Der große Zeitsprung Der Prokaskische Krieg Teil 2 von W. W. Shols ISBN:
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Der große Zeitsprung Der Prokaskische Krieg Teil 2 von W. W. Shols ISBN:
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Die Sonne Sol war nur noch ein Punkt am Firmament. Ein flackerndes Licht, das unruhig im Strom der Milchstraße funkelte. Das Raumschiff Cora hatte Kurs Poldini gesetzt, ein System, das man von Terra aus erreicht, wenn man das Sternbild der Zwillinge ansteuert. Doch zwischen Start und Ziel, zwischen Sol und Poldini, lag der nichtssagende routinemäßige Raumsprung, der auf Grund eines Fehlers plötzlich die Welt auf den Kopf stellte. Es nützte auch nichts, daß man den Fehler ziemlich schnell herausfand. Als Iks-Wol-Esak ihn entdeckte, war es bereits zu spät, ihn wiedergutzumachen. Während der Kommandant Perry Barnett das Manöver durchführte, waren Perkins und Lisman bei ihm in der Zentrale. Auch sieben Stunden nach dem Start gab es immer noch einige Sachen einzuräumen und zu ordnen, denn der Abflug von der Erde war beinahe überstürzt erfolgt. Perry Barnett war nicht länger als drei Tage zu Hause gewesen, als das Gehirn, der regierende Elektronendiktator der Sol-Sirius-Union, ihn erneut zu sich gerufen hatte, um ihm und Skeen, dem Marinepsychologen und Minister, seine Anweisungen zu geben. Barnett war so kühn gewesen, das Gehirn zu fragen, weshalb ausgerechnet nach drei Tagen die Sache so eilig geworden wäre. Bis dahin war er nämlich mit Cora durch die Lokale der unterirdischen Stadt gestreift, hatte die Zeit totgeschlagen und sich gefragt, weshalb die Entscheidungen einer Elektronenintelligenz solange auf sich warten ließen. Das Gehirn hatte ihm diese Frage völlig leidenschaftslos beantwortet, indem er ihn an die beiden Prokas verwies, mit denen es während der drei Tage konferiert hatte. Wenn man aber bedenkt, wie kompliziert eine Unterhaltung zwischen Prokas und Menschen vor sich geht - nämlich mit Telepathierelais - dann war zu verstehen, daß Barnett nach seiner Entlassung aus dem Regierungszentrum sein Interview mit den befreundeten Kugelwesen erst einmal zurückstellte, um die Befehle des Gehirns unverzüglich zu befolgen. Dienstroboter halfen ihm, die Besatzung aus einem verkommenen Nachtlokal der 104. Sohle herauszulotsen. Cora mußte den Einkauf mehrerer modischer Perücken unterbrechen und Forry Bannister war gezwungen, innerhalb einer Stunde seine Privatpraxis einem anderen Arzt zu übergeben. Bannister war am wenigsten vorbereitet gewesen, denn er gehörte ja nicht mit zur Schiffsbesatzung und hatte kaum damit gerechnet, daß er die nächste Reise der Cora mitmachen würde. Perry Barnett starrte auf den Bugbildschirm, ohne das Meer der Sterne wahrzunehmen. Seine Gedanken schweiften einen Augenblick ab, und er dachte an die drei Tage auf Terra, an den Auftrag des Gehirns, an die beiden so unmenschlichen Prokas und an Forry Bannisters dummes Gesicht. Wahrhaftig, noch nie hatte der Arzt so tölpelhaft ausgesehen wie in dem Moment, als man von ihm verlangte, im Laufe von 60 Minuten auf der Cora zu erscheinen. Sekundenlang huschte ein Grinsen über Perry Barnetts Gesicht. Dann gewann die nüchterne Umgebung der Kommandozentrale wieder Gestalt für ihn. Im Rückspiegel suchte er Perkins und Lisman, die hinter ihm saßen. »Drei Minuten bis Raumsprung«, sagte er ruhig. »Klar zum Manöver!« »Klar zum Manöver«, wiederholten die beiden. Es war nichts als gewohnte Routinearbeit. Nicht einmal die Bordanlage hatte Barnett eingeschaltet, durch die man sonst die gesamte Besatzung an besonderen navigatorischen Ereignissen teilnehmen ließ. Für die Menschen und die beiden Prokas auf diesem Schiff gab es nur eine Sache von Wichtigkeit, nämlich die Anbahnung von Friedensverhandlungen mit der prokaskischen Regierung. Jeder versäumte Tag konnte Tausende von zivilisierten und intelligenten Lebewesen auf beiden Seiten das Leben kosten. Beinahe ein Jahrtausend lang tobte der große Galaktische Krieg zwischen den Prokas und den Menschen. Dieser Krieg fand keine Parallele in der Geschichte des Copyright 2001 by readersplanet
Milchstraßensystems. Er war der totalste Krieg aller Zeiten, er war die kompromißloseste Begegnung, die es jemals zwischen zwei Intelligenzen gegeben hatte. »Zwei Minuten bis Raumsprung«, kamen Captain Barnetts Worte. Er saß bewegungslos im Kommandantensessel. Perkins und Lisman sahen nur Konzentration in seiner Haltung. Doch seine Gedanken fanden noch genügend Zeit, in die Vergangenheit abzuirren und ihm das Bild des Poldini-Planeten heraufzubeschwören, auf dem die erste Begegnung zwischen dem Menschen Barnett und den Prokas stattgefunden hatte. Barnett war ein Patriot und Fanatiker, wie ihn sich keine Kriegspartei besser wünschen konnte. Doch Barnett war auch ein Auserwählter. Das Gehirn hatte ihn zum Rebellen gemacht und auf einen Weg gebracht, an dem eben diese Begegnung lag. Die Begegnung zwischen ihm und den Prokas Iks-Wol-Esak und Nam-Legak. Seltsam, daß Jahrhunderte vergehen mußten, ehe ein solches Treffen arrangiert werden konnte! Jahrhunderte des Schreckens und des Tötens, des im Grunde sinnlosen Eroberns, Verlierens und Wiedereroberns. »Eine Minute bis Raumsprung!« Barnetts Körper war wach. Sein Blick verfolgte von Sekunde zu Sekunde den Lauf des Chronometers, und trotzdem verschwendete er noch Gedanken an zukünftige Dinge, die hinter dem Raumsprung liegen würden. Die kommenden Friedensverhandlungen mit der prokaskischen Regierung. Barnett war glücklich und stolz. Nicht, daß er sich einbildete, der Retter des Galaktischen Friedens zu sein. Er wußte genau, daß er nur ein Werkzeug stärkerer Kräfte war. Aber diese Kräfte waren gut, weil sie im Sinne der absoluten Vernunft arbeiteten. Und sie hatten für Barnetts Kapazität immerhin noch genug offengelassen, was für ihn zu tun blieb. Noch fünfzehn Sekunden vor Punkt Null mußte er an Iks-Wol-Esak und Nam-Legak denken, die er schon vor dem Start etwas fragen wollte. Nun, es würde Zeit bis nach der Flugwache haben! »Zehn Sekunden bis Raumsprung! Na denn... meine Herren!« In diesem Augenblick verschwand die Cora für einen außenstehenden Beobachter vom Himmel. Sie lief dem Licht davon. Für jedes äußere Bezugssystem verhundertfachte sie ihre Beschleunigung. Als Zeitgenosse des 133. Jahrhunderts nannte man diesen Vorgang Hyperrace. Da aber überlichtschnelle Geschwindigkeiten unweigerlich eine Zeitverschiebung in die Zukunft bedeutete, hatten sich die Menschen bemüht, eine Möglichkeit zu finden, dieses Handikap auszuschalten. Mit einem Zeitsprung war niemandem in der Gegenwart gedient. Aus naheliegenden Gründen war das Zeitspringen sogar verboten, obgleich man einen Zeitflüchtling in der Gegenwart nicht mehr zur Verantwortung ziehen konnte. Vielleicht konnte man ihn in der Zukunft bestrafen. Voraussetzung dafür war, daß die Polizeibehörde den Fall lange genug im Auge behielt. Nun, das Verbot des Zeitspringens war lediglich eine Vervollkommnung der Gesetzbücher. Die Regierung des Gehirns hatte längst dafür gesorgt, daß Raumschiffe nur mit dem ausgleichenden Hyperrace ausgerüstet wurden, was seit der Entdeckung der temporisierten Mesonen absolut keine Schwierigkeit bereitete. Der Hyperrace wurde dadurch auf eine nahezu zeitlose Ebene verschoben, so daß tatsächlich ein Raumsprung ohne Zeitverlust zustande kam. Das typische Kennzeichen für einen solchen Raumsprung war die sogenannte Sternflucht, eine Erscheinung, die sich auf dem Bildschirm, also bei jeder optischen und radiooptischen Beobachtung, zu erkennen gab. Der scheinbar ruhende Fixsternhimmel geriet beim Raumsprung für das Schiff in eine superschnelle Bewegung. Die Punkte der Sterne zogen sich sofort zu endlosen Lichtstreifen auseinander... Wie gesagt, ein solches Manöver war für den Raumfahrer des 133. Jahrhunderts eine Alltäglichkeit. Über die hier geschilderten physikalischen Zusammenhänge zerbrach er sich nicht jedes Mal den Kopf. Er machte die notwendigen Handgriffe, die den Schiffsantrieb auf temporisierte Mesonen umstellten, und lehnte sich dann in der Regel bequem in seinem Pilotensessel zurück. Auch Barnett machte darin keine Ausnahme. Nur daß er es diesmal keine drei Sekunden in inniger Berührung mit der Rückenlehne aushielt. Er kam sofort wieder vor und hantierte gereizt an sämtlichen Hebeln und Knöpfen, die etwas mit der Bildübertragung zu tun hatten. Und dann erlaubte er sich einen Fluch, den man ihm nur unter Männern verzeihen konnte. Auch Lisman und Perkins veränderten ihre Position in einem Maße, das bereits gegen die Dienstvorschrift verstieß. Sie verließen ihre Sitze und drängten sich zu Barnett. Copyright 2001 by readersplanet
Seit ihrem gemeinsamen Erlebnis war das persönliche Verhältnis untereinander lockerer und persönlicher geworden. »Verdammt! Was wollt ihr hier? Setzt euch hin! Wie ich den Bildschirm repariere, könnt ihr auch von euren Plätzen aus beobachten..., wenn es euch interessiert.« »Okay, Barnett. Du mußt entschuldigen. Es sah einfach schaurig aus.« »Was sah schaurig aus? Habt ihr noch nie einen Bildschirm gesehen, der schwarz wird?« »Das schon«, löste Perkins Lisman im Antworten ab. »Nur so unmittelbar nach Eintritt in den Hyperrace wirkt das reichlich aufregend. Man hat dann unweigerlich das Gefühl, es könnte etwas mit dem Sprung schiefgegangen sein.« »Nett, daß du plötzlich auch Gefühle hast, Perkins. Du wirst mir doch wohl nicht krank?« »Bis auf den Schreck bin ich vollkommen gesund und melde Befehl ausgeführt. Maschinist Perkins sitzt wieder und gestattet sich, den Reparaturarbeiten seines Captains zuzusehen.« »Schon gut. Hoffentlich tust du das mit Aufmerksamkeit, damit du endlich etwas dazulernst.« »Ich bin nichts als Konzentration.« »Du bist eine alte Quasselstrippe...« Lisman und Perkins hockten auf ihren Plätzen. Ihre Gesichter spiegelten eine undefinierbare Stimmung wider. Sie wußten nicht, ob sie besorgt sein oder grinsen sollten. Je länger sie jedoch Barnett zusahen, um so mehr entschieden sie sich fürs Besorgtsein. »Soll ich helfen, Barnett?« fragte Lisman. Der Captain unterließ diesmal einen anderslautenden Befehl und wandte sich achselzuckend um. »Bitte, versuch's! Aber ich sage dir, du wirst nichts finden. Andernfalls bin ich ein Trottel.« »Ich will mich bemühen, dir den Trottel glaubhaft zu machen.« Lisman schaffte es nicht. Er hielt es zehn Minuten aus und schwitzte danach aus allen Poren. Inzwischen war auch Perkins wieder herangekommen, ohne daß jemand etwas dagegen hatte. »Ich würde euch ja gern helfen. Aber wenn ihr schon nichts gefunden habt...« Lisman winkte resigniert ab. »Gib dir keine Mühe! Es ist kein Fehler zu entdecken.« »Es muß aber einer da sein.« »Natürlich muß einer da sein«, machte Lisman gereizt. »Kaputt ist kaputt. Auch bei einem Televisor.« »Und wenn er nun nicht kaputt ist?« fragte Barnett. Es sollte wohl examinierend klingen, wie er das als Vorgesetzter seinen Leuten schuldig war. Doch es fehlte die Überzeugung in dieser Frage. Lisman beantwortete sie mit einem offenstehenden Mund. »Die Frage regt zu logischem Denken an«, erklärte Perkins in seiner ironisierenden Art. »Wenn der Televisor nicht kaputt ist, dann auf jeden Fall irgend etwas anderes. Denn der Schirm ist schwarz und läßt nicht ein Kerzenlicht erkennen.« »Wir werden eine Radarprobe machen«, entschied Barnett. »Wenn die 30 cm-Welle auch nicht reagiert, sind wir so gut wie tot...« Die Radargeräte funktionierten tatsächlich nicht. Sie wurden untersucht wie der Bildempfänger. Nur - daß man keinen Fehler fand. Die Männer sahen sich an. Perkins blickte wie einer, der Hilfe braucht. Lisman zerrte mit der Hand am Kragen, als bekäme er keine Luft mehr, und Barnett sah so hilflos aus, wie ihn keiner kannte. »Setzt euch, Jungs! Ihr müßt jetzt mitdenken. Bevor irgend etwas an den Maschinen geändert wird, müssen wir herausfinden, was geschehen ist. Sonst können wir alle draufgehen.«
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»Du hast gesagt, wir wären so gut wie tot, wenn das Radar kaputt ist. Wir sind aber nicht tot«, murmelte Perkins, und seine Behauptung klang wie eine Frage. »Nein, wir sind nicht tot«, erklärte Barnett verbissen. »Wir sind es noch nicht. Und jetzt sage mir, was du gesehen hast, Lisman. Was geschah, als wir in den Hyperdrive gingen? Sind wir überhaupt hineingekommen?« »Natürlich sind wir das! Drei oder vier Sekunden lang zogen die Sterne Striche. Dann verschwanden sie, und der Schirm wurde schwarz. Unter der Voraussetzung, daß das Gerät nicht defekt ist, darf ich also annehmen, daß in einem meßbaren Bereich keine Materie mehr existiert. So ungeheuerlich es klingt, müssen wir diese Möglichkeit ins Auge fassen, da die Radarbeobachtung das Ergebnis bestätigt.« »Ihr wißt nicht, was ihr redet!« protestierte Perkins. »Ich bin tatsächlich nicht in der körperlichen Verfassung, eine solche Situation anerkennen zu können.« »Die Situation wird sich kaum danach richten, ob du sie verkraften kannst oder nicht. Du mußt schon versuchen, dich ihr anzupassen.« »Vielen Dank für die Empfehlung. Doch ich sehe keine Möglichkeit, mich anzupassen. Ich weiß nicht, wem. Wenn draußen keine Materie vorhanden ist, dann gelang uns wahrscheinlich der Sprung aus der Milchstraße. Aber es ist doch wohl keiner unter euch, dem ich das abnehmen soll. Aus einem Drei-Parsec-Sprung, der für die Dauer von ein paar Wochen errechnet war, kann nicht in zwei Sekunden der Sprung aus der Galaxis gelungen sein.« »Ganz recht! Das wäre erstens nicht möglich und kann zweitens nicht zutreffen, da wir selbst im leeren Raum, also zwischen zwei Nebeln, immer noch Materie orten können. Wir messen aber mit vollkommen betriebsfertigen Geräten nicht ein einziges Atom. Auf der anderen Seite kannst du nicht mit einer Weltuntergangstheorie kommen. Denn dann würden auch wir in diesem Augenblick nicht mehr existieren.« »Vielleicht existieren wir auch nicht mehr.« »Mit Verlegenheitsphilosophie kommst du nicht weit. Auf jeden Fall mußt du diese Kommandozentrale als Tatsache anerkennen. Nein, das Rätsel liegt draußen, außerhalb unseres Schiffes.« »Nun gut, wenn wir existieren, was ich im Augenblick auch gar nicht bezweifeln möchte, so müssen wir eben das übrige All als vernichtet ansehen. Seid mir nicht böse! Aber ihr verlangt Logik von mir. Und wenn ich festgestellt habe, daß draußen nichts ist, dann ist dort auch nichts. Und wo nichts ist, da ist auch kein Universum. Und wo kein Universum ist, können wir nicht existieren.« »Deine Bauernlogik stimmt aber offenbar nicht«, erklärte Lisman ungeduldig. »Sieh dich doch um...« »Laß bloß das Schulmeistern!« wehrte sich Perkins. »Du weißt genauso wenig Bescheid. Du weißt nicht, wo wir sind und was wir sind. Du weißt gar nichts, mein Lieber. Vielleicht ist das hier der Himmel.« »Wirst du plötzlich religiös?« »Es gibt Leute, die werden eben erst religiös, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Und ich weiß nicht mehr weiter. Bewiesen hat Gott noch keiner. Aber naive Leute wie ich, die den Raum nach Lichtjahren durchkreuzen, haben immer so das komische Gefühl im Magen, daß sie in dieser rätselhaften Endlosigkeit eines Tages doch mal auf Gott stoßen können...« »Hört auf!« schrie Barnett plötzlich. »Wir reden vom Himmel und du benimmst dich wie ein primitiver Atheist«, sagte Perkins leise, aber vorwurfsvoll. »Das ist mindestens pietätlos.« »Wir sind in Gefahr, und ihr redet ausgesprochenen Nonsens. Wenn du hier Verdacht auf Seelenwanderung hast, dann liegst du völlig schief, mein Junge. Denn unser Schiff existiert noch. Und da man weltliche Werte schwerlich mit in die Ewigkeit retten kann, solltest du dich schnellstens damit abfinden, daß wir noch nicht gestorben sind. Du hast den Tod noch vor dir. Und du hast ihn noch zu fürchten. Also. - Dienstbetrieb, meine Herren!! Wir gehen in den Normalraum zurück.« Copyright 2001 by readersplanet
Für Perkins war das ein Befehl, dem er ohne Überlegung gehorchte. Er setzte sich auf seinen Platz und empfand sogar Erleichterung bei dem Gedanken, daß Barnett ihn in den nächsten Minuten mitsamt dem Raumschiff Cora wieder in einer vernünftigen Galaxis abliefern würde, wo man immer wußte, wie man dran war. Lisman dagegen rührte sich nicht vom Fleck. Ehe Barnett ihn unwillig anbrüllen konnte, sagte er nur ganz leise: »Perry...« In diesem Wort lagen soviel Angst und Hilflosigkeit, daß Barnett noch verwirrter wurde. »Was ist mit dir, James?« »Ich weiß nicht... Aber - weißt du wenigstens, was du tust?« »Verdammt! Ich will aus diesem Nichts heraus. Vielleicht ist alles wieder in Ordnung, wenn wir den Hyperrace verlassen.« »Vielleicht. Aber du weißt es nicht. Du weißt nicht einmal, ob du im Hyperraum bist. Und wo du nicht bist, kannst du nicht hinausgehen...« »Mein Gott, ja! Ich weiß, was du meinst. Doch wir müssen etwas tun! Das Schiff ist in Ordnung. Die Geräte sind völlig unbeschädigt. Hier gibt es nicht die geringste Möglichkeit der Standortbestimmung. Kein Mensch kann hier etwas anderes tun, als auf Verdacht handeln. Das ist unser Risiko...« »Kein Mensch, freilich. Aber ein Proka vielleicht...« Perkins war schon wieder heraus aus seinem Sessel. »Captain! Lisman hat recht.« »So, hat er das?« »Du weißt es selbst und willst es nur nicht zugeben. Du hast genauso Angst wie wir. Natürlich will ich auch hier raus aus diesem Totenreich. Denn so was Ähnliches muß es schon sein. Bloß... wenn es schiefgeht, Captain. Dann... wir sollten herauszukriegen versuchen, wo wir sind, ehe wir eine Dummheit machen. Und die Prokas sind gescheite Burschen. Erinnere dich, wie Talcott starb! Es war en Luftbild, das nur mit dir geredet hat. Aber du bist durch ihn hindurchgegangen und konntest ihm nicht helfen.« »Was hat das hiermit zu tun?« »Ich weiß nicht. Ich will dir nur beweisen, daß die Prokas Kenntnisse besitzen, an die wir höchstens im Traum denken.« »Die Prokas sind auch nur Menschen...« »Eben nicht. Sie sind Prokas. Hast du vielleicht Angst, ihnen zu sagen, was passiert ist?« »Lieber wäre es mir schon, wir hätten den ganzen Schaden behoben, bevor die Besatzung alles erfährt.« »Mir wäre manches lieber. Nur halte ich es für falsch, auf die Gemüter Rücksicht zu nehmen. Vielleicht können die Prokas Funkverbindung mit ihren Leuten herstellen.« Barnett durchzuckte es wie ein Blitz. Er hätte sich ohrfeigen können. Funkverbindung war sein Stichwort. Ohne Perkins eine Antwort zu geben, wandte er sich seinen Geräten zu und drehte den Empfänger über sämtliche zur Verfügung stehenden Skalen. Aber auch dieser Hoffnungsschimmer erlosch. »Mich überrascht es nicht«, sagte Lisman, und in seiner Stimme lag eine versteckte Genugtuung, die völlig absurd war. »Alle Geräte sind in Ordnung. Warum sollten wir beim Funken Erfolg haben, wenn es mit Radar und Television schiefgeht? Außerdem wäre es unlogisch.« »Man spürt geradezu deine Freude über den Mißerfolg«, knurrte Perkins wütend. »Mach dich nicht lächerlich! Und verlange nicht, daß das Naturgesetz sich deinen Wünschen beugt! Wenn draußen keine Galaxis ist, kann auch kein Funkverkehr herrschen. Ich schlage vor, wir rufen die Prokas. Alles andere ist verantwortungsloser Unsinn.« »Wie du meinst...« Barnett hob das Telepathierelais auf sein Armaturenpult und konzentrierte Gedanken. Er sprach nur die Namen der fremden Freunde. Bevor er einen Kommentar zur Lage geben Copyright 2001 by readersplanet
konnte, rollten Nam-Legak und Iks-Wol-Esak durch das Korridorschott. Doch mit Zauberei hatte das nichts zu tun. Das kleinere der beiden Kugelwesen erklärte, sie wären schon minutenlang durch völlig wirre Gedanken aus der Zentrale beunruhigt worden. Sie hätten sich daraufhin bereits entschlossen, die Kommandobrücke aufzusuchen, obgleich sie fürchten mußten, es könne den Menschen unangenehm sein. Barnett erklärte den Prokas die Lage. Oder, besser gesagt, er nannte seine Sorgen, denn zur Lage erwartete er selbst eine Erklärung. Nam-Legak kam bis an den Kommandantensessel heran. Seine Augen reichten nicht höher als die Sitzfläche. Deshalb kletterte er an den Armaturen hoch, um einen Überblick über die verschiedenen Schaltungen zu bekommen. Barnett mußte ihm vieles erklären, während er in seiner Ungeduld auf ein positives Wort der Prokas wartete. Da aber weder Iks noch Nam irgendwelche Vermutungen verrieten, stellte er eine direkte Frage. »Gibt es irgend etwas in eurer Welt, das mit unserem Zustand zu vergleichen ist? Ich meine, habt ihr solche Vorfälle schon einmal bei einem Raumsprung erlebt?« »Ich kann noch nichts dazu sagen«, erklärte Nam-Legak. »Laßt uns erst alles überprüfen.« »Das ist bereits geschehen.« »Menschen überprüfen anders als Prokas. Laß nur, es kann nicht schaden.« »Aber wir verlieren Zeit. Vielleicht kostbare Zeit. Niemand kann sagen, ob wir dadurch unsere letzte Chance verspielen.« »Wenn wir die verspielen, wird der Krieg zwischen unseren Rassen weitergehen. Aber ich kann nichts dazu sagen, ehe ich nicht alle Tatsachen im Schiff kenne. Was ist das hier?« »Die Wellenschaltung für das Funkgerät. Es ist in Ordnung.« »Ich stelle es soeben fest.« »Versucht es bitte mit euren Apparaten! Unter Umständen fangen wir Meldungen der Prokas auf.« »Iks hat es soeben getan. Es gibt keinen Funkverkehr draußen. Es gibt keine Materie und keine Energie. Und es gibt keinen Präzedenzfall in unserer Geschichte. Es muß an diesem Schiff liegen.« »An der Cora?« »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Es muß beim Eintritt in den Hyperraum passiert sein...« »Ja, natürlich. Aber was? Was ist passiert?« »Wir müssen es untersuchen.« »Das Schiff ist in Ordnung. Ich weiß nicht, was man noch untersuchen könnte. Der Raum draußen ist nicht in Ordnung. Er ist so in Unordnung, daß man ihn nicht untersuchen kann. Und trotzdem muß der Fehler außerhalb der Cora liegen.« »Das ist nichts als eine Annahme«, erklärte Iks-Wol-Esak in unpersönlichem Widerspruch. »Wenn es einen Fehler gibt«, versuchte Perkins seinen Einwand dozierend zu gestalten, »so liegt er auf jeden Fall draußen. Die Cora hat keinen Fehler...« »Woraus schließt du das?« »Wir haben es festgestellt. Der Captain ist durchaus in der Lage, das zu tun. Immerhin hat er genügend Fachkenntnisse.« »Man muß es logisch machen«, wandte Nam-Legak ein. Sein telepathischer Diskussionsbeitrag hatte rein sachlichen Charakter. »Die Untersuchung hat ergeben, daß außerhalb des Schiffes nichts ist. Und wo nichts ist, kann kein Fehler sein. Fehler setzen eine Existenzform voraus. Für uns gibt es aber nichts als dieses Schiff. Folglich ist der Fehler hier zu suchen.« »Ich kann ihn nicht finden«, sagte Barnett. »Wir haben den ganzen Vorfall rekonstruiert. Soweit uns das überhaupt möglich ist...« Copyright 2001 by readersplanet
»Freilich - soweit das möglich ist.« Iks-Wol-Esak drückte es in seiner Art etwas umständlicher aus. Lisman und Perkins kamen noch näher an das Telepathierelais heran, um den Sinn der prokaskischen Gedanken etwas intensiver zu erfassen. »Die Rekonstruktion wird immer subjektiv bleiben, da wir alle nicht sagen können, was nun wirklich geschah. Aber es ist unsere einzige Möglichkeit. Auf keinen Fall dürfen wir sagen, das Schiff ist in Ordnung, also liegt es nicht am Schiff.« »Nun gut«, erklärte Barnett. »Ich finde keinen Fehler. Wenn er nicht in der Technik und nicht draußen liegt, dann stimmt etwas nicht mit unserem Denken. - Wir kamen aus dem Normalraum. Wir gingen in den Hyperspace. Die Vermutung liegt nahe, daß wir uns dort aber nicht länger als drei Sekunden aufhielten. Wenn eins feststeht, so ist es die Tatsache, daß wir uns in keiner der bekannten Dimensionen befinden.« »Jawohl«, bestätigte Nam-Legak. »Aber worauf begründet sich der Aufenthalt in den bekannten Dimensionen?« »Es liegt am Treibstoff. Normale Kraft im normalen Raum. Temporisierte Mesonen sind Partikel einer bilateralen Erscheinungsform. Durch sie ist die Existenz im Hyperraum bei konstruktivem Zeitablauf möglich. Ja, mehr noch! Soweit wir wissen, drängen temporisierte Mesonen geradezu auf die zeitlose Ebene.« »Das ist das gleiche Prinzip wie bei uns«, erklärte Iks. »Hast du schon einmal den Treibstoff geprüft?« »Weshalb soll ich den Treibstoff prüfen? Der Sprung ist geglückt, also muß der Treibstoff in Ordnung sein.« »Ich finde, der Sprung ist nicht geglückt«, erklärte Iks-Wol-Esak in einer Denkweise, die er sich überraschend schnell von den Menschen angeeignet hatte. »Und du hast den Treibstoff nicht geprüft.« »Herrje! Was willst du mit dem Treibstoff? Heute morgen war er in Ordnung, als er auf Terra geladen wurde. Und die Maschinen arbeiten einwandfrei.« »Das eben bezweifle ich.« Barnett sah aus wie einer, den man an den Rand der Geduld getrieben hat. »Mein lieber Freund und Proka, ich bin immerhin soweit Techniker, daß ich auf Grund meiner Geräte hier sofort feststellen kann, ob das Triebwerk arbeitet oder nicht.« Iks-Wol-Esak blieb von Barnetts Laune unbeeinflußt. Er mußte über eine sehr rationalistische Mentalität verfügen. »Niemand zweifelt an deinen Kenntnissen, Captain. Aber hier stehen wir vor etwas Unbekanntem. Und Kenntnis kann nur aus dem Erfahrungsbereich kommen. Du solltest einsehen, daß angelerntes Zeug dir hier nicht weiterhilft.« »Das klingt wie eine Lektion. Solltest du etwa mehr wissen als ich?« »Mehr - vielleicht. Aber was hier geschieht, ist mir genauso unbekannt wie euch Menschen.« »Ich schlug bereits vor, den Treibstoff zu untersuchen.« Barnett rollte mit den Augen. Der Blick, den er Perkins und Lisman zuwarf, konnte nur bedeuten, daß er die Prokas für einen Haufen unverbesserlicher Pedanten hielt. Doch Lisman schien ihn in dieser Ansicht nicht zu unterstützen. »Hör zu, Perry! Nimm eine Probe vom Beugungsgitter. Auf jeden Fall haben wir dann Gewißheit.« »Die habe ich schon jetzt. Aber gut, ihr sollt euren Willen haben. Wenn es auch vergeudete Zeit ist. Überleg doch bloß diesen Unsinn! Der Treibstoff soll nicht in Ordnung sein...« »Schon gut«, winkte Lisman ab. »Ich übernehme die Flugwache. Geht los und findet den Haken!« Barnett gehorchte seinem Steuermann, als sei er gewohnt, von ihm Befehle entgegenzunehmen. Er ging voraus in Richtung Heck. Die beiden Prokas folgten ihm nach telepathischer Verständigung.
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* Der Raum, den sie betraten, war Labor, Reparaturwerkstatt und Ersatzteillager zugleich. Nam-Legaks Gedanken strahlten den Eindruck der Überraschung aus, mit dem jedes intelligente Lebewesen dem Unbekannten gegenübersteht. »Ich werde euch zeigen, wie es funktioniert«, erklärte Barnett. »Dies hier ist eine Franksche Röhre, eine Weiterentwicklung der Braunschen Röhre.« »Was heißt Franksche und Braunsche? Sind es Farben?« »Nein, es sind die Namen der Erfinder. Paßt auf!« Barnett bediente Schalter und Knöpfe. Plötzlich stand ein dünner Korpuskelstrahl auf der Längsachse der Röhre. »Das ist eine Abzweigung aus den Antriebsaggregaten. Wir werden jetzt feststellen, ob euer Verdacht zu Recht besteht.« »Erkläre, wie man es feststellen kann. Wir möchten den Versuch mitverfolgen.« »Okay! Dort am Ende der Röhre liegt eine Plastikscheibe. Die Korpuskeln wandern im Augenblick durch die Öffnung im Zentrum der Scheibe. Wenn ich jetzt von oben das Magnetfeld einschalte, werden die freien Elementarteilchen in ihrer Bahn beeinflußt. Die negativen werden nach oben, die positiven nach unten abgelenkt. Die neutralen bleiben in ihrer geradlinigen Bahn und verschwinden dann durch die Öffnung. Bei unserem Versuch darf nichts von dem geschehen. Wir brauchen temporisierte Teilchen. Und die machen, sobald sie senkrecht zum Magneten stehen, eine Wendung von nahezu einhundertachtzig Grad. Wir werden also beobachten, daß die Teilchen mit einem scharfen Bogen beinahe in sich zurückfließen. Die rechte Hälfte der Röhre darf von ihnen nicht erreicht werden.« »Ich verstehe«, äußerte Iks-Wol-Esak. »Du wirst temporisierte Mesonen hineinschicken. Weder positiv, negativ noch neutral im Sinne von Plusmaterie und Plusenergie.« »Ganz recht. Aber auch nicht im Sinne von Minusexistenz. Ich kann es nicht definieren. Wir Menschen haben uns hier etwas nutzbar gemacht, ohne zu wissen, was es eigentlich ist.« »Das kommt nicht nur bei den Menschen vor«, tröstete Nam-Legak, äußerte dann aber den Gedankenwunsch, nun endlich das Experiment zu erleben. Barnett schaltete schweigend das Magnetfeld ein. Er ließ es nur für den Bruchteil einer Sekunde in Tätigkeit und riß den Kontakt sofort wieder zurück. Den Arm zog er ruckartig an den Körper, als habe er einen elektrischen Schlag bekommen. Die beiden Prokas zeigten durch leichtes Vibrieren ihrer Kugelkörper Zeichen von Verwirrung. Zunächst war einmal nichts von dem geschehen, was Barnett als Möglichkeiten vorausgesagt hatte. Die Elementarteilchen waren beim Einschalten des Feldes sofort in ein völliges Chaos übergegangen und hatten die ganze Franksche Röhre mit einem einzigen Leuchten gefüllt. Aus Barnetts Gedanken ließ sich nichts darüber ablesen. Das menschliche Gehirn verriet nur einen starken Schock, wodurch jeder logische Gedanke überlagert wurde. Erst langsam - während der Captain mit dem Rücken an die Wand gelehnt stand kristallisierte sich etwas Zusammenhängendes aus seinen Gehirnwindungen. Es waren keine Erklärungen, sondern nur hilflose Fragen. Es war das Abbild einer Erscheinung, die es nie zuvor in einer Frankschen Röhre gegeben hatte. Das Chaos im Kosmos! Was für ein Paradoxon! »Beim Allgeist! Das kann nicht wahr sein!« »Was kann nicht wahr sein?« bohrte Iks-Wol-Esaks Frage. »Wo liegt der Fehler? In der Röhre oder am Treibstoff?« »Die Röhre ist in Ordnung. Sonst würde der Ruhstrahl nicht geradlinig verlaufen.« »Also liegt es am Treibstoff.« Barnett nickte. Er war unsicher. Oder hatte er sogar Angst? Er wußte es selbst nicht. Hatten die Prokas Angst? Mußten sie nicht vibrieren, wenn sie erregt waren?« »Ich schlage vor, den Versuch zu wiederholen«, erklärte Nam-Legak. »Oder bist du in der Lage, dir aus dieser kurzen Beobachtung ein Bild zu machen?« Copyright 2001 by readersplanet
»Ich kann es mir zusammenreimen. Aber ein Beweis ist das nicht.« »Also schalte noch einmal das Magnetfeld ein! Oder befürchtest du Komplikationen dadurch?« »Ich weiß nicht«, sagte Barnett hilflos. Vielleicht ist alles harmlos. Genauso gut können wir mit einem einzigen Fehlgriff das ganze Schiff vernichten. Wir wissen doch absolut nicht, woran wir sind.« »Aber wir müssen es herausbekommen.« Iks-Wol-Esak schob sich vor und verharrte ganz dicht vor der Frankschen Röhre. »Hör zu, Captain! Dieses Gerät ist ein wunderbares Ding. So etwas habe ich mir schon manches Mal bei meinen Arbeiten gewünscht. Denn wenn ich dich richtig verstanden habe, kann ich darin optisch die Existenzformen ablesen und bestimmen.« »In etwa ja«, gab Barnett zu, ohne daß das Lob des Prokas ihm das geringste Gefühl des Stolzes gab. »Mir hat jedoch genügt, was ich gesehen habe. Und danach ist die Existenzform unseres Treibstoffes überhaupt nicht definierbar. Jedenfalls nicht mit unseren menschlichen Kenntnissen.« »Ich fürchte, eine solche Entscheidung kannst du nicht nach einem Versuch fällen, der nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert hat.« »Ihr seid also unbedingt für eine Wiederholung, ganz gleich, ob wir dabei draufgehen oder nicht. Nun gut. Ich gebe zwei Sekunden Strom in den Magneten.« »Besser wären zehn Sekunden.« Barnett schien plötzlich alles gleichgültig zu sein. Fatalistisch sagte er: »Meinetwegen zehn Sekunden.« Der Versuch begann wie erwartet. Der Strom der Elementarteilchen geriet beim Einschalten des Magnetfeldes in einen völlig unmotivierten Wirbel und verteilte sich über das ganze Vakuum der Röhre. Der Mensch und die Prokas starrten gebannt auf die rätselhafte Erscheinung. Nach zwei und drei Sekunden noch keine Änderung des Vorganges. Es stellte sich weder ein Weltuntergang ein, noch erlitt die Franksche Röhre irgendeinen Schaden. Doch mit Sekunde vier stieg das Rätsel ins Unfaßbare. Der leuchtende Wirbel verlor an Leuchtkraft und erstarb in totaler Unsichtbarkeit. Und dennoch waren Röhre und Magnet in Tätigkeit. Barnett vergaß die Sekunden und starrte nur wie gelähmt auf das Bild des Nichts. Iks-Wol-Esak übernahm es daher ungefragt, die Geräte auf Null zu stellen. »Du siehst, Captain, wie wichtig es war, den zweiten Versuch zu machen. Mit diesem Material müßte sich eigentlich etwas anfangen lassen.« »Material nennst du das? Ich sehe überhaupt keine Möglichkeit, aus diesem Vorfall vernünftige Schlüsse zu ziehen.« »Du sollst nicht lügen«, erklärte der Telepath. »Dein Gehirn verrät mir, daß du zu sehr vielen Schlüssen bereit bist.« »Wenn du schon in meinen Gedanken spionierst, dann wirst du auch wissen, wie wenig Überzeugung dahintersteckt. Ich mache mir nur Sorgen um alles. Und ich komme mir vor wie in einer Falle.« »Genau wie ich. Aber wir Prokas wollen wieder hinaus, verstehst du? Und deshalb müssen wir wissen, welcher Art die Falle ist.« »Ich pfeife auf diese zweifelhafte Erkenntnis. Mir genügt, daß es irgendeine Falle ist. Und deshalb werden wir umgehend in den Normalraum überwechseln.« »Vorausgesetzt, daß überhaupt die Möglichkeit besteht. Als Offizier der Unionsmarine handelst du damit wenig verantwortungsvoll.« »Ohne Risiko werden wir mit dieser Situation wohl schwerlich fertig«, stellte Barnett fest. »Doch ich habe das Gefühl, wir machen alles schlimmer, je länger wir warten. Nehmt nur die Copyright 2001 by readersplanet
Voraussetzung, daß wir uns auf einem völlig unkontrollierbaren Kurs befinden. Dann möchte ich wissen, an welcher Stelle ihr in den normalen Raum zurückkehren wollt.« »Vielleicht hat er recht«, gab Nam-Legak zu bedenken. »Natürlich«, erklärte der andere Proka. »Jeder kann recht haben. Oder auch keiner. Ich will nur zu bedenken geben, daß wir uns auch in diesem Moment auf die Vernunft verlassen sollten. Jedenfalls - soweit das möglich ist.« »Wie willst du hier Vernunft anwenden, außer in Form von unsicheren Spekulationen?« »Auch das Spekulieren hat einen Sinn und will gekonnt sein. Die Experten eures Kapitalmarktes sind doch wohl der beste Beweis dafür.« »Also gut«, schnarrte Barnett. »Sage uns, worauf du spekulierst!« »Nun, ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist. Aber die Duplizität der Beobachtungen sollte uns zu denken geben...« »Welche Duplizität?« »Erinnere dich an den Beginn des Raumsprunges, Captain! Drei, vier Sekunden lang war alles normal. Dann erst verschwanden die Lichtstreifen auf dem Bildschirm. Und was machten deine temporisierten Mesonen in der Frankschen Röhre? Sie verhielten sich völlig identisch. Damit wäre tatsächlich bewiesen, daß alle Schuld am Treibstoff liegt. Sobald du das einsiehst, wirst du nicht sofort versuchen, auf elektrisch geladenen Kraftstoff umzuschalten, sondern dich erst auf das verdorbene Material konzentrieren. Und außerdem rate ich dazu, auch den Normaltreibstoff zu untersuchen, bevor du neue Experimente machst.« »Das ist endlich mal eine vernünftige Idee«, sagte Barnett hoffnungsvoll und wandte sich sofort wieder den Geräten zu. »Was machst du jetzt?« »Ich hole normale Elektronen in die Röhre. Bitte, der Apparat funktioniert noch.« Es klang wie Erleichterung. Der Elektronenstrahl stand waagerecht in der Röhre und traf genau die Öffnung im Zentrum der Plastikscheibe. »Wenn du jetzt den Magneten einschaltest, muß der Strahl nach der Minusseite abweichen, nicht wahr?« »So ist es! Achtung, ich schalte...« Es war beinahe grauenvoll zu sehen, wie der Strahl der Elementarteilchen das Gegenteil tat. Doch das Grauen verlor sich nach dem ersten Schock. Diesmal fand sich der Mensch schneller zurecht als die Prokas. Denn was hier geschah, konnte er immerhin erklären. »Die Elektronen neigen nach Positiv«, konzentrierte Nam-Legak seine Erkenntnis in einer nüchternen Feststellung. »Was bedeutet das?« »Nicht viel. Es sind eben keine Elektronen, sondern Positronen. Doch auch damit fliege ich die Cora jederzeit in den Normalraum. Ich denke, wir können zufrieden sein.« »Natürlich können wir das«, gab Iks zu. »Ich bin sogar sehr zufrieden. Denn jetzt hast du auch den Beweis, daß dein Hypertreibstoff aus contra-temporisierten Mesonen besteht.« »Als Theoretiker bist du nicht zu schlagen, Iks«, lachte Barnett. »Deine Konsequenz ist verblüffend und plausibel. Aber kannst du mir vielleicht verraten, was ich mir unter contra-temporisierten Mesonen vorstellen soll? Selbst von den temporisierten wissen wir nicht mehr, als daß sie eine wesentlich verlängerte Lebensdauer von etwa zwei Sekunden haben - und eben, daß sie eine Kontraktion der Subjektivität verhindern.« »Ich möchte dir durchaus nicht deine gute Laune zerstören«, gab Iks-Wol-Esak zu bedenken. »Du solltest meine Theorie aber bis zum konsequenten Ende verfolgen.« »Was meinst du damit?« »Ich meine, wenn eure temporisierten Mesonen es fertiggebracht haben, euch eine Hyperraumfahrt zu gestatten, bei der die Zeitflucht völlig ausgeschaltet ist, so ist jetzt die gegenteilige Wirkung zu erwarten.« Copyright 2001 by readersplanet
Barnetts gute Laune war tatsächlich wie abgeschnitten. Mißtrauisch fragte er: »Willst du mir vielleicht weismachen, daß wir in die Vergangenheit fliegen?« »Der Flug in die Vergangenheit ist nach dem augenblicklichen Stand der prokaskischen Forschung unmöglich. Und von dir weiß ich, daß die Menschen derselben Überzeugung sind. Nein, nein, das Gegenteil der temporisierten Hyperraumfahrt ist die contra-temporisierte.« »Vielleicht hast du die Güte, nicht immer um den heißen Brei herumzureden. Oder soll ich daraus schließen, daß wir jetzt sozusagen am Ende der Ewigkeit landen werden?« »So ungefähr kann man es ausdrücken...« Barnett wurde schneeweiß im Gesicht. »Du bist verrückt, Iks!« »Ich bin ein ausgezeichneter Theoretiker, sonst nichts. Und meine Schlüsse sind durchaus naheliegend, wenn du dich an die beiden Experimente erinnerst. Außerhalb des Schiffes ist im Augenblick nicht die geringste Existenzform festzustellen. Weder Energie noch Materie. Und was haben die Mesonen in der Frankschen Röhre gemacht?« »Was weiß ich? Sie waren ja überhaupt nicht mehr nachweisbar.« »Schlimm genug! Sie sind also unserer unmittelbaren Beobachtung entzogen. Sie sind voraussichtlich auf eine Existenzebene abgewandert, die wir aufgrund unserer Wesenheit nicht erfassen können. Was bleibt uns also anderes übrig, als über die Folgen für uns zu spekulieren? Als reines Gedankenexperiment fasse ich unsere Situation so auf, daß wir außerhalb der Zeit leben.« »Zeit ist subjektiv. Welche Zeit meinst du also?« »Ich meine die Zeit an sich. Die Zeit als Ganzes. Mit ihren sämtlichen Variationsmöglichkeiten und Werten. Jede Existenz setzt den Begriff Zeit voraus. Erst durch den Zeitablauf ist Existenz möglich. Und wir leben eben außerhalb der Zeit.« »Das ist paradox. Und während wir uns streiten, vergeht die Zeit. Erfreulicherweise.« »Aber nicht außerhalb des Schiffes. Nur dadurch hast du eine vernünftige Erklärung für das Fehlen jeder stellaren Existenz draußen. Wir haben den Kontakt mit dem Universum verloren. Er ist am absoluten Nullpunkt der Zeit verlorengegangen.« »Phantastisch, mein lieber Iks! Ich muß also annehmen, daß sich während unseres Hyperspace-Startes eine Katastrophe ereignet hat. Wir und das übrige Weltall sind die Alternativen. Eins von beiden wurde vernichtet. Und da ich sicher bin, daß die Cora vollkommen in Ordnung ist, dürfte wohl das übrige Universum dabei draufgegangen sein.« Der Proka hatte keinen Sinn für menschliche Ironie. Er benahm sich wie ein blutloser Dozent. »Dieses Problem dürfte nach meiner Meinung nur mit dem Relativitätsbegriff zu erklären sein. Für uns ist das Universum nicht mehr vorhanden. Für das Universum ist unser Raumschiff vernichtet.« »Das klingt endgültig wie ein Todesurteil. Aber verlorengegangene Kontakte können wieder geflickt werden.« »Das ist meine einzige Hoffnung, Captain. Ich will nur sagen, daß wir bescheiden sein müssen. Wir brauchen das Weltall. Wenn wir es wiederfinden können, sollten wir dankbar sein, auch wenn die Zeit nicht stimmt.« In Iks-Wol-Esaks Gedankenäußerung drängte sich ein Satz des anderen Proka. »Unsere Aufgabe ist es, den Frieden zwischen unseren Völkern zu vermitteln. Wenn wir in einer anderen Zeit auftauchen, ist alles sinnlos. Fast tausend Terra-Jahre lang haben sich unsere Zivilisationen gegenseitig zerfleischt. Sollen es noch einmal tausend Jahre werden?« Iks-Wol-Esak war auf jeden Fall nüchterner, sachlicher und wissenschaftlicher veranlagt als sein Kollege. Nam-Legak ließ ein starkes Verantwortungsgefühl erkennen, und Barnett stellte zum ersten Mal mit Bewußtsein deutliche Unterschiede in den Persönlichkeiten der Fremden fest. Sie wurden ihm in diesem Augenblick noch sympathischer als bisher. Sie wurden sogar menschlicher in ihrer Individualität. Nur zur Sorglosigkeit hatte keiner von ihnen Veranlassung. Copyright 2001 by readersplanet
»Ich glaube, jeder weiß, worauf es ankommt, und wie fragwürdig unsere Mittel sind«, sagte Barnett schließlich. »Der Friede zwischen unseren Völkern ist sehr weit weggerückt. Aber wir kommen ihm nicht näher, wenn wir hier die Zeit vergeuden. Kommt zurück auf die Brücke!«
* Perry Barnett ging voran. Zeit vergeuden..., dachte er. Wo war die Zeit für das Raumschiff Cora? In der Kommandozentrale fand er eine Menge Menschen vor. Der Raum glich einem Versammlungssaal. Cora stand am Eingangsschott und starrte Barnett mit einem Blick an, der ins Leere ging. Auch der Arzt Bannister war da. Und Praxlomza, der Schiffsjunge. Und der fragwürdige Lavista, der noch immer verschlagen wirkte wie in den abenteuerlichen Tagen seines Piratendaseins. Lisman saß im Kapitänssessel, und Perkins hielt sich ebenfalls auf seinem Posten auf. Wahrscheinlich hatte man angeregt diskutiert. Sobald jedoch Barnett und die beiden Prokas eintraten, herrschte Schweigen, und alle Augen waren auf die drei gerichtet. Lisman wollte aufstehen und den Platz für den Captain freimachen. Doch Barnett winkte ab. »Bleib sitzen. Ich mache das vom Ko-Pilotenplatz. Drücke die Kupplung heraus. Ich nehme alle Direktfunktionen auf mein Brett. Du, Lavista, setzt sich hinter uns. Du hast ab jetzt Flugwache!« »Okay, Captain!« Barnett rastete seine Kupplung ein, mit der die ganze Steuermannsbedienung auf seinen Platz umgeschaltet war. Die Kontrollichter sprachen sofort an. Noch immer war das Schweigen im Raum. Barnett benahm sich, als wäre niemand außer der Flugwache anwesend. Bis Forry Bannister der Geduldsfaden riß. »Perry, verdammt...!« Barnett sah ihn fragend an. »Geht in eure Kabinen, Freunde! Ihr steht hier nur im Wege.« »Du glaubst doch nicht, daß du uns so abspeisen kannst.« »Tu mir den Gefallen und geh, Forry! Oder muß ich dich erst darauf aufmerksam machen, daß meine Wünsche auf diesem Schiff als Befehle aufzufassen sind?« »Lisman und Perkins haben uns erzählt, was passiert ist. Willst du uns nicht wenigstens eine Erklärung geben?« »Ich bin nicht in der Lage, euch etwas zu erklären. Und Lisman und Perkins noch viel weniger. Wir machen jetzt ein Experiment. Wenn es glückt, können wir uns später in Ruhe darüber unterhalten.« »Bedeutet das, daß es auch nicht glücken kann?« »Alles Menschliche kann mißlingen. Du als Arzt solltest das wissen...« »Perry!« Diesmal war es Cora, die seinen Namen rief. Wenn in Bannisters Worten eine Forderung gelegen hatte, so war es bei Cora nichts als ein Flehen. »Perry! Du kannst uns nicht so wegschicken. Lisman und Perkins haben geredet, als ob sie den Verstand verloren hätten. Wir wären in einem Hyperraum, aber nicht in dem richtigen. Und wir hätten uns wahrscheinlich vollkommen verfranzt...« »So ungefähr stimmt das. Niemand weiß genau, wo wir sind. Aber ihr müßt mir jetzt Zeit lassen, damit wir ins normale Universum zurückspringen. Der Treibstoff ist in Ordnung. Es besteht keine unmittelbare Gefahr. Geht jetzt, Cora! Sei vernünftig, und nimm Praxlomza und Forry mit. Wir sprechen später darüber...« Cora ging hinaus. Und Praxlomza und Bannister folgten ihr. Dann kam das Kommando. Copyright 2001 by readersplanet
»Alles klar zum Raumsprung! Noch dreißig Sekunden!« Die Kugelkörper der beiden Prokas hockten zu beiden Seiten der Pilotenplätze. Das Telepathierelais stand in Barnetts Nähe, und er spürte zwei völlig verschiedene Gedankengänge, die nur insofern Gemeinsames besaßen, als sie Sorge ausdrückten. »Raumsprung in fünfzehn Sekunden!« Iks-Wol-Esak bangte offenbar um die Richtigkeit seiner Prognose. Sein Gehirn ließ nichts von einer Todesangst deutlich werden. Er dachte nur an die Logik in diesem Fall und wünschte nichts anderes, als die Sterne wiederzusehen. Aus Nam-Legaks Richtung dagegen kam die Forderung nach der richtigen Zeit. In ihm schlug das Gewissen seiner Generation. In ihm schlug das Gewissen der ganzen bisher bekannten zivilisierten Welt, die sich seit einem Jahrtausend nach Frieden sehnte. Und nur hier auf dem Raumschiff Cora, auf dem Staubkorn im Dasein, gab es ein paar Wesen, die den Schlüssel zum Frieden in der Hand hielten. »Raumsprung in zehn Sekunden!« Barnetts Stimme sollte nach Routine klingen. So, wie es bisher bei jedem Raumsprung üblich war. Aber diesmal hatte sie einen Riß. »Drei - zwei - eins...« Bei Null tanzten plötzlich Streifen über den Bildschirm. Nach wenigen Sekunden zogen sie sich zusammen und ließen ein paar flimmernde Punkte zurück. »Sterne!« schrie jemand laut. Es war Lisman. Und noch einmal: »Sterne!« Er zerrte am Sesselverschluß, ließ ihn zurückschnappen und stürzte auf den Bildschirm zu, als wolle er in die Scheibe hineinkriechen. Auch die Prokas verloren viel von ihrer Würde und halfen sich dadurch, daß sie sich einfach an den Sesseln hochzogen. Iks-Wol-Esak landete auf Barnetts Schoß. »Freilich, es sind Sterne«, erklärte er intensiv. »Es fragt sich nur, welche.« Barnett wischte sich über die Stirn. Obgleich er wußte, daß ihn eine navigatorische Aufgabe erwartete, die er wahrscheinlich kaum lösen konnte, atmete er auf wie alle anderen. Wenigstens das Universum wußte er draußen, eine Welt, die man sich vorstellen konnte, eine konkrete Welt, die eine Zeit haben mußte. Der Proka auf seinem Schoß suchte sehr schnell wieder den Boden auf. »Das erste Manöver hat geklappt, Captain. Ganz wie ich es voraussagte.« »Okay, guter Iks! Ich wußte gar nicht, daß du eitel bist. Und was sagst du jetzt voraus?« »Ich fürchte, da gibt es nicht mehr viel zu prophezeien. Über das, was mit uns in der Zeitlosigkeit geschah, können wir nur Vermutungen anstellen. deshalb schlage ich vor, jedes unnütze Streitgespräch zu vermeiden und eine Zeit- und Ortsbestimmung vorzunehmen.« »Eine Zeitbestimmung ist mir nur bei bekannten Konstellationen möglich, und das nur mit einer Genauigkeit von etwa zehn Jahren.« »Dann sollten wir erst einmal die Sternkarten bemühen.« »Okay! James, mach den Kartenrobot klar!« »Gern. Aber vergiß bitte nicht, Cora von dem geglückten Sprung zu unterrichten.« »Das wollte ich gerade tun...« Nachdem die Leute in den Kabinen die Beruhigungspille geschluckt hatten, stellte Barnett auf Autopilot und trat ebenfalls an den Kartenrobot. Dieses Gerät bestand aus einer großen Mattscheibe und einem Elektronenrechner, der etwa allein ein Zehntel der Schiffsmasse ausmachte. Er verfügte über sämtliche Konstellationsdaten der im 133. Jahrhundert bekannten Welt. Und das war etwa ein Drittel der Galaxis. Innerhalb dieses Gebietes konnte der Kartenrobot jeden Teilausschnitt des Raumes aufgrund optischer Wahrnehmung erkennen und zwar von jedem beliebigen Standpunkt aus. Außerdem verfügte er über Funktionen, die die Bewegung der einzelnen Sterne registrierten. Daraus ließen sich auch innerhalb weniger Minuten zukünftige Konstellationen konstruieren und auf die Mattscheibe projizieren. Die Beobachtungsmöglichkeit für den Menschen wurde dadurch erleichtert, daß Copyright 2001 by readersplanet
man den Bugbildschirm auf eine zweite Deckscheibe umschalten konnte. Es entstanden also zwei übereinanderliegende Darstellungen des beobachteten Raumes. Sobald man aber mit dem Kartenrobot in unbekannten Gebieten die Position festlegen wollte, wurde der Hauptbildschirm von der Navigation direkt elektronisch gekoppelt. Die visuellen Werte gingen damit unmittelbar in das Herz der Maschine, die selbsttätig den genauen Standpunkt auswarf. Nachdem alle Schaltungen durchgeführt waren, blieb den Menschen und ihren beiden Gästen nichts anderes übrig, als zu warten. Mit leisem Summen verrichtete der Robot seine Arbeit. Lisman und Barnett starrten auf die Scheibe, auf der es wie von Funken sprühte. Hin und wieder wanderte ihr Blick zur Uhr. »Wie lange dauert es, bis alle Möglichkeiten geprüft sind?« fragte Nam-Legak. »Etwa achtzehn Minuten.« »Und was geschieht, wenn die Ortsbestimmung erfolgt ist?« »Die Mattscheibe wird ein stehendes Bild zeigen. Und hier an den Seiten springen automatisch die Koordinaten heraus.« »Das ist tröstlich.« »Vorausgesetzt, wir befinden uns in erforschtem Gebiet.« »Ja, natürlich.« Nam-Legaks Entgegnung war wenig überzeugend. Und Iks-Wol-Esak riet ihm, sich nicht zuviel von diesem Versuch zu versprechen. Die Menschen und die Prokas resignierten schon, bevor noch der Kartenrobot die endgültige Bestätigung gegeben hatte. Und tatsächlich traf auch hier die Voraussage Iks-Wol-Esaks ein, über die man sich in diesem Falle allerdings nicht im geringsten freuen konnte. Nach achtzehn Minuten tanzten die Sternproduktionen noch immer ihren wilden Reigen auf der Scheibe. »Wir werden eine Ewigkeit hier sitzen können«, stellte Barnett fest. »Nach achtzehn Minuten beginnt der Kreislauf von neuem. Der Robby gibt nicht eher auf, als bis man ihn abschaltet.« »Aber du gibst jetzt schon auf«, sagte Perkins vorwurfsvoll. Perry Barnett sah ihn an, als habe er ein Kind vor sich. »Uns und das Schiff gebe ich noch lange nicht auf, sondern nur den verrückten Plan, in diesem Weltall jemals noch nach Hause zu finden. Es wird auch dir nichts anderes übrigbleiben, als diese Tatsache anzuerkennen.« Perkins' Erregung hatte wieder einmal ihren Höhepunkt erreicht. In solchen Augenblicken nahm er es bekanntlich nicht sehr genau mit seiner Dienstvorschrift. Er verließ seinen Platz und trat auf den Captain zu, daß es immer ein wenig nach einer körperlichen Drohung aussah. »Eine solche Anerkennung kannst du nicht von uns verlangen, Perry. Jeder von uns hat ein Recht auf seine Heimat. Und dir bleibt nichts als die Pflicht, solange nach dem richtigen Kurs zu suchen, bis du ihn gefunden hast.« Zwischen die beiden Menschen drängte sich plötzlich der kleine Kugelkörper Iks-Wol-Esaks. Er hätte sich auch ungeniert auf Perkins' Füße gestellt, wenn der nicht unwillkürlich einen Schritt rückwärts gemacht hätte. »Du scheinst immer noch nicht zu wissen, was sich ereignet hat, Perkins. Sonst würdest du nicht einen solch laienhaften Unsinn reden.« Perkins war leider nicht in der Stimmung, eine Lehre anzunehmen. Nicht einmal von jemandem, der es besser wissen mußte als er. »Hör zu, Kugelmann! Natürlich hast du die Weisheit mit Löffeln gefressen. Wenn wir uns aber schon in einer Gegend befinden, wo wir absolut nichts verloren haben, dann steht doch wohl auch jede Zeit zur Verfügung, um die Suche nach bekannten Regionen fortzusetzen. Wir haben achtzehn Minuten gebraucht, um ein Drittel der Galaxis mit dem Kartenrobot abzugrasen. Jetzt benutzen wir halt die nächsten drei Jahre dazu, um die anderen zwei Drittel zu erforschen. Denn dort liegt Terra, und dort liegt eure langweilige Prokaheimat.« Iks-Wol-Esak verzichtete auf jedes Anzeichen von Erregung. Er behielt seine dozierende Ausdrucksweise bei, auf die Gefahr hin, den Menschen damit zu beleidigen. »Bevor du Copyright 2001 by readersplanet
weitere Anschuldigungen vorbringst, Perkins, lasse dir erklären, wo der Unsinn deines Verlangens steckt. Du denkst fortwährend an die Galaxis. Aber was du da draußen siehst, ist nicht die Galaxis. Dagegen spricht die Wahrscheinlichkeit mit eins zu zwölf Milliarden.« Perkins schien tatsächlich etwas beeindruckt. Er ging einen weiteren Schritt rückwärts und fragte verwirrt: »Das ist nicht die Galaxis? Woher willst du denn das wissen?« »Weil die Wahrscheinlichkeit dagegen spricht. Ich sagte es schon am Prüfstand bei der Frankschen Röhre. Wir waren außerhalb der Zeit und außerhalb des Kosmos. Wir hatten jeden Kontakt mit dem Weltall verloren.« »Aber wir haben ihn wiedergefunden.« »Selbstverständlich. Daran zweifelt niemand. Doch unser Eindringen ins zeitgebundene Universum konnte an jedem beliebigen Punkt erfolgen. Das Ganze war eine reine Zufallsangelegenheit, denn wir hatten ja nicht die geringsten Anhaltspunkte, die wir navigieren sollten. Für eine genaue Standortbestimmung wären also alle Koordinaten der Weltgeschichte notwendig. Wir müßten dabei das ganze Dasein schlechthin als bekannt voraussetzen.« »Aber...«, stotterte Perkins. »Mein Gott! Draußen sind Sterne! Ganz nah sind sie, Proka! Wir sind in einer Galaxis angekommen!« »Freilich! In irgendeiner. Zufall, daß es nicht in den weiten Räumen zwischen den Nebeln erfolgte. Reiner Zufall. Doch dieses System kann so weit von unserer Milchstraße entfernt sein, daß es unsere Astronomen noch nicht einmal entdeckt haben. Und wenn du den Zeitfaktor berücksichtigst, dann ergibt sich als weitere Möglichkeit, daß unsere Völker bereits seit einigen Milliarden Jahren ausgestorben, vernichtet oder zum Nichts degeneriert sind.« »Verdammt, Proka! Hör auf! Solche Höllenvisionen können sich doch nur in deinem Gehirn abspielen.« »Du nennst es höllisch. Für mich sind es nüchterne Gegebenheiten.« »Ja, freilich, für dich. Für mich ist es das Scheußlichste, was ich jemals mit meinem Verstande wahrnehmen konnte. Und ich glaube nicht, daß es etwas Scheußlicheres geben kann.« »Weshalb nicht? Du denkst mit Schrecken an deine ausgestorbene Rasse. Es ist aber durchaus möglich, daß in diesem Augenblick nicht einmal unsere alte Galaxis mehr existiert. Wenn du das Problem in seiner ganzen Tragweite erfassen willst, brauchst du dir nur vorzustellen, daß dieser Kartenrobot hier sämtliche Daten der Weltgeschichte besäße. Nimm ferner an, er arbeitet mit seiner bekannten Elektronenpräzision pro Stunde eine ganze Galaxis mittlerer Größe durch, dann würde er immer noch anderthalb Millionen terranische Jahre benötigen, um das ganze Universum zu durchkämmen. Wenn du jetzt unsere Rettung und Heimkehr noch dem Zufall anvertrauen willst, dann muß ich an deinem Verstande zweifeln...«
* Iks-Wol-Esaks Darlegungen trafen nicht nur den Gesprächspartner Perkins. Sie brachten alles auf der Brücke durcheinander, was ein Gehirn besaß. Die von dem Proka gezeichnete Perspektive steckte so voller Dämonie, daß man körperliche Schmerzen dabei spürte. Was nutzte dieser Raum mit Sternen draußen, wenn es ein fremder Raum war mit fremden Sternen? Die Situation war kaum verheißungsvoller, als wenn man in dem verunglückten Hyperspace geblieben wäre, der die Zeitebene völlig ignorierte. Verdammt, verurteilt, vergessen von einer Welt, die man nun selbst vergessen mußte. Hier, dieses Schiff mit dem Mädchennamen Cora blieb als Rest einer Zivilisation für das Dasein bis ans Ende. Das Schiff war eine Welt für sich geworden. Eine Welt, die Cora hieß. Cora! Perry Barnett wußte nicht, ob er den Namen gerufen hatte. Er wollte ihn nur denken, und doch kam es ihm selbst wie ein Schrei vor. Copyright 2001 by readersplanet
Cora wußte noch von nichts. Jedenfalls nichts von den wirklichen Ausmaßen der Katastrophe. Sei waren hinausgegangen - Cora, Bannister und Praxlomza. Sie hockten in ihren Kabinen und warteten auf gute Nachricht. Wie lange würden die Lebensmittelvorräte reichen? Bis ans Ende? Bis zum natürlichen Tod? Wer würde der letzte sein, der hier starb? Wer würde das Unglück der absoluten Einsamkeit tragen müssen? »Du siehst zu schwarz«, erklärte Iks-Wol-Esak plötzlich. Barnett erschrak. »Was suchst du in meinen Gedanken?« »Die Hoffnung, Captain.« »Die Hoffnung? Du selbst hast sie uns gerade genommen.« »Nicht die Hoffnung, die ich meine. Draußen sind Sterne. Du tust, als ob sie dich nichts angingen.« »Sie gehen mich auch nichts an.« »Sterne sind Sterne. Auch in dieser Welt. Warum sollten wir eigentlich keinen Planeten finden?« »Ja, warum eigentlich nicht?«
* Es kam wieder einmal anders, als sie dachten. Sie brauchten keinen Planeten zu suchen. Der Planet suchte sie. Und er fand sie. Doch bevor sie das merkten, gab es noch viel Wundern und Rätselraten. Und Gefahren und Verzweiflung. Barnett hatte es vorgezogen, den Leuten die Wahrheit zu sagen. Es war sinnlos, das Unvermeidbare zu verschweigen. Es hätte nur unangenehme Fragen, eine Menge Mißtrauen und falsche Hoffnungen gegeben. Cora hatte ihm unter vier Augen versichert, daß sie schon mit allem fertigwerden würde. Sie hatte auch gesagt, daß sie ihn liebte, daß sie lieber auf die heimatliche Galaxis verzichten wolle als auf ihn. Und auch die anderen waren gefaßt gewesen. Bannister fand die richtige Erklärung dafür, als er Barnett Stunden später während der Freiwache im Gemeinschaftsraum traf. Barnett spielte versonnen am Televisionsempfänger, durch den er vor wenigen Tagen noch die Propagandasendungen der Sol-Sirius-Union aufgenommen hatte. Heute blieb der Bildschirm dunkel, heute blieb der Lautsprecher stumm. Der organisierte Haß war ausgestorben. Es gab keinen Sender mehr, der mit diesem Gerät Kontakt aufnehmen konnte. Nicht im Umkreis von hundert Parsec. »Hallo, Perry!« Barnett erschrak. Er hatte nicht gehört, wie Bannister eingetreten war. »Stell das Ding ab, Perry. Du weißt genau, daß es für keine Unterhaltung mehr taugt. Du vergeudest nur Energie damit.« »Willst du bereits rationalisieren?« »Man kann nie früh genug damit anfangen.« Barnett lächelte schwach. »Wegen der Energie mach dir nur keine Sorgen. Die holen wir aus dem Weltraum.« »Ich würde nicht so optimistisch sein. Was in der Galaxis möglich war, braucht nicht unbedingt hier zuzutreffen.« »Raum ohne Energie, meinst du? Ich muß schon sagen, als Arzt hast du reichlich häßliche raumphysikalische Visionen. Du könntest mir beinahe unheimlich werden, wie der kalte Theoretiker Iks-Wol-Esak.« »Spiele nicht den Empfindlichen! In unserer Lage muß man die Kunst beherrschen, sich mit den Dingen abzufinden. Du hast vorhin eine wunderbare Ansprache gehalten und solltest froh sein, daß wir deinen Rat beherzigen.« Copyright 2001 by readersplanet
»Trotzdem kann ich nicht glauben, daß es ohne seelische Komplikationen abgehen wird. Dieser Wechsel ist so konsequent, daß man ihn mit einem anderen Dasein gleichsetzen muß.« »Freilich, mit diesen Komplikationen mußt du rechnen. Und dann kommt es auf deine Initiative an. Wenn die Leute es im Augenblick mit einiger Fassung hingenommen haben, so liegt das daran, daß sie einfach nicht in der Lage sind, die Bedeutung der neuen Situation bis zur letzten Konsequenz zu erfassen. Sie haben noch eine sehr wichtige Illusion.« »Eine Illusion?« »Ja, dieses Schiff. Es ist ein Stück Heimat, ein Stück des gewohnten Milieus. Das macht manches leichter! Vor allem für uns Menschen.« »Du meinst, die Prokas würden größere Schwierigkeiten machen? Ich weiß, die Psychologie ist dein Beruf. Aber hat das auch für die Prokas Bedeutung? Wir kennen sie erst seit knapp einem Monat. Das heißt, kennen ist noch übertrieben...« »Ihre Mentalität zeigt viele verwandtschaftliche Züge mit der unseren. Doch, doch, Perry! Man kann sie schon beurteilen. Und dabei sind unsere beiden Freunde so verschieden, daß man sie getrennten menschlichen Kategorien zuordnen kann.« »Ich weiß, was du meinst. Iks-Wol-Esak wirkt etwas gefühlskalt auf mich. Vielleicht ist es unsinnig, das von einem Proka zu behaupten. Aber wenn ich ihn mit Nam-Legak vergleiche...« »Nam-Legak ist wahrscheinlich der schwierigste Fall. Er ist besessen von seiner Aufgabe als Friedensstifter. Und um die zu erfüllen, braucht er die Prokas, die Menschen und deren Krieg. Einen Krieg, auf den er keinen Einfluß mehr hat, von dem er nicht einmal weiß, ob er noch existiert, oder ob er bereits der Vergangenheit angehört...« Der Summton der Alarmanlage unterbrach Bannisters Rede. Die beiden Männer waren sofort auf den Beinen. Barnett schaltete den Schiffsruf ein und verlangte Lisman. »Hier Kapitän! Was ist los?« »Wir haben Materie in Warndistanz geortet.« »Was für Materie? Staub oder eine ganze Galaxis?« »Ich glaube, eine Sonne«, sagte Lisman unsicher. »So, du glaubst. Eine Sonne hättest du bei einiger Aufmerksamkeit wesentlich früher feststellen können. Ihr habt wohl geschlafen.« »Durchaus nicht. Die Sonne war plötzlich da. Als ob wir einen Riesensprung gemacht hätten.« »Ich komme rauf. Ende!« sagte Barnett kopfschüttelnd. »Hast du das gehört, Forry? Sie haben plötzlich eine Sonne entdeckt. In Warndistanz. Entweder ist hier einer verrückt geworden, oder wir sind in einem völlig unmöglichen Universum gelandet.«
* Wenig später saß Barnett im Pilotensessel. Nein, verrückt war Lisman nicht. Diese Sonne hätte man im Normalflug bereits vor einigen Tagen als äußerst verdächtigen Nachbarn erkennen müssen. Und der Captain wußte, daß sie vor zehn Stunden, als sie in diesem unbekannten System ankamen, noch nicht da gewesen war. »Verdammt, James! Habt ihr vielleicht mit dem defekten Hyperrace gearbeitet? Ich habe es ausdrücklich verboten.« »Du glaubst doch wohl selbst nicht, daß wir uns an die verrückt gewordenen Mesonen heranwagen. Dir bleibt nichts anderes übrig, als den augenblicklichen Zustand zu akzeptieren. Wie es dazu kam, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen.« Copyright 2001 by readersplanet
»Okay! Hast du bereits Messungen durchgeführt?« »Gelber Riese. Klasse F 7. Positive Materie. Das Spektrum konnte ich noch nicht auswerten. Aber ein erster Blick zeigte normale Absorptionslinien von Helium, Stickstoff und ionisiertem Sauerstoff. Die Balmerlinien sind verhältnismäßig schwach für einen F-Stern. Aber sonst könnte der Bursche genauso gut in unserer Milchstraße zu Hause sein.« »Du scheinst angenommen zu haben, hier gäbe es andere Elemente als bei uns. Die Positivbestimmung ist doch in Ordnung. Ich möchte nicht plötzlich auseinanderplatzen, falls wir hier mal mit Trümmerstücken aus diesem System zusammengeraten.« »Normale Materie, völlig klar.« »Hast du Manöver gemacht?« »Nein, warum?« »Weil wir damit rechnen müssen, daß fremde Kräfte unser Schiff lenken.« »Fremde Kräfte?« »Klingt wohl sehr phantastisch, was? Aber wie erklärst du dir sonst den Raumsprung? Es war doch ein Raumsprung, nicht wahr?« »Ich finde keine andere Erklärung. Oder es müssen hier solche unterschiedlichen Massenverhältnisse herrschen, daß der Raum nur noch aus Beulen, Löchern und Falten besteht.« »Sind die Konstellationen auf dem Bildschirm gesprungen?« »Nein, das nicht.« »Na also, dann rede nicht einen solchen Unsinn! Bleibe auf Ko-Pilot. Hallo, was ist?« Jemand hatte das Schott geöffnet, und Praxlomza steckte seinen Kopf herein. »Können wir reinkommen?« »Wer ist wir?« »Wir alle, Cora, Bannister und die Prokas. Es ist Alarm. Wir sind völlig...« »Erzähl keine Memoiren! Kommt rein! Aber verkrümelt euch in die Ecke und verhaltet euch ruhig. Wir haben hier zu tun.« »Was ist denn eigentlich passiert?« »Ich habe gesagt, daß ihr euch ruhig verhalten sollt. Seit wann hältst du meine Befehle für humoristische Einlagen?« »Hier!« schrie Lisman plötzlich aufgebracht. »Nebenmaterie!« »Planeten?« »Was weiß ich? Planeten wären wohl das Naheliegendste.« »Planeten können Intelligenz bedeuten. Hast du etwas dagegen, wenn ich dich konsultiere, Iks?« Der Proka kam herangerollt. »Wie kann ich helfen?« »Paß auf! Die Sonne da vorn war vor zehn Stunden noch nicht da. Sie ist im Augenblick aber knapp zwölf Lichtstunden entfernt. Raumverzerrungen konnten nicht festgestellt werden. Kannst du das erklären?« »Raumsprung«, stellte der Proka fest. »Du weißt, die Cora ist nicht mehr dazu in der Lage. Und Lisman hat es auch gar nicht versucht.« »Dann wurde der Sprung von außen verursacht.« »Hältst du das für möglich?« »Wir hatten zu Hause eine solche Einrichtung in der Entwicklung. Als Waffe gegen euch. Und was in der Theorie stimmt, ist auch in der Praxis möglich.« Copyright 2001 by readersplanet
»Demnach tun wir gut daran, wenn wir die geortete Nebenmaterie bereits als Planeten ansprechen. Und auf den Planeten erwartet und wahrscheinlich eine Intelligenz, die uns haushoch überlegen ist.« »Nicht unbedingt überlegen. Aber in der Entwicklung sind sie weiter.« »Du verstehst zu trösten.« »Ich scheue mich nicht, unangenehme Tatsachen hinzunehmen. Andererseits besteht kein Grund, die Dinge zu übertreiben.« »Ich werde verrückt!« schrie Lisman dazwischen. »Die Sonne hat tatsächlich Planeten. Mindestens einen. Hier, Perry!« »Hast du die Werte?« »Moment! Mehr als hundert AE's vom Zentralgestirn entfernt. Größe... Verdammt! Da ist ein zweiter Planet!« In den nächsten drei Minuten stand fest, daß der Stern fünf Planeten besaß. »Was machen wir?« fragte Lisman unschlüssig. »Gar nichts«, entschied Barnett. »Erstens besteht im Augenblick kein zwingender Grund, irgendeinen der Satelliten anzufliegen. Und zweitens lasse ich mich gern überraschen. Wenn dort irgendwo Wesen hocken, die uns hierhergebracht haben, dann möchte ich unbedingt herausfinden, was sie weiter mit uns vorhaben. Und dann sollen sie uns die Arbeit abnehmen.« »Das ist doch heller Wahnsinn«, erwiderte Lisman respektlos. »Wir haben soviel Fahrt, daß wir an dem ganzen System vorbeischießen. Wenn wir hier heil landen wollen, dann brauchen wir mindestens einen Tag volle Kraft aller Bremsdüsen.« »Wir wollen nicht landen. Soll ich dir das erst schriftlich geben?« »Aber du sagst, man könnte uns zwingen.« »Dann sollen sich die Herren darüber den Kopf zerbrechen, die uns zwingen wollen...« Zwei Minuten später hatte man die Bestätigung dafür, daß tatsächlich eine fremde Kraft am Werk war. Die Fluggeschwindigkeit nahm rapide ab, und der Kurs lag plötzlich hart Steuerbord. Barnett versuchte sofort, die Kraft zu analysieren. Er konnte es nicht. »Es hat weder etwas mit Elektrizität noch mit Zerfallstrahlung zu tun. Hast du eine Idee, was es sein könnte?« Die Frage galt Iks-Wol-Esak. Der verneinte. »Ich bin leider nicht in der Lage, eine Prüfung durchzuführen. Dazu fehlen mir unsere prokaskischen Geräte. Wenn ich dir helfen kann, dann nur aufgrund meines Intellekts.« »Und was sagt dein Intellekt?« »Wenn es sich nicht um Radioaktivität handelt, haben wir die besten Aussichten, ohne gesundheitliche Schäden davonzukommen. Aber das ist keine Garantie. Die Fremden können durchaus über Einrichtungen verfügen, denen unser Organismus nicht gewachsen ist.« »Okay! Den Trost lasse ich gelten. Schönen Dank, Iks!« Das klang wie eine Entlassung. Doch das Kugelwesen machte keine Anstalten, sich in seine Ecke zurückzuziehen. Es blieb neben Barnett hocken, um wenigstens in der Nähe des Telepathierelais zu sein. Für den Menschen war das eine ungeheure Belastung, denn er stand ununterbrochen mit Iks-Wol-Esak in Gedankenverbindung, wodurch seine eigenen Überlegungen stark an Klarheit verloren. »Verdammt! Kann man diesen Kasten eigentlich nicht abstellen? Ich weiß ja kaum noch, ob du das Schiff lenkst oder ich.« »Ich denke, es ist keiner von uns beiden. Die Navigation haben doch die anderen übernommen.«
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»Die anderen, die anderen! Wer sind die anderen? Bevor wir zu Bruch gehen, möchte ich wenigstens nichts versäumen, was uns retten kann.« »Versuche getrost, aus dem Kraftfeld herauszukommen. Wenn es dir gelingt, haben wir einen erfreulichen Beweis unserer Stärke. Andererseits könnten wir jedoch manches versäumen.« »Hör dir diesen Theoretiker an!« bellte Lisman dazwischen. »In seiner Neugier bricht er sich noch das Genick, wenn er eins hat. Ich pfeife auf die interessanten Geheimnisse dieses Systems. Mein Leben ist mir wichtiger.« »Das meine ich auch«, kommentierte Perkins aus dem Hintergrund. »He! Kugelmann! Verschwinde in die Ecke! Bevor du den Captain durcheinanderbringst, schlage ich dir lieber den Schädel ein!« »Ich habe keinen Schädel. Also wird es dir schwerfallen«, erklärte Iks-Wol-Esak, ohne daß er gekränkt schien. Und tatsächlich zog er sich aus Barnetts Nähe zurück. Der Versuch, den unbekannten Leitstrahl zu überwinden, erwies sich als nutzlos. Barnett versuchte mehrere Manöver. Doch das Schiff gehorchte ihm nicht. Es lag auf einer tangentialen Bahn, die an dem vierten Planeten vorbeiführte. Man konnte sich im voraus ausrechnen, daß diese Bahn in einen Kreis und dann n eine immer enger werdende Spirale übergehen würde. »Man zwingt uns zur Landung«, erklärte der Captain. Seine Stimme klang offiziell, als hätte er das nur gesagt, weil er es für seine Pflicht hielt. Die Reaktion der Besatzung war durchaus menschlich. Die Angst kam heran. Cora gab sie offen zu erkennen. Die Männer versuchten sie zu verbergen. Lavista hatte aber den geringsten Erfolg damit. »Sie werden uns töten!« schrie er und stürzte zwischen Lisman und Barnett an das Armaturenbrett, um mehrere Hebel umzulegen. Allerdings hatte er nicht die geringste Ahnung von dem, was er tat. Er brachte lediglich die Schaltung durcheinander und empfing einen Boxhieb von Lisman, der ihn für mehrere Minuten jede Angst vergessen ließ. Barnett schwenkte seinen Sessel herum. »Von Töten kann durchaus keine Rede sein. Wir haben es hier mit intelligenten Wesen zu tun. Das braucht wohl nicht noch besonders bewiesen zu werden. Und Intelligenzwesen zeichnen sich nicht unbedingt dadurch aus, daß sie blindlings morden. Auch wenn der Galaktische Krieg andere Schlüsse zuläßt. Wenn man uns hätte vernichten wollen, dann wäre das wahrscheinlich schon hier im Raum geschehen. Denn die entsprechenden Mittel dürften die Fremden besitzen, wie man sieht. Wie die Sache aber im Augenblick steht, haben wir berechtigte Hoffnung, daß man mit den anderen reden kann.« »Das Reden möchte ich bezweifeln«, schaltete Iks-Wol-Esak sich telepathisch ein. »Ihr seht, wie schwer das Reden schon zwischen euch Menschen und uns Prokas fällt.« »Ich denke, solche pedantischen Einzelheiten heben wir uns für später aus«, unterbrach Barnett den Proka. »James, mache alles klar zur physikalischen Zielansprache!« »Okay, Captain!« Der vierte Planet hing im Fadenkreuz des Zentralbildschirmes, während die Meßgeräte arbeiteten. Auf einer Tafel erschienen automatisch die schriftlichen Ergebnisse. - Halbmesser 17463 Kilometer, Dichte in bezug auf die Erde 0,51, in bezug auf Wasser 2,8. Atmosphäre vorhanden. Druck an der Oberfläche 890 Millimeter. 26 Prozent Sauerstoff, 69 Prozent Stickstoff, Rest Edelgase. Die beiden Prokas ließen ihre selten vernehmbaren akustischen Äußerungen laut werden, die daran erinnerten, daß ihre Rasse vor langer Zeit auch einmal die Sprache als Verständigungsmittel gekannt haben mußte. Barnett wußte, daß diese Geräusche das Zeichen der Erregung waren. Und es konnte nur eine freudige Erregung sein, denn Menschen und Prokas hätten sich keine günstigere Atmosphäre wünschen können. Und die Schwereverhältnisse waren recht erträglich, wenn auch die Gravitation etwas mehr als zehn betrug, wie man es von der Erde her gewohnt war.
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Immer deutlicher wurde das Bild des Planeten auf der Bugscheibe. Wie er dort frei im Raum schwebte, hatte er etwas Drohendes an sich. Das war freilich nur ein sehr subjektiver Eindruck von unsicheren Menschen und Prokas, denn der Körper sah nicht viel anders aus als seine vielen Konkurrenten, die man bereits in der heimatlichen Galaxis hatte. Hier spielte nicht das Bild die wesentliche Rolle, sondern der Gedanke an das Unbekannte, von dessen Art, Form und Wirken man absolut keine Vorstellung hatte, von dem man nur wußte, daß es einem wahrscheinlich weit überlegen sein würde. Und der Mensch hat es nicht gern, wenn ihm ein anderer überlegen ist. Er wittert sofort Gefahr und fühlt sich erst sicher, wenn er der fremden Kraft eine gleiche oder gar eine überlegene entgegensetzen kann. So kamen Freude und Mißtrauen, Hoffnung und Angst zusammen. Freude und Hoffnung über eine Welt, die ein heimatliches Milieu versprach, in dem Menschen wie Prokas leben konnten. Mißtrauen und Angst über eine Zivilisation, die sie erdrücken, quälen und töten konnte. Sie waren alle zur Passivität verurteilt. Es war mehr Instinkt als Überlegung, wenn Barnett trotz mehrfacher Mißerfolge immer wieder versuchte, die Gewalt des unbekannten Leitstrahls zu durchbrechen. Doch es klappte nicht im geringsten. Die Cora reagierte nicht um eine Winkelsekunde. Und auch das Abschießen der Bugrohre war gewiß nicht die Ursache dafür, daß die Fahrt von Augenblick zu Augenblick gebremst wurde. Bei allem, was geschah, wußte man, daß die anderen die Initiatoren waren. Die anderen - die Stärkeren - und gewiß auch die Gefährlicheren! Lange herrschte Schweigen in der Kommandozentrale. Lisman brach es schließlich, denn solche Bedenken konnte er unmöglich für sich behalten. »Unsere Geschwindigkeit ist immer noch zu hoch! Wir werden abstürzen und als einzelne Atome in die Atmosphäre hinabrieseln. Versuch es noch einmal, Perry!« »Ich habe verdammt genug versucht. Wenn du noch immer nicht kapierst, daß wir gegen diese Macht nicht das geringste Mittel haben, dann mußt du eben als einfältiger Trottel sterben...« »Habt ihr gehört?« meldete sich jetzt Lavista mit einem schrillen Gewinsel. »Er redet vom Sterben. Er weiß genau, daß wir keine Chance mehr haben. Aber uns will er bis zur letzten Sekunde für dumm verkaufen! Ich verlange...« Niemand erfuhr jemals, was er verlangen wollte. Praxlomza, der noch aus früheren Tagen eine Rechnung mit Lavista offenstehen hatte, war mit der Faust dazwischen geraten. Lavista knickte um wie ein verdorrter Strohhalm. Seine Rede ging in unartikuliertes Jammern über, und er blieb am Boden liegen, den er in einer Mischung aus Angst und Wut mit den Fäusten bearbeitete, bis ihn ein Fußtritt seines Gegners traf. »Laß das, Prax!« rief Barnett. »Perkins! Bring ihn in die Arrestkabine, bis er sich beruhigt hat!« »Okay, Captain!« Lisman mußte noch ein wenig mit nachhelfen, bis man Lavista endlich draußen hatte. Zu Praxlomza gewandt, fuhr Barnett fort: »Und reiß dich in Zukunft etwas mehr zusammen!« »Den Schlag in die Schnauze hatte er längst verdient.« »Gegen dein Boxen habe ich nichts einzuwenden, das weißt du ganz genau. Nur solche Fußtritte gefallen mir nicht. Soweit ich orientiert bin, hat Lavista nur noch in Ohrfeigen bei dir Schulden...« »Und im Anspucken...« »So, spucken willst du also auch noch!« »Nein, natürlich nicht, Perry, Ich bin überhaupt mit ihm quitt.« »Das würde mich freuen. Wir haben fürs nächste tatsächlich andere Sorgen. Und wahrscheinlich brauchen wir dann jeden Mann. Auch so einen wie Lavista.« »Okay, Perry!« »Okay!«
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Barnett hatte halb nach hinten gesprochen. Als er sich wieder nach vorn drehte und den linken Arm auf die Seitenlehne stützen wollte, spürte er etwas, was sonst nicht da war. Es war Coras Hand. »Cora«, sagte er. »Ja, Perry«, sagte das Mädchen. Sonst nichts. »Warum stehst du? Setz dich wieder. Es kann noch viele Stunden dauern, bis wir landen.« »Laß nur! Ich möchte jetzt bei dir sein. Laß mich hier stehen. Auch Stunden, wenn es sein muß.« Auch bei Cora diese Unsicherheit. Natürlich, wenn die Männer Angst hatten, konnte sich eine Frau nicht ausschließen. Ob Cora daran dachte, daß diese Stunden die letzten sein konnten? Er suchte ihre Hand und sah zu ihr auf. Er sah sie an, wie man das sonst nur unter vier Augen tut. Aber hier war das gewiß so in Ordnung. »Die Atmosphäre dort läßt ein Paradies vermuten. Vielleicht wird alles schöner, als es in der Galaxis jemals für uns sein konnte.« Barnett sah verwirrt geradeaus. Coras Worte klangen wie eine Feststellung. Und doch wußte er, daß sie eine Fragen waren. Cora wollte eine Bestätigung haben. Denn der Gedanke an das Paradies war nur ein Wunsch. »Vielleicht ist es ein Paradies. Bestimmt ist es ein Paradies in seiner Art. Aber ob es uns paßt, kann niemand sagen. Wir sind Fremde dort. Das ist nicht unsere Welt.« »Das Trösten hast du noch nicht gelernt«, sagte Cora. Es war ein Vorwurf mit einem schwachen Lächeln, das alles verzieh. Auch die falsche Sachlichkeit des Mannes. Und nach einer Pause. »Schon gut, Perry. Ich setz mich wieder. Aber denk ein bißchen an mich. An deine - Piratenbraut.« Sie lächelte noch, als sie wieder zurückging. Doch Perry Barnett sah es nicht. Dann kam Perkins zurück. Aber noch bevor er seinen Platz erreichte, lenkte Barnetts Anruf die Aufmerksamkeit auf den Bildschirm. Trotz dichter Atmosphäre war plötzlich die optische Beobachtung der Planetenoberfläche möglich geworden. Und der erste Eindruck rechtfertigte tatsächlich einen Ruf der Überraschung. Die Welt vor ihnen sah aus wie ein einziger Edelstein - in geometrischen Formen von der Hand eines Meisters geschliffen. Innerhalb von wenigen Minuten kristallisierte sich dieses Bild immer deutlicher heraus, bis schließlich Dinge von der Größe eines Häuserblocks erkennbar wurden. »Habt ihr so etwas schon gesehen?« ächzte Perkins. »Das ist ja ein einziges Bienenhaus.« Bienenhaus - das war also der Eindruck bei Perkins. Jeder fand in seiner Phantasie etwas anderes. Doch im Prinzip blieb es das gleiche. »Nichts als Zivilisation«, erklärte Iks-Wol-Esak. »Keine Spur einer naturgebundenen Umwelt. Das ist eine Technik, deren Stadium nach unserer Philosophie niemals erreicht werden kann, da bis zu ihren Anfängen die Prokas längst degeneriert wären.« »Die Prokas, natürlich!« warf Lisman boshaft ein. »Aber das da haben keine Prokas gemacht. Und auch keine Menschen.« »Diese Welt kennt kein Gefühl«, behauptete Nam-Legak. »Sie ist erstarrt in der Forderung nach Nützlichkeit. Sie wird von uns ein höchstes Maß an Anpassungsfähigkeit verlangen, falls ein Anpassen überhaupt erfolgen kann.« »Ich finde, diese Welt ist schön«, sagte Praxlomza. Und offenbar nicht nur aus lauter Widerspruch. »Das sieht aus, also ob Kinder buntes Papier zerschnitten und wahllos wieder zusammengeklebt hätten.« »Du siehst also eine Spielerei darin«, folgerte Barnett. »Hoffentlich ist es so harmlos wie ein Spiel. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu hoffen.« Dann setzte plötzlich eine Dämmerung ein. Sie kam langsam, aber doch sehr auffällig. Perkins deutete das als böses Zeichen, obwohl er keinen plausiblen Grund dafür angeben konnte. Copyright 2001 by readersplanet
»Du spinnst«, sagte Barnett dazu. »Wir tauchen in den Schatten des Planeten. Wir passieren die Nachtseite.« »Dann geh doch auf Infrarot!« »Ich bin dabei. Es klappt aber nicht.« »Mich würde interessieren, was überhaupt noch klappen soll! In der Schule habe ich immer gelernt, daß die Naturgesetze im ganzen Weltall absolut gleiche Gültigkeit haben.« »Bei der Überzeugung bleibe nur! Wenn etwas nicht klappt, brauchst du nicht gleich die Naturgesetze dafür verantwortlich zu machen. Wahrscheinlich liegt es an unserer primitiven Technik...« Die Dämmerung wurde intensiver. Die fremde Sonne versank hinter dem Horizont des Planeten. Und die Infrarot-Beobachtung wollte einfach nicht klappen. Schließlich herrschte auf dem Bildschirm völliges Dunkel, so daß Barnett die Radargeräte einspannen mußte. Mit Radar war es wenigstens möglich, den ständig geringer werdenden Abstand zur Planetenoberfläche zu messen. Bei zweitausend Kilometer Höhe erklärte der Captain beruhigend, daß von einem Absturz keine Rede mehr sein könne. »...wir befinden uns im Gleitflug in den ersten atmosphärischen Schichten. Die fremde Kraft ist unwahrscheinlich, aber auch eine Tatsache. Bei gleichbleibender Bremsverzögerung müssen wir ohne Komplikation landen.« »Dafür wird es wahrscheinlich hinterher Komplikationen geben«, meinte Lisman sauer.
* Das Landemanöver dauerte knapp zwei Terrastunden. Man mußte es als Manöver bezeichnen, auch wenn der Captain nicht einen einzigen Hebel dafür bediente. Er kümmerte sich lediglich um die Radarortung und gab den anderen von Zeit zu Zeit die Höhe über der Planetenoberfläche bekannt. Hin und wieder sagte einer etwas. Kurz und abgebrochen. Ausschnitte der sich jagenden Gedanken. In jedem Gehirn spielte sich eine Variation zu demselben Thema ab. Bis Barnett die Zahl Tausend nannte. Tausend war die Angabe nach Metern. Ein landendes Raumschiff hätte jetzt sehr schnell Bodenberührung bekommen. Doch die Höhenwerte des Radar änderten sich so langsam, als wäre die Cora eine Taucherkugel, die vorsichtig dem Meeresgrund zustrebt. Die fremde Kraft behandelte die Beute aus dem Weltall wie etwas Zerbrechliches. Sie ließ das Schiff schweben, als sei die Energiesperre etwas so Elastisches wie ein Daunenkissen. Doch das menschliche und auch das prokaskische Gehirn fand wenig Trost in dieser Vorstellung. Das Mißtrauen gegen die fremde Welt behielt die Oberhand. Und nachdem Barnett die tausend Meter angegeben hatte, erstarb jedes Gespräch. »Neunhundert Meter«, sagte der Captain. Und dann: »Achthundert, siebenhundert Meter, fünfhundert Meter...« Im Schiff war keine Bewegung zu spüren. Die künstliche Schwerkraft der Cora absorbierte jede gravitatorische Wirkung von außen. Der Bildschirm war schwarz. Man konnte sich nur noch auf die Radarortung verlassen. »Vierhundert Meter, dreihundert Meter, zweihundert Meter...«, kamen die Worte Barnetts. Und es lagen Abstände dazwischen, als ob die Zeit stillstehen wollte. »Hundert Meter... fünfzig Meter... vierzig Meter...! Festhalten! Wir landen! Es kann einen Stoß geben...« Es gab keinen Stoß. Als das Radar Bodenberührung anzeigte, machte sich im Schiff nicht die geringste Änderung bemerkbar. »Null«, sagte Barnett, und Iks-Wol-Esak war der einzige, der wirklich daran glaubte. »Bitte, noch nicht die Plätze verlassen!« Diese Anordnung war überflüssig, denn niemand fühlte sich veranlaßt, jetzt irgend etwas als erster zu tun. Es genügte, daß man noch lebte und daß die Kommandozentrale ihre alte Copyright 2001 by readersplanet
Vertrautheit behalten hatte. Barnett ging langsam mit der künstlichen Schiffsgravitation auf Null. Mehr und mehr machte sich dadurch die natürliche Schwerkraft des Planeten bemerkbar. »Merkt ihr etwas? Hier herrscht eine Fallbeschleunigung von 1.22 g. Wir sind etwas schwerer geworden. Wir werden bei körperlicher Bewegung etwas mehr Energie aufwenden müssen. Aber sonst ist es zu ertragen. Selbst für Leute, die nicht ganz gesund sind. Habt ihr Schwierigkeiten, Prokas?« »Ihr seid im Vorteil«, erklärte Iks-Wol-Esak. »Nach eurer Skala ist unser Körper von der Natur auf 0,8 g eingerichtet. Trotzdem werden wir es schaffen. Für den Augenblick gibt es nicht die geringsten Beschwerden. Außerdem sind Nam und ich beste Raumklasse. In der Galaxis habe ich schon einmal das Sechsfache meines Normalgewichtes gehabt.« »Na, dann kann ja nichts schiefgehen!« Barnett gab dieser Feststellung einen betont optimistischen Anstrich, als ob man nur auszusteigen brauche, um angeln gehen zu können. Er versuchte noch einmal den Televisor. Der reagierte jedoch noch immer nicht. »Draußen wird noch Nacht sein«, sagte Perkins. »Eine Nacht mit jenseits von Rot abgehacktem Spektrum«, kommentierte Lisman giftig. »Alles herhören!« kam dann Barnetts Befehl. »Solange unsere Lage nicht genau erkannt ist, hat jeder von uns die doppelte Pflicht zur Disziplin. Ich erkläre hiermit den Ausnahmezustand für die gesamte Besatzung. An Bord eingeteilte Wachen haben nur nach meinen Anordnungen zu handeln. Das Verlassen des Schiffes aus eigenem Ermessen ist verboten. Ist das klar?« Die Bejahung viel verschieden aus. Praxlomza und Perkins brüllten: »Okay!« Lisman, Bannister und Cora nickten schweigend, und die Prokas bestätigten ihre Bereitschaft zum Gehorsam telepathisch. »Wir sind gelandet«, fuhr Barnett fort. »Was wir bisher von diesem Planeten gesehen haben, läßt nur unsichere Schlüsse zu. Es muß eine in höchstem Maße technisierte Welt sein mit entsprechenden Lebewesen. Über das Tragen und Benutzen von Waffen muß später entschieden werden, sobald erste Forschungsergebnisse vorliegen. Bewaffnung kommt also vorerst nur für Leute in Frage, die außenbords gehen. Ich brauche zwei Mann dazu. Wer kommt freiwillig mit?« Spontan meldete sich nur Iks-Wol-Esak. Alle anderen zögerten. Dann kam die Hand von Praxlomza. »Gut, Prax! Du kommst mit. Allerdings hat das Zeit bis zur Dämmerung. Ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen und halte die Nacht nicht für eine erste Erkundung geeignet.« »Hoffentlich sind die Fremden so nachsichtig und überlassen uns die Einteilung des Dienstplanes«, gab Lisman zu bedenken. »Ich lasse mich nicht gern außerplanmäßig aus dem Bett holen.« »Auch darauf müssen wir vorbereitet sein. Ich hoffe allerdings auf günstigere Umstände. Sollte jemand den Wunsch haben, sich auszuruhen, so habe ich nichts dagegen, wenn er sich hinlegt. Es genügt, wenn wir hier zu dritt sind. Sobald der Tag anbricht, muß dann alles auf volle Kriegswache.« »Wenn man nur wüßte, wann der Tag anbricht«, stöhnte Perkins. »Ich glaube, ich hätte die Nerven, jetzt trotz allem ins Bett zu gehen.« »Über die Rotation des Planeten liegen keine Messungen vor. Wir müssen das später erledigen. Also, wer ist müde?« »Müde sind wohl alle«, meinte Cora. »Aber ich werde trotzdem kein Auge zubekommen.« »Gerade du solltest aber etwas schlafen, Mädchen.« »Nein, nein, laß nur, Perry. Es hat keinen Sinn.« Niemand ging schlafen. Auch Perkins nicht. Er holte Lavista aus der Zelle zurück, so daß die gesamte Mannschaft wieder versammelt war. Dann vergingen drei ganze nervenaufreibende Stunden, während derer Barnett lediglich eine Direktanalyse der Atmosphäre vornahm. Das Ergebnis veranlaßte ihn zu einem Kopfschütteln. Copyright 2001 by readersplanet
»Da draußen herrscht die ideale Stickstoff-Sauerstoff-Mischung. Die Luft ist würzig wie im Garten eines Sanatoriums. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, es muß eine üppige Pflanzenwelt hier geben.« »Unsinn! Davon hätten wir etwas sehen müssen. Ich wette, da draußen ist nichts, was mit einem Paradies Ähnlichkeit hat«, widersprach Praxlomza. »Nicht einen Grashalm werden wir zu sehen bekommen.« »Oh, bist du bescheiden«, meckerte Perkins. »Ich möchte brennend gern eine Wette mit dir abschließen, die ich gewonnen habe, sobald ich dir den ersten Grashalm bringe. Aber um Geld wetten hat für uns ja wohl keinen Sinn mehr.« »Du kannst ja mal versuchen, ob unsere Währung nicht vielleicht auch hier noch eine gewisse Bedeutung hat.« »Quatsch!« sagte Lavista, der sich nicht genierte, schon jetzt wieder an dem Gespräch teilzunehmen. »Ihr redet nur Blödsinn. Bereitet euch lieber auf eine Reihe von Enttäuschungen vor.« »Die meisten Enttäuschungen wirst du erleben«, erwiderte Perkins, »das gebe ich dir jetzt schon schriftlich.« »Ach nee, du hältst dich wohl für sehr mutig, indem du dir selbst laufend Hoffnungen zuflüsterst, die sich nur ein Idiot ausdenken kann.« »Mensch, hör nicht auf ihn!« brummte Praxlomza wütend. »Der kann ja vor lauter Angst nicht mehr normal denken.« Lavista hätte an dieser Stelle gern eine freche Antwort gegeben. Doch er dachte an den Boxhieb, an den Fußtritt und an die dunkle Zelle. Da hielt er lieber den Mund und überlegte sich im stillen, was er alles hätte sagen können, wenn er etwas mehr Autorität besessen hätte. Nach drei Stunden stellte Barnett fest, daß die allgemeine Nervosität immer mehr zunahm. Die teilweise unsinnigen Gespräche führten zu unsachlichen Boshaftigkeiten. Und hinter allem, was einer sagte, standen die Unsicherheit und das Mißtrauen. »Verdammt! Wie lange dauern hier die Nächte? Das hält ja kein Schwein aus!« »Verzeihung, was ist ein Schwein?« fragte Nam-Legak. »Das kann ich dir jetzt kaum erklären. Auf jeden Fall ist das etwas Zoologisches.« »Ich versehe. Ein Wesen eurer Rasse.« Praxlomza grinste. »Wenn du wüßtest, was du jetzt für einen Witz gemacht hast!« »Nach Witzen ist mir nicht zumute. Barnett, findest du nicht auch, daß die Nacht etwas reichlich lang wird? Habt ihr denn keine andere Möglichkeit zur Außenbeobachtung als das Bildgerät? Vielleicht ist es unbrauchbar, und wir sitzen hier in drei Wochen noch und warten.« »Tatsächlich, Perry«, schaltete sich nun auch Bannister ein, der lange geschwiegen hatte. »Ich verstehe zwar nicht viel von eurer Technik hier. Aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, daß die Nacht vorüber sein müßte.« »Was weißt du von der Länge der Nacht auf diesem Planeten?« »Gar nichts. Ich gebe es ja zu. Doch bedenke nur, mit was für einer Fahrt wir die Nachtseite anschnitten. Wir hätten in der Dämmerungszone ankommen müssen.« »Das ist rein gefühlsmäßiges Geschwätz«, wehrte sich Barnett. »Wir haben nicht die geringsten Anhaltspunkte, um über die Zeit- und Größenverhältnisse etwas auszusagen.« »Damit gibst du zu, wie sehr du im dunkeln tappst. Du wartest auf das Licht wie ein Blinder. Und dabei weißt du nicht einmal, ob der Televisor noch jemals in der Lage sein wird, dir Lichtwerte aufzuzeichnen.« »Das Gerät ist in Ordnung...« »Natürlich, natürlich! Du mußt es ja wissen. Das Schiff ist allerdings auch in Ordnung. Und trotzdem haben wir eine zeitlose Weltreise gemacht, wenn man der Definition deines Copyright 2001 by readersplanet
Freundes Iks-Wol-Esak Glauben schenken darf.« »Verdammt, Forry! Ich sage dir, der Televisor ist in Ordnung. Draußen herrscht eben totale Nacht. Und außerdem haben die Fremden eine Infrarotsperre errichtet.« »So könnte es sein«, erklärte der soeben zitierte Proka aus dem Hintergrund. »Durchaus logisch, durchaus logisch. Aber eine Hypothese. Die Vermutung kann genauso gut falsch sein...« »Weißt du eine bessere?« »Ob sie besser ist, kann man erst später entscheiden...« »Na, schieß schon los, du Theoretiker!« »Nun, wenn du zugibst, daß wir überhaupt keine Anhaltspunkte haben, dann ist es durchaus möglich, daß wir mit dem Eindringen in die Dunkelzone den Planeten bereits mehrere Male umrundet haben, ehe wir landeten.« »Unsinn! Dann hätte es hell werden müssen.« »Nach deiner Theorie. Du hast dich eben in deine Infrarot-Idee verrannt. Genauso gut ist es aber denkbar, daß die Sperre alle Wellenlängen blockiert, mit denen der Televisor arbeitet. Denn eine Planetennacht in einer satten Atmosphäre kann niemals so dunkel sein, wie uns das der Bildschirm hier weismachen will. Es gibt immer Sterne am Himmel.« »Der schönste Himmel nützt dir nichts, wenn eine entsprechende Wolkendecke jede Lichtreflexion verhindert.« »Natürlich. Aber auch das ist eine Vermutung. Ich bin der Meinung, du solltest etwas unternehmen. Denn bisher hast du von draußen lediglich ein paar akustische Eindrücke sammeln können, die dir etwas von leichten Luftströmungen verraten.« »Und ich habe die Luft analysiert.« »Schon gut, du bist ein tüchtiger Mann, Captain. Und du hast das Kommando hier. Als Proka weiß ich mich in Geduld zu üben. Es fragt sich nur, ob ihr Menschen es könnt.« Barnetts Unterbewußtsein sah in diesen Worten eine Herausforderung. Er blickte im Kreis von Mann zu Mann, als wolle er sich Rat holen. Dann hatte er einen Entschluß gefaßt. »Iks und Prax! Ihr kommt mit raus! Du, James, übernimmst das Kommando! Perkins, du begleitest uns bis zum Schott der Schleuse. Wenn wir draußen heil angekommen sind, beziehst du den Posten. Nehmt Waffen mit!« Als Barnett hinausging, mußte er an Cora vorbei. Sie flüsterte nur seinen Namen und drückte dadurch mehr aus, als sie in diesem kurzen Augenblick hätte sagen können. Er fand sekundenlang ihre Hand. »Schon gut, Cora. Ich bin vorsichtig. Klar?« Sie nickte mit einem verunglückten Lächeln. »Klar, Perry.«
* In der Schleuse erlebte Barnett den Fehler seiner Theorie. Und mit den anderen erlebte er ein Wunder. Das Innenschott hatte dicht gemacht. Und automatisch öffnete sich das Außenschott. Für wenige Sekunden gab es nur das Summen des Motors, der den Riesendeckel in seinem Flüssigkeitsscharnier bewegte. Dann stand plötzlich Licht in der Schleuse. Eine Sichel aus Licht, die wie ein Messer wirkte. Draußen war Tag. Heller Tag. Und je mehr sich das Schott öffnete, um so breiter wurde die Sichel. Doch damit nicht genug des Wunders! Die Welt war grün! Sie war Gras und Sträucher, sie war Bäume, Blumen und blauer Himmel. Die Männer standen wie erstarrt. Copyright 2001 by readersplanet
»Bei Gott!« stöhnte Perkins, und es klang andächtig wie ein Gebet. Seine Hand zitterte etwas, und er schien sich nicht entschließen zu können, den Griff an der Schiffswand loszulassen. Zehn Meter unter ihnen lag das Paradies. »Versteht ihr das?« fragte Perkins so leise, daß man ihn kaum hören konnte. Niemand verstand es. Nicht einmal der Theoretiker der Prokas. »Ich weiß nur eins«, erklärte dieser. »Perkins hat seine Wette gewonnen, und Praxlomza muß zahlen. Wegen des Grashalmes, meine ich.« »Mensch, hat der Knabe Sorgen«, sagte Barnett. »Sage mir lieber, ob du mitkommst!« »Das war so ausgemacht.« »Du wirst Schwierigkeiten mit der Leiter haben.« »Ich brauche keine Leiter. Bei uns springt man aus solchen Höhen.« Endlich zeigte Iks-Wol-Esak eine fast menschliche Seite seines Wesens. Er konnte springen. Und es schien, als ob er stolz darauf wäre. Er war auch stolz, der erste zu sein, der unten ankam, denn schließlich hatte noch kein galaktisches Wesen diesen Planeten betreten. Allerdings gab es beim Aufprall auch die erste Enttäuschung für ihn. Er hatte trotz seines Kalkulatorgehirns die Schwerkraft falsch eingeschätzt und stieß einen wimmernden Laut aus, der auf Schmerzen schließen ließ. Barnett war Sekunden später bei ihm. »Hast du dich verletzt?« Iks-Wol-Esak verneinte. »Du denkst an gebrochene Knochen, Perry. Aber ich habe keine Knochen, das solltest du wissen. Doch eine Gehirnerschütterung kann uns um so leichter erwischen. Ein Prokagehirn ist empfindlich...« »Ein Prokagehirn ist überentwickelt, anfällig und sensibel. Ich weiß, Iks. Vergiß aber deine Kopfschmerzen, solange wir nicht wissen, ob es hier gefährlich ist.« »Wenn ich nur wüßte, wie man sich hier eine Gefahr vorstellen muß! In Form eines reißenden Urwelttieres existiert sie jedenfalls nicht. Und Intelligenzwesen kann ich auch nicht aufspüren.« »Es muß hier Intelligenzen geben.« »Nicht in unmittelbarer Nähe. Trotzdem - wir müssen auf eine sehr große Gefahr vorbereitet sein. Diese Welt hat etwas Paradoxes. Und was mir paradox erscheint und trotzdem existiert, ist gefährlich. Alles Unbekannte, nicht Erkennbare ist gefährlich.« »Du denkst an unsere erste Beobachtung vom Schiff aus.« »Natürlich. Wir waren uns alle einig darüber, daß dieser Planet nichts von Pflanzenwuchs kennt. Wir waren uns einig darüber, daß er ein einziges Gebäude aus der Schöpfung einer intelligenten Rasse sein müsse. Und jetzt finden wir nichts als wilde Natur.« »Vielleicht ist das hier eine Art Oase, eine große Oase, die sich auf der Gegenseite befindet, die wir vom Raum aus nicht beobachten konnten...« »Ein schwacher Trost, Barnett. Man muß zwar das Unwahrscheinliche einkalkulieren, aber man sollte sich niemals darauf verlassen.« »Es gibt noch eine andere Möglichkeit...«, sagte der Captain langsam. Da sie das Telepathierelais im Schiff gelassen hatten, war ihre Gedankenverbindung nur sehr undeutlich. Iks-Wol-Esak konnte so gut wie gar nicht in Barnetts Gehirn lesen. Er mußte also fragen, was der Mensch meinte. »Welche andere Möglichkeit?« »Der beobachtete Planet und dieser hier sind nicht identisch.« »Hm, theoretisch ist alles möglich, nachdem man uns in einem halben Tag Subjektivzeit durch das halbe Universum geschleust hat. Im übrigen ist das aber kaum wichtig. Die Tatsache wirkt zwar verblüffend. Doch unser Hauptproblem ist zunächst einmal dieser Planet mit seiner Vegetation. Mit seiner verrückten Wildnis...« Copyright 2001 by readersplanet
»Meintest du verrückt?« Der Proka winkte zustimmend mit seinem mittleren Arm. »Eine Wildnis in der Galaxis bestand immer aus Urwäldern, Sümpfen, öden Steppen und Wüsten oder Eisflächen. Und es gab stets eine Fauna von biologischer Kraft, die für das körperlich schwache Intelligenzwesen die Gefahr bedeutete. Und das hier? Barnett, hast du das Empfinden, in einer Wildnis zu sein?« »Ich weiß nicht, Iks. Das viele Grün läßt vermuten, daß wir es hier mit einem Reichtum an Chlorophyll zu tun haben. Und trotzdem ist nichts Vertrautes daran. Es ist unheimlich. Blumen und keine Insekten. Äußerlich sieht das hier eher wie ein Park als wie eine Wildnis aus...« Sie standen in kniehohem Gras. Für den Proka bedeutete das, daß nur ein Viertel seines Körpers aus dem Meer der sattgrünen Halme hervorragte. In einer Entfernung von hundert Schritten stand der Wald. Sie hatten die Vorstellung, daß es ein Wald war, denn es sah so aus. Barnett hielt nur die Waffe in seinen Händen. »Komm, Iks! Wir können hier nicht anwachsen!« Der Proka blieb an der Seite des Captains. Praxlomza sollte zurückbleiben, um die unmittelbare Nähe des Schiffes zu sichern. Perkins hockte im Rahmen des geöffneten Außenschotts zehn Meter über dem Boden. Sie alle hielten Strahlwaffen in den Händen. »Paß auf, Perkins!« rief Praxlomza nach oben. »Du kannst sie besser beobachten als ich hier. Wenn du etwas Verdächtiges siehst, am besten sofort schießen!« Perkins grinste so unverschämt wie in seinen besten Piratentagen. Praxlomza war gut fünfzehn Jahre jünger als er. Und eine Anweisung aus dem Munde dieses kaum ausgewachsenen Schiffsjungen wirkte natürlich lächerlich. »Sieh zu, daß du dich nicht verdächtig machst, sonst könnte es sein, daß ich dich mit einem Ungeheuer verwechsele.« Praxlomza blieb die Antwort schuldig. Er war zornig. Und Perkins hing zehn Meter über ihm, unerreichbar für den Augenblick. Ich möchte mich tatsächlich mal mit ihm schlagen, dachte Praxlomza. Prax war in der Tat ein kräftiger Bursche, dessen Fäuste sogar den Kapitän schon herausgehauen hatten. Achselzuckend wandte er Perkins und dem Schiff den Rücken zu und blickte zu Barnett und Iks-Wol-Esak hinüber, die mit wenigen Schritten den Wald erreichen mußten. Barnett ging etwas langsamer. Instinktiv faßte er die Waffe fester und brachte den Lauf in die Waagerechte. Anden Bäumen war eine leichte Bewegung zu erkennen, die wie die Reflexion eines Lebewesens wirkte. Und doch konnte nur der leichte Wind die Ursache sein. Bäume sind nun einmal keine starren Dinge. Was war also Überraschendes daran, wenn sie sich bewegten? Als sie den Waldrand erreichten, blieb jede Überraschung aus. Nur, daß die Bäume eben doch anders waren, als man es als Galaxianer von ihnen erwartete. Nicht nur die rippenlosen Blätter waren grün. Der Pflanzenfarbstoff beherrschte auch den Stamm. Barnett faßte danach. Die stachlig rauhe Oberfläche hinterließ einen unangenehmen Reiz auf der Hand. Und sie hinterließ grüne Flecken. »Eklig!« erklärte Iks-Wol-Esak. »Du solltest Handschuhe tragen.« Sie gingen weiter. Durch brusthohe Sträucher und saftstrotzende Lianen. Das beinahe nuancenlose Grün wurde hier und da von roten und gelben Blüten unterbrochen. Blüten - so groß wie Kinderköpfe. Doch sie konnten nicht den Eindruck verwischen, der die Schlangenäste wie Fangarme erscheinen ließ. »Wir wollen zurückgehen und einen Fluggleiter nehmen. Dann bekommen wir jedenfalls ein Bild von der weiteren Umgebung.« »Gewiß«, gab Iks-Wol-Esak sein Einverständnis. »Wir hätten dann auch die Möglichkeit, deine Oasentheorie zu überprüfen. Hier sieht es kaum nach intelligenten Bewohnern aus. Sie müssen woanders stecken.« Sie spürten beide Erlösung, als sie wieder auf die Lichtung hinaustraten. Der Proka hatte sich sehr unsicher in dem Unterholz gefühlt, das ihn um mehr als die Höhe seines Copyright 2001 by readersplanet
Kugelkörpers überragte und in dem er kaum eine optische Beobachtungsmöglichkeit besaß. Barnett dagegen fühlte sich frei, weil ihn nun die Lianen nicht mehr ergreifen konnten. Er war plötzlich überzeugt, daß sie es getan hätten, wenn er nur eine Minute länger in dem Rätselwald geblieben wäre. Auf der Wiese empfing sie Perkins' Ruf. Der Mann hatte seinen Posten an der Schleuse verlassen, war die Leiter hinuntergeklettert und stand dicht neben dem Schiff. »Er winkt«, sagte Barnett besorgt und wurde automatisch schneller. Iks-Wol-Esak überholte ihn noch. So stur und phlegmatisch ein Proka in seinem Normalzustand wirkt, wenn es sein muß, kann er sich mit der Behendigkeit eines Terra-Kaninchens bewegen. Die Besorgnis schien berechtigt. Barnett fand keinen Vorwurf für Perkins, der ohne entsprechenden Befehl seinen Platz verlassen hatte. »Wo ist Praxlomza?« Die Frage interessierte viel mehr. Perkins wußte es nicht. »Wir haben uns blöde Bemerkungen an den Kopf geworfen. Prax war natürlich gereizt. Spaß hat er ja selten vertragen können. Dann hat er irgend etwas in den Bart gebrummt und ist unter das Schiff getreten, so daß ich ihn nicht mehr sehen konnte. Seitdem ist er weg ...« »Was heißt hier weg?« fragte Barnett ungeduldig. »Weg heißt nicht mehr da. Ich habe ihn ein paar Mal angerufen, weil er ja vor allen Dingen nach dieser Seite euren Rücken sichern sollte. Aber er meldete sich nicht. Da bin ich hinuntergestiegen.« »Praxlomza!« schrie Barnett laut. »Gib ein Zeichen! Wir wollen starten.« »Du denkst wohl, er hat sich versteckt...« »Wenn ihr ins Blödeln kommt, dann ist euch selbst in der heutigen Situation so was zuzutrauen.« Perkins zuckte die Achseln, als würde er von der Welt und dem ganzen Zeitalter mißverstanden. Dann rief auch er nach Praxlomza. Er rief in alle Richtungen und machte dabei mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. - Praxlomza meldete sich nicht. »Verdammt, wenn ich den Kerl erwische, blüht ihm der Karzer«, fauchte Barnett wütend. Er dachte immer noch an einen billigen Scherz. Der Proka war anderer Meinung. »Wenn er im Gras liegt und sich nicht rühren kann, hat das wenig mit einem Scherz zu tun.« »Natürlich, wenn...« Der Captain hantierte an seinem Funksprechgerät. Ehe er sprechen konnte, hatte der Proka jedoch schon Verbindung mit Nam-Legak aufgenommen. - Sie sollen den Fluggleiter klarmachen. »Okay«, sagte Barnett. »Ich steige auf und werde das Gelände abfliegen. Nam-Legak soll aber inzwischen Lavista und Bannister herausschicken. Und zwar mit Funkgerät. Wir halten dann laufend Verbindung.« Wenige Minuten später startete Barnett und flog immer größer werdende Spiralen um das Schiff. Nur Sekunden konnte er dem neuen Eindruck widmen, den die endlos scheinende grüne Landschaft von einem Horizont bis zum anderen bot. Keine Oase, registrierte er im Unterbewußtsein. Noch vor einer Viertelstunde hätte diese Erkenntnis eine wesentliche Bedeutung besessen. Jetzt drehte sich alles um den verschwundenen Praxlomza. Barnett flog in Höhen zwischen fünfzig und fünfhundert Meter. Sein Auge suchte jeden Quadratmeter in meilenweiter Umgebung ab. Doch unten stand nur das Schiff, und daneben bewegten sich in einer Kette Iks-Wol-Esak, Perkins, Bannister und Lavista. Anderes Leben schien nicht zu existieren. Und doch mußte Praxlomza da sein. Selbst wenn er tot war. Denn auch ein Toter hat einen Körper. Die kurzen Funkgespräche waren routinemäßiger Verständigungsverkehr. Zum Schluß kam jedesmal das Wort »Fehlanzeige«. Das war alles. Der einzige Unterschied bestand darin, daß jedes Gespräch ein paar Flüche mehr als das vorangegangene enthielt. Bis plötzlich Bannisters Stimme dazwischenkam. Copyright 2001 by readersplanet
»Hallo, Perry! Du mußt sofort landen. Der Proka hat etwas gefunden!« »Stop!« rief Bannister und hielt ihn zurück. »Hier mußt du stehenbleiben, sonst zertrittst du es.« Der Captain hatte etwas ganz Konkretes erwartet. »Ist eure Entdeckung vielleicht aus Glas?« fragte er gereizt. »Quatsch! Siehst du nicht die Spur im Gras?« »Die Spur? Sie ist von euch.« »Von einem Menschen, aber nicht von uns. Niemand ist weiter vor gewesen, nur der Kugelmann. Die Spur kann nur von Praxlomza stammen.« »Na und? Warum verfolgt ihr sie nicht weiter? Warum holt ihr mich herunter?« »Weil Praxlomza nicht mehr da ist. Du kannst das ja selbst wohl am besten beurteilen.« »Natürlich, selbstverständlich«, lenkte Barnett unschlüssig ein. »Aber was...« »Sieh dir die Spur an«, unterbrach ihn der Proka. Er gehorchte und ging näher heran. Auf der Höhe von Iks-Wol-Esak brauchte er nicht mehr weiterzugehen. Er sah es ganz deutlich. Die Spur endete plötzlich. Es war kein Irrtum möglich. Prax hatte das Gras auffällig niedergetreten - bis zu einer Stelle, die von Barnett drei Meter entfernt war. »Er muß zurückgegangen sein...« »Dann wäre er uns in die Arme gelaufen. Und eine zweite Spur gibt es nicht. Also ist er nicht zurückgegangen. Jedenfalls nicht in...« Bannister unterbrach sich, als habe er Hemmungen, den Gedanken auszusprechen. »Nicht in... nicht in was?« »Nicht in unsere Dimension, könnte man vielleicht sagen.« Barnett sah einen Augenblick lang so aus, als wolle er lachen. Das wäre allerdings ein irres und völlig unsinniges Lachen geworden, denn er wußte genau, daß er so schnell auch keine bessere Erklärung wüßte. Vor allen Dingen keine, die weniger phantastisch anmutete. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu Iks-Wol-Esak. »Was meinst du dazu, Iks?« »Ich meine, daß uns Gefahr droht. Eine Gefahr, gegen die wir wehrlos sind. Es besteht kein Zweifel daran, daß Praxlomza bis zu der Stelle dort ging und dann aus dieser Welt verschwand. Ob das nun tatsächlich eine andere Dimension ist, weiß ich nicht. Eine andere Dimension können wir Prokas und Menschen uns nur vorstellen, wenn eine Bewegung im Weltall damit verbunden ist. Eine sehr schnelle Bewegung...« Die Art und Weise, in der Iks-Wol-Esak sich halb akustisch, halb telepathisch mit den Menschen verständigte, machte den Eindruck seiner Mitteilung noch unheimlicher. Dabei wirkte seine Methode, auch in gefährlichen Situationen eine theoretisierende, nüchterne Ausdrucksweise anzuwenden, keineswegs beruhigend. »Hat schon jemand von euch an der Stelle dort gestanden?« fragte Barnett und zeigte auf die letzten niedergetretenen Grashalme. Perkins ging unwillkürlich einen Schritt zurück, als wolle er eine bestimmte Gefahrenzone vermeiden. Bannister sagte: »Nein.« Ehe sie es verhindern konnten, sprang der Captain vor und stellte sich dorthin, wo Praxlomza verschwunden sein mußte. Doch keine Macht hinderte ihn daran, noch einige Schritte mehr zu machen und dann unversehrt zurückzukehren. »Du solltest nicht so leichtsinnig sein«, wies ihn der Arzt zurecht. »Hier lauern verdammt genug Gefahren, als daß wir es noch nötig hätten, sie absichtlich herauszufordern.« »So, meinst du?« Nach welchen Gesichtspunkten willst du denn hier die Gefahren definieren? Unser blödsinniges Handikap ist doch wohl, daß gerade unsere gescheitesten Überlegungen auch die verhängnisvollsten sein können. Oder stimmt es nicht, Iks?« »Wenn es stimmte, hätten wir schon eine Garantie. Ich möchte mich allerdings lieber darauf stürzen, daß man der Frage mit logischen Folgerungen doch beikommen kann.« Copyright 2001 by readersplanet
»Ein Wesen mit den notwendigen Sinnesorganen kann es bestimmt«, warf Perkins ein. »Ich bezweifle jedoch, daß Menschen oder Prokas diese notwendige Kapazität besitzen.« »Du willst also aufgeben.« »Ich will nichts als rein ins Schiff und weg von diesem Planeten.« »Ein frommer Wunsch, wenn man bedenkt, wie einfach sich ein solcher Start durchführen lassen müßte«, meinte Bannister beinahe gehässig, und man merkte ihm deutlich an, daß er auf diese Weise seine Angst verbergen wollte. Perkins dagegen bekam plötzlich einen nachträglichen Heldenrappel. Er folgte dem Beispiel Barnetts und stellte sich auf das rätselhafte Ende von Praxlomzas Fährte. Allerdings erregte er damit längst nicht mehr das Aufsehen wie sein Vorgesetzter, obgleich er dort eine ganze Zeitlang aushielt und etwas von einer Tür in die unbekannte Dimension phantasierte. Barnett nahm wieder dieses Stichwort auf. »Dimension hin, Dimension her. Prax ist verschwunden. Und es kommt wahrscheinlich auf dasselbe heraus, ob wir weiter nach ihm suchen, oder ob wir hier geistreiche Überlegungen anstellen. Bevor ich aber tatenlos zusehe, wie man uns hier nacheinander abserviert, schlage ich trotzdem vor, daß wir uns so gut wie möglich den Kopf zerbrechen.« »Das war so konfus, als ob ein Pessimist und ein Optimist zugleich gesprochen hätten. Uns wird aber nichts anderes übrigbleiben, als Optimist zu sein«, sagte Bannister. »Und du mußt dich nicht unbedingt an dem Begriff Dimension festhalten.« »Warum nicht? Er ist für mich zur Zeit die einzige Erklärung, die mir einleuchten könnte. Und, ehrlich gesagt, hatte ich die Hoffnung, daß du uns mehr darüber sagen könntest.« Barnett hatte den Proka angesprochen. »Wie kommst du darauf?« »Ich erinnere mich an meine erste Begegnung, die ich mit einem von euch hatte. Deshalb leuchtet mir nicht ganz ein, was du vorhin sagtest.« »Ich kann deine Gedanken ohne Relais leider nicht klar genug lesen. Du mußt dich also schon deutlicher ausdrücken. Was ist mit deiner ersten Begegnung? Und was leuchtet dir nicht ganz ein?« »Du sagtest, Prokas und Menschen könnten sich eine andere Dimension nur schlecht vorstellen. Ich glaube trotzdem, daß ihr in dieser Beziehung weiter seid. Denn damals - vor einigen Wochen - hatten wir noch den zweifelhaften Talcott bei der Besatzung. Er geriet in eure Hände und wurde getötet. Und ich konnte sein Sterben verfolgen, obgleich er sich wahrscheinlich einige Kilometer von mir entfernt befand. Ich sah ihn in einer Art Energieglocke vor mir liegen...« »Das war keine Energie.« »Es war aber auch keine Materie. Ich konnte durch ihn hindurchgehen. Ich konnte ihn sehen, aber nicht greifen. Aber außerdem konnte ich ihn hören. Ich sprach mit ihm, als ob er tatsächlich vor mir läge. Und er starb vor meinen Augen und war trotzdem weit weg. Es konnte sich also nicht lediglich um eine Bildübertragung handeln, sondern Talcott war tatsächlich bei mir. Er existierte praktisch an zwei Stellen in zwei verschiedenen..., nun ja, Dimensionen, möchte ich sagen. Oder stimmt's nicht?« »Nein, es stimmt nicht. Das Bild von Talcott damals muß deiner natürlichen Dimension angehört haben, denn sonst hättest du es ja gar nicht wahrnehmen können. Wir sprachen doch kürzlich schon einmal darüber. Talcotts Erscheinung mußt du dir als eine Mischung aus telegraphischen Werten und aus einer abgeänderten Energieform erklären. Auf die telepathischen Werte reagiertest du subjektiv. Die Existenzform aber war konkret. Du kannst sie in die Urgleichung zwischen Energie und Materie genauso wenig einbauen wie zum Beispiel die Begriffe Antienergie und Antimaterie. Denke doch nur an die rätselhaften Vorfälle, durch die wir hier gelandet sind! Wir haben bisher nichts als eine Hypothese für unsere wahrscheinlich zeitlose Raumfahrt. Aber schon eine Hypothese ist viel wert, und man kann etwas damit anfangen. Du brauchst nur anzunehmen, daß dein Hypertreibstoff zu contra-temporisierten Mesonenströmen wurde, sobald er in die Energieentwicklung gelangte...« Copyright 2001 by readersplanet
»Verrückt! Willst du dieses Beispiel etwa auch hier anwenden?« »Wenn man das Prinzip gefunden hat, führt auch alles wieder darauf zurück.« »Damit willst du also sagen, daß man Praxlomza in eine unbekannte Existenzform gebracht hat, oder daß er jetzt zeitlos lebt!« »So in etwa. Jawohl. Eins könnte stimmen. Vielleicht sogar beides. Aber es ist vorläufig nichts als eine Hypothese...« »Das Gefühl habe ich auch«, bellte Lavista dazwischen. »Was haben wir eigentlich von euren theoretischen Spitzfindigkeiten, wenn nichts dabei herauskommt? Ich halte es für viel gescheiter, wir suchen Praxlomza noch einmal. Und wenn er wirklich weg ist, dann hat es keinen Sinn, daß wir uns hier auch noch opfern. Ich habe verdammt wenig Lust...« Lavista brach sofort ab, als Barnett einige Schritte näher an ihn herankam. »Was hältst du davon, wenn du dich an meine Befehle erinnerst? Nach deiner Lust wird im Augenblick wohl kaum gefragt. Und wenn du jetzt okay sagst, dann war das vorläufig dein letztes Wort. Verstanden?« »Okay, Captain!« »Okay!« machte Barnett halbwegs zufrieden und gab neue Anweisung. »Wir machen das Ganze noch einmal. Das Zeichen zum Abbruch der Aktion gebe ich aus der Luft.« »Okay, Captain.« Perry Barnett stieg auf. Es kam alles, wie jeder befürchtet hatte: Praxlomza blieb verschwunden. Und eine halbe Stunde später kam der Befehl, zum Schiff zurückzukehren.
* Noch bevor Barnett in die obere Schleuse einflog, erreichte ihn ein Ruf von Lisman. »Hallo, Perry! Ich habe den Televisor repariert. Er haut wieder einwandfrei hin.« »Was hast du? Warte, ich bin in zwei Sekunden auf der Brücke.« Zwei Sekunden - das war geprahlt. Trotzdem schaffte Barnett die Rückkehr schneller als die Leute auf der Wiese. »James, du verrückter Knabe! Wie kannst du etwas reparieren, was gar nicht defekt ist?« »Ich wollte dich nur schnell hier haben. Das Bild kam wie von allein wieder.« »Hm, demnach haben die Fremden ihre Sperre aufgehoben. Wir sollten sofort auch den Treibstoff untersuchen.« »Du hast einen ausgesprochenen Kinderglauben. Aber ich will dir die Illusion nicht rauben...« »Wovon redet ihr eigentlich?« fragte Cora. »Wollt ihr Prax einfach dort unten umkommen lassen?« »Prax existiert nicht mehr. Und wenn er noch existiert, dann haben wir nicht die geringste Möglichkeit, ihn zu erreichen. Nein, Cora, es geht nicht. nicht einmal mit einem beneidenswerten Kinderglauben.« Inzwischen kamen auch die anderen zurück. »Schleuse ordnungsgemäß geschlossen«, meldete Perkins beinahe militärisch. »Okay! James, Perkins und Lavista auf volle Flugwache. Wir versuchen einen Start.« »Moment!« wagte Bannister einen Einwand. »Was ist?« fragte Barnett unwirsch. »Wenn wir gut von hier wegkommen, werden wir Schwierigkeiten haben, diese Stelle jemals genau wiederzufinden.« Copyright 2001 by readersplanet
»Weshalb willst du sie wiederfinden?« »Wegen Praxlomza. Ich meine, es könnte doch sein...« »Ja, natürlich. Es könnte vielleicht sein. Mensch, Forry, du mußt mich entschuldigen.« »Als Kapitän solltest du den anderen keinen Grund geben, eine Entschuldigung von dir zu verlangen.« »Hallo, Lavista! Mach Boje 1 mit Licht- und Funksignal klar!« »Okay, Captain!« Die Boje blieb auf der weiten Lichtung zurück, während die Cora in den hellblauen Himmel schoß. Auf diese Weise würde man die Stelle, an der man Praxlomza verloren hatte, jederzeit wiederfinden können. Würde man es tatsächlich? Die Stelle, Praxlomza? Barnett hatte wenig Hoffnung. So wenig, daß er einen seiner liebsten Leute an Bord bereits zu den Toten zählte.
* Was sich Barnett bei seinem Flug mit dem Beiboot bereits angedeutet hatte, zeigte sich plötzlich als unbestreitbare Tatsache. In Satellitenhöhe sahen die Menschen einen Planeten unter sich, dessen Oberfläche ausschließlich aus Vegetation bestand. Kleine Binnenseen und Meere waren die einzige Abwechslung zwischen grünen Flächen aus Gras und Wäldern. Der Vergleich mit einer tropischen Umwelt lag nahe. Nur wußte man aus näherer Anschauung, daß der Charakter der Wildnis fehlte. Es war ein Park, ein Garten ohne Gärtner. »Kommen wir los?« Bannisters Frage erinnerte an die nüchterne Wirklichkeit. »Wir versuchen es«, erwiderte der Freund. »Vorläufig geht alles planmäßig.« »Dann drückt nur alle den Daumen, daß es dabei bleibt«, sagte Lisman. »Ich verzichte gern auf die Bekanntschaft dieser tüchtigen Rasse.« »Gib mir das Logbuch!« wandte sich Barnett an den Sprecher. »Wir werden diese Episode eintragen müssen.« Lisman gehorchte sofort. Der Optimismus des Captains gefiel ihm. Episode nannte er die Sache. Als ob sie bereits überstanden wäre. »Hier, Perry. Falls du mich nach dem Namen fragst, muß ich dich leider enttäuschen.« »Aber der Planet muß einen Namen haben. Man könnte ihn nach Prax nennen.« »Das wäre ein monumentales Denkmal. Doch Denkmäler setzt man nur Toten...« »Eben. Darum wird er nicht Praxlomza heißen...« Barnett hielt den Stylo in der Hand und überlegte. Dann blätterte er zurück. »Was heißt Epsilon und Zeta?« Lisman sagte: »Cox hatte die Gewohnheit, alle namenlosen Planeten mit einem griechischen Buchstaben zu bezeichnen.« »Demnach hat die Cora bisher sechs unbekannte Planeten angeflogen.« Lisman nickte. »Ja, ich erinnere mich. Zeta war der letzte.« »Der letzte war der dort. Und er wird Eta heißen.« »Okay, nennen wir ihn Eta. Position und Nebelwelt unbekannt.« »Erinnere mich nicht an die Position, sonst werde ich elegisch.« Barnett schrieb nur das Schiffsdatum und den Namen Eta. Dann klappte er das Buch zu und reichte es zurück. »Distanz 35 000 Kilometer. Fluchtgeschwindigkeit erreicht«, meldete Perkins. Copyright 2001 by readersplanet
Die Menschen sahen sich an. Jeder wußte, daß das der erste Schritt zur Befreiung war. Aber nur zur Befreiung von Eta. Die Zukunft blieb ein Orakel. Vor ihnen lag ein Raum, der niemals Heimat für sie bedeuten konnte. Mancher mochte sogar denken, es wäre besser, auf Eta zu bleiben. Wenn nur diese unbekannte Macht nicht gewesen wäre, die Menschen aus ihrer Mitte riß, als hätten sie nie existiert. »James, übernimm das Kommando!« Ich gehe mit den Prokas ins Labor.« Barnett hielt das Telepathierelais unter dem Arm. »Kommt ihr mit? Mich interessiert, was die Mesonen machen.« Es dauerte eine halbe Stunden, bis der Captain mit Nam und Iks zurückkehrte. Die Probe war negativ verlaufen. Man sah es Barnetts Gesicht an, bevor er etwas sagte. »Raumflug unmöglich...« »Mein Gott, weshalb fliegen wir dann überhaupt?« schrie Perkins plötzlich. »Das ist ja schlimmer als zu Fuß in der Saturn-Wüste.« »Willst du vielleicht nach Eta zurück und dich von undefinierbaren Fremden von der Wiese pflücken lassen?« »Keiner will wohl zurück, solange er noch normal ist. Aber das hier draußen ist doch genauso ein Wahnsinn.« »Du kannst eben nur noch zwischen einem Wahnsinn und dem anderen wählen.« Perkins' Antwort kam wesentlich zurückhaltender als sein impulsiver Vorwurf. »Du gibst es also auf. Du siehst keinen Sinn mehr in allem, was wir tun.« »Ich gebe niemals auf, mein Junge. Vor allem nicht, solange wir ein Schiff haben, in dem wir zur Not jahrelang leben können.« »Zur Not aber auch nur.« »Wenn dir ein Raumanzug mit Sauerstoffvorrat und Nährtabletten für hundert Stunden lieber ist, kannst du dich sofort evakuieren lassen.« »Danke, da warte ich lieber auf ein günstigeres Angebot.« »Wofür ich Verständnis habe. Und nun halte die Klappe, solange dir nichts Gescheiteres einfällt. Falls du aber eine Idee hast, wie man aus den contra-temporisierten Mesonen wieder temporisierte machen kann, dann melde dich bitte. Bei mir oder bei Iks. Da hast du...« Barnett brach mitten im Satz ab. Die Ursache war ein Fehler am Televisor. So schien es jedenfalls. Doch jeder wußte, daß es kein Fehler war. Die Erscheinung glich zu sehr dem Erlebnis von gestern. Der Bildschirm erlosch. Diesmal, ohne daß man die Nachtseite des Planeten angeschnitten hatte. Es wurde schwarz auf der Scheibe, während draußen die helle Sonne schien. Senderloses Fernsehen ist nun einmal nur mit Unterstützung reiner Lichtwellen möglich. Aber gerade deshalb wirkte das Versagen des Apparates grotesk. Von einer Infrarotsperre konnte nicht mehr die Rede sein. Im Augenblick war das gesamte Spektrum ausgeschaltet. Der Blick auf den Radarmesser war nur eine Bestätigung dafür, was alle befürchteten. Das Schiff verlor an Fahrt. Der Kurs wich immer stärker von der Einstellung des Autopiloten ab, und nach einer halben Minute war einwandfrei klar, daß die Cora den grünen Planeten ansteuerte. »Sie haben Macht über uns«, klagte Nam-Legak, der sich in den letzten Stunden immer schweigsamer verhalten hatte. »Sie halten uns fest, bis die Galaxis sich gegenseitig zerfleischt hat. Jeden Tag sterben Prokas und Menschen. Jeder neue Tag bedeutet Krieg ohne Ende. Und hier spielt man mit uns, als sei ein Spiralnebel mit Milliarden Sonnen so schwer wie ein Staubkorn.« »Stürzen wir wirklich?« fragte Lavista aus seiner Ecke. Seine Stimme hatte jede Dreistigkeit verloren, und er fragte, weil er sich fürchtete. »Wir stürzen nicht, sondern wir landen. Die Bugrohre sind außer Tätigkeit, und trotzdem ist die Negativbeschleunigung normal...«
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Es dauerte fast eine Stunde, bis Barnett Bodenberührung meldete. Und wieder hatte die geringste Erschütterung gefehlt, wie sie bei einer normalen Landung unvermeidbar ist. »Ich brauche zwei Freiwillige«, sagte Barnett. »Ersatz für Praxlomza«, meckerte Lavista. »Du kommst sowieso nicht in Frage«, wies Lisman ihn zurecht. »Also mache nicht noch Propaganda dafür, daß du ein Feigling bist. Nimm mich und Iks-Wol-Esak, Perry.« Der Proka kam sofort näher, als wäre seine Teilnahme eine Selbstverständlichkeit. »Ich bin dabei. Allerdings schlage ich vor, die Umgebung zunächst mal vom Schiff aus zu beobachten.« »Selbstverständlich«, sagte Barnett. »Wir fahren zum ersten Bugschott rauf. Perkins, du bleibst am Schiffsrufmikrophon. Sobald wir außenbords gehen, nimmst du die UKW-Anlage. Auf jeden Fall müssen wir jederzeit Verbindung halten. Ich möchte kein Risiko eingehen.« Mit dieser Feststellung wollte Barnett nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst beruhigen. Denn er wußte genau, daß er mit jedem noch so überlegten und vorsichtigen Schritt ein Risiko einging. Und er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie er sich vor Praxlomzas Schicksal schützen konnte. Nicht einmal das Raumschiff hielt er für sicher. Er tat es aus Vorsicht nicht. Es konnte nicht schaden, wenn man auf das Schlimmste gefaßt war. Durch den Antigravschacht, der sich bei festliegendem Schiff in senkrechter Lage befand und wie ein Fahrstuhl wirkte, gelangten sie nach oben in den Bug. Das bedeutete zwanzig Sekunden Zeit, in der von den Männern nichts als Passivität verlangt wurde. Sie mußten nur stillhalten und sich tragen lassen. Je mehr aber der Körper zur Ruhe kommt, um so intensiver drängt das Gehirn zur Tätigkeit. Die Ruhe fördert das Grübeln. Hier waren es nur zwanzig Sekunden, und doch verlangte Barnett plötzlich zu wissen, wieso die Fremden das Schiff hatten aufrecht landen lassen. Woher wußten sie, daß die Cora auf dem Heck stehen mußte? »Diese Frage ist natürlich berechtigt«, erklärte der Proka. Barnett erschrak. Denn er hatte nur gedacht, aber kein Wort gesprochen. Freilich, Iks-Wol-Esak war Telepath. Trotzdem würde sich ein Mensch wohl niemals völlig daran gewöhnen können, daß sein Gehirn nicht mehr sicher für Geheimnisse war. Sie setzten auf der oberen Plattform auf. »Denke aber bitte daran«, fuhr der Kugelmann fort, ohne sich um die sensible Reaktion des Menschen zu kümmern, »denke daran, daß die Etaner uns über unendliche Weiten in der Gewalt hatten. Sie haben uns einfach eingefangen, wie man das vielleicht mit einem toten Gegenstand macht. Sie haben uns behandelt wie ein rohes Ei. Die Fahrt wurde völlig exakt gebremst. Wenn das kein Wunder ist, dann ist es die Landung auch nicht.« »Hört bloß auf zu philosophieren!« kam Lisman dazwischen. »Ich bin der Meinung, daß man sich diese Etaner mal ansehen müßte, ehe man sich unnütz den Schädel zerbricht.« »Bitte, sieh sie dir an! Ich habe nichts dagegen. Allerdings fürchte ich, daß es da wenig zusehen gibt. Bisher haben wir keine andere Erfahrung gemacht, als daß sie möglicherweise unsichtbar sind...« »Ach nein, du denkst wohl an so eine Art Gaspuppen?« »Puppen überhaupt nicht. Aber gasförmiges Leben sollte man nicht so ohne weiteres von der Hand weisen. Oder erwartest du vielleicht Menschen mit zwei Beinen?« »Wenn es danach ginge, was ich erwarte, dann müßte es ein weiser alter Mann sein. Mit gütigen Augen und segnenden Händen. Einer, der niemals den Begriff Feindschaft gekannt hat.« »Du solltest diesen Wunschbildern keinen so großen Raum in deinem Gehirn lassen«, dozierte Iks-Wol-Esak. »Wenn es kritisch werden sollte, wäre dein Reaktionsvermögen schlecht.« »Okay! Ich will mich bemühen, an etwas Schlimmeres zu denken, damit die Enttäuschung später nicht so groß ist. - Gehen wir endlich?«
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»Natürlich gehen wir. Du hast vollkommen recht. Wir sollten handeln und die Etaner suchen. Denn was mit uns hier Ball gespielt hat, das muß ja auch schließlich existieren...« Der Captain ging voran auf die Steuerbord-Bugschleuse zu. Nicht weit davon entfernt stand eine Flugkanzel. Lisman sah sie interessiert an, aber Barnett winkte ab. »Vielleicht später.« Ohne Raumanzug betraten sie die Schleuse. Diese Gewißheit hatten sie: auf Eta konnte ein Mensch atmen. Wenn sie trotzdem nicht beide Schotten gleichzeitig öffneten, so nur aus Vorsicht wegen unbekannter Viren oder Bakterien. Solange daraufhin die Atmosphäre nicht untersucht war, blieb es trotzdem ein Wagnis, die Außenluft mit der künstlichen Speicherluft des Raumschiffes zu vermischen. In der Schleuse warteten sie, bis sich der große ovale Deckel in der Schiffswand nach außen bewegte. Es war ein ähnliches Erlebnis wie bei der ersten Landung. Immer größer wurde der Lichtstreifen vor ihnen. Nach zehn Sekunden gähnte ein strahlendes Loch vor ihren Augen. Sie sahen den Planeten, den sie Eta nannten. Aber sie glaubten es nicht. »Wenn das Eta ist, dann sperrt mich in den Arrest«, stammelte Lisman. Barnett hörte überhaupt nicht, was sein Steuermann sagte. Er fand auch selbst keine Worte, sondern lauerte mißtrauisch auf die noch nicht erfolgte Reaktion seines Körpers und seines Gehirns. Dieser Anblick war günstigstenfalls seltsam und rätselhaft. Für einen Menschen, der etwas ganz anderes erwartet hatte, mußte sich eine ungeheure Angst damit verbinden, denn der Wechsel der Tatsachen, dieser Wechsel der stofflichen Dinge war nicht geeignet für die menschliche Mentalität. Wenn man sich hätte einreden können, man säße in einem Tricktheater, das einen mit verblüffenden Effekten unterhalten will, dann wäre durchaus alles in Ordnung gewesen. So aber handelte es sich um unbekannte Wirklichkeit, die keine Hoffnung auf Illusion zuließ. Man mochte sich genarrt fühlen. Bloß nicht zum Spaß. Hinter allem stand die Überlegenheit der Fremden. Und fremde Überlegenheit ist in den meisten Fällen gefährlich. Grün hätte Eta sein müssen. Grün - mit Wiesen, Wäldern und Seen. Doch Eta war braun. Braun in einigen Nuancen über Ocker und Gelb. Und außerdem fehlte alles Biologische. Eta trug kein Leben mehr, nicht einmal Gras. Sie standen am Rande der geöffneten Schleuse und starrten beinahe aus der vollen Höhe hinunter auf den Planeten. Die Cora ruhte auf einer kreisrunden Plattform, die in ihrer geometrischen Genauigkeit niemals von der Natur geschaffen sein konnte. Der Durchmesser des Plateaus war nicht größer als dreißig Meter. Am Rande fiel der Boden sanft ab und endete wenig tiefer in einer platten Ebene, die mit Linien und Winkeln bedeckt war, als hätte sich ein Maler an ihr in abstrakter Technik versucht. Mehr konnte man nicht erkennen. Nicht einmal, ob die Formen zwei- oder dreidimensional waren. Ob sie Fläche oder Körper darstellten. Denn in der Luft lag ein schwacher Nebel, der auf größere Entfernung die Sicht unmöglich machte. »Ich werde hierbleiben«, erklärte Lisman plötzlich. Barnett sah ihn von der Seite an und fand nicht die geringste Farbe in seinem Gesicht. »Nennst du das eine Freiwilligenmeldung?« »Nennst du das einen Planeten?« »Er hat sogar schon einen Namen. Und ich weiß nicht, auf welche Feststellung hin du diesem Weltkörper den Charakter eines Planeten absprechen willst.« Lisman schloß die Augen und drehte sich vom Schott weg. »Verdammt, James! Du kannst doch jetzt nicht schlappmachen.« »Besser jetzt als draußen«, erklärte Iks-Wol-Esak. »Warum nimmst du nicht Bannister?« »Den Arzt?« fragte Barnett entgeistert. »Der macht seinen ersten Raumflug und war sein Leben lang an die Höhlen von Terra gewöhnt.« »Aber er ist psychologisch reifer. Lisman ist ein Athlet. Starke Fäuste allein genügen hier nicht.« James Lisman verzerrte sein Gesicht, als er diese wenig schmeichelhafte Beurteilung seiner Person hörte. »Ich komme mir vor wie im Test. Hoffentlich findet ihr mit euren psychologischen Spitzfindigkeiten bald ein Ende. Ich habe mich inzwischen nämlich längst Copyright 2001 by readersplanet
erholt.« »Du willst also nicht zurück?« »Durchaus nicht. Denn ich weiß, daß es keinen Sinn hat, vor dem Zeug da draußen weglaufen zu wollen. Bei der Auseinandersetzung mit diesem Planeten werden wir wohl alle eines Tages an die Reihe kommen. Früher oder später. Türmen hat keinen Zweck. Diese Burschen hier holen uns auch aus dem Weltall zurück. Da will ich lieber versuchen, hier mit den Tatsachen fertig zu werden.« »Das klingt schon besser«, sagte Barnett. »Denn den Gedanken an Flucht müssen wir tatsächlich aufgeben. Und wenn du es genau betrachtest, hätten wir es schlimmer treffen können.« »Du meinst die Atmosphäre.« »Allerdings. Ich brauche dir als altem Raumhasen ja wohl nicht zu erklären, daß Planeten in diesem Zustand äußerst selten sind. Und mir ist es so jedenfalls lieber, als wenn wir hier mit Schutzanzügen und Temperaturausgleichern arbeiten müßten. Also, James, du bleibst hier oben und beobachtest die Umgebung.« »Okay, Perry. Haut ab! Die Nerven sind schon wieder in Ordnung.« Lisman machte eine bezeichnende Handbewegung mit der Strahlpistole, durch die er wahrscheinlich andeuten wollte, daß es kaum einen besseren Wächter für die beiden anderen geben könne als ihn. Doch auch jetzt spielte der kleine Prokamann den Besserwisser und konnte es nicht unterlassen, Lisman ein paar dringende Ratschläge zu geben. Vor allem betonte er, daß ein Schießeisen nicht unbedingt ein geeignetes Mittel sei, sich mit den Fremden auseinanderzusetzen. »Also, Lisman! Erst schießen, wenn es tatsächlich der letzte Ausweg ist. Und auch dann lieber noch dreimal überlegen.« »Okay, Iks! Ich werde solange überlegen, bis ich überhaupt keine Möglichkeit mehr zum Schießen habe. Wenn diese Welt schon so verrückt ist, dann wird sich vielleicht sogar die Geistesgegenwart als schädlich erweisen. Im übrigen bin ich der Meinung, daß ihr zwei jetzt tatsächlich hier oben überflüssig seid ...« Lisman drehte sich nach dem Schott um und starrte in die Ferne, wo irgendwo im Nebel der Horizont liegen mußte. Wie er so dastand, durfte Barnett eigentlich beruhigt sein. Denn der Steuermann hatte tatsächlich den Schock überwunden. Es war, als wolle er beweisen, daß die augenblicklichen Schwierigkeiten nicht nur mit psychischer Stärke gemeistert werden konnten, sondern daß außerdem durchaus nach dem männlichen Typ verlangt wurde.
* Wegen der Höhe der Bugschleuse war ein Abstieg mit der Leiter nicht empfehlenswert. Barnett und Iks-Wol-Esak benutzten daher eine der Antigravplatten, auf denen sie schwebend den Boden erreichten. Die ersten Schritte auf dem Plateau machte Barnett mit der Grazie eines soeben geborenen Fohlens. Die Fläche war glatt und eben wie ein Billardtisch. »Ich begreife es nicht. Hier muß es eine Lebensform geben.« »Ohne Zweifel. Doch es hat keinen Sinn, daß wir uns damit beschäftigen, solange wir keinen Kontakt mit ihr haben.« »Vielleicht sind die Wesen bereits tot, die das hier schufen.« »Ich weiß, du denkst an die beliebte Theorie von den ausgestorbenen Rassen, die in ihrer Kultur und Technik weiterleben. Roboterkultur oder so. Doch auch von Robotern ist nichts zu sehen.« »Je mehr ich nachdenke, desto verrücktere Ideen kommen mir in den Schädel.« »Ideen sind immer gut. Halte sie fest. Darüber hinaus sollte man natürlich das Handeln nicht vergessen. Fällt dir eigentlich an der Lage des Schiffes nichts auf?«
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»Was soll mir daran auffallen? Ich sagte bereits, daß es auf dem Heck steht. Vorschriftsmäßiger kann auch ich die Cora nicht zur Landung bringen. Es ist ein Wunder, natürlich...« »Das Wunder ist größer als du ahnst. Leider habt ihr Menschen kein absolutes Augenmaß. Dann hättest du längst erkannt, was ich meine.« »Sprich nicht in Rätseln! Was willst du mit meinem Augenmaß? Ich kann immerhin gut schätzen.« »Schätzen hilft hier nichts. Du mußt es schon messen...« Der Proka stieß Barnett praktisch mit der Nase drauf. Barnett schritt die kurzen Strecken mit seinem Stiefelmaß ab. Das Ergebnis war tatsächlich ein Wunder. Das Plateau bildete einen exakten Kreis. Die vier Stützflächen des Raumschiffes standen mit ihrer äußeren Kante genau 4,52 Meter von dieser Kante entfernt. Das bedeutete, daß auch die Raumschiffsmitte ohne die geringste Abweichung über dem Zentrum des Kreises lag. Diese Tatsache empfand Barnett als die gleiche Sensation, als wenn ein Archäologe mit einigen Spatenstichen Kulturen ganzer Jahrhunderte entdeckte. Hier mußten Mathematiker am Werk gewesen sein, denen eine Technik zur Verfügung stand, mit der sie jede Spielerei zuwege bringen konnten. Mit dem Captain ging plötzlich die Phantasie durch. »Du warst einige Tage auf Terra, Iks. Du kennst unsere Architektur. Man braucht nur den Maßstab zu ändern und sieht in diesem ganzen Bild hier nichts anderes als eine verspielte Dekoration.« »Demnach wäre diese Landschaft eine Tischplatte. Und das Raumschiff hat man sich aus dem Weltall geangelt, weil es gerade so schön hierher paßt.« »Ich weiß, es klingt lächerlich. Aber vielleicht sind wir für die Fremden tatsächlich nichts anderes als bei uns auf Tremik zum Beispiel die Fliege an der Wand. Die Cora und das Plateau passen so gut zusammen, als hätte man uns wirklich allein zu diesem Zweck aus dem All zurückgeholt.« »Wobei du nicht vergessen darfst, daß du eine rein menschliche Ästhetik zugrunde legst.« »Was bleibt mir anderes übrig? Ich könnte natürlich aus dem gleichen Grunde sagen, die Etaner haben dieses Plateau besonders für unser Schiff errichtet. Allerdings kämen wir bei einer solchen Erklärung mit der Zeit in Konflikt. Denn in ein paar Stunden läßt sich keine Landschaft in diesem Stil aufbauen.« »Sage das nicht. Schließlich sind wir mit der Zeit sowieso in Konflikt geraten. Und wenn du dich schon mit einer Fliege vergleichst, dann könnten die passenden Menschen dazu solche Plateaus in Serie herstellen.« Barnett fühlte sich gar nicht wohl bei dem Gedanken an Fliegen. Er mußte dabei unwillkürlich auch an eine Fliegenklatsche und an Insektenvernichtungsmittel denken. Außerdem glaubte er sich an eine Geschichte aus der Jugend zu erinnern, in der etwas von Fliegenfängern vorgekommen war. Er wandte sich der schiefen Ebene zu und prüfte die Oberfläche des Materials. Es war rauh und trotz der mehr als zwanzig Prozent Gefälle zum Abstieg geeignet. Durch den UKW-Sender verständigte er sich mit Lisman in der Schleuse und mit Perkins in der Kommandozentrale. »Erhöhte Aufmerksamkeit, Leute! Wir entfernen uns vom Landeplatz. Paß auf, James, daß du stets Sichtverbindung mit uns hast.« »Okay, Perry! Und sage dem Prokazwerg, daß außerdem der Finger am Druckknopf liegt. Er kann ja leider das Schießen nicht vertragen. Es würde mir leid tun, wenn er sich erschreckt...« »Mach bloß keine Dummheiten!« Als Antwort hörte Barnett ein freches Kichern in der Membrane. »Der Lisman hat sich überraschend schnell erholt. Er macht bereits wieder Witze.«
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»Ekelhaft«, äußerte sich Iks-Wol-Esak. »Bevor ich die Menschen kennenlernte, hat es für meine Begriffswelt so etwas nicht gegeben.« »Ja, ja, ich erinnere mich, daß du so etwas schon mal sagtest. Ihr Prokas seid eine völlig humorlose Rasse.« Weil diese Feststellung stimmte, nahm der Kugelmann sie auch nicht im geringsten übel. Er folgte dem Captain auf dem Fuße, als dieser sich vorsichtig auf die schiefe Ebene begab. Das telepathisch-akustische Kauderwelsch, mit dem sich die beiden sonst verständigten, ebbte merkbar ab. Iks-Wol-Esak konzentrierte sich auf eine Reihe von Überlegungen, zu denen die neue Lage die Inspiration gab. Barnett dagegen arbeitete viel mit den Augen. Er empfand den Nebel hier unten dichter als in der Höhe der Bugschleuse, wo er Lisman mit der Strahlpistole wußte. Sehr bald verschwamm die Gestalt des Raumschiffes hinter ihnen, während der Blick nach vorn immer deutlicher zeigte, daß der Mensch die Maßstäbe dieser Landschaft doch sehr stark unterschätzt hatte. Bis zum Fuße des Hanges fehlte der geringste markante Punkt in der Landschaft. Alles war wie glattgehobelt. Immer mehr verstärkte sich der Eindruck, daß die Etaner - wenn sie überhaupt existierten - Wesen von der Größe dreißigstöckiger Häuser sein mußten. Ein solcher Verdacht ist natürlich nicht dazu angetan, die Stimmung eines zwerghaften Wesens zu heben. Barnett und Iks-Wol-Esak teilten daher ein gewisses Mißtrauen zu ihrer architektonischen Umgebung und konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die großen Unbekannten, mit deren Erscheinen sie jeden Augenblick rechnen mußten. Der Mensch verlor die Übersicht über das Zeitempfinden. Nach einer Minute konnte er schon nicht mehr sagen, wie lange er denn nun wirklich auf dieser schiefen Ebene unterwegs war. Gleichzeitig verlor sich damit das Schätzvermögen für die Entfernungen. Der Mensch wußte also auch nicht, wie weit er sich bereits von dem Raumschiff entfernt hatte, erkannte nicht einmal, ob es bis zur Talsohle nah oder weit war, obgleich die bizarren geometrischen Formen dort unten langsam Gestalt annahmen und sich aus dem Nebel herausschälten. Barnett empfand diese bei den Menschen weitverbreitete Schwäche als Handicap, sobald er sich mit dem Proka verglich. Andererseits mußte er froh sein, daß Iks-Wol-Esak über einen so absoluten Schätzsinn verfügte. Denn wenn er sich selbst nicht zurechtfand, so brauchte er nur seinen Weggenossen zu fragen. Wahrscheinlich hatte der Proka ja nicht nur die Möglichkeit, die Entfernungen auf den ersten Blick zu erkennen, sondern konnte die gleiche Bestimmung mit der Zeit vornehmen. Natürlich, Barnett entsann sich einer Episode auf Terra. Erst jetzt wurde ihm klar, was damals seiner Aufmerksamkeit entgangen war. »Sag mal, Iks, ich habe niemals feststellen können, daß ihr Prokas eine Uhr benutzt. Und trotzdem hast du mir einmal in einer Terra-Bar die Zeit angesagt. Es war am ersten Tage deines Aufenthaltes bei uns, bevor du die Konferenz mit dem Gehirn hattest.« »Wie kommst du ausgerechnet jetzt zu dieser Frage?« »Weil ich dich in Verdacht habe, daß du nicht nur ein absolutes Augenmaß, sondern auch ein absolutes Zeitmaß hast.« »Die Prokas haben es alle. Das sollte dich jetzt aber nicht irritieren.« »Es irritiert mich nicht. Es beruhigt mich. Und wenn wir auf diesem Planeten noch in größere Schwierigkeiten geraten sollten, dann wäre ich dir dankbar, wenn du mich weitere übermenschliche Kräfte eurer Rasse wissen ließest. Wir Menschen haben nun mal unsere Schwächen. Und es ist sehr leicht möglich, daß wir in kritischen Situationen, die wir aus unserem Erfahrungsbereich nicht sofort richtig beurteilen können, falsch reagieren.« Iks-Wol-Esak kannte die Menschen erst seit wenigen Wochen. doch seine anpassungsfähige Denkweise hatte es ermöglicht, daß er die Unterschiede der menschlichen und prokaskischen Mentalität sehr schnell begriff. Wenn Barnett so offen seine Schwächen zugab, so nur deshalb, weil er sich in seiner natürlichen Angst an den psychisch Stärkeren wandte, der ihm Hilfe bringen konnte. Dagegen ließ es die Eitelkeit der Terraner nur ungern zu, wenn ein anderer ihnen diese Schwäche vorhielt. Iks-Wol-Esak sprach daher nur in der Umschreibung von Barnett, indem er nämlich Lisman nannte, der auch ein Mensch war. »Ein Proka besitzt den gleichen Selbsterhaltungstrieb wie ein Mensch. Nur aus diesem Grunde konnte es überhaupt Krieg zwischen unseren Rassen geben. Aus demselben Grunde sind wir aber auch eine einzige Mannschaft auf deinem Schiff. Wenn wir nicht schon Copyright 2001 by readersplanet
vorher Freunde gewesen wären, dann hätte uns jetzt das gemeinsame Schicksal endgültig zusammengeführt. Ich verspreche dir, alles zu tun, um euch Menschen und meinem Rassegenossen Nam-Legak zu helfen, wie es in meiner Macht steht. Nur mußt du selbst als Captain auf deine Leute achtgeben, daß sie nicht in einer Weise reagieren, wie du es befürchtest. Das ist tatsächlich die größte Gefahr. Eure Mannschaft besteht zum größten Teil aus wissenschaftlich ungebildeten Männern. Die meisten waren bisher nichts als Raumfahrer auf einem zweifelhaften Handelsschiff.« »Sie haben immerhin Erfahrung und Praxis. Das ist eine Menge wert«, versuchte Barnett seine Mannschaft zu verteidigen. »Sie sind aber auch typische Draufgänger, die sich am liebsten auf ihre Fäuste verlassen«, wandte der Proka ein. »Lisman zum Beispiel steht jetzt oben im Schott als Wächter über unsere Sicherheit. Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, daß er dabei eine Waffe in der Hand hält.« Barnett wollte diese Meinung nicht unbedingt teilen. Er dachte, daß es ganz gut wäre, wenn man sich schützen kann. Doch das Gespräch mußte notgedrungen abgebrochen werden, da die Umgebung jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit verlangte. Als ob ein Windstoß in die Nebelwand gefahren wäre, wurde die Sicht plötzlich klarer. Man konnte auf der Talsohle Formen erkennen, die nichts mit einer platten Ebene zu tun hatten. Die breiten Schattenlinien waren Mauern. Iks-Wol-Esak gab ihre Höhe mit etwa vier Metern an. Je weiter sie gingen, um so mehr verloren sie die Übersicht über das weite Gelände. Eine Viertelstunde später erreichten sie die erste Mauer, die ebenso aus Stein bestand wie der ganze Hügel mit seinen Abhängen und dem spiegelglatten Plateau. Die Landschaft war wie aus einem Stück. Sie war fugenlos. Das unterschied die schiefe Ebene von einer Betonbahn und die Mauer von einem irdischen Gebilde dieser Art, das man aus uralter Gewohnheit aus einzelnen Baukörpern zusammensetzte. »Sie müssen Riesen sein«, sagte Barnett. Er verrannte sich immer mehr in diese Theorie, da er sonst keine Erklärung für dieses Bauwerk fand. Und der Proka erkannte mit Besorgnis, daß der Mensch sich dadurch einer leichten Depression auslieferte. Das konnte gefährlich werden. Sie standen jetzt dicht an der Mauer, die senkrecht vor ihnen emporwuchs und die Sicht in das weite Land versperrte. Hinter ihnen stieg der Hang in den Nebel, und das Raumschiff war nur noch als verschwommener Schatten sichtbar. Einzelheiten, wie die offene Schleuse und Lisman, ließen sich überhaupt nicht mehr unterscheiden. Wenigstens nicht für einen Menschen. Das Auge des Kugelmannes dagegen bewies auch hier wieder die Überlegenheit der anderen Rasse. »Komisch, daß ihr Menschen immer rauchen müßt, wenn ihr nervös werdet.« »Wer raucht?« »Lisman.« »Laß ihn rauchen. Das ist besser, als wenn er einschläft.« Sie gingen an der Mauer entlang und suchten eine Öffnung. Eine solche Öffnung gab es nicht. Aber es gab eine Rampe. Iks-Wol-Esak entdeckte sie zuerst. »Wir müssen ein Stück den Berg hinauf. Über die Rampe erreichen wir spielend den Rand der Mauer...« Die Rampe verlief senkrecht zur Mauer den Hügel hinauf, bildete also einen rechten Winkel zu ihr. Der Proka und der Mensch kürzten ihren Weg jedoch ab, indem sie praktisch auf der Hypotenuse des Dreiecks marschierten. Barnett mußte an die Architektur der alten Ägypter denken, als er auf der waagerecht verlaufenden Oberfläche der Rampe entlangschritt. Diese Vorstellung gab ihm sein volles Selbstvertrauen zurück, denn er dachte nicht mehr an die Riesen, die sich in sein Unterbewußtsein geschlichen hatten. Mit der Vorstellung der alten Ägypter verband sich etwas Archäologisches, Ausgestorbenes. Um so größer war der Schock, als sie wenig später tatsächlich auf Leben stießen.
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Sie erreichten die Höhe der Mauer, deren Querschnitt nahezu quadratisch war. Wie breite Straßen zogen sich diese steinernen Gebilde durch das Land. In Wurfweite traf sich die Mauer mit einer anderen zu einer Gabelung. Dahinter entdeckten sie Kreuzungen und Kurven. Und zwischen den Mauern lagen die unregelmäßig geformten Parzellen, deren ebenes Niveau wieder vier Meter tiefer lag. »Leben«, sagte Barnett, als er die Pflanzen sah. Das Grün einer dürren Wiese und verkrüppelter Sträucher hinterließ im ersten Augenblick einen tröstenden Eindruck. Doch dann bewegte sich etwas im Moos. Zweige raschelten, und plötzlich stand ein vierbeiniges Wesen vor ihnen. Es stutzte. Ein Tier, dachte Barnett. Er dachte so intensiv, daß der Telepath es verstand. Die Entfernung zu dem fremden Wesen betrug mehr als dreißig Meter. Außerdem stand es unten in dem Kessel. Der Mensch fragte sich, ob trotzdem eine Gefahr bestand. Er machte eine Reflexbewegung nach der Strahlwaffe. »Nicht schießen!« zischte der Proka. Zum ersten Mal brachte er eine Sprachäußerung mit Lautunterstützung vor. Das konnte nur bedeuten, daß auch er erregt war und diese Begegnung für entscheidend hielt. Barnett nannte das übertriebene Vorsicht. Der Blick des Wesens rührte von zwei Augen her, die in einem Gesicht standen. Der Blick hatte etwas Individuelles an sich, aber er verriet nichts von Intelligenz. »Ein Raubtier«, erklärte Barnett noch einmal. »Hier kann nur die Waffe helfen, wenn uns das Biest zu nahe kommt. Auf die Höhe der Mauer verlasse ich mich nicht. Was sind schon vier Meter?« In den Sträuchern begann es erneut zu rascheln. Der Mensch stieß einen Fluch aus. Das Wesen hatte Gefährten. Einen, zwei, drei... Und aus dem Talgrund wurde plötzlich ein Hexenkessel. »Achtung, Raumschiff!« zischte der Captain ins Mikrofon. »Perkins, James! Bleibt auf Empfang! Wir sind auf Lebewesen gestoßen. Erhöhte Alarmbereitschaft. Ende!« Die fremden Wesen sprangen schreiend durcheinander, ohne daß zunächst ein Sinn in ihrem Verhalten zu erkennen war. Barnett hatte den Eindruck, als wenn er in einen Ameisenhaufen getreten hätte. Nur daß hier der Größenvergleich zu seinen Ungunsten ausfiel. Gespannt starrten die beiden auf das Schauspiel. Sie mußten sehr viel Geduld dabei aufbringen, denn das Geschrei und das Springen dauerte Stunden. Es war, als ob die Wesen überhaupt keine Beziehung zu den beiden Fremden auf der Mauer hatten. Nur wenn diese Anstalten machten, sich zurückzuziehen, verlagerte sich die tobende Menge sehr schnell nach der Wand hin und kam in bedrohliche Nähe. »Verdammt, was sollen wir machen? Wir können doch nicht ewig hier hocken bleiben. Und ein Verständigungsversuch mit einem Haufen von Irrsinnigen scheint mir auch nicht erfolgversprechend.« »Ich versuche schon die ganze Zeit, Gedankenverbindung mit den Burschen zu bekommen«, sagte Iks-Wol-Esak. »Sie haben ein äußerst starkes Fluidum. Doch ihr Gehirn ist völlig verkrüppelt. Ich fürchte tatsächlich, daß du recht hast, wenn du sie Tiere nennst. Intelligenz kann man das jedenfalls nicht nennen.« »Dann schlage ich vor, daß wir hier verschwinden. Ich habe eine Viertelstunde lang Filmaufnahmen gemacht, was als wissenschaftliche Ausbeute erst einmal genügen müßte. Die Mühe, ein solches Biest einzufangen, halte ich in unserer Lage nicht für angebracht. Schließlich haben wir andere Sorgen...« »Allerdings«, meinte der Proka. »Meine größte Sorge ist nämlich, daß wir bereits in dieser ersten Parzelle solche Verhältnisse vorfanden. Wenn du bedenkst, daß sich dieser Zustand unabsehbar oft wiederholt, dann bist du dir hoffentlich klar darüber, in welcher ungemütlichen Nachbarschaft wir uns befinden. Das Raumschiff ist eingekreist. Und wir wissen nicht, ob noch einmal ein Start gelingt wie gestern in der grünen Landschaft.« »Vorläufig hast du aber auch keinen Beweis dafür, daß diese Wesen dort heraus können. Wir müssen jetzt endlich weg von hier. Dann sehen wir ja, wozu die Biester fähig sind. Wahrscheinlich können sie nichts anderes, als dumm aus den Augen gucken oder sich wie Copyright 2001 by readersplanet
die Irren gebärden...« »Wie du meinst. Ich schlage aber vor, daß wir uns auf das Schiff zurückziehen. Mit einer weiteren Expedition sollten wir warten, bis wir diese Begegnung ausgewertet haben.« »Wenn du willst, zeige ich an Bord erst den Film. Er wird vor allem Bannister interessieren.« »Und Nam-Legak.« »Okay! Gehen wir!« »Nicht wir, sondern du.« »Was heißt das? Willst du vielleicht meinen Rückzug decken, wo du nicht einmal eine Waffe bei dir hast?« »Höre endlich auf, diesen zweifelhaften Blaster als die letzte Rettung anzusehen! Ich denke vielmehr an deine mangelhafte Gewandtheit. Wenn die Wesen ihr Terrarium verlassen können, wird es darauf ankommen, wer am schnellsten laufen kann. Von uns beiden kann ich das.« Wenn Barnett bedachte, daß die Prokas ungefähr so flink wie Kaninchen waren, dann mußte er Iks-Wol-Esak recht geben. »Also gut. Ich ziehe mich zurück. Aber komme nicht auf die Idee, hier den Helden spielen zu wollen. Sobald ich die Rampe verlassen habe und mich auf dem Hang befinde, folgst du mir.« »Geh schon«, machte der Proka ungeduldig und rollte sich wie zum Trotz noch näher an den Abgrund. Barnett zog sich ein paar Schritte zurück, so daß man ihn vom Grunde des Terrariums nicht mehr sehen konnte. »Was machen sie jetzt?« »Sie kommen wieder näher. Aber sie sind unentschlossen. So lange ich hier sichtbar bin, haben wir auf jeden Fall eine Galgenfrist...« Die vierbeinigen Wesen von Eta waren so groß wie terranische Pferde, wild wie Raubkatzen und verfügten über Stimmorgane wie etwa die ausgestorbenen Neuweltaffen des alten Erdteils Südamerika. Iks-Wol-Esak studierte ihre Bewegungen und stellte Vergleiche zwischen ihrer und seiner eigenen Behendigkeit an. Er rechnete sich eine knappe Chance aus, denn es war ihm inzwischen völlig klar, daß die Biester die vier Meter hohe Mauer bei einiger Anstrengung überwinden würden. Es kam jetzt nur darauf an, daß der Mensch einen genügend großen Vorsprung gewann. Barnett verließ gerade die Rampe und begann den steilen Aufstieg. Selbst wenn er einen langsamen Dauerlauf durchhielt, würde er mindestens eine halbe Terrastunde brauchen, um das Schiff zu erreichen. Iks-Wol-Esak mußte plötzlich an die Flugkabinen denken. Er tat es aber zu spät, denn seine telepathische Verbindung zu Barnett war längst abgerissen. Und ein Funkgerät hatte er nicht bei sich. Er konnte höchstens versuchen, mit Nam-Legak Kontakt zu bekommen. Die tobenden Vierbeiner drängten sich inzwischen genau unter ihm an der Mauer. Er zählte dreiundzwanzig Wesen, die sich zu einem wirren Knäuel zusammenballten. Und damit bewiesen sie --wenn nicht Intelligenz - so doch Instinkt. Sie lagen übereinander und wuchsen zu einer Pyramide. Der Kopf des oberen Tieres war zum Greifen nahe, und Iks-Wol-Esak machte noch einmal einen verzweifelten Verständigungsversuch, indem er alle Kraft zu einer kurzen Gedankenkonzentration zusammennahm. Das Wesen vor ihm stutzte. Sekundenlang kreuzten sich die Blicke der einander völlig fremden Exemplare. Doch der Proka fand keine Verständigungsbereitschaft bei dem anderen. Der Gegner war ihm an Körpergröße um ein Vielfaches überlegen und mochte das allein als Grund genug auffassen, weiterhin seiner Angriffsabsicht zu folgen. Das hyänenhafte Geschrei hob nach sekundenlanger Unterbrechung erneut an. Iks-Wol-Esak rollte ein Stück zur Seite und schmiedete jetzt ebenfalls ernsthafte Rückzugspläne. Der Captain hatte bisher beängstigend wenig Raum gewonnen. Deshalb mußte unbedingt Nam-Legak eingespannt werden. Eine telepathische Verbindung ist auf eine solche Entfernung selbst zwischen Prokas schwierig. Im Normalfall nimmt man zur Schonung des Körpers die Relais. Das Gerät war aber auf dem Schiff bei Lisman zurückgeblieben. Copyright 2001 by readersplanet
Iks-Wol-Esak rollte noch mehr zur Seite, schloß trotz der Gefahr die Augen und versuchte, die Realität seiner unmittelbaren Umgebung zu vergessen. Alles, was zu seiner Gehirnkapazität gehörte, konzentrierte sich auf die Wellenlänge des Rassegenossen im Raumschiff. Nam, hörst du - Nam, reagiere - Nam - Nam Und dann kam die Antwort. Iks-Wol - Iks-Wol - erkläre dich Der schwierigste Teil war geschafft, nämlich die Kontaktaufnahme. Jetzt, wo Nam-Legak ebenfalls Konzentration entwickelte, war die Verständigung durchaus nicht mehr schwierig. Iks-Wol-Esak schlug die Augen auf und empfahl der Besatzung, unverzüglich eine Flugkabine zu schicken, damit wenigstens Barnett aufgenommen werden konnte. Er erwähnte noch, daß es um Sekunden gehen könne. Dann mußte er an seine eigene Sicherheit denken. Der erste Etaner sprang auf die Mauer und stürzte sofort schreiend heran. Für Iks-Wol-Esak gab es bei seiner körperlichen Unterlegenheit nichts als Flucht. Aufatmend stellte er aber schon sehr bald fest, daß der Verfolger seine Geschwindigkeit nicht halten konnte. Ihm konnte der Etaner also nicht gefährlich werden. Dagegen hätte Barnett bei dieser Jagd nicht die geringste Chance gehabt. Er hätte sie nicht einmal durch seinen Vorsprung gehabt. Der reichte einfach nicht. Doch in der Luft erklang plötzlich das zischende Geräusch einer vorbeijagenden Flugkabine. Perkins flog ganz tief und machte Anstalten zur Landung. Offenbar wollte er sich zunächst um den Proka kümmern, da der hinter Barnett weit zurücklag. Doch Iks-Wol-Esak winkte so heftig mit seinen drei Armen und zeigte immer wieder auf den stolpernden Captain, daß Perkins die Geste rechtzeitig begriff. Und während sich aus dem Labyrinth der gigantischen Parzellen eine Angriffswelle von dreiundzwanzig Etanern heranwälzte, bestieg Barnett wohlbehalten das rettende Fahrzeug.
* Fliegen kannten die Etaner nicht. Das stellte Barnett sofort mit Befriedigung fest. Und sie konnten nicht so schnell laufen wie der kleine flinke Kugelmann Iks-Wol-Esak. Aus der lebensgefährlichen Jagd hätte ein Spiel werden können, wenn Lisman nicht so verrückt aufs Schießen gewesen wäre. Mit einem Triumphgeheul, das freilich nur Barnett hören konnte, flog Perkins in die Landeund Ladeschleuse ein. Kaum stand die Maschine, so sprangen beide ab und jagten zur Bugschleuse hinauf, um von dort Iks-Wol-Esaks Weg zu beobachten. Lisman hockte am äußeren Rand und ließ die Beine an der Schiffswand hinabbaumeln. Auf den Knien hielt er den Blaster. »Gegen Iks sind das die reinsten Schnecken. Damn... so müßte man laufen können!« »In drei Minuten ist er am Schiff. Hoffentlich findet er die Antigravplatte sofort«, meinte Perkins. »Denkst du, Iks ist blind? Wenn ich bis heute auch noch nicht weiß, wo er in seinem Medusenkörper eigentlich seine Augen versteckt hält, so weiß ich doch ganz genau, daß er besser sieht als wir drei zusammen.« Barnett war noch nicht sicher. »Iks wird die Platte zwar sofort finden. Aber ob er sie schnell genug bedienen kann, ist die Frage. Ich fahre lieber hinunter und helfe ihm. Die Etaner sind trotz allem dicht auf.« »Bist du verrückt?« schnaufte Perkins. »Ich bin froh, daß ich dich heil hier habe.« »Hältst du mich vielleicht für wichtiger als den Proka?« »Allerdings.« Copyright 2001 by readersplanet
»Quatsch nicht, Perkins! Iks ist die größte Intelligenzbestie, die mir je über den Weg lief«, erklärte Lisman kategorisch. »Solch ein Gehirn sollte man in unserer gottverlassenen Lage nicht einfach aufs Spiel setzen. Fahr runter, Perry! Du hast noch eine gute Minute. Die Vierbeiner dahinter können gar nichts machen. Außerdem habe ich die Knarre in der Hand...« »Hör auf mit der Knarre! Ich gebe dir ausdrückliches Schießverbot, verstanden?« »Mensch, schieß nach unten! Sonst fehlen dir am Ende doch noch drei Sekunden.« Lisman hatte völlig recht. Dem Captain blieb keine Zeit mehr für einen Dienstunterricht. Er sprang auf die Platte und schwebte abwärts. Den Boden erreichte er, als Iks-Wol-Esak noch hundert Meter entfernt war. Er winkte ihm zu. Was überflüssig war. Denn mit Prokaaugen war Barnett auch auf einen Kilometer nicht zu übersehen. Es klappte alles wie am Schnürchen. Wie ein Rückzugsmanöver, das man in weniger gefährlichen Zeiten schon ein dutzendmal durchexerziert hatte. Sobald Iks-Wol-Esak auf der Platte stand, stieg sie nach oben. Die Etaner waren mindestens zwanzig Sekunden zurück und verstärkten ihr tierisches Gebrüll, sobald sie feststellten, daß ihnen die Beute entwischt war. Sie verloren sofort wieder ihre Zielstrebigkeit, die in ihrer Verfolgung gelegen hatte, und vollführten wieder die undefinierbaren Tänze wie kurz zuvor in dem Terrarium. Für Lisman war das der Anlaß zu einer Reflexbewegung. Man kann es nur so deuten, daß er sich durch das primitive Benehmen der Etaner beleidigt gefühlt hat. Sein Schuß - es war nur einer - traf genau in das Durcheinander der vierbeinigen Leiber. Und mit diesem einen Schuß hatte er den ganzen Spuk hinweggezaubert.
* Die Situation war äußerst gefährlich. Mit Lismans Kurzschluß hatte in diesem Moment keiner gerechnet. Barnett und der Proka hatten mit der Platte gerade das Niveau der offenen Bugschleuse erreicht und mußten sich darauf konzentrieren, an die Wand heranzukommen, um überspringen zu können. Für geübte Leute ist das weiter nicht gefährlich. Ein Schreck kann aber dazu führen, daß man beim Übersetzen die schwebende Platte nach dem Rückstoßprinzip zur Seite stößt, denn die Antigrav-Kräfte arbeiten in Richtung der Schwerkraft und bewirken nur eine geringe Verankerung in der Waagerechten. Der Proka war bereits umgestiegen, als Lismans Schuß fiel. Im selben Moment hatte Barnett zum Sprung angesetzt. Nur Perkins, der noch rechtzeitig seine Hand ergriff, war es zu verdanken, daß er nicht abstürzte. Die Antigravplatte dagegen geriet aus dem Gleichgewicht. Sie schoß in einem flachen Aufwärtsbogen zur Seite, stellte sich dann senkrecht und fiel wie ein Stein nach unten. »Du Riesenidiot!« schrie Perkins nach seiner kaum überwundenen Schrecksekunde. »Man sollte dich für Lebzeiten in den Arrest sperren und dir vor allem niemals mehr ein Schießeisen...« Mitten im Satz brach er ab. Erst jetzt begriff er, was sich wirklich ereignet hatte. Das heißt, begriffen hatte es wohl im ersten Moment keiner. Nicht einmal der geistesgegenwärtige Iks-Wol-Esak. Aber der optische Eindruck war da. Sie sahen es ganz deutlich und hatten keinen Anlaß, an eine Täuschung zu glauben. Die dreiundzwanzig Etaner waren im Nichts verschwunden. Sie waren nicht etwa vernichtet. Dazu hätte ein einziger Schuß niemals gereicht. Und selbst wenn sie von einer solchen biologischen Empfindsamkeit gewesen wären, daß allein die moralische Wirkung der Waffe tödlich für sie gewesen wäre, so hätten sie immer noch ihre Kadaver zurücklassen müssen. Das Plateau aber war leer. Der Hang war leer. Nichts erinnerte an die Anwesenheit von dreiundzwanzig wildgewordenen, schreienden Vierbeinern. Das größte Entsetzen spürte der Schütze selbst. Der Spuk vor seinen Augen war so eindringlich, daß unmittelbar nach dem Schuß die Pistole in die Tiefe stürzte. Lisman krampfte seine Finger in das Metall des Schleusenrahmens und suchte verzweifelt Halt. Perkins' Vorwurf vernahm er nur im Unterbewußtsein.
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Barnett erging es kaum anders. Auch er hatte den Schock zu überwinden. Erst Iks-Wol-Esaks nüchterne Feststellung brachte die Menschen zu klarerem Denken. »Das hättest du nicht tun sollen, James! Nein, du hättest es nicht tun sollen. Wir waren gerettet. Wer in solchen Situationen schießt, handelt unverantwortlich gegen die anderen.« »Verdammt, was ist bloß in dich gefahren?« Auch der Captain schrie ihn an. Alle schrien ihn an. Alle waren gegen ihn. Dabei interessierte der Schuß überhaupt nicht mehr. Der Schuß war eine Bagatelle gegen das verrückte Schauspiel dort unten. Aber die Menschen brauchten einen Sündenbock, den sie für ihre Furcht verantwortlich machen konnten. Sie begriffen nicht, was dieser Planet ihnen an scheinbarem Hokuspokus vorsetzte. Sie fühlten sich hilflos gegen die unbekannten Mächte. Sie hatten das Gefühl, daß s ihnen langsam an den Kragen ging, ohne sich wehren zu können. In einer solchen Situation auf Haltung und Charakter zu achten, ist natürlich recht schwierig. Kulturelle Errungenschaften geraten nur zu leicht in den Hintergrund, wenn die Ereignisse den Egoismus und den Selbsterhaltungstrieb herausfordern. Perkins hätte Grund gehabt, sich mit seiner Heldentat zu trösten. Er hatte ja den Captain gerettet. Trotzdem gebärdete er sich am wildesten und ging Schritt für Schritt auf Lisman zu. Lisman war ihm körperlich durchaus überlegen. Doch in seiner Depression nützte ihm das gar nichts. Er fühlte sich tatsächlich schuldig und schien sogar bereit zu sein, die furchtbarste Strafe dafür zu erdulden. Obgleich er bereits am äußersten Rand der Schleuse stand und sich nur noch mit einer Hand festhielt, versuchte er, dem nachdrängenden Perkins auszuweichen. Dabei verlor er den letzten Halt und stürzte. Sein Schrei erstickte nach dem Bruchteil einer Sekunde. Ob Lisman wirklich nahezu fünfzig Meter im freien Fall abwärts schoß und unten aufschlug, konnte niemand feststellen. Lisman verschwand während des Sturzes. Als sein Schrei abbrach, wurde auch sein Körper unsichtbar.
* In der Kommandozentrale trafen sich die Überlebenden. Man kann von Überlebenden sprechen. Denn zwei Männer befanden sich nicht mehr unter ihnen. Und Barnett, Perkins und Iks-Wol-Esak hatten die Furcht von draußen mitgebracht. »...wir sind noch einmal hinuntergefahren und haben das ganze Plateau abgesucht«, schloß Perry Barnett seinen kurzgefaßten Bericht, in dem er auch von der Begegnung mit den dreiundzwanzig Etanern erzählt hatte. »Das Plateau ist flach wie ein Brett. Und genauso übersichtlich ist der Hang. James existiert nicht mehr. Nicht einmal als Toter. Er verschwand wie Praxlomza.« »Und wie die Etaner«, ergänzte Iks-Wol-Esak. »Ja, freilich, wie die Etaner. Aber es fragt sich, ob das etwas miteinander zu tun hat.« »Ich bin überzeugt, daß es eine ganze Menge miteinander zu tun hat.« »Ich kann dir nicht das Gegenteil beweisen. Doch wenn du recht hast, ist das für mich nur eine Erklärung dafür, wie man auf diesem Planeten stirbt. Lisman schoß auf die Etaner, und er selbst stürzte ab. Nach den uns bekannten Gesetzen mußte in beiden Fällen der Tod folgen. Hier verschwindet man anscheinend im Nichts. Mir ist diese Todesart weit weniger sympathisch als die bei uns gebräuchliche.« »Du stellst Behauptungen auf«, sagte Bannister, »für die du nicht die geringste Grundlage hast.« »Ach nein?« machte Barnett. »Ach ja«, nickte der Arzt. »Praxlomza verschwand, als ihn niemand beobachtete. Es ist durchaus möglich, daß er angegriffen wurde. Aber weil wir das nicht wissen, können wir seinen Fall nicht als Beweis heranziehen.« »Ich sagte schon, daß die anderen Fälle auch keine Beweise bringen. Du bist nur auf Vermutungen, bestenfalls auf Schlußfolgerungen angewiesen. Wenn du das Verschwinden Copyright 2001 by readersplanet
als die hier gebräuchliche Methode des Sterbens ansiehst, dann vergißt du, daß die dreiundzwanzig Etaner niemals sterben konnten. Denn Lisman hat nur einen Schuß abgegeben, mit dem er bestenfalls eines der Wesen hätte erwischen können. Verschwunden sind sie aber alle. Wenn Sterben aber gleich Verschwinden wäre, dann müßten zweiundzwanzig Etaner noch existieren.« Iks-Wol-Esak schloß sich sofort der Meinung des Arztes an. »Bannister hat recht. Es besteht kaum ein Anlaß, Prax und Lisman zu den Toten zu rechnen. In der Beziehung dürfen wir wohl etwas optimistischer sein, als es unsere verwirrten Gefühle zulassen. Wahrscheinlich halten uns die Leute in der heimatlichen Galaxis ebenfalls für tot. Wir wissen aber, daß es nicht stimmt.« Iks-Wol-Esaks Bemerkung brachte Nam-Legak sichtlich in Erregung. Jede Erinnerung an die Heimat schien dem kleinen Kugelphilosophen nicht gutzutun. Er brachte sehr traurige, verzweifelte und enttäuschte Gedanken in die Unterhaltung. Er litt ständig unter dem Wissen, daß er sein Ziel - die prokaskische Heimat - niemals erreichen würde. Und daß der galaktische Krieg ohne seine Vermittlung mit dem blutigen Ende beider Rassen enden mußte. »Ihr braucht anscheinend eure Probleme, um weiterhin eine Existenzberechtigung in diesem sinnlosen Universum zu haben.« »Na, ich weiß nicht«, erklärte Bannister, »davon, daß wir uns hier aus lauter Langeweile Probleme aus den Fingern saugen, kann doch wohl nicht die Rede sein. Ich jedenfalls interessiere mich brennend für die Vorgänge auf diesem Planeten. Und zwar mindestens so lange, wie mein persönliches Schicksal damit verbunden ist. Ich glaube auch nicht, daß es eine vernünftigere Einstellung für jemanden geben kann, der noch etwas von der Zukunft erwartet.« »Demnach bist du ein beneidenswerter Optimist«, meinte Nam-Legak. »Ein Optimist schon. Bloß kein beneidenswerter...« Die beiden Prokas mußten zusehen, wie die Menschen sich Zigaretten ansteckten. Sie selbst hatten kein entsprechendes Rauschgift zur Verfügung, mit dem sie ihre Nervosität bekämpfen konnten. »Komisch, daß ihr nicht rauchen könnt«, sagte Lavista etwas überheblich. »Ich erinnere mich, daß eure Rassegenossen mit uns unlängst noch die tollsten Schmuggelgeschäfte mit Tabak gemacht haben. Wozu braucht man das Kraut denn bei euch?« »Ausschließlich für medizinische Zwecke, du Schlaukopf«, erklärte Iks-Wol-Esak und wandte sich sofort wieder den anderen zu. »Wir sollten etwas unternehmen, anstatt uns mit Vermutungen herumzuärgern.« »Das sagst ausgerechnet du Theoretiker...« »Ich sage es, weil unsere Informationen längst nicht genügen.« »Und was versprichst du dir von weiteren Informationen?« »Eta hat ein Geheimnis. Alles, was wir hier bisher an sogenannten Unmöglichkeiten erlebten, deutet in eine ganz bestimmte Richtung. Wir haben also Grund zu der Annahme, daß Kräfte dahinterstehen, die mit dem Naturgesetz durchaus in Einklang zu bringen sind. Wenn wir aber unsere eigene Situation richtig beurteilen wollen, dann müssen wir zuvor das Geheimnis dieses Planeten ergründen.« »Der Kugelmann spricht wie ein Kinderschreck«, meckerte Lavista. »Ich habe gar nicht gewußt, daß es auf Proka solche naiven Gemüter gibt. Du hättest Märchenerzähler werden sollen, Iks.« »Du hältst jetzt dein ungewaschenes Maul«, knurrte Perkins den schwarzhaarigen Querulanten an. »Wenn du nur etwas Grips im Kopf hättest, dann würdest du vor Iks dankbar auf den Knien rutschen. - Kümmert euch nicht um diesen Knaben. Und laßt Iks lieber ausreden. Wenn ich ihm zuhöre, dann bilde ich mir immer ein, daß für uns noch ein wenig Hoffnung besteht. Ja, verdammt, solange ich das bißchen Hoffnung habe, mache ich mit, was ein gescheiter Wissenschaftler vorschlägt.«
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»Du bist ein vernünftiger Bursche«, lobte der Proka, ohne etwa schmeicheln zu wollen. »Du bist auch geistesgegenwärtig. Barnett sollte dich bei der nächsten Expedition mitnehmen.« »Okay«, sagte der Captain. »Akzeptiert. Was versprichst du dir aber davon?« »Nun, Perkins hat noch Hoffnung, wie er sagt. Ich habe sie auch. Und ihr?« »Wir machen uns welche«, versicherte Bannister. »Na gut, wenn wir hier heraus wollen, dann ist uns nicht einfach mit einem Start geholfen. die Etaner holen uns zurück, sobald ihre Laune es ihnen eingibt. Und selbst wenn wir von diesem Planeten endgültig wegkämen, dann trieben wir in einem Universum, mit dem wir nichts anzufangen wissen.« »Glaubst du, dieses Universum ist ein anderes als das, zu dem unsere Galaxis gehört?« »Wenn du alles Existierende als Universum bezeichnest, nein. Aber zwischen uns und der Heimat liegen wahrscheinlich Millionen von Sternnebeln, und außerdem Zeitdifferenzen, die mit unseren augenblicklichen Mitteln und Erkenntnissen nicht zu beurteilen sind. Wir müssen hier forschen. Wir müssen von den Etanern erfahren, wodurch sie uns in der Erkenntnis der Naturgesetze voraus sind. Nur dann besteht die Möglichkeit einer Rettung für uns.« »Ich habe wenig Hoffnung, wenn ich an die pferdeartigen Wesen aus dem Terrarium denke«, sagte Barnett. »Sie sind primitiv, und geistig stehen sie weit unter uns.« »Erstens steht noch nicht fest, ob die Wesen, die wir vorfanden, wirklich die maßgebenden Etaner sind. Sie erinnerten dich an Raubtiere, freilich. Aber wir können uns täuschen. Zweitens wissen wir, daß es hier eine Rasse geben muß, die tatsächlich höher als wir entwickelt ist. Drittens sollten wir uns von jeglichem Vorurteil frei machen, also Eindrücke wie Raubtier oder Primitivität nicht sofort in endgültige Schlüsse umprägen. Wenn wir überhaupt aufgrund unserer bisherigen Erlebnisse ein Urteil fällen können, so ist es dieses: Die Etaner sind in der Lage, von einer Zeit in die andere überzuwechseln. Sie haben es bewiesen. Es ist dabei gleichgültig, ob sie diesen Zeitsprung von sich aus bewirken oder ob sie von anderen Kräften beeinflußt werden. In irgendeiner Form verfügen sie über solche Kräfte. Und das ist ein Beweis für ihre Überlegenheit.« »Du meinst, sie hätten sich durch einen Zeitsprung vor Lismans Schuß gerettet?« »Das ist die naheliegende Erklärung.« »Und welches Argument hast du für Lismans Verschwinden?« »Da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie wollten sich an ihm rächen und holten ihn aus seiner Zeit, oder sie sind durchaus menschenfreundliche Geschöpfe und retteten ihn. Er stürzte bereits und wäre nach unserem Ermessen verloren gewesen.« »Du setzt voraus, daß er jetzt also nicht verloren ist. Ferner ist für deine Theorie Bedingung, daß in der Zeit, in der Lisman sich jetzt befindet, andere örtliche Umstände herrschen. denn sonst würde er trotzdem weiterstürzen und sich auf dem Plateau das Genick brechen. Auch noch im nächsten Jahrhundert.« »Im nächsten Jahrhundert oder auch nächste Woche kann man hier bequem ein Sprungtuch aufspannen, wenn die Etaner sich mit solch primitiven Mitteln zufriedengeben. Jedenfalls haben sie durch die beobachtete Vergangenheit Kenntnis davon, daß Lisman stürzte.« »Das klingt tröstlich. Ich hoffe nur, daß du recht hast mit dieser zweiten Möglichkeit. Die erste wäre schlimmer.« »Wir müssen das Beste wünschen und auf das Schlimmste gefaßt sein. Natürlich ist es auch denkbar, daß die Etaner ein durchaus rachsüchtiges Volk sind. Sie würden sich dann nicht damit begnügen, Lisman in eine andere Zeit zu holen.« »Sie würden ihn quälen«, sagte Bannister. Vielleicht reicht unsere menschliche Phantasie nicht weit genug, obgleich wir auch nicht gerade einfallslos in bezug auf Martermethoden sind.« Iks-Wol-Esak sagte: »Sezieren. Das liegt am nächsten.« »Also ist es ratsam, sich möglichst nicht erwischen zu lassen. Wir werden nach wie vor Waffen tragen. Wenn die Etaner bei einer Schießerei immer so reagieren wie die dreiundzwanzig Vierbeiner vorhin, dann ist das eine gute Lösung für uns. - Perkins, du Copyright 2001 by readersplanet
kommst mit, nicht wahr?« »Wenn du mir die Garantie gibst, daß ich nicht der nächste bin, den die Etaner sich holen...« »Wie kommst du denn darauf?« »Ich fürchte das Gesetz der Serie. Zweimal sind wir jetzt draußen gewesen. Zweimal haben wir auch einen Mann verloren. Der dritte könnte ich sein...« »Hm, diese Garantie kann ich dir natürlich nicht geben, nicht einmal dann, wenn du im Schiff bleibst.« Perkins blickte etwas überrascht. »Du meinst, im Schiff...« »Ich meine, daß keiner von uns sicher ist. Weder hier noch woanders. Wenn du schon auf absolute Garantien Wert legst, dann hättest du am besten gleich deine Geburt verhindern sollen.« Barnetts Argument war zwar ziemlich weit hergeholt, aber es hatte seine Wirkung. »Well«, sagte Perkins. »Wenn du meinst, bin ich mit von der Partie...« »Und du, Forry?« Der Arzt sah den Freund verblüfft an. »Mich willst du mitnehmen? Ich habe doch überhaupt keine Ahnung von solchen Sachen.« »Ich weiß, du hast niemals eine andere Welt kennengelernt als die Höhlen von Terra. Du hast noch nie einen Raumanzug angehabt. Das ist hier auch gar nicht nötig. Aber ich brauche dein Gehirn, kapiert?« »Mein Gehirn versteht nichts von der Praxis außergalaktischer Welten.« »Von der Praxis Etas verstehen wir alle sehr wenig. Die müssen wir uns erst aneignen. Also, sei nicht zimperlich.« »Und wer bleibt hier?« »Cora, Lavista und Nam-Legak. Bei der Besatzung haben wir wenigstens die Garantie, daß sie nicht aus Versehen ohne uns abfliegen. Lavista, du übernimmst den Sender!« »Okay, Captain.« »Außerdem verbiete ich dir, mit dem Proka Streit anzufangen. Cora wird aufpassen, daß du keine Dummheiten machst, verstanden?« »Eine Frau als Aufpasser«, lästerte Lavista. »Ich komme mir vor wie im Mädchenpensionat.« »Das ist immer noch besser, als in der Hölle braten. Und wenn ich Klagen über dich höre, dann brätst du tatsächlich in der Hölle. Unter meiner Regie.« »Mensch, haut ab! Wer euch zuhört, der nimmt schließlich kein Stück Brot mehr von mir.« »Ist das vielleicht eine Antwort? Ich habe angeordnet, daß du auf dem Schiff bleibst, dich anständig benimmst und das Funkgerät bedienst. Ist das jetzt klar?« »Okay, Captain.« »Okay.«
* Diesmal benutzten sie zwei Flugkabinen. Die erste steuerte Barnett. Er hatte Iks-Wol-Esak bei sich. Die zweite flog Perkins mit Bannister im Sozius. In weniger als drei Minuten schwebten sie bereits über dem Labyrinth der Wallmauern. »Man soll sich die Sache tatsächlich erst einmal von oben ansehen«, stellte der Proka fest. »Bis zum Horizont sehe ich nicht als diese abgegrenzten Terrains.« Copyright 2001 by readersplanet
»Es sieht aus wie ein Tierpark mit Freigelände«, nickte Barnett. »Wir sollten tiefer gehen.« »Am besten landest du gleich. Ich möchte mir noch einmal das Loch ansehen, aus dem die Vierbeiner gekommen sind.« Perry Barnett drückte die Maschine nach unten und gab an Perkins die Anweisung, daß er in geringer Höhe warten solle. In weitem Bogen jagten sie über das Land. Aus jeder Parzelle leuchtete ihnen das schwache Grün entgegen. »Ob da überall diese Biester drin hocken? Dann haben wir es mit einigen Millionen zu tun.« »Millionen ist sehr vorsichtig geschätzt. Aber darauf kommt es wohl jetzt nicht an. Dein Vergleich mit dem Tierpark dürfte allerdings nicht stimmen.« »Ich weiß, es fehlen die Besucher.« In diesem Augenblick setzte Barnett auf. Die Landung bereitete auf der Mauer keine Schwierigkeiten. Sie befanden sich genau an der Stelle, wo die dreiundzwanzig Vierbeiner aus ihrer Grube herausgesprungen waren. »Nun, was hast du erwartet?« »Vierbeiner oder keine Vierbeiner. Eins von beidem.« »Das war sehr klug. Du hast immer recht damit. Da, du hast wieder recht. Der große Strauch bewegt sich.« Aus dem Dickicht trat ein Wesen mit vier Beinen. Es sah zu ihnen auf und stutzte.« »Genau wie vorhin«, flüsterte Barnett. Das Flüstern war wohl sinnlos, denn der Etaner hatte sie längst entdeckt. Kurz darauf erschien ein zweiter. »Komm, bevor es kritisch wird«, sagte Barnett. »Du kennst das Programm bereits.« Iks-Wol-Esak zögerte. »Ich bin nicht sicher, Perry. Wieso sind noch Vierbeiner in diesem Loch?« »Weshalb sollten sie nicht drin sein?« »Sie hätten uns gejagt. Dreiundzwanzig Tiere machten vor einer Stunde dort unten einen sinnlosen Tanz. Dreiundzwanzig Tiere verfolgten uns. Und dreiundzwanzig Tiere verschwanden vor unseren Augen im Nichts. Wo kommen diese her?« »Sie waren bereits drin. Sie haben sich vor einer Stunde überhaupt nicht gezeigt.« »Das glaube ich nicht.« »Warum nicht?« »Sieh sie dir doch an. Ihre Bewegungen und ihr Geschrei deuten auf starke Erregung. Sie sind rein aus dem Häuschen. Kannst du dir vorstellen, daß jetzt noch welche im Dickicht stecken?« »Eigentlich nicht. - Bei Gott, du willst doch nicht etwa sagen, daß dies hier dieselben Biester sind, die uns verfolgten?« »Genau das. Ich habe sie inzwischen gezählt. Es sind dreiundzwanzig.« Barnett blieb für einen Augenblick die Antwort schuldig. Wenn der Proka recht hatte, dann waren sie hier bereits dem Geheimnis von Eta auf der Spur. Doch wie es sich andeutete, erschien das alles eher verwirrend als klärend. Der Captain schüttelte mißtrauisch den Kopf. »Irgend etwas stimmt hier nicht, Iks. Deine Zeittheorie muß falsch sein. Es muß sich um eine andere Dimension auf gleicher Zeitebene handeln.« »Meinst du?« »Selbstverständlich! Du gehst genau wie wir Menschen von der Erkenntnis aus, daß Zeitverschiebungen nur in Richtung auf die Zukunft möglich sind.« »Allerdings«, bestätigte Iks-Wol-Esak. »Nun, nehmen wir also an, die Etaner sind in die Zukunft entwichen. Wie kommen sie da hierher? Hierher in die Vergangenheit?« Copyright 2001 by readersplanet
»Es ist ja keine Vergangenheit. Unser erstes Erlebnis ist bereits eine Stunde alt. Im Verhältnis zu dem Verschwinden der Wesen haben wir jetzt Zukunft, hatten wir auch vor zehn Minuten Zukunft.« Barnett mußte dem Proka im Prinzip recht geben, war aber nicht überzeugt. »Deine Theorie ist zu sehr auf den Zufall angewiesen, Iks. Wenn du recht hast, dann müßten die Etaner nur einen ganz kurzen Sprung gemacht haben. Sie hätten nur die Möglichkeit gehabt, unbemerkt nach hier zurückzukehren, als wir im Schiff debattierten. Sobald wir starteten, mußten sie bereits wieder in diesem Loch stecken.« »Selbstverständlich. Die Zeit war knapp. Aber sie reichte. Und an eine andere Möglichkeit glaube ich nicht." »Weil du von diener Zeittheorie nicht ablassen willst.« »Glaube mir«, erklärte der Proka selbstsicher, »die Zeittheorie ist richtig. Denke an die contra-temporisierten Mesonen...« »Zum Donnerwetter! Was hat der Planet Eta mit unserer Havarie in der Galaxis zu tun?« »Vielleicht gar nichts, vielleicht alles...« Mit dieser nichtssagenden Andeutung mußte Barnett sich zufriedengeben, denn die etanische Unruhe wurde bereits wieder kritisch. Das Knäuel der Wesen drängte sich schon dichter an der Wand. »Einsteigen! Los, komm, Iks! Ich habe keine Lust, noch einmal einen solchen Dauerlauf zu machen.« Sobald sie mit der Flugkabine auf Höhe gingen, legte sich die Erregung der Vierbeiner. Sie mußten wohl erkannt haben, daß ihnen auf diesem Wege eine Verfolgung unmöglich war. Als die beiden Flugkabinen über ihrem Terrain kreisten, hatten sie sich bereits wieder ins Gesträuch zurückgezogen. »Brave Tierchen«, murmelte Captain Barnett zufrieden. Es klang etwas gutmütig und herablassend, so wie ein Mensch seinen Hund behandelt. Doch der Mensch fragte sich sofort, ob er Anlaß hatte, eine solche Herrenposition zu beziehen. Bestenfalls war er doch Gast auf diesem Planeten. »Hast du eine Idee?« Diese Frage galt Iks-Wol-Esak. »Ich schlage vor, wir fliegen einige Meilen ins Land. Vielleicht bietet sich überall dasselbe Bild. Wenn es Unterschiede gibt, sind wir vom Zufall abhängig. eine systematische Inspektion dieser Landschaft würde wahrscheinlich Jahre in Anspruch nehmen.« »Okay! Achte du bitte auf die Gegend. Wenn du etwas Besonderes entdeckst, melde dich...« Perkins und Bannister blieben hinter ihnen. Barnett unterhielt sich mit ihnen über UKW-Bild und gab ihnen einen Bericht von der letzten Landung. Die Theorien des Proka ließen beide aufhorchen. Sie pfiffen durch die Zähne und rollten vielsagend mit den Augen, enthielten sich aber eines konkreteren Kommentars, da sie lieber erst abwarten wollten, was die Zukunft davon bestätigen würde. Plötzlich spürte Barnett einen Rippenstoß. Der Kugelmann neben ihm deutete auf ein besonders großes Terrain von mehreren Meilen Durchmesser. »Dort brauchen wir nicht auf der Mauer zu landen. Der Boden selbst ist kaum mit Pflanzenwuchs bedeckt.« »Du meinst, wir sollten gleich nach unten gehen?« »Gewiß, es kann nicht gefährlicher sein als vorhin. Wir haben weite unbehinderte Sicht, wenn du auf dem braunen Flecken dort aufsetzt.« »Wie du meinst«, seufzte der Mensch möglichst vertrauensvoll. »Wenn es hier Tiere gibt, dürften sie wahrscheinlich nicht flinker und nicht intelligenter als die anderen sein.« Sie landeten. »Na, fühlst du dich bedrängt?« Copyright 2001 by readersplanet
»Durchaus nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was wir hier wollen. Die nächsten Büsche erreichen wir zu Fuß in einer Viertelstunde. Ich bin aber nicht scharf aufs Zu-Fuß-Gehen.« »Sieh hier durchs Periskop. Deine Augen sind offenbar nicht so gut wie meine.« Barnett gehorchte. »Beim Allgeist! Da wimmelt es von Käfern. Es kann gar nicht so weit sein.« »Gehen wir hin?« »Freilich. Die Tiere sind nicht größer als dein Schuh. Wenn sie lästig werden sollten, brauchst du ja nur zu schießen. Der Wärter, oder wer es sein mag, wird sie schon rechtzeitig aus der Gefahr bringen.« »So unbekannt sind sie uns ja nicht mehr.« »Hast du schon eine Klassifizierung vorgenommen?« »Flüchtig. Es muß sich um die gleichen Vierbeiner handeln, die wir bereits kennenlernten.« »Trotz des Größenunterschieds?« »Die anderen waren eben älter. Wahrscheinlich sind das dort noch Kinder.« »Hoffentlich«, brummte Barnett. »Ich setze dabei voraus, daß etanische Kinder weder beißen noch schreien dürfen ...« Sie gingen näher an das Gewimmel heran. Der Mensch mußte wieder einmal den scharfen Blick des Proka bewundern. Die kleinen Tiere waren tatsächlich in ihrer Form mit den großen identisch. Demnach mußten sie noch sehr jung sein. Und Barnett verlor etwas von seinem Respekt. Er verkürzte den Abstand noch mehr. »Vorsicht!« zischte Iks-Wol-Esak. »Wir haben keine Schutzanzüge. Schon ihr Atem könnte giftig sein.« »Giftig? Das verträgt sich nicht mit dieser Atmosphäre.« »Ich sage nur - Vorsicht. Aus Prinzip. So, von hier aus kann man sie gut sehen...« »Du schon, aber ich nicht.« Der Mensch ging einfach weiter. Er fühlte sich überlegen. Die krabbelnden Tierchen reichten kaum bis an seine Fußknöchel. Er trat genau unter sie. Und nichts geschah. Doch! Es geschah doch etwas. »Iks, Menschenskind, komm her! Sie tun dir nichts.« Mißtrauisch kam jetzt auch der Proka heran. Bis er ebenfalls von dem Heer der Miniatur-Vierbeiner umringt war. Sie nahmen kaum Notiz von den beiden Eindringlingen. Nur daß sie sich ein Stück vor ihnen zurückzogen. Dem Menschen gefiel das. »Sie haben Respekt, Iks. Siehst du?« Barnett ging den ausweichenden Tierchen nach. Er kam nicht an sie heran. Hatten sie Angst? War es Vorsicht, natürliches Mißtrauen? Perry Barnett machte einen neuen Versuch. Aus dem Stand wagte er einen Sprung, der ihn genau zwischen die Wesen stürzen lassen mußte. In der Eile reagierten sie diesmal tatsächlich anders. Sie zogen sich nicht mehr zurück, weil ihnen dafür der Angriff offenbar zu schnell kam. Sie verschwanden einfach. Barnett nahm diese Tatsache wesentlich gefaßter hin, als er es selbst von sich erwartet hätte. Mit Befriedigung stellte er fest, daß man sich auch an die verblüffendsten Eigenarten fremder Welten gewöhnen konnte. Und Iks-Wol-Esak als Stoiker war sowieso nicht dafür geschaffen, sich über solche Tricks aufzuregen. Er suchte schon wieder nach Erklärungen. »Ich glaube nicht mehr daran, daß hier ein unsichtbarer Tierparkwächter steckt. Dieses Verschwinden muß sich aus den Wesen selbst erklären. Als ob sie von Natur aus in der Lage wären, sich durch solche Zeitsprünge vor einer Gefahr zu schützen.«
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»Von Natur aus?« Barnett war verblüfft, und er zweifelte ehrlich ein wenig an Iks-Wol-Esaks Verstand. »Du willst doch wohl nicht behaupten, daß es irgend jemanden im Universum gibt, der die Zeitebenen ohne technische Hilfsmittel wechselt?« »Ich muß es annehmen. Denn solche technischen Apparate sind weit und breit nicht zu sehen.« Sie wiederholten den Versuch, um sicher zu gehen. Dasselbe Ergebnis. Schließlich bemühte sich der flinke Proka, eines der Tierchen mit den Tentakeln zu greifen. Es klappte nicht. Selbst bei schnellstem Zufassen entwich ihm die Beute und wurde unsichtbar. »Es ist unheimlich«, murmelte Barnett. »Nehmen wir an, deine Zeittheorie stimmt. Sie verschwinden also in die Zukunft. Wenn ich es mir genau überlege, ist unsere Sorglosigkeit doch nicht mehr angebracht...« »Wieso?« »Wir müssen aus dem biologischen Prinzip annehmen, daß sie unser Verhalten als Angriff auf ihr Leben oder wenigstens auf ihre Sicherheit auffassen. Die natürliche Reaktion ist Gegenwehr...« »Hier ist sie Flucht.« »Nicht unbedingt«, widersprach Barnett. »Es kann mehr als nur eine Flucht sein.« Der Proka verstand auch ohne Telepathierelais. »Du meinst, sie schlagen zurück. Und da sie das erst in der Zukunft tun, müssen wir mit dem Gegenangriff eine unbestimmte Zeit warten, wenn diese Reaktion für die Wesen selbst auch unmittelbar erfolgt. Natürlich, das leuchtet ein!« »Jawohl, so ungefähr meine ich es. Allerdings taten die älteren Tiere nichts dergleichen. Sie flohen nur und fanden sich etwas später wieder in ihrem Terrarium ein.« »Und diese hier sind Kinder und Säuglinge. Auch das sollte man überlegen.« Sie machten noch einen zweiten Versuch, den Perkins und Bannister aus der Luft über den Bildschirm beobachteten. Aus dem Vorratsraum der Flugkabine holten sie einige Katastrophengeräte, unter denen sich auch eine Menge Stangen befanden. Damit bauten sie barrikadenähnlich zwei parallel laufende Wälle von etwa zwölf Metern Länge. »Was soll das werden?« fragte Barnett, der gehorsam assistierte. »Eine Straße«, sagte der Proka. »Es ist eine Straße. So, jetzt benimmst du dich bitte genauso vorsichtig wie zuerst...« Barnett ließ es sich erklären. Behutsam drängte er sich an einen Schwarm der Tiere heran. Es begann wieder das Spiel des Verfolgens und Ausweichens. Da alles sehr langsam vor sich ging, fühlten sich die Tiere offenbar zu keiner Zeitflucht veranlaßt. Sie ließen sich Schritt für Schritt abdrängen, bis einige von ihnen zwischen den beiden kleinen Wällen landeten. »Wenn wir einen Köder hätten!« »Ja, wenn. Aber weißt du, womit man diese Biester reizen kann?« »Es muß auch so gehen...« Es ging tatsächlich. Nach und nach wälzten sich acht der Tiere über die von Iks-Wol-Esak errichtete Straße. Sie marschierten darin entlang wie in einem Hohlweg. Die Böschungen zu beiden Seiten überragten sie um einige Zentimeter. »Wenn wir jetzt vorn und hinten dichtmachen, sind die gefangen«, sagte Barnett. »Meinst du wirklich?« »Ich sage das aus Gewohnheit. Aber wahrscheinlich stimmt es nicht. Sobald sie eine Gefahr dabei wittern, werden sie wahrscheinlich verschwinden.« »Probieren wir's doch!« schlug Iks-Wol-Esak vor und nahm eine Metallplatte, die er senkrecht zwischen die beiden Wälle stellte. Das war ein Hindernis, das die Tiere körperlich nicht durchdringen konnten. Und es war wesentlich höher als die Stangen an den Seiten.
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Der Proka hielt die Platte fest, damit sie nicht umkippte. Er stand da wie ein Dompteur, der trotz eines gewissen Schwierigkeitsgrades erwartete, daß die Tiere das Hindernis nahmen. Sie nahmen es wirklich. Und zwar in ihrer ausgesprochenen Eigenart. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Stangen an den Seiten zu überwinden und so die Platte zu umgehen. Doch die Tiere kamen gar nicht auf die Idee, die einmal eingeschlagene Richtung zu ändern. Sie krochen bis vor die Platte und setzten auf der anderen Seite unbekümmert ihren Weg fort, als hätte die Hürde niemals bestanden. Beide, der Mensch und der Proka, hatten etwas Ähnliches erwartet. Doch als sich der Versuch jetzt mit einer völligen Selbstverständlichkeit vor ihnen abspielte, fiel es ihnen schwer zu glauben, was sie sahen. Das Bauen der Straße, das Aufstellen der Barrikade und das geduldige, fast phlegmatische Kriechen der kleinen etanischen Wesen mutete anfangs wie ein lustiges Spiel an. Hier aber wurde das Spiel unheimlich. Barnett hatte plötzlich das Gefühl, daß es furchtbar heiß wurde. Und selbst Iks-Wol-Esak zitterte mit seinem Tentakel und wollte die Platte nicht länger halten. Sie zogen sich beide instinktiv ein paar Schritte von dem Schauplatz der Zauberei zurück. »Verdammt«, stöhnte der Mensch. »Laß uns einpacken und in die Maschine steigen. Diese Wesen sind auf der einen Seite so primitiv, daß jeder Respekt vor ihnen lächerlich wirkt. Andererseits sind sie uns rein biologisch haushoch überlegen, so daß ich freiwillig niemals eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihnen wagen würde. Gegen diese Zeitflucht sind wir immer machtlos.« »Du hast dieselbe Theorie wie ich«, meinte der Proka. »Biologisch sind sie uns überlegen. Das heißt also, das Zeitspringen ist ihre natürliche Fähigkeit. Es ist ein Sinn und eine organisch bewerkstelligte Sache bei ihnen. So wie du hörst, siehst und herumläufst, so springen sie in der Zeit.« »Vollkommen richtig«, nickte Barnett. »Ein Wesen unserer Vorstellungswelt, ein Proka oder ein Mensch, hätte einen Umweg in Kauf genommen. Es wäre über die zeitliche Begrenzung gekrochen, weil sie im Gegensatz zu der Platte überwindbar ist, und hätte sich auf der anderen Seite wieder auf die alte Marschroute gesetzt.« »Hätte - sagst du? Was hat es denn sonst gemacht?« Barnett stutzte. Er fühlte sich bei einem Denkfehler ertappt. »Natürlich, so muß die Sache auch tatsächlich vor sich gegangen sein. Der Weg mußte in irgendeiner Form zurückgelegt werden. Der Haken ist nur, daß sich das außerhalb unserer Zeit abgespielt haben muß. Erst auf der anderen Seite der Platte marschieren die Dinger in unserer Gegenwart weiter.« »Stimmt. So muß es sein.« »Aber - eigentlich lohnt dieser Aufwand sich doch gar nicht. Unsere dimensionale Methode müßte doch völlig genügen.« »Du siehst es als Mensch. Sobald du jedoch annimmst, daß die Etaner dumm sind, hat die Sache einen Sinn. Dumme Etaner brauchen wahrscheinlich sehr viel Zeit, um den Umweg herauszufinden, den sie wegen unseres Hindernisses machen mußten. Diesen Verlust gleichen sie durch das Zeitspringen aus...« Sie hatten die Geräte inzwischen wieder zusammengepackt und in der Flugkabine verstaut. »Steig ein, Iks! Wir wollen weiter...« Während die Maschine auf Höhe ging, kramte Iks-Wol-Esak in den Zusammenhängen der letzten Unterhaltung. Durch die Nähe des Telepathierelais spürte Barnett auch die halbfertigen Gedanken des Proka, der einen Sinn und eine Deutung aus dem Erlebten erhalten wollte. »...jawohl, eigentlich müßten sie dumm sein. Denn wenn ihr Sinn des Zeitspringens so gut entwickelt ist, dann werden andere Veranlagungen dadurch automatisch vernachlässigt. Diese Regel trifft auf jede Zivilisation und auf jede Intelligenz zu.« »Womit bewiesen wäre, daß diese seltsamen Tiere niemals die richtigen Etaner sein können. Es muß hier eine wirkliche Intelligenz geben, die uns ebenbürtig oder gar überlegen ist.« »Sie ist uns überlegen«, erklärte Iks-Wol-Esak. »Sie ist uns weit überlegen. Denn sie haben inzwischen unser ganzes Schiff gestohlen.« Copyright 2001 by readersplanet
* Wie leicht und selbstverständlich auf Eta das Verschwinden ist, hatten Menschen und Prokas wahrhaftig in reichlichem Maße erfahren können. Dennoch war der neue Schock für die Fremdlinge auf dieser Welt größer als alle Schrecken und Wunder, die sich ihnen bisher geboten hatten. Bisher waren einzelne Menschen verschwunden. Und einige etanische Tiere, deren persönliches Schicksal kaum in einer Beziehung zu den Fremden aus dem galaktischen Schiff stand. Doch hier hatte eine unbekannte Macht das letzte Stück Heimat hinweggefegt. Ein Stück Heimat für die Menschen und Prokas. Und Freunde. Und für Barnett noch mehr: Cora. Er konnte nur sehen und schweigen. Die Gewißheit, daß alles, was noch Bedeutung und Lebenswert für ihn besaß, Stück für Stück aus seinem Dasein gerissen werden würde, bis er schließlich selbst reif für das Verschwinden war, schnürte ihm die Kehle zu. Die kleine Cora und die große Cora existierten nicht mehr. Was half der Trost, daß sie woanders sein könnten? Oder wann anders? Das alles ging auf Vermutungen zurück, die man sich bisher, mehr oder weniger gescheit, zusammengekratzt hatte. Hinter allem aber blieb das große Fragezeichen. Und die Ohnmacht. Als Tatsache bot sich nur das eine an: Sie waren allein. Vier Mann und zwei Flugkabinen. Und in den Kabinen ein paar Bestände an Notverpflegung. Nährtabletten für ein halbes Jahr. Sie landeten nacheinander auf dem nun freien Plateau. Perry Barnett stürzte als erster hinaus und warf sich auf den Boden. Der Boden war ein einziger Fels. Er schimmerte wie ungeschliffener Marmor. Und an einer Ecke fand Barnett mehlige Rückstände. Hier hatte eine Landestütze des Schiffes den Stein zermahlen. Das war die letzte Spur von der Cora. Die anderen standen steif neben den beiden Kabinen. Wie Schuldige. Dabei waren sie nicht schuldig. Sie hatten Angst wie Barnett. Und Zorn über ihre Ohnmacht. Erst nach Minuten stand Barnett mit zerschundenen Fingern auf. In seinen Augen war ein irres Flackern. »Siehst du, Perkins. Du hättest es dir doch überlegen sollen. Erst wolltest du nicht mit rauskommen. Du wolltest meine Garantie, daß die Etaner dich nicht als nächsten von uns holen. Du wolltest dich in dem letzten Stück Galaxis, oder sogar in dem letzten Stück Terra einpökeln und deinem Schicksal aus dem Weg gehen. Jetzt hast du deinen Dreck!« »Und du den deinen.« »Ja, ja, ja! Wenn es ein Trost für dich ist. Bitte! Aber mehr seelsorgerischen Beistand kann ich dir nicht geben. Wir sind weg und sie sind weg. Wer ist denn nun verschwunden? Sie oder wir? Stellt euch ihre Aufregung vor! Sie stehen am Bildschirm und verfolgen unsere beiden Flitzer, die sich plötzlich in Wohlgefallen auflösen. Sie trauern um uns. Sie halten sich für die letzten Menschen. Und Nam-Legak hält sich für den letzten Proka, der Tag und Nacht seinem Galaktischen Krieg nachheult, aus dem er immer noch einen Galaktischen Frieden machen will. Und Praxlomza rennt wahrscheinlich auch heute noch über eine grüne Wiese und sucht sich nach uns die Augen aus dem Kopf...« Barnett schloß mit einem irren Lachen, drehte sich einmal um die eigene Achse, wobei er mit dem ausgestreckten Arm ringsum den Horizont beschrieb. Als er den Kreis beendet hatte, sah er genau in Perkins' verzweifeltes Gesicht. Und dieses Gesicht war ihm plötzlich zuwider. »Warum lachst du, dreckiger Pirat? He?« Im nächsten Augenblick sank Perkins durch einen Faustschlag zu Boden. Er war nicht betäubt. Aber er blieb trotzdem liegen, weil dort das Risiko am geringsten war. Und außerdem hatte er gar nicht gelacht. Das Lachen war ihm längst vergangen. Genau wie den anderen. Wenn hier einer das Lachen versuchte, dann wurde etwas völlig Verzerrtes daraus wie bei Perry Barnett. Bannister sah hilfesuchend zu Iks-Wol-Esak. Diesem war ein Milieu, in dem dann und wann die Faust regierte, völlig fremd. Da half es auch nichts, daß Perry Barnett sein bester Freund Copyright 2001 by readersplanet
war. Auf Terra mochte das Gültigkeit gehabt haben. Aber hier? »Regt euch nicht auf«, erklärte der Proka plötzlich. »Der Captain braucht noch zwei Minuten Ruhe. Es tut ihm schon leid, daß er dich geschlagen hat, Perkins. Es war eine Affekthandlung. Das darfst du ihm nicht übelnehmen.« »Demnach macht es nichts aus, wenn ich wieder aufstehe...« Barnett reichte ihm die Hand. »Entschuldige, Perkins. Ich habe die Nerven verloren. Ausgerechnet ich als der Captain.« »Schon gut, es genügt, wenn du dich blamiert fühlst. Ich kann dir direkt nachfühlen, wie schmerzhaft diese Selbstanklage für deinen Stolz ist...« Auch der Arzt verlor etwas von seinem Mißtrauen. »Gott sei Dank! Wenn ihr euch nach jeder Schlägerei so schnell vertragt, will ich mich weiter nicht beschweren.« Perkins grinste. »Trotzdem hielte ich es für ausgleichende Gerechtigkeit, wenn du auch mal bei so einem Haken an der Reihe wärest...« Iks-Wol-Esak äußerte sich dahingehend, daß er die menschliche Psyche immer mehr verstünde. - Selbst in den schwierigsten Situationen bringe es der Mensch fertig, nebensächliche und persönliche Eifersüchteleien auszutragen. Dadurch erkläre sich wahrscheinlich auch die Zähigkeit dieser zweibeinigen Rasse. »Ganz recht«, stimmte Bannister zu. »Wir sind die Meister des Unwesentlichen. Deshalb bringen wir es auf der einen Seite zu keiner rechten Vollkommenheit. Es hat manchen klugen Satiriker bei uns gegeben, der sich über die menschlichen Fehler lustig gemacht hat, und im Endeffekt feststellen mußte, daß menschliche Schwächen menschliche Stärken sind.« Perkins fluchte. Er rieb sich noch die linke Gesichtshälfte, fand aber darüber hinaus die augenblickliche Stegreifphilosophie seiner gebildeten Mitmenschen völlig unangebracht. »Ihr verdammten Intelligenzkrüppel! Ist das alles, was im Augenblick euer Herz bewegt? Ich schlage vor, wir kümmern uns lieber um ein anständiges Nachtquartier. Mich würde zum Beispiel sehr interessieren, ob die Nächte in diesen Breiten kalt oder warm sind. Eventuell steht uns noch ein Duell um die Schlafdecken bevor...« An die Nacht hatte noch keiner gedacht. Dabei stand die Sonne bereits nahe dem Horizont. »Die Nacht?« fragte Forry Bannister unsicher und mißtrauisch. Barnett machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn es kalt wird, gehen wir in die Kabinen. Die sind isoliert wie das Raumfahrzeug. Perkins hat das bloß in seiner Aufregung vergessen.« Die Nacht kam innerhalb weniger Minuten. Das war auf Eta nicht anders als in den Tropen der galaktischen Planeten. Und es wurde kalt. Die Männer zogen sich in die Flugkabinen zurück. Die Sitze wurden zu Liegen ausgefahren. Dazu genüge ein einziger Knopfdruck. »Komisch, die Infrarot-Beobachtung klappt heute wieder«, sagte Barnett ohne Begeisterung. »Wir werden Wachen einteilen...« Der Proka war wieder zu ihm gekommen. Bannister und Perkins sollten in ihrem Fahrzeug schlafen. Iks-Wol-Esak erklärte: »Du brauchst nichts einzuteilen. Ihr Menschen habt den Schlaf dringender nötig als ich.« »Willst du damit sagen, daß du die ganze Wache übernimmst?« »Wir haben den Kalender dieses Planeten bisher vollkommen vernachlässigt. Ich werde mich ein wenig mit der Rotation beschäftigen. Die Sterne sind gut sichtbar. Also, geht nur schlafen! Wenn mir die Nacht trotzdem zu lang werden sollte, kann ich dich immer noch wecken.« »Gut. Ich nehme dein Angebot an. Denn ich bin wirklich hundemüde. Aber sobald du irgend etwas Verdächtiges bemerkst, will ich Bescheid haben.«
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Die drei Menschen legten sich hin und schliefen sofort ein. Trotz der Ungewißheit und der Sorge um die Zukunft schliefen sie. Die Natur war stärker. Iks-Wol-Esak dagegen hatte noch eine Menge Energiereserven. Während man für die Menschen ein Drittel des Tageslaufs als Schlafzeit rechnet, gilt für die Prokas ein Normalverhältnis von 1:10. Der Kugelmann mußte also durchaus kein Philanthrop sein, wenn er die Nachtwache freiwillig übernahm. Der wirkliche Grund war seine Neugierde. Und die Gewißheit, daß er jetzt niemals schlafen konnte. Auch in seiner Rasse steckte tief verwurzelt ein starker Selbsterhaltungstrieb. Was er den anderen gegenüber an Theorien-Fanatismus zur Schau trug, war die Äußerung seines überdurchschnittlichen Intellekts. Als Wesen kannte er den Egoismus und die Angst wie alle anderen. Wenn er sagte, er wolle die Rotation der Sterne beobachten, so stimmte das freilich. Der Vollständigkeit halber hätte er aber getrost hinzufügen können, daß er der Aufmerksamkeit der Menschen nicht so recht traute. So war es ihm auf jeden Fall lieber. Mit dem Periskop suchte er das Land bis zum Horizont ab. In allen Himmelsrichtungen herrschte Stille und Bewegungslosigkeit. Auch der Planet Eta schien zu schlafen. Es war das Gesetz aller rotierenden Planeten, daß die Nacht den Tag ablöste, daß auf das Wachen der Schlaf kam. Ob auch die Romantik des Sternenhimmels Gesetz war? Iks-Wol-Esak wußte aus der Bibliothek des Menschen, daß die Gestirne in dessen Geschichte schon früh eine Rolle gespielt hatten. Genau wie bei den Prokas. Bevor die Wissenschaft die Himmelsmechanik erkannte, waren die Sterne bereits das Privileg der schwärmenden Literaten gewesen. In welchem Stadium befanden sich die Etaner? Iks-Wol-Esak versuchte sich vorzustellen, daß drüben in der Ebene Vierbeiner auf dem Rücken lagen und ehrfürchtig die Lichter am Firmament zählten. Es gehörte sehr viel Phantasie zu dieser Vorstellung. Die Vierbeiner! - Er vergaß einen Augenblick den Himmel und mußte an sie denken. Würden sie kommen? Ein Geräusch hinter ihm erschreckte ihn. Er fuhr herum und mußte feststellen, daß er mit den Menschen allein war. Das Geräusch kam von den Menschen. Der Proka wurde unruhig. Er kannte dieses leichte Grollen nicht. Akustisch hatte es Ähnlichkeit mit der Lautmalerei eines zornigen Menschen. Aber Barnetts Gedanken waren völlig passiv. Er träumte auch nicht. Der Proka stieß ihn an. Barnett war sofort wach und richtete sich auf. Automatisch griff er nach der Waffe. »Was ist los? Kommen sie?« »Niemand kommt. Ich wecke dich deinetwegen. Oder auch meinetwegen. Vielleicht kannst du mich beruhigen...« Der Captain hatte den Proka noch nie so ratlos gesehen. »Verdammt! Willst du dich nicht deutlicher ausdrücken? Ich habe jetzt geschlafen. Ich habe nicht einmal geträumt.« »Das ist es ja. Dein Gehirn hatte nicht den geringsten Reflex einer Vorstellung. Und trotzdem hast du unartikuliert gesprochen.« Barnett sah ihn sekundenlang dumm an. Dann mußte er plötzlich schallend lachen. »Unartikuliert sprechen nennt man bei uns Schnarchen! Das ist das Harmloseste, was ein Mensch an sich haben kann.« »Aber es klingt gefährlich. Vor allem, weil kein Sinn dahintersteckt.« »Beruhige dich. Ich werde versuchen, das Schnarchen zu unterlassen. Garantieren kann ich dir allerdings nicht dafür...« Perry Barnett schlief wieder ein. Es ging etwa fünf Minuten gut. Sein erstes Schnarchen fiel praktisch mit der ersten Unruhe draußen auf der schiefen Ebene zusammen. Der Proka war froh, ihm jetzt einen anderen Grund für das Wecken nennen zu können. »Draußen bewegt sich etwas. Ich habe das Periskop bereits auf die Richtung eingestellt.« »Bei Gott, das sind die Pferdewesen«, stöhnte Barnett und rief sofort Perkins über UKW. Die beiden Männer in der anderen Kabine meldeten umgehend Gefechtsbereitschaft. Copyright 2001 by readersplanet
»Okay!« sagte Barnett. »Geschossen wird aber nur auf meinen Befehl!« Das war so gut wie ein Verbot. Es half hier aber genauso wenig wie am Tage vorher bei Lisman. Perkins' Schuß war eine ähnliche Reflexbewegung. Und hier trug Perkins nicht allein die Schuld, denn alle hatten die Beobachtung nach den anderen Richtungen vernachlässigt. Sie starrten nur auf die wogende, quirlende Masse von Vierbeinern, die sich langsam den Hang hinaufarbeitete. Es mußten weit über hundert Etaner sein, die sich dort heranwälzten. Sie waren nackt und waffenlos. Trotzdem flößten sie Furcht ein. Denn ihre Art des Angriffs war überzeugend. Für Verhandlungszwecke hätten weit weniger Individuen genügt. Wer die Menschen kennt, wird sich nicht wundern, daß auf diese Phalanx terranische Strahlkanonen gerichtet waren, und aß die Schützen von Sekunde zu Sekunde den entscheidenden Augenblick näherkommen fühlten. Das Autovisier zeigte die Entfernung mit dreihundertfünfzig Metern an, als Bannister durch die Panoramascheibe einen riesigen Schatten von der Seite auftauchen sah. Erst sein Schrei machte Perkins auf die Gegner aus dem Hinterhalt aufmerksam. Der riß seine Kanone herum und schoß, ohne genau Ziel zu nehmen.
* Ob der Schuß die Etaner getroffen hatte, die sich bereits dicht vor den Flugkabinen auf dem Plateau befanden, konnte niemand mehr feststellen. Der Schuß hatte eine wesentlich einschneidendere Wirkung. Er verwandelte die Landschaft. Ohne Übergang blitzte der helle Tag auf. Die vier mußten die Augen schließen, da die geweiteten Pupillen unter soviel Helligkeit nur mit körperlichem Schmerz reagieren konnten. Als sie langsam die Lider öffneten, war alles anders. Nein, nicht alles! Das Plateau mit den beiden Flugkabinen existierte noch. Doch das andere! Aus der glatten schiefen Ebene waren stufenartig angelegte Terrassen geworden. Am Fuße des Hügels, wo man bisher den seltsamen Irrgarten mit den Vierbeinern gewußt hatte, erhob sich eine Stadt mit himmelragenden Hochhäusern und Türmen. Und dazwischen prangte das saftige Grün, das sie bei ihrer ersten Landung im Übermaß angetroffen hatten. In einer solchen Situation war kein Platz für Vorwürfe gegen Perkins. An den Schuß dachte niemand mehr. Barnett sprang als erster hinaus. Die anderen folgten zögernd und wurden zutraulicher, als sie die gleiche wohltuende Atmosphäre vorfanden. »Von Leben keine Spur«, sagte Bannister leise. »Sie haben sich versteckt«, erklärte der Proka, als ob er eine sichere Quelle besäße. »Versteckt?« meckerte Perkins ohne Überzeugung. »Woher wollten die denn wissen, daß ich schieße? Dieser sonderbare Zeitsprung läßt sich doch nur aus der Überraschung erklären. Es war doch keiner darauf vorbereitet.« »Du nicht«, grinste Bannister. »Aber die Etaner. Ich denke, Iks hat recht.« »Natürlich habe ich recht. Man hat uns in die Zukunft geholt. Die Burschen wußten also lange genug, daß dieser Schuß fallen würde. Sie haben heute sogar das Plateau für uns reserviert.« »Alles schön und gut. Ich glaube tatsächlich bald, was ihr sagt. Wenn es auch noch so verrückt für einen normalen Menschen klingt. Rein theoretisch ist es logisch.« »Gut, daß du das einsiehst.« »Ich sehe aber nicht ein, weshalb sie sich verstecken. Wenn sie sich schon so lange auf unsere Ankunft vorbereiten konnten, dann waren sie auch in der Lage, uns hier in Empfang zu nehmen und sich gleichzeitig entsprechend zu schützen, wenn sie uns schon mißtrauen." »Du legst wohl großen Wert auf einen Empfang. Möglichst noch mit einer festlichen Begrüßungsansprache.« Copyright 2001 by readersplanet
»Ich lege Wert darauf, endlich mal mit diesen Herrschaften zu reden. Ich will wissen, woran ich bin. Nichts gegen eure halbgescheiten Theorien. Aber Gewißheit wäre mir lieber ...« »Gewißheit wäre uns allen lieber. Es fragt sich nur, ob sich die notwendigen Verhandlungen mit der Mentalität der Etaner vertragen. Wir wissen nicht einmal, inwieweit wir bei diesen Leuten Intelligenz voraussetzen können.« »Na, hör mal, mein Bester! Sagt dir die Stadt dort nicht schon genug?« »Die Stadt sagt gar nichts«, fiel Iks-Wol-Esak in die Unterhaltung ein. Er meinte es nicht einmal so pedantisch, wie es klang. »Diese Stadt setzt nicht unbedingt die Intelligenz ihrer Erbauer voraus. In der Galaxis kennen wir genügend Spezies, die das aus reinem Instinkt fertigbringen.« »So, dann willst du mir sogar einreden, diese Stadt gehört den seltsamen Pferdegestalten, von denen du bereits behauptest hast, daß sie dumm sind...« »Ich weiß es nicht. Wir sollten uns überzeugen...« »Aha, eine Expedition?« »Du selbst kannst es nicht abwarten, mit den Herrschaften zu reden. also wirst du dich bemühen müssen«, erklärte Barnett. »Ich schlage vor, wir fliegen hinüber und sehen uns die Sache zunächst wieder einmal von oben an. Vielleicht können wir dort auch landen. Alle Dächer sind flach.« »Zum Landen müßten sie auch stabil sein.« »Ich rechne damit. Denn Häuser von jener Größe sind schließlich nur unter Berücksichtigung gewisser statischer Werte denkbar.« »Sie sind auch als Fata morgana denkbar...« »Ach, halt die Klappe! Du bist wie eine Frau, die immer das letzte Wort haben muß. Setz dich in deinen Flitzer und vergiß nicht, Forry mitzunehmen. Wir starten.« Aus dem Start wurde nichts. Keine der beiden Maschinen reagierte. Im Lautsprecher hörte man Perkins ungesittet fluchen. »Das Biest rührt sich nicht. Ich habe überhaupt kein Magnetfeld.« »Genau wie ich. Wir müssen uns wohl mit einem Fußmarsch abfinden.« »Du gibst aber schnell auf.« »Rede keinen Blödsinn und steig aus! Oder willst du vielleicht das Aggregat in Ordnung bringen?« Alle wußten, daß Perkins bestimmt nicht dazu in der Lage war. Im Lautsprecher hörte man noch Bannisters Aufmunterung. »Los, Perkins, geh an Land! Diese Schweinerei haben wieder die Etaner ausgetüftelt. Sie allein sind auch imstande, die Kabinen wieder flugfähig zu machen...« Perkins sprang mit einem Gesicht zu Boden, das zum Fürchten Anlaß gab. »Diese verdammten Pferdekreaturen. Langsam habe ich das Gefühl, sie veranstalten mit uns so eine Art Zirkus.« »Zirkus wäre noch das harmloseste. Also nehmen wir zu unserem Vorteil an, sie treiben ein Spiel mit uns...« »Sie studieren uns«, erklärte Iks-Wol-Esak. »Sie sind neugierig und wollen wissen, was wir sind. Das kann solange harmlos sein, wie sie uns nicht sezieren.« »Zum Sezieren müssen sie uns erst einmal in ihre Gewalt bekommen.« »Die meisten haben sie schon. Wir vier sind die letzten, die mit Gewißheit noch am Leben sind.« »Du siehst plötzlich alles sehr subjektiv, Proka. Es besteht durchaus noch die Möglichkeit, daß die anderen genauso lebendig sind wie wir.« »Freilich besteht die Möglichkeit. Und ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, alle Freunde gesund wiederzusehen. Im Augenblick kann ich aber nur subjektiv urteilen. Wir müssen von Copyright 2001 by readersplanet
dem ausgehen, was augenblicklich mit Sicherheit existiert. Und das bist du, Perkins, das sind Barnett, Bannister und ich...« »Und die Flugkabinen und die Stadt«, ergänzte der Captain. »Wir werden also hinuntergehen. Es fragt sich nur, ob wir einen oder zwei Mann zurücklassen.« »Wofür?« fragte Iks-Wol-Esak. »Zur Sicherung der Kabinen.« »Hast du eine Vorstellung, wie du die Kabinen vor einem feindlichen Zugriff schützen willst?« Barnett sah das Kugelwesen ratlos an. »Wenn du mir klarmachen willst, daß wir uns auf diesem Planeten mit unseren bisherigen Kenntnissen überhaupt nicht schützen können, dann kann ich ebensogut behaupten, daß all unsere Bemühungen von vornherein lächerlich und nutzlos sind. Wenn Perkins hier mit einer Pistole Wache hält, dann wird er schießen, sobald sich ihm jemand nähert.« »Eben. Und die Erfahrung hat gezeigt, daß wir mit Schießen nichts bessern. Selbstverständlich ist die Möglichkeit gegeben, daß die Angreifer in eine andere Zeit fliehen. Andererseits mußt du damit rechnen, daß sie die Flugkabinen und Perkins verschwinden lassen. Du hast keine Handhabe für irgendeine Prognose. Für dich spielt sich hier alles nach dem Gesetz des Zufalls ab.« Perkins lachte gereizt. »Du mit deinem Gesetz des Zufalls. Je länger man dir zuhört, um so verwirrter wird alles.« »Das Gesetz im Chaos ist ebenso gültig wie das Gesetz im Kosmos«, versuchte Iks-Wol-Esak zu dozieren. Doch Barnett unterbrach ihn. »Ich schlage vor, ihr verschiebt euer Kolleg auf einen günstigeren Zeitpunkt. Wir marschieren in fünf Minuten ab. Bis dahin hat jeder Zeit, sich mit Verpflegungstabletten zu versorgen. Für den Fall, daß man uns die Kabinen auch noch nimmt, sind Lebensmittel wahrscheinlich wichtiger als Waffen.« »Keine Angst, ich werde beides schleppen«, grollte Perkins und verschwand in seiner Kuppel. Vor Ablauf der gesetzten Frist waren alle marschbereit. Die Nährtabletten hatte man über sämtliche Taschen der Kombination verteilt, so daß für alle vier die Verpflegung für mehrere Wochen gesichert war. An eine spätere Zukunft wagte kaum jemand zu denken. Dafür bereitete die Gegenwart schon genug Sorgen. Sie traten an den Rand des Plateaus und musterten die endlose Treppe, die sich in der Ferne zwischen den Hochhäusern verlor. Barnett nahm die ersten Stufen. Die anderen folgten zögernd. Bannister wollte noch einen Blick auf die beiden Flugkabinen werfen, da er sich bereits damit abzufinden bemühte, sie nie mehr wiederzusehen. Doch in diesem Augenblick kam die nächste Überraschung. Der Planet Eta hatte offenbar keinen Sinn für menschliche Sehnsucht und galaktisches Gemüt. Er verlangte immer wieder Konzentration auf die unmittelbare Gegenwart. Jetzt hatte sich die Treppe in Bewegung gesetzt. Nach dem Proka erholte sich zuerst Perkins von dem Schreck. »Hallo, das ist eine Rolltreppe! Eine abwärtsfahrende Rolltreppe. Die Pferde geben sich verdammt Mühe...« Viel mehr brachte Perkins an Begeisterungsäußerungen nicht zustande, denn das Tempo der Treppe nahm ständig zu. Ein pfeifender Fahrtwind kam auf. Und keiner der drei Menschen brachte es fertig, stehenzubleiben. Sie kauerten sich auf den Boden und warteten schweigend auf das Ende dieser verrückten Treppenfahrt. Das Ende kam irgendwo im Zentrum der Stadt auf einem riesigen Platz. Die Treppe wurde rapide abgebremst. Kurz bevor sie im Boden verschwand, krächzte der Proka etwas von Abspringen. Noch bevor sie ihre neue Umgebung genauer in Augenschein nehmen konnten, erfolgte ein neuer Übergang. Von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich die Verlassenheit ihrer Umgebung in eine wogende Menge vierbeiniger Wesen. Es war, als ob in einem Film eine neue Szene beginnt. Der Cutter hatte zwei Streifen so zurechtgeschnitten, daß der normale Zeitablauf damit völlig ignoriert wurde. Es war, als litte Eta unter Zeitmangel. Der Aufmarsch von zehntausend Copyright 2001 by readersplanet
Pferdeartigen hätte wahrscheinlich Stunden in Anspruch genommen. So - mit diesem kleinen rätselhaften Trick - standen sie plötzlich da und jagten den Fremden Angst ein. Ihre Menge war erdrückend und deprimierend, obgleich sie eine breite Gasse gelassen hatten, in der sich die Menschen und der Proka bewegen konnten. Der erste sachliche Impuls kam von Iks-Wol-Esak. »Wir dürfen jetzt nichts überstürzen. Vor allem laßt die Pistolen aus der Hand.« »Ich werde mich hüten«, sagte Perkins. Hier brauche ich schon vier Tage Dauerfeuer, um die Burschen einzeln abzufertigen...« »Spürst du Gedanken?« fragte Barnett. »Ja, eure. Das andere ist undefinierbar.« »Aber es ist etwas da?« »Freilich, sie denken auch. Aber es sind Tausende von Gehirnen. Da kann man nichts machen. Wahrscheinlich ist ihre Art des Denkens auch zu ungewohnt für uns.« »Leute, die eine solche Stadt bauen, müssen ein ähnliches Vorstellungsvermögen haben wie wir. Wir können doch nicht ewig hier stehen und uns gegenseitig anglotzen.« »Zunächst brauchen wir Geduld. Ich versuche herauszufinden, ob es hier einen Führer, Minister, Häuptling oder etwas Ähnliches gibt. Wenn ja, dann müßte er sich logischerweise in unserer Nähe befinden.« »Äußerlich sehe ich keinen Unterschied«, sagte Perkins. »Sie sind alle nackt und häßlich.« »Vor allem sind sie stärker. Komm, bleib hier! Laß mich zuerst gehen!« Iks-Wol-Esak rollte sich näher an die Mauer der Leiber heran. Das verursachte die erste Reaktion bei den Etanern. Etwa ein Dutzend der Vierbeiner löste sich aus der Menge und kam dem Proka entgegen. Das alles war mit einem monotonen Geräusch verbunden, von dem man allerdings nicht sagen konnte, ob es sich um Sprache handelte. Das Geräusch lag bedrückend wie das Summen eines riesigen Bienenschwarms über der ganzen Stadt. Es konnte Erregung, Spannung, Neugierde, Begeisterung oder Haß bedeuten. Die vier wußten es nicht. Sie fühlten sich verlassener als in unbelebter Einsamkeit. Und sie hatten die Angst der Einsamen. Barnett hielt das Telepathierelais in Brusthöhe an seinen Körper gepreßt. Es kam jetzt alles darauf an, mit Iks-Wol-Esak klaren Kontakt zu halten. Denn nur der Telepath würde hier in der Lage sein, eine Verständigung mit den Etanern zu erreichen. Aber Barnett wartete lange und vergeblich auf den ersehnten Kontakt. Der Proka war nicht in der Lage, irgend etwas Nützliches oder auch nur Verständliches zu interpretieren. Wenn sich etwas an der Situation änderte, so war es das, daß die Etaner in ihren vorsichtigen und zögernden Bewegungen dennoch immer näher kamen. Daß die Angst stärker wurde und die Einsamkeit blieb. Die Wesen schlossen einen engen Kreis um sie. Sie waren zum Greifen nahe. Und ihre Nachbarschaft weckte das Gefühl des Ekels. Man mochte sie mit terranischen Pferden verglichen haben. Doch aus der Nähe hielten sie diesem Vergleich nicht stand. Sie waren absolut nicht wie Pferde. Denn dann wären sie schön, edel und rassig gewesen. »Mir wird übel«, ächzte Perkins. »Unsinn!« fuhr ihn Barnett an. »Sie stinken nicht. Und ihr Aussehen darf dich nicht stören. Wir haben jetzt tatsächlich andere Sorgen.« Iks-Wol-Esak gab erneut den Fehlschlag seiner Bemühungen bekannt. Telepathisch kam er nicht an die Etaner heran. Er spürte nur einen klaren Impuls bei Perkins, der die Absicht des Schießens ankündigte, sprang auf den Mann zu und riß ihm die Waffe aus der Hand. Diese Episode machte auf die Etaner anscheinend keinen Eindruck. Sie verwirrte nur die Menschen, die durch ihren persönlichen Zwist die vielen Tausend fremden Wesen um sich herum sekundenlang vergaßen. Barnett hatte keine Kenntnis von Perkins' Gedanken und wollte den Proka maßregeln. Doch der kam auch ihm zuvor. »Gib dir keine Mühe, Captain! Perkins wollte schießen, was du natürlich nicht wissen kannst. Aber ich sage dir, wenn du dem noch eine Waffe in die Finger gibst, sind wir verloren. Benehmt euch endlich mal wie erwachsene Galaxier! Mit solchen Copyright 2001 by readersplanet
Affekthandlungen werden wir in dieser Welt ewig scheitern. Und Scheitern kann auch Sterben bedeuten.« »Er ist verrückt, dieser kleine kugelige Besserwisser. Er spielt sich zum Vormund der Menschen auf und hat selbst keine Möglichkeit, irgend etwas Gescheites zu zeigen. Er ist machtlos wie du, Bannister und ich. Er ist machtloser als ich. Denn ich habe noch meine Fäuste...« Perkins zeigte seine Fäuste. Er hielt sie hoch, damit sie jeder sehen konnte. Diese Fäuste waren sein letzter Stolz. Und er zeigte sie allen, die auf dem riesigen Platz einen Blick davon erhaschen konnten. Er sprang vor und stürzte sich auf die nächsten Etaner. Allerdings erreichte er sie nicht. Vier oder fünf der Wesen retteten sich vor ihm in einen Zeitsprung. Dann war er selbst an der Reihe und verschwand im Nichts. Barnett fehlte die geringste Spur von Feuchtigkeit unter dem Gaumen. Er wollte sprechen sagen, daß sie jetzt nur noch drei waren, und daß er Besonnenheit von seiner Mannschaft verlange. - Dann kam auch zu ihm der Übergang.
* Der Wechsel zerstörte nichts von den Vorgängen im Organismus der Individuen. Barnett behielt den Gedanken unausgesprochen. Er hätte die Sätze geformt, die ihm draußen auf dem großen Platz auf der Zunge gelegen hatten. doch die neue Situation brachte neue Probleme, und hier waren seine Befehle unsinniger als jemals zuvor. Hier mußte er selbst erst tasten, um sich ganz klar einzureden, daß er noch lebte, daß er gesunde Luft atmete und ein Mensch geblieben war. Über ihm wölbte sich eine fensterlose Kuppel. Das Licht war indirekt. Unbekannte Quellen reflektierten es auf den Wänden. Auf dem Boden standen lange Reihen glasähnlicher Schränke. Und neben sich entdeckte er Iks-Wol-Esak und Forry Bannister. Die drei waren allein. Der Arzt kam noch einen Schritt näher zu ihm und suchte seinen Arm. »Perry! Wenn das so weitergeht, werde ich verrückt. Das hält kein Mensch aus. Was mit uns geschieht, ist ein Widerspruch gegen die Natur...« »Hör auf!« krächzte Iks-Wol-Esak mit Lautunterstützung. »Man kann sich sehr gut an diesen ewigen Szenenwechsel gewöhnen. Am schlimmsten war es beim ersten Mal. Und wenn du da nicht verrückt geworden bist, wirst du es jetzt bestimmt nicht mehr. Es ist doch völlig unlogisch, sich vor dem Tode zu fürchten, der uns offenbar gar nicht zugedacht ist. Bisher haben die Etaner noch keinen von uns getötet ... Sie hätten es aber wahrscheinlich längst getan, wenn es ihre Absicht wäre.« Bannister beruhigte sich etwas. »Ob tot oder lebendig. In diesem Zustand ist das kein großer Unterschied.« Barnett versuchte es mit einer Aufmunterung, die er zum Teil an sich selbst richtete. »Tote haben keine Hoffnung mehr. Das unterscheidet uns von ihnen...« Der Proka kam ebenfalls näher. »Ihr solltet endlich damit aufhören, die Vorgänge auf diesem Planeten als widernatürlich anzusehen. Nur solange ihr das Paradoxe darin verwirklicht findet, besteht die Gefahr, daß ihr den Verstand verliert.« »Was ich als Paradoxon erkenne, kann ich nicht als sinnvoll ansehen«, verteidigte sich Bannister. »Realitäten sind aber nicht paradox. Was hier geschieht, muß also für diese Welt sinnvoll sein und dem Naturgesetz entsprechen.« »Demnach vertrittst du die These, daß Gesetze an verschiedenen Orten nicht dieselbe Gültigkeit haben.«
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»Absolut nicht! Ich bin aber bescheiden genug, um einzusehen, daß unsere galaktischen Erkenntnisse vielleicht nur ein Randgebiet der totalen Weltweisheit berühren...« »Er will uns trösten. Wir brauchen Trost. Also nehmen wir ihn an«, sagte Barnett und suchte nach einer Nährtablette. »Wir sollten das Essen nicht vergessen. Vielleicht sind wir nur so empfindlich, weil uns die notwendigen Kalorien fehlen.« Sie schluckten die Tabletten. Auch Iks-Wol-Esak erhielt eine. Er schnappte sie Barnett mit dem mittleren Tentakel aus der Hand und ließ sie blitzschnell in seinem Körper verschwinden, ohne daß die beiden Menschen den Vorgang genau verfolgen konnten. Sie wußten bis heute nicht, wie ein Proka eigentlich ißt. Aber da diese Frage durchaus nicht zu den brennenden Problemen zählte, vergaßen sie die Menschen sofort wieder. Der Captain tat einige Schritte den Gang zwischen den langen Kastenreihen hinunter und sah nach rechts und links. »Es ist besser, wir bleiben zusammen. Kommt mit! Vielleicht finden wir einige Etaner.« »Sobald wir sie finden, gehen sie uns aus dem Wege oder lassen uns wieder in eine andere Zeit springen«, sagte Bannister etwas hoffnungslos. »Ich möchte nach den bisher gemachten Erfahrungen vorschlagen, daß wir weniger den Etanern nachlaufen, als uns um ihre Zivilisation und Technik kümmern. Die Vierbeiner sind wie Schatten, die man nicht zu fassen bekommt...« »Er hat recht«, erklärte der Proka. »Zum Beispiel diese Glaskästen hier. Ich wette, daß sie nicht aus Glas sind. Aber nennen wir sie einmal so.« »Sie sehen aus wie Särge«, meinte der Arzt. »Nach dem Aussehen können wir hier nicht urteilen. Es können ebensogut Maschinen, Betten oder Wohnungen sein.« »Oder Gefängniszellen...« »Eure Phantasie ist beneidenswert«, brummte Barnett. »Bevor ihr weiter ratet, solltet ihr mal hineinsehen.« Dieser Vorschlag bedeutete einige Schwierigkeiten. Die Glaskästen standen auf hohen schwarzen Sockeln, so daß ein Mensch nicht hineinsehen konnte. Und bei der verhältnismäßig starken Schwerkraft Etas gelang es ihnen auch nicht, hoch genug zu springen. Für den kleinen Kugelmann, der Barnett kaum bis an die Hüfte reichte, war dieses Problem noch größer. »Wir sollten einander auf die Schultern heben«, schlug Bannister vor. »Auf dein Gewicht verzichte ich«, wehrte der Captain sofort ab. »Bei dieser Gravitation, nein...« »Ich denke an Iks. Den wirst du wohl schaffen können.« »Hm, was meinst du, Iks? Ich glaube nicht, daß unsere gemeinsame Höhe reichen wird. Aber du hast ja ein absolutes Augenmaß.« »Der Glasrand liegt immer noch zu hoch. Auch wenn ich auf deinen Schultern stehe.« »Na siehst du...« »Trotzdem! Wir sollten es versuchen. Meine Arme sind lang genug, um die obere Kante der Kästen zu erreichen. Wenn ich mich dann ein Stück hochziehe, muß es klappen.« »Wenn du meinst. Also los.« Perry Barnett ging in die Hocke. Iks-Wol-Esak kroch an ihm hoch und setzte sich auf seinen Kopf. Dann drückte der Mensch seine Knie durch. Die körperliche Anstrengung entrang ihm ein Stöhnen. Doch das Stöhnen half anscheinend. Breitbeinig, die Hände stützend ins Genick haltend, stand er an der schwarzen Wand des Kastens. Und plötzlich verschwand das drückende Gewicht auf seinem Kopf. Der Proka hatte die obere Kante erfaßt und zog sich ruckartig höher.
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Bannister stand ein paar Schritte abseits, um die seltsame Pyramide der beiden besser beobachten zu können. Zunächst empfand er nichts als Bewunderung für die artistische Beweglichkeit des kleinen Kugelmannes. Die drei Tentakel hatte er noch nie in völlig ausgestrecktem Zustand gesehen. Jetzt wunderte er sich, wie lang sie tatsächlich waren. Doch dann sah er mit seinem kritischen Blick ein Zittern in den Tentakeln. Dieser Blick, der ihm bei den Menschen auf Terra den Ruf eines guten Diagnostikers eingetragen hatte, konnte ihn auch hier nicht täuschen. Er hatte während der letzten Tage die beiden Prokas immer wieder heimlich studiert und etwas von ihrer Mentalität zu erfassen versucht. Wenn er sie mit seiner eigenen Art und den vierbeinigen Etanern verglich, dann durfte er sagen, daß die Prokas trotz ihrer anderen Gestalt menschenähnlich waren. Iks-Wol-Esak zitterte. Es mußte die Reaktion auf einen Schreck sein. Der unkriegerische Arzt griff instinktiv nach seiner Waffe, ohne sich darüber klar zu sein, daß er kaum etwas damit anfangen konnte. Denn über den Umgang mit einem Blaster hatte er sich lediglich einmal an Hand einer Gebrauchsanweisung orientiert. Allerdings war er sich noch weniger darüber klar, welcher Anblick sich dem Proka bieten mochte, der ihn so sehr erschrecken ließ. Das Zittern in den Tentakeln dauerte mehrere Sekunden. Dann ließ Iks-Wol-Esak sich zu Boden fallen. Trotz der Höhe und der übermäßigen Gravitation landete er wie eine Katze. Sein Körper war wieder vollkommen ruhig. Nur in seinen Gedanken fand Barnett Erregung und wenig Klarheit. »Wenn es gefährlich ist, müssen wir fliehen«, sagte Bannister. »Aber du denkst offenbar nicht an Flucht.« »Nein, ich denke nicht daran«, gab Iks immer noch erregt zur Antwort. »Flucht hat keinen Sinn. Auch dein Schießeisen nicht, Forry. Abgesehen davon, daß du kaum weißt, wo der Feuerknopf sitzt.« »Sage endlich, was du gesehen hast«, forderte der Captain ungeduldig. »Ich habe festgestellt, daß diese Kästen Särge sind.« »Na und? Sind sie leer oder liegen Tote drin?« »Es liegen Tote drin. Wir sind auf einem Friedhof der Etaner.« »Hm, ein Friedhof ist zwar kein Tingeltangel. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß dich der Anblick einer Leiche so aus der Fassung bringt. Vor allem einer etanischen Leiche...« »Es war keine etanische...« Die Menschen starrten ihn an. Sie wußten sofort, daß sie keinen Grund hatten, Iks-Wol-Esaks ungewohnte Angst als eine Bagatelle anzusehen. Sie wußten, daß auch zu ihnen wieder das Grauen zurückkehrte, das seit dem Verlassen der Galaxis ihr ständiger Begleiter war. - Es war keine etanische Leiche... Weder Barnett noch Bannister wagten diesen Gedanken zu vollenden. Bis der Proka nach einer Pause in grausamer Klarheit fortfuhr. »...der Tote in diesem Sarg ist ein Mensch.« Immer noch wollte Bannister sich an eine Hoffnung klammern. »Menschen gibt es viele. Vielleicht war er nicht von der Cora.« »Es ist Lisman. Welcher andere Mensch sollte jemals diese Seite des Universums erreichen? Wenn es tote Menschen auf Eta gibt, so stammen sie nur von der Cora. Genau wie wir. Und wenn ich sage, es ist Lisman, dann ist er es.« In diesem Satz lagen Aggressivität und Sachlichkeit. Aber kein Bedauern. Iks-Wol-Esak flüchtete in seine beneidenswerte Objektivität, die ihn gegen eine gefährliche Gemütsschwäche schützte. »Es hat keinen Sinn, daß wir uns etwas vormachen. Wir können auf diesem Planeten nur bestehen, wenn wir unberechtigte Hoffnungen sofort aufgeben. Sentimentalität ist lebensgefährlicher Ballast.« »Du selbst hast die Theorie aufgestellt, daß die anderen lediglich in eine andere Zeit geholt wurden. Das hat nichts mit Sterben zu tun.« »Es gut mir leid, wenn ihr den Wert meiner Theorie überschätzt habt. In diesem völlig fremden Milieu läßt sich aber höchstens mit Wahrscheinlichkeiten rechnen. Endgültige Copyright 2001 by readersplanet
Behauptungen haben nur Bedeutung, wenn man sie auch beweisen kann.« »Es ist gut«, sagte Barnett erregt. »Lassen wir jetzt einmal deine Theorien aus dem Spiel! Besser wäre, wir würden uns langsam über die völlige Hoffnungslosigkeit unserer Lage klar. Dann wird uns das Sterben vielleicht eine Erlösung sein.« »Willst du denn sterben?« »Wenn ich es muß, dann will ich es.« »Das könnte ein Proka gesagt haben. Einer wie Nam-Legak. Diese Gefühlsverwandtschaft ist ein Phänomen.« »Hör auf mit deiner leidenschaftslosen Philosophie!« brüllte Barnett plötzlich, daß es in der hohen Kuppel mehrmals widerhallte. »Denke jetzt endlich einmal an die Probleme des Augenblicks!« »Ich tue es die ganze Zeit. Was du bei mir Philosophie nennst, ist nichts anderes als der Versuch, dich zu einer optimistischeren Auffassung zu bekehren. Aus der Tatsache, daß Lisman tot ist, schließt du nämlich voreilig, daß die Etaner ihn umgebracht haben.« »Hast du eine andere Deutung?« »Nun, jeder Proka und jeder Mensch muß einmal sterben. Der Tod ist schließlich auch eine natürliche Folge.« »Im Falle der Krankheit oder des Alters. Lisman aber war gesund und fünfunddreißig Jahre als.« »Der Tote dort oben sieht wie ein Hundertjähriger aus...« Wieder fanden Barnett und Bannister sofort keine Antwort. Mit jedem Erlebnis wurde die Lage verwirrter, unsinniger und paradoxer. Der Captain entschied schließlich, daß er selbst hinaufsteigen wolle. Der Versuch mißlang jedoch. Bannister konnte ihn nicht lange genug halten. Und Iks-Wol-Esak sagte sofort, daß an ihrer gemeinsamen Körperhöhe immer noch zwölf Zentimeter fehlten. Darum gab Barnett es schließlich auf. Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Worten des Proka Glauben zu schenken. Unverständlich war ihm die Sache trotzdem. »Ein Mensch in dieser Gegenwart kann doch unmöglich ein Greis sein, wenn er ursprünglich mit mir gleichaltrig war. Schließlich hat man bei der galaktischen Raumfahrt bereits Erkenntnisse über die Zeitdilatation gewonnen, die man hier nicht so ohne weiteres über den Haufen werfen kann. Selbst wenn ich aufgrund unserer Erlebnisse auf diesem Planeten voraussetze, daß ein Zeitsprung tatsächlich ohne Bewegung in räumlichen Dimensionen möglich ist, dann müßte Lisman, wenn er häufiger als wir einen solchen Sprung gemacht hätte, nicht älter, sondern jünger als wir sein. Denn er wäre es, der die Zeit in ihrem normalen Ablauf überrundet hätte. Warum sind also wir nicht die Greise? Warum ist er nicht der Jüngling?« »Weil du falsch urteilst.« »So, tue ich das?« »Die Tatsachen beweisen es. Ohne Erklärung tun sie das.« »Okay. Aber ohne Erklärung ist das eine sehr unbefriedigende Sache. Also frage ich: Warum?« »Die Angelegenheit ist wahrscheinlich völlig einleuchtend, sobald sie uns jemand erklärt, der darüber Bescheid weiß.« »Hm, und was vermutest du selbst?« »Ich denke, mit Vermutungen kannst du nichts anfangen.« »Spiele jetzt nicht den Beleidigten! Nach meiner Meinung kann es nur so zusammenhängen, daß Lisman seit seinem Verschwinden keinen Sprung mehr gemacht hat. Wir aber haben zwei gemacht, den ersten auf dem Plateau, als es plötzlich hell wurde, und den zweiten auf dem großen Platz.« »Du sagst, was ich denke. Wenn die Anzahl unserer Sprünge nämlich größer ist als die von Lisman, dann müssen wir die Junggebliebenen sein. Allerdings gibt es noch eine zweite Copyright 2001 by readersplanet
Möglichkeit...« »Und die wäre?« »Denke an die contra-temporisierten Mesonen!« »Sobald ich daran denke, muß ich an die Gesetzlosigkeit glauben.« »An die scheinbare Gesetzlosigkeit. Eine konkrete gibt es nämlich nicht.« »Well, dann hätten unsere ganzen Überlegungen keinen Sinn mehr. Denn wenn du einen zeitlosen Faktor akzeptierst, dann könnte man in der Zeit hin und zurück springen. Dann könnte man an jedem beliebigen Punkt anknüpfen, und es wäre völlig gleich, ob Lisman ein Greis oder Jüngling ist.« »Es ist auch gleichgültig. Wesentlich gleichgültiger als die Tatsache, daß er starb. Lisman ist tot. Und die anderen?« »Es hat keinen Sinn, danach zu fragen«, behauptete Bannister. »Wo du Lismans Leichte gesehen hast, sind wir natürlich gern bereit anzunehmen, daß auch die übrige Besatzung nicht mehr lebt.« »Gern?« fragte Barnett. »Gern hätte ich es, daß ich nie geboren wäre. Eine andere Chance gibt es wahrscheinlich nicht, sich vor dem Irrsinn zu retten.« »Hilf mir«, bat Iks-Wol-Esak. »Ich will mir die anderen Särge ansehen. Rätselraten führt zu nichts.« »Gut«, nickte Barnett apathisch. »Wenn du Cora findest, versuche es mir schonend beizubringen...« Der Proka fand sie. Nicht sofort, in den nächsten beiden Särgen lagen Etaner, deren Schicksal für die Galaxier uninteressant war. Dann fanden sie Praxlomza. Auch er war wesentlich älter, als man ihn in Erinnerung hatte. Doch nach weiteren vier Särgen mit Etanern erklärte Iks, daß er Cora entdeckt habe. Barnett fragte nicht, wie sie aussah. Er konnte sich Cora nur als junges, frisches Mädchen vorstellen. Und er wollte sie sich nicht anders vorstellen. Was Iks-Wol-Esak sich an schonungsvollen Erklärungen zurechtgelegt hatte, interessierte ihn nicht. Er bildete sich nur ein, daß er selbst schon halb tot war. Ohne Cora wollte er nicht mehr leben. Ohne Cora... Weil er nur noch Verwirrung in sich spürte, handelte er ein zweites Mal so, wie er es als der Kommandant einer Raumschiffbesatzung nicht durfte. Er rannte den langen Ganz zwischen den Särgen hinunter und verschwand schließlich um eine Ecke. »Wir müssen ihm nach!« keuchte Bannister. Iks-Wol-Esak war schon unterwegs, bevor dieser Satz zu Ende gesprochen war.
* Hinter der Ecke lag ein Tor, durch das helles Tageslicht in den Kuppelbau fiel. Sie sahen weder Barnett noch ein anderes lebendes Wesen. Draußen lag der Platz, den sie aus der vorletzten Zeitperiode kannten. Es mußte der Platz sein, denn er unterschied sich vom Bild aus der Erinnerung nur dadurch, daß dieser Kuppelbau darauf stand. Der Mensch und der Proka traten ins Freie. Dort fanden sie Barnett. Und sie fanden noch mehr. Einen Gegenstand, vor dem der Captain erstarrt stehengeblieben war und sogar seinen Schmerz um Cora vergessen haben mußte. Der Gegenstand war irdischen Ursprungs. Er erinnerte an die erste Landung auf Eta. An die grünen Wiesen, an die grünen Wälder und an Praxlomzas Verschwinden. Es war die Erkennungsboje, die sie damals auf der Wiese zurückgelassen hatten. »Wie kommt sie hierher?« fragte Bannister leise, als ob er fürchtete, jemanden bei der Andacht zu stören. Copyright 2001 by readersplanet
»Fragst du immer noch?« wandte Barnett sich nach ihm um. »Sie ist eben da, die Boje. Das ist doch ganz selbstverständlich. Ich hätte mich gewundert, wenn sie hier nicht stünde...« Bannister ging einen Schritt zurück. Der Captain blickte ihn wie ein Irrer an. Er phantasierte. Und er lachte schallend über den weiten, leeren Platz. »Forry, du bist nichts als ein einfältiger Psychologe, der außerhalb der menschlichen Gesellschaft völlig auf Glatteis segelt. Und Iks verbirgt sein Unwissen und seine fortwährende Verblüffung hinter gescheit anmutenden Spekulationen. Es ist nur gut, daß ich der Captain bin. Denn wer hier richtig handeln will, der muß zunächst einmal die Logik in sämtlichen Ereignissen erkennen. Sonst wird man verrückt.« »Demnach hast du dich also inzwischen dazu durchgerungen, nichts mehr von den etanischen Tatsachen zu bezweifeln. Mit mir mußt du allerdings etwas mehr Geduld haben. Ich sehe nicht ein, wieso wir ausgerechnet hier und heute auf die Boje stoßen müssen.« »Sie steht hier, weil wir sie hier abwarfen.« Bannister machte gute Miene zum bösen Spiel. Er war bereit, die verrückteste Behauptung ohne Widerspruch hinzunehmen, nur, um Perry Barnett nicht zu reizen. Um so erstaunter war er, daß Iks-Wol-Esak diese Annahme in völligem Ernst unterstützte. Deutlich erklärte der Proka: »Die grüne Welt ist lange Vergangenheit für uns, obgleich wir sie erst vor zwei Tagen verließen. Das Plateau und die Stadt liegen an derselben Stelle. Die Boje steht wahrscheinlich hier, weil man sie durch die Jahrhunderte oder Jahrtausende als Denkmal betrachtet hat. Seht sie euch doch genauer an! Das Material ist vollkommen verwittert. Die rote Farbe erkennt man nicht einmal mehr mit der Lupe.« »Damned«, machte der Arzt. »Das wäre allerdings der erste Beweis für die Zeitsprungtheorie. Vor zwei Tagen war die Boje noch neu. Vor zwei Tagen unserer subjektiven Zeitrechnung. Und dieses Ding sieht tatsächlich wie ein Museumsstück aus.« Barnett kniete auf den Boden und kratzte an dem Rost. »Es ist unsere Boje. Ich lese noch den eingeprägten Namen Space-Boy.« »Ich denke, unser Schiff hieß Cora.« »Bevor Cox, der frühere Kommandant, es kaufte, hieß es Space-Boy. Das könnte dir Praxlomza bestätigen, wenn er noch lebte.« »Wieso Prax?« Er flog früher schon einmal als Schiffsjunge auf unserem Kasten...« Forry Bannister war heilfroh, daß Barnett sich schon wieder so vernünftig an der Diskussion beteiligte. Sein Benehmen vorhin war demnach nur die vorübergehende Folge eines Schocks. »Ja, ja, ich erinnere mich, daß du es einmal erwähntest. Prax kannte das Schiff eher als der verrückte Cox. Schade, daß er tot ist...« »Nur Cox ist tot. Nicht Praxlomza, wenn du den meinst.« Diese Worte wurden hinter ihrem Rücken gesprochen. Sie kamen aus einem fremden Mund. Und bevor der Satz noch beendet war, hatten die drei Galaxier eine Körperdrehung um 180 Grad vollzogen. Barnett hielt im selben Augenblick eine Waffe in der Hand. Doch er schoß nicht. Denn der Fremde war ein Mensch. Und zwar nicht irgendeiner. »Prax!« schrie der Captain. Und etwas leiser noch einmal: »Prax!« Bannister war wesentlich verwirrter. Sogar der Proka äußerte keinen vernünftigen Gedanken. »Prax! Menschenskind, das ist doch nicht möglich! Aber du bist es. Verdammt, du bist es. Nicht wahr?« Barnett war auf ihn zugegangen und suchte seine Hand, die der andere ihm zögernd gab. »Du bist älter geworden, Junge. Was ist das für ein verrückter Planet. Du bist älter als ich. Aber du lebst. Ich kann es noch immer nicht fassen.« »Mach keine Dummheiten!« kam plötzlich eine Warnung des Prokas durch die Verstärkung des Telepathierelais. »Prax ist tot. Und er hatte eine andere Stimme.« Copyright 2001 by readersplanet
Barnett starrte das Kugelwesen ratlos an, und Bannister flüsterte etwas Unzusammenhängendes. Es war ein Stöhnen dazwischen und der Satz: »...noch nie waren wir alle dem Wahnsinn so nahe wie in diesem Augenblick...« »Praxlomza!« sagte der Captain nach kurzem Zögern. »Sage, ob du es bist!« »Ich bin es.« »Und ich glaube es nicht. Nein, ich glaube es nicht mehr. Du bist nicht der, den wir auf der Wiese verloren. Du bist kein Mensch.« »Ein Roboter«, behauptete Iks-Wol-Esak. »Und Praxlomza liegt im Sarg in der Halle. Komm mit herein, du Pseudomensch. Du kannst uns beweisen, ob du Praxlomza bist. Aber ich glaube nicht, daß der Sarg plötzlich leer ist.« »Natürlich«, sagte Barnett. »Gehen wir hinein. Die Probe wird nicht lange dauern.« Der zweifelhafte Mensch zeigte plötzlich ein belustigtes Grinsen, das Barnett sofort wieder sicher in seinen Zweifeln machte. Genauso hatte Praxlomza immer seine Gesichter geschnitten, als er noch jung war. Und der Mann schien trotz allem harmlos zu sein. Jedenfalls machte er keine drohende Geste, sondern schloß sich gehorsam den drei Galaxiern an. Allerdings mußte er gewußt haben, was sie drinnen erwartete. Denn die neue Überraschung war wirksamer gegen die drei als irgendeine Drohung. Unter dem Sarg von Praxlomza standen zwei weitere Menschen, die genau wie der Schiffsjunge aussahen. Das war der schlimmste Schock, den Bannister jemals erlitten hatte. Er wußte absolut nicht mehr, was er tat, als er die Pistole hob und in blindem Dauerfeuer drauflos schoß.
* Das Amokschießen fand sein Ende durch den Sprung. Als Barnett langsam begriff, war er allein. Er lag waagerecht auf einem Bett oder etwas Ähnlichem. Mit dem Zeitsprung mußte auch eine Ortsveränderung erfolgt sein. Außerdem fand er diesmal einen Unterschied in dem Übergang. Das Unmittelbare fehlte. Es war, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwacht sei. Und diesmal konnten auch dem Gefühl nach Tage oder Wochen zwischen den beiden Existenzebenen gelegen haben. Seine Umgebung lag in einem angenehmen Dämmerlicht. Sie war vertraut. Es herrschte das Fluidum menschlichen Milieus. Nichts erinnerte an etanische Fremdheit. Eher mochte es sich um eine irdische Krankenstube handeln. Für Sekunden wollte er an einen Traum denken. Doch diese Illusion dauerte nicht lange. Seine Umgebung war nach wie vor etanische Wirklichkeit. Denn es kam ein Mann herein, der Praxlomzas Figur besaß, der aber genauso hölzern und wenig überzeugend wirkte wie das Individuum auf dem Platz bei der Boje. Ein Roboter, hämmerte sich Barnett ein. Ich muß mir klarmachen, daß er ein Roboter ist. Sonst werde ich sentimental. Und das habe ich um des echten Praxlomzas willen nicht verdient. Freilich, der Bursche sah aus wie ein Mensch. Das war schon eine ungewöhnliche Tatsache für die etanische Fauna. Schlimmer noch war aber, daß er die terranische Sprache beherrschte. Der andere kam lächelnd näher. Es war ein gefälschtes Lächeln. Ohne Herzlichkeit - aber auch ohne Haß. - Er blieb vor Barnett stehen. »Ich spreche deine Sprache, weil ich Praxlomza bin.« »Hör auf mit diesem Wahnsinn!« Der Mensch wollte sich die Ohren zuhalten, mußte aber plötzlich feststellen, daß er die Arme nicht rühren konnte. Er spürte keine Fesseln, doch seine Glieder waren gelähmt. Diese Wehrlosigkeit ließ ihn wieder in Apathie zurückfallen. Copyright 2001 by readersplanet
Mir ist jetzt alles gleich, dachte er. Ich sollte endlich einsehen, daß es vor diesem Schicksal kein Entrinnen gibt. Je eher ich Schluß mache, um so geringer sind die Qualen. Und für Qualen allein lohnt sich das Leben nicht eine Sekunde lang. »Du solltest nicht so intensiv an das Sterben denken. Der Tod bringt keine Erlösung«, behauptete der Fremde. »Bist du ein Telepath?« fragte Barnett und wußte selbst nicht, ob er es aus Neugierde tat. »Ich bin einer.« »Damit gibst du zu, daß der richtige Praxlomza ein anderer ist. Menschen sind keine Telepathen.« »Die Menschen auf Eta sind es. Sie sind auch alle Praxlomza.« Wider seinen Willen wurde erneut die Sucht nach Wissen in ihm wach. Noch immer hatte die Gleichgültigkeit nicht gesiegt. »Dann sage mir, wie viele Praxlomzas es gibt. Drei von eurer Sorte habe ich nun schon beieinander gesehen.« »Es gibt vierzehn. Sie alle wurden dem Vorbild nachgebaut.« »Aha, und aus lauter Dankbarkeit habt ihr meinen Freund dann umgebracht.« »Nicht dann. Er mußte bereits während unserer Konstruktion sterben. Am toten Körper lassen sich gewisse Dinge bequemer sezieren.« »Soso, gewisse Dinge. Von der Unwürdigkeit des Tötens scheint man auf Eta keine Vorstellung zu haben.« »Du legst den Maßstab eines Galaxiers an. Das Sterben ist für die Etaner dagegen nicht aufregender, als wenn ihr euch schlafen legt.« »Der Allgeist schütze mich vor eurem Gemüt!« knurrte Barnett wütend. »Es ist nicht unser Gemüt. Wir sind künstliche Wesen. Die Herrscher dieser Welt sind die Etaner, die ihr Vierbeiner nennt. Sie haben uns gebaut, damit sie besseren Kontakt mit euch erreichen können.« Perry Barnett empfand ein Stechen im Gehirn. Hier war endlich die Patentlösung gegeben, nach der sie immer gesucht hatten. Hier hockte ein Ding, das die Geheimnisse kannte und terranisch sprechen konnte. Und ausgerechnet in diesem Augenblick wollte er resignieren? Nein, er wollte es nicht. Er spürte plötzlich den Willen zum Leben, den Willen nach der Entdeckung aller Rätsel. Und wenn sie ihn töten wollten wie Prax, Lisman, Cora und wahrscheinlich auch die anderen, dann würde er sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Auch in halbgelähmtem Zustand auf dieser Bahre. Vielleicht rührte die Lähmung von einer Injektion her. Vielleicht würde sie langsam nachlassen. Wenn dieser Roboter der Chirurg war, dann mußte Barnett versuchen, Zeit zu gewinnen. Dann mußte er reden, solange er Kraft in der Zunge spürte. »Es klingt sehr verheißungsvoll, wenn du sagst, die Etaner hätten sich für einen Kontakt mit uns interessiert. Warum taten sie das?« »Die Neugierde ist ein Merkmal der meisten Lebewesen. Sei ist eine Parallele zum Selbsterhaltungstrieb. Ohne diese beiden Eigenschaften ist ein Fortschritt unmöglich.« »Du siehst nicht nur aus wie ein Mensch. Du redest auch wie ein Mensch.« »Das war der Sinn der Sache, als die Etaner uns schufen. Alle Versuche, einen direkten Kontakt zwischen euch und den Etanern herzustellen, scheiterten. Man hat auf Eta noch nie mit einem so ungünstigen Wahrscheinlichkeitsverhältnis zu tun gehabt wie in diesem Falle. Deshalb kam der Umweg über die künstlichen Menschen. Über mich zum Beispiel.« »Was hat das alles mit der Wahrscheinlichkeit zu tun?« fragte Barnett, der schon wieder befürchtete, daß ihm auch jetzt das Begreifen schwerfallen würde. »Ich will es dir erklären. Aber du mußt bereit sein, völlig umzudenken. Nicht wissenschaftlich. Aber soweit es eure eigenen Sinne betrifft, die euch von Natur aus angeboren sind. Als die Etaner Praxlomza sezierten, machten sie die merkwürdige Feststellung, daß ihr Copyright 2001 by readersplanet
vierdimensional seid.« »Hm, was ist daran merkwürdig? Sind es die Etaner nicht?« »Sie sind es manchmal. Aber nicht immer. Der Dimensionswechsel ist eine ihnen angeborene Eigenschaft. Für ihre Zeitsprünge genügt oft nur ein Schreck. Das ist ein Reflex bei ihnen.« »Unmöglich...« »Ich sagte, du mußte bereit sein, umzudenken. Sonst verstehst du es nicht.« »Das klingt alles wie hypothetischer Spaß. Aber ich kann doch nicht den Fall setzen, daß die Natur so etwas in die Tat umgesetzt hat?« »Was hindert dich daran?« Barnett zögerte. »Ja eben, was hindert mich daran? Erzähl weiter! Ich will mir Mühe geben.« »Okay, die Etaner können also zeitspringen. Als wir Lisman sezierten, fanden wir übrigens, daß ihr diese Entdeckung selbst schon gemacht habt...« Perry Barnett hatte Mühe, sich von der Vorstellung loszureißen, daß sein Freund irgendwo als zerschnittener Körper lag, in dem das Skalpell sein Unwesen getrieben hatte. Er wollte nicht an das Schicksal der anderen denken, das auch sein Schicksal werden konnte. Er wollte nur Zeit gewinnen. Selbst wenn sie auf diesem Planeten offenbar einen kaum wägbaren Wert besaß. »Allerdings. Iks-Wol-Esak hatte eine solche Theorie aufgestellt. Ich setzte jedoch immer noch ein gewisses Training voraus. Aber Zeitspringen als Reflexbewegung...« »Es ist so. Als Reflex und natürlich auch infolge des willens, des Instinktes und der Neugierde. Gegenüber einer absolut vierdimensionalen Existenz ist das ein großer Vorteil. Doch die stets ausgleichende Gerechtigkeit hat auch für ein Handikap gesorgt.« »Immerhin besitzen die Etaner Augen«, sagte Barnett im Rahmen seiner Verzögerungstaktik. »Nicht das Sehen ist ihr Nachteil, sondern der Mangel an Verstand.« »Beim Allgeist! Ist das wahr? Unser Proka behauptete steif und fest, die Vierbeiner wären eine ausgesprochen dumme Rasse.« »Euer Proka ist ein kluges Wesen. Seine Kombinationen lagen oft auf Anhieb richtig. Nur ist das Gebiet, das er zu erforschen hoffte, zu groß, um von einem Individuum restlos erkannt zu werden.« Barnett zuckte mit dem Kinn, um seiner Ungeduld Ausdruck zu geben. Es war gut, daß die Lähmung wenigstens seinen Kopf und das Herz nicht behinderte. »Soweit ich das bis jetzt begreife, sehe ich nichts als ein Paradoxon. Der intelligente Proka ist trotz seines überlegenen Geistes nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Aber die dummen Etaner können es. Sie können sogar dich als den vollendeten Dolmetscher bauen.« »Weil sie über weit mehr Dimensionen verfügen als ihr.« »Sei bitte so freundlich und erkläre mir das.« »Well, denke einmal an das menschliche Sprichwort: Probieren geht über Studieren!« »Sobald ich daran denke, kann ich nur sagen, daß ihr Praxlomzas Gehirn restlos auseinandergenommen haben müßt. Ihr kennt also schon unsere Sprichwörter.« »Das kann nur gut für unsere Unterhaltung sein. Also, paß auf! Um die Etaner in ihrem Wesen zu verstehen, mußt du bedenken, daß jede Art, jede Rasse, das Produkt einer Auslese ist. Auf Eta hat sich schon in den Uranfängen die Mutation der Zeitspringer behauptet. Alles andere war ihnen unterlegen. Die vierbeinigen Zeitspringer behielten die Herrschaft und waren ohne Konkurrenz. Ihre körperliche Entwicklung wurde dadurch vernachlässigt. Sie brauchten auch keinen allzu anspruchsvollen Intellekt, denn fast alles, was ihnen der Zufall bescherte, führte zu demselben Ergebnis wie bei euch das verstandesmäßige Handeln und Forschen.« »Der Zufall hat also diese Zivilisation geschaffen?« Copyright 2001 by readersplanet
»Nicht einer. Unendlich viele Zufälle waren es.« Barnett hatte das Gefühl, langsam einige Zusammenhänge zu ahnen. Doch er hielt es für richtiger, alles genau zu erfahren. Schon wegen der Zeit, die er gewinnen mußte. »Wenn ich richtig verstanden habe, hängt also alles mit dem Zeitspringen zusammen.« »Allerdings! Für dich wird es wieder paradox klingen, doch es ist, wie ich es dir sage. Ein Etaner lebt annähernd ewig.« »Ach nein!« Diese Behauptung klang so sonderbar, daß Barnett sogar ironisch wurde. Der künstliche Mensch achtete jedoch gar nicht auf seinen Einwand. »Annähernd ewig, heißt nicht ewig. Aber im Verhältnis zu deiner Lebensspanne ist dieser Ausdruck gerechtfertigt. Rechne ein gutes Menschenalter pro Dimension. Und Dimensionen gibt es eine Menge.« »Das fürchte ich auch langsam.« »Ich habe erwartet, daß du mich nicht sofort begreifen wirst. Ich verstehe deshalb deinen Wunsch, die Sache ins Lächerliche zu ziehen.« »Ich finde sie durchaus nicht lächerlich. Laß mich folgern und sage mir, ob es richtig ist.« »Bitte.« »Das annähernd ewige Leben der Etaner beruht auf ihren vielen Dimensionen, in die sie ausweichen können. Ihren Fortschritt überlassen sie dem Zufall, indem sie einen blinden Versuch nach dem anderen machen, bis etwas Vernünftiges dabei herauskommt. Dieses Ergebnis halten sie dann fest und bauen darauf weiter auf. Die Etaner sind zufallsewig.« Der Roboter nickte. »Genauso ist es. Ich bin froh, daß du alles so schnell begriffen hast. Wir können daher bald die Operation vornehmen.« Barnett erschrak bis in die letzte Faser seines Nervensystems. Wie konnte er diesen unverzeihlichen Fehler begehen und selbst den Schlußpunkt unter die Diskussion setzen? »Einen Augenblick, Roboter! Du hast mir nicht alles gesagt.« »Alles wird auch nicht möglich sein.« »Trotzdem, deine Unterrichtung ist unvollständig. Der etanische Fortschritt läßt sich mit einer Wahrscheinlichkeitsrechnung erklären. Auf diese Weise scheint mir jedoch selbst die Ewigkeit noch zu wenig Spielraum zu geben. Bedenke, wie ungünstig die Chancen liegen, um den Gewißheitswert 1 zu erreichen.« »Nichts ist so kompliziert, als das eine unendliche Kette von Faktoren nötig wäre. Die Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten spielt sich in einem begrenzten Bereich ab. Und wenn er noch so groß ist.« »Trotzdem wirft eine Überlegung dein ganzes Gedankengebäude um.« »Ich bin gespannt, welche Überlegung du meinst.« »Well, durch den Zeitsprung vorwärts verliert das forschende Individuum den Kontakt zu der Grundzeit, in der er ein bestimmtes Ding konstruiert oder baut. Selbst wenn es später Maschinen für den Zeitwechsel gegeben hat, so war der primitive Anfang doch an den nackten und besitzlosen Etaner gebunden. Was habe ich vom Zeitsprung, wenn ich nicht mehr zurück kann?« »Man kann zurück. Es ist ein typisch galaktischer Fehlschluß, wenn ihr glaubt, die Etaner springen nur vorwärts. An der Zeitkonstanten ist eine Bewegung in beiden Richtungen möglich.« Barnett zitterte vor Erregung. Plötzlich war soviel verzweifelte Hoffnung in ihm, daß er daran zu ersticken glaubte. »Wenn das wahr ist, dann wäre es auch möglich, daß unser Raumschiff in die Galaxis zurückkehren könnte.«
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»Nicht nur das. Die Etaner sind sogar in der Lage, euch in das richtige Zeitalter zu schicken. Mir ist aber nichts über solche Pläne bekannt.« »So, dir ist nichts darüber bekannt. Ihr scheint hier eine ähnliche Bürokratie zu haben, wie sie bei uns zu Hause herrscht. Darf ich vielleicht wissen, welches Ressort du bearbeitest?« »Ich wurde konstruiert, um mit euch besseren Kontakt herzustellen.« »Nun, das ist den Vierbeinern schließlich glänzend gelungen. Warum denken wir jetzt nicht weiter?« »Wir sind im Begriff es zu tun. Die Erforschung der menschlichen Wesensart und eures biologischen Aufbaus ist noch nicht abgeschlossen. Diese Unterhaltung war zweifellos auch für mich interessant. Doch jetzt muß ich mich um deinen Körper kümmern.« Barnett wußte plötzlich, daß jede Hoffnung eine lächerliche Illusion war. »Du willst mich töten, Robot...« »Es ist meine Aufgabe.« Diese Worte klangen so sachlich, daß der Mensch jeden Zweifel an der Roboteigenschaft des anderen verlor. Trotzdem bäumte sich ein letzter Lebenswille in ihm auf, und trotzdem appellierte er in seiner Not an die nicht vorhandene Einsicht der Maschine. »Ich will nicht sterben. Zum Teufel, wenn ich mich rühren könnte!« »Du wartest vergeblich auf das Nachlassen der Lähmung. Ich bin Telepath und weiß, daß du einzig und allein darauf hoffst, die Glieder bewegen zu können. Solange wir miteinander sprachen, war das deine Hoffnung. Ich verstehe dich nicht.« »Du verstehst nicht, daß ein Mensch leben will? Bei Gott, das ist eine Zumutung. Haben nicht auch die Etaner einen Selbsterhaltungstrieb?« »Gewiß. Aber sie fürchten sich nicht vor dem Tode, wenn er sie am Ende der Ewigkeit erreicht. Es ist ein Glück, am Ende der Ewigkeit sterben zu dürfen. Bedenke, daß du bereits seit Zeitaltern tot wärest, wenn dich das Schicksal nicht in diese Welt verschlagen hätte.« »Dein Trost ist lächerlich, Robot. Für mich ist Gegenwart. Ich lebe jetzt. Und ich bin noch jung.« »Was du da behauptest, ist völlig relativ. Andererseits bist du nämlich sehr alt. Älter als die ganze Galaxis, die du deine Heimat nennst.« »Älter?« Der Robot mit der Gestalt Praxlomzas nickte wie ein Mensch. Er sah nicht mehr aus wie eine Maschine. »Freilich. Eure Milchstraße existiert nicht mehr. Sie ist längst den Weg allen Werdens und Vergehens gegangen. Sie war sehr alt, als ihre Materie in die Urform zurückfand. Sie hat neuen, jüngeren Welten Platz gemacht.« Lange herrschte Schweigen zwischen den beiden im Grunde so ungleichen Wesen. Barnett empfand die Lähmung nicht mehr. Es war alles leer in ihm, und er hatte keinen Lebenswillen. Für solche Aspekte war der Mensch nicht geschaffen. »Laß mich sterben, Robot! Ich bin müde, für immer.« Die Maschine hielt eine Injektionsspritze in der Hand. Sekunden später war Captain Perry Barnett tot. Aber er starb in der Zukunft. Der nächste Augenblick verursachte ein Bohren in seinem Gehirn. Es waren Iks-Wol-Esaks Gedanken. Als er die Augen aufschlug, blendete ihn helles Tageslicht. »Gut geschlafen?« Die Frage stellte Lisman. Wenn es nicht Lisman gewesen wäre, hätte Barnett sich sofort wieder hingelegt. So müde war er. Aber mit einem Toten zu reden, diese Chance mußte er nutzen. Er tat es wenig überzeugt, weil er immer noch an einen wirren Traum glaubte.
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»Du hast nicht geträumt, Perry. Uns hat man hier schon vor einer halben Stunde abgesetzt. Wir warten nur noch auf dich...« Der Captain sah sich im Kreise um. »Cora!« Er schrie ihren Namen heraus und riß sie in seine Arme. Die anderen grinsten zurückhaltend. Sie mußten fair sein. Denn schließlich hatten sie bereits Zeit genug gehabt, sich an die neue Situation zu gewöhnen. »Ich bin gespannt, wie lange die noch ihr Tête-à-Tête feiern.« Sogar Lavistas krächzende Stimme war wieder da. Das veranlaßte die beiden, sich auch für die anderen zu interessieren. Die Prokas hockten in dem kurzen Gras und wedelten freudig mit ihren Tentakeln. Und da waren Perkins, Bannister und Praxlomza. Es fehlte keiner mehr. »Doch, Praxlomza fehlt noch«, verbesserte Iks-Wol-Esak Barnetts Überlegung. »Der da ist ein Roboter.« »Roboter wollen töten.« »Der nicht. Man hat uns einmal getötet. Das genügt für die etanische Forschung.« »Stimmt das?« Noch immer lag Mißtrauen in Barnetts Haltung. »Wir sind jetzt sechs Millionen Terrajahre von der Zeit eures Todes entfernt«, versicherte der Roboter. »Dein Tod in einer solch fernen Zukunft ist für den Augenblick bedeutungslos.« »Aber ich weiß doch, daß ich gestorben bin. Für mein Gefühl ist das Vergangenheit.« »Gefühle haben im Naturgesetz keine Existenzberechtigung.« »Nun gut, dann ist es mein Verstand, meine Logik. Wenn ich weiß, was ich in der Zukunft erlebte, dann hat dieses Erlebnis eine konkrete Bindung mit meinem Gehirn, also auch mit meinem Körper. Wie kommt es, daß der Körper und seine Erinnerung in die Vergangenheit zurückversetzt wurden, ohne daß auch der Tod gleichzeitig eine Wirkung bis in die Gegenwart ausübt.?« »Das liegt an der Relativität. Wesen, die wie die Etaner nach Lust und Laune durch die Zeit springen, müßten nach eurer Auffassung einem Paradoxon nach dem anderen ausgeliefert sein. Denn wenn jemand in seine eigene Vergangenheit zurückkehrt, dann würde er dort zweimal existieren. Das geht aber nicht. Nicht einmal auf Eta. Das Naturgesetz hat deshalb die Dimensionsvarianten. Und sie schufen eine entsprechende Technik. Ihr Menschen und Prokas seid jetzt wieder vierdimensional. Zur Zeit eures Todes in sechs Millionen Jahren werdet ihr es nicht sein.« »Das klingt alles sehr phantastisch.« »Weil es ungewohnt für euch ist. Trotzdem ist es richtig. Zwischen den Dimensionen herrscht die Relativität. Darin drückt sich die Wahrscheinlichkeit aus.« »Du gibst also zu, daß Zusammenhänge von Ursache und Wirkung auch zwischen den Dimensionen bestehen?« »Gewiß! Da dein Körper in der Zukunft starb - ich spreche jetzt in der Vergangenheit, weil du Kenntnis von dieser Zukunft hast -, besteht eine gewisse Tendenz, die dir das Erinnerungsvermögen aus der Zukunft gibt. Doch dieser Zeitpunkt deines Todes ist zu weit entfernt, als daß seine Wirkung stark genug wäre. Die Gegenwart verlangt nämlich wegen deiner vierdimensionalen Entwicklung, daß du lebst. Eben weil du in der Vergangenheit noch nicht gestorben bist. Diese beiden Kräfte stehen sich in einem zweiseitigen Verhältnis gegenüber. Wenn du deinen Zustand mathematisch genau definieren willst, dann kannst du es nur mit Annäherungswerten. Die Relation zwischen Logik und Paradoxon fällt zugunsten der Logik aus.« »Hm«, machte Barnett sinnend. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann stimmen unsere Ansichten beide. Dann bin ich halb tot und halb lebendig ...« »Nicht halb und halb. Das Verhältnis 50:50 wäre sehr kritisch für dich. Aber es liegt günstiger. Nämlich bei 1 zu 2 ½ Billionen...«
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Nachdem der Captain sich auf diese Weise überzeugt hatte, daß er wirklich lebte, erkundigte er sich nach den weiteren Plänen der Etaner. »...du wirst verstehen, daß wir uns für die Zukunft interessieren.« »Ich verstehe es. Denn jede Intelligenz ist neugierig.« »Es fehlt noch ein Mann«, wandte Lisman ein. »Und zwar ausgerechnet der, der wie dieser Robby aussieht. Wo ihr uns schon so schön wieder zusammengeführt habt, werdet ihr doch sicherlich auch die Güte besitzen, den guten Praxlomza herbeizuschaffen...« »Es ist die Absicht der Etaner. Darum bitte ich euch, mir jetzt zu folgen.« Der Roboter drehte sich um und ging voraus. Sechs Menschen und zwei Prokas folgten ihm. Sie schritten über eine platte Ebene, die in geringer Entfernung von Mauern umgeben war. Hier und da stand Buschwerk. »Erinnerst du dich?« fragte Iks-Wol-Esak den Captain. Der nickte. »Das Zeitalter kennen wir. Es muß sich um eine der riesigen Parzellen handeln, bei denen wir zum ersten Mal auf Etaner trafen.« Es stimmte. Der Roboter führte sie bis an die nächste Mauer, holte dann einen Gegenstand aus seiner Kombination, den er zu einer größeren Fläche auseinanderfaltete und legte ihn auf den Boden. »Bitte, tretet auf diese Folie!« forderte er die anderen auf. »Wir haben alle Platz.« Sobald man seiner Anordnung gefolgt war, verlor sich die Schwerkraft unter den Füßen. Die Folie transportierte alle bis zum Niveau des oberen Mauerrandes, den sie mühelos betraten. Perkins wollte soeben seiner Bewunderung über diese technische Errungenschaft Ausdruck geben und die terranischen Antigravplatten in diesem Zusammenhang zu vorsintflutlichen Instrumenten degradieren, als ihm bereits das erste Wort im Halse steckenblieb. Von der Straße aus sahen sie den Hügel und das Plateau. Und auf dem Plateau stand senkrecht das Raumschiff Cora. Sie reagierten alle verschieden. Perkins ließ den Mund offenstehen, sowie er zum Sprechen angesetzt hatte. Cora faßte nach Barnetts Arm und hielt ihn lange fest. Lavista stöhnte wie ein Verdurstender, dem man von ferne ein Glas Wasser zeigte. Alle anderen schrien vor Freude. Auch die Prokas, soweit man ihr Zirpen als Geschrei bezeichnen darf. »Beim Allgeist!« rief der Captain. »Ich hätte nicht gedacht, daß der dicke Iks einmal so wenig Wert auf seine Würde legen könnte.« In dem allgemeinen Freudentaumel nahm ihm diese Bosheit keiner übel. Lisman rannte allen voraus an der Spitze, bis er von den später gestarteten Prokas mühelos überholt wurde. Perkins setzte sich als letzter in Trab und rief dem Roboter zu, daß er bei ihm bleiben solle. Er hatte immer noch etwas Angst vor den Vierbeinigen.
* Sie waren wieder im Schiff. Barnett saß im ersten Pilotensessel und spielte mit den Instrumenten. Der Roboter stand neben ihm und wartete auf den Start. Alle Kontrollgeräte funktionierten vorschriftsmäßig. »Habt ihr irgend etwas an dem Schiff verändert?« fragte Barnett trotzdem. »Nichts seit der Mesonentransformation«, kam die Antwort. »Ihr gebt also zu, daß unsere Katastrophe in der Galaxis auf etanischen Einfluß zurückzuführen ist?« »Das erkläre ich dir später. Starte jetzt, damit ich dir Eta zeigen kann.« Der Roboter benahm sich wie ein Reiseführer. Und wohl keiner hat jemals in der Weltgeschichte seinen Gästen so viele Sehenswürdigkeiten in einer Stunde zeigen können. Copyright 2001 by readersplanet
Während einer Umrundung des Planeten wechselte viermal das Zeitalter. Sie sahen Eta mit einem Meer von ummauerten Parzellen, in denen die Jugend der Vierbeiner aufwuchs. Sie sahen einen Landstrich, als sich die erste Zivilisation entwickelte. Sie sahen ein Industriezentrum, das nur aus Maschinen bestand, die sich im Laufe von wenigen Minuten aus dem scheinbaren Nichts entwickelten. Sie sahen einen Kontinent, der nur der Erholung und dem Vergnügen diente, und schließlich eine Anhäufung von Hochhäusern, deren Zeitalter sie selbst erlebt hatten. Alles in einer Stunde. Über die Menschen und Prokas kam noch einmal das Wundern. Diesmal war es erhebend, denn sie hatten keine Furcht mehr. Etwa am Ort des Startes setzte die Cora wieder zur Landung an. Derselbe Ort, aber eine andere Zeit. Das Land war grün, wohin man sah. Sie kannten es. So hatte Eta ausgesehen, als sie ihn zum ersten Male betraten. Vor Barnett lag eine endlose Wiese im Bildschirm. Und dann geriet plötzlich ein Gegenstand ins Landevisier, der ihnen allen bekannt vorkam. »Die Boje!« rief Lisman. »Ich werde verrückt, die Boje!« »Nicht nur die Boje«, erklärte der Captain. »Ich sehe etwas Fremdes. Und etwas um so Bekannteres...« Neben der Boje stand ein Gerät, das einem Würfel ähnelte. Und zwischen dem Würfel und der Boje stand ein winkender Mensch. Praxlomza. »Praxlomza!« schrie Perkins. »Wenn das nicht endlich das Original ist, reiche ich eine Beschwerde ein.« Die Cora setzte mit dem Heck auf weichen Boden. Barnett mußte die Kreisel einschalten, um das Schiff zu stabilisieren. Die dienstfreie Besatzung, nämlich Perkins, Bannister und Co, waren inzwischen an die nächste Schleuse gerannt. Bevor der Captain seinen Freund in die Arme nehmen konnte, war die Begrüßung mit den anderen längst im Gange. Prax, der stiernackige Jüngling mit Fäusten wie ein Hammerwerk und mit einem Herzen wie ein Kind, ließ das Zeremoniell der ausgelassenen Besatzung über sich ergehen. Er lächelte wie ein Mensch, der lange allein war, der durch eine grenzenlose Wüste gewandert ist und am Ende doch wieder das Leben findet. Wenn in seinen Augen trotzdem ein Mißtrauen versteckt war, so galt es seinem Ebenbild. »Du solltest mich nicht für mein Aussehen verurteilen«, sagte der Roboter. »Es war Zufall, daß ausgerechnet du als erster Mensch in die Hände der Etaner fielst. Jetzt sind sie zu bequem, ihr Schema zu ändern. Siebauen alle Roboter nach deinem Vorbild...« »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Robby. Es ist nicht deine Schuld, daß du so aussiehst. Wenn ich es richtig überlege, haben wir Wichtigeres zu bedenken. Als ich nach den verrückten Zeitexperimenten wieder auf dieser Wiese landete, fand ich mich nur schwer zurecht. Die Cora war verschwunden und hatte ihre Boje zurückgelassen. Außerdem stand dieser schwarze Behälter hier. Es war ein bißchen viel, wenn man bedenkt, daß man mir während der letzten Zeitepisode noch suggeriert hatte, ich würde sterben...« »Du bist gestorben«, sagte der Roboter. »Um Himmels willen!« rief Perkins dazwischen. »Verschont mich mit diesem Relativitäts- und Wahrscheinlichkeitskram! Noch einmal kann ich mir eine solche Lektion ohne Gesundheitsschädigung nicht anhören. Also, Prax, hör nicht auf diese Flüsterpropaganda! Ich schlage vor, du glaubst nur, daß du lebst. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist nämlich 2 ½ Billionen Mal größer als die, daß du tot bist.« Praxlomza grinste noch breiter. bestimmt hielt er Perkins' zutreffende Erklärung für einen Witz. Und das war im Augenblick besser so. »Was ist mit diesem - Ding?« fragte Iks-Wol-Esak und tippte aus fünf Metern Entfernung mit einem ausgestreckten Tentakel an die schwarze Wand des geheimnisvollen Gerätes. »Das brauchen wir für den Rückflug«, erklärte der Roboter.
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Sie hatten über der Freude des Wiedersehens beinahe ihre größte Sehnsucht vergessen. Das Heimweh. Natürlich war es im Unterbewußtsein niemals ganz verdrängt worden. Aber die vielen Enttäuschungen auf Eta hatten die Galaxier mürbe, gleichgültig und pessimistisch gemacht. Man hatte sie mit Zuständen konfrontiert, die sie an ihrem gesunden Menschenverstand hatte zweifeln lassen. Sie waren in ihrer Todesstunde zu Fatalisten geworden, die das Auslöschen als Gnade hinnahmen. Und jetzt sprach der Roboter vom Rückflug. Er konnte nur den Rückflug in die Galaxis meinen. »Die Milchstraße existiert nicht mehr«, sagte Barnett wie zu sich selbst. »Sie hat existiert«, fiel ihm Iks-Wol-Esak ins Wort. »Ich glaube, das genügt.« »Okay, lassen wir uns überraschen. Prax, hast du dich akklimatisiert? Dann hilf uns die Antigravs anlegen. Denn dieser Kasten soll zweifellos ins Schiff verfrachtet werden.« Der Roboter winkte ab. »Seht ihr nur zu, daß ihr an Bord kommt! Das Gerät hat eine eigene Antigrav-Anlage.« Er sprang auf den Kasten, hob einen Deckel an, griff in die entstandene Öffnung und schwebte auf dem Gerät langsam in die Höhe. Sekunden später war er damit in der Schleuse verschwunden. Bannister starrte ihm fasziniert nach. »Los, auf die Platten!« befahl der Captain. »Es wird Zeit, daß wir ihm folgen. Sonst fliegt er noch allein weg.« »Okay«, murmelten einige und setzten sich in Bewegung. Nur der Arzt blieb noch stehen. »Worauf wartest du noch, Forry?« »Die Boje! Wollt ihr die stehenlassen?« Barnett zögerte. »Ja, natürlich. Zum Teufel, laß sie lieber! Ja, laß sie stehen. Es ist besser.« »Aber sie ist nagelneu. So etwas wirft man doch nicht achtlos weg.« »Verdammt, Forry! Sei nicht so widerspenstig! Wir dürfen sie nicht mitnehmen.« »Weshalb nicht?« »Weil sie noch in der Zukunft gebraucht wird. Denke an den Tag in der Kuppel zwischen den Särgen. Als wir auf den Platz traten, stand diese Boje dort. Erinnerst du dich, wie sie aussah?« Bannister nickte. »Alt, grau und verwittert.« »Aber man konnte nicht sehen, in welcher Dimension sie existierte. Nein, bringe mir die Weltgeschichte nicht durcheinander! Komm mit und laß das Ding stehen!« Sie fuhren hinauf. Sobald sie die Schleuse betraten, schloß sich das Außenschott. Auf dem schmalen Gang, der zur Kommandobrücke führte, schien Bannister immer noch unzufrieden mit dem Entschluß des Freundes. »Sag mal, Perry, glaubst du etwa wirklich, daß wir in der Lage wären, durch solche Entscheidungen, wie wir sie eben fällen mußten, die Weltgeschichte durcheinanderzubringen? Was würde denn geschehen, wenn wir die Boje jetzt verladen hätten? Würde sie aus der Zukunft dieses Planeten verschwinden?« »Das kann sie nicht. Sie wird auf jeden Fall dort sein, wenn wir in 6 Millionen Jahren aus der Halle treten. Sie ist aus gutem Material und kann die Zeit ohne Konservierung überdauern.« »Auch wenn wir sie jetzt mitnehmen?« »Auch dann. Ich weiß, es klingt paradox. Aber denke an das Gesetz im Chaos. Die sich steigernde Entropie würde diesen Widerspruch ausgleichen. Sieh mal, welche Beziehung haben wir eigentlich zu unserer Zukunft, die erst in 6 Millionen Jahren akut wird? Sogar unser Tod in jener Zeit ist für die Gegenwart bedeutungslos.« »Du sprichst wie ein Etaner. Noch acht Tage auf diesem Planeten, und du wirst ein Meister im Jonglieren mit Widersprüchen.« »Keine acht Tage und keine acht Stunden mehr, Forry. Ich habe Eta satt. Ich will nach Hause. Verstanden?« Copyright 2001 by readersplanet
* Der schwarze Kasten stand inmitten der Kommandozentrale. Er sah aus wie ein Jahrmarktgeheimnis, in dem der Roboter die Rolle des Gauklers spielte. Und doch war alles naturwissenschaftliche Realität. Barnett hatte die Heckbeobachtung auf den Hauptbildschirm gelegt. Eta drehte sich unter ihnen weg in die Nacht. In eine der vielen Nächte ihrer trotz allem begrenzten Ewigkeit. Die Sonne stand weit hinter ihrem Planeten und malte eine flackernde Korona in den Himmel. Die Menschen und die Prokas empfanden keinen Abschiedsschmerz. Sie dachten an ihre Zukunft, die in der Vergangenheit lag. Würde der Roboter die Zeit finden, in der die Galaxis noch existierte? Er hatte während des Startmanövers Versprechungen gemacht, die allen wie das Weichen eines Alptraumes vorgekommen waren. Am schlimmsten hatte sich Nam-Legak gebärdet, der es nicht fassen konnte, daß er seinen galaktischen Krieg wiederbekommen sollte. Sein Stöhnen klang noch immer aus der ihm zugewiesenen Ecke. Mit den Tentakeln vollführte er immer noch diese nervös zuckenden Bewegungen. Cora wollte sich um ihn kümmern. Aber Iks-Wol-Esak lehnte das ab. »Ihr könnt ihm jetzt nicht helfen. In einer Stunde ist dieser Schock überwunden.« »Aber vielleicht ist er krank«, gab Bannister zu bedenken. »Nein, nein, er ist gesund. Nur die Erregung bringt ihn ein bißchen durcheinander. Was ihr bei ihm seht, ist nichts anderes als für euch Menschen das Weinen.« Unter einem fremden Sternenhimmel tauchte die Cora in den Hyperspace. Und sofort setzte der Antrieb mit contra-temporisierten Mesonen ein. Die Galaxier kannten nur noch einen Gedanken: Wird es gelingen? »Die Etaner haben uns aus unserer Milchstraße herausgeholt«, sagte Barnett zu dem Roboter. »Werden sie uns in Zukunft unbehelligt lassen?« »Ich verstehe deine Unruhe. Doch sie ist unbegründet. Man fand euch durch einen Zufall. Es war ein Spiel, das für euch zu ernst wurde. Aber ein gleicher Zufall ist bei der Größe des Universums, bei der Anzahl aller Nebelwelten und bei der Dauer der Ewigkeit so gut wie ausgeschlossen.« »Dann verstehe ich nicht, wieso du jetzt das Ziel in Raum und Zeit exakt ansteuern willst.« »Ich habe die Daten. Hier in diesem Kasten. Wenn ihr zu Hause seid, werde ich damit verschwinden. Nein, nicht zurück nach Eta. Das ist nicht möglich. Es genügt ein Zeitsprung von einer Sekunde, und ich liege weit außerhalb eures Schiffes. Irgendwo werde ich mit diesem Gerät verloren im Weltall treiben und eines Tages in eine Sonne stürzen.« »Du willst dich opfern?« »Ich bin eine Maschine. Sonst nichts. Für mich gibt es keinen Selbsterhaltungstrieb und keine Heimat. Es wäre also vollkommen sinnlos, wolltet ihr mich wegen meines Schicksals bedauern.« Der Roboter benötigte eine knappe Terrastunde, um sein Gerät richtig einzustellen und noch einmal alle Funktionen zu überprüfen. Dann trat er zu Barnett an den Pilotensitz. »Es ist jetzt alles okay, Captain. Dein Treibstoff besteht wieder aus normal temporisierten Mesonen...« Im selben Augenblick tauchten auf dem bisher dunklen Bildschirm helle Streifen auf. Das war der Beweis für des Roboters Behauptung. Es war nur kein Beweis für seine richtige Navigation, denn im Hyperdrive ist eine Ortsbestimmung nicht möglich. Trotzdem waren die meisten voll Vertrauen. Sie sahen Streifen auf dem Schirm, die zweifellos das Abbild ziehender Fixsterne waren. Und das genügte für ihren Optimismus. »Die Galaxis«, hauchte Perkins andächtig, und die Menschen waren mit ihm einig. Auch Nam-Legak hegte nicht den geringsten Zweifel. »Wir werden den Frieden bringen«, stellte er fest und wiederholte den Gedanken in seiner Begeisterung wohl ein dutzendmal. Nur Iks-Wol-Esak glaubte es seiner Gewohnheit schuldig zu sein, einen skeptischen Einwand machen zu müssen. »Bisher kann man nur sagen: eine Galaxis. Eine von Milliarden.« Copyright 2001 by readersplanet
»Es ist eure Galaxis«, sagte der Roboter. »Du mußt jetzt deine Borduhr zurückstellen, Captain. Sie geht fünf Tage, drei Stunden, vierzehn Minuten und vierundzwanzig Sekunden vor.« »Woher kennst du unsere Zeit?« »Von dieser Kalenderuhr. Ein Vergleich mit der etanischen Zeit ergibt die eben genannte Differenz...« Perry Barnett rechnete nach. »Tatsächlich, Robby. Für die Cora sind seit dem Verschwinden aus der Galaxis nicht mehr als fünf Tage und drei Stunden verstrichen. Und du willst uns wirklich an derselben Stelle zu derselben Zeit, als wir aus der Milchstraße verschwanden, wieder auf den alten Kurs setzen? Damit hätten wir ja nicht den geringsten Zeitverlust.« »Ich will ein übriges tun. Ich setze euch am Rande des Hyperdrives ab. Ihr spart damit eine Fahrzeit und könnt in einem knappen Tag am Ziel eurer Reise landen...« »Auf Poldini II?« Nam-Legak strahlte erregt diese Frage aus und zog sich wieder in seine Ecke zurück. »Er hat Lampenfieber«, erklärte der andere Proka. »Daß er so schnell als Unterhändler in Aktion treten muß, hätte er sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt.« Der Roboter unterbrach das Gespräch. »Hast du den Kalender zurückgestellt, Captain?« »Okay, Robby!« »Dann gehe in einhundertvierundzwanzig Sekunden auf Normalfahrt. Also wenn die Nadel genau auf Null steht. Laß dich nicht dadurch verwirren, wenn ich inzwischen verschwunden bin. Du mußt auf die Sekunde genau schalten. Sonst stimmt eure Position nicht mehr...« »Moment«, stotterte Barnett. Die Worte des Roboters klangen nach unkonventionellem Abschied. Und der Captain hatte noch tausend Fragen. Doch darauf erhielt er nie mehr eine Antwort. Als er sich umdrehte, sah er nur noch, wie der Roboter und der große schwarze Kasten von einer Sekunde zur anderen verschwanden. Im selben Augenblick spürte Barnett nur noch einen mahnenden Gedanken im Raum. Er kam von Iks-Wol-Esak. »Achte auf die Sekunde Null, Perry. Beim nächsten Durchgang. Noch eineinhalb Minuten.« »Schon gut, Iks! Ich habe das Schiff in der Gewalt. War kein Kurzschluß bei mir. Wenn man bedenkt, was wir auf Eta durchgemacht haben, dann kann mich auch diese Zauberei nicht mehr aus der Ruhe bringen.« »Die letzte kommt noch«, verbesserte Iks-Wol-Esak. »In vierunddreißig Sekunden.« Er war wieder der alte Theoretiker und konnte seinen pedantischen Einwurf auch diesmal nicht unterlassen. »Achtung, James! Noch zwanzig Sekunden! Ich zähle...« Noch einmal wurde es still auf der Brücke. Jeder wußte, daß dieses Zählen für das Schicksal der Cora-Besatzung und zweier Zivilisationen der Galaxis Bedeutung hatte. Barnetts Zählen war Weltgeschichte. »Zehn, neun, acht - fünf - zwo, eins, Null!« Die Cora sprang in die dritte Dimension. Und sie sprang genau in den galaktischen Krieg. Das automatische Positionsbesteck ergab eine Entfernung von zwölf Lichtstunden zum Poldini'schen Stern. Doch das Radar meldete nicht nur die Sonne, die das Ziel der Cora war. Steuerbord querab kreuzte eine Flotte von etwa fünfhundert Schiffen. »Ich werde verrückt!« schrie Barnett. »Das sind Streitkräfte der Sol-Sirius-Union. Was wollen die ausgerechnet jetzt hier in der Höhle des Löwen. Sie werden eingehen wie Admiral Kingsleys Flotte vor vier Wochen.« Die Hoffnung der Menschen und Prokas sank auf den Nullpunkt. »Wenn die unseren Schiffen jetzt eine Schlacht liefern«, stöhnte Nam-Legak verzweifelt, »dann sehe ich schwarz für die Friedensbereitschaft unserer Regierung. Ich verstehe nicht, Barnett, wie euer so unfehlbares Gehirn ausgerechnet jetzt eine solche Aktion starten kann. Copyright 2001 by readersplanet
Das beweist doch unmißverständlich, daß die Union überhaupt nicht an Friedensverhandlungen interessiert ist.« »Einen Augenblick«, forderte Barnett. »Jetzt bitte keine Fehlschlüsse. Wir müssen natürlich voraussetzen, daß uns der Roboter exakt nach seiner Vorausberechnung in die Galaxis geführt hat. Demnach sind seit unserem Start von Terra etwa vierzehn Stunden vergangen. Die Zentralregierung hätte also genügend Zeit gehabt, diese Flottenbewegung zu widerrufen, wenn sie ihr bekannt gewesen wäre.« Nam-Legak gab sich damit nicht zufrieden. »Du willst mir doch nicht einreden, daß das Gehirn von dieser Aktion nicht unterrichtet ist!« »Natürlich will ich das. Dieser Aufmarsch sieht mir ganz nach einem Rachefeldzug aus. Nach dem Rachefeldzug irgendeines Abschnittskommandanten, der Admiral Kingsleys Schlappe wieder wettmachen will. Das hier hat nichts mehr mit höherer Strategie zu tun. Das ist heller Wahnsinn.« »Aber nackte Realität«, erklärte Nam-Legak und zitterte vor Erregung. »Jetzt sind wir quasi aus der fast hoffnungslosen Ewigkeit Etas zurückgekehrt. Das ganze Wunderwerk überintelligenter Technik hat uns auf die Sekunde genau in unsere heimatliche Existenz zurückfinden lassen, und jetzt verhindert ein simpler Idiot von Mensch, daß der galaktische Krieg sein Ende findet ...« Während dieses Verzweiflungsmonologs hatte Barnett den Bildfunk eingeschaltet. »Höre jetzt auf mit deinem Grabgesang, Nam! Es liegt jetzt an uns, ob der Friede Wirklichkeit wird. Ihr habt Geräte in euren Raumanzügen, mit denen ihr Poldini erreichen könnt. Nehmt sofort Verbindung mit eurer Regierung auf und verlangt, daß den Unionsschiffen keine Prokaflotte entgegengeschickt wird. Wenn sie das für einen Bluff halten und nicht darauf eingehen, dann holt wenigstens die Zusage heraus, daß sie nicht zuerst schießen. Berichtet von eurer Mission. Sagt, daß ihr den Frieden bringt. Eine bessere Demonstration unseres guten Willens...« »Halt ein«, unterbrach Iks-Wol-Esak energisch. »Wir haben begriffen, was du willst. Wir rufen Poldini. Rufe du die Flotte oder Terra. Aber sieh zu, daß auch eure Schiffe nicht schießen...« In diesem Augenblick kam bereits ein Anruf vom Flaggschiff der Unionsflotte. Barnett wußte aus eigener Erfahrung, daß es keinen Sinn hatte, in dieser Situation mit einem Abschnittskommandeur zu verhandeln, dessen Gedanken auf Angriff geschaltet waren. Er, der kleine Leutnant Barnett, würde bei einem solchen Dienstgrad keinen Eindruck machen. Er lehnte daher die Verbindung ab mit der Begründung, daß er ein Sondergespräch mit der Zentralregierung führen müsse, empfahl dem Admiralsadjutanten jedoch dringend, das Gespräch zu verfolgen, bevor er irgendwelche folgenschweren Befehle gäbe. Mit dem nächsten Knopfdruck rief er die Radiostelle Terra-Sohle 23, Marinepsychologie. Sekunden später tauchte Skeen auf dem Bildschirm auf. Der reagierte sofort sauer. »Sind Sie wahnsinnig, Barnett! Warum bleiben Sie nicht im Hyperdrive?« »Weil wir bereits unser Ziel erreicht haben.« Der Minister war nicht gewöhnt, soviel Frechheit auf einmal zu verdauen. Er machte ein sehr wildes Gesicht, wofür Barnett vollstes Verständnis hatte. Barnett wußte aber auch, daß ihm Skeen nichts von einer Geschichte glauben würde, die von rückwärtsgerichteten Zeitsprüngen mittels contra-temporisierten Mesonen handelte. Und schon gar nichts von einer zufallsewigen Zivilisation mit dem Namen Eta. Er griff daher zu einer Notlüge, auf die ein Minister und die rechte Hand des Gehirns am ehesten hereinfallen würde. »Hören Sie zu, Skeen! Daß wir hier sind, verdanken wir den beiden Prokas an Bord. Gegen ihre Technik ist die unsere ein Witz. Fragen Sie jetzt nicht nach den näheren Umständen! Ich rufe an, weil unsere Mission ernsthaft in Gefahr gerät, wenn Sie nicht sofort die Unionsflotte zurückrufen, die zur Zeit das System Poldini in feindlicher Absicht anfliegt. es handelt sich um etwa fünfhundert Schiffe. Ist Ihnen die Aktion bekannt?« »Nein, natürlich nicht...« Es war das erste Mal, daß Barnett den Minister unsicher sah. »Es muß sich um ein kleineres selbständiges Manöver des Abschnitts IV handeln. Ich werde Großadmiral Bock sofort Befehl geben, das Schießen einzustellen. Und wenn die eigene Flotte...« Copyright 2001 by readersplanet
»Zum Glück hat bisher noch keiner geschossen. Einen Augenblick, bitte. Die Prokas verhandeln gleichzeitig auf ihrer Welle mit Poldini. Nam-Legak kommt soeben bereits und winkt. - Was ist, Nam?« Der Kugelmann brachte eine gute Nachricht. Da er sich telepathisch nicht mit Skeen verständigen konnte, machte Barnett den Dolmetscher. »Hören Sie, Skeen! Die Prokaflotte ist bereits zur Abwehr des Angriffs gestartet. Die Überraschung, daß unsere Schiffe in einer solchen Nähe der prokaskischen Zentralregierung aus dem Hyperraum auftauchten, würde also noch immer zu keinem sicheren Sieg reichen. Der Feind ist jedoch bereit, das Duell insofern anzunehmen, daß er nicht zuerst schießt. Wenn Sie einen entsprechenden Befehl an Unionsabschnitt IV geben, dürfte es auf beiden Seiten bei der Feuerbereitschaft bleiben.« »Okay! Ich werde sofort entsprechenden Befehl geben.« »Viel Glück, Skeen! Und halten Sie sich nicht mit allzu langen Erklärungen auf. Ich habe Kommandeur Bock empfehlen lassen, dieses Gespräch mitzuhören. Er dürfte also bereits darüber unterrichtet sein, daß wir auf der Cora eine diplomatische Mission erfüllen...«
* Barnetts Plan gelang. Zum ersten Mal in der tausendjährigen Geschichte des galaktischen Krieges gab es einen Waffenstillstand. Und er wurde auf eine imponierende Art und Weise demonstriert. Mehr als tausend Raumschiffe flogen in aufgelockerter Formation aufeinander zu. Prokas und Menschen hatten höchste Alarm- und Feuerbereitschaft angeordnet. Und doch fiel kein Schuß. Die Flotten prallten aufeinander. Scheinbar. Sie durchrangen sich gegenseitig. Raumkugeln schwebten zwischen Raumschiffen. Den einzelnen Soldaten mochte dieser Zustand der Ungewißheit und des mißtrauischen Wartens auf die Nerven gehen. Wie konnte der kleine Mann auch begreifen, daß es plötzlich einen Tag gab, an dem man nicht mehr auf den Feind schoß? Auf dem Bildschirm der Cora aber sah das Ganze wie ein erhebendes Wunder aus. Nach etwa einer Stunde kehrten sich beide Flotten den Rücken zu und formierten sich zum Rückflug. Die Spannung wich langsam. Sie machte einer gelösten Begeisterung Platz. »In zwölf Stunden landen wir auf Poldini II«, erklärte Nam-Legak. »Mit dieser Demonstration darf man Optimist sein. Beide Regierungen wissen nun, daß es auch ohne Schießen geht. Beide sind im Prinzip über die Grenzziehung einverstanden, indem sie nämlich den augenblicklichen Zustand des Planetenbesitzes anerkennen. Was sollen wir da noch mehr!« »Etwas trinken«, meinte Lisman lakonisch. »Ich weiß nicht, ihr Kugelfreunde, was ihr von Alkohol haltet. Ich als Mensch möchte jetzt aber dringend ein Glas auf das Wohl der Galaxis leeren ...« »Da halte ich mit«, grunzte Iks-Wol-Esak. »Skeen hat mich schon auf Terra mit diesem verdammten Zeug verführt. Es läßt sich trinken...« Cora brachte Gläser. »Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte sie. »Bis zur Landung? Keine Sorge, Kind. Für die nächsten acht Stunden geht es noch mit Autopilot. Bis dahin sollten wir getrost ein wenig plaudern.« »Ein wenig plaudern!« echote Perkins brüllend. »Das hört sich aber romantisch an. Möchtest du vielleicht ein Garn spinnen?« »Im Gegenteil! Ich will endlich einmal wissen, was ihr auf Eta erlebt habt.« »Das weißt du nicht?«
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»Nun, nicht alles. Denn die Burschen haben uns ja zum Schluß immer mehr auseinander gepflückt...« »Sie haben es nicht, sie werden es. Unser ganzes Eta-Abenteuer liegt weit in der Zukunft, falls du es jemals vergessen solltest.« »Wie gescheit du plötzlich bist. Gott sei Dank handelt es sich um eine Zukunft, die wir bereits hinter uns haben.« Sie tranken. Und Barnett wiederholte seine Aufforderung. »Also, wer erzählt eine intime Episode von Eta? Ich schlage vor, der mit der verrücktesten Story beginnt.« »Dann wäre ich wohl an der Reihe«, behauptete Praxlomza. »Du? Schieß los!« »Okay! In der City lernte ich einen etanischen Schriftsteller kennen. Der schrieb einen Roman. In zwanzig Minuten.« »Lüge!« brüllte Perkins. »Moment! In zwanzig Minuten, in meinen Dimensionen, vor meinen Augen. Er hatte eine Reihe von Behältern. So viele Behälter, wie es im etanischen Alphabet Buchstaben gibt. Und in jedem Behälter waren Tausende von gleichen Lettern. Diese flossen nacheinander in ununterbrochener Reihenfolge zu Satzspiegeln zusammen und bildeten sofort einen sinnvollen Text.« »Unglaublich! Und das bei der Dummheit der Etaner?« »Menschenskind! Du warst auf Eta und weißt nicht, was dahintersteckt? In meiner Dimension, sagte ich, sei das geschehen. Da dieser Autor aber ohne jeden Verstand arbeitete und sich dabei nur auf den Zufall stützte, der ihm dann und wann auch mal ein sinnvolles Wort oder gar ganze sinnvolle Sätze lieferte, mußte er in anderen, für mich nicht erkennbaren Dimensionen, von einer Ewigkeit zur anderen unterwegs sein und seine nervtötenden Versuche machen. Er hat demnach in der gleichen Zeit unzählige von Büchern geschrieben, die er sofort wieder einstampfen lassen konnte. Nur dieses eine war darunter mit einem gewissen Sinn.« »Ja, ja«, nickte Lavista. »Da sieht man mal, was alles durch den Zufall zustande kommen kann.« Es gab keinen in der Runde, der nicht lachte. Schließlich fragte Barnett: »Keiner da, der noch etwas Tolleres erlebt hat?« Niemand meldete sich. Und Bannister meinte resignierend: »Damit verlangst du praktisch, daß wir einer Berufsgruppe begegnet sind, die über noch verrücktere Leute verfügt. Ich fürchte, die müssen noch erfunden werden.« Ende Die Paperbackreihe mit Neuauflagen alter deutscher Science Fiction-Klassiker aus den 50ern und 60ern. Mohlberg Verlag - Hermeskeiler Str. 9 - 50935 Köln Fon 0221 / 43 80 54 Fax 0221 / 43 00 918 www.mohlberg-verlag.de
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