117
unbesiegbar ist. Es gibt eines Tages stets den besseren Mann, von dem man vernichtet wird, wenn man sich ihm stellt. Jessy hat Angst um dich. Sie sagte zwar, dass sie schlafen wolle, aber ich wette mit dir, sie konnte das gar nicht, zumal die alte Frau, mit der sie die Kabine teilt, schrecklich schnarcht.« Als Pernel verstummt, da schweigen sie eine Weile. Mehrmals spuckt Roberts in das vorbei rauschende Wasser. Es ist ein verächtlich wirkendes Spucken. Dann aber spricht er hart: »Pah, ich kann mich überall und gegen jeden Mann behaupten. Und jener Zane Skinner, der mich reinlegen wollte mit einer fünften Dame, der ist tot, oder?« Er wendet sich ab und spricht über die Schulter: »Ich lege mich dort zwischen die Brennholzstapel. Bewache mich und unser Geld also wie ein Baby!« Er geht lachend davon. Pernel bleibt an der Reling zurück, lehnt nun mit dem Rücken daran. Sie haben eigentlich ein primitives Leben hier an Bord, sind zusammengepfercht wie eine Herde, unter der sich Raubtiere befinden. Aber wenigstens hat Jessica einen Kabinenplatz bekommen. Einige Frauen hatten kein Geld dafür. Sie nächtigen mit ihren Männern an Deck, suchen in 118
geschützten Winkeln Plätze und hoffen auf das baldige Ende der langen Reise stromauf und auf das Glück in den Goldfundgebieten in der Last Chance Gulch, in den Bitter Roots und im Gallatin Valley. In Pernel Scott ist ein bitteres Bedauern, und er fragt sich wieder einmal mehr, warum sich Jessica ausgerechnet in Clay Roberts verliebt hat. Zugleich bewundert er ihren Vater Morgan McKenzie, der den Spieler richtig einschätzte und dafür sorgte, dass seine Tochter nicht ohne Schutz sein würde, sollte Roberts zum Verlierer werden. Wieder einmal fragt er sich, was die Zukunft wohl bringen mag. Jedenfalls wird er nicht für immer bei dem Paar bleiben können. Was soll er denn tun, wenn die beiden eines Tages irgendwo an der Westküste ein Seeschiff besteigen wollen, um die Welt zu sehen! Denn das hat Clay Roberts seiner Frau ja versprochen. Ja, was wird er dann tun? Immer wenn er sich das fragt, da verspürt er Bitterkeit. Denn seine Barmittel würden nicht reichen, um bei ihnen bleiben zu können. Was dann? Er ist kein erfolgreicher Spieler wie Roberts. Er kann kein Vermögen mit den Karten erwerben. Die 119
tausend Dollar von McKenzie sind bald verbraucht, auch wenn er sie beim Black-Jack ein wenig vermehren konnte, weil die Kartenausteilerin, mit der er schließlich schlief, ihm mehr als gewogen war. Pernel sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. Er wird Jessica eines Tages entweder ohne seinen Schutz lassen oder verhindern müssen, dass Clay Roberts mit den Karten ein Vermögen macht. Die Tage und Nächte vergehen. Doch dann haben sie Glück. Es werden bei Fort Buford einige Kabinen frei, weil zwei Offiziersfamilien von Bord gehen. So können Jessica und Clay Roberts eine Doppelkabine belegen und Pernel eine der wenigen Einzelkabinen bekommen. Jetzt geht es ihnen besser. Sie können sich nun auch äußerlich mehr pflegen. Doch in Fort Buford – etwa noch siebenhundert Meilen von Fort Benton – dem Endpunkt der Schiffsreise, entfernt, – da kommt ein Mann an Bord, mit dem Clay Roberts schon in der ersten Nacht am Spieltisch zu tun bekommt.. Der Mann ist kein zweiter Zane Skinner, o nein. Aber durch ihn verändert sich alles.
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11 Jake Turnbull und seine drei Revolvermänner üben mehr und mehr eine Diktatur aus, also die Willkürherrschaft eines Einzelnen. Und dieser Einzelne ist Jake Turnbull. Denn er gibt die Befehle. Seine drei Getreuen führen sie aus mit Hilfe angeworbener Revolverschwinger. In diesen Tagen und Wochen eignen sich Turnbull und die Turnbull Enterprise – es ist die umbenannte Callahan Enterprise – einige Minen und ertragreiche Claims an. Menschen verschwinden. Das ClaimOffice brennt ab, sodass die Register vernichtet werden und es Minen- und Claimbesitzern sehr schwer wird, ihre Ansprüche zu beweisen. Steuern werden erhoben. Und wer aus der Bitter Roots Gulch herauswill, der muss beweisen, dass er seine Goldausbeute redlich erworben hat. Jake Turnbull fällt als Richter immer wieder die nichts anderes sind als Urteile, himmelschreiendes Unrecht. Natürlich beginnt es in der ganzen Gulch unter den mehr als dreitausend Menschen zu gären, denn 121
sie beginnen mehr und mehr zu begreifen, dass sie in einer großen Falle sitzen. Doch die Masse von Goldsuchern, Minenbesitzern und deren Arbeitern besitzt keinen Anführer. Niemand wagt es mehr, etwas gegen die Willkür in Gang zu bringen. Der rasche Tod von Alvah Jennison, der sich zum Anführer von Vigilanten machen wollte, schreckt alle anderen Rebellen gegen das Unrecht ab. Jake Turnbull und dessen drei Schergen, die ja gewissermaßen mit den drei Köpfen des sagenhaften Höllenhundes zu vergleichen sind, haben dennoch einige Sorgen. Es geht um die Beute des Callahan Clans. Sie haben die Callahans besiegt und dann abziehen lassen. Und sie haben auch genau überprüft, was die Callahans in ihren Wagen transportierten. Es war kein Gold und waren auch keine Dollars unter deren Habseligkeiten. Auch der Geldschrank war bis auf etwas Kleingeld leer. Aber der Callahan Clan und die Callahan Enterprise hatten Beute gemacht. Wo ist diese Beute? Das ist die ständige Frage, die Jake Turnbull und seinen drei Schießern keine Ruhe lässt. 122
Enterprise, dies bedeutet ja so viel wie Unternehmung. Und die Callahans hatten eine Menge auf die Beine gestellt. Doch wo ist der Gewinn? Sie suchen und suchen all die Tage und Nächte. Denn es muss ein Versteck geben irgendwo im großen Haus, das aus Bruchsteinen gemauert ist und auch einen Keller hat. Es ist dann Jake Turnbull selbst, der zum wiederholten Mal den schweren Geldschrank öffnet, in dem sich nur eine kärgliche Beute befand. Es ist ein feuersicherer Tresor mit einer sechsfachen Verriegelung, die mit einem Drehrad zu öffnen ist, wenn die Zuhaltungen entsperrt sind. Es sind vierundzwanzig Zuhaltungen, denn der Doppelbartschlüssel hat vierundzwanzig verschiedene Zacken. Und jeder dieser Zähne entriegelt eine der Zuhaltungen, gibt so die Entriegelung frei. In den Fächern des Tresors liegt nun die bisherige Beute der Turnbull-Bande. Ja, man muss sie wohl als Bande bezeichnen, auch wenn sie Marshalsterne tragen und ihr Anführer sich zum Richter ernannte. Sie sind eine Bande, die eine Diktatur errichten konnte, weil eine feige, unentschlossene und uneinige Herde keinen Aufstand wagte. 123
In den Fächern liegen viele kleine Lederbeutel, gefüllt mit Goldstaub oder Nuggets. Jeder Beutel beinhaltet ein Kilo Gold. Aber Gold ist schwer, schwerer noch als Blei. Es benötigt nicht viel Platz im Tresor. Auch Bargeld liegt im Tresor. Jake Turnbull kann mit der bisherigen Beute zufrieden sein. Er betrachtet die gefüllten Fächer gierig. Denn er will mehr, sehr viel mehr. Sein Blick fällt auf den Boden des Tresors, und er sieht eine Stahlplatte, auf die er sich stellen könnte, würden nicht die Fächer sein. Ja, er könnte sich in den Tresor stellen. Man könnte ihn darin einsperren wie in einem Schrank. Und als er noch auf den Boden starrt, da sieht er etwas, was er zuerst nicht glauben will. Es sind Ameisen. Kleine, fast winzige Ameisen. Es gibt ja zahlreiche Arten von Ameisen. Diese hier – er zahlt sieben Stück – gehören zu der kleinsten Sorte. Sie kommen aus einer winzigen Ritze, und als Turnbull dies erkennt, da wird ihm sofort klar, dass die Bodenplatte nicht fest mit dem darauf stehenden Tresor verbunden ist. Und so kniet er nieder, holt sein Messer hervor und versucht mit der Schneide in die Ritze zu
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gelangen. Er zieht die Messerspitze dann in der Ritze entlang. Und da passiert es. Der Boden klappt mit Federkraft nach oben und gibt ein quadratisches Loch frei. Er muss mit der Messerspitze eine Feder entriegelt haben. Und nun sieht er die ganze Beute des Callahan Clans, die dieser nicht mitnehmen konnte. Ja, hier ist alles gelagert, war unter einem fast leeren Tresor versteckt. Jake Turnbull pfeift leise. Dann grinst er und murmelt: »Das ist ein schlaues Versteck. Darauf wäre selbst ich nicht gekommen – ohne die Hilfe der Ameisen.« Er sieht, dass sich noch mehr von den winzigen Geschöpfen in dem Loch befinden, irgendwie von unten eingedrungen durch das Erdreich unter dem Haus. Und er sieht auch, dass die Tierchen schon damit begonnen haben, das Papiergeld anzufressen. Und so flucht er und holt alles heraus: Gold, Hartgeld und Bündel von Banknoten. Er zerquetscht dabei alle Ameisen, die ihm zwischen die Finger geraten, kennt kein Gefühl der Dankbarkeit. Es zählt für ihn nicht, dass ihm die Tierchen das Versteck der Callahan-Beute verrieten.
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Doch so ist er nun mal, dieser Höllenhund Jake Turnbull. Er denkt nun jäh und scharf an Oldman Ike Callahan, den Anführer des Clans. Und plötzlich weiß er, das die Callahans irgendwann zurückkommen werden, um sich ihre Beute zu holen. Es war falsch, sie nicht alle getötet zu haben. Niemals hätte er sie abziehen lassen dürfen. Jake Turnbull erhebt er sich fluchend. Er sieht nun schwere und gefährliche Zeiten auf sich zukommen. Denn die Menschen in der Gulch und in der Stadt werden sich bald zu einem Sturm des Zorns vereinen. Es wird nicht immer möglich sein, ihren Anführer abzuschießen. Aber er will noch nicht aufgeben. Ein Entschluss, der sich als sehr verhängnisvoll erweisen wird. Denn würde seine Gier nach Beute nicht seinen sonst so scharfen Instinkt betäuben, dann wäre er noch in dieser Stunde mit seinen drei Kumpanen und der bisherigen Beute abgehauen. Aber sein Gespür hat ihn angesichts der Riesenbeute der Callahans verlassen, zumal er sich gerade jetzt so mächtig fühlt wie der Höllenhund Zerberus mit den drei Köpfen.
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In seinem Triumph- und Machtgefühl verspürt er ganz stark den Wunsch nach einer besonderen Belohnung für sich. Er schließt den Tresor wieder und tritt wenig später hinaus auf die staubige Straße. Susen McKay kommt mit einem Einkaufskorb vom Store schräg über die Fahrbahn und will zum Gulch City House, wo sie ja bei Oven Hardin lebt. Eilig will sie an Jake Turnbull vorbei, vor allem, als sie in dessen Augen das Feuer der Begierde brennen sieht. Aber sie erwidert seinen Blick kühl. Doch er spricht: »Komm zu mir! Dein Name ist Susen McKay, nicht wahr? Und du bist immer noch eine Hure, obwohl du jetzt bei Oven Hardin lebst. Ich will dich jetzt auf der Stelle. Also komm! Ich bin besser als Fat Hardin, sehr viel besser. Komm!« Sie möchte die Flucht ergreifen und weiß zugleich, dass dies dumm wäre. Denn selbst Oven Hardin fürchtet sich vor diesem Mann. Was kann sie also tun? Ja, sie war einmal eine Hure. Doch jetzt fühlt sie sich nicht mehr als solche. Denn sie liebt Oven Hardin wahrhaftig. Und so spricht sie zu Jake Turnbull empor: »Mister Turnbull, ich bin keine Hure mehr. Ich gehöre zu Mister Hardin. Bitte respektieren Sie das.« Aber er schüttelt den Kopf. 127
»Eine Hure bleibt eine Hure«, sagt er und grinst. »Und du wirst mich jetzt oben verwöhnen. Also komm!« Sie starrt in seine harten Augen und begreift, dass er wahrscheinlich auch Oven Hardin demütigen will. Und so sagt ihr der Verstand, dass sie gehorchen muss. Denn Turnbull ist ein Despot. Seine Willkür herrscht hier in der Stadt und in der Gulch, aus der es nur einen einzigen Ausweg gibt, wenn man erst einmal in sie hineingeraten ist. Ja, er ist hier der Höllenhund und Wächter der Unterwelt, von den Griechen Hades genannt, der das Reich der Toten ist. Susen hat niemals etwas über griechische Mythologie gehört. Sie weiß nichts darüber. Doch selbst wenn sie es wüsste, so könnte sie sich die ganze Gulch nicht als Totenreich vorstellen. Sie folgt Jake Turnbull ins Haus der Turnbull Enterprise und die Treppe hinauf nach oben. Und oben denkt sie: Nun gut, du verdammter Mistkerl, dich werde ich auch noch ertragen wie all die anderen Kerle vor dir. Und sie weiß nicht, dass Oven Hardin wieder einmal auf dem Balkon seines Tingeltangel House steht und sehen kann, wie sie Turnbull scheinbar freiwillig folgt und mit ihm im Turnbull Enterprise House verschwindet. 128
Es ist schon Abend, als Susen McKay zu Oven Hardin in dessen Wohnung über der Amüsierhalle tritt. Er sitzt im Sessel am Tisch und legt beim Lampenschein eine Patience aus, hat eine halb leere Fasche Brandy in Reichweite stehen und starrt sie unter seiner gesenkten Stirn und den buschigen Augenbrauen finster an. Sie schließt die Tür hinter sich und lehnt sich dagegen. Am Arm trägt sie den Einkausfkorb. Als sie etwas sagen will, spricht er mit trunkener Stimme heiser: »Raus hier! Du bist immer noch eine Hure. Raus hier! Ich will dich nicht mehr sehen.« Sie möchte ihm alles erklären, doch sie weiß, dass es keinen Sinn hätte. Er ist zu betrunken und fühlt sich verraten und gedemütigt. Der letzte Rest seines Stolzes wurde verletzt. Und so geht sie stumm. Sie wird sich wieder an andere Männer verkaufen, um hier leben zu können, bis sie genügend Reisegeld und eine Gelegenheit zur Flucht hat. In ihrem Kern aber wächst der Hass auf Jake Turnbull.
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12 Nun, es kommt also bei Fort Buford ein besonderer Mann an Bord mit wenigen anderen Passagieren. Aber diese zählen nicht. Es sind Glücksjäger, Trapper und Handelsreisende, die alle bis Fort Benton wollen, das früher ein Handelsfort war, jetzt aber eine Stadt wurde und das Ausfalltor zum Goldland ist. Der Mann, auf den es in dieser Geschichte ankommt, heißt Thorne Henderson. Und er ist äußerlich ein blonder Riese skandinavischer Abstammung, ein Sieger- und Gewinnertyp, dem man zutraut, dass er alle Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen, überwinden kann. Und er ist ein Spieler wie Clay Roberts. Deshalb ist es ganz selbstverständlich, dass sich Roberts und Henderson schon in der ersten Nacht inmitten einer Pokerrunde an einem Tisch gegenübersitzen. Denn an keinem anderen Pokertisch wird so hart gespielt wie an diesem. Hier haben sich die besonders harten Spieler versammelt, für die Poker eine Herausforderung ist, die große Möglichkeit, sich selbst etwas zu beweisen. 130
Es wird im Verlauf der Nacht immer klarer, dass sich Clay Roberts und Thorne Henderson als spezielle Gegner empfinden, so als hätten sie auf ihr Zusammentreffen gewartet, weil es ihnen vom Schicksal so bestimmt wurde. Aber die erste Nacht endet unentschieden. Nur die drei anderen Mitspieler erleiden Verluste. Doch die können sie verschmerzen, denn sie sind reiche Minenbesitzer, die ihre Goldausbeute persönlich nach Fort Buford brachten, sich also zusammenschlossen gegen die Goldwölfe, die auf allen Wegen lauern. Auch in der zweiten Nacht bleibt die Morning Star im Strom und dampft mit sechs Meilen in der Stunde ihrem Endziel entgegen. Sie wird bis Fort Benton noch etwa hundertundzwanzig Stunden brauchen – vielleicht aber auch zweihundert, wenn die Nächte dunkel sind oder es andere Schwierigkeiten gibt Nun, lieber Leser dieser Geschichte, um es kurz zu machen und nicht all die Pokerstunden zu schildern, die während der langen Fahrt stattfanden, soll hier nur noch das letzte und entscheidende Spiel kurz vor Fort Benton und schon oberhalb des Citadel Rock erzählt werden. Der Gewinner in den letzten Nächten war stets Clay Roberts. 131
Der Verlierer war Thorne Henderson, weil er nicht aufgeben konnte. Auch diesmal will er sich nicht aus dem Spiel bluffen lassen. Denn schließlich hat er einen Vierling in der Hand: vier Buben und ein Ass. Es gibt von den insgesamt zehn möglichen Kombinationen nur noch zwei höherwertige, nämlich einen Straight Flush und einen Royal Flush, und das ist ein Flush mit einem Ass als höchstem Wert. Thorne Henderson glaubt an seinen Vierling. Wer würde das nicht tun an seiner Stelle? Denn ein Flush ist so selten, dass – wie es Mathematiker ausgerechnet haben – über mehr als sechshunderttausend Mal gegeben werden muss, um ihn zu bekommen. Thorne Henderson will es also wagen. Und so zeigt er auf den Geldhaufen in der Mitte und fragt: »Was muss ich bringen, um im Spiel bleiben zu können?« Die Frage ist an Clay Roberts gerichtet, denn die drei anderen Mitspieler stiegen längst schon aus, passten verbittert. Clay Roberts blickt abschätzend auf den Geldhaufen.
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Dann zuckt er mit den Schultern und erwidert: »Fünfzehntausend Dollar, denke ich. Aber wir können ja auch nachzählen.« »Nicht nötig!« Thorne Henderson grinst. »Ich könnte den halben Anteil einer Goldmine einbringen. Nur müssten Sie das akzeptieren, Mister, mir also vertrauen. Ich bin unterwegs zu dieser Goldmine. Mein verstorbener Bruder hat sie mir vererbt. Hier ist sein von Zeugen beglaubigter Brief. Ich bin nach einer Stadt unterwegs, deren Namen Bitter Roots Gulch City ist. Und in der Gulch soll die Mine liegen. Es gibt dort einen Vormann und zwei Dutzend Arbeiter. Das steht alles in dem Brief.« Nach diesen Worten holt Thorne Henderson einen Umschlag hervor und wirft ihn über den Tisch vor Robert Platz. Doch Clay Roberts blickt nur kurz auf den Umschlag, dann aber fest in Thorne Hendersons stahlblaue Augen. Dann sagt er knapp: »Ich habe Ihr Wort, Henderson?« »Sie würden mir vertrauen?« Clay Roberts nickt kurz. »Habe ich es oder nicht?« »Ja, ich gebe Ihnen mein Wort, dass Sie mein gleichberechtigter Partner an der Mine sind. Ich werde das auf meines Bruders Brief, der ja sein Testament ist, vermerken. Und alle hier am Tisch 133
werden als Zeugen unterschreiben. Gut so, Gentlemen?« »Sie müssen ein verdammt gutes Blatt haben«, murmelt einer der Männer. »Und Sie, Roberts, warum vertrauen Sie ihm?« So fragt ein anderer. Roberts grinst. »Manchmal trifft man auf einen Mann«, erwidert er, »bei dem einem der Instinkt sagt, dass man ihm vertrauen kann.« »Und wenn man sich täuscht?« So fragt der andere Mitspieler. »Dann…« Clay Roberts spricht nicht weiter. Denn seine weiteren Worte wären eine Drohung. Und einem Mann wie Thorne Henderson sollte man nicht drohen. Das hat Roberts längst begriffen. Henderson nickt ihm zu. Dann holt er den Umschlag zu sich heran, öffnet ihn, nimmt ein Schreiben heraus und bringt auch einen Kopierstift zum Vorschein. Als er Roberts das Geschriebene zeigen will, winkt dieser ab. Dann decken sie auf. Und die Spannung löst sich mit einem mehrstimmigen Stöhnen der Zuschauer, die nun den Pokertisch umgeben. 134
Denn sie sehen einen Vierling mit einem Ass und einen Royal Flush. Clay Roberts wendet sich zu Jessica um, die wieder hinter ihm steht. »Du hast mir abermals Glück gebracht, mein Engel«, spricht er. »Ja, Sie sind wahrhaftig ein Glückspilz.« Thorne Henderson grinst blinkend im Lampenschein. Dann fragt er: »Und wer gehört noch außer Ihnen und Ihrer wunderschönen Frau zu uns?« Clay Roberts deutet über seine Schulter hinweg auf Pernel Scott, der neben Jessica steht. »Das ist Mister Scott«, sagt er. »Er ist mein Freund. Und wir alle kommen mit Ihnen, Mister Henderson.« »Thorne, nennen Sie mich Thorne, Partner. Gewiss ist es gut, wenn ich mich nicht allein in diese Gulch wage. Das schrieb mir mein Bruder ebenfalls in diesem Brief.« »Und wie alt ist dieser Brief? Und wer schickte ihn?« »Sein Vormann und unser väterlicher Freund. Der Brief ist vor vier Monaten geschrieben worden. Er wurde mir nachgeschickt, denn ich war viel unterwegs. Noch weitere Fragen, Clay?«
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»Nein, keine mehr – vorerst nicht«, erwidert dieser und fügt dann hinzu: »Wir sind verdammt neugierig auf diese Gulch. Wie kommen wir hin?« »Von Fort Benton aus soll es einige Post- und Frachtlinien in die Goldfundgebiete geben.« Als Thorne Henderson verstummt, da sieht er noch einmal alle nacheinander an. Sein Blick bleibt auf Pernel Scott hängen. »Sind Sie auch ein Spieler?« So fragt er schließlich. »Nein, eigentlich bin ich ein Cowboy.« Pernel grinst und zeigt ihm die Lassonarben auf seinen Handrücken. Es ist ein wenig später, als Pernel Scott wieder einmal im Morgengrauen an der Reling steht und die frische Morgenluft einatmet. Jessica tritt neben ihn und legt ihre Unterarme auf die Reling, blickt hinunter auf das vorbeirauschende Wasser. Dann aber spricht sie: »Pernel, eigentlich weiß ich sehr wenig über dich. Vorhin hast du dich als Cowboy zu erkennen gegeben. Aber du bist unterwegs nach Norden. Lockt dich der Ruf des Goldes, dem ja gewiss Zehntausende folgen? Willst du Gold suchen, um dir eine eigene Ranch kaufen zu können? Oder warum sonst bist du unterwegs wie wir?« 136
Es sind klare Fragen. Und so steht er vor einer Entscheidung. Soll er sie anlügen oder endlich Farbe bekennen, ihr sagen, warum er nun schon so lange bei ihnen ist auf dieser langen Reise? Indes er darüber nachdenkt, wird er sich wieder einmal mehr darüber klar, dass er diese Jessica McKenzie, die ja jetzt Jessica Roberts heißt, mit seinem ganzen Herzen liebt. Es ist nun mal so, und er kann nichts dafür. Sie ist unerreichbar für ihn, denn sie gehört zu Clay Roberts. Dennoch liebt er sie und würde auch dann in ihrer Nähe sein wollen, wenn er nicht den Auftrag dazu bekommen hätte. Sie wendet sich ihm zu. »Gibt es ein Geheimnis, Pernel? Bist du vielleicht auf der Flucht?« »Nein«, erwidert er, holt tief Luft und spricht dann weiter. »Ich bin bei euch, weil dein Vater es so wollte. Er gab mir tausend Dollar Spesen und den Auftrag, über dich zu wachen und dir beizustehen, solltest du Hilfe benötigen. Denn er traute dem Spieler und Glücksjäger Clay Roberts nicht. So ist nun mal die Wahrheit. Ich kann dich nicht länger belügen. Und vor knapp zwei Jahren war ich noch deines Vaters Vormann. Bevor du zu ihm kamst, um bei ihm zu leben auf der großen Ranch, da machte ich mich selbstständig, kaum mehr als zehn Meilen 137
euch entfernt. Ich sah dich zweimal reiten. Aber du hast mich nie wahrgenommen.« »Das hätte ich gewiss getan, wenn wir uns richtig begegnet wären«, murmelt sie und schweigt dann eine Weile. Dann aber fragt sie energisch: »Und jetzt? Was ist jetzt? Glaubst du immer noch, dass Clay mich schrecklich enttäuschen könnte und ich dann Schutz und Hilfe nötig hätte?« »Nein«, erwidert er. »Clay liebt dich und würde sein Leben für dich geben. Das ist es nicht, was mich in eurer Nähe hält als guter Freund.« Sie sieht im grauen Morgenlicht zu ihm auf, und der Wind spielt in ihrem Haar. »Du liebst mich«, murmelt sie dann, »nicht wahr, du liebst mich? Verdammt, es tut mir Leid. Denn ich kann nur einem Mann gehören.« Sie wendet sich ab und verschwindet nach wenigen Schritten in ihrer Kabine. Pernel aber beugt sich über die Reling und spuckt wieder einmal in den Strom, als könnte er so all die Bitterkeit, die in ihm ist, loswerden. Er will nach vorn gehen, um den Wind noch stärker zu spüren, da tritt Clay Roberts aus dem Saloon und stellt sich neben ihn, so wie es zuvor schon Jessica tat.
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»Du bekommst von meinem Anteil die Hälfte«, spricht er. »Denn dann bin ich sicher, einen guten und zuverlässigen Partner zu haben. Denn ich wittere Schwierigkeiten in dieser Gulch. Dennoch will ich die Mine sehen. Eigentlich habe ich nun genug Geld gewonnen, um mit Jessica auf eine Weltreise gehen zu können. Auch unterwegs werde ich immer wieder Lämmer finden, denen ich das Fell scheren kann. Denn mein Spielkapital ist groß genug. Aber mich lockt diese Mine. Und ich bin neugierig auf Thorne Henderson. Muss ich ihn erschießen oder werden wir Freunde, wie du und ich es sind? He, Freund Pernel, Abenteuer machen das Leben süß. Und jetzt wartet Jessica auf mich.« Er verlässt ihn mit eiligen Schritten. Pernel bleibt zurück und bekämpft seine Traurigkeit. Aber dann denkt er: Irgendwann werde ich heimkehren nach Texas und McKenzie sagen, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht, weil Jessica dieses Leben genießt und dass Clay Roberts sie wirklich liebt und sie gar kein anderes Leben führen will. Er geht nun auch in seine Kabine und legt sich angekleidet auf das schmale Lager. Ja, er ist müde und erschöpft nach dieser langen Nacht. 139
Die vielen Geräusche des Schiffes schläfern ihn ein, denn sie sind ja ständig vorhanden wie ein rauschender Wasserfall – nur eben anders. Das mächtige Schaufelrad am Heck rattert monoton. Die Auslassventile fauchen wie böse Untiere, wenn die mächtigen Kolben ihren Endpunkt erreicht haben. Und der ganze Körper des Steamers zittert und vibriert ständig, weil er gegen die starke Strömung ankämpfen muss. Trotz seiner traurigen Bitterkeit schläft Pernel ein.
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13 Es ist zwei Tage später, als sie in Fort Benton mit ihrem wenigen Gepäck von Bord gehen und vor einer großen Tafel anhalten, auf der alle Postlinien die Entfernungen zu den Endzielen ihrer Routen angegeben haben. Und so lesen sie zum Beispiel: Sun River und Fort Shaw 60 miles � Helena 140 miles � Diamond City 175 miles � Bozeman 240 miles � Virginia City 265 miles � und schließlich auch: Bitter Roots Gulch City 361 miles. Es sind noch viele andere Orte mit Entfernungen aufgeführt, doch für sie ist ja nur Gulch City wichtig. Thorne Henderson sagt: »Das wird noch eine lange Reise in einer verdammten Stage.« Aber ein Mann, der neben ihnen an der großen Tafel verhält, der spricht lachend: »Aaah, das geht schneller als auf einem Steamer. Die Kutschen sind 141
sechsspännig und bekommen alle dreißig Meilen frische Pferde. Wohin wollen Sie?« »Gulch City«, erwidert Henderson. »In zwanzig Stunden sind Sie dort«, spricht der Mann. »Ich weiß es, denn ich fahre selber solche Kutschen. Gulch City ist ein böses Nest. Man hört von den Fahrern nichts Gutes.« Der Mann geht weiter. »Wir werden ja sehen«, sagt Thorne Henderson und grinst. »Ja, das werden wir!« Clay Roberts lacht, als erwiderte er eine Herausforderung. Pernel Scott aber schweigt. Und so betrachtet ihn Henderson prüfend und fragt: »He, Cowboy, wie gut bist du mit dem Revolver? Ich möchte es wissen, weil ja viel davon abhängt, ob ich mich auf dich verlassen kann.« Pernel erwidert seinen Blick fest. »Bisher konnte ich mich überall behaupten, Thorne. Wie schnell bist du denn?« Er hat es kaum ausgesprochen, da hat Henderson auch schon seinen Revolver in der Faust. Aber das hat Pernel Scott auch im gleichen Sekundenbruchteil. »He«, stößt Henderson hervor, »ich hätte mir denken müssen, dass du nicht einfach nur ein TexasCowboy bist.«
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Sie setzen sich wenig später in Bewegung und erreichen auf der Uferstraße die Offices der PostLinien und deren Wagenhöfe mit den Lagerschuppen. Überall an den Landebrücken liegen Dampfboote, die Frachten entladen, nachdem die Passagiere ausgestiegen sind. Sie haben Glück. Eine Stunde später nämlich sitzen sie in einer Stage nach Gulch City. Sie nehmen die Rückbank ein. Clay und Pernel haben Jessica zwischen sich genommen. Henderson sitzt eine Bank vor ihnen neben einer Frau, der man ansieht, dass sie wahrscheinlich als Prinzipalin eines Freudenhauses das älteste Gewerbe der Welt betreibt. Ja, man kann es ihr ansehen. Und sie erwidert die Blicke der Mitreisenden mit abschätzender Kühle, lässt erkennen, dass es ihr völlig gleichgültig ist, für was man sie hält. Die Kutsche saust los mit einem stetig trabenden Gespann und ist gewiss doppelt so schnell wie ein Steamer auf dem Strom. Es ist tatsächlich erst dreißig Stunden später an einem Nachmittag, als die Stage den schmalen Zugang zur Bitter Roots Gulch erreicht. Die Öffnung dieses Flaschenhalses ist keine zwanzig Yards breit zwischen hohen Felswänden. 143
Die Kutsche hält neben einem Gatter, das sich in schweren Gehängen öffnen lässt und dann breit genug für schwere Frachtwagen ist. An der Felswand ist eine Wachhütte. Ein Mann mit einem schweren Schrotgewehr erhebt sich von der Bank. Und aus der Hütte treten noch zwei weitere Wächter, die ebenfalls gut bewaffnet sind. Diese Männer tragen Blechsterne, auf denen mit Schlagbuchstaben das Wort DEPUTY eingeschlagen ist. Einer verlangt, dass die Passagiere aussteigen sollen. Sie tun es, und beim Anblick von Jessica lassen die drei »Deputies« Pfiffe hören. Aber dann stellen sie Fragen. Einer sagt dann: »Hier muss man Eintrittsgeld und später Steuern zahlen. Dafür erhält man Sicherheit und Schutz. Also bekomme ich von jedem Zugereisten fünfzig Dollar.« Er sieht die Bordellchefin an und grinst. »He, Sally Bullock, wie war es denn in Fort Benton?« »Das geht dich nichts an, mein Junge«, erwidert sie knapp. »Ich frage dich ja auch nicht, ob du guten Stuhlgang oder Verstopfung hast.« Sie zahlen und können dann alle wieder einsteigen. 144
Die Kutsche fährt weiter durch die Enge und gelangt wenig später in die kleine Stadt, Gulch City wirkt an diesem Nachmittag noch recht ruhig und friedlich. Zwei Jungen mit Handkarren bieten sich an und wollen Gepäck befördern. Sally Bullock hat eine Menge Gepäck. Sie muss in Fort Benton besondere Dinge eingekauft haben, die es hier nicht gibt. Aber der andere Junge bringt die Passagiere mit deren Gepäck zum Hotel. Und so kommt es, dass Jessica und die drei Männer wenig später bei einem späten Mittagessen sitzen. Denn ihr Hunger ist gewaltig. Auch sind sie staubig und verschwitzt. Doch das Stillen ihres Hungers geht vor. Alles andere wird sich gewiss noch ergeben. Es dauert auch nicht lange – sie sind gerade mit dem Essen fertig und sitzen noch beim Kaffee zum Nachtisch –, als sie Besuch bekommen. Auch dieser Mann trägt einen Stern, so wie die Wächter am Gulch-Eingang. Doch dieser Mann ist von einer anderen Sorte. Pernel Scott, Clay Roberts und Thorne Henderson wissen sofort, dass sie einen Revolvermann der allerersten Garnitur sehen. Sie kennen noch nicht
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seinen Namen, aber wüssten sie ihn, dann hieße er Fess Halloway Er hält vor ihrem Tisch an und betrachtet Jessica besonders lange. Dann fragt er fast grob: »Was wollt ihr hier? Was führt euch her?« »Wir werden morgen zum Claim-Office gehen«, erwidert Thorne Henderson. Da schüttelt Fess Halloway den Kopf und grinst. »Das ist abgebrannt. Ihr müsst zu Richter Jake Turnbull. Der hat die Aufgaben und Geschäfte des Claim-Office übernommen, damit alles rechtlich zugeht. Ihr müsst zu Richter Turnbull.« Nach diesen Worten geht Fess Halloway wieder. Henderson aber murmelt: »Der ist ein böser Finger. Und wenn das Claim-Office abgebrannt ist, dann rieche ich eine Menge Verdruss.« Jessica aber sagt: »Ich will eine Badewanne auf unser Zimmer, Clay. Ob das hier möglich ist?« »Darauf kannst du wetten, mein Engel«, erwidert er und sieht dann Henderson an. »Wir sollten herausfinden, wo unsere Mine liegt. Dieser mächtige Canyon mit den Steilwänden ist sehr lang.« Als sie am nächsten Morgen beim Frühstück sitzen, da wirken sie wie neu. Besonders Jessica bietet einen 146
hinreißenden Anblick. Ihr Haar glänzt wieder. Sie konnte sich nach der langen Reise endlich einmal wieder richtig pflegen. »Ich muss im Store einige Einkäufe machen, indes ihr die Mine sucht«, spricht sie zu den drei Männern, die mit ihr am runden Frühstückstisch sitzen wie drei Ritter bei ihrer Königin. Clay Roberts grinst und spricht: »Ja, mach dich nur noch schöner. Dann werden dir alle Burschen hier nicht nur zu Füßen liegen, sondern diese auch noch küssen. Verdrehe nur nicht zu vielen die Köpfe.« Sie lachen und sind in guter Stimmung. Die drei Männer machen sich dann auf den Weg zum Mietstall. Und wie sie so nebeneinander mitten auf der Straße schreiten, da wirkt dies wie ein Auttritt, der Eindruck machen soll auf dieser Bühne, die sich Gulch City nennt. Ja, diese kleine Stadt ist wie eine Theaterbühne, auf der jeder Auftritt registriert und beobachtet wird – auch jetzt am frühen Morgen, da alles hier erst noch in Gang kommt. Gulch City wird sich beim Anblick dieser drei Fremden irgendwie bewusst – oder beginnt es zu ahnen –, dass sich etwas verändert hat. Nur Jake Turnbull und dessen drei Revolvermänner bekommen dies noch nicht mit. 147
Denn nach der langen Nacht voller Sünden, in der sie alles unter Kontrolle halten mussten, schlafen sie noch und verlassen sich auf ihre Deputies. Und diese können auch nur beobachten und abwarten. Pernel Scott, Clay Roberts und Thorne Henderson biegen wenig später in den Hof des Mietstalls ein, indes nebenan in der Schmiede die ersten Hammerschläge erklingen. Und das hört sich irgendwie gut an, fast wie Glockenklang. Denn der Handhammer des Schmiedes gibt für den Zuschläger immerzu auf dem Amboss den Takt an. Zuerst schlägt er auf das glühende Schmiedestück dorthin, wo der Zuschläger den schweren Zuschlaghammer schlagen soll, dann aber schlägt er auf den Stahl des Amboss’. Und das klingt hell wie ein Glockenschlag. Doch in Gulch City ist man an diese Morgenmusik längst gewöhnt. Der Schmied hat für die Minen viel zu tun, und auch für die Post- und Frachtlinie. Als die drei Partner – so muss man sie wohl bezeichnen – in den vorderen Raum des Stalles treten, kommt ihnen der Stallmann mit einer Schubkarre aus dem Hintergrund des Stalles entgegen. Auf der Schubkarre dampft der Pferdemist. Der kleine, gedrungene Stallmann stellt die Karre ab. 148
»Was soll’s denn sein?« So fragt er ziemlich mürrisch, weil er wahrscheinlich an diesem Morgen nicht bei guter Stimmung ist. »Die Henderson-Mine…«, beginnt Thorne. »Wie weit muss man dorthin reiten?« Dies fragt Clay. »Wenn es weiter als eine halbe Meile ist, brauchen wir Pferde«, vollendet Pernel das Gespräch. Der Stallmann bekommt große Augen und kratzt sich hinter dem Ohr. Dann starrt er Thorne Henderson an. »Aha«, beginnt er dann, »jetzt weiß ich es. Ja, Sie sind sein Zwillingsbruder. Sie sehen ihm verdammt ähnlich. Jim Henderson sah so aus wie Sie, bevor er schließlich nach drei Tagen an seiner bösen Wunde starb.« Der Stallmann deutet auf den Schlafverschlag an der linken Wand des Stalles gleich neben dem offenen Stalltor. Es ist nicht nur der Schlafverschlag des Stallmannes, sondern zugleich auch das StallOffice. »Da drinnen schläft Bill Johns seinen Rausch aus«, sagt er. »Und Bill Johns war mal Vormann der Henderson-Mine. Der wartet schon lange auf Jim Hendersons Bruder.« Als der Stallmann verstummt, da verharren sie einige lange Atemzüge. 149
Dann murmelt Thorne: »Eigentlich heißt er ja James, aber…« Er bricht ab und verschwindet nach einigen langen Schritten im Schlafverschlag. Wenig später klingt seine ruhige Stimme: »Einen Eimer voll Wasser! Bringt mir einen vollen Wassereimer, verdammt! Den bekomme ich sonst nicht wach!« Der Stallmann grinst. »Ja, der ist voller Pumaspucke. Die Callahans ließen ihn fast totschlagen. Aber das ist eine lange Geschichte.« Sie hören dem Stallmann nicht länger zu. Pernel holt vom Brunnen einen Eimer voll Wasser und bringt ihn ins Stall-Office. Hier stehen die beiden anderen Männer schon an einem der beidem Strohlager, auf dem ein bulliger Mann liegt und schnarcht. Thorne nimmt den Eimer Wasser und leert ihn über dem Schnarcher aus. Dann sagt er scharf: »Komm hoch, Bill Johns, komm hoch!« Das Schnarchen bricht ab. Dann schnappt jener Bill Johns nach Luft und beginnt Bewegungen zu machen, als würde er Rückenschwimmen. »Alarm! Wassereinbruch im Stollen!« Thorne brüllt es auf den Mann nieder.
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Und da kommt dieser tatsächlich hoch, verharrt schwankend neben dem Lager und sieht sich mit wilden Blicken um. Aber er sieht nur drei grinsende Männergesichter. Und so hebt er seine zitternden Hände, wischt sich über das bärtige Gesicht und lässt ein Stöhnen hören. Dann fragt er heiser: »Oh, Vater im Himmel, bist du das, James Henderson – oder bist du Thorne?« Er nimmt die Hände herunter und starrt Thorne an, indes sich in seinem Kopf alles bemüht, Klarheit zu bekommen. Und irgendwie schafft er es. Denn sein Blick wird klarer, fester. Schließlich grollt seine tiefe Stimme: »Da bist du ja endlich, Thorne.« Dieser erwidert nur: »Ja, ich bin hier, Onkel Bill, ich bin hier. Was ist passiert mit meinem Bruder? Und warum besäufst du dich wie ein ganzer Indianerstamm?« Bill Johns steht vor Nässe triefend vor ihnen. Dann fragt er: »Wer sind die denn?« »Freunde, Bill, Freunde. Was ist passiert?« »Du wirst Freunde brauchen!« Bill Johns grinst. »Es gab hier den Callahan-Clan, und der wollte die Mine deines Bruders. Also haben sie James abschießen lassen. Und mich ließen sie fast totschlagen. Ich war viele Wochen mit all meinen 151
Brüchen und Blutergüssen krank und wurde zum Säufer. Nur Shorty half mir. Der Callahan-Clan übernahm die Mine. Aber dann kam dieser Höllenhund Jake Turnbull und jagte die Callahans zum Teufel. Es ist alles ganz einfach, nicht wahr?« »Und wie…« Thorne stößt es grimmig hervor. Dann fragt er: »Kannst du wieder auf einem Pferd sitzen, Onkel Bill?« »Wenn es nicht galoppiert…« Da wendet sich Thorne und tritt zurück in den Vorraum des Stalles. Hier verharrt der Stallmann neben der »duftenden« Karre und hat einen erwartungsvollen Ausdruck in seinem Runzelgesicht. »Wir brauchen vier Sattelpferde, Shorty!« Thorne grinst böse. »Hoiii, das wird was!« Der Stallmann grinst ebenfalls. Wenig später sieht er den vier Reitern nach. Diese müssen nicht mehr durch die Stadt reiten, denn der Mietstall liegt ja schon am Rande von Gulch City. Und so bekommen die Bürger von Gulch City noch nicht mit, dass der ehemalige Vormann der Henderson-Mine mit den drei Fremden in die Gulch geritten ist.
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Nur der Sattler Phil Boone sagt zu seiner Frau: »Emmilou, ich glaube, der Bruder vor James Henderson ist gekommen. Einer der drei Fremden sah jedenfalls so aus wie James. Vielleicht wird er den schönen Sattel kaufen, den ich für seinen Bruder James anfertigte.«
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14 Sie müssen etwa fünf Meilen die Gulch hinaufreiten, immer an der steilen Wand der Westseite entlang. Es ist noch früher Morgen. Die Sonne wirft ihre warmen Strahlen noch nicht in die gewaltige Schlucht. Aber überall auf den Claims und bei den Minen herrscht schon Bewegung. Auch am Creek bei den Waschanlagen wird gearbeitet. Bill Johns schwitzt den letzten Rest des Alkohols aus und wird immer nüchterner. Einmal, als sie kurz anhalten und sich umsehen, da erklärt er ihnen die Situation, die sie erwartet, mit den Worten: »Unsere Arbeiter sind fast alle noch dort. Denen ist es gleich, wem die Mine gehört und von wem sie ihren Lohn bekommen. Es ist nur ein Revolvermann dort, der mit einem neuen Vormann – meinem Nachfolger – alles in Gang hält.« Sie schweigen zu Bill Johns’ Worten. Doch Thorne verzerrt die Lippen unter dem Bart zu einem grimmigen Zähnezeigen. Als sie vor den Minenstollen reiten und absitzen, kommen von einer der Steinhütten zwei Männer herüber.
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Einer fragt scharf: »Was wollt ihr hier? Dies ist Minengelände, Betreten für Unbefugte verboten!« Der Mann trägt zwei Revolver im Kreuzgurt und ist ohne Zweifel der Revolvermann, den Jake Turnbull als Nachfolger des Callahan Clans hier als eine Art Statthalter eingesetzt hat. Er strömt Gefährlichkeit aus. Der Mann neben ihm trägt eine doppelläufige Schrotflinte. Thorne Henderson sitzt ab und tritt vom Pferd weg. Dann deutet er mit der Linken auf die beiden Männer und spricht ganz ruhig: »Ihr seid hier fertig. Ich bin Thorne Henderson und der Erbe meines Bruders.« Er hat kaum ausgesprochen, da schnappen die Hände des Revolvermannes nach den Waffen, die er so herausfordernd trägt. Doch vielleicht ist er nur ein Bluffer. Jedenfalls erweist er sich als nicht schnell genug. Thorne schießt ihn von den Beinen und trifft mit der zweiten Kugel auch den anderen Mann, bevor dieser die Schrotflinte abfeuern kann. Es ist fast wie eine gnadenlose Hinrichtung. Doch der Revolvermann griff zuerst nach seinen so großspurig getragenen Waffen. Und in Thorne ist ja auch die grimmige Bitterkeit eines Mannes, der abrechnet. 155
Er verharrt mit dem rauchenden Revolver in der Faust. Doch seine beiden Gegner rühren sich nicht mehr. Langsam hebt er die Linke und wischt sich über das Gesicht, als könnte er so etwas wegwischen. Doch Pernel und Clay wissen zu gut, dass Thorne das Geschehen nicht so einfach wegwischen kann. Er wendet sich nun ihnen zu. Sie erkennen das Zucken in seinem Gesicht. Er aber sieht Bill Johns an. »Kann ich dir die Mine wieder übergeben?« So fragt er seltsam ruhig, doch mit einem klirrenden Klang in der Stimme. »Das kannst du, Thorne«, erwidert Bill Johns. »Ich sagte es dir ja schon: Den Arbeitern ist es gleich, für wen sie arbeiten. Und fast alle kennen mich.« Als er endet, blicken sie alle zum Stolleneingang hinüber. Dort stehen einige Männer, verharren bewegungslos und blicken herüber. Bill Johns setzt sein Pferd in Bewegung. Seine Stimme klingt heiser, doch bestimmt. »Habt ihr begriffen, Männer? Ich sagte euch ja damals schon, dass eines Tages James Hendersons Bruder kommen würde. Das ist er! Also macht weiter euren Job! Aber wer will, der kann gehen! Und noch etwas: Ob ihr bleibt oder geht, zu keinem ein Wort von dem 156
Vorgefallenen! Turnbull muss sich noch einige Zeit in Sicherheit wiegen! So, und jetzt bringen zwei von euch den Erzwagen her und schaffen die beiden toten Narren weg. Vorwärts, Jungs, vorwärts!« Indes das an diesem Morgen bei der HendersonMine geschieht, tritt Jake Turnbull aus dem Haus der Turnbull Enterprise, um seinen Rundgang durch die Stadt zu machen wie an jedem Morgen nach dem Frühstück. Dieser Rundgang bereitet ihm stets ein besonderes Behagen. Denn ihm ist, als würde er einen Teil seines Reiches in Augenschein nehmen. Und zwar jenen Teil, welcher der Ein- und Ausgang seines Reiches ist. Es gab schon Tote hier, Blut wurde vergossen. Aber das diente nur der Festigung seiner Macht, die er auf verschiedene Weise dokumentiert. Als Richter der Stadt und der Gulch ist er Herr über Leben und Tod, unter ihm üben seine Revolvermänner das Marshalamt aus, und am Grenzübergang kontrolliert er alles, was in sein Reich hinein oder hinaus will. Sie übernahmen alles, weil die Gemeinschaft der Redlichen eigentlich noch keine Gemeinschaft und ohne Anführer war.
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Aber Jake Turnbull ist sich dennoch darüber klar, dass ihre Zeit hier bald beendet sein wird. Sein System der Macht wird sich nicht mehr lange halten. Die Masse der Redlichen wird immer wieder Anführer bekommen und aufbegehren gegen die Diktatur einiger Banditen. Als Jake Turnbull an diesem Vormittag auf die Straße tritt, da erlebt er eine Überraschung. Denn eine wunderschöne Frau kommt ihm entgegen. Es ist Jessica Roberts, die im Store Einkäufe machte und zum Hotel will. Sie ist beladen mit Päckchen. Jake Turnbull verharrt staunend und starrt ihr entgegen. Ihre leichten Bewegungen sind für ihn eine Augenweide. Und ihr Gesicht kommt ihm so schön vor, dass er glaubt, noch niemals in seinem Leben eine solche Frau gesehen zu haben. Und so beschließt er in diesen wenigen Sekunden, sie zu besitzen. Er bleibt also stehen, um ihr den Weg zu versperren. Weil Jessica mit ihren Paketen und Päckchen nicht um ihn herumgehen will, hält sie zwei Armlangen vor ihm an. Ihr grünäugiger Blick trifft ihn kühl und verächtlich.
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Schweigend wartet sie, gespannt auf Turnbulls Reaktion. Er greift an die Hutkrempe und spricht: »Gulch City ist schöner geworden durch Ihr Kommen, Lady. Ja, ich denke, Sie sind eine Lady. Ich hörte schon gestern, dass eine Schönheit mit ihren drei Rittern gekommen sei, eine Frau, schön wie die Göttin Aphrodite, die Schaumgeborene. Aber wo sind Ihre Ritter? Ich bin Richter Turnbull, und man hat Ihren stolzen Rittern gestern gesagt, dass sie sich umgehend bei mir anzumelden hätten. Warum wurde diese Anweisung missachtet, Lady? Oder liegen Ihre Begleiter noch in den Betten?« Jessica schüttelt den Kopf. »Sie wollten ausreiten«, erwidert sie. »Sicherlich kommen sie noch zu Ihnen. Und wenn Sie sich schon als ein Mann von Bildung darstellen wollen, indem Sie mich mit Aphrodite vergleichen, also mit Venus, der Schaumgeborenen, da sollten Sie sich auch sonst wie ein Gentleman benehmen und einer Lady nicht den Weg versperren. Oder muss ich um Sie herumgehen?« Sie fragt es zuletzt mit einem verächtlichen Klang in der Stimme. Er aber grinst und erwidert: »Sie gefallen mir immer mehr. Ich mag solche Kratzbürsten. Oha, ich
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gehe jede Wette ein, dass wir uns noch sehr viel besser kennen lernen werden.« Er gibt ihr nun den Weg frei und greift dabei mit einer leichten Verbeugung abermals an die Hutkrempe. Aber indes sie an ihm vorbeigeht, sieht sie in seine Augen und weiß, dass er ein zweibeiniges Raubtier ist, ständig auf der Jagd nach Beute. Und sie reizt ihn als ganz besondere Beute, die zu erjagen für ihn eine besondere Herausforderung ist. Er ist ein Mann, der sich alles nimmt, was er haben will Sie verschwindet im Hotel und setzt sich dann im Zimmer auf den Bettrand, weil ihr die Knie zittern. Denn ihr Instinkt sagt ihr, dass sie von nun an in Gefahr ist, weil dieser Mann sie haben will, wie ein Despot. Und Despoten, die nehmen sich alles und kennen keine Grenzen ihrer Machtbesessenheit. Jessica beginnt zu begreifen, dass sie, Clay, Pernel und Thorne in eine Falle geraten sein könnten, die von einem Höllenhund bewacht wird. Ja, sie nennt Turnbull in ihren Gedanken Höllenhund. Nach einer Weile beginnt sie ihre Einkäufe auszupacken, um sich abzulenken. Doch es gelingt ihr nicht. Die Sorgen bleiben. Sie fühlt sich sehr allein
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und wünscht sich, dass Clay und seine zwei Begleiter schon wieder zurück seien. Jake Turnbull geht indes an Oven Hardins Tingeltangel House vorbei, das sich großspurig City House nennt, als wäre es das Stadthaus mit dem Sitz der Verwaltung. Aber es ist nur Saloon, Spielhalle, Theater und Tanzhalle mit Animiermädchen, die mit ihren jeweiligen Freiem auch hinauf in ihre Zimmer gehen. Als Turnbull das lange Gebäude passiert, tritt Oven Hardin auf den Balkon hinaus, wie er es oft macht, um die einzige Straße der kleinen Stadt hinauf- und hinunterzublicken Er nimmt dann gewissermaßen Witterung und irgendwelche Veränderungen oder versucht atmosphärische Spannungen zu erspüren. Als Oven Hardin oben erscheint, hält Turnbull inne und blickt hinauf. Einige Atemzüge lang betrachten sie sich schweigend. Turnbull kann spüren, wie sehr ihn Hardin hasst, obwohl sie doch einst Partner und Verbündete waren als Guerillaführer, die sich den Rang von Colonels gaben, also selbst dazu ernannten. Ja, sie waren einmal so etwas wie Freunde.
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Deshalb rief ihn Hardin auch zur Hilfe, bat ihn herzukommen. Doch Jake Turnbull begnügte sich nicht mit dem zweiten Platz. Er übernahm die Macht. Und dann nahm er sich auch noch jene Susen McKay, mit der sich Oven Hardin im Bett so glücklich fühlte. Es war für Hardin eine weitere schlimme Demütigung. Und dieses Gefühl frisst nun schon Tage und Nächte in ihm. Er weiß, dass er Susen Unrecht tat, als er sie wegschickte. Denn was hätte Susen tun sollen? Hätte sie Turnbull nicht gehorcht, wäre es ihr übel ergangen. Oven Hardin hätte sie nicht schützen können. Jake Turnbull grinst zu ihm empor. Er spürt Hardins Hass und fühlt sich herausgefordert. Grinsend ruft er zu ihm hinauf: »Hey, Hardin, warum hast du Susen nicht wieder aufgenommen? Wir haben uns doch früher mehr als einmal die Frau geteilt. Und diese Frauen waren nicht mal Huren. Du kannst Susen also wieder bei dir aufnehmen. Ich habe jetzt eine andere …« Oven Hardin hört nicht länger hin. Er verlässt fluchtartig den Balkon und knallt die Balkontür zu.
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Drinnen lehnt er sich an die Wand und ballt die Fäuste so stark, dass sich seine Fingernägel schmerzhaft in die Handteller bohren. Er weiß, dass Jake Turnbull nun unten in den Saloon tritt, um sich einen Drink einschenken zu lassen. Um diese Zeit ist der Saloon schon ausgefegt und sind auch die Tische gesäubert. Ein einziger Barmann hat am frühen Morgen Dienst hinter der Bar und vor dem großen Ölbild, das eine nackte Frau darstellt, die auf einem Stier reitet. Turnbull wird dieser Nackten zuprosten und dem jeweiligen Barmann dann einen Vortrag halten über die Königstochter Europa und Zeus, der sie in Stiergestalt von Theben nach Kreta entführte. Und der Barmann wird staunen und Turnbull für einen gelehrten Mann halten, was Turnbull aufs Äußerste genießt. Hardin und seine Barmänner kennen das Ritual inzwischen und müssen es immer wieder ertragen. In Oven Hardin ist die Wut nun riesengroß. Und er wird sich plötzlich bewusst, dass er damals als Guerillaführer und Colonel Turnbull gleichberechtigt war. Und als Revolvermänner waren sie sich ebenbürtig. Oven Hardin hat inzwischen Gewicht angesetzt, ist unter seinem Körperfett jedoch immer noch mit 163
Muskeln bepackt. Und er weiß, dass er seine Revolverschnelligkeit nicht verloren hat. Und so spricht er heiser: »Verdammt, jetzt reicht es mir! Ich kann ihn nicht länger ertragen und will mich nicht länger von ihm verhöhnen lassen. Ich wollte schon damals wissen, wer von uns beiden der Schnellere wäre, wenn es drauf ankäme! Verdammt, jetzt werde ich es herausfinden.« Als er wenig später die Treppe hinunter in den Saloon kommt, da trägt er über dem gefalteten Hemd nur seine noble Brokatweste. Und um die Hüften hat er sich den alten Revolvergurt umgeschnallt, in dessen Holster die alte Waffe steckt, mit der er als Guerilla getötet und Blut vergossen hat. Es ist ein Army Colt, Mod.1860, Kal. 44 mit einer Lauflänge von 20 Zentimetern. Die Trommel ist bunt gehärtet und graviert. Es ist eine schöne Waffe mit einem seiner Hand angepassten Kolben. Jake Turnbull steht an der Bar und hält dem Barmann den üblichen Vortrag über die griechische Göttersage. Aber als er Oven Hardin die Treppe herunterkommen hört, da wendet er sich. Hardin verhält auf der letzten Stufe.
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Und Turnbull sagt trocken: »Oha, du trägst ja deinen alten Colt. Willst du es jetzt zwischen uns endlich herausfinden.« »Ja, ich will, denn ich kann dich nicht länger ertragen, Jake. Du bist zu großspurig und selbstherrlich geworden. Also los, finden wir es endlich heraus! He, Rusty, du wirst gleich mit der flachen Hand auf den Schanktisch patschen. Dies ist für uns das Zeichen. Nicht wahr, Jake?« »Sicher!« Turnbull grinst. »Aber du wirst verlieren. Denn ich werde schneller sein und besser schießen. Los. Rusty!« Rusty, der Barmann, zögert zwei Sekunden. Dann klatscht er mit der flachen Hand auf die Schanktischplatte und sucht dabei hinter dem Schanktisch Deckung. Er hört die Schüsse krachen. Es sind nur zwei. Danach bleibt es einen Moment still. Dann hört er ein mühsames Stöhnen und die Worte: »In der Hölle sehen wir uns wieder, Jake.« Der Barmann erhebt sich und sieht Oven Hardin umfallen. Jake Turnbull aber steht noch auf den Füßen und hält den rauchenden Colt in der Faust. Turnbull sieht ihn an und spricht: »Du kannst allen erzählen, wie es hier abgelaufen ist. Doch vergiss nicht, dass ich jetzt dein Boss bin.« 165
Nach diesen Worten steckt er den Revolver weg und geht hinaus. Rusty verharrt noch einige Sekunden und wischt sich dann über das sommersprossige Gesicht. Er ist ein erfahrener Barrnann und hat schon mehr als einen Revolverkampf erlebt. Jetzt verspürt er ein Bedauern, denn er mochte seinen Boss Oven Hardin. Als er um den Schanktisch herumkommt und neben Hardin auf die Knie fällt, da macht dieser noch einmal die Augen auf, fragt mühsam: »Habe ich ihn erwischt, so wie er mich?« Rusty zögert nicht lange, sondern erwidert: »Ja, Boss, Sie haben ihn erledigt. Er liegt da drüben und rührt sich nicht mehr.« Hardin will den Kopf heben und über die Fußspitzen hinweg nach Turnbull blicken, doch er schafft es nicht mehr. Und so flüstert er nur noch mit seinem letzten Atem: »Er war also doch nicht besser als ich.« Dann ist er tot – ohne zu erkennen, dass Rusty ihn angelogen hat, um ihn mit einem Triumphgefühl sterben zu lassen. Oben wurde es lebendig. Am Geländer der umlaufenden Galerie stehen Mädchen und männliche Angestellte der Amüsierhalle, so wie sie aus ihren Betten sprangen. 166
Rusty spricht zu ihnen hoch: »Wir haben einen neuen Chef bekommen. Bereitet euch darauf vor. George und du, Sammy, kommt herunter und bringt ihn hinauf auf sein Bett. Wir werden ihn ordentlich beerdigen. Also los!« Rustys Stimme klirrt. Er kann kaum verbergen, wie sehr ihn Hardins Tod getroffen hat. Aber er hätte Hardin nicht helfen können, denn Hardin wollte den Revolverkampf, um seinen Stolz wiederzufinden. Er hatte wahrscheinlich keine andere Wahl. Und indes dies alles im Saloon geschieht, Hardin hinaufgetragen und auf sein Bett gelegt wird, spaziert Jake Turnbull durch seine Stadt zum Schluchtausgang, um dort die Deputies zu kontrollieren. »Dieser Narr«, murmelt er einmal, »der wollte doch tatsächlich …«
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15 Sie reiten langsam zurück und halten schließlich auf einer kleinen Höhe an, um Ausschau zu halten. Überall sehen sie Bewegung. Auf den Claims wird gearbeitet. Erzwagen sind unterwegs zu einem Stampfwerk oder einer Erzmühle. Überall in den steilen Hängen sind die Löcher der Minenstollen. Der Creek bekommt von beiden Seiten her Zuläufe, die als kleine Wasserfälle an den steilen Hängen niederfallen. Der Creek hat eine ziemlich starke Strömung, die die Räder der Mühlen antreibt. Thorne Henderson spricht nach einer Weile: »Seht euch das an. Sie arbeiten überall wie die Ameisen. Und kaum einer kümmert sich um den Nachbarn. Jeder sucht für sich nach Gold. Und wer kein Geld für Ausrüstung und Proviant hat und sich keinen Claim abstecken kann, der arbeitet in den Minen und hofft, irgendwann einige Ersparnisse zu sammeln. Jeder kümmert sich nur um sich selbst. Die Menschen sind eine Herde von Schafen, die man beherrschen kann.« Er verstummt verächtlich. Eine Weile schweigen sie. 168
Dann aber spricht Clay Roberts hart: »Und die Herrscher sitzen in der kleinen Stadt und kontrollieren alles. Wir haben es ja gestern bei unserem Kommen schon am Eingang erlebt. Jungs, wir werden diese Bande niederkämpfen müssen. Thorne, euer Vormann hat uns gestern und vorhin unterwegs alles erklärt. Wir wissen also Bescheid. Wir werden also diesen Turnbull und seine drei Revolvermänner klein machen müssen. Die anderen sind nur Mitläufer, zweit- oder drittklassige Revolverschwinger, die ihre Bosse wechseln nach Bedarf. Aber ich denke, wir lassen uns auf ein höllisches Duell ein. Es könnte uns ergehen wie den Callahans, von denen uns dein Vormann Bill Johns erzählte. Nur gut, dass er uns in alles eingeweiht hat. Wir sind keine Neuankömmlinge mehr, die ahnungslos in eine Falle tappen und vom Fenster sind, bevor sie noch hinausschauen konnten. Wollen wir kämpfen?« Sie sehen ihn von rechts und links an, denn sie halten ja Steigbügel an Steigbügel und blicken die Gulch hinauf, an deren Ende die kleine Stadt liegt. Eine Weile schweigen sie. Schließlich spricht Thorne: »Clay, du hast am meisten zu verlieren. Wenn ich eine so schöne Frau hätte …«
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»Quatsch«, stößt Clay Roberts hervor. »Deswegen werde ich in keinem Fall ein Regenwurm sein, der sich von jedem Dahergelaufenen zertreten lässt. Überdies haben wir gar keine andere Wahl. Entweder die oder wir! Also müssen wir kämpfen! Und all diese Nieten hier in der Gulch werden von uns profitieren, obwohl sie es nicht verdienen.« Er verstummt grimmig und voller Verachtung. Sie verharren immer noch. Pernel sagt plötzlich: »Wenn sie hier nicht wie Riesenmaulwürfe die ganze Gulch umwühlen und alles zerstören würden in ihrer Sucht nach Gold, dann wäre dieser Canyon eine herrliche Rinderweide, besser als alle Weiden daheim in Texas. Wenn man wüsste, dass texanische Longhorns die Winter hier überstehen könnten …« »Was dann?« Thorne fragt es mit jäh vorhandener Neugier. »Dann würde ich eine Herde von Texas herauftreiben«, erwidert Pernel, »und es versuchen. Aber ich müsste wohl gewaltige Heuvorräte anlegen, neben der Rindermannschaft eine Heumannschaft unterhalten. Nein, es geht wohl nicht. Wir sind hier zu weit im Norden. Selbst die Büffel wandern im Herbst von hier nach Süden. Ich werde also irgendwann heim nach Texas gehen.«
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»Mit einem Haufen Gold.« Thorne Henderson grinst. »Und dann kannst du dir eine sehr große Ranch schaffen. He, wie uns Bill Johns klar machte, hat die Turnbull Enterprise all die vielen Wochen meine Mine ausgebeutet. Wir werden diesem Richter Turnbull klarmachen, dass er die ganze Beute herausrücken muss. Seid ihr bereit? Es ist ja zu je einem Drittel auch euer Gold. Wollen wir? Und, Clay, überleg es dir gut wegen deiner schönen Frau. Sie könnte hier zur Witwe werden.« Er verstummt hart und geradezu brutal. Aber das ist nun mal die Realität. Es wäre dumm und leichtsinnig, wenn sie sich nicht über alle Folgen ihres Plans im Klaren sein würden. Sie werden gegen einen Höllenhund kämpfen müssen, dem immer wieder Köpfe nachwachsen, so lange er noch lebt. Clay Roberts stößt hervor: »He, Thorne, ich bin ein Spieler. Hast du das noch nicht begriffen? Und weil ich ein Spieler bin, setze ich all unsere Chips auf unseren Sieg. Reiten wir!« Sie reiten wieder an. Gewiss ist keiner von ihnen so stark und mächtig wie damals jener Herkules. Doch gemeinsam können sie vielleicht den Höllenhund Turnbull und dessen drei Revolvermänner besiegen.
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Als Turnbull nach seinem Kampf mit Oven Hardin die Wachhütte am Gulch-Eingang erreicht, findet dort eine heftige Auseinandersetzung statt. Offenbar werden einige Goldgräber daran gehindert die Gulch zu verlassen. Virg Duane, der hier an diesem Morgen mit den Wächtern Dienst hat, tritt seinem Boss grinsend entgegen und meldet: »Richter, diese Narren wollen einfach ohne Ausreiseerlaubnis verschwinden. Also haben sie gewiss die Steuern nicht bezahlt. Sie können keine Bescheinigungen vorweisen. Und nun schimpfen sie mächtig und beleidigen uns, indem sie uns Aasgeier und Banditen nennen. Dabei sind wir doch vereidigte Deputies.« Es wurde still. Die fünf Goldgräber, die hier aufgehalten werden, stehen neben ihrem Wagen, der von vier Maultieren gezogen wird. Auf dem Wagen liegt ihr Gepäck. Und in diesem Gepäck – vielleicht aber auch in ihren Goldgürteln, die sie auf dem bloßen Leibe tragen – befindet sich ihre Goldausbeute, mit der sie heim wollen. Vor ihnen stehen Virg Duane und zwei Wächter und versperren ihnen den Ausgang. Nun blicken alle auf Turnbull, den Virg Duane so laut und respektvoll Richter nannte.
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Turnbull macht ein sehr ernstes und betrübt wirkendes Gesicht. Er hebt dann die Linke, streckt den langen Zeigefinger achtungsheischend gen Himmel und spricht fast salbungsvoll: »Warum enttäuscht ihr mich so, Männer! Habt ihr denn nicht begriffen, dass eine verwaltende Ordnung Geld kostet. Und wir haben eine verwaltende Ordnung in der Gulch und dieser Stadt. Oder seid ihr überfallen oder beraubt worden? Konntet ihr nicht unbesorgt eure Claims ausbeuten? Und hattet ihr in der Stadt nicht euren Spaß und euer Vergnügen? Vergesst nicht, dass ihr das mir als Richter und meinen Deputies verdankt! Aber auch wir müssen leben! Und so müssen wir Steuern kassieren, um Recht und Ordnung aufrecht erhalten zu können. Das solltet ihr einsehen, anstatt das Gesetz mit üblen Schimpfworten zu beleidigen. Nein, so geht das nicht, Das kann ich nicht durchgehen lassen. Eigentlich müsste ich euch wegen des Versuchs der Steuerhinterziehung erst einmal einige Wochen einsperren und tagsüber hart arbeiten lassen. Habt ihr eigentlich eure verlassenen Claims eingeebnet oder einfach nur umgewühlte Löcher zurückgelassen, die schöne Umwelt der Gulch unverantwortlich verschandelt? Ich bestrafe euch mit je tausend Dollar in Gold, wenn ihr kein Bargeld habt. Also zahlt, wenn ihr hier raus wollt in die 173
Freiheit. Ihr bekommt dann auch die Ausreisebescheinigung als gesetzestreue Bürger der Bitter Roots Gulch. Na, was haltet ihr davon?« Er fragt es mit trügerischer Freundlichkeit. Und die fünf Goldgräber zittern vor ohnmächtiger Wut. Aber sie stecken in einer Falle. Dies wird ihnen immer grausamer bewusst. Sie sind keine Revolvermänner, waren daheim Siedler und Farmer, die hohe Schulden hatten und, um sie zu tilgen, ihre Familien verließen und auf Goldsuche gingen. O ja, sie hatten Glück und fanden Gold auf ihren Claims oder im Kiesbett der Creeks. Und als sie genug zu haben glaubten, gaben sie sich der Illusion hin, einfach abhauen zu können. Einer von ihnen holt saugend Luft, um eine Kanonade wütender Schimpfworte loszulassen. Doch sein Nachbar stößt ihm den Ellenbogen in die Rippen und zischt: »Halt’s Maul, Pete – oh, halte verdammt noch mal dein Maul. Der wartet doch nur darauf, dass du das Gesetz beleidigst.« Der Mann erweist sich als Anführer und Sprecher der Gruppe, denn er wendet sich an Turnbull und spricht mit einem bitteren Klang in der Stimme: »Sir, euer Ehren, Richter, wir bekennen uns schuldig und 174
zahlen voller Reue unsere gerechten Strafen. Und zugleich bitten wir um Vergebung unserer Sünden.« Er verstummt ernst. Und er ist ein kluger und vernünftiger Mann, der begriffen hat, dass sie keinen anderen Ausweg finden können. Turnbull wirkt einen Moment etwas enttäuscht. Dann aber grinst er. »Sie sind ein schlauer Bursche, Mister«, spricht er. »Aber Recht und Ordnung muss sein. Wenn Sie Steuer und Strafe gezahlt haben, wünschen wir euch gute Heimreise.« Er nickt Virgil Duane zu und überlässt ihm die weitere Abwicklung der »Amtshandlung«, geht würdevoll und gewichtig davon. Nach knapp zweihundert Schritten erreicht er das City House, wo man Oven Hardin inzwischen in seinem Zimmer aufgebahrt hat. Als er vor dem Haupteingang den Schritt verhält, treten dort einige Bürger der Stadt heraus. Er erkennt den Schmied, den Sattler, den Storehalter und einige andere Geschäftsleute. Sie waren gewiss oben, um den Toten zu sehen und sich vom Barmann das Geschehen berichten zu lassen. Nun starren sie ihn an. Als er ihre Blicke erwidert und überlegt, ob er zu ihnen etwas sagen soll, da tritt 175
Susen McKay aus Oven Hardins Zimmer auf den Balkon. Sie blickt auf Turnbull nieder, und ihre Stimme klingt schrill, ist voll böser und dennoch hilfloser Wut. »Turnbull, er war zehnmal besser als du! Und er wird nun aus dem Jenseits immer wieder auf dich spucken! Wenn ich ein Mann wäre, dann würde ich dich töten, du verdammter Hurensohn von einem Richter, der sich selbst ernennen konnte, weil diese erbärmliche Stadt zu feige war, es zu verhindern. Geh zur Hölle!« Sie wendet sich wieder ab und verschwindet im Zimmer. Dort tritt sie ans Fußende des Bettes und blickt auf den Toten. »Ich habe ihm meine Meinung gesagt, Oven«, flüstert sie, wobei ihr die Tränen über die Wangen laufen. »Er wird mich gewiss bestrafen lassen, aber ich musste ihm meine Meinung sagen. Und die maßgebenden Bürger dieser erbärmlichen Stadt haben jedes Wort gehört.« Auf der Straße geht Turnbull weiter, wobei er den Männern vor dem Saloon achtlos den Rücken dreht. Ja, er verachtet sie alle hier in der Stadt und zeigt es ihnen wieder einmal mehr.
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Dabei denkt er: Diese verdammte Hure Susen McKay, was bildet die sich ein? Hat sie Hardin wirklich mit dem Herzen geliebt? Kann das eine Hure wie sie überhaupt? Und wenn, was war wohl so gut an diesem Narren, der sich tatsächlich mit mir anlegte, obwohl ich ihn wegen unserer alten Zeiten schonte? Er denkt noch darüber nach, als er sein Office im Haus der Turnbull Enterprise erreicht und sich in den Sessel sinken lässt. Ja, er wird Susen bestrafen lassen. Aber das hat Zeit. Zunächst hat er ganz andere Probleme, die er lösen muss. Fess Halloway und Hogjaw Palladine kommen herein. Fess sagt trocken: »Hardin hatte Freunde in der Stadt. Aber sie werden seinen Tod hinnehmen wie alles, was wir machen. Dies ist eine jämmerlich feige Stadt.« Turnbull betrachtet die beiden Revolvermänner nachdenklich und nachsichtig zugleich. Dann spricht er ruhig: »Jungs, die Dinge werden sich jetzt schnell verändern. Ich kann das spüren, wittern. Auch eine friedliche und furchtsame Herde kann gefährlich werden, wenn sie in Stampede gerät. Und es kamen drei Revolvermänner mit einer schönen Frau in die Gulch. Einer dieser Männer – ich hörte es vom Stallmann – ist der Bruder von James Henderson, 177
dem schon die Callahans die Mine wegnahmen, weil sie so ertragreich ist. Wir werden kämpfen müssen. Aber ich will kein Risiko mehr eingehen. Deshalb werden wir einen Wagen mit unserer bisherigen Beute beladen und im Schuppen hinter dem Haus in Bereitschaft halten. Es könnte ein Sturm losbrechen. Diese Susen McKay hat vom Balkon aus wie von einer Kanzel gesprochen und die feigen Bürger von Gulch City beleidigt. Es beginnt überall zu gären. Vorhin wollten einige Goldgräber sogar mit ihrer Ausbeute aus dem Canyon, ohne zu zahlen. Es waren nur fünf. Aber was ist, wenn sich fünfzig zusammenschließen? Jungs, wir müssen bald fort von hier mit unserer Beute. Sonst erwischt es welche von uns. Also besorgt einen guten Wagen, ein Gespann und haltet ab jetzt auch unsere Sattelpferde Tag und Nacht im Hof bereit!« Als er endet, da staunen sie ihn an und wollen es nicht glauben. Hogjaw Palladine murrt: »Wir haben doch alles bestens unter Kontrolle. Auf unserer Lohnliste stehen ein Dutzend Deputies. Und auch die Barkeeper und Rauswerfer in den Lokalen…« »Die sind nur auf unserer Seite, solange wir den Deckel auf dem Topf halten können.« Turnbull grinst. »Die waren auch auf der Seite der Callahans. Diese Sorte läuft schnell über.« 178
Sie staunen ihren Herrn und Meister an. Aber sie wissen, dass er stets wie ein erfahrener Wolf gewittert hat, wenn etwas auf sie zukam und es besser war, sich ein neues Revier zu suchen. »Wenn wir abhauen müssen«, sagt er zu ihnen, »dann ziehen wir nach Kanada hinüber. Dort kennt uns noch niemand. Und wir sind sehr wohlhabend geworden. Wir können in neue Geschäfte einsteigen.« Sie haben die Mäuler aufgesperrt, und was er soeben sagte, gefällt ihnen. Und so gehen sie, um einen Wagen zu besorgen. Er aber starrt auf den großen Tresor in der Ecke. Ohne Inhalt wiegt der gewiss mehr als fünfhundert Kilo. Es muss sehr schwierig gewesen sein, ihn herzuschaffen. Und nun ist der Tresor voller Gold und Geld. Ja, sie haben hier eine riesige Beute gemacht. Und wenn sie sich noch einige Tage oder gar Wochen halten könnten… Er bricht seine Gedanken ab. Denn er sieht plötzlich die schöne Frau vor seinem geistigen Auge, so als wäre sie leibhaftig zur Tür hereingekommen. Und da murmelt er: »Ohne dich werde ich ganz bestimmt nicht von hier fortgehen!«
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16 Als Pernel, Clay und Thorne in den Hof des Mietstalls reiten, kommt der Stallmann, um ihnen die Pferde abzunehmen. »Was ist mit Bill Johns und dessen Pferd?« So fragt er. »Ich muss einen Dollar pro Tag für jedes Tier kassieren. Darauf achtet die Turnbull Enterprise.« »Johns wird das Pferd kaufen. Er ist wieder Vormann der Henderson-Minen-Mannschaft, und die Henderson-Mine bezahlt das Pferd und den Sattel.« »Gut.« Der Stallmann grinst. »Gut, dann wird sich Bill wahrscheinlich nicht mehr besaufen. Es hat einen Toten gegeben heute Morgen. Turnbull hat den Besitzer des City House erschossen. Und dabei hatte Oven Hardin diesen Turnbull und dessen Revolvermänner kommen lassen. Oh, wie wird das noch weitergehen hier in dieser Stadt!« Er geht davon, um ein Corral-Gatter zu öffnen. »Bringen Sie die Pferde hinein«, verlangt er. »Ich kümmere mich im Corral um sie!« Sie sitzen ab und verharren einige Sekunden voreinander.
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»Gehen wir zuerst essen oder zuerst zu Turnbull?« Clay Roberts fragt es lässig. »Essen«, beschließt Thorne. »Ich möchte deiner schönen Frau gegenübersitzen und sie ansehen wie ein wunderschönes Bild.« Sie lachen. Doch dabei wissen sie, dass sie bald um alles oder nichts werden kämpfen müssen. Doch Clay und Thorne waren Spieler und sind es immer noch. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sie wieder einmal alles auf eine Karte setzen und an ihren Sieg glauben. Die Karte aber, auf die sie diesmal setzen, sind ihre schnellen Revolver. Sie verlassen nebeneinander schreitend den Mietstallhof, und wie sie so mitten auf der Straße durch den Staub gehen, dabei mit den Sporen klingelnd, die sie nicht abschnallten, obwohl sie dem Mietstall gehören, da bieten sie für die Bürger der kleinen Stadt einen besonderen Anblick. Denn so wie sie, so schritten die ganze Zeit Turnbulls Revolvermänner durch die Stadt und machten deutlich, dass Gulch City ihnen gehörte. Jetzt aber sehen die Bürger drei andere Männer. Und längst hat es sich an diesem Morgen herumgesprochen – der Stallmann sorgte für die Neuigkeit –, dass Hendersons Bruder nach Gulch City gekommen ist. 181
Spannung liegt plötzlich über der Stadt wie bei einem nahenden Gewitter. Was wird geschehen? Dies ist die Frage, die sich die Menschen in Gulch City stellen. Doch die drei Neuankömmlinge verschwinden im Hotel. Und so legt sich die Spannung ein wenig. Man nimmt in Gulch City wieder die Arbeit auf. Und sogar die Hunde beginnen wieder zu spielen, und einige jagen wieder die große schwarze Katze. Drinnen im Speiseraum des Hotels sitzt Jessica an einem Tisch in der Ecke. Sonst sind keine Gäste anwesend. Denn es wurde inzwischen später Mittag. Jessicas Lächeln ist ernst und drückt dennoch Freude und Hoffnung aus. Es ist eine seltsame Mischung von Empfindungen in ihrem Gesicht zu erkennen. Doch sie zwingt sich zu einem Scherz und spricht: »Ihr habt mich fast verhungern lassen, weil ich ohne euch nicht essen wollte. Es gibt Hammelbraten.« Sie nehmen Platz bei ihr, und indes sie auf das Essen warten, erzählt Clay ihr alles, was am heutigen Tag geschah. Er endet mit den Worten: »Es ist eine sehr ertragreiche Mine. Unser Vormann hat dort wieder die Leitung übernommen. Jessy, es lohnt sich zu kämpfen. Denn es geht nicht um Hühnerfutter. Wir werden der Turnbull Enterprise einen Besuch machen und mit diesem Richter Turnbull reden.«
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Sie nickt kaum merklich. Dann spricht sie: »Ich habe diesen Turnbull inzwischen kennen gelernt.« »Und?« Clay Roberts fragt es ruhig, fast sanft. Nur seine grauen Augen funkeln seltsam. Jessica zögert ein wenig. Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Und?« Clay Roberts wiederholt seine Frage nochmals. Da spricht Jessica: »Er ist ein zweibeiniges Raubtier, ständig lüstern nach Beute. Ich fürchte mich vor ihm.« »Das brauchst du nicht, Jessy«, erwidert Clay Roberts ernst. »Nein, das brauchst du wirklich nicht«, spricht Thorne ebenso ernst. Und Pernel nickt nur. Sie bekommen nun das Essen. Es ist ein gutes Essen. Aber jeder der Männer ist sich bewusst, dass es eine Art Henkersmahlzeit sein könnte, in ihrem Fall das letzte gute Essen vor einem Kampf, den sie vielleicht nicht alle überleben werden. Sie essen schweigend. Jeder geht offensichtlich seinen Gedanken nach. Jessica beobachtet die Männer, und noch nie wurde ihr so klar, wie sehr Clay ein Spieler und Glücksjäger ist. Dasselbe spürt sie auch bei Thorne Henderson. Sie muss ihm nur in die funkelnden Augen sehen, um dies zu spüren. Er und Clay sind 183
sich sehr ähnlich. Nur in Pernel Scotts Augen erkennt sie etwas anderes. Und sie kann das auch irgendwie spüren. Ja, er ist kein Spieler, denkt sie. Der ist nur wegen mir mit dabei. Der kann sich nicht davonstehlen – und das nicht nur deshalb, weil er meinem Vater etwas versprochen hat. Er liebt mich. Ich weiß es, wenn ich in seine Augen sehe. Sie verspürt Bitterkeit und Hilflosigkeit. Denn sie begreift, dass sie nichts ändern oder aufhalten kann. Sie beenden schweigend die Mahlzeit. Dann erheben sich die drei Männer. Clay spricht zu ihr nieder: »Mein Engel, wir machen jetzt diesem Turnbull einen Besuch, um vernünftig mit ihm zu reden. Mach dir also keine Sorgen. Bald zeige ich dir unsere Mine. Wir können dort auch wohnen. Es gibt auf dem Claim einige ganz passable Hütten. Wir werden sehen, ob es dir dort gefallen wird, nicht wahr? Gehen wir!« Die beiden letzten Worte gelten Thorne und Pernel. Sie verlassen Jessica, verschwinden nacheinander – und abermals sporenklirrend – durch die Tür nach draußen, lassen allein Jessica zurück. Sie fühlt sich nun noch einsamer und verlassener als zuvor. Denn sie muss wieder an diesen Turnbull denken und verspürt eine anwachsende Furcht. 184
Wie immer hält ein Wächter mit einer Schrotflinte vor dem Eingang Wache. Als sie vor ihm anhalten, grinst er sie an und sagt: »Der Richter wartet schon auf euren Besuch.« Nach diesen Worten öffnet er die Tür und ruft hinein: »Sie kommen!« Sie treten ein, durchqueren einen Raum, in dem ein Schreiber sitzt, und treten dann ins Arbeitszimmer des selbst ernannten Richters Jake Turnbull. Aber Turnbull ist nicht allein. Seine drei Revolvermänner sind bei ihm und haben sich im Zimmer verteilt. Fess Halloway sitzt auf der Fensterbank. Virg Duane steht an der Wand, lehnt mit einer Schulter dagegen. Und Hogjaw Palladine steht vor dem Tresor. Turnbull sitzt hinter dem Schreibtisch, hat seine Hände auf der Tischplatte gefaltet. Alle Männer betrachten sich eine Weile schweigend, ja, es ist wie ein gegenseitiges Wittern. Und wahrscheinlich spüren und ahnen sie schon mit ihren Instinkten, dass sie sich bald gegenseitig zu töten versuchen werden. »Was führt Sie zu mir?« Turnbull fragt es ernst und setzt hinzu: »Sie hätten sich schon gestern hier 185
melden und um eine Aufenthaltserlaubnis bemühen müssen. Was also hielt Sie davon ab?« Thorne Henderson lässt ein amüsiert klingendes Lachen hören und nimmt im Sessel vor dem Schreibtisch Platz, holt dann den Brief seines Bruders heraus und wirft diesen vor den Richter hin. »Lesen Sie!«, verlangt er. »Dies ist ein Testament, von Zeugen unterschrieben. Und wenn Sie es gelesen haben, dann sagen Sie mir, was Sie veranlassen werden.« Turnbull nimmt das Papier mit spitzen Fingern und beginnt zu lesen. Als er fertig ist, grinst er breit über sein bärtiges Gesicht und reicht das Schriftstück über den Schreibtisch zurück. Und da beide Männer sich dabei vorbeugen müssen, sehen sie sich einen Moment aus nächster Nähe in die Augen. In diesem Moment wissen sie auch schon, dass sie Todfeinde sind. Jake Turnbull lehnt sich dann in seinem Armstuhl wieder zurück und hebt beide Hände, zeigt seine Handflächen. »Na schön«, spricht er, »dies sieht recht vernünftig aus. Und die Zeugen, die das unterschrieben haben, lassen sich gewiss auftreiben. Wahrscheinlich handelt es sich um Arbeiter von Ihres Bruders Mine – oder um Nachbarn. Ihr Bruder 186
hat wohl einen sehr langsamen Tod erleiden müssen, sodass er dies alles noch regeln konnte auf seinem Sterbebett.« »Ja, er hatte drei Tage Zeit. Dann erledigte ihn das Wundfieber. Er hatte den Rücken voller Indianerschrot.« Thorne Hendersons Stimme klingt nun hart. Er beugt sich etwas vor und spricht: »Mister Turnbull, ich sage Ihnen jetzt, was Sie tun werden. Wie ich von meinem Vormann erfahren habe, wurde die Mine zuerst von den Callahans und dann von Ihnen übernommen. Und die Erträge kassierten sie ebenfalls. Die Mine wirft – wie mein Vormann mir versicherte – für tausend Dollar Gold pro Tag ab. Und der Nettogewinn soll mehr als fünfhundert Dollar betragen. Wir werden morgen wieder herkommen. Dann haben Sie eine Abrechnung fertig.« Als er verstummt, schließt Turnbull für einen Moment seine flintsteinharten Augen. Als er sie öffnet, haben sie keinen Ausdruck mehr. Aber seine Stimme klingt ruhig, als er sagt: »Ja, das lässt sich machen. Und auf den Gewinn müssen Steuern gezahlt werden, natürlich auch Verwaltungsgebühren. Aber es wird morgen alles fertig sein. Kommen Sie morgen um diese Zeit etwa wieder.« 187
Er faltet seine großen und geschmeidigen Hände erneut auf der Schreibtischplatte. Fess Halloway beginnt zu husten, so als hätte er sich verschluckt. Virg Duane und Hogjaw Palladine aber verziehen nicht einmal die Gesichter, wirken wie Pokerspieler, die nichts erkennen lassen wollen. Thorne Henderson erhebt sich und spricht mit trügerischer Freundlichkeit: »Gut, dass wir uns so vernünftig einig werden konnten. Bis morgen um diese Zeit also.« Sie gehen hinaus. Und als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hat, da sieht Turnbull seine drei Revolvermänner an, die ja seine Zöglinge sind. Langsam sagt er: »Die sind von unserem Kaliber. Wir werden mit ihnen kämpfen müssen wie damals gegen die Callahans. Denn nur wir sind ihnen gewachsen, keiner unserer Revolverschwinger, denen wir Blechsterne ansteckten. Wollt ihr kämpfen?« Sie grinsen ihn an, voller Selbstbewusstsein und Revolverstolz. Ja, sie sind Revolvermänner, die jede Herausforderung annehmen. Sie können gar nicht anders. Ihr Revolverstolz, der ihnen ihr Dasein so lebenswert macht, lässt nichts anderes zu. 188
Und so sind sie gewissermaßen die Gefangenen ihres kranken Stolzes und ihrer Eitelkeit, die ihnen das Gefühl gibt, Halbgötter und unbesiegbar zu sein. Turnbull sieht ihnen an, was sie fühlen und denken. Und so spricht er ruhig und dennoch hart: »Also stellen wir uns ihnen. Aber wir machen uns auch bereit zur Flucht.« Sie staunen ihn an. »Flucht?« So fragt Fess Halloway. Er nickt und erwidert: »Wir werden nicht alle überleben. Wenn wir Glück haben, dann werden wir nur mehr oder weniger schlimm verwundet und können nicht mehr kämpfen gegen die Bürger der Stadt, die dann Morgenluft wittern werden. Euch ist doch wohl klar, dass sie uns mit Knüppeln totschlagen würden, müssten sie uns nicht mehr fürchten. Wir halten im Hof und im Schuppen den Wagen mit unserer Beute und auch unsere Sattelpferde bereit. Machen wir uns nichts vor, wir stehen vor dem schwersten Kampf unseres Lebens. Kriecht euch jetzt die Furcht durch die Glieder?« Sie grinsen ihn an. »Bis jetzt haben wir noch immer gewonnen«, stößt Virgil Duane hervor.
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Sie gehen mit ruhigen Schritten zum Hotel zurück. Thorne und Pernel setzen sich auf die Veranda, drehen sich eine Zigarette und beobachten das Leben und Treiben auf der einzigen Straße von Gulch City. Clay aber geht hinein. Jessica sitzt nicht mehr im Speiseraum. Also geht er nach oben und sieht sie in ihren Zimmer am Fenster sitzen. Er schließt die Tür und lehnt sich von innen dagegen. Jessica sieht zu ihm her. Es ist ein trauriger Ausdruck in ihren grünen Augen. Sie schweigen lange, aber dennoch ist es, als hielten sie Zwiesprache ohne Worte. Schließlich spricht sie: »Es hätte wohl keinen Sinn, wenn ich dich bitten würde, auf der Stelle von hier fortzugehen?« »Nein, Jessy«, erwidert er ernst. »Es geht nicht. Ich bin noch nie aus einem Spiel ausgestiegen, wenn ich gute Karten hatte und gewinnen konnte.« »Was sind deine Karten, Clay?« »Thorne und Pernel. Sie sind Trümpfe. Und wenn wir gewinnen, Jessy, dann sind wir reich für unser ganzes Leben.« »Und wenn ihr verliert?« »Wir verlieren nicht.«
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»Du verdammter Spieler«, murmelt sie, »oh, du verdammter Spieler. Du könntest unser ganzes Glück verspielen.« Da tritt er zu ihr, zieht sie vom Stuhl hoch und nimmt sie in seine Arme. Sie möchte ihn abwehren, denn sie ist wütend und voller Sorge. Doch dann gewinnt er, weil sie ihn liebt. Sie kann ihm auch jetzt nicht widerstehen. Draußen auf der Hotelveranda schweigen Thorne und Pernel lange. Sie ließen sich Bier herausbringen und rauchen. Nach einer langen Zeit des Schweigens sagt Thorne: »He, Pernel, du bist kein Spieler und Glücksjäger wie Clay und ich. Warum bist du bei ihnen auf dem langen Weg von Texas nach Norden?« Als er verstummt, da lässt ihn Pernel länger als zwei Minuten auf eine Antwort warten. Aber dann erzählt er ihm alles. Thorne schweigt lange und sagt dann: »Aber du bist jetzt nicht nur bei ihnen, weil Jessicas Vater es von dir verlangt. Du bist bei ihnen, weil du Jessica liebst. Ist es so?« »Was wäre falsch daran, Thorne? Hast du dich nicht auch in sie verliebt, weil sie die Frau deines Lebens sein könnte, gäbe es nicht Clay?« Thorne nickt nur. 191
Es wird langsam Abend. Bald werden in der kleinen Stadt die ersten Lichter angehen. Der Sattler beendet vor seinem Laden gegenüber die Arbeit an einem Sattel und trägt ihn hinein. Von der Schmiede her klingen keine Hammerschläge mehr. Und die ersten durstigen Kehlen kommen von den Claims und Minen in die Stadt. Vor dem Bordell werden sie bald Schlange stehen. Und die Animiermädchen im City House werden ebenfalls zu tun bekommen und Beute machen. Dass Oven Hardin tot ist, spielt keine Rolle. Das Geschäft muss weiter gehen. So will es Turnbull, der einen Manager einsetzte. Die durstigen und nach Sünden hungrigen Goldsucher und Minenarbeiter kommen zu Fuß, zu Pferd und auch in den Erzwagen. Die Stadt wird bald laut und wild sein. Die Deputy Marshals aber werden alles bis zu einer bestimmten Grenze unter Kontrolle halten. Es wird alles so sein wie immer. Und dennoch weiß die Stadt – sie wittert es gleichsam – dass Unheil in der Luft liegt. Veränderungen bahnen sich an. Vielleicht wird man die Stadt schon am nächsten Tag nicht mehr wiedererkennen!
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17 Es ist am nächsten Vormittag, als sie sich im Speiseraum zu einem späten Frühstück einfinden. Jessica ist sehr ernst und schweigsam, hat Mühe, die frischen Bisquits zu essen. Clay aber wirkt zufrieden, ganz und gar wie ein ewiger Sieger, der an sein Glück glaubt, weil es ihm bisher noch auf all seinen Wegen treu war. Warum also sollte er diesmal daran zweifeln! Thorne und Pernel wirken ruhig und gefasst. Man spürt jedoch, dass sie entschlossen und bereit sind für alles, was da kommen sollte. Es ist ein stillschweigendes Einverständnis zwischen ihnen. Jessica fühlt sich machtlos. Sie hat bei Clay alles versucht und musste schließlich aufgeben. Manchmal wollte sie zornig zu ihm sagen: »Wenn du mich wirklich liebst, dann würdest du nicht das Risiko eingehen, mich so schnell zur Witwe zu machen.« Doch sie spricht den Satz nicht aus. Und so kann sie nur hoffen und beten, dass es nicht so böse enden wird, wie sie es befürchtet.
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Aber können Gebete überhaupt erhört werden, wenn Männer entschlossen sind, sich gegenseitig umzubringen? Die Männer unterhalten sich endlich, schweigen nicht länger. Aber es ist eine gewollt lässige Unterhaltung über nebensächliche Dinge. Dann aber spricht Thorne Henderson ernst: »Wir werden jetzt ein gegenseitiges Testament machen wie unter echten und treuen Partnern. Der oder die Überlebenden erben alles. Gut so?« Er sieht sie nacheinander fragend an, auch Jessica. Clay und Pernel nicken. Jessica aber spricht bitter: »Ihr verdammten Spieler!« Dann aber sieht sie Pernel an und spricht weiter: »Du bist damit nicht gemeint, Pernel. Denn du bist kein Spieler. Du bist nur aus Treue hier dabei.« »Weil er dich liebt, ich weiß es längst.« Clay spricht es ernst und fügt nachdenklich hinzu: »Vielleicht wäre er besser für dich als ich. Aber er ist ein Cowboy. Und du wolltest das große Abenteuer und die weite Welt, das ungebundene, freie Leben mit einem Spieler, nicht das zwischen Tausenden von Rindern. He, Jessy, Abenteuer machen das Leben süß. Das war doch unser Motto.«
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Sie erwidert nichts. Doch als sie wieder auf Pernel blickt, da ist in ihren Augen der Ausdruck von Bedauern. Thorne Henderson hat inzwischen den Brief seines Bruders herausgeholt und brachte auch einen Kopierstift zum Vorschein. Nun schreibt er einen Zusatz unter den Brief, der ja zugleich auch das Testament seines Bruders ist. Sie unterschreiben dann alle, auch Jessica. Doch sie murmelt dabei: »Ihr Narren, warum glaubt ihr so sehr an euer Glück!« »Weil wir mit unseren Revolvern besser und schneller sind und das Schicksal uns deshalb zusammengeführt hat.« Clay Roberts spricht es hart. Thorne aber sagt: »Jessy, du nimmst das Testament an dich. Und nun trinken wir noch einen Kaffee. Es ist fast Mittag geworden. Wir können hier nicht länger tatenlos herumsitzen. Denn solch ein Warten zerrt an den Nerven.« Indes die drei Partner mit Jessica im Speiseraum des Hotels nach einem späten Frühstück beisammensitzen, warten im Turnbull Enterprise House Jake Turnbull und dessen drei Revolvermänner. Alles ist besprochen.
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Und so hocken sie nur schweigend da und warten. Turnbull legt auf seinem Schreibtisch eine Patience aus. Er macht es sehr langsam und mit Bedacht, so als stellte er den Karten eine für ihn sehr wichtige Frage. Doch kann man tote Gegenstände, wie Karten es sind, wirklich befragen? Offenbar geht seine Patience nicht auf, denn er versucht es immer wieder aufs Neue. Dann wischt er die Karten verächtlich vom Tisch. Seine drei Revolvermänner beobachten ihn. Fess Halloway spielt mit seinem Revolver, lässt ihn in der Luft Saltos schlagen und fängt ihn am Kolben wieder auf, ohne hinzusehen. Virgil Duane schnippelt mit einem scharfen Messer an seinen Fingernägeln herum. Und Hogjaw Palladine knetet und massiert seine Hände, besonders die geschmeidigen Finger. Er ist es, der ziemlich biestig sagt: »Verdammte Warterei!« Er sitzt auf der Fensterbank und wendet sich ungeduldig halb zur Seite, blickt über die Schulter hinweg auf die Straße. Seine Stimme klingt dann fast freudig, als er trocken spricht: »Da kommen sie!«
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»Verdammt, sie wagen es wirklich!«, grollt Fess Halloway. Und Hogjaw Palladine spricht überzeugt: »Die machen wir klein wie damals die Callahans. Wir sind unbesiegbar. Und diese Stadt wird zusehen und uns danach noch mehr fürchten.« Sie blicken auf Turnbull, ihren Herrn und Meister, versuchen von seinem Gesicht etwas ablesen zu können. Doch das bleibt ausdruckslos. Aber Turnbull erhebt sich. »Gut, bringen wir es hinter uns, Jungs. Damals waren die Callahans in der Mehrzahl gegen uns. Diesmal sind wir in der Mehrzahl gegen die Eindringlinge. Aber das hat nicht viel zu sagen. Gehen wir!« Sie folgen ihm hinaus. Im Vorraum hockt der Schreiber, er wirkt erschrocken und ist gewiss mehr als dankbar, dass er nicht mit ihnen hinaus muss. Sie treten nacheinander auf die Straße und sehen die drei Gegner, die mit ruhigen Schritten näherkommen. Und sie sehen auch, dass die Bewohner der Stadt zusehen werden. Überall stehen sie an den offenen Fenstern und in den Türen der Häuser und Läden. 197
Vor dem Store erscheint Susen McKay. Ihre schrille Stimme klingt herüber: »Heute holt euch der Teufel!« Dann zieht die Frau des Storehalters sie in den Laden zurück. Turnbull und dessen drei Revolvermänner bilden nun auf der Straße eine Phalanx, dann setzen sich wie auf ein heimliches Kommando im Gleichschritt in Bewegung. Und so nähern sich die beiden Gruppen entschlossen und unaufhaltsam. Es ist eigentlich kaum zu begreifen. Denn da gehen sieben Männer aufeinander los, obwohl jeder von ihnen damit rechnen muss, dass er vielleicht in wenigen Sekunden tot ist. Sind sie vor lauter Revolverstolz und Selbstüberheblichkeit verrückt? Ist die wilde Lust am Risiko ihr Antrieb? Ein normaler Mensch kann das nicht begreifen, einfach nicht nachvollziehen. Ginge es um große und ehrenwerte Dinge, wäre dies ein Kampf wie in einer Heldensage, durch den ein ganzes Volk vor dem Untergang bewahrt werden soll, könnte man das Geschehen noch verstehen. Aber so ist es ja nicht. Hier kämpfen Glücksjäger in einem Todesspiel um alles oder nichts. 198
Als die beiden Gruppen nur noch zwei Dutzend Schritte voneinander entfernt sind, da halten sie wie auf Kommando inne und beginnen zu schießen. Auch Pernel schießt. Sein Gegenüber ist Fess Halloway. Er trifft ihn mit der ersten Kugel, ist einen Sekundenbruchteil schneller als der Bandit. Dennoch streift Halloways Kugel noch eine seiner Rippen. Pernel will weiter schießen, doch da trifft ihn etwas wie eine Keule am Kopf. Er fällt auf die Knie, wird bewusstlos und erlebt nicht mehr, wie sich die anderen Kämpfer gegenseitig von den Beinen schießen und wie zum Schluss nur noch Jake Turnbull aufrecht steht, den rauchenden Revolver in der Faust. Turnbull hat also überlebt. Er sieht sich um. Doch die Zuschauer – auch die eigenen Deputies, denen Turnbull Blechsterne ansteckte – halten sich zurück. Sie alle sind noch zu sehr beeindruckt von dem Kampf, der gewiss in die Geschichte des Staates Montana eingehen wird. Jake Turnbull wartet vergebens auf einen Angriff der Bürger von Gulch City.
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Sie wagen es immer noch nicht, etwas gegen den Despoten zu unternehmen, der sie alle ausbeutete und beherrschte. Immer noch sind die Menschen wie erstarrt. Nur Jessica kommt vom Hotel angelaufen und fällt neben dem im Staub liegenden Clay Roberts auf die Knie. Jake Turnbull wirft ihr nur einen kurzen Blick zu. Dann wendet er sich ab, kehrt zum Turnbull House zurück und verschwindet darin. Die Stadt aber wartet, verharrt in Unentschlossenheit, zumal ja noch die Deputies da sind, die sie als Turnbulls Handlanger kennen. Die Deputies jedoch scheinen genauso gelähmt zu sein wie alle anderen, auch sie verharren tatenlos. Indes hat Jessica festgestellt, dass Clay Roberts tot ist. Zwar hat er seinen Gegner Virgil Duane erschossen, doch was nützt ihm das noch? Jessica beißt sich auf die Unterlippe, um nicht losschreien zu müssen. Was sie befürchtet hat, ist geschehen. Der Spieler Clay Roberts, der ihr die ganze Welt zeigen wollte und mit dem sie so viele Abenteuer zu erleben hoffte, hat sein letztes Spiel um alles oder nichts verloren, so schnell er mit seinem Colt auch war. Er war kein ewiger Sieger. Jessica sieht dorthin, wo Pernel im Staub liegt. 200
Sie erhebt sich und kniet nach wenigen Schritten bei ihm. Da er nach vorn fiel, liegt er bäuchlings mit dem Gesicht im Staub, der von Pernels Blut getränkt ist. Ja, er blutet. Das Blut rinnt aus einer Kopfwunde. Aber Tote bluten nicht, weil deren Herz den Lebenssaft nicht mehr durch den Körper pumpt. Und so stößt Jessica einen seltsamen Laut aus und dreht Pernel mit ihrer ganzen Kraft auf den Rücken. Er hält immer noch den Revolver in der Faust. Jessica reißt sich das Tuch vom Hals und versucht, das Blut abzuwischen und die Blutung zu stoppen. Sie kann nun unter dem verklebten Haar erkennen, dass es sich um eine Streifwunde über dem linken Ohr handelt. Die Kugel muss Pernel wie ein Keulenschlag getroffen haben. Jake Turnbull weiß genau, dass er verloren hat. Irgendwie hat er dies ja schon geahnt. Aber er hat für solch einen Fall vorgesorgt. Und so durchquert er die beiden Räume und verlässt das Haus durch die Hintertür. Denn im Schuppen wartet der Wagen mit ihrer gesamten Beute, stehen auch die Sattelpferde. Ja, er wird die Flucht ergreifen und ist einigermaßen sicher, dass ihn niemand in dieser jämmerlichen und erbärmlichen Stadt aufzuhalten versuchen wird. 201
Denn sie fürchten ihn noch immer, wie sich vorhin zeigte. Als er den Wagen dann um das Haus herum auf die Straße lenkt, da hat er sein Sattelpferd hinten angebunden. Auf der Straße liegen immer noch die leblosen Gestalten des Revolverkampfes. Er sieht Jessica bei Pernel Scott knien. Und da erinnert er sich daran, dass er sie von Anfang an haben wollte. Sie erhebt sich, als er den Wagen neben ihr anhält, und blickt ihm gerade und fest in die kalten Augen. Er nickt auf sie nieder und spricht: »Steig ein, denn auch du gehörst zu meiner Beute, meine Schöne. Ich wollte dich vom ersten Moment an, da ich dich sah. Ich habe eine Million in Gold und Dollars hinter mir im Wagen. Und ich zeige dir die ganze Welt. Steig ein! Oder ich lasse dich tot zurück. Vorwärts!« Aber sie schüttelt den Kopf. »Als deine Gefangene wäre ich in der Hölle, Turnbull. Rette lieber deinen Skalp!« »Pah, die fürchten mich auch jetzt noch.« Er grinst und zieht den Revolver. Doch da sieht er, dass der am Boden liegende Pernel Scott sich aufgesetzt hat.
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Er will den Revolver auf ihn richten, doch Pernel schießt schon. Die Kugel stößt Turnbull vom Wagen. Und so liegt er plötzlich wie seine drei Revolvermänner ebenfalls tot im Staub. Pernel Scott aber kommt mühsam auf die Füße und verharrt schwankend wie ein Betrunkener neben Jessica. Doch er ist nicht betrunken. Ja, er wird leben. Jetzt endlich kommen die Leute aus allen Richtungen angelaufen. Und die Deputies streben eilig dem Mietstall zu, wo in den Corrals auch ihre Pferde stehen. Denn sie haben keine Bosse mehr. Es wird höchste Zeit für sie zu verschwinden. Hier gibt es für sie keine Gebühren mehr einzusammeln. Jessica schiebt die Schulter unter Pernels Achselhöhle, denn er könnte nur schwankend laufen. Sie bringt ihn ins Hotel und dort die Treppe hinauf in sein Zimmer. Und erst als er auf seinem Bett liegt und sie vom Waschtisch die Wasserschüssel und das Handtuch holt, da beginnt sie zu weinen. Pernel spricht stöhnend: »Es tut mir Leid, Jessy, es tut mir so Leid.« Ein ganzes Jahr vergeht. 203
Der alte Big Morgan McKenzie reitet wieder einmal über seine Weide. Aber er kann sich nicht mehr über sein Rinderreich – dieses Kingdom – freuen. Denn von seiner Tochter Jessica hat er schon eine Ewigkeit kein Lebenszeichen erhalten – und auch nicht von seinem Exvormann Pernel Scott, dem er so sehr vertraute und dem er tausend Dollar als Spesen mitgab. Pernels kleine Ranch ist gewachsen. Ja, McKenzie hat dafür gesorgt. Doch was nützt ihm das alles? Er fühlt sich so verdammt allein. Dennoch reitet er zur Scott-Ranch hinüber, die ja nur zehn Meilen entfernt an seiner Weidegrenze jenseits des Creeks liegt. Die beiden hier stationierten Cowboys reiten gerade einige Mustangs zu. Er bleibt neben den Corralstangen im Sattel und sieht zu. Dabei erinnert er sich an jene Zeit, da er so jung war wie die beiden Cowboys und er sich hier sein Rinderreich zu schaffen begann. Jetzt fühlt er sich alt und überflüssig auf der Welt. Sein Blick schweift in die Runde. Und da sieht er zwei Reiter kommen. Er will es nicht glauben und wischt sich mehrmals über Stirn, Augen und Gesicht. 204
Aber die beiden Reiter sind immer noch zu sehen und sie kommen immer näher. Er stößt einen seltsamen Laut aus, der wie ein befreites Stöhnen klingt. Auch die beiden Cowboys haben die sich nähernden Reiter entdeckt und blicken ihnen entgegen. Er fragt vom Sattel aus zu ihnen hinüber: »Jungs, wer kommt da geritten? Wen seht ihr da kommen?« Die Cowboys grinsen, »Boss«, ruft einer, den sie Blinky nennen, »Boss, da kommt Ihre Tochter Jessica mit Pernel Scott, für den wir hier arbeiten. Jessica kommt heim!« Er glaubt es nun, ist endlich sicher, dass er nicht nur ein Wunschbild sieht. Und da reitet er dem Paar entgegen. Sie treffen sich eine Viertelmeile von Pernels Ranch entfernt, halten voreinander und sehen sich an. »Da bist du ja, Jessy!«, sagt der alte Rancher heiser. Und zu Pernel Scott gewandt: »Danke, dass du sie heimgebracht hast, Pernel, mein Junge!« Dann schaut er wieder seine Tochter an und fragt: »Wie geht es dir, Jessy?« »Ich wollte heim zu dir, Dad.«
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»Und dieser Spieler Clay Roberts, der dir die Welt zeigen wollte und dich um den Verstand brachte – was ist mit dem?« »Das ist eine lange Geschichte.« Sie lächelt – und ihr Lächeln wirkt wie das einer erfahrenen Frau. Nein, sie ist kein Mädchen mehr. »Wir werden dir alles erzählen, Dad. Und wir kommen als wohlhabende Leute zurück. Pernel und ich, wir haben in San Antonio geheiratet. Und er ist gewiss kein Spieler. Ich will auch nicht mehr weg von hier. Ist dir das nun recht?« McKenzie grinst nun zu Pernel Scott hinüber. »Das hatte ich erhofft«, sagt er. »Das war mir tausend Dollar wert.« Er zieht sein Pferd herum und ruft über die Schulter: »Kommt, reiten wir heim!« Sie folgen ihm. Jessica spricht zu Pernel hinüber: »Du kennst ihn ja wohl besser als ich, denn du warst mal sein Vormann. Der kann nicht anders. Doch ich glaube dennoch, dass er mich liebt.« »Wir beide tun das.« Pernel sagt es ernst und geradezu feierlich. ENDE
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